2.Mose 13, Erstgeburt, C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kapitel 13 ERSTGEBURT UND FEST DER UNGESÄUERTEN BROTE

Die ersten Verse dieses Kapitels zeigen uns sehr deutlich, daß persön­liche Hingabe und praktische Heiligkeit die Antwort der Erlösten auf die Liebe Gottes sind. Die Weihung des Erstgeborenen und das Fest der ungesäuerten Brote werden uns hier in unmittelbarer Verbindung mit der Befreiung des Volkes aus Ägypten vor Augen gestellt. "Heilige mir alles Erstgeborene, was irgend die Mutter bricht unter den Kindern Israel, an Menschen und an Vieh; es ist mein. ‑ Und Mose sprach zu dem Volke: Gedenket dieses Tages, an welchem ihr aus Ägypten ge­zogen seid, aus dem Hause der Knechtschaft; denn mit starker Hand hat der HERR euch von hier herausgeführt; und es soll nichts Gesäuer­tes gegessen werden" (V. 2. 3). 

Und weiter: "Sieben Tage sollst du Un­gesäuertes essen, und am siebenten Tage ist ein Fest dem HERRN. Die sieben Tage soll Ungesäuertes gegessen werden; und nicht soll Gesäuer­tes bei dir gesehen werden, noch soll Sauerteig bei dir gesehen werden in allen deinen Grenzen" (V. 6. 7).

Dann wird uns mitgeteilt "aus welchem Grund diese beiden Verordnun­gen befolgt werden sollten. "Und du sollst deinem Sohne an selbigem Tage kundtun und sprechen: Es ist um deswillen, was der HERR mir getan hat, als ich aus Ägypten zog" (V. 8). Und weiter: "Und es soll geschehen, wenn dein Sohn dich künftig fragt und spricht: Was ist das? so sollst du zu ihm sagen: Mit starker Hand hat der HERR uns aus Ägypten herausgeführt, aus dem Hause der Knechtschaft.

 Und es geschah, da der Pharao sich hartnäckig weigerte, uns ziehen zu lassen, tötete der HERR alle Erstgeburt im Lande Ägypten, vom Erstgeborenen des Menschen bis zum Erstgeborenen des Viehes; darum opfere ich dem HERRN alles, was die Mutter bricht, die Männlichen, und jeden Erst­geborenen meiner Söhne löse ich" (V. 14. 15).

je mehr wir durch die Kraft des Geistes Gottes die Erlösung, die in Jesus Christus ist, verstehen und verwirklichen, um so entschiedener wird unsere Absonderung und um so aufrichtiger wird unsere Hingabe sein. Wenn wir das eine oder das andere verwirklichen wollen, bevor wir die Erlösung erkannt haben, dann ist unsere Anstrengung vergeblich. Alles, was wir tun, muß deswegen geschehen, weil der Herr so viel an uns getan hat, und nicht in der Absicht, etwas von Ihm zu erlangen. Wer Leben und Frieden durch eigene Anstrengung verdienen will, dem ist die

 Kraft des Blutes noch fremd. "Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittelst des Glaubens, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, auf daß niemand sich rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, auf daß wir in ihnen wandeln sollen" (Eph. 2, 8‑10). Gott hat schon einen Weg guter Werke für uns bereitet; und durch die Gnade bereitet Er uns jetzt zu, um diesen Weg gehen zu können. Und wir können das nur, weil wir schon erlöst sind; andernfalls würden wir uns selbst rühmen können. Wenn aber wir selbst und auch der Weg, den wir gehen, das Werk Gottes sind, so ist kein Grund zum Rühmen vorhanden (Röm. 3, 27; 1. Kor. 1, 27‑31).

Wahres Christentum ist nichts anderes als die Offenbarung des Lebens Christi, das in uns eingepflanzt ist. Alle Werke, die wir vor der Ein­pflanzung dieses Lebens getan haben, sind tote Werke", von denen unser Gewissen ebenso wie von "bösen Werken" gereinigt werden mußte (Hebr. 9, 14). Der Ausdruck "tote Werke' umfaßt alles, was ein Mensch tut, um dadurch Leben zu erlangen. Wenn jemand das Leben sucht, so ist es klar, daß er es noch nicht empfangen hat. 

Er mag in seinem Suchen sehr aufrichtig sein, aber gerade seine Aufrichtigkeit zeigt um so deutlicher, daß er noch nicht gefunden hat, was er sucht. Das Leben Christi ist die einzige Quelle, aus der gute Werke hervorkommen können. Beachten wir wohl, daß es sich hier nicht um "böse Werke" handelt. Niemand würde daran denken, durch böse Werke das Leben zu erlangen. Im Gegenteil, man wird finden, daß die Menschen ständig zu "toten Werken" ihre Zuflucht nehmen, um ihr von "bösen Werken" belastetes Gewissen zu beruhigen. Das Wort Gottes aber belehrt uns, daß das Gewissen ebenso von den einen wie von den anderen gereinigt werden muß.

Auch in bezug auf die Gerechtigkeit lesen wir: " . . . alle unsere Ge­rechtigkeiten (sind) gleich einem unflätigen Kleide« (Jes. 6.4, 6). Es wird nicht gesagt, daß unsere Gottlosigkeiten ein unflätiges Kleid seien. Das würde jeder sofort zugeben. Aber gerade das Beste, was wir an Religiosität und Gerechtigkeit hervorbringen können, wird in der Bibel als "totes Werk" und als "unflätiges Kleid" bezeichnet. Gerade unsere Anstrengungen zur Erlangung des Lebens sind der

 Beweis, daß wir tot sind; und gerade unsere Anstrengungen zur Erlangung der Gerechtig­keit beweisen, daß wir ein unflätiges Kleid tragen. Erst wenn wir schon ewiges Leben und göttliche Gerechtigkeit besitzen, können wir die von Gott bereiteten guten Werke vollbringen. Tote Werke und ein unflätiges Kleid genügen nicht, um diesen Weg betreten zu können. Nur "die Be­freiten des HERRN" (Jes. 51, 11) sind dazu befähigt. Nur als ein er­löstes Volk feierte Israel das Fest der ungesäuerten Brote und weihte seine Erstgeborenen dem Herrn.

