2.Mose 12, Passah, C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kapitel 12 PASSAH UND AUSZUG AUS ÄGYPTEN

"Und der HERR sprach zu Mose: Noch ein Plage will ich über den Pharao und über Ägypten bringen; danach wird er euch von hinnen ziehen lassen. Wenn er euch vollends ziehen lassen wird, so wird er euch sogar von hier wegtreiben" (Kap. 11, 1). Noch ein heftiger Schlag mußte diesen hartnäckigen Herrscher und sein Land treffen, um ihn zu zwingen, die Gegenstände der unumschränkten Gnade Gottes ziehen zu lassen.

Wie sinnlos ist es für den Menschen, sich gegen Gott zu verhärten und zu erheben! Gott kann das härteste Herz zermalmen und den hochmütigsten Geist in den Staub beugen. "Die in Hoffart wandeln vermag Er zu erniedrigen" (Dan. 4, 37). Der Mensch mag sich einbilden, etwas zu sein; er mag in törichtem Stolz und in Selbstverherrlichung sein Haupt erheben, als ob er sein eigener Her und Meister sei; aber wie wenig kennt er seinen wirklichen Zustand und Charakter! Er ist nur ein Werkzeug in der Hand Satans, von ihm benutzt, um den Absichten Gottes

 entgegenzuwirken. Der glänzendste Verstand, das hervorragendste Talent, die größte Tatkraft sind, wenn sie nicht unter der unmittelbaren Leitung des Geistes Gottes stehen, nur Mittel in der Hand Satans, um seine finsteren Pläne zu verwirklichen. Kein Mensch ist sein eigener Herr; er steht entweder unter der Herrschaft Christi oder unter der Herrschaft Satans. 

Der König von Ägypten mochte sich für unabhängig halten; in Wirklichkeit aber war er ein Werkzeug in der Hand eines anderen. Satan stand hinter dem Thron; und infolge des Widerstandes, den der Pharao gegen die Pläne Gottes erhob, wurde er dem verblendenden und verhärtenden Einfluß seines selbstgewählten Gebieters ausgeliefert.

Dieser Gedanke macht uns einen Ausdruck verständlich, dem wir in den ersten Kapiteln dieses Buches häufiger begegnen: "Und der HERR ver­härtete das Herz des Pharao". Es wäre unvernünftig, dem vollständiger, Sinn dieses Wortes ausweichen zu wollen. Wenn der Mensch sich dem göttlichen Zeugnis widersetzt, wird er dem Gericht der Verblendung und Verhärtung überliefert. Gott überläßt ihn sich selbst, und dann kommt Satan und führt ihn ins Verderben. 

Es hätte dem Pharao völlig klar sein können, daß es nichts als Torheit war, das Volk zurückzu­halten, das er nach dem Befehl Gottes freilassen sollte. Aber sein Widerstand gegen Gott entsprach dem Zustand und der Gesinnung seines Herzens; und darum gab Gott ihn dahin und machte ihn zu einem Mahnmal für die Entfaltung Seiner Herrlichkeit "auf der ganzen Erde".

Gott gibt manchmal der Neigung oder dem Verlangen der Menschen nach; so lesen wir z. B.: "Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrtums, daß sie der Lüge glauben, auf daß alle gerichtet wer­den, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit" (2. Thess. 2, 11. 12). 

Wenn die Men­schen die Wahrheit nicht annehmen wollen, wenn sie ihnen vorgestellt wird, so werden sie sicher einer Lüge zum Opfer fallen. Wollen sie Christus nicht, so erhalten sie Satan; schlagen sie den Himmel aus, so bleibt ihnen nur die Hölle.*) Will der Geist des Unglaubens daran etwas tadeln? Ehe er es tut, mag er den Beweis liefern, daß alle, die in dieser Weise gerichtet werden, ihrer Verantwortlichkeit entsprochen haben; mag er z. B. beweisen, daß der Pharao auch nur annähernd dem Licht gemäß gehandelt hat, das er besaß. Und dasselbe gilt für jeden andern Fall. Ohne Zweifel liegt die Mühe des Beweises bei denen, die

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*) Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Handlungsweise Gottes mit den Heiden (Röm. 1) und Seinem Verhalten gegenüber denen, die das Evan­gelium verwerfen (2. Thess. 2, 10). Bezüglich der Erstgenannten lesen wir: "Gleichwie sie es nicht für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie dahingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht geziemt" , ‑ während das Wort bezüglich der letzteren lehrt: " . . . 

darum, daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrtums, daß sie der Lüge glau­ben, auf daß alle gerichtet werden". Die Heiden nehmen das Zeugnis der Schöpfung nicht an und werden deshalb sich selbst überlassen. Die Verwerfer des Evangeliums aber weisen das Licht des Kreuzes zurück, und deshalb wird ihnen Gott bald "eine wirksame Kraft des Irrtums" senden. Wie ernst ist das für die heutige Zeit, die so reich ist an Licht und Bekenntnis!

die Wege Gottes tadeln wollen. Der einfältige Gläubige wird Gott in Seinen Anforderungen rechtfertigen; und kann er auch nicht alle schwie­rigen Fragen eines zweifelnden Geistes lösen, so findet er doch seine Ruhe in den Worten: "Sollte der Richter der ganzen Erde nicht recht tun?" (l. Mose 18, 25). In dieser Art, eine Schwierigkeit zu beseitigen, liegt mehr Weisheit als in einem noch so gründlich durchdachten Be­weis; denn wer sich nicht scheut, wider Gott das Wort zu nehmen (Röm. 9, 20), der wird auch durch menschliche Beweisgründe nicht zu überzeugen sein.

Gott aber beantwortet alle stolzen Überlegungen des Menschen und macht hochmütige menschliche Pläne zunichte. Er hat über die Natur, selbst in ihren besten Formen, das Todesurteil geschrieben. Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben (Hebr. 9, 27). 

Niemand kann diesem Urteil entrinnen. Der Mensch mag mit allen Mitteln versuchen, seine Erniedrigung zu verbergen, seine Todverfallenheit durch Heldenmut zu verdecken und die letzten demütigenden Tage seiner Laufbahn mit ehrenvollen Titeln zu belegen; er mag sich anstrengen, das Sterbe­bett mit einem falschen Schimmer zu umgeben, die Bestattung und das Grab so aufwendig und wirkungsvoll wie möglich zu gestalten; er mag über dem verwesenden Leichnam ein Denkmal errichten und die Tugen­den des Verstorbenen in goldenen Buchstaben darin eingraben lassen ‑ und doch vermag nichts etwas anderes aus dem Tod zu machen, als was er ist: der Lohn der Sünde" (Röm. 6, 23).

Die Eingangsworte des 11. Kapitels haben diese Gedanken mit sich ge­bracht. "Noch eine Plage!" sagt der Herr. Damit war das Todesurteil über die Erstgeborenen Ägyptens, über "die Erstlinge all ihrer Kraft" (Ps. 105, 36) besiegelt. "Und Mose sprach: So spricht der HERR: Um Mitternacht will ich ausgehen mitten durch Ägypten; und alle Erstge­burt im Lande Ägypten soll sterben, von dem

 Erstgeborenen des Pharao, der auf seinem Throne sitzt, bis zum Erstgeborenen der Magd, die hinter der Mühle ist, und alle Erstgeburt des Viehes. Und es wird ein großes Geschrei sein im ganzen Lande Ägypten, desgleichen nie ge­wesen ist und desgleichen nicht mehr sein wird" (Kap. 11, 4‑6). Das sollte die Schlußplage sein: der Tod in jedem Hause! "Aber gegen alle Kinder Israel wird nicht ein Hund seine Zunge spitzen, vom Menschen bis zum Vieh; auf daß ihr wisset, daß der HERR einen Unterschied macht zwischen den Ägyptern und den Israeliten" (V. 7). Nur der Herr kann einen Unterschied machen zwischen denen, die Sein sind, und denen, die es nicht sind. Es geziemt uns nicht, zu irgend jemandem zu sagen: "

Bleibe für dich und nahe mir nicht, denn ich bin heilig“ (Jes. 65, 5). Das wäre die Sprache eines Pharisäers. Aber wenn Gott "einen Unterschied macht", so ist es unsere Pflicht, zu untersu­chen, worin dieser Unterschied besteht; und in dem vorliegenden Fall sehen wir, daß es sich um den Gegensatz von Leben und Tod handelte. Das ist der große Unterschied, den Gott macht. Er zieht eine Grenzlinie; auf der einen Seite dieser Linie ist das Leben, auf der anderen der Tod. Viele der Erstgeborenen Ägyptens mochten ebenso schön oder vielleicht noch sympathischer sein als diejenigen von Israel; aber Israel besaß Leben und Licht, und zwar aufgrund der erlösenden Liebe Gottes und bestätigt durch das Blut des Lammes. 

Das war die gesegnete Stellung Israels, während man in ganz Ägypten, von dem Fürsten auf dem Thron bis zu der Magd hinter der Mühle, nur Tod und Verzweiflung sehen konnte. Gott kann den stolzen Geist des Menschen in den Staub beugen. Er kann bewirken, daß der Grimm des Menschen Ihn preist; und mit dem Rest des Grimms gürtet Er sich (Ps 76, 10). "Und alle diese deine Knechte werden zu mir herabkommen und sich vor mir niederbeugen und sagen. Ziehe aus, du und alles Volk, das dir folgt! Und danach werde ich ausziehen" (V. 8).

 Gott wird Seine Ratschlüsse erfüllen. Seine Gnadenabsichten müssen um jeden Preis ausgeführt werden; und wer sich Ihm widersetzt, wird beschämt wer­den. "Preiset den HERRN! denn er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich ... Den, der Ägypten schlug an seinen Erstgeborenen, denn seine Güte währt ewiglich, und Israel herausführte aus ihrer Mitte, denn seine Güte währt ewiglich, mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm, denn seine Güte währt ewiglich! (Ps. 136).

"Und der HERR redete zu Mose und Aaron im Lande Ägypten und sprach: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll euch der erste sein von den Monaten des Jahres" (Kap. 12, 1. 2). Hier begegnen wir einem sehr interessanten Wechsel in der Zeitordnung. Der HERR unterbrach den Ablauf des bürgerlichen Jahres und zeigte damit, daß Er für Sein Volk eine neue Zeitrechnung beginnen wollte. Die frühere Geschichte Israels sollte gleichsam als ungültig betrachtet werden; die Erlösung war der erste Schritt im wirklichen Leben des Volkes.

