30 aktuelle Fragen zur Gemeinschaft am Tisch des Herrn, Rainer Fuchs

06/27/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

VORWORT 

I TRENNUNGEN UNTER CHRISTEN UND DIE FRAGE DER  TISCHGEMEINSCHAFT
1. Gemeindeströmungen und Tischgemeinschaft ............................................... 7
2. Verbindlichkeit von Versammlungsbeschlüssen? ........................................... 9
3. Handlungsanweisungen für überörtliche Beziehungen ................................ 12
4. Der Tisch des Herrn – und die Frage nach den Voraussetzungen ............... 16
5. Der Tisch des Herrn – und die Frage nach dem geistlichen Zustand ........... 19
6. Der Tisch des Herrn – und die Frage nach den „Menschentischen“ ............ 20

II DER TISCH DES HERRN – WIE KOMMT MAN „DAHIN“? 
7. Durch die Bekehrung automatisch am Tisch des Herrn? .............................. 25
8. Biblische Voraussetzungen – unbiblische Sonderkriterien? ........................ 26
9. Die „Zulassung“: ein biblisch festgelegter Prozess? .................................... 30
10. Die „Zulassung“ – und die Frage nach den verantwortlichen Personen ... 33
11. 2. Timotheus 2 in der Praxis ............................................................... 36
12. Gleiche Überzeugungen in „kirchlichen Fragen“? ..................................... 41
13. Innere Zustimmung durch äußere Teilnahme?........................................... 42
14. Private Tische – und der Tisch des Herrn ................................................. 44
15. „Tischgemeinschaft“ des Herrn Jesus mit Sündern .................................... 46
16. Gemeinschaft am Tisch des Herrn trotz einer „Bezeichnung“?

III HINDERNISSE FÜR DIE PRAKTISCHE GEMEINSCHAFT – ODER FALSCHE ANSICHTEN DER „BRÜDER“?
17. Die „Einheit des Geistes bewahren“ – wie geht das? .................................. 51
18. Einander in Liebe ertragen – grenzenlos? ................................................ 55
19. Ein „Leibchen im Leib“? ..................................................................... 56
20. Wenn die Einheit des Geistes nicht bewahrt wird: Folgen für die Tischgemeinschaft?... 59
21. Im Himmel werden alle zusammen sein – dann doch auch heute!? ........... 62
22. Der Ersatz der Leitung durch den Heiligen Geist: fundamental böse? ...... 63
23. „Gemeinschaftskreis“: biblisch begründet? ................................................ 64

IV TRENNUNGEN – NÖTIG ODER GEMACHT? ............................... 66
24. Die „Brüderbewegung“ und die Trennungen ............................................... 66
25. Die Trennung der 1990er-Jahre ..................................................................... 69
26. Frühere Trennungen prüfen ........................................................................... 72
27. Tischgemeinschaft, auch wenn die Trennung bleiben soll? ....................... 74
28. Wertschätzung für den „einen Leib“ durch Aufnahme Gläubiger aus unterschiedlichen Kreisen?.. 75
29. Getrennte Gruppierungen – dennoch alle „Bewährte“? .............................. 76
30. Eine „einladende Haltung“ gegenüber anderen Christen ........................... 77
SCHLUSSWORTE: .............................................................................. 80


„Denn wir vermögen nichts gegen die Wahrheit, sondern für die Wahrheit.“ 2. Korinther 13,8

Liebe jüngere Freunde,
Kirchengeschichte kann weit weg sein – vor allem, wenn sie uns persönlich nicht direkt betrifft. Die Entwicklung der äußeren Geschichte der Versammlung Gottes auf der Erde mögen wir sogar allgemein bedauern – wenigstens oberflächlich. Immerhin können jüngere Christen von heute ja nichts für die Irrungen und Wirrungen früherer Generationen. Dennoch müssen wir alle uns mit den Folgen auseinandersetzen. 
Die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit berühren euch nun aber selbst schmerzlich, denn es geht nicht bloß um eine theoretische Erörterung von Lehr fragen zum Thema „Gemeinschaft von Gläubigen am Tisch des Herrn“. Erneute Trennungen unter Gläubigen betreffen auch eure freundschaftlichen Beziehungen. Ihr seht euch damit konfrontiert, eine persönliche Haltung im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse zu gewinnen. Das kann ein schmerzlicher Prozess sein,
und das ist es auch.
Ich versuche, verschiedene Fragen, die mündlich oder schriftlich aufgekommen sind, zu beantworten. Dabei möchte ich mich möglichst kurzfassen und grundsätzlich nichts aus der sogenannten „Brüderliteratur“ zitieren, sondern alle Aussagen aus der Bibel begründen. Solltet ihr den Eindruck haben, dass Gesichtspunkte fehlen oder dass ich die Bibel einseitig – eventuell sogar „schubladenorientiert“ – vorstelle, dann meldet euch bitte bei mir. Es geht mir in dieser Arbeit bestimmt nicht darum, irgendeine „Richtung“ von „Brüdern“ um ihrer selbst willen zu verteidigen. Soweit ich kann, möchte ich mich in der Beantwortung der Fragen einfach auf Gottes Wort beziehen. Möge es für jeden Leser eine Hilfe sein und zu weiterem Nachdenken anregen! Jedes wahre Kind Gottes ist vor Gott verpflichtet, sein Wort als alleinigen Maßstab
anzuerkennen und anzuwenden. Dabei ist uns allerdings bewusst, dass wir alle fehlbar sind und irren können, auch wenn wir vor unserem Herrn wirklich aufrichtig und demütig sein möchten. Wir rechnen aber auch mit seiner Gnade, die uns weiterhilft und Orientierung gibt.

Ich setze bei meinen Lesern Grundkenntnisse über die neutestamentliche Lehre zum Thema „Ekklesia“ (Versammlung, Gemeinde) voraus. Demnach betont das Neue Testament die Einheit der Erlösten der Gnadenzeit. Das wird in der Lehre der Apostel dargelegt (s. 1. Kor 1,2; 4,17; 7,17; 14,33; Kol 4,16). Die Lehre wiederum führt zu einer einheitlichen Praxis sowohl in moralischen Fragen als auch hinsichtlich des örtlichen und überörtlichen Miteinanders (s. 1. Kor. 16,1; Apg. 11,27-30). 

Dazu in Widerspruch steht der heutige, in unzählige geistliche Gemeinderichtungen zerfaserte Zustand der Christenheit, der ja gerade zu solchen Fragen und Behauptungen führt, die nachstehend erörtert werden sollen. Das heutige Bild der Christenheit entspricht in der praktischen Realität jedenfalls nicht mehr der grundlegenden Wahrheit des „einen Leibes“, der in Epheser 4,4 erwähnt wird. Das dort verwendete Zahlwort „eins“ betont, dass es nur einen einzigen geistlichen Leib auf der Erde gibt, keinen zweiten oder gar mehrere. Das hat weitreichende praktische Auswirkungen. Und Gottes Anspruch diesbezüglich bleibt unverändert,
solange die Versammlung Gottes auf der Erde ist.

Es bleibt mir vorab noch zu erwähnen, dass ich für das griechische Wort „ekklesía“ vorzugsweise „Versammlung“ verwende, wie es die Elberfelder Bibel (Edition CSV
Hückeswagen, s. Hinweis im dortigen Vorwort) tut. Meine Absicht, möglichst neutral, einfach die Bezeichnung „ekklesía“ zu verwenden, habe ich aufgegeben, um nicht z. B. die Plural-Form verwenden zu müssen, die dem Leser in der Regel unbekannt sein wird. Und noch eins: Auch wenn manche Aussagen wunschgemäß recht deutlich formuliert sind, möchte ich mich nicht herabwürdigend und lieblos gegen meine Brüder wenden, die gewisse Aussagen der Bibel anders verstehen oder nun auch anders praktizieren wollen. Wir sollten unsere erste Pflicht jedoch darin sehen, die Wahrheit in Liebe festzuhalten und so unserem Herrn Jesus treu zu sein. Wir sollten Ihn und seine Ansprüche höher stellen als die praktischen, persönlichen und freundschaftlichen Beziehungen unter Gläubigen – gerade dann, wenn beide miteinander nicht vereinbar sind.

Dabei übersehe ich nicht das zum Teil gravierende Versagen in den „eigenen Reihen“. Ja, es gibt in manchen Ehen und Familien ernste Probleme. Es bestehen zum Teil jahrelang andauernde Konflikte in persönlichen Beziehungen von Glaubensgeschwistern. Und leider ist verschiedentlich ein Lebensstil zu beobachten, der ganz bestimmt nicht „gottselig“ genannt werden kann. Das alles kann und will ich nicht in Abrede stellen. Diese und andere Dinge mehr sind leider nur zu wahr! Nur ist das nicht das Thema der vorliegenden Fragenbeantwortung. Dennoch möchte ich diese Dinge vorab ehrlich nennen, damit niemand denkt, es solle auf der einen Seite „alles ganz genau genommen“ werden, während man andererseits in anderen Bereichen des praktischen Christenlebens „großzügig“ über auffälliges Versagen und
tatsächliche Sünden hinwegsehen könne. Nein, das tue ich nicht! Wir dürfen und wollen nicht für die „eigenen“ Problem Felder blind sein! Aber nochmals: Es ist nicht das Thema der vorliegenden Fragenbeantwortung. Ich beabsichtige auch nicht, das persönliche Fehlverhalten von Brüdern, das in früheren Auseinandersetzungen vorgekommen sein mag und bestimmt auch vorgekommen ist, zu untersuchen und darüber zu urteilen. Das will ich nicht. Und das ist auch nicht meine Aufgabe. – Das bitte ich beim Lesen zu beachten.

I Trennungen unter Christen und die Frage der Tischgemeinschaft

1. Gemeindeströmungen und Tischgemeinschaft

Frage: An vielen Orten gibt es christliche Glaubensgemeinschaften, die unterschiedlichen christlichen Strömungen angehören. Jede Gruppe von Christen sollte anstreben, in ihren Zusammenkünften sich „zum Namen des Herrn Jesus hin“ zu versammeln. Für die Praxis stellt sich die Frage: Können diese Gemeinschaften organisatorisch getrennt bleiben, aber alle (oder ein Teil von ihnen) als „gleichermaßen richtig“ angesehen werden, so dass eine übergemeindliche Tischgemeinschaft möglich wäre?

Kommentar: 1.1 Unterschiedliche Strömungen christlicher Glaubensgemeinschaften: positiv und bereichernd?
Die Korinther neigten zu unterschiedlichen „christlichen Strömungen“. Paulus kritisiert die bereits eingetretenen Spaltungen deutlich in 1. Korinther 1,11-13 und fragt: „Ist der Christus zerteilt?“ Die Korinther waren aus nichtigen Gründen und Streitigkeiten bereits in ihren Herzen voneinander entfremdet. Das ist mit „Spaltung“ gemeint. Es handelte sich um innerliche Abgrenzungen voneinander. Die Haarrisse waren schon da, hatten aber noch nicht zu äußeren Trennungen geführt. Vor Letzteren warnt Paulus jedoch in 1. Korinther 11,18.19: „Denn zuerst einmal, wenn ihr als Versammlung zusammenkommt, höre ich, es seien Spaltungen unter euch, und zum Teil glaube ich es. Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden.“ Parteiungen „müssen unter euch sein“:
Bedeutet das, dass ein solcher Zustand wünschenswert oder gewollt wäre?
Keineswegs! Das „müssen“ trägt vielmehr die deutliche Warnung in sich, dass der Zustand der Korinther unweigerlich darauf hinauslaufen „muss“ und auch würde, wenn sie wie bisher weitermachten! Dann würden sie in voneinander getrennte Gruppen zerfallen und es würden – nehmen wir für unsere Erörterung einmal an – vier „Gemeinderichtungen“ entstehen, die ihre Identität von den Namen unterschiedlicher „Führungspersonen“ ableiteten, indem sie sich dadurch von allen anderen abgrenzten. Diese vier „Richtungen“ werden in Form von vier
Personennamen in 1. Korinther 1,12 erwähnt. Wäre diese Zerteilung eine Bereicherung für die Gläubigen in Korinth? Ganz bestimmt nicht! 

1.2 Die „Bewährten“: ein exklusiver Anspruch bei sektiererischer Abgrenzung von
den christlichen Gemeinschaften?
Was ist nun von den in Kapitel 11,19 erwähnten „Bewährten“ zu halten? Stellen sie etwa eine fünfte oder zusätzliche Gemeinderichtung dar? Nein, sie halten sich von allen spalterischen Verhaltensweisen und menschlichen Machenschaften fern, die zu Trennungen unter Brüdern führen. Sollten sich durch einen offenen Bruch die erwähnten vier Parteiungen bilden, werden die Bewährten einfach bei dem bleiben, „was von Anfang an war“. Sie werden einfach weiterhin zum Namen des Herrn Jesus hin versammelt sein, so dass Er nach seiner Verheißung in ihrer Mitte (s. Mt 18,20)
ist. Sie dürfen mit seiner Zustimmung rechnen. Deshalb nennt Paulus sie „die Bewährten“. Diese anerkennende Bezeichnung heften sie sich nicht etwa selbst an! Es mag zwar äußerlich scheinen, als gäbe es dann fünf Gemeinderichtungen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: Die „Bewährten“ stellen keine (weitere) Richtung dar, die von Menschen verursacht worden ist. Sie sind keine Parteiung (oder: Sekte), weil sie einfach auf der Grundlage bleiben, auf der der Herr Jesus alle seine Erlösten versammelt sehen möchte. Diese Grundlage, die der Herr Jesus für alle seine Erlösten als die einzige von Ihm erlaubte und verbindliche festgelegt hat, kann man ja unmöglich eine Parteiung nennen! Die vier neu gebildeten Gruppen in Korinth tun hingegen etwas Abweichendes – obwohl Paulus bei keiner von ihnen „fundamentale Irrlehre“ kritisiert oder auch nur erwähnt. Dazu später mehr. 
1.3 Getrennte Parteiungen – und dennoch Tischgemeinschaft?
Die bloße Existenz verschiedener Gemeinderichtungen ist in der Tat fundamental falsch. Das wird in 1. Korinther 11,19 in Verbindung mit 1. Korinther 1,10 deutlich. Der Geist Gottes ermahnt die Korinther durch den Apostel Paulus dazu, die Spaltungen (s. 1. Kor 1,10) schnellstens durch Buße und Umkehr zu überwinden, damit „ihr alle dasselbe redet und nicht Spaltungen unter euch seien, sondern dass ihr in demselben Sinn und in derselben Meinung vollendet seiet“. Andernfalls war es nicht verwunderlich, wenn die Spaltungen zu Parteiungen ausreiften (s. 1. Kor 11,19). 
Die Ermahnung lautet nicht: „Wenn ihr schon Spaltungen und innere Entzweiungen habt, dann geht bitte brüderlich miteinander um, akzeptiert einfach einander und seid tolerant; Hauptsache ‚Liebe’“.
Wir mögen uns fragen, was Paulus nach einem Zerfall in verschiedene Gemeinderichtungen (wie später geschehen) zu dem Vorschlag gesagt hätte, man könne dennoch wechselseitige oder besuchsweise Tischgemeinschaft pflegen, solange keine „fundamentale Irrlehre“ bei der entsprechenden Parteiung vorlag. Der Apostel erörtert diese Möglichkeit naturgemäß nicht, da es zu Lebzeiten des Apostels durch die Gnade Gottes noch nicht zum Zerbrechen in Parteiungen kam. Wir können jedoch sicher sein: Wenn sich bereits in den Spaltungstendenzen in
Korinth abgezeichnet hätte, dass damit „fundamentale Irrlehre“ hinsichtlich der Person und des Werkes des Herrn Jesus zusammenhing, dann hätte Paulus das sofort aufgegriffen und dagegen Stellung bezogen, so wie er es im Galaterbrief vehement tut.

Solche oder in ähnlicher Weise formulierte Vorschläge, nämlich echselseitige Tischgemeinschaft zwischen getrennt etablierten Gemeinderichtungen, entspringen menschlichen Überlegungen. Nicht um andere zu beschämen, schreibe ich das. Viele mögen in der Tat unwissend sein und in bester Absicht auf diese Weise versuchen wollen, etwas „mehr Einheit des Leibes Christi“ zu verwirklichen. Dennoch ist zu befürchten, dass solche Vorschläge auch eigenwilligen Beweggründen entspringen können, um die verfestigte Problemlage getrennter Geschwister für sich persönlich erträglich zu gestalten. Nur Einer ist der Herzenskenner, Ihm überlassen wir das Urteil. Dennoch übersehen wir nicht blauäugig, wo sich die Früchte des Fleisches zeigen.

Fazit: Zu Lebzeiten der Apostel verhinderte Gott in seiner Gnade durch das Wirken der Apostel, dass noch keine verschiedenen Parteiungen von Gläubigen entstanden. Deshalb sagt das Neue Testament nichts über eine prinzipielle, wechselseitige Tischgemeinschaft über „Gemeindegrenzen“ hinweg. Jedenfalls kann sie aus dem Neuen Testament nicht begründet werden. Es ist vielmehr der besondere Zweck des 1. Korintherbriefes, uns die von Gott festgelegten Ordnungen und Verhältnisse in seiner Versammlung darzulegen. Das bedeutete für den oben beschriebenen Missstand in Korinth: Buße und Umkehr, so dass alle wieder die vom Herrn gegebenen Grundsätze über seine Versammlung „in demselben Sinn“ bejahen und „in derselben Meinung völlig zusammengefügt“ sind – aber ganz bestimmt nicht getrennt bleiben! Wenn die Korinther diesen Weg beschritten – und wenn die Gläubigen heute diesen Weg beschreiten –, braucht man keine Begründungen und Konzepte mehr für die wechselseitige Tischgemeinschaft über „Gemeindegrenzen“ hinweg – ganz einfach deshalb, weil es diese dann nicht mehr geben würde! 
Übrigens: Die ersten „Brüder“ haben meines Erachtens gerade in diesem Sinn gehandelt.

2. Verbindlichkeit von Versammlungsbeschlüssen?

Frage: Sind Versammlungsbeschlüsse verbindlich und müssen daher anerkannt werden?
Kommentar: 2.1 Um was für einen Beschluss geht es?
In Matthäus 18,18 erläutert unser Herr Jesus, dass die örtliche Versammlung eine besondere Verantwortung trägt, nämlich das Binden der Sünde an eine Person, die in einem bösen Zustand lebt. Und sie ist auch dafür verantwortlich, die Sünde von einer Person zu lösen, die durch die Gnade Gottes zur Buße gekommen und geistlich wiederhergestellt worden ist. Die Verantwortung der örtlichen Versammlung ist dabei auf solche Christen beschränkt, die zu der örtlichen Versammlung gerechnet werden. Eine örtliche Versammlung hat weder die Verantwortung noch das Recht, anstelle einer anderen örtlichen Versammlung aktiv zu werden und an deren Stelle etwas zu beschließen.
„Wahrlich, ich sage euch: Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein.“ Das ist natürlich kein Freibrief, nach eigenen Ideen binden oder lösen zu dürfen. Die örtliche Versammlung sollte gerade in einer solchen Situation fühlen, wie sehr sie auf die Hilfe Gottes angewiesen ist. Sie sucht diese daher im Gebet (s. V. 19), damit sein Wille geschieht, „wie im Himmel so auch auf der Erde“
(Mt 6,10). Dabei erkennt die örtliche Versammlung den Willen Gottes aus dem Wort Gottes an und kommt so zu einem Urteil, dessen Umsetzung im Himmel anerkannt wird – im negativen (binden) wie im positiven (lösen) Fall. Da die Versammlung in Vertretung des nicht sichtbar anwesenden Herrn in ihrer Mitte handelt, trägt ihr Beschluss die Autorität des Herrn Jesus. Manchmal wird gesagt, dass die örtliche Versammlung Autorität habe, bzw. die höchste Autorität auf der Erde darstelle. Ohne solche Formulierungen in Abrede zu stellen, dürfen sie nicht die Tatsache verdrängen, dass es sich dabei um eine abgeleitete, oder anders ausgedrückt, eine
übertragene Autorität handelt. Die eigentliche Quelle der Autorität ist und bleibt der Herr Jesus selbst. Wenn die Versammlung aber in Übereinstimmung mit Ihm handelt, dann trägt das, was sie tut, seinen „Stempel“ der Zustimmung. 

(2.2) Wo überall gilt dieser Beschluss?
Die Antwort ergibt sich aus der Tatsache, dass die örtliche Versammlung übereinstimmend mit Christus, dem Haupt des Leibes, handelt und dabei den im Wort Gottes offenbarten moralischen Willen Gottes umsetzt. Zum einen: „Fegt den alten Sauerteig aus“ (1. Kor 5,7). Das bedeutet den Ausschluss (oder das Hinaustun) aus der christlichen Gemeinschaft. Zum anderen aber auch: „…so dass ihr im Gegenteil viel mehr vergeben und ermuntern solltet“ (2. Kor 2,7). Damit ist die
Wiederzulassung (oder Wiederaufnahme) in die christliche Gemeinschaft gemeint.
Jedes Glied des Leibes Christi, das Christus als das Haupt des Leibes anerkennt, hat auch das mit dem Haupt übereinstimmende Urteil der örtlichen Versammlung anzuerkennen. Andernfalls missachtet ein Gläubiger persönlich, oder eine ganze örtliche Gruppe von Christen gemeinsam, das Haupt und dessen Willen. 
Übrigens: Obwohl Paulus Apostel war, erkannte er als Einzelperson selbstverständlich die Entscheidung der örtlichen Versammlung von Korinth an. Er behandelte den Ausgeschlossenen, von dessen Wiederherstellung er völlig überzeugt war, erst dann wieder als einen Bruder, als die Korinther ihm vergeben hatten: „Wem ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergeben, wenn ich etwas vergeben habe, habe ich um euretwillen vergeben in der Person Christi“ (2. Kor 2,10). In diesem Zitat stellt Paulus die Vergebung der Korinther der seinen sogar voran, und das, obwohl er Apostel war, während sie sich in einem schlechten geistlichen Zustand befanden. Wie konnte Paulus da nur auf den Akt der Vergebung durch die Korinther warten und sein Verhalten davon abhängig machen? Weil er nicht unabhängig von der Versammlung in Korinth handelte! Wenn sogar ein Apostel nicht unabhängig von einer fleischlichen Versammlung handelte, wer gibt uns heute das Recht dazu, uns über administrative Handlungen einer örtlichen Versammlung hinwegzusetzen?

(2.3) Ist die örtliche Versammlung unfehlbar?
Versammlungsbeschlüsse sind zwar grundsätzlich verbindlich, aber sie können tatsächlich falsch sein. Einen falschen Beschluss erkennt der Himmel im absoluten Sinn natürlich nicht an.
Stellen wir uns einmal folgende Frage: Können nicht auch Geschwister von anderen Orten in ihrer Meinung ganz falschliegen, wenn sie den Beschluss einer örtlichen Versammlung als falsch bezeichnen? Ist das nicht sogar wahrscheinlicher, da die Informationen an dem handelnden Ort in der Regel von höherer Qualität und verlässlicher sind als das, was man aus der Ferne zu wissen glaubt? 

Wie können wir jedoch Klarheit bekommen?
Es war falsch, dass die Korinther den Hurer nicht hinausgetan hatten. Ja, sie hatten noch nicht einmal Leid darüber getragen, dass so eine üble Sache unter ihnen geschehen war (s. 1. Kor 5,2). In dieser Situation stimmten sie nicht mit Christus, dem Haupt des Leibes, überein. Sie hatten kein Empfinden für die Heiligkeit, die dem Haus Gottes geziemt (s. Ps 93,5; Hes 43,12). „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? … denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (1. Kor 3,16.17).
Nun, die Korinther hatten ja gar keinen Versammlungsbeschluss getroffen, um den Bösen hinauszutun. Und das war falsch! Wir merken: Die örtliche Versammlung ist in zwei Richtungen fehlbar. Sie kann etwas beschließen, das falsch ist. Sie kann aber auch gar nichts beschließen, und es ist ebenfalls falsch. Nicht nur ein Beschluss kann falsch sein – auch „kein Beschluss“ kann falsch sein.

Wie reagierte der Herr im Fall der Korinther? Er benutzte den überörtlich dienenden Bruder und Apostel Paulus, um sie zweimal auf ihre Mängel aufmerksam zu machen. Zunächst mussten sie übereinstimmend mit der Heiligkeit Gottes (s. 1. Kor 5,13) und ein weiteres Mal gemäß der Barmherzigkeit Gottes handeln (s. 2. Kor 2,10). Paulus sprach den Korinthern zwar nicht ab, als Versammlung Gottes zusammenzukommen, er ermahnte sie aber sehr deutlich, ihrer Verantwortung vor Gott gerecht zu werden. Wenngleich sie bisher noch nicht darüber belehrt waren, wie sie mit dem aufgetretenen Bösen verfahren sollten, hätten sie doch wenigstens Leid tragen müssen und damit ihre innere Beugung vor Gott zeigen sollen. Er wünschte, dass sie ihren Mangel erkennen würden, und dann recht vor Gott handelten. Hätten sie das nicht getan, wäre er „mit der Rute gekommen“ (s. 1. Kor 4,21) und würde nicht mehr schonen (s. 2. Kor 13,2c).

(2.4) Was ist in zweifelhaften Fällen zu tun?
Bei ernsthaften Bedenken wenden sich Brüder einer anderen örtlichen Versammlung an solche Geschwister, die einen fragwürdigen Beschluss gefasst haben. Das geschieht als ein Dienst der Liebe und in wechselseitiger Verantwortung vor dem Herrn, weil wir alle Glieder seines Leibes sind. Es ist uns bewusst, dass „das Haupt des Leibes, der Versammlung“ (Kol 1,18) nur einen einzigen Willen in der fraglichen Angelegenheit haben kann. Sollte sich der Beschluss als tatsächlich falsch erweisen, versuchen die Brüder, durch Hinweise aus dem Wort und mit liebevoller Ermahnung die Gedanken des Herrn vorzustellen, damit die örtliche Versammlung dann selbst vor dem Herrn die notwendige Korrektur vornimmt. Das wäre dann ein schöner
Beweis dafür, wie die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens bewahrt wird (s. Eph 4,3).

Die Gnade ermahnt – und sie lässt Raum zur Buße. Der Herr hat Geduld, bevor Er den „Leuchter wegrückt“ (Off 2,5b) und eine örtliche Gruppe von Gläubigen nicht mehr als ein Zeugnis für Ihn anerkennen kann. Stellt sich allerdings heraus, „sie will nicht Buße tun“ (Off 2,21), dann folgt Gericht. Die Geduld des Herrn mit örtlichen Versammlungen war zur Zeit der Apostel noch nicht erschöpft. Er bewirkte durch das Eingreifen der Apostel und deren Korrektur, dass das Bild von dem einen geistlichen Leib sowohl örtlich als auch überörtlich in der Praxis erhalten blieb. Eine örtliche Versammlung, die bewusst gegen den Herrn handelt und sein Wort missachtet, kann
auf Dauer nicht mehr als ein Zusammenkommen auf der Grundlage des Wortes Gottes anerkannt werden. Sie hat sich aus dem Rahmen, den der Herr Jesus für die Gemeinschaft an seinem Tisch festgelegt hat, hinausbewegt, da sie in erkennbarem Widerspruch zum Herrn bleiben will. Eine solche Haltung akzeptiert der Herr niemals – dürfen wir es dann? Wohl kaum! Denn in den Fällen, in denen die praktizierte Gemeinschaft unsere persönliche Treue dem Herrn Jesus gegenüber infrage stellt, erwartet Er, dass wir uns wegreinigen (s. dazu Frage (11)).

3. Handlungsanweisungen für überörtliche Beziehungen

Frage: Wo bietet die Bibel eine Handlungsanweisung für die überörtlichen Beziehungen von Versammlungen? Der Herr sieht doch jede örtliche Versammlung als voneinander losgelöst und somit individuell an, wie man aus Offenbarung 2 und 3 entnehmen kann.
Kommentar:
(3.1) Handlungsanweisungen für überörtliche Beziehungen von Versammlungen.
In Römer 16,1.2 lesen wir: „Ich empfehle euch aber Phöbe, unsere Schwester, die auch eine Dienerin der Versammlung in Kenchreä ist, damit ihr sie in dem Herrn, der Heiligen würdig, aufnehmt und ihr beisteht, in welcher Sache irgend sie euch nötig hat; denn auch sie ist vielen ein Beistand gewesen, auch mir selbst.“ (Hervorhebung durch mich).
Hier finden wir gleich zwei Handlungsanweisungen: Die Gläubigen in Rom werden angewiesen, (I) Phöbe aufzunehmen und (II) ihr in jeder Sache beizustehen. Zu (I): Paulus spricht für diese Schwester eine Empfehlung aus. Es handelt sich dabei keineswegs um eine unverbindliche Empfehlung. Paulus verbindet diese mit Handlungsanweisungen.

Er wusste ja, dass die Gläubigen der Versammlung in Rom auf der biblischen Grundlage des einen Leibes zum Namen des Herrn hin versammelt waren. Phöbe war ein Glied des weltweiten, einen Leibes Christi und gehörte bisher zur örtlichen Versammlung in Kenchreä. Außerdem erwähnt der Apostel lobend ihren Dienst für die örtliche Versammlung und ihre Hilfestellungen für ihn selbst. Dieses Zeugnis „musste“ für die Versammlung in Rom genügen, diese Schwester ohne weitere Fragen in die christliche Gemeinschaft der örtlichen Versammlung aufzunehmen. Die Geschwister in Rom nahmen Phöbe als eine Schwester im Herrn daher in das Band der geschwisterlichen Liebe am Ort auf. Die Empfehlung seitens Paulus’ ist nicht im Besonderen für die Teilnahme am Brotbrechen gedacht oder darauf beschränkt! Phöbe bekam kein „Extra-Dokument“ für die Teilnahme am Brotbrechen mit. 

