2.Mose 14, Das rote Meer, C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kapitel 14 DAS ROTE MEER

"Die sich auf Schiffen aufs Meer hinabbegeben, auf großen Wassern Handel treiben, diese sehen die Taten des HERRN und seine Wunder­werke in der Tiefe" (Ps. 107, 23. 24). Vor diesen "großen Wassern" schrecken wir leicht zurück. Wir ziehen eine Aktivität vor, die mehr an der Oberfläche bleibt, und deshalb merken wir nichts von den "Wun­derwerken" unseres Gottes; denn diese können nur "in der Tiefe" ge­sehen werden.

Wenn man in Schwierigkeiten kommt, erfährt man, was für ein Glück es ist, auf Gott rechnen zu dürfen. Wenn alles leicht vonstatten geht, dann meint man, auf die Wirklichkeit und Gegenwart des Herrn nicht so angewiesen zu sein. Der Herr hat uns nicht verheißen, daß wir von Prüfungen und Leiden verschont bleiben sollen. Er sagt uns im Gegen­teil, daß wir Trübsalen und Schwierigkeiten begegnen werden. 

Aber zu­gleich verheißt Er uns, in den Schwierigkeiten mit uns zu sein, und das ist unendlich viel besser als eine Verschonung von Trübsal. Es ist viel tröstlicher, Sein Mitgefühl zu erfahren, als Seine Macht und Hilfe. Die Gegenwart des Herrn bei Seinen treuen Dienern, als sie durch den Feuerofen gingen, war weit besser als die Entfaltung Seiner Macht, um sie vor ihm zu bewahren (Dan. 3). Wir wünschen uns oft einen Weg ohne Trübsal, aber die Erfüllung dieses Wunsches wird ein großer Ver­lust für uns sein. Die Gegenwart des Herrn ist nie wohltuender als in Augenblicken großer Schwierigkeiten.

Das erfuhren auch die Israeliten, als es Gott gefiel, sie in eine scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit zu bringen. Nachdem der Pharao seine Zustimmung zu ihrem Auszug aus seinem Land bereut hatte, faßte er den Entschluß, sie durch eine letzte, verzweifelte Anstrengung wieder zurückzuführen. "Und er spannte seinen Wagen an und nahm sein Volk mit sich. Und er nahm sechshundert auserlesene Wagen und alle Wagen Ägyptens, und Wagenkämpfer auf jedem derselben ...

 Und als der Pharao nahte, da hoben die Kinder Israel ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her; und die Kinder Israel fürchteten sich sehr und schrieen zu dem HERRN" (V. 6. 7. 10). Das war in der Tat eine schwere Prüfung, in der alle menschlichen Anstrengungen nutz­los waren. Vor ihnen war das Meer, hinter ihnen die Kriegsheere des Pharao, und auf beiden Seiten erhoben sich die Berge. Und Des war von Gott zugelassen und angeordnet.

 Er hatte ihnen "bei Pi‑Hachiroth, zwi­schen Migdol und dem Meere, vor Baal‑Zephon" ihr Lager angewiesen. Er erlaubte dem Pharao, sie zu verfolgen. Und warum? Um gerade in der Errettung Seines Volkes und in der Vernichtung seiner Feinde Seine Macht zu offenbaren. "Den, der das Schilfmeer in zwei Teile zerteilte, denn seine Güte währt ewiglich, und Israel mitten hindurchgehen ließ, denn seine Güte währt ewiglich, und den Pharao und sein Heer ins Schilfmeer stürzte, denn seine Güte währt ewiglich" (Ps. 136, 13‑15).

Auf dem ganzen Weg der Erlösten durch die Wüste gibt es keinen einzigen Abschnitt, der nicht in Weisheit und Liebe von Gott vorgeplant wäre. Jede Situation, in die wir kommen, hat ihren Sinn und ihren Einfluß auf uns. Die Orte wie "Pi‑Hachiroth" und "Migdol" stehen je­weils in Verbindung mit unserem moralischen Zustand und zugleich mit dem Charakter Gottes. 

Der Unglaube läßt wohl oft die Frage auf­kommen: "Warum ist dies oder jenes so?" Gott weiß es; und zweifellos wird Er diese Frage beantworten, wenn es zu Seiner Verherrlichung und zum Wohl Seines Volkes dient. Wie oft entsteht bei uns die Frage, warum wir in diese oder jene Umstände gebracht werden. Wie oft mühen wir uns ab, die Ursache von Prüfungen zu erforschen, denen wir ausgesetzt sind. Wieviel besser aber wäre es, wenn wir demütig und vertrauensvoll sagen würden: "

Es wird so am besten sein"! Wenn Gott uns in eine Situation bringt, dann können wir sicher sein, daß sie mit Weisheit gewählt und heilsam für uns ist; und selbst wenn wir sie in törichter und eigenwilliger Weise selbst gewählt haben, wird Gott den­noch in Seinem Erbarmen unsere Torheit zum Guten wenden und die Folgen unseres selbstgewählten Weges zu unserem geistlichen Wohl mitwirken lassen.

Gerade in den größten Schwierigkeiten können wir die Herrlichkeit Gottes und die Herrlichkeit Seiner Wege mit uns erkennen; und Gott führt uns deshalb oft in schwere Prüfungen, damit Er sich um so herr­licher offenbaren kann. Er hätte Israel durch das Rote Meer führen und vor den Kriegsheeren des Pharao in Sicherheit bringen können, noch bevor diese von Ägypten

 aufbrachen. Aber dann wäre Sein Name nicht so wunderbar verherrlicht und der Feind nicht so vollständig ver­nichtet worden. Nur zu oft verlieren wir diese große Wahrheit aus dem Auge; und die Folge davon ist, daß wir in Zeiten der Trübsal leicht ermatten. Wenn wir eine schwere Krise nur als eine Gelegenheit zur Entfaltung der Gnade Gottes betrachteten, so würden unsere Seelen im Gleichgewicht bleiben, und selbst in den schwierigsten Prüfungen wür­den wir Gott verherrlichen.

Die Worte der Israeliten bei dieser Gelegenheit erscheinen uns vielleicht erstaunlich und unerklärlich; aber je mehr wir unsere eigenen ungläu­bigen Herzen kennen, um so mehr finden wir, wie groß die Ähnlichkeit zwischen uns und diesem Volk ist. Sie schienen die so kurz vorher erlebte Entfaltung der Macht Gottes ganz und gar vergessen zu haben.

 Vor ihren Augen waren die Götter Ägyptens gerichtet worden, die Macht Ägyptens war vernichtet und die Ketten ihrer Sklaverei zer­brochen. Sobald aber eine dunkle Wolke am Horizont erschien, schwand ihr Vertrauen, und ihr Unglaube fand seinen Ausdruck in den Worten: "Hast du uns darum, weil in Ägypten keine Gräber waren, weggeholt, um in der Wüste zu sterben? Warum hast du uns das getan, daß du uns aus Ägypten herausgeführt hast? ... Denn besser wäre es uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben" (V. 11. 12). Der Un­glaube ist blind und beurteilt die Wege Gottes immer falsch. 

