25.) Hosea Die erlösende Liebe 8.Jahrh.v.Chr.

12/22/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Hosea prophezeite angesichts des Zusammenbruchs des Zehnstämme‑Reiches und kurz vor dem Ende des Hauses Jehus. Er steht ganz unter dem Eindruck des bevorstehen­den Ruins. Und doch finden sich auch bei ihm Szenen der Wiederherstellung und der anschließenden Herrlichkeit. Ich möchte es so ausdrücken: Seine Gesichte beinhalten den Tod und die Auferstehung Israels. Sie kommen unter ver­schiedenen Bildern in lebendiger, vielfach sprunghafter Sprache zur Darstellung.

Zu Beginn des Buches erhält der Prophet den Auftrag, sich eine Frau zu nehmen und Kinder zu zeugen. Er kann zu ihnen sagen wie Jesaja zu seinen zwei Söhnen: "Siehe, ich und die Kinder, die Jehova mir gegeben hat, wir sind zu Zei­chen und zu Wundern" (Jes 8,18).

Das erste Kind heißt "Jisreel" ‑ das Zeichen des Gerichtes, sowohl über das Haus Jehus als auch über das Haus Israel. Das zweite Kind heißt "Lo‑Ruchama" ‑ das Zeichen dafür, daß Gott Seine Barmherzigkeit von dem Haus Israel zurück­ziehen würde. 

Das dritte ist "Lo‑Ammi" ‑ das Zeichen, daß Er Israel als "Nicht mein Volk" beiseite setzen würde. Daran schließt sich jedoch die wunderbare Verheißung an, daß Israel am Ende, und zwar am "Tage Jisreel", wieder gesammelt sein wird, dann nämlich, wenn der jetzigen Verwerfung des Volkes eine Wiederherstellung gefolgt ist. In diesem Kapitel ziehen gleichsam die Gerichtswehen im Sturmwind im Erdbeben und im Feuer vorüber, aber erst die ruhige Stimme des leisen Säuselns bringt den von Gott bestimmten Abschluß der Geschichte dieses Volkes.

Das zweite Kapitel erlaubt uns einen ausgedehnten Blick auf die Schuld und das Elend Israels, aber auch auf seine endgültigen Segnungen. Der Bund, den Jehova für die Kinder Seines Volkes schließen wird zwischen ihnen und den Tieren der Erde, nachdem Er selbst sie sich wiederum "ver­lobt" hat, wird trefflich beschrieben, ebenso ergreifend auch das barmherzige Walten Gottes in sich fortsetzenden Se­gensströmen vom Himmel über die Erde und ihre Güter, die im besonderen Israel nach bitteren Wüstentagen empfangen darf. Das "Tat Achor" wird zu einer "Tür der Hoffnung" ‑das bedeutet: das Gericht endet in Sieg und Herrlichkeit, die Trübsal in Freude (Jos 7). Alles das malt uns den Tod und die Auferstehung der Nation vor Augen.

In Kapitel 3 wird dem Propheten dann aufgetragen, eine zweite Frau zu nehmen. Diese Eheschließungen sind sinnbildliche Handlungen, die uns an vieles in Hesekiel erinnern, oder auch an Jeremia, der zum Euphrat ging, um sei­nen Gürtel zu vergraben, und auch an Agabus in der Apostel­geschichte, der Paulus' Gürtel nimmt und seine eigenen Hände damit bindet. Alle diese Handlungen weisen symbo­lisch oder in Bildern auf kommende Ereignisse hin.

Die Verbindung des Propheten mit der ersten Frau gibt uns Aufschluß über die Verwerfung Israels als Nation und seine Rückkehr zum Segen in den letzten Tagen. Die zweite Ver­bindung zeigt uns die politische und religiöse Geschichte des Volkes. Eine solche Voraussage ist wunderbar und läßt uns mit Recht staunen; denn mit unseren eigenen Augen sehen wir, wie sie sich bewahrheitet hat und im geschicht­lichen Leben Israels sichtbar ist. Sie sind zur Zeit ohne König, ohne Opfer und ohne Teraphim. Sie haben keine po­litische Existenz.*) Das Büchh1ein wurde etwa 186o verfaßt. Anmerkung des Obersetzers.