Denn die Empfehlung für die Aufnahme in die „allgemeine“ christliche Gemeinschaft enthielt, dass Phöbe in Rom ebenso am Brotbrechen teilnahm wie in Kenchreä oder in Korinth. Wenn Paulus die Schwester Phöbe der Versammlung in Rom empfahl, dann tat er das in Übereinstimmung mit der lehrmäßigen, biblischen Grundlage, die ja gerade er als Apostel in seinem besonderen Dienst gelegt hatte! Es gibt eben nur eine einzige lehrmäßige Grundlage für Gläubige, um übereinstimmend mit dem Willen des Herrn zu Ihm hin versammelt zu sein. „… aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist“ (Eph 2,20).
Weil die Versammlung in Rom auf derselben lehrmäßigen Grundlage versammelt war, galt die schriftliche Empfehlung für Phöbe auch in Rom – und zwar verbindlich, ohne Einschränkungen! Das ist ein praktischer Beweis für Handlungsanweisungen hinsichtlich der überörtlichen Beziehungen von Versammlungen – in diesem Fall Kenchreä und Rom.
Wir haben es hier mit einer Handlungsanweisung hinsichtlich der Verwaltung der Versammlung zu tun, nämlich des Anerkennens oder Nicht-Anerkennens von Personen. Die Versammlung in Rom prüfte nicht selbständig noch einmal, ob das Urteil über Phöbe rechtens sei. Die Versammlung in Rom sagte nicht etwa: „Wir sind nur dem Haupt gegenüber verantwortlich, niemandem sonst. Daher prüfen wir ergebnisoffen selbst noch einmal.“ Sie erkannte den Empfehlungsbrief einfach an.
Das ist in der Tat ein weiterer Ausdruck der überörtlichen Beziehung. Und darum geht es auch heute! Ich komme einem möglichen Einwand zuvor, der so oder so ähnlich lauten könnte: „Römer 16,1.2 ist heute nicht mehr anwendbar, weil es sich um eine einmalige
Situation handelte, und keiner von uns heute ein Apostel ist.“
Diese Frage beantwortet Gottes Wort in 2. Korinther 3,1: „Fangen wir wieder an, uns selbst zu empfehlen? Oder benötigen wir etwa, wie einige, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch?“ Demzufolge brauchten einige Gläubige Empfehlungsbriefe, wenn sie nach Korinth kamen und in die „allgemeine“ christliche Gemeinschaft aufgenommen werden wollten, die auch die Gemeinschaft am Tisch des Herrn einschloss. Es handelte sich dabei um solche Gläubige, die den dortigen Geschwistern unbekannt waren. Von wem wurden die Empfehlungsbriefe ausgestellt?
Ganz bestimmt nicht in dem (nicht vorhandenen) Zentralbüro von Paulus oder den übrigen Aposteln. Es wird zwar nicht genau gesagt: Aber wer anders als die „Heimatversammlung“ sollte solche örtlichen Geschwister besser kennen und durch die gelebte Gemeinschaft mit ihnen befähigter sein, ein Zeugnis über sie zu geben und sie den Gläubigen an einem anderen Ort zu empfehlen?
Paulus aber und seine Mitarbeiter, die in Korinth bestens bekannt waren (s. 2. Kor 8,23), brauchten ganz bestimmt keinen Empfehlungsbrief mehr für Korinth, wenn sie dort erneut einen Besuch machten. Zu (II): Die zweite Handlungsanweisung bezieht sich auf die praktische Unterstützung für Phöbe, egal in welcher Angelegenheit sie Hilfe brauchte. Die Gläubigen
in Rom, die einen Teil der Glieder des weltweiten Leibes Christi ausmachten, sollten somit einem neu ankommenden Glied behilflich sein, das zu demselben weltweiten Leib Christi gehörte. Weil Phöbe und die Gläubigen in Rom (und viele Gläubigen andernorts) unabhängig vom Wohnort zu dem einen Leib Christi gehörten, hatten die Geschwister in Rom die moralische Pflicht und Verantwortung, Phöbe beizustehen. Die praktische Handlungsanweisung des Apostels ist die natürliche Konsequenz aus dem Bild von dem „einen Leib“.

(3.2) Voneinander losgelöste örtliche Versammlungen in Offenbarung 2 und 3? 
Wir haben unter (3.1) bereits gesehen, dass die Lehre des Apostels Paulus die Verbindung zwischen den überörtlichen Versammlungen in Lehre und Praxis betont. Stehen die Apostel Johannes und Paulus im Widerspruch zueinander? Sicherlich nicht! Der Herr hatte zwar das „Geheimnis des Christus“ den heiligen Aposteln und Propheten offenbart (s. Eph 3,5). Sie kannten also diesen Aspekt der neutestamentlichen Wahrheit. Aber kein anderer Apostel als nur der Apostel Paulus war vom Herrn mit dem Dienst beauftragt, diese neutestamentliche Wahrheit zu verwalten, das heißt, sie mündlich zu verkündigen und schriftlich niederzulegen: „wenn ihr nämlich gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist – wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, woran ihr beim Lesen mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus wahrnehmen könnt –“ (Eph 3,2-4).
Und an die Kolosser schreibt Paulus hinsichtlich der Versammlung, „deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden“ (Kol 1,25). Paulus hat das Wort Gottes vollendet, obwohl Johannes Jahrzehnte später die „Offenbarung“ schrieb. Und in der Tat: Mit „Christus und seine Versammlung“ hat Gott das Panorama thematisch vollendet, das Er uns in der Bibel geben wollte. Das war das letzte Thema, das noch etwas grundsätzlich Neues darstellte. Der prophetische Rahmen, den wir in der Offenbarung finden, war durch die Propheten des Alten Testaments längst gespannt
worden. In diesem Rahmen bewegt sich Johannes in der Offenbarung Jesu Christi, wenn er über das schreibt, was „bald geschehen muss“. Die Offenbarung ist ein prophetisches Buch, das keinesfalls die Absicht verfolgt, uns die Ordnung im Haus Gottes oder die Einheit des Leibes Christi zu vermitteln. Es ist das Anliegen des verherrlichten Herrn, den sieben genannten Versammlungen ihren moralischen Zustand vorzustellen und (in der Regel) zur Buße aufzufordern, sowie die Überwinder zu ermutigen.

In diesen beiden Kapiteln wird weder die Unabhängigkeit der örtlichen Versammlungen gelehrt noch die Möglichkeit einer wechselseitigen Tischgemeinschaft eröffnet. Trotzdem kann man sich die Frage stellen, warum Philadelphia nicht aufgefordert wird, die Gemeinschaft mit den übrigen Versammlungen (außer mit Smyrna) aufzukündigen. Ist die praktizierte Gemeinschaft unter Christen eben doch wichtiger als die Tatsache, dass man dafür „ungute Dinge“ in Kauf nimmt? Um es noch deutlicher zu formulieren: In Thyatira gab es nicht nur schreckliche
Ungerechtigkeit in Form von Hurerei und Götzendienst, zu der die „Knechte des Herrn“ sogar verführt wurden. Alle Bemühungen des Herrn selbst (!), Thyatira zur Buße zur führen, waren fehlgeschlagen! „Und ich gab ihr Zeit, damit sie Buße tue, und sie will nicht Buße tun von ihrer Hurerei“ (Off 2,21). Dennoch fordert der Herr, der als Richter (nicht als Heiland seines Leibes) inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt, weder die Versammlung in Smyrna noch die Versammlung in Philadelphia dazu auf, sich von Thyatira zu trennen?!? Allerhand, nicht wahr?

Wir finden beim Vergleich dieser Versammlungen die krassesten geistlich  moralischenUnterschiede, die man sich vorstellen kann: Auf der einen Seite sehen wir, dass in
Smyrna das Blut christlicher Märtyrer fließt, und finden in Philadelphia beste Herzenshingabe der Liebe und Wertschätzung dem Herrn Jesus gegenüber. Und dann ist da auf der anderen Seite die Versammlung in Thyatira, in der sogar derartige Sünden systemimmanent sind und geradezu gefördert wurden, die beim sogenannten Apostelkonzil in Apostelgeschichte 15,20 als die beiden Sünden erwähnt werden, die die Aufzählung der „black list“ anführen (!): „… sondern ihnen schreibe, dass sie sich enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Hurerei und vom Erstickten und vom Blut.“

Nun wird behauptet, zwischen den Versammlungen in Smyrna und Thyatira bliebe dennoch die volle Tischgemeinschaft bestehen. Die geistlich-moralischen Unterschiede seien kein Hinderungsgrund für die Abendmahls-Gemeinschaft zwischen diesen Versammlungen. Ansonsten hätte der Herr Jesus, der in diesen Kapiteln ja gerade als Richter urteilt, das ganz bestimmt deutlich mitgeteilt! Und nun bitte ich euch, scharf mitzudenken:
(1) Wenn obige Behauptung stimmt, dann können wir heute praktisch mit allem, was sich „christlich“ nennt, Gemeinschaft beim Abendmahl pflegen. Ein schlechterer Zustand einer Gemeinde wie der der Gläubigen in Thyatira oder in Laodizea ist kaum denkbar. Dann kann man alle Bedenken im Hinblick auf geradezu gotteslästerliche Lehren und Praktiken (Götzendienst und Hurerei) getrost abtun und Gemeinschaft pflegen.
(2) Das hätte zur Folge, dass die Teilnahme an dem Gottesdienst der großen Kirche des Mittelalters für Gläubige „von Philadelphia“ unbedenklich wäre. Die römischkatholische
Messe wäre in einer Praxis der wechselseitigen Tischgemeinschaft möglich. Das ginge einen gewaltigen Schritt weiter als der Stand der Entwicklung, den die ökumenische Bewegung bisher überhaupt erreicht hat! Und: Diese Tischgemeinschaft wäre sogar Pflicht! Denn wenn der Herr Jesus den „Kreis der Gemeinschaft“ nicht einschränkt, wer hätte dann das Recht, eigenmächtig doch Grenzen zu ziehen? Oder darf etwa jeder für sich selbst entscheiden, „wie weit“ er
gehen möchte?
(3) Kann Gottes Wort im Widerspruch zu sich selbst stehen? Sicherlich nicht. Welche Bedeutung hat dann die Aufforderung in 2. Timotheus 2,19? „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!“ Sind die „Lehre Bileams, Hurerei und Götzendienst“ denn keine Ungerechtigkeit? Wenn ja, woher wollten wir dann den Mut nehmen, mit solchen Christen oder christlichen Gemeinden Abendmahls- Gemeinschaft zu haben, die an solchen Lehren und Praktiken festhalten?
Wir halten im Ergebnis fest: Wenn der Herr Jesus in Offenbarung 2 und 3 nicht „zur Aufkündigung der Abendmahls-Gemeinschaft“ auffordert, kann daraus wohl kaum das Gegenteil abgeleitet werden. Meines Erachtens kann man bestenfalls feststellen: Die Sendschreiben beabsichtigen nicht, diese Fragestellung zu behandeln und zu beantworten.

4. Der Tisch des Herrn – und die Frage nach den Voraussetzungen

Frage: Bleibt der Tisch des Herrn bei den verschiedenen christlichen Gruppen vorhanden, die aufgrund menschlich verursachter Trennungen entstanden sind, wenn in diesen Gruppen jedenfalls der wahre Gott angebetet wird und eine Reihe christlicher Grundwahrheiten festgehalten wird?
Kommentar:
In Anschluss an unsere Erörterung der Frage (1) schauen wir uns die Situation im damaligen Korinth noch ein wenig genauer an. Paulus schreibt in 1. Korinther 11,19: „Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden.“ Er skizziert einen möglichen, zukünftigen Zustand (der im Verlauf der Kirchengeschichte leider tausendfach bittere Wirklichkeit geworden ist!), in dem sich in Korinth verschiedene christliche Gruppen bilden würden. Der Anlass dazu musste nicht unbedingt der schon in Kapitel 1 erwähnte sein. Auch soziale Unterschiede könnten der Anlass für eine Trennung werden, worauf die von Paulus kritisierten Verhältnisse in Kapitel 11,21.22 hinweisen mögen. Neben diesen
Parteiungen, deren Vorstufe in Form von „Spaltungen“ bereits bestand, würden Gläubigen „übrig bleiben“, die sich weiterhin einfach in der ursprünglichen Weise zum Namen des Herrn hin versammeln und „Bewährte“ genannt werden. Wenden wir nun die obige Frage auf diese Szenerie an: Befand sich der Tisch des Herrn, wenn Menschen Trennungen gemachten hatten, in mehreren christlichen Gruppen? Immerhin lag (in diesem zukünftigen und daher aus damaliger Sicht noch fiktiven Zustand) in keiner der vier getrennten Geschwistergruppen (um bei dem Beispiel von Kap. 1 zu bleiben) Irrlehre vor. 

Eine Trennung in verschiedene Gruppen von Brüdern setzt also nicht automatisch das Vorhandensein von Irrlehre voraus. Dieser wäre Paulus sicher auch sofort entgegengetreten. In allen vier Gruppen würde durchaus weiter der wahre Gott angebetet und an „einer Reihe christlicher Grundwahrheiten“
festgehalten werden. Ein Abweichen von diesen stand gar nicht zur Debatte, und das erwähnt Paulus auch nicht in 1. Korinther 1,12. Es ging also nicht um die Frage eines falschen oder wahren Gottes oder die Duldung von Irrlehre oder sexueller Unmoral. Wo befände sich dann der Tisch des Herrn? Nur bei einer Gruppe oder bei jeder dieser vier Gruppen?
Dass der Tisch des Herrn weiterhin bei den Bewährten sein würde, dürfte unstrittig sein. Ob jedoch der Tisch des Herrn zu „entsprechenden Anteilen“ in einige oder alle vier der nun getrennten Brüdergruppen „umziehen würde“?
Liebe Freunde, schon allein das oben beschriebene, damals realitätsnahe Szenario muss uns mehr als zu denken geben! Aber gerade darum geht es ja in der Frage! Und nicht wenige wahre Kinder Gottes, die persönlich den Herrn Jesus aufrichtig lieben und Ihm dienen, sind geneigt, zu behaupten, der Tisch des Herrn befinde sich gleichermaßen bei Gruppen unterschiedlicher christlicher Gemeinderichtungen. Dann muss er also zum Zeitpunkt der Trennung „mit umgezogen“ sein, vorausgesetzt, in der jeweiligen Gruppe „betet man den wahren Gott an und hält an einer Reihe
christlicher Grundwahrheiten fest“. Unter der Voraussetzung, dass der Tisch des Herrn bei solchen Trennungen in verschiedene christliche Richtungen „mit umgezogen“ sei, erlaubt man sich dann wechselseitige Teilnahme in verschiedenen christlichen Gruppen. Dabei sollen die Trennungsmauern zwischen den verschiedenartigen Gruppen allerdings aufrechterhalten bleiben, anstatt sie in gemeinsamer Beugung vor dem Herrn niederzureißen und auf der Grundlage der biblischen Lehre eine wahrhaft „barrierefreie“ Gemeinschaft zu pflegen, die Gottes Zustimmung findet. 
Als Maxime gilt stattdessen: „Nur nichts daran ändern! Hauptsache: Tischgemeinschaft! Mehr „Einheit des Leibes Christi“ leben!“ (Hmmm …:
Entschuldigt bitte die deutliche Ausformulierung dessen, was in manchen Köpfen steckt und viele Herzen bewegt.)
Lasst uns nun versuchen, einen Blick „von oben“ auf diese Szenerie zu werfen. Mal grundsätzlich: „Bei wem“ oder „wo“ ist denn eigentlich der Tisch des Herrn? Um es vorwegzunehmen: Beim Herrn! Das heißt: auf der Erde da, wo Er der Mittelpunkt der von Ihm gestifteten Gemeinschaft ist! Denn es ist sein Tisch! Und an diesem Tisch gelten für die Gemeinschaft mit Ihm und untereinander die Leitlinien, die der Herr Jesus festgelegt hat. Und zwar Er ganz allein. Und zu 100 Prozent. Wer diese Leitlinien akzeptiert, der hat an seinem Tisch Gemeinschaft mit Ihm angesichts seines ewig-großen Werkes am Kreuz. Da stellt sich zunächst gar nicht die Frage, wo der Tisch des Herrn ist. Es stellt sich vielmehr die Frage: Bin ich oder sind wir am Tisch des Herrn? Wir haben gar keine andere Wahl: Entweder sind wir da, wo der Herr ist, oder wir praktizieren etwas anderes, das davon abweicht. 

Damit verlässt man automatisch die Grundlage oder den Rahmen, den der Herr für seinen Tisch definiert hat. Die Folge ist: An einem selbst definierten oder von Menschen „angepassten“ Tisch ist weder der Herr, noch ist das überhaupt sein Tisch. Ich sage nicht, dass man dort nicht im Gedenken an Golgatha von einem Brot isst oder aus einem Kelch trinkt. Dabei wird der Herr durchaus das Herz des Einzelnen anrühren und zu Dank bewegen. Aber es geschieht dann nicht in Übereinstimmung mit dem Herrn.

Fragen wir einmal: Muss Er etwas als seinen Tisch akzeptieren und bei etwas „mitmachen“, womit Er nicht einverstanden ist? Ich denke hierbei nicht an zeitweiliges Versagen, wie es in 1. Korinther 5 der Fall war, sondern an grundsätzliche, dauerhaft „zementierte“ Abweichungen, die objektiv erkennbar sind. Mehr dazu unter Frage (11).
Nehmen wir das konkrete Beispiel der damaligen Korinther. Der Apostel Paulus schreibt in 1. Korinther 10,17: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.“ Das heißt also: Wir, die Vielen (und das geht über die Gläubigen in Korinth hinaus, denn Paulus schließt sich mit ein), werden in dem einen Brot, das die Korinther brachen, dargestellt (repräsentiert). Wir erkennen: Eine sehr wesentliche Grundlage des Tisches des Herrn ist der eine Leib, denn „ein Leib sind wir die Vielen“. Wenn sich ein Teil der Korinther aber in vier verschiedene Brüdergruppen trennen und dann so getrennt versammeln würde, dann würde das aus fleischlichen Gründen geschehen und entsprach in der Praxis weder der Einheit des Leibes Christi noch der Bewahrung der Einheit des Geistes. Es würde vielmehr
ihre geistliche Entzweiung sowie ihren Hang sichtbar machen, Führer mit klingenden Namen anzuhimmeln. Paulus brandmarkt so etwas mit den Worten: „Ist der Christus zerteilt?“ (1. Kor 1,13). Es ging keineswegs darum, dass sich die Korinther eventuell auf mehrere Häuser aufteilten, weil sie nicht alle in einem einzigen Raum Platz fanden.
Angenommen, es entstünden in Korinth infolge von Trennungen vier „Brüdergruppen“ von Gläubigen, die nicht in Übereinstimmung mit dem Grundsatz „da ist ein Leib“, sondern in Form fleischlicher Zersplitterungen zusammenkommen würden, dann würden sie für sich eine neue Grundlage definieren. Dabei änderten sie einen wesentlichen Grundsatz ab, den der Herr, der ja der Herr seines Tisches ist, verbindlich für alle Gläubigen festgelegt hat. Und dieser lautet: „Da ist ein Leib“ (Eph 4,4). Der Herr hat für die Gemeinschaft an seinem Tisch nicht gestattet, viele
Gruppierungen zu bilden, solange nur „der wahre Gott angebetet wird und eine Reihe christlicher Grundwahrheiten festgehalten werden“. Würde der Herr die vier Brüdergruppen anerkannt haben, die nicht bereit waren, mit den „Bewährten“
ausschließlich zu seinem Namen hin versammelt zu sein? Sicherlich nicht! Die Splittergruppen würden neben dem Herrn noch andere Namen haben (Denominationen). Das ist dem Herrn zuwider. Daher die strengen Ermahnungen des Apostels im 1. Korintherbrief.
Zu Lebzeiten des Apostels Paulus waren zwar noch keine Trennungen eingetreten.

Paulus ermahnt die Korinther jedoch in 1. Korinther 1,10 sehr deutlich zur Umkehr, um im Denken und Handeln wieder eins zu sein: „Ich ermahne euch aber, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle dasselbe redet und nicht Spaltungen unter euch seien, sondern dass ihr in demselben Sinn und in derselben Meinung vollendet seiet.“ (Hervorhebung durch mich).
Nur unter dieser Voraussetzung ist dauerhafte Tischgemeinschaft möglich. Bei Trennungen in Parteiungen (oder Sektionen, die in Galater 5,20 mit „Sekten“ übersetzt werden), die aufrechterhalten werden, weil man sie in einem Spektrum von „bereichernd“ bis „ultima ratio“ für angebracht oder unumgänglich hält, spricht der Apostel nicht davon, dass es möglich ist, über Trennungsgrenzen hinweg Tischgemeinschaft zu pflegen.
Übrigens: Soweit ich erkennen kann, haben die „ersten“ Brüder sich das auf ihren Knien erarbeitet und dann umgesetzt. Der Tisch des Herrn ist da, wo man aus den verschiedenen Gruppen herausgeht und alle Herausgegangenen auf der Grundlage der Bibel miteinander das Brot brechen. Sie praktizieren daher losgelöst und außerhalb von den christlichen Gemeinderichtungen das, was der Herr für alle seine Erlösten vorgesehen hat: ohne Gemeinderichtung einfach als Gläubige bei Ihm an seinem Tisch zusammen zu sein und zusammen zu bleiben. Eigentlich nicht schwer zu verstehen, nicht wahr?

5. Der Tisch des Herrn – und die Frage nach dem geistlichen Zustand

Frage: Bleibt der Tisch des Herrn bei Gläubigen „vorhanden“ ungeachtet eines schlechten geistlichen Zustands der Gläubigen?
Kommentar:
„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ Dieses Wort des Herrn Jesus in Matthäus 18,20 ist die grundsätzliche Verheißung des Herrn Jesus für alle, die den Inhalt dieses Verses verwirklichen. Das bedingt aber, dass die Gläubigen in moralischer und geistlicher Hinsicht verpflichtet sind, die Ehre des Namens des Herrn zu achten und ihr praktisch zu entsprechen. Er stellt sich der Versammlung in Philadelphia in Offenbarung 3,7 als „der Heilige und Wahrhaftige“ vor. Heiligkeit und Wahrheit sind zwei der wesentlichen moralischen Kennzeichen seines „Namens“, in dem wir versammelt sind. Dabei steht der Name
für das, was eine Person ist. Folglich sind Unheiligkeit, Ungerechtigkeit, Irrtum und Heuchelei unvereinbar mit Ihm, mit seiner Person.

Gläubige an einem Ort mögen ab einem gewissen Zeitpunkt den Wunsch verspüren, auf der Grundlage der obigen Verheißung des Herrn zusammenzukommen. Wenn sie dann damit beginnen, dürfen sie für sich die grundsätzliche Zustimmung des Herrn Jesus annehmen. Er wird gemäß seiner Verheißung in ihrer Mitte sein. Wenn diese Gläubigen im Lauf der Zeit moralisch abgleiten, einen weltlichen Lebensstil pflegen und eine irdische anstatt eine himmlische Gesinnung zeigen, wird der Herr mit Prüfungen eingreifen, durch die Er die Gläubigen aufrütteln will. Werden sie dann umkehren und Ihm wieder gerecht werden, der „der Heilige und Wahrhaftige“ ist? Sollten die Gläubigen an diesem Ort nicht umkehren, sondern die Ansprüche des Herrn dauerhaft missachten, wird der Herr das offenbar machen.

Bloß zu behaupten, dass man in seinem Namen versammelt sei, ist noch keine Garantie dafür, dass Er wirklich in der Mitte ist. Unser Herr hat diese Verheißung zur Ermutigung für die „zwei oder drei“ gegeben, aber nicht als ein „Ruhekissen“, auf dem man in fahrlässiger Weise geistlich einschlafen darf. Die Voraussetzungen für die Erfüllung dieser Verheißung müssen bewusst und im Glauben verwirklicht werden. Die Tatsache, dass unsere geistlichen „Urgroßväter“ im Glauben danach gelebt haben, genügt für uns heute nicht! Ein örtliches Zusammenkommen
kann zwar gemäß diesem Grundsatz entstanden sein. Ihr praktischer Zustand und ihre Handlungen können aber dahin abgleiten, dass der Herr dieses Zusammenkommen nicht mehr mittels seiner Gegenwart billigen kann. Dann ruft Er zur Buße auf und lässt Zeit zur Buße. Wenn man aber nicht (mehr) will, nimmt Er irgendwann den Leuchter weg (s. Off 2,5.21).

Müssen wir uns nicht alle fragen, ob der Herr Jesus uns nicht durch die oft spürbare Schwachheit in den Zusammenkünften mahnen möchte? Deuten fehlende Freude,
Ihn zu loben, ein geringer Tiefgang unserer Empfindungen für Ihn oder Kraftlosigkeit im Dienst am Wort nicht darauf hin, dass Er nicht mehr der Zentralpunkt in unserem täglichen Leben ist?
Allerdings: Es ist nicht meine oder deine Aufgabe, als Detektive umherzuziehen, um  festzustellen, wie hoch oder niedrig der geistliche Zustand einer örtlichen 
Versammlung ist, und ihr dann womöglich abzusprechen, gemäß Matthäus 18,20 versammelt zu sein. Der Herr wird durch Umstände, die Er lenkt, offenbaren, ob Er ein örtliches Zusammenkommen noch anerkennt oder nicht. 

6. Der Tisch des Herrn – und die Frage nach den „Menschentischen“ 

Frage: Ist der Tisch des Herrn in verschiedenen Gemeindeströmungen trotz der organisatorischen Grenzen übergreifend derselbe? Wieso werden christliche Tische in den Gemeinschaftskreisen manchmal „Menschentische“ genannt?
Kommentar:
(6.1) Die Frage nach dem Tisch des Herrn und den verschiedenen Gemeindeströmungen haben wir bereits unter Frage (4) erörtert. Die Absicht des Herrn Jesus für seine Versammlung widerspricht allen getrennten Gruppen (Sektionen), in die die Christenheit im Lauf ihrer 2.000jährigen Geschichte zerfallen ist – und ihre Zahl ist leider unüberschaubar groß! Der Herr hat seine Erlösten nicht aus der Welt herausgerettet und durch den Heiligen Geist an Pfingsten zu einer Einheit verbunden, damit sie sich wieder in mehrere Richtungen trennen. Gerade das drohte ernsthaft in der Versammlung von Korinth zur Zeit des Apostels Paulus. Und diese Gefahr bestand 40 Jahre später immer noch, wie man im 1. Clemensbrief lesen kann. Clemens zählt zu den sogenannten apostolischen Vätern. Der 1. Clemensbrief ist ein frühchristlicher Brief der Versammlung in Rom an die Versammlung in Korinth. Er wurde ungefähr um das Jahr 100 n. Chr. geschrieben. Die Versammlung in Korinth wird darin unter anderem ermahnt, nicht noch länger im Geist der Spaltungen miteinander umzugehen.

Wenn das Fleisch überhandnimmt und ungerichtet bleibt (s. 1. Kor 3,3), wird der Bruch leider unausweichlich. Wenn wir für das Fleisch säen, werden wir von dem Fleisch Verderben ernten (s. Gal 6,8). In der praktischen Konsequenz würden die verschiedenen Brüdergruppen in Korinth
das Mahl des Herrn sonntags nicht mehr gemeinsam begehen. Stattdessen kämen sie an fünf verschiedenen Plätzen in Korinth zusammen, obwohl sie vorher alle an einem Ort versammelt waren (s. 1. Kor 11,20). In der fiktiven Vorausschau, die im Verlauf der Kirchengeschichte bittere, oftmalige Wirklichkeit geworden ist, ging dann der eine in die sogenannte „Paulus-Versammlung“, der nächste in die sogenannte „Kephas-Gemeinde“, andere in die sogenannte „Apollos-Gruppe“, und dann gab es noch die, die „des Christus“ waren. Alles vom Herrn? Sein Tisch überall? 

Man mag einwenden, das Neue Testament könne gar keine Aussage dazu machen, ob der Tisch des Herrn ungeachtet der Zersplitterungen „da und dort“ sei. Schließlich gab es diese damals ja noch gar nicht. Schon richtig. Nur woher nehmen wir das Recht, etwas neu zu definieren oder zu praktizieren, ohne bereit zu sein, der Aufforderung des Herrn in 1. Korinther 1,10 nachzukommen?
Und beachten wir auch: Wir dürfen bei allen erwähnten Gruppen annehmen, dass sie keine fundamentalen Irrlehren vertraten oder moralisch Böses (abgesehen von ihren Streitereien) duldeten. Allerdings würden sich die vier Gruppen (die Bewährten sind die Ausnahme) nicht mehr auf der Grundlage versammeln, die der Herr Jesus für die Tischgemeinschaft beim Brotbrechen gegeben hat. Denn derartige Trennungen aus nichtigen Gründen sind schlichtweg verboten! Solche Trennungen sind Werke des Fleisches. Galater 5,20 zählt „Sekten“(-bildung) zu den Werken des Fleisches. Dabei ist das griechische Wort für Sekten hier und für Parteiungen (Sektionen) in 1. Korinther 11,19 dasselbe: „hairesis“. Erst im 2. Timotheusbrief wird die Absonderung in Form von Trennung zu einem Gebot. Darauf werden wir weiter unten zurückkommen.

So viel ist klar: Wenn sich Parteien bildeten, befanden sich die Bewährten weiterhin am Tisch des Herrn. (6.2) Und die Tischgemeinschaften der anderen Gruppen? Handelte es sich bei diesen um Tische der Dämonen? Ganz bestimmt nicht! Die Gläubigen der sogenannten „Paulus-Versammlung“ wollten bestimmt nichts anderes, als den Herrn für sein Erlösungswerk zu loben. Sie feierten keinen Kult zu Ehren der Dämonen! Gibt es neben dem Tisch des Herrn und den Dämonentischen noch andere Tische?
Tatsächlich ja! Dass das so ist, entnehmen wir aus 1. Korinther 10,18: „Seht auf Israel nach dem Fleisch. Sind nicht die, welche die Schlachtopfer essen, in Gemeinschaft mit dem Altar?“ Hier erwähnt der Apostel den Tisch, den Gott im Alten Testament für Israel gegeben hatte. Und dieser Altar ist in Maleachi 1,7 gleichbedeutend mit der Bezeichnung „Tisch des Herrn“: „…die ihr unreines Brot auf meinem Altar darbringt und doch sprecht: ‚Womit haben wir dich verunreinigt?
Damit, dass ihr sagt: ‚Der Tisch des HERRN ist verächtlich.“ So erwähnt der Apostel Paulus in 1. Korinther 10 außer dem Tisch des Herrn noch den alttestamentlichen Tisch des HERRN, nämlich den Brandopferaltar, und den Tisch der Dämonen, um die Korinther zu belehren. Die Korinther durften nur am Tisch des Herrn christliche Gemeinschaft ausdrücken, wenn sie dem Herrn, der ja der Herr des „Tisches des Herrn“ ist, entsprechen wollten. Andernfalls würden sie den Herrn zur Eifersucht reizen. Waren sie etwa stärker als Er? (s. 1. Kor 10,22).

Was den alttestamentlichen Tisch des HERRN angeht: Der Hebräerbrief zeigt, dass die gläubigen Hebräer nichts mehr mit dem Tisch im Tempel und dem ganzen alttestamentlichen Ritus zu tun haben sollten. Und das, obwohl dieser Ritus einmal von Gott eingesetzt worden war als die einzige Religion, die Gott jemals den Menschen gegeben hatte!
Fazit: Was Gott grundsätzlich nicht oder nicht mehr länger als einen Tisch zu seiner Ehre ansieht, daran sollen Gläubige auch nicht Gemeinschaft haben. (6.3) Und wie kommt nun Gemeinschaft zustande? Die äußere Teilnahme an dem Tisch eines religiösen Kultus bedeutet innere, moralische Gemeinschaft mit der geistlichen Grundlage dieses Tisches und ebenfalls mit den Geist-Realitäten, denen dieser Kultus gewidmet ist.
Um zu erklären, wie „Kult“ in unserer Erörterung zu verstehen ist, ziehen wir den Duden zurate (Band 7, Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache, Mannheim 1989, S. 393). Demnach bedeutet Kult u.a. „Verehrung [einer Gottheit]“.
„Sind nicht die, welche die Schlachtopfer essen, in Gemeinschaft mit dem Altar?“
(1. Kor 10,18). „Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen“
(1. Kor 10,20). Es ist sehr wesentlich, diese Grundsätze zu beachten.

