Botschafter des Heils in Christo 1855 Teil 1

01/31/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1855 Seite
Die herrliche Hoffnung der Kirche 1
So viele nun vollkommen sind  (Phil 3) 49
Wir haben den Herrn gesehen  (Joh 20,25) 64
Die Erfahrungen Abrahams und Jakobs 69
Über die Leiden Christi             (Mk 14,14-50) 81
Das himmlische Leben der Kirche 87
Gedanken über               (Kolosser 3,18–4,1) 89
Mit Christus auferweckt - Suchen was droben ist  (Kolosser 3,1) 109
Gott wirkt das Wollen aus auch das Wirken (Philiper 2,13) 129
Unterschied der Stellung unter Gesetz bzw. Gnade 132
Epaphroditus  (Phil 2,25-30; Phil 4,18) 149
Epheser 2 bis 4,16 161
Das Rühmen des Christen             (Römer 5,1-11) 169
Joseph, ein Vorbild auf Jesus (1. Mo 37-48) 176
Gideon, der tapfere Held Gottes  (Richter 6-8) 189


Teil 1

DIE HERRLICHE HOFFNUNG DER KIRCHE ODER DER VERSAMMLUNG GOTTES
Einleitung

„Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe“ (Joh 15,15). Mit diesen Worten drückt der Herr Jesus sein inniges und vertrautes Verhältnis zu den Seinigen aus. Er, der ewig geliebte Sohn im Schoß des Vaters, nennt uns Freunde und teilt uns alles mit, was Er selbst vom Vater gehört hat. So köstlich jede andere Beziehung unserer Berufung sein mag, diese ist es nicht weniger. Gott nannte Abraham seinen Freund und sagte: „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?“ (1. Mo 18,17). Er hatte das süße Vorrecht fern von dem so nahe bevorstehenden Gericht über Sodom und Gomorra auf der Höhe mit Gott zu verkehren. So lässt ja Gott auch uns als Freunde an allen den Gedanken teilnehmen, die sein eigenes Herz beschäftigen. Wir sind durch Ihn von dem nahen und schon längst ausgesprochenen Gericht unterrichtet und gewarnt. Anstatt in Furcht zu sein, verkehren wir mit Ihm in Liebe und Freude, indem wir wissen, dass wir von dem zukünftigen Zorn errettet sind. Wahrlich, einen zarteren Beweis seiner unvergleichlichen Liebe und ein wirksameres Mittel für die Heiligung unserer Seelen konnte Er uns nicht geben. 

Wir sind die Verwahrer der Aussprüche Gottes und gewiss, unsere Vorrechte sind in jeder Beziehung groß (Röm 3,2). Er hat uns nicht nur unsere, allein durch das einmal geschehene Opfer des Jesus Christus bewirkte, ewige Versöhnung und Erlösung wissen lassen, sondern uns auch die vor Grundlegung der Welt in der Tiefe seiner Ratschlüsse verborgenen Geheimnisse, die das liebliche Los unserer herrlichen Berufung sind, kund gemacht. Es sind die unerforschlichen Reichtümer des Christus, deren gänzliche Offenbarung für die Verwaltung der Fülle der Zeiten aufbewahrt ist. Gott hat denen, die Ihn lieben, eine Herrlichkeit bereitet, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist, eine Herrlichkeit, in die selbst die Engel hineinzuschauen begehren. 

Diese hat Er uns durch seinen Geist offenbart (1. Kor 2,10). Der Reichtum seiner Gnade ist überströmend gegen uns geworden in aller Weisheit und Einsicht (Eph 1,8). Er hat uns erleuchtet, die Hoffnung seiner Berufung und den Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes zu erkennen. Es ist seine Freude, uns immer tiefer in diese Erkenntnis hineinzuführen. Sie ist es auch, vor allem die Erkenntnis seiner selbst, die uns dringt, Ihn zu lieben und anzubeten und die unsere Seelen auf eine unaussprechliche Weise beruhigt und erquickt. Sie ist es, die uns stets mit innigem Verlangen den Augenblick herbeiwünschen lässt, in dem wir Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen und immer bei Ihm sein werden.

Sollten nun die Genossen dieses köstlichen Geheimnisses, die Berufenen einer solchen Herrlichkeit, gegen diese Beweise der Liebe und des Vertrauens gleichgültig sein können? Sollte es möglich sein zu denken: Ich bin zufrieden, dass ich meiner Erlösung und Seligkeit gewiss bin, das Übrige will ich abwarten? Diese Gesinnung würde nur großen Undank und unverzeihliche Geringschätzung gegen die herzliche Liebe unseres Gottes verraten. Auch würde sie nicht weniger eine große Trägheit des Geistes und einen tiefen Mangel an Liebe zu unseren allerbesten Freund, der stets bemüht ist, die Seinigen zu segnen, an den Tag legen. Wie könnten wir gegen die Liebe des Christus gleichgültig sein, da seine Herrlichkeit auch die unsrige ist! Es sollte uns vielmehr stets eine köstliche Freude sein, wenn Gott mit uns verkehrt, da jeder neue Blick in den Reichtum seiner Gnade unsere Herzen erquicken wird, wenn wir in seiner Gemeinschaft leben.

 Die Offenbarungen der Ratschlüsse und Gedanken Gottes in Demut zu erforschen sind nicht, wie etliche denken, unnütze Spekulationen des Fleisches, sondern seine mannigfaltige Weisheit erweckt in unseren Herzen vielmehr Liebe und Anbetung. Der Apostel Paulus verzichtete um Christus willen auf jeglichen Vorteil des Fleisches und für die Vortrefflichkeit der Erkenntnis des Christus achtete er selbst alles für Schande und Kot. Er war es auch, der die Heiligen ermahnte, doch nicht Kinder am Verständnis zu bleiben. Ja, erst dann, wenn wir die Verbindung unserer Herzen mit Gott wirklich pflegen, haben wir für alle seine Gedanken und Ratschlüsse sowie für die Erkenntnis seiner selbst ein wirkliches Interesse. Erst dann sind alle seine Wege köstlich für uns und wir genießen in der verborgenen Gemeinschaft mit Ihm ein unaussprechliches Glück. Wir werden nicht allein überzeugt sein, dass wir Frieden mit Ihm haben, sondern wir genießen selbst seinen Frieden, der über alles geht. Es gibt dann nichts Höheres für uns als die Verherrlichung Seines Namens.

Der Tag naht, an dem wir den sehen werden, den wir schon jetzt durch den Glauben kennen und lieben. Er selbst wird uns in den Vollgenus seiner Herrlichkeit einführen und wir werden dann allezeit bei Ihm sein. Diese Wiederkunft war stets der große Gegenstand, der die Herzen der Jünger sowie die der ersten Christen mit Freude und Sehnsucht erfüllte. Jesus hatte nicht allein auf dieser Erde das Werk der Erlösung vollbracht, sondern auch den Charakter des Vaters, dessen Ebenbild Er ist, auf das völligste offenbart. Die Jünger genossen drei Jahre lang seinen persönlichen Umgang. Kannten sie auch nicht die Tragweite von dem, was Er war, so sahen sie doch täglich seinen Verkehr mit Zöllnern und Sündern in Gnade und Liebe sowie seine Sanftmut, Freundlichkeit und Geduld gegen alle. Sie genossen stets seine unaussprechliche Liebe, womit Er sie bis ans Ende liebte und trug, eine Liebe, die selbst höher war, als alle Schrecken seines qualvollen Todes. Bis zum letzten Augenblick waren sie der Gegenstand seiner zärtlichsten Fürsorge. Selbst am Abend vor seinem Abschied gedachte Er ihrer, indem Er ihnen die Füße wusch zum Beweis, was Er in seiner dienenden und hingebenden Liebe ihnen, den einmal Gereinigten, bei ihrem Wandel durch diese Wüste, auch für die Zukunft sein und bleiben würde. Darf es uns darum befremden, dass sie sehr trauerten, als der beste und treuste Freund und Bruder von ihnen weggenommen wurde? 

Darf es uns befremden, dass ihr Herz sich mit hoher Freude und großem Verlangen erfüllte, als sie gewiss wussten, dass Er wiederkommen und sie zu sich nehmen würde? Und das umso mehr, da sie seit dem Pfingsttag durch die Gegenwart des Heiligen Geistes, dieser sicheren Bürgschaft seiner wirklichen Ankunft in der Herrlichkeit, die Tragweite seiner Liebe und Treue für sie besser verstanden? Und diese trostvolle Hoffnung belebte die Herzen aller treuen Heiligen der ersten Zeit, die Jesus in Wahrheit erkannten und liebten. Sollte sie uns, die Mitgenossen der gleichen Herrlichkeit, weniger erfreuen, da wir doch derselbe Gegenstand Seiner zärtlichen Liebe und unermüdlichen Treue sind? Haben wir doch auch denselben Geist empfangen, der Ihn in uns verklärt und durch den uns die Liebe Gottes mitgeteilt ist, den Geist des Vaters und des Sohnes, der uns über die köstlichen Gedanken Gottes und über seine Gesinnung gegen uns so treulich unterrichtet. Sobald wir das Werk des Christus, bei seiner ersten Ankunft in Niedrigkeit vollbracht, verstanden haben, sobald unsere Gewissen durch dasselbe gereinigt und unsere Herzen von seiner und des Vaters Liebe überzeugt sind, werden wir in der Gegenwart Gottes völlig ruhig und glücklich sein. Ja, bei seiner ersten Ankunft hat Er alles getan, um sowohl unsere Gewissen als auch unsere Herzen vor Gott zu beruhigen. Jetzt lernen wir in seiner Gemeinschaft und durch die Unterweisung des Heiligen Geistes immer besser verstehen, was Er für uns ist. Wie köstlich ist es zu wissen, dass Er das, was Er lebt, für uns lebt, dass Er uns immerdar auf das Beste vertritt und stets fürbittend unserer gedenkt.

In den verschiedenen Verhältnissen des Lebens er- fahren wir immer aufs neue Proben seiner Treue und Liebe, seiner Fürsorge und Bewahrung. Wie kann es da anders sein, als dass wir Ihn lieben und uns so gerne mit seiner Wiederkunft beschäftigen und uns von Herzen danach sehnen? Seine Ankunft hat ja nichts Schreckliches für uns, wie für die Kinder dieser Welt. Vielmehr ist dieselbe für uns die Erfüllung aller Freuden und aller Segnungen, indem wir überzeugt sind, Ihn bei Seiner Ankunft nicht anders zu finden, als wie wir Ihn jetzt kennen gelernt haben. Er kann sich selbst nicht leugnen. Vielmehr wartet Er selbst mit Sehnsucht auf den Augenblick unserer Vereinigung mit Ihm. Nicht Engel wird Er senden, seine Braut von der Erde abzuholen, nein, Er selbst wird kommen und sie rufen und in die Wohnung des Vaters mit sich einführen.

So wissen wir denn, dass wir eine sichere und feste Hoffnung haben, die uns nicht beschämen wird, eine Hoffnung, wovon der Apostel Petrus an die Gläubigen schreibt: „Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus nicht kundgetan, indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern als solche, die Augenzeugen seiner herrlichen Größe geworden sind. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.' … Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, auf das zu achten ihr wohltut, als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen“ (2. Pet 1,16.17.19). Die Weissagung ist ein Licht am dunklen Ort.

 Sie spricht von dem Urteil der Welt und dem Tag des Herrn, wo die Herrlichkeit des Christus, als Sonne der Gerechtigkeit, mit ihrem ganzen Glanz auf diese Welt leuchten wird. Dieses ist sehr wichtig und zugleich kräftig, die Seelen von der unter dem Gericht stehenden Welt abzuziehen, bis eine bessere Hoffnung das Herz erfüllt, bis der Tag anbreche und der Morgenstern darin aufgehe, d. h. bis das Herz die Ankunft des Herrn begreift, nämlich seine Vereinigung mit der Kirche, ehe dieser Tag selbst kommt. Denn der Anbruch des Tages ist nicht der Tag selbst und der Morgenstern ist nicht die Sonne noch die Lampe in der Finsternis, sondern es ist Christus, der die Kirche zu sich aufnimmt, ehe Er der Welt als Sonne der Gerechtigkeit offenbar wird. Wenn das Herz mit dieser Wahrheit erfüllt ist, ist der Morgenstern darin aufgegangen. Die schlafende Welt sieht diesen Stern nicht, aber er ist der Vorläufer des Tages und die Wachenden werden Ihn als solchen durch ihre Vereinigung mit Ihm wirklich kennen. Sie genießen jetzt schon im Herzen das gegenwärtige Zeugnis und den Vorgeschmack dieses Vorrechts und werden an dem Tag selbst mit Ihm wie Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit leuchten (vgl. Off 2,28; 22,16.17).

Der Herr ist nahe! Dies köstliche Bewusstsein vermag unsere Herzen zu stärken, unseren Wandel zu heiligen und unsere Erwartung auf Ihn stets lebendig zu erhalten. Es gibt uns Kraft immerdar zu bekennen, dass wir Gäste und Fremdlinge auf Erden sind und dass wir ein besseres Vaterland, nämlich ein himmlisches suchen (Heb 11,13–15). Es gibt uns Kraft von aller Ungerechtigkeit abzutreten und aus einer Welt auszugehen, über die die Gerichte bald hereinbrechen werden. Wir preisen dann aber auch die Gnade Gottes, die uns durch den Heiligen Geist unterrichten lässt, um diesem allem zu entfliehen.

Der Herr möge unsere Herzen recht einfältig und gehorsam machen, damit wir uns stets mit seinen herrlichen Gedanken und seiner so nahen Zukunft beschäftigen, um inmitten der Verwirrung als Kinder Gottes lauter und untadelig dazustehen, zum Lob und Preis unseres Gottes.

2. Der von den Zeitaltern her verborgene Ratschluss Gottes

Stephanus, voll Glaubens und Heiligen Geistes, wurde von dem Volk Israel gesteinigt, die Gemeine zu Jerusalem verfolgt und hin und her in die Gegenden von Judäa und Samaria zerstreut (Apg 8,1). Somit war nun auch das Zeugnis des Heiligen Geistes, begleitet durch mächtige Zeichen und Wunder, von dieser Nation verworfen. Dies war das letzte Zeugnis für dieses Volk, aber es tat keine Buße. Gott hatte alles an Israel versucht, aber es beharrte in seiner Halsstarrigkeit. Jesus hatte am Kreuz für sie gebetet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“, aber umsonst antwortete der Heilige Geist auf diese Fürbitte des Herrn: „Und jetzt, Brüder, ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt, so wie auch eure Obersten. … So tut nun Buße und bekehrt euch“ (Apg 3,17.19). Ihre Ohren blieben auch gegen dieses Zeugnis taub. Sie achteten sich selbst des ewigen Lebens unwürdig und wurden in der Finsternis gelassen. Die Propheten waren getötet, der Gesalbte gekreuzigt und der Heilige Geist verworfen. Gott hatte seine Macht, Weisheit und Treue an dieser Nation offenbart und dennoch wollte sie ihren Gott nicht erkennen. Jetzt brach der Herr seine Beziehungen mit diesem abtrünnigen Volk ab und brachte neue Gedanken, bis dahin in den Tiefen seiner Ratschlüsse verborgen, zur Verherrlichung seines Namens ans Licht. 

Es ist aber nötig uns stets der Worte des Apostels zu erinnern: „Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erkannt hat.“ Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis dass die Fülle der Heiden eingegangen und also das ganze Israel selig werden wird, wie geschrieben steht: „Aus Zion wird der Erretter kommen, er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde. Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde, um euretwillen, hinsichtlich der Auswahl aber Geliebte, um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“ (Röm 11, 3.25–29). Es handelt sich hier nicht um sein Volk dem Geist nach, sondern um sein Volk nach dem Fleisch, die Juden, die nach dem Evangelium Feinde sind, aber nach der Wahl Geliebte, um der Väter willen.

Die Untreue Israels kann Gottes Treue nicht aufheben, Er ist mächtig, sein Volk wieder einzupfropfen und, trotz der List und Bosheit Satans, der Gottes Werk immerdar zu zerstören trachtet, weiß Er alle Ratschlüsse seiner Weisheit herrlich hinauszuführen. Diese Wiederherstellung und Annahme kann sich aber nur auf eine unumschränkte Gnade gründen und zwar auf die Verheißungen, die dem Abraham ohne Bedingung gegeben sind. Israel empfing am Berge Sinai die Verheißungen mit Bedingung und verlor alles, weil es untreu war. Es wollte auf eigene Kraft hin handeln und dies führte es zum Fall. Allein die Geduld Gottes bewährte sich an ihm auf alle mögliche Weise, bis kein Heilmittel mehr übrig war und das Gericht über dies Volk hereinbrach. Die Verheißungen an Israel mit Bedingung und ihr Verlust können die Verheißungen ohne Bedingung nicht schwächen oder gar aufheben. Gott wird sie treulich erfüllen. Es würde ganz und gar eine Verkennung der Gedanken und Ratschlüsse Gottes sein zu glauben, dass Gott sein Volk, d. h. Israel, für immer verstoßen habe. Die Propheten des alten Bundes sind voll von herrlichen Zeugnissen für die Wiederherstellung desselben in den letzten Tagen. Das Mittel dieser Wiederherstellung sind schwere Gerichte, die die Gottlosen aus dem Wege schaffen werden und dann wird der Herr den Unflat der Töchter Zions abwaschen und die Blutschulden Jerusalems wegnehmen (Jes 1,25–28; 4,2–4; Jer 3,16–18; 32,37–42; 33,6–11; Hes 11,17–20; 37,1–28; Amos 9, 14.15 u. a. m.).

Diese Weissagungen des Alten Testaments, sowohl die der Psalmen als auch der Propheten, verstehen wir nicht, wenn wir die Wiederherstellung Israels als des irdischen Volkes außer Acht lassen. Ebenso sehr irren wir, wenn wir sie auf die Kirche anwenden. Letzteres geschieht leider sehr oft, indem man von der Kirche als von einem geistlichen Israel redet, wovon die Heilige Schrift nichts weiß. Vielmehr lesen wir oft und auf das Klarste darin, dass, bis zu den Zeiten der Offenbarung durch den Heiligen Geist an die Apostel und Propheten des neuen Testaments, die Kirche ein von den Zeitaltern her in Gott verborgenes Geheimnis war, jedoch ist das Verständnis dieser Offenbarung verloren, sobald man die Psalmen für die der Kirche zugehörenden Gesänge hält.

 Wenn man auch gewiss anerkennen muss, dass darin allgemeine Grundsätze der Frömmigkeit sich finden, die für alle Gläubigen wichtig sind, so hat doch diese Anwendung eine Verwirrung hervorgebracht, in der man tatsächlich Israel für immer als verstoßen betrachtet und den Charakter und die Hoffnung der Kirche für immer verkennt. Es ist darum nötig, sich mit den Verheißungen Israels bekannt zu machen und sie von denen für die Kirche zu unterscheiden. Diese Erkenntnis wird unseren Blick von der Erde zum Himmel erheben und unsere Hoffnung mit der himmlischen Herrlichkeit beschäftigen.

In dieser Zwischenzeit, d. h. in dem Aufschub der Vollendung der jüdischen Haushaltung, handelt es sich also nicht um Israel. Es ist, wie gesagt, für diese Periode ganz beiseite gesetzt. Die Scheidewand zwischen Juden und Heiden ist abgebrochen (Eph 2,14), das Evangelium kennt nur Sünder sowohl unter als ohne Gesetz. „Denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23). Es besteht kein irdisches Volk mehr, was sich als Bewahrer der Aussprüche Gottes, der besonderen Gunst und Vorrechte zu erfreuen hätte. Die Heiden, die ferne waren, sind in Christus Jesus durch sein Blut nahe geworden und haben mit den gläubigen Juden durch einen Geist den Zugang zu dem Vater (Eph 2,13.14.18). 

Der Heide wie der Jude tritt durch seine Bekehrung in den Bereich einer unumschränkten Gnade ein. „Da ist nicht Jude noch Grieche, … denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28; vgl. Kap. 5,6; 6,15; 1. Kor 12,13). Gott sammelt jetzt aus allen Nationen ein himmlisches Volk und offenbart durch dasselbe seine von den Zeitaltern her verborgenen Ratschlüsse, die sich an die himmlische Herrlichkeit des Menschensohnes knüpfen und macht den Fürstentümern und Gewalten die unendlich mannigfaltige Weisheit Gottes begreiflich.

Nachdem Jesus sein Erlösungswerk vollbracht hatte und wieder zum Vater zurückgekehrt war, wurde der Heilige Geist vom Himmel auf die Erde hernieder gesandt. Die Seinigen sollten in seiner Abwesenheit hienieden nicht verwaist sein, ein anderer Sachwalter sollte stets in und bei ihnen bleiben. Es ist wichtig, die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes und seine Wirksamkeit auf Erden zu verstehen. Sein Auftrag war, Jesus in den Seinen zu verklären, die Erkauften von der Welt abzusondern, sie in eins zu sammeln, sie in die Erkenntnis der Ratschlüsse und Absichten Gottes einzuweihen und sie als Braut dem himmlischen Bräutigam entgegen zu führen. Sie sollten neue Beweise der göttlichen Weisheit und Liebe erfahren. Zum Hauptträger dieser verborgenen Ratschlüsse wurde Paulus, der früher so wütende Feind und Verfolger Jesu und seiner Kirche, ernannt. 

Erst nach dem Tod des Stephanus, als das Volk Israel das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen hatte, entfaltete sich das Geheimnis des Christus in voller und herrlicher Klarheit. Durch eine besondere Offenbarung wurde es dem Apostel kundgetan und Er fügt hinzu: „Das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist: dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium, dessen Diener ich geworden bin nach der Gabe der Gnade Gottes, die mir gegeben ist nach der Wirksamkeit seiner Kraft. Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, den Nationen den unergründlichen Reichtum des Christus zu verkündigen und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott“ (Eph 2,5–9). Wiederum Kolosser 1,26.27:

 „Das Geheimnis, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist, denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen, das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ Ebenso Römer 16,25.26: „Dem aber, der euch zu befestigen vermag nach meinem Evangelium und der Predigt von Jesus Christus, nach der Offenbarung des Geheimnisses, das ewige Zeiten hindurch verschwiegen war, jetzt aber offenbart und durch prophetische Schriften, nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan worden ist.“

Mit der Welt als solcher hat Gott seine Beziehungen ganz und gar abgebrochen, obgleich Er alles durch seine Vorsehung verwaltet. Jesus sagte bei seinem Austritt aus derselben: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden“ (Joh 12,31). Da sie Jesus als ihren Fürsten nicht aufgenommen, sondern vielmehr aus ihrer Mitte gestoßen hatten, wurde Satan als Fürst dieser Welt bezeichnet und es bleibt allein noch die Ausführung des schrecklichen Gerichts übrig, das nur bis zu dem Augenblick, wo alle Glieder der Kirche gesammelt und hinausgeführt sind, aufgeschoben wird. Christus sitzt zur Rechten Gottes und wartet, bis alle Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt sind, damit Er sie zertrete. Der Heilige Geist sondert die Erlösten von der Welt ab und bringt sie in die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes. Sie sind in Christus vom Tode zum Leben hindurchgedrungen, sind mit Ihm gestorben, begraben und auferstanden und in Ihm in den Himmel versetzt. Obwohl dem Leib nach noch an diese Schöpfung gebunden, so ist ihr Leben doch mit dem Christus in Gott verborgen. Ihre Gedanken und Neigungen erheben sich zu den himmlischen Dingen (Kol 3,1.2), ihre Erkenntnis, die sie von diesen Dingen haben, ist eine geistliche (1. Kor 2,13), d. h. sie beurteilen alles nach dem Sinn oder den Gedanken des Christus. 

In ihnen wirkt die herrliche Macht Gottes, der den Christus aus den Toten auferweckt hat (Eph 1,19.20). Die Welt ist für sie zur Wüste geworden, in der sie nur Gäste und Fremdlinge sind. Sie sind nicht von der Welt, wie auch Er nicht von der Welt ist. Dem Fleisch nach sind sie zwar irdischen Ursprungs, doch ihr Bürgerrecht ist nicht von hier. Ihr Vaterland ist da, wo Jesus die Stätte bereitet hat. Ihre Berufung ist himmlisch, darum kann auch der Himmel und was darinnen ist, nur der Gegenstand ihrer Hoffnung sein. Im Geist wohnen sie jetzt droben, tragen das Wesen und den Charakter der himmlischen Dinge an sich und wachsen in den Dingen, worin sie leben. Als Glieder des Christus befinden wir uns in der Gemeinschaft Gottes und genießen im Glauben, was Gott uns bereitet hat. Ja, was noch mehr ist, wir genießen Gott selbst.

 Er hat sich uns unter dem Namen „Vater“ offenbart. Er ist unser Vater und der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Aus diesem Namen fließen für die Kirche alle Reichtümer der Gnade und die Segnungen in der Herrlichkeit. Er hat die Kirche Christus gegeben als seine Braut, damit sie an seiner Herrlichkeit völlig Anteil habe. In Ihm sind wir mit allerlei geistlichen Gütern im Himmel gesegnet, wir sind nach dem Wohlgefallen seines Willens zur Kindschaft verordnet und tragen schon jetzt diesen Geist der Kindschaft in uns.

„…wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe“ (Eph 1,4). Gott ist heilig und ist die Liebe, darum sollten auch wir ganz seinem Wesen entsprechen, hier unten durch den Geist, aber droben in wirklicher Vollkommenheit. Wir sind der Gegenstand seiner gnadenreichen und herrlichen Ratschlüsse. Alle unsere Beziehungen sind sehr köstlich und es kann uns nur Freude bereiten, durch den Heiligen Geist immer mehr die Gedanken Gottes zu erforschen und in seiner Erkenntnis zu wachsen. Gott ist auch bereit, uns immer tiefer in die ganze Innigkeit dieser Beziehungen hineinzuführen und je mehr wir davon im Glauben genießen, desto mehr preisen wir seinen herrlichen Namen.

Wollen wir nun den Reichtum der göttlichen Gnade und der Herrlichkeit an uns in seiner Fülle erkennen, so müssen wir erforschen, was Christus vor Gott ist, wie Er geliebt und was der Reichtum seiner Herrlichkeit ist. Denn dieselbe Liebe und dasselbe Wohlgefallen ruht auf uns wie auf Ihm, indem wir uns vor dem Vater als Söhne der gleichen Rechte und Beziehungen zu erfreuen haben (Joh 17,23–26). „Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen!“ (1. Joh 3,1). „Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm 8,17).

Die Schöpfung war für den Menschen durch den Fall Adams verloren und der Eitelkeit und dem Dienst des vergänglichen Wesens unterworfen. Da erschien Christus im Fleisch, trat in die Stellung des ersten Adams und unterwarf sich den Folgen des Sündenfalls und zahlte als Mensch das Lösegeld für die verlorene Schöpfung. Sie ist also sein erkauftes Eigentum, wiewohl sie Ihm schon rechtmäßig sowohl als Schöpfer als auch, weil Er Sohn war, als Erben Gottes angehörte und es endlich der Ratschluss Gottes war, dem Menschensohn alles zu unterwerfen. Als Mensch ist Er jetzt das Haupt der ganzen Schöpfung, als Gott war Er der Schöpfer. Alle Dinge sind durch Ihn und für Ihn geschaffen. Als unumschränkter Gewalthaber zur Rechten der Majestät in der Höhe ist Er über jedes Fürstentum, jede Gewalt, Macht und Herrschaft und jeden Namen gesetzt, der genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen (Eph 1,21). Er ist der Mittelpunkt aller Ratschlüsse Gottes. In Ihm sollen in der Fülle der Zeiten alle Dinge im Himmel und auf Erden vereinigt und unter Ihm als einem Haupt zusammengefasst werden. Mit diesen Gedanken beschäftigen sich namentlich das erste Kapitel an die Epheser und Kolosser. Gott wollte Ihm alles unterwerfen und Er sollte sie als Mensch besitzen. „Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben“ (Joh 3,35).

Christus ist also der Erbe aller Dinge und die Kirche teilt diesen Besitz völlig mit Ihm, denn Er ist das Haupt der Kirche, die sein Leib ist (Eph 1,22.23). Sie ist Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein. Ja, sie gehört ganz und gar Ihm an und macht einen Teil von Ihm aus (Eph 5,23–32). Alle seine Titel und Vorrechte teilt Er mit ihr kraft seiner unergründlichen Liebe. Sie ist die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Sie gehört nicht mehr der Welt an, weil Er sie durch sein Blut daraus erkauft und durch seinen Geist abgesondert hat. Um die Herrlichkeit des Christus und der Kirche zu begreifen, muss man von der Welt abgesondert sein. Soweit sich die Kirche mit der Welt verbindet, ist sie von Christus los. Als Braut gehört die Kirche dem Christus an und soll in allem das Bild des Himmlischen an sich tragen, wie auch Christus das Gepräge des Himmels in allem hatte, was Er tat. Er wurde aber eben deshalb von der Welt verworfen. So lange wir das Leben des Christus in einem Leib haben, der noch der Welt angehört, werden auch wir von ihr verworfen werden und leiden. Darum sehnen wir uns nach dem Augenblick, wo unser Leib seinem verklärten Leib ähnlich sein wird.

Im Alten Testament finden wir die Braut des Königs (Ps 45). In Hosea 2,21 hören wir, dass der Herr sich mit seinem Volk in Ewigkeit verloben will. Die Verwirklichung dieser Verheißung wird in dem herrlichen Reich hier auf Erden stattfinden, wenn Christus als König regiert. Die Kirche aber ist die Braut des Lammes in der himmlischen Herrlichkeit, sie ist nicht das Erbe, sondern die erkaufte und gereinigte Erbin. Auch ist sie nicht das Haupt der Schöpfung, sondern dem Haupt als Miterbin aller Dinge und als Genossin seiner Herrlichkeit beigesellt. Der himmlische Bräutigam hat um sie geworben, als sie noch im Elend war, hat sich selbst für sie hingegeben und will sie sich selbst darstellen in Herrlichkeit, heilig und ohne Tadel (Eph 5,26.27). Im Alten Testament finden wir in Adam und Eva ein Vorbild dieser köstlichen Beziehung. Gott sagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen.“ Adam war allein, er war als Herrscher über diese Schöpfung eingesetzt. 