Sie sind weder ein geheiligtes und abge­sondertes, noch ein götzendienerisches Volk. Sie kennen Gott nicht und beten Ihn nicht an. Aber sie dienen auch nicht den Götzen, wie ihre Väter es taten. Alle diese Merkmale dürfen wir in dieser Zeit mit unseren eigenen Augen sehen. Doch Israel wird sowohl politisch als religiös wieder aufle­ben, wie der Prophet uns sagt: "Danach werden die Kinder Israel umkehren und Jehova, ihren Gott, und David, ihren König, suchen; und sie werden sich zitternd wenden zu Je­hova und zu seiner Güte am Ende der Tage" (Kap. 3, 5). Das ist wiederum der gegenwärtige Zustand des Todes und die kommende Auferstehung.

Nach diesen ersten drei Kapiteln finden wir in der Prophe­zeiung im wesentlichen Einzelheiten über die Sünden, die dieses Gericht herbeigeführt haben. "Es gibt Sünde zum Tode", lesen wir in 1. Johannes 5, 16. Israel als Nation, möchte ich sagen, hat diese Sünde begangen. Alle Prophe­ten, möchte ich ferner sagen, sprechen davon. Jesaja sagt in Kap. 22,14 zu ihnen: 

"Wenn euch diese Missetat vergeben wird, bis ihr sterbet!" Hesekiels "Tal der verdorrten Ge­beine" ist die bedeutendste und bekannteste Schriftstelle über dieses Geheimnis. Und der Herr Jesus Selbst spricht als Prophet zu den Juden Seiner Tage davon, daß Jehova Gott sie ‑ im Bilde der bösen Weingärtner (Mt 21, 41) ‑"übel umbringen wird". Auch ruft Er ihnen zu: "Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen werden." Was wir zur Zeit se­hen, ist tatsächlich ein zu Tode geschlagenes Land und Volk. Das alles bezeugt uns: "Es gibt Sünde zum Tode!" Israel be­findet sich als Nation in Hesekiels Tal oder in Hoseas Toten­acker.

Und doch wird Gott über diesen Tod triumphieren. Die jü­dische Nation wird auferstehen, genauso wie die Leiber der Heiligen auferstehen werden. Und dann, so wie die Hei­ligen in ihrer Verherrlichung die Himmel füllen und schmük­ken werden, so wird Israel blühen und knospen und die Fläche der Erde mit Frucht füllen. "Was wird die Annahme anders sein als Leben aus den Toten?" (Röm 11, 15)

Sowohl im Geist als auch in den Umständen wird es eine Wiederbelebung geben, eine moralische wie auch eine na­tionale Gesundung, sowohl eine Bekehrung als auch eine Wiederherstellung. Das letzte Kapitel Hoseas zeigt uns das, wie wir es auch in allen Propheten finden. 

Micha, dessen Pro­phezeiung wir an anderer Stelle betrachten werden, spricht hierüber in sehr lebendiger Weise und beschreibt treffend die tiefen Seelenübungen in seinen beiden letzten Kapiteln. Sehr verschiedenartig und bruchstückhaft sind die Bemer­kungen, die uns Hosea über jene Verfehlungen gibt, die das Volk zu seinem Todesurteil bzw. zu seinem Todeszustand geführt haben.

Das Land sollte trauern ‑ das Volk dahinschmachten. Je­hova wollte "für Ephraim wie die Motte sein und für das Haus Juda wie der Wurmfraß" (5,12); Er wollte sie "wie das Gevö­gel des Himmels herniederziehen" (7, 12). Sie sollten ver­schlungen werden; Memphis sollte sie begraben; Ephraim sollte "seine Söhne zum Würger hinausbringen" (9, 13); sie würden die Worte gebrauchen, die für den Tag der ärgsten Drangsal aufbewahrt sind. "Berge, bedeckt uns, Hügel, fallet auf uns" (10, 8).