(6.4) Und „Menschentische“? Wir haben bereits gesehen, dass Paulus in 1. Korinther 10 nicht nur den christlichen Tisch des Herrn und den Dämonentisch nennt. Für den Fall, dass sich von den Korinthern vier Brüdergemeinden unterschiedlicher Benennungen trennen würden, ergäbe sich folgendes Bild für die dabei entstehenden „Tische praktizierter Abendmahls-Gemeinschaft“: Es gäbe dann den Tisch derer, die sich Paulus zugehörig fühlten, den Tisch derer, die Kephas
anhingen, den Tisch derer, die Apollos erkoren hatten, und schließlich den Tisch derer, die angeblich „nur Christus“ wollten, aber das in einer tatsächlich ungerechtfertigten Abgrenzung von anderen, die ebenfalls zum Leib Christi gehörten. 

„Ist der Christus zerteilt?“, fragt Paulus in 1. Korinther 1,13.In jeder dieser vier Versammlungen, denen man – außer ihrem Parteigeist – nicht fundamentale Irrlehre oder eine andere krasse Verwerflichkeit zur Last legen konnte, hatten die Gläubigen sonntags Gemeinschaft am Tisch – ja wessen Tisch? – mit ihren gleich gesinnten Brüdern. Damit war der Kreis der praktizierten Gemeinschaft kleiner als der, den der Herr beabsichtigte und der aufgrund der geistlich-moralischen Voraussetzungen möglich gewesen wäre. Damit meine ich: Es gibt in diesem Fall keinen biblisch begründeten Hinderungsgrund für die praktizierte Gemeinschaft – außer dem der Parteisucht, die mit Selbstsucht und Eigenwillen einhergeht.

Deshalb konnte der Tisch des Herrn in keiner der vier abgetrennten Brüdergruppen in Korinth
sein. Sonst würde der Herr seine Zustimmung zu Werken des Fleisches geben! Er würde die Ergebnisse aus Neid und Streit billigen! Wollen wir so etwas unserem Herrn, dem „Heiligen und Wahrhaftigen“ andichten? Doch wohl nicht! Die obigen Gruppen sind von Menschen verursacht worden. Sie sind nicht durch den Heiligen Geist gewirkt und widerstreben dem Wunsch des Herrn Jesus nach praktischer Einheit seiner Erlösten. Wir erinnern noch einmal an 1. Korinther 1,10. Die Bibel kennt „Menschentische“, an denen man den wahren Gott verehrt und dabei
im persönlichen Leben vor Gott rein sein mag. 

Im Neuen Testament suchen wir jedoch vergeblich danach. In der Zeit der Apostel wirkte der Heilige Geist durch die Apostel mit Macht, so dass „Menschentische“ noch nicht entstanden. Im Alten Testament werden wir fündig. Gott hatte an einem einzigen Ort seinen Tisch aufgerichtet. Niemand war berechtigt, einen anderen Ort für gottesdienstliche Handlungen zu erwählen. Es gab nur einen Tisch des HERRN, und zwar in Jerusalem auf derselben Grundlage, auf der auch das Haus Gottes, der Tempel, stand. Ohne den Ortsnamen zu nennen, betont der HERR in 5. Mose 12 mehrfach, dass Er den Ort festlegen wird, an dem die Israeliten vor Ihm erscheinen sollten.

Daran hielten sich nicht alle. In 2. Chronika 33,16.17 lesen wir über König Manasse, nachdem er Buße getan hatte: „Und er baute den Altar des HERRN wieder auf und opferte darauf Friedens- und Dankopfer; und er befahl Juda, dass sie dem HERRN, dem Gott Israels, dienen sollten.“ Und dann kommt das „Aber“: „Aber das Volk opferte noch auf den Höhen, jedoch dem HERRN, ihrem Gott“. Wir sehen daraus, dass der Opferdienst zu Ehren des HERRN – wie man beabsichtigte – an vielen falschen Plätzen erfolgte und nicht ausschließlich an dem einen Tisch des HERRN, der auf der einen Grundlage in Jerusalem stand, auf der der HERR sein ganzes Volk versammelt sehen wollte. Wir streiten nicht ab, dass die Herzen derer, die auf den Höhen dem HERRN opferten, dabei vor Ihm aufrichtig sein mochten. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass menschliche, wenn auch gut gemeinte, Absichten und Gefühle nicht zählen, sondern nur der uns mitgeteilte Wille des Herrn. Wenn es im Alten Testament nur einen einzigen Tisch des HERRN gab – und der stand in Jerusalem – wie soll man dann die anderen Altäre und Tische auf den Höhen nennen? Wenn es nicht „Tische de HERRN“ sind, dann sind es eben Tische von Menschen – „Menschentische“ – was sonst? Dämonentische konnten es nicht sein, denn man opferte auf diesen Altären nicht den Götzen.

Fazit: Ein Tisch, an dem christliche Gemeinschaft gepflegt wird, ist dann der Tisch des Herrn, wenn dieser auf der geistlichen Grundlage steht, die gänzlich vom Herrn festgelegt wird. Sobald Menschen Änderungen vornehmen, indem sie Abstriche machen oder Dinge hinzufügen, entspricht die Grundlage, auf der solche Tische stehen, nicht mehr derjenigen, die der Herr gegeben hat. So entstehen Tische der Menschen – trotz bester Absicht.

Liebe Freunde! Es geht mir nicht darum, gegen Kinder Gottes zu reden. Es geht mir auch nicht darum, irgendwelchen Gemeinschaften irgendetwas abzusprechen. Aber es sollte uns gemeinsam darum gehen, uns selbst (!) zu prüfen, ob wir selbst (!) nach dem Wort des Herrn das für Ihn Wohlgefällige tun.
Es stellt sich nicht die Frage, ob der Tisch des Herrn bei uns ist, sondern ob wir am Tisch des Herrn sind. Das ist eine ganz andere Sichtweise! Und diese Sichtweise hatten die „frühen“ Brüder. Ihnen wurde aus der Bibel der Wille des Herrn Jesus klar: Gemeinschaft mit Ihm und untereinander zu pflegen und alle aufzunehmen, die wahre Kinder Gottes waren und für die praktische Gemeinschaft mit dem Herrn für würdig angesehen werden konnten. Das lebten sie konsequent.

Dafür verließen sie sogar die unterschiedlichen Gemeinschaften und Kirchen. Darf ich eine selbstkritische Frage anfügen? Befinde ich mich, und befinden wir uns heute wirklich noch auf dem notwendigen geistlichen Niveau, und haben wir das geistliche Verständnis und die geistliche Kraft, das heute ebenfalls noch zu tun? Müssen wir uns nicht unter Tränen vor unserem Herrn beugen? Sobald wir anfangen, „uns“ als eine Gemeinderichtung zu sehen wie die vier, die in Korinth zu entstehen drohten, haben wir die Grundlage der Bibel über die Versammlung schon verlassen. Dann ist es auch nicht mehr weit, dass man sich innerlich dafür öffnet, wechselseitige Tischgemeinschaft mit „bibeltreuen“ Gemeinderichtungen oder einzelnen Gemeinden zu beschließen, weil sie „so ähnlich sind“ – obwohl sie getrennt bleiben möchten. Damit entsteht eine „Allianz“ von äußerlich getrennten christlichen Gemeinderichtungen. Finden wir das in der Bibel oder bei den „frühen“ Brüdern?

II Der Tisch des Herrn – wie kommt man „dahin“?

7. Durch die Bekehrung automatisch am Tisch des Herrn?


Frage: Wenn alle Gläubigen durch den Heiligen Geist zu einer Einheit zusammengefügt sind, müssen sie dann nicht auch alle am Brotbrechen teilnehmen dürfen? Jeder Gläubige ist ab seiner Bekehrung doch in die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus gebracht worden und befindet sich damit auch automatisch an seinem Tisch, oder?
Kommentar:
Der Heilige Geist wirkt durch seine Leben gebende Kraft in der Neugeburt das neue Leben in dem Menschen, den Er „gleichzeitig“ auch zur Buße leitet. „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.
Verwundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.“ (Joh 3,6-8)
Wer aus Gott geboren ist, gehört von diesem Moment an unabänderlich zur Familie Gottes: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (Joh 1,12.13)
Wir fragen uns: Ist ein solcher dadurch automatisch in den Bereich des christlichen Bekenntnisses eingetreten? Nein, denn dazu muss er sich auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen lassen (s. Mt 28,19). Es bedarf also eines weiteren Schrittes, den der Gläubige noch vor sich hat. Erst durch den Vollzug der Taufe tritt er in den Bereich des christlichen Bekenntnisses ein. „Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; …“ (Mk 16,16). Ändert sich durch die Taufe irgendetwas am Kindschaftsverhältnis in der Familie Gottes? Nicht das Geringste. Und dennoch ist die Taufe ein weiterer wichtiger Schritt im Leben eines Gläubigen – neben der Neugeburt und Bekehrung.

Das Gleiche gilt auch für das zweite äußere Zeichen im Christentum: das Mahl des Herrn an seinem Tisch. Wir fragen uns wieder: Ist ein von neuem geborenes und getauftes Kind Gottes automatisch in praktischer Gemeinschaft am Tisch des Herrn?
Auch hier lautet die Antwort wieder: Nein. Der Herr Jesus wünscht natürlich, dass ein Erlöster seinem Wunsch gemäß seiner Aufforderung nachkommt. Es bedarf somit einer bewussten Entscheidung, also eines weiteren Schrittes im Glaubensleben, um seinen Tod an seinem Tisch auch wirklich zu verkündigen. Das dauerte in der Zeit der Apostel bei erwachsenen Menschen, die das Evangelium angenommen hatten, gewiss nicht lang. Fragen wir uns: Ist ein Kind, das sich im Grundschulalter an den Herrn Jesus wendet, denn automatisch am Tisch des Herrn? Hat es schon das nötige Verständnis in der Unterscheidung geistlicher Zusammenhänge, wie Paulus das in 1. Korinther 10,15 voraussetzt? „Ich rede als zu Verständigen; beurteilt ihr, was ich sage.“

Wir wollen keine starren Regeln aufstellen, die uns die Bibel nicht zeigt. Es wird aber klar sein, dass ein Kind das Thema, das der Apostel den Korinthern in 1. Korinther 10,16 ff. darlegt, keineswegs verstehen und beurteilen kann.
Und wie verhält es sich bei einem Gläubigen, der schon jahrelang mit dem Herrn lebt? Wenn der Heilige Geist in seinem Herz den Wunsch weckt, dass er den Tod des Herrn verkündigen möchte, dann wird er diesen Wunsch vor denen äußern, die am Tisch des Herrn angesichts der Zeichen seines Todes bereits seinen Tod verkündigen. Die Voraussetzungen dafür möchten wir im Rahmen der nächsten Frage erörtern. Dass es in der Bibel keine Selbstzulassung aufgrund eines
Selbstzeugnisses gibt, besehen wir in der übernächsten Frage.

Fazit: Wenn wir von dem gesunden Normalfall ausgehen, den die Bibel für die geistliche Entwicklung eines Kindes Gottes voraussetzt, dann wird ein Gläubiger unbedingt dem Wunsch des Herrn Jesus nachkommen wollen, um seinen Tod zu seinem Gedächtnis an seinem Tisch mit den übrigen Glaubensgeschwistern zu verkündigen. Unser Herr Jesus ist heute nicht mehr sichtbar auf der Erde und handelt hinsichtlich seines Tisches daher nicht mehr selbst in einer für uns wahrnehmbaren Weise. Er hat uns jedoch sein Wort mit den erforderlichen Unterweisungen hinterlassen, damit die Gläubigen im Hinblick auf seinen Tisch in seinem Sinn handeln, und Ihm gegenüber darin treu sind. So wenig wie ein Gläubiger sich selbst taufen kann, ebenso wenig kann er sich selbst zum Tisch des Herrn zulassen.

8. Biblische Voraussetzungen – unbiblische Sonderkriterien?

Frage: Muss ein von neuem geborener Christ gewisse Kriterien erfüllen, um am
Brotbrechen teilzunehmen? Ist ein „reines Herz im Blick auf die Existenz christlicher
Gruppierungen“ eine zusätzliche Voraussetzung?
Kommentar:
(8.1) Die Voraussetzungen für die Teilnahme und Gemeinschaft am alttestamentlichen Tisch des HERRN finden wir recht kompakt in 3. Mose 7,19-21 zusammengestellt. Für die Teilnahme am Friedensopfer gab es deutlich formulierte Zulassungsvoraussetzungen bzw. Zulassungsbeschränkungen. Beim Friedensopfer hatten die Israeliten nicht nur miteinander Gemeinschaft, sondern vor allem mit Gott, der dieses Opfer sein Brot, seine Speise nannte (s. 3. Mo 3,11, s. a. Fußnote in der Elberfelder Bibel, Edition CSV). Verstöße gegen die Zulassungsbedingungen standen unter einem sehr ernsten Urteil. Warum? Weil dieses Opfer dem HERRN gehörte! Das wird in 3. Mose 7,20.21 zweimal als Begründung angegeben.
Wir finden diese Kriterien in einer geistlichen Bedeutung im Neuen Testament wieder. Daher ist die Bibelstelle in 3. Mose 7 für unsere Erörterung hilfreich.

Bevor wir nun auf die Voraussetzungen bzw. Beschränkungen zu sprechen kommen, fragen wir: Sind wir überhaupt berechtigt, die moralischen Aussagen der alttestamentlichen Stellen über das Friedensopfer auf die christliche Zeit zu übertragen? Ja, denn der Apostel Paulus erwähnt in Verbindung mit den Belehrungen über den Tisch des Herrn im Neuen Testament gerade den
alttestamentlichen Altar oder Tisch des HERRN, um die Korinther über moralische Grundsätze der Teilnahme an religiösen Tischen zu belehren: „Seht auf Israel nach dem Fleisch. Sind nicht die, welche die Schlachtopfer essen, in Gemeinschaft mit dem Altar?“ (1. Kor 10,18) In 3. Mose wird außer dem Friedensopfer kein Schlachtopfer erwähnt, an dem die gewöhnlichen Israeliten teilnehmen durften. In 3. Mose 7 werden die moralischen Voraussetzungen für die Teilnahme der Israeliten am Friedensopfer genannten. Wir können sie zu Hilfe nehmen, da wir im Neuen
Testament entsprechende geistliche Aussagen für die christliche Gemeinschaft finden.

„Und das Fleisch, das irgendetwas Unreines berührt, soll nicht gegessen werden; mit Feuer soll es verbrannt werden. Und was das Fleisch betrifft, jeder Reine darf das Fleisch essen; aber die Seele, die Fleisch von dem Friedensopfer isst, das dem HERRN gehört, und ihre Unreinheit ist an ihr, diese Seele soll ausgerottet werden aus ihren Völkern. Und wenn eine Seele irgendetwas Unreines anrührt, die Unreinheit eines Menschen oder ein unreines Vieh oder irgendein unreines Scheusal, und sie isst vom Fleisch des Friedensopfers, das dem HERRN gehört: Diese Seele soll ausgerottet werden aus ihren Völkern.“ (3. Mo 7,19-21).

Der zitierte Text beginnt mit der Qualität des Opfers. Es durfte nichts Unreines berührt haben, denn Gott ist rein und heilig. Er beurteilt alles das als unrein, was von der Sünde als dem bösen Prinzip des Widerspruchs gegen Gott beschmutzt worden ist. Es ist schön, wenn Gläubige den Wunsch haben, Gott ein Opfer darzubringen. Dieses muss allerdings Gottes Qualitätsanforderungen genügen. In der Praxis bedeutet das: Wenn Christen Gott Opfer des Lobes darbringen, dann dürfen es keine Gedanken und Worte sein, in denen die Person oder das Werk des Herrn Jesus verunglimpft, herabgewürdigt oder verfälscht werden. Um es mit den Worten des Apostels Johannes auszudrücken: Der Inhalt der Gedanken, der Gebete und der
Anbetung muss der „Lehre des Christus“ entsprechen (s. 2. Joh 9). Alles andere ist eine grobe Beleidigung Gottes. Es ist in seinen Augen ein verunreinigtes Opfer, das Er ablehnt! Die Ehre seines Sohnes geht Gott, dem Vater, über alles. Für die Praxis können wir daraus schon ableiten, dass ein aufrichtiges Kind Gottes, das hierin Verständnis hat, niemals an einem christlichen Ort Abendmahlsgemeinschaft pflegen kann, wo böse Lehren über den Herrn Jesus oder herabsetzende Gedanken oder auch unehrerbietiges Reden über Ihn, sein Werk und die Ergebnisse seines Werkes vorgebracht oder geduldet werden.
Kommen wir nun zu den persönlichen Kennzeichen:

(I) Zunächst einmal spricht der Text in 3. Mose 7 von „Reinen“, die das Friedensopfer
essen duften. Damit sind die Israeliten gemeint, die unter dem Schutz des Blutes des Passahlammes standen, durch das Rote Meer aus der Macht des Pharaos gerettet waren und sich in einem Zustand praktischer Reinheit befanden. In dem zwischenzeitlich errichteten Zelt der Zusammenkunft begegnete Gott seinem Volk, in dessen Mitte Er wohnen wollte. Dort nahm Er den Dienst der Priester entgegen (s. 2. Mo 29,43-45). Bei den „Reinen“ handelte es sich somit um (damals bloß äußerlich) erlöste Menschen, die zum Volk Gottes gehörten. Ähnlich ist es
heute: Nur wer durch das Blut des „Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“ rein gewaschen ist, also durch den Glauben an die Person und das Werk des Herrn Jesus von Gott gerechtfertigt worden ist, kann am Tisch des Herrn zugelassen werden. Brot und Kelch sprechen überdeutlich von dem Sühnopfer unseres Erretters. 
Wer die Wirkung des Sühnopfers noch nicht an sich selbst erfahren hat, hat grundsätzlich kein Recht am Tisch des Herrn. Er hat kein Teil an der „Gemeinschaft des Blutes des Christus“ (s. 1. Kor 10,16). Übrigens: Erst nachdem Judas Iskariot (der Sohn des Verderbens) in die Nacht
hinausgegangen war, setzte der Herr sein Gedächtnismahl im Kreis seiner Jünger ein.

(II) 3. Mose 7,20 spricht von dem Fall, dass an einem Israeliten eine Unreinheit haftet, die ursächlich ihn als Person betraf. In 3. Mose 15 finden wir dafür einige Beispiele: verschiedene Ausflüsse aus dem eigenen Körper. Diese Ausflüsse sprechen bildlich von bösen Dingen, die aus unserem Fleisch hervorkommen. Dem unreinen Israeliten war die Teilnahme am Friedensopfer verwehrt. Für den Fall, dass er sich darüber hinwegsetzen und doch daran teilnehmen würde, hatte Gott die Todesstrafe angekündigt.
Jeder, der zwar zum Volk Gottes gehörte, moralisch gesehen aber von persönlicher Unreinheit gekennzeichnet war, den lehnte Gott im Hinblick auf die Teilnahme am Friedensopfer ab. Wie könnte der heilige Gott Gemeinschaft mit Bösem, mit Sünde und Unreinheit haben? Die moralische Belehrung daraus gilt auch heute noch: Am Tisch des Herrn geht es um nichts weniger als um Gemeinschaft mit Gott! Kann man dem Herrn Jesus die Gemeinschaft mit Personen „aufzwingen“, die böse Lehren festhalten (s. Gal 5,7-9; 2. Joh 10.11), die gegen Ihn (!) gerichtet sind, oder die einen unsittlichen Lebenswandel wie in der Welt (s. 1. Kor 5) führen, dabei aber wie selbstverständlich an den Symbolen teilnehmen, die das heilige Werk unseres Herrn und das Gericht Gottes über die Sünde darstellen? Es wäre ein furchtbarer Widerspruch in sich selbst!

(III) Der dritte Punkt zeigt einen Hinderungsgrund, der nicht ursächlich die Person eines Israeliten betraf. Er war jedoch durch die bewusste oder unbewusste Berührung mit Unreinheit in Kontakt (oder Verbindung) gekommen. Dabei spielte im Alten Testament weder der Beweggrund noch die Dauer der Verbindung eine Rolle. Einen neutestamentlichen Fall für eine Verbindung, die einen Gläubigen verunreinigt, zeigt der Apostel Paulus in 1. Korinther 10,19-22. Und er mildert seine Schlussfolgerungen nicht mit etwaigen „guten“ Beweggründen oder einer verkürzten Dauer des Aufenthalts bei der Götzenmahlzeit ab. Es spielt in der grundlegenden
Belehrung auch keine Rolle, ob man in seinem Herzen der dämonischen Grundlage dieses Götzentisches zustimmt oder nicht.

Ergänzung: Die kultische Verunreinigung zum Beispiel durch unbewusste Berührung von Gegenständen, die ein Heide oder ein Toter berührt hatte, gibt es in der Gnadenzeit nicht. Das zu lernen, fiel den ersten jüdischen Christen durchaus schwer. Das Prinzip ist klar: Die bewusste Verbindung mit Bösem, das außerhalb von uns selbst ist, macht Gemeinschaft am Tisch des Herrn nach Gottes Urteil unmöglich. Ein Hinweis für die Praxis unseres Glaubenslebens: Wie viele Dinge, die ihren Ursprung in der Sünde, die in der Welt ist, und somit zunächst einmal außerhalb von uns haben, konsumieren wir leichtfertig oder sogar gewollt mit unseren Sinnen? An wie vielen Orten, wo der Name des Herrn nicht geehrt wird, verbringen wir freiwillig
mit ungläubigen Menschen unsere Zeit, um Veranstaltungen beizuwohnen, die weltliches Vergnügen versprechen?

Müssen wir uns dann wundern, wenn uns diese Unreinheiten über kurz oder lang innerlich durchdringen und auch ein Teil von uns selbst werden – und wir merken es vielleicht nicht einmal mehr? Einen solchen Lebensstil kannten die „frühen Brüder“ übrigens nicht. In der Anfangszeit der „Brüder“ musste in Plymouth sogar das städtische Theater geschlossen werden, weil es an Besuchern mangelte (s. J. N. Voorhoeve, „Innerlich bewegt“, S 1, erschienen bei „Frohe Botschaft“, Hagen-Haspe, ohne Erscheinungsjahr). Wie lebe ich, wie leben wir?
(8.2) Was nun das „reine Herz im Blick auf die Existenz christlicher Gruppierungen“ angeht: Auf diese Frage finden wir in 3. Mose 7 keine Antwort. Wir haben die Grundlagen für deren Beantwortung bereits bei Frage (4) ausführlich behandelt. Alle christlichen Gemeinderichtungen, die durch menschlich-fleischliche Bestrebungen entstanden sind, finden nicht Gottes Zustimmung. Es gibt nur ein Heilungsmittel, um die schmerzlichen Folgen davon zu beseitigen: die gemeinsame Beugung und das Bekenntnis vor unserem Herrn in echter Trauer über das eigene und gemeinsame Versagen, aber auch im Vertrauen auf seine Gnade. Das bedeutet für die Praxis, dass Trennungsmauern durch die Gnade Gottes verschwinden, weil Gläubige, die vorher getrennt waren, wieder im Sinn von 1. Korinther 1,10 allein auf der Grundlage der Belehrung der Apostel miteinander vorangehen wollen und damit die Einheit des
Geistes bewahren im Band des Friedens (s. Eph 4,3).

Zugegeben: Vielen Gläubigen ist aufgrund fehlender Belehrung überhaupt nicht bewusst, dass der zersplitterte Zustand der Christenheit dem Willen des Herrn Jesus völlig widerspricht. Sie mögen diesen Zustand sogar als eine Bereicherung ansehen, da jeder Christ nun die „zu ihm passende Gemeinde“ finden kann. Oder man mag die „trennenden Zäune“ als ein nützliches Mittel für eine gewisse Ordnung (!) innerhalb der Christenheit sehen. Wir beabsichtigen keinesfalls, einen Schatten auf ihre persönliche Treue im Leben mit und Dienst für ihren Herrn zu werfen! Aber das ändert nichts an dem Urteil unseres Herrn.

Es kann sein, dass ein Bruder aus einem Gemeinschaftskreis im Hinblick auf den oben genannten Missstand in seinem Gewissen unbefangen ist. Bei einem solchen Bruder – und wir reden momentan nur über diesen einen konkreten Punkt – liegt in der Tat ein „reines Herz“ der Unbefangenheit vor. Das stellt solche, die auf der Grundlage der Bibel versammelt sind, in die Pflicht, diesem Besucher behilflich zu sein, die Wahrheit aus der Bibel besser kennenzulernen. Sollte er aufgrund deren Nachlässigkeit den Eindruck bekommen, das Zusammenkommen zum Namen des Herrn nach Matthäus 18,20 wäre eine „freikirchliche Alternative“ zu vielen anderen, dann machen sich solche Gläubige dem Herrn gegenüber schuldig! Der Besucher
nimmt nämlich einen falschen Eindruck mit und wird dazu verleitet, den Tisch des Herrn auf dieselbe Stufe mit dem zu stellen, was der Heilige Geist in Galater 5,20 zu den „Werken des Fleisches“ zählt: die Sekten oder Parteiungen, das heißt christlichen Gemeinderichtungen. Demzufolge meint oben erwähnter Bruder, dass er bei Bedarf und nach Belieben ebenso da, wo man die biblische Grundlage beachten möchte, am Mahl des Herrn teilnehmen kann, wie er es in verschiedenen Gemeinschaftskreisen tun mag, die er nach seinem persönlichen Urteil dafür „geeignet“ hält. Ist uns das klar? Sind wir im Ganzen gesehen geistlich (noch) dazu fähig und auch willens, einem solchen Gläubigen biblisch begründete Auskunft zu geben?
Übrigens: Die „frühen“ Brüder haben meines Erachtens auf diesen Punkt geachtet.

Sie bemühten sich um eine entsprechende Unterweisung. Tut man das nicht, dann wird ignorante Beliebigkeit im Lauf der Zeit alles beherrschen – oder man fällt in das andere Extrem: rigorose Abschottung, die Sektiererei und damit ebenfalls falsch ist. Fazit: Es gibt ganz bestimmt Gläubige, denen man die Unkenntnis über den wahren Charakter der Versammlung Gottes nicht zur Last legen sollte. Wird jedoch deutlich, eventuell erst im Lauf der Zeit, dass jemand die biblische Wahrheit bewusst ablehnt, wie kann man das Herz des betreffenden Gläubigen in diesem Punkt dann noch als ein „reines Herz“ bezeichnen? Ist bewusster Widerstand gegen die Wahrheit „rein“? 

9. Die „Zulassung“: ein biblisch festgelegter Prozess?

Frage: Wo zeigt die Bibel einen Zulassungsprozess zur Teilnahme am Brotbrechen?
Kommentar:
Die Kurzform der Antwort ist einfach: Das Neue Testament zeigt nirgends einen festgelegten Prozess für die Zulassung zum Tisch des Herrn. Allerdings ist es unsere Pflicht, im Haus Gottes die Ordnung des Hausherrn zu beachten, damit alles zur Verherrlichung des Herrn Jesus dient.
Die Bibel zeigt uns nun einige Prinzipien, die es zu beachten gilt:
(I) Es gibt keine Selbstzulassung: Ich kenne keine Bibelstelle dafür, dass sich ein Mensch für einen Gläubigen ausgeben und „sich selbst zulassen“ kann, weil er „grundsätzlich das Recht dazu“ zu haben meint. Schließlich ist er nach seiner Überzeugung ja ein Kind Gottes! Wo finden wir so etwas im Wort Gottes?
Die schon oft zitierte Stelle aus 1. Korinther 11,28 lautet: „Jeder aber prüfe sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke von dem Kelch.“ Für welche Situation hat der Apostel diesen Hinweis gegeben? Für die Selbstzulassung eines Gläubigen, der dauerhaft mit den Korinthern den Tod des Herrn verkündigen möchte oder für den Fall eines spontan anwesenden Besuchers? Weder – noch! Es geht einfach darum, dass sich die Gläubigen in Korinth, die bereits den Tod des Herrn verkündeten, selbst prüften. Die Korinther sollten sich prüfen, ob ihr sittlicher Zustand
mit der Bedeutung des Mahles des Herrn übereinstimmte, damit sie das Mahl des Herrn nicht in einer unwürdigen Weise begingen oder sich dabei unwürdig verhielten.

Dieser Bibelvers fordert uns heute ebenfalls auf, uns selbst zu prüfen und erforderlichenfalls alles zu bereinigen, was unserer persönlichen Teilnahme am Mahl unseres Herrn am nächsten Sonntag hindernd im Weg steht.
(II) Das Selbstzeugnis eines Menschen genügt nicht. Dieser Grundsatz wird in 2. Korinther 10,18 in einem anderen Zusammenhang von Paulus erwähnt: „Denn nicht der ist bewährt, der sich selbst empfiehlt, sondern der, den der Herr empfiehlt.“ In dieser Stelle geht es zwar um den Dienst im Werk des Herrn. Wir erkennen jedoch auch hier einen Grundsatz: Das Selbstzeugnis oder die Selbstempfehlung eines Menschen bedeutet noch nicht, dass sich solche in der Realität als wahr erweisen. Ob jemand bewährt ist, erweist sich aus der Praxis des Lebens durch die Beobachtung anderer, die das Wirken des Herrn im Leben des Betreffenden sehen und
daraus die Bestätigung oder Zustimmung vonseiten des Herrn ableiten (s. Apg 6,3). Schon im Alten Testament wird die Selbstempfehlung eines Menschen kritisch gesehen: „Die meisten Menschen rufen ein jeder seine Güte aus; aber einen zuverlässigen Mann, wer wird ihn finden?“ (Spr 20,6). Dieser Vers zeigt, dass die Selbsteinschätzung und die Wirklichkeit weit voneinander abweichen können. Wiederholt betont das Neue Testament den Grundsatz, dass aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werden soll (s. Mt 18,16; 2. Kor 13,1; 1. Tim 5,19;
Heb 10,28). Warum sollte dieses Prinzip ausgerechnet im Hinblick auf die Teilnahme am Mahl des Herrn nicht gelten?
Selbst wenn das Selbstzeugnis zu 100 % stimmen würde – die Bibel zeigt deutlich, dass das Prinzip der Mehrfachbezeugung generell anzuwenden ist. (III) Die örtliche Versammlung wird im Neuen Testament als einzige „Instanz“ genannt, die der Herr Jesus mit einer besonderen örtlichen Verwaltung im Hinblick auf seinen Tisch betraut hat. Diese Verwaltung betrifft die Aufnahme von Personen in die christliche Gemeinschaft oder das Hinaustun aus derselben.
Wir setzen einmal voraus, dass obige Aussage zutrifft, um der Frage nach dem „Zulassungsprozess“ weiter nachzugehen (zu einer alternativen Auffassung s. Frage
(10)).

Als die Epoche des Christentums begann, wagte sich niemand den Christen anzuschließen (s. Apg 5,13). Das mächtige Wirken des Heiligen Geistes und die Furcht der Ungläubigen vor den negativen Folgen eines unberechtigten Zutritts zu dieser neuen Gemeinschaft, führte zu einer deutlichen Abgrenzung zwischen „drinnen“ und „draußen“. Die Trennungslinie war eindeutig. Wer zum Volk Gottes gehörte, war klar. Die Übrigen gehörten zur Welt als dem Machtbereich Satans.

