1. Könige 20, Ben-Hadad

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 20 Ahab und Ben-Hadad

Seitdem Ben-Hadad, der König von Syrien, Asa, dem König von Juda, hilfreiche Hand geliehen hatte gegen Baesa, den König von Israel, war er des letzteren Feind geblieben, hatte ihm Städte genommen, ja sogar durch Eroberung gewisse Rechte über Samaria, die Hauptstadt des Reiches, erlangt (Vergl. V. 34).

 Sein Sohn, der denselben Namen trägt wie er,*) zieht gegen Ahab herauf und belagert Samaria. Die Rechte seines Vaters in Anspruch nehmend, sendet er dem König eine unverschämte Forderung: "Dein Silber und dein Gold ist mein, und deine Weiber und deine Söhne, die schönsten, sind mein".

*) Der Name Ben-Hadad Ist vielleicht der religiöse Titel der Könige von Syrien: "Sohn Hadads" oder "Verehrer Hadads". Der Sohn Hasaels nennt sich auch Ben-Hadad (Z. Kön. 13, 3. 25). 

Was tut Ahab? Vor seinen Augen hatten sich die ergreifenden Szenen des 18. Kapitels abgespielt, er hatte das ganze Volk vor seinen Ohren rufen hören: "Jehova, er ist Gott!; aber er denkt mit keinem Gedanken an diesen Gott, der soeben erst Seinen Dienst, an dessen Stelle Ahab den Baalsdienst eingesetzt mit Macht wieder aufgerichtet hatte. 

Ahab fragt Jehova nicht um Rat, er übergibt Ihm nicht seine Sache. Hatte er, sich überhaupt je vor Ihm gebeugt? Hatte er versucht, den Arm Isebels, die Elia zu töten suchte, aufzuhalten? Nein, dieses böse und schwache Herz "hatte sich verkauft, um zu tun was böse ist in den Augen Jehovas, und Isebel, sein Weib, reizte ihn an"' (Vergl. Kap. 21, 25). 

Er zeigt, daß Gott ihm fremd ist, handelt, als ob Er nicht da sei, und erträgt die Demütigung, die der heidnische König ihm auferlegt, indem er ihm antworten läßt: "Nach deinem Worte, mein Herr König: dein bin ich mit allem, was mein ist". Was konnte er auch gegen Ben-Hadad ausrichten, der an der Spitze seiner gesamten Streitkräfte und von zweiunddreißig Königen umgeben ihm gegenüberstand? So urteilen wenigstens die, welche Gott nicht kennen. 

Doch was nutzt ihm seine Erniedrigung vor dem Feinde Israels? Dieser nimmt daraus nur Veranlassung, der Härte den Spott hinzuzufügen: "Wohl habe ich zu dir gesandt und gesprochen: Dein Silber und dein Gold, und deine Weiber und deine Söhne sollst du mir geben; doch morgen um diese Zeit werde ich meine Knechte zu dir senden, und sie werden dein Haus und die Häuser deiner Knechte durchsuchen; und es wird geschehen, alle Lust deiner Augen werden sie in ihre Hand tun und mitnehmen". 

Auch jetzt wendet sich Ahab nicht zu Gott; es ist ihm wichtiger, die Ältesten des Landes zusammenzurufen und zu befragen. S i e sind für Widerstand, e r ist dafür, die ersten Bedingungen anzunehmen und die zweiten zurückzuweisen. Bei dieser Antwort kennt die Wut Ben=Hadads keine Grenzen mehr. Ahab erwidert stolz: "ES rühme sich nicht der sich Gürtende wie der den Gürtel Lösende"; aber Gott ist immer noch ausgeschlossen. 

Eine große Menge von Kriegern wird gegen die Stadt aufgestellt. Gott tritt ins Mittel durch einen Propheten, dessen Name uns nicht mitgeteilt wird, und läßt Ahab sagen: "Hast du diesen ganzen großen Haufen gesehen? Siehe, ich gebe ihn heute in deine Hand, und du sollst wissen, daß ich Jehova bin". Welchen Beweggrund hatte Jehova, so zu reden? War es der Zustand des Herzens Ahabs? 

