Was man über die Psalmen wissen soll Theodor Jänicke

01/30/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

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In diesem Buch sind nicht alle Psalmen ausgelegt. Wohl aber wurde die Auswahl so getroffen, daß nicht nur die bekanntesten Psalmen darin berücksichtigt, sondern alle in der Psalmdichtung Israels vorkommenden Liedgattungen vertreten sind. Auf diese Weise soll dem Bibelleser geholfen werden, sich in dem ganzen Psalter einigermaßen zurechtzufinden. Aus diesem Grunde ist auch die folgende Einleitung den Auslegungen vorangestellt.
Was bedeutet das Wort „Psalm"?

Das Wort „Psalm" stammt aus dem Griechischen. Es heißt ursprünglich so viel wie „Saitenspiel", später hat es die Bedeutung „Loblied" bekommen. Die hebräische Überschrift über der Sammlung der 150 Psalmen lautet tehillim, was ebenfalls „Lobt lieder" bedeutet. Diese Überschrift stammt aus der späten Zeit nach dem Exil, als die Sammlung abgeschlossen war. Sie paßt keineswegs zu allen Psalmen, da das Buch bekanntlich auch viele Klagelieder und mannigfache andere Liedgattungen enthält. 

Wenn man trotzdem diese Bezeichnung gewählt hat, so wollte man damit vielleicht ausdrücken, daß eben diese bunte Mannig faltigkeit von Klage und Lob, von Schuldbekenntnis und Unt schuldsbeteuerung, von Weisheitsdichtung und Prophetie im ganzen doch allein dem Lobe Gottes dient.

Wie ist das Psalmbudz entstanden?
Am Anfang stand die Einzeldichtung. Später faßte man mehrere Lieder zu kleinen Sammlungen zusammen, schließlich vereinte man - in nachexilischer Zeit - die verschiedenen Teilsammlunt gen zu dem Buch der Psalmen. Wir können einige der Teilsaxnmt lungen heute noch einigermaßen deutlich erkennen. Da hat es zum Beispiel offenbar eine kleine Zusammenstellung von Psalm men gegeben, die unter der (uns heute nicht mehr ganz vert ständlichen) Überschrift „Wallfahrtslieder" standen (Psalm 120-134).

 Ferner gab es Zusammenstellungen von „Davidspsalmen" (deutlich erkennbar an den Überschriften Psalm 3-41; 51-70), von Korachpsalmen (42-49) und von Asaphpsalmen (73-83). Ebenso deutlich hebt sich auch eine Gruppe von Hymnen heraus, in denen Jahwe als König gepriesen wird (93-99).Der Psalter in der heute vorliegenden Form ist in fünf Bücher eingeteilt: Psalm 1-41; 42-72; 73-89; 90-106; 107-150. In unseren Lutherbibeln ist das Ende jedes einzelnen Buches dadurch kenntlich gemacht, daß die Abschlußformel „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels .„ jeweils vom Text des vorher gehenden Psalmes abgesetzt ist. Nach welchen Gesichtspunkten die Reihenfolge der Psalmen geordnet ist, läßt sich nicht mehr deutlich erkennen. Einige Psalmen kommen sogar doppelt vor: Psalm 14 53; Psalm 70 = 40, 14-18.

Wie alt sind die Psalmen?
Das Buch als solches muß spätestens um 200 vor Christus ab= geschlossen gewesen sein. Die Teilsammlungen und vor allem die Einzelpsalmen sind allerdings erheblich früher entstanden. Man darf annehmen, daß einzelne Psalmen sogar noch aus der vorköniglichen Zeit, also etwa aus dem 11. oder gar 12. Jahr= hundert vor Christus stammen (z. B. Ps 29). Die Mehrzahl dürfte aus der Zeit vor dem babylonischen Exil datieren, ein Teil ist nachexilisch. Vergegenwärtigt man sich, daß es sich hier also um einen Zeitraum von annähernd tausend Jahren handelt, so erscheint das, was erhalten geblieben ist, als sehr wenig. 

Die Überlieferung hat nur das aufbewahrt, was in nachexilischer Zeit für den gottesdienstlichen Gebrauch verwendbar schien. Selbstverständlich ist das Psalmgut Israels viel reicher gewesen. Wir finden auch in der Bibel eine Reihe von Psalmen, die nicht in das Psalmbuch aufgenommen worden sind, zum Beispiel das „Schilfmeerlied" (2 Mose 15, 1-18), das Lied des Mose (5 Mose 32,'1-43), das Deboralied (Richter 5, 1-31), den Lobgesang der Hanna (1 Samuel 2, 1-10), den Psalm des Hiskia (Jesaja 38, 10-20) und den des Jona (Jona 2).

