2. Mose 5.u.6 C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

MOSE UND AARON VOR DEM PHARAO

Die Wirkung der ersten an den Pharao gerichteten Aufforderung war nicht sehr ermutigend. Die Furcht, die Israeliten zu verlieren, verleitete den König zu größerer Strenge und zu doppelter Wachsamkeit. jede Einschränkung der Macht Satans vermehrt seinen Grimm. Das sehen wir auch hier. Der Feuerofen steht im Begriff, durch den Befreier aus­gelöscht zu werden; aber bevor dies

 geschieht, lodern die Flammen noch einmal gewaltig und mit zunehmender Heftigkeit empor. Der Teufel läßt nicht ohne weiteres von jemandem ab, der einmal in seinen Händen ist. Er ist der "Starke", dessen "Habe", während er "bewaff­net seinen Hof bewacht, in Frieden ist". Aber, Gott sei gepriesen! Da ist ein "Stärkerer als er", der "seine ganze Waffenrüstung, auf die er vertraute, hinweggenommen" und seine Beute unter die Gegenstände Seiner ewigen Liebe verteilt hat (Luk. 11, 21. 22).

,Und danach gingen Mose und Aaron hinein und sprachen zu dem Pharao: So spricht der HERR, der Gott Israels: Laß mein Volk ziehen, daß sie mir ein Fest halten in der Wüste!" (Kap. 5, ‑1). So lautete der Befehl Gottes an den Pharao. Er forderte für das Volk, für Sein Volk, eine völlige

 Befreiung, damit es Ihm in der Wüste ein Fest feiern sollte. Nur eine völlige Befreiung aus dem Joch der Knechtschaft kann das Herz Gottes hinsichtlich Seiner Auserwählten zufriedenstellen. Löset ihn auf und lasset ihn gehen" (Joh. 11, 44); diese Worte kenn­zeichnen in der Tat die Wege, die Gott mit Seinen Kindern geht, denen Er Seine ewige Liebe zuwendet, auch wenn sie noch in der Sklaverei Satans gehalten werden.

Wenn wir die Kinder Israel bei den Ziegelhütten Ägyptens betrachten, So sehen wir den Zustand, in dem sich jeder Nachkomme Adams von Natur aus befindet. Da lagen sie, gebeugt unter das Joch des Feindes und ohne jede Macht, sich selbst zu befreien. Allein die Erwähnung des Wortes Freiheit" veranlaßte den Unterdrücker, seine Gefangenen noch stärker zu ketten und sie mit noch schwereren Bürden zu beladen. Eine Befreiung konnte nur von außen kommen. 

Aber woher sollte sie kom­men? Wo waren die Mittel, um das Lösegeld zu bezahlen? Wo war die Macht, die ihre Ketten brechen konnte? Und wo war, wenn auch beides vorhanden gewesen wäre, der Wille, sie zu befreien? Wer war bereit, die Mühe ihrer Befreiung auf sich zu nehmen? Es gab für Israel keine Hoffnung, weder von innen, noch von außen. Das Volk konnte einzig und allein nach oben schauen. In Gott war sein Zufluchtsort. In dem HERRN, und in Ihm allein, gab es Rettung für das unterdrückte Volk.

Und so ist es immer. "Es ist in keinem anderen das Heil, denn auch kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter den Menschen ge­geben ist, in welchem wir errettet werden müssen" (Apg. 4, 12). Der Sünder befindet sich unter dem Joch eines Gebieters, der ihn mit despo­tischer Gewalt beherrscht. Er ist "unter die Sünde verkauft" (Röm. 7, 14), "gefangen vom Teufel für seinen Willen" (2. Tim. 2, 26), ge­schmiedet in die Ketten der Lüste, der Begierden und Leidenschaften, "kraftlos" (Röm. 5, 6), "keine Hoffnung habend", "ohne Gott" (Eph. 2, 12). 

Das ist der Zustand des Sünders. Wie könnte er sich nun selbst helfen? Was könnte er tun? Er ist der Sklave eines andern; und alles was er tut ist Sklavenarbeit. Alle seine Gedanken, Worte und Werke sind die Gedanken, Worte und Werke eines Sklaven. Selbst wenn er über sein Elend weint und nach Befreiung seufzt, liefern seine Tränen doch nur den traurigen Beweis seiner Sklaverei. Und sollte er sogar kämpfen, um frei zu werden, so beweist gerade dieser Kampf, wie sehr er auch sein Verlangen nach Freiheit bekunden mag, daß er sich in Knechtschaft befindet.

