10.) Könige 1. und 2. Buch Königreiche vereint geteilt 6.Jahrh.v.Chr.

12/24/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

SCHLÜSSELWORT: «Wie sein (Salomos) Vater David» (Kap. 9,4-9; 11,4) DAS ERSTE BUCH DER KÖNIGE LEITGEDANKE: Jehova, der unumschränkte Herrscher über Israel: Er segnet den Gehorsamen, bestraft den Ungehorsamen, vergibt dem Bussfertigen.

1. Könige DAS BUCH:
Der Verfasser dieses Buches ist unbekannt. Es stammt aus der Zeit, als der erste Tempel noch stand (Kap. 8, 6-11). Man nimmt an, dass es Jeremia - unter der Leitung des Heiligen Geistes - verfasst hat, wobei er Aufzeichnungen von
Nathan und Gad (2. Chron. 9, 29) und anderen Schreibern benutzte. Es ist eine Geschichte der Könige von Israel und Juda, von David bis Ahab und Josaphat, und umfasst einen Zeitraum von 118-125 Jahren.

BEMERKENSWERTES :
1. In Kap. 1, 50 und 2,28 haben wir die ersten Fälle, dass die Hörner des Altars als Zuflucht benutzt wurden: Die ersten Ansprüche an das Recht des Heiligtums.
2. Es führt die ersten Beispiele vom knieenden Gebet an (Kap. 8,54). Stehend war die früheste Form (1. Sam. 1, 26). Salomo stand zuerst, ehe er kniete (Kap. 8,22). Das Knieen beim Gebet ist durch den Herrn selbst geweiht worden. Er selbst «kniete nieder und betete» (Luk. 22,41).
3. Wir finden die erste Andeutung einer neuen Zeitrechnung. 

In Kap. 6, l wird der Zeitabschnitt zwischen dem Auszug aus Aegypten und dem Tempelbau unter Salomo mit 480 Jahren angegeben, während es 573 Jahre waren. Das bedeutet für viele eine Schwierigkeit. Aber der Unterschied von 93 Jahren ist nach eingehenden Forschungen genau die Zeit, während der das Volk, nach dem Buche der Richter, unterjocht war. 

Das ist die Lösung des Problems. Es ist Gottes Zeitrechnung. Während jener Jahre war Israel nicht Isra-El (Gottes-Streiter); es wurde nicht von Gott regiert, sondern stand noch unter dem Joch des Unterdrückers. Gott zählte die Jahre der Gefangenschaft nicht. Jahre
der Unabhängigkeit und des Ungehorsams gelten vor Ihm nicht. Der Sünde und der Sünden wird gedacht, bis sie bekannt werden, aber die Jahre werden von Gott als verloren und wertlos angesehen (Richter 15, 20: 16, 31).
In Kap. 5,5 und 8,29 finden wir die erste Darlegung im Alten Testament einer wunderbaren geistlichen Vorstellung von Gott. Der Tempel wurde nicht als ein Haus für Jehova, sondern für den «Namen Jehovas» gebaut. Heidnische Tempel wurden von ihren Erbauern zur tatsächlichen Wohnung ihrer Götter bestimmt. Salomo wusste es besser. Der «Name Jehovas» ist überaus bemerkenswert.
Beachte Kap. 5,3 «sein Gott» und 5,4 «mein Gott». Salomo frohlockte darüber, dass der Gott seines Vaters sein Gott geworden war.
Beachte, a) dass es der alte Kriegsmann Joab war, der als erster den i Schall der Posaune hörte (Kap. 1, 41), b) dass nur in Kap. 8, 3 erzählt wird, dass die Priester die Bundeslade trugen, eine Arbeit, die stets die Leviten verrichteten, und c) die Tatsache, dass Jehova im «Dunkel» Wohnen wolle (Kap. 8,12), d) die unerwartete und bemerkenswerte Vorstellung von Israels Sendung in der Welt (Kap. 8, 43.60). O, dass Israel daran gedacht hätte!

GLIEDERUNG:
A. Die Errichtung des Königreiches (Bedauerliche, aber notwendige Massnahme)
B. Die Herrlichkeit des Königreiches (Seine Einheit und seine Pracht)
C. Die Trennung des Königreiches Beklagenswerte und verhängnisvolle Spaltung
D. Der Niedergang des Königreiches (Verschlechterung und Verfall)
(Kap. l und 2) (Kap. 3-10) ((Kap. 11-12,24) (Kap. 12,25 bis Kap. 22)
1. Beachte «befestigt» (Kap. 2,12.24.45)
2. David vorzeitig gealtert (70 Jahre: Kap.1,1-4)
S. Aufruhr des ältesten lebenden Sohnes Davids (Kap. l, 5-9)
4. Nathans und Bathsebas Anschlag (Kap. 1, 10-31)
5. Salomo zum König gesalbt (Kap. 1,32-52)
6. Davids letzte Ansprache und Tod (Kap. 2, 1-12) 11, Salomo lässt verschiedene Verräter
hinrichten (Kap. 2,13-46)
1. Weisheit und Herrlichkeit (Kap. 3,12.13; 4, 30)‚Salomos Verbindung mit Pharao (Kap. 3, l-2) 81 Gott erscheint Salomo zum erstenmal (Kap. 3,5-15) 4. Die Weisheit Salomos (Kap. 3,16-28) 0.
Die Grosse Salomos (Kap. 4)
6. Das Lebenswerk Salomos (Kap. 5-8)
7. Zweite Erscheinung Gottes (Kap. 9,1-9)
8. Der Ruf Salomos (Kap. 9,10-11,13)
9. Der Reichtum Salomos (Kap. 10,14-29)
1. Beachte die Ursachen des Verfalls (Kap. 11,11; 12,16)
2. Salomos Abfall und Tod (Kap. 11)
3. Rehabeams Aufstieg und Torheit (Kap. 12,1-15)
4. Die Trennung des Königreiches. Jerobeam wird König der zehn Stämme (Kap. 12,16-24).
1. Eine symbolische Handlung (Kap. 14, 27)
2. Jerobeams Abfall und Tod (Kap. 12, 25 bis Kap. 14, 20)
3. Rehabeams und Judas schreckliche Abtrünnigkeit und Rehabeams Tod (Kap. 14,21-31).
4. Könige Judas (Kap. 15,1-24)
5. Könige Israels (Kap. 15, 25, Kap. 16)
6. Ahab und Elia (Kap. 17-22)

BOTSCHAFT:
1. Dieses Buch ist geschrieben, um die Ursachen der Errichtung und des Verfalls des Königreiches zu zeigen. Israel blühte, wenn es treu war; moralischer Niedergang und Verfall des Königreiches setzten ein, sobald es sich von Gott
abwandte. Das Gesicht in Kap. 22,19 ist sehr wichtig. Gott sitzt als unumschränkter Herrscher auf Seinem Thron und lässt Barmherzigkeit und Gnade zuteil werden den Reumütigen und Gehorsamen, aber Strafe und Züchtigung
dem Uebertreter und Sünder.
2. Beachte den neuen Maßstab »wie sein Vater David» (Kap. 3,3.14; 9,4; 11,4.33.38; 14,8; 15,3.11). Ach, der Mensch war nicht imstande, diesem Muster, obwohl es ja ein menschliches war, zu entsprechen.

SCHLÜSSELWORT: «Nach dem Worte Jehovas».Schlüsselverse: Kap. 1,17; 10,10; 17,23; 24,2.

2. Könige DAS ZWEITE BUCH DER KÖNIGE LEITGEDANKE: 

Die Erfüllung des Wortes Jehovas gleich sicher und gewiss, sowohl für die Erlösten als auch für die Sünder.
DIE BÜCHER DER KÖNIGE URSPRÜNGLICH EIN BUCH:
1. Im hebräischen Urtext bildeten 1. und 2. Könige ein Buch, ebenfalls 1. und 2. Samuel und 1. und 2. Chronika. Sie wurden erst durch die Uebersetzer der Septuaginta geteilt, als sie das Alte Testament ins Griechische fibersetzten.
Die Erklärung dafür ist diese: die griechische Sprache benötigt zum mindesten ein Drittel mehr an Raum als die hebräische; deshalb waren die Uebersetzer gezwungen, die Bücher zu teilen, entweder, weil die Papierrollen von
begrenzter Länge waren oder um die Rollen handlich zu machen.
2. Wenn man die beiden Bücher als eins betrachtet, findet man bei Beginn und am Ende die folgenden beachtenswerten Tatsachen: König David - König von Babel; Bau des Tempels - Zerstörung des Tempels; Davids erster Thronfolger - Davids letzter Thronfolger freigelassen aus der Gefangenschaft.

GESICHTSKREIS DES BUCHES:
1. Das zweite Buch der Könige enthält die Geschichte Israels und Judas von Ahab bis zur Gefangenschaft und umfasst einen Zeitraum von ungefähr 300 Jahren.
|,2. Die erste Hälfte des Buches ist grössenteils ausgefüllt mit einem Bericht von Elisas langjährigem Dienst. Es erzählt sechzehn Wunder durch Elisa, während Elia nur acht vollbrachte. Die Geschichte Elisas ist im wesentlichen ein
Bericht seiner Wunder: ein Bericht von Werken der Wohltätigkeit. (Vergl. Kap. 2,14.21.24; 3,20; 4,1-6.16.17. 35.41.43; 5,10.27; 6,6.17.18.20; 13,21.)
l S. Die zweite Hälfte des Buches enthält 1. die Ereignisse, die zu dem Fall Samarias und der Gefangenschaft Israels führten und 2. zu dem Fall Jerusalems und der Gefangenschaft Judas.
4. Israel hatte neunzehn Könige, von denen nicht einer gut war, während Juda neunzehn Könige und eine Königin hatte, von denen acht «taten, was recht war in den Augen Jehovas».

5. Beachte: a) einer der besten Könige Judas, Hiskia, war Vater des bösesten der Könige (Kap. 21); b) das bemerkenswerte Lob Josias (Kap. 23, 25); c) wie der einzige überlebende Abkömmling der David-schen Königslinie und die einzige vorhandene Abschrift des Gesetzes nahe daran waren, vernichtet zu werden (Kap. 11,1-3; 22,8-20).

SCHLÜSSELWORTE:
Das Buch hat eine Reihe von Schlüsselworten.
1. Der Ausdruck «Mann Gottes» wird 36 Mal gefunden, mehr als in irgend einem anderen Buch der Bibel. Gott hatte Seine tapferen Zeugen in jenen Tagen.
2. Dem traurigen und tragischen Satz: «Er tat was böse war in den Augen Jehovas» begegnen wir ungefähr zwanzig Mal (Kap. 3, 2; 8,18; 13, 2; 14, 24; 15, 9. 18. 24. 28; 16, 2; 17, 2. 17; 21, 2. 6. 15. 16. 20; 23,32.37; 24,9.19). Was sie taten,
wurde nach irdischem Maßstab vielleicht als richtig angesehen, aber nach den göttlichen Richtlinien über Glaube und Wandel war es verkehrt.
3. Aber, Gott sei Dank, wir begegnen auch dem umgekehrten Ausdruck: «Er tat was recht war in den Augen Jehovas», wenn auch nur sieben Mal (Kap. 12,2; 14,3; 15,3.34; 18,3; 20,3; 22,2).
4. Den Ausdruck «das Wort Jehovas» und seine Ableitungen finden wir 24 Mal (l, 17; 4, 44; 7, 1. 16; 9, 26. 36; 10, 10; 14, 25; 15, 12); - beachte, wie des Menschen «Wort» in Kap. 19, 4.6 von dem «Wort» Jehovas erwidert wird (Kap. 19, 21; 20, 4.16.19; 22,13.16.18; 23, 2. 3.16.24; 24,2).
5. Beachte, welche Bedeutung dem «Zorn und Grimm» beigelegt wird (Kap. 13, 3; 17, 18. 23. 26; 22, 13. 17; 24, 20).

BOTSCHAFT
Wir haben diese Stellen niedergeschrieben, weil ihr Studium in das Wesen des Buches einführt. Gottes Bestimmungen bezüglich Gottesdienst und sittlichem Verhalten waren verletzt worden. Um dem zu begegnen, sandte Je-hova
Seine «Männer Gottes», um zu warnen und, wenn möglich, zu Jehova zurückzuführen. Sie kommen mit einem «So spricht Jehova». Wurde darauf nicht gehört, so entbrannte Sein Zorn und Er gab das Volk in die Hände der Feinde.
Damit erfüllte sich das Wort, das Jehova gesprochen hatte.

GLIEDERUNG:
Das Buch beschreibt genau die Gefühle Jehovas über die geringschätzende Behandlung, welche Israel Ihm angedeihen liess. Die nachstehende Gliederung zeigt es.
A. Abschluss des Dienstes Ellas
B. Langer Dienst Elisas 

C. Der Weg Israels D. Der Weg Judas
Jehova missachtet Jehova verspottet Jehovas Zorn Jehovas Erbarmen Jehovas grosser Zorn Jehovas glühender Grimm
(Kap. l, l bis 2,11) (Kap. 2,23-25) (Kap. 3,1 bis 13,21) (Kap. 13,22 bis Kap. 16) (Kap. 17) (Kap. 18, l bis Kap. 25)
1. Schlüssel (Kap. l, 3.16)
2. Des Königs böses Verhalten (Kap.1, 2)
3. Elias Botschaft und Überbringung (Kap. l, 3.16)
4. Elias Entrückung (Kap. 2, l-11)
5. König von Israel: Ahasja, böse.
1. Schlüssel (Kap. 2,23)
2. Elisas Einführung (Kap. 2,12-15)
3. Die kleinen Knaben von Vers 23 sind «junge Burschen» d.h. junge Leute».
4. «Komm herauf» war eine gotteslästerliche Anspielung auf Elias Entrückung und eine Verspottung des Tuns Jehovas.
1. Schlüssel (Kap. 13,3)
2. Elisas langer Dienst von wohl über 50 Jahren.
3. Könige Judas:
a)Josaphat gut; b)Joram böse; c)Ahasja böse; d)Joas gut
4. Könige Israels:
a)Joram böse; b)Jehu böse; c)Joahas böse; d)Joas böse
1. Schlüssel (Kap. 13,23)
2. Könige Judas:
Amazja gut; Ussijta gut; Jotham gut; Ahas böse
3. Könige Israels:
Jerobeam II. böse; Sekarja böse; Sallum böse; Menachem böse; Peckachja böse; Peckach böse
1. Schlüssel (Kap. 17,11.18)
2. Letzter König Israels, Hosea, böse.
3. In diesem Kapitel haben wir «die nachträgliche Untersuchung der Seuchen, die ein Volk töteten».
4. Beachte die Kraft von Vers 23.
1. Schlüssel (Kap. 22,13.17; 23,26 mit 24,20)
2. Wir verdanken Hesekial sehr viel (sieh auch die Analyse der Psalmen)
3. Könige Judas: Hiskia gut Manasse böse Amon böse Josia Gut Joahas böse  Jojakim böse Jojakin böse Zedekia böse

Abriss und Gliederung der Biblischen Bücher Müller Kersting 1945 Robert Lee Zürich

2. Könige 8,16-17,41 Joram, der König von Juda, und sein Sohn Ahasja Rossier Henry

02/20/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 8,16-17,41

Botschafter des Heils 1912 S. 1ff

Joram, der König von Juda, und sein Sohn Ahasja Kapitel 8,16 -29

KAPITEL 8, 16‑17, 41 DIE KÖNICE VON ISRAEL UND JUDA

KAPITEL 8, 16‑29 Joram, der König von Juda, und sein Sohn Ahasja

Der Beginn dieses Abschnittes bietet eine kleine Schwierigkeit bezüglich der Zeitberechnung, und die Rationalisten haben nicht versäumt, sie wider die Autorität der biblischen Erzählung auszubeuten (Vergl. die Bemerkung beim 3. Kapitel). Es wird hier nämlich gesagt, dass Joram von Juda zu Lebzeiten seines Vaters Josaphat begonnen habe, über Juda zu regieren, im fünften Jahre Jorams von Israel. Im 1.Kapitel jedoch folgt Joram von Israel seinem Vater Ahasja im zweiten Jahre Jorams von Juda. Wie ist das miteinander zu vereinigen? Es erklärt sich ganz einfach durch die Tatsache, dass Josaphat von Juda die Regentschaft seinem Sohne Joram anvertraut hatte, und dass er sieben Jahre später, noch während seiner Lebzeiten, ihm das Reich endgültig übertrug, vielleicht im Blick auf Schwierigkeiten, die er mit seinen Brüdern haben könnte (2. Chron. 21, 1‑4). Das erste Jahr der Regentschaft Jorams von Juda entspricht der Zeit, in welcher sein Vater Josaphat mit Ahab, dem König von Israel hinaufzog, um Ramoth in Gilead den Syrern wieder zu entreißen. Diese sogenannten Widersprüche sind nie solche für den einfältigen Christen, der die Mitteilungen des Wortes aus Gottes Hand empfangen hat. Es mag ihm nicht immer möglich sein, die Einwürfe zu widerlegen, denn er ist ein beschränktes und unwissendes Wesen; aber indem er auf den Herrn wartet, wird er früher oder später die Antwort empfangen, wenn Gott es so für gut befindet. Es bleibt für ihn bestehen, dass Gott geredet hat und wahr erfunden werden wird, wenn Er redet, während jeder Mensch als Lügner dastehen wird.
Die kurze Geschichte der Könige Joram und Ahasja von Juda, die hier eingeschaltet wird, um die Ereignisse miteinander zu verbinden, bietet nichtsdestoweniger ernste und belehrende Züge dar. Joram von Juda "hatte zum Weibe eine Tochter Ahabs des Gemahls der Isebel. Ahasja, der Sohn Jorams, war auch "ein Eidam des Hauses Ahabs". Diese unheiligen Verbindungen führten den einen wie den anderen auf die Wege der Könige von Israel. So war und ist es zu allen Zeiten. Ein Christ, der mit einem Kinde der Welt das gleiche Joch trägt, büßt dadurch notwendigerweise sein Zeugnis ein ja, selbst den Schein seines Christentums; denn die Welt wird nie durch die Verbindung eines Christen mit ihr gebessert, während im Gegenteil böser Umgang die guten Sitten verdirbt. Allerdings beseitigte Gott Joram von Juda nicht, da Er den dem David gegebenen Verheißungen treu war; aber Joram findet in der Welt nicht die Ruhe, die seine verderbte Religion ihm nicht zu geben vermochte, und welche auch die Züchtigungen Gottes ihm nicht lassen konnten. Edom, das bis dahin einen vom Throne Judas abhängigen Statthalter hatte (l. Kön. 22, 48), empört sich und wählt sich einen König. Ein Krieg ist die Folge. Joram behält zwar die Oberhand, aber die Empörung wird nicht gebrochen, und der unbeugsame Feind bleibt „bis auf diesen Tag".


Zu derselben Zeit fiel auch Libna ab. Libna war eine Stadt Judas, eine Priesterstadt, die den Söhnen Aarons gehörte (Jos. 21, 13; 1. Chron. 6, 57). Welche Schmach für Joram! In seinem eigenen Reiche reißt sich eine der in sittlicher Hinsicht wichtigsten Städte von ihm los. Der Grund wird uns in 2. Chron. 21, 10. 11 mitgeteilt. Die Söhne Aarons konnten nicht mit einem Manne in Verbindung sein, der „Jehova, den Gott seiner Väter", verlassen hatte, und der durch seine Höhen und seinen Götzendienst Juda auf denselben Weg brachte. Es gab also in jenen Tagen noch einigermaßen ein Zeugnis in Juda, und dieses Zeugnis diente Joram zur Schmach. Jehova entriss ihm einen Teil des Priestertums, welches allein noch seine Beziehungen zu Ihm aufrechthalten konnte. Wir behalten uns vor, bei der Betrachtung der Bücher der Chronika mehr im Einzelnen auf das Gericht dieses gottlosen Königs einzugehen.
Ahasja, der Sohn Jorams von Juda, begann seine Regierung im zwölften Jahre Jorams von Israel (V. 25). Seine Mutter war Athalja, die Tochter Omris (eine unter Juden gebräuchliche Redeweise, denn in Wirklichkeit War sie eine Enkelin Omris), des Hauptes dieses Herrscherhauses, eine Tochter Ahabs und die Gemahlin Jorams von Juda (V. 18). Sie war also eine Schwester Jorams von Israel. 

Ahasja selbst war ein Schwiegersohn des Hauses Ahab. Wie sein Großvater Josaphat sich mit Ahab verbündet hatte, um Ramoth in Gilead wieder zu erobern, welches in die Gewalt des Königs von Syrien gefallen war, so verbündet sich Ahasja, der Sohn Jorams von Juda, mit Joram von Israel, dem Sohne Ahabs, um Hasael, den König von Syrien, zu bekriegen. Er zog mit ihm nach Ramoth-Gilead, einer der alten Zufluchtsstädte (5. Mose 4, 43). Dies geschah auf Betreiben seiner Ratgeber vom Hause Ahabs und seiner Mutter Athalja (2. Chron. 22, 3‑5). Dieses Bündnis mit den Königen von Israel war ein Gräuel in den Augen Jehovas. Joram von Israel trifft zu Ramoth das gleiche Schicksal wie einst Ahab, der von den Syrern an demselben Orte verwundet wurde (1. Kön. 22, 34). Er zieht sich zur Heilung seiner Wunden nach Jisreel zurück, wohin Ahasja, der König von Juda, kommt, um ihm sein Mitgefühl zu bezeigen. Das war in den Augen der Welt eine einfache Handlung der Höflichkeit, aber nachdem er sich Hasael, der Rute Gottes gegen Israel, widersetzt hatte, stellte er sich damit den Schlägen Jehus bloß, der zweiten Rute Gottes gegen seinen Verbündeten. Da diese Gerichte über Israel ihn nicht beunruhigten noch auf seinem Wege aufzuhalten vermochten, trafen sie ihn selbst!

KAPITEL 9 UND 10 Jehu, der König von Israel

Die ganze Geschichte Jehus ist in der Chronika in drei Versen enthalten (2. Chron. 22, 7‑9), die allein von seinen Beziehungen zu Juda reden. Wir werden bei der Betrachtung dieses Buches darauf zurückkommen.
Das vor uns liegende Kapitel lässt, wie wir weiter oben schon erwähnt haben, den Gnaden-Charakter Elisas ans Licht treten. Anstatt Jehu zu salben, vertraut er diesen Auftrag einem der Söhne der Propheten an. Dieser junge Mann soll nicht einen Augenblick bei Jehu bleiben, sondern fliehen, sobald seine Handlung ausgeführt ist. Alles geschieht im geheimen und in Eile, denn da es sich um ein Gericht handelt, verweilt die Seele Elisas nicht lange dabei. Das Gericht muss stattfinden, denn Gott hat geredet; aber Gott hat Seine Wonne an der Gnade und billigt die Handlungsweise Seines Knechtes.
Wie sehr verschieden ist diese Szene, infolge ihres gerichtlichen Charakters, von derjenigen, welche die Salbung Davids begleitet! Hier muss der Prophetensohn Jehu „aus der Mitte seiner Brüder" aufstehen lassen, er muss ihn vor aller Augen wegführen „in ein inneres Gemach", und ihn salben ohne Zeugen, in Eile und heimlich. Samuel dagegen salbt David, den König der Gnade, "inmitten seiner Brüder", welche sich erst bei seiner Ankunft an dem Tisch niederlassen; und dieses Familienfest vereinigt sie zu einem gemeinsamen Mahle. Danach erhebt sich Samuel in Frieden und begibt sich nach Rama (1. Sam. 16, 11‑13). Wie ganz anders spielt sich hier alles ab! Jehu ist eine Rute Gottes für Israel und Juda, und Gott kann mit dem Werkzeug des Gerichts, so notwendig es auch sein mag, keine Gemeinschaft haben. Er billigt später (Kap. 10, 30) die Art und Weise, in welcher Jehu sich seiner Aufgabe entledigt hat, aber ohne in Gemeinschaft mit ihm zu treten; denn obwohl Er so redet, lobt Er weder den Menschen noch seine Beweggründe, was wir noch mehr als einmal in diesen Kapiteln werden feststellen können.
Wenn der Prophet Elisa vor Hasael weinte, was würde er vor Jehu getan haben? Auch erteilt er seinen Auftrag so kurz wie möglich. Er sagt: "So spricht Jehova: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt" (V. 3). Er überlässt dem Prophetensohn, der selbst ein Prophet war, die Sorge für das, was er durch den Geist hinzufügen soll, ohne ihm seine Worte vorzuschreiben.
Der junge Mann enthüllt Jehu den schonungslosen Urteilsspruch über das Haus Ahabs. Der Beweggrund zu diesem Urteil ist die Weise, wie der König unter der Leitung Isebels die Knechte Jehovas und Seine Propheten behandelt hatte (V. 7). So kommt tatsächlich immer ein Augenblick, in welchem der Herr das, was man einst "seinen Brüdern", sei es in Israel oder in der christlichen Gemeinde, getan hat, in Erinnerung bringen wird.


Der Umstand, dass der junge Prophet so manche Einzelheiten den Worten Elisas hinzufügt, ist sehr charakteristisch für die Laufbahn und das Wesen Elisas. Nicht ein einziges Mal, ausgenommen zu Bethel (und wir haben den Grund davon gezeigt), spricht er selbst das Gericht aus, obwohl er über einen Schauplatz hinschreitet, wo von seiten Gottes alles Gericht ist. Dieses Gericht muss der Herrschaft des Hauses Omris ein Ende machen, um das über Ahab ausgesprochene Urteil auszuführen. Aus demselben Grunde hatte Jehova schon dem Hause Jerobeams, des Sohnes Nebats (1. Kön. 15, 28‑30), und dem Hause Baesas (l. Kön. 16, 1‑4) ein Ende gemacht, und jedes mal wiederholte Er das schreckliche Wort: "Wer in der Stadt stirbt, den sollen die Hunde fressen, und wer auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel des Himmels fressen“ (1. Kön. 14, 11; 16, 4; 21, 24).


Der junge Mann flieht gemäß dem ihm gewordenen Auftrag. Er sollte weder auf das zurückkommen, was geboten worden war, noch sollte er eine Erklärung oder eine Warnung geben, wie dies bei Ahab stattgefunden hatte (1. Kön. 21, 27‑29). Das Gericht stand vor der Tür und sollte sofort vollzogen werden.
Wie wir bereits sahen, hatte der in der Schlacht verwundete König von Joram von Israel Ramoth in Gilead verlassen, wo Hasael ihm eine Niederlage beigebracht hatte, und sich nach Jisreel begeben, um sich dort von seinen Wunden heilen zu lassen. Unterdessen hielten sich die Anführer seines Heeres zu Ramoth auf, um diesen wichtigen und von den Königen Israels gerade zurückeroberten Platz zu besetzen und zu verteidigen (Vergl. 1. Kön. 22, 3). Wir erkennen hier, wie Gottes Hand über den Ereignissen und Menschen waltet, wenn der Augenblick zur Ausführung Seiner Beschlüsse gekommen ist. Kaum war das Öl der Salbung auf Jehu gekommen, als alle Obersten, ohne irgendeine vorhergegangene Absprache (denn sie wissen nicht, was der Prophet, den sie für einen Rasenden halten, getan hat), Jehu zum König ausrufen. Waren sie selbst verständige Leute, wenn sie ohne Überlegung, ohne Wahl in die Posaune stoßen und sagen: "Jehu ist König", während derjenige, der trotz seiner Jugend mit voller Sachkenntnis die Gedanken Gottes verkündigt hatte, von ihnen als närrisch und blödsinnig betrachtet wurde? In unseren Tagen kann man oft dieselbe Ungereimtheit wahrnehmen. 

Der Christ, der die Gedanken Gottes kennt, kann den Menschen die Ereignisse, deren Schauplatz diese Welt sein wird, in ihrem Zusammenhang und in ihren Einzelheiten ankündigen; die Weisen werden ihn für einen Narren halten, bis zu dem Tage, an welchem ihre Augen aufgehen werden, aber dann zu spät, um die Wahrheit dessen, was ihnen angekündigt wurde, anzuerkennen. 
Beachten wir, dass Jehu erst, nachdem er zum König ausgerufen war, „eine Verschwörung gegen Joram macht'. Er trifft sofort Maßregeln, damit der König zu Jisreel keine Nachricht von dem Geschehenen empfange. Der Charakter Jehus, der ungestüme Heftigkeit mit viel Klugheit Entschlossenheit und Menschenkenntnis verbindet, bietet reichen Stoff zur Betrachtung. Beachten wir zunächst diesen Zug: „Wenn es euer Wille ist, so soll niemand aus der Stadt entrinnen, um hinzugehen, es in Jisreel zu berichten" (V. 15). Er verwickelt mit Geschick seine Gefährten in eine gemeinsame Verantwortlichkeit, damit im Falle des Misslingens nicht alles ihm zur Last gelegt werden kann (Die Folge wird uns ein zweites ähnliches Beispiel zeigen). Zugleich kann man einen gänzlichen Mangel an Gottesfurcht und Abhängigkeit von Gott feststellen, sowie einen Ehrgeiz, der das Wort Jehovas benutzt um sich die Obergewalt zu sichern. Jehu denkt nur an sich, an seinen Vorteil, an die Befriedigung seiner Leidenschaften; er übt das Gericht aus, um sich den Nutzen davon zu sichern, und er verdeckt all diese Selbstsucht mit einem Mantel, den er „den Eifer für Jehova" nennt. 
Inzwischen war Ahasja zu Joram herabgekommen, um ihm sein Mitgefühl bezüglich seiner Verwundung auszudrücken. Die Verbindung dieser beiden Könige war trotz ihres Scheines von Höflichkeit und Herzlichkeit Jehova verhasst. Die Leuchte, die bis dahin dem Hause Davids erhalten geblieben war, wäre dem Erlöschen nahe gewesen, wenn Gott sich nicht damit beschäftigt hätte, sie zu reinigen. Doch die Familienbeziehungen zu einem abgefallenen Geschlecht hatten für Ahasja mehr Wert als die Verherrlichung des Gottes Israels. Ähnliche Dinge ereignen sich auch in unseren Tagen. Doch hat wie bereits gesagt, die Familie Gottes bei solchen Verbindungen nichts zu gewinnen. So oft auch Israel Nutzen zog aus der Freundschaft des Königs von Juda, was gab es Juda dafür? Der Verlust war stets auf der Seite derer, die, so schwach es auch sein mochte, noch die Träger des Zeugnisses des wahren Gottes waren. 
Jehu geht nach Jisreel. „Ist es Friede?" 

Das ist die große Frage, die sich erhebt. Das Gericht steht vor der Tür, während Joram noch nicht weiß, ob es Friede oder Zorn ist was auf ihn ankommt. Was helfen ihm seine Boten und die Vorsichts­maßregeln, die er treffen kann? Keiner seiner Leute kehrt zurück, um ihn zu benachrichtigen, dass er auf seiner Hut sein möge. Dafür hat Jehus Klugheit gesorgt. „Wende dich hinter mich", sagt er ihnen: ein ausgezeichnetes Mittel, zu seinem Ziele zu gelangen, ohne vorzeitig das Misstrauen des Königs wachzurufen. Doch Gott hat die Oberleitung von allem, selbst von dem, was Seinem Charakter durchaus entgegen ist. Er ist ein Gott der Wahrheit; Seine Wege sind gerade, niemals krumm. Er hat gesagt: „Kein Friede den Gesetzlosen"; und Sein Ausspruch muss sich erfüllen.
„Jehu treibt (seinen Kriegswagen) unsinnig." Das Rollen des Donners kündigt das Gewitter für alle an, außer für Joram, der für das Herannahen des Unwetters gerade so taub ist ' wie für die Stimme der Gnade, die so oft vor ihm erklungen war. Er tut nichts, um sein Schicksal abzuwenden; er flüchtet mit Ahasja unter den Baum, in welchen der Blitz einschlagen wird. Ach! so ist das Los der Menschen. Sie suchen den Frieden, nur den nicht, den Gott allen anbietet, und finden nur Aufregung, Angst und schließlich Gottes Gericht. "Friede, Friede den Fernen und den Nahen", spricht Jehova, "und ich will es heilen. ‑ Aber die Gesetzlosen sind wie das aufgewühlte Meer; denn es kann nicht ruhig sein, und seine Wasser wühlen Schlamm und Kot auf. Kein Friede den Gesetzlosen! spricht mein Gott" (Jes. 57, 19‑21). Es kommt auch ein Augenblick, wo die Menschen sagen werden ‑ Friede; dann aber kommt ein plötzliches Verderben über sie. "Was, Friede", antwortet Jehu, „während der vielen Hurereien Isebels, deiner Mutter, und ihrer vielen Zaubereien!" Joram flieht und ruft: "Verrat, Ahasja“' Nein, nicht Verrat sondern Gericht! 

Der zu Elia geschehene Ausspruch Gottes geht wörtlich in Erfüllung. „Es soll geschehen: wer dem Schwerte Hasaels entrinnt, den wird Jehu töten" (1. Kön. 19, 17). Jehu selbst trifft den König Joram ins Herz; dann erinnert er an die Prophezeiung Elias über Ahab (1. Kön. 21, 19‑24), nicht mit denselben Worten, aber in ähnlichem Sinne. Armer König! Worauf hatte er vertraut? Auf seinen Titel und seine königliche Würde, wie man an dieser Fahrt sieht, die ihn ins Verderben stürzt; ohne Zweifel auch auf die zwölf langen Jahre seiner Herrschaft ‑ wer hätte auch an einen Verrat denken können nach einer so langen Regierung? auf die Treue seiner Untertanen und seiner Umgebung. Eitle Stützen! „Wie ist er so plötzlich verwüstet!"
Und wenn wir nun fragen: Wer hat alle Umstände zu diesem Ergebnis zusammenwirken lassen? Wer hat Joram angeleitet, von Ramoth wegzuziehen, indem er Jehu und seine Hauptleute dort zurückließ? Wer hat ihn nach Jisreel, den Schauplatz der Sünde Ahabs, geführt? Wer hat ihn auf seinem Wagen bis zu dem Weinberg Naboths gebracht? Wer hat ihn dort außerhalb der Stadt liegen lassen, gerade an dem Orte, wo das Blut des Gerechten geflossen war, den Vögeln des Himmels zur Beute? ‑ so gibt es nur eine Antwort, man kann sich darüber nicht täuschen: es ist die Hand Jehovas!
Dasselbe Los traf Ahasja (V. 27‑29), obwohl etwas gelinder, da Jehova das Haus Juda noch nicht endgültig verworfen hatte. Wenn es auch „von Gott der Untergang Ahasjas war, dass er zu Joram kam" (2. Chron. 22, 7), so wurde er doch nicht wie ein gemeiner Verbrecher den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels hingeworfen, sondern man begrub ihn in seinem Grabe bei seinen Vätern in der Stadt Davids.

2. Könige 8,16-Kap. 25 Rossier H.

02/20/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

 Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 8,16-17,41

Botschafter des Heils 1912 S. 1ff

Joram, der König von Juda, und sein Sohn Ahasja Kapitel 8,16 -29

KAPITEL 8, 16‑17, 41 DIE KÖNICE VON ISRAEL UND JUDA

KAPITEL 8, 16‑29 Joram, der König von Juda, und sein Sohn Ahasja

Der Beginn dieses Abschnittes bietet eine kleine Schwierigkeit bezüglich der Zeitberechnung, und die Rationalisten haben nicht versäumt, sie wider die Autorität der biblischen Erzählung auszubeuten (Vergl. die Bemerkung beim 3. Kapitel). Es wird hier nämlich gesagt, dass Joram von Juda zu Lebzeiten seines Vaters Josaphat begonnen habe, über Juda zu regieren, im fünften Jahre Jorams von Israel. Im 1.Kapitel jedoch folgt Joram von Israel seinem Vater Ahasja im zweiten Jahre Jorams von Juda. Wie ist das miteinander zu vereinigen? Es erklärt sich ganz einfach durch die Tatsache, dass Josaphat von Juda die Regentschaft seinem Sohne Joram anvertraut hatte, und dass er sieben Jahre später, noch während seiner Lebzeiten, ihm das Reich endgültig übertrug, vielleicht im Blick auf Schwierigkeiten, die er mit seinen Brüdern haben könnte (2. Chron. 21, 1‑4). 

Das erste Jahr der Regentschaft Jorams von Juda entspricht der Zeit, in welcher sein Vater Josaphat mit Ahab, dem König von Israel hinaufzog, um Ramoth in Gilead den Syrern wieder zu entreißen. Diese sogenannten Widersprüche sind nie solche für den einfältigen Christen, der die Mitteilungen des Wortes aus Gottes Hand empfangen hat. Es mag ihm nicht immer möglich sein, die Einwürfe zu widerlegen, denn er ist ein beschränktes und unwissendes Wesen; aber indem er auf den Herrn wartet, wird er früher oder später die Antwort empfangen, wenn Gott es so für gut befindet. Es bleibt für ihn bestehen, dass Gott geredet hat und wahr erfunden werden wird, wenn Er redet, während jeder Mensch als Lügner dastehen wird.


Die kurze Geschichte der Könige Joram und Ahasja von Juda, die hier eingeschaltet wird, um die Ereignisse miteinander zu verbinden, bietet nichtsdestoweniger ernste und belehrende Züge dar. Joram von Juda "hatte zum Weibe eine Tochter Ahabs des Gemahls der Isebel. Ahasja, der Sohn Jorams, war auch "ein Eidam des Hauses Ahabs". Diese unheiligen Verbindungen führten den einen wie den anderen auf die Wege der Könige von Israel. So war und ist es zu allen Zeiten. Ein Christ, der mit einem Kinde der Welt das gleiche Joch trägt, büßt dadurch notwendigerweise sein Zeugnis ein ja, selbst den Schein seines Christentums; denn die Welt wird nie durch die Verbindung eines Christen mit ihr gebessert, während im Gegenteil böser Umgang die guten Sitten verdirbt. 

Allerdings beseitigte Gott Joram von Juda nicht, da Er den dem David gegebenen Verheißungen treu war; aber Joram findet in der Welt nicht die Ruhe, die seine verderbte Religion ihm nicht zu geben vermochte, und welche auch die Züchtigungen Gottes ihm nicht lassen konnten. Edom, das bis dahin einen vom Throne Judas abhängigen Statthalter hatte (l. Kön. 22, 48), empört sich und wählt sich einen König. Ein Krieg ist die Folge. Joram behält zwar die Oberhand, aber die Empörung wird nicht gebrochen, und der unbeugsame Feind bleibt „bis auf diesen Tag".


Zu derselben Zeit fiel auch Libna ab. Libna war eine Stadt Judas, eine Priesterstadt, die den Söhnen Aarons gehörte (Jos. 21, 13; 1. Chron. 6, 57). Welche Schmach für Joram! In seinem eigenen Reiche reißt sich eine der in sittlicher Hinsicht wichtigsten Städte von ihm los. Der Grund wird uns in 2. Chron. 21, 10. 11 mitgeteilt. Die Söhne Aarons konnten nicht mit einem Manne in Verbindung sein, der „Jehova, den Gott seiner Väter", verlassen hatte, und der durch seine Höhen und seinen Götzendienst Juda auf denselben Weg brachte. Es gab also in jenen Tagen noch einigermaßen ein Zeugnis in Juda, und dieses Zeugnis diente Joram zur Schmach. Jehova entriss ihm einen Teil des Priestertums, welches allein noch seine Beziehungen zu Ihm aufrechthalten konnte. Wir behalten uns vor, bei der Betrachtung der Bücher der Chronika mehr im Einzelnen auf das Gericht dieses gottlosen Königs einzugehen.
Ahasja, der Sohn Jorams von Juda, begann seine Regierung im zwölften Jahre Jorams von Israel (V. 25). Seine Mutter war Athalja, die Tochter Omris (eine unter Juden gebräuchliche Redeweise, denn in Wirklichkeit War sie eine Enkelin Omris), des Hauptes dieses Herrscherhauses, eine Tochter Ahabs und die Gemahlin Jorams von Juda (V. 18). Sie war also eine Schwester Jorams von Israel. 

Ahasja selbst war ein Schwiegersohn des Hauses Ahab. Wie sein Großvater Josaphat sich mit Ahab verbündet hatte, um Ramoth in Gilead wieder zu erobern, welches in die Gewalt des Königs von Syrien gefallen war, so verbündet sich Ahasja, der Sohn Jorams von Juda, mit Joram von Israel, dem Sohne Ahabs, um Hasael, den König von Syrien, zu bekriegen. Er zog mit ihm nach Ramoth-Gilead, einer der alten Zufluchtsstädte (5. Mose 4, 43). Dies geschah auf Betreiben seiner Ratgeber vom Hause Ahabs und seiner Mutter Athalja (2. Chron. 22, 3‑5). 

Dieses Bündnis mit den Königen von Israel war ein Gräuel in den Augen Jehovas. Joram von Israel trifft zu Ramoth das gleiche Schicksal wie einst Ahab, der von den Syrern an demselben Orte verwundet wurde (1. Kön. 22, 34). Er zieht sich zur Heilung seiner Wunden nach Jisreel zurück, wohin Ahasja, der König von Juda, kommt, um ihm sein Mitgefühl zu bezeigen. Das war in den Augen der Welt eine einfache Handlung der Höflichkeit, aber nachdem er sich Hasael, der Rute Gottes gegen Israel, widersetzt hatte, stellte er sich damit den Schlägen Jehus bloß, der zweiten Rute Gottes gegen seinen Verbündeten. Da diese Gerichte über Israel ihn nicht beunruhigten noch auf seinem Wege aufzuhalten vermochten, trafen sie ihn selbst!

KAPITEL 9 UND 10 Jehu, der König von Israel

Die ganze Geschichte Jehus ist in der Chronika in drei Versen enthalten (2. Chron. 22, 7‑9), die allein von seinen Beziehungen zu Juda reden. Wir werden bei der Betrachtung dieses Buches darauf zurückkommen.
Das vor uns liegende Kapitel lässt, wie wir weiter oben schon erwähnt haben, den Gnaden-Charakter Elisas ans Licht treten. Anstatt Jehu zu salben, vertraut er diesen Auftrag einem der Söhne der Propheten an. Dieser junge Mann soll nicht einen Augenblick bei Jehu bleiben, sondern fliehen, sobald seine Handlung ausgeführt ist. Alles geschieht im geheimen und in Eile, denn da es sich um ein Gericht handelt, verweilt die Seele Elisas nicht lange dabei. Das Gericht muss stattfinden, denn Gott hat geredet; aber Gott hat Seine Wonne an der Gnade und billigt die Handlungsweise Seines Knechtes.
Wie sehr verschieden ist diese Szene, infolge ihres gerichtlichen Charakters, von derjenigen, welche die Salbung Davids begleitet! Hier muss der Prophetensohn Jehu „aus der Mitte seiner Brüder" aufstehen lassen, er muss ihn vor aller Augen wegführen „in ein inneres Gemach", und ihn salben ohne Zeugen, in Eile und heimlich. Samuel dagegen salbt David, den König der Gnade, "inmitten seiner Brüder", welche sich erst bei seiner Ankunft an dem Tisch niederlassen; und dieses Familienfest vereinigt sie zu einem gemeinsamen Mahle.

 Danach erhebt sich Samuel in Frieden und begibt sich nach Rama (1. Sam. 16, 11‑13). Wie ganz anders spielt sich hier alles ab! Jehu ist eine Rute Gottes für Israel und Juda, und Gott kann mit dem Werkzeug des Gerichts, so notwendig es auch sein mag, keine Gemeinschaft haben. Er billigt später (Kap. 10, 30) die Art und Weise, in welcher Jehu sich seiner Aufgabe entledigt hat, aber ohne in Gemeinschaft mit ihm zu treten; denn obwohl Er so redet, lobt Er weder den Menschen noch seine Beweggründe, was wir noch mehr als einmal in diesen Kapiteln werden feststellen können.
Wenn der Prophet Elisa vor Hasael weinte, was würde er vor Jehu getan haben? Auch erteilt er seinen Auftrag so kurz wie möglich. Er sagt: "So spricht Jehova: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt" (V. 3). Er überlässt dem Prophetensohn, der selbst ein Prophet war, die Sorge für das, was er durch den Geist hinzufügen soll, ohne ihm seine Worte vorzuschreiben.
Der junge Mann enthüllt Jehu den schonungslosen Urteilsspruch über das Haus Ahabs. Der Beweggrund zu diesem Urteil ist die Weise, wie der König unter der Leitung Isebels die Knechte Jehovas und Seine Propheten behandelt hatte (V. 7). So kommt tatsächlich immer ein Augenblick, in welchem der Herr das, was man einst "seinen Brüdern", sei es in Israel oder in der christlichen Gemeinde, getan hat, in Erinnerung bringen wird.
Der Umstand, dass der junge Prophet so manche Einzelheiten den Worten Elisas hinzufügt, ist sehr charakteristisch für die Laufbahn und das Wesen Elisas.

 Nicht ein einziges Mal, ausgenommen zu Bethel (und wir haben den Grund davon gezeigt), spricht er selbst das Gericht aus, obwohl er über einen Schauplatz hinschreitet, wo von Seiten Gottes alles Gericht ist. Dieses Gericht muss der Herrschaft des Hauses Omris ein Ende machen, um das über Ahab ausgesprochene Urteil auszuführen. Aus demselben Grunde hatte Jehova schon dem Hause Jerobeams, des Sohnes Nebats (1. Kön. 15, 28‑30), und dem Hause Baesas (l. Kön. 16, 1‑4) ein Ende gemacht, und jedes mal wiederholte Er das schreckliche Wort: "Wer in der Stadt stirbt, den sollen die Hunde fressen, und wer auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel des Himmels fressen“ (1. Kön. 14, 11; 16, 4; 21, 24).
Der junge Mann flieht gemäß dem ihm gewordenen Auftrag. Er sollte weder auf das zurückkommen, was geboten worden war, noch sollte er eine Erklärung oder eine Warnung geben, wie dies bei Ahab stattgefunden hatte (1. Kön. 21, 27‑29). Das Gericht stand vor der Tür und sollte sofort vollzogen werden.
Wie wir bereits sahen, hatte der in der Schlacht verwundete König von Joram von Israel Ramoth in Gilead verlassen, wo Hasael ihm eine Niederlage beigebracht hatte, und sich nach Jisreel begeben, um sich dort von seinen Wunden heilen zu lassen. Unterdessen hielten sich die Anführer seines Heeres zu Ramoth auf, um diesen wichtigen und von den Königen Israels gerade zurückeroberten Platz zu besetzen und zu verteidigen (Vergl. 1. Kön. 22, 3). Wir erkennen hier, wie Gottes Hand über den Ereignissen und Menschen waltet, wenn der Augenblick zur Ausführung Seiner Beschlüsse gekommen ist. Kaum war das Öl der Salbung auf Jehu gekommen, als alle Obersten, ohne irgendeine vorhergegangene Absprache (denn sie wissen nicht, was der Prophet, den sie für einen Rasenden halten, getan hat), Jehu zum König ausrufen.

 Waren sie selbst verständige Leute, wenn sie ohne Überlegung, ohne Wahl in die Posaune stoßen und sagen: "Jehu ist König", während derjenige, der trotz seiner Jugend mit voller Sachkenntnis die Gedanken Gottes verkündigt hatte, von ihnen als närrisch und blödsinnig betrachtet wurde? In unseren Tagen kann man oft dieselbe Ungereimtheit wahrnehmen. Der Christ, der die Gedanken Gottes kennt, kann den Menschen die Ereignisse, deren Schauplatz diese Welt sein wird, in ihrem Zusammenhang und in ihren Einzelheiten ankündigen; die Weisen werden ihn für einen Narren halten, bis zu dem Tage, an welchem ihre Augen aufgehen werden, aber dann zu spät, um die Wahrheit dessen, was ihnen angekündigt wurde, anzuerkennen. 
Beachten wir, dass Jehu erst, nachdem er zum König ausgerufen war, „eine Verschwörung gegen Joram macht'. Er trifft sofort Maßregeln, damit der König zu Jisreel keine Nachricht von dem Geschehenen empfange. 

Der Charakter Jehus, der ungestüme Heftigkeit mit viel Klugheit Entschlossenheit und Menschenkenntnis verbindet, bietet reichen Stoff zur Betrachtung. Beachten wir zunächst diesen Zug: „Wenn es euer Wille ist, so soll niemand aus der Stadt entrinnen, um hinzugehen, es in Jisreel zu berichten" (V. 15). Er verwickelt mit Geschick seine Gefährten in eine gemeinsame Verantwortlichkeit, damit im Falle des Misslingens nicht alles ihm zur Last gelegt werden kann (Die Folge wird uns ein zweites ähnliches Beispiel zeigen). Zugleich kann man einen gänzlichen Mangel an Gottesfurcht und Abhängigkeit von Gott feststellen, sowie einen Ehrgeiz, der das Wort Jehovas benutzt um sich die Obergewalt zu sichern. Jehu denkt nur an sich, an seinen Vorteil, an die Befriedigung seiner Leidenschaften; er übt das Gericht aus, um sich den Nutzen davon zu sichern, und er verdeckt all diese Selbstsucht mit einem Mantel, den er „den Eifer für Jehova" nennt. 
Inzwischen war Ahasja zu Joram herabgekommen, um ihm sein Mitgefühl bezüglich seiner Verwundung auszudrücken.

 Die Verbindung dieser beiden Könige war trotz ihres Scheines von Höflichkeit und Herzlichkeit Jehova verhasst. Die Leuchte, die bis dahin dem Hause Davids erhalten geblieben war, wäre dem Erlöschen nahe gewesen, wenn Gott sich nicht damit beschäftigt hätte, sie zu reinigen. Doch die Familienbeziehungen zu einem abgefallenen Geschlecht hatten für Ahasja mehr Wert als die Verherrlichung des Gottes Israels. Ähnliche Dinge ereignen sich auch in unseren Tagen. Doch hat wie bereits gesagt, die Familie Gottes bei solchen Verbindungen nichts zu gewinnen. So oft auch Israel Nutzen zog aus der Freundschaft des Königs von Juda, was gab es Juda dafür? Der Verlust war stets auf der Seite derer, die, so schwach es auch sein mochte, noch die Träger des Zeugnisses des wahren Gottes waren. 
Jehu geht nach Jisreel. „Ist es Friede?" Das ist die große Frage, die sich erhebt. Das Gericht steht vor der Tür, während Joram noch nicht weiß, ob es Friede oder Zorn ist was auf ihn ankommt. Was helfen ihm seine Boten und die Vorsichts­maßregeln, die er treffen kann? Keiner seiner Leute kehrt zurück, um ihn zu benachrichtigen, dass er auf seiner Hut sein möge. Dafür hat Jehus Klugheit gesorgt. 

„Wende dich hinter mich", sagt er ihnen: ein ausgezeichnetes Mittel, zu seinem Ziele zu gelangen, ohne vorzeitig das Misstrauen des Königs wachzurufen. Doch Gott hat die Oberleitung von allem, selbst von dem, was Seinem Charakter durchaus entgegen ist. Er ist ein Gott der Wahrheit; Seine Wege sind gerade, niemals krumm. Er hat gesagt: „Kein Friede den Gesetzlosen"; und Sein Ausspruch muss sich erfüllen.
Jehu treibt (seinen Kriegswagen) unsinnig." Das Rollen des Donners kündigt das Gewitter für alle an, außer für Joram, der für das Herannahen des Unwetters gerade so taub ist ' wie für die Stimme der Gnade, die so oft vor ihm erklungen war. Er tut nichts, um sein Schicksal abzuwenden; er flüchtet mit Ahasja unter den Baum, in welchen der Blitz einschlagen wird. Ach! so ist das Los der Menschen. Sie suchen den Frieden, nur den nicht, den Gott allen anbietet, und finden nur Aufregung, Angst und schließlich Gottes Gericht. "Friede, Friede den Fernen und den Nahen", spricht Jehova, "und ich will es heilen. ‑ Aber die Gesetzlosen sind wie das aufgewühlte Meer; denn es kann nicht ruhig sein, und seine Wasser wühlen Schlamm und Kot auf. Kein Friede den Gesetzlosen! spricht mein Gott" (Jes. 57, 19‑21). Es kommt auch ein Augenblick, wo die Menschen sagen werden ‑ Friede; dann aber kommt ein plötzliches Verderben über sie. "Was, Friede", antwortet Jehu, „während der vielen Hurereien Isebels, deiner Mutter, und ihrer vielen Zaubereien!" Joram flieht und ruft: "Verrat, Ahasja“' Nein, nicht Verrat sondern Gericht! Der zu Elia geschehene Ausspruch Gottes geht wörtlich in Erfüllung. 

„Es soll geschehen: wer dem Schwerte Hasaels entrinnt, den wird Jehu töten" (1. Kön. 19, 17). Jehu selbst trifft den König Joram ins Herz; dann erinnert er an die Prophezeiung Elias über Ahab (1. Kön. 21, 19‑24), nicht mit denselben Worten, aber in ähnlichem Sinne. Armer König! Worauf hatte er vertraut? Auf seinen Titel und seine königliche Würde, wie man an dieser Fahrt sieht, die ihn ins Verderben stürzt; ohne Zweifel auch auf die zwölf langen Jahre seiner Herrschaft ‑ wer hätte auch an einen Verrat denken können nach einer so langen Regierung? auf die Treue seiner Untertanen und seiner Umgebung. Eitle Stützen! „Wie ist er so plötzlich verwüstet!"


Und wenn wir nun fragen: Wer hat alle Umstände zu diesem Ergebnis zusammenwirken lassen? Wer hat Joram angeleitet, von Ramoth wegzuziehen, indem er Jehu und seine Hauptleute dort zurückließ? Wer hat ihn nach Jisreel, den Schauplatz der Sünde Ahabs, geführt? Wer hat ihn auf seinem Wagen bis zu dem Weinberg Naboths gebracht? Wer hat ihn dort außerhalb der Stadt liegen lassen, gerade an dem Orte, wo das Blut des Gerechten geflossen war, den Vögeln des Himmels zur Beute? ‑ so gibt es nur eine Antwort, man kann sich darüber nicht täuschen: es ist die Hand Jehovas!
Dasselbe Los traf Ahasja (V. 27‑29), obwohl etwas gelinder, da Jehova das Haus Juda noch nicht endgültig verworfen hatte. Wenn es auch „von Gott der Untergang Ahasjas war, dass er zu Joram kam" (2. Chron. 22, 7), so wurde er doch nicht wie ein gemeiner Verbrecher den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels hingeworfen, sondern man begrub ihn in seinem Grabe bei seinen Vätern in der Stadt Davids.

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige
Bibelstelle: 2. Könige 9 und 10
Botschafter des Heils 1912 S. 29ff
Jehu, der König von Israel

Jehu kommt nach Jisreel (V. 30‑37). Isebel hört es, und in wildem Vertrauen auf ihren Triumph schminkt und schmückt sie sich. Sie will Jehu zeigen, dass sie ihn und „seinen Haufen" nicht fürchtet, denn sie ist im Besitz der Autorität und der Macht. Sie ruft ihm von oben aus dem Fenster die ironischen Worte entgegen: „Erging es Simri, dem Mörder seines Herrn, wohl?" Meinst du, dass da Friede sei für dich? Du giltst nicht mehr als Simri, der Mörder Baesas. Er hat die Herrschaft nur sieben Tage gehabt, dann kam er um infolge seiner Verschwörung. ‑ Tiefe Verachtung klingt aus den wenigen Worten heraus. Jehu erhebt seine Augen zu dem Fenster, wo die Königin steht, und ruft. „Wer ist mit mir ? Wer?" Und den zwei oder drei Kämmerern, die ihm von oben zuwinken, ruft er zu. „Stürzet sie herab! Und sie stürzten sie hinab; und es spritzte von ihrem Blute an die Wand und an die Rosse, und er zertrat sie.“
Man sieht hier, wie weit Jehu in seinen Gedanken entfernt war von der Ehre und Verherrlichung Jehovas, obwohl er den Ausspruch Gottes kannte und wusste, dass er der Vollstrecker desselben war. Man hätte erwarten können, dass das Wort: „Wer ist für Jehova?" aus seinem Munde gekommen wäre, aber Gott hat wenig Raum in den Gedanken dieses gewalttätigen und ehrgeizigen Mannes. Selbst das, was Elia in seiner Gegenwart bezüglich Isebels geweissagt hatte (V. 25; vergl. 1. Kön. 21, 23), kommt ihm nicht wieder ins Gedächtnis. Er sagt: „Sehet doch nach dieser Verfluchten und begrabet sie, denn sie ist eine Königstochter". 

Als die Männer zurückkehrten und nur einige elende, von den Hunden abgenagte Überreste gefunden hatten, erinnert er sich der Prophezeiung, aber nur weil sie mit seinen Leidenschaften im Einklang ist. Wenn es sich darum handelt, sein Verhalten nach ihr zu regeln, beachtet er sie nicht.
Jehu sendet eine Botschaft nach Samaria an die Obersten, die Ältesten und die Erzieher der siebzig Söhne Ahabs. "Und nun", sagt er, „wenn dieser Brief zu euch kommt, ‑ bei euch sind ja die Söhne eures Herrn, und bei euch die Wagen und die Rosse, und eine feste Stadt und Waffen, ‑ so ersehet den besten und tüchtigsten aus den Söhnen eures Herrn und setzet ihn auf den Thron seines Vaters; und streitet für das Haus eures Herrn" 

Dieser Brief atmet unter seiner großmütigen Form den drohenden Geist eines Mannes, der seiner selbst sicher ist oder wenigstens so scheinen will. je weiter die Erzählung fortschreitet, desto mehr treten die Charakterzüge dieses nach den Gedanken der Welt bedeutenden Mannes zutage. Ungestüm und Entschlossenheit, politischer Scharfblick, Kenntnis und Verachtung der Menschen, Geschicklichkeit, die Gelegenheiten zu benutzen oder solche herbeizuführen, eine Fähigkeit, sich anderen aufzudrängen oder sie für seine Zwecke zu benutzen, eine gänzliche Gewissenlosigkeit, wenn es sich darum handelt, Hindernisse zu überwinden, ‑ alle diese Züge vereinigen sich in diesem Manne, und dabei stützt er sich auf das Bewusstsein, in seinem Zerstörungswerk ein Werkzeug Gottes zu sein.
Die Großen von Samaria geraten in Furcht und zeigen sich bereit zu einem Verrat und einem Morde, die Gott ihnen nicht geboten hatte. Sie gehorchen Jehu, wenn er zu ihnen sagt: "Wenn ihr für mich seid und auf meine Stimme höret, so nehmet die Köpfe der Männer, der Söhne eures Herrn, und kommet morgen um diese Zeit zu mir nach Jisreel". Hier begegnen wir wieder demselben Gedanken wie vorher: Wer ist für mich ? Wer gehört mir an? Jehu erlangt so den Vorteil, dass dieses Blutbad von anderen ausgeführt wird, deren Tun ihn vor den Bewohnern von Jisreel rechtfertigt. "Ihr seid gerecht!" sagt er, "siehe, ich habe eine Verschwörung wider meinen Herrn gemacht und habe ihn ermordet; wer aber hat alle diese erschlagen?" (V. 9). Indem er so seine Verschwörung und seinen Mordanschlag stolz verkündet, hat er alle Großen und Obersten von Israel zu seinen Mitschuldigen, indem er sie vermöge seiner Kühnheit und Anmaßung gezwungen hat, ihm zu dienen.

 Seine Geschicklichkeit hat alle Leiter des Volkes auf seine Seite gebracht. Dann schließt er mit den Worten: "Wisset denn, dass nichts zur Erde fallen wird von dem Worte Jehovas, das Jehova wider das Haus Ahabs geredet hat; und Jehova hat getan, was er durch seinen Knecht Elia geredet hat" (V. 10). Er beruft sich auf die Unfehlbarkeit des Wortes Gottes, um sein Verhalten zu rechtfertigen, und dann "erschlägt er alle, welche vom Hause Ahabs in Jisreel übriggeblieben waren, und alle seine Großen und seine Bekannten und seine Priester, bis er ihm keinen Entronnenen übrig ließ". Das war nicht genau das, was Jehova gesagt hatte (1. Kön. 21, 21‑26). Jehu ging über die Verordnungen Gottes und seinen Auftrag hinaus, aber es lag im Interesse seiner Herrschaft, dass jede Zuneigung für Ahab und Isebel aus dem Lande verschwand.
Wenn das Wort uns solche Charaktere schildert, ist es gut, sich daran zu erinnern, dass Gott uns keineswegs immer Seine Billigung oder Missbilligung der Werkzeuge ausdrückt, die Seinen Absichten dienen. Er sagt uns, worin Jehu sich seiner Aufgabe gut entledigt hat, aber weiter geht Er nicht, indem Er die Schätzung seines Verhaltens unserem geistlichen Urteil überlässt, damit wir für uns selbst Belehrung daraus ziehen. 

Der Leser denke an die Geschichte der Richter und an die Art, wie die Taten der Retter Israels uns berichtet werden. Man könnte noch manche andere Beispiele dafür aufzählen, wenn man die Geschichte Jakobs und vieler anderer zur Hand nähme. Dass Gott einen Jehu oder einen Simson benutzt, um Seine Gerichte auszuführen, besagt durchaus nicht, dass in diesen Männern ein lebendiger Glaube gewesen sei, oder dass ihr Herzenszustand Gottes Billigung gefunden habe. Simson und Barak werden in Hebr. 11 genannt, weil es sich in diesem Kapitel nicht um den Glauben i n i h n e n, sondern um dessen Tätigkeit handelt, und das ist etwas anderes. 

Ihr Verhalten, ich wiederhole es, wird geistlich unterschieden, und aus diesem Grunde hat die Welt kein Verständnis für diese im Worte Gottes angeführten Beispiele. In anderen Fällen, namentlich wenn es sich um den König handelt, gibt Gott uns gewöhnlich Sein Urteil, weil Er in dem König den Zustand der Dinge beurteilt, deren verantwortlicher Vertreter er war. Wenn Gott das nicht getan hätte, könnte die Gerechtigkeit Seiner Gerichte in Frage gestellt werden, indem sie stets unserer fehlbaren Beurteilung überlassen wäre.


Diese Bemerkung findet eine ganz besondere Anwendung auf den Fall Jehus, welcher das Werkzeug des Zornes Gottes gegen das Haus Ahabs war, und dem zugleich das Königtum anvertraut wurde. Er empfängt einerseits das Zeugnis der Billigung Jehovas, dass er das, was recht war in Seinen Augen, wohl ausgerichtet habe (Kap. 10, 30), und zwar ohne irgendeine Einschränkung bezüglich seines Charakters, und andererseits wird im nächsten Verse sein Verhalten als König von Jehova streng getadelt. Wie Gott über das Blutbad von Jisreel denkt, und was die Folge davon ist, finden wir in Hosea 1, 4: "Noch um ein Kleines' so werde ich die Blutschuld von Jisreel an dem Hause Jehus heimsuchen und dem Königtum des Hauses Israel ein Ende machen. Und es wird geschehen an jenem Tage, da werde ich den Bogen Israels zerbrechen im Tale Jisreels."
Die Brüder Ahasjas, des Königs von Juda, trifft dasselbe Geschick wie ihn bei dem Versammlungshaus der Hirten. Ein Vergleich von 2. Kön. 9, 27‑29 mit 2. Chron. 22, 7‑9 belehrt uns, dass Ahasja, bevor er bei Megiddo erschlagen wurde, nach Samaria geflohen war und aus seiner Zufluchtsstätte erst herausgeholt wurde, als seine Brüder kamen, um die Söhne Jorams zu besuchen. Erst nachdem seine Brüder getötet waren, wurde Ahasja zu Jehu gebracht, und er erlitt diesen "Untergang von seiten Gottes" auf der Anhöhe Gur, um in Megiddo zu sterben und dann weggeführt und in Jerusalem begraben zu werden.
Wenn die Tat Jehus auch nicht von Jehova befohlen worden war, so ist es doch nicht weniger wahr, dass Gott sie angeordnet hatte. Diese Stelle gibt uns eine ernste Unterweisung. Sich wie Ahasja mit einer Welt verbinden, auf welcher der Zorn Gottes ruht, heißt sich dem jähen Verderben aussetzen, das über sie kommen wird. Doch diejenigen, welche die Heiligkeit Gottes außer acht lassen und hingehen, sei es auch nur um die Freundschaftsbande mit derselben Welt wieder anzuknüpfen, wird ein ähnliches Schicksal erreichen. Die Brüder Ahasjas erfuhren die unheilvollen Folgen ihres Tuns. Es kann und darf für die, welche Gott zur Leitung Seines Volkes beruft, gar keine Gemeinschaft geben mit irgendetwas, das Er missbilligt.
Dem gegenüber finden wir ein eindrucksvolles Beispiel der Absonderung vom Bösen bei Jonadab, dem Sohne Rekabs (Jer. 35), der Jehu entgegenkam (V. 15). Jonadab war aus dem Geschlecht der Keniter, die mit Israel nach Kanaan gekommen waren. Sie hatten sich in verschiedene Zweige geteilt: der schwächste wohnte im äußersten Norden, in Kedes, das zu Naphtali gehörte (Richt. 4, 11), der stärkste in der Wüste Juda, die im Süden von Arad liegt (Richt. 1, 16); ein dritter, der wieder in mehrere Familien geteilt war, wohnte in der Umgegend von Jabez, das zu Juda gehörte (1. Chron. 2, 55).

 Wir wissen nicht, was Jonadab aus dem Reiche Juda in das Reich Israel geführt hat. Gehörte er vielleicht zu dem Gefolge der Brüder Ahasjas, woran die unvermittelte Frage Jehus denken lassen könnte? Wie dem auch sei, er stand in keiner Verbindung mit dem ihn umgebenden Bösen. Seine Grundsätze bestanden in einer völligen Absonderung für Gott, in einem wahren Nasiräertum, und wenn er sie auch nicht seiner verderbten Umgebung einflößen konnte, so hatte er doch wenigstens seine Familie und sein Haus darin unterwiesen. Der Kreis seines Zeugnisses war beschränkt angesichts des Unglaubens, der wie eine Flut die beiden Häuser Israels überströmte, aber es war darum nicht weniger ein Zeugnis, und Gott lobte es. Wir kennen ja die Einzelheiten aus dem 35. Kapitel des Jeremias. 

Die Grundsätze Jonadabs waren die eines jeden wahren Nasiräers: 1. sich vom Wein enthalten, der die berauschenden Lüste der Welt darstellt; 2. kein Haus bauen, d. h. sich hienieden nicht in dauernder Weise niederlassen; 3. keinen Samen säen, als ob man etwas, und sei es auch nur ein Erntejahr, zu erwarten hätte; 4. keinen Weinberg pflanzen, d. h. nicht das pflegen, was früher oder später zum Aufgeben des Nasiräertums führen könnte; und ach! wie viele Gläubige haben es verloren, weil sie in diesem Punkte nicht wachsam gewesen sind! 5. in Zelten wohnen, als wahre Söhne Abrahams, als Fremdlinge und Pilgrime im Lande der Verheißung. Jonadab verstand, dass das Land, welches Gott dem Volke Israel gegeben hatte, keineswegs sein gegenwärtiges Besitztum war, so lange das innere Verderben und, als Folge davon, der äußere Zusammenbruch bestanden. Sein Glaube erwartete noch eine Ruhe für das Volk Gottes; er und seine Söhne bezeugten dies durch ihr Verhalten.
Es wird uns nicht gesagt, bei welcher Gelegenheit Jonadab die Seinigen in diesen Vorschriften unterwiesen hat; da er aber nur in unserem Kapitel geschichtlich erwähnt wird, dürfen wir wohl den Schluss ziehen, dass der Anblick des Bösen und des allgemeinen Verfalls, nach der glorreichen Regierung Davids und Salomos, ihn hatte fühlen lassen, wie notwendig, im Gegensatz zu der ihn umgebenden Erschlaffung, ein sehr genauer Wandel war, sowie die Rückkehr zu dem, "was von Anfang war" und was die Patriarchen gelehrt hatten. Möchten auch wir in dieser Zeit des Endes wahre Kinder Jonadabs, des Sohnes Rekabs, sein ‑ nicht, wie es heute vielfach gebräuchlich ist, durch äußere Übungen, welche das Herz von Gott fern lassen und die von Satan benutzt werden, um die Seelen zu täuschen, sondern durch das sittliche Verhalten, das jene Übungen unter dem Haushalt des Gesetzes bildlich darstellen!
Jehu grüßt Jonadab und sagt zu ihm: "Ist dein Herz redlich, wie mein Herz gegen dein Herz?" Jonadab kann antworten: "Es ist es".

 Doch es gibt da einen Unterschied. Sein Herz war redlich gegen Jehova; seine Grundsätze haben es uns soeben gezeigt. Das Herz Jehus war redlich gegen Jonadab, dem er seine Pläne anvertraut; aber hätte man auch sagen können, dass es redlich gegen Gott war? Die Folge wird es uns zeigen.
„Komm mit mir", sagt Jehu, „und sieh meinen Eifer für Jehova an!" Und doch, wie sehr war dieser Eifer geteilt. Wenn er ungeteilt ist, redet ein Knecht Gottes kaum davon, sondern ist viel eher geneigt zu sagen“ Ich bin ein unnützer Knecht. Dass bei Jehu Eifer war, braucht man nicht zu bezweifeln; aber wie viel davon war wirklich Eifer für Jehova? Saulus von Tarsus war ein glühender Eiferer für die Überlieferungen seiner Väter. Er selbst sagt: "Was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Versammlung"; er glaubte damit Gott zu dienen. Und von den Juden, seinen Brüdern nach dem Fleische, sagt Paulus, dass sie "Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis". Es gab sicher mehr wahren Eifer, mehr Erkenntnis, mehr Kraft in der heiligen Absonderung Jonadabs, als in dem ungestümen Laufe Jehus. Der 31. Vers zeigt uns den Wert und das Maß des Eifers Jehus.

Fußnote:

12) am Nordende des Golfs von Akaba. ‑ In den beiden nachher angeführten Stellen wird die Stadt "Eloth" genannt. Anmerkung des Übersetzers.
*) Vielleicht auch Salmaneser. In diesem Falle würde das Kalb von Bethel Salmaneser durch den König Hosea gesandt worden sein. Beth‑Awen (Hos. 4, 15; 5, 8) bedeutet Götzenhaus, das an die Stelle von Bethel (Gotteshaus) getreten war.
*) Wir wollen hier nicht von den Siegen reden, die von Rezin und Pekach über Juda errungen wurden, noch von dem Propheten Oded, dem es gelang, das Gewissen einiger Anführer von Ephraim zu erreichen, indem er sie dahin brachte, die Gefangenen und die Beute, die sie von Juda gemacht hatten, zurückzuschicken. Diese ganze Erzählung wird bei der Betrachtung der Chronika ihren Platz finden.
*) Wir haben nicht die Absicht, außer dieser Erklärung, uns mit der Auf­lösung der in diesen Büchern enthaltenen historischen Schwierigkeiten zu be­schäftigen. So lassen wir auch die meisten der chronologischen Fragen unberührt. Andere haben auf die Einwürfe der sogenannten höheren Kritik" geantwortet.
*) Wir werden bei der Betrachtung des 2. Buches der Chronika die sich scheinbar ganz widersprechende Weise sehen, in der dieses Buch uns den wichtigen Gegenstand vor Augen führt.
*)Wir reden hier selbstverständlich nicht von der Verkündigung des Evan­geliums an die Welt und von der Bekehrung von Sündern.
*) Man hat vermutet, dass Hiskia nicht den ganzen Tribut, der eine gewaltige Summe ausmachte, hätte bezahlen können; aber aufgefundene Inschriften be­stätigen die biblische Erzählung, dass er ihn buchstäblich entrichtet hat. Es war daher ein Treubruch seitens des assyrischen Monarchen, und Gott hat dies zur Züchtigung Hiskias benutzt.
*) Was wir über die Zeit der Krankheit Hiskias sagen, wird durch die „Worte Jehovas bei seiner Heilung bestätigt: "Ich will zu deinen Tagen fünfzehn Jahre hinzufügen; und von der Hand des Königs von Assyrien will ich dich und diese Stadt erretten' (2. Kön. 20, 6).


Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Nachdem Jehu „alle, welche von Ahab in Samaria übriggeblieben waren, erschlagen hatte . . ., bis er ihn vertilgt hatte, nach dem Worte Jehovas, das er zu Elia geredet hatte" (V. 17), macht er sich an die Priester des Baal. Wir finden hier wieder menschliche Umsicht, die nichts dem Zufall überlässt, verbunden mit List, die übrigens nicht ein vorherrschender Charakterzug Jehus ist. jedenfalls haben wir nicht den einfachen und mutigen Wandel des Glaubens nach der Wahrheit vor uns. Wie sehr unterscheidet sich Jehus Verhalten von dem des Elia, der in unerschütterlichem Vertrauen auf Jehova der feindlichen Macht des Königs, der Priester des Baal und eines "auf beiden Seiten hinkenden" Volkes allein entgegentrat, der allein allen die Stirn bot, weil der Gott, auf den er vertraute, mit ihm war! Da gibt es keine List in dem, was am Bache Kison geschieht. Die Autorität des Wortes des Propheten allein genügt, um alle Priester des falschen Gottes zu vernichten.
Nicht als ob Jehu das durch Elia ausgesprochene Wort Gottes nicht geschätzt hätte, aber er blieb dabei stehen. Außer den Worten des Propheten, welche ihn persönlich betrafen, hatte er keine wirkliche Kenntnis der Gedanken Gottes. 

Er erwähnt nur Elia (Kap. 9, 25. 36; 10, 17); er kennt nur die Gerichte Gottes. Elisa, dessen Laufbahn er von Anfang an hatte verfolgen können, nennt er nicht einmal. Die Gnade hatte sein Herz nicht erfaßt. Nichts ist gefährlicher, als ein teilweises Erkennen der göttlichen Grundsätze. Es wird stets zu einer falschen Anwendung dieser Grundsätze und zu einem schlechten Wandel führen. Jehu glaubte durch sein Vertilgungswerk alles ausgeführt zu haben, und verstand nicht, dass aller erdenkliche Eifer nicht eine einzige Handlung des Gehorsams wert war, die ihn abgesondert hätte von der Religion Jerobeams, de, Sohnes Nebats, durch die Jerobeam Israel sündigen gemacht hatte (V. 29).
Bei der Vertilgung der Baalspriester, ihres Tempels und ihres Götzenbildes, wobei Jehu seinen Anführern und Knechten mit großer strategischer Klugheit ihre Rollen zugefeilt hatte, lässt die Handlungsweise Jonadabs, des Sohnes Rekabs, den Charakter dieses Mannes Gottes wieder hervortreten. Jehu hat ihm seinen Plan anvertraut.

 Jonadab begleitet Jehu, doch er erscheint nur (V. 23), um festzustellen, dass kein Diener Jehovas sich unter den Dienern des Baal befindet. Ist das nicht eine schöne Rolle, ähnlich derjenigen Jeremias: "Wenn du das Köstliche vom Gemeinen ausscheidest, so sollst du wie mein Mund sein"? (Jerem. 15, 19). Jonadab war wie der Mund Gottes, indem er zuerst sein eigenes Haus und dann alle wahren Diener Jehovas von der verderbten und götzendienerischen Menge absonderte.
Heute wie damals hat die Arbeit, welche die Kinder Gottes von der Welt absondert und miteinander vereinigt (denn diese beiden Tätigkeiten bilden in Wirklichkeit nur eine), die ganze Billigung des Herrn, was auch die Welt oder selbst Christen, welche Beziehungen zu der Welt aufrecht zu halten wünschen, sagen mögen. Hier findet sich auch die Kraft (Jeremia 15, 20).
Elia besaß den Geist Gottes, der in ihm eine völlige Absonderung vom Bösen bewirkte, und dessen Kraft den Propheten mit einem heiligen Eifer für Jehova beseelte. Jehu hat den Eifer ohne den Geist, einen Eifer, der menschliche Mittel anwendet, um den Befehlen Gottes zu entsprechen. Und was erreicht er? Wenn auch der Erfolg, die Vertilgung der Baalspriester, anscheinend bei beiden Männern der gleiche ist verhält es sich in Wirklichkeit doch ganz anders. Elia setzt, obwohl er von Gott in Zucht genommen wurde, seinen Weg in der Kraft des Geistes fort, indem er am Ende seiner Laufbahn Christo ähnlich ist, den er vorbildlich darstellt; und er beendet seinen Weg in herrlicher Weise, indem er durch die Wagen und Reiter Israels in den Himmel erhoben wird. Jehu, der feurige Ausführer des Gerichts über andere, übt es in keiner Weise über sich selbst aus und wendet sich nicht ab vom Bösen und vom Götzendienst, um Gott allein zu dienen. Die Kälber Jerobeams, die durch das Herkommen geweihte Volksreligion, sind ihm nicht ein Ärgernis; im Gegenteil, seine Politik und die menschlichen Interessen seiner Herrschaft passen vollkommen dazu. 

Trotzdem, welch eine gerechte Schätzung von seiten Gottes! Er rechnet Jehu die Tatsache an, dass er "wohl ausgerichtet hatte, was recht war in seinen Augen", indem er das Haus Ahabs richtete, und gibt ihm um deswillen eine Nachkommenschaft auf dem Throne Israels bis ins vierte Geschlecht.
Und andererseits, welch eine Gerechtigkeit und vollkommene Heiligkeit bei Gott! Er benutzt Hasael, Seine Zuchtrute, um Jehu zu schlagen. "In jenen Tagen begann Jehova abzuhauen unter Israel; und Hasael schlug sie im ganzen Gebiet Israels, vom Jordan an, gegen Sonnenaufgang, das ganze Land Gilead, die Gaditer und die Rubeniter und die Manassiter, von Aroer an, das am Flusse Arnon liegt, sowohl Gilead als Basan" (V. 32 und 33). Zu Lebzeiten Jehus wird sein Reich von allen Seiten beschnitten, besonders in dem Gebiet der Stämme, die Jenseits des Jordan wohnten. Diese Widerwärtigkeiten sind das Gericht Gottes über sein Verhalten. Hier drückt Gott Sein Mißfallen nicht durch Worte aus, sondern durch Taten, die aber das Gewissen des Königs nicht erreicht zu haben scheinen.
Die Bücher der Chronika der Könige von Israel (V. 34) enthalten, wenn sie jemals wieder aufgefunden werden sollten, die Taten und alle Macht Jehus, aber nicht was er vor Gott war, noch das Urteil Gottes über sein Verhalten als König.
Joahas, sein Sohn, wurde König an seiner Statt.

Athalja war eine Enkelin Omris, eine Tochter Ahabs, eine Schwester Jorams von Israel, die Gemahlin Jorams von Juda und die Mutter Ahasjas. In Kapitel 10, 14 lesen wir von zweiundvierzig Brüdern Ahasjas. Die meisten von diesen waren ohne Zweifel nicht Söhne Athaljas, sondern hatten andere Mütter. Doch dass Athalja noch andere Söhne hatte, geht aus 2. Chron. 24, 7 hervor, wo wir den König Joas sagen hören: „Die gottlose Athalja und ihre Söhne haben das Haus Gottes zerstört, und haben auch alle geheiligten Dinge des Hauses Jehovas für die Baalim verwendet". Ist es deshalb zu verwundern, dass Gott ihre Vertilgung durch Jehu erlaubt hat?
Als Athalja den Tod ihres Sohnes Ahasja erfuhr (die Brüder des Königs hatte, wie wir gesehen haben, vor ihm dasselbe Los getroffen), brachte dieses ehrgeizige Weib, ohne Gewissen und ohne natürliche Liebe, alle Söhne des Königs, ihre eigenen Enkel, um, um sich das Königtum zu sichern. Das Gericht Gottes fuhr wie ein Sturmwind daher, um alles in Israel und Juda hinwegzufegen. Die Werkzeuge dieses Gerichts waren der fleischliche Eifer Jehus und die Gottlosigkeit des götzendienerischen Herzens Athaljas. Der eine wie der andere bringen die gleichen Ergebnisse hervor: Mord und Totschlag.

 Diese Werkzeuge (namentlich Athalja) meinen dadurch ihre eigenen Pläne auszuführen, sind aber schließlich nur das Schwert Jehovas, um die Heiligkeit Seines Charakters durch jene Vertilgung aufrechtzuhalten. Doch Gott wird das Schwert zerbrechen, wenn es sein Werk getan hat, und wird, indem Er es zerbricht, zeigen, dass Er ein gerechter Gott ist, der das Verbrechen nicht ungestraft lässt.
Das königliche Hau, Israels wird zerstört, ohne dass ein Einziger übrigbleibt, und Gott beginnt nochmals Seine Geduldsproben mit einem neuen Herrscherhause. Mit dem Hause Juda ist es nicht so. Der treue Gott hält Sein Wort, denn Er hatte gesagt, dass Er dem David "eine Leuchte geben wolle für seine Söhne alle Tage" (Kap. 8, 19). Er bewahrt sich in der Person des Joas ein schwaches Lichtlein auf, das Er nicht verlöschen lässt, und durch welches eine Zeit der Segnung und der Furcht Jehovas dem Reiche Juda verliehen wird. Die Langmut Gottes schob den Augenblick, dieses schuldige Volk zu verwerfen, noch hinaus. 
Joseba, die Tochter Jorams von Juda und die Schwester Ahasjas, die Frau des Hohenpriesters Jojada, stiehlt Joas, als die Söhne des Königs getötet werden, und verbirgt ihren Neffen sechs Jahre lang bei sich im Hause Jehovas, das heißt in dem Teile des Hauses, wo ihr Mann und die Priester wohnten.
Die Gegenwart des Samens Davids macht dar, offenbar, was in Juda noch nach dem Herzen Gottes war. Um den Gesalbten sammelt und vereinigt sich alles, was zu einer Wiederherstellung des Volkes beitragen kann. Trotz aller Unordnung bestand der Ort noch, wo Jehova Seinen Namen wohnen ließ, und der König war dort in Sicherheit unter Seiner Hut. Ferner konnte ein treuer Hoherpriester vor dem Angesicht Seines Gesalbten wandeln und alles nach Gottes Gedanken, in deren Geheimnis er eingeweiht war, ordnen in Ermangelung eines anerkannten Königtums.
Im siebten Jahre, dem wahren Jubel und Befreiungsjahr, zeigt Jojada den Sohn des Königs den Obersten des Heeres. Er Überträgt ihnen mit den genauesten Vorsichtsmaßregeln die Hut dieser geweihten Person, dieses kostbaren Edelsteins, ohne den das Haus Davids erloschen wäre. Diesem unverletzlichen Gegenstand durfte kein Unberufener nahen, ohne getötet zu werden. Eine Leibwache begleitete ihn bei seinem Eingehen und Ausgehen. Man fühlt, dass das Herz Jojadas brannte für den Sohn Davids, seine und des Reiches einzige Hoffnung; ihn verlieren hieß alles verlieren, und er wollte ihn sich um keinen Preis entreißen lassen.
Ist Jojada nicht ein Beispiel für uns? Sollen wir in diesen bösen Zeiten, die trotz des äußeren Scheins gefährlicher sind als diejenigen Athaljas, dulden, dass man unter uns die Person des Sohnes Gottes antastet? Lasst uns Ihn umringen, ein jeder mit seinen Waffen in der Hand. Unsere Waffen sind nicht fleischlich; sie sind das Schwert des Geistes, das Wort Gottes. Schließen wir uns um Ihn zusammen, wären wir auch nur we­nige und Gott wird mit uns sein, wie Er mit der treuen Schar war, welche Joas umringte; und die Anstrengungen des Feindes, um den Namen des heiligen Sohnes Gottes auszutilgen und Sein Zeugnis zu vernichten, werden vereitelt werden.
Um das Königtum zu verteidigen, nimmt Jojada seine Zuflucht zu den Waffen Davids. "Er gab den Obersten über hundert die Speere und die Schilde, welche dem König David gehört hatten, die im Hause Jehovas waren" (V. 10). Er kehrte so zum Ursprung der göttlichen Einsetzung des Königtums zurück. Diese Waffen waren gut und im Hause Gottes wohl erhalten. Ebenso haben auch wir das, "was von Anfang war", zu verteidigen mit dem Worte, „welches wir von Anfang gehört haben". Dieses Wort werden wir nicht in den menschlichen Rüstkammern suchen, sondern im Tempel Gottes. Dort ist es im Allerheiligsten verborgen, wo der Geist Gottes allein es uns offenbaren und es uns ergreifen lassen kann.
Sodann führte man Joas hinaus an den Eingang des Hauses, in den Vorhof. Der Sohn des Königs hatte das Salböl, welches ihn weihte, auf sich; er trug die Krone, das Zeichen seiner königlichen Würde, und er hatte "das Zeugnis", jenes Gesetz, von dem der König, wenn er auf dem Throne saß, sich eine Abschrift machen und woraus er lernen sollte, Jehova zu fürchten und Seine Satzungen zu beobachten (5. Mose 17, 18‑20). Was also fehlte, trotz der Armut ringsumher und trotz des Umsichgreifens des Abfalls, zu dieser Wiederherstellung? Der Tempel Gottes, Seine Wohnung in der Mitte der Seinen, war da; der Hohepriester, der Mittler zwischen Jehova und dem Volke, war da; der Sohn Davids war da, allerdings zunächst nur von einigen anerkannt, aber bald vom ganzen Volke jubelnd empfangen; die Salbung, der Heilige Geist, war da, und ein schwacher Überrest jauchzte dem Gesalbten Jehovas zu und umringte ihn, wie einst die Helden Davids den König umringt hatten.
Für Athalja war die den Gedanken Gottes entsprechende Wiederherstellung des Königtums eine Verschwörung. Sie rief: Verschwörung! wie Joram von Israel: Verrat! gerufen hatte. Weder der eine noch die andere können einen Augenblick ihre Rechte geltend machen. Joram fällt, getroffen von der Zuchtrute Gottes; Athalja kann diese Rechte nicht wiedererlangen, weil der Augenblick der Offenbarung des Erwählten Jehovas da ist. So wird es auch den Feinden Christi vor den Gerichten und vor der Erscheinung Seines Reiches ergehen. 