Der Würgengel ging durch Ägypten, um alle Erstgeburt zu töten; aber die Erstgeborenen Israels entgingen dem Gericht durch den Tod des von Gott vorgesehenen Stellvertreters. So waren sie nun gerettet durch das Blut des Lammes und konnten ihr Leben dem weihen, der es ihnen ge­geben hatte. Nur als Erlöste besaßen sie das Leben. Die Gnade Gottes hatte ihretwegen einen Unterschied gemacht (2. Mose 11, 5‑7) und ihnen als lebendigen Menschen einen Platz in Seiner

 Gegenwart ge­geben. Sie hatten sicher keine Ursache, sich zu rühmen, denn wir lernen aus diesem Kapitel, daß sie in Anbetracht ihres persönlichen Verdienstes oder Wertes mit einem unreinen Tier auf eine Ebene gestellt wurden. "Und jedes Erstgeborene des Esels sollst du mit einem Lamme lösen, und wenn du es nicht lösest, so brich ihm das Genick; und jedes Erst­geborene des Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen" (V. 13). Es gab Reines und Unreines für Israel, und der Mensch wurde zu dem letzteren gezählt. Das Lamm mußte die Stelle des Unreinen einnehmen. Und wenn der Esel nicht gelöst wurde, mußte ihm das Genick

 gebrochen werden. So stand also ein nicht erlöster Mensch mit einem unreinen, verachteten Tier auf gleicher Ebene. Welch ein demütigendes Bild des Menschen in seinem natürlichen Zustand! Würden wir dar. klarer vor Augen haben, dann könnte kein Stolz mehr bei uns zu finden sein; dann würden wir auch die Freude darüber tiefer empfinden, daß wir in dem Blut des Lammes von aller Schuld und Ungerechtigkeit reinge­waschen sind!

Christus war das reine, fleckenlose Lamm. Wir waren unrein. Aber Er nahm unseren Platz ein; Er wurde am Kreuz zur Sünde gemacht und als solche behandelt. Das, was wir alle in Ewigkeit hätten erdulden müssen, hat Er am Kreuz für uns erduldet. Er ertrug dort alles, was wir verdient haben, damit uns für immer das zuteil werden könnte, was Er verdient hat. 

Er empfing unseren Lohn, damit wir Seinen empfan­gen konnten. Der Reine nahm eine Zeitlang den Platz des Unreinen ein "damit der Unreine für ewig den Platz des Reinen einnehmen könnte. Während wir also unserer Natur nach in einem Esel, dessen Genick gebrochen war, dargestellt werden, sehen wir uns nun durch die Gnade in dem auferstandenen und im Himmel verherrlichten Christus darge­stellt. Welch ein Gegensatz! Mit der Herrlichkeit und dem Rühmen des Menschen ist es nun vorbei; die Liebe Gottes und des Lammes aber kann nicht genug gelobt werden; von Ewigkeit zu Ewigkeit wird dieses Lob in den Himmeln. gehört werden.*)

Wir werden hier unwillkürlich an die Worte erinnert, die der Apostel an die Gläubigen in Rom schrieb: "Wenn wir aber mit Christo gestor­ben sind, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden, da wir wissen, daß Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn. Denn was er gestorben ist, ist er ein für allemal der Sünde

 gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott. Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu. So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu gehorchen; stellet auch nicht eure Glieder der Sünde dar zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit, sondern stellet euch selbst Gott dar als Lebende aus den Toten, und eure Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit. Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade"

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*) Es ist interessant, daß wir von Natur mit einem unreinen Tier auf gleichen Boden gestellt, aber durch die Gnade mit Christus vereinigt sind. Es gibt keinen niedrigeren Platz als den, der uns von Natur aus zusteht, und keinen höheren, als den, der uns aus Gnaden geschenkt worden ist. Betrachtet man einen Esel, dessen Genick gebrochen ist, dann kennt man den Wert eines nicht erlösten Menschen; schaut man auf das "kostbare Blut Christi", dann kennt man den Wert eines Erlösten. "Euch nun, die ihr glaubet, ist die Kostbarkeit" (1. Petr. 2, 7).

 Das will sagen: alle, die in dem Blute gewa­schen sind, teilen die Kostbarkeit Christi. Wie Er ein "lebendiger Stein" ist, so sind auch sie kostbare Steine". Sie empfangen Leben und Kostbarkeit von Ihm und in Ihm. Sie sind, wie Er ist. Jeder Stein in dem Bau ist kostbar, weil er durch keinen geringeren Preis als "das Blut des Lammes" erkauft ist. Wie wichtig ist es für die Christen, sich dieser Stellung vor Gott bewußt zu sein 1

(Röm. 6, 8‑14). Wir sind nicht nur losgekauft von der Macht des Todes, sondern auch vereinigt mit Ihm, der uns um einen so hohen Preis losge­kauft hat, damit wir in der Kraft des Heiligen Geistes unser neues Leben mit allen seinen Kräften Seinem Dienste weihen, damit Sein Name in uns verherrlicht werde.

In den letzten Versen unseres Kapitels sehen wir, wie mitfühlend der Herr auf die Bedürfnisse Seines Volkes eingeht. "Er kennt unser Ge­bilde, ist eingedenk, daß wir Staub sind" (Ps. 103, 14). Als Er Israel erlöste, um es mit sich selbst in Verbindung zu bringen, lud Er in Seiner unergründlichen Gnade alle Bedürfnisse und Schwachheiten der Seinigen auf sich. 

Was sie waren und was sie brauchten, hatte nichts zu bedeuten, wenn Er, der sich "Ich bin" nannte, in der ganzen Fülle dieses Namens ihnen das Geleit gab. Er war im Begriff, sie aus Ägypten nach Kanaan zu führen; und nun sehen wir, wie Er einen geeigneten Weg für sie auswählt. "Und es geschah, als der Pharao das Volk ziehen ließ, da führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, wiewohl er nahe war; denn Gott sprach Damit es das Volk nicht ge­reue, wenn sie den Streit sehen, und sie nicht nach Ägypten zurück­kehren. 