Aber es handelt sich nicht nur um den Zustand des Sünders; seine Natur selbst ist von Grund auf verdorben und der Macht Satans unterworfen. Er benötigt daher nicht nur die Einführung in einen neuen Zustand, eine neue Stellung, sondern er muß auch eine neue Natur erhalten. Natur und Stellung gehören zusammen. Wenn es in der Macht des Sünders stünde, seine Stellung zu verbessern, was nützte es ihm, so­lange seine Natur unheilbar ist? 

Ein Edelmann kann wohl einen Bettler von der Straße holen und ihn an Kindesstatt annehmen; er kann ihn mit den Reichtümern eines Edelmanns beschenken und ihn in die Stellung eines solchen einführen; aber nie wird er imstande sein, ihm eine die­sem hohen Rang entsprechende Natur zu verleihen. Die Natur des Bettlers würde sich daher in der Stellung eines Edelmanns nicht zu Hause fühlen. Es muß eine Natur vorhanden sein, die der Stellung entspricht; und andererseits eine Stellung, die den Fähigkeiten, Wün­schen und Bestrebungen der Natur angemessen ist.

Nun aber belehrt uns das Evangelium der Gnade Gottes, daß der Gläu­bige in eine ganz neue Stellung eingeführt ist und nicht mehr wie vorher als schuldig und verdammungswürdig, sondern als vollkommen und für ewig gerechtfertigt betrachtet wird; ja, die Stellung, in der Gott ihn jetzt sieht, schließt nicht nur eine völlige Vergebung ein, sondern ist so erhaben, daß selbst die unendliche Heiligkeit Gottes nicht den geringsten Flecken mehr entdecken kann. 

Der Gläubige ist dem früheren Zustand der Schuld völlig entrissen und ewig und bedingungs­los in die neue Stellung einer fleckenlosen Gerechtigkeit versetzt wor­den. Das bedeutet nicht, daß sein alter Zustand veredelt worden wäre. Das war geradezu unmöglich; denn Aas Krumme kann nicht gerade werden" (Pred. 1, 15), und "kann ein Mohr seine Haut wandeln, ein Pardel seine Flecken" (Jer. 13, 23)? Nichts ist der Grundwahrheit des Evangeliums mehr entgegengesetzt, als die Lehre von der allmählichen Veredlung des Zustandes, in dem sich der Sünder befindet. 

Er ist in einen bestimmten Zustand hineingeboren; und bevor er "von neuem geboren ist, kann er unmöglich einen anderen Zustand erlangen. Er mag versuchen, sich zu veredeln, er mag den Vorsatz fassen, in Zu­kunft besser zu werden, ja, er mag in jeder Beziehung seine Lebensweise ändern; aber trotz allem wird er um keine Haaresbreite aus dem wirk­lichen Zustand eines Sünders heraustreten können. Er mag "religiös" werden und sich allen Vorschriften eines menschlichen Gottesdienstes unterwerfen; aber nichts wird seinen Zustand vor Gott verändern.

Genau so ist es mit der "Natur" des Menschen. Wie kann ein Mensch seine Natur verändern? Er kann sie jeden Prozeß durchmachen lassen; er kann versuchen, sie zu bezähmen und einer strengen Zucht zu unter­werfen; aber sie wird bleiben, was sie ist. "Was aus dem Fleische ge­boren ist, ist Fleisch" (Joh. 3, 6). 

Der Mensch braucht ebenso eine neue Natur wie eine neue Stellung. Wie aber ist die zu erlangen? Antwort: Durch den Glauben an das Zeugnis, das Gott gezeugt hat über Seinen Sohn. "So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind" (Joh. 1, 12. 13). 

Wir sehen hier, daß alle, die an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes glau­ben, das Vorrecht besitzen, Kinder Gottes zu sein. Sie haben damit eine neue Natur bekommen; sie haben ewiges Leben empfangen. "Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben" (Joh. 3, 36). "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen" (Joh. 5, 24). "

Dies aber ist das ewige Leben, das sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen" (Joh. 17, 3). "Und dies ist das Zeug­nis: daß Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohne. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht" (1. Joh. 5, 11. 12).