Wohl kaum; wir haben im Gegenteil eben erst seine Verhärtung gesehen. Aber Israel hatte bei dem Wunder des Elia den wahren Gott anerkannt, und Gott konnte bei dem geringsten Zeichen der Umkehr des Volkes zu Ihm Seine Gnade erzeigen. Was Ahab betrifft, so sagt Gott: 11 Du sollst wissen, daß ich Jehova bin". Hatte er es vorher nicht gelernt unter dem schweren Druck der Gerichte Gottes,

 vielleicht würde diese wunderbare Rettung sein Herz berühren und ihn zu Gott zurückführen. Welch rührende Langmut Gottes, selbst dem Gottlosesten, dem Gleichgültigsten, ja, dem Verhärtetsten gegenüber. Der Gott, den der Mensch zurückstößt, kommt, anstatt müde zu werden, wieder zu ihm als der ­Gott der Gnade und Rettung! 

In diesem gefahrvollen Augenblick scheint Ahab bereit zu sein, Gott handeln zu lassen; er hatte ja auch keine andere Hilfsquelle. Seine Fragen beantwortet der Prophet bestimmt und entscheidend. "Die Knaben (Knappen, Knechte) der Obersten der Landschaften", durch welche das feindliche Heer der Hand Ahabs überliefert werden soll, sind nur eine Handvoll dem "großen Haufen" gegenüber.

 Anstatt den Angriff des Feindes abzuwarten, eröffnet Ahab den Kampf, obwohl sein Heer nur siebentausend Mann zählt! Ahab folgt dem Worte des Propheten, und an diesem Tage erleiden die Syrer eine große Niederlage. 

Was nun? Zeigt sich das geringste Dankgefühl in dem Herzen des Königs? Wir hören nichts davon. Gott läßt ihm durch den Propheten sagen, daß Ben-Hadad ihn bei der Rückkehr des Jahres von neuem angreifen werde. Diesmal handelt es sich darum, den Syrern zu beweisen, daß Israel den Sieg nicht durch seine "Berggötter" erlangt hat. 

Ben-Hadad mag seine Heereseinrichtung und den Kampfplatz ändern; die Israeliten, an Zahl wie zwei kleine Herden Ziegen, schlagen von den Syrern an e i n e ni Tage hunderttausend Mann, und die Mauer von Aphek fällt auf die Übriggebliebenen. So mußten die Syrer erfahren, daß Jehova es war, der mit ihnen stritt, und auch Israel hätte es wissen können.

Ben-Hadad flieht in die Stadt und verbirgt sich im innersten Gemach. Seine Knechte bieten sich an, die Milde des Siegers anzuflehen, denn sie haben sagen hören, daß die Könige des Hauses Israel gnädige Könige seien. Als Gedemütigte und Besiegte kommen sie, um flehentlich für ihren König zu reden: "Laß doch meine Seele am Leben!" Ahab antwortet: "

Er ist mein Bruder"; und doch hatte Gott ihn in seine Hand gegeben, um ihn zu vertilgen. Der Götzendiener, der Jehova den "Berggöttern" gleichstellte, ist der B r u d e r des Königs von Israel! Welche Schmach für die Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes ist dieses Wort: "Er ist mein Bruder"! Ahab läßt Ben-Hadad zu sich auf den Wagen steigen, macht einen Bund mit ihm und läßt ihn ziehen.

 Der König von Syrien gibt ihm die Städte zurück, welche sein Vater ihm genommen hatte. Die Welt erkennt solche Milde und Liebenswürdigkeit gern an. Wie oft sagen diejenigen, welche die Zeugen Gottes vor der Welt sein sollten, zu dieser: Mein Bruder, meine Brüder! Ein trauriges Wort, welches die Welt täuscht und den christlichen Charakter verleugnet! Nein, die Christen gehören einer anderen Familie an; sie sind Kinder Gottes, während die Welt den Fürsten dieser Welt zum Vater hat. 

Aber, könnte man sagen, sind die Menschen nicht alle Brüder, da sie doch alle Sünder sind? Nein; denn die Christen können und sollen sagen: "Christus ist, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben" (Röm. 5, 8). Sie sind also nicht mehr Sünder und können sich daher nicht Brüder derer nennen, die es noch sind. 

Wohl ist es wahr, daß es "einen Gott und V a t e r aller " gibt in dem Sinne der Beziehungen Gottes zu Seinen G e s c h ö p f e n ; aber auch unter dieser Annahme können nur diejenigen Seiner Geschöpfe, die Ihm durch den Glauben angehören, hinzufügen: "Er ist in u n s allen", ein Wort, das die Welt von jeder Vertraulichkeit mit Ihm in diesem Verhältnis völlig ausschließt (Eph. 4, 6). 