Und Gott führte das Volk herum, den Weg der Wüste des Schilfmeeres; und die Kinder Israel zogen gerüstet aus dem Lande Ägypten herauf" (V. 17. 18).

Der Herr richtet in Seiner Gnade alles so weise ein, daß die Seinen nicht gleich am Anfang ihres Weges allzu großen Schwierigkeiten begegnen, damit sie nicht entmutigt und zum Rückzug gedrängt werden. Der "Weg der Wüste" war viel länger als der durch das Land der Philister, aber Gott wollte Seinem Volk verschiedene wichtige Lehren beibringen, die es nur in der Wüste lernen konnte. Später wurden sie daran er­innert: "

Und du sollst gedenken des ganzen Weges, den dich der HERR, dein Gott, hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu versuchen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote beobachten würdest oder nicht. Und er demütigte dich und ließ dich hungern; und er speiste dich mit dem! Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht kannten, um dir kund­zutun, daß der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was aus dem Munde des HERRN hervorgeht.

 Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre" (5. Mose 8, 2‑4). Solche Erfahrungen wären auf dem Weg durch das Land der Philister nicht möglich gewesen. Auf diesem Weg hätten die Israeliten wohl lernen können, was Krieg ist;

aber auf dem "Weg der Wüste" lernten sie das Fleisch kennen in seiner ganzen Verdorbenheit, in seinem Unglauben und seiner Empörung. Doch der "Ich bin" war bei ihnen mit Seiner langmütigen Gnade, mit Seiner Weisheit und Macht. Niemand außer Ihm konnte den

 Er­fordernissen des Augenblicks entsprechen. Niemand außer Ihm konnte aber auch die Tiefen des menschlichen Herzens ertragen. Wenn mein Herz aufgedeckt würde, ohne daß ich zugleich die unendliche Gnade Gottes sehen könnte, müßte ich hoffnungslos verzweifeln. Das Herz des Menschen ist eine Hölle im kleinen. Was für eine unendliche Gnade ist es deshalb, von seinen schrecklichen Tiefen befreit zu sein!

"Und sie brachen auf von Sukkoth und lagerten sich in Etham, am Rande der Wüste. Und der HERR zog vor ihnen her, des Tages in einer Wolkensäule, um sie auf dem Wege zu leiten, und des Nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht ziehen könnten. Des Tages wich nicht die Wolkensäule, noch des Nachts die Feuersäule vor dem Volke" (V. 20‑22). 

Der HERR wählte nicht nur einen Weg für die Seinen aus, sondern Er ging auch selbst mit ihnen auf diesem Weg und kam allen ihren Bedürfnissen entgegen. Er führte sie nicht nur sicher aus Ägypten hinaus, sondern Er ließ sich auch herab, um bei allen Zwischenfällen ihrer Wüstenreise ihr Gefährte zu sein. Das war göttliche Gnade. Die Israeliten wurden nicht aus Ägypten erlöst und dann sich selbst überlassen, um den Weg nach Kanaan, so gut sie es konnten, allein zu gehen. Das ist nicht die Handlungsweise Gottes. Er wußte, daß sie eine beschwerliche und gefährliche Reise vor sich hatten, auf der es Schlangen und Skorpione, Fallstricke und Schwierig­keiten, Dürre und Unfruchtbarkeit gab. 

Da wollte Er sie nicht allein gehen lassen, und Er zog vor ihnen her. Er war ein Führer, ein Licht, ein Schutz, um sie von jeder Furcht zu befreien. Wie war es möglich, einen solchen Herrn so oft durch Hartnäckigkeit und Ungehorsam zu betrüben! Wäre das Volk nur demütig und zufrieden geblieben und hätte vertrauensvoll auf Ihn geblickt, dann wäre die Reise vom Anfang bis zum Ende ein Triumphzug gewesen. Mit dem HERRN an ihrer Spitze hätte keine Macht ihren Zug von Ägypten nach Kanaan auf­halten können. 

Er hätte sie nach Seiner Verheißung und durch Seine Macht in das Land geführt, hätte es ihnen zum Besitz gegeben und nicht erlaubt, daß ein einziger Kanaaniter zurückbliebe, um ihnen das Erbteil streitig zu machen. Doch so wird es einst sein, wenn der HERR Seine Hand zum zweiten Mal ausstrecken wird, um Sein Volk aus der Gewalt aller ihrer Unterdrücker zu befreien. Wie bald schon mag es soweit sein!

2.Mose 14, Das rote Meer, C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kapitel 14 DAS ROTE MEER

"Die sich auf Schiffen aufs Meer hinabbegeben, auf großen Wassern Handel treiben, diese sehen die Taten des HERRN und seine Wunder­werke in der Tiefe" (Ps. 107, 23. 24). Vor diesen "großen Wassern" schrecken wir leicht zurück. Wir ziehen eine Aktivität vor, die mehr an der Oberfläche bleibt, und deshalb merken wir nichts von den "Wun­derwerken" unseres Gottes; denn diese können nur "in der Tiefe" ge­sehen werden.

Wenn man in Schwierigkeiten kommt, erfährt man, was für ein Glück es ist, auf Gott rechnen zu dürfen. Wenn alles leicht vonstatten geht, dann meint man, auf die Wirklichkeit und Gegenwart des Herrn nicht so angewiesen zu sein. Der Herr hat uns nicht verheißen, daß wir von Prüfungen und Leiden verschont bleiben sollen. Er sagt uns im Gegen­teil, daß wir Trübsalen und Schwierigkeiten begegnen werden. 

Aber zu­gleich verheißt Er uns, in den Schwierigkeiten mit uns zu sein, und das ist unendlich viel besser als eine Verschonung von Trübsal. Es ist viel tröstlicher, Sein Mitgefühl zu erfahren, als Seine Macht und Hilfe. Die Gegenwart des Herrn bei Seinen treuen Dienern, als sie durch den Feuerofen gingen, war weit besser als die Entfaltung Seiner Macht, um sie vor ihm zu bewahren (Dan. 3). Wir wünschen uns oft einen Weg ohne Trübsal, aber die Erfüllung dieses Wunsches wird ein großer Ver­lust für uns sein. Die Gegenwart des Herrn ist nie wohltuender als in Augenblicken großer Schwierigkeiten.

