Am 6. März 1983 feierte eine ungewöhnliche Frau ihren 84 Geburtstag Berta Isselmann, überall bekannt als »Schwester Berta«.
Als ich meinen ersten Brief von ihr bekam, hatte er eine interessante Anschrift: »Herrn Pastor Kurt Scherer, Firma Kraft und Sieg, 6330 Wetzlar«. Der Brief kam an. Er enthielt die Zusage des erbetenen Interviews, von dem ich ihnen heute einige Ausschnitte vorstellen möchte. ich holte Schwester Berta dann in Kreuztal-Kredenbach ab und war überrascht von ihrer Originalität. Ja, Schwester Berta ist eine »ungewöhnliche Frau« - obwohl sie das -. bestreitet. Bevor wir uns in das Gespräch einblenden, muß ich noch sagen, daß wir das interview einige Wochen vor ihrem 84. Geburtstag aufnahmen.
B. i.: Ich bin 83 und überglücklich in Jesus. So war ich aber nicht immer. Ich muß mal von mir erzählen, wie das früher war. Ich habe meine Eltern nicht gekannt. Wo ich die ersten zwei Jahre war, weiß ich auch nicht. Und dann kam ich zu Pflegeeltern. Aber ich hatte ganz andere Gedankengänge als sie. Das war schlimm mit mir! Ich liebte nur zwei Dinge: die Musik und mein Fahrrad. Als ich 13 Jahre alt war, war eine Erweckung im Dorf. Andere kamen zum Glauben, und ich geriet auch dazwischen. Und dann meinte ich: Jetzt will ich auch Jesus nachfolgen. Jetzt, meinte ich, bin ich auch Christ, jetzt bin ich ein Gotteskind. Ich kam freudestrahlend zu meinem Pflegevater. Der sagte: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.« Er sah aber keine Früchte. Nein, es war nur halb bei mir. Ich hatte wohl die Vergebung für etliche Sünden für mich angenommen, aber ich hatte mich behalten.
Die Musik wurde dann mein Beruf. In den Ferien machte ich Radtouren So war ich dreimal in Wien, m Budapest, Schweden, Dänemark, Jugoslawien. Und mein Herz, mein verbittertes, kaltes Herz blieb unverändert.
1932 war das Missionszelt in der Nähe. Jemand sagt: »Wollen wir da hinfahren?« Ja, weil es so schön mit dem Fahrrad war zu fahren, fuhr ich mit. Aber ich habe gar nichts vernommen. Ich weiß nichts, kein Wort, kein Lied habe ich behalten.
Wieder im nächsten Jahr kam ich wieder von großer Fahrt zurück. Da war das Zelt in Kreuztal. Eine, die nicht gläubig war, sagte: »Wollen wir da hin?« Ich sagte: »können wir ja; ich habe nichts vor.« Ich ging dann ms Zelt, um nicht zuzuhören. Aber schon der Bibeltext hat mich umgeworfen Die Textlesung war aus Lukas 13 - vom Feigenbaum, der keine Frucht bringt. Er wird umgehauen und ins Feuer geworfen Und dann heißt es, daß der Gärtner zum Besitzer sagt »Ich will ihn umhauen Was hindert er das Land? Er bringt ja doch keine Frucht!« Da sagt der Besitzer »Gib dir noch mal ein Jahr Mühe. Laß ihn noch dies Jahr. Und wenn er dann keine Frucht bringt, dann haue ihn danach ab.«
Als die Stelle kam, da bekam ich Angst. Oh, dachte ich, hat das voriges Jahr im Zelt Gott gesagt:. »Die hört ja gar nicht zu! Laß sie noch dies Jahr?« Jetzt ist das Jahr aber um. Ich kann ja gar nicht mehr kommen.