Er gab den Tieren des Feldes ihren Namen, aber für ihn war keine Gehilfin erfunden. Darum führte ihm Gott die Eva als die Gefährtin seiner Freude und seiner Herrlichkeit zu. So hat auch die Braut an der Herrschaft und Herrlichkeit des Christus völlig Anteil. Wie Rebekka dem Isaak entgegengeführt wurde, den Abraham durch eine Art Auferstehung wiedergenommen und zum Erben aller seiner Reichtümer eingesetzt hatte, so wird die Braut des Christus Ihm in seine Herrlichkeit und in das Haus des Vaters entgegengeführt (Joh 14,23). In Ihm besitzt sie unermessliche Reichtümer, ja, sie besitzt alles, was Er hat. Der Heide hat nichts als seine Sünden, die ihn in die ewige Finsternis führen können, aber in Christus ist er erhoben zur Rechten des Sohnes als Braut und Miterbe der Herrlichkeit. Er hat keine Verheißungen, aber die unumschränkte Gnade führt ihn viel weiter als alle Erben irdischer Hoffnungen.

Noch ist Jesus auf dem Thron seines Vaters und wartet, bis alle Feinde zum Schemel seiner Füße hingelegt sind. Wir sehen nach Hebräer 2,8, dass noch nicht alles erfüllt und Ihm untertan ist, aber in Erwartung, dass Ihm alles unterworfen werden wird, ist Er schon mit Ehre und Schmuck gekrönt. Er selbst ist erhöht und die Gläubigen erkennen seine Rechte an. Er wird ein Reich besitzen, das Er mit der Kirche teilen wird, weil sie sein Leib ist. Nach Epheser 1,20.23 sind die Vereinigung der Kirche mit Christus und die Unterwerfung in unmittelbarem Zusammenhang, weil Christus das Haupt der Kirche, als des Leibes und als solcher über alle Dinge ist. In dieser Herrlichkeit offenbart wird uns die Welt mit Christus in der gleichen Herrlichkeit sehen und wird erkennen, dass wir vom Vater geliebt sind wie Jesus selbst. Es ist nicht unsere Hoffnung, dass wir errettet werden – dies wissen wir –, sondern unsere Hoffnung ist, die Herrlichkeit des Menschensohnes selbst zu besitzen. Das macht unsere Freude völlig, dass wir vom Vater und Sohn geliebt sind und unsere Verherrlichung eine Folge dieser Liebe ist.

Die Kirche hat durch den in ihr wohnenden Heiligen Geist den Christus angezogen und weiß sich eins mit ihrem verherrlichten Haupt im Himmel. Sie ist unzertrennlich mit Ihm verbunden und wird in der himmlischen Herrlichkeit die Verwirklichung dieser Vereinigung völlig genießen. Gerade durch ihre Einheit mit Ihm genießt sie alles, was sein ist. Sie ist gesalbt mit dem Öl der Freuden und hat den Auftrag erhalten, den Geruch davon an allen Orten zu verbreiten. Der Heilige Geist versichert uns: „… uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst … womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten“ (Eph 1,5.6). 

Die Versammlung befindet sich im Besitz der Schätze der Erkenntnis von dem Geheimnis Gottes in Gemeinschaft mit ihrem Haupt. Sie freut sich ihrer Befreiung und wartet auf die Erlösung des Erbes (Eph 1,14). Christus hat sie schon durch das Blut seines Kreuzes versöhnt und Er wird alle Dinge im Himmel und auf Erden durch dasselbe Blut versöhnen (Kol 1,20). Welche Freude für uns, dass wir in den zukünftigen Zeiten an den überragenden Reichtümern seiner Gnade und Güte Teil haben. In seiner persönlichen Gegenwart werden wir seine Herrlichkeit genießen. Ja, wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Er sagt selbst: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben“ (Joh 17,26). Wir rühmen uns der Hoffnung der Herrlichkeit und nicht allein das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus (Röm 5,2.11).

3. Die Ankunft des Christus

Die Ankunft des Christus ist die einzige Hoffnung der Kirche und der von ihr so sehnlichst erwartete Augenblick, wo sie mit Ihm als ihrem himmlischen Haupt in der Herrlichkeit vereinigt und alle Segnungen mit Ihm genießen wird. Wenn Er auch zu unserer Freude und zu unserem Trost jetzt stets unsichtbar in unserer Mitte ist, so wird uns dann aber seine sichtbare Gegenwart für immer glücklich machen. Wie die Liebe des entfernten Freundes, mit dem wir im Geist verkehren, köstlich ist, so sehnen wir uns doch eben darum, weil er unser geliebter und teurer Freund ist, ihn persönlich zu sehen.

Sowohl der Herr Jesus als auch nachher der Heilige Geist durch die Apostel richten unsere Aufmerksamkeit stets auf seine Wiederkunft. Sie erfüllte die Gedanken der ersten Christen und machte sie fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal und ausharrend im Kampf. Ich sage nicht: „Ich gehe in den Himmel“ (obgleich dies ja wahr ist), sondern: „zu Christus“, den das Herz liebt und als Freund und Bräutigam erwartet. Ist das Gewissen nicht gereinigt, so erwarten wir Ihn nicht, weil wir seine Gegenwart nur fürchten. Wenn das Herz nicht gereinigt ist, leben wir mit der Welt und erwarten Ihn ebenfalls nicht. Sobald die Kirche aufhörte, auf den Herrn zu warten, wurde sie geschwächt und verweltlicht, ihr Blick wurde wieder vom Himmel auf die Erde hernieder gezogen und das Leben und die Kraft nahm ab. Sie vermengte sich mit der Welt und vergaß, dass sie eben so wenig von der Welt ist wie ihr Haupt. So wurde das, was die Freude und der Trost der Christen ausmachten, zur Torheit.

Die Liebe Gottes wird die Kirche mit Christus vereinigen. Der Leib muss völlig mit dem Haupt verbunden sein und die Verlobte des Christus seine Frau werden, damit sie mit Ihm alles genießen kann. Sie ist der besondere Gegenstand seiner Liebe. Er gab sein Leben für sie, Er ernährt und pflegt sie und wird sie sich selbst herrlich darstellen in derselben Herrlichkeit, wie Er selbst auferstanden und verherrlicht ist. Dies wird die Hochzeit des Lammes sein. Sobald die Kirche dies erkennt, kann sie nicht in der Gemeinschaft mit der Welt leben noch an ihrem Wesen teilhaben. Sie wartet stets, denn dies ist hienieden ihr eigentümlicher Charakter. Nichts konnte der Apostel den Christen dringender ans Herz legen als die persönliche Wiederkunft des Christus immerdar zu erwarten. Je größer die Festigkeit unserer Erwartung ist, desto mehr wird unser Wandel der himmlischen Berufung gemäß sein. Sie zieht das Herz von allem Sichtbaren ab und erfüllt es mit den himmlischen Dingen, die man nicht sieht.

Wir wissen, dass wir erlöst sind und wissen auch, dass wir durch die Kraft Gottes bewahrt werden, aber es ist besonders die lebendige Hoffnung, die unser Wachstum fördert und unseren Wandel nach oben richtet. Jesus wird wiederkommen, um uns in die Wohnungen einzuführen, die Er selbst bereitet hat, aber der Welt wird Er, in der Mitte der Heiligen, zum Gericht erscheinen. Die Schrift macht einen klaren Unterschied zwischen der Ankunft des Christus zur Einführung der Seinigen in seine Herrlichkeit und dem Tag des Christus, an dem Er mit den Seinigen in Herrlichkeit zum Gericht erscheinen wird. Die Verwechslung dieser beiden Gegenstände hat stets große Verwirrung hervorgebracht.

Bis zu seiner Wiederkunft und der Befreiung des Erbes sind wir durch den Heiligen Geist, der das Unterpfand des herrlichen Erbes ist, versiegelt (Eph 1,13.14; 4,30; 1. Kor 1,22; 5,5). Freilich genießt die Kirche schon jetzt in Hoffnung die zukünftigen Güter der Herrlichkeit, aber nichts kann sie vollkommen befriedigen, bis sie Ihn persönlich schaut. Sie ist sein Leib und seine Braut, darum kann auch nur seine persönliche Gegenwart sie ganz glücklich machen.

Nichts übt auf das Wohl der Kirche einen so segensreichen Einfluss aus als das Erwarten des Herrn. Die Hoffnung, Ihm gleich zu sein, Ihn zu sehen, wie Er ist, macht, dass wir uns reinigen, wie Er rein ist (1. Joh 3,2.3). Sie hält uns getrennt von den Dingen, die auf Erden sind und knüpft unsere Neigungen an die Dinge, die droben sind. Das Bewusstsein, dass der Bräutigam nahe ist, erhält uns nüchtern und wacker. Viele ernste Seelen sind in unseren Tagen nicht nur mit der Ankunft des Christus als einer Wahrheit beschäftigt, sondern sie ahnen auch die Nähe des Augenblicks, wo sie nicht mehr Fremdlinge auf einer feindseligen Erde zu sein brauchen. Vielleicht erreichen wir noch heute das herrliche Ziel unserer Reise und wie köstlich wäre es, wenn der Bräutigam seine Braut wartend und treu anträfe. Nicht ist es der Tod, auf den wir warten, sondern die persönliche Ankunft des Christus. Wenn es auch ein seligerer Zustand ist, außerhalb des Leibes und daheim bei dem Herrn zu sein, wo man ohne alle Versuchung ist, so bleibt es doch ein Zustand des Wartens. Die verstorbenen Seelen hören nicht auf zu warten. Ja, Jesus selbst, der zur Rechten des Vaters sitzt, wartet. Die Schrift redet auch sehr wenig von dem Trost der abgeschiedenen Seelen, aber viel von der Rückkehr des Herrn und unserer Versammlung zu Ihm.

So kann also die Ankunft des Herrn, in der alle unsere Hoffnungen und Wünsche ihre Erfüllung finden, für uns nur von höchstem Interesse sein. Es ist die Vollendung unserer Kindschaft, nämlich die Erlösung des Leibes, der Vollgenuss der himmlischen Herrlichkeit in Christus, wo wir den Geliebten von Angesicht zu Angesicht sehen und immer bei Ihm sein werden. Welch' eine Gnade, dass Gott uns in Betreff der Zukunft nicht in Ungewissheit gelassen, sondern uns vielmehr seine verborgenen Ratschlüsse und Gedanken so bestimmt und klar geoffenbart hat. Wie reichlich tröstet schon die Erkenntnis dieser Ratschlüsse unsere Herzen und wie sehr heiligt sie unser Leben! Darum sollte uns die innigste Dankbarkeit und Liebe gegen dies herzliche Vertrauen dringen, die Offenbarung derselben mit großem Eifer zu erforschen. 

Und womit werden wir uns lieber beschäftigen, wenn unsere Herzen Ihn durch den Heiligen Geist und durch mancherlei Erfahrungen kennen gelernt haben, als mit seiner so nahe bevorstehenden Ankunft? Nur dann werden wir seine Ankunft nicht sobald herbeiwünschen, wenn entweder, wie schon bemerkt, unser Gewissen nicht gereinigt oder unsere Herzen mit den Dingen dieser Welt beschäftigt sind. Wir werden der Lüge, dass nämlich vor seiner Ankunft, indem man diese irrtümlich mit dem Tag des Herrn verwechselt, noch vieles in Erfüllung gehen müsse, viel lieber glauben, als Ihn zu jeder Zeit mit Freuden erwarten. Es offenbart sich dabei immer etwas von der Gesinnung des bösen Knechts, der sagt: „Mein Herr kommt noch lange nicht!“

Die Weissagungen des Alten Testaments sind voll von der Niedrigkeit wie von der Herrlichkeit des Christus. Die Propheten haben geforscht, auf welche oder welcherlei Zeit der Geist des Christus, der in ihnen war, deutete, und zuvor bezeugt hat die Leiden, die auf Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach (1. Pet 1,11). Sie weissagten von dem Kommen eines Messias, der in Niedrigkeit leiden und sterben und dann in Herrlichkeit auf den Wolken wiederkommen sollte, um auf dem Berg Zion und Jerusalem zu herrschen (Dan 7,13.14). Nach der Rückkehr der Juden nach Judäa in den letzten Tagen werden alle Völker sich gegen Jerusalem zum Streite versammeln. Dann zieht der Herr aus und streitet gegen selbige Völker, es treten seine Füße an selbigem Tag auf den Ölberg. Es kommt der Herr und alle Heiligen mit Ihm und der Herr ist König über die ganze Erde (Sach 14,2–5). 

Die Weissagungen des Alten Testaments in Bezug auf die Wiederkunft des Herrn beschäftigen sich, wie wir in dieser und in vielen anderen Stellen lesen, mit dem Gericht der Völker, d. i. dem Tag des Herrn und dem herrlichen Zustand der Kinder Israel auf dieser Erde, wo alsdann auch die noch lebenden Heiden durch das gesegnete Israel gesegnet sein werden. Es ist aber, wie schon gesagt, irrtümlich, diese Verheißungen Israels auf die Kirche anzuwenden, deren Existenz sowohl als auch deren Zukunft erst den heiligen Aposteln und Propheten des Neuen Testaments offenbart ist und bis dahin von den Zeitaltern her in den Ratschlüssen Gottes verborgen war. Wenn wir die Stellen untersuchen, die sich auf die zweite Ankunft des Herrn beziehen, so haben wir also stets darauf zu achten, ob es sich um die Kirche, Israel oder die Welt handelt. Diese Verwechslung hat viele verkehrte Begriffe namentlich in Bezug auf die Kirche herbeigeführt.

Für den Zweck der vorliegenden Arbeit wird es hinreichen, die vornehmsten Stellen des zweiten Teiles der Heiligen Schrift oder des Neuen Testaments, die auf unseren Gegenstand, d. h. auf die Ankunft des Christus, sowohl in Bezug auf die Kirche als auch in Bezug auf Israel und der Welt, Bezug haben, zu untersuchen. Wir werden finden, dass die Erwartung seiner Ankunft nicht allein unser seliges Vorrecht, sondern auch unsere heilige Pflicht ist.

In den Evangelien redet der Herr selbst sehr oft von seiner Wiederkunft, wobei es sich aber hauptsächlich um Israel und das Gericht der Nationen handelt. Bei der ersten Aussendung seiner Jünger sprach Er zu diesen: „Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen ist“ (Mt 10,23). Hier handelt es sich um das Werk der Apostel unter den Juden und nicht unter den Heiden und wir wissen, dass das Zeugnis des Heiligen Geistes durch jene verworfen wurde, ehe es in allen Städten ausgerichtet war. Dies Volk bekehrte sich nicht und ist deshalb als solches für eine Zeit beiseite gesetzt worden. Nach Römer 11,11 sehen wir, dass aus der Verwerfung Israels den Heiden Heil widerfahren ist und erst dann, wenn die Fülle der Heiden eingegangen ist, wird Gott diesem Volk die dem Abraham gegebenen Verheißungen nach dem Reichtum seiner Gnade erfüllen. 

Der verheißene König aus Davids Stamm wird als Erlöser aus Zion kommen und Israel wird unter seinem Zepter selig sein (Röm 11,26.27). Bis zu dieser Wiederannahme Israels als irdisches Volk ist die jüdische Haushaltung abgeschnitten und bis dahin wird die Kirche durch den Heiligen Geist aus allen Nationen auf Erden gesammelt und ihrem himmlischen Haupt in der Herrlichkeit entgegen geführt sein. Während dieser Periode darf also diese Haushaltung nicht in Betracht genommen werden. Wenn aber dieselbe wieder begonnen hat und das Evangelium des Reiches aufs Neue gepredigt wird, alsdann wird der Sohn des Menschen erscheinen.

Nachdem der Herr am Ende des 16. Kapitels in Matthäus zur entschiedenen Nachfolge und zur Furcht Gottes aufgefordert, fügt Er Vers 27 hinzu: „Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er jedem vergelten nach seinem Tun.“ Seine Wiederkunft ist nicht mehr in Knechtsgestalt, sondern in Herrlichkeit und zwar in der Herrlichkeit seines Vaters. Seine Engel werden ihr Teil an der Ausführung des Gerichts haben wie wir auch in dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen in Matthäus 13 und anderen Stellen sehen. Sie sind die Schnitter am Ende des Zeitalters und werden das Feld, das die Welt ist, von dem Unkraut reinigen und selbiges verbrennen, aber den Weizen auf seine Speicher sammeln. Zugleich sehen wir auch in diesem Gleichnis, dass die Erfüllung der Verheißung des Segens auf der Erde weder durch die Predigt des Evangeliums noch durch die Kraft des Heiligen Geistes, sondern durch die Wiederkunft des Christus herbeigeführt wird. Die angeführte Stelle in Matthäus 16,27 finden wir in Markus 8,38 und Lukas 9,26 wieder und zwar mit dem Zusatz, dass der Sohn des Menschen bei seiner Wiederkunft sich derer schämen wird, die sich seiner unter dem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht auf Erden geschämt haben. Es ist also ein Tag der gerechten Vergeltung.

In dem folgenden Vers, der sich in den drei Evangelien den genannten Stellen anschließt, versichert der Herr etlichen von denen, die bei Ihm waren, dass sie den Tod nicht schmecken sollten, bis sie den Sohn des Menschen in seinem Reich oder das Reich Gottes hätten kommen sehen. Wir lesen gleich im folgenden Vers in einem Vorbild die Erfüllung dieser Verheißung, als nämlich der Herr Jesus auf dem Berg verherrlicht wurde. Und wenn wir die Worte des Petrus, der einer von den Augenzeugen dieser Verherrlichung war, in 2. Pet 1,16–18 lesen, so sehen wir deutlich, dass diese Verklärung auf dem Berg die Darstellung der Herrlichkeit seines Reichs ist.

In Matthäus 23,38.39 sagt der Herr zu dem Volk Israel: „Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: ‚Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!'“(vgl. Lk 13,35). Der erste Teil dieser Drohung ist erfüllt, das Volk ist zerstreut und ihr Haus liegt verwüstet. Nur die Bekehrung Israels selbst wird dieser Verwüstung eine Grenze setzen. In Hosea 3,4.5 lesen wir: „Denn die Kinder Israel werden viele Tage ohne König bleiben und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule und ohne Ephod und Teraphim. Danach werden die Kinder Israel umkehren und den HERRN, ihren Gott, und David, ihren König, suchen; und sie werden sich zitternd zu dem HERRN und zu seiner Güte wenden am Ende der Tage.“

 Unter der Verfolgung des Antichristen wird der treue Überrest Israels in großen Drangsalen, wie sie nie gewesen sind, den Herrn suchen und bei seinem Erscheinen werden sie Ihn mit den Worten begrüßen: „Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Es ist wohl kaum nötig zu bemerken, dass diese Worte nicht eine Begrüßung der Kirche, sondern des bedrängten Israels in den letzten Tagen sind. In dem 118. Psalm finden wir das Herz dieses Volkes zubereitet den Herrn Jesus zu empfangen. Wenn Er aber erscheint, wird Er durch sein Gericht alle zermalmen, auf die Er fallen wird wie schon bei seiner ersten Ankunft alle zerschmettert worden, die auf Ihn gestoßen sind, nämlich durch die Zerstörung Jerusalems und die Zerstreuung des jüdischen Volks.

Zuerst wird Israel seine Missetaten gegen das Gesetz erkennen (3. Mo 26,40; Jer 3) und wenn sie zum Herrn schreien und Er kommen wird, ihnen zu helfen, werden sie erkennen, dass Er der ist, den sie durchbohrt haben und dann werden sie vollkommen ihre Sünde gegen den Christus erkennen und bekennen (Sach 12,10–13).

In Matthäus 24 kündet der Herr Jesus große Drangsale an, die seiner Wiederkunft vorangehen (vgl. Mk 13; Lk 17,23–18,8; Lk 21) und in Maleachi 3 lesen wir, dass seine Wiederkunft ein Tag des schrecklichen Gerichts ist. „Dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen am Himmel erscheinen; und dann werden alle Stämme des Landes wehklagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit“ (Mt 24,30). Seine plötzliche Erscheinung wird die Welt überfallen wie zu den Zeiten Noahs die Sintflut über die Ungläubigen hereinbrach (Mt 24,37; Lk 17,26). „Wenn sie sagen: Frieden und Sicherheit!, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, wie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen“ (1. Thes 5,3). Diese Ausdrücke, so wie die in Matthäus 24,40.41 und Lk 17,30.31 beweisen klar, dass es sich hier um Lebende und nicht um Tote (vgl. Off 20,11.12) handelt 1.

In Matthäus 24,1–31 handelt es sich um die Juden, dagegen in den drei folgenden Gleichnissen – vom treuen und untreuen Knecht, von den zehn Jungfrauen und von den anvertrauten Talenten – von dem Wandel der Christen auf der Erde (Mt 24,45–25,30) und schließlich um das Gericht der Völker (Mt 25,31–46). Matthäus 24,32–44 sind allgemeine Warnungen und Ermahnungen zur Wachsamkeit, weil der Augenblick seiner Wiederkunft verborgen ist. „Wacht also, denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Mt 24,42).

Die Treue der Christen hängt von der beständigen Wachsamkeit ab, die sie der Wiederkunft des Christus widmen. Sobald sie aber mit dem untreuen Knechte sprechen: „Mein Herr bleibt noch aus“ haben sie sich in der Welt verloren, wie wir in dem ersten der drei Gleichnisse sehen (Lk 12,45; Mt 21,48). Der böse Knecht fängt an zu herrschen und isst und trinkt mit den Trunkenen, d. h. er vermengt sich mit den Dingen dieser Welt. Ebenso sind die Christen von dem christlichen Wandel abgewichen und verleugnen somit ihren eigentümlichen Charakter.

In dem zweiten Gleichnis von den zehn Jungfrauen sehen wir, dass der Herr wohl mit seiner Ankunft zögern wird und dies Zögern zur Folge hat, dass das Warten der Christen sich in Schläfrigkeit verwandelt. Die Geschichte der Christen selbst zeigt uns dies auf das deutlichste. In der ersten Zeit finden wir, dass dieselben mit großer Sehnsucht auf die Rückkehr des Herrn warteten, als Er aber verzog, wurden sie alle schläfrig und entschliefen. Jahrhunderte sind vergangen, in denen der Herr Jesus wohl als Richter am letzten Tage, nicht aber als Bräutigam zur Abholung seiner Braut erwartet wurde. Allein wie jene Jungfrauen durch das Geschrei „Siehe, der Bräutigam!“ wiederum aufwachten, so ist es auch in unseren Tagen dieselbe Wahrheit, die die Christen durch die Gnade Gottes aufweckt und ihre Herzen von neuem auf die so baldige Ankunft des Herrn richtet. Durch die Wirkung dieser Wahrheit werden aber auch die wahrhaftigen Christen, die den Heiligen Geist und die, welche nur den Schein haben, offenbar.

Das dritte Gleichnis stellt uns die Verantwortlichkeit der Knechte des Herrn vor. Die anvertrauten Talente oder Gaben sind verschieden, aber die treuen Knechte gehen alle ohne Unterschied in die Freude ihres Herrn ein, während der untreue Knecht in die äußerste Finsternis geworfen wird. In Lukas 19,12–27 finden wir ein ähnliches Gleichnis, nur mit dem Unterschied, dass uns hier die Verantwortlichkeit in dem Grad der Treue vorgestellt wird, nach der jeder Knecht seinen eigentümlichen Lohn empfängt. Dessen Pfunde zehn andere erworben, wurde über zehn Städte und dessen Pfunde fünf andere beigebracht hatte, über fünf Städte gesetzt. Die Vergeltung für die treuen wie für die untreuen Knechte findet bei der Wiederkunft des Herrn statt. Ebenso finden wir auch in Lukas 19,27, dass an demselben Tage die feindlichen Bürger, die Juden, welche nicht wollten, dass der Herr über sie herrschen sollte, ihre Bestrafung empfangen.

Wir lesen in Matthäus 25,31.32: „Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet.“ Aus verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift wissen wir, dass sich Jesus zur Rechten des Vaters gesetzt hat, wo Er sich bis jetzt befindet. Bei seiner Erscheinung in der Welt aber sitzt Er als König auf dem Thron seiner Herrlichkeit und scheidet unter den Nationen die Schafe von den Böcken.

 Es findet hier nicht, wie oft geglaubt wird, das Gericht der Toten statt, sondern „Er versammelt vor sich alle Völker“. Ebenso haben wir hier unter den Schafen oder Gerechten nicht die Kirche zu verstehen, „weil diese Ihn ja bei seiner Erscheinung in Herrlichkeit begleitet“ (vgl. Kol 3,4; 2. Thes 1,10; Jud 14.15; Sach 14,3–5 u. a.), sondern es sind solche Gläubige, die zwischen der Aufnahme der Kirche und seiner Erscheinung in Herrlichkeit sich auf der Erde befinden. Diese werden durch die Segnung des Vaters das Reich erben, während die Gottlosen in die ewige Verdammnis geschickt werden. Zugleich sehen wir an dieser und an ähnlichen Stellen, dass der Herr Jesus, wenn Er der Welt oder den Ungläubigen gegenüber von seiner Wiederkunft redet, Er von seiner Erscheinung in Herrlichkeit spricht. So auch, als Er vor Pilatus das gute Bekenntnis bezeugt hatte, fügt Er hinzu: „Doch ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ (Mt 26,64; Mk 14,62).

Die Welt wollte Ihn in seiner Niedrigkeit, als Er in Gnade kam, nicht anerkennen, sondern verwarf Ihn. Wenn Er aber in seiner Herrlichkeit in Gerechtigkeit und zum Gericht erscheint, wird sie Ihn, indem sie durch Ihn gerichtet wird, anerkennen müssen. Darin sehen wir deutlich, wie groß der Unterschied der Wirkung seiner Wiederkunft auf die Welt und auf die Gläubigen sein wird. Während sie für jene nur Furcht und Schrecken hervorbringt, erweckt schon ihre Erwartung, vielmehr aber noch ihre Wirklichkeit, in den Herzen dieser unendliche Freude und Trost. „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“ (Lk 12,37; vgl. Lk 12,42–44; Mt 24,45–47). Ebenso die Verheißung in Johannes 14,2.3: „In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; … denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. 

Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet.“ Dies lässt uns verstehen, wie sehr die Christen Ursache haben, sich seiner Ankunft zu freuen! Sie werden dann in seines Vaters Haus, wo Er selbst ist, eingeführt werden. Statt dass Er bei ihnen auf der Erde blieb, um die Verheißungen zu erfüllen, sollen sie bei Ihm in des Vaters Haus ihre Wohnungen haben. In seiner Niedrigkeit fand Er für sich und die Seinigen keine bleibende Stätte, darum ist Er hingegangen, dieselbe droben zu bereiten. Und wenn Er sie bereitet und die Seinigen eingeführt hat, wird Er wiederkommen, um auch hier auf der Erde für andere Gläubige eine Stätte zu bereiten.

Noch eine Stelle, wo der Herr selbst seiner Wiederkunft gedenkt, finden wir in Johannes 21,22. Der Herr erwiderte nämlich auf die Frage des Petrus, was es denn mit Johannes werden sollte: „Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ Die Jünger schlossen aus dieser Antwort, dass Johannes nicht sterben würde, allein Jesus sagte davon nichts. Jedoch hat Johannes die Wiederkunft des Herrn und alle Umstände, welche dieselbe begleiten, im Geist gesehen und uns verkündigt und so ist dies Wort, ähnlich der Verherrlichung auf dem Berg, erfüllt worden.

Wenn wir jetzt weiter zur Apostelgeschichte fortgehen, so lesen wir Kapitel 1,11: „Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht hinauf zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird ebenso kommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen in den Himmel.“ Dies war die gute Botschaft für die zurückgebliebenen Jünger, die ihre Blicke unverwandt nach dem Himmel, der ihren geliebten Herrn aufgenommen hatte, richteten. Sie hatten also seine Wiederkunft zu erwarten und dies blieb stets der süße Trost für das Herz der Apostel, ein Trost, welcher, von Gott selbst gegeben, sich als nächster Gedanke an seine Aufnahme in den Himmel anschloss.

In Kapitel 3,19–21 sagt Petrus zu den Israeliten: „So tut nun Buße …, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn und er den euch zuvor bestimmten Christus Jesus sende, den freilich der Himmel aufnehmen muss bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von denen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat.“ Die Unwissenheit Israels sollte übersehen werden, wenn sie Buße täten, weil Jesus am Kreuz für sie gebetet hatte. Allein sie verstockten sich auch gegen das Zeugnis des Heiligen Geistes, der in den Aposteln wirksam war und ihnen die Erquickung durch die Gegenwart des Herrn verkündigte. Nicht die Gegenwart des Heiligen Geistes sollte die Segnungen auf der Erde verwirklichen und die Wiederherstellung aller Dinge, wovon Gott durch den Mund aller seiner heiligen Propheten geredet hat, bewirken. Der Heilige Geist war schon auf der Erde und verkündigte, dass dies alles, wenn Gott Jesus sende, durch dessen Gegenwart erfüllt werden sollte.

Untersuchen wir jetzt auch in Bezug auf den vorliegenden Gegenstand die Briefe, so wir werden noch besser erkennen, dass die Wiederkunft des Herrn die lebendige und stete Hoffnung der Kirche oder der Versammlung Gottes war und auch zugleich deutlich wahrnehmen, dass seine Ankunft für die Kirche und seine Erscheinung für die Welt, wie für die Erlösung Israels, ganz verschiedene Dinge sind, welches zu begreifen für die Gläubigen in Betreff ihrer beständigen Erwartung auf die Ankunft des Herrn, von der größten Wichtigkeit ist. Denn so lange zwischen meiner jetzigen Erwartung auf den Herrn und der wirklichen Erfüllung derselben noch etwas liegt, was vorher zu vollenden ist, so kann ich nicht jeden Augenblick den Herrn erwarten und mein Herz wird immer mehr auf jenes, was noch vorher zu beseitigen ist, gerichtet sein als auf die Ankunft des Herrn selbst. Doch Gott sei Dank, dass Er jedes einfältige Herz auch in dieser Beziehung durch sein Wort auf das deutlichste unterrichtet und beruhigt.

Der Brief an die Römer beschäftigt sich zwar nicht viel mit dem vorliegenden Gegenstand, doch finden wir einiges, was daraus Bezug hat. In Kapitel 8,16–18 sehen wir, dass der empfangene Geist der Kindschaft uns bezeugt, dass wir Kinder Gottes und darum auch Erben Gottes und Miterben des Christus sind und dass wir als Mitleidende auch mit Ihm verherrlicht werden sollen (vgl. 1. Pet 4,13; Off 1,6; 5,10; 1. Joh 3,2; 2. Kor 4,17). Obgleich wir jetzt schon den Geist der Kindschaft empfangen haben, so erwarten wir doch die Kindschaft selbst. Darum sehnen wir uns nach der Offenbarung der Kinder Gottes mit der ganzen Schöpfung, die durch dieselbe Kraft befreit werden wird (Röm 8,19–24). Jetzt ist die Schöpfung der Eitelkeit unterworfen und sie befindet sich in einem Zustand des Jammers und des Verderbens. Das Lösegeld aber, das Blut Jesu, das uns erkauft hat, ist auch für sie bezahlt, aber ihre Befreiung geschieht erst bei der Offenbarung der Kinder Gottes. 