Das erfuhren auch die Israeliten, als es Gott gefiel, sie in eine scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit zu bringen. Nachdem der Pharao seine Zustimmung zu ihrem Auszug aus seinem Land bereut hatte, faßte er den Entschluß, sie durch eine letzte, verzweifelte Anstrengung wieder zurückzuführen. "Und er spannte seinen Wagen an und nahm sein Volk mit sich. Und er nahm sechshundert auserlesene Wagen und alle Wagen Ägyptens, und Wagenkämpfer auf jedem derselben ...

 Und als der Pharao nahte, da hoben die Kinder Israel ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her; und die Kinder Israel fürchteten sich sehr und schrieen zu dem HERRN" (V. 6. 7. 10). Das war in der Tat eine schwere Prüfung, in der alle menschlichen Anstrengungen nutz­los waren. Vor ihnen war das Meer, hinter ihnen die Kriegsheere des Pharao, und auf beiden Seiten erhoben sich die Berge. Und Des war von Gott zugelassen und angeordnet.

 Er hatte ihnen "bei Pi‑Hachiroth, zwi­schen Migdol und dem Meere, vor Baal‑Zephon" ihr Lager angewiesen. Er erlaubte dem Pharao, sie zu verfolgen. Und warum? Um gerade in der Errettung Seines Volkes und in der Vernichtung seiner Feinde Seine Macht zu offenbaren. "Den, der das Schilfmeer in zwei Teile zerteilte, denn seine Güte währt ewiglich, und Israel mitten hindurchgehen ließ, denn seine Güte währt ewiglich, und den Pharao und sein Heer ins Schilfmeer stürzte, denn seine Güte währt ewiglich" (Ps. 136, 13‑15).

Auf dem ganzen Weg der Erlösten durch die Wüste gibt es keinen einzigen Abschnitt, der nicht in Weisheit und Liebe von Gott vorgeplant wäre. Jede Situation, in die wir kommen, hat ihren Sinn und ihren Einfluß auf uns. Die Orte wie "Pi‑Hachiroth" und "Migdol" stehen je­weils in Verbindung mit unserem moralischen Zustand und zugleich mit dem Charakter Gottes. 

Der Unglaube läßt wohl oft die Frage auf­kommen: "Warum ist dies oder jenes so?" Gott weiß es; und zweifellos wird Er diese Frage beantworten, wenn es zu Seiner Verherrlichung und zum Wohl Seines Volkes dient. Wie oft entsteht bei uns die Frage, warum wir in diese oder jene Umstände gebracht werden. Wie oft mühen wir uns ab, die Ursache von Prüfungen zu erforschen, denen wir ausgesetzt sind. Wieviel besser aber wäre es, wenn wir demütig und vertrauensvoll sagen würden: "

Es wird so am besten sein"! Wenn Gott uns in eine Situation bringt, dann können wir sicher sein, daß sie mit Weisheit gewählt und heilsam für uns ist; und selbst wenn wir sie in törichter und eigenwilliger Weise selbst gewählt haben, wird Gott den­noch in Seinem Erbarmen unsere Torheit zum Guten wenden und die Folgen unseres selbstgewählten Weges zu unserem geistlichen Wohl mitwirken lassen.

Gerade in den größten Schwierigkeiten können wir die Herrlichkeit Gottes und die Herrlichkeit Seiner Wege mit uns erkennen; und Gott führt uns deshalb oft in schwere Prüfungen, damit Er sich um so herr­licher offenbaren kann. Er hätte Israel durch das Rote Meer führen und vor den Kriegsheeren des Pharao in Sicherheit bringen können, noch bevor diese von Ägypten

 aufbrachen. Aber dann wäre Sein Name nicht so wunderbar verherrlicht und der Feind nicht so vollständig ver­nichtet worden. Nur zu oft verlieren wir diese große Wahrheit aus dem Auge; und die Folge davon ist, daß wir in Zeiten der Trübsal leicht ermatten. Wenn wir eine schwere Krise nur als eine Gelegenheit zur Entfaltung der Gnade Gottes betrachteten, so würden unsere Seelen im Gleichgewicht bleiben, und selbst in den schwierigsten Prüfungen wür­den wir Gott verherrlichen.

Die Worte der Israeliten bei dieser Gelegenheit erscheinen uns vielleicht erstaunlich und unerklärlich; aber je mehr wir unsere eigenen ungläu­bigen Herzen kennen, um so mehr finden wir, wie groß die Ähnlichkeit zwischen uns und diesem Volk ist. Sie schienen die so kurz vorher erlebte Entfaltung der Macht Gottes ganz und gar vergessen zu haben.

 Vor ihren Augen waren die Götter Ägyptens gerichtet worden, die Macht Ägyptens war vernichtet und die Ketten ihrer Sklaverei zer­brochen. Sobald aber eine dunkle Wolke am Horizont erschien, schwand ihr Vertrauen, und ihr Unglaube fand seinen Ausdruck in den Worten: "Hast du uns darum, weil in Ägypten keine Gräber waren, weggeholt, um in der Wüste zu sterben? Warum hast du uns das getan, daß du uns aus Ägypten herausgeführt hast? ... Denn besser wäre es uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben" (V. 11. 12). Der Un­glaube ist blind und beurteilt die Wege Gottes immer falsch. 

Das ist zu allen Zeiten so. Der Unglaube verleitete David in einer bösen Stunde, zu sagen: "Nun werde ich eines Tages durch die Hand Sauls umkom­men; mir ist nichts besser, als daß ich eilends in das Land der Philister entrinne" (1. Sam. 27, 1). Und was geschah wirklich? Saul fiel auf dem Gebirge Gilboa, und der Thron Davids wurde für immer aufgerichtet. Derselbe Unglaube verleitete Elia in einem Augenblick tiefer Niederge­schlagenheit, sich durch die Flucht vor den Drohungen Isebels in Sicher­heit zu bringen. Und wie endete alles? Isebel wurde auf das Pflaster hinabgestürzt und Elia in einem feurigen Wagen in den Himmel ent­rückt.

