Jona Gottes Barmherzigkeit 8.Jahrh.v.Chr.

12/22/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Wie einfach und klar ist das alles, und doch wie ernst!

Unsere moralische Verderbtheit ist sehr groß, sie reicht bis auf den Grund unseres Seins. Doch zu bestimmten Zeiten verrät sie sich in besonders häßlichen Formen. 

Trotz all der Kenntnis, die wir darüber haben, erschrecken wir dann un­willkürlich und sind bestürzt darüber, daß wir so verderbt sind. Vorrechte von seiten Gottes können sogar dazu dienen, diese Verderbtheit noch stärker ans Licht zu bringen, sie 129 können sie nicht heilen.

Der Hang zur Selbsterhöhung ist uns seit dem Sündenfall angeboren. "Ihr werdet sein wie Gott", dieser Stimme wurde Gehör geschenkt. Dieser Begierde, dieser Neigung, vor an­deren ausgezeichnet zu sein, opfern wir kaltblütig alles, was uns im Wege steht. Wir nehmen dabei keinerlei Rücksicht auf Geschlecht oder Alter, genauso wie wir zu Anfang Gott Selbst gewissermaßen hier für geopfert haben (l. Mo 3).

Wir nehmen die Gaben Gottes und schmücken uns damit. So machte es die Versammlung in Korinth. Statt die Gaben zum Wohl anderer zu gebrauchen, lag den Brüdern mehr daran, diese Gaben zur Schau zu stellen. Doch derjenige, der in ihrer Mitte den Geist Christi hatte, sagte: "Aber in der Ver­sammlung will Ich lieber fünf Worte reden mit meinem Ver­stande, auf daß ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache" (l. Kor 14,19).

Der Jude ‑ der so begünstigte und bevorrechtigte Jude ‑sündigte in gleicher Weise. In Römer 2 wird dieser Jude überführt. Seine Absonderung von den Nationen ging von Gott aus. Doch anstatt das zu einem Zeugnis für die Heilig­keit Gottes inmitten einer rebellischen, beschmutzten Weit zu gebrauchen, benutzte er die Gelegenheit, sich selbst zu erhöhen. Er rühmte sich Gottes und des Gesetzes. Und doch verunehrte er Gott durch Übertretung des Gesetzes.

Jona gehörte zum Volk Israel und außerdem zu den Prophe­ten Gottes. Er war also in doppelter Hinsicht bevorrechtigt. Doch die menschliche Natur war auch in ihm schnell dabei, diese Vorrechte für eigene Vorteile und Zwecke zu nutzen. Aber Jona war auch ein Gläubiger. Doch das allein kann unter dem Druck der Versuchung des Fleisches den Sieg über die alte Natur noch nicht garantieren.

Der Herr sendet ihn als Propheten mit einer Botschaft des Gerichts wider Ninive. Jona aber wußte, als er dieses Wort empfing, daß in dem Herzen Dessen, der ihn sandte*), die Barmherzigkeit überwog. Deshalb vermutete er, daß seine Gerichtsankündigung durch die Gnade, die in Gott über­strömt, beiseite gesetzt werden könnte (Kap. 4, 2).

*) 2. Könige 14 war für Jona der Beweis.

War er darauf vorbereitet? Konnte er als Jude es mit ansehen, daß eine heidnische Stadt so begünstigt und der Barmherzigkeit und Rettung Gottes teilhaftig würde? Konnte er als Prophet es mit ansehen, daß sein Wort nicht eintraf, und das vor den Augen von Unbeschnittenen? Das war zu­viel. Er geht an Bord eines Schiffes, das nach Tarsis unter­wegs war, anstatt den Weg über Land nach Ninive zu neh­men. Wenn wir ihn so an Bord dieses Handelsschiffes auf den Wassern des Mittelmeeres sehen, ist er da nicht treulos in seinem Hochmut, ein zweiter Adam? Er war ein Übertreter wie Adam, ein Übertreter durch Hochmut, wie Adam; und genau wie Adam brachte er das Todesurteil auf sich.

Wie einfach und klar ist das alles, und doch wie ernst!

Das erste, was ein Sünder anerkennen muß, ist die Strafe für seine Sünden. Wir sollten uns nicht durch eigene Bemühun­gen zu rechtfertigen suchen, wenn wir einen falschen Weg gegangen sind. Sonst ergeht es uns wie Israel in Horma (4. Mo 14). 

Das erste, was wir zu tun haben, ist, die Strafe für unsere Sünde anzunehmen, unsere Sünde zu bekennen und uns unter die mächtige und züchtigende Hand Gottes zu beugen (3. Mo 26, 41). David tat das und erhielt das König­reich zurück. Jona tut nun dasselbe.

 "Nehmet mich und wer­fet mich ins Meer", sagte er zu den Seeleuten inmitten des Sturmes, "so wird das Meer sich gegen euch beruhigen; denn ich weiß, daß dieser große Sturm um meinetwillen über euch gekommen ist." Und sie taten es, doch mit einer Scho­nung und Zartheit, die den beschämen mußte, der doch eigentlich über ihnen stand. Das läßt erkennen, daß die Hand Gottes mit ihnen war, wie sie andererseits gegen Jona war. Und Jona wird sogleich vom Meergras um­schlungen und fährt hinab zu den Gründen der Berge.

Hätte sich das heidnische Ninive in einer traurigeren Lage befinden können? War nicht die Beschneidung Jonas wie Unbeschnittenheit? Sowohl Jude als auch Prophet, und dann in den Tiefen des Meeres, das Haupt umschlungen vom Meergras wegen des Mißfallens Jehovas! Jemand, der in solch einem Zustand ist, wird doch wohl aufhören, hoch von sich zu denken und andere zu verachten. Kann jemand noch tiefer gedemütigt werden? Der hochmütige Adam war hin­ter den Bäumen des Gartens, der hochmütige Jona im Her­zen des Meeres.

Jehova hält durchaus nicht für schuldlos den Schuldigen. Der Richter der ganzen Erde tut recht. Doch Gnade bringt Ret­tung, und das bald. Es ist nur die S ü n d e Jonas, die auf dem Meeresgrund zurückbleibt, Jona selbst wird befreit, geradeso wie sein Vorvater Adam seine Schuld und sein Ver­steck hinter sich ließ und in die Gegenwart Gottes zurück­kehrte.

Jona wurde belehrt und auch befreit. In dem Bauch des Fisches wird ihm bewußt, daß, auch wenn er Jude war, er die Rettung Gottes genauso nötig hatte wie jeder Heide. Das unbeschnittene Ninive war in seinen Augen unrein und verachtet gewesen. Er mißgönnte dieser Stadt die Gnade und Barmherzigkeit Gottes. 

Was sollte jetzt ohne diese Barmherzigkeit aus ihm selbst werden? Er war im Ge­fängnis und verdiente es, dort zu sein. Was konnte ihm hel­fen und seine Lage verändern, als nur die freie, völlige und unumschränkte Gnade? Er muß es aussprechen: "Bei Je­hova ist die Rettung." Er wird nun nicht mehr in sich selbst als einem bevorrechtigten Juden oder begabten Propheten frohlocken, sondern in Dem, der allein Rettung bringen kann.

An dieser Stelle erhebt sich die entscheidende Frage, wie wir sie im Neuen Testament gestellt und mit freudigem Tri­umph beantwortet finden: "ist Gott der Gott der Juden allein? nicht auch der Nationen? Ja, auch der Nationen" (Röm 3, 29). 

Unsere Not und Errettungsbedürftigkeit, unsere Abhängigkeit von der Unumschränktheit und der Gnade Gottes stellt uns alle auf die gleiche Stufe. "Dieweil es ein einiger Gott ist, der die Beschneidung aus Glauben und die Vorhaut durch den Glauben rechtfertigen wird" (Röm 3, 29. 30). Der Jude kann Gott nur aufgrund derselben Barm­herzigkeit nahen, die auch die Nationen rettet (Röm 11, 30‑31). Hierin muß Jona Ninive gleich werden.

Das ist die Lektion, die Jona, der Jude, im Bauch des Fisches zu lernen hatte. Mochte Ninive sein, was es wollte, heidnisch und unbeschnitten, ein Fremdling betreffs des Bündnisses Israels oder was auch sonst, es hatte in diesem Augenblick die Rettung von seiten Gottes durchaus nicht nötiger als die­ser begünstigte und bevorrechtigte Jude, der begabte Pro­phet, der seiner Übertretung wegen sich sozusagen in der Hölle befand. 

Es war aus und vorbei mit ihm, es sei denn, daß Gott sich seiner erbarmte. Und das tat Er: Der Fisch warf Jona auf trockenes Land, als er gelernt, bekannt und es aus­gesprochen hatte: "Bei Jehova ist die Rettung." Für die Bewohner Ninives war er ein Zeichen.

Das Volk Israel wird noch die gleiche Lektion lernen müssen. Kein Zeichen ist ihnen jetzt gegeben als nur das Zeichen dieses Propheten: und sie werden erkennen müssen wie aus dem Bauche der Hölle oder unter dem Gericht Gottes (wo sie sich als Nation jetzt befinden) ‑, daß die Gnade und die von ihr bewirkte Erlösung ihr einziger Platz und ihre einzige Zuflucht ist.

Wir wissen, daß die Quelle dieser Errettung Gottes, an der Jona sich zu erfreuen berufen war, in dem Geheimnis des Kreuzes liegt, weil Einer, der dazu in der Lage war, sich für uns Sünder unter die Herrschaft des Todes begab, unter das Gericht der Sünde. Von Ihm in diesen Umständen ‑ drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde ‑, ist Jona selbst ein Vorbild, indem er die gleiche Zeit im Bauch des Fisches zubrachte.

Wenn wir daran denken, können wir sagen, daß die Schrift ihren Dienst genauso ehrt, wie der Apostel der Nationen den seinen (Röm 11, 13). Sie soll Gott und Seine Ratschlüsse offenbaren; und zweifellos tut sie dies in wunderbarer und fruchtbringender Weise, indem sie, wie hier, zu unserer Un­terweisung Teile der Geschichte vorstellt und doch zur glei­chen Zeit durch diese Geschichte Beispiele, Verheißungen und Schatten weiterer und reicherer Geheimnisse voraus­wirft, die uns eine umfangreichere Belehrung vermitteln.

Die Evangelien zeigen uns, daß Jona ein treffendes Zeichen sowohl von dem Herrn Selbst als auch von dem Volk Israel ist. Israel muß durch Tod und Auferstehung gehen. Ihre Mis­setat wird nicht vergeben werden, bis sie sterben (Jes22,14).

Die gesamte Schrift bestätigt das. Das Tal der Totengebeine ist ein Bild davon. Doch sie werden wie ein auferstandenes Volk sein, wenn der Tag des Königreiches anbricht ‑ hierfür und für jeden Segen gebührt aller Dank und aller Lobpreis dem gestorbenen und auferstandenen Sohn Gottes! Und Jonas Tod und Auferstehung, ich möchte es wiederholen, sind bezeichnenderweise ein Abbild von der Geschichte sei­nes Volkes und auch von der Geschichte seines Retters (siehe Mt 12, 40; Lk 11, 29‑30).*) *) 

Jonas Sünde war der Ausdruck der Sünde des Volkes. Sowohl er als auch das Volk haben in gleicher Weise den Gedanken an Barmherzigkeit gegenüber den Nationen zurückgewiesen (l. Thess 2, 16). Als Paulus begann, von der Barmherzigkeit Gottes den Nationen gegenüber zu sprechen, wollten die Ju­den ihm nicht länger zuhören (Apg 22, 21‑22).

Die Geschichte dieses Propheten ist wirklich sehr lehrreich. So echt, wie dieser Bericht ist, so bedeutungsvoll ist er als Gleichnis. Und wir alle, die Auserwählten Gottes so gut wie Israel, dürfen auf unsere Weise mit ihm unseren Platz ein­nehmen als gestorben und auferstanden. Das muß uns als gerettete Sünder kennzeichnen.

Wir kehren zu der Geschichte selbst zurück und sehen, daß Jona als einer, der gerade darüber belehrt worden war, daß er die Gnade nötig hatte, zum zweitenmal nach Ninive ge­sandt wird. Er geht und betritt diese große Stadt mit Worten des Gerichts auf seinen Lippen. Diese Stadt Nimrods verkör­perte zu jener Zeit den ganzen Hochmut und die Anmaßung einer Weit, die sich auflehnt. "Noch vierzig Tage," ruft er als Bote aus, "so ist Ninive umgekehrt!"

So "trauerte" er. Es war sein Auftrag. Doch als Antwort dar­auf "trauerte" Ninive zutiefst: Der König stand von seinem Thron auf, und das ganze Volk kleidete sich in Sacktuch. Und in einem solchen Zustand, gedemütigt unter die Hand Gottes, findet ein König von Ninive Jehova so, wie ein König von Israel Ihn vorher gefunden hatte. 

"Ich sagte", so spricht David, "ich will Jehova meine Übertretungen bekennen; und du, du hast vergeben die Ungerechtigkeit meiner Sünde" (Ps 32, 5). "Wer weiß", sagt dieser heidnische König, "Gott möchte sich wenden und es sich geräuen lassen, und um­kehren von der Glut seines Zornes, daß wir nicht umkommen." Und so geschah es auch. "Gott ließ sich des Übels gereuen, wovon er geredet hatte, daß er es ihnen tun wolle, und tat es nicht."

"Ist Gott der Gott der Juden allein? nicht auch der Natio­nen?" frage ich wiederum mit dem Apostel (Röm 3, 29). Und ich antworte zum zweitenmal mit ihm: "Ja, auch der Natio­nen." Die Gnade ist göttlich. Eine Regierung mag ihr Volk kennen und für Ordnung sorgen; doch die Gnade kennt Sün­der, geradeso wie sie sind, um wen auch immer es sich handeln mag. Die Erde trifft ihre Vorkehrungen, doch der Himmel ist souverän. Ninive, wie zu einem früheren Zeit­punkt Jerusalem, wird verschont. Der Hand des verderben­den Engels wird über der einen sowohl als der anderen Stadt Einhalt geboten (l. Chr 21; Jona 3).

Doch "berichtet es nicht in Gath" (Micha 1, 10). Die Töchter der Philister sollen nichts erfahren von dem Juden Jona in Kapitel 4.

Ging Lot nicht ein zweites Mal nach Sodom? Sündigte His­kia nicht im Hochmut, als die Gesandten von Babel kamen, nachdem er es erlebt hatte, daß der Schatten des Sonnen­zeigers rückwärts gegangen war? Ging Josia nicht, nachdem er sich gedemütigt hatte und sein Herz weich geworden war, eigenwillig in die Schlacht gegen den König von Ägypten? Verleugnete Petrus nicht seinen Herrn, obwohl der Herr ihn gewarnt hatte? 

Haben nicht auch wir, Geliebte, du und ich, bereits gelernte Lektionen und erduldete Züchtigun­gen vergessen? Sollte nicht auch Jona in diesem Augen­blick den Bauch des Fisches vergessen können? Das Wun­der verblaßt schnell; eine so deutliche, eindringliche, so tief eingeprägte Lektion, und doch so schnell der Seele entschwunden!

Jona ist ungehalten. Ein Heide war dem Gott des Himmels und der Erde wichtig geworden, und das durch die Gnade, die Ninive zuteil geworden war. Das war zuviel für den Ju­den. Dem Wort eines Propheten war ‑ aus der Sicht des Hochmutes ‑ von der Hand des Gottes der Barmherzigkeit Unrecht getan worden. Jona war sehr zornig. 

Er kann nun nicht gerade wieder ein Schiff nehmen und nach Tarsis fahren; doch in der Gesinnung dessen, der dies erst kürzlich getan hatte, geht er jetzt aus der Stadt heraus mit den Wor­ten: "Ach Jehova! war das nicht mein Wort, als ich noch in meinem Lande war? Darum kam ich zuvor, indem ich nach Tarsis entfloh; denn ich wußte, daß du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, und der sich des Übels gereuen läßt. Und nun, Jehova, nimm doch meine Seele von mir; denn es ist besser, daß ich sterbe, als daß ich lebe" (Kap. 4, 2‑3). 

Was für eine Ungezogenheit des Herzens war das doch! Stand er nicht im Begriff, sich selbst aufs neue einen Bauch des Fisches zu bereiten? Er hatte ihn verdient. Welche Schwierigkeiten machen wir uns doch oft selbst! Warum blieb Lot nicht in dem heiligen, friedvollen Zelt Abrahams? Und warum bereitete er sich selbst einen ersten und zwei­ten Feuerofen in Sodom? 

Warum brachte David ein Schwert über sein Haus, das nach dem Befehl Jehovas bis zu dem Tag seines Todes nicht davon wich? "Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht mit der Welt verurteilt werden" (l. Kor 11, 31‑32). "Die Stimme Jehovas ruft der Stadt" (Micha 6, 9), und der Mann der Weisheit soll hören; aber Jona war taub. 

Er hat die Lektion von dem Bauch des Fisches vergessen, und nun muß er die Lektion von dem verdorrten Wunder­baum lernen. Außerhalb der Stadt baut Jona sich eine Hütte, um darunter sitzen zu können ‑ mit seinem Mißmut und seinem Ärger über Gott. Jehova Gott bestellt dann einen Wunderbaum, um Jona in seiner Hütte Schatten zu spenden. Jona freut sich sehr über diesen Wunderbaum. Doch dann bestellt Gott einen Wurm, der den Baum sticht, so daß er verdorrt. 

Als dann die Sonne und der schwüle Ostwind Jona zusetzen, ist er schwer erzürnt und möchte sterben. Gott benutzt dann in Seiner wunderbaren Güte all diese natürlichen Umstände für eine tiefe und ergreifende Beleh­rung: "Und Gott sprach zu Jona: Ist es recht, daß du wegen des Wunderbaumes zürnest? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis zum Tode! Und Jehova sprach: 

Du erbarmst dich des Wunderbaumes, um welchen du dich nicht gemüht und den du nicht großgezogen hast, der als Sohn e i n e r Nacht ent­stand und als Sohn e i n e r Nacht zu Grunde ging; und ich sollte mich Ninives, der großen Stadt, nicht erbarmen, in wel­cher mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht zu unterscheiden wissen zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?" (Kap. 4, 9‑11)

Die Freude des Propheten an dem Wunderbaum ist nur das schwache Abbild von der Freude Gottes an der Barmherzig­keit, die Er für die Geschöpfe Seiner Hand hat ‑ wer auch immer sie sein mögen ‑ ob in Ninive, in Jerusalem, oder wo auch immer, das spielt keine Rolle. Und wenn Jona den Wunderbaum gern verschont gehabt hätte, so mußte er dem bußfertigen Ninive auch zugestehen, verschont zu bleiben. Aus seinem eigenen Mund wird er gerichtet: Jona muß für Jehova und gegen sich selbst zeugen.

Es ist wirklich ein kostbares und erhabenes Wort. Jona war in die Tiefe hinabgesandt worden, um die Gnade Gottes in einem ihrer Charakterzüge kennenzulernen, und nun hat er einen weiteren Charakterzug dieser Gnade kennengelernt, das eine Mal, daß er selbst diese Gnade nötig hat, das an­dere Mal, weiche Freude Gott daran findet, Gnade zu üben. 

Der Bauch des Fisches, der Bauch der Hölle, wo er gewesen war, hatte ihn gelehrt, daß er der "Errettung" bedurfte, einer Errettung, die in ihrer Unumschränktheit, in ihrer herrlichen Höhe und in ihrer Tiefe gleichsam vom Thron der Macht in den höchsten Himmeln bis zum tiefsten Meeresgrund hinab­reichen konnte, um dort einen Gefangenen, der sich unter dem gerechten Gericht Gottes befand, zu befreien. 

Der ver­dorrte Wunderbaum belehrt ihn nun darüber (so wie die Gleichnisse in Lukas 15 uns belehrt haben), wie der gnaden­reiche Herr, der Schöpfer der Enden der Erde, der Herr des Viehs auf tausend Bergen, sei es nun in Assyrien oder in Judäa, Freude an Seinen Geschöpfen hat, den Werken Sei­ner Hände, und wie Er Seine Ruhe und Erquickung findet in der Barmherzigkeit, die sie verschont, wenn sie Buße tun und zu Ihm umkehren.

Jona, Der Prophet Jona (Bibel Seite 961)

01/31/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Jona, Der Prophet   

 Die Bosheit Ninives hatte einen erschreckenden Höhepunkt erreicht. Dennoch sandte Gott, der nicht den Tod des Gottlosen will, sondern daß dieser sich bekehre und lebe, den Propheten  Jona hin, um wider die Stadt zu predigen (Kap 1, 1. 2).

Die Langmut, das Erbarmen Gottes, ist über die Maßen groß und  wunderbar. „Ein Augenblick ist in seinem Zorn, ein Leben in  seiner Huld" (Ps 30, 5).  Auch heute noch handelt Er der boshaften Welt gegenüber in unendlicher Gnade. Immer noch macht Er den Sünder auf sein Verderben aufmerksam, in dem er sich befindet. „Siehe jetzt  ist die Zeit der Annehmung; siehe, jetzt ist der Tag des Heils". Noch heute ergeht die frohe Botschaft an die Welt: „Laßt euch  versöhnen mit Gott"! — Sicher wird der Tag des Gerichts nicht  ausbleiben: weil Gott „einen Tag gesetzt hat, an welchem er  den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat" (Apg 17, 31). Niemand wird entrinnen können.

 Ach! zu viele gehen dem Tag des Zorns Gottes in Gleichgültigkeit und Leichtfertigkeit entgegen; wenn sie sagen werden: „Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben über sie; und sie werden nicht entfliehen"  (1. Thes 5, 3). Doch jetzt ist der Herr langmütig, „da er nicht will, daß irgend welche verloren gehen, sondern daß alle zur Buße kommen" (2. Petr 3, 9).  

 Das ist die Ursache, warum Er Jona den Auftrag gibt, in die große Stadt Ninive zu gehen und wider sie zu predigen. Aber Jona teilt die Gefühle der Gnade und der Barmherzigkeit Seines  99  Herrn nicht; er ist kein gehorsamer Diener; er folgt lieber seinem eigenen Willen. Wohl kannte er seinen Herrn, er wußte daß Er „ein gnädiger und barmherziger Gott, langsam zum  Zorn und von großer Güte" war; aber statt Gefallen an Seinen  Wegen zu haben, weigerte er sich, nach Ninive zu gehen, vielmehr trachtete er nach Tarsis zu entfliehen. Weigern nicht auch wir uns oft aus demselben oder aus irgendeinem anderen Grunde, die Wege des Herrn zu gehen und Seinem Willen zu gehorchen?

 Ach — gestehen wir es nur, häufig will das Herz eines Kindes oder auch eines Dieners Gottes seine eigenen Pfade einschlagen und verfolgen, gleich unserem Propheten, der sich aufmachte, um nach Tarsis zu entfliehen, von dem Angesichte Jehovas hinweg (Kap. 1, 3).  Welch ein trauriger Anblick, einen Knecht des lebendigen Gottes von dem Angesicht seines Herrn hinweg fliehen zu sehen! Wie macht doch der Ungehorsam so blind, so töricht!  Als der Mensch gefallen war, zeigte er dieselbe Blindheit und Torheit. „Und sie hörten die Stimme Jehovas Gottes, der im Garten wandelte bei der Kühle des Tages. Und der Mensch  und sein Weib versteckten sich vor dem Angesicht Jehovas Gottes mitten unter die Bäume des Gartens" (1. Mo 3, 8). 

„Aber kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben" (Hebr 4, 13). Sein Auge schaut weiter, als das  Auge des kurzsichtigen Menschen; denn: „Führe ich auf zum Himmel, du bist da. Nähme ich Flügel der Morgenröte, ließe ich mich nieder am äußersten Ende des Meeres, auch daselbst würde deine Hand mich leiten und deine Rechte mich fassen" (Ps 139, 5—1o). 

Was aber wären die Folgen dieses Ungehorsams, wenn nicht der Herr den widerstrebenden Diener auf dessen eigenen Wegen aufhielte? Ihm, Der das Meer und das Trockene machte,  steht alles zu Gebote. „Da warf Jehova einen heftigen Wind auf das Meer" (V. 4). Wunderbare Weisheit Gottes, in welcher Er Sich Seiner Macht bedient, um einen Menschen, eins Seiner  Kinder, in seinem Lauf aufzuhalten und zum Nachdenken zu bringen. Lieber Leser! Hast du nicht auch schon Gelegenheit gehabt, die Stimme des Herrn in irgendeinem Ereignis zu ver100  nehmen, womit Er dich oder die Deinigen heimsucht?

Hiskia, von einer Krankheit befallen, „wandte sein Angesicht zur Wand und betete zu Jehova" (2. Kö 20, 2). Er erkannte, daß der Herr ihm etwas zu sagen hatte. Wie nützlich ist es, wenn  der Mensch auf die Stimme Gottes achtet; „denn die Furcht Jehovas ist der Weisheit Anfang" (Spr 9, 10). Auch die Seeleute, obwohl sie Heiden waren, erkannten die Sprache Gottes;  sie bemerkten sofort, daß es ein außergewöhnlicher, unerwarteter Sturm war, der das Meer bis in seine Tiefen aufwühlte.  Wer in diesem oder jenem Geschehen einen Zufall sieht, obwohl er die Stimme Gottes hätte erkennen können, sollte nicht blinder, nicht empfindungsloser sein, als diese Seeleute; „sie  fürchteten sich und schrieen, ein jeglicher zu seinem Gott" (V. 5).  

 Die Macht Gottes wirkte nachhaltig auf das Gewissen dieser Menschen, die, obwohl sie den wahren Gott nicht kannten, doch fühlten, daß das armselige Geschöpf aus Staub gar nichts  jenem Wesen gegenüber ist, welches in diesem Augenblick Seine Macht kundtat. Nur Jona „war in tiefen Schlaf gesunken" (V. 5). Jemehr das Herz in den eigenen Wegen verstrickt  ist, desto empfindungsloser ist das Gewissen. Während der Sturm tobt, das Meer wütet, befindet sich Jona im unteren Schiffsraum und schläft, als ob ihn seine eigenen Wege, sein  Ungehorsam gegen Gott überhaupt nicht beunruhige. Er gehörte zwar dem auserwählten, geliebten Volke Gottes an, so daß er sagen konnte:

„Ich bin ein Hebräer, und ich fürchte den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat" (V.a); aber sein Herz war nicht in Gemeinschaft mit diesem Gott. Deshalb hatten die Seeleute mehr Ehrfurcht, als er; sie standen unter dem Eindruck, daß der Gott der Hebräer  ein mächtiger Gott sei und sie zu verderben vermöge, und sie riefen aus: „Ach Jehova! laß uns doch nicht umkommen um der Seele dieses Mannes willen, und lege nicht unschuldiges  Blut auf uns; denn du, Jehova, hast es getan, wie es dir gefallen hat" (V. 14). 

