Das Buch Esra berichtet von einem wichtigen Zeitabschnitt im Handeln Gottes mit Seinem Volke Israel. Es ist die Fortsetzung vom zweiten Buche der Chronika, obwohl zwischen den Ereignissen, die in den beiden Büchern beschrieben sind, siebzig Jahre liegen; denn die Zeit, in welcher die Juden ausserhalb des Landes der Verheissung im Exil wohnten, zählt nicht. Durch ihre Sünden und ihren Abfall hatten sie alles verloren, und Gott hatte Nebukadnezar gesandt, um sie zu züchtigen, um Sein eigenes Haus — das Sein Volk entweiht und verunreinigt hatte — zu zerstören und sie nach Babylon gefangen wegzuführen. «Damit erfüllt würde das Wort Jehovas durch den Mund Jeremias, bis das Land seine Sabbathe genossen hätte» (2. Chron. 36,21).
Nichts könnte trauriger sein, als der Bericht von der Zerstörung Jerusalems und der Vernichtung des Königtums, das der Verantwortlichkeit des Menschen übergeben worden war, ausgenommen die noch schrecklicheren Berichte von der Belagerung und Einnahme Jerusalems durch Titus, kurz nach dem Beginn des christlichen Zeitalters.
Die Langmut Gottes war in jeder Weise geprüft worden. In Seiner Gnade hatte Er die Rebellen Seines Volkes lange ertragen. Er hatte Boten zu ihnen gesandt, «früh sich aufmachend und sendend; denn Er erbarmte sich Seines Volkes und Seiner Wohnung. Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten Seine Worte und äfften Seine Propheten, bis der Grimm Jehovas gegen Sein Volk stieg, dass keine Heilung mehr war. Und Er liess den König der Chaldäer wider sie heraufkommen» usw.
Die Schläge des Schwertes Seiner Gerechtigkeit fielen auf Sein schuldiges Volk, weil ihre Sünden die Sünden der Amoriter, die Gott vor ihnen ausgetrieben hatte, sogar noch übertrafen (siehe 2. Kön. 21,11). Gottes Thron auf Erden war nun nach Babylon verlegt. Die Zeiten der Nationen nahmen ihren Anfang und dauern immer noch an, bis Christus selbst Seinen Thron, den Thron Seines Vaters David, aufrichten wird (siehe Luk. 1. 32.33; 21,24). Lo-Ammi (nicht mein Volk) war daher auf das auserwählte Geschlecht geschrieben1, und es begann für sie die schmerzliche Erfahrung der Gefangenschaft und der Verbannung unter der Zuchtrute in der Hand ihres Gottes.
Als nun aber das Buch Esra geschrieben wurde, waren die siebzig Jahre ihrer Gefangenschaft, die Jeremia vorausgesagt hatte, erfüllt. Und in Verbindung damit berichtet Esra vom Tun Gottes, der nun Sein eigenes sicheres und treues Wort ausführen wollte. Die Art und Weise Seines Eingreifens ist charakteristisch für die Haltung Gottes gegenüber Seinem Volk während der Zeiten der Nationen und erklärt auch in gewissem Masse die Besonderheit der Bücher Esra, Nehemia und Esther. In diesen Büchern wird deutlich, dass Gott nicht länger mehr
direkt in die Angelegenheiten Seines Volkes eingreift, aber Er wirkt hinter der Szene, indem Er die neue Ordnung der Dinge anerkennt, die Er selbst eingeführt hat: Er gebraucht heidnische Monarchen und legt zur Ausführung Seiner Ratschlüsse das Zepter über die Erde in ihre Hände. Wenn wir uns diese Grundsätze vor Augen halten, werden wir die Belehrungen des Buches Esra besser verstehen.
Das Buch selbst ist in zwei Teile geteilt. Die ersten sechs Kapitel berichten von der Rückkehr der Gefangenen, die auf die Proklamation Kores' antworteten, wie auch von der Aufrichtung des Tempels; die letzten vier von der Aufgabe, die Esra selbst zu erfüllen hatte.
1. vom Aufruf Kores und der Reaktion des Volkes,
2. von der Anzahl der «Geräte des Hauses Jehovas ..., welche Nebukadnezar aus Jerusalem weggeführt und in das Haus seines Gottes gelegt hatte» (V. 7) und die nun Kores den aus der Gefangenschaft nach Jerusalem Zurückkehrenden zurückgab.
Der erste Vers zieht den Vorhang zurück und enthüllt die Quelle der Macht, die damals am Ruder war und durch alle folgenden Ereignisse dieses Buches hindurch handelte, um die Absichten Jehovas auszuführen. «Und im ersten Jahre Kores, des Königs von Persien — damit das Wort Jehovas aus dem Munde Jeremias erfüllt würde — erweckte Jehova den Geist Kores, des Königs von Persien; und er liess einen Ruf ergehen durch sein ganzes Königreich, und zwar auch schriftlich» usw.
Lasst uns hier einen Augenblick stille stehen, um darauf hinzuweisen, wie der Herr — ob es nach aussen hin auch einen anderen Anschein haben mochte — die Herzen aller Menschen in Seiner Hand hält und sie dahin wendet, wohin immer Er will. Er benützt die Menschen jeden Standes als Werkzeuge der Ratschlüsse Seines Willens. Gerade die Erwähnung des Namens Kores unterstreicht dies. «Wer», sagt der Prophet Jesaja im Namen Jehovas, «hat vom Aufgang her den erweckt, welchem Gerechtigkeit auf Schritt und Tritt begegnet? Er gab Nationen vor ihm dahin» (Kap. 41,2). Und weiter: «Der von Kores spricht: Mein Hirt, und der all mein Wohlgefallen vollführt, indem er von Jerusalem sprechen wird: Es werde aufgebaut! und vom Tempel: Er werde gegründet!» (Kap. 44,28).
Diese Prophezeiung wurde lange Zeit vor der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar und mindestens hundert Jahre vor dem Prophetendienst Jeremias ausgesprochen. Dies zeigt, dass Gottes Auge und Herz ohne Unterlass auf Sein Volk und auf dessen Interessen gerichtet sind und dass die öffentlichen Ereignisse der Welt, das Aufstehen und Fallen von Monarchien, das Erscheinen mächtiger Eroberer, nur Mittel sind in Seiner Hand, um Seine eigenen Ratschlüsse in Verbindung mit Seinem irdischen Volke zu erfüllen. Wie ruhig können daher die Kinder Gottes sein mitten in den politischen Wirren und Kämpfen der Welt! Gott hat also durch den Mund Jesajas zweihundert Jahre vor den in unserem Kapitel erwähnten Ereignissen Sein auserwähltes Gefäss zur Wiederherstellung Seines Volkes und zur Aufrichtung Seines Hauses in Jerusalem bezeichnet.
Ein Jahrhundert später, in den letzten Tagen des Königtums, hat dann Jeremia geweissagt, indem er das Volk abwechselnd warnte und beschwor: Er warnte sie vor den unweigerlich nahenden Gerichten und beschwor sie, vor Gott Busse zu tun und sich zu demütigen vor Dem, dessen Zorn sie durch ihre Bosheit und Torheit hervorgerufen hatten. Im Verlaufe dieses seines Dienstes sagte er: «Dieses ganze Land wird zur Einöde, zur Wüste werden; und diese Nationen werden dem König von Babel dienen siebzig Jahre.
Und es wird geschehen, wenn siebzig Jahre voll sind, werde ich an dem König von Babel und an jenem Volke, spricht Jehova, ihre Schuld heimsuchen», usw. (Jer. 25,11.12). Und ferner: «Sobald siebenzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen und mein gutes Wort an euch erfüllen, euch an diesen Ort zurückzubringen» (Jer. 29,10). Zuerst also wurde Kores bezeichnet, lange Jahre bevor er geboren wurde, und nach einem weiteren Zeitabschnitt verkündigte Jeremia das Herannahen der Gefangenschaft des Volkes und die genaue Dauer ihrer Verbannung.
Aber da war noch ein anderes Werkzeug (das zwar nicht in diesem Kapitel erscheint), mit dem sich Gott bei der Durchführung Seiner Absichten der Gnade und des Segens gegenüber Seinem Volk verbinden wollte.
Im Buche Daniel lesen wir: «Im ersten Jahre seiner Regierung (des Darius) merkte ich, Daniel, in den Schriften auf die Zahl der Jahre, betreffs welcher das Wort Jehovas zu dem Propheten Jeremia geschehen war, dass nämlich siebenzig Jahre für die Verwüstung Jerusalems vollendet werden sollten. Und ich richtete mein Angesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen zu suchen, in Fasten und Sacktuch und Asche» (Dan. 9,2.3). Gott hatte von den Werkzeugen zur Wiederherstellung Seines Volkes gesprochen und sie zubereitet; aber was finden wir hier? Dass einer der Gefangenen, der durch Nebukadnezar nach Babel weggeführt worden war, der Prophet Daniel, nicht durch eine besondere Offenbarung, sondern durch andauerndes Studium der Schriften Jeremias entdeckte, dass Gott für die Verwüstung Jerusalems einen Zeitabschnitt von siebenzig Jahren festgesetzt hatte.
Daher, sich stützend auf das untrügliche Wort Gottes, gab sich Daniel dem Gebet und dem Fasten hin, indem er sich selbst vor Gott niederbeugte, die Sünden seines Volkes bekannte und flehentlich darum bat. Er möge Sein eigenes Wort erfüllen. «Herr», betete er, «nach allen deinen Gerechtigkeiten lass doch deinen Zorn und deinen Grimm sich wenden von deiner Stadt Jerusalem, deinem heiligen Berge! Denn wegen unserer Sünden und der Missetaten unserer Väter sind Jerusalem und dein Volk zum Hohne geworden allen denen, die uns umgeben. Und nun höre, unser Gott, auf das Gebet deines Knechtes und auf sein Flehen; und um des Herrn willen lass dein Angesicht leuchten über dein verwüstetes Heiligtum!» (V. 16.17). So hatte Daniel, indem er sich selbst mit dem Zustand seines Volkes einsmachte, Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes und das unaussprechliche Vorrecht, ein Fürsprecher für Israel und für die Erfüllung der Verheissungen Gottes zu werden. Sein Gebet wurde erhört (Verse 21—27), und wir lernen dabei, dass Gott in Seiner Gnade Seinem Volke erlaubte, in Seine eigenen Gedanken einzutreten und mit Ihm selbst vereinigt zu werden in der Erfüllung Seiner Ratschlüsse, zu Seiner eigenen Verherrlichung.
Somit war nun alles bereit; die Vorbereitungen waren getroffen. In Uebereinstimmung mit Jesajas' Voraussage war nun zur Herrschaft über die Nationen «vom Auf gang her der erweckt, welchem Gerechtigkeit auf Schritt und Tritt begegnet»; und durch Ihn sollte nun die in Aussicht gestellte Befreiung kommen. Darum wird jetzt von der nächsten Handlung berichtet: «Jehova erweckte den Geist Kores, des Königs von Persien.» Dies hatte zur Folge, dass dieser nachstehenden Aufruf erliess: «So spricht Kores, der König von Persien: Alle Königreiche der Erde hat Jehova, der Gott des Himmels, mir gegeben; und er hat mich beauftragt, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus seinem Volke ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist, und baue das Haus Jehovas, des Gottes Israels, (er ist Gott) in Jerusalem. Und jeder, der übrig bleibt an irgendeinem Orte, wo er sich aufhält, den sollen die Leute seines Ortes unterstützen mit Silber und mit Gold und mit Habe und mit Vieh, nebst den freiwilligen Gaben für das Haus Gottes in Jerusalem» (Esra 1. 2—4).
Drei Dinge werden hier bekannt gemacht, nämlich:
1. der Auftrag, den Kores selbst bezüglich des Hauses Gottes empfangen hatte;
2. seine königliche Erlaubnis für alle Juden, nach Jerusalem zurückzukehren, zum Zwecke der Aufrichtung des Tempels; und
3. seine Aufforderung an die Zurückbleibenden, mit den Ausziehenden Gemeinschaft zu haben durch freiwillige Gaben für das Haus Gottes in Jerusalem, das sie aufbauen wollten.
Der übrige Teil des Kapitels schildert die durch diesen Aufruf hervorgerufene Wirkung. Wir sagen «die Wirkung des Aufrufs», aber der Leser wird wohl gemerkt haben, dass Der, welcher den Geist Kores' erweckte, auch Der war, der den Geist derer erweckte, die sich für das in Aussicht gestellte Werk hingaben. Nur auf zwei oder drei Einzelheiten muss noch hingewiesen werden.
Es ist vor allem von grosser Wichtigkeit, dass die Häupter der Väter, und die sich mit ihnen zu dem Werke aufmachten, von den beiden Stämmen Juda und Benjamin waren. Da waren auch noch Leviten, aber sie zählten nicht als Stamm; denn Levi hatte «kein Teil noch Erbe mit seinen Brüdern; Jehova ist sein Erbteil» (5.Mose 10,8. 9). Aus diesen und aus anderen Schriftstellen geht klar hervor, dass, wenn sich auch Einzelne aus anderen Stämmen darunter befunden haben mochten, nur diese beiden Stämme wiederhergestellt wurden.
Daher waren es nur Juda und Benjamin, denen Christus, als Er später in diese Welt kam, zur Annahme vorgestellt wurde; und die Tatsache, dass sie Ihn verwarfen, führt dazu, dass nur diese zwei von den zwölf Stämmen durch die schreckliche «grosse Drangsal» hindurchgehen müssen, «dergleichen von Anfang der Welt bis jetzthin nicht gewesen ist, noch je sein wird», als Folge des Kommens und der Macht des Antichrists in Jerusalem. Aus demselben Grunde werden die zehn Stämme erst gesammelt und wiederhergestellt werden, wenn der Herr zur Errettung des Ueberrestes im Lande erscheinen wird (Sach. 14; Hes. 20,33 bis 44; Kap. 34 und Jer. 31, 6-14).
Alsdann wirkte Gott auch in den Herzen der Nachbarn derer, die sich dem Werke des Hauses Gottes weihten, denn sie unterstützten sie «freiwillig» von ihrer Habe, entsprechend dem Aufruf, indem sie ihnen halfen mit silbernen Geräten, mit Gold usw. Schliesslich bezeugte Kores selbst, dass die göttliche Macht auch sein Herz berührt und Interesse an dem Werke darin bewirkt hatte, indem er die Gefässe des Tempels zurückgab, welche Nebukadnezar aus Jerusalem hieher gebracht und sie in das Haus seines Gottes gelegt hatte (siehe Dan. 5,1—4); er liess sie Sesbazar, dem Fürsten Judas, übergeben (Verse 6-9).
Wir finden also in diesem Kapitel alle Zeichen eines echten Werkes Gottes.
Zu dem einen grossen Zweck war eine Zusammenarbeit der Herzen aller Beteiligten bewirkt worden, sowohl in Kores — ohne seine Erlaubnis hätten die Gefangenen nicht zurückkehren können — als auch in den Häuptern der Väter von Juda und Benjamin, die nötig waren zum Aufbauwerk, und schliesslich in denen, die zurückblieben, aber durch ihre freiwilligen Opfer Gemeinschaft hatten mit ihren Brüdern. Da waren keine Zusammenkünfte vorangegangen, um ein Uebereinkommen zustande zu bringen. Die Einigung der Herzen zum gemeinsamen Ziel wurde allein durch die Wirksamkeit des Herrn in den Herzen aller hervorgebracht. Das ist das Merkmal eines göttlichen Werkes und der sichere Beweis einer echten Tätigkeit des Geistes Gottes. Jedes benötigte Werkzeug tritt im richtigen Augenblick in den Vordergrund, denn das Werk ist von Gott und muss erfüllt werden.
Die letzten drei Verse enthalten die Anzahl der geheiligten Geräte, welche Sesbazar von Kores empfing, und er brachte sie von Babel nach Jerusalem.
Wir haben in diesem Kapitel ein Verzeichnis der «Kinder der Landschaft Juda, welche aus der Gefangenschaft der Weggeführten, die Nebukadnezar, der König von Babel, nach Babel weggeführt hatte, hinaufzogen, und die nach Jerusalem und Juda zurückkehrten, ein jeder in seine Stadt» (V. l).
In diesem Bericht gibt es verschiedene interessante Einzelheiten, die beachtenswert sind. Vor allem wird hier deutlich, wie wertvoll die Reaktion für Gott war, die Seine Gnade in den Herzen von vielen Tausenden unter Seinem Volke hervorgebracht hatte, wie schwach sie auch in Seine Gedanken bezüglich Seines Hauses eingetreten sein mochten. Aus diesem Grunde veranlasste Er, dass diese Liste erhalten blieb, als Beweis, dass Er die geringsten Früchte der Wirksamkeit Seines Geistes mit Freuden wahrnimmt. Er macht die genauen Namen derer kund, die dem Aufruf Kores' Folge leisteten, als eine Ermunterung für alle, in Seinen Wegen zu wandeln, sich einszumachen mit Seinen Interessen und Treue zu beweisen in Zeiten des Verfalls und des Abfalls. (Vgl. Luk. 12,8 mit Offb. 3,5). In Vers 2 werden die Namen der Führer angegeben, und dann wird das Volk nach seinen Geschlechtern klassifiziert.
Wenn wir dieses Verzeichnis genauer prüfen, stellen wir darin vier Teile fest:
1. Bis zu Vers 42 werden solche aufgeführt, welche ohne allen Zweifel zum Volke Israel, zu Juda, Benjamin oder Levi gehörten (unter den Letzteren waren auch Sänger und Torhüter).
Dann folgen zwei andere Klassen, die Nethinim und die Knechte Salomos, im Blick auf welche einige Worte nötig sind.
2. Bei den Nethinim (V. 43-54) erhebt sich die Frage, ob sie wirklich von jüdischer Abstammung waren. Der Name bedeutet «Geschenkte», und aus dem Platz, der ihren Namen in diesem Kapitel gegeben wird (siehe auch 1. Chron. 9,2), hat man schon geschlossen, dass sie von einem anderen Geschlecht waren, aber ursprünglich den Leviten für ihren Dienst beigegeben wurden, so wie auch die Leviten selbst — diese aber durch göttliches Gebot, anstelle der Erstgeborenen Israels (siehe 4. Mose 8) - dem Aaron gegeben worden waren zum Dienste des Herrn in Seinem Heiligtum.
Spuren von solchen Nethinim (Geschenkten) finden wir in zwei Schriftstellen. In 4. Mose 31,37 lesen wir bezüglich der Beute, die von den Midianitem genommen wurde: «Von der Hälfte der Kinder Israel nahm Mose das Herausgegriffene, eines von fünfzig, von den Menschen und von dem Vieh, und gab sie den Leviten, welche der Hut der Wohnung Jehovas warteten; so wie Jehova dem Mose geboten hatte.» Auch finden wir, dass Josua zu den Gibeonitern sagte: «Nicht sollt ihr aufhören, Knechte zu sein, sowohl Holzhauer als Wasserschöpfer für das Haus meines Gottes!» (Jos. 9,23, vgl. Esra 8,20).
Das also ist offenbar der Ursprung der Nethinim — es waren solche, die vom gerechten Gericht Gottes verschont worden waren. Und wenn sie auch zu Knechten erniedrigt wurden, so war es doch eine Knechtschaft, die Seine Gnade ihnen zuwies, in Verbindung mit Seinem Hause, wobei gerade der Fluch, der auf ihnen lastete (siehe Jos. 9,23) in Segnung verwandelt wurde. Statt durch das Schwert Jehovas der Heerscharen vernichtet zu werden, wurden sie gerettet, und hier im Buche Esra noch, nachdem Jahrhunderte vergangen sind, stehen sie in ehrenvoller Verbindung mit dem Volke des Herrn. Auch sie haben ein Herz für das Haus Gottes, denn auch sie kehren in diesem besonderen Zeitpunkt mit ihren Mitgefangenen aus Babylon zurück. Nicht zuletzt sind daher auch sie, sogar in unserer christlichen Haushaltung, ein Vorbild von den Gegenständen der Gnade.
3. Bezüglich der Knechte Salomos (V. 55-57) sind die Angaben weniger deutlich. Aber wir lesen, dass Salomo die Amoriter usw., die im Lande übriggeblieben waren und welche die Kinder Israel nicht zu vertilgen vermocht hatten, «zu Fronarbeiten! aushob bis auf diesen Tag» (1. Kön. 9,20-21). Vielleicht waren es die Nachkommen dieser Fronarbeiter, die hier «Knechte Salomos» genannt wurden. Wie sich dies auch immer verhalten mag, so können wir hier doch die Lehre daraus ziehen, dass die geringste Verbindung mit dem Volke und den Dingen des Herrn einen Segen nach sich zieht. Bei den Knechten Salomos wie auch bei den Nethinim muss es mehr als nur ein zeitlicher Segen gewesen sein; denn durch Gnade waren sie auf eigenen Wunsch zurückgekehrt, um am Wiederaufbau des Hauses Gottes in Jerusalem mitzuhelfen. Aller Männer dieser beiden Gruppen waren dreihundertzweiund-neunzig.
4. Die nächsten beiden Gruppen nehmen eine besondere und in gewissem Sinne betrübliche Stellung ein. Da waren einige — die Söhne Delajas, die Söhne Tobijas, die Söhne Nekodas, sechshundertzweiund-fünfzig —, die ihr Vaterhaus und ihre Abkunft nicht angeben konnten, ob sie aus Israel wären. Auch von den Söhnen der Priester — die Söhne Habajas, die Söhne Hakkoz', die Söhne Barsillais — «diese suchten ihr Geschlechtsregister-Verzeichnis, aber es wurde nicht gefunden; und sie wurden von dem Priestertum als unrein ausgeschlossen» (V. 59—62).
Im Lande ihrer Gefangenschaft nahm man es mit den Ansprüchen und Befugnissen nicht so genau. Babylon stellt die Knechtschaft, den Verfall dar, in welche das Volk Gottes durch seine Sünden gekommen ist, und daher war die Zeit ihrer Gefangenschaft eine Zeit der Nachlässigkeit, eine Zeit zwar, in der sie unter der Hand Gottes zu leiden hatten, aber doch eine Zeit der Verwirrung und Unordnung. Das konnte nicht anders sein, da sie ohne Tempel, ohne Opfer und ohne die Gegenwart Jehovas waren. Jetzt aber, da durch Gottes Gnade eine teilweise Wiederherstellung zustande gekommen war, in welcher sich eine deutliche Wirksamkeit des Geistes Gottes abzeichnete und das Haus Jehovas wiederum ihr Mittelpunkt wurde, waren sie gründlich geübt bezüglich des Anspruchs auf die Zugehörigkeit aller derer, die von Babylon zurückgekehrt waren.
Wenn jemand seine Abkunft nicht angeben konnte, so hatte er kein Anrecht, an dem Werke teilzunehmen, zu welchem sie berufen worden waren. Und im Falle der Priester waren die Folgen noch ernster. Wenn diese ihr Geschlechtsregister-Verzeichnis nicht finden konnten, wurden sie vom Priestertum als unrein ausgeschlossen. Man behauptete nicht, dass sie keine Priester seien, aber stellte sich auf den Standpunkt, dass ihr Anspruch nicht erwiesen sei. Das konnte vielleicht in nächster Zeit abgeklärt werden: «Der Tirsatha sprach zu ihnen, dass sie von dem Hochheiligen nicht essen dürften, bis ein Priester für die Urim und die Thummim aufstände.» Wenn dieser Tag kam, vermochte der Priester, durch die Lichter und Vollkommenheiten Gottes (Urim und Thummim) wieder mit göttlichem Verständnis und Unterscheidungsvermögen begabt, zu beurteilen, ob sie wirklich Priester waren. Inzwischen aber war ihr Anspruch verwirkt. Gnade konnte wiederherstellen, was unter dem Gesetz verloren ging; doch mussten sie geduldig darauf warten.
Etwas ganz Aehnliches zeigte sich dem Grundsatz nach in der Versammlung Gottes. Wir sagen nicht zuviel, wenn wir behaupten, dass sie im Anfang des vergangenen Jahrhunderts in manchen Ländern ganz unter der Herrschaft der weltlichen Macht stand. Das Leben des Volkes Gottes wurde da und dort durch den Dienst einiger treuer Männer unterhalten, wie auch durch das persönliche Studium des Wortes Gottes. Aber die Kirche als ganze war geknechtet und wurde in babylonischer Gefangenschaft gehalten. Doch fand dann eine Wiedererwekkung statt. An verschiedenen Orten wirkte Gott in den Herzen mancher, was zu tiefen Seelenübungen führte. In manchen Ländern und an verschiedenen Orten gab es eine Bewegung, die zur Befreiung vieler führte.
Die Urkunde ihrer Befreiung aus der Gefangenschaft war das Wort Gottes. Ueber dieses beugten sie sich Tag und Nacht und fanden darin beides. Licht und Leben. Anhand der Heiligen Schrift überprüften sie sich selbst und ihre Wege; durch sie erkannten sie auch den wahren Charakter ihrer bisherigen Gebundenheit und empfingen daraus auch Leitung für die Zukunft. Indem sie auf die Belehrungen des Wortes Gottes achteten, richteten sie den Tisch des Herrn wieder auf, in seiner ganzen Einfachheit. Sie lernten, dass der Heilige Geist im Hause Gottes wohnt und dass der Herr verheissen hat, bald zu kommen, um Sein Volk zu sich zu nehmen.
Sofort aber sahen sie sich der Schwierigkeit gegenübergestellt, die in diesem Kapitel erwähnt wird, der Schwierigkeit, den Anspruch und die Befugnis zum Brechen des Brotes am Tisch des Herrn abzuklären. In der Vergangenheit durfte es jeder gute Bürger tun, und oft wurden sogar alle ermahnt, zu kommen. Keiner, der ein Christ zu sein bekannte, wurde je zurückgewiesen, und viele, deren Leben ihrem Bekenntnis widersprach, wurden unbefragt zugelassen. Durfte diese Handlungsweise fortgesetzt werden?