Ich habe Qualen ausgestanden in dem Zelt, in dem ich nicht zuhören wollte. Da hat der Herr laut, laut mit mir geredet. Dahat er mir mein schwarzes Herz gezeigt, und ich sah mich im Lichte Gottes und erschrak Und in diese Qual, in diese Not hinein, die in der Bibel auch »Buße« heißt, da hat der Heilige Geist nur Worte in Erinnerung gebracht von früher. Ich wußte plötzlich, da ich ja früher schon mal in der Bibel gelesen hatte, daß im Buch Hiob steht: »Gott ruft zweimal oder dreimal.« Da dachte ich: Als Kind damals, das war ja ein Ruf; voriges Jahr im Zelt, das war auch ein Ruf. Heute, da kann ja Gott gar nicht rufen. Ob er mich überhaupt noch mal ruft, wenn ich heut nicht komme? Ob ich jetzt „
will oder nicht, wenn ich noch Wert darauf lege, ein Gotteskind zu
werden, kann ich ja gar nicht anders.
Dann war ich innerlich sofort einverstanden. Jetzt wollte ich Frucht bringen; Ich konnte aber nicht aus dem Zelt rennen und Frucht bringen wollen, das ging doch gar nicht Und da zeigte nur der Herr Da mußt du zu deiner Pflegemutter gehen (mein Pflegevater war grad ein paar Tage vorher gestorben), und da mußt du um Verzeihung bitten und . . . Ich war mit allem einverstanden. Sie sangen im Zelt: »Es quillt für mich das teure Blut, das glaub und fasse ich. Es macht auch meinen Schaden gut, denn Jesus starb für mich.« So, dann rannte ich aus dem Zelt nach Hause und ging auf die Knie und sagte: »Herr Jesus, komm bitte heute nacht nicht wieder« - das fiel mir auch noch ein zu meinem Schrecken, daß das sein könnte - »und laß mich bitte heute nacht flieht sterben. Morgen früh will ich all die sauren Gänge machen. Ich will alles tun, was du sagst.«
Ich schlief dann ruhig ein. Am andern Morgen - ein Satz aus dem Bett Erst die sauren Gange! Erst das Schwerste, erst zu meiner Pflegemutter! Die war gerade mi Krankenhaus Vor dem Krankenhaus dachte ich Wenn ich die schwerste Krankheit hatte, das war' gar nicht schlimm, aber die Mutter um Verzeihung bitten, das ist ja furchtbar! Da gab mir der Gedanke Mut: Vielleicht wird sie gebadet! Ich bin die Treppe hinaufgegangen und klopfte an. Die Mutter rief: »Herein!« Ich war sehr, sehr verlegen. »Ich dachte, du würdest gebadet«, sagte ich. Und da sagte sie: »Ich warte auf die Badeschwester.«
Jetzt mußte ich schnell machen! Ich sagte: »Ich bin zu Jesus gekommen« Als ich den Namen Jesus ausgesprochen hatte, da verließ mich der Feind. Da konnte er mich nicht mehr hindern. Und dann sagte ich »Kannst du mir vergeben, daß ich dir das ganze Leben verbittert habe?« Ich habe meine Pflegeeltern wirklich seelisch ermordet, das sage ich immer wieder. Da sagte meine Pflegemutter: »Kannst du mir verzeihen, was ich falsch gemacht habe?«.
Ich sah nur noch ihre Liebe und meine Lieblosigkeit. Und wir haben uns vergeben Ich ahnte nicht, daß sie nach ein paar Tagen einen Hirnschlag bekommen würde. Der Teufel wußte, das ist die letzte Gelegenheit; darum wollte er mich immer hindern. Und der Herr hat in seiner Gnade diese Vergebungsstunde geschenkt.
Es war wunderbar. Ich war nun froh. Alle Bitterkeit war weg. Und grade meine Not, daß ich unerwünscht geboren war, warjetzt zu Ende. Jetzt war ich legitim hineingeboren in die Gottesfamilie; durch Jesus war Gott, die höchste Instanz der Welt, mein Vater. Und all die vielen Geschwister, die Brüder und Schwestern alle! Ach, ich war überglücklich!
Als sie die Vergangenheit bereinigt hat, fängt Berta Isselmann gleich an, missionarisch tätig zu werden. Im Nachbardorf gastiert der Zirkus Busch. Sie packt Neue Testamente ein und verteilt sie mit anderen Traktaten in den Wohnwagen.