Wenn Christus kommen wird, so wird Er die Quelle der Freude für alle sein, die Ihn anerkennen und der Segen wird sich über die ganze Schöpfung verbreiten. Bis zu diesem Zeitpunkt aber, wo Gott seine Herrschaft ausübt und den vollen Besitz über Himmel und Erde nimmt, bleibt sie in dem Zustand der Erwartung. Ihre Befreiung wird durch die Ankunft des Christus, wenn Gott alle Dinge in Ihm als unter einem Haupt vereinigen wird, bewirkt und durch diese Wahrheit lässt uns der Heilige Geist deutlich verstehen, dass seine Gegenwart nicht die Befreiung der Schöpfung hervorbringt, sondern uns danach sehnen lässt. Wir sind jetzt noch dem Leib nach mit der gefallenen Schöpfung verbunden und darum seufzen wir und sehnen uns nach unseres Leibes Erlösung, aber der auf die Erde hernieder gesandte Heilige Geist macht sich eins mit diesen Leiden und vertritt uns mit unaussprechlichen Seufzern.

Römer 11, wovon schon vorher die Rede gewesen ist, wollen wir hier unerwähnt lassen und zu den beiden Briefen an die Korinther übergehen.

Die Korinther hatten keinen Mangel an irgendeiner Gnadengabe. Sie waren in dem Christus in allem reich gemacht in aller Lehre und aller Erkenntnis und es blieb für sie nur noch übrig, die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus zu erwarten (1. Kor 1,5–7). Die Kirche oder der Leib des Christus hat nach und nach nicht allein aufgehört, auf die Ankunft des Herrn zu ihrer Einführung in seine Herrlichkeit stets zu warten, sondern hat auch selbst diese wichtige Wahrheit als Lehre durchaus vernachlässigt und also vergessen, dass sie dieselbe mit dem Tag des Christus zum Gericht meistens vermengt. Die traurige Folge dieser Verwirrung für die Kirche war, dass sie ihre himmlische Berufung außer Acht ließ und sich in der Welt verlor. Sie wollte auf der Erde genießen und nicht, was ihre Stellung hienieden allein ist, auf die Ankunft des Christus stets warten und jeglichen Besitz so lange ausschlagen, bis sie mit Ihm alles genießt. Der Apostel versichert den Korinthern (1. Kor 1,8), dass Gott sie bis zu dem Ende hin befestigen würde, damit sie am Tag des Christus, der ein Tag der Gerechtigkeit und des Gerichts ist 2, unsträflich seien. Diese Versicherung gründet er auf die Treue Gottes, der sie zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus berufen hat (1. Kor 1,9; vgl. 1. Kor 1,6). Zugleich finden wir hier die Wahrheit bestätigt, wovon wir gesprochen haben (Apg 3,20.21), dass die volle Entwicklung der Kraft des Heiligen Geistes uns immer noch die Gegenwart des Herrn, zur Erfüllung der Segnungen, erwarten lässt.

Die Spaltungen in Korinth hatten einen streitenden Geist in der Gemeinde erweckt und eine Stellung hervorgerufen, wie sie für den Charakter der Kirche, so lange sie ein Fremdling auf dieser Erde ist, nicht passt. Der Apostel sagt in Kapitel 6,2.3: „Oder wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? … Wisst ihr nicht, dass wir Engel richten werden?“ Die Kirche wird mit Christus richten und regieren, sie wird völligen Anteil an seiner Herrschaft nehmen. Doch wird dieses erst in seiner Zukunft stattfinden, wenn Er selbst die Verwirklichung seiner Rechte ausübt.

 Bis dahin hat die Kirche nur zu leiden und zu warten, nicht aber zu herrschen. Die Versammlung in Korinth hatte diesen Charakter außer Acht gelassen und darum ruft ihnen der Apostel zu: „So urteilt nicht irgendetwas vor der Zeit, bis der Herr kommt“ (1. Kor 4,5) und Vers 8: „Schon seid ihr gesättigt, schon seid ihr reich geworden; ihr habt ohne uns geherrscht, und ich wollte wohl, dass ihr herrschtet, damit auch wir mit euch herrschen möchten.“ Sobald die Kirche reich und satt ist, fängt sie an zu herrschen und sucht ihre Vorteile in dieser Welt. Die Apostel wünschen wohl den Augenblick herbei, wo die Kirche in Wahrheit mit Christus herrschen möchte, aber die Korinther herrschten jetzt schon, jedoch ohne Christus und ohne die Apostel, die noch unter den vielen Drangsalen dieser Zeit, leidend und kämpfend, auf die Ankunft des Herrn mit Sehnsucht warteten.

In 1. Korinther 15 finden wir in Bezug auf unseren Gegenstand noch einige herrliche Gedanken, die wir jedoch erst später berühren wollen.

In 2. Korinther 1,14 lesen wir: „wie ihr auch uns zum Teil anerkannt habt, dass wir euer Ruhm sind, so wie auch ihr der unsere seid an dem Tag des Herrn Jesus.“ Dieser Tag wird die Treue der Arbeiter offenbaren und den Lohn ihrer Beharrung und ihrer Arbeit herbeiführen. Hier finden auch die Worte des Apostels an die Philipper ihren Platz, die er seiner ernsten Ermahnung zu einem würdigen und Gott wohlgefälligen Wandel hinzufügt: „… mir zum Ruhm auf den Tag Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch auch vergeblich gearbeitet habe“ (Phil 2,16). Ebenso in 1. Thes 2,19: „Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?“ So sehen wir, dass die Ankunft oder der Tag des Christus, der für die Welt ein Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes ist (Röm 2,5), für den Apostel nichts Schreckliches hat. Vielmehr weiß er, dass nur Freude und Seligkeit sowie eine große Belohnung seiner wartet (1. Pet 5,4).

Die Galater waren in Betreff der Anfangsgründe des Christentums schwach geworden, weshalb der Apostel ihnen von diesen Fundamenten, und zwar im Gegensatz vom Gesetz, schreiben muss, um sie wieder in ihre erste Stellung zurückzuführen Er kann daher nicht von der Ankunft des Christus reden.

Die Epheser waren zwar fest und gegründet in der Wahrheit, allein der Apostel betrachtet in diesem Brief die Kirche als ein Ganzes, als Leib des Christus, der in Ihm schon im Himmel ist. Er spricht darum nicht von der Erwartung des Christus.

In Philipper 1,9–11 sehen wir, dass, wenn der Apostel die Christen zu einem heiligen und lauteren Wandel ermahnte, er sie an den Tag des Christus als Tag der Vergeltung für alle, erinnerte: „… damit ihr lauter und ohne Anstoß seid auf den Tag Christi, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit.“ Ebenso in 1. Petrus 1,7: „damit die Bewährung eures Glaubens, viel kostbarer als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, befunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (vgl. 2. Pet 3,11.12).

Philipper 3,20.21: „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.“

Was unsere Seele betrifft, so sind wir erlöst und wir erwarten jetzt den Herrn Jesus Christus als Erlöser vom Himmel zur Erlösung des Leibes, wofür dasselbe Blut als Lösegeld bezahlt ist. Obgleich aber der Christ noch in einem niedrigen Leib auf der Erde wandelt, so soll er jedoch stets daran denken, dass sein Bürgerrecht nicht hier, sondern im Himmel ist. Sein Herz soll sich stets da befinden, wo Jesus wohnt und wo er dessen persönliche Gegenwart und Herrlichkeit stets genießen wird. Dies hatte der Apostel Paulus zum einzigen Zweck seiner Seele gemacht, indem er sagt: „… eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3,13.14). Er hatte den Herrn, als er bekehrt wurde, in der Herrlichkeit gesehen und jagte nun unermüdlich fort, um diesen Christus, wie er Ihn gesehen, zu gewinnen und Ihm gleich zu sein.

Die Apostel erinnern an die Ankunft des Christus, wenn sie die Christen zur Freude, zur Milde, zu ausharrender Geduld und zur Standhaftigkeit in der Hoffnung ermuntern.

„Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch! Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe“ (Phil 4,4.5; 1. Pet 4,13).

„Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt. Denn noch eine ganz kleine Zeit, und ‚der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben'“ (Heb 10,36.37).

„Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn. … befestigt eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen“ (Jak 5,7.8).

In Kolosser 3,4 lesen wir: „Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit.“ Noch ist unser Leben mit dem Christus in Gott verborgen, aber bei seiner Offenbarung wird die Kirche mit Ihm in Herrlichkeit offenbar werden, woraus deutlich hervorgeht, dass sie vor derselben mit Ihm vereinigt sein muss. Wenn Christus sein Reich einnimmt, wird die Kirche bei Ihm sein. Sie ist jetzt mit Ihm von der Welt verworfen und sie wird auch mit Ihm verherrlicht werden. Die Welt, die uns jetzt verachtet, wird dann erkennen, dass wir ein Gegenstand der Liebe Gottes sind, wie Christus selbst.

Es gibt keine Briefe, die sich so viel mit der Ankunft des Christus beschäftigen als die beiden Briefe an die Thessalonicher. Namentlich in dem ersten Brief sehen wir, dass diese Versammlung in einer lebendigen und freudigen Erwartung des Herrn lebte. Der Apostel war stets eingedenk des Werks ihres Glaubens, der Bemühung der Liebe und des Ausharrens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus vor unserem Gott und Vater (1. Thes 1,3). Ihr Herz war ganz weggezogen von der Erde und stets mit dem glücklichen Augenblick beschäftigt, wo sie Ihn sehen sollten. Obgleich in mancherlei Anfechtungen und Trübsalen, so war ihr nächster Gedanke, wie man doch erwarten sollte, nicht diese, sondern die Ankunft des Herrn. So wuchsen ihr Glaube und ihre Liebe immerdar. Bei genauerer Beobachtung sehen wir, wie sich die Erwartung des Herrn mit allen Einzelheiten des Lebens verbindet. In dem ersten Kapitel steht sie in Verbindung mit der Bekehrung selbst: „… wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten …“ (1. Thes 1,9.10). 

Ihr Glaube war überall ausgegangen, sodass der Apostel nicht nötig hatte, davon zu reden. In dem zweiten Kapitel ist diese Erwartung in Verbindung mit der Freude in den Heiligen und der Frucht des Werkes des Apostels (1. Thes 2,19.20) und im dritten Kapitel mit der Heiligung: „um eure Herzen zu befestigen, dass ihr untadelig seid in Heiligkeit, vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen“ (1. Thes 3,13). Zugleich finden wir hier wieder einen Beweis, dass der Herr mit seinen Heiligen bei seiner Ankunft vereinigt ist. Im vierten Kapitel ist die Ankunft des Herrn sehr klar in Verbindung mit den in Christus Gestorbenen dargestellt.

Die Thessalonicher waren so sehr mit dem Gedanken an seine Ankunft erfüllt, dass sie befürchteten, die vorher Gestorbenen würden nicht da sein, um Ihm entgegen zu gehen. Dies gibt dem Apostel Veranlassung, sowohl von der Auferstehung der aus ihrer Mitte Entschlafenen als auch von der Verwandlung der Lebenden bei der Ankunft des Christus zu reden. Sie sollten nicht traurig sein wie die anderen, die keine Hoffnung haben (vgl. 1. Thes 4,13). „Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird auch Gott die durch Jesus Entschlafenen mit ihm bringen“ (1. Thes 4,14). Ihre Zuversicht wird durch den Tod nicht unterbrochen, weil das Leben und der Geist des Christus in ihnen ist. Was würden aber die Christen jetzt sagen, wenn man bei einem Entschlafenen zu den Umstehenden, anstatt sie mit den Worten zu beruhigen: „Getrost, wir werden ihm, folgen!“, sagen würde: „Gott wird ihn mit Jesu führen oder wiederbringen?“ Dies aber gibt uns einen klaren Beweis, dass die Gewohnheiten und Gedanken der Christen in Betreff dieses Punktes ganz und gar anders sind.

 Der Apostel fährt nun weiter fort: „Denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (1. Thes 4,15–18).

Hier können wir auch auf die bezüglichen Stellen in 1. Korinther 15 zurückkommen. Nachdem der Apostel im Anfang dieses Kapitels von der Auferstehung des Christus als Grund unseres Glaubens geredet hat, spricht er in Vers 23 und 24 von der Ordnung der Auferstehung im Allgemeinen: „Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; dann die, die des Christus sind bei seiner Ankunft; dann das Ende.“ In Vers 51–53 spricht er von den Lebenden: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden [zwar] nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune 3; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen.“

Während Israel den Herrn hienieden zu erwarten hat und seine Segnungen in seiner Zukunft auf dieser Erde genießen wird, wird die Kirche in den Himmel aufgenommen. Sie wird Ihm bei seiner Ankunft entgegen gerückt werden in die Luft, die in Christus Entschlafenen durch die Auferstehung und die Lebenden durch eine plötzliche Verwandlung, und sie wird mit Ihm seine Herrlichkeit im Himmel völlig genießen. Die Vereinigung der Kirche mit Christus wird der erste Gegenstand seiner Ankunft sein. Der Herr als Bräutigam kommt selbst ihr entgegen und führt sie zunächst in die Wohnungen des Vaters ein (Joh 14,2.3). Die Hochzeit des Lammes und seiner Braut wird im Himmel kurz vor seiner Erscheinung in Herrlichkeit stattfinden (Off 19,6–9) und dies wird die völlige Offenbarung seiner Liebe sein. Wenn Christus vor der Welt erscheint, wird Er in der Mitte seiner Heiligen sein. Diese Erscheinung findet, wie schon bemerkt und wie aus demselben Kapitel der Offenbarung 19,11–21 deutlich hervorgeht, bald nach der Hochzeit des Lammes statt.

Die Ankunft des Christus zur Aufnahme der Kirche wird, wie wir wohl annehmen dürfen, der Welt verborgen bleiben, da ihr ja jede Glaubenssache fremd ist, weil sie in sichtbaren Dingen lebt. Nach Kolosser 3,4 wird Christus der Welt nicht eher offenbart als bis wir mit Ihm offenbar werden. So waren ja auch bei der Himmelfahrt des Christus nur seine Jünger gegenwärtig wie auch bei der Himmelfahrt des Elias nur Elisa das Vorrecht hatte, ihm nachzusehen. Henoch wurde, weil er mit Gott wandelte, von Ihm hinweggenommen und wurde nicht mehr gesehen. Henoch und Abraham scheinen uns auch Vorbilder auf die Kirche zu sein. Ersterer weissagte von den Gerichten, aber er kam selbst nicht hinein und Letzterer unterhielt sich mit dem Herrn über das Gericht über Sodom und Gomorra und er blieb doch selbst fern davon. Dagegen hatten Lot und Noah die Gerichte durchzumachen, obgleich sie errettet wurden. Diese sind dadurch Vorbilder, nicht jedoch auf die Kirche, sondern auf den Überrest der Gläubigen auf der Erde geworden, welche die Gerichte durchzumachen haben.

Nachdem der Apostel am Ende des vierten Kapitels die Thessalonicher sowohl in Betreff der in Christus Entschlafenen als auch der übrig bleibenden Lebenden bei der Ankunft des Christus beruhigt und unterrichtet hatte, fährt er im fünften Kapitel fort, über den Tag des Herrn als einen Tag des Gerichts und des Verderbens über die auf Erden lebenden Gottlosen zu reden. Der Apostel hatte nicht nötig, den Thessalonichern über Zeit und Stunde dieses schrecklichen Tages zu schreiben, denn sie wussten, dass er wie ein Dieb die sicheren und keine Gefahr ahnenden Gottlosen plötzlich überfallen werde (1. Thes 5,2.3). Dieser Tag ist nicht für die Gläubigen, für die Kinder des Tages und des Lichts, sondern für die Ungläubigen, für die Kinder der Nacht und der Finsternis (1. Thes 5,4.5). Der nächste Gedanke der Kirche oder des Leibes des Christus ist die Ankunft des Herrn zu ihrer Vereinigung mit Ihm und nicht der Tag des Gerichts, an dem sie mit Ihm in Herrlichkeit erscheinen und mit Ihm richten und regieren wird (Jud 14.15; Off 2,26.27). Doch ist hier zu bemerken, dass die äußerliche Kirche, wenn sie tot ist, an dem Gericht der Welt teilhat. In dieser Beziehung steht die Gemeinde in Sardes (Off 3,1–6) als eine ernste Warnung da.

 Als Kinder des Lichts sind wir nun ermahnt, nicht mit der Welt zu schlafen, sondern wachsam und nüchtern zu sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit, denn Gott hat uns nicht zum Zorn gesetzt, der am Tag des Herrn wie ein Ofen brennen wird, an dem alle Gottlosen und Frevler Stoppeln sein werden (Mal 3,19), sondern zur Erlangung der Seligkeit durch unseren Herrn Jesus Christus (1. Thes 5,6–9). Als der Apostel im vorigen Kapitel von der Ankunft des Christus zur Aufnahme der Kirche redete, sagte er zum Schluss: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten“, hier aber, als er von dem Tag des Herrn gesprochen hat, fügt er Vers 11 hinzu: „Deshalb ermuntert einander und erbaut einer den anderen, wie ihr auch tut.“ Ersteres soll unsere Herzen stets mit Freude erfüllen und Letzteres zu einem heiligen Wandel ermuntern und der Gott des Friedens wird bereit sein uns ganz und gar zu heiligen und uns unsträflich bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus zu bewahren (vgl. 1. Thes 5,23).

Der zweite Brief an die Thessalonicher enthält ebenfalls köstliche und ernste Belehrungen über unseren Gegenstand. In Vers 3 des ersten Kapitels erkennt es der Apostel als eine Schuld, Gott zu danken für ihren stets wachsenden Glauben und ihre immer zunehmende Liebe gegen Jedermann, allein wir vermissen hier das Lob über ihr Festhalten in der Hoffnung auf die Ankunft des Christus. Im Verlauf des Briefes bemerken wir auch, dass die Versammlung in dieser Beziehung durch Irrlehrer, welche die großen Trübsale der Thessalonicher benutzten, sie zu überreden, dass der Tag des Christus zum Gericht vorhanden sei, etwas geschwächt und irre gemacht war. Der Apostel sucht nun alle falschen Begriffe und jede unbegründete Furcht durch Ermahnung und Belehrung in diesem Brief hinwegzutun und sucht sie zu beruhigen, indem er ihnen sagt, dass ihre Verfolgungen, die sie vonseiten der Welt erlitten, nur eine Anzeige des gerechten Gerichts Gottes über diese sei, für sie selbst aber ein Zeichen der Würdigkeit für das Reich Gottes (2. Thes 1,5.6). 

So lange die Kinder Gottes durch die Welt Trübsal leiden, lebt diese noch in Sicherheit und der Tag des Gerichts ist noch nicht vorhanden, denn dieser Tag bringt durch die vergeltende Gerechtigkeit Gottes schreckliche Trübsale über die Welt, und zwar das ewige Verderben, fern von dem Angesicht Gottes und der Herrlichkeit seiner Stärke (2. Thes 1,8.9.), aber die Kinder Gottes werden dann Ruhe und Erquickung haben (2. Thes 1,7). Jesus Christus wird an diesem Tag kommen mit den Engeln seiner Macht, um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in allen Gläubigen (2. Thes 1,10). Dies Kapitel gibt uns aufs Neue deutlich zu erkennen, dass der Tag des Herrn nicht für die Kirche, sondern für die Welt ist und dass Jesus an diesem Tag in der Mitte seiner Heiligen verherrlicht sein wird.

Im zweiten Kapitel fährt der Apostel über denselben Gegenstand fort und bittet im ersten Vers die Thessalonicher, um der Ankunft des Christus willen und unser Versammeltwerdens zu Ihm hin, sich nicht erschrecken zu lassen, als ob der Tag des Christus vorhanden sei. In dem ersten Kapitel hat der Apostel bewiesen, dass dieser Tag darum noch nicht da sein könnte, weil die Kirche noch Trübsale von der Welt zu erdulden hätte und noch nicht mit Christus im Himmel vereinigt wäre. In diesem Kapitel fährt er fort einen zweiten Beweisgrund zu liefern, nämlich was diesem Tag selbst auf der Erde vorangehen müsse: „… denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der widersteht und sich erhöht über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei“ (2. Thes 2,3.4). Schon zur Zeit der Apostel regte sich das Geheimnis der Bosheit, aber die völlige Offenbarung wurde und wird noch bis jetzt durch etwas aufgehalten 4 (2. Thes 2,6.7), bis es weggetan wird.

 Dann aber wird der Ungerechte offenbar werden und der Herr wird ihn durch den Geist seines Mundes umbringen und durch die Erscheinung seiner Ankunft zunichtemachen (2. Thes 2,8). Während der Antichrist aber sein Wesen auf der Erde hat, wird er große Zeichen und Wunder tun und Viele verführen (2. Thes 2,9.10; Off 13,13–15) und Gott wird den Menschen eine wirksame Kraft des Irrwahns senden, dass sie der Lüge glauben und sie werden mit dem Antichristen gerichtet werden (2. Thes 2,11.12). Welch' eine Freude und Trost für uns, geliebte Brüder, zu wissen, dass wir zur Seligkeit auserwählt sind und dass wir, wenn diese schreckliche Verwirrung die Herzen der Menschen erfüllt und der Zorn Gottes über alles ungöttliche Wesen hervorbricht, im Himmel geborgen und in der Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus die vollkommenste Glückseligkeit genießen. Wie sehr sollte dies unsere Herzen mit Lob und Anbetung erfüllen und zu einem heiligen Wandel ermuntern.

Wohl finden wir nach Matthäus 24 und vielen anderen Stellen der Heiligen Schrift, dass während der Regierung des Antichristen und der vielen schweren Trübsale und Gerichte, die dem Tag des Herrn vorangehen, Gläubige auf der Erde sind, die auf die Erscheinung des Christus harren, doch ist dies nicht die Kirche, sondern andere Gläubige, namentlich der treue Überrest Israels. In Offenbarung 12,7–13 sehen wir, dass Satan aus dem Himmel auf die Erde geworfen wird. Weil er aber nur eine kurze Zeit hat, wird er großen Zorn beweisen und auch dem Antichristen seine Macht geben. Er wird zuerst die Frau und dann auch die Übrigen von ihrem Samen, die Gottes Gebot halten und das Zeugnis Jesu des Christus haben, verfolgen (s. Off 12,15.17). In demselben Kapitel aber sehen wir, dass die Frau nicht die Kirche ist, sondern das Volk Israel, die den Herrn Jesus geboren (Off 12,1.2) und welchem Gott eine Zufluchtsstätte in der Wüste bereitet (Off 12,14; Sach 14,4.5). 

Ebenso ist auch ihr Same, der das Gebot Gottes hält, nicht die Kirche. Diese wird zu der Zeit im Himmel wohnen, weil sie nicht in dieses Gericht kommen kann, denn sie ist mit Christus vereinigt und sein Leib und Er kann sich selbst nicht richten. Die treue Kirche wird vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird (Off 3,10), geräuschlos dem Herrn entgegenrücken, während der treue Überrest Israels und noch andere Gläubige die Gerichte auf Erden durchzumachen haben. Ihre Befreiung wird dadurch bewirkt, dass der Herr mit seinen Heiligen erscheinen und ihre Bedränger umbringen wird. Unter dem Antichristen erreicht die Ungerechtigkeit der Menschen den höchsten Grad. Das Geheimnis der Bosheit, das schon im Anfang in der Kirche wirkte, wird mit der offenbaren Empörung der Christenheit enden. Wir sehen hier auch deutlich, dass nicht durch die Kirche, die zur himmlischen Herrlichkeit berufen ist, noch durch das in Kraft des Heiligen Geistes verkündigte Evangelium das Reich Gottes auf Erden (in Offenbarung 20 das 1000-jährige Reich genannt) gebildet oder herbeigeführt wird, sondern zunächst durch vorbereitende Gerichte, durch welche die Feinde zum Schemel der Füße dessen gelegt werden, der zur Rechten Gottes sitzt und dann durch die Erscheinung des Christus selbst.

Aus dem Zusammenhang der beiden Briefe an die Thessalonicher muss es jedem nüchternen und vorurteilsfreien Christen, der die Erscheinung des Herrn lieb hat, ganz klar werden, dass die Ankunft des Christus zur Einführung der Kirche in seine Herrlichkeit und der Tag des Christus zum Gericht der Welt zwei ganz verschiedene Ereignisse in der Zukunft des Herrn sind. Erstere haben wir stets zu erwarten und Gott will, dass in den Herzen der Gläubigen keine Trennung zwischen der Gegenwart und der Ankunft des Christus sei. Der Herr wird dann kommen, wenn das letzte Glied seiner Kirche hinzugetan ist. Dies kann heute sein. Dieses Warten bis jetzt hat auch unsere Hinzunahme bewirkt und wir haben gewiss große Ursache Gott zu loben und zu preisen, andererseits aber auch unsere Aufnahme stets zu erwarten. Was aber den Tag des Christus betrifft, so haben wir in diesen Briefen die Belehrung, dass derselbe nicht eher eintreffen kann, bis die Kirche im Himmel ist, der Abfall seinen höchsten Gipfel erreicht hat und der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens, offenbar geworden ist.

Von dieser Erscheinung zum Gericht spricht auch der Apostel in 2. Timotheus 4,1: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, der richten wird Lebende und Tote, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich.“ Nachdem der Apostel an diese Worte sehr ernste Ermahnungen geknüpft hat, sagt er Vers 7 und 8: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben.“ Der Apostel beruft sich hier auf den gerechten Richter, der die Werke der Gottlosen bestraft und die der Gerechten belohnt. Die Verantwortlichkeit der Kirche steht immer in Verbindung mit der Erscheinung des Christus, während die Hoffnung derselben mit der Vereinigung mit Ihm in Verbindung steht (vgl. 1. Tim 6,14–16). Wir sehen hier aber auch, dass die Christen durch die Liebe zu seiner Erscheinung charakterisiert werden.

In Titus 2,13 lesen wir: „indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus.“ Die Gnade Gottes ist allen erschienen, aber uns erzieht sie zu einem würdigen Wandel und lehrt uns auf die Erscheinung seiner Herrlichkeit zu warten.

Die Vereinigung mit Christus ist nicht der Gegenstand des Briefes an die Hebräer, weil Christus hier nicht als Haupt, sondern als Vertreter der Pilger auf Erden betrachtet wird. Doch spricht der Apostel einige Male von der Wiederkunft des Herrn. So z. B. in Kapitel 9,28, wo er versichert, dass Christus denen, die auf Ihn zur Seligkeit warten, zum zweiten Mal ohne Sünde erscheinen werde. Was die Person des Christus betrifft, so war Er auch bei seinem ersten Erscheinen ohne Sünde, aber Er wurde für uns zur Sünde gemacht und ist dann, nachdem Er ein Opfer für die Sünde dargebracht hat, das ewiglich gilt, als treuer Hoherpriester zu unserer Vertretung mit seinem eigenen Blut in das Heiligtum droben eingegangen, von woher das versöhnte Volk stets auf seine Rückkehr wartet. Bei seiner Wiederkunft aber kann in Betreff der Seinigen nicht mehr von Sünde die Rede sein, weil Er sie bei seinem ersten Erscheinen ganz hinweg getan hat, sondern Er wird nur kommen, um ihre vollkommene Seligkeit und Herrlichkeit zu vollbringen. In Kapitel 10,37 gebraucht der Apostel das Nahesein dieses Tages, um die Hebräer zu ausharrender Geduld und zur Wachsamkeit zu ermuntern. Ähnliches finden wir auch in dem Brief des Jakobus in Kapitel 5,7–9, wo der Apostel die nahe Ankunft des Herrn als Grund der gegenwärtigen Hoffnung hinstellt, weil sie uns in den täglichen Umständen in dieser Welt unter den Ungerechtigkeiten der Menschen zur praktischen Geduld ermutigt.

Die Briefe des Petrus haben es nicht mit der Vereinigung der Kirche mit Christus zu tun, sondern mit seiner herrlichen Zukunft für die Gläubigen im Allgemeinen.

Die Ermahnungen des Apostels sowie sein Trost in den Leiden dieser Zeit weisen stets auf die Offenbarung seiner Herrlichkeit hin. „Damit die Bewährung eures Glaubens … befunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (1. Pet 1,7; vgl. 1. Pet 4,13). In Vers 10–12 finden wir die drei Stufen der Offenbarung der Herrlichkeit des Christus in der Welt: die Propheten, das Evangelium und die Erscheinung des Christus. So sehen wir aber auch hier, dass die Predigt durch den Heiligen Geist nicht die Erfüllung der Prophezeiung ist, sondern die Erscheinung des Herrn.

Im zweiten Brief in Kapitel 1,14–19 haben wir das Vorbild dieser Herrlichkeit selbst und zugleich den wichtigen Beweis, dass die Verklärung auf dem Berg, die Darstellung der sichtbaren Herrlichkeit des Reichs, wie es vor der Welt erscheint, ist. Im dritten Kapitel warnt der Apostel vor denen, die da sagen: „Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?“ (1. Pet 3,4). Es ist jedoch hierbei zu bemerken, dass er in diesem Kapitel nicht von der Ankunft des Christus selbst redet, sondern von dem Unglauben der Weltlichen in Betreff dieser Ankunft, die ihr Vertrauen auf das Bestehen der sichtbaren Dinge setzen. Er erklärt hier nicht die Ankunft in Beziehung mit den Heiligen, sondern spricht nur von dem Tag des Herrn und des Wegtuns aller sichtbaren Dinge, auf welche die Ungläubigen rechnen. Dagegen stellt er den Heiligen neue Himmel und eine neue Erde vor, worin die Gerechtigkeit nicht allein herrscht, sondern wohnt und gebraucht diese Wahrheit, um die Christen zur Heiligung und Wachsamkeit zu ermuntern (2. Pet 3,10–13).

In 1. Johannes 2,28 lesen wir: „Und nun, Kinder, bleibt in ihm, damit wir, wenn er offenbart werden wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm beschämt werden bei seiner Ankunft.“ Hier sehen wir, dass alle, die weder seinem Wort geglaubt wirken, sodass haben noch in Ihm erfunden werden, bei seiner Offenbarung in Herrlichkeit werden beschämt werden und vor allem solche, die von seiner Wiederkunft gehört, aber sie nicht im Glauben aufgenommen oder bewahrt haben. In Kapitel 3,2 und 3 spricht der Apostel von einer Hoffnung der Christen, die sowohl das Herz mit Freude erfüllt als auch zu einem heiligen Wandel ermahnt: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. 

Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist.“ Erwarten wir stets seine Ankunft, so wird dies Bewusstsein, „dass wir Ihm gleich sein und Ihn sehen werden, wie Er ist“, kräftiglich in unseren Herzen wir uns von allem unbefleckt zu erhalten suchen, was seiner Heiligkeit nicht geziemt. Fügen wir hier noch die Bemerkung hinzu, dass, obgleich wir glücklich sein werden, wenn wir gestorben sind, so kann diese Hoffnung doch nicht unser vollkommenes Glück sein. Wir werden dann zwar Christus gleich sein nach seinem Tod und vor seiner Auferstehung, als seine Seele im Paradies und Sein Körper im Grab war, aber wir sollen nicht dem toten Christus gleich sein, sondern dem auferstandenen. Dies werden wir erst dann sein, wenn Er kommt und wir selbst auferstanden mit bei Ihm sind. Darum suchen wir schon hier in der Welt, Ihm so viel als möglich gleich zu werden (Phil 3).

Im Brief des Judas sehen wir, wie das Verderben in der Kirche seinen Anfang genommen hatte und dies veranlasste den Apostel sein angefangenes Schreiben über das gemeinsame Heil abzubrechen und die Christen zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen. Nachdem er das Verderben selbst geschildert hat, fährt er Vers 14 und 15 fort: „Es hat aber auch Henoch, der Siebte von Adam, von diesen geweissagt und gesagt: Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, um Gericht auszuführen gegen alle und zu überführen alle Gottlosen.“ Hier können wir sehen, dass, seit die Menschen auf der Erde ihre Wege verderbt haben, die Ankunft des Herrn stets der Gegenstand der Ratschlüsse Gottes und seiner Offenbarung gewesen ist, um die Menschen zu unterweisen. Diese Stelle sagt uns auch sehr deutlich, dass, wenn Jesus zum Gericht erscheint, Er mit seinen Heiligen kommt.

Die Offenbarung ist die Vorbereitung Gottes zur Einführung des Erstgeborenen in die Welt und am Ende haben wir diese Einführung selbst. Dies Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit Gerichten. Wir lesen in Kapitel 1,7: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen.“ Im sechsten Vers sehen wir, dass Er uns seinem Gott und Vater zu Königen und Priestern gemacht hat. Er setzt die Heiligen vor seiner Erscheinung in seine eigene Stellung und bei derselben offenbart Er selbst seinen Charakter als König und Priester.

Im zweiten und dritten Kapitel haben wir die inneren Zustände von sieben Kirchen, die zugleich Vorbilder auf die Kirche im Allgemeinen sind, so lange diese sich auf der Erde befindet. Christus wird uns in diesen beiden Kapiteln nicht als Haupt der Kirche, sondern als Richter vorgestellt. Er überführt und züchtigt die Untreuen, während Er die Treuen und Überwinder ermahnt und ihnen herrliche Verheißungen zusichert (Off 2,10). So ermahnt Er die Treuen in Thyatira: „Doch was ihr habt, haltet fest, bis ich komme.“ Dann versichert Er dem Überwinder, dass er mit Ihm richten und regieren soll und dass Er ihm den Morgenstern geben will, der Er selber ist. Er soll an der Herrschaft des Reiches teilnehmen und auch die himmlische Herrlichkeit des Christus als Morgenstern genießen. Hier bemerken wir auch, dass seine Ankunft nicht allein die Hoffnung, sondern auch stets die Zuflucht der Seinigen sein soll, wenn das Verderben vollbracht ist.

Die Kirche in Sardes, ein Vorbild der äußerlichen und weltlichen Kirche, wird, wenn sie auch gerade nicht in ein so großes Verderben gefallen ist, wie die Welt betrachtet werden. „Wenn du nun nicht wachst, so werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde“ (Off 3,3). Dagegen lässt Er dem Engel der Kirche in Philadelphia schreiben: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen. Ich komme bald; halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme!“ (Off 3,10.11). Hier haben wir den treuen Überrest der wahrhaftigen Christen, die sich auf das Wort des Heilandes gründen und es bewahren. Darum werden sie durch die Verheißung, dass Er bald komme, ermuntert und erfreut.

In Kapitel 5,9.10 sehen wir die Kirche im Himmel und vom sechsten bis zu Ende des neunzehnten Kapitels finden wir fast nur eine Beschreibung der Gerichte Gottes, die der Offenbarung des Christus vorangehen. Nach Kapitel 19 selbst werden zuerst die Hochzeit des Lammes mit der Kirche und dann die Zerstörung des Tieres durch Christus und seine Heiligen stattfinden. Von Kapitel 20 bis zu Ende des Buchs haben wir die Wiederherstellung alles dessen, was Gott durch den Mund aller seiner heiligen Apostel und Propheten geredet hat und vor allem die Offenbarung der Herrlichkeit, welche die Quelle von dieser Wiederherstellung ist.

In Kapitel 20,4 lesen wir: „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten; und ich sah die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren, und die, die das Tier nicht angebetet hatten noch sein Bild, und das Malzeichen nicht angenommen hatten an ihre Stirn und an ihre Hand. Und sie wurden lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre.“ Wir finden hier außer der allgemeinen Versammlung der Heiligen noch zwei Klassen angedeutet, nämlich die Enthaupteten und die, welche das Malzeichen des Tieres nicht angenommen haben. Diese werden auch an der ersten Auferstehung und der Regierung mit Christus in den tausend Jahren teilhaben. Diese beiden Klassen, die wir in Kapitel 7,14 und in Kapitel 15,2.3 ebenfalls finden, sind darum hier angeführt, damit nicht vermutet werden könne, sie seien vergessen worden, weil sie erst nach der Aufnahme der Kirche sich auf der Erde befunden haben.

Mit dem achten Vers in Kapitel 21 bricht der Prophet den Lauf seiner Weissagung ab und beschreibt bis Kapitel 22,5 das neue Jerusalem, das vom Himmel hernieder kommt, von wo aus das Jerusalem auf der Erde gesegnet sein wird und in dessen Licht die Heiden wandeln werden. In Kapitel 22,7 sagt der Herr in Bezug auf diejenigen, welche die Prophezeiungen in diesem Buch durchzumachen haben: „Und siehe, ich komme bald“ und im Vers 12 für einen Jeglichen im Allgemeinen: „Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir.“ In Vers 16 stellt sich Jesus seiner Braut als der glänzende Morgenstern vor. Dieser Morgenstern ist, wie schon früher bemerkt, in unseren Herzen aufgegangen, wenn wir auf die Ankunft des Christus zur Aufnahme der Kirche warten. Wenn Christus sich seiner Braut persönlich als solcher darstellt, ruft diese mit dem in ihr wohnenden Geist: „Komm!“ Nur die Wachenden werden Christus als Morgenstern begrüßen und empfangen. Die schlafende Welt wird Ihn erst am Tag als Sonne der Gerechtigkeit sehen und von Ihm gerichtet werden. Als letztes Wort an seine Kirche sagt Jesus: „Ja, ich komme bald“, wozu der Christ sein „Amen“ gibt. Möchte doch dieses so tröstliche Wort auch unsere Herzen stets erfüllen und uns wachsam und nüchtern erhalten, stets auf seine so nahe und herrliche Ankunft wartend.

4. Die erste Auferstehung

Christus ist durch die Macht und Herrlichkeit Gottes und des Vaters von den Toten auferweckt worden. Diese Auferweckung ist der Grund unseres Glaubens und unserer Hoffnung. Die Kraft derselben umfasst das Leben, die Rechtfertigung und als Folge davon die Herrlichkeit der Kirche. Wir sind aufgefordert, an den Gott zu glauben, der die Toten auferweckt (Röm 4,17–24). Seine Macht ist in das Gebiet des Todes gedrungen und hat in Christus ein neues Leben hervorgebracht. Unsere Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus macht, dass wir von Gott angenommen sind. Wir sind mit Ihm auferstanden (Eph 2,6) und wir wissen uns schon jenseits des Grabes, jenseits aller gefährlichen Folgen der Sünde. Ja, wir sind schon in Ihm zur Rechten Gottes mitversetzt. Durch die Auferstehung des Christus sind wir wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung (1. Pet 1,3) und das Leben des Christus, das über alles den Sieg davon getragen hat, ist uns mitgeteilt. Wir sehen den, der für uns zur Sünde gemacht war, der ganz und gar unsere Stelle als Sünder vor Gott eingenommen hat, zur Rechten Gottes verherrlicht und dies beweist uns, dass alles für uns vollbracht ist und dass wir in Ihm die Gerechtigkeit Gottes selbst besitzen. Wir haben den völligsten Anteil an all den Segnungen seines Sieges über Sünde, Welt, Tod und Teufel. „Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube nichtig; ihr seid noch in euren Sünden“ (1. Kor 15,17). Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt und der Erstling unter den Entschlafenen geworden (1. Kor 15,20). Aus seiner Auferweckung folgert nun der Apostel weiter: „Denn wie in dem Adam alle sterben, so werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden. Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; dann die, die des Christus sind bei seiner Ankunft; dann das Ende“ (1. Kor 15,22–24), wenn Er das Reich, das Er bei seinem Kommen übernimmt, Gott und dem Vater übergeben wird.

Der Apostel bezeugt uns, dass Christus der Grund der Auferstehung aller sei, aber er spricht von einer Ordnung und zwar in der schon angeführten Stelle (1. Kor 15,23), dass Christus der Erste sei, danach die, die Ihm angehören bei seiner Ankunft und danach das Ende. Eine allgemeine Auferstehung der Toten wird selten geleugnet, aber eine bestimmte Ordnung, eine Verschiedenheit der Auferstehung in Betreff der Zeit und des dabei wirkenden Grundsatzes wird wenig anerkannt und verstanden, obgleich sich das Wort Gottes an vielen Stellen sehr klar darüber ausspricht. Die gewöhnliche Auffassung ist die, dass an einem gewissen Tag alle Menschen, Gute und Böse, vor Gott erscheinen und den Lohn nach ihren Werken empfangen werden, aber die Schrift sagt nichts von einer einzigen und allgemeinen Auferstehung. Man kann oft bei Grabreden die Worte hören: Ruhe in Frieden, bis dich Gott durch unseren Herrn Jesus Christus am jüngsten Tag auferwecken wird! Letzteres wird geschehen, aber wenn dabei an die letzte und allgemeine Auferstehung der Toten gedacht wird, so liegt weder Trost noch Hoffnung darin. Die Schrift sagt: „Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen tausend Jahre“ (Off 20,6) und „Die Übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung“ (Off 20,5).

Sehr klar und deutlich unterscheidet hier das Wort Gottes zwei Auferstehungen: die Auferstehung der Gerechten und die der Ungerechten, zwischen welchen nach der angeführten Stelle wenigstens ein Unterschied von tausend Jahren liegt. Die Auferstehung der Gerechten oder der Kirche ist eine Sache für sich, die mit der Auferstehung der Gottlosen in keiner Verbindung steht. Die Kirche steht zuerst auf, weil Christus, ihr Haupt, auferstanden ist. Sein Leib, die Kirche, wird dieselbe Auferstehung erlangen, die auch Er, dass Haupt, erlangt hat. Die Heiligen werden auferweckt, um mit dem Vater und dem Sohn Gemeinschaft zu haben. Wenn auch der Herr Jesus in Johannes 6,44.54 von einer Auferweckung am jüngsten ober letzten Tag spricht, so redet Er nur von denen, die durch den Vater gezogen zu Ihm gekommen sind und von denen, die sein Fleisch gegessen und sein Blut getrunken haben. Durch diese Ausdrücke werden nur Gläubige bezeichnet, deren Auferweckung und Vereinigung mit Christus stattfinden wird. Er hebt auch darum diese Wahrheit hervor, um zu zeigen, dass alle zukünftigen Segnungen mit der Auferstehung verbunden sind. Das Wort „der jüngste oder letzte Tag“ hat auf einen Gedanken Bezug, der den Juden bekannt war. 

Wenn sie vom Ende der Welt redeten, so gedachten sie an das Ende ihrer Haushaltung, an der Christus erscheinen und alle Verheißungen erfüllen würde. Wenn der Herr sagt, dass die Lästerung gegen den Heiligen Geist weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden könne (s. Mt 12,31.32), so heißt dies weder in der Haushaltung des Gesetzes noch in der des Messias. In Matthäus 24,3 fragen die Jünger, wann das Ende der Welt sein würde. Nachdem der Herr im 14. Vers gesagt hat: „… und dann wird das Ende kommen“ fordert Er in Vers 16 die Juden auf zu fliehen. Dies hätte Er nicht tun können, wenn hier von dem Ende der Welt die Rede wäre, wo Himmel und Erde vergehen. Vielmehr redet Er hier von dem Ende der gesetzlichen Haushaltung.

Die Schrift unterscheidet also deutlich zwei Auferstehungen. Lukas 14,14: „… denn dir wird vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten.“ Ebenso Lukas 20,35: „Die aber für würdig erachtet werden, jener Welt teilhaftig zu sein und der Auferstehung aus den Toten …“ Wäre hier von einer allgemeinen Auferstehung, der sie alle teilhaftig werden, die Rede, so würde nicht gesagt seid: „Die würdig erachtet werden“. Die Gottlosen werden zum Gericht auferstehen, diese aber, weil sie würdig sind, werden die Auferstehung erlangen, die Jesus selbst erlangt hat. „… und sind Söhne Gottes, da sie Söhne der Auferstehung sind“ (Lk 20,36).

Der Apostel Paulus war bereit, alles zu verlieren und alles zu leiden, ja, selbst dem Tod des Christus ähnlich zu werden, wenn er nur auf irgendeine Weise zur Auferstehung aus den Toten gelangen möge (Phil 3,11). Er konnte dieses Ziel, für das er alles zu erdulden bereit war, nicht so besonders hervorheben, wenn er es mit den Bösen gemein hatte. Der Ausdruck „aus“ oder „von“ den Toten, den wir oft in der Heiligen Schrift entweder auf Christus oder auf die Gläubigen angewandt finden, deutet schon zur Genüge an, dass ein Teil der Toten auferstehen, während ein anderer in ihren Gräbern zurück bleiben wird. Sind die Gerechten auch in der Welt mit den Ungerechten zusammen, so sind sie doch in Betreff der Auferstehung ganz und gar geschieden.

Eine Stelle in Johannes 5,25–29 scheint freilich auf den ersten Blick mehr für eine einzige und allgemeine Auferstehung zu sprechen. Doch haben wir hier wohl zu beachten, dass der Herr von zwei verschiedenen Stunden redet. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es kommt die Stunde und ist jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben“ (Joh 5,25). Er redet hier von den Toten in Übertretungen und Sünden und es ist jetzt die Stunde oder Zeit der Lebendigmachung ihrer Seelen, eine Stunde, die schon über 1800 Jahre gedauert hat. Weiter heißt es: „… denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts“ (Joh 5,28.29). Dies ist die andere Stunde oder die Zeit der Lebendigmachung der Leiber. Von dieser Stunde aber wissen wir nach Offenbarung 20, dass sie wenigstens tausend Jahre dauert und die Auferstehung der Gerechten zu Anfang und die der Ungerechten zu Ende dieser Periode stattfinden wird. Auch spricht der Herr in dieser Stelle von zwei Auferstehungen: von der Auferstehung des Lebens und von der Auferstehung zum Gericht. In demselben Kapitel sehen wir ferner in Vers 22, dass dem Herrn Jesus das ganze Gericht vom Vater übergeben ist, weil sie nicht den Vater, sondern den Sohn verworfen haben. Jesus war hienieden mit Schmach bedeckt, aber der Vater will die Rechte seiner Herrlichkeit anerkannt wissen. Sie sollen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Die Gläubigen verherrlichen Ihn freiwillig, die Gottlosen aber werden durch das Gericht dazu gezwungen werden und werden bekennen müssen, dass Er der Herr ist (vgl. 2. Tim 4,1).

Die Gerechten werden auferweckt, um auch dem Leib nach völligen Anteil an dem Leben zu haben, was ihnen schon gegeben ist. Sie werden auferweckt, weil sie mit demjenigen eins sind, der schon auferweckt ist. Wir sind des Heiligen Geistes teilhaftig geworden, der uns nicht allein unserer Kindschaft versichert, sondern auch die Ursache unserer Auferstehung wird. Der in uns wohnende Geist, der Christus von den Toten auferweckt hat, wird auch unsere sterblichen Leiber lebendig machen (Röm 8,11; 2. Kor 4,14). Was unsere Seele betrifft, so können wir jetzt schon sagen: Wir sind mit dem Christus lebendig gemacht, sind mit Ihm auferweckt, in Ihm in den Himmel versetzt (Eph 2,5.6) und aufgrund dieses Lebens werden auch unsere sterblichen Leiber lebendig gemacht werden.

Die erste Auferstehung wird bei der Ankunft des Christus stattfinden (1. Thes 4,16) und wird die Kirche oder die Gerechten mit Christus in der Herrlichkeit vereinigen. Die Welt aber hat weder an dieser Auferstehung noch an dieser Vereinigung Anteil, weil sie den Geist und das Leben des Christus nicht hat und als solche nicht empfangen kann. Ihre Auferstehung wird freilich durch den herrlichen Machtruf des Christus bewirkt, aber es wird eine Vorladung zum Gericht sein, die am Ende seiner Herrschaft stattfindet, wenn Er das Reich dem zurückgeben wird, der Ihm alles unterworfen hat, nämlich Gott dem Vater, „… damit Gott alles in allem sei“ (1. Kor 15,24–28).

Es ist schon jetzt ein großer Segen für uns, wenn die Erkenntnis dieser Wahrheit von der Auferstehung in ihrer ganzen Tragweite unsere Herzen durch die Kraft des Christus belebt, und wenn die Wahrheit von der Auferstehung der Kirche, die eine Frucht seiner Auferstehung sein wird, sich in unserem Geist an alle die kostbaren Wahrheiten unseres in Christus vollbrachten Heils anknüpft. Diese Auferstehung ist das Ziel unserer Wünsche und Hoffnungen und die Erfüllung unserer Seufzer nach der Kindschaft selbst, d. i. die Erlösung unseres Leibes.

Die allgemeine Ordnung der Ereignisse der Zukunft des Herrn

Was die Ordnung der Ereignisse betrifft, so hängt alles von der Einheit der Kirche mit Christus, als seinem Leib, ab. Die Kirche ist ganz und gar außerhalb der göttlichen Geschichte der Welt und der Wege Gottes mit der Welt, weil sie vor Grundlegung der Welt für eine himmlische Stellung zuvor verordnet ist. Diese Stellung hat sie kraft ihrer Vereinigung mit Christus. Wenn Er alle Dinge als sein Erbteil besitzt, so ist die Kirche seine Miterbin, sein Teil ist ihr Teil, aber in dem Verhältnis der Welt mit Gott hat sie kein Teil. Denn selbst was das Reich betrifft, so werden alle die Heiligen, die mit Christus oder um seines Namens willen gelitten haben, mit Ihm herrschen, wenn Er seine große Macht nimmt und mit der Erde als König handelt. Besonders stellt das Wort überall die Kirche, in ihrem Charakter als Braut, als die Vorrechte und selbst die Stellung des verklärten Menschen Christus genießend dar.

 Derjenige, der die Kirche oder das himmlische Teil der Heiligen im Alten Testament sucht, wird sich notwendig irreführen, weil es sich daselbst um die Regierung Gottes über die Erde handelt, wovon Jerusalem und die Juden den Mittelpunkt bilden. Aus diesem Grund aber, weil es sich nämlich um die Regierung Gottes auf der Erde handelt, muss sich diese Regierung selbstredend in irdischen Dingen beweisen und die Gerechtigkeit derselben auf der Erde muss auch auf der Erde offenbart werden, wie geschrieben steht: „Und der Mensch wird sagen: Ja, es gibt Lohn für den Gerechten; ja, es gibt einen Gott, der auf der Erde richtet“ (Ps 58,12). Dass Gott in seinen Wegen mit seinem Volk auf der Erde treu ist, beweist noch gar nicht, dass sein irdisches Volk die Kirche sei, noch dass Er in den Stellen, worin Er davon redet, von der Kirche rede. Man hat freilich solche Stellen, worin Gott von seiner Treue und von seiner Barmherzigkeit spricht, oft gebraucht, sie mit der christlichen Hoffnung in Verbindung zu bringen. Es ist gewiss die Erkenntnis, dass Gott ein solcher ist, für alle köstlich. Aber der Gegenstand, an den dieser Charakter angewandt ist, ist eine ganz andere Frage. Israel und Jerusalem sind nicht die Kirche. Ja, so köstlich jede Offenbarung Gottes für alle Heiligen sein mag, so wird doch die Anwendung von dem, was von Israel gesprochen ist, auf die Kirche alles verwirren und das Verständnis weit von den Ratschlüssen Gottes ableiten.

 Israel ist der Mittelpunkt der Regierung Gottes über die Erde, die himmlischen Heiligen und besonders die Kirche sind der Gegenstand seines Ratschlusses für die himmlische Herrlichkeit. Wenn Christus sein Erbteil als Mensch übernimmt und die Ratschlüsse Gottes in Betreff der Erde vollbracht sind, werden die Heiligen auf der Erde unter seiner Regierung glücklich sein. Aber die, die für und mit Ihm gelitten haben, werden mit Ihm regieren. Wir sehen in Offenbarung 5,11, dass die Heiligen als Könige und Priester mit Christus dem Thron näher sind als die Engel, aber die Heiligen auf der Erde rühmen zu derselben Zeit die Engel als die Gewaltigen des Herrn (Ps 103,19. 20; Ps 148). Denn Gott will alle Dinge unter Christus als unter ein Haupt versammeln, „denn nicht Engeln hat er den zukünftigen Erdkreis unterworfen, von dem wir reden“ (Heb 2,5). Wir werden, sagt der Apostel in 1. Korinther 6,3, selbst über die Engel richten. Wenn nun aber Gott alle Dinge unter Christus in Ordnung bringen will, so ist das erste, was Er in Betreff der Wirkung der Kraft des Christus tut, dass Er alle diejenigen aufnimmt, die mit Christus herrschen sollen, damit sie bei Ihm seien. Dieses ist der Schlüssel zu der Ordnung der Ereignisse, wovon wir reden.

In der jetzigen Zeit sammelt Gott die Miterben. Sowohl sie als auch diejenigen, die schon gestorben sind, warten, wie Christus selbst, auf den Augenblick, wo Ihn der Vater von seiner Rechten aufstehen lässt. Gott bereitet durch seine Vorsehung alles für die Einführung seines Erstgeborenen, ehe derselbe von dem Thron des Vaters aufsteht, vor, um bald nachher seinen eigenen Thron einzunehmen. Wir aber haben nicht eher in der Herrlichkeit mit Christus Teil, bis Er von dem Thron des Vaters aufgestanden und seine neue persönliche Stellung eingenommen hat. Denn ehe Er sich mit seinen Feinden beschäftigt, setzt Er die himmlischen Heiligen nach dem Willen Gottes mit sich in seine eigene Stellung, damit sie, wenn Er vor der Welt als Richter in seiner Herrlichkeit erscheint, mit Ihm offenbar werden. Also steht geschrieben in Kolosser 3,4: „Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit.“

Das erste nun von allem ist, dass der Vater die Feinde des Christus zu dessen Füßen legt (Ps 110,1). Dann wird Christus von dem Thron des Vaters aufstehen und die Seinigen werden bei Ihm sein. Der Weizen wird auf den Speicher gebracht. Bei diesem Gleichnis vom Unkraut und dem Weizen in Matthäus 13 ist zu bemerken, dass zuvor das Unkraut auf dem Feld gesammelt wird, um nachher verbrannt zu werden. Dieses wird durch die Engel vollbracht, die den Willen Gottes nach seiner Vorsehung und Kraft auf der Erde ausführen. Zur Einführung der Braut aber kommt Christus selbst, darum muss Er zuerst von Gottes Thron aufstehen. Doch wollen wir jetzt von der Ordnung der Ereignisse sprechen, nachdem Er aufgestanden ist.

Im Allgemeinen ist unser Vorrecht immer mit Christus zu sein. Wir werden mit Ihm regieren, weil Er regiert. Zunächst werden wir mit Ihm im Haus des Vaters sein und alle die Freuden, welche die Gegenwart des Vaters in seinem Haus gibt, mit Ihm genießen. Dies sehen wir in Johannes 14,2.3, wo Er, anstatt bei den Jüngern auf der Erde zu bleiben, hingegangen ist, um ihnen in seines Vaters Haus eine Stätte zu bereiten. Wir sollen da bei Ihm sein, wo Er selbst ist. Dies ist also unser erstes, bestes und persönliches Vorrecht, wovon alles, sowohl die Herrschaft als auch das Reich nur eine Folge ist. Paulus schreibt an die Thessalonicher: „… und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein“ (1. Thes 4,17) und macht dann einen Schluss. Wenn Er in dem folgenden Kapitel von den Zeiten und den Zeitpunkten spricht, so geschieht dies nur, um die Heiligen in den Gegensatz zu der Welt zu stellen. Die Heiligen wissen wohl, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht, aber dies, sagt der Apostel, ist nicht für sie.

Ein anderes Vorrecht der Kirche ist, die Frau des Lammes zu sein. Nach unserer Aufnahme haben wir mit Christus an allem Teil. Durch die Auferstehung aus den Toten empfangen wir mit Ihm dieselbe Stellung. Diese Aufnahme der Kirche aber hat einen eigentümlichen Charakter. Die Kirche ist vor allem Gericht, das durch Christus vollbracht werden wird, in das Vaters Haus aufgenommen. Wir sehen in Offenbarung 12, dass die Frau Israel ist, die den Christus als Mensch geboren hat (vgl. Jes 9). Niemals ist Christus von der Kirche geboren. Als der Drache den Christus zerstören wollte, hat Ihn Gott zu seinem Thron aufgenommen. Was nun die Regierung Gottes betrifft, so ist hier die Kirche in dem Kind gesehen und zu seiner Zeit wird sie wirklich aufgenommen werden, um mit Ihm über die Nationen zu herrschen.

 Die im Psalm 2,7–9 auf den geborenen Sohn Gottes, in Betreff seiner Herrschaft über die Welt, angewandten Worte werden in Offenbarung 2,26–28 auf die treuen Christen zu Thyatira angewandt. In Offenbarung 12 werden also das Kind Christus und die Heiligen als eine Person betrachtet. Sobald nun die Heiligen in den Himmel aufgenommen und in Christus mit dem Thron Gottes als Quelle aller Herrschaft in Verbindung sind, muss Christus alles strafen, was im Himmel und auf Erden gegen Ihn ist und was immer die Fortdauer der Segnungen, die Gott der Welt mitgeteilt, verhindert hat, sowohl die Heerschar der Höhe in der Höhe als auch die Könige der Erde auf der Erde (Jes 24,21). Jetzt aber, um die ganze Szene vor unseren Augen zu haben, müssen wir die Wege Gottes von einer anderen Seite betrachten.

Es sollten 70 Wochen vollendet werden, ehe die Stadt und das Heiligtum Israels wiederhergestellt wären. 69 Wochen sind vollendet worden, ehe der Messias auf der Erde offenbart worden ist, weil aber die Juden Ihn verworfen haben, so ist ihre Geschichte abgeschnitten und Gott sammelt die nach seinem ewigen Ratschluss verordnete Kirche für den Himmel. Der Augenblick ihrer Aufnahme ist Ihm allein bekannt. Sobald aber dieser Augenblick gekommen ist, fängt Gott ein neues Zeugnis auf der Erde an. In der ersten Hälfte der letzten Woche finden wir nach Offenbarung 11 die zwei Zeugen sowohl in Israel als auch im Allgemeinen in der Welt wirksam. Es wird das Evangelium des Reiches unter allen Nationen verkündigt werden (Mt 24,14) und dies Zeugnis für die Nationen wird am Ende immer dringender (Off 14,6; Ps 96), doch können wir später davon reden. Was die Juden betrifft, so sind sie in der letzten halben Woche großer Trübsal überliefert, wie sie nie gewesen ist noch sein wird (Mt 24,21; Dan 12,1; Jer 30,7; Off 12,17). In Offenbarung 12 finden wir die Veranlassung dieser Trübsal der letzten halben Woche. Satan ist aus dem Himmel auf die Erde geworfen und fängt daselbst zu wüten an, weil er weiß, dass er nur kurze Zeit hat.

 Dies Auswerfen geschieht durch den Krieg im Himmel. Und wenn er auf der Erde ist, gibt er seinen Thron dem Tier, von dem dann gesagt ist, dass es aus dem Abgrund kommt. Diesem ist es nun erlaubt, die zwei Zeugen zu töten und das Zeugnis Gottes in seinem Gebiet und besonders im Land Judäa zu zerstören. Was die Zeugen betrifft, so ist ihr Kampf vorüber und sie steigen auf in den Himmel (Off 11,12). Jetzt beginnen die himmlischen Heiligen, die schon vor ihnen da waren, zu loben und zu preisen, weil ihre treuen Brüder siegreich geworden und ihr Kampf vorüber ist (Off 12,10–12). So haben wir jetzt eine andere Klasse von Heiligen, die nach dem Himmel gegangen sind und der Himmel ist ganz und gar von Satan und seinen Engeln befreit, aber noch nicht die Erde. 

Wir finden hier im Gegenteil, wie er gegen die Frau, d. i. das wahrhaftige Israel, in dem die Kraft Gottes auf der Erde vorgestellt wird, wütet. Er ist für immer aus dem Himmel geworfen und er erregt die Erde, d. h. die Kraft des Tieres, gegen alles, was Gott gehört und besonders gegen Israel so viel als nur immer möglich. Er lästert auch die himmlischen Heiligen, aber weiter kann er diesen nichts tun (Off 13,6). Die Frau entflieht in die Wüste, wo Gott dem treuen Israel eine Zufluchtsstätte bereitet hat (Off 12,14) und das Tier tötet alle, die es erreichen kann und die sein Bild nicht annehmen. In dieser Zeit ist es, wo ein zweites Tier auf der Erde in der geistigen Kraft Satans mitwirkt, um die Bewohner der Erde zu verführen, damit sie das erste Tier anbeten und seine Zeichen annehmen (Off 13,11–14). Die ganze Kraft und List Satans wird jetzt angewandt, um zu täuschen und, wenn es möglich wäre, selbst die Auserwählten (Mt 24,24). Wie schrecklich diese Versuchung sowohl durch die Gewalt als auch durch die List sein wird, kann man in 2. Thessalonicher 2,9.12 und Offenbarung 13,15 sehen. Man wird die Kraft dieser beiden Stellen besser verstehen, wenn man bemerkt, dass in 2. Thessalonicher 2 dieselben Zeichen sind, durch die Christus in seiner Stellung von Gott erwiesen war (vgl. Apg 2,22) und in Offenbarung 13 tut er Zeichen, durch die Elia dargestellt hat, dass der Herr und nicht Baal der wahrhaftige Gott war (1. Kön 18,24). In seiner Verzweiflung erregt Satan das Tier und die ganze Erde selbst gegen das Lamm Krieg zu führen (Off 17,13.14).