Es wurde ihnen die Antwort gegeben, dass nur die, welche «ihr Vaterhaus angeben» oder ihr «Geschlechtsregister-Verzeichnis» finden konnten, schriftgemässen Anspruch auf einen Platz am Tische des Herrn hatten. Mit anderen Worten: Wenn wir nicht Frieden mit Gott haben, wenn wir nicht wissen, dass wir durch den Besitz des Geistes der Kindschaft Kinder Gottes sind und so unser Vaterhaus und unsere Abkunft angeben können, haben wir nicht das erforderliche göttliche Anrecht. Bekenntnis ist nicht genug. An einem Tag wie diesem, einem Tag der Wiederherstellung von der Gefangenschaft, müssen wir fähig sein, unser Bekenntais durch das sichere Wort Gottes als wahr nachzuweisen.
Denn der Apostel sagt: «Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen Teil an dem einen Brote» (1. Kor. 10,16.17).
Aber dem wird entgegengehalten: Willst du dich denn zum Richter über andere aufspielen? Keineswegs. Wir haben uns so zu verhalten, wie der Tirsatha in unserem Kapitel, der zu den Priestern, die ausgeschlossen wurden, gewissermassen sagte: «Ihr möget wirklich Priester sein, nur könnt ihr euren Anspruch nicht beweisen. Die Sache muss daher vertagt werden, bis ein Priester mit dem Urim und Thummim aufsteht - einer, der Gott gemäss urteilen kann.» Nun hat der, welcher zum Tische des Herrn kommen und sich mit Seinem Volke einsmachen will, den Beweis seiner Zugehörigkeit zu erbringen. Vermag er dies nicht, wird er nicht von denen ausgeschlossen, die es mit ihm zu tun haben, sondern durch seine eigene Unfähigkeit, sein Geschlechtsregister nachzuweisen. Sollte er dennoch ein Glied am Leibe des Christus sein, wird sein Anspruch, der ja ganz auf Gnade beruht, an einem kommenden Tage vom Herrn selbst völlig anerkannt werden. Es ist wichtig, dass dieser schriftgemässe Grundsatz verstanden und befolgt wird.
Die Frage bezüglich der Priester geht noch weiter. Wie wir gesehen haben, wurden diese ihres Amtes enthoben, das darin bestand, vor dem Herrn zu dienen und das Volk zu lehren (siehe 2. Mose 28; 3. Mose 10,9-11; 5. Mose 10,8; Mal. 2,5-7), und es wurde ihnen, weil sie ihr Geschlechtsregister-Verzeichnis nicht finden konnten untersagt, vom Hochheiligen zu essen. (Vgl. auch 3. Mose 22,1-16.)
Im christlichen Zeitalter sind alle wahren Gläubigen Priester (1. Petr. 2). Gott hat sie alle zu Anbetern in Seinem Heiligtum gemacht. Niemand darf sich das ausschliessliche Recht anmassen, in Anbetung Gott zu nahen und Ihm im Namen aller zu dienen. Wenn die hier im Buche Esra genannten Priester nicht von den heiligen Dingen essen durften, weil sie ihr Geschlechtsregister nicht finden konnten, so ist damit auch ein ernstes Urteil gefällt über die Praxis, die man in der Christenheit jahrhundertelang geübt hat. Nicht allein wurden viele auf Grund eines äusser-lichen Bekenntnisses zum Abendmahl zugelassen, also auch solche, die ihr Geschlecht nicht beweisen konnten, die keine wahren Gläubigen waren, oder über die man in dieser Hinsicht unsicher war. Vielen von diesen gab man durch menschliche Ordination sogar die Befugnis, «heiligen» Priesterdienst auszuüben!
Die Zahl der ganzen Versammlung, so wird uns nun gesagt, war zweiundvierzigtausend dreihundertund-sechzig. Ausser diesen gab es noch siebentausend dreihundert siebenunddreissig Knechte und Mägde und unter diesen noch zweihundert Sänger und Sängerinnen. Schliesslich wird auch noch die genaue Zahl der Rosse, Maultiere, Kamele und Esel genannt (V. 64-67).
Das war die grosse Reisegesellschaft oder Karawane, die von Babylon nach Juda und Jerusalem hinaufzog. Ihre Herzen waren ganz auf das heilige Unternehmen gerichtet, zu welchem Gott sie hatte aufrufen lassen.
Am Bestimmungsort angelangt, geben einige Häupter der Väter, als sie zum Hause Jehovas kamen, freiwillige Gaben für das Haus Gottes, um es an seiner Stätte aufzurichten. Sie gaben nach ihrem Vermögen für den Schatz des Werkes einundsechzig-tausend Danken an Gold und fünftausend Minen an Silber und hundert Priester-Leibröcke (V. 68. 69).
Die Formulierung dieses Berichtes ist interessant: «Als sie zum Hause Jehovas in Jerusalem kamen.» Daraus geht hervor, dass das Haus, in welchem Zustand es auch immer gewesen sein mag — niedergerissen bis auf den Grund —, vor den Augen Gottes immer noch bestand. Obgleich es bis zur Zeit des Herrn drei verschiedene Häuser gab, so war es für Gott doch immer nur dasselbe Haus. Haggai sagt in diesem Zusammenhang: «Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird grösser sein als die erste» (Kapitel 2,9).
Da war zweifellos noch ein anderer Grund für diese Ausdrucksweise in Esra. Es scheint, dass Gott die Verwüstung Seines Heiligtums benützt hat, um die Herzen der Häupter der Väter zu berühren. Als sie zum Hause Jehovas kamen, als sie seinen Zustand sahen, wurden sie bewegt und «gaben freiwillig» von ihrem Vermögen und, wie der Geist Gottes mit Sorgfalt hinzufügt und Sein Siegel der Billigung darauf setzt: «... nach ihrem Vermögen gaben sie.» Darin sind sie gewiss für alle Zeiten Beispiele für alle, die zum Volke des Herrn gehören und das Vorrecht haben, dem Herrn zu dienen, indem sie Gemeinschaft haben mit den Bedürfnissen der Heiligen oder mit den Erfordernissen Seines Dienstes.
Das Kapitel schliesst mit der Feststellung: «Und die Priester und die Leviten und die aus dem Volke und die Sänger und die Torhüter und die Nethinim wohnten in ihren Städten; und ganz Israel wohnte in seinen Städten» (V. 70). Es bleibt dem geistlichen Leser erlaubt zu fragen, ob dieser Bericht, besonders wenn er im Lichte von Haggai l gelesen wird, nicht kennzeichnend ist für das Nachlassen ihrer ersten Energie.
Er redet von ihrer Neigung, an sich und ihre eigenen Häuser zu denken, und dies vor die Interessen des Hauses des Herrn zu stellen. Salomo baute dreizehn Jahre an seinem eigenen Hause, während er für den Tempel nur sieben Jahre verwendete. Wenn man berücksichtigt, wie der Mensch ist, ist es nicht verwunderlich, dass der wiederhergestellte Ueberrest damit beginnt, zuerst an seine eigenen Dinge zu denken. Aber das nächste Kapitel zeigt, dass das Wort Gottes doch immer noch wirksam war in ihren Seelen, zum Preise Dessen, der sie aus der Gefangenschaft erlöst und sie in den Gedanken Seines Herzens über Jerusalem und über Sein Volk mit sich selbst verbunden hatte.
Am Schluss von Kapitel 2 sahen wir, dass «ganz Israel» — eigentlich der Ueberrest, aber er nahm vor Gott den Platz des ganzen Volkes ein — in seinen Städten wohnte. Am Anfang dieses Kapitels wird nun von einer andern bemerkenswerten Wirkung des Geistes Gottes berichtet. «Und als der siebente Monat herankam, und die Kinder Israel in den Städten waren, da versammelte sich das Volk wie ein Mann nach Jerusalem» (V. l). Im vierten Buche Moses lesen wir: «Und im siebenten Monat, am ersten des Monats, soll euch eine heilige Versammlung sein; keinerlei Dienstarbeit sollt ihr tun; ein Tag des Posaunenhalls soll es euch sein» (29, l).
Dieses Fest des Posaunenhalls stellt im Vorbild die Wiederherstellung Israels in den letzten Tagen dar; und es war daher ein Beweis von wahrer geistlicher Einsicht, dass sich das Volk zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem versammelte, eine Einsicht, verbunden mit einer völligen Einmütigkeit, die bewies, dass sowohl das Volk als auch seine Führer von Gott belehrt waren und unter der Kraft Seines Wortes standen. (Vgl. Apg. 2, 1).
Nur selten trat in der Geschichte des Volkes Gottes eine solche Einmütigkeit zutage. Sie kann nicht durch gegenseitige Uebereinkunft, sondern nur durch allgemeine Unterwerfung aller unter das Wort Gottes, in der Kraft des Heiligen Geistes erreicht werden. In der Geschichte der Kirche wurde nur zweimal eine solche Einmütigkeit sichtbar (siehe Kap. 2 und 4), und fortan wird sie in der Gesamtheit der Kirche auf der Erde nie mehr gesehen werden, wenn sie auch in kleinen Gruppen der Heiligen dargestellt werden mag.
Aber beim Ueberrest Israels hier, wie auch bei der Schar der Jünger an Pfingsten, waren alle wie ein Mann beisammen: Ein Wille beherrschte sie und versammelte sie mit unwiderstehlicher Kraft zu dem einen gemeinsamen Mittelpunkt hin; sie waren alle einmütig auf einem Platz in der Stadt, auf welche Gottes Herz und Sinn zu dieser Zeit gerichtet war.
Als sie so versammelt waren, machten sich «Jeschua, der Sohn Jozadaks, und seine Brüder, die Priester, und Serubbabel, der Sohn Schealtiels, und seine Brüder auf und bauten den Altar des Gottes Israels, um Brandopfer darauf zu opfern, wie geschrieben steht in dem Gesetz Moses, des Mannes Gottes. Und sie richteten den Altar auf an seiner Stätte, denn ein Schrecken war auf ihnen vor den Völkern der Länder; und sie opferten auf ihm Brandopfer dem Jehova, die Morgen- und Abend-Brandopfer» (V. 2. 3). Serubbabel, der Landpfleger und Jeschua, der Priester, unter Mithilfe ihrer «Brüder», vereinigten sich in diesem gesegneten Werk, eine Zusammenarbeit von zweien, die Den vorbildeten, der ein Priester auf Seinem Throne, der wahre Melchisedek sein wird (siehe Sach. 6, 9-15).
Einer ihrer Beweggründe zur Aufrichtung des Altars scheint dem von ihnen empfundenen Bedürfnis nach Schutz von seiten Gottes entsprungen zu sein, und der Glaube erkannte, dass ihnen dieser Schutz auf dem Boden der Wirksamkeit der Opfer zugesichert sein würde. Und was könnte schöner sein, als diese Bekundung des Vertrauens in Gott? Sie waren nur ein schwacher Ueberrest, der keine materiellen Mittel der Verteidigung besass, und sie waren von Feinden aller Art umgeben; aber gerade in ihrer Schwachheit und in der Gefahr, in der sie standen, hatten sie die wichtige Lehre gelernt, dass Gott ihre Zuflucht und Stärke war. Die Aufrichtung des Altars war daher ihr erstes Anliegen; und sobald der liebliche Wohlgeruch der Brandopfer zu Gott emporstieg, war alles, was Er ist und was Er in dem Opfer von sich offenbarte, zu ihren Gunsten verpflichtet.
Beachten wir, dass diese Brandopfer morgens und abends dargebracht wurden. Sie wurden bei ihrer Einführung das «beständige Brandopfer» genannt (siehe 2. Mos. 29, 38-46), kraft dessen es Gott möglich war, in der Mitte Seines Volkes zu wohnen. Und wenn Seine Gegenwart auch nicht mehr in ihrer Mitte war, wenn Er auch nicht mehr zwischen den Cherubim über dem Sühndeckel wohnte, 50 blieb doch die Wirksamkeit des Brandopfers bestehen; und solange der Glaube dieses morgens und abends darbrachte, waren sie ebenso sicher unter dem Schütze Jehovas wie in früheren Tagen der Herrlichkeit, als Jerusalem von starken Mauern und Befestigungswerken umgeben war. Sie mögen sich dabei die Sprache eines ihrer Psalmen zu eigen gemacht haben: «Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen. Darum werden wir uns nicht fürchten, wenngleich gewandelt würde die Erde, und wenn die Berge wankten im Herzen des Meeres. Wenn seine Wasser tobten und schäumten, die Berge erbebten durch sein Ungestüm» (ps. 46, 1-3).
Nachdem nun der Altar seine Bestimmung versah, feierten sie das Fest der Laubhütten, so wie es vorgeschrieben war (siehe 3. Mose 23, 33—36), und opferten Brandopfer Tag für Tag, nach der Vorschrift, das Tägliche an seinem Tage. Das Laubhüttenfest war ein Bild der tausendjährigen Freude (3. Mose 23, 40). An diesem Fest sollte sich Israel sieben Tage lang vor Jehova, seinem Gott, freuen. In den Augen der Menschen, die auf die verwüstete Stadt schauten, mochte es wie Spott sein, dass diese armen, von Babel zurückgekehrten Gefangenen ein Freudenfest feierten. Aber der Glaube ist «eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Ueberzeugung von Dingen, die man nicht sieht», und bringt so die Zukunft in die Gegenwart herein. Noch mehr, wenn die Seele einmal in der ganzen Wohlannehmlichkeit Christi, vorgebildet im Brandopfer, vor Gott steht, so hat sie schon die Gewissheit der Erfüllung jeder verheissenen Segnung, da sie in Ihm verankert ist.
Die gläubigen Israeliten, die rings um den Altar standen, den sie inmitten der Ruinen des Tempels aufgerichtet hatten, und den Rauch der Brandopfer zum Himmel emporsteigen sahen, durften also vorwärts schauen auf die Zeit, in welcher alle Verheissungen Gottes an Abraham, Isaak und Jakob erfüllt sein würden, nach dem Wort in Jesaja 35,10: «Und die Befreiten Jehovas werden zurückkehren und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen.»
Danach, so wird uns gesagt, opferten sie «das beständige Brandopfer und diejenigen der Neumonde und aller geheiligten Feste Jehovas, und die Brandopfer eines jeden, der Jehova eine freiwillige Gabe brachte» (V. 5). Das Auffallende an ihrem Tun war, dass sie alles nach der Vorschrift des Wortes Gottes taten (V. 2. 4). Was immer sie in Babel praktiziert haben mochten, was dort auch immer ihre überlieferten Riten und Gebräuche gewesen sein mochten, so Hessen sie nun dies alles auf dem Schauplatz ihrer Gefangenschaft zurück; als Befreite und Zurückgekehrte konnte sie nur das befriedigen, was in Uebereinstimmung mit dem geschriebenen Worte war.
Wir können daher die in diesem Abschnitte erzählten Geschehnisse als Wiederherstellung des schrift-gemässen Gottesdienstes bezeichnen. Er enthält also einen Grundsatz von grosser Wichtigkeit, der auch in unserer Zeit Beachtung gefunden hat. Wie schon in einem früheren Kapitel darauf hingewiesen wurde, entstand anfangs des vergangenen Jahrhunderts eine Bewegung, die — in der geistlichen Sphäre — weitgehend der Befreiung aus Babylon entsprach. Das erste Anliegen der Gläubigen jener Tage war das gleiche wie das des Ueberrestes: Die Wiederherstellung des Altars (indem wir diesen Ausdruck als Symbol des Gottesdienstes verwenden) und die Ordnung in der Versammlung, in allen ihren Zusammenkünften, entsprechend dem geschriebenen Worte.
Gebräuche, Ueberlieferungen, Vorschriften, Riten und Zeremonien wurden nach der in der Schrift aufgezeichneten apostolischen Praxis geprüft, und alles, was diesem Test nicht standhielt, wurde aufgegeben. Es war auch nur ein Ueberrest, der auf diese Weise aus der Knechtschaft herausgeführt wurde, aber sie hatten Licht und Leben in ihren Wohnungen und in ihren Zusammenkünften, denn sie suchten «wie ein Mann» dem Herrn Jesus Christus Seinen rechtmässigen Platz der Vorherrschaft als Sohn über Sein eigenes Haus zu geben.
Und wirklich, Gott anerkannte diese Erweckung in bemerkenswerter Weise und benützte sie, um die Gläubigen in vielen Ländern zurückzuführen zur Unterwürfigkeit unter das geschriebene Wort, zur Erkenntnis der Fülle der Gnade Gottes in der Erlösung, zu ihrem Platz als Priester und deren Vorrechten, zu der Wahrheit der Gegenwart des Heiligen Geistes und zur Erwartung der Wiederkunft des Herrn. Und wenn die geistliche Kraft jener Tage auch nicht aufrechtgehalten wurde, so wird doch ihr Einfluss immer noch verspürt.
Vor jener Zeit war das Christentum in den Händen ihrer öffentlichen Verfechter zur Beobachtung eines blossen Moralkodexes herabgesunken; und die Folge davon war Rationalismus und weitverbreiteter Unglaube. Seit jenen Tagen hingegen hat es trotz der zunehmenden Macht des Bösen und der schnellen Entwicklung der Zeichen des kommenden Abfalls nie an einem vollen Zeugnis für die Wahrheit Gottes und für den zu Seiner Rechten verherrlichten Christus gefehlt. Alles das kündet uns mit lauter Stimme an, dass der Pfad des Gehorsams gegenüber dem geschriebenen Wort, in der Kraft des Geistes, der Pfad der Wiederherstellung vom Irrtum, das Geheimnis wahren Segens und die richtige Methode ist, um den geistlichen Niedergang aufzuhalten.
Die ersten fünf Verse dieses Kapitels sind ein ermunternder Bericht und können gewiss in Verbindung mit den ersten Tagen der Kirche nach Pfingsten betrachtet werden (Apg. Kap. 2—4). In beiden Zeitpunkten offenbarte sich sowohl persönliche als auch kollektive geistliche Energie. So wird nicht nur be- richtet, dass die Neumonde und die vorgeschriebenen Feste beobachtet wurden, sondern es wird auch hinzugefügt: «Und die Brandopfer eines jeden, der Jehova eine freiwillige Gabe brachte» (V. 5). Wenn Gottes Geist in Macht wirksam ist, erfüllt Er die Herzen vieler unter Seinem Volke bis zum Ueberfliessen, und das Gefäss strömt über in Danksagung und Preis zum Lobe Gottes. Dies ist das Geheimnis der Hingabe und der Anbetung.
Die nächsten beiden Verse schliessen diesen Zeitabschnitt ab, der die Einführung eines anderen vorbereitet. «Am ersten Tage des siebenten Monats fingen sie an, Jehova Brandopfer zu opfern; aber der Grund des Tempels Jehovas war noch nicht gelegt. — Und sie gaben den Steinhauern und den Zimmerleuten Geld, und Speise und Trank und Oel den Zidoniem und Tyrem, damit sie Zedemholz vom Libanon nach dem Meere von Japho brächten, gemäss der Vollmacht Kores', des Königs von Persien, an sie» (V. 6. 7).
Der Bericht vom Beginn der Opferung von Brandopfern am ersten Tage des siebenten Monats wurde mit offensichtlicher Freude abgefasst. Da ist Dankbarkeit gegen Gott zu spüren, dass Er Sein Volk zu sich zurückfühlte, zur Anerkennung Seiner Ansprüche, auf dem alleinigen Boden der Annahme. Er zeigt uns, wie Gott das Tun der Seinigen besonders überwacht und Gefallen daran findet, wenn sie Ihm nahen und Ihn anbeten. Er, der in Seiner Gnade diese Früchte in ihren Herzen hervorbringt, rechnet sie ihnen in derselben Gnade auch an (vgl. Eph. 2,10 mit 2. Kor. 5,10).
Dann mischt sich, wie es uns dünkt, ein Ton der Traurigkeit hinein: «Aber der Grund des Tempels Jehovas war noch nicht gelegt.» Das Volk hatte auf die Gnade und Güte Jehovas in ihrer Wiederherstellung in vielem geantwortet; sie hatten sich mit Freude unter Seinen Schutz gestellt und hatten den Gottesdienst eingerichtet, wie es geschrieben stand in dem Gesetz Moses, des Mannes Gottes. Aber zur Zeit gingen sie nicht weiter. Statt in die Gedanken Gottes bezüglich Seines Hauses einzugehen, ruhten sie in den Segnungen, in welche sie nun gebracht worden waren. Ihre geistliche Energie hatte sich in ihren ersten Anstrengungen erschöpft und sie waren nun versucht, eine Pause einzulegen, bevor sie weiter gingen. Diese Entwicklung hat sich bei den Erwekkungen in der Kirche Gottes immer wieder gezeigt.
Denken wir nur an das mächtige Werk Gottes, wozu Er den Reformator Luther als Werkzeug gebrauchte.
Von allem Anfang an waren die Autorität und die Vollgenügsamkeit der Schriften die Streitaxt, mit welcher er den Kampf gegen die Verderbtheit und die Götzendienereien Roms führte, und Gott erfocht und erwirkte durch ihn eine bemerkenswerte Befreiung. Aber was folgte darauf? Seine Nachfolger ruhten bei den Früchten der ersten Siege aus und feierten sie; die Reformation sank zu einem System von Staatskirchen und Glaubensbekenntnissen herab, aus welchen die Lebenskraft bald verschwand. (Siehe Offb. 3,1—3). Sie unterliessen es, weiterhin in Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes voranzugehen, sie mühten sich mehr um die eigenen Ziele als um die Seinen, und die Folge davon war, dass sich bald schädliche Einflüsse und Verfall zeigten; die Bewegung war zum Stillstand gekommen; und heute verschwinden gerade die Wahrheiten, die damals wieder entdeckt wurden, aus den Plätzen, welche damals die Kampfstätten waren.
Wir lernen daraus, dass die Sicherheit des Volkes Gottes darin liegt, sich zu den Höhen ihrer Berufung zu erheben. Gott berief uns zur Gemeinschaft mit sich selbst und mit Seinem Sohne Jesus Christus. Wenn wir, dies vergessend, uns am Genuss unserer Segnungen genügen lassen und Gottes Ansprüche an uns aus dem Auge verlieren, wird uns sogleich Schwachheit und Verfall kennzeichnen, sowohl als Einzelne als auch als Gruppen von Gläubigen. Wenn aber anderseits Gottes Ziele die Unsrigen sind, wenn unser Sinn sich mit dem beschäftigt, was Ihm wichtig ist, wird Er uns zu einem immer grösseren Verständnis Seiner Ziele der Gnade wie auch Seiner Wege und zu grösseren Segnungen führen. Er freut sich über unsere Glückseligkeit und Er möchte sie immer mehr vertiefen, indem Er uns in Seiner Gnade mit Seinen eigenen Zielen und Zwecken verbindet.
Wenn die Kinder Israel das Werk des Herrn auch nicht mit allem Fleiss vorwärtstrieben, so vergassen sie doch den Zweck ihrer Wiederherstellung nicht; denn, wie wir gesehen haben, sie begannen für den Bau des Tempels Material zu sammeln (V. 7). Um die Umstände des Ueberrestes besser zu verstehen, die einen Gegensatz bildeten zu der Herrlichkeit des Reiches beim Bau des Tempels Salomos, sollten wir 1. Könige 5 sowie 1. Chronika 28 und 29 lesen. Aber Jehova war auch jetzt immer noch derselbe und Seine Hilfsquellen waren für diesen schwachen Ueberrest mittelst des Glaubens ebenso erreichbar wie für David und Salomo in all ihrer Macht und ihrem Glanz. Gewiss, nach aussen hin war der Ueberrest für die Erlaubnis zum Bau und für die Beschaffung des nötigen Materials von der Gunst eines heidnischen Monarchen abhängig; aber es war Gottes Werk, an welchem sie arbeiteten, und wenn sie sich auf Ihn stützten, wollte Er sie befähigen, dieses zu einem guten Ende hinauszuführen.
Wenn die Gläubigen mit Gott wirken, werden ihre scheinbaren Schwierigkeiten und Hindernisse Mittel, um durch den Glauben Gott hineinzubringen, vor welchem Krummes gerade und die Berge zur Ebene werden.
In diesem Abschnitt wird von der Grundsteinlegung des Tempels berichtet. Zwischen den Versen 7 und 8 muss eine Zwischenzeit von mindestens sieben Monaten verstrichen sein. Mit was sie ausgefüllt war, wird uns nicht mitgeteilt. Aus dem Zusammenhang scheint hervorzugehen, dass der Grund für diese Pause vor der Inangriffnahme des Aufbauwerkes der gewesen ist, dass sie auf das «Zedernholz» warteten. Aber «im zweiten Jahre ihres Kommens zum Hause Gottes in Jerusalem im zweiten Monat, begannen Serubbabel, der Sohn Schealtiels, und Jeschua, der Sohn Jozadaks, und ihre übrigen Brüder, die Priester und die Leviten, und alle, die aus der Gefangenschaft nach Jerusalem gekommen waren, und sie bestellten die Leviten von zwanzig Jahren an und darüber, um Aufsicht zu führen über das Werk des Hauses Jehovas» (V. 8).
In dieser Mitteilung sind drei Dinge zu beachten:
1. Wie auch der Zustand des Volkes im allgemeinen gewesen sein mochte, so gingen doch Serubbabel und Jeschua, der Statthalter und der Priester, im Werke voran. Wie gut ist es für das Volk Gottes zu jeder Zeit, wenn ihre Führer in ihrem Herzen mit den Gedanken Gottes übereinstimmen und sie das Volk Gottes aufrufen, ihnen in Seinem Dienste zu folgen. Es ist nicht immer so; nicht selten tritt die erste Regung des Geistes Gottes inmitten Seines Volkes zutage; dadurch werden ihre nominellen Führer beiseitegesetzt oder gezwungen, dem Lauf der Dinge zu folgen, damit sie ihren Platz behalten.