An dieser Stelle lernen wir eine einfache Wahrheit. Das Leben eines Menschen ist :in der Tat ohne Bedeutung, bis er seine vollkommene Errettung erkennt, aufgrund des Blutes des Lammes Frieden mit Gott hat und ein Leben mit Gott führt. Bis dahin ist er nach dem Urteil Gottes und nach den Worten der Heiligen Schrift "tot in Vergehungen und Sünden" und "entfremdet dem Leben Gottes" (Eph. 2, 1; 4, 18). 

Seine ganze Geschichte ist wertlos für Gott, auch wenn sie nach menschlichem Ermessen voller Aktivität gewesen ist. Alles, was die Aufmerksamkeit des Weltmenschen fesselt: Ansehen, Reichtum, Ver­gnügung ‑ alles ist, im Licht Gottes betrachtet, öde und wertlos, völlig unwürdig, in dem Bericht des Heiligen Geistes einen Platz zu finden. ,Wer dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen" (Joh. 3, 36). Die Menschen meinen, "das Leben zu sehen", wenn sie sich in Gesell­schaften stürzen, hierhin und dorthin reisen, um alles zu sehen, was es zu sehen gibt; aber sie vergessen, daß das einzig wirkliche und göttliche Mittel, um "das Leben zu sehen", darin besteht, "zu glauben an den Sohn Gottes".

Wie wenig denken die Menschen darüber nach! Sie meinen, daß das ,wahre Leben" zu Ende sei, sobald jemand in Tat und Wahrheit und Recht nur dem äußeren Bekenntnis nach ein Christ wird, während das Wort Gottes uns belehrt, daß wir gerade dann erst imstande sind, das Leben zu sehen und wirklich glücklich zu sein. "Wer den Sohn hat, hat das Leben" (1. Joh. 5, 12).

 "Glückselig der, dessen Übertretung verge­ben, dessen Sünde zugedeckt ist!" (Ps. 32, 1). Nur in Christus können wir Leben und Glückseligkeit erreichen. Ohne Ihn ist nach göttlichem Urteil alles elend und tot ‑ wie annehmlich es auch erscheinen mag. Erst wenn der Unglaube aufhört und wir das geschlachtete Lamm' das unsere Sünden am Fluchholz getragen hat, im Glauben erblicken, erst dann betreten wir den Weg des Lebens und haben teil an dem Frieden Gottes.

 Dieses Leben beginnt bei dem Kreuz und mündet in eine Ewigkeit von Herrlichkeit; dieser Friede wird die Verbindung mit Gott und das Ruhen in Christus immer mehr vertiefen, bis wir den eigentlichen Bereich des Friedens erreichen ‑ die Gegenwart Gottes und des Lammes.

Allerdings versucht der Feind der Seelen dieses vorübergehende Leben so verlockend zu gestalten, daß die Menschen glauben, es sei das eigent­liche und wahre Leben. Er versucht alles, um die gedankenlose Menge bei guter Laune zu erhalten, damit sie sich nicht erinnert, daß Satan es ist, der die Fäden in der Hand hält und nichts anderes beabsichtigt, als die Seelen von Christus zu entfernen und sie ins ewige Verderben zu stürzen. Es gibt nichts Wirkliches, nichts Bleibendes und nichts wahr­haft Befriedigendes, als in Christus allein. Außer Ihm ist alles

 "Eitelkeit und ein Haschen nach Wind" (Pred. 2, 17). Nur in Ihm ist wirkliche und ewige Freude zu finden; und unser Leben beginnt erst dann, wenn wir anfangen, in Ihm, von Ihm und für Ihn zu leben. Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll euch der erste sein von den Monaten des Jahres". Die in den Ziegelhütten und bei den Fleisch­töpfen zugebrachte Zeit wird überhaupt nicht mitgerechnet; sie war für Israel ohne Bedeutung, außer, daß die Erinnerung daran ihnen immer wieder ins Bewußtsein bringen sollte, was die Gnade Gottes für sie getan hatte.

"Redet zu der ganzen Gemeinde Israel und sprechet: Am zehnten dieses Monats, da nehme sich ein jeder ein Lamm für ein Vaterhaus, ein Lamm für ein Haus ... Ein Lamm ohne Fehl sollt ihr haben, ein männliches, einjährig; von den Schafen oder von den Ziegen sollt ihr es nehmen. Und ihr sollt es in Verwahrung haben bis auf den vierzehnten Tag dieses Monats, und die ganze Versammlung der Gemeinde Israel soll es schlachten zwischen den zwei Abenden" (V. 3‑6).

 Hier haben wir die Erlösung des Volkes; sie ist gegründet auf das Blut des Lammes nach dem ewigen Ratschluß Gottes und darum auch von ewiger Be­ständigkeit. Die Erlösung nimmt in den Gedanken Gottes den ersten Platz ein; sie ist nicht erst in späterer Zeit von Ihm beschlossen worden. Bevor die Welt, bevor Satan, bevor die Sünde war, bevor je die Stimme Gottes das Schweigen der Ewigkeit brach und die Welten ins Dasein rief, bestanden Seine tiefen Ratschlüsse der Liebe. 

Diese Ratschlüsse konnten allerdings in der Schöpfung niemals eine sichere Grundlage finden; denn alle Segnungen und Herrlichkeiten der Schöpfung gründeten sich auf den Gehorsam eines Geschöpfes; und sobald dieser Gehorsam fehlte, war alles verloren. Doch den Versuch Satans, die Schöpfung zu verder­ben, nahm Gott zum Anlaß, Seine tiefere Absicht, die Erlösung, zu offenbaren.

Diese Wahrheit wird uns im Bilde dadurch vor Augen gestellt "daß das Lamm vom zehnten bis zum vierzehnten Tag in Verwahrung blieb. Daß dieses Lamm ein Bild von Christus ist, steht außer Zweifel, denn wir lesen in 1. Kor. 5, 7: "Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlach­tet"; und in 1. Petr. 1, 18‑20: "Indem ihr wisset, daß ihr nicht n* verweslichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von den Vätern Überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blute Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken; welcher zwar zuvorerkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber geoffen­bart worden am Ende der Zeiten um euretwillen".

Von Ewigkeit her war Christus der Inhalt aller Vorsätze Gottes, und keiner Anstrengung des Feindes ist es je gelungen, sie in Frage zu stellen; vielmehr dienten diese Anstrengungen nur zur Entfaltung der unergründlichen Weisheit und der unerschütterlichen Festigkeit der Ratschlüsse Gottes. Wenn das "Lamm ohne Fehl und ohne Flecken ... vor Grundlegung der Welt zuvorerkannt" war, dann muß die Erlösung sicher schon vor Grundlegung der Welt in den

 Gedanken Gottes ge­wesen sein. Der erhabene Gott brauchte nicht innezuhalten, um einen Plan zur Heilung des schrecklichen Übels zu entwerfen, das Satan in die Schöpfung gebracht hatte; Er brauchte nur aus dem unerforschlichen Reichtum Seiner Weisheit die Ratschlüsse in bezug auf das Lamm zu enthüllen, welches von Ewigkeit her zuvorerkannt war und am Ende der Zeiten um unsertwillen geoffenbart werden sollte.

Das Blut des Lammes war noch nicht nötig, als die Schöpfung gerade erst aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen war und in jedem ihrer Teile den Abdruck Seiner Herrlichkeit, die unwiderlegbaren Beweise Seiner ewigen Kraft und Göttlichkeit (Röm. 1) an sich trug. Als aber dann „durch einen Menschen" (Röm. 5, 12) die Sünde in die Welt ge­kommen war, trat der vollkommenere und herrlichere Gedanke der Er­lösung durch das Blut des Lammes in den

 Vordergrund. Er war schon erkennbar, als das erste Menschenpaar aus dem Garten Eden vertrieben wurde; er schimmerte auch durch die Bilder und Schatten der mosaischen Haushaltung; in voller Klarheit aber wurde er vor der ganzen Welt ans Licht gebracht, als Gott persönlich in die Welt kam, "geoffenbart im Fleische" (1. Tim. 3, :16). Und schließlich wird die Erlösung vollendet sein, wenn die unzählige Menge der Erlösten in weißen Gewändern vor dem Thron Gottes und des Lammes steht und die ganze Schöpfung unter dem Friedensszepter des Sohnes Davids ruht.

In dem Lamm, das am zehnten Tag herbeigeholt und bis zum vier­zehnten Tag aufbewahrt wurde, sehen wir also Christus, von Ewigkeit her von Gott zuvorerkannt und um unsertwillen in den letzten Tagen geoffenbart. Der ewige Vorsatz Gottes in Christus wird die Grund­lage zum Frieden für den Gläubigen. Nichts weniger als das konnte genügen. Dieser Vorsatz Gottes liegt außerhalb der Schöpfung und der Zeit er bestand weit vor dem Eintritt der Sünde in die Welt und vor allem, was irgendwie die Grundlage unseres Friedens antasten könnte. 

Der Ausdruck: "zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt" führt uns zurück in die unergründlichen Tiefen der Ewigkeit und zeigt uns, wie Gott Seine Ratschlüsse der erlösenden Liebe bildet und sie auf das ver­söhnende Blut Seines eigenen fleckenlosen Lammes gründet. Von Ewig­keit her hatte Christus den ersten Platz im Herzen und in den Gedanken Gottes; und deshalb stellte Gott Ihn in Schatten und Bildern dar, sobald Er zu reden oder zu handeln begann.

 Wenn wir die inspirierten Mittei­lungen der Bibel untersuchen, finden wir in jeder Zeremonie, in jeder Vorschrift und in jedem Opfer das "Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt" (Joh. 1, 29). Nirgends aber tritt es uns deutlicher entgegen als im Passah. Das Passahlamm mit all den Besonderheiten, die seine Opferung begleiteten, ist eins der lehrreichsten Bilder der Hei­ligen Schrift.

Es geht in diesem Kapitel eigentlich um eine Versammlung und ein Opfer. "Und die ganze Versammlung der Gemeinde Israel soll es schlachten zwischen den zwei Abenden" (V. 6). Es handelt sich nicht so sehr um eine Anzahl von Familien mit verschiedenen Lämmern (obwohl das natürlich auch wahr ist), als vielmehr um eine einzige Versammlung und ein einziges Lamm. Jedes Haus bildete nur den örtlichen Ausdruck der ganzen, um das Lamm versammelten Gemeinde. Das Gegenbild hiervon haben wir in der ganzen Kirche Gottes, die durch den Heiligen Geist im Namen Jesu gesammelt wird und von der jede einzelne Ver­sammlung, wo sie auch zusammenkommen mag, der örtliche Ausdruck sein sollte.