Inzwischen hat Gott das Reich des Tieres und das Land seines Gebiets geplagt mit allen Plagen. Diejenigen, die treu geblieben und das Tier nicht angebetet, aber von ihm getötet sind, haben ihr Teil im Himmel. Sie sind durch das Feuer gegangen und stehen an dem gläsernen Meer mit Feuer gemengt und haben Harfen in ihren Händen (Off 15,2). Sie bilden die zweite Klasse nach der Aufnahme der Kirche.

Am Ende dieser Plagen zerstört Gott Babylon, die große Hure (Off 18,20; Off 19). Wenn diese zerstört ist, kommt die Hochzeit des Lammes, weil die Vollendung der Ratschlüsse Gottes immer auf die Anstrengungen des Feindes folgt. So übt Gott stets die Geduld der Seinigen. Wenn nun Babylon zerstört und die Hochzeit des Lammes gekommen ist, ist die Kirche wirklich vollkommen in ihrer Stellung nach dem Ratschluss Gottes und alle die Heiligen kommen mit Christus, um das Tier zu zerstören und die Erde zu richten (Off 19,11–21).

Wir müssen nun einen Blick auf eine andere Seite der großen Szene werfen. Die Juden (nicht die 10 Stämme, d. h. Israel) werden zum größten Teil nach Jerusalem und Palästina, entweder durch die politischen Bewegungen der Welt oder durch andere Beweggründe, zurückkehren, die Masse aber ist ungläubig (Jes 18; Sach 13,8.9). Gott versammelt dann alle Nationen um Jerusalem her (s. Mich 4,11.12; Sach 12,3). Die Juden in ihrem Land werden dem Antichrist gehorchen, wie Jesus gesagt hat: „… wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5,43). Sie werden sich sogar dem Götzendienst ergeben (Jes 65; Jes 66). Das Haupt des Tieres wird über sie herrschen, aber sie werden ihren eigenen König haben in engster Verbindung mit dem Tier, d. h. dem alten römischen Reich, (einst getötet und jetzt wieder hergestellt) mit seinen 10 verbundenen Häuptern. Zu derselben Zeit wächst die Kraft des Gogs, des Fürsten von Magog in Nord und Mittelasien und in Persien (Hes 38,1–7), während der König von Kanaan nach seinem Willen tut, die zurückgekehrten Juden verdirbt und die Gottlosigkeit vollendet (Dan 11,36–39). Jetzt beginnt der letzte Zusammenstoß der Nationen. Gott sendet, weil in Jerusalem in den Tempel ein Götzenbild gesetzt ist und die Juden sich dem Götzendienst ergeben haben, einen Verwüster in das Land (Dan 9,27; Mt 24,15). Der Assyrer wird die Stadt erobern (Jes 28; Jes 14,25; Mich 5,5; Sach 14,1.2). 

Der König von Süden, d. h. Ägypten, wird gegen den Antichrist kommen (Dan 11,36–45) und der König von Norden wird ihn ebenfalls mit Macht angreifen und alle diese Länder erobern, ausgenommen Edom, Moab und Ammon. Das Tier wird sich mit seinen Heeren in das Gewirr stürzen, um seine Macht trotz aller zu behaupten und wird mit der Kraft des Teufels selbst gegen den Herrn streiten. Jetzt erscheint der Herr mit seinen himmlischen Scharen und die Kraft der Bosheit ist vernichtet. Das Tier, der falsche Prophet und die Gottlosen werden entweder in die Hölle geworfen oder durch sein Gericht zerstört (Off 19). Dann nimmt Er sich des Überrestes seines Volkes an, Jerusalem ist sein wohlgefälliger Sitz und Juda das Werkzeug seiner Kraft (Sach 10,3; Jer 51,20.21). Die Juden schauen den, den sie durchstochen haben und erkennen in Christus, dem Lamm, den Herrn (Off 1,7; Sach 13,6).

Der Assyrer, unwissend von der Kraft des Herrn und glaubend, dass durch die Zerstörung des Tieres alles in seine Hände überliefert sei, kommt noch einmal gegen Jerusalem und wird durch das Gericht des Herrn zerstört, sodass nur der sechste Teil übrig bleibt (Hes 38; Hes 39). Dann säubert der Herr sein Land von allen seinen Feinden (Mich 5; Sach 13; Sach 14; Jes 25; Jes 26). Er wird die 10 Stämme (Israel) aus allen Nationen zurückführen, die Ungläubigen und Gesetzlosen außerhalb des Landes ausrotten und mit dem Überrest, vereinigt mit dem Überrest der Juden in dem Land, ein Volk unter einem Haupt, Christus, bilden (Hes 20,34–38). Seinen irdischen, königlichen Sitz wird Er in Jerusalem haben, seine königliche Macht bald bis zu den Enden der Erde ausdehnen und die Welt in Gerechtigkeit richten (Mich 5,3; Sach 2,6; Sach 8; Sach 9; Sach 14; Zeph 3,14.15; Jer 3).

Ehe dieses aber stattfindet, wird vor seiner Erscheinung das ewige Evangelium (Off 14,6), dessen Zeugnis am Ende immer dringender wird und wovon wir gesprochen haben, an alle Nationen gerichtet werden. Selbst nach seiner Erscheinung wird dessen Botschaft, d. h. die Botschaft seiner herrlichen Erscheinung, durch die, die verschont geblieben sind, in alle Länder gebracht werden Die Nationen werden die noch zerstreut wohnenden Juden mit Ehre wieder nach Jerusalem bringen. Sie werden auch selbst nach Jerusalem gehen, um den Herrn dort anzubeten (Jes 66; Sach 14; Jer 30–33).

So haben wir denn in kurzen Umrissen die Geschichte der Erde bis zur Einrichtung des Reiches, aber es bleibt noch ein wichtiges Ereignis zu erwähnen übrig. Gott wird alles unter Christus als einem Haupt vereinigen und jeder wird seine besondere Stellung haben. Die Kirche als seine Braut, wie alle Heiligen, wird die Schar seiner Herrlichkeit bilden, sie werden mit Ihm richten und herrschen. Dies Gericht hat zwei Charaktere, der eine Charakter ist zeitlich und der andere fortdauernd. Er richtet und führt Krieg und Er herrscht auf dem Thron seiner Herrlichkeit. Von dem ersten haben wir gesprochen, in Offenbarung 19 kommt Er mit seinen Heiligen. Man sieht deutlich, dass diese nicht Engel sind, denn ihre weißen Kleider sind die Gerechtigkeiten der Heiligen, und in Kapitel 17 werden sie Berufene, Auserwählte und Treue genannt.

Noch ein anderes sehr wichtiges Ereignis findet nach diesem Gericht statt. Der, der die ganze Welt gegen den Herrn aufgeregt hat, ist zwar noch nicht in die Hölle, aber doch in den Abgrund geworfen. Satan ist gebunden und ohnmächtig. Er wird die Welt nicht mehr stören, bis er losgemacht ist, um deren letzte Prüfung zu bewirken. Die Menschen werden beweisen, dass selbst die sichtbare Herrlichkeit des Herrn sie nicht bewahrt, wenn das Herz nicht verändert und ein neues Leben durch die neue Geburt nicht da ist. Während der 1000 Jahre aber, d. i. zwischen der Bindung Satans und seiner Lösung, herrschen und richten die Heiligen mit Christus. Dieses ist jedoch nicht ein kriegerisches Gericht, sie sitzen auf Thronen und Christus ist jetzt der Fürst des Friedens. In den Anfang dieser Zeit fällt Matthäus 25,32–46.

So sehen wir die Ratschlüsse Gottes in Betreff der Regierung der Erde und in Betreff der Vorrechte der Kirche, diese zwei Hauptsachen der Offenbarung des Wortes sowohl im Alten als im Neuen Testament, erfüllt. Die Kirche war bis zur Vollbringung der Erlösung ganz und gar in den Ratschlüssen Gottes verborgen, seine Verheißungen aber in Beziehung der Erde waren den Juden gegeben. Jetzt aber hat Er durch den vom Himmel hernieder gesandten Geist nicht allein die vollkommen vollbrachte Erlösung offenbart, sondern der Kirche, die auf Grund dieser Erlösung sich versammelt, seine eigene Stellung mitgeteilt und die Vereinigung aller Dinge in Christus als Haupt, zur Verherrlichung desselben, kundgemacht. Die Seligkeit einer Seele in der Gemeinschaft des Christus und des Vaters ist gewiss der notwendigste und hauptsächlichste Gegenstand, aber die Seelen, die diese Erlösung durch den Heiligen Geist genießen, betrachtet Gott als Freunde und vertraut ihnen das Geheimnis seines Willens, damit sie sich seiner Weisheit und seiner Liebe und vor allem der Herrlichkeit seines geliebten Sohnes selbst rühmen.

Fußnoten

1Die Anführung Daniels (Mt 24,15; Mk 13,14) ist, um von allem anderen zu schweigen, ein vollkommener Beweis, dass diese Periode mit der Zerstörung Jerusalems durch Titus nichts gemein hat. Lukas spricht mehr in Beziehung auf diese Zerstörung durch Titus, weshalb er auch nichts von dem Gräuel der Verwüstung sagt.
2Der Tag des Christus ist der Tag der Vergeltung und steht immer in Verbindung mit der Verantwortlichkeit sowohl der Christen als auch der Welt.
3Manche verwechseln diesen Ausdruck „letzte Posaune“ mit der siebten oder letzten Posaune des siebten Engels in Offenbarung 11,15 und schließen daraus, dass die Aufnahme der Kirche in diesen Zeitpunkt fiele, wonach sie also die Gerichte während der sechs ersten Posaunen auf Erden durchzumachen hätte. Doch wir sind überzeugt, dass der Apostel hier nur eine Gewohnheit der Römer bei ihren Kriegen als Bild gebraucht. Es wurde nämlich dreimal die Posaune geblasen. Bei der ersten musste das Heer sich fertig machen, bei der zweiten bereit stehen und bei der dritten oder letzten Posaune, wie diese genannt wurde, aufbrechen. Weil hier nun auch vom Aufbruch der Kirche die Rede ist, gebraucht der Apostel diesen Ausdruck „letzte Posaune“, wie wir Ähnliches oft in der Heiligen Schrift finden.
4Viele ernste Christen halten dafür, dass das, was aufhält, die Kirche, andere, dass es die feste Ordnung der weltlichen Obrigkeit sei. So viel ist gewiss, dass die Kirche auf der Erde die Ursache des Aufhaltens ist und der Herr so lange den Arm der weltlichen Obrigkeit unterstützt, bis sie aufgenommen sein wird.

SO VIELE NUN VOLLKOMMEN SIND, LASST UNS SO GESINNT SEIN (PHILIPPER 3)
Es ist stets ermunternd und stärkend für unsere Herzen, wenn wir die Gesinnung und den Wandel eines treuen Christen erforschen und anschauen. Nicht allein finden wir in ihm die Kraft des göttlichen Lebens wirksam, sondern haben auch durch seine Erfahrungen die Wahrheit des Wortes Gottes praktisch bestätigt und die Beachtung dieser Erfahrungen erweckt unser inneres Leben und reizt es zur Nachahmung. Es macht nun freilich jeder Christ seine Erfahrungen, aber der Charakter derselben richtet sich immer nach seinem Wandel. Wer fleischlich wandelt, wird hauptsächlich erfahren, was das Fleisch ist. 

Wer aber mit Gott wandelt, wird erfahren, was Gott ist und in seinem Licht wird er nicht weniger das Wesen des Fleisches erkennen. Die Erfahrungen eines himmlisch gesinnten Christen sind immer einfach, weil sein Weg, den er im Glauben mit dem Herrn wandelt, einfach ist, aber die eines weltlich gesinnten sind dagegen reich und mannigfaltig, weil er durch allerlei Wege zur nüchternen Erkenntnis Gottes gebracht werden muss. Dies ist eine Wahrheit, die uns durch die Geschichte Abrahams und die des Jakob auf das Klarste bestätigt wird. So notwendig die Erkenntnis unserer selbst, d. h. unserer natürlichen Verderbtheit ist, so ist sie doch von ganz untergeordnetem Wert gegen die Erkenntnis des Christus. Jene gibt weder Mut noch Kraft, weder Zuversicht noch Freudigkeit. Diese aber reicht alles dar, was zum Leben und zur Gottseligkeit dient (2. Pet 1,3). Das Wort Gottes stellt uns auch nie das Leben solcher Christen als Muster hin, deren Erfahrungen sich auf die Verderbtheit des Fleisches beziehen, sondern das Leben solcher, die im Glauben wandeln und deren Herz stets auf die überreichliche Erkenntnis des Herrn Jesus Christus gerichtet ist. So lesen wir Hebräer 13,7: „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach“. Ebenso Philipper 3,17: „Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt“. Man ist auch oft bemüht gewesen und ist es jetzt noch, das Leben solcher Christen, die den guten Kampf des Glaubens bis ans Ende mit Beharrlichkeit gekämpft haben, den Mitstreitern desselben Glaubens zur Nachahmung vor die Seele zu führen und man tut wohl daran. Doch ist jede Übertreibung und jeder Ruhm des Fleisches bei solchen Mitteilungen stets verwerflich.

Als Beispiel eines in jeder Beziehung vollkommenen Wandels steht das Leben des Herrn Jesus allein da. Nur Er konnte sagen: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“ (Joh 8,46) und nur von Ihm konnte der Heilige Geist durch Petrus bezeugen: „Der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden“ (1. Pet 2,22). Nichtsdestoweniger sind wir von Ihm selbst aufgefordert, seine Nachfolger zu sein und in seiner Gesinnung zu wandeln (vgl. Lk 14,27; Joh 13,14.34). In gleicher Weise ermahnen uns auch hierzu die Apostel. Paulus schreibt an die Philipper: „[Denn] diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war“ (Phil 2,5), an die Epheser: „Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder“ (Eph 5,1) und Johannes ermahnt: „Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist“ (1. Joh 2,6). Gegenüber diesen und so vielen anderen ernsten Ermahnungen zur Nachfolge des Herrn ist es beklagenswert, wenn Christen, entweder im leichtfertigen Sinn, in falscher Demut oder gar aus verborgenem Weltsinn, selbst die Ermahnung wie der Herr Jesus zu wandeln und so gesinnt zu sein für eine Vermessenheit halten. Sie sagen: Er ist der Herr, der Sohn des lebendigen Gottes und wir sind von Natur arme Sünder. Dies ist wahr. Sie vergessen jedoch, dass wir in Christus der göttlichen Natur und des Geistes des Vaters und des Sohnes teilhaftig geworden sind, dass wir durch diesen Geist zur Kindschaft gekommen und „Abba, Vater!“ rufen. Doch ohne hier weiter auf diesen Gegenstand einzugehen, wollen wir für jetzt vielmehr einen Blick in das Leben des Apostels Paulus werfen, besonders in Bezug auf sein Leben als Christ, wie uns diesen der Heilige Geist in dem Brief an die Philipper, namentlich in dem dritten Kapitel, so einfach und klar darlegt.

Der Apostel durfte den Christen zurufen: „Seid meine Nachahmer“, denn er konnte hinzufügen: „wie auch ich Christi“ (1. Kor 11,1). Er hatte durch den Heiligen Geist das Zeugnis eines aufrichtigen und treuen Christenlebens. Wenn eine Partei in Korinth ihn urteilte, so konnte er sagen: „Denn ich bin mir selbst nichts bewusst“ (1. Kor 4,4) und er konnte die Thessalonicher und sogar Gott selbst als Zeugen anrufen, dass er göttlich, gerecht und unsträflich unter ihnen, den Glaubenden, gelebt hatte (1. Thes 2,10). Dieses Bewusstsein gab ihm die Freimütigkeit, sich selbst den Christen als Vorbild zur Nachahmung hinzustellen. Doch leider finden wir in unseren Tagen viele Christen, die weder auf seine Ermahnung achten noch seinem Beispiel folgen und sich damit begnügen, von ihrer Verderbtheit und von der Mangelhaftigkeit ihres Wandels zu reden, und sie nennen dies: „sich seiner Schwachheit rühmen“. Sie bedenken aber nicht, dass sich hinter solchem Rühmen eine große Trägheit des Geistes und ein weltlicher Sinn verbergen und dass die Kraft der Auferstehung des Christus tatsächlich verleugnet wird. Sie beachten es nicht, dass wir so oft und dringend aufgefordert sind, den Kampf des Glaubens zu kämpfen, das ewige Leben zu ergreifen und bis ans Ende auszuharren.

Beim Durchlesen des Briefs an die Philipper sehen wir, dass der Apostel denselben in seiner Gefangenschaft schrieb. Schon hatte er bis dahin viele und schwere Trübsale durchwandert, in mancherlei Prüfungen waren sein Glaube und seine Zuversicht erprobt worden. So lesen wir in 2. Korinther 11,23–28, wo er zwar in Torheit, wie er selbst sagt, aber in Wahrheit redet: „... In Mühen überreichlicher, in Gefängnissen überreichlicher, in Schlägen übermäßig, in Todesgefahren oft. Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Schläge weniger einen. Dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht; oft auf Reisen, in Gefahren durch Flüsse, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren von meinem Volk, in Gefahren von den Nationen, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern; in Mühe und Beschwerde, in Wachen oft, in Hunger und Durst, in Fasten oft, in Kälte und Blöße; außer dem, was außergewöhnlich ist, noch das, was täglich auf mich andringt: die Sorge um alle Versammlungen“ (vgl. 2. Kor 1,8–10). 

Nichts aber hatte seinen Glaubensmut und seine kindliche Zuversicht gebrochen. Obgleich er schon lange Zeit in der Gefangenschaft zugebracht und auch jetzt noch zur Verantwortung und Bestätigung des Evangeliums vor dem grausamsten Kaiser in Banden und Gefängnis gehalten wurde, obgleich so viele Irrlehrer überall bemüht waren, seine Arbeit vergeblich zu machen und das Werk des Christus zu zerstören, obgleich seine Sehnsucht so sehr groß war, die Versammlungen zu sehen, um für die teure Herde des Herrn zu sorgen, sie zu lehren und zu ermahnen, so war doch sein Herz ohne Murren und Unmut und selbst überströmend von der seligsten Freude am Herrn und von der innigsten Liebe zu Ihm und zu den Seinigen. War seine Lage menschlicher Weise noch so traurig und hoffnungslos, so konnte sie doch sein Herz nicht erreichen. Er sah überall den Herrn. Weil er nur an die Verherrlichung seines Namens dachte, so fand er Ursache genug, sich seines Gottes zu rühmen und zu freuen. Hier ist auch der Schlüssel des Geheimnisses zu diesem zuversichtlichen Glauben und der Grund seiner Freude in allen Drangsalen und Schwierigkeiten. Er hatte sich selbst und alles Sichtbare verloren und Christus war der einzige Gegenstand seiner Anbetung, seiner Freude, seines Rühmens, seines Verlangens und seiner Hoffnung. Christus war sein Ein und Alles. Die Verherrlichung seines Namens war der sehnlichste Wunsch seines Herzens, wofür er so gerne arbeitete und in Leiden ausharrte. Nicht seine Herrlichkeit zu besitzen, so köstlich auch dies Erbteil für ihn war, war das höchste und letzte Ziel seines Lebens, sondern die Person des Christus selbst. Nicht begehrte er, wie jene beiden Jünger, Jakobus und Johannes, zu seiner Rechten oder Linken im Reich zu sitzen (Mk 10,37), sondern Ihn selbst zu haben und zu genießen. Alles war für ihn von untergeordnetem Wert, sobald es sich um die Person des Christus handelte. Nur diese Gesinnung ist es auch allein, was dem Christen einen freudigen Glauben und eine so feste Zuversicht in allen Drangsalen und Schwierigkeiten gibt. Er überwindet in allem, sobald er den Herrn hinein bringt. Die Liebe und Treue des Herrn ist unwandelbar und seine Gegenwart erfüllt das Herz mit Freude und Kraft. Wo aber das Fleisch irgendwie wirksam ist, da ist Ohnmacht und Traurigkeit. Wo wir unseren Vorteil, unsere Ehre und die Dinge dieser Welt suchen, da finden und verherrlichen wir den Christus nicht. 

Der Apostel hatte in den schwierigsten Umständen die Treue und Liebe des Herrn erprobt und immer mehr fand er Ursache, seine Unwandelbarkeit in allem zu preisen. Ja, in den mannigfachsten Versuchungen und in den schwersten Drangsalen konnte er stets mit der freudigsten Zuversicht ausrufen: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13). Seine Seele ruhte in Gott und sein Herz strömte über in der seligsten Freude, die durch keine äußeren Verhältnisse angetastet werden konnte. Denn diese waren nicht die Quelle seiner Freude, sonst würde sie wandelbar gewesen sein, wie es jene sind. Gott selbst war es, woraus er stets schöpfte. Ihn, den er kannte und liebte, fand er in allen, auch selbst in den traurigsten Umständen, und so blieb sein Herz stets voll der seligsten Freude.

Sobald wir allein mit Christus in verborgener Gemeinschaft wandeln, so lernen wir Ihn immer besser kennen. Je länger, desto köstlicher wird Er für unser Herz und wir verstehen immer mehr die so tiefe und überströmende Quelle seiner Liebe und Gnade. Ist seine Person der alleinige Gegenstand unseres Lebens, unserer Anbetung und Liebe, so hat alles Sichtbare keinen Wert mehr für uns. Wir sind glücklich, weil wir Ihn haben und mit Ihm wandeln können.

Das Band der Gemeinschaft zwischen dem Apostel und den Philippern war ein sehr inniges und festes. Er gedachte ihrer in allen seinen Gebeten und tat das Gebet mit Freuden (Phil 1,3.4). Seine Liebe vergaß die eigene traurige Lage und war stets wirksam für Andere. Dies ist immer der Charakter der Liebe des Christus. Sie sucht nicht das Ihre, sondern das, was des Anderen ist. Das Herz des Apostels lebte für die Philipper. Sie waren sowohl in seinen Banden als auch in der Verantwortung und Bestätigung des Evangeliums seine Mitteilnehmer der Gnade (Phil 1,7). Er sehnt sich nach ihnen allen mit dem Herzen des Christus. Dasselbe Verlangen, was in dem Herzen des Christus nach der Vereinigung mit seiner Kirche wohnte, erfüllte auch sein Herz in Betreff seiner Vereinigung mit den Philippern. Er bittet für den steten Wachstum ihrer Liebe, damit sie am Tag Christi untadelig und unanstößig, erfüllt mit Früchten der Gerechtigkeit, dastehen möchten (Phil 1,8–11). Er teilt ihnen seine Umstände, wie sie noch mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind, und seine herzliche Freude darüber mit (Phil 1,12–20). Er drückt sein tiefes Verlangen aus, abzuscheiden und bei Christus zu sein und doch versichert er ihnen, dass er zur Förderung und Freude ihres Glaubens bei ihnen bleiben würde (Phil 1,21–26). Er ermahnt sie zu einem würdigen Wandel (Phil 1,27), er tröstet sie in ihren Trübsalen (Phil 1,28–30), er ermuntert sie zur Gleichgesinnung und Demut (Phil 2,1–12), er fordert sie auf, sich stets des Herrn zu freuen (Phil 2,18; 3,1; 4,4) und drückt seine eigene große Freude darüber aus, dass sie wiederum aufgelebt und seiner in seiner Gefangenschaft mit einer so reichlichen Liebesgabe gedacht haben. Der Apostel hatte zwar gelernt hoch und niedrig, satt und hungrig zu sein, Überfluss und Mangel zu haben. Darum war es nicht die Gabe der Philipper, die er suchte, sondern er erkannte darin die Frucht ihres Glaubens und die in ihnen reichlich wirksame Gnade und Liebe Gottes. 

Diese Gabe war eine Frucht in ihrer eigenen Rechnung am Tag des Herrn und der Apostel nennt sie „einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig“ (Phil 4,18). Das ist es vor allem, worüber er in Betreff der Gabe der Philipper so hoch erfreut ist. Doch welch einen Blick lässt uns diese Gesinnung des Apostels in sein Herz tun! Sich selbst hatte er beiseite gesetzt, sein Dienst und seine Liebe waren mit ganzer Hingebung für andere beschäftigt. Diese Gesinnung aber kann uns sowohl tief beschämen als auch, wenn unser Herz vor dem Herrn aufrichtig ist, zu eifriger Nachahmung reizen.

Die Gefangenschaft des Apostels blieb, wie wir schon gehört haben, für das Evangelium nicht ohne Wirkung und diente sogar, wie er selbst den Philippern schreibt, zur Förderung desselben (Phil 1,12). Seine Bande in dem Christus waren an dem ganzen Prätorium und bei den übrigen allen offenbar geworden. Mehrere Brüder im Herrn, indem sie durch seine Banden Vertrauen gewonnen hatten, waren viel kühner geworden, furchtlos das Wort des Herrn zu reden (Phil 1,14). Dies erfüllte das Herz des Apostels mit Freude, die selbst dadurch nicht verhindert wurde, wenn viele aus Neid und Zank Christus predigten (Phil 1,15). Waren auch diese Werkzeuge ein Gegenstand der Betrübnis, so schaute doch das Auge des Apostels weiter über sie hinaus und erkannte, dass Christus auf alle Weise verkündigt wurde (Phil 1,18). Christus war ja der Mittelpunkt aller seiner Gedanken und die Verherrlichung seines Namens der Grund seiner Freude und seiner Geduld. Hätte er an sich selbst gedacht, so war seine ganze Lage nur geeignet, sein Herz mit Unmut und Traurigkeit zu erfüllen.

 Er wurde zur Verantwortung vor einen der grausamsten Kaiser aufbewahrt. Banden und Gefängnis hinderten ihn, seine sonst so gesegnete Wirksamkeit fortzusetzen. Viele in seiner Umgebung verkündigten Christus nicht lauter, sondern aus Eifersucht und gedachten seinen Banden Trübsal zuzuwenden. Er musste noch dazu erfahren, dass alle das Ihrige suchten und nicht das, was des Christus war. Doch sein Herz ließ sich durch alle diese traurigen Umstände nicht niederdrücken, es lebte und ruhte in Christus. Sein Blick war unverwandt auf den gerichtet, der ihn mit Trost und Freude erfüllte. Wenn auch niemand den Herrn sehen konnte, so sah Ihn doch sein Glaube und durch diesen war er stets mit Ihm in einem lebendigen und innigen Verkehr. Er freute sich denn auch jetzt und wusste, dass ihm auch dieses durch das Gebet der Philipper und durch Darreichung des Geistes des Herrn Jesus Christus zur Seligkeit ausschlagen würde. Seine Sehnsucht und Hoffnung war, dass Christus allezeit, so auch jetzt, an seinem Leib, es sei durch Leben oder Tod, hochgepriesen werden möchte (Phil 1,19.20).

Wie glücklich und stille ist unser Herz, sobald die Person des Christus der alleinige Zweck unseres Lebens ist. Mit welcher Zuversicht gehen wir durch jede neue Prüfung, wenn wir in seiner Gemeinschaft wandeln und nur an die Verherrlichung seines Namens denken. Wie sind wir mit so herzlicher Freude erfüllt, wenn nur Christus durch uns und durch andere in Wahrheit verherrlicht und gepriesen wird.

Der Apostel sehnte sich nach seinem Abscheiden von hier und der Grund dieser Sehnsucht war Christus. Er selbst sagt: „… indem ich Lust habe, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser“ (Phil 1,23). Er wusste, dass er dahin ging, wo Christus war, und somit war das Sterben nur Gewinn für ihn (Phil 1,21). Dort konnte er weit völliger und inniger seine persönliche Gegenwart genießen. Dort war kein Feind mehr beschäftigt, seine so selige Gemeinschaft mit dem Herrn zu stören. Diese ungetrübte Gemeinschaft mit Ihm war ja auch der sehnlichste Wunsch seines Herzens, weil Christus sein Teuerstes und Höchstes, ja, sein alles war. Doch er kannte auch die Gesinnung des Christus zu seiner Gemeinde, die sein Leib ist. Durch die Offenbarung des Geistes und durch einen vieljährigen und innigen Verkehr mit Ihm selbst verstand er die Tragweite seiner Liebe und Treue, seiner Sorge und Pflege für sie, wofür Er sich selbst hingegeben hatte.

 So wusste er auch jetzt ganz zuversichtlich – weil ja die Gesinnung des Christus für seine Gemeinde sein eigenes Herz erfüllte und er überzeugt war, dass sein Bleiben im Fleisch den Philippern zur Förderung und Freude ihres Glaubens dienlich war –, dass er bleiben würde. Weder seine Lage noch der christenfeindliche Kaiser ließen ihm die geringste Hoffnung zu dieser Zuversicht, aber er erkannte die Gedanken des Christus und wusste, dass der Strom seiner Liebe für seine Gemeinde sich durch nichts hemmen lässt. Zwar hatte der Apostel große Lust abzuscheiden und für seine Person wusste er nicht, wenn er das eine und das andere bedachte, was er lieber wählen sollte, aber alles trat in den Hintergrund, wenn die Gemeinde des Christus in die Frage gezogen wurde und sobald er wusste, dass die Philipper durch sein Bleiben gesegnet waren. Wenn Christus für uns alles ist, so sind auch seine Neigungen und Gedanken die unsrigen. Wir beschäftigen uns mit den Dingen, womit Er sich beschäftigt und lieben alles, was ein Gegenstand seiner Liebe ist.

Mit welcher freudigen Bereitwilligkeit der Apostel sein Leben zum Opfer darbrachte, sobald es sich um Christus und seine Gemeinde handelte, lesen wir in Kapitel 2,17 und 18: „Aber wenn ich auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens gesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen. Ebenso aber freut auch ihr euch und freut euch mit mir!“. Er kannte den Vorzug, dem ganz und gar anzugehören, der ihn um einen teuren Preis erkauft hatte. Er hielt es für eine süße Freude, sich Ihm zu einem wohlgefälligen Opfer darzulegen. Sein Leben war stets Christus. Sein Wirken, sein Dulden und sein Kämpfen hatten nur Ihn zum Zweck, so war auch die Verherrlichung des Christus allein der Grund dieser freudigen Darbringung seines Lebens. Die Bereitwilligkeit, die wir auf seiner letzten Reise nach Jerusalem bei ihm finden, nach welcher er nicht allein bereit war sich binden zu lassen, sondern auch um des Namens des Herrn Jesus willen zu sterben, war nach einer mehrjährigen traurigen Gefangenschaft ungeschwächt geblieben. Nicht allein ungeschwächt, sondern sie ist sogar durch mancherlei Erfahrungen noch befestigt worden. Wie er Christus lehrte, wie sein eigenes Herz Ihn kannte, so fand er Ihn in allen Umständen und dies vermehrte stets seine innige Zuneigung und seine freudige Zuversicht. Diese selige Erfahrung wird jeder treue Christ machen, wenn die Person des Christus allein sein Herz erfüllt. Doch wollen wir jetzt das dritte Kapitel des Briefes etwas näher betrachten.