Das also ist die deutliche Lehre der Heiligen Schrift bezüglich der wich­tigen Fragen über Stellung und Natur. Aber worauf gründet sich dies alles? In welcher Weise wird der Gläubige in eine Stellung göttlicher Gerechtigkeit eingeführt und der göttlichen Natur teilhaftig gemacht? Dieser große Wechsel beruht einzig und allein auf der Wahrheit, daß "Jesus gestorben und auferstanden ist" (1. Thess. 4, 14). 

Unser Herr und Heiland kam aus dem Schoß der ewigen Liebe, von dem Thron der Herrlichkeit und aus den Wohnungen des Lichts; Er stieg in Gleichheit des Fleisches der Sünde herab in die Welt der Sünde und des Elends und starb, nachdem Er in allen Handlungen Seines Lebens Gott voll­kommen geoffenbart und verherrlicht hatte, am Kreuz unter dem Ge­wicht aller Übertretungen Seines Volkes; und indem Er dies tat, be­gegnete Er in göttlicher Weise allem, was gegen uns war und gegen uns sein konnte. "

Er machte das Gesetz groß und herrlich" (Jes. 4:2, 21), und wurde dann zum Fluch gemacht, indem Er an ein Holz gehängt wurde. jeder Forderung wurde Genüge getan; jeder Feind wurde zum Schweigen gebracht und jedes Hindernis aus dem Weg geräumt. "Güte und Wahrheit sind sich begegnet; Gerechtigkeit und Friede haben sich geküßt" (Ps. 85, 10). 

Die unendliche Gerechtigkeit Gottes wurde be­friedigt; und nun kann Seine unendliche Liebe in ihrer heilenden und erfrischenden Kraft in das zerbrochene Herz des Sünders ausgegossen werden. Aus der durchstochenen Seite des Gekreuzigten kamen Blut und Wasser heraus, und wir erkennen darin die Versöhnung und die Reinigung, die allen Bedürfnissen eines von Sünde überführten Gewis­sens begegnet. Der Herr Jesus befand sich an unserer Statt am Kreuz.

E war unser Stellvertreter. "Er, der Gerechte, litt für die Ungerechten' (l. Petr. 3, 18). "Er wurde für uns zur Sünde gemacht" (2. Kor. 5, 21). Er starb den Tod des Sünders, wurde begraben und nachdem alles voll­bracht war, verließ Er die Stätte des Todes. Daher gibt es von nun an nichts mehr, was gegen den Gläubigen sein könnte. Er ist eins mit Christus und befindet sich in derselben Stellung der Gerechtigkeit wie Er; denn "gleichwie er ist, sind auch wir in dieser Welt" (1. Joh. 4, 17).

Das gibt dem Gewissen einen dauernden, gefestigten Frieden. Wenn ich mich nicht mehr in einem Zustand der Strafbarkeit, sondern vielmehr in einem Zustand der Rechtfertigung befinde, wenn Gott mich in Chri­stus und wie Christus sieht, dann ist wirklich ein vollkommener Friede mein Teil. "Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus" (Röm. 5, 1). 

Das Blut des Lammes hat die Strafbarkeit des Gläubigen aufge­hoben, hat seine schwere Schuld ausgelöscht und in der Gegenwart der Heiligkeit, die das Böse nicht sehen kann (Hab. 1, 13), sein Konto voll­kommen ausgeglichen.

Jedoch hat der Gläubige nicht nur Frieden mit Gott gefunden, er ist auch ein Kind Gottes geworden, so daß er durch die Kraft des Heiligen Geistes die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn genießen kann. Das Kreuz Christi muß von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet wer­den: zunächst in Seiner Entsprechung der Forderungen Gottes und dann als der Ausdruck der Liebe Gottes. Blicken wir auf unsere Sünden an­gesichts der Forderungen Gottes als Richter, so finden wir, daß das Kreuz diesen Forderungen völlig genügt hat. Gott ist am Kreuz als Richter völlig zufriedengestellt, ja verherrlicht worden. Aber das ist nicht alles. 