Aber welche Freude für das Herz Jojadas und seiner treuen Frau! Sie hatten eine Reihe von Jahren geduldig auf den Augenblick Jehovas zur Offenbarung Seines Gesalbten gewartet; sie hatten sich nicht entmutigen, noch durch Ungeduld dahin bringen lassen, sich menschlicher Mittel zu bedienen, um die Sache des Königs zu einem glücklichen Ausgang zu bringen. Diese langen Jahre hindurch hatten sie mit dem kostbaren Gegenstand ihrer Hoffnung im Verborgenen gelebt und ernteten nun endlich die herrlichen Ergebnisse ihres Glaubens. Unser Joas ist noch im Verborgenen des Heiligtums. Möchten wir Ihn da von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr immer besser kennenlernen! Möchte Er in unseren Augen größer werden! Bald wird Er erscheinen, und alle werden sich an diesem Anblick erfreuen; aber einige werden, wie Jojada und seine Frau, weil sie mit Ihm gelebt haben, als Er noch unsichtbar war, indem sie Seine Herrlichkeit erwarteten, die Strahlen Seiner Morgenröte getragen haben, als des Morgensterns, der in ihren Herzen aufgegangen war.


„Und Jojada machte einen Bund zwischen Jehova und dem König und dem Volke, dass sie das Volk Jehovas sein sollten" (V. 17). Ein Bund setzt zwei Parteien voraus: hier, unter dem Gesetz, verpflichten sie sich gegenseitig, Jehova auf der einen Seite, der König und das Volk auf der anderen. Es ist, als ob der König für das Volk und das Volk für den König haftete, indem sie Jehova gegenüber nur ein Ganzes bildeten. Indessen wird diese Verpflichtung durch den Bund zwischen dem König und dem Volke noch feierlicher gemacht. Beide verpflichten sich gegenseitig, denselben Weg zu wandeln. „Da ging alles Volk des Landes in das Haus des Baal und riss es nieder; seine Altäre und seine Bilder zerschlugen sie gänzlich; und Mattan, den Priester des Baal, töteten sie vor den Altären" Da war ein gemeinsamer Eifer für Gott. Die Listen und Kunstgriffe eines Jehu (Kap. 10, 18‑27) waren nicht nötig, um den Baal aus Juda auszurotten. Man sieht hier die mächtige Wirksamkeit des Geistes Gottes in einem Volke. Sie ist schließlich viel gesegneter, als die Handlung eines einzelnen Menschen, selbst wenn dieser tatsächlich den Willen Gottes vollführt. Jehu hatte seinen Plan ganz allein gefasst und vertraute dessen Ausführung den Läufern und Anführern an. 

Hier sehen wir, wie das ganze Volk seinen Namen als Volk Jehovas wieder in Anspruch nimmt und, innig mit dem ihm von Gott gegebenen König verbunden, den Baal, sein Haus und seinen Dienst ausrottet; und für ungefähr 180 Jahre, bis auf den gottlosen Manasse, verschwand dieser abscheuliche Götzendienst aus dem Hause Juda.
Jehu hatte das ganze Volk versammelt, um mit List zu ihm zu reden, da er ohne Zweifel kein Vertrauen zu seiner Ge­sinnung hatte. Hier handelt das Volk kraft des Bundes, und das ist es, womit man beginnen muss. Jehus Eifer hatte den Bund nicht wieder errichtet, obwohl er den Baal vernichtet hatte; darüber hinaus ging er auch nicht. Der alte Götzendienst, die Kälber Jerobeams, blieb für ihn bestehen, während er den neuen austilgte. So ist es immer, wenn das Fleisch an den Reformen teil hat. Es kann den Abfall von Gott, der es von Anfang an kennzeichnet, nicht wieder gutmachen, sonst wäre es nicht mehr das Fleisch. Der natürliche Mensch kann wohl (und es geschieht täglich vor unseren Augen) einen Götzen ausrotten, sei es die Trunksucht oder jedes andere Laster, aber es geschieht nur, um an dessen Stelle etwas anderes zu setzen und dies um so mehr hervortreten zu lassen, nämlich die Selbstvergötterung, seine eigene Gerechtigkeit und seine Gewissenlosigkeit in Bezug auf Gott, einen Gott, dem er, wie Jehu, mit Eifer zu dienen behauptet.
Athalja wurde auf dem Wege des Eingangs für die Rosse in das Haus des Königs geführt, um daselbst getötet zu werden. Joas betritt es auf einem anderen Wege, dem des Läufertores, um sich in Frieden auf den Thron Davids zu setzen. Der Weg zu diesem Throne soll nicht mit Blut befleckt werden. So war es nicht bei Jehu gegenüber Isebel. Das Blut Isebels spritzte an die Wand und an die Rosse, und Jehu zertrat sie und ging dann ins Haus, um zu essen und zu trinken (Kap. 9, 33. 34); auch zeigte dieses ganze Schauspiel, obwohl es von Gott angeordnet war, die Wut dessen, der es herbeigeführt hatte.
In Juda vollzieht sich alles in der feierlichen Ruhe und dem Bewusstsein der Gegenwart Gottes, die durch den Hohenpriester aufrecht gehalten werden. Die Seelen haben es mit Jehova zu tun. Für Ihn handeln sie, und Seine Ehre suchen sie. Ohne diese Triebfedern kann es niemals eine völlige Reinigung und Wiederherstellung geben. In Juda wirkt diese Gegenwart Gottes auf das Gewissen des Volkes und führt so, nachdem die Reinigung geschehen ist, ein gesegnetes Ergebnis herbei: „Alles Volk des Landes freute sich, und die Stadt hatte Ruhe". Freude und Friede sind das Teil der Seelen, die, um Gott wohlzugefallen und Ihm zu dienen, sich von dem, was Ihn verunehrt, abgesondert haben.


Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

KAPITEL 12 Joas, der König von Juda

Der Zustand, von welchem wir gesprochen haben, war nicht von Dauer. Die Regierung des Königs Joas ist ein trauriges' uns durch das Wort gegebenes Beispiel von einem glücklichen Anfang in der Kraft des Geistes Gottes und einem Ende, in welchem alles dahinschwand, was der Beginn hatte erhoffen lassen. Ausnahmsweise schildern die Bücher der Chronika die schliessliche Untreue des Joas im einzelnen, während die Bücher der Könige ‑ ohne Zweifel um den Gegensatz zwischen dem Dienst des wahren Gottes, der in Juda wiederhergestellt war, und der götzendienerischen Religion Israels zu zeigen ‑ nur von dem glücklichen und gesegneten Anfang dieser Regierung reden. Beginnen wir also hiermit, doch prüfen wir zunächst das, was in dem Charakter des Joas ihn dahin bringen konnte, am Ende so völlig die Grundsätze zu verleugnen, welche den Beginn seiner Laufbahn kennzeichneten.
Die ersten Worte unserer Erzählung klären uns darüber auf. "Joas tat was recht war in den Augen Jehovas, so lange der Priester Jojada ihn unterwies." Joas, von frühester Kindheit an im Gesetz Jehovas auferzogen, durch die sorgfältige Überwachung seitens Joiadas und Josebas vor jeder äußeren Versuchung behütet, von weichem, fügsamem Charakter, der sich mehr durch Unterwürfigkeit als durch Energie hervortat, den guten Einflüssen nachgebend, so lange diese die Oberhand hatten, aber in Gefahr stehend, aus Mangel an "Tugend" schlechten Einflüssen zu unterliegen ‑ Joas hatte sich von Kindheit an daran gewöhnt, Beziehungen zu Gott durch einen Mittler zu genießen, ohne das Bedürfnis nach einer unmittelbaren Gemeinschaft mit Jehova zu verspüren. Nicht dass es ihm an der Fähigkeit gefehlt hätte, eine Sache in Angriff zu nehmen; der gottesfürchtige Wandel, an den er gewöhnt war, befähigte ihn bei Gelegenheit sogar, den Hohenpriester zu tadeln (V. 7), aber die unmittelbare Leitung des Geistes Gottes mangelte ihm.
Die Kinder von Gläubigen bieten oft diese Erscheinung.

 Der Glaube ihrer Eltern leitet ihre ersten Schritte, und das ist ganz richtig und wird von Gott gutgeheißen. Sie zeigen später wirklichen Glauben, haben aber ihre ersten Gewohnheiten nicht abgelegt und blicken mehr auf den Menschen als auf Gott selbst. Ihr Gewissen ist nie tief geübt worden bezüglich des sündigen Zustandes des Menschen und seines natürlichen Entferntseins von Gott. Sie glauben, was sie immer geglaubt haben, und doch kann man nicht daran zweifeln, dass sie Leben haben. Ihr Betragen lässt nichts zu wünschen übrig, und sie zeigen wirkliches Interesse für die Dinge Gottes. Das Wort ist ihnen nicht unbekannt, und man sieht, wie ein Joas sogar den Hohenpriester an die Steuer erinnert, "welche Mose, der Knecht Jehovas, der Versammlung Israels für das Zelt des Zeugnisses auferlegt hatte" (2. Chron. 24, 6). Indes hat die Stunde ihres geistlichen Mündigwerdens noch nicht geschlagen, was doch schon längst der Fall hätte sein sollen. Wirkliche Erkenntnis und Gottesfurcht ersetzen nicht die unmittelbaren Beziehungen der Seele zu dem Herrn. Der Christ muss diese vor allem suchen. Tausende von gottesfürchtigen Seelen bleiben in dem Zustande der Kindheit, indem sie zuerst von ihren Eltern und später von ihren „geistlichen Führern" abhängig sind, anstatt von Gott und Seinem Worte anzuhangen. Verschwindet der Führer, so verschwindet ihre Gottesfurcht mit ihm; weicht er ab, so weicht ihre Seele ab, ihm nach. 

So liebenswürdig gewisse Züge dieser Frömmigkeit sind, möchten wir doch vor ihr bewahrt bleiben, besonders in den bösen Zeiten, durch die wir gehen! Lasst uns oft über das Wort nachsinnen, das der Apostel an die "Kindlein" richtet: "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles" (1. Joh. 2, 20. 26. 27). Nicht als ob der Gehorsam gegen die Führer fehlen sollte. Die Christen sollen ihren Führern gehorchen und untertan sein, weil "sie über ihre Seelen wachen; auch befiehlt der Apostel ihnen an, ihrer Führer zu gedenken, "die ihnen das Wort Gottes verkündigt haben. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie allen ohne Unterscheidung unterwürfig sein sollen, und noch viel weniger, dass sie nicht, um bewahrt zu bleiben, die direkte und unmittelbare Gemeinschaft des Herrn suchen müssen. Joas gehorchte seinen Führern ohne Unterschied, sei es Jojada oder den Obersten ‑ und das war sein Verderben.
Die Führer können sich ändern und irren, Christus allein verändert sich nicht. "Er ist derselbe, gestern und heute und in Ewigkeit." Er ist "der große Hirte der Schafe". Ihm müssen wir uns anschließen. Das ist eine der ernstesten Belehrungen, die der Charakter und die Laufbahn des Joas uns darbieten.
Schon beim Beginn seiner Regierung kündigte etwas scheinbar Nebensächliches den Verfall an: „Doch die Höhen wichen nicht; das Volk opferte und räucherte noch auf den Höhen". Seit der Regierung Salomos war das Vorhandensein der Höhen geduldet worden. Nicht dass es sich im Anfang, vor der Erbauung des Tempels, um offenbaren Götzendienst gehandelt hätte. Salomo opferte Gott auf der großen Höhe zu Gibeon (1. Kön. 3, 2‑4); aber schon erblickte das Volk, durch das Beispiel des Königs ermuntert, darin etwas anderes, und seine abergläubischen oder abgöttischen Gedanken stiegen mit dem Weihrauch empor, den man dort anzündete. Durch die Höhen ließ Rehabeam, der Sohn Salomos, einen schamlosen Götzendienst in sein Reich eindringen. Seitdem hatte keiner der gläubigen Könige von Juda den Mut gehabt, sie abzuschaffen. Asa „dessen Herz ungeteilt mit Jehova war", beseitigte sie nicht (l. Kön. 15, 14). Josaphat "wandelte auf allen Wegen seines Vaters Asa; er wich nicht davon, indem er tat was recht war in den Augen Jehovas", aber er ließ die Höhen bestehen (1. Kön. 22, 43 und 44). Die Höhen werden nicht erwähnt bei Abijam, dem Sohne Rehabeams, bei Joram von Juda und bei Ahasja, weil diese gottlosen Könige dem Wege der Könige von Israel folgten und viel schlimmere Abgötterei verübten als diese. Dieselbe Tatsache, die bei Joas erwähnt wird, findet sich in unserem Buche bei seinem Sohne Amazja wieder, obwohl dieser tat was recht war in den Augen Jehovas (Kap. 14, 3. 4); ferner bei Asarja (oder Ussija), dem Sohne Amazjas (Kap. 15,3.4); bei Jotham, dem Sohne Ussijas (Kap. 15,34.35); während Ahas, der Sohn Jothams, der auf dem Wege der Könige von Israel wandelte, die Höhen für seinen abscheulichen Götzendienst benutzte (Kap. 16, 3. 4). Erst zur Zeit Hiskias, bei der ersten wahren Wiederherstellung Judas, verschwanden die Höhen (Kap. 18, 4). Der gottlose Manasse, sein Sohn, baute sie wieder auf (Kap. 21, 3); Ammon, der Sohn Manasses, wandelte in dem Wege seines Vaters. Josia endlich, bei der zweiten Wiederherstellung, begnügte sich nicht damit, sie hinwegzutun, wie der gottesfürchtige Hiskia, sondern er zerstörte sie ganz und gar, verunreinigte sie und füllte ihre Stätte mit Menschengebeinen an (Kap. 23, 8. 13. 14).

 Diese Zerstörung war so vollständig, dass es keinem der nachfolgenden schlechten Könige möglich war, sie wieder aufzubauen. Tatsächlich hat also nur ein einziger König in Juda, Josia, und zwar gegen das Ende der Geschichte des Volkes hin, dieses Übel und diese beständige Gefahr für das Volk Gottes ausgerottet. Die Zeiten des Endes, diese Zeiten des Verfalls, die unseren Tagen entsprechen, geben uns solche Beispiele. Wenn, wie in den Tagen Josias, das gegenwärtige Zeugnis Gottes viel weniger Wichtigkeit und Ausbreitung in den Augen der Menschen hat, wenn sie es sogar als eine Sache betrachten, um die man sich nicht zu kümmern braucht, so ist es doch in Gottes Augen nicht so. Das Zeugnis eines Hiskia oder eines Josia ist in "seinem Gedenkbuch" aufgezeichnet, und obschon es dem Strom des Verfalls nur zeitweilig einen Damm entgegensetzen kann und die Ausführung des Gerichts nur hinausschiebt, lässt es doch den Charakter Gottes in dieser Welt hervortreten und dient als Mittel zum Heil und zur Auferbauung für viele Seelen.
Die erste Sorge des Joas war der Tempel Jehovas, die Stätte der Gegenwart Gottes in der Mitte Seines Volkes. Wo und wann es ein Erwachen der Gottesfurcht gibt, gewinnt dieser vernachlässigte Gegenstand einen neuen Wert. Die Kinder Gottes fühlen das Bedürfnis, sich da zu scharen, wo es dem Herrn gefallen hat, Seinen Namen wohnen zu lassen, und durch ihre Tätigkeit, ihre Hingebung und ihr ganzes Verhalten Seine Gegenwart in der Mitte der Seinen zu Ehren zu bringen.
„Und Joas sprach zu den Priestern: Alles Geld der geheiligten Dinge, welches in das Haus Jehovas gebracht wird: das Geld eines jeden Gemusterten, das Geld der Seelen, je nach der Schätzung eines jeden, und alles Geld, das jemandem ins Herkommt in das Haus Jehovas zu bringen, sollen die Priester an sich nehmen, ein jeder von seinen Bekannten; und sie selbst sollen das Baufällige des Hauses ausbessern, alles was daselbst Baufälliges gefunden wird" (V. 4. 5). 
Wie bereits gesagt, findet man hier bei Joas eine genaue Kenntnis des Gesetzes Jehovas, welches ihm bei seiner Krönung gegeben worden war. Große Summen mussten auf Befehl des Königs zur Wiederherstellung des Heiligtums verwandt werden. Zunächst „das Geld der geheiligten Dinge, welches in das Haus Jehovas gebracht wird". Es umfasste alle von Mose aufgeführten Fälle freiwilliger Gaben und „willigen Geistes" für die Errichtung des Heiligtums (2. Mose 35,5.20‑29; 4. Mose 7). Hierzu konnte auch das erbeutete Geld kommen (4. Mose 31, 25‑54). Das Geld der Sühnung und der Lösung bildete die zweite Art (2. Mose 30, 11‑16; 4. Mose 3, 44‑51). Schließlich das Geld der Seelen, je nach der Schätzung eines jeden", bestand in jeder freiwilligen Gabe, die durch kein Gesetz und keine Verordnung vorgeschrieben war. Das fand zu wiederholten Malen statt, wie uns einige der angeführten Stellen zeigen. 

Das Wichtigste war für Joas, wieder zurückzugehen auf "die Steuer Moses, des Knechtes Gottes, welcher er Israel in der Wüste auferlegt hatte" (2. Chron. 24, 9), und nicht vom Worte des Gesetzes abzuweichen, als es sich darum handelte, das Haus Gottes und alles, was mit ihm in Verbindung stand, wieder zu Ehren zu bringen. So ist es auch in unseren Tagen. Wie für Joas, handelt es sich auch für uns nicht um die Frage, den Bau des Hauses aufs neue zu beginnen, eine neue Kirche zu errichten, sondern nur darum, das Baufällige auszubessern, und dazu überlässt Gott uns nicht unserem eigenen Vorgehen, was den alten Übeln nur neue hinzufügen würde. Auch wir haben im Worte Gottes unsere Steuer Moses, die Anweisung darüber, was Gott von uns erwartet, und wenn unsere Herzen „willig" sind, so suchen sie nur eines: die Interessen Christi und des Hauses Gottes auf Erden.
Joas war in diesem Augenblick von Eifer beseelt, aber er fand ihn nicht in demselben Maße bei den Priestern, ja, nicht einmal bei dem gottesfürchtigen Jojada, der ihr Haupt war. Die Priester verwandten die Gaben, die sie von ihren Bekannten empfingen (V. 7 und 8), für sich; nicht als ob sie nicht das Recht gehabt hätten, von dem Altar zu leben, aber ihre Interessen überwogen in ihrem Herzen diejenigen Jehovas und Seines Hauses, und ihr Verhalten bewies dies. Sie lebten von den Gaben, und das Haus Gottes behielt seine baufälligen Stellen. Jojada selbst ließ sie gewähren, ohne gegen ihr Tun aufzutreten. Man sieht später (V. ‑15), dass Personen ohne amtlichen Charakter, von denen, welche die Arbeiten beaufsichtigen, bis zu den Zimmer und Mauerleuten, „getreulich handelten", mehr als die Priester selbst. Ermuntern wir uns nach dem Beispiel dieser Männer, dasselbe Herz für das Werk zu haben und alle gute Treue" zu beweisen in dem Dienst, der uns anvertraut ist, auf dass wir die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem"!
Andererseits zeigten die, welche das Geld in Händen hatten, um es an die Arbeiter auszugeben, diesen gegenüber kein Misstrauen, denn sie erkannten die durch ihr Verhalten an den Tag gelegte Uneigennützigkeit an. So herrschte eine glückliche Gemeinschaft zwischen allen, und nichts hinderte das regelmäßige Fortschreiten der Arbeit. Ein solches Ergebnis zeigt sich immer, wenn die Interessen des Hauses Gottes, anstatt an die zweite Stelle verwiesen zu werden, als Hauptsache betrachtet werden.
Trotzdem wurden die Bedürfnisse der Priester keineswegs vergessen. Gewisse Beträge (das Geld von Schuldopfern und Sündopfern) wurden nicht in die Lade gelegt, die am Eingang des Hauses Jehovas aufgestellt war; sie blieben für die Priester bestimmt (V. 16). So war für alles mit Maß und Ordnung gesorgt.
Zwischen die Verse 16 und 17 schaltet sich die Mitteilung von 2. Chron. 24, 17‑22 ein, d. h. der Fall des Joas, der bis zur Ermordung des Propheten Sekarja, des Sohnes Jojadas, geht. Wir werden uns mit der Betrachtung dieses traurigen Endes einer so schönen Regierungszeit beschäftigen, wenn wir bei den Büchern der Chronika zu diesem Punkte kommen; doch der Fall genügt, die Früchte des Zeugnisses des Joas zu vernichten.
Hasael, der König von Syrien, die Zuchtrute Gottes, zieht gegen Jerusalem herauf, nachdem er Gath eingenommen hatte, das am Fuß des Gebirges Juda lag und den Schlüssel des Landes von der Seite der Philister her bildete. Joas sendet Hasael als Lösegeld alle geheiligten Dinge des Hauses Gottes. 

Was war aus seinem schönen Eifer für alles, was Jehova gehörte, geworden? Nach 2. Chron. 24, 23‑27 hindert das Hasael nicht einmal, sich mit einer kleinen Zahl von Männern in Jerusalem zu zeigen, zur Schmach und Schande des großen Heeres des Joas, welches ohne Kraft war, weil er Jehova, den Gott seiner Väter, verlassen hatte. Alle Obersten des Volkes, die den König zum Bösen angereizt und gegen Sekarja eine Verschwörung gemacht hatten, werden umgebracht, und so erfüllte sich das von dem sterbenden Propheten ausgesprochene Wort: Jehova möge es sehen und fordern!"  Joas selbst wird vom Feinde "in großen Schmerzen" verlassen und dann von seinen Knechten, einem Ammoniter und einem Moabiter, getötet, die so zu unbewussten Werkzeugen der göttlichen Gerechtigkeit wurden, die auch an dem König das Blut des Sohnes Jojadas rächten, nach dem Worte des Propheten.


KAPITEL 13, 1‑9 Joahas, der Sohn Jehus, der König von Israel

Jehova erfüllt die dem Jehu gemachte Verheißung: „Es sollen dir Söhne des vierten Gliedes auf dem Throne Israels sitzen" (Kap. 10, 30). Joahas folgt auf seinen Vater. Im 2. Buche der Chronika, welches uns die Geschichte der Familie Davids erzählt, wird Joahas gar nicht erwähnt, weil keine Beziehungen zwischen diesem König und Juda bestanden. Wenn diese Beziehungen nicht vorhanden sind, geht jenes Buch mit Stillschweigen darüber hinweg. Joahas wendet sich ebenso wenig wie sein Vater von den Sünden Jerobeams ab, und selbst die Aschera, das Bild der phönizischen Venus, deren unreiner Dienst von Ahab in Samaria eingeführt worden war (1. Kön. 16, 33), blieb in der Hauptstadt Israels stehen.

 Auch die Zuchtrute Gottes, in der Person Hasaels und seines Sohnes Ben-Hadad, fährt fort, auf die zehn Stämme herabzufahren.
Doch welch ein Erbarmen ist in dem Herzen Gottes! Es genügt, dass Joahas, ohne dass sein Herz irgendwie verändert ist, Jehova anfleht. Gott antwortet, bewegt von dem Elend und der Bedrückung Israels. "Und Joahas flehte Jehova an, und Jehova hörte auf ihn, denn er sah den Druck Israels, denn der König von Syrien drückte sie." Er beachtet die geringste Bewegung, die eine unglückliche Seele zu Ihm hin macht. Gott ist sehr leicht zu finden. Wer wird hinfort sagen können, dass er Ihn vergeblich gesucht habe, wenn der gottloseste Mensch, falls er sich einen Augenblick zu Ihm wendet, eine Antwort empfängt? „Und Jehova gab Israel einen Retter, und sie kamen aus der Hand der Syrer heraus; und die Kinder Israel wohnten in ihren Zelten wie zuvor." 
Dieser Retter erschien, wie wir sehen werden, in der Person Joas', des Sohnes und Nachfolgers des Joahas. Das Volk kann endlich einige Ruhe genießen. Hätte es die Wohltat Gott zugeschrieben, so wurde diese Segnung von Dauer gewesen sein, aber „sie wichen nicht von den Sünden des Hauses Jerobeams . . . sie wandelten darin". Das ist eine Beobachtung, die stets gemacht wird: die Welt genießt gern Gottes Wohltaten, ohne im geringsten daran zu denken, Ihm zu dienen.

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

KAPITEL 13, 10‑25 Joas, der König von Israel, und Elisa


Joas, Sohn des Joahas und Enkel Jehus, regierte sechzehn Jahre, die drei ersten Jahre zu gleicher Zeit mit Joas „von Juda, dessen Regierungszeit vierzig Jahre währte. Nicht nur wandte er sich von keiner der Sünden Jerobeams ab, sondern „er wandelte darin", wodurch das Wort uns darauf hinweist, dass er sie zu seiner Lebensregel machte. Diese Könige von Israel, welche einer nach dem anderen auf demselben Wege wandelten, hatten sehr starke und leicht zu erkennende Beweggründe für ihr Tun. Tatsächlich waren ihre Autorität und der Besitz des Königtums, menschlich gesprochen, an eine Religion geknüpft, die sie von der Religion Judas, mit dem Tempel und Jerusalem als Mittelpunkt, trennte.

 Zum Dienst Jehovas zurückkehren hieß ihre Herrschaft aufgeben, sich der Familie Davids unterwerfen und auf die eigenen Hoheitsrechte verzichten. Ihre Gedanken standen naturgemäß in gar keiner Verbindung mit den Gedanken Gottes. Das Urteil Jehovas hatte die zehn Stämme vom Hause Davids getrennt. Wenn sie dem Herrn treu geblieben wären, würde Er sie ohne Zweifel unterwiesen haben, wie sie Seinen Dienst mit der Tatsache, dass sie des Tempels beraubt waren, hätten verbinden können; doch viel eher konnte Er sie, indem Er sie praktischer Weise von Juda trennte, in religiöser Verbindung mit dem Tempel zu Jerusalem erhalten. Das tritt in dem Fall des Joas von Israel um so schlagender hervor, da Gott später den König von Juda und Jerusalem in seine Hände lieferte. Wenn er sich irgendwie um Jehova gekümmert hätte, so war ihm damit die Gelegenheit geboten, das religiöse Band mit dem Tempel Gottes, welches von Jerobeam zerrissen worden war, wieder anzuknüpfen. Noch später liefert uns Josia, dieser treue König von Juda, ein anderes Beispiel. Ohne Anspruch darauf zu machen, die königlichen Hoheitsrechte über Ephraim wiederzugewinnen, wird er durch seinen Eifer der Wiederhersteller des Dienstes Jehovas unter denen, die aus den zehn Stämmen der Wegführung nach Assyrien entgangen waren (Kap. 23, 15‑20).
Die Macht des Joas von Israel war groß und seine Regierungszeit bedeutungsvoll. Er vollbrachte vieles, aber er lebte ohne Gott, und was bleibt von ihm? Wie von so vielen anderen Beherrschern der Menschen nur das Wort: „Dieser war daselbst geboren" (Ps. 87, 4).
Jedoch gibt es im Leben des Joas einen Lichtpunkt (V. 14‑21), ähnlich wie in dem des Joahas. Joahas flehte in einer Zeit des Druckes und Elendes Jehova an und erhielt eine Antwort. Joas besuchte den sterbenden Elisa und weinte über dessen Angesicht. In diesem Augenblick waren die Umstände ebenso schwierig für ihn, wie einst für seinen Vater. Das Joch Hasaels und nach ihm seines Sohnes Ben-Hadad lastete schwer auf Israel. Der „Retter Israels" war in der Person des Joas noch nicht geoffenbart worden. Nur die Gnade Gottes konnte ihn zu diesem Werke weihen; aber inzwischen war der Prophet, der Verwalter dieser Gnade, im Begriff zu sterben. Mit ihm verschwand das letzte Rettungsmittel für das Volk.

Was sollte ohne ihn aus Israel werden? Der König seufzt, weint über dem Angesicht Elisas und ruft: "Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter!" Er gedenkt des Wortes des Propheten bei der Wegnahme des Elia und drückt so den Schmerz, ihn zu verlieren, aus. War er nicht würdig, wie Elia gen Himmel zu fahren, er, Elisa, der Prophet der Gnade, der im Sterben lag? Der König bezeugt mit diesen Worten zugleich, dass Elisa für ihn den Wert hat, welchen Elia einst für Elisa hatte. Wenn der einzige Segensvermittler zwischen Gott und Israel sterben sollte, dann war jede Segnung für das bedrückte Volk verloren. Joas' Herz blutet. Vielleicht war es nur ein oberflächliches Gefühl, jedenfalls währte es nicht lange, aber es zog doch auf diesen abtrünnigen Götzendiener das Mitgefühl des Herzens Gottes herab. Er hatte Israel einen Retter verheißen; Joas sollte dieser Retter sein. Wäre er nicht zu Elisa herabgekommen, so würde jede Rettung verhindert worden, jeder Sieg unmöglich gewesen sein.
Lasst uns im Vorbeigehen eine interessante Tatsache beachten: wir haben hier zwei Geschichten von Joas vor uns, von denen jede mit einer kurzen Zusammenfassung in denselben Worten schließt (V. 12. 13; Kap. 14, 15. 16). Die erste Geschichte schildert den allgemeinen Charakter des Königs, die zweite seinen Sieg über Syrien und Juda. Zwischen diesen beiden Abschnitten finden wir das Ende der Laufbahn des Elisa und das, was aus jenem schlechten König ein Werkzeug der Rettung für sein Volk machen konnte. Das war Gnade. Gott zeigt sie überall und auch so lange, wie Er sie zeigen kann. Die Gnade findet ihre Freude an einer Seele, in der ein Schimmer von Buße sich zeigt oder der einfache Seufzer eines bedrückten Herzens laut wird. Die Augenblicke des Propheten waren bereits gezählt, aber sie werden noch dazu benutzt, um durch seinen letzten Hauch ‑ wenn auch nur für einen Augenblick ‑ das schwache Lebensfünklein anzufachen, das im Herzen des Königs, dieses erloschenen Brandscheites, noch übriggeblieben war.
Beachten wir auch, dass das zu Elia geschehene Wort: „Wer dem Schwerte Jehus entrinnt, den wird Elisa töten", erst in den letzten Augenblicken des Lebens des Propheten, und zwar in prophetischer Weise, in Erfüllung geht. Er ist so wenig der Prophet des Gerichts, dass er es nur bildlich ausübt, und dieses Gericht selbst ist nichts anderes als das Heil Israels und die Befreiung vom Joche Syriens. So verliert Elisa, wie wir im ganzen Verlauf seiner Geschichte gesehen haben, nie seinen Gnadencharakter; doch um die Gnade seinem Volke zu vermitteln, muss er sterben, und das ist es, was wir in der Stelle, die uns beschäftigt, finden werden.
Wenn Joas ein Retter für Israel wird, so geschieht das keineswegs, weil er durch oder in sich selbst diesen Titel verdient hätte. Sein Herz ist unverändert, seine Gottlosigkeit bleibt, aber Gott will ihn gerne benutzen als Werkzeug einer Rettung, deren Ausgangspunkt der Tod des Mannes Gottes ist. "Elisa sprach zu ihm. Hole Bogen und Pfeile. Und er holte ihm Bogen und Pfeile. Und er sprach zu dem König von Israel: Lege deine Hand auf den Bogen. Da legte er seine Hand darauf; und Elisa tat seine Hände auf die Hände des Königs. Und er sprach: Öffne das Fenster gegen Morgen. Und er öffnete es" (V. 15‑17). Der König hat nur dem Worte Elisas zu folgen und muß nichts aus sich selbst tun; doch noch mehr, die Hände Elisas sind es, die die Hände des Königs lenken, die sich mit dem Gericht über Ben-Hadad eins machen, aber zu gleicher Zeit mit der Rettung, welche dieses Gericht für Israel bewirken soll. Die Hände Elisas sind die des Retters des Volkes; ohne sie würde es keine Befreiung geben. Der Prophet ist hier der Vertreter Jehovas. Es muss ans Licht treten, dass alles von Ihm kommt.
„Und Elisa sprach: Schieße! Und er schoss. 

Und er sprach „­Ein Pfeil der Rettung von Jehova und ein Pfeil der Rettung wider die Syrer! und so wirst du die Syrer zu Aphek schlagen bis zur Vernichtung." Der König schießt seinen Pfeil gegen Osten; nichts geschieht ohne das Wort Gottes. Joas kann nichts davon verstehen, der Prophet muß ihm erklären, um was es sich handelt. Es ist nötig, dass Joas weiß, dass er ein kraftloses und in sich selbst wertloses Werkzeug ist, wenn Gott sich herablässt, ihn zu gebrauchen.
"Ein Pfeil der Rettung!" Das ist der Plan im allgemeinen; dann folgen die Einzelheiten der Niederlage der Syrer. "Und er sprach: Nimm die Pfeile. Und er nahm sie. Und er sprach zu dem König von Israel: Schlage auf die Erde! Und er schlug dreimal und hielt inne." Die Vernichtung Syriens hängt ab von dem Grade des Glaubens, des Eifers, des Gottvertrauens, den Joas zeigen wird. Es wird sich erweisen, ob dieses Werkzeug aus sich selbst ein Mittel völliger Befreiung für Israel werden kann. Ach! wenn es sich darum handelt, gleichsam auf die Erde zu schießen, ohne dass Elisas Hände seine Hände bedecken, wenn, mit einem Wort der König seinen eigenen Hilfsquellen überlassen ist, schlägt er mit seinen Pfeilen drei­mal auf die Erde und hält inne. Angesichts so vieler Gnade und Herablassung von seiten Gottes zeigt sich der Mensch nicht nur unfähig, sondern ungläubig. Vorher, als er seinen Pfeil gegen Osten abschoss, kannte er die Bedeutung dieser Hand­lung nicht, war auch nicht verantwortlich, sie zu kennen. Gott erklärt sie ihm. jetzt, wo er sie begreifen kann, da er seine Pfeile gegen die Erde richtet hält er inne. Der Zorn des Mannes Gottes, ja, der Zorn Gottes entbrennt wider ihn. "Du hättest fünf oder sechsmal schlagen sollen, dann würdest du die Syrer bis zur Vernichtung geschlagen haben; nun aber wirst du die Syrer dreimal schlagen". Das sollte heißen: "Ich wollte dieses Volk gänzlich befreien; das hing von dir ab, und du hast es nicht gewollt! Du wirst den Feind nur dreimal schlagen."
Wie das Ende Elias, so redet auch das Ende Elisas von Christo. Bei einem sterbenden Christus finden wir Gnade und Rettung. Ein Seufzer zu Ihm hin genügt, um von dem Feinde, der uns bedrückt befreit zu werden. Dieses Heil wird dem Elendesten, dem Unwürdigsten, angeboten, und er kann so ein Werkzeug der Errettung für andere werden. Welche Ehre, welches Vorrecht! Doch die natürliche Ungläubigkeit des Herzens hebt die Tätigkeit des Geistes auf und macht die ganz gute Absicht Gottes gegen den Menschen zunichte. So weit wir uns bei jeder Bewegung, die wir zu machen haben, durch das Wort leiten lassen (diese Geschichte ist die augenschein­lichste Bestätigung dafür), ist uns der Erfolg sicher; sobald das Geringste unserer Verantwortlichkeit überlassen wird, halten wir auf dem Wege inne und arbeiten so den Absichten des Herrn entgegen.
Die folgende Szene ist ebenso eindrucksvoll wie die, welche wir eben betrachtet haben. Die Geschichte Elisas schließt nicht mit dem Zorn des Propheten, sondern endet für ihn selbst im Tode und in Auferstehung für andere. Während seines Lebens hatte Elisa, wie sein Meister Elia, einem Toten das Leben wiedergegeben, und diese Tatsache, die an sich allein die Gegenwart Gottes in einem Menschen in der Mitte Israels bewies, diese Tatsache, die später den Sohn Gottes am Grabe des Lazarus kennzeichnete, war selbst zu den Ohren des Königs gedrungen. Doch ein anderes Schauspiel, in anderer Weise wunderbar wie die Auferweckung des Sohnes der Sunamitin, zeigt sich uns jetzt.

 In seinem Tode wird Elisa das Mittel zum Leben für einen Toten. Einem Anderen, und Ihm allein, war es vorbehalten, durch die Kraft des Lebens, die in Ihm war, aus dem Grabe hervorzugehen und durch Seine eigene Auferstehung in Kraft erwiesen zu werden als Sohn Gottes, als Sohn des lebendigen Gottes. Hier findet ein Toter in dem Tode des Propheten, indem er die Gebeine Elisas berührt, das Leben. Die Sache wurde noch wirklicher, selbst in materieller Hinsicht, bei dem Tode unseres geliebten Heilandes. Denn als Er den Geist übergeben hatte, wurden die Leiber der entschlafenen Heiligen auferweckt, um hernach in die heilige Stadt zu gehen. Vom moralischen und geistlichen Gesichtspunkt aus haben wir, indem wir durch den Glauben mit einem gestorbenen Christus in Berührung kommen, das ewige Leben und die Auferstehung am letzten Tage (Joh. 6, 54). In Seinem Tode ist die Macht des Todes für uns besiegt, und die Kraft dessen, der diese Macht hatte, gebrochen. Der, welcher nicht den Willen haben konnte nicht zu sterben, starb, um das Leben zu geben.
Lasst uns indes den prophetischen Charakter dieser Szene nicht unbeachtet lassen. Das Ende des letzten großen Propheten Israels, des Herolds der Gnade, steht nicht in Verbindung mit Wagen und Reitern, die ihn in den Himmel bringen; er endet im Grabe. Elisa starb, und man begrub ihn.
Nach seinem Tode zeigte sich die Bedrückung des Feindes in den Einfällen Moabs in das Gebiet Israels. Das arme Volk hatte nicht einmal so viel Muße, seine Toten begraben zu können, aber das Grab Elisas befand sich an der für den Leichnam eines Mannes in Aussicht genommenen Stelle, und in dem Augenblick, wo der Leichnam, ein Bild des zu den Toten gelegten Israel, in wirkliche Berührung mit dem gestorbenen Propheten kam, in dem Augenblick, da er „die Gebeine Elisas berührte, wurde er lebendig und erhob sich auf seine Füße". Ebenso wird es mit Israel in den letzten Tagen sein; es wird sein nationales Leben wiedererlangen und aus den Toten hervorgehen in dem Augenblick, da es mit Dem in Verbindung kommen und an Den glauben wird, Den es durchbohrt hat. Das wird als ein letztes Wunder der Gnade für dieses Volk bewirkt werden, wenn es sich erwiesen haben wird, dass sein Zustand heillos und völlig verzweifelt ist. ‑ Damit schließt die Geschichte Elisas.
In den Versen 22‑25 geht das an Joas gerichtete Wort des Propheten in Erfüllung. Hasael hatte Joahas die Städte Israels genommen; Joas eroberte sie von Ben-Hadad, dem Sohne Hasaels, zurück, und "Joas schlägt ihn dreimal".


KAPITEL 14, 1‑22 Joas, König von Israel, Amazja, König von Juda

Amazja, der Sohn Joas' von Juda, kam im zweiten Jahre Joas', des Königs von Israel, zur Regierung. Fünfzehn Jahre regierte er gleichzeitig mit diesem, neunundzwanzig Jahre im ganzen, zu Jerusalem. Beachten wir bei dieser Gelegenheit den Einfluss der Mütter auf das Verhalten ihrer Kinder. Wenn diese Mütter aus Juda und Jerusalem stammten, sieht man ihre Söhne selten sich dem Dienst der falschen Götter hingeben. Nur die vier letzten Könige von Juda, die dem völligen Verfall angehören, entgingen dem Einfluss ihrer Mütter, die aus demselben Stamm entsprossen und sozusagen selbst in den Abfall verwickelt waren. Es wird von diesen Königen gesagt, dass sie "taten was böse war in den Augen Jehovas, nach allem was ihre Väter (oder auch sein Vater) getan hatten". Doch wir werden später auf diesen Ausspruch zurückkommen.
So war die Mutter Joas' von Juda Zibja von Beerseba; die Mutter Amazjas, des Sohnes Joas', Joaddan von Jerusalem. Wir werden noch anderen Beispielen hierfür begegnen. Dagegen war der Einfluss der götzendienerischen Mütter oder Weiber verderblich für die Könige. Joram von Juda hatte z. B. Athalja, die Tochter Ahabs, zum Weibe (Kap. 8, 18); Ahasja war ein Sohn Athaljas (Kap. 8, 26).
Diese Bemerkung ist geeignet, die christlichen Mütter ihre Verantwortlichkeit verstehen zu lassen, und sollte sie dahin bringen, ihre Söhne in der Furcht des Herrn zu erziehen; sie zeigt andererseits, dass die Verbindung eines christlichen Familienhauptes mit einer Frau aus der Welt für die aus dieser Vereinigung hervorgehenden Kinder in sittlicher Hinsicht ein Unglück ist.
„Amazja tat was recht war in den Augen Jehovas, nur nicht wie sein Vater David; er tat nach allem, was sein Vater Joas getan hatte." Um sein Verhalten zu regeln, hätte Amazja auf den Ursprung des Königtums und auf das Verhalten Davids, des Königs nach dem Herzen Gottes, zurückgehen müssen. 

Sicher hatte David in seinem Leben schwer gefehlt und musste wegen dieser Tat eine ernste Zucht erfahren; aber das Herz Davids war immer rechtschaffen, wenn es sich um den Dienst Jehovas und um den Thron Gottes inmitten Seines Volkes handelte. Amazja wandelte in den Fußstapfen seines Vaters Joas, dessen Leben, wie wir gesehen haben, in zwei bestimmte Abschnitte geteilt war, deren erster von wahrer Gottesfurcht zeugte, während der andere einen um so deutlicher hervortretenden Niedergang offenbarte, je herrlicher der Beginn der Laufbahn des Königs gewesen war.
Schon das erste Auftreten Amazjas offenbarte nicht ein dem Dienst Jehovas rückhaltlos geweihtes Herz. In einem Gussstück genügt ein Strohhalm, um seinen Bruch herbeizuführen' wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Dieser Strohhalm war das Festhalten an den „Höhen". Wir haben schon davon gesprochen und kommen wieder darauf zurück, um zu zeigen' dass (außer den beiden bereits erwähnten Ausnahmen) das Wort: "doch die Höhen wichen nicht", die Geschichte der treuen Könige von Juda wie ein Kehrreim begleitet, während ein anderer Kehrreim: „er wandelte in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, durch welche er Israel sündigen gemacht hatte", die Könige von Israel kennzeichnet. Diese regelten ihr religiöses Verhalten nach dem des Hauptes ihres Königshauses, der ein Götzendiener gewesen war. Die Könige von Juda gaben sich, anstatt sich nach ihrem Vater David zu richten, im allgemeinen damit zufrieden, ihren Ausgangspunkt in der Regierung Salomos zu finden, der die Höhen nicht abgeschafft hatte. Doch es ist immer sehr gefährlich, sich einer Einrichtung anzupassen, die, wenn sie sich auch eines hohen Alters rühmen kann, nicht auf die ursprünglichen Gedanken Gottes, auf deren Quelle, zurückgeht. Die vorliegende Geschichte ist auch die der verantwortlichen Kirche. Anstatt ihr Zeugnis mit dem, "was von Anfang war", zu verbinden, hat sie ihren Ausgangspunkt bei den Gebräuchen, Überlieferungen und Grundsätzen genommen, welche sie kennzeichneten, als sie schon im Niedergang begriffen war. 

Joas duldete es, dass das Volk auf den Höhen räucherte; er selbst nahm ohne Zweifel an diesen götzendienerischen Gebräuchen nicht teil, aber er war deshalb nicht weniger schuldig. Das Böse bei dem ihm von Gott anvertrauten Volke dulden war ebenso schlecht, wie es selbst ausüben.
In einem zweiten Punkt ist Amazja zu loben: „Als das Königtum in seiner Hand erstarkt war, da erschlug er seine Knechte, die den König, seinen Vater, erschlagen hatten". Soweit seine Verantwortlichkeit reichte, ließ er das Böse nicht ungestraft. Wenigstens in dieser Beziehung verstand er, wie Salomo bei seinem Regierungsantritt, dass das Böse und das Verbrechen dulden sich mit ihm eins machen heißt. Diese Frage des Einsmachens wird heute sehr wenig verstanden. Die meisten Christen denken, sie seien nicht schuldig, wenn sie das Böse in dem Kreise, zu welchem sie gehören, dulden, und ihrer Verantwortlichkeit sei genügt, wenn sie sich persönlich davon fernhalten. Ein schwerer Irrtum, der früher oder später seine traurigen Früchte zeitigen wird! „Dem Haue Gottes geziemt Heiligkeit", nicht nur dem Christen persönlich. Der Verfall und der schließliche Abfall der Christenheit beruhen zum großen Teil auf der Missachtung dieser Wahrheit. Hierin wenigstens war Amazja treu und gab dadurch seinem Mangel an Wachsamkeit bezüglich der Höhen ein kleines Gegengewicht.
„Aber die Söhne der Totschläger tötete er nicht, wie geschrieben steht im Buche des Gesetzes Moses, wo Jehova geboten und gesagt hat: Nicht sollen Väter getötet werden um der Söhne willen, und Kinder sollen nicht getötet werden um der Väter willen, sondern sie sollen ein jeder für seine Sünde getötet werden." Auch da zeigt Amazja eine verständnisvolle Achtung vor dem Worte Gottes. Dieser Befehl Jehovas war in 5. Mose 24, 16 gegeben worden, und Amazja richtete sich nach ihm mit dem gehorsamen Herzen, welches von allen denen gefordert wird, die das Wort hören oder lesen.
Zwischen dem 6. und 7. Verse haben wir eine beabsichtigte Lücke, die durch 2. Chron. 25, 5‑16 ausgefüllt wird. Wir werden hier unserer Gewohnheit gemäß nur im Vorbeigehen das berühren, was jenes Buch uns berichtet, denn das Wort lässt durch diese Auslassung die Sünde der Könige von Israel erst recht hervortreten, indem es diesen das Gerechte und Gottesfürchtige, welches bei den Königen von Juda noch vorhanden war, gegenüberstellt. Doch lässt uns die Erzählung in der Chronika die in den Versen 7‑14 unseres Kapitels mitgeteilten Ereignisse verstehen. Amazja, der für einen Augenblick entschlossen war, die israelitischen Truppen zu benutzen, welche er zum Kampf gegen Edom in seinen Sold genommen hatte, und dem durch einen Propheten angekündigt wurde, dass "Gott nicht mit Israel sei", verzichtet auf sein Vorhaben, welches schon halb zur Ausführung gekommen war, und sendet die Schar in ihre Heimat zurück. Er unternimmt den Kriegszug gegen Edom mit seinem Heere allein, indem er sich auf Jehova stützt, und erringt einen glänzenden Sieg. Die verabschiedeten ,Truppen Israels fallen in die Städte Judas ein, schlagen dreitausend Mann und führen eine große Beute fort.

 Doch wie der Prophet zu Amazja gesagt hatte, Jehova hatte viel mehr ihm zu geben als den Sold, den er den Männern von Ephraim bezahlt hatte; und wenn er einigermaßen die Folge seiner Untreue tragen musste (er hatte sie ja angeworben, ohne Jehova zu befragen), so konnte er andererseits auf den Segen rechnen, der stets die Folge des Gehorsams ist. Dieses Missgeschick, das seinen Sieg Über Edom trübt, treibt den König nicht zu Jehova hin. Selbst sein Sieg wird für ihn eine Gelegenheit zum Fall. Er bringt die Götter der Edomiter mit nach Juda und beugt sich vor ihnen nieder, ohne auf die Warnungen eines neuen Propheten zu achten.
In seinem Stolz als siegreicher König verletzt, durch die Demütigung, die ihm die Truppen von Ephraim bereitet haben, schwer gekränkt, sendet Amazja eine Herausforderung an Joas, den Sohn des Joahas, den König von Israel. Er stößt auf einen Hochmut, der noch größer ist als der seine. Joas antwortet ihm mit einem leichtverständlichen Gleichnis: Joram von Juda, der Dornstrauch auf dem Libanon, der Gemahl Athaljas, der Tochter Ahabs, hatte zu Joram von Israel, der Zeder auf dem Libanon, gesandt, um ihn um eine Frau aus dem Hause Ahabs für seinen Sohn Ahasja zu 'bitten. Jehu, das Getier des Feldes, das auf dem Libanon war, hatte Ahasja, den König von Juda, zertreten. Und jetzt wollte sein Nachfolger, anstatt sich zu demütigen, sich seines Sieges über Edom rühmen! Man merkt hier die Gereiztheit des Joas darüber, dass er sehen musste, dass seine Streitkräfte verachtet worden waren, während Juda allein genügt hatte, um Edom zu überwinden.
Amazja achtet nicht auf diese Warnung; und „das war von Gott", heißt es in der Chronika (2. Chron. 25, 20), "damit Er sie preisgäbe, weil sie die Götter von Edom gesucht hatten". Juda wird geschlagen, Amazja gefangen genommen, in die Mauer Jerusalems ein Bruch gemacht, alle Schätze des Königs und des Tempels werden mit Geiseln als Beute weggeführt. Amazja begegnet seinem Gott, dem er zu dienen und den er zu ehren gelobt hatte, als einem verzehrenden Feuer von dem Augenblick an, da er Ihn verläßt, um anderen Göttern zu dienen.
Die gleiche Untreue ist die Ursache des beklagenswerten Todes Amazjas. Unser Kapitel erzählt einfach: „Und sie machten in Jerusalem eine Verschwörung wider ihn, und er floh nach Lachis; und sie sandten ihm nach bis Lachis und töteten ihn daselbst. Und sie luden ihn auf Rosse, und er wurde begraben bei seinen Vätern in der Stadt Davids." Doch die Chronika nennt uns den ernsten Grund dieses Trauerspiels: „Von der Zeit an, da Amazja von der Nachfolge Jehovas abgewichen war", wurde diese Verschwörung gegen ihn gemacht.
Inzwischen war Joas von Israel, der Sohn des Joahas, gestorben, so dass Amazja seinen Besieger noch fünfzehn Jahre überlebte. Sein Sohn Asarja wurde sein Nachfolger. Er brachte Elath an Juda zurück und baute es auf. 

Diese Stadt, die früher mit dem ganzen Gebiet Edoms, zu dem sie gehörte, der Botmäßigkeit Davids unterworfen gewesen war (2. Sam. 8, 14), hatte einen Teil des Besitzes Salomos gebildet; sie war ein wichtiger Ausgangspunkt für seine Seestreitkräfte gewesen, denn sie lag nicht weit von Ezjon Geber am Ufer des Roten Meeres*) (l. Kön. 9, 26; 2. Chron. 8, 17). Nach Asarja blieb sie nicht lange in den Händen Judas. Achtundsechzig Jahre später erhielt Rezin, der König von Syrien, sie wieder (Kap. 16, 6).


Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

KAPITEL 14, 23‑29 Jerobeam II., König von Israel

Jerobeam, König von Israel, der dritte Nachfolger Jehus, folgt auf seinen Vater Joas. "Er tat was böse war in den Augen Jehovas; er wich nicht von allen Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wodurch er Israel sündigen gemacht hatte." Und doch hatte seine Regierung eine Dauer von 41 Jahren! Man sollte meinen (und wir haben mehrere Beispiele davon in dieser Geschichte gesehen), dass Gott die Könige, deren Verhalten Ihn verunehrte, immer schnell beseitigt hätte. So ist es z. B. bei Sekarja, dem Sohne gerade dieses Jerobeam (Kap. 15, 8), aber hier ist es anders. Gott hat verschiedenartige Wege, die Er mit Seiner Langmut und Barmherzigkeit in Einklang zu bringen weiß. Sein Erbarmen mit dem Zustand des bedrückten Israel leitet Seine Wege bezüglich der Regierung Jerobeams. "Denn Jehova sah, dass das Elend Israels sehr bitter war, und dass dahin war der Gebundene und dahin der Freie, und dass kein Helfer da war für Israel. Und Jehova hatte nicht gesagt, dass Er den Namen Israels austilgen würde unter dem Himmel hinweg; und so r e t t e t e Er sie durch die Hand Jerobeams, des Sohnes Joas (V. 26. 27). Gott erweckte dem Volke in der Person dieses Königs, der sich Sein Missfallen zugezogen hatte, einen Retter, wie Er es früher in seinem Vater Joas getan hatte (Kap. 13,5). "Er stellte die Grenze Israels wieder her, vom Eingange Hamaths bis an das Meer der Ebene."
Früher gehörte das Gebiet Hamaths, der Hauptstadt des oberen Syrien, Salomo (2. Chron. 8, 3). Der Sieg Jerobeams stellt für Israel den "Eingang Hamaths", einen sehr wichtigen strategischen Punkt, wieder her.

 Die Stadt Hamath selbst scheint nicht in diese Eroberung eingeschlossen gewesen zu sein, aber die Grenze Israels wird wiederhergestellt vom Eingange Hamaths bis an das Salzmeer, d. i. das Tote Meer (Vergl. Jos. 3, 16). Diese Besitzergreifung vergrößerte das Gebiet Israels auf Kosten desjenigen Judas, denn ein Teil von Damaskus und von Hamath hatte einst Juda gehört (V. 28).
Der Prophet Jonas, der Sohn Amittais, hatte dieses Ereignis zuvor angekündigt. Jonas ist der erste Prophet, über den wir ein prophetisches Schriftwort besitzen. Die vorliegende Stelle lässt uns ihn als einen Propheten von Israel erkennen. Seine Weissagung ist uns nicht aufbewahrt worden; sie sprach von einem besonderen Ereignis, welches keine dauernde Tragweite hatte. Sie wird in der Schrift erwähnt, aber ist nicht eine „Weissagung der Schrift" in dem Sinne von 2. Petr. 1, 20, die nie ihre Auslegung durch die nächsten Ereignisse, auf welche sie anspielt, findet. Jonas wird uns an dieser Stelle vorgestellt als ein Prophet der Gnade und einer augenblicklichen Rettung für Israel.
Einige Worte werden genügen, um das Buch, welches von ihm redet, zu kennzeichnen. Jonas, der das Volk darstellt, welches sich seiner Gerechtigkeit nach dem Gesetz rühmt, empört sich gegen Jehova, der ihn zu den Heiden senden will * Er wird für den Augenblick von den Nationen ins Meer geworfen, deren Schiff in Frieden auf dem beruhigten Meere weiterfahren kann. Nach Verlauf von drei Tagen steht der Prophet, der jetzt den Messias als den Platz des untreuen Israels einnehmend darstellt, wieder auf, und das neue Israel kündigt den Heiden das Gericht an und die Gnade, die auf die Buße folgt. Es ist nun über die barmherzigen Absichten Jehovas aufgeklärt.
Abgesehen von ihrer prophetischen Bedeutung, bei der wir uns hier nicht aufhalten können, ist die Predigt Jonas an Ninive von geschichtlicher Bedeutung für den Lauf der Ereignisse, die sich in diesem Teile des Buches der Könige abwickeln. Sie zeigt uns die wichtige Rolle des assyrischen Reiches zu jener Zeit, eines Reiches, welches im Begriff stand, mit dem Reiche Israel zusammenzustoßen, um Gottes Gerichte an ihm auszuführen.
Der Prophet Amos, der zur gleichen Zeit weissagte, kündigt dem Hause Israel an, dass die Eroberung Jerobeams nicht von Dauer sein werde. Der Assyrer sollte sie wieder rückgängig machen: "Denn siehe, ich werde wider euch, Haus Israel, eine Nation erwecken, spricht Jehova, der Gott der Heerscharen; und sie werden euch bedrücken von dem Eingange Hamaths an bis zum Bache der Ebene" (Amos 6, 14). Weniger als hundert Jahre später ging diese Weissagung unter Hiskia in Erfüllung (2. Kön. 18, 34; 19, 13).

 Jerobeam hatte "den Tag des Unglücks hinausgeschoben", indem er das Gebiet Israels zurückerobert hatte bis nach "Hamath, der großen Stadt" (Amos 6, 1‑3), und bis zum Meere der Ebene, und siehe, sagt Amos, der Tag des Unglücks selbst steht nahe bevor. Beim Hereinbrechen des Untergangs ruhte der Fürst aus, indem er nur an sein Wohlbehagen dachte (V. 4), und Hamath selbst und Gath und Kalne und Babylon standen im Begriff, in die Hände des Assyrers zu fallen! Dem Hause Jerobeams drohte Verderben unter dem Gericht Jehovas, der "nicht mehr schonend an Seinem Volke vorübergehen wollte" und das Gericht über ihn kommen ließ, von oben bis unten, bis in seine Grundfesten (Amos 7, 7‑9).
Es ist beachtenswert, dass Hosea, welcher unter Ussija, Jotham, Ahas und Hiskia, den Königen von Juda, weissagte, nur Jerobeam, den König von Israel, erwähnt und alle seine Nachfolger, unter denen er gleicherweise geweissagt hat, mit Stillschweigen übergeht (Hosea 1, ‑1). Ihre Geschichte scheint für ihn bei Jerobeam aufzuhören, obwohl Sekarja, der Sohn Jerobeams, das dem Hause Jehu von Jehova bewilligte vierte Geschlecht darstellte (2. Kön. 10, 30). Doch Sekarja, der letzte Ring in dieser Kette, ist tatsächlich schon verworfen.Er regiert nur sechs Monate, und Gott wendet sich von ihm und seinen Nachfolgern ab nach Seinem Worte: "Ich werde nicht mehr schonend an ihm vorübergehen" (Amos 7, 8; 8, 2); und gemäß dem, was Hosea sagt: "Sie haben Könige gemacht, aber nicht von mir aus" (Hos. 8, 4).
Amos teilt uns einige Einzelheiten über das Ende Jerobeams Il. mit (Kap. 7, 710‑17). Amazja, der Priester des Kalbes von Bethel, benachrichtigt den König, dass Amos gegen Israel weissage, und fügt lügnerisch hinzu, dass er den gewaltsamen Tod des Königs angekündigt habe. Durch diese Verleumdung sucht Amazja sich des Propheten zu entledigen und ihn nach Juda zurückzuschicken, denn er macht ihm zu Bethel, dem Heiligtum des Königs und einem königlichen Wohnsitz", seinen Platz streitig (Bethel, "das Haus Gottes", war völlig in Vergessenheit geraten).

 Der wahre Zeuge Gottes steht dem an seinem angemaßten Priestertum und an seiner amtlichen Stellung hängenden Amazja im Wege. Amos antwortet ihm: „Ich war kein Prophet und war kein Prophetensohn, sondern ich war ein Viehhirt und las Maulbeerfeigen. Und Jehova nahm mich hinter dem Kleinvieh weg, und Jehova sprach zu mir: Gehe hin, weissage meinem Volke Israel" (Kap. 7, 14. 15). Amos war nicht von einer Prophetenschule abhängig, sondern unmittelbar von Gott; er gehörte auch nicht dem priesterlichen Geschlecht an. In ähnlicher Weise redet auch Christus später in Sacharja 13, 5. Der Heilige Geist hatte Amos aus den Hirten von Tekoa erwählt (Kap. 1, 1), von den Schafen weg, wie Er einst David, Seinen Gesalbten, erwählt hatte. Jehova hatte zu ihm gesagt: "Gehe hin", und er war gegangen. Wir haben in Amos etwas wie das Beispiel eines Dienstes, der sich unmittelbar an denjenigen Christi anschließt, und eine Art Vorgeschmack von dem, was später der ganze christliche Dienst sein würde, oder vielmehr sein sollte. Nunmehr wendet sich der Prophet unmittelbar gegen den falschen Dienst und dessen falsche Anmaßungen. "Darum spricht Jehova also: Dein Weib wird zur Hure werden in der Stadt, und deine Söhne und deine Töchter werden durchs Schwert fallen, und dein Land wird verteilt werden mit der Messschnur, und du selbst wirst in einem unreinen Lande sterben; und Israel wird gewisslich aus seinem Lande weggeführt werden" (V. 17).
Ein schreckliches Gericht sollte hereinbrechen über diese Menschen in Amt und Würden, die im Dienste der Welt und ihrer falschen Götter standen, denen sie den Beinamen Jehova gaben; was Israel betraf, so sollte es gewißlich weggeführt werden. Es gab hinfort bezüglich Israels im Herzen Gottes kein Bereuen mehr. Die Zeit war gekommen; es war zu spät, wie es in Offbg. 22, 11 heißt: "Wer unrecht tut, tue noch unrecht, und wer unrein ist, verunreinige sich noch!" Juda sollte noch eine Zeitlang verschont bleiben, und Gott wollte dort noch Erweckungen hervorrufen, bis die durch Jeremia angekündigte Stunde auch für Juda gekommen wäre.


KAPITEL 15, 1‑7 Asarja oder Ussija, König von Juda

2. Chron. 26 erzählt uns ausführlich die Geschichte Asarjas oder Ussijas, der seinem Vater Amazja auf dem Thron folgte. Seine Mutter stammte aus Jerusalem. Seine Regierungszeit war lang und begann, als er noch sehr jung war. "Er tat was recht war in den Augen Jehovas, nach allem, was sein Vater Amazja getan hatte. "Doch", fügt der Bericht hinzu, „die Höhen wichen nicht; das Volk opferte und räucherte noch auf den Höhen." Immer wieder das gewöhnliche Schlusswort bei Juda, wie bei den Kälbern Jerobeams. Der Prophet Micha spielt auf diese beiden Charakterzüge an, um das Gericht Gottes über Sein Volk zu erklären. "Das alles" , sagt er, "wegen der Übertretung Jakobs und wegen der Sünden des Hauses Israel. Von wem geht die Übertretung Jakobs aus? ist es nicht Samaria? Und von wem die Höhen Judas? ist es nicht Jerusalem?" (Micha 1, 5).
Unser Bericht über die Regierung Ussijas weist eine gleiche Lücke auf, wie wir sie bei Amazja festgestellt haben. Wie der Götzendienst Amazias, so wird die Sünde Ussijas, die in 2. Chron. 26 mitgeteilt wird, hier mit Stillschweigen übergangen. Wie wir weiter oben gesagt haben, ist die Ursache augenscheinlich. Es handelt sich darum, die Gottesfurcht der Könige von Juda ans Licht zu stellen, ohne sie durch die Er­zählung ihrer Fehler und Abweichungen abzuschwächen, im Gegensatz zu der Gottlosigkeit und dem Götzendienst der Könige von Israel, welche zu Jehova um Rache schrien. Hier hören wir nur: Jehova schlug den König, und er wurde aussätzig bis zum Tage seines Todes; und er wohnte in einem Krankenhause, ohne dass die Ursache dieses Gerichts erwähnt würde.
Tatsächlich hatte Ussija, der anfänglich um seiner Treue willen gesegnet war, dann aber wegen der außerordentlichen Erfolge seiner Laufbahn hochmütig wurde, geglaubt, sich den Platz des Hohenpriesters anmaßen zu können, indem er selbst den Weihrauch auf dem goldenen Altar darbringen wollte. Diese vermessene Handlung könnte an die Empörung des Leviten Korah erinnern, der Aarons Stelle einzunehmen begehrte, indes hatte das Böse bei Ussija einen anderen Charakter. Der Gedanke an seine Würde, an seine hohe Wichtigkeit als König, brachte ihn dahin, für sich, den Vertreter der bürgerlichen Macht, die religiöse Autorität in Anspruch zu nehmen, eine Sünde, welche auch eines der zahlreichen Elemente der jetzigen Christenheit bildet. Jehova straft Ussija mit dem Aussatz.

 Er wird von den Priestern aus dem Tempel verjagt und bleibt bis zu seinem Tode von der Gemeinschaft Israels ausge­schlossen. Die Herrschergewalt auf die er so stolz war, und für welche er nicht verstanden hatte, Jehova die Ehre zu geben, wird von ihm weggenommen und seinem Sohne Jotham anvertraut, und zwar viele Jahre vor seinem Tode. Es war unmöglich, fleischliche Anmaßung zu dulden, durch deren Einführung in das Haus Gottes dieses in schrecklicher Weise verunreinigt wurde; Ussija stirbt, von den Segnungen dieses Hauses getrennt, weil er die Würde des Hohenpriestertums (ein Vorbild des Hohenpriestertums Christi), das Jehova er­richtet hatte, verkannt hatte.


KAPITEL 15, 8‑12 Sekarja, König von Israel

Wir gehen auf die chronologischen Schwierigkeiten nicht ein, die bezüglich der Zeit der Thronbesteigung Sekarjas, des Sohnes Jerobeams II., erhoben werden, da unser Zweck hier nicht ist, auf die Angriffe des Unglaubens zu antworten. Wenn von der menschlichen Vernunft Schwierigkeiten erhoben werden, besteht unsere Weisheit darin, auf Gott zu warten, dass Er sie auflöse, falls uns das nötige Licht fehlt. So wird unsere Abhängigkeit von Ihm auf die Probe gestellt, und wir können gewiss sein, dass wir zur richtigen Zeit die Antwort empfangen werden. Wie viele Male haben nicht die Christen, die demütig dem Worte unterworfen waren, diese Erfahrung gemacht! Sekarja, der letzte König aus dem Geschlecht Jehus, regierte nur sechs Monate zu Samaria. "Er tat was böse war in den Augen Jehovas, so wie seine Väter getan hatten; er wich nicht von den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wodurch er Israel sündigen gemacht hatte." Wenn, wie wir gesehen haben, die gottesfürchtigen Könige von Juda nicht die Energie be­saßen, die Höhen hinwegzutun, ‑ und wie sehr hat die Nach­lässigkeit Salomos in dieser Beziehung unheilvolle Früchte unter seinen Nachfolgern getragen, indem diese sich daran gewöhnten, den von dem ruhmreichen Haupt der Herrscherfamilie geduldeten Gebräuchen sich anzupassen! ‑ so wandelten die Könige von Israel ihrerseits entschlossen in den durch Jerobeam I. eingesetzten Gebräuchen.
Es fehlt im gegenwärtigen Christentum nicht an Beispielen dieser beiden Neigungen. Von dem Augenblick an, da die protestantische Christenheit, anstatt zu der reinen Quelle des Wortes Gottes zurückzukehren, mit den von den Reformatoren verkündigten Wahrheiten der Schrift gewisse, nicht schriftgemäße Lehrsätze annahm, die jene nicht aufgegeben hatten, war alles einem schnellen Verfall geweiht. 

Und von dem Augenblick an, da der in der halbheidnischen Religion der Bischöfe Roms oder des Ostens wandelnde Katholizismus das Wort Gottes verlassen hat, um seine Fabeln an dessen Stelle zu setzen, muss das Gericht ihn treffen. Es ist angekündigt und wird in Kürze über die große Hure hereinbrechen.
An dieser Stelle beginnt der Schlussabschnitt der Geschichte des Zehnstämme-Reiches, die Zeit der Thronräuber und der Mordtaten, welche der Wegführung der zehn Stämme vorangeht, und worüber der Prophet Hosea sagt: Sie allesamt glühen wie ein Ofen und verzehren ihre Richter. Alle ihre Könige sind gefallen; niemand unter ihnen ruft mich an" (Kap. 7, 7). Das Herdes Propheten verrät in seiner fortgesetzten Klage seine Angst bezüglich Israels. Die Zeit war gekommen, wo Gott "die Blutschuld von Jisreel an dem Hause Jehus heimsuchen und dem Königtum des Hauses Israel ein Ende machen wollte" (Hosea 1, 4). Jehova hatte bei dem von Jehu zu Jisreel vergossenen Blute geschwiegen; Er hatte mit niemand darüber geredet, selbst nicht mit dem schuldigen Jehu. Es hätte vielmehr scheinen können, als Gott ihm sagte: "Du hast wohl ausgerichtet was recht ist in meinen Augen" (Kap. 10, 30), und Er werde ihn dafür belohnen, dass Er alles gut heiße, was Jehu getan hatte. Weit entfernt davon! Wenn der Herr ihn zur Ausführung eines Gerichts erweckte und ihn darin lobte, so war jetzt der Augenblick gekommen, wo die fleischliche Hinterlist und das gewalttätige Wüten des Königs ihre Strafe finden sollten. Das Wort Jehovas: "Dir sollen Söhne des vierten Gliedes auf dem Throne Israels sitzen" (V. 12), hatte sich als Belohnung erfüllt, und jetzt ging Sein Wort in Vergeltung und gerechtem Gericht in Erfüllung. Welch ein Gott ist unser Gott! Wer kann, wie Er, die Handlungen, die Er gutheißt oder verdammt, auf derselben Waage wägen, sie belohnen und strafen, indem Er sie nach den Wegen Seiner gerechten Regierung vergilt!


Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1912 S. 169ff

KAPITEL 15, 13‑22 Sallum und Menachem, Könige von Israel

Sallum macht eine Verschwörung wider Sekarja, tötet ihn und wird an seiner Statt König. Seine Freveltat nützt ihm wenig, denn nach Verlauf eines Monats fällt er unter den Schlägen Menachems. Man erschrickt über all diese Gewalttaten. Jeder will die Macht zu seinem Vorteil an sich reißen. Da die Stimme ihres Gewissens verstummt ist sind diese Sünder den Trieben ihrer bösen Natur völlig preisgegeben.
Menachem behandelt die Stadt Tiphsach, weil sie ihm ihre Tore nicht öffnen wollte, mit der äußersten Grausamkeit. Es gelingt ihm, sich zehn Jahre auf dem Throne zu behaupten. Er tut was böse ist, indem er alle seine Tage in den Sünden Jerobeams wandelt. Unter seiner Regierung erscheint der Assyrer endlich auf dem Schauplatz: "Pul, der König von Assyrien, kam wider das Land " (V. 19). Es ist der erste König von Assyrien, dessen Name in der biblischen Geschichte erwähnt wird. Über die Persönlichkeit dieses Königs hat es unter den Kritikern viel Streit gegeben; man scheint jetzt darüber einig zu sein, dass er gleichbedeutend sei mit Tiglath-Pileser, einem der größten und meistbekannten unter den assyrischen Herrschern (Kap. 15, 29; 16, 7 usw.). Indem wir uns einfach an den Buchstaben der Schrift halten, werden wir dahin geleitet, in Pul, dem König von Assyrien, eine andere Person zu sehen; damit stimmt auch überein, was in 1. Chron. 5, 26 gesagt wird. "Da erweckte der Gott Israels den Geist Puls, des Königs von Assyrien, u n d den Geist Tiglath-Pilesers, des Königs von Assyrien, und er führte sie hinweg, die Rubeniter und die Gaditer und den halben Stamm Manasse". Die Wegführung der jenseits des Jordans wohnenden Stämme wird im 29. Verse unseres Kapitels Tiglath-Pileser zugeschrieben, während im 19. Verse gesagt wird, dass Pul zwar wider Israel gekommen, aber durch einen sehr großen Tribut (ungefähr zehn Millionen Mark nach unserem Gelde) veranlasst worden sei, der Beschützer des Königs von Israel zu werden, indem er "das (stark erschütterte) Königtum in seiner Hand befestigte". Dieser Pul ‑ man hat das nicht genügend beachtet, ‑ "kehrte um und blieb nicht daselbst im Lande" (V. 20), was bei seinem Nachfolger nicht der Fall war. Allerdings schweigen die menschlichen Berichte über ihn und werden es vielleicht immer tun, aber wir haben das Wort Gottes als Führer, und unser Schutz besteht darin, es einfach so zu nehmen, wie Gott es uns gegeben hat. Hosea erwähnt die Tatsache, die uns hier beschäftigt: "Ephraim ging nach Assyrien und sandte zu dem König Jareb; der aber vermag euch nicht zu heilen und wird euer Geschwür nicht vertreiben" (Hosea 5, 13). 

Dieser König Jareb ist vielleicht kein anderer als Pul.*) Sein Name bedeutet: Streiter oder Streitsüchtiger, sicher eine Anspielung auf die streitlustige Macht Assyriens, welche Israel durch Geschenke zu beruhigen und für sich günstig zu stimmen gedachte. "Die Bewohner von Samaria werden bange sein für das Kalb von Beth-Awen; ja, sein Volk wird über dasselbe trauern, und seine Götzenpriester werden seinetwegen beben, wegen seiner Herrlichkeit, weil sie von ihm fortgezogen ist; auch dieses wird nach Assyrien gebracht werden als Geschenk für den König Jareb" (Hosea 10, 5. 6). So wurde denn gar eines von Jerobeams Kälbern nach Assyrien gebracht als Geschenk für den König! Und derselbe Prophet fügt an einer anderen Stelle hinzu: "Sie sind nach Assyrien hinaufgezogen. Der Wildesel bleibt für sich allein, aber Ephraim hat Buhlen gedungen" (Kap. 8, 9). Aber welch eine Schande für Israel: seinen Gott dem Feinde des Volkes als ein gewöhnliches Geschenk zu geben. Auch das war von Jehova.
Wozu diente schließlich diese ganze Politik und dieses Trachten nach Bündnis und Beschützung, wobei man sich bald nach Assyrien, bald nach Ägypten wandte? Hat es das angekündigte Gericht nur einen Augenblick zu verzögern vermocht? Und geht es in unseren Tagen damit nicht ebenso? Die Bürgschaften, welche die Nationen sich gegenseitig zu verschaffen suchen, werden verschwinden wie die Spreu, die der Wind wegführt, sobald "das geschlachtete Lamm" hervortritt, um das Buch der Ratschlüsse und Wege Gottes mit der Welt zu öffnen und sie zur Ausführung zu bringen.


KAPITEL 15, 23‑31 Pekachja und Pekach, Könige von Israel

Da Menachem nicht eines gewaltsamen Todes gestorben war, regierte sein Sohn Pekachja an seiner Statt. Die vergeltende Gerechtigkeit Gottes wird nicht gegen Menachem und sein Tun ausgeübt. Auch eine Anzahl anderer Fälle belehrt uns, dass die irdische Regierung Gottes weder als Maßstab Seine, Gerechtigkeit, noch als die volle Vergeltung der Wege des Menschen gelten kann (Darin bestand der Irrtum der Freunde Hiobs, gegen den Elihu mit Zorn auftritt). Während seiner zweijährigen Regierung verharrt Pekachja, wie alle seine Vorgänger, in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats. Beachten wir hier, was so oft in den vorhergehenden Kapiteln wiederholt wird, dass Israel durch die Sünden seiner Könige zum Sündigen verleitet wurde. Die persönliche Sünde wird bedeutend ernster, wenn sie ein Stein des Anstoßes für andere wird, und ihre Folgen werden denen zugerechnet, welche die Unwissenden und Unbefestigten in ihren eigenen Ungehorsam mitfortreißen.
Pekach, der Sohn Remaljas, der von den Söhnen der Gileaditer bei seiner Verschwörung unterstützt wird, bringt Pekachja und zwei seiner Gefährten ums Leben. Er regiert zwanzig Jahre zu Samaria und wandelt Jehova gegenüber auf dem Wege der Könige von Israel. Die Folgen seiner Regierung werden im 29. Verse aufgezählt: Tiglath-Pileser, der König von Assyrien, zieht wider ihn herauf und führt die Rubeniter weg samt den Gaditern und dem halben Stamme Manasse, das ganze Volk, das jenseits des Jordan sich niedergelassen hatte; und er "brachte sie nach Halach und an den Habor und nach Hara und an den Strom von Gosan bis auf diesen Tag" (l. Chron. 5, 26). 

Die Zerstückelung des Reiches Ephraim beginnt bei den Stämmen, die aus Bequemlichkeitsgründen ihr Teil jenseits des Jordan erwählt hatten.
So ist es immer. Die Christen, die nicht entschieden und ohne zurückzublicken einen Boden betreten, wo der Tod Christi (gleich dem Jordan) eine unübersteigliche Schranke zwischen ihnen und der Welt errichtet, solche Christen sind den Angriffen des Feindes zuerst ausgesetzt und werden zu armen Gefangenen der Welt, mit der sie, trotz eines wirklichen Glaubens, nicht gänzlich haben brechen wollen.
So beginnt sich die Zerstückelung des Reiches Israels zu vollziehen, die unter der Regierung Hoseas vollständig werden wird. Wir werden im folgenden Kapitel auf Pekach zurückkommen; vorher jedoch finden wir die Regierung Jothams erwähnt.


KAPITEL 15, 32‑38 Jotham, König von Juda

Dieser Sohn Ussijas beginnt seine Regierung im zweiten Jahre Pekachs und regiert sechzehn Jahre zu Jerusalem. Seine Mutter Jeruscha, die Tochter Zadoks, war wahrscheinlich aus priesterlichem Geschlecht. Bei ihr können wir wieder den gesegneten Einfluss der Mütter der Könige von Juda feststellen. Bei den Königen von Israel finden wir das nicht. Doch "das Volk handelte noch verderbt" (2. Chron. 27, 2) aus Mangel an Entschiedenheit dieser gottesfürchtigen Könige, die nicht wagten, den Götzendienst bei seiner Wurzel anzufassen. Die Erzählung der Chronika zeigt uns, dass Jotham „erstarkte, denn er richtete seine Wege vor dem Angesicht Jehovas, seines Gottes". Die Gottesfurcht ist auch für uns eine Quelle der Stärke und der geistlichen Kraft. Sobald unsere Wege nicht vor Gott gerichtet sind, verlässt uns die Stärke. Ein ernster Gedanke für alle, und tausendmal ernster noch für die, die eine besondere Verantwortung in Bezug auf das Volk Gottes tragen. Allerdings liegt in dem Bewusstsein der Stärke eine Gefahr. Wir haben in dem Falle Ussijas gesehen, dass dieses Bewusstsein ihn antrieb, sich gegenüber dem Hohenpriester zu erheben (2. Chron. 26, 16‑21). Jotham wurde nicht hochmütig durch seine Stärke, auch wird im Vergleich mit seinem Vater von ihm gesagt: "Er ging nicht in den Tempel Jehovas" (2. Chron. 27, 2).

 Im Gegenteil, er war demütig, und so wurde er bei dem Hause Gottes benutzt. "Er baute das obere Tor des Hauses Jehovas" (V. 35), eine charakteristische Handlung seiner Regierung, wie sie im Buch der Könige berichtet wird. Welch ein Vorrecht, wenn ein Gläubiger als Andenken etwas zurücklässt, was er für das Haus Gottes getan hat! Gott verzeichnet diese Tat und teilt sie uns zum Gedächtnis an Jotham mit. Es gibt in seinem Leben auch andere Taten, und die Bücher der Chronika erzählen sie uns; aber ist es nicht rührend zu sehen, dass Gott diese hier ins volle Licht rückt, um zu zeigen, dass sie in Seinen Augen die Regierung dieses treuen Königs kennzeichnet? Ohne den Eingebungen der Einbildungskraft zu folgen, kann man wohl annehmen, dass die Tochter Zadoks ihrem Sohn von seiner frühesten Jugend an die Achtung vor dem Tempel Jehovas eingeprägt hatte, und dass unter diesem Einfluss das Haus Gottes der Mittelpunkt der Tätigkeit des Königs gewesen war.
Pekach, der Sohn Remaljas, mit Rezin, dem König von Syrien verbündet, beginnt in den Tagen Jothams gegen Juda heraufzuziehen (V. 37). Die Sünde Judas machte die Zucht Gottes nötig, aber die Folgen dieser Zucht konnten durch die Gottesfurcht des Führers des Volkes hinausgeschoben werden wie es später unter dem frommen König Hiskia bei seiner Bedrängung durch den Assyrer geschah. Es scheint wenigstens, dass dies auch während der Regierung Jothams der Fall war.


KAPITEL 16 Ahas, König von Juda

Ahas, der Sohn Jothams, gelangt zur Regierung über Juda drei Jahre vor dem Tode Pekachs, des Königs von Israel, der zwanzig Jahre zu Samaria regierte. Der Name seiner Mutter wird uns nicht mitgeteilt, als ob Gott ihr diese Schmach hätte ersparen wollen. Statt Jehova zu dienen, wandelte er auf dem Weg der Könige von Israel und kehrte zu den bösen Tagen des gottlosen Ahab zurück, indem er in Juda den Dienst des Baal und des Moloch, dem er seinen Sohn opferte, wieder einführte (2. Chron. 28, 2). Seine Vorgänger hatten die Höhen nie zerstört und ließen dem Volke zu, dort zu räuchern. ohne sich selbst mit dieser Abgötterei zu verbinden. Ahas opferte selbst und "räucherte auf den Höhen und auf den Hügeln und unter jedem grünen Baume". Er tat was böse war in den Augen Jehovas, gleich den Königen von Israel. Lasst uns beachten, dass diese Bezeichnung „böse" immer im Blick auf Jehova gegeben wird. Sicher kommt es vor, dass der Schuldige dem Verbrechen und der Unreinheit, ja, aller Art von sittlich Schlechtem anheimfällt, wenn er Gott verlässt; aber es ist nicht immer so. Jerobeam I., Joas, der König von Israel, Jerobeam II. z. B. waren in den Augen der Menschen bedeutende Fürsten; zwei von ihnen waren "Retter" ihres Volkes, die dazu beitrugen, Israel einen Namen zu machen. Aber für Gott liegt die Sache ganz anders.

