28.) Obadja Gericht über Edom Wahr.6.Jahrh.v.Chr.

12/22/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Geist in den Propheten schaut nicht nur auf Israel und Juda, sondern auch über die Grenzen dieser Länder, hinaus auf die heidnischen Völker. 

Und zuweilen geschieht es, wie Obadja sagt, daß "ein Bote" ausdrücklich "unter die Nati­onen gesandt" wird. So ist das Gesicht Nahums ein Aus­spruch über Ninive, während Obadja über Edom zu weis­sagen hat.

Von Anfang an hatte Gott ernst mit Edom zu reden, wie Er es jetzt durch den Propheten tut. "Esau aber habe ich gehaßt, und ich habe seine Berge zur Wüste gemacht und sein Erb­teil für die Schakale der Steppe" (Mal 1, 3). Esau war ein Ungöttlicher. Er verkaufte sein Teil an Jehova für ein Lin­sengericht. Er war "ein Mann des Feldes" und "ein jagd­kundiger Mann". Er hatte Gelingen in seinen Tagen. Er liebte das Feld, und er wußte es zu gebrauchen. Er richtete sein Herz auf das gegenwärtige Leben und nutzte dessen Möglichkeiten zu seinem Genuß.

Die Geschichte Esaus und seiner Nachkommen steht zu Is­rael in einer einzigartigen Beziehung. Immer wieder wurde Edom Anlaß zum Leid für das Volk Gottes, obwohl sich an­dererseits zeigt, daß Israel sich dieses Leid selbst zugezo­gen hat.

"Der Ältere wird dem Jüngeren dienen" (1.Mo25,23) war das Wort Gottes zugunsten Jakobs, bevor die Kinder geboren waren. Aber Jakob wartete nicht in der Geduld des Glau­bens, bis Gott zu Seiner Zeit und in Seiner eigenen Weise Seine Verheißungen erfüllte. Die Verheißung wird deshalb mit gewissen Vorbehalten und Schwierigkeiten belastet. Sie wird gewiß am Ende erfüllt werden: aber aufgrund dieses Weges Jakobs, seines Unglaubens und seiner List wird der Ältere dem Jüngeren viele Widerwärtigkeiten bereiten.

Dementsprechend bekam Esau eine Verheißung von Gott 97 durch seinen Vater Isaak mit dem Inhalt: "Siehe, fern von der Fettigkeit der Erde wird dein Wohnsitz sein und ohne den Tau des Himmels von oben her. Und von deinem Schwerte wirst du leben, und deinem Bruder wirst du dienen; und es wird geschehen, wenn du umherschweifst, wirst du sein Joch zerbrechen von deinem Halse" (l. Mo 27, 39‑40). All das erfüllt sich. David, der von Jakob abstammte, legte Besatzungstruppen nach Edom, und die Edomiter wurden seine Knechte und brachten Geschenke. Aber Joram, auch ein Nachkomme Jakobs, verlor später die Edomiter als seine Knechte und Tributpflichtigen. Sie empörten sich unter seiner Herrschaft, und das ist bis heute so geblieben (2. Sam 8,14; 2. Chr 21, 8). 

Dennoch bleibt bestehen: "Der Ältere wird dem Jüngeren dienen". Diese Verheißung ist Ja und Amen. Das bezeugt uns auch Amos, wenn er sagt, daß Israel Edom besitzen wird (Kap. 9). Und unser Prophet Obadja ist ein weiterer Zeuge, wenn er uns berichtet, daß Retter nach Zion kommen und das Gebirge Esaus richten werden (siehe Vers 21). In frühe­ren Tagen gab Gott dem Esau das Gebirge Seir zum Besitz­tum, und was Er ihm gab, wollte Er auch für ihn bewahren, und deshalb erlaubte Er Israel nicht, als es auf seiner Wü­stenreise an den Grenzen Edoms vorbeikam, mit feindseli­ger Hand ein Dorf oder auch nur ein Stückchen Erde zu be­rühren. Aber sehr viel später, nicht nur nach der Wüstenreise der Kinder Jakobs, sondern nach den Zeiten Davids und Jorams, brachte Edom selbst erneut Unglück über sich, wie wir das in diesem Propheten lesen. 