Die Form der Psalmen
Die Psalmen sind Gedichte. Sie haben also eine poetische Form, die sie von der Prosarede unterscheidet. Das sollte schon im Druck kenntlich gemacht werden. Leider ist das in den Aus= gaben unserer Lutherbibeln noch nicht der Fall, wohl aber zum Beispiel in der Zürcher Übersetzung. Auf einige Kennzeichen der poetischen Form sei hier hingewiesen:

1) Die hebräische Poesie kennt nicht den Klangreim. Dafür „reimt" sich der Sinn. Beispiel: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!" Ps. 103, 1. Man erkennt leicht, daß hier die zweite Zeile dem Sinn nach das gleiche sagt wie die erste, sie variiert nur die Worte. Man nennt diese Form den Parallelismus der Versglieder. Die Erkenntnis dieses Versbaues kann oft für das Verständnis eine Hilfe sein. Oft ist es auch so, daß der zweite Halbvers die Aussage des ersten nicht variiert, sondern fortführt. Beispiel:
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat." Ps 103, 2.
Die Versglieder können auch einen gegensätzlichen Charakter haben:
„Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten; aber der Gottlosen Weg vergeht." Ps 1, 6.
Gelegentlich sind auch die Verse so ineinander verhakt, daß ein Wort des ersten Versteiles im zweiten wiederaufgenommen wird:
Der Herr ist König und herrlich geschmückt; der Herr ist geschmückt und hat ein Reich angefangen, soweit die Welt ist." Ps 93, 1.
2) Eine gewisse rhythmische Gliederung ist in der hebräischen Poesie unverkennbar. Sie läßt sich jedoch an Hand von Ober= setzungen schwer klarmachen. Außerdem sind hier noch viele Fragen offen.
3) Zur Kunstform gehört auch das gelegentliche Auftauchen von Kehrversen (Ps 42/43).
4) Eine besondere Stilform ist der alphabetische Psalm, bei dem je der erste Buchstabe eines Verses oder Abschnittes der Reihenfolge des Alphabetes entspricht (Ps 25; 119 u. a.).
5) Die Überschriften der Psalmen deuten oftmals eine bestimmte Kunstgattung an: „ein Kultlied", „ein Klagelied", „ein Lied mit Saitenspiel". Gelegentlich finden sich - wie in unsern Gesangbücher - auch Melodieangaben .„ nach der Weise: Hinde der Morgenröte" (Ps 22) oder „nach der Weise: Stumme Taube unter den Fremden" (Ps 56). 

Auf musikalische Beglei= tung der Psalmen weist wohl auch das so häufig vorkommende Wort „Selah" hin. Man könnte es durch „Empor!" wiedergeben und als Aufforderung zu einem musikalischen Zwischenspiel verstehen (Ps 143). Da dieses Wort und die Angaben in den Überschriften aber oft schwer zu deuten sind und da sie zum Verständnis des Inhalts kaum beitragen, haben wir in die= sein Buch auf die Wiedergabe verzichtet und bieten nur den eigentlichen Text der Psalmen.

Wer sind die Verfasser der Psalmen?
Wie schon erwähnt, finden sich in den Überschriften einer ganzen Reihe von Psalmen Namensangaben, die auf den Verfasser hinzuweisen scheinen. Am häufigsten, nämlich 73mal, taucht der Name Davids auf. Doch kann man daraus keinesfalls mit historischer Sicherheit darauf schließen, daß wirklich David der Verfasser ist. Die Überschrift muß nicht unbedingt „von David" bedeuten. Sie kann auch übersetzt werden „für David" oder „über David". 

Der damaligen Zeit ist unsere Vorstellung vom „Autor" und vom „geistigen Eigentum" völlig fremd. Man dichtete anonym. Aber David galt als das Urbild des Psalmsängers. Als man schließlich anfing, die Psalmen zu sammeln, ordnete man viele anonyme Lieder eben unter dem Namen die= ses Urbildes zusammen. Die Psalmendichter meinten ja, was schon David meinte. Also war auch der Einzelname belanglos gegenüber der Autorität des größeren Namens. 