Das änderte sich jedoch mit Simon dem Zauberer in Apostelgeschichte 8. Mit ihm kam erstmals, soweit die Bibel berichtet, „Unkraut“ (s. Mt 13,25) in den Bereich des Christentums. Simon blieb kein Einzelfall. Viele Gottlose, falsche Lehrer, Verführer und tote Bekenner sind in den Kreis der Gläubigen hineingekommen. Das bezeugen mehrere Schreiber des Neuen Testaments wie Paulus, Petrus, Johannes und Judas in ihren Briefen.
Wir leben schon lange in einer Zeit der antichristlichen Verführung, in der geistliche Lügen in der Christenheit verbreitet werden. Sie haben leider die unterschiedlichsten Gemeindeströmungen durchdrungen – ohne dass wir alle Gläubigen als
Einzelpersonen unter Generalverdacht stellen. Johannes erklärt in 1. Johannes 2,21: „Ich habe euch nicht geschrieben, weil ihr die Wahrheit nicht wisst, sondern weil ihr sie wisst, und dass keine Lüge aus der Wahrheit ist.“ Diese Lügen entspringen nicht der Wahrheit und sind mit ihr auch nicht vereinbar. Aber sie sind hochattraktiv! Deshalb wirken sie so verführerisch.

“Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, durch die Heuchelei von Lügenrednern …“ (1. Tim 4,1.2). Aus demselben Grund ermahnt Johannes die Gläubigen: „… prüft die Geister, ob sie aus Gott sind.“ (1. Joh 4,1) Da geht es zwar nicht speziell um die Teilnahme am Mahl des Herrn. Ich betone nur den in 1. Johannes 4,1 niedergelegten Grundsatz: In einer Zeit, in der falsche Lehren verbreitet werden und diese die Christenheit durchdrungen haben, obliegt es uns zu prüfen, was und wer an uns herantritt. Wie bei jeder Prüfung im täglichen Leben erfolgt diese durch unabhängige Personen von außen, die das festgestellte Ergebnis darlegen können. Dabei benötigen wir die Hilfe des Herrn und die Leitung durch seinen Geist. Jeder Bruder, der je auf den Wunsch solcher Geschwister, die am Brotbrechen teilnehmen möchten, eingegangen ist und mit ihnen darüber gesprochen hat, wird das schon empfunden haben. 

Das Neue Testament beschreibt uns nicht, wie eine Zulassung zum Tisch des Herrn im Detail ablaufen soll. In jedem Fall erwartet der Herr Jesus, dass an seinem Tisch nur solche Personen in Gemeinschaft kommen, die seinen Ansprüchen genügen. Die
Kriterien, die wir aus der Bibel erkennen, haben wir bei Frage (8) gesehen. Wenn jemand in die Gemeinschaft am Tisch des Herrn aufgenommen werden möchte, betrifft das alle anderen Gläubigen, die bereits in Gemeinschaft am Tisch des Herrn sind. „Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.“ (1. Kor 10,16.17) Die Gemeinschaft am Tisch des Herrn erstreckt sich nicht nur auf den Herrn Jesus, sondern auch auf die übrigen Gläubigen. Gott stellt in Amos 3,3 die rhetorische Frage: „Gehen wohl zwei miteinander, außer wenn sie übereingekommen sind?“ Natürlich nicht. Unmöglich kann eine Gruppe von Menschen eine Wanderung machen, wenn die Vorstellungen über das Ziel, die Route, den Tag, die Uhrzeit oder die Marschgeschwindigkeit nicht übereinstimmen. Dann wird sich bald alles verlaufen oder gar nicht erst zustande kommen. In der Anwendung auf unsere Fragestellung betrifft dieses
„Übereinkommen“ die Grundwahrheiten des Glaubens und die moralischen Voraussetzungen zur praktischen Gemeinschaft am Tisch des Herrn – nicht etwa menschliche Forderungen über die Bibel hinaus.

Die Gläubigen eines örtlichen Zusammenkommens müssen daher vor dem Herrn die Gewissheit erlangen, dass die Voraussetzungen bei der betreffenden Person dem Willen des Herrn gemäß erfüllt sind. Wie sollte ein gemeinsamer Weg in der Gemeinschaft am Tisch des Herrn sonst möglich sein?
Zur Vorgehensweise: Wir sind es gewohnt, dass dazu ein Gespräch mit der betreffenden Person geführt wird, in dem sie Gelegenheit hat, auch ihrerseits Fragen zu stellen. Die örtlichen Geschwister haben nach einer Mitteilung darüber die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Sie stimmen mit ihrem Schweigen dem Vorschlag zu und erkennen gemeinsam vor dem Herrn an, dass dieses Kind Gottes den Voraussetzungen des Herrn Jesus im Hinblick auf seinen Tisch entspricht. Das ist aber nur eine mögliche Vorgehensweise.

Es gibt in anderen Ländern auch Vorgehensweisen, die im Detail etwas anders aussehen. Mir ist aus einem anderen Land bekannt, dass man dort den Geschwistern der örtlichen Versammlung infach den Wunsch der betreffenden Person mitteilt und es dann der ganzen Versammlung überlässt, mit der Person zu sprechen, um Gewissheit zu erlangen.
Wie dem auch sei: Wir halten uns nicht an Formalitäten fest. Wir handeln so oder so mit dem Ziel, dass die örtliche Versammlung im Hinblick auf den geäußerten Wunsch vor dem Herrn Jesus Klarheit gewinnt. Wie groß ist die Freude, wenn derjenige oder diejenige zu Recht in die Gemeinschaft an seinem Tisch aufgenommen werden kann – in Übereinstimmung mit Ihm!

10. Die „Zulassung“ – und die Frage nach den verantwortlichen Personen

Frage: Können Brüder als ein „Ältestenrat“ über die Aufnahme oder Abweisung von
(„neuen“ oder von „extern“ kommenden) Gläubigen entscheiden ohne Einbeziehung
der örtlichen Mitgeschwister?
Kommentar:
Manchmal wird infrage gestellt, ob Matthäus 18,18 als eine Belegstelle gelten könne, mit der die Verantwortung der örtlichen Versammlung für die Aufnahme eines Neubekehrten oder eines Besuchers begründbar sei. „Wahrlich, ich sage euch: Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein.“ Zunächst einmal: In Matthäus 18,18 geht es um eine Angelegenheit der örtlichen
Versammlung (s. Mt 18,17), über die der Herr Jesus hier im zeitlichen Vorgriff spricht (ähnlich wie auch in Mt 16,18). Es geht nicht um die jüdische Art, sich zu versammeln, nämlich als Juden in der Synagoge. Das Neue Testament unterscheidet die jüdische Synagoge von der Versammlung Gottes. So zum Beispiel in Jakobus 2,2 und 5,14, wo beide Bezeichnungen in ein und demselben Brief verwendet werden.

Im Kontext des obigen Zitates aus Matthäus 18 geht es um einen Fall, wo jemandes Sünde schlussendlich an ihn selbst gebunden werden muss. Diese Sünde soll nach erfolgter Buße und Wiederherstellung wieder von der betreffenden Person gelöst werden. Dadurch wird diese Person wieder als Kind Gottes anerkannt und in die Gemeinschaft aufgenommen.
Eine ganz ähnliche Situation erlebten die Korinther, als sie „den Bösen“ von sich hinaustun mussten (s. 1. Kor 5,13). Zu einem späteren Zeitpunkt konnten sie ihn wieder als Bruder anerkennen, indem sie ihm vergaben (s. 2. Kor 2,7), nachdem er Buße getan hatte und geistlich wiederhergestellt war.

Man hört manchmal folgende Gedanken: Sowohl Matthäus 18 als auch die Stellen in den beiden Korintherbriefen beschreiben das Handeln der örtlichen Versammlung nur in den Fällen, in denen das Negativereignis dem Positivereignis vorausgeht. Die örtliche Versammlung „löse“ nur dann etwas, wenn sie es zuvor auch „gebunden“ habe. Überhaupt verpflichte die Bibel nicht die gesamte örtliche Versammlung, über die Aufnahme eines Gläubigen zu entscheiden. Es gebe in der Bibel kein besonderes Verfahren dafür, wie ein Gläubiger in die praktische, christliche
Gemeinschaft komme.

Damit stellt sich die Frage: Wer ist dann für die Aufnahme der Gläubigen am Tisch des Herrn zuständig? Brüder, die in der oben genannten Weise argumentieren, schlagen folgende  Alternative vor: Anstelle der Geschwister, die örtlich als Versammlung zusammenkommen,
sei es die Sache eines Brüdergremiums oder einzelner Brüder, in eigener Kompetenz über die erstmalige Aufnahme zu entscheiden. Entscheidungen dieser Brüder sieht man als ausreichend an. Die örtliche Versammlung bleibt unbeteiligt, sofern niemand einen konkreten Hinderungsgrund nennt. Nur: Ist dieses Vorgehen biblisch begründet?

Nehmen wir einmal an, die örtliche Versammlung habe in dem Fall der erstmaligen Aufnahme von Gläubigen nicht die gemeinschaftliche Pflicht, solche zuzulassen. Wir fragen uns: Gibt es Hinweise im Wort Gottes, welche Personen denn dann – wenn es nicht die örtliche Versammlung sein soll – in Verantwortung vor Gott und in Übereinstimmung mit seinem Wort handeln sollen? Man mag einwenden, dass die Versammlung nur bei der Ereignisreihenfolge „negativ“ – „positiv“ aktiv wird und nicht über die Aufnahme zum Brotbrechen zu entscheiden hat, weil der Fall der
erstmaligen Zulassung nicht in Klartext im Neuen Testament beschrieben sei.

Nur: Wo beschreibt die Bibel – und zwar ebenfalls in Klartext – die oben beschriebene Alternative und benennt einzelne Brüder oder ein Brüdergremium, das in eigener Verantwortung diese Entscheidung treffen könnte? Zur Begründung dieses alternativen „Konzeptes“ ist mir nicht eine einzige Stelle im Neuen Testament bekannt. Ich komme daher zu dem Schluss, dass die Zulassung nach der vorgeschlagenen Alternative biblisch nicht begründbar ist. Aber was ist sie dann? Zunächst einmal ist sie eine menschliche Überlegung, der man Raum gibt. Sie birgt aber die Gefahr klerikalen Klassendenkens in sich und die Tendenz, dass sich ein eventuell selbst ernanntes Brüdergremium über die gesamte Versammlung erhebt. Die Übrigen
müssen die Entscheidungen solcher Brüder einfach akzeptieren.

Außerdem: Gibt es einen vernünftigen Grund, anzunehmen, dass die örtliche Versammlung für die Wiederzulassung verantwortlich ist, die erstmalige Zulassung aber auf einem anderen Weg erfolgen soll? Wir möchten über eine weitere Bibelstelle nachdenken: In Johannes 20,23 wird sehr wohl die Ereignisreihenfolge „positiv“ – „negativ“ erwähnt: „Welchen irgend ihr die
Sünden vergebt, denen sind sie vergeben, welchen irgend ihr sie behaltet, sind sie behalten.“ (Verständnishilfe: Die in Johannes 20,23 erwähnte Vergebung von Sünden hat keine Auswirkung auf den Himmel im Sinn der ewigen Errettung. Es handelt sich um eine verwaltende Handlung für die Beziehungen von Christen auf der Erde. Wem die Sünden im Sinn dieses Verses vergeben werden, der wird als Kind Gottes anerkannt und in der Gemeinschaft der Gläubigen akzeptiert. Jemand die Sünden zu behalten, bedeutet in der Konsequenz das Gegenteil.)

Die Aussage des Herrn Jesus mag in diesem Bibelvers tatsächlich eine einschränkende Bedeutung für die damals anwesenden Apostel haben. Wenn die Aussage des Herrn Jesus jedoch auf die Apostel damals beschränkt ist, dann kann sie von keinem nachapostolischen „Zulassungsgremium“ in Anspruch genommen werden, um dessen Kompetenz bei der erstmaligen Zulassung von Personen zu legitimieren.
Und im entgegengesetzten Fall: Wenn die Aussage des Herrn Jesus nicht auf die damaligen Apostel beschränkt ist, dann kann sie ebenfalls nicht zur Legitimation eines Zulassungsgremiums einiger Brüder herangezogen werden, während man gleichzeitig die Kompetenz der örtlichen Versammlung in Abrede stellt. Und das aus einem einfachen Grund: Hier wird weder die örtliche Versammlung noch ein andersgeartetes Gremium genannt, das erstmalig „lösen darf“.

Der Apostel Paulus verbindet sich jedenfalls mit den Korinthern in einer administrativen Handlung des „Lösens“ und stellt ihre örtliche Handlungsvollmacht keineswegs unter diejenige seiner eigenen Apostelschaft. Dies zeigt 2. Korinther 2,6.7.10: „Genügend ist einem solchen diese Strafe, die von den Vielen ist, so dass ihr im Gegenteil vielmehr vergeben und ermuntern solltet, damit nicht etwa ein solcher durch die übermäßige Traurigkeit verschlungen werde … Wem ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergeben, wenn ich
etwas vergeben habe, habe ich um euretwillen vergeben in der Person Christi.“


Paulus schließt sich den Korinthern im Hinblick auf ihre administrative Vergebung an! Er fordert sie nicht auf, ihm darin zu folgen. Er überlässt ihnen vielmehr den „ersten Schritt“ und erkennt ihre Handlung an, die sie in Übereinstimmung mit dem Herrn Jesus vornehmen. Fragen wir uns: Wenn der Apostel Paulus sich dem Urteil und der Handlung der Korinther anschließt, und sie in ihrer örtlichen Handlungskompetenz in dieser Sache nicht hinter dem Apostel zurückstehen, warum sollten sie dann nicht auch die Kompetenz haben, im Sinn von Johannes 20,23 Neubekehrten, die in die christliche Gemeinschaft aufgenommen werden möchten, die „Sünden zu vergeben“? Sollten etwa allein die Apostel die Kompetenz vom Herrn empfangen haben, dass nur sie erstmalig „Sünden vergeben“ können und im negativen Fall „die Sünden zu behalten“? Wer sollte denn nach dem Ableben der Apostel im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte je „Sünden vergeben“ können im Sinn dieser Stelle? Oder hat etwa die „Sündenvergebung“ in der nachapostolischen Zeit aufgehört?

2. Korinther 2,10 verdeutlicht, dass die örtliche Versammlung in der fraglichen administrativen Tätigkeit im Vergleich zum Apostel Paulus keineswegs „minderbemittelt“ war.
Fazit: Die vorgeschlagene und bereits praktizierte Zulassung durch einige Brüder, die dabei bewusst die Kompetenz und Verantwortung der örtlichen Versammlung ausklammern, ist aus der Bibel nicht nachweisbar. Wieso sollte man etwas akzeptieren, das im Neuen Testament nicht erwähnt wird und dafür das ablehnen, was jedenfalls als Grundsatz erkennbar ist? Nämlich: Die
gemeinsame (korporative) Verantwortung der örtlichen Versammlung im Hinblick auf die (Wieder-)Zulassung in die christliche Gemeinschaft und damit auch zum Tisch des Herrn.

11. 2. Timotheus 2 in der Praxis

Frage: Welche Bedeutung haben die Verse in 2. Timotheus 2,21.22 hinsichtlich des
„Praktizierens des Abendmahls als Normalzustand jedes von neuem geborenen
Christen“?

Kommentar: Im 1. Timotheusbrief erörtert Paulus das Verhalten im Haus Gottes, das dort noch in seinem ursprünglichen, von Gott gewollten Zustand gesehen wird. Aufgrund der negativen Entwicklung der Versammlung vergleicht er die Christenheit in 2. Timotheus 2 mit einem großen Haus. Darin gibt es verschiedenartige Gefäße sowohl hinsichtlich des Materials als auch hinsichtlich der Brauchbarkeit für den Hausherrn.

Der Apostel knüpft seine Unterweisung für Timotheus an den konkreten Fall in den Versen 16 bis 18 an. „Die ungöttlichen, leeren Geschwätze aber vermeide; denn sie werden zu weiterer Gottlosigkeit fortschreiten, und ihr Wort wird um sich fressen wie Krebs; unter welchen Hymenäus ist und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, dass die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben einiger zerstören.“

In 1. Timotheus 1,19.20 lesen wir von Hymenäus und Alexander, die Paulus ihrer Lästerungen wegen dem Satan überliefert hatte, damit sie gezüchtigt würden. Paulus handelte in diesem Fall mit derselben apostolischen Vollmacht, die er auch in 1. Korinther 5,5 im Fall des Hurers erwähnt: „… einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus.“
Diese bösen Lehrer verbreiteten Irrlehren, durch die ein wesentlicher Teil der Grundlagen des christlichen Glaubens angegriffen wurde und infolgedessen auch „der Glaube einiger zerstört wurde“. Timotheus befand sich in Ephesus, als er den Brief des Apostels erhielt. Es ist nicht sicher, ob Hymenäus und Alexander ebenfalls dort wirkten. Es könnte sein, dass Hymenäus, der in 2. Timotheus 2,18 erwähnt, dieselbe Person ist, die in 1. Timotheus 1,20 erwähnt wird. Das vorausgesetzt, blieb dieser Mann trotz der Zucht seitens des Apostels weiterhin inmitten der
Versammlung aktiv. Er war offensichtlich nicht hinausgetan worden. Er wurde weiterhin als Christ und Lehrer akzeptiert, dessen böse Lehre man durch seine Reden in sich aufnahm. Dadurch zerstörte er den Glauben anderer und war in jedem Fall ein „Gefäß zur Unehre“.

Paulus belehrt Timotheus, wie er sich nun verhalten sollte. Seine Aufforderung lautet in V. 21: Reinige dich „innerhalb des großen Hauses“ weg! Warum ermahnt Paulus Timotheus dazu? Wir finden diese Aufforderung erstmals in dem letzten Brief, den der Apostel vor seiner Hinrichtung schrieb. Warum? Bisher hatte der Geist Gottes durch den Dienst des Apostels in den Versammlungen dahingehend gewirkt, dass der „Sauerteig ausgefegt“ wurde, indem z.B. die örtliche Versammlung in Korinth den Bösen hinaustat (s. 1.Kor 5,7.13). Durch Buße, Trauer und die konsequente Handlung der Versammlung entsprach sie (wieder) der Heiligkeit Gottes in seinem Haus. Damit erwies sie sich im Hinblick auf das aufgetretene Böse als rein (s. 2. Kor 7,11). Der Herr erkannte daher die Versammlung in Korinth weiterhin an und „rückte den Leuchter nicht von seiner Stelle weg“ (s. Off 2,5).

Am Ende seines Lebens sah Paulus jedoch auf die Zeit voraus, wenn das Böse nicht mehr aus dem Kreis der Gläubigen hinausgetan werden würde, sondern inmitten der Christen akzeptiert oder wenigsten geduldet werden würde. Nach der apostolischen Zeit würden sich die Verhältnisse in der Versammlung dann so grundlegend ändern, dass er die Versammlung auf der Erde in 2. Timotheus 2 nicht mehr als das Haus Gottes bezeichnete, wie er es in 1. Timotheus 3,15 noch tut. Die Versammlung entwickelte sich von dem Maßstab Gottes moralisch weg, indem sie diesen nicht mehr so beachtete, wie es der Heiligkeit Gottes geziemt. Sie wird daher mit einem großen Haus verglichen, in welchem das Böse leider nicht mehr „ausgefegt“ wird (s. 1. Kor 5,7a).

Der Gläubige muss sich unter diesen geänderten Umständen daher aus Treue zu seinem Herrn selbst aus der Gemeinschaft mit den Gefäßen zur Unehre „ausfegen“, das heißt, davon wegreinigen oder trennen. Interessanterweise verwendet der Heilige Geist in 1. Korinther 5,7a dasselbe Wort wie in 2. Timotheus 2,21 (beachte auch die Fußnoten zu beiden Stellen in der Elberfelder Bibel, Edition CSV).
Wer sich von den Gefäßen zur Unehre wegreinigt, steht von der Ungerechtigkeit ab (s. V. 19b). Aus dem Textzusammenhang können wir tatsächlich nicht schließen, dass die konkreten Formen der Ungerechtigkeit auf solche Dinge beschränkt sind, die nur in Verbindung mit dem Zusammenkommen von Gläubigen vorkommen mögen. Für jedes Kind Gottes gilt die Aufforderung in 1. Thessalonicher 5,22: „Von jeder Art des Bösen haltet euch fern.“ Von welcher Art das Böse ist, spielt dabei keine Rolle. Es handelt sich jedoch um etwas, das den Gläubigen bewusst oder bekannt ist.

Es geht also nicht nur um die Frage, die euch, liebe Freunde, ja zu Recht bewegt, ob Tischgemeinschaft beim Abendmahl noch möglich ist oder nicht mehr möglich ist. Es
geht um „Ungerechtigkeit“, nicht nur um „kirchliche Ungerechtigkeit“. Für einen Exkurs nehmen wir als kleines Fallbeispiel an: Unser Nachbar ist als ein Kind Gottes und Mitglied einer örtlichen Freikirche bekannt. Bisher haben wir ein gutes Verhältnis und tauschen bei Begegnungen mit ihm gern einen Gedanken über Gottes Wort aus. Für seine handwerklichen Arbeiten habe ich ihm schon Werkzeug geliehen und bin ihm bei Bedarf auch behilflich gewesen. Leider ist er seiner Frau gegenüber untreu geworden und lebt seitdem in der Sünde des Ehebruchs. Wie soll ich mich ihm gegenüber verhalten? Ehebruch ist unbestritten Sünde und
Ungerechtigkeit. Demzufolge kann ich keine persönliche Gemeinschaft mehr, keinen brüderlichen oder sozialen Umgang mehr mit meinem Nachbar pflegen. Ich werde mich persönlich von ihm „wegreinigen“. Insofern handle ich gemäß 2. Timotheus 2,19b, da ich von dieser Form der Ungerechtigkeit abstehe. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man in der Praxis auch aufgrund von 1. Korinther 5. Es geht in der obigen Erörterung jedoch um 2. Timotheus 2. Daher beziehe ich mich im obigen Fallbeispiel auch auf diese Bibelstelle.

Und nun die Frage an meine Leser: Was hat dieses Fallbeispiel mit der Frage des Mahles des Herrn zu tun? Was hat es mit „kirchlicher“ Ungerechtigkeit zu tun? Es handelt sich ja vielmehr um „eheliche“ Ungerechtigkeit. Daneben gibt es viele andere Bereiche des Lebens, in denen Ungerechtigkeit oder Unrecht vorkommen kann. So sprechen wir von „sozialer“ Ungerechtigkeit (s. Jak 5,4) oder „familiärer“ Ungerechtigkeit usw. In jedem Lebensbereich ist Ungerechtigkeit möglich – daher auch in der Versammlung. Wir sprechen in letzterem Fall von „kirchlicher“
Ungerechtigkeit. Wem das nicht gefällt, mag vielleicht auch (etwas künstlich ausgedrückt) „ekklesiale“ Ungerechtigkeit sagen, aber das macht es sprachlich nicht besser. Gemeint ist jedenfalls eine Art von Ungerechtigkeit, die den Bereich der Versammlung oder Kirche auf der Erde betrifft. Wir wenden uns nun dieser Art der „kirchlichen“ Ungerechtigkeit zu. Denn sie betrifft insbesondere unsere Fragestellung.

Zurück zu Hymenäus und Philetus: Sie befinden sich beide als Gefäße zur Unehre in dem großen Haus und werden von den Gläubigen allgemein akzeptiert. Da sie nicht hinausgetan wurden, sind sie in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen und nehmen am Mahl des Herrn teil. Dabei verbreiten sie Irrlehre und zerstören den Glauben einiger. Dadurch wird der Herr Jesus entehrt. Leider missachten die übrigen Gläubigen in ihrem Verhalten den Irrlehrern gegenüber die Ansprüche Gottes. Die Situation lässt sich trotz liebevoller und ernster Bemühungen, um eine Korrektur herbeizuführen, leider nicht mehr ändern. Man will einfach nicht mehr!

Und nun? Einfach so weitermachen und das Unabänderliche als Ausdruck der „Einheit des Geistes“ hinnehmen? Nein. Timotheus sollte sich von den Gefäßen zur Unehre wegreinigen. Damit vollzog er eine Trennung. In solchen Fällen ist Trennung Pflicht, um dem Herrn Jesus gegenüber treu zu bleiben! Timotheus gab jede Form der Gemeinschaft mit Hymenäus und Philetus als „Gefäßen zur Unehre“ auf. Das erstreckte sich auch auf die Gemeinschaft beim Mahl des Herrn. Was taten nun die anderen wahren Kindern Gottes, die den Herrn Jesus liebten und Ihm dienen wollten, aber nicht bereit waren, die Gemeinschaft mit Hymenäus und Philetus aufzugeben?

Sie brachen am Sonntag weiter mit Hymenäus und Philetus das Brot – aber Timotheus war nicht mehr dabei. Durfte er denn einfach die Gemeinschaft mit anderen wahren Kindern Gottes aufgeben? Paulus zeigte Timotheus: Er durfte es nicht nur, er musste es um des Herrn Jesus willen tun, wenn er ein Gefäß zur Ehre sein wollte, das geheiligt ist, dem Hausherrn nützlich, zu jedem guten Werk bereitet! Er hatte „sonntags“ keine Gemeinschaft mehr mit solchen, die ihrerseits nicht bereit waren, die Gemeinschaft mit Hymenäus und Philetus zu beenden, um sich somit ebenfalls von den „Gefäßen zur Unehre“ zu reinigen.

Das ist eine in gewisser Hinsicht traurige, aber unvermeidbare Folge davon, wenn andere nicht bereit sind, die Ansprüche des Herrn über menschliche Beweggründe zu stellen. Der Fehler lag
somit nicht bei Timotheus, sondern bei den anderen Geschwistern! Timotheus stellte sich nicht über seine Brüder und Schwestern im Herrn, die diesen Schritt nicht taten und wird diesbezüglich sogar in Vers 22a ermahnt, die jugendlichen Begierden zu fliehen. Im Zusammenhang des Textes können wir dabei an Besserwisserei, Überheblichkeit oder den Stolz, „treu zu sein“, denken. Ganz richtig ist jedoch: Timotheus stellte den Herrn Jesus und die Loyalität Ihm gegenüber über seine eigenen herzlichen Gefühle gegenüber solchen Geschwistern und sogar über das Erlebnis einer „maximalen Einheit von Gläubigen“ – weil es nicht mehr die Einheit des Geistes war! (zur „Einheit des Geistes“ s. Frage (18)).

Kehrten andere Brüder und Schwestern den Gefäßen zur Unehre ebenfalls den Rücken, dann sollte Timotheus mit diesen Gleichgesinnten nach Gerechtigkeit streben (s. V. 22b). Dabei bedeutet Gerechtigkeit die praktische Übereinstimmung mit der Wahrheit, oder anders ausgedrückt mit dem Willen des Herrn. Wir wollen uns fragen: Kann man in der Praxis nach Gerechtigkeit streben, während man gleichzeitig bewusst mit Ungerechtigkeit in Verbindung bleibt?

Wir sind uns sicher einig: Die Gläubigen, die sich von der christlichen Gemeinschaft solcher weggereinigt haben, die „Gefäße zur Unehre“ dulden, und stattdessen nach Gerechtigkeit, Glaube, Liebe und Frieden streben, das sind diejenigen, die den Herrn Jesus aus reinen Herzen anrufen (s. V. 22b). Damit entsteht innerhalb der Christenheit in der Tat eine „neue“ (aber nicht offizielle!) Gemeinschaft (Kreis der Gemeinschaft, circle of fellowship), in der man sich von der Ungerechtigkeit fernhält, aber offen dafür ist, weitere Kinder Gottes kennenzulernen,
die denselben Wunsch haben. Eine bessere Umschreibung dafür ist mir leider nicht bekannt.

Das ist jedoch weder eine sektiererische Gesinnung noch sektiererisches Handeln! Es ist die ausdrückliche Aufforderung des Heiligen Geistes durch den Apostel Paulus! Die Trennung entspringt nicht einer separatistischen Neigung der Gläubigen – wie es bei den Korinthern der Fall war –, sondern sie wird moralisch sozusagen „erzwungen“ vonseiten derer, die nicht bereit sind, die „Gefäße zur Unehre“ aus der praktischen christlichen Gemeinschaft hinauszutun oder – wenn das nicht mehr möglich ist – sich von diesen wegzureinigen. Der Herr Jesus verlangt um seiner eigenen Ehre willen, dass wir Ihm den höchsten Rang einräumen, sobald etwas zu einer Frage der Loyalität Ihm gegenüber wird!

Vielen Kindern Gottes werden diese Gedanken fremd oder neu sein. Wir unterstellen solchen Gläubigen nichts Schlechtes. Wir würdigen ihre persönliche Liebe zum Herrn Jesus sowie ihre Treue im Dienst für Ihn in keiner Weise herab. Wir können ihre unbiblische Praxis jedoch nicht bloß aufgrund der Bruderliebe zu ihnen teilen, wenn sie bewusst oder unbewusst in Verbindung mit „Gefäßen zur Unehre“ bleiben. Der Herr Jesus erwartet, dass wir die Loyalität seiner heiligen Person gegenüber höher achten als die Liebe zu unseren Brüdern. Es geht um Ihn!
Fazit: Jeder von neuem geborene Christ sollte gemäß dem Wunsch des Herrn Jesus seinen Tod verkündigen und daher am Mahl des Herrn teilnehmen. Er sollte sich aber auch vor dem Herrn Jesus fragen, wo er das in Übereinstimmung mit Ihm auf der Grundlage seines Wortes tun kann. Das heißt in anderen Worten, wo er der Gerechtigkeit nachstreben kann, und nicht mit Ungerechtigkeit Gemeinschaft hat. Es ist die alte Frage der Jünger in Markus 14,12: „Wo willst du …?“
Viele Gläubige machen sich darüber keine oder nur kaum Gedanken, weil sie vor allem den persönlichen Aspekt ihrer Beziehung zum Herrn Jesus sehen. Ihm zu Ehren möchten sie am Abendmahl teilnehmen. Der biblische Aspekt der Verbindung mit Ungerechtigkeit ist ihnen oft nicht bekannt. Ich sehe Letzteres nicht als gut an, mache aber Gläubigen, die diesbezüglich in ihrem Gewissen unbefangen sind, keinen Vorwurf!

12. Gleiche Überzeugungen in „kirchlichen Fragen“?

Frage: Ist Gemeinschaft am Tisch des Herrn an „gleiche Überzeugungen in kirchlichen Fragen“ gebunden?
Kommentar:
(I) Im Lauf der Kirchengeschichte hat es – wie wir zu unserer Schande gestehen müssen! – äußerst viele Trennungen mit den daraus hervorgegangenen Gemeinderichtungen gegeben. Zweifelsfrei gibt es in den unterschiedlichen Gemeinderichtungen eine sehr große Vielfalt von „Überzeugungen in kirchlichen Fragen“. Es sind nicht zuerst diese unterschiedlichen Überzeugungen, sondern die Trennungen an sich, seien sie berechtigt oder unberechtigt, die dazu führen, dass keine Tischgemeinschaft mehr besteht.

Wenn der Wunsch nach wechselseitiger Gemeinschaft am Tisch des Herrn aufkommt: Ist dann die Bereitschaft vorhanden, den Missstand grundlegend zu bereinigen, und zwar in einer Weise, die Gottes würdig ist? Möchte man auf der biblischen Grundlage miteinander Gemeinschaft haben, indem alle unbiblischen Gedanken verworfen werden? Oder möchte man eine wechselseitige Tischgemeinschaft ermöglichen, die nach menschlichen Vorstellungen praktiziert
wird? Letzteres stimmt keineswegs mit dem Willen des Herrn für seine Erlösten überein.