Wie beschämend für Jona, solche Worte von den Heiden hören zu müssen! Wieviel beschämender aber für Christen, wenn sie Gott nicht kennen! Der Apostel mußte den Korinthern schreiben: „Werdet rechtschaffen nüchtern und sündiget nicht; denn etliche sind in Unwissenheit über Gott; zur Beschämung sage ich es euch" (1. Kor 15, 34). 

101  Aber wie treu und gnädig ist der Herr! Seine Absichten über die Stadt Ninive gibt Er nicht auf, und Jona soll — ihm und uns zur Lehre — dazu als Werkzeug dienen. Kaum war der Prophet ins Meer geworfen, so „ließ das Meer ab von seinem Wüten" (V. 15). Den Zweck, den widerstrebenden Diener aufzuhalten, hatte Jehova erreicht; darum war der große Meeressturm nicht mehr nötig. Aber Er hatte, wie bereits bemerkt,  noch einen anderen Zweck und alle Mittel stehen Ihm zu Gebote.

 „Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu flammendem Feuer" (Ps 104, 4). Ihm ist nichts zu groß, aber  auch nichts zu klein, wenn Er Seine Absichten ausführen will, und wir wissen, daß Seine Absichten mit den Seinen auf Liebe und Gnade gegründet sind. Alles muß Ihm dienen; alle Umstände gestaltet Er mit mächtigem Arm. Schon hatte Er „einen großen Fisch bestellt, um Jona zu verschlingen" (Kap 2, 1). Wie anbetungswürdig ist Gott in Seiner Weisheit, in Seiner Güte,  in Seinen Führungen! Wie lächerlich ist dagegen die Torheit  des Menschen, diese Weisheit und Macht Gottes in den Beurteilungskreis einer winzigen Vernunft herabziehen oder alles einem gewissen „Zufall" zuschreiben zu wollen! 

Es scheint, als  ob Jona nun im Bauche des Fisches zur Einsicht komme; denn er demütigt sich und fängt an, zu Jehova, seinem Gott, zu beten; aber wie sich bald zeigen wird, ist diese Einsicht nur  von vorübergehender Dauer. Wie oft müssen doch selbst Kinder Gottes durch Züchtigung, ja durch Gerichte gehen, ehe sie ihre wahre Stellung der Abhängigkeit vor Gott einnehmen und  demgemäß wandeln. Auch Petrus mußte die völlige Kraftlosigkeit des Fleisches durch Demütigung erkennen lernen. O wie gern würde unser Gott uns solche Erfahrungen ersparen;  aber sie sind nötig, weil wir uns leider nur zu oft als ungehorsame Kinder betragen und „wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?

Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, welcher alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr denn Bastarde und nicht Söhne" (Hebr 12, 7. 8). 

Jona demütigt sich also, und es ist rührend, in seinem Gebet wahrzunehmen, welche geziemende Haltung er Gott gegenüber einnimmt. Wo wahre Demut vorhanden ist, entwickelt sich  Zutrauen und Zuversicht zu Gott. „Ich rief aus meiner Bedrängnis zu Jehova, und er antwortete mir; ich schrie aus dem  102  Schöße des Scheols, du hörtest meine Stimme" (V. 3). So finden sich auf der einen Seite das vollkommene Bekenntnis des Elends und der wohlverdienten Züchtigung, und auf der  anderen Seite das in den Herrn gesetzte Vertrauen, daß Er ihn retten werde. „Und ich sprach: Ich bin verstoßen aus deinen Augen; dennoch werde ich wieder hinschauen nach deinem  heiligen Tempel" (V. 5). 

Die Frucht hiervon ist das Lob: „Ich werde dir opfern mit der Stimme des Lobes; was ich gelobt habe, werde ich bezahlen. Bei Jehova ist die Rettung" (V. 10).  Dieses Gebet zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit der Sprache eines großen Teiles der Psalmen. Und besonders der Psalmen, insoweit sie sich mit dem leidenden Überrest Israels befassen,  wie er, unter dem Gericht Gottes stehend, seine Sünden bekennt, aber auch seine Zuversicht zu Gott ausspricht. Vor allem liefern uns die beiden ersten Teile dieser Psalmen zahlreiche  Beispiele (Vgl. Ps 18, 4. 5. 22; 30; 53; 57; 6g).

Aber gerade dort finden wir den leidenden Messias in Verbindung mit Israel, und es ist sehr beachtlich, wie der Herr Jesus angesichts der Ihn verwerfenden Juden auf Jona hinweist, indem Er sagt: „Denn gleichwie Jonas drei Tage und drei Nächte in dem Bauche des großen Fisches war, also wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde  sein" (Mt 12, 40). Die Juden stießen das Heil, das in der Person Jesu unter ihnen war, von sich; aus diesem Grund wurde es nun den Nationen verkündigt, und das geschah nach dem Tode und  der Auferstehung Jesu.

 Es wird hierzu auf Johannes 12 verwiesen, wo die Griechen Jesum zu sehen wünschten. Der Herr beantwortet dieses Begehren mit den Worten: „Wenn das  Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht" (Joh 12, 24). Der Tod Jesu beseitigte alle Schranken; und Seine Erhöhung ans  Kreuz machte es möglich, daß alle — nicht nur die Juden, sondern auch die Nationen — zu Ihm gezogen wurden (Joh 12, 32. 33).

„Denn durch Ihn haben wir beide (Juden und Nationen) Zugang durch einen Geist zu dem Vater" (Eph 2, 18). Durch den Tod Jesu wurde nicht nur die Sünde hinweggetan,  sondern auch der Vorhang zerrissen und der Weg zu Gott gebahnt; und bezeichnenderweise war es ein heidnischer Hauptmann, der als erster nach dem Tode Jesu das Zeugnis ablegte: „Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn". Zudem gab der Herr  Seinen Jüngern nach Seiner Auferstehung den Befehl: „Gehet  hin und machet alle Nationen zu Jüngern" (Mt 28, 19). Auch sprach Er: „Also steht geschrieben, und also mußte der Christus leiden und am dritten Tage auferstehen aus den Toten,  und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden allen Nationen, anfangend von Jerusalem" (Lk 24, 46. 47). 

 So ist Jona in dieser Beziehung ein bemerkenswertes Vorbild von dem Herrn, und zwar gerade dort, wo er, durch die dazwischentretende Gnade in seinem eigenen Wege aufgehalten,  das Gericht, aber auch die Rettung Jehovas erfahren durfte.  Jetzt, nachdem der Fisch ihn ans Land gespien hat, zeigt er sich nach wiederholtem Befehl Jehovas willig, in Ninive zu predigen. „Da machte sich Jona auf und ging nach Ninive nach  dem Worte Jehovas" (Kap 3.. 3), und rief dort aus: „Noch vierzig Tage, so ist Ninive umgekehrt" (V. 4). Wie gewaltig war die Wirkung dieses Ausrufs! „Die Leute von Ninive glaubten Gott", und sie demütigten sich „von ihrem Größten bis zu ihrem Kleinsten", vom König bis zu den geringsten Untertanen; ja selbst die Tiere mußten die Zeichen der Demütigung  und der Trauer zur Schau tragen (V. 5—8). 

Wie ernst, wie eindringlich, wie bezeichnend waren die Worte des Herrn Jesu, als Er Seinem Volke die Wirkung der Predigt Jonas vorhalten mußte; denn mehr als Jona war unter ihnen,  und dennoch taten sie keine Buße (Mt 12, 41)! Ja wirklich, mehr als Jona war in der Mitte des Volkes, Gott Selbst, Jehova, befand Sich in Israel. Welch eine Heimsuchung! Wie ernst, von  Ihm Selbst zur Buße aufgefordert zu werden! Wir verstehen einigermaßen die unter Tränen ausgerufenen Worte des Herrn:  „Wenn auch du erkannt hättest, und selbst an diesem deinen Tage, was zu deinem Frieden dient! Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen" (Lk 19, 42). „Wie oft habe ich deine Kinder  versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt (Mt 23, 37).  Die Bewohner von Ninive bekehrten sich von ihren bösen Wegen „und Gott ließ sich des Übels gereuen, wovon er geredet hatte, daß er es ihnen tun wolle, und er tat es nicht"  (V. 10).

Mein teurer Leser! Solltest auch Du um die Rettung  deiner Seele bekümmert sein, aber ohne die Gewißheit der Vergebung deiner Sünden deinen Weg fortsetzen, weil du an  dem Erbarmen Gottes für dich zweifelst und nicht wagst, Ihm it Zutrauen zu nahen — siehe hier das Erbarmen Gottes  gegen die große Stadt Ninive! Sollte Er nicht auch gegen dich  barmherzig sein, da Er Seinen vielgeliebten Sohn für verlorene Sünder — gerade solche, wie du einer bist — hingegeben hat?  

 Fasse doch Zutrauen zu Ihm, der Sein Liebstes für dich in den Tod gab. „Das Wort ist gewiß und aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten"  (i. Tim l, 15). Und wenn du kommst, gerade so wie du bist, so wird dein Glaube die Erfahrung machen, daß das Wort Gottes Wahrheit ist, und mit allen Miterlösten wirst du die  Gnade Gottes in Christo Jesu rühmen können. „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überschwenglicher geworden" (Röm 5, 20). 

Wie das Wort des  barmherzigen Gottes an Jona erging, daß er wider Ninive zeugen sollte, so ist es auch jetzt noch die Gnade, welche dem Menschen sein Elend, sein Verderben, aber auch die Vollgültigkeit des Opfers Christi offenbart.  Die Gnade führt von bösen Wegen den Sünder, den verlornen, aus, die Liebe eilt ihm froh entgegen, als kam der einz'ge Sohn nach Haus. Die Leute zu Ninive verachteten das Wort Gottes nicht, sie vermischten vielmehr das Wort mit dem Glauben, und darum nützte es ihnen. Sie machten es nicht wie jene, die wegen ihres Unglaubens nicht in Seine Ruhe eingehen konnten (Hebr 3.  18—4, 4), und wie leider viele unter denen, die sich Christen nennen und dem Gericht entgegeneilen (Jud 3—19)! O möchten doch noch viele gleich den Niniviten ihr Ohr öffnen, ehe es zu spät ist! 

Doch welch eine Wirkung übte die Buße so vieler Sünder aufdas Herz des Propheten aus? Freute er sich, wie sich die Ergel Gottes freuen über einen Sünder, der Buße tut? Keineswegs.  Wie schrecklich ist doch die Härte eines selbstsüchtigen Herzens! „Und es verdroß Jona sehr, und er wurde zornig" (Kap 4, 1). Die Erfahrung seiner Rettung aus dem Bauche des Fisches ist vergessen; er ist sogar trotzig geworden. Der arme Mann fühlt sich tief gekränkt, daß seine Drohungen nicht erfüllt  worden sind.

 Er hat eine hohe Meinung von sich selbst; und darum sieht er seine Ehre, sein Ansehen angetastet; und das tut ihm weh. Beachten wir es wohl, daß selbst so wunderbare  Erfahrungen ihre Wirkung auf das Herz des Menschen verfehlen, wenn die Gemeinschaft mit Gott vernachlässigt worden ist. Nur in dieser Gemeinschaft hat das Fleisch keinen Raum;  dort gilt es, die Schuhe auszuziehen und das „Ich" im Tode zu halten und nur wo dieses „Töten der Glieder" stattfindet, kann Gemeinschaft mit Gott und Genuß der Freude sein. Das fehlte  bei Jona. Wohl war er vom Tode gerettet, gleichsam gestorben und auferstanden; aber er wandte das nicht praktisch auf sich an.

Der Apostel ermahnt die Christen: „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt seid, so suchet, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott . . . Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind" (Kol 3, 1—3). Wo dieses Gestorbensein nicht verwirklicht wird, wo diese Beschneidung nicht praktisch im Wandel angewendet wird, da kann keine Gemeinschaft mit Gott existieren, und die noch so mächtigen Erfahrungen der Hilfe und des Segens Gottes lassen das Herz unberührt. Das aber ist nicht so selten, wie man vielleicht denkt. Betrachten wir einen Augenblick Josua! Er ging mit Israel durch den Jordan; die Mauern Jerichos fielen vor seinen Augen, und alles schien gut zu gehen. Aber wie kam es, daß er angesichts des Mißgeschicks bei Ai, der kleinen Stadt, so verzagt war?

Ach! er hatte vergessen, vorher nach Gilgal, dem Ort der Beschneidung zu gehen. Anstatt daß die  Erfahrung der Macht Jehovas bei Jericho das Herz Josuas und des Volkes in Demut erhalten hätte, vertrauten sie auf ihre eigene Kraft und mußten die traurigen Früchte davon genießen.  „Ach Herr, Jehova! warum hast du denn dieses Volk über den Jordan ziehen lassen, um uns in die Hand der Amoriter zu geben, um uns zugrunde zu richten? O hätten wir es uns doch gefallen lassen und wären jenseits des Jordans geblieben! Bitte, Herr, was soll ich sagen, nachdem Israel vor seinen Feinden den Rücken gekehrt hat" (Jos 7,7—9). Es war Sünde unter ihnen, und bevor diese nicht gerichtet war, konnte Gott nicht mit dem Volke sein. Selbst bei den Jüngern des Herrn sehen wir die Härte des Herzens bei allen Erfahrungen der Macht Gottes.

Vor ihren Augen hatte der Herr 5000 Männer mit fünf Broten und zwei Fischen gespeist. Obwohl sie so Zeugen der Macht ihres Herrn und Meisters wurden, waren ihre Herzen doch unverständig  geblieben; denn sobald der Wind ihnen entgegen war, zeigten sie sich voller Furcht, hatten alles vergessen (Mk 6, 30—52). So erinnerte sich auch Jonas nicht mehr an die Errettung aus dem  Bauche des Fisches; er zeigte sich sehr erzürnt und erkühnt sich, dem Herrn vorzuhalten: „Ach, Jehova! war das nicht mein Wort, als ich noch in meinem Lande war? Darum kam  ich dir zuvor, indem ich nach Tarsis entfloh; denn ich wußte, daß du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, und der sich des Übels gereuen läßt.  Und nun, Jehova, nimm doch meine Seele von mir; denn es ist besser, daß ich sterbe, als daß ich lebe" (V. 2. 3). Wie niederträchtig ist doch das arme Herz des Menschen, wenn es an  seiner Ehre angegriffen wird, und — und wir haben kein anderes! Ach! selbst bei bevorzugten Dienern Gottes wie Elias begegnen wir diesem Zuge des trotzigen und verzagten Herzens. 

Nachdem er in der Kraft Gottes Großes vollbracht hatte, floh er vor Isabel „um seiner Seele willen". Darum mußte ihm der Herr zeigen, daß Er außer ihm noch viele Werkzeuge besitze. „Gehe,  kehre zurück deines Weges nach der Wüste von Damaskus, und gehe hinein und salbe Hasael zum König über Syrien. Und Jehu, den Sohn Nimsis, sollst du zum König über Israel salben,  und Elisa, den Sohn Saphats, von Abel-Mehola, sollst du zum Propheten salben an deiner Statt . . . Aber ich habe in Israel siebentausend übrig gelassen, alle die Kniee, die sich nicht vor  dem Baal gebeugt haben, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat" (1. Kö 19, 15 - 10). 

Wie niederdrückend, wenn Kinder Gottes, das arme Herz — das „Ich" — in den Vordergrund stellen. Wenn es nicht nach unserem Wunsche geht, wenn nicht eintrifft, was wir voraussagten — ach! wie niedergeschlagen fühlen wir uns dann! Wie bald sind unsere Geduld, unsere Langmut, unsere Liebe der Welt oder anderen Kindern Gottes gegenüber oft in kleinen Dingen erschöpft! Der Herr gebe es, daß wir, die wir mit Recht das Benehmen Jonas verurteilen, auch uns selbst im Lichte Gottes richten!  Doch der Herr ist nicht nur der Welt gegenüber voll Langmut, sondern Er behandelt und belehrt auch die Seinigen mit unendlicher Geduld und Treue.

 „Und Jehova, Gott, bestellte einen  Wunderbaum und ließ ihn über Jona emporwachsen, damit Schatten über seinem Haupte wäre, um ihn von seinem Mißmut zu befreien, und Jona freute sich über den Wunderbaum  mit großer Freude" (V. 6). Es ist das selbstsüchtige Herz Jonas, das sich freut, wenn es Ihm selbst wohlgeht, das aber mit Verdruß erfüllt ist, wenn eine große Stadt mit „mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen und „vielem Vieh" (V. 10), vor dem Untergang bewahrt bleibt.

Diese Selbstsucht muß der  Herr strafen und deshalb „bestellte er einen Wurm . . ., dieser  stach den Wunderbaum, daß er verdorrte" (V. 7). Gott bedient Sich nicht nur großer Erscheinungen, wie des Sturmes und des Fisches; sondern Er weiß sogar einen kleinen Wurm in Seinen  Dienst zu stellen. Es ist für uns ein großer Trost zu wissen, daß nichts von ungefähr kommt, daß selbst die Haare auf dem Haupte alle gezählt sind und daß kein Sperling auf die Erde  fällt ohne den Willen des Vaters. Wir dürfen alles aus der guten Hand unseres Gottes und Vaters annehmen; denn Er leitet alles, und zwar zu unserem Besten. „Wir wissen aber, daß  denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind" (Röm 8, 28). 

Doch Jona versteht die Absicht, den Endzweck des Herrn nicht, denn als Gott einen schwülen Ostwind bestellte und die Sonne Jona aufs Haupt stach, ermattete er und wünschte sich den Tod.  „Es ist besser zu sterben, als daß ich lebe" (V. 8). Kaum sollte man es glauben, daß ein Diener so mit dem Herrn reden dürfte, ohne sofort bestraft zu werden. Denn Jona zürnt nicht nur,  nein, er erkühnt sich sogar zu sagen: „Mit Recht zürne ich bis zum Tode" (V. 9). Welche Herablassung Gottes! welche Größe an Langmut, an unendlicher, nie zu erschöpfender Liebe! Er  belehrt den murrenden Propheten, daß, wenn Jona sich des Wunderbaumes erbarme, um welchen er sich doch nicht gemüht habe,

Er Gott Sich vielmehr über die große Stadt Ninive erbarmen müsse, in welcher mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen seien, die zwischen ihrer Rechten und ihrer  Linken nicht zu unterscheiden vermochten, und viel Vieh! O wie unendlich reich ist die Gnade Gottes! In ihrer Vollkommenheit wird sie in Jesu geschaut. Obwohl Israel Seine Knechte  und Propheten verachtet, mißhandelt und getötet hatte, sandte Er ihnen dennoch Seinen eigenen vielgeliebten Sohn. Und mit welcher Sorgfalt und unermüdlicher Liebe suchte Jesus die verirrten Schafe Israels? Ja, in der Tat, Jesus konnte und durfte sagen: „Hier ist mehr als Jona". Wie pflegte und bedüngte Er den Feigenbaum Israels, um Frucht zu gewinnen! Er wurde niemals müde, das hilflose Volk durch Lockungen der Gnade zu Sich zu ziehen. Aber sie verwarfen Ihn. Und noch am Kreuze flehte Er: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun".

Jetzt, sollte man glauben, sei so viel Gnade angeboten worden, daß das Gericht folgen müsse. Aber nein, nach Seiner Auferstehung läßt Er, „anfangend von Jerusalem", Buße und  Vergebung der Sünden verkündigen. Und erst nachdem sie auch das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen haben, tritt etwa vierzig Jahre nach dem Tode Jesu das Gericht ein: Jerusalem wird zerstört. Jona teilte mit seinem Volke dessen Herzenshärte. Ein Baum als Schirm gegen die Sonnenstrahlen hatte in seinen Augen größeren Wert als die Rettung der großen Stadt Ninive. Er  mißgönnte den Niniviten die Barmherzigkeit des Herrn und hätte mit Ergötzen von seiner „Hütte" aus den Untergang der Stadt angesehen. 

Wie unwillig schauten auch die Juden, an ihrer Spitze die Pharisäer — diese Männer der Religion — auf die Zöllner und Sünder im Verkehr mit Jesu! Im Gleichnis „vom verlorenen  Sohn" kennzeichnet der Herr auf eine treffende, aber äußerst schonende Weise diese Selbstsucht der Pharisäer in dem Bilde des ältesten Sohnes (Lk 15, 25—32). Nicht nur wollten sie die  Gnade Gottes für sich selbst nicht, sondern wehrten auch anderen, diese zu erlangen. Was für einen fortwährenden Kampf hatte z. B. Paulus, dieser treue Diener des Herrn, mit den Juden, die ihn sogar verfolgten und ihm wehrten, den Nationen das Evangelium zu verkündigen (vgl. Apg 13, 45; 14, 2. 19; 17, 5; 18, 6; 25, 24; 1. Thess 2, 15. 16). Aber wie herrlich und ermunternd ist es, diesen unermüdlichen Arbeiter zu beobachten!  Er läßt sich nicht einschüchtern, und immer wieder, wohin er auch kommt, sucht er zuerst die Juden und dann die von den Nationen auf, um ihnen das Heil nahezubringen. 

Er offenbart eine ganz andere Gesinnung als Jona; er weiß, daß alle vor dem Richterstuhl Gottes offenbar werden müssen, und, den Schrecken des Herrn kennend, „überredet er die Menschen". Er  ist Gesandter für Christum, und er bittet an Christi Statt: „Laßt euch versöhnen mit Gott" (2. Kor 5). Er hat Christum erkannt und wünscht Ihn noch mehr zu erkennen. Er flieht nicht wie Jona vor dem Herrn, sondern sagt: „Eins aber tue ich: vergessend was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu" (Phil 14).  

 Der Herr gebe, daß Sein Wort, das nütze ist zur Lehre, zur Oberführung, zur Zurechtweisung" (2. Tim 3, 16. 17), uns in alle Dinge leite! „Wer aber in das vollkommene Gesetz, das der  Freiheit, nahe hineingeschaut hat und darin bleibt, indem er nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Täter des Werkes ist, dieser wird glückselig sein in seinem Tun" (Jak 1. 25). Möge  Er die Seinigen immer mehr zubereiten, Seine Gesinnung die Gesinnung der Gnade — in einer Welt zu offenbaren, die dem Gericht entgegeneilt; möge Er uns während unseres Pilgerlaufs die Gnade schenken, daß wir stets in völligem Vertrauen auf Ihn schauen, der Sturm und Fisch, Wunderbaum  und Wurm, ja alles für das Wohl und die Erziehung der Seinigen in Seiner gesegneten Vaterhand zur Verfügung hat! 

Ja, Du sorgest ohn Ermüden  für uns alle Tag und Nacht;  

 Nie sind wir verwaist hienieden,  Vatertreu uns stets bewacht.  

 Deiner Liebe ist allein  nichts zu groß und nichts zu klein,  

 wo wir gehen, wo wir stehen,  läßt Du Deine Lieb uns sehen.   

Quelle BdH 1873

29.) Jona Das Buch von Johannes Nicolaas Voorhoeve (1873 – 1948)

12/31/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das Buch Jona

von Johannes Nicolaas Voorhoeve (1873 – 1948)

Mehr als Jona.

Das Buch Jona ist ein kleines Buch, aber von großer Bedeutung. Es ist keine Allegorie auf mythischer Grundlage, wie zum Beispiel die Sage von Herkules mit dem Seeungeheuer; wir haben hier "Worte der Wahrheit". Es ist keine ersonnene Geschichte mit teilweise wahren Unterlagen, wodurch uns nützliche und wichtige Lehren werden sollen, nein, es ist alles genau so geschehen, wie es uns hier mit einem hohen und herrlichen Zweck von Gott mitgeteilt wird.

Wir alle, die wir an die Inspiration der Heiligen Schrift glauben, zweifeln auch keinen Augenblick an der Wahrheit der Geschichte von Jona, sondern sind überzeugt, dass sich alles genau so ereignet hat, wie es uns vom göttlichen Schreiber erzählt wird. Im Grunde genommen ist auch weniger Glaube nötig, diese einfache, kurzgefasste Geschichte als echt anzusehen, als den zahllosen Hypothesen zu glauben, die aufgestellt wurden, um dem Buch Jona seine übernatürliche Kraft zu nehmen.

Allen, die zweifelnd fragen: "Können sich denn diese wunderbaren, seltsamen Dinge wirklich ereignet haben?" antworten wir: "Sehen wir nicht täglich, sei es in einer Familie oder bei einer einzelnen Person, wunderbare und seltsame Dinge geschehen? Und ist Gott nicht der Gott, der Wunder tut, dem nichts unmöglich ist?"

Wir dürfen annehmen, dass Jona selbst der Schreiber des Buches gewesen ist. "Und das Wort Jahwes geschah zu Jona ...", lesen wir im Anfang. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Jona selbst, als Prophet, die Gedanken, die ihn erfüllten - Gedanken, die Gott ihm eingegeben hat - schrieb, um sie für alle Zeiten in diesem Buch niederzulegen. Wie David in einigen seiner Psalmen, so hat sich hier auch Jona nicht gescheut, seine Fehler und Gebrechen, die verkehrte Gesinnung seines Herzens, frei und offen zu schildern.

Am eindrucksvollsten von allem aber ist es wohl, zu sehen, wie Jona, der Mann, der es wiederholt wagte, Gott zu widersprechen, am Schluss seiner Geschichte Gott das letzte Wort lässt. Sein Schweigen dort ist beredter als ganze Bücher.

Nach dem Bericht eines Assyrers gibt es in Assyrien, dessen Hauptstadt Ninive war (1. Mose 10, 11), noch immer einen Platz, der das Grab Jonas genannt wird. Der Volksmund hat hier seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass Jona wirklich gelebt hat.

Jona wird in Kapitel 1 der Sohn des Amittai genannt. Dieser Zusatz macht uns aufmerksam auf 2. Könige 14, wo wir auch einen Jona finden, Sohn des Amittai, von dem gesagt wird, dass er der Prophet aus Gad-Hepher war. Wir können als sicher annehmen, dass es derselbe Mann ist, der hier erwähnt wird. Merkwürdig ist, was uns von ihm gesagt wird: "Er (Jerobeam II.) stellte die Grenze Israels wieder her, vom Eingang Hamath bis an das Meer der Ebene, nach dem Wort Jahwes, des Gottes Israels, das Er geredet hatte durch Seinen Knecht Jona, den Sohn Amittais, den Propheten, der von Gad-Hepher war. Denn Jahwe sah, dass das Elend Israels sehr bitter war, und ... dass kein Helfer da war für Israel. Und Jahwe hatte nicht gesagt, dass Er den Namen Israels austilgen würde unter dem Himmel hinweg, und so rettete Er sie durch die Hand Jerobeams, des Sohnes Joas." Der Prophet Jona, von dem das Buch Jona spricht, hat als Prophet des Zehnstämmereichs die Wiederherstellung Israels prophezeit. Jahwe würde sich über das Volk, das keinen Helfer hatte, wieder erbarmen. Unter der Regierung Jerobeams II. wurde dieses Wort Jonas erfüllt. Reiche Segnungen werden den zehn Stämmen zuteil. Jona muss es als einen schönen Auftrag empfunden haben, die Wiederherstellung seines geliebten Volkes ankündigen zu dürfen. Er tat dies in der glücklichen Gewissheit, dass seine Prophezeiung in Erfüllung gehen würde. Wir sehen also auch aus der Geschichte Israels, aufgezeichnet in den Büchern der Könige, dass Jona, von dem das Buch spricht, wirklich ein bekannter Prophet gewesen ist. Das ein wenig klarzulegen möchten wir in nachstehendem versuchen.