2. Der Statthalter und der Priester verstanden es, das Volk in ihrem heiligen Unternehmen mit ihnen zu verbinden. Dies war ein sicheres Kennzeichen geistlicher Kraft wie auch ein Zeugnis von der Tatsache, dass Gott durch sie wirkte. Bis dahin gab es keine Spaltungen, sondern alle waren durch den Heiligen Geist auf den einen gemeinsamen Gegenstand gerichtet.
3. Schliesslich waren die Leviten von zwanzig Jahren und darüber beauftragt, über das Werk des Hauses Jehovas Aufsicht zu führen.
Das war offensichtlich in Uebereinstimmung mit der Anleitung der Schrift und kam aus einer guten Einsicht in die Gedanken Gottes bezüglich der Natur des Werkes, an welchem sie arbeiteten, hervor (siehe 4. Mose 4; 1. Chron. 23, 24). Die Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung in dem Werke Seines Hauses ist von grösster Bedeutung, denn das ist Unterwürfigkeit unter Seinen Willen, wie er in Seinem Wort zum Ausdruck kommt. Nach menschlicher Meinung mochte irgendeine andere Methode vorzuziehen gewesen sein; aber für die Knechte des Herrn gab und gibt es nur eine Frage: Was hat Er angeordnet? Weil dies nicht beachtet wurde, gab es in der Kirche Gottes unaufhörlichen Kampf zwischen dem Willen des Herrn und dem Willen des Menschen; und ach! die Folge davon war; dass der Mensch mit seinen Gedanken fast allgemein den Platz, der Christo und Seinem Worte zukommt, an sich gerissen hat.
Die Leviten nahmen durch Gnade ihre Aufgabe bereitwillig in Angriff. Sie waren nur vierundsiebzig an Zahl (siehe Kap. 2,402). In der Wüste waren es 8580 Leviten, und dort wurden nur die Männer «von dreissig Jahren und darüber bis zu fünfzig Jahren» gezählt (4. Mose 4,46—48).
Aber als ihnen der Herr das Tor der Befreiung von ihrer babylonischen Gefangenschaft öffnete, da waren es sehr wenige, denen es daran lag, dieses zu benützen. Ach! Sie hatten im Lande ihrer Verbannung ein Heim gefunden und Jerusalem vergessen; sie hatten aufgehört, an Zion zu denken. Um so wertvoller für den Herrn war die Treue dieser vierundsiebzig. Mit Seiner Gegenwart und Seinem Segen genügte ihre Anzahl zu einem Dienst als Aufseher über die Arbeiter am Hause Gottes. Gnade hatte in ihren Herzen gewirkt, und sie «standen wie ein Mann» in der Erfüllung ihrer Aufgabe. Das war echte Gemeinschaft und ging aus der Tatsache hervor, dass sie mit den Gedanken des Herrn über Sein Haus in Uebereinstimmung waren. Seine Ziele waren auch die ihrigen und daher wurden sie nicht durch geteilte Meinungen gehindert, sondern konnten «wie ein Mann» die Arbeit beaufsichtigen: ein gutes Zeichen für den Erfolg ihres Unternehmens wie auch eine offensichtliche Frucht der Wirksamkeit des Geistes Gottes!
Die beiden folgenden Verse beschreiben die Feier der Grundsteinlegung: «Und als die Bauleute den Grund zum Tempel Jehovas legten, liess man die Priester in ihrer Kleidung hintreten mit Trompeten, und die Leviten, die Söhne Asaphs mit Zimbeln, um Jehova zu loben nach der Anweisung Davids, des Königs von Israel.
Und sie hoben einen Wechselgesang an mit Lob und Dank dem Jehova: Denn er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich über Israel. Und das ganze Volk erhob ein grosses Jubelgeschrei beim Lobe Jehovas, weil der Grund zum Hause Jehovas gelegt wurde» (V. 10.11). Es war ein Tag grosser Freude und lauten Jubels; und so wie sie zum Wort zurückgegangen waren — «wie geschrieben steht in dem Gesetz Moses, des Mannes Gottes» — um Anweisungen zu finden bezüglich des Altars, der Opfer und der Feste, so griffen sie auch auf die Anweisung Davids, des Königs von Israel zurück, um in ihrem Lobgesang geleitet zu werden (vgl. 2. Chron. 5,12.13).
In der Wüste lesen wir nichts von Freudengesängen; am Ufer des Roten Meeres hatten sie zwar das Lied der Erlösung angestimmt, aber sogar dieses erstarb bald auf ihren Lippen und wurde durch Worte des Murrens abgelöst, hervorgerufen durch die Entbehrungen und Gefahren ihrer Pilgerreise. Als aber die Bundeslade im Lande, in Zion, einen Ruheort fand, wenn auch nur für eine Zeit, da bestellte David «vor die Lade Jehovas einige von den Leviten als Diener, dass sie Jehova, des Gottes Israels, gedächten und ihn priesen und rühmten».
Auch Asaph und andere sollten mit Harf-Instrumenten und mit Lauten spielen. Andere liessen Zimbeln erklingen und gewisse Priester bliesen in die Trompeten. «An jenem Tage trug David zum ersten Male Asaph und seinen Brüdern auf, Jehova zu preisen», und in jenem Liede kamen die Worte vor: «Preiset Jehova, denn er ist gütig, denn seine Güte währet ewiglich!» (1. Chron. 16). So gering an Zahl und schwach auch die Kinder Israel waren, die sich an jenem Tage auf dem Berge Morija versammelten, so waren sie doch peinlich genau im Gehorsam gegenüber dem Wort. Mit dem Werke des Herrn beschäftigt, erkannten sie richtig, dass menschliche Gedanken und menschliche Weisheit darin keinen Platz haben durften. Der Herr, und nur der Herr allein, durfte den Plan Seines Hauses bestimmen.
Bei dieser Freudenfeier wurden drei Klassen unterschieden: Da waren Priester in ihrer Kleidung, mit Trompeten, die Söhne Asaphs mit Zimbeln, und ausser diesen war da auch das Volk, das auf den Lobgesang, den sie hörten, mit Jubelgeschrei antwortete, weil der Grund zum Hause Jehovas gelegt wurde. Nur Priestern war es gestattet, mit den heiligen Trompeten zu blasen (siehe 4. Mose 10); denn um zu unterscheiden, wann die Töne des Zeugnisses und des Lobpreises zu erklingen hatten, musste man an heiligem Orte in der Gegenwart Gottes in Gemeinschaft mit Seinen Gedanken stehen. So sollten auch nur die Söhne Asaphs, die Leviten, «nach der Anweisung des Königs», die heiligen Zimbeln erklingen lassen (1. Chron. 25,6). So vorschrifts-gemäss zusammengestellt, «hoben sie einen Wechselgesang an mit Lob und Dank dem Jehova», und das Leitmotiv ihres Liedes war: «Lob und Dank dem Jehova; denn er ist gütig, denn seine Güte währet ewiglich über Israel.»
Aber es mischten sich auch Tränen des Schmerzes in ihren Lobgesang. Der nächste Vers berichtet davon, dass manche der Priester, der Leviten und der Häupter der Väter alte Leute waren, die den Tempel Salomos in all seiner Herrlichkeit und seinem Glänze gesehen hatten. Wenn sie jenen Tempel mit dem Hause verglichen, das sie jetzt zu bauen begannen, so mussten sie mit lauter Stimme weinen, während andere vor Freude jauchzten.
Und wahrlich, sowohl die Tränen der einen wie auch der Jubel der anderen waren den Umständen des Tages angemessen. Es war ganz natürlich, dass die, welche die Herrlichkeit des Reiches und die sichtbare Wolke der Gegenwart Jehovas im ersten Tempel gesehen hatten und jetzt die Verwüstung Jerusalems vor sich sahen und ihren gegenwärtigen Zustand der Verarmung fühlten wie auch ihre Schwachheit im Bestreben, ein neues Haus Gottes zu bauen, nun neben ihrer Dankbarkeit auch tiefen Schmerz fühlten. Anderseits empfanden jene, die nur an die Gefangenschaft in Babylon dachten, wo sie weder Altar noch Tempel gehabt hatten, unvermischte Dankbarkeit und Freude.
Zweifellos waren sowohl die Tränen als auch der Jubel dem Herrn wohlgefällig, da beides die Frucht der Wirksamkeit Seiner Gnade in ihren Herzen war.
Sehen wir da im Vergleich mit unseren Tagen nicht auch eine Parallele? Als der Herr im vergangenen Jahrhundert einige Angehörige Seines Volkes — geistlich gesprochen — aus der «babylonischen Gefangenschaft» herausführte und sie aufs neue in den Besitz ihrer priesterlichen Vorrechte der Annahme und des Gottesdienstes eintraten, indem sie auf Grund des Wortes die wahre Grundlage der Kirche freilegten und — wenn auch in grosser Schwachheit — versuchten, sich auf diesem Boden zu versammeln, da konnten ihre Herzen in der Kraft des Heiligen Geistes nicht anders, als in Lob und Dank ausbrechen.
Anderseits, wenn die Alten, die im Worte besser unterrichtet waren und oft über die Schönheit und Ordnung der Versammlung in den ersten Tagen ihres Bestehens nachgedacht hatten, sie mit ihren eigenen schwachen Anstrengungen, mit den Anweisungen der Schrift in Uebereinstimmung zu kommen, verglichen und sich dabei bewusst wurden, Wieviele ihrer Brüder in der Gefangenschaft zurückblieben, so war Schmerz ebenso angemessen wie Freude. Diese beiden Dinge vermischten sich, so dass, wie im Fall der Kinder Israel es schwierig war, «den Schall des freudigen Jauchzens» zu unterscheiden «von der Stimme des Weinens im Volke».
Im ganzen ist die Feier der Grundlegung des Tempels eine schöne Szene. Der Leser wird jedoch bemerken, dass sich der Bericht — in Uebereinstimmung mit dem Charakter des Buches und der Stellung des Volkes — mit dem beschäftigt, was das Volk tat und fühlte.
Gott war nicht sichtbar auf dem Schauplatz, obwohl augenscheinlich alles für Ihn und mit Ihm getan wurde. Mit einem Wort, Sein Volk handelte im Glauben, und nur der Glaube konnte Ihn in das Geschehen hineinbringen, und dies war naturgemäss eine persönliche Sache. Doch gab es ein Zeugnis von Gottes Gedanken über Sein Volk in jenen Tagen. Im Buch Sacharja wird uns gezeigt, dass Er über Sein Volk wachte und sich für ihr Tun interessierte. Wenn Gott auch noch nicht begonnen hatte, durch Prophezeiungen zu Seinem wiederhergestellten Volke zu reden, weder durch Haggai noch durch Sacharja, so hat Er ihre Herzen doch einige Jahre später durch diese Propheten angespornt und ermuntert und dabei auf die Grundlegung des Tempels Bezug genommen.
Sacharja sagt: «Und das Wort Jehovas geschah zu mir also: Die Hände Serubbabels haben dieses Haus gegründet, und seine Hände werden es vollenden; und du wirst erkennen, dass Jehova der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Denn wer verachtet den Tag kleiner Dinge? Und mit Freuden werden jene sieben das Senkblei in der Hand Serubbabels sehen: Die Augen Jehovas, sie durchlaufen die ganze Erde» (Kap. 4, 8-10).
Wir lernen daraus, wie der Anfang des Bauens an Seinem Hause für Gott so kostbar war. Sein Herz war darauf gerichtet, und Er freut sich immer, wenn Sein Volk Seine Gedanken versteht und mit Einsicht auf dem Pfade Seines Willens erfunden werden möchte. Serubbabel hatte den Grund gelegt, und er sollte das Haus auch vollenden; dies würde ein Zeichen sein, dass der Herr Seinen Knecht Sacharja gesandt hat. Es mag wohl ein Tag kleiner Dinge gewesen sein, gemessen mit dem natürlichen Auge, aber es war der Tag, der in sich selbst die Verheissung der Wiederherstellung des Reiches in Herrlichkeit trug unter dem Zepter des verheisse-nen Messias (siehe Sach. 6,12.13), und es war das Vorrecht des Glaubens, an diesem Tage kleiner Dinge eine Brücke zu der Erfüllung der Ziele Gottes gegenüber Seinem Volke zu schlagen.
Zudem werden die Augen des Herrn — «jene sieben» in Seiner vollkommenen Einsicht und Seinem Wissen um alle Dinge, denn es sind die Augen des Herrn, die die ganze Erde durchlaufen — sich freuen, wenn sie das Senkblei in der Hand Serubbabels sehen, das heisst wenn Sein Haus vollendet wird.
Im vorhergehenden Kapitel waren diese sieben Augen auf den Grundstein gerichtet: «Höre doch Josua, du Hoherpriester, du und deine Genossen, die vor dir sitzen — denn Männer des Wunders sind sie; denn siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen. Denn siehe, der Stein, den ich vor Josua gelegt habe — auf einem Steine sieben Augen — siehe, ich will seine Eingrabung eingraben, spricht Jehova der Heerscharen, und will die Ungerechtigkeit dieses Landes hinwegnehmen an einem Tage. An jenem Tage, spricht Jehova der Heerscharen, werdet ihr einer den anderen einladen unter den Weinstock und unter den Feigenbaum» (Sach. 3,8—10).
Diese Schriftstelle enthüllt uns die volle Bedeutung, welche die Grundsteinlegung Seines Hauses in Jerusalem für Gott hatte. Sie war die Bürgschaft für die Einführung Christi, des Sprosses, der für Sein Volk die verheissene Segnung bringen wird. So betrachtet, ist es Gott, der dies alles tat; Sein Volk war das Werkzeug in Seiner Hand. Er legte den Grundstein (vgl. Jes. 28,16), obwohl Er dazu die Hände Serubbabels gebrauchte. Als Ausführung Seiner Ratschlüsse war es Sein Werk. Seine Augen waren auf den Stein gerichtet — den Stein der Gnade und des Segens; denn es war in der Tat «ein bewährter Stein, ein kostbarer Eckstein, aufs festeste gegründet».
Er selbst wollte «Seine Eingrabung eingraben», das heisst, Er wollte Seine ganze göttliche Bedeutung enthüllen und bekanntmachen und alsdann die Ungerechtigkeit dieses Landes hinwegnehmen an einem Tage. Denn wahrlich, durch Seinen Tod und Seine Auferstehung wird Christus der Heiland Seines Volkes werden, und somit der Grundstein, auf welchen Sein Volk als ein geistliches Haus aufgebaut werden kann, als ein heiliges Priestertum, um geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott wohlannehmlich durch Jesum Christum (1. Petr. 2,4. 5). Auf diesem Steine wird auch Sein Volk Israel ruhen, und sein Vertrauen auf Ihn wird nie erschüttert werden. Die Folge davon wird volle irdische Segnung sein; einer wird den anderen einladen unter den Weinstock und unter den Feigenbaum.
Wenn der Leser die oben angeführten Schriftstellen mit dem Bericht in Esra verbindet, wird er die Ereignisse jenes Tages mit doppeltem Interesse verfolgen. Während uns der Geist Gottes in Esra mit den Gedanken Seines Volkes verbindet, im Zusammenhang mit ihrem Werk, so bringt Er uns in Sacharja in Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes. Wohl mag das Volk in diesem allem nicht viel mehr als die Verheissung der Wiederherstellung des Tempels und seines Dienstes gesehen haben. Aber Gott, bei welchem tausend Jahre wie ein Tag sind, gewahrte in diesem «Tage kleiner Dinge» den Anfang Seines Werkes der Gnade und der Macht, auf Grund dessen Er alle Seine Ratschlüsse ausführen würde, durch das Kommen, den Tod, die Erscheinung und die Herrschaft Seines Gesalbten, Seines Königs, den Er eines Tages in Zion, auf Seinem heiligen Berg, einführen wird.
Sobald die Grundlage des Tempels gelegt war, erschienen Widersacher auf dem Schauplatz. So war es auch in den Zeiten des Neuen Testamentes. Wohin der Apostel auch immer ging und die Grundlage der Versammlung legte, rief dies die gegensätzliche Tätigkeit des Feindes hervor. Daher seine Warnung: «Nach der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt: ein anderer aber baut darauf; ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen, ausser dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus» (1. Kor. 3,10,11).
Aber wie bei Paulus, so war es auch bei Serubbabel und Jeschua: der Feind gab sich den Anschein der Freundlichkeit. «Und die Feinde Judas und Benjamins hörten, dass die Kinder der Wegführung Jehova, dem Gott Israels, einen Tempel bauten; und sie traten zu Serubbabel und zu den Häuptern der Väter und sprachen zu ihnen: Wir wollen mit euch bauen; denn wir suchen euren Gott wie ihr; und ihm opfern wir seit den Tagen Esar-Haddons, des Königs von Assyrien, der uns hierher heraufgeführt hat» (Verse 1.2).
Der Leser wird bezüglich des Charakters dieser sogenannten Helfer im Werke des Volkes Gottes keinen Augenblick im Zweifel gelassen. Der Heilige Geist sagt uns deutlich, dass sie «Feinde Judas und Benjamins» waren, obgleich sie Worte des Friedens gebrauchten; denn Er kannte ihre Herzen, ihre Ziele und Zwecke. Und, in der Tat, gerade in den Worten, die sie brauchten, verrieten sie sich schon. Es ist immer so; denn der blosse Bekenner kann die Dinge Gottes nicht verstehen. Sie sagen: «Ihm (Gott) opfern wir seit den Tagen Esar-Haddons, des Königs von Assyrien, der uns hierher herauf geführt hat.» Dadurch offenbarten sie ihre wahre Herkunft. Sie waren nach ihrem eigenen Bekenntnis nicht Kinder Abrahams, sondern Assyrer und hatten daher keinen Anspruch darauf, Kinder Israels zu sein.
Diese Menschen waren die Väter der Samariter (siehe 2. Könige 17,24—41), die bis zum Ende der jüdischen Haushaltung an den Platz der Vorrechte und der Segnung einzudringen versuchten. Aus diesem Grunde und wegen des Streites, der daraus entstand, verkehrten die Juden nicht mit den Samaritern. Für uns selbst können wir aus diesem Zwischenfall die Quelle einer der ernstesten Gefahren für das Werk des Herrn erkennen. Die Küsse eines Feindes sind sowohl trügerisch als auch gefährlich und erfordern Widerstand, mag es noch so unfreundlich erscheinen, die angebotene Hilfe von solchen zurückzuweisen, die Freunde zu sein bekennen. Die Kirche hat zu ihrem Schaden diese Wahrheit nicht nur vergessen, sondern in ihrem Werke sogar systematisch die Hilfe der Welt gesucht.
So ist sie verdorben und eine Illustration für das alte Sprichwort geworden: «Das Verderben der besten Sache ist das schlimmste Verderben.»
Serubbabel, Jeschua und die Mitbauenden waren von Gott geleitet; sie erkannten und durchschauten die Schliche des Feindes. Auf das verführerische Angebot antworteten sie: «Es geziemt euch nicht, mit uns unserem Gott ein Haus zu bauen; sondern wir allein wollen Jehova, dem Gott Israels, bauen, wie der König Kores, der König von Persien, uns geboten hat» (V. 3). Einigen mag es scheinen, dass diese Führer des Volkes eine gar zu enge und exklusive Haltung eingenommen hätten, aber sie handelten darin nach den Gedanken des Herrn und gründeten sich auf einen göttlichen Grundsatz, der immer noch gültig ist, nämlich auf den, dass nur das Volk des Herrn am Werke Seines Hauses mitarbeiten darf.
Andere mögen sich Mitbauende nennen und den Wunsch zum Ausdruck bringen, an Seinem Werke mitzuwirken, aber sie können nur mit Holz, Heu und Stroh bauen; und der Apostel hat für alle Zeiten die ernste Warnung ausgesprochen: «Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig» (1. Kor. 3,17). Keine Verlegenheit oder Schwierigkeit, noch irgendwelche andere Umstände rechtfertigen eine Verbindung der Kirche mit der Welt und die Annahme weltlicher Gunst oder Mithilfe am heiligen Werk des Herrn. Als solche, die nicht von der Welt sind, gleichwie Christus nicht von der Welt ist, würden wir unseren eigenen Charakter und den der Welt selbst verleugnen, wenn wir den am Kreuze enthüllten, immerwährenden Gegensatz zwischen uns und ihr nicht gelten lassen wollten. (Siehe Galater 6,14; Johannes 15,18-21).
Die wahre Natur des Angebotes der Feinde Judas und Benjamins zeigte sich, als es zurückgewiesen wurde. Denn was lesen wir? «Da suchte das Volk des Landes die Hände des Volkes Juda schlaff zu machen und sie vom Bauen abzuschrecken. Und sie dingten Ratgeber wider sie, um ihren Plan zu vereiteln, alle die Tage Kores', des Königs von Persien, und bis zur Regierung Darius', des Königs von Persien» (V. 4. 5). Nachdem ihre Absicht, das Werk zu verderben, an welchem die aus der Gefangenschaft Zurückgekehrten arbeiteten, durchkreuzt war, legten sie die Maske der Freundschaft ab und suchten es durch offene Feindschaft aufzuhalten.
Das ist die Methode, nach welcher Satan in jedem Zeitalter handelt. Er und seine Diener verwandeln sich oft in Engel des Lichts und in Diener der Gerechtigkeit, weil es leichter ist, die Heiligen zu überlisten als ihnen offen entgegenzutreten. Sobald aber seine Gegenwart und seine Tätigkeit entdeckt und bekanntgemacht werden, gerät er in Wut. Wie sollte es ihm daran liegen, den Bau des Hauses Gottes zu fördern? Dessen Grundlage ist ja Christus, «und welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis? und welche Uebereinstimmung Christus mit Belial?» (2. Kor. 6,14.15). Aber ach! Satan errang in dem vor uns liegenden Fall doch einen zeitlichen Vorteil! Durch seine Machenschaften, durch die er unter dem Volke Furcht und Unglauben hervorrief, gelang es ihm, den Bau des Tempels sogar bis zur Regierung Darius', des Königs von Persien, aufzuhalten.
Man beachte, dass diese beiden Verse (4 und 5) eine Zusammenfassung der ganzen Aktivität der Feinde Israels sind, während der Herrschaft Kores', Ahasveros' und Artasastas', und dass sich daher der 24. Vers unseres Kapitels an Vers 5 anschliesst. Der dazwischenliegende Abschnitt erklärt, auf welche Weise die Feinde Judas und Benjamins ihre Absicht verwirklichen konnten. Ueberdies, wenn wir die Prophezeiungen Haggais mit diesem Kapitel vergleichen, scheint es uns, dass die Kinder Israel schon lange bevor das Verbot in Kraft trat, zu bauen aufhörten. Denn aus Haggai 2,15 geht hervor, dass der Bau seit der Grundlegung, wenn überhaupt, so doch nur einen kleinen Fortschritt gemacht hatte.
Die Furcht vor ihren Widersachern war grösser als ihr Vertrauen in Gott. Daher verloren sie den Mut, dachten an sich selbst und an ihre eigenen, selbstsüchtigen Interessen. Sie begannen ihre eigenen Häuser zu bauen und zu sagen: «Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus Jehovas gebaut werde» (Haggai 1. 2). Wohl waren sie nur ein schwacher Ueberrest und ihre Feinde zahlreich und aktiv. Aber in einem ihrer eigenen Psalmen hätten sie lesen können: «Als Uebeltäter mir nahten, um mein Fleisch zu fressen, meine Bedränger und meine Feinde — sie strauchelten und fielen. Wenn ein Heer sich wider mich lagert, nicht fürchtet sich mein Herz; wenn Krieg sich wider mich erhebt, hierauf vertraue ich: Eines habe ich von Jehova erbeten, nach diesem will ich trachten: zu wohnen im Hause Jehovas alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Lieblichkeit Jehovas und nach ihm zu forschen in seinem Tempel» (Psalm 27,2-4). Aber ach! unsere eigenen Herzen verstehen die Schwachheit und die Furcht dieser armen Gefangenen nur zu wohl.
Wie leicht werden wir durch die Demonstrationen der Macht des Feindes entmutigt, wenn wir vergessen, dass, wenn Gott für uns ist, niemand in seinen bösen Plänen gegen uns Erfolg haben wird. Mit anderen Worten: Wir verzagen, wenn wir, statt durch Glauben, nach dem Sichtbaren wandeln. Das Versagen des Volkes Gottes in diesem Kapitel ist also gleicher Art wie das Versagen Seiner Knechte zu allen Zeiten.
Die Verse 6—23 schildern uns, wie schon gesagt, die Einzelheiten des Weges, auf welchem die Feinde des Volkes Gottes ein ihrem Willen entsprechendes königliches Dekret erwirkten, das den Aufbau des Tempels verbot. Ein ähnlicher Versuch schien in der Regierungszeit des Ahasveros misslungen zu sein (V. 6), aber nichts liess sie davon abhalten, ihr Anliegen Artaxerxes, seinem Nachfolger wieder vorzubringen, und nun konnten sie ihr Ziel erreichen.
Im Bericht über ihr Vorgehen gibt es einige Punkte, die für uns lehrreich sind. Der erste ist der, dass alle Völkergruppen des Landes gegen Jerusalem eingestellt waren. «Rechum, der Statthalter, und Schim-schai, der Schreiber, und ihre übrigen Genossen, Diniter und Apharsathkiter, Tarpeliter, Apharsiter, Arkewiter, Babylonier, Susaniter, Dehiter und Ela-miter und die übrigen Völker, welche der grosse und erlauchte Osnappar wegführte und in den Städten Samarias und in dem übrigen Gebiete jenseits des Stromes wohnen liess» (V. 9.10).
