2. Sam. 24, 12 Dreierlei lege ich dir vor; erwähle.. C.H. Spurgeon

12/27/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Wahl des Kreuzes

Dreierlei lege ich dir vor; erwähle dir der eines, daß ich es tue. 2. Sam. 24, 12

Alle Kinder Gottes werden gezüchtigt; aber nur selten dürfen sie wie David die Rute wählen, aus einer Anzahl von Trübsalen die leichteste aussuchen. Gewöhnlich erscheint uns gerade das Kreuz, das uns auferlegt ist, als das schwerste. „Ich weiß wohl", heißt es, „daß wir Trübsal haben müssen, aber mein gegenwärtiges Leiden ist das schwerste, das mich treffen konnte. Jedes andere Kreuz trüge ich leichter." 

Der eine sagt: „Oh, körperliche Schmerzen wollte ich gerne ertragen." Der andere meint: „Oh, arm wollte ich gerne sein, wenn ich nur
gesund wäre!" Der dritte erklärt: „Schmach und Verfolgung von den Gottlosen wollte ich mir gerne gefallen lassen, aber die Armut ist doch zu schwer zu tragen."
Und so weiter. Der Herr aber hat alles für jeden geordnet. Wir sind nicht die Herren, sondern die Knechte in seinem Hause und haben nur zu gehorchen.

Aber denke dir einmal, du dürftest wählen! Du würdest dann die Wahrheit des Sprichwortes erfahren: „Wer die Wahl hat, hat die Qual." Wählst du Krankheit des Leibes? Sag nicht so schnell: „Ja!" Ich weiß, was Krankheit ist, und kann sie durchaus nicht rühmen. Also Armut?
Mancher weiß ein Lied von ihr zu singen, und zwar kein frohes. Es ist ganz gewiß kein Vergnügen, abends nicht zu wissen, woher am folgenden Morgen das Geld für Nahrung und Kleider kommen soll, und von den Gaben der Wohltätigkeit abhängig zu sein. 

Oder wählst du Schmach und Verleumdung? Die können auch einem starken Mann das Herz brechen. Oder soll es etwa der Verlust deiner Lieben sein? Möchtest du wirklich, daß der Gefährte oder die Gefährtin deines Lebens dir genommen, daß dir ein Kindlein vom Herzen gerissen werde?
Wenn du so die Wahl unter den Kreuzen hättest, ginge es dir wohl wie den Eltern, die aufgefordert wurden, eines ihrer zehn Kinder einem andern zu überlassen.
Das erste konnten sie nicht hergeben, denn es war der Stammhalter; das zweite nicht, weil es ein sehr zartes Mägdlein war; das dritte war seiner Mutter Ebenbild und das vierte war ganz besonders lieb. Und so ging es fort bis zum Nesthäkchen, das noch an der Brust seiner Mutter lag und das man ihr natürlich gar nicht nehmen
konnte. So hätten wir auch gegen jedes Kreuz einen besonderen Grund, und die Wahl des Kreuzes wäre allein schon ein schweres Kreuz.
Dazu würden wir uns wahrscheinlich ein schlimmeres Kreuz wählen als das, was wir schon tragen müssen.
Unser erstes Gefühl wäre: Wir müssen unser bisheriges Kreuz los werden; es ist uns gründlich entleidet und wir meinen, jede Veränderung werde auch eine Verbesserung sein. Wir sehen, wie unser Freund unter seinem Kreuz so fröhlich ist, und wünschen uns an seine Stelle. 
Aber glaube mir: Gott hat die Last deinem Rücken und deinen Rücken der Last angepaßt, und ein Vertauschen der Last wäre für dich und deinen Freund nur ein Nachteil.

Außerdem soll das Kreuz eine Züchtigung und ein Heilmittel sein. Wenn du dir aber selbst das Leiden wählst, so geht gerade diese Wirkung, die es doch haben soll, verloren. Ich habe gehört, daß die Nonnen eines gewissen Ordens jede Nacht in ihrem Sarg schlafen, der in fast aufrechter Stellung an die Wand gelehnt ist. 