So war es auch mit dem Volk Israel bei der ersten Prüfung, die in der Wüste über sie kam. Sie glaubten wirklich, daß der Herr sie nur des­halb mit solcher Mühe aus Ägypten befreit habe, um sie in der Wüste sterben zu lassen. Sie bildeten sich ein, nur deshalb durch das Blut des Passahlammes vor dem Tode bewahrt worden zu sein, um in der Wüste ihr Grab zu finden. 

So urteilt der Unglaube! Anstatt die Schwierigkeit im Lichte Gottes zu betrachten, deutet er die Gedanken Gottes ange­sichts der Schwierigkeit. Der Glaube sieht über die Schwierigkeit hinaus und sieht die Treue, Liebe und Macht Gottes. Ein Gläubiger kann ständig in der Gegenwart Gottes sein. Das Blut des Herrn Jesus Chri­stus hat ihn in diese Stellung gebracht und er sollte sich durch nichts von dort verdrängen lassen. Die Stellung selbst kann er niemals verlieren, da Christus, sein Haupt und Stellvertreter, sie für ihn eingenommen hat; aber wie schnell kann er die Freude und die Kraft dieser Stellung verlieren! Sooft seine Schwierigkeiten sich zwischen

 ihn und den Herrn drängen, genießt er nicht die Gegenwart des Herrn, sondern er leidet angesichts der Schwierigkeiten; es ist so, als wenn eine Wolke zwischen uns und die Sonne tritt und uns für eine Zeit von ihr trennt. Die Wolke verhindert nicht das Leuchten der Sonne, aber sie nimmt uns die Freude an ihren Strahlen. Genauso ist es, wenn wir den Trübsalen und Sorgen des Lebens erlauben, sich zwischen uns und das Angesicht unseres Vaters zu drängen, der mit unveränderlicher Liebe und Güte auf uns blickt. Es gibt keine Schwierigkeit, die für unseren

 Gott zu groß wäre. Im Gegenteil, je größer die Schwierigkeit ist, um so mehr bietet sich Ihm die Gelegenheit, Seine Macht und Gnade zu erweisen. Das Volk Israel war hier allerdings in einer sehr schwierigen und für Fleisch und Blut völlig ausweglosen Lage. Aber auch der Schöpfer des Himmels und der Erde war da, und Israel hätte die Möglichkeit gehabt, Seine Kraft einfach in Anspruch zu nehmen.

Doch wie schnell ermatten wir, wenn es gilt, sich in einer Prüfung zu bewähren! Es läßt sich von diesen Dingen so leicht reden und schreiben; und sie sind auch wahr ‑ Gott sei dafür gepriesen! Aber es geht darum, sie auch praktisch auszuführen, wenn die Gelegenheit kommt. Nur in ihrer Verwirklichung erweist sich ihre Kraft und ihr Segen. Wenn je­mand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist" (Joh. 7, 17).

"Und Mose sprach zu dem Volke: Fürchtet euch nicht! stehet und sehet die Rettung des HERRN, die er euch heute schaffen wird; denn die Ägypter, die ihr heute sehet, die werdet ihr hinfort nicht mehr sehen ewiglich. Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet still sein` (V. 13. 14). "Still sein", das ist das Erste, was der Glaube angesichts

einer Prüfung bewirkt. Für Fleisch und Blut ist das unmöglich. Wer die Ruhelosigkeit des menschlichen Herzens vor Trübsalen und Schwie­rigkeiten kennt, wird sich in etwa eine Vorstellung davon machen kön­nen, was alles in diesem "Stillsein" eingeschlossen ist. 

Der natürliche Mensch muß etwas tun. Er läuft hierhin und dorthin und möchte gern in irgendeiner Weise selbst Hand anlegen. Und wenn er auch versucht, sein wertloses Tun zu rechtfertigen, indem er es als "legitimes Anwen­den vorhandener Mittel" bezeichnet, so ist es im Grunde noch nichts anderes, als eine Frucht des Unglaubens, der Gott ausklammert und nur die dunklen Wolken sieht, die er selbst geschaffen hat. Denn der Unglaube schafft Schwierigkeiten oder vergrößert sie; und dann treibt er uns an, sie durch unsere eigene unruhige und fruchtlose Tätigkeit zu beseitigen, die uns in Wirklichkeit nur daran hindert, das Heil Gottes zu sehen.

Der Glaube dagegen erhebt uns über die Schwierigkeiten und befähigt uns, ruhig zu sein und auf Gott zu sehen. Wir erreichen nichts durch unsere eigenen ängstlichen Anstrengungen. 

Wir vermögen nicht ein Haar weiß oder schwarz zu machen, noch unserer Größe eine Elle zuzu­setzen (Matth. 5, 36; 6, 27). Was konnten die Kinder Israel am Roten Meer tun? Sie konnten weder seine Fluten austrocknen, noch die Berge ebnen, noch die Kriegsheere Ägyptens vernichten. Sie standen da, um­schlossen von einer Mauer von Schwierigkeiten, angesichts derer ihre Ohnmacht offenbar wurde. Aber genau das war für Gott der Augen­blick zum Handeln.

Wenn der Unglaube beseitigt ist, tritt Gott auf den Plan; und um zu einer richtigen Einsicht in Seine Handlungen zu gelangen, müssen wir still sein". Jede Regung unserer Natur hindert uns, die Rettung Gottes wahrzunehmen und zu genießen.

Das zeigt sich bei uns auf jeder Stufe unseres Glaubenslebens. Es be­ginnt, wenn wir die Last unserer Sünden fühlen und versucht sind, zu eigener Anstrengung Zuflucht zu nehmen, um so zur Ruhe zu gelangen. Es bleibt uns dann tatsächlich nichts anderes übrig, als "still zu sein", um die Rettung des HERRN zu sehen". Denn was könnten wir tun, um die Sünde zu sühnen? 

Hätten wir mit Ihm hinabsteigen können in die "Grube des Verderbens" und in den "kotigen Schlamm?" (Ps. 40, 2). Hätten wir von uns aus einen Weg zur Auferstehung finden können? Ein solcher Gedanke wäre eine Gotteslästerung. Gott allein kann er­lösen; und uns bleibt nichts anderes übrig, als still zu sein und die Rettung des HERRN zu sehen. Schon die Tatsache, daß es die Rettung des HERRN ist, beweist, daß der Mensch nichts dabei zu tun hat.

