34.) Haggai Wiederaufbau des Tempels 6.Jahrh.v.Chr.

12/23/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Dieses Buch ist ein Zeugnis dafür, wie schnell Verfall einsetzt und erneutes Verderben auf  Wiederherstellung und Segen folgt.

Zu Beginn des Buches Esra finden wir die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft nach Jerusalem, und zwar in wunderschöner, verheißungsvoller Weise. Tausende verlie­ßen Babylon. Die zurückblieben, halfen ihnen mit ihren Gü­tern. Ein allgemeines Aufwachen des Herzens des Volkes und der Kraft des Volkes wurde sichtbar.

Das erste, was die zurückgekehrten Gefangenen taten, war, daß sie das Haus Jehovas bauten. Sie legten seinen Grund mit gemischten und verschiedenartigen Empfindungen, die aber doch anzeigten, wie hingebungsvoll und ganz per­sönlich ihr Einsatz bei diesem Werke war. Tränen und Freu­de, Frohlocken und Klagen bekundeten die lebendige Wirk­lichkeit jener Tage, voller Hoffnung, daß die begonnene, ernstgemeinte Arbeit einen guten Verlauf nehmen und auch zu einem glücklichen Abschluß geführt würde. Doch es kam anders. 

Jene Erwartung erfüllte sich nicht. Hat der Mensch je eingelöst oder verwirklicht, was er gelobt oder versprochen und was man ihm zur Verwaltung anvertraut hatte? Der heid­nische Same, der in das Land der zehn Stämme verpflanzt worden war, wurde der Anlaß zu Hindernissen und Schwie­rigkeiten. Der Bau des Hauses wurde eingestellt, und zwar für die lange Zeit von 14 Jahren. Während dieser Zeit kenn­zeichnen Schlaffheit und Beschäftigung mit eigennützigen Dingen das Volk, das so ernsthaft und einmütig begonnen hatte.

Unter diesen Gegebenheiten wendet sich der Geist an Haggai, und das Wort Jehovas richtet sich durch ihn an Serubbabel, den Landpfleger von Juda, und an Josua, den Ho­henpriester, und an die Versammlung der zurückgekehrten Gefangenen.

Im zweiten Jahr Darius', des Königs von Persien, wurde Haggai von dem Geist berufen. Diese Zeitangabe ist nicht ohne Bedeutung. Sie verrät die Erniedrigung Israels. Bald wird das römische Geld das gängige Zahlungsmittel im Land sein, und Israel wird dann durch sein eigenes Land unter­wiesen werden, das Hoheitszeichen des Römischen Staates anzuerkennen. Der Geist gibt ihnen hier die gleiche Beleh­rung , indem die Abschnitte ihrer Geschichte mittels der Herrschaft der Perser gekennzeichnet werden.

Haggai beginnt damit, das Volk wegen der Vernachlässi­gung des Hauses Gottes zur Rede zu stellen. Sie waren be­sorgt um ihre eigenen Häuser. Er versucht, ihnen bewußt zumachen, daß ihr gegenwärtiger Zustand die Folge dieses Verhaltens ist. Er macht sie darauf aufmerksam, daß die Frucht, die sie von ihren Feldern und Weingärten ernteten, in keinem Verhältnis stand zu aller Arbeit und Mühe, die sie darauf verwandt hatten. 

Durch diese Zurechtweisung wird das Volk zu der Furcht Gottes zurückgeführt. Und nachdem die Furcht erwacht, das Gewissen erreicht und der brach­liegende Boden der Natur gepflügt ist, beginnt dieselbe Stimme Gottes durch Haggai ihren Dienst des Trostes und der Ermunterung. "Denn ich bin mit euch, spricht Jehova" (Kap. 2, 4). Der Geist berührt das Herz des Volkes ebenso wie die Lippen des Propheten, daher wurde das Ziel dieses Dienstes erreicht.

 "Und Jehova erweckte den Geist Serubbabels, des Sohnes Schealtiels, des Landpflegers von Juda, und den Geist Josuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenprie­sters, und den Geist des ganzen Überrestes des Volkes; und sie kamen und arbeiteten am Hause Jehovas der Heerscha­ren, ihres Gottes" (Kap. 1, 14).

Zu einer anderen Zeit öffnete der Herr das H er z der Lydia, so wie Erden Mund des Paulus öffnete, der zu ihr sprach. Er sprach zu ihr, und sie gab acht auf ihn, beides war von Gott. Wie einfach, und doch wie notwendig! Der Herr zeigt uns in Seiner großen Rede in Johannes 6, wie notwendig es ist, daß alles von Gott ausgeht, und belehrt uns, daß, wenn der Vater den Sohn nicht gegeben hätte, wenn Er nicht ziehen würde, wenn Er nicht belehren würde, der Dienst an der Seele vergebens wäre und das Brot des Lebens, das wahre Manna der Wüste, vergebens gegeben würde.

Dies war eine Erweckung. Eine Wiederbelebung des Werkes Gottes inmitten der Jahre (Hab 3, 2) wurde notwendig, weil in uns die Neigung zum Niedergang vorhanden ist. Der voll­ständige Ruin des Sünders und die gänzliche Unfähigkeit, sich selbst wiederherzustellen, ist die Ausgangsposition, bei der Gottes unumschränktes Wirken beginnen muß (Jes 1, 9). 

Die Neigung des Gläubigen oder der Kirche, träge, kalt und gefühllos zu werden, bereitet in ähnlicher Weise den Boden, auf dem neue, wiederholte Erweckungen später stattfinden. Das frische Hervorkommen der Kraft zur Wiederbelebung ist immer der Weg gewesen, eine Haushaltung doch noch in einem Zustand zu erhalten, der angemessen und ihrer wür­dig ist. Und die Zeit Haggais war eine solche Zeit der Wie­derbelebung.

Der Inhalt dieser prophetischen Worte Haggais kann uns dahin bringen, daß wir erkennen, wie vollkommen die gött­lichen Gedanken und Absichten zu ihrer Zeit sind, so ver­schiedenartig und mannigfaltig sie auch sein mögen. David plante, für die Bundeslade ein Haus zu bauen, ein Haus von Zedern, kostspielig und stabil, doch das Wort des Pro­pheten erlaubte es ihm nicht; die Zeit war noch nicht gekom­men. Es hätte moralischerweise nicht gepaßt, daß die Lade einen Ruheort fand, bevor Israel zur Ruhe gekommen war. 

Die Lade konnte keinen Wohnplatz in einem Land haben, das noch nicht von dem Blut des Kampfschwertes gereinigt war. Doch in den Tagen Haggais finden wir das genaue Ge­genteil. Israel wird von dem Propheten getadelt, weil sie das Haus Jehovas n i c h t bauten. David irrte, als er sagte, die Zeit für ein derartiges Werk sei gekommen (l. Chron 17). Die zurückgekehrten Gefangenen irrten nun, indem sie sag­ten, daß die Zeit noch nicht gekommen sei. Der Geist Jehovas wußte die Zeiten und auch das, was Israel zu tun hatte, ob sie bauen oder nicht bauen sollten. "Der Fels: vollkom­men ist sein Tun" (5. Mo 32, 4). Er ist wahrhaftig, jeder Mensch aber ein Lügner.

