Hoheslied 2,16

11/14/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Ein Gesang unter den Lilien

Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein; er weidet unter den Lilien. Hoheslied Salomos 2, 16

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Unser Text ist das Porträt eines himmlisch gesinnten Gotteskindes, oder besser, er ist die Musik seiner gut gespielten Harfe, wo die Liebe als Spielerin die zartesten Saiten berührt. »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein; er weidet unter den Lilien.«
Wir wollen deshalb als erstes beachten, daß hier eine Freude ist, Christus zu haben; zweitens eine Freude, Christus anzugehören;. und drittens eine Freude beidem bloßen Gedanken an Christus.
1.
Zuerst ist hier eine Freude, Christus zu haben »Mein Geliebter ist mein. « Die Braut macht dies zu ihrem ersten Freudengesang, zum Eckstein ihres Friedens, zum Grund ihrer Seligkeit, zur Krone ihrer Herrlichkeit. Beachte hier, daß, wo solch ein Ausdruck der Wahrheit gemäß gebraucht wird, die Existenz des Geliebten eine Tatsache ist.
In dem vorliegenden Fall wird die Liebe der himmlisch Gesinnten von ihr selbst empfunden und anerkannt. »Mein Geliebter«, sagt sie; sie weiß, daß sie ihn liebt, und sie bekennt es feierlich. Sie. lispelt nicht: »Ich hoffe, daß ich den Unvergleichlichen liebe«, sondern sie singt: »Mein Geliebter.« Liebe Freunde, wenn ihr die Ramme der Liebe in euren Seelen fühlt und ihr praktischen Ausdruck gebt, werdet ihr nicht länger fragen: »Liebe ich den Herrn oder nicht?« Dann kann euer inneres Bewußtsein der Beweise entbehren. 


Ich bedarf keines Beweises für die Existenz der Sonne, wenn ich mich in ihren Strahlen bade und mich ihres Lichtes erfreue, und ebenso bedürfen wir keines Beweises dafür, daß Jesus uns köstlich ist, wenn er gleich einem Bündel Myrrhen unser Herz durchduftet. Wir zweifeln nur, weil wir nicht mit Jesus leben, wie wir sollten; aber wenn er uns in seinen Festsaal führt und wir im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft mit ihm und dem Vater, und dann glauben wir und sind gewiß, und unsere Liebe zu Jesus ist unbestreitbar, weil sie. drinnen zu mächtig brennt, um geleugnet zu werden. Wenn sich nun ein Christ im rechten Zustand befindet, dann ist seine Liebe zu Jesus die mächtigste Kraft in seiner Natur; sie ist die Triebfeder seiner Handlungen und beherrscht seinen ganzen Leib, seine Seele und seinen Geist, und wir fühlen in unserem ganzen Wesen, daß unser Geliebter wirklich unser ist und daß wir ihn von ganzem Herzen lieben.
Aber der Kern des Textes liegt hier: Es ist bewiesen, daß wir ihn haben, wir wissen es: »Mein Geliebter ist mein.« Ihr wißt, es ist keine leichte Sache, diesen Punkt zu erreichen. Habt ihr je über den Umstand nachgedacht, daß es eine höchst wundervolle Sache ist, den Herrn beanspruchen und ihn »mein Gott« nennen zu können? Wer war der erste Mensch im Alten Testament, von dem berichtet wird, daß er »mein Gott« gesagt habe? War es nicht Jakob, als er zu Bethel schlief und die Leiter sah, die bis in den Himmel reichte? Selbst nach diesem Gesicht machte es ihm viel Mühe, bis zu »mein Gott« zu gelangen. Erst nach langer Erfahrung der Güte Gottes konnte er zu dieser Höhe aufsteigen, um sagen zu können: »Mein Gott«. Und wer ist der erste Mensch im Neuen Testament, der Jesus »mein Herr und mein Gott« nennt? Es war Thomas, und er mußte erst überschwengliche Beweise haben, ehe er so sprechen konnte; aber als er sie erhalten hatte, konnte er ausrufen: »Mein Herr und mein Gott! «Wohl denen, die durch einfältigen Glauben dahin kommen, welche nicht sehen und doch glauben. »Mein Geliebter« ist ein starker Ausdruck. »Geliebter« ist schön, aber »mein Geliebter« ist doch von allem das Schönste. Wenn ihr darüber nachdenkt, ist es keine kleine Sache, Jesus, den Geliebten, als unseren zu beanspruchen, und doch, wenn das gläubige Herz im rechten Zustand ist, erhebt es diesen Anspruch, und es ist berechtigt, es zutun, denn Jesus Christus ist das Teil aller Gläubigen. 