Wohnwagen werden von da an zu ihrem besonderen Auftrag gehören, zur Weltfirma »Hecken und Zäune« in Anlehnung an das biblische Wort: »Geht an die Hecken und Zäune und nötigt sie, hereinzukommen. «
Berta Isselmann laßt keine Begegnung mit Menschen ungenutzt Ob in Bahnen und Bussen, auf Rummelplätzen, in Gaststätten, bei Bauarbeitern, bei Strafgefangenen, bei Zigeunern, bei Obdachld-sen— alle sollen die gute Nachricht hören, daß Gott sie liebt und daß Jesus für sie gestorben ist. Von 1933 bis 1945 ist sie so unterwegs. Nebenher verdient sie mit Klavierstundenunterricht ihren Lebensunterhalt.
Dann kommt sie in Verbindung mit der »Mission für.Südosteuro-pa« und arbeitet von da an mit dieser Mission zusammen.
1937 hat sie ein bedeutsames Erlebnis, das ihren weiteren Dienst—der später auch in Bibelschulen und andere theologische Ausbildungsstätten führt - prägen wird. Dort wird sie, die nie eine Ausbildung in dieser Richtung erfahren hat, zu den Studenten sprechen und sie in praktischer Theologie unterrichten.
1937 also fährt Berta Isselmann mit dem Fahrrad nach Bad Blankenburg zur Konferenz. Dort trifft sie Pastor Ernst Moder-sohn. Er ist es, der sie dazu bringt, in öffentlichen Versammlüngen zu sprechen.
B. L: Dann war Pastor Modersohn im Nachbarort, in Hilchen-bach, bei Dr. Müller - die beiden hatten mich ja eingeladen. Und da sagten sie, ich solle erzählen. Ich sagte: »Ich kann nicht reden vor Leuten. Klavierspielen vor Leuten, ja; Konzert, das geht; aber reden vor Leuten - nein, das kann ich nicht.« Und da sagte Ernst Modersohn: »Da lernt die Berta mal das Reden!« Und dann stand ich einfach auf dem Programm. »Nötigt sie, hereinzukommen!« Mir schlotterten die Knie. Aber als ich dann in das Gemeindehaus kam, in dem viele Mädchenkreise saßen, und der Pfarrer Dr. Müller saß grad vorm Pult - wie ich den sah, war ich ruhig. Ach, ich war ganz ruhig. Ohne Uhr hab ich genau geredet nach der Uhr, hab die Zeit genau eingehalten.
Und da fing es an. Da mußte ich überall reden. So hat der Herr den Pfarrer Modersohn benutzt, damit ich mehr in die Öffentlichkeit kam. Da lag mir gar nichts dran!•
Es kommt vor, daß Begegnungen mit Schwester Berta dazu führen, daß Menschen verändert werden und nun ihrerseits, als Missionare die Frohe Botschaft weitertragen Hier ein Beispiel Laci Aranyi wurde 1909 in Rumänien geboren Der plötzliche Tod seines Vaters zwang ihn, als Geiger im Kino zu spielen, um die Mutter und die Schwester zu ernähren. Später mußte er, mit dem Aufkommen des Tonfilms, auf Tournee gehen. Zuletzt war er Kapellmeister in Zürich. Dann begegnete er Schwester Berta.