Wie wir auch im Buch Esra finden, hatten sich die zurückge­kehrten Gefangenen geweigert, die Samariter am Tempel­bau mitarbeiten zu lassen und hatten ein Bündnis mit einem Volk solch vermischten Blutes und vermischter Grundsätze abgelehnt. Darin hatten sie recht gehandelt. Sie hatten sich selbst rein erhalten. Doch gegenüber den Samaritern war das eine Herausforderung, und auf das Verlangen dieser samaritischen Gegner hatte der große persische König, "die Brust von Silber", dem Bau des Hauses Einhalt geboten.

Das wird für Israel zu einer Versuchung. Sobald ihre Hände frei werden von der Arbeit am Haus Jehovas, wendet sich das Volk, jeder einzelne, seinem eigenen Hause zu. Wie leicht ist das zu verstehen! Die Natur ist bereit, alle ihre Vorteile zu nutzen. Das sehen wir jeden Tag. Doch der Glaube steht in seinem Handeln hoch über der Natur. Paulus wird zum Beispiel ein Gefangener, nachdem er jahrelang im Dienst gestanden hatte. Seine weitreichende Tätigkeit wird durch die Gegner zum Stillstand gebracht. Doch wartet Pau­lus, obwohl er ein Gefangener ist und sein Reisedienst auf­gehört hat, weiter auf seinen Herrn. 

Es gibt einen "Gefäng­nis"‑Dienst, so wie es auch einen "Feld"‑ oder "Predigt“-Dienst gibt. Er empfängt, obwohl er in Ketten ist, in seinem eigenen gemieteten Haus alle, die zu ihm kommen, und spricht mit ihnen vom Morgen bis zum Abend und erklärt ihnen das Königreich Gottes und bezeugt und lehrt sie die Dinge, die den Herrn Jesus Christus betreffen (Apg 28, 30. 31). 

Das war Glaube und nicht Natur. Doch die zurück­gekehrten Gefangenen benutzen ihre Hände für sich selbst. Nachdem sie von dem Werk am Hause Gottes entbunden sind, gebrauchen sie ihre Hände, als ob sie frei seien für das Werk an ihren eigenen Häusern. Auf diese Weise beherrscht Satan sowohl sie als auch die Samariter. In diesen Verhält­nissen trifft sie Gottes Wort durch die Stimme Haggais.

Das Bauen des Hauses scheint, wie ich bereits bemerkte, für 14 Jahre unterbrochen worden zu sein. Aber es ist wun­derschön zu sehen, daß diese Arbeit wiederaufgenommen wurde, nicht durch einen Erlaß zu ihren Gunsten von seiten des großen persischen Königs, der zu jener Zeit über die Juden herrschte, sondern durch die Stimme der Propheten Gottes, Haggai und Sacharja. 

Tatsächlich machte Jehova das Herz dieses Königs willig, doch das geschah erst, nachdem Sein Prophet das Herz Israels willig gemacht hatte (siehe Esra 5; 6). Es ist gut, das bei dieser Prophezeiung vor Augen zu haben. 

Dieser frische Antrieb im Herzen des Volkes war nicht durch irgendwelche Umstände bewirkt, sondern Gott hatte ihn hervorgerufen. Die Stimme Gottes durch Seine Propheten war es, die sie dazu brachte, das Werk aufs neue zu beginnen, und nicht die königliche Gunst des Persers. Jehova wendete das Herz ihres Herrn, des Königs, das Werk zu unterstützen, als sie wiederum den Platz des Glaubens und des Gehorsams eingenommen hatten.

Haggai wird einfach "Haggai, der Prophet" genannt. Mehr wissen wir nicht von ihm. Er gab bei mehreren besonderen Anlässen das Wort Jehovas weiter, und zwar während des zweiten Jahres Darius', des Königs von Persien. Alles, was er sagte, zielte darauf ab, den Bau des Hauses Jehovas fort­zusetzen und zu beschleunigen.

Ich kann nur ganz allgemein darauf eingehen ‑ und den je­weiligen Zeitpunkt festhalten; alles geschah, wie gesagt, im zweiten Jahre Darius', des Persers.

6. Monat, 1. Tag: Haggai rüttelt das sorglose, genußsüchtige Volk auf, den zurückgekehrten Oberrest, der das Haus Je­hovas vernachlässigt hatte und sich selbst diente.

6. Monat, 24. Tag: Er verheißt ihnen, daß Jehova mit ihnen ist. Er würdigt im Namen Jehovas die auf kommende Gottes­furcht. Und so beginnt das Volk zu arbeiten.

7. Monat, 21. Tag« Um sie in ihrer Arbeit zu ermutigen, er­zählt Haggai ihnen, daß die letzte Herrlichkeit dieses Hauses, das sie nun aufzubauen begonnen hatten, am größten sein würde, nachdem alle Dinge noch einmal durch die Hand Je­hovas erschüttert worden wären.

8. Monat, 24. Tag: Er führt das Volk zu einem demütigenden Bewußtsein über das, was sie waren, bevor sie sich dem Hause Jehovas gewidmet hatten. Er berichtet aber auch von dem zukünftigen Segen.

Am gleichen Tag: Er wendet sich an Serubbabel und spricht wiederum von der Erschütterung alter Dinge und davon, daß Jehova Serubbabel wie Seinen Siegelring machen werde.

Das sind die Aussprüche Haggais zu ihrer jeweiligen Zeit. Die Stimme Jehovas durch diesen Propheten rüttelt zuerst das Gewissen des Volkes auf und ermutigt sie dann durch die Gnade auf verschiedene Weise in ihrem erneuerten Zu­stand und in ihrer Energie.

Ich möchte bemerken, daß der Geist Gottes in dem Prophe­ten weder Partei für die Alten ergreift, die bei der Erinne­rung an die Vergangenheit weinten, noch für die Jungen, die sich über die G e g e n w a r t freuten (siehe Esra 3), sondern daß Er das Herz des Volkes auf die Zukunft hinlenkt. Die Tränen der Alten waren echt gewe­sen, ebenso aufrichtig auch der Dienst der Jungen für Gott: doch beides war nicht vollkommen. 

Der Geist, der gottgemäß leitet, bleibt weder bei dem einen noch bei dem andern stehen, sondern richtet Herz und Hoffnung nach vorne. Durch Seinen Knecht ermutigt Er das Volk in seiner Arbeit. Er erzählt ihnen von der zukünftigen Herrlichkeit des Hauses und der Festigkeit des wahren Serubbabel, wenn alles, was seine Grundlage in der ersten Schöpfung hat, mag es sein, was es wolle, erschüttert werden wird, um endgültig gestürzt und abgeschafft zu werden.

