Botschafter des Heils in Christo 1856

01/28/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger


Inhalts-Verzeichnis: 1856
Christus: innerhalb des Vorhangs - außerhalb des Lagers 1
Die vor den Gerichten aufgenommene Kirche 7
Sie sind nicht von der Welt (Ev. Joh. 11, 16)  21
Der Nasir  (4. Mose 6)  36
Gedanken über Heb 11,1-10 41
Aussatz, ein Bild der Sünde (3. Mose 13 und 14) 52
Gott in allen Dingen 58
Über Gaben und Ämter 61
Gottes Ruhe, der Heiligen Ruhe (Hebräer 4) 73
Seid um nichts besorgt! Phl. 4,6,7 81
Josua 14, 6-12 Kaleb   87
Die zuversicht Jesu Psalm 16 101
War unser Herz nicht brennend in uns Luk 24. 13-32 110
Bileam - angeworben von Balak, benutzt von Gott 4. Mose 22-24 116
Der Durchzug durch das Rote Meer (Hebr. 11. 23-29) 121
Jonathan, (1. Sam. 14) 135
Zu Dir, o Jesu (Gedicht) 140
Harre auf Gott  (Psalm 42) 141
Ich will dich mit meinen Augen leiten  (Psalm 32. 8) 158
Die Thessalonicherbriefe 160


Christus innerhalb des Vorhangs und außerhalb des Lagers

(Ein Wort über: Wo bin ich?) „Da sprach er: Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun. Er nimmt das erste weg, auf daß er das zweite aufrichte; durch welchen Willen wir geheiligt sind, durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. — Und jeder Priester steht da, täglich den Dienst verrichtend und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals Sünden wegnehmen können, — er aber, nachdem er ein Opfer für Sünden dargebracht, hat sich für immerdar zur Rechten Gottes gesetzt, fortan wartend, bis seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt sind. 

Denn durch ein Opfer hat er auf immerdar die, welche geheiligt werden, vollkommen gemacht. Dasselbe bezeugt uns aber auch der Heilige Geist; denn nachdem er zuvorgesagt: Dies ist der Bund, welchen ich für sie nach jenen Tagen errichten werde, spricht der Herr, sagt er: Meine Gesetze in ihre Herzen gebend, werde ich sie auch auf ihre Sinne schreiben, und ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nicht mehr gedenken" (Hebr. 10, 9—17). Die Kraft des Wandels in dieser Welt liegt in der Erkenntnis durch den Heiligen Geist, daß wir mit Christo in allen unseren Wegen eins oder einverleibt sind, und daß wir in die Welt versetzt, um Ihn zu offenbaren, und besteht nicht allein in dem Wissen, daß wir durch Sein teures Blut im Besitz der Seligkeit und eines gereinigten Gewissens sind. Was das Zeugnis des Christen bezeichnet, ist, daß er in die Fußstapfen Christi tritt. „Denn zu leben ist für mich Christus" (Phil. 1, 21); und wiederum: „Ich bin mit Christo gekreuzigt und nicht mehr lebe i c h, sondern Christus lebt in mir.

 Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich durch Glauben, (nämlich) durch den an den Sohn Gottes (buchstäblich: durch den des Sohnes Gottes), der mich geliebt, und sich selbst für mich hingegeben hat" (Gal. 2, 20). Das will sagen, daß derselbe Glaube, durch welchen Jesus in der Welt umherwandelte, auch der Glaube ist, durch welchen wir zu leben berufen sind. Dies ist es auch, was uns alle in Betreff unseres Wandels, unserer Gewohnheiten, unserer Gesin- 5 nung und unseres Zwecks verantwortlich macht. Verwirklichen wir diese Verantwortlichkeit: Christo zu leben? Dazu ist die Gemeine Gottes in die Welt gestellt, daß sie der Ausdruck Christi während Seiner Abwesenheit sei. Das Gewissen mancher Christen begnügt sich oft damit, einem unbekehrten Menschen die Heilige Schrift zu übergeben, damit er lesen möge, was C h r i s t u s war. Dies ist aber der Zweck nicht, weshalb uns Christus zurückgelassen hat. „Unser Brief seid ihr; . . . . g e k a n n t und gelesen vo n allen M e n s c h e n " (2. Kor. 3, 2). 

Sind wir solch ein lesbarer Brief? Es besteht nicht darin, daß jemand zu mir kommt mit der Frage: Was ist dein Bekenntnis? welche Ansichten hast du? und andere dergleichen Fragen. Bin ich nicht der Ausdruck der Gesinnung und des Wandels Christi, so bin ich eher, ein Stein des Anstoßes, als sonst etwas. Der Christ soll aber der l e b e n d i g e Ausdruck Christi, der Ausdruck Seines Charakters sein. Aber ach! das ganze Christentum besteht meistens nur in der Art und Weise zu den - k e n ; man wird nach den Meinungen, nach den Formen, welchen man zugetan ist, beurteilt. Und dennoch sind wir berufen, Christo, an welchen wir glauben, zu leben; wir sind e i n s mit Ihm, und berufen, zu offenbaren, was Er ist. Es liegt aber die ganze Kraft, durch welche ich handle und dies beweisen muß, in dem Verstehen, daß ich mit Ihm e i n s bin. Die zwei großen Ruhepunkte des Wandels Christi und desjenigen des Gläubigen, als e i n s mit Ihm, werden uns in dem Briefe an die Hebräer vorgestellt. Der erste ist da, (Hebr. 10) wo die Seele in „das Heiligtum" versetzt wird. Der Heilige Geist führt sie dort hin, und läßt uns an diesem gesegneten Ort Platz nehmen.

 „Da wir denn, Brüder, zum Eintritt in das Heiligtum Freimütigkeit haben, durch das Blut Jesu, auf einem neuen und lebendigen Wege, welchen er uns eingeweiht hat, durch den Vorhang, das ist sein Fleisch,...." (Hebr. 10, 19. 20). Die Kraft unseres vernünftigen Gottesdienstes ist das Verstehen der vollkommenen Reinigung unseres Gewissens. Viele verstehen dies nicht, und trachten darnach, diese Reinigung zu erlangen; aber das heißt, Gottes Ordnung völlig umdrehen, ich habe ein gereinigtes oder reines Gewissen; und nun gehe ich vorwärts, nicht um es zu erlangen, sondern weil ich es erlangt habe. Aber auf welche Weise empfange ich ein reines Gewissen? Nicht durch etwas, das ich getan nabe, nicht durch meine Gesinnung und mein Verhalten, als etwas das zu erlangen oder zu finden ist, — der Heilige Geist lehrt uns, daß es durch das Blut Christi ist.  Er offen- 6 bart die Herrlichkeit der P e r s o n Christi, ausgezeichneter als die der Engel und Mose; die Herrlichkeit Seines P r i e s t e r a m t e s , vorzüglicher als die der Opfer unter dem Gesetz. Und was ist die Folge von all diesem? Daß wir ein gereinigtes Gewissen haben, und daß Er uns in Seinem Heiligtum hat Platz nehmen lassen. 

Das gereinigte Gewissen ist nicht etwas, das der eine Christ hat, und wonach der andere trachtet, sondern etwas, das allen Christen gemein ist; a l l e haben ein gereinigtes Gewissen. Einige sind der Meinung, daß das Blut Christi unsere Sünden, welche vor der Bekehrung begangen sind, gesühnt, und daß die Sünden, nach der Bekehrung begangen, durch das Priesteramt Christi gut gemacht werden müßten. Dies sagt aber der Heilige Geist nicht; nein, das eine wie das andere ist durch das Blut Christi geschehen. Wir sind in dem Heiligtum mit einem gereinigten Gewissen; wir haben kein Bewußtsein mehr von den Sünden. 

Es ist gerade des Opfers Christi würdig, daß ich eine gänzliche und nicht eine teilweise Versöhnung meiner Sünden besitze. Der einfachste Gläubige ist für i m m e r da hingesetzt, wo der Hohepriester des alten Bundes jährlich nur e i n m a l eingehen konnte. Wenn man etwas näher mit den Seelen verkehrt, so erfährt man, wie viel Zweifel, Dunkelheiten, Furcht und Angst sie besitzen, und wodurch sie betrübt werden. Wenn das Blut Christi etwas für uns tut, so ist es dies: uns ohne Flekken und Runzeln in dem Heiligtum Platz nehmen zu lassen. „Da wir denn, Brüder, zum Eintritt in das Heiligtum Freimütigkeit haben, durch das Blut Jesu, . . . so lasset uns hinzutreten usw." (Hebr. 10, 19—22). Es ist hier kein Unterschied zwischen den Aposteln und den andern Gläubigen; der Apostel Paulus und der Mörder am Kreuz, mit einem Wort, alle haben gleicherweise einen gemeinsamen Platz hinter dem Vorhänge.

 Aber das Priesteramt Christi ist wirksam, um mich praktisch da zu vertreten, wohin mich das Blut Christi gestellt hat, wie es uns in dem Briefe des Johannes offenbart wird: „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten. (Jesus Christus zur Rechten Gottes ist die alleinige Grundlage der Rechtfertigung.) Und Er ist die Versöhnung (Gnadenthron) für unsere Sünden" (1. Joh. 2, 1).

 In dem Neuen Testament wird uns nie gesagt, daß wir um V e r g e b u n g bitten müssen; so etwas steht für den Christen nicht da; nein, sondern wenn wir unsere Sünden b e k e n n e n , so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt (1. Joh. 1, 9). Und dieser Unterschied ist nicht ohne Wichtigkeit. Es ist viel 7 leichter für ein Kind, bei einem Fehltritt um Vergebung zu bitten, als denselben zu bekennen. Wir können wegen dieser oder jener Sünde um Vergebung bitten, aber wir finden in der Schrift keinen sicheren Grund, um zu wissen, ob sie weggenommen ist; indessen, bekennen wir sie, so ist es (nach 1. Joh. 1,9) eine Sache des G l a u b e n s , zu wissen, daß sie weggenommen ist. Ich rede hier jetzt von dem G l ä u b i - g e n ; was den Unbekehrten betrifft, so hat man ihm die Notwendigkeit des Blutes Christi vorzustellen. „Gott ist tre u und g e r e c h t , (nicht allein gnädig und barmherzig), daß er uns die Sünden vergibt." Sobald ich in Betreff meiner die Sünde verurteilt oder bekannt habe, so darf ich gewiß sein, daß sie hinweg ist.

 Bewunderungswürdige Stellung, in welche der Jünger sogar im Anfang seiner Jüngerschaft gestellt wird! — Von seinen Sünden abgewaschen, mit einem gereinigten Gewissen, und gesetzt in das Licht vor das Angesicht Gottes, ohne die geringste Furcht zu empfinden! Aber was dann? Dabei stehen bleiben? Nein, dies ist das Fundament, worauf die darauf zu bauende Gottseligkeit gegründet ist. Der Gesetzliche und der Gesetzwidrige werden dieses hier gleichviel bestreiten. Was sagt denn die g e s e t z - l i c h e Stellung?  Du mußt machen, daß du zur Kindschaft gelangst. Ich konnte nimmer dahin kommen; dies hat das Gesetz bewiesen. Als Gott das Gesetz gab, was wurde da offenbar? „Du sollst das tun, du sollst das nicht tun", — es wurde offenbar, was das menschliche Herz ist. Es war unmöglich, daß der Mensch das tat, was Gott ihm sagte, das er tun soll, — und unmöglich, daß es das nicht war, was Gott ihm sagte, das er nicht sein sollte.

 „Denn so Viele aus Gesetzes Werken sind, sind unter Fluch" (Gal. 3, 10). Durch die Werke des Gesetzes kann ich nie und nimmer in das Heiligtum kommen. Ich bin dort als Folge von dem, was Christus auf dem Kreuze vollbracht hat. Und gerade dies ist im Anfang dieses Briefes Kap. 1, 3 gesagt: „ . . . . nachdem er durch sich selbst die Reinigung unserer Sünden gemacht, — sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt hat." Warum sagt das Wort „gesetzt hat?" Um auf das Bestimmteste zu bezeugen, daß das Werk vollkommen getan ist. Aaron setzte sich nie; weder in der Stiftshütte noch im Tempel war für den Priester ein Sessel. Was sagt der G e s e t z w i d r i g e , der Verächter des Gesetzes, (der andere Irrtum), den Menschen? „Ich habe, ich besitze alles in Christo"; und damit endigt er. Aber nein! Das Evangelium stellt mich dorthin, um die selige mir vorliegende Laufbahn mit einem brünstigen und ernsten Verlangen der Seele, Christo gleichförmig zu werden, zu laufen.

 8 Zuerst werde ich in das H e i l i g t u m , darnach a u ß e r - h a l b d e s L a g e r s gestellt. Gilt es mein Gewissen, so finde ich Christum i n n e r h a l b d e s V o r h a n g e s ; gilt es mein Herz, so finde ich Ihn a u ß e r h a l b de s L a g e r s . Es geziemt uns nicht, daß wir uns damit begnügen, Trost zu schöpfen, aus dem Wissen, daß Christus innerhalb des Vorhanges ist; ich muß mich praktisch mit Ihm außerhalb des Lagers einzuverleiben oder eins zu machen suchen. Christus, innerhalb des Vorhanges, stillt mein Gewissen; Christus außerhalb des Lagers, belebt und kräftigt meine Seele, um, Ihm gewidmet, die mir vorliegende Laufbahn zu laufen. „Denn von d e n Tieren, deren Blut für die Sünde durch den Hohenpriester in das Heiligtum gebracht wird, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. 

Deshalb litt auch Jesus, auf daß er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores. Darum laßt uns z u i h m h i n a u s - g e h e n , a u ß e r h a l b de s L a g e r s , seine Schmach tragend" (Hebr. 13,11—13). Moralisch gibt es keine zwei Punkte, welche weiter auseinander stehen, als „in d e m H e i l i g - t u m" und „ a u ß e r h a l b de s L a g e r s", und dennoch werden sie hier zusammengestellt. Innerhalb des Vorhanges wohnte die Schechinah der Herrlichkeit Gottes; außerhalb des Lagers wurde das Sündopfer verbrannt. Kein Ort gibt so sehr ein Bild der Entfernung von Gott, als dieser letztere. Selig ist es zu wissen, daß der Heilige Geist uns Jesum vorstellt, der alles, was zwischen diesen beiden Punkten liegt, erfüllt. Mit dem Lager haben wir sozusagen, nichts zu tun. Das Lager von Israel, wovon die Stadt Jerusalem das Gegenbild war, war der Ort des äußerlichen Bekenntnisses. 

Und darum hat auch Jesus außerhalb des Tores gelitten, um zu zeigen, daß die Ordnung des äußerlichen Bekenntnisses Israels beiseite gestellt war. Es kann uns klar geworden sein, daß das Werk Christi für uns geschehen ist (und Gott verhüte, daß uns irgend etwas diesen Segen verdunkele); es kann uns auch klar geworden sein, daß unser Gewissen gereinigt ist; allein ist die Ruhe des Gewissens alles, was ich bedarf? Gibt es keine Pflicht? Sollen wir allein der Stimme Christi, die innerhalb des Vorhanges zu uns dringt, Gehör geben, und die Stimme außerhalb des Lagers in den Wind schlagen? Wenn man alles genau prüft, so wird man finden, daß die Freude, der Friede, die Freiheit, welche aus dem Achtgeben auf die Stimme innerhalb des Vorhanges hervorfließt, sehr innig mit dem Horchen nach Seiner Stimme außerhalb des Lagers zusammenhängt. 

Diejenigen, welche am meisten von dem Leiden mit Christo und von dem Tragen Seiner Schmach ken- 9 nen, werden auch am meisten von dem Segen Seiner Stellung innerhalb des Vorhanges erkennen. Unser Handel und Wandel, unser Weg durch die Wüste, kurz, alles muß an Christo geprüft werden. Würde Christus dort sein? 

Würde C h r i s t u s dies tun? Es muß den Heiligen Geist betrüben, wenn der Heilige einem andern Wege folgt, als dem, welchem Christus gefolgt sein würde. Und tut der Heilige dies, dann muß seine Seele matt und dürre sein. Wie kann der Heilige Geist, welcher betrübt ist, von Christo zeugen? Wie kann Er der Seele die Kraft, die Freude und den Frieden Seines Zeugnisses von Christo schenken? Wie kann dieser den Genuß von Christo haben, wenn er nicht mit Ihm wandelt? Wir können ja, das wissen wir wohl, nicht die Gemeinschaft von jemand genießen, wenn wir nicht da sind, wo dieser ist. Und wo ist Christus denn? Außerhalb des Lagers! Lasset uns denn zu Ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend. Dies ist jedoch kein Hinausgehen zu Menschen, zu Meinigen, zu einer Kirchenpartei, zu Symbolen. Nein, es ist ein Hinausgehen zu Christo. Wir sind nicht von der Welt; und warum nicht? Weil Christus nicht von der Welt ist. Das Maß der Absonderung Christi von der Welt, ist auch das Maß unserer Absonderung von derselben. „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt." 

Suchen unsere Herzen hier eine solche Stadt? einen dauerhaften Zustand von Dingen, oder etwas dergleichen? Suchen wir etwas, um uns daran zu hängen? Sagen wir wie Lot, der vor Zoar mit Gott rechtete: „Siehe doch, diese Stadt ist nahe, um dahin zu fliehen, und sie ist klein; dahin möchte ich mich retten — ist sie nicht zu klein? — daß meine Seele lebe" (1. Mose 19, 20); dann hängt unser Herz, wie das des Lot, doch an etwas in der Welt. Ist das Herz von Christo erfüllt, so kann es die Welt hingeben, und findet dann darin keine Schwierigkeit mehr. Das einfache Sagen: „Laß d i e - se s oder j e n e s ! zu jemand, der die Welt lieb hat, wird nichts helfen; was ich zu tun habe, ist, einer solchen Seele Christum vorzustellen. Ich bin außerhalb des Lagers, suche eine zukünftige Stadt und erwarte Ihn, der kommen wird. In diesem Stande des Ausgehens aus der Welt und ihrem System, befinde ich mich selbst in zwei Beziehungen: eine in Ansehung Gottes und eine in Ansehung der Menschen. 

Die erste: „Durch ihn laßt uns denn Gott stets das Opfer des Lobes, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen, darbringen" (Hebr. 13, 15); die andere: die im folgenden Verse liebenswürdige Darstellung des Geistes in Betreff des auszuübenden Wohlwollens: „Des Wohltuns aber und des Mitteilens vergesset nicht; denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen." 10 Ich bin mit Christo innerhalb des Vorhanges, und außerhalb des Lagers, in der Welt, „seine Schmach tragend"; und also befreit von dem Bekenntnis um mich her, bin ich mit Anbetung und Gutestun an Allen beschäftigt. Was meine Erwartung betrifft, so ist dies nicht, wie man zu sagen pflegt: „Es betrifft die Lehre der zweiten Ankunft"; sondern ich erwarte den Sohn Gottes aus den Himmeln. Dies ist keine tote und leere Frage.

 Erwarten wir in der Tat den Sohn Gottes aus den Himmeln, so werden wir von der Welt los sein. Ich h a b e Christum für das Bedürfnis meiner Seele, und ich erwarte jetzt nur den Sohn Gottes aus den Himmeln; ich erwarte jetzt nur, daß Christus aus den Himmeln kommt, um Seine Gemeine zu Sich zu nehmen, auf daß, wo Er ist, auch wir seien; und das kann noch an diesem Abend geschehen. Ich sehe mich nicht nach dem Antichristen, nach den Zeichen der Zeit, nach den Bewegungen der Völker um, sondern nach dem einen seligen, nach der Ankunft des Sohnes Gottes aus den Himmeln. O, laßt uns doch mit uns selbst nicht im Kampf sein, mit der einen Hand Christum zu ergreifen, und mit der andern die Welt festzuhalten. Erkennen wir unsere Stellung „innerhalb des Vorhanges", so müssen wir sie auch „außerhalb des Lagers" kennen. Sind wir dann auch von allen, die nicht außerhalb des Lagers sind, geschmäht, gehaßt und verunehrt, so sind wir doch in der Freude der Gemeinschaft mit Ihm; und „wann der Christus, unser Leben, offenbart sein wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbart werden" (Kol. 3, 4). (Aus dem Englischen) 

11 

Die vor den Gerichten in der Offenbarung Johannes aufgenommene Kirche oder Versammlung 

Für denjenigen, welcher die Prophetie studiert, zeigt sich häufig eine Schwierigkeit, sobald er die Schwelle seiner ersten Untersuchungen überschritten hat. Diese Untersuchungen können ihn vollständig überzeugt haben, daß die zweite Ankunft Christi dem tausendjährigen Reiche vorangehen und dasselbe einführen wird, daß die Juden in ihrem Lande wieder hergestellt sein werden, und daß ein Teil von ihnen dort den höchsten Grad der Angst durchmachen muß. Man kann verstanden haben, daß diese Angst ihren höchsten Gipfel erreicht, wenn alle Nationen gegen Jerusalem versammelt sein werden; ferner, daß diesen also versammelten Nationen durch die Hand unseres Herrn Jesu Christi Selbst in Seiner Offenbarung vom Himmel in einer Feuerflamme Einhalt getan werden wird, und dessen Ankunft den armen unterdrückten Juden die Befreiung bringt, und zwar in demselben Augenblick, wo ihre Widersacher sie verwirren und zerstören.

 Man kann endlich vollständig zugegeben haben, daß, nach allem, was uns das Neue Testament verkündigt, die uns Christen vorgestellte Hoffnung, die Ankunft unsers Herrn Jesu Christi ist; daß wir ermahnt sind, diese große Tatsache zu betrachten, sie durch unser Flehen und Seufzen zu beschleunigen und doch geduldig zu erwarten; — mit einem Worte, daß der Normal-Zustand unserer Seele derjenige einer beständigen Erwartung dieses herrlichen Ereignisses sein soll. Doch hier erhebt sich die Schwierigkeit, wovon ich gesprochen habe. 

Derjenige, welcher die Prophetie studiert, wird vielleicht sagen: „Wenn eine ganze Reihenfolge von Tatsachen vor der Ankunft des Herrn auf Erden geschehen soll — wenn die Juden in ihr Land zurückkehren — die Nationen gegen sie versammelt werden — die Zeit einer Trübsal ohnegleichen kommen — die Siegel, die Posaunen und die Schalen der Offenbarung, ihren Gang der Gerichte durchlaufen — und die Ankunft des Herrn auf alle diese Ereignisse folgen soll — wie können wir, da wir noch nicht den Anfang eines einzigen von ihnen sehen, die Ankunft des Herrn erwarten und zwar auf eine vernünftige Weise? 

Es sind dies die vorbereitenden Begebenheiten, 12 welche wir erwarten können; aber bis sie anfangen, bis sie erscheinen, können wir nur durch sie hindurch Den sehen, welcher, das wissen wir, ihnen ein Ziel setzen soll. Doch wie können wir die Stellung einer beständigen Erwartung Christi einnehmen, wenn Seiner Ankunft solch eine Anzahl von Tatsachen, die noch nicht erfüllt sind, vorangehen soll?" Ich glaube hier die Schwierigkeit in ihrer ganzen Kraft vorgestellt zu haben, und diese Zeilen sind bestimmt zur Prüfung und Auflösung dieser Schwierigkeit, so viel mein gegenwärtiges Verständnis der Schrift es mir möglich machen wird. 

Zuerst möchte ich euch erinnern, meine Brüder, daß Schwierigkeiten den Unglauben nicht rechtfertigen. Wenn es in dem Neuen Testament klar offenbart ist, daß unsere Stellung als Christen sein soll, beständig unsern Herrn zu erwarten, so sollte der Glaube die Offenbarung an- und aufnehmen, von welcher Schwierigkeit sie auch umgeben sein möchte. Nun, welcher Mensch, der das Wort Gottes kennt, könnte eine solche Offenbarung in Zweifel ziehen? Unser Herr Jesus Selbst hat die Stellung bezeichnet, in welcher Er Sein Volk bei Seiner Ankunft zu finden wünscht: „Seid gleich den Menschen, welche auf ihren Herrn warten" (Luk. 12, 36). 

Die bestimmte Versicherung, welche Er Seinen Jüngern gibt, um sie über Seinen nahen Abschied zu trösten, ist diese: „Wenn ich hingegangen sein und euch eine Stätte bereitet haben werde, so werde ich wieder kommen und euch zu mir nehmen, auf daß ihr seid, wo ich bin" (Joh. 14, 3). Die erste Wahrheit, welche denselben Jüngern, nach dem Abschied Jesu, als sie Ihm mit den Augen folgten und Ihn durch die Wolken hindurch, auf welchen Er gen Himmel fuhr, noch zu sehen suchten, verkündigt wurde, ist die Versicherung Seiner Rückkunft: „Dieser Jesus, welcher von euch in den Himmel aufgenommen ist, wird also kommen, wie ihr ihn gen Himmel habt auffahren sehen" (Apg. 1, 11). Es mangelt den Gläubigen zu Korinth an keiner Gnadengabe, — „erwartend die Offenbarung unsers Herrn Jesu" (1. Kor. 1, 7). 

Der Apostel sagt von sich selbst und von seinen Brüdern in Christo: „Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden" (1. Kor. 15, 51); und ferner: die Toten werden unverweslich auf erweckt werden, und wir werden verwandelt werden" (V. 52). Er erklärt, daß das, was seine Brüder und er erwarten, und wünschen, nicht ist, entkleidet (d. h. den Körper zu verlassen), sondern überkleidet zu werden, damit das Sterbliche von dem Leben verschlungen werde" (2. Kor. 5, 4). „Denn unser Wandel", sagt er anderswo, „ist in den Himmeln, woher wir auch als Heiland den Herrn Jesum Christum erwarten, der den Leib 13 unserer Niedrigkeit umgestalten wird, daß er dem Leibe seiner Herrlichkeit gleichförmig sei" (Phil. 3, 20. 21). 

Die Thessalonicher waren „bekehrt von den Götzenbildern zu Gott, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott, und seinen Sohn von den Himmeln zu erwarten" (1. Thess. 1, 9. 10). 

Unter der einen oder der anderen Form ist die Ankunft des Herrn in allen Kapiteln dieser Epistel erwähnt. Die im 4. Kapitel zweimal wiederholten Worte: „Wir, die übrig gebliebenen Lebenden" (V. 15.17) bezeichnen klar genug, welches die Stellung ist, die der Versammlung geziemt. Es würde für den Apostel sehr leicht gewesen sein, wenn es also der Gedanke des Herrn gewesen wäre, zu sagen: „Wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch u n s , d i e e n t s c h l a f e n s e i n w e r d e n , durch Jesum mit ihm bringen.

 Denn dies sagen wir euch im Worte des Herrn, d a ß di e L e b e n d e n , di e b i s z u r A n k u n f t d e s Herr n ü b r i g b l e i b e n , uns , den vorher Entschlafenen nicht zuvor kommen werden." Warum spricht er denn nicht also? Gewißlich, weil es nach dem Willen des Herrn war, daß Seine Heiligen Ihn beständig erwarteten. Der Apostel konnte nicht sagen und keiner von uns könnte jetzt sagen, daß wir gewiß unter der Zahl der Lebenden und Übrigbleibenden sein werden. 