Das ist zu allen Zeiten so. Der Unglaube verleitete David in einer bösen Stunde, zu sagen: "Nun werde ich eines Tages durch die Hand Sauls umkom­men; mir ist nichts besser, als daß ich eilends in das Land der Philister entrinne" (1. Sam. 27, 1). Und was geschah wirklich? Saul fiel auf dem Gebirge Gilboa, und der Thron Davids wurde für immer aufgerichtet. Derselbe Unglaube verleitete Elia in einem Augenblick tiefer Niederge­schlagenheit, sich durch die Flucht vor den Drohungen Isebels in Sicher­heit zu bringen. Und wie endete alles? Isebel wurde auf das Pflaster hinabgestürzt und Elia in einem feurigen Wagen in den Himmel ent­rückt.

So war es auch mit dem Volk Israel bei der ersten Prüfung, die in der Wüste über sie kam. Sie glaubten wirklich, daß der Herr sie nur des­halb mit solcher Mühe aus Ägypten befreit habe, um sie in der Wüste sterben zu lassen. Sie bildeten sich ein, nur deshalb durch das Blut des Passahlammes vor dem Tode bewahrt worden zu sein, um in der Wüste ihr Grab zu finden. 

So urteilt der Unglaube! Anstatt die Schwierigkeit im Lichte Gottes zu betrachten, deutet er die Gedanken Gottes ange­sichts der Schwierigkeit. Der Glaube sieht über die Schwierigkeit hinaus und sieht die Treue, Liebe und Macht Gottes. Ein Gläubiger kann ständig in der Gegenwart Gottes sein. Das Blut des Herrn Jesus Chri­stus hat ihn in diese Stellung gebracht und er sollte sich durch nichts von dort verdrängen lassen. Die Stellung selbst kann er niemals verlieren, da Christus, sein Haupt und Stellvertreter, sie für ihn eingenommen hat; aber wie schnell kann er die Freude und die Kraft dieser Stellung verlieren! Sooft seine Schwierigkeiten sich zwischen

 ihn und den Herrn drängen, genießt er nicht die Gegenwart des Herrn, sondern er leidet angesichts der Schwierigkeiten; es ist so, als wenn eine Wolke zwischen uns und die Sonne tritt und uns für eine Zeit von ihr trennt. Die Wolke verhindert nicht das Leuchten der Sonne, aber sie nimmt uns die Freude an ihren Strahlen. Genauso ist es, wenn wir den Trübsalen und Sorgen des Lebens erlauben, sich zwischen uns und das Angesicht unseres Vaters zu drängen, der mit unveränderlicher Liebe und Güte auf uns blickt. Es gibt keine Schwierigkeit, die für unseren

 Gott zu groß wäre. Im Gegenteil, je größer die Schwierigkeit ist, um so mehr bietet sich Ihm die Gelegenheit, Seine Macht und Gnade zu erweisen. Das Volk Israel war hier allerdings in einer sehr schwierigen und für Fleisch und Blut völlig ausweglosen Lage. Aber auch der Schöpfer des Himmels und der Erde war da, und Israel hätte die Möglichkeit gehabt, Seine Kraft einfach in Anspruch zu nehmen.

Doch wie schnell ermatten wir, wenn es gilt, sich in einer Prüfung zu bewähren! Es läßt sich von diesen Dingen so leicht reden und schreiben; und sie sind auch wahr ‑ Gott sei dafür gepriesen! Aber es geht darum, sie auch praktisch auszuführen, wenn die Gelegenheit kommt. Nur in ihrer Verwirklichung erweist sich ihre Kraft und ihr Segen. Wenn je­mand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist" (Joh. 7, 17).

"Und Mose sprach zu dem Volke: Fürchtet euch nicht! stehet und sehet die Rettung des HERRN, die er euch heute schaffen wird; denn die Ägypter, die ihr heute sehet, die werdet ihr hinfort nicht mehr sehen ewiglich. Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet still sein` (V. 13. 14). "Still sein", das ist das Erste, was der Glaube angesichts

einer Prüfung bewirkt. Für Fleisch und Blut ist das unmöglich. Wer die Ruhelosigkeit des menschlichen Herzens vor Trübsalen und Schwie­rigkeiten kennt, wird sich in etwa eine Vorstellung davon machen kön­nen, was alles in diesem "Stillsein" eingeschlossen ist. 

Der natürliche Mensch muß etwas tun. Er läuft hierhin und dorthin und möchte gern in irgendeiner Weise selbst Hand anlegen. Und wenn er auch versucht, sein wertloses Tun zu rechtfertigen, indem er es als "legitimes Anwen­den vorhandener Mittel" bezeichnet, so ist es im Grunde noch nichts anderes, als eine Frucht des Unglaubens, der Gott ausklammert und nur die dunklen Wolken sieht, die er selbst geschaffen hat. Denn der Unglaube schafft Schwierigkeiten oder vergrößert sie; und dann treibt er uns an, sie durch unsere eigene unruhige und fruchtlose Tätigkeit zu beseitigen, die uns in Wirklichkeit nur daran hindert, das Heil Gottes zu sehen.

Der Glaube dagegen erhebt uns über die Schwierigkeiten und befähigt uns, ruhig zu sein und auf Gott zu sehen. Wir erreichen nichts durch unsere eigenen ängstlichen Anstrengungen. 

Wir vermögen nicht ein Haar weiß oder schwarz zu machen, noch unserer Größe eine Elle zuzu­setzen (Matth. 5, 36; 6, 27). Was konnten die Kinder Israel am Roten Meer tun? Sie konnten weder seine Fluten austrocknen, noch die Berge ebnen, noch die Kriegsheere Ägyptens vernichten. Sie standen da, um­schlossen von einer Mauer von Schwierigkeiten, angesichts derer ihre Ohnmacht offenbar wurde. Aber genau das war für Gott der Augen­blick zum Handeln.

Wenn der Unglaube beseitigt ist, tritt Gott auf den Plan; und um zu einer richtigen Einsicht in Seine Handlungen zu gelangen, müssen wir still sein". Jede Regung unserer Natur hindert uns, die Rettung Gottes wahrzunehmen und zu genießen.

Das zeigt sich bei uns auf jeder Stufe unseres Glaubenslebens. Es be­ginnt, wenn wir die Last unserer Sünden fühlen und versucht sind, zu eigener Anstrengung Zuflucht zu nehmen, um so zur Ruhe zu gelangen. Es bleibt uns dann tatsächlich nichts anderes übrig, als "still zu sein", um die Rettung des HERRN zu sehen". Denn was könnten wir tun, um die Sünde zu sühnen? 

Hätten wir mit Ihm hinabsteigen können in die "Grube des Verderbens" und in den "kotigen Schlamm?" (Ps. 40, 2). Hätten wir von uns aus einen Weg zur Auferstehung finden können? Ein solcher Gedanke wäre eine Gotteslästerung. Gott allein kann er­lösen; und uns bleibt nichts anderes übrig, als still zu sein und die Rettung des HERRN zu sehen. Schon die Tatsache, daß es die Rettung des HERRN ist, beweist, daß der Mensch nichts dabei zu tun hat.

Das gilt aber auch für uns von dem Augenblick an, da wir unsere christliche Laufbahn begonnen haben. Bei jeder neuen Schwierigkeit zeigt sich unsere Weisheit, wenn wir still sind, auf eigene Werke ver­zichten und unsere Ruhe bei Gott zu suchen. Auch können wir keinen Unterschied in den Schwierigkeiten machen, indem wir meinen, leichtere Versuchungen selbst bewältigen zu können, während aus anderen nur Gott uns retten könne. Alle Schwierigkeiten übersteigen unsere Kräfte. Wir sind ebensowenig fähig, die Farbe eines Haares zu verändern, wie einen Berg zu versetzen, wir können weder einen Grashalm produzieren noch eine Welt erschaffen. 

