Lukas 15.12 Gib mir das Teil der Güter, das mir gehört, Paul Humburg

12/29/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

„Gib mir!" Das war die Sprache des jüngeren Sohnes, ut der er vor seinen Vater trat Es ist die Sprache der ganzen Menschheit, vom Sündenfall des ersten Menschen an Daher kommt all unser Leid, daß wir haben und herrschen wollen, daß wir nur an uns selbst denken Das war der Anfang aller Sunde, daß der Mensch sprach „Gib mir!" im Blick auf das, was ihm Gott versagt hatte, und daß er sich nahm, was ihm nach Gottes Willen vorenthalten war. Wir alle nehmen immerzu in alle Taschen. Das ist der innerste Trieb in all Unserer Sünde, dies vorderste Wort: Gib mir!, das Wort der Selbstsucht

„Das Teil der Guter, das mir gehört." Daher kommt so viel Zank und Streit, daß jeder es sich ausrechnet und dann ganz genau weiß, was ihm gehört, was andere ihm schuldig sind, was ihm zukommt Darüber ist schon viel Zwist in den Familien entstanden Den ganzen Tag sagt jeder zum anderen „Gib mir das Teil, das mir ge-hort Wir beschaftigen uns alle sehr gründlich mit dem, „was man verlangen kann", worauf wir bestehen müssen als auf unserem Anspruch, und wir denken so wenig über das nach, was wir anderen schuldig sind, an das Teil, das anderen gehört. Rücksichtslos fordern wir unser Teil, unser Teil an Bequemlichkeit, an Dienstleistungen der andern, an Achtung und Rücksichtnahme, an Opfern, die man für uns bringen soll Und wir versetzen uns so wenig in die Lage der andern hinein, was unser Fordern ihnen an Muhe und Entsagung auferlegt, wieviel Anspannung ihrer Kräfte, wieviel Freundlichkeit und Liebe Und ebenso vergessen wir, daran zu denken, welches das Teil ist, das i h n e n gehört, wie wir ihnen gegenüber Entgegenkommen beweisen, Liebe üben und Freundlichkeit an den Tag legen mußten Wie oft rechnet man es aus und überlegt, wer wohl den ersten Gruß schuldig ist, wer den ersten Schritt tun müßte, wer das erste Wort zu sagen hatte.

Und immer großer wird das Teil, das nach unserer Meinung uns gehört, und immer weniger denken wir an das Teil, das nach göttlichem und menschlichem Recht dem andern gehört. Gib mir! Fast unser ganzes Leben und all unser heimliches Empfinden und unsere Triebe werden regiert von diesem kurzen, scharfen, allmächtigen Kommando Gib mir! Das Ich sitzt auf dem Thron und erwartet selbstverständlich der anderen Unterwerfung.

Wie oft ist auch in den Familien, kaum daß Vater und Mutter die Augen geschlossen haben, da, wo immer Friede und Eintracht geherrscht haben, der Zank und Streit eingekehrt über mein und dein. Was man nicht für möglich, gehalten hatte, das verursacht dies eine Wörtchen: Gib mir! Auf einmal springt eine Streitfrage auf, über der man sich erhitzt, über der alte Liebe vergessen wird und gemeinsames Leid in den Hintergrund tritt Und scharf und spitz wie Schlachtschwerter ruht in den Händen eines jeden Beteiligten das Wort Gib mir!
Tief ist der Schaden und sitzt fest im Menschenherzen. Er konnte nur geheilt werden dadurch, daß Gott gab r, der einzige, der fordern konnte Gib mir!, der alles  fordern konnte und auf alles Anspruch hatte, gab sein Alles, Seinen eingeborenen Sohn, um durch Sein Geben, Seine selbstlose Liebe unser Nehmen, unsere Selbstsucht zu heilen.
„Und er teilte ihnen das Gut Wenn solch ein Verlangen auftritt, dann hilft es nichts, mit Gewalt zu wehren Ein kurzer Satz Er beschreibt wohl eine lange Geschichte Es wird eine innere Not des Vaters gewesen sein, ein Kampf, als diese Zumutung an ihn herantrat

Aber er weiß, es hat ja keinen Zweck, mit Gewalt zu halten, was ziehen will Reisende Leute muß man nicht aufhalten. Man muß sie gehen lassen. Man kann die Kinder nicht zwingen zu ihrem Gluck Sie müssen ihre Erfahrungen machen Sie müssen durch schwere Wege erst zurechtkommen. Aber in das Teil, das dem jüngsten Sohn gehörte, hat der Vater viele Gebete mit hineingegeben Er muß ihn aus seiner Hand in Gottes Hand befehlen Bring Du ihn mir zurück! Auch der himmlische Vater muß die Menschen oft gehen lassen Sie wollen es nicht anders Und mancher muß später zugeben All mein Leid, es ist das Teil, das so recht eigentlich mir gehört, das ich mir selbst erwählt habe Ich wollte es ja nicht anders. Wohl dem, der dann an dasVaterhaus denkt!                                                          Quelle Sammenkörner Heft 787