Der Apostel erfuhr später durch eine besondere Offenbarung, daß er nicht bis dahin bleiben werde. Es kann mit uns ebenso sein. Der Herr kann verziehen, bis daß wir alle in Ihm entschlafen sind; aber in Ermangelung bestimmter Offenbarungen über diesen Gegenstand, sollte der Glaube sagen, wie an dieser Stelle: „Wir, die übrig gebliebenen Lebenden." Der Glaube stellt uns dahin, wo unser Herr uns zu sehen wünscht, d. h. in ein beständiges Erwarten und Wachen. Die Jungfrauen werden dem Bräutigam entgegen gehen, und wenn auch der Glaube geprüft wird, wenn das Ziel der Hoffnung hinausgeschoben zu sein scheint, so können wir doch nicht sagen: „Mein Herr verzieht zu kommen." Der Apostel bittet, daß der „Herr unsere Herzen richten möge zu der Liebe Gottes und zu dem A u s h a r r e n des Christus" (2. Thess. 3, 5). Er spricht von einer Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, ihm an jenem Tage geben wird und „nicht allein aber mir", fügt er hinzu, „sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben" (2. Tim. 4, 8).

 „Erwartend die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unsers großen Gottes und Heilandes Jesu Christi" (Tit. 2, 13). „Christus", ist uns gesagt, „wird zum zweiten Mal ohne Sünde denen, die ihn erwarten, zur Seligkeit erscheinen" (Hebr. 9, 28). Damit wir den Mut nicht verlieren und das hinausgeschobene Ziel der Hoffnung unsere Herzen nicht er- 14 matte, sind wir durch diese Verheißung ermutigt: „Denn noch um ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verzögern" (Hebr. 10, 37). Obschon Petrus durch den Mund des Herrn selber wußte, daß er nicht bis zu dessen Rückkehr au£ der Erde bleiben würde, obschon ihm angekündigt war, mit welchem Tode er Gott preisen würde, so gibt es doch in seiner Epistel kein einziges Wort, welches diejenigen, an die er schrieb, dahin hätte führen können, ihr Abscheiden vor der Rückkehr des Herrn als eine gewisse Sache zu betrachten. Nein, er richtet an sie, wie an uns, Ermahnungen wie diese: 

„Erwartend und beschleunigend die Ankunft des Tages Gottes" (2. Petr. 3, 13). Das ist die Art und Weise, wie er unsere Stellung in der zweiten Epistel beschreibt. Die Ankunft Jesu ist auch in der 1. Epistel johannes angeführt, und zwar unter der Form von Ermahnung und Ermunterung; siehe Kap. 2, 28 und 3, 2. — In der Offenbarung Johannes, diesem Schluß der Heiligen Schrift, ist das Wort: „Ich komme bald!" oft wiederholt, und der von Herzen einfältige Gläubige, wenn er dies heilige Buch bestimmt geschlossen sieht und zwar durch diese Worte Jesu: „Ja, ich komme bald! Amen", worauf die Kirche antwortet: „Komm, Herr Jesu!" wird nicht in Zweifel ziehen können, daß unsere Stellung in Treue und im Segen die einer beständigen Erwartung der Rückkunft unseres Herrn sei.

 Hätten wir keine einzige Auflösung der Schwierigkeit, welche sich darbietet, so müßten so zahlreiche und so verschiedene Zeugnisse über diesen Gegenstand uns genügen, uns in der beständigen Erwartung zu erhalten; wir müßten dann unserm guten Herrn die Sorge für die Entfernung aller Schwierigkeiten überlassen, wann und wie es Ihm gefallen würde. Doch der treue Herr hat uns Mittel in die Hand gegeben, um die in Rede stehende Schwierigkeit zu lösen. 

Hätte Er es nicht getan, ich wiederhole es, so würden wir keineswegs dadurch befugt sein, eine andere Stellung zu wählen, als diejenige, welche Er uns so klar bezeichnet hat, in welcher Seine Liebe und Seine Güte sich entfalten, besonders um unsere Seelen durch das Licht, welches Er nach Seinem Wohlgefallen in Seinem Worte über einen so sehr kostbaren Gegenstand verbreitet hat, zu erfreuen, — kostbar für das Herz, welches seine Freude in der täglichen Hoffnung Seiner Rückkunft findet.

 Denkt euch jetzt, meine Brüder, daß es eine Zwischenperiode gebe, zwischen der Ankunft Christi in der Luft, um Seine Heiligen zu Sich zu versammeln, und Seiner Ankunft auf der Erde, begleitet von Seinen Heiligen, um das Gericht auszuführen; denkt, daß diese Zwischenperiode lang genug 15 sei, um die Vollendung aller prophetischen Begebenheiten zu gestatten, welche Seiner Erscheinung zum Gericht vorangehen sollen; denkt, daß in derselben die Juden in ihr Land zurückkehren, daß sich die Nationen gegen Jerusalem versammeln werden, daß der Antichrist offenbart werde, daß die große Trübsal komme, daß die Siegel in der Offenbarung geöffnet, daß die Posaunen ertönen und die Schalen ausgegossen werden; denkt, daß alle diese Ereignisse zwischen der Aufnahme der Kirche oder Versammlung und der Ankunft Christi zur Ausführung des Gerichts über Seine versammelten Feinde, erfüllt werden; bedenkt das alles und sagt uns, ob diese Versammlung die in Rede stehende Schwierigkeit nicht lösen würde.

 Würden wir angesichts dieser Tatsache nicht erkennen, daß wir den Herrn auf vernünftige Weise erwarten könnten, ohne zu denken, daß noch etwas vorhergehen müsse? Viele Begebenheiten, das ist wahr, k ö n n t e n sich zutragen, aber in diesem Falle könnten wir von keiner sagen, daß sie sich notwendigerweise zutragen mü s s e. 

Unser barmherziger Heiland könnte jeden Augenblick kommen, um uns zu Sich zu nehmen, und die vorausgesetzte Zwischenperiode ließe doch alle die Begebenheiten zu, wovon das Wort Gottes uns sagt, und welche stattfinden sollen, bevor Christus zurückkommt, um den Gesetzlosen mit dem Hauch Seines Mundes zu verzehren, und durch die Erscheinung Seiner Ankunft zu vernichten. Man muß also daran denken, daß allein die Möglichkeit einer derartigen Zwischenperiode, die Schwierigkeit, welche wir vorgestellt haben, erklärt. Wenn es nur m ö g l i c h ist, daß es eine solche Zwischenperiode zwischen der Ankunft Jesu in der Luft und Seiner Ankunft auf der Erde zum Gericht gäbe, wer könnte uns verhindern, die Stellung einer täglichen Erwartung Seiner Rückkehr zu bewahren.

 Worin besteht denn im Grunde die Schwierigkeit, welche wir untersuchen? Darin, daß die Juden noch nicht in ihr Land zurückgekehrt sind, und daß viele andere Ereignisse, welche der Ankunft Christi vorangehen sollen, sich noch nicht zugetragen haben. Wenn es aber möglich ist, daß es^ nachdem Jesus in der Luft herabgestiegen und wir Ihm entgegen gerückt sein werden, eine Zwischenperiode gibt, während welcher die Juden nach Kanaan zurückkehren und alle anderen Ereignisse erfüllt würden, eine Zwischenperiode, an deren Ende der Heiland, gefolgt von Seinen verherrlichten Heiligen, auf die Erde herabstiege, wird das nicht beweisen, wie es ebenso möglich ist, daß Jesus jede Stunde wieder kommen, und daß wir Grund genug haben, uns fest an die klar und bestimmt ausgedrückten Schriftstellen zu halten, welche uns zum beständigen Erwarten Seiner Ankunft ermahnen? 16 Wer wird zu behaupten wagen, daß eine solche Zwischenperiode nich t da sein wird? Wer würde denken, daß zwischen zwei Sätzen ein und desselben Verses, in Jes. 61, 2, nur getrennt durch ein Komma, eine Zwischenperiode von 1800 Jahren liege? 

Ohne Zweifel werden alle, welche diese Prophezeiung in den Tagen Jesaias lasen oder hörten, geschlossen haben, daß das „Gnaden-Jahr des Herrn" und der „Rache-Tag unseres Gottes" nur ein und denselben Zeitraum bilden. 

Unser Heiland aber, als Er diese Worte in der Synagoge zu Nazareth zitierte, wußte, daß eine solche Zwischenperiode beide Offenbarungen trennen würde, und daß Er gekommen war, nicht um den „Rache-Tag unseres Gottes" herbei zu führen, sondern das „Gnaden-Jahr des Herrn" zu zu verkündigen. Er hielt folglich bei dem Komma ein; denn „als er die Rolle zugewickelt und dem Diener zurück gegeben hatte, setzte er sich" (Luk. 4, 20). Wenn das kostbare Wort Gottes uns in diesem Beispiele zeigt, wie der Herr zwischen zwei kurzen Sätzen ein und derselben Stelle den nötigen Raum für die wirklich vollkommene Gnadenzeit lassen kann, wer würde zu behaupten wagen, daß es in Betreff der zweiten Ankunft unseres Herrn, zwischen dem ersten und zweiten Zeitpunkt dieser Zukunft, keine Zwischenperiode von einigen Jahren geben könnte, d. h. zwischen Seiner Ankunft in der Luft, um Seine Heiligen zu empfangen, und Seiner Erscheinung mit allen Seinen Heiligen, um das Gericht auszuführen, und über die Erde zu regieren? Ich wiederhole es, meine Brüder, in der Hoffnung, diesen Gedanken in euren Herzen zurückzulassen, nämlich: Wenn eine ähnliche Zwischenperiode nur stattfinden kann, wenn es unmöglich ist , durch d i e S c h r i f t z u b e w e i s e n , d a ß e i n e s o l c h e n i c h t s t a t t f i n d e n w i r d , — dann ist es unser Vorrecht, beständig, ohne einen Schatten von Schwierigkeit, die Rückkunft des Herrn zu erwarten, übereinstimmend mit einer Menge von Aussprüchen des Neuen Testaments. Doch scheint es mir, daß es uns nicht überlassen ist, uns vorzustellen, was sein k ö n n t e.

 Verschiedene Betrachtungen geben mir die Überzeugung, nicht allein, daß eine solche Zwischenperiode stattfinden k ö n n t e , sondern daß sie w i r k l i c h s t a t t f i n d e t . Ich wünsche diese Betrachtungen hier in aller Einfachheit darzustellen, und meinen Brüdern die Sorge zu überlassen, dieselben auf der Waage des Heiligtums zu wiegen. Möge der Herr uns allen eine wahrhaftige und tiefe Unterwerfung unter Sein heiliges Wort geben! Die erste Betrachtung, welche ich zur Begründung der - 17 Überzeugung, d a ß e i n e s o l c h e Z w i s c h e n p e r i o d e s t a t t f i n d e n w i r d , darlegen werde, ist nicht in Form einer ausdrücklichen Anführung der Schrift, sondern vielmehr das Resultat einer Vergleichung zwischen zwei Charakteren der Heiligen Schrift. Doch hoffe ich, dieses für die Einfältigen klar zu machen. 

Wir kennen alle die zahlreichen Ermahnungen des Neuen Testaments, welche uns auffordern, stets einen Geist der Versöhnung anzuziehen, — andern die Gnade, welche unser himmlischer Vater vor und über uns ausgebreitet hat, zu offenbaren. Andererseits gibt es vielleicht keinen einzigen Christen, welcher nicht mehr oder weniger durch gewisse Stellen der Psalmen oder anderer Bücher des Alten Testaments, in welchen durch die Anbeter die schrecklichsten Flüche und Gerichte auf das Haupt ihrer Feinde herab gerufen werden, in Verlegenheit gesetzt worden ist. Mehrere dieser Psalmen sind offenbar Prophezeiungen, die sich auf die Zeit beziehen, welche unmittelbar der Ankunft des Herrn zum Gericht vorangehen wird.

 Meine Brüder, sollten diese prophetischen Worte, voll Verfluchungen, u n s angehen können? Sollten sie im voraus der Versammlung in den Mund gelegt sein? Ebenso ist es doch auch klar, daß sie durchaus keine Anwendung haben werden, nachdem der Herr zum Gericht gekommen ist, nachdem Er Seine Widersacher zerstört und den Überrest der Juden, Seines irdischen Volkes, befreit haben wird. Wem gehört denn die Sprache dieser Psalmen? und wann können sie ausgesprochen werden? Ich glaube, daß es die Sprache des Überrestes der Juden ist, inmitten einer tiefen Finsternis ihrer letzten Trübsal, nachdem die Versammlung aufgenommen sein wird. Ihr könnt eine solche Sprache weder der Versammlung beilegen, noch daran denken, daß diese zu jener Zeit noch auf der Erde sein könnte, wo der Geist Gottes solche Worte auf die Lippen des Überrestes der Juden legen wird; es sei denn, daß ihr Dinge vermischt, welche der Heilige Geist in der Schrift sorgfältig unterschieden hat. 

Gegenwärtig handelt Gott nach einer freien und unumschränkten Gnade mit den Menschen; Er rechnet ihnen ihre Sünden nicht zu, sondern vergibt gnädig allen denen, welche an Jesum Christum glauben, und wären sie selbst die größten und gottlosesten Sünder. Was uns betrifft, so ist die an uns gerichtete Ermahnung diese: „Segnet, die euch verfolgen; segnet, und fluchet nicht." „Wenn nun deinen Feind hungert, so speise ihn; wenn ihn dürstet, so tränke ihn; denn dieses tuend, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln" (Röm. 12,14. 20). „Nichts Böses mit Bösem, oder Schelt- 18 wort mit Scheltwort vergeltend, sondern im Gegenteil segnend, wissend, daß ihr hierzu berufen seid, daß ihr das Erbe des Segens empfangen werdet" (1. Petr. 3, 9). „Unser Herr selbst sagte, als seine Feinde ihn ans Kreuz nagelten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" 

Der erste Märtyrer für den Namen Jesu, rief ebenso, während man ihn steinigte: „Herr behalte ihnen diese Sünde nicht!" Doch es wird eine Zeit kommen, wo ähnliche Gebete, (eingegebene Gebete, das möge man nicht vergessen) wie die folgenden von der Erde zum Himmel aufsteigen werden: „Warum Gott, verwirfst du immerfort, rauchet dein Zorn über die Herde deiner Weide? Gedenke deiner Gemeinde, die du dir erworben vor Alters, erlöst als deinen eigentümlichen Stamm, des Zions-Berges, auf dem du gewohnt!..." (Ps. 74, 1. 2). Bleiben wir hier einen Augenblick stehen, um zu bemerken, daß dieses auf den Zustand der Kinder Israels in einer späteren und zwar in einer viel späteren Periode als die des Anfangs ihrer Gefangenschaft angewendet werden muß: „Erhebe deine Schritte zu den s t e t e n V e r w ü s t u n g e n ! Alles verderbt der Feind im Heiligtum (V.3) . . . Unsere Bräuche sehen wir nicht; kein Prophet ist mehr, und Keiner bei uns, der weiß, wie lange? — Wie lange, Jehova, soll höhnen der Gegner, schmähen der Feind deinen Namen immerfort? Warum ziehst du zurück deine Hand und Rechte? 

Hervor aus dem Busen, tilge! (V. 9—11) . . . Gedenke dessen: der Feind höhnet Jehova, und ein gottloses Volk schmähet deinen Namen! (V. 18) . . . Steh' auf, o Gott, streite deinen Streit! gedenke deiner Schmach von den Gottlosen täglich! Vergiß nicht des Geschrei's deiner Feinde, des Lärms deiner Gegner, der stets aufsteiget!" (V. 22. 23). Dies zeigt klar, auf welche Zeit diese Klasse der Psalmen sich bezieht, — auf die Zeit der letzten Trübsal der Juden. Prüfen wir einen anderen Psalm (Ps. 79). „Gott! die Völker drangen in dein Eigentum, entweiheten deinen heiligen Tempel, machten Jerusalem zu Steinhaufen. Sie geben die Leichen deiner Knechte zum Fraß den Vögeln des Himmels, das Fleisch deiner Frommen den Tieren des Landes. Sie vergossen ihr Blut wie Wasser, rings um Jerusalem und keiner begrub (V. 1—3). . . . 

Wie lange, Jehova, wirst du zürnen mitnerfort, wird brennen wie Feuer dein Eifer? Gieß deinen Grimm auf die Völker, die dich nicht kennen, und über die Reiche, die deinen Namen nicht anrufen! (V.5. 6).. . Warum sollen die Völker sagen: „Wo ist Gott?" Es werd' unter den Volkern kund vor unsern Augen die Rache des vergossenen Blutes deiner Knechte! (V. 10) . . . Und gib zurück unsern Nachbarn siebenfach in den Busen ihren Hohn, womit sie dich gehöhnet, Herr! (V. 12). . " Und noch Ps. 83: „Gott ruhe 19 nicht, schweige nicht, und sei nicht still, o Gott! Denn siehe, deine Feinde toben, und deine Hasser heben das Haupt; wider dein Volk fassen sie listigen Anschlag, und ratschlagen wider deine Schutzbefohlenen.

 Sie sprechen: „Auf! laßt uns sie tilgen aus den Völkern, daß Israels Name nicht mehr genannt sei!" (V. 2—5) Mein Gott, mache sie dem Wirbel gleich, den Stoppeln vor dem Winde, dem Feuer gleich, das den Wald verbrennt, und der Flamme, welche den Berg entzündet! Also verfolge sie mit deinem Sturm, und mit deiner Windsbraut scheuche sie fort! (V. 15—17) . . . Zu Schanden müssen sie werden und hinweg geschreckt auf immer, und mit Hohn umkommen, damit sie erfahren, daß dein Name, Jehova, allein, der höchste über alle Welt (V. 18.19) . . . " Es ist unnötig, noch mehr anzuführen. Man findet in den Psalmen Gebete, welche sich auf spätere Zeiten beziehen, ähnlich diesen: „Tilge sie im Grimm, tilge sie hinweg, daß sie erfahren, daß Gott in Jakob herrschet, bis an die Enden der Erde!" (Ps. 59, 14).

 „Dann, freut sich der Gerechte, weil er Rache schaut, seine Schritte badet in der Frevler Blut" (Ps. 58,11). Habe ich nötig noch zu fragen, ob es die Kirche oder Versammlung sein kann, welche eine solche Sprache führt, welche solche Gebete ausspricht, welche sich solcher Prophezeiungen freuet? Unmöglich! — Aber, wird man fragen, kann die Versammlung nicht noch auf der Erde sein, während der Überrest der Juden also sein Herz vor Gott ausschüttet? Wie! Der Geist Gottes, vollkommen e i n s , könnte zu derselben Zeit in den Herzen Einiger ein Gebet für die Vergebung der Feinde wirken, und Andern die Bitte um ihr Verderben eingeben. Es gibt in der Versammlung weder Juden noch Griechen, und die gegenwärtige Gnadenzeit muß ganz geändert werden, bevor ein Volk existieren kann, in welchem der Heilige Geist lehrt, sich die Sprache der angeführten Psalmen anzueignen. Alles dieses wird klar und leicht zu verstehen sein, wenn man nach der Aufnahme der Versammlung eine Zwischenperiode zugibt, während welcher der Überrest der Juden gebildet wird.

 Dieser Überrest geht durch die unaussprechliche Trübsal hindurch, indem er die Ankunft des Messias erwartet, welcher sie durch den Untergang ihrer Widersacher und Unterdrücker befreien wird. Ohne dieses bleibt im Gegenteil alles in einer schrecklichen Verwirrung. Dieser Betrachtung wird man vielleicht entgegensetzen: „Aber diese Stellen sind alle aus dem Alten Testament genommen; gibt es auch im Neuen Testament solche, welche einen gleichen Sinn geben?" Gewiß, es gibt deren. Leset Of- 20 fenbarung Johannes 11, Vers 3 — 6, wo uns von den zwei Zeugen Gottes geredet wird, welche, mit Säcken bekleidet, tausendzweihundertsechzig Tage weissagen müssen, und wovon gesagt ist: „Wenn jemand sie beschädigen will, so geht Feuer aus ihrem Munde und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand sie beschädigen will, so muß er also getötet werden.

 Diese haben Gewalt, den Himmel zu verschließen, auf daß in den Tagen ihrer Weissagung kein Regen gieße; und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln und, so oft sie wollen, die Erde mit jeder Plage zu schlagen" (V. 5. 6). Ist das der Dienst des Evangeliums der Gnade Gottes, welcher der Versammlung anvertraut ist? Gibt es eine Beziehung, eine Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Diensten und Ämtern? Einmal, während der Herr hienieden war, weigerte sich ein samaritischer Flecken, Ihn aufzunehmen. 

„Als aber seine Jünger, Jakobus und Johannes es sahen, sprachen sie: Herr! willst du, daß wir sagen, daß Feuer vom Himmel herabfalle und sie verderbe, wie auch Elias tat?" — Was war die Antwort Jesu? Willigte Er in ihre Bitte? „Er aber wandte sich um, strafte sie und sprach: Ihr wisset nicht, wes Geistes ihr seid" (Luk. 9, 54. 55). Wie klar ist es, daß die Gnadenzeit geändert und die Versammlung von dem Schauplatz abgetreten sein muß, bevor ein Zeugnis wie das in Offb. Joh. 11 stattfinden kann. Doch untersuchen wir ein wenig näher den ganzen Plan des Buches der Offenbarung, und wir haben den bestimmten Beweis, daß die Versammlung vor den Gerichten der Siegel, der Posaunen und der Schalen aufgenommen sein muß.

 Wir haben schon in der vorhergehenden Betrachtung eine starke Vermutung zu Gunsten dieser Meinung gefunden; hier aber haben wir, wie es mir scheint, einen direkten und unwiderleglichen Beweis dafür. In der Offenbarung 1, 19 wird dem geliebten Jünger folgender Auftrag gegeben: „Schreibe nun, was du gesehen hast, und was ist und was nach diesen Dingen geschehen wird." Die griechischen Worte sind meta tauta, welche einfach und bestimmt „nac h d i e s e n " bedeuten. Diese Worte haben nicht den Sinn unseres unbestimmten Ausdrucks: „darnach" .

 Das griechische Wort meta heißt: n a c h und tauta: d i e s e , und da es die sächliche Mehrzahl ist, so kann es nur „d i e s e Dinge " sein. Wir haben also hier, gegeben durch den Herrn Selbst, die Einteilung und den Plan des Buches der Offenbarung. „Schreibe, w a s d u g e s e h e n h a s t," — wir finden dies im ersten Kapitel; es ist das Gesicht des Johannes auf Patmos, - „ u n d w a s i s t , " - dies haben wir in dem zweiten und dritten Kapitel; es sind die 21 sieben Versammlungen und das durch den Sohn des Menschen über ihren Zustand ausgesprochene Urteil, — „un d w a s n a c h d i e s e n D i n g e n g e s c h e h e n w i r d , — dies ist die Geschichte, welche im 4. Kapitel anfängt und bis zum Ende des Buches geht. Wir wollen dieses noch etwas genauer betrachten. Was den ersten Teil betrifft, umfassend, „wa s d u g e - s e h e n hast" , so ist jede Erklärung überflüssig. Dieses ist ganz deutlich in dem 1. Kapitel erzählt. Der zweite Teil des Buches: „un d w a s ist " erfordert etwas mehr Aufmerksamkeit. Es ist ohne Zweifel, daß die sieben Sendschreiben im 2. und 3. Kapitel an die Versammlungen gerichtet waren, deren Namen sie tragen. 

Doch warum wurden diese sieben gewählt, um diese Sendschreiben zu empfangen? Sollte es nicht deshalb sein, wie mehrere, welche die Prophetie studiert haben, vermuten, weil sie durch ihre geistige Beschaffenheit, durch die Warnungen, Drohungen, Ermahnungen und Verheißungen, welche ihnen nötig waren, das Ganze und die Dauer der Versammlung auf Erden repräsentieren? d. h. daß diese Sendschreiben an die Gemeinen Prophezeiungen von verschiedenen Zuständen und (wie ich nicht umhin kann, zu denken) von aufeinanderfolgenden Zuständen der Versammlung sind*) und zwar von der Zeit an, wo sie geschrieben worden, bis zur Aufnahme der wahren Versammlung bei der Wiederkunft des Christus, und der Verwerfung des Körpers (Körperschaft) der falschen Bekenner, welche eine verdorbene Masse geworden sind, allein geeignet, aus dem Munde des Christus ausgespieen zu werden**). Das, „wa s i s t", ist uns also im 2. und 3. Kapitel vorgestellt worden.

 Jetzt beginnt das 4. Kapitel mit den Worten: „Nac h d i e s e n D i n g e n sah ich und siehe! — eine Tür in dem Himmel geöffnet, und die erste Stimme, welche ich wie die einer Posaune mit mir reden gehört hatte, sagend: Komm hier herauf, und icJj werden dir zeigen, was n a c h d i e s e n D i n g e n geschehen muß." Es ist hier genau derselbe Ausdruck wie vorher: meta tauta. Also fängt nach dem Zeugnis dieser Stimme, welche Johannes hörte, hier der dritte Teil *) Diese Annahme verträgt sich sehr gut mit der durch die Worte „was ist" bezeichneten gegenwärtigen Zeit. Die Zeit, worin der Apostel lebte, ist, bezüglich ihres Charakters gegenüber der Haushaltung des alten Bundes und gegenüber der Haushaltung, die nach der Wiederkunft Christi eintreten wird, — dieselbe wie die, worin wir leben, und welche erst mit der Aufnahme der Versammlung endigen wird. **) Die Zahl 7 wird überhaupt in der Schrift als Zeichen der Vollkommenheit, als eine Vollzahl gebraucht. 22 des Buches an. 

Das, was nach diesen Dingen geschehen muß, wird ihm vom 4. Kapitel an enthüllt. Welches sind diese Dinge? Die Kapitel 4 und 5 zeigen uns eine Szene im Himmel, welche weder dem Zustande der gegenwärtig vorhandenen Dinge, noch dem Zustand der Dinge, welche das tausendjährige Reich charakterisieren, entspricht. Der Thron Desjenigen, welcher angebetet wird als: „Herr, Gott allmächtig, der w a r und der is t und der k o m m t ! " erscheint den Blicken des Apostels. „Und aus dem Throne gehen Blitze, Stimmen und Donner hervor." Gewißlich ist dieses verschieden von dem Throne der Gnade, zu dem wir mit Zuversicht zu nahen eingeladen sind, „auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe." „Blitze, Stimmen und Donner" sprechen vom Gericht und nicht von Gnade. Und auch ist es ebenso klar, daß hier nicht von der Zeit des tausendjährigen Reiches die Rede ist; denn das mit sieben Siegeln versiegelte Buch, welches im 5. Kapitel noch nicht geöffnet ist, offenbart die Gerichte, welche dem tausendjährigen Reich vorangehen sollen. 

Das Lamm wird hier inmitten des Thrones gesehen, empfängt dieses Buch von Demjenigen, welcher auf dem Throne sitzt; Kr empfängt es, als das alleinige Wesen in den Himmeln und auf der Erde, welches würdig befunden war, dasselbe zu öffnen. Diese zwei Kapitel beschreiben also klar einen vorübergehenden Zwischenzustand, eine Zwischenperiode zwischen der gegenwärtigen Gnadenzeit, vollkommen an Gnade, und dem tausendjährigen Reich. Wo ist die Kirche oder Versammlung während dieser Zwischenperiode? Dies ist die Frage, welche sich aufdrängt. Und die einzige Antwort, welche durch das Buch der Offenbarung gegeben wird, ist diese: „die Versammlung ist im Himm el." Was stellen die vierundzwanzig Ältesten in weißen Kleidern und goldnen Kronen vor? Was bedeuten die vier lebenden Wesen, welche in diesen beiden Kapiteln beschrieben sind? Ihr Gesang bezeichnet es genugsam:

 „Und sie singen ein neues Lied, sagend: Du bist würdig das Buch zu nehmen, und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast uns durch dein Blut Gott erkauft aus jedem Geschlecht und Sprache, und Volk und Nation, und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden über die Erde herrschen!" (Offb. Joh. 5, 9.10). Natürlich kann hier nicht von vierundzwanzig Personen im buchstäblichen Sinne die Rede sein. Wie könnten sie aus jedem Geschlecht und Sprache und Nation erkauft sein? Es sind bildliche Personen, darstellend die ganze Menge Derjenigen, welche erkauft sind 23 und welche auf der Erde regieren sollen.