Alle diese verbanden sich, um das Werk des Herrn im Bau Seines Hauses zu verhindern. Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott, und daher ist es nicht schwierig, wenn Gott und Sein Zeugnis in Frage stehen, unter seinen Feinden Widersacher zu sammeln. So verschieden diese auch unter sich sein und einander gar hassen mögen, so haben sie doch nur einen Sinn, wenn Gott auf dem Schauplatz erscheint. Dies trat im Fall unseres geliebten Herrn besonders deutlich in Erscheinung, als die Könige der Erde auftraten und die Fürsten miteinander wider Jehova und wider seinen Gesalbten ratschlagten (Psalm 2): Herodes und Pilatus, die vorher gegeneinander in Feindschaft waren, wurden durch die gegenseitige Geringschätzung Christi Freunde.
Auf diese Weise hat sich Satan als der Gott dieser Welt erwiesen, denn es gelang ihm, Hohe und Niedrige gegen den Sohn Gottes zu verbinden und zum Kampf aufzustellen — Römer und Juden, zivile, religiöse und militärische Autoritäten sowohl als auch das gewöhnliche Volk —, und er führte eine Truppe an, die von seinem eigenen Geist und Sinn erfüllt war, um Christum aus dem Lande der Lebendigen abzuschneiden. Noch einmal in der Geschichte der Welt wird er seine Macht über die Herzen sündiger Menschen beweisen, aber dann zu seinem eigenen und ach! zum ewigen Verderben seines Anhangs (Offb. 19 und 20). So war Satan auch in unserem Kapitel, obgleich verborgen, der Handelnde, indem er diese verschiedenen Völker zu ihrem bösen Tun gegen das Werk des Ueberrestes aufstachelte.
Das geht auch aus dem nächsten bemerkenswerten Punkt hervor. In dem an den König adressierten Brief sagen sie: «Es sei dem König kundgetan, dass die Juden, die von dir heraufgezogen, zu uns nach Jerusalem gekommen sind; sie bauen die aufrührerische und böse Stadt wieder auf, und vollenden die Mauern und bessern die Grundlagen aus» (V. 12). Diese Erklärung verrät die Sprache des «Verklägers der Brüder»; denn sie war trügerisch und von Satan eingegeben, von dem gesagt wird: «Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben.»
Die Juden waren doch noch weit davon entfernt, die Mauern der Stadt zu vollenden und die Grundlagen auszubessern! Sie hatten ja noch kaum die Grundlagen des Tempels gelegt! Und beachten wir, obwohl diese «Feinde Judas und Benjamins» den Wunsch geäus-sert hatten, beim Aufbau des Tempels zu helfen, da auch sie schon lange dem Gott Israels geopfert hätten, so unterliessen sie in ihrer Anklage doch jede Bezugnahme auf den Tempel und sprachen nur von der Stadt. Der Grund war offensichtlich. Der Aufruf des Kores betraf den Tempel. Wenn sie daher die Juden bezichtigten, dass sie die Stadt bauten, gaben sie dem ganzen den Anstrich von Rebellion und verräterischem Handeln, und aus der Antwort des Königs geht hervor, dass sie sich in der Wirkung ihrer Anklage nicht verrechnet hatten (V. 19.20).
Ein weiterer Punkt, der nicht übersehen werden darf, ist der, dass die Sünde Israels in der Vergangenheit für diese Kinder der Gefangenschaft bittere Früchte trug. Ihr letzter König, Zedekia, hatte «bei Gott geschworen», gegenüber Nebukadnezar treu zu sein, dann aber seinen Schwur gebrochen, sich gegen den König von Babel empört und so die Zerstörung Jerusalems herbeigeführt, wie auch das Gericht Gottes auf sich herabgezogen (siehe 2. Chron. 36,13; Hes. 17,12—16). Die Bemerkung in der Anklageschrift, dass Jerusalem eine aufrührerische Stadt sei, war also zutreffend. Wenn der Ueberrest auch unter der Gunst und dem Schütze Gottes stand und ihnen niemand Böses tun konnte, solange sie auf Ihn vertrauten, so hatten sie doch in Seinen Regierungswegen über diese Welt unter den Folgen der Sünden ihrer Väter zu leiden. Doch hätten diese Gegner keine Macht gegen das Volk Gottes gehabt, wenn das Volk nicht selbst sein Vertrauen in Gott und den Eifer für Sein Werk verloren hätte.
Der Apostel schrieb: «Denn eine grosse und wirkungsvolle Tür ist mir aufgetan, und der Widersacher sind viele» (1. Kor. 16, 9); aber keiner dieser Widersacher konnte sein Werk hindern, weil er mit Dem rechnete, «der da öffnet, und niemand wird schliessen». So war das Versagen also der eigenen Trägheit und dem Unglauben des Ueberrestes zuzuschreiben; denn, wie wir schon darauf hingewiesen haben, sie unterbrachen das Werk, schon bevor das Verbot ausgesprochen wurde.
Die beiden Gründe, die angegeben wurden, um den König zum Einspruch zu veranlassen, waren Gefährdung seiner Interessen «diesseit des Stromes» und die Möglichkeit einer Verringerung seiner Einkünfte.
Nachdem der König diese Behauptungen bezüglich des Charakters der Stadt in der Vergangenheit an Hand der Aufzeichnungen in den königlichen Archiven hatte nachprüfen lassen, schrieb er: «So gebet nun Befehl, diesen Männern zu wehren, damit diese Stadt nicht wieder aufgebaut werde, bis von mir Befehl gegeben wird. Und hütet euch, hierin einen Fehler zu begehen; warum sollte der Schaden wachsen, um den Königen Nachteil zu bringen? (17—22). Die Feinde hatten also einen Erfolg errungen, und sobald sie den Brief empfangen hatten, gingen sie, mit königlicher Autorität versehen, eilends hinauf und wehrten den Juden mit Gewalt und Macht, weiter am Hause Jehovas zu bauen.
Das Kapitel schliesst mit der Feststellung: «Damals hörte die Arbeit am Hause Gottes in Jerusalem auf, und sie unterblieb bis zum zweiten Jahre der Regierung des Königs Darius von Persien» (V. 24). Dieser letzte Vers ist also mit dem 5. Vers verbunden und zeigt das Ergebnis des feindlichen Widerstandes, von welchem die Verse 4 und 5 eine allgemeine Zusammenfassung geben. Im ganzen ist es ein trauriges Kapitel — der Bericht von der Tätigkeit Satans. Der einzige Lichtblick darin ist die Treue der Führer Israels, in der sie sich weigerten, mit der Welt ein Bündnis einzugehen.
Gott erscheint nicht in diesem Kapitel, und, mit menschlichen Augen betrachtet, macht es den Anschein, als ob der Feind einen völligen Sieg errungen hätte. Aber wenn sich Gott auch nicht dazwischen stellt, so ist Er gegenüber den Geschehnissen doch keineswegs ein uninteressierter Zuschauer. Wie der Zustand Seines Volkes auch immer sein mag — Er bleibt treu. Obwohl Er Sein Volk jetzt gründlich prüfte, wartete Er nur den geeigneten Augenblick ab, um eine Macht zu erwecken, welcher der Feind nicht widerstehen konnte. Sie wird Seine Knechte aus ihrem Schlafe aufwecken und sie in der Verfolgung des Zieles antreiben, für das sie aus Babylon zurückgeführt worden sind.
Im vorhergehenden Kapitel sahen wir, wie das Volk durch die Tätigkeit Satans vom Werke abgehalten wurde. In den ersten beiden Versen dieses Kapitels finden wir nun den Bericht vom Eingreifen Gottes durch Seine Propheten, zugunsten Seines Volkes, um die Absichten des Feindes zunichtezumachen.
Der Leser möge sich die besondere Lage dieser aus der Gefangenschaft Zurückgekehrten in Erinnerung rufen. Obwohl durch die Gnade Gottes in ihr eigenes Land zurückgebracht, konnten sie doch die sichtbare Gegenwart Jehovas nicht in ihrer Mitte haben, wie in den Tagen des Königtums; denn Er hatte die Herrschaft über die Erde den Nationen übergeben. Es kam kein Feuer mehr vom Himmel, um ihre Opfer zu verzehren, und die Priester waren ohne die heiligen Urim und Thummim (Kap. 2, 63). Gott war daher für sie ausschliesslich ein Gegenstand des Glaubens, und der Gottesfürchtige hatte auszuharren, indem er auf Ihn, den Unsichtbaren blickte.
Gerade in diesem Zusammenhang griff Gott ein, nicht durch einen Akt der Macht, um den Widersacher zu vernichten, sondern durch das Wort der Weissagung, um das Gewissen Seines Volkes zu erreichen und ihr Vertrauen in Ihn anzufachen. So stärkte Er sie für den Kampf, den ihr Tun hervorrufen würde, und Er sicherte ihnen zu, dass, solange
sie auf Ihn vertrauten, selbst die äussersten Anstrengungen des Feindes vergeblich sein würden. Daraus erkennen wir die wahre Funktion eines Propheten. Ein anderer hat gesagt: «Weissagung setzt voraus, dass das Volk Gottes in einem schlechten Zustande ist, auch wenn es noch als solches anerkannt ist und Prophezeiungen an sie gerichtet werden. Dagegen besteht keine Notwendigkeit, einem Volk ein machtvolles Zeugnis zuzurufen, das in den Wegen des Herrn glücklich vorangeht, noch den Glauben eines geprüften Ueberrestes durch die Hoffnung auf die unveränderliche Treue Gottes anzufachen, solange sich dieser in völligem Frieden der Früchte Seiner gegenwärtigen Güte erfreut, als einer Folge der Treue des Volkes.
Der Beweis dieses einfachen und leicht verständlichen Grundsatzes findet sich in jedem der Propheten.» Beachten wir im weiteren, dass der Prophet als ein Mittel der Verbindung mit dem Volke Gottes erweckt wurde, als das verantwortliche Haupt oder die Häupter des Volkes gefehlt hatten. Als das Priestertum unter Eli versagt hatte, war Samuel das von Gott erwählte Gefäss zur Uebermittlung Seiner Botschaften an das Volk, und sein Dienst wurde auch während der Regierung Sauls fortgesetzt, wenigstens bis David gesalbter König war. Dies erklärt den Umstand, dass die Grössten der Propheten in den dunkelsten Perioden der Geschichte Israels auf dem Schauplatz erschienen, wie zum Beispiel Elia und Elisa.
Zu diesem Zeitpunkt waren Serubbabel, der Statthalter, und Jeschua, der Hohepriester, die verantwortlichen Häupter des Ueberrestes; aber sie waren den zermürbenden Angriffen der Widersacher erlegen und entmutigt, wie auch das Volk, und alle hatten aufgehört, am Hause des Herrn zu bauen. Daher sandte ihnen Gott nun die Propheten Haggai und Sacharja, und diese «weissagten den Juden, die in Juda und in Jerusalem waren; im Namen des Gottes Israels weissagten sie ihnen» (V. l).
Haggai empfing seine erste Botschaft von Jehova (wie aus einer Vergleichung der Zeitpunkte ihrer bezüglichen Weissagungen hervorgeht) zwei Monate vor dem Tage, an welchem Sacharja von Gott gebraucht wurde, und es ist als Hinweis für das Versagen der Führer bemerkenswert, dass ihn Gott zuerst zu Serubbabel und zu Jeschua sandte (siehe Hagg. 1, 1). Es ist nötig, die Botschaften der beiden Propheten in Verbindung mit Esra zu lesen; denn in diesem Buche wird der wahre Zustand des Volkes geschildert.
Offensichtlich war es nicht nur die Furcht vor dem Feinde, die sie dazu führte, das Werk aufzugeben; ihre eigenen Herzen hatten die Neigung, es sich bequem zu machen. Sie fanden Zeit, ihre eigenen Häuser zu bauen und sagten: «Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus Jehovas gebaut werde» (Hagg. 1, 1—5). Ach! Wie oft kam es vor, dass das Volk Gottes, sein Bürgertum im Himmel und seine Stellung der Pilgerschaft vergessend, ihre Anstrengungen darauf richtete, in einer Szene des Todes und des Gerichtes für sich selbst Häuser zu bauen! So wendeten sich die Kinder der Gefangenschaft, unberührt vom Anblick des verwüsteten Hauses Jehovas, davon weg, um für sich selbst «getäfelte Häuser» zu errichten. Aber im Gegensatz zu ihnen war Gott gegenüber dem Zustand Seines Hauses nicht gleichgültig, und Er «blies» auf den Ertrag ihrer Felder, weil Sein Haus wüste lag und jeder für sein eigenes Haus «lief» (Hagg. 1. 6—9).
Haggai wurde gesandt, um auf diesen Zustand aufmerksam zu machen; und seine Worte waren mit einer solchen Energie und Kraft bekleidet, dass die Führer und das Volk selbst innert kaum drei Wochen aus ihrer selbstsüchtigen Teilnahmlosigkeit erwachten und auf die Stimme Jehovas, ihres Gottes, hörten und auf die Worte des Propheten Haggai, so wie Jehova, ihr Gott, ihn gesandt hatte; und das Volk fürchtete sich vor Jehova (vgl. Hagg. 1, 1 mit den Versen 12—15). Es scheint also, dass der erste Vers von Esra 5 das Werk der Propheten zusammenfasst, während der zweite Vers die Wirkung der ersten Botschaft Haggais beschreibt oder vielleicht auch die des prophetischen Dienstes unter dem Volke überhaupt.
Da machten sich Serubbabel, der Sohn Schealtiels, und Jeschua, der Sohn Jozadaks, auf und fingen an, das Haus Gottes in Jerusalem zu bauen, und mit ihnen die Propheten Gottes, welche sie unterstützen. Diese letzte Aussage bezieht sich auf das fortwährende Wirken der Propheten während des Fortgangs des Baues, durch welches Jehova Sein Volk ermutigte, in ihrer Arbeit anzuhalten, indem Er durch die Weissagungen die zukünftige Herrlichkeit in Verbindung mit dem Kommen des Messias und der Aufrichtung Seines Reiches vor ihnen entfaltete. Das Volk baute und die Propheten weissagten; beide füllten den ihnen bezeichneten Platz aus und widmeten sich ihrer Aufgabe in Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes. Die Propheten redeten, so wie der Heilige Geist sie trieb (2. Petr. 1,21), und Jehova erweckte den Geist der Bauenden (Haggai 1. 14); daher arbeiteten alle in der Kraft des Geistes und alle standen an dem Platz, den ihnen die erhabene Gnade Gottes bezeichnet hatte.
Der Leser beachte, dass das Volk nicht auf die Erneuerung ihres Auftrages zum Bauen seitens des Herrschers der Nationen wartete. Zweifellos waren sie jenen Mächten unterworfen, und gewiss bestand ein Dekret, das ihnen das Bauen untersagte; aber Gott selbst hatte gesprochen. Wenn sie daher dem Kaiser zu geben hatten, was des Kaisers ist, so mussten sie auch Gott geben, was Gottes ist.
Wenn Gott zu reden sich herablässt, so haben Seine Ansprüche vor allen anderen Erwägungen den Vorrang, welche Folgen auch immer daraus entstehen mögen. Dieser Grundsatz wurde von Petrus und Johannes, den «Bauenden» späterer Tage, erkannt; als ihnen untersagt wurde, in dem Namen Jesu zu reden und zu lehren, antworteten sie: «Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilet ihr; denn es ist uns unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden» (Apg. 4,19.20). Der Glaube verbindet die Seele mit Gott selbst, mit Seinem Willen und mit Seiner Kraft, und sie kann daher jede andere Frage getrost Ihm überlassen.
So gehorchten diese Kinder der Gefangenschaft der Stimme ihres Gottes und setzten ihr Werk fort, im Bewusstsein, dass Er die Herzen aller Menschen in Seiner Hand hält und dass Er — wie es im Verlauf der Ereignisse auch geschah — selbst den Widerstand der Feinde benützen kann, um das Werk an Seinem Hause zu fördern. Der Bericht über die Weise, in der Gott zeigte, dass Er über allen hochmütigen Anschlägen des Widersachers stand, ist im übrigen Teil dieses Kapitels und in Kapitel 6 enthalten. Zunächst lesen wir, was der heidnische Landpfleger und seine Genossen taten: «Und in jener Zeit kamen Tatnai, der Landpfleger diesseit des Stromes, und Schethar-Bosnai und ihre Genossen zu ihnen und sprachen zu ihnen also: Wer hat euch Befehl gegeben, dieses Haus zu bauen und diese Mauer zu vollenden? Darauf sagten wir ihnen, welches die Namen der Männer wären, die diesen Bau ausführten.»
Der Landpfleger war zweifellos in seinem Recht, wenn er diese Erkundigung einzog, und er handelte nach den Interessen seines Herrschers, da ja ein Dekret erlassen worden war, das den Wiederaufbau der Stadt — jedoch nicht des Tempels — verbot. Er konnte von keinem anderen Befehl Kenntnis haben, als von dem seines eigenen Königs. Die Kinder dieser Welt können die Ansprüche Gottes an Sein Volk nie verstehen, und es erscheint ihnen immer als eine Torheit, wenn jemand das Missfallen eines irdischen Monarchen riskiert, um Dem zu gefallen, an den sie, die Weltkinder, selbst nicht glauben.
Auf Verlangen dieser Leute (V. 10) nannten ihnen die Juden die Namen der Verantwortlichen, die diesen Bau ausführten, damit sie diese Uebertreter des Verbots beim König verzeigen konnten. Satan steht hinter der Szene; wann immer Gott durch Sein Volk auf der Erde handelt, arbeitet Satan sogleich entgegen. Das ist die Belehrung der Worte: «in jener Zeit» (V. 3). Wir lesen von keiner Verfolgung des Volkes, während der Zeit, in der sie — nach den Worten Haggais — ihre eigenen Häuser bauten und täfelten.
Beim Wiederbeginn ihrer Arbeit am Hause Jehovas aber begegneten sie sogleich neuen Schwierigkeiten, ja sogar offenem Widerstand.
Das Haus Jehovas war das Zeugnis Gottes jener Tage, und das ist es, was Satan immer hasst. Wenn sich Gläubige in der Welt niederlassen, von irdischen Dingen erfüllt sind und «Erdbewohner» werden — in sittlicher Hinsicht, meine ich —, wird Satan sie in Ruhe lassen. Sobald sie aber durch den Geist Gottes dazu geführt werden, Seine Gedanken zu verstehen und sie in der Folge als ein lebendiges Zeugnis vorangehen, sucht der Widersacher sie durch irgendwelche Listen oder Anschläge, die ihm für sein Ziel passend erscheinen, davon abzulenken. Aber wir haben im Leben unseres Herrn selbst eine deutliche Illustration dafür, dass Satan machtlos ist, Gottes Volk anzugreifen, wenn es in Abhängigkeit und Gehorsam vorangeht (siehe Matth. 4).
Wenn Satan erbarmungslos ist in seiner Gegnerschaft, so ist Gott anderseits nicht gleichgültig gegenüber den Bedürfnissen und der Schwachheit Seiner Knechte, die im Kampfe stehen. Sogleich nach der neuen Anstrengung des Feindes, die Juden von ihrem Werk abzuhalten, lesen wir die Worte: «Aber das Auge ihres Gottes war über den Aeltesten der Juden, dass sie ihnen nicht wehrten, bis die Sache an Darius gelangte» (V. 5). Das Auge Gottes war auf Sein geliebtes Volk gerichtet; Er erkannte ihre Gefahr und sorgte dafür, dass sie in der Gegenwart des Feindes den nötigen Mut hatten; Er gab ihnen das Bewusstsein Seiner Gegenwart und Seines Schutzes und regte sie damit an, an ihrem Werke auszuharren.
In der Tat, es ist für unsere Seelen etwas Wunderbares, im Bewusstsein zu leben, dass das Auge Gottes über uns ist. Dies bewirkt in uns eine heilige Gottesfurcht, die uns zu furchtlosen Menschen macht und uns auch das köstliche Gefühl der überschattenden Gegenwart und des Schutzes Dessen gibt, der uns in Seiner Gnade durch unvergängliche Bande mit sich selbst verbunden hat. Ist dies für uns eine Wirklichkeit, werden wir in die siegreiche Herausforderung des Apostels einstimmen: «Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?» So werden wir befähigt, den Pfad des Dienstes in Ruhe und Frieden fortzusetzen, auch wenn wir umgeben sind von mächtigen Feinden, weil wir des allmächtigen Beistandes unseres Gottes gewiss sind.
Es ist ein Ansporn zum Ausharren und zur Treue.
Als nächstes wird nun die Abschrift des Briefes, den Tatnai und seine Genossen an den König Darius sandten, wiedergegeben, aus welchem nähere Einzelheiten ihres Besuches in Jerusalem ersichtlich sind. Eine nähere Betrachtung dieses Briefes wird für uns nützlich sein.
Sie waren von dem Werke der schwachen Juden sichtlich beeindruckt, denn sie sagten: «Es sei dem König kundgetan, dass wir in die Landschaft Juda zu dem Hause des grossen Gottes gegangen sind; und es wird mit Quadersteinen erbaut, und Balken werden in die Wände gelegt; und diese Arbeit wird eifrig betrieben, und sie gedeiht unter ihrer Hand» (V. 8).
Im Gegensatz zu dem im fünften Kapitel erwähnten Brief vermittelt uns dieser wenigstens einen treuen Tatsachenbericht, wenn auch beide bezweckten, den Fortschritt des Werkes aufzuhalten. Hier gibt der Feind den Bauenden Zeugnis von ihrem Eifer und ihrem Erfolg.
Die nächsten beiden Verse 9 und 10 sind eine Wiederholung der Verse 3 und 4 zur Information des Königs, und die Verse 11—16 enthalten die Antwort, welche die Aeltesten der Juden auf ihre Fragen erteilt hatten. Nichts könnte einfacher und schöner sein als die Weise, in der sie ihre eigene Geschichte und die des Tempels wiedergeben, an dessen Wiederaufbau sie arbeiteten. Gegenüber den Anläufen Satans gibt es keine wirksamere Waffe als das kühne Bekenntnis unseres wahren Charakters. Der Anfang vom Fall des Petrus, oder der erste äussere Schritt dazu, war seine Leugnung, dass er zu Jesu von Nazareth gehörte.
Und wie oft ist eine solche Verleugnung seither der Vorläufer der Niederlage und der Beschämung gewesen! Wie gut war es daher, dass diese Juden fähig waren, das offene Bekenntnis abzulegen, dass sie Gottes Diener waren: Dies war ein Segen für ihre eigenen Seelen und bestimmt das Ergebnis davon, dass sie wussten, dass das Auge Gottes auf sie gerichtet war; gleichzeitig war es auch ihre völlige Rechtfertigung dafür, dass sie das Werk trotz des königlichen Dekretes wieder aufgenommen hatten. Im weiteren erwähnten sie auch die Ursache der Zerstörung des Hauses in vergangenen Tagen: «Unsere Väter haben den Gott des Himmels gereizt», daher «hat er sie in die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel, des Chaldäers, gegeben, und er hat dieses Haus zerstört und das Volk nach Babel weggeführt» (Verse 11 und 12).
Welch eine traurige Geschichte: Salomo hatte das Haus gebaut, Nebukadnezar hat es zerstört; und die Ursache all dieses Unglücks waren die Sünden ihrer Väter! Und welche Langmut, Gnade und Barmherzigkeit Gottes waren zwischen diese beiden Zeitpunkte eingeschlossen, aber auch welche Offenbarung des Menschenherzens, das doch unter göttlicher Pflege stand! Mit einem Wort, zwischen diesen beiden Zeitepochen steht die Geschichte des Reiches unter der Verantwortlichkeit des Menschen. Unter Salomo, dem Fürsten des Friedens, wurde es in Herrlichkeit und Glanz aufgerichtet — (David war wohl der erste König nach dem Herzen Gottes, aber es war der Bau des Tempels, der die Einsetzung des Königtums kennzeichnete) — und zerstört unter der Regierung des schwachen und bösen Zedekia (siehe 2. Chron. 36, 11-21).
Ferner erklärten die Juden, dass das Werk, mit welchem sie sich befassten, das Ergebnis eines Dekretes von Kores sei. Um dies zu beweisen, berichteten sie.
wie die zum Tempel gehörenden goldenen und silbernen Gefässe, die Nebukadnezar herausgenommen hatte, wieder ihrer Obhut übergeben worden seien (Verse 13—15). Schliesslich fügten sie hinzu: «Da kam dieser Sesbazar und legte den Grund des Hauses Gottes, das in Jerusalem ist; und von da an bis jetzt wird daran gebaut, es ist aber noch nicht vollendet» (V. 16).
Diese Auskunft der Juden war richtig, und so waren sie völlig gerechtfertigt, sogar nach menschlichen Begriffen; denn es war ein wohlbekanntes Merkmal der Gesetze der Meder und Perser — und Kores war König von Persien —, dass sie nicht abgeändert werden durften (Dan. 6). Ihre Gegner waren im Irrtum, weil sie die Gesetze nicht kannten.
Der jetzt abgesandte Brief schloss mit der Bitte: «Und nun, wenn es den König gutdünkt, so werde nachgesucht in dem Schatzhause des Königs, welches dort zu Babel ist, ob es so sei, dass vom König Kores Befehl gegeben worden ist, dieses Haus Gottes in Jerusalem zu bauen; und der König sende uns seinen Willen hierüber zu» (V. 17).
