Legrand Fernand L. A. Joab - Heerführer Davids

05/15/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Als ich die Bibel zum erstenmal durchlas, prägte sich mir der Name Joab so stark ein, dass ich ihn nie vergessen habe. Der Träger dieses Namens weckte meine Neugierde in höchstem Maße. Seither versetzte mich dieser Mann bei der methodischen Lektüre der Bibel immer wieder in Erstaunen. Ich glaube nicht, dass man über Joab eine eingehendere Studie geschrieben hat. Ja, es gibt Diener Gottes, denen er gar nie aufgefallen ist. In einem Jugendlager musste ich anlässlich eines Spiels, das darin bestand, jemand aus der Bibel zu erraten, feststellen, dass mein Gegenspieler überhaupt keine Ahnung hatte, wer Joab war. Dabei galt er als guter Kenner der Heiligen Schrift. 

Joab ist aber keine unbedeutende Person des Alten Testaments. Ein zahlenmäßiger Vergleich lässt die Wichtigkeit Joabs leicht erkennen. Der Name Simson, den wohl jeder kennt, kommt 35mal vor, derjenige Gideons 39mal, doch Joab wird fast 150mal erwähnt, also beinahe so oft wie Petrus im Neuen Testament. Mindestens achtmal heißt es: Und Joab befehligte das Heer. Achtzehnmal findet sich die Redewendung: Joab, der Sohn der Zeruja, die ich als Titel für die französische Ausgabe verwendet habe. 
Wer aber zwar Zeruja? Sie war eine der beiden Schwestern des Königs David. Sie hatte drei Söhne: Joab, Abischai und Asael. Diese drei lebhaften Neffen Davids haben ihm einige Sorgen bereitet. Da David der jüngste Sohn des Isai war, ist es möglich, dass sein Neffe Joab nicht viel jünger war als er. Man kann sich denken, dass gewisse Heldentaten seines Onkels, etwa sein Sieg über den Riesen Goliat, seine kindliche Vorstellungskraft tief beeindruckte. Wer an seiner Stelle hätte nicht davon geträumt, einmal ein großer Feldherr zu werden? Dazu kam es ja dann tatsächlich. 
Mit den Jahren mochte sich der Altersunterschied zwischen David und seinem Neffen Joab verwischen, nicht aber der Abstand in ihrem geistlichen Leben.

Sie lebten in ihrem Verhältnis zu Gott auf verschiedenen Ebenen. Erst nach jahrelangem Bibelstudium und mit Gebet verbundenen Überlegungen ist es mir gelungen, diesen Mann in seinem Wesen zu erfassen und zu begreifen, was er versinnbildlicht, nämlich den Typus des fleischlich gesinnten Christen
Das Neue Testament unterscheidet drei Arten von Menschen:
1. In 1.Kor. 2,14 ist vom natürlichen Menschen die Rede, womit der unbekehrte Mensch gemeint ist, der den Heiligen Geist nicht empfangen hat und sich von seinen Gelüsten, seiner natürlichen Weisheit und Vernunft leiten läßt.
2. l.Kor. 3,1-3 spricht vom fleischlich gesinnten Christen.
3. In 1 .Kor. 2,15 schließlich handelt es sich um den geistlich gesinnten Christen. -
David steht für den geistlich gesinnten und Joab für den fleischlich gesinnten Gläubigen.
Obwohl beide nicht nur derselben Familie und Glaubensgemeinschaft angehörten, sondern - neutestamentlich gesehen - auch das gleiche grundlegende Ereignis, die Bekehrung erlebt haben, führten sie ihr Leben auf zwei verschiedenen Ebenen. David ließ sich im allgemeinen vom Geist Gottes leiten, wogegen bei Joab die Herrschaft fleischlicher Einflüsse die bestimmende Kraft blieb.
Die Bedeutung Joabs geht aus 1 .Chron. 11,4-8 hervor: David und ganz Israel zogen nach Jerusalem, das ist Jebus... David sagte: Wer die Jebusiter zuerst schlägt, soll Oberhaupt und Oberster werden! Da stieg Joab, der Sohn der Zeruja, zuerst hinauf und wurde Oberhaupt.
Ist uns dieser Text bekannt? Jedesmal, wenn wir an Jerusalem denken, sollten wir auch an Joab denken, der die Stadt unter Lebensgefahr stürmte.

