Psalmen Charakter und Thema der Psalmen Rossier Henry

02/20/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

EINLEITUNG

Wenn man einen bestimmten Abschnitt aus einem Buch der Heiligen Schrift lehrmäßig erklären will, muß zunächst sein Zusammenhang mit dem ganzen Buch zumindest mit einigen kurzen Erläuterungen dargelegt werden. Unterläßt man der­artige Vorbemerkungen, läuft man Gefahr, nicht verstanden zu werden. Kein Schreiber darf bei seinen Lesern allgemeine Kenntnisse voraussetzen, die die meisten doch nicht haben. Das trifft in besonderem Maße zu, wenn es sich um die pro­phetische Bedeutung der Psalmen handelt. Vor allem müs­sen hier zunächst die Umstände erläutert werden, auf die sich die Psalmen beziehen. 

Dann bedarf auch die Tragweite jedes der fünf Bücher, aus denen sich die Psalmen zusam­mensetzen, einer Erklärung, von den weiteren Unterteilun­gen der einzelnen Bücher ganz zu schweigen. Hier liegt die große Schwierigkeit dieser kleinen Arbeit, die im Lauf vieler Jahre zusammengestellt wurde. Wenn diese Schwierigkeit die schwachen Kräfte des Verfassers auch bei weitem über­steigt, würde er sich doch glücklich schätzen, wenn er durch die folgenden Zeilen etwas von dem Interesse bei seinen Brüdern wecken könnte, das die Beschäftigung mit dem vorliegenden Gegenstand bei ihm selbst hervorgerufen hat.

 

DIE PROPHETISCHE GESCHICHTE DER LETZTEN TAGE 

I. Charakter und Thema der Psalmen 

Die Psalmen sind ein p r o p h e t i s c h e s Buch von ganz besonderem Charakter. Zweifellos enthalten sie wie das ganze Wort Gottes auch praktische Belehrungen. Sie bilden geradezu einen Schatz von Erfahrungen und moralischen Unterweisungen, aus dem bereits Generationen von Gläubi­gen nacheinander geschöpft haben, ohne ihn jemals er­schöpfen zu können. Aber die prophetischen Ereignisse, die sich auf Israel beziehen und die die Grundlage für alle Erfah­rungen dieses Volkes bilden, sind in den Psalmen immer stillschweigend mit einbegriffen. Immer wieder stoßen wir auf ihre Spuren. Das bestreiten heißt, die Psalmen fälsch­licherweise auf die gegenwärtige Zeit anzuwenden. Die Ge­fühle, die durch die prophetischen Ereignisse im Herzen des gläubigen Israeliten hervorgerufen werden, sind den Empfin­dungen, die die Gnade im Herzen eines Christen bewirkt, oft ganz entgegengesetzt. 

Es sei noch darauf hingewiesen, daß wir uns bei der Erfor­schung der zukünftigen Ereignisse nicht auf die Psalmen be­schränken können. Die eigentliche Schilderung dieser Ereig­nisse finden wir dort nämlich nicht; dazu müssen wir uns mit den sogenannten "Propheten" vertraut machen. 

Die Bücher der Propheten offenbaren uns: ‑ die Person des Messias

‑    Sein Werk, in erster Linie für Israel, aber auch für die Nationen

‑    Seine Leiden und Seine Herrlichkeiten

‑    die prachtvolle Herrlichkeit Seines zukünftigen Reiches, das Er auf der Erde errichten wird

‑    die Gerichte, die Christus vor der Aufrichtung dieses Rei­ches ausführen muß

‑    den Zustand Israels und der Nationen, der die Gerichte erforderlich macht

‑    die satanischen Mächte, die sich der Aufrichtung der Ober­hoheit Christi und der Wiederherstellung Israels wider­setzen und deshalb vernichtet werden

‑    die Bildung eines gläubigen jüdischen Überrestes inmit­ten des Abfalls zur Zeit des Endes; die furchtbaren Drang­sale, die ihm sein Zeugnis einbringen wird; schließlich seine endgültige Wiederherstellung, worauf er sich in Frieden an dem herrlichen Reich des Messias erfreuen kann

‑    endlich die Bekehrung einer großen Menge von Nationen durch die Verkündigung des Evangeliums des Reiches. 

Zahlreich sind die Mächte des Bösen zur Zeit des Endes. Da ist an erster Stelle S a t a n , der sie alle inspiriert. Er gibt den Menschen seine ganze Feindschaft gegen Christus, ge­gen Sein Volk (den jüdischen Überrest) und Sein Reich ins Herz. Seine Hauptwerkzeuge sind jedoch: 

1. der falsche Prophet oder der A n t i c h r i s t, der "Ge­setzlose", den das ungläubige jüdische Volk als seinen Kö­nig annehmen wird; 

2. das abgefallene jüdische Volk, "die Ge­setzlosen", die (wie schon in den Tagen des Herrn Jesus) alle hassen, die den wahren König anerkennen und Ihm ge­horchen; 

3. das R ö m i s c h e R e i c h und sein Führer, das erste Tier aus Offenbarung 13, dessen Bevollmächtigter und Re­präsentant in Jerusalem der Antichrist ist; 

4. schließlich der A s s y r e r, der Gegner der vorher ge­nannten Mächte, der deren Sturz bei der Erscheinung des Herrn, der mit Seinen Heerscharen vom Himmel kommt, eine kurze Zeit überleben wird. Das Buch Daniel und die Offen­barung geben uns ausführlich Auskunft über diese Mächte des Bösen ‑ Daniel in Verbindung mit dem Volk der Juden, die Offenbarung mehr im Blick auf die abgefallene Christen­heit. 

Der A s s y r e r wird uns noch besonders beschäftigen; denn er nimmt in den Stufenliedern einen wichtigen Platz ein. Er ist der große Feind Israels im Propheten Jesaja. Die­ser historische Assyrer, der Bedrücker des Volkes Gottes, wie wir ihn aus Jesaja und den geschichtlichen Büchern ken­nen, wird zur Zeit des Endes einen Nachfolger haben. Auch andere Propheten, wie Hesekiel und Daniel, erwähnen ihn oft; manche beschäftigen sich unter all den feindlichen Mäch­ten der Endzeit sogar ausschließlich mit ihm. 

Dem Assyrer schließen sich die N a t i o n e n an. Sie wer­den durch ihn unterstützt werden, wie die zehn Könige durch das Tier, das Haupt des wiedererstandenen Römischen Rei­ches. Auch andere Völker, wie Babel, die Meder, Jawan, Ägypten usw. spielen in der Prophetie eine große Rolle, ganz zu schweigen von denen, die die unzählbaren Scharen des Assyrers bilden: Rosch, Mesech, Tubal, Persien, Kusch, Put, Gomer, Togarma und alle Könige des Nordens, die unter dem Namen "Magog" zusammengefaßt werden (Hes 38; Jer 25, 26). Ich meine hier aber nur die Nationen, d i e Palästina u m g e b e n und die sich auf den Assyrer stützen werden. Doch davon später. 

Es wurde bereits gesagt, daß alle diese prophetischen Per­sonen und Mächte sowie alle Ereignisse, in denen sie die Handelnden sind, in den Psalmen nur stillschweigend mit einbegriffen sind. Die Mächte des Bösen bilden gleichsam den Hintergrund des Buches. Sein eigentlicher Inhalt besteht aus den Erfahrungen, dem Glauben, den Leiden, Befürch­tungen, Hoffnungen, dem Flehen, den Herzens‑ und Gewis­sensübungen, der Buße, den Racherufen und schließlich aus den Lobgesängen des Überrestes. Bei diesen Herzensübun­gen nimmt der M e s s i a s den ersten Platz ein. Er, der frü­her Verworfene, ist jetzt die einzige Hilfsquelle der Söhne des Reiches, die Ihn einst verkannt haben. Daher haben wir eine große Anzahl messianischer Psalmen, um die sich die anderen Psalmen herumgruppieren.

 In diesen Psalmen wird uns das Kostbarste von allem geoffenbart ‑ das Herz und die Gefühle Christ!, Sein Wert für Gott und für Seine Vielgeliebten (den treuen Überrest); Sein Charakter gegenüber dem ungläubigen und gesetzlosen Volk und angesichts der Bedrückung des Feindes; was Er auf dem Kreuz empfand ‑all die vollkommenen Beweggründe, die Seinen ganzen Weg und schließlich Sein Werk zugunsten der Seinen bestimmt haben, werden hier geoffenbart. Wenn der Überrest durch die große Drangsal hindurchgehen wird, wird er nach und nach erkennen, daß der Messias in jeder Hinsicht seine Stelle eingenommen hat ‑ sowohl unter dem Zorn der Re­gierung Gottes als auch gegenüber der Feindschaft der Ge­setzlosen. Er ist der Stellvertreter der Gläubigen geworden, um einerseits ihre Schuld zu tragen, andererseits aber auch mit ihren Schwachheiten mitfühlen zu können. Wenn ich fort­während von dem in den Propheten immer wieder so ge­nannten Ü b e r r e s t rede, dann deshalb, weil er es ist, der überall in den Psalmen redet ‑ sei es der Überrest Ju­das in den ersten beiden Büchern, der Überrest Israels im dritten Buch, oder im fünften Buch Juda und die zehn Stämme, deren Überrest schließlich e i n Volk bildet, das neue Israel. 

Abgesehen von ihrer für alle Zeiten gültigen moralischen Anwendung schildern uns die Psalmen also zum größten Teil zukünftige Empfindungen, die sich auf kommende pro­phetische Ereignisse beziehen. Sie werden für eine zukünf­tige Zeit in den Mund von Gläubigen gelegt, die noch gebo­ren werden. Das bedeutet aber keineswegs, daß der Heilige Geist sie nicht, wie auch die übrigen Weissagungen, mit den Umständen und Erfahrungen derer verbindet, die die Werkzeuge der göttlichen Inspiration waren. 

Die Psalmen sind aus den Erfahrungen und Erlebnissen eines David, Salomo, Asaph oder der Söhne Korahs usw. hervorgegan­gen. Aber wir müssen festhalten, daß ihre Tragweite i m ‑m e r über die vergangenen Ereignisse hinausgeht, die den Anlaß zu ihrer Abfassung bildeten. "Keine Weissagung der Schrift ist von eigener Auslegung." Nur der Geist Gottes kann zukünftige Dinge auf eine solche Weise mit gegenwär­tigen Geschehnissen in Verbindung bringen. Man kann sich in etwa die Gedanken des Überrestes vorstellen, wenn er während der "großen Drangsal" in den Psalmen die genaue Beschreibung seiner Umstände und den Ausdruck seiner eigenen Gefühle entdecken wird. Sie werden sehen, daß andere bereits ihre Erfahrungen gemacht und ihre Leiden erduldet haben. Vor allem aber werden sie erkennen, daß der Messias, den sie einst verachtet hatten, all dies aus Lie­be zu ihnen durchgemacht hat; denn "in all ihrer Bedräng­nis war er bedrängt". Der Geist desselben Christus, der starb, um sie zu erlösen, der aber auch im voraus alle ihre Schmerzen und Nöte getragen hat ‑ Er hat dem Flehen und dem Lobgesang des Überrestes in vollkommener Weise Ausdruck gegeben. 

II. Prophetischer Überblick über die Psalmen 

Nach dieser allgemeinen Einführung möchte ich nun kurz die U m s t ä n d e erläutern, die den einzelnen Büchern der Psalmen und insbesondere dem fünften Buch zugrunde liegen. Dann werde ich mit einigen Worten auf den prophe­tischen A s s y r e r eingehen. Zusammen mit den ihm an­geschlossenen Nationen tritt er besonders im fünften Buch der Psalmen, zu dem die Stufenlieder gehören, immer wie­der hervor, gelegentlich auch in den anderen Büchern. In der Tat befaßt sich das fünfte Buch vor allem mit dem gläu­bigen Überrest des Volkes Israel, der in Jerusalem seine Einheit und seinen Mittelpunkt wiederfindet ‑ aber erst, nachdem der Herr den Assyrer, den letzten Feind Israels, niedergeworfen hat. 

Das e r s t e Buch der Psalmen stellt uns den Überrest Judas vor die Blicke. Dieser ähnelt in vielem den Jüngern, die den Messias vor Seiner Kreuzigung umgaben. Er reicht ihnen sozusagen die Hand, um sich mit ihnen über die Zeit der Versammlung hinweg zu verbinden. Der Überrest hat sich in Jerusalem gebildet und sich von dort aus auf ganz Juda ausgedehnt. Er geht mit der Masse des Volkes zu dem wiederaufgebauten Tempel hinauf und steht somit in einer offiziellen Beziehung zu Jehova, dem Gott Israels. Die Gläu­bigen wohnen in der Stadt und auf dem Lande, aber inmitten eines ungläubigen Volkes und unter der Herrschaft des "Gesetzlosen", also des Antichristen. Ebenso lebten die Juden zur Zeit des Herrn Jesus unter der Regierung He­rodes' und unter dem Joch des römischen Kaisers. Das erste Buch der Psalmen spielt beständig auf den Gesetzlosen und sein Volk, die Gesetzlosen, an. Ferner ist es voll von den Gewissensübungen, die der Überrest im Bewußtsein seiner Sünden und des Zornes Gottes durchzumachen hat. 

Das z w e i t e Buch beginnt mit den Psalmen der Söhne Korahs und endet mit den Psalmen Davids. Hier muß der Überrest Judas gemäß dem Befehl des Herrn in Matthäus 24, 15‑16 und Markus 13, 14 aus Juda fliehen, weil der „Greuel der Verwüstung" im Tempel aufgerichtet worden ist. Dieser aus Daniel 12, 11 (nicht aus Daniel 11, 31, wo es sich um Antiochus Epiphanes handelt) entlehnte Ausdruck bezeichnet den Götzendienst des Antichristen, der die Ur­sache für die Verwüstung Jerusalems durch den Assyrer, die Zuchtrute Gottes, sein wird. Der Überrest läßt bei seiner Flucht seine Brüder, die in Jerusalem wohnen, zurück. 

Die­se bleiben dort bis zur Wiederkunft des Messias. Dadurch geht das Wort Jehovas an Jerusalem in Erfüllung: "ich wer­de in deiner Mitte ein elendes und armes Volk übriglassen, und sie werden auf den Namen Jehovas vertrauen" (Zeph 3, 12). (Die den angeführten Abschnitten aus Matthäus und Markus entsprechende Parallelstelle in Lukas 21, 20‑23, wo die Jünger aufgefordert werden, a u s d e r M i t t e J e r u s a 1 e m s zu entweichen, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zerstörung der Stadt durch die Rö­mer und hat nichts mit der Zeit des Endes zu tun.) Der Über­rest flieht also zu den Nationen. Weiche Nationen das sind, scheint mir nicht mit letzter Sicherheit entscheidbar zu sein. Ich werde jedoch später darauf zurückkommen. Fest steht jedenfalls, daß das Weib aus Offenbarung 12, der Überrest Judas, in die "Wüste" flieht (V. 6 und 14), an eine ihr von Gott bereitete Stätte, wo sie während der letzten halben Jahrwoche Daniels ernährt wird. 

Der schwache Überrest hat dem äußeren Anschein nach seine Verbindung mit Jehova, dem Gott Israels, verloren. Er setzt aber sein Vertrauen auf G o t t ; daher kommt der Name "Elohim" 182 mal in die­sem Buch vor. Das ist der Anfang der "Drangsal Jakobs", von der Jeremia 30, 7 redet, und die in den Psalmen und den Propheten immer wieder erwähnt wird. Diese Drangsal hält auch noch an, nachdem der Überrest in sein Land zurückgekehrt ist. Sie endet erst mit dem Erscheinen Christi zur Ret­tung Seines Volkes. 

