Die härteste Versuchung Elke Werner

12/27/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die härteste Versuchung 

Wer in Trübsal und Versuchung beständig und inbrünstig betet, der kämpft mit Jesu im Todeskampf wider den Teufel.Thomas von Kempen

Wissen Sie, wo ich immer wieder gute Anregungen für leckere Speisen bekomme? In einer Fastenklinik. Das mag auf den ersten Blick absurd klingen. Aber wer schon einmal in einer solchen Klinik war, weiß, dass jeder dort über das Essen spricht. Ich habe vor fast zwanzig Jahren damit begonnen, wenn möglich einmal im Jahr in diese wunderbare Fastenklinik in der Rhön zu fahren. Die ersten Jahre habe ich dort richtig gefastet, um die schädlichen Restbestände einer Chemotherapie loszuwerden und meinen Körper von den Giften zu reinigen. Mittlerweile genieße ich dort die guten Therapien und das leckere, vollwertige Essen. Doch gehöre ich zu den wenigen, die während ihres Aufenthalts Nahrung zu sich nehmen. Fast alle, die dort sind, fasten freiwillig und aus vollster Überzeugung.
Und doch wird bei jeder Mahlzeit - und das ist in der Klinik für die Fastenden morgens ein Glas Möhrensaft, mittags eine Gemüsebrühe und abends ein Tee mit einem Esslöffel Honig - mit wachsender Begeisterung über Essen gesprochen. Die besten Rezepte werden ausgetauscht, es wird an den Tischen in Erinnerungen an Lieblingsessen geschwelgt, über den letzten Braten, das letzte Stück Kuchen vor dem Fasten gesprochen, und es werden bereits Pläne gemacht, was man alles kochen wird, wenn man erst wieder zu
Hause ist. Bei meinen ersten Fastenzeiten kam ich jedes Mal mit mehreren neuen Koch- und Backbüchern bestückt nach Hause zurück, die ich mir während des Fastens genüsslich angeschaut hatte. Ich hatte von langer Hand geplant, welche neuen Rezepte ich bald schon ausprobieren würde.
Ich fahre immer noch begeistert in diese Klinik und bin überzeugt vom Fasten, auch wenn ich in den letzten Jahren das Angebot der Vollwertkost im Haus schätzen gelernt habe. Fasten kann guttun. Jesus hat vor Beginn seines öffentlichen Auftretens vierzig Tage lang gefastet. Vierzig Tage lang nichts essen? Warum tat Jesus das? Ich glaube nicht, dass Jesus versucht hat, durch vierzig Tage Fasten in der Wüste seine überflüssigen Pfunde loszuwerden. Es war ein Verzicht mit einem Ziel: ganz von Gott abhängig zu sein. Er hatte sicher nicht so große Polster wie wir gut genährten Menschen im reichen Westen. Er fastete aus geistlichen Gründen. Er wollte sich auf das Wesentliche konzentrieren, Kraft tanken für seinen schweren Auftrag, dessen Umsetzung ja noch vor ihm lag.
Jesus wird auf die Probe gestellt War Jesus stark oder schwach? Konnte er von seinen Plänen abgebracht werden, indem man ihn auf eine harte Probe stellte? Als Jesus versucht wurde, kam er direkt von seiner Taufe im Jordan, bei der der Vater im Himmel sich in aller Öffentlichkeit zu ihm gestellt hatte:

Als Jesus untergetaucht war und wieder aus dem Wasser hervorkam, war auf einmal der Himmel über ihm geöffnet. 