Mit solchen Worten werden sie beschrieben. Aber sie wer­den wieder aufleben, und auch davon haben wir unvermit­telte Zeugnisse. Jehova war Gott und nicht ein Mensch, und Sein Herz wird sich wenden ‑ Er wird Reue empfinden; es wird keine vollständige und endgültige Vernichtung geben. 

Es wird von der Auferstehung am dritten Tag gesprochen (6, 2; eine Anspielung auf die Auferstehung des Herrn des Volkes Israel). Es wird sogar vom Auszug des Volkes aus Ägypten als einer Erneuerung ihrer Geschichte gesprochen (Kap. 11), als würden sie einen neuen Anfang machen unter der Hand und Gnade Gottes. Ebenso wird die Geschichte Jakobs mit derselben Absicht erwähnt (Kap. 12). Ferner wird die Geschichte des Volkes bildlich vorgestellt gleich einer Geburt aus dem Mutterleib und der Auferstehung aus dem Grab (Kap. 13). Schließlich sehen wir in der vernich­tenden Kraft des Ostwindes das Gericht Gottes und an­schließend die Blüte und Schönheit des Frühlings, das Auf­leben der Nation.

Solche Stellen, die sich durch das ganze Buch hin finden, verleihen ihm seinen Charakter. Ich lese es als ein Buch, das, gewirkt durch den Geist Gottes, ständig das Gericht und die Erlösung, den Tod und die Auferstehung Israels als Nation im Blickpunkt hat. In Kapitel 13 wird so klar von Auferste­hung gesprochen, daß der Apostel diese Stelle in 1. Ko­rinther 15 zitieren kann, wenn er von der Auferstehung des Leibes spricht. 

Hier dagegen handelt es sich um die Wieder­herstellung der Nation. Es ist gut zu verstehen, daß Hosea diese Botschaft hat, das heißt, daß der Geist Gottes ihn leitete, den vom Tode gezeichneten Zustand Israels, wie er gerade begann, zu sehen und darzustellen, da er ja die assy­rische Gefangenschaft vor Augen hatte und das Verderben des Hauses Jehus nahe bevorstand.*) *) In Kap. 13, 14 finden wir den Gedanken, den Paulus In Röm 11, 29 vor Augen hat, nämlich daß die göttliche Barmherzigkeit Israel am Ende sammeln wird, weil die Gnadengaben und die Berufung Gottes unbereubar sind.

Ich betone noch einmal, daß wir hier im einzelnen jene Sün­den und Treulosigkeiten des Volkes aufgeführt finden, die notwendigerweise das "Gericht zum Tode" auslösten. Aber ich begrüße und anerkenne auch völlig, wenn ein anderer Schreiber darauf hinweist, daß uns im Buche Hosea noch weitergehende Wahrheiten vorgestellt werden.

Ober das große Thema ‑ die gegenwärtige Verwerfung der Juden und ihre künftige Zurechtbringung ‑ hinaus deutet Kap. 1, 10 bereits das Einpfropfen der Nationen in die jüdi­sche Wurzel an. Paulus zitiert den Vers zu diesem Zweck in Römer 9, 26. Ebenso ist der biblische Gedanke an einen Überrest Israels in den Worten "Ammi" und "Ruchama" in Kap. 2, 1 enthalten; noch weitere Hinweise auf andere Wahr­heiten könnten erwähnt werden. Der genannte Schreiber*)*) J. N. Darby in "Betrachtungen über das Wort Gottes" über Hosea (Anm. des 7 Obersetzers)

hat über die Prophezeiung Hoseas gesagt. "Wir könnten uns nichts Schöneres vorstellen als die Weise, in der hier die verschiedenen Gedanken miteinander verwoben sind: die Notwendigkeit des Gerichts um des Zustandes des Volkes willen, der gerechte Zorn Gottes über ihre Sünde, wobei Er mit Israel rechtet und es zu bewegen sucht, seine bösen Wege zu verlassen und Jehova zu suchen;

 sodann Sein Zu­rückkehren zu den ewigen Ratschlüssen Seiner eigenen Gnade, um Seinem geliebten Volk das zu sichern, dessen es sich durch seine Ungerechtigkeit beraubt hatte, und zu gleicher Zeit die rührende Erinnerung an Sein früheres Ver­hältnis zu Seinem geliebten Volk. Es ist überaus ergreifend zu sehen, wie Gott hier abwechselnd tadelt, in Güte redet, ermahnt und an glückliche Augenblicke erinnert. Diese rüh­rende Verschmelzung von Zuneigung und Gericht finden wir immer wieder in diesem Propheten."