„Im Übrigen, meine Brüder, freut euch in dem Herrn!“ (Phil 3,1). Der Apostel wusste aus eigener Erfahrung, was die Freude im Herrn ist und welche segensreiche Wirkung sie auf das Leben des Christen hat. Sie ist ein Ausfluss der Erkenntnis Gottes und seines Verhältnisses zu uns. Wenn wir die Liebe Gottes und was noch mehr ist, Ihn selbst, ohne Störung genießen, so ist unsere Freude völlig. Solange aber unser Gewissen nicht befreit ist oder solange wir die Liebe Gottes von der Treue unseres Lebens abhängig machen, wird der Strom dieser Liebe und somit auch die Freude im Herrn in unseren Herzen ein Hindernis finden. Es ist Furcht da und wo diese ist, da ist Pein, aber in der völligen Liebe ist keine Furcht. Ist unser Gewissen durch das Werk des Christus ganz und gar gereinigt und haben wir verstanden, dass dieses Werk allein der Beweggrund der vollkommenen Liebe Gottes zu uns ist, so genießen wir diese Liebe ungehindert. Jedoch ist dieser Genuss für unsere Herzen desto köstlicher, je treuer und inniger wir in der Gemeinschaft mit Gott wandeln, weil wir dann immer mehr verstehen, was diese Liebe ist. Unsere Freude ist völlig, wenn die überreichliche Liebe des Christus durch nichts in unseren Herzen beengt wird. 

„Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt; bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe bleiben, wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde“ (Joh 15,9–11). Wenn der Apostel Johannes in 1. Johannes 1,1–3 von der Herrlichkeit des Christus und unserer Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn gesprochen hat, fügt er in Vers 4 hinzu: „Und dies schreiben wir euch, damit eure Freude völlig sei“. 

So sehen wir hier den Herrn Jesus durch die Versicherung seiner völligen Liebe zu uns und den Heiligen Geist durch das Gefühl unserer Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn beschäftigt, unsere Freude vollkommen zu machen. Die Erkenntnis des Heils, die Offenbarung der Liebe und der Herrlichkeit Gottes und vor allem die Erkenntnis der Person des Christus selbst ist die Quelle einer unaussprechlichen Freude. Nur dann sind wir ganz glücklich, wenn wir das lebendige Bewusstsein in uns tragen, Ihn selbst zu besitzen und wenn jedes Bedürfnis der Seele in Ihm seinen Ausgangspunkt hat. Nicht weniger ist aber auch die Freude am Herrn stets unsere Stärke. Wer kann uns schaden und vor wem sollten wir uns fürchten, wenn der Herr überall bei uns ist?

Der Charakter unseres Hinzunahens zu Gott sowie auch unseres Dienstes vor Ihm ist immer von unserer Befreiung abhängig. Nur dann, wenn unser Gewissen durch das Werk des Christus und die Gegenwart des Heiligen Geistes völlig befreit ist, nahen wir mit Freimütigkeit und dienen mit wahrhaftigem Herzen. Wir wissen dann auch, dass unser Dienst vor Gott angenehm ist. So lange wir Gott und uns nicht völlig erkannt haben, kann viel Neigung da sein, Gott zu dienen, aber es fehlt die Kraft, weil das Fleisch ohnmächtig ist. Ehe man Gott dienen kann, muss man sich von Ihm dienen lassen. Maria, die zu den Füßen Jesu saß, hatte das gute Teil erwählt (vgl. Lk 10,42). Bei dem Dienst einer unbefreiten Seele ist das Fleisch wirksam und sucht mehr oder weniger seine Vorzüge und seine Gerechtigkeit vor Gott geltend zu machen. So lange aber der Herr uns nicht dient, haben wir keinen Teil mit Ihm (Joh 13,8). Das Fleisch sucht stets einen äußerlichen Gottesdienst, damit es vor Gott Ruhm habe. Der wahre Dienst vor Gott aber ist der des Geistes, worin nur der Glaube, der nichts anders als Christus und sein Werk kennt, wirksam ist. „Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen“ (Phil 3,3). 

So steht der Dienst des Fleisches ganz im Gegensatz zu dem des Geistes. Die Irrlehrer waren unter den Philippern beschäftigt, den Ruhm des Christus und den Dienst des Geistes mit dem Ruhm und dem Dienst des Fleisches zu vermengen und somit das vollkommene Werk des Christus zu verstümmeln und die wahrhaftige Freiheit der Christen zu untergraben. Deshalb bezeichnet sie der Apostel als „Hunde, böse Arbeiter und die Zerschneidung“ (Phil 3,2). In Vers 18 und 19 nennt er sie mit Weinen „die Feinde des Kreuzes des Christus, deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen.“

Wäre der Ruhm des Fleisches nur von irgendeinem Wert vor Gott, so hätte der Apostel vor allen Ursache genug gehabt, sich dessen zu rühmen. „Wenn irgendein anderer meint, auf Fleisch zu vertrauen – ich noch mehr: Beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer; was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Versammlung; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, für untadelig befunden“ (Phil 3,4–6). Doch wo bleibt dieser Ruhm des Fleisches, wenn das Wort Gottes sagt: „Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,22.23)? Und wiederum: „Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet“ (Röm 4,5).

 Aus Gesetzeswerken kann kein Fleisch vor Ihm gerechtfertigt werden (Röm 3,20). Vielmehr ist die Wirksamkeit des Fleisches eine Feindschaft gegen Gott, weil sie entweder mit der Person oder mit dem Werk des Christus ganz und gar im Gegensatz steht. Dies sehen wir sehr deutlich, wenn wir einen Blick auf das werfen, wessen sich der Apostel dem Fleisch nach rühmen konnte. Er gehörte einer Nation an, die Christus kreuzigte, er war Glied einer Sekte, die Ihn am meisten hasste und verfolgte. In seinem Eifer für die Aufrechterhaltung der väterlichen Satzungen ging er selbst weiter als die Hohenpriester, indem er sich nicht damit begnügte, die Gemeinde in Jerusalem zu zerstören und Männer und Frauen dem Gefängnis zu überliefern (Apg 8,3), sondern sich auch von jenen Briefe an die Synagoge zu Damaskus geben ließ, um alle, die „des Weges“ waren, gebunden nach Jerusalem zu führen (Apg 9,2). Er verfolgte die Gemeinde, wovon der Herr Jesus sagt: „Was verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Und schließlich machte er durch seine Unsträflichkeit nach dem Gesetz die Person und das Werk des Christus für sich selbst ganz und gar überflüssig und ungültig (vgl. Phil 3,6).

Da sehen wir, was der Ruhm des Fleisches, was seine Frömmigkeit und Gerechtigkeit vor Gott ist. Das Fleisch steht in keiner Verbindung mit Ihm und seine Wirksamkeit, d. i. die des unbekehrten Menschen, ist vor Ihm ein Gräuel. Dies umso mehr, je mehr das Fleisch den Schein der Frömmigkeit oder des Gottesdienstes annimmt. Wir sind von Natur tot in Sünden und Übertretungen und kommen erst dann mit Gott in Gemeinschaft, wenn wir mit Christus lebendig gemacht und durch den Glauben mit Ihm auferstanden sind. Nur als Auferstandene haben wir ein Verhältnis mit Gott. Es ist daher eine schreckliche Verblendung, Gott dienen zu wollen, so lange man noch unbekehrt ist oder unbekehrte Seelen durch Zeremonien, Gelübde oder gottesdienstliche Handlungen mit Gott in Verbindung zu bringen. 

Dies heißt in der Tat Gott verunehren, das Werk des Christus verstümmeln und das Fleisch in die Gegenwart Gottes bringen. Mag auch die Welt jeden Sonntag oder auch an einem anderen Tag beschäftigt sein, Kultus oder Gottesdienst zu halten – sie tut nur, was vor Gott ein Gräuel ist. Dies sollten alle wahrhaftigen Christen wohl verstehen. Gewiss, sie werden es, sobald es ihnen nur um die Ehre Gottes geht, sie werden dann nicht allein die Verwerflichkeit eines solchen Gottesdienstes erkennen, sondern noch vielmehr sich in keiner Weise daran beteiligen, um sich nicht fremder Sünden teilhaftig zu machen, wie geschrieben steht: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? 

Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes“ (2. Kor 6,14–16). Finden wir nun in unseren Tagen, dass so viele Christen gegenüber solchen klaren und bestimmten Ansprüchen des göttlichen Wortes und selbst gegen eine bessere Überzeugung beschäftigt bleiben, in Gemeinschaft mit der Welt Gottesdienst zu pflegen, so verrät dies nur eine Gleichgültigkeit gegen die Ehre Gottes, oder eine geheime Feindschaft gegen das Kreuz des Christus und dessen Schmach, oder auch einen weltlichen Sinn.  Dies ist gewiss nichts Geringes.

Der Apostel sagt in Vers 7: „Aber was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet.“ So lange er an sich dachte, fand er, was für ihn Gewinn war; sobald er aber Bekanntschaft mit Jesu gemacht hatte, hielt er seinen Gewinn nur für Verlust. Je größer der Ruhm des Fleisches ist, desto größer ist die Entfernung von Christus. Wir müssen alles verlieren, was wir haben, um Christus ganz zu besitzen. „Ja wahrlich …“ – fügt der Apostel in Vers 8 hinzu – „… ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne.“ Nichts war ihm in der Welt geblieben als Bande und Gefängnis, aber jenseits dieser Welt sah er Christus in der Herrlichkeit. Ihn zu gewinnen war der einzige Beweggrund, weshalb er alles eingebüßt und für Verlust und Dreck geachtet hatte. Die Vortrefflichkeit seiner Erkenntnis überwog alles, seine Freude, sein Ruhm, sein Schatz, sein Leben war allein Christus.

Der Apostel hatte schon den Herrn in der Herrlichkeit gesehen, es war jetzt der einzige Zweck seines Lebens Ihn so zu gewinnen und völlig zu besitzen. Dieser hohe Zweck stärkte ihn im Kampf, erhielt ihn freudig in den größten Drangsalen und machte ihn völlig bereit alles andere zu verlassen. Er beschaute nicht das, was er schon empfangen hatte, er rühmte sich nicht irgend einer Gabe, sondern Christus selbst war der köstliche Kampfpreis, auf welchen stets sein Blick gerichtet blieb, „und in ihm gefunden werde, indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die, die durch den Glauben an Christus ist – die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben“ (Phil 3,9). Zwar hatte er diese Gerechtigkeit schon im Glauben erkannt und erfasst, sodass er ohne Furcht in der Gegenwart Gottes lebte, es sollte auch ihre ganze Fülle in seinem Leben sich verwirklichen. Er wollte nur in Christus erfunden werden. Die Gerechtigkeit Gottes haben wir stets vollkommen in Christus Jesus und sobald der Glaube sie ergreift, haben wir Frieden mit Gott. Doch ist die Verwirklichung dieser Gerechtigkeit in unserem Christenleben stets dem Wachstum unterworfen. Diese völlige Verwirklichung aber wünschte der Apostel, damit überall nur der Ruhm des Christus übrig bleibe.

In Vers 10 und 11 sagte er: „um ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde, ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten.“ Das Ziel seines Laufs und seines Kampfs war also die Auferstehung aus den Toten. Hatte er dieses Ziel erreicht, so hatte er Christus völlig gewonnen und Ihn wiedergefunden, wie er Ihn gesehen hat. Dann konnte er seine persönliche Gegenwart in ungetrübter Gemeinschaft genießen, dann war der Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus gewonnen (Phil 3,14). Doch wenn sein Blick auch unverrückt auf diesen Preis gerichtet bliebe, so war er doch jetzt noch ein Fremdling in der Wüste und von Versuchungen aller Art umgeben. Nichts aber vermochte ihn von der Liebe des Christus zu scheiden, vielmehr wünschte er die Gemeinschaft seiner Leiden und selbst seinem Tod ähnlich zu werden.

 Dies Verlangen lässt uns verstehen, warum weder das langjährige Gefängnis noch der augenscheinlich nahe Tod seine Freude im Herrn trübte. Mit der größten Bereitwilligkeit ging er durch dieses alles hindurch, um nur zur Auferstehung aus den Toten hinzugelangen. Er hatte die Kraft der Auferstehung des Christus erfahren, weil er vom Tod zum Leben hindurchgedrungen war. Er besaß auch die Kraft dieses Lebens stets völlig in Christus, doch war es sein Verlangen, dass sie sich in Ihm vollkommen verwirkliche und dass sich ihre ganze Fülle in seinem Leben offenbare. Es war ihm nicht nur darum zu tun, dass durch die Erkenntnis des Christus und seines Werkes sein Gewissen beruhigt und sein Herz glücklich sei, sondern dass die Person des Christus allein gepriesen und verherrlicht werde. Dieses wird auch stets unsere vollkommene Freude in der Herrlichkeit ausmachen. Doch glückselig die Seele, die schon hier als Fremdling in der Wüste dieses süße Geheimnis versteht und kein anderes Ziel kennt und von keinem anderen Kampfpreis weiß, als Jesus in der Herrlichkeit zu gewinnen und völlig zu besitzen.

Viele Christen begnügen sich in unseren Tagen damit zu wissen, dass sie bekehrt und ihrer Seligkeit gewiss sind. Dies Bewusstsein ist auch nötig und sehr köstlich, aber es ist nicht das Ziel des Christen. Wenn auch in dem Werk des Christus unsere Seligkeit das Nächste ist, so ist doch die Verherrlichung Gottes und des Christus darin das Höchste. Solange das Werk Gottes in mir der Gegenstand ist, auf welches meine Blicke gerichtet sind, solange ist nicht die Person des Christus der einzige Zweck meines Lebens und ich werde dann auch nur allezeit an das denken, was mir nützt. Sobald aber Christus allein mein Ruhm und meine Freude ist, sobald ich um seinetwillen alles verliere, um den Herrn Jesus zu erkennen und zu gewinnen, um in Ihm allein erfunden zu werden, sobald ich wünsche alles zu leiden, um nur Ihn in der Herrlichkeit zu besitzen, dann denke ich auch in allem nur an seine Ehre und Verherrlichung und suche stets den guten und wohlgefälligen Willen Gottes zu tun. Diese Gesinnung übt einen mächtig wirkenden Einfluss auf unser ganzes Leben aus, sowohl vor Gott als auch unter den Gläubigen und der Welt. Wir werden dann nicht unsere Gedanken zum Maßstab nehmen, um alles zu prüfen, sondern die Gedanken oder das Wort Gottes. In jede Frage werden wir den Herrn bringen und seine Ehre und sein Wille werden uns stets heilig sein. O möchte doch der Heilige Geist diese Gesinnung in allen Herzen der Christen angesichts der so nahen Ankunft des Herrn einpflanzen.

Der Apostel begnügte sich nicht nur mit der festen Überzeugung aus der argen Welt durch Christus erlöst und ein Kind Gottes zu sein, obgleich das völlige Bewusstsein stets sein Herz erfüllte. Sein Ziel war, wie wir gesehen haben, Christus in der Herrlichkeit zu besitzen. Und dieses Ziel auf seinem ganzen Pilgerlauf durch diese Wüste im Auge haltend, sagte er: „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3,13.14).

Die Berufung Gottes ist Christus in der Herrlichkeit zu besitzen. Dies war der herrliche Kampfpreis, wonach der Apostel sich stets ausstreckte und wofür er alles verlassen hatte. Wenn auch noch in der Wüste lebend, so war er doch nicht mehr von der Welt. Er war aus ihr ausgegangen, hatte alles darin um Christus willen verloren. Sein Herz und sein Blick waren nach oben gerichtet, nach dem, was vor ihm lag und was er allein zu erlangen strebte. Die Welt aber und alles, dessen das Fleisch sich rühmt, lag hinter ihm und er vergaß es. Noch war er nicht vollendet, noch hatte er das herrliche Ziel nicht erreicht, aber er wusste, dass er deshalb von Christus ergriffen war, um es zu erreichen. Er sieht noch das Licht in der Ferne, es leuchtet ihm auf dem Weg, auf welchem er unermüdet und unaufhaltsam fortläuft. Je näher er dem Licht kommt, desto heller wird der Lichtglanz auf dem Weg, doch ist es nicht seine Freude und sein Ziel sich an diesem Glanz zu ergötzen, sondern das Licht selbst zu erlangen und zu besitzen. Christus in der Herrlichkeit war für ihn dieses Licht. Die Strahlen seiner Gnade und Liebe waren bis in das Innerste seiner Seele gedrungen, aber nicht diese waren es, wonach er sich ausstreckte, sondern er begehrte Ihn selbst zu besitzen, von welchem diese erfreuenden, nur segnenden Strahlen ausgingen.

Sein Leib gehörte noch dieser Schöpfung an und die Niedrigkeit dieser Hütte trennte ihn von Christus in der Herrlichkeit. Darum war das Verlangen seines Herzens so sehr auf die Auferstehung aus den Toten gerichtet. Um diese zu erreichen, wünschte er die Gemeinschaft der Leiden des Christus und selbst seinem Tod ähnlich zu werden. Dann wird dies Verwesliche Unverweslichkeit und dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen (vgl. 1. Kor 15,53). Dann trennt die Glieder des Christus nichts mehr von ihrem Haupt in der himmlischen Herrlichkeit.

Das tiefe Begehren seines Herzens zu dieser Auferstehung hinzugelangen war zugleich mit der lebendigsten und zuversichtlichsten Hoffnung begleitet, denn am Schluss des Kapitels lesen wir: „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (Phil 3,20.21). Jesus war gekommen zur Erlösung der Seele und der Apostel hatte selbst die wirksame Kraft seines vollendeten Werkes erfahren, aber nun erwartete er ihn auch zur Erlösung und Befreiung seines Leibes, wofür dasselbe Lösegeld, nämlich sein Blut, bezahlt war. Diese Hoffnung und Erwartung ist jetzt der köstlichste Gegenstand, der unsere Seele erfüllt, wenn wir seine Erscheinung lieben.

Geliebte Brüder! Der Heilige Geist hat uns in dem angeführten Brief ein klares Bild von dem Leben und dem Kampf des Apostels als Fremdling in der Wüste vor die Seele geführt, ein Bild, was sowohl ermunternd und stärkend auf unsere Herzen wirkt als auch zur Nachahmung reizt. Die Erfahrungen des Apostels sind einfach, denn er hatte alles vergessen, was hinter ihm lag und streckte sich allein nach dem Kampfpreis aus, der vor ihm war. So viele unser nun vollkommen sind, so viele unser die Auferstehung des Christus und die unsere, wenn Er wiederkommt, verstanden haben, lasst uns so gesinnt sein. So lange wir das hinter uns Liegende nicht vergessen können, müssen wir es oft durch viele und schmerzliche Erfahrungen lernen. Wir werden so lange verlieren müssen, bis nur Er allein für uns übrig bleibt.

Wir haben gesehen, dass der Apostel in allem, sowohl in der Gegenwart als in der Zukunft, nur einen Gegenstand hatte, nämlich Christus. Gewiss, Er ist ja auch in jeder Lage genug. Die Bekanntschaft mit Ihm gibt sowohl dem Gewissen als auch dem Herzen völligen Frieden und selbst eine Glückseligkeit, die über alles geht. Und es ist köstlich nicht nur zu wissen, was Er für uns ist, sondern alles das, was Er ist, in unserem Leben zu verwirklichen.

Die Verhältnisse dieses Lebens sind wandelbar, wie es auch unsere Gefühle sind, und sobald wir auf diese oder jene unseren Frieden und unsere Glückseligkeit gründen, werden wir uns stets getäuscht sehen. Nur Gott ist unveränderlich und seine Liebe und Gesinnung bleibt stets dieselbe. Er ist nicht allein in den schwierigsten Umständen für uns ausreichend, sondern ist in denselben selbst eine Quelle von Freuden. Es gibt Verhältnisse, die nur geeignet sind, Traurigkeit zu erwecken. Darum sollen wir nicht diese anschauen, sondern stets Christus darin finden. Er selbst ist ja durch alle diese Umstände gegangen, denn Er ist in allem, gleich wie wir, versucht worden, ausgenommen die Sünde. Finde ich Christus selbst in allen Umständen, so finde ich auch die Liebe Gottes darin und darum ist es auch unmöglich, dass uns etwas von dieser Liebe scheiden kann.

 „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,38.39). So lange unsere Herzen von allen Umständen stets frei bleiben, können wir uns stets im Herrn freuen, aber sobald wir diese mit Besorgnis anschauen, stellen sie sich zwischen den Herrn und uns und unser Friede ist gestört. Nicht umsonst ruft uns der Heilige Geist zu: „Seid um nichts besorgt“ (Phil 4,6). O möchte doch dieses „nichts“ von unseren Herzen verstanden werden, dass es alles umfasst, was in dieser Welt ist. Gott ist da und Er ist für alles genug. Darum soll stets unser Bitten und Flehen vor Ihm mit Danksagung kund werden und der Friede Gottes, der über alles geht, wird unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus bewahren.

O, geliebte Brüder! Lasst uns doch stets mit Gott wandeln, lasst uns Christus allein anschauen, alles vergessen, was hinter uns ist und uns ausstrecken nach dem vorgesteckten Ziel, bis wir Christus selbst in der Herrlichkeit besitzen. Lasst uns auf die sehen, welche der Heilige Geist uns zum Vorbild hingestellt hat und so leben bis ans Ende.

WIR HABEN DEN HERRN GESEHEN (JOHANNES 20)
Meine geliebten Brüder! Es heißt in einer Stelle der Schrift: „Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn“ (1. Kor 1,9). Ich möchte euch alle auffordern, euch über den Gegenstand dieses „vollbrachten Werkes“ recht klar zu werden, um in dieser Beziehung in Frieden zu sein und dann weiter zu gehen, um den vielgeliebten Herrn immer besser kennen zu lernen, der dieses Werk für euch getan hat.

Betrachtet Römer 8 und andere ähnliche Teile der Schrift. Ihr seht darin, dass ihr zu „Söhnen und Töchtern“ des allmächtigen Gottes gemacht seid. Seid ihr, teure Brüder, wohl einmal stehen geblieben, glücklich über diesen Ausdruck: „Söhne Gottes“? Nicht Söhne sterblicher Menschen, sondern Söhne des heiligen, unveränderlichen, ewigen Gottes! Das ist zu groß, um durch das menschliche Herz begriffen zu werden. „Erben Gottes!“ Es ist nichts, was Gott besitzt, das nicht einen Teil unsers Erbteils ausmache. „ Miterben Christi!“ Wenn diese Wahrheiten vollständig unsere Herzen regierten, welche kostbaren Resultate würden wir daraus hervorgehen sehen! Wie würde die Welt für uns ein reines Nichts sein! Wir wünschen oft unsere Ansprüche und unsere Rechte durch die Menschen anerkannt zu sehen. Ach! wenn wir gleicherweise in dem Bewusstsein wandelten im Besitz dessen zu sein, welches unverwelklich ist, inmitten all der Dinge, die verwelken – die Wahrheit zu erkennen, wenn alles, was uns umgibt, nur Lüge ist!

Das in der Überschrift angeführte Kapitel redet nicht von dem Werk Christi, es sei denn andeutungsweise in der im 20. Vers berichteten Tatsache, dass der Herr Jesus seinen Jüngern seine Hände und seine Seite zeigte. Aber es enthält viel Köstliches über den Herrn und über die Art, wie die Zuneigung der Seinigen zu Ihm hingelenkt wird. Meine geliebten Brüder! Wenn ihr vorwärts schaut auf die Ankunft des Herrn Jesus Christus, was ist darin für euch die glänzendste und köstlichste Seite? Ist es nicht der Gedanke, ewig bei dem Lamm zu sein und Ihm zu folgen, wohin es geht?

In Johannes 16,16 lesen wir: „Eine kleine Zeit, und ihr schaut mich nicht mehr, und wieder eine kleine Zeit, und ihr werdet mich sehen, [weil ich zum Vater hingehe].“ Es ist sehr schwierig, das zu verstehen, dachten die Jünger. „Da sprachen sie: Was ist das für eine kleine Zeit, wovon er redet? Wir wissen nicht, was er sagt. Jesus erkannte, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Darüber fragt ihr euch untereinander, dass ich sagte: Eine kleine Zeit, und ihr schaut mich nicht, und wieder eine kleine Zeit, und ihr werdet mich sehen?“ (Joh 16,18.19). Der Herr sagt ihnen dann, was mit seinem Hingang zum Vater verbunden sei.

Geliebte! Es ist die Zeit jetzt da im Namen des Herrn Jesus zu beten, und zwar mit der Versicherung, durch den Herrn gehört und erhört zu werden. Es ist die Zeit eine Fülle von Freuden zu genießen, mit dem Herrn Jesus Gemeinschaft zu haben und Ihn wiederzusehen. Es ist hier nicht eine Frage, welche auf die Vergebung der Sünden Bezug hat. Wir erlangen die Vergebung der Sünden durch das Kreuz des Herrn Jesus, durch seinen Tod. Es ist mehr. Der Herr sagt: „Ich werde euch sehen.“ Die Erkenntnis der Vergebung Gottes durch die Besprengung des Blutes des Christus ist ohne Zweifel von großer Freude begleitet. Doch ist hier noch etwas mehr, es ist eine andere Freude, die uns gehört und die wir zu schätzen wissen sollen inmitten aller Unruhe und Angst. Es ist die Freude, die für uns aus der Verwirklichung der Gegenwart des Herrn entspringt.

Der Herr Jesus sagt in Johannes 14,18: „Ich werde euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu euch.“ Der Herr ging, um die Welt für immer zu verlassen. „Noch eine kleine Zeit“, sagt Er, „und die Welt sieht mich nicht mehr“. Aber dann fügt Er, sich zu seinen Jüngern wendend, hinzu: „ihr aber seht mich.“

Wir dürfen schon hier immer mit Jesu und bei Ihm sein, wie wir es während der Ewigkeit sein werden. „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Ich habe, meine Brüder, nicht nötig hinzuzufügen, dass diese Worte uns auch jetzt durch den Heiligen Geist zugerufen werden und dass sie ebenso wahrhaftig für uns sind als für die Jünger, die sie hörten. „Judas, nicht der Iskariot, spricht zu ihm: Herr, und was ist geschehen, dass du dich selbst uns offenbaren willst und nicht der Welt? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Joh 14,22.23). Das Herz des Menschen kann niemals befriedigt sein – es ist in ihm eine Leere, die nicht ausgefüllt werden kann – durch irgendetwas, es sei denn durch die Gegenwart des Herrn Jesus. Betrachtet die geheimnisvollen Offenbarungen des Herrn an seine Brüder während der vierzig Tage, die seiner Himmelfahrt vorangingen. Sie waren sehr verschieden und, wie ich glaube, dazu bestimmt, die verschiedenen Wege zu beschreiben, auf denen Er sich während seiner Abwesenheit offenbaren würde, nach den verschiedenen Bedürfnissen seiner Erkauften. So war in unserem Kapitel 20 die Lage der Maria eine andere (Joh 20,14), eine andere war die der Jünger hinter den verschlossenen Türen (Joh 20,19) und eine andere war die des Thomas (Joh 20,26–28), aber der Herr entspricht durch seine Gegenwart jedem in diesen Lagen und macht sie alle durch diese Gegenwart glücklich.

Es ist ungemein köstlich, Geliebte, zu wissen, dass der Herr mit uns ist, sodass wir das Wort verwirklichen könnten: „Eure Freude nimmt niemand von euch“ (Joh 16,22).

Der Herr war von seinen Jüngern hinweggenommen worden. Maria weint bei dem Grab Jesu. Die zwei Jünger wanderten ganz traurig nach Emmaus. Alle ihre Gedanken drehten sich um diesen einen Punkt: Der Herr ist gestorben. Ihre Herzen waren innig mit Ihm verbunden, ihre Schicksale hingen von Ihm ab. Sie waren durch seine Gnade gezogen worden, sie erkannten Ihn als den Sohn Gottes. Alles, was sie hofften, alles, was sie erwarteten, sie hofften und erwarteten es von Ihm, durch Ihn und mit Ihm. Sie hatten alles verloren, ihre Herzen waren gebrochen, vollständig entmutigt. Derjenige, der ihre Freude, ihre Hoffnung und ihr Alles war, war tot! Der große Festtag zu Jerusalem war über dem Grab Jesu vorüber gegangen. Welches Bild einer Religion ohne Leben! „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass ihr weinen und wehklagen werdet, aber die Welt wird sich freuen.“

Als die „kleine Zeit“ verflossen ist, wird „ihr Schmerz in Freude verwandelt“. Er kommt wieder, um ewig bei ihnen zu sein. Wenn ihr euch an die Stelle der Jünger versetzen, wenn ihr den Schmerz, den ihnen der Verlust ihres Meisters verursachte und dann die Freude, die ihnen aus seiner Rückkehr erwuchs, teilen könntet, so würdet ihr, geliebte Brüder, verstehen, was ohne Unterbrechung unsere Freude sein würde bei dem Gedanken und in dem Bewusstsein, dass wir denselben Herrn Jesus als unseren ewigen Gefährten besitzen sollen. Ihr könnt Trübsale aller Art haben, aber immer gilt das Wort: „Ich werde euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu euch.“

Und dann vergesst es nicht, meine Brüder: Außer diesem köstlichen Glauben, den ihr an die Gegenwart und Innewohnung des Geistes in euch persönlich habt, ist es eine andere nicht minder wichtige Wahrheit, dass der Heilige Geist mitten unter euch wohnt, wenn ihr versammelt seid nach dem Wort: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Wenn wir in dieser Weise versammelt sind, so sind wir also ermutigt, den Herrn mitten unter uns zu erwarten. Wenn wir einer Auslegung dieser Stelle bedürften, so würden wir sie hier finden. Was veranlasste die Jünger sich zu versammeln? Das Gefühl ihres gemeinsamen Verlustes, aber auch ihre gemeinsame Liebe zum Herrn Jesus. Sie hatten den verloren, den sie liebten und sie kamen zusammen, um sich über Ihn zu unterhalten. Ob sie die Hoffnung hatten, Ihn wirklich auferstanden zu sehen oder nicht, es war immer der Name des Herrn Jesus, der sie zusammenführte.

Aber ach! es ist nur zu wahr, dass wir den Heiligen Geist betrüben können.

Wenn es gewiss ist, dass der Herr in der Mitte ist, und wenn wir uns in der Hoffnung versammeln, seine Gegenwart zu genießen, so werden wir immer, wenn wir, durchdrungen von dem Bewusstsein dieser Gegenwart, auseinander gehen, sagen können: „Wir haben den Herrn gesehen“ und dies Bewusstsein ist es auch allein, was stets unsere Herzen tröstet und mit tiefer Freude erfüllt.