Das gilt aber auch für uns von dem Augenblick an, da wir unsere christliche Laufbahn begonnen haben. Bei jeder neuen Schwierigkeit zeigt sich unsere Weisheit, wenn wir still sind, auf eigene Werke ver­zichten und unsere Ruhe bei Gott zu suchen. Auch können wir keinen Unterschied in den Schwierigkeiten machen, indem wir meinen, leichtere Versuchungen selbst bewältigen zu können, während aus anderen nur Gott uns retten könne. Alle Schwierigkeiten übersteigen unsere Kräfte. Wir sind ebensowenig fähig, die Farbe eines Haares zu verändern, wie einen Berg zu versetzen, wir können weder einen Grashalm produzieren noch eine Welt erschaffen. 

Alles ist für uns gleich, und alles ist gleich für Gott. Wir sollen uns nur in lebendigem Glauben dem anvertrauen, „der sich herabneigt, um auf die Himmel und auf die Erde zu schauen" (Ps. 113, 6). Wir erfahren oft, daß wir im Triumph durch schwere Trübsale geführt werden, während wir zu anderen Zeiten unter harm­losen Versuchungen versagen. Woher kommt das? Wir waren im ersten Fall gezwungen, unsere Sorge auf den Herrn zu werfen, während wir im letzteren in überheblicher Weise selbst mit ihr fertig zu werden ver­suchten.

"Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet still sein" (V. 14). Welch eine tröstliche Zusicherung! Sie kann angesichts der größten Schwierigkeiten und Gefahren unseren Geist beruhigen. Der Herr stellt sich nicht nur zwischen uns und unsere Sünden, sondern auch zwischen uns und unsere Probleme. Durch ersteres gibt Er uns den Frieden des Gewissens, durch letzteres den Frieden des Herzens. Daß diese beiden Dinge völlig verschieden sind, weiß jeder erfahrene Christ. Viele Gläubige besitzen Frieden des Gewissens, ohne Frieden des Her­zens zu haben. Aus Gnaden und durch Glauben haben sie erkannt, wie Christus in der

 Wirksamkeit Seines Blutes zwischen sie und ihre Sünden getreten ist; aber sie sind nicht fähig, mit derselben Einfalt Ihn in Seiner Weisheit, Liebe und Macht zwischen sich und ihren Problemen zu er­blicken. Dieser Mangel hat weitgehende Folgen für das praktische Leben, aber auch für das Zeugnis eines Christen. Denn kaum etwas trägt so sehr zur Verherrlichung des Namens unseres Herrn Jesus bei, wie die tiefe Ruhe, die dem Bewußtsein entspringt, daß sich Jesus zwischen uns und allem befindet, was unsere Herzen beunruhigen könnte. "Den festen Sinn bewahrst du in Frieden, in Frieden; denn er vertraut auf dich" (Jes. 26. 3).

Aber sollen wir selbst gar nichts tun? Können wir denn überhaupt etwas tun? Jeder, der sich selbst wirklich kennt, wird antworten: Nichts. Wenn wir aber nichts tun können, ist es dann nicht am besten, "still zu sein"? Wenn der Herr für uns wirkt, ist es dann nicht weise, wenn wir uns zurückhalten? Wollen wir durch unsere Geschäftigkeit Ihm zuvorkommen? Wollen wir Ihm in den Weg treten? Es ist unnütz, daß zwei handeln, wo einer vollkommen fähig ist, alles zu tun. Wem würde es einfallen, eine Kerze zu holen, um das Licht der Sonne zu ver­stärken?

Wenn aber Gott in Seiner großen Barmherzigkeit einen Weg öffnet, darf der Gläubige ihn ohne Zögern betreten. Er verzichtet dann auf einen menschlichen Weg, um auf dem Weg Gottes zu gehen. "Und der HERR sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Rede zu den Kindern Israel, daß sie aufbrechen" (V. 15). Nur wenn wir gelernt haben, still zu sein, sind wir wirklich fähig,

 aufzubrechen und vorwärts zu gehen; wenn wir das eine tun wollen, ohne das andere gelernt zu haben, wird es nur dazu dienen, unsere Torheit und Schwachheit offenbar zu ma­chen. Laßt uns daher in jeder Schwierigkeit auf Gott allein warten; Er wird uns bestimmt einen Weg zeigen, und wir können dann mit fried­lichem und glücklichem Herzen diesen Weg gehen. 

Es gibt keine Un­sicherheit, wenn Gott uns einen Weg bahnt. jeder selbstgewählte Weg aber wird sich immer als ein Weg des Zweifels und der Unschlüssigkeit erweisen. Der nicht wiedergeborene Mensch mag mit großer Festigkeit und Entschiedenheit seine eigenen Weg verfolgen; aber eins der wesentlichen Elemente der neuen Schöpfung ist das Mißtrauen gegen sich selbst, verbunden mit dem Vertrauen auf Gott. Nur wenn wir die Rettung Gottes gesehen haben, können wir darin wandeln; aber wir werden sie niemals deutlich erkennen, bevor wir nicht von der Nutz­losigkeit unserer eigenen Anstrengungen überzeugt worden sind.

Wie eindrucksvoll sind die Worte: "Sehet die Rettung des HERRN!­ Schon die Tatsache, daß wir berufen sind, die Rettung Gottes zu sehen, beweist ihre Vollkommenheit. Sie zeigt uns, daß das Heil Gottes ein Werk ist, das Er selbst gewirkt und geoffenbart hat, damit wir es sehen und genießen können. Dieses Heil ist nicht zum Teil ein Werk Gottes und zum Teil ein Werk des Menschen; dann könnte es nicht das Heil Gottes genannt werden (vergl. Luk. 3, 6; Apg. 28, 28). Das Heil Gottes trägt nichts Menschliches an sich. Menschliche Werke kön­nen nur den Blick für das Heil Gottes verdunkeln.