Der auf diese Weise angerufene König veranlasste eine entsprechende Untersuchung, und das Dekret des Kores fand sich tatsächlich vor (V. 1—5). Die Erklärung der Juden wurde dadurch in jeder Einzelheit bestätigt; ja mehr noch: nun stellte sich auch heraus, dass Kores nicht nur ein Dekret zum Wiederaufbau des Tempels erlassen, sondern auch befohlen hatte, dass die Kosten aus dem Hause des Königs bestritten und die heiligen Gefässe, welche Nebukadnezar weggenommen hatte, zurückgegeben werden sollten.
Auf Grund dieses Dekretes befahl Darius dem Tatnai, Schethar-Bosnai und ihren Genossen, die Juden nicht mehr zu belästigen und deren Werk in Frieden fortführen zu lassen. Für den Glauben war dies ein Beweis vom Wirken Gottes hinter der Szene. Er benützte die Macht des Feindes zur Ausführung Seiner eigenen Ziele, indem Er dabei einmal mehr zeigte, wie Er alle Dinge zum Guten derer mitwirken lässt, die Ihn lieben. Denn als Folge der Einmischung ihrer Widersacher bestätigte Darius nicht nur das Dekret Kores', sondern er erliess auch ein weiteres, dass alle Kosten für den Bau des Hauses Gottes aus dem Einkommen des Königs erstattet werden sollten.
Er sagte: «Und von mir wird Befehl gegeben wegen dessen, was ihr diesen Aeltesten der Juden für den Bau dieses Hauses Gottes tun sollt; nämlich, von den Gütern des Königs, aus der Steuer jenseits des Stromes, sollen diesen Männern die Kosten pünktlich gegeben werden, damit sie nicht gehindert seien. Und was nötig ist, sowohl junge Stiere, als auch Widder und Lämmer zu Brandopfern für den Gott des Himmels, Weizen, Salz, Wein und Oel, soll ihnen nach dem Geheiss der Priester, die in Jerusalem sind, Tag für Tag unfehlbar gegeben werden, damit sie dem Gott des Himmels Opfer lieblichen Geruchs darbringen und für das Leben des Königs und seiner Söhne beten» (V. 8—10).
«Wenn eines Mannes Wege Jehova Wohlgefallen, so lässt er selbst seine Feinde mit ihm in Frieden sein» (Spr. 16, 7); wenn er also auf dem Pfade des Willens Gottes wandelt, so kann er seine Feinde getrost den Händen des Herrn überlassen. Diese Aeltesten der Juden hatten jetzt eine Lektion gelernt, die im Worte Gottes oft gelehrt wird und die Sein Volk jederzeit so nötig hat: dass derer, die bei uns sind, mehr sind als derer, die bei ihnen sind (2. Kön. 6,16).
So war also Gott selbst der Schild Seines Volkes, als sie in Seinem Dienste standen; und so lange sie Seinem Worte gehorsam waren und sich auf Seine Kraft und Seinen Schutz stützten, konnten sie nicht daran gehindert werden.
In dieser Weise hatte sich also Satan wieder einmal selbst überlistet und trug wider Willen zur Förderung des Werkes bei, das er hasste, gerade so wie der Apostel es Jahrhunderte später auch erfuhr: «Ich will aber, dass ihr wisset, Brüder, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind» (Phil. 1. 12).
Als es Satan gelang, Paulus ins Gefängnis einzuschliessen, meinte er, einen Sieg errungen zu haben, gerade so wie auch im bemerkenswertesten Fall von allen, als er die Juden dazu trieb, die Kreuzigung ihres Messias zu fordern. Aber beide Male war sein scheinbarer Erfolg eine völlige Niederlage. Trotz allen Widerstandes und aller Verfolgung, die sich erheben mögen, können wir ruhig und in mutigem Ausharren vorangehen, weil es des Herrn Werk ist, mit dem wir beschäftigt sind, und Er gesagt hat: «Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.»
Darius ging noch weiter. Er fügte hinzu: «Und von mir wird Befehl gegeben: Welcher Mensch diesen Erlass abändern wird, von dessen Hause soll ein Balken ausgerissen und er, aufgehängt, daran geschlagen werden; und sein Haus soll dieserhalb zu einer Kotstätte gemacht werden. Der Gott aber, der seinen Namen daselbst wohnen lässt, stürze jeden König und jedes Volk nieder, die ihre Hand ausstrecken werden, diesen Erlass abzuändern, um dieses Haus Gottes zu zerstören, das in Jerusalem ist! Ich, Darius, habe den Befehl gegeben; pünktlich soll er vollzogen werden!» (V. 11,12).
So umgab der König die Juden mit seiner Autorität und bewahrte sie vor weiterer Belästigung dadurch, dass er die Todesstrafe über die Behinderung ihres Werkes verhängte. Und auf Grund der Worte, die er brauchte, kann schwerlich bezweifelt werden, dass Darius selbst einige Erkenntnis des «Gottes des Himmels» besass; denn er redete von Ihm als Dem, «der seinen Namen daselbst wohnen lässt». Wie dem auch immer sein mag, Gott neigte sein Herz zugunsten Seines Volkes und des Wiederaufbauwerkes Seines Hauses.
Das Dekret hatte eine sofortige Auswirkung; denn wir lesen, dass Tatnai und seine Genossen «pünktlich taten», was der König Darius entboten hatte. Fortan unterblieb aller Widerstand, und die Feinde des Werkes verschwanden vom Schauplatz.
Nicht nur das, Gott hatte in Seiner Fürsorge für Sein Volk und als Antwort auf ihren Glauben ihnen auch das Herz des Königs zugewendet, sodass nun dessen königliche Macht ihr Schutz und Schirm wurde. So lesen wir:
«Und die Aeltesten der Juden bauten; und es gelang ihnen durch die Weissagung Haggais, des Propheten, und Sacharjas, des Sohnes Iddos; und sie bauten und vollendeten nach dem Befehle des Gottes Israels, und nach dem Befehle Kores' und Darius' und Artasastas', des Königs von Persien. Und dieses Haus wurde beendet bis zum dritten Tage des Monats Adar, das ist das sechste Jahr der Regierung des Königs Darius» (V. 14. 15).
Bevor wir auf die Einzelheiten dieses Berichtes näher eingehen, möchten wir dem Leser eine auffallende Parallele aus der Geschichte vom Bau des Hauses Gottes im Neuen Testament in Erinnerung rufen. Im Zusammenhang mit dem Tode des Stephanus entstand «eine grosse Verfolgung wider die Versammlung, die in Jerusalem war; und alle wurden in die Landschaften von Judäa und Samaria zerstreut, ausgenommen die Apostel».
Bald darauf, bei dem Besuche des Paulus in Jerusalem, nach seiner Bekehrung (wir sagen nach seiner Bekehrung, doch waren schon verschiedene Jahre seither verstrichen - siehe Galater l — aber wir reden entsprechend der Reihenfolge des Berichtes), erhob sich nochmals der Widerstand; die Hellenisten suchten ihn umzubringen und die Brüder sandten Paulus nach Tarsus hinweg (Apg. 9,29. 30). Dann folgt die Feststellung: «So hatten denn die Versammlungen durch ganz Judäa und Galiläa und Samaria hin Frieden und wurden erbaut und wandelten in der Furcht des Herrn und wurden vermehrt durch den Trost des Heiligen Geistes» (Apg. 9, 31). Gott hatte ihnen vor den Verfolgern Ruhe gegeben, und durch die Gnade benützten sie die Gelegenheit, um sich in ihrem allerheiligsten Glauben aufzuerbauen.
So war es auch hier mit den Vätern der Juden. Sie bauten und wurden ermutigt durch den Trost des Heiligen Geistes, so wie er ihnen durch den Dienst der Propheten vermittelt wurde.
Es ist wichtig, die Klasse der Bauenden und die der Propheten auseinanderzuhalten. Wie schon in Verbindung mit Haggai erwähnt, können diese beiden Arten des Dienstes nicht vermischt werden. Der Bauende kann sich nicht die Funktionen eines Propheten anmassen, noch darf ein Prophet seinen Prophetenmantel mit der Maurerkelle des Bauenden vertauschen. So sagt auch der Apostel: «Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade: es sei Weissagung, so lasst uns weissagen nach dem Masse des Glaubens; es sei Dienst, so lasst uns bleiben im Dienst; es sei, der da lehrt, in der Lehre» (Röm. 12,6. 7).
Das Werk des Bauenden besteht darin, Steine auf die Grundlage zu legen; er wird von Gott gebraucht, um durch Predigen oder Lehren Seelen zu sammeln und sie als lebendige Steine zu der Grundlage zu bringen, die Jesus Christus ist (siehe 1. Korinther 12). Der Prophet hingegen ist einer, der das Volk durch die Mitteilung der Gedanken Gottes in seinem Werke anspornt und der auch alles anhand Seines Wortes prüft. Ein Prophet versetzt das Gewissen in die Gegenwart Gottes, hält somit das Verantwortungsbewusstsein aufrecht, dient zur Führung, tadelt oder ermahnt entsprechend dem Erfordernis des Augenblicks und redet so, wie er vom Heiligen Geiste getrieben wird — heute natürlich durch das geschriebene Wort, aber geleitet durch den Geist zu dem für den Fall geeigneten Wort.
So arbeiteten die Aeltesten Israels, die Propheten aber weissagten. Auch wird hier vermerkt: «Es gelang ihnen durch die Weissagung Haggais» etc. Der Grund ist offensichtlich. Der Heilige Geist wirkte in Kraft, zuerst durch die Propheten, dann aber dadurch, dass Er in den Herzen der Bauenden eine Antwort auf das durch die Propheten geredete Wort Gottes hervorrief. Durch die ganze Geschichte des Volkes hindurch lasst sich feststellen, dass die Nation Gedeihen hatte, wenn sie auf die Stimmen ihrer Propheten achteten; anderseits aber auch, dass ihnen aus der Missachtung dieser vom Himmel gesandten Ermahnungen und Warnungen jedesmal schlimme Folgen erwuchsen.
In der Kirche Gottes ist es nicht anders. Wenn immer die «Bauenden» auf die Propheten achten, welche die Gedanken Gottes so entfalten und anwenden, wie sie in Seinem Worte kundgemacht werden, gedeiht ihr Werk; es ist dauerhaft, und sie selbst werden gesegnet. Aber wenn sie gleichgültig sind gegenüber der göttlichen Führung und Ermahnung und nach ihren eigenen Gedanken arbeiten, dann verderben sie das Werk nur, mit dem sie sich beschäftigen und führen Holz, Heu, Stroh ins Haus ein, anstatt Gold, Silber und kostbare Steine.
Ihr Werk mag in menschlichen Augen grösser und erfolgreicher erscheinen, aber die Prüfung des kommenden Tages steht noch aus, und der Herr allein kann beurteilen, was wahrer Erfolg des Dienstes ist.
Nun gab es keine weitere Unterbrechung mehr, denn sie setzten das Werk bis zum Ende fort. Der Geist Gottes bemerkt sorgfältig, dass es vollendet wurde «nach dem Befehle des Gottes Israels und nach dem Befehle Kores' und Darius' und Artasastas', des Königs von Persien».
Alles wurde somit in Gehorsam gegenüber Gott getan und auf Grund der Erlaubnis der irdischen Mächte, denen sie durch Gottes Verordnung unterworfen waren. Gesegnetes Vorrecht dieser Arbeiter, so zu wirken, und keine geringe Ehre, können wir hinzufügen, für diese heidnischen Monarchen, so mit den Absichten Gottes verbunden zu sein und zu deren Ausführung gebraucht zu werden! Ohne Zweifel - und diese Lektion darf nicht übersehen werden — werden die Namen dieser Könige auch aufgeführt, um den Wert zu zeigen, den Gott dem Grundsatz des Gehorsams gegenüber der eingesetzten Autorität beimisst.
Nur dann überschreiten diese eingesetzten weltlichen Mächte die Grenzen ihrer Befugnisse, wenn sie mit ihren Forderungen in das Gebiet eindringen, wo Gottes Ansprüche allein Gültigkeit haben. Im Augenblick, wo menschliche Autorität mit den Ansprüchen Gottes über die Seele zusammenstossen, wird sie null und nichtig.
Mit dieser Ausnahme (Apg. 4,19) hat der Gläubige sich immer den von Gott verordneten Mächten zu unterziehen (Röm. 13).
Nun wird das Datum genannt, an welchem das Haus vollendet wurde: am dritten Tage des Monats Adar, im sechsten Jahre der Regierung des Königs Darius. Sie waren somit vier Jahre mit dem Wiederaufbau des Tempels beschäftigt gewesen (Kap. 4,24). Wie viele Jahre seit der Grundlegung verflossen waren, kann hingegen nicht genau festgestellt werden, da die Dauer der Regierung der Könige zwischen Kores und Darius nicht angegeben wird. Es mochten kaum weniger, vielleicht sogar mehr als zwanzig Jahre sein.
Mit welcher Langmut und Geduld hatte Gott das Zukurzkommen Seines Volkes ertragen! Nachdem nun Sein Ziel erreicht und das Haus gebaut ist, lenkt Er unsere Aufmerksamkeit mit Freuden auf die Arbeit Seines Volkes! Wenn auch alles durch Seine Gnade zustandegekommen ist, so rechnet Er in derselben Gnade doch Seinem Volke an, was Er selbst gewirkt hat. So war es von jeher, und so wird es auch immer sein, wie der Richterstuhl es deutlich kundmachen wird. Denn wenn welche von uns für das Gute, das sie in dem Leibe getan haben, Belohnung empfangen, so werden sie zum Preise Gottes gerne bekennen, dass Er selbst die Quelle und die Kraft aller guten Werke war, die Er ihnen zu tun gab.
Nach der Feststellung, dass das Haus Jehovas vollendet ist, folgt als nächstes der Bericht über dessen Einweihung.
«Und die Kinder Israel, die Priester und die Leviten und die übrigen Kinder der Wegführung, feierten die Einweihung dieses Hauses Gottes mit Freuden. Und sie brachten dar zur Einweihung dieses Hauses Gottes hundert Stiere, zweihundert Widder, vierhundert Lämmer; und zum Sündopfer für ganz Israel zwölf Ziegenböcke, nach der Zahl der Stämme Israels. Und sie stellten die Priester in ihre Klassen und die Leviten in ihre Abteilungen zum Dienste Gottes in Jerusalem, nach der Vorschrift des Buches Moses» (Verse 16-18).
Es war nur natürlich, dass sie sich jetzt freuten, denn das Haus ihres Gottes war doch der Ausdruck aller Segnungen des Bundes, in welchem sie standen. Endlich, nach ermüdenden Jahren der Arbeit, der Schwachheit, der Schwierigkeiten, der Enttäuschungen und der Leiden, stand es vor ihren Augen vollendet da. Zu diesem Zweck waren sie aus Babel herausgeführt worden, und wenn etliche von ihnen mit Tränen gesät hatten, so konnten sie nun mit Freuden ernten. Aber ihre eigene Schwachheit und die Armut ihrer Umstände kann aus dem Gegensatz dieser Einweihung mit der des Tempels Salomos ermessen werden.
Damals opferte der König zweiund-zwanzigtausend Rinder und hundertundzwanzigtau-send Schafe, nebst dem Klein- und Rindvieh, das vor der Lade geopfert wurde, welches nicht gerechnet und nicht gezählt werden konnte vor Menge (2. Chron. 7,5; 5,6). Hätten sie es von dieser Seite angesehen, wäre ihre Freude, wie bei der Grundlegung, wohl auch von Klagen und Tränen begleitet gewesen. Der Glaube hingegen hat es mit unsichtbaren Dingen zu tun, und er konnte dem Geiste dieses schwachen Ueberrestes in Erinnerung rufen, dass Jehova für sie nicht weniger mächtig und nicht weniger gnädig war als für Salomo.
Das Haus mochte weniger herrlich und sie selbst nur arme Untertanen eines heidnischen Monarchen sein; doch weil Gott für sie war, waren die für den Glauben zugänglichen Hilfsquellen wie eh und je überströmend. Auch uns kann sich die Wahrheit nicht zu tief in den Sinn einprägen, dass Christus für Sein Volk an einem Tage der Schwierigkeit Derselbe bleibt wie in einer Zeit der Wohlfahrt. In der Kraft dieser Tatsache zu leben erhebt uns über die Umstände, wie nichts anderes sonst, und gibt uns Mut, voranzueilen, wie gross auch die Gefahren des Weges sein mögen.
Bei diesen Kindern der Gefangenschaft war der Glaube wirklich tätig: sie opferten ein Sündopfer für ganz Israel. Obwohl nicht ganz Israel gegenwärtig war — nur Vertreter von zwei oder drei Stämmen — standen diese wenigen vor Gott auf dem Boden der Nation. Sie verstanden dies und schlössen somit alle Stämme Israels in ihr Sündopfer ein. — Dies ist auch eine bedeutsame Lektion für den in diesen letzten Tagen zum Namen des Herrn Jesu Christi versammelten Ueberrest. Es mögen nur ihrer wenige sein, die dazu noch arm und schwach sind; aber wenn sie die Wahrheit ihrer Stellung erfassen, werden sie alle Glieder des einen Leibes in ihre Herzen und ihre Gebete einschliessen.
Sie werden im Geiste den Boden einnehmen, auf welchen sie «mit allen Heiligen» gestellt worden sind, sonst werden sie zu den vielen Sekten, die die Kirche schon zertrennen, nur noch eine andere hinzufügen. Ist der Glaube lebendig, so ist es nicht schwierig, diesen Standpunkt einzunehmen; denn der Glaube, der sich einerseits mit Gott verbindet, weiss sich anderseits auch eins mit Seinem ganzen Volke.
Der Ueberrest war in diesem Augenblick auch durch Gehorsam gekennzeichnet. Sie regelten den Dienst des Hauses Gottes durch die Priester und Leviten «nach der Vorschrift des Buches Moses». — Der Pfad des Gehorsams, sei es für den Einzelnen, sei es für die Versammlung, ist der alleinige Pfad des Segens. - Jetzt, nachdem das Haus Gottes gerade vollendet worden war, wäre es ihnen töricht erschienen, wenn der Mensch seine eigenen Gedanken in den Dienst des Hauses Gottes eingeführt hätte.
Sie begehrten nur zu erkennen, was Gott gesagt, was Er angeordnet hatte. — So war es auch, als am Pfingsttage das Haus Gottes aus lebendigen Steinen gebaut wurde, und so war es wiederum, als Gott in Seiner Gnade am Anfang des vergangenen Jahrhunderts das Wiederaufleben der Wahrheit bezüglich der Versammlung bewirkte. Aber was sich nach dem Hinschied der Apostel ereignete, geschieht auch jetzt wieder: Das Wort Gottes, das der alleinige Regulator Seines Hauses sein soll, wird oft durch den Menschen ersetzt, der nach seinem eigenen Belieben und nach seiner eigenen Weisheit Anordnungen trifft. Auch der jüdische Ueberrest verfiel dieser Gefahr, wie aus dem letzten Kapitel des Buches Esra hervorgeht.
Keine Gefahr ist heimtückischer als die des allmählichen Einschleichens menschlicher Gedanken und Anordnungen als Ersatz für die Weisungen des Wortes Gottes. Wenn auch nicht beabsichtigt, so ist dies doch eine Verdrängung des Herrn von Seinem Platze der Oberhoheit über Sein Volk. Nie war es nötiger als jetzt, sich der Worte unseres auferstandenen Herrn zu erinnern: «Wer ein Ohr hat höre, was der Geist den Versammlungen sagt!»
Auf die Einweihung des Hauses folgte nach einer kurzen Zwischenzeit die Feier des Passahs: «Und die Kinder der Wegführung feierten das Passah am vierzehnten Tage des ersten Monats. Denn die Priester und die Leviten hatten sich gereinigt wie ein Mann; sie waren alle rein. Und sie schlachteten das Passah für alle Kinder der Wegführung und für ihre Brüder, die Priester, und für sich selbst.
Und die Kinder Israel, welche aus der Wegführung zurückgekehrt waren, und ein jeder, der sich von der Unreinigkeit der Nationen des Landes zu ihnen abgesondert hatte, um Jehova, den Gott Israels, zu suchen, assen das Passah. Und sie feierten das Fest der ungesäuerten Brote sieben Tage mit Freuden; denn Jehova hatte ihnen Freude gegeben und ihnen das Herz des Königs von Assyrien zugewandt, so dass er ihre Hände stärkte in dem Werke des Hauses Gottes, des Gottes Israels» (V. 19-22).
Die Verbindung ist ausserordentlich schön. Nachdem nun das Haus ihres Gottes vollendet war, feierte das Volk das Gedächtnis seiner Erlösung aus dem Lande Aegypten, und gedachte zum Preise Jehovas des Bodens, auf dem sie standen, und der Tatsache, daß das Blut des geschlachteten Lammes die Grundlage aller ihrer Segnungen, aller Taten der Gnade Gottes für sie war. Das Passah war, nach den Worten Moses, «eine Nacht, die dem Jehova zu beobachten ist, weil er sie aus dem Lande Aegypten herausführte; diese selbige Nacht ist dem Jehova zu beobachten von allen Kindern Israel bei ihren Geschlechtern» (2. Mose 12,42).
Nichts hätte besser zeigen können, dass die Kinder der Gefangenschaft in diesem Augenblick in Uebereinstimmung mit den Gedanken des Herrn waren, als ihre Beobachtung des Passahs. Sie gingen in Gedanken durch die Jahrhunderte zurück, an den Herrlichkeiten des Königtums vorbei, bis sie die Grundlage alles dessen erreichten, was sie besassen, sowohl in Wirklichkeit als auch bezüglich der Zukunft, und an diesem Punkt bekannten sie Gott als den Gott ihres Heils. Sie bauten somit auf das, was Gott auf Grund des Blutes des Passahlammes für sie war, und fanden darin, was auch die einzelnen Seelen darin finden, einen unveränderlichen und unbeweglichen Felsen.
Ihr Herz war an diesem Fest beteiligt, «denn», so lesen wir, «die Priester und Leviten hatten sich gereinigt wie ein Mann; sie waren alle rein». (Vgl. 4. Mose 9,10—14). Sie hatten erfasst, was sich Dem gegenüber geziemte, Dessen Fest sie feierten.
Ausser ihnen waren da noch andere, die sich mit ihnen dieser Vorschrift unterzogen, solche, die «sich von der Unreinigkeit der Nationen des Landes zu ihnen abgesondert hatten, um Jehova, den Gott Israels, zu suchen».
Ob es sich hierbei um die wenigen Israeliten handelte, die im Lande zurückgelassen worden waren, als ihre Brüder einst gefangen weggeführt wurden, oder ob es solche von den Nationen waren, wird nicht erwähnt. In 2. Mose 12,44 wird gesagt: «Kein Fremdling soll davon essen.» Doch wird hinzugefügt: «Wenn ein Fremdling bei dir weilt und das Passah dem Jehova feiern will, so werde alles Männliche bei ihm beschnitten, und dann komme er herzu, um es zu feiern» (V. 48, siehe auch 4. Mose 9,14). Vermutlich waren es daher «Fremdlinge»3, und wenn dem so war, so hatten sie sich den Kindern der Gefangenschaft deshalb angeschlossen, weil sie sich von der göttlichen Kraft, die sich in der Trennung vom Bösen bei ihnen kundgab, angezogen fühlten.
Ach! Wir lesen nicht, dass weitere in dieser Weise angezogen wurden; vielmehr neigten sich die Kinder Israel wieder zu den Heiden. So ist es immer mit dem Volke Gottes. Wenn der Geist Gottes in ihrer Mitte wirkt und sie, als eine Folge davon, in gewissem Masse gemäss ihrer Berufung wandeln, so wird es manche geben, die, angezogen von dem, was sie sehen, ihre Gesellschaft und Gemeinschaft suchen. Wenn aber anderseits Leben und Kraft schwinden und Gleichgültigkeit und Kälte zutage treten, so ist die Welt die anziehende und nicht die Kirche. So übt also jede Bewegung in der Versammlung Gottes am Anfang einen grossen Einfluss aus, weil dann die Entfaltung der Kraft des Geistes offensichtlicher ist.
Nach dem Passah feierten sie, entsprechend dem Worte Gottes, sieben Tage lang mit Freuden das Fest der ungesäuerten Brote (siehe 2. Mose 13). Dieses Fest folgte unmittelbar auf das Passah; seine besondere Bedeutung ist davon abgeleitet.
Der Apostel hat es uns erklärt. Er sagt: «Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit ungesäuertem Brote der Lauterkeit und Wahrheit» (1. Kor. 5, 7.8). Das will sagen: Sobald wir erlöst sind, erwartet und wünscht Gott von uns, dass wir durch ein heiliges Leben Seinen Anforderungen entsprechen, in der Trennung vom Bösen und der Absonderung zu Ihm hin. Das Fest dauerte sieben Tage, also einen vollkommenen Zeitabschnitt lang, der im Vorbild den Zeitabschnitt unseres ganzen Lebens darstellt.
«Ihr seid nicht euer selbst, denn ihr seid um einen Preis erkauft.» Das ist, wenn auch die Worte ändern, der unveränderliche Grundton, der uns immer wieder dieselbe Lektion lehrt: «Seid heilig, denn ich bin heilig.» Sauerteig soll in unseren Wohnungen nicht gefunden werden; wir sollen das Fest allezeit mit ungesäuertem Brot der Lauterkeit und Wahrheit feiern. Diese beiden Dinge sollten auch nie von der Lehre getrennt werden: Wenn uns in der Erlösung überströmende Gnade zuteil wurde, so soll diese Gnade auch in den Herzen der Erlösten wirken; wenn uns Gott aus der Welt herausruft, so sollten wir nicht dahin zurückkehren und unser Heim wieder in der Welt suchen; wenn wir durch Gnade in dem kostbaren Blute Christi gewaschen sind, so sollen wir darauf achten, dass wir unsere Kleider unbesudelt erhalten.