Sie erzählt über diese Begegnung während einer Bahnfahrt: B. 1.: Sitzt ein Mann mir gegenüber. Ich sehe nur Zeitung und Beine. Ich sage: »Sie lesen anscheinend gern. Kann ich Ihnen was Gutes dazu geben?« Er brummt: »Danke«, nimmt es an und stopft es in die Tasche. Ich erzähle von meinem großen Glück, daß ich Vergebung der Sünden habe. Er brummt wieder was daher. Ich sage -. es war in der Schweiz -: »Hören Sie mal, Sie sind doch kein Schweizer und auch kein Deutscher; was sind Sie denn?« »Ungar.« Ich sagte: »Das ist schön. Dann bekommen Sie von unserm Ungarnmissionar ungarische Bibeln, ungarische Traktate . . .« Da ruft er hinter der Zeitung: »Literatur habe ich genug. Mir fehlt der Anschluß.« Und dann sagte ich: »Geben Sie mir mal Ihre Adresse, Sie können schreiben.« - »Ich schreibe nicht!« Ich sagte: »Ich konnte früher ohne Musik nicht leben. Die Musik hatte mich, wie der Bau die Leute hat.« - »ich kann auch ohne Musik nicht leben«, sagte er. - »Was spielen Sie denn?« - »Geige.< - »Ich Klavier«, sagte ich. Ich sagte: »Wir beten!« Ich betete mit ihm, und dann ist er ausgestiegen. Und der Herr hat die paar Minuten genutzt, um aus diesem Mann einen Missionar zu machen. Er war Tanzkapellmeister in der schlechtesten Bar in Zürich. Und nun wird er Missionar. Wunderbar! Er sagte mir neulich noch: »Ich habe dich dahin gewünscht, wo der Pfeffer wächst. Als du kamst, im Zug, hab ich mich versteckt hinter der Zeitung. Und wie froh bin ich, daß du mich zu Jesus geführt hast!«
Ja, so geht das im Zug. Aber das ist nicht immer so.
Schwester Berta hält überwiegend nicht lange Predigten, sondern oftmals sind es sehr kurze Zeugnisse. Wenn man in ihren Taschenbüchern bzw. in den Büchern, die über sie berichten, liest, fällt auf, daß sie immer ein Wort ihres Gegenübers aufnimmt und es dann in einer gewissen Originalität verarbeitet
B. L: Da steigt ein Mann ein. Ich seh' ja schlecht - ich sehe nicht, wo sein Gesicht anfängt, aber ich dachte: So ein unglücklicher Kerl, so ein Wrack von Mann kannst du doch nicht da sitzen lassen. Geh zu ihm und gib ihm was zu lesen. »Ich kann nicht lesen.« Ich sag: »Aber lügen.« Da sagt er: »Ich bin Moslem.« Ich sag: »Das ist auch gelogen. Aber nicht gelogen ist, daß Sie sehr, sehr unglücklich sind.« - »Woher wissen Sie das? Riechen Sie das?« Ich sag: »Ich weiß es; darum bin ich zu Ihnen gekommen. Ich fahre aber nur zwei Stationen mit.« - »Wie schade!« sagt er. Da sag ich: »Ihnen fehlt der Heiland.« Da springt er auf und packt mich und schmeißt mich wieder mit aller Wucht auf meinen Platz zurück. Ein wunderbares, massives Echo! Der wird den Satz nicht mehr los.
Wunderbar! Der Satz genügte: Und der Heiland wird damit fertig. »Der Stachel sitzt«, sag ich immer. Und der Heilige Geist kann großartig mit den Stacheln umgehen. Ich verteile immer Stacheln unterwegs.
Oder: Mal wieder im Zug. Da lösen die Leute immer Kreuzworträtsel. Ich weiß nicht, ob das die Klugen machen oder ob das klug macht. Ich geh hin. Ich sag: »Das Rätsel Ihres Lebens, das Rätsel Ihres Todes können Sie nicht auf dem Papier lösen. Das Rätsel hat Jesus am Kreuz gelöst. Und wenn Sie schon lesen >Kreuz-wort-rätsel-zeitung< - welche >Kreuz<-Worte wissen Sie? >Es ist vollbracht!< haben Sie vielleicht noch behalten. Oder: >Vater, vergib Ihnen.<« Und dann wird die Kreuzworträtselzei-tung zum Traktat. Die Frau kann jetzt gar nicht mehr die Zeitung vornehmen, ohne an, Golgatha zu denken. Da steht doch »Kreuzwort. . . « So kann man überall anknüpfen.
Schwester Berta erzählt von ihren Besudhen in Gaststätten und Nachtlokalen. Und ich frage, ob es da nicht manchmal auch Ärger gibt.
