1. Könige 19, Elia vor Gott

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 19, 9-21 Elia vor Gott

Elia kommt an den Horeb, den Berg Gottes, und geht in d i e Höhle. Ohne Zweifel war es derselbe Ort, wo Jehova einst Mose verborgen hatte (2. Mose 33). Der Prophet wußte nicht, wohin Gott ihn führen wollte; er hatte nicht die Absicht nach dem Horeb zu gehen, als er eine Tagesreise weit in die Wüste floh. Doch als er in die Höhle kam, geschah es nicht mit den Gefühlen, welche einst das Herz Moses in bezug auf das schuldige Volk erfüllt hatten. 

Das Herz des Gesetzgebers schlug für das Volk Gottes trotz aller Sünde dieses Volkes. "Lösche mich aus deinem Buche, das du geschrieben hast" (2. Mose 32, 32), sagte er, bereit den Fluch auf sich zu nehmen, Um' Israel zu retten; und nachher: "Siehe, daß diese Nation dein Volk ist". So trat derselbe Mose, der den Gott des Ge­setzes verkündigt hatte, für Israel ein und wandte sich an das Erbarmen des Gottes der Gnade zugunsten derer, welche Ihn beleidigt hatten. 

Bei Elia war es nicht so. Er hatte die Aufgabe, die Gott ihn lehren wollte, noch nicht gelernt. Wir lesen: "Das Wort Jeho­vas geschah zu ihm, und er sprach zu ihm: Was tust du hier, Elia? Und er sprach: Ich habe sehr geeifert für Jehova, den Gott der Heerscharen; denn die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, deine Altäre niedergerissen und deine Propheten mit dem Schwerte getötet; und ich allein bin übriggeblieben, und sie trachten danach, mir das Leben zu nehmen 

Dann zeigt Gott ihm das, was Mose begehrt hatte kennenzulernen, als er sagte: "Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen. Er läßt zunächst die verschiedenen Offenbarungen Seiner Macht und Seiner Gerichte vor dem Propheten vorübergehen. Elia kannte sie gut: er war in dem Sturmwind gewesen, der dem Regen vorangegangen war (Kap. 18, 45), und auf sein Wort war angesichts des ganzen Volkes das Feuer vom Himmel herabgefallen. Dieselben Erscheinungen hatten sich einst auch auf dem gleichen Berge gezeigt, 

als Gott das Gesetz gab; der Berg hatte gebebt, und es hatte Donner und Blitze und Feuerflammen gegeben. Doch  welche Lehre für Elia!  Jehova war weder in dem Winde, noch in dem Erdbeben, noch in dem Feuer. Das ganze Leben des mächtigsten der Propheten hätte dahinfließen können, ohne daß er Gott wirklich kennengelernt hätte! 

Elia hört "den Ton eines leisen Säuselns". Er erkennt, daß das etwas Neues ist, etwas was über den Kreis seiner Erfahrungen hinausgeht, und das Angesicht mit seinem Prophetenmantel verhüllend, stellt er sich an den Eingang der Höhle. Dieser Ton eines leisen Säuselns ist die Stimme der Gnade. Durch sie hat Gott Sich in der ganzen Fülle Seines Wesens armen Sündern, wie wir sind, geoffenbart. Unter dieser neuen Offenbarungsform wiederholt Gott Seine Frage an den Propheten, um ihn gründlich zu erforschen: "Was tust du hier, Elia?" Elia gibt dieselbe Antwort. Er hatte Zeit gehabt, nachzudenken, und er zeigt offen, was in seinem Herzen ist.

 Wem teilt er die beste Rolle zu? Sich selbst: " 1 c h habe sehr geeifert für Jehova ... i c h allein bin übriggeblieben ... sie trachten danach, in i r das Leben zu nehmen". Wen klagt er an? Das Volk Gottes: "Die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, s i e haben deine Altäre niedergerissen, s i e haben deine Propheten getötet . . . s i e trachten danach, mir das Leben zu nehmen". Es ist mit einem Wort eine regelrechte Anklage, eine Beschuldigungsrede gegen Israel und eine Lobrede auf Elia. 

"Wisset ihr nicht", sagt der Apostel, "was die Schrift in der Geschichte des Elia sagt? wie er vor Gott auftritt wider Israel: "Herr, sie haben deine Propheten getötet, deine Altäre niedergerissen, und i c h allein bin übriggeblieben, und sie trachten nach meinem Leben". Aber was sagt ihm die göttliche Antwort? "Ich habe mir übrigbleiben lassen siebentausend Mann, welche dem Baal das Knie nicht gebeugt haben". Also ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest nach Wahl der Gnade". "Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erkannt hat" (Röm. 11, 35 und 2). 