Für Ihn handelt es sich darum, den Beziehungen Ausdruck zu geben, in denen diese Könige (wie hier Ahas) zu Ihm standen.
Die so einfache Tatsache, dass der sittliche Maßstab eines Menschen in seinem Verhalten Gott gegenüber liegt, wird in unseren Tagen ganz besonders vergessen. Ein Mensch kann Freidenker, sogar Atheist sein, ‑ wenn sein Verhalten in sittlicher Hinsicht unanstößig ist und er der Menschheit Dienste erweist, so werden sogar Christen ihn für einen ausgezeichneten Menschen erklären, als ob Gott etwas von ihm annehmen oder ihn wegen seines guten Betragens irgendwie davon entbinden könnte, an Ihn zu glauben. Ein verhängnisvoller Irrtum für jenen Menschen, der aber besonders schlimm wird, wenn Christen ihn gutheißen und so nicht mehr anerkennen dass es ohne die Furcht Gottes für den Menschen nicht einmal einen Anfang der Weisheit geben kann. Wenn diese Ungläubigen einmal vor Gott erscheinen, werden sie von Ihm überführt werden, ‑ aber dann leider zu spät! ‑ dass sie getan haben was böse ist in den Augen Jehovas, und die Christen, die deren Unglauben entschuldigt haben, werden die Verantwortlichkeit dafür tragen, dass sie ihnen durch ihre strafbare Zustimmung den Weg zur Buße verschlossen haben.
„Ahas wandelte auf dem Wege der Könige von Israel" (V. 3). Eine doppelte Verurteilung dieses Königs, der, obwohl er den Dienst des wahren Gottes in Juda kannte, ihm den Rücken wandte, um die Greuel der götzendienerischen Nationen auszuüben.
Das Gericht, das sich unter Jotham gegen das Volk vorbereitete, trifft jetzt Ahas wegen seiner Untreue. "Damals", heißt es, „zogen Rezin, der König von Syrien, und Pekach  der Sohn Remaljas, der König von Israel, nach Jerusalem hinauf zum Streit; und sie belagerten Ahas, aber sie vermochten nicht wider ihn zu streiten" *) (V. 5). 
Obwohl wir es des Raumes wegen, bis zur Betrachtung des zweiten Buches der Chronika aufschieben müssen, die Propheten von Juda zu erwähnen, sind wir doch gezwungen, hier und da von dieser Regel abzuweichen und hier den Propheten Jesaja zu erwähnen, umso mehr als Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel, eine wichtige Rolle dabei spielt. Der König von Israel, vorher mit Syrien im Kriege, ist jetzt dessen Bundesgenosse, einerseits jedenfalls, um sich vom Joche Tiglath-Pilesers, des Königs von Assyrien, freizumachen, der ihn eines großen Teils seines Gebietes beraubt hatte, wie wir weiter oben gesehen haben, aber auch um das, was Juda ihm genommen hatte, wiederzugewinnen, wobei er zugleich den Plänen seines Verbündeten diente.
Die beiden Könige ziehen also gegen Jerusalem herauf und „belagern Ahas, aber sie vermögen nicht wider ihn zu streiten". Das Herz Ahas und seines Volkes bebte, "wie die Bäume des Waldes vor dem Winde beben" (Jes. 7, 2). Jehova sendet Jesaja dem König entgegen, in Begleitung seines Sohnes SchearJaschub, dessen Name bedeutet: Der Überrest wird umkehren (Vergl. Jes. 10, 21). Er redet in Gnade mit diesem gottlosen König. Das zeigt, dass Gott, wie es auch sein mag, Seinen Verheißungen treu bleibt und Seine Beziehungen zu Israel und Juda in der Person Christi und des Überrestes erneuern wird. Wie rührend ist die langmütige Gnade Gottes gegen diesen schlechten König! Er flößt ihm wieder Mut ein statt ihn zu vernichten. Er kündigt ihm die Rettung an. Er sagt ihm: "Hüte dich und halte dich ruhig"; lass mich handeln. Er ruft dem, der von Seiner Seite alles zu fürchten hatte, zu: "Fürchte dich nicht". Er gibt ihm die Zeit an, wann Ephraim aufhören werde, ein Volk zu sein.

 Das Böse ist für einen genau begrenzten und unwiderruflichen Zeitraum bestimmt, aber trotz allem würde Juda, wenn es glaubte, noch eine kleine Zeit Bestand haben (Jes. 7, 9). Der Geist Gottes sagt durch den Propheten zu Ahas: "Fordere dir ein Zeichen von Jehova, deinem Gott". Ahas antwortet: „Ich will nicht fordern und will Jehova nicht versuchen", indem er seinen Unglauben und seinen Ungehorsam durch einen Schein von Frömmigkeit in ein günstiges Licht zu stellen sucht. „Jehova versuchen" ‑ damit sagt Ahas, dass er Ihm misstraue, aber tatsächlich tat er noch viel mehr als das: er glaubte nicht an das Wort Jehovas. Dann kündigt Jehova ihm ein Zeichen an: Juda, das heißt das durch Ahas dargestellte Haus Davids, hat Gott ermüdet, der an seine Stelle Immanuel, den Samen des Weibes, setzen wird (V. 14). Doch bevor der zweite Sohn, der dem Propheten geboren werden sollte, wissen würde, „das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen," würde das Land verlassen sein, vor dessen beiden Königen dem Ahas graute. Dieser Sohn sollte den Namen tragen: Es eilt der Raub, bald kommt die Beute", und ehe der Knabe wissen würde, „mein Vater" und "meine Mutter" zu rufen, würde das Land Pekachs und Rezins verlassen sein. Diese Prophezeiung hat sich wörtlich erfüllt, und der Plan dieser Könige, „den Sohn Tabeels" zum König in Juda einzusetzen, wurde vereitelt.
Ahas zieht vor, Pekach und Rezin gegenüber sein Vertrauen auf den König von Assyrien zu setzen, statt auf Jehova zu vertrauen und Ihm zu gehorchen. Das erklärt die Antwort, die er Jesaja gibt. Er hatte "Boten an Tiglath-Pileser, den König von Assyrien, gesandt und ihm sagen lassen: Ich bin dein Knecht und dein Sohn; komm herauf und rette mich aus der Hand des Königs von Syrien und aus der Hand des Königs von Israel, die sich wider mich erhoben haben. Und Ahas nahm das Silber und das Gold, das in dem Hause Jehovas und in den Schätzen des Königshauses sich vorfand, und sandte es als Geschenk an den König von Assyrien. 

Und der König von Assyrien hörte auf ihn; und der König von Assyrien zog hinauf wider Damaskus und nahm es ein und führte seine Einwohner weg nach Kir; und Rezin tötete er" (2. Kön. 16, 7‑9). Auch lässt Gott ihm sagen: „Jehova wird über dich und über dein Volk und über das Haus deines Vaters Tage kommen lassen, wie sie nicht gekommen sind seit dem Tage, da Ephraim von Juda gewichen ist, ‑ den König von Assyrien" (Jes. 7, 17); und im Blick auf Israel und Syrien: "Man wird vor dem König von Assyrien hertragen den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria" (Kap. 8, 4). So spricht Jehova das, was Er gegen Israel, als es die Hilfe Assyriens suchte, ausgesprochen hatte (Hos. 5, 13. 14), jetzt gegen Juda aus, da es nach dem gleichen Bündnis trachtet. Das erste Ergebnis seines Vertrauens auf Assyrien scheint für Juda günstig gewesen zu sein. Tiglath-Pileser erobert Damaskus, führt die Einwohner fort und tötet Rezin. Die lange vorher durch Amos (Kap. 1, 3‑5) ausgesprochene Weissagung geht jetzt in Erfüllung.
Ahas ist mit seinen Übertretungen noch nicht zu Ende. Die Weissagung Jesajas übt keine Wirkung auf sein Gewissen aus. Er zieht dem König von Assyrien nach Damaskus entgegen, um ihm für seine Hilfe zu danken und ihn zu seinem Erfolg zu beglückwünschen. Als er den Götzenaltar Rezins sieht, sendet er ein Abbild davon nach Jerusalem und stellt es im Vorhof des Tempels auf. Es findet sich auch ein Hoherpriester, diese ruchlose Tat auszuführen! 2. Chron. 28, 22 teilt uns mit, dass Ahas den Göttern von Damaskus opferte, denn das Opfer auf einem anderen Altar darzubringen, als dem ehernen, hieß den falschen Göttern opfern.
Finden wir nicht etwas Ähnliches in der heutigen Religion, wo Menschen, die sich Christen nennen, meinen, Gott nahen zu können durch einen anderen Altar als den der Sühnung, an die sie nicht mehr glauben? Gleich dem Altar Rezins ist der ihrige viel größer und hat ein weit schöneres Aussehen, als der Altar Gottes. Die alte religiöse Engherzigkeit, sagen sie, hat breiteren Ansichten Platz gemacht. Es ist nicht mehr das Blut des Kreuzes, das den Sünder rechtfertigt und erlöst. Sie haben einen anderen Christus als den, der am Kreuze starb, einen Christus, der durch Sein Leben die Verbindung der Menschheit mit Gott erneuert hat, wobei Sein Kreuz nichts anderes ist als die Krönung eines Lebens voll edler Hingebung. Der neue Altar hat gar keinen Berührungspunkt mit dem alten. 

Seine Gestalt und seine Schönheit machen ihn für die Welt unendlich begehrenswerter als den ehernen Altar; auch wird der Altar von seiner Stelle gerückt, beiseitegesetzt (V. 14). Er ist nicht mehr der unumgängliche Ausgangspunkt, wenn es sich darum handelt, ‑Gott in Seinem Heiligtum zu nahen. Mit einem Wort, man hat einen neuen Ausgangspunkt, man setzt eine neue Religion ein, und die erste wird in die Ecke verwiesen. Der eherne Altar kann höchstens noch zum "Erforschen" dienen (V. 15), nicht, wie man diese Stelle auch übersetzt, "zum Erwägen, was damit geschehen soll", sondern um ihn zu abergläubischen Gebräuchen zu benutzen. Die Religion Ahas läuft, wenn es sich um die angebliche Anbetung Jehovas handelt, einerseits auf den Unglauben hinaus, andererseits auf den Aberglauben bezüglich der eigentlichen Grundlage des Glaubens, des Kreuzes Christi.
Der Frevel Ahas erstreckt sich auch auf die Becken (V. 17) Sie dienten, wie wir bei der Betrachtung des ersten Buches der Könige gesehen haben, zum Waschen der Schlachtopfer, wodurch die fleckenlose Reinheit des Sühnopfers (Christus) dargestellt wurde. Ahas tut die Becken von ihren Gestellen weg. Finden wir nicht auch hier Übereinstimmung mit dem, was sich vor unseren Augen zuträgt oder was um uns her gesagt wird? Man gibt den Gedanken einer vollkommenen Reinheit Christi, des Lammes Gottes, auf, indem man sagt, dass Er denselben Neigungen unterworfen gewesen sei, die wir haben, und durch innere Lüste versucht worden sei, obwohl Er ihnen nicht nachgegeben habe. Man behält die Becken zwar bei, aber man nimmt sie von ihren Gestellen herab.
Gerade so verfuhr er mit dem ehernen Meer (V. 17), dem Mittel zur täglichen Reinigung der Priester. Es war auf die Rinder gestellt, den Sinnbildern der Geduld Gottes gegen Sein Volk mit Bezug auf dessen praktische Reinigung. Die Reinigung konnte nur wohlgefällig angenommen werden kraft der Langmut Gottes in allen Seinen Wegen gegen Sein Volk. Ahas entfernte das Meer von dem, was seine Grundlage bildete, und setzte es auf "eine Unterlage von Steinen". Ist diese Unterlage von Steinen nicht ein treffendes Bild von dem Herzen und der Natur des Menschen? Die religiösen Neigungen der Gegenwart gründen sich durchweg auf die Anmaßung, dass das menschliche Element und nicht der Charakter Gottes die Grundlage unserer Widmung für Seinen Dienst bilde, und dass ein entschiedenes Handeln des Willens des Menschen ihn fähig mache, ohne Flecken und ohne Sünde auf dem Wege Gottes wandeln zu können.
Schließlich verändert Ahas den Eingang zum Hause Jehovas (V. 18), der für andere, außer dem König, verboten war. Er tat es „wegen des Königs von Assyrien". Er verleugnet seine Vorrechte als Haupt des Volkes Gottes und verändert den "bedeckten Sabbat-Gang", das Vorrecht des Volkes selbst, um so der Welt, der er sich untertan machte, keinen Anstoß zu geben. jetzt kann sich der König von Assyrien für befriedigt erklären! Die eigentlichen Grundlagen der Religion Israels, durch die das Volk für Gott geheiligt wurde, sind verschwunden. Warum sollte die Welt fortan nicht durch den Altar von Damaskus mit dem Gott Israels in Verbindung treten? Diese abgeänderte, ihrer Kraft und ihrer Vorrechte beraubte Religion passte ihr ganz und gar!

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1912


KAPITEL 17, 1‑6 Hosea, König von Israel

Damit sind wir an dem letzten Akt der Geschichte Ephraims oder der zehn Stämme angekommen. Hosea, der Mörder Pekachs, regiert neun Jahre zu Samaria. Obwohl auch er tut, was böse ist in den Augen Jehovas, ist sein Verhalten Ihm gegenüber doch weniger gottlos, als das seiner Vorgänger; nur kümmerte er sich nicht um die Urteilssprüche Gottes, der durch alle Seine Propheten die Wegführung Israels nach Assyrien angekündigt hatte. Von Jahr zu Jahr hatte Hosea dem Könige von Assyrien Geschenke entrichtet (V. 3), nach dem Beispiel eines seiner Vorgänger, Menachem, der sich durch Geschenke zum Vasallen Puls erklärt hatte, damit dieser das Königtum in seiner Hand befestige (Kap. 15, 19. 20). Später war Tiglath-Pileser gegen Pekach heraufgezogen und hatte, wie wir uns erinnern werden, die Stämme, die jenseits des Jordan wohnten, nach Assyrien weggeführt. Pekach war augenscheinlich nicht wie Menachem, der Regel gefolgt sich Assyrien zu unterwerfen, was die politischen Beweggründe dieser Wegführung erklären würde, die uns nicht mitgeteilt werden, während der göttliche Beweggrund uns durch ein Wort in 1. Chron. 5, 26 angedeutet wird: "Der Gott Israels erweckte ... den Geist Tiglath-Pilesers, und er führte sie hinweg".

 Hier wird nur das gewöhnliche Verfahren der Könige von Assyrien gegen Israel ans Licht gestellt: "Salmaneser, der König von Assyrien, zog wider ihn herauf; und Hosea wurde sein Knecht und entrichtete ihm Geschenke" (V. 3). Dass ihm eine Eroberung durch einen Feind droht, der stärker ist als er, zwingt Hosea, jedenfalls sehr gegen seinen Willen, sich dieser Vasallenschaft zu unterwerfen.
„Aber der König von Assyrien entdeckte eine Verschwörung des Hosea; denn er hatte Boten an So, den König von Ägypten, gesandt, und hatte dem König von Assyrien kein Geschenk dargebracht, wie von Jahr zu Jahr" (V. 4). Dieses zweideutige und verdächtige Benehmen des Königs wird auch von dem Propheten Hosea erwähnt: "Ephraim trachtet nach Wind und jagt dem Ostwinde nach; den ganzen Tag mehrt es Lüge und Gewalttat; und sie schließen einen Bund mit Assyrien, und öl wird nach Ägypten gebracht" (Kap 12, 2). Und weiter: "Ephraim ist wie eine einfältige Taube geworden, ohne Verstand; sie rufen Ägypten an, sie gehen nach Assyrien" (Kap. 7, 11). Salmaneser verhaftete den König, als er die Verschwörung entdeckt hatte, "und legte ihn gebunden ins Gefängnis". Nach der Weissagung des Propheten (Hos. 10, 7) kommt der König um, ohne dass die Umstände seines Todes uns berichtet werden. Nach der Verhaftung Hoseas "zog der König von Assyrien herauf in das ganze Land, und zog herauf nach Samaria und belagerte es drei Jahre lang" (V. 5; vergl. Kap. 18,9).
Das Los der aufrührerischen Stadt war nach dem Worte Michas, der „über Samaria und über Jerusalem" weissagte, schrecklich: "Ich werde Samaria zu einem Steinhaufen des Feldes, zu Weinbergpflanzungen machen, und ich werde ihre Steine ins Tal hinabstürzen und ihre Grundfesten entblößen. Und alle ihre gegossenen Bilder werden zerschlagen und alle ihre Hurengeschenke mit Feuer verbrannt werden, und ich werde alle ihre Götzenbilder zur Wüste machen; denn sie hat sie durch Hurenlohn gesammelt, und zum Hurenlohn sollen sie wieder werden" (Micha 1, 6. 7). 

Hosea beschreibt das Ereignis mit den Worten: "Samaria wird büßen, denn es ist widerspenstig gewesen gegen seinen Gott; sie werden durchs Schwert fallen, ihre Kinder werden zerschmettert und ihre Schwangeren aufgeschlitzt werden" (Hos. 13, 16).
„Und der König von Assyrien führte Israel nach Assyrien hinweg; und er ließ sie wohnen in Halach und am Habor, dem Strome Gosans, und in den Städten Mediens" (V. 6). Man hat gedacht, dass ein Teil der zehn Stämme sich in jenem Augenblick nach Ägypten geflüchtet habe. Es ist aber kaum anzunehmen, dass die Stelle Hosea 8, 13: "sie werden nach Ägypten zurückkehren", so ausgelegt werden könnte. Derselbe Prophet hatte gesagt: "Sie rufen Ägypten an, sie gehen nach Assyrien" (Kap. 7, 17); ferner: "Ephraim hat Buhlen gedungen" (Kap. 8, 9); und weiter: "Ephraim wird nach Ägypten zurückkehrenn, und sie werden Unreines essen in Assyrien" (Kap. 9, 3). Das alles passt völlig zu der Verschwörung Hoseas, wie auch jenes andere Wort: " Es wird nicht nach dem Lande Ägypten zurückkehren, sondern der Assyrer, der wird König sein" (Kap. 11, 5). „Nach Ägypten hinabgehen" bedeutet nicht notwendigerweise dahin fliehen, sondern dort Hilfe suchen. Vergleiche Jesaja 31, 1: „Wehe denen, weiche nach Ägypten hinabziehen um Hilfe!"
Was die Stelle Hosea 8, 13 betrifft, so muss man wohl beachten, dass der Prophet die Sünde Judas beständig mit der Sünde Ephraims verbindet: "Völker werden gegen sie versammelt werden, wenn ich sie an ihre beiden Sünden binden werde. Und Ephraim ist eine ans Joch gewöhnte junge Kuh, die zu dreschen liebt; und ich, ich bin über die Schönheit ihres Halses hergefahren: ich werde Ephraim einspannen, Juda soll pflügen, Jakob soll eggen" (Kap. 10, 10. 11). So fasst er sie auch, nachdem sie in der tiefsten Knechtschaft gewesen sind, in der zukünftigen Segnung zusammen. (V. 12). Dies lässt uns verstehen, dass die Worte: "Sie werden nach Ägypten zurückkehren" in Kapitel 8, 13 sich auf Juda beziehen, das moralisch mit Israel verbunden ist. Der Beweis hierfür ist der folgende Vers: "Und Israel . . . hat Paläste gebaut, und Juda hat die festen Städte vermehrt" (V. 14), aber noch mehr: 2Siehe, sie sind weggezogen wegen der Zerstörung. Ägypten wird sie sammeln, Moph (oder Noph, Memphis) sie begraben" (Kap. 9, 6). Nun wissen wir durch die Erzählung Jeremias (Kap. 43; 44, 1), dass die Überläufer von Juda vor dem König von Babel flohen und sich nach Ägypten, unter anderem nach Noph flüchteten, indem sie den Propheten zwangen, mit ihnen dorthin zu gehen, und dass er dort gegen sie weissagte, als sie vor ihrem Unterdrücker geschützt zu sein meinten. (Vergl. 2, Kön. 25, 26).*)


KAPITEL 17, 7‑41 Göttliche Übersicht der Geschichte Israels

Gott fasst jetzt selbst diese lange Geschichte Israels, die mit dem 2. Buch Mose beginnt und mit unserem Kapitel schließt, kurz zusammen. Nicht als ob sie endgültig geschlossen wäre; sie ist es nur, insoweit es dieses Volk und seine Könige, in ihrer Verantwortlichkeit betrachtet, betrifft. Das von göttlichem Mitgefühl bewegte Herdes Propheten Hosea kündigt seine zukünftige Wiederherstellung an. "Mein Herz hat sich in mir umgewendet, erregt sind alle meine Erbarmungen. Nicht will ich ausführen die Glut meines Zornes, nicht wiederum Ephraim verderben, denn ich bin Gott und nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte, und ich will nicht in Zornesglut kommen. Sie werden Jehova nachwandeln: wie ein Löwe wird er brüllen; er wird brüllen, und zitternd werden die Kinder herbeieilen vom Meere; wie Vögel werden sie zitternd herbeieilen aus Ägypten und wie Tauben aus dem Lande Assyrien; und ich werde sie in ihren Häusern wohnen lassen, spricht Jehova" (Hos. 11, 8‑11). Der Gott, der ihnen „einen König in seinem Zorn gegeben und ihn in seinem Grimm weggenommen hatte" (Hos. 13, 11), sagt: „Von der Gewalt des Scheols werde ich sie erlösen, vom Tode befreien" (V. 14), und weiter: "Ich will ihre Abtrünnigkeit heilen, will sie willig lieben; denn mein Zorn hat sich von ihm abgewendet. Ich werde für Israel sein wie der Tau: blühen soll es wie die Lilie, und Wurzel schlagen wie der Libanon. Seine Schösslinge sollen sich ausbreiten, und seine Pracht soll sein wie der Olivenbaum, und sein Geruch wie der Libanon. Die unter seinem Schatten Wohnenden sollen wiederum Getreide hervorbringen, und blühen wie ein Weinstock, dessen Ruf wie der Wein des Libanon ist" (Kap. 14, 4‑7).
Von Vers 7‑18 unseres Kapitels zeigt Gott, was Er an Israel getan hat, seitdem Er sie als aus Ägypten Erlöste in Kanaan eingeführt hatte. Dann spricht Er davon, was s i e getan hatten, indem sie zuerst "heimlich" Dinge gegen Jehova trieben, die nicht recht waren, und in dem Götzendienst der Nationen wandelten, die Gott vor ihnen ausgetrieben hatte, und in den Satzungen, welche die Könige gemacht hatten, mit Jerobeam I. beginnend, indem sie den Kälberdienst als nationale Religion zu Dan und Bethel errichteten. Ferner hatten sie in allen ihren Städten, von den Wachttürmen bis zu den festen Städten, Höhen gebaut und Bildsäulen errichtet, männliche und weibliche Götzenbilder, und waren darin weiter gegangen als Juda, das sich damit begnügt hatte, die Höhen, die einst dem Dienst Jehovas geweiht worden waren, beizubehalten und Stätten des tatsächlichen Götzendienstes daraus zu machen (V. 8‑12).
Jehova hatte gegen sie und gegen Juda durch alle Propheten gezeugt. Hatten sie auf sie gehört? Nein, sie hatten die Satzungen des Bundes verlassen, um sich dem schrecklichen Abfall hinzugeben, dessen verschiedene Arten in Vers 14‑17 beschrieben werden. Endlich hatte Gott in Seinem Zorn sie vor Seinem Angesicht hinweggetan, und es war nichts übriggeblieben, „nur der Stamm Juda allein". Gott erkannte Juda noch an, wenn auch nur noch für eine kurze Zeit.
In den Versen 19 und 20 erwähnt Gott Juda wie im Vorbeigehen.

 Weil es auch in den Satzungen wandelte, die von den zehn Stämmen gemacht waren, verwarf Gott schließlich den ganzen Samen Israels. Von Vers 21‑24 kommt Er jedoch auf Ephraim und auf seine Trennung vom Hause Davids zurück. Diese Trennung war ohne Zweifel ein Gericht gegen Salomo gewesen und als solches von Gott angeordnet worden; andererseits aber war sie die Frucht des bösen Herzens Israels, für das der Tempel Gottes zu Jerusalem geringe Bedeutung hatte, wenn es galt, eine von Juda unabhängige Nation zu werden. Vielleicht hätte Israel trotzdem nicht daran gedacht, sich eine Religion zu ersinnen, wenn nicht die politischen Pläne des Königs Jerobeam sein Volk gezwungen hätten, diesen Weg zu betreten. Jerobeam war ohne Gottesfurcht, .lenkte Israel von der Nachfolge Jehovas ab und verleitete sie zu einer großen Sünde" (V. 21). Andererseits aber "wandelten die Kinder Israel (sie waren also selbst schuldig) in allen Sünden Jerobeams, die er getan hatte; sie wichen nicht davon " (V. 22). Auch wurde Israel nach Assyrien weggeführt. Man sieht hier im 24. wie auch im 6. Vers, welch eine ungeheure Ausdehnung dieses Reich gewonnen hatte. Der König von Assyrien ließ Leute aus Babel und aus anderen Orten kommen, damit sie an Stelle der Weggeführten in den Städten Samarias wohnten.
Diese in das Land Israel gebrachten heidnischen Nationen fürchteten Jehova nicht. Er sandte Löwen unter sie, die sie töteten. Gott trug Sorge für das Land Seines Erbteils. Er ließ Sich Seine Rechte an Sein Land nicht nehmen. Er wollte nicht, dass es wieder dem Fluch anheimfiele, von dem Er es befreit hatte, als Er die Kanaaniter ausrottete. Wie groß auch der Verfall sein mochte, im Blick auf die Zukunft sollte der Name Jehovas nicht gänzlich dem Lande Israel entrissen werden, denn der Überrest des wahren Israel soll das Land ererben.
Die armen und unwissenden Heiden, die den Gott Israels ihren falschen Göttern gleichgestellt hatten, verstanden das Strafgericht Gottes durch die Löwen. Sie waren einsichtiger als das Volk Jehovas (V. 26). Der König von Assyrien lässt ihnen einen der weggeführten Priester senden, um "sie die Weise des Gottes des Landes zu lehren"; doch dieser Priester hatte selbst die abscheuliche Vermengung der Götzen mit der Religion des wahren Gottes unterstützt und konnte sie nur seine eigene Verderbtheit lehren, so dass sie einerseits lernten, " Jehova zu fürchten", während andererseits jeder sich seine Götter machte und "sie in die Höhenhäuser stellte, welche die Samariter gemacht hatten" (V. 29). 

Eine verderbte Religion ‑es ist nötig, diese offenkundige Tatsache noch besonders hervorzuheben ‑ kann die Menschen nicht zur Wahrheit leiten; sie wird sie immer nach ihrem Muster bilden. Auch heißt es: "Sie fürchteten Jehova, und sie machten sich aus ihrer Gesamtheit Priester der Höhen, welche für sie in den Höhenhäusern opferten" (V. 32). Hatte nicht Jerobeam bezüglich des Priestertums das auch getan? Was sie von dem Priester von Samaria lernen, bringt sie auf den gleichen Weg, nur gehen sie noch ein wenig weiter, und die Priester, die sie nach der Weise Jerobeams anstellen, werden ganz einfach Priester ihrer Götzen (Vergl. V. 29 mit V. 32). Das Wort Gottes wiederholt: "Sie fürchteten Jehova, und sie dienten ihren Göttern nach der Weise der Nationen, aus welchen man sie weggeführt hatte", aber es fügt im 34. Verse hinzu: "Bis auf diesen Tag tun sie nach den früheren Weisen: sie fürchten Jehova nicht, und sie tun nicht nach ihren Satzungen und nach ihren Rechten, und auch nicht nach dem Gesetz und nach dem Gebot, welches Jehova den Söhnen Jakobs geboten hatte, dem Er den Namen Israel gab".

Lasst uns nicht vergessen, dass die Furcht Jehovas, dieser erste Schritt auf dem Wege der Weisheit, nicht mit dem Götzendienst der Welt verbunden werden kann, mag es sich um die Götzen der Heiden oder um die der gegenwärtigen Welt handeln, die Christum verwirft und die Herrschaft Satans anerkannt hat. Die, welche dem Anschein nach Gott fürchten, fürchten Ihn in Wirklichkeit nicht, wenn sie Ihm nicht gehorchen, denn Ihn fürchten heißt Ihm gehorchen. Gott duldet keine Vermengung.
Beachten wir, wie sehr in dieser ganzen Stelle die Furcht Jehovas, der Anfang der Weisheit, ebenso sehr auf das Gewissen des Volkes (V. 35‑40) wie auf das der Nationen gelegt wird. Jehova hatte zu Israel gesagt: "Ihr sollt nicht andere Götter fürchten" (V. 35. 37. 38); „ihr sollt Jehova fürchten und ihn anbeten" (V. 36); „Jehova, euren Gott, sollt ihr fürchten, und er wird euch erretten aus der Hand aller eurer Feinde" (V. 39). In dieser kurzen Stelle kehrt das Wort „fürchten" elfmal wieder. Von diesem grundlegenden Gebot hing und hängt heute noch alles ab.
Was diese Nationen betrifft, so ließ sie Jehova durch den Angriff der Löwen Sein Missfallen fühlen und lenkte dadurch ihre Aufmerksamkeit auf Ihn hin.

 Dann überließ Er sie ihrer eigenen Verantwortlichkeit und befolgte so ihnen gegenüber denselben Grundsatz, der Ihn bei Seinem Volke geleitet hatte. Sie achteten hierauf ebenso wenig wie Israel. Aber welche der beiden Parteien war die schuldigere? Als die gefangenen Juden wieder in ihr Land zurückgeführt waren, um Christum aufzunehmen, verachteten sie die Samariter sehr und verkehrten nicht mit ihnen (Joh. 4, 9). ja, sie gingen sogar noch weiter und sagten zu ihrem Messias: Du bist ein Samariter! (Joh. 8, 48). So verurteilt der religiöse Mensch seine Mitmenschen, wiewohl er unter demselben Urteil steht, und so verurteilt er Gott! Der verworfene Jesus nimmt den Namen "Samariter" an, um in einem Gleichnis zu zeigen, dass trotz der entehrenden Stellung, die man Ihm gegeben hatte, Er allein der Spender der Gnade war, im Gegensatz zu dem religiösen Menschen, den seine Selbstgerechtigkeit hinderte, für das unglückliche Israel, das in die Hände der Nationen gefallen und von diesen ausgeplündert worden war, der Nächste zu sein!


Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1912 S. 225ff
KAPITEL 18‑25 DIE LETZTEN KÖNIGE VON JUDA

KAPITEL 18‑20 Hiskia, König von Juda

Nachdem die Geschichte Israels zu Ende ist, finden wir bis zum Schluss des Buches die Geschichte der letzten Könige von Juda. Lasst uns, bevor wir auf die Einzelheiten eingehen, einen allgemeinen Gegenstand von höchster Bedeutung näher betrachten, nämlich die Erweckungen des Endes.
Äußerlich wandelte Juda allerdings noch mit Gott, aber sein Verfall war schon lange offenbar. Er war ganz besonders hervorgetreten, seitdem der gottesfürchtige König Josaphat nach dem Bündnis mit Ahab getrachtet hatte. Obwohl Juda den äußeren Schein bewahrte, war es innerlich doch fern von Gott. Die Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel unterrichten uns über seinen inneren Zustand. So sagt Jesaja, indem er den Zustand Judas in diesem Zeitabschnitt beschreibt: "Weil dieses Volk mit seinem Munde sich naht und mit seinen Lippen mich ehrt und sein Herz fern von mir hält, und ihre Furcht vor mir angelerntes Menschengebot ist: darum, siehe, will ich fortan mit diesem Volk handeln, wunderbar und wundersam; und die Weisheit seiner Weisen wird zunichte werden, und der Verstand seiner Verständigen sich verbergen" (Jes. 29, 13. 14). Und weiter: "Denn es ist ein widerspenstiges Volk, betrügerische Kinder, Kinder, die das Gesetz Jehovas nicht hören wollen" (Kap. 30, 9).

 Und wenn Sanherib im Begriff steht, in Juda einzufallen: "Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergriffen. Wer von uns kann weilen bei verzehrendem Feuer? wer von uns kann weilen bei ewigen Gluten? ‑ Wer in Gerechtigkeit wandelt und Aufrichtigkeit redet; wer den Gewinn der Bedrückungen verschmäht; wer seine Hände schüttelt, um keine Bestechung anzunehmen; wer sein Ohr verstopft, um nicht von Bluttaten zu hören, und seine Augen verschließt, um Böses nicht zu sehen" (Kap. 33, 14. 15). Es ist unnötig, weitere Stellen anzuführen. Wir werden übrigens Gelegenheit haben, hierauf zurückzukommen, wenn wir bei der Betrachtung der Regierung Josias bezüglich der inneren Geschichte Judas den Propheten Jeremia zu Rate ziehen werden.
Inmitten dieses Zustandes der Dinge hatte Ahas, der König von Juda, es sich zur Aufgabe gemacht, die grundlegenden Einrichtungen des Tempels Jehovas zu verändern. Man erfährt nichts davon, dass das Volk den geringsten Widerspruch gegen diese Entweihung erhoben habe. Es ließ ihn gewähren. Auch war unter der Regierung Ahas' der Zorn Jehovas gegen Juda entbrannt (2. Chron. 28, 9), indem Er es in die Hände Ephraims gab, und gegen Ahas selbst von dem es heißt, dass "er in Juda zügellos gehandelt und sich ganz treulos gegen Jehova gezeigt" habe (2. Chron. 28, 19). Nur der gottlose Manasse übertraf in späteren Tagen Ahas noch an Bosheit.
Zwischen diesen beiden Königen errichtete Gott in Juda ein Zeugnis. Wir treten damit in den Zeitabschnitt der eigentlichen Erweckungenn ein; die erste, mit der wir uns gerade beschäftigen wollen, war die Erweckung unter Hiskia, die zweite die unter Josia. Ein hervorstechender Charakterzug dieser Erweckungen ist, dass sie die bedingungslose Frucht der Gnade Gottes sind. Nichts lässt sie vorhersehen, keine vorbereitende Tätigkeit führt sie herbei, kein Anzeichen von Buße bei dem Volk geht ihnen voraus. Sie sind das unmittelbare Werk des Geistes Gottes und gehen in auffallender Weise mitten aus dem Verfall Judas hervor. Hiskia ist der Sohn eines gottlosen und den Greueln des Götzendienstes ergebenen Vaters; sein Sohn Manasse übertrifft Ahab an Abtrünnigkeit. Manasses Sohn Amon ist ebenso abtrünnig wie er. Aber dessen Sohn Josia, der Enkel Manasses, ist wieder das Werkzeug einer Erweckung in Juda. Nach ihm kommt der Zeitabschnitt des Endes, wo es scheint, als wolle die Leuchte Davids für immer erlöschen.
Diese Erweckungen haben für uns eine ganz besondere Bedeutung. 

Wir leben am Ende der Geschichte der Christenheit, die, abgesehen von dem heidnischen Götzendienst, in sittlicher Hinsicht ähnlich ist wie das Ende der Geschichte Judas. Das Gericht über den gegenwärtigen Stand der Dinge ist vorlängst durch das Wort Gottes ausgesprochen worden (siehe 2. Tim.; 2. Petr.; Judas), und niemand achtet darauf. Im Augenblick ihres plötzlichen Verderbens rufen die Menschen noch: "Friede und Sicherheit!" Die Gnade Gottes setzt gegenwärtig noch durch Erweckungen der alles fortreißenden Flut einen Damm entgegen. Er benutzt sie, um aus der schon verurteilten Masse eine kleinere oder größere Zahl von Seelen, die auf den Ruf Seines Evangeliums merken, herauszunehmen. Er bereitet auf diese Weise die Ankunft Seines Geliebten zur Aufnahme der Seinen vor, indem Er die Zahl der Auserwählten vollständig macht, damit nicht einer von ihnen beim letzten endgültigen Sammelruf fehle.
Diese Erweckungen des Endes tragen nicht alle den gleichen Charakter, doch wenn man sie von den vorhergegangenen Zurückführungen zur Gottesfurcht zu unterscheiden sucht, findet man zunächst, dass sie nicht nur die Person des Königs betreffen, sondern auch vom Volk geteilt werden. Ferner, dass sie trotz ihrer Mannigfaltigkeit ein Kennzeichen gemeinsam haben, nämlich den völligen Bruch der Überlieferungen, die durch ihr Alter den Augen der Menschen achtungswert erschienen, obgleich sie weder die Unterweisung des Heiligen Geistes zur Grundlage hatten, noch irgendwie von Gott angeordnet worden waren.

 Die Erweckungen des Endes sind mit einem Worte der Bruch mit der Überlieferung und die Rückkehr zu dem, was von Anfang war. Diese Tatsache fällt uns besonders in der Geschichte Hiskias und in der Geschichte Josias auf. David, das Haupt des königlichen Geschlechts, hatte nicht auf den Höhen geopfert; er war nur um eines besorgt: einen Ort für die Lade Jehovas zu finden. Nachdem dieser Ort in Zion gefunden war, hält er sich dort auf und übt da den Gottesdienst aus. Salomo folgt seinem Vater nicht auf diesem Wege; er weicht insofern davon ab, als er Jehova auf den Höhen opfert ‑ ein gefährlicher Brauch, der auch schreckliche Früchte trägt, wenn das Herdes Königs durch seine fremden Weiber mitfortgerissen wird (Vergl. 1. Kön. 11, 7. 8). Die Höhenopfer, eine Überlieferung der Regierung Salomos, wichen fortan nicht mehr aus Juda, ja, man kann sagen (worauf wir schon aufmerksam gemacht haben), dass die Höhen einen Teil seiner National-Religion bildeten.*) Wir sind daher berechtigt zu behaupten, dass diese Religion, obwohl sie Züge der Wahrheit beibehielt, das aufgegeben hatte, was im Anfang war und was nicht nur auf David, sondern auf Mose zurückging (siehe 5. Mose 12, 1‑3). Sie begünstigte das Bündnis Josaphats mit dem König von Israel, denn wenn auch kein sittliches Band zwischen den beiden Königen bestand, so machte doch die Gleichförmigkeit gewisser religiöser Übungen zwischen den beiden Völkern den gottesfürchtigen Josaphat blind für die Gottlosigkeit eines solchen Bündnisses.

 Eine derartig einsetzende Erschlaffung trägt früher oder später ihre Früchte. Der gottlose Ahas wagt sich nicht an die Höhen Salomos, wohl aber an Dinge, die von Salomo, nach dem im Anfang durch Jehova dem David mitgeteilten Muster, gemacht worden waren, das heißt an das Haus Gottes selbst. Er hält alle göttlichen, bei der Einrichtung des Tempels verkündigten Grundsätze für wertlos, wie man in unseren Tagen alle Glaubenssätze für wertlos hält, ohne vor der göttlichen Einrichtung der Dinge des Christentums mehr Achtung zu haben, als Ahas vor dem Altar und den Becken hatte.
Wir haben gesagt, dass der gemeinsame Charakter der Erweckungen des Endes die Trennung von der landläufigen Religion sei, um zu dem zurückzukehren, was im Anfang im Worte Gottes gelehrt worden ist. Wir finden daher unter Hiskia, dass er gänzlich alles zerstört, was auf die Höhen Bezug hatte, die Bildsäulen, die Aschera, den Weihrauch, die Priester und jene ganze Religion der Wahrsager, Geisterbeschwörer usw., zu der Israel verleitet worden war. Noch gründlicher ist sie unter Josia, der sie in dem ganzen Gebiet Kanaans durchführt. Beim Vergleich der Geschichte Josias mit der Hiskias werden wir die unterscheidenden Charakterzüge dieser Erweckung hervorheben; denn jede trägt einen besonderen Charakter, den verschiedenen Zeitabschnitten entsprechend, deren Bedürfnisse Gott kannte. Beschränken wir uns zunächst auf die Betrachtung der Erweckung, die die Regierung Hiskias kennzeichnete.


KAPITEL 18, 1‑18 Hiskia und die erste Erweckung

Die Mutter Hiskias war wahrscheinlich aus priesterlichem oder levitischem Geschlecht und der Herr benutzte sie bei der Erweckung ihres Sohnes, da Ahas, der Vater Hiskias, nur einen unheilvollen Einfluss hätte haben können. Doch wie es auch hinsichtlich der Einflüsse, ob günstig oder ungünstig, stehen mag, eines bleibt, nämlich dass die Gnade allein die Charaktere eines Hiskia und Josia erklärlich machen kann. Die letzten Könige von Juda, die trotz ihrer jüdischen Mutter oder ihrer gottesfürchtigen Väter gottlos waren, beweisen das.
„Er tat was recht war in den Augen Jehovas, nach allem was sein Vater David getan hatte" (V. 3). Gott vergleicht seine Treue mit dem durch David gegebenen Beispiel, und das ist um so bemerkenswerter, als es von seinen Vorgängern nicht gesagt wird. Jothain "tat was recht war in den Augen Jehovas, nach allem was sein Vater Ussija getan hatte" (Kap. 15, 34), Ussija "nach allem was Amazja getan hatte" (Kap. 15, 3); Amaiza nach allem was Joas getan hatte" (Kap. 14, 3). Das Wort Gottes macht die gleiche Bemerkung bei Josia wie bei Hiskia (Kap. 22, 2), indem es so die Tatsache bestätigt, dass diese beiden Könige zu dem zurückkehrten, was von Anfang war. Man kann heute nicht von einer wirklichen Erweckung reden, wenn sie nicht diesen Charakter hat.*) 
So war es auch in den Tagen Esras und Nehemias. Selbst in Zeiten des größten Verfalls kehrte das Volk zu den göttlichen Grundlagen und zum Worte Gottes zurück, indem es sich zugleich von jedem gemeinsamen Handeln und jeder Verbindung mit der Welt absonderte. In unseren Tagen behauptet man Erweckungen hervorzubringen, indem man die Verbindung mit der bekennenden Christenheit bestehen lässt, die Gott, den Herrn Jesum, den Heiligen Geist und das Wort entehrt! So war es nicht bei Hiskia. Er machte dem Verderben, das in Juda eingeführt worden war, keinerlei Zugeständnisse. 

Was ihn jedoch von uns als den Grundsätzen nach einfachen Christen unterscheidet, ist, dass Hiskia als König eine besondere Autorität und Verantwortlichkeit von seiten Gottes hatte, und dass es seine Pflicht war, diese seine Autorität zu gebrauchen, um das Volk zu reinigen ‑ eine Handlung, die (wie bei den vorhergegangenen Regierungen) seine Untertanen für seine persönliche Frömmigkeit hätte gleichgültig lassen können. Die Erweckung vollzog sich im Herzen des Königs, er selbst war deren treibende Kraft, und nunmehr erhob sich die Frage, ob Herz und Gewissen des Volkes dem gegebenen Anstoß folgen würden. In 2. Chron. 30, 10‑14 und 31, 1 sehen wir, dass der Eifer Hiskias seine Früchte trug und bei dem Volk Demütigung hervorrief und Einheit in Herz und Sinn, sich von dem Bösen zu reinigen. Nicht nur die aus Juda, sondern auch die Überreste von Ephraim, die bei der Wegführung im Lande geblieben waren, empfanden die gesegneten Wirkungen der Frömmigkeit des Königs, so dass die Werkzeuge des Götzendienstes nicht nur in Juda und Benjamin, sondern auch in Ephraim und Manasse zerstört wurden.
„Er tat die Höhen hinweg und zerschlug die Bildsäulen und rottete die Aschera aus, und zertrümmerte die eherne Schlange, welche Mose gemacht hatte; denn bis zu jenen Tagen hatten die Kinder Israel ihr geräuchert, und man nannte sie Nechustan (Ehernes)" (V. 4). An dieser Stelle wird die Reinigung dem König allein zugeschrieben. Sie war, was ihn betrifft, vollständig und ging bis zu der ehernen Schlange, die Mose einst gemacht hatte. Ist die Tatsache nicht eindrucksvoll, dass das Wort die eherne Schlange nach der Zeit, da Mose sie in der Wüste aufrichtete, gar nicht mehr erwähnt? Und doch hatte Israel sie mehr als 700 Jahre lang sorgfältig aufbewahrt, ohne Zweifel als Andenken an die durch dieses Mittel zu Gunsten des Volkes bewirkte wunderbare Rettung. 

Israel war durch sie geheilt worden; war es da nicht natürlich, dass man die Schlange als sichtbares Zeichen dieser Heilung aufbewahren wollte? Sie war etwas Ehrwürdiges, ein altersgraues Bild der Errettung von der Sünde und deren Folgen durch das Opfer Christi; aber sie war in den Händen des Feindes zu einem Mittel des Götzendienstes für das Volk geworden. man räucherte ihr. So bedurfte es des Einschreitens des treuen Hiskia, um diesen verborgenen Götzendienst der mit einer Form göttlicher Einsetzung umkleidet war, aufzudecken und zu beseitigen.
Diese Schlange war ein Symbol, also nicht etwas, das in sich eine wunderbare Eigenschaft besessen hätte. Die einzige Gelegenheit, wo man sie benutzt hatte, war nicht wiedergekehrt und konnte nicht wiederkehren; so hatte sie in sich selbst nicht mehr Wert, als irgendein anderes Nechustan oder Stück Erz. Die Nechustans, d. h. eine mehr verborgene, aber deshalb nicht weniger grobe Abgötterei, als der gewöhnliche Götzendienst, waren von jeher zahlreich in der Christenheit. Wie Nechustan, so hat auch das Kreuz Christi zu abergläubischen Gebräuchen Anlaß gegeben. Ein Stück des „echten Kreuzes" küssen, oder ein Stück Erz oder Elfenbein, das den auf dem Kreuze sterbenden Herrn darstellt, verehren, das ist allgemeiner Brauch in einem großen Teil der Christenheit. Der Mensch hängt sich an ein Symbol und erkennt ihm irgend einen Wert oder eine besondere Eigenschaft zu. Er macht aus dem Symbol seinen Gott. Ist das besser, als der Götzendienst, der die Eigenschaften Gottes zu Göttern macht? Gewiss nicht; es ist eine ebenso große Abgötterei wie jene und eine noch gefährlichere, weil sie sich eines Gegenstandes bemächtigt, der noch geweihter, noch heiliger ist: des Kreuzes, des Mittelpunktes aller Ratschlüsse Gottes, des Symbols der ewigen Liebe, um daraus ein Götzenbild zu machen, das die Augen des Fleisches sehen und die Lippen küssen können, während es selbst weder Augen zum Sehen noch Ohren zum Hören hat. 

Der Glaube wirft diese Dinge beiseite und nimmt sie für das, was sie sind: nicht mehr und nicht weniger als ein Stück Holz oder Erz.
„Er vertraute auf Jehova, den Gott Israels." Das ist der besondere und eindrucksvolle Charakterzug Hiskias und der Erweckung, die mit seiner Regierung verbunden war ‑ das Vertrauen auf Gott. Dieses Vertrauen ließ ihn jede menschliche Hilfe zurückweisen. Er suchte nicht, wie andere Könige, Hilfe bei Ägypten, um sich vor Assyrien zu retten (Jes. 30, 1‑5; 31, 1‑3); auch stützte er sich nicht, wie sein Vater, gegen andere äußere Feinde auf Assyrien, wiewohl sein Glaube selbst nach dieser Seite hin Schwächen zeigte, wie wir sehen werden.
Bezüglich des Vertrauens auf Jehova hatte Hiskia nicht seinesgleichen unter den Königen von Juda; und dieses Vertrauen ist unzertrennlich verbunden mit G e h o r s a m : "Er hing Jehova an, er wich nicht von ihm ab; und er beobachtete seine Gebote, die Jehova dem Mose geboten hatte". Ein sogenanntes Vertrauen auf Gott, das mit Ungehorsam gegen Gottes Wort verbunden ist, ist stets verdächtig. 

Wenn ich Vertrauen auf Gott habe, so hange ich Ihm an; und wenn ich Ihm anhange, so beobachte ich Sein Wort, und zwar beobachte ich es so, wie Er es mir im Anfang anvertraut hat, geradeso wie Hiskia das beobachtete, "was Mose geboten worden war. Man kann sicher Vertrauen auf Gott mit viel Unkenntnis vermischt finden, aber Unkenntnis ist nicht Ungehorsam. Doch wenn eine Seele die deutliche Offenbarung der Gedanken Gottes besitzt und dennoch ihre religiösen Formen, ihre Höhen und ihre Nechustans vorzieht, hat sie niemals ein wahres Vertrauen auf Gott. Ja, Vertrauen, Anhangen an dem Herrn und Gehorsam sind drei unzertrennliche Dinge.
Das Ergebnis des Glaubens Hiskias ließ nicht auf sich warten: .Jehova war mit ihm; überall, wohin er zog, gelang es ihm" ' Welch ein glücklicher Kreis von Segnungen! Die Gunst Gottes und geistliches Gedeihen begleiten die Treue. O teurer Leser, möchten diese Segnungen auch unser Teil sein.
Dann wird uns gesagt, dass Hiskia "sich gegen den König von Assyrien empörte und ihm nicht diente" (V. 7). Er handelte also im umgekehrten Sinn wie sein Vater Ahas. Ahas war durch Jesaja feierlich aufgefordert worden, den Angriff Rezins, des Königs von Syrien, und Pekachs, des Sohnes Remaljas, nicht zu fürchten, und war ermuntert worden, von seiten Jehovas ein Zeichen zu fordern, dass Seine Verheißung in Erfüllung gehen würde, aber er zog es vor, zu Assyrien seine Zuflucht zu nehmen. Gott verkündete ihm darauf, dass der König von Assyrien, auf den er sein Vertrauen setzte, "in Juda eindringen, und dass die Ausdehnung seiner Flügel die Breite des Landes Immanuels füllen würde" (Jes. 7, 1‑17; 8, 8). Hiskia handelte wohl Gott gemäß indem er diese Oberhoheit nicht anerkannte. Anders war es später für Juda, als es sich um Babel handelte (Vergl. Jeremia und das Ende unseres Buches). Sich gegen Nebukadnezar zu empören, als Gott ihm die Herrschaft übertragen hatte und sein Joch als Gericht über Juda benutzte, hieß sich gegen Gott empören. Im Falle Hiskias galt es, dem Assyrer eine Oberherrschaft nicht zuzuerkennen, die Gott ihm im Blick auf Juda in jenem Augenblick keineswegs übertragen hatte. Hiskia war ein Knecht Gottes und konnte nicht ein Knecht des Königs von Assyrien sein. Auch wird ihm der Sieg über die Philister (V. 8) gewährt infolge dieses Ver­trauens auf Gott, das ihn das Joch Assyriens hatte abschütteln lassen.
Doch im vierzehnten Jahre seiner Regierung sehen wir das Vertrauen dieses gottesfürchtigen Königs, den hervorstechenden Charakterzug seines Glaubens, wanken. Gott lässt so etwas manchmal zu, damit wir unsere Herzen kennenlernen und keinerlei Vertrauen auf uns selbst setzen. Die Geschichte der Männer des Glaubens von Abraham bis David bietet uns dafür zahlreiche Beispiele. Gerade im Blick auf dieses Vertrauen, das doch in so hervorragender Weise seinen Wandel kennzeichnete, tat Hiskia seinen ersten Fehltritt. Das schreckliche Missgeschick, das Israel durch den Einfall Salmanesers traf, bereitete ohne Zweifel die Erschütterung dieses Vertrauens vor, aber als Hiskia alle Städte Judas in die Hände des Königs von Assyrien fallen sah, entsank ihm der Mut.

 Er sendet zu ihm nach Lachis und lässt ihm sagen: "Ich habe gefehlt, kehre um von mir; was du mir auferlegen wirst, will ich tragen" (V. 14). Die Furcht befällt ihn. Gleich Petrus sieht er auf den Wind und die Wellen und verliert den Herrn aus dem Auge. Er vergleicht sich mit dem König von Assyrien, anstatt diesen mit Jehova zu vergleichen. Der König legt ihm einen Tribut auf. Hiskia gibt alles her, um den Tribut zu bezahlen, er bricht sogar das Gold von den Türflügeln und den Pfosten des Tempels Jehovas ab. Wozu nützt es ihm? Der Feind beachtet es gar nicht. Was macht es ihm aus, sein Wort zu brechen, wenn es sich um den verabscheuten Diener Jehovas handelt?*) Die Chroniken (2. Chron. 32, 1‑8) schweigen über diese Schwäche, um (wie Jes. 36) dazu überzugehen zu erzählen, was in unserem Kapitel vom 17. Verse an folgt. Das hat, wie wir im Laufe unserer Betrachtung oft gesehen haben, seinen Grund darin, dass es sich hier um die Geschichte des Königs in seiner Verantwortlichkeit handelt, während die Bücher der Chronika uns die Tätigkeit der Gnade Gottes im Herzen derer schildern, die Er zu Seinem Dienste benutzt. Diese Züchtigung war, wie wir im weiteren Verlauf der Ge­schichte sehen werden, voller Segnungen für das Herz Hiskias.


Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Beachten wir, ehe wir weitergehen, dass die Darstellung der Chronika (2. Chron. 29‑31) viel bei einem Teil der Tätigkeit Hiskias im Anfang seiner Regierung verweilt, den die Erzählung in den Büchern der Könige ganz mit Stillschweigen übergeht. In der Tat beschreiben die Chroniken fortgesetzt den Eifer Hiskias in der Wiederherstellung des Gottesdienstes und des Hauses Jehovas, während unsere Erzählung seine Energie schildert, sich vom Bösen abzusondern und das Volk davon zu reinigen. Diese beiden Charakterzüge sind mit einer wahren Erweckung unzertrennlich verbunden, und man kann sagen, dass die Rückkehr zu Gott notwendigerweise den Vorrang vor der Absonderung vom Bösen haben muss, oder, um mich anders auszudrücken, dass die Absonderung vom Bösen der Wiederherstellung unserer Beziehungen zu Gott folgt. Das ist so wahr, dass, wie die Chroniken uns zeigen, Hiskia "im ersten Monat des ersten Jahres seiner Regierung" es ,in seinem Herzen hatte, einen Bund mit Jehova zu machen, und dass die Heiligung des Tempels sogar " am ersten Tage des ersten Monats " begann (2. Chron. 29, 3. 10. 17). So nimmt dieser 25 Jahre alte König vom ersten Tag seiner Regierung an entschlossen die Sache Gottes in die Hand. Er besteigt den Thron jung, unerfahren, nachdem er unter der Regierung seines Vaters nur Dinge gesehen hatte' die geeignet waren, die Seelen von Jehova abzuwenden. Wie ist also sein Auftreten zu erklären? Er betritt seine Laufbahn ausschließlich im Glauben, der Frucht der Gnade!

„Und im vierzehnten Jahre des Königs Hiskia zog Sanherib der König von Assyrien, herauf wider alle festen Städte Judas und nahm sie ein" (V. 13). Hier sei eine geschichtliche Bemerkung eingeschaltet, die von Bedeutung ist. Hiskia hat 29 Jahre regiert. Im 14. Jahre seiner Regierung zieht Sanherib gegen ihn herauf. Das 20. Kapitel sagt uns, dass infolge seines Flehens, als er todkrank war, Jehova zu seinen Tagen 15 Jahre hinzufügte. Hiskias Krankheit lag also im Beginn des Einfalls und vor der Niederlage des Assyrers und wird uns nicht der geschichtlichen Reihenfolge nach erzählt.*) Auch werden diese Dinge in einer etwas unbestimmten Weise mitgeteilt: " In jenen Tagen wurde Hiskia krank zum Sterben" (Kap. 20, 1). Hieraus können wir die Tiefe der Prüfung ermessen, durch die dieser Mann Gottes geführt wurde. Auf der einen Seite die Eroberung seines ganzen Landes mit Ausnahme von Jerusalem (Kap. 18, 13), auf der anderen eine tödliche Krankheit, und zwar nachdem er seinem Volk den Dienst des wahren Gottes wiedergegeben, den Götzendienst ausgerottet und Juda von dem assyrischen Joch befreit hatte! Man versteht, dass sein Glaube in dieser äußerst schweren Probe gewankt hat, dass das Vertrauen auf Gott für einen Augenblick in seinem Herzen getrübt wurde.
Der König von Assyrien, der Lachis belagert und eingenommen hatte, sendet seine Diener nach Jerusalem, den Tartan oder den obersten Anführer seiner Heere, den Rabsaris oder Oberkämmerer, dessen Obliegenheiten nicht genau bekannt sind, und den Rabsake oder Obermundschenk, den Minister des königlichen Hauses und den Wortführer des Königs bei wichtigen Gelegenheiten. Sie halten vor Jerusalem, und die Diener des Königs Hiskia, Eljakim, Schebna und Joach, gehen zu ihnen hinaus. Von hier ab stimmt unsere Erzählung fast Wort für Wort mit der des Propheten Jesaja überein (Jes. 36 und 37).


KAPITEL 18, 19‑37 Die Rede des Rabsake

Der erste Teil der Rede des Rabsake (V. 19‑25) nimmt Bezug auf das Vertrauen Hiskias auf Jehova, ein Vertrauen, das seine Frömmigkeit kennzeichnete, wie wir gesehen haben. "Was ist das für ein Vertrauen, womit du vertraust?" "Auf wen vertraust du, dass du dich wider mich empört hast?" Hier zeigt sich unverblümt der schreckliche Stolz des Assyrers. Konnte Hiskia, seines Gebietes beraubt und in Jerusalem eingeschlossen wie ein Vogel in seinem Käfig, dem Heer des Assyrers Widerstand leisten? Der Gedanke, dass man auf einen unsichtbaren Gott vertrauen könne, und dass Hiskia andere leitende Grundsätze und andere Stützpunkte haben könne als die Welt, kommt dem Assyrer nicht. Wenn Hiskia auf jemand vertraute, so musste es auf Ägypten sein. Dieser Gedanke vermehrt noch den Zorn des Königs gegen Hiskia. Ägypten war gerade der Gegner, gegen den sein Feldzug gerichtet war, und wenn Hiskia sich empörte, so geschah es seiner Meinung nach, weil er von dort Hilfe erwartete. So war es mit allen umliegenden Nationen, die das auf ihnen lastende Joch Assyriens abgeschüttelt hatten. Unterschied sich Hiskia von diesen allen? Aber vielleicht behauptete er, auf Jehova zu vertrauen? „Wenn ihr zu mir sprechet: Auf Jehova, unseren Gott, vertrauen wir . . ." (V. 22) . Eitle Worte! War es nicht dieser Gott, 2dessen Höhen und dessen Altäre Hiskia hinweggetan hatte?" Sanherib redet so, weil er den wahren Gott nicht kennt und Ihn mit den Götzen verwechselt, die die Treue Hiskias zerstört hatte.
„Du hast gut reden, du vertraust auf Ägypten!" Niemals kann die Welt sich vorstellen, dass die Christen ihre Bundes­genossen nicht bei der Welt suchen, und wenn wir den Zustand der uns umgebenden Christenheit betrachten, so ist es auch kaum erstaunlich, dass sie so denkt. Wird die Religion von einer Gefahr bedroht, erleidet sie einen Angriff oder eine Verfolgung, so nimmt die christliche Welt, um dem zu entgehen oder davon befreit zu werden, sogleich ihre Zuflucht zu der Regierung der Welt. Das Verhalten, die Werke der Christenheit gründen sich auf den Einfluss der Welt oder auf deren geldliche Beihilfe.

Die guten Werke haben keine andere Stütze. Der Ungläubige ist deshalb gerechtfertigt, wenn er sagt: "Was heißt das: Wir vertrauen auf Jehova? Im Grunde vertraut ihr nicht mehr auf Jehova als wir!" Aber so war es nicht mit Hiskia. Er konnte den Assyrer reden lassen, denn er wusste, von welchen Göttern er sein Volk gereinigt hatte, und er wusste auch, auf welchen Gott er rechnen konnte.
Aber es gibt hierbei eine sehr ernste Sache zu beachten, nämlich dass die Untreue Judas dem Feinde Gelegenheit bot, den wahren Gott zu schmähen und Sein Dasein zu leugnen. "Die Höhen und Altäre, die ihr hattet, waren für euch Jehova", sagt der Feind gleichsam. Er kennt Jehova nur durch die Bilder, die Juda zu seinen Göttern gemacht hatte. Mit Recht konnte er ihnen sagen: "Ihr hattet die gleichen Götter wie ich, und ihr dientet ihnen gerade so wie ich. Wenn ihr nun heute saget: Wir vertrauen auf Jehova! wer ist denn dieser Jehova? Der der Höhen oder des Altars, den ihr soeben errichtet habt? Sind sie voneinander verschieden?"
Und nun, „Jehova hat zu mir gesagt: Ziehe hinauf wider dieses Land und verheere es!" (V. 25). Hatte der Assyrer nicht auch das Recht, von Jehova zu reden? Ich habe denselben Gott wie ihr, ich kenne ihn ebenso gut wie ihr. Hört man diese Worte nicht täglich in der Welt? Ein Krieg bricht zwischen zwei Völkern aus. Welches hat Gott für sich? Alle beide rufen Ihn, des Sieges gewiss, an. Wo ist der wahre Gott? Ach! selbst unter den christlichen Völkern weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Der wahre Gott wird von allen nicht gekannt. So war es nicht bei Hiskia. Sein Gottvertrauen wurde durch den Feind, der ihn beleidigte und verhöhnte, in Frage gestellt.
Was sollte er tun? Ihn reden lassen und schweigen und demütig auf Gott schauen. Der Feind sagt: Jehova ist mit mir gegen dich. Lass ihn reden, Hiskia, und vertraue auf deinen Gott, den der Feind nicht kennt!
Der Rabsake spricht zu dem Volk, das auf der Mauer ist, hebräisch. Die Diener Hiskias bitten ihn, syrisch zu sprechen­ er weist das mit schmähenden und höhnenden Worten zurück * Die Gefahr, das Volk der Mutlosigkeit anheimfallen zu sehen' hätte Hiskia mit Angst erfüllen können. Aber auch diese Gefahr lässt die Seele des Glaubenden in Ruhe und Frieden. Er hat nur zu schweigen. Sein Gottvertrauen genügt für alles.
Und jetzt greift der Rabsake die Person des Königs an. Hiskia ist ein Betrüger, ein Verführer. Er täuscht euch, indem er euch auffordert, euer Vertrauen auf Jehova zu setzen (V. 30). Höret nicht auf Hiskia! Höret auf den König von Assyrien! Der wird euch in Ruhe lassen, und dann wird er euch in "ein Land von Korn und Most, ein Land von Brot und Weinbergen, ein Land von Olivenbäumen und Honig holen", ein Land, das ebenso voll von Gütern ist wie das Land Kanaan. Dort werdet ihr wahren Überfluss finden (Vergl. 5.Mose 8, 7‑10). Allerdings werdet ihr dabei auch Knechte sein, aber der Assyrer hat euer Wohl im Auge!
So hat Satan stets zum Herzen der Menschen gesprochen. Wehe dem, der auf ihn hört! Denn niemals macht der Fürst der Welt einen Menschen glücklich. Muss man sich in einen Streit oder auch nur in eine Unterredung mit ihm einlassen, muss man ihm antworten? Unsere ersten Eltern haben eine nur zu ernste Erfahrung davon gemacht zu ihrem Verderben und dem ihrer ganzen Nachkommenschaft. Der Mann des Glaubens fühlt sich gar nicht versucht, dem Feinde zu antworten. „Und das Volk schwieg still und antwortete ihm kein Wort; denn es war das Gebot des Königs, der gesagt hatte: Ihr sollt ihm nicht antworten" (V. 36). Es gilt nur zu schweigen und den Feind seinen Drohungen und seinen honigsüßen Worten, zu überlassen. Das Volk hat Vertrauen zu dem Wort des Königs, seines Führers, und ahmt seinen Glauben nach. Gott benutzt diesen offenen Angriff des Assyrers auf Gott und Seinen Gesalbten, um das Volk zu befestigen und aufzuwecken.


KAPITEL 19 Sanherib und Jehova

Bevor wir weitergehen, möchte ich einige kurze Bemerkungen über die im Worte vorkommenden drei Schilderungen des Lebens Hiskias machen. Sie finden sich hier in 2. Kön. 18‑20, in 2. Chron. 29‑32 und in Jes. 36‑39. Nur der erste dieser drei Berichte beginnt mit der Empörung Hiskias gegen Sanherib, worauf der Einfall in Juda und die Demütigung des Königs, anlässlich seines Mangels an Vertrauen, folgte. Das hat seinen Grund darin, dass die Bücher der Könige uns die Laufbahn der unter Verantwortlichkeit gestellten Könige berichten. Die Zucht Gottes an Hiskia zeigte ihm in diesem Falle, dass das Vertrauen auf Jehova allein die Kraft hatte, ihn zu bewahren. Unser Bericht hier hebt auch vor allem den Charakter des wahren Zeugnisses zur Zeit des Endes hervor: jede Vermengung mit dem Götzendienst der Welt wird aufgegeben. Wir finden sodann den Angriff Sanheribs auf Jerusalem, hierbei wird das bedingungslose Vertrauen Hiskias zu Jehova auf eine Probe gestellt, aus der es siegreich hervorgeht.
In der Erzählung der Chronika finden wir den König nach den Ratschlüssen Gottes. Juda ist nur ein kleiner, unbedeutender, auf Jerusalem beschränkter Überrest. Der König erscheint vom ersten Tag an als von Gott für Sein Gnadenwerk zubereitet. Der Tempel Jehovas verbleibt dem Überrest, der seiner Hut wartet. Hiskia reinigt ihn, stellt den Gottesdienst in seiner Reinheit wieder her, während der Dienst der falschen Götter ausgerottet und abgeschafft wird. Der Überrest des Volkes erwirbt so das Recht, Träger des Zeugnisses Gottes zu sein. Doch die Stadt Gottes muss auch gegen den Feind beschützt werden, indem man ihm die Quellen abschneidet, die die Stadt ernähren; es bleibt ihm so nichts Gemeinsames mit dem Zeugnis übrig. Das Bild ist nach dem Maße und in den Grenzen des kleinen, gedemütigten Volkes vollständig. Die Geschichte des Angriffs Sanheribs auf Jerusalem ist hier viel kürzer als in den beiden anderen Berichten.
In Jesaja haben wir die Geschichte Hiskias vom prophe­tischen Gesichtspunkt aus. Nur drei Tatsachen werden in ihren Einzelheiten dargestellt. der Angriff Sanheribs, die tödliche Erkrankung Hiskias und darauffolgend der Besuch der babylonischen Gesandten, der prophetisch die Erhebung und den Fall Babels in Verbindung mit Juda erklärt. In dieser Darstellung ist Hiskia an einigen Punkten ein Vorbild des Messias, an vielen anderen ein Vorbild des Überrestes Israels. Der Überrest, zum Tode verurteilt, tritt gleichsam in ein Leben der Auferstehung ein. Die in den beiden anderen Berichten gleichfalls erwähnte Krankheit Hiskias bekommt in Jesaja eine ganz besondere prophetische Bedeutung durch die Erwähnung der „Aufzeichnung Hiskias", einer prophetischen Wehklage des Überrestes, der begehrt, Jehova zu preisen "im Lande der Lebendigen" (Jes. 38, 9).
Nehmen wir jetzt den Lauf unserer Erzählung wieder auf.
Nach den gegen ihn ausgestoßenen Drohungen des Assyrers geht Hiskia zum ersten Mal in das Haus Jehovas. Anscheinend blieb dem armen König wenig übrig. Juda war ausgeplündert, das assyrische Heer umlagerte die einzige Stadt, die sich noch hielt. Der Knecht Jehovas wurde verachtet, durch die Nationen wie ein Missetäter behandelt, der Name Jehovas mit Füßen getreten. Die Umstände waren so, dass man alles schweigend dulden und die Demütigung als die gerechte Vergeltung der Sünden des Ungehorsams des Volkes hinnehmen musste. Hatte dieser schwache „Überest, der sich noch vorfand" (V. 4), denn gar keine Hilfsquelle mehr? Doch, gewiss! Es blieb ihm der Tempel Jehovas, Seine geliebte Stadt, der Berg Zion, der Sohn und der Thron Davids, der Prophet, der Träger des Wortes Gottes; es blieb ihm viel mehr, als selbst David in der Höhle Adullam besaß.

 Das Fleisch konnte mutlos werden, der Glaube keineswegs; denn inmitten dieses namenlosen Unglücks besaß er alles, was seine feste Zuversicht ausmacht, alles, was in der Trübsal tröstet und erfreut, er besaß Emmanuel, die Gegenwart Gottes bei Seinem Volk. Ist es heute nicht ebenso? Suchet das Zeugnis Gottes inmitten einer Welt, die zum Abfall reif ist. Der Glaube allein kann es entdecken, "diesen Überrest, der sich noch vorfindet". Aber der Glaube entdeckt es auch. Er zieht das Haus Gottes allen Zelten der Gesetzlosen vor, das arme und niedergebeugte Volk jeder Wohlfahrt des Assyrers. Er hört auf die Stimme des Propheten und verschließt das Ohr vor den gotteslästerlichen Reden der Knechte des Feindes. Er schart sich um den Gesalbten Jehovas, und warum sollte er sich fürchten, da doch Jehova sieht und das Antlitz Seines Gesalbten anschaut?
Nicht als ob dieses Vertrauen die Angst ausschlösse, und die äußerste Gefahr nicht das Herz zusammenschnürte, oder man sich nicht in Sacktuch kleidete und seine Kleider nicht zerrisse zum Zeichen der Betrübnis, Demütigung und Trauer. Aber die Gefahr treibt Hiskia und sein Volk zum Hause Jehovas und zu den Aussprüchen Gottes, um von dort Rat, Kraft und Trost zu empfangen. "Dieser Tag ist ein Tag der Bedrängnis und der Züchtigung und der Schmähung; denn die Kinder sind bis an die Geburt gekommen, aber da ist keine Kraft zum Gebären" (V. 3). In Zeiten wie jene und wie die unsrigen muss man fühlen, dass es Tage "der Angst und der Züchtigung" sind, dass unser Teil eine tiefe Demütigung ist, dass wir, ähnlich diesem kleinen Überrest, „die Schmähung eines großen Volkes" auf uns zu nehmen haben, und dass wir das durch unsere Tränen und unsere Seufzer über den Zustand der Christenheit, die auf so schreckliche Weise den Herrn verunehrt hat, zum Ausdruck bringen müssen. Doch eines genügt dem leidenden Überrest und muss auch uns genügen: Jehova ist da; Er, nicht wir, ist verhöhnt worden. Nun, so wollen wir mit Hiskia sagen: Vielleicht wird Jehova alle Worte von dem, der den lebendigen Gott gehöhnt hat, hören und die Worte, die Er gehört hat, bestrafen (V. 4), und Jehova wird uns antworten.

 "Fürchte dich nicht", sagt Jesaja, "vor den Worten, die du gehört hast, womit die Diener des Königs von Assyrien mich gelästert haben. Siehe, ich will ihm einen Geist eingeben, dass er ein Gerücht hören und in sein Land zurückkehren wird; und ich will ihn durchs Schwert fällen in seinem Lande" (V. 6. 7). Das Wort Jehovas geht buchstäblich in Erfüllung. Die Nachricht, dass der König Tirhaka von Äthiopien (der Ägypten erobert hatte), gegen den König von Assyrien heranziehe, dessen Ziel gerade die Eroberung Ägyptens war, veranlasst den Assyrer, plötzlich aufzubrechen, um jenem entgegenzutreten.*) 
Doch vor seinem Abzug sendet Sanherib eine schriftliche Botschaft an Hiskia. Er hatte vorher dem Volk sagen lassen: "Dass euch Hiskia nicht täusche ... und euch nicht auf Jehova vertröste" (Kap. 18, 29. 30); jetzt sagt er zu Hiskia: "Dass dich nicht täusche dein Gott, auf den du vertraust (V. 10), indem er den Gott Hiskias den falschen Göttern gleichstellt, die er, der Assyrer, vertilgt hatte. Das war ein unmittelbares "Verhöhnen des lebendigen Gottes". Die Wut, die den assyrischen Herrscher erfüllte, als ihm seine Pläne durchkreuzt wurden und er sich in seinem Stolz verletzt sah, zeigt sich jetzt in ihrem wahren Charakter: dem Gott Israels gilt sein Zorn.
Zum zweiten Male geht Hiskia in das Haus Jehovas. Es handelt sich nicht mehr, wie in dem ersten Fall, um eine Demütigung für ihn, sondern um einen unmittelbaren Angriff auf den Namen Jehovas, den Hiskia ehrt. Gott soll von diesem Brief Kenntnis nehmen. Der König übergibt Ihm Seine eigene Sache, aber er weiß, dass Jehova um der Ehre Seines Namens willen Sein gedemütigtes Volk retten wird. "Und nun, Jehova, unser Gott, rette uns doch von seiner Hand, damit alle Königreiche der Erde wissen, dass du, Jehova, allein Gott bist" (V. 19).
Dann macht Jesaja den König mit dem Ausspruch Jehovas über den Assyrer bekannt. Wenn dem Hiskia die Interessen seines Gottes angesichts des Feindes am Herzen liegen, so antwortet ihm Jehova, dass Er nicht zulassen wird, dass die Welt die "Jungfrau, die Tochter Zion", verhöhnt, denn sie ist die Braut des großen Königs. "Es verachte dich, es spottet deiner die Jungfrau, die Tochter Zion; die Tochter Jerusalem schüttelt das Haupt dir nach" (V. 21). So tritt Gott für den Charakter und die Ehre Seiner Geliebten ein, die zwar schuldig, aber gedemütigt sind, wenn diese, für Ihn eintretend, Seinen Charakter und Seine Ehre für Ihn allein in Anspruch nehmen. Der Assyrer hatte in seiner Torheit seine Augen gegen den Heiligen Israels emporgerichtet. Er war zwar die Rute des Zornes Gottes gewesen.

 Gott hatte dies "von ferne her gewirkt", aber der Assyrer war auf seine Erfolge stolz geworden und hatte sich nicht gefürchtet, sich bis zu Gott zu erheben. Er hatte gesagt: " Ich habe erstiegen, ich will umhauen, ich will eindringen, ich habe gegraben, ich werde austrocknen . . ." (V. 23. 24), während doch Jehova es war, der den Umgang der Nationen und Seines Volkes durch ihn als Werkzeug bestimmt hatte (V. 25. 26). "Doch ich kenne", sagt Jehova "dein Sitzen, und dein Aus und Eingehen, und dein Toben wider mich. Wegen deines Tobens wider mich und weil dein Übermut in meine Ohren heraufgekommen ist, werde ich meinen Ring in deine Nase legen und mein Gebiss in deine Lippen, und werde dich zurückführen auf dem Wege, auf welchem du gekommen bist!" (V. 27. 28).
Jehova gibt dann Hiskia ein Zeichen für seine Befreiung: Im ersten Jahre würde man den Nachwuchs der Ernte essen, eine spärliche Ernte, die aber verhindern würde, dass sie Hungers starben. Das ist prophetisch die Geschichte der Bewahrung des Überrestes in Jerusalem. Im zweiten Jahre würde es ein kräftiges Wachstum geben; im dritten Jahre würde die Ernte kommen und die Frucht des Weinstocks. Jehova erklärt dem König dieses Gleichnis mit den Worten: "Das Entronnene vom Hause Juda, das übriggeblieben ist, wird wieder wurzeln nach unten und Frucht tragen nach oben. Denn von Jerusalem wird ein Überrest ausgehen, und ein Entronnenes vom Berge Zion. Der Eifer Jehovas wird solches tun!" (V. 30. 31). Der Überrest Judas wird aufs neue von Jehova gegründet und mit Seinen Segnungen überschüttet werden.
Wenn es so mit Jerusalem ist, mit wie viel stärkerem Recht ist es dann so mit der Gemeinde, der Braut Christi, dem schwachen Überrest inmitten der Trümmer, bei dem keine Kraft zum Gebären und der so erniedrigt ist dass der Feind sagen kann: "Dass dich nicht täusche dein Gott, auf den du vertraust". Doch er ist kostbar für Christum, der ihn mit sich auf Seinem Throne sitzen lassen und ihn pflanzen wird auf immerdar in den Vorhöfen Gottes als einen mit Blüten und Früchten beladenen Baum!
Der Assyrer sollte nicht in die Stadt kommen, auch keinen Pfeil darein schießen, noch einen Wall gegen sie aufschütten; und doch war Jerusalem in diesem Augenblick von dem feindlichen Heer umzingelt. Aber Gott schreitet ein um Seines Namens und um Davids, Seines Knechtes, willen, dem Er weder Seinen Bund noch Seine Verheißungen widerrufen wird (V. 32‑34).
In der Nacht, in der die Prophezeiung geschah, wurde das Lager der Assyrer geschlagen. Am Morgen waren sie allesamt Leichname. „Zur Beute sind geworden die Starkherzigen, sie schlafen ihren Schlaf; und keiner der tapferen Männer fand seine Hände. Vor deinem Schelten, Gott Jakobs, sind in tiefen Schlaf gesunken sowohl Wagen als Ross . . . als Gott aufstand zum Gericht, um zu retten alle Sanftmütigen des Landes" (Ps. 76, 5. 6. 9). So wird auch den Assyrer des Endes, den König des Nordens, sein Gericht treffen: "Gerüchte von Osten und von Norden her werden ihn erschrecken; und er wird ausziehen in großem Grimme, um viele zu vernichten und zu vertilgen. Und er wird sein Palastzelt aufschlagen zwischen dem Meere und dem Berge der heiligen Zierde. Und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand wird ihm helfen­ (Dan. 11, 44. 45). Ihn selbst, das Haupt des Heeres, trifft das durch den Propheten über ihn ausgesprochene Urteil (V 37). Als er sich im Hause Nisroks, seines Gottes, niederbeugte, erschlugen ihn seine Söhne mit dem Schwert. Er hatte zu Hiskia gesagt: "Jehova wird dich nicht retten"; und siehe da, sein Gott Nisrok war nicht imstande ihn zu retten, als er sich vor ihm niederbeugte.
Wir sehen in all diesem die Fortschritte des Mannes Gottes und den Lohn, den sein Vertrauen auf Jehova empfängt. Im Anfang empört er sich gegen den Assyrer, als er (vielleicht aus Mangel an Selbsterkenntnis) ein Vertrauen, dem das Ich nicht fern stand, für reines Gottvertrauen hätte halten können. Dann verliert er es vor dem Feinde; aber Gott benutzt die Zucht, um ihm j e d e s Selbstvertrauen zu nehmen. In dieser Prüfung übergibt Hiskia, gebeugt über den Zustand des Volkes und keine Stütze in seinem eigenen Herzen suchend, alles Gott. Sein Vertrauen wächst in dem Maße, wie die Prüfung größer wird. Er denkt nicht mehr an sich, noch an sein Volk, es sei denn um sich zu verurteilen; er sucht nur die Verherrlichung Jehovas, verbindet jedoch damit die Rettung Israels. Gott antwortet ihm, indem Er ihm zeigt, dass Seine Gedanken ausschließlich mit Jerusalem, mit dem Sohn Davids und dem geliebten Überrest beschäftigt sind. Er rettet Sein Volk durch Gericht und antwortet auf das Gebet, das „der Überrest, der sich noch vorfindet", durch den Mund des Propheten an Ihn richtet (Kap. 19, 4).

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1912


KAPITEL 20, 1‑11 Hiskias Krankheit

„In jenen Tagen wurde Hiskia krank zum Sterben." Wie wir weiter oben gesagt haben, geht dieses Ereignis der Zeit nach dem Angriff des Assyrers auf Jerusalem voran, während es in den drei Schilderungen, die wir davon haben, darauf folgt. Das Buch der Chronika erwähnt es mit einigen Worten, das Buch der Könige sagt mehr darüber, und Jesaja schildert es im Einzelnen, denn dieser Prophet fügt ihm "die Aufzeichnung Hiskias" hinzu, die in den geschichtlichen Büchern sich nicht findet. Es gibt verschiedene Gründe für diese Umstellung. Der erste Grund ist wohl, dass die Rolle, die Babel spielen sollte, sich durch die Sendung der Boten an die Krankheit Hiskias knüpfte. Babel war dazu bestimmt, den Assyrer zu unterdrücken, dem es damals noch gehörte, und sollte fortan die Geschichte Judas in entscheidender Weise beeinflussen. Jene Rolle, das will sagen, die den Heiden übertragene Macht und die Errichtung des ersten Weltreiches, beginnt in den Wegen Gottes mit Seinem Volk erst dann hervorzutreten, wenn die geschichtliche (nicht die prophetische) Rolle Assyriens zu Ende geht. Der zweite Grund ist, dass die ganze treue Laufbahn Hiskias uns vor Augen gestellt werden musste vor der tödlichen Krankheit, die ihr ein Ende zu machen drohte. Das macht vom prophetischen Gesichtspunkt aus (namentlich bei Jesaja) die Tränen und das Flehen Hiskias um so bedeutungsvoller. Sein Tod konnte als ein Gericht Gottes erscheinen, nachdem sein ganzes Leben in Rechtschaffenheit vor Ihm dahingegangen war. Darum findet sich auch die Aufzeichnung Hiskias nur in der eigentlichen Prophezeiung, weil sie die Gefühle des dem Tode geweihten „Überrestes" beschreibt.
In der Tat, der Überrest wird berufen werden, ähnliche Umstände durchzumachen. Nachdem er rechtschaffenen Herzens gleichsam sein ganzes Leben hindurch, wie Hiskia, Gott gedient und sich vom Bösen und von jeder bösen Verbindung gereinigt hat, wird er innerlich erfahren müssen, was es ist, aus dem Lande der Lebendigen abgeschnitten zu werden, und das unter dem Gewicht des gerechten Zornes in den Regierungswegen Gottes mit dem Volke Israel, von dem der Überrest einen Teil bildet; doch er wird gerettet werden und zum Leben zurückkehren infolge des Anteils, den er an dem Tod und der Auferstehung des Messias haben wird.
Der dritte Grund ist, dass es in dem Buch, das uns beschäftigt, wichtig ist, die Erzählung nicht zu unterbrechen; sie beginnt mit der rechtmäßigen Empörung Hiskias, schildert dann den Einfall in Juda, wo das Vertrauen des Königs auf die Probe gestellt wird, und endigt mit der wunderbaren Rettung der Stadt als Antwort auf ein völliges Vertrauen auf Gott, zu einer Zeit, da jede menschliche Hilfsquelle unmöglich war.
Nachdem die Zucht Gottes Hiskia in seinen Umständen getroffen hatte, trifft sie ihn jetzt in seiner Person : „Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht genesen". Er muss sterben; welch eine unbegreifliche Sache! Ein Mann, der sagen konnte: "Ach, Jehova! gedenke doch, dass ich in Wahrheit und mit ungeteiltem Herzen vor deinem Angesicht gewandelt, und getan habe was gut ist in deinen Augen", ein solcher Mann soll in der Blüte seines Lebens sterben! Für einen gottesfürchtigen Juden war das Wandeln vor Gott im Lande der Lebendigen das offenbare Zeichen Seiner Gunst. 

Diese Gunst wandte sich also vom König ab! Gott ließ vierzehn Jahre der Hingebung für Ihn, für Seine Sache und für Sein Haus unberücksichtigt! Hiskia wurde weggeworfen wie ein unnützes Werkzeug, und zwar in dem Augenblick, als seine Frömmigkeit und sein Gottvertrauen in besonderem Glanz ans Licht getreten waren! Das Reich, das Gott ihm anvertraut hatte, sollte in andere Hände fallen, die weniger rein waren als die seinen!
Das alles redet zu uns von dem, was den Messias getroffen hat, von dem Hiskia nur ein schwaches Vorbild war. Auch Er sollte in der Hälfte Seiner Tage abgeschnitten, sollte niedergeworfen werden, nachdem Er sehr hoch erhöht worden war; auch Er, der treue Zeuge, der nur den Willen Gottes getan hatte, hat den Tod erleiden, hat weggehen müssen, indem Er "nichts hatte" (Dan. 9, 26); auch Er hat Sein Reich und Seine ganze irdische Herrlichkeit aufgeben müssen! Doch Christus litt dies, weil Er (was bei Hiskia nicht der Fall sein konnte) die Sünde eines großen Volkes trug, und weil Er das gerechte Verdammungsurteil Gottes an unserer Stelle erdulden musste. Ein Mensch wie Hiskia vermochte keineswegs seinen Bruder zu erlösen, noch Gott sein Lösegeld zu geben (Ps. 49, 7); aber er konnte die Erfahrung des gerechten Zornes Gottes in Seiner Regierung machen, und das ist es auch, was dem Überrest widerfahren wird. Wie Hiskia, der aus der Tiefe seine Stimme zu Gott erhob, so wird auch er erfahren, dass Jehova nicht auf seine Ungerechtigkeit merkt, weil Er sie an dem Messias heimgesucht hat.
Nur insoweit Hiskia an den Erfahrungen Christi teilnimmt, kann er in der vorliegenden Stelle als ein Vorbild von dem Messias betrachtet werden.