Alles ist für uns gleich, und alles ist gleich für Gott. Wir sollen uns nur in lebendigem Glauben dem anvertrauen, „der sich herabneigt, um auf die Himmel und auf die Erde zu schauen" (Ps. 113, 6). Wir erfahren oft, daß wir im Triumph durch schwere Trübsale geführt werden, während wir zu anderen Zeiten unter harm­losen Versuchungen versagen. Woher kommt das? Wir waren im ersten Fall gezwungen, unsere Sorge auf den Herrn zu werfen, während wir im letzteren in überheblicher Weise selbst mit ihr fertig zu werden ver­suchten.

"Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet still sein" (V. 14). Welch eine tröstliche Zusicherung! Sie kann angesichts der größten Schwierigkeiten und Gefahren unseren Geist beruhigen. Der Herr stellt sich nicht nur zwischen uns und unsere Sünden, sondern auch zwischen uns und unsere Probleme. Durch ersteres gibt Er uns den Frieden des Gewissens, durch letzteres den Frieden des Herzens. Daß diese beiden Dinge völlig verschieden sind, weiß jeder erfahrene Christ. Viele Gläubige besitzen Frieden des Gewissens, ohne Frieden des Her­zens zu haben. Aus Gnaden und durch Glauben haben sie erkannt, wie Christus in der

 Wirksamkeit Seines Blutes zwischen sie und ihre Sünden getreten ist; aber sie sind nicht fähig, mit derselben Einfalt Ihn in Seiner Weisheit, Liebe und Macht zwischen sich und ihren Problemen zu er­blicken. Dieser Mangel hat weitgehende Folgen für das praktische Leben, aber auch für das Zeugnis eines Christen. Denn kaum etwas trägt so sehr zur Verherrlichung des Namens unseres Herrn Jesus bei, wie die tiefe Ruhe, die dem Bewußtsein entspringt, daß sich Jesus zwischen uns und allem befindet, was unsere Herzen beunruhigen könnte. "Den festen Sinn bewahrst du in Frieden, in Frieden; denn er vertraut auf dich" (Jes. 26. 3).

Aber sollen wir selbst gar nichts tun? Können wir denn überhaupt etwas tun? Jeder, der sich selbst wirklich kennt, wird antworten: Nichts. Wenn wir aber nichts tun können, ist es dann nicht am besten, "still zu sein"? Wenn der Herr für uns wirkt, ist es dann nicht weise, wenn wir uns zurückhalten? Wollen wir durch unsere Geschäftigkeit Ihm zuvorkommen? Wollen wir Ihm in den Weg treten? Es ist unnütz, daß zwei handeln, wo einer vollkommen fähig ist, alles zu tun. Wem würde es einfallen, eine Kerze zu holen, um das Licht der Sonne zu ver­stärken?

Wenn aber Gott in Seiner großen Barmherzigkeit einen Weg öffnet, darf der Gläubige ihn ohne Zögern betreten. Er verzichtet dann auf einen menschlichen Weg, um auf dem Weg Gottes zu gehen. "Und der HERR sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Rede zu den Kindern Israel, daß sie aufbrechen" (V. 15). Nur wenn wir gelernt haben, still zu sein, sind wir wirklich fähig,

 aufzubrechen und vorwärts zu gehen; wenn wir das eine tun wollen, ohne das andere gelernt zu haben, wird es nur dazu dienen, unsere Torheit und Schwachheit offenbar zu ma­chen. Laßt uns daher in jeder Schwierigkeit auf Gott allein warten; Er wird uns bestimmt einen Weg zeigen, und wir können dann mit fried­lichem und glücklichem Herzen diesen Weg gehen. 

Es gibt keine Un­sicherheit, wenn Gott uns einen Weg bahnt. jeder selbstgewählte Weg aber wird sich immer als ein Weg des Zweifels und der Unschlüssigkeit erweisen. Der nicht wiedergeborene Mensch mag mit großer Festigkeit und Entschiedenheit seine eigenen Weg verfolgen; aber eins der wesentlichen Elemente der neuen Schöpfung ist das Mißtrauen gegen sich selbst, verbunden mit dem Vertrauen auf Gott. Nur wenn wir die Rettung Gottes gesehen haben, können wir darin wandeln; aber wir werden sie niemals deutlich erkennen, bevor wir nicht von der Nutz­losigkeit unserer eigenen Anstrengungen überzeugt worden sind.

Wie eindrucksvoll sind die Worte: "Sehet die Rettung des HERRN!­ Schon die Tatsache, daß wir berufen sind, die Rettung Gottes zu sehen, beweist ihre Vollkommenheit. Sie zeigt uns, daß das Heil Gottes ein Werk ist, das Er selbst gewirkt und geoffenbart hat, damit wir es sehen und genießen können. Dieses Heil ist nicht zum Teil ein Werk Gottes und zum Teil ein Werk des Menschen; dann könnte es nicht das Heil Gottes genannt werden (vergl. Luk. 3, 6; Apg. 28, 28). Das Heil Gottes trägt nichts Menschliches an sich. Menschliche Werke kön­nen nur den Blick für das Heil Gottes verdunkeln.

"Rede zu den Kindern Israel, daß sie aufbrechen". Mose selbst scheint zu einem Stillstand gekommen zu sein, denn der Herr fragt ihn "Was schreist du zu mir?" Mose konnte dem Volk sagen: "Stehet und sehet die Rettung des HERRN!" während er selbst noch ziemlich beunruhigt war. Es ist aber nutzlos zu schreien, wenn wir eigentlich handeln sollen, und zu handeln, wenn wir warten sollen. Und doch ist es oft so bei uns; wir versuchen aufzubrechen, wenn wir stillstehen sollten, und wir stehen still, wenn wir aufbrechen sollten. In den Herzen der Israeliten hätte wohl die Frage entstehen können: "Wohin sollen wir gehen"? 

Als eine unüberwindliche Schwierigkeit lag das Meer vor ihnen. In eigener Kraft konnten sie dieses Problem nicht lösen; aber wir können sicher sein, daß Gott uns nie etwas gebietet, ohne uns die Kraft zum Gehorchen zu geben. Unser praktischer Zustand mag durch das Gebot auf die Probe gestellt werden; aber wenn wir durch die Gnade bereit sind zu gehorchen, empfangen wir dazu auch die Kraft von oben. Als Christus dem Menschen mit der verdorrten Hand gebot, sie auszu­strecken, hätte dieser natürlich fragen können: "

Wie kann ich eine Hand ausstrecken, die tot ist?" Er stellte aber keine Fragen, denn aus derselben Quelle kamen sowohl das Gebot als auch die Kraft zum Ge­horchen (vergl. Lk. 6, 6‑10). Ebenso war es mit Israel. Mit dem Gebot, aufzubrechen, bereitete Gott auch den Weg dazu. "Und du, erhebe deinen Stab und strecke deine Hand aus über das Meer und spalte es, daß die Kinder Israel mitten in das Meer hineingehen auf dem Trocke­nen" (V. 16). 