Vielleicht tut man es aus Unwissenheit dennoch, sogar mit einem guten Gewissen oder auch in bester Absicht. Das stelle ich gar nicht in Abrede. Doch gibt es auch eine Begründung dafür, die der Prüfung anhand des Wortes Gottes standhält? Wenn wir die bei Frage (1) und (4) geäußerten Gesichtspunkte vor Augen haben, fällt die Antwort allerdings negativ aus.
(II) Die obige Frage zielt vielleicht eher auf den Fall ab, dass wahre Kinder Gottes, zum Beispiel aus einer Freikirche, zu Besuch sind. Solche haben aufgrund ihrer christlichen Prägung in der Tat oft ein anderes Verständnis über „kirchliche Fragen“. Müssen sie die gleichen Überzeugungen unmittelbar annehmen, um als Besucher am Mahl des Herrn teilnehmen zu können? Wenn eine ungleiche Überzeugung dieser Art der einzige fragliche Punkt sein sollte, ist dieser für eine besuchsweise Teilnahme am Mahl des Herrn eher nicht ausschlaggebend. Ein Besucher, der entweder eine längere Zeit am Ort verweilt oder aufgrund seiner äußeren
Lebensumstände immer wieder zu Besuch sein möchte, lernt im Lauf der Zeit die biblische Wahrheit über die Versammlung Gottes besser kennen (das ist unsere Aufgabe!). Lehnt er es (im Lauf der Zeit) erkennbar ab, den Willen des Herrn diesbezüglich verwirklichen zu wollen, müssen sich die Geschwister dieses örtlichen Zusammenkommens fragen, ob sie mit einem solchen noch „nach Gerechtigkeit streben“ können (s. 2. Tim 2,22). Dann mag die „Überzeugung in kirchlichen Fragen“ wohl doch zu einem Prüfstein werden.

Um eine aktuelle Entwicklung in der Christenheit zu erwähnen: Der öffentliche Dienst von Frauen in den Gemeindestunden ist ja auch eine „Überzeugung in kirchlichen Fragen“. Wenn wir dann den biblischen Standpunkt darlegen, werden Gläubige, die an ihrer „Überzeugung in dieser kirchlichen Frage“ festhalten möchten, hinsichtlich ihres Wunsches nach Abendmahlsgemeinschaft vielleicht eher zurückhaltend werden.
Wir dürfen um unseres Herrn willen nicht den Eindruck erwecken, als seien alle möglichen „Überzeugungen in kirchlichen Fragen“ gleichberechtigt, oder die Unterschiede seien unbedeutend. Wir haben ja nur einen Maßstab: Gottes Wort. Und der ist für jeden Gläubigen verbindlich. Dabei bleiben wir immer Lernende und wollen unseren Herrn mit einem demütigen Herzen bitten, dass Er uns seinen Willen recht verstehen lässt.

Und wenn wir auch irren können und vieles nur unvollkommen verstehen und tun: Das, was der Geist Gottes uns deutlich macht, halten wir fest und geben es in der „Sanftmut und Milde des Christus“ weiter, um anderen so die „Wahrheit in Liebe“ vorzustellen. Wenn sie diese nicht annehmen wollen, werden sie sich vermutlich über kurz oder lang von selbst abwenden.
Liebe Freunde, es wäre völlig falsch, jemanden abstoßen zu wollen! Es geht bei den Fragen, die uns miteinander beschäftigen, ja um unseren Herr Jesus, um Ihn allein, und um das, was Ihn ehrt und Ihm wohlgefällt. Es geht nicht in erster Linie um die Versammlung, schon gar nicht um die „Brüderversammlung“ oder ein „Schubladendenken“, sondern es geht um Ihn und seine Herrlichkeit! Ist uns das bewusst – auch wenn es in der Praxis dann manchmal schwierig werden mag?

13. Innere Zustimmung durch äußere Teilnahme?

Frage: Bedeutet äußere Teilnahme die innere Zustimmung zu allem, was anwesende Personen denken und wie sie privat leben?
Kommentar:
Nein, die äußere Teilnahme am Abendmahl in einer christlichen Glaubensgemeinschaft (von anderen sprechen wir hier nicht), bedeutet zunächst nicht die innere Zustimmung zu allem, was anwesende Personen denken und wie sie privat leben.
Ich zitiere vorab die fragliche Bibelstelle: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot. Seht auf Israel nach dem Fleisch. Sind nicht die, welche die Schlachtopfer essen, in Gemeinschaft mit dem Altar? Was sage ich nun? Dass ein Götzenopfer etwas sei oder dass ein Götzenbild etwas sei? Sondern dass das, was die Nationen opfern, sie den Dämonen opfern und nicht Gott. Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen. Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht des
Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches.“ (1. Kor 10,16-21).

Zunächst die lehrmäßigen Grundsätze, die für die Antwort wesentlich sind: (a) Durch die äußere Teilnahme an den Zeichen des Tisches des Herrn hat der Gläubige Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus selbst, aber auch mit den teilnehmenden Gläubigen (s. V. 16.17).
(b) Die äußere Teilnahme an einem christlichen oder religiösen Tisch bedeutet in den Augen Gottes moralisch Gemeinschaft, sowohl mit der geistlichen Grundlage dieses Tisches, die dort vertreten wird (s. V. 18), als auch mit dem Gegenstand der Verehrung und den dahinter stehenden Mächten (s. V. 20) – ob man es weiß oder nicht.

Und nun einige Punkte im Hinblick auf die obige Frage: 

(I) Zunächst geht es nicht um „bloß anwesende Personen“ sondern nur um solche, die auch tatsächlich am Brotbrechen teilnehmen. Weitere Personen werden in 1. Korinther 10,16 ff. nicht erwähnt.
(II) Konkretisieren wir die obige Frage nun auf eine Gesellschaft von teilnehmenden Personen. Mache ich mich durch meine persönliche Teilnahme an einem entsprechenden Tisch eins mit allem, was die anderen denken oder wie sie privat leben? Drücke ich durch meine Teilnahme beim Abendmahl z. B. meine Zustimmung zu dem besonderen Hobby eines Glaubensbruders aus? Oder darf ein anderer aus diesem Grund für sich annehmen, ich würde seine Art der Kindererziehung oder die Ziele seines Familienurlaubs für gut befinden?
Liebe Freunde, müssen wir noch etwas antworten? Wo in der Bibel wird eine derartige „Zustimmung zu allem“ denn genannt? Nirgends! 

(III) Was uns 1. Korinther 10 aber sehr wohl zeigt: Die äußere Teilnahme bedeutet prinzipiell Gemeinschaft und Einsmachungen mit den geistlichen Grundsätzen des jeweiligen Tisches. Die äußere Teilnahme bedeutet nicht Gemeinschaft mit allen möglichen privaten Dingen der Glaubensgeschwister. Das wird in dem obigen Text nicht einmal angedeutet!
(IV) Hinsichtlich des privaten Lebens gilt dennoch zu beachten: So unterschiedlich das Leben der Gläubigen auch ist, so verschieden die familiären Verhältnisse und äußeren Umstände auch sein mögen, die Bibel geht von einem gesunden Glaubensleben der Kinder Gottes aus. Und dieses zeigt sich unter anderem darin, dass sie geheiligt zur Ehre des Herrn leben. Das ist der Fall, wenn 2. Korinther 7,1 beachtet wird: „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die
Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.“ Dazu gehört als motivierendes Element unbedingt: „Und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.“ (Gal 2,20).

Es kann jedoch sein, dass sich in dem Denken und privaten Leben jemandes ein böser Zustand einstellt. Es mag sein, dass dieser von den örtlichen Gläubigen ignoriert und nicht der Heiligkeit Gottes entsprechend behandelt wird. Als Begründung wird vielleicht angegeben, dass die weiter aufrechterhaltene Gemeinschaft keineswegs zur Verunreinigung der übrigen Glaubensgeschwister führe. Vielleicht lehnt man sogar grundsätzlich die Belehrung des Wortes Gottes über die „Verunreinigung durch Verbindung mit Bösem“ ab. Dann steht dieser Tisch der
Abendmahlsgemeinschaft nicht auf der biblischen Grundlage, denn 1. Korinther 5,6.7a erklärt uns: „Euer Rühmen ist nicht gut. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid.“
Wer dennoch an diesem Tisch teilnimmt, macht sich mit der falschen Grundlage dieses Tisches eins, und stimmt durch die praktizierte Gemeinschaft mittelbar (indirekt) auch dem bösen Treiben und Zustand des Betreffenden zu.

14. Private Tische – und der Tisch des Herrn

Frage: Sind die Voraussetzungen für die „private Gemeinschaft“ und für die Abendmahlsgemeinschaft dieselben? Gilt die Formel: Wenn keine Abendmahlsgemeinschaft
möglich ist, dann ist auch „private Gemeinschaft“ nicht statthaft?

Kommentar: Wir möchten uns der Antwort auf diese Frage nähern, indem wir uns Bibelstellen zu
verschiedenen Tischen aus 1. Korinther 10 und 11 anschauen. (I) Zunächst Bibelstellen, in denen Tische aus dem heidnischen Bereich erwähnt werden: „ … ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches“ (1. Kor 10,21b).
„Wenn jemand von den Ungläubigen euch einlädt und ihr wollt hingehen, so esst alles, was euch vorgesetzt wird, ohne zu untersuchen um des Gewissens willen“ (1. Kor 10,27). (II) Sodann zwei Zitate zu Mahlzeiten, die sich im Bereich des Christentums bzw. des christlichen Lebens befinden:
„Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1. Kor 11,26). „Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken? … Wenn jemand hungrig ist, so esse er daheim“ (aus 1. Kor 11,22.34).

Zu (I): Die Stellen aus 1. Korinther 10 beschreiben zwei unterschiedliche Arten von heidnischen Tischen: den religiösen und den privaten. Auf beiden Tischen mag das gleiche Fleisch stehen, nämlich Götzenfleisch. Das ist für den Götzentisch selbstverständlich, wird aber auch für den privaten Tisch angenommen. Sonst brauchte der Apostel die Gläubigen aus Korinth nicht darauf hinzuweisen, dass sie dieses Fleisch zunächst einmal einfach aus der Hand des Schöpfers annehmen und verzehren durften. „Denn ‚die Erde ist des Herrn und ihre Fülle’“ (1. Kor 10,26). Sie sollten
gerade nicht untersuchen, ob es Opferfleisch sei (s. V. 27). Sie sollten es einfach als normale Speise annehmen. 

Es gab allerdings eine Ausnahme. Wenn jemand von der heidnischen Tischgesellschaft erwähnte, dass dieses Fleisch als Opferfleisch den Göttern geweiht worden war, dann musste der Gläubige seine Teilnahme an der Mahlzeit beenden. Denn durch diese Aussage wurde die Sache zu einer Frage des Gewissens – und zwar des Gewissens des Ungläubigen. Eine weitere Teilnahme des Gläubigen an diesem privaten Gasttisch wäre von den Heiden als Zustimmung zum Götzendienst gewertet worden und hätte damit das Zeugnis des Gläubigen hinsichtlich der Trennung zwischen Licht und Finsternis zerstört. Diesen Fall lassen wir für unsere weitere Untersuchung außer Betracht, da er dafür nicht maßgeblich ist. 

Wir halten fest: Ein Gläubiger darf an einem privaten Gasttisch, der sich im Bereich der Heidenwelt befindet, Götzenfleisch als solches grundsätzlich unbesorgt essen. Aus Vers 21 entnehmen wir die deutliche Aufforderung: Ein Gläubiger darf kein Götzenfleisch an einem religiösen Tisch essen, der sich im Bereich der Heidenwelt befindet. Es handelt sich in der Heidenwelt nämlich um Dämonentische. Begründung: Obwohl diese beiden Arten von Tischen in demselben Bereich, nämlich
der heidnischen Welt, stehen, ist es dem Gläubigen verboten, an dem religiösen Tisch teilzunehmen, aber es ist ihm gestattet, an dem privaten Tisch teilzunehmen. Letzteres soll natürlich nicht unüberlegt oder leichtsinnigerweise geschehen. Die Zwischenbemerkung „und ihr wollt hingehen“ lässt uns innehalten und unsere eigenen Beweggründe vor dem Herrn prüfen.

Dem Wesen nach besteht also ein großer Unterschied zwischen dem religiösen Tisch und dem privaten Tisch. An dem religiösen Tisch geht es nämlich um „Kult“. Um klarzustellen, wie „Kult“ in unserer Erörterung zu verstehen ist, ziehen wir den Duden zurate (Band 7, Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache, Mannheim 1989, S. 393). Demnach bedeutet Kult u.a. „Verehrung [einer Gottheit]“. Das ist gerade der wesentliche Punkt. Die Tischgemeinschaft im Götzentempel am Dämonentisch ist untrennbar mit der Verehrung von Göttern verbunden. Die Tischgemeinschaft während eines Gastmahls in dem privaten Haus eines Heiden hat an sich nicht das Ziel, die Götter zu verehren. Daher darf der Bruder aus Korinth dort teilnehmen, jedoch keinesfalls am Götzentisch, obwohl das gleiche Götzenfleisch auf beiden Tischen stehen mag!
Wir haben hier den biblischen Beleg für die erkennbare Trennung zwischen dem privaten Bereich und dem religiösen Bereich.

Aus der Gemeinschaft an einem privaten Tisch darf man nicht ableiten, dass die Gemeinschaft an einem religiösen erlaubt oder statthaft sei! Darin erkennen wir wieder einen wichtigen Grundsatz, den wir für unsere Schlussfolgerung benötigen werden. Zu (II): Die Korinther vermischten in 1. Korinther 11 offenbar das Liebesmahl als eine soziale, gemeinschaftliche Mahlzeit mit dem Mahl des Herrn. Der Apostel ermahnt sie auch hier, eine scharfe Trennungslinie zu ziehen, und zwar zwischen dem Essen und Trinken beim Mahl des Herrn und dem Essen und Trinken, das für die körperlichen Bedürfnisse nötig ist. Sie durften keineswegs beides gleichsetzen. Denn das brachte sie gerade in die Gefahr, beide Mahlzeiten zu vermischen.

Beim Mahl des Herrn an seinem Tisch geht es um den Tod des Herrn Jesus, und nicht um unseren Hunger oder unseren Durst. Beim privaten Mahl an unseren privaten Tischen in unseren Häusern sollen wir essen, um uns zu sättigen. Es gibt somit einen privaten oder sozialen Bereich, in dem die Gläubigen ihre körperlichen Bedürfnisse stillen dürfen, und nach dem Willen des Schöpfers auch sollen. Demgegenüber hat das Mahl des Herrn dem Wesen nach weder eine private noch eine soziale Komponente im Sinn des Liebesmahles. Wir erkennen den Grundsatz: Da, wo es um „Kult“, also gottesdienstliche Verehrung geht, nämlich beim Mahl des Herrn, geht es um Ihn. Da kommen die natürlichen Bedürfnisse des Menschen nicht in Betracht. Um die natürlichen Bedürfnisse des Leibes zu befriedigen, genießen wir private, soziale Mahlzeiten in unseren Häusern.

Nach Gottes Wort müssen wir beides scharf voneinander trennen. Andernfalls nähert man sich in gefährlicher Weise den Zuständen in Korinth und entehrt den Herrn Jesus bei dem, was man sogar noch die „Verkündigung seines Todes“ nennen mag. Fazit: Die Gemeinschaft bei einer privaten Mahlzeit dient nicht dem vorrangigen und besonderen Zweck eines „Kultes“, nämlich der gottesdienstlichen Verehrung. Deshalb ist es dem Gläubigen unter gewissen Voraussetzungen gestattet, sogar an dem Tisch eines Heiden zu essen, und zwar unabhängig davon, was ihm vorgesetzt wird – unter Beachtung der genannten Ausnahme. Aus der Teilnahme an einem
privaten Tisch kann somit keineswegs die Teilnahme an einem Tisch, an dem „Gottesverehrung“ praktiziert wird, abgeleitet werden.

Auch im christlichen Bereich wird die Bedeutung der Mahlzeiten am Tisch des Herrn und an einem privaten Tisch grundsätzlich unterschieden. Um es mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn ich einen Gläubigen zum Kaffeetrinken einlade, dann sind wir nicht zum Namen des Herrn Jesus hin
versammelt. Ich habe ihn nicht deshalb eingeladen, um mit ihm einen Gottesdienst zu feiern. Demzufolge dürfen weder er noch ich daraus ableiten, dass er aufgrund meiner privaten Kaffeetafel nun auch zur Teilnahme am Mahl des Herrn berechtigt sei. Das Mahl des Herrn hat eine definitive Bestimmung in Bezug auf den Herrn. An meinem privaten Tisch geht es um „Kaffee“ und den persönlichen, durchaus auch geistlichen Gedankenaustausch. Damit hat weder das Mahl des Herrn noch der Tisch des Herrn etwas zu tun.

15. „Tischgemeinschaft“ des Herrn Jesus mit Sündern

Frage: Zeigen Stellen wie Lukas 5,27 ff. u. a. nicht, dass der Herr Jesus viel barmherziger mit Menschen umging als wir? Er hatte mit den Zöllnern und Sündern Tischgemeinschaft. Müssten wir dann nicht viel freizügiger Menschen zum Abendmahl zulassen, die sich als Kinder Gottes bekennen, also nicht mehr „Zöllner und Sünder“ sind?

Kommentar: Zur Beantwortung hilft die Untersuchung der Bibelstellen zur Frage (14). Wir haben
bereits gesehen, dass die Gemeinschaft an einem privaten Tisch deutlich von der Gemeinschaft am Tisch des Herrn unterschieden werden muss. Das ist nötig, weil das Wesen der beiden Arten von Tischen und die Bedeutung der jeweiligen Mahlzeiten auf den Tischen grundlegend verschieden sind. Sie verfolgen gänzlich unterschiedliche Absichten.

Nun zu Lukas 5,27 ff.: Wenn unser Herr Jesus der Einladung des Zöllners Levi folgte, dann begab er sich an einen privaten Tisch. Levi setzt den Geladenen ein Gastmahl vor. Weder er noch unser Herr handelte dabei mit der Absicht „göttlicher Verehrung“ (Kult). Das hätte in der damaligen Zeit sowieso im Tempel stattfinden müssen. Wir können aus dieser Einladung von Sündern zu Levis privatem Gastmahl in keiner Weise ableiten, dass wir die Voraussetzungen zur Teilnahme am Tisch des Herrn aufweichen dürften (siehe Frage (8)).
Übrigens: Levi lud den Herrn Jesus und die Zöllner und Sünder nicht deshalb ein, damit diese Gesellschaft etwas Interessantes erleben oder gut unterhalten würde. Es ging um das ernste Bedürfnis erlösungsbedürftiger Sünder. Deshalb wünschte Levi, diese Leute mit dem Herrn Jesus in Kontakt zu bringen. Und das hat ganz sicher nichts mit Amüsement oder geselligem Zeitvertreib zu tun!
Fazit: Aus dieser Stelle kann keine Begründung zu einer lockereren Handhabung der Zulassung für die Teilnahme am Mahl des Herrn abgeleitet werden. Aber fragen wir uns selbst einmal für unsere Lebenspraxis: Aus welchem Grund verbringen wir einen Abend mit Ungläubigen? Aus demselben wie unser Herr Jesus, um ihnen die Botschaft über den Erretter vorzustellen? Oder tun wir es leichtfertig
und missachten die Absonderung von der Welt? Lies Jakobus 4,4.

16. Gemeinschaft am Tisch des Herrn trotz einer „Bezeichnung“?

Frage: Es kommt vor, dass wir jemanden, der bezeichnet ist, nicht zum Kaffeetrinken einladen würden (außer um ihn zurechtzuweisen). Aber wir brechen weiterhin das Brot mit ihm. Wohingegen wir mit einem anderen Gläubigen, z.B. aus der Freien Evangelischen Gemeinde, zwar Kaffeetrinken aber nicht das Brot brechen? Wie kann das sein?

Kommentar: (16.1) Schauen wir uns einige Bibelstellen an:
(I) „Ich ermahne euch aber, Brüder, auf die zu achten, die Zwiespalt und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und wendet euch von ihnen ab“ (Röm 16,17).

Paulus ermahnt die Brüder in Rom, zerstörerische und spalterische Aktivitäten einzudämmen. Sie bewirken nämlich im Lauf der Zeit, dass die örtlichen Gläubigen gespalten werden und sich schließlich voneinander trennen. Das steht im Widerspruch zu der neutestamentlichen Lehre, die uns das Gegenteil, nämlich die Einheit der Gläubigen, vorstellt! Doch was konnte man tun, wenn etliche für Zwiespalt und Ärgernis sorgten? Die Brüder, aber sicher auch die Schwestern, sollten sich persönlich von den Unruhestiftern abwenden. Für diese sollte dadurch spürbar werden, dass die Brüder das falsche Verhalten missbilligten und sich davon distanzierten.

Die obige Bibelstelle behandelt nicht den Punkt, ob die fraglichen Personen weiterhin am Mahl des Herrn teilnehmen konnten. Diese Stelle gibt keine Antwort auf diese konkrete Frage. Die „Gemeinschaft am Tisch des Herrn“ gehört ja nicht zum Themenkreis des Römerbriefes. In dem oben genannten Fall wird ein aufgetretener Sachverhalt beschrieben, also eine Zustandsbeschreibung gegeben. Paulus gibt keine Hinweise für die angemessene Reaktion der Brüder oder der Versammlung, falls die weitere Entwicklung negativ verlief. Wir hören nicht, ob oder wie lange noch Tischgemeinschaft möglich wäre. Aber es ging bestimmt nicht endlos weiter so.

Wer Zwiespalt und Ärgernis anrichtet, bewahrt nicht die Einheit des Geistes im Band des Friedens (s. Eph 4,3). Und aus 1. Korinther 11,18.19 wissen wir, dass ein solches Verhalten letztlich Trennung unter Brüdern bewirken wird. Damit ist die Gemeinschaft am Tisch des Herrn sowieso praktisch unterbunden – und zwar durch diejenigen, vor denen der Apostel hier warnt. Sie werden im schlimmsten Fall eine Anzahl von Gläubigen hinter sich herziehen (s. Apg 20,30).

Fazit: Diese Stelle kann nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass man sich persönlich zwar von jemandem abwenden soll, die Gemeinschaft am Tisch des Herrn aber dennoch weiterhin „problemlos“ fortgesetzt wird wird. Es ist nicht die Absicht dieser Stelle, auf obige Frage eine Antwort zu geben. Wahrscheinlich nahmen die Unruhestifter in Rom tatsächlich momentan (noch) am Brotbrechen teil. Wenn sie nicht Buße taten, würde ihre weitere Entwicklung von selbst dahin führen, dass die Gemeinschaft beim Mahl des Herrn aufhörte, weil sie eine Trennung unter Brüdern verursachten. Lasst uns Folgendes beachten: Es gibt geistliche Entwicklungen mit Übergangszuständen, aus denen wir keine Schlussfolgerung für statische, dauerhafte Verhältnisse ableiten können.

(II) „Einen sektiererischen Menschen weise ab nach einer ein- und zweimaligen Zurechtweisung, da du weißt, dass ein solcher verkehrt ist und sündigt, wobei er durch sich selbst verurteilt ist.“ (Tit 3,10.11) Zu dieser Bibelstelle brauchen wir nach den obigen Überlegungen nicht mehr viel zu ergänzen. Es handelt sich um einen sektiererischen Menschen in der Versammlung auf der Insel Kreta. Ob es sich um einen gläubigen Menschen handelt, bleibt offen.

Es ist aber nicht ausgeschlossen. Der Hinweis des Apostels auf die einmalige und zweimalige Zurechtweisung deutet auf den Anfangszustand eines negativen Verhaltens und Handelns hin. Wird die Zurechtweisung auf Dauer nicht angenommen, ist eine Trennung unumgänglich. Andernfalls, das heißt, wenn man den sektiererischen Menschen duldet, gewöhnt man sich an dessen böse Gedanken
und duldet sie, was ebenfalls zerstörerische Auswirkungen auf alle haben wird.
„Lasst euch nicht verführen: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten.“ (1. Kor 15,33). Ändert der sektiererische Mensch seine innere Haltung nicht, indem er Buße tut, so wird er dem Wesen seiner Gesinnung nach auf eine Trennung hinwirken. Dieses Endergebnis wird in Titus 3 aber nicht konkret erörtert. Die Wortwahl des Heiligen Geistes deutet aber schon darauf hin.
Fazit: Siehe das Fazit unter (1), nur örtlich auf Kreta bezogen. Die Unterweisung des Apostels an Titus ist jedoch nicht ortsgebunden. (III) „Wir gebieten euch aber, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr euch zurückzieht von jedem Bruder, der unordentlich wandelt und nicht nach der Überlieferung, die er von uns empfangen hat … Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich wandeln, indem sie nichts arbeiten, sondern fremde Dinge treiben.

Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie im Herrn Jesus Christus, dass sie, in der Stille arbeitend, ihr eigenes Brot essen … Wenn aber jemand unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde; und erachtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder“ (2. Thes 3,6.11.12.14.15).
Auch in dieser Stelle belehrt Paulus die Empfänger des Briefes nicht über die eingangs gestellte Frage. Es wird nicht einmal erwähnt, ob der bezeichnete Bruder tatsächlich weiterhin am Brotbrechen teilnahm, obwohl es nicht untersagt wird. Es kann durchaus vorkommen, dass sich jemand aus Protest gegen die ausgesprochene Bezeichnung oder auch aus Scham oder aus anderen Gründen von sich aus momentan von der aktiven Teilnahme am Brotbrechen zurückzieht. Dazu
sagen die zitierten Verse nichts. 

Es ist auch nicht Gegenstand der darin enthaltenen Unterweisungen durch den Apostel. In der Praxis kann es jedoch vorkommen. Dann ist dieser Bruder weder „hinausgetan“ worden noch nimmt er tatsächlich am Brotbrechen teil. Es gibt also einen weiteren praktischen „Zwischenzustand“ im
Hinblick auf die Teilnahme am Mahl des Herrn. Da 2. Thessalonicher 3 dazu nichts weiter sagt, müssen wir das für den damaligen konkreten Fall offenlassen. Wie der bezeichnete Bruder auf die korrektive Maßnahme reagiert und wie sich sein weiteres Leben entwickeln wird, bleibt ebenfalls offen. Sein Fehlverhalten ist allerdings so ernst, dass die übrigen Gläubigen keinen freundschaftlich-sozialen Kontakt mehr mit ihm pflegen sollen. Er soll dadurch eine Hilfestellung bekommen (ja bitte, ganz positiv!), um seine Lebenssituation selbstkritisch zu überdenken, die Korrektur anzunehmen und sein Leben zu ändern.

Es ist aber unwahrscheinlich, dass ihm für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte das Urteil einer „Bezeichnung“ aufliegt, und er dabei gleichzeitig und dauerhaft in „schönster“ Tischgemeinschaft mit den örtlichen Geschwistern beim Mahl des Herrn bleibt oder weiterhin unbedenklich immer wieder Empfehlungsbriefe bekommt, nur weil er ja „nicht ausgeschlossen“ ist. Ich erwähne das bloß zum Nachdenken und nicht, um etwas zu überspitzen.

Es wird sich auch in diesem Fall anhand seiner Entwicklung zeigen, ob er Buße tut, oder ob er sich leider zum Schlechteren hin entwickelt. Letzteres mag weitere Folgen nach sich ziehen. Der Unterschied zu 1. Korinther 5 ist aber, dass der Bezeichnete noch als Bruder angesehen wird. Daher darf und soll er ermahnt werden. Das ist in 1. Korinther 5 bei dem Bösen, der hinausgetan werden muss, nicht mehr möglich. Bei einem bezeichneten Bruder sind seelsorgerliche Bemühungen des Hirtendienstes weiterhin möglich – bei einem Ausgeschlossenen nicht mehr, er ist ein Böser und wird nicht mehr als ein Bruder angesehen, sondern als ein „jemand“ (s. 2. Kor 2,5).
Fazit: 2. Thessalonicher 3 belehrt uns nicht über dauerhafte, „statische“ Verhältnisse. Der Apostel möchte durch seine Unterweisung bei den Thessalonichern das richtige Verhalten gegenüber dem bezeichneten Bruder hervorrufen. Ein wirklich geistliches Verhalten der örtlichen Gläubigen wird bei dem bezeichneten Bruder entweder zu dessen Umkehr führen, denn wer kann schon immer wiederkehrende Zurechtweisungen ertragen, ohne zu einer Änderung in seinem Leben bereit zu sein? –
Oder aber es wird zur Folge haben, dass er sich selbst zurückzieht, weil er im Schlechten verharren will und die als unangenehm empfundenen Hinweise der Glaubensgeschwister nicht mehr wünscht. In letzter Konsequenz kann das sogar zum Ausschluss führen, wenn er in der „Unordnung“ verharrt oder wenn sie schlimmer wird. Der Zustand eines Bruders unter dem Urteil einer Bezeichnung ist in
der Bibel nicht als ein Normal- oder Dauerzustand vorgesehen.
Und: Sich zurückzuziehen ist keine biblische Lösung für ein Problem, sondern maximal eine „Krücke“.
Wenn die Bibel über Gemeinschaft am Tisch des Herrn spricht, dann geht sie von dem statischen, permanenten Normalzustand aus. Daher finden wir in obigen Stellen die gewünschten Hinweise, die wir in den anderen Fragestellungen bereits erörtert haben.
Wir tadeln niemand, wenn wir uns fragen: Kann es sein, dass unser geistlicher Zustand so niedrig ist und unsere geistliche Kraft im Hinblick auf das angemessene Verhalten einem bezeichneten Bruder gegenüber so gering ist, dass sich solche Verhältnisse längerfristig festigen und dadurch derartige Fragen aufkommen? (16.2) „Wenn Kaffeetrinken an einem privaten Tisch – dann auch gemeinsames
Brotbrechen am Tisch des Herrn?“ Wir verweisen für den zweiten Teil der Fragestellung auf Punkt (14).

III Hindernisse für die praktische Gemeinschaft – oder falsche Ansichten der „Brüder“?
17. Die „Einheit des Geistes bewahren“ – wie geht das?

Frage: Die „Einheit des Leibes“ ist ja unzerstörbar, weil sie von Gott geschaffen worden ist. Was bedeutet es dann, dass wir die „Einheit des Geistes“ bewahren sollen? Und wie geht das im Umgang miteinander ganz praktisch?

Kommentar: Vorab: Wir denken zunächst mehr über die richtige Gesinnung und das rechte Verhalten nach, um die „Einheit des Geistes“ bewahren zu können. Unter Frage (18) und Frage (20) soll dann die „Einheit des Geistes“ besonders im Hinblick auf die Beziehungen verschiedener örtlicher Versammlungen zueinander aufgegriffen werden.
(17.1) Die „Einheit des Leibes“ ist zwar kein Ausdruck, der in der Bibel vorkommt, die Sache gehört jedoch zu den grundlegenden Aspekten der christlichen Wahrheit, die in mehreren Bibelstellen erwähnt wird. „Da ist ein Leib.“ (Eph 4,4) – und zwar nur ein einziger, wie das Zahlwort „eins“ verdeutlicht. Dieser Leib ist ein einziger und ein ganzer, und wird in der Bibel als ein fortwährend funktionsfähiger und weltweiter Organismus beschrieben, der grundsätzlich nicht gespalten (oder: geteilt) sein kann.

„Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden …“ (1. Kor 12,13) „Aber Gott hat den Leib zusammengefügt, indem er dem Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat, damit keine Spaltung in dem Leib sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander hätten“ (1. Kor 12,24.25). Als der Heilige Geist an Pfingsten dauerhaft auf die Erde kam, wurden die Gläubigen,
in denen Er Wohnung nahm, unauflösbar miteinander zu einem geistlichen Leib und vor allem mit Christus als ihrem im Himmel verherrlichten Haupt verbunden. Das hatte es in früheren Zeiten nie gegeben. Die Auswirkung dieses epochalen Ereignisses zeigte sich unmittelbar in der Praxis des christlichen Lebens: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.“ (Apg 2,42) „Die Menge derer aber, die gläubig
geworden waren, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein Eigen wäre, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 4,32).

Zu diesem Zeitpunkt waren alle Gläubigen nicht nur als Glieder des einen Leibes untrennbar miteinander verbunden („Einheit des Leibes“). Sie stimmten auch mit den Absichten und Zielen des Heiligen Geistes in der praktischen Verwirklichung überein und bewahrten so tatsächlich „die Einheit des Geistes im Band des Friedens“ (Eph 4,3). Der Heilige Geist wirkte mächtig in den Herzen der Jünger. Dadurch wurde die Selbstsucht des natürlichen Herzens wirkungsvoll unterdrückt. Stattdessen zeigte sich das neue Leben. Die Jünger waren „ein Brief Christi“, „gekannt und gelesen von allen Menschen“ in ihrer Umgebung (2. Kor 3,2.3).

Leider traten bald erste Störungen auf. Wir denken an das Murren der Gläubigen in Jerusalem, die dem hellenistischen Kulturkreis entstammten (s. Apg 6,1f). Es richtete sich gegen die „anderen“, nämlich gegen die hebräischen Christen. Jene hielten ihre Witwen für unterversorgt – daher die Unzufriedenheit. Die Apostel erkannten die Sprengkraft dieser Situation. Zwar konnte der Leib Christi an sich nicht zerstört werden, denn es ist die göttliche Kraft des Heiligen Geistes, die den Leib Christi zusammenhält. Und welche andere Macht könnte diese Einheit dann zerstören? Die
praktische Verwirklichung dieser Einheit in der sichtbaren Realität war aber sehr wohl gefährdet. Wenn sich die Gläubigen aus den beiden Kulturkreisen auseinanderlebten und schließlich auch äußerlich zerfielen, dann wäre in der sichtbaren Wirklichkeit das Bild der Einheit aller Erlösten zerstört worden. Und gerade das durfte nicht geschehen!

Es geht bei der Ermahnung in Epheser 4,3, „die Einheit des Geistes zu bewahren“, nicht um die unsichtbare und unantastbare Wirklichkeit des Leibes Christi, wie dieser Leib gemäß den Gedanken und dem Ratschluss Gottes besteht. Sondern es geht um das Ausleben dieser grundlegenden Tatsache, so dass sie im sichtbaren Leben der Gläubigen praktisch erfahrbar wird, indem sie vor den Augen der Menschen dargestellt wird. Wie anders soll denn sonst eine unsichtbare, weil geistliche, Realität für menschliche Beobachter erkennbar werden?
Dass die ungläubigen Juden in Jerusalem von dieser neuen, christlichen Gemeinschaft sehr lebendige Eindrücke aufnahmen, beschreibt Apostelgeschichte 5,12.13: „Durch die Hände der Apostel aber geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk (und sie waren alle einmütig in der Säulenhalle Salomos. Von den Übrigen aber wagte keiner, sich ihnen anzuschließen, sondern das Volk rühmte sie).“ Die Versammlung Gottes soll ja ein Zeugnis („Leuchter“) für den Herrn Jesus und die
herrlichen Ergebnisse seines Werkes am Kreuz sein. Gerade dass sehr verschiedene Menschen in selbstloser Liebe miteinander leben und in liebender Hingabe ihrem Erlöser dienen, beweist doch, dass die Botschaft des Evangeliums Kraft hat und „aller Annahme wert ist“ (1. Tim 1,15). Darum waren die Apostel in der Kraft des Heiligen Geistes so bemüht, einen Bruch in der Versammlung zu
verhindern. Mit der Hilfe des Herrn Jesus gelang es auch zu seiner Ehre. Die Gläubigen blieben zusammen und brachen auch weiterhin miteinander das Brot. (17.2) Exkurs: das „Bewahren der Einheit des Geistes“ (Eph 4,3) und unser praktischer geistlicher Zustand.

Zunächst eine Beobachtung: Die obige Aussage wird in Verbindung mit dem Thema „Gemeinschaft“ verständlicherweise oft zitiert. Schon weniger häufig werden die notwendigen sittlichen Bemühungen erwähnt, die der Apostel mit den Worten vorstellt: „mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe“ (Eph 4,2) – aber sie werden doch immer wieder einmal erwähnt. Der Auftakt der Ermahnung des Apostels wird, wenn überhaupt, jedoch recht selten zitiert: „Ich ermahne euch nun … dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid“ (Eph 4,1).

Liebe Freunde, es kommt ja nicht auf die statistische Häufigkeit von zitierten Textpassagen an. Wir sollten uns aber wirklich einmal fragen, ob wir der Ermahnung gerecht werden, „würdig der Berufung zu wandeln, mit der wir berufen worden sind“. Was ist das denn für eine Berufung, und welche Bedeutung hat sie für unser praktisches Leben? Sie enthält zum einen die Tatsache, dass die Gläubigen aus den Nationen und aus den Juden, zu einem geistlichen Leib gebildet sind (Eph.2,15.16), und zum anderen, dass sie in der gegenwärtigen Zeit der Gnade eine „Behausung
Gottes im Geist“ bilden (Eph 2,22). Die beiden Teile dieser Berufung sind sowohl auf die Vorrechte und Segnungen der Kinder Gottes in ihrer Beziehung zu Gott als ihrem Vater in Christus gegründet, als auch auf die untrennbare Verbindung zwischen Christus und seinem Leib, die durch den Heiligen Geist zustande gekommen ist.

Berufen sind nur solche Menschen, die Gott in seinem Ratschluss dazu zuvorbestimmt hat, und die daher aus dem geistlichen Tod lebendig gemacht und in himmlische Beziehungen zu den in Epheser 1 erwähnten Personen der Gottheit gebracht worden sind. Wie anders könnten sie sonst die Vortrefflichkeiten des Herrn Jesus als Haupt des Leibes sowie die Fülle der Gnade Gottes, die mit dieser Berufung verknüpft ist, darstellen?

Lasst mich die Gelegenheit nutzen, um einen Appell an unsere Herzen zu richten: Gläubige Menschen der Gnadenzeit, die das hohe Vorrecht haben, als Söhne Gottes zuvorbestimmt zu sein (s. Eph 1,5) kennen höhere Beziehungen und eine „bessere Welt“ als die gegenwärtige, stoffliche Welt. Sie kennen Segnungen in himmlischen Sphären. „Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“ (Kol 3,2). „Himmlische“ Menschen mit einer himmlischen Gesinnung lassen sich nicht von der materiellen Welt und den Dingen dieses Zeitlaufs vereinnahmen, sondern leben –
ganz einfach gesagt – durch die Freude an Christus und an den himmlischen Segnungen auch mit einer inneren Ausrichtung auf den Himmel. So lebten die ersten Christen, und in einem beträchtlichen Maß auch die „frühen“ Brüder – aber nicht nur sie! Sie strebten intensiv nach einem wirklich himmlischen Lebensstil. Christus im Himmel war ihre Freude und daher auch ihr Anziehungspunkt außerhalb der Welt. Durch Ihn wurde ihr Leben geheiligt. In ihrem Leben wurden die Worte des Herrn Jesus in Johannes 17,19 spürbar wahr: „Und ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit.“ Sie sagten sich von den Dingen der Welt, der Kultur und dem Streben nach den Annehmlichkeiten des Lebens los. Nicht, dass alle diese Dinge in sich schlecht oder sündig wären. Aber sie bevorzugten bessere, himmlische Dinge. Sie lebten ausgerichtet auf ihren Herrn in Herrlichkeit! „Du bist des Herzens wahre Freude“; „Dank dir, o Herr, dass Gold und Schätze und Pracht und Schönheit dieser Welt, dass kein Ding je mich kann ergötzen, das mir die Welt vor Augen stellt“ – um einmal einige Liedtexte dieser Brüder zu zitieren. Bei dieser Herzenshaltung der damaligen Brüder wundert es uns nicht, dass der Herr ihnen den Segen schenkte, die „Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“. Er bestätigte deren innere Haltung, die Ihm wohlgefiel, durch seinen reichen Segen.

Man möge mir verzeihen: Wo stehen wir insgesamt gesehen denn heute? Führen wir wirklich ein himmlisches Christenleben? Oder sind wir tief in den Ozean des Zeitgeistes eingetaucht? Genießen wir „dankbar“, dass das Geld alles Zeitliche gewährt? Nutzen wir die leicht zugänglichen, manchmal recht zweifelhaften Angebote der Medien zur Belustigung und zum Zeitvertreib – wollen aber gleichzeitig den Segen der praktischen Verwirklichung der Einheit des Geistes erfahren?
Kann die gemeinsame praktische Umsetzung der neutestamentlichen Belehrungen höher und gesegneter ausfallen als das Niveau unseres praktischen inneren Zustands? Sicherlich nicht. Der Segen, den der Heilige Geist wirkt, hängt grundsätzlich von dem Maß unseres Gehorsams dem Wort Gottes gegenüber ab.

Entschuldigt bitte den selbstkritischen Einschub, der bestimmt nicht auf jeden persönlich zutrifft! Wir sollten aber ehrlich vor unserem Herrn sein und uns nicht selbst täuschen. Es ist gut, Fragen des lehrmäßigen Verständnisses zu erörtern. Für die praktische Umsetzung ist jedoch nicht nur Erkenntnis nötig; die Kraft dazu hängt vor allem von unserem geistlichen Zustand ab; und dieser hängt wiederum davon ab, ob wir suchen, „was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“ (Kol 3,2).
Nun aber ganz positiv: Es gibt – Gott sei Dank! – auch heute Kinder Gottes, die den aufrichtigen Wunsch haben, würdig ihrer Berufung zu wandeln und dabei die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens zu bewahren, indem sie auch im Umgang miteinander die Gesinnung des Herrn Jesus zeigen möchten. Das wird unser Herr ganz bestimmt segnen!

(17.3) An Pfingsten wurden alle Menschen, die an die Person und das Werk des Herrn Jesus glaubten, zu einem Leib getauft. Der Heilige Geist nahm nicht nur in den Gläubigen insgesamt (s. 1. Kor 3,16), sondern gleichzeitig auch in jedem einzelnen Gläubigen Wohnung (s. 1. Kor 6,19). Dabei behielten die Gläubigen allerdings ihr angeborenes sündiges Wesen, das geneigt ist, das eigene Ich in den Vordergrund zu drängen und damit die Einheit des Geistes in der praktischen Verwirklichung zu
stören. Anlässe dazu gibt es leider ja genug: Geltungsbedürfnis, Unterschiede der Kultur, der Bildung, des sozialen Standes und vieles andere mehr. Wir werden daher in Epheser 4 aufgefordert, die Einheit, die der Heilige Geist verwirklicht sehen möchte, in der Praxis zu bewahren. Dazu benötigen wir allerdings die Gesinnung des Herrn Jesus. Er hat als Mensch auf der Erde „sanftmütig und von Herzen demütig“ gelebt (Mt. 11,29). Paulus beschreibt in Epheser 4,2, wie unser Verhalten im Umgang miteinander sein soll: „mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe“. Ohne diese Tugenden ist es unmöglich, die zahlreichen Störfaktoren im Zusammenleben der Gläubigen zu überwinden. Stattdessen geschieht leicht das Folgende: Das „Ich“ wird überheblich, die Zunge reagiert scharf, der Geduldsfaden reißt und negative Gefühle schlagen den Mitgeschwistern entgegen – kurz gesagt: Das Fleisch ist hässlich aktiv. #

Verfestigt sich diese vergiftete Atmosphäre noch weiter, dann streben die Gläubigen irgendwann auseinander. Damit wird die Einheit, die der Heilige Geist verwirklicht sehen möchte, praktischerweise – oder anders gesagt – im Hinblick darauf, was davon praktisch gesehen werden kann, nicht mehr beachtet. Die Gläubigen trennen sich aus einem fleischlichen Grund! Ein Betrachter von außen mag die Ursachen nicht kennen. Er sieht aber das Ergebnis: Getrennte Christen, die nicht die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens bewahrt haben – im Widerspruch zu dem, was der Heilige Geist verwirklicht sehen möchte. Wie traurig! Beschämt müssen wir alle den Blick senken, denn wir kennen die fleischlichen Regungen unserer eigenen Herzen! Und wie sehr entehren wir dadurch unseren Herrn Jesus, der in den Seinen die einende Kraft des Heiligen Geistes sehen möchte, anstatt die auseinandertreibende Kraft unseres Fleisches. Was ist zu tun? „Lernt von mir …“ (Mt 11,29). Fazit: Die „Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“ bedeutet in der Praxis, alles zu tun, was den Zusammenhalt unter den Gläubigen in Übereinstimmung mit der Bibel fördert, und alles zu vermeiden, was diesen Zusammenhalt stören könnte – allerdings nicht auf Kosten der Wahrheit.

18. Einander in Liebe ertragen – grenzenlos?

Frage: Christen sollen einander in Liebe ertragen (s. Eph 4,2), und „die Liebe erträgt alles“. Versündigen wir uns nicht tatsächlich, wenn wir uns von Kindern Gottes
trennen, anstatt ihre anderslautenden Ansichten oder ihre andersartige Praxis einfach zu ertragen? Gibt es berechtigte Grenzen für ein „Nicht-Ertragen“?

Kommentar: (18.1) Wir haben bereits in Punkt (17) gesehen, dass die gelebte Einheit der Kinder
Gottes durch verschiedene Dinge empfindlich gestört werden kann. Daher ermahnt der Apostel die Gläubigen, demütig, sanftmütig und langmütig zu sein und einander in Liebe zu ertragen. Das ist nur in einer geistlichen Gesinnung möglich. Und dazu müssen wir unseren Herrn als Vorbild vor Augen haben.

Nun ist die in der Frage zitierte Stelle aus 1.Korinther 13,7: „Die Liebe erträgt alles“, keineswegs eine absolute Aussage. Im absoluten Sinn betrachtet, erträgt die Liebe
gar nicht alles. Was sie tut: Sie stellt die eigenen Bedürfnisse und Wünsche hintenan und gibt dem Nutzen und den Interessen der Glaubensgeschwister Vorrang. Im Rahmen dieses Kontextes ist sie bereit, alles zu ertragen. Es ist jedoch völlig falsch, etwas zu ertragen, das sich gegen den Herrn Jesus und das Wort Gottes richtet. „Ich kenne deine Werke und deine Arbeit und dein Ausharren und weiß, dass du Böse nicht ertragen kannst; und du hast die geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner befunden“ (Off 2,2). Der Herr Jesus lobt die Versammlung in Ephesus, dass sie Böse nicht ertrug. Die Liebe zum Herrn Jesus und zur Wahrheit ist ungleich höher gewichtet als jede falsche Toleranz gegenüber Menschen – selbst wenn es dann in den zwischenmenschlichen Beziehungen wehtut.

„Denn wenn der, der kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertragt ihr es gut“ (2. Kor.11,4). Paulus bemängelt, dass die Korinther solchen gegenüber tolerant waren, die ein falsches Evangelium brachten und einen falschen Jesus verkündigten. Das ist wahrlich kein Lob! Es ist harsche Kritik vonseiten des Apostels, die er durch eine feine sarkastische Note unterstreicht.

Fazit: Wenn es um uns persönlich geht, dann sollten wir uns in die Pflicht nehmen: „die Liebe erträgt alles“. Wenn es um die Ehre des Herrn Jesus, um die Wahrheit des Heiligen Geistes und um die Verherrlichung Gottes geht, erwartet unser Herr, dass wir Ihn lieben und das nicht ertragen, was seinem Willen widerspricht (18.2) Was nun die „berechtigten Grenzen“ betrifft: Die Grenzen liegen im Hinblick auf das „Nicht-Ertragen“ da, wo die Ehre des Herrn Jesus sowie seine Rechte und seine Wahrheit „beschädigt“ werden. Der Herr Jesus stellt sich der Versammlung in Philadelphia als „der Heilige, der Wahrhaftige“ (Off 3,7) vor. Der Geist Gottes, in dessen Kraft die Kinder Gottes in einen Leib getauft worden sind (1. Kor 12,13), ist der Heilige Geist oder der „Geist der Heiligkeit“ (Röm 1,4) und ebenso der Geist der Wahrheit (Joh 14,17; 15,26; 16,13), ja, sogar „die Wahrheit“ (1. Joh 5,6). 

Sowohl in Bezug auf unseren Herrn als auch auf den Heiligen Geist stechen die beiden moralischen Kennzeichen „heilig“ und „wahr“ hervor. Wenn wir in Übereinstimmung mit dem „Heiligen“ und „Wahren“ leben möchten, ergeben sich die Grenzen für das „Nicht-Ertragen“ aus Gottes Wort „von selbst“. Diese sind dann keine bloß „berechtigten“ Grenzen, sie sind dann „notwendige“ Grenzen. Sie liegen nämlich immer da, wo irgendetwas mit der Heiligkeit Gottes oder mit der Wahrheit seiner mitgeteilten Gedanken in Konflikt gerät. Das betrifft alle Lebensbereiche der Gläubigen, und demzufolge auch den der „Versammlung Gottes“. Der Maßstab liegt göttlich hoch, und unsere Kraft ist gering. Der Wunsch unserer Herzen darf dennoch dahin ausgerichtet sein, diesem Maßstab in der Praxis näherzukommen – aus Liebe zu unserem Herrn und zu seiner Ehre! Dann wird Er uns auch die dazu nötige Kraft
geben.

19. Ein „Leibchen im Leib“?

Frage: Geht es bei den sogenannten „geschlossenen“ Brüdern um das „Leibchen im Leib“, das Handlungsgleichheit erfordert, anstatt dass man sich auf die Absonderung vom Bösen fokussiert?

Kommentar: (19.1) Der Ausdruck „Leibchen im Leib“ klingt merkwürdig. Er wird im Rahmen unseres Themas offenbar in kritischer Weise gebraucht. Er unterstellt den sogenannten „geschlossenen“ Brüdern sowohl falsches Denken als auch eine falsche Handlungsweise im Hinblick auf die praktische Verwirklichung der „Einheit des Geistes“. Die Fragesteller setzen dabei voraus, dass das falsche Denken und Handeln zu einer unzulässigen Einschränkung in der Praxis des christlichen Lebens bzw. in der christlichen Gemeinschaft führt: nämlich zu einem „Leibchen“ genannten kleineren Bereich im Leib Christi. Die oben „geschlossen“ genannten Brüder wollen genau das nicht, nämlich in einer sektiererischen Weise „künstlich“ einen kleineren Rahmen abzustecken, als die Bibel ihn aufzeigt.

Das Neue Testament beschreibt im Voraus die schlechte Entwicklung der Christenheit, wie wir sie heute vorfinden: Es gibt zahllose Parteiungen in der Christenheit (s. 1.Kor 11,19) aufgrund der Führerschaft von Leuten, die die Jünger hinter sich her abgezogen haben (s. Apg 20,30). Daneben ist die Christenheit von vielen verderblichen und bösen Lehren (s. 1. Tim 4,1; 1. Joh 4,1) durchdrungen.

Wenn moralisch Böses geduldet wird, „wird die ganze Masse durchsäuert“ und ist daher in den Augen Gottes unrein. Oftmals sehen örtliche Glaubensgemeinschaften nur den Gesichtspunkt ihrer eigenen Abhängigkeit vom Haupt. Ansonsten meinen sie, weitgehend autonom und von den Christen in anderen Gemeinden oder an anderen Orten unabhängig zu sein. Man schließt sich bestenfalls zweckgebunden zu Allianzen und Aktionsgemeinschaften zusammen. Entsprechen diese Verhältnisse
den Belehrungen im Neuen Testament? Sicher nicht.

Aus diesem Grund haben sich die „frühen“ Brüder von den verschiedenen Glaubensgemeinschaften getrennt. Damit sonderten sie sich von vielen „unbiblischen“ und zum Teil auch bösen Dingen ab. Sie handelten darin biblisch begründet in Übereinstimmung mit dem Willen des Herrn. Dabei bildeten sie nicht ein „Leibchen im Leib“, sondern sie taten etwas ganz anderes: Sie verließen die besonderen geistlichen Grundlagen der Gemeinschaftskreise, die ja an sich schon in
der Bibel keinen Rückhalt haben, und begaben sich im Glauben auf die einzige biblische Grundlage, auf der die Apostel und die ersten Christen schon ca. 1.900 Jahre vor ihnen gestanden hatten. Diesen Schritt taten leider nicht alle wahren Kinder Gottes. Neben denen, die den Wunsch hatten, nur die biblische Grundlage für die Gemeinschaft der Gläubigen zu verwirklichen, blieben viele Glieder des Leibes Christi weiterhin in ihren angestammten Gemeinschaftskreisen. 

Die „frühen“ Brüder begaben sich auf die geistliche Grundlage, die der Herr für die Gemeinschaft aller Kinder Gottes vorgesehen hat. Wenn nicht alle „mitmachen“, kann man denen, die es tun, wohl kaum die Bildung eines „Leibchens im Leib“ vorwerfen. Sie waren im besten Sinn des Wortes offen dafür, alle Kinder Gottes in dauerhafte Gemeinschaft am Tisch des Herrn aufzunehmen, damit das, was in der Frage fälschlicherweise als „Leibchen“ bezeichnet wird, dem „Leib“ zahlenmäßig möglichst nahekommen sollte.

Der Herr Jesus hat für seine Erlösten nur eine geistliche Grundlage vorgesehen, auf der sie alle an seinem Tisch Gemeinschaft haben sollen. Er hat nicht mehrere christliche Wege, mehrere Richtungen oder Gemeindegrundlagen vorgesehen. Solche widersprechen vielmehr seinen Absichten, auch wenn sich viele Kinder Gottes dessen nicht bewusst und in ihrem Gewissen diesbezüglich unbelastet sind. Wir machen ihnen keinen Vorwurf, können ihre Haltung jedoch auch nicht anerkennen.

Fragen wir uns lieber selbst, ob unser Glaubensleben überzeugend wirkt und ob wir fähig sind, ihnen aus der Bibel fundierte Erklärungen zu geben. Sind wir in der Lage, die Wahrheit attraktiv vorzustellen, so dass solche Glaubensgeschwister spüren, dass wir in der Wahrheit wandeln (s. 2. Joh 4) und die Brüder lieben (s. 1. Joh 3,14)? Zum Schluss noch die Frage: Kann man Gläubigen, die sich aus Gehorsam ihrem Herrn und seinem Wort gegenüber von falschen Dingen absondern und sich dem
zuwenden, was dem Herrn wohlgefällig ist, den Vorwurf machen, sie würden „ein Leibchen im Leib“ bilden?

(19.2) Und nun zur „Handlungsgleichheit im Leibchen“. Diese Formulierung suggeriert, dass „Handlungsgleichheit“ negativ oder falsch sei. Und in der Tat kann Gleichheit im Handeln zu Unrecht eingefordert werden. Andererseits nennt die Bibel verschiedene Fälle, in denen es nötig ist, gleich zu handeln.

Erwähnen wir zunächst kurz solche Fälle, in denen gleiches Handeln nach der Bibel nicht nötig ist: Das betrifft vor allem die Umstände aufgrund der unterschiedlicher Kultur oder äußere bzw. landestypische Verhältnisse. Um wie viel Uhr beispielsweise die Zusammenkünfte der Gläubigen stattfinden, oder ob es in der Pause zwischen zwei Versammlungsstunden eine Erfrischung geben soll, darin sind die Gläubigen in ihren Entscheidungen vor dem Herrn frei. Es gibt in der Bibel kein Gremium, das in derartigen Fragen Entscheidungen trifft, die dann weltweit befolgt werden müssten.
Allerdings finden wir im Neuen Testament eine Handlungsgleichheit, die der Belehrung über den einen Leib Christi entspricht. Wenn es um moralische Maßstäbe und deren Anwendung in der Praxis geht, ist es unbedingt nötig, in der Praxis gleich zu handeln, wenn die Einheit des Geistes bewahrt werden soll.
Nehmen wir die Situation aus 2. Korinther 2,10: „Wem ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergeben, wenn ich etwas vergeben habe, habe ich um euretwillen vergeben in der Person Christi.“ Paulus handelt in geistlicher Übereinstimmung mit den Korinthern. Das ist biblisch begründete Handlungsgleichheit!

Schauen wir uns 1. Korinther 5,3-5 an: „Denn ich, zwar dem Leib nach abwesend, aber im Geist anwesend, habe schon als anwesend geurteilt, den, der dieses so verübt hat, im Namen unseres Herrn Jesus Christus (wenn ihr und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus versammelt seid) einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus.“ Auch hier erkennen wir Handlungsgleichheit, die auf demselben
moralischen Urteil in der Sache fußt.

Wenn in einer örtlichen Versammlung von Gläubigen ein moralisches Urteil im Namen des Herrn Jesus in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes und seinem Wort gefällt wird – ist es dann richtig, dass sich Gläubige an einem anderen Ort darüber hinwegsetzen und „Handlungsgleichheit“ im Umgang mit der Sache ablehnen, weil sie diese anders beurteilen? Kann das moralische Urteil des Hauptes des einen Leibes an dem einen Ort anders lauten als an einem anderen Ort, so dass die Geschwister da anders handeln dürften als dort? Paulus fragte die Korinther in 1. Korinther 1,13 im Hinblick auf den Leib Christi: „Ist der Christus zerteilt?“ In unserem Fall müsste Paulus sogar fragen: „Ist das Haupt des Leibes etwa gespalten und gegen sich selbst entzweit?“ Ein in der Tat ungeheuerlicher Gedanke! Denn Christus als das Haupt seines Leibes kann unmöglich in derselben moralischen Sache unterschiedliche Willensbekundungen haben, so dass die Gläubigen verschiedener Orte unterschiedlich handeln dürften.

Natürlich ist eine örtliche Versammlung nicht unfehlbar. Die Liebe bemüht sich dann, dass die Gläubigen an dem fraglichen Ort zu einer korrigierten Sichtweise gelangen. So wird „die Einheit des Geistes bewahrt im Band des Friedens“. Fazit: Die Abhängigkeit aller Gläubigen und aller örtlichen Versammlungen von Christus als dem Haupt seines Leibes verhindert, dass man sich unabhängig oder
voneinander losgelöst sieht – Letzteres gibt es auch nicht unter den Gliedern eines menschlichen Leibes. Die gelebte Abhängigkeit von Ihm führt in allen moralischen Fragen zur Handlungsgleichheit unter denen, die das biblische Bild von dem einen weltweiten Leib geistlich verwirklichen möchten. Alles andere bedeutet, dass man sich als voneinander losgelöst – oder anders ausgedrückt: voneinander unabhängig – betrachtet. So etwas gibt es in einem natürlichen Leib schon nicht, wie viel weniger darf das in dem geistlichen Leib vorkommen.

20. Wenn die Einheit des Geistes nicht bewahrt wird: Folgen für die Tischgemeinschaft?

Frage: Ist die praktische Missachtung der biblischen Wahrheit hinsichtlich „des Bewahrens der Einheit des Geistes“ fundamental Böses, das „einseitige“ oder „wechselseitige“ Tischgemeinschaft unmöglich macht?
Kommentar: (20.1) Wir möchten zunächst über einige grundlegende Punkte nachdenken: Es wurde bereits im Punkt (1) erörtert, dass die Bildung von Parteiungen (s. 1. Kor 11,19) den Belehrungen des Heiligen Geistes über die Versammlung Gottes auf der Erde widerspricht. Sollten die Korinther weiterhin fleischlich handeln (s. 1. Kor 3,3.4; Gal.5,20), würden sie in getrennte Brüdergruppen zerfallen. 

Das Ergebnis: christliche Gruppen, die voneinander losgelöst nebeneinander existieren; oder anders ausgedrückt: Sie sind voneinander unabhängig. Das entspricht keineswegs dem „Konzept“ des Herrn für seinen Leib, seine Versammlung. In einem Leib gibt es normalerweise keine Spaltungen – das wäre ein krankhafter Zustand, der mit dem Bild eines gesunden, lebendigen Organismus unvereinbar ist, und daher in dem biblischen Bild des einen Leibes nicht vorkommt.

Weil alle Glieder des geistlichen Leibes Christi von Ihm als Haupt abhängig sind, kann keines der Glieder von den anderen losgelöst oder unabhängig sein. Über das Haupt besteht eine unverbrüchliche Beziehung der Glieder auch zueinander. Zwar leben die Gläubigen als materiegebundene Geschöpfe über die ganze Welt verstreut. Daher besuchen sie unterschiedliche örtliche Zusammenkünfte von Gläubigen. Auf der geistlichen Ebene sind sie aber eins. Und da gelten die moralischen Maßstäbe und lehrmäßigen Zusammenhänge überörtlich für alle, gerade weil sie als Glieder zu dem einen, überörtlichen, geistlichen Leib gehören und dies auch praktisch verwirklichen möchten.

In jedem örtlichen Zusammenkommen der Gläubigen soll in einem zahlenmäßig kleineren Rahmen sichtbar werden, wie und was der Leib Christi im Ganzen ist. Paulus erklärt den Korinthern in 1. Korinther 12,27: „Ihr aber seid Christi Leib, und Glieder im Einzelnen.“ Er beugt damit dem falschen Denken vor, als wären die Gläubigen in Korinth etwa der ganze Leib Christi, über dessen Entstehung
(s. 1. Kor 12,13) und Funktionsweise er sie vorher grundlegend unterrichtet hatte (s. 1. Kor 12,14f). Die Korinther waren selbst zwar nicht der eine Leib, sondern nur ein Teil davon. Aber sie stellten den Leib Christi sichtbar dar, obwohl sich in Korinth nur ein kleiner Teil der Glieder des Leibes Christi befand (s. 1. Kor 12,27). Sie waren nicht der Leib Christi, sondern entsprachen insgesamt (korporativ) dem Wesen des Leibes Christi, wobei sie als Einzelpersonen Glieder des weltweit bestehenden Leibes waren, und gemeinsam die weltweite Versammlung sichtbar darstellten.

Daraus folgt, dass das, was für die gesamte Versammlung auf der Erde gilt, auch für die örtliche Versammlung gilt und in ihr sichtbar wird. Wenn wir diese Belehrungen des Heiligen Geistes festhalten und sie in die Tat umsetzen, dann bewahren wir die Einheit des Geistes.