Was erwartete Maria? Unter viel Unwissenheit und Dunkelheit war doch ihr Herr der Gegenstand ihres Suchens und ihrer Liebe. Sie hätte Ihn lieber tot als gar nicht gefunden. Sie weint beim Grab, obschon sie nicht mehr in Zweifel über die Vergebung ihrer Sünden ist. Wenn ihr nicht durch Erfahrung die Gegenwart des Herrn kennt, so weinet! Ihr habt Ursache dazu, weil eure Seelen einer beständigen Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus noch fremd sind. Diese Tränen haben nichts mit der Vergebung der Sünden zu tun.

Kennt ihr, meine Brüder, die Gegenwart des Herrn in euren Versammlungen? Kennt ihr diese Gegenwart, wenn ihr zu Zweien zusammen kommt? Kennt ihr sie überhaupt in der Verborgenheit eures Herzens und eures Kämmerleins? Mag es euer Unglaube, euer Stolz oder was sonst sein, was es verhindert: O, ihr habt wohl Ursache euer Herz mit Tränen vor dem Herrn auszuschütten.  „Ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden“, aber wenn ihr nicht das genießt, was einem begnadigten Sünder zukommt, nämlich die Gegenwart des Herrn Jesus, wovon das Herz das Bewusstsein hat, so weinet, o weinet! Ihr habt Ursache dazu.

Wenn ihr euch versammelt, ohne nachher zu denen, die vor der Tür oder zu Hause bleiben, zu denen, die wie Thomas abwesend sind, oder zu denen, die sich nicht mit ihren Brüdern versammeln wollen, sagen zu können: „Wir haben den Herrn gesehen“, so weinet! Ihr habt Ursache dazu. Und ebenso würde es in unseren besonderen Verhältnissen und in unserer Einsamkeit sein. Wir dürfen immer erfahren, dass der Geist uns den Christus offenbart, dass Er Ihm zur Freude unserer Herzen die Tür öffnet und dass Er uns ebenso das Bekenntnis in den Mund legt: „Wir haben den Herrn gesehen.“

Teure Brüder! Sollten die Worte des Herrn ohne Wirklichkeit und ohne Leben sein: „Ich werde euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu euch.“ – „Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Wenn man euch fragte: „Was ist es denn, was euch eure Versammlungen anderen vorziehen lässt?“ Ihr werdet immer antworten können: „Der Herr ist unter uns, wir fühlen seine Gegenwart, sodass unsere Traurigkeit in Freude verwandelt wird.“

Möge Er euch die Gnade schenken, diesen Gegenstand ernstlich zu betrachten, um durch Erfahrung diese Verheißung zu kennen, die jetzt, während der Herr Jesus zur Rechten Gottes ist, und bis zu dem gesegneten Augenblick, wo wir Ihn von Angesicht zu Angesicht in der Herrlichkeit sehen werden, verwirklicht werden wird.

Gedanken über die Erfahrungen Abrahams und Jakobs

Die Erfahrungen des Herzens nehmen einen großen Teil der Gedanken der Christen in Anspruch. Jedoch ist es wichtig, dieselben stets nach dem Wort Gottes zu beurteilen. Diese Erfahrungen sind der Ausdruck des inneren Zustands des Herzens und unseres Verhältnisses mit anderen sowie die Gefühle, welche mein Verfahren in diesem Verhältnis in dem Herzen und Gewissen wirkt.

Es ist nicht nötig, hier von den Erfahrungen eines Unbekehrten zu reden, obgleich auch ein solcher nicht ohne Erfahrungen ist. Wohl erkennt er Gott nicht, aber er genießt etwas von seiner Güte nach der Natur. Sein Gewissen kann ihn tadeln, er kann ermüdet werden von der Sünde und erschrecken vor dem Gericht. Letzteres kann er vielleicht auch vergessen, indem er in einem ehrbaren Leben von seiner Familie und von den Menschen nach der Natur genießt. Doch weiter geht er nicht.

In den Erfahrungen der Menschen, in welchen der Geist Gottes wirkt, gibt es einen großen Unterschied. Dieser Unterschied hängt einerseits vom Verhältnis ab, in welchem wir mit Gott stehen, andererseits von unserem Benehmen in diesem Verhältnis. Es ist wahr, Gott hat uns nicht unter das Gesetz gestellt. Dennoch ist das erweckte Gewissen in seinem Verhältnis mit Gott entweder unter dem Gesetz oder unter der Gnade. Der Geist Gottes, der es erweckt hat, lässt das Licht hinein dringen und wirkt in ihm das Bewusstsein seiner Verantwortlichkeit. So lange ich meine Aufnahme bei Gott von meiner Treue, d. h. von der Erfüllung dessen, was mir obliegt, abhängig mache, bin ich unter dem Gesetz. Wenn die Liebe Gottes und sein Werk in Christus für mein Gewissen der einzige und vollkommene Grund meiner Aufnahme ist, so stehe ich unter der Gnade. Der Heilige Geist kann die Verantwortlichkeit nicht schwächen, aber Er kann offenbaren, dass Gott meine Seele errettet hat, welche verloren war, weil mein Leben dieser Verantwortlichkeit nicht entsprach. So lange die erweckte Seele unter dem Gesetz bleibt, macht sie traurige Erfahrungen. Sie fühlt, dass sie nach dem Gesetz schuldig ist und dass sie keine Kraft hat, dasselbe zu erfüllen. Sie erkennt wohl, dass das Gesetz gut ist, aber trotz aller ihrer Anstrengungen erreicht sie das Ziel des Gehorsams nicht. Die Erfahrungen solcher Seele sind die Erfahrungen ihrer Schuld, ihrer Schwachheit und der Kraft der Sünde. Wenn sie auch noch nicht ganz durch die Erwartung des gerechten Gerichts Gottes zur Verzweiflung gebracht ist, etwas von der Liebe Gottes spürt und von dem Werke Christi hofft, so bleibt doch immer die Ungewissheit in ihrem Verhältnis mit Gott. Friede und Unfriede wechseln. In diesem Fall hat wohl die Gnade die Seele gezogen, aber weder ist das Gewissen gereinigt noch das Herz befreit. Diese Erfahrungen sind nützlich, um uns von der Sünde und von unserer Ohnmacht zu überzeugen und alles Vertrauen auf uns selbst zu zerstören. Es ist notwendig zu fühlen, dass wir vor Gott verdammt sind und dass alles ganz und gar von seiner unverdienten Gnade abhängt.

Etwas anderes ist es aber, wenn unser Gewissen gereinigt ist und wir unsere Stellung vor Gott in Christus verstanden haben. Verurteilt in der Gegenwart Gottes erkennen wir, dass Gott uns geliebt hat und dass Er uns durch das Werk seines Sohnes rechtfertigt. Wir verstehen, dass die Sünde nicht mehr vorhanden und unser Gewissen vollkommen gemacht ist. Dieses hat kein Bewusstsein der Sünde mehr vor Gott, weil Er sie selbst durch das Blut Christi für immer hinweggetan hat und dieses Blut zu jeder Zeit vor seinen Augen ist. Wir wissen, dass wir, vereinigt mit Christus, der Gott im Hinblick auf unserer Sünde vollkommen geehrt hat, in Ihm zur Gerechtigkeit Gottes gemacht sind. Jetzt ist das Herz frei, um seine Liebe in der Gegenwart Gottes zu genießen.

Also stehen wir unter der Gnade. Unser Verhältnis mit Gott hängt nun dem ab, was Gott ist, und von der Gerechtigkeit, welche Christus für uns geworden ist, nicht von dem, was wir als verantwortliche Menschen vor Ihm sind. Unsere Erfahrungen bestehen jetzt stets darin, dass Gott die Liebe ist, dass Christus unsere Gerechtigkeit und Gott unser Vater ist. Dies ist unser Verhältnis mit Gott und kein anderes. Alle unsere Erfahrungen hängen jetzt von diesem Verhältnis ab. Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Wir genießen alle die Vorrechte dieses Verhältnisses, doch wirkt die Beschäftigung mit diesen Vorrechten auf den Genuss. Das Verhältnis bleibt stets dasselbe, so wie auch unser Bewusstsein davon. Aber dass Genießen dessen, was Gott in diesem Verhältnis ist, hängt von unserem Benehmen darin ab.

Die Erfahrungen sind immer auf das Verhältnis gegründet, in welchem ich mit Gott stehe. Wenn ich traurig bin, so ist es, weil die Gemeinschaft mit Gott, die diesem Verhältnis entspricht, unterbrochen ist. Das Bewusstsein, dass ich nicht von der segensreichen Gemeinschaft, zu welcher ich gelangt bin, genieße, ist die Quelle meiner Traurigkeit, nicht aber die Ungewissheit über diese Gemeinschaft. Das Fleisch hat kein Verhältnis mit Gott und das Fleisch ist immer in uns. „… denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist“ (Röm 5,5). Durch diesen Geist haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus (vgl. 1. Joh 1,3) und sind berufen im Licht zu wandeln, wie Gott selbst im Licht ist (vgl. 1. Joh 1,7). Unsere Gemeinschaft mit Gott hängt von unserem Wandel im Licht ab, obgleich uns Gott durch seine Gnade besuchen und die Gemeinschaft erneuern kann, wenn wir sie verloren haben. Gott aber ist treu und erlaubt nicht die Sünde in seinen Kindern. Wenn sie nicht mit Ihm im Licht wandeln, so lässt Er sie durch alle die Prüfungen und Anfechtungen gehen, die zur Selbsterkenntnis nötig sind, damit sie im Licht stehen und die Gemeinschaft wahrhaft und echt sei.

Diese Prüfungen und Anfechtungen rühren dies Verhältnis mit Gott nicht an, weil das von dem abhängt, was Gott nach seiner Gnade und nach seiner Gerechtigkeit in Christus ist. Aber die Unterbrechung der Gemeinschaft Gottes, wodurch wir außerhalb des Genusses des Lichts sind, bereitet uns allerlei Kampf und schmerzliche und demütigende Erfahrungen von dem, was unser eigenes Herz ist. Gott gebraucht auch selbst die Züchtigung, um uns zu demütigen und unseren Willen zu brechen. Nicht nur ist der wirkliche Fall in die Sünde ein Anlass zu der Handlung Gottes mit unseren Seelen, sondern alles das, was in unseren Herzen hart und ungebrochen ist. Die Folge dieser Wahrheiten ist, dass die Erfahrungen einer Seele, die im Verkehr mit Gott lebt, viel einfacher als die einer untreuen Seele sind, und dennoch ihre Erkenntnis Gottes und des menschlichen Herzens viel tiefer ist. Insofern wir in der Gemeinschaft mit Ihm leben, leben wir im Licht und haben das fortdauernde Bewusstsein seiner väterlichen Liebe in seiner Gegenwart. Diese Gegenwart aber ist in unserer Seele wirksam, um alles zu zeigen, was nicht dem Licht entspricht. Das Selbstgericht wird in der Gegenwart Gottes gewirkt, im Bewusstsein seiner Liebe und in Beziehung mit derselben. Die Sünde hat den Charakter alles dessen, was nicht Licht ist und ist gerichtet, nicht allein darum, weil sie der Heiligkeit, sondern auch, weil sie der Liebe Gottes nicht entspricht. Gereinigt im Herzen und durch die Liebe Gottes in der Gemeinschaft mit Ihm gestärkt, ist die also in uns wirksame Gnade an die Stelle der gerichteten Sünde getreten. Unser Leben in der Welt ist dann die Wirkung der Gemeinschaft Gottes in unseren Herzen. Wir tragen Gott sozusagen in unseren Herzen durch die Welt. Erfüllt mit seiner Liebe und lebend in der Kraft des Lebens Christi lockt uns nichts, was uns Satan darbietet. Unsere Prüfungen in der Welt sind ein Anlass zum Gehorsam und nicht zum Fall. Die Gegenwart Gottes in unseren Herzen bewahrt uns in unserem Verkehr mit den Menschen.

Die Erfahrungen unseres Verderbens machen wir jetzt in der Gegenwart und Gemeinschaft Gottes. Hier ist es, wo wir die Sünde in uns richten. So gerichtet, zeigt sie sich in unserem wirklichen Leben nicht, leben wir aber nicht in der Gemeinschaft Gottes, wird die Sünde nicht so gerichtet und so gehen wir mehr oder weniger mit ungebrochenem Willen und mit ungerichteten Lüsten in der Welt fort. Die Wirkung unseres Willens macht uns unruhig, weil man nicht befriedigt wird, und wird man befriedigt, so ist Gott vergessen. Satan stellt solche Versuchungen hin, welche den ungerichteten Lüsten entsprechen, und das Verderben des Herzens wird erkannt durch den Fall und durch unseren Verkehr mit Satan anstatt mit Gott. Solche Kenntnis von dem Verderben des Herzens ist nie so tief, nie so klar, nie so wahrhaft, als wenn sie in der Gegenwart Gottes durch das Licht selbst gemacht wird. Wir erkennen die Sünde durch die Sünde, durch ein böses Gewissen, anstatt sie durch das Licht Gottes selbst zu richten. Anstatt demütig zu sein, sind wir gedemütigt. Die Treue Gottes wird die Seele wieder herstellen, aber die bleibende Kraft und das wachsende Licht seiner Gemeinschaft sind nicht dieselben. Wir erfahren wohl seine Geduld und seine Güte, aber wir erkennen Gott nicht auf dieselbe Art. Ohne Zweifel verherrlicht sich Gott durch seine Handlungen mit einer solchen Seele, weil alles zu seiner ewigen Verherrlichung ist, aber die Kenntnis Gottes wächst durch unsere Gemeinschaft mit Ihm.

Das Leben Abrahams und Jakobs unterstützen das Gesagte durch interessante Beispiele. Es ist wahr, dass weder das Gesetz noch die Vollkommenheit der Gnade offenbart war, aber im Allgemeinen waren die Grundsätze des Lebens des Glaubens durch die Verheißungen Gottes dieselben, wie wir in Hebräer 11 sehen.

Wir alle fehlen mannigfaltig. Dem Abraham selbst hat der Glaube in einigen Fällen gemangelt, aber im Allgemeinen war sein Leben ein Wandel des Glaubens mit Gott. Daher sind auch seine Erfahrungen anderer Art, viel vertraulicher mit Gott und einfacher als die des Jakob. Seine Geschichte ist kurz und an Umständen nicht sehr reichhaltig, dagegen sind die Mitteilungen Gottes zahlreich und mannigfaltig. In seiner Geschichte ist viel von Gott und wenig vom Menschen. Er ist, einen Fall ausgenommen, in dem Land der Verheißung geblieben. Wohl war er noch ein Fremdling und Pilger in dem Land, weil die Kanaaniter darin wohnten (1. Mo 12,6), aber er war im Verkehr mit Gott und lebte vor seinen Augen.

Als ihn Gott im Anfang berufen hatte, folgte er dieser Berufung nicht ganz. Er verließ wohl sein Vaterland und seine Freundschaft, aber nicht seines Vaters Haus. So kam er nicht nach Kanaan. Wohl hatte er vieles verlassen, er war von Ur in Chaldäa abgereist, jedoch kam er zunächst nur bis Haran und wohnte daselbst (1. Mo 11,31). So geht es einem Herzen, das nicht verstanden hat, dass es sich Gott ganz ergeben hat. Wir können nicht anders in die Stellung der Verheißung Gottes kommen als der Berufung Gottes gemäß.

Nach dem Tod Tarahs, seines Vaters, reiste er nach der Berufung Gottes ab. „Und sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen; und sie kamen in das Land Kanaan“ (1. Mo 12,5). Hier haben wir die Stellung des himmlischen Volkes. Durch die Gnade und die Kraft Gottes in die himmlische Stellung gesetzt, wovon Kanaan bekanntlich ein Bild ist, wohnen sie dort. Sie haben alles in Verheißung, aber noch nichts im Besitz. Der Herr hatte sich Abraham offenbart, als Er ihn berief, Er offenbart sich ihm in dem Land aufs Neue, um ihm die Gewissheit zu geben, dass sein Same das Land, welches er jetzt schon kannte, besitzen sollte. „Deiner Nachkommenschaft will ich dieses Land geben“ (1.Mo 12,7). Dies ist im Allgemeinen die Versicherung Gottes, dass wir das, was wir jetzt als Fremdlinge kennen, in der Zukunft wirklich besitzen werden.

Abraham baute dort dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar (1. Mo 12,7). Er dient Gott und genießt die Gemeinschaft mit Ihm. Dann zieht er an einen anderen Ort und schlägt da sein Zelt auf. Er baut wieder einen Altar und ruft den Namen des Herrn an (1. Mo 12,8). Er ist Pilger in dem Land der Verheißung und dies ist seine ganze Geschichte. Wir wohnen in himmlischen Örtern, wir genießen davon durch den Glauben und haben Gemeinschaft mit Gott, der uns dahin gebracht hat. Das Zelt Abrahams und sein Altar in dem Land bezeichnen den Charakter seiner ganzen Geschichte. Alle Erfahrungen des Glaubens bestehen darin.

Sein Unglaube führt ihn nach Ägypten (vgl. 1. Mo 12,10–20). Hier hatte er keinen Altar und eine ägyptische Magd wurde später der Anlass seines Falles und die Quelle seiner Beunruhigung. Sie ist, wie wir Galater 4,24.25 sehen, ein Bild des Gesetzes, denn das Fleisch und das Gesetz sind immer im Verhältnis zusammen. Die Gnade Gottes führt den Abraham wieder zurück, aber er findet nicht eher einen Altar, bis er wieder zu dem Ort gekommen ist, wo er am Anfang sein Zelt aufgeschlagen und bis zu dem Altar, den er früher gebaut hatte. Hier hat er von neuem mit dem Herrn Gemeinschaft (1. Mo 13,3.4).

Die Verheißungen Gottes sind das Teil Abrahams, er lässt Lot nehmen, was er will. „Ist nicht das ganze Land vor dir? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich mich zur Rechten wenden, und willst du zur Rechten, so will ich mich zur Linken wenden. Und Lot erhob seine Augen und sah die ganze Ebene des Jordan, dass sie ganz bewässert war (bevor der HERR Sodom und Gomorra zerstört hatte), gleich dem Garten des HERRN, wie das Land Ägypten, bis nach Zoar hin. Und Lot erwählte sich die ganze Ebene des Jordan“ (1. Mo 13,9–11). Lot ist das Vorbild eines weltlichen Gläubigen. Er nimmt, was für die Gegenwart das beste Teil zu sein scheint, und wählt den Ort, auf welchem das Gericht Gottes ruht. Abraham hatte nach dem Fleisch alles verlassen und Gott zeigt ihm den ganzen Umfang der Verheißung. Er lässt ihn die sichtbare Erfahrung von dem machen, was Er ihm gegeben hat und befestigt ihm alles für immerdar (vgl. 1. Mo 13,14–18). Lot, der weltliche Gläubige, wird von den Fürsten der Welt überwunden. Abraham befreit ihn. Mit dem Gesinde seines Hauses überwindet er die Kraft des Feindes (1. Mo 14,1–21). Von der Welt will er nichts nehmen. Er spricht zu dem König von Sodom: „Ich hebe meine Hand auf zu dem HERRN, zu Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt: Wenn vom Faden bis zum Schuhriemen, ja, wenn ich irgendetwas nehme von dem, was dein ist! – damit du nicht sagst: Ich habe Abram reich gemacht“ (1. Mo 14,22.23).

Danach offenbart sich Gott dem Abraham als sein Schild und sein Teil. Er versichert ihm einen Nachkommen, als sein Leib schon erstorben war und, gerechtfertigt durch den Glauben, befestigt ihm Gott alle die Verheißungen, sich verbindend durch ein Opfer, ein Vorbild des Opfers Christi. Dann wird ihm das Erbteil in seinen Einzelheiten vorgestellt (1. Mo 15).

Nach den Ratschlägen des Fleisches will Abraham für einen Augenblick die Erfüllung der Verheißung durch das Gesetz, d. i. durch Hagar. Er lernt aber dadurch nur, dass es unmöglich ist, dass das Kind des Gesetzes erben kann mit dem Kind der Verheißung (1. Mo 16). Danach offenbart sich ihm Gott aufs Neue als der allmächtige Gott. Er teilt ihm mit, dass er Vater vieler Nationen werden solle und dass Gott für immerdar sein Gott sein werde (vgl. 1. Mo 17,1–14). Der Nachkomme der Verheißung wird verheißen (vgl. 1. Mo 17,15–19).

Nach diesem besucht Gott noch einmal den Abraham und gibt ihm bestimmte Verheißungen der baldigen Geburt seines Sohnes (vgl. 1. Mo 18,9–15). Er betrachtet ihn als seinen Freund, sagend: „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?“ (1. Mo 18,17). Er teilt ihm seine Gedanken bezüglich der Welt mit und Abraham unterhält sich mit Ihm in allem Frieden und aller Vertraulichkeit. Er bittet für die Leute, die den Herrn vergessen hatten (1. Mo 18,23–33). Abraham musste auch in dem Fall Ismaels noch erfahren, dass das Gesetz Trübsal und Angst bringt. An dem Hof Abimelechs lernte er kennen, dass der Unglaube, wenn er wirksam ist, nur Verwirrung und Unannehmlichkeit zur Folge hat. Gott aber in seiner Treue wacht über ihn wie über die Mutter des Nachkommens.

Danach wurde Abraham im höchsten Grad geprüft, alles, und selbst die Verheißungen nach dem Fleisch, aufzugeben (vgl. 1. Mo 22,1–14). Die Verheißungen in einem im Vorbild auferstandenen Christus aber sind Christus selbst und in Ihm dem sämtlichen geistlichen Nachkommen Abraham befestigt (vgl. 1. Mo 22,15–19; Gal 3,16–18).

So hat Abraham durch den Fall gelernt, dass das Gesetz und die Verheißung für das Fleisch nichts taugen, im Allgemeinen aber bestanden seine einzelne Erfahrungen in der Pilgerschaft und Anbetung, wohnend im Land der Verheißung. Wie schon bemerkt ist sein Leben charakterisiert durch ein Zelt und einen Altar. Die ganze Erfahrung, das ganze Leben des gläubigen Abrahams, umfasst beinahe nur Anbetung, Fürbitte und Mitteilung Gottes in sich, und auf diese Weise lernte er letztere immer klarer und genauer verstehen. Seine Zeit brachte er in dem Land zu, zu welchem ihn Gott berufen hatte. Die Offenbarungen Gottes waren für ihn reich, süß und wunderbar, die Kenntnis Gottes vertraulich und tief, seine persönlichen Erfahrungen glücklich und einfach. Denn er lebte mit dem Gott, der sich ihm in Gnade offenbart hatte. Jetzt lasst uns auch etwas näher in das Leben und die Geschichte Jakobs eingehen.

Jakob war Erbe derselben Verheißung und als Gläubiger schätzte er sie, aber er traute nicht allein auf Gott. Er lebte nicht wie Abraham im täglichen Verkehr mit dem Herrn und auf den Herrn wartend. Wohl hat er die Verheißung davon getragen, aber seine Erfahrungen waren mannigfaltiger als die des Abraham. Obgleich er am Ende seines Lebens sagen konnte: „Der Engel, der mich erlöst hat von allem Bösen … (1. Mo 48,16), so musste er doch hinzufügen: „… wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre, und sie haben die Tage der Lebensjahre meiner Väter in den Tagen ihrer Fremdlingschaft nicht erreicht“ (1. Mo 47,9). Die Mannigfaltigkeit seiner Erfahrungen ist ein Beweis der Untreue.

Auf den Rat seiner Mutter gebrauchte er unheilige Mittel, um sich den Segen seines Vaters zu erwerben und musste aus Furcht vor dem getäuschten aber ruchlosen Bruder das Land der Verheißung verlassen (vgl. 1. Mo 27; 28). Jetzt ist seine Stellung ganz verändert, seine Untreue hat ihn aus dem Land der Verheißung getrieben. Seine Pilgerschaft ist nicht, wie die des Abraham, in dem Land, sondern außerhalb desselben. Gott zwar wacht über ihn, leistet ihm Beistand und bewahrt ihn, aber er lebt nicht mit Gott. Er hat keinen Altar, bis er nach einer Reihe von schmerzlichen Erfahrungen zurückgekehrt ist (1. Mo 33,20). Er hatte keine vollkommene Gemeinschaft mit Gott bis zu dem Ort, wo er das letzte Mal die Offenbarung Gottes genossen hatte und durch seine Verheißungen gestärkt worden war. 21 Jahre lang hatte er Verkehr mit den Menschen, welche ihn täuschten und unterdrückten, während ihn Gott heimlich bewahrte, aber einen Altar konnte er außerhalb des verheißenen Landes nicht haben. Auch wir beten an und haben Gemeinschaft mit Gott, wenn wir durch den Geist in den himmlischen Örtern wohnen, wo selbst uns Gott unsere eigentliche Stellung gegeben hat. Sind wir aber fern von da, so können wir keine Gemeinschaft mit Ihm haben, obwohl Er uns durch seine Gnade und Treue zu bewahren weiß.

Am Ende der 21 Jahre ruft Gott den Jakob, dass er zurückkehren solle. Er muss von seinem Schwiegervater fliehen wie ein schuldiger Flüchtling. Es ist unmöglich, von der Welt rein zu bleiben, wenn wir die himmlische Gemeinschaft mit Gott verloren haben und es ist schwierig, nichts von dem, was der Welt angehört, mitzubringen, wenn wir dieselbe verlassen. Gott aber ist treu. Es beginnen jetzt für den Jakob eine Reihe von Erfahrungen, wie man diese gewöhnlich nennt, welche doch nichts anderes sind als das Ergebnis seiner Entfernung von Gott.

Jakob, befreit von Laban, geht seinen Weg nach Kanaan. Gott, um ihn zu trösten und zu stärken, schickt die Schar seiner Engel ihm entgegen (1. Mo 32,2). Doch trotz dieser Stärkung von Gott erneuert der Unglaube, den die Entfernung von der Gefahr nicht wegnimmt, die Furcht Jakobs vor seinem Bruder Esau. Die Vermeidung der Schwierigkeiten des Lebens des Glaubens beseitigt diese Schwierigkeiten nicht, man muss durch die Kraft Gottes überwinden. Jakob hatte sich dieselben selbst geschaffen, weil er Gott nicht vertraute. Die Schar Gottes war vergessen und die Schar Esaus, der jetzt seinen Hass gegen seinen Bruder im Herzen nährte, erschreckte den schwachen Jakob (1. Mo 32,8). Jetzt musste er allerlei Mittel gebrauchen, um den vermuteten und befürchteten Zorn seines Bruders zu versöhnen. Er lässt Herde nach Herde folgen und dies offenbart viel mehr den Zustand des Herzens von Jakob als dass es den von Esau verändert. Dennoch denkt Jakob an Gott. Er erinnert Ihn, dass Er ihm gesagt habe, dass er zurückkehren sollte. Er ruft Ihn an, dass Er ihn aus den Händen seines Bruders errette, er gedenkt des Zustandes, in welchem er das Land verlassen und erkennt, dass Gott ihm alles, was er besaß, gegeben hatte (1. Mo 32, 10–13). Sein Gebet aber zeigt seine unbegründete Furcht, er erinnert Gott seiner Verheißungen, als ob es möglich sei, dass Er sie vergäße. Der Glaube ist wohl da, aber die Wirkung des Unglaubens entwirft ein buntes und verschiedenartiges Gemälde. Nicht allein hat der furchtsame Jakob die Herden vorausgeschickt, um Esau zu versöhnen (1. Mo 32,14–22), sondern er schickt seine ganze Familie über den Bach und bleibt allein dahinter (1. Mo 32,23–25). Sein Herz ist voll von Sorge. Gott aber, der alles leitet, erwartet ihn dort. Wenn Er auch nicht zuließ, dass Esau ein Haar von dem Haupt Jakobs antastete, so musste Er selbst ihn doch richten und in das Licht seiner Gegenwart bringen. Denn nur so konnte er das Land der Verheißung mit Gott genießen. 

Gott ringt mit ihm in Finsternis, bis die Morgenröte aufgeht (1. Mo 32,25). Es ist hier nicht Jakob, der nach eigenem Antrieb mit Gott ringt, sondern Gott ringt mit ihm. Er kann ihn nicht einfacher Weise segnen wie den Abraham, er hat zuvor einen Streit mit dem Unglauben seines Herzens. Jakob muss die Erfahrung der Wirkung seines Lebens machen und sogar leiden, wenn Gott ihn segnen will. Doch darin ist die Liebe Gottes wirksam. Er gibt Jakob Kraft in dem Kampf, den er führen muss, um die Segnungen zu erlangen, auszuharren. Er muss aber den fortdauernden Beweis seiner Schwachheit und früheren Untreue behalten. Das Gelenk seiner Hüfte wurde verrenkt, indem Er mit ihm kämpfte (1. Mo 32,26). Nicht allein aber das, sondern Gott verweigert ihm auch, ihm seinen Namen unbedingt zu offenbaren. Er segnet den Jakob, Er gibt ihm einen Namen zum Andenken an seinen Glaubenskampf; aber Er offenbart sich selbst nicht. Wie groß ist hier der Unterschied zwischen ihm und Abraham! Diesem offenbart Gott ungebeten seinen Namen, damit er Ihn wohl kenne, denn Abraham lebte im Allgemeinen mit Ihm in der Kraft dieser Offenbarung. Er hatte keinen Kampf mit Gott, und anstatt seine Verwandten zu fürchten, überwindet er die Kraft der Könige der Welt. Er ist wie ein Fürst unter den Einwohnern des Landes. Gott unterhält sich oft mit ihm. Anstatt zu ringen, um einen Segen für sich zu erlangen, betet er für die anderen. Er sieht das Gericht der Welt von der Höhe, wo er in Gemeinschaft mit Gott war. Wir kehren zu der Geschichte Jakobs zurück.

Trotz allem ist seine Furcht nicht gewichen. Gesegnet von Gott durch das Mittel seines Kampfs, zittert er noch immer vor seinem Bruder Esau. Er teilt seine Kinder und seine Frauen nach dem Maß seiner Neigung, sodass die Geliebtesten am entferntesten von Esau waren. Jetzt erst wagte er es, seinem Bruder entgegen zu gehen, aber er täuscht ihn doch noch. Er lehnt die Begleitung Esaus ab und verspricht, ihm etwas langsamer nachzufolgen in seine Wohnung nach Seir (1. Mo 33,14). Jakob brach aber auf nach Sukkot (1. Mo 33,17).