Ist also das Gedächtnis unserer Erlösung kostbar für uns, lieben wir es, um den Tisch des Herrn versammelt zu sein, angesichts der Symbole Seines Leibes und Seines Blutes, so lasst uns auch mit Freuden das Fest der ungesäuerten Brote feiern, zum Zeugnis für Den, der uns erlöst hat, und zur Verherrlichung Seines Namens.
Das war eine Zeit der Freude für diesen armen Ueberrest; denn der Segen Gottes ruhte auf ihm, und das Herz des heidnischen Königs war ihnen zugewandt. Für eine Weile waren die Wolken verschwunden, und sie konnten im Sonnenschein himmlischer und irdischer Gunst stehen. Hier schliesst der erste Teil dieses Buches; die verbleibenden vier Kapitel beschäftigen sich mit dem Auftrag und dem Werk Esras.
Wir kommen nun zum zweiten Teil dieses Buches. Im ersten Teil wurden uns die Rückkehr des Volkes von Babylon und der Bau des Tempels erzählt; im zweiten hingegen haben wir die persönliche Aufgabe und das Werk Esras. Auch da sollten wir wieder beachten, dass die Zeichen der Uebergabe der Regierungsgewalt auf der Erde — von den Juden zu den Nationen — überall sichtbar sind. So wird erwähnt, dass die Mission Esras «unter der Regierung Artasastas, des Königs von Persien» begonnen habe.
In der Tat, der Auftrag des Königs zum Werke Esras wird in den Versen 11—26 ausführlich beschrieben, als Beweis, dass das Volk Gottes in diesem Zeitpunkt unter der Herrschaft der Nationen stand, und dass Gott jederzeit die Gewalten anerkennt, die ihre Quelle in Seinen eigenen erhabenen Ratschlüssen haben.
Es mag dem Leser eine Hilfe sein, wenn wir den Aufbau des siebenten und achten Kapitels zuerst kurz skizzieren. Nach Esras Geschlechtsregister (Kap. 7,1—5) folgt eine kurze Zusammenfassung von der Erlaubnis des Königs für ihn, nach Jerusalem hinaufzuziehen, von seiner Reise dorthin und vom Gegenstand seiner Mission (V. 6—10). Dann folgt der Brief des Königs, worin er Esra Vollmacht zum Handeln gibt und die nötige Unterstützung für die Ausführung seines Werkes anordnet (V. 11—26). Dieses Kapitel schliesst mit Esras Lobpreisung Gottes, der das Herz des Königs dem Tempel Jehovas zugeneigt und ihm vor dem König Güte zugewandt habe (V. 27 und 28).
In Kapitel 8,1-14 folgt das Verzeichnis derer, die von der königlichen Erlaubnis, mit Esra aus Babel heraufzuziehen, freiwillig Gebrauch machten. Als sich diese alle bei dem Fluss versammelten, der nach Ahawa fliesst, stellte Esra fest, dass sich keiner der Söhne Levis unter ihnen befand und ergriff Massnahmen, um «Diener für das Haus Gottes» zu bekommen (V. 15—20). Nachdem so alles vorbereitet war, folgten zwei Dinge: Zuerst Fasten und Flehen vor Gott (V. 21—23) und dann Aussonderung von zwölf Obersten der Priester, welche die Verantwortung für das Silber, das Gold und die Geräte übernehmen sollten, die «für das Haus unseres Gottes» geschenkt worden waren (V. 24—30). Schliess-lich wird die Reise und die Ankunft in Jerusalem beschrieben, wie auch die notwendigen Vorbereitungen zum Beginn des Werkes Esras (V. 31—36).
Aus all diesem geht hervor, dass die Kapitel 7 und 8 zusammen gelesen werden sollten, da sie eine fortlaufende Erzählung darstellen, von welcher Kapitel 7, 1—10 die Einleitung bildet.
Das Geschlechtsregister Esras wird bis auf Aaron zurückgeführt (Kap. 7,1—5). Er war daher einer, der auf alle Rechte und Vorrechte des Priestertums Anspruch hatte (siehe im Gegensatz dazu Kap. 2,62). Zudem war er ein kundiger Schriftgelehrter im Gesetz Moses und somit befähigt, das Volk in den Satzungen Jehovas zu unterweisen. (Siehe 3. Mose 10, 8—11; Mal. 2, 4—7). Priester wurde er durch Geburt und Weihe, aber «ein kundiger Schriftgelehrter in dem Gesetz Moses, welches Jehova, der Gott Israels, ge- geben hatte», konnte er nur durch persönliches Erforschen des Wortes werden.
Selbst bei den Juden konnte das geerbte Amt nicht die Eigenschaften hervorbringen, die zu dessen Ausübung erforderlich waren; diese konnten nur durch persönlichen Umgang mit Gott auf Grund der Schriften kommen; denn während der Priester kraft seiner Hingabe durch die Gnade befähigt war, vor Gott zu dienen, konnte er dies nur dann in einer Ihm wohlgefälligen Weise tun, wenn es in Gehorsam gegenüber dem Worte geschah, und es war ihm unmöglich zu lehren, wenn er nicht selbst mit den Gedanken Gottes vertraut war. Die Vernachlässigung dieses zweiten Teiles ihres Amtes war es, die zum Niedergang und zum Ruin des Priestertums führte; in den Tagen Josias war das Wort Gottes so völlig vergessen, dass das Auffinden einer Abschrift des Gesetzes zu einem Wendepunkt in seiner Regierung wurde.
Es ist daher umso erfreulicher — wie das Entdecken einer schönen Blume inmitten einer sandigen Wüste — in Esra einen Mann zu finden, der an seiner priesterlichen Abkunft festhielt und gleichzeitig seine Freude und Kraft im Gesetz seines Gottes fand. Im zehnten Verse wird das Geheimnis seiner grossen Erkenntnis gezeigt: Er «hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz Jehovas zu erforschen und zu tun». Möge der Leser über diese bedeutungsvolle Feststellung nachsinnen: «er hatte sein Herz darauf gerichtet». So betete auch der Apostel für die Heiligen in Ephesus, dass sie an den Augen ihres Herzens erleuchtet sein und wissen möchten, welches die Hoffnung ihrer Berufung ist (Kap. 1. 18).
Ja, dem Herzen werden die Offenbarungen Gottes gegeben, so wie sich der auferstandene Herr der Maria Magdalena am Grabe offenbarte und nicht so sehr dem Verständnis Seiner Jünger. Wir können diese Wahrheit nicht zu sehr betonen. Zubereitung des Herzens (und auch diese kommt vom Herrn) ist von grosser Bedeutung, sowohl für das Wortstudium, für das Gebet wie auch für den Dienst der Anbetung. (Siehe 1. Kor. 8,1-3; Hebr. 10, 22; 1. Joh. 3,20-23.) Da ist noch etwas anderes. Wenn Esra sein Herz darauf richtete, das Gesetz Jehovas zu erforschen, so vor allem deshalb, weil er es tun wollte. Er las es nicht, um seine Erkenntnis zu vergössem und seinen Ruf als Lehrer zu befestigen, sondern damit sein Herz, sein Leben und seine Wege dadurch gebildet werden und sein eigener Wandel die Darstellung der Wahrheit und dadurch dem Herrn wohlgefällig sein möchte. Dann erst folgte das Lehren: «Und in Israel Satzung und Recht zu lehren.»
Diese Reihenfolge kann nie ungestraft missachtet werden; denn wo die Lehre nicht aus einem Herzen fliesst, das selbst der Wahrheit unterworfen ist, wird sie nicht nur kraftlos sein, andere zu beeinflussen, sondern dies wird auch das Herz des Lehrers selbst verhärten. Dies ist ein Grund für so manches Versagen in der Kirche Gottes. Die Gläubigen sind immer wieder erstaunt über das plötzliche Abweichen von der Wahrheit oder gar über den Fall solcher, die den Platz von Lehrern eingenommen haben; aber immer, wenn der Diener den Zustand seines Herzens übersieht und die Wirksamkeit des Verstandes in göttlichen Dingen überbetont, ist seine Seele einer der gefährlichsten Versuchungen Satans ausgesetzt. Ein wahrer Lehrer sollte in seinem Masse wie Paulus auf sein eigenes Beispiel hinweisen können, so wie der Apostel zu den Thessalonichern sagte: «Ihr seid Zeugen und Gott, wie göttlich und gerecht und untadelig wir gegen euch, die Glaubenden, waren» (1. Thess, 1. 10; siehe auch Apg. 20 und Phil. 3).
Ferner ist es offensichtlich, dass Esra in Gemeinschaft mit Gott war hinsichtlich Seiner Gedanken über Sein Volk. Sein Herz war mit ihnen, denn wir lesen, dass er beim König Erlaubnis einholte, nach Jerusalem hinaufzuziehen, und dass ihm der König all sein Begehr gab, weil die Hand Jehovas, seines Gottes, über ihm war (V. 6). Was er wünschte, war also die Wohlfahrt und die Segnung des Volkes seines Gottes, aber weil er vom König abhängig war, musste ihm die Erlaubnis zur Reise gegeben werden; denn der Herr will nicht, auch nicht für Seinen eigenen Dienst, dass wir die Autorität missachten, unter die wir gestellt sind. Weil jedoch der Herr den Wunsch ins Herz Esras gelegt hatte. Ihm zu dienen, so beeinflusste Er auch den König, die Bitte Seines Knechtes zu gewähren.
Wie gut ist es, uns Seinen Händen zu überlassen.
Wir sind oft versucht, die Hindernisse, die der Mensch uns in den Weg legen mag, zu überspringen und die Türen, die der Mensch geschlossen haben mag, mit Gewalt zu öffnen, aber zu unserem Trost und zu unserer Stärkung ist es gut, sich daran zu erinnern, dass der Herr Seinen Weg vor unserem Angesicht ebnen kann, wann immer Er will, und dass es unsere Sache ist, ruhig auf Ihn zu warten, bereit, vorwärts zu schreiten, wenn Er das Zeichen dazu gibt. Die Erkenntnis, dass die Hand Gottes über ihm war, kennzeichnete diesen hingebenden Knecht (siehe V. 6 und 9: Kap. 8, 18. 22. 31 usw.), und dies war die Quelle seiner Geduld und auch seines Mutes.
Die Einzelheiten der Reise, die in den Versen 7—9 kurz erwähnt wird, werden im nächsten Kapitel näher beschrieben; und wir können daher sogleich zum Brief des Königs zur Bevollmächtigung Esras übergehen - ein Brief, der ihn zum Handeln ermächtigte, den Gegenstand seiner Mission umschrieb und ihm durch die Schatzmeister jenseits des Stromes die Mittel zur Ausführung seines Dienstes in Verbindung mit dem Hause Jehovas verschaffte, das in Ordnung gebracht werden sollte.
Sofort nach dem Gruss — ein Gruss, welcher zeigt, dass Esra ein treuer Zeuge unter den Nationen war — verfügt der König, dass «ein jeder... von dem Volke Israel und seinen Priestern und den Leviten, der bereitwillig ist, nach Jerusalem zu ziehen, mit dir ziehen mag» (V. 13). Auch Kores, wie wir im ersten Kapitel gesehen haben, hatte dieses Vorrecht gewährt; und nun, nach Verlauf mancher Jahre, wirkte der Geist Gottes wiederum durch einen anderen König, Sein Volk zu befreien.
Aber kein menschlicher Zwang sollte ausgeübt werden: wenn irgendeiner mit Esra hinaufzog, so musste es freiwillig geschehen. Denn Gott will nur willige Knechte haben. Wenn unter Zwang, so darf es nur der des Heiligen Geistes sein. In den Versen 14—20 werden dann der Wirkungskreis und die Ziele des Auftrages Esras sorgfältig und in allen Einzelheiten umschrieben. Er wurde von dem König und seinen sieben Räten gesandt, um nach dem Gesetz Gottes, das in seiner Hand war, eine Untersuchung über Juda und Jerusalem anzustellen (V. 14).
Ferner sollte er das Silber und das Gold unter seine Obhut nehmen, das der König und seine Räte dem Gott Israels freiwillig geopfert hatten, wie auch jenes, das er in der Landschaft Babylon bekommen würde, zusammen mit den freiwilligen Spenden des Volkes usw.; und dies sollte zum Ankauf von Opfertieren verwendet werden, oder was Esra und seine Brüder gutdünkte, damit zu tun, «nach dem Willen eures Gottes». Der Leser möge selber über die Einzelheiten des Auftrages Esras nachsinnen. Wir möchten jedoch noch besonders auf eine oder zwei lehrreiche Einzelheiten hinweisen: Es kann nicht übersehen werden, dass dieser Monarch der Nationen alles auf den Willen Gottes bezog, oder, genauer ausgedrückt, dass alles diesem Willen unterworfen werden sollte.
Es mochte sogar scheinen, dass er, der Heide, in voller Gemeinschaft mit den Zielen Esras war; und wenn er Jehova, den Gott des Himmels nannte (V. 21 und 23), so ist es nicht ausgeschlossen, dass die Gnade sein Herz berührt hatte. Wie dem auch sei, er traf sorgfältige Vorkehrungen für die Ausführung der Mission Esras, in jeder möglichen Weise, und gleichzeitig bestellte er Esra über sein Volk «nach der Weisheit deines Gottes». Schliesslich wurden Strafen ausgesprochen für jeden Ungehorsam gegen das Gesetz Gottes und das Gesetz des Königs, die sich sogar bis zur Todesstrafe steigern konnten.
Die Lektion liegt auf der Hand, dass Gott in der Wahl Seiner Werkzeuge souverän ist, und dass Er unter den Bewohnern der Erde wie auch im Heere des Himmels alles nach Seinem Willen tut, und dass niemand Seine Hand aufhalten und zu Ihm sagen kann: Was tust Du? Eine Illustration für diese Tatsache findet sich in unserem Kapitel darin, dass Artasasta, der «König der Könige», und «der Priester Esra, der Schriftgelehrte in den Worten der Gebote Jehovas», zur Ausführung der Gedanken Gottes über Sein Volk und über Sein Haus in Jerusalem zusammen ins Joch gespannt werden.
Esra selbst wird mit Anbetung erfüllt, wenn er die wunderwirkende Kraft der Hand Seines Gottes betrachtet; denn nachdem er den Inhalt des Briefes des Königs wiedergegeben hat, bricht er in einen Lobgesang aus: «Gepriesen sei Jehova, der Gott unserer Väter, der solches in das Herz des Königs gegeben hat, um das Haus Jehovas zu verherrlichen, das in Jerusalem ist, und der mir Güte zugewandt hat vor dem König und seinen Räten und allen mächtigen Fürsten des Königs!» (V. 27 und 28).
Dann fügt er hinzu: «Und ich erstarkte, weil die Hand Jehovas, meines Gottes über mir war, und ich versammelte Häupter aus Israel, dass sie mit mir hinaufzögen.» Darin zeigte er sieh als wahrer Mann des Glaubens; er führte alles auf Gott zurück; er betrachtete nicht sich selbst; für seine Seele war Gott alles in allem. Es war also nicht seine Bitte (V. 6), die den König zum Handeln bewog, sondern Gott, der dies in des Königs Herz gelegt hatte; es war nicht Esras Einfluss, der den König und seine Fürsten für sich einnahm, sondern Gott war es, der ihm in ihrer Gegenwart Güte zuwandte; es war auch nicht seine eigene Macht, in der er die Häupter aus Israel versammelte, dass sie mit ihm hinaufzögen, sondern er erstarkte, weil die Hand seines Gottes über ihm war.
In diesem allem ist er ein auffallendes Beispiel für jeden Gläubigen; glücklich der Mensch, welcher, wie Esra, gelernt hat, in der Gegenwart Gottes zu leben, den Blick über das Tun der Menschen auf die göttliche Macht zu erheben, die über sie gebietet und alles, Gunst oder Verfolgung, Hilfe oder Hindernisse aus der Hand des Herrn zu nehmen. Eine solche Seele hat inmitten der Verwirrung und des Aufruhrs der Welt, wie auch angesichts der Macht Satans das Geheimnis vollkommenen Friedens erfasst.
Die enge Verbindung zwischen diesem und dem vorangehenden Kapitel wird uns sofort bewusst. Kapitel 7 schloss mit den Worten: «Ich versammelte Häupter aus Israel, dass sie mit mir hinaufzögen», und Kapitel 8 beginnt mit der Mitteilung: «Und dies sind die Häupter ihrer Väter und ihr Geschlechtsverzeichnis, nämlich derer, die unter der Regierung des Königs Artasasta mit mir aus Babel heraufzogen.» Dieses Geschlechtsregister wird bis zum 14. Vers fortgesetzt und zeigt, wie die Namen derer, die in einem solchen Augenblick auf Gottes Ruf antworteten, Ihm kostbar waren. Die Antwort selbst war die Frucht Seiner Gnade; aber in der Ausübung derselben Gnade gefällt es Ihm wohl. Seinem Volke zuzurechnen, was Er selbst in ihren Herzen hervorgebracht hat. Es war eine ansehnliche Gesellschaft von über fünfzehnhundert Personen, die hier versammelt war, um in das Land ihrer Väter zurückzukehren, in das Land ihrer Traditionen wie auch ihrer Hoffnungen.
Die erste Handlung Esras bestand darin, sie zu versammeln «an den Fluss, der nach Ahawa fliesst; und wir lagerten daselbst drei Tage. Und ich sah mich um unter dem Volke und unter den Priestern, und ich fand keinen von den Söhnen Levis daselbst» (V. 15). Nur zwei Priester, nämlich Gersom, von den Söhnen Pinehas' und Daniel, von den Söhnen Ithamars, waren unter ihnen. Und von der Familie der Leviten, die Priester ausgenommen, fand sich kein einziger vor. Esra hatte alle Ursache, darüber bekümmert zu sein, denn dies war ein trauriges Symptom des Zustandes, in den das Volk gefallen war. Die Priester allein hatten Zutritt zum Heiligtum des Hauses ihres Gottes, und die Leviten allein waren die berufenen Diener in dem Bereich ihres Dienstes; als aber der Aufruf erfolgte, dass sie zurückkehren durften, um noch einmal ihre Vorrechte zu verwirklichen, blieben sie unberührt und gleichgültig.
Sie hatten an dem Orte ein Heim gefunden, wo die Väter ihre Lauten an die Weiden gehängt und im Gedenken an Zion geweint hatten. So ist es auch mit dem Volke Gottes heute. Gelingt es dem Feind, sie zu veranlassen, «auf das Irdische zu sinnen», werden sie gegenüber ihren geistlichen Vorrechten gleichgültig, und sie können, wenn sie sich von ihrer Schlafsucht nicht erheben, sogar «Feinde des Kreuzes Christi» werden. Kein Kind Gottes, das seine himmlische Berufung versteht, kann sich damit zufrieden geben, in Babel zu wohnen. Esra wollte sich nicht damit abfinden, dass die Leviten zurückblieben. Zudem kannte er die Bedürfnisse des Hauses Jehovas, und es schmerzte diesen hingebenden Diener, dass sich diese mehr um ihre eigenen Dinge kümmerten, als um die Vorhöfe des Herrn.
Er ergriff daher geeignete Massnahmen, um ihr Gewissen zu erreichen, damit sie sich in seiner Aufgabe in Jerusalem mit ihm verbänden. Zu diesem Zweck sandte er zu ihren Häuptern, unter welchen Jojarib und Elnathan waren, die «einsichtigen Männer». Wie gut ist es für das Volk Gottes, in Zeiten des Niedergangs und des Verfalls, wenn bei ihm noch einsichtige Männer gefunden werden können! Durch diese bewahrt Gott die Seinigen, in noch grössere Tiefen hinabzusinken und hält durch sie das lebendig, was unter ihnen vom Glauben und der Hoffnung noch übrig geblieben ist. Esra wusste, wo er die Hand auf einige solcher Männer zu legen hatte, und sein Eifer für das Werk, auf das sein Herz gesetzt war, kommt in dem Auftrag zum Ausdruck, den er ihnen anvertraute.
Er sagt: «Und ich entbot sie an Iddo, das Haupt in der Ortschaft Kasiphja, und ich legte ihnen Worte in den Mund, um sie zu Iddo zu reden und zu seinen Brüdern, den Nethinim, in der Ortschaft Kasiphja, dass sie uns Diener für das Haus unseres Gottes brächten» (V. 17). Vom Herrn Jesus wird gesagt, oder vielmehr der Geist Christi sagt selbst: «Der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt» (ps. 69, 9; Joh. 2,17); und dies war so, weil die Verherrlichung des Vaters allezeit Sein oberstes Ziel war. Gottes Name, Gottes Ehre waren jederzeit die Wonne Seiner Seele. In Seinem Masse war es auch so mit Esra; es ging Ihm um die Ehre Jehovas in Seinem Hause und Er war in Gemeinschaft mit dem Herzen Gottes selbst.
Dies war die Erklärung für seinen Ernst, in welchem er «Diener für das Haus unseres Gottes» suchte. Und Gott wirkte durch ihn, wie er selbst bekennt, indem er sagt: «Und sie brachten uns, weil die gute Hand unseres Gottes über uns war, einen einsichtsvollen Mann von den Söhnen Machlis, des Sohnes Levis, des Sohnes Israels; und Scherebja und seine Söhne und seine Brüder, achtzehn; und Haschabja und mit ihm Jesaja, von den Söhnen Meraris, seine Brüder und ihre Söhne, zwanzig; und von den Nethinim, welche David und die Fürsten zur Bedienung der Leviten gegeben hatten: zweihundertundzwanzig Nethinim; sie alle waren mit Namen angegeben» (V. 18—20). Insgesamt waren es immer noch weniger als vierzig Leviten gegenüber zweihundertundzwanzig Nethinim.4
Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass bei dem fleischlichen Wohlergehen in Babylon die nationalen Hoffnungen und Vorrechte des Volkes aufgehört hatten, auf ihre Gesinnung eine praktische Kraft auszuüben. Gegenüber der Trägheit der Leviten ist es schön, die Anzahl der Nethinim (vermutlich aus einem anderen Volke) zu sehen, die dem Aufruf Esras gehorchten.
Es mag sein, dass in bezug auf diese gesagt wird: «Sie alle waren mit Namen angegeben.» Gott nahm Kenntnis von ihrer Treue und veranlasste, dass dies aufgeschrieben wurde.
Nun war hinsichtlich der Sammlung des Volkes alles bereit. Aber sowohl Esra als auch das Volk brauchten eine Vorbereitung für die Reise, die vor ihnen war.
Darum sagt er: «Und ich rief daselbst, am Flusse Ahawa, ein Fasten aus, um uns vor unserem Gott zu demütigen, um von ihm einen geebneten Weg zu erbitten für uns und für unsere Kinder und für alle unsere Habe. Denn ich schämte mich, von dem König eine Heeresmacht und Reiter zu fordern, um uns gegen den Feind auf dem Wege beizustehen; denn wir hatten zu dem König gesprochen und gesagt: Die Hand unseres Gottes ist über allen, die ihn suchen, zum Guten; aber seine Macht und sein Zorn sind gegen alle, die ihn verlassen. Und so fasteten wir und erbaten dieses von unserem Gott; und er liess sich von uns erbitten» (V. 21—23).
Das Werk Gottes darf nie in leichtfertiger Weise in Angriff genommen werden; und mit einer richtigen Erkenntnis, sowohl des Charakters des Werkes als auch was der Ehre Gottes geziemte, der ihn dazu berufen hatte, rief Esra ein Fasten aus, um sich mit dem Volke vor Gott zu demütigen. Das Fleisch kann im Dienste des Herrn in keiner Weise oder Form gebraucht werden, und nur in wahrer Absonderung von allem, was diesem zur Nahrung sein könnte und unter Demütigung in Gottes Gegenwart, werden unsere Beweggründe, Wünsche und Ziele geprüft und gereinigt.
So mochten einige von denen, die sich zu Esra versammelt hatten, von anderen Dingen angezogen worden sein, als von der Wohlfahrt des Hauses ihres Gottes. Dies ist immer der Fall, wenn der Heilige Geist ein Werk tut. Esra wollte daher, dass alles im Lichte der heiligen Gegenwart Gottes untersucht würde, damit sie lernen möchten, dass nichts anderes sie auf ihrer Reise bewahren und leiten und nichts auf dem Wege oder in ihrem darauffolgenden Dienste sie aufrecht halten konnte, als nur die gute Hand ihres Gottes. Daher fasteten er und das Volk und demütigten sie sich vor Gott und beteten sie.
Da mag die Frage gestellt werden: Nehmen wir heute unseren Dienst für Gott nicht oft zu leicht? Und führte es nicht zu grösserer geistlicher Kraft und Wirkung, wenn wir beim Beginn eines Dienstes für Gott häufiger in dieser Haltung Esras und seiner Genossen gefunden würden? Fern sei es von uns, auch nur für einen Augenblick anzunehmen, dass die Diener des Herrn unterlassen könnten, auf diese Weise Sein Angesicht zu suchen, bevor sie ihren Dienst beginnen. Unsere Frage betrifft mehr das gemeinsame Warten auf Gott unter Fasten, bevor ein Werk begonnen wird, für das die Heiligen ein gemeinsames Interesse haben.
Das verstanden die Gläubigen in den ersten Tagen der Kirche, denn wir lesen: «Es waren aber in Antiochien in der dortigen Versammlung, Propheten und Lehrer...
Während sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun5 Barnabas und Saulus zu dem Werke aus, zu welchem ich sie berufen habe» (Apg. 13, 1. 2). Wenn eine Wiederbelebung dieser Praxis erfolgte in der Kraft des Heiligen Geistes (denn solches nachzuahmen ohne diese göttliche Kraft wäre schlimmer als nutzlos), dann wären bestimmt viel grössere Resultate aus der Verkündigung des Wortes und dem Dienst zu erwarten.