 Wir sehen also, daß diejenigen, welche bestimmt sind, die königliche Ehre des Christus im tausendjährigen Reich zu teilen, während der Zwischenperiode zwischen der jetzigen Gnadenzeit und dem tausendjährigen Reich, im Himmel um Christum herum versammelt sind, erkennend, daß Er würdig ist, und Seine Regierung auf der Erde mit Ihm genießend. Jedesmal wenn wir sie in den Kapiteln 4, 5, 7, 11, 14, 19, erscheinen sehen, so finden wir sie denselben Platz einnehmen; wie jemand so schön sagte: „Wir sehen im 4. Kapitel die lebendigen Wesen und die gekrönten Ältesten den Thron des allmächtigen Gottes im Himmel umgeben. 

Die Szene wechselt im Laufe des Buches, nicht aber die Stellung dieser geheimnisvollen Personen. Sie nehmen Anteil an dem, was vorgeht; sie singen und erfreuen sich an gewissen Szenen, aber sie sind dabei niemals direkt tätig und verlassen nicht ihren erhabenen Wohnsitz." Der Raum gestattet mir nur noch zwei oder drei Punkte zu bezeichnen. Wir haben in Offenbarung 19, Vers 4 die letzte Erwähnung der vierundzwanzig Ältesten und der vier lebenden Wesen; nachher wird von der Hochzeit des Lammes, dessen Weib sich bereitet hat, geredet. Gewißlich muß die Versammlung vollständig und in Herrlichkeit sein, wenn sie als Braut des Lammes zur Hochzeit bereit ist.

 Diese Hochzeit findet im Himmel statt. Nach derselben wird der Himmel geöffnet, und der, welcher das weiße Pferd besteigt, geht daraus zum letzten Kampf hervor. Er tritt die Kelter des Zornes und Grimmes des allmächtigen Gottes. Merket jetzt auf den 14. Vers: „Und die Kriegsheere, die in dem Himmel sind, folgten ihm auf weißen Pferden nach, angetan mit weißer, reiner Leinwand." Der 8. Vers berichtet uns, daß die Leinwand die Gerechtigkeiten der Heiligen sind. D a s K r i e g s h e e r i s t i m H i m m e l . Im 2. und 3. Kapitel ist uns die Versammlung in ihrer Verantwortlicheit auf der Erde siebenmal vorgestellt. 

Von Kap. 4 bis 19, 4 finden wir die Versammlung im Himmel unter dem Bilde der Ältesten und der vier lebenden Wesen. Die Siegel sind geöffnet, die Posaunen ertönen und die Schalen sind ausgegossen, — alles dieses führt schreckliche Leiden über die Erde und ihre Bewohner herbei. Doch die Versammlung sieht alle diese Dinge aus dem Himmel, in dem sie das Lob Gottes und des Lammes singt. Während sie so in dem Himmel die Zeit erwartet, wo sie mit dem Lamm auf der Erde regieren wird, sind die Heiligen bildlich dargestellt durch die gekrönten Ältesten und die vier lebenden Wesen. Aber im 19. Kapitel, nachdem Babylon, die unrechtmäßige Besitzerin, gerichtet ist, findet die Hochzeit des Lammes mit Seiner wahren Braut 24 statt, und von da an hören wir nichts mehr von den gekrönten Ältesten noch von den lebenden Wesen.

 Die Versammlung, das Weib des Lammes geworden, ist in Seinem Gefolge, wenn Kr auszieht als Sieger, und um zu siegen. Im 20. Kapitel wird die Regierung eingerichtet; von Kapitel 21, 9 bis 22, 5 haben wir die Herrlichkeit der Versammlung als Weib des Lammes: das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herniederkommend. V o m E n d e de s 3. bi s z u m 19. K a p i t e l , w o C h r i s t u s v o m H i m m e l h e r - n i e d e r k o m m t , g e f o l g t v o n d e m K r i e g s h e e r , w e l c h e s i m H i m m e l ist , w i r d d i e V e r s am m - l u n g n i e m a l s au f d e r E r d e g e s e h e n . 

Noch ein Wort: Wir haben in Offb. Joh. 3, 10 die bestimmte Verheißung, welche der Herr Jesus denen gibt, die Sein Wort bewahrt, und Seinen Namen nicht verleugnet haben: „Weil du das Wort meines Ausharrens gehalten hast, so werde auch ich dich vor der Stunde der Versuchung bewahren, welche über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die, welche auf der Erde wohnen, zu versuchen." *) *) Nicht: Ich werde dich bewahren i n oder durch die Stunde, sondern: Ich werde dich vor oder außer der Stunde bewahren, wie in Joh. 12, 27. Zu diesem sonst so einfachen und klaren Zeugnis über diesen köstlichen Gegenstand möchte ich noch einige Worte, namentlich aus dem 1. und 2. Kapitel des 2. Briefes an die Thessalonicher hinzufügen.

 Wir sehen im ersten Brief, daß diese Versammlung .in einer lebendigen und freudigen Erwartung des Herrn lebte. Der Apostel sagt Kap. 1, 2: „unaufhörlich gedenkend eures Werkes des Glaubens, und eurer Bemühung der Liebe, und eures Ausharrens der Hoffnung un s er s Herrn Jesu Christi, vor unserem Gott und Vater." Obgleich in mancherlei Anfechtungen und Trübsalen, so war ihr Blick, tuie man doch erwarten könnte, nicht auf diese, sondern auf die Ankunft des Herrn gerichtet. Im 4. Kap. tröstet sie der Apostel über die in Jesu Entschlafenen, weil sie befürchteten, diese möchten bei dem für sie so köstlichen Augenblick der Rückkunft Christi nicht gegenwärtig sein. 

Der liebliche Trost des Apostels von Vers 13—18 ist uns bekannt. Er tadelt sie nicht über ihr Ausharren in einer steten Erwartung, wie oft behauptet worden, sondern belehrt und tröstet sie nur, in Betreff der in Jesu Entschlafenen. In der 2. Epistel Kap. 1, 3 dankt der Apostel Gott für den wachsenden Glauben und die zunehmende Liebe der Thessalonicher; aber er erwähnt nichts von der Hoffnung. Verschiedene Irrlehrer hatten durch allerlei falsche Mittel, wie uns die Worte tn Kap. 2, 2 stark vermuten lassen, ihren Einfluß auf diese Versammlung ausgeübt, und zwar durch die Behauptung, daß der Tag Christi schon vorhanden sei.

 Wäre dies die Wahrheit gewesen, so hätten die Thessalonicher umsonst gehofft und der 25 Apostel hätte sie getäuscht. Doch mit welchem Ernst der Apostel jetzt bemüht ist, die Versammlung von der Lüge der Irrlehrer zu überzeugen, beweisen uns namentlich die beiden ersten Kapitel des zweiten Briefes. Die großen Drangsale, welche die Thessalonicher erduldeten, waren kein Grund, daß der Tag Christi vorhanden sei; denn so lange die Kinder Gottes durch die Welt Trübsal leiden, lebt diese noch in Sicherheit, und der Tag des Herrn zum Gericht kann noch nicht da sein. Die vergeltende Gerechtigkeit Gottes bringt an diesem Tage schreckliche Trübsale über die Welt, „ewiges Verderben von dem Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke" (V. 8. 9).

 „Sintemal es bei Gott gerecht ist, Drangsal denen zu vergelten, die euch bedrängen, und euch, die ihr bedränget werdet, — Ruhe mit uns in der Offenbarung des Herrn Jesu vom Himmel, mit den Engeln seiner Macht" (V. 6. 7). Während des Gerichtes über die Welt hat die Kirche oder Versammlung Ruhe und Erquickung beim Herrn. Er wird kommen an diesem Tage, um „verherrlicht zu werden in seinen Heiligen, und bewundert in allen denen, die geglaubt haben" (V. 10). Er wird mit den Seinigen kommen, um die Welt zu richten (1. Kor. 6, 2; Kol. 3, 4; Offb. 2, 26. 27). Im 2. Kapitel liefert der Apostel einen anderen Beweggrund, um die Versammlung zu überzeugen, daß der Tag des Herrn noch nicht da sein konnte, indem er davon redet, was diesem Tage vorangehen müsse.

 „Lasset euch von niemanden auf irgend eine Weise verführen, weil (er nicht kommt), es sei denn, daß zuerst der Abfall komme, und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, offenbart sei...." (V. 3— 6). Der völlige Abfall und die Offenbarung des Menschen der Sünde war zu jener Zeit noch nicht, wenn auch schon das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam war (V. 7). Hier ist aber nicht im entferntesten die Rede davon, was der Ankunft Christi in der Luft, zur Aufnahme der Heiligen, vorangehen müsse, sondern Seine Ankunft mit Seinen Heiligen zum Gericht, wo Er den Gesetzlosen „mit dem Hauch seines Mundes verzehren, und durch die Erscheinung seiner Ankunft vernichten wird" (V. 8). 

Wenn aber die Thessalonicher der Lüge der Irrlehrer glauben, so war die Freude und die selige Hoffnung auf die Ankunft Christi zu ihrer Aufnahme in ihren Herzen zerstört; und dies ist nicht weniger der Fall, wenn die Christen heutzutage dem Irrtum Raum geben, daß dieser Tag Christi zum Gericht, wovon in diesem 2. Kapitel die Rede ist, der Gegenstand ihrer Erwartung sei. „Um der Ankunft uns er s Herrn Jesu Christi willen, und unserer Versammlung zu ihm" (V. 9), eine Wahrheit, die das Herz stets mit großer Freude und seliger Hoffnung erfüllt, bittet der Apostel die Thessalonicher, nicht schnell in ihrer Gesinnung erschüttert noch bestürzt zu werden, und sich von niemandem auf irgend eine Weise verführen zu lassen. Diese Ermahnung gilt auch uns, und der Herr gebe, daß sie völlig Eingang in unsere Herzen finde. 

26

 „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin" (Ev. Joh. 11, 16) 

In Seinem Gebet (Ev. Joh. 17) bezeugt der Herr Jesus vor Seinem Vater von den Seinigen, daß sie nicht von der Welt sind, gleichwie auch Er nicht von der Welt ist. Eine köstliche Wahrheit, die das Herz der Seinigen ganz erfüllen sollte. Dies Bewußtsein sollte sie stets durchdringen, daß sie aus der Welt erkauft, und zwar teuer erkauft sind, und ihr jetzt eben so wenig angehören, als Er Selbst. Ihre Gemeinschaft ist „mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo." 

„Und dieses schreiben wir euch", sagt der Apostel Jo - hannes, „auf daß eure Freude völlig sei" (1. Joh. 1, 4). Einst gehörten sie der Welt an, und waren mit ihr tot in Sünden und Übertretungen; sie befanden sich unter denen, über welchen der Zorn Gottes bleibt, weil sie nicht glauben, und über welche das Gericht Gottes ausgesprochen ist und bald hereinbrechen wird. Jetzt aber, erwählt von Christo, erkauft durch Sein kostbares Blut, durch dasselbe abgewaschen und geheiligt, gehören sie nicht mehr der Welt an, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. So einfach und lieblich nun diese Wahrheit auch ist, so wird sie doch in un - seren Tagen von den Gläubigen wenig verstanden und beherzigt. 

Die Erkenntnis des Wortes Gottes ist sehr mangelhaft, und der Gehorsam und die Liebe schwach. Doch erst dann, wenn wir unser Verhältnis, unsere Einheit mit Christo verstanden haben, werden wir aus der Welt ausgehen, und unsere Gemeinschaft mit ihr brechen. Diese Erkenntnis, wenn sie durch den Geist Gottes ist, läßt uns die Ermahnung in 2. Korinther 6, 14—18 verstehen und beherzigen: „Sei d n i c h t i n e i n e m u n g l e i c h e n J o c h m i t de n U n g l ä u b i g e n ! D e n n w e l c h e G e n o s - s e n s c h a f t h a t G e r e c h t i g k e i t u n d G e s e t z l o - s i g k e i t ? U n d w e l c h e G e m e i n s c h a f t h a t 27 L i c h t m i t F i n s t e r n i s ? U n d w e l c h e Ü b e r e i n - s t i m m u n g h a t C h r i s t u s m i t B e l i a l ? O d e r w e l c h e s T e i l h a t d e r G l ä u b i g e m i t d e m U n - g l ä u b i g e n ? U n d w e l c h e n Z u s a m m e n h a n g h a t d e r T e m p e l G o t t e s mi t G ö t z e n b i l d e r n ? 

Den n i h r s e i d d e r T e m p e l de s l e b e n d i g e n G o t t e s , w i e G o t t g e s a g t h a t : „ I c h w i l l u n t e r i h n e n w o h n e n u n d w a n d e l n , u n d ic h w e r d e i h r G o t t sein , u n d si e s o l l e n m e i n V o l k sein. 

" D a r u m g e h e t a u s i h r e r M i t t e u n d s o n d e r t e u c h a b , s p r i c h t d e r H e r r , u n d r ü h r e t n i c h t U n r e i n e s an , — u n d ic h w e r d e e u c h aufnehmen; u n d ic h w e r d e e u c h z u m V t f e r s e i n , u n d i h r w e r d e t m i r z u Söhnen u n d Töchtern sein , s p r i c h t de r Herr, d e r Allmächtig e." Es ist also klar, daß nach dem Willen Gottes zwischen Gläubigen und Ungläubigen keine Gemeinschaft sein soll, und auch, sobald es sich um die Dinge des Geistes handelt, keine sein kann. Auf dieser Erde sollen jetzt stets zwei Heerlager unterschieden werden: solche, „di e v o n d e r W elt " und solche, „di e n i c h t vo n d e r W elt , s o n d e r n vo n G o t t si n d." In jenem Lager herrscht der Fürst dieser Welt, in diesem aber wohnt und waltet der Heilige Geist. Es ist wahr, daß beides, sowohl der gute Samen, als auch das Unkraut miteinander wachsen soll bis zur Ernte, welche die Vollendung des Zeitalters ist; der Acker aber, worauf beides wachsen soll, ist nicht die Kirche oder die Versammlung, sondern die Welt (Matth. 13, 38. 39). Das Wort Gottes erlaubt keine Gemeinschaft der Gläubigen mit den Ungläubigen; es fordert völlige Scheidung.

 Nicht nur sollen jene das Bewußtsein i n sich tragen, daß sie nicht von der Welt sind, sondern sie sollen es auch durch ihren ganzen Wandel bekennen und verwirklichen; nicht nur sollen sie sich von den äußeren Sünden und Gesetzlosigkeiten getrennt halten, sondern in der Tat bezeugen, daß die Welt in keiner Weise, weder an ihrem Dienst vor Gott, noch an ihrer Auferbauung und an ihren Segnungen Teil haben kann. Und wenn die Gläubigen aufgefordert sind, wie wir oben gesehen, aus der Welt auszugehen, so ist die Versammlung ebenso entschieden ermahnt, „de n B ö s e n a u s i h r e r M i t t e z u t u n " (1. Kor. 5,13). N u r g e t r e n n t von der Welt und völlig e i n s untereinander werden die Kinder Gottes Lichte r in der Welt und ein Salz der Erde sein; nur in dieser Stellung können sie das Wort des Lebens darstellen inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts.

 Sind sie aber durch die Gemeinschaft mit diesem Geschlecht geschwächt, 28 weil der Heilige Geist in solcher Gemeinschaft nicht mit ihnen sein kann, so sind sie auch weniger ein lebendiges und kräftiges Zeugnis in der Welt, und Gott wird nicht von ihnen durch die Gesinnung Christi, der nicht von dieser Welt ist, verherrlicht. Dieses Trennen und Ausgehen aus der Welt wird aber immer Schmach und Verfolgung hervorrufen; denn wo der Geist Gottes wirksam ist, da regt sich auch der Fürst dieser Welt; und wir haben dann nicht allein den Haß der Ungläubigen zu tragen, sondern auch die Unzufriedenheit und selbst die Bitterkeit solcher Gläubigen, welche ihre Einheit mit Christo nicht recht verstanden haben, und darum in mannigfacher Beziehung eine Gemeinschaft mit der Welt zu unterhalten suchen. 

Wenn der treue Christ einfach lauter nach dem Worte Gottes wandelt, und sich nicht den menschlichen oder weltlichen Satzungen in Betreff des Gottesdienstes unterwirft, so wird er in gleicher Weise den Haß und die Verfolgung der Ungläubigen und der weltlichgesinnten Gläubigen zu erdulden haben. Er wird dann Gelegenheit haben, zu erfahren, was Paulus an die Galater schreibt: „Ich aber, Brüder, wenn ich noch B e s c h n e i d u n g predige, warum werde ich noch v e r f o l g t ? Dann wäre ja da s Ärgernis des Kreuzes abgeschafft" (Gal. 5, 11). Ebenso wird er oft Veranlassung finden, mit dem Apostel über „die Feinde des Kreuzes Christi zu weinen." Je weltförmiger der Christ, desto mehr rühmt und schätzt er die Formen und Satzungen, unter welchen er steht. Es ist aber „der Herr , der A l l m ä c h t i g e , " der uns auffordert, aus ihrer Mitte zu gehen, und uns abzusondern. 

Er will unser Vater und wir sollen Seine Söhne und Töchter sein. Wie tröstlich ist es, unter den vielen Versuchungen in dieser Wüste, unter den mannigfachen Beschwerden einer irdischen Hütte, unserm Leibe, unter dem Spott und der Verfolgung sichtbarer und unsichtbarer Feinde, dies Bewußtsein zu haben, daß Gott, welcher uns befohlen, aus der Welt auszugehen, unser Vater, der Allmächtige ist. Er wußte wohl, daß wir in unserer Schwachheit eines so starken Trostes bedurften. Wäre hienieden um unserer Treue willen auch Alles gegen uns, der A l l m ä c h t i g e ist für uns und ist mit uns, und wird uns mit starkem Arm durch alle Schwierigkeiten und Hindernisse glücklich hindurchführen; Er ist unser Väter.

 Darum wird uns auch an einer andern Stelle versichert: „Ich werde dich nicht versäumen, noch dich verlassen!" so daß wir kühn sagen dürfen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht vor dem fürchten, was mir ein Mensch tun wird" (Hbr. 13, 5. 6). 29 Je mehr wir auf dem Wege durch die Wüste unsere Gemeinschaft mit Gott dem Vater und Seinem Sohne Jesu Christo durch den Glauben verstehen und in unserm Wandel verwirklichen, und jemehr wir Gott Selbst erkennen lernen, destomehr werden wir auch von dieser Gemeinschaft genießen. 

Wir erkennen immer völliger die Liebe Christi, obgleich diese. Liebe alle Erkenntnis übersteigt. Es kann weder unser Verstand, noch unser Herz ihre Fülle erreichen, — das Köstlichste aber für uns ist, zu wissen, daß wir mit d i e s e r L i e b e geliebt sind. Das Kreuz Christi verkündigt laut diese Liebe gegen uns. Sie bewies sich schon da in ihrer Vollkommenheit, als wir noch Sünder und Feinde waren, wieviel mehr erweist sie sich jetzt in ihrer Fülle, da wir durch Sein kostbares Blut erkauft und versöhnt sind. Die Liebe Christi zu den Seinigen entfaltet sich an dem letzten Abend vor Seinem Kreuzestode in ihrer ganzen Schönheit und Tiefe in den Unterhaltungen mit Seinen Jüngern und in Seinem Gebet für sie.

Jedes Herz, das nicht ganz und gar unempfindlich gegen Liebe ist, muß hier stille stehen und bewundern. Solche aber, die nicht allein von ferne stehen und schauen, sondern auch persönlichen und völligen A n t e i l an dieser Liebe haben, können nur eine vollkommene Freude in sich tragen. Lasset uns einen Augenblick bei diesen Unterhaltungen, wie sie uns im Ev. Joh. Kap. 13—17 aufgezeichnet sind, verweilen. Er stand im Angesicht des schauerlichsten Todes, — eines Todes, der alle seine Schrecken über Ihn brachte, — eines .Todes, wo alle Feinde Ihn umringt und Gott Ihn verließ. War dieses nicht genug, um an dem Abend Sein ganzes Herz und alle Seine Gedanken in Anspruch zu nehmen? Doch Seine Liebe zu den Seinigen war noch stärker, als dies alles.

 Wir finden Ihn hier mit einer solch innigen Sorgfalt, mit einer solch tröstenden Liebe um diese bemüht, als wenn auf sie ein so schrecklicher Morgen wartete. „Wie er die Seinigen in der Welt geliebt hatte, so liebte er sie bis ans Ende" (Joh. 13,1). In der Fußwaschung offenbarte Er ihnen, was Er auch Selbst in der Herrlichkeit für sie, die auf der Erde zurückblieben, sein würde. Wenn sie, die ein für allema l Gereinigten, auf dem Wege durch die Wüste ihre Füße beschmutzten, so wollte Er stets für ihre Reinigung, wie eine zärtlich liebende Mutter, Sorge tragen (Joh. 13). In Kapitel 14 offenbart Er ihnen Seinen Hingang zum Vater, und daß dieser Hingang für sie von so herrlichen Folgen sei. Er bereitet dort die Stätte für die Seinigen, und will wiederkommen und sie zu Sich nehmen, auf daß sie seien, wo Er ist (V. 1—4). Er sagt ihnen, daß Er mit dem 30 Vater Eins ist, und daß alle ihre Gebete in Seinem Namen Erhörung finden werden (V. 10. 14). Er will sie nicht als Waisen in dieser Wüste zurücklassen, — ein anderer Sachwalter, der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn weder sieht noch kennet, soll ewig bei ihnen bleiben und sie begleiten; und kraft dieses Geistes sollen sie erkennen, daß Er in Seinem Vater, und daß sie in Ihm und Er in ihnen ist (V. 16—21). 

Er will mit dem Vater Wohnung in ihnen machen, und will Sich ihnen, die Er liebt, und von welchen Er geliebt wird, offenbaren (V. 23). Seinen Frieden, den Er in der Gemeinschaft des Vaters genießt, soll auch ihr Herz erfüllen und erfreuen (V. 27). In Kapitel 15 versichert Er den Seinigen, daß Er sie so liebt, wie Er Selbst vom Vater geliebt wird, (V. 9) und daß Er sie nicht mehr Knechte, sondern Freunde nennt, weil Er ihnen alles, was Er von Seinem Vater gehört, mitgeteilt hat (V. 15). Er offenbart ihnen ferner, daß Er sie von der Welt auserwählt habe, und daß sie deshalb von der Welt gehaßt würden, weil diese Ihn haßt, und weil sie nicht von der Welt sind. In Kapitel 16 teilt Er ihnen mit, daß er ihnen noch Vieles zu sagen habe, was sie aber jetzt nicht tragen könnten; daß aber der Geist der Wahrheit sie in alle Wahrheit leiten solle (V. 12.13).

 Auch will Er sie wiedersehen, und ihr Herz soll frohlocken ((V. 22); ihre jetzige Traurigkeit soll sich in Freude verwandeln, die niemand von ihnen nehmen wird (V. 20). Endlich versichert Er ihnen noch, daß der Vater Selbst sie lieb habe. Besonders lieblich ist das Gebet im 17. Kapitel. Es ist ungemein erquicklich für unsere Herzen, die Unterhaltung Jesu mit Seinem Vater in Betreff der Seinigen zu vernehmen. Welch eine Liebe und Fürsorge tritt uns hier entgegen! Und wie unendlich köstlich für uns, zu wissen, daß wir selbst der Gegenstand dieser Liebe und Fürsorge sind! Es gibt im Himmel und auf Erden keinen Gegenstand, der für den Vater und den Sohn kostbarer wäre, oder ihre Liebe und Sorge mehr in Anspruch nähme, als die Seinigen. Möchte doch dies Bewußtsein sich unseren Herzen recht tief einprägen.

 Jesus ging aus einer Welt, die Ihn nicht kannte, und worin Er Selbst nicht fand, Sein Haupt hinzulegen; aber in dieser Welt mußte Er die Seinigen, die Seinem Herzen so teuer waren, zurücklassen. Bisher hatte Er Selbst sie geleitet und bewahret, aber jetzt mußte Er für eine Zeit von ihnen gehen. Wo aber waren sie während Seiner Abwesenheit besser aufgehoben, als an dem Herzen Seines Vaters? 31 „Denn", sagt Er, „sie sind dein, (und alles das Meinige ist dein, und das Deinige mein), und ich bin in ihnen verherrlicht" (V. 9. 10). Konnte es eine lieblichere Bitte für den Vater geben, als diese? Der geliebte Sohn vertraut Ihm diejenigen, welche schon Sein sind, und welche Ihm der Vater gegeben hat, und in welchen Er verherrlicht ist.

 Kann es für unser Herz etwas Beruhigenderes und Erquicklicheres auf dem Wege durch diese Wüste geben, als zu wissen, daß wir einem solchen Vater vertraut sind, um uns in dieser Welt vor dem Bösen zu bewahren, — einem Vater, der uns Selbst so vollkommen lieb hat? Deshalb sagt auch Jesus: „Ich rede dieses in der Welt, damit sie meine Freude völlig in sich haben" (V. 13). Es ist das Erkennen der vollkommenen Liebe des Vaters und des Sohnes, welches die Freude in uns völlig macht. Hier ist es auch, wo Jesus vor dem Vater bezeuget, daß die Seinigen nicht von der Welt sind, gleich wie auch Er nicht von der Welt ist. Es ist unmöglich, diese Wahrheit zu verstehen, und das Bewußtsein dieser Liebe in sich zu tragen, und dennoch in der Gemeinschaft mit der Welt zu bleiben.

 Welch eine Liebe und welch ein Opfer bedurfte es, um uns aus dieser Gemeinschaft zu erretten! Und wir beweisen nur, wie wenig wir dies alles erkennen, wenn wir darin verharren. Vielmehr will der Herr, daß wir die Einheit untereinander begreifen und völlig verwirklichen; wie Er mit Seinem Vater eins ist, so sollen auch wir untereinander und in dem Vater und dem Sohne eins sein (V. 21). Ebenso will Jesus auch, daß die Seinigen die Herrlichkeit, die Ihm vom Vater gegeben ist, schauen und mit Ihm besitzen, damit, sowohl durch diese Teilnahme an Seinem Erbe, wie durch das vollendete Einssein untereinander und in dem Vater und dem Sohne, wenn beides völlig verwirklicht ist, die Welt endlich erkenne, daß die Seinigen vom Vater geliebt sind, wie Er Selbst geliebt ist. 

Wie unendlich groß ist doch die Liebe Gottes in Christo Jesu! Es offenbart sich ihr wahrer Charakter aber dann noch tiefer und lieblicher, wenn wir einen Blick auf die Jünger, den Gegenstand dieser Liebe, werfen. Ach, wie wenig verstehen sie diese Liebe, die ihnen hier in Christo Jesu so herrlich entgegenströmt. Angesichts derselben entsteht unter ihnen ein Streit, „we r v o n i h n e n f ü r d e n G r ö ß t e n z u h a l t e n s e i " (Luk. 22, 24). Judas überliefert Jesum zum Tode; Petrus flucht und schwört, daß er Ihn nicht kennt; die drei Jünger können in Seinem schweren Kampf in Gethsemane nicht eine Stunde mit Ihm wachen, und bei Semer Gefangennehmung fliehen alle und verlassen Ihn. 32 Hier sehen wir, daß das Herz Gottes allein der Grund und das Maß dieser Liebe Christi ist, und nicht das Herz der Jünger. Dies alles aber läßt uns auch die große Kluft zwischen denen, die „nicht von der Welt" sind, verstehen.