Gott fordert nicht nur, sondern Er liebt auch; und das Kreuz des Herrn Jesus offenbart dem Sünder diese Liebe in einer überzeugen­den Weise, indem es ihn an der Natur Gottes teilhaben läßt und so ihn befähigt, diese Liebe überhaupt zu genießen und mit Gott Gemein­schaft zu haben. "Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führe" (l. Petr. 3, 18). 

Wir werden also nicht nur in eine neue Stellung ver­setzt, sondern auch zu einer Person geführt, zu Gott selbst, und be­kommen eine Natur, die fähig ist, ihre Freude in Ihm zu finden. "Wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch welchen wir jetzt die Versöhnung empfangen haben" (Röm. 5, 11).

Welche Kraft und welche Schönheit liegt deshalb in den Befreiungs­worten: "Lag mein Volk ziehen, daß sie mir ein Fest halten in der Wüste!" (Kap. 5, 1). "Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich ge­salbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen; er hat mich gesandt, Gefangenen Befreiung auszurufen und Blinden das Gesicht, Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen das angenehme Jahr des Herrn­(Luk. 4, 18. 19). Das Evangelium kündigt völlige Befreiung von jedem Joch der Knechtschaft an. Friede und Freiheit sind, wie Gott selbst erklärt, die Gaben, die das Evangelium allen gewährt, die es durch den Glauben aufnehmen.

Und beachten wir wohl die Worte: "Daß sie mir ein Fest halten in der Wüste". Sie beweisen, daß die Kinder Israel, wenn sie mit dem Pharao geendigt hatten, mit Gott beginnen sollten. Welch eine Veränderung! Anstatt sich unter den Fronvögten des Pharao abzumühen, sollten sie dem

 HERRN ein Fest feiern; und hatten sie auch von Ägypten aus eine Wüste zu durchwandern, so durften sie sich doch dort der Gegen­wart Gottes erfreuen, und ‑ der Weg führte nach Kanaan. Die gött­liche Absicht war, daß sie dem HERRN ein Fest in der Wüste halten sollten; und um das zu können, war es nötig, Ägypten zu verlassen.

Der Pharao war jedoch durchaus nicht gewillt, dem göttlichen Befehl Gehorsam zu leisten. "Wer ist der HERR", fragt er, "auf dessen Stimme ich hören soll, Israel ziehen zu lassen" (Kap. 5, 2)? Diese Worte sind der Ausdruck seines moralischen Zustandes. Er zeigt Un­kenntnis und Ungehorsam, und diese beiden Dinge gehen gewöhnlich zusammen. 

Wenn man Gott nicht kennt, so kann man Ihm nicht ge­horchen, denn Gehorsam gründet sich auf Erkenntnis. Eine Seele, die Gott kennt, macht die Erfahrung, daß diese Erkenntnis das ewige Leben ist (Joh. 17, 3). 

Leben aber ist Kraft; und wenn ich Kraft empfange, so kann ich handeln. Es ist einleuchtend, daß ein Mensch, der kein Leben hat, auch nicht tätig sein kann. Es ist daher unsinnig, einen Menschen aufzufordern, er solle sich eine Fähigkeit erarbeiten, die selbst erst Voraussetzung für jede Aktivität ist. Wie könnte ein kraft­loser Mensch Kraft beweisen?

Aber der Pharao war über sich selbst ebenso unwissend wie über Gott. Er wußte nicht, daß er ein unbedeutender Erdenwurm und ausdrücklich zu dem Zweck erweckt war, die Herrlichkeit dessen bekannt zu machen, von dem er sagte, daß er Ihn nicht kenne (2. Mose 9, 16; Röm. 9, 17). "Und sie sprachen: 

Der Gott der Hebräer ist uns begegnet; laß uns doch drei Tagereisen weit in die Wüste ziehen und dem HERRN, unse­rem Gott, opfern, daß er uns nicht schlage mit der Pest oder mit dem Schwerte. Und der König von Ägypten sprach zu ihnen: Warum, Mose und Aaron, wollt ihr das Volk von seinen Arbeiten losmachen? Gehet an eure Lastarbeiten! ... Schwer laste der Dienst auf den Männern, daß sie damit zu schaffen haben und nicht achten auf Worte des Trugs

2.Mose 5, 3‑9 C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

(Kap. 5, 3‑9).