Im d r i t t e n Buch finden wir nicht mehr den Überrest Judas und die Psalmen der Söhne Korahs und Davids, son­dern den Überrest Israels (der zehn Stämme) und die Psalmen Asaphs. Dieser Überrest ist seit seiner Weg­führung durch die Assyrer unter viele Völker zerstreut; daher trifft ihn keine Schuld am Tode des Messias. Nach der Vernichtung des Assyrers, des letzten Feindes Israels, kehrt er in sein Land zurück. Dann wird die Herrlichkeit des Mes­sias bereits in Zion geoffenbart sein. Daher der Ausdruck: "Nach der Herrlichkeit wirst du mich aufneh­men" in Psalm 73, 24, dem einleitenden Psalm zu diesem Buch. Die gleichen Worte finden wir auch in Sacharja 2, 8: "Nach der Herrlichkeit hat er mich zu den Na­tionen gesandt, die euch geplündert haben." Das dritte Buch der Psalmen redet viel mehr von der Gnade als solcher als von der Person Christi. 

Das v i e r t e Buch nimmt einen besonderen Platz in den Psalmen ein. Es handelt sich hier weniger um genau be­stimmbare prophetische Ereignisse. Thema dieses Buches ist vielmehr Israel, das der Schöpfer als Gegenstand Seiner Ratschlüsse, Seiner Vorsehung und Regierung zum Mittel­punkt der ganzen Schöpfung gemacht hat. Israel ist in dieser Stellung untreu, ebenso vor als unter dem Gesetz, und wird daher zum Gegenstand des Zornes Gottes (Ps 90). Darauf tritt der Messias an die Stelle Israels und wird Selbst der Mittelpunkt (Ps 91). Aber um Sein Volk zu erretten, macht Er Sich auch zu dessen Stellvertreter unter dem Zorn Gottes (Ps 102). Dann empfängt Er den Lohn für Seine Hingabe ‑die Auferstehung und die Herrlichkeit des Reiches. In die­sem Buch handelt es sich also um das ganze Volk. Schließ­lich wird die Erde unter dem Schutz Jehovas, des Schöpfers, gesegnet (Ps 104). 

Im f ü n f t e n Buch wird der Überrest Judas, der im zwei­ten Buch geflohen war, endlich in sein Land zurückgeführt. Dort geht er durch die letzten Prüfungen der großen Drang­sal hindurch, wird aber schließlich mit den zehn Stämmen vereint, so daß er nur noch ein Volk mit diesen bildet. Das Ergebnis dieser Rückkehr ist die Unterwerfung aller mit dem Assyrer verbündeten Nationen, die das Land Israel umgeben (Ps 108; vgl. Ps 60). Wie wir in den Stufenliedern sehen wer­den, stellt die wiederhergestellte Einheit Israels eines der Hauptmerkmale des fünften Buches der Psalmen dar. Die  dort beschriebenen Leiden sind jedoch die des Überrestes aus Juda. Darauf werde ich später zurückkommen. Bei der Rückkehr des Überrestes hält der Assyrer das Land immer noch besetzt (Ps 107, 39‑40), während der Antichrist und das römische Tier bereits durch den Herrn vom Himmel her vernichtet worden sind oder bald vernichtet werden. Jeden­falls wird der Assyrer nach ihnen gerichtet. 

Im Blick auf die nachfolgende Betrachtung möchte ich auf das fünfte Buch noch etwas näher eingehen, besonders auf die darin erwähnten prophetischen Ereignisse. 

Die Psalmen 107 und 108 bilden die Einführung und fassen den Inhalt des ganzen Buches zusammen. Psalm 107 be­ginnt mit dem bekannten Lobgesang: "Preiset Jehova, denn er ist gut, denn seine Güte währt ewiglich." Dieses Lob weist überall in den Psalmen auf den Anbruch des Friedensrei­ches hin. Das Wesen Gottes, wie es sich in all Seinen We­gen mit Seinem Volk geoffenbart hat, wird darin gepriesen. In seinem weiteren Verlauf gibt der 107. Psalm einen Über­blick über diese Wege von der Verwerfung des jüdischen Volkes an bis zu seiner Rückkehr in sein Land zur Zeit des Endes.

 Es wird als Nation zurückgeführt, also in seiner Gesamtheit gesehen (Jer 30, 3). Israel wird durch die Wüste geführt, aus seiner Gefangenschaft und von den Pforten des Todes errettet. Auf dem großen Meer erfährt es die Hilfe Gottes, so daß es schließlich im Hafen ankommt und eine scheinbare Ruhe in seinen wiederaufgebauten Wohnstätten findet (V. 36). Dort besäen sie Felder und pflanzen Wein­berge, die Frucht bringen. Aber man muß dabei beachten, daß Jehova in Seinen Wegen mit Israel nur die E r l ö s t e n im Blick hat, deren Flehen Er beantwortet. Was das ungläu­bige Volk anbetrifft, wird Er dagegen "still sein" und es dem Gericht überliefern (Jes 18, 4‑6). 

Es sind also die Umstände des Überrestes aus Juda, die uns hier und in den folgenden Psalmen in besonderer Weise vorgestellt werden. Die Rückkehr des Überrestes in sein Land zusammen mit dem ungläubigen Volk ist noch nicht das Ende, sondern im Gegenteil erst der Beginn seiner eigent­lichen Drangsal. Nachdem er nach Israel zurückgekehrt ist, wird er durch "Bedrückung, Unglück und Jammer" nieder­gebeugt (V. 39). Die "Fürsten" werden verachtet und irren aufs neue in der "pfadlosen Einöde" umher. Aber der "Arme" wird aus dem Elend emporgehoben, und seine Ge­schlechter werden gleich "Herden". Das ist die Geschichte des Überrestes Judas, der mit der Masse des Volkes in sein Land zurückgekehrt ist, um in Juda und Jerusalem ein Zeug­nis zu bilden, der dann in der Wüste umherirrt und schließ­lich ein Volk mit den Gläubigen aus Israel bildet. 

Der 108. Psalm, der aus den jeweiligen Schlußversen von Psalm 57 und Psalm 60 zusammengesetzt ist, ist sehr cha­rakteristisch für das fünfte Buch. Während der vorherge­hende Psalm nur die Leiden des jüdischen Überrestes be­schreibt, wird uns hier der Überrest aus Juda und Israel in seiner Gesamtheit vorgestellt, und zwar in Verbindung mit den Ereignissen, die seine Wiederherstellung unter der Re­gierung des Messias begleiten. Die Feinde, die hier unter­worfen werden, sind die N a t i o n e n , die sich mit dem Assyrer verbündet hatten. Sie müssen sich der Herrschaft Christi beugen, der nunmehr an der Spitze Seiner G e l i e b t e n , des wahren Israels, steht. 

Psalm 109 zeigt uns das Gericht der Feinde, insbesondere das des G e s e t z 1 o s e n , der den Überrest verfolgte. Dieser Gesichtspunkt war in den beiden vorhergehenden Psalmen noch nicht betont worden. Das erbarmungslose Ge­richt über den Gesetzlosen ist notwendig, um in Psalm 110 die herrliche Regierung Christ! einführen züi können. Dieser Gesetzlose war für David Saul, für Christus der Verräter Judas (Apg 1, 20). Für den Überrest des Endes wird es der Antichrist sein, um den es in diesem Psalm vor allem geht. 

Auf die Leiden Christi, die das Muster für die Leiden des Überrestes darstellen, folgen in Psalm 110 Seine Erhöhung und Verherrlichung zur Rechten Gottes. Er ist auferstanden und wird als Sohn Gottes, Sohn Davids und wahrer Melchisedek an den Nationen und an dem "Haupt über ein großes Land", dem Assyrer, Rache nehmen. Er wird den Stab Seiner Macht aus Zion senden, und der Tau Seines neuen Volkes wird Ihm aus dem Schoße der Morgenröte kommen. 

In den Psalmen 111‑113 finden wir die Hallelujahs, die der Erhöhung Christi aufgrund Seiner Leiden folgen. In Psalm 111 werden Seine W e r k e gepriesen, in Psalm 112 Sein W e s e n : "Er ist gnädig und barmherzig und gerecht." Diesen Charakterzügen entsprechen auch Seine Geliebten. Das Ergebnis hiervon ist, daß das Horn des Gerechten "er­höht werden wird in Ehre". Der G e s e t z 1 o s e (der Anti­christ) wird es sehen, mit seinen Zähnen knirschen und ver­gehen. Auch das Begehren der Gesetzlosen, seiner Verbün­deten, wird untergehen (V. 9‑10). In Psalm 113 wird der N a m e Jehovas erhoben. Er erhöht den Geringen, um ihn bei den Edlen wohnen zu lassen (vgl. Ps 107,40‑41). Die Un­fruchtbare, ganz Israel, wohnt in Sicherheit als fröhliche Mut­ter von Söhnen. 

Auch die Psalmen 114‑117 enthalten Hallelujahs. Psalm 114 preist den Gott Jakobs, der Juda und Israel aus Ägypten gezogen und den Felsen in eine Wasserquelle verwandelt hatte (vgl. Ps 107, 35; Jes 41, 18). In Psalm 115 lobt das g a n z e Haus Israel in Verbindung mit dem Hause Aarons, also dem Priestertum, und all denen, die Jehova fürchten, den Namen seines Gottes. In Psalm 116 stimmt Christus Selbst den Lobgesang in der Gegenwart des ganzen Volkes an, im Lande der Lebendigen und in den Vorhöfen des Hauses Jehovas, in der Mitte J e r u s al e m s. Schließlich haben wir in Psalm 117 das Hallelujah aller Nationen und aller Völker. 

In Psalm 118 hören wir den immer wiederkehrenden Lob­gesang zu Beginn des Reiches Christi: "Preiset Jehova! denn er ist gut, denn seine Güte währt ewiglich." Alle Wege Gottes mit Seinem Volk und denen, die Ihn fürchten, finden in der Regierung Christi ihre Vollendung. Wir haben hier wiederum das ganze Haus Israel, das Haus Aaron und diejenigen, die Jehova fürchten. Die Verse 10‑12 beschrei­ben uns den Anteil, den Christus und der Überrest an der Vernichtung der N a t i o n e n haben. Christus, der verwor­fene Stein, ist zum Eckstein geworden. Der Tempel, in dem die Heiligen Gott preisen, und der Altar, wo sie ihre Opfer darbringen, sind wiederhergestellt. Als Resultat aller Leiden des Überrestes wird dann in Psalm 119 das Gesetz auf sein Herz geschrieben: Bevor er gedemütigt ward, irrte er (V. 67). Die Hochmütigen und Gesetzlosen spielen eine große Rolle in diesem Psalm. 

An dieser Stelle sind die Stufenlieder eingeschoben, also die Psalmen 120‑134, sowie die Psalmen 135 und 136, die einen notwendigen Anhang zu den Stufenliedern bilden. Darauf werde ich später im einzelnen zurückkommen. 

Mit Psalm 137 beginnt eine neue Gruppe von Psalmen, die bis Psalm 145 reicht. Diese Psalmen sind deshalb so beson­ders bemerkenswert, weil sie das Gegenstück zu den Erfah­rungen des g a n z e n V o l k e s bilden, die bisher be­schrieben wurden. David ist der Schreiber dieser Psalmen, die daher die Geschichte des Überrestes J u d a s schil­dern, und zwar von der Babylonischen Gefangenschaft bis zur Zeit des Endes, bis zu den Hallelujahs, die das ganze Buch der Psalmen abschließen. Wenn es sich hier also um Juda handelt, kann der Antichrist nicht schweigend übergangen werden. Er ist der Gesetzlose (Ps 139, 19; 140, 4. 8); die ihn umgeben, sind die Frevler, die Gesetzlosen (Ps 141, 9. 10; 145, 20). Doch auch andere Personen und Nationen werden ausdrücklich erwähnt: der "böse Mensch" und der "Mann der Gewalttat" (Ps 140, 1), die Hoffärtigen, die Schlingen legen (Ps 140, 5; 141, 9; 142, 3). Dieser letzte Charakterzug könnte sich auf den Assyrer und seine Bun­desgenossen beziehen (vgl. Ps 124, 7). Der Assyrer findet sich hier aber auch in Person ‑ als der "Mann von böser Zunge", der denkt, er könne im Lande Israel feststehen (Ps 140, 11). 

173  Doch kehren wir zu den einzelnen Psalmen zurück. In Psalm 137 beschäftigt sich der nach Babylon weggeführte Überrest Judas mit Zion und Jerusalem. Er fleht zu Jehova um Rache an Edom. Das verweist auf die Rolle der Nationen in den letzten Tagen, wovon später die Rede sein wird. Edom steht an der Spitze dieser Nationen. Als Jerusalem von Nebukad­nezar belagert wurde, sprachen die Edomiter: "Entblößet sie bis auf die Grundfeste." Dafür wird Edom bis zu seinen kleinen Kindern vertilgt werden. Gott wird ihm keinen Überrest lassen (siehe Obadja; Jer 49). 

In Psalm 138 lobsingt Juda durch den Mund Davids. Der Überrest betet gegen den Tempel hin an. Wie in Psalm 107 hat er gerufen, und Gott hat geantwortet. Er freut sich auf den Augenblick, wenn nicht nur Israel, sondern alle Könige der Erde Jehova preisen werden. Gott sieht den Niedrigen. Er wird die Sache des Überrestes vollenden und die Werke Seiner Hände nicht aufgeben. 

In Psalm 139 zeigt sich aber, daß die soeben erwähnten Seg­nungen nur eingeführt werden können, wenn Herz und Ge­wissen der Gläubigen geprüft und erforscht sind. Darauf lernen sie, die Feinde Gottes zu hassen (V. 21), nicht mehr nur ihre eigenen Feinde, wie in Psalm 137. Sie haben nur noch einen Wunsch ‑ daß Jehova in ihren Herzen heilige und gerechte Wege finden möge. Der Gesetzlose erscheint wieder in Vers 19. 

In Psalm 140 finden wir das ganze Gefolge der Feinde des Überrestes: den Gesetzlosen, den Gewalttätigen, den Mann von böser Zunge, diejenigen, die den Überrest umringen. Diese Namen weisen auf den Antichristen, Edom, den Assy­rer und die Nationen hin, wie wir bereits früher gesehen haben. Wie in Psalm 120, 4 fallen feurige Kohlen auf sie her­nieder. Der Überrest ist inmitten seiner Feinde ein elendes und armes Volk. 

In Psalm 141 wird der Überrest inmitten des Bösen erprobt. Seine Gebeine sind hingestreut am Rande des Scheols. Dabei handelt es sich, wie ich denke, um den Antichristen (vgl. Jes 28,15). Aber die Gläubigen werden nicht verschlun­gen. In Vers 9 finden wir, wie in Psalm 124, 7, die Schlinge des Vogelstellers. 

In Psalm 142 (David in der Höhle) ist der Überrest noch nicht nach Jerusalem zurückgekehrt. Wir sehen ihn aber bereits wieder in den Grenzen Judas, im Lande der Lebendigen. Gott ist seine einzige Zuflucht. Der Überrest gehört also nicht zu denen, die, wie wir später sehen werden, nach Ägypten fliehen. 

In Psalm 143 ist die Drangsal Judas noch nicht beendet. Aber der Überrest befindet sich wieder im Land, jedoch mit den gleichen Befürchtungen, die er auch während der Zeit seiner Flucht unter den Nationen hatte. Vergleiche dazu die Verse 6‑7 mit Psalm 63, 1. Er gleicht den Toten der Urzeit ‑ ähn­lich wie die Gläubigen, die in Jerusalem auf ihre endgültige Errettung warten (vgl. Jes 29, 4). 