"Und sie sollen von dem Blute nehmen und es an die beiden Pfosten und an die Oberschwelle tun, an den Häusern, in welchen sie es essen. Und sie sollen in selbiger Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gesotten, son­dern am Feuer gebraten: seinen Kopf samt seinen Schenkeln und samt seinem Eingeweide" (V. 7‑9). 

Wir haben das Passahlamm von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten, nämlich als Grund­lage des Friedens und als Mittelpunkt der Einheit. Das Blut an den Tür­pfosten sicherte Israel den Frieden. "Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen" (V. 13). Die Besprengung mit dem Blut ge­nügte, um angesichts des Würgengels einen unerschütterlichen Frieden zu haben. Der Tod kam in alle Häuser Ägyptens. "Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben" (Hebr. 9, 27). Aber Gott fand in Seiner großen Barmherzigkeit für Israel einen fleckenlosen Stellvertreter, an dem das Todesurteil vollzogen wurde. 

So genügte also dem Anspruch Gottes und der Notlage Israels eine und dieselbe Sache, das Blut des Lammes. Das Blut an den Türpfosten war der Beweis, das alles göttlich und darum vollkommen in Ordnung gebracht war; und das gab den Be­wohnern des Hauses einen vollkommenen Frieden. Ein Schatten von Zweifel in dem Herzen eines Israeliten wäre für das göttliche Funda­ment des Friedens, das Blut der Versöhnung, eine Unehre gewesen.

Ohne Zweifel fühlte jeder, der sich hinter den mit Blut bestrichenen Türpfosten befand, daß das Todesurteil der gerechte Lohn für seine Sünden gewesen wäre; aber das Lamm hatte an seiner Statt die Strafe erduldet. Das war die feste Grundlage seines Friedens. Das Gericht, das er verdient hatte, traf ein von Gott ausersehenes Schlachtopfer; und indem er dies glaubte, konnte er im Innern des Hauses in Frieden davon essen. Der geringste Zweifel hätte Gott zum Lügner gemacht, denn Er hatte gesagt: "Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorüber­gehen".

 Es ging dabei nicht um persönliches Verdienst; das stand so­wieso außer Frage. Alle, die sich unter dem Schutz des Blutes befanden, waren in Sicherheit. Sie konnten nicht nur gerettet werden, sondern sie waren gerettet. Ihr Rettung war nicht Gegenstand ihrer Hoffnung oder ihres Gebets, sondern war eine sichere Tatsache, gestützt auf die Glaub­würdigkeit der Zusage Gottes. Auch waren sie nicht zum Teil gerettet und zum Teil dem Gericht ausgesetzt; sie waren vollständig gerettet. Das Blut des Lammes und das Wort des Herrn bildeten die Grundlage für den Frieden Israels in jener schrecklichen Nacht, in der Gott alle Erstgeborenen Ägyptens schlug. Wäre einem Israeliten auch nur ein Haar gekrümmt worden, so wäre das Wort des HERRN nichtig und das Blut des Lammes wertlos gewesen.

Es ist sehr wichtig, ein klares Verständnis davon zu haben, was den Grund des Friedens eines Sünders in der Gegenwart Gottes ausmacht. Man hat so viele Dinge mit dem vollbrachten Werk Christi vermengt, daß viele Seelen über ihre Annahme bei Gott in Ungewißheit sind. Sie verstehen nicht, daß die Erlösung durch das Blut Christi, wenn sie es einmal auf sich angewendet haben, eine für immer geordnete Sache ist. Sie wissen nicht, daß die vollkommene Vergebung einfach darauf be­ruht, daß ein vollkommenes Sühnopfer dargebracht worden ist, und daß diese Tatsache in aller Deutlichkeit demonstriert wurde, indem der Stellvertreter des Sünders aus den Toten auferstand. Sie wissen wohl, daß es außer dem Blut des Kreuzes kein

 Rettungsmittel gibt; aber das wissen auch die Teufel, und dennoch nützt es ihnen nichts. Was ihnen fehlt, ist das Bewußtsein, daß sie gerettet sind. Der Israelit wußte nicht nur, daß in dem Blut Rettung zu finden war, sondern er war seiner Rettung gewiß. Und warum? War es etwa aufgrund von irgend etwas, das er getan, gefühlt oder gedacht hatte? Nein, sondern weil Gott ge­sagt hatte: "Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorüber­gehen". Er verließ sich auf das Zeugnis Gottes. Er glaubte, weil Gott es gesagt hatte. "Wer sein Zeugnis angenommen hat, hat besiegelt, daß Gott wahrhaftig ist" (Joh. 3, 33).

Beachten wir wohl, daß sich der Israelit nicht auf seine eigenen Gedan­ken, Gefühle oder Erfahrungen stützte. Da hätte er in der Tat auf einen unsicheren, sandigen Boden gebaut. Seine Gedanken und Gefühle konnten gründlich oder oberflächlich sein, aber in beiden Fällen hatten sie nichts mit der Grundlage des Friedens zu tun. Gott hatte nicht ge­sagt: "Wenn ihr das Blut seht und es in seinem ganzen Wert erkennt, will ich an euch vorübergehen".

 Das hätte allerdings jeden Israeliten in Verzweiflung stürzen können, weil es dem menschlichen Geist unmög­lich ist, das Blut des Lammes jemals genügend zu würdigen. Was Frie­den gab, war die Tatsache, daß Gott das Blut sah und seinen Wert kannte. Das allein konnte das Herz beruhigen. Das Blut war draußen und der Israelit drinnen, so daß er es unmöglich sehen konnte, aber Gott sah es, und darauf allein kam es an.

Diese Wahrheit erhellt auch die Frage, wie heute ein Sünder Frieden be­kommt. Nachdem der Herr Jesus Sein Blut als eine vollkommene Süh­nung für die Sünde vergossen hatte, brachte Er es in die Gegenwart Gottes und sprengte es dort; und das Zeugnis Gottes versichert dem glaubenden Sünder, daß alles zu seinen Gunsten in Ordnung gebracht ist, und zwar nicht durch seine Wertschätzung dieses Blutes, sondern durch die Kraft des Blutes selbst, das in den Augen

 Gottes einen so hohen Wert hat, daß Er um des Blutes willen in Gerechtigkeit alle Sün­den vergeben und den Sünder ‑ vollkommen gerecht in Christus ‑ an­nehmen kann. Könnte je ein Mensch dauerhaften Frieden haben, wenn der Friede von ihm selbst abhängig wäre? Unmöglich! Der menschliche Geist reicht einfach nicht aus, um das Blut in dem Wert zu erkennen, den es in den Augen Gottes hat. Wenn daher unser Friede davon ab­hinge, inwieweit wir das Blut wertschätzen, dann wäre er ebenso unerreichbar, als wenn wir ihn durch "Gesetzeswerke" zu erlangen suchten (Röm. 9, 32; Gal. 2, 16; 3, 10). 

Entweder bietet das Blut allein eine Grundlage für unseren Frieden, oder wir können niemals Frieden haben. Sobald wir unsere Wertschätzung des Blutes mit dem Blut selbst ver­wechseln, kehren wir den Inhalt des Christentums ebenso um, als wenn wir einen Sünder unter das Gesetz vom Sinai stellen wollten. Entweder genügt das Sühnopfer Christi oder es genügt nicht. Wenn es aber ge­nügt, warum dann Zweifel und Befürchtungen? Mit unseren Lippen ver­kündigen wir, daß das Werk vollbracht ist; aber die Zweifel und Be­fürchtungen unseres Herzens erklären, daß es nicht so ist. Wer an der vollkommenen Vergebung seiner Sünden zweifelt, leugnet dadurch, wenigstens in bezug auf sich selbst, die Vollkommenheit des Opfers Christi.

Allerdings gibt es viele, die nie soweit gehen würden, die Kraft des Blutes Christi bewußt in Zweifel zu ziehen, die aber dennoch keinen sicheren Frieden haben. Solche Personen sind überzeugt, daß das Blut Christi vollkommen den Bedürfnissen des Sünders genügt ‑ wenn sie nur gewiß wären, daß auch sie selbst den rechten Glauben haben und unter dem Schutz des Blutes stehen. Viele Seelen befinden sich in diesem unglücklichen Zustand. Anstatt sich mit dem Blut Christi und dem Wort Gottes zu beschäftigen, bleiben sie bei ihren eigenen Gedan­ken und ihrem Glauben stehen; anstatt auf Christus zu schauen, blicken sie in sich hinein. 

Aber das ist kein Glaube, und infolgedessen haben sie auch keinen Frieden. Ein hinter den blutbesprengten Türpfosten ge­borgener Israelit hätte diesen Seelen eine passende Unterweisung geben können. Er war nicht gerettet infolge seines Interesses an dem Blut, noch wegen seiner Gedanken darüber, sondern einfach durch das Blut. Ohne Zweifel war er in seinen Gedanken sehr mit dem Blut beschäftigt; aber Gott hatte nicht gesagt: "Wenn ich euer Interesse an dem Blut sehe, will ich an euch vorübergehen". Hätte das Volk auch nur ein Stück ungesäuertes Brot als Grundlage seiner Sicherheit, dem Blut zur Seite stellen wollen, so hätte es damit seinen HERRN zum Lügner gemacht und die Vollkommenheit Seines Heilmittels geleugnet.

Wir halten leicht etwas in uns oder in Verbindung mit uns für notwen­dig als Grundlage unseres Friedens. Aus den Zweifeln und Befürch­tungen, von denen so viele Christen geplagt werden, geht hervor, daß über diesen wichtigen Punkt sehr wenig Klarheit und Verständnis vor­handen ist. Wir sind viel eher bereit, die Werke des Geistes in uns, als das Werk Christi für uns als das Fundament unseres Friedens anzu­sehen. Wir werden bald Gelegenheit haben, zu sehen,

 welchen Platz das Werk des Heiligen Geistes im Christentum einnimmt; aber niemals wird dieses Werk in der Schrift als die Grundlage unseres Friedens bezeichnet. Nicht der Heilige Geist hat Frieden gemacht, sondern Chri­stus. Nicht von dem Heiligen Geist wird gesagt, daß Er unser Friede sei, sondern von Christus. Gott hat nicht durch den Heiligen Geist Frie­den verkündigt, sondern durch Jesus Christus (vergl. Apg. 10, 36; Eph. 2, 14. 17; Kol 1, 20). Man kann diesen wichtigen Unterschied gar nicht einfältig genug erfassen. Das Blut Christi allein gibt uns Frieden und eine vollkommene, göttliche Gerechtigkeit; es führt uns ins Allerheiligste, rechtfertigt Gott bei der Annahme eines glaubenden Sünders und ver­leiht uns ein Anrecht auf alle Herrlichkeiten des Himmels (siehe Röm. 3, 24‑26; 5, 9; Eph. 2, 13‑18; Kol. 1, 20‑22; Hebr. 9, 14; 10, 19; 1. Petr. 1, 19; 2, 24; 1. Joh. 1, 7; Offbg. 7, 14‑17). Indem ich das Blut Christi an dem von Gott

 angewiesenen Platz lasse, sollen nicht etwa die Wirkungen des Heiligen Geistes irgendwie abgewertet werden. Der Heilige Geist offenbart Christus, läßt uns Ihn erkennen, bewirkt, daß wir uns von Ihm nähren; Er nimmt die Dinge Christi und verkün­digt sie uns (Joh. 16, 15). Er ist die Kraft der Gemeinschaft, das Siegel, der Zeuge, das Unterpfand, die Salbung ‑alle Seine Wirkungen sind un­bedingt notwendig. Ohne Ihn könnten wir Christus weder sehen noch hören, weder erkennen noch fühlen, weder erfahren noch genießen, noch Ihn in irgendeiner Weise darstellen. Die Lehre von den Wirkungen des Heiligen Geistes ist in der Schrift klar dargestellt und wird von jedem wahren und richtig belehrten Christen erkannt und angenommen.