Wie die Jünger, die Jesus nachfolgten, so zahlte auch Jo-ab.den Preis für seinen Weg mit David. Von Anfang an war er mit David zusammen. Immer stand er an der vordersten Kampffront. Seine Eigenschaften als Oberster und Fürst machten aus ihm eine außergewöhnliche Persönlichkeit und lassen ihn auch unter den größten Helden hervorragen, ob- ohl er - wahrscheinlich wegen seiner »fleischlichen« Ge-unung - in der Liste der Helden Davids (2.Sam. 23,8-39) ehlt.
Neben Jerusalem hat Joab im Laufe seiner Karriere noch Ide andere Städte eingenommen. - Auch der fleischlich gesinnte Christ kann im Werk des Herrn Heldentaten vollbringen Wie Joab kann er eine Festung einnehmen und die E,-eroberte Stadt wieder herstellen (V.8). Wie Petrus kann er u Jesus sägen: Du bist der Christus, der Sohn des leben dien Gottes, um sich jedoch gleich darauf gegen Gottes Plan aufzulehnen, so daß der Herr Jesus zu ihm sagen mußte: Geh .hinter mich, Satan! ... Denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist
Daher gibt es eine Festung, die weder Joab noch der fleischlich gesinnte Christ eingenommen hat und • die in Spr. 16,32 so beschrieben wird Besser wer seinen Geist beherrscht, als wer eine Stadt erobert Es gibt ein Bollwerk, das die alte Natur, das alte Herz, das alte Gemüt nie bezwingen und wirklich erobern können. So kann der fleischliche Christ eindrucksvolle Taten vollbringen und strahlend vor reude mit den Jüngern zurückkehren, weil ihm die Dämonen untertan sind. Er kann auch große Kenntnisse und sogar Geistesgaben haben, sein Leben dem Tod aussetzen, ja seinen Leib verbrennen lassen... Eines jedoch bleibt ihm stets unerreichbar: die Geistesfrucht, sieh selbst zu besiegen, sich selbst zu verleugnen, auf sich selbst zu verzichten, sich selbst zu sterben. Das sind die größten, schwierigsten, vornehm sten, ja die einzig wahren Siege des christlichen Lebens. Allein durch diese Geistesfrucht wird der Vater im Himmel wahrhaftig verherrlicht (Joh. 15,8).
Wie wir diese Frucht bringen, lehrt uns der Herr Jesus: Wer in mir bleibt und ich in ihm... Das bedeutet Hingabe n Jesus Christus, nicht nur an Sein Reich und an Seine Interessen. Joab hing von ganzem Herzen am Königreich Israel. Er war bereit, sein Leben für sein Land zu opfern, so wie man es für seine Religion tun kann So können auch wir das Wohl der Gemeinde Christi und-die Verbreitung des Reiches Gottes auf dem Herzen haben und große Hingabe an den Tag legen und doch über uns selbst keinen Sieg verzeichnen.