Psalm 144 zeigt uns den Überrest Judas im Kampf. Das er­innert an den Kampf der Fürsten Judas gegen die Nationen außerhalb Jerusalems (Sach 12, 6). Der Ausruf: "Jehova' neige deine Himmel und fahre hernieder" findet seine Erfüllung in Sacharja 14, 4. Der Überrest bittet Jehova darum, "aus der Hand der S ö h n e der Fremde, deren Mund Eitelkeit redet, und deren Rechte eine Rechte der Lüge ist", errettet zu werden (V. 7. 8. 11). Das kann sich nur auf die Nationen und den Assyrer beziehen. Der Segen, den die Gläubigen erflehen, entspricht dem Segen in den Stufenlie­dern (Ps 127, 3‑5; 128). Vers 15 ("Glückselig das Volk ... «') hat Bezug auf das wiedervereinte Volk. 

In Psalm 145 haben wir das Heil Israels ‑ derer, die Jehova anrufen, Ihn lieben und fürchten. Die Gesetzlosen werden vertilgt und das Reich für alle Zeitalter aufgerichtet. Alles Fleisch lobt den Namen Jehovas. 

Die Psalmen 146‑150 enthalten das großartige Hallelujah, das am Ende der Zeit, zu Beginn des Tausendjährigen Reiches angestimmt wird. Psalm 146 steht in Verbindung mit den Umständen Israels. "Jehova löst die Gebundenen. Jehova öffnet die Augen der Blinden, Jehova richtet auf die Niedergebeugten, Jehova liebt die Gerechten; Jehova be­wahrt die Fremdlinge, und die Witwe hält er aufrecht; aber er krümmt den Weg der Gesetzlosen" (V. 7‑9; vgl. Jes 61, 1‑3). Jehova, der Gott Z i o n s, wird von Geschlecht zu Geschlecht regieren (V. 10). 

In Psalm 147 baut Er J e r u s a l e m und versammelt die Vertriebenen Israels. Damit wird die Rückkehr der zehn Stämme also ausdrücklich erwähnt (V. 2). Jerusa­lem ist befestigt und stark verteidigt; seine Kinder sind ge­segnet in seiner Mitte; der Friede regiert in seinen Grenzen (V. 12‑14). 

In Psalm 148 wird Israel erhöht. Es ist das Volk, das Jehova nahe ist und besteht aus all Seinen Frommen. 

In Psalm 149 frohlocken die Kinder Zions über ihren König (V. 2); die Frommen jubeln über die H e r r l i c h k e i t (V. 5). In ihrer Hand befindet sich ein zweischneidiges Schwert, um an den N a t i o n e n Rache auszuüben, die Völkerschaften zu bestrafen, ihre Könige und Edlen zu binden ‑ um das geschriebene Gericht auszuführen (V. 6‑9). 

Psalm 150 enthält schließlich den universalen Lobgesang.  

III. Der Assyrer 

Diesem Überblick über die Psalmen, der sich leider nicht kürzer fassen ließ, möchte ich noch einige Bemerkungen über den A s s y r e r der Endzeit hinzufügen. 

Es wurde bereits auf ein wesentliches Kennzeichen der Pro­phetie überhaupt hingewiesen. Die prophetischen Personen und Ereignisse beziehen sich auf historische Personen und Ereignisse und setzen diese sozusagen fort. Nur jemand, der mit den Gedanken Gottes nicht vertraut ist, kann das leug­nen; denn dieses Phänomen kehrt in allen prophetischen Büchern wieder. Um sich von der Wahrheit des soeben Ge­sagten zu überzeugen, genügt es, Jesaja 7 und 8 und Da­niel 11 zu lesen. Es gibt jedoch noch viel mehr Beispiele. 

Eine ebenso offenkundige Tatsache ist es, daß die überwie­gende Mehrzahl der vorhergesagten Ereignisse eine be­grenzte Anwendung auf die Vergangenheit nicht gestattet. Angesichts des modernen Unglaubens, der die Prophezeiun­gen bald nur als nachträglich verfaßte Schriften oder be­wußte Fälschungen hinstellt, bald zu Hirngespinsten jüdi­scher Patrioten herabwürdigt, ist es von großer Wichtigkeit, dies zu betonen. 

Der Assyrer der Endzeit ist eine politische Macht in dem Gebiet des alten Assyriens. Allerdings waren die geogra­phischen Grenzen dieses Landes im Verlaufe einer langen, mit Aufständen, Kriegen und Eroberungen angefüllten Ge­schichte dauernden Veränderungen unterworfen. Es wäre also sehr mühsam, wollte man diese Grenzveränderungen historisch nachvollziehen, wie das bei dem Römischen Reich möglich ist. In der Tat hat das Assyrien der Prophetie aus­gedehntere Grenzen als das der Geschichte. Außerdem trägt es mehrere, keineswegs gleichbedeutende Namen. Der ge­bräuchlichste Name im Propheten Hesekiel ist "Gog" (Hes 38‑39). Von diesem Gog redeten auch schon die früheren Propheten Israels (Hes 38, 17) ‑ aber diese Propheten spra­chen von dem Assyrer. 

Ein weiterer Name ist "König des Nordens". Unter diesem Ausdruck ist ein nördlich von Palä­stina gelegenes Reich zu verstehen. Es handelt sich dabei um ein Gebiet, das teilweise dem in seinen Grenzen stets wechselnden Assyrischen Reich angehörte und später das Reich des Seleukos wurde, eines der vier Generäle Alexan­ders des Großen (Dan 8, 21‑24; 11). Die einzelnen Seleu­kidenherrscher werden in Daniel 11 allesamt "König des Nordens" genannt. Sie befinden sich dort in ständigem Kon­flikt mit den Königen des Südens (Ägypten) und Israel, bis schließlich ihr letzter Repräsentant, der Assyrer, auf den Bergen des "Landes der Zierde" sein Ende finden wird (Dan 11, 40‑45). 

Eine Menge von Völkern bilden die Macht des Assyrers. In Hesekiel 38 sind Rosch, Mesech, Tubal, Persien, Äthiopien, Put, Gomer und Togarma seine Verbündeten, wenn er am Ende der Tage vom äußersten Norden heranziehen wird. Eine ähnliche, wenn auch weniger vollständige Aufzählung haben wir in Hesekiel 32, wo Assur, Elam, Mesech, Tubal, Edom, die Fürsten des Nordens und die Zidonier aufgeführt werden. 

Wenn der Prophet Joel von dem zukünftigen Einfall des Assyrers spricht, nennt er ihn den "von Norden Kommen­den" (Joel 2, 20). An anderen Stellen bezieht sich dieser Ausdruck auf Babel oder auch auf die Meder und Perser (siehe z. B. das ganze Buch Jeremia). In Daniel 8, 23‑25 geht der König des Nordens aus dem Reich Alexanders hervor. "Und seine Macht wird stark sein, aber nicht durch seine eigene Macht." Das bedeutet, daß er sich auf die Macht des Assyrers oder Gogs (Rußlands; Hes 38, 2) stützen kann. 

Zur Zeit des Endes wird der Assyrer Ägypten zerstören und dann selbst bei seinem letzten Angriff auf Jerusalem ver­nichtet werden. Danach, während des Tausendjährigen Reiches, werden Assyrien und Ägypten den Gott Israels er­kennen. Diese drei Völker werden verbündet und ein Segen inmitten der Erde sein (Jes 19,18‑25). 

Noch eine andere Macht, die N a t i o n e n, wird in dem Kampf am Ende der Tage häufig erwähnt. In Psalm 83 se­hen wir, daß sie die Ausrottung Israels planen. Wie zur Zeit Nebukadnezars nimmt Edom einen hervorragenden Platz unter ihnen ein. Die anderen Völker werden in seinem Ge­folge genannt: die Ismaeliter, Moab, die Hageriter, Gebal, Ammon, Amalek, Philistäa, Tyrus. Dann fügt Asaph noch hinzu: "Auch Assur hat sich ihnen angeschlossen." Man sieht, daß es sich hier nur um solche Nationen handelt, die das Land Israel umgeben. Sie sind also nicht identisch mit den unzählbaren Scharen, die das Gefolge Gogs bilden (Hes 381 5‑6), und die, wie ich annehmen möchte, schließlich noch durch die Könige des Ostens aus Offenbarung 16,12 verstärkt werden. **) 

Dieses Bündnis der Nationen, das ‑ wie es scheint, vor al­lem moralisch ‑ von Assur oder Gog gestützt wird, wird sich zur Zeit des Endes erheben, um sich Palästinas zu bemäch­tigen und Jerusalem zu zerstören. Der Assyrer will vor allem die unermeßlichen Reichtümer in seine Hand bringen, die die Juden nach ihrer Rückkehr in Palästina angehäuft haben, als sie vor der letzten Hälfte der siebzigsten Jahrwoche Daniels in offenen Städten unter der Herrschaft des Antichristen in Sicherheit wohnten (Hes 38, 11‑12) .** ) Es scheint, daß der Assyrer, der Feind des Antichristen und des römischen Tieres, das außerhalb Jerusalems wohnende Volk täuscht, indem er einen Bund mit ihm schließt. Diesen Bund bricht er dann, um seine Pläne zur Ausführung bringen zu können (Jes 33, 8). So tat er es auch schon zur Zeit Hiskias (2. Kön 18, 14‑17). E d o m hat andere Kriegsziele Im Auge als Assyrien. Es wird von beständigem Haß gegen Israel voran­getrieben._________

*) Diese Frage Ist für mich hiermit nur aufgeworfen, keineswegs bereits gelöst.

Die Könige des Ostens könnten auch eine von dem Assyrer getrennte Heeres­gruppe bilden, die vielleicht sogar dem Tier ihre Unterstützung gegen Assyrien anbieten

**) Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß viele namhafte Ausleger diese Stelle auf den Beginn des Friedensreiches beziehen, so daß der Einfall Gogs nach der Vernichtung des "Königs des Nordens" stattfinden müßte. Der Übersetzer. 

Dieser Haß zeigte sich bereits bei der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar (Ps 137, 7). Es geht Edom nur darum, Juda und Israel in seine Hand zu bekommen, um selbst ein Reich in Palästina zu errichten (Hes 35, 10).*) 

All diesen Plänen arbeitet das in Jerusalem wohnende jü­dische Volk entgegen. Die Gesetzlosen, die dort herrschen und einen V e r t r a g mit dem Antichristen abgeschlossen haben, gehen einen B u n d mit dem römischen Tier ein, um dem Assyrer widerstehen zu können, der mehrmals "die überströmende Flut", „der Strom" (Jes 8, 7) oder "die über­flutende Geißel" genannt wird (Jes 10, 22; 28, 2. 15. 17. 18; Dan 9, 27) .**) Aber ihr Plan wird zunichte gemacht (Jes 28, 14‑22). Der Herr Jesus wird die beiden Stützen Jerusalems, den römischen Kaiser mit seiner Armee und den Antichri­sten, v o m H i m m e 1 h e r vernichten, wenn Er mit dem Heer Seiner Heiligen erscheint. Darauf wird der Assyrer auf den Bergen Israels sein Ende finden (Dan 11, 45), und zwar durch die Offenbarung des Messias auf der Erde, wenn Seine Füße auf dem Ölberg stehen werden (Sach 14,4). Zur gleichen Zeit werden die Heere der Nationen im Lande Edom vernichtet werden (Jes 34, 1‑8; 63,1‑6). 

Der eigentliche Zielpunkt dieses ganzen Kampfes ist der H e r r  J e s u s Selbst (Ps 2, 1‑3). Gegen Ihn wird Satan, nachdem er aus dem Himmel auf die Erde geworfen ist, die ganze Welt aufbieten, da er weiß, daß er nur wenig Zeit hat. Seine Werkzeuge werden sich dieses Ziels nur wenig be­wußt sein, weil ihr Blick durch ihre eigenen politischen Interessen verdunkelt ist. Nur Satan selbst, der sie anführt, ist sich über seine Absichten völlig im klaren (Offb 16, 13‑14; 19,19).

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*) Es braucht wohl kaum betont zu werden, daß alle diese Völker, die zeitweilig verschwunden zu sein scheinen, zur Zeit des Endes wiedererstehen werden.

Diese Zeilen wurden 1909 niedergeschrieben. Es ist bekannt, daß nach dem Zusammenbruch des Türkischen Reiches 1918 in dem östlichen Teil dieses Rei­ees mehrere Nationalstaaten die Unabhängigkeit erlangten. Jordanien, Sy­rien, Libanon, ganz zu schweigen von Ägypten im Süden, umgeben den jungen Staat Israel, der der Gegenstand Ihrer gemeinsamen Feindschaft ist. Weiter

entfernt liegen Saudi‑Arabien und der Irak, ebenfalls Feinde Israels. Der Irak umfaßt den größten Teil des alten Assyriens und Babyloniens. Natürlich kann es unter diesen Völkern noch weitere Bewegungen geben. Wie sich die poli­tische Karte im Nahen Osten aber auch verändern mag ‑ das Entstehen dieser Nationalstaaten ist jedenfalls sehr bedeutsam. Anmerkung zur dritten franzö­sischen Auflage (1964).

**) In Jes. 8, 8 handelt es sich historisch um Assyrien, in Dan. 11, 22 um den König des Nordens, Antiochus Epiphanes, In Jer 47, 2 um Babel. 

J e r u s a 1 e m bildet den Mittelpunkt dieser ganzen furcht­baren Bewegung unter den Völkern. Zur Zeit des Endes, wenn das Land Israel noch von den Nationen besetzt sein wird, wird Jerusalem ein scheinbar festes Bollwerk gegen­über ihrem Vordringen darstellen. Die Stadt wird zu diesem Zeitpunkt von den Helfern des Antichristen regiert werden, die wir mit den Fürsten Judas unter Zedekia (Jer 38) ver­gleichen können. Diese Männer sind Gesetzlose, Spötter und Heuchler, die die Macht im Norden herausfordern, weil sie auf die Unterstützung des Westens rechnen. Die ungläu­bige Bevölkerung Jerusalems vertraut sich ihnen an. 

Aber inmitten der Stadt hat sich von Beginn der Drangsal an auch ein gemeinsames Zeugnis von Gläubigen herausgebildet, das auf die Unterweisung der "Verständigen" zurückgeht (Dan 11, 33. 35; 12, 3. 10). Ein verfolgter und leidender Überrest *) wartet auf den Messias und vertraut auf Ihn, den in Zion gegründeten sicheren Eckstein (Jes 28, 16). Sein Zeug­nis erstreckt sich über das ganze Land Juda. Die Umstände dieses Überrestes werden in den Psalmen immer wieder an­gedeutet und in den Propheten entfaltet. Bei der Verfolgung durch das Tier und den Antichristen flieht eine große Menge des Überrestes aus Juda (nicht aus Jerusalem!). Durch die Vorsehung Gottes werden diese Gläubigen unter den Na­tionen in der Wüste bewahrt (Mt 24,15‑21; Offb 12,14‑16) .**)

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*) Weniger mit der Prophetie vertraute Leser könnten erstaunt darüber sein,

den Ausdruck "Überrest" Immer wieder in diesem Buch anzutreffen. Die ganze Prophetie des Alten Testamentes ist jedoch voll davon. Den Überrest bilden die wenigen gläubigen Juden, die Erlösten, Entronnenen, der Kern des zukünftigen Israels. Die hebräischen Ausdrücke Schear, Schaar, Scheerith, Sarid, Yether beziehen sich Immer auf diesen Überrest.