 Persönlich, wie bei dem Herrn, hatte „der Eifer um das Haus Gottes ihn verzehrt", persönlich auch, doch nicht ohne Mängel, hatte er sagen können: „Ich habe auf dich vertraut"; persönlich, wenn es sich um das Sterben handelte, schien er ohne Ursache aus dem Lande der Lebendigen abgeschnitten zu werden; doch Hiskia war ein Sünder, und als solcher bedurfte er, dass ein anderer seinen Platz unter dem Gericht Gottes einnahm.
„Hiskia weinte sehr" (V. 3), Niemals weinte der Herr über das Los, das Ihm bevorstand, denn Er war in diese Welt gekommen, um zu sterben. Er weinte über das widerspenstige Jerusalem; Er weinte am Grabe des Lazarus, als Er die Macht des Todes auf dem gefallenen und unglücklichen Menschen lasten sah, aber nie weinte Er über Sich Selbst. Nur in eine in Sinne hat Er wie Hiskia "Bitten und Flehen dem, der ihn aus dem Tode zu erretten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen dargebracht, aber Er tat das nicht wie Hiskia, um nicht zu sterben, sondern um aus dem Tode errettet zu werden, um durch die Auferstehung von den Hörnern der Büffel befreit zu werden, damit nicht die Frucht Seines Werkes verlorengehe. Bei Hiskia waren die Tränen am Platze, wie sie bei dem treuen Überrest am Platze sein werden. Er musste lernen, das Todesurteil als ihm gebührend anzunehmen, zu sagen, ohne sogleich den Zweck Gottes zu verstehen: "Was soll ich sagen? Dass er es mir zugesagt und es auch ausgeführt hat"; und schließlich, am Ende all seiner Beängstigungen, zu verstehen, dass „Jehova bereit war ihn zu retten"(Jes. 38,15‑20).
Gottes Antwort lässt nicht auf sich warten: "Und es geschah, Jesaja war noch nicht zur mittleren Stadt hinausgegangen, da geschah das Wort Jehovas zu ihm also: Kehre um und sprich zu Hiskia, dem Fürsten meines Volkes: So spricht Jehova, der Gott deines Vaters David: Ich habe dein Gebet gehört, ich habe deine Tränen gesehen; siehe, ich will dich heilen; am dritten Tage wirst du in das Haus Jehovas hinaufgehen­(V. 4. 5). Kaum ist die Seele Hiskias bis auf den Grund erfasst, da kommt das Wort Gottes zu Jesaja. Man fühlt: Gott hatte vorher für den König alles in Bereitschaft, was Er hier seiner Betrübnis gewährt. Hiskia wird durch eine Art Auferweckung ins Leben zurückgebracht. Jesaja sprach: Holet einen Feigenkuchen. Und sie holten ihn und legten ihn auf das Geschwür; und Hiskia genas."

 Scheinbar hat das Mittel gar keinen Wert aber angewandt nach dem Worte des Propheten beweist es sich als die Kraft Gottes zum Heil.
„Und Hiskia sprach zu Jesaja: Welches ist das Zeichen, dass Jehova mich heilen wird, und dass ich am dritten Tage in das Haus Jehovas hinaufgehen werde? Und Jesaja sprach: Dies wird dir das Zeichen sein von seiten Jehovas, dass Jehova das Wort tun wird, welches Er geredet hat: Soll der Schatten zehn Grade vorwärtsgehen, oder soll er zehn Grade zurückgehen? Und Hiskia sprach: Es ist dem Schatten ein Leichtes, zehn Grade zu fallen; nein, sondern der Schatten soll zehn Grade rückwärtsgehen. Da rief der Prophet Jesaja zu Jehova; und er ließ den Schatten an den Graden, welche er am Sonnenzeiger Ahas niederwärts gegangen war, um zehn Grade rückwärtsgehen" (V. 8‑11).
Ahas hatte diese Sonnenuhr errichtet. Seit seiner Regierung rückte der Schatten vor, die Zeit eilte schnell dahin und musste bis zur Nacht gehen, bis zum völligen Verschwinden des Reiches unter dem Gericht Gottes. Jehova konnte dieses Ende beschleunigen, denn das Maß war voll, doch es gefiel Ihm, dem Wunsch des gottesfürchtigen Königs und der Bitte des Propheten zu entsprechen, indem Er die Stunde verzögerte, anstatt sie zu beschleunigen, und so der Kraft des Königs eine neue Grenze setzte. Doch dieses Wunder hat eine noch tiefere Bedeutung. Es weist darauf hin, dass Gott die ganze Ordnung der Natur und die Gesetze, die den Sünder dem Tode unterwarfen, umkehren könnte und umkehren würde, um so die Rettung Seiner Geliebten zu vollführen.

 Der Tod hat nicht mehr seinen verderblichen Lauf; das Leben, das seinem Ende zugeht und dann, wie das Tuch des Webers, von der Kette abgeschnitten wird, beginnt für den treuen Überrest von neuem in der Auferweckung des Messias, seines Stellvertreters. Für uns beginnt es wieder in ewigem Leben durch die Auferweckung des Heilandes. Das ist das Zeichen, das Hiskia fordert. Seine Bitte bezeichnet ein völliges Vertrauen auf Gott, der allein Unmögliches mit Unmöglichem ausführen kann. Indem Jehova, um uns zu retten, das, was infolge der Sünde für uns die Ordnung der Natur geworden war, in Christo umkehrte, stellte Er uns die Erfüllung Seiner Ratschlüsse in bezug auf uns sicher.
„Am dritten Tage wirst du in das Haus Jehovas hinaufgehen. „So geben uns der Tod und die Auferstehung Christi am Ende von drei Tagen einen freien Eintritt ins Heiligtum.
Hiskia hatte schon, ohne es zu fordern, ein Zeichen der endgültigen Niederlage des Feindes in der Tatsache erhalten (Kap. 19, 29‑31), dass Gott ohne irgendein menschliches Hilfsmittel diesen Überrest am Leben erhalten würde, aus dem Er das neue Israel bilden wollte; er erfährt hier, durch welches Mittel dieser Überrest gerettet werden wird.
Lasst uns, bevor wir diesen Teil der Geschichte Hiskias verlassen, beachten, welch eine bemerkenswerte Rolle der Prophet Jesaja in allen diesen Ereignissen spielt. Gleich dem Wort Gottes, das er darstellt ist er der Träger des Todesurteils über den besten der Menschen, die ja alle zu einem sündigen und gefallenen Geschlecht gehören. Das Todesurteil wird ausgesprochen, ohne dass es eine Berufung dagegen gibt. Diese Botschaft bringt in der Seele, die sie empfängt, tiefe Betrübnis hervor. Dann aber verkündigt Jesaja sofort die glückliche Botschaft von der Heilung des Königs. Er gibt zugleich das Mittel an, durch das diese Heilung bewirkt werden kann, und legt es auf die tödliche Wunde. Er macht schließlich das Zeichen bekannt, durch das Jehova, indem Er die Ordnung der Natur umkehrt, sich dafür verbürgt, dass Er, was Er versprochen hat, auch ausführen wird. Das alles findet statt kraft der Vermittlung des Propheten, der "zu Jehova rief"; denn Segnungen besitzt man nur durch die persönliche Vermittlung des Herrn Jesu. So haben wir hier ein vollständiges Beispiel von dem, was das Evangelium der Seele des Sünders bringt.


KAPITEL 20, 12‑19 Die Gesandtschaft Babels*)

Eine kurze Stelle in den Chroniken, die einzige in diesem Buch, die über den ganzen Inhalt unseres Kapitels redet, unterrichtet uns über den Herzenszustand Hiskias, als der König von Babel die Gesandtschaft schickte: "In jenen Tagen wurde Jehiskia krank zum Sterben; und er betete zu Jehova. Und Jehova redete zu ihm und gab ihm ein Wunder. Aber Jehiskia. vergalt nicht nach der Wohltat, die ihm erwiesen worden war, denn sein Herüberhob sich; und es kam ein Zorn über ihn und über Juda und Jerusalem. Da demütigte sich Jehiskia wegen der Überhebung seines Herzens, er und die Bewohner von Jerusalem; und der Zorn Jehovas kam nicht über sie in den Tagen Jehiskias" (2. Chron. 32, 24‑26). Hier werden uns die Gefühle gezeigt, die den König erfüllten, als er die Gesandten Babels empfing: „sein Herz überhob sich". Unter Berodak-Baladan war Babel noch nicht das, was es später wurde. Sein König hatte sich von der Lehnsherrschaft Assyriens befreit und suchte sich vor einem Gegenangriff dieser Macht dadurch zu schützen, dass er unter den Völkern, die westlich von seinem Reich wohnten, Freunde oder Bundesgenossen suchte. 

So schickte er durch seine Gesandten einen Brief und ein Geschenk an Hiskia. Unsere Stelle sagt, dass "Hiskia sie anhörte". Sie hatten also irgendein Gesuch an ihn, wohl irgendein Bündnis ihm vorzuschlagen gegen den gemeinsamen Feind, dessen Joch auch Hiskia abschüttelte. Das Wort sagt uns nicht, dass ein Bündnis geschlossen worden ist, wohl aber, dass der König die Gesandten freundlich empfangen hat. Hiskia macht hier noch einmal die demütigende Erfahrung, dass sein Gottvertrauen nicht unbedingt war. Nach der Erzählung der Chronika (Kap. 32, 27‑31) hatte Gott ihn für seine Treue während der ersten vierzehn Jahre seiner Regierung in reichem Maß gesegnet: "Er hatte sehr viel Reichtum und Ehre", und in diesem Augenblick kamen die Gesandten der Fürsten von Babel zu ihm, um nach dem Wunder zu fragen, welches im Lande geschehen war". Das war der von Berodak-Baladan angegebene Zweck; seine geheime Absicht schmeichelte dem Stolz Hiskias. Bei dieser Gelegenheit „verließ ihn Gott, um ihn zu versuchen, damit er alles erkännte, was in seinem Herzen war" (V. 31). Sich selbst überlassen, "überhob sich sein Herz". Er zeigte die Reichtümer, die Gott ihm gegeben hatte, um sich in den Augen der Fremden Anerkennung zu verschaffen, statt vor diesen Götzendienern den Gott zu verherrlichen, der ihn durch ein Wunder vom sicheren Tode errettet und seine Schatzkammern mit Reichtümern gefüllt hatte. 

Die Schatzkammern samt dem ganzen Zeughause, sein eigener Palast, seine Krongüter ‑ alles ging an den Augen einer missgünstigen Welt vorüber, die nur auf der Oberfläche ein Freund der Heiligen und des Volkes Gottes sein kann. Und siehe da, in einer ziemlich nahen Zukunft "wird alles, was seine Väter aufgehäuft hatten, nach Babel weggebracht" (2. Kön. 20, 17; Jes. 39, 6). Wie uns die Chroniken sagen, "kam ein Zorn über ihn und über Juda und Jerusalem", und Hiskia hat die schmerzliche Erfahrung davon machen müssen. Doch in der Zwischenzeit war seine Seele gedemütigt und wiederhergestellt worden; er war zubereitet, wie er in seiner Aufzeichnung sagt, sachte zu wallen ",alle seine Tage (die 15 Lebensjahre, die er vor sich hatte) wegen der Betrübnis (eig. Bitterkeit) seiner Seele". Sanftmut und Bitterkeit miteinander vereinigt! Zwei dem Anschein nach so unvereinbare Dinge vereinigen sich ganz gut bei dem Christen. Mit der Bitterkeit der Zucht, durch die wir zerbrochen werden, verbindet sich das unaussprechlich süße Bewusstsein der Liebe des Vaters, der uns jene auferlegt!
Jesaja erscheint hier in einer neuen Rolle, in der Weise des Wortes, das uns durchdringt und erforscht. Ein Glück für uns, wenn wir, wie Hiskia, nicht den Versuch machen, etwas vor Dem zu verbergen, mit dem wir es zu tun haben. Der gottesfürchtige König gesteht und erkennt alles an vor dem Propheten. "Was haben diese Männer gesagt? und woher sind sie zu dir gekommen?" fragt Jesaja. „Aus fernem Lande sind sie gekommen, von Babel", antwortet Hiskia. Hatte dieses ferne Land", wo der verlorene Sohn in seinen Vergnügungen, fern von dem Angesicht Gottes, leben konnte, irgendetwas mit der Gegenwart Gottes zu tun? (Luk. 15, 13). Diese Männer kamen von "Babel", dem Ursprungsort der Auflehnung gegen Gott und des Götzendienstes. Hiskia hatte keinen Bund mit ihrem König geschlossen, hatte sich aber durch Freundschaft mit ihm verbunden.

 Der Prophet fragt: „Was haben sie in deinem Hause gesehen?" Der König erwidert, immer mit gleicher Aufrichtigkeit: „Sie haben alles gesehen, was in meinem Hause ist; es gibt nichts in meinen Schätzen, was ich ihnen nicht gezeigt hätte". Dann kündigt Jesaja das Gericht Jehovas an: „Höre das Wort Jehovas! Siehe, es kommen Tage, da alles was in deinem Hause ist und was deine Väter aufgehäuft haben bis auf diesen Tag, nach Babel weggebracht werden wird; e s wird nichts übrigbleiben. ‑ Ist das nicht schließlich das Wort der Schrift, wenn unsere Herzen sich durch die Dinge der Erde haben anziehen lassen und stolz geworden sind? „Die Welt vergeht und ihre Lust." Nichts wird davon übrigbleiben!
Hiskia hat Jehova nichts verborgen und nimmt in völliger Demut Seinen Urteilsspruch an. Sein Wort erinnert an das Wort Davids: "Ich habe gegen Jehova gesündigt"; doch es enthält noch mehr: "das Wort Jehovas, das du geredet hast, ist gut ", sagt Hiskia (V. 19). Er nimmt mit einem zerknirschten Herzen die Folgen seiner Handlungsweise auf sich. Das Zeugnis, das Gott ihm anvertraut hatte, kommt nicht unbeschädigt aus seinen Händen; ganz im Gegenteil, es ist hoffnungslos zerstört. Jene Erweckung, die in der Frische der göttlichen Kraft begonnen hatte, und dessen Werkzeug er gewesen war, nimmt ein Ende durch seine Verfehlung. Doch persönlich haben Herz und Gewissen Hiskias bei diesen Erfahrungen gewonnen. Wenn sein Zeugnis sich nicht hat halten können und in Verfall geraten ist, so hat doch seine Seele durch die Zucht die Gemeinschaft mit dem Herrn und jenes demütige Vertrauen auf Ihn wiedergefunden, das sie für einen Augenblick aufgegeben hatte, und so durch die schmeichlerischen Worte des Feindes eingenommen wurde.
„Da demütigte sich Hiskia wegen der Überhebung seines Herzens, er und die Bewohner von Jerusalem", berichtet uns die Chronika (2. Chron. 32, 26). Ein glückliches Ergebnis der persönlichen Demütigung, das auch bei anderen durch sie hervorgebracht wird! Wenn der Assyrer vor den Toren Jerusalems erscheint, sind König und Volk nur ein Herz und ein Gedanke, um ihm nicht zu antworten und im Vertrauen auf Jehova seine Drohungen zu verachten. Nachdem die Zucht ihre Früchte hervorgebracht hat, wird die Bitte Hiskias: „Nicht wahr, es wird Friede und Bestand sein in meinen Tagen?" erhört. „Der Zorn Jehovas kam nicht über sie in den Tagen Jehiskias" (2. Chron. 32, 26).

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 21,1-18


KAPITEL 21, 1‑18 Manasse

Oft folgt auf eine Zeit der Erweckung ein um so schnellerer Niedergang; und beachten wir, es ist nicht gesagt, dass Gott einen solchen Zustand der Dinge in besonderer Weise durch Seine Gerichte zu erkennen gebe. So z. B. hat Manasse am längsten regiert von allen Königen von Juda und Israel, obwohl zu seiner Zeit der Götzendienst wahrlich überflutete. Man kann den Zustand der Menschen nicht nach der größeren oder geringeren Strenge der Wege Gottes mit ihnen beurteilen. Das war gerade der Irrtum der Freunde Hiobs, die seinen Charakter nach den ihm auferlegten Prüfungen beurteilten und meinten, wenn Prüfungen fehlen, daraus auf eine entsprechende Gerechtigkeit des Menschen schließen zu können. Manasse beginnt seine Regierung im Alter von 12 Jahren und setzt sie 55 Jahre lang zu Jerusalem fort. Der Name seiner Mutter war: Hephzi-Bah, "meine Lust an ihr", der Name, den Jehova sogar dem wiederhergestellten Jerusalem geben wird (Jes. 62, 4). Für jenen Augenblick hatte Hephzi-Bah leider ein Scheusal geboren, einen Gegenstand des Missfallens Jehovas. Ist das vielleicht der Grund, weshalb weder der Vater noch der Geburtsort der Mutter Manasses erwähnt werden?
Manasse baut die von seinem Vater zerstörten Höhen wieder auf, errichtet dem Baal Altäre, macht ein Bild der Venus Astarte, deren unreiner Dienst sogar die Götzendiener entehrte, stellt ihr Bild in den Tempel, errichtet Altäre im Hause Jehovas und in den beiden Vorhöfen, dient den Sternen des Himmels, opfert seinen Sohn dem Moloch, treibt Wahrsagerei und Zauberei, und verleitet durch sein ganzes Verhalten das Volk Jehovas zum Bösen. Es hat in Juda nie einen schrecklicheren König gegeben als ihn.

 Dennoch war seine Regierungszeit äußerlich günstig; sie währte zunächst außergewöhnlich lange, und dann sehen wir nicht, mit Ausnahme eines Falles, dass Manasse sein Volk in besondere Schwierigkeiten gebracht hätte. Wir wiederholen deshalb: Gott beurteilt die Handlungen der Menschen nach dem, was sie Ihm gegenüber sind, Er urteilt nicht nach ihrem Verhalten gegen die Welt. Ist wohl ein Gottesleugner in Gottes Augen weniger schuldig, wenn er sich irgendeiner menschenfreundlichen Bestrebung widmet? Keineswegs. Die Menschen werden danach beurteilt, wie sie Gott und Seinen Christus geachtet haben, und wenn ihre Werke nicht den Vater und den Sohn zum Gegenstand haben, so sind die Werke böse. So war es bei Kain, der durch die reichen Früchte seiner Arbeit sich ein Verdienst zu erwerben meinte, während er seinen Bruder Abel hasste.
Die Taten Manasses riefen das Gericht herbei, aber Gott hatte mit Seinem Zeugnis in Juda noch nicht aufgehört. "Da redete Jehova durch Seine Knechte, die Propheten" (V. 10). So bleibt das Wort Gottes noch die einzige Zuflucht in diesen bösen Zeiten, obwohl es nur noch das Zeugnis ist von dem ,nahe bevorstehenden Gericht für das Volk, einem Gericht oder Urteilsspruch, wogegen es keine Berufung gab. "Ich werde über Jerusalem die Messschnur Samarias ziehen ‑und das Senk­blei des Hauses Ahabs, und ich werde Jerusalem auswischen, wie man eine Schüssel auswischt ‑ hat man sie ausgewischt, so kehrt man sie um auf ihre Oberseite. Und ich werde den Überrest meines Erbteils verstoßen und sie in die Hand ihrer Feinde geben, und sie werden allen ihren Feinden zum Raub und zur Plünderung werden; weil sie getan was böse ist in meinen Augen, und mich stets gereizt haben, von dem Tage an, da ihre Väter aus Ägypten gezogen sind, bis auf diesen Tag" (V. 13‑15). Jehova verbindet so den Zustand des Volkes mit dem Auszug aus Ägypten. Von diesem Augenblick an hatten sie gesündigt. Konnte man sagen, oder wird man sagen können, dass Gott nicht Geduld geübt habe gegen die, über die Sein Name angerufen wurde? 
Das Wort fügt hinzu: "Manasse vergoss auch sehr viel unschuldiges Blut, bis er Jerusalem damit erfüllte von einem Ende bis zum anderen" (V. 16). Manasse verfolgte also das Volk Gottes, die, die an allen diesen Schändlichkeiten unschuldig waren. Gott läßt uns hier bei diesem schrecklichen Schauspiel, das die göttliche Rache herbeiführt, stehen, aber die Chroniken, denen es immer gefällt, das Wirken der Gnade festzustellen, geben uns Auskunft über das Ende der Geschichte Manasses. Er hatte bis zu einem gewissen Punkt in seiner Geschichte die Oberherrschaft der Könige von Assyrien ertragen. Auf Sanherib war Esar-Haddon gefolgt (2. Kön. 19,37), dann dessen Sohn Asurbanipal.

 Babel, welches das Joch Assurs unter Berodak-Baladan abgeschüttelt hatte, war bald wieder erobert und unter die Herrschaft der Könige von Assyrien zurückgebracht worden. Manasse, der wahrscheinlich in eine Verschwörung dieser orientalischen Könige gegen die harte Dienstbarkeit Assyriens verwickelt war, wird mit ehernen Ketten gefesselt nach Babel gebracht. Das sind, soweit man aus der Geschichte schließen kann, die wahrscheinlichen Ursachen dieser grausamen Gefangenschaft, doch die wahre Ursache wird uns im Worte enthüllt, wenn wir lesen: „Jehova ließ über sie (d. i. über Manasse und sein Volk) die Heerobersten des Königs von Assyrien kommen" (2. Chron. 33, 11). 
Die Absicht Gottes, der nicht den Tod des Sünders will, wurde erreicht. Manasse demütigte sich, indem er sein ganzes Verhalten vor Gott verurteilte, und Gott führte ihn nach Jerusalem und in sein Reich zurück. Dann wurde er ebenso eifrig, das, was er angebetet hatte, zu verbrennen, wie die gottesfürchtigen Könige, die seinem Vater Hiskia vorangegangen waren; und das Volk betrat den gleichen Weg. Doch die Höhen wurden nicht zerstört. Es war nicht eine eigentliche Erweckung, sondern eine Umkehr zu Gott infolge der Trübsal, die bewirkt, dass der Elende zu Ihm schreit und die Errettung aus allen seinen Ängsten empfängt. Wir werden diesen Gegenstand später, bei der Betrachtung der Chroniken, wieder aufnehmen. Das Buch der Könige hält mit seinem Bericht ein, wenn es die Verantwortlichkeit des Königs dargestellt hat; das der Chroniken zeigt uns, wie die Gnade durch die Gerichte handelt, um den König wiederherzustellen. Welch ein köstlicher Gedanke, dass die verhärtetsten Herzen Gegenstände der Gnade werden können! Wie viele werden wir bei dem Herrn antreffen, deren Laufbahn, wie hier, durch das Gericht abgeschlossen zu sein schien, und die doch, ohne dass wir es vermuten, durch eine „Buße zum Heil" berührt worden sind!


KAPITEL 21, 19‑26 Amon 

Die kurze Regierung Amons wird durch die gleiche Gottlosigkeit gekennzeichnet wie die seines Vaters; ja, sie war womöglich noch schlimmer, weil er Zeuge des Gerichts gewesen war, das Manasse auferlegt wurde, auch Zeuge seiner Buße und des völligen Aufgebens seiner Götzen, und weil er daraus für sich selbst Unterweisung hätte empfangen sollen. Seine Mutter war Meschullemeth, die Tochter Haruz', von Jotba. Sie muss eine Edomiterin gewesen sein, wenn Jotba derselbe Ort ist wie Jotbatha (S. die Züge Israels 4. Mose 33, 33; 5. Mose 10, 7). Es ist, wie wir oft gesagt haben, nicht ohne Grund, dass unser Buch überall eine leise Hindeutung auf die Abstammung der Könige mütterlicherseits macht. 

Doch wie dem auch sei, die zerstörten Götzenbilder wieder aufzurichten ist in Gottes Augen schlimmer, als neue aufstellen. Das ist eine grobe Verachtung Gottes, nachdem Er durch Seine Wege und Sein Wort sich uns geoffenbart und uns dahin gebracht hat, das was Ihn verunehrte, aufzugeben. Dahin zurückkehren heißt handeln, als ob Gott nicht da wäre und nicht geredet hätte. Das ist es auch, was die Christenheit so schuldig macht. Gott hat sie vom Götzendienst und dessen unsittlichen Grundsätzen abgesondert; aber sie ist, wie ein Vergleich von 2. Tim 3, 1‑5 mit Röm. 1, 29‑32 ergibt, zu diesen Grundsätzen zurückgekehrt und wird später zu den Götzen selbst zurückkehren. Amon „verließ Jehova, den Gott seiner Väter"; das ist sein Urteilsspruch. Für ihn ist kein Raum für die Buße gelassen worden. Er stirbt, gleich den letzten Königen von Israel, eines gewaltsamen Todes.

1913
Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 22 – 23. 30

Botschafter des Heils 1913 S. 1ff

Josia und die zweite Erweckung

Mit diesem Kapitel sind wir bei der zweiten großen Erweckung, die in den letzten Tagen Judas stattfand, angelangt. Wir werden reichlichen Stoff zur Unterweisung für uns selbst darin finden. Bei der Betrachtung der Geschichte Hiskias haben wir uns gesagt, dass die Erweckungen des Endes gekennzeichnet sind durch den Bruch mit den Überlieferungen (so sehr auch manche Überlieferungen durch den Brauch geheiligt sein mochten), und auch durch die Rückkehr zu dem' was im Anfang aufgerichtet worden war. Es ist selbstverständlich, dass man außer solch besonderer und mächtiger Tätigkeit des Heiligen Geistes auch Zeiten begegnet, in denen die persönliche Frömmigkeit vorherrschend ist und den Götzendienst beseitigt, so z. B. bei Joas, Amazja und Asarja. Alle, die mit Gott handeln, können auf Grund dieser Tatsache jederzeit eine für ihre Umgebung gesegnete Wirksamkeit ausüben; indes ist es in den Wegen Gottes beachtenswert, dass in dem Maße, wie das Böse zunimmt und die Welt dem Endgericht zutreibt, die Wahrheit Gottes um so heller und lebhafter erglänzt und einen allgemeinen Einfluss zur Erweckung der Seelen ausübt.
Unter Josia wie unter Hiskia gab es einen entschiedenen und völligen Bruch mit dem alten Bösen, das in Juda geduldet oder entstanden war. Die Treue Josias in dieser Hinsicht (wie sie uns in dem Buche der Könige dargestellt wird) ist sehr bemerkenswert.
Josia begann zu regieren, als er ein kleiner Knabe war. Er stand infolgedessen noch unter der Leitung seiner Mutter Jedida, der Tochter Adajas, von Bozkath, einer Frau aus Juda (Vergl. Jos. 15, 39). Er wandelte, wie Hiskia, "auf allen Wegen seines Vaters David und wich nicht zur Rechten noch zur Linken". Das erste, was uns hier*) von ihm erzählt wird, ist, dass er anfängt, für das Haus Jehovas Sorge zu tragen, um das Baufällige des Hauses auszubessern, indem er auf „die Treue" derjenigen rechnet, die mit dieser Arbeit beauftragt wurden. 
Das ist eines der bestimmten Kennzeichen einer Erweckung in den letzten Zeiten. Das Haus Gottes bekommt für die Gläubigen eine ganz neue Bedeutung, und sein verfallener Zustand erweckt ihre Fürsorge. So muss es auch in den Tagen sein, die die Christenheit gegenwärtig durchschreitet. Die Stimme der Treuen muss sich hören lassen, um die Aufmerksamkeit des Volkes auf Sein Haus zu lenken, auf die Versammlung des lebendigen Gottes, denn sie ist für das Herz Christi der teuerste Gegenstand. Es handelt sich aber keineswegs darum, den verfallenen Tempel von neuem aufzubauen; nein, es gilt, die an ihm entstandenen Breschen wieder zu schließen, in Treue das nötige Baumaterial herbeizuschaffen, dem Gebäude das Zedernholz und die behauenen Steine einzufügen, die Gott, dem Erbauer des Hauses, wohlgefällig sind. Ich brauche kaum zu sagen, dass in diesen Zeiten des Endes der Christ, der sich seiner Berufung bewusst ist, dem Hause nicht Holz, Heu und Stroh einfügen wird; er wird vielmehr das herbeibringen, was für das Haus Gottes passt: lebendige, durch den Geist Gottes im Steinbruch der Welt gehauene Steine, die durch den Meister geformt und nun geeignet sind, in endgültiger Weise einen Teil des Bauwerkes Gottes auszumachen. Die Erweckung in unseren Tagen hat dies verstanden. Für sie besteht die Versammlung Gottes, obwohl sie in Trümmern liegen mag, während sie die Gebäude, die die Menschen ihre Kirchen nennen, und die von ihnen unterhalten werden, außer Acht lässt. Nicht zu diesen Gebäuden werden die treuen Zeugen Christi Baustoffe herbeischaffen, sondern zu der Kirche des lebendigen Gottes, und Ihm allein ist jeder für die Arbeit, die ihm anvertraut ist, verantwortlich. „Das Geld", sagt Josia, „das in ihre Hand gegeben wird, soll nicht mit ihnen verrechnet werden; denn sie handeln getreulich" (V. 7). 
Der Eifer für das Haus Gottes hat ein sofortiges und äußerst wichtiges Ergebnis. „Das Buch des Gesetzes wird im Hause Jehovas wiedergefunden". Wenn dem Josia nicht die Wiederherstellung des Tempels am Herzen gelegen hätte, wäre das Buch des Gesetzes, das dort aufbewahrt wurde (2. Chron. 34,15), nicht wieder ans Licht gekommen. Dieser Punkt kennzeichnet in besonderer Weise die Erweckung Josias. Bei Hiskia war das Vertrauen auf Jehova mehr vorherrschend, selbstverständlich begleitet von wirklicher Unterwerfung unter das Wort Gottes, dessen Träger der Prophet Jesaja war. Unter Josia finden wir gleichsam eine ganz neue Offenbarung des geschriebenen Wortes, d. i. in diesem besonderen Falle der Bücher Moses. So erhalten bei dieser Gelegenheit die vernachlässigten und unter den vorhergehenden Regierungen sozusagen vergessenen Heiligen Schriften auf einmal ihre Bedeutung wieder. Das war auch der große Segen, der mit der Erweckung verbunden war, die wir gemeinhin „die Reformation" nennen. Die durch die Wege der Vorsehung aus dem Schatten hervortretende und allen dargebotene Bibel erstrahlt alsbald im höchsten Glanz. Aber schmerzlich berührt es zu sehen, dass die Reformation nicht, wie Josia, mit dem Eifer für das Haus Gottes begann. Aber wir gehen wohl nicht irre in der Annahme, dass die Erkenntnis der Bedeutung der Versammlung (Gemeinde) Christi für eine spätere Zeit aufbewahrt wurde. 
Wenn der Eifer für das Haus und der Gehorsam gegen die Schriften Hand in Hand gehen, dann werden die Schriften zu einer ganz neuen Offenbarung. Das früher als von Gott kommend Erkannte verliert gewiss nicht seine Bedeutung, aber ein Licht dringt herein, das als etwas bis dahin gänzlich Unbekanntes nicht nur in Erstaunen setzt, sondern auch tief das Gewissen ergreift. „Und es geschah, als der König die Worte des Buches des Gesetzes hörte, da zerriss er seine Kleider" (V. 11). Wie war es möglich, dass das Wort Gottes durch Sein Volk so vergessen und übertreten werden konnte?! War es verwunderlich, dass die Folge davon der Verfall des Volkes war?
Und nun, wer wird uns dieses Wort erklären? Wie sollen wir „Jehova befragen" über das, was wir zu tun haben, da wir doch nach diesem Wort wissen, dass wir uns Sein Miss­fallen zugezogen haben? Der Prophet allein, der Vertreter des Geistes Christi (1. Petr. 1, 11), kann es uns auslegen. Josia wendet sich deshalb nicht an Schaphan, den Schreiber, selbst nicht an Hilkija, den Hohenpriester; er will sich unmittelbar mit dem Worte in Verbindung setzen. Es gab viele Propheten zur Zeit des gottlosen Manasse (2. Kön. 21, 10). Zur Zeit Josias, in diesen Tagen der Erweckung, aber großer Schwachheit, findet man eine Prophetin zu Jerusalem. Nicht dass in Juda die Propheten gefehlt hätten (Kap. 23, 2), aber die einer Frau anvertraute Tätigkeit kennzeichnet hier den Zustand des Niedergangs, wie die Tätigkeit der Debora im Buch der Richter.
Ähnlich der Debora sucht Hulda, die Dienerin Jehovas, nicht einen öffentlichen Dienst auszuüben, wie die falschen Prophetinnen unserer Tage es machen; sie benutzt ihre Gabe in dem ihr angewiesenen Kreis. Die Knechte Josias begeben sich zu ihr; .sie wohnte aber zu Jerusalem im zweiten Stadtteil" (V. 14). Wir sind hier weit entfernt von einem Jesaja, dessen Dienst das ganze Gebiet der Prophezeiung umfasste, und dessen Anwesenheit die Erweckung Hiskias kennzeichnete. Aber der Geist Gottes redet durch diese Frau, um "alle Worte des Buches, welches der König von Juda gelesen hat", zu bestätigen und um zugleich Josia über seine eigene Zukunft zu beruhigen.

 Gott beachtet die tiefe Demütigung des Königs: "Weil dein Herz weich geworden ist, und du dich vor Jehova gedemütigt hast, als du hörtest, was ich über diesen Ort und über seine Bewohner geredet habe, dass sie zur Verwüstung und zum Fluche werden sollen, und du deine Kleider zerrissen und vor mir geweint hast, so habe ich es auch gehört, spricht Jehova" (V. 19). Sich demütigen war in der Tat das Einzige, was notwendig war. Es charakterisiert Josia und kennzeichnet zu allen Zeiten den treuen Überrest inmitten des Bösen (Hesekiel 9, 4), in den Tagen des Verfalls der Kirche wie unter allen denen, die bekennen, den Namen Jehovas zu kennen. Man kann heute das Herdes Treuen an der Demütigung erkennen, die er über den gegen­wärtigen Zustand der Dinge empfindet. Das Herz Josias ist daran erkennbar: er zerreißt seine Kleider und weint. Aber er sollte "vor dem Unglück hinweggerafft werden", wie Jesaja sagt (Kap. 57, 1).


KAPITEL 23, 1‑20 Das Buch des Bundes und die Heiligung des Volkes

Die Bedeutung des Hauses Gottes auf Erden, der Stätte, wo Jehova Seinen Namen wohnen lässt, und das Buch des Bundes, das sind, wie wir gesehen haben, die beiden Dinge, die die geistliche Erneuerung unter Josia kennzeichnen. Wir zögern nicht zu wiederholen ‑ In den Zeiten, in denen wir leben, werden diese beiden Dinge stets eine wahre Erweckung kennzeichnen. Das Interesse für die Versammlung des lebendigen Gottes (nicht aber für die armseligen Nachahmungen, die die in Verfall geratene Christenheit an ihre Stelle gesetzt hat) und der Eifer für die inspirierte Autorität der heiligen Schriften, das ist es, woran jede treue Seele, die die Verherrlichung des Herrn sucht, heute festhalten wird, koste es was es wolle.
Der König versammelt alle Ältesten von Juda und Jerusalem um sich und „geht in das Haus Jehovas hinauf, und alle Männer von Juda und alle Bewohner von Jerusalem mit ihm' und die Priester und die Propheten, und alles Volk, vom Kleinsten bis zum Größten; und man las vor ihren Ohren alle Worte des Buches des Bundes, das im Hause Jehovas gefunden war". Dieses Buch des Bundes enthält nicht nur den Bund von Sinai, sondern auch den, der in den Ebenen Moabs gemacht worden war, das heißt alle Worte des 5. Buches Mose.

 Sie passten genau zu dem Zustand des Volkes, wie er in jenem Augenblick war, und Gott hatte ihn im voraus in diesem Buch beschrieben. Das 5. Buch Mose redete vor allem von Gehorchen und machte Segen und Fluch des aus Ägypten erlösten Volkes von dem Gehorsam gegen das Wort abhängig. Dieser Bund wird hier erneuert: "Der König stand auf dem Standorte und machte den Bund vor Jehova, Jehova nach zu wandeln und seine Gebote und seine Zeugnisse und seine Satzungen zu beobachten mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, um die Worte dieses Bundes zu erfüllen, welche in diesem Buche geschrieben sind. Und das ganze Volk trat in den Bund" (V. 3). 
Diese Erweckungen des Endes üben auf alle eine mächtige Wirkung aus, wenn auch die Wirklichkeit sich nur im Herzen des Überrestes findet. So zeigt uns das Buch Jeremias, der unter Josia weissagte, dass der sittliche Zustand des Volkes tatsächlich keine Veränderung erfuhr. Man stimmte der Ausrottung des Götzendienstes infolge der Treue des Königs leicht zu, aber die Herzen blieben ebenso weit von Gott entfernt wie zuvor. Der Prophet sagt: "Und Jehova sprach zu mir in den Tagen des Königs Josia. Hast du gesehen, was die abtrünnige Israel getan hat? Sie ging auf jeden hohen Berg und unter jeden grünen Baum und hurte daselbst. Und ich sprach: Nachdem sie dies alles getan hat, wird sie zu mir zurückkehren. Aber sie kehrte nicht zurück. Und ihre treulose Schwester Juda sah es; und ich sah, dass trotz alledem, dass ich die abtrünnige Israel, weil sie die Ehe gebrochen, entlassen und ihr einen Scheidebrief gegeben hatte, doch die treulose Juda, ihre Schwester, sich nicht fürchtete, sondern hinging und selbst auch hurte. Und es geschah, wegen des Lärmes ihrer Hurerei ent­weihte sie das Land; und sie trieb Ehebruch mit Stein und Holz.

Und selbst bei diesem allen ist ihre treulose Schwester Juda nicht zu mir zurückgekehrt mit ihrem ganzen Herzen, sondern nur mit Falschheit, spricht Jehova" (Jer. 3, 6‑10; man lese auch Kap. 5, 27‑29; 6, 9‑15. 29; 8, 8‑13).
Dessen ungeachtet wird durch die Treuen ein sittlicher Zwang auf die Seelen ausgeübt, selbst auf die, die tatsächlich fern von Gott sind. In 2. Chron. 34, 33 lesen wir, dass Josia, „alle, die sich in Israel befanden, anhielt, Jehova, ihrem Gott, zu dienen. Alle seine Tage wichen sie nicht ab von der Nachfolge Jehovas, des Gottes ihrer Väter". Und auch hier heißt es, dass das ganze Volk in den Bund trat. Amon, hatte alles, was Manasse bei seiner Buße zerstört hatte, wiederhergestellt. Josia in seinem Eifer für Gott und für Gott allein, ganz verschieden von dem Eifer Jehus, reinigt völlig Jerusalem, Juda und Israel, soweit sein Arm reicht. Er verbrennt im Tale Kidron alle im Tempel angesammelten Gegenstände für den Dienst des Baal, der Astarte und der Sternbilder, und lässt ihren Staub nach Bethel bringen, an den Ort, wo der Götzendienst Jerobeams seinen Anfang genommen hatte. Er schafft die Götzenpriester ab, die die Könige von Juda eingesetzt hatten, den falschen Göttern zu räuchern. Er zerstört die Aschera, das Bild der unkeuschen Venus, das im Hause Jehovas errichtet war. und wirft den Schmutz ihrer Asche auf die Gräber derer, die sie angebetet hatten. Er hebt die Buhlerei auf, die sich unter dem Deckmantel des Dienstes der Astarte in Jerusalem breit machte. Er ruft die Priester zusammen, die, seitdem Manasse Buße getan hatte, fortgefahren hatten, Jehova auf den Höhen zu opfern (2. Chron. 33, 17). Er stellt sie nicht den Götzenpriestern gleich, erlaubt ihnen aber auch nicht, zum Altar Jehovas in Jerusalem hinaufzugehen. Jede Gemeinschaft mit einer Religion, die, auch wenn sie vom Götzendienst getrennt ist, es gewagt hat, den einzigen Mittelpunkt des Zusammenkommens des Volkes zu verleugnen, wird entschieden abgebrochen.
Hierin finden wir eine Unterweisung für die Tage, in denen wir leben.

Die Handlungsweise Josias zeigt uns, dass eine Erweckung sich nicht mit einem Gottesdienst verbinden kann, der nicht am Tische des Herrn, dem einzigen Mittelpunkt des Zusammenkommens der Seinigen, ausgeübt wird. Doch erkennt Josia diesen Priestern das Recht zu, "Ungesäuertes in der Mitte ihrer Brüder zu essen" (V. 9). Die persönliche Heiligkeit derer, die der Herr geweiht hat, wird völlig anerkannt, aber für den Augenblick (wenn nicht für immer) wird die Ausübung ihres Amtes beim Gottesdienst Israels nicht geduldet. Josia schafft auch die Rosse der Sonne ab und zertrümmert die Altäre, die gewagt hatten, den Platz des einzigen Altars Gottes einzunehmen. Er wagt sich sogar in seinem Eifer für Jehova an die Altäre, die von Salomo gebaut worden waren (V. 13). Mehr noch. Sein Interesse dehnt sich auf das ganze Volk Gottes aus. Er geht nach Bethel, richtet das ganze Böse dort bei seiner Wurzel und erfüllt so die Prophezeiung, die einst gegen den Altar ausgesprochen worden war, auf dem der König Jerobeam geopfert hatte (V. 15. 16; 1. Kön. 13, 2). Nur verschont er das Grab des Mannes Gottes, „der diese Dinge ausgerufen hatte". 

Wie untreu der Mann auch gewesen sein mochte, Josia erkennt das, was er für Gott getan hatte, an, indem er auch die Gebeine des Propheten von Samaria verschont, der die Ursache des Falles des Mannes Gottes gewesen war, sich aber auch über seinen Fehler gedemütigt hatte. Gerade so erkennt jedes wahrhaft christliche Herz das an, was die Männer Gottes in vergangenen Zeiten in Seinem Dienste getan haben, und achtet ihre Arbeit hoch, selbst wenn sie mit Fehlern behaftet ist, wodurch sie von ihrer Kraft eingebüßt hat und in ihren Ergebnissen beeinträchtigt worden ist (V. 17. 18).
Schließlich durchzieht der König die Städte Israels, tut die Höhenhäuser hinweg und vertilgt ohne Erbarmen die götzendienerischen Priester, obwohl deren Einfluss nach der Wegführung des Volkes durch den Assyrer anscheinend geringer geworden war. Er handelt so im Blick auf eine zukünftige Wiederherstellung, und sein für den Dienst Jehovas entflammtes Herz klammert sich daran; denn die Propheten kündigten, noch während seiner Regierung, die Wiederherstellung unter dem Zepter des Königs der Gerechtigkeit und des Friedens an.

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 23, 21-27


Das Passah

„Und der König gebot dem ganzen Volke und sprach: Feiert Jehova, eurem Gott, Passah, wie in diesem Buche des Bundes geschrieben steht. Denn es war kein solches Passah gefeiert worden wie dieses, von den Tagen der Richter an, welche Israel gerichtet haben, und alle Tage der Könige von Israel und der Könige von Juda; sondern im achtzehnten Jahre des Königs Josia wurde dieses Passah dem Jehova zu Jerusalem gefeiert" (V. 21‑23).
Die Feier des Passahs wird uns hier nur in einigen Worten mitgeteilt, während die Chroniken sie ausführlich beschreiben (Vergl. 2. Chron. 35, 1‑19). Die Sache ist indes in der Geschichte der Erweckung von zu großer Bedeutung, dass wir die Aufmerksamkeit unserer Leser nicht für einen Augenblick darauf richten sollten. 

Wir haben soeben von zwei großen Grundsätzen gesprochen, die die Erweckung des Endes kennzeichnen: von dem Bruch mit dem Götzendienst der Welt oder ihren religiösen Überlieferungen, und von der Rückkehr zu den Heiligen Schriften. Im Gefolge dieser beiden Tatsachen und als deren Furcht begegnen wir der Feier des Passahs.
Das Passah war, als Einrichtung, zunächst in Ägypten gefeiert worden, wo das Volk Israel durch das Blut des Passahlammes aus dem Land der Knechtschaft errettet wurde. Durch dieses Blut war das Gericht Gottes, das Ägypten traf, von Israel abgewendet worden. Das unter die Besprengung des Blutes gebrachte Volk aß das Passah. Das war ein Bild von der Anwendung des Opfers Christi auf uns, die ein für allemal durch den Glauben geschehen ist, und dieses Sinnbild entspricht dem, was uns in Joh. 6, 53 von dem Christen gesagt wird.
Die Gedächtnisfeier dieser Errettung kam nachher. Sie wiederholte sich jedes Jahr am 14. Tage des ersten Monats (2. Mose 12, 14. 26. 27. 45). Diese Gedächtnisfeier wurde vom ganzen Volke begangen. Unter geregelten Verhältnissen durfte niemand davon wegbleiben, da er sonst „ausgerottet werden sollte aus seinen Völkern". Als erste Bedingung musste man beschnitten sein (2. Mose 12, 48). Dieses Zeichen war das Bild der Absonderung für Gott durch das Gericht über die Sünde und das Hinwegtun des Fleisches. Beim Eintritt in das Land Kanaan, nach dem Durchzug durch den Jordan, wurden daher auch alle die, deren Väter in der Wüste gefallen waren' und die nicht beschnitten waren, zu Gilgal beschnitten. „Die Schande Ägyptens" wurde so von ihnen abgewälzt und sie konnten das Passah in den Ebenen von Jericho feiern (Jos. 5, 6‑12).
Durch die Tatsache, dass sie einem erlösten und beschnittenen Volke gegeben war, wurde diese Gedächtnisfeier dass Sinnbild der Einheit des Volkes Gottes. In dem Passah erblicken wir daher, neben der Erinnerung an die Erlösung, die Verkündigung der Einheit des Volkes.
Der Geist Gottes redet von der Feier des Passah als einer grundlegenden Anordnung zuerst während der Reise durch die Wüste (4. Mose 9, 1‑14), und dann beim Einzug in Kanaan (Jos. 5, 10). Von da an erwähnt das Wort das Passah nicht mehr bis zu den Tagen Hiskias; nicht dass es unter den Richtern, unter David, Salomo und den Königen niemals beobachtet worden wäre, aber es war nicht der besondere, von dem Heiligen Geist vorgestellte Gegenstand. Dagegen sehen wir die Feste des siebenten Monats, vor allem das Laubhüttenfest, unter der Regierung Salomos einen hervorragenden Platz einnehmen.
Bei der Erweckung zur Zeit Hiskias wurde das Passah nicht am 14. Tage des ersten Monats, sondern an demselben Tage des zweiten Monats gefeiert (2. Chron. 30, 15), einem Tag, der durch das Wort für diejenigen gutgeheißen war, die zur Zeit der Feier dieses Festes unrein waren oder sich auf der Reise befanden (4. Mose 9, 11). Bei den Priestern in den Tagen Hiskias war es so, dass sie zur Zeit des Festes unrein waren; sie hatten es an dem Eifer, sich zu reinigen, fehlen lassen, und Hiskia handelte demgemäß. Das Passah bei Josia wurde an dem ursprünglich von Gott festgesetzten Tage im ersten Monat gefeiert (2. Chron. 35, 1). Das Bedürfnis, sich für Jehova zu heiligen, war da viel allgemeiner als unter Hiskia, denn das Wort Gottes wurde besser verstanden, und der Wunsch, Ihm zu gehorchen, war wirklicher.
Auch zur Zeit Esras wurde das Passah von den "Kindern der Wegführung" an dem dazu bestimmten Tage gefeiert, „denn die Priester und die Leviten hatten sich gereinigt wie ein Mann" (Esra 6, 19. 20).
Je weiter wir also in der Geschichte des Verfalls des Volkes Gottes voranschreiten, desto bedeutsamer wird das Passah und der dazu passende Seelenzustand für die Treuen; und ‑ eine ganz merkwürdige Sache! ‑ das Zeichen der Einheit des Volkes wird um so wichtiger, je mehr dieses Volk durch den Verfall zerstreut wird.
Ist es nötig, hinzuzufügen, dass diese Wahrheiten den jetzigen Zeiten entsprechen? Das Abendmahl des Herrn, das in der Nacht, in welcher der Herr Jesus überliefert wurde, als Gedächtnisfeier an die Stelle des jüdischen Passahs trat, ist bereitet und der Tisch des Herrn errichtet für das erlöste Volk, und nur für dieses. Der Tod des Herrn wird dort verkündigt, bis Er wiederkommt. Dieser Tisch ist zu gleicher Zeit der Mittelpunkt des Zusammenkommens für das Volk Gottes und die Verkündigung der Einheit des Leibes Christi (1. Kor. 10, 17), selbst in einer Zeit, wo scheinbar alles dieser Wahrheit widerspricht, wo man sogar diejenigen, die sie verkündigen, verlacht und verspottet, wie zur Zeit Hiskias (2. Chron. 30, 10).
Die Geschichte des Passahs ist damit nicht zu Ende, und wird tatsächlich nie zu Ende kommen. Ein williges Volk wird es noch während der tausendjährigen Herrlichkeit Christi auf der Erde feiern (Hesekiel 45, 21).

 Zugleich wird es in dem himmlichen Reiche gefeiert werden, wenn die verherrlichten Heiligen um das geschlachtete Lamm versammelt sind (Offbg. 5).
So bleibt von dem Augenblick an, da eine Erlösung bewirkt worden ist, das Gedächtnis an Den, der sie für das Volk Gottes erworben hat, durch alles hindurch bestehen und wird bis in Ewigkeit fortdauern. Die Erinnerung an den Tod Christi ist immer nötig, denn Sein Tod ist die einzige Grundlage jeder Segnung.
Kehren wir jetzt zu dem Passah Josias zurück. Die Erzählung unseres Buches wird, obwohl sie sehr kurz ist, durch ein wichtiges Wort gekennzeichnet. Es lautet: "wie in diesem Buche des Bundes geschrieben steht" (V. 21). Allerdings war auch unter Hiskia (wie wir in der Chronika sehen) das Volk gekommen, um es "nach dem Worte Jehovas" und "nach dem Gesetz Moses, des Mannes Gottes" (2. Chron. 30, 12. 16) ' zu feiern, aber unter Josia nimmt das wunderbarerweise im Tempel erhaltene und wiedergefundene geschriebene Wort eine noch größere Bedeutung an. Ohne das Wort sollte nichts von dem, was jene Gedächtnisfeier anging, stattfinden. „Nach der Schrift Davids und nach der Schrift seines Sohnes Salomo" sollte man sich dafür bereiten (2. Chron. 35, 4); "nach dem Worte Jehovas durch Mose" sollte man das Passah bereiten (V. 6); "wie im Buche Moses geschrieben steht", sollte man Jehova das Opfer darbringen (V. 12); "nach der Vorschrift " sollte man es am Feuer braten (V. 13); "nach dem Gebote Davids und Asaphs und Hemans und Jeduthuns, des Sehers des Königs", nahm jeder seinen Platz ein, um die Gott wohlgefällige Ordnung beim Singen und Loben zu beobachten (V. 15). Und alles geschah „nach dem Gebote des Königs Josia" (V. 16), das heißt, das Werkzeug dieser Erweckung hatte Verständnis, um nur das anzuordnen und zu gebieten, was mit den Schriften übereinstimmte.
Lasst uns das zu Herzen nehmen. 

Josia hatte eine Botschaft von Jehova erhalten (2. Kön. 22, 20) und wusste genau, dass er, indem er So handelte, das kommende Gericht nicht aufhalten konnte; er wusste auch, dass er vor dem Unglück weggenommen werden würde, und dass seine Augen es nicht sehen würden; aber er hatte nur einen Gedanken ‑ Indem er den Schimpf, der Jehova und Seinem Dienst angetan worden war, mit tiefer Demütigung fühlte, drängte es ihn, Ihn inmitten des Verfalls Israels zu ehren, gerade an dem Ort, wo Er verunehrt worden war; er verurteilte durch sein ganzes Verhalten die Schändlichkeiten, die unter dem Deckmantel der Religion in Juda begangen worden waren; er demütigte sich wegen dieses Abfalls, als wenn er die Verantwortlichkeit dafür ebenso gut trüge wie die anderen, aber seine ganze Tätigkeit richtete sich, ohne etwas davon wegzunehmen, auf den Dienst Jehovas und die Reinigung eines abgesonderten Volkes für Ihn, so erniedrigt und zerstreut dieses auch sein mochte.
Das Zeitalter Josias war nicht, wie das Zeitalter Hiskias, durch besondere Angriffe des Feindes, durch Prüfungen von innen und außen gekennzeichnet. Es war eine verhältnismäßig friedliche Zeit, wo die Gleichgültigkeit sicher mehr verbreitet war als der Hass; aber während die Welt sich ruhig verhielt und alles seinen Gang gehen ließ, benutzte Josia die kurze Windstille, um die eifrigste Tätigkeit im Dienst seines Herrn zu entfalten.
Unsere Zeit ist, wie bereits gesagt, jener ähnlich, und die Gläubigen haben in ihr die gleiche Stellung und die gleichen Pflichten. Möchten wir diese Tage des Endes, die verhältnismäßig ruhig sind, um von diesen drei Dingen Zeugnis zu geben: 1. von der Trennung von der religiösen und nicht­religiösen Welt, die uns umgibt, 2. von dem Festhalten an den Schriften und 3. von dem Zusammenkommen der Kinder Gottes an dem Tische des Herrn, bis Er kommt!
Unser Kapitel fügt noch hinzu: „Alle Scheusale, die im Lande Juda und in Jerusalem gesehen wurden, schaffte Josia hinweg, um die Worte des Gesetzes auszuführen, die in dem Buche geschrieben standen" (V. 24). So übte Josia bis ans Ende seiner Laufbahn praktisch die Vorschriften aus, die er in den Schriften gefunden hatte. Es hat keinen König, weder vor noch nach ihm gegeben, der ihm ähnlich gewesen wäre; und das lag nicht an seinem persönlichen Verdienst noch an seiner Gerechtigkeit, sondern an der Tatsache, dass das Wort Gottes, das in seinem Herzen mit dem Glauben vermischt war, zu einem untrennbaren Bestandteil seiner selbst geworden war.


KAPITEL 23, 28‑30 Der Pharao Neko


Das Ende Josias entspricht nicht den Segnungen im Anfang seiner Regierung. Wir haben gesehen, dass Gott ihm in besonderer Gnade äußere Ruhe geschenkt hatte, so dass sein Zeugnis sich in Frieden entfalten konnte, und Josia selbst war es, der sich verleiten ließ, Krieg zu suchen. Der Augenblick war gekommen, in dem nach der Prophezeiung die Macht Assyriens, die' so schwer auf allen Völkern gelastet hatte, gebrochen werden sollte, um der Weltherrschaft Babels Platz zu seinem Herzen mit dem Glauben vermischt war, zu einem machen. Neko zieht mit dem ägyptischen Heer gegen den König von Assyrien herauf. Josia nimmt Partei für den Assyrer gegen den Pharao, was Gott ihm keineswegs geboten hatte. Was hatte er damit zu tun, das schwankende Gebäude dieser Macht zu stützen, die von jeher ein grausamer Feind Israels gewesen war? Er wusste durch die Propheten, dass der endgültige Untergang des Assyrers nahe bevorstand. Hatte er von seiten Gottes den Auftrag, die Weltereignisse zu korrigieren oder ihnen seine Unterstützung zu leihen? In dem Zustand der Welt gibt es nach Gottes Urteil nichts, was verbesserungsfähig wäre, und wir wissen, dass sie schon gerichtet ist. Josia war von dem ganzen Lauf der Welt abgesondert worden, um Jehova und dem Volke Jehovas zu dienen, und nun mischt er sich in die Politik! Die Folgen lassen nicht auf sich warten: die Welt straft uns für unsere Einmischung in ihre Angelegenheiten.

 „Was haben wir miteinander zu schaffen?" lässt ihm der Pharao sagen, der das Bewusstsein hatte, ein Werkzeug Gottes zu sein. "Gott ist mit mir ... Gott hat gesagt, dass ich eilen solle", und: „die Worte Nekos kamen aus dem Munde Gottes" (2. Chron. 35, 20‑22). Von dem Augenblick an, da Josia diesen Weg betritt, verliert er das Unterscheidungsvermögen für die Gedanken Jehovas und weiß die Worte Seines Mundes nicht mehr zu erkennen. So ist es immer. Geistliches Verständnis und wahre Kenntnis des Wortes sind verbunden mit wahrer Trennung von allem, woraus die Welt besteht, einschließlich ihrer Politik. überdies würde ein Kind Gottes immer ein schlechter Diplomat sein, weil es nicht vermeiden kann, sich durch sittliche Grundsätze leiten zu lassen, um die die Welt sich nicht kümmert. Andererseits freilich, wer könnte die Zukunft der Welt so kennen wie der Christ? Ein einfaches Kind im Glauben, das am Worte Gottes hängt wird durch seine Kenntnis der Zukunft klüger sein als die größten Politiker; denn es kennt alle Einzelheiten der zukünftigen Dinge nach der Offenbarung, die Gott ihm darüber gegeben hat.
Josia muss für sein Tun büßen, denn eine solche Einmischung war eine schwere Untreue für einen Mann, der, wie er, mit Segnungen und mit der Gemeinschaft seines Gottes begünstigt worden war. Er wird von dem Pharao zu Megiddo getötet und in seinem Begräbnis beerdigt. Jeremia stimmt über das Ende dieses frommen Knechtes Jehovas ein Klagelied an (2. Chron. 35, 25).

KAPITEL 23, 31‑35 Der endgültige Zusammenbruch - Joahas
Die ganze Gunst Gottes unter der Regierung Josias, der Segen und die Freude, womit Jehova das Herz des Volkes erfüllt hatte, blieben ohne irgendwelches Ergebnis für die Nachfolger dieses Königs. Joahas, der vom Volke erwählt und an Stelle seines Vaters zum König gemacht wurde, „tat was böse war in den Augen Jehovas, nach allem was seine Väter getan hatten (V. 32). Er steht nicht mit Josia in Verbindung, sondern mit seinen ungläubigen und götzendienerischen Vätern. Er gehört nicht zu dem Geschlecht des Glaubens. Es ist nicht möglich, Josia oder Abraham zum Vater zu haben, ohne der Buße würdige Früchte hervorzubringen. Die Axt war jetzt an die Wurzel des Baumes gelegt, das Königtum lag in seinen letzten Zuckungen, um endgültig von Juda abgeschnitten zu werden. 

Die dem Volk Gottes entsprossenen Mütter sind fernerhin ohne Einfluss, sei es dass keine Ohren da waren, auf sie zu hören, sei es dass sie selbst an dem Verderben teilnahmen. Hamutal, das Weib Josias und die Mutter des Joahas, war eine Tochter Jeremias von Libna und anscheinend aus priesterlichem Geschlecht (Vergl. Josua 21, 13). Ihr Sohn regierte nur drei Monate und fand doch Zeit, Böses zu tun und durch sein Verhalten gegen Gott dem entgegenzuwirken, was
Josia aufgerichtet hatte. Der Pharao Neko rächt sich an ihm wegen des Widerstandes Josias, der törichterweise zur Unterstützung des Assyrers den Marsch des ägyptischen Heeres hatte aufhalten wollen. Gefesselt wird Joahas nach Ägypten gebracht und stirbt dort. Der Pharao kümmert sich gar nicht um dieses vom Volk errichtete Königtum. Jeremia weissagt über ihn: „Weinet nicht um den Toten und beklaget ihn nicht; weinet vielmehr um den Weggezogenen, denn er wird nicht mehr zurückkehren und das Land seiner Geburt sehen. Denn so spricht Jehova von Schallum,*) dem Sohne Josias, dem König von Juda, welcher König ward an seines Vaters Josias Statt und der aus diesem Orte weggezogen ist: er wird nicht mehr hierher zurückkehren; sondern an dem Orte, wohin sie ihn weggeführt haben, daselbst wird er sterben, und er wird dieses Land nicht wiedersehen" (Jeremia 22, 10‑12). Neko nimmt Eljakim, den Sohn Josias, und macht ihn zum König „an Josias , seines Vaters, Statt", indem er seinen Namen in Jojakim umwandelt; dieser wird Knecht und Tributpflichtiger des Königs von Ägypten und gibt dem Pharao das Gold und Silber, das er nach seiner Schätzung eines jeden von dem Volke eingetrieben hatte.


KAPITEL 23, 36-24 , 7 Jojakim


Für die Mutter Jojakim gilt das gleiche wie für die Mutter des Joahas. Sie hieß Sebudda und war die Tochter Pedajas, von Ruma" welches (wahrscheinlich) eine der Städte Judas war. Jojakim, der anfangs dem Pharao tributpflichtig war, kommt nachher in das gleiche Verhältnis zu Nebukadnezar, dessen Herrschaft im vierten Jahre Jojakims begann. Jehovas Warnungen wurden in reichem Maße durch Jeremia (Jer. 22, 13‑19) und andere Propheten an ihn gerichtet, fanden aber keine Be­achtung. Er tötete Urija, den Propheten, der gegen Jerusalem und gegen Juda geweissagt hatte, der dann aber, da es ihm angesichts der mörderischen Pläne des Königs an Glauben mangelte, nach Ägypten geflohen war (Jer. 26, 20‑23).

 Jeremia befand sich in der gleichen Gefahr, aber er stützte sich auf das Wort Jehovas: "Siehe, ich mache dich heute zu einer festen Stadt und zu einer eisernen Säule und zu einer ehernen Mauer wider das ganze Land, sowohl wider die Könige von Juda als auch dessen Fürsten, dessen Priester und das Volk des Landes. Und sie werden gegen dich streiten, aber dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, spricht Jehova, um dich zu erretten" (Jer. 1, 18. 19; siehe auch Kap. 6, 27; 15, 20. 21). Jehova wachte über ihn nach diesem Worte. Als z. B. der König in seinem Unglauben die Rolle der Weissagung Jeremias mit einem Messer zerschnitten und ins Feuer geworfen hatte, und sodann den Propheten und seinen treuen Gefährten Baruch zu ergreifen suchte, hören wir: „aber Jehova hatte sie verborgen" (Jer. 36, 20‑26).
Vom dreizehnten Jahre des treuen Josia an, als das Volk sich noch des Wohlergehens erfreute, das die Treue des Königs ihm verschaffte, hatte Jeremia angefangen zu weissagen, aber das Volk hatte nicht darauf gehört. Dann kündigte der Prophet die siebzigjährige Gefangenschaft unter dem Joche Babels an (Jer. 25, 11), weiter das Los aller Nationen, an deren Spitze er Jerusalem setzte, indem er es den heidnischen Völkern gleichstellte, und schließlich das Los Babels selbst (Jer. 25, 17‑29). Diese Aufzählung lässt verstehen, was die durch Babel errichtete allgemeine Monarchie war, so kurz deren Herrschaft im Vergleich mit der lange dauernden assyrischen Herrschaft auch gewesen ist; doch Assyrien hat nie ein zusammenhängen­des, festgegründetes und allgemein anerkanntes Reich gebildet, wie das Reich Babels war.
Nachdem Jojakim seinen Herrn gewechselt hatte, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als sich gegen Nebukadnezar zu empören. Sein Land war teilweise schon die Beute seiner Nachbarn geworden (Kap. 24, 2), da zog auch dieser König gegen ihn herauf und band ihn mit ehernen Fesseln, um ihn nach Babel zu führen (2. Chron. 36, 6). Durch Jeremia erfahren wir den Ausspruch Jehovas in Bezug auf ihn: "Darum spricht Jehova also über Jojakim, den König von Juda: Er wird niemand haben, der auf dem Throne Davids sitze; und sein Leichnam wird hingeworfen sein der Hitze bei Tage und der Kälte bei Nacht" (Jer. 36, 30).
"Fürwahr, nach dem Befehle Jehovas geschah dieses wider Juda, um es vor seinem Angesicht hinwegzutun, wegen der Sünden Manasses, nach allem was er getan hatte; und auch wegen des unschuldigen Blutes, das er vergossen, da er Jerusalem mit unschuldigem Blute erfüllt hatte. Und Jehova wollte nicht vergeben" (Kap. 24, 3. 4). Seit den Tagen Manasses war der unwiderrufliche Ausspruch von ‑ seiten Jehovas ergangen; aber dessen Ausführung wäre, wie bei Josia, so auch bei seinen Nachfolgern zurückgehalten worden, wenn sie nur hätten hören wollen (Jer. 25. 1‑11). Für das schließliche Gericht gab es zwei Ursachen: den Götzendienst und das unschuldige Blut; und Jojakim hatte, wie Manasse, unschuldiges Blut nach Möglichkeit vergossen in Jerusalem, das seine Propheten tötete und steinigte die zu ihm gesandt waren.
„Aber der König von Ägypten zog fortan nicht mehr aus seinem Lande; denn der König von Babel hatte von dem Flusse Ägyptens an bis zum Strome Phrat alles genommen, was dem König von Ägypten gehört hatte" (Kap. 24, 7).

Fußnote:
Derselbe wie Joahas; vergl. 1. Chronika 3,15, 2. Chronika 36,1

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 24,8-12

Botschafter des Heils 1913 S. 57ff


KAPITEL 24, 8‑17 Jojakin (oder Jekonja oder Konja)


Jojakin oder Konja, wie er an anderen Stellen genannt wird, geht auf dem Weg seines Vaters weiter. Der Name seiner Mutter war Nechuschta, die Tochter Elnathans, von Jerusalem. Es tritt immer deutlicher zutage, dass die Mütter dieser letzten Könige, gleich ihren Söhnen, Jehova vergessen hatten. Zur Zeit Konjas belagerten die Knechte Nebukadnezars Jerusalem. Der große König kommt schließlich selbst, um persönlich an der Belagerung teilzunehmen. Jojakin geht zu ihm hinaus und wird gefangen nach Babel geführt samt seiner Mutter, nach der Weissagung Jeremias: "So wahr ich lebe, spricht Jehova, wenn auch Konja, der Sohn Jojakims, der König von Juda, ein Siegelring wäre an meiner rechten Hand, so würde ich dich doch von dannen wegreißen. Und ich werde dich in die Hand derer geben, welche nach deinem Leben trachten, und in die Hand derer, vor welchen du dich fürchtest, und in die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel, und in die Hand der Chaldäer. 

Und ich werde dich und deine Mutter , die dich geboren hat, in ein anderes Land schleudern, wo ihr nicht geboren seid; und daselbst werdet ihr sterben. Und in das Land, wohin sie sich sehnen zurückzukehren, dahin werden sie nicht zurückkehren. ‑ Ist denn dieser Mann Konja ein verachtetes Gefäß, das man zertrümmert, oder ein Gerät, an welchem man kein Gefallen hat? Warum werden sie weggeschleudert, er und sein Same, und in ein Land geworfen, das sie nicht kennen? ‑ O Land, Land, Land, höre das Wort Jehovas! So spricht Jehova: Schreibet diesen Mann auf als kinderlos, als einen Mann, der kein Gedeihen hat in seinen Tagen; denn von seinem Samen wird nicht einer gedeihen, der auf dem Throne Davids sitze und fortan über Juda herrsche" (Jer. 22, 24‑30).
Alle Schätze des Königs und die Schätze des Tempels werden in die Hauptstadt der Chaldäer gebracht, und das ganze Volk, hoch und niedrig, die streitbaren Männer, die Fürsten und Werkleute, alle werden gefangen weggeführt. "Nichts blieb übrig, als nur das geringe Volk des Landes" (V. 14‑16).
Im Anschluss an diese Wegführung sah Jeremia in einem Gesicht zwei Körbe mit Feigen, die vor dem Tempel Jehovas aufgestellt waren (Jer. 24), als dem einzigen Ort, wo der wahre Zustand des Volkes richtig eingeschätzt werden konnte. Einer dieser Körbe war in Gottes Augen mit sehr guten Feigen angefüllt, gleich den Frühfeigen, der andere mit sehr schlechten Feigen. Die Menschen sahen genau das Gegenteil von dem, was Gott dem Jeremia offenbarte. Für die Welt waren die guten Feigen das unter Zedekia in Jerusalem zurückgebliebene Volk, für das Herz Gottes waren es die aus Juda Weggeführten. Ihre Güte hatte ihren Grund darin, dass sie das ihrer Sünde gebührende Gericht Gottes erlitten hatten. Dieser Grundsatz ist auch für uns wahr; nur haben wir, Gott sei Dank! das Gericht in der Person Christi erduldet, der auf dem Kreuze an unserer Stelle verurteilt worden ist, Nach Vollzug des Ge­richts konnte Gott mit Gunst auf die herabblicken, die die Gegenstände des Gerichts waren.

"Ich werde mein Auge auf sie richten zum Guten und sie in dieses Land zurückbringen; und ich werde sie bauen und nicht abbrechen, und sie pflanzen und nicht ausreißen" (Jer. 24, 6). Er konnte sie für immer in Seine Gegenwart einführen. Es bedarf dazu der Vollkommenheit, und in diesem Charakter sah der Herr den armen gefangenen Überrest. So ist es auch mit uns: kraft des Gerichts Christi sieht Gott uns vollkommen in Ihm, wie elend wir in uns selbst auch sein mögen.
Jehova verheißt die Wiederherstellung des Volkes mit den Worten: „Ich werde sie in dieses Land zurückbringen"; aber zugleich kündigt Er an, dass Er ihnen in der Zukunft eine sittliche Vollkommenheit vor Ihm geben wolle, das Ergebnis eines neuen Bundes, an dem alles von Ihm kommen werde. Indem Er allein der Urheber dieses Bundes ist, wird es ein Gnadenbund sein, nicht ein Bund der Verantwortlichkeit. "Ich will ihnen ein Hergeben, mich zu erkennen ... und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein; denn sie werden mit ihrem ganzen Herzen zu mir umkehren" (V. 7).
Die „schlechten Feigen, die vor Schlechtigkeit nicht gegessen werden können", und mit denen Gott selbst nichts anzufangen weiß, sind die, die dem ersten Gericht unter Jojakin entronnen sind und darum einem zweiten verfallen, das endgültig sein wird. Gott erklärte, dass alles verloren sei. Diese aber, im Vertrauen auf sich selbst, brüsteten sich damit, dass sie die Vertreter des Volkes Gottes seien. Das Land Ägypten, ein Bild der Welt unter Satans Herrschaft, gefiel ihnen sehr gut. Statt sich unter das Gericht Gottes zu beugen, empörten sie sich gegen Ihn, wie wir in der Geschichte Zedekias sehen werden.
Inmitten des Zusammenbruchs öffnete Gott Seinem Volk eine Tür der Hoffnung, und zwar wollte Gott aus den Weggeführten zur bestimmten Zeit einen Überrest erwecken, den Kein des zukünftigen Israel, über das der König der Gerechtigkeit, der Gesalbte Jehovas, regieren wird, nachdem die Söhne Davids alle ihrer Verantwortlichkeit nicht entsprochen haben. Die Worte Jeremias über das Ende der Verwüstung Jerusalems trösteten und stärkten später das Herz Daniels, als die babylonische Gefangenschaft sich ihrem Ende nahte (Vergl. Daniel 9, 1‑3). Denselben Trostesworten für das Volk der Wegführung unter Jojakin begegnen wir in Hesekiel: Und das Wort Jehovas geschah zu mir also: Menschensohn, deine Brüder, die Männer deiner Verwandtschaft, deine Brüder sind es und das ganze Haus Israel insgesamt, zu welchen die Bewohner von Jerusalem sprechen: Bleibet fern von Jehova; uns ist das Land zum Besitztum gegeben! Darum sprich: So spricht der Herr, Jehova: Obgleich ich sie unter die Nationen entfernt, und obgleich ich sie in die Länder zerstreut habe, so bin ich ihnen doch ein wenig zum Heiligtum geworden in den Ländern, wohin sie gekommen sind.

 Darum sprich: So spricht der Herr, Jehova: Ich werde euch aus den Völkern sammeln und euch zusammenbringen aus den Ländern, in welche ihr zerstreut worden seid, und ich werde euch das Land Israel geben. Und sie werden dorthin kommen, und alle seine Scheusale und alle seine Gräuel daraus entfernen. Und ich werde ihnen ein Hergeben, und werde einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Heraus ihrem Fleische wegnehmen und ihnen ein fleischernes Herz geben: auf dass sie in meinen Satzungen wandeln, und meine Rechte bewahren und sie tun; und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein" (Hesekiel 11, 14‑20).
In Verbindung mit Jojakin sei noch ein von Jeremia (Kap. 28) berichtetes Ereignis erwähnt, das unter Zedekia geschah. Ein Prophet, wie es in jener Zeit gar viele gab, Hananja, der Sohn Assurs, weissagte vor Jeremia im Hause Jehovas. Nach ihm sollte am Ende von zwei Jahren das Joch des Königs von Babel, das Jeremia als Zeichen vor dem ganzen Volke auf seinem Halse trug, zerbrochen werden. Am Ende dieses Zeitraums sollten die Juden, die unter Jojakin weggeführt worden waren, nach Jerusalem zurückgeführt und die heiligen Geräte sollten in das Haus Jehovas zurückgebracht werden. Zur Bekräftigung seiner Worte zerbrach Hananja das Joch, das der Prophet trug. Er tat das gleiche, was die Fürsten taten, als sie entgegen der Anweisung Jeremias den Weggeführten den Rat gaben, keine Häuser zu bauen (Hes. 11, 3). Hierauf geschah das Wort Jehovas zu Jeremia: Das hölzerne Joch, das Hananja zerbrochen hatte, sollte ein eisernes Joch auf allen Nationen werden. Zugleich wurde der falsche Prophet zum Tode verurteilt, weil er "Abfall geredet hatte wider Jehova" (Jer. 28, 16). Zwei Monate danach wurde der Urteilsspruch Gottes vollzogen.
Diese kleine Szene enthüllt uns die Gefühle des Volkes und seiner Führer inmitten der Gerichte Gottes. Sie nahmen die Gerichte durchaus nicht an und unterwarfen sich ihnen nicht.
Ihr nationaler Stolz ertrug die Demütigung nicht; weder sie noch ihr König wandten sich zu Gott, um Seinen Willen zu erforschen.
Wie wir auch durch die Propheten haben feststellen können, war das Herdes Volkes hoffnungslos schlecht, und sein Zustand so, dass er gebieterisch das Gericht Gottes herbeirief.
Und gerade so wie das Gericht angenommen werden musste, war es auch nötig, es geduldig zu tragen bis zum Ende der 70 von Jehova festgesetzten Jahre. Deshalb schreibt Jeremias den unter Jekonja (Jojakin) Weggeführten: "Bauet Häuser und bewohnet sie, und pflanzet Gärten und esset ihre Frucht. Nehmet Weiber und zeuget Söhne und Töchter, und nehmet Weiber für eure Söhne, und eure Töchter gebet Männern, damit sie Söhne und Töchter gebären; und mehret euch daselbst und mindert euch nicht. Und suchet den Frieden der Stadt, wohin ich euch weggeführt habe, und betet für sie zu Jehova; denn in ihrem Frieden werdet ihr Frieden haben" (Jer. 29, 5‑7). Zur bestimmten Zeit sollte es eine Wiederherstellung geben, „denn ich weiß ja die Gedanken, die ich über euch denke, spricht Jehova, Gedanken des Friedens und nicht zum Unglück, um euch Ausgang und Hoffnung zu gewähren" (V. 11).


KAPITEL 24, 18‑25, 21 Zedekia


Zedekia war der Oheim Jojakins. Der König von Babel hatte ihn an Jojakins Statt zum König eingesetzt, indem er seinen Namen Mattanja in Zedekia umwandelte. Seine Mutter war Hamutal, eine Tochter Judas. Wir wollen betreffs ihrer die früher gemachten Bemerkungen nicht wiederholen.
Indem Nebukadnezar Zedekia einsetzte, rechnete er darauf, einen König zu haben, der in Abhängigkeit von ihm regieren und nicht wieder neue Empörungen anzetteln würde. Die beiden Vorgänger Zedekias hatten den König von Babel genötigt, zwei Feldzüge gegen Jerusalem zu unternehmen. Er wünschte vor diesem stolzen und unruhigen Volk, das seinem Zepter unterworfen war, endlich Ruhe zu haben. Der Prophet Hesekiel beschreibt (Kap. 17) in einem Gleichnis die Politik und die Pläne Nebukadnezars. Der große babylonische Adler hatte Jojakin, den obersten der Schößlinge einer Zeder des Libanon, abgebrochen und ihn nach Babel gebracht. Dann hatte er von dem Samen des Landes (Zedekia) genommen und ihn wie eine Weide an große Wasser gepflanzt. Dort war er zu einem Weinstock geworden, der sich zwar ausbreitete, aber niedrig blieb; denn der König von Babel wollte in Juda ein von ihm abhängiges, niedriges Königtum haben. 

Dieser Weinstock hatte sich zu einem anderen großen Adler, dem Pharao von Ägypten, gewandt, statt dem babylonischen Adler unterworfen zu blei­ben, und Gott erklärt durch den Propheten, was die Folge davon sein würde.
„Zedekia empörte sich gegen den König von Babel" (Kap. 24, 20). Das war eine Schandtat und eine Entweihung in den Augen Jehovas, und zwar weil Nebukadnezar „Zedekia bei Gott hatte schwören lassen" (2. Chron. 36, 13). Auch Hesekiel sagt uns, dass er "einen Bund mit ihm gemacht und ihn einen Eid habe schwören lassen. So fügte Zedekia all seinen anderen Missetaten den Bruch eines im Namen Jehovas den heidnischen Nationen geschworenen Eides hinzu, und bewies so vor ihnen, dass er nicht die geringste Achtung vor Gott hatte, dem anzugehören er doch behauptete. Die Chroniken zählen vier Ursachen des Gerichts über diesen König auf. Er tat was böse war in den Augen Jehovas. Er demütigte sich nicht vor dem Propheten Jeremia, als er nach dem Befehl Jehovas redete; das ist Empörung gegen das Wort und den Geist Gottes. Dann empörte er sich gegen Nebukadnezar, der ihn bei Gott hatte schwören lassen, und schließlich verhärtete er seinen Nacken und verstockte sein Herz, so dass er nicht umkehrte zu Jehova, dem Gott Israels (2. Chron. 36, 12. 13). Was den ersten Punkt betrifft, dass er tat was böse war in den Augen Jehovas, was im Blick auf die letzten Könige von Juda so oft wiederholt wird, hören wir nicht, dass die Abgötterei der unmittelbaren Vorgänger Zedekias ebenso schreiend gewesen wäre, wie die des Manasse; wenigstens werden uns keine Einzelheiten angegeben.

 Aber über Zedekia berichten zunächst die Chroniken (2. Chron. 36, 13‑14), dass er mit allen Obersten des Volkes „das Haus Jehovas, das Er in Jerusalem geheiligt hatte, verunreinigt habe., und der Prophet Hesekiel beschreibt in seinem Gesicht (Kap. 8) die Einzelheiten der von ihm verübten Gräuel: "Das Bild der Eifersucht", die von Manasse errichtete Astarte, das "Jehova zur Eifersucht reizt", stand am Eingang des Tempels; im Vorhof, in den "Bilderkammern befanden sich allerlei gemalte Götzenbilder, vor denen die Ältesten Israels räucherten; am Eingang des nördlichen Tores des Hauses saßen Weiber, die den Tammuz (wahrscheinlich den Adonis), beweinten; am Eingang des Tempels, zwischen der Halle und dem Altar, waren Männer, die sich vor der aufgehenden Sonne niederbeugten. Die Gedanken im Herzen des Volkes waren nicht besser. Statt anzuerkennen, dass das Gericht Gottes sie wegen ihrer Treulosigkeit getroffen habe, sagten sie: "Wir wollen sein wie die Nationen und wie die Geschlechter der Länder, indem wir Holz und Stein dienen" (Hes. 20, 32). Der Prophet schildert auch den sittlichen Zustand der Propheten, der Priester und Fürsten: überall Gewalttat, Entweihung, unrechtmäßiger Gewinn, Erpressung und Übervorteilung (Hesekiel 22, 23‑31; vergl. auch Jer. 32, 30‑35).
Die Empörung Zedekias konnte in den Augen der Welt annehmbare politische Beweggründe haben. Wie das auch in unseren Tagen vorkommt, fand sie Zustimmung bei denen, die das Joch Babels leid waren. Doch dieses Joch entsprach den Gedanken Gottes, und Er gab das in offensichtlicher Weise durch Seinen Propheten Jeremia kund, der in der Stadt umherging, indem er ein hölzernes Joch auf seinem Halse trug. Das hätte der König von Juda wissen müssen, das hätte er bedenken sollen, wenn er nur im Geringsten darum besorgt gewesen wäre, Jehova zu dienen. Doch dieser Mann, der tapfer genug war, sich zu empören, war im Grunde voll Furcht, indem er es ängstlich mied, sich vor den Fürsten seines Volkes bloßzustellen. jedenfalls fand er bei seinem Handeln Unterstützung bei den umwohnenden Völkern. Nach Jeremia 27, 3 hatten die Könige von Moab und Edom, von den Kindern Ammon und von Tyrus und Sidon ihre Boten zu ihm gesandt, um ihn zu ermutigen, mit ihnen das Joch Babels abzuschütteln. Die Fürsten von Juda dachten ebenso und ließen sich in ihren Gedanken durch ihre Propheten unterstützen, die das Volk in die Irre und auf einen Weg der Empörung gegen Jehova zu führen suchten (Jer. 27, 12‑22).
Man versteht den Zorn Nebukadnezars, der zum dritten Mal, unter drei unmittelbar aufeinanderfolgenden Regierungen, gezwungen wurde, sich gegen Jerusalem zu wenden, um es zu belagern; man begreift die Wut dieses Herrschers, dem alles von seiten Gottes unterworfen war (Jehova hatte ihm das ja öffentlich kundgetan, Dan. 2, 37. 38), als er sich so von der schwachen und gedemütigten Bevölkerung des Landes Israel missachtet und verhöhnt sah. Ohne Zögern machte er sich auf , die Empörer zu strafen. Hesekiel beschreibt uns seine Ungewissheit bezüglich der Ausübung seiner Rache. Soll er mit Rabba der Kinder Ammon oder mit Jerusalem beginnen? Er benutzt, um sich zu entscheiden, die Wahrsagerei! Die Hand Jehovas führt ihn, ohne dass er sich dessen bewusst ist, gegen Juda. "Hinweg mit dem Kopfbund und fort mit der Krone! ... Umgestürzt, umgestürzt, umgestürzt will ich sie machen", spricht Jehova (Hesekiel 21, 26‑32).
Nebukadnezar baut eine Verschanzung rings um Jerusalem her und belagert die Stadt ungefähr acht Monate lang. Der Hunger nahm in ihr überhand nach dem Wort Jeremias: "Ich werde sie das Fleisch ihrer Söhne und das Fleisch ihrer Töchter essen lassen, und sie sollen einer des anderen Fleisch essen in der Belagerung und in der Bedrängnis, womit ihre Feinde und die nach ihrem Leben trachten sie bedrängen werden" (Jer. 19, 9). Während dieser ganzen Zeit steht Jeremia trotz unzähliger Gefahren, die ihn bedrohen, fest auf seiten Jehovas, nach Seinem Wort: "Ich werde dich diesem Volke zu einer festen, ehernen Mauer machen, und sie werden wider dich streiten, aber dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten und dich zu befreien, spricht Jehova. Und ich werde dich befreien aus der Hand der Bösen und dich erlösen aus der Faust der Gewalttätigen" (Jer. 15, 20. 21). Seine immer wiederkehrende Aufforderung lautet: "Unterwerfet euch dem Joch des Königs von Babel". „Ergebt euch ihm." Den gleichen Rat gibt er den mit Juda, verbündeten Nationen (Kap. 27, 3‑11), dem Zedekia und seinem Volke (V. 12‑15). Die Fürsten verfolgen den Propheten und suchen ihn zum Tode zu bringen unter dem Vorwand, er mache die Hände des Volkes schlaff. 