Dass Jona keine sagenhafte Gestalt und sein Buch keine dichterische Phantasie ist, sondern dass der Mann, der diesen Namen trug, wirklich gelebt und seine Geschichte sich so abgespielt hat, wie sie uns sein Buch in kurzen Zügen vor Augen stellt, wird besonders durch die bedeutungsvolle Tatsache erhellt, dass der Sohn Gottes selbst mehr als einmal über Jona gesprochen hat. Dabei redete der Herr Jesus über ihn als über einen Propheten, der wirklich gelebt und die im Buch Jona erzählten Erlebnisse durchgemacht hat. An drei Stellen in den Evangelien (Matth. 12, 38-41; 16, 4; Luk. 11, 29-32) finden wir Hinweise auf die großen Erlebnisse Jonas. Daraus geht deutlich hervor, dass die zwei wichtigsten Vorfälle, die immer wieder durch Ungläubige angezweifelt werden, durch den Herrn Jesus bestätigt werden: 1. dass Jona im Bauch des großen Fisches gewesen ist; 2. dass er in Ninive war und dort mit großem Erfolg gepredigt hat.

Kein Wort wird von dem treuen Meister über Jonas Untreue gesagt. Er spricht nur über das Gute. Jona war ein Zeichen, denn er war wie einer, der von den Toten auferstanden ist. Und er predigte mit vollem Erfolg, denn auf sein Wort hin bekehrten sich die Männer von Ninive. Der Herr Jesus erwähnt diese Tatsachen, um den Juden ihre Verderbtheit zu zeigen, denn während die Heiden auf Jona hörten, verwarfen die Juden den Einen, der mehr ist als Jona.

Wenn also Christus Selbst das Buch Jona in allem als Gottes Wort anerkennt und daraus Stellen zur Warnung für das Volk Israel in Seinen Tagen benutzt und sogar noch die Geschichte von "Jona im Bauch des Fisches", von der viele meinen, dass man unmöglich an sie glauben könne, als Tatsache ausspricht, - dürfen wir es dann auch nur einen Augenblick wagen, an der Wirklichkeit zu zweifeln? Wer sich dessen schuldig macht, wird es vor dem Richterstuhl Christi zu verantworten haben.

Das Buch Jona ist historisch, und Jona war ein Prophet des Herrn.

Wenn wir nun auf das, was uns dieses Buch mitteilt, hören wollen, so hören wir auf den Einen, der mehr ist als Jona. Gott Selbst spricht darin zu uns durch Seinen Geist; und es ist der Geist Christi, der uns in diesem wunderbaren Buch begegnet.

Jona ist, soweit wir wissen, der einzige Prophet, der einen bestimmten Auftrag für die Heiden bekommen hatte. Alle Propheten wirkten in Juda oder Israel, überschritten wohl auch zuweilen die Grenzen Israels und beschäftigten sich dort mit einzelnen Personen, aber ihre Verkündigung war nicht direkt für die Heiden bestimmt. Hier nun finden wir einen Mann aus Israel, den Jahwe Selbst in eine große heidnische Stadt gesandt hat. Er sollte dort das Wort Gottes in aller Strenge und allem Ernst verkündigen, um ihnen schließlich - Jona selbst hat das sehr gut begriffen - wenn sie auf ihn hören sollten, im Namen des Herrn Vergebung anzubieten. Also eine frohe Botschaft für die Völker.

Wie wird Jona selbst, wenn er sich später tiefer in die Gedanken Gottes versenkte, die er unter der Leitung Seines Geistes niederschrieb, davon ergriffen worden sein! Welch einen ernsten Weg musste Gott mit ihm gehen! Welch ein Gott der Rettung ist dieser Gott Israels!

Das Buch Jona ist ein eigenartiges prophetisches Buch, ganz anders als die übrigen. Es gehört zu den zwölf kleinen Propheten, aber in keinem der anderen Bücher finden wir fast ausschließlich die Geschichte des betreffenden Propheten. Wir hören lediglich von dem, was Gott ihnen gab, um anderen zu predigen.

In einem geschichtlichen Buch finden wir den Lebensweg einer oder mehrerer Personen beschrieben, ihre Fehler, ihre guten Seiten; nicht so in den prophetischen Büchern. Wir können wohl hier und da, zum Beispiel in Jesaja, Jeremia, Hesekiel und den kleinen Propheten, aus manchen Stellen folgern, welches Lebensalter die Propheten hatten, zu welchem Stand sie gehörten, welches ihre Arbeit war; aber ihre Geschichte ist uns darin nicht so mitgeteilt wie bei Jona. Und doch ist sein Buch kein geschichtliches, sondern ein prophetisches Buch, das mit in die Zahl der prophetischen Bücher eingereiht wurde. Warum? Ist es, weil es eine Prophezeiung enthält, die nicht erfüllt wurde, als Ninive auf Jona hörte und sich bekehrte? Nein, weil die Geschichte Jonas, die uns in diesem Buch mitgeteilt wird, eine Prophezeiung ist.

Hier wollen wir einen Augenblick stillstehen, bevor wir das Buch, das vor uns liegt, von Kapitel zu Kapitel betrachten.

Das ganze Buch Jona mit all seinem Geschehen ist Prophezeiung, und zwar sowohl in bezug auf das Volk Israel als auch auf Christus.

Betrachten wir zuerst das Buch Jona als Prophezeiung über Israel. An dem großen Versöhnungstag lesen die Juden merkwürdigerweise das Buch Jona. Ein Christ fragte einst einen Rabbiner nach dem Sinn dieses Brauches, der, weil es ein Bekenntnis war, leise entgegnete: "Wir sind Jona".

Das Buch Jona schildert uns Israel als das auserkorene Volk, das zum Segen der Heiden ein Prophet des Herrn hätte sein sollen. Jona bedeutet Taube. Als ein Bote des Friedens hätte Israel seiner Aufgabe entsprechen sollen. Es hätte überall auf den unruhigen Wassern der Welt von dem Frieden, der nur in Gott, in Jahwe, dem Ewig Treuen, zu finden ist, sprechen sollen. Aber das Volk hat dies nicht gewollt. Es hat sich der Gnade Gottes und seinen Gedanken der Liebe widersetzt und ist ungehorsam gewesen. Es ist von dem Angesicht des Herrn hinweggeflohen und, überzeugt, das den Umständen entsprechend Richtige getan zu haben, bezahlte es "sein Fährgeld" (Jona 1, 3). Nun konnte es sich ausstrecken, sich ruhig niederlegen, wie Jona, der mitten im Sturm geschlafen hat.

Als aber Israel von dem Angesicht Jahwes hinwegfloh, fort von Gott, und die Botschaft, die Gott ihm aufgetragen hatte, nicht ausrichtete, kam es ins Meer, in das unruhige Meer der Völker.

Das Schiff, das nach Westen fuhr, stellt die Heiden, die Nationen dar, und das Meer sind die Völker, in die Israel wie ein Ausgestoßener geworfen ist. Wir lesen nun in der Geschichte Jonas, dass, als der große Sturm aufkam und das Schiff zu zerbrechen drohte, die Schiffsleute voll Furcht zu ihren Göttern riefen. Schließlich wandten sie sich jedoch an den wahren Gott. Sie opferten Ihm und taten feierliche Gelübde. Und Gott erbarmte sich über die Heiden, während Israel verstoßen ist.

Wie kostbar stellt uns Paulus diese Tatsache in Römer 11 vor Augen. Gott kann Böses in Gutes verwandeln. Eigentlich hätte das Schiff mit seiner Mannschaft wegen Jonas Untreue umkommen müssen. Doch das stimmte, wie uns diese Geschichte zeigt, mit Gottes Gnadenabsichten nicht überein. Gleicherweise hätte die ganze Welt wegen Israels Untreue umkommen müssen. Aber Gott ist ein Gott der Gnade. Obwohl Er das Böse verurteilt, so will Er sich doch wieder Seines Volkes erbarmen. In Seiner Gerechtigkeit setzt Er Israel für eine Zeit zur Seite, aber nicht für immer, wie uns dies die weitere Geschichte Jonas beweist. Inzwischen aber empfangen die Völker die Segnungen des Erlösers der Welt, von dem Jona im Fisch ein so deutliches Vorbild ist.

Von Herzen stimmen wir mit dem, was Pastor J. G. Kunst einmal über Jona im Sturm und Jona im Fisch schrieb, überein: "Israel war Gottes Volk. Aber es tötete die Propheten und steinigte die von Gott zu ihm gesandt waren und blieb verstockt in seiner Abgötterei. Darum musste seine Verwerfung als Volk Gottes kommen. Israels Gott suchte nun die Heiden. Im Sturm beteten die heidnischen Schiffsleute, während Jona in falscher Ruhe schlief. So wird es mit Israel gehen. Die Heiden kommen und fragen nach der Rettung Jahwes, während Israel in Verstockung verharrt. Die Schiffsleute gerettet, Jona hinausgeworfen, - das zeigt uns an, dass das Hinwenden Gottes zu den Heiden die Verwerfung Israels sein wird. Dabei muss ein Opfer gebracht werden. Jona ins Meer geworfen, zum Opfer gebracht für die Rettung der Seeleute, weist hin auf das eine Opfer, das die Rettung der Welt bedeutet."

Aber Jona, ein Bild des Opfers Christi, was wir später näher betrachten wollen, ist zunächst ein Bild von Israel, das während der Gnadenzeit der Völker unter die Nationen zerstreut ist. Geistig und national befindet sich Israel seit seiner Verwerfung wie in einem Grab. Das Grab sind die Völker. Indessen reden die Propheten aber auch davon, dass Israel einst, in ferner Zukunft, wieder aufleben wird. "Deine Toten werden aufleben, meine Leichen wieder erstehen ... die Erde wird die Schatten auswerfen!" (Jes. 26, 19). Drei Tage und Nächte war Jona im Innern des Fisches und wurde dann auf das Land ausgeworfen. Das sagt uns, dass Israel nach einer Zeit der Züchtigung und Drangsal zur Einkehr kommen wird. Der dritte Tag, der Tag der Auferstehung, wird für Gottes Volk anbrechen (Hosea 6, 1-3).

Wie schon gesagt: Israel hat sich verhärtet; es wollte nicht hören und musste umkommen. Bald aber wird ein treuer Überrest sich wieder zu Gott wenden. Der gläubige Prophet ist hiervon ein Vorbild. Zu jeder Zeit gab es einen treuen Überrest für Gott. Und so wird es auch in der Zukunft sein.

Sacharja prophezeit in Kapitel 12 über Jerusalem und Juda, dass es in tiefer Reue seine Schuld bekennen wird, und in Hesekiel wird in verschiedenen Stellen die Wiederherstellung der zehn Stämme angekündigt.

Wenn jener Rabbiner sagte: "Wir sind Jona", dann ist das nicht allein wahr in bezug auf die Verwerfung, sondern auch auf die Wiederherstellung Israels (Rom. 11, 21-27). Jona ist sowohl ein Bild des untreuen Volkes als auch des treuen Überrests, der sich in der Bedrängnis zu Gott wenden wird. Zu Gottes Zeit wird der Überrest wieder erscheinen zum Segen für die Völker.

Im Bauch des Fisches, im Grab der Völker, wird Gott dieses Werk bewirken. Auf Grund des Opfers Christi, von dem Jona ein Vorbild ist, wird auch ihnen die Seligkeit geschenkt. Ganz Israel wird also gerettet werden, weil in der Zwischenzeit die Völker, mit denen sich Gott beschäftigte, ihrerseits das Heil verwarfen und dadurch wieder zur Seite gesetzt werden (Römer 11, 15a. 21 u. 22). Ganz Israel bedeutet den gläubigen Überrest, also das Volk, das übrigbleibt, nachdem der übergroße, ungläubige Teil Israels von Gott verworfen wurde und umgekommen ist. Nachdem sie durch Gott in der großen Drangsal unterwiesen worden sind, sollen sie gerettet werden. Und nicht das allein, sie werden ihre Füße auf das Trockene setzen, um als Friedensboten zu den Heiden zu gehen, um diesen das Wort Gottes zu bringen. Sie werden das ewige Evangelium verkündigen und den Menschen sagen, dass die Stunde des Gerichts gekommen ist und man Den anbeten muss, der Himmel und Erde gemacht hat (Offb. 14, 6-7).

In der Prophezeiung Sacharjas (Kap. 8, 20-22) wird diese zukünftige Berufung Israels sehr schön beschrieben. Zuerst wird angezeigt, dass Gott Juda, das jetzt ein Fluch der Völker ist, zum Segen für alle Nationen gebrauchen wird. Darnach fahrt der Prophet fort: "So spricht Jahwe der Heerscharen: Noch wird es geschehen, dass Völker und Bewohner vieler Städte kommen werden, und die Bewohner der einen werden zur anderen gehen und sagen: "Lasst uns doch hingehen, um Jahwe anzuflehen und Jahwe der Heerscharen zu suchen. Auch ich will gehen! Und viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, um Jahwe der Heerscharen in Jerusalem zu suchen und Ihn anzuflehen".

Dass Gott mit Israel ist, wird dann so klar sein, dass aus allerlei Nationen zehn Männer den Rock eines jüdischen Mannes ergreifen und sagen werden: "Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist". Es wird dann so sein, wie in Joh. 21 geschrieben steht, dass das Netz nicht reißen wird, wenn es zu des Herrn Zeit auf die rechte Seite ausgeworfen wird, sondern es wird viele große Fische fassen. Jetzt reißt das Netz noch, wie wir in Lukas 5 lesen. Aber wenn der Herr Jesus einst die bekehrten Juden gebrauchen wird, um überall das Evangelium verkündigen zu lassen, dann werden alle noch auf der Erde übriggebliebenen Nationen im Netz gefangen werden und Gott und Seine Rettung finden.

Betrachten wir nun das Buch Jona als Prophezeiung über Christus. Wie herrlich und groß wird uns dann dieses Buch! Jesus war der treue Diener Gottes. Aber obwohl Er kam, um den Willen Gottes zu erfüllen, und obwohl Er dieser Aufgabe auch in allen Dingen gerecht wurde, musste Er ins Grab und blieb drei Tage und Nächte darin. Doch wenn der Herr Jesus durch das Buch Jona vor unsere Augen tritt, möchte ich erst einige Unterschiede zwischen Ihm und dem Sohne Amittais hervorheben. Denn obwohl es wahr ist, dass Jona prophetisch ein Vorbild des Herrn ist, so besteht doch ein gewaltiger Unterschied zwischen beiden, wie auch in der Art ihrer Sendung.

Jona hatte eine Botschaft des Gerichts, obwohl Gott, wenn die Niniviten Buße taten, das Gericht unausgeführt lassen wollte. Jesus hatte eine Botschaft zur Seligkeit. Er sagte Selbst, dass Gott Ihn nicht gesandt habe, damit Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn errettet werde.

Jona kam, um gegen die Stadt Ninive zu predigen. Jesus kam, um alle Mühseligen und Beladenen zu Sich zu rufen und ihnen Ruhe zu schenken.

Jona war ungehorsam, als er Gottes Auftrag empfing. Jesus hat stets das getan, was Gott wohlgefällig war.

Jona wurde unwillig, wenn er an den Segen dachte, den das heidnische Ninive durch seine Umkehr empfangen sollte. Er wollte den Segen für Israel allein, für sein eigenes Volk, das er für bevorzugt hielt, als ob es besser wäre als andere Völker.

Mit einem Herzen voll brennender Liebe verlangte Jesus nach den Verlorenen, ob sie nun aus Israel oder den Nationen waren. Wegen einer Samariterin machte Er eine ermüdende Reise, und Er blieb unter den Samaritern, obwohl sie Ihn verächtlich behandelten und nicht aufnehmen wollten, bis sie erkennen mussten, dass Er der Erlöser der Welt war.

Jona schlief den Schlaf eines Verhärteten, eines schwer Hörenden, und als er wach wurde, musste er sich selbst schuldig sprechen. Jesus schlief inmitten des großen Sturmes, weil Er ganz beruhigt sein konnte, dass kein Leid Ihn treffen würde. Und als Er aufwachte, strafte Er den See und die Jünger, die furchtsam und kleingläubig waren, obgleich Er doch bei ihnen war.

Jona hat sich für die anderen geopfert, doch war es um seiner eigenen Sünde willen. Er erkannte, dass er den Tod verdient hatte. Er konnte die anderen nur retten, indem er sich selbst in den Tod gab. Jesus hat sich für die anderen geopfert, aber Er war unschuldig; die anderen verdienten umzukommen, aber Er gab sich für sie in den Tod und stieg für sie in das "Herz des Meeres" hinab.

Jona übergab sich als der Schuldige. Jesus gab sich aus Gnade, um die Schuldigen zu retten.

Jona unterwarf sich dem Zorn Gottes, bekannte seine Schuld, stand aus den Toten auf und erfuhr die Gnade des Herrn, die er später verkündigte. Auch Jesus unterwarf sich willig dem Zorne Gottes. Alle Wogen und Wellen des Zornes Gottes gingen über Sein heiliges Haupt. Er stieg hinab bis in die untersten Örter der Erde (vgl. Eph 4, 9). Er war drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde (vgl. Matth 12, 40) mit dem herrlichen Ergebnis, dass nun die Menschen, später auch Israel, Gnade finden und aus dem Meer des Gerichts gerettet werden können. Wohl ist Er gestorben und wurde begraben, aber Er ist nicht umgekommen. Er ist von den Toten auferstanden und verkündigt nun die herrliche Rettung für eine verlorene Welt. Alle, die im Bewusstsein ihrer Schuld zu Ihm kommen und Ihn annehmen, finden Gnade. Wahrlich, welch ein Herr ist Er! "Siehe, mehr als Jona ist hier", konnte Jesus sagen (Matth 12, 41). Wer ist Ihm gleich? Er hat nicht auf die Vorrechte Seines Volkes geachtet. Er fragte nicht nach persönlichen Gefühlen. Er hat einfach den Willen Gottes erfüllt, und dieser Wille ist, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim. 2, 4).

Wie groß die Unterschiede zwischen Jesus und Jona und ihren Handlungen aber auch sein mögen, in dem Opfer, das gebracht wurde, finden wir völlige Übereinstimmung. Das Meer des Grimmes Gottes wird durch beide gestillt. Freuen wir uns deshalb, in Jona nicht allein ein Vorbild von Israel, sondern auch von Christus zu sehen! Dennoch - Jesus ist mehr als Jona, unendlich mehr. In Jona sehen wir den Schatten, in Jesus die Wirklichkeit. Jona weist hin auf Christus, Christus ist die herrliche Erfüllung. Das Weltmeer wurde durch die Sünde eines Menschen aufgewühlt. Der Sturm wurde durch das Opfer eines Menschen gestillt. Auch das Lebensmeer wird aufgewühlt durch die Sünde eines Menschen, aber der Zorn wird auch durch das Opfer eines Menschen gestillt. Er brachte Versöhnung und Frieden.

"Siehe, mehr als Jona ist hier."

Welch ein Heiland ist Jesus! Der Mensch wollte Gott werden, in Christus wurde Gott Mensch. Der Mensch war hochmütig. Christus erniedrigte sich Selbst. Der Mensch wollte zum Himmel aufsteigen. In Christus kam Gott herab, um unter den Menschen zu wohnen. Der Mensch in seinem Hochmut verlangt nach Ehre. Christus erwählte das Kreuz. Wie sollten die Menschen doch auf diesen Jesus hören! Wie sollten doch Christen, Juden und Heiden, Ihn lieben, Ihn, der gehorsam war bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz (Phil 2, 8). Lasst uns die Augen auf Ihn richten und wiederum ausrufen: "Siehe, mehr als Jona ist hier!"

Männer von Ninive werden kommen; eine Königin des Südens wird aufstehen, um die zu verurteilen, denen Jesus predigte, die aber nicht hören wollten. In ihren Städten hatte Jesus Seine Stimme hören lassen, aber sie kehrten sich nicht zu Ihm.

"Siehe, mehr als Jona ist hier!"

Er ist hier, um zu dir zu reden. Er ist in deinem Haus, denn du hast die Bibel. Er ist in deiner Nähe, denn die Heilige Schrift zeugt von Ihm. Es ist die Stimme des Sohnes Gottes, der Retter der Verlorenen, dessen Barmherzigkeit ein Meer von Sünde vergibt, der von allen Gebrechen heilt! Beugen wir uns vor Ihm, mit dem niemand zu vergleichen ist; lasst uns mit dem Dichter gläubig singen:

Holdseliger, treuer Friedefürst, Wie hat Dich nach dem Heil gedürst't, Dem Heil verlor'ner Sünder! Es floss Dein Blut am Kreuzesstamm, Es floss für uns, o Gotteslamm; Nun sind wir Gottes Kinder. Freude, Freude! Durch Dein Sterben Sind wir Erben. Dort am Throne Gibst Du uns die Siegeskrone.

Kapitel 1 - Jona im Sturm

"Und das Wort Jahwes geschah zu Jona ..." (Jona 1, 1). Gibt es etwas Wichtigeres als das Wort des Herrn? Gott spricht, und wir haben auf Seine Stimme zu hören. Wir besitzen die ganze Bibel, die wir das Wort Gottes nennen. In früheren Zeiten besaß man nur kleinere oder größere Teile, oft nur ein einzelnes Wort. Es ist aber von untergeordneter Bedeutung, ob es viel oder wenig ist, was Gott zu uns sagt und wie es zu uns kommt. Wichtig für uns ist nur, zu wissen und zu glauben, dass es das Wort aus Seinem Mund ist, denn dadurch wird der Mensch leben.

Der Ausdruck "das Wort Jahwes" wird im Buch Jona mehrmals wiederholt. Zuerst finden wir ihn im ersten Kapitel, Vers 1, und dann zweimal im dritten Kapitel, Vers 1 und 3. Somit finden wir in diesem kleinen Buch dreimal bezeugt, dass Gott Sein Wort hören ließ.

Möchten wir doch auf das Wort des Herrn sorgfältig Acht haben, und wenn sein Ruf zu uns kommt - in welcher Art auch immer - willig und gehorsam darauf horchen. Tun wir es nicht, dann ist Er uns entgegen; sind wir aber gehorsam, dann wird Sein Segen auf uns ruhen. Mancher hört auf die Stimme seines eigenen Herzens, geht dann einen eigenen Weg und endet schließlich wie Jona im Meer.

Das hier ausgesprochene Wort des Herrn war nicht nur ein ernstes Wort, es war auch ein Wort der Liebe. Gott kannte die große Stadt Ninive, eine Stadt, in der allein hundertzwanzigtausend Menschen waren, die nicht zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken unterscheiden konnten (also Unmündige), eine Stadt mit vielem Vieh, eine Stadt, die im ganzen wohl mehrere Millionen Einwohner hatte. Ninive, die Weltstadt jener Tage, war eine Stadt von drei Tagereisen (Jona 4, 11; 3, 3).

Gott kannte die Stadt, und zwar nicht nur wegen ihrer Größe, Er kannte auch den Herzenszustand jedes einzelnen der vielen Menschen darin. Abertausende Seelen waren dort, die ohne Gott dahinlebten, aber vielleicht doch für ein gutes Wort zugänglich waren. Wörtlich übersetzt steht am Anfang von Kap. 3: "Eine Stadt, groß für Gott". Vielleicht hat dieser hebräische Ausdruck, der etwas sehr Großes bezeichnen will, noch eine besondere Bedeutung für uns. Eigentlich war Jerusalem die Stadt Gottes. Aber Gott sah in der Stadt Ninive das Bild der Heidenwelt, der Er in Seiner unendlichen Liebe begegnen wollte, und darum nennt Er sie: "eine Stadt, groß für Gott". Gott hatte ein großes Volk in dieser Stadt. Ähnlich hatte Er einst in Korinth den Apostel Paulus ermutigt, indem Er ihm durch ein Gesicht in der Nacht von dieser weltlichen, sündigen Stadt sagen ließ: "Ich bin mit dir, und niemand soll dich angreifen, um dir etwas Böses zu tun; denn Ich habe ein großes Volk in dieser Stadt" (Apg 18, 10).

Gott wollte sich über die große heidnische Stadt Ninive erbarmen und viele dort zur Bekehrung bringen, damit man Ihn erkenne und anbete. Das ist auch geschehen. Die Predigt in Ninive hat Frucht getragen. Wohl war es keine bleibende Frucht, denn hundert Jahre später war Ninive doch zerstört worden, und noch in unseren Tagen können wir Trümmer dieser einst so gewaltigen Stadt sehen.

Durch Jonas Verkündigung ist es aber zur Umkehr des Volkes gekommen, und Gott konnte so, dem heißen Verlangen Seines liebevollen Herzens entsprechend, sich der Bewohner von Ninive erbarmen. Sein mitleidiges Herz, das sowohl über das Los der stummen Kreatur als auch der kleinen Kinder erregt war, hatte auch Erbarmen mit den Hunderttausenden, die dort wohnten und nach der Lust ihres Herzens dahinlebten.

Jona bekam den Befehl, sich aufzumachen und wider die Stadt zu predigen. Es sah wahrlich nicht gut aus in der großen Stadt, denn ihre Bosheit war zu Gott hinaufgestiegen. Wohl hat Gott ein Herz voll Liebe, denn Er ist Liebe. Aber das will nicht sagen, dass Er das Böse nicht sehe und nicht verurteile. Gott ist auch Licht. Er sah alles, was die Bewohner Ninives verübten, und nahm all ihre Bosheit wahr. Es war so schlimm geworden, dass das Böse nicht in der Stadt geblieben war, sondern sich wie ein Berg, entsetzlich hoch, bis vor das Angesicht Jahwes, aufgehäuft hatte. Was musste Gott nun tun? Er musste Sein Gericht ankündigen, es ging nicht anders. Er hätte ohne Ankündigung das Gericht plötzlich ausüben können, doch das tat Er nicht, weil Er die Liebe ist. Wohl kommt das Gericht bald über die Welt, weil sie nicht auf Gott hört, doch zuvor hat Gott Jahrhunderte hindurch gewarnt und den Menschen Gelegenheit gegeben, sich zu bekehren, damit Er das Gericht vielleicht noch abwenden könne.