(20.2) Und nun zu der Frage, ob Tischgemeinschaft möglich ist, wenn die Belehrungen über die Einheit des Geistes nicht beachtet werden. Wir können die grundlegende Antwort aus dem 1. Korintherbrief entnehmen. Angesichts der Spaltungen und der sich abzeichnenden Trennungen weist der Apostel die Korinther auf das Heilmittel für den Fortbestand der Gemeinschaft aller Gläubigen in Korinth hin: „Ich ermahne euch aber, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle dasselbe redet und nicht Spaltungen unter euch seien, sondern dass ihr in demselben Sinn und in derselben Meinung vollendet seiet.“ (1. Kor 1,10) Wenn die Korinther nicht umkehrten, würden sie in
unterschiedliche Benennungen (Denominationen) zerfallen. In ihrer fleischlichen und menschlichen Handlungsweise würden sie so tatsächlich die „Einheit des Geistes“ im Sinn der obigen Fragestellung missachten und sogar in der sichtbaren Darstellung zerstören. Und dann? 

Sollten die „Bewährten“ (1. Kor 11,19) dann nicht wenigstens einzelne Gläubige „einseitig“ am Tisch des Herrn empfangen oder gar „wechselseitige“ Gemeinschaft mit den Brüdern in den neuen Benennungen pflegen? Denken wir noch einmal daran: Der Apostel tadelt die Benennungen oder getrennten Brüdergruppen, die in Korinth drohten, als Werke des Fleisches (s. Gal 5,20; 1. Kor 3,3.4).

Fazit: Mit christlichen Gruppen, die die Einheit des Geistes nicht praktizieren (wollen), kann es keine wechselseitige Gemeinschaft geben, (a) weil 1. Korinther 1,10 dazu auffordert, zur Einmütigkeit vor dem Herrn zurückzukehren, und (b) weil man sonst falsche Parteiungen anerkennt und sich durch die äußere Teilnahme mit dem geistlichen Fundament ihrer menschlichen Tische moralisch eins macht (vgl. 1. Kor 10,18).

Was ist also zu tun? Gemeinsame Demütigung vor dem Herrn und Rückkehr zu der „Grundlage der Apostel und Propheten“ (Eph 2,20) ist die einzige, biblisch begründete Basis für dauerhafte Tischgemeinschaft. Sie ist dann aber nicht mehr „wechselseitig“ im Sinn der oben gestellten Frage. Sie besteht dann wieder in prinzipieller Weise miteinander auf der Grundlage der Bibel. Eine falsche Art wechselseitiger Tischgemeinschaft mit unterschiedlichen Freikirchen usw. haben die „frühen“ Brüder meines Erachtens abgelehnt. Es ging ihnen ja gerade darum, losgelöst von den (Frei-)Kirchen einfach auf der biblischen Grundlage Gemeinschaft am Tisch des Herrn zu pflegen und damit dem Willen des Herrn zu entsprechen.

Bei der „einseitigen“ Tischgemeinschaft sieht es nicht viel anders aus. Nur ist die „Bewegungsrichtung“ der Gläubigen aus christlichen Gemeinschaften in diesem Fall „einseitig“. Solche werden als Besucher immer wieder freizügig beim Brotbrechen aufgenommen, sozusagen in einer Art Dauermodus, ohne dass die grundsätzlich trennenden Dinge in Beugung und Bekenntnis vor dem Herrn ausgeräumt werden. Wird das Zusammenkommen auf biblischer Grundlage in der Wahrnehmung solcher Gläubigen dadurch nicht eher zu einer falsch verstandenen Alternative zu den
unterschiedlichen Gemeinderichtungen?

Das Neue Testament kennt eine solche Praxis verständlicherweise nicht, da es damals noch keine christlichen Gemeinderichtungen gab. Dennoch müssen wir uns die Frage stellen, ob wir aufrichtig vor dem Herrn Jesus handeln und der geistlichen Grundausrichtung der neutestamentlichen Belehrungen gerecht werden, wenn wir so etwas (dauerhaft) dulden oder gar akzeptieren. Zur Ergänzung: Die sogenannte „besuchsweise“ Aufnahme und Teilnahme eines aufrichtigen Kindes Gottes, das die Belehrungen des Neuen Testaments über das 1Bewahren der Einheit des Geistes bisher nicht kennt, ist ein anderer Fall. Da findet die Gnade Raum, wobei die Ansprüche unseres Herrn gleichzeitig gewahrt werden müssen.

Liebe Freunde, lasst mich noch sagen: Bei der Bearbeitung von Fragen zu lehrmäßigen Inhalten liegt der Schwerpunkt naturgemäß mehr auf der sachlichen Ebene. Dabei ist unser Herz keineswegs denen gegenüber verengt, für die diese Gedanken aus der Bibel neu oder unbekannt sind, oder die sie einfach so (noch) nicht verstehen können. Geistliches Wachstum braucht Zeit, besonders bei den hier vorgestellten Aspekten der christlichen Wahrheit, die zu den am wenigsten verstandenen in der Lehre des Neuen Testaments gehören.

21. Im Himmel werden alle zusammen sein – dann doch auch heute!?

Frage: Im Himmel werden wir sowieso alle zusammen sein. Sollten wir daher nicht viel mehr gemeindeübergreifend denken und Gemeinschaft leben? Wäre das nicht die richtigere Umsetzung der „Einheit des Geistes“?

Kommentar: Der Himmel ist nicht die Erde! Das klingt banal. Für die Beantwortung der Frage ist
diese Aussage aber von elementarer Bedeutung. Solange wir noch auf der Erde sind, haben wir noch das sündige Wesen in uns. Wir müssen uns in Verhältnissen zurechtfinden, die eindeutig falsch und oftmals sogar direkt böse sind. Die Sünde existiert in der Welt, nicht zuletzt auch in der christlichen
Welt. Heute gibt es noch viele Gefahren, Versuchungen und Fehlentwicklungen, vor denen man sich sehr hüten muss. Dabei können sogar von wahren Kindern Gottes zerstörerische, böse Einflüsse für andere ausgehen. Angesichts dieser Tatsachen werden wir dazu aufgefordert, uns im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes bewahren zu lassen. Der Herr Jesus erwartet, dass wir der Treue zu Ihm immer den Vorrang geben, wenn die gefühlsmäßigen Ansprüche vonseiten der Familie oder von seiten der Freunde damit in Widerspruch geraten. „Wer Vater oder Mutter mehr lieb hat als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr lieb hat als mich, ist meiner nicht würdig.“ (Mt 10,37) Das gilt nicht nur im Hinblick auf die Bekehrung!

Versetzen wir uns nun gedanklich in den Himmel. Dort gibt es keine Sünde mehr. Dort gibt es nichts Böses mehr. Daher muss man und kann man sich dort nicht mehr vom Bösen absondern oder von der Ungerechtigkeit abstehen! Heute allerdings gilt die Ermahnung noch, beides zu tun, so wie die Schrift es jeweils zeigt. Vor dem Richterstuhl des Christus werden wir alle offenbar werden. Dann werden wir in völlige Übereinstimmung mit unserem Herrn gebracht werden. Es wird keine unterschiedlichen Ansichten über Gottes Wort mehr geben. Wir können die „Einheit des Geistes“ dann nicht mehr missachten. „Dann wird deiner Heil’gen Menge ein Herz, eine Seele sein.“ Wir können dann auch nicht mehr zu einer Gefahr für andere werden. Dort kann kein Gläubiger mehr andere hinter sich her abziehen, wie es heute leider noch möglich ist. Kurz gesagt: In jener himmlischen Szene, die von Licht und Liebe durchflutet ist, wird nur noch das ewige Leben, die neue Natur, wirksam sein.

Wir werden innerlich keinerlei Distanz mehr zueinander haben – weil unsere Herzen dann nie mehr in Distanz zu Ihm geraten können! Solange wir noch auf der Erde sind, sollen wir unseren Herrn auch in widrigen Umständen ehren und seinem Wort gehorchen und so dem entsprechen, was Er in
Offenbarung 3,8 sagt: „Du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet.“ In den Verhältnissen der heutigen christlichen Welt kommt man dann nicht umhin, in Demut – nicht in Überheblichkeit! – von der Ungerechtigkeit abzustehen, nötigenfalls auch von denen, die dazu nicht bereit sind! Das schmälert nicht unsere Vorfreude darauf, dass wir schon bald die ungetrübte
Freude unter den Kindern Gottes im Anschauen seiner Herrlichkeit erleben werden!

22. Der Ersatz der Leitung durch den Heiligen Geist: fundamental böse?

Frage: Ist der Ersatz der freien Leitung durch den Heiligen Geist in den Zusammenkünften durch feste Aufgabenzuordnung an geistliche Funktionsträger fundamental böse?

Kommentar: Das Christentum wird von zwei wesentlichen Tatsachen gekennzeichnet:
(I) Der menschgewordene Sohn Gottes hat das Werk der Erlösung am Kreuz vollbracht und sitzt nach seiner siegreichen Auferstehung und Himmelfahrt als verherrlichter Mensch zur Rechten Gottes.
(II) Der Heilige Geist hat dauerhaft Wohnung in den einzelnen Gläubigen und in der Versammlung genommen, die „Gottes Behausung im Geist ist“ (Eph 2,22). Gott wohnt durch den Heiligen Geist in der Versammlung auf der Erde. Dadurch ist die Versammlung der geistliche Wohnort Gottes, so wie die Stiftshütte im Alten Testament als der materielle Wohnort Gottes auf der Erde errichtet wurde. Der Heilige Geist beansprucht für sich die alleinige Leitung im Hinblick auf die Betätigung der geistlichen Gnadengaben. „Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will.“ (1. Kor 12,11) Das gilt insbesondere in den Zusammenkünften zum Namen des Herrn. „Wenn aber einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung zuteilwird, so schweige der erste“ (1. Kor 14,30).

Die obige Frage nimmt darauf Bezug, dass die Leitung durch den Heiligen Geist in vielen Gemeinschaftskreisen eingeschränkt oder verhindert wird, indem man den Ablauf und Inhalt der Zusammenkünfte im Voraus festlegt oder im Voraus bestimmt, wer aktiv wird.
Wir gehen nicht zu weit, wenn wir sagen, dass das ein Affront gegen eine der Personen der Gottheit ist. Und um einen fundamentalen Fehler handelt es sich auch, da eine für die christliche Zeit typische Segnung betroffen ist. Kann der Heilige Geist etwas anerkennen, das sein Wirken mittels menschlicher Maßnahmen mehr oder weniger ausschaltet? Das Neue Testament berechtigt uns jedenfalls nicht dazu, auf menschliche Weise das zu organisieren, worüber der Heilige Geist in göttlicher Weise verfügen möchte.

Erlaubt mir noch eine selbstkritische Frage: Man kann sich zu der biblischen Lehre von der freien Wirksamkeit des Heiligen Geistes bekennen. Das ist gut! Dennoch kann sich eine „mechanischer“ Ablauf in den Zusammenkünften einstellen, der durch eingefahrene Gewohnheiten und geistliche Trägheit hervorgerufen wird. Rechnen wir überhaupt noch mit dem spontanen, konkreten Wirken des Heiligen Geistes oder stehen wir durch unausgesprochene aber innerlich festgelegte „Muster“ ebenfalls dem Wirken des Geistes im Weg? Außerdem: Der Heilige Geist kann nichts benutzen, was wir geistlich nicht besitzen! Er gebraucht uns nicht als willenlose Roboter, die „ausspucken“, was ihnen im Moment „eingetrichtert“ wird.

Wir möchten uns gegenseitig ermuntern: Lasst uns unser Leben mit dem Herrn Jesus führen und echtes Herzensinteresse am Wort Gottes und geistlichen Dingen haben! Dann werden wir für den Segen des Herrn Jesus offen sein, und dann kann Er uns auch in seinem Sinn und für seinen Dienst gebrauchen. Andernfalls brauchen wir uns nicht über einen Mangel an Lebendigkeit und nur
spärlichen Segen in den Zusammenkünften zu wundern.

23. „Gemeinschaftskreis“: biblisch begründet?

Frage: Ist ein Gemeinschaftskreis von Versammlungen biblisch begründet?

Kommentar: Unter Punkt (11) haben wir über 2. Timotheus 2 nachgedacht. Wenn Gefäße zur Unehre in der Gemeinschaft der Christen geduldet und daher nicht mehr hinausgetan werden, dann sollte Timotheus sich selbst von den Gefäßen zur Unehre distanzieren. Denn die Treuepflicht dem Herrn Jesus gegenüber hat unvergleichlich mehr Gewicht als die brüderlichen Empfindungen den Mitgeschwistern gegenüber oder natürliche, familiäre und freundschaftliche Beziehungen.

Timotheus musste nicht befürchten, dass er sich durch einen solchen Schritt isolieren würde. „Die jugendlichen Begierden aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.“ (2. Tim 2,22). Wie der Kontext zeigt, denkt Paulus bei denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen, an Gleichgesinnte, die wie Timotheus zu diesem konsequenten Schritt bereit sind, nämlich sich wegzureinigen, um Gefäße zur Ehre zu sein.

Der Herr sorgt dann schon dafür, dass solche Gläubige einander kennenlernen werden. Sie dürfen miteinander die Gemeinschaft pflegen, indem sie „nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden“ streben. Gläubige, die sich aus dem gleichen Grund an verschiedenen Orten wegreinigen, sollen sich nach dem eben zitierten Vers gegenseitig als solche anerkennen, „die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“. Damit entsteht in der Praxis des christlichen Lebens zwangsläufig ein Kreis der Gemeinschaft (circle of fellowship). 

Er ist daher biblisch begründet. Die Gläubigen, die einander so „gefunden“ haben, haben niemals aus eigenem Antrieb einen separaten Kreis der Gemeinschaft angestrebt und einen „offiziellen Verbund“ gegründet. Er entsteht in einem solchen Fall aber infolge der Tatsache, dass andere Christen der moralischen Notwendigkeit, sich von den Gefäßen zur Unehre wegzureinigen, nicht nachkommen. Der so entstandene Kreis der Gemeinschaft ist nicht eigenverursacht, sondern die Folge aus dem ernsten und schmerzlichen Schritt einer unvermeidbaren Trennung. Es ist nicht statthaft, Timotheus und Gleichgesinnten daraus einen Vorwurf zu machen. Sie handeln ja bloß im Gehorsam dem Herrn Jesus und dem Wort Gottes gegenüber. Und wer wollte das tadeln?

Dieser Kreis der Gemeinschaft ist jedoch nicht als starr oder als in sich geschlossen anzusehen, in den man von einem Gremium offiziell aufgenommen werden müsste. Es mag weitere Kinder Gottes geben, die ebenfalls den biblischen Kriterien des Neuen Testaments einer örtlichen Versammlung entsprechen, die den vorher erwähnten Gläubigen aber (noch) nicht bekannt sind.

(IV) Trennungen – nötig oder gemacht?
24. Die „Brüderbewegung“ und die Trennungen

Frage: Warum wurden in der Brüderbewegung so viele „Trennungen gemacht“ wie bei kaum einer anderen „Gruppe von Christen“? Und diese Trennungen halten bis heute an!

Kommentar: (24.1) Wer diese Frage objektiv und verlässlich beantworten möchte, benötigt genaue statistische Kenntnisse über den gesamten Zeitraum der Kirchengeschichte. Diese zu haben, wird vermutlich niemand für sich beanspruchen können. Mir sind solche Quellen jedenfalls nicht bekannt.
Es könnte aber auch sein, dass mit der obigen Frage eine ganz andere Absicht verfolgt wird, nämlich diese: Wenn subjektiv „gefühlt“ in der Brüderbewegung so viele „Trennungen gemacht“ wurden „wie bei kaum einer anderen Gruppe von Christen“, sollte man dann nicht einmal kritisch überdenken, ob die „Lehre der Brüder“ wirklich die Lehre der Bibel ist, oder ob ein anderes Konzept über die „christliche Gemeinde“ in ihrer örtlichen und überörtlichen Bedeutung das wahrhaft biblische ist? Spricht die vorgebliche oder tatsächliche Häufung von Trennungen nicht gegen das
„vermeintlich richtige“ Verständnis „der Brüder“ zum Thema „Einheit des Leibes“?

Es ist nur zu natürlich, dass wir unser Lebensumfeld, auch die „christliche Welt“, aus einer eingeschränkten, persönlichen Sicht betrachten. Das ist zunächst nicht tadelnswert. Ob es objektiv gesehen wirklich zuverlässige Quellen über die Anzahl von Spaltungen in den verschiedenen Gemeinderichtungen gibt, sei dahingestellt. Eine etwas übergeordnete Sicht auf die weltweite „christliche Landschaft“ mag nützlich sein – auch wenn sie uns ernüchtert und den letzten Rest an Illusion wegnimmt.
Patrick Johnstone erläutert in „Gebet für die Welt“ (Hänssler-Verlag, 2003, S.28): „Zur Informationssammlung durch und für Christen […]: 1. Volltextsuche […]
2. […] Alle Quellen und die zu Grunde liegenden Daten, auf denen die Aussagen dieses Buches beruhen, sind in Dateien zugänglich, die Daten zu folgenden Bereichen umfassen:
a) Die auf der ganzen Welt vertretenen 6.355 Denominationen (6.355 Denomintionen mit detaillierten Angaben zu Gemeinden, Mitgliedern, Kirchenbesuchen usw.) und mit allgemeinen Angaben zu insgesamt ca. 30.000 Denominationen, all das mit Zahlen über einen Zeitraum von 1960-2000. 
b) […] Missionsgesellschaften […]“
Demnach ist die Christenheit in zehntausende Denominationen „pulverisiert“. Die Trennungen der jeweiligen Gemeinderichtungen voneinander betreffen wiederum deren weltweit vorhandene Ortsgemeinden. Wir müssen daher noch mit „Faktoren“ multiplizieren. Das hat schon äußerlich betrachtet mit der „Einheit des Geistes“ bestimmt nichts mehr zu tun! Wer sich da noch erheben und mit Fingern auf andere zeigen möchte, braucht schon eine Extraportion „Mut“. Trennungen sind nicht nur ein Problem der sogenannten „Brüder“, sondern kommen überall dort vor, wo das Fleisch wirkt. 

Wer offene Augen hat, kann solche Ereignisse bis in die jüngste Zeit feststellen. Die Gründe mögen sehr unterschiedlich sein: der Führungsanspruch von Einzelpersonen, Auseinandersetzungen wegen der Einführung von Worship-Musik, äußerliche Anpassungen an die „Moderne“, die Frage nach dem öffentlichen Dienst der Frauen in den Gemeindestunden, oder die „Corona-Bestimmungen“ in den
zurückliegenden Jahren usw. Nach meiner Beobachtung sind Trennungen unter Christen, die ganze Gemeinden spalten, nicht an eine besondere „Art von Christen“ gebunden, sondern treten „querbeet“ auf. Die Anlässe mögen allerdings recht verschieden sein. Wer über den eigenen Tellerrand schaut, bekommt eine ausgewogenere Sicht und vermeidet den Fehler einer verschärften Überbewertung von Ereignissen im eigenen christlichen Lebensumfeld.

(24.2) Nun aber zurück zu „uns“: Es ist sehr wohl traurig und besonders beschämend, dass Trennungen auch unter den sogenannten „Brüdern“ stattgefunden haben. In der vorliegenden Arbeit kann nur ein recht grober Abriss, aber keine Auflistung von Details der „Brüdergeschichte“ geboten werden, denn das würde den Rahmen bei Weitem sprengen. Wer mehr erfahren möchte, dem steht
ausführliche Literatur zur Verfügung.

Mir scheint zunächst der Hinweis wichtig zu sein, dass die Ursachen für die Trennungen in der „Brüderbewegung“ aus biblischer Sicht betrachtet nicht alle gleich zu bewerten sind. Wir haben bereits bei Frage (1) gesehen, dass im 1. Korintherbrief Trennungen angedeutet werden, die der Herr Jesus niemals gutheißt. Bei Frage (11) haben wir die Aufforderung zur Trennung (Wegreinigung) in 2. Timotheus 2 untersucht. Es gibt also Situationen, in denen Trennungen „verboten“ sind. Und wenn sie doch geschehen, sind sie lediglich der Beweis für das Wirken des Fleisches (s. Gal 5,20) in den Gläubigen. Und es gibt andere Situationen, da sind Trennungen „geboten“, um dem Herrn Jesus, dem Heiligen und Wahrhaftigen, treu zu bleiben.

Wer sich in dem letzteren Fall trennt, handelt in geistlicher Übereinstimmung mit Ihm. Nun hat es nach dem, was wir aus Zeitzeugnissen der Brüdergeschichte entnehmen können, Trennungen beider Arten gegeben. Zu den traurigen Trennungen, die von der Art der fleischlichen Bestrebungen in
Korinth sind, gehören in der „Brüdergeschichte“ beispielsweise solche Trennungen, zu denen es infolge von zentralistischen Anmaßungen (London „Park Street“), aufgrund persönlicher Auseinandersetzungen führender Charaktere (Mace – Grant) oder wegen unausgewogenen Handelns in Zuchtfragen (Tunbridge Wells) kam. In Klammern sind nur einige Beispiele angegeben, die im englischsprachigen Raum leider zu einer ganzen Reihe von Trennungen geführt haben. Diese haben sich dann in der Regel auch noch auf andere, zumeist englischsprachige Länder rund um die Welt ausgeweitet. Aufgrund der sprachlichen und nationalen Barrieren waren Länder auf dem europäischen Kontinent (z. B. Deutschland) davon weniger berührt.

Zu den ebenfalls traurigen, aber aus biblischer Sicht notwendigen Trennungen gehören diejenigen, die aufgrund kardinaler Abweichungen und Irrlehren in eine eher „liberale“ Richtung (Plymouth, Bristol „Bethesda“) oder in eine eher „klerikale, zentralistische“ Richtung (Raven, Taylor, „Big Jim“) aufgetreten sind. In beiden Fällen ging es einerseits um Irrlehren im Hinblick auf die Person des Sohnes Gottes und sein Werk am Kreuz, und andererseits um grundlegende Abweichungen hinsichtlich der Lehre über die Versammlung Gottes und dem daraus folgenden Verhalten für die
Glaubenspraxis (Liberalismus; Zentralismus). Besonders die Trennung von 1848 (Bristol „Bethesda“) hat bis in die jüngste Zeit weltweite Folgen. Ein wesentlicher Auslöser für die Trennung, die in den 1990er-Jahren unter den Brüdern in Deutschland begann, lässt sich auf die Problematik von Plymouth und Bristol (1845- 1848) zurückführen.

(24.3) Die Bibel unterscheidet zwischen unberechtigten Trennungen und erforderlichen Trennungen. Wir stellen beschämt fest, dass auch bei den „Brüdern“ das Fleisch aktiv gewesen ist. Das ist angesichts der empfangenen Gnade und Kenntnis über Gottes Wort umso schlimmer. Einige der oben angedeuteten Trennungen sind im Lauf der Geschichte durch die Gnade Gottes tatsächlich wieder
geheilt worden – dennoch sind negative, bleibende Folgen zu beklagen.

Die Trennungen, die wir aus der Sicht der Bibel als „notwendig“ beurteilen, betreffen Irrlehren oder kardinale Fehlorientierungen hinsichtlich der biblischen Lehre und Praxis über die Versammlung Gottes. Solche Trennungen können nur dann rechtmäßig aufgehoben werden, wenn sich „beide Seiten“ miteinander vor dem Herrn Jesus demütigen und gemeinsam wieder auf die biblische Grundlage in den fraglichen Punkten zurückfinden.

Nicht zuletzt: Könnten die traurigen Trennungen unter Brüdern nicht auch ein spürbares Urteil des Herrn Jesus sein, durch das Er sein Missfallen an einer zunehmend fleischlichen Gesinnung und einem immer weltlicheren Lebensstil unter „den Brüdern“ vielleicht deutlich gemacht hat? Natürlich trifft das nicht auf jeden Bruder und jede Schwester persönlich zu. Wir sollten nicht unzulässig
verallgemeinern. Wer sich jedoch mit der „Brüdergeschichte“ beschäftigt, wird ganz bestimmt die traurige Tendenz des geistlichen Niedergangs unter „den Brüdern“ empfinden. Muss es uns dann wundern, wenn Gott disziplinarisch eingreift und aus diesem Grund sogar Trennungen geschehen lässt? Das sehen wir schon im Alten Testament bei der Trennung im Volk Israel. „So spricht der HERR: Ihr sollt nicht hinaufziehen und nicht mit euren Brüdern, den Kindern Israel, kämpfen; kehrt um,
jeder in sein Haus, denn von mir aus ist diese Sache geschehen.“ (1 .Kön 12,24) Fehlverhalten von Menschen, auch und gerade von Gläubigen, zieht schmerzliche Disziplinarmaßnahmen Gottes nach sich – oftmals mit dauerhaften Folgen! Das ist Gottes Reaktion auf unser Verhalten. Wir nennen das auch seine Regierungswege.

In der Gnadenzeit ist das nicht anders: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Denn wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten; …“ (Gal 6,7.8); „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes.“ (1. Petr 4,17) Zum Schluss: Man mag sich fragen, ob eine Trennung, die heute ohne hinreichende biblische Begründung als „ultima ratio“ vollzogen wird, sowohl dem Urteil des Herrn oder auch dem Urteil eventuell nach uns folgender Generationen standhalten kann. Wird man in einem solchen Fall nicht umso mehr von einer Trennung sprechen, die „von Menschen gemacht“ ist?

25. Die Trennung der 1990er-Jahre

Frage: Wie sind die örtlichen Trennungen seit 1994 begründet oder zu bewerten?

Kommentar: Ich sehe mich nicht in der Lage, alle örtlichen Trennungen, die in Deutschland seit 1994 geschehen sind, in den Einzelheiten zu prüfen und zu bewerten. Ich kann nur versuchen, eine Verständnishilfe für solche örtlichen Trennungen zu geben, die  ursächlich auf die „erste“ Trennung in Süddeutschland 1994 und schlussendlich auf denselben Grund zurückgeführt werden können. So gesehen handelt es sich um eine einzige Trennung, die sich nach und nach auf verschiedene Orte ausgeweitet hat. Ob damit allerorts alle Ereignisse abgedeckt sind und erklärt werden können, kann ich nicht abschließend beurteilen. Die meisten scheinen mir jedoch in einem „inneren“ Zusammenhang zu stehen.

Was war der Auslöser? Ein Bruder aus einer örtlichen Versammlung in Süddeutschland begann, bei den „bundesfreien Brüdern“ (kurz „freie Brüder“) am Brotbrechen teilzunehmen. Das führte dazu, dass sich Brüder seiner „Heimatversammlung“ mit der Frage beschäftigten, ob das aus der Sicht der Bibel rechtens sei. Ein Teil der Brüder bejahte das in dem konkreten Fall. Andere Brüder teilten diese Ansicht nicht. Leider wurde man sich in dieser Frage am Ort nicht einig. Brüder umliegender örtlicher Versammlungen wurden über diese Situation informiert und hinsichtlich der Klärung dieser Frage um Hilfe gebeten. Nach eingehenden Erörterungen beharrte ein Teil der Geschwister auf ihrer Meinung, dass man mit den sogenannten „freien Brüdern“ Tischgemeinschaft pflegen könne, sofern in der konkreten örtlichen Gruppe keine Irrlehren geduldet und keine Irrlehrer zugelassen würden. Sie akzeptierten oder duldeten die Ansichten der sogenannten „freien Brüder“ im Hinblick auf die Frage (I) der Möglichkeit der „Verunreinigung durch Kontakt mit Sünde oder Bösem“ und hinsichtlich (II) der „kollektiven Verantwortung“. Zu (I): In einer schon älteren Mitschrift von „Drei aktuelle Vorträge“ (Dillenburg, o. J.)
erklärt Dieter Boddenberg (einer der früheren führenden Brüder der sogenannten „freien Brüder“) zum Thema „Kollektive Verantwortlichkeit“ auf Seite 27: „Stellt in diesem Zusammenhang eine Versammlung vom äußeren Bild oder inneren Zustand her eine offensichtliche Gefahr dar durch z.B. falsche Lehre o.ä., so ist es denkbar, daß, sollten alle Mahnungen fruchtleer bleiben, von einem oben beschriebenen Brüderkreis öffentliche Warnungen ausgesprochen werden. 

Derartige Warnungen sollten sich aber nur auf die falsch lehrenden Brüder, nicht auf die Versammlungen selbst beziehen. Niemals, um das noch einmal zu betonen, könnte, wie in exclusiven Kreisen angenommen und gelehrt wird, eine Verunreinigung des einzelnen und dann auch der Versammlung durch den Kontakt mit Geschwistern dieser Versammlung entstehen“. (Rechtschreibung wie im Original)
Im 2. Brief des Johannes Vers 10.11 lehrt die Bibel jedoch: „Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken.“ Wer die Lehre des Christus nicht bringt, ist „eine offensichtliche Gefahr durch z. B. falsche Lehre“, wie Bruder Boddenberg es ausgedrückt hat. Nach den Worten des Apostels Johannes wird derjenige zu einem Teilhaber der bösen Werke des falschen Lehrers, der ihn aufnimmt. Das geschieht selbst dann, wenn man bloß sozialen, privaten Kontakt mit diesem hat. Wir erkennen daraus den Grundsatz der Bibel, dass nach Gottes Urteil äußere Gemeinschaft in einem solchen Fall eine moralisch verunreinigende Wirkung hat und dazu führt, dass man zum Teilhaber böser Werke wird; und zwar nicht erst dann, wenn man die böse Lehre selbst verinnerlicht hat und eventuell nun auch selbst aktiv vertritt.

Da Gläubige einer örtlichen Versammlung, die beim Mahl des Herrn Gemeinschaft mit einem Irrlehrer pflegen, nach dem Verständnis der sogenannten „freien Brüder“ dadurch „niemals verunreinigt werden können“, sieht man deren Teilnahme in anderen Gruppen der „freien Brüder“ folgerichtig als moralisch unbedenklich an. Die von Bruder Boddenberg als „exclusiv“ bezeichneten Brüder sehen sich jedoch den Belehrungen des 2. Johannesbriefes in den Versen 9 bis 11 verpflichtet. Und dann stellt sich wohl die Frage, ob ein Gläubiger, der in der eigenen Ortsgemeinde bewusst Gemeinschaft mit einem Irrlehrer hat, und somit ein Teilhaber an bösen
Werken ist, an einem anderen Ort aufgenommen werden sollte. Denn dann kommen die dortigen Geschwister in Kontakt mit einem „Teilhaber böser Werke“. Ist das moralisch unbedenklich? Wir stellen die unterschiedlichen geistlichen Auffassungen heraus, damit deutlich wird, warum die Praxis so unterschiedlich ausfällt.

Liebe Freunde, ich hege keine schlechten Gedanken oder Gefühle gegen meine Glaubensgeschwister, die ihre geistliche Heimat bei den sogenannten „freien Brüdern“ haben. Wir sollten aber den Mut haben, die klar geäußerten und als unangenehm empfundenen Diskrepanzen wenigstens zu benennen und darüber anhand der Bibel nachzudenken. Deshalb braucht man nicht miteinander zu streiten – die „freien Brüder“ sind und bleiben Brüder im Herrn, auch wenn man ihre Ansichten in diesem Punkt nicht teilt.
Eines sollte aber klar sein: Zwei unvereinbare, einander widersprechende Grundsätze können nicht beide gleichermaßen richtig sein. Im schlimmsten Fall mögen sogar beide falsch sein. Dass jedoch „alles richtig“ ist oder für richtig erklärt wird, damit wir „lieb zueinander“ sind, entspricht wohl kaum der Wahrheit des Wortes Gottes. Zwar sollten Gläubige trotz unterschiedlicher Ansichten in einer brüderlichen Weise miteinander umgehen. Eine falsch verstandene Toleranz ist mit dem Festhalten an der Wahrheit jedoch nicht vereinbar (s. 3 Joh 3). 