B. L: Ich gehe so alle sechs Wochen in zwölf Gaststätten. Das ist schön in Gaststätten. Ich komm' rein, verteile »Blaukreuz«-
Blätter, und dann singe ich ein Lied, und dann predige ich. Ich habe in manchen Gaststätten auch gebetet. Eine Wirtin - ob sie denkt, daß ich das in allen Gaststätten tue? Neulich ging es mirmal nicht so gut, das merkte sie. Sie sagte: »Schwester Berta, machen Sie's heute ein bißchen kürzer, ein andermal wieder länger, aber beten Sie mit uns!« Das sagt die Wirtin an der Theke! Ich betete. Als ich später wiederkam, war die ganze Wirtsstube voller Männer. Ich dachte: Ob das heute hier geht? Aber nach meiner Rede war es ganz still. Wenn der Herr die Tür aufmacht, kann keiner zumachen! Wenn der Herr die Herzen hörend macht, sind sie still. Ich konnte dann auch beten. Ich fragte einen Mann an der Theke: »Haben Sie schon mal gedankt für das Blut Jesu?« Da sagte er: »Ja, eben, doch. Eben habe ich doch gedankt dafür!« Er wollte sagen: »Ich habe mitgebetet.«
• Passiert es, Schwester Berta, daß man Ihnen bei solchen Besuchen auch Ärger macht? Und wie gehen Sie mit diesem Ärger um?
B. L: Ich ärgere mich gar nicht! Ich habe keine Zeit, mich zu ärgern..
Ich bin immer unter der himmlischen Brause. Wenn ich die gereinigten, geheiligten Glaubenshände aufhalte, dann fließt der Licht-, Kraft-, Freudens- und Friedensstrom so stark; da kommt viel mehr, als ich packen kann. Und vom Überfließen leben die andern. Wer nicht überfließt, vergräbt sein Pfund. Es steht doch in Römer 5,5: »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz«, nicht »getropft«. Die Liebe fließt also unaufhörlich. Jetzt bin ich zum Beispiel auf einem schwierigen Wohnwagenplatz. Eine Frau wirft mich raus. Nach 'ner halben Stunde sucht sie mich. »Ach, Schwester Berta, ich hab eine schlechte Nachricht bekommen. Vielleicht hilft das doch, was Sie haben.« Sie weiß genau: Ich komme mit derselben Liebe. Ich kann alle Liebe verströmen, jeden Augenblick, weil immer neue fließt. Ich muß ja die Liebe von vorher, wo ich rausgeschmissen wurde, nicht nehmen. Wieder neue, immer neue Liebe für die Frau. Und sie weiß genau: Ich komme mit derselben Liebe, von oben geschenkt.
Wir müssen nur von Jesus reden und dann alles dem Herrn überlassen, alles! Ich bete immer »Alles, was ich seit meiner
Bekehrung gesagt, gesungen und geschrieben und verteilt habe, übersiehst du noch alles Und du schaifst heute noch Frucht
davon!« - -:
Schwester Berta weiß auch Rat für Menschen, die in ihrem Zeugnis für Christus durch Menschenfurcht gehindert werden
B 1 Ja, die haben den falschen Blick Sie schauen auf die Menschen »Was werden die sagen?« anstatt »Was sagt der Heiland?«. Neben Jesus schauen ist geschielt Und Schielen ist eine Krankheit Sobald ich auf Menschen blicke oder noch auf mich, da höre ich ja auf mit allem Das geht ja nicht! Ich will mich ja nicht hebmachen bei den anderen, gar nicht' Wenn die Leute umsteigen, dann denk' ich Sie können ruhig gehen Der Heiland kennt sie! Nein, das macht gar nichts, wie die Leute reagieren, ob die mich mit Teer beschmieren oder mit Wasser beschütten oder was Wasser kühlt und trocknet auch wieder. Macht doch nichts!
Ist Ihnen das schon passiert?
B. L: Och, schon allerlei ist mir passiert, allerlei! Aber, das macht doch nichts! Das gehört doch mit dazu!
Schwester Bertas Originalität hat ihre Prägung erfahren.