Man achte jedoch darauf, dass es bezüglich Ninives um die letzte Botschaft ging. Es steht hier nicht, dass zu jenen Menschen oder für sie gesprochen wurde, sondern gegen sie. Ja, Gott war gegen ihre Bosheit, gegen ihre schlechten Taten! Man bedenke auch, dass, obwohl die ganze Stadt verderbt war und gegen sie gepredigt werden musste, doch jeder für sich persönlich verantwortlich war.

Gott sieht alles. Nichts ist vor Ihm verborgen. Er kennt auch unsere großen Städte und die Menschen, die darin wohnen. Er weiß, wie viel Bosheit auch in unseren "christlichen" Städten gefunden wird. Gott aber lässt täglich darin Seine gute Botschaft verkündigen und die Menschen vor dem Gericht warnen. Wenn das Böse aber zunimmt, zeugt Er gegen die Menschen und lässt ihnen sagen, dass, wenn sie sich nicht bekehren, sie für ewig verloren gehen und Gott ihre Stadt treffen wird.

Jona, der Sohn Amittais, hat gut begriffen, dass es Gott nicht darum ging, Ninive zu verderben, sondern die Stadt zu schonen und zu retten. Als daher das Wort des Herrn zu ihm geschah: "Mache dich auf, gehe nach Ninive, der großen Stadt, und predige wider sie, denn ihre Bosheit ist wider mich heraufgestiegen", verstand er gut, dass er nicht nur das Gericht ansagen sollte. Gott wünschte das Zeugnis Seines Boten, damit Stadt und Bewohner gewarnt und gerettet würden. So ist es immer gewesen. Gott will persönliche und nationale Umkehr. Und es ist zu Seinem Wohlgefallen, wenn dadurch Leid und Elend abgewendet werden kann.

Wie anders ist jedoch der Mensch in seiner Gesinnung. Seine sittliche Verderbtheit ist so tief, dass manche von Gott empfangenen Vorrechte seine Verworfenheit nur in ein um so grelleres Licht setzen. Man denke nicht, dass der religiöse Mensch von heute viel besser sei. Der Jude nahm einen bevorzugten Platz unter den Völkern ein. Gott Selbst hatte ihm diesen Platz gegeben. Er sollte sich von den Völkern abgesondert halten, aber statt diese Absonderung zu verwirklichen und dadurch den Heiden gegenüber Zeugnis zu geben von Gottes Liebe und Heiligkeit inmitten einer Welt, die sich gegen Ihn auflehnte, wurde er hochmütig. Er rühmte sich, Jahwe und Sein Gesetz zu besitzen. Aber - zu gleicher Zeit verunehrte er Gott, indem er das Gesetz nicht hielt (vgl. Röm 2, 23). Jona war auch einer vom Volk Israel. Er gehörte sogar zu den Propheten Israels, war also besonders bevorzugt. Seine Natur war jedoch schnell bereit, Vorteil daraus zu ziehen und den Vorzug für sein eigenes Volk zu missbrauchen. Wohl war Jona ein wahrer Gläubiger, doch selbst dieses größte aller Vorrechte bewahrt nicht immer vor fleischlicher Gesinnung. Die Korinther hatten Gaben von Gott erhalten. Statt sie aber zu Gottes Ehre zu gebrauchen, bedienten sie sich ihrer zur eigenen Verherrlichung. Sie blähten sich auf, verdrängten andere, die vielleicht bescheidenere Gaben besaßen. Und doch war ein Mann in ihrer Mitte gewesen, der mehr von Gott empfangen hatte als sie alle zusammen und der ausrufen konnte: "Ich will lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, um auch andere zu unterweisen, als zehntausend Worte in einer Sprache" (1. Kor. 14, 19). Dieser Mann hatte die Gesinnung Christi.

Das Wort des Herrn wurde an Jona, den Propheten gerichtet, damit er eine Botschaft des Gerichts gegen Ninive ausrufen möchte. Jona wusste aber, dass das Herz Dessen, der ihn aussandte, voll Erbarmen ist. (Die Mitteilung in 2. Kön. 14 war ihm dafür wohl ein treffendes Beispiel.) Gott wollte das Elend der Sünde wegnehmen. Hatte man auch das Gericht verdient, so wollte Er doch noch einmal Sein Erbarmen zeigen. Aus Jona 4, 2 geht deutlich hervor, welche Gedanken in Jonas Herzen waren, als das Wort des Herrn zu ihm kam. "War das nicht mein Wort, als ich noch in meinem Lande war? ... Denn ich wusste, dass Du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte und der sich des Übels gereuen lässt."

Spricht Jona durch diese Worte nicht die Überlegungen seines Herzens aus? Kann er, ein Jude, es ertragen, dass Heiden bevorzugt werden und teilhaben sollen an der Gnade Gottes? Konnte Jona, ein Prophet Israels, es ertragen, dass seine Prophezeiung nicht in Erfüllung gehen sollte, und das angesichts Unbeschnittener?

Es ist tief traurig, aber es muss ausgesprochen werden, dass das Herz des Menschen, trotz frommer Worte, zu jeder Zeit hochmütig und eigenliebig gewesen ist. Wäre Jona demütig gewesen, dann wäre er gehorsam dem Worte des Herrn gefolgt, überzeugt, dass der Meister besser als Sein Knecht wissen musste, was gut sei. Und für alle Knechte Gottes, zu allen Zeiten, gilt dasselbe. Wie oft, wenn der Meister gleichsam sagt: "Geh nach Ninive", entweicht der Diener nach Tarsis! Alle müssen lernen: "Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe". Von den Engeln lesen wir in Psalm 103: "Ihr Gewaltigen an Kraft, Täter Seines Wortes, gehorsam der Stimme Seines Wortes. - Ihr Seine Diener, Täter Seines Wohlgefallens". Ohne zu widersprechen, gehen sie dorthin, wo Gott sie hinsendet, und führen das aus, was der Meister gebietet. Aber Jona handelte nicht so. Es heißt wohl, dass er sich aufmachte. Soweit gehorchte er. Dazu ist der Mensch schnell genug bereit. Aber wir lesen nicht, dass er sich aufmachte, um zu gehen. Im Gegenteil, es heißt, er machte sich auf, um zu fliehen. Statt hinüber nach Ninive zu gehen, will er über das Meer nach Tarsis, das in Spanien lag und damals für das Ende der Erde galt. Er wollte so weit fort wie möglich. Es heißt auch, dass er von dem Angesicht Jahwes hinwegfloh, weil er nicht gehorsam sein wollte. Er zog die Fremde der Heimat, das Unbekannte dem Bekannten vor. Hierin erkennen wir den alten Adam, der sich zwar nicht ängstlich hinter Bäumen verbirgt, nein, aber auf einem Handelsschiff über das mittelländische Meer flüchtet. Und wie Adam sollte auch er erfahren, dass der Lohn der Sünde der Tod ist. Einfache aber ernste Wahrheit!

Jona hatte einen schönen Namen. Jona heißt Taube. Eine Friedenstaube hätte er sein können, ein Friedensbote für Ninive. Doch machte er seinem Namen keine Ehre. Wie Simon Petrus, der Sohn Jonas, aus Furcht vor einer Dienstmagd leugnete und floh, so auch Jona in seinem Ungehorsam. Wie ganz anders Christus! Im Alten Testament (3. Mose 14) geben zwei Vögel, wahrscheinlich Tauben, ein Bild von dem Erlösungswerk Christi; der geschlachtete Vogel spricht von Jesu Sterben, der lebende, der in das Blut des geschlachteten getaucht wurde und dann auf offenem Felde freigelassen werden musste, deutet auf Seine Auferstehung hin. Die Taube ist das Bild des Unschuldigen, der willig war zu jedem Dienst, auch später, als er zum Himmel aufgefahren war, allen den Frieden verkündigte.

Um mit dem Schiff Tarsis zu erreichen, musste Jona nach Joppe oder Japho, dem damals einzigen Hafen Palästinas, gehen. Das ist ein beachtenswerter Ort, denn später weilte ein anderer Jude dort, der auch eine Botschaft an die Heiden erhalten hatte, Petrus, der sich im Haus Simons des Gerbers aufhielt. Aus Cäsarea kam der Ruf des Kornelius, dem Gott gesagt hatte, dass er durch Boten Petrus holen lassen sollte. Zuvor jedoch hatte Gott den Petrus durch eine himmlische Erscheinung willig machen müssen, diesem Ruf zu folgen, sonst wäre nicht einmal er, der Christ, bereit gewesen, mit den Unreinen zu gehen, weil er durch seine jüdischen Vorurteile noch gebunden war.

Paulus hat viel mit dem nationalen Selbstgefühl der Juden zu kämpfen gehabt. Er spricht häufig darüber, dass die Juden ihren eigenen Vorrechten so großen Wert beimessen und es nicht vertragen können, wenn andere, die Heiden, so viel Segen wie sie selbst empfangen (Apostelg. 13, 44-52; 17, 5-9; 18, 12 usw.; 1. Thess. 2, 14-16).

Jona floh, als er den Heiden predigen sollte. Desgleichen kostete es viel Mühe, Petrus zu überzeugen, dass die Gnade des Herrn auch den Heiden galt; dass Gott auf die Gebete und Almosen des Kornelius geachtet hatte und den Herzenszustand der vielen kannte und Gnade schenken wollte.

Doch Gott dürstet nach dem Heil der Verlorenen. In dieser Hinsicht ist kein Platz da für Vorrechte. Die Frage ist nur, ob man sich vor Gott als Sünder erkennt. Dann ist bei Ihm Barmherzigkeit zu finden. Verurteilen wird Ihm schwer, Er tut es nur notgedrungen. Sein Herz sehnt sich, zu retten. Er will nicht, dass die Menschen verloren gehen, vielmehr, dass sie errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Lasst uns in dieser Gesinnung durch diese Welt gehen und uns mit einem weiten Herzen der Verlorenen annehmen, obwohl wir wissen, dass viele nicht hören wollen und dadurch das Urteil auf sich laden.

Jona machte sich auf, um nach Tarsis zu fliehen vom Angesicht des Herrn hinweg, kam nach Joppe und fand ein Schiff bereit für die große Reise nach Tarsis. Vielleicht hat er gedacht: Wie merkwürdig leicht kommt alles in Ordnung. Ich kann einfach einsteigen. Er gibt sein Fährgeld, steigt in den Schiffsrumpf hinab und legt sich ruhig zum Schlafen nieder. Ja, sicher, es war Gottes Fügung, dass dort ein Schiff bereitlag für Tarsis, wie anders jedoch waren Seine Gedanken dabei! Zweimal sagt der Geist Gottes: "Von dem Angesicht Jahwes hinweg". Jona wollte mit diesem Schiff Gott entfliehen; aber gerade auf diesem Schiff trat ihm Gott entgegen.

Wenn wir uns vom Angesicht des Herrn entfernen, können wir nie das Heil erwarten. Es kann sein, dass wir alles bereit finden, um uns ruhig zum Schlafen hinlegen zu können. Doch Gott verliert uns nicht aus den Augen. In einem Augenblick erweckt Er einen großen Sturm, in dem wir umkommen müssten, wenn Er sich nicht wiederum unser erbarmte.

Wie viel Mühe machen viele Gläubige ihrem Gott! Sie verlassen Seinen Weg, den Weg der Wahrheit, den Weg des Gehorsams, und dann wähnen sie noch, in der Nachfolge des Herrn zu sein. Sie sind scheinbar ruhig. Sie beten auch. Aber Paulus schreibt an die Epheser: "Alles aber, was bloßgestellt wird, wird durch das Licht offenbar gemacht; denn das Licht ist es, das alles offenbar macht. Deshalb sagt Er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten und der Christus wird dir leuchten! Gebt nun acht, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die gelegene Zeit auskaufend, denn die Tage sind böse. Darum seid nicht töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn ist" (Eph. 5, 13-17). Dies wird zu Gläubigen gesagt. Es heißt nicht von ihnen, dass sie tot sind, wie bei Sündern, wohl aber, dass sie, wenn sie eingeschlafen sind, aufgeweckt werden müssen. Die Welt schläft den Schlaf des Todes. Bei Gläubigen kann es den Anschein haben, dass sie ebenso schlafen.

War das nicht bei Jona der Fall? Er schlief tief und fest. Er musste aber erwachen und aufstehen, Gott wollte ihm leuchten.

Selbst Diener Gottes können in diesen Zustand verfallen, wie wir es hier sehen. Lasst uns doch wachsam sein und stets ein offenes Herz und Ohr für das Wort des Herrn haben. Wenn wir schlafen, sind wir nicht nur ohne Segen für andere, wir bringen uns selbst in Gefahr. Manche sollten auf der Reise sein nach Orten, wohin der Herr sie rief, wo verlangende Herzen sind; dort sollten sie arbeiten in Wort und Schrift zum Heil vieler Tausender... Aber sie folgen ihren eigenen Gedanken, suchen Anerkennung, sind mit Selbstsucht oder Selbstzufriedenheit erfüllt und überhören so ihre Berufung.

Möchte Jonas Geschichte ein abschreckendes Vorbild für viele sein, damit sie durch den Geist Gottes aufgeweckt werden, vom Schlafe aufstehen und Menschen werden, die sich zur rechten Zeit zum Heil und Segen für andere von Gott gebrauchen lassen.

Die Küste war schon lange außer Sicht, die Wellen des Mittelmeers umspülten den Bug des Schiffes. Da warf Gott einen heftigen Wind auf das Meer, ein großer Sturm erhob sich, wie so oft auf den Meeren. Welch einen entsetzlichen Sturm hat doch auch Paulus auf dem gleichen Meer mitgemacht! Das Schiff drohte zu zerbrechen. Da fürchteten sich die Schiffsleute und beteten. Aber der Knecht des Herrn betete nicht, er schlief. Hört, wie der Wind tobt! Doch Jona liegt in tiefem Schlaf.

Begriff Jona denn nicht, dass, wenn er vor dem Angesicht des Herrn floh, Gott ihm doch nachgehen würde? Begriff er nicht, dass er nimmermehr dem Herrn entfliehen konnte? Er kannte doch sicher Psalm 139, wo David sagt, dass der Herr überall ist, dass es vor Ihm weder Ost noch West, weder Süd noch Nord gibt. Er ergründet uns, Er kennt uns. Er weiß unser Sitzen und Aufstehen, versteht unsere Gedanken von fern. Wenn das Wort noch nicht auf unserer Zunge ist, weiß Er es ganz. "Wohin sollte ich gehen vor Deinem Geist und wohin fliehen vor Deinem Angesicht? Führe ich auf zum Himmel, Du bist da, und bettete ich mir in dem Scheol, siehe, Du bist da. Nähme ich Flügel der Morgenröte, ließe ich mich nieder am äußersten Ende des Meeres, auch daselbst würde Deine Hand mich leiten und Deine Rechte mich fassen" (Psalm 139, 7-10). "Und gehe ich von Gath-Hepher nach Japho und von Japho nach Tarsis", hätte Jona sagen können, "auch daselbst wird Deine Hand mich finden". "Und spräche ich: .Nur Finsternis möge mich umhüllen und Nacht werde das Licht um mich her. Auch Finsternis würde vor Dir nicht verfinstern, und die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie das Licht" (Vers 11 und 12), so fährt der Psalmist fort. Der Hauptgedanke dieser Verse ist: Gott zu entfliehen ist unmöglich, denn Gott ist überall. Durch Jeremia spricht Gott in demselben Sinne: "Bin ich ein Gott aus der Nähe und nicht ein Gott aus der Ferne? Oder kann sich jemand im Schlupfwinkel verbergen und Ich sähe ihn nicht? Erfülle Ich nicht den Himmel und die Erde?" (Jer. 23, 23-24).

In der letzten Zeit habe ich mehrere ergreifende Fälle gehört von jungen Menschen, die früher bekannten, ein Eigentum des Herrn zu sein und dann vom Angesicht des Herrn flohen. Sie fanden das sogar angenehm, denn nun konnten sie tun, was sie wollten. Aber - das Ende war traurig. O, ich kann es nicht beschreiben, wie unendlich traurig es gewesen ist. Ich musste zu mir selber sagen: "Ich möchte alle jungen Leute ernstlich ermahnen, zu bedenken, dass Gott sie überall sieht". Er ist nicht nur ein Gott der Nähe, auch ein Gott der Ferne und ein heiliger Gott. Du kannst Ihm nicht entfliehen, Er widersteht dir. Er lässt dich nicht gehen und wird dich an Seinem Tag finden.

Ich denke an einen jungen Mann, der einst sogar Sonntagschule hielt und regelmäßig zum Tisch des Herrn kam. Er suchte dann aber eigene Wege und wollte Gott entfliehen. Gott suchte ihn heim mit einer ernsten Krankheit. Kurz vor dem Ende durfte er wieder die Gnade des Herrn erfahren, doch sein Zeugnis für die Welt war verloren. - Ich denke ferner an ein junges Mädchen, eine frühere Sonntagschülerin, die durch allerlei Umstände Gott aus den Augen verlor. Sie studierte, bestand ihr Examen, war geachtet und geliebt, Erfolg war überall ihr Teil. Doch auf der Höhe des Glücks wurde sie niedergeworfen; da erst fragte sie wieder nach der Bibel. Gott ist voll Erbarmen. Er vergilt uns nicht nach unseren Sünden. Und doch - ihr Leben war für den Herrn ein verlorenes. - Ich denke noch an Arbeiter im Werk des Herrn, die früher mit viel Segen wirkten. Sie hörten aber nicht auf die Stimme des Herrn, auch nicht, als Gott ernst mit ihnen redete. Dann wurden sie zur Seite gesetzt.

Gott lässt manchmal alles für eine Weile nach Wunsch gehen. Er hätte auch Jona gleich zurückhalten können, doch tat Er es nicht. Er ließ ihn einen Platz auf dem Handelsschiff finden, ließ ihn ein Ruhebett aufsuchen und einschlafen. Das alles ließ Gott zu. - Aber dann!

O, wenn du vielleicht denkst: "Bis jetzt geht alles vortrefflich, ich habe Erfolg über Erfolg", geh nur so weiter, vielleicht werden dir auf deinem eigenen Weg noch angenehmere Dinge zuteil werden. Doch wisse, dass Gott auf einmal Schluss machen wird; es kommt plötzlich ein Ende für all dein Tun.

Gott ist überall! Denke nicht, dass Gott auf uns achtet, um uns zu bestrafen. Nein, sondern um uns zu sagen: "Bekehre dich! Wenn du widerstrebst, muss Ich dich bestrafen, und das ist Mir schmerzlich". Gott hasst die Sünde, aber Er liebt den Sünder. Denke auch nicht, dass Gott den Gläubigen gehen lässt, weil er Sein Kind ist. Nein, Gott fängt mit dem Gericht in Seinem eigenen Haus an. Wenn Er bei Seinen Kindern das Böse übersähe, wie könnte Er dann alle Seine Geschöpfe gerecht richten?

"Jerusalem, Jerusalem!" rief der Herr aus und dann - weinte Er. Zweimal wird uns nachdrücklich gesagt, dass der Herr Jesus weinte. Einmal am Grab des Lazarus und dann, als Er sich Jerusalem näherte (Luk 19, 41; Joh 11, 35). Im Urtext werden für diese beiden Fälle verschiedene Worte gebraucht. Bei Lazarus ist es ein Wort, das bedeutet: Still vor sich hinweinen; bei Jerusalem ein Wort, das heißt: Klagerufe ausstoßen. Das letztere schwebt mir jetzt vor Augen. In Lukas 19, 41 - 42 lesen wir: "Und als Er sich näherte und die Stadt sah, weinte Er über sie und sprach: Wenn du doch erkannt hättest - und wenigstens an diesem, deinem Tag - , was zu deinem Frieden dient!" Er klagte, Er jammerte, als Er Jerusalem in seiner Sünde sah; Jerusalem, das doch von Gott so besonders bevorzugt worden war. Und was sagte Er über Kapernaum, der Stadt, in der Er wohnte? Was würde Er von unseren Städten sagen, in denen wir des Christentums wegen von so vielen Segnungen umgeben sind?

Christus ist die Offenbarung des Vaters. In Ihm sehen wir Gottes Gesinnung. So sehen wir denn hier Gott, der über Ninive weint. Aber Jona kümmert sich nicht um das Los der großen Stadt. Er hat sich hingelegt und schläft. Plötzlich wird er unsanft durch den Obersteuermann aufgerüttelt. "Was ist mit dir, du Schläfer? Stehe auf, rufe deinen Gott an, vielleicht wird Er unser gedenken, dass wir nicht umkommen." (Jona 1, 6)

Die Schiffsleute hatten, während Jona schlief, nicht nur gearbeitet und Geräte über Bord geworfen, um das Schiff zu erleichtern, nein, sie hatten auch gebetet, jeder zu seinem Gott. Es waren Schiffer aus verschiedenen Ländern, die ihre eigenen Götter hatten. Alle waren sich jedoch bewusst, hier kann uns nur eine höhere Macht helfen, darum beteten sie nicht nur, sie schrieen zu ihrem Gott.

Wie beschämend für Jona! Mag es auch wahr sein, dass sie den wahren Gott nicht kannten, dass sie nur angesichts ihrer Not beteten und den Rachegott besänftigen wollten, so ist es andererseits wahr, dass Jona überhaupt nicht betete. So schläft oft, geistlich gesprochen, der gläubige Knecht des Herrn, während Seelen in der Welt in Not sind und zu Gott rufen. Könnte man sich nicht darüber entrüsten, dass Jona bei all dem Toben des Sturms so ruhig blieb, als ob nichts geschehen wäre? Wie hart ist doch das Herz des Menschen! Wie viel Mühe hat Gott mit ihm, bis er zur Besinnung kommt und sich schuldig fühlt.

Nun kommen die Schiffsleute dazu, das Los zu werfen. Sie waren der damals allgemein verbreiteten Ansicht, dass das Böse wegen der Schuld eines Menschen komme. Das ist häufig wahr, aber durchaus nicht immer. Der Herr Jesus hat dies verschiedentlich gezeigt. Die Juden haben diese heidnische Denkweise auch auf Ihn angewandt. Man verachtete Ihn und hielt Ihn sogar als von Gott geschlagen (vgl. Jes 53, 4). So wollten die Schiffsleute wissen, um welcher Ursache willen dieses Ungemach über sie kam. Sie warfen das Los und dieses fällt auf Jona. Gott bestellte nicht nur den starken Wind und den großen Sturm, sondern Er lenkte auch das Los, wie wir das in den Sprüchen lesen (Spr. 16, 33). Jemand sagte mir neulich: "Ich hatte in der letzten Zeit alles selbst bestimmt. Zwei Monate vorher schon war alles fest besprochen und geregelt. Aber alles wurde durch eine Krankheit plötzlich umgeworfen". Das ist lehrreich für uns alle. Der Mensch denkt und Gott lenkt. Vom menschlichen Standpunkt aus besehen, könnten wir sagen ein Zufall. Wir wissen jedoch, dass alles stets nur geschieht, weil Gott es zulässt oder Er es so geführt hat.

Wohl bildet sich der Mensch ein, dass er die Dinge lenke, doch fasst er nur Pläne, während Gott es ist, der alles lenkt. Der Mensch meint, dass er über das zu Gebote stehende frei verfügen könne, über sein Geld, seine Zeit, seinen Glauben. Doch dann tritt Gott ihm plötzlich entgegen. Der Mensch aber, statt dankbar zu sein, klagt erbost Gott an, weil Er seine Pläne durchkreuzt hat. Dennoch ist es wahr, Gott liebt uns.

An der Furt vom Jabbok rang Jahwe mit Jakob, weil dieser verkehrt handelte und in seiner Kraft gebrochen werden musste. "Gegen den Verkehrten erzeigst Du Dich entgegenstreitend" (Psalm 18, 26). Den verlorenen Sohn ließ der Vater zu größter Armut und größtem Elend herabsinken. Das alles geschah aber nur zu seiner Errettung und zu seinem späteren Segen. – Dass man doch mehr auf Gottes ernsten und doch so freundlichen Ruf hören möchte.

Die Schiffsleute suchen den Schuldigen. Nun muss Jona selbst vor den Heiden bekennen, dass er, der Jude, der Schuldige ist. Als sie nach einer Erklärung fragen, weshalb sie dieses Unheil treffe und woher er komme, antwortet er: "Ich bin ein Hebräer, und ich fürchte Jahwe, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat" (Jona 1, 9). Schon hatte er ihnen berichtet, dass er von dem Angesicht dieses Gottes hinweggeflohen sei, deshalb wächst ihre Furcht. Sie rufen aus: "Was sollen wir tun, damit sich das Meer gegen uns beruhige?" Das Meer war unterdessen immer stürmischer geworden. Da ruft er: "Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird es sich gegen euch beruhigen, denn ich weiß, dass dieser große Sturm um meinetwillen über euch gekommen ist".

Aus dieser Redeweise erkennen wir, dass Jona wirklich ein Glaubensmann war. Wie mancher in dieser Welt hätte sich unter diesen Umständen das Leben genommen! Auch Saul ertrug es nicht, von seinen Feinden getötet zu werden, und stürzte sich daher selbst ins Schwert. Jona springt aber nicht selbst ins Meer, sondern unterwirft sich der Strafe für seinen Ungehorsam.

Das ist die Pflicht des Sünders. Er hat sich unter Gottes Gerechtigkeit zu beugen und das verdiente Urteil anzuerkennen. Gottlob braucht er nicht selbst das Leben zu lassen. Das einzige, allgenugsame Opfer ist gebracht worden durch das Lamm Gottes. Wir sollen auch nicht versuchen, uns selbst zu retten, wenn wir verkehrt gehandelt haben, wie dies das Volk Israel versuchte, nachdem es das Zeugnis des Glaubens von Josua und Kaleb verworfen hatte. Als es den Unwillen Jahwes sah, wollte es wider Seinen Befehl doch nach Kanaan hinaufziehen und wurde geschlagen bis Horma hin (4. Mose 14). Statt dessen sollen wir im Geist des Glaubens die Strafe für unsere Sünden annehmen und uns demütig beugen unter die mächtige, züchtigende Hand des Herrn. Dann wird Heilung für uns da sein, wie geschrieben steht: "Wenn alsdann ihr unbeschnittenes Herz sich demütigt und sie dann die Strafe ihrer Ungerechtigkeit annehmen, so werde Ich Meines Bundes mit Jakob gedenken" (3. Mose 26, 41 und 42).

Auf Grund des einen Opfers ist immer Vergebung für uns da. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass Er uns vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit. "Nehmt mich und werft mich ins Meer!" das ist Jonas Schuldanerkennung und sein Sichübergeben in die Hände Gottes des Himmels, der ihm die Strafe sandte. Die Folge war, dass er wiederhergestellt wurde, und zwar auch in seinem Dienst. Die Könige Ussija und Asa handelten nicht so, und deshalb war Gottes Segen nicht länger auf ihnen. David hingegen beugte sich; er rief aus: "Gegen Dich, gegen Dich allein habe ich gesündigt" (Psalm 51, 4). Er wurde nicht zornig auf Nathan, den Propheten, der ihm die Wahrheit sagte, sondern verurteilte sich selbst. Darum konnte Gott ihn in seinem Königreich lassen.