Das war der Weg des Glaubens. Der Herr ebnet uns den Weg, um den ersten Schritt zu tun; und das ist alles, was der Glaube verlangt. Gott gibt nie Anweisung für zwei Schritte auf einmal. Ich muß einen Schritt tun, und dann empfange ich Licht für den zweiten. Dadurch bleibe ich dann in ständiger Abhängigkeit von Gott. "Durch Glauben gingen sie durch das Rote Meer wie durch trockenes Land" (Hebr. 1‑1, 29). Das war der Weg, den die Erlösten des HERRN unter Seiner Leitung gingen. Sie durchschritten die Wasser des Todes und machten die Entdeckung, daß gerade diese Wasser ihnen eine Mauer waren zur Rechten und zur Linken (V. 22).

Auf einem solchen Weg konnten die Ägypter nicht folgen. Sie ver­suchten es zwar, weil sie nach dem Sichtbaren urteilten; bei ihnen war es Sehen und nicht Glauben. " . . welches die Ägypter versuchten und verschlungen wurden" (Hebr. 11, 29). Ein Mensch wird nie Erfolg haben, wenn er im Unglauben etwas zu tun versucht, was nur im Glau­ben getan werden kann. 

Der Weg, auf den Gott Sein Volk führt, kann in eigener Kraft nicht betreten werden. Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben (l. Kor. 15, 50); ebensowenig können sie in den Wegen Gottes wandeln. Der Glaube ist der alles entscheidende Grund­satz des Reiches Gottes; und er allein macht uns fähig, Nachfolger Christi zu sein. Und Hebr. 11, 6 sagt uns, daß es ohne Glauben unmög­lich ist, Gott wohlzugefallen. 

Wir verherrlichen Ihn besonders dann, wenn wir Ihm ohne Einwände oder Rückfragen folgen; denn das ist der Beweis, daß wir Ihm mehr vertrauen als uns selbst. Wenn ich weiß, daß Gott für mich besorgt ist, so kann ich selbst unbesorgt sein und in Ruhe und Sicherheit vorangehen. Im menschlichen Bereich wissen wir, daß, wenn ein Wachthabender auf seinem Posten steht, andere ruhig schlafen können. Wieviel mehr können wir in vollkommener Sicherheit ruhen, da wir wissen, daß Er, der "nicht schlummert noch schläft" (Ps. 121, 4), Sein Auge auf uns gerichtet hat!

,Und der Engel Gottes, der vor dem Heere Israels herzog, brach auf und trat hinter sie; und die Wolkensäule brach auf von vorn und stellte sich hinter sie. Und sie kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels, und sie wurde dort Wolke und Finsternis, und erleuchtete hier die Nacht; und so nahte jenes nicht diesem die ganze Nacht" (V. 19. 20). Gott selbst stellte sich zwischen Israel und die Feinde; das war in der Tat ein mächtiger Schutz. 

Um einem einzigen Israeliten ein Haar krümmen zu können, hätte der ~ Pharao den Allmächtigen selbst über­winden müssen. So stellt sich Gott immer zwischen Sein Volk und jeden Feind, so daß niemand gegen Sein Volk etwas ausrichten kann (vergl. Jes. 54, 17). Er hat sich zwischen uns und unsere Sünden ge­stellt; aber durch die Gnade haben wir auch das Vorrecht, Ihn zwischen uns und allen Personen oder Dingen zu sehen, die gegen uns sein könnten. Der Gläubige mag nach seinen Sünden suchen; aber er wird sie nicht finden, weil Gott alle unsere Sünden hinter sich geworfen hat (Jes. 38, 17), und wir nun als Versöhnte unbefangen vor Sein Angesicht treten dürfen.

Ebenso könnte der Gläubige sich nach seinen Schwierigkeiten umsehen und sie nicht finden, weil Gott sich zwischen ihn und sie gestellt hat. Wenn nur unser Blick nicht auf unsere Sünden und Trübsale, sondern auf Christus gerichtet wäre, wie manches Leid würde dann beendet und wie manches Problem gelöst werden! Wir werden immer die Erfahrung machen, daß sehr viele unserer Prüfungen und Leiden aus gefürchteten oder eingebildeten Übeln bestehen, die nur in unserem vom Unglauben beherrschten Geist vorhanden sind. 

Kennen wir alle den bleibenden Frieden des Gewissens und des Herzens, der daraus entspringt, daß man Christus in Seiner ganzen Fülle zwischen sich und allen seinen Sünden und allen seinen Schwierigkeiten erblickt?

Es ist ernst und interessant zugleich, den zweifachen Charakter der Wolkensäule in diesem Kapitel zu betrachten. Sie war "Wolke und Finsternis" für die Ägypter, aber sie "erleuchtete die Nacht" fÜr die Israeliten. Hierin sehen wir eine deutliche Parallele zu dem Kreuz unse­res Herrn Jesus Christus! Auch dieses Kreuz hat seine zwei Seiten. 

Es ist die Grundlage des Friedens für den Gläubigen und besiegelt zu­gleich das Verdammungsurteil über die Welt. Das gleiche Blut, das dem Gläubigen ein reines Gewissen und vollkommenen Frieden gibt, bedeu­tet eine schreckliche Anklage für diese Welt. Die Tatsache, daß der Sohn Gottes Mensch geworden ist, hat der Welt jede Möglichkeit der Ent­schuldigung genommen; für die Kirche aber ist sie die Ursache der Rechtfertigung und ewiger Anbetung geworden. Dasselbe Lamm, das durch Seinen Zorn alle Geschlechter der Erde erzittern läßt, wird in Ewigkeit Seinen Erlösten dienen und Weide geben (vergl. Offb. 6, 15‑17 mit 7, 13‑17).

Das Ende des Kapitels zeigt uns Israel am anderen Ufer des Roten Meeres, während das Heer des Pharao in den Fluten seinen Untergang gefunden hat. Sowohl die Befürchtungen der Israeliten, als auch die Selbstüberschätzung der Ägypter hatten sich als gegenstandslos erwie­sen und waren durch das wunderbare Werk Gottes beendet worden. Dieselben Wasser, die für das Volk Gottes als Mauern dienten, wurden dem Pharao zum Grab. 

Und so wird der Gläubige immer einen gang­baren Weg finden, während der Ungläubige, der diesen Weg zu be­treten versucht, ein Grab findet. Das ist eine ernste Tatsache, und auch die Empörung des Pharao gegen den Willen Gottes ändert daran nichts. Es wird sich immer bewahrheiten, daß jemand, der die Handlungen des Glaubens nachahmen will, zuschanden wird. Glückselig aber, wer be­fähigt ist, durch Glauben zu wandeln, so schwach es auch sein mag! Er geht einen Weg, der nur Segnungen bringen kann und der, wenn er auch von Mängeln und Versagen gekennzeichnet ist, doch mit Gott angefangen, fortgesetzt und vollendet wird. Wenn wir doch alle mehr die ruhige Erhabenheit und heilige Unabhängigkeit dieses Weges ver­stünden 1

Auch der Apostel Paulus spielt auf die Wolke und das Meer an, indem er sagt: "Ich will nicht, daß ihr unkundig seid, Brüder, daß unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind, und alle auf Moses getauft wurden in der Wolke und in dem Meere" (1. Kor. 10, 1. 2). Diese Stelle enthält eine sehr wichtige Be­lehrung; denn der Apostel fügt hinzu: "Diese Dinge aber sind als Vor­bilder für uns geschehen" (V. 6), so daß wir berechtigt sind, die Taufe Israels in der Wolke und in dem Meere" bildlich auszulegen, zumal diese Auslegung große Bedeutung für unser praktisches Leben hat. 