Die Gemeinde ist nicht der Weinstock Der Fortschritt des Evangeliums in der Welt ist nicht der Weinstock Jesus Christus allein ist der Weinstock. Unsere wirklich dauerhaften Siege haben nur einen Ursprung: unsere Hingabe an Ihn.
In 1.Sam. 26,1-12 wird berichtet:
Und die Siflter kamen zu Saul nach Gibea und sagten: Hält sich David nicht auf dem Hügel Hachila, (der) Jeschimon gegenüber(liegt), verborgen? Da machte Saul sich auf und zog in die Wüste Sif hinab und mit ihm dreitausend auserlesene Männer aus Israel, um David in der Wüste. Sif zu suchen. Und Saul lagerte sich auf dem Hügel Hachila, der Jeschimon gegenüber am Weg (liegt). David aber hielt sich 'in der Wüste auf. Und als er merkte, daß Saul ihm in die Wüste nachgekommen war, sandte David Kundschafter aus und erfuhr mit Gewißheit, daß Saul gekommen war. Und David machte sich auf und kam an den Ort, wo Saal ein Lager aufgeschlagen hatte. Und David sah den Platz, wo Saul sich (zum Schlafen) niedergelegt hatte mit Abner, dem Sohn des Ner, seinem Heerobersten. Saal lag und schlief im innersten Lagerring, und das Volk lagerte sich um ihn her.
Und David hob an und sagte zu Ahimelech, dem Hetiter, und zu Abischai, dem Sohn der Zeruja, dem Bruder Joabs Wer will mit mir zu Saul ins Lager hinabgehen? Und Abischai antwortete: Ich gehe mit dir hinab. Und David und Abischai kamen zu den Leuten in der Nacht Und siehe, Saul lag im (innersten) Lagerring und schlief, und sein Speer war an seinem Kopfende in die Erde gesteckt Und Abner und das Volk lagen um ihn her. Und Abischai sagte zu David Heute hat Gott deinen Feind in deine Hand ausgeliefert Nun laß mich ihn doch mit dem Speer an den Boden spießen, einmal nur! Ein zweites Mal werde ich es ihm nicht antun (massen) Aber David entgegnete Abischai Bring ihn nicht um! Denn wer konnte seine Hand gegen den Gesalbten des HERRN ausstrecken und ungestraft bleiben? Und David sagte (weiter)
So wahr der HERR lebt, sicher wird ihn der HERR schlagen, wenn seine Zeit kommt, daß er sterbe, oder er wird in den Krieg ziehen und umkommen! Der HERR lasse es fern von mir sein, daß ich meine Hand an den Gesalbten des HERRN legen sollte! Und nun, nimm jetzt den Speer, der an seinem Kopfende (steckt), und den Wasserkrug und laß uns gehen! Und David nahm den Speer und den Wasserkrug von seinem Kopfende weg, und sie gingen fort. Niemand sah es, und niemand merkte es, und niemand wachte auf. Denn sie schliefen alle, weil ein tiefer Schlaf von dem HERRN auf sie gefallen war.
Es geht hier zwar um Joabs Bruder Abischai, doch der Geist, der die beiden beseelt, ist so sehr der gleiche, daß David später beiden denselben Vorwurf machte: Ihr Söhne der Zeruja, was habe ich mit euch zu schaffen? Die drei Brüder waren wirklich wie die drei Glieder eines einzelnen Fingers. Das hier berichtete Ergeignis zeigt uns den Unterschied zwischen dem Mann nach dem Herzen Gottes und dem nach dem Fleisch wandelnden Gläubigen.
König Saul wollte den Tod Davids, da er in ihm einen Rivalen für den Thron sah. So nahm er mit einer Elite von Soldaten die Verfolgung Davids auf, dem mit seiner kleinen Truppe von Getreuen nichts anderes übrig blieb, als zu fliehen und mit seinem Feind Versteck zu spielen. Beim Ein-bruch der Nacht hatte David Sauls Feldlager ausfindig gemacht und führte eine tollkühne Blitzoperation aus. König Saul war von einem tadellos ausgebildeten Regiment um- geben, dessen Stärke zu Davids Truppe etwa zehn zu eins stand. David beschloß nun, bis ins Zentrum von Sauls Lager vorzudringen, wobei er sich an den Wachen vorbei durch die feindlichen Soldaten schleichen mußte, um bis zur am besten bewachten Stelle des Lagers zu gelangen, da wo der
König Saul schlief. David ließ sich von Abischai, Joabs Bruder, begleiten Diese beiden grundverschiedenen Männer gingen dasselbe gefährliche Risiko ein
Es ist eine Tatsache, daß sich geistlich und, fleischlich gesinnte Menschen am selben Unternehmen beteiligen Sie sitzen nebeneinander im Gottesdienst, nehmen denselben gesegneten Namen auf die Lippen, und beiden hegt das Werk des Herrn am Herzen Beim Abendmahl brechen sie dasselbe Brot, trinken aus demselben Kelch und teilen dieselben Überzeugungen. Aber der eine unterscheidet den Leib des Herrn, der andere nicht (1 Kor. 11,29) Ähnlich war es bei den klugen und törichten Jungfrauen. Sie alle befanden sich am selben Ort, trugen die gleichen Kleider, hatten die gleiche Erwartung, schliefen alle ein und wurden vom gleichen Geschrei aufgeweckt. Jede der zehn Jungfrauen hatte eine Lampe und, wie jemand mit Humor zufügte, denselben Docht; aber der Inhalt der Gefäße war nicht derselbe. - Doch ist es manchmal nicht leicht zu unterscheiden, umso-mehr es im Fall der zehn Jungfrauen der Dunkelheit wegen ohnehin schwierig war, den Unterschied zu erkennen.