Sein Vater hat ihn uns gegeben, und er selbst hat sich uns gegeben. Jesus gab sich in seiner Menschwerdung tatsächlich für uns; er wurde Bein von unserem Bein und Fleisch von unserem Fleisch; er machte sich unser durch sein Leiden und Sterben; er liebte uns und gab sich selbst für uns, um uns von unseren Sünden zu erretten; er hat uns auch Kraft gegeben, ihn uns durch die Gnade des Glaubens anzueignen; dadurch sind wir ihm wirklich anvertraut und so befähigt worden, ihn den Bräutigam unserer Seele zu nennen, so daß weder Tod noch Hölle, weder Zeit. noch Ewigkeit das Band dieser Verbindung zerreißen kann.
Dieser köstliche Besitz wird für den Gläubigen zum einzigen Schatz. »Mein Geliebter ist mein«, sagt er, und in diesem Satz summiert er seinen ganzen Reichtum auf. 

Er sagt nicht: »Meine Frau, meine Kinder, mein Heim, meine zeitlichen Annehmlichkeiten sind mein«; er fürchtet sich fast, so zu sagen, weil sie im nächsten Augenblick aufhören könnten, sein zu sein-die geliebte Frau könnte vor seinen Augen erkranken, das Kind könnte einen Sarg nötig haben, der Freund sich als Verräter erweisen, und der Reichtum könnte Flügel nehmen; darum ist der Weise nicht so ängstlich bemüht festzustellen, daß hier auf Erden etwas Bleibendes ist; er fühlt, daß sie in Wahrheit nicht sein, sondern ihm nur geliehen sind, um zurückgegeben zu werden; aber der Geliebte ist sein eigen, und dieser Besitz ist ihm der sicherste. Wenn die Seele des Gläubigen sich in ihrem besten Zustand befindet, so freut er sich auch seiner geistlichen Vorrechte nicht so sehr als des Herrn selbst, dem er sie verdankt. Er hat Gerechtigkeit, Weisheit, Heiligung und Erlösung; ihm ist Gnade und Herrlichkeit zugesichert: aber diese köstlichen Gnaden sind nur sein, weil sie von Christus herrühren, und nur sein, weil Christus sein ist. Was wären uns auch alle geistlichen Schätze, selbst wenn wir sie ohne Christus haben könnten! Ihr Saft und ihre Kraft wäre dahin. 