Es ist merkwürdig, dass, obwohl Jona sich gleichsam zum Opfer anbietet, die Männer nicht sogleich nach seinen Worten handeln. Sein Bekenntnis machte tiefen Eindruck auf sie. Sie wollen ihn retten und versuchen, das Schiff zu halten, ohne Jona über Bord zu werfen. Doch das Meer wird immer wilder. Da begreifen sie, dass Gott Jona widersteht und somit auch ihnen. Sie verstehen auch, dass sie nach Jonas Worten handeln müssen. Sie werfen ihn ins Meer, doch nicht ohne sich zuerst vor Jahwe wegen dieser Tat zu entschuldigen. Nun rufen sie nicht mehr jeder seinen Gott an. Nein, sie haben jetzt ein Bewusstsein von der Allmacht des einen Gottes Himmels und der Erde. Wie ein Mann schreien sie zu Jahwe: "Ach, Jahwe, lass uns doch nicht umkommen um der Seele dieses Mannes willen, und lege nicht unschuldiges Blut auf uns, denn Du, Jahwe, hast getan, wie es Dir gefallen hat" (Jona 1, 14). Nach diesem Gebet nehmen sie Jona und werfen ihn ins Meer und - es hört auf mit seinem Wüten.

Die Folge ist, dass die Schiffsleute mit großer Furcht vor Gott erfüllt werden. Zuerst fürchteten sie den Wind, die zunehmende Wut des Sturmes, doch jetzt fürchten sie, wie Jona, Jahwe. Dieses geschieht nicht nur mit dem Mund. Nein, sie beten von Herzen den allein wahren Gott an und geben Ihm die Ehre. Schlachtopfer und Gelübde weihen sie Dem, der Rettung gegeben, der aber auch Seine Allmacht, Allwissenheit und Heiligkeit gezeigt hat. Jona hatte den Heiden nichts von Israels Vorrechten mitteilen wollen. Aber waren wohl die Heiden hier auf dem Schiff nicht weiter als selbst der gläubige Prophet aus Israel? Widerstand Gott nicht dem Jona, während Er sich zu den Schiffsleuten bekannte? Und dies, weil sie nach ihrer Erkenntnis treu waren, er aber untreu? Jona sollte gegen Ninive predigen, aber predigte Gott nun nicht gegen Jona?

Die Schiffsleute fuhren auf ruhigem Meer unter Gottes freundlichen Sonnenstrahlen weiter. Jona sank in die Tiefe. Aber Gott ließ dennoch Jona nicht umkommen. Er lenkte es so, dass im Augenblick, da Jona ins Wasser fiel, ein Fisch ihn verschlang, ohne ihn zu verletzen. Drei Tage und drei Nächte war er im Bauch des Fisches, "die Tiefe hatte ihn umschlossen, Meergras sich um sein Haupt geschlungen" (Jona 2, 6).

Konnten die Heiden in Ninive in einem elenderen Zustand sein als wie Jona hier? War er, der Beschnittene, nicht eigentlich wie ein Unbeschnittener? Er, ein Prophet Israels, befand sich wegen des Zornes Gottes in der Tiefe des Meeres. Wahrlich, in einem solchen Zustand hört das Sich-besonderer-Vorrechte-rühmen auf. Das Andere-verachten ist nun vorbei. Stolzer Adam, der sich hinter den Bäumen verbirgt! Stolzer Jona, der sich im untersten Schiffsraum versteckt!

Alle Selbstgerechtigkeit und Engherzigkeit muss verurteilt werden. Dann wird das Herz erfüllt von der Wahrheit, dass Gott Licht und Liebe, heilig und gnädig ist. Der Herr erklärt den Schuldigen keineswegs schuldlos. Lasst dies unsere erste Lektion sein, die wir lernen. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Gerechtigkeit üben? Sollte Er es nicht vor allem dann tun, wenn es die Seinen und im besonderen Seine Knechte betrifft? Unsere zweite Lektion ist diese: Zucht bringt Heil; Gott straft nur, um wiederherzustellen.

Jonas Sünde ist in der Tiefe des Meeres geblieben; er selbst wurde gerettet, so wie Adam seine Schuld und seine Feigenblätter bei den Bäumen ließ, um nun wieder die Gegenwart Gottes und Seine Segnungen zu genießen.

Wo ist ein solcher Gott wie Du, Voll Langmut, Macht und Gnade! Führst Sünder ein in Deine Ruh Von des Verderbens Pfade. Durchdrangst mit Macht Der Sünde Nacht, Gabst hin den Eingebornen Zur Rettung der Verlornen.

Kapitel 2 - Jona im Bauch des Fisches

"Bei Jahwe ist die Rettung!"

Das ist das letzte Wort von Jonas Gebet, als er im Fisch war. Es ist ein merkwürdiges Wort, das das ganze Buch Jonas kennzeichnet. Man könnte es als Überschrift darüber setzen. Bei der "Rettung des Herrn" denken wir zuerst an die Zukunft, die Erlösung unseres Leibes bei der Ankunft des Herrn. Sicherlich, sie endet alles Leid und lindert schon heute jeglichen Schmerz. Aber es gibt auch eine "Rettung des Herrn", auf die wir zurückblicken: das Kreuz von Golgatha, sowie auch eine gegenwärtige Rettung: das Helfen, Leiten und Tragen des Guten Hirten. In Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft finden wir Rettung allein beim Herrn: "Bei Jahwe ist die Rettung!"

Es ist in unseren christlichen Ländern wohl besonders nötig, daran erinnert zu werden, dass die Rettung allein vom Herrn kommt. Die Juden waren stolz auf ihre Vorrechte und wähnten deshalb etwas zu sein, was sie nicht waren, denn auch die Vorrechte besaßen sie nicht aus Verdienst, sondern aus Gnaden. Ähnlich ist es auch bei vielen Christen. Man beruft sich auf seine christliche Religion, und doch wissen viele nichts von einer persönlichen Glaubensgemeinschaft mit dem Herrn. Stolz sehen sie auf andere herab, die vielleicht in der christlichen Lehre nicht so erfahren sind wie sie, aber inniges Verlangen haben nach Friede, Licht und Heil. Man spricht auch oft von der Rettung oder vom Heil, als ob es sich um Krankenheilung oder Genesung handle. Es geht aber nicht um ein Heil für den Leib, von dem einige meinen, das Monopol dazu zu haben, sondern es handelt sich um das Heil Gottes, das für jeden zu erreichen ist, der gläubig seine Hand danach ausstreckt. Auch geht es schließlich bei dieser Rettung nicht um eine Sache, sondern um eine Person, um den Heiland.

Wenn es gut um uns steht, werden wir nicht nur von dem Heil des Herrn reden und wünschen, dass unsere Kinder frühzeitig damit bekannt gemacht werden, nein, wir müssen selbst durch den Glauben dieses Heil erfahren haben. Paulus weist in seinem Brief an die Römer auf das Wort im Propheten Joel hin, dass jeder, der den Namen des Herrn anruft, auch Seine Rettung erfahren wird. Dabei heißt es: "Sei es nun, dass wir leben, sei es, dass wir sterben, wir sind des Herrn" (Röm 14, 8). Ich erinnere mich eines Bruders, der häufig in seinem Vortrag, wenn er von einem Gläubigen sprach, dies mit den Worten andeutete: Er ist des Herrn! Das hat mich oft bewegt. Es ist so köstlich, des Herrn zu sein, Ihm anzugehören, Sein Eigentum zu sein, weil man durch Ihn gerettet wurde. Davon spricht auch der Prophet in Jona 2, 10, der auch wusste, dass das Heil von den Juden kam. Anbetend ruft er aus: "Die Rettung ist Jahwes!"

Der Herr Selbst ist es, der auf wunderbare Weise zu retten vermag. Er ist es, der den Tod herannahen lässt, aber auch auf wunderbare Weise Leben aus den Toten bringt. Der Herr Selbst ist Leben bis in Ewigkeit. Er schafft Rettung für jeden Menschen, wenn er sie dankbar ergreift. So leicht gewinnt der Gedanke bei uns Raum, dass wir selbst etwas zu unserer Seligkeit beitragen könnten. Es gibt Menschen, die meinen, die Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinschaft oder Kirche, sowie das fleißige Anhören der Predigten verleihe ihnen ein Anrecht zur Seligkeit. Das ist nicht der Fall. Das Heil hängt nicht von unserem Tun, sondern von Gottes Gnade ab.

Jahwe, wie Er in diesem Vers genannt wird, will sagen: Der ewig Unveränderliche. Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Er ist der große: "Ich bin, der Ich bin. Ich werde sein, der Ich sein werde" (vgl. 2. Mose 3, 14). "Du aber bist derselbe", lesen wir in Hebr. 1, 12. In allem diesem wird nicht nur ausgedrückt, dass Er der Bleibende ist, sondern auch, dass Er Seine Verheißungen erfüllen wird. Der Unveränderliche ist treu.

Es wäre gut, wenn manche Prediger einmal ernst über den Ausdruck nachdächten: "Bei Jahwe ist die Rettung!" Es gibt nicht nur viele Christen, die sich von gesetzlichen Grundsätzen leiten lassen, sondern es gibt sogar solche, die diese Grundsätze, wohl mit Gnade vermengt, verkündigen. Welch ein Segen würde daraus fließen, wenn alle dem herrlichen Vorbild des Apostels Paulus folgten, der die Errettung aus Glauben allein verkündigte. "Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet" (Röm. 4, 5). "Er hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht - durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens ... nicht aus euch ... nicht aus Werken ..." (Eph. 2, 5 - 9).

"Bei Jahwe ist die Rettung!"

Es ist mir ein Bedürfnis, nochmals auf diese herrliche Tatsache hinzuweisen, weil leider so viele meinen, die Rettung gründe sich auf ihr Wirken, auf das Halten von Vorschriften, oder sie erwarten sie von den Personen, die sie verkündigen. Gegen diese Auffassung müssen wir zeugen. Nichts kommt durch uns, nichts durch eine Zwischenperson. Wir wollen gern Wegweiser sein für andere, aber wir Menschen können unmöglich das Heil bringen oder vermitteln. Wir können es mit der Wärme unserer Überzeugung, durch die Liebe Christi gedrungen, den anderen vorstellen; aber Jahwe allein kann die Menschen durch die mächtige Wirkung Seines Wortes und Geistes erretten. Von Gott allein kommt alle Wiedergeburt. Jeder muss sich persönlich bekehren, wie es immer wieder in der Bibel gesagt wird.

Beim Nachdenken über den Ausdruck: "Bei Jahwe ist die Rettung!" habe ich in der Bibel nachgesucht, wie häufig er wohl darin vorkommt. Es ergriff mich, dass wir ihn im Neuen Testament nicht ein einziges Mal, im Alten Testament dagegen so oder in ähnlicher Fassung Dutzende Mal finden. Warum wird er wohl im Neuen Testament nicht ein einziges Mal gebraucht? Ich glaube, weil das ganze Neue Testament für sich das Buch von der Rettung Jahwes ist. Von Matthäus bis zur Offenbarung ist es voll von dem Heil des Herrn. Es fängt an mit Emmanuel, Gott mit uns, und es endet mit "Ich, Jesu ... Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids" (Offenbarung 22, 16). Der Name Jesus bedeutet: Jahwe, der Retter! Der Ewig-Treue, also der, von dem das Alte Testament spricht und von dessen Heil es so viel zu sagen weiß, ist zum Heil der Menschen auf die Erde gekommen. Gott und Mensch in Christus Jesus vereinigt. David aus Ihm und Er aus David. Wenn uns dann Gott Seine Rettung zeigen will, von der die Propheten so oft geredet haben, so zeigt Er uns eine Person. In den Evangelien, in der Apostelgeschichte, in den Briefen, in der Offenbarung, überall finden wir Jesus, den Retter. Die Rettung Jahwes ist in Ihm verkörpert.

O, welch ein Heiland, Herr, bist Du!

Es fiel mir beim Nachschlagen der verschiedenen Stellen, die im Alten Testament von der "Rettung Jahwes" handeln, auf, dass der Ausdruck zum erstenmal in Verbindung mit Israel gebraucht wird, also nicht in Verbindung mit nur einer Person, sondern mit dem ganzen Volk, und ebenso bezieht er sich bei der letzten Stelle prophetisch wieder auf das ganze Volk. Es ist, als wenn Gott sagen wollte: "Ich habe mir wohl ein Volk für diese Erde auserwählt, aber es soll nicht denken, dass es besser sei als die anderen Völker. Es muss verstehen lernen, dass Ich der Gott ihres Heils bin und dass alle Segnungen, die ihnen zufallen oder einst zufallen werden, durch Meine Rettung kommen.

In Gedanken sehe ich das Volk am Schilfmeer stehen. Es ist in Ägypten, dem eisernen Ofen gewesen, hat geseufzt unter der Peitsche seiner Treiber. Neben ihm erheben sich rechts und links Berge, vor ihm ist das Wasser des Meeres, hinter ihm her kommt der mächtige Feind. Welch eine Not! Was muss es anfangen! Was nützt es, sich in diesem Augenblick der Vorrechte Abrahams und Jakobs zu rühmen! Doch da hören sie die beschwichtigende Stimme ihres Mose: "Fürchtet euch nicht, stehet und sehet die Rettung Jahwes, die Er euch heute schaffen wird" (2. Mose 14, 13). Sie konnten sich auf nichts berufen und keinerlei Ansprüche erheben. Sie sollten auch nicht zurückgehen, dem Feind entgegen; sie hatten nur stillzustehen und die Rettung Jahwes anzuschauen.

Und was war die Rettung Jahwes? Sie mussten gleichsam in den Tod hinein, in die Wasser des Roten Meeres; aber wie sie scheinbar in den Tod gehen, den sie verdient hatten, kommt Gottes Rettung. Er bahnt einen Weg, einen Weg des Lebens, so dass sie wie Auferstandene an der anderen Seite des Schilfmeeres ankommen und dort das Lied der Erlösung anstimmen können: "Jah ist mir zur Rettung geworden!" (2. Mose 15).

Wie schön ist das! Der Anfang der Geschichte des Volkes Israel birgt die Erkenntnis, dass es den Tod verdient hat. Alle Erstgeburt der Kinder Israel hätte ebenso gut umkommen müssen wie die Erstgeburt der Ägypter. Auch die Israeliten waren in Ägypten Götzendiener gewesen. Hesekiel teilt uns dies mit (Hes. 20, 6-10). Aber Gott hat sich über Israel erbarmt. Ein Lamm wird geschlachtet, ein Stellvertreter für den Erstgeborenen. Das Blut wird an die Türpfosten gestrichen, oben und an beide Seiten (nicht auf den Boden, denn Blut ist heilig). Drinnen im Haus ist die ganze Familie in Sicherheit beisammen auf Grund des Blutes und des durch Jahwe zu Mose gesprochenen Wortes. So können sie von der Rettung Jahwes singen, denn der älteste Sohn, der hätte sterben müssen, aber durch Gottes Gnade gerettet wurde, konnte mit ausziehen nach dem Land der Verheißung, um dort teilzuhaben an den reichen Segnungen Jahwes.

Als sich das Volk also dem Roten Meer nähert, wird es wieder daran erinnert, dass es den Tod verdient hätte. Das Blut sprach von Versöhnung, das Rote Meer von Erlösung. Durch die mächtige Hand Gottes wird es sicher an die andere Seite gebracht. "Bei Jahwe ist die Rettung!"

*

Dies alles spricht auch so deutlich aus der Geschichte, die wir gewissermaßen am Ende des Alten Testaments finden, bei der wieder der Ausdruck "die Rettung des Herrn" auftaucht, wie im Anfang der Geschichte Israels.

In der Geschichte Jonas wird uns gezeigt, wie ein echter Israelit, ein frommer Mann, ein Führer unter den Juden erkennen musste: "Ich bin schuldig, werft mich ins Meer". Er wird ins Meer geworfen, sinkt nieder ins Grab. Nun müsste man denken, es sei aus mit dem Propheten, aber nein, es ist nicht das Ende. Das Ende ist "die Rettung Jahwes".

Hierin ist Jona ein Bild von Israel. Das Volk Gottes hatte am Anfang und am Ende den Tod verdient.

Sein Ende hätte im Grab sein müssen. Aber - das Grab spricht von dem Lebenden aus den Toten. Haben wir beachtet, dass Jona in seinem Gebet nicht von einem Fisch spricht? Er sagt: "Ich schrie aus dem Schoß des Scheols ... du führtest mein Leben aus der Grube herauf". Er erkennt, dass er ein Toter ist, der der Verwesung anheimfallen müsste. Wenn wir so weit sind, dann sind wir da, wo Gott uns haben will, um uns Sein Heil schenken zu können. In Psalm 68 steht Gott auf zum Streit. Der Feind flieht. Die Gottlosen kommen um, aber die Gerechten haben sich zu Gott hingewendet. Mit Frohlocken stehen sie vor Gottes Angesicht, - von dem sie sich einst abgewandt hatten - erkennend, dass Gott ein Gott der Rettung ist, der in grenzenloser Güte vollkommene Seligkeit schenkt.

In dem kleinen Buch lesen wir immer wieder, was der Herr tat, um seinen Diener zurechtzubringen. Er warf einen Sturm aufs Meer, Er bestellte einen Fisch, um Jona zu verschlingen. Alles steht Ihm zur Verfügung, und zur rechten Zeit gebraucht Er es.

Am Ende des Kapitels, das wir betrachten, lesen wir: "Und Jahwe befahl dem Fisch, und er spie Jona ans Land aus". Das klingt, als wenn Gott hier mit einem Seiner Knechte rede, und so ist es in der Tat. Bileams Eselin steht ebenso im Dienst Gottes wie der Löwe, der den Mann Gottes aus Juda tötete, wie der große Fisch im Buch Jona und die brüllenden Löwen in der Geschichte Daniels. Auch die Tiere müssen Gott auf Seinen Wink hin dienen. Einmal müssen sie schweigen, dann sprechen, einmal zerreißen, ein andermal ihre Rachen geschlossen halten, und hier in Jonas Geschichte: lebend verschlingen, unversehrt aufbewahren und wieder auswerfen an das Land.

"So wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, also wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde sein." Luther übersetzte hier in Matthäus 12, 40 "Walfisch". Aber diese Übersetzung ist nicht zutreffend und hat viel Gerede und Spott hervorgerufen. Daraus sieht man einmal, welch große Bedeutung eine genaue Übersetzung hat und wie viel oft davon abhängt, ein kleines Wort richtig zu übersetzen. Weiter sehen wir hieraus, dass der gegen Gott und Sein Wort feindliche Mensch ohne Untersuchung das erste beste ergreift, um Gottes Wort wenn möglich lächerlich zu machen und zu entkräften. Bei richtiger Übersetzung wird die Überlegung des Unglaubens, dass der Schlund des "Walfisches" zu klein sei, um jemanden unverletzt zu verschlingen, hinfällig. (Als wenn Gott keine Wunder tun könnte.)

Man wendet ferner ein, dass es im Mittelmeer keine Walfische gebe. Als wenn Gott nicht einen dorthin senden könnte. Überdies wissen wir aus zuverlässigen Berichten, dass, wenn auch selten, in diesem sogenannten "großen Meer" Walfische vorkommen.

Ein weiterer Einwand der Ungläubigen, den selbst eine genaue Übersetzung nicht widerlegen kann, ist das Unerhörte, dass solch ein Fisch es tagelang aushalten kann, einen Menschen im Magen zu haben, und dass dieser Mensch im Innern des Fisches am Leben bleibt.

Vielleicht ist es gut, hier darauf hinzuweisen, dass der sehr bekannte Londoner Ichthyolog (Ichthyologie: Lehre von den Fischen), E. G. Boulenger, glaubt, dass der große Fisch des Jona ein Potwal gewesen sei. Dieser Fisch lebt in den Gewässern südlicher Breite, wird bis zu 27 Meter lang, hat einen gewaltigen Rachen, der ungefähr ein Drittel seiner Körperlänge ausmacht, und einen außerdem noch sehr dehnbaren Schlund, der groß genug ist, einen erwachsenen Menschen durchgleiten zu lassen. Sein Magen ist so groß, dass er leicht zwanzig Menschen darin aufnehmen könnte. Man hat einmal einen Potwal gefangen, der einen fünf Meter langen Haifisch in seinem Magen hatte. In diesem Magen herrscht eine Temperatur von 39 Grad, also immerhin noch nicht so warm, dass es der Mensch darin nicht aushalten könnte. Die Magensäure dieses Tieres kann von der menschlichen Haut vertragen werden. Auf Grund dieser Tatsachen nimmt Herr Boulenger an, dass der Fisch des Jona ein Potwal gewesen sei.

Dr. Boulenger teilt folgendes mit: Einst wurde durch französische Gelehrte mit zwei Schaluppen Jagd auf einen Potwal gemacht. Dabei kenterte eines der Bote durch einen Schwanzschlag des Ungeheuers und der Matrose Bartley verschwand in der Tiefe. Es gelang, das Tier zu fangen. Beim Aufschneiden bemerkte man etwas Besonderes in seinem Magen. Man öffnete diesen und - der verlorene Matrose kam wie wahnsinnig heraus, nachdem er zwei Tage und eine Nacht im Magen des Fisches gewesen war. Durch die Magensäure des Seeungeheuers war seine Haut weiß wie Schnee geworden. Von dem Wahnsinn genas er schnell, die weiße Hautfarbe jedoch blieb. Ebenso hat einmal ein amerikanisches Schiff, so erzählt Dr. Boulenger, auf Potwale Jagd gemacht. Diesmal schlug ein Fisch, als er verfolgt wurde, das Boot in Stücke und verschlang einen Matrosen. Später kam der Potwal nach oben und spie den Inhalt seines Magens mitsamt dem lebenden Matrosen aus.

Mit großem Interesse vernehmen wir diese Berichte und halten sie angesichts des Spottes der Ungläubigen für bedeutungsvoll. Für uns Gläubige jedoch wären solche Mitteilungen nicht nötig. Wir glauben auch ohne solche Berichte von Sachverständigen, was Gott uns über Jona im Fisch erzählt, denn für uns ist Gottes Wort unanfechtbar. Gott ist uns ein Gott, der Wunder tut. Aber das größte Wunder in dieser Erzählung ist nicht, dass Jona vom Fisch verschlungen wurde und darin unbeschädigt blieb, sondern, dass er geistlich wiederhergestellt herauskam.

Aber wir haben noch einen weit größeren und zuverlässigeren Beweis dafür, dass mit Jona alles so geschehen ist, wie es uns hier mitgeteilt wird, nämlich darin, dass unser Heiland, Jesus Christus, Gottes Sohn Selbst, uns an diese Geschichte erinnert, darauf hinweisend, als ein Vorbild Seines eigenen Todes und Seiner Auferstehung. Vinet sagt irgendwo, dass der Glaube, der nicht glauben kann, dummes Gerede ist. So möchte ich sagen, dass nach solcher Beweisführung - die beste, die überhaupt gegeben werden kann - alle Gegengründe verwerfliche Behauptungen sind. Es gibt indessen einen Punkt, der auch Gläubigen Schwierigkeiten bereitet. Jona soll drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches gewesen sein, welche Zeitspanne von dem Herrn für Sein Verweilen in der Erde, im Grab angegeben wird, wogegen der Herr, gemäß den Evangelien, nur zwei Nächte, einen Tag und zwei kleine Bruchteile eines Tages im Grab gewesen ist. Doch werden auch diese Bedenken gründlich zerstört, wenn man daran denkt, dass wir uns, zur Zeit des Jona sowohl als auch des Herrn, auf biblischem, das heißt morgenländischem Boden befinden. Man nennt dort auch einen Teil des Tages "Tag und Nacht", ähnlich wie wir, wenn wir erzählen, dass wir irgendwo einen Tag gewesen sind, nicht sagen wollen, dass es genau zwölf oder gar vierundzwanzig Stunden gewesen sind. Wir sprechen auch von einem Nachmittag, wenn wir auch nur einen Teil des Nachmittags fortgewesen sind. In diesem Sinn spricht man dort von "Tag und Nacht", auch wenn nur ein Teil davon gemeint ist. Darum gelten die letzten Stunden des Freitag einerseits und die Nacht des ersten Wochentags zusammen mit den ersten Stunden des anbrechenden Tages anderseits genau so gut als Tag und Nacht wie der Tag des Samstag mit der ganzen vorangehenden Nacht.

Unter den Juden haben sich nie irgendwelche Bedenken gegen die Mitteilungen der Evangelien gezeigt. Die Schwierigkeiten sind erst da aufgekommen, wo man obige Ausdrucksweise nicht kennt. Manche meinen, eine Erklärung geben zu können, indem sie annahmen, dass der Herr nicht am Freitag, sondern am Donnerstag oder Mittwochabend gestorben sei. Während jedoch solch eine Vermutung schon an und für sich keine Beweiskraft hat, widerspricht ihr auch die Heilige Schrift. Das geht nicht nur aus einem Vergleich der Schilderungen in den Evangelien hervor, sondern es steht deutlich in Lukas 24, 21: "Doch auch bei alledem ist dies heute der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist". In Vers 13 steht zur Sicherheit: "An demselben Tage", das war der Auferstehungstag, "gingen zwei von ihnen in ein Dorf, mit Namen Emmaus". Jesus ist nicht am siebenten Tag, sondern am achten Tag auferstanden. Das Fest die Erstlingsgarbe ist ein Vorbild von Jesu Auferstehung. Die Erstlingsgarbe musste am Tag nach dem Sabbath dargebracht werden, also am ersten Tag der Woche, den wir "Tag des Herrn" nennen. An diesem Tag gingen die beiden Jünger nach Emmaus, ihrem Wohnort, zurück. Unterwegs gesellt sich der Herr zu ihnen. Und zu Ihm sagen sie, ohne dass Er widerspricht: "Bei alledem ist dies heute der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist". So ist es auch im Griechischen üblich, dass, wenn mehr als ein Tag und eine Nacht vergangen sind, man von drei Tagen spricht. Man betrachtet auch den ersten und den letzten Teil eines Tages als einen Tag. Der erste Tag der Woche war also nach Lukas‘ Mitteilung der dritte Tag, der zweite war der Samstag oder Sabbath, der erste war der Freitag, der Tag der Kreuzigung. So ist es nach den Schriften. Paulus sagt, dass Er auferweckt wurde am dritten Tag nach den Schriften. Denn die Bücher des Alten Testaments sprechen auch vom dritten Tag. Der dritte Tag war der Tag des erwachenden Lebens (1. Mose 1, 11-13). "Er wird uns am dritten Tag aufrichten, so werden wir vor Seinem Angesicht leben" (Hosea 6, 2).