Zedekia fürchtet sich vor den Fürsten (Kap. 38, 24). Im gegebenen Augenblick kommt der Pharao mit seinem Heer Jerusalem zu Hilfe (Hesekiel 17, 17; Jer. 37, 5). Die Kunde davon veranlaßt die Chaldäer, von Jerusalem abzuziehen. Das Volk atmet auf, aber  Jeremia reißt es aus seinem Irrtum: Das Heer des Pharao, sagt er, wird in das Land Ägypten zurückkehren, und die Chaldäer werden wiederkommen. In dem Augenblick, da die Chaldäer sich zurückziehen, verläßt der Prophet Jerusalem und begibt sich in das Land Benjamin, um seinen Anteil zu holen (Jer. 37, 12). Er wird gefangengenommen unter der Beschuldigung, ein Überläufer zu sein, wird dann verfolgt und in die tiefe Grube geworfen, wo er im Schlamm versinkt. Die Fürsten des Volkes sind am meisten gegen ihn erbittert. EbedMelech, der Äthiopier, redet zu seinen Gunsten mit dem König und zieht ihn aus der Grube heraus (Kap. 39). Am Tag der Einnahme der Stadt wird dieser Mann gerettet, nach dem Wort des Propheten (Kap. 39, 15). Auch Zedekia verfolgt Jeremia und sperrt ihn in den Gefängnishof ein (Kap. 32, 2. 3), doch in Wirklichkeit ist der König der Gefangene seiner Obersten und Fürsten und wagt nicht, sich ihnen zu widersetzen; denn im Grunde haßt er Jeremia nicht, sondern wird von Menschenfurcht beherrscht, anstatt von der Furcht Jehovas, den er verachtet und verleugnet hat (Kap. 38, 24‑28).
Mit einer Kühnheit, die sich auf das Wort und die Verheißung Gottes stützt, verbirgt der Prophet dem König nichts von dem, was kommen wird: die Stadt wird zerstört, geplündert und mit Feuer verbrannt werden. In dem Maße wie das Gericht herannaht, ruft er dessen Einzelheiten in die Ohren des Volkes und des Königs: „Zedekia, der König von Juda", sagt er, "wird der Hand der Chaldäer nicht entrinnen, sondern gewißlich in die Hand des Königs von Babel gegeben werden; und sein Mund wird mit dessen Munde reden, und seine Augen werden dessen Augen sehen" (Kap. 32, 4); und weiter: „Deine Augen werden die Augen des Königs von Babel sehen" (Kap. 34, 3). Und Hesekiel weissagt von dem Fürsten, der in der Mitte Israels ist: "Er wird es (sein Gepäck) in dichter Finsternis auf die Schulter nehmen und ausziehen; sie werden die Mauer durchbrechen, um es dadurch hinauszutragen; er wird sein Angesicht verhüllen, auf dass er mit seinen Augen das Land nicht sehe.

Und ich will mein Netz über ihn ausbreiten, und in meinem Garne wird er gefangen werden; und ich will ihn nach Babel bringen, in das Land der Chaldäer, aber sehen wird er es nicht; und er wird daselbst sterben" (Hesekiel 12, 12. 13). Beide Prophezeiungen gehen wörtlich in Erfüllung. Als Zedekia gelegentlich des vorübergehenden Abzugs des chaldäischen Heeres ein Jubeljahr ausruft und befiehlt, dass alle israelitischen Knechte und Mägde freigelassen werden sollen, gehen alle, die Fürsten von Juda und die Fürsten von Jerusalem, die Kämmerer und die Priester und alles Volk des Landes", zwischen den Stücken des entzweigeschnittenen Kalbes hindurch, um den Bund zu bestätigen, den sie vor Jehova gemacht haben (Jer. 34, 18. 19; vergl. 1. Mose 15, 9), aber kaum ist das Versprechen gegeben, so übertreten sie es, wenden sich wieder um und unterjochen ihre Knechte und Mägde von neuem. Auch hier wird das Gericht über sie mit der größten Entschiedenheit durch den Propheten ausgesprochen (Jer. 34, 20‑22).
Nur ein kleiner Überrest, der die Botschaft Jehovas angenommen hatte und sich den Chaldäern ergab, rettete sein Leben (2. Kön. 25, 11). Sie sind, wie wir gesehen haben, die sehr guten Feigen von Jeremia 24.
Jerusalem wird eingenommen. Zedekia flieht mit seinem Heer in der Richtung des Jordan. Sein Gefolge wird zerstreut; er selbst wird gefangengenommen, zu Nebukadnezar gebracht, verurteilt, wie wir gesehen haben, und nach Babel weggeführt, wo man „ihn in Gewahrsam setzte bis zum Tage seines Todes" (Jer. 52, 11). Nur stirbt er, wie der Prophet gesagt hatte, nicht eines gewaltsamen Todes (Jer. 34, 4. 5), weil Jehova das geringste Zeichen der Umkehr bei diesem armen König beachtete, indem er einen Augenblick Mitleid mit dem Diener Jehovas gehabt und auf sein Wort gehört hatte, obwohl es ihm an Mut fehlte, ihm zu folgen, und an Glauben, sich vor Gott zu demütigen.
Das Volk wird nach Babel gebracht; die Priester und die, die sich an der Verteidigung beteiligt hatten, sterben eines gewaltsamen Todes zu Ribla. Die letzten Spuren der Macht und des Wohlstandes Judas verschwinden infolge dieses Angriffs. Sogar die beiden Säulen des Tempels werden zerbrochen und nach Babel gebracht, samt allem Erz, Gold und Silber des Hauses Jehovas. Was sollten noch Jakin und Boas in Jerusalem, nachdem Jehova verachtet worden war? Die Stärke, die in Ihm ist, hatte sich infolge der Untreue Judas entfernt, und anstatt es zu befestigen, hatte Gott es zerstört.
So endete die Geschichte des unter seiner Verantwortlichkeit vor Gott gestellten Menschen. Gott musste ihn dahingeben, ‑ aber Seine Verheißungen sind unbereubar. Er wird die Herrschaft Seines Gesalbten auf jenen zwei wunderbaren Säulen errichten, und diese Herrschaft wird nie wieder erschüttert werden können.


KAPITEL 25, 22‑26 Gedalja


Nebukadnezar bestellte Gedalja, den Sohn Achikams, über das Volk, das er als Weingärtner und Ackerbauer im Lande zurückgelassen hatte. Dieser Achikam hatte Jeremia in den Tagen Jojakims gerettet, als er, gleich dem Propheten Urija, gegen Jerusalem weissagte (Jer. 26, 24). Wir dürfen wohl annehmen, dass diese Tatsache auf den Geist des Königs von Babel von Einfluss gewesen war, denn er achtete und beschützte Jeremia. Gedalja wohnte zu Mizpa, einer befestigten Stadt, die Asa, der König von Juda, aus den Steinen Ramas erbaut hatte (1. Kön. 15, 22). Dorthin begibt sich auch Jeremia, und dorthin kommen alle Entronnenen aus den umliegenden Landschaften mit der armen Bevölkerung, die übriggeblieben war, und suchen den Schutz Gedaljas, dieses edlen Stellvertreters des Königs von Babel. Er versichert und schwört dem Volk, dass es nichts zu fürchten habe, wenn es sich den Chaldäern unterwerfe.
So gab es für diesen armen Überrest eine Ruhepause von einigen Monaten. Sie ernteten Wein und Sommerfrüchte in großer Menge (Jer. 40, 12). Der Dienst Jehovas scheint sogar wieder zu Ehren gekommen zu sein in einer Zeit, da der Tempel völlig zerstört war und in Trümmern lag. Wenigstens scheint es "ein Haus Jehovas" gegeben zu haben, wohin die, die über den Zustand Israels trauerten, gehen konnten (Jer. 41, 4. 5).
Was an Heerobersten noch übriggeblieben war, sammelte sich um Gedalja, an ihrer Spitze Ismael, der Sohn Nethanjas, ein Mann aus königlichem Geschlecht. Dieser kam mit bösen Absichten, gesandt von Baalis, dem König der Kinder Ammon, und ohne Zweifel durch eigenen Ehrgeiz getrieben. Gedalja wird durch Jochanan, einen der Obersten, über den beabsichtigten Verrat benachrichtigt, weigert sich aber, daran zu glauben und seine Hand zur Beseitigung Ismaels zu leihen (Jer. 40, 13‑16).

 Darauf erschlägt ihn Ismael in feiger, hinterlistiger Weise, indem er sich so zum letzten Male gegen die Herrschaft des Königs von Babel empört. Auch tötet er die Anhänger des Statthalters und die chaldäischen Kriegsleute, die sich in Mizpa befanden. Und als am zweiten Tage achtzig Männer kamen, die vielleicht in Unwissenheit und nicht frei von heidnischen Gebräuchen, aber mit zerschlagenem Herzen Jehova suchten, da erschlug er auch diese und führte den ganzen Überrest des Volkes, das zu Mizpa war, mit den Töchtern des Königs gefangen zu den Kindern Ammon (Jer. 41, 4‑10). Jochanan und die Heerobersten verfolgten ihn, erreichten ihn bei dem Wasser bei Gibeon und nehmen ihm die Gefangenen wieder ab, während es ihm gelingt, mit acht Männern zu entrinnen und zu Baalis zu gelangen.
Die so befreiten, aber von Furcht erfüllten Gefangenen wünschen nach Ägypten zu ziehen und befragen durch Jeremia Jehova, um eine ihren Wünschen entsprechende Antwort zu empfangen; doch sind sie im Grunde entschlossen, nicht zu gehorchen, wenn diese Antwort ihrem Vorhaben nicht günstig ist. Der Prophet gibt ihnen eine feierliche Warnung: Bleiben sie im Lande, so bedeutet das ihre Rettung; denn die Segnung geht immer Hand in Hand mit der Unterwerfung unter das Gericht Gottes, wobei die Seele sich ihm demütig unterwirft und trotz allem auf Gott rechnet, dass Er segnen werde. Nach Ägypten hinabgehen, wo sie Sicherheit zu finden hofften, hieß einem unausbleiblichen Gericht entgegengehen (Jer. 42).
In ihrem Stolz wollen die Heerobersten die Demütigung nicht annehmen und behandeln das Wort Gottes als Lüge. Ist es nicht immer so, wenn Gott Sein Wort, das die Welt und den Willen des Menschen verurteilt, den Seelen vorstellt, die sich entschlossen haben, der Welt und ihrem eigenen Willen zu folgen? Sie sagen den deutlichsten Aussprüchen gegenüber: "Jehova hat dich nicht gesandt, also zu reden. 


Es ist eine Lüge" (Jer. 43, 2).


Sie hörten also keineswegs auf das Wort Jehovas, sondern hielten bis ans Ende, an einerr Sache fest, an der Empörung gegen Gott, und nahmen Jeremia und den treuen Baruk mit, da sie diese Zeugen ihres Ungehorsams und Unglaubens nicht zurücklassen wollten. Sie vergaßen nur eines, nämlich dass sie das Wort Jehovas, das sie verurteilte, auch mitnahmen.
Jeremia setzt bis ans Ende die treue Ausübung der Gabe der Weissagung fort, die Gott ihm anvertraut hat. In Tachpanches wie in Jerusalem ist er der Zeuge der Wahrheit Gottes. Er kündigt den zukünftigen Einfall Nebukadnezars in Ägypten an, der dann dieser Empörungen eingedenk sein würde (Jer. 43).
Im Lande Ägypten, wohin diese Unglücklichen entflohen waren, fangen sie wiederum an, anderen Göttern zu dienen. Ihr Zustand wird uns in den Worten beschrieben: "Bis auf diesen Tag sind sie nicht gedemütigt, und sie haben sich nicht gefürchtet und haben nicht gewandelt in meinem Gesetz und in meinen Satzungen, die ich euch und euren Vätern vorgelegt habe" (Jer. 44, 10). Auch erklärt Gott, dass von allen, die nach Ägypten hinabgezogen seien, außer "einem zählbaren Häuflein" (V. 28), "kein Entronnener noch übriggebliebener da sein werde, um in das Land Juda zurückzukehren" (V. 14).
Das Volk erklärt offen, dass es fortfahren wolle , der Königin des Himmels" zu opfern, und ihr schreibt es das Wohlergehen zu, das es früher in Jerusalem genossen hatte (Jer. 44, 17. 18). Das angekündigte Unglück, bei dem Jehova den Pharao Hophra in die Hände des Königs von Babel gibt, trifft es in Ägypten (V. 30).


KAPITEL 25, 27‑30 Ende


Im 37. Jahre der Wegführung läßt Ewil-Merodak, der König von Babel, Jojakin aus dem Gefängnis herausgehen und unterhält ihn an seinem Hofe „alle Tage seines Lebens". Die Leuchte, die völlig erloschen zu sein schien, beginnt wieder einen schwachen Schein abzugeben, ‑ ein Beweis, dass Jehova stets der Verheißungen eingedenk ist, die Er David, Seinem Gesalbten, gegeben hat, und dass trotz allem Seine Gnade über diesem schuldigen Geschlecht wacht.

 ja, ein Tag sollte kommen, und er war nicht mehr fern, wo, nach Jesaja, der Geist Jehovas den Gebundenen Öffnung des Kerkers ausrufen und das Jahr der Annehmung Jehovas, das angenehme Jahr des Herrn, verkündigen würde. Würde das Volk dann darauf achten? Ach! es hat auch den Gesalbten Jehovas verworfen, wie es einst Jeremia und alle Propheten vor Ihm verwarf. Doch trotz allem werden die Verheißungen Gottes betreffs des Volkes in Erfüllung gehen, und sein endgültiges Jubeljahr wird anbrechen, wenn das Schwert des Gerichts sein Werk auf Erden getan haben wird und die ewigen Pforten sich erheben werden, um den König der Herrlichkeit einziehen zu lassen!

Fußnoten:
*) Und tatsächlich ist Ahasja der einzige, der Elia erkennt. Niemand in seiner Umgebung kannte den großen Propheten Israels; aber wie sehr vermehrt das die Strafbarkeit des Königs! Zu einer Zeit, da das Wort Gottes von dem Volke, welches Kenntnis von ihm hätte haben sollen, nicht gekannt wird, ist der einzige, welcher nicht in Unkenntnis darüber ist, gerade derjenige, der es be­kämpft!
*) Offenbarung 12, 5 zeigt uns ein ähnliches Beispiel.
Erinnern wir uns bei dieser Gelegenheit daran, dass zwei Menschen, Henoch und Elia, gen Himmel gefahren sind, ohne durch den Tod zu gehen, während ein einziger, Christus, aus den Toten auferweckt wurde, um in den Himmel hinaufzusteigen**); darum wird Er auch "der Erstgeborene aus den Toten" genannt, da Er den Heiligen voranging, deren Erstling Er ist in der Auferstehung. Es wurden andere Tote vor Christo auferweckt, aber immer nur für die Erde, niemals für den Himmel. Sie waren dem Tode aufs neue unterworfen, wogegen Christus, nachdem Er aus den Toten auferweckt worden ist, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über Ihn.
**) In mehr als einem Zuge ist Henoch dem Elia ähnlich. Beide sind Propheten des Gerichts. Henoch wandelt mit Gott ‑ Elia steht vor Jehova. Beide werden aufgenommen vor dem schließlichen Gericht, von welchem sie Zeugnis abgelegt haben.
*) Das ist, wie ich glaube, der Sinn, den man in dieses Wort legen muss.
*) Es ist bemerkenswert, dass das Wort gewöhnlich reiche Leute wählt als Beispiele von solchen, welche das Heil nicht erlangen. Mit Ausnahme des zweiten Räubers am Kreuze entsinne ich mich keines Falles, in welchem ein Armer als Beispiel von solchen genommen wäre, die das Heil verlieren. Judas trug die Kasse; er war der einzige unter den Jüngern, der etwas hatte. Das Evangelium wurde den Armen gepredigt, und die Reichen, wie der in der Geschichte des Lazarus, hatten ihr Teil in diesem Leben.

 Die Scheunen des Reichen, dessen Seele in der Nacht gefordert wurde (Luk. 12, 20), hatten Über­fluss an Getreide. Die Reichen im Jakobusbriefe, die in den letzten Tagen Schätze gesammelt und den Gerechten verurteilt hatten, verfallen dem Fluche. Es waren Reiche, die in dem Gleichnis von dem großen Abendmahl sagten: "Halte mich für entschuldigt", und die darauf verworfen wurden. Der reiche und so liebenswürdige Jüngling beraubt sich selbst des Heils, als es sich darum handelte, alles aufzugeben, um Jesu nachzufolgen. Der verlorene Sohn war reich, als er seinen Vater verließ, aber von allem entblößt, als er zu ihm zurückkam.
Aber es gibt auch Ausnahmen von diesem Fluche, den der Reichtum mit sich bringt, denn wenn die Rettung eines Reichen auch bei Menschen unmöglich ist, bei Gott sind alle Dinge möglich. Die Sunamitin gibt uns dafür ein kost. bares Beispiel. Zachäus, der Oberzöllner, der Jesum in sein Haus aufnahm, und Joseph von Arimathia, der für den Herrn in Seinem Tode Sorge trug, waren auch reiche Männer (Matth. 27, 57).
*) In allen Stellen, die wir anführen werden, ist das Wort fürchte dich nicht" im Griechischen (Neues Testament) und im Hebräischen (Altes Testament) das gleiche.
*) Zur Zeit des Endes (in der Offenbarung) wird der Herr in den Wegen Seiner Vorsehung sich in Gestalt eines Engels zu erkennen geben bis zu Seiner Erscheinung auf dem Berge Zion; daher finden wir in diesem Buche den Aus­druck "ein anderer Engel".
*) Die verschiedenen Arten zu sehen sind in diesem Kapitel von höchstem Interesse. Wir finden zuerst Elisa, den Seher, dessen Augen nicht geöffnet zu werden brauchten, um das Heer Jehovas zu sehen; dann seinen von der Sorge um die sichtbaren Dinge beherrschten Diener, welcher der Vermittlung des Propheten bedurfte, um durch das Sehen der unsichtbaren Dinge beruhigt zu werden. Weiter begegnen wir dem Heer der Syrer, das doppelt blind ist, weil es zu sehen meint und in völlige Nacht versenkt wird; dann demselben Heere, wie es sein Los unter dem Gericht Gottes erkennt, zugleich aber offene Augen hat, um sich an dem "großen Mahl" der Gnade niederzulassen; und schließlich dem König von Israel, der mit Gottes Gedanken unbekannt ist, der aber auch zu sehen meint, und dessen "Sünde bleibt" (Joh. 9, 41) ‑ ein trauriger Vertreter Israels, ein Feind Christi, der mehr und mehr für das Gericht heranreift.
*) Dieser Ben‑Hadad ist augenscheinlich derjenige, der Samaria belagert hatte (im vorhergehenden Kapitel), und wahrscheinlich, obwohl er nicht ge­nannt wird, derselbe König von Syrien, der Naaman zum König von Israel sandte, und dessen Streifscharen das Gebiet der zehn Stämme verheerten " Man muss jedoch nicht vergessen, dass Ben‑Hadad ein oft vorkommender Name der Könige von Syrien ist. Er bedeutet Sohn (oder Anbeter) Hadads, d. 1. wahr­scheinlich der Sonne. Wir finden einen Ben‑Hadad zur Zeit Asas, des Königs von Juda (1. Kön. 15, 20), einen zweiten zur Zeit Ahabs (1. Kön. 20, 1), dann unter Joram den Ben‑Hadad, der Samaria belagerte und mit dem wir uns hier beschäftigen, und schließlich (Kap. 13, 24) den Ben‑Hadad, der der Nachfolger Hasaels war.
*) am Nordende des Golfs von Akaba. ‑ In den beiden nachher angeführten Stellen wird die Stadt "Eloth" genannt. Anmerkung des Übersetzers.
*) Vielleicht auch Salmaneser. In diesem Falle würde das Kalb von Bethel Salmaneser durch den König Hosea gesandt worden sein. Beth‑Awen (Hos. 4, 15; 5, 8) bedeutet Götzenhaus, das an die Stelle von Bethel (Gotteshaus) getreten war.
*) Wir wollen hier nicht von den Siegen reden, die von Rezin und Pekach über Juda errungen wurden, noch von dem Propheten Oded, dem es gelang, das Gewissen einiger Anführer von Ephraim zu erreichen, indem er sie dahin brachte, die Gefangenen und die Beute, die sie von Juda gemacht hatten, zurückzuschicken. Diese ganze Erzählung wird bei der Betrachtung der Chronika ihren Platz finden.
*) Wir haben nicht die Absicht, außer dieser Erklärung, uns mit der Auf­lösung der in diesen Büchern enthaltenen historischen Schwierigkeiten zu be­schäftigen. So lassen wir auch die meisten der chronologischen Fragen unberührt. Andere haben auf die Einwürfe der sogenannten höheren Kritik" geantwortet.
*) Wir werden bei der Betrachtung des 2. Buches der Chronika die sich scheinbar ganz widersprechende Weise sehen, in der dieses Buch uns den wichtigen Gegenstand vor Augen führt.
*)Wir reden hier selbstverständlich nicht von der Verkündigung des Evan­geliums an die Welt und von der Bekehrung von Sündern.
*) Man hat vermutet, dass Hiskia nicht den ganzen Tribut, der eine gewaltige Summe ausmachte, hätte bezahlen können; aber aufgefundene Inschriften be­stätigen die biblische Erzählung, dass er ihn buchstäblich entrichtet hat. Es war daher ein Treubruch seitens des assyrischen Monarchen, und Gott hat dies zur Züchtigung Hiskias benutzt.
*) Was wir über die Zeit der Krankheit Hiskias sagen, wird durch die „Worte Jehovas bei seiner Heilung bestätigt: "Ich will zu deinen Tagen fünfzehn Jahre hinzufügen; und von der Hand des Königs von Assyrien will ich dich und diese Stadt erretten' (2. Kön. 20, 6).
*) Auf seiner Rückkehr von diesem Kriegszuge war es, dass sein Heerlager auf den Bergen Israels geschlagen wurde, wie es auch mit demjenigen des zu­künftigen Assyrers der Prophezeiung geschehen wird.
*) Da Hiskia sich seiner Schätze beraubt hatte, um dem Angriff des Königs von Assyrien auf Jerusalem zu entgehen (Kap. 18, 15 und 16), möchte man vermuten, die Gesandtschaft Babels habe vor diesem Augenblick stattgefunden, kurz nach der Krankheit Hiskias, die im 14. Jahre seiner Regierung eintrat. Wenn Hiskia den Gesandten alle seine Schätze zeigte, könnte man der Meinung um geben, dass diese noch nicht vermindert gewesen seien durch jenen ungeheuren Tribut, der den König zwang, selbst den Tempel Gottes zu berauben Allein in 2. Chron. 32, 23 wird uns berichtet, nach dem Hiskia aus der .ä Sanheribs gerettet worden war: „Und viele brachten Gaben für Jehova nach Jerusalem, und Kostbarkeiten für Jehiskia, den König von Juda; und er wurde danach erhoben in den Augen aller Nationen". Und weiter: Jehiskia hatte sehr viel Reichtum und Ehre. Und er machte sich Schatzkammern für Silber und Gold und Edelsteine . . ." (V. 27). Der Angriff Sanheribs war also schon vorüber, als die Gesandtschaft von Babel kam und die Schätze des Königs Hiskia besichtigte.
*) In den Chroniken ist die Reihenfolge anders; dort beginnt Josia mit der Reinigung des Landes und beschäftigt sich dann mit dem Tempel. Umgekehrt berichtet uns dasselbe Buch, wie Hiskia mit dem Tempel beginnt und danach das Land reinigt, während in dein Buche der Könige diese Reinigung des Landes die erste Handlung Hiskias ist.
*) Derselbe wie Joahas; vergl. 1. Chron. 3, 15; 2. Chron. 36, 1.

1. Könige 17. 9-24; 2. Kön. 4. 8-37 ​Die Witwe zu Sarepta und die Sunamitin BdH 1891

02/08/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Witwe zu Sarepta und die Sunamitin. (1. Kön. 17, 9—24; 2. Kön. 4, 8-37.)

Es ist eine gesegnete Übung für das Herz, die verschiedenen Wirkungen der göttlichen Zucht in der Geschichte des Volkes Gottes zu verfolgen. „Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unsrer Belehrung geschrieben, auf daß wir durch das Ausharren und .die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben." (Röm. 15, 4.) 

Es ist in der That ermutigend für uns, zu finden, daß Gott von jeher mit Menschen „von gleichen Gemütsbewegungen wie wir" zu thun gehabt hat. Wie mancher ist schon auf die eine oder andere Weise versucht worden, zu denken, daß es in der ganzen Reihe der Erlösten Gottes keinen einzigen gegeben habe, der gerade ihm gleiche! Wie gut daher, daß es dem Heiligen Geiste in Seiner vollkommenen Gnade und Weisheit gefallen hat, in der Schrift die mannigfaltigsten Fälle aufzuzeichnen, so daß wir stets in dem einen oder andern unser treues Abbild finden können!

In der Witwe von Sarepta und der Sunamitin
haben wir zwei Frauen vor uns, welche von Gott in ähnlicher Weise geehrt wurden, indem die eine den Propheten Elia, die andere den Propheten Elisa bewirten durfte. Dennoch waren die Charaktere dieser beiden Weiber sehr verschieden. Sowohl in ihrer geistlichen Geschichte als auch in ihrem natürlichen Zustande und ihren äußeren Umständen zeigt sich ein großer Gegensatz. Beschäftigen wir uns zunächst einen Augenblick mit den göttlichen Mitteilungen über die Witwe zu Sarepta.


„Es geschah das Wort Jehovas zu Elia und sprach: Mache dich auf, gehe nach Zarpath *), das zu Zidon gehört, und bleibe daselbst; siehe, ich habe daselbst einer Witwe geboten, dich zu versorgen." (1. Kön. 17, 8. 9.) Das war in der That ein auffallender Befehl, sowohl im Blick auf das Volk Israel und Elia, als auch in Bezug auf die arme heidnische Witwe.
*) Hebr. Zarephath; griech. Sarepta.
Der Prophet Jehovas wurde berufen, der Schuldner eines heidnischen Weibes zu werden. Das war wahrlich ein niederschmetterndes Zeugnis von dem damaligen Zustande Israels. Die bloße Erinnerung an diesen Vorfall, Jahrhunderte nachher in der Synagoge zu Nazareth, schnitt
deshalb auch den Juden durchs Herz und erfüllte sie mit Wut. (Luk. 4.) Der Befehl des Herrn bestätigte den traurigen Verfall Israels und gab Zeugnis von der Gnade in Bezug auf die Heiden. Er weist vorwärts auf eine Periode, in welcher gänzliche Dürre und Unfruchtbarkeit das verheißene Land beherrschen und der Aufgang aus der Höhe die Heiden besuchen sollte.
Elia hatte sich auf das Wort Jehovas hin von einem Werkzeug des Herrn zu einem andern zu wenden. 

Die Raben und der Bach Krith hatten ihm bis dahin zur Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse dienen müssen; aber jetzt wurde er in andere Umstände geführt und mußte der
Schuldner einer armen heidnischen Witwe werden. Und worin bestanden deren Hülfsquellen? Hören wir ihre eigenen kläglichen Worte: „So wahr Jehova, dein Gott, lebt, wenn ich einen Kuchen habe, außer einer Handvoll Mehl im Topfe und ein wenig Oel im Kruge! und siehe, ich
lese ein Paar Holzstücke auf und will hineingehen und es mir und meinem Sohne bereiten, daß wir eS essen und sterben." (V. 12.) Armselig genug nach dem Urteil der Natur! Allein der Glaube schaut über den beinahe geleerten Topf und Krug hinweg und blickt zu jener freigebigen
Hand empor, welche beide zu füllen vermochte. Hätte Elia auf das gesehen, was vor Augen war, so würde ihm sicher der Mut entfallen sein, „als er an den Eingang der Stadt kam". Allein er wußte, an wen er geglaubt hatte, und war überzeugt, daß der Gott Israels ihn durch die Hand einer notleidenden heidnischen Witwe ebenso gut ernähren konnte wie durch die Raben am Bache Krith.

Die Witwe zu Sarepta selbst befand sich in dem möglichst geeigneten Zustande, um die Wirklichkeit jener Gnade zu erfahren, welche die Grenzen Israels überströmte, um diejenigen zu erreichen, welche „Fremdlinge und ohne Bürgerrecht waren". Indes sehen wir, daß ihr die Segnung geradezu aufgezwungen werden mußte. Aus eine andere Weise würde sie dieselbe nicht angenommen haben. Ihr Herz war nicht zubereitet, um die heilige Würde zu schätzen, welche ihr zu teil werden sollte. Sie hätte sie weit lieber zurückgewiesen. Sie mußte „genötigt" werden, die Fülle der göttlichen Liebe und Gnade zu kosten. Ihr Herz war zu träge, um sich der Wahrheit der Verheißung anzuvertrauen. Ach, wie sehr gleichen wir ihr oft! Wie wenig sind wir bereit, unsern Mund weit zu öffnen! Wie wenig geneigt, uns auf die Verheißungen Gottes zu stützen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir den Gott der Verheißung so wenig kennen!

Die Witwe war aber nicht nur abgeneigt, eine Empfängerin der göttlichen Gnade zu werden; sie war auch ebenso unfähig, die Stimme des göttlichen Gerichts zu verstehen. „Und es geschah nach diesen Dingen, da ward der Sohn des Weibes, der Hauswirtin, krank; und seine Krankheit wurde sehr stark, so daß kein Odem mehr in ihm blieb. Und sie sprach zu Elia: Was haben wir
mit einander zu schaffen, Mann Gottes? Du bist zu mir gekommen, um meine Ungerechtigkeit ins Gedächtnis zu bringen und meinen Sohn zu töten." (V. 17. 18.) Wie wenig erblicken wir hier von der Würde einer Seele, die in Gemeinschaft mit Gott ist! Wie wenig von der stillen und heiligen Unterwürfigkeit eines Herzens, das im Verborgenen der göttlichen Gegenwart weilt, während die züchtigende Hand Gottes ausgestreckt ist! 

„Was habe ich mit dir zu schaffen?" Diese Frage offenbart die Ungeduld und das Murren einer nicht unterworfenen Natur. Und weiter: „Du bist zu mir gekommen, um meine Ungerechtigkeit
ins Gedächtnis zu bringen." Alle diese Aeußerungen beweisen einen sehr niedrigen geistlichen Zustand. Die göttliche Züchtigung kann nur im Lichte der göttlichen Gegenwart verstanden werden; und wenn die Seele sich aus dieser Gegenwart entfernt hat, so steht sie in großer Gefahr, den „Nutzen" zu verlieren, der durch solche Züchtigungen ihr zu teil werden soll. „Alle Züchtigung scheint für die Gegenwart nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; hernach aber giebt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind."

(Hebr. 12, 11.) Welchen giebt sie diese gesegneten Frucht? „Denen, die durch sie geübt sind." In den Wörtchen „hernach" und „geübt" liegt ein weit tieferer Sinn, als vielleicht die meisten von uns darin entdecken. Die Witwe zu Sarepta schien zu denken, daß die ernste Handlungsweise des Herrn keinen anderen Zweck haben könne, als „ihre Ungerechtigkeit ins Gedächtnis zu
bringen". Gott sei gepriesen, daß der Gläubige das große Vorrecht hat zu wissen, daß Gott alle seine Sünden hinter Seinen Rücken geworfen, daß Er sie in das Meer der ewigen Vergessenheit versenkt hat! Gott kann deshalb nie etwas zu dem Zwecke thun, um diese Sünden wieder in
Erinnerung zu bringen. Seine eigene friedengebende Versicherung lautet: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken." (Hebr. 10, 17.) 

Anstatt die Sünden Seines Volkes zu sehen, sieht Er nur das Blut Seines eingebornen, teuern Sohnes, welches jene für immer getilgt hat. Wenn die Sünden der Gläubigen je wieder vor Sein Angesicht kommen, wenn ihrer je wieder vor Ihm gedacht werden könnte, so würde das beweisen, daß das Blut des Lammes Gottes zu ihrer völligen Tilgung nicht ausreichend wäre. Welch ein Gedanke! Was. ist denn der Zweck der Züchtigung Gottes?
Er züchtigt uns, „damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden." (Hebr. 12, 10.) Er thut es also nicht, um unsrer Sünden zu gedenken; denn Er hat verheißen, „ihrer nie mehr zu gedenken". Auch nicht zur Bestrafung unsrer Sünden; denn dieselben sind alle in dem göttlichen Sündenträger auf dem Kreuze gerichtet worden. Nein, die bestimmte Erklärung lautet: „Damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden." Und an einer anderen Stelle lesen
wir: „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht mit der Welt verurteilt werden." (1. Kor. 11, 32.) 

Wir wiederholen also: die Züchtigung hat nicht den Zweck, die Sünde ins Gedächtnis zu bringen, noch sie zu bestrafen; vielmehr soll sie bewirken, daß wir nicht mit der Welt verurteilt, sondern
der Heiligkeit Gottes teilhaftig werden. Es ist nötig, über diesen Punkt klar zu sein, sowohl
in Bezug auf unsre eigene geistliche Geschichte, als auch im Blick auf andere. Viele haben die üble Gewohnheit, wenn sie jemanden unter der züchtigenden Hand Gottes stehen sehen, sogleich zu urteilen wie die Witwe zu Sarepta, daß nämlich Gott die Ungerechtigkeit jenes ins Gedächtnis bringe. Das ist ein großer Fehler und sollte nicht so sein.
Bei der Witwe zu Sarepta erkennen wir aus der Wirkung der Züchtigung sehr klar den Zweck derselben. Sobald sie ihren Sohn aus dem Tode zurückerhält, sagt sie: „Nunmehr erkenne ich, daß du ein Mann Gottes bist, und daß das Wort Jehovas in deinem Munde Wahrheit
ist," (V. 24.) Der Zweck der Züchtigung war, sie zur Erkenntnis dessen zu bringen, was sie schon viel früher hätte erkennen sollen. Wie oft ist dies leider auch bei uns der Fall! Wie viele Wahrheiten haben wir bekannt, welche unsre Seelen erfahrungsgemäß nie verstanden, bis wir
in die tiefen Wasser der Trübsal geführt und unter der Hand des „Vaters der Geister" gezüchtigt, unterwiesen und geübt wurden.

Wenden wir uns jetzt zu der Sunamitin in 2. Kön. 4. Da möchte ich denn zunächst bemerken, daß die Sunamitin gerade da begann, wo die Witwe zu Sarepta aufhörte. „Und es geschah eines Tages, da ging Elisa hinüber nach Sunem; und daselbst war ein wohlhabendes Weib, und sie nötigte ihn, das Brot zu essen. Und sie sprach zu ihrem Manne: Siehe doch, ich merke, daß dieser ein heiliger Mann Gottes ist, der beständig bei uns durchzieht." (V. 8. 9.) Sie erkannte sofort durch ihr geistliches Urteilsvermögen das, was die Witwe zu Sarepta erst durch eine schwere Prüfung lernen mußte. Sie hatte in der Schule Christi einen höheren Platz erreicht als jene; ihr ganzes Verhalten trägt den Stempel einer weiter vorgeschrittenen Erkenntnis. Sie bewegt sich mit einer Würde, einer Erhabenheit und moralischen Schönheit, die nur bei denen
gefunden wird, welche die Luft des Heiligtums atmen.

Nicht als ob die Gnade, welche das „wohlhabende Weib" in Sunem besuchte, größer oder reicher gewesen wäre als diejenige, welche der „armen Witwe" zu Sarepta zu teil wurde. Im Gegenteil; die zu einer heidnischen Fremden ausgehende Gnade war sogar reicher als diejenige, welche
innerhalb der Grenzen Israels wirkte. Ferner lag die Verschiedenheit der beiden Weiber nicht
bloß in der Verschiedenheit ihrer Umstände. Allerdings war die eine eine arme Witwe, welche, mit Kummer und Sorge im Herzen, auf „eine Handvoll Mehl im Gefäß und ein wenig Oel im Kruge" hinblickte und darüber nachsann, das Wenige so sparsam wie möglich einzurichten; während die andere „ein wohlhabendes Weib" und mit Ueberfluß umgeben war. Auch mußte der Prophet die Witwe zu Sarepta dringend bitten, ihm Brot zu geben; während die Sunamitin den Propheten anging, es von ihr zu nehmen.

Allein obwohl in diesen Punkten eine Verschiedenheit zu bemerken ist, so ist diese doch nicht von Bedeutung. Die wirkliche Verschiedenheit lag nicht in den äußern Umständen, sondern in den Personen und in ihrer Gemeinschaft mit Gott; und diese Verschiedenheit zeigt sich in dem ganzen Verhalten der Sunamitin. Sie hat ein Bedürfnis, welches weder „der König" noch „der Heeroberste" befriedigen kann. Sie verlangt sehnlichst, die lebendig machende Kraft des Gottes der Auferstehung kennen zu lernen; sie wünscht mit den Sarahs und Hannas der früheren Geschlechter auf einem Boden zu stehen. Sie wünscht den lebendigen Gott zu schauen, der einherzieht in der Größe Seiner Macht und in ihrem Falle über alle Schwachheit und den Tod der Natur triumphiert. 

Sie begehrt sich zu sonnen in den glänzenden Strahlen der göttlichen Herrlichkeit, Gemeinschaft zu haben mit der höchsten Wahrheit und den höchsten Pfad in dem göttlichen Leben zu betreten. Das war das Verlangen der Sunamitin. Sie war nicht, wie die Witwe zu Sarepta, mit dem Tode beschäftigt; sie blickte nicht auf ein leeres Gefäß und einen zur Neige gehenden Krug, sondern schaute den Gott der Auferstehung gegenüber dem Tode und der Unfruchtbarkeit der Natur. Ihr Glaube erwartete „Großes" von dem lebendigen Gott, und sie wurde nicht beschämt.

Es wurde ihr gestattet, „einen Sohn zu umarmen, "und durfte so in ihrer eigenen Person „die Kraft der Auferstehung" erfahren. Bei ihr war es nicht der Gott der Vorsehung, welcher das Gefäß füllt, sondern der Gott der Auferstehung, der Tote lebendig macht. Beachten wir ferner, wie sie ihr Haupt beugt angesichts der göttlichen Heimsuchung. Anstatt, wie die Witwe
zu Sarepta, in die Tiefe der Trübsal hinabzusteigen, um sich dort Erkenntnis zu holen, führt sie ihre Erkenntnis in die Tiefe ein, und erlangt so eine noch tiefere Erkenntnis.

Die Witwe blickte nur auf den Tod hin, indem sie nichts von der Auferstehung kannte. Die Sunamitin aber war fähig, in der Kraft der Auferstehung siegreich durch die Umstände des Todes hindurchzugehen. (Vergl. Phil. 3,10.) Sie war imstande, ihren toten Sohn da niederzulegen,
wo sie gleichsam auch ihren eignen toten Leib niedergelegt hatte, d. h. zu den Füßen des Gottes der Auferstehung, indem sie wußte, daß Er sowohl den einen wie den andern lebendig machen konnte. Wer vermöchte nicht den Unterschied zwischen den beiden Weibern zu erkennen?
Und doch ist sehr zu befürchten, daß viele unter uns nur wenig davon verstehen. Viele sind zufrieden damit, den niedrigen Boden der Witwe zu Sarepta einzunehmen, anstatt sich ernstlich nach dem weit erhabneren Standpunkt der Sunammitin zu sehnen. Wir schätzen uns glücklich,
wenn wir das Gefäß und den Krug von der freigebigen Vorsehung Gottes gefüllt sehen, und sind zu träge, nach dem tieferen Charakter der Gemeinschaft zu trachten, welche aus dem Anschauen des Gottes, der Tote auferweckt, hervorstießt. 

Sicher sind die durch die göttliche Vorsehung empfangenen Gaben lieblich und erquickend; aber es giebt etwas weit Höheres als das. Es giebt eine Gemeinschaft mit Ihm selbst. Und wo wird diese genossen? Auf der andern Seite des Todes. Es bedarf keiner Auferstehung, um ein Gefäß und einen Krug zu füllen, wohl aber um einen toten Leib und einen toten Sohn lebendig zu
machen.
Es ist daher klar, daß die Sunamitin auf einem erhabeneren Boden stand als die Witwe zu Sarepta. Sicherlich waren beide Weiber Gegenstände der Gnade Gottes; aber obwohl Gegenstände derselben Gnade, war ihre Gemeinschaft doch sehr verschieden. Für die Witwe brachte der Tod ihre Sünden in Erinnerung; für die Sunamitin aber schaffte der Tod nur einen Bereich, in welchem der Gott der Auferstehung sich offenbaren konnte. Die Witwe sagte zu dem Manne Gottes: „Was habe ich mit dir zu schaffen?" Die Sunamitin wollte mit keinem
andern zu schaffen haben.

So viel über den Unterschied zwischen diesen beiden von Gott geehrten Weibern, welche durch ähnliche Umstände zu gehen hatten. Wir haben gesehen, daß die Witwe zu Sarepta weit hinter der Sunamitin zurückblieb. Die letztere wurde auf den Schwingen eines weit stärkeren Glaubens in Regionen getragen, welche die erstere nicht zu erreichen vermochte. Sie bewegte sich in einem weit höheren Bereich der Gemeinschaft als diese. Die geistliche Welt hat gerade so gut ihre Bereiche und Kreise wie die natürliche und gesellschaftliche Welt; und der Kreis, in welchem wir uns bewegen, ist von dem Maße unsrer Gemeinschaft abhängig, während unsre Gemeinschaft wiederum im Verhältnis zu unserm Glauben steht. 

Die Sunamitin scheint sich, wenn wir so sagen dürfen, in dem höchsten geistlichen Kreise bewegt zu haben; ihre Erkenntnis von Gott und Seinen Wegen war tief. Sie stand im Besitz eines Geheimnisses, welches sie weder ihrem Manne noch dem Diener des Propheten mitteilen
konnte. „Und sie rief ihrem Manne und sprach: Sende mir doch einen von den Knaben und eine von den Eselinnen, und ich will zu dem Manne Gottes laufen und wiederkommen. Und er sprach: Warum willst du heute zu ihm gehen? es ist weder Neumond noch Sabbath. Und sie sprach: Es ist gut. Und sie sattelte die Eselin und sprach zu ihrem Knaben: Treibe und gehe; halte mich nicht
auf im Reiten, es sei denn daß ich es dir sage. 

Und sie ging hin und kam zu dem Manne Gottes an den Berg Karmel. Und es geschah, als der Mann Gottes sie von ferne sah, da sprach er zu Gehasi, seinem Knaben: Siehe da, die Sunamitin! Nun laufe ihr doch entgegen und sprich zu ihr: Geht eS dir wohl? Geht es deinem Manne wohl? Geht es dem Kinde wohl? Und sie sprach:. Wohl."
(V. 22 — 26.) Weder Gehasi noch ihr Mann hatten ein Verständnis für das, was in dem Herzen der Sunamitin vorging. Sie legte den toten Sohn auf das Bett des Mannes Gottes und schloß die Thür hinter ihm zu, wie um dadurch auszudrücken, daß niemand dort eintreten könne
und solle als nur der Gott der Auferstehung.

Der Glaube dieses edlen Weibes führte auf diese Weise Gott auf einen Schauplatz, auf welchem die Strahlen Seiner Herrlichkeit Gelegenheit fanden, in vollem Glanze zu scheinen. Er war fähig, die finstere Kammer mit Licht, die Kammer des Todes mit Leben zu füllen. Es war ein herrliches, wunderbares Werk; aber der Glaube wußte, daß Gott es auszuführen vermochte. Als Gehasi die Sunamitin fragte, wie es ihr und ihrem Sohne gehe, gab sie zur Antwort: „Wohl!" denn ihre ganze Seele war mit der Gewissheit erfüllt, daß der geliebte Gegenstand,
den sie tot daheim zurückgelassen hatte, durch den Gott der Auferstehung auferweckt werden würde. Und sie wurde nicht beschämt. „Da kam sie und fiel zu seinen Füßen nieder und bückte sich zur Erde; und sie nahm ihren Sohn auf und ging hinaus." (V. 37.) Sobald der Gott der Auferstehung als ein Handelnder aufgetreten war, konnte sie eintreten als eine Anbeterin.
Geliebter Leser! laß uns von dieser Sunamitin lernen, nach einem tieferen und innigeren Wandel mit Gott zu trachten!

Alles üble Nachreden ist böse und im höchsten Grade verwerflich. Sollten wir daher einmal in die Gesellschaft von Leuten kommen, welche Freude daran finden, allerlei Böses über ihre Mitchristen zu sagen, und es gelingt uns nicht, die Unterhaltung in andere Bahnen zu leiten, so
laßt uns aufstehen und den Ort verlassen, indem wir so Zeugnis ablegen gegen eine Sache, welche für Christum so Hassens würdig ist. Lasst uns nie bei einem Verleumder
sitzen und auf seine Worte lauschen. Wir können versichert sein, daß er das Werk des Teufels thut und ein dreifaches Unrecht begeht: an sich selbst, an seinem Zuhörer und an dem, über welchen er redet.
Der Glaube bringt Gott in die Umstände hinein, und so wird alles hell und leicht; der Unglaube schließt Gott aus, und alles ist dunkel und schwierig.

2. Könige 4. 8-27 Die Sunamitin BdH 1931

02/08/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Sie Sunamitin (2.Könige 4. 8)


Der Mensch hat von jeher alles, was Gott seinen Händen oder seiner Verwaltung anvertraut hat, verdorben. Ob er aber auch Fehler auf Fehler häufte, Gott kam dadurch nicht in Verlegenheit, Seine Hilfsquellen erschöpften sich nicht. Immer wieder begegnete Er den Torheiten und Untreuen des Menschen mit neuen Vorkehrungen Seiner Gnade, und der Glaube war stets bereit, sich ihrer zu bedienen, ja, zu Zeiten auf sie zu rechnen und nach ihnen auszuschauen.

Wenn Israel in der Wüste das goldene Kalb machte und so das allererste Gebot des Bundes, der gerade in Kraft getreten war, übertrat, handelte Moses wie ein Mann, der in Gott etwas sand, das der furchtbaren Katastrophe begegnen konnte. Er rechnete auf Gnade für sich und das schuldige Volk. (2. Mose 33.)

Wenn das Volk in späteren Tagen, nachdem Josua es ins Land geführt hatte, den Bund immer wieder brach und die Folgen davon tragen mußte, antwortete Jehova mit der Sendung von „Richtern", die den Bedrängten zu Hilfe kamen und sie aus der Hand ihrer Feinde befreiten.
Verderbte sich im weiteren Laufe der Zeit das Priestertum, und mußte Jkabod (Nicht-Herrlichkeit) auf die Stirn Israels geschrieben werden, so hatte Gott in dem Geheimnis Seiner Ratschlüsse und Hilfsquellen einen „Propheten" bereit, und Samuel führte als Prophet das
Volk nach Eben-Eser, dem Stein der Hilfe, (4. Sam. 4, 24; 7, 42.)


Wenn endlich das Königtum in völligen Verfall geriet, wenn das Haus und der Thron Davids im Staube lagen, und Israel in die Gefangenschaft ziehen mußte, harrte der Glaube dennoch auf Gott, in dem Bewußtsein, daß Er nicht versagen würde, wenn auch alle Menschen versagt hatten. Der Tempel mochte in Trümmern liegen, die Bundeslade samt allen heiligen Geräten aus Jerusalem verschwunden sein, das Land selbst in den Besitz der Unbeschnittenen geraten und die einstigen Besitzer als Sklaven in die Hände ihrer Feinde gefallen sein — dennoch konnten ein Daniel, ein Nehemia, eine Esther und andere gleichgesinnte Seelen ihr Nasiräertum aufrecht halten und nach neuen Offenbarungen dessen ausschauen, was Gott für Israel war und hatte.

Noch einmal denn: Die Hilfsquellen Gottes trocknen niemals infolge der Verfehlungen des Menschen aus, und der Glaube kann zu allen Zeiten mit ihnen rechnen. So war eö in den Tagen vor alters, und so ist es heute. Dennoch besteht ein Unterschied zwischen den Zeiten des Alten und denen des Neuen Testaments, und zwar dieser: Der Glaube nimmt und benutzt heute das, womit Gott ihn ein für allemal versehen hat, und er tut das mit voller Befriedigung, indem der Geist Gottes ihn immer wieder mit heiliger Eifersucht darauf hinweist, daß er nach nichts anderem ausschauen soll, weil es für alle bestehende oder neu entstehende Bedürfnisse genügt.
Der Unterschied besteht also darin, daß in früheren Tagen der Glaube mit dem rechnen mußte, was er noch nicht tatsächlich empfangen hatte, während er heute treu zu dem hält und darin bleibt, was er bereits empfangen hat. 

Aber, wird man vielleicht fragen, wie ist das zu verstehen? Die Antwort ist einfach: der Glaube besitzt heute Christum, das Ende oder den Inbegriff aller göttlichen Vorkehrungen. Immer wieder werden wir in den Briefen ermahnt, in dem zu bleiben, was wir gelernt haben, so in dem Christus Jesus, dem Herrn, zu wandeln, wie wir Ihn empfangen haben, gewurzelt und
auf erbaut in Ihm und befestigt in dem Glauben, so wie wir gelehrt worden sind, und alles abzuweisen, was nicht Christus und Sein Wort ist. Der Apostel Paulus hatte nicht zurückgehalten, den ganzen Ratschluß Gottes den Gläubigen zu verkündigen, und wenn er von ihnen Abschied nehmen muß, befiehlt er sie nicht anderen Werkzeugen, die Gott etwa senden würde, sondern nur „Gott und dem Wort Seiner Gnade". (Vergl. Kol. 2, 6—8; Apstgsch. 20, 27. 32.) In anderem Sinne gibt es natürlich Ähnliches in der Vergangenheit und Gegenwart, in alt- und neutestamentlichen Zeiten. 

Die Untreuen und Fehler des Menschen und die daraus hervorgehende Verwirrung rundumher
tragen heute den gleichen Charakter, beeinflussen und gestalten auch die Verhältnisse in ähnlicher Weise wie damals, nur, wie bereits gesagt, mit dem Unterschiede, daß die göttliche Hilfsquelle im Alten Testament immer wieder als etwas Neues hervortrat, während sie heute unveränderlich dieselbe bleibt, nämlich Christus und die Schriften, Gott und das Wort Seiner Gnade.

Als das goldene Kalb gemacht wurde, schaute, wie wir gesehen haben, der Glaube nach einer neuen Offenbarung des Namens Gottes aus, und er erhielt sie: Jehova ließ alle Seine Güte vor dem Angesicht Moses vorübergehen und rief: „Jehova, Jehova, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit... der Ungerechtigkeit, Übertretung und
Sünde vergibt usw." (2. Mose 34, 6. 7.) Welch ein Unterschied im Vergleich mit dem zuerst geoffenbarten Namen: „Ich, Jehova, bin ein eifernder Gott, der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht usw."! 

Als dann das Volk im Lande seinen Platz unter den Flügeln Jehovas verscherzt hatte, fand der Glaube seinen Stützpunkt in dem von Gott erweckten Richter und Befreier. Wenn das  Priestertum sich verderbte, machte er Gebrauch von dem Propheten. Wenn das Königtum in unheilbaren Verfall geraten war, wartete er auf neue, den veränderten Umständen
angepaßte Wege Gottes, wie Mordokai der Königin Esther sagen ließ: „Befreiung und Errettung für die Juden wird von einem anderen Orte her erstehen".(Esther 4, 44.)

Heute aber besitzt der Glaube angesichts aller Fehler und Verwirrungen, in welcher Gestalt sie sich auch zeigen mögen, Gott und Sein Wort, Christum und die Schriften als seine nie fehlende, unveränderliche Hilfsquelle. Er bedarf keiner neuen Offenbarungen, wartet auch nicht auf Veränderungen in Gottes Wegen oder Vorkehrungen. Er mag im Blick auf alles, was um ihn her
vorgeht, mit Trauer und tiefen Gefühlen der Demütigung erfüllt sein, aber er bleibt ruhig und gerät nicht in Verwirrung. Denn „das Ende der Zeitalter ist auf uns gekommen". (4. Kor. 40, 44.) Benutzen wir deshalb, anstatt nach weiteren Kundgebungen der Gnade Gottes auszuschauen, das, was wir haben. Mögen auch Verfall und Verwirrung um uns her immer größer werden, der
Glaube „hält den Anfang der Zuversicht standhaft fest bis zum Ende". (Hebr. 3, 44.) 

Er ist darauf vorbereitet, in Gottes Dienern und Verwaltern Fehlern zu begegnen, aber da er mit Gott selbst in Verbindung gekommen ist, bleibt er ruhig und wohlgemut. Die Geschichte der Sunamitin erläutert diese Wege des Glaubens in überaus schöner Weise. Auch sie lebte
in einer Zeit des Verfalls und der schlimmsten Unordnung, aber wir finden bei ihr keinerlei Bestürzung. Auf Fehler von feiten des Menschen vorbereitet, in der Verbindung mit Gott und Seinen Hilfsquellen stehend und darin ruhend, blieb ihr Glaubensauge klar und ihr Herz ruhig.


Betrachten wir kurz ihr liebliches Tun. Von Anfang an versteht und beurteilt sie Elisa richtig. Ohne daß irgend jemand den Propheten bei ihr eingeführt hätte, erkennt sie in ihm einen „Mann Gottes", und als solchen heißt sie ihn willkommen und nötigt ihn, bei ihr zu essen.
Sie rechnet darauf, daß Gottes Gedanken über Sein Volk unverändert waren, und daß Er wirken konnte, durch wen Er wollte, wenn es auch mit dem Zehnstämmereich so überaus traurig stand. Sie beweist das in ihrem ganzen Verhalten Elisa gegenüber. Ihr ist nicht nur seine Person bekannt, sondern auch sein Charakter. Sie nennt ihn ihrem Manne gegenüber einen „heiligen" Mann Gottes" und hat das Vertrauen, daß er die geistlichen Eigenschaften und den Geschmack eines solchen Mannes besitzt. So trifft sie ihre Vorkehrungen. Ein kleines, gemauertes
Obergemach und als notwendigste Ausstattung ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und ein Leuchter — das genügt. Sie denkt nicht daran, ihrem Gast gegenüber das „wohlhabende Weib" hervorzukehren, sondern begegnet ihm seinem Charakter gemäß. 

Das nennen wir mit Recht Gemeinschaft. Die geistlichen Triebe dieser Frau waren so schön, wie ihr Glaube ungekünstelt und einsichtsvoll war. Die ganze Szene möchte ich himmlisch nennen; das will sagen: das Zimmer und alles, was es enthielt, redete von himmlischer Fremdlingschaft inmitten sittlichen Verderbens und wachsenden Abfalls. Die Zustände im Lande Israel hätten kaum schlimmer sein können, als sie waren. Die Familie Ahabs aus dem Hause Omris saß auf dem
königlichen Thron; in dem ganzen Reich entdeckte das erleuchtete Auge nichts, was Gottes Gedanken entsprochen hätte, was Seiner würdig gewesen wäre. 

In solchen Zeiten genügen dem Volke Gottes „kleine Dinge", ja, sie allein tun das. In den Tagen eines Salomo ist es anders. Während hier ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und ein Leuchter genügen, hören wir zur Zeit Salomos von einem Hause, das der König gebaut hatte, von der Speise seines Tisches, von Knechten und ihrem Sitzen, von Dienern und ihrem Aufwarten, von Mundschenken usw. usw.; alles zeugte von Reichtum und irdischer Größe. Der Unterschied war groß, aber das wackere Weib in Sunem hatte ein Verständnis für den Zeugen und das Zeugnis Gottes in jenen bösen Tagen. Sie verachtete nicht den „Tag kleiner Dinge", sondern wußte, daß, wenn auch die Grundpfeiler umgerissen waren, Gott dennoch in Seinem heiligen Palaste blieb. (Ps. 11, 4.) 

Das Werkzeug Gottes für jene Zeit war freilich nur ein einsamer Mann, eine Art Jona in Ninive, der von niemand eingeführt, von keiner Seite beglaubigt war; aber sie verstand
diesen Mann, und nachdem sie ihn einmal kennen gelernt hatte, ließ sie nicht wieder von ihm. Ihr Gatte mochte von Neumonden und Sabbaten reden, Elisa selbst von seinem Knaben und seinem Stabe, aber für sie war Gottes Werkzeug alles. Er war der Anfang ihrer Zuversicht
gewesen, und an ihm wollte sie standhaft festhalten bis ans Ende.

Das war Glaube, einfältig und unverfälscht, ein Glaube, der sich an Gott und Seine Hilfsquellen klammerte; der, wie wiederholt gesagt, wohl nach neuen Hilfsquellen ausschauen konnte, wenn neue Bedürfnisse entstanden, aber treu an dein Gegebenen festhielt, solang nicht neues Verderben ein neues Einschreiten Gottes in Gnade nötig macht. Und diese Gabe war für jene Zeiten eben Elisa. Laßt uns von dem einfachen Weibe lernen, treu wie sie an dem unendlich Größeren festzuhalten, das uns gegeben ist und nie sich verändern, nie uns genommen werden
kann, an Gott und dem Worte Seiner Gnade!

2. Könige 2 - 13 Elisa BdH 1897

01/23/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Elisa: 2. Könige 2 - 13

Botschafter des Heils in Christo 1897

„Erzähle mir doch alle die großen Dinge, die Elisa getan hat.“ (Kap. 8, 4.)

  1. Die Entrückung des Elia. (2.Könige Kap. 2, 1—14.)
  2. Die Wasser Jerichos werden gesund gemacht. (2.Könige Kap. 2, 15 - 22.)
  3. Das Strafgericht über die spottenden Knaben. (2.Könige Kap. 2, 23 — 2-3).
  4. Die Heere der Könige werden mit Wasser versorgt (2.Könige Kap. 3).
  5. Das Öl der Witwe wird vermehrt (2.Könige Kap. 4, 1---7).
  6. Die Sunamitin (2.Könige Kap. 4, 8 - 37).
  7. Das todbringende Gericht wird zu einem gesunden gemacht. (2.Könige Kap. 4, 38 – 41)
  8. Die Menge wird gespeist (2.Könige Kap. 4, 42 - 44).
  9. Naaman, der Syrer. (2.Könige Kap. 5.)
  10. Das Eisen wird schwimmen gemacht (2.Könige Kap. 6, 1 — 7).
  11. Das Heer der Syrer wird mit Blindheit geschlagen (2.Könige Kap. 6, 8 - 23).
  12. Die Hungersnot in Samaria ( 2.Könige Kap. 6, 24 - 7, 20).
  13. Noch einmal die Sunammitin (Kap. 8, 1 —6).
  14. Die Weissagung über Hasael (2.Könige Kap. 8, 7 - 15).
  15. Die Salbung Jehus (2.Könige Kap. 9 u. 10).
  16. Joas, König von Juda (Kap. 11 und 12).
  17. Joas, König von Israel, und die Pfeile (2.Könige Kap. 13, 1 — 19).
  18. Der tote Mann wird lebendig gemacht (Kap. 13, 20 - 25).


Einleitung.

Der Dienst, den Elia und Elisa zu vollführen hatten, füllte die Zeit aus, während welcher die Familie Ahabs,

das Haus Omris, am Ruder war. Es waren dies die Tage, in welchen das Verderben in dem Zehnstämmereich seinen Höhepunkt erreicht hatte. Das Zeugnis des Herrn bezüglich jener Zeiten lautet folgendermaßen: „Und Ahab, der Sohn Omris, tat was böse war in den Augen Jehovas, mehr als alle, die vor ihm gewesen waren“.

In jenen Tagen geschah es, dass Hiel, der Betheliter, dem Arm des Herrn dadurch Trotz bot, dass er Jericho wieder aufbaute. Aus dieser Tat, die eine Beleidigung der Wahrheit und Macht des Herrn war, blickte gewissermaßen die Verwegenheit des Unglaubens heraus; es ist, als wollte er sagen „Wo ist der Gott des Gerichts“ (Matthäus 2, 17)? Denn die Zeiten Ahabs waren wiederum Zeiten, in denen der Mensch sich erdreistete, Gott herauszufordern und zu versuchen.

Zu einer solchen Zeit, unmittelbar nach der Tat Hiels, wurde Elia berufen (1. Kön. 16, 34; 17, 1); und wir sehen bei ihm eine Berufung Gottes und eine Wirksamkeit des Geistes, die unabhängig von allem andern dastehen. Elia ist ganz und gar in des Herrn Hand. Er gehört nicht der Priesterschaft an. Er sucht nie den Tempel auf. Um den Willen Gottes zu erfahren, benutzt er nie die von Ihm zu diesem Zweck bestimmten Mittel, noch wandelt er ordnungsgemäß nach den Satzungen und Regeln, wie sie Israel gegeben waren. Der Herr ist es, der ihn ergreift und mit einem Licht und einer Kraft erfüllt, die unmittelbar von Ihm her fließen, ohne dass Er sich dazu irgend eines der von Ihm vorgeschriebenen Kanäle bediente.

Gerade so war es mit Elisa. Er war von alledem, was bereits im Lande eingerichtet war, unabhängig. Die Hand des Herrn benutzt, und der Geist Gottes erfüllt ihn, ohne dass dies in Verbindung mit dem Tempel oder dem Priestertum geschähe.

Hieraus können wir eine Lehre ziehen, die wir in der Schrift vielfach antreffen, und die so sehr gesegnet ist, nämlich: dass, wenn der Mensch alles, was Gott ihm anvertraute, verdorben und gerechter Weise jeden Anspruch darauf verloren hat, (wie dies bei Ahab und zu seinen Zeiten der Fall war,) dies dem Herrn Gelegenheit gibt, die Hilfsquellen, die Ihm zu Gebote stehen, ans Licht zu bringen. Was für den Menschen eine Wüste war, war für Christum ein Vorratshaus (Matth. 14, 15—21).

Obwohl jedoch die Berufung dieser beiden Propheten, wie erwähnt, dieselben Merkmale trägt, und wir ihr dieselbe Lehre entnehmen können, (was in gewissem Maße sogar bei der Berufung aller Propheten zutrifft,) so unterscheidet sich doch ihr Dienst im Einzelnen in sehr bestimmter Weise. Ein Zeugnis gegen das Böse, und Leiden, die daraus hervorgehen, kennzeichnen die Geschichte des Elia, während sich bei Elisa Macht zeigt, sowie Gnade in der Benutzung dieser Macht für Andere. Bei dem Herrn Jesu Christo, dessen Schatten selbstverständlich diese Männer waren, sieht man beides. Einerseits gewahren wir in Seinem Leben hienieden den leidenden, vertriebenen und verfolgten Zeugen — die Welt hasste Ihn, weil Er ihr bezeugte, dass ihre Werke böse waren; andrerseits tritt uns der mächtige, gnädige, hilfsbereite Freund Anderer entgegen — alle, die in Kummer oder in Not waren, empfingen von Ihm Heilung und Segnung.

Doch noch mehr als das spiegelt sich in der Geschichte der beiden Propheten ab; denn der Kummer, den Elia hienieden empfinden musste, und seine Verwerfung seitens der Welt endeten damit, dass er in den Himmel aufgenommen wurde; die Macht dagegen, welche Elisa zur Verfügung stand, trieb ihn geradeswegs alledem entgegen, was ihm hätte widerstehen können, und erhielt ihn in dem dauernden Genuss der ihm zu teil werdenden Ehre und der Freude über seine Siege aus Erden. Damit werden die himmlischen und die irdischen Dinge abgebildet, welche den Herrn Jesum Christum, als Sohn Gottes und König Israels, betreffen.

Indem ich jetzt zu der Betrachtung der Geschichte EIisas übergehe, wie uns dieselbe in 2. Kön. 2 13 vorgeführt wird, Beabsichtige ich nicht, dies in erschöpfender Weise zu tun; aber ich möchte doch bei dieser kurzen Wanderung aus jede einzelne Szene, welche der Heilige Geist für uns hat aufzeichnen lassen, der Reihe nach aufmerksam machen und suchen, einige der Unterweisungen ans Licht zu ziehen, die Gott uns hier betreffs Seiner Ratschlüsse und unsers Verhaltens gibt, da die Betrachtung dieses Schriftabschnitts meiner eignen Seele zu großem Nutzen und Segen gereicht hat.


1. Die Entrückung des Elia. (2.Könige Kap. 2, 1—14.)

Die oben angeführten Verse bilden den ersten Abschnitt, mit welchem wir uns zu beschäftigen haben.

Elia hatte schon weit früher Elisa aufgefordert, mit ihm in den Dienst zu treten (1 Kön. 19), indem er zu ihm hinging und seinen Mantel auf ihn warf. Damals war aber Elisa noch nicht ganz vorbereitet gewesen, der Aufforderung Folge zu leisten. Er hatte seinen Vater, und seine Mutter vorgeschützt. „Lass mich“, sagte er, „doch meinen Vater und meine Mutter küssen, so will ich dir folgen.“ Daraufhin hatte Elia ihm gleichsam seinen Mantel wieder abgenommen und seine Aufforderung mit den Worten widerrufen: „Gehe, kehre zurück! Denn was habe ich dir getan? *)

Diese Worte sind bezeichnend; denn wiewohl wir nachher sehen, dass Elisa dem Elia einen Augenblick diente (1. König. 19, 21; vergl. auch 2 Könige 3, 11), so finden wir ihn doch bis zu dem Augenblick, wo sein Meister von ihm genommen werden sollte, nicht wieder ausdrücklich in Gemeinschaft mit demselben. Und zu welchem Zwecke wird er hier bei ihm gesehen? Einfach um das Feuer auszuhalten, um die Probe zu bestehen, ob er in der Tat für den Besitz des Mantels völlig vorbereitet wäre oder nicht.

Elia konnte seinen Mantel zurücklassen. In dem Himmel, in welchen er ging, brauchte er ihn nicht mehr. Sobald er den vom Sturmwinde begleiteten feurigen Wagen bestieg, sobald er von Engeln (Heb. 1, 7) in den Himmel hinaufgetragen wurde, konnte und musste er sich seiner Kleider entledigen. Der Mantel war als das Werkzeug der Macht für den Dienst hienieden gegeben. Ist nun der Dienst beendigt, so legt der Diener den Mantel beiseite, gerade so wie der Sünder bei seiner Bekehrung, wenn sein alter Zustand vergangen ist, seine Kleider abwerfen kann. (Mark. 10, 50.) „Wir erkennen stückweise, und wir prophezeien stückweise; wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden.“

Elia kann also seinen Mantel jetzt entbehren; ist aber Elisa für den Besitz desselben vorbereitet? Das ist die Frage. Diese Probe wird jetzt gemacht, und zwar vermittelst zweier Werkzeuge; diese sind Elia selbst und die Söhne der Propheten. Beide wurden jedoch von Gott benutzt, um zu prüfen, ob Elias Mantel in der Wertschätzung des Elisa wirklich den ersten Platz einnahm; ob er den Geist eines wahren Leviten in sich trug, eines Mannes, bei welchem die Urim und Thunnim weilen konnten, indem er sich fähig erwies, jetzt von seinem Vater und von seiner Mutter zu sagen: „Ich sehe ihn nicht“ (5. Mose 33, 8. 9). 

Das war die ernste Frage, um welche es sich bei der Probe handelte. Der Herr wog ab, wie viel die Herrlichkeit dem Elisa galt; Er überzeugte sich davon, welches Gewicht die Freude und die Ehre, in dem Geiste und dem Dienste Elias einhergehen zu dürfen, in der Waagschale der Neigungen Elisas hatte. Und Elisa hält die Probe aus; seine Hand wird durch nichts wankend gemacht. Er bringt alle Versuchungen zum Schweigen und erklärt offen heraus, dass er nach dem Mantel, ja, nach dem zwiefachen Teile des Geistes des Elia, verlange. Er wendet sein Auge von jedem anderen Gegenstande ab, nur nicht von der Herrlichkeit. Er will nicht mehr zu seinem Vater oder seiner Mutter, die er zurückgelassen hat, umkehren, um sie zu küssen, sondern er hängt an Elisa, seinem Vater im Glauben, an seinem Verwandten dem Geiste nach ; dieser ist es und dieser allein, zu welchem er aufschaut und in dessen Fußstapfen er tritt. „Mein Vater, mein Vater!“ so ruft er aus, als Elia gen Himmel fährt, „Wagen Israels und seine Reiter!“

Das genügte·. Anfänglich war, wie wir gesehen haben, sein Anrecht auf den Mantel in etwa zweifelhaft (1.Kön. 19), jetzt aber kann er vollen Anspruch auf denselben machen. Er ist nun ein wahrer Levit. „Er kennt niemanden nach dem Fleische“, und so gehört der Mantel ihm.

Darin liegt eine heilige Lehre für uns; denn wir wissen selbst am besten, wie wenig unsre Herzen den Mantel schätzen, wie gering wir die Ehre achten, Jesu dienen, oder wie wenig es uns gilt, an Seiner kommenden Herrlichkeit teilnehmen zu dürfen. Es handelte sich hier nicht darum, zu erproben, ob der Prophet Anspruch auf Gott selbst oder auf Sein Heil habe. Elia zweifelte nicht im Geringsten daran, dass Elisa ein Eigentum des Herrn war. Nein, hier wurde die Probe gemacht, wie hoch er die Herrlichkeit schätzte. Und das ist eigentlich auch die einzige Frage, um die es sich bei uns handelt. Wir müssen uns prüfen, ob wir der Herrlichkeit des Herrn würdig wandeln, ob es uns wertvoll erscheint, dass wir an derselben teilnehmen sollen. Wohl uns, wenn wir, wie Elisa, durch Zucht dahin gebracht werden, nach der

Herrlichkeit zu verlangen! Wohl uns, wenn die Natur, die so hartnäckig an ihrem Leben in uns festhält, zurückgewiesen wird, und wenn wir, falls sie uns sagt: „Gehe zurück, küsse Vater und Mutter!“ lieber auf die Stimme des Mantels lauschen, der uns ermuntert, vorwärts zu eilen, dem Propheten Gottes nach!

Demütigend ist es aber, zu wissen, dass das Herz, wenn es sich selbst überlassen ist und nicht unter der Leitung des Geistes steht, sich weder um Gott noch um Seine Herrlichkeit bekümmert. Einmal verkaufte es Ihn für ein gekochtes Gericht, ein andermal für eine Herde Schweine, ein drittes Mal für dreißig Silberlinge; und es ist imstande, dies immer wieder für irgend einen beliebigen Preis zu tun. Unsertwegen mag der Wagen leer zum Himmel zurückkehren. Das ist die Sprache des natürlichen Herzens. — O möchten wir doch Gnade haben, um das Teil zu schätzen, welches wir einst mit Dir, hochgelobter Heiland, besitzen werden! Möchten unsre Seelen Kraft erlangen, um uns nach einem Platze mit Dir in jenem himmlischen Wagen zu sehnen, der uns von der Erde und allen irdischen Interessen und Bestrebungen trennen und uns in Dir, mit Dir und durch Dich auf Höhen hinauftragen wird, wo Herrlichkeit und Seligkeit unser warten!


2. Die Wasser Jerichos werden gesund gemacht. (2.Könige Kap. 2, 15 - 22.)

In dem Standpunkt, welchen die Gläubigen einnehmen, herrscht ein Unterschied; sie stehen, was ihr geistliches Leben, ihre Erkenntnis usw. betrifft, auf verschiedenen Stufen. Lot stand nicht aus gleicher Höhe mit Abraham, ebenso wenig die 7000 Verborgenen mit Elia. Dennoch waren alle in gleicher Weise die Auserwählten Gottes, welche Ihm bekannt waren als solche, die Er sich erhalten hatte. So ist es auch hier im Blick aus Elisa und die Prophetensöhne. Während wir den Ersteren durch alle Hindernisse hindurch der himmlischen Herrlichkeit zustreben sehen, müssen wir bei den Anderen eine Gesinnung wahrnehmen, die in nur zu betrübender Weise von der Erde beherrscht wird.

Diese Prophetensöhne waren, wie Nikodemus, trägen Herzens zu glauben. Ihre Gedanken erhoben sich nicht über die Berge und Täler der Erde. Sie hatten nie einen himmlischen Wagen gesehen. Sie können sich nicht vorstellen, dass Elia anderswo sein könne, als an irgend einem Orte hienieden; darum suchen sie ihn hier. Elisa hätte sie gern sogleich auf den lichten, erhabenen Standpunkt gebracht, den er einnahm; aber sie mussten erst durch ihre eigenen Verkehrtheiten belehrt werden.

Doch mögen sie sich auch noch so schwach und wenig empfänglich erweisen, und mag sich die Kraft des Geistes auch in weit geringerem Maße bei ihnen offenbaren, als bei dem Propheten Gottes, so kann Elisa sie trotzdem als seine Genossen anerkennen, so dass sie seine Gegenwart genießen, sowie den Segen, dessen Träger er ist. Die Stadt, in welcher sie wohnten, hatte unter einem Fluch gelegen (Jos. 6). Elisa aber bringt ihr Heilung. „Keinerlei Fluch wird mehr sein“, so lautete die Sprache des Propheten über Jericho, wie es dereinst die Sprache des Herrn bezüglich Seines Erbteils sein wird **) (Röm. 8; Offenbg. 22). Dies ist tröstlich, wenn auch zugleich demütigend für uns, die wir uns unsrer Schwachheit bewusst sind, und die wir, soweit wir unsre armen Herzen kennen, eher mit den Söhnen der Propheten um Jericho

her stehen, als dass wir in der Kraft des Heiligen Geistes mit Elisa durch den Jordan gehen. Der Gedanke, dass wir uns nicht auf einer Höhe mit ihm befinden, sollte uns zur Demütigung gereichen, während das Bewusstsein, dass der Herr trotzdem unser ist, uns in reichem Maße zu trösten vermag. Vor Ihm stehen die Kleinen ebenso wie die Großen.

Hier möchte ich noch die Bemerkung einfügen, dass von dem Augenblick an, da unser Prophet den Mantel seines Meisters aufhob, Gott alles war, was er· hatte; er erfuhr aber auch, dass Gott für alles, was er bedurfte, genug war. Seine Bedürfnisse waren indessen, wie dies auch bei Jesu der Fall war, nicht seine eigenen. Für Andere nahm er die Hilfsquellen und die Kraft, welche ihm in Gott zu Gebote standen, in Anspruch. Er war reich, aber nicht um für sich davon Gebrauch zu machen. Er begegnet den Unannehmlichkeiten, die in der Natur ihre Quelle haben; ohne einen Geldbeutel zu besitzen, unterstützt er Arme; ohne ein Proviantamt speist er Heere; das, was todbringend war, macht er unschädlich; ohne Brot zu haben, reicht er einer Menge Speise dar und sammelt noch Brocken ein; ohne Arzneimittel heilt er Krankheiten; ohne Waffen oder Soldaten besiegt er Feinde; während einer Hungersnot versorgt er ein ganzes Volk; wiewohl er tot ist, teilt er Leben mit.

Alles dieses redet zu uns von einem Größeren als Elisa, von Jesu. Denn Jesus hatte nichts und machte doch viele reich. Für die bedürftigen Menschenkinder standen Ihm die Welten der Natur und der Gnade zur Verfügung. Und bei Seinem Diener Elisa leuchtet uns ein Wider- schein von Seinem Tun und Handeln entgegen.


3. Das Strafgericht über die spottenden Knaben. (2.Könige Kap. 2, 23 — 2-3).

In diesen Versen wird uns Stoff zu einer Betrachtung anderer Art geboten. Knaben von Bethel sind eine ganz andere Klasse von Leuten, als Prophetensöhne. Wenn Elisa den Starken in Christo darstellt, den wahren Leviten, der allem den Rücken gewandt und seinen Blick nur auf die Herrlichkeit und den feurigen Wagen, der ihn in dieselbe bringen soll, gerichtet hat, und wenn die Söhne der Propheten die Schwachen sind, die durch die Gnade Gottes doch noch dieselbe Gemeinschaft und denselben Segen mit Elisa teilen, so erblicken wir andrerseits in diesen Knaben von Bethel die Spötter oder die Ungläubigen. Sie verachten das Wort des Herrn. Sie spotten über den Gedanken an eine Himmelfahrt. Sie sagen gleichsam: „Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft?“ (2. Petr. 3). Mit dem ganzen Geheimnis Gottes, das geoffenbart ist, um dadurch Errettung und Herrlichkeit zu erlangen, treiben sie ihr Spiel. 

Sie stellen den Sohn Gottes öffentlich zur Schau. „Geh’ hinauf, Kahlkopf! Geh’ hinauf, Kahlkopf!“ so rufen sie Elisa. zu und treiben somit ihren Spott mit dem Gedanken, dass Elia bereits hinaufgegangen sein sollte. Hier ist der Fluch an seinem Platze. Diener erscheinen, um das Zornesurteil zu vollstrecken; Bären kommen über die Knaben von Bethel, sowie Adler über das Aas, um den Widersprechern gegenüber die Unanfechtbarkeit der göttlichen Wahrheit festzustellen. Die Schöpfung soll allerdings nicht für immer unter dem Fluche seufzen, den unsre Sünde über sie gebracht hat, sondern sie soll freigemacht werden von der Knechtschaft des Verderbnisses zu herrlicher Freiheit (Römer 8), so wie es mit Jericho gerade geschehen war; aber auf Kain, sowie aus den Knaben von Bethel, die das Heilmittel, welches Gott gegen den Schaden darreicht, verachten, wird der Fluch ruhen. 

Von solchen spottenden, ungläubigen Knaben, Söhnen des Ungehorsams, ob sie nun von Babel, von Bethel oder von Edom stammen, steht geschrieben: „Glückselig, der deine Kindlein ergreift und sie hinschmettert an den Felsen!“ (Psalm 137) ***)


4. Die Heere der Könige werden mit Wasser versorgt (2.Könige Kap. 3).

Wir hören nichts davon, dass Elisa der Spielball gottloser Könige gewesen wäre, wie dies mit Elia der Fall war. Ihre gewalttätige Hand herrscht nicht über ihn; vielmehr hängt ihr Geschick von seinem Wort und von der ihn begleitenden Kraft Gottes ab.

Wir sehen hier, wie, ohne ihn, drei Könige mit ihrer ganzen Heeresmacht an den Rand des Verderbens kommen. Allein durch das Wort des Herrn, welches er verkündigt, wird das ganze Bild mit einem Schlage verändert, und das Elend ganzer Völker, das mit Bestürzung gepaart geht, verwandelt sich in Sieg und Beute.

Indessen müssen wir bei der Betrachtung dieser Begebenheit einen Umstand näher ins Auge fassen. Der

König von Juda befindet sich hier in schlechter Gesellschaft. Das Bündnis, welches er mit dem abtrünnigen Hause Ahabs geschlossen hatte, war das Zeichen eines traurigen Mangels an Wachsamkeit bei Josaphat. Indes lässt die Gnade Gottes hier besondere Gelegenheiten kommen, um das verborgene Leben, welches in ihm war, offenbar werden zu lassen. Er gerät plötzlich in eine Verlegenheit, und nun lässt sich die Stimme seiner besseren Natur hören: „Ist hier kein Prophet Jehovas, dass wir Jehova durch

ihn befragen?“ Diese Worte zeigen an, dass sich der erneuerte Sinn Josaphats in der Lage, in welcher er sich hier befand, nicht wohl fühlte, wiewohl er in einem unbewachten Augenblick eingewilligt hatte, sie zu schaffen. Es war Güte von Seiten des Herrn, dass Er die Verlegenheit kommen ließ, damit das Leben, welches tatsächlich in Josaphat war, zu Tage träte (Siehe 1. Kön. 22, 7).

Das ist tröstlich für uns. Indes gibt es in dieser Erzählung noch etwas anderes zu beachten.

Elisa entdeckt in Gegenwart dieser Könige, dass er nicht ohne Weiteres weissagen kann. Josaphat konnte wohl Anspruch darauf machen, dass Elisa ihm das Wort des Herrn mitteilte, denn Josaphat war ein Knecht des Herrn; aber er befand sich nicht an dem Platze, an welchem er hätte sein sollen, und so war der Geist in Elisa gehindert. Das war eine ernste Sache. Ein Saitenspieler musste geholt werden, ehe der Geist in dem Propheten in gewohntem, vollem und gnadenreichem Fluss strömen konnte.

Welch ein Vorwurf lag darin für den König von Juda! Welch ein Vorwurf ist es für irgend einen Heiligen, wenn ein Anderer fühlt, dass in seiner Gegenwart der Geist in ihm zurückgehalten wird! Ist dies aber nicht

oft der Fall? Bildet unser fleischlicher Zustand nicht oft ein Hindernis für das schöne, freie und leichte Ausströmen des Geistes, so dass ebenfalls der Saitenspieler gerufen werden muss? Diejenigen, welche geistlich sind, müssen erst ein gewisses Zögern, eine gewisse Anstrengung, irgend einen Zwischenfall eintreten oder über sich ergehen lassen, ehe alles wieder in harmonischem Einklang sein kann.

So war es hier, und so ist es heute noch oft. Es war ein Beweis von Josaphats schlechtem Zustand, zugleich aber auch von Elisas himmlischer Gesinnung. Wäre des Letzteren Gemeinschaft mit dem Herrn weniger lebendig gewesen, so würde er das Bedürfnis nach dem Saitenspieler nicht in dem Maße empfunden haben. Wäre er im Fleische und nicht im Geiste gewesen, so hätte er kein Gefühl von dem Bruch gehabt, den Josaphat, welcher sich jetzt im Fleische befand, verursachte. Aus dieser seiner feinen Empfindung und seinem Bedürfnis nach einer Erquickung lässt sich seine himmlische Gesinnung erkennen. Jesus musste beständig den Saitenspieler rufen. Seine Gemeinschaft mit Seinem Vater begegnete hienieden unaufhörlich Dingen, die ihr hindernd in den Weg traten, und das sogar seitens der Seinigen, die weder für Seine Freuden noch für Seine Kümmernisse ein Verständnis hatten.

 Er musste sie verlassen; um im Gebet mit Gott zu verkehren, musste Er vor Tagesanbruch aufstehen oder die ganze Nacht einsam verharren und einen wüsten Ort aufsuchen. Gerade die Vollkommenheit Seiner Gemeinschaft war es, die dies notwendig machte. Er bedurfte den Saitenspieler. Hätte Er einen Standpunkt eingenommen, der der Erde näher gewesen wäre, so würde Er die irdische Gesinnung, von welcher Seine ganze Umgebung erfüllt war, nicht so schnell empfunden haben. Der schroffe Gegensatz aber, in welchem dieselbe zu Seiner eignen Seele stand, brachte Ihm diese Gesinnung voll und ganz zum Bewusstsein, und der Wohlklang und das Liebliche Seines Umgangs mit dem Vater reichte Ihm stets neue Erquickung dar.

So war es mit unserm hochgelobten Herrn und Meister, der das Muster aller Vollkommenheit ist, und so war es auch in seinem Maße mit Elisa. Ein bloßes Werkzeug der göttlichen Macht oder ein bloßes Gefäß einer geistlichen Gabe mag überall mit derselben Freiheit seine Aufgabe verrichten oder seine Gabe verwenden. Balaam sah sich durch die Anwesenheit Balaks und der Altäre nicht gehindert, seine Weissagungen auszusprechen; denn er war ein bloßes Werkzeug — gleichsam ein fleischerner Stoff, durch welchen ein Anderer atmete. Wo aber ein erneuerter Sinn als Werkzeug dient, da kann dies nicht der Fall sein. Mag er auch als ein Werkzeug benutzt werden, durch welches sich eine höhere Macht wirksam erweist, so werden doch die ihm eigentümlichen Gefühle und das ihm eigene feinfühlige Streben nach Heiligkeit stets rege bleiben.

So war es bei Elisa. Das was seine Augen erblickten, konnte ihn nur betrüben. Josaphat hätte nicht an diesem Platze sein sollen, und Elisa muss ihm zu verstehen geben, dass, wenn er selbst ihn betreten sollte, dies auf einem ganz anderen Wege geschehen musste. Ein Heiliger kann zwar an Stätten, die aufs Traurigste verunreinigt sind, zum Dienst oder zum Zeugnis berufen werden; aber nie wird er Gefallen daran haben, sich dort aufhalten zu müssen, vielmehr wird dies seiner Seele stets zuwider sein.

Es gereicht Elisa, als einem Heiligen, zum Ruhme, dass er in dieser Weise dem Herrn ähnlich war, indem er das Schwere und Drückende eines Auftritts, wie der vorliegende, augenblicklich fühlte, während ein anderer Heiliger an demselben teilnehmen konnte, da er nicht im Geiste, sondern im Fleische wandelte. Wie sollten wir danach trachten, Elisa zu gleichen, Geliebte! Wie sollten wir so leben, uns so bewegen Und so mit unserm ganzen Wesen im Heiligtum weilen, dass demselben nichts Unreines nahen könnte, ohne dass wir sofort eine Empfindung davon hätten!