Da unser Geliebter unser ist, haben wir alles in ihm, und darum ist unser Geliebter unser hauptsächlicher Schatz, ja, unser einziger Schatz. Er ist der Gottessohn und der Menschensohn, der Liebling des Himmels und die Wonne der Erde, die Lilie in den Tälern und die Rose von Saron. Vollkommen in seinem Charakter, mächtig in seinem Sühnungstod, gewaltig in seiner lebendigen Fürbitte! Wundert ihr euch, daß wir uns dieser Tatsache rühmen und dies als die krönende Freude unseres Lebens bezeichnen: »Mein Geliebter ist mein«? oh es keinen zweiten Heiligen gäbe, der ihn beanspruchen könnte.
Nun, geliebte Freunde, ich kann hierüber nicht sprechen, wie ich empfinde; ich kann euch nur Andeutungen geben von dem, Kind Gottes, siehst du dies ein? Bei anderen Erbteilungen wird, wenn viele Erben da sind, der Anteil eines jeden notwendig
was mich mit voller Freude erfüllt. Ich bitte euch, nur einen geringer; aber hier hat jeder, der Christus hat, den Christus ganz Für sich selbst. Wer du auch immer sein magst, wenn du Christus wirklich vertraust, so ist er ganz dein.
Augenblick die Wonne zu betrachten, die in der Tatsache liegt, daß der hochgelobte Gottessohn, der »Abglanz der Herrlichkeit Mein Geliebter ist ganz mein und absolut mein; nicht nur, um über ihn zu sprechen, sondern mein, um ihm zu vertrauen, mich
seines Vaters«, ganz unser ist. Was wir sonst auch haben oder nil ihn zu verlassen, in jeder bedrängten Stunde zu ihm zu fliehen,
nicht haben mögen, er ist unser. Ich kann in meinem Charakter nicht alle Gnaden darstellen, wie ich möchte; aber »mein Gelieb- nich an ihm zu weiden. Ich kann alles von ihm beziehen, was ich nur will, und beides, was ich nehme und was ich zurücklasse, ist
ter ist mein«. Ich mag nicht sein, was ich sein möchte, aber »mein nein. Er selbst in seiner herrlichen Person ist mein und allezeit
Geliebter ist mein«. Ja, er ist ganz mein, seine Gottheit und seine Menschheit, sein Leben, sein Tod, seine Vollkommenheiten, mein. Mein, wenn ich es weiß, und mein, wenn ich es nicht weiß; nein, wenn ich in Heiligkeit wandle, und auch mein, wenn ich
seine Vorrechte, ja alles, was er ist und was er war, was er jemals sein wird; alles, was er getan oder jemals tun wird, alles ist mein. Ich habe nicht nur einen Teil von Christus, sondern ich habe ihn ganz. Alle seine Heiligen haben ihn, aber ich habe ihn so ganz, als nich schuldig fühle, denn »ob jemand sündigt, so haben wir einen
78 Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist«. Er ist nein auf dem »kleinen Berg« und mein in den Fluten des Jordans,
mein in dem Hain, wo ich meine Lieben begrabe, mein, wenn ich selber begraben werde, mein, wenn ich wieder auferstehe; mein im Gericht und mein in der Herrlichkeit; auf ewig mein.
Beachtet wohl, daß das »Mein Geliebter ist mein« in der Einzahl geschrieben steht. Er ist euer, und ich freue mich dessen; aber am liebsten ist mir doch, daß er mein ist. Es ist gut, Gott zu
preisen dafür, daß andere Christus im Besitz haben; aber was würde das nützen, wenn wir selbst ihm fremd wären? 

Das Mark und Fett liegt in dem persönlichen Fürwort in der Einzahl: »Mein
Geliebter ist mein.« Ich bin so froh, daß Jesus mich liebt. Beachtet wohl, daß er als unser Geliebter nur das sein kann, was unsere Liebe im öffentlichen Zeugnis aus ihm macht. Unsere Liebe kann ihn nie genug preisen oder gut genug von ihm sprechen; sie weiß, daß alle Beschreibungen zu seinen Verdiensten nicht heranrei-
chen; aber auch im besten Fall ist Jesus unser und ganz unser. Unsere Liebe sagt, daß keiner ihm gleich sei; als König aller Könige und Herr aller Herren ist er unser. Er hat keine so hohe Herrlichkeit, daß sie nicht unser wäre.
Hier ist also die Grundlage des christlichen Lebens, der Grund, auf welchem es beruht: aufs allergewisseste zu wissen, daß Christus ganz unser ist, der Anfang der Weisheit, die Quelle der Kraft, der Stern der Hoffnung, die Dämmerung des Himmels.

II.
Der zweite Teil des Textes handelt von der Freude, Christus anzugehören. »Ich bin sein.« Dieser Satz ist ebenso herrlich wie der vorige. Ich möchte es wagen, an jede liebende, hier gegenwärtige Frau die Frage zu richten Welches war dir, als du verheiratet s warst, der liebste Gedanke, der, daß du deinem Mann gehörtest oder der, daß er dir gehörte? 