Jene erkennen weder den Vater noch den Sohn; der Zorn Gottes bleibt über ihnen, weil sie nicht glauben, und ihr Weg führt zu einem schrecklichen Gericht; diese aber sind ein Gegenstand der vollkommenen Liebe Gottes, Eins mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo, und Genossen der himmlischen Herrlichkeit. Das ganze Wesen von beiden offenbart uns, daß zwischen ihnen keine Gemeinschaft bestehen kann. Halten wir eine solche aber dennoch fest, so beweisen wir, daß wir dies Wesen Beider nicht verstehen. Der Gegenstand der vollkommenen Liebe Gottes, und der Seines Zornes haben keine Gemeinschaft miteinander. Die Kinder dieser Welt können unmöglich mit den Gläubigen Gott anbeten und preisen, weil sie Ihn nicht kennen, noch gemeinschaftlich mit ihnen an einem Tische das Brot brechen, weil sie Seinen Tod, an dem sie keinen Anteil durch den Glauben haben, nicht mit dankbarem Herzen verkündigen können. Nur Unwissenheit oder Gleichgültigkeit kann ein Kind Gottes in einer solchen Gemeinschaft mit der Welt festhalten. 

Haben wir die Liebe Gottes und Christi erkannt, haben wir verstanden, daß wir der vornehmste Gegenstand dieser Liebe sind, so erfüllt gerade dies Verständnis unsere Herzen mit einer seligen Ruhe und einer tiefen Freude. Wenn uns nichts in dieser Welt bliebe, wenn wir selbst auf den Beistand und den Trost der Mitbrüder verzichten müßten, so wäre das Bewußtsein dieser Liebe uns immer genug. Sie ermutigt uns in den vielen Versuchungen; sie tröstet und erquickt uns in den mannigfachen Trübsalen. Sie bleibt immer dieselbe; das Maß ihrer Fülle ist nicht unsere Würdigkeit, sondern Gott Selbst.

 Doch wie wenig wird das Wesen und die Tragweite dieser Liebe verstanden, und wie sehr haben wir sie in unserer Armut und Schwachheit beim Durchgang durch diese Wüste nötig! O, der treue Herr wolle uns durch Seinen Geist immer mehr ihre Vollkommenheit verstehen lassen. Eine andere Beziehung wird uns noch fühlbarer erkennen lassen, daß wir mit Christus Eins und nicht von der Welt sind. Bis jetzt haben wir mehr die Stellung der Gläubigen als K i n d e r G o t t e s betrachtet, wie sie von der Welt erkauft, durch den Heiligen Geist abgesondert und als die Familie Gottes auf der Erde dargestellt sind. 

Es ist eine heilige, von der Welt abgesonderte Familie. Ihre Einheit 33 liegt in dem Ratschluß und den Gedanken Gottes, und sie soll auch offenbar werden; „denn Christus sollte nicht allein für das Volk sterben, sondern auf daß er auch die zerstreuten Kinder Gottes in Eins versammelte." Es ist die Wirkung des Heiligen Geistes in uns, wenn das Bewußtsein dieser Einheit unser Herz erfüllt, und es ist Sein Werk, wenn diese Einheit auf der Erde sich verwirklicht. Jetzt wollen wir etwas näher in unsere Beziehung zu Christo eingehen. „Ei n L e i b u n d ei n G e i s t , wi e i h r a u c h i n e i n e r H o f f n u n g e u r e r B e r u f u n g b e - r u f e n s e i d : Ei n Herr , Ei n G l a u b e , E i n e T a u f e , Ei n G o t t u n d V a t e r A l l e r , d e r ü b e r Alle , u n d d u r c h A l l e , u n d i n u n s A l l e n i s t " (Eph. 4, 4—6). In diesen Worten haben wir die volle Einheit derer, die Christo angehören. „ E i n L e i b u n d Ei n G e i s t . " Die Versammlung Gottes auf der Erde ist der Leib Christi. Sie ist ein Teil von Ihm.

 Als Saul diese Versammlung verfolgte, da sagte Jesus zu ihm: „Was verfolgst du m i c h ? " Er Selbst war es, Sein Leib, den er verfolgte. Wir haben jetzt nicht mehr den gläubigen Überrest der Juden auf der Erde, sondern die Versammlung, den Leib Christi, aus allen Nationen berufen. Wir haben jetzt die Offenbarung des köstlichen Geheimnisses, welches vor Grundlegung der Welt in Gott verborgen war, „da ß n ä m l i c h d i e N a t i o n e n M i t e r b e n u n d ei n T e i l Ei n u n d d e s s e l b e n L e i b e s , u n d m i t t e i l h a f t i g s e i n e r V e r h e i - ß u n g i n d e m C h r i s t u s d u r c h d a s E v a n g e l i u m s e i n s o l l t e n " (Eph. 3, 6). „Denn er ist unser Friede, der die Beiden Eins gemacht, und die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen hat, da er in seinem Fleische die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, abgeschafft hat; auf daß er die Zwei, Frieden stiftend, in sich selbst zu einem neuen Menschen schüfe; und daß er die Beiden in Einem Leibe Gott durch das Kreuz versöhnte, nachdem er durch dasselbe die Feindschaft getötet hatte" (Eph. 2, 14—16). 

Jetzt ist Ein Leib auf der Erde, der sein verherrlichtes Haupt im Himmel hat. Aber so wenig wie das Haupt der Welt angehört, ebenso wenig auch der Leib. Unsere vollkommene Einheit, als Leib Christi mit Ihm, bedingt auch unsere vollkommene Trennung von dieser Welt. Es gibt auch keine andere Beziehung, die ihrem Wesen nach so unzertrennlich ist als die der Versammlung mit Christo, und keine andere, die so entschieden die Trennung der Glieder des Leibes Christi von der Welt ausspricht, als diese. Jeder wahrhafte Christ gehört Christo. Mag er diese Beziehung verstehen oder nicht, er ist ein Glied an Seinem Leibe. 

„Wir sind Viele Ein Leib in Christo" (Röm. 12, 5). 34 Unsere Stellung als Glied des Leibes Christi, drückt aber auch ebenso sehr unsere gliedliche Gemeinschaft untereinander aus; „je einer ist des anderen Glieder." Sie ist ebenso unzertrennlich wie auch unsere Gemeinschaft mit Christo, „aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und zusammenbefestigt, durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße eines jeglichen Teiles, das Wachstum des Leibes zu seiner Selbstauferbauung in Liebe schafft" (Eph. 4, 16). Sobald wir aber von unserer gliedlichen Gemeinschaft untereinander reden, dürften wir eigentlich auch die in obiger Stelle angeführte Wirksamkeit eines jeden Gliedes in seinem Dienste für das andere nicht übergehen; denn als Glied an diesem Leibe kann nur von einer dienenden und aufopfernden Liebe, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch, die Rede sein. Als Glied des Leibes Christi bin ich nur ein Diener des Andern.

 Dieser Dienst aber bezieht sich hier nicht auf den Herrn, sondern auf den Leib und seine Glieder; so wie jedes Glied an meinem Körper nur zum Dienst des Körpers und seiner Glieder da ist. Es ist jedoch nicht unser Zweck, hier über diesen Dienst zu reden, sondern vielmehr über die Einheit des Leibes Christi in seinen Gliedern und mit seinem Haupte im allgemeinen, und über seine Absonderung von der Welt. Diese Absonderung nun muß uns völlig klar sein, wenn wir die Einheit des Leibes untereinander und mit seinem verherrlichten Haupte im Himmel verstanden haben.

 Christus hat zu der Welt keine Beziehungen, es sei denn als Richter; aber die Seinigen sind mit Ihm unzertrennlich verbunden durch das Band der Liebe und des Friedens; sie sind der Gegenstand der zärtlichsten Gefühle und Neigungen Seines Herzens; und dasselbe Band bindet auch die Seinigen untereinander und mit Ihm. Welche Gemeinschaft ist nun noch zwischen diesen und der Welt? Wie könnten wir uns mit der Welt zugleich an dem Tische des Herrn befinden, wenn wir das Wort des Apostels beachten wollten: „Denn Ein Brot — Ein Leib sind wir, die Vielen: denn wir alle sind des Einen Brotes teilhaftig" (1. Kor. 10,17). 

Gehen wir dessen ungeachtet in dieser Geringschätzung Seines Wortes voran, so möchte man auch mit dem Apostel fragen: „Reizen wir den Herrn zum Eifer? Sind wir stärker als er?" (V. 22). Es ist nicht weniger köstlich für uns, zu verstehen, daß wir d u r c h E i n e n G e i s t zu Einem Leibe getauft sind. Nicht nur ist die Kraft des Geistes Gottes in und unter uns wirksam, sondern der Heilige Geist Selbst als eine Person wohnt und wirkt in und unter uns. Nicht nur ist es das Eine Leben, als Ausfluß des Geistes,— welches alles durchdringt, 35 sondern es ist der Eine Geist, durch welchen alle Glieder Christi zu Einem Leibe getauft sind. Ebenso wie Christus als Person auf der Erde war, so ist es jetzt der Heilige Geist.

 Er wohnte sowohl in der Versammlung Gottes, als dem Leibe Christi, als auch in jedem einzelnen Gliede dieses Leibes. „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid, und daß der Geist Gottes in euch wohnet? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, diesen wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig, welcher ihr seid" (1. Kor. 3, 16.17). „Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft. So verherrlicht nun Gott an eurem Leibe" (1. Kor. 6,19. 20). Es übt einen großen Einfluß, sowohl auf die Versammlung als auf die einzelne Seele aus, wenn die Gegenwart des Heiligen Geistes in Wahrheit erkannt wird. Diese Erkenntnis erweckt einen heiligen lauteren Wandel, und gibt auch Trost, Kraft und Freude in allen Umständen unseres Lebens. Der Herr hat uns nicht als Waisen in dieser Wüste gelassen; der Heilige Geist leitet uns, Er verherrlicht Jesum in uns, und Er vertritt uns mit unaussprechlichen Seufzern. Diesen Geist kann die Welt nicht empfangen, weil sie Ihn nicht siehet, noch Ihn kennet (Joh.14,17). 

Doch die Versammlung ist die Behausung Gottes im Geiste; Gott wohnet in ihr; aber der Fürst dieser Welt ist Satan. Welche Gemeinschaft kann also zwischen dem Hause Gottes und der Welt sein? Die Innewohnung des Heiligen Geistes beweiset also ebenso klar, daß wir mit der Welt keine Gemeinschaft haben können; die Kinder dieser Welt können nicht gemeinschaftlich mit den Gläubigen Gott nahen und anbeten, weil dieses Nahen und diese Anbetung nur durch die Kraft des Heiligen Geistes, welcher allein inmitten der Versammlung und in den einzelnen Gliedern wohnt, geschehen kann. Sie können nicht mit ihnen in Gemeinschaft Gottes dienen, weil es ohne die Kraft und Wirksamkeit des Heiligen Geistes keinen wohlgefälligen Dienst vor Gott gibt. Ebenso wichtig ist es, zu verstehen, daß der Heilige Geist nur E i n e r ist, der in allen Gliedern des Leibes Christi gleiche Gefühle und gleiche Gesinnungen erweckt.

 Er kann unmöglich die Gläubigen auffordern, aus der Mitte der Ungläubigen auszugehen und sich abzusondern, und zu gleicher Zeit ungetrübt in den Gläubigen wohnen und wirken, die Seiner Aufforderung nicht folgen, sondern mit der Welt in Gemeinschaft bleiben. Er kann aber auch unmöglich die Gläubigen ermahnen, unter Seiner Leitung und in der Freiheit, womit sie 36 Christus befreit hat, zu wandeln, und zu gleicher Zeit Wohlgefallen an denen haben, welche zwar äußerlich aus der Welt ausgehen, aber sich wieder aufs neue unter allerlei kirchliche Formen und menschliche Satzungen stellen. Möchten doch alle Christen die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes in ihnen und in der Mitte der Versammlung erkennen, und von Seiner stets hinreichenden Leitung und Wirksamkeit überzeugt sein, so würde gerade das Bewußtsein Seiner Gegenwart, welche heiligt und absondert, uns von der Gemeinschaft der Welt ausgehen lassen und ferne halten. Endlich ist ei n u n d d i e s e l b e H o f f n u n g , woran alle Glieder des Leibes Christi gleichen Anteil haben; es ist ein und dieselbe Berufung, womit alle berufen sind. 

Diese Berufung ist himmlisch, und diese Hoffnung hat die himmlische Herrlichkeit zum Ziel. Die Versammlung ist, wie schon bemerkt worden, der Leib Christi, ein Teil von Ihm, und darum ist sie auch die Genossin Seiner himmlischen Herrlichkeit. In den Gläubigen wohnt der Geist der Kindschaft, durch welchen sie rufen: Abba, Vater! und weil sie Kinder sind, darum sind sie auch Erben Gottes und Miterben Christi. Der Heilige Geist in ihnen ist jetzt das Unterpfand bis zur Besitznahme ihres Erbteils. Wer mit Christo an der himmlischen Herrlichkeit teilhaben will, muß Seinem Leibe angehören. Sind wir hienieden nicht Glieder Seines Leibes, so sind wir auch dort nicht Genossen Seiner Herrlichkeit. 

Sein Leib aber wird Seine Herrlichkeit völlig mit Ihm als Seinem Haupte genießen. Die irdischen Verheißungen waren für Israel; aber sie sind nicht für Seinen Leib, d. i. für die Versammlung. Israel war ein irdisches Volk; die Versammlung ist ein himmlisches. Schon jetzt sind die durch den Glauben mit Christo auferstandenen Heiligen ermahnt, nur nach dem zu trachten, was droben ist, wo Christus ist, und nicht nach dem, was auf der Erde ist. Ihr Wandel ist in den Himmeln, in Gemeinschaft mit ihrem verherrlichten Haupte. Befinden sie sich auch jetzt noch in einer irdischen Hütte und sind deshalb beschweret; wandeln sie auch durch eine Wüste in mannigfachen Versuchungen, so wissen sie dennoch, daß sie stets auf dem Wege in ihre wahre Heimat sind. 

Diese Heimat ist für sie nicht auf dieser Erde, sondern droben im Vaterhause, da, wo Jesus ist. Täglich haben sie Jesum zu erwarten, welcher verheißen hat, wiederzukommen, und sie zu Sich zu nehmen, auf daß sie seien, wo Er ist; d e n n si e s i n d n i c h t v o n d e r W elt , w i e a u c h E r n i c h t v o n d e r W e l t ist ; sie haben hienieden keine bleibende Stätte, wie auch Er keine hatte. Unser Teil ist die himmlische Herrlichkeit.

 Wir genießen jetzt davon durch 37 den Glauben; wir erfreuen und rühmen uns ihrer in Hoffnung; aber wenn Jesus kommt, so wird dieser Glaube und dieses Hoffen sich in seliges Schauen und in ein ungestörtes Genießen verwandeln. Wie groß ist das Vorrecht, ein Glied am Leibe Jesu Christi, und darum ein Genosse der himmlischen Berufung zu sein. Es ist nur Eine Hoffnung, woran alle Glieder völlig Anteil haben. Und welche Hoffnung hat die Welt? Gar keine. Sie hat nur ein schreckliches Gericht zu erwarten. Sie hat weder Teil an dem Einen Leibe, noch an dem Einen Geiste, noch an der Einen Hoffnung dieser himmlischen Berufung. Welche Gemeinschaft können denn die Kinder der Welt mit diesen Gliedern haben? Gar keine. Keine Gefühle beleben und erfreuen ihr Herz, wie sie der Geist Gottes in den Herzen der Heiligen erweckt und belebt. In der Heiligen Schrift wird uns also ganz klar der Charakter der Versammlung Gottes bezeichnet. Sie ist Ein Leib, in welchem Ein Geist wohnt, und welcher in Einer Hoffnung der Berufung berufen ist.

 Die Glieder dieses Leibes sollen sich ihrer völligen Einheit untereinander und mit Jesu, ihrem Haupte, bewußt sein. Sie sind auf der Erde, um den Charakter und die Gesinnung Christi in allem darzustellen, um durch ihren Wandel zu beweisen, daß Gott heilig und die Liebe ist. Das Bild Christi soll immer mehr in ihnen verwirklicht und durch sie offenbart werden. Dahin gehen im Worte Gottes alle die einfachen und ernsten Ermahnungen des Heiligen Geistes. Durch Gesinnung und Wandel soll es stets offenbar werden, daß die Christen ebenso wenig von der Welt sind, wie auch Christus. Alles, was diese als solche auszeichnet, unterscheidet sie von der Welt; und nur dann, wenn sie das, was sie als Christen auszeichnet und von der Welt unterscheidet, in ihrem Wandel praktisch kund tun, sind sie ein lebendiges und wahres Zeugnis in der Welt. 

Werden sie auch in dieser Stellung gehaßt und verfolgt wie Jesus Selbst, so tragen sie doch das Zeugnis in sich, daß sie sich zu Ihm bekannt und Seinen Namen nicht verleugnet haben; und dies ist unendlich mehr als die Stellung solcher Christen, die wegen ihres weltförmigen Sinnes hochgeachtet sind. Stehen wir in dieser Gesinnung und diesem Wandel auch sehr vereinzelt da, so ist doch Gott für und mit uns, und dies ist köstlicher als alles. Wir werden auf einem solchen Wege stets erfahren, daß Er das völlig für uns ist, was Er auch in Seinem Worte verheißen hat. Richten wir jetzt unser Auge auf die Versammlung selbst, wie sie jetzt ihre Einheit verwirklicht und offenbart. Welch eine schreckliche Verwirrung und Zersplitterung, welch ein fleischlicher und weltlicher Sinn tut sich hier unseren Blicken 38 kund. 

Man muß jetzt das Wort Gottes lesen, um zu verstehen, daß nach dem Ratschluß Gottes und nach dem Wesen der Versammlung selbst, diese nur Ein s und nur E i n e ist und sein kann; in der Gesinnung und dem Wandel der Glieder dieser Versammlung offenbart sich uns diese Einheit sehr wenig. Die Sünde und das Fleisch sind fast überall wirksam; und wie durch die List und Bosheit Satans jedes Werk Gottes auf der Erde verderbt ist, so auch dieses; überall begegnen wir einer traurigen Verwirrung. Die Versammlung Gottes, die nur Eine ist, hat sich in eine Menge Parteien zersplittert.

 Zwar beruft sich fast jede dieser Parteien auf das Wort Gottes; sie rühmt sich besonderer Vorrechte, weil sie sich unter besondere Formen und Satzungen gestellt hat und darnach wandelt; die Tatsache aber, daß die Versammlung Gottes nur Eine ist und sein kann, und diese Einheit sich auf der Erde offenbaren soll, wird wenig erkannt und noch viel weniger verwirklicht. Diese menschlichen Satzungen und Formen haben in den Augen vieler Gläubigen einen höheren Wert, als die Gedanken Gottes und die Wirkung des Heiligen Geistes, welcher nur Einen Leib auf der Erde kennt.

 Selten — und in größeren Städten und Gemeinden wohl nie — finden wir in unsern Tagen die Christen, einfach als solche, vereinigt, und im Namen Jesu versammelt, also daß man von ihnen, wie von der Versammlung zu Jerusalem sagen könnte: „Sie sind Ein Herz und Eine Seele". Eine Menge von Auserwählten, Heiligen und Geliebten Gottes finden wir in Gemeinschaft mit den Kindern der Welt beschäftigt, Gott anzubeten, sich mit ihnen auf ihren allerheiligsten Glauben zu erbauen, und an Seinen Segnungen zu erfreuen. Unwissenheit, Weltsinn und auch Leichtfertigkeit hat Vieler Herzen durchdrungen, so daß die Gedanken Gottes selten verstanden, und wo sie verstanden, nicht beherzigt werden. Sie freuen sich wohl, daß sie durch den Glauben an der ewigen Seligkeit durch das Opfer Christi Teil haben, aber sie gedenken nicht daran, daß sie ein Werk Gottes sind, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, und daß sie in diese Wüste gestellt sind, um Gott durch die Gesinnung und den Wandel Christi zu verherrlichen.

Die Wahrheit offenbart sich bei Vielen mehr in Worten, als in der Kraft. Wie wir nun eine Menge von Gläubigen in Gemeinschaft mit der Welt finden, so sehen wir auch, wie schon bemerkt, daß viele äußerlich aus der Welt ausgegangen, aber sich untereinander aufs neue in mancherlei Formen und menschliche Satzungen eingeengt haben. Es gibt nur wenige, welche in Wahrheit erkennen, „daß sie nicht von der Welt sind, wie 39 auch er nicht von der Welt ist"; nur wenige, die in der Freiheit stehen und wandeln, womit sie Christus beireit hat, und welche erkennen, daß sie ein himmlisches Volk mit himmlischen Hoffnungen sind; ja nur wenige erwarten mit Sehnsucht Jesum Christum vom Himmel, zur Erlösung des Leibes und zur Einführung in die himmlische Herrlichkeit. 

Die Tatsache, daß so viele in Weltsinn, in Unwissenheit, in Unfreiheit, oder gar in Leichtsinn dahin wandeln, kann den Heiligen Geist, dessen Tempel sie sind, nur betrüben. Und wenn wir unseren Blick auf solche Gläubige richten, die mehr oder weniger die Freiheit in Christo erlangt haben, wie beklagenswert ist auch selbst da oft die Leichtfertigkeit, der Mangel an Ernst und an wahrer Treue und Selbstverleugnung, wie gering das Gefühl von dem, was dem Geiste Gottes nicht angemessen ist, und wie schwach das Maß des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung! Es findet jetzt das Wort des Herrn an die Versammlung zu Philadelphia die vollste Anwendung: „Du h a s t e i n e k l e i n e K r a f t ! " Es ist alles geschwächt.

 Wir finden die Versammlung Gottes auf der Erde entweder in Gemeinschaft mit der Welt, oder äußerlich ausgegangen, durch allerlei menschliche Formen und Satzungen voneinander getrennt, oder, wenn auch befreit, so doch vielen Mängeln und Gebrechen unterworfen. Mit einem Wort, das Elend und die Verwirrung des Leibes Christi auf der Erde ist von solcher Größe und Ausdehnung, daß es nicht auszusprechen ist. Und dennoch, so traurig auch dieser Zustand ist, so ist es doch ein unaussprechliches Vorrecht, diesem Leibe anzugehören. Es ist der Leib Christi, die Fülle Dessen, Der alles in allem erfüllt. Christus Selbst ist das verherrlichte Haupt dieses Leibes.

 Er liebt Seine Versammlung mit vollkommener Liebe und hat Sich Selbst hingegeben, auf daß Er sie heiligte, indem Er sie durch die Waschung im Wasser durch das Wort reinigte, auf daß Er Sich Selbst die Versammlung verherrlicht darstellte, die weder Flecken noch Runzeln noch etwas dergleichen habe, sondern daß sie heilig und tadellos wäre. Er nährt und pflegt sie. „Denn wir sind seines Leibes Glieder, von seinem Fleisch und von seinem Bein" (Eph. 5, 25—30). Dies macht unser Vorrecht, dieser Versammlung anzugehören, so unaussprechlich groß, daß sie S e i n ist, nämlich Sein Leib, und daß sie droben in der Herrlichkeit Seine Miterbin von alledem ist, was Ihm vom Vater gegeben ist. Ein ähnliches Bewußtsein erfüllte den Moses in Betreff des Volkes Israel, wenn er viel lieber mit diesem Volke Schmach und Ungemach leiden wollte, als die zeitliche Ergötzung der Sünde am Hofe Pharao's zu haben. 

Es war 40 G o t t e s Volk, das Volk, welchem S e i n e V e r h e i ß u n - ge n gehörten. Er kannte wohl dessen Ungehorsam und Halsstarrigkeit, aber trotzdem war es G o t t e s Volk. Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß uns überall, wenn wir dieses Volk nur ein wenig in der Wüste begleiten, sein Ungehorsam, sein Unglaube und seine Halsstarrigkeit entgegentritt; doch Moses kannte den Wert dieses Volkes in den Augen Gottes. Wenn Bileam dasselbe von der Höhe beschaut, und segnend die Gedanken Gottes durch den Geist über dasselbe aussprechen muß, so lernen wir dessen Geltung in den Augen Gottes kennen. Wir wollen hier nur einige Worte dieser Weissagung anführen: „Vom Gipfel der Felsen schaue ich es, und von den Höhen erblick' ich es: siehe, ein Volk, abgesondert wohnet es, und unter die Völker rechnet es sich nicht. Wer berechnet den Staub Jakobs, und mit Zahl das Vierteil Israels? Sterbe meine Seele den Tod der Gerechten, und sei mein Ende, wie das ihre!" (4. Mose 23, 9. 10).

 „Er schauet nichts Böses an Jakob, und siehet kein Unrecht an Israel. Jehova, sein Gott, ist mit ihm, und des Königs Posaunenhall unter ihm" (V. 21). „Wie schön sind deine Zelte, o Jakob, deine Wohnungen, o Israel! Gleich Tälern breiten sie sich aus, gleich Gärten am Strome, gleich Aloebäumen, die Jehova gepflanzet, gleich Zedern am Gewässer" (Kap. 24,5.6).— Hier sehen wir, was Israel nach dem Ratschluß und den Gedanken Gottes ist. Es ist gut, wenn die Augen des Glaubens stets durch den Heiligen Geist geöffnet sind. Dieser Ratschluß Gottes wird völlig verwirklicht werden. Kein Feind kann Ihn an dem Ausführen Seiner Pläne verhindern. Haben wir auch bis jetzt in Betreff des israelitischen Volkes noch nichts auf der Erde gesehen, was uns zu dieser Hoffnung berechtigt, so werden wir doch im tausendjährigen Reiche die volle Verwirklichung der Gedanken Gottes schauen. 

Dann wird Israel das in der Tat sein, was an obiger Stelle von Bileam durch den Geist von ihm gesagt ist. Es mögen hier auch die Worte eines Gläubigen, welcher von dem Vorhergehenden eine Anwendung auf die Versammlung macht, ihren Platz finden: „Es ist für uns sehr wichtig, sagt er, die Versammlung zuweilen von oben zu sehen; zwar in der Wüste, aber in der Schönheit der Gedanken Gottes, als eine Perle ohne Preis. In dem Lager drunten in der Wüste — welch' ein Murren, welche Klagen, welche Gleichgültigkeit, welche fleischliche Beweggründe würde man hier gesehen und gehört haben! Von oben dagegen betrachtet, ist alles schön für den, welcher die Gesichte Gottes, welcher die Augen offen hat. „Ich bin eurethalben im Zweifel", sagte der Apostel, und gleich darauf: „Ich habe Zuver- 41 Sicht hinsichtlich eurer d u r c h de n Herrn. " Man muß bis zu Ihm hinaufsteigen, und man wird die Gedanken der Gnade dessen haben, welcher die Schönheit Seines Volkes, Seiner Versammlung durch alles andere, was noch da ist, hindurch sieht; denn Seine Versammlung ist schön. 

Ohne dies würde man entweder ganz und gar entmutigt werden, oder man würde sich mit dem Bösem begnügen. Dies Sehen mit den Augen Gottes nimmt diese beiden Gedanken hinweg." Gewiß, unser Herz könnte leicht entmutigt und trostlos werden, wenn wir überall diese Verwirrung, diesen fleischlichen und weltlichen Sinn sehen, wenn wir die Gedanken Gottes in Betreff der Einheit der Versammlung, die nur Ein Leib und Ein Geist und zu Einer Hoffnung ihrer Berufung berufen ist, so wenig auf der Erden verwirklicht Anden. Aber wie vorhin in Betreff Israels bemerkt worden, so wird der Ratschluß Gottes gewißlich auch in dieser Beziehung vollkommen verwirklicht werden; wenn auch nicht in dieser Wüste, so doch in unserer wahren Heimat, in der himmlischen Herrlichkeit droben.