Dadurch daß der unglückliche Ahab Ben-Hadad seinen Bruder nannte, zeigte er offen seinen Herzenszustand; er war immer noch der Alte, der Anhänger des Baal; selbst eine zweimalige, zu seinen Gunsten bewirkte Rettung hatte ihn nicht zur Buße geführt. 

Jetzt tritt ein zweiter Prophet auf. Der erste hatte die Rettung angekündigt, dieser sagt das Gericht über Ahab voraus. Doch wieder müssen wir ausrufen: Welche Langmut von seiten Gottes! Selbst im folgenden Kapitel zögert Gott noch, das letzte Wort des Gerichts zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit lernen wir auch die Zucht Gottes an den Seinen kennen. "

Ein Mann von den Söhnen der Propheten sprach zu seinem Genossen durch das Wort Jehovas: Schlage mich doch! Aber der Mann weigerte sich, ihn zu schlagen". Wenn dieser Mann nicht selbst ein Prophet war, so war er doch "ein Genosse des Propheten". Die Zucht Gottes an den Seinen ist um so ernster, je mehr sie sich in einer mit Vorrechten umgebenen Stellung befinden. Wir haben hier einen Fall, welcher von dem des Propheten aus Juda (Kap. 13) verschieden ist. Dieser hatte ein bestimmtes Wort von Jehova, wie er handeln

 sollte, und 1 i e ß d i e s e s f a h r e n, um einem anderen Worte zu folgen, welches sich für Gottes Wort ausgab; und er fand den Löwen auf dem Wege. Hier weigert sich ein Genosse des Propheten, nach dem Worte Jehovas zu handeln. Er w i 11 n i c h t seinen Gefährten schlagen und verwunden, wenn Gott es ihm befiehlt. Er meinte es gut, wird man vielleicht sagen; er liebte seinen Genossen zu sehr, um ihm Böses zuzufügen. Zugegeben; aber er hatte einen bestimmten Befehl, und zwar hatte Gott den Befehl gegeben!

 Vielleicht wird man noch einwenden: dieser Mann begriff aber nicht die Nützlichkeit dessen, was ihm befohlen wurde. Sehr wahrscheinlich nicht; aber dem Worte Gottes gegenüber handelt es sich nicht um b e 9 r e i f e n, man muß g e h o r c h e n. Der Mann in unserem Kapitel konnte und sollte sich nicht darüber Rechenschaft geben, was Gott tun wollte. Das war nicht seine Sache. 

Für ihn galt nichts anderes, als das Bewußtsein: ein förmlicher Befehl ist da, und zwar durch das Wort Gottes. War es möglich, daß er das nicht erkennen konnte? Nein, er war der Genosse des Propheten und mußte das Wort Gottes kennen. So wie der Mann Gottes aus Juda w i s s e n mußte, daß das Wort des alten Propheten n i c h t das Wort Gottes sein k o n n t e, so mußte dieser w i s s e n, 

daß das Wort seines Genossen das Wort Jehovas w a r. je mehr unsere Stellung uns in eine unmittelbare Beziehung zu Gott bringt, um so weniger Entschuldigung haben wir, wenn wir das Wort Gottes behandeln, als ob es nicht da wäre. 

Ein wirklicher Ungehorsam gegen das Wort Gottes ist eine sehr ernste Sache, und doch, wie viele Christenleben bestehen aus einer Kette von solchen Erweisungen des Ungehorsams! Gläubige fragen sich oft, warum sie auf ihrem Wege dem Löwen begegnen, ohne eine Antwort auf diese Frage zu finden. Sollten sie nicht zu allererst sich prüfen, ob sie sich dem Worte Gottes haben unterwerfen wollen, als es ihnen Seinen Willen in bestimmter Weise kundtat? 

Aus Gewohnheit wird man den Grund der Züchtigungen, die Gott über Seine Kinder oder Knechte kommen läßt, immer anderswo suchen. Das Gericht trifft diesen Mann, "weil er nicht auf die Stimme Jehovas gehört hat (V. 36).

"Ein anderer Mann", der, wie es scheint, nicht in so naher Beziehung zu dem Propheten stand wie der erste, hört und gehorcht. Er schlägt und verwundet den Propheten. Er sucht nicht zu begreifen, sondern tut, was Gott ihm sagt. jetzt kann der Prophet sich vor Ahab zeigen mit den bestimmten Beweisen davon, was diesem widerfahren sollte. Gott hatte gesagt: Schlage! Ahab hatte sich dessen geweigert. jetzt sollte ein anderer ihn schlagen und ihn verwunden. Sein Los war entschieden. 