Hier zeigen sich die geheimen Motive des menschlichen Herzens und die Unfähigkeit, die Dinge Gottes zu verstehen. Alle göttlichen Rechte und Offenbarungen waren nach dem Urteil des Pharao nichts als "Worte des Trugs". Was wußte er von den "drei Tagereisen in die Wüste"? 

Was kümmerte ihn ein "Fest des HERRN"? Wie hätte er die Notwen­digkeit einer solchen Reise oder den Sinn eines solchen Festes begreifen können? Unmöglich! Er konnte das Lasttragen und das Ziegelbrennen verstehen, denn diese Dinge gehörten nach seinem Urteil der Wirklich­keit an. Wenn es sich aber um Gott handelte, um Seinen Dienst oder Seine Anbetung, so betrachtete er alles nur als ein Hirngespinst, her­vorgerufen durch jene, die nur eine Ausflucht suchten, um den Be­schwerden des Lebens entrinnen zu können.

Nur zu oft hat sich dieselbe Erscheinung bei den Weisen und Großen dieser Welt gezeigt. Sie sind schnell bereit, die göttlichen Zeugnisse als Torheit und Täuschung abzutun. Denken wir z. B. an die Meinung, die sich der "vortreffliche Festus" über die zwischen Paulus und den Juden schwebende Streitfrage gebildet hatte. Er sagte zu dem König Agrippa: "

Sie hatten aber etliche Streitfragen wider ihn wegen ihres eigenen Gottesdienstes und wegen eines gewissen Jesus, der gestorben ist von welchem Paulus sagte, er lebe" (Apg. 25, 19). Wie wenig Wußte er, was er sagte! Wie wenig verstand er die Wichtigkeit der Frage, ob Jesus tot sei oder lebe. Er dachte nicht an ihre unermeßliche Tragweite für ihn selbst und seine Freunde Agrippa und Bernice. Jedoch änderte dies nichts an der Sache selbst. 

Sowohl er als sie wissen jetzt mehr darüber, obwohl sie es in den Tagen ihrer irdischen Herrlichkeit nur als eine alberne Streitfrage betrachteten, die nicht die Beachtung verständiger Menschen verdiente und ausschließlich geeignet war, das gestörte Gehirn von Schwärmern zu beschäftigen. Die große, das Schick­sal jedes Menschen entscheidende Frage, auf der der gegenwärtige und ewige Zustand der Kirche und der Welt beruht und an die sich alle Rat­schlüsse Gottes knüpfen, war nach dem Urteil des Festus nur eitler Aberglaube.

Dasselbe finden wir bei dem Pharao. Er wußte nichts von dem "Gott der Hebräer", von dem großen "Ich hin", und daher beurteilte er alles, was Mose und Aaron ihm von einem Gott darzubringenden Opfer ge­sagt hatten, als "Worte des Trugs". Die Dinge Gottes müssen dem unheiligen Geist des Menschen immer nutzlos und töricht erscheinen. 

Der Name Gottes mag in der Ausdrucksweise einer kalten Form‑Reli­gion seinen Platz finden; aber Gott selbst wird nicht gekannt. Sein kostbarer Name, in dem der Gläubige jeden Wunsch und jedes Bedürf­nis seines Herzens eingeschlossen findet, hat für den Ungläubigen weder Bedeutung noch Kraft noch Wert; und darum wird alles, was mit Gott in Verbindung steht, Seine Worte, Seine Ratschlüsse, Seine Gedanken und Seine Wege als "Worte des Trugs" betrachtet.

Aber es wird nicht mehr lange so sein. Der Richterstuhl Christi, der Schrecken der zukünftigen Welt, die Wogen des Feuersees ‑ sie alle werden nicht Worte des Trugs sein. Nein, gewiß nicht; und alle, die durch die Gnade heute schon glauben, daß diese Dinge Wirklichkeiten sind, sollten sie auf die Gewissen derer legen, die wie der Pharao das "Ziegelstreichen" als die einzig beachtenswerte Sache, als das einzig Wesentliche betrachten.