 Dann werden alle Hindernisse, die sich hier in der Verwirklichung unserer Einheit in den Weg stellen, beseitigt sein; kein Feind und keine Sünde kann dort hinkommen und stören. Doch ist es gut, schon jetzt die Gedanken Gottes in Betreff der Versammlung durch den Glauben zu verstehen, damit wir nicht nur alles vermeiden, wodurch wir diesen Gedanken in den Weg treten, sondern auch das köstliche Vorrecht anerkennen, Gott zu dienen, Ihn in der Versammlung der Heiligen zu preisen und anzubeten, und also Seine herrlichen Gedanken selbst auf der Erde zu verwirklichen. 

Erkennen wir, daß die Versammlung ein kostbarer Gegenstand in den Augen Gottes ist, so fühlen wir auch die Glückseligkeit, ihr anzugehören; erkennen wir in Wahrheit ihre Einheit untereinander und mit Christo, so werden wir auch stets bemüht sein, unsere Vereinigung mit allen Gläubigen dem Worte Gottes gemäß an den Tag zu legen, und erkennen wir durch dieses alles, daß wir ebenso wenig von der Welt sind, wie auch Jesus von der Welt ist, so werden wir weder an den Sünden der Ungläubigen, noch an dem, was sie Gottesdienst nennen, Teil haben. Der Herr wolle durch Seinen Geist unsere Herzen mit Seinen köstlichen Gedanken über diesen Gegenstand erfüllen, und uns gemäß derselben in Kraft Seines Geistes wandeln lassen. 

42

 Der Nasiräer (4. Mose 6) 

Der Nasiräer stellt uns einen Charakter dar, welcher mit dem Wandel der Kirche oder Versammlung hienieden verbunden ist; nämlich di e b e s o n d e r e E r g e b e n h e i t a n Gott . Man gelobte sich Ihm. Christus ist das vollkommene Beispiel hiervon. Die Versammlung sollte in Seinen Fußstapfen wandeln. Die Fälle eines besonderen Berufs, sich dem Herrn zu widmen, kommen auch in diese Kategorie. Drei Dinge waren damit verbunden. Der Nasiräer durfte nicht Wein trinken; er mußte sein Haar wachsen lassen; und er durfte sich nicht an den Toten verunreinigen. Der Wein bezeichnet die Freude, welche mit den Vergnügungen der Gesellschaft verbunden ist, die das Herz erfreut, welches sich ihr hingibt.

 Christus war von dieser Freude durch Sein Gelübde getrennt. „Ich werde", sagt der Herr, „von diesem Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken, bis an jenem Tage, wenn ich es neu trinken werde mit euch im Reiche meines Vaters." Er trennte sich in der Tat von diesen Unterhaltungen. Seine Liebe hatte Ihn getrieben, daß Er dieselbigen mit den Seinigen zu teilen wünschte, wie elend diese auch waren. „Mich hat herzlich verlangt", sagte Er, „dies Passahlamm mit euch zu essen." Auch mußte Er die natürlichen Neigungen verleugnen, weil die Weihe Gottes auf Seinem Haupte war.

 „Was habe ich mit dir zu schaffen?" sagt der Herr zu Seiner Mutter. Nicht als ob Er nicht die zärtlichste Neigung für sie gehabt hätte; Er war aber jetzt von allem abgesondert, um Gottes zu sein. Der Nasiräer ließ, zweitens, sein Haar wachsen; das heißt: er vernachlässigt sich, indem er sich dem Willen Gottes hingab. Er verleugnet seine Würde und seine Rechte als Mensch; denn das lange Haar bezeichnete einerseits die Vernachlässigung seiner 'eigenen Person, und andererseits die Unterwürfigkeit, die Macht auf dem Haupte (1. Kor. 11, 10). Dies war also die Widmung an Gott in dem Aufgeben der Freude, der Würde und der natürlichen Rechte des Menschen, indem der Mensch als Mittelpunkt der ihm eigentümlichen Neigungen betrachtet wurde, und zwar, um ganz und gar Gott zu gehören. Der Mensch hat seine Stellung als 43 Vertreter der Herrlichkeit Gottes. In dieser Stellung ist er von einer Menge von Neigungen, Freuden und Rechten umgeben, welche in ihm ihren Mittelpunkt haben. Er kann diese Stellung für den besonderen Dienst Gottes verlassen, in Betracht, daß die Sünde in alle diese Dinge eingetreten ist. Diese, weit entfernt an und für sich böse zu sein, sind an ihrem Platze vielmehr gut. — Dies ist es, was Christus getan hat.

 Nasiräer geworden, hat Er nicht Seinen Platz als Mensch, Seine Rechte als Menschensohn eingenommen, sondern hat Sich für die Herrlichkeit Gottes allem unterworfen, worauf diese Herrlichkeit Anspruch macht. Er hat Sich E i n s gemacht mit dem Überrest des sündigen Volkes, welches Er liebte, und ist den Kindern Seiner Mutter fremd geworden. Er tat nichts, was Ihm nicht vorgeschrieben war. Er lebte von dem Worte, welches aus dem Munde Gottes ging. Er trennte Sich von allen Banden des menschlichen Lebens, um Sich der Herrlichkeit, dem Dienste Gottes und Seinem Gehorsam zu widmen. Wenn Er in der Liebe der Seinigen einigen Trost gefunden hat, welcher nur sehr gering und ärmlich sein konnte, so hat Er ebenso darauf verzichten und in dieser wie in jeder anderen Hinsicht in Seinem Tode völlig ein Nasiräer werden müssen. Er war a l l e i n in Seiner Absonderung für Gott. 

Die Kirche hätte Ihm folgen sollen; aber ach! sie hat Wein getrunken, sie hat sich herbeigelassen, die Diener des Hauses zu schlagen. Der Gläubige kann aufgefordert werden, sich selbst zu verleugnen, für den köstlichen Dienst seines Heilandes auf Dinge zu verzichten, welche an und für sich nicht böse sind. Aber dies Werk geschieht innerlich. „Die Nasiräer waren weißer als der Schnee", sagt Jeremias. Die Widmung ist innerlich. Es ist hier passend, die Dinge, welchen man sich aussetzt, zu betrachten, wenn man gegen diese Absonderung fehlt. Wenn man sich dem Herrn auf eine Weise gewidmet hat, welche Ihm angenehm ist, so wird diese Widmung von einer Freude begleitet. Diese Freude ist nach dem Maße des Zeugnisses, welches Ihm dargebracht wird. Gott ist mit Seinem Diener gemäß Seiner Berufung. Aber es ist dies ein Geheimnis zwischen Seinem Diener und Ihm, obwohl die Andern die äußerlichen Wirkungen davon sehen. 

Hat man gegen diese Absonderung gefehlt, so muß man alles von vorn wieder anfangen. Der göttliche Einfluß und die Kraft in dem Werke sind verloren. Man kann wohl in anderer Hinsicht, sich wie Simson erheben, um sich zu schütteln; aber man hat seine Kraft verloren, ohne es zu wissen. Gott ist nicht mehr mit uns. Der Fall Simson's ist ein äußerster, 44 aber feierlicher Art; denn es kann sein, daß unsere Kraft uns in die Gegenwart des Bösen versetzt hat, und dann, wenn Gott mit uns ist, offenbart sich Seine glorreiche Herrlichkeit; aber wenn dies nicht der Fall ist, so hat der Feind die traurige Gelegenheit, an demjenigen, welcher lange Zeit als Streiter Gottes bekannt war, sich Gott gegenüber zu verherrlichen. In diesem zweiten Falle ist das innerliche Geheimnis, die wahre Kraft der Absonderung für Gott verloren. Hüten wir uns in den gewöhnlichen Dingen vor dem ersten Schritt, welcher uns von der innerlichen Heiligkeit trennen würde. 

Wenn die Gnade uns zu einer Absonderung, für einen außerordentlichen Dienst, — worin dieser auch bestehen mag, — berufen hat, hüten wir uns vor jedem Mangel des Gehorsams gegen das Wort vom Kreuz, durch welches wir der Welt, der Sünde und dem Gesetz gekreuzigt sind. Gewöhnlich gelangt der untreue Nasiräer durch das Opfer Christi wiederum zu seiner Absonderung. Er wird von neuem Gott geweihet. Aber alles, was uns in Beziehung zur Sünde setzt, bringt seine Wirkung auf unser Nasiräat hervor. Wir verlieren dann die Kraft, welche an die Gemeinschaft mit Gott und an die besondere Gegenwart des Heiligen Geistes bei uns geknüpft ist, was auch immer das Maß sein mag, in welchem diese Kraft uns verliehen ist. Ach, die vergangene Zeit ist verloren! Wir müssen von neuem anfangen (V. 12). Es ist noch eine große Gnade, daß nicht alles Vorrecht, Gott zu dienen, genommen wird.

 Auch gibt es zuweilen Wirkungen unserer Untreue, welche noch fortbestehen, wenn die Kraft uns auch wiedergegeben ist. Der blinde Simson mußte sich töten, indem er seine Feinde tötete (Richter 16, 30). Es liegt uns in allen Fällen ob, unsere Verunreinigung unmittelbar anzuerkennen, zu Christo gehen, und nicht äußerlich einen Anspruch als Nasiräer zu machen, wenn wir dies nicht in den Augen Gottes sind. Es gibt nichts Gefährlicheres, als im Dienste Gottes zu sein, wenn das Gewissen nicht rein ist. Dennoch aber müssen wir uns immer wieder erinnern, daß wir unter der Gnade sind. Diese Absonderung und diese Verzichtung geschehen nicht für immer. Christus Selbst wird nicht immer Nasiräer sein. Er wird Sich völlig und überschwenglich der Freude mit Gott und den Seinigen erfreuen. Er wird sagen: „Esset, meine Freunde; ja, trinket, haltet eine gute Mahlzeit, meine Vielgeliebten." Durch die Macht des-Heiligen Geistes allein werden wir von dem getrennt, was böse ist, und oft sogar von dem, was natürlich ist, um Gefäße des Dienstes und der Freude zu sein, — ein Zeugnis Gottes mitten unter dem Bö- 45 sen. Die Zeit wird kommen, wo das Böse weggenommen sein wird, und wir uns dann unserer Natur werden überlassen können. 

Die Macht des Heiligen Geistes wird dann nur Freude erzeugen; und alles, was uns umgibt, wird mit uns in Gemeinschaft sein. Dann wird Christus hier einen Platz einnehmen, den Er einst unmöglich einnehmen konnte. Doch war Er der völlig gesellige Mensch, den Sündern völlig zugänglich, weil Er völlig von ihnen getrennt und innerlich für Gott abgesondert war, und weil Er auf Sich Selbst verzichtet hatte, um nur von den Worten Gottes zu leben. Ein solches ist das Leben Gottes hienieden. Das, was Er geschaffen hat, würde nicht böse sein können. Er wolle uns vor einem solchen Gedanken bewahren! Eine derartige Behauptung ist sicherlich ein Zeichen der letzten Zeiten. Christus konnte mit Zärtlichkeit an Seine Mutter denken, als die Arbeit Seiner Seele am Kreuze geschehen war. 

Aber der Heilige Geist tritt als eine fremde Macht in dies Leben ein, und nimmt Besitz von dem Menschen. Er will ihn nach Seiner Macht durch dies Leben gehen machen, so daß der Mensch, je fremder er sich selber ist, desto mehr im Stande ist, für diejenigen, welche hier nach Gott leben, Teilnahme zu bezeigen; und er bezeigt sie in der Tat. Alles andere ist nur mönchisch. Wenn man innerlich wahrhaft frei ist, so kann man Mitleid haben mit dem, der draußen ist. Wenn man dies nicht ist, so macht man sich zum Mönch, in der vergeblichen Hoffnung, es zu sein. Endlich, wenn das Nasiräat beendigt war, wurden alle Opfer dargebracht; das geweihte Haupthaar des Nasiräers wurde in dem Feuer verbrannt, welches das Dankopfer verzehrte, (V. 13—21) — ein Vorbild der vollen Gemeinschaft, welche das Ergebnis des Opfers Christi ist. 

Wenn zu der von Gott bestimmten Zeit das Opfer Christi in seinen Wirkungen seine volle und gänzliche Wirksamkeit erlangt haben wird, so wird die energische Macht der Absonderung sich in der Gemeinschaft verlieren. Diese Gemeinschaft wird die glückselige Folge dieses Opfers sein. Wir sind glücklich, zu wissen, daß die Kraft des Heiligen Geistes, gegenwärtig meist angewandt, um den Lüsten des Fleisches einen Zügel anzulegen, dann nur eine Macht der Freude in Gott und der Gemeinschaft mit allem dem, was uns umgibt, sein wird. Reden wir jetzt von den Wegen Gottes, wenn das Nasiräat beendigt sein wird. 

Alsdann wird das Ergebnis des Werkes Christi zum Vorschein kommen. Die ganze mannigfache Wirksamkeit Seines Opfers wird anerkannt werden. Sein Volk wird in die Gemeinschaft Seiner Freude eingehen. Der Wein wird mit Fröhlichkeit getrunken werden. Jesus Selbst 46 wartet auf diesen Augenblick. Ich glaube, daß sich dies besonders auf Sein Volk hienieden bezieht, auf den jüdischen Überrest in den letzten Tagen. 

ie Teilhaftigkeit desselben an dem Heiligen Geist wird Freude und Wonne sein. Gleichwohl erwartet auch uns etwas Ähnliches, aber in noch besserer Weise. Auch nehmen wir bis auf einen gewissen Punkt diese Freude schon vorweg; denn der Heilige Geist bringt diese zwei Dinge hervor: die Freude der Gemeinschaft, und die Trennung in der Absonderung für den Dienst Gottes. Etwas von diesem will auch der Apostel in den Worten an die Korinther sagen: „Der Tod ist wirksam in mir, und das Leben in euch." Dennoch kann man immer von allen Christen sagen: „Wollte Gott, daß ihr herrschet, auf daß auch wir mit euch herrschten!" 

Gedanken über Hebräer 11, 1—10 

Die Hebräer hatten im Anfang ihrer Erleuchtung einen großen Kampf der Leiden ausgehalten. In dem Bewußtsein, daß für sie eine bessere und bleibende Habe im Himmel liege, hatten sie vieles erduldet, und selbst den Raub ihrer Habe mit F r e u d e n aufgenommen (Kap. 10, 32—39). Jedoch sehen wir in Kapitel 12, 4. 5., daß der Apostel ihnen zurufen muß: „Noc h h a b t i h r n i c h t , w i d e r di e S ü n d e a n k ä m p f e n d , b i s a u f s B l u t w i d e r s t a n - d e n ; u n d i h r h a b t de s Z u s p r u c h s v e r g e s s e n , w e l c h e r z u e u c h , al s z u S ö h n e n s p r i c h t : M e i n S o h n , a c h t e n i c h t g e r i n g de s H e r r n Z ü c h t i g u n g , n o c h e r m a t t e , w e n n d u vo n i h m g e s t r a f t w i r s t." — Gott Selbst ist es, der unsere Füße auf den Weg des Friedens stellt, und Er ist es auch, der uns auf diesem Wege leitet. Überall, wo wir's bedürfen, begegnen wir Seiner väterlichen Züchtigung, welche uns Seine Liebe und Heiligkeit offenbart.

 Der Beweggrund aller Seiner Züchtigungen ist die Liebe; ihr Zweck aber die Erlangung Seiner Heiligkeit (Kap. 12, 6.10). Der Vater ist stets um das Glück Seiner Kinder bemüht. Der Brief an die Hebräer zeigt uns unter anderem, daß zwei Dinge zu unserer Errettung und Erlangung der Verheißung nötig sind: z u g l a u b e n , u n d im G l a u b e n a u s - z u h a r r e n . Die Hebräer hatten geglaubt, aber der Heilige Geist muß ihnen zurufen: „Ihr bedürft des Ausharrens, auf daß ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung erlanget" (Kap. 10, 36). 47 Auf dem Wege des Glaubens gibt es Schwierigkeiten, und darum auch Kämpfe. Nur durch G l a u b e n können wir auf diesen Weg gelangen, und nur durch A u s h a r r e n i m G l a u b e n sein Ziel erreichen.

 Jede Last und alle Sünde ist ein Hindernis auf diesem Wege. Dieses veranlaßt denn auch den Apostel, die Hebräer auf eine ebenso ernste, als liebevolle Weise zu ermahnen, indem er sagt: „Deswegen lasset auch uns, weil wir von einer so großen Wolke von Zeugen umgeben sind, jede Bürde und die so leicht umstrickende Sünde ablegen und den uns vorliegenden Wettlauf mit Ausharren laufen, von allem absehend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher für die ihm vorliegende Freude das Kreuz erduldete und der Schande nicht achtete, und sitzt zur Rechten auf dem Thron Gottes!" (Kap. 12, 1. 2).

 Der Apostel umstellt die auf dem Wege durch die Wüste ermatteten Hebräer mit einer Wolke von Zeugen, welche geglaubt und im Glauben ausgeharrt haben. Diese verstanden den Zweck ihres Pilgerlaufs, und haben einen guten Kampf gekämpft; sie haben den Lauf vollendet, sie haben den Glauben bewahret; und fortan ist ihnen die Krone der Gerechtigkeit beigelegt. Sowohl das treue und gläubige Ausharren dieser Zeugen, als auch die ernste Züchtigung des liebenden und besorgten Vaters konnten allein ein Mittel sein, die ermatteten Hände und die entkräfteten Kniee der Hebräer wieder aufzurichten. Doch auch für uns steht diese, ja sogar eine noch weit größere Wolke von Zeugen, da, weil wir uns in demselben Wettlauf befinden.

 Auch für uns ist der Weg des Glaubens ein Weg voller Schwierigkeiten und Kämpfe; gleich jenen bedürfen wir des Ausharrens, um die Verheißung zu erlangen; denn auch uns ist in Bezug auf Christum gegeben, nicht allein zu glauben, sondern auch um Seinetwillen zu leiden. (Phil. 1, 29). Es ist nötig, den Zweck des Kampfes in dieser Wüste und unseres Ausharrens darin recht zu verstehen. Dieser Zweck ist ein doppelter. Im Brief an die Hebräer wird uns das Ausharren in den Versuchungen und Schwierigkeiten als e i n e N o t w e n d i g k e i t z u r E r r e t t u n g u n s e r e r S e e - le n u n d z u r E r l a n g u n g d e r V e r h e i ß u n g e n vorgestellt. „So lasset uns denn Fleiß tun, in jene Ruhe einzugehen" (Hbr. 4,11). „Sehet zu, daß niemand an der Gnade Gottes Mangel leide" (Hebr.12,15). Dieser Brief stellt uns den ganzen Ernst des Ausharrens vor die Seele, und zeigt uns, wie schrecklich es ist, wenn wir zurückweichen. „An solchen hat Gott kein Wohlgefallen" (Kap. 10, 38). Das Ausharren im Leiden und im Kampf des Glaubens hat aber auch di e Verherrli - 48 c h u n g G o t t e s u n d C h r i s t i zum Zweck, und ist es besonders dies, was unsere Herzen auf dem Wege des Glaubens auch in den schwierigsten Lagen mit Freude und Geduld erfüllt. Gott hat Seine Kinder hienieden b e a u f - t r a g t , für Seinen Namen zu leiden, und darin auszuharren. Er will Seinen Namen an ihnen verherrlichen; Er will Seine Langmut, Treue, Macht und Liebe an ihnen offenbaren. „Haltet es für l a u t e r F r e u d e meine Brüder, sagt Jakobus, wenn ihr in mannigfache Versuchungen geratet, wissend, daß die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt.

 Lasset aber das Ausharren sein vollkommenes Werk haben, auf daß ihr vollkommen und ganz vollendet, in nichts mangelhaft seid." überall finden wir die Liebe Gottes für uns wirksam; alle Dinge müssen Denen, die Ihn lieben, zum Guten mitwirken, und stets finden wir reichlich Ursache, Seinen Namen zu preisen. „Denn dieses ist G n a d e , sagt Petrus, wenn jemand um des Gewissens vor Gott willen, Beschwerde aushalf, indem er ungerecht leidet ... . Wenn ihr aber Gutes tut und leidet und es aushaltet, dieses ist w o h 1- g e f ä l l i g vor Gott." In den Leiden um Seines Namens willen geduldig auszuharren, ist w o h l g e f ä l l i g vor Ihm; und eben dadurch wird Er durch uns verherrlicht. „Darum bitte ich, sagt Paulus, daß ihr durch meine Drangsale für euch, welche e u r e E h r e sind, den Mut nicht verlieret." Nichts kann uns von der Liebe Christi scheiden, vielmehr f i n d e n wir dieselbe in allen Schwierigkeiten. Es ist köstlich für uns, wenn wir verstehen, daß wir hienieden von Gott Selbst b e a u f t r a g t sind, zu leiden, zu verleugnen und zu kämpfen, und darin auszuharren. Dies offenbart unsere Gemeinschaft mit Jesu und bezeichnet uns als die Träger Seines köstlichen Evangeliums. 

Welch ein Vorrecht für uns, selbst in solchen Umständen Gott zu preisen und zu verherrlichen, worin die Welt nur jammert und wehklagt, Seiner Liebe besonders da zu begegnen, wo die Welt nur Kummer und Herzeleid sucht. In unserem Wandel hienieden ist die V e r h e r r l i - c h u n g d e s N a m e n s G o t t e s das Wichtigste und Köstlichste. Jemehr dies in unserer ganzen Gesinnung in den Vordergrund tritt, desto mehr treten wir selbst zurück. So viel wir unsere eigene Verherrlichung noch im Auge haben, ebenso wenig wird auch der Herr durch uns verherrlicht. Allerlei Wünsche und Unzufriedenheiten beunruhigen da das Herz, wo man an sich denkt. — Werfen wir hier einen Blick auf Paulus. 

Er war im Gefängnis zu Rom, und hatte bereits vier Jahre als Gefangener zugebracht. Wieviel Fragen hätten sein armes Herz bestürmen müssen, wenn er an 49 sich gedacht oder seine Lage untersucht hätte? Er aber kannte und verstand den wahren Zweck seines Lebens hienieden; er wußte, daß es nur um die Verherrlichung Gottes galt. Darum dachte er nicht an sich, und untersuchte auch nicht seine Lage, sondern freute sich nur, daß der N a m e C h r i s t i a n s e i n e m L e i b e h o c h e r h o b e n w u r d e , se i e s d u r c h L e b e n , se i e s d u r c h To d (Phil. 1, 20). Er schreibt den Philippern: „Ich will aber, daß ihr wisset, Brüder, daß meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind, so daß meine Bande in Christo dem ganzen Prätorium und den Übrigen Allen offenbar geworden sind.... " (Kap. 1, 12—19). Warum schilderte er nicht seine traurige Lage? Weil es ihm nicht um seine, sondern um die Verherrlichung Christi ging. 

Warum beklagte er sich nicht über sein Getrenntsein von den Versammlungen, und über die Störung in seinem Aposteldienst? Weil er überzeugt war, daß der Herr sich auf diesem Wege an ihm verherrlichen wollte, und Seine Verherrlichung allein wünschte er. Welch einer völligen Hingabe und welch einer tiefen Kenntnis der Wege Gottes begegnen wir in ihm! Jetzt möchte ich einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit auf einige Verse des oben angeführten Kapitels richten. In diesem ganzen Kapitel wird uns das Wesen und die Macht des Glaubens dargestellt; wir finden darin sowohl des Glaubens W eg , als auch des Glaubens Ziel .

 Der Wandel des Christen ist der Wandel im Glauben, und das Ende des Glaubens ist die Seligkeit der Seele. Diese Seligkeit liegt vor uns; und der Weg des Glaubens führt uns dorthin. „De r G l a u b e a b e r is t di e V e r w i r k l i c h u n g d e s s e n , w a s m a n n i c h t s i e h t " (V. 1). Diese einfache aber tiefe Wahrheit zeigt uns das einzige Mittel, um auf dem Wege des Lebens zu stehen und bis ans Ende zu wandeln. Ohne Glauben ist es unmöglich, durch all die mannigfachen Schwierigkeiten und Hindernisse hindurchzugehen; ohne Glauben unmöglich vor den Anläufen Satans in dieser Wüste zu stehen. Der Glaube verwirklicht das, was unsere Hoffnung belebt, und gibt uns Mut in derselben auszuharren. Die Erwartung einer besseren und bleibenden Habe war es, wofür die Hebräer alles erlitten und den Raub ihrer irdischen Habe mit Freuden erduldeten. Unsere Hoffnung ist, Jesum zu sehen, immerdar bei Ihm zu bleiben, und in Seiner Gemeinschaft ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil zu genießen. Ist diese Hoffnung nicht nur eine Lehre, die wir anerkennen, sondern eine Tatsache, die unser Herz unbeweglich festhält, so schlagen wir für dieselbe die irdischen Dinge aus, wir verleugnen die Ge- 50 meinschaft und die Freuden der Welt und sind ausharrend in den mannigfachen Trübsalen. Der Glaube aber ist es, der diese Hoffnung jetzt schon in uns belebt und verwirklicht.

 Durch denselben wandeln wir in der Gegenwart Gottes, genießen die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes, und rühmen uns in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. „D e r G l a u b e is t di e V e r w i r k l i c h u n g d e s s e n , w a s m a n hof f t." Wir wandeln durch denselben auf der Erde gleichsam als im Himmel. Wir sind glücklich jetzt schon von den Dingen genießen zu können, die wir noch nicht besitzen, und frei von den Dingen zu wandeln, die uns umgeben, — als solche, die nichts haben und doch alles haben. „De r G l a u b e ist aber auch d i e Ü b e r z e u g u n g d e s s e n , w a s m a n n i c h t s i e h t . Von den sichtbaren Dingen sind wir überzeugt, und bedürfen dazu keinen Glauben. Die Dinge aber, die droben sind, sind unsichtbar und müssen geglaubt werden. Durch den Glauben aber sind wir ebenso sehr von diesen unsichtbaren als von den sichtbaren Dingen überzeugt.

 Fehlt diese Überzeugung oder Gewißheit, wie könnten wir mit solcher Entschiedenheit die sichtbaren Dinge für jene ausschlagen? Wie könnten wir mit Ausharren leiden und kämpfen, wenn wir nicht von dem, was man nicht siehet, ebenso fest überzeugt wären, als von dem, was man siehet? Der Glaube ist gleichsam das Schauen des Verborgenen, und gibt über das Nichtgeschehene dieselbe Gewißheit, wie wir sie auch über das Sichtbare haben. Der Unglaube aber versteht nichts von dieser Gewißheit, darum wandelt er nur nach dem, was irdisch ist. „Den n d u r c h d i e s e n (Glauben) h a b e n di e A l - t e n ei n Z e u g n i s e r l a n g t " (V. 2). Dies Zeugnis empfingen sie von Gott Selbst. Er bezeugte ihnen, daß Er Wohlgefallen an ihnen habe. Gott offenbart sich dem Glauben, und wir verwirklichen durch denselben unsere Gemeinschaft mit Ihm. Das Zeugnis, welches die Alten durch den Glauben erlangten, ist für uns zum Trost und zur Ermunterung aufbewährt. „Denn alles, was zuvorgeschrieben ist, ist zu unserer Belehrung zuvorgeschrieben, auf daß wir durch Ausharren und Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben" (Röm. 15, 4). Diese Zeugnisse fordern uns auch auf, zu glauben und im Glauben auszuharren, damit auch wir durch den Glauben von Gott ein Zeugnis erlangen. „ D u r c h d e n G l a u b e n v e r s t e h e n wir, da ß di e W e l t e n d u r c h G o t t e s W o r t b e r e i t e t s i n d , so d a ß d a s , w a s m a n s i e h e t , n i c h t a u s d e m E r - s c h e i n e n d e n g e w o r d e n i s t " (V. 3). 51 Wir verstehen durch den Glauben, daß Gott de r Schöp - f e r d e r W e l t e n , daß E r d e r A l l m ä c h t i g e ist.