**) Welche Nationen werden das sein? Es ist schwierig, das genau zu bestim­men. Es scheint sicher zu sein, daß es nicht die in Psalm 83 erwähnten Nationen sind. Allerdings ist In Jesaja 16, 3‑4 Moab der Zufluchtsort der Flücht­linge Judas vor dem Verwüster und dem Bedrücker. Ich neige zu der Annahme, daß Mesech und Kedar (Ps 120, 5) an den Grenzen Palästinas zu diesen Län­dern gehören werden. Die Juden würden dann auf Ihrer überstürzten Flucht Im Norden, Osten und Süden ihres Landes einen nahen Zufluchtsort finden. Ein­zelheiten zu Mesech und Kedar folgen später. 

Ein Teil des Überrestes bleibt jedoch in Jerusalem, um dort ein Zeugnis inmitten des Abfalls zu sein. In seinen Führern, den beiden Zeugen von Offenbarung 11, 1‑13, erleidet er den Märtyrertod für seinen Glauben. Dann werden die Ver­bannten aus Juda in ihr Land zurückkehren. Das wird am Ende der zweiten dreieinhalb Jahre geschehen, wenn das Tier und der falsche Prophet bereits gerichtet sein werden. Aber sie finden immer noch den Assyrer vor, der Israel be­setzt hält. Der Teil des Überrestes Judas, der Jerusalem nicht verlassen hat, wird sich während der Ereignisse, die der Vernichtung des Assyrers unmittelbar voraufgehen, wie­der zusammenfinden. Diese Gläubigen bleiben in Jerusalem, um den Messias zu erwarten, während ihre Brüder im Lande der Verheißung bereits ihre Augen zu den Bergen aufheben, woher ihre Hilfe kommen wird. 

Hier kommen wir zu einem der schwierigsten Punkte der Prophetie, der Belagerung Jerusalems durch die mit dem Assyrer verbündeten Nationen*) und schließlich durch den Assyrer selbst. 

Zunächst ist festzuhalten, daß die Belagerung Jerusalems durch den Assyrer in keiner Weise mit der Einnahme und Zerstörung der Stadt durch Nebukadnezar verwechselt wer­den darf, die die erste Gefangenschaft Judas zur Folge hatte. Der Prophet Micha belehrt uns über diesen Gegenstand. Wir finden dort zuerst die Babylonische Gefangenschaft Judas und seine Wiederherstellung (Micha 4, 9‑10). Danach wird der Richter Israels auf den Backen geschlagen (4, 14 ‑ 5, 1), und schließlich wird der Einfall des Assyrers mit seinen Be­gleitumständen geschildert (5, 4‑8). In Jesaja 13 ‑ 14, 23 wird zuerst das Gericht Babels beschrieben, danach, in Ka­pitel 14, 24‑27, die Vernichtung Assyriens im Lande Israel. Diese Stellen liefern uns gleichzeitig den Beweis dafür, daß der Assyrer der Endzeit nicht identisch mit dem historischen Assyrer ist.

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*) Ich bin versucht zu glauben, daß Ziel und Wirkung der ersten Belagerung Jerusalems die Erleichterung der Invasion des Assyrers bei seinen Unterneh­mungen in Ägypten ist (Jes 28, 19; Dan 11, 40‑42). 

Der letztere fiel in Israel, dann in Juda ein und belagerte Jerusalem, lange bevor Nebukadnezar und das Heer Babels die Stadt belagert und zerstört haben. Dazu wurde Jerusalem damals durch Sanherib weder eingenom­men noch geplündert, wie durch Nebukadnezar. Sanherib hat auch keinen Wall gegen die Stadt aufgeschüttet (Jes 37, 33), wie das bei der zukünftigen Belagerung durch Assy­rien geschehen wird (Jes 29, 3). 

Im Blick auf die Belagerung Jerusalems zur Zeit des Endes erwähnt die Prophetie unbestreitbar z w e i Belagerungen, die deutlich unterschieden werden. 

Zuerst sind es die von dem Assyrer unterstützten Nationen die Jerusalem belagern. Diese erste Belagerung bei der die Nationen die Hauptrolle spielen, endet mit der Einnahme und der Plünderung der Stadt ‑ also ge­nau das Gegenteil dessen, was sich unter der Regierung His­kias ereignete. Die Hälfte der Bevölkerung wird gefangen weggeführt; aber das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden (Sach 14, 1‑2). Das Blut der Heiligen wird wie Wasser rings um Jerusalem vergossen (Ps 79,3). 

Dieses Ereignis wird an verschiedenen Stellen erwähnt. In Jesaja 28 werden Ephraim und Juda durch den Assyrer über­fallen (wie es auch in der Geschichte der Fall war), Jeru­salem wird belagert. Die Männer, die dort regieren, haben einen Bund mit dem Tod und einen Vertrag mit dem Scheol (dem Tier und dem falschen Propheten) gegen die überflu­tende Geißel (den Assyrer) geschlossen. Aber diejenigen, die ihre Zuflucht zur Lüge genommen haben, werden zu­schanden werden. Jehova wird einen kostbaren Stein (den Messias) in Zion gründen. Wer sein Vertrauen auf Ihn setzt, wird nicht beschämt werden.*)

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*) In dieser Stelle handelt es sich nicht um die persönliche Anwesenheit des Messias, sondern um die Offenbarung Seiner Person und Seines Kommens In den Herzen der Gläubigen.

 

Bevor das Tier und seine Heere der Stadt zu Hilfe eilen kön­nen, werden die Zuflucht der Lüge hinweggerafft, der Ber­gungsort weggeschwemmt und das gottlose Volk zertreten und hingerafft werden. Der Bund des Volkes mit dem Tode wird zunichte werden, sein Vertrag mit dem Scheol nicht be­stehen. Das ist die erste Belagerung. Wie man sieht, steht hier der Angriff Sanheribs auf Jerusalem überhaupt nicht zur Frage, da die Stadt ja eingenommen und zertreten wird. 

Auf zwei weitere Stellen wurde bereits hingewiesen. In Joel 2 erhebt sich der Assyrer, der König des Nordens, mit allen Nationen (Joel 3) gegen Jerusalem. Die Stadt wird erobert, und die Feinde breiten sich in ihr aus. In Sacharja 14, 1‑2 sind alle Nationen nach Jerusalem zum Kampf versammelt. Dort wird sie das Gericht treffen; aber vorher wird Jerusalem eingenommen und geplündert. Die Hälfte der Bevölkerung zieht in die Gefangenschaft aus, während das "übrige Volk" ‑ ein Ausdruck, der den Überrest in Jerusalem einzuschlie­ßen scheint ‑ nicht ausgerottet wird. 

Diese erste Belagerung wird auch in den Psalmen erwähnt. In Psalm 74 ist der Feind in Jerusalem eingedrungen und hat den Tempel ausgeraubt, ebenso alle Orte im Lande, die dem Dienst Jehovas geweiht waren. In Psalm 79, wo dieselben Ereignisse beschrieben werden, sind die Nationen die Fein­de Israels. Sie haben Jerusalem zu einem Trümmerhaufen gemacht und das Blut der Heiligen rings um die Stadt ver­gossen. Dieselben Nationen finden wir in Psalm 83 wieder, wo sie von dem Assyrer gegen das Volk Gottes unterstützt werden. Jehova wird auf das Schreien Seines Volkes ant­worten und die Feinde vernichten. 

Der ungefähre Zeitpunkt der ersten Belagerung kann aus Daniel 9, 27 erschlossen werden. Diese Stelle berichtet uns, daß der kommende Fürst (der römische Kaiser, das Tier) für sieben Jahre (eine Woche) einen Bund mit den Vielen in Jerusalem schließen wird. Zur Hälfte der Jahrwoche wird er den jüdischen Gottesdienst abschaffen und den Götzen­dienst im Tempel fördern. Deswegen wird ein Verwüster (der Assyrer) aufstehen, und zwar bis zum Ende der Gerichte über Jerusalem. Die erste Belagerung wird also gegen Ende der zweiten Hälfte der Jahrwoche stattfinden. Es wird eine Zeit unvorstellbarer Verwüstungen und Erschütterungen sein. 

Im Blick auf die zweite Belagerung Jerusalems re­det das Wort Gottes nicht weniger deutlich. Bei dieser Be­lagerung wird Jerusalem mit dem darin befindlichen Überrest nicht eingenommen, sondern ‑ wie zur Zeit Hiskias ‑befreit werden. Der Assyrer ist diesmal selbst das Werkzeug der Belagerung. Er hat Ägypten erobert und kehrt von dort zurück, nachdem die Neuigkeiten von den Ereignissen an sein Ohr gedrungen sind, die sich während seiner Abwesen­heit in Palästina abgespielt haben. Diese "Gerüchte von Osten und von Norden her" (Dan 11, 44) erschrecken ihn und versetzen ihn in große Wut. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Nachricht von dem Einfall der Fürsten Judas in Assyrien (Micha 5, 4‑5; Sach 12, 6). Aber vielleicht ist auch die Kunde von der Vernichtung des römischen Tie­res und des Antichristen gemeint. All diese Ereignisse der Endzeit werden sich in sehr rascher Folge abspielen. 

Untersuchen wir nun die Stellen, die sich auf die zweite Be­lagerung beziehen. In Jesaja 10 zieht Assur gegen das Volk Jehovas herauf, das i n Z i o n w o h n t (V. 24), also gegen den Überrest (V. 22). Wie früher der Pharao, so erhebt nun der Assyrer seinen Stab gegen Israel nach der Weise Ägyp­tens. Aber Gott wird denselben Stab gegen Assur wenden, das Meer schlagen und Sein Volk befreien. Der Assyrer kommt, schwingt seine Hand gegen den Berg der Tochter Zion, den Hügel Jerusalems (V. 32), und wird vernichtet. 

In Jesaja 29 folgt auf die Beschreibung der ersten Belage­rung (in Kapitel 28) die Belagerung Ariels, die zweite Be­lagerung Jerusalems. Im Gegensatz zu Sanherib (siehe 2. Kön 19, 32) richtet der Assyrer Belagerungswerke gegen die Stadt auf. Jerusalem wird "erniedrigt aus der Erde re­den, seine Sprache wird dumpf aus dem Staube ertönen; und seine Stimme wird wie die eines Geistes aus der Erde hervorkommen, und seine Sprache wird aus dem Staube flüstern". Aber in der größten Bedrängnis wird Jehova den Assyrer und die Menge der Nationen heimsuchen (V. 4‑8). Nur der Überrest hatte an den in Zion gegründeten Stein geglaubt (Jes 28, 16). 

In Jesaja 31, 4‑5 wird Jerusalem von Jehova beschirmt, der auf den Berg Zion herniedersteigt. 

Nachdem der Assyrer, wie zur Zeit Hiskias (2. Kön 18,13‑17), dem Volk schöne Versprechungen gemacht und sich so außerhalb Jerusalems festgesetzt hat, bricht er in Jesaja 33,8 den Bund. Hier ist auch das Bündnis des ungläubigen Volkes mit Ägypten einzuordnen, worauf Jesaja 30 und 31 Bezug nehmen. Es sendet Boten nach Ägypten und flieht dann sel­ber durch die Wüste dorthin, wobei es seine Reichtümer mit­nimmt. Aber der Feind erreicht sie. Währenddessen ißt der Überrest in Jerusalem Brot der Drangsal und trinkt Wasser der Trübsal. Er wartet jedoch auf Jehova und wird mit Sicher­heit errettet werden. Die Sünder i n Z 1 o n (Jes 33, 14‑19) beben; die Gläubigen werden dagegen in der Stadt bewahrt bleiben und den König in Seiner Schönheit anschauen. Den Assyrer werden sie nicht mehr sehen. Zion, die Stadt der Festversammlungen, wird von nun an eine ruhige Wohn­stätte sein, ein Zelt, das nicht mehr wandern wird. 

In Jesaja 59,19 kommt der Assyrer wie ein Strom über Israel. Aber Jehova wendet Sich gegen ihn, und ein Erlöser kommt für Z i o n und für die, welche in Jakob von ihrer Übertre­tung umkehren (den Überrest). 

Sacharja 12 zeigt uns alle Nationen gegen Jerusalem ver­sammelt. Gott Selbst hat sie dorthin geführt, um sie allesamt zu vernichten. Die Fürsten von Juda, die sich außerhalb der Stadt befinden, sind das Werkzeug Gottes, um die Völker ringsum zu verzehren. Sie waren es auch, die den Krieg bis in das Land des Assyrers hineingetragen haben. Aber letzt­lich ist es Jehova Selbst, der Sein Volk vor dem Assyrer ret­ten wird (Micha 5, 4‑5). Er wird Jerusalem gegen diesen furchtbaren Feind beschirmen (Sach 12, 8). Die Art und Weise, wie der Assyrer (Gog) zugrunde gehen wird, wird uns in Daniel 11 und Hesekiel 38‑39 geschildert. 

In Sacharja 14 werden die erste (V. 1‑2) und die zweite Belagerung (V. 3‑5) nacheinander erwähnt. Der Herr erscheint zugunsten Seines Volkes auf der Erde und vertilgt Selbst die Nationen. 

In Obadja 17 heißt es, daß auf dem Berge Zion Errettung sein wird. Edom, das bereits früher seinen Haß gegen Israel gezeigt und sogar gehofft hatte, das Land des Volkes Gottes für sich zu erobern (Hes 36, 5), wird gerichtet wer­den. "Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben" (Obadja 18). Um mit Edom zum Abschluß zu kom­men, möchte ich noch auf Hesekiel 35 hinweisen. Auch zur Zeit des Endes will Edom die beiden Nationen Juda und Israel zu seiner Beute machen (V. 10). Zusammen mit Moab, Ammon und anderen Völkern sucht es daher die Unterstüt­zung Assurs (Ps 83). Vielleicht wird der König des Nordens, wenn er in das "Land der Zierde" einfällt, aus diesem Grun­de seine Hand nicht an diese drei Nationen legen (Dan 11, 41). *) Jehova Selbst wird in dem Blutbad von Bozra, also auf dem Gebiet Edoms, die dort versammelten Nationen vernichten (Jes 34, 5‑17; 63, 1‑6). Aber Edom wird genau genommen von der Hand Israels fallen (Hes 25,14). 

Nachdem der Überrest Judas und das Haus Levi in Jerusalem Zeugen des Kommens Christ! gewesen sind, der ihre Stadt errettet hat, werden sie unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes Buße tun. Sie werden auf Den blicken, den sie durchstochen haben (Sach 12, 8‑14; 13, 6; Jes 53, 1‑6). 

Bisher haben wir uns nur mit der Wiederherstellung des Überrestes Judas beschäftigt. Ich möchte jetzt mit wenigen Worten auf die des Überrestes Israels, also der zehn Stämme, zu sprechen kommen.

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*) Noch wahrscheinlicher ist aber, daß sie dem Assyrer entrinnen, weil sie für die Rache Israels aufbewahrt bleiben sollen (Jes 11, 14). In der Tat werden die­se drei mit Israel verwandten Völker (l. Mose 19, 37‑38) durch Israel selbst am Tage der Vergeltung ausgerottet werden. Aber vor allem Edom, der Sohn Isaaks dem Fleische nach, der erbittertste Feind des Volkes Gottes, wird durch das Gericht für ewig verwüstet werden (Hes 25, 14; Jer 49, 17; Ob 18). 