Nachdem sie in dieser Weise getauft waren, begannen die Kinder Israel ihre Reise durch die Wüste; eine Reise, für die Gott mit "geistlicher Speise" und "geistlichem Trank" reichlich Vorsorge getroffen hatte. Sie waren, im Bilde gesprochen, ein totes Volk für Ägypten und für alles, was dazu gehörte, denn die Wolke und das Meer waren für sie, was das Kreuz und das Grab Christi für uns sind. Die Wolke schützte sie vor ihren Feinden ' und das Meer trennte sie von Ägypten. Ebenso schützt uns das Kreuz vor allem, was gegen uns sein könnte, und wir stehen jenseits des Grabes Jesu. Von hier aus beginnen wir unsere Wüsten­reise. Hier fangen wir an, das himmlische Manna zu essen und aus dem "geistlichen Felsen" zu trinken, während wir als ein Volk ohne Bürger­recht auf dem Weg zu dem Land der Ruhe sind, von dem Gott zu uns geredet hat.

Ich möchte noch kurz auf den Unterschied zwischen dem Roten Meer und dem Jordan aufmerksam machen. Beides sind Bilder vom Tod Christi. Aber während das Rote Meer die Trennung von Ägypten be­deutet, sehen wir im Jordan die Grenze zum Land Kanaan. Der Gläubige ist durch das Kreuz Christi nicht nur von dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf getrennt, sondern Gott hat ihn auch "mitauferweckt und mit­sitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu" (Eph. 2, 5. 6). 

Deshalb ist er zwar von den Dingen Ägyptens, d. h. dieser Welt umgeben, aber er empfindet seine Umwelt als eine Wüste; und gleichzeitig weiß er sich durch Glauben in die Herrlichkeit versetzt, wo Jesus zur Rechten Gottes sitzt. Der Gläubige hat also nicht nur die Ver­gebung aller seiner Sünden empfangen, sondern er ist auch tatsächlich mit dem auferstandenen Christus im Himmel vereinigt. Er ist nicht nur durch Christus errettet, sondern auch für immer mit ihm verbunden. Nichts Geringeres konnte der Liebe Gottes genügen oder Seine Rat­schlüsse in bezug auf die Kirche verwirklichen.

jeder Gläubige muß vor sich selbst die Frage beantworten, inwieweit er diese Dinge versteht, glaubt und verwirklicht. Aber die Gnade Gottes sei gepriesen: sie sind wahr und gültig für jedes Glied des Leibes Jesu Christi, welche Stellung und Funktion es auch haben mag. Ihre Wahr­heit hängt nicht davon ab, ob wir sie verwirklichen oder verstehen, son­dern allein von dem "kostbaren Blut Christi", das unsere ganze Schuld getilgt und zu allen uns betreffenden Ratschlüssen Gottes den Grund gelegt hat. Hier ist für jedes zerbrochene Herz und für jedes belastete Gewissen Ruhe zu finden.

2.Mose 15, Das Lied Mose. C.H.Mackintosh

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kapitel 15 DAS LIED MOSES. MARA UND ELIM

Dieses Kapitel beginnt mit dem herrlichen Triumphgesang der Kinder Israel am Ufer des Roten Meeres, als sie die große Macht sahen, die der HERR an den Ägyptern erwiesen hatte (Kap. 14, 31). Sie hatten die Rettung des HERRN gesehen, und darum besangen sie Ihn jetzt und erzählten Seine mächtigen Taten. "

Damals sangen Mose und die Kinder Israel dieses Lied dem HERRN" (V. 1). Bis dahin haben wir kein Lob aus dem Munde der Israeliten vernommen. Wir hörten ihren Notschrei, als sie sich abmühten bei den Ziegelhütten Ägyptens; wir vernahmen ihr ungläubiges Rufen, als sie sich von scheinbar unüberwindlichen Schwie­rigkeiten umringt sahen; aber von einem Loblied wird bis zu diesem Augenblick nichts erwähnt. Erst als die Rettung sichtbar und vollendet war, stimmte die ganze erlöste Versammlung den Triumphgesang an. 

Als sie aus ihrer Taufe "in der Wolke und in dem Meere" hervorge­gangen waren und der herrliche Sieg ihnen bewußt wurde, fühlten sechshunderttausend Männer das Verlangen, ein Siegeslied zu singen. Die Wasser des Roten Meeres waren zwischen ihnen und Ägypten, und als ein völlig befreites Volk standen sie am Ufer. Darum waren sie fähig, den HERRN zu loben.

In dieser und in anderer Hinsicht sind sie "Vorbilder für uns". Auch wir müssen uns durch Tod und Auferstehung gerettet wissen, bevor wir zu einer klaren und einsichtsvollen Anbetung fähig sind. Fehlt je­mandem dieses Bewußtsein, so bleibt immer ein Vorbehalt und ein Zögern in seiner Seele, weil er den Wert der in Jesus Christus voll­brachten Erlösung noch nicht erkannt hat. Man

 mag überzeugt sein, daß in Christus und in keinem anderen das Heil ist; aber den Charakter und den Grund dieses Heils im Glauben ergreifen und sich praktisch zu eigen machen ist eine ganz andere Sache. Der Geist Gottes offenbart uns in der Heiligen Schrift mit unmißverständlicher Klarheit, daß die Kirche mit Christus in Tod und Auferstehung vereinigt, und daß der auferstandene Christus zur Rechten Gottes die Gewähr ihrer Annahme ist* Sobald ein Christ das versteht, hat er den Zweifel und die Unge­wißheit überwunden; denn wie könnte er zweifeln, wenn er weiß, daß ein Sachwalter, und zwar "Jesus Christus, der Gerechte", ihn beständig vor dem Thron Gottes vertritt? (1. Joh. 2, 1). 

Das schwächste Glied der Kirche Gottes kann wissen, daß es durch Christus am Kreuz vertreten wurde, und daß dort alle seine Sünden bekannt, getragen, gerichtet und gesühnt worden sind. Das ist eine göttliche Realität, die, wenn sie durch den Glauben erfaßt wird, Frieden geben muß. Aber auch nichts weniger als das kann Frieden geben. Man mag aufrichtig und ernst nach Gott verlangen; man mag fromm und ergeben alle Vorschriften, Pflichten und Formen der Religion beobachten; aber um das Bewußtsein zu erhalten, daß das Gewissen vollständig von der Sünde befreit ist, gibt es kein anderes Mittel, als die Sünde gerichtet zu sehen, und zwar in der Person Jesu Christi, der als ein Schlachtopfer für die Sünde am Fluchholz litt und starb (Hebr. 9, 26; 10, 1‑18). 

Wenn die Sünde dort "ein für alle­mal" gerichtet wurde, so darf der Gläubige sie jetzt als eine göttlich und deshalb für immer erledigte Sache betrachten. Und daß sie dort ge­richtet wurde, ist durch die Auferstehung des Bürgen erwiesen. "Ich habe erkannt, daß alles, was Gott tut, für ewig sein wird: es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen; und Gott hat es also gemacht, damit man sich vor ihm fürchte" (Pred. 3, 14).

