Der Richterstuhl Christi (2. Kor. 5, 10)
Manche Kinder Gottes, die es ernst in ihrem Wandel nehmen, sind in Zweifel und Sorge darüber, was ihnen der Richterstuhl Christi bringen wird, und andere, die mit Ernst an den Richterstuhl denken sollten, gehen gleichgültig daran vorüber.
Diese kleine Betrachtung möchte beiden Gruppen dienen, aber doch besonders denen zu helfen suchen, die sich »beeifern, Ihm wohlgefällig zu sein« (2. Kor. 5, 9), aber, über ihre Mangelhaftigkeit und ihr Zukurzkommen unglücklich, mit Furcht und Sorge an den Richterstuhl Christi denken. Im Glauben erfaßten sie einst das Wort des Herrn: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen« (Joh. 5, 24), und ihre Seele ruhte voll Freude in der Zuverlässigkeit Seines Wortes.
Dann aber lasen sie: Wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf daß ein jeder empfange, was er in dem Leib getan, je nachdem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses« (2. Kor. 5, 10), und Fuecht und Zweifel beschlich ihr Herz, ob nicht doch noch einmal die Frage ihrer Sünden auf gerollt und sie von dem Richter »zur Linken« gestellt werden könnten.
Solche Gedanken kommen aus der falschen Annahme daß an einem bestimmten Tag der Richterstuhl Christi aufgerichtet und alle Menschen, gläubig und ungläubig, durch das Sieb einer peinlich Untersuchung hindurchgehen müssen, um dann zu erfahren, ob man selig wird, oder verloren geht.
Wohl werden alle Menschen einmal vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, und es mag deshalb so erscheinen, als widerspräche dies dem Wort des Herrn, daß der Gläubige nicht ins Gericht komme.
Aber auch betreffs dieses scheinbaren Widerspruchs dürfen wir mit voller Gewißheit sagen: »Die Schrift kann nicht gebrochen werden« (Joh. 10, 35). Vielleicht sagt jemand, wenn alle Menschen vor den Richterstuhl Christi kornmen, so ist doch klar, daß alle, Gläubige und Ungläubige, gleichzeitig vor dem Richterstuhl Christi stehen werden?! Durchaus nicht! Niemals werden Gläubige mit Ungläubigen zugleich vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden. Die oft vertretene Meinung, daß der Richterstuhl Christi ein allgemeines Gericht bedeute, vor dem alle Menschen zugleich versammelt werden, hat keine Begründung in der Schrift. Der »Richterstuhl« Christi ist ein sehr weitgehender Begriff, der mehr umfaßt als eine einmalige Handlung. In diesem
Ausdruck »Richterstuhl des Christus« ist jede Richterhandlung des Herrn einbegriffen, die der Herr über Personen oder Werke vollziehen wird. Der Richterstuhl Christi ist sowohl der »Thron der Herrlichkeit« (Matth. 25, 31), vor dem alle Nationen versammelt werden, als auch der »große weiße Thron« (Offenb. 20, 11), vor dem die unerretteten Toten stehen werden. In dem Hinweis auf den Richterstuhl Christi, vor dem alle offenbar werden müssen, bringt der Apostel den göttlichen Grundsatz zum Ausdruck, den wir schon im Alten Testament (Pred. 12, 14) finden, daß
»Gott jedes Werk, es sei gut oder böse, in das Gericht über alles Verborgene bringen wird«.
Aber, könnte jemand sagen, sind die Ungläubigen eingeschlossen in das Wörtchen »alle« in 2. Kor. 5, 10? Ohne Zweifel. Wir brauchen nur den folgenden 11. Vers zu lesen: »Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, so überreden wir die Menschen«. Warum sollte der Apostel die Menschen überreden, wenn • sie nichts mit dem Richterstuhl Christi zu tun haben?
Er sieht (und ich folge z.T. den Ausführungen eines anderen) den Ernst, das Furchtbare des Augenblicks, wenn ein Mensch vor dem Richterstuhl Christi offenbar wird. Mit tiefem Ernst denkt er an den Unbekehrten, wenn dieser in seinen Sünden vor dem Richter zu erscheinen hat. Er zittert, aber er zittert nicht für sich. Er ist erschrocken, aber der Schrecken des Herrn berührt nicht ihn selbst. Dadurch daß der Herr das Gericht für ihn erduldet und entfernt hat, ist das Gericht mit seinen Schrecken für ihn weggenommen. Aber für den Ungläubigen ist das Offen
barwerden vor dem Richterstuhl Christi eine Stunde der Furcht und des Schreckens.
Von der Liebe Christi gedrängt, überredet der Apostel deshalb die Menschen, dem Gericht zu entfliehen. So zeigt uns dieser 11. Vers, daß er sowohl an Gläubige als auch Ungläubige denkt. Keineswegs aber wird uns damit gesagt, daß dieses Offen-barwerden der Gläubigen und der Ungläubigen gleichzeitig geschieht.
Laßt uns nun ein wenig näher auf einige Stellen der Schrift eingehen, die auf den Richterstuhl Christi Bezug haben:
In 2. Tim. 4, 1 lesen wir: »Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, der da richten wird Lebendige und Tote, und bei Seiner Erscheinung und Seinem Reich«. Hier wird uns gesagt, daß der Herr Jesus richten wird 1. Lebendige und 2. Tote. Über das Gericht der Lebendigen wird uns in Matth. 25 berichtet, und über das Gericht der Toten finden wir Näheres in Offb. 20. Laßt uns diese beiden Stellen aufmerk-samlesen! Zunächst Matth. 25, 31-46.
Kammer, Albert von der: Der Richterstuhl des Christus / A. v,d. Kammer. - Dillenburg Christl.-Verl.-Ges., 1989 ISBN 3-921292-83-2
© Copyright 1989 Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg Überarbeitung: Dieter Boddenberg, Mettmann Umschlaggestaltung: Eberhard Platte, Wuppertal Druck: Druckhaus Gummersbach
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