Die Gewohnheit macht das Schlafen in solcher Stellung bald erträglich, wahrscheinlich sogar angenehm, und die Abtötung des Fleisches ist mehr scheinbar als wirklich. In einem Kloster bei Brüssel habe ich die Peitschen gesehen, mit denen die Menschen sich geißeln. Ich hoffe, diese Übung mache ihnen Vergnügen und sie gebrauchen die Peitsche kräftig. 

Eine selbstauferlegte Geißelung ist nur ein Scheinleiden; ein selbsterwählter Schmerz ist überhaupt kein ernsthafter Schmerz. Er kann uns schließlich
sogar lieb werden. Wenn ich aus eigenem Willen leide, so hat das Leiden nicht die Wirkung, daß es den Eigenwillen bricht und den Stolz demütigt; aber wenn ich nach des Herrn Willen täglich Schmerz, Armut oder Verlassenheit ertrage, wenn ich den Kelch des Leidens trinke und spreche: „Dein Wille geschehe!" (Matth. 26, 42; Apg. 21,14), dann ehre ich Gott und habe einen Segen
von meinem Leiden.
Bedenke auch die Verantwortung, die du dir auflüdest, wenn du dein Kreuz selber wähltest, und welche Vorwürfe du dir machen würdest, wenn du dir sagen mußtest: „Wie schlecht habe ich gewählt! Aber ich habe es ja selbst getan und muß jetzt liegen, wie ich mich gebettet habe."
So ist es am allerbesten, wenn Gott uns das Leiden bestimmt und wenn wir es, wie es kommt, als den Willen Gottes annehmen und uns durch den Beistand seiner Gnade vor dem Sturm beugen. Der Blick auf die Hand unseres Vaters gibt uns mitten im Sturm Trost, und der Ton seiner Stimme, die das Ungewitter übertönt:

„Fürchte dich nicht, ich bin's!" (Matth. 14, 27) hält uns aufrecht. Wenn der Herr den Kelch der Trübsal wählt und ihn uns zu trinken gibt, so trinken wir ihn im Frieden.
Wenn wir das Leben dahingegangener Christen betrachten, so staunen wir oft, wie eine bestimmte Trübsal für einen bestimmten Menschen das Richtige war. Aus einem Leiden, das Melanchthon das Herz gebrochen hätte, ist Luther nur um so größer und stärker hervorgegangen. Wir sehen jetzt ganz gut ein, wie einem
Bunyan seine Gefangenschaft, einem Milton seine Blindheit, einem Baxter seine Kränklichkeit zum Heil diente.
Wenn wir in den Himmel kommen, wird es wohl eine unserer Aufgaben sein, zu erkennen, wie weise der Herr uns nicht nur unsere Nahrung, sondern auch unsere Arzneien zugeteilt hat. Aber auch schon hier unten, wenn wir älter werden, können wir zurückblicken und mitten im Nebel und der Dunkelheit der Unwissenheit den Herrn für das Feuer des Schmelzofens preisen. Das Kreuz, der bittere Baum, hat Knospen und Blüten bekommen. 

Ja, gerade das Kreuz, das wir am meisten fürchteten, ist uns zum größten Segen geworden. Fortan, wenn Trübsal kommt, wollen wir sie annehmen und willkommen heißen, wollen uns der Liebe, die sie uns schickt, der Gnade, die in ihr zu uns kommt, und des Wachstums, das sie uns ermöglicht, freuen und niemals die Dinge anders wünschen, als der Herr sie uns bestimmt. 

Wir wollen nicht mehr wünschen, selbst wählen zu können; sollte uns aber je eine Wahl gelassen sein, so wollen wir mit David sagen: „Laß uns in die Hand des Herrn fallen!" (2. Sam. 24,14). Wir sind geborgen, wenn wir uns ganz dem Herrn überlassen.

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