Leider leben selbst Christen so oft im Bereich der sichtbaren Dinge, im Bereich der Erde und der Natur, daß sie das bleibende und mächtige Bewußtsein von der Wirklichkeit der göttlichen und himmlischen Dinge verlieren. Was wir brauchen, ist ein ununterbrochenes Leben im Bereich des Glaubens, des Himmels und der "neuen Schöpfung". 

Dann werden wir die Dinge sehen, wie Gott sie sieht, sie beurteilen, wie Er sie be­urteilt, und unser ganzes Leben und Verhalten wird erhabener, gelasse­ner und von der Erde und den irdischen Dingen vollständiger getrennt sein.

Die schmerzlichste Prüfung für Mose entstand jedoch nicht aus dem Urteil, das der Pharao über seine Sendung fällte. Der treue Diener, dessen Herz ungeteilt für Christus ist, muß damit rechnen, von den Menschen dieser Welt ein Schwärmer genannt zu werden. Denn sie be­trachten ihn von einem Gesichtspunkt aus, der kein anderes Urteil von ihnen erwarten läßt. je treuer er seinem himmlischen Meister dient, um so mehr wird er Seinen Fußspuren folgen und Seinem Bild gleichförmig sein; und um so mehr wird er erwarten müssen, von den Söhnen der Erde für "unsinnig" gehalten zu werden. 

Das Urteil der Welt sollte ihn daher weder enttäuschen noch entmutigen. Eine weit schmerzlichere Sache aber ist es, wenn sein Dienst und Zeugnis von denen übel ge­deutet, mißverstanden, ja, zurückgewiesen wird, an die er sich gerade wendet. In diesem Fall ist er darauf angewiesen, viel in der Nähe Got­tes, in der Verborgenheit Seiner Gedanken und in der Macht Seiner Gemeinschaft zu sein, um in den Schwierigkeiten seines Dienstes auf­rechterhalten zu bleiben. Wenn ein Diener in solchen Umständen rächt überzeugt ist, von oben beauftragt zu sein, und er sich nicht der Ge­genwart Gottes bewußt ist, so ist ein Unterliegen die unausbleibliche Folge.

Wäre Mose nicht in dieser Weise aufrechterhalten worden, so wäre ihm der Mut völlig gesunken, als der zunehmende Druck der Macht des Pharao die Vorsteher der Kinder Israels zu den entmutigenden Worten bewog: "Der HERR sehe auf euch und richte, daß ihr unseren Geruch stinkend gemacht habt vor dem Pharao und vor seinen Knechten, so daß ihr ihnen das Schwert in die Hand gegeben habt, uns zu töten" (Kap. 5, 21). 

Diese Worte klangen trübe genug, und sie trafen das Herz Moses so sehr, daß er sich zum Herrn wandte und sagte: "Herr, warum hast du so übel an diesem Volke getan? Warum doch hast du mich gesandt? Denn seitdem ich zum Pharao hineingegangen bin, um in deinem Namen zu reden, hat er diesem Volk übel getan, und du hast dein Volk durchaus nicht errettet" (Kap. 5, 22. 23). 

Doch wie die dunkelste Stunde der Nacht oft der Morgendämmerung unmittelbar vorausgeht, so war auch hier, gerade in dem Augenblick, als die Be­freiung so nahe schien, die Lage am aussichtslosesten. Genauso wird es in der Geschichte Israels in den letzten Tagen sein. Die Stunde der tiefsten Finsternis und der schrecklichen Angst wird dem Aufgang der "Sonne der Gerechtigkeit" vorausgehen, die "mit Heilung in ihren Flügeln" hinter den Wolken hervorstrahlen wird, um den "Schaden der Töchter des Volkes Gottes‑ zu hellen (Mal. 4, 2).