Fußnote:

*) In Luk. 9, 62 scheint der Herr auf die Berufung Elisas anzuspielen. Elisa war damals am Pfluge, allein es hatte den Anschein, als ob er ein wenig zurückblicke. (Siehe 1. Kön. 19, 19. 20)

**) Sollte der Gedanke nicht zu kühn sein, so möchte ich aus dem, was die Schrift uns von der Geschichte Jerichos mitteilt, entnehmen, dass wir in dieser Stadt ein Bild der ganzen Erde erblicken können. Im Anfang wurde der Fluch über diese Stadt ausgesprochen (Josua 6); derselbe kam zur Ausführung (1.Kön.16,34); schließlich aber wird sie zu einem gesund gemachten Ort, der wieder zur Wohnung dienen und Gott und Menschen erfreuen kann. Dürfen wir darin nicht ein Gleichnis von der Geschichte der Erde erblicken?

***) Bethel kann wohl mit Recht mit Babel und Edom zusammengestellt werden. Was wir von ihm hören, deutet auf völligen Abfall von Gott hin. In Bethel wurden die abgöttischen Bilder aufgestellt (1. Kön.12, 25 -33); in Bethel wurde, wie wir gesehen haben, Hiel geboren (siehe die Einleitung); und hier wird uns mitgeteilt, dass es der Geburtsort dieser spottenden, ungläubigen Knaben war.


5. Das Öl der Witwe wird vermehrt (2.Könige Kap. 4, 1-7).

„Euch geschehe nach euerm Glauben!“ so lautete das Wort des Herrn an die zwei Blinden, welche Ihm einst folgten und tun Erbarmen flehten. Wie wunderbar und herrlich ist es doch, dass somit unser Glaube, unser Ausharren oder das, was unsre Hoffnung erwartet, irgendwie das Maß für die tätige und freigebige Wirksamkeit des Herrn abgeben darf! Aber so war es in der Tat: „Euch geschehe nach euerm Glauben!“ heißt es; und wiederum: „Dir geschehe, wie du geglaubt hast“ (Matthäus 8 und 9).

Dieselbe Sprache redete das Wunder, welches hier durch die Hand Elisas geschah. So lange nämlich die arme Witwe Gefäße herbeibrachte, ließ der Krug sein Öl fließen. Das Öl wartete auf die Gefäße. Die Gefäße bildetest das Maß für das Öl. Mit anderen Worten: die Kraft Gottes wartete auf den Glauben; der Glaube war bei dieser Gelegenheit für die Ergiebigkeit der Hilfsquellen Gottes maßgebend. Es war gerade so wie Jahrhunderte vorher, als Abraham vor den Herrn hintrat und für Sodom Fürbitte einlegte. So lange nämlich Abraham stehen blieb und Fürbitte tat, blieb auch der Herr stehen und sagte zu (1. Mose 18, 17 —33).

Diese bewunderungswürdige Gnade Gottes findet in dem vorliegenden Abschnitt eine liebliche Darstellung. Indessen ist hier noch etwas anderes zu beachten. Der Prophet sagte zu dem Weibe: „Tue mir kund, was du im Hause hast“. In ähnlicher Weise richtete in späterer Zeit Jesus die Frage an Seine Jünger: „Wie viele Brote habt ihr?“ und so hatte Er auch einst zu Mose an dem Berge Horeb gesprochen: „Was ist das in deiner Hand?“ Denn es geziemt sich, dass alles, was irgend wir haben, zur Verwendung komme. Es mag für das vorliegende Bedürfnis durchaus nicht genügen, aber es soll benutzt werden, mag es sein was es will. Wenn es auch nur ein Hirtenstab ist, und es sich um Israels Erlösung handelt; oder nur ein Krug Öl, und der Schuldherr, der ein Recht hat, die Kinder und alles zu verkaufen, bezahlt werden muss; oder wenn nur fünf Gerstenbrote da sind und fünftausend Hungrige gesättigt werden müssen“ — ganz einerlei; was da ist, muss herbeigebracht und benutzt werden.

 „Sie hat getan, was sie vermochte“ (Mark. 14, 8). Dementsprechend finden wir hier das Wort: „Tue mir kund, was du im Hause hast“. Und wenn nun der Krug Öl und damit alles, was im Hause ist, herbeigebracht ist, so mag der Glaube auf die Kraft Gottes und auf Sein Verheißungswort rechnen; und es wird nicht nur der Schuldherr befriedigt, sondern, über die Bezahlung der Schuld hinaus, auch noch für den Lebensunterhalt auf viele Tage hin gesorgt werden. Nicht nur wird die Menge gespeist, sondern es werden auch noch Brocken eingesammelt; nicht nur wird Israel aus Ägypten erlöst, sondern derselbe Hirtenstab, der nun zu dem Stabe Gottes geworden ist, wird auch die Herde weiden und hüten bis an das Ende der Wüstenreise.


6. Die Sunamitin (2.Könige Kap. 4, 8 - 37).

In dieser Erzählung zeigt sich aufs neue, welche Macht dem Propheten zu Gebote stand, während er hienieden umherwandelte. Was wir hier vor Augen haben, ist ein herrlicher Beweis davon, und wir werden sehen, in welch bemerkenswerter Weise dabei die wirksame Kraft und die Machtvollkommenheit Gottes, womit der Prophet ausgerüstet war, zu Tage treten. Allein obwohl ihm solche Macht zum Nutzen Anderer zur Verfügung stand, besaß er selbst doch während all dieser Zeit nichts. Er war tatsächlich arm, während er viele reich machte; er schien alles zu besitzen und hatte doch in Wirklichkeit nichts. Diejenigen, um derer willen er Hilfsquellen erschloss, welche völlig außerhalb des Bereiches des Menschen lagen, sorgten für ihn und teilten ihm das mit, was er zum täglichen Leben bedurfte. Dazu kam, dass er allein durch diese Welt wandelte, während doch alle auf ihn warteten.

Alles das erinnert uns in lebendigster Weise an das Leben und den Wandel des Einen, der sich Meister und Herr nennen und die Huldigungen entgegennehmen konnte, welche der Glaube Ihm darbrachte, während Er gleichzeitig nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlegen sollte. Wir finden in allen diesen Dingen bei unserem Propheten einen Widerschein, einen Abglanz des Pfades Jesu.

Das Weib, welches in diesem Abschnitt vor unsre Blicke tritt, gehörte augenscheinlich zu dem göttlichen Samen im Lande Israel. Sie lebte inmitten des abseits wohnenden Stammes Jssaschar und scheint Elisa, den mächtigen Propheten Gottes, nicht persönlich gekannt zu haben. Aber schon sehr bald nimmt sie etwas an ihm wahr, was vom Herrn ist. Sie war bereits von Gott belehrt worden; ihre Religion bestand in jener Gesinnung, welche die Gedanken und Wege Gottes an einem bösen Tage, wenn alles durch den Abfall verdunkelt ist, zu unterscheiden wusste. Neumonde und Sabbate machten nicht ihren Gottesdienst aus oder bestimmten den Verkehr ihres Geistes mit Gott, wie ihr Mann irrtümlicherweise meinte. Vielmehr war Elisa, der in jenen Tagen den Kanal bildete, durch welchen sich, unabhängig vom Tempel und seinen Verordnungen, göttliche Macht und Gnade ergoss, ihr Gegenstand und ihre Hoffnung; denn er war der Gegenstand, auf welchen das Auge Gottes gerichtet war, sowie das Werkzeug, dessen Er sich bediente.

Demgemäß bereitete sie ihm in ihrem Hause einen Platz, an welchem er sich aufhalten konnte. Die Vorkehrungen, welche sie für ihn trifft, zeigen weiter in bedeutsamer Weise, wie gut sie ihn versteht. Sie richtet ihm nur eine kleine Kammer mit Bett, Tisch, Stuhl und Leuchter her. Alles entsprach dem einfachen Wesen eines Mannes Gottes, der, von der Welt abgesondert, inmitten ihres Verderbens als ein Fremdling dastand.

Sie verstand ihn, weil sie ihm glich. In ihnen beiden lebte ein Geist. Die Gedanken und Gewohnheiten eines Pilgrims, in welchen Elisa sich bewegte, waren ihr eben darum verständlich, weil sie selbst in denselben geübt war. Dies ist auch die einzige Art und Weise, in welcher man sowohl die Kinder Gottes, als auch Gott selbst in Wahrheit kennen lernen kann. Der gemeinsame Geist stellt die Verbindung her und ruft eine Übereinstimmung in der Gesinnung wach.

Die Sunamitin wohnte inmitten ihres Volkes und hatte keinen Wunsch, dass für sie, sei es mit dem Könige oder mit dem Heerobersten, geredet würde. Gerade so war es mit Elisa; denn obgleich ihm der König wie der Heeroberste Gehör schenkten, (wie dies billigerweise nicht anders sein konnte, nachdem er am Tage der Schlacht ihre Heere versorgt hatte), zog er es doch vor, ein Fremdling und Pilgrim im Lande zu bleiben und in einer kleinen Kammer zu herbergen, die mit den einfachsten Hausgeräten, einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl und einem Leuchter, versehen war.

Hier tritt uns deutlich die Gemeinsamkeit der geistlichen Empfindungen entgegen, wie sie unter den Kindern Gottes besteht. Das Weib konnte einen Propheten in eines Propheten Namen aufnehmen, und zwar so wie es den Gefühlen und Neigungen eines Propheten entsprach. Und der große Prophet jenes Tages, der Zeuge Gottes im Lande, das Gefäß der reichsten Schätze Gottes, welches damals die göttlichen Segnungen überall da, wohin die Macht des Geistes es führte, im Namen des Herrn ausströmen ließ, ist eines Sinnes mit dieser unbekannten, in entlegener Gegend in den Grenzen „Issaschars wohnenden Tochter Abrahams. Wie kostbar sind doch die Spuren des einen Geistes, der so jedem auserwählten, der gleichen Haushaltung angehörenden Gliede Leben und Gestaltung gibt!

Wir entdecken jedoch an diesem bevorzugten und angehenden Orte nicht nur eine Tochter Abrahams, sondern auch etwas von dem Hause und dem Glauben dieses Patriarchen. Die Sunamitin hatte keinen Sohn, und ihr Mann war alt. Aber so wie der Herr selbst einst zu Abraham gesprochen hatte: „Übers Jahr, und Sarah wird einen Sohn haben“, so spricht jetzt der Prophet Jehovas zu dieser Sunamitin: „Übers Jahr wirst du einen Sohn umarmen“. Und nach diesem Worte geschah es - wie bei Sarah, so auch bei diesem Weibe. Die lebengebende Kraft Gottes kehrte in ihr Haus ein, und sie umarmte einen Sohn, wie es ihr verheißen worden war.

Indessen können Wir in diesem Hause noch mehr als das wahrnehmen. Durch die Hand Elisas soll dieses Weib nicht nur die Macht, Leben zu geben, sondern auch die Macht der Auferstehung kennen lernen; gerade so wie das Haus Abrahams durch die Wirksamkeit des Herrn selbst über diese Macht belehrt wurde. Isaak, zuerst im Mutterleibe durch die Macht Gottes ins Leben gerufen, wurde nachher wie aus den Toten empfangen. Ähnlich ist es hier. Der Sohn der Verheißung wird unter das Urteil des Todes gestellt, aber durch dieselbe Macht Gottes, mittelst des Elisa, aus den Toten auferweckt.

Das ist also wiederum ein Zug, der an Abrahams Haus erinnert; und ein in entlegener Gegend wohnendes

Weib von Issaschar ist es, welchem seitens des Gottes ihres Volkes solche Beachtung, solche Ehre, solche Gnade zuteil wird. Aus diesem Wege wird das Haus der Sunamitin zu einem Beispiel, in welchem jenes herrliche Geheimnis zu Tage tritt, an dem wir alle teilhaben; es wird zu einem Zeugnis von dem, was eine jede Seele erfahren hat, der die Kraft Gottes bekannt geworden ist; denn es zeigt sich hier eine Kraft, die sowohl Leben mitteilt, als auch Auferstehung bewirkt, eine Kraft, welche diejenigen, die tot in Sünden und Übertretungen waren, auferweckt, um nun in dem Leben des Sohnes Gottes leben zu können.

Der Glaube macht sich dies zu eigen: der Glaube, welcher erfasst, dass in uns der Tod, in Jesu aber das Leben ist. Je einfältiger dies geschieht, um so glücklicher find wir. Je weniger Fragen und Zweifel wir erheben, desto mehr sind wir mit den Gedanken Gottes in Übereinstimmung. So war es bei dieser Sunamitin. Ihr Glaube war, wie wir gesehen haben, sofort bereit, in die Gedanken des Propheten einzugehen, ja bereit, zu verstehen, dass alles wohl stände oder doch gut werden würde, selbst nachdem

der Tod das Haus betreten hatte. Und er war bereit, trotz aller Versucher und Versuchungen, sich an den Propheten Gottes, an den Gegenstand und das Werkzeug Gottes zu klammern, und nur an ihn allein. Das war eine kostbare Glaubenseinfalt, ein liebliches Vertrauen. Und auch während der ganzen Glaubensprobe, durch welche sie jetzt, wie seiner Zeit ihr Vater Abraham, geführt wird, ist an ihr eine sich stets gleichbleibende Ruhe und Gewissheit der Seele zu bemerken. Als der Erzvater den Befehl erhielt, seinen Sohn zu nehmen und als Brandopfer zu opfern, da ging er dieser Probe entgegen, ohne dass seine Seele auch nur im Geringsten beunruhigt worden wäre. Der Esel und die Knaben werden unverzüglich in Bereitschaft gestellt, und alles was nötig war: Messer, Feuer und Holz, wird ohne Zögern beschafft. Der Glaube rechnete auf eine Auferstehung. Abraham urteilte, dass Gott imstande wäre, Isaak aus den Toten aufzuerwecken, gerade so gut, wie Er ihm vorher in dem Mutterleibe der Sarah das Leben verliehen hatte. Abraham blieb daher völlig ruhig: und als am Ende die Errettung wirklich eintrat und die Stimme vom Himmel den Stellvertreter für Isaak ankündigte, bemerken wir nichts von Überraschung oder Erstaunen bei unserm Patriarchen. 

Er wundert sich nicht, ist auch nicht im Zweifel und fragt nicht, ob sich wirklich also verhalte, sondern er macht seinen Sohn mit derselben Ruhe und Gewissheit los, wie er ihn vorher gebunden hatte. Welch eine Tiefe und welch eine Würde offenbaren sich in dieser Gelassenheit! Der Glaube hatte sich im Voraus die Auferstehung zu eigen gemacht. Und ganz in demselben Geiste schreitet die teure und geehrte Tochter Abrahams, mit welcher wir uns hier beschäftigen, auf dem Pfade des- Glaubens voran. Der Tod trat auch in ihr Haus- ein; aber sie wusste von Einem, der die Toten lebendig macht. Und so werden denn auch hier wieder der Esel und die Knaben bereit gemacht, und in der sichern und gewissen Hoffnung einer Auferstehung der Toten lautet die Sprache ihres Glaubens: „Es geht Wohl“. IV. 26.«) Und am Schlusse hat die Belebung ihres Kindes nichts Überraschendes für sie. Sie erhielt ihren ins Leben zurückgerufenen Toten wieder (Hebr. 11, 35). 

Sie vermag im Glauben ihren Sohn sowohl zu lösen als auch zu binden. Sie fällt dem Propheten zu Füßen und bückt sich zur Erde (V. 37). Sie erkennt die kostbare Gabe mit Dank und Beugung an; aber dann trägt sie das Kind von dannen, ohne irgendwelche Überraschung zu zeigen. Sie war über das wunderbare Ereignis nicht erstaunt. Sie untersucht auch nicht in leicht begreiflicher Neugier den Knaben, ob er wirklich lebendig sei. Nein, ihr Glaube hatte auf eine solche Stunde gerechnet und das Kind bereits wie durch Auferstehung wieder erhalten; und so hatte ihre Seele nichts weiter nötig, als zu wissen, dass ihr Liebling wieder warm und lebendig in ihren Armen lag.

Alles dieses liefert uns ein Beispiel von dem Glauben eines Sünders. Sollte es bei uns für etwas Unglaubliches gehalten werden, dass Gott Tote auferweckt? Die Sprache des Glaubens sollte immer lauten: „Ist für Jehova eine Sache zu wunderbar?“ Bei Gott sind alle Dinge möglich. Und so sind wir denn berufen, ans einem Zustande, da wir tot in Übertretungen und Sünden waren, herauszutreten und in das Leben und die Freiheit einzugehen — heraus ans dem Geiste der Knechtschaft und der Furcht und unter der Schuldenlast eines ungereinigten Gewissens hinweg: und zwar dürfen wir dies tun, ohne überrascht zu sein oder zu zweifeln, weil der Herr es bewirkt hat. „Einst war ich blind, aber jetzt sehe ich“, so darf sich die ruhige, glückliche, dankbare Gewissheit des Sünders äußern, wenn er mit dem Sohne Gottes zusammengetroffen ist und die Heilkraft Seines Blutes kennen gelernt hat.

In dem Glauben dieser teuren Seele gibt es aber noch mehr zu beachten. Es scheint mir, dass er in derselben doppelten Weise geprüft wurde, wie vorher der Glaube Elisas. Die Söhne der Propheten einerseits und das Wort Elias andrerseits hatten den Glauben Elisas auf eine harte Probe gestellt; derselbe trug aber den Sieg davon, und Elisa ging voran, seinem Herrn nach, bis der „Wagen Israels sie trennte.“

So war es auch hier. Zuerst stellen die Gedanken ihres Mannes und dann das Verhalten Elisas die Festigkeit ihrer Seele auf die Probe. „Warum willst du heute zu ihm gehen?“ sagt ihr Mann zu ihr, „es ist weder Neumond noch Sabbat; und Elisa sucht sie mit Gehasi zufrieden zu stellen, indem er diesem gebietet, hinzugehen und seinen Stab aus das Angesicht des Knaben zu legen. Der Glaube des Weibes aber macht beide verstummen. Sie lässt sich durch nichts aufhalten, sondern verfolgt ihren Weg mit derselben Entschiedenheit und demselben Eifer wie vordem Elisa, als er sprach: „So wahr Jehova lebt und deine Seele lebt, wenn ich dich verlasse“ (Kap. 2, 2; 4, 30)!

Der große Feind und Verführer, die alte Schlange, möchte die Seelen oft an die Kraft irgend eines Abgesandten, an diesen oder jenen Diener und seinen Stab fesseln. Der Glaube widersetzt sich dem aber stets. Durch seine List und durch die Verdunklung der Ratschlüsse Gottes hatte Satan in späteren Tagen die gläubigen Galater dahin gebracht, ihr Vertrauen auf äußere Satzungen und Verordnungen zu setzen; Paulus aber klammerte sich an das Kreuz und stieß die Magd aus dem Hause hinaus (Gal. 4, 30). Um eine Seele auf die Probe zu stellen, kann sogar der Herr selbst, wie hier Sein Prophet es tat, ein ähnliches Anerbieten machen. „Wenn du ins Leben eingehen willst, so halte die Gebote“, sagte Jesus zu dem jungen Obersten. Was würde der Glaube hierauf geantwortet haben? Seine Antwort hätte gelautet: „Herr, Du hast Worte des ewigen Lebens“. Der junge Oberste mochte. das ihm vorgeschlagene Heilmittel untersuchen, den Diener und den Stab mit sich nehmen und seines Weges gehen; Paulus aber und der Glaube und dieses Weib von Issaschar konnten und können sich nur an Jesum klammern.

Aus dem Werke des Geistes in der Seele der Sunamitin strahlt uns eine Größe entgegen, die in der Tat kostbar ist. Elisa war ihr bereits dadurch bekannt geworden, dass er ihrem erstorbenen Leibe Leben verliehen hatte. Sie hatte in dieser Sache ihn oder vielmehr die sich durch ihn kundgebende Kraft Gottes kennen gelernt, und an diese Kraft klammert sie sich jetzt angesichts aller Versuchungen, die an sie herantreten mögen. Gerade so verhält es sich im Blick auf den Sünder und esum. Der Sünder, welcher zum Glauben gekommen ist, hat den Sohn Gottes in Seiner Leben bringenden Kraft kennen gelernt. Er hat das Geheimnis des Todes und der Auferstehung verstanden. Er ist auf Golgatha und bei dem leeren Grabe gewesen. Hier hat er Dinge geschaut und in ihrer Bedeutung erfasst, durch welche ihm eine völlige Reinigung des Gewissens Gott gegenüber zu teil geworden ist. Und keine Satzung, kein religiöser Brauch, wie man es nennt, kann in dem Herzen eines Gläubigen die Stelle jener Dinge einnehmen· Der Eine mag von Neumonden und Sabbaten reden, ein Anderer von dem Stabe des Propheten, der sich in der Hand eines Stellvertreters oder Abgesandten befindet; aber der Glaube des von Gott belehrten Sünders ergreift nichts anderes als den kostbaren, unveränderlichen und unvergänglichen Wert Dessen, der tot war und wieder lebendig geworden ist· Von Ihm hat er gelernt, wie es einst dieses teure Weib von Elisa lernte, wo man allein lebendig machende, erlösende und errettende Kraft von Gott empfangen und genießen kann.

In der Tat, es ist ein lieblicher und fruchtbringender Ort, an welchem die Füße des Propheten des Öfteren weilten, und zu welchem sich auch unsre Gedanken, wenn wir unser selbst und der Welt müde sind, ebenso oft wenden mögen, um dort in Gott erfrischt zu werden!


7. Das todbringende Gericht wird zu einem gesunden gemacht. (2.Könige Kap. 4, 38 – 41)

Die verschiedenen Vorfälle, denen wir im Leben unsers Propheten begegnen, bilden ebenso viele Gelegenheiten, an denen die Herrlichkeit die Wolke seines scheinbaren Nichts und seiner Armut in dieser Welt durchbrach; und dies war einer von den Zügen, die auch das Leben des Sohnes Gottes hienieden kennzeichneten.

Das Tun und Lassen des Propheten kommt in dem vorliegenden Abschnitt in besonders bezeichnender Weise zum Ausdruck, und damit das Verhalten Dessen, den er vorbildlich darstellte. „Der Tod war im Topfe“; d. h. der Tod war da, wo Leben hätte sein sollen, der Tod war in einen Ort eingedrungen, von dein aus das Leben seinen Unterhalt und seine Kräftigung erhoffte. Der Prophet aber besitzt hier ebenso wohl ein Gegenmittel gegen den Tod, wie er es einst in Jericho gegen den Fluch hatte. Wir kennen den Einen, von dem wir singen:

„Wo Seine Heilkraft Er beweist, da müssen Fluch und Tod verschwinden.“

Hier hat unser Prophet das Vorbild von Jesu, Mehl, um es in den Topf zu tun, wie früher Salz, um es in das Wasser zu werfen; das eine wie das andere wird auf diesem Wege gesund gemacht. Mose stellte zu Mara, wo er für das bittere Wasser das Holz hatte, dieselbe Sache im Bilde dar. Denn der Sohn Gottes hat sich selbst auf den Schauplatz des Todes begeben und den Lauf des Todes aufgehalten. Er erschien mit Seinem heilbringenden Kreuze und „machte den zunichte, der die Macht des Todes hat“ (Hebr. 2, 14). „Durch Seine Striemen ist uns Heilung geworden“ (Jesaja 53). Wohl ertönt bei der Entdeckung, dass der Tod eingedrungen ist, ein Schrei; aber der Sohn Gottes hat auf diesen Schrei geantwortet. Wir genießen von dem, was wir uns in unserm Eigenwillen zusammengelesen haben; Jesus aber gestaltet das Mahl um und gibt uns wahrhaftig Speise und wahrhaftig Trank, wovon wir selbst in der Zeit der Hungersnot leben können.

Fluch und Tod sind völlig Dein unterworfen, der sich um unsertwillen auf den Schauplatz und in das bewegte Leben dieser Welt begeben hat. Er sagt: „Ich habe die Schlüssel des Todes und des Hades“, und Seine Macht wird die Schöpfung von dem Fluche befreien und den Tod selbst in den Feuersee werfen.

Warum, so könnten wir voll Erstaunen fragen, haben wir uns jemals daran gemacht, unsere wilden Früchte zusammenzulesen und so den Tod einzuführen? Warum blieben wir nicht bei dem Mahle sitzen, wie es anfänglich für uns zubereitet war?

Denn dieser an und für sich unbedeutende Vorfall gibt uns ein Bild im Kleinen von dem großen Geheimnis in seinem ganzen Umfang. Was hat Adam getan? Was tat Christus? Finden wir hier nicht die Antwort auf diese beiden Fragen? -— Der Prophet richtete eine Mahlzeit zu. Wiewohl es eine Zeit der Hungersnot war, besaß er doch seine Hilfsquellen. Er hatte ein Gericht für seine Gäste, und der Topf brodelte auf dem Feuer. Da war aber einer, -— einerlei wer; jedenfalls war es weder der Prophet noch sein Diener, — der die Mahlzeit zu verbessern gedachte und in aufdringlicher Dienstfertigkeit wilde Koloquinthen las. Seine Koloquinthen brachten aber den Tod in des Propheten Topf. Und nun frage ich, hat nicht Adam dasselbe getan? Jehova, der Schöpfer, hatte in Eden für den Menschen ein nahrhaftes, wohlschmeckendes und reichliches Mahl zugerüstet; Adam meinte aber, es noch verbessern zu müssen. Er las wilde Früchte zusammen, etwas was der Herr nicht für den Tisch bestimmt hatte, etwas was Adam noch hinzufügte; damit aber verdarb er alles und brachte den Tod in den Topf. Er brachte also den Tod auf jene Tafel, welche der Herr mit der lieblichsten, nahrhaftesten Lebensspeise in reicher Fülle beladen hatte!

Der Prophet besitzt jedoch das passende Gegenmittel und macht den Inhalt des Topfes gesund; und dann setzen sich seine Gäste mit einem Appetit, der an Stärke nur gewonnen hat, aufs neue zu dem Mahle nieder, um die nun noch schmackhafter gewordene Speise zu genießen. Sie sehen jetzt eine nicht nur zubereitete, sondern auch eine gesund gemachte Mahlzeit vor sich. Sie haben wohl Ursache, den Mann und seine Hilfsquellen zu bewundern und zu lieben, der imstande gewesen war, (in einer Gnade, die keinerlei Vorwürfe machte,) den guten Dingen, die für sie bestimmt waren, ihre Kraft wiederzugeben — jenen guten Dingen, welche sie in ihrem leichtfertigen Übermut zu verbessern gedacht, aber völlig verdorben und verunreinigt hatten. Erblicken wir hierin, so frage ich wiederum, nicht ein Bild von Jesu und von uns selbst? Sitzen wir nicht bei einer Mahlzeit, die gesund gemacht worden ist? „Die Blätter des Baumes sind zur Heilung der Nationen« Wir befinden uns bei einer Mahlzeit, so herrlich und freudenvoll, wie sie im Schatten der Bäume Edens nie hätte stattfinden können; ja wir nehmen mit einem Herzen voll neuer, glücklicher Empfindungen teil an dem Feste des Erlösers. Wir bewundern Seine Macht, die nicht nur imstande war, zu erschaffen, sondern auch zu heilen, und gehen auf in Liebe und Lob, wenn wir der Gnade gedenken, die, anstatt uns Vorwürfe zu machen, dem angerichteten Schaden in solcher Weise abgeholfen hat.


8. Die Menge wird gespeist (2.Könige Kap. 4, 42 - 44).

In der vorhergehenden kleinen Erzählung kam in bezeichnender Weise die Macht des Sohnes Gottes zum Ausdruck, wie sie der Macht des Todes begegnet. Wir wurden an den Stärkeren erinnert, der in das Haus des Starken hineingeht, um seinen Hausrat zu rauben - an die Macht des Lebens, die auf der Stätte des Todes erscheint, um mit dem Tode ein Ende zu machen und ihn zu vernichten.

In diesem Abschnitte begegnen wir einer milderen Äußerung der Macht desselben herrlichen Jesus. Es war noch dieselbe Zeit der Hungersnot wie vorher. (V. 38.) Aber mit zwanzig Gerstenbroten und etwas Gartenkorn speist der Prophet, zum Erstaunen seines Dieners, hundert Männer — wie später Jesus, zum Erstaunen Seiner Jünger, mit fünf Gerstenbroten und zwei kleinen Fischen Fünftausend speiste; und nach beiden Mahlzeiten blieben Brocken übrig, um uns erkennen zu lassen, welch eine Fülle im Hause unsers Vaters ist. Dort gibt es „Überfluss an Brot“ (Lukas 15). Wir dürfen zu Ihm gehen, als zu Einem, der überströmende Reichtümer sowohl, als auch eine überströmende Liebe hat. Weder im Blick auf Ihn selbst, noch auf Seine Hilfsquellen sind uns — irgendwelche Schranken gesetzt. „Seine Liebe entspricht Seiner Macht“ (und ich möchte hinzufügen, Seine Macht Seiner Liebe) „und kennt weder Schranke noch Ziel.“

Indessen besteht nicht nur ein Unterschied hinsichtlich des Umfanges (wenn ich mich so ausdrücken darf) dieser beiden von Elisa und von Jesu bewirkten Wunder, sondern auch bezüglich der Art und der Tragweite derselben. Elisa speist die Leute „nach dem Worte Jehovas“, Jesus kraft Seines eigenen Wortes. Elisa sagt: „So spricht Jehova: Man wird essen und übriglassen“; Jesus aber sagt: „Machet, dass die Leute sich lagern!“ So sind die Herrlichkeiten verschieden. Jesus war „das Wort“, nach welchem Elisa die Leute speiste. Elisa trug den Namen Jehovas mit sich; Jesus aber war selbst Jehova, und die Rechte und die Machtvollkommenheit Seines eignen Namens waren es, die Er mit sich umhertrug und kraft deren Er handelte.


9. Naaman, der Syrer. (2.Könige Kap. 5.)

Die Herrlichkeiten, von denen der Pfad unsers Propheten erstrahlt, sind ebenso mannigfaltig wie bezeichnend und bedeutungsvoll. Jede Stufe tut uns ein neues großes Geheimnis Gottes kund.

In der vorliegenden Geschichte werden augenscheinlich alle die Hauptwahrheiten, welche in dem Geheimnis der Gnade Gottes verborgen sind, in einfacher, aber treffender Weise ans Licht gestellt. Sie wird so zu einem Gleichnis voll der reichsten Belehrung.

In der Person Naamans tritt uns der Mensch in vorteilhaftester Lage entgegen. Ohne Zweifel wird dieser Mann von vielen wegen seiner einflussreichen Stellung beneidet worden sein. Er war der erklärte Liebling des Volkes, der Held des Tages. Jedermann hielt, wie man zu sagen pflegt, große Stücke auf ihn, von dem Könige herab bis zu dem geringsten Manne im Volke. Was Ausstattung mit natürlichen Gaben und Lenkung seiner Lebensschicksale betrifft, so hatte der Herr ihn in hervorragender Weise begünstigt. Aber — „er war aussätzig“! Auf alledem, dessen er sich rühmen konnte, auf seiner ganzen Herrlichkeit ruhte ein Flecken, den nur die Hand Gottes entfernen konnte; und mochte die Welt ihm auch schmeicheln, wie sie es sicherlich tat“— der Flecken blieb; und derselbe war für ihn ein Zeuge, ein beständiger Zeuge, dass nicht alles in Richtigkeit war.

Gerade so verhält es sich mit dem Menschen. Mag er sich in noch so vorteilhaften Verhältnissen befinden, oder vielleicht mit Reizen und mancherlei Anziehendem geschmückt sein, trotz alledem ist etwas da, was gegen ihn zeugt.

In der kleinen gefangenen Dirne, welcher wir zunächst begegnen, erblicken wir das gerade Gegenteil von Naaman. Was ihre Verhältnisse betraf, so war alles zu ihren Ungunsten. Von ihren Lieben und aus ihrem Vaterlande weggeschleppt, musste sie jetzt in fremdem Hause und fremdem Lande eine Sklavin sein; aber sie bewahrte ein. Geheimnis bei sich, welches in unmittelbarstem Gegensatz zu dem Geheimnisse Naamans stand. Sie hatte das Zeugnis Gottes für sich, während er Sein Zeugnis gegen sich hatte. Sie kannte das Heilmittel, während er die Plage fühlte. Darin lag ein gewaltiger Unterschied, ja der ganze Unterschied, wenn Gott in Frage kam. Ihn für und nicht gegen uns zu haben, ist sicherlich die große Sache, aus die es vor allem ankommt. Und das war hier der Fall. Und das ist bei jedem wahren Israeliten, der ihr gleicht, der Fall; indem sie alle dasselbe Geheimnis, das Heilmittel Gottes, kennen gelernt haben, können sie sagen: „Wenn Gott für mich ist, wer wider mich?“

Wahrlich, schon dies sind wertvolle Lehren, die wir der vorliegenden Erzählung entnehmen können. Doch finden sich noch andere in ihr. Als Dritter in der Reihe der handelnden Personen tritt uns der König von Syrien entgegen; in ihm erblicken wir den Menschen in dem Stolz seiner Gedanken und in der hohen Meinung, die er sogar in religiösen Dingen von sich selbst hegt. Ohne Zweifel war der König der Ansicht, die Heilung seines geschätzten Heerführers von Seiten Gottes ließe sich nicht anders erreichen, als durch die Vermittlung seiner Person und durch die Anwendung der ihm zu Gebote stehenden Mittel. „Wer konnte ein wirksames Wort einlegen wie er? Wer war gleich ihm, dem Könige?“ so lautete die Sprache seines Herzens. Daher schafft er sein Silber, sein Gold und seine Wechselkleider herbei und schreibt eigenhändig in dieser Angelegenheit einen Brief an den König von Israel. Ein König schreibt an einen König! Denn hätte wohl etwas Geringeres als eine solche Fürsprache das sichere Erlangen der Segnung gewährleisten können?

In allem diesem offenbart sich die Religion der Welt, die Gedanken, welche sich der Mensch hinsichtlich der Wege Gottes macht. Aber all das Tun des Königs von Syrien ist einfach „verlorene Mühe“, nichts anderes. Seine eigene persönliche Fürsprache, die Geschenke, die er sendet, die Mitwirkung, die er von seinem königlichen Bruder beansprucht — alles das sind Ergebnisse der Einbildung, welcher sich der Mensch in religiöser Beziehung hingibt: törichte, wertlose Dinge! Und der König von Israel, der das Vorrecht genoss, die Offenbarung Gottes in seinem eigenen Lande zu besitzen, ist imstande, die erbetene Mitwirkung abzulehnen; er will den Platz nicht einnehmen, noch die Rolle spielen, welche der König von Syrien ihm in diesem erhabenen Werke zuwies.

Doch da war Einer, der in allem diesem höher stand als der König, wiewohl der Syrer nichts von ihm wusste. Elisa war selbstredend der Beachtung jener Großen der Erde entgangen; aber jetzt kommt an ihn die Reihe, in dieser Geschichte handelnd aufzutreten. Er ist die einzige Hoffnung Naamans in den Tagen seines Aussatzes. Und indem Elisa sich bewusst ist, dass die Kraft Gottes ihm zur Seite steht, gerät er nicht in Aufregung, noch macht er Schwierigkeiten, wie der König es getan hatte. Zwar steht ihm nicht, wie später einem Anderen, einem Größeren als er, die Machtvollkommenheit seines eigenen Wortes zur Verfügung, um die befleckende Krankheit zu entfernen, aber er kennt das geheimnisvolle, von Gott verordnete Heilmittel, und kann dasselbe mit Autorität dem Aussätzigen verkündigen.

An dieser Stelle möchte ich daraus hinweisen, wie Jesus alle, selbst die größten Propheten und Gottesmänner, unendlich überstrahlt· Wenn der Aussätzige zu Ihm kommt, so hört man Ihn nicht, gleich dem König von Israel, sagen: „Bin ich Gott, einen Mann von seinem Aussatz zu heilen?“ Auch weist Er ihn nicht an, wie der Prophet es Naaman gegenüber tat: „Gehe hin, bade dich im Jordan, und du wirst rein sein“. Nein; Er offenbart sich vielmehr sofort als Gott und in der Kraft Gottes. „Ich will, sei gereinigt!“ Elisa konnte nur als ein Prediger Jesu, als einer, der Ihn verkündigte, vor Naaman hintreten; Jesus aber war in Seiner Person die Reinigung, die Heilung, ja, der Gott des Aussätzigen. So war auch Johannes, der Bevorzugteste unter allen diesen Männern, nur der Freund des Bräutigams; Jesus allein war der Bräutigam.

Weiterhin tritt uns in unsrer Erzählung eine Sache entgegen, die von dem höchsten Interesse für uns ist. Ich meine die Art und Weise, wie der arme, sich seines Zustandes bewusste Aussätzige die Reinigung an sich erfährt.

Anfänglich leistete seine Natur mächtigen Widerstand. Er fühlte sich durch das Heilmittel, welches die Gnade für ihn bereitet hatte, tief beleidigt. Denn es war wohl ein sehr einfaches, aber zugleich auch ein sehr demütigendes Heilmittel; so einfach, dass es nicht missverstanden und ohne jede Schwierigkeit angewendet werden konnte. Das einzige Hindernis bildet die Schwierigkeiten, welche der Stolz und die Vorurteile des Menschen seiner Anwendung entgegensetzten. Diese machten sich denn auch sofort geltend. Aber, Gott sei Dank! die Gnade kann nicht nur darreichen, was ein aussätziger Leib bedarf, sondern sie vermag sich auch mit einem trägen, widerstrebenden Herzen zu beschäftigen und es zu belehren. Sie kann zum Heile der Sünder ebenso gut die Tätigkeit eines Dieners benutzen, wie sie einen Quell zur Reinigung auftun kann. Und jene Tätigkeit ist, gleich dem Heilmittel, einfach und ungekünstelt, und daher zur Erreichung ihres Zweckes durchaus geeignet. Die Knechte Naamans treten in ihrer Weise der aufwallenden Natur ihres Herrn entgegen, und ihr Wort oder ihr Dienst bleibt nicht ungesegnet: der empfohlene Quell wird versucht, seine Kraft erprobt sich, und das vorher aussätzige Fleisch Naamans wird wie das Fleisch eines jungen Knaben. Das ist mehr als Wiederherstellung; es ist Auferstehung. Das Baden im Jordan hatte für diesen Syrer in Wahrheit die Bedeutung einer Taufe. Er stirbt und wird wieder lebendig; er wird begraben und steht wieder auf, und steigt nun, nicht als ein nur geheiltes, sondern als ein neues Geschöpf aus dem Wasser heraus.

Und was sind die Früchte des neuen Zustandes, in welchem er sich befindet? Indem wir diesen nachforschen, werden wir wiederum finden, dass die vorliegende Erzählung ein Gleichnis ist, in welchem die auf dem Wege Gottes zur Geltung kommenden Grundsätze noch weiter dargestellt werden.

1. Naaman steht vor Elisa mit seinem ganzen Zuge. Aber er ist jetzt nicht mehr der stolze, sondern der demütige Naaman. Welch eine liebliche Frucht des neuen Menschen, zu welchem Naaman nun geworden ist! Er ist gedemütigt, weil er gewaschen ist.

2. Er legt ein herrliches Bekenntnis von dem Namen des einen wahren Gottes ab. Er nimmt Ihn zu seinem Gott ein“, denn er hatte Ihn kennen gelernt durch die Heilung und Errettung, die ihm zu teil geworden waren. Das ist der Weg, auf welchem ein neues Geschöpf Ihn kennen lernt, ja, der einzige Weg, auf welchem man in dieser Welt dazu gelangen kann, Ihn kennen zu lernen.

3. Er drängt seine Geschenke, alles was er hatte, dem Propheten auf -— und zwar jetzt nicht, wie sein königlicher Herr es gemeint hatte, um damit seine Heilung zu erkaufen, sondern weil die Heilung geschehen war. Ihm war vergeben worden, und daher liebte er.

4. Er will von nun an von keinem anderen Gott etwas wissen —- und deshalb wünscht er einen Wagen voll Erde aus Kanaan mitzunehmen, um Gott davon einen Altar zu erbauen. Gott muss sein Gott sein, selbst inmitten des ungläubigen Syrien, wohin er zurückzukehren im Begriff stand. Ihn und Ihn allein will er anbeten. Denn diese ,,Last eines Maultiergespannes Erde“ begehrte er zu dem Zwecke, um gleichsam einen zweiten „Zeugen“ jenseits des Jordan zu errichten (Vergl. Jos. 22, 34.) Derselbe sollte in dem fernen Syrien Zeugnis davon ablegen, dass wenigstens ein Bürger jenes Landes, gleich dem Eunuchen aus Äthiopien (Apstgsch. 7), sein Los mit Israel verbunden und, gleich Ruth, der Moabitin, unter den Fittichen des Gottes Israels seine Zuflucht gefunden hatte.

Und zum Schluss: Er empfängt ein erneuertes Gewissen, das in jeder Beziehung rege ist und ein Gefühl für das geringste, selbst nur scheinbare Abweichen von dem Gott hat, der ihn so reichlich gesegnet hatte. Naaman fürchtete sich schon vor dem bösen Schein. Er wünschte nicht den Gedanken zu erwecken, als wäre eine Aufmerksamkeit, die er seinem Herrn erweisen zu müsset glaubte, gleichbedeutend mit einer Umkehr zu den alten Grundsätzen Syriens und zu dem Hause Rimmons. Diese Dinge hatte er verlassen, und zwar durch die Gnade Gottes für immer verlassen, und deshalb wollte er jetzt, nachdem er eben erst in die Stellung einer neuen Schöpfung in Christo Jesu eingetreten war, sich gegen alles verwahren, was auch nur einen gegenteiligen Schein erwecken konnte.

Ist also nicht diese Geschichte, die einen so hervorragenden Platz. in dem Dienst unsers Propheten einnimmt und den Teil seiner Laufbahn bildet, an welchen sein göttlicher Meister später erinnert und auf welchen Er sich bezieht (Luk. 4), von höchstem Werte für uns? In welch deutlicher und vollständiger Weise veranschaulicht sie uns, wie Gott mit einem jeden von uns handelt! Möchten unsre Herzen in aller Einfalt daran festhalten, dass alles, was zuvor geschrieben worden, zu unsrer Belehrung geschrieben worden ist, und dass unser Gott von Anbeginn an Andern dies und jenes widerfahren ließ, damit wir dadurch ermahnt und getröstet werden möchten!

Es gibt jedoch in unserm Kapitel noch einen Punkt, auf welchen ich aufmerksam machen muss. Der Prophet macht seinem Diener Gehasi nicht deswegen Vorwürfe, weil er Naaman belogen hatte, sondern wegen einer ganz andern Art des Bösen, das in seinem Verhalten zu Tage getreten war (V. 26). Und hierin liegt, wie es mir vorkommt, eine besondere Kraft und Schönheit. „War es Zeit“, spricht Elisa zu seinem Knechte, „Silber zu nehmen und Kleider zu nehmen, und Olivenbäume und Weinberge, und Kleinvieh und Rinder, und Knechte und Mägde?“

Diesen besonderen Umstand in der Sünde Gehasis zu kennzeichnen, war eher Sache des Geistes — die Lüge lag für das sittliche Urteil jedes Menschen klar am Tage.

„Der Heide hatte soeben die Gnade des Gottes Israels kennen gelernt. Die Talente Silber, die Goldstücke und Wechselkleider, welche der König von Syrien in das Land Israel gesandt hatte, waren von dem Propheten verschmäht worden, und Naaman nahm sie alle bis zum letzten „Faden oder Schuhriemen“ wieder mit sich nach Hause. Er war zu den „Wassern ohne Geld und ohne Kaufpreis“ gekommen, und war nun ein Zeuge davon, dass die Gabe Gottes nicht mit Geld zu erlangen war.

Wie schrecklich war es daher, dieses ganze kostbare Zeugnis zu verderben! Wohl mochte der Prophet fragen: „War es Zeit, das Silber des Syrers zu nehmen?“ Hätte es etwas Betrübenderes für den Heiligen Geist geben können als das? Die Lüge war sicherlich abscheulich, erstlich die Lüge Naaman gegenüber und dann die Lüge Elisa selbst gegenüber; sie könnte nicht abscheulicher sein. Aber was sollen wir von jenem traurigen Gegenzeugnis sagen, von der Verdunkelung des hellen Glanzes der Gnade Gottes, von dieser leichtfertigen Art, „denen eine Gelegenheit zu geben, welche eine Gelegenheit suchen“ mochten?

Das war das Verwerfliche, welches der Geist ans Licht zog und der Prophet seinem Diener zum Vorwurf machte. Gehasi hatte die Ehre der reichen und freien Gnade des Jehovas Israels den Verunglimpfungen einer schmähsüchtigen Welt preisgegeben. Wenigstens hatte er zur Erreichung dieses Zieles alles getan, was in seinen Kräften stand. Daher musste sein Geld samt ihm ins Verderben fahren. Er musste aus den Grenzen des Lagers entfernt werden; denn wer imstande war, den Gott Israels in solcher Verfälschung darzustellen, war unfähig, dem Israel Gottes anzugehören.

Das Gleichnis von dem unbarmherzigen Knechte enthält dieselbe Warnung für uns. Dort wurde die Gnade des Evangeliums verhöhnt; und der Mann, der sie der Verunglimpfung aussetzte, wurde ebenso hinausgetan wie der aussätzige Gehasi. Im Gegensatz hierzu bestand die besondere Kraft des geliebten Apostels Paulus darin, dass er in seiner Person diese Gnade beständig wieder spiegelte und hervorstrahlen ließ. Man lese betreffs seines Verhaltens nur Apstgsch. 20, 33 — 35! Ja, hierin besteht unser vernünftiger Dienst: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“; oder mit andern Worten: „Haltet den Charakter der Familie aufrecht, welcher ihr angehört“! Aber ach! Gehasi war nicht darauf bedacht, die Ehre oder den Ruhm derselben den Heiden gegenüber aufrechtzuerhalten. Bewies er damit nicht, dass er sich selbst eines Platzes in derselben für unwert hielt?“

Das ist der ernste Zug in diesem sonst so erfreuenden Bilde. Und es ist in der Tat ein ernster Gedanke, dass ein Mann wie Gehasi, der einen solchen Diener Gottes, wie Elisa war, so lange begleitet und in so vertrautem Verkehr mit ihm gestanden hatte, von der Gesinnung desselben so fern gewesen sein soll!

Indessen zeigt uns dieser Teil der Erzählung andrerseits auch etwas Erquickendes und Ermunterndes. Das Herz des Syrers nämlich hatte, wiewohl die Stunde seiner ersten Liebe bereits hinter ihm lag, und er sich auf der Reise nach seiner fernen Heimat befand, noch nichts von der willigen Hingabe jener ersten Stunde eingebüßt. Er springt, sobald er den Knecht des Propheten hinter sich sieht, von seinem Wagen herab und legt ihm seine Schätze ohne Argwohn und ohne Rückhalt zu Füßen, gerade so wie er sich im ersten Augenblick erbötig gezeigt hatte, dies dem Herrn gegenüber zu tun. O möchte sich so auch auf unserm Wege die Kraft der ersten Stunde beständig spürbar erweisen!


10. Das Eisen wird schwimmen gemacht (2.Könige Kap. 6, 1 — 7).

Wir kommen jetzt zu einer einfachen Begebenheit, die sich im Rahmen des alltäglichen Lebens abspielt; und doch, da wir auch hier bei Elisa dieselben wunderbaren Züge wie bei dem Herrn beobachten können, so hat auch sie den Zweck, uns an das Tun des Letzteren zu erinnern. Denn mag ein Petrus oder eine Axt von dem Wasser getragen werden — beides ist in gleicher Weise der Natur zuwider. Auch besteht keinerlei natürlicher Zusammenhang zwischen der Ursache und der Wirkung, zwischen dem Hineinwerfen eines Holzes und dem Schwimmen des Eisen?-; wie auch später kein solcher Zusammenhang bestand zwischen dem Streichen von Kot auf die Augen eines Blinden und der Verleihung des Augenlichtes. Denn es ist weder die Geschicklichkeit des Werkmannes, noch die Tauglichkeit des Werkzeuges, welche in Betracht kommen, sondern einzig und allein die Größe der Kraft Gottes. 

Wie natürlich und ungezwungen ist das Verhalten unsers Propheten hier! In einem Augenblick hat er sich einer Schar angeschlossen, die von den einfachsten Angelegenheiten des täglichen Lebens in Anspruch genommen ist! Der große Apostel der Nationen konnte Reiser zusammenraffen, um das Feuer anzufachen, und der Herr der Propheten und Apostel konnte, sogar nach Seiner Auferstehung aus den Toten, das Frühstück am Ufer des Sees herrichten. Und doch welch hohe Kraft ruhte, indem sie dieses taten, in ihren Händen! Der Apostel schüttelt ein giftiges Tier in dasselbe Feuer ab, welches er angefacht hatte, und der Prophet macht das Eisen der Axt auf dem Wasser schwimmen. O wie schön und Gott entsprechend ist es, wenn wahre Kraft sich so herablässt!

Indessen können wir dieser Erzählung noch eine andere Lehre entnehmen.

Es ist wiederholt die Bemerkung gemacht worden, dass es bei Gott weder Großes noch Kleines gebe; ein derartiger Gedanke sei Seiner Natur zuwiderlaufend. Es mag dies der Fall sein. Indessen sind wir weniger befähigt, Schlüsse zu ziehen oder Behauptungen aufzustellen, die auf die Natur Gottes gegründet sind, als wie solche, die auf Seiner Offenbarung beruhen. Ja, wir dürfen keinen Anspruch darauf erheben, Seine Natur zu kennen, es sei denn auf Grund Seiner Offenbarung. Diese Seine Offenbarung führt uns indessen in gewissem Sinne dazu, es als Wahrheit zu erkennen, dass für Ihn nichts groß und nichts klein ist. Dies tritt in all Seinem Tun zu Tage.

Schon die Schöpfung veranschaulicht uns diese Wahrheit. Es wurde bei derselben auf die Bildung des Flügels eines Insekts dieselbe Sorgfalt verwandt, wie auf die Gestaltung des Himmels und der Erde. Die kleinen wie die großen Dinge nahmen damals den gleichen Platz, vor Ihm ein.

Als es sich um die Niederlassung des Volkes Israel in dem Lande Kanaan handelte, wurde ebenso klar und bestimmt durch göttlichen Ausspruch angeordnet, dass die Dächer der Häuser, um Blutvergießen zu vermeiden, den Schutz von Geländern erhalten sollten, wie die Gottesdienste des Heiligtums oder die Anteile der einzelnen Stämme festgesetzt wurden.

Jesus konnte bei der Ausübung Seines Dienstes hienieden ebenso wohl Kindlein in Seine Arme schließen, wie Seine bevorzugtesten Jünger mit sich auf den Berg der Verklärung nehmen. Hierin offenbarte sich ebenfalls derselbe Charakter.

Desgleichen, als es sich später um die Pflege und Einrichtung der Versammlungen handelte, sorgte der Geist für die Einzelheiten der Beziehungen zwischen Männern und Weibern, zwischen Älteren und Jüngeren, sowie für andere irdische Verhältnisse, wie Er auch - und zwar derselbe Geist -— Geheimnisse offenbarte, die von Grundlegung der Welt an verborgen gehalten waren. Er gab Anweisung, um des Magens willen ein wenig Wein zu gebrauchen, wie Er das Erbe des Vaters der Herrlichkeit in den Heiligen entfaltete.

Gerade diese Gnade, welche der Heilige Geist beweist, indem Er für die großen wie für die kleinen Dinge die gleiche Sorge trägt, ist es, welche mein Herz in der gegenwärtigen Zeit besonders bewegt hat. Denn wiewohl es die Ihm zukommende, ja Seine glückliche Ausgabe ist, von den Dingen des Vaters und Christi zu nehmen und uns zu verkündigen, wendet Er doch auch Seine Sorge den Angelegenheiten der Zucht in der Versammlung Gottes zu, um dem Schwächsten unter uns zu Hilfe zu kommen. Und geschieht dies nicht, wenn ich so sagen darf, indem Er persönlich ein Opfer bringt? „Sollte ich meine Süßigkeit aufgeben und meine gute Frucht, und sollte hingehen, zu schweben über den Bäumen“ (Richter 9, 11)?

Es ist die Freude des Heiligen Geistes, sich mit Jesu zu beschäftigen. In Seiner Gnade aber willigt Er ein, sich um alles das zu bekümmern, was für die Bedürfnisse der Heiligen erforderlich ist.

Es ist also tatsächlich so: ob Gott in der Schöpfung, der Vorsehung oder der Erlösung wirkt; ob es sich um Israel oder die Versammlung handelt; ob es je nach der betreffenden Haushaltung der Vater, der Herr Jesus oder der Heilige Geist ist, den wir in Tätigkeit sehen —- immer und überall sehen wir Gott für die erhabenen wie für die geringen Dinge in gleicher Weise Sorge tragen; das Große wie das Kleine nimmt vor Ihm denselben Platz ein.

Dieselbe Wahrheit können wir auch dann wahrnehmen, wenn unser Gott mehr im Stillen und Verborgenen handelt. Er lässt in unserm Abschnitt durch Seinen Propheten eine Axt aus dem Wasser in die Höhe kommen, weil der Gedanke daran, dass es entlehnt war, einen der Begleiter des Propheten in Kummer versetzte. So ermuntert auch der Herr Sein Volk, sie möchten darum bitten, „dass ihre Flucht nicht im Winter geschehe“, aus dem einfachen Grunde, weil eine Flucht zu jener Jahreszeit unbequemer und schwieriger sein würde. Er zeigt so, wie Er ebenso sehr darum besorgt ist, Seinen Heiligen in ganz gewöhnlichen Dingen des Lebens Erleichterung zu verschaffen, wie ihre Kümmernisse und Ängste zu stillen. Das kleine Ereignis in dem vorliegenden Kapitel redet, wie bereits gesagt, dieselbe Sprache.

Und nun, was erblicken wir in allem diesem? Nicht nur, wie die Macht Gottes sich herablässt, wenngleich auch das wunderschön ist, sondern, wie gütig Er sich in Seinem Wohltun erweist. Gerade weil es sich bei diesen geringen Dingen darum handelt, uns zu erfreuen und unser augenblickliches Wohlbefinden zu fördern, wird ihrer in solcher Weise gedacht. ·Und nun, was sollten wir tun? In unserm geringen Maße Nachahmer Gottes sein! Es mag nicht, ja, es kann nicht die Freude der geistlich Gesinnten fein, die Süßigkeit und die gute Frucht, welche in der Lehre vom Vater und von Christo enthalten find, aufzugeben, um sich mit Angelegenheiten zu beschäftigen, die die Aufrechterhaltung der Zucht unter den Heiligen betreffen — um über solchen Dornen und stachelichten Sträuchern zu schweben. Dennoch aber legt das Vorbild, welches Gott uns in Seinem Wohltun gibt, die Art und Weise, wie Er auf alle Dinge, (mögen sie nun groß oder klein sein, sofern sie nur das Wohl Anderer betreffen,) eingeht, uns jene Beschäftigung als unsre Pflicht auf. „Seid Nachahmer Gottes“, so steht geschrieben, „als geliebte Kinder“! Und weiter: „Wer irgend dich zwingen wird, eine Meile zu gehen, mit dem gehe zwei“.


11. Das Heer der Syrer wird mit Blindheit geschlagen (2.Könige Kap. 6, 8 - 23).

Wie ich bereits bemerkt habe, kennzeichnete sich die Geschichte des Elia durch ein entschiedenes Zeugnis gegen das Böse und durch Leiden, die aus diesem Zeugnis hervorgingen; in der Wirksamkeit Elisas dagegen offenbarte sich Macht, sowie ein gnadenvoller Gebrauch derselben. In Übereinstimmung damit finden sich viele Beispiele aus dem Leben Jesu, bei welchen der Herr Macht im Verein mit Gnade offenbarte, in der Geschichte Elisas wieder, wenn auch selbstverständlich nur in schwachen Abbildern.

So treten uns in der Begebenheit, welche sich unsrer Betrachtung jetzt darbietet, verschiedene Züge entgegen, die uns lebhaft an unsern Herrn erinnern. Wenn es Ihm gefallen hätte, so hätten zwölf Legionen Engel zu Seiner Verfügung — gestanden; und ebenso steht hier ein Berg voll Rosse und Wagen unserm Propheten zu Diensten. Dabei ist die Einfalt seines Glaubens sehr bemerkenswert. Er brauchte in dieser Beziehung nicht für sich selbst zu bitten; er hatte bereits „die Wagen Israels und seine Reiter“ gesehen (Kap. 2, 12) und ruhte in der Gewissheit, dass sie jederzeit zu seiner Benutzung bereit standen. Wenn er ihrer hier bedarf, so weiß er, dass sie in der Nähe sind. Er braucht deshalb nichts für sich selbst zu erbittert. Alles was er wünscht, ist nur, dass sein Knabe mit ihm auf derselben Höhe des Glaubens stehen möchte.

Elisa hatte, wie gesagt, diese Rosse und Wagen Israels bereits gesehen. Er wusste, dass der Gott Jeschuruns auf den Himmeln einherfuhr zu seiner Hilfe (vergl. 5. Mose 33, 26), und er wünschte, dass in jener Stunde der Gefahr sein Knabe sich dieses göttlichen Schutzes gleichfalls bewusst werden möchte. Die feurigen Rosse und Wagen, welche den Berg bedeckten, und die am Tage der Entrückung Elias von einem Sturmwind begleitet waren, stellen, wie ich nicht zweifle, ein Heerlager von Engeln dar, eine Schar jener himmlischen Geschöpfe, die, gewaltig an Kraft, in der Gegenwart Gottes stehen, oder ausgehen zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen. (Ps. 103, 20; Hebr. 1, 14.) Im Blick auf sie lesen wir, dass Gott „Seine Engel zu Winden macht und Seine Diener zu einer Feuerflamme“; und wiederum: „Der Wagen Gottes sind zwei Zehntausende, Tausende und aber Tausende“ (Ps. 68, 17). Auf den Befehl Gottes machen sie sich aus, um. zu dienen, wie die Bedürfnisse der Heiligen oder die Regierungswege Gottes es gerade erfordern. Sie bildeten den Reisewagen, der Elia gen Himmel brachte und Lazarus in den Schoß Abrahams trug. 

Und hier, wo Elisa von den feindlichen Scharen der Syrer umzingelt ist, bilden sie Kriegswagen. Einzeln oder gemeinschaftlich besuchen sie die Auserwählten auf Erden, und einzeln oder zu einer Schar vereinigt, verherrlichen sie die Freude des Himmels vor den Ohren der Erdenbewohner. Sie ziehen das Schwert, um eine schuldbeladene Stadt zu schlagen, oder sie führen an der starken Hand der Liebe den zaudernden Lot aus dem gottlosen Sodom· Sie gleichen entweder Winden oder Feuerflammen. Sie überbringen eine Gnadenbotschaft, oder sie vollziehen das Gericht, je nachdem „der Herr“, der „unter ihnen ist“, ihnen Seine Befehle erteilt. Sie waren auf dem Berge Sinai, als das Gesetz gegeben wurde, und sie schwebten über den Gefilden Bethlehems, als Jesus in diese Welt kam. Und an der vorliegenden Stelle gleichen sie in der Ordnung und Kraft, in welcher sie dastehen, einer feurigen Mauer, einer Mauer des Heils, die unsern Propheten von allen Seiten umgibt.

Alles das ist sehr köstlich. Und noch köstlicher ist es, zu wissen, dass die verborgenen Herrlichkeiten, welche gegenwärtig nur einem Glauben, wie Elisa ihn besaß, bekannt sind, binnen kurzem offen zu Tage treten werden, und dass die Drohungen des Feindes, das Geklirr und Getöse der Waffen, wovon wir jetzt umgeben sind und wodurch das Herz so leicht mit Befürchtungen und Sorgen erfüllt wird, dann gleich einem Gewitter für immer vorübergezogen sein werden; das Rollen des Donners wird verstummen, und heller als je wird die Sonne von dem wolkenlosen Himmel herabstrahlen.

Allein wir finden hier noch mehr als diese Ruhe und Sicherheit des Glaubens. Es zeigen sich auf dem Pfade unsers Propheten auch Spuren der Macht und Gnade Jesu.

„Als Übeltäter mir nahten, um mein Fleisch zu fressen, meine Bedränger und meine Feinde . . . sie strauchelten und fielen.“ So redete David einst im Blick auf Jesum (Ps. 27). Und so geschah es im Garten Gethsemane, als die Schar von den Hohenpriestern und Ältesten kam, um Hand an Jesum zu legen. Wen suchet ihr? Sie antworten Ihm: Jesum, den Nazaräer. Jesus spricht zu ihnen: Ich bin’s . . . Als Er nun zu ihnen sagte: „Ich bin’s«, wichen sie zurück und fielen zu Boden“ (Joh. 18). Ähnliches finden wir hier bei unserm Propheten. Die Scharen der·-Syrer kommen nach Dothan, um Elisa zu holen; aber als sie sich anschicken, ihn zu ihrem Gefangenen zu machen, da schlägt der Herr sie mit Blindheit.

So spiegelt sich die Herrlichkeit der Macht des Herrn in Elisa wieder. Aber die Abmessungen dieser Herrlichkeit sind auch hier wieder, wie wir es schon früher gesehen haben, verschieden. Elisa begehrte, dass sich die Macht des Herrn bei dieser Gelegenheit offenbaren möchte, während Jesus in der Macht Seiner eigenen Person dasteht und den Feind zwingt, sich vor derselben zu beugen. Als Er nun zu ihnen sagte: „Ich bin’s“, wichen sie zurück und fielen zu Boden.“

Doch es offenbart sich hier ebenso wohl die Gnade wie die Macht des Sohnes Gottes. Der Herr wollte in den Tagen Seines Fleisches das zerknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Er weigerte sich, von Seiner Stärke und Machtvollkommenheit Gebrauch zu machen, selbst wenn es sich um das gerechte Gericht über Seine Feinde handelte. Er wollte nicht streiten noch schreien, noch Seine Stimme auf den Straßen hören lassen; sondern, den Weg des Leidens gehend, überwand Er das Böse mit dem Guten. So war es auch bei Elisa. Das zerknickte Rohr und der glimmende Docht befanden sich in seiner Gewalt; aber er wollte weder zerbrechen noch auslöschen. „Soll ich schlagen, mein Vater?“ fragt der König, als er die Scharen der Syrer in seiner Gewalt, mitten in Samaria, sieht. Aber der Prophet antwortet: „Du sollst nicht schlagen; —— setze ihnen Brot und Wasser vor, dass sie essen und trinken und zu ihrem Herrn ziehen“.

In welch herrlicher, kostbarer Weise zeigt sich hier die Gesinnung Gottes! Wahrlich, wir erkennen mit Bewunderung und Freude in den Wegen dieses bevorzugten Propheten ein Abbild von den Wegen des Herrn hienieden, wie Er in Seinem Tun Macht und Gnade in lieblicher Weise mit einander verband. In welch einer Vertraulichkeit, wenn ich mich so ausdrücken darf, wandelte Elisa mit Gott! Wie vollkommen genoss er Seine Freundschaft und kannte Seine Geheimnisse! Und welch eine schöne Erläuterung fanden in seiner Geschichte die Worte des Propheten: „Der Herr Jehova tut nichts, es sei denn dass Er Sein Geheimnis Seinen Knechten, den Propheten, geoffenbart habe“ (Amos 3, 7)! Elisa wusste von Bergen voll hilfsbereiter Streitkräfte, die Anderen gänzlich unsichtbar waren; er konnte von Überfluss reden, der morgen in den Toren herrschen würde, obwohl heute nichts als Hungersnot und Tod in der Stadt herrschten. Ja, so groß war die wunderbare, herablassende Liebe des Herrn zu ihm, und so vertraut war sie seiner Seele, dass es ihn fast Wunder nahm, wenn ihm nicht jede Sache mitgeteilt wurde. (Siehe Kap. 4, 27.) Und ebenso wirklich kann in Bezug auf einen jeden von uns (die wir nicht bevorzugte Propheten, sondern die Schwächsten der Heiligen sind) gesagt werden: „Wir haben Christi Sinn“. O möchten unsre Seelen mit Kraft erfüllt werden, um eine solche Güte auf Seiten des Herrn, und ein solch erhabenes Vorrecht und solch kostbare Segnungen auf unsrer Seite nach Gebühr zu schätzen!


12. Die Hungersnot in Samaria ( 2.Könige Kap. 6, 24 - 7, 20).

Dieser Abschnitt der Geschichte unsers Propheten ist von ganz besonderer Bedeutung. Das ergreifende Gemälde von dem Elend und der Befreiung Samarias führt uns die Gnade Gottes in ihrer ganzen Fülle, in ihrem reichsten Ausströmen vor Augen.

Die Belagerung jener Stadt durch das Heer der Syrer brachte die unglücklichen Bewohner in einen Zustand, wie er nicht trauriger und elender hätte sein können. Die Not erreichte eine entsetzliche Höhe. Ein Eselskopf galt achtzig Sekel Silber, und Mütter sahen sich durch den nagenden Hunger getrieben, ihre eigenen Kinder zu schlachten und zu verzehren.

Mehr braucht nicht gesagt zu werden, um das Bild des Jammers in seiner ganzen Furchtbarkeit vor unsre Blicke zu stellen. Nur mit tiefem Entsetzen können wir es betrachten. Es erinnert uns an den Mann, von welchem wir in den Evangelien lesen, der von einer Legion Teufel besessen war — an ein anderes Bild davon, was die Macht des großen Verderbers, wenn ihr unbeschränkt. und ungehindert zu wirken erlaubt würde, mit einem jeden von uns zu tun vermöchte.

Der Mensch offenbart sich indes in dieser Geschichte noch in anderer Beziehung. Erblicken wir ihn einerseits- in seinem ganzen schrecklichen Elend und in der Gefangenschaft, in welcher ihn sein unbarn1herziger Feind hält, so zeigt er sich andrerseits in der Gesinnung seines natürlichen Herzens. „So soll mir Gott tun und so hinzufügen“, sagt der König von Israel, „wenn der Kopf Elisas, des Sohnes Saphats, heute auf ihm bleibt!“

Damit erklärte der Mensch Gott, oder Seinen Diener — was dasselbe bedeutete —- für den Urheber all des Unheils, welches ihn betroffen hatte. Gerade so machte es einst Adam, als unsre Sünde ihren Anfang nahm. „Das Weib“, sagte er zu Gott, „das du mir beigegeben hast, sie gab mir von dem Baume, und ich aß“. Das hieß, die Sünde mit ihren schrecklichen Folgen auf das Haupt Dessen wälzen, der allein rein und frei von aller Schuld war.

Erblicke hier, mein Leser, die Sünde in ihrer Vollendung! Wie später bei dem Kreuze Christi, so hatte auch hier das Böse seinen Höhepunkt erreicht. Weiter konnte die Ungerechtigkeit Samarias nicht gehen, höher konnte die Sünde der Stadt nicht steigen; aber auch gerade so wie es bei jenem Kreuze der Fall sein sollte, betrachtete Gott diesen Augenblick als den gelegenen Zeitpunkt zur Entfaltung Seiner Gnade. Das Verderben war völlig ausgereift, und von menschlicher Seite war keine Hilfe mehr zu erhoffen. Da, in diesem hoffnungslosen Augenblick, öffnen sich die Lippen Elisas, um eine wunderbare Verheißung auszusprechen, und er wird der Überbringer eines Wortes vom Herrn.

Denn wenn die Kraft Israels geschwunden, wenn der Gebundene und der Freie dahin ist, wird Jehova sich’s dann nicht gereuen lassen über Seine Knechte (5. Mose 32, 36)? Wenn Gott sieht, dass kein Mann, kein Vermittler mehr da ist, wird dann nicht Sein eigner Arm Rettung schaffen? Wenn der Bedränger kommt wie ein Strom, wird nicht der Hauch Jehovas ihn in die Flucht schlagen (Jes. 59, 16 — 19)? Ein solcher Augenblick war jetzt gekommen; und ein solcher Augenblick war für Gottes herrliche Gnade der geeignete Zeitpunkt, um sich zu offenbaren. Wo die Sünde überströmend geworden, da ist die Gnade noch überschwänglicher geworden. Wie bei dem Kreuze Christi der Mensch auf der Höhe seiner Empörung, und Gott auf der Höhe der Herrlichkeit Seiner Gnade sich offenbarte, so sollte auch hier, als die Sünde und das Elend Samarias ihren Gipfelpunkt erreicht hatten, der Becher der Segnungen Gottes bis zum äußersten Rande gefüllt werden. „Da sprach“ Elisa: Höret das Wort Jehovas! So spricht Jehova: Morgen um diese Zeit wird ein Maß Fein Mehl einen Sekel gelten, und zwei Maß Gerste einen Sekel im Tore von Samaria.“

„Im Tore von Samaria!“ Der Gedanke, der sich in diesen Worten ausdrückt, ist für die heilsbedürftige Seele in der Tat kostbar; die Gnade des Evangeliums gibt sich in denselben in wahrhaft herrlicher Weise kund. Die Rettung braucht weder oben im Himmel noch unten in der Tiefe gesucht zu werden; sie ist zu uns gekommen! Das Sündopfer liegt vor der Tür· Der Israelit hatte nicht nötig, die Schwelle seines Hauses zu überschreiten, um dasselbe vor dem Schwerte des Verderbers sicher zu stellen. Die Gnade bringt die Hilfe, die sie bereitet hat, auch selbst herbei. Die Verhungernden konnten das Fein Mehl und die Gerste unmittelbar im Tore ihrer Stadt bekommen (Siehe Röm. 10, 6 — 8)!

Wie deutlich können wir in allem diesem die leuchtenden Fußstapfen unsers Heiland-Gottes verfolgen! „Gott gebe uns Gnade“, hat einmal jemand gesagt, „zu holen, nein, zu begehren, nein, zu empfangen und nur zu empfangen!“

Ist das nicht sehr bedeutsam, geliebter Leser? Und gerade das war es, was Elisa bei der vorliegenden Gelegenheit zum Ruhme gereichte: er war mit der Gesinnung Gottes vertraut. Das böse, verderbte Herz des Menschen ging bis zum Äußersten. Der König von Israel suchte, wie bereits bemerkt, die Schuld an dem ganzen Unheil auf den Einzigen abzuwälzen, der tatsächlich schuldlos an demselben war; gerade so wie der Hohepriester Kajaphas in späteren Tagen den Rat erteilte, es müsse einer für das Volk sterben, damit nicht die ganze Nation umkäme, und dieser Eine musste Der sein, welcher allein an dem traurigen Zustand des Volkes unschuldig war (Joh. 11). Und gerade in einem solchen Augenblick lässt Gott Seine Rettung offenbar werden und Seine Gnade überströmen. Statt dass ein Eselskopf achtzig Silbersekel galt, sollten jetzt ein Maß Fein Mehl und zwei Maß Gerste in dem Tore der Stadt, die durch eigene Schuld an den Rand des Verderbens gekommen war, für einen Sekel verkauft werden.

So sehen wir also, wie das menschliche Böse, nachdem es seinen Gipfelpunkt erreicht hat, der überströmenden Gnade Gottes begegnet; zugleich aber gewahren wir auch, in welch verschiedener Weise diese Gnade in der Welt aufgenommen wird. Einige weisen sie zurück, wie hier der Anführer. Er wollte nicht glauben, dass Gott alles das tun könnte, was Sein Prophet soeben verkündigt hatte.

Ein Löwe war auf dem Wege. Ja, wenn sich noch Fenster am Himmel auftun würden, dann hätte das Wort des Propheten vielleicht in Erfüllung gehen können; wer aber hatte je von Fenstern am Himmel gehört? Und beachten wir, dass diese Worte in dem Geiste vollständigen Unglaubens ausgesprochen wurden, in der bösen Gesinnung des menschlichen Herzens, welches sich weigert, die frohe Botschaft großer Freude, die Gott ihm verkündigen lässt, anzunehmen; welches Ihm gegenüber weder glückliche Gedanken hegen, noch kindliches, heiliges Vertrauen empfinden will; welches vielmehr, wenn Er von Vergebung und Segnung redet, die Gnade von sich weist und lieber seine eignen, selbst gebildeten Meinungen festhält. denen zufolge eine solche Gnade rein unmöglich ist. Ja, so unwissend, so entfremdet von dem Leben Gottes ist das Herz des Menschen!

Indessen gibt es auch eine Klasse von Leuten, welche gar keine Hoffnung mehr haben; solche, die alle ihre Habe an die Ärzte verwandt haben, um von ihrer Plage geheilt zu werden, und mit denen es doch um kein Haar besser geworden ist. Es gibt noch Aussätzige außerhalb des — Lagers —- arme, überführte Sünder, die, wie einmal jemand gesagt hat, „für jeden Anderen, als für Jesum, zu schlecht sind“. Vor ihnen, hinter ihnen, um sie her ist nichts als der Tod. Vor sich gewahren sie die Syrer, hinter sich die hungernde Stadt, und an sich ihre siechen, aussätzigen, erstorbenen Leiber. Für solche kommt die — Gnade gerade zur rechten Zeit. Sie sind ihrer bedürftig. Sie erkennen, dass dieselbe ganz für sie ist, ganz für sie passt. Entweder steht der gewisse Tod vor ihnen, oder diese letzte, diese einzige Zuflucht in Gott selbst. Und solche machen sich auf und bemächtigen sich der Beute. Ihre Not bringt sie an den Platz, wo Christus den Sieg errungen hat.

So war es hier mit den vier Aussätzigen. Sie sahen keinen Ausweg, keine Hilfe. Der Tod umringte sie in verschiedenster Gestalt, ja, von allen Seiten; und so trieb sie ihr eigener, trauriger Zustand in das Lager der Syrer, wo der Herr ganz allein, ohne Mitwirkung von irgend Jemandem, einen herrlichen Sieg errungen hatte. Denn der Herr hatte das Heerlager der Syrer ein Getöse von Wagen und Rossen hören lassen, und so war Er es ganz allein gewesen, der sie« in die Flucht geschlagen hatte. Von dem Volke Israel war niemand mit Ihm gewesen. Es war „der Tag des Herrn“. In der Stadt rang das Volk mit dem Tode, und vor der Stadt hatten die Aussätzigen nichts anderes als den Tod vor sich. Da tritt Gott dem Heere der Syrer allein entgegen; und den armen Aussätzigen bleibt nichts" weiter zu tun übrig, als sich aufzumachen und sich ihren Anteil an den Früchten des Sieges des Herrn zu holen. Gerade so ist es jetzt mit dem Sünder. Der Sieg ist ganz ausschließlich das Werk Jesu. Es war niemand, der Ihm beigestanden hätte oder für Ihn eingetreten wäre. Allein trat Er dem Feind entgegen; allein erduldete Er die Strafe; allein trank Er den Kelch. Die drei Stunden der Finsternis kamen vom Himmel her über Ihn, weil Er zur Sünde gemacht war; allein hing Er als ein Fluch an dem Holze. Und im Evangelium wird dieser ganze Kampf und Triumph Jesu frei verkündigt, damit Sünder, tote, den Aussätzigen gleichende Sünder, kommen und das Festmahl genießen können, welches die Errungenschaft des ruhmreichen Kampfes bildet, den Jesus für sie ausgefochten hat— ein Festmahl, durch welches für alle ihre Bedürfnisse in Ewigkeit gesorgt ist.

Und was erwächst ihnen aus ihrer eigenen Freude? Das Verlangen, auch Andere an der Beute teilnehmen zu lassen! Sie breiten die gute Botschaft aus, die sie selbst empfangen haben und auf Grund deren sie jetzt das Leben genießen. Ja, es gibt keinen Seelenzustand, der von dem Geiste des erneuerten Sinnes entschiedener verurteilt würde, als die Selbstsucht unsrer alten, verderbten Natur. Die Tätigkeit derselben ist der herrlichen, frei nach allen Seiten hin ausströmenden Gnade, die Gott im Evangelium offenbart, so entgegengesetzt, dass da, wo man sich ihr hingibt, sie das drückende Gefühl der Furcht in der Seele zurücklässt. „Wir tun nicht recht“, sagten jene Aussätzigen zu einander. „Dieser Tag ist ein Tag guter Botschaft; und schweigen wir und warten, bis der Morgen hell wird, so wird uns Schuld treffen. Und· nun kommet und lasset uns hineingehen und es im Hause des Königs berichten.“ Und so gehen sie hin und verkündigen das Geschehene, und es ward dem Hause des Königs berichtet.

Alle diese Herzenserfahrungen werden einem erneuerten Sinne, der die Gnade des Evangeliums geschmeckt hat und unter dem Einfluss dieser Gnade steht, leicht verständlich sein. Indes gibt es in diesem bedeutungsvollen Bilde noch weitere Belehrungen für uns. So erblicken wir z. B. in dem Könige einen schwachen Glauben, ein Herz, welches glaubensträge ist. Er geht, wenn er die gute Botschaft hört, erst mit seiner Vernunft zu Rate. Er weist die Botschaft nicht, wie der Anführer, in dreistem Unglauben und Spott sofort zurück, sondern beginnt zu überlegen und seinen Verstand zu befragen. Auf ihn lässt sich das Wort des Herrn anwenden: „O ihr Unverständigen und trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben!“ Doch die Gnade erweist sich als überschwänglich. Wie bei Naaman, so vermag sie auch hier ebenso gut für einen Diener zu sorgen, wie sie Schätze aufzutun weiß; und der Erfolg ist der, dass der glaubens- und herzensträge König, ebenso gut wie die Aussätzigen, die sich mehr bereit gezeigt hatten als er, seinen Anteil an der Beute des herrlichen Sieges Jehovas empfängt. Und die ganze ausgehungerte Stadt folgt ihm nach. „Lahme plündern die Beute!“ Keiner kommt zu kurz, mit alleiniger Ausnahme des ungläubigen Anführers. Nur das Misstrauen, welches in die Freigebigkeit Gottes gesetzt wird, schließt an diesem Festtage Israels von der allgemeinen Segnung aus. Alles was der Prophet angekündigt hatte, ging in Erfüllung. Das Mehl und die Gerste wurden im Tore zu dem angegebenen Preise verkauft; der Anführer allein kam in seinem Unglauben um.

So sehen wir denn die großen Dinge, welche in dem Evangelium Gottes enthalten sind, in diesem überaus treffenden Bilde von Samarias Elend und Befreiung dargestellt und erläutert; es bietet uns reichen Stoff zu heiliger, nutzbringender Ermunterung und Ermahnung. Möchten wir jedoch nicht nur begehren, diese bewunderungswürdigen Wege der Weisheit Gottes zu erforschen und zu bewundern, sondern lasst sie uns auch wohl beachten und in unsre Herzen aufnehmen, damit dieselben erfrischt und unser Glaube an Den gestärkt werde, dessen Gnade für alle unsre Bedürfnisse und unsre Freude auf immerdar Sorge getragen hat!


13. Noch einmal die Sunammitin (Kap. 8, 1-6).

Der kurzen Nachricht, welche wir hier über eine andere Begebenheit aus dem Leben unsers Propheten erhalten, können wir wiederum entnehmen, wie sehr er mit den Gedanken Gottes vertraut war. Wir werden hier von neuem an jenes Schriftwort erinnert: „Der Herr, Jehova, tut nichts, es sei denn dass Er Sein Geheimnis Seinen Knechten, den Propheten, geoffenbart habe“.

Elisa muss von der bevorstehenden Hungersnot Kunde erhalten, wie Joseph, Agabus und Andere in früherer oder späterer Zeit. „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?“ so lautete die Sprache desselben gnadenreichen Herrn, welcher mit den Seinigen wie mit Freunden umgeht. So waren denn bei unserm Propheten ebenso wohl die Gedanken wie die Hand des Herrn zu finden; er war in gleich herrlicher Weise der Träger Seiner Ratschlüsse wie Seiner Macht.

Und immer wieder sehen wir, wie er alles das, worüber er verfügen konnte, in Gnade für Andere benutzte. „Einem jeden wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.“ Abraham benutzte sie zum Wohle Anderer. Als er erfahren hatte, welches Gericht über Sodom verhängt war, legte er für den gerechten Überrest einer Stadt Fürsprache ein. Ebenso sehen wir hier Elisa handeln. Nachdem er von der bevorstehenden Hungersnot gehört hatte, warnte er das gottesfürchtige Weib von Sunem und forderte sie auf, im Blick auf dieselbe für· ihr Haus Sorge zu tragen.“

Die Sunammitin befindet sich jetzt in anderen Verhältnissen als früher. Diese Tochter Sarahs, der Gegenstand so vieler Liebe und Bevorzugung, ist jetzt augenscheinlich eine Witwe geworden, und das kleine Kind, welches Gott ihr geschenkt hatte, ist herangewachsen. Die Hungersnot hat sie aber von ihrem Heim und ihrem Grundbesitz, der im Gebiete Issaschars lag, getrennt. (Siehe Kap. 4.) Dort hatte sie sich einst der göttlichen Gnaden-Erweisungen erfreut und hatte „inmitten ihres Volkes gewohnt“. Damals war der königliche Hof oder eine Gunstbezeugung seitens des Königs ohne Wert für sie gewesen, und auch jetzt verlangt sie nicht darnach, es sei denn um dadurch wieder in die einfachen Verhältnisse von ehedem innerhalb ihrer Heimat und ihres Volkes zurückkehren zu können. Und wir dürfen wohl annehmen, dass „das kleine gemauerte Obergemach“ mit dazu beitrug, ihre Gedanken und Wünsche zu dem bevorzugten Orte zurückzulenken, wo sie die lebengebende und aus dem Tode erweckende Macht ihres Herrn und Heilandes mittelst des von Ihm erwählten Dieners erfahren hatte.

Auch Gehasi ist jetzt in anderen Verhältnissen. Es mag sein, dass die Wurzel der bösen Sache, um die es sich bei ihm handelte, noch in seinem Herzen war. „Aber er ist aussätzig.“ Er steht jetzt außer aller Verbindung mit dem Propheten Gottes. Indessen hatte nicht die Hungersnot diese Veränderung hervorgerufen, sondern seine verabscheuungswürdige Habsucht. Er kann sich jetzt „der großen Dinge, die Elisa getan hat“, nur noch erinnern, aber ein Zeuge derselben kann er nicht mehr sein. Ein Glück für ihn, wenn er in bußfertiger Gesinnung mit heiliger Freude dem König von jenen Ereignissen erzählen konnte; aber glücklicher, viel glücklicher wäre er gewesen, wenn er dem Pfade des Glaubens und der Unterweisung des Geistes treu geblieben wäre und so noch länger den Umgang mit seinem Herrn hätte genießen können. Aber er hatte seiner Seele Gewalt angetan, wie auch wir, Geliebte, es tun können und es leider, ein jeder in seiner eigenen Weise, mehr oder weniger tun. „Glückselig der Mensch, der auf mich hört“, sagt die Weisheit, indem er an meinen Türen wacht Tag für Tag, die Pfosten meiner Thore hütet! Denn wer mich findet, hat das Leben gefunden und Wohlgefallen erlangt von Jehova. Wer aber an mir sündigt, tut seiner Seele Gewalt an.“ Und es ist ein Beweis von Gnade seitens des Herrn, dass Er uns hier noch diesen letzten Blick auf Gehasi erlaubt. Wir dürfen so doch die Hoffnung hegen, dass, wie er sich einst mit vielen Schmerzen durchbohrt hatte (1. Tim. 6), so jetzt das Geld nicht länger der Gegenstand war, den er im Herzen oder im Munde führte, sondern vielmehr Erinnerungen an Elisa. Denn der Herr scheint ihn hier in Seiner Gnade wieder zu benutzen, um der gottesfürchtigen Freundin des Propheten in der Zeit ihrer Bedrängnis behilflich zu sein. Wie erfreulich ist es, aus der Hand des Herrn ein solches Pfand Seiner wiederherstellenden Gnade zu empfangen, mag auch Sein Geist durch die Abirrungen Seines Volkes noch so tief betrübt worden sein! O möchten wir Ihn preisen wegen Seiner Güte und wegen

Seiner Wundertaten an den Menschenkindern! *)

„Ein Wort zu seiner Zeit, wie gut ist es!“ so fühlen wir uns versucht auszurufen, wenn wir den Bericht von diesem kleinen Vorfall lesen. Gehasi und der König unterhielten sich gerade von der Sunammitin, als diese an den Ort kam, wo sie sich befanden. Und wie oft haben wir Gelegenheit, ein gleich glückliches Zusammentreffen verschiedener Umstände zu beobachten! Es wird schwerlich Jemanden geben, dem nicht dergleichen hie und da in seinem Lebens begegnet wäre. Wie· oft bekommt :man, wenn man unerwartet in einen kleinen Kreis von Freunden tritt, zu hören: „Soeben war gerade von dir die Rede«! Und der Glaube. wird die Gnaden anerkennen, welche sich in dem Erscheinen solch günstiger Vorläufer offenbart, die den Weg bahnen oder verschlungenen Pfaden eine gerade Richtung geben, so dass; dieselben, wie in dem vorliegenden Falle, zu „der gewünschten Segnung führen. Der Glaube wird sich auch, nicht darüber beklagen, dass das nicht immer so ist. Denn der Glaube sagt: „Es steht Wohl“, mögen die Umstände günstig oder ungünstig sein. Die nämliche Hand der Liebe ist tätig,“ ob sie nun den Dorn aus dem Fleische herausnimmt oder ihn unberührt darin stecken lässt.