Das gleiche gilt auch für die übrigen in den Psalmen auftauchenden Namen. In sehr später Zeit setzte sich dann offenbar die Auffassung durch, daß tatsächlich David der, Verfasser der nach ihm benannten Psalmen sei, ja, man ordnete etliche Psalmen sogar bestimmten Situationen im Leben Davids zu. Da diese Angaben in den Psalmenüberschriften erst aus einem späteren Stadium der Psalmensammlung stammen, haben wir sie ebenso wie auch die sonstigen oben schon erwähnten Überschriften weggelassen.

Allerdings, so wenig man auch mit historischer Sicherheit sagen kann, daß David wirklich der Dichter jener 73 Psalmen sei, so ist doch nicht ausgeschlossen, daß einige Psalmen noch aus der davidischen Zeit stammen.
Wen soll man sich nun als Verfasser der Psalmen denken? Vielleicht waren einige Könige darunter, sicher auch Priester und Tempelsänger, die die Vorlagen für die kultischen Gesänge lieferten. Auch Propheten am Heiligtum des Tempels, die ihre Botschaften und auch die Zurechtweisungen Gottes der festlich versammelten Gemeinde überbrachten. 

Schließlich auch einzelne Glieder des Volkes, die ein Lied als „Weihgabe" zum Tempel brachten; ihre Gebete dienten wieder anderen als Muster für ihre eigenen Gebete. Stellen wir uns vor, die Lieder unseres Gesangbuches wären anonym überliefert. So mancher Leser würde von einem bestimmten Lied sagen: „Das ist mein Lied", weil er sich und seine Situation in diesen Worten wirk-lich unterbringen könnte. Er würde vielleicht dem Lied die eine oder andere Strophe hinzufügen oder auch den Text verändern und sich so den Inhalt „aneignen". Und in vielen Jahrhunderten würden viele Leser ähnlich verfahren. 

So wird aus einem ursprünglichen Privatlied schließlich ein Liedmuster, das viele sich u eigen machen. Unwichtig, wer der Verfasser ist - das Lied ist zum Allgemeingut der Gemeinde geworden. So ähnlich muß man sich den Vorgang bei der Entstehung vieler Psalmen denken, die ihren individuellen Charakter im Laufe der Zeit verloren haben und zu Liedern des Volkes, des Volkes Gottes, - geworden sind.

Der „Sitz im Leben"
Die Psalmen sind keine religiöse Privatlyrik. Zwar sind sehr viele Psalmen, wie schon im vorigen Abschnitt gesagt, von eint zelnen Gliedern des Volkes gedichtet, also sozusagen im „Käm= merchen" entstanden. Aber der eigentliche Sitz im Leben liegt nicht im privaten Bereich, sondern in der Öffentlichkeit. Man könnte sagen, alle Psalmen sind mit der Blickrichtung auf das gemeinsame Heiligtum in Jerusalem geschrieben. 

Auch die Lieder des Einzelnen sind dazu bestimmt, an heiliger Stätte vor dem Angesicht Gottes vorgetragen zu werden. Und wer verhindert ist, zum Tempel zu kommen, der betet doch im Blick auf das Haus Gottes. Ein charakteristisches Beispiel dafür ist Psalm 42 (vergl. Vers 5).
Das gottesdienstliche Leben ist der eigentliche Sitz der Psalmen. Da sucht der Einzelne Hilfe und Recht bei Gott und erwartet aus priesterlichem Mund das lösende Wort. 

Da stimmt er sein Danklied an. Da singt das Volk sein Wallfahrtslied, lobt Gott bei den großen Festen, klagt ihm seine Not in Zeiten der Bedrängnis, bekennt seine Schuld, legt seine Gelübde ab, hört das strafende Wort Gottes, vernimmt ein verheißendes Wort, läßt sich den Segen zusprechen. So vielfältig das gottesdienstliche Leben war, so mannigfach sind die Anlässe zur Darbringung der Psalmen. Für die verschiedenen Anlässe lassen sich gewisse gemeinsame Merkmale hinsichtlich des Stiles und Aufbaues der Psalmen feststellen. 