B. L: Ich kann eigentlich nur sagen, daß der Heilige Geist mich erzogen hat Ich hab auch nicht ein Vorbild gehabt wie man auf Leute zugeht Später habe ich mal von Hebich gelesen Da dachte ich Das ist so mein Muster, der hat sie auch unterm Tisch hervorgezogen, die Leute..Ich mach das auch'
Die Leute, denen ich diente die haben mich eigentlich mehr erzogen Die von mir lernen sollten, von denen habe ich eigentlich gelernt, wie man's macht Einmal verteilte ich Traktate Plötzlich ging's nicht mehr. Ich dachte Was ist denn los? Ich gucke drauf auf das Blatt - das hab ich ja noch gar nicht getan, was da draufsteht! Da bin ich schnell in eine Ecke gegangen, hab Buße getan, hab getan, was draufstand, und dann ging's wieder' Und so hat mich der Herr erzogen
Menschen - das ging überhaupt nicht. Die konnten mich gar nicht erziehen. Als ich die >Mission für Südosteuropa« kennenlernte, habe ich eine gesunde Kritik und Beter gewonnen. Zwei wichtige Sachen, für die ich dankbar bin das ganze Leben. Da bin ich froh darüber. Aber sonst - ich kann mich ja nach niemand richten, weil die Gelegenheiten so verschieden sind. Kann ich ja gar nicht!
Im Laufe unseres Gesprächs frage ich Schwester Berta, wie sie eigentlich mit ihren Sorgen umgehe - oder kennt sie etwa keine Sorgen? Ihre Antwort ist:
B 1 Nein, ist ein Fremdwort Ich habe eine ganze Reihe
Fremdwörter aufgeschrieben fur Christen. Sorgen Die Sor-
gen kommen, ja Es gibt zwei Sorten Die eine Sorte, die Fürsorge, die hat so ein hellblaues, fröhliches Gewand, und die huscht daher, diese Fürsorge, die einkellert für den Winter, die Fürsorge, die auch Termine macht für 1984 -wie ich schon Und die Fürsorge ist etwas Fröhliches, etwas Herrliches Aber die andere Sorte, die ein graues Nebelgewand hat, das ist Sunde Die hängt mit Angst vor der Zukunft zusammen
Wenn ich heute ein Buch hebe, bekomme ich heute die Kraft für das Buch Wenn ich morgen einen Stuhl heben soll, bekomme ich morgen die Kraft für den Stuhl Also brauche ich für morgen nicht zu sorgen.
Das ist so mit der Sorge Die Sorgen kommen und sagen zu mir »Du7irst ja nicht mit uns fertig' Aber du sollst nur das Werfen üben, sollst abhängig bleiben vom Heiland Wir tun dir nichts Du wirst nicht mit uns fertig'« Und dann j ag' ich sie alle zum Heiland!
Ich habe einen bestimmten Mann, der mir viel Kummer macht—ein Strafentlassener, der nicht nur rückfällig wurde, sondern wieder ganz abgefallen ist Und wenn mir nachts dieser Mann ins Gedächtnis kommt, dann sag ich ganz energisch zum Herrn Jesus »Herr Jesus, jetzt nimm du den Josef, ich muß schlafen?« Der Teufel will uns die Nerven kaputtmachen, und der Heiland will, daß wir ruhen Ich sag dann »Heiland, nimm du den Josef!« Fertig' Und dann schlafe ich Und immer, wenn mich etwas besonders bedrängt, sag ich »Herr Jesus, hier, das mach du,
nicht ich!« Und das ist das Wunderbare: Weil, er sich um mich kümmert, bekümmert mich nichts.
Zum Schluß frage ich Berta Isselmann: »Was würden Sie den älteren Menschen 'sagen, wenn die Lebenskräfte nachlassen und damit auch gewisse Fragen und Probleme verbunden sind?«
B. 1.: Was ich dann sage? Altsein ist schön! Die Leute wollen alle alt werden, aber nicht alt sein. Und Altsein ist so schön, wunderbar. Altsein mit Jesus!
Also, ich hab ja schlimme Augen. Jetzt war ich doch in der Klinik, 'wurde operiert (vor zwei Jahren). Das war mein Urlaub in der Augenklinik. Fünf Tage waren beide Augen zu. Das waren die schönsten Tage! Da hab ich geschwelgt im Wort Gottes. Erst ein Wort nach dem Alphabet, dann zwei, dann drei, dann fünf, dann zehn. Und wißt ihr, wo ich die meisten Worte hatte? Mit »X«! X-beliebige in Deutschland liebt Jesus. X-beliebige in Amerika liebt Jesus. Ich hatte mehr Länder als zehn. Es war großartig! Und bei »1« die vielen »Ich will« im Buch Hesekiel: »Ich 'will Wasser gießen auf das durstige Land . . Ich will das Verirrte wiederbringen.« Das gilt auch den Alten, die sieh in Selbstgerechtigkeit verirrt haben.