Dennoch ist das Werk des Geistes nicht der Grund des Friedens; wenn es so wäre, könnten wir vor der Ankunft Christi keinen dauern­den und sicheren Frieden haben, weil das Werk des Heiligen Geistes in der Kirche erst vollendet ist, wenn der Herr kommt. Er setzt immer noch Sein Werk in den Gläubigen fort. Er "verwendet sich für ‑uns in unaus­sprechlichen Seufzern" (Röm. 8, 26). Er wirkt, um uns dem Bilde des Sohnes in allem gleichförmig zu machen. 

Er ist der einzige Urheber jedes guten Wunsches, jeder reinen Zuneigung, jeder göttlichen Erfah­rung und jeder gesunden Überzeugung; aber es ist klar, daß Sein Werk in uns nicht eher vollständig ist, als bis wir den gegenwärtigen Schau­platz verlassen und unseren Platz mit Christus in der Herrlichkeit ein­genommen haben, ebenso wie das Werk Eliesers, des Knechtes Abra­hams, nicht eher vollendet war, bis er Rebekka dem Isaak vorstellen konnte.

Anders aber verhält es sich mit dem Werk Christi für uns. Es ist gänzlich und für immer vollendet. Christus konnte sagen: "Das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben hast, daß ich es tun sollte" (Joh. 7, 4). Und Er konnte ausrufen: "Es ist vollbracht!" (Joh. 19, 30). Aber der Heilige Geist kann nicht sagen, daß Er Sein Werk voll­bracht habe. Als der Stellvertreter Christi auf Erden wirkt Er fort­während inmitten der zahlreichen feindseligen Einflüsse, die Sein Werk behindern wollen. Er wirkt in den Herzen der Kinder Gottes, um sie auch praktisch zu dem Maße des göttlichen bezeichneten Wuchses hin­zuführen (Eph. 4, 1,3). 

Aber niemals belehrt Er einen Gläubigen, seinen Frieden in der Gegenwart Gottes von Seinem Werke abhängig zu machen. Er hat den Auftrag, von Jesus zu reden und nicht von sich selber; "denn, sagt Christus, "von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen" (Joh. 16, 13. 14). Wenn also jemand nur durch den Heiligen Geist den wahren Grund des Friedens erkennen kann, und wenn der Heilige Geist niemals von sich selbst redet, so ist es deutlich, daß Er nur das Werk Christi als die Grundlage bezeichnen kann, auf der die Seele für immer ruhen muß; kraft dieses Werkes kann der Heilige Geist überhaupt nur Wohnung in dem Gläubigen machen und in ihm Seine wunderbaren Wirkungen fortsetzen.

So ist also das Passahlamm, als der Grund des Friedens Israels, ein be­merkenswertes Bild von Christus, der Grundlage des Friedens für den Gläubigen. Dem Blut an den Türpfosten war nichts hinzuzufügen, und ebensowenig bedarf das Blut Christi irgendeiner Ergänzung. Das unge­säuerte Brot und die bitteren Kräuter waren zwar notwendig; aber sie waren keinesfalls der Grund des Friedens. Sie waren für das Innere des Hauses bestimmt und bildeten die charakteristischen Zeichen der Ge­meinschaft in diesem Hause, aber das Blut des Lammes war die Grund­lage von allem. Es rettete vom Tode und brachte Leben, Licht und Frie­den.

 Es stellte die Verbindung her zwischen Gott und Seinem erlösten Volk. Und nachdem die Israeliten aufgrund dieser Erlösung mit Gott verbunden waren, war es ein Vorrecht, auch gewisse Verpflichtungen zu haben; aber diese Verpflichtungen waren natürlich nicht die Voraus­setzung, sondern nur das Ergebnis ihrer Verbindung mit Gott.

Ich möchte auch daran erinnern, daß in der Heiligen Schrift nicht das gehorsame Leben Christi als die Ursache bezeichnet wird, durch die wir Vergebung erlangen. Sein Tod am Kreuz war es, der die Liebe Gottes ausströmen ließ, die sonst für immer verborgen geblieben wäre. Hätte Christus bis heute "wohltuend und heilend" (Apg 10, 38) Seinen Gang durch die Städte Israels fortgesetzt, so wäre der Vorhang des Tempels nie zerrissen und hätte noch heute dem Anbeter den Zugang zu Gott versperrt. Es war Sein Tod, der den Vorhang "von oben bis unten" zer­riß

 (Mark. 15, 38). "Durch seine Striemen", und nicht durch Sein ge­horsames Leben, "ist uns Heilung geworden" (Jes. 53, 5; 1. Petr. 2, 24); und diese Striemen empfing Er am Kreuz, und nirgendwo anders. Seine eigenen Worte stellen dies außer Zweifel: "Ich habe aber eine Taufe, womit ich getauft werden muß, und wie bin ich beengt, bis sie vollbracht ist" (Luk. 12, 50)! Kann sich diese Stelle auf etwas anderes als auf Seinen Tod am Kreuz beziehen? 

Dieser Tod war die Vollziehung Seiner Taufe und öffnete Seiner Liebe einen Weg, auf dem sie in Gerechtigkeit frei ausströmen konnte zu den schuldigen Nachkommen Adams. Weiter hat Er gesagt: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein" (Joh. 12, 24). Er war dieses "Weizenkorn"; und Er wäre, obwohl Er Fleisch geworden war, für immer allein geblieben, wenn Er nicht durch Seinen Tod am Fluchholz alles aus dem Weg ge­räumt hätte, was die Vereinigung Seines Volkes mit Ihm in der Aufer­stehung verhindern konnte. wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht".

Es gibt in Verbindung mit dieser wichtigen und ernsten Frage zwei Gedanken, die wir beachten müssen, nämlich, daß eine Vereinigung mit Christus nur in der Auferstehung möglich ist, und zweitens, daß Chri­stus nur am Kreuz für Sünden gelitten hat. Wir dürfen nicht denken, daß Christus schon durch Seine Menschwerdung uns mit sich vereinigt habe. Das war unmöglich. Wie hätte unser sündiges Fleisch mit Ihm vereinigt werden können? Der Leib der Sünde mußte durch den Tod zerstört werden. Die Sünde mußte den göttlichen Anforderungen ge­mäß beseitigt, und die ganze Macht des Feindes mußte vernichtet wer­den. Wie konnte das alles geschehen? Nur dadurch, daß sich das flecken­lose Lamm Gottes dem Tod am Kreuz unterwarf. "

Denn es geziemte ihm, um deswillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Anführer ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen" (Hebr. 2, 10). "Siehe, ich treibe Dämo­nen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tage werde ich vollendet" (Luk. 13, 32). Die Ausdrücke "vollkommen" und "vollendet" in diesen Stellen beziehen sich nicht auf Christus in Seiner eigenen Person; denn Er war als Sohn Gottes vollkommen von Ewigkeit her, und auch in Seiner Menschheit war Er durchaus vollkommen. 

Aber als "Anführer ihrer Errettung", der "viele Söhne zur Herr­lichkeit brachte", als der, welcher "viel Frucht bringt" und ein erlöstes Volk mit sich vereinigt ‑ mußte Er den "dritten Tag" erreichen, um "vollendet" zu werden. Er stieg allein hinab in die "Grube des Ver­derbens" und in den "kotigen Schlamm"; aber als Er Seinen "Fuß auf den Felsen" der Auferstehung stellte, vereinigte Er mit sich die "vielen Söhne' (Ps. 40, 1‑3). Er focht den Kampf allein aus; aber als der mäch­tige Überwinder läßt Er uns jetzt an der Siegesbeute teilhaben, damit wir uns für immer daran erfreuen können.

Zum anderen dürfen wir das Kreuz Christi nicht als das Ende eines dem Sündentragen geweihten Lebens betrachten. Das Kreuz war der einzige Ort, an dem der Herr Jesus Sünden trug. Er trug "unsere Sünden an seinem Leibe auf dem Holze" (1. Petr. 2, 24). Er trug sie weder in der Krippe, noch in der Wüste, noch im Garten Gethsemane, sondern einzig und allein "auf dem Holze". Er hatte niemals etwas mit der Sünde zu schaffen, außer am Kreuz; dort aber neigte Er Sein Haupt und gab unter dem Gewicht der Sünden Seines Volkes Sein Leben hin. Nirgendwo anders als am Kreuz litt Er von der Hand Gottes; dort aber verbarg Gott Sein Angesicht vor Ihm, weil Er "zur Sünde gemacht" war (2. Kor. 5,21).

Der bisherige Gedankengang und die angeführten Stellen der Heiligen Schrift tragen vielleicht dazu bei, die göttliche Kraft der Worte tiefer zu empfinden: "Sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen". Natürlich mußte das Lamm fleckenlos sein, denn was hätte sonst der Heiligkeit des HERRN begegnen können? Aber wäre das Blut nicht vergossen worden, so hätte der HERR an Seinem Volk nicht vorüber­gehen können; denn "ohne Blutvergießung ist keine Vergebung" (Hebr. 9, 22). Dieser Gedanke begegnet uns noch anschaulicher in den Bildern des 3. Buches Mose. Er verdient unsere ernsthafte Aufmerksamkeit, wenn wir unseren Herrn Jesus Christus in Aufrichtigkeit lieb haben.