Es freute sich am Tage der Gefangenschaft Jakobs. Edom schaute mit Schaden­freude und Bosheit auf seinen Bruder "am Tage seines Mißgeschicks". Es freute sich über den Fall Jerusalems unter dem Schwert der Chaldäer. Moab hätte den Gefangenen Zions eine Zuflucht gewähren können (Jes 16, 4), aber Edom stand am Wege, um sie zu vernichten.*) *) Es wird uns zu dieser Prophezeiung kein Zeitpunkt mitgeteilt, aber sie muß zwischen der Zerstörung Jerusalems und der Zerstörung des Landes Edom durch die Chaldäer, die in jenen Tagen das Schwert Gottes waren, ausgesprochen worden sein.

Das Maß ist voll. Gott hat deshalb ein Wort an Edom und spricht es durch Obadja aus. Denn Gott streitet mit den N a t i o n e n, weil sie zum Unglück mitgeholfen haben an dem Tage, da Er Seinem Volk zürnte. Wir lesen das in Sacharja 1, 15. Wieviel mehr können wir erwarten, daß Er über E d o m , Jakobs Bruder, zürnt, weil er am Tage seiner Not auf ihn gesehen und sich über seinen Untergang gefreut hat.

Und Jehova der Heerscharen hat "mit großem Eifer für Jerusalem geeifert" (Sach 1, 14). Denn Zion ist Sein Sitz auf der Erde; Er hat Seinen Namen mit Israel verbunden. "Israel ist das Los seines Erbteils." Er ist "der Gott Israels". Bosheit gegen dieses Volk ist deshalb eine Verachtung Seiner Herr­lichkeit und ein Trotzen gegen Seine Macht. In dieser Hin­sicht werden auch Babylon und Edom zusammengefaßt, wie zum Beispiel in Psalm 137. 

Edom freute sich über die Ver­wüstung durch Babylon. Wir können Nimrod und Esau auf demselben Feld antreffen, beide sind Jäger vor Jehova: der eine trotzt dem Gott des Gerichts, und der andere ist ein ungöttlicher Verächter des Gottes des Segens. Babylon wird nie wiederhergestellt werden, und Edom ebenfalls nicht. Den einen erwartet das Gericht des Mühlsteins (Offb 18, 21; Jer 51, 63. 64) und den anderen ewige Verwüstung (Hes 35, 9). Nimrod, der aus den Lenden Hams stammte, und der be­schnittene Esau, der dem Fleische nach sogar von Abraham abstammte, liegen gleichsam zusammen in demselben Grab.

Wir können sagen, daß diese Gewalttätigkeiten gegen Israel, diese Verachtung und dieser Haß gegen Zion, sei es durch die Assyrer, die Babylonier, durch Edom oder wen auch sonst, eine Verachtung Gottes und Trotz gegen Ihn Selbst verraten, weil Gott mit Israel war. Hesekiel drückt es so aus: Jehova war daselbst (siehe Kap. 35, 10). Diese Tatsache hät­ten die Feinde Israels empfinden sollen. Selbst wenn sie als Rute Gottes für Sein Volk benutzt wurden, hätten sie ihren Auftrag ausführen sollen mit einem Empfinden dafür, was Israel war oder gewesen war; und zwar in dem Geist, in dem die Seeleute und der Steuermann handelten, als sie Jona ins Meer warfen. Aber das war nicht so.

Der Assyrer hatte gesagt: "Werde ich nicht, wie ich Samaria und seinen Götzen getan habe, ebenso Jerusalem und seinen Götzen tun?" (Jes 10, 11). Der Chaldäer hatte "die Geräte des Hau­ses Gottes in das Schatzhaus seines Gottes gebracht" (Dan 1, 2), und nun zog der Edomiter in das Tor des Volkes Gottes am Tage seiner Not (Obadja 13). All das geschah gewiß nach dem Vorbild des abtrünnigen Ägypten in den frühen Tagen, welches sagte: "Wer ist Jehova, auf dessen Stimme ich hören soll, Israel ziehen zu lassen?" (2. Mo 5, 2)

So ist es gewesen, und so wird es sein, wie das Gericht des Sohnes des Menschen in den Tagen des Thrones Seiner Herrlichkeit uns lehrt: "Insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan«' (Mt 25, 40).