David und Abischai, vom Dunkel der Nacht umhüllt, näherten sich beide mit gleicher Vorsicht dem gemeinsamen Feind. Beider Herz mag geklopft haben zum Zerspringen. Für den einen wie für den andern tauchte Gott das ganze Lager in einewtiefen, übernatürlichen Schlaf. Die Ähnlichkeit der beiden ist sozusagen auf die Spitze getrieben. Jedenfalls verdienen beide den Titel eines Helden.
Wer kann uns den Unterschied zwischen den beiden aufzeigen? Ihre innere Haltung ist es, woran wir erkennen können, wie verschieden eine Sache angepackt werden kann. Abischai sah im Zusammenspiel der Umstande einen Wink, wie man das vorliegende Problem radikal losen könnte Schnell redete er auf David ein: Heute hat Gott deinen Feind in deine Hand ausgeliefert. Auch heute beruft man sich für vieles auf den Namen Gottes. Wie oft hört man: »Der Herr hat mir gesagt...« Dabei weiß jeder, daß er gar nichts gesagt hat. Hier und dort soll der Herr dies und das gesagt haben. Der Name des Herrn hat nicht mehr einmal die Qualität des guten Weines, von dem man wenigstens verlangt, daß das Etikett ihn mit »appellation contröke« (amtlich geprüft) als echt verbürgt. »Der Herr hat mir gesagt« ist zur unkontrollierten Qualität geworden.
Abischai hatte eben keine Kontrolle über sich; denn seht, auf welches Aushängeschild er den Namen des Herrn setzt!
Er brannte vor Ungeduld, der Sache ein Ende zu bereiten Für ihn war Gott der Anlaß zum Toten, doch für David, Gnade walten zu lassen Wie die Junger, die Feuer vom Himmel auf die Samariter beschwören wollten, so wußte auch Abischai nicht, was für ein Geist ihn leitete.
Abischai wollte in eigener Kraft die Entscheidung herbeiführen; David überließ sie Gott. Selten hat die geistliche Gesinnung die fleischliche so hoch überragt wie hier. In einer vollkommen identischen Situation, die jedoch David weit mehr betraf als Abischai, zog David diametral entgegengesetzte Schlüsse. Wohl nahm er Sauls Lanze, doch nicht zum Töten, sondern als Beweisstück, um Saul zur Besinnung zu bringen. Obwohl Saul David mit krankhafter und verbrecherischer Eifersucht verfolgte, behandelte David ihn nicht wie einen Feind Denn David sah in Saul einen Mann, der' wohl auf Abwege geraten war, der aber dennoch zum- Gottesvolk gehörte und die göttliche Salbung empfangen hatte. David erduldete die persönliche Beleidigung und bezeugte durch seine Reaktionen, daß er sich bereits auf neutestament-licher Ebne bewegte. Für ihn galt nicht das alttestamentli-che Auge um Auge, sondern bereits das neutestamentliche Segnet, die euch fluchen. Hier schon verkörperte David ganz besonders denjenigen, der unter dem Namen »Sohn Davids« kam und der in vollkommener Weise »der Mann nach dem Herzen Gottes« war.
Beachten wir jedoch, daß David vorsichtigerweise einen gewissen Abstand zu Saul hielt. Großmut ist nicht mit Naivität gleichzusetzen. David wußte, daß er es mit einem Menschen zu tun hatte, der von einem bösen Geist beherrscht wurde. Saul war so launisch geworden, daß man nie wissen konnte, wann er einen Zornanfall bekam, dem dann auf dem Fuß eine sentimentale Haltung nutzloser Reue folgte. David wußte, daß er zu Saul kein Vertrauen haben konnte; hatte er doch bei anderer Gelegenheit gesagt: Nun werde ich doch eines Tages durch die Hand Sauls umkommen (1 Sam. 27, 1).

@1989 CV Dillenburg