Gleich zu Anfang muß jedoch schon festgestellt werden, daß die Schrift oft von der Wiederherstellung des ganzen Volkes spricht, als ob dies ein einziges Ereignis wäre. So werden in Jeremia 16, 15 und 23, 7‑8 Israel und vor allem Juda aus dem Norden und aus all den Ländern heraufgeführt, wohin sie vertrieben worden waren. In Jeremia 50, 19‑20 kehrt Israel nach dem Gericht durch Babel als Ganzes zu seiner Trift zurück und empfängt die Vergebung seiner Sünden. In Hesekiel 34, 11‑16 wird Israel im Bilde der zerstreuten Schafe aus den Völkern gesammelt. Hesekiel 36,24‑28 redet ebenso von der Sammlung des ganzen Volkes, von seiner Demütigung und den Ergebnissen des neuen Bundes. Auch in Hesekiel 39, 25‑29 handelt es sich um eine allgemeine Wiederherstellung. 

Das Haus Israel wohnt in Sicherheit, der Geist Jehovas wird über es ausgegossen. Jesaja 10, 21 sagt, daß der Überrest umkehren wird, und zwar der Überrest Jakobs, also ganz Israels. Eine charakteristische Stelle ist Jesaja 11, 11‑16. Der Überrest des Volkes Gottes wird zum zweitenmal losgekauft, wie es früher schon einmal beim Auszug aus Ägypten der Fall war. Es geht hier also nicht um die Rückkehr Judas aus der Babylonischen Gefangenschaft unter Kyros. Der Überrest wird aus folgenden Ländern ge­sammelt: aus Assyrien, Ägypten, Pathros (Oberägypten), Kusch (Äthiopien), Elam (Persien), Sinear (Chaldäa), Hamath (Nordsyrien) und von den Inseln des Meeres (Inseln und Küstengebiete des Mittelmeers). Die V e r t r~i e b e n e n Israels und die Z e r s t r e u t e n Judas werden nur noch als ein Volk betrachtet, das gemeinsam gegen die Nationen kämpft (gegen Philistäa, Edom, Moab, Ammon). Dann folgt mit Vers 15 eine Stelle, die sich, wie wir noch sehen werden, ausschließlich auf die zehn Stämme bezieht. In Jesaja 35, 10 kehrt der gesamte Überrest, die Befreiten Jehovas, mit Ju­belgesängen nach Zion zurück. 

Es gibt aber auch eine große Anzahl von Stellen, die nur von der Rückkehr der zehn Stämme nach Palästina reden. Die­ses Ereignis wird erst stattfinden, nachdem zunächst das Tier und der Antichrist und darauf der Assyrer durch die Er­scheinung Christ! in Herrlichkeit vernichtet worden sind. 

Daher der Ausdruck "nach der Herrlichkeit" in Psalm 73, 24 und Sacharja 2, 8. Die Boten des Überrestes Judas, die seit der Bildung und Verfolgung dieses Überrestes die frohe Botschaft, das "Evangelium des Reiches", unter den Natio­nen verkündigt haben, werden auch die Sammlung der zehn Stämme ankündigen. 

Die Begebenheiten, die mit der Rückkehr der zehn Stämme in Verbindung stehen, werden uns beschrieben in Psalm 80; Jeremia 31, 1‑14; Jesaja 11, 15‑16; 27, 12‑13; 35, 5‑10; 43, 1‑7; 49, 9‑23; 60, 4; Hesekiel 20, 34‑38; Hosea 11, 10‑11; Sacharja 10, 7‑12. 

Die beiden Teile des Volkes werden wieder zu einer Einheit werden (Jer 3, 18; 31, 1; Hes 37, 15‑28), und Jehova wird einen neuen Bund mit Seinem Volk schließen (Jer 31, 31‑34; Hes 37, 26). 

IV. Die Geschichte Israels In den letzten Tagen 

Wenn diese Hinweise auch sehr unvollständig sind, werden wir doch sehen, daß sie für das Verständnis der propheti­schen und moralischen Bedeutung der Stufenlieder uner­läßlich sind. Um der größeren Klarheit willen möchte ich die Geschichte Israels in den letzten Tagen noch einmal zusam­menfassen. Dabei werde ich auch noch einige Einzelheiten hinzufügen, die in den vorhergehenden Ausführungen nicht erwähnt wurden.*) 

Nach der Entrückung der himmlischen Heiligen beim Kom­men des Herrn ist die Gnadenzeit abgeschlossen. Gott nimmt nun Seine Wege mit Israel, die durch die gegenwärtige Haus­haltung unterbrochen waren, wieder auf. 

Das jüdische Volk, also Juda und Benjamin, das jetzt noch unter den Nationen zerstreut lebt (geschrieben 1909), kehrt im Unglauben nach Palästina zurück und bringt großen ma­teriellen Reichtum mit. Es wohnt in Sicherheit, in offenen Städten, und freut sich seines Wohlstandes (Jes 18; Hes 38), befindet sich aber immer noch unter dem Druck der Na­tionen. 

In Jerusalem gewinnt die Gesetzlosigkeit die Oberhand. Aber in dieser Stadt bildet sich auch ein gemeinsames Zeugnis gegen das Böse (2. Kön 19, 31; Jes 37, 32). Die "Verständigen" lehren die Volksmengen (Dan 11, 33‑, 12, 3. 10).

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*) Der Leser der folgenden Zeilen wird feststellen, daß ich es sorgfältig ver­mieden habe, die Ereignisse aus der Offenbarung einzuordnen, die sich nicht, wie Kapitel 11, ausdrücklich auf die letzte halbe Jahrwoche aus Daniel 9 oder auf das Gericht der Nationen zur Zeit des Endes beziehen. Die Weissagungen des Alten und des Neuen Testamentes verfolgen völlig verschiedene Ziele. Die Propheten des Alten Testamentes, mit denen wir uns jetzt beschäftigen, zeigen uns die Folgen des Verfalls Israels und sein Gericht durch die Natio­nen, darauf seine Wiederherstellung unter der Regierung des Messias. Die Offenbarung beschreibt uns dagegen die Folgen des Verfalls der Kirche, den Abfall in der Christenheit und in der Welt und das hierauf folgende Gericht, schließlich das Teil der wahren Kirche, der himmlischen Braut während des herrlichen Friedensreiches Christi auf der Erde. 

Diejenigen, die sie aufnehmen, werden die "Heiligen der höchsten Örter" genannt (Dan 7, 18. 25).*) Dieser treue Überrest ist Verfolgungen ausgesetzt. Eine Zeitlang fällt er durch Schwert, Flamme, Gefangenschaft und Raub (Dan 11, 33). Gott prüft ihn so, um ihn zu reinigen. Urheber dieser Verfolgung ist das römische Tier (Dan 7, 21. 25). Während sich diese Ereignisse in Jerusalem abspielen, wird der Tempel von der Bevölkerung der Stadt wiederaufgebaut. Der nationale Gottesdienst wird wiederhergestellt und für sieben Jahre durch ein Bündnis mit dem Führer des Römischen Reiches gesichert. Die Mehrheit des jüdischen Volkes nimmt den Antichristen als König an. Dieser ist ein „törichter Hirte", der das Volk bedrückt (Sach 11, 15‑17). Er verherrlicht sich selbst in furchtbarer Weise, gibt sich als Messias aus, leugnet den Vater und den Sohn, verleiht denjenigen, die ihn annehmen, Ehre und Herrschaft und verteilt das Land unter sie (Dan 11, 39). Währenddessen verfolgt das römische Tier die Heiligen und "redet große Dinge". 

Rußland, Gog, ist der Repräsentant des assyrischen Bünd­nisses. Unter der Führung des Königs des Nordens, der im Besitz des östlichen Kleinasiens ist, richtet er sein Augen‑

merk auf die Reichtümer Palästinas und bereitet eine In­vasion vor. Durch Schmeicheleien, schöne Worte und Versprechungen gewinnt der Assyrer in Palästina eine Anhän­gerschaft unter dem gesetzlosen Volk. 

Anstatt dem Assyrer zu widerstehen, hat das abgefallene Volk in Jerusalem mit Unterstützung des Antichristen,**) wie wir bereits gesehen haben, einen Vertrag mit dem römischen Tier geschlossen, dem Führer des abendländischen Reiches

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*) Bezieht sich die Verkündigung des Evangeliums des Reiches in den Städten Israels nicht auch auf diese Zeit? Matthäus 10, 6 und 23 weisen darauf hin, während sich Vers 42 auf die Nationen bezieht (vgl. Matth 25, 31‑46). Auch die­ses Evangelium wird also zuerst Israel, dann den Nationen verkündet (Matth 24, 14). Die Predigt in Israel hat bereits mit dem ersten Kommen des Herrn begonnen.

**) Ich glaube nicht, daß man sagen darf, der Antichrist regiere in Jerusalem. Das Beispiel Herodes', der ein Vorbild des Antichristen ist, könnte zur Klärung dieser Frage beitragen. Siehe hierzu Daniel 11, 39: "die Festungen" werden unterschieden von der "Feste", Jerusalem, in Vers 31. Bei der ersten Belage­rung wird seine Anwesenheit in Jerusalem mit keinem Wort erwähnt. Nur seine Anhänger herrschen dort. 

und seinen verbündeten zehn Königen. Dadurch wird den Juden die Ausübung ihres Gottesdienstes garantiert. 

Kurze Zeit darauf, zu Beginn der zweiten halben Jahrwoche in Daniel 9, * bricht das römische Tier diesen Bund. Das beständige Opfer wird abgeschafft. Stattdessen wird der Götzendienst im Tempel eingeführt, wo das Tier sich unter dem Schutz des Antichristen anbeten läßt, während der Antichrist selbst sich in den Tempel setzt "und sich selbst darstellt, daß er Gott sei". 

In diesem Augenblick flieht der Überrest, der außerhalb Jerusalems in Juda wohnt, entsprechend dem Befehl des Herrn in großer Eile aus seinem Land. Er sucht seine Zuflucht unter den Nationen, die Palästina umgeben (Offb 12, 14; Mt 24,15-21; Mk 13,14-19),**) während eine Gruppe von Zeugen in Jerusalem bleibt, wo ihre Führer den Märtyrertod erdulden müssen***) Das ist der Beginn der "Drangsal Jakobs", die erst mit der Erscheinung des Herrn enden wird (Jer 30, 7-, Dan 12, 1). Diese Drangsal ist ein in den Psalmen beständig wiederkehrendes Thema. 

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*Der Ausdruck zur Hälfte der Woche" scheint mir auf den Beginn der zweiten Hälfte der J a h r w o c h e hinzuweisen, und nicht so sehr auf das Ende der ersten halben W o c h e d e s B ü n d n i s s e s . Das ist insofern wichtig, als dadurch offengelassen wird, wann das Oberhaupt des Römischen Reiches seinen Bund mit den "Vielen" (Dan 9, 27) schließt. 

**Es ist bemerkenswert, daß der Überrest in Lukas 21, 20-24, wo von der bevorstehenden Belagerung Jerusalems durch das römische Heer die Rede ist, nicht nur, wie in Matthäus und Markus, aufgefordert wird, aus Juda zu fliehen, sondern auch aus Jerusalem. In Joel 3, 1 werden die Gefangenen Judas und Jerusalems deutlich unterschieden. 

***Die Namen der Völker, die den fliehenden Überrest aufnehmen, werden nicht ausdrücklich genannt. Sie bilden die "Wüste", wo das Weib, der Überrest Judas, während der dreieinhalb Jahre der zweiten Hälfte der Jahrwoche Daniels ernährt wird (Offb 12, 14). Ich denke, daß folgende Nationen hierzu gehören:

a) K e d a r , ein Teil der Wüste Arabiens, das im Nordwesten der arabischen Halbinsel liegt und an den Süden Palästinas grenzt;

b) M e s e c h , das sich Im Norden an Kedar anschließt und bis zum Osten Kleinasiens reicht;

c) vielleicht auch P h 1 1 1 s t ä a (Zeph 2, 7), wenn sich diese Stelle nicht schon auf die Rückkehr des Überrestes in sein Land bezieht (vgl. Zeph 2, 9);

d) schließlich M o a b , das östlich von Palästina liegt und ausdrücklich als Zufluchtsort der Vertriebenen bezeichnet wird (Jes 16, 3-4). E d o m gehört nicht zu diesen Nationen, die dem Oberrest Schutz gewähren. 

Die Nationen , die zu dieser Zeit die Hauptrolle spielen und in Übereinstimmung mit dem Assyrer handeln, ziehen gegen Jerusalem herauf und belagern die Stadt trotz ihres Bündnisses mit dem Tier und dem falschen Propheten. Jerusalem wird eingenommen und geplündert; das Blut der Heiligen (vielleicht bezeichnet dieser Ausdruck lediglich die Bevölkerung) wird rings um die Stadt vergossen (Ps 79). Die noch in Jerusalem wohnenden Gläubigen setzen ihr Vertrauen auf Den, der als ein kostbarer Stein in Zion gegründet werden wird. Die Hälfte des Volkes wird in Gefangenschaft geführt, die übrigen bleiben mit dem Überrest in der Stadt. 

Inzwischen ist auch der Assyrer in Palästina eingefallen, mit Ausnahme Jerusalems. Er setzt sich in Israel fest und versucht sich mit dem Volk des Landes zu versöhnen, indem er einen Bund mit ihm schließt. Diejenigen, die gottlos gegen den heiligen Bund mit Jehova handeln, verleitet er durch Schmeicheleien zum Abfall (Dan 11, 32). 

Inmitten all dieser Ereignisse vereinigen sich das Tier und seine Heere mit dem falschen Propheten, um dem Assyrer entgegenzutreten und sich Jerusalems zu bemächtigen. Zu gleicher Zeit wollen sie dadurch den wahren König daran hindern, Seine Stadt in Besitz zu nehmen. Aber sie werden durch den Sohn des Menschen und Seine Heere vom Himmel her vernichtet (Offb 19, 19-20). Dieses Gericht wird im Lande Edom stattfinden, in Bozra (Jes 34,1-8; 63,1-6). 

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt, am Ende der zweiten halben Jahrwoche aus Daniel 9, kehrt der geflohene Überrest Judas in sein Land zurück. Dort findet er aber noch den Assyrer vor, der das ganze Land besetzt hält. Der Überrest leistet ihm Widerstand und stellt Fürsten auf, um ihn zu bekämpfen. 

Das abgefallene Volk, das in Palästina wohnt, versucht nach Ägypten zu fliehen, wo es seine Schätze in Sicherheit zu bringen glaubt (Jes 30, 6). Sie entkommen aber dem Zorn des Assyrers nicht; denn dieser wendet sich nach seiner In 

vasion in Palästina gegen Ägypten und bringt dessen Schätze in seine Gewalt (Dan 11, 40-43). 

Währenddessen sind die Fürsten Judas siegreich. Sie tragen den Krieg bis in das Land des Assyrers hinein (Micha 5,4-5). 

Auf die Nachricht von dem hin, was sich in seinem Reich abspielt, kehrt der Assyrer, nachdem er Ägypten unterworfen und beraubt hat, in großem Zorn zurück, dehnt sich über die ganze Breite des Landes Immanuels aus (Jes 8, 8), zieht gegen Jerusalem und richtet Belagerungswerke gegen die Stadt auf (Dan 11, 44-45). 

Aber sobald der Herr Jesus Seine Füße auf den Ölberg gesetzt hat, wird Assyrien auf den Bergen Israels vernichtet (Jes 31, 4-9; Sach 14, 3-4). Die assyrischen Heere reiben sich zum Teil gegenseitig auf, zum Teil werden sie durch Jehova Selbst gerichtet (Hes 38,21-23). 

Der Überrest in Jerusalem ist gerettet. Der Rest der Bevölkerung*) flieht, von Furcht erfüllt, durch den gespaltenen Ölberg hindurch, wie schon früher bei dem Erdbeben in den Tagen des Königs Ussija (Sach 14, 4-5; Amos 1, 1). 