Der Geist gibt dann später durch einen Apostel (in Hebräer 12) Erläuterungen über dieses Wort des Propheten. Er kenn­zeichnet die Dinge, die erschüttert werden, als solche, die "gemacht" sind ‑ das sind meines Erachtens die, die nicht ihre Wurzel oder Grundlage in Dem haben, in Dem alle Ver­heißungen Gottes Ja und Amen sind (2. Kor 1, 20). Er allein ist der Felsen. 

Sein Werk ist vollkommen. Christus, der Herr, kann sagen und wird sagen: "Zerschmolzen sind die Erde und alle ihre Bewohner: Ich habe ihre Säulen festgestellt" (Ps 75, 3). Was von Ihm ist, kann nicht erschüttert werden. Es bleibt. Und in dem Glauben und der Hoffnung auf das, was wir in Ihm und von Ihm haben, Geliebte, laßt uns mit den Worten des Apostels einander zurufen.‑ "Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, laßt uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Fröm­migkeit und Furcht" (Hebr 12,28).

Haggai Die Weissagung des Propheten

02/13/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

DER PROPHET HAGGAI

Verfasser: Haggai Thema: Wiederaufbau des Tempels Datum der, Niederschrift: 6. Jahrh. v.Chr.
Haggai dessen Name bedeutet festlich war einer der frühen nachexilischen Propheten Sein Auftrag war, die zurückgekehrten Gefangenen zu tadeln wegen ihres Verzugs. den, Tempel wieder zu bauen, ebenso sollte er sie auch dazu ermutigen sich ans Werk zu machen Haggai war ein Zeitgenosse von Sacharia (Esra 5, 1-2).
Die fünf Botschaften, die das Buch Haggai enthält, sind mit den genauesten Zeitangaben von allen Prophezeiungen der Bibel versehen. Bei jeder Botschaft wird das Jahr, der Monat und der Tag genau angegeben (1.1. 15:2, 1. 10. 20). Ausdrücke wie «da kam das Wort des Herrn, und «so, sagt der Herr der Heerscharen» kommen in den zwei Kapiteln der Prophetie fünfundzwanzig Mal vor.
Das Buch kann nach den fünf Botschaften des Haggai wie folgt eingeteilt werden: 
1. Die erste Botschaft des Tadels, 1, 1-11.
2. Die erste Botschaft der Ermutigung, 1, 12-15.
3. Die zweite Botschaftder Ermutigung: die zukünftige Herrlichkeit des Tempels, 2, 1-9.
4. Die zweite Botschaft des Tadels, 2, 10-19.
5. Die dritte Botschaft der Ermutigung: die endliche Überwältigung der heidnischen Weltmacht, 2. 20-23.


Die Weissagung des Propheten Haggai und ihre Anwendung auf die gegenwärtige Zeit

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 271ff

Nichts für mich

„Nichts für mich" von allen deinen Schätzen, Sodom, armes, jämmerliches Land! Falsches Gold, elende, arme Fetzen sind dein schönstes, strahlendes Gewand.

„Nichts für mich!" — Du kannst nicht reicher machen den, der alles Herrliche nennt sein. Für das Köstlichste von deinen Sachen tausch ich keine meiner Perlen ein!

"Nichts für mich!" — Die kleinste deiner Gaben wird beim Wettlauf mir zur schweren Last; nichts für mich! Und könnt ich alles haben, ich verschmähe, was du bist und hast!

„Nichts für mich!" Und hätt' ich auch gefunden, dass du viel besitzest, kannst und weißt —„Nichts für mich!" ruf ich, zu allen Stunden glücklich, dass mein Reichtum Jesus heißt.

Sag, o Welt, was kannst du mir noch geben, da mir alles, alles Jesus gab? im Rausche deiner Freuden leben ist in Wahrheit nichts als Tod und Grab!

Wohl mit deines Lichtes falschem Flimmer blendest du minutenlang den Blick, aber schnell erlischt der kalte Schimmer. bleibt ein leeres Nichts zurück.

Dieses Nichts ist, was ich von mir weise, da ein Alles ja mein eigen ist. Schweig nun, Welt! — Ihn, den ich jubelnd preise, kennst du noch nicht, kennst nicht Jesum Christ!

„Nichts für mich!" — Die Kosten überschlagen hab ich längst für diese Pilgerzeit; ich bin reich, denn Jesu Hände tragen mich durch Sturm und Nacht zur Ewigkeit.

Willst du, armes Sodom, mich verhöhnen, weil ich dich verschmähe und dein Glück? Gottes Gnade wird mich ewig krönen, dich ereilt dein finsteres Geschick.

Wenn ich einst vor Gottes Throne weile, huldigend dem Lamme ewiglich, jauchzt mein Herz, dass ich von deinem Teile wissend, wem ich glaubte, froh ausrief:„Nichts für mich!"


Die Weissagung des Propheten Haggai und ihre Anwendung auf die gegenwärtige Zeit

Bibelstelle: Haggai 1

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 281ff

1. Die Weissagung Haggais wurde durch Umstände veran­lasst, deren Betrachtung uns zu den letzten Ereignissen in der Zeit des Alten Testamentes führt. Bereits Jahrhun­derte früher, am tiefsten Punkt einer Geschichte des mora­lischen Verfalls, hatte Gott Israel „Lo-Ammi" (Nicht mein Volk) genannt. Doch erst lange danach wurden die zehn Stämme in die Gefangenschaft geführt, und mehr als zweihundert Jahre später auch Juda und Benjamin. Der Feind verwüstete Jerusalem und zerstörte den Tem­pel, von dem die Herrlichkeit Jehovas schon vorher ge­wichen war. Das Haus Gottes bestand von da ab für menschliche Augen auf der Erde nicht mehr.

Siebzig Jahre Gefangenschaft waren durch die Propheten angekündigt worden (Jeremia 25,11.12; Daniel 9,2). Als sie zu Ende gingen, erweckte Gott den Geist des Kores, um durch ihn eine teilweise Wiederherstellung des Volkes einzuleiten. Dieser persische König erließ im Jahre 536 v.Chr. einen Aufruf, demzufolge ein Überrest aus Juda und Benjamin, im ganzen 49697 Männer, unter der Führung Serubbabels und Jeschuas nach Jerusalem hin­aufzog, um das Haus Jehovas zu bauen (Esra 1,2.3).

Im siebten Monat bauen sie den Altar an seiner Stätte wieder auf (Es 3,2.3) bringen auf ihm ihre Opfer dar und stellen so das große öffentliche Zeugnis ihres Ver­hältnisses zu Gott wieder her.