Nun, du fühlst, daß keiner von beiden Sätzen für sich allein köstlich wäre; die beiden zusammen
sind notwendig Christus ist mein, aber wenn ich nicht sein wäre, wäre es eine traurige Sache, und wenn ich sein, er aber nicht mein wäre, so wäre das eine elende Sache Diese beiden Stucke sind miteinander verbunden: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.« Stelle beide zusammen, und du hast den Gipfel der Wonne erreicht.
Daß wir sein sind, ist eine Tatsache, die bewiesen werden kann. Es sollte keines Beweises bedürfen, sondern allen offenbar sein, daß »ich sein bin« Gewiß sind wir sein durch die Schöpfung: der uns gemacht hat, sollte uns auch haben. Wir sind sein, weil sein Vater uns ihm gegeben hat, und wir sind sein, weil er uns erwählt hat. Wir sind sein, weil er uns mit Blut erkauft hat, sein, weil er uns durch seine Gnade berufen hat, sein, weil er sich uns vertraut hat und wir seine Braut sind. Wir sind ferner unserem eigenen Bewußtsein nach sein, weil wir uns von Herzen aus der innersten -: Tiefe unseres Wesens ihm selber übergeben haben als solche, die durch die Liebe auf ewig an ihn gebunden sind.. 

Wir fühlen, -wir müssen Christus haben und ihm gehören oder sterben: »Christus - ist mein Leben.« Wenn ihr sagen könnt: »Mein Geliebter ist mein«, werdet ihr gewiß hinzufügen: »Ich bin sein, ich muß sein sein, ich will sein sein. Ich lebe nicht, wenn ich nicht sein bin, denn ich achte, daß ich, worin ich nicht sein bin, tot bin und nur in dem 1 lebe, darin ich ihm lebe. Meine Seele ist sich dessen bewußt, daß ich sein bin.« .
Nun, dies gereicht uns zu sehr großer Ehre. Ich habe die Zeit gekannt, da ich in einer sehr bescheidenen, zitternden Weise sagen konnte: »Mein Geliebter ist mein«; aber ich wagte nicht,. hinzuzufügen: »Ich bin sein«, weil ich dachte, ich sei seiner nicht wert. Ich wagte nicht zu hoffen, daß das »Ich bin sein« jemals in demselben Buch neben das »Mein Geliebter ist mein« geschrieben - werden würde. Armer Sünder, zuerst ergreife du Jesus, und dann wirst du entdecken, daß Jesus dich schätzt; obgleich du dich würdig fühlst, auf den Müll geworfen zu werden, legt Jesus doch Wert auf dich und sagt: »Weil du so wert geachtet bist vor meinen
Augen, mußt du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb.« Es ist keine geringe Freude zu wissen, daß wir arme Sünder wert sind, daß Jesus uns lieb hat und daß er sogar gesagt hat: »Sie sollen an dem Tag, den ich machen werde, mein Eigentum sein.«
Der zweite Teil des Textes ist ebenso absolut wahr wie der erste. »Ich bin sein« - nicht nur meine Güter, meine Zeit, meine Fähigkeiten, noch sonst etwas, sondern: »Ich bin sein.« Ich fürchte, daß manche Christen dies nicht verstanden haben. Sie geben dem Herrn ein wenig von ihrem Überfluß, den sie nie vermissen. Die arme Witwe, die alles gab, was sie hatte, hatte die richtige Auffassung von ihrem Verhältnis zu ihrem Herrn. Wenn sie gekonnt hätte; würde sie sich selbst in den Gotteskasten gelegt haben, denn sie fühlte: »Ich bin sein.« Was mich betrifft, so wünschte ich, ich könnte leibhaftig durch den kleinen Einschnitt des Schatzkästleins Christi getan werden und könnte ewig in seinem Kästchen bleiben, so daß ich ganz meines Herrn wäre. Paulus wünschte, geopfert zu werden; er wünschte, durch Tätigkeit aufgebraucht zu werden, und wenn er dann nichts mehr tun konnte, würde er sich freuen, wenn er durch hingebendes Erdulden um Christi willen aufgebraucht würde. 