Um diese Zeit werden auch die N a t i o n e n besiegt, die mit Unterstützung des Assyrers an der ersten Belagerung Jerusalems beteiligt waren. Zuvor werden jedoch Israel und Juda wieder zu einem Volk vereint. Gemeinsam fallen sie 

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*So jedenfalls verstehe ich die Worte "ihr werdet fliehen" in Sacharja 14, 5, anstatt sie auf den Oberrest anzuwenden, wie es meist geschieht. Die folgenden Worte "Jehova, m e i n Gott . . . " bestätigen diese Auslegung. In der gleichen Bedeutung finden wir das Wort "ihr" auch in Maleachi 3, 5 wieder, wo es im Gegensatz zu Vers 4 steht. Außerdem beweist die Flucht des Volkes großes Entsetzen, was bei dem Oberrest kaum anzunehmen ist. Schließlich wird uns berichtet, daß nach der Befreiung Jerusalems "alle übrigen Geschlechter" trauern und wehklagen werden (Sach 12, 14). 

Anmerkung:            In den französischen und englischen Übersetzungen J. N. Darbys hat "übrig" den Sinn von "übriggeblieben". Der Übersetzer. 

über die Philister her, plündern die Söhne des Ostens, legen ihre Hand an Edom und Moab und unterwerfen sich die Kinder Ammon. Von Ammon und Moab wird jedoch ein Überrest gerettet, zweifellos weit sie dem Überrest Judas während seiner Flucht eine Zufluchtsstätte gewährt hatten (Jes 11, 14). Dagegen wird Edom vollständig vernichtet (siehe Obadja). Die abgefallenen Juden werden durch den Herrn in Israel gerichtet (Offb 14,18-20). 

Der Überrest Judas sendet Boten zu den Nationen (Tarsis, Pul, Lud, Tubal, Jawan, den fernen Inseln), um ihnen zu verkünden, daß die Herrlichkeit des Messias erschienen ist und Sein Reich aufgerichtet wird (Jes 66, 19). Dieser Zeitpunkt ist mit dem Ausdruck "nach der Herrlichkeit" (Ps 73, 24; Sach 2, 8) gemeint. Die angeführten Stellen beziehen sich auf die Rückkehr der Herrlichkeit Jehovas nach Jerusalem und Seinem Tempel (Hes 43, 1-15; Ps 102, 16). Eine große Volksmenge aus den Nationen nimmt dieses "Evangelium des Reiches" an (Matth 24,14), sobald es ihnen verkündigt wird, und unterwirft sich dem König (Offb 7, 9-17).* 

Nach den soeben erwähnten Ereignissen macht sich ein Teil der zehn Stämme Israels von Ägypten und von Assyrien aus auf den Weg, um durch die Wüste nach Palästina zurückzukehren. Gott läßt die Arme des Nils austrocknen, um Sein Volk trockenen Fußes hindurchziehen zu lassen (Jes 11, 15; 49, 8-15; Hosea 2, 14-15; Zeph 3, 10; Sach 10, 7-12). Wie schon bei dem Auszug Israels aus Ägypten werden die Einpörer und Abgefallenen unter ihnen auf dem Wege gerichtet. Nur diejenigen, die Buße getan haben, erreichen das Land der Verheißung (Hes 20, 30-44; Jes 11, 12-16; 27, 12-13). 

Die Nationen, die sich dem Evangelium des Reiches unterworfen haben, bringen den anderen Teil des Überrestes aus den zerstreuten zehn Stämmen zurück. Beide Gruppen kehren also erst "nach der Herrlichkeit" in ihr Land zurück. 

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*Es gibt übrigens auch noch andere Boten als die Juden. Auch die Engel Werden einen derartigen Dienst ausüben (Matth 24, 30-31). 

Tarsisschiffe nehmen bei dieser Rückführung einen besonderen Platz ein (Jes 49, 22; 60, 1-9; 66, 20-21). 

Juda und Israel werden wieder vereint (Jes 11, 12-13) und bilden nur noch e i n Volk, das neue Israel (Hes 37,15-28). 

Ägypten, Assyrien und Israel sind von nun an verbündet. Sie bilden ein Zentrum des Segens inmitten der Erde (Jes 19, 18-25). 

Die Söhne der Fremde richten die Mauern Jerusalems wieder auf (Jes 60, 10). Die Stadt wird auf ihren Trümmern wieder erbaut (so nach der französischen Übersetzung J. N. Darbys in Jer 30, 18). Die Kinder Israel erneuern ihre Städte (Jes 61, 4), und das ganze Land wird wiederhergestellt (Hes 36, 33-36). 

Sieben Monate lang beerdigt Israel die Reste der assyrischen Heere in Hamon-Gog und reinigt so das Land (Hes 39,9-16). 

Der Tempel wird durch den Messias erbaut und inmitten des Landes aufgerichtet (Hes 40-44). Auch die Nationen arbeiten am Bau des Tempels mit, wie schon Hiram unter Salomo (Jes 60,10-13; Sach 6,15). 

Das Land Israel wird unter die einzelnen Stämme verteilt (Hes 47-48). 

Der Herr Jesus zieht als König der Herrlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens in Jerusalem ein, um Seine Herrschaft über das neue Israel anzutreten und Sein universales Reich aufzurichten (Sach 9, 9-10). 

Jerusalem wird zum Mittelpunkt der Nationen, der Tempel zu einem Bethaus für alle Völker. 

Das herrliche tausendjährige Friedensreich beginnt.

 

DIE STUFENLIEDER 

Der Titel "Stufenlieder" hat die Ausleger aller Zeiten beschäftigt. Wenn ich hier auch keineswegs alle Auffassungen besprechen oder sogar zum Gegenstand einer kritischen Auseinandersetzung machen will, so werde ich doch die wichtigsten nach einem kürzlich erschienenen Werk aufzählen.*) So kann sich der Leser ein Urteil darüber bilden. 

1. Die jüdischen Gelehrten teilen uns mit, daß diese fünfzehn Psalmen auf den fünfzehn Stufen des Tempels gesungen wurden. Dabei beziehen sie sich auf den Talmud. Aber weder die Bibel, noch die Geschichte oder die Überlieferung erwähnen diese fünfzehn Stufen. Es ist wahr, daß der Prophet Hesekiel bei der Beschreibung des Tempels im Tausendjährigen Reich von sieben Stufen berichtet, auf denen man zum äußeren Vorhof emporsteigt, und acht Stufen (also insgesamt fünfzehn), die in den inneren Vorhof führen (Hes 40, 22. 31). Aber der Tempel Hesekiels gehört einer zukünftigen Zeit an und kann nicht mit dem Tempel Salomos verglichen werden. 

2. Luther und einige moderne Ausleger meinen, der Ausdruck Stufenlieder besage, daß diese Lieder von einem auf Stufen oder auf irgendeiner Plattform stehenden Chor angestimmt wurden.

3. Calvin glaubt, das Wort bezöge sich auf die Musik. Die  "Stufenlieder" seien in einer höheren Tonlage als andere Lieder gesungen worden. 

4. Ein anderer Ausleger führt diese Psalmen auf den Tag zurück, an dem David die Lade nach Jerusalem heraufbrachte (2. Sam 6,12-15). 

5. Wieder ein anderer übersetzt das hebräische Wort mit "besonders ausgezeichnetes Lied" oder "Lied höherer Stufe".

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*"The Songs of degrees11 in der Zeitschrift "Things to come", 1907-11A8- Siehe auch: J. W. Thirtie, Old Testament Problems, 1907. 

6. Mehrere moderne deutsche Gelehrte(Gesenius, de Wette, Delitzsch, Edersheim) messen dem Ausdruck "Stufenlieder" eine buchstäbliche Bedeutung bei. Die "Stufen" bezögen sich auf eine Steigerung in der Anordnung der Parallelzeilen im hebräischen Text.*) Danach wird ein Wort oder ein Ge­danke der ersten Zeile in der folgenden wiederholt oder weiter ausgeführt. 

7. Die am weitesten verbreitete Auffassung ist die, daß diese Psalmen nach der Babylonischen Gefangenschaft entstan­den bzw. zusammengestellt wurden und sich auf die Rück­kehr der Gefangenen von Babylon nach Jerusalem beziehen. 

8. Aus den ersten Jahrhunderten der Kirche stammt der Ge­danke, die Stufenlieder seien von dem Volk Israel gesungen worden, als es dreimal im Jahr zu den Festen nach Jerusa­lem hinaufzog, sei es zum Tempel Salomos, sei es zu dem nach der Gefangenschaft wiederaufgebauten Tempel .**) Die Mehrzahl dieser Psalmen enthält jedoch keine einzige An­spielung auf die Feste und Pilgerzüge. Nur nebenbei sei auch an diejenigen erinnert, die in den Stufenliedern, wie im ganzen Alten Testament, Hinweise auf die Kirche zu finden meinen. 

9. Die beiden zu Beginn dieses Kapitels angeführten Auto­ren sehen in den Stufenliedern eine Sammlung von Psalmen, die zu großen Teilen von Hisksia stammen oder zumindest von ihm aus den Psalmen Davids und Salomos zusammen­gestellt wurden. Die z e h n G r a d e , die der Sonnen­zeiger Ahas zurückging, und die f ü n f z e h n J a h r e , um die das Leben Hiskias verlängert wurde, sollen den Anlaß hierzu gegeben haben.

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*) Der Parallelismus ist eine besondere Form hebräischer Poesie, die vor allem in den Sprüchen deutlich hervortritt. Siehe hierzu: A. G. Clarke, Analytical Studies in the Psalms, Kilmarnock 1967, S. 17‑18. Der Übersetzer.

**) Diese Auffassung findet sich auch bei F. W. Grant, Numerical Bible, und bei A. C. Gaebalein, Annotated Bible. Der Übersetzer.

 

Die Stufenlieder sind angeblich voll von Anspielungen auf die Krankheit Hiskias und seine son­stigen Umstände, besonders auf die Belagerung Jerusalems durch Sanherib.*) Diese Auffassung führt die genannten Ver­fasser dazu, die Stufenlieder allzu offenkundig allen Einzel­heiten aus dem Leben Hiskias anzupassen. Der Erfolg ist, daß sie den prophetischen Sinn dieser Psalmen völlig mit Stillschweigen übergehen. Aber gerade diese prophetische Auslegung ist, wie wir sehen werden, die einzig vertretbare. 

Natürlich ist mir klar, daß ein Teil der Stufenlieder aus der Zeit Hiskias stammen könnte. Die in diesen Psalmen enthaltenen Anspielungen auf den Assyrer scheinen das zu bestätigen. Was diesen Punkt anbetrifft, sind die genannten Autoren zweifellos im Recht. Daß die Stufenlieder sogar von Hiskia selbst stammen (natürlich außer denen, die das Wort ausdrücklich David und Salomo zuschreibt), könnte ebenfalls plausibel erscheinen. Aber ich sehe nicht, welchen Nutzen uns diese Auffassung bringt. Zudem bietet sie weder Gewiß­heit, noch kommt ihr die Bedeutung zu, die ihre Vertreter ihr beimessen. Wer ihre Schriften sorgfältig durchgelesen hat, kann bestätigen, daß es schon einer sehr einseitigen Betrachtungsweise bedarf, wenn man die Stufenlieder His­kia zuschreiben will. Was sie mit der Zeit Hiskias in Zusam­menhang bringt, sind lediglich die Hinweise auf den Assyrer. Daran müssen wir uns halten. 

Wenn Gott es für gut befunden hat, den Namen des gottes­fürchtigen Königs Hiskia oder anderer Verfasser, die einer der erwähnten Kritiker noch anführt, n i c h t über die betref­fenden Psalmen zu setzen ‑ sollte es dann für uns wichtig sein, diese Namen festzustellen? Sicher nicht wichtiger, als bei den Psalmen, deren Verfasser zwar ebenfalls nicht an­gegeben ist, die aber dennoch deutlich den Charakter der Psalmen Davids tragen und :auch in gewissem Maße auf dessen Lebensumstände hinweisen, in denen sieentstanden sind. Nichts berechtigt uns, bei der Auslegung solcher Psal­men auf die Umstände des königlichen Propheten zurückzu­greifen.

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*) Derselben Meinung ist auch Clarke in seinem schon zilterten Werk. Der Übersetzer. 

Dagegen ist das bei den Psalmen, die mit den Worten "von David" überschrieben sind oder sogar in der Überschrift ausdrücklich auf die Ereignisse hinweisen, in denen sie entstanden sind, durchaus angebracht. Wenn Gott aber bei vielen Psalmen hierüber schweigt ‑ müssen wir nicht daraus schließen, daß Verfasser und Umstände gerade nicht der Gegenstand sind, den Er uns vor Augen führen will? 

An dieser Stelle möchte ich noch einmal nachdrücklich be­tonen, was ich bereits zu Beginn dieses Buches gesagt habe daß die Psalmen ein prophetisches Buch sind. Dem möchte ich noch hinzufügen, daß auch ihre Anordnung nicht, wie man uns heute glauben machen möchte, ein Pro­dukt menschlicher Willkür ist, sondern ebenso unwandelbar und göttlich wie der Inhalt. Das können alle diejenigen ohne weiteres bestätigen, die die Psalmen nicht nur unter der Leitung ihres Verstandes und ihrer Phantasie studiert haben. Ob die Stufenlieder nun von Hiskia geschrieben wurden oder nicht, ob ihre Überschriften den zehn Graden des Sonnen­zeigers Ahas' entsprechen oder nicht, oder ob ihre Anzahl den zusätzlichen Lebensjahren des Königs Hiskia entspricht all diese Vermutungen sind nicht notwendig, um in den Stufenliedern den prophetischen Assyrer zu entdecken. Schon fünfunddreißig Jahre lang bin ich hiervon überzeugt, und zwar nicht wegen irgendwelcher Mutmaßungen hinsicht­lich ihrer Überschrift, sondern aufgrund ihres Inhalts. Dieser wird allerdings nur deutlich, wenn man ihn in Verbindung mit dem ganzen fünften Buch der Psalmen und den Büchern der Propheten studiert. 

Was die David zugeschriebenen Stufenlieder betrifft, so er­zählt man uns, Hiskia habe sie in seine Sammlung eingeord­net, weil ihr Inhalt seinen eigenen Erfahrungen entsprach. Darauf entgegnete ich, daß der Heilige Geist sie ausgewählt und ihren Platz bestimmt hat. So ist es auch bei allen anderen Psalmen, wen Gott auch gebraucht haben mag, um sie zu­sammenzustellen. Ich habe bereits an anderer Stelle gesagt, daß die Überschriften der Psalmen aus derselben Quelle Göttlicher Inspiration stammen wie das Buch selbst. 

Das heißt nicht, daß wir viele Psalmen ohne Überschrift nicht David zuschreiben k ö n n e n . Ein gründliches Studium des In­halts mag in einzelnen Fällen durchaus ergeben, daß wir hierzu berechtigt sind. Aber wenn es Gott gefallen hat, den Namen des Verfassers in dem einen Psalm zu verschweigen, in einem anderen aber anzugeben, dann haben wir uns auf das zu stützen, was Er uns geoffenbart hat, und nicht über das Mutmaßungen anzustellen, worüber Er geschwie­gen hat. So stammt z. B. nur eines der Stufenlieder, Psalm 127, von Salomo, und wir werden sehen, welches Licht die Angabe des Verfassers auf diesen Psalm wirft. 