Die Klagelieder des Einzelnen z. B. haben gewisse Grundformen, die sich - allerdings mit Variationen - wiederholen. Ebenso ist es bei den Klageliedern des Volkes, bei den Lobliedern des Einzelnen wie des Volkes, bei den Hymnen u. a. Man spricht hier von Psalmengattunen, die nach ihren gemeinsamen Grundformen und Stileigentümlichkeiten von= einander zu unterscheiden sind. Niemals aber sind die Psalmen einfach nach Schema gearbeitet. Niemals enthält etwa ein Klage= lied nur Klage, irgendwo klingt das Lob oder der Ausdruck der Zuversicht an (so etwa am Schluß des typischen Klage= psalms 13).

Für den Bibelleser sei empfohlen, sich bei jedem Psalm zunächst die Frage vorzulegen, wer hier der Sprecher ist: Ein Einzelner? Die Gemeinde? Eine bestimmte Gruppe der Gemeinde? Der Priester? Ein Prophet? Wechseln mehrere Stimmen miteinander ab? Solche Fragen werden ihm vielfach helfen, den Aufbau eines Psalmes zu erkennen und so auch Inhalt und Anlaß bes= ser zu verstehen.

Einige „Haupt-Worte" und ihre Übersetzung
Gut übersetzen erscheint oft schwerer, als frei zu dichten! Wer meint, mit einem Taschenwörterbuch in die Geheimnisse einer fremden Sprache eindringen zu können, ist schlecht beraten. Er wird sich bestenfalls in der Umgangssprache einigermaßen ver=ständigen können, aber selbst bei dieser Gelegenheit wird er feststellen müssen, daß oft genug Mißverständnisse entstehen, weil die Wörter der eigenen Sprache sich nicht einfach mit denen der fremden Sprache decken. Noch viel schwieriger ist es, wenn es sich um gehobene Sprache, noch dazu um die gehobene Sprache der Bibel handelt. 

Oft muß ein Wort der fremden Sprache durch verschiedene Worte der eigenen Sprache um schrieben werden, um den ganzen Bedeutungsbereich auszu= drücken. Jede Übersetzung ist daher in der Gefahr, den Sinn der fremden Worte zu verengen. Das sei an einigen Beispielen erläutert.
In den Psalmen kommt in Luthers Übersetzung oft das Wort „Gesetz" vor. Wir denken bei diesem Ausdruck sofort an Ge= bote, Paragraphen, Strafbestimmungen und dergleichen. 

Das entsprechende hebräische Wort heißt Tora. Seine Grundbedeu= tung ist etwa durch „Fingerzeig" oder „Weisung" wiederzugeben. Ein Fingerzeig ist etwas Hilfreiches. Deswegen kann man auch am „Gesetz" des Herrn seine Lust haben (Ps 1, 2). Es ist ja hilfreiche Weisung) Der Leser denke daran - auch wo die etwas verengende Übersetzung „Gesetz" beibehalten ist. 

Zu den HauptWorten der Psalmen gehören die Begriffe, die in unsern Lutherbibeln durch „Güte" oder „Gnade", durch „Gerechtigkeit" und durch „Wahrheit" wiedergegeben sind. Sie bezeichnen in den Psalmen durchweg ein Verhalten, wie es der Gemeinschaft des Gottesbundes (der „Vertrags=Treue") ent spricht. Gottes Güte ist die freundliche Zuwendung, die in seinem Bunde ihren Ausdruck gefunden hat und die darauf wartet, daß der Mensch seinerseits sich zu Gott wendet. - Gottes Gerechtigkeit ist die Art und Weise, wie er seinem Bunde gerecht wird. 

Sie umschließt beides, sowohl das heilschaffende als auch das richtende Handeln Gottes. In seiner Gerechtigkeit bewährt Gott sich als der treue Herr des Bundes. Des Menschen Gerechtigkeit ist dementsprechend nicht etwa seine private Rechtschaffenheit, sondern die „vorbildliche", von Gott vor gegebene Weise, wie er sich als Bundespartner bewährt, indem er sich der Treue Gottes öffnet (vergleiche hierzu z. B. die Er klärung zu Ps 143 und die Übersetzung „Heilserweis" statt. „Gerechtigkeit" in Ps 5, 9).

Ein wichtiges Wort in den Psalmen ist ferner das Wort „Hilfe". Welche vielfältigen andern Ubersetzungsmöglichkeiten (z. B. „Befreiung") sich hier anbieten, kann in der Erklärung zu Ps 3 nachgelesen werden.
Eine besondere Schwierigkeit bildet das Wort „Gottlose", das in Luthers Sprachgebrauch etwas anderes bedeutet als heute (siehe hierzu die Erklärung zu Ps 1). Gemeint ist damit der
Mann, der an der Gemeinschaft des Gottesbundes schuldig geworden ist und somit seinen Halt in diesem Bund verloren hat.