 Durch Sein Wort bereitete Er das Seiende aus dem Nichtseienden, durch Sein allmächtiges Wort entstanden die Welten. Der Glaube kennt und besitzt d e n Gott, der a l l - m ä c h t i g ist, der das Nichtseiende, als seiend, ruft. Wie tröstlich für uns, Ihn auf dem Wege durch, diese Wüste, zu kennen und zu besitzen. Für Ihn, den Allmächtigen, gibt es auf diesem Wege keine Schwierigkeiten und Hindernisse, und ebenso wenig für den Glaubenden, der mit Ihm, d e m A l l m ä c h t i g e n , wandelt. Wie unmöglich wäre es aber diese Schwierigkeiten zu überwinden, vor der List und Bosheit der sichtbaren und unsichtbaren Feinde siegreich zu stehen, wenn wir nicht im Glauben mit dem Gott wandelten, der allmächtig ist. 

Also offenbarte Er Sich dem Abraham, der. sich als Fremdling im Lande der Verheißung inmitten der Feinde aufhielt. „Ich bin Gott, d e r A l l m ä c h - tige , wandle vor mir und sei fromm" (1. Mose 17,1). Auch wir sind durch den Glauben im Lande der Verheißung droben, inmitten der geistlichen Mächte der Bosheiten in den himmlischen Örtern, und sind dennoch getrost, weil Gott, d e r A l l m ä c h t i g e , mit uns ist. Die Unruhe und Besorgnis des Herzens auf dem Wege durch die Wüste, hat immer ihren Grund in der Mangelhaftigkeit des Glaubens. Der Unglaube sieht die Schwierigkeiten und Hindernisse, und ist beschäftigt mit denselben, weil er nicht den allmächtigen Gott hat. Ist aber der Glaube wirksam, so beschäftigen wir uns nicht mit den Hindernissen und der Macht der Feinde, noch mit unserer Ohnmacht, weil dieses nur schwächt, sondern mit Gott dem Allmächtigen. Wir gehen getrost durch alles hindurch; wir harren aus in jeder Trübsal, indem wir ausharren im Glauben; denn für den Glauben gibt es, wie schon gesagt, ebenso wenig unüberwindliche Schwierigkeiten und Feinde als für Gott, den Allmächtigen, selbst.

 Wie ruhig und sicher läßt uns dies Bewußtsein den Weg des Glaubens wandeln! Wir gehen voll Mut und Vertrauen durch alle Schwierigkeiten hindurch; wir halten die mannigfachen Versuchungen aus, weil wir durch den Glauben, Gott, den Allmächtigen, schauen, der uns stets voran gehet und durch alles hindurchführt. „Durc h d e n G l a u b e n b r a c h t e A b e l G o t t ei n b e s s e r e s O p f e r dar , al s Kain , d u r c h w e l c h e s e r Z e u g n i s e r l a n g t h a t , d a ß e r g e r e c h t w a r , i n d e m G o t t z u s e i n e n G a b e n Z e u g n i s g a b ; u n d d u r c h d i e s e n , o b g l e i c h e r g e s t o r b e n ist , r e d e t e r n o c h " (V. 4). 52 In Abel finden wir die Wirksamkeit des Glaubens. Er bringt aus den Erstlingen Seiner Herde Gott ein Opfer dar. Er setzte den Tod eines anderen zwischen sich und Gott, weil er das Gericht der Sünde anerkannte, und an die Versöhnung glaubte. Gott sah mit Wohlgefallen auf Abel und sein Opfer, und gab ihm Zeugnis, daß er gerecht war, und gab auch Zeugnis zu seinen Gaben. Der Glaube opferte, und Gott bekannte sich sowohl zu dem Opfernden, als auch zu dem Opfer. Wir finden auch Kain beschäftigt, ein Opfer darzubringen; auch er ist ein Anbeter Gottes, aber nur äußerlich, ein Anbeter ohne Glauben. 

Er hat nicht das Bewußtsein der Sünde. Er bringt Jehova ein Opfer von den Früchten des Landes, und denkt nicht daran, daß diese dem Fluche unterworfen sind. Er erkennt weder die Sünde noch deren Gericht; sein Herz ist völlig verblendet und sein Gewissen verhärtet. Er opfert was ihm gefällt, und damit soll auch Gott zufrieden sein. Er kennt Gott nicht, und darum zweifelt er auch nicht an seiner Annahme bei Gott; doch Gottes wohlgefälliger Blick ruhet weder auf ihm, noch auf seinem Opfer. Die Gnade Gottes ist dem Kain unerträglich; m seinem Herzen wohnet Lüge, Haß und Mord. Er ist ein sehr deutliches Vorbild der Juden. Er sündigte an seinem Bruder, weil er sowohl die Gnade, als auch deren Gegenstand haßte, wie jene sündigten an dem Herrn Jesu, welcher unter uns wohnte voller Gnade und Wahrheit. 

In Abel aber und seinem Opfer haben wir ein Vorbild auf Jesum. Dieser ist das Opferlamm für uns. Er hat Sich Selbst für uns als Darbringung und Opfer Gott zu einem duftenden Wohlgeruch hingegeben. In Seinem Tode haben wir das Gericht über die Sünde und unsere Versöhnung. Allein auch hier ist die Wirksamkeit des Glaubens nötig; denn nur den Glaubenden kann zugerufen werden: „Da wir denn, Brüder, zum Eintritt in das Heiligtum Freimütigkeit haben, durch das Blut Jesu, auf einem neuen und lebendigen Wege, welchen er uns eingeweihet hat durch den Vorhang, das ist sein Fleisch ..." (Hebr. 10,19—22). Der Glaube bringt nur dies Opfer zwischen Gott und uns, und wir wissen, daß wir völlig versöhnt und gerechtfertigt sind. Die Auferstehung Jesu Christi ist das Zeugnis von Seiner Opfergabe und unserer Rechtfertigung. „Er ist unserer Übertretungen wegen dahin gegeben, und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt. Gerechtfertigt also d u r c h d e n G l a u b e n haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum." In Seinem Tode haben wir die Versöhnung und die Rechtfertigung, und in Seiner Auferweckung das völlige Zeugnis davon. 53 Gott redet als in einem Vorbilde zu uns durch Abel, obgleich er gestorben ist; Er redet aber in Wirklichkeit zu uns durch Christum, der gestorben und auferstanden ist.

 Wir genießen jetzt durch den Glauben von der Darbringung und dem Opfer Seiner Selbst. Wir nahen in Ihm unserm Gott als Versöhnte und Gerechtfertigte und haben den Heiligen Geist empfangen, den Geist der Kindschaft, der ein lebendiger Zeuge unserer Kindschaft und unsers Erbteils mit Jesu ist. Solange wir den Opfertod Jesu nicht zwischen Gott und uns durch den Glauben haben, solange stehen wir auch in keiner Gemeinschaft mit Ihm. Durch Christum redet Gott zu uns. Er war in Christo, und hat uns mit Sich Selber versöhnt. Sein Opferblut ist stets vor Ihm im Heiligtum droben, und kraft desselben ist Er es Selbst, welcher uns rechtfertigt. Wir nahen im Glauben, gestützt auf dieses Opfer, und sind stets angenehm und wohlgefällig vor Ihm. Wir sind los vom bösen Gewissen, wenn wir durch den Glauben, den Wert dieses Opfers vor Gott erkannt und verstanden haben.

 Durch den Glauben sind wir in Kraft des Blutes Christi immer als die gereinigten Anbeter im Heiligtum vor Gott dargestellt, und unser Dienst ist wohlgefällig vor Ihm. Der Glaube allein gibt uns wahrhaft Freimütigkeit stets durch das Opfer Christi Gott zu nahen, ohne ein Bewußtsein von Sünden zu haben. „ D u r c h d e n G l a u b e n is t H e n o c h e n t r ü c k t w o r d e n , d a m i t e r d e n To d n i c h t s e h e n s o l l t e , u n d w a r d n i c h t g e f u n d e n , w e i l G o t t i h n e n t - r ü c k t h a t t e , d e n n v o r s e i n e r E n t r ü c k u n g h a t e r d a s Z e u g n i s g e h a b t , d a ß e r G o t t W o h l g e - f a l l e n h a b e " (V. 5). Durch den Glauben erkennen wir Gott, als den A l l - m ä c h t i g e n , als den Schöpfer der Welten. Durch den Glauben verstehen wir in Christo Jesu unsere V e r s ö h - n u n g u n d R e c h t f e r t i g u n g , und durch den Glauben wissen wir, daß die Versammlung gleich Henoch h i n w e g - g e r ü c k t wird. Henoch wandelte zwar in dieser Welt; aber er wandelte im Glauben mit Gott. Durch denselben ging er selbst an dem Tode vorüber.

 Er ward von Gott hinweggerückt und hienieden nicht mehr gefunden. Doch vorher hat er von ihm das Zeugnis Seines Wohlgefallens erlangt. — Er ist ein treues Vorbild der Versammlung. Auch diese ist noch in der Wüste, umgeben von mancherlei Versuchungen; aber inmitten dieser Versuchungen wandelt sie mit Gott. Dies ist wenigstens ihre Stellung nach den Gedanken Gottes, und wohl ihr, wenn sie dieselben verwirklicht. Sie sieht um sich her das Nichtige und Vergängliche; aber sie weiß, daß dies 54 nicht ihr Teil ist. Hier unten ist nicht ihre Heimat, sondern nur eine Wüste, wo sie fremd und nicht gekannt ist. Ihre Heimat ist droben, wo sie mit Christo die himmlische Herrlichkeit genießen wird. Wenn sie auch weiß, daß es dem Menschen obliegt, einmal zu sterben, so erwartet sie durch den Glauben dennoch nicht den Tod, sondern ihre Hinwegrückung in die himmlische Herrlichkeit; sie erwartet nicht entkleidet, sondern überkleidet zu werden. Gott wird sie durch Christum von der Erde hinwegnehmen, und sie wird hienieden nicht mehr gefunden werden; denn ihre Berufung ist himmlisch. Der Geist Gottes in ihrer Mitte bezeuget ihr, daß Gott Wohlgefallen an ihr hat.

 Er nennt ihre Glieder: A u s e r w ä h l t e , H e i l i g e u n d G e l i e b t e G o t t e s ; und wenn sie mit Christo in Herrlichkeit erscheint, so wird auch die Welt erkennen, daß sie vom Vater geliebt ist, wie Er Selbst. Die Versammlung selbst versteht jetzt schon, wenigstens sollte sie es verstehen, daß sie mit Christo, ihrem verherrlichten Haupte im Himmel, e i n s ist, und sollte durch den Glauben dieser Berufung gemäß wandeln. Gott liebt Seine Versammlung selbst in allen ihren Mängeln und Gebrechen; und Er ist immer treu; Seinen Ratschluß kann niemand hindern. Dies ist ein großer Trost für die Seinigen in jeder Zeit und Lage. Er wird Jesum senden und wir werden Ihm entgegengerückt werden und in der himmlischen Herrlichkeit allezeit bei Ihm sein. „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen; wir werden aber alle verwandelt werden" (1. Kor. 15, 51).

 „Ohn e G l a u b e n a b e r is t e s u n m ö g l i c h i h m w o h l z u g e f a l l e n ; d e n n d e r z u G o t t n a h e t , m u ß g l a u b e n , d a ß e r i s t , u n d d e n e n , di e i h n s u c h e n , e i n B e l o h n e r w i r d " (V. 6). „Wir wandeln kraft des Glaubens, und nicht des Schauens" (2. Kor. 5, 7). Solange wir hienieden sind, kann sich Gott nur dem Glaubenden offenbaren; und nur an diesem hat Er Sein Wohlgefallen. Wer zu Ihm nahet, muß von Seiner Gegenwart und von Seiner Gnade durch den Glauben überzeugt sein. Seine Gegenwart richtet; Seine Gnade vergibt; und Er belohnt die, welche Ihn suchen. Wer Ihm nahet, ohne die Überzeugung Seiner Gegenwart; wer Ihn sucht, ohne die Gewißheit Seiner Belohnung, d. h. ohne eine Gewißheit durch den Glauben, der ist nicht angenehm vor Ihm. „Ohne Glauben ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen.

" Der glaubende Abel hatte das Zeugnis von Gott, daß er gerecht war; durch des Gesetzes Werke aber wird kein Fleisch gerecht. Selbst Israel hat die Gerechtigkeit Gottes nicht erlangt; der Glaube aber besitzt sie. Israel ist ver- 55 worfen, weil es dem Zeugnis Gottes nicht glaubte und den Messias nicht aufnahm. Durch Unglauben ist Israel gefallen und kann nur durch den Glauben, und zwar auf Grund einer unumschränkten Gnade, wieder aufgerichtet werden. Dies Volk ist nicht für immer verstoßen; „denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar" (Röm. 11, 29). Doch wird es durch viele und schwere Gerichte hindurchgehen und geläutert werden; der Überrest aber erlangt die Errettung. In dem folgenden Verse finden wir in Noah, welcher durch die Gerichte, durch die Wasser der Sintflut, hindurchging und errettet wurde, ein Vorbild auf diesen Überrest. Henoch ward vor den Gerichten hinweggerückt, weil er mit Gott wandelte und ward nicht mehr gefunden, und Noah geht durch die Gerichte und bleibt bewahrt. Ebenso wird die Versammlung vor den Gerichten hinweggenommen, weil sie durch den Glauben mit Gott wandelt, und an der himmlischen Berufung Teil hat; Israel aber geht durch die Gerichte und wird geläutert; der Überrest wird errettet werden. 

„ D u r c h d e n G l a u b e n h a t N o a h , d a e r e i n e n g ö t t l i c h e n A u s s p r u c h v o n d e m , w a s n o c h n i c h t z u s e h e n w a r , e m p f a n g e n h a t t e , vo n F u r c h t b e w e g t , e i n e A r c h e z u r E r r e t t u n g s e i n e s H a u s e s b e r e i t e t , d u r c h w e l c h e e r di e W e l t v e r u r t e i l t e , u n d E r b e d e r G e r e c h t i g - k e i t n a c h d e m G l a u b e n w a r d " (V. 7). Noah glaubte dem Ausspruch Gottes, obgleich er noch nichts von dessen Erfüllung sah. Er ward aber durch den Glauben so fest von der Erfüllung dieses Ausspruchs überzeugt, daß er, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses baute. Der Glaube gibt uns immer eine völlige Überzeugung von dem, was Gott geredet hat. Als alles Fleisch auf der Erde seinen Wandel verderbte, und im Unglauben verharrte, da wandelte Noah im Glauben mit Gott. Der Glaube bewahrt das Wort Gottes inmitten einer verderbten und ungläubigen Welt.

 Noah war ein Prediger der Gerechtigkeit und des Gerichts, und ward selbst errettet. „Er fand Gnade in den Augen Jehovas" (1. Mose 6, 8. 9) und ererbte die Gerechtigkeit nach dem Glauben. Er verurteilte die Welt durch Wort und Wandel; sein Glaube, durch welchen er die Arche baute, war ein entschiedenes Zeugnis gegen die Ungläubigen. Wenn wir den Weg des Glaubens wandeln, so stehen wir immer im Gegensatz zu der ungläubigen Welt. Diese wird durch den Glauben und seine Werke stets verurteilt. — So sehr nun auch jeder Gläubige hier Grundsätze findet, nach welchen auch er nur Gott wohlgefällig und als ein Zeugnis durch diese Welt gehen kann, 56 so findet doch, wie schon bemerkt, die Geschichte Noah's in dem Überreste Israels seine vornehmste Anwendung. Dieser Überrest ist ein Zeuge der Gerechtigkeit und des Gerichts Gottes, und wird, wenn auch durch viele Drangsale gehend, dennoch bewahrt bleiben. Gott Selbst hat ihm eine Arche, eine Zufluchtsstätte in der Wüste bereitet, bis die Tage des Zorns vorüber sind (Sach. 14, 3—11. Offb. 12,14).

 Dann wird auch Israel ein Erbe der Gerechtigkeit sein, nicht der Gerechtigkeit nach dem Gesetz, sondern nach dem Glauben. Alle seine Übertretungen und Vergehungen werden dann vergeben sein. „ D u r c h d e n G l a u b e n g e h o r c h t e A b r a h a m , a l s e r b e r u f e n w a r d , s o d a ß e r a u s g i n g a n de n Ort , d e n er z u m E r b t e i l e m p f a n g e n s o l l t e , u n d e r g i n g aus , n i c h t w i s s e n d , wo hi n er gehe . D u r c h d e n G l a u b e n h i e l t e r sic h in d e m L a n d e d e r V e r h e i ß u n g auf , w i e i n e i n e m f r e m d e n , u n d w o h n t e i n H ü t t e n , m i t I s a a k u n d J a k o b , d e n M i t e r b e n d e r s e l b e n V e r h e i ß u n g ; d e n n e r e r w a r t e t e di e S t a d t , w e l c h e G r u n d l a g e n hat , d e r e n B a u m e i s t e r un d S c h ö p f e r G o t t ist " (V. 8 —10). Abraham ward berufen, seine Familie, welche dem Götzendienst ergeben war, zu verlassen, und in ein Land zu ziehen, welches ihm selbst noch unbekannt war. Er glaubte und gehorchte. Wenn Gott gesprochen hat, so ist der Glaubende dem Worte gehorsam. Er folgt, ohne zu wissen, wohin.

 Gott aber teilt sich dem Glauben mit und erweckt Vertrauen in den Herzen, und also zieht Er diese zu Sich. Für den Glauben ist auch das geschriebene Wort von derselben Autorität, als wenn Gott persönlich mit uns redete; und Er will, daß wir das Wort, als von Ihm Selbst annehmen. Abraham wußte nicht wohin Er kam; aber Gott hatte Ihn geheißen auszugehen, und das war für Ihn genug. Obgleich nun Gott den Abraham in Kanaan eingeführt hatte; so durfte er doch nichts von diesem Lande besitzen; „denn es wohnten die Kanaaniter und Pheresiter im Lande." Er bedurfte Glauben und Ausharren, um die Verheißung zu erlangen. Ebenso ist es mit der Versammlung, während sie in der Wüste ist. Durch den Glauben ist sie im Lande der Verheißung, in dem himmlischen Kanaan droben; aber sie findet dort die geistlichen Mächte und Bosheiten. Hienieden ist sie ungekannt, ein Fremdling und Pilgrim. — Abraham wandelte im Lande der Verheißung, inmitten der Feinde, aber in der Gewißheit, daß ihm das Land verheißen war. Es ist zwar etwas Hartes für das Fleisch, alles zu verlassen und nichts zu finden. Es 57 erfordert einen ernsten Kampf des Glaubens, alles zu verleugnen, und stets zu hoffen und zu warten. Gehen wir aus Ägypten, d. h. aus der Welt, so finden wir eine Wüste. Der Glaube aber hat die Verheißungen Gottes, und kennt Seine Gedanken, und dafür gibt er alles hin, was sichtbar ist. Die Berufung und die Erlösung machen uns hienieden nur zu einem Fremdling, selbst im Lande der Verheißung, bis zur Ausführung des Gerichts

. — Abraham wohnte mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißungen in Hütten, zum Zeugnis, daß sie nur Durchreisende oder Fremdlinge waren. Allein er durfte durch den Glauben die Stadt sehen, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Auf diese Stadt wartete er. Sobald wir aus der Welt und ihrem Dienst ausgegangen sind, sobald wir uns von den Dingen, die unser Herz fesselten, getrennt haben, so nimmt uns Gott an. Der Glaube findet ihn überall. Er erscheint oft dem treuen Abraham, als er noch im Lande der Verheißung ein Fremdling war, und unterhält sich mit ihm, über die Erfüllung der Verheißungen. Zunächst offenbart Sich uns Gott, um uns zu Sich zu ziehen, und um uns von dieser Welt abzusondern; dann aber läßt Er uns die Offenbarungen Seiner Selbst in dem Segen Seiner Gemeinschaft genießen. 

Der Herr lehre uns, daß wir durch den Glauben im Lande der Verheißung droben wandeln, und warten bis uns Jesus in die himmlische Herrlichkeit einführt. „Unser Wandel ist in den Himmeln, woher wir auch als Heiland den Herrn Jesum erwarten, der den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten wird, daß er dem Leibe Seiner Herrlichkeit, gleichförmig sei, nach der Wirkung, womit er vermag, auch alle Dinge sich untertänig zu machen" (Phil. 3, 20. 21). 

Der Aussatz, ein Bild der Sünde (3. Mose 13 und 14) 

Von dem Aussatz wurden Personen, Kleidungsstücke und Häuser behaftet. Er ist die im Fleische wirkende Sünde. Der geistliche Mensch, der Opferpriester, prüft und unterscheidet, wie es sich damit verhält . Wenn sich das Fleisch lebendig zeigt, so ist der Mensch unrein; die Kraft des Fleisches ist die Wirksamkeit. „Und siehet der Priester, daß der Aussatz seinen ganzen Leib bedecket, so erkläre er den, der das Übel hat, für rein; is t a l l e s i n w e i ß v e r w a n - 58 d e 11, so ist er rein" (V. 13). Wenn der Mensch ganz weiß ist, so ist dies nur die Wirkung der vollständig b e k a n n - te n Sünde. Diese aber hört auf zu wirken; der Mensch ist rein.

Wenn das Übel noch in dem Fleisch ist, so dehnt der Aussatz sich aus. Vor allem ist es wichtig, zu erkennen, daß man aussätzig ist. Allein dies Bekenntnis findet unter dem Urteil eines andern und unter dem Gericht Gottes statt. Gott hat das, was in der Natur des Menschen wirksam war, enthüllt. Der Mensch unterwirft sich als gerichtet und offenbar gemacht. Er hat keinen Anteil an der Versammlung Gottes, obgleich er in einem Sinne einen Teil davon ausmacht. Er wird außerhalb des Lagers gebracht. „Die ganze Zeit, da das Übel an ihm ist, soll er unrein sein; unrein sei er; abgesondert soll er wohnen; außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein" (V.46). Der Aussatz, d. i. die Sünde, zeigt sich in den Umständen, welche mit unserer Stellung verknüpft sind; ebenso offenbart sie sich in unserem persönlichen Verhalten. Wenn sich an der Kleidung eines Israeliten ein Flecken zeigte, wovon man vermutete, daß er aussätzig sei, so legte man dies Kleid sieben Tage lang zur Seite. 

Dehnte sich der Flecken aus, so verbrannte man das befleckte Kleid. War dies nicht der Fall, so wusch man es. Hatte der Flecken, nach dem Waschen die Farbe verändert, oder sich über das Kleid ausgedehnt, so verbrannte man das ganze Kleid (V. 47—58). Wenn wir unser Gewissen bloß durch Nachlässigkeit be - fleckt haben, so haben wir nur nötig, uns zu waschen (V. 58). Diese Waschung geschieht durch den Heiligen Geist vermittelst des Worts. Wir können alsdann in den Umständen, worin wir uns befinden, verbleiben, wenn anders diese Um - stände völlig nach dem Willen Gottes sind. Es kann aber auch ein Teil unsers Lebens wesentlich böse sein, so daß sich dort ein Grundsatz der Befleckung zeigt. 

Wenn dieser auch in seinen Wirkungen auf das Ganze des Lebens gehemmt ist, so muß man dennoch diesen Teil aufgeben, nachdem das Wort Gottes durch den Heiligen Geist zur Reinigung angewandt ist, und der Eindruck der Befleckung zurückbleibt. Dauert, trotz unserer geistlichen Bemühungen, die böse Wirkung unserer Stellung immer fort, oder bemächtigt sie sich sogar unseres Lebens, sodaß wir nicht mit Gott wandeln können, so ist es durchaus nötig, diese Stellung ganz aufzugeben, es koste, was es wolle. 59 Was die Reinigung betrifft, so wurde der Aussätzige sofort als außerhalb des Lagers betrachtet, indem er keinen Teil daran hatte. Hatte aber seine Krankheit aufgehört, in ihm zu wirken, so war er geheilt, aber nicht gereinigt (Kap. 14, 3. 4). Das Fleisch, anstatt zu wirken, und den Zustand des Menschen zu offenbaren, war gerichtet, es war in seiner Wirksamkeit gehemmt. „Man bringe ihn (den Aussätzigen) zum Priester.

 Und der Priester gehe hinaus vor das Lager; und besieht ihn der Priester, und siehe, das Übel des Aussatzes ist geheilt am Aussätzigen: so gebiete der Priester, daß man für den sich Reinigenden z w e i V ö g e l b r i n g e , l e b e n d i g e , r e i n e , und Zedernholz und Karmesin und Ysop. Und der Priester gebiete, daß man den einen Vogel schlachte in ei n i r d e n e s G e f ä ß ü b e r l e b e n d i g e m W a s s e r . Den lebendigen Vogel nehme er und das Zedernholz und das Karmesin und den Ysop, und tauche alles und den lebendigen Vogel in das Blut des Vogels, der geschlachtet worden über dem lebendigen Wasser, und spritze auf den sich vom Aussatz Reinigenden sieben Mal, und reinige ihn, und lasse den lebendigen Vogel ins freie Feld. Und der sich Reinigende wasche seine Kleider, und schere all sein Haar, und bade sich im Wasser, so ist er rein; und d a r n a c h d a r f e r i n s L a g e r k o m m e n " (V. 2 — 8). Es handelt sich hier darum, den Geheilten, als gereinigt, in den Genuß einer anerkannten Beziehung zu Gott einzuführen.

Der erste Teil der Reinigung fand außerhalb des Lagers statt; die beiden Vögel stellen den gestorbenen und auferstandenen Christus dar. Der mit Seinem Blut besprengte Mensch ist imstande, in das Lager einzugehen; er kann an der Wirksamkeit der Dinge (den Opfern) Teil haben, die sich innerhalb des Lagers befinden, um sich als angenehm vor der Stiftshütte Gottes darzustellen. — Die beiden Vögel werden einander ganz gleichgestellt, so daß von dem getöteten Vogel keine Rede mehr ist. Der zweite Vogel wird in das Blut des ersten getaucht. Also findet sich der g e s t o r b e n e Christus nicht mehr, sondern a u f e r - s t a n d e n vollzieht Er über den unreinen Sünder die Besprengung mit Seinem Blute. Das i r d e n e G e f ä ß voll lebendigen (fließenden) Wassers stellt uns die Tätigkeit des Heiligen Geistes dar. Nach dessen allmächtiger Wirksamkeit ist dies Werk des Todes Jesu in dem Christmenschen vollbracht worden. 

„Durch den Heiligen Geist hat er sich ohne Makel Gott geopfert." „Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, 60 unsern Herrn Jesum, in dem Blute des ewigen Bundes aus den Toten wiederbrachte, vollende euch usw." Wer gereinigt werden sollte, der wusch sich. Dies war die Reinigung mit Wasser, welche sich, wie auch die Reinigung mit Blut, immer wieder findet. Diese wird bewirkt kraft dieses Blutes, betrachtet als Werk Christi für uns; denn das Wasser geht aus Seiner durchbohrten Seite hervor. Außerdem wusch der Gereinigte seine Kleider und schor all sein Haar, d. h. er entäußerte sich alles dessen, woran die Unreinigkeit sich hätte festsetzen, oder wofür sie hätte empfänglich sein können. Wenn dies geschehen war, so ging der Gereinigte ins Lager ein. Jetzt beginnt das Werk, wodurch er in seinem Gewissen in Gemeinschaft mit Gott gebracht wurde. 