Ich möchte nun noch auf einige wichtige Punkte aufmerksam machen, die von denjenigen, die sich bisher mit den Stufen­liedern befaßt haben, vielleicht nicht genügend beachtet wor­den sind. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Stufen­lieder Lieder Zions sind. In der Tat ist Zion der große Gegenstand, auf den alle diese Psalmen hinauslaufen. Das heißt nicht, daß jeder Psalm ausdrücklich von Zion redet. Die stufenweise Entwicklung in diesen Liedern läßt eine der­artige Gleichförmigkeit nicht zu. Aber jede Gruppe der Stu­fenlieder endet mit dem Frieden Jerusalems. Auf dieses Ziel laufen auch alle Prüfungen des Überrestes hinaus. Die ein­zige Gruppe, die hiervon eine Ausnahme bildet, ist diejenige, die sich ausschließlich mit dem moralischen Zustand des Volkes Israel beschäftigt, der für die Einführung des Frie­dens Jerusalems erforderlich ist (Ps 129‑131). 

Zweitens möchte ich darauf hinweisen, daß die Sammlung der Stufenlieder eine stufenweise Steigerung enthält. Sie führt von der Bedrängnis in Mesech und Kedar bis zu den Segnungen des Tausendjährigen Reiches, wenn Israel wiederhergestellt ist und seine nationale Einheit wie­dergefunden hat. Diese Tatsache steht ohne jeden Zweifel fest und kann nicht als bloße Vermutung abgetan werden. 

Eine dritte Bemerkung sei der ebenso offenkundigen E i n t e i l u n g der Stufenlieder gewidmet, die mir schon seit langem aufgefallen ist. Mit Recht kann man erstaunt dar­über sein, daß fast alle Ausleger hierüber hinweggegangen sind. Deshalb freue ich mich, daß der Verfasser der Artikel in "Things to come" sie wieder klar herausgestellt hat. Die Stufenlieder sind in D r e i e r g r u p p e n unterteilt, so daß sie insgesamt aus fünf Gruppen bestehen. Die erste, einleitende Gruppe endet in Psalm 122 mit der dreimal wie­derholten Bitte um den Frieden Jerusalems. *)

 Die zweite Gruppe endet in Psalm 125 mit den Worten: "Wohlfahrt (Friede) über Israel!" Auch die dritte Gruppe schließt in Psalm 128 mit diesen Worten: "Wohlfahrt über Israel!" Die vierte Gruppe nimmt, wie wir sehen werden, einen besonderen Platz ein. Sie endet in Psalm 131 mit den Worten: "Harre, Israel, auf Jehova, von nun an bis in Ewig­keit!" Den Abschluß der fünften Gruppe bildet in Psalm 134 die Bitte: "Jehova segne dich von Zion aus, der Himmel und Erde gemacht hat!" Das ist die Erfüllung von Psalm 128,5 ­"Segnen wird dich Jehova von Zion aus." Die Abstufung in jeder dieser Gruppen wird im Verlaufe unserer Betrachtung deutlicher werden. 

Jede der fünf Gruppen der Stufenlieder enthält einen Psalm Davids, in der dritten Gruppe stattdessen einen Psalm Salo­mos. Das haben bereits andere christliche Autoren bemerkt, die darin aber lediglich eine wertlose symmetrische Anord­nung gesehen haben. Einer bezweifelt sogar die Echtheit der Überschriften. Andere sehen in der Anordnung der Stufen­lieder nur eine Auswahl des Königs Hiskia aus den nicht ver­öffentlichten Psalmen Davids und Salomos. Diese Auswahl habe Hiskia, der übrigens die restlichen Stufenlieder ver­faßt haben soll, im Blick auf seine eigenen Erfahrungen zu­sammengestellt.

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*) Die englische und französische Übersetzung J. N. Darbys haben "Friede" statt "Wohlfahrt" (siehe auch die Fußnote zu Ps 122, 6 in der Elberfelder Übersetzung). Außer in Zitaten habe Ich die Übersetzung "Friede" beibehalten. Der Übersetzer.

 

Derartige Zweifel und Vermutungen stellen eine wirkliche Gefahr dar. Wenn der natürliche Verstand des Gläubigen auch nur in den scheinbar unwichtigsten Einzel­heiten des Wortes Gottes einen Platz eingeräumt bekommt, öffnet das die Tür, wie wenig es auch sein mag, für diejenigen, die über die Heilige Schrift urteilen und diskutieren, an­statt sich ihr zu unterwerfen. 

Noch ein letzter Punkt darf nicht übersehen werden, wenn wir nicht, wie viele Ausleger, in ein Meer von Verwirrungen und Widersprüchen geraten wollen. Die Stufenlieder können nicht durch die vergangene Geschichte des jüdischen Volkes erklärt werden ‑ weder durch die Ereignisse zur Regie­rungszeit Hiskias, noch durch die Babylonische Gefangenschaft oder die religiösen Feste Israels, wenn diese Psalmen auch gelegentlich hierauf anspielen. Der größte Teil der dort erwähnten Umstände geht weit über den historischen Rah­men hinaus oder hat in der Geschichte Israels sogar nie stattgefunden. 

Der Aufenthalt in Mesech und bei den Zeiten Kedars, die Segnungen, die auf das Ende der Gefangen­schaft folgen, die Rückkehr zu einem wiederhergestellten Jerusalem und die darauf folgende Herrschaft des Friedens, der ganze Inhalt von Psalm 132, die Wiedervereinigung Is­raels nach seiner Zerstreuung, der Tempel unter der Regie­rung des Messias, der Segen Melchisedeks usw. ‑ alle diese Ereignisse entziehen sich einer bloß historischen Aus­legung. Ich habe bereits zu Beginn dieser Betrachtung be­tont, daß die in den Psalmen geäußerten Empfindungen ebenso wie die dort erwähnten Ereignisse p r o p h e t i s c h sind, also der Zukunft angehören. Sie sind lediglich teilweise in dem Leben der Propheten erfüllt worden, die von dem Heiligen Geist inspiriert wurden. Diese Propheten, wer sie auch sein mögen, sprachen ihre Weissagungen natürlich in Verbindung mit bestimmten Ereignissen aus, durch die sie selbst mit tiefen Empfindungen hindurchgingen ‑ aber damit ist die Tragweite der Prophetie noch lange nicht erschöpft.  

I. Titel und Verfasser der Psalmen 

Der deutsche Titel "Psalmen" ist dem griechischen Wort "psalmo“« aus der Septuaginta entlehnt und bedeutet "Lie­der". Die ebenfalls häufig verwandte Bezeichnung "Psalter" stammt vom griechischen "psalterion", womit eine Harfe oder ein ähnliches Saiteninstrument gemeint ist. Im Neuen Testament werden Psalmen erwähnt in: Lk 20, 42; 24, 44; Apg 1, 20; 13, 33; 1. Kor 14, 26; Eph 5,19 und Kol 3,16. Im Hebräischen ist das Buch der Psalmen "tehillim" überschrie­ben, was soviel wie "Lobgesänge" bedeutet (ein anderes Wort als in den Überschriften der einzelnen Psalmen). 

Nahezu die Hälfte der Psalmen, insgesamt 73, hat der Heilige Geist D a v 1 d eingegeben, dem "Lieblichen in Gesängen Israels«' (2. Sam 23, 1). Die folgenden Psalmen stammen von David: Ps 3‑9, 11‑32, 34‑41, 51‑65, 68‑70, 86, 101, 103, 108‑110, 122, 124, 131, 133, 138‑145. In Apostelgeschichte 4,25 wird auch Psalm 2, in Hebräer 3,7‑11 und 4,7 Psalm 95 David zugeschrieben, was sich aber auch auf das ganze Buch der Psalmen insgesamt beziehen kann. 

A s a p h hat zwölf Psalmen verfaßt: Ps 50, 73‑83. 

Die S ö h n e K o r a h s haben elf Psalmen gedichtet: Ps 42, 44‑49, 84‑85, 87‑88. Dabei ist fraglich, ob der erste Teil der Überschrift von Psalm 88 nicht ein Nachsatz zu Psalm 87 ist. Dadurch wäre zumindest die Schwierigkeit der doppelten Verfasserangabe in Psalm 88 beseitigt. 

Psalm 88 wird Heman, dem Esrachiter, zuge­schrieben. 

Von Ethan, dem Esrachiter, stammt Psalm 89. 

Den einzigen Psalm M o s e s stellt Psalm 90 dar. 

Salomo hat Psalm 127 verfaßt (Psalm 72: F ü r Salomo). 

Insgesamt sind also bei 99 Psalmen die Verfasser angege­ben, während die übrigen 51 keiner bestimmten Person zu­geschrieben werden. 

Im Blick auf die einzelnen Bücher der Psalmen fällt folgendes auf: 

Buch 1 besteht mit Ausnahme der überschriftslosen Psal­men (1, 2, 10 und 33) ausschließlich aus Psalmen Davids. 

Buch II enthält 18 Psalmen Davids, 7 der Söhne Korahs und 1 Psalm Asaphs (Ps 50). 

Buch III setzt sich aus 11 Psalmen Asaphs, 3 Psalmen der Söhne Korahs, je einem Psalm Hemans und Ethans und ebenfalls nur einem Psalm Davids (Ps 86) zusammen. 

Buch IV: Hierfür ist charakteristisch die große Anzahl von Psalmen ohne Verfasserangabe (14 von den insgesamt nur 17 Psalmen dieses Buches). Psalm 90 stammt von Mose, die Psalmen 101 und 103 von David. 

Buch V enthält wiederum 15 Psalmen Davids und einen Psalm Salomos (Ps 127). Die Verfasser der übrigen 28 Psal­men dieses Buches sind nicht genannt. 

II. Die Anordnung der Psalmen 

David, Asaph, die Söhne Korahs, Salomo, Mose, Heman und Ethan waren die Verfasser der Psalmen. Wenn wir ferner berücksichtigen, daß andere Psalmen erst während der Ba­bylonischen Gefangenschaft niedergeschrieben wurden (z. B. Ps 137), sehen wir, daß die verschiedenen Autoren über meh­rere Jahrhunderte zerstreut lebten. Irgend jemand muß die Psalmen also zu irgendeiner Zeit so in Buchform zusam­mengestellt haben, wie sie schließlich auf uns gekommen sind. Wer diese Sammlung und Ordnung vornahm, wissen wir nicht; es ist uns auch nicht geoffenbart. Eines können wir jedoch mit Sicherheit sagen: Der gläubige Jude, der diese Arbeit verrichtet hat, war durch den Geist Gottes dazu be­rufen, so daß die heutige Anordnung der Psalmen als das vollkommene Werk des Heiligen Geistes angesehen werden kann. 

Die modernen Kritiker reden von verschiedenen Herausge­bern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten mehrere Anord­nungen vornahmen. So sei z. B. die Feststellung am Ende von Psalm 72: "Es sind zu Ende die Gebete Davids, des Soh­nes Isais" fehl am Platz, da später noch weitere Psalmen Davids folgen (z. B. Ps 86: "Ein Gebet. Von David"), die also wahrscheinlich von anderen Herausgebern hinzugefügt wor­den seien. Aber die Worte am Ende des zweiten Buches der Psalmen haben eine völlig andere Bedeutung. Der 72. Psalm offenbart die Herrlichkeit des Reiches Dessen, der "mehr als Salomo" ist. Angesichts dieser Tatsache erklärt David gleichsam: "Meine Gebete sind nun beendet. Ich habe keine Bitten, die über das hinausgehen, was dieser Psalm offen­bart." Was für den natürlichen Menschen eine Torheit ist, stellt für den durch den Geist Gottes erleuchteten Gläubigen gerade einen Beweis für die Schönheit und Vollkommenheit des Wortes Gottes dar. 

Das Werk des unbekannten Sammlers der Psalmen trägt deutlich den Stempel des Geistes Gottes. Einen ausdrück­lichen Beweis hierfür liefert uns Apostelgeschichte 13, 33, wo von dem z w e i t e n Psalm die Rede ist. Die überlieferte Zählung und Anordnung der Psalmen wird damit durch den Heiligen Geist autorisiert. Die Psalmen müssen also im Zu­sammenhang gelesen werden, wenn man ihre wahre geist­liche, d. h. prophetische Bedeutung erfassen will. Hierfür nur ein einfaches und den meisten bekanntes Beispiel: Psalm 22 ist eine Weissagung über die Leiden Christi auf dem Kreuz. Er ist dort der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe gibt. Psalm 23 zeigt Ihn uns als den großen Hirten der Schafe, der uns durch die Welt führt. In Psalm 24 ist Er schließlich der Erzhirte, der in Herrlichkeit geoffenbart wird. 

III. Die Psalmen und die Bücher des Gesetzes 

Der unbekannte Herausgeber der Psalmen hat das Buch in fünf Abschnitte eingeteilt, die auch äußerlich sichtbar werden (siehe Ps 41, 13; 72,18‑20; 89, 52; 106, 48). Diese fünf Bücher entsprechen in bemerkenswerter Weise den fünf Büchern Moses. Alte jüdische Kommentare reden von den „Fünf Bü­chern Davids". 

Das erste Buch Mose berichtet von der Schöpfung, deren Fall und der "neuen Schöpfung", die sich unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes von den ersten Anzeichen neuen Le­bens (Abel) bis zu "dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus" entwickelt (Joseph). Die Gerechten stehen äußerlich in enger Verbindung mit den Gesetzlosen und werden dadurch moralisch um so deutlicher unterschieden (Abel ‑ Kain, Noah ‑ Lamech, Abraham ‑ Lot, Isaak ‑ Is­mael, Jakob ‑ Esau, Joseph ‑ seine Brüder). Ebenso han­delt das erste Buch der Psalmen von einzelnen Personen, Gerechten und Gesetzlosen, die äußerlich noch in Jerusalem verbunden sind. Dadurch wird die moralische Schönheit des Überrestes und des mit ihm verbundenen Christus hervor­gehoben und ein Bild von den geistlichen Empfindungen des neuen Menschen entworfen. 

Das zweite Buch Mose beschreibt die Erlösung des Volkes Israel aus Ägypten durch die Macht Gottes. Dieses Ereignis wird in der Prophetie öfter mit der zukünftigen Befreiung Judas vom Joch der Nationen, besonders des Assyrers, in Verbindung gebracht (siehe z. B. Jes 10, 24‑27; 11, 16). Das zweite Buch der Psalmen beginnt mit der Schilderung der Leiden des jüdischen Überrestes, der sich außerhalb seines Landes bei Nationen aufhält, die unter der Oberhoheit des Assyrers stehen. Das Buch endet mit der Befreiung des Überrestes und der Aufrichtung des Friedensreiches. "Die ganze Erde werde erfüllt mit seiner (Jehovas) Herrlichkeit!" (Ps 72, 19). "Und die Herrlichkeit Jehovas erfüllte die Woh­nung" (2. Mo 40,34). 

Das Thema des dritten Buches Mose ist die Heiligkeit Jeho­vas und des Volkes, das Ihm naht. Im dritten Buch der Psal­men wird der Überrest Israels in das Heiligtum eingeführt und sieht dort die Heiligkeit Gottes in Seinen Wegen mit Seinem Volk. Nahezu jeder Psalm dieses Buches hat etwas mit dem Heiligtum und Zion zu tun. 

4. Mose ist das Buch der Erprobung des Menschen in der Wüste. Aus dieser Zeit stammt der 90. Psalm, der die Ein­leitung zum vierten Buch der Psalmen bildet. Dieses Buch schildert den völligen Ruin des ersten Menschen, um für die Einführung des zweiten Menschen, Christus, Raum zu ma­chen. 