Betrachten wir jetzt das Passah unter dem zweiten Gesichtspunkt, nämlich als den Mittelpunkt, um den sich das Volk in friedlicher und heili­ger Gemeinschaft versammelte. Die Rettung durch das Blut und das Passahmahl sind zwei sehr verschiedene Dinge. Das Volk war nur durch das Blut gerettet, aber der Mittelpunkt, um den es sich ver­sammelte, war das am Feuer gebratene Lamm. Das ist ein bedeutsamer Unterschied. Das Blut des Lammes bildet die Grundlage unserer Bezie­hungen zu Gott und auch unserer Beziehungen zu einander. Getrennt von dem vollkommenen Sühnopfer Christi kann weder von einer Ge­meinschaft mit Gott, noch von einer Gemeinschaft mit der Versammlung Gottes die Rede sein. jedoch dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, daß es der lebendige Christus im Himmel ist, mit dem der Heilige Geist die Gläubigen verbindet. 

Es ist ein lebendiges Haupt, mit dem wir ver­einigt, ein "lebendiger Stein", zu dem wir gekommen sind (l. Petr. 2, 4). Nachdem wir durch Sein Blut Frieden gefunden haben, ist Er nun unser Sammelpunkt sowie das Band, das uns vereinigt. "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte" (Matth. 18, 20). Der Heilige Geist allein ist es, welcher sammelt; Christus ist der einzige Gegenstand, zu dem hin die Gläubigen gesammelt werden; und unsere Versammlung muß, wenn wir so zusammengekommen sind, durch Heiligkeit charakterisiert sein, damit der Herr, unser Gott, in un­serer Mitte wohnen kann. 

Der Heilige Geist kann das Volk Gottes nur zu Christus und nicht zu einem System, zu einem Namen, zu einer Lehre oder Vorschrift hin sammeln. Er sammelt zu einer Person hin, und diese Person ist der im Himmel verherrlichte Christus. Das verleiht der Versammlung Gottes einen besonderen Charakter. Die Menschen mögen sich aus irgendeinem Grund, um irgendeinen Mittelpunkt oder zu irgendeinem beliebigen Zweck vereinigen; aber wenn der Heilige Geist vereinigt, dann geschieht es nur aufgrund einer vollbrachten Er­lösung um die Person Christi, um für Gott eine heilige Wohnstätte zu bereiten (l. Kor. 3, 16. 17; 6, 19; Eph. 2, 21. 22; 1. Petr. 2, 4. 5).

Es müssen nun noch die Grundsätze im einzelnen betrachtet werden, die in der Verordnung zum Passahfest enthalten sind. Die Versamm­lung Israels stand zwar schon unter dem Schutz des Blutes, aber sie mußte auch in einer Gott geziemenden Weise stattfinden. Um vor dein Gericht in Sicherheit zu sein, war nur das Blut erforderlich, aber im Blick auf die Gemeinschaft, die dadurch zustandegebracht war, waren andere Dinge nötig, die nicht vernachlässigt werden durften.

"Und sie sollen in selbiger Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gesotten, son­dern am Feuer gebraten: seinen Kopf samt seinen Schenkeln und samt seinem Eingeweide" (V. 8. 9). Das Lamm mußte der Wirkung des Feuers unterworfen werden. Hierin sehen wir Christus, "unser Passah" (1. Kor. 5, 7), wie Er sich selbst dem Feuer der

 göttlichen Heiligkeit und des göttlichen Gerichts aussetzte, das aber an Ihm keinen Makel finden konnte. Er konnte sagen: "Du hast mein Herz geprüft, hast mich des Nachts durchforscht; du hast mich geläutert ‑ nichts fandest du; mein Gedanke geht nicht weiter als mein Mund" (Ps. 17, 3). Bei Ihm war alles vollkommen. Das Feuer läuterte Ihn, aber es zeigten sich keine Schlacken. "Sein Kopf samt seinen Schenkeln und samt seinem Einge­weide", das ist: der Sitz des Verstandes sowie der äußere Wandel samt allem, was damit zusammenhing ‑ alles wurde dem Feuer ausgesetzt, und alles erwies sich als vollkommen. Das Braten des Lammes war daher, wie jede Einzelheit in den Anordnungen Gottes, von großer Be­deutung.

"Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gesotten". Wäre das Lamm in dieser Weise gegessen worden, so hätte das Passahmahl nicht die Absicht Gottes erfüllt, Christus darzustellen als das wirk­liche Passahlamm, das am Kreuz das Feuer des gerechten Zornes Gottes erdulden mußte. Wir stehen nicht nur unter dem ewigen Schutz des Blutes des Lammes,

 sondern durch den Glauben nähren wir uns auch von dem Lamm. Viele von uns verkümmern in dieser Beziehung. Sie begnügen sich mit dem Bewußtsein ihrer Errettung durch das voll­brachte Werk Christi, haben aber kein Verlangen nach praktischer Ge­meinschaft mit Ihm. Er aber kann sich damit nicht begnügen. Er hat uns so eng mit sich selbst verbunden, damit wir uns von Ihm nähren und uns in Ihm freuen können. Er stellt sich uns vor als das Lamm, das bis zum äußersten den Zorn Gottes ertragen hat, und in eben diesem Charakter will Er auch die Nahrung für unsere Seelen sein.

Aber wie sollte dieses Lamm gegessen werden? Mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern. Der Sauerteig ist in der ganzen Schrift ausnahms­los ein Bild des Bösen. Weder im Alten noch im Neuen Testament wird dieses Wort gebraucht, um irgend etwas Reines, Heiliges oder Gutes darzustellen. Daher ist das „Fest der ungesäuerten Brote" in diesem Kapitel ein Bild der praktischen Absonderung vom Bösen, die das Ergebnis der Reinigung durch das Blut des Lammes ist, die sich aber auch aus der Gemeinschaft mit Seinen Leiden ergibt. Nur ein ungesäuertes Brot war dem am Feuer gebratenen Lamm angemessen. Die geringste Menge Sauerteig hätte den Charakter des Passahmahls verdorben. Wie könnten wir irgend etwas Böses mit unserer

 Gemeinschaft mit dem leidenden Christus vereinbaren? Alle, die durch die Kraft des Heiligen Geistes die Bedeutung des Kreuzes verstehen, werden auch sicherlich durch dieselbe Kraft jeden Sauerteig aus ihrer Mitte entfernen. „Feget den alten Sauer­teig aus, auf daß ihr eine neue Masse sein möget, gleichwie ihr unge­säuert seid. Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet. Darum laßt uns Festfeier halten, nicht mit altern Sauerteig, auch nicht mit Sauer­teig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit ungesäuertem Brote der Lauterkeit und

 Wahrheit" (1. Kor. 5, 7. 8). Die hier erwähnte Festfeier im Leben der Kirche entspricht dem Fest der ungesäuerten Brote im Alten Testament. Dieses Fest dauerte sieben Tage; und sowohl dj[e Kirche in ihrer Gesamtheit, als auch der einzelne Christ sind berufen, während der sieben Tage, d. h. während ihres ganzen Daseins auf Erden, in praktischer Heiligkeit zu leben. Diese Notwendigkeit ergibt sich unmittelbar aus der Tatsache, daß sie durch das Blut gewaschen sind und mit dem Leiden Christi Gemeinschaft haben.

Der Israelit tat den Sauerteig nicht weg, um gerettet zu werden, son­dern weil er gerettet war; und wenn er es versäumt hätte, ihn zu be­seitigen, so wäre das zwar eine betrübliche Vernachlässigung gewesen, hätte aber keineswegs seine durch das Blut erlangte Sicherheit, sondern nur seine Gemeinschaft mit der Gemeinde beeinträchtigt. "Sieben Tage soll kein Sauerteig in euren Häusern gefunden werden; denn jeder, der Gesäuertes isset, selbige Seele soll aus der Gemeinde Israel ausgerottet werden, er sei Fremdling oder Eingeborener des Landes' (V. 19). Die Ausrottung eines Israeliten aus der Gemeinde entspricht genau der

 Unterbrechung der Gemeinschaft eines Christen, wenn dieser etwas Böses bei sich duldet, das mit der Heiligkeit Gottes in Widerspruch steht. Gott kann das Böse nicht dulden. Ein einziger unreiner Gedanke unter­bricht schon die Gemeinschaft mit Ihm; und solange diese Verunreini­gung nicht durch die Fürsprache Christi und ein darauf gegründetes Be­kenntnis weggetan worden ist, kann die Gemeinschaft nicht wiederher­gestellt werden (siehe 1. Joh. 1, 5‑10; vergl. auch Ps. 32, 3‑5). Ein aufrichtiger Christ freut sich auch darüber. Er kann frohen Herzens an die Heiligkeit Gottes denken und würde, auch wenn er es könnte, das Maß der Heiligkeit auch nicht um eine Haaresbreite vermindern. Für ihn ist es eine Freude, mit jemandem Gemeinschaft zu haben, der keinen Augenblick mit der geringsten Spur von "Sauerteig" in Verbindung sein kann.

Gott sei Dank, daß nichts unsere Verbindung mit Ihm lösen kann. Wir sind gerettet durch den HERRN, nicht mit einer bedingten, vorüber­gehenden, sondern mit einer ewigen Rettung (Jes. 45, 17). Aber Er­rettung und Gemeinschaft sind zwei verschiedene Dinge. Viele Seelen sind errettet, ohne es zu wissen; und viele auch, ohne sich ihrer Erret­tung zu erfreuen.

Ich kann mich nicht über die Sicherheit freuen, die das Blut an den Türpfosten mir bietet, wenn sich Sauerteig in meinem Hause befindet. Das ist ein unveränderlicher göttlicher Grundsatz. Die praktische Heiligkeit ist nicht die Grundlage unseres Heils, aber sie ist eng verbunden mit der Freude daran. Ein Israelit hatte nicht in dem un­gesäuerten Brot, sondern in dem Blut seine Rettung gefunden; aber dennoch unterbrach der Sauerteig seine Gemeinschaft mit Gott. Ebenso ist der Christ nicht durch seine praktische Heiligkeit, sondern durch das Blut errettet; aber wenn er in Gedanken, Worten oder Werken etwas Böses bei sich duldet, kann er keine wirkliche Freude und auch keine wirkliche Gemeinschaft mit dem Lamm Gottes haben.

Ich zweifle nicht daran, daß die Mißachtung dieses wichtigen Grund­satzes zum großen Teil die Ursache der geistlichen Dürre und des Man­gels an wahrem und beständigem Frieden ist, denen man unter den Kin­dern Gottes so oft begegnet. Sie leben nicht in praktischer Heiligkeit; sie halten nicht das "Fest der ungesäuerten Brote". Das Blut ist an den Türpfosten; aber der Sauerteig in ihren Häusern verhindert die Freude an der durch das Lamm bewirkten Sicherheit.