'Es wird nun zwar im allgemeinen eingeräumt, daß dies alles in bezug auf die Kirche in ihrer Gesamtheit wahr ist, aber vielen fällt es doch außerordentlich schwer, es auf sich persönlich anzuwenden. Sie sind bereit, mit dem Psalmisten zu sagen: "Fürwahr, Gott ist Israel gut, denen, die reinen Herzens sind. Ich aber.. . " usw. (Ps. 73. 1. 2). Anstatt auf Christus als den Gestorbenen und Auferstandenen zu schauen, rich­ten sie ihre Blicke auf sich selbst. Sie beschäftigen sich mehr mit ihrer eigenen Zuneigung zu Christus als mit Christus selbst. Sie denken mehr an ihre Fähigkeit als an ihre Stellung vor Gott. Auf diese Weise bleiben sie in trostloser Ungewißheit und können infolgedessen nie den Platz eines verständigen und glücklichen Anbeters einnehmen. Sie hoffen auf Errettung, anstatt sich der längst geschehenen Errettung zu erfreuen. Sie sehen ihre unvollkommenen Werke, anstatt der vollkommenen Ver­söhnung Christi.

Wenn wir jetzt den Gesang der Israeliten im einzelnen betrachten, so finden wir in ihm keine Silbe, die auf das Ich, auf seine Handlungen, Worte oder Gefühle Bezug nimmt, sondern er handelt von Anfang bis Ende nur von dem HERRN. Das Lied beginnt mit den Worten: "Singen will ich dem HERRN, denn hoch erhaben ist er; das Roß und seinen Reiter hat er ins Meer gestürzt" (V. 1). Hier wird schon der Inhalt des ganzen Liedes angedeutet; vom Anfang bis zum Schluß redet es von den Eigenschaften und Taten Gottes.

Im 14. Kapitel war das Volk durch den übermäßigen Druck der Umstände wie gelähmt gewesen; hier in Kap. 15 aber ist der Druck weggenommen, und sie sind frei und ungehindert, um Gott zu loben. Das Ich ist vergessen. Die Probleme liegen hinter ihnen. Nur der HERR selbst, Sein Charakter und Seine Wege stehen vor ihren Blicken. Sie konnten sagen: "Du hast mich er­freut, HERR, durch dein Tun; über die Werke deiner Hände will ich jubeln" (Ps. 92, 4). 

Das ist wahre Anbetung. Nur wenn das wertlose Ich, mit allem was ihm angehört, nicht mehr in unserem Blickfeld existiert und Christus allein unsere Herzen ausfüllt, sind wir fähig, in der rechten Weise Gottesdienst zu üben. Dann ist keine fleischliche Frömmigkeit nötig, um Gefühle der Andacht wachzurufen. Auch die äußeren Hilfs­mittel einer weltlichen Religion, die zum Gelingen eines wohlgefälligen Gottesdienstes mitwirken sollen, erübrigen sich dann völlig. Wenn ein Gläubiger nur mit der Person Christi beschäftigt ist, werden Lobgesänge die natürliche Folge sein. 

Man kann nicht mit aufgedecktem Angesicht den Herrn anschauen, ohne sich in Anbetung niederzubeugen. Wenn wir z. B. in der Offenbarung die Anbetung der zahllosen Erlösten be­trachten, so finden wir, daß sie immer durch die Darstellung irgend­eines besonderen Zuges der Wesensart Gottes hervorgerufen wird. So sollte es auch in der Kirche sein, solange sie noch auf der Erde ist. Wenn es aber nicht so ist, dann deshalb, weil wir uns von Dingen beanspruchen lassen, die angesichts der Herrlichkeit Gottes keinen Bestand haben. Gott selbst ist das Ziel, der Gegenstand und die Kraft wahrer An­betung.

Wir sehen in diesem Kapitel ein schönes Beispiel davon, wie Gott durch ein Lied geehrt werden kann. Es ist die Sprache eines erlösten Volkes, das seinen Erlöser lobt. "Meine Stärke und mein Gesang ist der HERR, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben. Der HERR ist ein Kriegsmann, HERR sein Name ... Deine Rechte, 0 HERR, ist herrlich in Macht; deine Rechte, o HERR, hat zerschmettert den Feind ... Wer ist dir gleich unter den Göttern, o HERR! wer ist dir gleich,

 herrlich in Heiligkeit, furchtbar an Ruhm, Wunder tuend!. Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst, hast es durch deine Stärke geführt zu deiner heiligen Wohnung ... Der HERR wird König sein immer und ewiglich" (V. 2. 3. 6. 11. 13. 18). Der Rahmen dieses Gesangs ist sehr weit gefaßt. Er beginnt mit der Erlösung und endet mit der Herrlichkeit. Er beginnt mit dem Kreuz und endet mit dem Königreich, er reicht ‑ neutestamentlich gesprochen von den "Leiden" bis zu den "Herrlichkeiten danach" (1. Petr. 1, 11). Und bei allem ist Gott allein das Thema. Ein solcher Gesang kann nur durch das An­schauen Gottes und Seiner herrlichen Taten hervorgerufen werden.

Überdies wird in diesem Gesang die Erfüllung der Ratschlüsse Gottes vor­weggenommen, indem wir lesen: "Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst, hast es durch deine Stärke geführt zu deiner heiligen Wohnung" (V. 13). Die Kinder Israel konnten so sprechen, obwohl sie eben erst die Wüste betreten hatten. 

Es war nicht der Ausdruck einer unbestimmten Hoffnung oder eines möglichen Zufalls. Wenn ein Gläu­biger mit Gott allein beschäftigt ist, so wird er die Fülle Seiner Gnade immer tiefer erkennen und sich immer mehr erfreuen an den Schätzen Seiner Barmherzigkeit und Güte. Und in diesem Bewußtsein, mit dem auferstandenen Christus in die himmlischen Örter versetzt zu sein, kann nichts den Gläubigen hindern, die unergründlichen Pläne Gottes zu er­forschen und seine Freude zu haben an der Herrlichkeit, die Gott nach Seinem ewigen Ratschluß für alle bereitet hat, deren Kleider in dem Blut des Lammes gewaschen sind.

Dies erklärt den unvergleichlichen Charakter aller Lobgesänge, die wir in der Heiligen Schrift finden. Nicht ein Geschöpf, sondern Gott ist das Thema, von dem der Gläubige erfüllt ist. Der Mensch, seine Gefühle oder seine Erfahrungen würden das Lob Gottes nur unterbrechen; sie werden deshalb gar nicht erwähnt. Darum sind diese Gesänge so ver­schieden von solchen Liedern, die immer wieder Ausdrücke unserer Schwächen und Unzulänglichkeiten enthalten; und gerade solche Lieder sind so oft in christlichen Versammlungen zu hören. Tatsache ist, daß wir nie mit geistlicher Kraft und Einsicht singen können, wenn wir auf uns selbst blicken. 