Dieses Wort Hoseas weist auf Israel hin. Jonas Geschichte ist ja auch die Geschichte Israels. Christus aber war der wahre Israel ("Du bist mein Knecht, bist Israel", Jes. 49, 3). Israel sollte ins Grab hinabsteigen wegen seiner eigenen Sünden und nach aufrichtiger Reue und Buße in Gnade wieder zum Leben erweckt werden. Christus stieg ins Grab hinab, um die Sünde Seines Volkes zu sühnen und, weil Er der Gerechte war, wieder aus den Toten auferweckt zu werden.

Wunderbar wird uns Jonas Gebet, wenn wir darin die Schatten, die auf Christum hinweisen, wahrnehmen. Die Klage über die Riegel des Todes, die Ketten des Grabes, das Ihn umfing, die Wogen und Wellen des Zornes Gottes, die über Sein Haupt gingen, der Abgrund, der Ihn umschloss - wie erinnert uns das alles an Psalm 42, an Christus. Wie ergreifend ruft der Dichter aus:

"Wie viel Schmerz hast Du erduldet,

Wie viel Tränen Du geweint!

Alles das, was wir verschuldet,

Lag auf Dir, o Herr, vereint."

Wenn ich diesen "Psalm" des Jona lese, denke ich an die Leiden, die der Heiland, Gottes Sohn, um meinetwillen ertragen musste: Geschlagen; verhöhnt; eine Dornenkrone auf dem Haupt; gekreuzigt; von Gott verlassen; hinabgeworfen ins Innere der Erde.

Anbetungswürdiger Jesus!

Jona ist nur ein schwacher Schatten Deiner Herrlichkeit. Und doch ist er Dein Vorbild; zwar auch ein Vorbild von Israel in den Leiden und in der Errettung aus den Drangsalen. Doch vor allem ein Zeichen von Dir, dem Sohn des Menschen, der Du um der Sünde willen in Tod und Grab gingst, jedoch zur Rettung und Rechtfertigung von Sündern auferstanden bist.

Gottes Wille muss geschehen; Er handelt nach Seinem Wohlgefallen. Das sehen wir bei Jona, später bei Israel. Das durften wir vor allem bei Christus erkennen. Nach Gottes Rat wurde Er gekreuzigt. Als Jesus hinabstieg ins Herz der Erde, hat Gott Seine Seele nicht verlassen, noch zugelassen, dass Sein Frommer die Verwesung sehe. Christus ist gestorben und auferstanden. Aus diesem Tod und dieser Auferstehung ist der Welt das Heil Jahwes bereitet worden.

Kehren wir jedoch zu Jona im Fisch zurück.

Gott gebrauchte den Sturm, um Jona zu zeigen, dass er der Schuldige sei, den Fisch, um ihn zu erretten, nachdem er erkannt, dass er, der Jude, die Gnade des Herrn ebenso nötig hatte wie die Heiden. Derselbe Gott, der zu den Heiden sprach, wollte auch mit dem Propheten reden. Er tat es durch den Sturm und den Fisch. Welch ein Gott der Gnade ist Er! Er wartete nicht, bis Adam zu Ihm kam; Er suchte ihn auf. Er wartete nicht, dass Jona von selbst zur Einkehr kam; Er suchte ihn auf dem Schiff und redete zu ihm im Fisch.

Wie anders sind wir in dieser Hinsicht! Möchten wir doch von der Gesinnung Gottes lernen! Wir sagen so manchmal, die Irrenden müssen zu uns kommen, um ihre Schuld zu bekennen. Aber schrieb nicht auch Paulus den Korinthern, dass sie den Abgeirrten wieder aufnehmen sollen, damit er nicht durch übermäßige Traurigkeit verschlungen werde?

Wunderbar sind Gottes Taten. Jona hatte das Gebet im Kämmerlein vergessen. Er schlief sogar während es stürmte und alle anderen beteten. Nun wird er in ein gar dunkles Kämmerlein geführt, in das Innere des Fisches. Dort spricht Gott eindringlich mit ihm. Und dort, wo sich Meergras um sein Haupt schlang, hörte er, was Gott ihm durch Sein Wort und Seinen Geist zu sagen hatte. Welch ein Augenblick wird es für Jona gewesen sein, als er ins Meer geworfen wurde und denken musste: Nun geht es in den Tod, den ich verdient habe. Aber - er wird durch einen großen Fisch verschlungen. Mühsam nur kann er Atem holen. Und doch quälen ihn nicht die Leiden des Körpers, so furchtbar sie sein mögen. Die Angst der Seele ist viel, viel größer. Wir würden nur eins tun: Erfüllt von unserer großen Schuld, einem dreimal heiligen Gott gegenüber, würden wir zu Ihm rufen und schreien. Der Kerker und die Dunkelheit um uns her würde uns kaum zum Bewusstsein kommen. So war es mit Jona. Immer schneller trägt der Fisch seinen eigenartigen Bewohner in die Tiefe des Meeres. Die Wogen und Wellen gehen über Jona dahin. Zitternd, bebend sieht Jona völlig hoffnungslos dem sicheren Tode entgegen. Doch nun kommen Gott und Sein Heil vor das Geistesauge des Jona. Die Bedrängnis seines Leibes wird ihm zum Spiegel seines seelischen Leides. Er sieht den Zorn Gottes über sich gehen, seiner Sünde wegen. Und - Jona betet!

Jona rief zum Herrn, seinem Gott, rief zu Ihm aus der Qual seiner Seele. Haben wir beachtet, dass die Schiffsleute zuerst zu ihren Göttern riefen, danach aber zu Jahwe? Und das waren Heiden. Wie aber ist es mit Jona? Auch er muss Jahwe anrufen, genau so wie die Unbeschnittenen. Jona sagt gleichsam: "Du, Jahwe, hast getan, wie es Dir gefallen hat". Er erkennt, dass er nur wegen seines Ungehorsams in dieser Not ist und dass er Rettung allein von Gott erwarten kann. Es war eine wichtige Lehre, die Jona "im Kämmerlein", allein mit dem Herrn, lernen musste.

Was würde in Sturm und Gefängnis aus ihm geworden sein, wenn Gott nicht ein Gott der Gnade wäre! Nichts konnte ihm unter diesen Umständen helfen als nur die schrankenlose Gnade. Mit seinem "Bei Ihm ist die Rettung", erkennt er nach seiner Demütigung, dass Gottes Gnade sich über ihn erbarmt hat. Nun jubelt Jona; nicht, weil er ein bevorzugter Jude oder ein begabter Prophet ist; nein, er freut sich in seinem Herrn, weil ihm unverdiente Gnade zuteil geworden ist.

Und siehe, da erhebt sich wieder die Frage: "Ist Gott der Gott für die Juden allein? Nicht auch der Nationen?", worauf es nur eine Antwort geben kann: "Ja, auch der Nationen" (Röm 3, 29). Alle haben in gleicher Weise die Rettung nötig, alle sind in derselben Weise abhängig von der schrankenlosen Gnade Gottes. Er ist "der eine Gott, der die Beschneidung aus Glauben und die Vorhaut durch den Glauben rechtfertigen wird" (Röm. 3, 29-31). Der Jude ist ebenso wie der Heide ungehorsam gewesen. Nun müssen Jude und Heide auf Grund derselben Barmherzigkeit Gottes gerettet werden.

Jona wollte nicht nach Ninive. Aber Jona musste nun wie die heidnischen Schiffsleute zu Gott rufen und sich wie die Niniviten zu Gott wenden. Das ist die Lehre von Jona im Fisch.

Gleicherweise hatte Ninive, mochte es sein was es wollte, heidnisch, unbeschnitten, ein Fremdling bezüglich des Bundes und der Verheißungen Israels, genau wie der bevorzugte Jude, genau wie der begabte, bevorzugte Prophet, der seiner Übertretungen wegen in einem Grabe weilt, die Gnade nötig. Der Fisch warf Jona erst aus, als er diese Lehre verstanden hatte. Wir erkennen es an dem Ausruf, mit dem er das Gebet schließt: "Bei Jahwe ist die Rettung!"

Wie merkwürdig ist Jonas Gebet im Bauch des Fisches! Haben wir auch beachtet, dass es wie ein Psalm klingt? Ich habe es sorgfältig durchgesehen, mit den Psalmen verglichen und bemerkt, dass man dieselben Worte auch in einer ganzen Reihe Psalmen findet. Manche sagen darum, dass dieses Gebet aus verschiedenen Psalmen zusammengesetzt wurde. Dennoch sind es die Worte Jonas. Wohl war Jona ein Prophet, der die Worte der Psalmen genau kannte. Darum ist es kein Wunder, dass ihm in der Not die Worte des Heils ins Gedächtnis kamen, sich wunderbar mit seinen Nöten verbanden, so dass sie ihm zu seinen eigenen Worten wurden. Ist es dir nicht in der Not auch schon so ergangen, dass dir ein Bibelvers oder ein geistliches Lied einfiel und alsdann wie deine eigenen Worte zu Gott aufgestiegen sind?

So kamen gewiss Jona in dieser furchtbaren Bedrängnis Gedanken, wie sie einst David oder andere Männer Gottes unter ähnlichen Umständen hatten, und die er dann als sein Gebet aussprach. Überdies, werden nicht all die Seinen von dem einen Gott geleitet, der durch Seinen Geist zu allen Zeiten dieselben Gedanken und Bedürfnisse in ihnen weckt?

Zuerst spricht Jona über seine Bedrängnis. Er weiß sogleich, dass Gott ihn auch in der Tiefe des Grabes hören kann. Ist das nicht die Erfahrung aller Gläubigen? In den größten Nöten hört uns Gott, auch wenn diese Not durch unsere eigene Sünde verursacht wurde. Jona erkennt, dass der Herr ihn in diese Bedrängnis geführt hat. Aus der Tiefe ruft er nun zu Ihm. Auch dies ist so überaus wichtig. Wir müssen Gottes Hand über uns erkennen, wenn Seine Rettung uns zuteil werden soll.

Weiterhin spricht er aus, dass Gott ihn verstoßen habe, dennoch vertraut er darauf, dass er einst wieder Gottes Gegenwart genießen werde. O, dieses gesegnete "Dennoch"! Wie oft kommt es in unserem Leben vor! Mit Bangen und Hoffen wenden wir uns zu unserem Gott.

Zweimal spricht Jona dann von Gottes heiligem Tempel. Er selbst wusste sich verstoßen und weit entfernt von Jerusalem. Er vertraute jedoch auf Gottes Gnade, die ihn einst wieder den heiligen Tempel schauen lassen würde. Ja, mehr noch, seine Seele war bewegt, wenn er an den Herrn dachte, und er hatte die Gewissheit, dass sein Gebet zu Gott und Seinem heiligen Tempel emporstieg. Darum betet er nicht nur, er dankt. Er ist gewiss, dass der Herr nicht nur sein Gebet hören, sondern auch Seine Hilfe senden werde. "Du führtest mein Leben aus der Grube herauf. Jahwe, mein Gott" (Jona 2, 6). Das ist Auferstehungsjubel.

Darum fährt er fort: "Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade" (Jona 2, 8), d. h. Den, der die Güte oder Gnade ist. Das hatten die heidnischen Schiffsleute getan. Sie riefen zuerst zu ihren Göttern, und weil diese ihnen nicht helfen konnten, wandten sie sich zu Jahwe, den sie durch Jona kennen lernten. Angesichts der furchtbaren Machtentfaltung, die sich im gewaltigen Sturme kundtat, riefen sie alle zu Ihm. Doch Jona gedachte mehr zu tun. Er wollte sich nicht nur zum Herrn wenden und Ihm danken; er wollte Ihm das Gelübde bezahlen, das er im Bauch des Fisches Gott gelobte.

Wir können uns wohl vorstellen, welch ein Gelübde dies sein mochte. Er mag im Bauch des Fisches gelobt haben, dass er fortan auf Gottes Stimme hören und dorthin gehen wolle, wohin Er ihn senden würde, selbst in die heidnische Stadt Ninive. Er erkennt, dass die Rettung nur von Jahwe kommen kann. Alles kann nur von Ihm kommen, der allein aus einem bejammernswürdigen Zustand erlösen und erretten kann.

Spricht man nicht mit Recht von drei Stufen zur Seligkeit? Haben wir sie hier nicht alle drei vor uns? Jona empfand sein Elend und erlebte die Erlösung, die ihn daraus befreite, die Erkenntnis der Erlösung aber bewirkt Anbetung. Das ist es, was in Jonas Gebet zum Ausdruck kommt. Es ist eine eigentliche Danksagung und zeigt, was in seinem Herzen vorgegangen war, nachdem er lebend ins Grab, in den Bauch des Fisches, gekommen war.

Das ist immer wieder der Weg Gottes mit Seinem Volk. Durch Sterben zum Leben, durch Verlieren zum Gewinnen, durch Untergang zur Auferstehung. Dies mag alles eine harte Schule sein, aber nur durch sie gelangt der Mensch zur Beugung und Buße, diese aber führt, wie wir schon ausführten, zur Errettung.

"Bei Jahwe ist die Rettung!"

Ja, Dein Lieben ohn‘ Ermüden Brachte unsern Seelen Ruh‘, Dass wir jetzt in Deinem Frieden Wallen Deiner Wohnung zu. Deine Freude ist zu segnen, Freundlich allen zu begegnen, Deine Liebe ruhet nie!

Kapitel 3 - Jona in Ninive

"Gottes Ratschluss soll zustande kommen" (Jes. 46, 10).

Dieses durch den Propheten Jesaja an das Volk gerichtete Wort passt auch auf den Teil der Geschichte Jonas, den wir nun vor uns haben. Wie sehr auch die Menschen danach trachten, Gott aus dem Wege zu gehen, nach ihrem eigenen Gutdünken zu handeln und zu wandeln, so muss doch Gottes Wille geschehen. Das Ende ist immer Seine Verherrlichung.

Wohl ist es wahr, dass wir die Ursache großer Verzögerungen sein können, wenn wir nicht auf Gottes Stimme hören und nicht so handeln, wie Er es von uns erwartet, oder wenn wir nicht nach Seinen Gedanken und zu Seiner Ehre wandeln. Aber dies ändert nichts an der Tatsache, dass Sein Ratschluss zustande kommen wird und dass Er, der Allweise, Allgenügsame, Sein Ziel erreichen wird.

Da Costa, ein holländischer Dichter, hat einmal gesagt: "Wenn ein Zug entgleist, verursacht das einen Aufenthalt, denn es braucht viel mehr Zeit, den Zug wieder in die Geleise zurückzubringen, als die Entgleisung benötigte." Wie wahr ist dies! Sobald ein Zug entgleist, entstehen weithin große Verspätungen. Der Zug selbst kann nicht weiterfahren und andere Züge werden durch ihn aufgehalten. Auf den verschiedenen Stationen entstehen Schwierigkeiten hinsichtlich der Reisepläne vieler Menschen. Verwirrung und zahlreiche Verspätungen können durch eine kleine Entgleisung verursacht werden. Dennoch ist es meistens möglich, den Fehler bald wieder in Ordnung zu bringen, so dass der Zug auf der vorgeschriebenen Bahn weiterfahren und schließlich seinen Bestimmungsort erreichen kann.

Dies ist ein passendes Bild für den Zustand derjenigen, die von Gott, den sie doch kennen und lieben, abweichen. Es brauchen nicht gerade Propheten und Diener zu sein wie Jona. Auch andere können genug Verwirrung auf ihren Lebensweg bringen und bei denen, mit welchen sie in Berührung kommen, Hemmungen verursachen. Ja, es können jahrelange Verzögerungen entstehen, bis Gott schließlich in Macht eingreifen muss. Er weiß zurechtzubringen; Er weiß zum Ziel zu kommen, das Er im Auge hat. "Sein Ratschluss soll zustande kommen."

Wir wollen uns deshalb daran erinnern lassen, dass dieses Wort des Propheten Jesaja keineswegs ein Freibrief ist, um tun und lassen zu können nach eigenem Willen und was nicht gut ist. Ach, so viele Verzögerungen, Verwirrungen, Schwierigkeiten und Mühsal auf unserem Lebensweg haben wir uns selbst zuzuschreiben. Wir sind ein Schaden für uns und andere und bringen Schatten auf unser und anderer Zeugnis. Es ist aber ein köstlicher Trost, zu wissen, dass Gott in Seiner Gnade, trotz unserer Mängel und Gebrechen, Sein Ziel auf wunderbare Weise dennoch erreichen wird. Nichts und niemand kann Seine Pläne durchkreuzen.

Das dritte Kapitel beginnt mit den Worten: "Und das Wort Jahwes geschah zum zweiten Mal zu Jona".

Zum zweiten Mal! Im ersten Kapitel wird von dem ersten Mal erzählt. "Und das Wort Jahwes geschah zu Jona, dem Sohne Amittais also: Mache dich auf, geh nach Ninive, der großen Stadt, und predige wider sie, denn ihre Bosheit ist vor mich aufgestiegen‘."

Das Wort Jahwes, eine Botschaft des Herrn, war an Jona gerichtet worden. Es war sehr deutlich. Aber Jona hatte nicht gehorcht. Er hatte sich durch nationale Gefühle beeinflussen lassen, und nach seinem eigenen Willen und Denken handelnd, war er nach Japho geflüchtet, um sich von dort nach Spanien einzuschiffen, während er ostwärts, nach Ninive, hätte gehen sollen. Er floh von dem Angesicht Jahwes hinweg. Zweimal wird uns das gesagt (Jona 1, 3.10). Er war ein untreuer Diener geworden. Der Meister hatte zu ihm gesprochen wie einst zu Elia, aber während dieser dem Königshaus die Botschaft brachte, "Im Namen Jahwes, vor dessen Angesicht ich stehe" (vgl. 1. Kön 17, 1), verließ Jona das Angesicht Jahwes.

"Predige gegen sie", hatte Jahwe gesagt. Doch Jona fürchtete Gottes Güte, fürchtete, schließlich als Prophet beschämt dastehen zu müssen, und wollte das Gericht nicht ankündigen. Wir kennen die traurigen Folgen. Er kommt in den Sturm und in den Fisch. Und wenn Gott mit Jona nach Gerechtigkeit gehandelt hätte, so wie er erwartete, dass es mit Ninive geschehen sollte, dann hätte Jona elend umkommen müssen. Doch wie gut, dass der Herr gnädig ist, langmütig und groß an Erbarmen. Er ließ Jona nicht im Meer umkommen. Er bestellte einen Fisch, der ihn verschlang, ohne ihn zu verletzen, so dass Jona im Bauch des Fisches Gelegenheit hatte, sich wieder zu Gott zu wenden. Er konnte zu Ihm rufen und flehen und erfuhr, welch ein gnädiger Gott sein Gott war. Gott hörte auf ihn und befahl dem Fisch, Jona wieder auf das Trockene auszuspeien.

Da steht nun der Prophet. Vielleicht nicht weit weg von dem Ort, von dem er fortging. Wir wissen zwar nicht, an welcher Stelle er wieder aufs Trockene kam. Doch Gottes Weg ist stets so, dass wir zu der Stelle zurückkehren müssen, von wo wir abgewichen sind, um dann von neuem zu beginnen.

Da steht nun Jona als ein Beweis der unendlichen Barmherzigkeit Gottes und Seiner lebendigmachenden Kraft. Da steht er wie einer, der von den Toten auferstanden ist. Sein Aussehen verrät vielleicht noch die Todesgefahr, der er entgangen ist. Vielleicht ist sein Haupt noch von Meergras umschlungen, aber - er lebt. Und Gott, der Jona immer noch als Seinen Knecht anerkennt, richtet Sein Wort zum zweiten Mal an ihn.

Haben wir einmal darüber nachgedacht, wie oft Gott sagt: "Noch einmal machen; wiederholen!"? Jona hörte nicht auf Gottes Stimme, floh vor Seinem Angesicht, doch als er umkehrte von dem eigenen Weg, gibt Gott ihm Gelegenheit, das Versäumnis nachzuholen. Ein Petrus hörte nicht auf des Herrn Warnung, fiel, verleugnete den Meister; doch als er seine Schuld einsieht und bitterlich weinend bekennt, stellt ihn der Herr wieder her, nimmt ihn wieder in Seinen Dienst und gibt ihm Gelegenheit, wieder gutzumachen, was er gefehlt hatte.

Wenn ein Schüler in der Schule eine schwierige Rechenaufgabe machen muss und keine Lust hat, sich anzustrengen, vielleicht mehr an sein Spiel als an seine Arbeit denkt, und diese missrät, dann wird der Lehrer betrübt. Er merkt, dass nicht Mangel an Verständnis, sondern Widerwille die Ursache des Versagens ist. Es folgt die Strafe, aber auch: Noch einmal machen! Das ist für den Lehrer nicht angenehm. Noch einmal muss er den Jungen beaufsichtigen, seine Aufgabe nachsehen, ihn vielleicht noch nachsitzen lassen. Es bedarf der Geduld. Aber es geht nicht anders, denn die Aufgaben müssen gemacht werden. Noch einmal machen!

Die Mutter lässt ihre Tochter stricken, doch das Kind hat keine Lust und macht Fehler über Fehler. Nun muss die Mutter strafen, die heruntergefallenen Maschen aufheben, das Schlechte aufziehen und das Kind nochmals anweisen. Das kostet sie viel Zeit. Und dann kommt noch der Befehl: Nun noch einmal! Neu anfangen! Denn das Mädchen muss nicht allein sehen, was es falsch gemacht hat, es muss auch das tun, zu dem es im Anfang keine Lust hatte. Auch muss die Arbeit gut gemacht werden.

Es gehört zur Erziehung, die Menschen eine Sache noch einmal machen zu lassen. Wir lernen dieses von dem großen, göttlichen Meister in der Art und Weise, wie Er Seine Knechte erzieht. "Wiederholung", sagte ein Pädagoge, "ist die Mutter allen Unterrichtes".

Petrus, "zum zweitenmal"!

Petrus hatte Gelegenheit, nachdem er seine Schuld bekannte und Jesus ihn in einer besonderen Begegnung wiederherstellte, andere auf die Gefahren, in denen sie standen, aufmerksam zu machen. Er tut es mit Mut und Treue, nicht weil er sein Versagen vergessen hat, sondern weil er sich mit bitterem Schmerz erinnert, wie verkehrt er gehandelt hatte. Jetzt, zum zweiten Mal, will er ein rechter Bote Gottes sein. Nun ist er bereit, anderen Gottes Willen und Gedanken zu übermitteln. Ja, Petrus, der sagte: "Ich kenne den Menschen nicht" (Matth. 26, 72), bezeugt in seinen Briefen siebenmal die Kostbarkeit der Person Christi und das Heil Seiner Gnade.

Jona, "zum zweitenmal!"

Jona hat Gelegenheit, nachdem er auf dem Schiff seine Schuld bekannt, im Fisch mit tiefer Reue zu Gott gerufen und volle Vergebung empfangen hat, den Niniviten zu verkündigen, dass Gott ein gerechter Richter ist und dass alle, die nicht auf Seine Stimme hören, dem Gericht verfallen werden.

Da steht nun Jona. Es ist, als wenn Gott sagte: "Wie du auch gewesen bist, Jona, Ich will dich gebrauchen und keinen anderen, weil meine Vergebung vollkommen ist. Mache dich auf und gehe in die große Stadt".

Dreimal fragte der Herr den Petrus: "Hast du Mich lieb?" (Joh 21, 15 – 17). Er will ihm die Tiefe seines Falles zum Bewusstsein bringen, ihm sein Vertrauen auf eigene Liebe und das Stehen in eigener Kraft zeigen. Ähnlich sagt Gott zu Jona nicht nur wie das erstemal: "Predige wider sie", sondern fügt auch hinzu: "Rufe die Botschaft aus, die Ich dir sagen werde" (Jona 3, 2). Die Bosheit der Niniviten erwähnt Er dagegen nicht mehr. Denn nun geht es nicht mehr allein um das Böse in Ninive, auch das Böse in der Handlungsweise Jonas steht vor Seinen Augen. Jetzt soll der Knecht nichts Eigenes mehr hineinbringen, sondern nur den Menschen, zu denen er gesandt wird, die Botschaft Gottes in Treue übermitteln.

Siehe, das ist das Kennzeichen der treuen Knechte: "Ich sage zu diesem: Geh!, und er geht; und zu einem anderen: Komm!, und er kommt" (Lukas 7, 8). Von den Engeln wird bezeugt, dass sie "Täter Seines Wortes" sind, "gehorsam der Stimme Seines Wortes" (Psalm 103, 20-21).

Welch eine Mühe hat doch Gott, Seine Kinder, Diener und Propheten so weit zu bringen! Welch eine Weisheit liegt in Seiner Führung, uns zu lehren, nach Seinem Willen zu handeln. Denken wir doch einmal über unsere eigene Geschichte nach. Wie oft hätten wir anders handeln sollen! Wie oft mussten wir unsere Aufgabe wiederholen, und wie oft war sie auch das zweitemal noch fehlerhaft! Welch eine Geduld hat Gott mit uns, einmal und zweimal, immer wieder wendet Er sich an uns! Denn Er will uns schwache Werkzeuge in Seinem Dienst gebrauchen. Würden wir wohl solch ungeschickte Knechte in unserem Dienst haben wollen und gebrauchen können?

Dem Markus gingen die eigenen Interessen über diejenigen des Herrn, so dass der Apostel Paulus ihn nicht mehr auf die Reise mitnehmen wollte. Untüchtig wird er zur Seite gestellt. Doch als Markus zur Einsicht kam, wurde er wieder zum Dienst im Werke des Herrn gebraucht. "Er ist mir nützlich zum Dienst" (2. Tim. 4, 11), schreibt derselbe Apostel später. Und Gott gebraucht den zuvor nachlässigen Diener, um das Evangelium Seines treuen Knechtes, Jesu Christi, schreiben zu lassen. Über vierzigmal steht in diesem kurzen Evangelium das Wort "sogleich", das so sehr den Gehorsam des treuen Knechtes kennzeichnet. Wie schön ist das!

Darin liegt noch eine besondere Lehre für uns. Wie leicht sind wir geneigt, andere zu verurteilen, und wie wenig sind wir bereit, ihnen wieder aufzuhelfen. Wir dürfen überzeugt sein, dass Christen, die in der Schule des Meisters ihren Ungehorsam erkannt und bekannt haben, am besten geeignet sind, anderen einen tiefen Eindruck von der Gnade und Liebesmacht unseres Herrn zu geben und sie auf ihr Zukurzkommen aufmerksam zu machen, selbst dann, wenn sie vielleicht ihr Grundübel noch nicht völlig erkannt und verurteilt und das Böse noch nicht endgültig mit der Wurzel ausgerottet haben. Wir lernen dies aus der Geschichte Jonas.