Alte Propheten, die über Edom geweissagt haben, charakte­risieren das Volk in gleicher Weise und sprechen von den­selben Ursachen, weshalb Gott mit diesem Volk streitet. Je­saja, Jeremia, Hesekiel, Joel, Amos, Obadja und der Psal­mist klagen Edom in ähnlicher Weise an. Ungöttlichkeit oder Untreue, wodurch sie Israel Leiden verursachten, Stolz, Haß gegen Israel, das sind Edoms allgemeine Kennzeichen. Haß gegen Israel wird sowohl in der Geschichte erwähnt als auch von den Propheten (siehe 2. Chron 28,17). Die Welt war Esaus Teil, als Israel noch ein Fremdling und ein Pilger war. Seine Kinder hatten ihre Fürstentümer, waren Könige und hatten ihre Städte; sie hatten sich niedergelassen wie in den Felsenklüften, wo Adler ihre Nester bauten: und alles das, während Jakobs Kinder heimatlose Wanderer in fremden Ländern oder in öden Wüsten waren.

Es entspricht ganz den moralischen Darstellungen, wenn die Edomiter das Volk genannt werden, welches Gott "mit dem Banne belegt" hat (Jes 34, 5), und "das Volk, welchem Je­hova ewiglich zürnt" (Mal 1, 4), und indem der Herr das Land Edom Selbst anspricht, sagt Er: "Wenn die ganze Erde sich freut, werde ich dir Verwüstung bereiten" (Hes 35, 14).

Ich möchte bemerken, daß Amalek von Esau abstammt; und wir wissen, weichen Platz Amalek in der Schrift einnimmt. Agag (l. Sam 15) gehörte zu Amalek, und Haman (Esth 3, 1) zu Agag: Doeg gleicherweise. Er wird ein Edomiter genannt (l. Sam 21, 7); und er war ein wirklicher Edomiter, ein Mann des Blutes. Wenn der Herr aufsteht, um Israel zu rächen, um Vergeltung zu üben für den Streit mit Seinem Volk "am Tag der Nationen", wie er genannt wird, wird uns Edom durch die Propheten als das Land vorgestellt, das Sammelplatz der verbündeten feindlichen Nationen sein wird; dort wird der Herr ihnen im Gericht begegnen (Jes 63).

Ich denke, daß wir aus alt diesen Schriftstellen sehen kön­nen, daß Gott Sich in besonderer Weise mit diesem Volk be­schäftigt. Edom war mit Israel verwandt, es bestand eine Blutsverwandtschaft. Israel hatte Edom auf seinem Durchzug durch die Wüste verschont aufgrund eines ausdrücklichen Befehls Jehovas. Gottes Forderungen und Rechte an Edom ‑ und das auch in Verbindung mit Israel ‑ waren besonde­rer Art. Edom wird gleichsam wie der Knecht behandelt, der viele Schläge verdient hat, weil er den Willen seines Herrn wußte und ihn doch nicht tat.

So kurz auch Obadjas Worte sind, so schließt er doch nicht ohne einen Hinweis auf das Königreich, das auf das Gericht folgt. Das finden wir bei allen Propheten. Die Auferstehung folgt auf den Tod, das Königreich und seine Herrlichkeit auf die Gerichte. Der Herr Jesus spricht nie allein von Seinem Tod, sondern immer zugleich von Seiner anschließenden Auferstehung. Seine Propheten, die durch den Geist rede­ten, sprechen nie von den Gerichten, die die Erde reinigen werden, ohne von der Herrlichkeit zu berichten, die darauf folgt. Und so sehen wir auch hier am Ende von Obadja Zion aufgerichtet und bewundert. Sein König, der König der Herr­lichkeit, wohnt darin, wenn Edom eine Öde geworden ist. Wenn der Berg Esaus gerichtet ist, dann wird die Rettung sich freuen auf dem Berg Zion, und die Heiligkeit wird dort ihr Heiligtum finden.

Wo ich geh',

sitz' und steh',

laß mich Dich erblicken

und vor Dir mich bücken!

(G. Terstegen)