 Die Zulassung des Bösen macht jede Gemeinschaft mit Gott unmöglich. Alle, die der Versamm­lung Gottes angehören, müssen heilig sein. Sie sind befreit von der Schuld und den Folgen der Sünde, aber auch von der Kraft und der Sklaverei der Sünde. Gerade diese Befreiung durch das Blut des Passah­lammes verpflichtete die Israeliten, den Sauerteig aus allen ihren Gren­zen zu verbannen. Sollten sie etwa die schreckliche Sprache eines Ge­setzesverächters führen und

 sagen: "jetzt, nachdem wir gerettet sind, können wir leben, wie es uns gefällt"? Waren sie aus Gnaden gerettet, dann waren sie auch zur Heiligkeit gerettet. Wer die Freiheit der göttli­chen Gnade und die Vollkommenheit der Versöhnung zum Anlaß neh­men kann, "in der Sünde zu verharren (Röm. 6, 1), gibt dadurch zu erkennen, daß er weder die eine, noch die andere Sache versteht.

Ein Christ ist durch die Gnade nicht nur für alle Ewigkeit errettet, son­dern er hat auch eine neue, göttliche Natur bekommen; und diese neue Natur in ihm kann nicht sündigen, sondern findet ihre Freude an allem, was göttlich ist (Joh. 1, 13; 1. Joh. 3, 9; 2. Petr. 1, 4; 1. Joh. 2, 29; 5, 18). Ein Leben in der Kraft dieser Natur ist in Wirklichkeit ein "Halten" des Festes der ungesäuerten Brote. Es befindet sich weder "alter Sauerteig", noch "Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit" (l. Kor 5, 8) in der neuen Natur, denn sie ist aus Gott; und Gott ist heilig, "Gott ist Liebe (l. Joh. 4, 8). Es liegt daher auf der Hand, daß wir nicht deshalb das Böse von uns

 wegtun, um die alte, verderbte Natur zu veredeln, oder um die neue Natur zu erlangen, sondern weil wir die neue Natur schon besitzen. Wir haben Leben, und in der Kraft dieses Lebens beseitigen wir das Böse. Erst wenn wir von unserer Sün­denschuld befreit sind, können wir die wahre Kraft der Heiligkeit offen­baren. Dies auf einem anderen Wege erreichen zu wollen, wäre ein hoffnungsloses Bemühen. Das Fest der ungesäuerten Brote kann nur unter dem Schutz des Blutes gefeiert werden.

Ebenso bedeutsam und bildlich anwendbar wie das ungesäuerte Brot ist das, was ihm beigefügt werden mußte: die "bitteren Kräuter". Wir können uns nicht der Gemeinschaft mit den Leiden Christi erfreuen, ohne uns daran zu erinnern, was diese Leiden notwendig machte; und diese Erinnerung wird ohne Zweifel eine demütige Haltung des Geistes in uns bewirken, die in den "bitteren Kräutern" bei der Feier des Passah Ausdruck fand. Diese bitteren Kräuter rufen dem Gläubigen ins Bewußtsein, daß es seine Sünden waren, die Christus als das Lamm Gottes auf sich

 lud, und derentwegen Er den Zorn ertragen mußte. "Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden" (Jes. 53, 5). Wegen der außerordentlichen Leichtfertigkeit unserer Herzen ist es gut, die Bedeutung der bitteren Kräuter richtig zu verstehen. Wer könnte den 6., 22., 69., s8 und 109. Psalm lesen, ohne dabei an die Bedeutung des ungesäuerten Brotes und der bitteren Kräuter zu denken? Wirkliche Gemeinschaft mit den Leiden Christi bewirkt praktische Heiligkeit und tiefe Demut; denn Sünde und Leichtfertigkeit des Geistes sind angesichts solcher Leiden undenkbar.

Ohne Zweifel empfinden wir auch eine tiefe Freude bei dem Bewußt­sein, daß Christus unsere Sünden getragen und an unserer Statt den gerechten Zorn Gottes erduldet hat. Das ist die unerschütterliche Grundlage unserer Freude. Aber könnten wir es je vergessen, daß unsere Sünden die Ursache Seiner Leiden waren? Könnten wir je die überwältigende Wahrheit aus dem

 Auge verlieren, daß das Lamm Gottes Sein Haupt beugte unter dem schweren Gericht unserer Übertretungen? Wir müssen unser Lamm essen mit bitteren Kräutern und bringen damit die tiefen Erfahrungen eines Gläubigen zum Ausdruck, der mit geist­lichem Verständnis die Bedeutung des Kreuzes erkennt und verwirklicht.

Am Kreuz ist unsere ganze Schuld getilgt worden, und diese Tatsache erfüllt uns mit Frieden und Freude. Aber gleichzeitig finden wir darin das Ende unserer Natur, die Kreuzigung "des Fleisches", den Tod des "alten Menschen" (Siehe Röm. 6, 6; Gal. 2, 20; 6,14; Kol. 2, 11). Das ist "bitter" für unsere Natur. Denn nun sind wir aufgerufen, uns selbst zu verleugnen, unsere Glieder, die auf der Erde sind, zu töten (Kol. 3, 5) und uns der Sünde für tot zu halten (Röm. 6, 11). Das scheint eine schreckliche Konsequenz zu sein; aber wenn man einmal in das blutbe­

sprengte Haus eingetreten ist, denkt man ganz anders darüber. Diesel­ben Kräuter, die für einen Ägypter ohne Zweifel ganz bitter waren, bildeten einen wesentlichen Teil des Erlösungsfestes der Israeliten. Wer durch das Blut des Lammes erkauft ist und die Freude der Gemeinschaft mit Ihm kennt, betrachtet es als ein "Fest", das Böse zu beseitigen und die Natur für tot zu halten.

"Und ihr sollt nichts davon übriglassen bis an den Morgen; und was davon bis an den Morgen übrigbleibt, sollt ihr mit Feuer verbrennen" (V. 10). Diese Vorschrift lehrt uns, daß die Gemeinschaft der versam­melten Israeliten nur in unmittelbarer Verbindung mit dem geopferten Lamm möglich war. Auch wir müssen uns daran erinnern, daß unsere Gemeinschaft auf das Opfer Christi gegründet ist und mit diesem Opfer verbunden bleiben muß. Wer glaubt, auf irgendeiner anderen Grund­lage mit Gott Gemeinschaft haben zu können, der meint damit zugleich, daß Gott mit dem in uns wohnenden Bösen Gemeinschaft machen könne; und wer

 daran denkt, mit Menschen auf einem anderen Boden Gemeinschaft zu machen, der ist auf dem Wege, eine unreine und un­heilige Vereinigung zu bilden, aus der nur Verwirrung und Ungerechtig­keit hervorgehen kann. Mit einem Wort, es muß alles auf das Blut ge­gründet und mit dem Blut untrennbar verbunden sein. Das ist die ein­fache Bedeutung der Vorschrift, das Lamm noch in derselben Nacht zu essen, in der das Blut geflossen war. Die Gemeinschaft darf nicht von ihrer Grundlage getrennt werden.

Es ist wirklich ein vollendetes Bild, das wir hier vor uns haben! Das Volk Israel ist unter dem Schutz des Blutes in Frieden versammelt und ißt das am Feuer gebratene Lamm mit dein ungesäuerten Brot und mit den bitteren Kräutern. Da war keine Furcht vor dem Gericht, keine Furcht vor dem Zorn des HERRN, keine Furcht vor der schrecklichen, aber gerechten Rache, die

 um Mitternacht über Ägypten kommen würde. Hinter den mit Blut bestrichenen Türpfosten war Friede. Die Israeliten hatten nichts von draußen her zu fürchten; und auch im Innern konnte sie nichts beunruhigen, es sei denn der Sauerteig, der ihrem Frieden und ihrem Glück ein Ende bereitet hätte. Welch ein Bild für die Kirche und für den Christen! Es lohnt sich, darüber nachzudenken und daraus zu lernen!

wir sind jedoch mit der Betrachtung der Passahverordnung noch nicht zu Ende. Wir haben gesehen, in welche Stellung die Versammlung Israels gebracht war und was ihre Speise war. Richten wir nun unseren Blick auf ihre Bekleidung. "Und also sollt ihr es essen: Eure Lenden gegürtet, eure Schuhe an euren Füßen, und euren Stab in eurer Hand; und ihr sollt es essen in Eile. Es ist das Passah des HERRN" (V. 11). Die Israeliten sollten schon während des Essens bereit sein, das Land des To­des und des Gerichts hinter sich zu lassen und sich dem Land der Verhei­ßung, dem für sie bestimmten Erbteil, zuzuwenden. Das Blut, das sie vor dem Schicksal der

 Erstgeborenen Ägyptens bewahrt hatte, war zugleich die Grundlage ihrer Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens; und jetzt soll­ten sie mit Gott zu jenem Land aufbrechen, das von Milch und Honig floß. Freilich hatten sie noch nicht das Rote Meer durchschritten und noch nicht die drei Tagesreisen" vollendet. Und doch waren sie im Prinzip schon erlöst, abgesondert, abhängig von Gott und bereit, die Reise zu beginnen. Auch ihre Kleidung mußte mit dieser Stellung und

 Bestim­mung in Einklang sein. Die gegürteten Lenden waren ein Zeichen ihrer Bereitwilligkeit zum Dienst und der Absonderung von allem, was sie umgab. Die beschuhten Füße bezeichneten ihre Bereitschaft, Ägypten zu verlassen, während der Stab in der Hand andeutete, daß sie ein wan­derndes Volk waren, das sich auf etwas außerhalb seiner selbst stützen mußte. Der Herr gebe, daß diese Kennzeichen bei allen Seinen Erlösten mehr sichtbar werden!

Laßt uns die bisherigen Gedanken kurz zusammenfassen. Durch die Gnade haben wir die reinigende Wirkung des Blutes Jesu erfahren, und infolgedessen ist es unser Vorrecht, uns von Ihm und Seinem "unaus­forschlichen Reichtum" zu nähren (Eph. j, 8) und mit Seinen Leiden Gemeinschaft zu haben. Unser Leben soll nun geprägt sein durch un­gesäuertes Brot und bittere Kräuter, durch umgürtete Lenden, beschuhte Füße und durch den Stab in der Hand. Möchten wir gekannt sein als ein heiliges und gekreuzigtes, als ein wachsames und fleißiges Volk ‑als ein

 Volk, das auf dem Weg zur Herrlichkeit ist! Gott gebe uns die Gnade, mehr in die Tiefe und Kraft dieser Dinge einzudringen, so daß sie nicht nur eine Sache schriftgemäßer Erkenntnis und Auslegung für uns sind, sondern vielmehr lebendige Wirklichkeiten, die wir durch Erfahrung kennen und in unserem Leben darstellen zur Ehre Gottes!