Jona ist tief betroffen von der Gnade des Herrn. Er besteht die zweite Probe. Als der Meister ihn zum zweitenmal ruft, antwortet er nicht, wie es in dem Gleichnis von den zwei Söhnen geschrieben steht: "Ich will nicht. Danach aber reute es ihn, und er ging hin"; auch nicht: "Ich gehe, Herr", um dann doch nicht zu gehen (Matth. 21, 28-30). Er handelt wie der "dritte Sohn" (mit Ehrfurcht sei der Herr diesmal so genannt), der große und treue Diener Gottes, einst in vollkommenem Gehorsam gehandelt hat. Er sagte: "Ich gehe!", und Er ging.

Im Innern des Fisches hatte Jona gelernt, gehorsam zu sein, ohne zu widersprechen, denn dort war ihm Gottes vergebende Macht und Liebe zuteil geworden. In dieser Kraft macht er sich nun auf nach der großen Stadt, die uns beschrieben wird als eine Stadt von drei Tagereisen. Seine Aufgabe war überaus schwierig. Außerordentlich groß war die Stadt, in die er hineinging, und groß die Sünde ihrer Bewohner. Aber groß war auch Sein Gott, unter dessen Schutz er nichts zu fürchten hatte.

Jona ging "nach dem Wort Jahwes". Jahwe hatte ihm gesagt, dass er die Botschaft ausrufen solle, die Er Ihm geben würde. Das Wort des Herrn gibt zu allem Kraft, Kraft, um zu gehen, Kraft, um das Wort zu verkündigen. Sie "verkündigten ... das Wort des Herrn" (Apostelg. 15, 35). Wir predigen aus Gehorsam; der Herr hat einen Befehl hinterlassen, der ausgeführt werden muss. Darum wollen und sollen wir nicht unsere eigenen Gedanken verkündigen, sondern das, was Gott Selbst geredet hat. Es soll nichts gemildert, nichts verschärft, weder hinweggenommen, noch hinzugefügt werden. Wir sollen so reden, wie wenn wir der Mund des Herrn wären. Einmal werden wir reden mit Worten wie ein Hammer oder wie ein Feuer, dann wieder wie heilender Balsam, Worte wie edles Gold, dann wieder wie ein zweischneidiges Schwert, Worte, die alle Hoffnung vernichten, und dann wieder Worte, die heilen und aufrichten.

Wir werden sehen, dass Jona das letztere nicht gelernt hatte, obwohl er nach dem Wort des Herrn Gottes Botschaft nach Ninive brachte.

Jona begann, in die Stadt hineinzugehen, eine Tagereise weit. So kündet es der schlichte biblische Bericht. Doch was ging dem einfachen Bericht alles voraus? Der Prophet musste eine lange Reise machen, quer durch Palästina, dann den endlosen Karawanenweg über Damaskus bis nach Assyrien.

Gott hätte Jona, nachdem ihn der Fisch ausgespieen hatte, gleich bei Ninive niedersetzen können. Von Philippus, der auf dem Weg nach Gaza war, lesen wir, dass er zu Asdod gefunden wurde (Apg 8, 40). Es ist für Gott eine Leichtigkeit, einen Diener plötzlich an einen anderen Ort zu bringen. Denken wir an Elia, der den schnellen Pferden Ahabs voraus war. Doch mit Jona handelte Gott nicht so. Jona musste fühlen, dass er einen eigenen Weg gegangen war. Auf der langen Reise hatte er Gelegenheit, über seinen Ungehorsam nachzudenken und in der Gnade befestigt zu werden. Als er dann Ninive erreicht hatte, sah er, welch ein ungeheures Arbeitsfeld auf ihn wartete. Welch eine Stadt! Eine Stadt von drei Tagereisen. Die Geschichtsschreiber berichten, dass sie eine Mauer hatte von dreißig Meter Höhe, die so breit war, dass drei Wagen nebeneinander darauf fahren konnten. Die Mauer war von fünfundzwanzig Türmen, jeder sechzig Meter hoch, überragt.

Seit Jahren hat man in Assyrien, dessen Hauptstadt Ninive war, Ausgrabungen gemacht, und man fand Überreste von alten Bauwerken sowie Bruchstücke einer Mauer, alles mit Inschriften versehen, die die Wahrheit der Bibel, die von der Größe und Herrlichkeit dieser Stadt berichtet, bestätigt.

Der Prophet Nahum sagt etwa hundert Jahre später von Ninive: "Raubet Silber, raubet Gold, denn unendlich ist der Vorrat, der Reichtum an allerlei kostbaren Geräten." "Du hast deiner Kaufleute mehr gemacht als die Sterne des Himmels" (Nahum 2, 9; 3, 16). Welch ein Reichtum!

Diese Handelsstadt nun, deren Kaufleute alle Schätze der Erde aufgehäuft hatten, war außerdem eine Stadt reichen Pflanzen- und Tierlebens. Erzählt nicht die Weltgeschichte von den schönen Gärten dieser Stadt? Spricht die Bibel nicht außer von hundertzwanzigtausend unmündigen Kindern auch von vielem Vieh? Zwischen einem Komplex von vier Stadtteilen gab es große Ebenen für die Herden. Der große Reichtum wurde aber zur Ursache des Falles von Ninive. Wie oft werden Überfluss und Wohlleben zum Fallstrick für die Menschen. Man betet viel für die Armen und für alle, die in Not sind. Doch man müsste auch für die Reichen beten. Vor einiger Zeit kamen einige Gläubige zusammen, um für einen Bruder, der sehr reich geworden war, zu beten. Noch hatte ihn der Reichtum nicht gefesselt, und deshalb fühlten sie sich gedrängt, zu Gott zu rufen, damit Er den Bruder bewahre, nicht hochmütig zu werden und seine Hoffnung nicht auf den Reichtum zu setzen, vielmehr ihn zu gebrauchen, "reich zu sein an guten Werken" (1. Tim. 6, 17-19).

Gott sah den Reichtum in Ninive, sah auch den Hochmut und die Verschwendung. Er sah den Augenblick des Gerichtes, die Umkehrung, näher kommen, weil Er die Stadt nicht mehr länger ertragen konnte. Darum sandte Er Seinen Diener, denn "Er hat kein Wohlgefallen an dem Tod des Sünders". Er wollte die Stadt warnen, dass sie dem kommenden Gericht entfliehen möchte.

Jona musste daher gegen Ninive predigen. Doch ließ ihn Gott dabei nicht allein. Er ging mit ihm. In Seiner Kraft zog Jona predigend eine Tagereise weit in die Stadt. "Er rief und sprach: Noch vierzig Tage und Ninive ist umgekehrt". Kurze aber inhaltsreiche Worte. Es wird nicht der ganze Inhalt seiner Verkündigung gewesen sein, aber es war zusammengefasst das Thema seiner Predigt. Gott Selbst wird ihm die Zeit von vierzig Tagen angegeben haben, denn er sollte ja nur predigen, was Gott in seinen Mund legte.

Die Zahl vierzig ist eine symbolische Zahl und bedeutet einen Zeitabschnitt der Prüfung, Versuchung und Läuterung gleichzeitig aber auch der Verantwortlichkeit. Auch hier wird diese Zahl in diesem Sinn gebraucht. Vierzig Tage Aufschub des Gerichtes gaben die Möglichkeit, in sich zu gehen und von den bösen Wegen umzukehren. Wie mächtig muss die Predigt des Jona gewesen sein! Ein ehrfurchtgebietender Fremdling erhob furchtlos auf Plätzen und Märkten seine Stimme und kündigte als Folge der Sünde und Ungerechtigkeit ein baldiges furchtbares Gericht an!

Und was geschah? Jonas Predigt machte einen tiefen Eindruck. Wohl kaum hat je ein Prediger eine solche Wirkung erreicht. Es kam nicht nur zur Erweckung einzelner, sondern aller. Die ganze Stadt, reich und arm, hoch und niedrig, groß und klein, glaubte seinem Wort.

Wie schön sind die Worte der Heiligen Schrift: "Und die Leute von Ninive glaubten Gott, und sie riefen ein Fasten aus und kleideten sich in Sacktuch von ihrem Größten bis zu ihrem Kleinsten. Und das Wort gelangte an den König von Ninive, und er stand von seinem Throne auf und legte seinen Mantel ab, hüllte sich in Sacktuch und setzte sich in die Asche. Und er ließ in Ninive auf Befehl des Königs und seiner Großen ausrufen und sagen: Menschen und Vieh, Rinder und Kleinvieh sollen gar nichts kosten, sie sollen nicht weiden und kein Wasser trinken; und Menschen und Vieh sollen mit Sacktuch bedeckt sein und heftig zu Gott rufen, und sie sollen umkehren ein jeder von seinem bösen Weg und von dem Unrecht, das in ihren Händen ist. Wer weiß? Gott möchte sich wenden und es sich gereuen lassen, und umkehren von der Glut Seines Zornes, dass wir nicht umkommen" (Jona 3, 5-9). -

Wie wurde nur dieser herrliche Erfolg erreicht, diese plötzliche Umkehr einer ganzen Stadt? Die Männer von Ninive "taten Buße auf die Predigt Jonas hin", lesen wir zweimal in den Evangelien durch den Mund des Herrn (Matth. 12, 41; Luk. 11, 32).

Jona hat sicher mit großer Überzeugungskraft gerufen; vielleicht machte auch seine Person Eindruck. Sicherlich aber sein Ernst; vor allem aber seine Botschaft selbst.

Dies sind zwei wichtige Dinge bei der Wortverkündigung: Die Botschaft mit allem Ernst und in der festen Überzeugung, dass wir sie von Gott Selbst empfangen haben, um sie anderen weiterzugeben. Hatte wohl Jona den Bewohnern von Ninive mitgeteilt, dass er vor Jahwe geflohen war und dass Gott ihm später zum zweiten Mal den Auftrag gab? Hatte Jona wohl vom Sturm geredet und vom Fisch, in dessen Bauch er war, erzählt? Wir wissen es nicht. Es ist möglich, sogar sehr wahrscheinlich, dass die Zuhörer etwas von seiner Geschichte vernommen haben, so dass hier Jona als ein wirkliches Zeichen, und zwar als eines, das aus dem Tod wunderbar errettet war, vor ihnen stand. Ninive hörte darum auf seine Stimme wie auf eine Stimme aus dem Himmel.

Die Weltgeschichte erzählt, und es wird durch die Archäologie bestätigt, dass Ninive zu dieser Zeit eine Krisis durchmachte. Das machte diese Stadt gewiss bereitwilliger, auf den Prediger zu hören, der wie ein vom Himmel Gesandter vor ihnen stand. Aber auch dieser Umstand kann die Umkehr nicht allein bewirkt haben. Wenn jemand aus den Toten aufersteht, "so werden sie auch nicht überzeugt werden", hören wir aus Abrahams Mund (Luk. 16, 31).

Nein, wohl wirkten die Krisis, der Ernst der Botschaft und die Gewalt der Predigt zusammen, aber es war der Geist Gottes, der in den Herzen der Bewohner Ninives die Buße bewirkte. Ist das nicht ein neues Wunder Gottes? Es war Gottes Geist, der bereits in Ninive zu wirken angefangen hatte, bevor der Prediger kam. Es war Gottes Geist, der seiner Botschaft Kraft gab; Gottes Geist, der das Wort in den Herzen Eingang finden ließ und die Menschen zur Bekehrung brachte.

"Durch Meinen Geist wird es geschehen."

Möge dies doch allen Seinen Predigern und allen Kindern Gottes zum Trost sein: Gott segnet den, der mit voller Überzeugung Seine Botschaft verkündigt, und wirkt selbst durch Seinen Geist am Herz und Gewissen der Hörer.

Nun müssen wir aber hier nicht an eine eigentliche Wiedergeburt "aus Wasser und Geist" (Joh 3, 5) denken. Es ging vor allem um eine nationale Umkehr zu Gott, um einen Glauben an den Gott Jonas, an Seine Worte, die Er ihnen verkündigen ließ. Trotzdem, wie groß, mächtig und herrlich ist das, was wir hier finden! Es ist ein nationales Sündenbekenntnis. Die Erkenntnis einer ganzen Stadt: "Wir sind schuldig vor Gott mit allem, was wir haben und was bei uns gefunden wird, alles ist befleckt". Und dann: ein eindringlich, reumütiges Rufen zu Gott um Gnade. Die Zerknirschung zeigte sich in den Taten. Alle enthielten sich der Speise; selbst die Tiere mussten fasten, - weil das Vieh sein Futter nicht erhielt, fing es an zu brüllen. Und so mischte sich in dieser überaus großen Stadt das Gebet der Menschen mit dem Brüllen des Viehes. Alles in der Stadt, groß und klein, bekannte öffentlich seine Schuld; man weinte und jammerte in den Häusern, auf den Feldern, in den Ställen. Es war wie ein einziger Ruf zu Gott.

Wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass wir uns hier auf morgenländischem Boden befinden, wo Freude und Schmerz auf eigene Weise geäußert wird. Wenn wir dies aber auch beachten, so bleibt doch die Tatsache einer merkwürdig allgemeinen, tiefen Zerknirschung bestehen. Man beugte sich in Reue vor Gott, weil man dem Wort Jahwes durch den Mund Jonas glaubte.

Eines dürfen wir allerdings dabei nicht übersehen. Zum Teil geschah die öffentliche Buße auf Befehl des Königs; Vers 7 weist deutlich darauf hin. Dies erinnert uns an unsere öffentlichen Buß- und Bettage in Zeiten der Not. Im ganzen Land stehen dann die Kirchen geöffnet, damit man zu Gott um Erbarmen flehe. Hier jedoch kam alles in viel stärkerem Maß zum Ausdruck. Hier bekannte der König öffentlich die Schuld aller; er war betrübt über seine Sünden und forderte ein Gleiches von jedem Einwohner, um wenn möglich das Gericht abzuwenden. Er ließ ausrufen, dass jeder fasten, trauern und zu Gott rufen solle, dass jeder persönlich von seinem bösen Weg und von der Ungerechtigkeit seiner Taten umkehren müsse.

Der König hatte das Böse gesehen. Er erkannte, wie gerecht das angekündigte Gericht war, aber er hatte auch ein Herz für sein Volk. Er schämte sich nicht, öffentlich mit Gott Rechnung zu halten. Er sprach seinen Glauben an die Barmherzigkeit Gottes aus und hoffte, dass Er umkehren werde von der Glut Seines Zornes. Aus dem Umstand, dass diese Beugung keine bleibende Frucht zeitigte, müssen wir schließen, dass sie nicht tief genug war, jedenfalls nicht bei allen. Denn als ein Jahrhundert später Nahum seine Prophezeiung über Ninive ausrief, musste er sagen: "Wehe der Blutstadt, ganz erfüllt mit Lüge und Gewalttat" (Nahum 3, 1).

Die Männer von Ninive taten Buße in Jonas Tagen. Wie bald war aber das Leid vergessen! Wenn die Gefahr vorbei ist, ist auch oft die Wirkung auf Herz und Gewissen verschwunden. Eine Umkehr aus Furcht hält nicht stand. Es muss eine wirkliche, gottgemäße Betrübnis des Herzens sein. Nur eine solche Bekehrung wird sich bewähren. Wie mancher wird in einer Krankheitszeit erweckt und gelobt das Leben zu ändern, wenn aber das Übel vorüber ist, vergisst er alles und führt sein altes Leben weiter.

Später war es wiederum so schlimm mit Ninive geworden, dass es tatsächlich doch hinweggefegt werden musste. Das Gericht kam und Ninive verschwand vom Erdboden. Im Jahr 612 vor Christus wurde die Stadt durch Nabopolassar, dem Vater Nebukadnezars, verwüstet. Und wenn jetzt Reisende in die Gegend Ninives kommen, finden sie dort nur noch zwei lange Hügelrücken, ungefähr zwanzig Meter hoch. Einer davon heißt Nebu-Junus, "Hügel des Jona", eine Erinnerung für alle Zeiten an das Gericht Gottes, das dieser Prophet angekündigt hatte.

Doch wiederholen wir es: In den Tagen Jonas wurde das Gericht wegen der nationalen Buße des Volkes abgewendet; die große Stadt wurde nicht vernichtet, trotzdem Jona das Gericht ausrief. Gott erbarmte sich der Stadt, weil die Einwohner sich zu Ihm wandten. "Wer weiß", so sagt der König, "Gott möchte sich wenden und es sich gereuen lassen und umkehren von der Glut Seines Zornes, dass wir nicht umkommen!" Welch eine ergreifende, königliche Proklamation, nicht wahr!

O, dass auch in unserer Zeit Stadt und Land auf die Stimme des Herrn hören möchte! Glücklicherweise gibt es auch heute noch Menschen in hoher Stellung, die dem Volk vorangehen im Bekenntnis ihrer Sünden, im Vertrauen auf Gottes Erbarmen. Aber wie wenige achten auf ihr Vorbild!

"Ist Gott der Gott der Juden allein?" frage ich nochmals mit dem Apostel (Röm. 3, 29). Und wieder antworte ich mit ihm: Nein, auch der Gott der Nationen.

Die Gnade ist überschwänglich. Jerusalem und Ninive wurden durch dieselbe Gnade bewahrt (1. Chron. 21; Jona 3).

Jona im Bauch des Fisches ist ein Zeichen. Er ist ein Vorbild von Christus in Seinen Leiden und Seiner Auferstehung. Ebenso ist Jona in Ninive ein Zeichen. Er ist hier ein Vorbild von Christus, der allen Menschen die Rettung des Herrn verkündigt.

Jedoch wurde Christus erst als Heiland der Nationen verkündigt, als Er gestorben und auferweckt war. Die Griechen, die Ihn während Seines Lebens zu sehen wünschten, wurden abgewiesen (Joh. 12, 20-24).

Erst musste das Weizenkorn in die Erde fallen und sterben. Und dann, dann wird es überreichlich Frucht bringen. Christus starb für das Volk Israel, doch nicht für das Volk allein, sondern damit Er die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte (Joh. 11, 52). Schon in Seinem Leben - nach Seiner Verwerfung durch Israel - nannten die Samariter Ihn den Heiland der Welt. Und Christus Selbst sagte, dass Er Sein Leben gäbe, auf dass die Welt errettet werde (Joh. 3, 17).

Jona im Bauch des Fisches ist, wie wir schon früher erwähnt haben, auch ein Zeichen von Israel. Er ist ein Vorbild von dem Volk, das zur Erkenntnis seiner Schuld kommen und in seiner Bedrängnis zu Gott rufen wird und das am dritten Tag gerettet und aus seiner großen Not zu geistiger und nationaler Erweckung gebracht werden soll.

Desgleichen ist auch Jona in Ninive ein Vorbild von Israel. Denn an diesem dritten Tag wird das bekehrte Israel durch Gott begnadigt sein. Es wird beauftragt, den Völkern die Botschaft des Heils auszurufen, zur Bekehrung und zum Segen. Aus diesem Grund haben wir keine Beschreibung von Jonas Reise nach Ninive. Gleich nach der Rettung aus dem Bauch des Fisches sehen wir ihn dort als Prediger. Welch machtvolle Wirkung hatte seine kurze Predigt! In der jetzigen Gnadenzeit geschieht etwas Derartiges, in diesem Umfang, nicht. Es ist noch zukünftig. In jener Zeit jedoch, wenn das Volk Israel, erfüllt von Gottes Geist, seiner Berufung folgen kann, werden sich wahrlich ganze Völker unterweisen lassen. Das Seufzen der Schöpfung wird aufhören (wie es in Ninive nach der Umkehr des Volkes geschah) und eine Zeit großer Freude und Segens wird anbrechen.

Es ist schön, dass der heidnische König etwas Kenntnis von den Gedanken Gottes hat. Er drückt sich wie ein Prophet aus. Wir hören Amos und Joel im Blick auf Juda und Israel ein solches "Wer weiß" - "vielleicht" aussprechen (Amos 5, 15). Es ist ein "Wer weiß" verbunden mit der Frage: Wird Gott nicht gnädig sein, wenn wir das Böse lassen und das Gute tun?

Gott beachtet jedes Bekenntnis. Selbst als der gottlose König Ahab sich demütigte, hörte Gott auf ihn, obgleich Er, der Allwissende, erkennt, dass Ahab weniger durch aufrichtige Reue als durch die Furcht vor Tod und Gericht geleitet war. Auf Grund seiner Demütigung wurde das Gericht aufgeschoben. David sagt: "Ich will Jahwe meine Übertretungen bekennen, und Du, Du hast vergeben die Ungerechtigkeit meiner Sünde" (Psalm 32, 5). Möchte doch jeder bedenken, dass dies die Vorbedingung zur Vergebung ist. Anderseits können wir sicher auf Gottes Vergebung rechnen, wenn wir mit einem aufrichtigen Bekenntnis kommen. Der Mensch muss sich unter Gottes mächtige Hand beugen, dann wird Er ihn erhöhen. In bezug auf Ninive lesen wir: "Und Gott ließ sich des Übels gereuen, wovon Er geredet hatte, und tat es nicht" (Jona 3, 10.

Ist Gott denn ein Mensch, dass Er Reue haben kann über etwas, das Er Selbst vorgenommen hat? Weiß Er denn nicht alles im voraus? Wir können Gott von zwei Seiten betrachten; einmal als Den, dessen Ratschluss bestehen wird trotz aller Taten und Sünden der Menschen, dann auch als Den, der Sich, wie wir Menschen, erbitten lässt und ein angekündigtes Gericht zurückzieht, wenn wir zu Ihm um Vergebung rufen. Von diesem letzten Standpunkt aus müssen wir hier Gott betrachten. Wenn schon der schwache Mensch, der das Böse sieht, dasselbe bestraft und anderseits seine Hand bei aufrichtigem Schuldgefühl zurückzieht, wie viel mehr wird der große, barmherzige Gott also handeln. Beachten wir es wohl, dass es heißt: "Gott ließ sich des Übels gereuen". Somit hatte Er sowohl ihre Werke gesehen, als auch ihre Umkehr von den bösen Wegen. Es waren nicht nur Worte, nicht nur eine Proklamation; nein, es waren Taten, und diese zeugten davon, dass man mit den bösen Werken gebrochen hatte. Das war es, was das Herz Gottes berührte und Ihn veranlasst, die zum Gericht ausgestreckte Hand zurückzuziehen.

Indessen gibt es noch etwas Besseres als Werkgerechtigkeit. Während wir hier hören: "Und Gott sah ihre Werke", lesen wir in 1. Sam. 16, 7, dass Gott das Herz ansieht. Nationale Umkehr und ein Schuldbekenntnis, das sich in Werken kundtut, sind etwas, das Gottes Herz erfreut, Seine Strafe abwendet und Segen bringt. Aber oft ist das nicht von langer Dauer. Was hingegen ewigen Wert hat, ist die Bekehrung des Herzens. Möge der Leser dies bedenken!

Gott kennt uns durch und durch. Er weiß, ob wir uns wirklich verurteilt haben.

Er sandte uns Seinen Sohn, der mehr ist als Jona, um uns zu predigen. Nun stehen wir unter dem Urteil Gottes und der Zorn Gottes bleibt auf uns, wenn wir nicht an Seinen Sohn, Seinen Gesandten, glauben.

Welch ein treuer Diener war Jesus! Welch eine erhabene, herrliche Person! Für arme Sünder ist Er gestorben und wieder auferstanden. Und nun frage ich dich: Hat man Jesus angenommen? Hat man auf Seine Stimme gehört? Wie ist es Ihm in dem Land ergangen, dem Gott so reiche Segnungen gab; bei dem Volk, das Bündnisse und Verheißungen empfangen hatte? Männer von Ninive hörten auf Jonas Predigt, aber Israel achtete nicht auf die Stimme des Herrn.

Millionen von Heiden hörten auf Jesu; aber die Christenheit, ist sie nicht auch den Weg Israels gegangen? Hören wir nicht auch heute den Schmerzensschrei unseres Herrn: "Männer von Ninive (...) taten Buße auf die Predigt Jonas hin, und siehe, mehr als Jona ist hier!" (Matth 12, 41)

O, dass man doch die Bekehrung nicht aufschieben möchte. Bald ist die von Gott begrenzte Zeit der Gnade vorbei! Dass man doch acht gäbe auf Jesu lockende Stimme, um dem Gericht zu entfliehen! Dass man doch auf die Knie sinken und seine Sünde bekennen möchte, damit man Gottes ewiges Erbarmen erfahre!

Jesus ist der Heiland der Welt. Er ist gekommen, um das Verlorene zu suchen und zu retten.

Von Deiner Gnade will ich singen, Die mich erfüllt mit sel‘ger Ruh‘; Anbetung Deiner Liebe bringen; Wer liebt, o Gott, wer liebt wie Du! Die Gnade führt von bösen Wegen Den Sünder, den verlor‘nen, aus; Die Liebe eilt ihm froh entgegen, Als käm der einz‘ge Sohn nach Haus.

Kapitel 4 - Jona unter dem Wunderbaum

"Berichtet es nicht zu Gath, verkündet die Botschaft nicht in den Straßen Askalons, dass sich nicht freuen die Töchter der Philister". An dieses Wort aus 2. Samuel 1, 20 müssen wir unwillkürlich denken, wenn wir lesen, was uns hier in dem vierten Kapitel von Jona mitgeteilt wird.

Wie traurig offenbart sich hier wiederum der Prophet des Herrn! Nach der Mitteilung, dass Gott sich des Übels, wovon Er betreffs Ninive geredet hatte, gereuen ließ, wird uns berichtet: "Und es verdross Jona sehr..." (Jona 4, 1).

Was verdross Jona? Können wir unseren Ohren trauen? Er, der kurz zuvor als elender Sünder Gottes überwältigende Gnade geschmeckt hatte, offenbart sich nun als echter Pharisäer. Er schreibt dabei Gott noch die Schuld zu an seiner Flucht, ähnlich wie Adam Gott vorwarf, dass die Frau, die Er ihm gegeben, ihn zur Sünde verleitet habe. Statt anbetend niederzusinken und sich über Gottes reiche Gnade und Sein unendliches Erbarmen zu freuen, betet Jona ein Gebet, in dem er diesen gnädigen Gott anklagt und sich selbst rechtfertigt. Wie deutlich erkennen wir doch hier die rechthaberische Natur des Menschen, die so völlig im Gegensatz zu Gottes unbeschreiblicher Barmherzigkeit steht. Dennoch lässt Gott sich in ein Zwiegespräch mit dem Ihn tadelnden Propheten ein. Geduldig, doch in ergreifender Weise, verteidigt Gott in Wort und Bild Seine Liebe einer armen, sündigen Welt gegenüber, die Er mit Seinen Retterarmen umschließen möchte, um sie für ewig Sein Heil schmecken zu lassen.

Es ist Freude im Himmel vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut. Aber hier sehen wir einen Knecht des Herrn, der unzufrieden und sogar zornig wird, weil Gott sich erbitten ließ, als eine ganze Stadt sich vor Ihm gebeugt und gedemütigt hat, ehe die Gnadenfrist von vierzig Tagen verstrichen war.