Jetzt ist Israel (Jakob) im Land, doch sein Herz, lange Zeit ein Wanderer weit von Gott, versteht noch nicht ein Pilger mit Gott zu sein. Er kauft ein Feld bei Sichem und siedelt sich an in dem Land, wo Abraham nur ein Fremdling war und wo er, erkennend den Willen Gottes, nicht einen Fußbreit besaß (1. Mo 33,19).

Bei Sichem erst, als er wieder in dem Land ist, baut er einen Altar. Der Name des Altars aber deutet die Segnung Israels an und nicht den Namen des Gottes der Verheißung. Er nennt ihn „Gott, der Gott Israels“ (1. Mo 33,20). Die Dankbarkeit erkennt wohl die Segnungen, welche Jakob empfangen hatte, aber der Gott, der ihn segnete, wird noch nicht offenbart.

In seiner Familie finden wir jetzt das Verderbnis und die Gewalttat (1. Mo 34). Der grausame und Gott nicht fürchtende Zorn seiner Söhne treibt ihn aus seiner falschen Ruhe, die nicht in Gott gewurzelt war. Allein die Treue Gottes bewahrt ihn aufs Neue. Jakob hatte bisher noch nicht an den Ort gedacht, wo selbst Gott ihm bei seiner Abreise die Verheißung gegeben und wo Jakob versprochen hatte, anzubeten, wenn er durch seine Hilfe zurückgekehrt sei. Gott beruft ihn jetzt selbst dorthin, indem Er zu ihm sagt: „Mach dich auf, zieh hinauf nach Bethel und wohne dort, und mache dort einen Altar dem Gott, der dir erschienen ist, als du vor deinem Bruder Esau flohest“ (1. Mo 35,1). Gott, der ihn bewahrt, geleitet und gezüchtigt hatte, hatte ihn vorbereitet, in seine Gemeinschaft einzutreten. Vorher aber musste er seine falsche Ansiedelung, die ohne Gott war, aufgeben. 

Er sollte in Bethel wohnen und dort dem Gott, der sich ihm hier zuerst offenbart hatte, einen Altar bauen. Wir sehen hier auf der Stelle die Wirkung der vor ihm stehenden Gegenwart Gottes, die er trotz allen seinen Erfahrungen bis jetzt noch nicht kennen gelernt hatte. Der Gedanke an diese Gegenwart erinnert ihn sofort an die falschen Götter, die noch unter seinem Hausgerät waren. Diese waren aus seinem Verkehr mit der Welt mitgebracht und früher von Rahel aus Furcht vor Laban unter dem Kamelsattel verborgen worden. Er wusste wohl, dass sie da waren, denn er sprach zu seinem Haus und zu allen, die mit ihm waren: „Tut die fremden Götter weg, die in eurer Mitte sind, und reinigt euch, und wechselt eure Kleidung; und wir wollen uns aufmachen und nach Bethel hinaufziehen, und ich werde dort einen Altar machen dem Gott, der mir geantwortet hat am Tag meiner Drangsal und mit mir gewesen ist auf dem Weg, den ich gegangen bin. Und sie gaben Jakob alle fremden Götter, die in ihrer Hand waren, und die Ringe, die in ihren Ohren waren, und Jakob vergrub sie unter der Terebinthe, die bei Sichem ist“ (1. Mo 35,2–4). 

Der Gedanke an die Gegenwart Gottes erinnerte ihn an die falschen Götter und erweckt in seiner Seele das Bewusstsein, dass die Götter, die Gegenstände der Anbetung dieser Welt, mit dem treuen Gott unmöglich zusammen behalten werden können. Nichts anderes konnte dies Bewusstsein hervorrufen, alle Erfahrungen können nicht die Wirkung haben, welche die Gegenwart Gottes in einer Seele hat. Solche Erfahrungen sind nützlich, um uns zu demütigen und sind ein Mittel, uns von uns selbst zu trennen. Doch nur die Gegenwart Gottes, als das Licht, kann uns die tiefsten, die wohlbekannten, obgleich verborgenen Götzenbilder in uns verurteilen lassen und uns von ihnen reinigen. Dem Abraham waren sowohl die Götzenbilder als auch die Erfahrungen Jakobs fremd.

Die Furcht Gottes herrschte jetzt über die Feinde Jakobs, sodass sie ihn trotz der mörderischen Gewalttat seiner Söhne nicht verfolgten (1. Mo 35,5). Jetzt konnte sich Gott dem Jakob offenbaren und ausgenommen, dass dieser stets lahm war, geschah alles, als wenn vorher nicht eine einzige Erfahrung gemacht wäre. Jakob war in Bethel angekommen, wovon er abgereist war. Hier baut er dem Gott, der ihm die Verheißungen gegeben hatte und ihm immer treu gewesen war, einen Altar. Der Name des Ortes seines Altars erinnert uns nicht mehr an den gesegneten Jakob, sondern an den, welcher segnet und an dessen Wohnung. Er heißt nicht: Gott, der Gott Israels, sondern: (Altar) des Gottes von Bethel, d. h. des Hauses Gottes (1. Mo 35,7). Gott spricht jetzt mit Jakob, ohne im Geringsten seine früheren Erfahrungen zu erwähnen. Jene waren nötig, um Jakob zu züchtigen und um ihn von sich zu entleeren, weil er untreu gewesen war. Gott selbst erschien ihm jetzt ungebeten. Wir lesen in 1. Mose 35,9: „Und Gott erschien Jakob wiederum, als er aus Paddan-Aram kam, und segnete ihn.“ Er gibt ihm den Namen „Israel“, als wenn Er ihm denselben niemals gegeben hätte, und offenbart ihm seinen Namen, ohne dass es Jakob vorher forderte. Er unterhält sich mit ihm wie früher mit dem Abraham. Er erneuert und befestigt ihm die Verheißungen, wenigstens die, welche sich auf Israel beziehen und nachdem Er seine Unterhaltungen mit ihm vollendet hat, steigt Er auf von ihm (1. Mo 35,13), denn Er hatte ihn besucht.

Jakob war also nach einer Reihe von Erfahrungen zu dem Ort zurückgekommen, wo er Gemeinschaft mit Gott haben konnte, zu der Stellung, in welcher Abraham sich beinahe stets durch die Gnade Gottes erhielt. Jakob dient uns als Warnung, dagegen Abraham als Vorbild. Jener hat wohl den Herrn durch dessen Gnade aufs Neue gefunden, aber er hat nicht die zahlreichen und so segensreichen Erfahrungen empfangen, er bittet nicht für die anderen. Das Höchste, was er erlangt hat, ist der Ausgangspunkt Abrahams, der Wohnort seiner Seele. Abgerechnet einiger Fälle war dies der gewöhnliche Zustand Abrahams, worin er mit Gott lebte. Abraham starb in einem ruhigen Alter, da er alt und lebenssatt war, und wurde zu seinen Völkern versammelt. Jakob aber sagt: „… wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre, und sie haben die Tage der Lebensjahre meiner Väter in den Tagen ihrer Fremdlingschaft nicht erreicht“ (1. Mo 47,9). Das Ende seines Lebens brachte er in Ägypten zu.

Die Erfahrungen Jakobs sind Erfahrungen der Herzen der Menschen. Die Erfahrungen Abrahams sind die des Herzens Gottes. Wir haben dreierlei Erfahrungen vorgestellt. Die Erfahrungen unter dem Gesetz, wo die Stellung des Gläubigen nicht erkannt wird, oder wenn man nicht unwissend darin ist, sich doch mit seinem Herzen unter dem Gesetz befindet, dann die Erfahrungen, welche man von seinem Herzen macht, wenn man weit von der Stellung wandelt, wo Gott sich offenbart, um diese Gemeinschaft zu unterhalten und zu nähren und schließlich die einfachen und segensreichen Erfahrungen, welche man macht, wenn man mit Gott lebt, in der Stellung, in welche Gott uns gesetzt hat, um von seiner Gemeinschaft in Demut und Dankbarkeit zu genießen. Die letzteren sind die Erfahrungen des Herzens Gottes, welche uns einführen in die Erkenntnis seiner Ratschlüsse und der treuen Liebe, welche darin entwickelt ist. Sie finden im vertraulichen Verkehr mit Gott selbst statt. Die anderen sind, wie schon gesagt, die schmerzlichen Erfahrungen des Herzens der Menschen, worin der höchste Punkt des Glaubens, wenn auch köstlich für uns, der ist, dass Gott in unserer Untreue treu bleibt und geduldig mit unserer Torheit ist, in welcher wir uns von seiner Gegenwart trennen.

Unser Vorrecht ist wie Abraham zu leben. Unsere Zuflucht ist, wenn wir ohne Notwendigkeit untreu sind (denn Gott ist treu, der nicht zulässt, dass wir über Vermögen versucht werden), dass Gott treu bleibt und uns aus aller Not bis ans Ende errettet. Gott gebe uns, bei Ihm zu bleiben, mit Ihm zu leben, damit unsere Erfahrungen die wachsende Erkenntnis seiner Liebe und seiner Natur seien (vgl. Kol 1,9–12).


Über die Leiden des Christus (Mk 14,14–50)

Die Leiden des Herrn Jesus waren zweierlei: erstens die Leiden, die Er während seiner irdischen Laufbahn vonseiten der Menschen zu erdulden hatte, und nachher die Leiden, die Er erfuhr, da Er die Last des Zornes Gottes trug, indem Er den Kelch nahm, den Er trinken sollte (Joh 18,11).

Die Größe der Verdorbenheit des Menschen erscheint also auch auf zwei Arten: unmittelbar in allem, was der Mensch hat, indem er sich dem Herrn Jesus widersetzte und Ihn verwarf, aber besonders in dem Gewicht der Sünde, das der Herr Jesus tragen musste, als Er den Kelch trank, den der Vater Ihm gegeben hatte. Dies war für Ihn keine leichte Sache: „… und fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Und er spricht zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod“ (Mk 14,33.34).

Sind nicht manche unter denen, die dies lesen, welche nie tief betrübt wegen ihrer Sünden waren? Und wie deckt ein solcher Leichtsinn die Torheit und Verstockung des menschlichen Herzens auf! Wir, die durch die Sünde den Kelch, den der Herr Jesus nahm, so bitter und schrecklich machten, wir betrachten die Sünde als etwas Unrichtiges vor dem Auge Gottes! Er aber, der Herr Jesus, hat es empfunden, wie schrecklich sie ist. Wenn unsere Herzen, elend wie sie sind, die Sünde nicht fühlen, so hat Er sie gefühlt, als Er den Kelch für uns leerte und die Sünde für uns trug. Wenn das Herz die Schwere der Sünde nicht versteht, nicht etwa in demselben Grad, wie sie der Herr Jesus gekannt hat, aber doch in irgend einem Grad; wenn, so schwach es auch sei, das Gefühl der Ernsthaftigkeit der Sünde uns noch fremd ist, so sind wir durchaus noch nicht in die Gedanken Jesu eingegangen.

Ich meine hier nicht das bloße Verstehen, denn es ist ein großer Unterschied dazwischen, ein von diesen Dingen ergriffenes Herz zu haben oder dieselben bloß zu wissen. Wissen, wie schwer die Sünde ist, wie viel sie dem Herrn Jesus gekostet hat, und davon kein ergriffenes Herz haben, ist ärger als gar nichts davon zu verstehen. Der Zustand des Herzens ist in dem einen Fall viel schlechter als in dem anderen.

Nun wollen wir sehen, zwar schwach, sehr schwach, was die Leiden Jesu waren.

Ach, niemand kann ganz ergründen, was diese Leiden gewesen sind. Jeden Tag denkt, sprecht und tut ihr die Dinge, welche die Ursache sind, warum der Herr Jesus diesen Kelch trinken und den Zorn Gottes tragen musste. Dessen ungeachtet glaubt ihr vielleicht nicht so böse zu sein. Wenn ihr euch aber vorstellt, dass Christus für eure Sünden gelitten hat, so werdet ihr sehen, dass Er nicht fand, dieselben seien nicht schwer. Er war sehr bestürzt und beängstigt. Christus bereitete sich im Garten Gethsemane für die anderen vor, seinem Gott nach der Heiligkeit seines Gerichts entgegen zu gehen. Seine Seele war tief betrübt „bis zum Tod“ (Mt 26,38).

Ihr, die ihr meint euch vorzubereiten zum Zusammentreffen mit eurem Gott, habt ihr diese Ängste und Schrecken? Wie unbestimmt auch der Gedanke sei, den ihr davon bekommen könnt, wenn ihr sie kennen lernen wollt, so seht hin, wie in Gethsemane Christus bedrängt und erschrocken war. Habt ihr das noch nicht getan, so habt ihr auch weder die Liebe Jesu noch das Werk Jesu in der Gnade wert geachtet. Denn es ist wichtig und nötig, dass unsere Gewissen ergriffen sind durch den Gedanken, dass Christus dort war, für uns zu leiden, um unsere Sünden zu tragen. Wenn meine Seele nicht dahin geführt wird, dies anzuerkennen, so werde ich selbst den Zorn Gottes und seine Gerechtigkeit erfahren und tragen müssen, wie der Herr Jesus es erfuhr. Wenn der Sohn Gottes, der Geliebte, in welchem keine Sünde war, für uns zur Sünde gemacht wurde, und Gott die Sünde in Ihm schlagen musste, wenn seine Gerechtigkeit und Heiligkeit Ihn nicht verschonen konnte, wie wollt ihr entrinnen, wenn ihr dem Angesicht Gottes begegnet? Und, wenn ich Christus betrachte, wie Er den Zorn und Fluch trägt, kann ich annehmen, meine Sünden seien etwas Geringes? Nein! Das Böse, das ich getan habe, war in den Augen Gottes und in den Augen des Herrn Jesus groß genug, um, als Er es auf sich nahm, auf Ihn Todesangst und die ganze Last des Zornes Gottes zu bringen. Warum hat Christus auf dem Kreuz den Zorn Gottes getragen? Weil ihr diesen Zorn und die ewige Verdammung verdient habt.

Oft gehen Seelen, ohne es zu wissen, mit ihren Sünden beladen, Gott entgegen. Viele Seelen sind in dieser Stellung und merken es selbst nicht. Oder ist es denn nicht wahr für viele von euch, dass ihr in diesem Leben Gott und seinem Gericht entgegen geht, ohne etwas zu fürchten? Wenn dem so ist, und ihr wirklich angesichts des Gerichts gemächlich weiter lebt, was ist es anders, als dass das Gewissen nicht geweckt oder gar verstockt ist, ungeachtet der Todesangst und der Leiden Jesu, ungeachtet des Kelches, den der Herr Jesus nehmen musste wegen der Sünde?

O, wie erhaben ist es, den Herrn Jesus inmitten seiner Leiden und seiner Angst zu betrachten! Vollkommen ruhig, und mit Ruhe die Schwere des Kelches, den Er trinken wollte, erwägend, sehen wir Ihn. Und unter welchen Umständen? Umgeben von allem, was geeignet war, die Neigungen der Liebe seines Herzens zu verwunden und zu zermalmen. Je mehr die Welt uns verwirft und verachtet, desto mehr bedürfen wir der Liebe. Der Herr Jesus war voller Güte und Zärtlichkeit für seine Jünger. Er hatte sie immer geliebt und getragen und wie ging es Ihm dessen ungeachtet? Was fand Er unter ihnen, als der Menschen Bosheit zügellos auf ihn einstürmte? Was er fand? Dass selbst unter denen, die Er liebte, die mit Ihm als Freunde und Gefährten am gleichen Tisch aßen (Mk 14,18), einer war, von dem Er sagte: „Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern, der, der mit mir isst.“ Ja, einer aus euch, die ihr mit mir gewesen seid als meine Gefährten! Sein Herz ist tief verwundet. Und da sie betrübt waren und anfingen zu fragen, einer nach dem anderen: Doch nicht ich? antwortete der Herr Jesus, um zu zeigen, wie sein Herz im Schmerz war: „Einer der Zwölf, der mit mir die Hand in die Schüssel eintaucht.“ Einer von euch, die ihr mich gekannt und gesehen habt, und in meinem vertrauten Umgang wart. Und doch war der Herr Jesus vollkommen ruhig.

Markus 14,22–26: Er sollte bald gekreuzigt werden. An wen denkt Er? An seine Jünger. Sein Leib sollte hingegeben und sein Blut vergossen werden, bald sollte Gottes Zorn über Ihn kommen und im Frieden erklärt Er ihnen den Wert dessen, was Er im Begriff war, für sie zu tun. Er versetzte sich, die Jahrhunderte, in welchen wir nun leben, überschreitend, im Geist in jene Zeit, in welcher Er von der Mühsal seiner Seele Frucht sehen und sich sättigen (vgl. Jes 53,11) und vom Gewächs des Weinstocks neu trinken wird im Reich Gottes (vgl. Mk 14,25). Wie schön ist es, den Herrn Jesus zu sehen, wie Er durch seine Blicke so die Zeiten durchdringt! Mitten unter den schauerlichen Umständen, in denen Er sich befand, ist seine Seele ruhig genug, um an die seinen Jüngern durch sein Leiden errungene, ewige Seligkeit zu denken, und an die Freude, die Er empfinden wird, sie im Stand jener Herrlichkeit wiederzusehen. Ohne sich durch den Gedanken an seine nahen Leiden irre machen zu lassen, ohne Aufregung, ohne Schrecken betrachtete Er im Frieden den Wert seines Opfers und das Glück, seine Jünger zuletzt wieder zu finden. Der Verrat des Judas, die Verleugnung des Petrus, das Fliehen seiner Jünger, seine Verwerfung von der Welt, der Hass und die Feindschaft Satans, nichts stört Ihn: sie sangen ein Loblied (Mk 14,26).

Markus 14,27.28: „Und Jesus spricht zu ihnen: Ihr werdet alle Anstoß nehmen.“ Wir schämen uns seiner, wir Elende! Doch wie erhebt selbst dies die unnennbare Liebe Jesu. Er sagt seinen Schafen, die bald zerstreut werden sollen, dass Er in Kurzem wieder bei ihnen sein werde, und sobald das ganze Werk vollendet sei, das die Seinen erlösen, die Vollkommenheit des Gehorsams Jesu und leider auch all die Schwachheit ihres Fleisches enthüllen sollte, Er ihnen nach Galiläa vorausgehen wolle.

Markus 14,29.30: Petrus hat das falsche Vertrauen in das Fleisch. Aber wirft ihm der Herr Jesus dies vor? Was erzeugte im Gegenteil dieser Dünkel des Petrus in seinem Herzen? Er warnt Petrus und betet für ihn. Seine feste, unbewegliche Liebe gibt nicht und nie nach. Sein Herz ist nicht entmutigt, denn Er, der alle Mühe tragen sollte, Er ermutigt seine Jünger und tröstet sie.

Markus 14,31: Es mag noch vielen ergehen, wie es dem Petrus ergangen ist zu sagen: „Wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen. Ebenso aber sprachen auch alle.“ Da, wo Christus geehrt und anerkannt ist, inmitten der Seinen, derer, die seinen Namen bekennen, erkennt man Ihn auch gern an, will Ihn auch haben, den von den Menschen verworfenen Christus, aber in anderer Gesellschaft, inmitten derer, die Ihn verwerfen und verachten, wie bereitwillig und hastig ist das Herz zu verbergen, dass es Ihn kenne. Und wenn ihr für schlecht findet, dass Petrus Ihn so verleugnete, ist es denn weniger grässlich in euch? Oder wenn wir der Schmach seines Namens ausgesetzt sind und nicht lieben, Ihn zu bekennen, verleugnen wir Ihn denn nicht so arg wie Petrus? Dies tut man, weil das Gewissen nicht geweckt und ergriffen ist darüber, dass der Herr Jesus der Sünde wegen gelitten hat. Das Gewissen soll dazu kommen, den Ernst der Sünde zu fühlen, die den Herrn Jesus in das Leiden führte. Diese Sünde ist die eure. Es soll dazu kommen, dass das Herz gerührt werde vom Gefühl der Liebe Jesu, von der Liebesmacht, kraft welcher Er vor Gott das ganze Gewicht der Verantwortlichkeit der Sünden auf sich lud und all diese Last trug, da Er um unserer Übertretungen willen verwundet und um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen wurde (vgl. Jes 53,5).

Markus 14,32–39: Der Herr Jesus sagt seinen Jüngern, dass sie beten sollten (Mk 14,38). Schon ist es nicht mehr Zeit für Ihn, die Seinen zu trösten. Nun soll Er für sie dem Zorn Gottes entgegen gehen. Er bedenkt vor Gott in seinem Geist, was Er leiden musste durch das Trinken der Zornschale Gottes. Der Herr Jesus, der heilig und immer in der Liebe des Vaters geblieben war, konnte allein die Heiligkeit Gottes und den Wert Seiner Liebe begreifen. Aber deshalb war Er allein auch desto fähiger zu verstehen, wie abscheulich die Sünde und schauderhaft der Zorn Gottes ist. Nur in denen, die mitten in der Sünde die Heiligkeit Gottes nicht kennen, die als Gottentfremdete seine Liebe nicht gekostet haben, kann sich Gleichgültigkeit gegen die Sünde finden. Wie peinlich ist es zu sehen, wie wir ruhig, zufrieden mit uns selbst und sorglos sein können, da man die Todesangst weiß, mit der der Herr Jesus die Sünde zu bezahlen hatte, und warum Ihm so angst und bange war.

In seiner Laufbahn des Gehorsams litt Er das Widersprechen der Sünder, ohne sich wegzuwenden, und nie hat Er gebeten, dass jener Kelch von Ihm genommen würde. Warum aber nun dieser? Weil es nicht bloß derjenige der Verbrechen der Menschen oder der Bosheit Satans war, sondern den Kelch des Zornes Gottes. In allem, was Er vorher vonseiten der Menschen zu leiden gehabt hatte, war Ihm die Freude geblieben, den Willen seines Vaters zu erfüllen, aber in diesem Kelch, dem des Zornes Gottes, war kein Tropfen Süßigkeit. Da sprach der Herr Jesus: „Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg!“ Warum nun war es unmöglich? Darum: Es ist unmöglich, dass Gott die Sünde dulde, und dass, selbst da der Herr Jesus für uns zur Sünde wird, Gottes Zorn gegen die Sünde nicht offenbar werde.

Liebe Leser! Seht, wie es um euch steht. Wenn der Herr Jesus eure Sünden nicht trug, so ist es unmöglich, dass ihr dem Gericht Gottes, das über die Sünde ausgesprochen ist, entgeht. Wie ernst ist dieser Gedanke! Erwägt dieses Wort Jesu: „Wenn es möglich ist ...“ Gewiss, wenn es möglich gewesen wäre, so hätte ja Gott den Herrn Jesus sicherlich erhört und seinem geliebten Sohn diese Leiden ohne Zahl und Gleichen erspart. Warum sagt der Herr: „Wenn es möglich ist …“? Weil Er, der wusste, was Gottes Liebe ist, auch allein im Stand war, die Schrecklichkeit seines Zornes zu wissen.

Und wie war dann der Zustand der Jünger? Sie schliefen (vgl. Mk 14,37). Es war in ihnen nicht einmal so viel Liebe, eine Stunde mit Ihm zu wachen. Petrus, der dem Kerker und dem Tod trotzen wollte, konnte nicht eine Stunde wachen. Er hatte ebenfalls auf dem Berg geschlafen während der Verklärung (vgl. Lk 9,32) und so schläft er in Gethsemane. Dies enthüllt im Grund unseres Herzens eine Selbstliebe, welche den Zuneigungen fremd ist, die unsere Herzen in die Leiden wie in die Herrlichkeit des Herrn Jesus einführen.

Markus 14,40–43: War die Liebe Jesu erkaltet oder müde geworden durch dies alles? Nein. Er sollte, Er wollte seinen Vater verherrlichen, die Seinen erlösen und steht bei keiner Schwierigkeit still. Da es unmöglich war, dass wir gerettet würden, ohne dass Er den Kelch nahm, so nahm Er ihn. Seine Liebe war stärker als der Tod. Er stellt Gott alles vor, aber vom Augenblick an, wo Er fand, dass es unmöglich war, dass dieser Kelch vorüber gehe, kehrt die Ruhe in seine Seele zurück und Er nimmt ihn. O, Liebe! O, Heiligkeit! Welcher Gehorsam!

Markus 14,44–50: Gibt es etwas, dessen das menschliche Herz nicht fähig wäre? Gott erlaubte, dass die Falschheit des Herzens entblößt und der Herr Jesus durch einen Kuss verraten wurde. Keine Angst, keine Prüfung mangelte, um sein Herz zu erproben. Sonst hätte am Kelch etwas gefehlt, den Er trinken sollte. Die Prüfung des Herrn wäre nicht vollständig gewesen und der Prozess über die Sündhaftigkeit des Menschen wäre nicht entschieden worden in Gegenwart des Gerichtes Gottes. Aber der Herr Jesus verherrlichte Gott den Vater vollkommen inmitten aller Ungerechtigkeit der Menschen und der Bosheit Satans. Alles, was verwunden und zerknirschen konnte: Zorn Gottes, Hass und Tücke Satans, Bosheit der Menschen, dies alles brach sein Herz und alles bewirkte, dass die unendliche Vortrefflichkeit Jesu vor Gott in Klarheit strahlte. Das Herz des Herrn Jesus wurde bis auf den Grund geprüft.

Wie ist nun nach all dem die Stellung der Sünder? Es bleibt nichts als der Preis und Wert des Herrn Jesus über ihnen und in Gottes Augen hat der, welcher glaubt, den ganzen Wert des Herrn Jesus vor Gott. Er kann sich Gott nahen als von Gott so geliebt, dass Er seinen Sohn für ihn hingab, und an sich den Wert aller Leiden des Christus tragend.

Wenn euch Christus so angeboten wird, eins von beiden: Entweder seid ihr schuldig der Leiden Christi, wenn ihr sie verachtet, oder, wenn ihr durch die Gnade deren unendlichen Wert durch den Glauben ergreift, so habt ihr den ganzen Erfolg dieser Leiden. Verachtet ihr sie, so werdet ihr wie die behandelt werden, die sie verachten. Sind aber durch die Gnade eure Augen geöffnet, um das, was der Herr Jesus getan, zu verstehen, so wird die ganze Wirkung seines Werkes euch zugeteilt, und ihr genießt die Liebe Gottes. Entweder seid ihr der Leiden Jesu schuldig oder ihr genießt den Wert dieser Leiden.

Wenn ihr bekennt, dass es eure Sünden sind, die den Herrn Jesus in das Leiden brachten, so glaubt ihr wahrhaftig, dass Er sie trug. Wenn ihr sprecht: Ich bin schuld, dass Christus so leiden musste, so sprecht ihr auch: Und ich werde nie so leiden. Hat der Herr Jesus meine Sünden getragen und deren Folge an sich erduldet, so werde ich es nicht mehr erfahren und bin erlöst und befreit von der Verdammnis.

Möge Gott durch das Gefühl der Liebe Jesu eure Herzen ergreifen. Er lasse euch erkennen, welch ein unendlicher Wert für euch darin liegt, dass der Herr Jesus selbst sich darstellte, den Zorn Gottes zu tragen.

O, wie köstlich ist seine Liebe!

Das himmlische Leben der Kirche

Bruchstück aus dem Französischen

Vor dem Tod des Herrn Jesus war die Kirche noch nicht gegründet, obschon der Herr persönlich auf der Erde war. Die Jünger sollten die Grundlage davon werden, aber sie hatten damals das Leben nur wie alle Heiligen des alten Bundes. Das Leben der Auferstehung, das wir empfangen haben, stellt uns unter eine ganz andere Verantwortlichkeit als die von Israel.

Die Haupttatsache, welche unsere Verbindung unterscheidet, ist die Gegenwart des Heiligen Geistes mitten unter uns, der vollkommen für alle Bedürfnisse sorgen kann. Wo diese Wahrheit durch den Glauben aufgenommen wird, muss sie in uns der Art wirken, dass unser Leben im Fleisch ein Leben des Glaubens sei, denn der Gerechte wird aus Glauben leben. Und der Herr hat ausdrücklich gesagt: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3). Also konnten die Heiligen vor Christus dieses Leben nicht haben.

Hatten denn diese Heiligen kein Leben? Ich sage nicht keines, aber das behaupte ich, dass ihr Leben einen ganz anderen Charakter hatte als das unsrige. Je mehr unser jetziges Leben dem Leben des alten Bundes gleichförmig gemacht würde, desto mehr würden auch die himmlischen Gefühle gedämpft und die menschliche Verantwortlichkeit geschwächt werden, denn man würde dadurch die himmlische Gemeinschaft zerstören. Wo die Herrlichkeit und Kraft des Glaubens fehlt, da fehlt auch die Herrlichkeit Gottes in uns.

Der Tod und die Auferstehung des Christus sind die Fundamente, worauf die Kirche gebaut ist, und die Gegenwart des Heiligen Geistes, der vom Himmel gesandt ist, ihr Lebensodem. Vorher war der Grundstein noch nicht gelegt, denn der Tod Christi war notwendig, um die Berufung der Kirche vor Gott gültig zu machen.

Jesus konnte auch nicht vor seinem Tod die Steine dieses geistlichen Baus zusammen bringen. Zwar waren sie in dem Ratschluss Gottes schon vorhanden, allein die tatsächliche Ausführung dieser Ratschlüsse konnte erst nach der Verwerfung des Herrn Jesus von der Welt und nach seiner Kreuzigung stattfinden. Er konnte nicht einmal seine Jünger über seinen Tod anders belehren als dass Er ihnen denselben als einen Beweis hinstellte, dass Er von seinem eigenen Volk verworfen sei und dass diese Verwerfung das Heil der Heiden zur Folge habe. Nie sagte Er ihnen, dass sie im Besitz eines himmlischen Lebens seien. Ohne Zweifel war das göttliche Leben in sie von oben gekommen, aber wir lesen nie, dass es himmlisch war. Es ist klar, dass Gott durch den Kreuzestod seines Sohnes die Sünden Adams hinweggetan hat (vgl. Röm 3,25). Auch ist es wahr, dass den Heiligen des alten Bundes das Leben von Gott mitgeteilt wurde, sonst würde ja niemand das Reich Gottes sehen, aber bevor Christus zur Rechten Gottes erhöht war, ist nie von Ihm die Rede als Haupt des Leibes, auch nicht von der Vereinigung der Kirche mit Ihm. Er musste vorher ein Werk vollbringen, womit Er der Kirche eine Stellung vor Gott erwarb. Auf dem Kreuz legte Christus die Grundsteine der Kirche, machte Frieden und vereinigte Juden und Heiden zu einem Leib. Nie redet die Schrift von einer Vereinigung mit Christus, so lange Er im Fleisch lebte, wohl aber spricht sie von der Vereinigung des Leibes des Christus mit Ihm, nachdem Er als Haupt verherrlicht ist.