„Im zweiten Jahre ihres Kommens zum Hause Gottes in Jerusalem" legen sie den Grund des Tempels; doch ist die Freude darüber auch mit Traurigkeit vermischt. Dann wollen die Feinde Judas an dem Bauwerk des Volkes Gottes mitbauen; die Führer weisen dieses Ansinnen entschieden zurück, doch das Volk gerät in Furcht, und die Arbeit am Hause Gottes wird eingestellt.

Die Unterbrechung dauert sechzehn Jahre, wovon sechs Jahre der Angst zuzuschreiben sind, die sich des Volkes bemächtigt hatte, und die anderen zehn Jahre dem strik­ten Bauverbot des Königs Artasasta. Sicherlich darf in seinem Befehl eine Züchtigung Gottes für den Unglau­ben dieses Überrestes gesehen werden.

Im zweiten Jahr des Königs Darius treten die Propheten Haggai und Sacharja auf. Ihre ernsten Ermahnungen verfehlen nicht ihre Wirkung, und von dem Augenblick ab ändert sich alles. Das Volk lässt sich nicht mehr beun­ruhigen, weder durch Könige noch durch andere Men­schen und deren Widerstand; die Arbeit wird wieder aufgenommen, und am Ende von vier Jahren ist dieser großartige Bau vollendet.

Alles gelingt ihnen während dieser Zeit, und das nicht etwa durch einen Erlass des Königs Darius, sondern auf­grund der Weissagungen Haggais und Sacharjas; sie vollführen das Werk „nach dem Befehl des Gottes Isra­els", von dem die Entscheidungen der über sie regieren­den Herrscher ausgehen (Esra 6,14). Nachdem das Haus fertiggestellt worden ist, feiert das Volk im Jahre 515 v.Chr. mit großer Freude das Passahfest und das Fest der ungesäuerten Brote (Esra 6,19 - 22).

Damit endet der erste Teil des Buches Esra, der mit unserer Weissagung zu tun hat. Er umfasst drei wichtige Ereignisse: 1. Das Wiederaufrichten des Altars 2. Das Legen der Grundlagen des Tempels – nach einer Unterbrechung von sechzehn Jahre und das Volk wie­der aufgewacht war, 3. den Bau des Tempels und seine Vollendung.

2.Diese Geschichte Israels hat auch für uns ihre Bedeu­tung. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vor­bilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermah­nung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist" (1. Korinther 10,11). So können wir die Umstände des irdi­schen Volkes Gottes denen des himmlischen Volkes gegenüberstellen, jedoch mit dem Unterschied, dass die an materiell-sichtbare Gegebenheiten anknüpfenden Ge­schehnisse in Israel für uns Gläubige geistlich zu verste­hen sind.

Ist das nicht offensichtlich, wenn wir an die Versamm­lung (Elddesia, Kirche, Gemeinde) denken? Sie ist, gleichwie Israel, eine göttliche Stiftung. Ebenfalls wie Israel ist sie hienieden unter Verantwortung gestellt; und wiederum wie Israel hat sie versagt und ist gänzlich rui­niert, weil der Mensch falsche und verderbliche Elemen­te hineingebracht hat. Wo befindet sich Israel heute? Wo befindet sich die Versammlung Gottes heute? Ohne Zweifel besteht sie weiter für das Auge Gottes, und der Glaube sieht sie so. Ohne Zweifel wird ihr Baumeister und ihr Bräutigam sie am Ende Sich selbst verherrlicht darstellen; aber ihrer Verantwortlichkeit überlassen, ist sie in den Augen der Menschen heute nichts anderes als ein elender Trümmerhaufen.*)

Da der Verfall vollständig ist, beruft Gott in unseren Tagen, wie zur Zeit Esras, einen schwachen Überrest, um Sein Haus wiederaufzubauen. Für den Juden bildete der sichtbare Tempel das Haus Gottes, wo es Ihm wohlgefiel, Seinen Namen wohnen zu lassen; für den. Christen ist es ein geistlicher Tempel, der aus lebendigen Steinen zusammengesetzt und dazu bestimmt ist, „eine Behausung Gottes im Geiste“ zu sein (Eph. 2, 22).

Man beachte, dass es sich für den Überrest Israels keineswegs darum handelte, ein zweites Haus zu bauen, ebenso wenig wie der christliche Überrest berufen ist, eine neue Kirche zu errichten. Manche haben sich in dieser- Beziehung getäuscht. Weil sie die Gedanken Gottes nicht kannten, haben sie in fleischlicher Selbstgefälligkeit versucht, wieder ein neues Haus zu bauen. Sie reden von „ihrer Kirche“, als ob sie etwas errichtet hätten, was den Gedanken Gottes entspräche. Ach! ihre Arbeit hat nur neue Trümmer den alten hinzugefügt. Der Heilige Geist trägt Sorge, uns vor einer solchen Torheit zu warnen. In. den Augen Gottes ist die Kirche, so gut wie Sein Tempel in Israel, nur eine, sie bleibt eine, und es wird niemals eine zweite geben. Daher finden wir in Bezug auf den Tempel Ausdrücke wie die folgenden: „Sie fingen an, das Haus Gottes zu bauen, das in Jerusalem ist“. (Esra 5, 2). Obwohl es zerstört war, war es doch immer da. 

„Wir bauen das Haus, das viele Jahre zuvor gebaut wurde“ (Esra 5, 11). Das neue Haus war dasselbe wie das alte. „Der König von Babel zerstörte dieses Haus ·. .. Der König Kores hat Befehl gegeben, dieses Haus Gottes wiederaufzubauen“ (Esra 5, 12. 13). Das wiederaufgebaute Haus war dasselbe wie das zerstörte. Und weiter wird in Haggai betreffs der Zukunft gesagt: „Ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen“, und: „die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste“ (Haggai 2, 7. 9). Der Prophet sagt nicht: die Herrlichkeit des letzten Hauses; denn wenn auch die Herrlichkeit verschieden ist, so bleibt doch nach den Gedanken Gottes und des Glaubens das Haus immer dasselbe.

 Tatsächlich hat es in der Vergangenheit mehrere Tempel gegeben: den salomonischen Tempel, den des Serubbabel und den des Herodes; auch wird es einen zukünftigen Tempel geben, den des Antichristen; und schließlich wird im tausendjährigen Reiche der von Hesekiel beschriebene Tempel erbaut werden. Aber Gott zählt nicht fünf Tempel, sondern nur einen.