Ein anderer Grund noch bewog Esra, das Volk hier zu sammeln. Er war ein Mann des Glaubens und er hatte vor dem König sein Vertrauen in Gott bezeugt hinsichtlich des Schutzes auf ihrer Reise; er wollte ihn daher nicht um eine militärische Begleitung bitten. Und nun, in Uebereinstimmung mit seinem Bekenntnis, vertrauten er und das Volk sich Gott an für die Leitung, «um von ihm einen geebneten Weg zu erbitten für uns und für unsere Kinder und für alle unsere Habe».
Wie jeder Gläubige weiss, ist es eine Sache, seinem Vertrauen in Gott Ausdruck zu geben, bevor eine Schwierigkeit kommt, und eine andere Sache, diese Abhängigkeit angesichts und inmitten der Schwierigkeit aufrecht zu halten. Esra tat beides und war fähig, in der Zuversicht zu ruhen, dass die Hand Gottes über allen sein würde, die Ihn zum Guten suchen, dass aber Seine Macht und Sein Zorn über alle jene kommen würde, die Ihn verlassen. Zweifellos sprach er das alles vor dem Herrn aus während dieses Fastens, und wenn er einem heidnischen Monarchen gegenüber von der Treue Gottes geredet hatte, so waren nun der Name und die Ehre Jehovas damit verknüpft, dass Er für Seinen Knecht eintrat. Esra sagt uns: «Und so fasteten wir und erbaten dieses von unserem Gott; und er liess sich von uns erbitten.» Ja, Gott liebt es, auf das Vertrauen Seines Volkes zu antworten und denen zu erscheinen, die inmitten von Prüfungen und Gefahren bezeugen, was Er für sie ist.
Der Leser möge beachten, dass es keine eingebildete Gefahr war, die Esra vor sich sah; denn später berichtet er zum Preise Gottes, dass Er sie errettet habe «von der Hand des Feindes und des am Wege Lauernden» (V. 31). Ja, Gott ist für Sein Volk Zuflucht und Stärke und eine jederzeit gegenwärtige Hilfe für die, welche in Trübsalen sind; wir würden dies in reicherem Masse erfahren, wenn wir — wie Esra — lernten, in allen Umständen mit Ihm, als dem Allgenügenden zu rechnen. Als Nehemia einige Jahre später dieselbe Reise unternahm, wurde er von Heerobersten und Reitern begleitet (Neh. 2,9). In ihm schien sich der Glaube nicht in derselben lebendigen Weise auszuwirken, obgleich er ein treues Herz für die Interessen des Herrn hatte. Wieviel besser ist es, auf den Herrn zu vertrauen, als auf einen sichtbaren Arm! Und die auf Ihn warten, werden — wie Esra — nie beschämt werden.
Als nächstes «sonderte Esra zwölf von den Obersten der Priester aus. Scherebja, Haschabja, und mit ihnen zehn von ihren Brüdern», um für die Hebopfer, die sie für das Haus ihres Gottes empfangen hatten, die Verantwortung zu übernehmen, bis sie in Jerusalem ankämen (V. 24-30). Veranlassung zu dieser Wahl war dies, dass sie «Jehova heilig» waren, wie auch die Geräte (V. 28). Wie der Prophet sagte: «Reiniget euch, die ihr die Geräte Jehovas traget» (Jes. 52, 11). Diese Anweisung Esras, wir wissen es, entsprach der göttlichen Ordnung; denn niemand als die Priester und Leviten durfte die heiligen Geräte oder die Ge-fässe des Hauses Gottes tragen (siehe 4. Mose 4).
Aus einer falschen Auffassung sowohl dieser Dinge als auch der Natur des Christentums heraus entstand die kirchliche Gewohnheit, eine Klasse von Männern, den Klerus, zum Dienst in der Kirche auszusondern. Wohl trifft es zu, dass die, welche dem Herrn in irgendeiner Weise unter Seinem Volke dienen, für ihren Dienst berufen sein müssen, aber dies soll nicht durch die Hände der Menschen geschehen, sondern durch die souveräne Handlung der Gnade Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes. Unter Gesetz gab es eine besondere Klasse von Männern — die Priester und die Leviten — aber diese waren von Gott bezeichnet und geweiht; unter Gnade jedoch sind alle Gläubigen gleicherweise Priester und haben als solche ein unzerstörbares Anrecht darauf, im Allerheiligsten, in der unmittelbaren Gegenwart Gottes, zu erscheinen, wenn auch da Unterschiede in den Gaben und Diensten bestehen (1. Kor. 12).
Esra übergab also die heiligen Gefässe, das Silber und das Gold für das Haus ihres Gottes, die als freiwillige Gaben geschenkt worden waren, der Verantwortung der Priester. Und er ermahnte sie, wachsam zu sein und diese Dinge zu bewahren, «bis ihr es darwäget vor den Obersten der Priester und der Leviten und den Obersten der Väter zu Jerusalem, in die Zellen des Hauses Jehovas» (V. 29). Der Ausdruck «darwägen» enthält einen wichtigen Grundsatz. Esra bezweifelte nicht die Treue der Priester, die er ausgesondert hatte; aber, wie der Apostel in späteren Tagen, wollte er «vorsorglich sein für das, was ehrbar ist, nicht allein vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen» (2. Kor. 8, 21). Das Volk mochte volles Vertrauen haben in die Ehrbarkeit Esras und der Priester; aber Esra wollte jeden Anlass zu einem bösen Anschlag des Feindes wegräumen, indem er die Geräte, das Silber und das Gold abwog, als er sie in die Hände der Priester gab, und dasselbe geschah auch, als sie abgeliefert wurden. Dadurch stellte er seine und ihre Treue unter Beweis.
Und dies ist bestimmt ein göttliches, biblisches Beispiel, das von denen nachgeahmt werden sollte, die in irgendeiner Weise verantwortlich sind für die Gaben des Volkes des Herrn. Diese sollten darauf bedacht sein, über ihre Verwaltung Rechnung abzulegen und nicht darauf warten, dass sie dazu gezwungen werden.
Manche Schwierigkeit in der Kirche Gottes hätte vermieden werden können, wenn diese Praxis übernommen worden wäre. Man möge auch beachten, dass bei der Ankunft in Jerusalem das Abwägen nicht durch Esra, sondern durch andere geschah: «Und das ganze Gewicht wurde zu selbiger Zeit aufgeschrieben» (V. 33.34). In heutiger Sprache ausgedrückt: Die Buchhaltung Esras war geprüft und für gut befunden worden, und dies schon am vierten Tag nach Vollendung ihrer Reise.
Im 31. Vers haben wir einen kurzen Bericht über ihre Reise, auf den wir schon Bezug genommen haben; er ist eine Bestätigung der Treue ihres Gottes als Antwort auf ihre Gebete. «Und wir brachen auf von dem Flusse Ahawa am zwölften des ersten Monats, um nach Jerusalem zu ziehen; und die Hand unseres Gottes war über uns, und er errettete uns von der Hand des Feindes und des am Wege Lauernden.
Und wir kamen nach Jerusalem.» In Kapitel 7, 9 wurde gesagt, dass sie am ersten Tage des ersten Monats hinaufzuziehen begannen, und dies war vermutlich auch das Datum der Sammlung des Volkes am Flusse Ahawa (Kap. 8,15). Die Reise dauerte also etwas weniger als vier Monate; und Esra bezeugte, dass Gott sie sicher durch alle Schwierigkeiten und Gefahren hindurchgeführt und sie vor allen ihren Feinden beschützt habe. Wahrlich, «der Name Jehovas ist ein starker Turm; der Gerechte läuft dahin und ist in Sicherheit.»
Auch vergassen sie den Herrn nicht, nachdem die Schwierigkeiten der Reise vorüber waren: «Die aus der Gefangenschaft Gekommenen, die Kinder der Wegführung, brachten dem Gott Israels Brandopfer dar: zwölf Farren für ganz Israel, sechsundneunzig Widder, siebenundsiebzig Schafe, und zwölf Böcke zum Sündopfer, das Ganze als Brandopfer dem Jehova.»
Es ist überaus rührend zu sehen, wie dieser schwache Ueberrest — so wie es auch bei der Einweihung des Hauses Gottes der Fall gewesen war (Kap. 6,17) — in seinem Glauben ganz Israel einschloss.
Sie waren nur gering an Zahl, aber sie konnten sich auf keine engere Grundlage stellen als auf die der zwölf Stämme, und dies bezeugten sie durch die Anzahl ihrer Opfer. Heute sollte bei denen, die auf Grund des einen Leibes zum Namen des Herrn Jesu Christi hin versammelt sind, derselbe Grundsatz gelten. Auch sie mögen gering an Zahl, schwach und arm sein. Aber wenn sie einiges Verständnis haben für den gesegneten Platz, auf den sie gestellt worden sind, werden sie jede engere Grundlage als die, welche alle Glieder des einen Leibes umschliesst, ablehnen; und wenn sie diese Wahrheit in Kraft aufrecht halten, werden ihre Lobopfer in der Gegenwart aller Zeugnis davon geben. Versäumen sie dies, werden sie — was auch immer ihr Bekenntnis sein mag — zum engsten Sektierertum hinabsinken, das nach den Gedanken des Herrn überaus abstossend ist.
Andere mögen sie wegen ihrer Armut und ihrem schwachen Zustand verspotten. Aber wenn sie nur darin ausharren «mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe», um die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens, indem sie vor Gott das Bewusstsein der Einheit mit allen Heiligen aufrecht halten, wird der Herr sie reichlich stärken mit Seiner Anerkennung und Seinem Segen.
Beachten wir, dass zweierlei Opfer dargebracht wurden — Brandopfer und Sündopfer. Aus ihrer Anzahl kann geschlossen werden, dass die zwölf Farren und die zwölf Böcke für ganz Israel bestimmt und die anderen Opfer mehr persönlicher Natur waren, als unmittelbarer Ausdruck dankbarer Herzen für die ihnen erwiesene Barmherzigkeit Jehovas, in der Er sie in Sicherheit nach Jerusalem und zu Seinem Hause gebracht hatte.
Indem sie sich so unter die Wirksamkeit der Opfer stellten und ihre Beziehung zu Gott auf dem allein möglichen Boden festgestellt hatten, «übergaben sie die Befehle des Königs den Satrapen des Königs und den Landpflegern diesseits des Stromes; und diese unterstützten das Volk und das Haus Gottes» (V. 36). Diese Reihenfolge ist belehrend und schön. Zuerst stellten sie sich mit ihren Opfern unter die Gunst Gottes, und dann wendeten sie sich zu den Beamten des Königs. Ihr erster Gedanke galt ihrem Gott, sie setzten Ihn an den ersten Platz und anerkannten damit, dass alles von Ihm abhing. Er antwortete auf das Vertrauen Seines Volkes, indem Er die Herzen der Satrapen und Landpfleger berührte und sie geneigt machte, Sein Volk und das Ziel, das sie verfolgten, zu begünstigen. Wie gesegnet ist es, völlig von Gott abhängig zu sein und in der Verfolgung Seiner Sache nur auf Ihn zu blicken!
Wer auch immer die Wohlfahrt des Volkes Gottes sucht, muss damit rechnen, auf seinem Pfade Prüfungen und Leiden zu finden; denn während ihn die Zuneigungen zu Gott selbst zum Handeln treiben, wird sich der Diener, in seinem Masse, auch mit ihrem Zustand und mit ihren Umständen eins machen, indem er zur Ehre Gottes in ihrer Mitte wirkt. Hiefür haben wir ein vollkommenes Beispiel in dem Leben Dessen, welcher sagen konnte: «Der Eifer um dein Haus verzehrt mich.» So war es auch, und zwar nicht in einem schwachen Masse, bei Seinem Knechte Paulus, der in der Kraft des Heiligen Geistes bekannte: «Deswegen erdulde ich alles um der Auserwählten willen, auf dass auch sie die Seligkeit erlangen, die in Christo Jesu ist, mit ewiger Herrlichkeit» (2. Tim. 2,10).
Dies war auch die Erfahrung Esras, wie es der Anfang dieses Kapitels zeigt. Erfüllt mit heiligem Eifer, hatte es ihn getrieben, nach Jerusalem hinaufzugehen, «um in Israel Satzung und Recht zu lehren», aber schon ganz am Anfang musste er feststellen, dass viele des auserwählten Volkes sehr tief gesunken waren, womöglich noch tiefer als die Kanaaniter, die Gott vor ihnen ausgetrieben hatte. Er sagt: «Und als dieses ausgerichtet war, traten die Obersten zu mir und sprachen: Das Volk Israel und die Priester und die Leviten haben sich nicht von den Völkern der Länder, nach deren Greueln, abgesondert, nämlich der Kanaaniter, der Hethiter, der Perisiter, der Jebusiter, der Ammoniter, der Moabiter, der Aegypter und der Amoriter; denn sie haben von ihren Töchtern für sich und für ihre Söhne genommen, und so hat sich der heilige Same mit den Völkern der Länder vermischt; und die Hand der Obersten und der Vorsteher ist in dieser Treulosigkeit die erste gewesen» (V. l und 2).
So ist der Mensch, ja sogar das Volk Gottes, wenn es der Neigung seines eigenen Herzens folgt, statt in Gehorsam gegenüber Gottes Wort zu wandeln! Beachte auch, dass, wenn Gläubige in die Sünde fallen, es oft schlimmere und gröbere Formen des Bösen sind als die, welche das Volk dieser Welt ausübt. Es ist, als ob Satan, nachdem er einen Vorteil über sie errungen hat, sich über sie lustig machen und über sie triumphieren wollte, indem er sie in die schrecklichsten Formen des Bösen verstrickt. In dem Falle, der vor uns liegt, waren es nicht nur die Schändlichkeiten der Kanaaniter (der früheren Einwohner des Landes), sondern auch die der Ammoniter, der Moabiter, der Aegypter und der Amoriter, in welche die Kinder der Gefangenschaft gefallen sind, das heisst in jede mögliche Form des Verderbens.
Und dies alles hatte sich in so kurzer Zeit, innert der wenigen Jahre der Vollendung des Tempels, ereignen können. Als Gegenstände der besonderen Gnade Gottes, die sie aus ihrer babylonischen Gefangenschaft befreite, hatten sie diese Gnade in Ausschweifung verwandelt.
Welche Geduld und Langmut sehen wir bei Gott, der sie noch einmal in das Land ihrer Väter zurückgebracht hatte, dass Er nicht sogleich mit ihnen ins Gericht ging! Doch wenn sich Sein Volk in der Abtrünnigkeit und seinen Sünden auch immer als dasselbe erwies, so war auch Er unwandelbar in Seiner Huld und Gnade. Seine Gnadengaben und Seine Berufung sind unbereubar und hierin allein liegt die Sicherheit Seines Volkes.
Die besondere Sünde, die hier erwähnt wird, ist die, dass «sich der heilige Same mit den Völkern der Länder vermischt» hat durch gegenseitige Verheiratung. Dies war ihnen ausdrücklich untersagt* (vgl. 2. Mose 34,12—16). Sie hatten diese schändlichen Verbindungen mit der Welt daher in willentlichem Ungehorsam geschlossen; denn dies ist es, was diese Heiraten darstellen, und das ist die Gewohnheitssünde des Volkes Gottes in jedem Zeitalter. So sagt der Apostel Jakobus: «Ihr Ehebrecherinnen, wisset ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will» (also die weltliche Gesinnung pflegt), «stellt sich als Feind Gottes dar» (Kap. 4, 4).
Und der Apostel Paulus ruft aus: «Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Uebereinstimmung Christus mit Belial?» (2. Kor. 6,14 und 15). Wenn sich schon Jehova her-abliess zu sagen, dass Er sich mit Israel vermählt habe (Jer. 3,14), so wird auch heute von den Gläubigen gesagt, dass sie Christo angehören und als eine keusche Jungfrau mit Christo verlobt seien (Röm. 7). Daß es sich dabei nicht nur um gegenseitige Verheiratung handelt, kann aus der oben angeführten Stelle entnommen werden, wie auch aus 4. Mose 25; in der Tat, alle Greuel des Götzendienstes der genannten Nationen waren mit diesen Heiraten verbunden.
2. Kor. 11,2). Sowohl für den Juden als auch für den Christen ist es daher Untreue und Sünde, sich mit der Welt zu verbinden und den heiligen Platz der Absonderung zu vergessen, zu welchem der Jude und auch der Christ berufen sind. Diese Sünde blieb auch nicht auf eine gewisse Klasse des Volkes beschränkt. «Die Hand der Obersten und der Vorsteher ist in dieser Sache die erste gewesen», und auch die Priester und die Leviten, wie auch das ganze Volk werden gesondert erwähnt.
Daraus scheint hervorzugehen, dass die Obersten und die Vorsteher als erste das Beispiel gegeben hatten und dass die anderen nur zu gern bereit waren, es ihnen gleich zu tun. «Ein Sünder vernichtet viel Gutes», besonders, wenn dieser eine hohe Stellung einnimmt und grossen Einfluss ausübt. Ermattete ein Fahnenträger am Tage der Schlacht, wurden oft auch die Krieger entmutigt und leicht besiegt. So ist es auch, wenn es Satan gelingt, einen Führer in der Versammlung Gottes zu umstricken; es ist ihm dann oft ein leichtes, manche andere zu betören, die weniger im Vordergrund stehen. Unter Gesetz war für die Sünde eines Obersten oder Priesters ein grösseres Opfer erforderlich, als für die Sünde eines Mannes aus dem gewöhnlichen Volk.
Es ist daher eine ernste Sache — ernst für ihn selbst und auch hinsichtlich der daraus hervorgehenden Folgen — wenn ein «Oberster» oder «Vorsteher» auf dem Pfad der Weltlichkeit und des Götzendienstes dem Volke Gottes zum Führer wird. Das waren die traurigen Nachrichten, die Esra kurz nach seiner Ankunft in Jerusalem zu Ohren kamen, und der nächste Vers zeigt, welche Wirkung dies alles in seiner frommen und hingebenden Seele hervorgebracht hat. Er sagt: «Und als ich diese Sache hörte, zerriss ich mein Kleid und mein Obergewand und raufte mir Haare meines Hauptes und meines Bartes aus und sass betäubt da» (V. 3). Er empfand grossen und unaussprechlichen Schmerz über die Sünden seines Volkes, und der Grund der Tiefe seiner Bestürzung, die sich in allen diesen äusseren Zeichen der Demütigung vor Gott kundgab, war der, dass er in seiner innersten Seele fühlte, wie der heilige Name Jehovas dadurch verunehrt wurde.
Es ist verhältnismässig leicht, mit dem Volke Gottes mitzuempfinden, wenn es durch sündiges Tun in den Augen der Welt beschämt dasteht. Aber nur die, welche in der Kraft des Heiligen Geistes in Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes sind, die an Seinen Zuneigungen zu den Seinigen teilhaben, die also, die vor allem anderen mit Eifer erfüllt sind, um die Ehre Gottes aufrecht zu erhalten, werden die Sünde des Volkes Gottes einschätzen als solche, die dem heiligen Namen, nach welchem sie genannt sind, Einbusse tut; nur sie werden sich demütigen, die Sünde zu ihrer eigenen machen und sie vor Gott bekennen.
Moses, Nehemia und Daniel sind Beispiele dafür, jeder in seinem Masse, wie auch Esra. Aber diese alle, wie auch andere, die genannt werden könnten, sind nur schwache Schatten Dessen, der sich mit Seinem Volke einsgemacht hat im Bekenntnis ihrer Sünden, als er sagte: «Du, o Gott, weisst um meine Torheit, und meine Vergehungen sind dir nicht verborgen» (ps. 69, 5).
Durch den Schmerz und die Demütigung Esras wurden die Gewissen anderer erreicht, und alle, die in irgendwelchem Masse über den Zustand des Volkes getrauert hatten, stellten sich zu ihm. Er sagt: «Und zu mir versammelten sich alle, die da zitterten vor den Worten des Gottes Israel wegen der Treulosigkeit der Weggeführten» (V. 4). «Aber auf diesen will ich
blicken», sagt der Herr, «auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist, und der da zittert vor meinem Worte» (Jes. 66,2); denn das Zittern vor Gottes Wort ist das Kennzeichen eines zarten Gewissens, eines Mannes, der in der Furcht Gottes wandelt und auf Seinen Wegen gefunden werden möchte.
Wie gut war es daher, dass sich unter den Kindern der Wegführung noch solche Männer fanden, obwohl ihr Zittern mehr einer Erkenntnis der Folgen der Uebertretung ihrer Brüder entsprungen sein mag, als einer durch die Gnade gewirkten Furcht, ihren Gott beleidigt zu haben.
Wie dem auch sei, so müssen wir uns doch fragen: Wo waren sie und wo war ihr Zeugnis vor der Ankunft Esras? Gewiss, ihre Herzen waren aufrichtig; dies zeigte sich darin, dass sie in diesem kritischen Augenblick ihren Platz bei Esra bezogen; und sie sind ein Beispiel dafür, dass wir keine Kraft haben, unsern Brüdern zu helfen, bevor wir deutlich und offen Stellung gegen das Böse nehmen, von welchem sie umstrickt worden sind. Treue gegenüber Gott ist das erste Erfordernis, um andern helfen zu können. Esra verharrte an seinem Platz im Staube — niedergebeugt durch einen unaussprechlichen Schmerz — bis zum Abendopfer.
Hatte er einerseits ein gebrochenes Herz im Blick auf die Sünde des Volkes, so erkannte er anderseits in seinen Glaubensübungen den einzigen Boden an, auf dem man Gott in bezug darauf nahen konnte. Mit einem Wort, er stützte sich auf die Wirksamkeit des Opfers, als der Grundlage, auf der er vor Gott hintreten konnte, um die Gesetzlosigkeiten der Kinder Israel vor Ihm auszubreiten. (Vgl. 1. Sam. 7, 9; 1. Kön. 18, 36 und andere Stellen.) Das Abendopfer war ein Brandopfer, das auf dem Altar völlig verzehrt wurde und dessen lieblicher Wohlgeruch zu Gott emporstieg. Wenn Esra im Werte dieses Opfers vor Ihm war — in dem ganzen Werte dessen, was es im Bilde davon darstellte, was Christus in Seinem Tode für Gott war — dann war der Erfolg seiner Fürsprache gesichert. Der Herr selbst konnte in diesem Zusammenhang sagen: «Was irgend ihr bitten werdet in meinem Namen, das werde ich tun, auf dass der Vater verherrlicht werde in dem Sohne» (Joh. 14,13).
Dann, in der Erkenntnis des Wertes des Opfers, erhob sich Esra von seiner Demütigung, wobei er sein Kleid und sein Obergewand zerrissen hatte, beugte sich auf seine Knie nieder, breitete seine Hände aus zu Jehova, seinem Gott, und bekannte die Sünde seines Volkes. Lasst uns die Worte seines beladenen Herzens wohl erwägen!
Beachte zuerst, wie völlig er den Platz des Volkes vor Gott einnahm. Er sagt: «Mein Gott, ich schäme mich und scheue mich, mein Angesicht zu dir, mein Gott, zu erheben; denn unsere Missetaten sind uns über das Haupt gewachsen und unsere Schuld ist gross geworden bis an den Himmel» (V. 6). Nicht einmal im Geiste trennte er sich von denen, die gesündigt hatten; er und sie — in der Tat, das ganze Volk — waren eins vor Gott. Er selbst betrachtete es so; denn als Achan übertrat, sagte Gott zu Josua: «Israel hat gesündigt.
» Esra verstand dies und das befähigte ihn zum Fürsprecher für das Volk; denn erst wenn wir unser Einssein mit dem Volke Gottes verstehen und seine Sünde und Reue auch unsere Sünde und Reue sind, können wir es wirklich auf unseren Herzen vor den Herrn tragen in Zeiten seiner Not.
Indem er so den Platz des Volkes eingenommen hatte, bekannte Esra, dass von den Tagen der Väter an nichts als Sünde ihren Weg gekennzeichnet habe und dass alle Regierungswege Gottes mit ihnen, in denen Er sie «der Hand der Könige der Länder..., dem Schwerte, der Gefangenschaft und dem Raube und der Beschämung des Angesichts» übergeben habe, «wie es an diesem Tage ist», die Folge ihrer Gesetzlosigkeiten gewesen seien. Er rechtfertigte Gott in all Seinem Tun mit Seinem Volke in der Vergangenheit.
Und dann erinnerte er sich der Gnade, die ihnen Jehova, ihr Gott, darin erwiesen hatte, dass Er einen Ueberrest zurückbrachte, indem Er «uns einen Pflock gegeben hat an seiner heiligen Stätte, damit unser Gott unsere Augen erleuchte und uns ein wenig aufleben lasse in unserer Knechtschaft. Denn Knechte sind wir; aber in unserer Knechtschaft hat unser Gott uns nicht verlassen; und er hat uns Güte zugewandt vor den Königen von Persien, sodass sie uns ein Aufleben verliehen, um das Haus unseres Gottes aufzubauen und seine Trümmer aufzurichten, und uns eine Mauer zu geben in Juda und in Jerusalem» (V. 8-9).
Die Reihenfolge der Bekenntnisse Esras ist äusserst belehrend. Nachdem er die Sünden seiner Brüder bekannt und Gott in Seinen Wegen mit Seinem Volke gerechtfertigt hatte, rühmte er als nächstes die Gnade, in der Er sie in ihrem niedrigen Zustand besucht, sie als einen Ueberrest ins Land zurückgebracht und ihnen noch einmal erlaubt hatte, das Haus ihres Gottes aufzubauen.