Denn in uns selbst werden wir immer etwas ent­decken, das unser Lob und unsere Anbetung hemmt. Manche scheinen es allerdings beinahe als eine Gnade zu betrachten, wenn sie ständig in Zweifel und Ungewißheit sind; an ihren Liedern ist das allerdings auch zu erkennen. Solche Personen haben, so treu und aufrichtig sie es auch meinen, noch nicht verstanden, was Gottesdienst eigentlich ist. Sie sind noch nicht mit sich selbst zum Abschluß gekommen. Sie haben noch nicht das Rote Meer durchschritten und als ein geistlich getauftes Volk in der Kraft der Auferstehung am anderen Ufer ihren Platz eingenommen. Sie sind in der einen oder anderen Weise noch mit sich selbst be­schäftigt und betrachten das Ich, mit dem Gott für immer ein Ende ge­macht hat, nicht als gekreuzigt.

Möge der Heilige Geist in allen Kindern Gottes bewirken, daß sie ihren Platz und ihre Vorrechte klar verstehen und erkennen, daß sie, gewa­schen von ihren Sünden in dem Blut Christi, in derselben unendlichen und vollkommenen Annehmlichkeit vor Gott stehen wie Christus selbst, das auferstandene und verherrlichte Haupt Seiner Kirche! Zweifel und Befürchtungen stehen den Kindern Gottes nicht gut an, denn ihr gött­licher Bürge hat jede nur denkbare Ursache von Zweifel und Furcht beseitigt. Ihr Platz ist innerhalb des Vorhangs.

Sie haben Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu (Hebr. 10, ‑19). Gibt es etwa Zweifel und Befürchtungen im Heiligtum? Ist es nicht deutlich, daß jeder Zweifel die Vollkommenheit des Werkes Christi in Frage stellt, eines Werkes, von dem Gott angesichts aller Geschöpfe durch die Auferweckung Christi aus den Toten Zeugnis gegeben hat? Christus hätte nicht das Grab verlassen können, wenn nicht jeder Grund zum Zweifeln und Fürchten für Sein Volk weggeräumt gewesen wäre. Des­wegen kann ein Christ sich ständig eines vollkommenen Heils erfreuen, Gott selbst ist sein Heil geworden; und seine Aufgabe ist, die Früchte des Werkes, das Gott für ihn gewirkt hat, zu genießen und zu Seiner Verherrlichung zu leben, solange er auf die Zeit wartet, da "der HERR König sein wird immer und ewiglich" (V. 18).

"Und Mose ließ Israel aufbrechen vom Schilfmeer, und sie zogen aus in die Wüste Sur; und sie gingen drei Tage in der Wüste und fanden kein Wasser" (V. 22). Wenn unser Erfahrungsleben in der Wüste be­gonnen hat, dann erweist es sich, inwieweit wir Gott und unsere eige­nen Herzen kennen. Am Anfang unserer christlichen Laufbahn haben wir gewöhnlich noch sehr viel Frische und ein Übermaß von Freude, die aber sehr bald durch den schneidenden Wind der Wüste beeinträchtigt werden; und wenn dann nicht das tiefe Bewußtsein davon, was Gott für uns ist, alles andere beherrscht, so besteht die Gefahr, daß wir zusammenbrechen und uns in unseren Herzen nach Ägypten zurückwenden

(Apg. 7, 39). Die Zucht der Wüste ist nötig, allerdings nicht, damit wir ein Anrecht auf das Land Kanaan erhalten, sondern damit wir Gott und unsere eigenen Herzen besser kennenlernen. Auch die Kraft unseres Verhältnisses zu Gott erleben wir nur in der Wüste, und schließlich ‑wenn wir Kanaan erreicht haben ‑ wird aufgrund unserer Erfahrungen in der Wüste auch unsere Freude an dem Land vermehrt werden (vergl. 5. Mose 8, 2‑5).

Die Frische und der Zauber des Frühlings verschwinden bald vor der Hitze des Sommers; aber gerade diese Hitze bringt die gereiften Früchte des Herbstes hervor. So ist es auch im Leben des Christen. Überhaupt gibt es eine auffallende Übereinstimmung zwischen den Grundsätzen der Natur und denen des Reiches Gottes; wie könnte es auch anders sein, da die einen wie die anderen das Werk desselben Gottes sind?

Es gibt drei verschiedene Bereiche, in denen wir die Israeliten be­trachten können. Ägypten, die Wüste und das Land Kanaan. In jedem dieser Bereiche sind sie ein Bild von uns; nur befinden wir uns in allen dreien gleichzeitig. Das mag seltsam klingen, aber es ist die Wahrheit. Tatsächlich sind wir in Ägypten, und zwar umringt von natürlichen Dingen, die dem natürlichen Herzen ganz und gar entsprechen. Aber weil Gott uns durch Seine Gnade in die Gemeinschaft Seines Sohnes Jesus Christus berufen hat, haben wir eine neue Natur mit neuen Neigungen und Wünschen bekommen und damit zugleich auch einen Platz außer­halb Ägyptens*), d. h. der Welt in ihrem natürlichen Zustand. Und für

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*) Zwischen Ägypten und Babylon besteht ein wichtiger moralischer Unterschied. Ägypten war der Ort, von dem die Israeliten auszogen, und Babylon das Land, in das sie später geführt wurden. (Vergl. Amos 5,25‑27 mit Apg.7. 42. 43). Ägypten ist der Ausdruck dessen, was der Mensch aus der Welt gemacht hat; Babylon der Ausdruck dessen, was Satan aus der bekennenden Kirche gemacht hat oder noch machen wird. Wir sind deshalb nicht nur von den Verhältnissen Ägyptens, sondern auch von den moralischen Grundsätzen Babylons umgeben.

Das macht unsere Tage zu »schweren Zeiten", wie der Heilige Geist sich ausdrückt (2. Tim. 3, i~). Man braucht die Energie des Geistes Gottes und vor­behaltlose Unterwerfung unter die Autorität der Heiligen Schrift, um den Verlockungen Ägyptens und zugleich dem Geist und den Grundsätzen Babylons widerstehen zu können. Das erste entspricht den Wünschen des natür­lichen Herzens, während das zweite sich an die natürliche Religiosität richtet und einen großen Einfluß auf das Herz erlangt. Der Mensch ist ein religiöses Wesen und besonders empfänglich für die Eindrücke der Musik, der Bau­kunst, der Malerei und der Prachtentfaltung religiöser Gebräuche und Zeremonien. Wenn diese Dinge auch noch die Erfüllung seiner natürlichen Wün. sche und äußeres Wohlleben mit sich bringen, dann kann nur die Kraft des Wortes und Geistes Gottes jemanden in der Treue für Christus bewahren.

Beachten wir auch, daß es zwischen dem Endschicksal Ägyptens und Babylons einen großen Unterschied gibt. In Jes. 19 werden uns die Segnungen vor Augen gestellt, die für Ägypten aufbewahrt sind. Wir lesen am Schluß des Kapitels: "Und der HERR wird die Ägypter schlagen, schlagen und heilen; und sie werden sich zu dem HERRN wenden, und er wird sich von ihnen erbitten lassen und sie heilen ... An jenem Tage wird Israel das dritte sein mit Ägypten und mit Assyrien, ein Segen inmitten der Erde; denn der HERR der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sein mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, Israel, mein Erbteil" (Jes. 19, 22‑25).