Ahab wird, wie David vor Nathan, gezwungen, sein eigenes Urteil auszusprechen. Er war verblendet; die Binde, die er über den Augen des Propheten sah, war die Binde, die er, ohne es zu wissen, selbst trug. Mit einem Male dringt das Wort Gottes wie ein Sturmwetter in seine Ohren: "Weil du den Mann, den ich verbannt habe, aus der Hand entlassen hast, so soll dein Leben statt seines Lebens sein und dein Volk statt seines Volkes" (V. 42). 

Werden nun endlich Buße und Zerknirschung in diesem verhärteten Herzen Eingang finden? Ach! "der König von Israel ging nach seinem Hause, mißmutig und zornig, und kam nach Samaria". 

"Mißmutig und zornig", diese beiden Worte schildern ihn.

M i ß m u t i g "  o wie kennzeichnet das die Welt! Sie tut ihren eigenen Willen und ist mißmutig. Auf dem Wege des Ungehorsams und der Empörung gegen Gott gibt es niemals Freude. Der Christ allein kann wirklich Freude, und zwar eine "völlige Freude", kennen. 

Das Wort, der Herr Selbst sagen uns, wo sie zu finden ist: im G e h o r s a m gegen Seine Gebote, der in Sich Selbst die Verwirklichung Seiner Liebe ist (Joh. 15, 914); in der A b h ä n g i g k e i t, der Frucht der neuen Natur, die wir von Ihm haben (Joh. 16, 24); in der Gewißheit, welche uns das Bewußtsein unseres Einsseins mit Ihm verleiht (Joh. 17, 1:113), und endlich in der G e m e i n s c h a f t mit dem Vater und dem Sohne, in die wir eingeführt sind (i. Joh. 1, 3. 4). 

Wie sehr fehlten alle diese Dinge dem unglücklichen König, der geglaubt hatte, in Mißachtung des Wortes Gottes seinen eigenen Gedanken folgen zu können! Gott beurteilte die Gott­losigkeit Ahabs nach der bevorzugten Stellung, in die er gesetzt war. Man ist in der Christenheit gewohnt, viel über das Los zu reden, welches durch die göttliche Gerechtigkeit den armen Götzendienern 

zuteil werden wird, und es ist sicher, daß sie nach den Zeugnissen gerichtet werden, die sie empfangen haben und durch welche sie Gott kennen könnten (Apgsch. 14, 1517); aber man hört die christliche Welt nicht über das reden, was sie selbst zu erwarten hat. Das Los Ahabs ist schrecklicher als dasjenige Ben Hadads. 

Das Wort sagt aber auch, daß Ahab "zornig" war. Der Mißmut des Königs war nicht die Betrübnis, die zur Buße leitet,

sondern brachte Zorn hervor. Gegen wen? Gegen Gott. Sollte der König denn immer wieder Gott auf seinem Wege finden? 

Ihr redet zu uns von der Liebe Gottes, sagt die Welt, und dabei nimmt Er uns die Gesundheit, oder unsere Lieben, oder unser Vermögen! Wäre es nicht viel besser, Böses zu tun wie die übrigen,. anstatt sich eines guten Betragens zu befleißigen, wenn Gott uns so ungerecht behandelt?  Das ist eine der tausend Formen jenes Zornes, der das Herz der Menschen gegen Gott erfüllt. 

Allein wenn eine gewisse Kenntnis des Wortes, wie bei Ahab, vorhanden ist, so kann man das Gewissen nicht mehr betäuben, indem man Böses tut. Das war in früheren Zeiten, vor dem Auftreten des Elia, leichter gewesen. jetzt aber war das Wort Gottes da. Ahab konnte es nicht abschütteln; es nagte an seinem Herzen und ließ ihm keine Ruhe. Dieses Wort des Propheten hat den Schleier von der Zukunft weggezogen. Vielleicht würde es keine Folgen haben ... aber wer konnte das wissen? 

Tatsächlich war dieses Wort in dem Leben des Königs beständig in Erfüllung gegangen, und zwar oft in unverdienten Segnungen, auf welche Ahab nicht achtgehabt hatte. Würden die Drohungen nicht auch in Erfüllung gehen? Der Prophet hatte gesagt: "Dein Leben soll statt seines Lebens sein". Er hatte nicht gesagt, wann. Wenn es nun heute der Fall wäre, oder morgen? Konnte er Ahab denn nicht in Ruhe lassen? 

Ach! es gab vieles, um "mißmutig und zornig" zu sein. Der nagende Wurm war da; er hatte sein Werk begonnen, der Wurm, der nicht stirbt!