Wenn solche, die in Betreff ihrer Person anerkannt waren, geweiht werden sollten, so wurden sie zuerst gewaschen (V. 9). Dies ist der Fall bei den Priestern. Darnach wurde (V. 10 — 32) das Opfer Christi unter allen seinen Gesichtspunkten dargestellt (Schuldopfer, Brandopfer, Speisopfer). Dies Opfer offenbart das Maß unseres Verhältnisses zu Gott in allen seinen Beziehungen; zugleich bildet es, durch seine innerliche Wirkung auf die Seele, die Grundlage unserer Gemeinschaft. Bei dem Sünder in seiner Sünde, als außerhalb des Lagers betrachtet, mußten zuerst die Grundlagen festgestellt werden, auf welchen der Sünder zu Gott in Beziehung treten konnte. 

Diese Grundlagen waren d e r To d und d i e A u f e r s t e h u n g Jesu . Dann, wenn einmal der Sünder gewaschen war, — dies wirksame Werk des Heiligen Geistes, — konnten seine Beziehungen mit Gott stattfinden. Darnach handelt es sich darum, für das Gewissen die Wirksamkeit des Werkes Christi zu verwirklichen. Es ist nicht genug, daß die Person des Sünders angenommen ist, es ist außerdem nötig, daß sein Gewissen gereinigt sei, und er eine Erkenntnis Gottes erlange. Diese Erkenntnis beruht auf d e r m o r a l i s c h e n (innerlichen) W e r t s c h ä t - z u n g d e s O p f e r s C h r i s t i , betrachtet nach allen Seiten, und au f d e m v o r t r e f f l i c h e n W e r k e d e r M a c h t de s H e i l i g e n G e i s t e s . — Dies umfaßt den zweiten Teil der Reinigung des Aussätzigen und das, was geschah, wenn er in das Lager zurückgekehrt war. Es ist wichtig, diese beiden Seiten des Werkes Christi wohl festzuhalten: seine innerliche Wirksamkeit für die Annahme der Person des Sünders, und dann die Reinigung des Gewissens, eine Reinigung, welche durchaus nötig ist, damit derselbe Gemeinschaft mit Gott habe. Diese Gemeinschaft ver- öl wirklicht sich in der Tat nach dem Preise und der Vollkommenheit des Werkes Christi. Dies Werk wird dem Gewissen offenbart als das Mittel, sich Gott zu nahen, und als die moralische Bedingung, sich Ihm nahe zu halten. 

Untersuchen wir jetzt die Handlungen, kraft welcher die Beziehungen des Aussätzigen zu Gott wieder hergestellt wurden. Die erste dieser Handlungen ist das Sündopfer (V. 19). Zuerst muß das Gewissen durch das Blut Christi von allem gereinigt werden, womit es tatsächlich beladen ist, und der Mensch muß Gott geweiht werden. Diese Weihung muß nach der Erkenntnis des ganzen Wertes dieses Blutes sein, indem er es anwendet auf alle seine Handlungen, auf seinen ganzen Wandel, wie auf alle seine Gedanken, nach dem Grundsatz des Gehorsams. Das ist die moralische Reinigung des ganzen Menschen, eine Reinigung, die auf das Gewissen wirkt nach dem Grundsatz eines einsichtsvollen Gehorsams. 

Es ist dies nicht bloß eine äußerliche Regel für einen von der Sünde freien Menschen;— es ist die Macht, es ist das Licht, welche in das Herz eingeführt werden. Es ist, in Betreff seiner Quelle, ein moralisches, göttliches Werk, und in Betreff seiner Wirkung ein Zustand der Seele. Der Mensch, in welchem dies Werk wirksam ist, empfindet den gesegneten Einfluß desselben in der Erkenntnis des Guten und Bösen, wovon das Blut Christi das vollkommene Maß vor Gott ist. Wenn es sich bloß um die Annahme einer Regel handelte, so würde der Mensch gerne damit einverstanden sein. Aber wie er ein Sünder ist, wie er gefehlt hat, so ist es auch notwendig, daß das Gewissen eintritt, indem es eine demütigende Kenntnis der Sünde nimmt. Um durch die köstliche Wirksamkeit des Blutes Christi gereinigt zu werden, muß das Gewissen durch den Schmerz hindurchgehen, der über alles das empfunden wird, was der Vollkommenheit dieses Blutes entgegen ist, und was das Vergießen dieses Blutes nötig gemacht hat. Auf diese Weise wird der Mensch geweiht. Das Herz reinigt sich vor allem zuerst im Gewissen. Alle Dinge, welchen es sich zuerst hingegeben hatte, werden gewissermaßen vor diesen innerlichen Richterstuhl gestellt. 

Das Herz nimmt mit Schmerzen Kenntnis davon, nach dem Werte des Blutes des kostbaren Lammes Gottes, welches, fleckenlos und vollkommen im Gehorsam, den Todeskampf hat erleiden müssen. Dieser Todeskampf wurde durch die Sünde verursacht, von welcher wir gereinigt werden mußten, wir Elenden, die wir sind! Später macht das Herz Fortschritte durch die Erkenntnis der für den Glauben köstlichen Gegenstände. Aber auch dann noch geschieht es von Zeit zu Zeit, daß dies Werk im 62 Gewissen von neuem vor sich geht. Das findet statt, wenn es in unserer Natur noch etwas gibt, was nicht unterworfen, was nicht unter den Gehorsam Christi gefangen genommen ist.

 Man tat also dem, der vom Aussatz gereinigt worden war, Blut auf sein rechtes Ohr, auf seine rechte Hand und auf seinen rechten Fuß (V. 14), um anzudeuten, daß seine Gedanken, seine Handlungen und sein Wandel auf Grund des Gehorsams gereinigt waren. Hierüber sprengte man Oel, — der heilige Einfluß des Heiligen Geistes —, nicht um zu waschen, sondern um die Bewegungen und Neigungen des Herzens in Kraft Gott zu weihen. Also wurde alles geweiht nach der Einsicht und Ergebenheit, welche der Heilige Geist mitteilt. Hierauf wurde die ganze Person des Aussätzigen dem Herrn geweiht: das Oel wurde über sein Haupt gegossen (V. 18). Dies war das Werk, was mit dem zu Reinigenden geschah. Sodann wurde das Sündopfer dargebracht. Sein Gegenstand war nicht allein die Reinigung des Gewissens im praktischen Sinne, durch das Blut Christi, sondern es lag auch der Sinn darin, daß die Sünde in ihrer ganzen Größe vor Gott beurteilt werden muß.

 Christus ist in der Tat für uns zur Sünde gemacht, ebenso, wie Er unsere Sünden getragen hat. Da Er unsere Sünden getragen hat, so wirkt Er auf unser Gewissen, hinsichtlich dieser Sünden. Aber in dem Opfer Christi läßt sich auch die Sünde erkennen als das, was sie an und für sich ist. Zuletzt wurden das Brandopfer und das Speisopfer dargebracht (V. 20). Dem gereinigten Sünder wurde im Brandopfer die Vollendung des Todes Christi zuteil, betrachtet als die Selbstergebung an Gott bis zum Tode, um allen Rechten Seiner Majestät genug zu tun, und betrachtet als das in sich selbst unendlich vollkommene Werk. Denn Er hat sagen können: „Deshalb liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, daß ich es wieder nehme."

 Christus wurde im Brandopfer nicht „als zur Sünde gemacht" dargestellt; vielmehr haben wir hier Seine E r g e - b u n g in der Stellung, welche durch die Sünde uns, und folglich auch Ihm, bereitet worden war; denn nur also konnte Gott in Ihm verherrlicht werden. In dem Speisopfer befand sich außerdem die ganze Vollkommenheit der Gnade in Seinem Leben; die ohne Zweifel reine, aber in das ö l getauchte Menschheit, welche an sich in ihrer Natur alle die Kraft, den Wohlgeruch und Wohlgeschmack des.

 Heiligen Geistes hatte. Denn von dieser Seite wird die Menschheit Christi hier dargestellt; nicht als mit Oel, d. h. mit dem Heiligen 63 Geiste als M a c h t gesalbt, sondern als in Oel getaucht, in Seiner vom Heiligen Geiste empfangenen Substanz. Jetzt ist der Mensch rein. Aber wie groß ist nicht die Bedeutung der Versöhnung einer Seele mit Gott, wenn diese Versöhnung mit allen Seiten verknüpft ist, welche diese Vorbilder vom Werke Christi und ihrer Anwendung auf diese Seele darstellen; und gewiß, o h n e d i e s e s geschieht die Versöhnung nicht! — Ach! vielleicht gehen unsere leichtfertigen Herzen leicht hierüber hinweg! — Andererseits tut die Hand Gottes die wunderlichsten Dinge mit der sanften Leichtigkeit, welche die Folge der vollkommenen Macht und Gnade sind. Man sieht jedoch zuweilen in den Seelen (nach Gottes Weisheit) dies Werk der Versöhnung von Wehen und Leiden begleitet.

 Dies geschieht, wenn das Gewissen, angesichts dessen, was die Dinge vor Gott durch Christum in Wirklichkeit sind, von dem Zustande des Herzens Kenntnis "nimmt, welches in seiner Natur sündhaft und von Gott entfernt ist. Es ist dies die Wiederherstellung der Seele. Von seiten Gottes ist alles Friede, nicht allein in Ihm Selbst, insofern der Friede durch das vollkommene Werk Jesu gestiftet ist, sondern auch hinsichtlich der Seele. Denn der hier angenommene Fall ist der Fall eines z u m L e b e n gereinigten Menschen. Der Opferpriester erkannte ihn schon als rein; aber der Aussätzige war, was ihn betraf, noch nicht so weit wieder hergestellt, um in Gemeinschaft mit Gott zu sein. Der Geist Gottes erinnert nun, um diese Gemeinschaft wieder herzustellen, an das Werk Christi. Er entwickelt dessen Anwendung auf die Seele selbst; er entwickelt auch die Beziehungen dieses Werkes zu dem Werke des Heiligen Geistes, sei es zur Reinigung des Sünders, sei es, damit der Mensch Gott geweiht werde. Möge Gott uns hier eine rechte Aufmerksamkeit verleihen! Glücklich sind wir, daß dies Werk S e i n W e r k ist, obwohl es ebenso wohl in uns als für uns geschieht. Es bleibt uns noch über den Aussatz an einem Hause zu reden übrig" (V. 33—55). In dem Falle des Aussätzigen standen alle, für die Reinigung vorgeschriebenen, Zeremonien in Beziehung zur Stiftshütte. 

Man befand sich noch in der Wüste. Es handelte sich um den Wandel des Gläubigen in der Welt. Hier aber (im Falle des aussätzigen Hauses) befindet man sich im Lande der Verheißung. Es handelt sich nicht darum, eine Person, sondern eine Versammlung zu reinigen. Zeigt sich die Befleckung an dem Hause, so nimmt man die Steine weg und bewirft das Haus (mit Mörtel). Der äußerliche Wandel ist 64 ganz verändert, und die Personen, welche diesen Wandel verdorben haben, werden weggetan und unter die Unreinen geworfen. Wenn das Übel sich nicht weiter offenbart, so ist alles geheilt und das Haus bleibt stehen.

 Zeigt sich aber das Übel aufs neue, so wird das Haus völlig zerstört, d. h. das Übel liegt in der ganzen Versammlung, und ist offenbar, wie im Falle des Aussätzigen. Wenn es sich aber nach der Wegnahme des Steines nicht ausdehnt, so ist es augenscheinlich, daß seine Quelle sich wirklich in diesem Stein befand, und es genügt dann, um das Haus zu reinigen, diesen Stein wegzunehmen und das Haus neu zu bewerfen. Dies findet statt zur Reinigung der Versammlung, wenn die Bösen daraus entfernt worden sind, welche das öffentliche Zeugnis derselben verdarben — eine ä u ß e r l i c h e Offenbarung ihres Zustandes. 

Es handelt sich in diesem Falle nicht darum, das Gewissen wieder herzustellen. Die Reinigung, welche vorgenommen wurde, beruht auf der ursprünglichen Wirksamkeit des Werkes Christi, welches die Versammlung Gott angenehm macht. Man wird finden, daß der Apostel Paulus in denjenigen seiner Briefe, welche an Versammlungen gerichtet waren, sagt: „Gnade und Friede", während er, wenn er an einzelne Personen schreibt, hinzufügt: „Barmherzigkeit". Der Brief an Philemon scheint hiervon eine Ausnahme zu machen; aber bei Philemon war die Kirche mit einbegriffen. In dem Falle der mit Aussatz behafteten Kleider ist nicht die Rede davon, die Person zu reinigen, sondern sie von den Umständen los zu machen, durch welche sie verunreinigt wird. Man sieht, wie das mit Aussatz befleckte Haus, als ein besonderer Fall dargestellt wird, mit Bezug auf den Aufenthalt im Lande der Verheißung, und nicht in Bezug auf die Wanderung in der Wüste. 

In der Anwendung (auf uns) wiederholt sich, wie ich nicht zweifle, dieselbe Unterscheidung. Der Einzelne' wandelt in der Wüste; die Versammlung ist im Lande der Verheißung. Dennoch können sich in ihr Steine befinden, welche das Haus verderben. 5 65 

Gott in allen Dingen (Aus den Betrachtungen des göttlichen Wortes) 

Was hilft dem Christen mehr, die Versuchungen auf seinem Weg zu ertragen, als die Gewohnheit, Gott in allen Dingen zu sehen. Es ist keine Lage, mag sie noch so niedrig oder noch so gering sein, welche nicht als ein Bote Gottes betrachtet werden kann; wenn nur das Ohr fähig ist, zu hören, und der Sinn geistlich genug, diese Boten zu verstehen.

 Wenn wir diese schätzbare Wahrheit aus dem Gesichte verlieren, wird das Leben in manchen Lagen zuletzt zu einer langweiligen Einförmigkeit, nichts darstellend, als die gewöhnlichen Umstände des alltäglichen Lebens. Wenn wir aber Acht haben, wie wir täglich in unserm Berufe abweichen, so können wir auch die Hand des Vaters in jeder Handlung sehen. Sowohl in den kleinsten als in den wichtigsten Umständen, erkennen wir die Spuren der göttlichen Gegenwart. Diese Aufmerksamkeit auf alles, würde die tiefste Teilnahme für die Geschichte eines jeden Tages erwecken. Das Buch Jonas offenbart diese Wahrheit in einer sehr auffallenden Weise. Da lernen wir, was wir bedürfen, nämlich verstehen, daß für den Christen nichts gewöhnlich ist; jedes Ding ist außergewöhnlich. In den gewöhnlichsten Dingen und in den einfachsten Umständen sehen wir in der Geschichte Jonas die besondere Dazwischenkunft von Seiten Gottes. Es ist nicht nötig, in eine genaue Erklärung dieses Buches einzugehen, um diese Wahrheit zu verstehen. Wir brauchen nur einen Ausdruck zu beachten, welcher immer wieder vorkommt, nämlich: „De r H e r r b e r e i t e t e . " In Kapitel 1 sendet der Herr einen starken Sturm auf das Meer, und dieser Sturm war eine feierliche Stimme für das Ohr des Propheten, wenn es wachsam gewesen wäre, um zu hören. Jonas war es allein, welcher bedurfte, belehrt zu werden; denn für ihn war dieser Bote gesandt.

 Die armen heidnischen Schiffer waren ohne Zweifel schon oft einem Sturme begegnet; für sie war es nichts Neues, nichts Besonderes, nichts anderes, als etwas, das zu den gewöhnlichen Erlebnissen eines Seemannes gehört; allein es war etwas Besonderes und Außergewöhnliches für ein e Seele 66 im Schiffe, obgleich diese im Irinern desselben im Schlafe lag. Vergeblich suchten die Schiffer den Sturm zu bekämpfen; nichts wollte helfen, bis des Herrn Bote das Ohr dessen erreicht hatte, zu welchem er gesendet war. Wenn wir der Geschichte Jonas ein wenig, weiter folgen, so bemerken wir einen neuen Grund, um zu sagen: Gott in allen Dingen.

 Jonas ist in neue Umstände gebracht, doch nicht in solche, wo die Boten Gottes ihn nicht mehr erreichen können. Der Christ kann sich niemals in einer Lage befinden, in welcher die Stimme seines Vaters sein Ohr nicht erreichen, oder Dessen Hand seinem Blicke nicht begegnen kann; denn in allen Dingen kann Seine Stimme gehört und Seine Hand gesehen werden. Als Jonas in das Meer geworfen wurde, „da b e r e i t e t e d e r H e r r einen großen Fisch." Hier sehen wir, daß für ein Kind Gottes nichts gewöhnlich ist. Ein großer Fisch war nichts Ungewöhnliches, denn im Meere gibt es deren viele. Doch bereitete der Herr einen besonderen für Jonas, damit er ein Bote Gottes an seiner Seele werden möchte.

 Ebenso sehen wir in Kapitel 4 den Propheten an der Morgenseite der Stadt Ninive sitzen, im Murren und in Ungeduld, bekümmert, ob der Herr die Stadt nicht vernichten würde, und den Herrn bittend, sein Leben von ihm zu nehmen. Es schien, als ob er die Wahrheiten vergessen hätte, die er während den drei Tagen, wo er sich in der Tiefe aufhielt, gelernt hatte, und er bedurfte daher eines neuen Boten von Gott: „ U n d d e r H e r r b e r e i t e t e e i n e n K ü r b i s . " Dies ist besonders lehrreich. Es lag sicherlich nichts Ungewöhnliches in einem Kürbis; viele mögen tausend Kürbisse sehen, und diese mögen über ihrem Kopfe hangen, und sie sehen doch nichts Außergewöhnliches darin. Aber der Kürbis des Jonas stellte Wege der Hand Gottes dar, und bildete eine Kette, — eine wichtige Kette, in der Reihe der Umstände, durch welche der Prophet nach der Absicht Gottes wandelte. Dieser Kürbis hier, wie der große Fisch vorhin, obgleich sehr verschieden in ihrer Art, waren Boten Gottes für seine Seele. 

„Jonas war sehr erfreut über den Kürbis." Er hatte vorher verlangt zu sterben, aber sein Verlangen war mehr die Folge der Ungeduld und des Kummers, als eines heiligen Wunsches, zu sterben und für ewig in Ruhe zu sein. Es waren die Leiden der Gegenwart, mehr als das Glück der Zukunft, die in ihm den Wunsch erweckten, abzuscheiden. Dies ist oft der Fall. Wir haben oft Verlangen, von dem jetzigen Druck erlöst zu sein, aber wenn dieser Druck vorüber ist, so hört auch das Verlangen auf. Wenn wir nach dem Kommen des Herrn und nach Seiner gesegneten Gegenwart in der Herr- 67 lichkeit verlangen, so werden die äußeren Umstände keine Veränderung machen. Wir würden dann ebenso voll Sehnsucht und Eifer sein, von den Tagen der Kühe und des Sonnenscheins abzuscheiden, als von denjenigen des Druckes und der Sorgen. Jonas, während er unter dem Schatten des Kürbis saß, dachte nicht daran, abzuscheiden, und die Tatsache seiner außerordentlichen Freude über den Kürbis bewies, wieviel er der besondern Boten des Herrn bedurfte.

 Sie sollten die wahre Lage seiner Seele offenbar machen, als er die Worte äußerte: „Nimm, ich bitte dich, mein Leben von mir; denn es ist besser für mich zu sterben, als zu leben." Der Herr kann aus einem Kürbis das Werkzeug machen, um die Geheimnisse des menschlichen Herzens zu enthüllen. Wirklich, der Christ kann sagen: G o t t i s t i n a l l e n D i n g e n . In dem Toben des Sturmes wird die Stimme Gottes gehört; in dem stillen Hinwelken des Kürbis, die Hand des Herrn gesehen.

 Doch der Kürbis war nur ein Glied in der Kette; denn „ d e r H e r r b e r e i t e t e e i n e n W u r m " , und dieser Wurm, so unbedeutend als er war, ist nichtsdestoweniger der ernste Bote Gottes, wie es auch der „starke Wind", oder der „große Fisch" war. Ein Wurm, wenn er von Gott benutzt wird, kann Wunder tun. Es verwelkte Jonas Kürbis und offenbarte ihm eine ernste Lehre. Dieser Wurm war nur ein unbedeutender Bote, aber dies verherrlicht nur desto auffallender die Größe der Gesinnung unsers Vaters. Er kann einen Wurm bereiten, und Er kann einen heftigen Sturmwind kommen lassen, und sie beide, so verschieden sie auch in ihrer Art sind, für Seine großen Absichten gebrauchen.

 Mit einem Worte, der geistliche Sinn sieht Gott in allen Dingen. Der Wurm, der Kürbis, der große Fisch und der Sturm, — alle sind Werkzeuge in Seiner Hand. Der unbedeutendste sowohl als auch der hervorragendste Bote fördert Seine Absichten. Wer würde gedacht haben, daß ein Wurm und ein Sturmwind vereinigte Mittel sein könnten, um ein Werk Gottes zu tun? Doch so war es. Groß und Klein sind nur Ausdrücke im Gebrauch unter den Menschen, aber diese können bei Ihm nicht angewendet werden. Jehova kann die Menge der Sterne zählen, und, während Er es tut, kann Er Kenntnis nehmen von einem fallenden Sperling. — Er kann den Wirbelwind zu Seinen Wegen machen, und ein gebrochenes Herz zu Seiner Wohnung. Nichts ist groß oder klein bei Gott. Der Gläubige darf daher nichts als gewöhnlich ansehen, denn Gott ist in allen Dingen.

 Er mag dieselben Umstände durchzumachen haben, denselben Versuchungen begegnen, 68 wie andere Menschen; aber er darf sie nicht nach denselben Grundsätzen deuten; auch führen sie nicht denselben Schall zu seinen Ohren. Er sollte in dem unbedeutendsten, wie auch in dem bedeutendsten Erlebnisse des Tages die Stimme Gottes hören und Seine Boten erkennen. Die Sonne, welche am Himmel in glänzendem Schimmer fortläuft, und der Wurm, der auf dem Wege kriecht, beide sind ebenfalls von Gott geschaffen, und, beide können in der Ausführung Seiner unerforschlichen Absichten mitwirken. 

Über Gaben und Ämter

 Es ist viel angenehmer, die Reichtümer der Gnade Gottes und die Liebe Christi zu betrachten, als über die Frage von Ämtern und Satzungen zu streiten. Es ist jedoch manchmal nötig, davon zu reden, weil man bereits davon spricht, um die Ruhe der Christen zu stören und ihre Geister zu erregen, als ob ihr Christum mangelhaft sei, als ob sie in Unordnung wandelten und ihnen vor Gott etwas fehlte. Deshalb, um diese Streitpunkte zu erklären, und die Geister der Christen zu beruhigen, werden wir einige Zeilen über die Ämter und Gaben schreiben. 

Wir wünschen aber von ganzem Herzen, daß ein jeglicher, welcher hierüber wirklich klar geworden ist, sich von diesen Fragen abwende und sie ganz und gar verlasse, um sich mit Christo, mit Seiner unerschöpflichen Liebe und Seiner unermeßlichen Gnade zu beschäftigen. Dieses ernährt und erbaut; durch solche Fragen aber verdorrt die Seele. — Es ist ein großer Unterschied zwischen den Gaben und den Ämtern. Jene fließen hernieder von dem Haupte Christo in die Glieder, um durch diese die Kirche aus der Welt zu sammeln, und sie als Versammelte zu erbauen. Die mit Ä m t e r n Betrauten waren als solche Aufseher oder Diener, welche in jedem Orte von den christlichen Obrigkeiten, nämlich den Aposteln, angestellt waren und ihre Stellung und Autorität von diesen empfangen hatten. Vielleicht hatten sie Gaben, — und das war wünschenswert; aber oft hatten sie sie nicht.

 Jedenfalls, wenn sie treu und ihrem Dienste gewidmet waren, so waren sie von Gott gesegnet. — Jetzt werden wir die Lehre der Heiligen Schrift über die Gaben erörtern. 69 Alles Gute ist Gabe, und kommt von Gott. Hier aber sprechen wir von Gaben auf eine etwas bestimmtere und beschränktere Weise, nämlich von diesen, die Gott gegeben hat, um Seine Kirche zu sammeln und zu erbauen, wie geschrieben steht: „Er ist in die Höhe hinaufgestiegen, und hat die Gefangenschaft gefangen geführt und hat den Menschen Gaben gegeben." Das heißt, die Gaben, wovon wir sprechen nach der Schrift, sind diese, die Christus von dem Vater empfangen hat, nachdem Er in die Höhe hinaufgestiegen ist, um Haupt der Kirche über Alles zu sein. Der Mensch hat durch die Sünde allerlei vollbracht. Ohne Gesetz war er in Ausschweifung verloren, gesetzlos, Verderbnis und Gewalttätigkeiten erfüllend. 

Unterm Gesetz ist er Verbrecher geworden, ein Verächter der Autorität Gottes. Gott hat ihn in Barmherzigkeit besucht, da, wo er in Elend und Verderbnis und Ungehorsam lag, und er hat Gott verworfen. — Sünder war er, aus einem irdischen Paradies vertrieben. Gott ist in die Welt seines (des Menschen) Elends herniedergekommen. Der Mensch, insofern es ihm möglich war, hat Ihn aus der Welt getrieben. Es bleibt also für die Menschen — als ganz und gar Untertanen des Fürsten und des Gottes dieser Welt — nichts anderes als das Gericht. Allein nichtsdestoweniger führt Gott die Vollbringung Seiner Ratschlüsse immer aus. Alle Hoffnung für den e r s t e n Menschen, als solchen, ist verloren gegangen. Gott aber hat den zweiten und gehorsamen Menschen (den Herrn vom Himmel) verherrlicht und in Seine himmlische und vorherbestimmte Stellung hinaufsteigen lassen. Er wirkt indessen nach Seiner Gnade in den Herzen der Kinder der Menschen, um ihnen ein neues Leben zu geben, und Er sammelt aus der Welt die Gegenstände Seiner Gnade, sie vereinigend mit dem verherrlichten Christus, auf daß sie mit Ihm alle Vorrechte genießen, und was vortrefflicher als alles ist, sich in Ihm und in der Liebe des Vaters zu erfreuen.

Also sind die Neugeborenen auch Glieder Christi, des Hauptes des Leibes. — Es gibt aber noch eine Wahrheit, die in Verbindung mit dem Zweck unserer Bemerkungen steht, nämlich die, daß Christus diese Stellung durch die Vollbringung des Erlösungswerkes erworben hat. Wir waren die Gefangenen des Teufels und der Sünde. Jetzt sind wir befreit; Christus hat die Gefangenschaft gefangen geführt, und Er erfüllt die Befreiten mit der Kraft des Heiligen Geistes, um Ihm Dienst zu leisten. Als Er Satan überwunden und die Erlösung vollbracht hatte, stieg Er hinauf in die Höhe und hat als Haupt der Kirche von dem Vater den Heiligen Geist der Verheißung für die Glieder empfangen (Apg. 2, 33. Eph. 4, 8. ff.). 70 Auf zweierlei Art empfängt der erlöste Christ den Heiligen Geist. Er ist versiegelt mit dem Geist, dem Pfände unseres Erbes, also Ein Geist mit dem Herrn, und mit Ihm vereinigt; und er hat den Heiligen Geist empfangen, um Christo seinen Dienst zu leisten. Also hängen die Gaben von diesen Wahrheiten ab.