So tritt uns eine Vielfalt von Gedanken in diesem Buch ent­gegen, doch bilden die beiden Themen, Tod und Auferstehung Israels als Nation, seinen wesentlichen Inhalt.

Der Schlußvers zeigt uns die moralische Nutzanwendung. Da sagt uns Hosea, wo Weisheit gefunden wird, wahre, gött­liche Weisheit, der es um das Heil der Menschenseele für Zeit und Ewigkeit zu tun ist. Und es ist das Geheimnis von Tod und Auferstehung, von Gericht und Erlösung, von Sünde und Heil, ja ich möchte sagen, das Geheimnis von Adam und Christus, in dem die entscheidende moralische Belehrung, die aus der Geschichte unserer verdorbenen Welt gezogen werden kann, beschlossen liegt.

Alles, was zu Gott zurückgebracht werden soll, alles, was in Christus oder unter Seiner Herrschaft stehen soll, muß Auf­erstehungscharakter tragen durch Erlösung vom Urteil des Todes, und zwar sowohl die Juden als auch alles andere, und schließlich das Volk Israel in den letzten Tagen. Das lehren uns sowohl Hosea als Paulus, der Prophet und Apostel der Nationen.

Mit dieser Betrachtung über den Schlußvers unseres Pro­pheten könnten wir an sich schließen. Doch ich möchte noch einen Gedanken hinzufügen.

Erlösung führt immer zu einer Beziehung. Das ist Gottes Weise. Erst in einer Beziehung findet Sein Herz Befriedi­gung. "Gott ist Liebe." Wen Er erlöst, den nimmt Er auch an als Sein Kind. Er bringt Seine Erlösten in ein Verhältnis zu Sich Selbst. So war es mit Israel. Gott spricht zu Israel und von Israel als Ihm "verlobt" und als einen "Sohn", der an­genommen ist. 

Ich könnte auf Jesaja 54, Jeremia 3, Hesekiel 16, Zephanja 3 und eine Reihe anderer Schriftstellen verwei­sen, um das zu belegen. So ist es auch mit uns. Wir lesen das ausführlich im Neuen Testament. Auf die Erlösung vom Fluch des Gesetzes folgt die Erlösung von der Knechtschaft des Gesetzes. Mit anderen Worten: auf die Seg­nung der Rechtfertigung folgt der Geist der Sohnschaft (Gal 3 und 4).

Unter den Schriftstellen, die uns zeigen, daß das Volk Israel durch Erlösung in ein neues Verhältnis zu Gott kommen wird, ist hauptsächlich Hosea anzuführen. Denn hier, im zweiten Kapitel, sieht Jehova Sein Volk in den zukünftigen Tagen des Königreiches und sagt zu ihnen durch den Pro­pheten: "Und es wird geschehen an jenem Tage, spricht Je­hova, da wirst du mich nennen: Mein Mann; und du wirst mich nicht mehr nennen: Mein Baal" (Vers 16). Herrliche Worte! 

Das wiederhergestellte und lebendiggemachte Israel wird Gemeinschaft mit Jehova in der Gnade und Freiheit einer bewußten Beziehung von innigstem Charakter haben! Und wiederum spricht Jehova durch Jeremia: "Ist mir Ephra­im ein teurer Sohn oder ein Kind der Wonne? Denn sooft ich auch wider ihn geredet habe, gedenke ich seiner doch immer wieder. Darum ist mein Innerstes um ihn erregt, ich will mich gewißlich seiner erbarmen" (Kap. 31, 20).

Das mag genügen. Erlösung führt zu einer Beziehung und so zur Herrlichkeit; das wird in künftigen Tagen in den Him­meln und auf der Erde noch auf mannigfache, wunderbare und überwältigende Weise bezeugt und geschaut werden.