In den Versen 43‑49 finden wir die Anordnung, daß kein unbeschnitte­ner Fremdling am Passahmahl teilnehmen durfte. "Kein Fremdling soll davon essen . . . Die ganze Gemeinde Israel soll es feiern". Die Beschnei­dung war erforderlich, ehe man das Passah essen konnte. Es muß, mit anderen Worten, das Todesurteil über unsere Natur geschrieben werden, bevor Christus als die Grundlage des Friedens oder als der Mittelpunkt der Gemeinschaft unsere Nahrung sein kann. Die Beschneidung ist das Zeichen von Gottes Bund mit Israel und von dem Ausziehen des Leibes des Fleisches (vergl. Kol. 2, 11. 12); ihr Gegenbild ist das Kreuz. Nur alles Männliche in Israel wurde beschnitten. Das Weibliche fand seine Darstellung in dem Männlichen. 

So hat Christus am Kreuz Seine Kirche dargestellt, und deshalb ist sie mit Christus gekreuzigt. Dennoch lebt der Gläubige, und zwar durch das Leben Christi, das durch die Kraft des Heiligen Geistes auf Erden geoffenbart wird. "Und wenn ein Fremd­ling bei dir weilt und das Passah dem HERRN feiern will, so werde alles Männliche bei ihm beschnitten, und dann komme er herzu, es zu feiern; und er soll sein wie ein Eingeborener des Landes. Aber kein Un­beschnittener soll davon essen" (V. 48). "Die aber, welche im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen" (Röm. 8, 8).

Die Anordnung der Beschneidung trennte das Volk Gottes von allen Bewohnern der Erde; und ebenso ist das Kreuz des Herrn Jesus die Schranke zwischen der Kirche und der Welt. Weder persönliche Quali­täten, noch die Stellung, die ein Mensch einnahm, änderten etwas an dieser Sachlage; solange er sich nicht der Beschneidung unterwarf, hatte er durchaus kein Teil mit Israel. Ein beschnittener Bettler war Gott näher als ein unbeschnittener König. 

Und ebenso ist heute das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus das einzige Mittel, um die Freude der Erlösten Gottes teilen zu können; und dieses Kreuz beseitigt alle Anmaßungen, Unterschiede und Vorzüge und vereinigt alle Erlösten zu einer heiligen Versammlung von Anbetern, die in dem Blut gewaschen sind. Das Kreuz bildet eine so hohe Schranke und eine so undurchdringliche Schutz­mauer, daß kein Stäubchen von der Erde und der Natur hindurchgelan­gen kann, um sich mit der "neuen Schöpfung" zu vermischen. "Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden. Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesus Christus" (2. Kor. 5,17.18).

Es wurde jedoch nicht nur die Absonderung Israels von allen Fremd­lingen im Passahmahl zum Ausdruck gebracht, sondern auch die Ein­heit Israels. "In einem Hause soll es gegessen werden; du sollst nichts von dem Fleische aus dein Hause hinausbringen, und ihr sollt kein Bein an ihm zerbrechen" (V. 46). Ein schöneres Bild von dem einen Leib und dem einen Geist (Eph. 4, 4)

 könnte kaum gefunden werden. Die Kirche oder Versammlung Gottes ist eins. Gott betrachtet und er­hält sie so, und Er wird sie auch angesichts der Engel, Menschen und Teufel so darstellen, trotz aller Versuche, diese heilige Einheit zu zer­stören. Gott sei Dank! Er selbst ist es, der die Einheit Seiner Kirche ebenso garantiert wie ihre Rechtfertigung und ihre ewige Sicherheit. "Er bewahrt alle seine Gebeine; nicht eines von ihnen wird zerbrochen" (Ps. 34, 20). Und wiederum: Kein Bein von ihm wird zerbrochen werden" (Joh. 19, 36). Trotz der Grausamkeit der Kriegsknechte Roms und trotz aller feindlichen Einflüsse, die von Jahrhundert zu Jahrhundert

 gewirkt haben, ist der Leib Christi eins, und seine göttliche Einheit kann nie zerstört werden (vergl. Joh. 11, 52; 1. Kor. 1, 12. 13; 12, 4‑27; Eph. 2, 14‑22; 4, 3‑16). "Da ist ein Leib und ein Geist", und zwar hier, auf dieser Erde. Glückselig alle, die diese kostbare Wahrheit im Glauben anerkennen und treu genug sind, sie in diesen letzten Tagen auch darzustellen, ungeachtet der fast unüberwindlichen Schwierigkeiten, denen sie auf ihrem Weg begegnen! Ich glaube, daß Gott solche aner­kennen und ehren wird. Möge der Herr uns von dem Geist des Un­glaubens befreien, der uns verleitet, nicht nach Seinem unveränderlichen Wort zu urteilen, sondern nach dem, was sichtbar ist.

2.Mose 13, Erstgeburt, C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kapitel 13 ERSTGEBURT UND FEST DER UNGESÄUERTEN BROTE

Die ersten Verse dieses Kapitels zeigen uns sehr deutlich, daß persön­liche Hingabe und praktische Heiligkeit die Antwort der Erlösten auf die Liebe Gottes sind. Die Weihung des Erstgeborenen und das Fest der ungesäuerten Brote werden uns hier in unmittelbarer Verbindung mit der Befreiung des Volkes aus Ägypten vor Augen gestellt. "Heilige mir alles Erstgeborene, was irgend die Mutter bricht unter den Kindern Israel, an Menschen und an Vieh; es ist mein. ‑ Und Mose sprach zu dem Volke: Gedenket dieses Tages, an welchem ihr aus Ägypten ge­zogen seid, aus dem Hause der Knechtschaft; denn mit starker Hand hat der HERR euch von hier herausgeführt; und es soll nichts Gesäuer­tes gegessen werden" (V. 2. 3). 

Und weiter: "Sieben Tage sollst du Un­gesäuertes essen, und am siebenten Tage ist ein Fest dem HERRN. Die sieben Tage soll Ungesäuertes gegessen werden; und nicht soll Gesäuer­tes bei dir gesehen werden, noch soll Sauerteig bei dir gesehen werden in allen deinen Grenzen" (V. 6. 7).

Dann wird uns mitgeteilt "aus welchem Grund diese beiden Verordnun­gen befolgt werden sollten. "Und du sollst deinem Sohne an selbigem Tage kundtun und sprechen: Es ist um deswillen, was der HERR mir getan hat, als ich aus Ägypten zog" (V. 8). Und weiter: "Und es soll geschehen, wenn dein Sohn dich künftig fragt und spricht: Was ist das? so sollst du zu ihm sagen: Mit starker Hand hat der HERR uns aus Ägypten herausgeführt, aus dem Hause der Knechtschaft.

 Und es geschah, da der Pharao sich hartnäckig weigerte, uns ziehen zu lassen, tötete der HERR alle Erstgeburt im Lande Ägypten, vom Erstgeborenen des Menschen bis zum Erstgeborenen des Viehes; darum opfere ich dem HERRN alles, was die Mutter bricht, die Männlichen, und jeden Erst­geborenen meiner Söhne löse ich" (V. 14. 15).

je mehr wir durch die Kraft des Geistes Gottes die Erlösung, die in Jesus Christus ist, verstehen und verwirklichen, um so entschiedener wird unsere Absonderung und um so aufrichtiger wird unsere Hingabe sein. Wenn wir das eine oder das andere verwirklichen wollen, bevor wir die Erlösung erkannt haben, dann ist unsere Anstrengung vergeblich. Alles, was wir tun, muß deswegen geschehen, weil der Herr so viel an uns getan hat, und nicht in der Absicht, etwas von Ihm zu erlangen. Wer Leben und Frieden durch eigene Anstrengung verdienen will, dem ist die

 Kraft des Blutes noch fremd. "Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittelst des Glaubens, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, auf daß niemand sich rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, auf daß wir in ihnen wandeln sollen" (Eph. 2, 8‑10). Gott hat schon einen Weg guter Werke für uns bereitet; und durch die Gnade bereitet Er uns jetzt zu, um diesen Weg gehen zu können. Und wir können das nur, weil wir schon erlöst sind; andernfalls würden wir uns selbst rühmen können. Wenn aber wir selbst und auch der Weg, den wir gehen, das Werk Gottes sind, so ist kein Grund zum Rühmen vorhanden (Röm. 3, 27; 1. Kor. 1, 27‑31).

Wahres Christentum ist nichts anderes als die Offenbarung des Lebens Christi, das in uns eingepflanzt ist. Alle Werke, die wir vor der Ein­pflanzung dieses Lebens getan haben, sind tote Werke", von denen unser Gewissen ebenso wie von "bösen Werken" gereinigt werden mußte (Hebr. 9, 14). Der Ausdruck "tote Werke' umfaßt alles, was ein Mensch tut, um dadurch Leben zu erlangen. Wenn jemand das Leben sucht, so ist es klar, daß er es noch nicht empfangen hat. 

Er mag in seinem Suchen sehr aufrichtig sein, aber gerade seine Aufrichtigkeit zeigt um so deutlicher, daß er noch nicht gefunden hat, was er sucht. Das Leben Christi ist die einzige Quelle, aus der gute Werke hervorkommen können. Beachten wir wohl, daß es sich hier nicht um "böse Werke" handelt. Niemand würde daran denken, durch böse Werke das Leben zu erlangen. Im Gegenteil, man wird finden, daß die Menschen ständig zu "toten Werken" ihre Zuflucht nehmen, um ihr von "bösen Werken" belastetes Gewissen zu beruhigen. Das Wort Gottes aber belehrt uns, daß das Gewissen ebenso von den einen wie von den anderen gereinigt werden muß.

Auch in bezug auf die Gerechtigkeit lesen wir: " . . . alle unsere Ge­rechtigkeiten (sind) gleich einem unflätigen Kleide« (Jes. 6.4, 6). Es wird nicht gesagt, daß unsere Gottlosigkeiten ein unflätiges Kleid seien. Das würde jeder sofort zugeben. Aber gerade das Beste, was wir an Religiosität und Gerechtigkeit hervorbringen können, wird in der Bibel als "totes Werk" und als "unflätiges Kleid" bezeichnet. Gerade unsere Anstrengungen zur Erlangung des Lebens sind der

 Beweis, daß wir tot sind; und gerade unsere Anstrengungen zur Erlangung der Gerechtig­keit beweisen, daß wir ein unflätiges Kleid tragen. Erst wenn wir schon ewiges Leben und göttliche Gerechtigkeit besitzen, können wir die von Gott bereiteten guten Werke vollbringen. Tote Werke und ein unflätiges Kleid genügen nicht, um diesen Weg betreten zu können. Nur "die Be­freiten des HERRN" (Jes. 51, 11) sind dazu befähigt. Nur als ein er­löstes Volk feierte Israel das Fest der ungesäuerten Brote und weihte seine Erstgeborenen dem Herrn.