Für uns bedeutet das Wiederaufbauen des Hauses Gottes daher nicht das Bauen eines neuen Hauses, sondern es handelt sich darum, das Hans Gottes, so wie Er es einst errichtet hat, wieder ans Licht treten zu lassen, und zwar in einer Zeit des Verfalls. Heute wie damals ist das die Aufgabe aller derer, welchen Gott die Wahrheit von der Kirche wieder zu erkennen gegeben hat; denn trotz aller Untreue des Menschen und trotz des allgemeinen Verfalls bleiben die Gedanken Gottes über Seine Kirche unverändert. Die Gläubigen sollen praktischer Weise ein Zeugnis Von dem darstellen, was die Kirche sein soll. Eine solche Wiederherstellung kann nicht stattfinden ohne ein Gefühl tiefer Trauer und wahrer Demütigung. Für manche aus Israel, die an dem Aufbau des Hauses halfen, war die Freude, die Grundlagen wieder gelegt zu sehen, mit tiefer Trauer vermischt. Sie weinten bittere Tränen, wenn sie den armseligen Zustand dieses Werkes verglichen mit dem Reichtum und dem Überfluss, die bei der ersten Gründung geherrscht hatten (Esra 3, 11 — 13).

Viele, unbekannt mit dem wahren Wesen der Kirche Gottes, meinen, dass jenes Werk der Wiederherstellung zur Zeit der Reformation stattgefunden habe, und dass das, was man die protestantische Kirche nennt, die Darstellung davon gewesen sei. Aber diese Ansicht ist durchaus falsch. Was die Reformation kennzeichnet ist, dass das Wort Gottes die Ketten zerbrach, durch welche Satan es zu fesseln versucht hatte; die großen göttlichen Wahrheiten bezüglich der persönlichen Errettung traten wieder ans Licht. Durch die Errichtung von Kirchen aber hat die Reformation bewiesen, dass sie die Wahrheit von der einen „Kirche des lebendigen Gottes“ nicht kannte.

Das erste Zeugnis des jüdischen Überrestes bestand, wie wir im Buche Esra gesehen haben, darin, dass sie sich wie ein Mann wieder um den neu errichteten Altar scharten. In unseren Tagen hat Ähnliches stattgefunden. Der Tisch des Herrn hat die Zeugen wieder vereinigt, welche Gott erweckt hat, um Sein Haus „wiederaufzubauen“. Die Christen wieder um das Abendmahl vereinigen, das ist anscheinend nichts, in Wirklichkeit aber ist es alles. Um den Tisch des Herrn versammelt, verkündigen Seine Erlösten, dass sie in einer lebendigen, aus die Erlösung gegründeten Verbindung mit Gott stehen. Dieser Tisch vereinigt alle, die an der Errettung teilhaben, und ihr Charakter schließt· die Welt völlig aus und trennt sie selbst von der Welt, um sie in einer Einheit darzustellen, deren Kennzeichen der Tisch des Herrn ist (1.Kor. 10, 16. 17).

Die Wiederherstellung des Altars ist nicht etwas, das noch getan werden muss; es ist in unseren Tagen bereits geschehen. Der Tisch des Herrn ist ausgerichtet, und niemand hat den Auftrag, einen anderen aufzurichten. Ein schwacher Überrest von Gläubigen Verkündigt an demselben die Einheit des Leibes Christi. Was liegt an ihrer Zahl, wenn der Altar wiederaufgebaut ist? Der Tisch des Herrn befindet sich keineswegs, wie viele behaupten, in allen Parteien der Christenheit. Diese bewahren ohne Zweifel ein Erinnerungszeichen an den Tod Christi, aber sie verkennen vollständig, dass der Charakter dieses Erinnerungszeichens gerade darin besteht, die Kinder Gottes von der Welt zu trennen und das sichtbare Zeichen der Einheit des Leibes Christi zu sein.

 Dem Feinde gegenüber bildete der Altar die Sicherheit des armen, aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Überrestes: „sie richteten den Altar auf an seiner Stätte, denn ein Schrecken war auf ihnen vor den Völkern der Länder“ (Esra 3, 3). Ihre Feinde waren übermächtig, aber unter der Hut Gottes waren sie sicher. Die Vereinigung der Kinder Gottes um das sichtbare Zeichen der Einheit der Kirche kann Satan nicht gefallen. Seine Macht über sie ist zunichte gemacht, so lange sie diese Einheit aufrechthalten; darum ist er auch stets darüber aus, (und es gelingt ihm nur zu gut,) dieselbe zu zerstören, indem er die Schafe zerstreut.

Die guten Folgen der Wiedervereinigung der Gläubigen um den Tisch des Herrn haben nicht aus sich warten lassen. Neues Licht begleitet notwendigerweise immer den Gehorsam gegen das Wort des Herrn, und die Seelen kommen wieder zurück zu der Lehre der Apostel und zu Christo, als dem einzigen Fundament, auf das die Versammlung gebaut werden konnte.

Da nun Christus als der einzige Mittelpunkt unseres Zusammenkommens wieder erkannt worden ist, handelt es sich jetzt darum, lebendige Steine dem Gebäude hinzuzufügen; aber damit tauchen sogleich Schwierigkeiten auf. Ein Beweis dafür ist das, was dem armen Überrest begegnete. „Wir wollen mit euch bauen“, sagen die Feinde Judas und Benjamins. Wenn letztere dem Ansinnen zugestimmt hätten, so würde das gerade die Leugnung jener Einheit des Volkes Gottes gewesen sein, die eben erst durch den Altar und die Grundlegung des Tempels wieder ans Licht gebracht worden war. Doch Gott erlaubt nicht, dass dieser Plan gelingt. Die Segnung, welche die Treuen in ihrer Einheit als Volk Gottes gefunden haben, lässt sie mit Entrüstung jedes gemeinsame Handeln mit der Welt zurückweisen: 

„Nicht geziemt es euch, mit uns unserem Gott ein Haus zu bauen; sondern wir allein wollen Jehova, dem Gott Israels, bauen“ (Esra 4, 3). Die List des Feindes ist vereitelt, aber er gibt das Spiel noch nicht verloren; er versucht es mit dem Erschrecken, indem er den Widerstand und dann die Verfolgung gegen die Treuen erweckt. Und siehe da, ihre Hände wurden schlaff. Allerlei Vernunftgründe wirkten mit, und das Ende war, dass Israel aufhörte, sich für das Bauen zu interessieren, und das angefangene Werk verließ. Ach! wie viel Abtrünnigwerden haben auch wir in unseren Tagen sich offenbaren sehen!

Alsdann tritt Haggai hervor, um dem Überrest die Ursachen zu zeigen, welche nach so kraftvollen und freudigen Anfängen das ihnen von Gott anvertraute Werk gehemmt hatten. Möchten auch wir in diesem Propheten die Ermahnungen und Ermunterungen finden, die wir heute so sehr bedürfen!