Man könnte sich im Blick auf die oben angeführte Stelle fragen, ob und inwieweit das von Mose ausgesprochene "Warum" ein Zeichen echten Glaubens oder eines gebrochenen Willens war. Doch wie dem auch sein mag, nie tadelt der Herr einen Einwand, der durch den harten Druck des Augenblicks hervorgerufen wird. Er antwortete Mose in bewundernswerter Güte: "

Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao tun werde; denn durch eine starke Hand gezwungen soll er sie ziehen las­sen, und durch eine starke Hand gezwungen soll er sie aus seinem Lande wegtreiben" (Kap. 6, 1). Diese Antwort zeigt eine besondere Gnade. Anstatt es zu rügen, daß Mose es sich herausnimmt, die unerforschli­chen Wege des "Ich bin" in Zweifel zu ziehen, sucht

 Gott vielmehr Seinen erschöpften Diener dadurch zu ermutigen, daß Er ihm Seine Absichten enthüllt. Diese Handlungsweise war Gott, dem Geber jeder guten und vollkommenen Gabe, angemessen. "Denn er kennt unser Gebilde, ist eingedenk, daß wir Staub sind", Er, dessen Güte von Ewig­keit zu Ewigkeit ist über die, welche ihn fürchten (vergl. Ps. 103, 14. 17).

jedoch möchte Gott das Herz dahin führen, daß es nicht nur in Seinen Handlungen, sondern in Ihm selbst, in Seinem Namen und Charakter, Trost und Freude findet; und darin gibt es in der Tat eine vollkomme­ne, ewige Glückseligkeit. 

Wenn das Herz Gott selbst als seinen Zu­fluchtsort kennt, wenn es sich in den "starken Turm", den Sein Name darstellt, zurückziehen und im Wesen Gottes eine vollkommene Ant­wort auf alle seine Bedürfnisse finden kann, dann steht es wirklich hoch über dem Bereich alles Geschaffenen; dann kann es sich von allem abwenden, was die Erde Schönes verspricht, und erkennt die Anma­ßung des Menschen in ihrem wahren Wert. Ein Christ, der Gott aus Erfahrung kennt, kann nicht nur im Blick auf die Erde sagen: "Alles ist Eitelkeit!", sondern kann auch zu Gott emporschauen und ausrufen: "Alle meine Quellen sind in dir" (PS. 87, 7)!

"Und Gott redete zu Mose und sprach zu ihm: Ich bin der HERR. Und ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott, der Allmächtige; aber mit meinem Namen HERR habe ich mich ihnen nicht kundge­geben. Und auch habe ich meinen Bund mit ihnen aufgerichtet, ihnen das Land Kanaan zu geben, das Land ihrer Fremdlingschaft, in welchem sie als Fremdlinge geweilt haben. Und auch habe ich das Wehklagen der Kinder Israel gehört, welche die Ägypter zum Dienste anhalten, und habe meines Bundes gedacht" (Kap. 6, 2‑5). 

"Der HERR" ist der Titel, den Gott in Verbindung mit Seinem Gnadenbund und als Befreier Seines Volkes annimmt. Er stellt sich darin als die unversiegbare Quelle der erlösenden Liebe vor, indem Er Seine Ratschlüsse bestätigt, Seine Verheißungen erfüllt und Sein auserwähltes Volk von jedem Feind und jedem Übel erlöst. Es war das Vorrecht Israels, stets unter dem Schutz dieses bedeutungsvollen Titels zu wohnen, eines Titels, .‑. sich Gott offenbart, wie Er für Seine eigene Herrlichkeit wirkt und sich Seines unterdrückten Volkes annimmt, um in ihm diese Herrlichkeit zu offenbaren (vergl. Jes. 43, 11. 12; 2. Mose 15, 21).

,Darum sprich zu den Kindern Israel: Ich bin der HERR, und ich werde euch herausführen unter den Lastarbeiten der Ägypter hinweg, und werde euch erretten aus ihrem Dienste, und euch erlösen mit ausge­strecktem Arm und durch große Gerichte. Und ich will euch annehmen mir zum Volke und will euer Gott sein; und ihr sollt erkennen, daß ich der HERR, euer Gott, bin, der euch herausführt unter den Lastarbeiten der Ägypter hinweg. 

Und ich werde euch in das Land bringen, welches ,dem Abraham, Isaak und Jakob zu geben ich meine Hand erhoben habe, und werde es euch zum Besitztum geben, ich, der HERR" (Kap. 6, 6‑8). Hier offenbart Gott den Seinigen Seine Gnade, daß Er in ihnen, für sie und mit ihnen zur Entfaltung Seiner eigenen Herrlichkeit wirken wollte. Wie schwach und elend sie auch sein mochten, Er war gekommen, um Seine Herrlichkeit zu zeigen, Seine Gnade zu offenbaren und in ihrer völligen Befreiung ein Beispiel Seiner Macht zu geben. 