Es läßt sich aber schwer ein modernes deutsches Wort finden, das gleichzeitig die großspurige Aufsässigkeit und die Halb losigkeit ausdrückt - es sei denn etwa das böse Wort „halb=
stark". Aber dabei denkt man dann an eine bestimmte Sorte von Jugendlichen, und die sind gerade nicht gemeint und soll= ten auch von Erwachsenen lieber nicht so tituliert werden.
Wir haben die Übersetzung „Gottlose" gelegentlich beibehal= ten, gelegentlich „Vermessene" oder „Frevler" gesagt. Die bei= den letzten Worte haben allerdings einen etwas altmodischen Klang und sind nur Notbehelf.

Warum nicht einfach Luthers Übersetzung?
Wir haben im letzten Abschnitt dem Leser einige Andeutungen über die Schwierigkeiten einer gültigen Übersetzung gemacht. Wir wollten aber vor solchen Schwierigkeiten nicht die Waffen strecken und bieten daher neben Rückgriffen auf die Zürcher Bibel und auf Martin Bubers Verdeutschung der Bibel in zahl= reichen Fällen auch eigene tlbersetzungsversuche der ver schiedenen Ausleger. Auf eine einheitliche Sprachregelung' haben wir dabei bewußt verzichtet. Die Bedeutung von Luthers Bibelübersetzung soll damit nicht herabgesetzt werden.

 Im Gegenteil, wer sich je ernsthaft am Übersetzen der Bibel versucht hat, dessen Ehrfurcht vor Luthers Arbeit wird immer mehr steigen. Aber gerade, wenn wir Schüler Luthers sein wol= len, müssen wir uns immer wieder an die schwierige Arbeit des Dolmetschens machen, auch wenn dann die Sprache eventuell viel holpriger klingt. 

Wenn wir zu einer neuen Begegnung mit der Bibel, insbesondere mit dem Buch der Psalmen kommen wollen, dürfen wir die Gefahr des Holperns und Stolperns und eventuell sogar des Stotterns nicht scheuen. Nur so lernt man selbständig laufen und sprächen. Das haben unsere Väter im Glauben wohl gewußt. Wir wollen nicht weniger riskieren als sie.

Die Psalmen sollen uns zum Beten helfen
Luther pflegte sich an den Psalmen „das Herz anzuwärmen" für das Gebet mit eigenen Worten. Er wußte also sehr wohl, daß es mit dem einfachen Nachsprechen der Psalmen noch nicht getan ist. Ein vorgegebenes Gebet kann aber das Geländer sein, an dem man sich zunächst festhält, bis man wagt, es loszulasa sen und freie, selbständige Schritte zu tun. In diesem Sinne wol len auch die Gebete verstanden sein, die den Auslegungen artgefügt sind. 

Es sind freie Versuche, im Geiste der Psalmen, heute weiterzubeten. Selbstverständlich kann man wirklich persönliche Gebete nicht aufschreiben und nicht drucken. Was sich in diesem Buche an Gebeten findet, sind kleine Handreichungen. Wer danach greifen will, der tue es. Vielleicht erwärmt er sich hier und da das Herz daran. Vielleicht kann er sich in dem einen oder andern Gebet unterbringen und bekommt dadurch Mut, auf eigene Weise weiterzubeten. Das Wichtigste beim Beten ist, daß man eben anfängt. Späterhin kann es dem Betet eine Hilfe sein, sich eigene Sätze schriftlich zu formulieren. 

Er kann dadurch vor verschwommenen Allgemeinheiten, die we fig besagen, bewahrt werden. Er wird dahinterkommen, daß Beten zur Genauigkeit in der Sprache und zur Konzentration treibt. Auch hierzu gehört der Mut, mit Holpern und Stolpern, beziehungsweise mit Stottern anzufangen. „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf."

Theodor Jänicke
zu genauerem Studium seien enipfohlem
Christoph Barth, Einführung in die Paalmen. Neukirchen 1961;
Clous Westermann, Ahrlil der Bibelkunde; 5.166-176. Gelnhausen/Stuttgart 1962. Burckhardhaus Verlag