Die Weissagung des Propheten Haggai und ihre Anwendung auf die gegenwärtige Zeit

Kap. 2, 10 — 19. — Die Offenbarung im 1. Kapitel war dazu bestimmt, das Gewissen des Überrestes zu treffen; hier ist es wieder so. *) Möchten wir, wie der Überrest, die erste verstanden haben! Ach, die Zeit sollte kommen, wo die entarteten Nachkommen dieses Überrestes ihren eigenen Messias kreuzigen würden, obwohl dieser Überrest gerade deshalb nach Jerusalem zurückgeführt worden war, um Ihn aufzunehmen. Auch wurde der Leuchter Israels von seiner Stelle weggenommen und das Volk selbst über

Babylon hinaus verpflanzt. So geht es mit jedem untreu gewordenen Zeugnis. Gott bedarf unser nicht für Sein Zeugnis. Wenn wir es geringschätzen, so vertraut Er es anderen Händen an. Hat Er nicht im Blick auf Israel gesagt: „Er wird Seinen Weinberg Anderen geben“?

In der ersten Offenbarung handelte es sich um Eigenliebe und Selbstsucht, diese redet von Heiligkeit. —

Wir besitzen eine unveränderliche Heiligkeit vor Gott in Christo, gerade so wie wir eine unantastbare Gerechtigkeit haben, indem wir in Ihm Gottes Gerechtigkeit geworden sind. Aber diese Gerechtigkeit und Heiligkeit, die wir unserer Stellung nach besitzen, sind wir berufen, im praktischen Leben hienieden zu verwirklichen. Wirkliche Trennung von allem Bösen und lebendige Gemeinschaft mit dem Guten, mit Gott, dem Vater und dem Sohne, das ist praktische Heiligkeit, An dieser Heiligkeit hatte es dem Überrest gemangelt; viele Jahre später mangelte es ihm in einer noch weit beklagenswerteren Weise daran.

 Sie verunreinigten sich, indem sie die Töchter der Kananiter zu Weibern nahmen (Esra 9 u. 10), den Sabbat brachen und das Priestertum entweihten. (Neh. 13.) Im Blick hierauf richtet der Prophet die Frage an die Priester: „Siehe, trägt jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Kleides, und er berührt mit seinem Zipfel Brot oder Gekochtes oder Wein oder Öl oder irgend eine Speise, wird es heilig werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Nein“ (Kap. 2, 12). Der Fall, den er ihnen vorlegt, ist derjenige eines Menschen, dem das heilige Fleisch, welches er in seinem Mantel trägt, den Charakter äußerer Heiligkeit verleiht.

 Wird nun dadurch die Frucht seiner Arbeit (wie z. B. Brot, Öl, Wein, oder andere Dinge, welche die Tätigkeit des Menschen hervorbringt) geheiligt werden? Keineswegs. Soll die Arbeit wohlgefällig angenommen werden, so muss sie die Frucht der Heiligkeit sein. Gott erkennt nur das als für Ihn getan an, was aus dieser Quelle hervorfließt. Keine Stellung äußerer Heiligkeit, kein noch so schönes Bekenntnis macht unsere Arbeit angenehm vor Gott. Das ist eine ernste Sache, die des Nachdenkens wert ist in unseren Tagen, wo die bekennenden Christen so vielfach in der Täuschung leben, dass Gott ihre „Werke der Barmherzigkeit“ als für Ihn getan anerkennen werde.

Der Prophet fährt fort: „Wenn ein wegen einer Leiche Verunreinigter alles dieses anrührt, wird es unrein werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Es wird unrein werden“ (V. 13). Ein Leichnam war in Israel das vollständigste Bild der schrecklichen Folgen und schließlichen Früchte der Sünde. Nun, wenn die Absonderung von dem Bösen, von der Sünde, nicht eine Wirklichkeit bei uns ist, wie könnte dann das Werk unserer Hände rein sein? wie könnte es von Gott angenommen werden? Es ist beschmutzt, unrein. Dies auf das Gewissen des Überrestes zu legen, war das Bemühen des Propheten; und sicher ist es nötig, dass wir es auch dem unsrigen einprägen. 

Es kann viel Tätigkeit vorhanden sein, um das Korn zu mahlen, um der Traube den Saft und der Olive das Öl auszupressen und das so Gewonnene dann unseren Zwecken dienstbar zu machen. Aber was ist das für Gott? Die Frucht der Sünde. Nur das wird bleiben, was Ihm aus reinem Herzen dargebracht, was für Ihn allein getan wird; das ist die wohlriechende Salbe der Maria. Seine eigenen Speicher zu füllen, ist nicht die Arbeit eines Zeugen Gottes, sondern die Scheunen und Speicher Gottes zu füllen. „Da antwortete Haggai und sprach: Also ist dieses Volk und also diese Nation vor mir, spricht Jehova, und also ist alles Werk ihrer Hände; und was sie daselbst darbringen ist unrein“ (V. 14).

Das ist es auch, was heutzutage unsere Arbeit mehr oder weniger unfruchtbar macht, gemäß den Worten des Propheten: „Kam man zu einem Garbenhaufen von zwanzig Maß, so wurden es zehn; kam man zu der Kufe, um fünfzig Eimer zu schöpfen, so wurden es zwanzig“ (V. 16). Ich sage „mehr oder weniger“, weil Gott, wenn Er genötigt ist uns zu züchtigen, es mit Maß tut. Er ist langmütig, barmherzig und voll unendlicher Güte. Was bringt heute die Arbeit unserer Hände ein? Was sie einbringen sollte, haben wir von dem Propheten gehört: Material für das Haus Gottes, Seelen, die nicht nur errettet sind, sondern auch der Versammlung oder Gemeinde hinzugetan werden. Ist es nun so? Leider nicht! Wie schwer vereinigen sich die Kinder Gottes! Das Licht ist vielfach so schn1ach, dass es nicht die Kraft hat, diejenigen anzuziehen, die noch im Finstern sind. Kaum gelingt es diesem Licht, als schwacher Schimmer durch die geschlossenen Lider der Seele zu dringen, um sie aufzuwecken.

Doch die Züchtigung war noch weiter gegangen: „Ich schlug euch mit Kornbrand und mit Vergilben, und mit Hagel alle Arbeit eurer Hände“ (V. 17). Gott hatte selbst die Quellen ihrer Arbeit geschlagen. Das Tor der Segnung war verschlossen. Hatte der Überrest daraufhin wenigstens Buße getan? „Ihr kehrtet nicht zu mir um spricht Jehova.“

Aber nun, richtet doch euer Herz darauf, sagt das Wort Gottes mit Nachdruck: „Von dem vierundzwanzigsten Tage des neunten Monats an, nämlich von dem Tage an, da der Tempel Jehovas gegründet wurde, richtet euer Herz darauf! . . . . . Von diesem Tage an will ich segnen“ (V. 18. 19). Wenn ihr heute über eure Wege nachdenkt und sie verurteilt, und euch ans Werk begebt, um dieses Haus zu bauen, welches ihr infolge eurer Selbstsucht und eurer Weltlichkeit verlassen habt, nachdem ihr den Grund gelegt hattet, so will ich von diesem Tage an segnen! Brüder, lasst uns dasselbe tun; lasst uns auf diesen Ruf achten! Wir können den Segen wiedererlangen. Ein wenig mehr Glaubensenergie, ein Aufgeben unserer Bequemlichkeit und unserer eigenen Interessen, eine ernstere Trennung von der Welt und ihren Dingen, und endlich Herzen, die Christo ergeben und eifrig sind für die Erbauung des Hauses Gottes —- gewiss, geliebte Brüder, in derselben Stunde, da diese Dinge sich zeigen, werden wir den verloren gegangenen Segen wiederfinden!