Der Gläubige fühlt, daß er Jesus absolut angehört; der Herr mag ihn beschäftigen, wie er will, oder ihn prüfen, wie es ihm gefällt; er kann ihm alle zeitliche Freude nehmen oder ihn mit Annehmlichkeiten umgeben; er kann ihn niederbeugen oder ihn erhöhen, ihn für kleine oder große Dinge verwenden oder ihn überhaupt nicht gebrauchen, sondern ihn ganz kaltstellen; es ist genug, daß der Herr es tue, und das getreue Herz -ist zufrieden, denn es bekennt der Wahrheit gemäß: »Ich bin sein. Ich kann kein Teil meines Wesens mein eigen nennen, denn ich bin absolut und ohne Rückhalt alleiniges Eigentum meines Herrn.« Wißt ihr dies, Brüder und Schwestern? Gott gebe, daß es so sei!
Dies, dem Vielgeliebten angehören, ist Sache der Tat und der Praxis, nicht etwas nur, davon man spricht, sondern das wirklich ausgeführt wird. Ich berühre hier eine zarte Sache, aber ich wünschte zu Gott, daß jeder Christ dies, ohne zu lügen, wirklich sagen könnte: »Ich lebe für Christus in allen Dingen, denn ich bin sein. Wenn ich des Morgens aufwache, stehe ich auf als sein, wenn ich mein Mahl nehme, tue ich es als sein. Ich esse und trinke und schlafe dem Herrn und danke ihm in allem.« - »Das ist ein hoher Standpunkt«, sagst du. Ich gebe es zu, aber es ist der, den du einnehmen und behalten solltest. Unsere ganze Zeit und Energie sollte dem großen Hauptprinzip geweiht sein: »Ich bin sein.« Kannst du es sagen? 

Ruhe nicht, bis du es kannst. Und wenn du es kannst, schließt es ein großes Vorrecht in sich. »Ich bin sein«, dann bin ich dadurch geehrt, daß ich einen solchen Besitzer habe. Dadurch, daß du Christus angehörst, bist du sicher, denn er wird das Seine bewahren. Er wird seine Schafe nicht verlieren; er hat einen zu großen Preis dafür gezahlt, um sie zu verlieren. Wenn du sein bist, wird er dich versorgen. Ein guter Mann sorgt für seine Frau, und ebenso sorgt der Herr für die, die sich ihm anvertraut haben. Du wirst auch vollkommen gemacht werden, denn was Christus hat, das wird er seiner würdig machen und zur Herrlichkeit führen. Weil wir sein sind, wird er uns zum Himmel führen, denn er hat gesagt: »Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast.« Er will sie bei sich haben, weil sie sein sind.
Nun gebt euren Gedanken Freiheit zur Verwunderung darüber, daß jemand unter uns imstande sein kann zu sagen: »Ich bin sein.« 

»Ich, der ich so gedankenlos, so voller Zweifel zu sein pflegte, ich bin sein.« Und manche können sagen: »Ich, der ich so leidenschaftlich und stolz war, ich, der ich ein Alkoholiker war, dessen Lippen von Lästerung übergingen, ich bin sein.« Ehre sei dir, o Jesus, daß du so wertlose Wesen wie uns genommen und zu deinem Eigentum gemacht hast. Nun gehören wir nicht länger dieser gegenwärtigen, argen Welt an; wir leben für die zukünftige Welt. Wir gehören nicht einmal der Gemeinde an, so daß sie unsere Beherrscherin ist; wir sind ein Teil der Herde; aber gleich den übrigen gehören wir dem großen Hirten an. Wir gehören nicht der Sünde, dem Satan oder der Welt an; wir gehören ganz, ausschließlich und unwiderruflich dem Herrn Jesus Christus. Ein anderer Herr wartet auf uns und fordert uns auf, unsere Kräfte in seinen Dienst zu stellen, aber unsere Antwort ist: »Ich bin bereits engagiert.« - »Wie geht das zu?« »Ich trage die Malzeichen des Herrn Jesus an meinem Leib, und darum mache mir niemand weiter Unruhe.« - »Aber kannst du mir nicht zum Teil dienen?« »Nein, ich kann nicht zwei Herren dienen. Ich gehöre Christus an und bin ganz sein. Wenn es etwas für ihn zu tun gibt, so tue ich es nach besten Kräften. Ich weigere mich keines Dienstes, zu welchem er mich beruft; aber ich kann keinem anderen Herrn dienen.«
III -
Der Heilige empfindet Freude bei dem bloßen Gedanken an Christus. Wenn wir irgendwelche Personen lieben und fern vom Heim sind, freuen wir uns, ihrer zu gedenken und daran zu
denken, was sie tun. Du bist ein Ehemann, der in einem fremden Land umherreist; heute früh sagtest du zu dir: »Jetzt stehen sie zu Hause auf.« Ein andermal: »Jetzt schicken sich meine Kinder an, zur Sonntagsschule zu gehen.« So sagen die Christen bei dem Gedanken an Christus: »Er weidet unter den Lilien.« Es machte ihnen Freude, daran zu denken, wo ER war und was ER tat.