Er sah, wie der Geist Gottes wie eine Taube auf ihn herabkam. Gleichzeitig war eine Stimme zu hören, die aus dem Himmel ertönte: „Dieser Mensch ist mein Sohn. Ihm gilt meine ganze Liebe. An ihm habe ich meine reine Freude!" (Matthäus 3,16).
Was für ein Mut machendes und erfreuliches Erlebnis muss das • gewesen sein: Es war die erste öffentliche Bestätigung - zunächst einmal für Jesus selbst, aber dann auch gleichzeitig für die Öffentlichkeit, die dieses Ereignis miterlebte: Der Vater im Himmel, der allmächtige Gott hatte ihn gesandt. Doch dann wurde er unmittelbar von dort weg in die Wüste geführt. Dor folgten drei Versuchungen des Teufels, der ihn von seinem Weg mit Gott abbringen wollte.
Als Hungernder angreifbar
Jesus war schwach. Er hatte seit vierzig Tagen nichts mehr gegessen. Der Hunger muss ihn gequält haben. Und genau an diesem Punkt setzte der Teufel an. Er schlug Jesus vor, doch aus den Steinen um ihn herum Brot zu machen. Nichts leichter als das! Eigentlich kein Problem für Jesus. Doch er tat es nicht. Jesus war zwar geschwächt und hungrig, aber er ging nicht auf die Versuchung ein. Er bewies Stärke, indem er am Wort Gottes und seinen Verheißungen festhielt: Doch Jesus gab ihm die Antwort: „Ein Mensch kann nicht allein von Nahrung leben. In Wirklichkeit ist er ganz abhängig davon, dass Gott sein lebendig machendes Wort ausspricht" (Lukas 4,4).
Diese Versuchung war damit überwunden. Doch es ging gleich weiter.
Als Sohn Gottes herausgefordert
Nun war es nicht mehr Gottes Geist, der Jesus führte, sondern der Teufel selbst versetzte Jesus mitten in die heilige Stadt, hoch hinauf auf den Tempel und versuchte ihn dort: „Wenn du der Sohn Gottes bist, dann stürz dich doch hinunter, Denn schließlich steht im Buch Gottes: ‚Er wird seine Engel damit beauftragen, auf dich aufzupassen, Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit du ja nicht mit deinem Fuß auf einen Stein aufstößt—(Matthäus 4,5-6).
Der Teufel versuchte, Jesus mit seinen eigenen Waffen, nämlich mit dem Wort Gottes zu schlagen. Hatte Jesus sich vorher noch erfolgreich mit der Heiligen Schrift gegen den ersten Angriff gewehrt, wurde er jetzt selbst mit Gottes Wort angegriffen.
Der Umgang des Teufels mit dem Wort Gottes zeigt uns zudem, wie gefährlich es sein kann, ein einzelnes Zitat aus der Bibel herauszunehmen und es zu einer absoluten Maxime für das eigene Handeln zu erheben. Ja, es stimmt, dass Gott auf jeden Fall auf Jesus hätte aufpassen können. Ja, er hätte Engel schicken können, keine Frage. Aber Jesus wusste, dass es nicht sein Auftrag war, in diesem Augenblick seinen ersten und sicher sehr öffentlichkeitswirksamen Auftritt vor allen Menschen im Tempel zu vollziehen. Er ließ sich weder den Zeitpunkt noch sein Handeln vom Teufel vorschreiben. Trotz der anhaltenden körperlichen' Schwäche war sein Geist ganz stark. Sein Vertrauen in seinen guten Vater im Himmel zeigte sich gerade darin, dass er Gott nicht herausforderte; Er entgegnete: Du sollst auf keinen Fall versuchen, den Herrn, der ja dein Gott ist, zu irgendetwas zu zwingen (Matthäus 4,7).

Als Armer mit Reichtum gelockt
Die dritte Versuchung folgte. Der Teufel entführte ihn und zeigte ihm alles, was in unserer Welt als Reichtum bekannt ist. Alle Güter der Welt und alle Herrschaft der Königreiche. Jesus sollte dem Teufel die Ehre geben, ihn anbeten - und alles würde ihm gehören. Doch Jesus reagierte sofort und sehr stark:
„Hau ab, du Satan! Denn in Gottes Buch steht: ‚Du sollst einzig und allein den Herrn, deinen Gott, anbeten; Ihm allein sollst du deine Verehrung zukommen lassen!" Danach ließ der Zerstörer endlich Jesus in Ruhe. Stattdessen kamen die himmlischen Gottesboten zu ihm und versorgten ihn (Matthäus 4,10-11).
Jesus ergriff trotz aller körperlicher Schwäche seine göttliche Autorität und gebot dem Satan, ihn zu verlassen. Und dieser musste folgen. Hier zeigt sich endgültig, wer wirklich schwach und wer stark war in dieser Situation. Jesus war die ganze Zeit über der Stärkere und behielt die Kontrolle über die Situation, obwohl er für eine Zeit den Teufel mit seinen Versuchungen gewähren ließ. Er tat das nicht aus Ohnmacht und Schwäche, sondern um zu zeigen, dass er sich seiner Autorität und seines Auftrages sicher war. Jesus hat nicht mit dem Teufel gekämpft, um zu siegen. Sein Sieg ist in seiner Autorität und in seiner Abhängigkeit vom Vater schon gegeben gewesen. Und diese Stärke von Jesus wurde durch die Begegnung mit dem Teufel öffentlich gemacht. Dadurch wurde der Vater umso mehr verherrlicht.