Kap. 2, 20 — 23. - Schließlich wird in einer vierten Offenbarung der arme Überrest, dessen Gewissen aufgewacht war, und der vier Jahre später den Bau des Hauses Gottes tatsächlich vollendete, ermuntert; und diese Ermunterung besteht in einer Verheißung. (Hebr. 12, 26.) „Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern; und ich werde den Thron der Königreiche umstürzen und die Macht der Königreiche der Nationen vernichten; und ich werde die Streitwagen umstürzen und die darauf fahren; und die Rosse und ihre Reiter sollen hinfallen, ein jeder durch das Schwert des anderen (V. 21. 22; vergl. Kap. 2, 6 und Hebr. 12, 26).

 Alle Dinge werden erschüttert werden, und weshalb? „Auf dass die, welche nicht erschüttert werden, bleiben“ (Hebr. 12, 27). In der zweiten Weissagung gehörte die Einführung des Messias in Seinen herrlichen Tempel zu diesen unerschütterlichen Dingen; aber welch ein Erstaunen ergreift uns, wenn wir hören, dass es sich hier darum handelt, den schwachen Serubbabel für immer hinzustellen und zu versiegeln! »An jenem Tage, spricht Jehova der Heerscharen, werde ich dich nehmen, Serubbabel, Sohn Schealtiels, meinen Knecht, spricht Jehova, und werde dich wie einen Siegelring machen; denn ich habe dich erwählt, spricht Jehova der Heerscharen“ (V. 23)

Ohne Zweifel war Serubbabel, der Fürst, in einem schwachen Maße ein Vorbild von Christo; doch vor allem war er der Vertreter des Überrestes vor Gott, ähnlich wie Josua, der Hohepriester, in Sacharja 3. Nun, was wird geschehen? Alle Dinge werden erschüttert werden, um diesen Überrest für immer hinzustellen. Und gerade so ist es mit uns. „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen“, wird zu den Christen gesagt, unter Anführung der Weissagung Haggais (Hebr. 12, 28) Jehova hat den Herrn schon zu Seiner Rechten gesetzt, und uns in Ihm, aber bald wird Er uns auch mit Ihm auf den Thron setzen.

„Und ich werde dich wie einen Siegelring machen.“ Der schwache Serubbabel wird, gleich der schwachen Versammlung oder Gemeinde Christi, das Siegel aller Wege Jehovas von alters her bilden. In ihm, wie in ihr, werden aller Augen sehen, was Jehova hat tun wollen, und was Er vollführt hat. „Um diese Zeit wird von Jakob und von Israel gesagt werden, was Gott gewirkt hat“ (4. Mose 23, 23). Und um diese Zeit wird der Herr „verherrlicht werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben“ (2.Thess. 1, 10.)

Das ist die Vergeltung der Treue und der Hingebung an Seinen Dienst. Aber es gibt noch mehr: die Gnade Gottes muss zum Schluss triumphieren, sie muss sich erhaben zeigen über all unsere Schwachheiten und Untreuen: „Denn ich habe dich erwählt, spricht Jehova der Heerscharen“. (V. 23), Die erwählende Gnade muss vor aller Augen erglänzen. Sie ist die einzige Ursache, die Anfangs- und Endursache der ewigen Segnung der Erlösten.

Lasst uns denn, ruhend auf unserer Hoffnung, welche Christus ist, und aus der Gewissheit des Heiles Gottes, uns befleißigen« unter beständigem Selbstgericht das Werk des Hauses Gottes zu vollenden, indem wir die Seelen um Christum vereinigen, den alleinigen Mittelpunkt ihres Zusammenkommens und ihrer Segnung!

Inmitten der Trümmer Jerusalems hatte der aus Babylon zurückgekehrte Überrest den „Altar des Gottes Israels" wieder aufgebaut „an seiner Stätte“ und sich unter den Schutz dieses Altars gestellt. „Denn ein Schrecken war auf ihnen vor den Völkern der Länder; und sie opferten auf ihm Brandopfer dem Jehova . . . . und sie feierten das Laubhüttenfest, wie es vorgeschrieben ist“ (Esra 3, 2 — 4). Wie köstlich musste das für das Herz Gottes sein, das zu aller Zeit erfüllt ist mit dem kostbaren Wohlgeruch des Brandopfers, der vom Kreuzaltar zu Ihm emporstieg! Jenes Opfers, auf Grund dessen Er wohnen kann unter den Lobgesängen Israels! Und welch eine Freude war es andererseits für den gläubigen Überrest, der so wieder in Verbindung gebracht war mit dem Gott Israels und nun bei der siebentägigen Feier des Laubhüttenfestes hinblicken konnte auf die verheißene zukünftige Herrlichkeit! (5. Mose 16, 13 - 15). 

Wie mag auch das Herz des Herrn erfreut gewesen sein, als inmitten des Trümmerfeldes der Christenheit vor fast einem Jahrhundert ein kleiner Teil Seines Volkes zurückkehrte zu dem; was von Anfang war, und den Altar der Anbetung wieder an seiner Stätte aufrichtete, um, zu Ihm selbst hin versammelt, Ihm zu dienen „nach der Vorschrift“, entsprechend Seinem Worte, in Ihm sich zu freuen und Ihn zu erwarten, der bald wiederkommen wird, um die Seinigen in den Vollgenus; des Segens einzuführen!  Als nachher der Grund zum Hause Jehovas gelegt wurde, erhob das ganze Volk ein großes Jubelgeschrei beim Lobe Jehovas. „Viele aber von den Priestern und den Leviten und den Häuptern der Väter, welche das erste Haus gesehen hatten, weinten mit lauter Stimme. . .Und das Volk konnte den Schall des freudigen Jauchzens nicht unterscheiden von der Stimme des Weinens im Volke; denn das Volk erhob ein großes Jubelgeschrei, und der Schall wurde gehört bis in die Ferne“ (V. 11 - 13).