Das zeigt sich bei ihm so sehr, dass er seine böse Gesinnung nicht verbergen kann. Statt vor Freude über Gottes gnädiges Erbarmen zu jubeln, verdrießt es ihn unbeschreiblich, dass die Stadt Ninive von Gott verschont wird. Das selbstgerechte Israel, das sich hoch über alle Völker erhebt, spiegelt sich hier in Jona wieder. Sicher hatte Israel herrliche Vorrechte. Aber waren ihm die nicht allein durch Gnade zuteil geworden? Und kann von Israels Wiederherstellung gesprochen werden, es sei denn auf dem Boden der Gnade?

Hatte Jona noch nichts gelernt? Glaubte er denn, als er nach Ninive ging, Gott habe sich so sehr geändert, dass das Gericht in jedem Falle vollzogen werden müsste? Wie gut hatte er doch anfangs begriffen, dass Gott sich über die Stadt erbarmen würde, wenn nur ihre Einwohner zu reuigem Bekenntnis ihrer Sünden kommen würden.

Aber Jona ist nicht der einzige, der im Lernen Mühe hat. Ging Lot nicht ein zweites mal nach Sodom? Zeigte Hiskia nicht, nach dem erlebten Wunder des Sonnenzeigers und nach der wunderbaren Heilung, mit einem eiteln und stolzen Herzen den Gesandten Babels all seine Schätze? (Jes. 38 u. 39.) Und sind wir nicht selbst nach ernsten Zurechtweisungen später doch wieder in dieselbe Sünde verfallen? Lasst uns deshalb im Urteil vorsichtig sein. Lasst uns aber auch tief betrübt sein, dass unser Herz also verdorben ist, dass es immer wieder Dinge, die Gott so tief in unsere Herzen einprägen will, vergisst.

Jonas Prophezeiung ging nicht in Erfüllung. Werden jetzt die Unbeschnittenen nicht lachen? Durch die Gnade wandte sich nun die Zuneigung Gottes den Heiden zu. Das konnte Jona nicht ertragen; er zürnte. Stand nicht seine Ehre als Prophet auf dem Spiel? Darum sagt er am Schluss seines seltsamen Gebets: "Und nun Jahwe, nimm doch meine Seele von mir, denn es ist besser, dass ich sterbe, als dass ich lebe" (Jona 4, 3).

Doch als Gott ihn dann fragt: "Ist es recht, dass du zürnst?", gibt er keine Antwort, sondern flieht. Zwar flieht er diesmal nicht auf ein Schiff, aber er bekundet einen Geist, der für die Gnade keinen Raum lässt. Er geht zur Stadt hinaus, der Stadt, der er kein Erbarmen gönnt. Welch eine Herzenshärtigkeit!

Muss er nun wieder in den Bauch des Fisches? Oder muss er ins Meer geworfen werden, damit die Wogen ihn verschlingen ohne Rettung? Er hätte es sicherlich verdient.

O, wie oft machen wir uns den Weg selbst so schwer! Warum blieb Lot nicht bei Abraham? Warum brachte David ein Schwert über sein Haus? Warum verurteilen wir uns nicht selbst, dass wir nicht von Gott gezüchtigt werden müssen.

Gottes Stimme hatte geredet. Es war die Stimme der Weisheit. Aber Jonas Ohr und Herz waren taub. Er lief von Gottes Angesicht hinweg, zur Stadt hinaus. Und nun erteilt ihm Gott in dem verdorrenden Wunderbaum eine neue Lehre. "Jona setzte sich gegen Osten der Stadt. Und er machte sich daselbst eine Hütte; und er saß darunter im Schatten, bis er sähe, was mit der Stadt geschehen würde." (Jona 4, 5)

Er ist nicht nur lebensmüde und wünscht, wie Elia, in einer mutlosen Stunde zu sterben, nein, er schaut außerdem nach dem Gericht Gottes aus, das, nach seiner Meinung, die reuig zu Gott umgekehrte Stadt treffen soll.

In diesem letzten Kapitel des prophetischen Buches wird uns am deutlichsten gezeigt, wie Gott in Seiner unergründlichen Liebe und Güte handelt, aber auch was der Mensch in seiner maßlosen Eigenliebe und grenzenlosen Selbstgerechtigkeit ist. Gottes unendlicher Güte gegenüber zeigt sich erschreckend klar die Härte des Menschen.

Hier wird uns treffend geschildert, wie der Mensch nur an sich selbst denkt und sogar trotz seiner Frömmigkeit imstande ist, andere zur Seite zu setzen. Während Gott sich immer in Liebe erweist, klagt Ihn der Mensch der Ungerechtigkeit an. Fürwahr Gott "hat kein Gefallen am Tod des Gesetzlosen, sondern dass der Gesetzlose von seinem Weg umkehre und lebe" (Hes. 33, 11). Gott "will, dass alle Menschen gerettet werden" (1. Tim. 2, 3). "Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe" (Joh. 3, 16).

Gibt es nicht auch jetzt noch Menschen, "Propheten", die wie Jona zornig werden, wenn dieses Evangelium der freien Gnade Gottes verkündigt wird?

Es kann nichtsdestoweniger unter Umständen gut sein, wenn unser Zorn erwacht. "Zürnt und sündigt nicht", sagt der Apostel zu uns (Eph. 4, 26). Es gibt Dinge, die unsere gerechte Entrüstung erwecken müssen. Der Herr Jesus blickte auf die verhärteten Juden mit Zorn (Mark. 3, 5). Doch darf bei uns über solchem Zorn die Sonne nicht untergehen. Wie leicht wird es sonst ein verkehrter Zorn. Spurgeon hat gesagt: "Unser heiliger Zorn geht so leicht mit uns durch". Immerhin wiederholen wir: Es gibt einen erlaubten, einen heiligen, gerechten Zorn.

Der Zorn jedoch, der sich bei Jona offenbarte, war nur ein tieftrauriges Zeichen seiner einseitigen Denkweise. Gott fragt Jona später zum zweitenmal: "Ist es recht, dass du zürnst?", und fügt hinzu: "Wegen des Wunderbaumes". Nun erkühnt sich Jona in seiner Verhärtung auszurufen: "Mit Recht zürne ich bis zum Tod" (Jona 4, 9). Sein Urteil galt dem schnellen Verdorren des Wunderbaumes. Er fand also seinen Zorn wegen dieses "Baumes einer Nacht" gerechtfertigt.

Aber diese seine zweite Antwort, ist ebenso ungeziemend wie sein Schweigen und Zürnen auf die erste Frage. Zornige Menschen wissen nicht, was sie tun und sagen. Sie sind manchmal sogar wütend auf ihre Wohltäter. Kurz vorher hatte Gott Jonas Gebet so wunderbar erhört und nun wendet sich dieser gegen seinen Retter. "Die Rettung ist bei Jahwe", war das Ende seines Gebetes im Bauch des Fisches, und schon ist er zornig, dass dieses Wort auch für Ninive gilt.

Wie klein war Jona im Bauch des Fisches, seinem Gebetskämmerlein, geworden! Doch wie überhebt er sich wieder, da er sich frei bewegen kann!

Möchten wir doch mehr für alle Diener des Herrn beten, da es, wie wir aus der Geschichte Jonas gesehen haben, möglich ist, dass sie leicht Gottes Werk vergessen und sich in solch traurigem Geist und solch verkehrter Gesinnung offenbaren können. Dass doch alle Brüder und Schwestern in Christus mehr und ernstlicher beten würden für alle, die in besonderer Weise zu Seinem Dienst berufen worden sind! Es würde sich alsdann weniger fleischliche Gesinnung und dafür mehr Kraft des Geistes und vermehrter Segen zeigen.

Ich las vor einiger Zeit von einem Knecht des Herrn, der in einem Saal in London das Evangelium mit solch wunderbarem Segen, wie er ihn noch nie erfahren hatte, verkündigte. Er begriff die Ursache nicht, aber er dankte Gott. Nach einiger Zeit bekam er einen Brief von einer gläubigen Kranken, die kurz vor ihrem Heimgang stand. Darin schrieb sie: "Vor meinem Tod muss ich Ihnen etwas bekennen, das nicht zu meiner Ehre ist. Ich haderte mit Gott, war zornig auf Ihn. Ich konnte es nicht ertragen, dass ich krank war und es immer schlimmer mit mir wurde. Ich wollte gesund sein, um etwas für Ihn arbeiten zu können. Ich sagte: ‚Warum lässt Du, o Gott, dies zu? Ich gehöre Dir doch an und möchte Dir gerne dienen.‘ Aber Gott sprach mit mir, stellte mir ernste Fragen, bis ich antworten musste: O mein Gott, mache mich nun zu einem brauchbaren Werkzeug für Dich, auch wenn ich hier auf dem Krankenbett liege! Und Gott lehrte mich, für Sie zu beten. Ich hörte, dass Sie zur Verkündigung des Evangeliums hierher kamen. Da habe ich gebetet, dass Er Ihre Predigt reichlich segnen, Ihnen die rechten Gedanken und Worte schenken möge, um die Herzen der Menschen zu erreichen. Und das wollte ich Ihnen nun mitteilen, weil mein Ende nahe ist und ein anderer meine Arbeit übernimmt".

Ach, dass so etwas doch mehr vorkäme! Wenn doch mehr zu Gott gerufen würde, dass Er das Wort, die Prediger, die Schriften usw. segnen möchte. Nötig ist, zu bitten, dass Er die rechte Gesinnung in den Herzen der Prediger und Schreiber bewirken möchte, dass sie ihre Arbeit allein für Gott tun, getrieben durch die Liebe Christi.

Doch wenn das Gebet für die Diener des Herrn so wünschenswert ist, die ja ohnehin ein gewisses Maß geistlichen Lebens besitzen, wie viel mehr haben dann alle Kinder Gottes solche Fürbitte nötig! Wie wenig Eifer und Hingabe ist oft für das Werk des Herrn zu sehen! Wie schnell lässt man sich durch das Fleisch leiten! Von Johannes auf Patmos lesen wir, dass er sogleich im Geiste war (vgl. Offb 4, 2). Doch von uns müsste es manchmal heißen, dass wir "sogleich" wieder in unserer alten Natur waren.

Ich erinnere mich, wie ein ernster, älterer Bruder einmal bei einem Beisammensein erzählte, dass er oft in ganz verschiedenen Häusern geweilt und in manchen von diesen schöne, passende Bibeltexte an den Wänden gesehen habe; aber nirgends habe er je den Spruch gesehen: "Ist es recht, dass du zürnst?" Dabei gab er zum Ausdruck, dass dies ein recht praktischer Spruch sei für viele Häuser. Man könne sich, wenn der Zorn aufwalle, davor stellen und käme dadurch schneller wieder zum nötigen inneren Gleichgewicht.

In Epheser 4, wo wir ermahnt werden, nicht zu sündigen, falls wir mit Recht über Böses zürnen, steht auch gleichzeitig geschrieben: "Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan, samt aller Bosheit" (Vers 31). Es ist dies ein Beweis dafür, dass es zweierlei Zorn gibt, einen gerechten und einen solchen, der Gott missfällt. Ein solcher Zorn, wie er bei Jona aufstieg, muss uns ferne sein.

Wie oft lassen wir nichts auf uns und unsere Meinungen kommen! Wie feurig verteidigen wir uns bis zum letzten Augenblick, wenn uns vermeintlich Unrecht geschieht! Wenn dagegen das Evangelium oder die Person des Herrn angegriffen werden, können wir ruhig schweigen. Bei Paulus war es umgekehrt. Wenn er persönlich angegriffen wurde, schwieg er am liebsten. Wenn man dagegen seinen Meister, sei es auch in noch so geringem Maß, angriff, nahm er es mit Feuer und Eifer für Ihn auf.

Wie steht es in dieser Hinsicht mit uns? Ist unser Zorn, wenn wir zürnen, gerecht? O, wie tief muss uns eine solche Frage treffen, wenn uns etwa gerade ein verkehrter Zorn beherrscht. Vielleicht hast du aber schon bei dir selbst erfahren, dass dann, so seltsam es klingt, eine solch eindringliche Frage keinen Eingang bei dir findet. War es nicht so bei Jona? Im Zorn hört man nicht leicht auf die wohlgemeinte Frage; man handelt ungeziemend und antwortet ungeziemend. Und doch sind solche Fragen sehr nötig. Unser Zustand wird dadurch offenbar. Wir sind oft so widerspenstig.

"Wo bist du?" Das ist die erste Frage, die wir von Seiten Gottes in der Bibel finden (1. Mose 3, 9). "Wo ist dein Bruder Abel?" Das ist die zweite Frage (1. Mose 4, 9). Woher kommst du? Wohin gehst du? Was machst du hier? Solche Fragen mögen auch an uns gerichtet werden. Wohl uns, wenn wir uns nicht verteidigen, wenn Gott mit solchen Fragen zu uns kommen muss, sondern auf Ihn hören und unsere Schuld bekennen. Denn, wenn wir nicht hören, hat Gott noch andere Wege und Mittel, um uns das verübte Unrecht deutlich zu zeigen. Aber dann dauert es länger und ist viel schmerzlicher.

Hast du den Unterschied zwischen den zwei Gebeten Jonas (Kap. 2 und 4) beachtet? Beim ersten Gebet steht: "Jona betete zu Jahwe, seinem Gott". Beim zweiten: "Er betete zu Jahwe". Das zweitemal sagt er also nicht "seinem Gott". Er haderte ja mit Jahwe, dem Allerhöchsten. Jona wollte ja nicht, dass Ninive gerettet werde. Er konnte es nicht ansehen, dass der schlechten Stadt Gnade widerfuhr. Lieber wollte er sterben.

Fragst du da nicht mit mir: Ist das nun ein Prophet, ein Gläubiger? Ich will nicht anstehen, das zu bejahen, wenngleich es tief betrübend ist, dass ein solcher Herzenszustand bei einem "Menschen Gottes" gefunden werden kann. Siehe, gerade dies ist so wunderbar in der Heiligen Schrift, dass die Sünde niemals unter einem schönen Deckmantel verborgen wird; nein, auch die schlimmen Eigenschaften werden in den göttlichen Biographien nicht übersehen. Gott schont niemand.

Jona verhärtete sich in seiner Selbstgerechtigkeit. Wenn so etwas über jemand kommt, wenn das Bewusstsein der Gnade weicht und nur noch Sinn für das Verurteilen vorhanden ist, dann ist wenig Hoffnung für eine Wiederherstellung. Dann muss Gott durch eine harte Schule eingreifen, um den Ungeistlichen zur Einsicht zu bringen. In einem solchen Zustand wird alles verkehrt angesehen und beurteilt. Selbst Gott wird missverstanden, wenn wir auch denken mögen, dass Er unseren Gedanken schließlich doch zustimmen müsste, weil wir meinen, recht zu haben.

"Ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, der sich des Übels gereuen lässt." Das war der letzte Teil des zweiten Gebetes des Propheten. Enthielt es nicht köstliche Wahrheiten? Wären diese jedoch in seinem Herzen lebendig gewesen und hätten nicht Hochmut und Eigenliebe ihn hingerissen, so hätte er den ersten Teil dieses Gebetes nicht gesprochen. Dann wäre er nicht zornig geworden. Er hätte dann vielmehr gedankt und Gott gelobt, dass Er sich über die große Stadt erbarmt und ihn, den unwürdigen Diener, zu diesem Werk gebraucht hatte.

Wisst ihr, wie dies alles kam? Jona ging nicht mit einem gnadenvollen Herzen nach Ninive, um göttliches Erbarmen anzubieten, sondern mit überheblichem Herzen, das Gericht zu verkündigen. Er war befriedigt, im Namen Gottes die Strafe anzukündigen, die diese bösen Menschen reichlich verdient hatten.

Aber er selbst? Dachte er nicht mehr daran, wie er selbst gewesen war? Hatte er kein Mitleid mit den anderen, die bald umkommen sollten, so wie er beinahe umgekommen wäre?

Beim Ausüben der Zucht muss die Rechtlichkeit einer Sache stets dem göttlichen Grundsatz, dass alles zum Heil dienen soll, unterstellt sein. Und alle, die Zucht ausüben, sollten nie vergessen, was sie selbst sind, und sollten eine gnädige Gesinnung bekunden.

Es mag manchmal so eintreffen, dass Gott bei Menschen wirkt und eingreift, von denen wir nicht zu glauben wagten, dass sie hören würden. Und wenn dann eine Veränderung eintritt, sei es die Bekehrung eines Ungläubigen oder Umkehr und Wiederherstellung eines abgewichenen Gläubigen, dürfen wir nicht zurückhaltend sein, sondern sollen entgegenkommen und ihnen die Hand reichen. Dann werden wir auch sehen, was Gottes erbarmende Liebe gewirkt hat.

Hatte Jona nichts gelernt? Gewiss, er hatte insoweit etwas gelernt, dass er auf den zweiten Befehl Jahwes hin gehorsam nach Ninive ging und die Botschaft Gottes ausrichtete. Er hatte zwar einen anderen, als den von Gott für ihn bestimmten Weg gehen wollen. Das hatte er verurteilt und vor Gott bekannt. Aber weiter war er nicht gekommen. Er hätte die Wurzel des Übels erkennen müssen und sich fragen sollen: "Wie kam es doch nur, dass ich in diesen traurigen Ungehorsam fallen konnte?" Dann hätte er die traurige Gesinnung seines Herzens gesehen und alles vor dem Angesicht des Herrn rückhaltlos aufgedeckt.

Wir haben allen Grund, anzunehmen, dass Jona doch noch zu einer völligen Selbstverurteilung gekommen ist. Wir können es daraus schließen, dass Jona Gott in seinem Buch das letzte Wort lässt. Es ist, als ob er, überwältigt durch die Offenbarung der Gedanken Gottes und Seiner großen Liebe zu uns strauchelnden Geschöpfen, beschämt den Rückzug angetreten habe. Wir könnten an den Schluss des Buches setzen: "Die Worte Jonas sind zu Ende".

O, wie wird er vor Gott klein geworden sein und seine üble Gesinnung verurteilt haben. Allerdings ging das nicht so schnell. Erst über den weiten Weg, wie wir ihn oben betrachtet haben, musste er sein böses Herz kennen lernen.

Ihr wisst, dass im 5. Buch Mose gesagt wird, dass Jahwe Sein Volk hungern und dürsten ließ, um die Gesinnung ihrer Herzen offenbar zu machen (vgl. 5. Mo 8, 2-3). Gott tut nichts Verkehrtes, bewirkt auch nichts Verkehrtes, im Gegenteil, Er lässt allerlei Schwierigkeiten über uns kommen, damit wir erkennen, was nicht gut ist bei uns. Wir dachten vielleicht, sanftmütig zu sein, doch als wir auf die Probe gestellt wurden, kam die entgegengesetzte Gesinnung zum Vorschein. Wir dachten wohl, fromm zu sein, doch durch die Prüfungen mussten wir erkennen, dass wir uns selbst mehr liebten als Gott.

Die Wurzel muss gefunden werden. Nicht nur der Zorn, nein, auch die Ursache des Zorns muss bloßgelegt werden; nicht nur die Selbstgerechtigkeit, sondern auch der Grund unseres Eigendünkels muss aufgedeckt werden. Jona hatte dies, soweit wir von ihm lesen können, nicht beachtet. Er war nicht weitergekommen als bis zum Verurteilen seines Ungehorsams. Nun lässt Gott ihn sehen, wie dieser Ungehorsam entstanden war, und lässt Jona selbst das Messer an die kranke Stelle setzen.

Ja, Jona, du wirst es sehen und später mit Freude erkennen, dass Gott ein gnädiger und barmherziger Gott ist, ein Gott, der sich des Übels gereuen lässt.

Jona setzte sich, östlich der Stadt, auf einen Berg. Dort hat er eine gute Aussicht. Doch auch die schönste Aussicht kann man nicht genießen, wenn das Herz nicht glücklich ist. Jona machte sich dort eine Laube, um etwas Schatten zu haben. Sie scheint jedoch nicht genügend Schutz vor den sengenden Sonnenstrahlen gegeben zu haben. Gott wusste es und schickte etwas Besseres. In wenigen Stunden schoss ein Wunderbaum auf, der auf Jonas Haupt seinen erquickenden Schatten warf.

Im Hebräischen steht für Wunderbaum "Kikajon", zu deutsch wohl eine Rizinusstaude, eine in Palästina viel vorkommende Pflanze. Das Wunder bestand darin, dass der Schöpfer, dessen Schöpfung selbst ein solch großes Wunder ist, Seine Schöpfungskraft von neuem zeigte und diese Pflanze hier emporschießen ließ mit einem Dach von Blättern. Der Wunderbaum sollte Seinem Knecht dienen und ihn von seinem Missmut befreien.

Haben wir wohl bemerkt, dass Gott nicht daran denkt, Jona zu bestrafen? Wir denken, wie Hiobs Freunde, immer zuerst an Züchtigung. Darum sind wir oft so leidige Tröster. Wir lesen hier, dass Gott Jona von seinem Missmut befreien wollte.

Jona freute sich denn auch sehr über den Wunderbaum. Nicht weil Gott so gnädig war, sondern weil er es so gut hatte. Auch wir stehen in Gefahr, nur an unsere Bequemlichkeit und an unseren eigenen Segen zu denken, anstatt vielmehr auf das Wohlsein anderer und auf das, was Gottes Herz erfreut, bedacht zu sein.

Jona freute sich sehr. Doch war seine Freude nur von kurzer Dauer. Denn derselbe Gott, der ihn erquickte, wusste auch, dass es gut und nötig war, ihm diese Erquickung wieder zu nehmen, um ihm dadurch innerlich zurechtzuhelfen. Er, der schon so oft wunderbar in Jonas Leben eingegriffen hatte, bestellte am folgenden Tag einen Wurm, der den Wunderbaum stach, so dass er verdorrte. Und als Gott zudem noch einen sengenden Ostwind schickte und die Sonne Jona aufs Haupt stach, sank er ermattet nieder.

Anbetend sehen wir hier aufs neue Gottes Wundermacht und stehen bewundernd still vor Seinem Tun.

Doch Jona erzürnte von neuem. War Gott ihm denn immer entgegen? Gönnte er ihm nicht einmal ein wenig Schatten, während Er Ninive, das friedlich zu den Füßen der Berge lag, vom Verderben verschonte?

Wieder möchte er sterben. Doch beachten wir wohl, Jona nimmt sich nicht das Leben, so wenig wie beim ersten Male. Er ist ein Gläubiger. Und doch begehrt er, dass sein Leben ein Ende nehme, nicht um in die Herrlichkeit einzugehen, sondern weil ihn die Tatsache, dass ihm alles entgegen ist, verzweifeln lässt.

Jetzt aber tritt Jahwe zu ihm und gibt ihm in Seiner wunderbaren Güte und voller Sanftmut die tiefste und lieblichste Zurechtweisung und Unterweisung. Jona hatte sein Kämmerlein vergessen. Gott hatte es ihm im Bauch des Fisches bereitet, und nun war er wieder mit Ihm allein neben dem verdorrten Wunderbaum.

Nathanael fand sein Kämmerlein unter dem Feigenbaum. Dort bat er für sein Volk; er hatte ein "geöffnetes Fenster" nach Jerusalem. Bald würde es sich zeigen, dass der Meister ihn dort gesehen hatte und ihn zu Sich rief, um sich ihm in herrlicher Weise zu offenbaren.

Doch unter dem Wunderbaum wie unter dem Ginsterstrauch sitzt eine unzufriedene, mutlose Seele. Jona und Elia müssen beide von Gott belehrt werden.

Gott hatte Jona gefragt, ob er mit Recht wegen des Wunderbaumes zornig sei. Nun tritt Gott näher und sagt zum murrenden Propheten: "Du erbarmst dich des Wunderbaumes, um welchen du dich nicht gemüht und den du nicht großgezogen hast, der als Sohn einer Nacht entstand und als Sohn einer Nacht zugrunde ging; und Ich sollte Mich Ninives, der großen Stadt, nicht erbarmen, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht zu unterscheiden wissen zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und einer Menge Vieh?" (Jona 4, 11).

Auf diese Worte hat der Prophet keine Antwort. War nicht die Freude des Propheten über den Wunderbaum ein schwaches Bild der Freude des Herrn über die Werke Seiner Hände, mögen sie sich nun in Ninive, Jerusalem oder sonst wo befinden. Jona wird durch seinen eigenen Mund verurteilt, da er doch selbst den Schatten des Wunderbaumes genossen hatte.

Ein köstliches, ein bedeutungsvolles Wort des Herrn ist es, mit dem das Buch Jona schließt. Oft muss ein "Wunderbaum" verdorren, um jemand seine Selbstzufriedenheit zu nehmen. Oft muss jemand dazu gebracht werden, aufzuhören, sich seiner Vorrechte zu rühmen, die doch nicht sein Verdienst, sondern Beweise der Gnade Gottes sind.

Jona hatte im Bauch des Fisches Gottes Gnade erfahren. Nun offenbarte Gott sich ihm in anderer Weise. Im Innern des Fisches hatte er die Rettung des Herrn geschaut, die er selbst so nötig hatte. Er sah eine Rettung, die sich ausstreckte von der höchsten Höhe des Himmels bis in die tiefsten Abgründe der See und dem Gefangenen, der sich unter Gottes gerechtem Urteil befand, seine Freiheit wiedergibt. Der verdorrte Wunderbaum lehrte ihn ähnlich wie die Gleichnisse in Luk. 15, dass der Schöpfer der ganzen Erde, dem das Vieh auf tausend Bergen gehört, in Assyrien sowohl wie in Judäa, Seine Freude daran hat, zu retten, was sonst dem Verderben anheimfallen müsste. Wie gern erbarmt Er sich, wenn Er sieht, dass Buße und Umkehr vorhanden sind. Überall ist Ihm der angenehm, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt.

Er, der mehr ist als Jona, hat, als Er einst auf der Erde wandelte, dies in vollkommener Weise verkündigt und gezeigt. Fürwahr, Er ist der Heiland der Welt.

Es ist das ewige Erbarmen, Das alles Denken übersteigt, Des, der mit offnen Liebesarmen Sich nieder zu den Sündern neigt; Der uns vom Fluche hat befreit, Uns führt zu Jesu Herrlichkeit.

Wir sollten nicht verloren werden, Vielmehr von Zorn errettet sein, Deswegen kam der Sohn auf Erden Und nahm hernach den Himmel ein; So kommt uns nun vom Gnadenthron Der Gnade Fülle durch den Sohn.

O Gnade, welche alle Sünden Durch Christi Blut jetzt tilgen kann Und lässt nun allerorts verkünden Vergebung, Frieden, jedermann. Das ew‘ge Heil ist jetzt bereit; O wunderbare Gnadenzeit!