Nun, was ist Jesus? Welches sind diese Lilien? 

Repräsentieren diese Lilien die, welche reinen Herzens sind, bei denen Jesus wohnt? Die Braut gebraucht das Bild, welches der Herr ihr in den Mund legt. Er sagte: »Wie die Lilie inmitten der Dornen, so ist meine Liebe inmitten der Töchter«, und sie wendet dieses Symbol auf alle Heiligen an. Ein Prediger, der im Vergeistlichen sehr groß ist, hat über diesen Vers sehr richtig gesagt: »Der gerade Stengel, der sich gerade von der Erde erhebt und seine Blüte so hoch von der Erde wie nur möglich treibt - spricht das nicht von himmlischer Gesinnung? Scheinen diese Lilien nicht zu sagen: >Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.<? Und wenn das fleckenlose Weiß der Blumenblätter uns etwas von der Gnade lehrt, dann erzählt uns das Gold der Staubfäden von der Krone, die der Lohn der Gnade ist.« Die Lilie ist schwach, und das sind die Heiligen Gottes auch; wenn Christus nicht unter ihnen wäre, um sie zu schützen, dann würden die wilden Tiere sie bald niedertreten. 

So schwach sie auch sind, sind sie doch wunderbar lieblich, und ihre Schönheit ist keine von Händen gemachte. Es ist eine Schönheit, mit der der Herr sie bekleidet hat; denn sie arbeiten nicht, und sie spinnen auch nicht, und doch ist Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen wie sie. Die Heiligen spinnen keine eigene Gerechtigkeit, und doch übertrifft die königliche Gerechtigkeit, die sie schmückt, alles weit, was die Weisheit erfinden und der Reichtum erwerben könnte.
Wo ist denn heute mein Herr? Er weilt inmitten der Lilien des Paradieses. In meiner geistlichen Schau sehe ich jene stattlichen Reihen milchweißer Lilien nicht länger zwischen den Dornen wachsen, Lilien, die nicht länger von dem Staub der Erde befleckt werden, an denen der ewige Tau der Gemeinschaft glitzert, während ihre Wurzeln aus dem Strom des Wassers des Lebens unvergängliches Leben saugen. Da ist Jesus Könnt ihr ihn sehen?
Er ist schöner selbst als die Lilien, die ihre Häupter rings um ihn her neigen. Aber er ist auch hier, wo wir sind, die sich gleich der
Lilie noch in der Knospe befinden, aber doch von demselben Strom gespeist werden und in unserem Maße denselben Duft ausströmen. 0 ihr Lilien der Pflanzung Christi, er ist unter euch;
Jesus ist heute in diesem Haus, die Salbung, die seine Kleider so wohlriechend gemacht hat, wird bei uns empfunden.
Aber was tut er unter den Lilien? »Er weidet unter den Lilien.« Unser Herr findet Trost unter seinem Volk. Seine Lust ist bei den Menschenkindern; er freut sich, die Gnaden seines Volkes zu sehen, dessen Liebe zu erfahren und sein eigenes Bild in ihren Angesichtern zu sehen. Wie er zu der samaritischen Frau sagte, so sagt er auch zu jedem unter seinem Volk: »Gib mir zu trinken«, und er wird durch ihre liebende Gemeinschaft erfrischt. Aber der Text meint, daß er sein Volk weidet. Er weidet den Teil seiner Herde, den er mit Blut erkauft hat, davon wir lesen: »Das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und führen zu den lebendigen Wasserbrunnen.« Er vergißt auch den Teil seiner Herde nicht, der sich noch in der Tiefebene der Erde befindet, sondern gibt auch ihm sein Teil Speise. Er hat uns an diesem Morgen geweidet, und er läßt keines seiner Schafe umkommen.