Sieg in Schwachheit Nur die Wahrheit trägt den Sieg davon der Sieg der Wahrheit ist die Liebe.
Augustinus Aurelius

Sehen wir uns ein drittes Beispiel von Stärke und Schwäche bei Jesus an - seinen Leidensweg. Er saß zum letzten Mal mit seinen Jüngern, seinen Freunden, beim. Passahfest zusammen. Er hatte alles organisiert. Ein Fremder hatte einen Raum für sie alle vorbereitet. Sie aßen und hatten Gemeinschaft. Dann erklärte Jesus ihnen noch einmal, dass er bald schon von ihnen getrennt werden würde und dass er den Weg in den Tod gehen müsse. Sie verstanden die Zeichen nicht, die er il-u-ien gab, die Hinweise, dass er auf dem Weg ans Kreuz war. Jesus entlarvte beim Essen Judas, der schon beschlossen hatte, Jesus zu verraten, der aber noch wie selbstverständlich mit allen Jüngern und Jesus am Tisch saß. Er durfte bei diesem letzten Mahl dabei sein. Als er Judas das Brot reichte, gab Jesus ihm eine letzte Chance, sich von seinem Vorhaben abzukehren. Doch Judas war fest entschlossen. Jesus trug ihm daher auf, so bald wie möglich umzusetzen, was er sich vorgenommen hatte.
Als Missionare einem Volk, das noch im Dschungel lebte, diese Begebenheit erzählten, lachten alle und freuten sich. Sie feierten Judas als Helden und sahen in Jesus einen Schwächling. Warum diese merkwürdige Reaktion? Weil in ihrer Kultur jemand als stark galt, der andere überlisten konnte. Und Judas war in ihren Augen der Held, der Jesus getäuscht hatte. Erst einige Zeit später gelang es den Missionaren, ein für dieses Volk vertrautes Bild zu nutzen, um ihnen zu erklären, was Jesus für die Menschheit getan hat: das: Friedenskind.

Wenn ein Stamm mit einem anderen Frieden schlie-, ßen wollte, wurde ein Kind von jedem Stammesältes-ten in die jeweilige andere Familie gegeben, um dort groß zu werden. Jesus ist das Friedenskind, das in diese Welt kam, um den Frieden zwischen Gott und uns zu erreichen.
Doch hätten sie bei der Geschichte mit Judas genau hingesehen, hätten sie festgestellt, dass Jesus gar nicht; getäuscht oder überrascht wurde. Dass nicht Judas der Starke war, der Jesus austricksen konnte. Sondern dass Jesus selbst Herr der Lage war und blieb. Er wusste alles, was Judas vorhatte. Und er hätte die Pläne des Judas jederzeit durchkreuzen können. Aber er tat es nicht.

Als Todgeweihter voller Angst
Danach nahm Jesus drei von seinen Jüngern mit in den Garten Gethsemane. Dort brauchte Jesus dringend die seelische und moralische Unterstützung von ein paar Freunden. Er wusste genau, was ihn erwartete. Was unumkehrbar auf ihn zukam: Verhaftung, Folter, Tod am Kreuz, Verlassenheit von Gott, ein Gang durch die Hölle. Etwas entfernt von den dreien ging er im Garten auf die Knie und betete. Er rang mit Gott und bat seinen Vater im Himmel, dass der Kelch des Leidens an ihm vorübergehen möge. Er schwitzte Blut und Wasser und hatte Angst. Todesangst.
Und ausgerechnet diese seine engsten Vertrauten versagten und ließen ihn allein mit der Angst kämp fen. Mehrmals weckte er seine Freunde auf und bat sie erneut um ihre Unterstützung.. Er war wirklich schwach, voller Angst und sah mit großem Schrecken dem entgegen, was auf ihn zukam:
Dann kam er zu seinen Schülern und fand sie schlafend vor. Er sagte zu Petrus: „Seid ihr nicht in der Lage, eine Stunde mit mir wach zu bleiben? Bleibt wach und betet, damit ihr nicht in die Versuchung hineingeratet! Ja, der Geist ist Gott zugewandt, aber die menschliche Natur ist schwach!"
Noch ein zweites Mal ging er fort und betete: „Mein Vater, wenn es nicht möglich ist, dass dieser Becher an mir vorbeigeht, ohne dass ich ihn austrinke, dann still dein Wille geschehen!" (Matthäus 26,40-42).
Dennoch entschied Jesus sich dazu, Gott mehr zu gehorchen als seinen Gefühlen. Trotz allem wollte er den Weg gehen, den er vor sich sah: den Weg bis ans Kreuz. In dieser schwächsten Stunde seines Lebens, in der die Angst ihn im Griff hatte, war er ganz allein. Enttäuscht und verlassen von Menschen. Und dennoch stark genug, sich Gottes Willen anzuvertrauen. Im Ja zu seinem Weg ans Kreuz fand er die Kraft, diesen Weg auch zu gehen.

Quelle: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig Elke Werner