Und dann die vielen »Ich bin« im Johannesevangelium! Ich schwelgte nur so im Wort. Bei »F« die vielen »Fürchte dich nicht!«, aber auch »Folge mir nach!« und »Fanget die kleinen Füchse, die den Weinberg verderben«. Ich habe immer die Bibel gelesen, von vorn bis hinten, und immer Bibelstellen gelernt. Da war ich jetzt froh darüber.
Was würden Sie denn einem alten Menschen sagen, Schwester Berta, der schon mehr als einmal im Krankenhaus gelegen hat und dem das Krankenhaus zur Anfechtung wird, der sich also freuen würde, wenn er mit den Schmerzen und den damit zusammenhängenden Anfechtungen anders umzugehen lernte? Denn das kann ja bedrängen.
B. L: Ja, ich würde immer nur denken an Psalm 77,11. Ich kann nur mit Bibelstellen helfen. Sprich: »Ich muß das leiden; aber die.
Hand des Höchsten kann alles ändern.« Und wenn er das nicht ändert?
Als ich mal im Krankenhaus war und meinte, ich bliebe für immer drin, da sagte mir der Herr: »Ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends!« - »Danke schön«, sagte ich. »Du bist aber bei mir im Ofen. Dann sehe ich das Elend doch gar nicht mehr!«
Was ich anschaue, gewinnt Macht über mich. Siehe Petrus. Als er Jesus anschaute, konnte er, was Jesus kann. Als er die Welle anschaute, wurde er unruhig wie die Welle. Und die Welle hatte ihn. Wenn ich auf meine Gebrechen gucke, auf meine Wehwehchen, dann werde ich verliebt in meine Wehwehchen, und dann weiß ich nichts anderes. Hab nur meine Wehwehchen zum Thema. Aber wenn ich Schmerzein hab, dann darf ich mich ja in Jesu Anne fallen lassen.
Wenn ich krank bin, dann sage ich so: »Jetzt habe ich Privataudienz bei dir, jetzt bin ich auf deiner Intensivstation!« Und dann ist alles wieder schön. Und dann kann ich dem Arzt von Jesus sagen, kann mit dem Arzt beten, für die Kranken beten. Und dann bin ich einfach für diese Menschen da. Und schon öfter durfte ich Menschen im Krankenhaus sterben helfen. Wenn ein Christ ins Krankenhaus kommt, hat er immer Aufgaben. Nur darum wird er reingeschickt. Manchmal hat er auch stellvertretende Aufgaben, wenn er zu schwach ist oder starke Schmerzen hat. Ich hatte einwal Gürtelrose. Da hab ich gedacht: Gott 'hat mein Bein mit einer Gürtelrose gesegnet— nach der Melodie »Sein Tun ist lauter Segen«. Also danke ich für die Gürtelrose, danke für den Zucker, den ich habe, danke für die schlimmen Augen. Da kann die Kunst mich nicht mehr gefangennehmen.
Und meine ganze Theologie heißt: Ja, Vater, danke schön! Das habe ich in der Stube groß stehen. Mit der Theologie komme ich aus. Ich danke für alles.
Aber nun ist es so: Denkt nur nicht, ich danke jetzt, wenn ich Schmerzen habe, für die Schmerzen. Ich danke ja für den Segen. Denn der Segen ist immer größer als alle Not. Der Herr nimmt ja, um zu geben. Er verwundet, um zu heilen. Und er mißt mit Ewigkeitsmaßstäben. Ganz anders als wir. Da muß ich ihm eben zutrauen, daß er alles richtig macht. Er macht nichts falsch.