Elia war gekommen, um wider Israel aufzutreten! Indem er das Volk beschuldigte und sich rechtfertigte, zeigte er, daß er weder die Gnade noch sich selbst kannte. Was sollen wir dazu sagen? Ach, er erschien vor dem Gott der Gnade als Ankläger und sprach für die Verurteilung! Doch wie lautet die göttliche Antwort? 

Zunächst soll wirklich Rache geübt werden; und dem Elia fällt die traurige Aufgabe zu, deren Werkzeuge, Hasael und Jehu, zuzurüsten. Sodann wird die prophetische Verwaltung von Elia weggenommen, und er muß Elisa an seiner Statt zum Propheten salben. Er, der sagte: "Ich allein bin übriggeblieben", muß lernen, daß Gott Seine Werkzeuge wählt, bildet und absetzt, wie es Ihm gefällt. So ist denn Elia gründlich verurteilt. Er wird nicht mehr sagen: "Nimm meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter". 

Er muß weiter leben, und zwar als der Zeuge eines anderen Dienstes, den er anerkennen muß, indem er von Gott als Werkzeug zu dessen Aufrichtung benutzt wird. 

Drittens hören wir, und das ist die Hauptsache in der "göttlichen Antwort": "Ich habe siebentausend in Israel übrig­gelassen, alle die Kniee, die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat. Es gab also einen Überrest nach der Wahl der Gnade, der von Gott gekannt war, ohne daß Elia etwas davon wußte! Der Ton eines leisen Säuselns wurde in diesen Tagen des Abfalls noch gehört, und an diesem schwachen Überrest fand Gott Sein Wohlgefallen.

Elia nimmt diese demütigende Belehrung an; er unterwirft sich, als Gott zum vierten Male zu ihm sagt: "Gehe!" (vergl. Kap. 17, 3. 9; 18, 1) und kehrt des Weges zurück, den er gekommen war. Er findet Elisa, den Sohn Saphats, und wirft seinen Mantel auf ihn, zum Zeichen, daß er sich als Prophet mit ihm einsmacht. 

Wenn er sich an den Buchstaben des Wortes Gottes gehalten hätte, so hätte er damit beginnen müssen, Hasael und Jehu zu salben (vergl. V. 15 und 16); aber er beeilt sich, die Tat auszuführen, welche ihn, den großen Propheten, beseitigte. Indem er seine Autorität einem anderen überträgt, tritt er selbst von dem Schauplatz ab. Er, der gesagt hatte: "

Ich bin allein übriggeblieben", zeigt so, daß er hinfort n i c h t s ist in seinen eigenen Augen. Was Hasael und Jehu betrifft, so werden sie nicht von Elia, sondern von E l i s a gesalbt. Elia verzichtet auf das, was ihn hätte hervortreten )lassen können, und überläßt die Vollziehung des Werkes einem anderen. 

Elisa verläßt seine Rinder und läuft Elia nach. "Geh, kehre zurück", antwortet ihm der Prophet, indem er dieselben Worte gebraucht, die er aus dem Munde Jehovas gehört hatte. In seinen Augen war er hinfort nichts mehr, und es war nicht der geeignete Augenblick, Elisa aufzufordern, ihm zu folgen. "Was habe ich dir getan?" 

Elia hatte nicht seinen Mantel auf ihn geworfen, um ihn hinter sich her zu ziehen, sondern damit er an seiner Statt Prophet würde. Welch ein schönes Beispiel von Demut, Selbstgericht, Uneigennützigkeit, Gehorsam und Vertrauen auf das Wort Gottes erblicken wir hier in diesem Manne Gottes! Wie schnell hat die Zucht Früchte hervorgebracht! Kann man nicht sagen, 

daß diese Demütigung Gott mehr verherrlicht hat, als die ganze Machtentfaltung des Propheten? Seine Laufbahn ist scheinbar abgebrochen; aber eine neue Laufbahn eröffnet sich vor ihm, die ihren Ausgangspunkt in der Züchtigung hat; und wenn die erste nicht bis zur Herrlichkeit geführt hat, so wird die zweite erst in der Herrlichkeit enden!

Möchten wir alle in uns selbst zerbrochen sein und so dem Beispiel des Elia folgen, damit der Herr verherrlicht werde!