Ganz anders ist das Ende der Geschichte Babylons, mag man nun buchstäblich an eine Stadt oder an ein geistliches System denken. "Und ich will es zum Besitztum der Igel machen und zu Wassersümpfen, und ich werde es ausfegen mit dem Besen der Vertilgung, spricht der HERR der Heer­scharen". (Jes. 14, 23). "Es wird in Ewigkeit nicht bewohnt werden und keine Niederlassung mehr sein von Geschlecht zu Geschlecht" (Jes. 13, 2o). Das ist das Schicksal Babylons, wenn wir es als Stadt betrachten. Sehen wir es aber in seiner geistlichen Bedeutung, so finden wir in Offb, 18 sein Endurteil; das ganze Kapitel handelt von Babylon und schließt mit den Worten: "Und ein starker Engel hob einen Stein auf wie einen großen Mühlstein und warf ihn ins Meer und sprach: Also wird Babylon, die große Stadt, mit Gewalt nieder­geworfen und nie mehr gefunden werden. ‑. "

Wie sollte sich jeder von diesen Worten getroffen fühlen, der irgendwie mit Babylon und seinen Grundsätzen verbunden ist! "Gehet aus ihr hinaus, mein Volk, auf daß ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet, und auf daß ihr nicht empfanget von ihren Plagen!" (Offbg. 18, 4). Die "Kraft" des Heiligen Geistes kann sich nur in einer bestimmten "Form" äußern aber es ist immer das Ziel des Feindes gewesen, die bekennende Kirche der Kraft zu berauben, gleichzeitig aber zu bewirken daß sie die Form beibehielt, auch wenn der Geist und das Leben längst verschwunden waren. In dieser Weise baut er das geistliche Babylon auf. Die Steine, aus denen diese Stadt besteht, sind leblose Bekenner; und der Mörtel, wodurch Satan die Steine verbindet, ist "eine Form der Gottseligkeit ohne Kraft".

unsere praktische Erfahrung bedeutet das ein Leben in der Wüste. Die göttliche Natur in uns verlangt nach einer anderen Ordnung der Dinge, nach einer reineren Atmosphäre als die, von der wir umgeben sind, und dadurch läßt sie uns fühlen, daß Ägypten seinem Wesen nach eine Wüste ist.

Schließlich aber sind wir in den Augen Gottes auch auf ewig mit Chri­stus vereinigt, der in die Himmel eingegangen ist und dort zur Rechten der Majestät Platz genommen hat, und deshalb dürfen wir durch den Glauben wissen, daß Er auch uns in Ihm hat mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern (Eph. 2, 6). So sind wir nun dem Leibe nach in Ägypten, hinsichtlich unserer Erfahrungen in der Wüste und können doch gleichzeitig durch den Glauben in Kanaan eintreten und uns von "dem Getreide des Landes, d. h. von Christus nähren; nicht nur von Christus, der auf die Erde herabgestiegen ist, sondern von Christus, der in den Himmel zurückgekehrt ist und jetzt dort in Herrlichkeit thront (vergl. 1. Tim. 3, 16).

Die letzten Verse des Kapitels zeigen uns die Kinder Israel in der Wüste. Bis dahin war es glücklich gelaufen. Schreckliche Gerichte waren über Ägypten hereingebrochen, Israel aber war völlig verschont geblieben; das ägyptische Heer lag tot am Ufer, Israel aber triumphierte. Alles war nach Wunsch gegangen. Aber wie schnell änderte sich die Lage. Die Lobgesänge verstummten und Murren trat an ihre Stelle.

"Und sie kamen nach Mara, aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, denn es war bitter ‑ darum gab man ihm den Namen Mara. Und das Volk murrte wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken?" (V. 23. 24). Und weiter: "Und die ganze Gemeinde der Kin­der Israel murrte wider Mose und wider Aaron in der Wüste. Und die Kinder Israel sprachen zu ihnen: 'V\7ären wir doch im Lande Ägypten durch die Hand des HERRN gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung! denn ihr habt uns in diese Wüste herausgeführt, um diese ganze Versammlung Hungers sterben zu lassen" (Kap. 16, 2. 3).

Das waren die Prüfungen der Wüste: "Was sollen wir essen?" und "Was sollen wir trinken"? Das Wasser von Mara stellte das Herz des Volkes Israel auf die Probe und offenbarte seinen unzufriedenen Geist; aber der Herr zeigt ihm, daß es keine Bitterkeit gab, die Er nicht ver­süßen konnte. "Und der HERR wies ihm ein Holz; und er warf es in das Wasser, und das Wasser wurde süß. Dort stellte er ihm Satzung und Recht, und dort versuchte er es" (V. 25). Ein wunderbares Bild von dem, der in die bitteren Wasser des Todes geworfen wurde, damit ihnen die Bitterkeit um unsertwillen für ewig genommen würde.

Der 26. Vers stellt uns den Ernst dieser ersten Station der Erlösten Gottes in der Wüste vor Augen. Gerade dann sind wir in Gefahr, un­ruhig und ungeduldig zu werden. Nur das beständige "Hinschauen auf Jesus" (Hebr. 12, 2.) kann uns vor diesem Geist schützen. Der Herr offenbart sich immer in einer Weise, die den jeweiligen Bedürfnissen Seines Volkes angemessen ist; und die Seinen sollten, anstatt sich über die Umstände zu beklagen, sie zum Anlaß nehmen, sich immer von neuem auf Ihn zu stützen. Auf diese Weise dient die Wüste dazu, uns erfahren zu lassen, wer Gott ist. Sie ist eine Schule, in der wir Seine Geduld, Seine Treue und Hilfe kennenlernen. "Und eine Zeit von etwa vierzig Jahren pflegte er sie in der Wüste" (Apg. 13, 18). Wer geistlich gesinnt ist, weiß, daß es der Mühe wert ist, bitteren Wassern zu be­gegnen, damit Gott sie versüßen kann. "Wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, daß die Trübsal Ausharren bewirkt, das Aus­harren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung; die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist" (Röm. 5, 3‑5).

Allerdings gibt es in der Wüste auch Orte wie "Elim", nicht nur solche wie Mara": es gibt Wasserquellen und Palmbäume ebenso wie bittere Wasser. "Und sie kamen nach Elim, und daselbst waren zwölf Wasser­quellen und siebenzig Palmbäume; und sie lagerten sich daselbst an den Wassern" (V. 27). Der Herr bereitet in Seiner Gnade und Sorgfalt grüne Plätze für Sein Volk in der Wüste; und wenn es auch nur Oasen sind, so wirken sie doch erfrischend und belebend. Der Aufenthalt in Elim ließ das Murren der Israeliten verstummen. Der Schatten der Palm­bäume und die Quellen Elims kamen zur gelegenen Zeit nach den Prü­fungen Maras und zeigen uns, wie vollkommen Gott Seinem Volk auf Erden dient. Die Zahlen 12 und 70 stehen in Verbindung mit dem Dienst (vergl. Luk. 10, 1‑17; 6, 13).

Doch Elim war nicht Kanaan. Die Wasserquellen und Palmblume Elims waren nur ein Vorgeschmack von dem Land, das jenseits der Wüste lag. Ohne Zweifel fand Israel hier eine Erfrischung; aber es war eine Er­frischung der Wüste, und sie reichte nur für eine kurze Zeit aus, um das Volk zu ermutigen und für seinen weiteren Weg nach Kanaan zu stärken. Den gleichen Sinn hat der Dienet in der Kirche. Er ist eine gnädige Vorsorge für unsere Bedürfnisse und dazu bestimmt, unsere Herzen zu stärken und zu ermutigen, "bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes" (Eph. 4,13).