Und er wird dich nicht verlassen, nichts an dir versäumen. Er versäumt auch keine Engpässe bei mir, natürlich nicht! Da bin ich immer gespannt, wie er mich rausbringt Rausbringt er mich ja
Da gibt es eine schöne Übersetzung von »Befiehl dem Herrn deine Wege« (nach Psalm 37,5) »Walze die Last deines Weges auf den Herrn, und im Vertrauen auf ihn ruhe; er wird handeln!« Er wird handehi - er wird handeln—er wird handeln! Da lege ich die Betonung auf jedes Wort. Und dann lese ich Prediger 12. Da steht ja, wie alt wir sind; wenn die Augen nicht mehr wollen, wenn die Ohren nicht mehr wollen usw. Aber mein Ruhestand ist ja unter dem Schirm des Höchsten. Psalm 91: »Wer unter dem Schirm des• Höchsten sitzt ... « Und dann kann ich sagen:
Mein Ruhestand in Jesus ist voller Lieb und Lust, mein Ruhestand in Jesus ist voller Sang und Klang, mein Ruhestand in Jesus ist früchteschwer und reich,• mein Ruhestand in Jesus ist stilles Ruhn in ihm, mein Ruhestand in Jesus ist frohes Gehn für ihn, mein Ruhestand in Jesus ist frohes Gehn zu ihm.
Literaturhinweis
Berta Isselmann/Adolf Wunderlich: Der Herr macht Programm, Brunnen-Verlag, Gießen/Basel
Berta IsselmannlAdolf Wunderlich: Das Licht der Gerechten brennt fröhlich, Brunnen-Verlag, Gießen/Basel
Auch im Alter in Seilen der Liebe
»Ich will, dich nicht verlassen noch versäumen« (Hebt 13,5).
Wenn wir Alten zurückblicken, dann erkennen wir, daß sich die Wahrheit dieses Wortes in unserem Leben erfüllt hat. Unser himmlischer Vater hat nichts in unserem Leben versäumt. Er hat uns sein Wort in die Hand gegeben und Jesus sein »Vollbracht!« für uns ausrufen lassen. Seine Liebe hat uns durchgetragen durch Freud und Leid bis zur Stunde, so daß nur noch Lob und Dank übrigbleiben.
Bei mir selbst sehe ich jedoch manche Versäumnisse, und ich, bin dankbar, -daß Jesus auch für unsere Versäumnisse gestorben ist und daß sein Blut ausreicht zur Vergebung jeder Sünde. Wichtig ist, daß wir nicht versäumen, unser Herz und Leben Jesus auszuliefern. Wir können nichts ausradieren, aber ihm alles bekennen. Und er reinigt dann unser Herz und wäscht es schneeweiß, damit es in den hellen Himmel paßt.
Er läßt uns auch im Alter in Seilen der Liebe gehen, wohl Seile und Schranken, aber Liebesschranken. Schranken sind nie zum Ärgern, sondern zum Schutz da, weil wir auch noch im Alter gefährdet sind. Tägliche Beschäftigung mit dem Wort Gottes und Zwiesprache mit Jesus helfen uns den Tag zu durchloben, ja zu
durchjubeln. ..
Wenn wir angefochten werden, versäumt der Heilige Geist nicht, uns die tröstendenYerheißungen Gottes ins Gedächtnis zu rufen. Ich stütze mich auf die Zusagen meines Vaters wie ein Lahmer auf die Krücken. Klopfen Sorgen an, schicke ich sie zum Heiland. Er ist am Kreuz schon mit ihnen fertig geworden.
Jesus schenkt Durchblick nach oben, wo alle Sünde, Nacht und Not ein Ende hat. Wir nehmen Psalm 139,5 und danken, daß er uns von allen Seiten umgibt wie ein Liebesmantel, wie eine göttliche Schutzmauer. Er versäumt nicht, uns in seiner Liebe, auf seiner Intensivstation himmlisch reich zu umsorgen; und wir wollen nicht versäumen, ihm kindlich vertrauend zu danken. In dem Wort »Vater« liegt alle Wonne des Kindseins!
Wir jauchzen mit David, der in schwerer Lage sagen konnte: »Der Herr ist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel
ISBN3-7751-0865-3