14. Die Weissagung über Hasael (2.Könige Kap. 8, 7 - 15).

Wie in dem vorhergehenden Falle, so finden wir auch hier! wieder, wie genau der Prophet mit den Absichten des Herrn bekannt war. Welcher Verkehr muss täglich zwischen ihm und dem Herrn stattgefunden haben! — Und in der Tat, die Geschichte des Volkes Gottes lässt uns immer wieder sehen, wie jenen Treuen, die „in böser Zeit“ den Platz des gehorsamen, von der Wahrheit Zeugnis ablegenden und um deswillen leidenden Überrestes einnahmen, herrliche Offenbarungen zu teil wurden. Denken wir z. B. an Hesekiel und Daniel, welche sich unter den Gefangenen in Babylonien befanden! Welch weitreichende Blicke in das Gebiet der Ratschlüsse Gottes wurden ihnen eröffnet! Ebenso nach der Rückkehr des treuen Überrestes aus der Gefangenschaft, als Sacharja, Haggai und ihre Genossen mit aufrichtigen Herzen, „der Feinde ungeachtet, an dem Hause Jehovas zu arbeiten begannen, welche Gedanken und Bilder zukünftiger Herrlichkeit ließ Gott da an ihnen vorüberziehen! Dasselbe begegnete später uns noch wunderbarere Weise dem Johannes auf der Insel Patmos, wo er ein Mitgenosse in dem Königtum und dem Ausharren in Jesu war. Zu diesen Männern gehörten auch Elia und Elisa. Sie bildeten, ein jeder zu seiner Zeit, den gottesfürchtigen Überrest ihrer Tage, und genossen- den kostbaren Vorzug, dass das Auge, das Ohr und die Lippen des Herrn für sie geöffnet waren.

Dem vorliegenden Abschnitt der Geschichte unsers Propheten können wir zugleich entnehmen, dass Elisa auch über die Grenzen Israels hinaus Ansehen genoss. Wir begegnen ihm hier in Damaskus, wo seine Ankunft sogleich dem König berichtet und ihm seitens desselben Ehre erwiesen wird. Möglicherweise hatte das mit Naaman Vorgefallene ihm den Zugang zu der Ehre und dem Vertrauen des syrischen Hofes gebahnt; vielleicht können wir hierin auch einen Beweis von dem Zeugnis erblicken, welches jener geheilte Aussätzige, jener bekehrte Sünder aus den Nationen, von dem Namen des Gottes Israels abgelegt hatte, so dass der König von Syrien sich jetzt wenigstens nicht wieder an den König (vergl.. Kap. 5, 5), sondern an den Propheten von Israel wendet.

Indes gibt es hier noch einen anderen Punkt, der eine wertvolle Belehrung für unsere Herzen enthält, bei welchem ich deshalb noch einen Augenblick verweilen möchte. Ich meine in dem Charakter und dem Verhalten Hasaels. Hasael war zu Elisa gekommen, um ihn, im Auftrage des Königs von Syrien, seines Herrn; betreffs der Krankheit, an welcher dieser litt, zu befragen. Elisa lässt ihn seinem Herrn sagen: „Du wirst gewisslich genesen“. Nachdem er ihm jedoch diese Antwort aus die Anfrage des Königs erteilt hat, fügt er noch ein Wort hinzu, welches nur an Hasael persönlich gerichtet war: „Aber Jehova hat mir gezeigt, dass er gewisslich sterben wird“.

Als Hasael dies hörte, „stellte er“, wie wir lesen, „sein Angesicht fest und richtete es auf ihn, bis er sich schämte“. Das war Heuchelei. Unter den Augen unsers Propheten, angesichts des wahrheitsliebenden Geistes des Mannes Gottes, musste das Aussehen, welches er seinem Antlitz zu geben suchte, gegen ihn zeugen. Er wollte sich den Schein geben, als sei er über die Weissagung des Propheten bezüglich des Todes Ben-Hadads betrübt.

Während Hasael sich so Mühe gibt, einen Kummer zu heucheln, den er nicht fühlte, scheint der Prophet selbst mittlerweile dem Gange göttlicher Mitteilungen, die seiner Seele zu teil wurden, gefolgt zu sein und weint bei dem Gedanken an all das Böse, welches dieser Hasael, wenn einmal zur Macht gelangt, Israel zufügen würde. Denn schreckliche Bilder waren es, welche ihm die göttliche Eingebung, unter der er soeben stand, vor Augen führte. Dieser Kummer war aber echt; er war nicht erzwungen. und gemacht, wie derjenige Hasaels. Er kommt aus einem aufrichtigen Herzen, das durch das göttliche Gesicht, auf welchem das Auge des erleuchteten Sehers ruhte, traurig gemacht worden war.

Nach einer weiteren kurzen Unterredung zwischen den beiden Männern, auf welche ich nicht näher eingehen will, kehrt Hasael zu Ben-Hadad zurück. Der Prophet hatte gesagte· „Du wirst gewisslich genesen“, —— und damit angedeutet, dass die Krankheit des Königs an sich nicht lebensgefährlich sei; dann aber hatte er hinzugefügt: „Jehova hat mir gezeigt, dass er gewisslich sterben wird“. Damit hatte er Hasael zu verstehen gegeben, dass Ben-Hadad auf eine andere Weise als infolge der Krankheit sein Ende finden würde. Der Ausgang zeigt in schlagender Weise die volle, unverfälschte Wahrheit der Worte des Propheten; denn der König stirbt nicht an der Krankheit, sondern findet sein Ende durch die mörderische Hand Hasaels. Er hätte von seiner Krankheit genesen können, aber er stirbt gewisslich, wie der Prophet geredet hatte.

Diese rätselartige Abfassung der Antworten oder Aussprüche des Geistes verdient unsere Bewunderung. Dem vorliegenden ähnlich war das Wort, welches unser Prophet an den ungläubigen Anführer in Samaria richtete: „Siehe, du wirst es mit deinen Augen sehen, aber du wirst nicht davon essen“. So seltsam dieser Ausspruch auch dem Ohre klingen mochte, so ging doch jeder Buchstabe davon in Erfüllung. „Und es geschah ihm also-; und das Volk zertrat ihn im Tore, und er „starb“, - d. h. in· demselben Augenblick, da die Volks-Menge ihm ihre Gerste und-ihr Feinmehl. unter die Augen brachte, kam er in dem Gedränge zu Fall und wurde zertreten. (Siehe Kap. 7). Gerade so ist es hier; Die Worte: „du wirst gewisslich genesen“ und: „er wird gewisslich sterben“, werden durch den Ausgang als wahr erwiesen, wiewohl sie so seltsam und widerspruchsvoll klangen wie möglich.

Noch auffallender sind indes die Aussprüche über Zedekia, den letzten König von Juda. Jeremia hatte von ihm gesagt, seine Augen würden die Augen des Königs von Babel sehen, und er würde nach Babel kommen (Jer. 34, 3). Hesekiel hatte gesagt, er würde nach Babelkommen, aber sehen würde er es nicht, wiewohl er daselbst sterben würde. (Hesekiel 12, 13.) Diese beiden Aussprüche miteinander zu vereinigen, schien so gut wie unmöglich zu sein, und doch ist alles auf das Allergenaueste in Erfüllung gegangen. Es waren Worte, die von den Lippen Dessen kamen, dessen Hand wunderbar und mächtig ist und unbeschränkt in all ihrem Tun. (Siehe Jer. 39).

Dies jedoch nur beiläufig. Die Geschichte, welche uns der unsrer Betrachtung zu Grunde liegende Schriftabschnitt vor Augen führt, zeigt uns wahrlich ein erschreckendes Bild menschlicher Selbstsucht und Heuchelei. Wir können dem eine ernste Warnung für uns alle entnehmen; und zwar ist es diese: dass mit einem Blick ebenso gut geheuchelt werden kann, wie es vermittelst eines Wortes geschehen mag. Und »wir« alle sollten stets aus unsrer Hut sein unter Gebet und Flehen, damit der Geist, der ja alles erforscht, in dem Innern unsrer Herzen sowohl, wie in unserm ganzen äußeren Verhalten, in jedem Blick und jeder Bewegung, nur Wahrheit finden möge!

15. Die Salbung Jehus (2.Könige Kap. 9 u. 10).

Unser Prophet bildet zwar nicht die Hauptperson in dieser Erzählung, aber doch sehen wir ihn in derselben handelnd austreten. Und da die erzählten Begebenheiten selbst von tiefgehender Bedeutung sind, so möchte ich sie nicht unberührt lassen.

Wir empfangen hier aufs Neue eine ernste Unterweisung. Es wird uns ein erschreckendes Beispiel von jener Wahrheit vor Augen geführt, dass der Herr solche, an denen Er, was ihre Person betrifft, kein Wohlgefallen hat, sowohl als Werkzeuge wie auch als Diener benutzen kann. Es ist dies eine ernste Tatsache. Einen Balaam hätte Gott niemals in Sein Vertrauen ziehen können; aber Er bediente sich seiner als eines Propheten, wie Er später einen Saul als König und einen Judas als Apostel benutzte.

Wir tun wohl, hier einen Augenblick stille zu stehen und über eine solch ernste Wahrheit nachzusinnen und uns dieselbe zur Warnung dienen zu lassen. „Viele werden an jenem Tage fragen: Herr, Herr! haben wir nicht durch deinen Namen „geweissagt?“ Aber der. Herr wird ihnen antworten: „Ich habe euch niemals gekannt“. (Matth. 7, 21 — 23). Es ist keine Gemeinschaft des Geistes dagewesen, wiewohl die Hand oder die Zunge von dem Herrn benutzt worden sein mag.

Wie klar tritt dies bei Jehu zu Tage! Die Hand dieses Heerobersten wird benutzt, aber keinerlei Gemeinschaft besteht zwischen ihm und dem Herrn. Er verrichtet seinen Dienst, er führt den ihm gewordenen Auftrag vollständig aus; allein es findet sich in seiner Geschichte keine Spur von einer Andeutung, dass seine Seele Gott gegenüber in Tätigkeit gekommen wäre. Er geht mit Eifer an die ernstesten und wichtigsten Unternehmungen und führt sie zu Ende, und er tut das alles im Namen und auf Befehl des Herrn, aber sein Herz bleibt unberührt; von inneren Übungen und Erfahrungen im Heiligtum oder in der Gegenwart Gottes· weiß er nichts.

Und das ist es gerade, was einen Mann kennzeichnet, welchen Gott zwar als Diener benutzen mag, an dessen Person Er aber keine Freude hat. Alles kann in dieser toten Weise benutzt werden. Wie man sich mit einer toten Hand an Dienstverrichtungen machen kann, so kann man ebenso gut mit einem toten Verstande Erkenntnis in sich aufnehmen. Denn welchen Wert hat Erkenntnis, wenn man sich ihrer bedient, ohne dass das Herz durch dieselbe beeinflusst wird? Jehu besaß beides. Er hatte Erkenntnis und Kraft; er besaß ein Verständnis, welches die Aussprüche Gottes über das Haus Ahabs zu fassen vermochte, und eine Hand, die bereit war, dieselben in Ausführung zu bringen. Aber es war ein toter Verstand und eine tote Hand. Weder göttliche Liebe noch göttliche Gnade erfüllten den ersteren, oder setzten die letztere in Bewegung, Und auch für uns wird Erkenntnis keine andere Bedeutung haben, wenn sie nicht dazu dient, gottgemäße Empfindungen in unserm Innern wachzurufen. Die Erkenntnis, welche Jesus besaß, veranlasste Ihn beständig, sich in die Gedanken Gottes zu vertiefen und dieselben in Seiner Person und in Seinem Tun zum Ausdruck zu bringen. Bei Jehu aber finden wir nichts dergleichen. Er konnte von den Absichten Gottes reden und als Werkzeug zu ihrer Ausführung dienen, aber bei all seinem Tun war er nicht in Gemeinschaft. mit Gott.

Und nun möchte ich auf etwas anderes hinweisen, das in völligem innerem Gegensatz zu dem bisher Gesagten steht, und worin sich in schöner Weise offenbart, welcher Geist Elisa beseelte.

Er sagte seinem Boten, sobald er das Öl auf Jehus Haupt ausgegossen habe, solle er die Tür öffnen und fliehen, um dadurch auszudrücken, dass er mit Jehu keine Gemeinschaft haben dürfe. Es erinnert uns dies an den Mann Gottes, welcher mit dem Orte, den zu verfluchen er gesandt war, in keinerlei nähere Berührung treten durfte (Siehe 1. Kön. 13, 9). Der Bote Elisas hatte ein Geschäft bei Jehu zu verrichten, ein überaus wichtiges Geschäft; aber das war auch alles. Sobald sein Auftrag vollzogen war, musste er sich eiligst entfernen. Und hierin offenbarte Elisa in bewunderungswürdiger Weise die Gefühle Gottes selbst, wenn ich mich so ausdrücken darf.

Wir haben bereits gesehen, in welch herrlicher Weise sowohl die Gedanken wie die Kraft Gottes bei ihm zu finden waren, indem er die ersteren kundtat und die letztere ausübte; aber in diesem Falle lässt er erkennen, dass auch das Empfinden, die Gefühle des hochgelobten Gottes ihm vertraut waren.

Darnach sollten auch wir in Wahrheit innig verlangen. Ein solch heiliges Vorrecht genießen zu dürfen, sollte der Gegenstand unsers eifrigen Begehrens sein. Gott hatte, wie schon bemerkt, an Jehu, was seine Person betraf, keine Freude, wiewohl Er sich seiner als Werkzeug bedienen mochte. Und ebenso hatte Elisa an ihm persönlich keine -Freude, wiewohl er ihn auf göttlichen Befehl hin zum König salben ließ.

Und hierin unterscheidet sich Elisa von Jonadab. Nicht dass Jonadab nicht treu gewesen wäre, oder dass er nicht zu den Abgesonderten, den Heiligen Gottes gehört hätte. Aber er steht nicht auf derselben Höhe wie Elisa, gerade so wie Lot nicht auf der Höhe Abrahams, oder Obadja nicht auf der Höhe Elias stand. Jonadab besaß nicht jene göttlichen Empfindungen über das, was Jehu war. Er stieg zu ihm auf den Wagen. Er machte so zu sagen Kameradschaft mit ihm. Er hatte seine Freude an dem, was Jehu tat. Aber Elisa und der Herr fanden kein Wohlgefallen an ihm. „Öffne die Tür und fliehe und harre nicht“, lautete das Wort des Propheten an seinen Boten.

Dies sollte uns allen zu heiliger Warnung dienen und uns antreiben, inbrünstig von unserm Gott zu begehren, dass auch uns dieses kostbare Teilnehmen an Seinen Gefühlen, dieses Mitempfinden Seines Wohlgefallens, Seiner Zuneigungen wie Seiner Abneigungen, verliehen werden möchte. Es war dies die Frucht eines tiefgehenden Werkes des Geistes in der Seele unsers Propheten. Es war außerdem noch vieles bei ihm anzutreffen; er war, wie schon gesagt, der Träger der Gedanken und der Macht Gottes. Aber höher und herrlicher als alles das ist jenes Eingehen seiner Seele in das Empfinden Gottes über Dinge und Personen! In der Tat, es war eine liebliche, gesegnete Frucht, welche auf dem Pfade und unter der Pflege des Geistes in ihm erwachsen war. Es war, mit einem Worte, göttlich. Er konnte, wie Gott selbst, dem ganzen Laufe der Wirksamkeit Jehus folgen und doch kein Wohlgefallen an seiner Person finden. Anders aber stand es mit Jonadab. In ihm waren die Empfindungen eines geistlich gesinnten Herzens nicht so rege. Er vermochte die Person nicht von dem Werke zu trennen; das Werk ließ ihn das Missfällige in der Person übersehen. Und solchen Verschiedenheiten im geistlichen Empfinden können wir heute noch beständig begegnen.

Und vergessen wir nicht, dass die Gesinnungsart, welche Jehu offenbarte, von sehr ernster Natur war. Wir finden bei ihm keine Spur von einem zerbrochenen Geiste, keine Äußerungen eines heiligen Verlangens, kein Gefühl für die Ehre Gottes. Er kann sogar seinen Anführer Bidkar an den Tag erinnern, an welchem sie beide hinter Ahab herritten - als dieser seine Blutgier und Habsucht offenbarte und der Herr sein gerechtes Urteil über ihn aussprechen ließ, — ohne dass sich eine tiefere Regung seiner Seele geoffenbart hätte. Sein Herz ist bei der Erinnerung an jene traurigen Tage nicht beteiligt. Er hat kein Gefühl von einer Mitschuld an all dem Bösen. Wie unähnlich ist er einem Daniel oder einem Nehemia, welche bei der Aufzählung der Sünden ihres Volkes, ihrer Könige, ihrer Priester und ihrer Propheten, (an welchen sie persönlich ja nicht beteiligt gewesen waren,) dennoch den ihnen zukommenden Platz einnahmen und ihre Mitschuld an allem, was vorgekommen war, bekannten! Wie unähnlich auch einem David, welchem das Gericht, das an einem Anderen vollzogen werden sollte, den Weg zum Throne bahnte, (wie hier das Gericht über das Haus Ahabs dieselbe Wirkung für Jehu hatte) und der doch nur auf die Schmach sah, welche dem Gesalbten des Herrn angetan wurde; -— dessen Auge nicht von Freude erstrahlte im Blick auf den Thron, der vor ihm schimmerte, sondern sich vielmehr mit Tränen füllte, als er die Schande und den Sturz derer erblickte, welche ihm den Weg zum Throne versperrt hatten!

So steht Jehu in unmittelbarem Gegensatz zu solchen Männern, die in ähnlichen Lagen auf Seiten Gottes standen. Und dieser Gegensatz ist eben der Gegensatz. zwischen Fleisch und Geist, zwischen einem Herzen, das sich nur von den verderbten Grundsätzen dieser Welt leiten lässt, und einem solchen, welches von der Macht und Gnade Gottes regiert wird.

Trotzdem war es ein Auftrag Gottes, welchen Jehu ausführte. Aber wie furchtbar war derselbe! Auf welch einen schreckenerregenden Weg wurde das Schwert Jehovas durch jenen Auftrag gesandt! Von Ramoth nach dem Weinberge Naboths, von dort nach der Anhöhe Gar, von dort nach Jisreel, von dort nach Beth-Eked und endlich nach Samaria, und der ganze Weg ist mit Blut bezeichnet, und zwar mit Blut, dessen Vergießen die Gerechtigkeit forderte! Denn wiewohl das Schwert, durch welches es vergossen wurde, nicht nach Gerechtigkeit fragte, so übte doch Jehova durch dasselbe an dem Fleische Ahabs und seines Hauses Gericht, wie Er seiner Zeit ein noch größeres Gericht an allem Fleische ausüben wird; und dann werden der Erschlagenen Jehovas viele sein. Und mit welch einer Schnelligkeit wird dann das Gericht Gottesausgeführt werden, und wie weit wird es reichen! Wie wird der Weg aussehen, den das Schwert des Herrn oder „die verhängte Rate“ an jenem Tage nehmen wird! Denn „gleichwie der Blitz ausfährt vom Aufgang und scheint bis zum Niedergang, also wird die Ankunft des Sohnes des Menschen sein.“

Dieser Weg Jehus stellt uns einen Zeitabschnitt des gerechten Gerichts vor Augen. Er erinnert uns an die Zeit der großen Flut, an den Tag von Sodom und Gomorra, oder an die Ereignisse am Roten Meere; und unsere Herzen, geliebter Leser, freuen sich beim Betrachten dieser Szenen unwillkürlich aufs Neue des kostbaren Blutes, welches uns in Sicherheit gebracht hat, und erkennen zugleich in Ehrerbietung das gerechte Tun Dessen an, welchem allein die Rache zukommt!

Jehu führte allerdings den göttlichen Auftrag aus; derselbe diente aber seinem eigenen Vorteil. Das Gericht, welches Gott über Ahab verhängt hatte, bildete für Jehu das Mittel, um in der Welt vorwärts zu kommen. Gleich einem echten Pharisäer trieb er mit der Religion Handel, oder benutzte die Gottseligkeit als ein Mittel zum Gewinn. Darüber hinaus hatte« sie« keinen Reiz« für ihn; sie hatte keinen Einfluss auf sein Herz. Und so sehen wir ihn denn bemüht, das, was religiöser Eifer ihm eingebracht hatte durch religiösen Abfall sich zu bewahren. Wenn er imstande war, Baal aufzugeben, um auf den Thron zu gelangen, so konnte er mit gleicher Leichtigkeit Jehova aufgeben, um sich den Thron zu sichern. Nachdem er die Propheten Ahabs ausgerottet hatte, konnte er sich zu den Kälbern Jerobeams zurückwenden, damit, wie Jerobeam sich einst ausgedrückt hatte, nicht „das Königreich an Andere zurück komme „Welch eine tiefgehende, ernste Belehrung liegt in allen diesen Dingen für uns! Möchten wir über dieselbe nachsinnen und darnach trachten, dass bei all unserm Dienen und Erkennest unsere Herzen und Gewissen in Tätigkeit bleiben; denn sonst ist all unser Denken und Tun nur ein totes Werk!

Fußnote:

*) Ich weiß wohl, dass Anderen das Auftreten Gehasis an dieser Stelle nicht in so günstigem Lichte erscheint. Sie erblicken vielmehr den Beweis darin, dass er immer noch ein Mann der Welt war und sich von Geldliebe leiten ließ, weil er in der Nähe des Königs angetroffen wird und augenscheinlich in gewissem Grade das Vertrauen desselben besaß. Vielleicht ist es so. Auf mich macht indes die Begebenheit, in welcher wir ihn hier handelnd austreten sehen eher den oben geschilderten Eindruck;


16. Joas, König von Juda (Kap. 11 und 12).

Wir hören in diesen Kapiteln nichts von unserem Propheten, da dieselben sich mit den Angelegenheiten des Reiches Juda beschäftigen; indessen stehen sie insofern doch zu den Angelegenheiten des Reiches Israel in Beziehung, als sie uns von einem großen Abfall Bericht geben, der in erstgenanntem Reiche eintrat, sowie von dem darauffolgenden Gericht, gerade so wie die vorhergehenden Kapitel uns mit dem Gericht über den Abfall in dem Reiche Israel bekannt machten. Überdies lassen sie uns wichtige Blicke in die Ratschlüsse Gottes - tun, so dass ihre Betrachtung, wenn auch von Elisa in ihnen keine Rede ist, „dennoch von Nutzen und Interesse sein wird.

Die beiden Kapitel führen uns in die Zeit ein, in welcher das Haus Davids vorübergehend des Besitzes des Thrones Judas beraubt war, so wie auch in der gegenwärtigen Zeit der Same und das Hans Davids den Thron und die Macht Davids nicht inne haben.

Athalja, die Tochter Ahabs und Iesabels, — und wir können sie wohl die Iesabel von Juda nennen, war das Werkzeug, durch welches dieser Frevel ausgeführt wurde. Eine Mörderin, eine Götzendienerin und Thronräuberin, bringt sie hier das Böse zur Vollendung, wie Ahab und Iesabel es in Israel getan hatten, bis der Zorn Gottes sie heimsuchte und hinwegraffte, wie er jene heimgesucht und hinweggerafft hatte.

Ihre Mordgier richtete sich gegen den königlichen Samen, um sich selbst in den Besitz, der Krone zu setzen und (wie sie vielleicht in der Anmassung ihres Unglaubens meinte) so die von Gott dem Hause Davids gegebene Verheißung zunichte zu machen (1. Kön. 2,4). Sie handelte gerade so, wie Ahab in Samaria dem Weinberge des Gerechten gegenüber verfuhr, oder wie später das ganze Volk den Herrn des Weinbergs oder den Erben des Reiches behandelte.

Aber es gibt verborgene Gedanken und eine verborgene Macht Gottes, welche alle solche Pläne vereiteln. Er stellt die Auferweckung Jesu dem Feinde entgegen und macht so alle Anschläge desselben zunichte; und hier dient Ihm Joas, der ein Kind der Auferstehung ist, als Werkzeug zu gleichem Zwecke. Das Urteil des Todes war ebenso gut gegen Joas ergangen, wie gegen alle diejenigen, welche infolge desselben umkamen. Der Herr hatte jedoch eine Errettung für ihn vorbereitet, da Er durch ihn Großes zur Ausführung bringen wollte, und so wird er denn, wie einst Mose in ähnlicher Lage, durch eine Königstochter, Namens Joseba, die den Hohenpriester Jojada geheiratet hatte, von der Stätte des Todes entfernt.

Es ist indessen sehr bemerkenswert, dass, nachdem Joas so von der Stätte des Todes entfernt worden war, er durch den Priester Gottes „im Hause des Herrn“ verborgen wurde, und noch dazu „bis zum siebenten Jahre -— ein treffendes Bild von dem, was Gott in späteren Tagen mit dem wahren Erben des Thrones Davids tun wollte. Denn nachdem Jesus durch die Auferstehung von der Stätte des Todes entfernt worden ist, wird Er während der Dauer eines ganzen Zeitalters im Hause Gottes verborgen gehalten, indem die Himmel Ihn als den Hohenpriester des gegenwärtigen Hauses Gottes aufgenommen haben. So liefert uns denn das zeitweilige Verbergen des Erben Davids in damaliger Zeit ein schönes Bild von der gegenwärtigen Verbergung Jesu in den Himmeln.

Joas sollte aber nicht für immer dort bleiben, wohin die Hand Jojadas ihn in Sicherheit gebracht hatte. Zu seiner Zeit bereitet Jojada in Juda einen Überrest zu, der für Joas ist. Mit diesem Überrest schließt er im Hause Jehovas einen Bund und zeigt ihm „den Sohn des Königs“. Und nachdem er ihn zubereitet hat, benutzt er ihn: er versieht jeden Einzelnen für den Tag des Kampfes mit Kriegswaffen und Schilden, die er der Rüstkammer Davids entnimmt, und lässt alle sich in bestimmter Ordnung aufstellen, um mit ihrer Hilfe die freche, ungläubige Räuberin vom Throne zu stoßen. Und dies geschieht ebenso mit einem vollkommenen, heiligen Verständnis für die Gedanken Gottes wie vorher die Verbergung des Kindes im Tempel. Dieser selbst darf nicht mit Blut befleckt werden; die Gottlosen aber müssen an diesem Tage gerechten Gerichts ohne Gnade ausgerottet, und „der Sohn des Königs“ muss aus dem Hause Jehovas heraus-geführt werden — drei Punkte, die bei dieser wichtigen Gelegenheit genau zu beobachten sind. Der König muss auf den Thron erhoben und die Gesetzlosen müssen umgebracht werden, aber bei alledem muss der Tempel rein erhalten bleiben. Alles muss geschehen in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes. Nachdem alles bestens vorbereitet ist, tritt der König von dem Orte, an welchem er verborgen gewesen war, hervor, und zwar mit all der Feierlichkeit, wie sie ihm zukam, indem diejenigen, welche die Stütze seines Königtums bildeten, die Gerechten, auf welche er sein Vertrauen setzen konnte, ihn begleiten. Dazu geschieht dies am Sabbattage.

Indem Jojada (als Priester und als der Beschützer des jungen Königs während der Herrschaft der Thronräuberin) die ganze Angelegenheit seiner Krönung und Offenbarmachung ordnet, zeigt er den Thronerben zunächst einem auserwählten Überreste. Dies tut er im Geheimen innerhalb des Tempels. Dann lässt er eine Leibwache sich in einer Reihe aufstellen, die sich von; Hause Jehovas bis zum Hause des Königs, von dem Heiligtum des Reiches bis zu dem Palaste hin erstreckt. Die Aufgabe derselben war, den König auf dem ganzen Wege, von seinem Austritt aus dem Tempel bis zu seinem Eintritt in den Palast, zu bewachen.

Dann wird er aus dem Tempel herausgeführt und unmittelbar vor demselben auf dem Standorte stehend, unter den Beifallsbezeugungen des Volkes zum König ausgerufen, wobei ihm sowohl das Zeugnis wie auch die Krone überreicht wird, das erstere als Zeichen seiner Unterwerfung unter Jehova, die letztere als Symbol seiner Oberhoheit über Israel.

Sodann wird die Thronräuberin Athalja getötet, jedoch außerhalb des Tempelgebietes. Denn selbst wenn es sich um die Wiedereinsetzung des Königs und um die Ruhe des Reiches handelt, will der Priester nicht die Heiligkeit des Tempels zum Opfer bringen — ein schönes Zeugnis dafür, dass der Herr bei all Seinem Tun eine jede Seiner Herrlichkeiten aufrechterhält und nie erlaubt, dass eine derselben durch das Hervorstrahlen einer anderen in den Schatten gestellt wird· Dann wird ein Bund mit dem ganzen Volke geschlossen; sie nehmen den König an, und der König bekennt sich zu ihnen. Alles was Ärgernis verursacht und böse ist, wird entfernt: das Haus, die Altare, die Bilder und die Priester Baals. Und schließlich schreitet der König an der aufgestellten Leibwache entlang, die voller Freude ihm zu Diensten steht, und setzt sich, wie ein zweiter Salomo, in Frieden und voller Würde, mit Ehren überhäuft und inmitten der Freudenbezeugungen seines Volkes, aus den königlichen Thron, den Thron des Hauses Davids.

Könntet! wir uns wohl eine schönere Darstellung der Rückkehr Jesu aus Seinem himmlischen Heiligtum vorstellen? Wird Er nicht in all der Macht und Gerechtigkeit Seines Reiches erscheinen? Wird dann nicht ein neuer Sabbat für Sein Volk Israel und die ganze Schöpfung anbrechen? Und wird es nicht zugleich der Tag der Heimsuchung für diejenigen sein, welche das Blut der Gerechten vergossen und die Erde verderbt haben? Der Himmel wird geöffnet werden, und der Tag der Krönung Jesu und der Freude Seines Volkes wird beginnen, so wie hier der Priester Joas salbt, ihm die Krone ans das Haupt setzt und, der göttlichen Verordnung gemäß (vergl. 5. Mose 17), ihm das Zeugnis in die Hand gibt, während das Volk ruft: „Es lebe der König!“ Der König erscheint in seiner Schönheit, wie aus den Toten erstanden, während die Thronräuberin und Mörderin vor seinen Augen ihr Ende findet.

Eine deutlichere Darstellung unsers wahren David, wie Er einstmals erscheinen wird, könnten wir uns kaum denken. Wir erblicken gleichsam Sein Herabsteigen vom Himmel, Sein Kommen aus dem Hause Jehovas in Macht und großer Herrlichkeit. Zudem war damals gerade der geeignete Augenblick für ein solches Vorbild. Denn die widerrechtliche Einnahme des Thrones durch Athalja bezeichnete den vollendeten Abfall Judas und damit den Zeitpunkt, wo der Herr, wie einst bei Gelegenheit der Bosheit Babels und Gomorras, hervortreten musste, um die Erde für ihre Bosheit zu strafen und die Ihm zukommende heilige Macht und Ehre an sich zu nehmen.

Der Name Davids erfüllt jetzt wieder das Land. Nicht nur war die Wache des Königs mit den Speeren und Schilden Davids — die man aufbewahrt und, während der Verborgenhaltung des Erben im Heiligtum, gleichsam hatte verrosten lassen -— ausgerüstet worden, sondern es werden jetzt auch die Anordnungen Davids beobachtet, und die Klänge der Musik Davids ertönen von neuem. (2. Chron. 23, 18.) Der Priester lässt es sich angelegen sein, in jeder Beziehung Erinnerungen an David wachzurufen. Zugleich wird der Baal samt seinen Dienern beseitigt, und der Gott Israels hat wieder den Ihm gebührenden Platz. Jehova wird als der Herr und David als Sein Knecht anerkannt, wie es in dem herrlichen Gegenbilde dieser Szene der Fall sein wird, wenn „jede Zunge bekennen wird, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“. Und dann wird, wie bereits bemerkt, ein weitergehender Bund geschlossen. Der Priester nimmt nicht nur Einig en einen Eid zu Gunsten des verborgen gehaltenen Joas ab, indem er ihnen allein denselben zeigt; sondern er vereinigt jetzt aufs Neue das ganze Volk, den König und Jehova in einem heiligen, gnadenvollen Bunde — Israel soll wieder das Volk Jehovas sein — und dann zeigt er den rechtmäßigen Erben der ganzen Herrlichkeit nicht nur Einzelnen, sondern der ganzen Gemeinde Israel. Und so hatte die Stadt Ruhe, das Volk des Landes freut sich, der König sitzt auf dem Throne und stellt in Gemeinschaft mit dem Priester den Dienst des Gottes Israels wieder her. S. 147

In diesen Vorgängen erblicken wir ein Vorbild von der zukünftigen großen Wiederherstellung aller Dinge. Ein vollständiger Wechsel tritt in den Verhältnissen ein. Der König ist nicht länger im Hause Jehovas verborgen, während ein fremdes Weib den Thron innehat und gleichsam auf dem Tiere reitet (vergl. Offbg. 17), während Baal angebetet wird und der Tempel des einzig wahren Gottes sich in einem Zustand der Verunreinigung und des Verfalls befindet; sondern der König ist durch sein Ihm bereitwillig dienende Volk herausgeführt und anerkannt, die Thronräuberin ist gerichtet, und das Heiligtum Jehovas steht wiederum in Ansehen, und dem Herrn wird aufs neue die gebührende Verehrung zu teil.

Wie es aber einst bei Salomo der Fall war, so ist es jetzt auch bei Joas; dieser liebliche Zustand der Dinge dauert nur eine Zeitlang. Sobald Jojada den Schauplatz verlässt, trübt sich der helle Glanz· Doch das Eine sehen wir, dass, so lange der Priester Jojada lebte, der König Joas die Heiligkeit und Schönheit des Reiches bewahrte. Auch dieser Umstand ist bedeutungsvoll. Was können wir ihm entnehmen? Lehrt er uns nicht, dass in dem zukünftigen Reiche, in welchem der König und der Priester in einer Person vereinigt sein werden, alles gut gehen wird? Wie geschrieben steht: „Er wird Herrlichkeit tragen; und Er wird auf Seinem Throne sitzen und herrschen, und wird Priester sein auf Seinem Throne; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein“ (Sach. 6, 13). Der Priester jenes Reiches kann nicht sterben, weil Er nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens Priester geworden ist; und der König jenes Reiches kann nichts Verkehrtes oder Unrechtes tun, weil Sein Szepter ein Szepter der Gerechtigkeit ist, und es von Ihm heißt: „Du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst“. Deshalb werden auch dieser Friede und diese Herrlichkeit während der ganzen Dauer Seiner Herrschaft fortbestehen, bis Er das Reich Seinem Gott und Vater übergeben wird. „In Seinen Tagen wird der Gerechte blühen, und Fülle von Frieden wird sein, bis der Mond nicht mehr ist“ (Ps. 72, 7). „Die Herrschaft ruht auf Seiner Schulter, und man nennt Seinen Namen: Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst. Die Mehrung der Herrschaft und der Friede werden kein Ende haben auf dem Throne Davids und über Sein Königreich, um es zu befestigen und zu stützen durch Gericht und durch Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit (Jes. 9, 6. 7).

Wir erblicken hier also eine klare Darstellung der Dinge, welche die Herrlichkeit Christi betreffen, die damals noch in ferner Zukunft lagen, uns aber heute ganz nahe gerückt sind: Seine Rückkehr aus dem Himmel, dem Heiligtum Gottes, dann die Übernahme und Ausführung des Gerichts durch Seine Hand, weiterhin die Ehren, welche Ihm als Priester und als König zu teil werden sollen, und schließlich Seine Herrschaft in dem Lande, welches Er sich von alters her zum Besitztum erwählt hatte. Es macht unsere Herzen stets glücklich, wenn sie sich mit Gedanken beschäftigen, die Ihn zum Gegenstande haben, und es wäre deshalb schade gewesen, diese Kapitel zu überschlagen.

17. Joas, König von Israel, und die Pfeile (2.Könige Kap. 13, 1 — 19).

Wir kehren jetzt aus dem Reiche Juda in das Land der zehn Stämme zurück. Während der ganzen, siebenzehn Jahre währenden Regierung Joahas, des Sohnes Jehus, hören wir nichts von Elisa. Erst in den Tagen seines Nachfolgers Joas wird uns ein letzter Blick auf unseren Propheten gestattet.

Joas hatte nach dem Tode seines Vaters Joahas den Thron Israels bestiegen. Er tat, gleich diesem, was böse war in den Augen Jehovas, wie Jerobeam, der Sohn Nebats, und alle übrigen Könige es vor ihm getan hatten. In seinen Tagen nun „erkrankte Elisa an seiner Krankheit“, an welcher er nachher starb (V. 14).

Man hat oft gesagt, dass der längste Tag seinen Abend habe. So war es auch im Blick auf die Wirksamkeit Elisas. Er hatte die Regierungszeiten Jorams, des Sohnes Ahabs, Jehus, Joahas und Joas durchlebt, und auch schon vorher die Tage Ahabs und Ahasjas gesehen. Vielleicht hatte seine Wirksamkeit als Prophet Gottes nahezu sechzig Jahre gedauert. Jetzt aber war der Abend seines Tages gekommen, und indem seine Sonne untergeht, verbreitet sie noch die schönste Abendröte um sich her und erstrahlt in einem Glanze, der völlig dem ihrer Mittagshöhe entspricht.

„Joas, der König von Israel“, so lesen wir, „kam zu ihm herab und weinte über seinem Angesicht und sprach: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter!“ Es mag uns dies Wunder nehmen. Allein es ist augenscheinlich, dass es sich hier nicht um Heuchelei, Spott oder Unaufrichtigkeit handelte. Es war vielmehr die Äußerung natürlicher Gefühle. Vielleicht war Elisa von diesem König des Hauses Jehus bisher sehr vernachlässigt worden. Und indem dieser nun voraussieht, dass Elisa bald von ihm genommen werden würde, erwacht, wie das sehr natürlich ist, sein Gewissen, und infolge dessen sucht er den Propheten auf. Selbst ein Herodes, der doch ein schlimmerer Mann war als Joas, konnte bei dem Gedanken an den lebenden Johannes vieles tun, wie hier Joas bei dem Gedanken· an den sterbenden Elisa sich aufmacht, um noch einmal sein Angesicht zu sehen und seine Stimme zu vernehmen.

Es waren dies, wie gesagt, natürliche Gefühle. Joas legte Wert darauf, dass Elisa in seinem Reiche weilte. Außerdem wünschte er ohne Zweifel, ihn zu ehren, ehe es dazu zu spät war; denn die Erinnerung an eine solchen Ehrung konnte nach dem Abscheiden Elisas zur Beruhigung seines Gewissens dienen. Der heilige Wandel des Propheten, die Macht, welche sich so oft bei ihm gezeigt hatte, der Platz, den er inmitten des Volkes einnahm, das Ansehen, welches er genoss — alles das rief in dem Herzen des Königs in jenem ernsten Augenblick die erwähnten Regungen hervor; und so kam er, nicht als ein Spottender oder aus Heuchelei, sondern getrieben von dem Drang seiner natürlichen Empfindungen, zu dem sterbenden Propheten, und begrüßte ihn mit demselben Zuruf, wie einst Elisa selbst den Elia bei dessen Himmelfahrt begrüßt hatte.

Die Natur kann sich jedoch niemals zu der Höhe aufschwingen, welche den Gedanken des Geistes Gottes entspricht. „Stehet fest im Herrn“, ruft das Wort uns zu; und: „Alles vermag ich in Dem, der mich kräftigt“, lautete des Apostels einziger Ruhm. Wir haben uns keiner Sache zu rühmen, es sei denn dessen, was Christus in uns wirkt. Darum, mag auch der Anfang der vorliegenden Erzählung zu schönen Hoffnungen Anlass geben, so zeigt sich doch die Natur in Joas bald den an sie gestellten Anforderungen nicht gewachsen. Er konnte nicht, wie Elisa es früher getan hatte, in der Kraft des Geistes seinen Weg bis zum Ende hin verfolgen. Natürliche Regungen mögen uns dem Anscheine nach und für eine kurze Zeit in der Richtung forttreiben, nach welcher der Heilige Geist uns gehen sehen möchte; aber sie werden uns niemals befähigen, mit denen, welche in der Kraft des Geistes auf diesem Pfade wandeln, das Ende desselben zu erreichen. Obwohl daher anfänglich dieselbe Sprache auf den Lippen des Elisa wie des Joas liegen mochte, so gab es doch zwischen diesen beiden Männern einen großen Abstand.

Indessen möchte» ich im Anschluss an die in Vorstehendem enthaltene Warnung bemerken, dass wir die Güte Gottes niemals in Zweifel ziehen dürfen, wenn wir auch immer wieder erfahren mögen, wie schwach und betrügerisch unsere eignen Herzen sind. Wir sind so leicht geneigt, das Licht, die Freude oder die Kraft, welche zu Zeiten uns erfüllen mögen, auf einen anderen als den wirklichen Ursprung derselben zurückzuführen. Die Vernunft möchte uns glauben machen, das; dies einfach Wirkungen der Natur, nicht aber des Geistes Gottes seien. Wir tun, was wir nur irgend können, um Gott des Ruhmes zu berauben, dass wir Ihm allein unsere Segnungen zu verdanken haben, als wenn irgendwelche gute Gaben anderen Quellen entstammen könnten als nur dem Vater der Lichter. Das sollte nicht so sein. Das Herz ist freilich betrügerisch; aber Gott ist gut. Und wir sollten uns in einfältigem Glauben daran gewöhnen, das Licht, die Freude oder die Kraft, welche unseren Seelen zu teil werden, der Wirksamkeit Seines Geistes zuzuschreiben, ohne den verwirrenden Vernunftschlüssen unsrer Herzen Gehör zu schenken.

Lasst uns auf die Belehrungen acht haben, welche sich uns in dieser Geschichte darbieten! Möchten wir auf unsrer Hut sein vor allen bloß natürlichen Regungen, aber auch des Trostes gedenken, der uns hier in Gott selbst entgegentritt! Indes gibt es noch etwas anderes hier, das unsrer eingehenden Betrachtung wert ist. 

Auf das Geheiß des Propheten holt der König Pfeil und Bogen herbei und tut mit denselben, was der Prophet ihm sagt; dann erklärt ihm Elisa die Bedeutung dieser Handlung. Er sprach: „Ein Pfeil der Rettung von Jehova und ein Pfeil der Rettung wider die Syrer! und du wirst die Syrer schlagen zu Aphek bis zur Vernichtung“ (V. 17). Hierauf muss der König die Pfeile zur Hand nehmen, und es wird ihm gesagt, er solle mit denselben auf die Erde schlagen. Er tut dies, aber nur dreimal. Darüber macht ihm der Prophet Vorwürfe. Der Mann Gottes ist zornig und schilt ihn, denn er fühlte sich schmerzlich enttäuscht. Aus welchem Grunde? Warum war die Seele Elisas von solch brennendem Eifer erfüllt? Die Ursache ist wahrhaft schön. Er hatte soeben dem König gesagt, dass „ein Pfeil der Rettung von Jehova und ein Pfeil der Rettung wider die Syrer“ in seiner Hand sei; wäre nun seine Seele mit derjenigen des Propheten im Einklang gewesen, hätte ihn der Gedanke an die Herrlichkeit, die ihm hier so nahe gebracht wurde, entflammt; und wäre sein Herz angesichts des Köchers des Herrn selbst, den er in seinen Händen hielt, erglüht, mit welcher Lust würde er dann nach dem Geheiß des Propheten auf die Erde geschlagen haben! Hätte der Pfeil Jehovas denselben Wert für Joas gehabt, wie einst der Mantel seines Herrn für Elisa, so hätten beider Herzen vollkommen zusammen gestimmt. 

Aber ach! der König hatte jene Bahn, auf welcher der Prophet einst vorangeschritten war, betreten, ohne durch den Geist dazu getrieben zu sein. In ihm konnte der Geist nicht in jenem schönen Strome dahinfließen wie einst in Elisa, und darum schlägt er mit träger Hand nur dreimal auf die Erde. O wieviel können auch wir von ähnlichen Erfahrungen erzählen! Wo ist der erhebende Eifer der Herzen geblieben, der in früheren Zeiten zu finden war? wo das Entflammt sein der Seelen? wo die Kundgebungen der Kraft, welche in vergangenen Tagen unter unsern leidenden und schwer geprüften Brüdern zu bemerken waren? Wie wurde damals, gleichsam in Übereinstimmung mit dem Geiste Elisas, immer und immer wieder auf die Erde geschlagen! Doch unsere Hand ist träge. Die Salbung des Geistes, der Ernst und Eifer, den Er bewirkt, treten gegenwärtig in weit schwächerem Maße zu Tage, als dies in vergangenen Zeiten der Fall war. Elisa rief einst, als Elia ihn verließ, schmerzlich bewegt aus: „Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter!“ aber er hob auch den Mantel des Propheten auf und schlug auf das Wasser, wie Elia es getan hatte, und es teilte sich dahin und dorthin. Der König kann jetzt auch zu Elisa kommen, wenn dieser im Begriff steht, ihn zu verlassen, und sogar dieselben Worte aussprechen, aber wir sehen hier nicht ein Schlagen, welches jenem entsprochen hätte. Des Königs Herz ist kalt, und seine Hand ist träge, während Elisa ein warmes Herz und eine kühne Hand gezeigt hatte.

Wir stehen heutzutage nur in geringem Maße unter der reichlichen und eifrigen Wirkung des Geistes Gottes. Dies macht sich in der Tat nur zu deutlich unter uns allen fühlbar. Wohl mögen wir jetzt eine vermehrte Einsicht auf dem Gebiet der Ratschlüsse Gottes besitzen; die Heiligen mögen im allgemeinen eine größere Fülle von Wahrheiten in sich aufgenommen haben; aber die Kraft der Wahrheit selbst in ihrer Tiefe und der von ihr ausgehenden Salbung wird weniger empfunden. Wieviel Ursache haben wir daher zu rufen: „Herr, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund!“


18. Der tote Mann wird lebendig gemacht (Kap. 13, 20 - 25).

Dies ist der letzte Beweis der in unserm Propheten wirkenden Kraft Gottes. Und auch hier finden wir wiederum einen schwachen Widerschein von Jesu Christo, dem Sohne Gottes. Denn Sein Tod ist es, durch welchen wir leben. Den für uns dahingegebenen Leib Jesu zu berühren oder an Sein Blut zu glauben, heißt so viel als gerechtfertigt zu sein und das Leben zu haben.

Indessen wird Jesus uns hier nicht so sehr in dieser allgemeinen Beziehung, in welcher Er für alle Sünder da ist, vor Augen gestellt, sondern wir werden vielmehr an Ihn in Verbindung mit Israel erinnert, dessen Prophet Elisa war; zugleich stellte Elisa den irdischen Menschen dar, welcher seinen Lauf unter Entfaltung der ihm verliehenen Macht durch Israel hindurch und auf Erden verfolgte, nachdem Elia, der himmlische Mensch, an seinen Platz in der Höhe versetzt worden war. Denn so verhält es sich mit Jesu. Er wird derjenige sein, welchem Israel am Ende der Tage seine Rettung, sein Leben und die Aufrichtung seines Reiches zu verdanken haben wird, nachdem Seine Gnadenabsichten im Blick auf Seine himmlische Zeugin, die Kirche, erfüllt sein werden.

So sehen wir denn hier, wie unser Prophet als der Mann, der in Gnade und Macht zu Gunsten Israels wirksam gewesen war, seinen letzten Dienst verrichtete. Israel befand sich in jenem Augenblick angesichts seiner Feinde in einem Zustande der Verwirrung. Es hatte von den Moabitern Schweres zu erdulden. Das Einzige, was uns von Israel an dieser Stelle berichtet wird, das Einzige, was es tun konnte, war: seine Toten zu begraben. Das ist, wie wir wissen, der Dienst der Toten:“ Lasst die Toten ihre Toten begraben“. Damit wird in kurzer, aber treffender Weise der damalige Zustand des Volkes gekennzeichnet; Einer jedoch, und zwar ein bereits Gestorbener, trug Leben für sie in sich, ein Leben, an welches sie nimmermehr gedacht hätten. Auch dies wird hier in kurzer, aber schlagender Weise dargestellt. Ins dem Grabe des Propheten, der in bedeutungsvoller Weise einen Anderen vorbildete, war die Kraft der Wiederbelebung zu finden.

Gerade so ist es mit dem Gegenbilde, mit Jesu, dem Messias. und Jehova Seines Volkes Israel. In Ihm werden sich die Dinge erfüllen, die hier vorbildlich dargestellt sind, wenn es dereinst heißen wird: „Jehova wird Sein Volk richten, und Er wird sich’s gereuen lassen über Seine Knechte, wenn Er sehen wird, dass geschwunden die Kraft, und. der Gebundene und der Freie dahin ist. Und Er wird sagen: . . . „Sehet nun, dass ich, ich bin, der da ist, und kein Gott neben mir! Ich töte und ich mache lebendig, ich zerschlage „und ich heiIe“ (5. Mose 32, 36. 37. 39). Dann werden, wie wir durch Hesekiel hören, die verdorrten Gebeine wieder lebendig werden; der Herr wird die Gräber Seines Volkes auftun und es aus denselben herausführen

„Es wird geschehen zur Zeit des Abends, da wird es Licht sein“, so lesen wir in Sach.14,7. Und wiederum: »Er verwandelt den Todesschatten in Morgen“ (Siehe Amos 5, 8). Von der Wirksamkeit der heiligen und erhabenen Kräfte, von welchen in diesen Stellen die Rede ist, finden sich in der Geschichte unsers Propheten leise Spuren. Denn am Abend seiner Tage, als er im Sterben lag, sahen wir bei Gelegenheit des Besuches des Königs Joas ein Licht erstrahlen, welches dem der Mittagsstunde seines Lebens entsprach. Und jetzt, nachdem seine Sonne bereits untergegangen ist, leuchtet, sogar in der Nacht des Grabes, die volle Kraft des wiederkehrenden Morgens auf. Und in allem dem liegt ein geheimer Sinn verborgen. Der Boden, auf welchem wir bei der Betrachtung der Geschichte unsers Propheten dahinschreiten, ist sowohl geheimnisvoll wie heilig. Es geziemt uns daher, so leise wie möglich aufzutreten, mit unbeschuhten Füßen zu wandeln, aber doch zugleich mit glücklichen Gedanken an Jesum und Sein Tun erfüllt zu sein.

Damit haben wir die Geschichte der „großen Dinge“, welche der Prophet Elisa getan hat, beendet. Es waren in der Tat große Dinge. Indes finden wir in den letzten Versen unsers Kapitels noch ein kurzes Nachwort, wenn ich es so nennen darf, zu denselben, eine Art von Anhang, welcher mir sehr bezeichnend und bedeutungsvoll erscheint. Ich meine den Bericht über die Zeiten des Joahas und Joas. (V. 22 — 25).

Wir hören hier, dass Hasael von Syrien die Israeliten alle Tage des Joahas drückte, aber dass Jehova sich ihnen gnädig erwies und sich Seinem Volke zuwandte, indem Er Seines Bandes mit Abraham, Isaak und Jakob gedachte. Und Er schenkte Joas drei Siege über den Sohn Hasaels, in Übereinstimmung mit dem Zeichen der Pfeile, mit welchen Joas nach dem Geheiß des Elisa auf die Erde geschlagen hatte; und Joas entriss ihm die Städte Israels wieder, welche sein Vater im Kriege an Hasael verloren hatte.

Hier wird des Gottes der Väter Israels und Seines Segensbundes, noch dazu in Verbindung mit den geheimnisvollen Pfeilen unsers Propheten, in bemerkenswerter Weise gedacht. Und dies ist, wie gesagt, sehr bezeichnend und bedeutungsvoll. Denn das Wirken Elisas war ein Wirken in Gnade und Macht Israel gegenüber gewesen, wodurch das Tun: des Messias zu Gunsten Seines Volkes vorbildlich dargestellt worden war. Und nun, nachdem unser Prophet jene Wirksamkeit völlig beendet hatte, nachdem er im Tode noch Leben gegeben, den Gefangenen aus der Grube entlassen und die Begrabenen aus ihren Gräbern hatte hervorgehen lassen, geschieht hier in einer kleinen Nachschrift des Gottes Abrahams und Seines Bandes Erwähnung, kraft dessen Israel, trotz allem was gegen sie war, bewahrt und gesegnet werden sollte.

Ist es nicht, wie wenn hier die Lehre aus der ganzen Geschichte Elisas gezogen würde? Finden wir hier nicht gleichsam den Schlüssel zu dem Geheimnis, die Auslegung des ausgestellten Gleichnisses? Hat nicht der Herr durch die ganze Geschichte Elisas dem Volke Israel für die letzte Zeit Hilfe, Kraft, Gnade und Neubelebung zusichern wollen? Nichts weniger als ein befreites und gesegnetes Israel, wie es vor alters war, tritt hier vor unsere Blicke. Die alten, längst vergangenen Zeiten, da Israel in Ägypten Barmherzigkeit widerfuhr, stehen hier aufs Neue vor uns. Denn als sie damals unter der Rate des Pharao wehklagten und wegen des harten Dienstes seufzten, gedachte Gott Seines Bandes mit Abraham, Isaak und Jakob, so wie Er es hier tut, und nahm auch, wie es hier der Fall ist, Kenntnis von ihnen (2. Mose 2, 23 — 25). Hasael mag dem Pharao gleichen, aber der Gott Abrahams ist noch immer der Gott Abrahams. und kann durch Elisa Befreiung und Segnung zusichern, wie Er sie einst durch Mose herbeigeführt hatte.

Seit langer, langer Zeit war der Name des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht mehr in Verbindung mit den zehn aufrührerischen Stämmen genannt worden. Ja, nur die Lippen Elias, den ich einen Verwandten unsers Propheten nennen möchte, hatten davon gesprochen, dass Jehova Gott in Israel sei (Siehe 1. Kön. 18, 36). Aber jetzt, nachdem Elisa als der Zeuge Seiner Gnade und Macht in ihrer Mitte gewesen ist, kann wieder von dem Gott der Gnade, dem Gott ihrer Väter, gesagt werden, dass Er über ihnen und für sie sei.

Wir haben somit das Wirken Elisas, dessen Name „Heil Gottes« bedeutet, bis zum Ende hin verfolgt. Wir begegneten darin wiederholt einem Abglanz der wunderbaren Macht und überströmenden Gnade, welche sich in Jesu finden -— einigen zwar schwachen, aber echten Spuren jener göttlichen Majestät und göttlichen Zartheit, die wir an dem Sohne Gottes bemerken, wenn Er in Macht oder in Güte handelte, und in welchen sich in den Tagen Seines Fleisches Seine Herrlichkeit offenbarte.

Alles was in Jesu ist, finden wir freilich nicht bei unserm Propheten. Wo wäre das auch wohl anzutreffen? In Seiner Stellung als ein leidender Zeuge der Welt gegenüber wird Jesus, wie bereits früher gesagt, mehr durch Elia vorgebildet. Aber in Seinem Wirken in Macht und Gnade erblicken wir Ihn in Elisa.

Elisa hatte, nachdem sein Meister von ihm gegangen war, keine Leiden zu erdulden. Es war anders mit ihm, als es mit seinem Meister gewesen war: kein königlicher Zorn trieb ihn in die Verbannung oder ließ ihn ermattet zu Boden sinken. Vielmehr machten Heeroberste vor seinem Tore Halt, und Könige sandten ihm Geschenke. Einem von ihnen enthüllt er seine Geheimnisse, einem anderen vereitelt er seine Absichten, einem dritten gibt er gewisse Bürgschaften des Sieges, und schließlich versorgt er ihre vereinigten Heere mit dem Nötigen. Wohin er sich auch wenden mag, überall lässt er Spuren zurück, die von der Größe dessen zeugen, der da gewandelt hat. Ein Berg voll hilfsbereiter Wagen steht dem Propheten zu Diensten. Hunger, Krankheit und Tod müssen vor ihm weichen. Wieder und wieder muss auf sein Geheiß die Natur ihren gewöhnlichen Lauf ändern. Er geht im Herrn von Kraft zu Kraft, und sogar seinem Leichnam entströmen noch wunderbare, überraschende, Kräfte.

Alle diese Dinge treten uns in den Wegen und dem Wirken Elisas entgegen· Und doch war er für seine Person während all dieser Zeit nichts auf der Welt. Umso mehr war er Jesu ähnlich. Was die gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens betraf, so wurden ihm Gaben und Fürsorge seitens derselben Personen zuteil, welchen er Hilfsquellen eröffnete, die gänzlich außerhalb des Bereiches menschlicher Macht lagen. Wie ist er darin Dem so gleich geworden, welcher, wiewohl Er selbst „hungrig“ war, wiederholt Tausende mit wenigen Broten und Fischen speiste; der, wiewohl Er Quellen in die Täler entsendet und sie zwischen den Bergen dahinfließen lässt (Ps. 104, 10), wiewohl Er die Wasser mit Seiner hohlen Hand misst (Jes. 40, 12), doch ein Weib an einem Brunnen um einen Becher kalten Wassers bat, und der ein Eselsfüllen von seinem Eigentümer entlehnte, wiewohl das Vieh auf tausend Bergen Sein ist!

Es ist auffallend, dass der Herr in den finsteren Gegenden des Reiches Israel, in dem Gebiet der aufrührerischen Stämme, sich solche Propheten, wie Elisa und seinen Meister, erweckte. Sie waren in Wahrheit Lichter an dunkeln Örtern. Juda, welches noch das Heiligtum und das Priestertum besaß, wurde nie in dieser Weise vom Herrn besucht. Wohl zeigte sich zur Zeit da es mit diesem Reiche zu Ende ging, und noch nachdem seine Sonne untergegangen war, bei Männern, wie Jeremia, Hesekiel, Daniel und Anderen, eine reiche Fülle prophetischen Geistes. Und derselbe Geist hatte sich, wie wir bei Jesaja sehen, bereits früher wirksam erwiesen. Keiner dieser Männer aber übte eine derartige Tätigkeit aus, wie Elia oder Elisa, welche Wunder wirkten, Strafgerichte nicht nur ankündigten, sondern auch vollstreckten, Gnadenerweisungen nicht nur voraussagten, sondern auch zu teil werden ließen.

„Ein Prophet, mächtig im Werk und Wort«, so wird der Herr Jesus von einem Seiner Jünger genannt. Elia und Elisa waren Propheten, die mächtig im Werk waren; aber wir besitzen weder von dem einen noch von dem anderen ein Buch, wie wir es z. B. von Jesaja besitzen. Dagegen sehen wir in der Person Jesajas nicht die Größe, welche wir bei diesen Männern wahrnehmen; er nahm in der Geschichte seiner Zeit nicht die hervorragende Stellung ein wie jene; auch war er, wiewohl er ein Prophet des Herrn war, doch in der Weise ein Vorbild von Jesu. Durch Elia und Elisa wurde Jesus aber in den hervorstechendsten Zügen Seiner Geschichte vorgebildet. Sie erzählen uns von Ihm als dem leidenden Zeugen, dessen Laufbahn im Himmel endete; von Ihm als dem gnädigen, mächtigen, aber sich selbst vergessenden Freunde Israels, welcher durch ihre Städte und Dörfer zog, Lebens- und Heilungskräfte von sich ausströmen ließ und durch Seinen Tod ihnen die Bürgschaft gab, dass sie in den letzten Tagen neubelebt werden würden.

Das sind „die großen Dinge“, welche ein starkes und helles Licht über den ganzen Pfad unsers Propheten verbreiten; über einen Pfad, dessen einzelne Teile, wie wir gesehen haben, alle die Spuren einer Gnade tragen, die für Israel tätig war. Möchten unsere Herzen mit Freude erfüllt werden, wenn wir an das schließliche Glück jenes Volkes denken! Denn ist einmal das himmlische Volk in seine himmlische Heimat eingegangen, so wird die Erde wieder der Schauplatz der Macht und Gnade des Gottes Elisas, des Gottes Israels, des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, werden. „Lobet Jehova von den Himmeln her -— lobet Jehova von der Erde her, so wird der Chorgesang lauten, der von allen Seiten voller Jubel immer wieder angestimmt werden wird. Denn in der Verwaltung der Fülle der Zeiten wird Gott alles unter ein Haupt zusammenbringen in dem Christus, das was in den Himmeln und das was auf der Erde ist. Und »in dem Namen Jesu wird jedes Knie sich beugen, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekennen, dass Jesus Christus Herr ist zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“.

Glückselige Aussicht! Sind wir imstande, Geliebte, unser ganzes Sein und die uns anvertrauten Pfunde an dieselbe zu setzen? Jeremia verwandte im Vertrauen auf die Treue Gottes sein Geld für etwas, was er erwarten durfte, wiewohl es für die damalige Zeit weggeworfen zu sein schien; denn die Chaldäer standen vor den Toren, und die Felder von Anathoth waren bereits in ihren Händen. (Jer. 3).

Ein solcher Glaube ist gerade so kostbar, wie die Aussicht herrlich ist. Und die Hoffnung kann jetzt im Blick auf die letztere frohlocken, bis sie in Erfüllung gehen und „das lieblichere, herrlichere Lied“ ertönen wird.

Freu’ dich, du altes Israel!
Er sprengt, was dich gekettet. .
Er hats vollbracht;
Durch Seine Macht
bist du nun ganz errettet!
Freut euch, erlöste Völker!

der Feind ist nun gebunden,
der euch verführt; —-
der Herr regiert,
der siegreich überwunden.
Freu’ dich, glücksel’ge Kirche!
Du darfst nun bei Ihm weilen,

und alle Macht und alle Pracht
will Er nun mit dir teilen.
Er tilgte deine Sünden,
hat dich zu sich erhoben,
und du kannst nun nichts Schön’res tun,
Als ewig Ihn zu loben.

Unsere Betrachtungen begannen mit Elia, der nach einem Leben, in welchem er hier auf Erden unter Leiden Zeugnis ablegte, zum Himmel entrückt wurde, was uns an jene auserwählte Schar erinnert, die, nachdem sie mit Jesu in Seinen Versuchungen ausgeharrt hat, in den Tagen Seines Königreichs Seinen Thron mit Ihm teilen wird; und so erblicken wir ihn denn auch als den, der diese Schar darstellt, gemeinschaftlich mit Mose in Herrlichkeit auf dem von himmlischem Glanze erstrahlenden Berge (Matth. 17, 3). Und wir schließen unsere Betrachtungen mit Elisa, der, nach Ausübung eines Dienstes voll Macht und Gnade, Israel in seinem toten Zustande neues Leben darreichte und dem Samen des Volkes im Lande seines Erbteils wieder die ihm verheißenen Gnaden des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs zuführte. Damit ist in geheimnisvoller Weise die Geschichte des Himmels und der Erde erzählt, und das gewisse Erscheinen der verschiedenen Herrlichkeiten beider verbürgt. Und die kommenden Tage des tausendjährigen Reiches werden die Wahrheit dieser wunderbaren Geschichte dartun und diese kostbaren Bürgschaften einlösen.

„O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind Seine Gerichte und Unaus spürbar Seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist Sein Mitberater gewesen? Oder wer hat Ihm zuvor gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von Ihm und durch Ihn und für Ihn sind alle Dinge; Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“

1. Könige 17, Elia am Bach Krith

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 17, 1-7 Elia und der Bach Krith

Das Wort Gottes führt hier den ersten großen P r o p h e t e n Israels ein. Wie wir früher schon gesagt haben, waren alle anderen Propheten von Juda gekommen, oder sie hatten doch ihren Dienst vor der Loslösung der zehn Stämme begonnen. Elia war "von den Beisassen Gileads". Er betritt den Schauplatz in den bösesten Tagen der Geschichte Israels, als der Abfall allgemein geworden und der durch Ahab und Isebel begünstigte Baalsdienst zur Volksreligion geworden war. 

Unter solcher Regierung waren die Diener Jehovas gezwungen, sich zu verbergen, um ihr Leben zu retten, und die, welche noch gesehen wurden, schwiegen. Elia stand daher anscheinend ganz allein diesem furchtbaren Abfall gegenüber. 

Sein N a m e ist bezeichnend. Elia (hebr. Elijah) bedeutet: Mein Gott ist Jah (Jehova). Jedermann kann diesen Namen in den Worten und dem ganzen Verhalten dieses Mannes lesen. Sein Gott war Der, den Israel verlassen hatte. Sein Z e u g n i s ist ebenso bezeichnend: er ist v ö 11 i g g e trennt von dem allgemeinen Abfall. 

Er ist der Zeuge der Wahrheit inmitten des Bösen, und die Wahrheit sondert uns immer für Gott ab. "Heilige sie durch die Wahrheit", sagt der Herr. Diese Wahrheit besteht hier vor allem in den Gerichten Gottes. Im allgemeinen ist Elia der Prophet des Gerichts, wie andererseits Elisa der Prophet der Gnade ist. Dennoch erfüllt sich die Sendung des Elia, wie wir schon im Laufe dieses und des nächsten Kapitels sehen werden, nicht, ohne von Gnade und Rettung begleitet zu sein; und das sogar in einer Zeit, in welcher die Gerichte Gottes sich vorbereiten und ihren Lauf nahmen. 

Elia ist in seinem persönlichen Charakter ebenso bemerkenswert wie als Zeuge Gottes. Vor allem s t e h t e r v o r G o t t. Jehova, der Gott Israels, vor dessen Angesicht ich stehe", sagt er (V. 1; Kap. 18, 15). Er steht mit Gott in Verbindung und hält sich in Seiner Gemeinschaft auf. So stand auch Abraham einst vor Jehova (i. Mose 18, 22), ebenso Elisa (2. Kön. 3, 14) und viele andere Propheten und Männer Gottes. Wenn man vor Jehova steht, empfängt man d i e M i t t e i 1 u n g S e i n e r G e d a n k e n. "

Sollte ich vor Abraham verbergen, ,was ich tun will?" sagt Jehova. Ebenso ist es bei Elia: weil er vor Jehova steht, kennt er Seine Gedanken und kann sie kundmachen: "Es wird in diesen Jahren weder Tau noch Regen geben, es sei denn auf mein Wort". Wenn man vor Jehova steht hat man auch, wie Jeremia, Hunger nach Seinem Worte: man ißt es. Hernach kann man es anderen mitteilen ­"

Du sollst wie mein Mund sein" (Jer. 15, 16. 19). In Offbg. 10, 10 und 11 kann Johannes erst weissagen, nachdem er sich das Büchlein zu eigen gemacht hat, indem er es ißt. Hesekiel redet mit den Worten Gottes, nachdem er die Rolle gegessen hat (Hes. 3, 3 und 4). So ist es auch hier mit Elia; wenn er sagt: "es sei denn auf m e i n Wort", so tut er es, weil sein Wort das Wort Jehovas war, der es ihm geoffenbart hatte (V. 2. 8; Kap. 18, 1). 

Soll indes das Wort seine Kraft nach außen hin durch unsere Vermittlung offenbaren, so ist noch etwas anderes nötig, als daß wir uns von ihm nähren. Es muß A b h ä n g i g k e i t vorhanden sein. Elia kündigt den Gedanken Gottes an, teilt Sein Wort mit, aber er b e t e t (und darin zeigt sich seine Abhängigkeit), daß dieser Gedanke zur Wirklichkeit werden möge. Gerade diese Abhängigkeit durch das Gebet ist die Quelle der K r a f t des Propheten. Der Bereich dieser Kraft ist sehr erhaben: es ist d e r H i m m e 1. 

Der Himmel schließt und öffnet sich auf das Wort des Elia. Von dort läßt er das Feuer herabkommen, welches das Opfer in Gegenwart der Baalspriester verzehrt. In allen diesen Fällen finden wir den Propheten im Gebet. "Elia war ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir; und er betete ernstlich, daß es nicht regnen möge, und es regnete nicht auf der Erde drei Jahre und sechs Monate. Und wiederum betete er, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht hervor" (Jak. 5,17.18). 

Unser Kapitel sagt uns nicht, daß Elia in dem ersten Fall gebetet habe. Erst viel später, in dem Briefe des Jakobus, offenbart das Wort uns diese Tatsache; denn Gott erinnert Sich jener Gebete, Er zeichnet sie auf und kann, wenn es Ihm gefällt, davon reden. Keines der Gebete Seiner Geliebten fällt zur Erde. Wenn Feuer vom Himmel herabkommt, so geschieht es nicht nur auf das Wort, sondern auch auf das Gebet des Elia hin. Wenn die Macht des Propheten sich in der Auferweckung von Toten zeigt, so ist die Quelle dieser Macht wiederum das Gebet (Kap. 17, 20-22). 

Laßt uns hier auch gleich darauf hinweisen, daß die Abhängigkeit (die so häufig im Gebet zum Ausdruck kommt) mit fast nur e i n e r Ausnahme (Kap. 19, 3) das ganze Leben dieses Mannes Gottes kennzeichnet. Sie zeigt sich am Bache Krith, mag es sich darum handeln, dorthin oder wieder von da weg zu gehen; sie zeigt sich in Zarpath, in allen Umständen der armen Witwe; sie zeigt sich vor Ahab, vor Baal, auf dem Berge Karmel, in der Sache Naboths und während der ganzen Geschichte des Propheten bis zu dem Augenblick, da er auf den Wagen Israels in den Himmel aufgenommen wird. 

Die außergewöhnliche Kraft des Elia hatte also eine dreifache Ursache: er stand vor Gott, er empfing Sein Wort, und er lebte in der Abhängigkeit von Gott. Bei der einzigen Gelegenheit, wo sein Glaube schwach wurde, vernachlässigte er diese drei Dinge. Anstatt vor Gott zu stehen, floh er in die Wüste; er unterließ es, Jehova um Rat zu fragen, und er ging fort, wie sein Herz ihn trieb, und das war Unabhängigkeit. 

Kaum hatte Elia das ernste und öffentliche Zeugnis von Vers 1 abgelegt, so wurde er von Jehova beiseitegestellt bis zu dem Tage, da er wieder auftreten sollte um das Volk zu befreien, indem er die Helfershelfer des Feindes, die es in Knechtschaft hielten, richtete. Beiseitegestellt zu sein ist eine unendlich peinliche Lage für das Fleisch, welches sich so alles dessen beraubt sieht, wovon es sich nährt; aber es ist leicht für den Glauben; denn der Glaube findet sein Glück im Gehorsam. 

Der große Prophet mußte sich verbergen, der ener­gische Mann mußte gleichsam mit verschränkten Armen in der Einsamkeit den Augenblick Jehovas abwarten; er, der die Gewalt hatte, den Himmel zu verschließen, mußte ganz allein abhängig sein von dem Schöpfer, der über die Vögel des Himmels verfügte, um Seinen Diener zu ernähren, und das Wasser im Bache gerade so lange andauern ließ, wie Er Seinen Propheten am Krith behüten wollte. Eine peinliche Lage für das Fleisch, haben wir gesagt, aber eine glückliche Schule der Abhängigkeit! Elia genoß die Früchte davon. Als ganz Israel vor Hunger und Durst verging, konnte er sagen: "Mir mangelt nichts!" 

Der Apostel Paulus ging innerlich durch dieselben Erfahrungen. Er hatte in Damaskus gepredigt, daß Jesus der Sohn Gottes sei; dann war er in die Einsamkeit Arabiens geschickt worden, um wieder nach Damaskus zurückzukehren und dann nach Jerusalem hinaufzugehen. Wir wissen von seinen Erfahrungen während seines Alleinseins nicht mehr als von denen des Elia. Was wir wissen ist, daß der eine wie der andere mit der in der Gemeinschaft des Herrn gewonnenen Kraft aus der Einsamkeit zurückkehrte. 

Ähnlich war es mit Johannes dem Täufer. Schon im Mutterleibe legte er ein Zeugnis ab bezüglich der Gegenwart Dessen, der kommen sollte; dann wurde er in der Wüste bewahrt bis zu dem Tage seines Auftretens vor Israel. 

ja, war es nicht auch mit dem Herrn Selbst so? Nur bedurfte Er, der sagen konnte: "Ich b i n von Herzen demütig", keineswegs einer Bewahrung in der Demut. Aber das Wort schweigt über die Jahre Seines reiferen Alters, die Seinem öffentlichen Auftreten vorangingen. 

Er war da, Er lebte vor dem Angesicht Gottes, fand Seine Wonne in der Abhängigkeit von Ihm und wartete hinsichtlich Seines Auftretens auf den Willen Gottes; dann, als der Augenblick gekommen war, trat Er hervor in der Kraft des Heiligen Geistes, um Satan zu besiegen und die zu befreien, welche von Satan in Knechtschaft gehalten wurden. Noch ganz anders als Elia war der Herr Jesus ein Mann des Gebets. Das Gebet ging bei Ihm stets der Offenbarung der Kraft voraus. 

Wir sehen das bei der Taufe durch Johannes (Luk. 3, 21. 22; vergl. Kap. 4, 1. 14), auf dem Berge (Luk. 6, 12; vergl. v. 19), bei der Verklärung (Luk. 9, 28; vergl. V. 29), und bei vielen anderen Anlässen auf Seinem Wege.

Doch laßt uns noch einen Augenblick zu den Wegen Gottes mit Seinem Propheten zurückkehren. Sie finden in einer bestimmten Reihenfolge statt, die ihn allmählich auf den Höhepunkt seiner Sendung führt. Gott spricht zu ihm; er glaubt und gehorcht dem göttlichen Worte; dann zeigt er durch die Tat völlige Abhängigkeit am Bache Krith und in Zarpath. 

Je mehr er von Jehova abhängig ist, desto mehr lernt er die Treue Gottes und die Reichtümer Seiner Liebe und Gnade kennen. Das Ganze wird, wie wir im Anfang gesehen haben, von einer gänzlichen Absonderung vom Bös e n beherrscht. In all diesen Dingen liegt das Geheimnis der Kraft. Daß es an der gänzlichen Absonderung vom Bösen weithin fehlt, ist die Ursache des Mangels an wirklicher Kraft unter den Christen unserer Tage. 

An Behauptungen, Kraft zu besitzen, fehlt es ja nicht; aber wo ist die Verwirklichung? Man glaubt nicht mehr dem Worte Gottes, man lebt in Unabhängigkeit und Ungehorsam diesem Worte gegenüber, man ist in Gemeinschaft mit der Welt, die Christum gekreuzigt hat und doch ruft man laut, daß man das Geheimnis der Kraft gefunden habe! Es besteht tatsächlich in der Welt ein Geheimnis der Kraft,

 aber einer satanischen Kraft, die auf das Aufgeben all der oben genannten Dinge sich gründet. Hüten wir uns, daß wir uns nicht von dieser Kraft bestricken lassen! Die Kraft des Elia trug einen Charakter, der sie von jeder anderen unterschied: es war d i e K r a f t 

des Geistes G o t t e s, und jeder wahre Diener Jehovas war verpflichtet, sie anzuerkennen (Kap. 18, 12; 2. Kön. 2, 16).

1. Könige 17, 8-24 Elia und die Witwe

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 17, 8-24 Elia und die Witwe zu Zarpath

Als der Bach vertrocknet war, wurde Elia nach Zarpath ge­sandt, um dort von einer Witwe versorgt zu werden. Nach Luk. 4, 25 und 26 wurde er zu der Witwe gesandt, u m s i e z u v e r s o r g e n. Beides ist wahr, und unsere Erzählung ist der Beweis dafür. Gott hatte zwei Absichten Seinen Diener zu ernähren, und durch ihn der Witwe eine Gnadenbotschaft zu bringen. 

Der Herr stellt in Seiner Rede in der Synagoge diese Botschaft dem Evangelium gleich, welches außerhalb der Grenzen Israels den Nationen verkündigt wird. Der Evangelist findet seine eigene Ernährung, indem er anderen die gute Botschaft der Gnade bringt. Doch man findet in dieser Darstellung von Lukas noch eine dritte Sache. Wenn diese Botschaft den Nationen in der Person einer zidonischen Witwe gebracht wird, so sind die Witwen Israels beiseitegelassen. 

Das Gericht über den Zustand Israels öffnet den Heiden die Tür, um die Gnade zu empfangen, und zwar merkwürdigerweise gerade in dem Gebiet, aus welchem Isebel, die große Verderberin des Volkes Gottes, hervorgegangen war! (Kap. 16, 31). 

In Matth. 15, 21 zieht Sich der Herr auf dasselbe Gebiet zurück; doch obwohl Er noch zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt war, konnte Er dem Glauben nicht verborgen bleiben, und dieser fand bei Ihm viel mehr als die Brosamen, die von dem Tische der Kinder fallen. 

Elia wird also in Gnade zu einer Witwe in Zarpath gesandt, die dem Hungertode nahe ist, indem sie sich, ebenso wie Israel, unter der Schwere und den Folgen des von Gott ausgesproche­nen Gerichts befindet. Dieses Weib wußte, daß sie im Begriff war zu sterben. Das Wort des Elia brachte den Glauben, der noch in ihrem Herzen schlummerte, in Tätigkeit: "

Sie ging hin und tat nach dem Worte Elias". Anstatt an einer für die menschliche Vernunft unbegreiflichen Sache zu zweifeln, nahm sie das Unmögliche an und fand darin die Rettung für sich und ihren Sohn. Auch der König von Israel fühlte den bevorstehenden Tod auf sich und auf seinem Volke lasten; aber anstatt die Gewißheit seines Loses anzunehmen, s u c h t e

er Mittel, ihm zu entrinnen. Das ist das Entgegengesetzte von Glauben; das ist Unglaube. Ahab meinte, menschliche Hilfsmittel gegen ,den Hunger und den Tod zu besitzen oder doch finden zu können; dieses Weib hatte keine; wir wollen essen und dann sterben", sagte sie. 

Der Glaube dieser Witwe ist von derselben Natur und Beschaffenheit wie der des Propheten; sie geht infolgedessen denselben Weg wie er. So ist es immer. "Elia ging hin und tat nach dem Worte Jehovas" (V. 5). "Das Weib ging hin und tat nach dem Worte Elias" (V. 15). Aber das Wort Elias war das Wort Jehovas, welches Er zu Elia geredet hatte. Es ist dasselbe Wort, ob es unmittelbar an den Propheten gelangt, oder durch ihn zu den Menschen kommt. So ist es auch heute mit de Evangelium. 

Nachdem die arme Witwe auf diese Weise die göttlichen Hilfsquellen für eine Seele, die nahe daran war zu sterben, kennengelernt hatte, wurde sie berufen, noch tiefere und gesegnetere Erfahrungen zu machen. Ihr Sohn stirbt; sie hat es jetzt mit der Wirklichkeit des Todes zu tun. Sie erkennt zugleich (und das ist recht), daß der Tod der Sold der Sünde ist. "

Du bist zu mir gekommen, um meine Ungerechtigkeit ins Gedächtnis zu bringen und meinen Sohn zu töten!" Es genügt nicht zu wissen, daß der Tod unser wartet und uns ereilen wird; wir müssen auch die tatsächliche Macht des Todes über uns Sünder als eine Wirklichkeit erkennen.

 Die Witwe hatte diese Erfahrung nötig, um die ganze Ausdehnung und Macht der Gnade kennenzulernen. Wie hätte sie, wenn ihr Sohn nicht gestorben wäre, die Kraft der Auferstehung, die vom Tode errettet, kennenlernen können? So war es auch mit Martha am Grabe des Lazarus. 

Dieser ganze Vorgang redet zu uns von Christo. Elia ist ein Vorbild von Ihm. Er tritt mitfühlend in alle Folgen der Sünde des Menschen ein. Wie Christus am Grabe des Lazarus weinte, so "rief Elia zu Jehova und sprach: Jehova, mein Gott, hast du gar an der Witwe, bei der ich mich aufhalte, übel getan, ihren Sohn zu töten?" 

Dann weckte er den Toten wieder auf, indem er sozusagen des s en Platz einnahm. "Und erstreckte sich dreimal über das Kind, und rief zu Jehova und sprach: Jehova, mein Gott, laß doch die Seele dieses Kindes wieder in dasselbe zurückkehren!" 

Das Mehl und das Öl waren ein großer Segen für die arme Witwe. Sie wurde durch dieselben a m L e b e n e r h a 1 t e n. Die Seele, welche noch nicht alle Reichtümer Christi kennt, kann das Wort besitzen und darin ihren Lebensunterhalt finden. 

Anfänglich glich die Witwe ein wenig dem Manne, der unter die Räuber gefallen war und nun halbtot liegen blieb, bis der Samariter ihm half, indem er Öl und Wein auf seine Wunden goß. Das Öl und der Wein entsprachen seinen B e d ü r f n i s s e n, wie das Öl und das Mehl den Bedürfnissen der Witwe zu Zarpath entsprachen.

A b e r die Auferstehung entspricht dem Tode. "Als wir tot waren in unseren Vergehungen und Sünden, hat Er uns mit dem Christus lebendig gemacht und hat uns mitauferweckt". Elia streckt sich dreimal über das Kind. Ist es ein Hinweis darauf, daß Christus drei Tage im Tode zugebracht hat? Elia macht es ebensowenig wie Christus von sich selbst abhängig, wenn er einen Toten

 auferweckt. "Vater", sagt der Herr am Grabe des Lazarus, "ich danke dir, daß du mich erhört hast", und betreffs Seiner eigenen Auferweckung: "Meine Seele wirst du dem Scheol nicht lassen, d u wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die Verwesung sehe". Geradeso drückt Elia, wie wir schon weiter oben bemerkt haben, hier seine Abhängigkeit durch das Gebet aus. 

Elia gibt das Kind seiner Mutter zurück. "Und das Weib sprach zu Elia: N u n m e h r erkenne ich, daß du ein Mann Gottes bist, und daß das Wort Jehovas in deinem Munde Wahrheit ist". Sie hat durch die Auferweckung ihres Sohnes zwei Dinge gelernt: erstens, daß Gott gekommen ist, um sich hienieden in einem Menschen zu offenbaren: "Du bist ein Mann Gottes". 

So ist auch Christus  nicht nur als ein Mann ,Gottes, nein, weit mehr als das, "als S o h n Gottes in Kraft erwiesen worden durch Toten-Auferstehung". Vorher hatte Gott Sich der Witwe geoffenbart als Der, der für ihre Bedürfnisse Sorge trug; jetzt als Der, der ein neues Leben gibt, ein Auferstehungsleben, und zwar da, wo der Tod durch "die Ungerechtigkeit" des Menschen

 eingetreten war. Zum zweiten lernt die Witwe, daß sie durch die Auferweckung die Gewißheit erlangt, daß das Wort Jehovas im Munde Elias W a h r h e i t ist. Die Wahrheit des Wortes der Gnade ist durch die Auf­erstehung bewiesen. Christus ist nicht nur unserer Übertre­tungen wegen gestorben, Er ist auch unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden. 