Das fünfte Buch Mose gibt einen Rückblick auf die Wüsten­reise und einen Vorausblick auf den Aufenthalt in Kanaan. Dabei wird die Bedeutung des unwandelbaren Wortes Got­tes betont. Auch das fünfte Buch der Psalmen blickt zurück auf die Wege Gottes mit Seinem Volk und voraus auf die Herrlichkeit des Reiches Christ!. Zentral steht auch hier der große Lobpreis des Wortes Gottes in Psalm 119. 

IV. Die Überschriften der Psalmen

Nachstehend seien zunächst einige hebräische Ausdrücke erklärt, die in den Überschriften der Psalmen vorkommen. 

A i j e i e t h ‑ S c h a h a r : "Hindin der Morgenröte" (Ps 22). Die Hindin ist ein Bild der Leichtigkeit und Schnelligkeit, der von Gott verliehenen Erhabenheit über widrige Umstände (2. Sam 22, 34; Ps 18, 33; Hab 3, 19). In Verbindung mit der "Morgenröte" weist dieser Ausdruck auf die jugendliche Frische des Anbruchs des Friedensreiches nach der Nacht der Drangsal hin. 

A l a m o t h : "Mädchenstimmen" Ps 46; vgl. 1. Chron 15, 20‑21; hohe Tonlage. 

A l ‑ T a s c h c ~h e t h : "Verdirb nicht" (Ps 57‑59 und 75); ein Ruf um Gnade in großer Gefahr (vgl. 5. Mo 9,26). 

G i t t i t h : "Kelter" (Ps 8, 81 und 84); ein harfenähnliches Instrument, vielleicht in Verbindung mit dem Gericht des Keltertretens zu sehen (vgl. Jes 63, 3; Offb 14, 20). 

Hallelujah: "Lobet Jehova!" (Ps 105‑106, 111‑113, 135‑136, 146‑150). Das Hallelujah von Ps 104, 35 gehört vielleicht an den Anfang von Ps 105; bei Ps 147 siehe Vers 1. 

J e d u t h u n : "Preisender, Lobender" (Ps 39; 62 und 77); ein Mann, der mit der Laute weissagte, um Jehova zu preisen (l. Chron 16,41‑42; 25,1. 3. 6). 

J o n a t h ‑ e l e m ‑ r e c h o k i m : Jaube der fernen Tere­binthen" (Ps 56). 

M a c h a 1 a t h : "Krankheit, Kummer" (Ps 53); auf schwer­mütige Weise zu singen. 

Machalath‑Leannoth: "Kummer bis zur Ernied­rigung" (Ps 88); schwermütig, mit gedämpfter Stimme vor­zutragen. 

M u t h ‑ L a b b e n : Jod des Sohnes" (Ps 9). 

N e g 1 n o t h : "Saitenspiel" (Ps 4; 6; 54; 55; 61; 67; 76); in Ps 61 im Singular (Neginah). 

N e c h i 1 o t h : "Flöten" (Ps 5). 

S c h e m i n i t h : „die Achte, Oktave" (Ps 6 und 12); wahr­scheinlich die gegenüber Alamoth tiefere Tonlage (vgl. 1. Chron 15, 20‑21). 

S c h o s c h a n n i m : "Lilien" (Ps 45 und 69); ein Symbol der moralischen Schönheit des Überrestes (vgl. Hohe[2,1‑2; Hos 14, 5; Mt 6, 28; Lk 12, 27). 

Schoschannim‑Eduth ‑ "Lilien des Zeugnisses" (Ps 80). 

S c h u s c h a n ‑ E d u t h : wie Schoschannim‑Eduth (Ps 60). 

" D e rn V o r s ä n g e r " sind folgende Psalmen gewidmet: Ps 4‑6; 8‑9; 11‑14; 18‑22; 31; 36; 39‑42; 44‑47; 49; 51‑62; 64‑70; 75‑77; 80‑81; 84‑85; 88; 109; 139‑140 (ins­gesamt 55mal). Der Vorsänger leitete den Gesang und die Musik im Tempel (l. Chron 15, 21; vgl. auch Hab 3,19). Vor­bildlich könnte der Vorsänger auf den Herrn Jesus hin­weisen, der den Lobgesang inmitten der Versammlung an­stimmt (Ps 22, 22). 

Die einzelnen Psalmen werden mit folgenden Ausdrücken bezeichnet: 

P s a 1 m : ein Lied mit musikalischer Begleitung; Ps 3‑6; 8‑9; 12‑13; 15; 19‑24; 29; 31; 38‑41; 47; 49‑51; 62‑64; 73; 77; 79‑80; 82; 84‑85; 98; 101; 109‑110; 139‑141; 143 (44 mal). 

Lob‑Psalm (oder: Psalm beim Dankopfer) Ps 100 

Psalm‑Lied (oder Lied‑Psalm): Ps 30; 48; 65‑68; 75‑76; 83; 87‑88; 92; 108 (13 mal). 

L i e d : der normale hebräische Ausdruck für ein Lied im allgemeinen; Ps 46 (vgl. auch Ps 18: "die Worte dieses Lie­des"). 

Lied der Lieblichkeiten: Ps 45 

Stufenlied: siehe hierzu die Erklärung Rossiers; Ps 120‑134 (15 mal). 

Lobgesang: Ps145 

G e b e t : Ps 17; 86; 90; 102; 142 (fünfmal). 

281  M a s k i l : "Unterweisung" (vgl. die maskilim, "Verstän­digen", in Dan 11, 33. 35; 12, 3. 10)«, Ps 32; 42; 44‑45; 52‑55; 74; 78, 88‑89; 142 (13 mal). 

M i k t a m : "Gedicht, (dem Gedächtnis) eingeprägt"; Ps 16; 56‑60 (sechsmal). 

S c h i g g a j o n : Jauter Ruf, Lied in bewegten Rhythmen Ps 7 (vgl. den Plural in Hab 3, 1). 

Einige Überschriften enthalten einen Hinweis auf den Zweck des folgenden Psalms: 

Psalm 30 ist ein "Einweihungslied des Hau­ses". 

,Zum Gedächtnis " wurden die Psalmen 38 und 70 verfaßt; z u m L e h r e n " dient der 60. Psalm.

Psalm 72 ist S a 1 o m o gewidmet. 

Psalm 92 ist schließlich ein Lied " f ü r d e n T a g d e s Sabbaths " . 

Das hebräische Wort " S e 1 a " kommt 71 mal in den Psal­men (nicht im 4. Buch und nur viermal im 5. Buch) und drei­mal in Habakuk 3 vor. Es ist abgeleitet von "salah", was "innehalten, verweilen" bedeutet. Ein "Sela" kennzeichnet also einen Sinnabschnitt und hat weniger auf die musi­kalische Begleitung Bezug. 

V. Der historische Hintergrund der Psalmen 

Bei dreizehn Psalmen (3; 7; 18; 34; 51; 52; 54; 56; 57; 59; 60; 63; 142) teilt uns der Heilige Geist den geschichtlichen Anlaß mit, aus dem heraus sie entstanden sind. (Einen allgemeinen Charakter hat Psalm 102: "Gebet eines Elenden, wenn er verschmachtet und seine Klage vor Jehova ausschüttet".) Bei den genannten Psalmen handelt es sich ausnahmslos um Psalmen Davids. Die meisten von ihnen (acht) sind im zweiten Buch enthalten, das uns die Gefühle des Überrestes während der Zeit seiner Verfolgung und Vertreibung aus Juda schildert. Dem entspricht im Vorbild die Flucht Davids vor Saul und vor Absalom. 

Natürlich lassen sich aus dem Inhalt noch weiterer Psalmen Rückschlüsse auf die Umstände ziehen, die zu ihrer Ent­stehung geführt haben. Entscheidend ist jedoch, daß es dem Geist Gottes bei den meisten Psalmen gefallen hat, uns diese Umstände n i c h t mitzuteilen. Für die Auslegung der Psalmen sind diesbezügliche Vermutungen also belang­los. Um so sorgfältiger sind dann aber die historischen Hin­weise in den Überschriften der Psalmen zu beachten. Nach­folgend werden jeweils die entsprechenden Stellen in den geschichtlichen Büchern angegeben. 

Psalm 3: Davids Flucht vor Absalom ‑ 2. Sam 15 ff.

Psalm 7: Anlaß sind die Worte Kuschs, des Benjaminiters, der aber in den Geschichtsbüchern nicht erwähnt wird. Saul war ein Benjaminiter (l. Sam 9,21) und selbst einer derjenigen,die den Haß gegen David durch Verleumdungen schürten (l. Sam 22, 7‑8; vgl. 24, 9 und 26,19). Aber auch Simel, der David fluchte, war ein Benjaminiter (2. Sam 16, 11); ebenso Scheba, der Sohn Bikris (2. Sam 20, 1). Bemerkenswert ist die Verbindung zu allen drei Begebenheiten, bei denen David sein Königtum streitig gemacht wurde (durch Saul, Absalom und Scheba). Kusch ("schwarz") könnte u. U. ein sym­bolischer Name sein, der eine entsprechend weite Anwendung erlaubt.

Psalm 18:     Davids Errettung von all seinen Feinden 2. Sam 22

Psalm 34:     Davids erster Aufenthalt bei Achis, dem König von Gath (Abimelech war ein allgemeiner Titel der Philisterkönige) ‑ 1. Sam 21, 10‑15

Psalm 51:     Davids Bekenntnis nach seinem Fall mit Bath­seba ‑ 2. Sam 12 

Psalm 52: der Verrat Doegs, des Edomiters ‑ 1. Sam 21, 7 und 22, 9‑10

Psalm 54: der Verrat der Siphiter ‑ 1. Sam 23, 19

Psalm 56:      Davids erster Aufenthalt bei Achis, dem König von Gath ‑ 1. Sam 21, 10‑15 (bei seiner zweiten Flucht nach Philistäa wurde David nicht "ergrif­fen"; vgl. 1. Sam 27, 2; 29)

Psalm 57:      Davids Flucht vor Saul in die Höhle Adullam ‑1. Sam 22, 1 (die Begebenheit in 1. Sam 24 ist keine Flucht von seiten Davids!)

Psalm 59:      die Bewachung Davids in seinem Haus durch Saul ‑ 1. Sam 19, 11

Psalm 60:      nach den Siegen Davids über die Syrer und Edo­miter ‑ 2. Sam8,3‑14 (siehe Fußnote zu Vers 13!)

Psalm 63:      DavidaufderFluchtvorSaulinderWüsteJuda­1. Sam 22, 5; 23,14‑15

Psalm 142: David in der Höhle Adullam (vgl. Anmerkungen zu Ps 57)

 

Einige Psalmen entsprechen zum Teil Lobgesängen, die in den geschichtlichen Büchern aufgezeichnet sind:

Psalm 18 ‑ 2. Samuel 22

Psalm 96 ‑ 1. Chronika 16, 23‑33

Psalm 105, 1‑15 ‑ 1. Chronika 16, 8‑22

Psalm 106, 1. 47. 48 ‑ 1. Chronika 16, 34‑36

Psalm 108 ‑ Psalm 57, 7‑11 und 60, 5‑12 (vgl. die dor­

tigen Verweise auf historische Begebenheiten)

Psalm 132, 8‑10 ‑ 2. Chronika 6, 41‑42

(Psalm 70 ‑ Psalm 40, 13‑17) 

Diese Parallelen besagen natürlich nichts im Blick auf die Abfassungszeit der jeweiligen Psalmen, geben aber Hin­weise auf ihre prophetische Bedeutung. 

Vl. Zitate aus den Psalmen Im Neuen Testament 

Kein Buch des Alten Testamentes wird im Neuen Testament so häufig angeführt wie das der Psalmen. In der folgenden Aufstellung sind nicht nur direkte Zitate aufgenommen, son­dern auch mehr oder weniger deutliche Anspielungen. Hier sind die Grenzen natürlich fließend. Dem Kenner der Psal­men werden sicher noch weitere versteckte Hinweise auf dieses Buch im Neuen Testament auffallen.

 

Psalm                   Neues Testament

2,1‑2                    Apg 4,25‑26

2,7                       Apg 13,33; Hebr 1, 5; 5,5

2,9                       Offb 2,27; 12,5; 19,15

4,4                       Eph 4,26

5,9                       Rö 3,13

6,8                       Mt 7, 23; Lk 13,27

8,2                       Mt 21,16

8,4‑6                    Hebr 2, 6‑8

8,6                       1. Kor 15,27; Eph 1, 22

9,8                       Apg 17, 31

10,7                     Rö 3,14

14,1‑3                  Rö 3,10‑12

16,1                     Hebr 2,13

16,8‑11                Apg 2, 25‑28

16,10                   Apg 13,35

18,49                   Rö 15,9

19,4                     Rö 10, 18

22,1                     Mt 27,46; Mk 15,34

22,8                     Mt27,43

22,18                   Mt 27, 35; Mk 15, 24; Lk 23,34; Joh 19,24

22,21                   2. Tim 4,17

22,22                   Hebr 2,12

24,1                     1. Kor 10, 26

25,3.20                Rö 5,5

31,5                     Lk 23, 46

32,1‑2                  Rö 4,7. 8

32,11                   Phil 3, 1

34,8                     1. Petr 2, 3

34,12‑16              1. Petr 3,10‑12

34,20                   Joh 19, 36

35,19                   Joh 15,25

36,1                      Rö 3,18

37,11                    mt 5,5

38,11                    Lk 23,49

40,6‑8                  Hebr 10, 5‑7 ff.

41,9                      Joh 13,18; Apg 1, 16

44,22                    Rö 8,36

45,6‑7                  Hebr 1, 8‑9

48,2                      Mt 5,35

51,4                      Rö3,4

53,2‑4                  Rö 3,10‑12

55,22                    1. Petr 5,7

56,4                      Hebr 13,6

62,12                    Mt 16, 27; Rö 2, 6; Offb 2, 23; 20,12; 22, 12

68,18                    Eph 4,8

69,4                      Joh 15,25

69,25                    Apg 1, 20

69,9                      Joh 2,17; Rö 15,3

69,21                    Joh. 19,28‑29

69,22‑23              Rö 11, 9‑10

69,25                    Apg 1, 20

69,28                    Offb 3,5

73,1                      mt 5, 8

78,2                      Mt 13,35

78,24                    Joh 6,31

82,6                      Joh 10, 34

88,8                      Lk 23, 49

89,20                    Apg 13,22

89,27                    Offb 1, 5

90,4                      2. Petr 3, 8

91,11‑12              Mt 4,6; Lk 4, 10. 11

94,11                    1. Kor 3, 20

95,7‑11                Hebr3,7‑llff.

96,13                    Apg 17,31

97,7                      Hebr 1, 6

102,25‑27            Hebr 1, 10‑12

103,17                  Lk 1, 50

104,4                    Hebr 1, 7

106,20                  Rö 1, 23

107,9                    Lk 1, 53

109,8                   Apg 1, 20

110,1                   Mt 22, 44; Mk 12, 36; Lk 20, 42‑43; Apg 2,

                            34‑35; 1. Kor 15, 25; Hebr 1, 13; 10, 12‑13

110,4                   Hebr 5,6; 7,17.21

112,9                   2. Kor 9, 9

116,10                 2. Kor 4,13

116,11                 Rö 3,4

117,1                   Rö 15, 11

118,6                   Hebr 13,6

118,22                 Lk 20,17; Apg 4, 11; 1. Petr 2,7

118,22‑23            Mt 21,42; Mk 12, 10‑11

118,26                 Mt 21,9; Mk 11, 9; Lk 19,38

119,137               Offb 16,5; 19,2

132,11                 Apg 2,30

140,3                   Rö 3,13

146,6                   Apg 4,24