Wir wollen uns einem brüderlichen Austausch aber nicht verschließen – auch bei kontroversen Themen! Zu (II): Zur Frage der Unabhängigkeit örtlicher Versammlungen voneinander schreibt Dieter Boddenberg in derselben Publikation (s. o., S. 24): „Die Beschlüsse und Maßnahmen anderer Gemeinden zu überprüfen und sie zu akzeptieren oder zu verwerfen, bleibt jeder Gemeinde vorbehalten.“ Damit wird jede örtliche Versammlung als losgelöst oder unabhängig angesehen.

Demnach darf jede Versammlung das Urteil einer anderen örtlichen Versammlung, die im Namen des
Herrn Jesus versammelt ist und in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes ein Urteil gefällt hat, als unverbindlich ansehen und selbst entscheiden, wie sie damit umgehen möchte. Ist es vor Gott richtig, dass an zwei Orten in derselben Sache in einer entgegengesetzten Weise gehandelt wird, weil man in moralischen Angelegenheiten widersprüchlich urteilt? Ist Christus als Haupt seines Leibes denn mit sich selbst entzweit? Ich meine, damit keine zu scharfe Schlussfolgerung formuliert zu haben. Zurück zu der „ersten“ Trennung in Süddeutschland in den Jahren 1993-1994: Die beiden oben formulierten Standpunkte widersprechen einander grundlegend. Das wurde von den Brüdern in einem Brief als Information an die örtlichen Versammlungen im deutschsprachigen Raum mitgeteilt. Sie bestätigten darin, dass sich ein Teil der Geschwister für die Grundsätze geöffnet habe, die von den sogenannten „freien Brüdern“ vertreten werden, und daher auch die Tischgemeinschaft mit diesen als rechtens ansehe. Das habe es in früheren Jahren nicht gegeben. Dadurch wurden die Geschwister, die geänderte Auffassungen vertraten, selbst mit zum Anlass für die tatsächliche Trennung.

Infolge dieses Briefes stellten sich verschiedene Geschwister an anderen Orten hinter die geänderten Auffassungen der nun so getrennten Brüder und unterstützten sie darin. Infolgedessen trat ein „Dominoeffekt“ in Form von weiteren örtlichen Trennungen auf. Der übereinstimmende Grund war meines Erachtens, dass es an diesen anderen Orten ebenfalls Geschwister gab, die den geänderten Auffassungen zustimmten – und nicht nur, dass sie einen sogenannten „Trennungsbrief“ nicht anerkannten. Ich habe aber keinen deutschlandweiten Überblick.
In den folgenden Jahren hat sich vielfach gezeigt, dass sich die inneren Überzeugungen wirklich verändert haben. Die später „blockfrei“ genannten Brüder handeln bei der Frage der Zulassung von Gästen tatsächlich anders und formulieren heute teilweise klar, dass sie wirklich eine andere Überzeugung haben, die mit der Praxis der von ihnen so genannten „alten Versammlung“ nicht vereinbar ist.

So weit meine persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen. Ich hoffe, dass ich imTon niemanden angegriffen habe. Mein Anliegen ist lediglich, der jüngeren Generation, die mit dem Durcheinander zurechtkommen muss, das wir Ältere verursacht haben, eine grobe Orientierung hinsichtlich der wesentlichen Unterschiede in den fraglichen Ansichten und geschichtlichen Ereignissen der
Vergangenheit zu vermitteln. Sollte ich etwas fehlerhaft dargestellt haben, dann ist das keine Absicht! Ich bin jederzeit zur Korrektur bereit!

26. Frühere Trennungen prüfen

Frage: Ist das Prüfen zeitlich weit zurückliegender Beschlüsse gleichbedeutend mit „Unabhängigkeit“? Muss man nicht nach längerer Zeit prüfen, ob die früheren Trennungsgründe überhaupt noch Bestand haben (z. B. weil die nächste Generation schon erwachsen ist)?

Kommentar: Aus den Erläuterungen weiter oben ist ersichtlich, dass mit „Unabhängigkeit“ grundsätzlich etwas anderes gemeint ist: nämlich, dass sich örtliche Versammlungen als voneinander losgelöst ansehen und dieselbe Angelegenheit – durchaus im Widerspruch zueinander – moralisch anders beurteilen, und daher auch anders handeln. Und das ist ein Widerspruch in sich selbst: Das Haupt des Leibes hat einen einzigen Willen und ein einziges moralisches Urteil in der betreffenden Angelegenheit. Wir können aus der Bibel nicht erkennen, dass der Herr Jesus moralisch gegensätzliche Maßstäbe an verschiedenen Orten anwenden würde!

In der „Brüdergeschichte“ wurden wiederholt Trennungen auf den Prüfstand gestellt (soweit mir bekannt ist, jedoch nicht die Trennung 1848 von den „Offenen Brüdern“). In der Regel lagen diese weit zurück und beschäftigten bereits die nachfolgende Generation. Ein großer Teil der Brüder beider Seiten erkannte die „eigene“ Schuld an der jeweiligen Trennung in Beugung und gegenseitigem Bekenntnis vor dem Herrn an. Die früheren Gründe der Trennung wurden in den fraglichen Punkten durch Rückkehr auf die Grundlage der Bibel ausgeräumt. Diese Brüder verspürten das Wirken des Geistes Gottes, der ihre Herzen vorbereitete, zur Demütigung führte und zur Einmütigkeit zurückführte. Es dauerte oft jahrelang, bis die weltweiten Trennungen geheilt waren. Nach dem, was uns aus Zeitzeugnissen bekannt ist, haben diese Brüder ernst und aufrichtig gehandelt. Dadurch wuchs auch wieder das Vertrauen zueinander. Wie groß war die Freude, schließlich miteinander wieder in Gemeinschaft am Tisch des Herrn zu sein.

Halten wir für unsere Zeit fest: Wenn der Herr Jesus durch seinen Geist an den Herzen von Brüdern im Hinblick auf eine Heilung einer Trennung wirkt, kann man sich nur freuen und Ihn preisen. Nennen wir einige Dinge, die auf dem Weg zu einer Heilung unerlässlich sind: Wir müssen uns gemeinsam vor dem Herrn Jesus wirklich schämen und vor Ihm demütigen, weil wir Ihn entehrt haben. Vergehen und Versäumnisse sind gegenseitig aufrichtig zu bekennen.
In den fraglichen Punkten muss man kompromisslos zur biblischen Grundlage zurückkehren.
Korrekturen sind vorzunehmen und Falsches ist aufzugeben, das in der bisherigen Praxis und in den gepflegten Beziehungen mit der wieder gewonnenen Haltung unvereinbar ist.
Wir sollten darauf achten, dass der korrigierte und nun wieder gemeinsame Weg von allen Geschwister mitgetragen wird, damit nicht wieder „neue Grüppchen“ entstehen.

Unter diesen geistlich positiven Voraussetzungen dürfen wir ganz bestimmt mit der Hilfe unseres Herrn rechnen, dass Er zur Verherrlichung seines Namens wirken wird, wenn beide Seiten bereit sind, Fehler einzuräumen und beim Namen zu nennen. Liebe Freunde, den nun folgenden Zeilen möchte ich einige Hinweise voranstellen, um Missverständnissen vorzubeugen. Die folgenden Zeilen entspringen nicht der Lieblosigkeit. Sie sind aber sehr wohl selbstkritisch gedacht. Das heißt, sie sollen dazu anregen, die Regungen des eigenen Herzens und die Argumente, die in den gegenwärtig erkennbaren Bestrebungen vorgebracht werden, kritisch zu überdenken. Die im Folgenden notierten Gedanken sind in diesem oder einem ähnlichen Wortlaut hier und da zu hören. In der konzentrierten Zusammenstellung könnten sie etwas überzeichnet wirken. Sie mögen dennoch nützlich sein.

In einer Art Kontrast zu der weiter oben formulierten Haltung können folgende Gedanken aufkommen:
Man sieht sich als nächste Generation, die an dem, was die Väter getan haben, keine Schuld trägt. Daher schämt man sich nicht wirklich vor dem Herrn. Und was soll denn von Herzen bekannt werden, wenn doch nicht wir, sondern die Väter im Wesentlichen schuld sind?

In dem Bestreben, möglichst rasch zu einer gütlichen Lösung hinsichtlich einer erneuten Tischgemeinschaft zu kommen, werden die Gründe der damaligen Trennung kaum gemeinsam untersucht – war die Trennung denn überhaupt berechtigt? Muss man das denn noch untersuchen? Sollte man nicht eher nach vorn, in die Zukunft schauen?
Die damaligen Trennungen stören unsere Familien und freundschaftlichen Beziehungen. Ist dieser Stress denn nötig? Sollte die Liebe, besonders die Bruderliebe, nicht schnellstens freie Bahn bekommen?
Und: Eine „offizielle“ Rückkehr in die Gemeinschaft auf einem gemeinsamen Weg scheint auch nicht nötig zu sein, wenn die vorher getrennten Geschwister einfach wieder Tischgemeinschaft „ohne weitere Fragen“ haben können. Da mag man eventuell sogar in Kauf nehmen, dass ein Teil der Geschwister „nicht mehr in die Enge zurück“ will.
Das Abendmahlverständnis mag unterschiedlich bleiben, sowie auch die Praxis der Aufnahme zum Brotbrechen. Muss das unsere Gemeinschaft zukünftig denn beeinträchtigen?
Können wir solche oder ähnliche Argumente und Meinungen aus dem Wort Gottes entnehmen? Oder erfinden wir „Vereinfachungen“, die angenehmer und leichter umsetzbar sind, aber nicht biblisch begründet werden können? Was denkt unser Herr darüber?
Wir reichen jedoch allen Brüdern freudig die Hand, deren Herzen mit uns darauf ausgerichtet sind, in echter Beugung vor dem Herrn erneut den nach Gottes Wort begründeten Glaubensweg miteinander zu gehen. Das ist vor dem Herrn aufrichtig und ehrt Ihn. Möge Er das in seiner Barmherzigkeit in meinem Herzen und in den Herzen anderer bewirken!

27. Tischgemeinschaft, auch wenn die Trennung bleiben soll?

Frage: Kann man Gläubige von einem anderen Ort, die sich getrennt haben und auch nicht mehr zurückwollen, zum Brotbrechen aufnehmen im Fall eines nicht „trennungswürdigen Zustands der Person“ (oder eines damals nicht „trennungswürdigen“ Trennungsgrundes)?

Kommentar: Die Frage deutet merkwürdige Situationen an, für deren Beantwortung nicht nur die
Belehrungen der Apostel erforderlich sind, sondern auch ein redliches Herz und ein
gesunder Sinn. In dem beschriebenen Fall haben sich also Gläubige vor längerer Zeit getrennt. Für
diese Trennung gab es keine biblische Begründung oder Erfordernis. Ein einzelner Gläubiger von dort oder auch die gesamte Gruppe möchte aber nicht, dass die Trennung vor dem Herrn wieder geheilt wird. Merkwürdig! Man lehnt die Rückkehr in die Gemeinschaft mit den Geschwistern, von denen man sich damals getrennt hat, ab. Ist das eine gute geistliche Haltung? Einzelne oder mehrere möchten jedoch auf eigenen Wunsch besuchsweise am Brotbrechen teilnehmen.

In der Frage wird ein „nicht trennungswürdiger Zustand“ erwähnt. Wir fragen nun ebenfalls: Ist das ein „gemeinschaftswürdiger“ oder des Herrn würdiger Zustand, wenn Gläubige ohne einen berechtigten Grund die prinzipielle Gemeinschaft mit ihren Glaubensgeschwistern am Tisch des Herrn ablehnen und in einem Zustand der Trennung verharren möchten? Entspricht das der Belehrung über die Versammlung als dem einen Leib Christi, in dem in der Praxis keine Spaltung oder gar Parteiung sein soll? Haben wir das Recht, uns gegen den Willen des Herrn als eine Parteiung zu formieren und dann auf eigenen Wunsch oder „bei Bedarf“ doch am Brotbrechen teilnehmen zu wollen? Wir stellen ernsthaft infrage, ob so jemand in dieser Sache wirklich ein reines Herz und Gewissen haben kann. 

Wir wollen ganz bestimmt vorsichtig sein und auch nachfragen, was solche Geschwister bewegt und warum sie so denken. Wenn jedoch bewusster Widerstand gegen das Wort Gottes und den Willen unseres Herrn erkennbar werden, können wir dann das Fleisch akzeptieren? Der Herr Jesus erkennt bewusst beibehaltene Parteiungen ganz bestimmt nicht an. Ist Er denn ein Teilhaber der Werke des Fleisches?

28. Wertschätzung für den „einen Leib“ durch Aufnahme Gläubiger aus unterschiedlichen Kreisen?

Frage: Beweist man nicht gerade durch die Aufnahme von Gläubigen aus unterschiedlichen Kreisen, die von „fundamental Bösem frei sind“, in der Praxis die rechte Wertschätzung für die „Schönheit des einen Leibes“? Ist es bibelkonform, Trennungen trotz „nicht-trennungswürdiger Gründe“ aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Gemeinschaft mit solchen Gläubigen zu pflegen, als gäbe es diese Trennungen nicht?

Kommentar: Wir haben uns bereits bei den Punkten (1) und (4) mit den Grundlagen zur Beantwortung dieser Frage beschäftigt. Die persönlichen Streitigkeiten unter den Korinthern würden schlussendlich zu Parteiungen (Trennungen, Sekten) führen (s. 1. Kor 11,19). Wenn es in Korinth zu Trennungen in verschiedene Brüdergruppen kam, dann bedeutete die Aufnahme von Gläubigen aus den getrennten Brüdergruppen niemals „rechte Wertschätzung für die Schönheit des einen Leibes“!

Für die Trennungen in verschiedene Brüdergruppen, die Paulus bei den Korinthern befürchtet, können wir keine „trennungswürdigen Gründe“ im 1. Korintherbrief erkennen. Daher nennt Paulus das Verhalten der Korinther menschlich und fleischlich (s. 1. Kor 3,3.4). Die Ergebnisse bezeichnet der Apostel dann als Werke des Fleisches (s. Gal 5,20), obwohl „fundamental Böses“ im Fall der Korinther keine Rolle spielte. Andernfalls hätte Paulus sicherlich schon den Ansatz des fundamental
Bösen erwähnt; denn er geht im 1. Korintherbrief ja auf alle möglichen Fehlentwicklungen und falsche Ansichten der Korinther ein. Es ist kaum denkbar, dass er kardinal falsche Ansichten oder fundamental böse Irrlehre nicht erwähnt hätte.

Und nun: Aufnahme am Tisch des Herrn trotz „nicht-trennungswürdiger“ Trennungen, die aber aufrechterhalten werden? Für Paulus kam nur die Rückkehr auf den gemeinsamen Glaubensweg infrage, auf dem man dasselbe redet, dasselbe denkt und dieselbe Meinung hat (s. 1. Kor 1,10). Trennungen aus „nichttrennungswürdigen Gründen“ bewusst fortbestehen zu lassen und dabei dauerhafte Gemeinschaft mit Gläubigen aus getrennten Gemeinderichtungen zu pflegen:
Bedeutet das letztlich nicht, die Folgen fleischlichen Handelns oder menschlichen Versagens mit dem Tisch des Herrn in Verbindung zu bringen? Was sagt der Herr des Tisches des Herrn dazu?

Allerdings: Der Wunsch einzelner Gläubiger, das Zusammenkommen zum Namen des Herrn Jesus kennenzulernen und dabei auch das Brot zu brechen, ist durchaus möglich, wenn die bereits beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die obige Frage bezieht sich meinem Verständnis nach mehr auf einen Dauerzustand, bei dem Trennungen aufrechterhalten werden (sollen) und trotzdem Tischgemeinschaft gepflegt wird.
Fazit: Der Apostel Paulus würde die in der Frage geäußerte Ansicht nicht unterstützen. Die „frühen“ Brüder haben Gläubige aus Gemeinschaftskreisen zum  Brotbrechen aufgenommen. Damit sprachen sie sich jedoch nicht für eine falsch verstandene Freiheit aus, die Gemeinschaft am Tisch des Herrn als eine dauerhafte, parallele Alternative zur Gemeinschaft in einer Freikirche zu praktizieren.

29. Getrennte Gruppierungen – dennoch alle „Bewährte“?

Frage: Kann es nicht mehrere Gruppen von „Bewährten“ geben, die zwar voneinander getrennt sind, aber nicht zu den Parteiungen der christlichen Gemeinderichtungen gehören? Meiner Meinung nach kann ich bei allen teilnehmen, die ich als „Bewährte“ ansehe, weil sie alle treu zum Herrn stehen. Oder spricht etwas dagegen?

Kommentar: Bei dieser Frage greifen wir noch einmal auf die grundlegenden Überlegungen zu 1. Korinther 11,19 zurück. Dort erläutert der Apostel ja gerade, dass die „Bewährten“ bei keiner einzigen Trennung oder Gruppierung mitmachen. Alle Trennungen kommen im Kontext dieses Briefes bloß durch fleischliche Streitigkeiten zustande. Alle, die der Heilige Geist „Bewährte“ nennt, fühlen sich dem Herrn Jesus und damit ausschließlich der Einheit verpflichtet, die durch Ihn gebildet wurde. Außer der Gemeinschaft am Tisch des Herrn, die Er für alle seine Erlösten vorgesehen hat,
kennen und praktizieren sie keine sonstige, anders definierte Gemeinschaft. 

Darin erweisen sie sich gerade als die „Bewährten“. Sie haben geistlich erfasst und halten im Glauben auch daran fest, dass jede andere Gemeinschaft als die, die der Herr gebildet hat, ausschließlich menschlich und sogar fleischlich ist (s. 1. Kor 3,3.4). Daher lehnen sie diese ab.
Wo können wir aus dem Text der Bibel entnehmen, dass es mehrere voneinander getrennte Gruppen „Bewährter“ gäbe? Solche zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie jede Form von Spaltung und Parteiung ablehnen, auch die Trennung angeblich „Bewährter“ voneinander – tatsächlich ein Widerspruch in sich selbst!

Übertragen wir das auf heute: Sollte es mehrere (aus welchem Grund auch immer) voneinander getrennte Brüdergruppen geben, von der jede den Wunsch hat, im Sinn von 1. Korinther 11,19 „bewährt“ zu sein, dann werden sie sicher die Ermahnung in 1. Korinther 1,10 beherzigen. Sie werden alles unternehmen, um den bisherigen, voneinander getrennten Zustand mit der Hilfe des Herrn zu überwinden. Sie sind danach in einer solchen Art und Weise miteinander in Gemeinschaft, wie der Herr es grundsätzlich für alle seine Erlösten wünscht – ohne Trennung. Die Frage, ob es
mehrere Gruppen „Bewährter“ gibt, erübrigt sich für sie damit von selbst.

In der Fragestellung wird die persönliche Freiheit angedeutet, selbst zu beurteilen, wen man zu „den Bewährten“ rechnet und wen nicht. Das persönliche Urteil soll dann für die eigene Entscheidung maßgeblich sein, mit wem man das Brot brechen kann – ein eher individualistischer Ansatz. Wo finden wir einen bestätigenden Hinweis dafür in der Bibel?

30. Eine „einladende Haltung“ gegenüber anderen Christen

Frage: Müssten wir nicht eine deutlich einladendere Haltung anderen Christen gegenüber haben, oder sogar aktiv für die Teilnahme „bei uns“ werben? Wie sollen sie denn sonst „die Wahrheit“ kennen lernen?

Kommentar: Ich zitiere ausnahmsweise aus einer Auslegung von Henri Rossier über 2. Chronika 30, die in diesem Zusammenhang gelegentlich angeführt wird: „Wie ist es nun in der heutigen Zeit, wo ein viel schrecklicheres Gericht als das Israels sich bald über die Christenheit ergießen wird? Schreibet Briefe wie Jehiskia, sendet eure Botschaft überall hin und sagt: das Volk Gottes ist ein Volk; es möge sich eilends versammeln, um Anbetung darzubringen. Es möge am Tische des Herrn diese durch den Heiligen Geist gebildete Einheit bezeugen; es möge sich reinigen von aller Vermischung mit einer unreinen Welt, und, wie tief auch der Fall sein mag, es kann die ersten Segnungen wiederfinden! Glaubt nicht, dass ihr viele aufmerksame Seelen finden werdet; wird euer Mahnruf nicht vielmehr Gleichgültigkeit, Spott und Verachtung finden?

Dadurch ließ sich Jehiskia nicht entmutigen. Er hatte die Freude zu sehen, wie mehrere Leviten sich schämten, sich heiligten und den Platz einnahmen, den sie sich niemals hätten nehmen lassen sollen, ‚nach dem Gesetz Moses, des Mannes Gottes‘ (V. 16). So wurde das Wort Gottes, wie es damals geoffenbart war, die Richtschnur für den Dienst Jehovas.
Aber was dachte man in Israel von diesen Träumern, die in ihren Trugbildern die Einheit des Volkes wiederherstellen wollten? War es nicht richtiger, die Dinge so zu nehmen, wie sie waren, und sich damit zu begnügen? Zweifellos ging man nicht so weit, den Verfall, die Gefangenschaft, den Götzendienst und die Unordnung als Entwicklung der väterlichen Religion hinstellen zu wollen. Diese ungeheuerliche Behauptung blieb der Christenheit des Endes vorbehalten, die all das Böse, was sie
verursacht hat, ‚gut‘ und ‚geistliche Entwicklung‘ nennt. Eine hervorragende Begründung, die Satan der religiösen Welt geliefert hat, damit sie sich nicht zu demütigen braucht. Daß die Entronnenen Israels sich unter dem Banner der Kälber Bethels und die Zurückgebliebenen Judas unter dem Banner Jehiskias sammelten, scheint heute gut und wünschenswert zu sein. Wenn diese Entronnenen, die mit ihrem Zustand so zufrieden waren, zum Passah gekommen wären, so würden sie gewiß etwas anderes als das gefunden habe. 

In der Nacht, in der das Passah in Ägypten geschlachtet wurde, hatte das Volk nur e in Banner gekannt, das Banner Jehovas, um Ägypten zu verlassen, das Rote Meer zu durchziehen und das Volk
keinen anderen Gedanken als den, das Volk Gottes unter dem Banner Jehovas zu vereinen“ (Betrachtungen über das 2. Buch der Chronika; Herausgeber Ernst Paulus- Verlag, Neustadt a. d. Weinstraße, 1965, S. 132.133, Rechtschreibung und Hervorhebungen gemäß Original, Unterstreichungen von mir).

Ich begrüße ausdrücklich den Vorschlag, eine einladendere Haltung anderen Kinder Gottes gegenüber zu haben, die wie die damaligen Israeliten nicht mehr den richtigen Ort und den Gottesdienst kennen, den Gott seinem Volk gegeben hat – sofern dabei die in 2. Chronika 30 genannten geistlichen Kennzeichen berücksichtigt und gelebt werden!
Diese sind aufseiten der Einladenden: 
Sie sind in ihren Herzen den Brüdern gegenüber, die von ihnen getrennt sind, nicht verengt (vgl. 2. Kor 6,12) und haben keine elitäre, sektiererische Haltung (s. V. 1.6).
Sie halten die Kenntnis des einen Hauses Gottes und des einen richtigen Ortes der Anbetung fest (s. V. 1).
Es geht ihnen nicht um Menschen, auch nicht um sich selbst, sondern um die Ehre des Herrn und seine Anbetung (s. V. 1).
Die Einladung geht nicht mit Abstrichen an „der Vorschrift“ einher (s. V. 5).
Die Einladenden legen großen Eifer an den Tag, mit der Einladung auch die Wahrheit über den Ort der Anbetung kundzutun (s. V. 10).
Die Einladung enthält auch eine deutliche Ansprache an die Eingeladenen:
Die Eingeladenen befinden sich am falschen Platz! Sie müssen sich in
Bewegung setzen und an den von Gott verordneten Platz zurückkehren (s. V. 5:8).
Gott hat den einen Ort für sein Haus für alle Zeiten unabänderlich festgelegt (s. „auf ewig“ in V. 8).
Wer die Gemeinschaft mit Ihm wünscht, muss sich der Wahrheit Gottes über sein Haus „anpassen“ – die Wahrheit darf nicht an die Zeitverhältnisse oder an die menschlichen Vorstellungen angepasst werden (s. V. 8).
Es folgt ein Aufruf zur Demütigung und Umkehr (s. V. 6).
Gott ist über den gottesdienstlichen Eigenwillen des Volkes erzürnt (s. V. 8).
Seine Erbarmungen sind aber noch nicht zu Ende, es gibt noch Gnade (s. V. 9).

Dann finden wir Hinweise über den Herzenszustand der versammelten Menge:
Die Priester haben sich geschämt und geheiligt (s. V. 15).
Man beachtet genau das Wort Gottes und erlaubt keine menschlichen Gedanken (s. V. 16).
Die Herzen sind darauf ausgerichtet, Gott zu suchen (s. V. 19).
Und als sich des Neuanfangs wegen doch ein Mangel zeigt, ignoriert Jehiskia diesen nicht. Er besieht die Diskrepanz im vollen Licht der „Reinheit des Heiligtums“ und tritt fürbittend für die Israeliten ein (s. V. 19). Der Herr erhört in seiner Gnade das Gebet, weil die Herzen aufrichtig sind. Jehiskia definiert aus dem ungewollten Mangel keinen niedrigeren Sollzustand für die Zukunft! Ganz richtig schreibt Bruder Rossier, dass Jehiskia mit der Einladung beabsichtigte, ganz Israel wieder unter eine Standarte (Banner) zu versammeln. Das „Hin- und Herspringen“ zwischen dem Tempel in Jerusalem mit der Teilnahme an dem dortigen Gottesdienst und dem Dienst der Kälber von Bethel und Dan war nicht vorgesehen, schon gar nicht als Dauerzustand!

Fragen wir uns einmal: Wie steht es mit uns? Haben wir denn selbst ein biblisch fundiertes, geistliches Verständnis über den einzigen geistlichen Ort, der im Neuen Testament für die Anbetung Gottes vorgesehen ist? Haben wir die geistliche Kraft und Entschiedenheit, zur Grundlage der Bibel hin einzuladen und diese anderen aus einer persönlichen inneren Überzeugung zu erklären? Was ist, wenn die Aufforderung zur Umkehr und Rückkehr an den biblischen Ort für viele Kinder Gottes zu herb sein mag, und bei ihnen Unverständnis oder sogar Ablehnung hervorruft, die auf uns selbst zurückfallen mag? Könnten und wollten wir das ertragen? Jehiskia und seine Obersten besaßen damals die erforderliche Glaubenskraft.

Und die „frühen“ Brüder besaßen sie meines Erachtens ebenfalls. Sie machten die wiedergewonnene Erkenntnis über die Versammlung Gottes (wie auch über andere Aspekte der Wahrheit) weit und breit in schriftlicher und mündlicher Form bekannt. Der Geist Gottes wirkte an den Herzen vieler Gläubigen, so dass sie dem Ruf folgten und das Falsche der getrennten Glaubensgemeinschaften zugunsten des Willens und Wortes Gottes aufgaben.

Und damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, der größte Bedeutung hat: Sowohl zur Zeit Jehiskias als auch in der Zeit der „frühen“ Brüder war es der Geist Gottes, der die Erweckungen bewirkte – und nicht etwa Jehiskia oder die „Brüder“. Wir können eine Erweckung nicht „machen“. Wenn es dem Geist Gottes nicht gefällt, diesen besonderen Segen zu bewirken, werden wir ein solches Gott-wohlgefälliges Ergebnis nicht zustande bringen können. Wollen wir einander mutlos machen?
Keineswegs! Wir müssen uns aber fragen, ob wir in einem geistlichen Zustand sind, der Gott wohlgefällt, so dass Er eine Neubelebung schenken kann! Müssen wir andernfalls nicht eher befürchten, dass unsere eigenen menschlichen Versuche dahin führen, ein bloß augenscheinlich ähnliches Ergebnis zu erzielen, das aber mehr einer Selbsttäuschung als der Wahrheit Gottes entspricht?

Schlussworte:
Ich vertraue meinen Lesern, dass sie mir nicht Härte oder lieblose Gefühle unterstellen, wenn ich auf der sachlichen Ebene deutliche Aussagen formuliert habe. Ansonsten möge man bitte noch einmal den letzten Absatz des Vorwortes lesen. Ich weiß, dass viele jüngere Geschwister möglichst deutliche und klare Aussagen erwarten. Ich habe daher versucht, diesem Wunsch auf der sachlichen Ebene nachzukommen, ohne dabei die Ansprache an das Herz und an das Gewissen ganz außer Acht zu lassen. Möge es durch die Hilfe unseres Herrn gelungen sein.
Vielleicht ist meine Befürchtung aber auch unbegründet.
Ich schließe mit einem Zitat aus Hesekiel 43,11, das mich kürzlich sehr angesprochen hat: „Und wenn sie sich über alles schämen, was sie getan haben, so zeige ihnen die Form des Hauses und seine Einrichtung und seine Ausgänge und seine Eingänge und alle seine Formen und alle seine Satzungen und alle seine Formen und alle seine Gesetze; und schreibe es vor ihren Augen auf, damit sie seine ganze Form und alle seine Satzungen behalten und sie tun.“
Haben wir beide, du und ich, das rechte Empfinden für die Lage in der Christenheit?
Schämen wir uns dafür und trauern wir darüber, wohin wir gekommen sind? Wenn ja, kann der Herr uns wieder die „Form seines Hauses“ in allen Einzelheiten zeigen, damit wir sie „behalten und tun“. Was Er über sein Haus denkt, das muss unsere Ausrichtung in der Lehre und Praxis bestimmen – und nicht, ob andere Christen uns darin zustimmen.
Ein glaubwürdiges Leben, dem man Gehorsam aus Liebe zum Herrn Jesus sowie die Nähe zu Ihm abspüren kann, wird eine attraktive, beispielgebende Wirkung auf andere haben. Möge unser Herr Jesus das zur Ehre seines Namens mehr bei uns bewirken!

30 aktuelle Fragen zur Gemeinschaft am Tisch des Herrn Rainer Fuchs

Die Bibelstellen werden nach der überarbeiteten Fassung der „Elberfelder Übersetzung“ (Edition CSV Hückeswagen) angeführt. Gelegentliche Hervorhebungen in „fett“ von mir.
Wichtiger Hinweis für den Fall, dass zukünftig eine Revision dieser Broschüre erscheint: Wer diese Arbeit auf elektronischem Weg verteilt, verpflichtet sich damit, eine etwaige Revision an alle Personen weiterzugeben, denen er die vorherige Version hat zukommen lassen. Danke!
Diese Broschüre ist unverkäuflich. Sie ist in gedruckter Fassung kostenlos beim
Verfasser erhältlich. E-Mail: [email protected]

Kommentare

Keine Beiträge gefunden.

Rezension verfassen