Weshalb aber zählt er diese Beweise der Gnade und des Erbarmens Jehovas auf? Um den Charakter der Sünde seines Volkes erkenntlich zu machen; denn er fährt fort: «Und nun, unser Gott, was sollen wir nach diesem sagen? Denn wir haben deine Gebote verlassen.» Dann bekennt er, dass sie sowohl gegen das Licht wie auch gegen die Gnade gefehlt hatten. Er verheimlicht und beschönigt nichts, sondern breitet alles vor Gott aus, wobei er gesteht, dass, wenn sie nach all der Gnade, die sie empfangen hatten (V. 13), Gottes Gebote übertraten und sich mit den Greuel-Völkern verschwägerten, Er wohl wider sie erzürnt sein konnte bis zur Vertilgung, dass kein Ueberrest und keine Entronnenen mehr übrig bleiben würden (V. 14). Er schliesst damit, Gott noch einmal zu rechtfertigen und sich Seinem Standpunkt anzuschliessen gegen sich selbst und gegen das Volk.
Er sagt: «Jehova, Gott Israels, du bist gerecht; denn wir sind als Entronnene übriggeblieben, wie es an diesem Tage ist. Siehe, wir sind vor dir in unserer Schuld; denn dieserhalb kann man nicht vor dir bestehen» (V. 15).
Dieses inspirierte Bekenntnis enthält manche Punkte, auf die sich die Aufmerksamkeit des Volkes des Herrn richten sollte. Einige davon sind schon besprochen worden, aber wir möchten noch auf die Tatsache Nachdruck legen, dass Esra vom Anfang bis zum Schluss Gott rechtfertigt und die Gesetzlosigkeiten seines Volkes blosslegt. Das allein schon ist nicht nur ein Beweis der Wirksamkeit des Heiligen Geistes, sondern auch eine Voraussetzung für den Segen. Der Platz der Demütigung ist immer der Platz der Wiederherstellung und der geistlichen Kraft; und daher ist es immer das Zeichen eines schlechten Zustandes, wenn dieser Platz selten eingenommen wird.
Lasst uns denn für einen Augenblick uns selbst prüfen.
Wir haben mehr als einmal auf die Uebereinstimmung zwischen diesem Ueberrest und denen hingewiesen, die sich in diesen Tagen zum Namen des Herrn Jesus hin versammeln. Ist da nicht auch eine Uebereinstimmung der Sünden dieser beiden Gruppen? Ist es nicht eine Tatsache, dass wir uns weitgehend mit den Weltkindern «verschwägert» haben? Haben wir uns nicht ihren Gewohnheiten, Wegen und Gebräuchen angepasst? Wirkt die Weltlichkeit nicht wie ein Gift unter uns? Sind in der Versammlung nicht überall Aegyptens Spuren zu sehen? Sind wir nicht vielmehr auf Wohlstand und soziale Stellung bedacht, als auf die Frucht des Geistes?
Zudem, ist es nicht so, dass wir unsere Sünden (wir meinen nicht persönliche Sünden, sondern die Sünden des Volkes Gottes) selten wirklich bekennen in unseren Zusammenkünften? Ruft es nicht sogar unseren Unwillen hervor, wenn wir hören, wie unsere Sünden vor dem Herrn ausgebreitet werden?
Wenn zum Beispiel in unseren Gebetsversammlungen unsere Abweichungen vom Worte Gottes, unsere Missachtung der Autorität Christi, unsere Kälte, unsere Untreue gegenüber dem Herrn und Seiner Wahrheit, unser Mangel an Absonderung ausgesprochen werden, zeigen sich da nicht manchmal offensichtliche Ungeduld und Empfindungen, wie sie im Propheten Maleachi ausgesprochen werden: «Womit haben wir dies oder das getan?» Aber wir können nicht zu bald die Lektion lernen, dass der Herr Wirklichkeit zu sehen wünscht, dass Er unseren Zustand sieht, auch wenn wir blind dafür sind, und uns, bis wir wie Esra zur Selbsterkenntnis gebracht sind, aus Liebe durch Züchtigungen zurückbringen muss. Wir sollten auch beachten, dass Esra kein einziges Mal um Vergebung bittet. Da er in Uebereinstimmung war mit den Gedanken Gottes, war es ihm unmöglich, dies zu tun. Wird uns Böses bewusst in den eigenen Herzen oder in der Versammlung, sind wir in erster Linie verantwortlich, es zu richten und nicht aufgerufen, um Vergebung zu bitten.
Als daher Josua, nach der Niederlage Israels durch die Männer von Ai, vor Jehova auf seinem Angesicht lag, sagte der Herr zu ihm: «Stehe auf! Warum liegst du denn auf deinem Angesicht? Israel hat gesündigt...» Und doch, wie oft verleitet Satan in einer Zeit, wo im Volke des Herrn Böses offenbar wird, den einen oder anderen dazu zu sagen: Lasst uns darüber beten! Nein, dann sollen wir unsere Sünden bekennen und Gnade und Kraft suchen, um dem Bösen gegenüberzutreten und uns davon abzusondern; denn wenn sich Esra, wie uns dieses Kapitel zeigt, vor dem Herrn demütigte und die Schuld des Volkes bekannte, so sehen wir ihn im nächsten Kapitel energisch handeln gegenüber der Sünde, die er bekannt hat. Er ruhte nicht, bis sie weggetan war.
Der Herr gebraucht den Schmerz Seines Knechtes, um die Gewissen Seines Volkes zu berühren, das sich der Uebertretung Seiner Gebote schuldig gemacht hat; denn wahrlich der Schmerz Esras war kein gewöhnlicher Schmerz. Jede Einzelheit der Grosse seines Kummers wird uns mitgeteilt, als er «betete, und als er bekannte, weinend und vor dem Hause Gottes hingestreckt».
Durch sein Gebet, seine Bekenntnisse, seine Tränen und sein Sichniederwerfen vor Gott hatte er seinen Schmerz über die Sünden Israels zum Ausdruck gebracht; und er hatte es «vor dem Hause Gottes» ganz öffentlich getan. Das sprach sich unter denen herum, für die er gebetet hatte, und es «versammelte sich zu ihm aus Israel eine sehr grosse Versammlung von Männern, Weibern und Kindern; denn das Volk weinte mit vielem Weinen» (V. l). Die Tränen des Volkes mochten sowohl der Reue als auch der Furcht vor den Folgen ihrer Vergehungen entsprungen sein. Esra war mit Autorität bekleidet (siehe Kap. 7, 25.26) und sein Eifer für seinen Gott war offensichtlich.
Sie wussten daher, dass er nicht Halt machen, sondern sie von dem Bösen, worüber er sich vor seinem Gott demütigte, trennen würde. Dies musste für viele von ihnen bittere Folgen nach sich ziehen. Obwohl sie im Eigenwillen und im Ungehorsam gehandelt hatten, mochten ihre Herzen den Frauen, die sie geheiratet hatten, und ihren Kindern in Liebe zugetan sein. Sich von ihnen zu lösen, bedeutete Abbruch inniger Bande, und dieser Ausblick konnte unter ihnen wohl «viel Weinen» hervorrufen. Dass dies die Erklärung ist für ihre Tränen, scheint daraus hervorzugehen, dass Frauen und Kinder unter der sehr grossen Versammlung waren, die sich um Esra versammelte. Ach! Wie hart ist es doch, die Wege der Untreue und der Sünde rückgängig zu machen! Und wie oft bleiben deren bittere Früchte bis zum Ende unseres Lebens bestehen!
Da waren jedoch einige, die einsahen, dass in dieser Sache sogleich gehandelt werden musste, was es auch kosten würde. Ohne Zweifel wussten sie, dass Jehova sie nicht segnen und ihnen im Lande kein Gedeihen geben konnte, solange sie in offener Uebertretung Seiner Gebote lebten. «Schekanja, der Sohn Jechiels, von den Söhnen Elams, hob an und sprach zu Esra:
Wir haben treulos gehandelt gegen unseren Gott und haben fremde Weiber aus den Völkern des Landes heimgeführt; nun aber ist noch Hoffnung für Israel betreffs dieser Sache.
So lasst uns jetzt einen Bund machen mit unserem Gott, dass wir alle Weiber, und die von ihnen geboren sind, hinaustun, nach dem Rate meines Herrn und derer, die da zittern vor dem Gebote unseres Gottes; und es soll nach dem Gesetz gehandelt werden. Stehe auf, denn dir liegt die Sache ob; und wir werden mit dir sein. Sei stark und handle!» (V. 2-4).
Verschiedene Punkte in diesen Worten Schekanjas sind der Beachtung wert. Wie wir schon im Zusammenhang mit Kapitel 9 festgestellt haben, ist es zunächst auffallend, wie der Herr den treuen Eifer des einen benützt, um andere zum Bewusstsein ihres Zustandes zu bringen. Vor dem Erscheinen Esras schienen die Gewissen aller verhärtet gewesen zu sein. Nicht einmal Jeschua oder Serubbabel schienen wegen der vorhandenen Sünde beunruhigt gewesen zu sein. Esra war zuerst allein, und wenn nötig, wollte er sich auch allein auf die Seite Gottes stellen gegen die Uebertretung des Volkes.
Dazu brauchte es Mut und ein einfältiges Auge, und durch Gnade besass Esra beides. Gott war mit ihm in seiner Stellungnahme; und nun sehen wir deren Auswirkung. Schekanja trat für das Volk hervor, bekannte seine Sünde und stellte sich unter die Notwendigkeit, sich dem Worte zu unterwerfen; und ausser ihm gab es noch andere, die vor dem Gebot Gottes zitterten (vgl. Kap. 9,4) und sich auf die Seite Esras stellten. In bösen Zeiten ist der Pfad der Treue der alleinige Pfad des Segens und des Erfolges im göttlichen Sinne.
Zweitens sollten wir beachten, dass sowohl die fremden Weiber als auch deren Kinder hinausgetan werden mussten. Die Weiber, die nicht von Israel waren, waren unrein, und auch die Kinder, die Frucht der gemischten Ehen, wurden als unrein betrachtet. So war es unter Gesetz; aber unter Gnade ist jetzt alles umgekehrt. Nicht dass ein Christ die Freiheit hat, einen Unbekehrten zu heiraten.
Aber, wie der Apostel lehrt: «Der ungläubige Mann ist geheiligt durch das Weib, und das ungläubige Weib ist geheiligt durch den Bruder; sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig» (1. Kor. 7,14). Wenn also der Gatte oder die Gattin nach ihrer Verheiratung bekehrt werden und sich dann mit einem Unbekehrten verbunden sehen, so bezieht sich die obige Anweisung auf ihren Fall.
Unter Gesetz, wie in der vorliegenden Schriftstelle, mussten das heidnische Weib und ihre Kinder weggeschickt werden; unter Gnade aber ist das ungläubige Weib geheiligt durch ihren Mann, und die Kinder sind heilig. Dabei ist es klar, dass die hier genannte Heiligung nur äusserer Natur ist, wie auch die Heiligung der Kinder. Die Weiber und die Kinder wurden unter Gesetz entlassen, weil sie unrein waren, und als solche konnten sie nicht in die Gemeinde Israel aufgenommen werden; aber unter Gnade ist das unbekehrte Weib geheiligt durch den Bruder und wird somit als mit Gottes Volk auf der Erde für Ihn abgesondert betrachtet.
Daher sind auch die Kinder heilig, das heisst durch den Tod und die Auferstehung Christi abgesondert, und werden auf der Erde als zu Seinem Volk gehörend betrachtet. Ist diese Heiligung auch nur rein äusserlich und ohne jede rettende Kraft, wie es nicht anders sein kann, — denn das Heil ist immer mit der persönlichen Uebung des Glaubens an den Herrn Jesus Christus verbunden — so verleiht sie doch das unschätzbare Vorrecht, an dem Platz der Segnung sein zu dürfen, in der Sphäre, wo der Heilige Geist wohnt und handelt.
Die Gnade konnte nicht in die engen Grenzen des Gesetzes eingeschlossen werden, wie unser Herr gesagt hat: «Niemand tut neuen Wein in alte Schläuche; sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreissen, und er selbst wird verschüttet werden, und die Schläuche werden verderben» (Luk. 5, 37). Und wie kostbar ist es für uns zu erkennen, dass das Herz Gottes an allen denen interessiert ist, die durch natürliche Bande mit Seinem Volke auf der Erde verbunden sind!
Man beachte auch, dass Schekanja die Autorität des Wortes anerkennt. «Es soll nach dem Gesetz gehandelt werden», sagt er. Die Wiederherstellung der Autorität des Gesetzes über die Wege, über die Herzen und Gewissen des Volkes war der Gegenstand der Mission Esras (Kap. 7,10), und Gott hatte ihm jetzt in Schekanja einen Helfer gegeben. Wahrlich, es gibt keinen anderen Weg der Reformation unter dem Volke Gottes.
Im Laufe der Zeit, wie dies in jeder Haushaltung Gottes gesehen werden kann, werden Gebräuche, menschliche Grundsätze, Ueberlieferungen usw. angenommen, und das geschriebene Wort wird vernachlässigt (siehe Matth. 15; 1. Tim. 4 und andere Stellen). Das alles sind Zeichen des Verfalls, sowohl im Herzen und Leben der einzelnen wie auch in der Verwaltung des Hauses Gottes.
Das einzige Heilmittel in Zeiten der Abweichung von der Wahrheit ist daher die unnachgiebige Anwendung des Wortes Gottes, das lebendig und wirksam ist, schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und die Ablehnung alles dessen, was dadurch verurteilt wird. Dabei wird auch das Volk selbst in die Gegenwart Gottes und Seiner Ansprüche gestellt und angespornt, auf das zu hören, «was der Geist den Versammlungen sagt». Die Gewissen der einzelnen wurden aufgeweckt und erleuchtet, und unter der Wirksamkeit des Geistes Gottes versammelten sich alle, die vor dem Worte des Herrn zitterten (Kap. 9, 4), in dem gemeinsamen Wunsche, dass der Name des Herrn geehrt und Seine Oberhoheit wiederhergestellt werde. Schekanjas Rat war also von Gott und entsprang einer richtigen Erkenntnis der Ursache der Sünden Israel und was Dem gebührte. Dessen Name durch die Uebertretungen Seines Volkes entweiht worden war.
Schliesslich forderte er Esra auf, zu handeln. «Stehe auf», sagte er, «denn dir liegt die Sache ob; und wir werden mit dir sein. Sei stark und handle!» Wie wohltuend mussten diese Worte für das beschwerte Herz Esras gewesen sein! Zweifellos wird er darin das Dazwischentreten Gottes als Antwort auf seine Gebete gesehen haben. Er hatte sich zu der Quelle aller Weisheit und Kraft gewandt und den Herrn aufgesucht, bevor er die Mißstände in der Mitte Israels in Ordnung zu bringen suchte.
Darum ging ihm der Herr voran, bereitete den Weg und neigte das Herz des Volkes dazu, seine Verfehlungen zu bekennen und seine Sünde hinwegzutun.
Es ist überaus wichtig zu lernen - wie Esra es tat — dass für Gott durch menschliche Energie nichts zustande gebracht werden kann, und dass nur dann etwas ausgerichtet wird, wenn Er Weisheit und Stärke dazu gibt.
Esra machte sich die offene Tür, die der Herr ihm auf diese Weise gegeben hatte, zunutze. Er stand auf und «liess die Obersten der Priester, der Leviten und des ganzen Israel schwören, nach diesem Worte zu tun. Und sie schwuren» (V. 5). So verpflichtete er sie durch einen feierlichen Schwur, das auch wirklich zu tun, was sie versprochen hatten. Wie beeindruckt uns doch die geistliche Kraft, die sich in solcher Weise in diesem Manne zeigte! Ihr Geheimnis war dies, dass er in Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes war und inmitten der allgemeinen Untreue in Treue vor Gott stand; daher war Gott mit Seinem Diener und wirkte durch ihn. Von aussen betrachtet war Esra sozusagen allein; aber in Wirklichkeit war Gott mit Esra, und so geschah es, dass die Herzen des Volkes sich ihm zuneigten. Was macht es doch für einen Unterschied aus, wenn Gott in den Dienst hineingebracht wird! Manch ein Knecht Gottes wird eingeschüchtert, wenn er Widerstand und Schwierigkeiten vor sich sieht; sobald er aber seine Augen zum Herrn erhebt, misst er alles an dem Maßstab Seiner Grosse, und sogleich werden die Hindernisse, die ihm unüberwindlich schienen, für seinen Glauben Gelegenheiten zur Entfaltung der Macht Gottes, auf die er vertraut. Unsere einzige Sorge sollte daher sein, dass wir darauf achten — wie einst Jonathan (1. Sam. 14) — dass wir mit Gott handeln.
Die Aufgabe war jedoch noch nicht erfüllt, und der Schmerz Esras dauerte so lange an, als die Sünde noch bestehen blieb; denn er empfand in seinem Innersten die Unehre, die auf den Namen seines Gottes gekommen war. So lesen wir denn: «Und Esra stand auf vor dem Hause Gottes und ging in die Zelle Jochanans, des Sohnes Eljaschibs; und er ging dahin, er ass kein Brot und trank kein Wasser, denn er trauerte über die Treulosigkeit der Weggeführten» (V. 6). Esra fühlte die Sünde seines Volkes gottgemäss, und auf diese Weise befähigte ihn Gott, Sein Volk von ihrer Sünde zu lösen. Als unser Herr vom Berge herabstieg und von dem gequälten Knaben den Dämon austrieb, fragten Ihn Seine Jünger: «Warum haben wir ihn nicht austreiben können?» Die Antwort lautete: «wegen eures Unglaubens», und nachdem Er erklärt hatte, dass der Glaube Berge zu versetzen vermöge, fügte Er hinzu:
«diese Art aber fährt nicht aus, als nur durch Gebet und Fasten.» Wir dürfen wohl sagen, dass unter die Kinder der Wegführung ein unreiner Geist eingedrungen war, und Esra konnte darum gebraucht werden, diesen auszutreiben, weil er mit Gebet und Fasten Gott gesucht hatte. Ja, in dieser Weise mit Gott allein zu sein, ist dies nicht das Geheimnis aller geistlichen Kraft? Ohne das gibt es in der Tat keine Kraft, und dass uns diese oft fehlt, hat seinen Grund darin, dass wir Esra, wie er sich hier zeigt, manchmal so unähnlich sind.
Hierauf Hessen sie durch Juda und Jerusalem einen Ruf ergehen, wonach alle Kinder der Wegführung binnen drei Tagen nach Jerusalem kommen sollten. Für das Nichterscheinen wurden strenge Strafen angedroht:
Die ganze Habe dessen, der nicht kam, sollte verbannt, und er selbst aus der Versammlung der Weggeführten ausgeschlossen werden (V. 7. 8). Aber es kamen alle: «Da versammelten sich alle Männer von Juda und Benjamin» am zwanzigsten Tage des neunten Monats. Wie man sich leicht vorstellen kann, muss die Szene, die sich nun abspielte, sehr angreifend gewesen sein: «Und das ganze Volk sass auf dem Platze des Hauses Gottes, zitternd um der Sache willen und infolge der Regengüsse.» Zum inneren Schmerz kam noch das körperliche Unbehagen dazu.
Da stand Esra auf und redete sie an. Zuerst hielt er ihnen ihre Sünde vor (V. 10) und dann forderte er sie auf, diese zu bekennen: «So leget nun Bekenntnis ab vor Jehova, dem Gott eurer Väter; und tut sein Wohlgefallen und sondert euch ab von den Völkern des Landes und von den fremden Weibern!» (V. 11). Sein erster Gedanke galt somit dem, was sie Jehova gegenüber schuldig waren, und wenn sie Ihm dies bekannten, so mussten sie sich auch Seinem Willen unterwerfen.
Zu oft betrügt sich die Seele beim Bekennen darin, dass sie dabei die Sünde nicht verurteilt. Esra war im Worte und in den Wegen Gottes zu gut unterwiesen, als dass er dies gestatten konnte; und er verlangte daher sowohl Selbstgericht und Trennung von dem Bösen als auch Bekenntnis der Sünde. Auch die Reihenfolge der Absonderung ist belehrend: «Von den Völkern des Landes und von den fremden Weibern.» Da doch die Verheiratung mit fremden Weibern ihre Sünde gewesen war, hätte man erwartet, dass diese zuerst erwähnt worden wäre. Aber was hatte denn zu diesen gemischten Ehen geführt? Die Verbindung mit den Völkern des Landes. Dies war die Wurzel des Uebels. Darum nannte Esra es zuerst. So ist es bei allen Abirrungen von Gott — solange ihre Wurzel nicht blossgelegt und erkannt wird, ist nichts gewonnen, und die Wiederherstellung wird unmöglich sein.
Der Herr selbst hat in Seinen Wegen mit Petrus eine vollkommene Illustration dazu gegeben. Erst als Er ihn dreimal gefragt hatte: «Liebst du mich?» (einmal sogar: «Liebst du mich mehr als diese?»; denn das Vertrauen in seine eigene Liebe zu Christo, die er für grösser eingeschätzt hatte als die der anderen, war die Ursache seines Falles), führte Er ihn zur Wiederherstellung. Esra handelte nach demselben Grundsatz, wenn er in erster Linie Absonderung von den Völkern des Landes forderte.
Die Kraft Gottes war offensichtlich mit Seinem Knechte. Das Volk unterzog sich Seinen Forderungen, denn es war ihnen zum Bewusstsein gekommen, dass wegen ihrer Sünden «die Glut des Zornes unseres Gottes» auf ihnen war. Sie antworteten: «Nach deinen Worten, also liegt es uns ob zu tun!» Sie gaben ihm nur zu bedenken, dass dieses Werk nicht so rasch ausgeführt werden könne und sagten: «Aber das Volk ist zahlreich; und es ist die Regenzeit, sodass man nicht draussen zu stehen vermag; auch ist es nicht ein Geschäft von einem Tage oder von zweien, denn viele unter uns haben in dieser Sache
übertreten. Lass doch unsere Obersten für die ganze Versammlung dastehen; und alle, die in unseren Städten sind, welche fremde Weiber heimgeführt haben, mögen zu bestimmten Zeiten kommen, und mit ihnen die Aeltesten jeder Stadt und ihre Richter, solange diese Sache währt, bis die Glut des Zornes unseres Gottes von uns abgewendet werde» (V. 12—14). Die Bitte und der Rat des Volkes wurden angenommen.
Dann wird uns gesagt, dass «ausgesondert wurden Esra, der Priester, und Männer, Häupter der Väter nach ihren Vaterhäusern, und zwar alle mit Namen; und sie setzten sich nieder am ersten Tage des zehnten Monats, um die Sache zu untersuchen. Und sie kamen bis zum ersten Tage des ersten Monats mit allem zu Ende hinsichtlich der Männer, die fremde Weiber heimgeführt hatten». So war also das Werk nach zwei Monaten vollendet. Dann folgt eine Liste der Namen derer, die übertreten hatten, und über diese sind noch zwei oder drei Bemerkungen zu machen.
Zuerst werden die Namen der Priester genannt, die in Sünde gefallen waren, und diese sind in zwei Gruppen eingeteilt. In Vers 18 sind es «die Söhne Jeschuas, des Sohnes Jozadaks, und seine Brüder»; und in den Versen 20—22 andere Priester (siehe Kapitel 2, 37—40). Die Erstgenannten werden, wie es scheint, für die Schuldigeren gehalten, und mit Recht; denn Jeschua war durch die Gnade Gottes mit Serubbabel zusammen zu einem Führer des Volkes für den Bau des Hauses bestellt worden.
Es zeigt, wie das Bewusstsein vom Charakter ihrer Sünde bei allen verloren ging. «Die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren, und das Gesetz sucht man aus seinem Munde; denn er ist ein Bote Jehovas der Heerscharen» (Mal. 2, 7); aber in diesem Fall hatten die Priester durch ihre bösen Wege dem Volke geschadet. Nachdem ihnen aber der Ernst ihrer Verfehlung vorgestellt worden war, gaben sie nun ihre Hand darauf, «dass sie ihre Weiber hinaustun und einen Widder vom Kleinvieh für ihre Schuld entrichten wollten». Dies wird — beachten wir es — nur von den Verwandten Jeschuas gesagt.
Von den andern Priestern, den Leviten, Sängern, Torhütern und den übrigen Fehlbaren vom Volke werden nur die Namen genannt.
Dies führt zu unserer zweiten Bemerkung, dass dem Auge Gottes nichts entgeht. Er beachtet und wägt alle unsere Handlungen und macht sie eines Tages offenbar, um Seine Gnade zu verherrlichen oder — wenn es sich um die Ungläubigen handelt — sie bilden die Grundlage des gerechten Gerichtes. «Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nachdem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses» (2. Kor. 5,10).
Schliesslich mag hervorgehoben werden, dass Esra, wie aus Nehemia 8, 1 hervorgeht, fortfuhr, unter seinem Volke zu dienen, aber nicht länger mehr als die Führerfigur vor uns steht. Nach dem Abschluss der in diesem Kapitel berichteten Ereignisse war sein besonderes Werk getan, und er erkennt dies. Dazu ist grosse Gnade nötig.
Wenn der Herr einen Seiner Knechte zu einem besonderen und öffentlichen Dienst gebraucht, liegt die Versuchung nahe, zu meinen, dass er nun fortfahren müsse, einen besonderen Platz einzunehmen. Gibt er dieser Versuchung nach, bringt er sich selbst und auch das Volk des Herrn in Schwierigkeiten. Der Herr, der heute den einen benützt, mag morgen einen anderen senden, und gesegnet ist der Diener, der — wie Esra — erkennt, wenn sein besonderer Auftrag zu Ende ist, und der, wie Johannes der Täufer, willig ist, etwas oder nichts zu sein, wenn nur sein Herr auf diese Weise verherrlicht wird.