"Rede zu den Kindern Israel, daß sie aufbrechen". Mose selbst scheint zu einem Stillstand gekommen zu sein, denn der Herr fragt ihn "Was schreist du zu mir?" Mose konnte dem Volk sagen: "Stehet und sehet die Rettung des HERRN!" während er selbst noch ziemlich beunruhigt war. Es ist aber nutzlos zu schreien, wenn wir eigentlich handeln sollen, und zu handeln, wenn wir warten sollen. Und doch ist es oft so bei uns; wir versuchen aufzubrechen, wenn wir stillstehen sollten, und wir stehen still, wenn wir aufbrechen sollten. In den Herzen der Israeliten hätte wohl die Frage entstehen können: "Wohin sollen wir gehen"? 

Als eine unüberwindliche Schwierigkeit lag das Meer vor ihnen. In eigener Kraft konnten sie dieses Problem nicht lösen; aber wir können sicher sein, daß Gott uns nie etwas gebietet, ohne uns die Kraft zum Gehorchen zu geben. Unser praktischer Zustand mag durch das Gebot auf die Probe gestellt werden; aber wenn wir durch die Gnade bereit sind zu gehorchen, empfangen wir dazu auch die Kraft von oben. Als Christus dem Menschen mit der verdorrten Hand gebot, sie auszu­strecken, hätte dieser natürlich fragen können: "

Wie kann ich eine Hand ausstrecken, die tot ist?" Er stellte aber keine Fragen, denn aus derselben Quelle kamen sowohl das Gebot als auch die Kraft zum Ge­horchen (vergl. Lk. 6, 6‑10). Ebenso war es mit Israel. Mit dem Gebot, aufzubrechen, bereitete Gott auch den Weg dazu. "Und du, erhebe deinen Stab und strecke deine Hand aus über das Meer und spalte es, daß die Kinder Israel mitten in das Meer hineingehen auf dem Trocke­nen" (V. 16). 

Das war der Weg des Glaubens. Der Herr ebnet uns den Weg, um den ersten Schritt zu tun; und das ist alles, was der Glaube verlangt. Gott gibt nie Anweisung für zwei Schritte auf einmal. Ich muß einen Schritt tun, und dann empfange ich Licht für den zweiten. Dadurch bleibe ich dann in ständiger Abhängigkeit von Gott. "Durch Glauben gingen sie durch das Rote Meer wie durch trockenes Land" (Hebr. 1‑1, 29). Das war der Weg, den die Erlösten des HERRN unter Seiner Leitung gingen. Sie durchschritten die Wasser des Todes und machten die Entdeckung, daß gerade diese Wasser ihnen eine Mauer waren zur Rechten und zur Linken (V. 22).

Auf einem solchen Weg konnten die Ägypter nicht folgen. Sie ver­suchten es zwar, weil sie nach dem Sichtbaren urteilten; bei ihnen war es Sehen und nicht Glauben. " . . welches die Ägypter versuchten und verschlungen wurden" (Hebr. 11, 29). Ein Mensch wird nie Erfolg haben, wenn er im Unglauben etwas zu tun versucht, was nur im Glau­ben getan werden kann. 

Der Weg, auf den Gott Sein Volk führt, kann in eigener Kraft nicht betreten werden. Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben (l. Kor. 15, 50); ebensowenig können sie in den Wegen Gottes wandeln. Der Glaube ist der alles entscheidende Grund­satz des Reiches Gottes; und er allein macht uns fähig, Nachfolger Christi zu sein. Und Hebr. 11, 6 sagt uns, daß es ohne Glauben unmög­lich ist, Gott wohlzugefallen. 

Wir verherrlichen Ihn besonders dann, wenn wir Ihm ohne Einwände oder Rückfragen folgen; denn das ist der Beweis, daß wir Ihm mehr vertrauen als uns selbst. Wenn ich weiß, daß Gott für mich besorgt ist, so kann ich selbst unbesorgt sein und in Ruhe und Sicherheit vorangehen. Im menschlichen Bereich wissen wir, daß, wenn ein Wachthabender auf seinem Posten steht, andere ruhig schlafen können. Wieviel mehr können wir in vollkommener Sicherheit ruhen, da wir wissen, daß Er, der "nicht schlummert noch schläft" (Ps. 121, 4), Sein Auge auf uns gerichtet hat!

,Und der Engel Gottes, der vor dem Heere Israels herzog, brach auf und trat hinter sie; und die Wolkensäule brach auf von vorn und stellte sich hinter sie. Und sie kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels, und sie wurde dort Wolke und Finsternis, und erleuchtete hier die Nacht; und so nahte jenes nicht diesem die ganze Nacht" (V. 19. 20). Gott selbst stellte sich zwischen Israel und die Feinde; das war in der Tat ein mächtiger Schutz. 

Um einem einzigen Israeliten ein Haar krümmen zu können, hätte der ~ Pharao den Allmächtigen selbst über­winden müssen. So stellt sich Gott immer zwischen Sein Volk und jeden Feind, so daß niemand gegen Sein Volk etwas ausrichten kann (vergl. Jes. 54, 17). Er hat sich zwischen uns und unsere Sünden ge­stellt; aber durch die Gnade haben wir auch das Vorrecht, Ihn zwischen uns und allen Personen oder Dingen zu sehen, die gegen uns sein könnten. Der Gläubige mag nach seinen Sünden suchen; aber er wird sie nicht finden, weil Gott alle unsere Sünden hinter sich geworfen hat (Jes. 38, 17), und wir nun als Versöhnte unbefangen vor Sein Angesicht treten dürfen.

Ebenso könnte der Gläubige sich nach seinen Schwierigkeiten umsehen und sie nicht finden, weil Gott sich zwischen ihn und sie gestellt hat. Wenn nur unser Blick nicht auf unsere Sünden und Trübsale, sondern auf Christus gerichtet wäre, wie manches Leid würde dann beendet und wie manches Problem gelöst werden! Wir werden immer die Erfahrung machen, daß sehr viele unserer Prüfungen und Leiden aus gefürchteten oder eingebildeten Übeln bestehen, die nur in unserem vom Unglauben beherrschten Geist vorhanden sind. 

Kennen wir alle den bleibenden Frieden des Gewissens und des Herzens, der daraus entspringt, daß man Christus in Seiner ganzen Fülle zwischen sich und allen seinen Sünden und allen seinen Schwierigkeiten erblickt?