 Wie groß unsere Freude und unser Jubel am Tische des Herrn auch sein mögen, wenn wir, um Ihn geschart, vor dem Angesicht des Vaters erscheinen, so sind doch, entsprechend unserer Kenntnis von der ersten Herrlichkeit des Hauses Gottes, (wie sie sich nach dem Herniederkommen des Heiligen Geistes am Pfingsttage in Jerusalem entfaltete) unsere freudigen Gefühle gemischt mit Schmerz und Trauer wegen der Zersplitterung des Volkes Gottes und des Verfalls Seines Hauses, wie sie heute vor unseren Blicken stehen. Wie arm und gering ist doch alles im Vergleich mit der Herrlichkeit jener Tage!  Leider war in den Tagen Haggais, trotz des schönen Anfangs, ein ernster Rückgang, eine allgemeine Erschlaffung eingetreten, so dass der Herr durch Seinen Propheten klagen und ermahnen musste: „Richtet euer Herz auf eure Wege! . .· Ihr habt nach vielem ausgeschaut, und siehe, es wurde wenig; und brachtet ihr es heim, so blies ich darein.

 Weshalb das? Spricht Jehova der Heerscharen: Wegen meines Hauses, das wüst liegt, während ihr laufet, ein jeder für sein eigenes Haus“ (Vergl. Haggai 1, 5 —10). Müssen nicht auch wir beschämt bekennen, dass die Frische des Anfangs, als unsere Brüder - trotz Verfolgung und vieler äußerer Schwierigkeiten, ohne Rücksicht auf eigene Vorteile und Interessen— eifrig bauten, heute im allgemeinen nicht mehr da ist? Haben nicht die verflossenen Jahre, gerade auch die Unruhen und Entbehrungen der letzten Zeit, offenbar gemacht, wie leicht wir noch sagen: „Was sollen wir essen? was sollen wir trinken? was sollen wir anziehen?“, anstatt zuerst zu trachten nach dem Reiche Gottes, während doch unser Vater weiß, dass wir das alles bedürfen?

 Der Herr schenke jedem Einzelnen von uns klare Einsicht darüber, inwieweit er etwa auch „gelaufen ist für sein eigenes Haus, während das Haus des Herrn wüst liegt“! Und Er helfe uns, in unseren Herzen wirklich loszuwerden von allem Irdischen, damit wir fähig seien, alles, was wir sind und haben, als dem Herrn gehörig zu betrachten und zu verwenden! Als David einst reiche Schätze für den Bau des Tempels bereit gelegt hatte, sprach er zu Gott: „Wer bin ich, und was ist mein Volk, dass wir vermöchten, auf solche Weise freigebig zu sein? Denn von dir kommt alles, und aus deiner Hand haben wir dir gegeben.  . Jehova, Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Israel, bewahre dies ewiglich als Gebilde der Gedanken des Herzens deines Volkes und richte ihr Herz zu dir!“ (1. Chron. 29, 13 -18).  Auch uns ruft der Herr bei Seiner so nahe bevorstehenden Wiederkunft zu: „Richtet euer Herz auf eure Wege!“ Serubbabel, Josua und der ganze Überrest des Volkes hörten auf die Stimme Jehovas, und das Volk fürchtete sich vor Jehova (Haggai 1, 12).

 Das ist immer die erste gesegnete Wirkung des Hörens: man fürchtet sich vor Gott. Und siehe da, sogleich erfolgte von Seiten Gottes die ermunternde Zusicherung: „Ich bin mit euch spricht Jehova“. Und in unmittelbarer Verbindung damit lesen wir: „Und Jehova erweckte den Geist Serubbabels, des Landpflegers von Juda, und den Geist Josuas, des Hohenpriesters, und den Geist des ganzen Überrestes des Volkes, und sie kamen und arbeiteten am Hause Jehovas der Heerscharen“ (V. 13. 14). 

 Wiewohl das Haus „wie nichts“ war in den Augen derer, die es in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hatten — Gott selbst machte sie in wunderbarer Gnade und Herablassung darauf aufmerksam —- brauchten sie doch nicht mutlos und furchtsam zu sein; denn Jehova, der Unwandelbare, rief ihnen zu: „Sei stark, Serubbabel, und sei stark, Josua, du Hoherpriester, und seid stark, alles Volk des Landes, und arbeitet, denn ich bin mit euch. Das Wort, welches ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist bestehen in eurer Mitte; fürchtet euch nicht! Wahrlich, auch wir sind nicht „als Waisen gelassen“.

 Das untrügliche, kostbare Wort, wie es im Anfang gegeben wurde, und die Person des Heiligen Geistes bestehen — genauso wie in ersten und besten Tagen der Kirche — in unserer Mitte; und beide bleiben bei uns in Ewigkeit. Haben wir Ursache, Uns zu fürchten oder mutlos zu werden?  Schließlich eröffnet der Herr Seinem Überrest auch noch den Ausblick auf die letzte Herrlichkeit des Hauses, die noch weit größer» sein wird als die erste. Nach der Beschreibung des Heiligen Geistes im Propheten Hesekiel wird das Haus Gottes im Tausendjährigen Reiche von so ausnehmender Größe sein und einen so gewaltigen Raum einnehmen, dass der salomonische Tempel als ein gar kleines Haus dagegen erscheinen muss. Dazu wird es in nie geschauter Herrlichkeit erstrahlen. Denn der Herr selbst, der in einer Majestät und Pracht erscheinen wird, dass Könige über Ihn ihren Mund verschließen, wird dieses Haus mit Herrlichkeit füllen. (Jes. 52, 15; Haggai 2, 7 - 9).  

Unser Blick ist indes nicht nur gerichtet auf die legte Herrlichkeit des Hauses Gottes aus dieser Erde,- wir werden sie ja an der Seite unseres Herrn und mit Ihm schauen und genießen, — sondern vor allem auf die unaussprechliche Herrlichkeit Seines geistlichen Hauses, des heiligen Tempels im Herrn. Nach Hebräer 3, 6; 1. Petr. 2, 5 und anderen Stellen bilden wir dieses Haus, und bald werden wir, gleichgestaltet Seinem Leibe der Herrlichkeit, mit allen himmlischen Heiligen Ihn umgebend, Seinen Ruhm droben erhöhen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Heute schon singen wir: Kron’ und Szepter wirst du teilen dort mit deiner sel’gen Braut; Ewig wird sie bei dir weilen, die hier glaubend dir vertraut. Schauend ihre Füll’ und Habe, preist sie dich ohn’ Unterlass; doch dass du bist ihre Gabe, bleibt der Freude höchstes Maß.

Fußnote:

*) Wie bereits gesagt, enthält das Buch Haggai vier Offenbarungen. Die erste und dritte enthalten tadelnde Aussprüche, die zweite und vierte prophetische Ermunterungen.

Fußnote:

*) Es sei hier bemerkt, dass wir in dieser Abhandlung von der Kirche nur als von dem Hause Gottes reden, dessen Erbauung der Verantwortlichkeit des Menschen anvertraut ist. Das Wort Gottes betrachtet die Kirche auch noch unter anderen Gesichtspunkten; wir gehen indes auf diesen Gegenstand hier nicht weiter ein.