Das 17. Kapitel hat uns also über eine Zeit Bericht gegeben, in welcher Elia vor den Augen seines Volkes und der Welt verborgen war; zugleich haben wir gesehen, daß während dieser Zeit ein Dienst der Gnade ausgeübt wurde. In dem folgenden Kapitel wird Elia sich den Augen aller zeigen, und zwar in dem Augenblick, da das Gericht vollzogen werden soll. Ist es nötig darauf hinzuweisen, wie sehr der Prophet hierin ein bemerkenswertes Vorbild von Christo ist? 

Wir leben in der Zeit, in welcher der Herr verborgen, zugleich aber die Gnade erschienen ist, heilbringend für alle Menschen, und wo die Kraft der Auferstehung den Völkern verkündigt wird. Tage kommen, wo der verworfene Herr von neuem erscheinen, wo jedes Auge Ihn sehen wird, auch die Ihn durchstochen haben, und wo Seinetwegen wehklagen werden alle Stämme des Landes. Ja, Amen! (Offbg. 1, 7).

1. Könige 18, Elia und Obadja

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 18, 1-16 Elia und Obadja

Zum dritten Mal geschieht das Wort Jehovas zu Elia, und Elia gehorcht zum dritten Mal. Die Laufbahn dieses Mannes Gottes ist gekennzeichnet durch Gehorsam. Möchte er auch uns kennzeichnen! Nur ein einziges Mal, wie schon gesagt, folgt er den Überlegungen seines Herzens (Kap. 19, 3), und siehe da, der Faden seiner Laufbahn wird abgebrochen. 

Wohl erhebt er sich wieder und begibt sich nach dem Worte des Engels auf den Weg (Kap. 19, 8); aber es geschieht nur, damit er in die Gegenwart Gottes komme, um da zu lernen, sich zu richten. Wir werden später sehen, daß Gott trotzdem Seinen Diener nicht gänzlich beiseitegesetzt hat; denn die Erfahrung, die er von sich selbst machte, trug Früchte. In Kap. 21 finden wir ihn vor Ahab wieder, und in 2. Kön. :t tritt er den Boten Ahasjas kühn entgegen, um das Gericht über den König von Israel anzukündigen. 

"Gehe hin, zeige dich Ahab" (V. 1). Einst hieß es: "Verbirg dich am Bache Krith". Elia gehorcht, ohne zu überlegen. Sein Gehorsam geht aus einem einfältigen Vertrauen auf Gott, auf Seine Autorität, Macht und Güte hervor. Jeder Ungehorsam bei den Christen entspringt einem Mangel an Wertschätzung dessen, was Gott ist. 

,Ich will Regen geben auf den Erdboden". Das hindert Elia nicht, zu bitten, daß es regnen möge (V. 42). Er ist in vollkommener Gemeinschaft mit Jehova, indem er die Offenbarung Seiner Gedanken und Absichten empfangen hat; doch um Ihm zum Werkzeug bei der Ausführung Seiner Gnadenwege dienen zu können, muß er von Ihm abhängig sein. Gott hätte den Regen ohne Elia oder durch einen anderen als den Propheten geben können; aber Er wird niemals Sein Siegel auf Ungehorsam oder Unabhängigkeit drücken. Und gerade das ist es, was das Werk der Kinder Gottes so oft unfruchtbar macht. . 

Während Elia am Bache Krith und in Zarpath sich des göttlichen Überflusses in einer Zeit des Mangels erfreute, bot Ahab alle seine Kräfte auf, um durch die Pläne menschlicher Weisheit eine Aufhebung des Gerichts Gottes herbeizuführen. Er verbindet sich mit Obadja, dem Verwalter seines Palastes, also einem der höchsten Beamten an seinem Hofe. "Obadja fürchtete Jehova sehr". Man könnte meinen, das sei genügend für einen treuen Wandel, denn "die Furcht Jehovas ist der Weisheit Anfang" (Spr. 9, 10). Aber es wird uns auch gesagt: "Fürchte Jehova und w e i c h e v o m B ö s e n " (Spr. 3, 7). 

Und ferner: "Die Furcht Jehovas ist: d a s Böse h a s s e n " (Spr. 8, 13). Man kann Jehova. sehr fürchten und doch Ihn dadurch verunehren, daß man mit der Welt, die von Ihm nichts wissen will, in Verbindung bleibt. Solcher unfreien Stellung begegnet man bei jedem Schritt in der bekennenden Christenheit. Und doch hatte die Frömmigkeit Obadjas ihn dahin gebracht, denen beizustehen, die um des Namens Jehovas willen verfolgt wurden. "

Es geschah, als Isebel die Propheten Jehovas ausrottete, da nahm Obadja hundert Propheten und versteckte sie, je fünfzig Mann in eine Höhle, und versorgte sie mit Brot und Wasser". In einem Sinne war sein Werk nicht unbedeutend gewesen. Hundert Propheten, auf deren Kopf ein Preis gesetzt war, verstecken und ernähren war nichts Geringes, besonders von seiten eines Mannes, der sich am Hofe Ahabs aufhielt. 

Aber  denn es gibt hier ein "aber"  Obadja war von Ahab abhängig, und das war das Übel. Wenn er Ahab zum Herrn hatte, wie konnte er sich dann über die Befehle seines Herrn hinwegsetzen und durch seinen Wandel das Gegenteil von dem bezeugen, was sein Glaube ihn lehrte? 

Mehr noch: das Bündnis mit der Welt führt notwendigerweise dahin, daß man nach und nach das richtige Urteilsvermögen bezüglich dessen, was sie ist, verliert. Die Welt will nichts von dem Gericht Gottes wissen. Ohne Zweifel leidet sie darunter, wie Ahab und sein Volk, aber sie nimmt nicht ihre Zuflucht zu Gott, um von dem Gericht befreit zu werden. Alle ihre Handlungen sagen: Ich hoffe, mich ohne dich freimachen zu können. 

Wenn selbst ein Gläubiger "Jehova sehr fürchtet", dabei aber mit der Welt in Verbindung oder von ihr abhängig bleibt, so wird er notwendigerweise auch nach ihren Grundsätzen handeln, nach dem was das Wort "die Elemente der Welt" nennt. 

Ein solcher Gläubiger wird zunächst nicht wissen, daß der Urteilsspruch Gottes über den Menschen unbedingt und endgültig ist, und daß der Zorn Gottes schon über ihn vom Himmel geoffenbart wird. Zweitens wird er versuchen, die Lage des unter dieses Urteil gestellten Menschen zu v e r b e s s e r n. 

All die Gesellschaften, all die Vereine in der Christenheit heutzutage  und ihre Zahl ist so groß, daß wir den Versuch einer Aufzählung wohl unterlassen können  haben keinen anderen Charakter. Die teuren Kinder Gottes, die wie Obadja Aas Land mit Ahab teilen", um da Wasser und Futter zu suchen, offenbaren in ihrem Wandel die Grundsätze des gottlosen Königs und laden selbstverständlich die Verantwortung dafür auf sich. 

Elia kommt Obadja entgegen. Der gottesfürchtige Mann erkennt den Diener Jehovas und fällt vor ihm auf sein Angesicht. Andere wären vielleicht, um der unangenehmen und sie bloßstellenden Begegnung auszuweichen, an der anderen Seite des Weges vorübergegangen.  "Gehe hin, sage deinem Herrn: Siehe, Elia ist da!" so lautet das Wort des Propheten an ihn. Elia war, wie wir gesehen haben, an dieses Wort "Gehe hin“ 

Ohne Zweifel erweist er seine Frömmigkeit darin, daß er im geheimen für die Bedürfnisse der Heiligen sorgt, und das ist eine von Gott anerkannte Hingebung; aber der Bote des Elia an die Welt sein  das übersteigt seinen Mut. Und doch hatte Gott zu ihm gesagt: "Gehe hin!" Man möchte gern die Verantwortlichkeit, die das Wort Gottes uns auferlegt, auf jeden anderen abwälzen; denn was ist zu tun? Wenn man zu Ahab geht und ihm sagt: "Siehe, Elia ist da!" heißt das nicht öffentlich die Abtrünnigkeit des Königs tadeln? Und wie kann man so sprechen, wenn man es vorher niemals getan hat?

Doch mehr noch! In diesem Dienstbarkeitsverhältnis zur Welt fühlt man das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen, indem man von sich selbst Zeugnis ablegt: "Ist meinem Herrn nicht berichtet worden was ich getan habe, als Isebel die Propheten Jehovas tötete? 

daß ich von den Propheten Jehovas hundert Mann versteckte, je fünfzig Mann in eine Höhle, und sie mit Brot und Wasser versorgte?" Wie viele Christen legen selbst Zeugnis ab von ihrer Arbeit, ihrer Tätigkeit, ihren Erfolgen usw., und führen auf diese Weise sich selbst und andere irre bezüglich ihres inneren Zustandes! Obadja fügte noch hinzu: "

Dein Knecht fürchtet Jehova von meiner Jugend an". Das war so; aber es war nicht Obadjas Sache, das festzustellen. Gott hatte ihn sogar in der falschen Stellung, in der er sich befand, benutzt; und Obadja konnte sicher sein, daß Jehova nicht ein Glas Wasser vergißt, welches "einem dieser Geringen" gegeben wird. Doch wie viel wohlgefälliger wäre es Gott gewesen, wenn Er Obadja voll Vertrauen und Gehorsam auf Seinen Befehl hätte hingehen sehen, um die ihm anvertraute Botschaft dem König zu überbringen! 

Wir haben den Charakter Obadjas etwas ausführlicher behandelt wegen seiner Anwendbarkeit auf die gegenwärtige Zeit. Gott wolle uns allen schenken, das zu beachten, was dieses Beispiel uns lehrt! Elia flößt dem armen, furchtsamen und zitternden Herzen wieder Mut ein (V. 15 und 16). So wahr Jehova lebt, vor Dessen Angesicht er steht, noch an demselben Tage wird er sich Ahab zeigen! Er hat nichts zu fürchten. Gott ist mit Seinem Knechte, und was ist die Macht des Königs gegenüber der Macht Gottes?

1. Könige 18, Elia vor den Priestern

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 18, 17-46 Elia vor den Priestern des Baal

Ahab geht Elia entgegen; er klagt den Knecht Gottes an, daß er der sei, "der Israel in Trübsal bringe". So betrachtet die Welt das Tun der Zeugen des Herrn. Das unvermeidliche Gericht ankündigen, erklären, daß es keine Zuflucht davor gebe als in Gott Selbst, feststehen für Jehova angesichts des Bösen, das heißt allerdings die Welt aufrütteln, die sich in eine falsche Sicherheit einwiegt und in ihrem Schlafe nicht gestört sein will. "Wer Israel in Trübsal bringt, das bist du und das Haus deines Vaters", erwidert der Prophet. "

Die Gebote Jehovas verlassen", das ist die wahre Ursache der Trübsal, denn "es gibt keinen Frieden für die Gesetzlosen.

"Sende hin", sagt Elia zu Ahab, "versammle ganz Israel zu mir nach dem Berge Karmel, und die vierhundertundfünfzig Propheten des Baal und die vierhundert Propheten der Aschera, die am Tische Isebels essen. Da sandte Ahab unter allen Kindern Israels umher und versammelte die Propheten nach dem Berge Karmel (V. 19 und 2o). Gott will es so; ob Ahab will oder nicht, die Sache muß geschehen. Indes kam der Gedanke, daß seine Religion mit ihren achthundertundfünfzig Propheten nichts sei gegenüber einem einzigen Propheten Jehovas, sicherlich nicht in diesem gottlosen Könige auf. 

"Da trat Elia zu dem ganzen Volke hin und sprach: Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Wenn Jehova Gott ist, so wandelt ihm nach; wenn aber der Baal, so wandelt ihm nach! und das Volk antwortete ihm kein Wort. Israel wandelte unter dem Druck einer götzendienerischen Religion dem Baal nach, ohne Jehova ausdrücklich zu verleugnen. Es hinkte auf beiden Seiten. 

Das ist ein Charakterzug der Religion der Welt. Ohne Zweifel wird die Zahl derer, die dem offenbaren Unglauben huldigen, von Tag zu Tag größer, aber andere lassen weder den Glauben noch die Gottlosigkeit fahren; sie finden für beide gute Gründe, indem sie das Böse beschönigen und gegen das Gute Einwendungen erheben. Das sind die Gleichgültigen, die sich der Wahl zwischen den beiden Parteien enthalten und die, wenn ein Elia zu ihnen redet, kein Wort erwidern. 

Der Prophet beginnt damit, allein für Jehova Stellung zu nehmen angesichts der vierhundertundfünfzig Propheten des Baal. Er schlägt dem Volke ein Zeichen vor, welches Jehova allein hervorbringen konnte und das einen tiefen Sinn hatte: "Der Gott, der mit Feuer antworten wird, der sei Gott". Es handelt sich hier nicht um das Feuer vom Himmel, welches im Gericht über die Menschen kommt, wie das später auf den Ruf des Propheten geschieht (2. Kön. 1, 10), sondern um ein Feuer, welches auf das Brandopfer herabfällt. 

Baal antwortet nicht. Mit beißendem Spott behandelt der Prophet diesen leblosen Gegenstand, durch welchen Satan seinen schrecklichen Einfluß auf das Herz der Menschen ausübte. Das Blut der falschen Propheten fließt, doch weder ihr Blut noch das Blut irgendeines Menschen konnte die Sünde Israels austilgen oder diesem armen Volke den Himmel öffnen! 

Zwei Religionen standen in diesem feierlichen Augenblick einander gegenüber: die des Elia und die des Baal; die dritte, diejenige Israels, hatte teil an beiden. Dem Augenschein nach hatten die beiden Religionen dasselbe Opfer. Wie sollte man sie unterscheiden? Der eine der beiden Farren wird durch das Feuer vom Himmel verzehrt werden, der andere nicht. Daran war der wahre Gott zu erkennen; und daran konnte, auch das Volk sich kennenlernen, um zur Buße umzukehren. 

Elia sagt: "Tretet her zu mir". Er war damals, wie Christus es in Vollkommenheit war, der Vertreter Gottes auf der Erde. Wenn Israel f e r n blieb, konnte es nicht der Zeuge dessen sein, was Gott tun wollte. Elia stellt den niedergerissenen Altar wieder her. Die zwölf Steine stellen die zwölf Stämme, das ganze Volk, vor Gott dar. Der Prophet legt in einer Zeit des Verfalls Zeugnis ab von der Einheit des Volkes, wie die heute lebenden Zeugen es tun im Blick auf die Einheit des Leibes Christi. 

Elia handelt, nicht wie ein sektiererischer Mensch es tun würde, sondern geleitet durch den Glauben an die tiefe Wirklichkeit dieser Einheit, welche Gott im Anfang errichtet hatte. Äußerlich war der Altar niedergerissen, das heißt, Israel als ein Ganzes bestand nicht mehr. Aber ein einziger Mann genügte, um mit seinem Altar aus zwölf Steinen zu bezeugen, daß das, was Jehova im Anfang errichtet hatte, für immer bleiben würde. Geradeso ist es heute. 

Laßt uns nicht müde werden, von der Tatsache Zeugnis abzulegen, daß es für uns e i n e n Leib und e i n e n Geist gibt, wie es für Elia einen Altar von zwölf Steinen gab. Die, welche diese Wahrheit verkünden, sind stets gering an Zahl; vielleicht bleiben sie allein wie Elia; aber was macht die Zahl aus, wenn dieses Zeugnis Gottes uns anvertraut ist wie einst dem Elia inmitten des allgemeinen Abfalls? 

Das Brandopfer war das Opfer, welches Gott für das Volk dargebracht wurde. Das Feuer vom Himmel, das göttliche Gericht, fällt herab und verzehrt alles: das Opfer, das Holz und den Altar selbst; es läßt nichts übrig. Jehova zeigte auf diese Weise, daß nur ein Opfer den wahren Gott zu erkennen geben konnte, das Opfer nämlich, auf welches Sein Gericht gefallen war. 

Jeder Israelit, der diesem Schauspiel beiwohnte, konnte zugleich lernen, was er verdiente, und daß das durch die zwölf Steine des Altars dargestellte Volk vor dem Gericht Gottes nicht bestehen konnte. Doch, o Wunder der Gnade! wenn auch das Volk bei seinem eigenen Gericht zugegen war und sich mit dem Brandopfer verzehrt sah, wurde es selbst doch nicht davon getroffen. 

Das Opfer wird verzehrt, das Volk wird mit dem Opfer verzehrt; doch das "Gericht ohne Barmherzigkeit über das, was das Volk vor Gott darstellte, setzt es in Freiheit, damit es sich seiner Errettung freue. So können auch wir sagen: "Unser alter Mensch ist mitgekreuzigt worden, auf daß der Leib der Sünde abgetan sei, daß wir der Sünde nicht mehr dienen" (Röm. 6, 6). 

Die Dürre und die Hungersnot waren ein warnendes Gericht über das irregeleitete Israel gewesen, indem Gott Sich teilweise durch Seine Wege zu erkennen gab; doch das Volk erkannte Gott in der Vollständigkeit Seines Wesens erst dann, als das Feuer vom Himmel das Brandopfer und den Altar verzehrte 

Elia begehrte zweierlei: daß Gott verherrlicht werde, und daß das Volk Ihn kennenlerne. "Jehova, Gott Abrahams, Isaaks und Israels! heute werde kund, daß du Gott in Israel bist, und ich dein Knecht, und daß ich nach deinem Worte alles dieses getan habe. Antworte mir, Jehova, antworte mir, damit dieses Volk wisse, daß du, Jehova, Gott bist, und daß d u ihr Herz zurückgewendet hast". 

Dieser doppelte Erfolg zeigt sich: das durch Gottes Macht befreite Volk erkennt Jehova wieder an, wendet sein Herz zu Ihm und huldigt Ihm f "Als das ganze Volk es sah, da fielen sie auf ihr Angesicht und sprachen: Jehova, er ist Gott! Jehova, er ist Gott!" 

"Und Elia sprach zu Ahab: Gehe hinauf, iß und trink, denn es ist ein Rauschen eines gewaltigen Regens". Das Rauschen des Regens ist da, aber nur das Ohr des Elia (oder vielmehr sein Glaube) bemerkt es. "Ahab ging hinauf, um zu essen und zu trinken". Er ist Gott gegenüber machtlos, ein Werkzeug, das Jehova nach Seinem Gefallen gebraucht. 

So gottlos er ist, wird er doch g e z w u n g e n zu gehorchen. Er, der gesagt hatte: "Du bringst Israel in Trübsal", vermag nichts gegen die schreckliche Demütigung, die ihm auferlegt wird, indem er sehen muß, daß alle Priester seines falschen Gottes vor ihm geschlachtet werden. Doch welche Wichtigkeit hatte überhaupt dieser gottlose König? Es handelte sich nicht um sein Heil, das ihm übrigens auch durchaus keine Sorge machte, sondern um das Heil des gesamten Volkes Gottes. 

Elia steigt auf den Gipfel des Karmel. Sein Glaube geht siegreich aus der Prüfung hervor; sein Ausharren hat ein vollkommenes Werk. Der Segensregen kommt, nachdem das Gericht Gottes auf das Brandopfer gefallen ist und erst nachdem Israel angesichts dieser Tatsache Jehova anerkannt und sein Herz zu Ihm gewendet hat. Man sucht in unseren Tagen auch den gewaltigen Regen, aber ohne daß das Gewissen erreicht wäre. Dieses Begehren kann nicht mit Erfolg gekrönt werden. Der Regen wurde Israel erst als Folge des Werkes Gottes f ü r sie und Seines Werkes i n ihnen gegeben. 

"Die Hand Jehovas kam über Elia; und er gürtete seine Lenden und lief vor Ahab her bis nach Jisreel hin".

Laßt uns nochmals kurz den schönen Charakter dieses Mannes Gottes betrachten. Wir werden es um so lieber tun, als wir hernach eine Szene erblicken werden, die nicht mehr von der Kraft des Heiligen Geistes in unserem Propheten zeugt. 

Bei einer völligen Absonderung von dem ihn umringenden Bösen ist Elia gar nicht mit sich selbst beschäftigt, er hat keinen Wunsch nach persönlicher Anerkennung. Er steht vor Jehova, hört auf Sein Wort, gehorcht Ihm, lebt in allen Umständen in Abhängigkeit von Ihm. Er ist von Gott abhängig bezüglich seines Unterhaltes, sodann, um die Gnade zu den Heiden zu bringen, dem Feinde

 standzuhalten, Zeugnis abzulegen, die Macht Gottes im Zurückhalten und Geben des Regens auszuüben, aber vor allem, um das Feuer vom Himmel auf das Brandopfer herabfallen zu lassen und die Welt zu richten. Er rechnet auf Jehova, wandelt mit Ihm und wird, wie Henoch, in die Herrlichkeit entrückt. 

Das Wort Jehovas, der Engel Jehovas, Jehova Selbst reden zu Elia; er redet mit Gott, und Gott hört auf ihn; er ist ein F r e u n d G o t t e s (Kap. 17, 22; 18, 38. 44). Elia ist ein Brief Christi. Doch während der Herr niemals fehlte, hat dieser Mann Gottes gefehlt. Das werden wir im nächsten Abschnitt betrachten.

1. Könige 19, Elia vor Isebel

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 19, 1-9 Elia vor Isebel und vor sich selbst

Bei Beginn dieses Kapitels sei darauf hingewiesen, daß die Männer Gottes oder ihre Handlungen uns wohl zu Vorbildern dienen, daß damit aber nicht gesagt sein soll, diese Männer hätten auch die verborgene Bedeutung ihres Lebens oder ihrer Handlungen verstanden. Ohne über den Rahmen der Geschichte des Elia hinauszugehen, haben wir schon darauf aufmerksam gemacht, daß der Herr im

 Evangelium des Lukas seiner Sendung zu der Witwe in Zarpath eine andere Tragweite beilegt, als es die Mitteilung in unserem Buche tut. Das auf das Brandopfer vom Himmel herabfallende Feuer ist ein weiterer Beweis hierfür. Elia konnte in dieser Tatsache weder das Kreuz noch das Gekreuzigtsein mit Christo erkennen  Zusammenhänge, die für uns im Lichte des Evangeliums so klar geworden sind.

 Tatsächlich war Elia als Mann Gottes vor allem ein Prophet des Gerichts, und was seine persönlichen Erfahrungen betrifft, so dringt nur in dem vorliegenden Kapitel sein Blick unter der göttlichen Belehrung über den Schauplatz des Gerichtes hinaus zu jenem erhabenen und lichten Bereich, in welchem Gott Seine Wonne findet, Sich erkennen läßt und Sich in der Fülle Seines Charakters offenbart. Dieser Hinweis wird uns zum Verständnis der Szene behilflich sein, die sich jetzt vor uns zu entfalten beginnt. 

Nachdem Ahab der Isebel die gänzliche Vernichtung der Propheten des Baal berichtet hat, schwört diese bei ihren falschen Göttern, daß sie sich binnen vierundzwanzig Stunden an Elia rächen werde, und läßt ihm dies sagen. "Und als er das sah, machte er sich auf und ging fort um seines Lebens willen". Er flieht vor einem Weibe, er, der Ahab entgegengetreten war und den vierhundertundfünfzig Propheten des Baal gegenüber standgehalten hatte! Dieses, seinem bisherigen Verhalten so entgegengesetzte Benehmen hatte seinen Ursprung darin, daß Elia in diesem Augenblick die Quelle seiner Kraft vergessen hatte. 

Er konnte nicht mehr sagen: "Jehova, vor dem ich stehe". Er befand sich v o r Isebel, und nicht vor Jehova. Und das ist so wahr, daß er gezwungen war, vierzig Tage und vierzig Nächte zu gehen, um seinen Stand­punkt vor G o t t wiederzufinden. Von dem Augenblick an, da der Gläubige erlaubt, daß sich etwas zwischen seine Seele und Gott stellt, nimmt die Entfernung alsbald unberechenbare Verhältnisse an. Die notwendige Folge dieser Entfernung ist, daß der Prophet seine ganze Kraft verliert; denn diese findet man nur vor Gott: "du verbargst dein Angesicht ich ward bestürzt" (Ps. 30, 7). 

Elia, dieses hervorragende Werkzeug der Macht Jehovas, hatte nicht in demselben Maße verwirklicht, daß es in ihm selbst weder Gutes, noch Licht noch Kraft gab. Er muß diese Erfahrung machen, und Gott führt ihn dahin, indem Er ihn mit seinen eigenen Hilfsquellen vor der Macht des Gegners allein läßt. Und siehe da, derselbe Mann, der Ahab sagen ließ: "Siehe, Elia ist da", flieht um seines Lebens willen vor der bloßen Drohung eines Weibes. Von Jisreel begibt er sich auf das Gebiet Judas, wo die Königin ihn nicht mehr erreichen konnte, und verfolgt den Weg bis Beerseba, der äußersten Grenze Judas nach der Wüste hin.

 Dort läßt er seinen Diener; und mit dieser Flucht noch nicht zufrieden, geht er eine Tagesreise weit in die Wüste selbst hinein. Hier "setzte er sich unter einen Ginsterstrauch; und er bat, daß seine Seele stürbe, und sprach: Es ist genug; nimm nun, Jehova, meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter" (V. 4). Das ist tiefste Entmutigung, die bis zu dem Wunsch geht, daß das Leben ein linde nehmen möge. Aber warum denn? " Ich bin nicht besser als meine Väter.

Der Prophet hatte also, und mochte es auch nur für einen Augenblick gewesen sein, gedacht, daß er besser sei als seine Väter, und daß Gott ihn wegen dieser Vorzüglichkeit in dem Kampf unterstützte! Armer Prophet! Ohne Kraft vor Isebel, völlig entmutigt vor sich selbst, und doch hatte er geglaubt, auf dieses Fundament von Sand etwas aufbauen zu können! 

Um diesen Mann Gottes gänzlich von seinem Ich zu befreien, läßt Jehova ihn eine weite Reise machen, an deren Ende er dem Gott des Gesetzes am Horeb begegnet. 

Wieviel Belehrung enthält diese Geschichte für uns! Wir können im Dienst Gottes benutzt worden sein und doch Ihn nur sehr unvollkommen kennen. Dann geht eine Zeit besonderer Segnungen oft einer Zeit großer geistlicher Schwachheit voran, weil Satan, der immer auf der Lauer steht, uns in den Segnungen selbst eine Gelegenheit finden läßt, uns etwas einzubilden und unser Fleisch zu erheben. 

Das ist zum Teil die Ursache der Züchtigung des Elia; ähnlich war es bei Paulus, obwohl hier nur vorbeugend, nachdem er in den dritten Himmel erhoben worden war. Beachten wir auch, daß Satan uns stets von der Seite angreift, die wir am wenigsten hüten, weil sie uns die am wenigsten verwundbare zu sein scheint. War es wahrscheinlich, daß man vor einer bloßen Drohung einen Mann würde fliehen sehen, dessen Mut einem ganzen Volke standgehalten hatte?,

Er ging in die Wüste". Welch ein Segen, wenn der Herr uns in die Wüste führt, um uns hier die Erfahrung machen zu lassen, welch unendliche Hilfsquellen in Ihm sind! Welch eine demütigende, aber auch heilsame Sache, wenn unser eigener Wille uns dahin bringt und wir dort erfahren, was in unserem Herzen ist! Das war bei Elia der Fall. "

Er legte sich nieder und schlief ein unter dem Ginsterstrauch". Er gab sozusagen seine Mission in dem Augenblick auf, wo auffallende Taten die Wirklichkeit derselben bewiesen haben würden; doch er mußte lernen, daß sein inneres Leben nicht in gleicher Weise durch den Glauben gestützt war, wie vorher sein Zeugnis nach außen hin. 

"Und siehe da, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Stehe auf, iß!" Im 17. Kapitel war Elia es, der anderen Nahrung austeilte, nachdem er selbst gespeist worden war; an der Stätte, wohin sein Mangel an Glauben ihn gebracht hatte, ist er ohne jede Nahrung. Doch Gott verläßt ihn nicht und denkt an ihn. Die einzige Kraft, die er erhalten kann, bekommt er durch die Speise, die Gott für ihn bereitet hat; er findet zu seinen Häupten einen Kuchen, auf heißen Steinen gebacken, und einen Krug Wasser. 

Er ißt, versteht aber nicht, was Gott von ihm will, und schläft wieder ein. Zum zweiten Male findet er wiederum Speise, und der Engel sagt zu ihm: "Stehe auf, iß 1 denn der Weg ist zu weit für dich". Gott speiste ihn, u m i h n zum Gehen fähig zu machen. Eine wichtige Lehre für uns! Jehova hatte ihn am Krith und in Zarpath ernährt, damit er ein kräftiges Z e u g n i s für Ihn ablegen könne; wenn aber die göttliche Speise uns nicht Kräfte f ü r uns selbst mitteilt, wird dann der Zweck Gottes erreicht werden?

Diese Speise, die Elia zu seinen Häupten fand, hat eine wunderbare Kraft. Ist es mit dem Worte Gottes nicht ebenso? Es führt uns bis an "den Berg Gottes". Das war auch das Urteil des Apostels darüber, als er zu den Ältesten von Ephesus sagte: .Ich befehle euch Gott und dem Worte seiner Gnade, welches vermag ... euch ein Erbe zu geben unter allen Geheiligten" (Apgsch. 20, 32). 

Elia "ging in der Kraft dieser "Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes, den Horeb". Mit ihr geht man ermattet nicht. Moses hatte vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Horeb zugebracht, indem Gott zu ihm redete. Sein Wort und Seine Gegenwart hatten genügt, die Kräfte Seines Knechtes aufrechtzuhalten. Der Herr Selbst brachte vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste zu ohne irgendwelche Nahrung, umgeben von wilden Tieren und den Angriffen Satans ausgesetzt. 

Er hatte H u n g e r und fand nichts zu Seinen Häupten, das Ihn in den Stand gesetzt hätte, den Versuchungen des Feindes zu widerstehen. Aber Er war der Mensch, der nicht vom Brot allein lebte, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes hervorging. Die einfache Abhängigkeit von diesem Worte ernährte Ihn, war Seine Kraft und verlieh Ihm den Sieg inmitten unerhörter Umstände, die nur Er allein überwinden konnte.

1. Könige 19, Elia vor Gott

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 19, 9-21 Elia vor Gott

Elia kommt an den Horeb, den Berg Gottes, und geht in d i e Höhle. Ohne Zweifel war es derselbe Ort, wo Jehova einst Mose verborgen hatte (2. Mose 33). Der Prophet wußte nicht, wohin Gott ihn führen wollte; er hatte nicht die Absicht nach dem Horeb zu gehen, als er eine Tagesreise weit in die Wüste floh. Doch als er in die Höhle kam, geschah es nicht mit den Gefühlen, welche einst das Herz Moses in bezug auf das schuldige Volk erfüllt hatten. 

Das Herz des Gesetzgebers schlug für das Volk Gottes trotz aller Sünde dieses Volkes. "Lösche mich aus deinem Buche, das du geschrieben hast" (2. Mose 32, 32), sagte er, bereit den Fluch auf sich zu nehmen, Um' Israel zu retten; und nachher: "Siehe, daß diese Nation dein Volk ist". So trat derselbe Mose, der den Gott des Ge­setzes verkündigt hatte, für Israel ein und wandte sich an das Erbarmen des Gottes der Gnade zugunsten derer, welche Ihn beleidigt hatten. 

Bei Elia war es nicht so. Er hatte die Aufgabe, die Gott ihn lehren wollte, noch nicht gelernt. Wir lesen: "Das Wort Jeho­vas geschah zu ihm, und er sprach zu ihm: Was tust du hier, Elia? Und er sprach: Ich habe sehr geeifert für Jehova, den Gott der Heerscharen; denn die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, deine Altäre niedergerissen und deine Propheten mit dem Schwerte getötet; und ich allein bin übriggeblieben, und sie trachten danach, mir das Leben zu nehmen 

Dann zeigt Gott ihm das, was Mose begehrt hatte kennenzulernen, als er sagte: "Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen. Er läßt zunächst die verschiedenen Offenbarungen Seiner Macht und Seiner Gerichte vor dem Propheten vorübergehen. Elia kannte sie gut: er war in dem Sturmwind gewesen, der dem Regen vorangegangen war (Kap. 18, 45), und auf sein Wort war angesichts des ganzen Volkes das Feuer vom Himmel herabgefallen. Dieselben Erscheinungen hatten sich einst auch auf dem gleichen Berge gezeigt, 

als Gott das Gesetz gab; der Berg hatte gebebt, und es hatte Donner und Blitze und Feuerflammen gegeben. Doch  welche Lehre für Elia!  Jehova war weder in dem Winde, noch in dem Erdbeben, noch in dem Feuer. Das ganze Leben des mächtigsten der Propheten hätte dahinfließen können, ohne daß er Gott wirklich kennengelernt hätte! 

Elia hört "den Ton eines leisen Säuselns". Er erkennt, daß das etwas Neues ist, etwas was über den Kreis seiner Erfahrungen hinausgeht, und das Angesicht mit seinem Prophetenmantel verhüllend, stellt er sich an den Eingang der Höhle. Dieser Ton eines leisen Säuselns ist die Stimme der Gnade. Durch sie hat Gott Sich in der ganzen Fülle Seines Wesens armen Sündern, wie wir sind, geoffenbart. Unter dieser neuen Offenbarungsform wiederholt Gott Seine Frage an den Propheten, um ihn gründlich zu erforschen: "Was tust du hier, Elia?" Elia gibt dieselbe Antwort. Er hatte Zeit gehabt, nachzudenken, und er zeigt offen, was in seinem Herzen ist.

 Wem teilt er die beste Rolle zu? Sich selbst: " 1 c h habe sehr geeifert für Jehova ... i c h allein bin übriggeblieben ... sie trachten danach, in i r das Leben zu nehmen". Wen klagt er an? Das Volk Gottes: "Die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, s i e haben deine Altäre niedergerissen, s i e haben deine Propheten getötet . . . s i e trachten danach, mir das Leben zu nehmen". Es ist mit einem Wort eine regelrechte Anklage, eine Beschuldigungsrede gegen Israel und eine Lobrede auf Elia. 

"Wisset ihr nicht", sagt der Apostel, "was die Schrift in der Geschichte des Elia sagt? wie er vor Gott auftritt wider Israel: "Herr, sie haben deine Propheten getötet, deine Altäre niedergerissen, und i c h allein bin übriggeblieben, und sie trachten nach meinem Leben". Aber was sagt ihm die göttliche Antwort? "Ich habe mir übrigbleiben lassen siebentausend Mann, welche dem Baal das Knie nicht gebeugt haben". Also ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest nach Wahl der Gnade". "Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erkannt hat" (Röm. 11, 35 und 2). 

Elia war gekommen, um wider Israel aufzutreten! Indem er das Volk beschuldigte und sich rechtfertigte, zeigte er, daß er weder die Gnade noch sich selbst kannte. Was sollen wir dazu sagen? Ach, er erschien vor dem Gott der Gnade als Ankläger und sprach für die Verurteilung! Doch wie lautet die göttliche Antwort? 

Zunächst soll wirklich Rache geübt werden; und dem Elia fällt die traurige Aufgabe zu, deren Werkzeuge, Hasael und Jehu, zuzurüsten. Sodann wird die prophetische Verwaltung von Elia weggenommen, und er muß Elisa an seiner Statt zum Propheten salben. Er, der sagte: "Ich allein bin übriggeblieben", muß lernen, daß Gott Seine Werkzeuge wählt, bildet und absetzt, wie es Ihm gefällt. So ist denn Elia gründlich verurteilt. Er wird nicht mehr sagen: "Nimm meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter". 

Er muß weiter leben, und zwar als der Zeuge eines anderen Dienstes, den er anerkennen muß, indem er von Gott als Werkzeug zu dessen Aufrichtung benutzt wird. 

Drittens hören wir, und das ist die Hauptsache in der "göttlichen Antwort": "Ich habe siebentausend in Israel übrig­gelassen, alle die Kniee, die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat. Es gab also einen Überrest nach der Wahl der Gnade, der von Gott gekannt war, ohne daß Elia etwas davon wußte! Der Ton eines leisen Säuselns wurde in diesen Tagen des Abfalls noch gehört, und an diesem schwachen Überrest fand Gott Sein Wohlgefallen.

Elia nimmt diese demütigende Belehrung an; er unterwirft sich, als Gott zum vierten Male zu ihm sagt: "Gehe!" (vergl. Kap. 17, 3. 9; 18, 1) und kehrt des Weges zurück, den er gekommen war. Er findet Elisa, den Sohn Saphats, und wirft seinen Mantel auf ihn, zum Zeichen, daß er sich als Prophet mit ihm einsmacht. 

Wenn er sich an den Buchstaben des Wortes Gottes gehalten hätte, so hätte er damit beginnen müssen, Hasael und Jehu zu salben (vergl. V. 15 und 16); aber er beeilt sich, die Tat auszuführen, welche ihn, den großen Propheten, beseitigte. Indem er seine Autorität einem anderen überträgt, tritt er selbst von dem Schauplatz ab. Er, der gesagt hatte: "

Ich bin allein übriggeblieben", zeigt so, daß er hinfort n i c h t s ist in seinen eigenen Augen. Was Hasael und Jehu betrifft, so werden sie nicht von Elia, sondern von E l i s a gesalbt. Elia verzichtet auf das, was ihn hätte hervortreten )lassen können, und überläßt die Vollziehung des Werkes einem anderen. 

Elisa verläßt seine Rinder und läuft Elia nach. "Geh, kehre zurück", antwortet ihm der Prophet, indem er dieselben Worte gebraucht, die er aus dem Munde Jehovas gehört hatte. In seinen Augen war er hinfort nichts mehr, und es war nicht der geeignete Augenblick, Elisa aufzufordern, ihm zu folgen. "Was habe ich dir getan?" 

Elia hatte nicht seinen Mantel auf ihn geworfen, um ihn hinter sich her zu ziehen, sondern damit er an seiner Statt Prophet würde. Welch ein schönes Beispiel von Demut, Selbstgericht, Uneigennützigkeit, Gehorsam und Vertrauen auf das Wort Gottes erblicken wir hier in diesem Manne Gottes! Wie schnell hat die Zucht Früchte hervorgebracht! Kann man nicht sagen, 

daß diese Demütigung Gott mehr verherrlicht hat, als die ganze Machtentfaltung des Propheten? Seine Laufbahn ist scheinbar abgebrochen; aber eine neue Laufbahn eröffnet sich vor ihm, die ihren Ausgangspunkt in der Züchtigung hat; und wenn die erste nicht bis zur Herrlichkeit geführt hat, so wird die zweite erst in der Herrlichkeit enden!

Möchten wir alle in uns selbst zerbrochen sein und so dem Beispiel des Elia folgen, damit der Herr verherrlicht werde!

1. Könige 20, Ben-Hadad

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 20 Ahab und Ben-Hadad

Seitdem Ben-Hadad, der König von Syrien, Asa, dem König von Juda, hilfreiche Hand geliehen hatte gegen Baesa, den König von Israel, war er des letzteren Feind geblieben, hatte ihm Städte genommen, ja sogar durch Eroberung gewisse Rechte über Samaria, die Hauptstadt des Reiches, erlangt (Vergl. V. 34).

 Sein Sohn, der denselben Namen trägt wie er,*) zieht gegen Ahab herauf und belagert Samaria. Die Rechte seines Vaters in Anspruch nehmend, sendet er dem König eine unverschämte Forderung: "Dein Silber und dein Gold ist mein, und deine Weiber und deine Söhne, die schönsten, sind mein".

*) Der Name Ben-Hadad Ist vielleicht der religiöse Titel der Könige von Syrien: "Sohn Hadads" oder "Verehrer Hadads". Der Sohn Hasaels nennt sich auch Ben-Hadad (Z. Kön. 13, 3. 25). 

Was tut Ahab? Vor seinen Augen hatten sich die ergreifenden Szenen des 18. Kapitels abgespielt, er hatte das ganze Volk vor seinen Ohren rufen hören: "Jehova, er ist Gott!; aber er denkt mit keinem Gedanken an diesen Gott, der soeben erst Seinen Dienst, an dessen Stelle Ahab den Baalsdienst eingesetzt mit Macht wieder aufgerichtet hatte. 

Ahab fragt Jehova nicht um Rat, er übergibt Ihm nicht seine Sache. Hatte er, sich überhaupt je vor Ihm gebeugt? Hatte er versucht, den Arm Isebels, die Elia zu töten suchte, aufzuhalten? Nein, dieses böse und schwache Herz "hatte sich verkauft, um zu tun was böse ist in den Augen Jehovas, und Isebel, sein Weib, reizte ihn an"' (Vergl. Kap. 21, 25). 

Er zeigt, daß Gott ihm fremd ist, handelt, als ob Er nicht da sei, und erträgt die Demütigung, die der heidnische König ihm auferlegt, indem er ihm antworten läßt: "Nach deinem Worte, mein Herr König: dein bin ich mit allem, was mein ist". Was konnte er auch gegen Ben-Hadad ausrichten, der an der Spitze seiner gesamten Streitkräfte und von zweiunddreißig Königen umgeben ihm gegenüberstand? So urteilen wenigstens die, welche Gott nicht kennen. 

Doch was nutzt ihm seine Erniedrigung vor dem Feinde Israels? Dieser nimmt daraus nur Veranlassung, der Härte den Spott hinzuzufügen: "Wohl habe ich zu dir gesandt und gesprochen: Dein Silber und dein Gold, und deine Weiber und deine Söhne sollst du mir geben; doch morgen um diese Zeit werde ich meine Knechte zu dir senden, und sie werden dein Haus und die Häuser deiner Knechte durchsuchen; und es wird geschehen, alle Lust deiner Augen werden sie in ihre Hand tun und mitnehmen". 

Auch jetzt wendet sich Ahab nicht zu Gott; es ist ihm wichtiger, die Ältesten des Landes zusammenzurufen und zu befragen. S i e sind für Widerstand, e r ist dafür, die ersten Bedingungen anzunehmen und die zweiten zurückzuweisen. Bei dieser Antwort kennt die Wut Ben=Hadads keine Grenzen mehr. Ahab erwidert stolz: "ES rühme sich nicht der sich Gürtende wie der den Gürtel Lösende"; aber Gott ist immer noch ausgeschlossen. 

Eine große Menge von Kriegern wird gegen die Stadt aufgestellt. Gott tritt ins Mittel durch einen Propheten, dessen Name uns nicht mitgeteilt wird, und läßt Ahab sagen: "Hast du diesen ganzen großen Haufen gesehen? Siehe, ich gebe ihn heute in deine Hand, und du sollst wissen, daß ich Jehova bin". Welchen Beweggrund hatte Jehova, so zu reden? War es der Zustand des Herzens Ahabs? 

Wohl kaum; wir haben im Gegenteil eben erst seine Verhärtung gesehen. Aber Israel hatte bei dem Wunder des Elia den wahren Gott anerkannt, und Gott konnte bei dem geringsten Zeichen der Umkehr des Volkes zu Ihm Seine Gnade erzeigen. Was Ahab betrifft, so sagt Gott: 11 Du sollst wissen, daß ich Jehova bin". Hatte er es vorher nicht gelernt unter dem schweren Druck der Gerichte Gottes,

 vielleicht würde diese wunderbare Rettung sein Herz berühren und ihn zu Gott zurückführen. Welch rührende Langmut Gottes, selbst dem Gottlosesten, dem Gleichgültigsten, ja, dem Verhärtetsten gegenüber. Der Gott, den der Mensch zurückstößt, kommt, anstatt müde zu werden, wieder zu ihm als der ­Gott der Gnade und Rettung! 

In diesem gefahrvollen Augenblick scheint Ahab bereit zu sein, Gott handeln zu lassen; er hatte ja auch keine andere Hilfsquelle. Seine Fragen beantwortet der Prophet bestimmt und entscheidend. "Die Knaben (Knappen, Knechte) der Obersten der Landschaften", durch welche das feindliche Heer der Hand Ahabs überliefert werden soll, sind nur eine Handvoll dem "großen Haufen" gegenüber.

 Anstatt den Angriff des Feindes abzuwarten, eröffnet Ahab den Kampf, obwohl sein Heer nur siebentausend Mann zählt! Ahab folgt dem Worte des Propheten, und an diesem Tage erleiden die Syrer eine große Niederlage. 

Was nun? Zeigt sich das geringste Dankgefühl in dem Herzen des Königs? Wir hören nichts davon. Gott läßt ihm durch den Propheten sagen, daß Ben-Hadad ihn bei der Rückkehr des Jahres von neuem angreifen werde. Diesmal handelt es sich darum, den Syrern zu beweisen, daß Israel den Sieg nicht durch seine "Berggötter" erlangt hat. 

Ben-Hadad mag seine Heereseinrichtung und den Kampfplatz ändern; die Israeliten, an Zahl wie zwei kleine Herden Ziegen, schlagen von den Syrern an e i n e ni Tage hunderttausend Mann, und die Mauer von Aphek fällt auf die Übriggebliebenen. So mußten die Syrer erfahren, daß Jehova es war, der mit ihnen stritt, und auch Israel hätte es wissen können.

Ben-Hadad flieht in die Stadt und verbirgt sich im innersten Gemach. Seine Knechte bieten sich an, die Milde des Siegers anzuflehen, denn sie haben sagen hören, daß die Könige des Hauses Israel gnädige Könige seien. Als Gedemütigte und Besiegte kommen sie, um flehentlich für ihren König zu reden: "Laß doch meine Seele am Leben!" Ahab antwortet: "

Er ist mein Bruder"; und doch hatte Gott ihn in seine Hand gegeben, um ihn zu vertilgen. Der Götzendiener, der Jehova den "Berggöttern" gleichstellte, ist der B r u d e r des Königs von Israel! Welche Schmach für die Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes ist dieses Wort: "Er ist mein Bruder"! Ahab läßt Ben-Hadad zu sich auf den Wagen steigen, macht einen Bund mit ihm und läßt ihn ziehen.

 Der König von Syrien gibt ihm die Städte zurück, welche sein Vater ihm genommen hatte. Die Welt erkennt solche Milde und Liebenswürdigkeit gern an. Wie oft sagen diejenigen, welche die Zeugen Gottes vor der Welt sein sollten, zu dieser: Mein Bruder, meine Brüder! Ein trauriges Wort, welches die Welt täuscht und den christlichen Charakter verleugnet! Nein, die Christen gehören einer anderen Familie an; sie sind Kinder Gottes, während die Welt den Fürsten dieser Welt zum Vater hat. 

Aber, könnte man sagen, sind die Menschen nicht alle Brüder, da sie doch alle Sünder sind? Nein; denn die Christen können und sollen sagen: "Christus ist, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben" (Röm. 5, 8). Sie sind also nicht mehr Sünder und können sich daher nicht Brüder derer nennen, die es noch sind. 

Wohl ist es wahr, daß es "einen Gott und V a t e r aller " gibt in dem Sinne der Beziehungen Gottes zu Seinen G e s c h ö p f e n ; aber auch unter dieser Annahme können nur diejenigen Seiner Geschöpfe, die Ihm durch den Glauben angehören, hinzufügen: "Er ist in u n s allen", ein Wort, das die Welt von jeder Vertraulichkeit mit Ihm in diesem Verhältnis völlig ausschließt (Eph. 4, 6). 

Dadurch daß der unglückliche Ahab Ben-Hadad seinen Bruder nannte, zeigte er offen seinen Herzenszustand; er war immer noch der Alte, der Anhänger des Baal; selbst eine zweimalige, zu seinen Gunsten bewirkte Rettung hatte ihn nicht zur Buße geführt. 

Jetzt tritt ein zweiter Prophet auf. Der erste hatte die Rettung angekündigt, dieser sagt das Gericht über Ahab voraus. Doch wieder müssen wir ausrufen: Welche Langmut von seiten Gottes! Selbst im folgenden Kapitel zögert Gott noch, das letzte Wort des Gerichts zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit lernen wir auch die Zucht Gottes an den Seinen kennen. "

Ein Mann von den Söhnen der Propheten sprach zu seinem Genossen durch das Wort Jehovas: Schlage mich doch! Aber der Mann weigerte sich, ihn zu schlagen". Wenn dieser Mann nicht selbst ein Prophet war, so war er doch "ein Genosse des Propheten". Die Zucht Gottes an den Seinen ist um so ernster, je mehr sie sich in einer mit Vorrechten umgebenen Stellung befinden. Wir haben hier einen Fall, welcher von dem des Propheten aus Juda (Kap. 13) verschieden ist. Dieser hatte ein bestimmtes Wort von Jehova, wie er handeln

 sollte, und 1 i e ß d i e s e s f a h r e n, um einem anderen Worte zu folgen, welches sich für Gottes Wort ausgab; und er fand den Löwen auf dem Wege. Hier weigert sich ein Genosse des Propheten, nach dem Worte Jehovas zu handeln. Er w i 11 n i c h t seinen Gefährten schlagen und verwunden, wenn Gott es ihm befiehlt. Er meinte es gut, wird man vielleicht sagen; er liebte seinen Genossen zu sehr, um ihm Böses zuzufügen. Zugegeben; aber er hatte einen bestimmten Befehl, und zwar hatte Gott den Befehl gegeben!

 Vielleicht wird man noch einwenden: dieser Mann begriff aber nicht die Nützlichkeit dessen, was ihm befohlen wurde. Sehr wahrscheinlich nicht; aber dem Worte Gottes gegenüber handelt es sich nicht um b e 9 r e i f e n, man muß g e h o r c h e n. Der Mann in unserem Kapitel konnte und sollte sich nicht darüber Rechenschaft geben, was Gott tun wollte. Das war nicht seine Sache. 

Für ihn galt nichts anderes, als das Bewußtsein: ein förmlicher Befehl ist da, und zwar durch das Wort Gottes. War es möglich, daß er das nicht erkennen konnte? Nein, er war der Genosse des Propheten und mußte das Wort Gottes kennen. So wie der Mann Gottes aus Juda w i s s e n mußte, daß das Wort des alten Propheten n i c h t das Wort Gottes sein k o n n t e, so mußte dieser w i s s e n, 

daß das Wort seines Genossen das Wort Jehovas w a r. je mehr unsere Stellung uns in eine unmittelbare Beziehung zu Gott bringt, um so weniger Entschuldigung haben wir, wenn wir das Wort Gottes behandeln, als ob es nicht da wäre. 

Ein wirklicher Ungehorsam gegen das Wort Gottes ist eine sehr ernste Sache, und doch, wie viele Christenleben bestehen aus einer Kette von solchen Erweisungen des Ungehorsams! Gläubige fragen sich oft, warum sie auf ihrem Wege dem Löwen begegnen, ohne eine Antwort auf diese Frage zu finden. Sollten sie nicht zu allererst sich prüfen, ob sie sich dem Worte Gottes haben unterwerfen wollen, als es ihnen Seinen Willen in bestimmter Weise kundtat? 

Aus Gewohnheit wird man den Grund der Züchtigungen, die Gott über Seine Kinder oder Knechte kommen läßt, immer anderswo suchen. Das Gericht trifft diesen Mann, "weil er nicht auf die Stimme Jehovas gehört hat (V. 36).

"Ein anderer Mann", der, wie es scheint, nicht in so naher Beziehung zu dem Propheten stand wie der erste, hört und gehorcht. Er schlägt und verwundet den Propheten. Er sucht nicht zu begreifen, sondern tut, was Gott ihm sagt. jetzt kann der Prophet sich vor Ahab zeigen mit den bestimmten Beweisen davon, was diesem widerfahren sollte. Gott hatte gesagt: Schlage! Ahab hatte sich dessen geweigert. jetzt sollte ein anderer ihn schlagen und ihn verwunden. Sein Los war entschieden. 

Ahab wird, wie David vor Nathan, gezwungen, sein eigenes Urteil auszusprechen. Er war verblendet; die Binde, die er über den Augen des Propheten sah, war die Binde, die er, ohne es zu wissen, selbst trug. Mit einem Male dringt das Wort Gottes wie ein Sturmwetter in seine Ohren: "Weil du den Mann, den ich verbannt habe, aus der Hand entlassen hast, so soll dein Leben statt seines Lebens sein und dein Volk statt seines Volkes" (V. 42). 

Werden nun endlich Buße und Zerknirschung in diesem verhärteten Herzen Eingang finden? Ach! "der König von Israel ging nach seinem Hause, mißmutig und zornig, und kam nach Samaria". 

"Mißmutig und zornig", diese beiden Worte schildern ihn.

M i ß m u t i g "  o wie kennzeichnet das die Welt! Sie tut ihren eigenen Willen und ist mißmutig. Auf dem Wege des Ungehorsams und der Empörung gegen Gott gibt es niemals Freude. Der Christ allein kann wirklich Freude, und zwar eine "völlige Freude", kennen. 

Das Wort, der Herr Selbst sagen uns, wo sie zu finden ist: im G e h o r s a m gegen Seine Gebote, der in Sich Selbst die Verwirklichung Seiner Liebe ist (Joh. 15, 914); in der A b h ä n g i g k e i t, der Frucht der neuen Natur, die wir von Ihm haben (Joh. 16, 24); in der Gewißheit, welche uns das Bewußtsein unseres Einsseins mit Ihm verleiht (Joh. 17, 1:113), und endlich in der G e m e i n s c h a f t mit dem Vater und dem Sohne, in die wir eingeführt sind (i. Joh. 1, 3. 4). 

Wie sehr fehlten alle diese Dinge dem unglücklichen König, der geglaubt hatte, in Mißachtung des Wortes Gottes seinen eigenen Gedanken folgen zu können! Gott beurteilte die Gott­losigkeit Ahabs nach der bevorzugten Stellung, in die er gesetzt war. Man ist in der Christenheit gewohnt, viel über das Los zu reden, welches durch die göttliche Gerechtigkeit den armen Götzendienern 

zuteil werden wird, und es ist sicher, daß sie nach den Zeugnissen gerichtet werden, die sie empfangen haben und durch welche sie Gott kennen könnten (Apgsch. 14, 1517); aber man hört die christliche Welt nicht über das reden, was sie selbst zu erwarten hat. Das Los Ahabs ist schrecklicher als dasjenige Ben Hadads. 

Das Wort sagt aber auch, daß Ahab "zornig" war. Der Mißmut des Königs war nicht die Betrübnis, die zur Buße leitet,

sondern brachte Zorn hervor. Gegen wen? Gegen Gott. Sollte der König denn immer wieder Gott auf seinem Wege finden? 

Ihr redet zu uns von der Liebe Gottes, sagt die Welt, und dabei nimmt Er uns die Gesundheit, oder unsere Lieben, oder unser Vermögen! Wäre es nicht viel besser, Böses zu tun wie die übrigen,. anstatt sich eines guten Betragens zu befleißigen, wenn Gott uns so ungerecht behandelt?  Das ist eine der tausend Formen jenes Zornes, der das Herz der Menschen gegen Gott erfüllt. 

Allein wenn eine gewisse Kenntnis des Wortes, wie bei Ahab, vorhanden ist, so kann man das Gewissen nicht mehr betäuben, indem man Böses tut. Das war in früheren Zeiten, vor dem Auftreten des Elia, leichter gewesen. jetzt aber war das Wort Gottes da. Ahab konnte es nicht abschütteln; es nagte an seinem Herzen und ließ ihm keine Ruhe. Dieses Wort des Propheten hat den Schleier von der Zukunft weggezogen. Vielleicht würde es keine Folgen haben ... aber wer konnte das wissen? 

Tatsächlich war dieses Wort in dem Leben des Königs beständig in Erfüllung gegangen, und zwar oft in unverdienten Segnungen, auf welche Ahab nicht achtgehabt hatte. Würden die Drohungen nicht auch in Erfüllung gehen? Der Prophet hatte gesagt: "Dein Leben soll statt seines Lebens sein". Er hatte nicht gesagt, wann. Wenn es nun heute der Fall wäre, oder morgen? Konnte er Ahab denn nicht in Ruhe lassen? 

Ach! es gab vieles, um "mißmutig und zornig" zu sein. Der nagende Wurm war da; er hatte sein Werk begonnen, der Wurm, der nicht stirbt!

1. Könige 21, Ahab und Naboth

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 21 Ahab und Naboth

Neue Umstände zeigen uns den inneren Zustand des Königs. Sein Herz ist mit Habsucht erfüllt mit der Begierde nach etwas, das Gott ihm nicht gegeben hat. Doch das ist ebenso Götzendienst wie die Anbetung des Baal (Kol. 3, 5). Vom Feinde ganz in Besitz genommen, ist Ahab nur von einem Götzendienst zum anderen übergegangen. 

Der Vorschlag, den Ahab dem Naboth macht, ist von größerer Tragweite, als es auf den ersten Blick scheint. Er zielte ab auf die Veräußerung des Erbteils dieses gottesfürchtigen Israeliten für immer. Ein Tausch oder eine Bezahlung des Wertes des Grundstücks war für Ahab selbstverständlich die endgültige Besitzergreifung von dem Weinberg seines Nachbarn. 

Auf solche Bedingungen konnte aber ein Israelit, der Gott fürchtete, nicht eingehen. Wenn er sein Grundstück verkaufte, so verkaufte er nur die Ernten daraus; sein Besitztum fiel im Jubeljahre wieder an ihn zurück, und so wurde dessen Preis nach der Anzahl der Jahre geschätzt, in denen der Käufer erntete was darauf wuchs (Vergl. 3. Mose 25, 15). Der Verkäufer hatte sogar das Recht sein Grundstück jederzeit zurückzunehmen, indem er dem Käufer die noch übrigen Jahre wieder vergütete. 

Ein gottesfürchtiger Israelit hielt an dem Erbteil seiner Väter fest weil diese selbst es von Jehova empfangen hatten. Doch es gab noch einen entscheidenderen Grund. In Wirklichkeit gehörte das Land, der Boden, nicht dem Volke, sondern Jehova: "Das Land soll nicht für immer verkauft werden, denn mein ist das Land ; denn Fremdlinge und Beisassen seid ihr bei mir. Und im ganzen Lande eures Eigentums sollt ihr dem Lande Lösung gestatten" (3. Mose 25, 23. 24).

Das läßt uns die sehr entschiedene Antwort Naboths verstehen: "Das lasse Jehova fern von mir sein, daß ich dir das Erbe meiner Väter geben sollte!" 

Der 4. Vers zeigt uns, wie das Herz eines Menschen ohne Gott sich verhält, wenn seine Begierde nicht befriedigt wird: "Und Ahab kam in sein Haus, mißmutig und zornig". Wir finden hier dieselben Worte wieder wie am Ende des 20. Kapitels. 

Armes Menschenherz, niedergedrückt durch Mißmut und geschwollen von Zorn! Und das ist alles, was es zu fassen fähig ist, wenn nicht Satan, um seine Herrschaft darüber zu behalten, kommt, um ihm neue trügerische Be­gierden einzuflößen. Ahab ist mißmutig, weil er den Gegenstand seines Verlangens seinem Bereich entrückt sieht; er ist zornig gegen einen Willen, der ihm im Wege steht und den er nicht brechen kann, weil es doch schließlich der Wille Gottes ist. 

So ist Ahab auf seinem Wege auf allen Seiten Gott begegnet: nach der Dürre und dem Durst, bei seiner Religion, bei seinem Bunde mit Ben-Hadad und endlich bei der Befriedigung seiner Begierden. Gott, immer wieder Gott! Der Gott, von dem er gemeint hatte, daß er Ihn durch seine Götzen ersetzen könnte! Nach der Vertilgung der Priester war das Haus allerdings gekehrt und geschmückt; aber schon waren bösere Dämonen hineingekommen. 

Wer facht diese bösen Geister an, wer hält diese Begierden wach? Es ist Isebel, das richtige Bild des satanischen Geistes (V. 515). Isebel tut das Böse mit Wissen und Willen; sie erregt alle schlechten Triebe des Herzens ihres Mannes. Sie wendet sich an seinen Stolz: "Du, übst du jetzt Königsmacht über Israel aus?" Dann fügt sie hinzu: "

 I c h werde dir den Weinberg Naboths, des Jisreeliters, geben". Wenn ein Mensch seine Seele dem Satan verkauft hat, wie Ahab, so verfehlt dieser nicht, ihm Versprechungen aller Art zu machen. Er ist der Versucher. Das was Gott dir nicht geben will, werde i c h dir geben, sagt er. Laß mich nur machen; ich werde dir den Weinberg geben. Ahab läßt es geschehen, weil er die Befriedigung seiner Begierde darin sieht. Und nun, Ahab, "stehe auf, iß, und laß dein Herz fröhlich sein"! Das ist in der Tat das beständige Ziel des Fleisches: Gesundheit, Frohsinn, tun, was man will, und sich verschaffen was man begehrt. 

Doch wie konnte dieses Ziel erreicht werden? Naboth hatte gesagt: "Ich will dir das Erbe meiner Väter n i c h t geben". Isebel weiß einen Ausweg. Sie kommt und nimmt Ahab bei der Hand und leitet ihn auf ihrem Wege zu sich hin, auf einem Wege der Lüge und des Mordes, und zwar unter dem Schein, als ob sie seine Wohltäterin sei. 

Sie "wird ihm geben"; aber indem er darauf wartet, bemächtigt sie sich seiner Autorität, seiner königlichen Macht: "sie schrieb Briefe im Namen Ahabs und siegelte sie mit seinem Siegel". Ahab ist ihr Sklave geworden. Sie schreckt weder vor der Bestellung falscher Zeugen noch vor der Ermordung eines gerechten Mannes zurück, um Ahab den Gewinn daraus zu geben. 

Diese Baalsanbeterin läßt die falschen Zeugen sagen: "Naboth hat Gott und den König gelästert". Sie gebraucht den Namen Gottes, der vom Volke, aber nicht von ihr anerkannt ist, um einen Knecht des wahren Gottes zu vernichten. Hat Isebel es nicht stets so gemacht? Wir sehen sie in Offenbarung 2 wieder aufleben, jetzt nicht mehr im Judentum, sondern in der Kirche, indem sie den Charakter einer Prophetin annimmt und die wahren Zeugen Gottes beschuldigt, "die Tiefen Satans nicht erkannt zu haben", während sie selbst ihre Kinder lehrt, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen. 

Ahab läßt die Freveltat geschehen, um Nutzen daraus zu ziehen. Die Männer von Jisreel, die Ältesten und die Edlen, tun es mit voller Kenntnis der Sachlage; denn die Briefe fordern sie auf, zwei b ö s e Menschen, Söhne Belials, zu suchen, die einen Meineid leisten sollen, um Naboth zu verderben. Sie tragen wenig Bedenken, der Aufforderung zu folgen; denn es liegt in ihrem Interesse, dem König zu gefallen und ihn sich zu verpflichten. 

Naboth wird gesteinigt; endlich ist der Augenblick für Ahab gekommen, die Frucht seiner Begehrlichkeit zu genießen. "Mache dich auf", sagt Isebel, "nimm den Weinberg Naboths, des Jisreeliters, in Besitz, den er sich geweigert hat, dir um Geld zu geben; denn Naboth lebt nicht mehr, sondern ist tot". 

Ahab geht hinab. Aber wird er glücklich sein? Das Ziel ist erreicht, der Augenblick ist für ihn da, die Fröhlichkeit zu zeigen, welche Isebel ihm verheißen hat. Aber kaum tritt er den Besitz an, so kommt ihm gerade in dem Weinberg, den er in Besitz nehmen will, Elia, von Gott gesandt, entgegen. Seine Freude, sein Glück sind verschwunden. Satan ködert uns immer und läßt uns dann, Gott gegenüber, allein, nachdem er uns getäuscht und in den Sumpf gelockt hat. 

Ahab sagt zu Elia. "Hast du mich gefunden, mein Feind?" ja, sein Feind! Er hatte Satan zum Freunde genommen, und so findet er Gott als Feind. An dem Ort der verheißenen Be­friedigung findet er nichts von dem, was er erhofft hatte; aber Gott tritt durch Seinen Propheten vor ihn hin und sagt zu ihm: "Hast du gemordet und auch in Besitz genommen?" 

Andere hatten gemordet, aber Gott fordert Rechenschaft dafür von Ahab. An die Stelle der so heiß ersehnten Freude tritt der schreckliche Fluch, der sich im Laufe der jammervollen Geschichte Israels immer von neuem wiederholt. Es sind dieselben Ausdrücke wie bei dem Gericht über Jerobeam und über Baesa: "Wer von Ahab in der Stadt stirbt, den sollen die Hunde fressen, und wer auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel des Himmels fressen" (V. 24; vergl. Kap. 14, 11; 16, 4). 

Auch Isebel wird nicht vergessen: "die Hunde sollen Isebel fressen an der Vormauer von Jisreel". Wenngleich die Vollziehung des angekündigten Gerichts über Isebel noch auf sich warten läßt (2. Kön. 9), so ist sie deshalb doch nicht weniger gewiß. 

Diesmal muß Ahab sich sagen: Das Gericht Gottes hat mich erreicht. Die Tatsache, daß das Wort Gottes gegen seine Vorgänger ohne Reue gewesen war, läßt ihn aufwachen. Für ihn, der es schlimmer gemacht hatte als sie alle, steht das Gericht vor der Tür. Er demütigt sich und geht einher in Betrübnis, Trauer und Fasten (V. 2729). 

Er liegt im Sacktuch, welches er über seinen Leib gezogen hat, und "geht still einher", wie man in einem Sterbehause tut. Wo sind jetzt sein Stolz und sein Frohsinn, wo selbst sein Mißmut und sein Zorn? Angesichts des unabwendbaren Schicksals bleibt nur grenzenlose Trauer für ihn übrig. War es eine Bekehrung? Das folgende Kapitel wird uns die Antwort geben. 

Doch welch ein erbarmungsreicher Gott ist unser Gott! Wenn Er das Böse aufdeckt, so beachtet Er die geringste Umkehr der Seele zum Guten; Er nimmt Kenntnis von dem kleinsten Zeichen der Buße. Er sagt zu Elia: "Hast du gesehen, daß Ahab sich vor mir gedemütigt hat? Weil er sich vor mir gedemütigt hat will ich das Unglück in seinen Tagen nicht bringen; in den Tagen seines Sohnes will ich das Unglück über sein Haus bringen". Nicht ein Strichlein Seines Wortes wird zur Erde fallen; aber das Gericht wird bis in die Tage des Erben Ahabs hinausgeschoben.

1. Könige Kapitel 22 Josaphat

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 22 Ahab und Josaphat

"Und sie blieben drei Jahre ruhig; es war kein Krieg zwischen Syrien und Israel". Da sehen wir also, wozu das Bündnis Ahabs mit Ben-Hadad, abgesehen von der Frage des Gerichts Gottes, gedient hatte: zu einer kurzen, dreijährigen Ruhepause! Zudem hatte Ben-Hadad, nachdem er kaum freigelassen war, seine Versprechungen nicht gehalten (vergl. Kap. 20, 34); er hatte Ramoth Gilead nicht zurückgegeben.

 "Wisset ihr nicht", sagt der König von Israel zu seinen Knechten, "daß Ramoth=Gilead unser ist? 

Und wir bleiben still und nehmen es nicht aus der Hand des Königs von Syrien?" Es würde feige sein, dazu zu schweigen. So entbrennt denn der Krieg von neuem. Gott wird nicht in Rechnung gebracht wenn es sich um solche Rückforderungen von Eigentum zwischen Völkern handelt. Die Geschichte ist immer dieselbe, und die christlichen Nationen unserer Tage sind in dieser Hinsicht nicht besser als die heidnischen Völker. 

Das Bestreben, sich auszudehnen auf der einen Seite, der Widerstand solchen Eingriffen gegenüber auf der anderen Seite, das ist in kurzen Worten die Grundlage aller politischen Maßnahmen. Gott treibt keine Politik. Er ist diesen Kämpfen fremd, obschon Er die Überhand über alles hat und a 11 e s benutzt, um Seine Pläne auszuführen. 

Josaphat, der Sohn des gottesfürchtigen Asa und treu wie dieser in der Aufrechterhaltung des reinen Dienstes Jehovas in Juda, war zu dem König von Israel herabgekommen. Woraus waren diese Beziehungen zwischen den beiden Königen hervor­gegangen? 

Aus der Tatsache, daß Josaphat sich mit Ahab "ver­schwägert hatte; zwar nicht er selbst, aber sein Sohn Joram hatte eine Tochter Ahabs zur Frau genommen (2. Chron, 18, 1; 21, 6). Diese Verbindung war ein großes Übel, und der König von Juda mußte die schweren Folgen daraus erfahren. "Hilfst du dem Gesetzlosen", sagt ihm später Jehu, der Sohn Hananis, "und liebst du die Jehova hassen?' (2. Chron. 19, 2). Diese Verbindung brachte den Treuen unausweichlich dahin, die Angelegenheiten eines Königs zu den seinigen zu machen, welcher im Bösestun nicht seinesgleichen hatte im Lande Israel (Kap. 21, 25. 26). 

"Willst du mit mir in den Streit ziehen?" fragt Ahab; und Josaphat antwortet: " ich will sein wie du, mein Volk wie dein Volk, meine Rosse wie deine Rosse". Diese böse Verbindung bringt Josaphat also dahin zu erklären, daß er, der gottesfürchtige König von Juda, sei wie der gottlose Ahab; er reißt die Schranke nieder, welche den Mann Gottes von der Welt trennt. 

Ist wohl ein großer Unterschied zwischen diesem Wort und dem Wort Ahabs über Ben-Hadad: "Er ist mein Bruder"? Die Verbindung mit der Welt, das kann man nicht zu oft wiederholen, macht uns mitverantwortlich für deren Ungerechtigkeit. In den geschichtlichen Büchern des Wortes Gottes begegnen wir immer aufs neue dieser ernsten Wahrheit: wenn man einem System, in welchem das Böse

 geduldet und anerkannt wird, seine Zustimmung gibt, sich mit ihm verbindet oder ihm hilft, so erklärt man sich mit diesem System eins. Man könnte fragen, ob nicht vielleicht die augenblickliche Buße Ahabs die Entschlüsse Josaphats beeinflußt habe. Es wird uns nichts darüber gesagt; aber es würde auch den König in keiner Weise entschuldigen. Der Treue bleibt nicht an irgendeinem Platz, 

weil sich das eine oder andere Gute da finden läßt, sondern er fragt, ob der Platz von Gott gutgeheißen wird. Israel und sein König aber hatten nur das endgültige Gericht zu erwarten, und die Stadt enthielt keine Gerechten mehr, die sie hätten retten können. 

Trotz dieses schlimmen Bündnisses hat Josaphat doch zu viel Gottesfurcht um zu handeln, ohne Jehova und Sein Wort befragt zu haben. Ahab versammelt sofort vierhundert Propheten. Das war viel. Woher kamen sie, als sich kaum noch einige vereinzelte Propheten in den Grenzen Israels vorfanden? Andererseits war es wenig; denn ein einziger Prophet Jehovas hätte genügt, um Seine Gedanken bekanntzumachen. 

Wer sind diese vierhundert Propheten Ahabs? Sind es vielleicht, unter einer Ver­kleidung, die vierhundert Propheten der Aschera (einer weiblichen Gottheit), die am Kison nicht vertilgt worden waren? Es ist sehr wohl möglich. Doch wie dem auch sei, wenn es dieselben waren, so hatten sie mit den Umständen auch die Kleider gewechselt. Sie geben jetzt vor, durch den Geist Gottes zu reden; freilich hatte sich ihrer ein Lügengeist bemächtigt, welcher ihrem eigenen Vorteil diente. 

Man kann die Abzeichen eines Propheten Jehovas tragen und doch lügen. Wie findet man das zu aller Zeit, und heute wohl mehr als je! Ziehe hinauf", rufen sie alle, "und der Herr wird es in die Hand des Königs geben". 

Doch Josaphat fühlt sich nicht wohl dabei. Es gibt einen geistlichen Sinn, der ein wahrhaftiges Herz, vielleicht ohne daß es sich darüber Rechenschaft gibt, darauf aufmerksam macht, daß gewisse Offenbarungen nicht den Geist Gottes zum Urheber haben. Das ist nicht die Gabe zur Unterscheidung der Geister (i. Kor. 12, 10), diese besitzen nicht alle, sondern ein Sinn, der, so schwach das Kind Gottes auch sein mag, ihm nie fehlen sollte. 

Es fühlt sich nicht wohl in einer Umgebung, die Gott entgegen ist, nicht wohl bei gewissen Unterredungen, die Anspruch darauf machen, von religiösen Lippen zu kommen, aber des göttlichen Charakters ermangeln; es fühlt sich nicht wohl bei prahlerischen Reden, wie sie vor dem König von Israel laut wurden. So regte sich auch bei Josaphat ein Gefühl tiefen Unbehagens; und nachdem er Zeuge des Schauspiels gewesen war, welches seine Aufforderung an Ahab: "Befrage doch heute das Wort Jehovas", hervorgerufen hatte, sah er sich gezwun­gen hinzuzufügen: "Ist hier k e i n Prophet Jehovas mehr, daß wir durch ihn fragen?" 

Nur e i n e r würde ihm genügen; e i n wirklich für Gott Abgesonderter würde die vierhundert anderen aufwiegen. Ahab antwortet: "Es ist noch e i n Mann da, um durch ihn Jehova zu befragen; aber i c h h a s s e i h n, denn er weissagt nichts Gutes über mich, sondern nur Böses: Micha, der Sohn Jimlas". Ahab haßte diesen Mann, und er haßte alle, welche das Gericht Jehovas über ihn ankündigten. Er Wollte, daß der Prophet etwas Gutes über ihn weissage. Das wird immer der Charakter der religiösen Welt sein. 

Die, welche zu ihr gehören, wählen sich Lehrer nach ihren eigenen Lüsten, Lehrer, die zu ihnen sagen: "Meine Brüder", wie Ahab zu Ben-Hadad sagte: "Mein Bruder"  Lehrer, welche sie loben und die Welt, in der sie wohnen, erheben und ihnen Erfolg und Wohlfahrt prophezeien. Der rechtschaffene Josaphat kann diese Worte nicht ertragen. Er ist gewohnt, jedes Wort, welches von Jehova kommt, zu achten. Man sieht auch später nicht, daß er gegen das Wort Jehus auftritt trotzdem es ihn verurteilte (2. Chron. 19, 1). "Der König spreche nicht also“' sagt er. 

Ahab hat nur e i n e n Gedanken: er will die boshafte Gesinnung Michas ihm gegenüber beweisen (Vergl. V. 18). Er läßt ihn sogleich holen. Der Mann Gottes hält sich natürlich getrennt von den vierhundert Propheten und ist so ein gutes Beispiel für den König von Juda, der sich mit dem gottlosen Ahab verbunden hatte. 

Die überaus traurige, aber notwendige Folge dieses Bündnisses ist, daß er Ahab folgen wird, statt Micha. Das ist stets die Wirkung des "bösen Verkehrs" auf den Gläubigen. Nie sieht man die umgekehrte Wirkung hervortreten, daß nämlich die Welt dem Beispiel der Kinder Gottes folgte. "In einem Bündnis zwischen der Wahrheit und dem Irrtum gibt es", wie jemand gesagt hat, "keine Gleichheit; denn durch das Bündnis selbst schon hört die Wahrheit auf, die Wahrheit zu sein, und der Irrtum wird niemals zur Wahrheit". 

Micha redet, um das, was er zu sagen hat feierlicher zu machen, anfänglich wie die vierhundert Propheten: "Ziehe hinauf, und es wird dir gelingen; denn Jehova wird es in die Hand des Königs geben".  "Wieviele Male", erwidert Ahab, "muß ich dich beschwören, daß du nichts zu mir reden sollst, als nur Wahrheit im Namen Jehovas?" Man sieht hier, was das Gewissen, selbst in verhärtetem Zustande, ist. Es redet im Innern des Herzens; es sagt zu Ahab: 

Was Micha sagt, kann nicht der Ausdruck seiner Gedanken sein. Und obwohl Ahab die Lüge begehrt zwingt sein Gewissen ihn doch, die Wahrheit wissen zu wollen. Er wird ihr nicht folgen, noch ihr gehorchen; aber das durch sein Gewissen hervorgerufene Unbehagen läßt ihm keine Ruhe, bis er hört, weiß und sieht; ähnlich wie ein Mörder, mag er wollen oder nicht, an den Ort seines Verbrechens zurückgeführt wird. Dann tönen die niederschmetternden Worte an seine Ohren: 

"Ich sah ganz Israel auf den Bergen zerstreut, wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und Jehova sprach. Diese haben keinen Herrn; sie sollen ein jeder nach seinem Hause zurückkehren in Frieden" (V. 17).

Der Prophet bleibt dabei nicht stehen. Er enthüllt den satanischen Lügengeist der sich aller Propheten bemächtigt hat, um Ahab dahin zu bringen, daß er nach Ramoth hinaufziehe. 

Jehova hatte gesagt: "Wer will Ahab bereden, daß, er hinaufziehe und zu Ramoth=Gilead falle?" Es war das vorher gegen Ahab bereitete Gericht Gottes, ein Gericht, das mittels der dämonischen Geister, die Ahab angebetet hatte, zum Verderben ihres Opfers ausgeführt werden sollte. 

Zedekia, der in dieser Szene bis dahin die Hauptrolle gespielt hatte, indem er sich eiserne Hörner machte und zu dem König sagte: "Mit diesen wirst du die Syrer stoßen, bis du sie vernichtet hast", schlägt Micha auf den Backen und sagt: "w wäre der Geist Jehovas von mir gewichen, um mit dir zu reden? Er machte Anspruch darauf, durch den Heiligen Geist geleitet zu werden, und braucht Gewalt, um dies zu beweisen; aber er beweist damit gerade, welcher Geist ihn beseelt. Auch er wird dem Gericht verfallen, "wenn er ins innerste Gemach gehen wird, um sich zu verstecken" (V. 25). 

Micha wird, wie so viele Propheten und treue Knechte Jehovas, ins Gefängnis geworfen und für die von ihm verkündigte Wahrheit grausam verfolgt. Doch sein Zeugnis breitet sich aus, wird dadurch zu einem öffentlichen, wie später das Zeugnis des Paulus. Er hat die Ehre, a ll e n die Gedanken Gottes über die Zukunft zuzurufen: "Höret es, ihr Völker alle!" 

Der arme Josaphat sieht diesem allen stumm zu. Da er sich auf dem Gebiet seines Verbündeten befindet, hat er keine Macht, um dessen Befehlen entgegenzutreten. Haben seine schwachen Einwendungen etwas an den Plänen und Entschlüssen Ahabs geändert? Findet er den Mut, dieses unglückselige Bündnis aufzulösen? Nichts von alledem. Und wozu dient der Bund? Nur zur Untreue gegen Gott. Er zieht mit dem König von Israel nach Ramoth=Gilead hinauf. 

Doch siehe da, das zudringliche Gewissen belästigt Ahab aufs neue. Wie nun, wenn Micha doch wahr geredet hätte? Wenn er wirklich seinen Tod bei diesem Kriegszuge vorhergesagt hätte? Ahab forscht nach einem sichern Mittel, um dem Gericht, welches ihn sucht und verfolgt, zu entfliehen, und meint, es gefunden zu haben. 

Er verkleidet sich, und, von selbstsüchtiger Furcht beherrscht hat er nicht einmal Edelmut genug im Herzen, um seinen Verbündeten nicht bloßzustellen; gegen diesen müssen sich wegen seiner königlichen Kleidung die Angriffe in der Schlacht richten. Die Obersten der Wagen wenden sich gegen Josaphat, in der Meinung, es sei Ahab. In diesem Augenblick "schrie Josaphat". 2. Chron. 18, 31 zeigt uns, zu wem Josaphat in dieser äußersten Not seine Zuflucht nahm: "Josaphat schrie, und J e h o v a half ihm". Gott verläßt die Seinen nicht in der Bedrängnis.

Ahab wird von einem "aufs Geratewohl" abgeschossenen Pfeile getroffen. Das hatte er nicht erwartet. Er stirbt heldenhaft, wie die Welt sagen würde, indem er, tödlich verwundet, auf seinem Wagen den Syrern gegenüber aufrecht stehen bleibt. Er stirbt am Abend, und sein Blut fließt in den Boden des Wagens. "Und als man den Wagen am Teiche von Samaria abspülte, da leckten die Hunde sein Blut (da wo die Huren badeten), nach dem Worte Jehovas, das er geredet hatte" (V. 38). So wurde das Gericht an ihm vollzogen; seine völlige Ausführung sollte es freilich erst später durch die Hand Jehus finden. 

Wie ganz anders würde diese Geschichte lauten, wenn Menschen sie geschrieben hätten! Wie ganz anders würden sie geschrieben haben, als Gott es getan hat! Die Regierung Ahabs währte lange und war verhältnismäßig ruhmreich. Die Siege über die Syrer sind für den Menschen, der die göttliche Offenbarung nicht besitzt, Taten von hohem Wert und beweisen Mut und Unerschrockenheit; sein Bündnis mit Ben-Hadad zeugt von edler Milde und weiser Politik; dasjenige mit Josaphat ist noch viel klüger. Der Feldzug gegen Ramoth wurde ihm durch die Ehre seines Reiches aufgezwungen. 

Die Jahrbücher seiner Regierungszeit, die wohl für immer verloren gegangen sind, zählten alle Städte auf, die er gebaut und befestigt hatte, das elfenbeinerne Haus, das er wahrscheinlich nach der Art des Hauses Salomos errichtet und manch andere Dinge, die er

getan hatte (V. 39). Aber von alledem ist nichts übriggeblieben als das schreckliche Beispiel eines Mannes, der verantwortlich war, Gott zu dienen, der aber, obwohl er Ihn kannte, den Götzen und seinen Begierden den Vorzug gab, während er die treuen Zeugen des Gottes Israels haßte. 

Einige Worte beschließen dieses Buch und erfrischen ein wenig das Herz inmitten eines solch großen Verfalls. Josaphat war treu, obwohl nicht tadellos; denn er zeigte nicht genug Eifer, um die Höhen, die Überreste des in Juda eingerissenen Götzendienstes, zu zerstören. Er beseitigte die schändlichen Menschen, die sich mit dem kanaanitischen Götzendienst im Lande eingenistet hatten. 

Aber mit Bedauern sieht man, daß er nicht sogleich die Unterweisung verstand, welche Jehu ihm bei seiner Rückkehr von Ramoth gab. Er verband sich mit Ahasja, dem Sohne Ahabs, der gesetzlos handelte (2. Chron. 20, 3537), und vereinigte sich mit ihm, um Schiffe zu bauen und gemeinschaftlich Gold von Ophir zu holen. Das Verlangen nach den durch den Bund mit Ahasja zu gewinnenden Schätzen ist ein niedrigerer Beweggrund als das Verlangen nach dem durch den Bund mit Ahab erzielten Einfluß. 

Aber der Herr tadelt ihn: "Elieser, der Sohn Dodawas, von Marescha, weissagte wider Josaphat und sprach: Weil du dich mit Ahasja verbunden hast, so hat Jehova dein Werk zerstört. Und die Schiffe wurden zertrümmert und vermochten nicht nach Tarsis zu fahren" (2. Chron. 20, 37). 

Gott sei Dank! nach den Worten des Propheten und der Zerstörung seiner Flotte lernte Josaphat endlich, was die große Schwäche seines Lebens war: daß nämlich ein Bündnis mit der Welt, zu welchem Zweck es auch errichtet werden mag, etwas ist, das Gott mißbilligt und das ein Gericht über Seine Kinder herbeiführt. "Damals sprach Ahasja, der Sohn Ahabs, zu Josaphat Laß meine Knechte mit deinen Knechten auf den Schiffen fahren; aber Josaphat wollte nicht". 

Diesem, nach allem Vorangegangenen, erfreulichen Bilde folgen einige Worte, welche in Kürze die Regierung Ahasjas, des Sohnes Ahabs, beschreiben. Sie war nur kurz, aber mit allem erfüllt, was imstande war, den Zorn Jehovas herabzurufen; nicht nur lebte der Baalsdienst in Israel wieder auf, sondern der König selbst warf sich auch nie vor dem Greuel der Zidonier.