Und was werde ich tun? Nun, ich will unter den Lilien bleiben. Seine Heiligen sollen meine Genossen sein. Wo sie blühen, da will ich zu wachsen versuchen. Ich will oft in ihren Versammlungen sein und will auch eine Lilie sein. Ich will leben im Glauben an den Sohn Gottes und in ihm gewurzelt sein. Ich möchte rein im Leben sein und meine Seele zum Himmel erheben, wie die Lilie ihre Blüte hoch erhebt. Wenn ich eine Lilie bin, wird Jesus kommen und neben mir weiden, und vielleicht mache ich ihm durch meine bescheidene Dankbarkeit etwas Freude.
Geliebte, dies ist ein köstlicher Gegenstand, aber in Wirklichkeit ist er köstlicher, als das bloße Hören darüber sein kann. »Er weidet unter den Lilien. « Dies ist unsere Freude, daß Christus in seiner Gemeinde ist, und das Mark von allem, das ich zu sagen habe, ist dies: Denkt getrennt von Jesus nie an euch oder an die Gemeinde. Die Braut sagt: »Mein Geliebter ist mein, ich bin sein«; sie verwebt beides miteinander. Die Sache der Gemeinde ist die Sache Christi; ohne Christus wird die Aufgabe der Gemeinde nie gelöst werden; ihre Kraft liegt darin, daß Er bei ihr darinnen ist. Die Gemeinde Christi, die mit ihrem Herrn wirkt, muß überwinden; sie wird es jedoch nie vermögen, wenn sie versucht, allein zu stehen.
Was uns selbst persönlich betrifft, so laßt uns nie von Christus getrennt von uns denken. Laßt uns das Mein mit dem Dein verschmelzen. Gemeinsame Sache mit Christus zu haben und unter einem Namen zu handeln, mit Christus verheiratet zu sein und den eigenen, alten Namen verlieren und seinen Namen tragen und sagen: »Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir« - das sei unsere Losung. Wie die Frau in dem Mann und der Stein in dem Gebäude und die Rebe im Weinstock und das Glied im Haupt aufgeht, so möchten wir mit Jesus verschmolzen sein und solche Gemeinschaft mit ihm haben, daß es kein Mein und kein Dein mehr gibt.
Schließlich, armer Sünder, wirst du sagen: »In dem allen ist nichts für mich«, und ich möchte dich nicht ohne ein Wort gehen lassen. Ich bitte dich, das erste und zweite Kapitel des Hohenliedes zu lesen und darauf zu achten, wer es war, der da sagte: »Mein Geliebter ist mein«, weil es mich nicht wundern sollte, wenn du dem gleich bist. Die Braut war eine, die da bekannte: »Ich bin schwarz«, und so bist du.. Vielleicht hilft dir die Gnade, eines Tages sagen zu können: »Ich bin lieblich.« Sie wurde sehr betrübt und mußte einen Winter des Regens und der Kälte durchmachen. Vielleicht befindest du dich auch darin; doch du weißt, daß sie herauskam, ihr Winter war vergangen, und die Vögel fingen an zu singen. Sie hielt sich verborgen wie du jetzt; aber sie wurde aus dem Staub und Spinngewebe herausgerufen, um das Antlitz ihres Herrn zu sehen.
Eins möchte ich dir ins Ohr flüstern: Sie war in der Felskluft. Wenn du dahin gelangen kannst, wenn du ich bergen kannst in der offenen Seite unseres Geliebten, die durch den Speer geöffnet wurde, daß Blut und Wasser daraus floß, dann wirst du, obgleich du schwarz von Sünden und ein unter dem Fluch stehender Sünder bist, in den Stand gesetzt werden, mit dem Entzücken des lebendigsten Heiligen auf Erden und eines Tages mit dem Entzük-ken der leuchtenden Wesen droben zu singen: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein. Er weidet unter den Lilien«« Komm und sei willkommen! Sünder, komm! Gott segne dich um Jesu willen!

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