Es ist ernst und interessant zugleich, den zweifachen Charakter der Wolkensäule in diesem Kapitel zu betrachten. Sie war "Wolke und Finsternis" für die Ägypter, aber sie "erleuchtete die Nacht" fÜr die Israeliten. Hierin sehen wir eine deutliche Parallele zu dem Kreuz unse­res Herrn Jesus Christus! Auch dieses Kreuz hat seine zwei Seiten. 

Es ist die Grundlage des Friedens für den Gläubigen und besiegelt zu­gleich das Verdammungsurteil über die Welt. Das gleiche Blut, das dem Gläubigen ein reines Gewissen und vollkommenen Frieden gibt, bedeu­tet eine schreckliche Anklage für diese Welt. Die Tatsache, daß der Sohn Gottes Mensch geworden ist, hat der Welt jede Möglichkeit der Ent­schuldigung genommen; für die Kirche aber ist sie die Ursache der Rechtfertigung und ewiger Anbetung geworden. Dasselbe Lamm, das durch Seinen Zorn alle Geschlechter der Erde erzittern läßt, wird in Ewigkeit Seinen Erlösten dienen und Weide geben (vergl. Offb. 6, 15‑17 mit 7, 13‑17).

Das Ende des Kapitels zeigt uns Israel am anderen Ufer des Roten Meeres, während das Heer des Pharao in den Fluten seinen Untergang gefunden hat. Sowohl die Befürchtungen der Israeliten, als auch die Selbstüberschätzung der Ägypter hatten sich als gegenstandslos erwie­sen und waren durch das wunderbare Werk Gottes beendet worden. Dieselben Wasser, die für das Volk Gottes als Mauern dienten, wurden dem Pharao zum Grab. 

Und so wird der Gläubige immer einen gang­baren Weg finden, während der Ungläubige, der diesen Weg zu be­treten versucht, ein Grab findet. Das ist eine ernste Tatsache, und auch die Empörung des Pharao gegen den Willen Gottes ändert daran nichts. Es wird sich immer bewahrheiten, daß jemand, der die Handlungen des Glaubens nachahmen will, zuschanden wird. Glückselig aber, wer be­fähigt ist, durch Glauben zu wandeln, so schwach es auch sein mag! Er geht einen Weg, der nur Segnungen bringen kann und der, wenn er auch von Mängeln und Versagen gekennzeichnet ist, doch mit Gott angefangen, fortgesetzt und vollendet wird. Wenn wir doch alle mehr die ruhige Erhabenheit und heilige Unabhängigkeit dieses Weges ver­stünden 1

Auch der Apostel Paulus spielt auf die Wolke und das Meer an, indem er sagt: "Ich will nicht, daß ihr unkundig seid, Brüder, daß unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind, und alle auf Moses getauft wurden in der Wolke und in dem Meere" (1. Kor. 10, 1. 2). Diese Stelle enthält eine sehr wichtige Be­lehrung; denn der Apostel fügt hinzu: "Diese Dinge aber sind als Vor­bilder für uns geschehen" (V. 6), so daß wir berechtigt sind, die Taufe Israels in der Wolke und in dem Meere" bildlich auszulegen, zumal diese Auslegung große Bedeutung für unser praktisches Leben hat. 

Nachdem sie in dieser Weise getauft waren, begannen die Kinder Israel ihre Reise durch die Wüste; eine Reise, für die Gott mit "geistlicher Speise" und "geistlichem Trank" reichlich Vorsorge getroffen hatte. Sie waren, im Bilde gesprochen, ein totes Volk für Ägypten und für alles, was dazu gehörte, denn die Wolke und das Meer waren für sie, was das Kreuz und das Grab Christi für uns sind. Die Wolke schützte sie vor ihren Feinden ' und das Meer trennte sie von Ägypten. Ebenso schützt uns das Kreuz vor allem, was gegen uns sein könnte, und wir stehen jenseits des Grabes Jesu. Von hier aus beginnen wir unsere Wüsten­reise. Hier fangen wir an, das himmlische Manna zu essen und aus dem "geistlichen Felsen" zu trinken, während wir als ein Volk ohne Bürger­recht auf dem Weg zu dem Land der Ruhe sind, von dem Gott zu uns geredet hat.

Ich möchte noch kurz auf den Unterschied zwischen dem Roten Meer und dem Jordan aufmerksam machen. Beides sind Bilder vom Tod Christi. Aber während das Rote Meer die Trennung von Ägypten be­deutet, sehen wir im Jordan die Grenze zum Land Kanaan. Der Gläubige ist durch das Kreuz Christi nicht nur von dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf getrennt, sondern Gott hat ihn auch "mitauferweckt und mit­sitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu" (Eph. 2, 5. 6). 

Deshalb ist er zwar von den Dingen Ägyptens, d. h. dieser Welt umgeben, aber er empfindet seine Umwelt als eine Wüste; und gleichzeitig weiß er sich durch Glauben in die Herrlichkeit versetzt, wo Jesus zur Rechten Gottes sitzt. Der Gläubige hat also nicht nur die Ver­gebung aller seiner Sünden empfangen, sondern er ist auch tatsächlich mit dem auferstandenen Christus im Himmel vereinigt. Er ist nicht nur durch Christus errettet, sondern auch für immer mit ihm verbunden. Nichts Geringeres konnte der Liebe Gottes genügen oder Seine Rat­schlüsse in bezug auf die Kirche verwirklichen.

jeder Gläubige muß vor sich selbst die Frage beantworten, inwieweit er diese Dinge versteht, glaubt und verwirklicht. Aber die Gnade Gottes sei gepriesen: sie sind wahr und gültig für jedes Glied des Leibes Jesu Christi, welche Stellung und Funktion es auch haben mag. Ihre Wahr­heit hängt nicht davon ab, ob wir sie verwirklichen oder verstehen, son­dern allein von dem "kostbaren Blut Christi", das unsere ganze Schuld getilgt und zu allen uns betreffenden Ratschlüssen Gottes den Grund gelegt hat. Hier ist für jedes zerbrochene Herz und für jedes belastete Gewissen Ruhe zu finden.