Der Würgengel ging durch Ägypten, um alle Erstgeburt zu töten; aber die Erstgeborenen Israels entgingen dem Gericht durch den Tod des von Gott vorgesehenen Stellvertreters. So waren sie nun gerettet durch das Blut des Lammes und konnten ihr Leben dem weihen, der es ihnen ge­geben hatte. Nur als Erlöste besaßen sie das Leben. Die Gnade Gottes hatte ihretwegen einen Unterschied gemacht (2. Mose 11, 5‑7) und ihnen als lebendigen Menschen einen Platz in Seiner

 Gegenwart ge­geben. Sie hatten sicher keine Ursache, sich zu rühmen, denn wir lernen aus diesem Kapitel, daß sie in Anbetracht ihres persönlichen Verdienstes oder Wertes mit einem unreinen Tier auf eine Ebene gestellt wurden. "Und jedes Erstgeborene des Esels sollst du mit einem Lamme lösen, und wenn du es nicht lösest, so brich ihm das Genick; und jedes Erst­geborene des Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen" (V. 13). Es gab Reines und Unreines für Israel, und der Mensch wurde zu dem letzteren gezählt. Das Lamm mußte die Stelle des Unreinen einnehmen. Und wenn der Esel nicht gelöst wurde, mußte ihm das Genick

 gebrochen werden. So stand also ein nicht erlöster Mensch mit einem unreinen, verachteten Tier auf gleicher Ebene. Welch ein demütigendes Bild des Menschen in seinem natürlichen Zustand! Würden wir dar. klarer vor Augen haben, dann könnte kein Stolz mehr bei uns zu finden sein; dann würden wir auch die Freude darüber tiefer empfinden, daß wir in dem Blut des Lammes von aller Schuld und Ungerechtigkeit reinge­waschen sind!

Christus war das reine, fleckenlose Lamm. Wir waren unrein. Aber Er nahm unseren Platz ein; Er wurde am Kreuz zur Sünde gemacht und als solche behandelt. Das, was wir alle in Ewigkeit hätten erdulden müssen, hat Er am Kreuz für uns erduldet. Er ertrug dort alles, was wir verdient haben, damit uns für immer das zuteil werden könnte, was Er verdient hat. 

Er empfing unseren Lohn, damit wir Seinen empfan­gen konnten. Der Reine nahm eine Zeitlang den Platz des Unreinen ein "damit der Unreine für ewig den Platz des Reinen einnehmen könnte. Während wir also unserer Natur nach in einem Esel, dessen Genick gebrochen war, dargestellt werden, sehen wir uns nun durch die Gnade in dem auferstandenen und im Himmel verherrlichten Christus darge­stellt. Welch ein Gegensatz! Mit der Herrlichkeit und dem Rühmen des Menschen ist es nun vorbei; die Liebe Gottes und des Lammes aber kann nicht genug gelobt werden; von Ewigkeit zu Ewigkeit wird dieses Lob in den Himmeln. gehört werden.*)

Wir werden hier unwillkürlich an die Worte erinnert, die der Apostel an die Gläubigen in Rom schrieb: "Wenn wir aber mit Christo gestor­ben sind, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden, da wir wissen, daß Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn. Denn was er gestorben ist, ist er ein für allemal der Sünde

 gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott. Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu. So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu gehorchen; stellet auch nicht eure Glieder der Sünde dar zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit, sondern stellet euch selbst Gott dar als Lebende aus den Toten, und eure Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit. Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade"

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*) Es ist interessant, daß wir von Natur mit einem unreinen Tier auf gleichen Boden gestellt, aber durch die Gnade mit Christus vereinigt sind. Es gibt keinen niedrigeren Platz als den, der uns von Natur aus zusteht, und keinen höheren, als den, der uns aus Gnaden geschenkt worden ist. Betrachtet man einen Esel, dessen Genick gebrochen ist, dann kennt man den Wert eines nicht erlösten Menschen; schaut man auf das "kostbare Blut Christi", dann kennt man den Wert eines Erlösten. "Euch nun, die ihr glaubet, ist die Kostbarkeit" (1. Petr. 2, 7).

 Das will sagen: alle, die in dem Blute gewa­schen sind, teilen die Kostbarkeit Christi. Wie Er ein "lebendiger Stein" ist, so sind auch sie kostbare Steine". Sie empfangen Leben und Kostbarkeit von Ihm und in Ihm. Sie sind, wie Er ist. Jeder Stein in dem Bau ist kostbar, weil er durch keinen geringeren Preis als "das Blut des Lammes" erkauft ist. Wie wichtig ist es für die Christen, sich dieser Stellung vor Gott bewußt zu sein 1

(Röm. 6, 8‑14). Wir sind nicht nur losgekauft von der Macht des Todes, sondern auch vereinigt mit Ihm, der uns um einen so hohen Preis losge­kauft hat, damit wir in der Kraft des Heiligen Geistes unser neues Leben mit allen seinen Kräften Seinem Dienste weihen, damit Sein Name in uns verherrlicht werde.

In den letzten Versen unseres Kapitels sehen wir, wie mitfühlend der Herr auf die Bedürfnisse Seines Volkes eingeht. "Er kennt unser Ge­bilde, ist eingedenk, daß wir Staub sind" (Ps. 103, 14). Als Er Israel erlöste, um es mit sich selbst in Verbindung zu bringen, lud Er in Seiner unergründlichen Gnade alle Bedürfnisse und Schwachheiten der Seinigen auf sich. 

Was sie waren und was sie brauchten, hatte nichts zu bedeuten, wenn Er, der sich "Ich bin" nannte, in der ganzen Fülle dieses Namens ihnen das Geleit gab. Er war im Begriff, sie aus Ägypten nach Kanaan zu führen; und nun sehen wir, wie Er einen geeigneten Weg für sie auswählt. "Und es geschah, als der Pharao das Volk ziehen ließ, da führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, wiewohl er nahe war; denn Gott sprach Damit es das Volk nicht ge­reue, wenn sie den Streit sehen, und sie nicht nach Ägypten zurück­kehren. 

Und Gott führte das Volk herum, den Weg der Wüste des Schilfmeeres; und die Kinder Israel zogen gerüstet aus dem Lande Ägypten herauf" (V. 17. 18).

Der Herr richtet in Seiner Gnade alles so weise ein, daß die Seinen nicht gleich am Anfang ihres Weges allzu großen Schwierigkeiten begegnen, damit sie nicht entmutigt und zum Rückzug gedrängt werden. Der "Weg der Wüste" war viel länger als der durch das Land der Philister, aber Gott wollte Seinem Volk verschiedene wichtige Lehren beibringen, die es nur in der Wüste lernen konnte. Später wurden sie daran er­innert: "

Und du sollst gedenken des ganzen Weges, den dich der HERR, dein Gott, hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu versuchen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote beobachten würdest oder nicht. Und er demütigte dich und ließ dich hungern; und er speiste dich mit dem! Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht kannten, um dir kund­zutun, daß der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was aus dem Munde des HERRN hervorgeht.

 Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre" (5. Mose 8, 2‑4). Solche Erfahrungen wären auf dem Weg durch das Land der Philister nicht möglich gewesen. Auf diesem Weg hätten die Israeliten wohl lernen können, was Krieg ist;

aber auf dem "Weg der Wüste" lernten sie das Fleisch kennen in seiner ganzen Verdorbenheit, in seinem Unglauben und seiner Empörung. Doch der "Ich bin" war bei ihnen mit Seiner langmütigen Gnade, mit Seiner Weisheit und Macht. Niemand außer Ihm konnte den

 Er­fordernissen des Augenblicks entsprechen. Niemand außer Ihm konnte aber auch die Tiefen des menschlichen Herzens ertragen. Wenn mein Herz aufgedeckt würde, ohne daß ich zugleich die unendliche Gnade Gottes sehen könnte, müßte ich hoffnungslos verzweifeln. Das Herz des Menschen ist eine Hölle im kleinen. Was für eine unendliche Gnade ist es deshalb, von seinen schrecklichen Tiefen befreit zu sein!

"Und sie brachen auf von Sukkoth und lagerten sich in Etham, am Rande der Wüste. Und der HERR zog vor ihnen her, des Tages in einer Wolkensäule, um sie auf dem Wege zu leiten, und des Nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht ziehen könnten. Des Tages wich nicht die Wolkensäule, noch des Nachts die Feuersäule vor dem Volke" (V. 20‑22). 

Der HERR wählte nicht nur einen Weg für die Seinen aus, sondern Er ging auch selbst mit ihnen auf diesem Weg und kam allen ihren Bedürfnissen entgegen. Er führte sie nicht nur sicher aus Ägypten hinaus, sondern Er ließ sich auch herab, um bei allen Zwischenfällen ihrer Wüstenreise ihr Gefährte zu sein. Das war göttliche Gnade. Die Israeliten wurden nicht aus Ägypten erlöst und dann sich selbst überlassen, um den Weg nach Kanaan, so gut sie es konnten, allein zu gehen. Das ist nicht die Handlungsweise Gottes. Er wußte, daß sie eine beschwerliche und gefährliche Reise vor sich hatten, auf der es Schlangen und Skorpione, Fallstricke und Schwierig­keiten, Dürre und Unfruchtbarkeit gab. 

Da wollte Er sie nicht allein gehen lassen, und Er zog vor ihnen her. Er war ein Führer, ein Licht, ein Schutz, um sie von jeder Furcht zu befreien. Wie war es möglich, einen solchen Herrn so oft durch Hartnäckigkeit und Ungehorsam zu betrüben! Wäre das Volk nur demütig und zufrieden geblieben und hätte vertrauensvoll auf Ihn geblickt, dann wäre die Reise vom Anfang bis zum Ende ein Triumphzug gewesen. Mit dem HERRN an ihrer Spitze hätte keine Macht ihren Zug von Ägypten nach Kanaan auf­halten können. 

Er hätte sie nach Seiner Verheißung und durch Seine Macht in das Land geführt, hätte es ihnen zum Besitz gegeben und nicht erlaubt, daß ein einziger Kanaaniter zurückbliebe, um ihnen das Erbteil streitig zu machen. Doch so wird es einst sein, wenn der HERR Seine Hand zum zweiten Mal ausstrecken wird, um Sein Volk aus der Gewalt aller ihrer Unterdrücker zu befreien. Wie bald schon mag es soweit sein!