Seine Herrlich­keit und ihre Erlösung waren untrennbar miteinander verbunden. Alles dieses wurde später in ihre Erinnerung zurückgerufen, wie wir in 5. Mose 7, 7. 8 lesen: "Nicht weil euer mehr wären als aller Völker, hat der HERR sich euch zugeneigt und euch erwählt; denn ihr seid das geringste unter allen Völkern; sondern wegen des HERRN Liebe zu euch, und weil er den Eid hielt, den er euren Vätern geschworen, hat der HERR euch mit starker Hand herausgeführt und dich erlöst aus dem Hause der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten.

Nichts ist mehr geeignet, ein zweifelndes Herz auf einen sicheren Boden ZU Stellen, als das Bewußtsein, daß Gott sich unser angenommen hat, gerade so wie wir sind und in der völligen Erkenntnis dessen, was wir sind, und daß Er niemals irgendeine neue Entdeckung in uns machen kann, die den Charakter oder das Maß Seiner Liebe zu uns verändern könnte. "Da er die Seinigen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte ,er sie bis ans Ende (Joh. 13, 1). 

Seine Liebe ist unveränderlich; wen Er liebt und wie Er liebt ‑ Er liebt bis ans Ende. Das ist ein unaus­sprechlicher Trost. Gott kannte uns durch und durch. Als Er Seine Liebe zu uns in der Hingabe Seines Sohnes offenbarte, da war Ihm das Aller­schlechteste von uns bekannt. Er wußte, was notwendig war, und Er traf Vorsorge dafür. Er kannte unsere Schuld, und Er beglich sie. 

Er wußte, was getan werden mußte, und Er vollbrachte es. Seinen eigenen Anforderungen mußte entsprochen werden, und Er entsprach ihnen. Alles ist Sein eigenes Werk. Darum hören wir Ihn, wie in der oben angeführte Stelle, zu Israel sagen: "Ich werde euch herausführen" ‑

,ich werde euch bringen" ‑ "ich werde euch annehmen" ‑ "ich werde euch geben" ‑ "ich bin der HERR". Das alles wollte Er tun, und zwar aufgrund dessen, was Er war. Solange diese große Wahrheit nicht be­griffen, und solange sie nicht in der Kraft des Heiligen Geistes in der Seele aufgenommen worden ist, kann von keinem dauernden Frieden die Rede sein. Weder kann das Herz glücklich, noch das Gewissen ruhig sein, bevor man weiß und glaubt, daß alle göttlichen Forderungen ihre göttliche Befriedigung gefunden haben.

Der Schluß unseres Kapitels enthält ein Verzeichnis der Häupter der Vaterhäuser Israels. Es ist interessant, hier zu sehen, wie Gott die Zählung derer vornimmt, die, obwohl noch in der Gewalt des Feindes, Sein Eigentum waren. Israel war das Volk Gottes, und Gott zählt hier diejenigen auf, auf die Er ein unumschränktes Recht besaß. Welch eine Gnade, daß Gott Interesse an denen hatte, die sich in der tiefen Er­niedrigung der ägyptischen Knechtschaft befanden! 

Er, der die Welten gemacht hat, und der von unzähligen Heerscharen nicht gefallener Engel, den Tätern seines Wohlgefallens" (Ps. 103, 21), umgeben ist, kommt herab, um sich einer Anzahl von Sklaven anzunehmen, mit denen Er in unbegreiflicher Herablassung Seinen Namen verbinden will. Inmitten der Ziegelhütten Ägyptens sieht Er ein unter der Geißel der Fronvögte seufzendes Volk und spricht die denkwürdigen Worte: "Laß mein Volk ziehen!", und dann beginnt Er die Zählung dieses Volkes, als wollte Er sagen: "

Diese sind mein; laß mich sehen, wie viele es sind, damit niemand von ihnen zurückbleibe". "Er hebt aus dem Staube empor den Geringen, aus dem Kote erhöht er den Armen, um sie sitzen zu lassen bei den Edlen; und den Thron der Ehre gibt er ihnen als Erbteil" (1. Sam. 2, 8).