 Das Erlösungswerk ist vollbracht, und die Gläubigen sind von ihren Sünden vollkommen gereinigt, so daß um des Blutes Christi willen, womit sie besprengt worden sind, der Heilige Geist in ihnen wohnen kann. Christus, weil Er Gott, Seinen Vater, auf der Erde verherrlicht hat, ist als Mensch zur Rechten Gottes, als Haupt der Kirche und ihre ewige Gerechtigkeit, gesetzt. Er hat als Solcher den Heiligen Geist für Seine Glieder, d. i. für die Gläubigen empfangen (Apg. 2, 33. Eph. 4, 8). „Wir sind die Gerechtigkeit Gottes in ihm" (2. Kor. 5, 21). Nun ist der Heilige Geist — von dem Vater im Namen des Sohnes gesandt — herniedergekommen, als Geist der Freiheit und Kindschaft von dem Sohne, von und aus dem Vater, in den Gläubigen wohnend, um diesen die Gewißheit der Seligkeit mitzuteilen, und als Kraft und Weisheit in den Gliedern des Leibes das Werk des Herrn auf der Erde zu vollbringen.

 Den ersten Punkt, so wichtig und köstlich er ist, lassen wir in diesem Augenblick bei Seite, um uns mit den Gaben zu beschäftigen. Der Heilige Geist ist a u f d e r E r d e , kraft des vollbrachten Erlösungswerkes und des Sitzens Christi zur Rechten Gottes. Da wirkt er durch das Evangelium, um die Liebe Gottes zu verkündigen, und um die Auserwählten zu versammeln und aus ihnen Einen Leib, den Leib Christi zu schaffen. Jede bekehrte Seele, welche Leben von Christo empfangen hat, und von dem Heiligen Geist versiegelt worden ist, ist ein Glied Christi, des himmlischen Hauptes. Also kann man die Gaben entweder als Gaben Christi oder als die Einwirkung des Heiligen Geistes, gegenwärtig auf der Erde, betrachten, Die Heilige Schrift tut beides. Im Epheserbrief, Kap. 4, spricht sie von den Gaben Christi. Im 1. Korintherbrief, Kap. 14, spricht sie von der Einheit des Leibes und von den Gaben, als die Wirkung des Geistes in den verschiedenen Gliedern. 

Jedenfalls sind die Gaben in Verbindung mit der Einheit des Leibes, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man das 4. Kap. des Epheserbriefes liest. Ehe wir weiter gehen, lasset uns bemerken, daß die Gaben zweierlei sind. Die Gaben, welche zur Erweckung der Seelen und zur Versammlung der Kirche dienen; und diejenigen, welche Zeichen vor der Welt sind, Zeichen der Gegenwart Gottes in der Person des Geistes in der Kirche. Der Epheserbrief spricht von ersteren allein; der Korintherbrief von beiden. 71 Diesen Unterschied macht das Wort Gottes selbst, da wo es uns sagt, daß die Sprachen Zeichen den Ungläubigen, die Weissagung aber den Gläubigen sind (1. Kor. 14, 22). Dieser Unterschied ist wichtig, indem es nicht möglich ist, daß etwas von dem fehle, was zur Bekehrung der Seelen und zur Erbauung der Kirche nötig ist, und indem ganz begreiflich ist, daß Gott dasjenige, was eine Zierde der Kirche und ein Zeugnis ihrer Genehmigung ist, zurückziehe, wenn die Kirche untreu ist und Gott nicht verehrt, sondern den Geist betrübt hat. Zu gleicher Zeit blieb nach der Weisheit Gottes dieses äußerliche Zeugnis so lange in der Kirche, als es nötig war, um die Verkündigung der christlichen Wahrheiten zu befestigen. 

Alle Gaben kommen unmittelbar von Christo dem Haupte herab, und haben ihr Dasein in den Gläubigen durch die Einwirkung des Heiligen Geistes. Diese zwei wichtigen Wahrheiten sind ganz klar und deutlich vorgestellt, und selbst ihr Grund und ihre Entwicklung auseinandergesetzt in Eph. 4 und 1. Kor. 12. Eph. 4 spricht ausschließlich von den Gaben, welche zur Versammlung und Erbauung der Kirche dienen. Christus ist in die Höhe hinaufgestiegen und hat für die Menschen Gaben empfangen. Diese, durch das Erlösungswerk Christi, wovon sie durch den Glauben genießen, vollkommen von der Macht Satans, welchem sie früher unterworfen waren, befreit, und Gefäße der Gnade und der Kraft, welrine von oben, von Christo, dem Haupte, herabfließt, geworden, werden durch die Gaben, die ihnen mitgeteilt sind, die Werkzeuge eines abwesenden Christus. 

Durch die Apostel und Propheten hat der Herr die Fundamente gelegt. Sie sind, sagt der Apostel Paulus Eph. 2, die Grundlage, indem Jesus Christus Selbst der Eckstein ist. Es bleiben noch Evangelisten, Hirten und Lehrer, und so lange, als Christus die Kirche liebt und die einzige Quelle der Gnade ist, solange Er die Glieder Seines eigenen Leibes ernähren will, so lange werden diese Gaben für die Erbauung der Kirche bleiben. Weil sie durch die Gegenwart und die Kraft des Heiligen Geistes wirksam, die Christen aber leider oft untreu sind und seine Ermahnungen vernachlässigen, so ist die Entwicklung der Gaben und ihre öffentliche Wirksamkeit unklar und ihre Tätigkeit gehemmt, welches überhaupt wahr ist, sowohl in Betreff des christlichen Lebens, als auch des praktischen Zustandes der Kirche.

 Es ist aber nichtsdestoweniger wahr, daß Christus Seinen Leib stets und unfehlbar besorgt; darauf können wir immer rechnen, obgleich wir in Einzelheiten durch unsere eigene Untreue gedemütigt werden können. Auch hat der Herr uns gesagt, daß die Ernte 72 groß ist und der Arbeiter wenige sind, und daß wir den Herrn der Ernte um die Sendung der Arbeiter in Seine Ernte bitten sollen. Jeder, der eine Gabe empfangen, ist dadurch Diener Dessen geworden, der sie ihm mitgeteilt hat. Jedenfalls sind wir Diener Christi, des einzigen Herrn unserer Seelen, aber insbesondere ist jeder Christ Sein Diener in Betreff der Gabe, die Er ihm mitgeteilt hat; und weil Er sie ihm mitgeteilt hat, ist er verantwortlich, sie zu gebrauchen und damit zu handeln, und damit d e n Zweck, wofür Christus sie ihm gegeben hat, zu erfüllen. Ohne Zweifel ist jeder Christ der allgemeinen Zucht der Kirche oder Versammlung unterworfen, sowohl in seinem ganzen Leben, als auch in seinem Dienst. 

Er dient aber Christo und nicht den Menschen. Er ist fruchtbar für die Versammlung, w e i l er Christo dient. Er leistet Dienst den Christen, w e i l er Diener Christi, des H e r r n , ist. Auch ist er zu dienen verpflichtet, weil er Christi Diener ist, und dazu von dem Eigentum seines Herrn empfangen hat. Dieses ist die Lehre des Gleichnisses von den drei Knechten, deren Herr außer Landes ging und ihnen von seinen Gütern überlieferte; dem einen mehr, dem anderen weniger. Warum? Damit sie faul und untätig blieben? Nein! Er hatte ihnen die Talente deshalb anvertraut, auf daß sie damit handelten. Man gibt den Menschen nicht Stoff und Werkzeuge, damit sie nichts tun. Es wäre dies überhaupt nicht allein sinnlos, sondern, wenn die Liebe Christi und Seine Liebe für die Seelen im Herzen tätig ist, so wäre Faulheit und Nichtstun ganz unmöglich. 

Auch die Gegenwart und Wirksamkeit dieser Liebe ist es gerade, die dadurch geprüft wird. Wenn die Liebe Christi in meinem Herzen wirksam ist, und ich einer von Ihm geliebten Seele nützlich sein könnte, wäre es möglich, noch untätig zu bleiben? Gewiß nicht. Die Kraft, dieses zu tun, die nötige Weisheit, um es wohlgefällig zu tun, kommt stets und augenblicklich von Ihm, während die Liebe Christi i m H e r z e n es ist, die das Herz tätig werden läßt. Um Mut zu haben, dies zu tun, muß ich- Vertrauen zu Christo haben, anders wird das Herz sagen: Vielleicht wird Er nicht zufrieden mit mir sein; vielleicht wird es zu tollkühn, zu übereilt sein, vielleicht ist es Stolz, dies in Anspruch zu nehmen. Der faule Mensch sagt: Es ist ein Löwe auf dem Wege; aber die Liebe ist nicht untätig, sondern verständig, weil sie zu Christo Vertrauen hat. Die Liebe versteht das, was die Liebe will, und folgt dem Willen Christi und dem Beispiel Christi, ihrers Führers, nach. Dies ist die Wirkung derselben Liebe, die in Christo ist, welche wahrhaftige, demütige Weisheit 73 ausübt.

Sie ist gehorsam und verständig und begreift ihre Pflicht durch die Gnade, indem sie durch die Liebe Christi auch Mut schöpft, sie zu erfüllen. Und wessen Verfahren hat Christus genehmigt und anerkannt? Dessen, der durch dieses herzliche Vertrauen ohne weiteren Befehl gearbeitet hat, oder jenes, — der es nicht wagte? Wir alle wissen es. Die Genehmigung Christi genügt dem Herzen des Christen und genügt zu seiner Rechtfertigung. Brüder; wenn wir Seine geoffenbarte, ausgesprochene Genehmigung haben, so können wir alles andere außer Acht lassen. Das ist es gerade: Christo treu zu werden. Lasset uns Geduld haben, Er wird später Alles richten. Indessen müssen w i r durch den G l a u b e n wandeln. Sein Wort genügt uns. Zu rechter Zeit will Er uns rechtfertigen vor der Welt, und Sein Wort und den Glauben ehren.

 Also hat der Herr Jesus diese Gaben in Seiner Menschheit empfangen, und sie den Menschen gegeben, um das Werk des Evangeliums und der Kirche Gottes zu vollbringen; und diejenigen, welche diese Gaben empfangen, sind verpflichtet, Gott gemäß damit zu handeln, die Seelen zu gewinnen, die Christen zu erbauen, den Herrn und ihren himmlischen Meister zu verehren. Im 4. Kapitel des Epheserbriefes haben wir die Erbauungsgaben als von Christo Selbst, in die Höhe hinaufgestiegen, hier abgegeben, dargestellt gesehen, indem Sein Leib auf der Erde durch diese Gaben zusammengefügt ist, und durch ihre gegenseitige Wirkung wächst und gleichzeitig bewahrt bleibt vor jeglichem Wind der Lehre, auf daß er zunehme bis zum vollen Wüchse der Fülle des Christus. Im 12. Kapitel des Korirttherbriefes sind die Gaben mehr als die Wirkung des Heiligen Geistes auf der Erde betrachtet. Dieser teilt sie einem jeglichen aus, wie Er will. Auch haben wir hier nicht allein die Erbauungs-Gaben, sondern alle die, welche Kraft des Geistes und Zeichen Seiner Gegenwart sind. 

Dieses Kapitel betrachtet alles, was als geistliche Erscheinung angesehen werden kann, und indem es von der Wirkung der dämonischen Kräfte spricht, zeigt es die Mittel an, diese von den göttlichen Gaben zu unterscheiden. Es stellt die Lehre des Leibes und der Glieder Christi am klarsten dar und läßt uns aufmerksam werden, daß es einen einigen Herrn gibt, durch dessen Autorität diejenigen, welche die Gaben haben, arbeiten, sei es in der Welt, sei es in der Versammlung, um das Werk Gottes durch die Einwirkung des Heiligen Geistes zu vollbringen. Jedes Glied ist von der Wirkung eines andern abhängig, indem alle durch ein und denselben Geist zu Einem Leibe getauft worden sind. 74 In Röm. 12 und 1. Petri 4, 10 sind die Gaben in der Kürze erwähnt. In Röm. 12 noch als die Glieder des Leibes Christi*) und im allgemeinen zu dem Zwecke, die Besitzer der Gaben zu ermahnen, die empfangenen Gaben nicht zu überschreiten, sondern sich auf das Maß dessen, was ihnen gegeben worden, zu beschränken. In 1. Petri 4 ermahnt der Heilige Geist die Christen, sich der mitgeteilten Gaben zu bedienen, als unmittelbare und treue Verwalter Gottes; zu reden, als Aussprüche Gottes, zu dienen, als durch eine von Gott dargereichte Fähigkeit.

 In dieser ganzen Lehre finden wir nichts von Ämtern, sondern es ist allein von den Gliedern des Leibes Christi die Rede, die alle ihr Teil an der Erbauung des Leibes nehmen, und zu erfüllen verpflichtet sind. Nicht All e reden, nicht A l l e predigen das Evangelium, nicht A l l e lehren, weil nicht A l l e diese Gaben haben; aber All e sind nach der Schrift, das zu tun, verpflichtet (gemäß der schriftlichen Ordnung des Hauses Gottes), was Gott ihnen zu tun anvertraut hat. Sobald man versteht, daß alle Christen Glieder Christi sind, und daß jedes Glied seine eigene Arbeit, seine eigene Pflicht am Leibe hat, ist alles einfach und klar. Alle haben eine Pflicht zu erfüllen, und zwar durch die Kraft Gottes; und die verborgenste ist vielleicht die köstlichste, welche vor Gott und nicht vor Menschen verrichtet wird. —

 Alle aber haben etwas zu erfüllen. Zu sagen, daß Alle Ämter haben, heißt alle Ämter verleugnen. Wenn wir die Geschichte und die Lehre der Schrift über diesen Punkt untersuchen, so ist dieser immer klar. Wir sehen, daß das, was entweder die Predigt des Evangeliums in der Welt oder die Erbauung der Christen in den Versammlungen anbetrifft, keine Frage von Ämtern ist, sondern alles von den Gaben abhängt. Wir werden einige Stellen anführen, um dies zu beweisen. Schon haben wir den Leser auf Matth. 25 aufmerksam gemacht. In dem Gleichnis von den Talenten, die den drei Knechten anvertraut waren, stellt der Herr diesen Grundsatz dar, daß die zwei Knechte lobenswürdig sind, weil sie gehandelt hatten, ohne weiter bevollmächtigt worden zu sein, als durch die Tatsache, daß ihr Herr ihnen sein Geld anvertraut hatte, während der dritte getadelt und gestraft wird, weil er eine Bevollmächtigung erwartet, weil er kein Vertrauen zu seinem Herrn gehabt und ohne weitere Versicherung zu arbeiten nicht gewagt hatte. 

Das heißt: die Ga- *) Die Gabe ist hier mit dem Begabten als ein und dasselbe dargestellt, weil die Gabe, als solche, nur, als mit dem Leibe Christi in Verbindung stehend, gedacht werden kann. A. d. H. 75 ben selbst sind eine vollkommene Bevollmächtigung für den Arbeiter, damit zu arbeiten, wenn die Liebe Christi in seinem Herzen wirksam ist; wenn diese Liebe aber nicht vorhanden, so ist er schuldig, und der Beweis, daß sie nicht wirksam in ihm ist, ist der, daß er mit seiner Gabe nicht diente; — er ist ein böser und fauler Knecht. Christus gibt keine Gaben, damit wir sie nicht benutzen; Er gibt sie vielmehr, damit wir mit ihnen tätig seien. Und in der Tat finden wir, daß dieses unter den ersten Christen stattgefunden hat. Als die Verfolgung, welche auf den Tod des Stephanus folgte, die Christen zerstreut hatte, gingen sie überall umher und predigten das Evangelium. Apg. 8, 4 und Kap. 11, 21 lesen wir, daß die Hand des Herrn mit ihnen war.

 Es ist aber möglich, daß ich das Mittel, wodurch eine Seele selig werden kann, kenne, und dieses Mittel nicht verkündige, wenngleich mich Gott dazu fähig gemacht hat. Ein j e d e r kann etwas verborgenerweise tun; die Fähigkeit für die öffentliche Verkündigung aber ist gerade die Gabe Gottes. — Als Paulus sich im Gefängnis zu Rom befand, wurden mehrere der Brüder im Herrn, indem sie durch seine Bande Vertrauen gewonnen hatten, viel kühner, das Wort ohne Furcht zu verkündigen (Phil. 1, 13. 14). Nachdem die falschen Lehrer ausgegangen sind, um die Christen zu verführen, hängt es gar nicht von Amt oder nicht Amt ab, ob man sie aufnehme oder nicht, — selbst einer Frau wird dies gesagt (2. Joh.) — Dem Apostel kommt nicht einen Augenblick der Gedanke, solch ein Mittel zu gebrauchen, um eine Frau v o r der Zeit zu vergewissern; er schreibt ihr einfach, jedermann nach seiner Lehre zu beurteilen. Es kommt ihm nicht einmal in den Sinn, der Frau zu raten, den als Prediger sich Darstellenden zu fragen, ob er ein Amt habe und ob er geweiht oder ordiniert sei.

 Im Gegenteil, er lobt den geliebten Gajus, weil er die Brüder, welche für den Namen Christi ausgegangen waren, aufgenommen hatte und ermuntert ihn, sie auf eine gotteswürdige Weise weiter zu geleiten; auf diese Weise wurde er ein Mitarbeiter der Wahrheit (3. Joh. 8). Was denn die Predigt des Evangeliums anbetrifft, so bestätigt das Wort Gottes die Lehre, daß ein jeder nach seiner Fähigkeit und den Gelegenheiten, welche Gott in Seiner Gnade verschafft, dasselbe zu verkündigen verpflichtet ist. In Beziehung auf die Erbauung der Gläubigen ist die Heilige Schrift ebenso klar. Nicht allein stellen uns Eph. 4 und 1. Kor. 12 die allgemeine Wahrheit dar, daß Christus die Gaben gegeben hat und der Heilige Geist darin wirkt, auf daß man das Werk Gottes auf allerlei Weise vollbringe, sondern 76 sie spricht auch genau und klar gerade über die Pflicht derjenigen, welche diese Gabe besitzen. Der Heilige Geist sagt durch den Mund Petri: „Je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dienet einander damit als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes. Wenn jemand redet, so rede er Aussprüche Gottes" usw. In 1. Kor. 14 finden wir die Ordnung, wonach die Ausübung der Gaben stattfinden soll. „Propheten aber lasset zu zwei oder drei reden und die andern urteilen.... 

Denn ihr könnet alle einzeln weissagen, auf daß alle lernen und alle getröstet werden", und Jakobus zeigt uns ganz klar die wahrhaften Grenzen dieses Dienstes, ohne Rücksicht auf die Ämter, daß die Gläubigen nämlich nicht viele Lehrer werden sollten, weil also die Verantwortlichkeit desto größer sein würde, und sie (da wir alle mannigfaltig straucheln) ein um so schwereres Urteil empfangen würden. Es ist also vollkommen gewiß, daß die Gaben und der Dienst durch die Gaben, den. die Gläubigen geleistet haben, der Heiligen Schrift nach von den Ämtern vollkommen unabhängig sind, und daß diejenigen, denen Gott diese Gaben mitgeteilt hat, verpflichtet sind, sie für die Erbauung der Heiligen zu benutzen. Die Schrift gibt die Regel, wonach die Ausübung dieser Gaben stattfinden soll und bemerkt, daß die Geister der Propheten den Propheten unterworfen seien, und daß alles zur Erbauung getan werde , so daß keine Verwirrung in der Versammlung stattfinde. Von den Ämtern aber spricht die Schrift in dieser Beziehung*) nicht ein einziges Wort. Und hier dürfen wir darauf aufmerksam machen, daß zwischen Gabe und Amt ein großer Unterschied vorhanden ist, der von der Natur beider abhängig ist.

 Die Gabe ist überall gültig. Wenn ich ein Evangelist bin, so predige ich das Evangelium überall, wo Gott mich hinruft. Bin ich Lehrer, so lehre ich die Gläubigen meiner Kraft gemäß, wo immer ich mich auch befinde. Apollo lehrt in Ephesus und ist auch den Gläubigen in Korinth behilflich. Wenn jemand ein Amt empfangen hat, so erfüllt er die Pflicht, welche damit verbunden, in dem bestimmten Ort, wo er dazu ernannt ist. Ist er Ältester oder Diakon in Ephesus, so hat er seine Pflicht in Ephesus zu vollbringen, seine amtliche Autorität ist in Ephesus gültig. *) Es ist merkwürdig, daß in dem Korintherbriefe die Ältesten nie erwähnt sind, und da so viel Verwirrung und Bosheit Vorhanden war, so stellt der Apostel der Versammlung dennoch nicht vor, Älteste zu ernennen oder Ämter einzurichten, sondern er wirkt durch das Wort aui das Gewissen der Christen, a uf daß sie tätig seien, das Übel hinwegzutun. — 77 In Korinth hat er keine. Die Ämter sind nicht als Ämter Glieder des Leibes Christi, die damit Betrauten sind seine unterworfenen Beamten.

 Die Gaben als Gaben sind die verschiedenen Glieder Seines Leibes **), welche ihren Dienst nach dem Willen Gottes leisten sollen, wo immer sie sich auch befinden. Die Schrift sagt niemals, daß ein Evangelist der Evangelist einer Versammlung oder Gemeine sei, noch ein Lehrer oder Pastor der einer Gemeine, sondern Gott hat in der Kirche in dem „allgemeinen Leibe Christi" solche Gaben gesetzt. „Christus hat Gaben für die Menschen empfangen und sie ihnen gegeben, zur Vollendung der Heiligen; für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus, bis wir A l l e hingelangen werden zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu einem vollkommenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus; auf daß wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen, und umhergetrieben von jeglichem Wind der Lehre, durch das Würfelspiel der Menschen in Verschlagenheit zur List der Verführung; aber wahrhaftig in Liebe lasset uns wachsen in allem, zu ihm hin, der das Haupt ist — der Christus, aus welchem d e r g a n z e Leib , wohl zusammengefügt und zusammenbefestigt, d u r c h j e d e s G e l e n k d e r D a r r e i c h u n g n a c h d e r W i r k s a m k e i t i n d e m M a ß e e i n e s j e g l i c h e n T e i l e s , das Wachstum des Leibes zu seiner Selbstauferbauung in Liebe schafft.

" Es gab i m A n f a n g allerdings Ämter in den Versammlungen; man findet deren in der Heiligen Schrift zweierlei: die Aufseher und die Diener; und, wenn man den Unterschied noch machen will, auch Dienerinnen. Die ersten waren gewöhnlich Presbyter, (presbyteroi) jetzt Älteste genannt, die andern Diakonen; dagegen findet man nicht, daß unter den jüdischen Christen Älteste auf bestimmte Weise bestellt waren. Unter den Christen, welche durch die Gnade aus den Heiden gerufen worden, finden wir am klarsten, daß sie von den Aposteln oder ihren Abgeordneten auserwählt und in ihr Amt gestellt wurden. Apg. 14, 23 lesen wir, daß Paulus und Barnabas in jeder Stadt Älteste für die Versammlungen auserwählen; und in Kreta hat der Apostel den Titus zurückgelassen, auf daß er in jeder Stadt Älteste anstelle.

 Und obgleich der Dienst des Timotheus ein anderer war, da er vom Apostel in Ephesus gelassen wurde, um über die Lehre zu wachen, so wurde er doch mit den passenden Eigenschaften eines Aufsehers von demselben bekannt gemacht; dennoch **) Siehe Anmerkung S. 75. 78 hat der Apostel über diesen Punkt keine Verhandlungen mit den Versammlungen gepflogen, sondern alles persönlich vollbracht oder seinem Abgeordneten ausschließlich anvertraut, selbst da, wo die Versammlungen schon gebildet waren. Von den Dienern (Diakonen) findet man wenig in der Schrift.

 Im 6. Kapitel der Apostelgeschichte lesen wir, daß die Apostel, weil sie mit dem Gelde der Heiligen nichts weiter zu tun haben wollten, die Christen sieben unter sich erwählen lassen, welche, obgleich sie nicht Diakonen genannt sind, die Pflicht der Diakonen erfüllen; wenigstens haben sie in einigen Beziehungen die passenden Eigenschaften, welche dem Timotheus und dem Titus von dem Apostel Paulus dargestellt sind. Man könnte fragen: Was dürfen wir jetzt, da es keine Apostel gibt, zur Erwählung der Ältesten tun? 

Unser Gott, der die Bedürfnisse Seiner geliebten Versammlung in allen Zeiten vorher gewußt hat, hat uns in der Schrift die Antwort gegeben, und für diese Bedürfnisse hinreichende Sorge getragen. In 1. Thess. 5, 12 lesen wir: „Wir bitten euch aber, Brüder, daß ihr die erkennet, die sich unter euch bemühen und euch im Herrn vorstehen und euch ermahnen." Zu gleicher Zeit stellt der Apostel in V. 14, 15 die Verantwortlichkeit aller Heiligen deutlich dar. In Hebräer 13 spricht er von den wirklichen Vorstehern (das Wort ist dasselbe, was wir auch in Betreff des Judas und Silas in Apg. 15, 22 finden) die unter ihnen in Ansehen sein sollten. Wir sehen in V. 7, daß einige gestorben waren; jedoch haben wir hier ihre Gesinnung; — andere aber lebten noch. Die Pflicht der Ältesten ist die eines Aufsehers.

 In Apostelgeschichte 20 gibt ihnen der Apostel diesen Namen (in unserer Sprache auch Bischof von dem griechischen Wort episcopos genannt). Man findet diesen Titel auch im Briefe an die Philipper. In Apg. 20 sehen wir V. 28. 31, worin ihre Pflicht besteht: zu ernähren mit gesunder Lehre, wachsam zu sein gegen die falschen Lehrer und auf alles Acht haben. Auf dieselbe Weise redet 1. Petr. 5, 1—3. Die Pflicht der Diakonen ist ebenso, wie bei den Ältesten, in ihrem Titel ausgesprochen. Das griechische Wort diaconos heißt Diener. Sie bedienten die Versammlung als deren Diener; auch gab es Dienerinnen mit demselben Titel. Wenn wir die sieben in Apg. 6 betrachten, welche die armen Witwen als Diakonen besorgten, so ist ihnen dieser Dienst besonders zuteil geworden. Es waren dies Ämter in den verschiedenen Versammlungen, als noch alles in Ordnung 79 war, so wie es die Apostel und besonders Apostel Paulus eingerichtet hatten. Es gab in jeder Versammlung mehrere Älteste. 

Es hatten jedoch nicht alle Ältesten Gaben (1. Tim. 5,17). Die Diakonen, wie alle Christen, sollten sie ausüben, wenn sie sie besaßen. Selbst die Diakonen, wenn sie ihr Amt treulich und sorgfältig erfüllten, „erwarben sich eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christo Jesu ist" (1. Tim. 3,13). Wir sehen dieses wirklich erfüllt in dem Stephanus und dem Philippus (Apg. 6. 7. 8). Wie die Christen, ohne ihre eigene Verantwortlichkeit zu verlieren, der Gnade nach, den Arbeitern unterworfen sein sollten, sehen wir 1. Kor. 16, 15. 16. „Ich ermahne euch aber, Brüder: Ihr kennet das Haus des Stephanas, daß es die Erstlinge von Achaja sind, und daß sie sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet haben, auf daß auch ihr solchen und jedem, der mitwirkt und sich bemüht, Untertan seid." Der Christ kann seine eigene Verantwortlichkeit nie beseitigen. Die Zucht der Versammlung erheischt einen dieser Verantwortlichkeit entsprechenden Wandel, wenn der Christ ihn vergessen hat. Also sind die Brüder, welche durch die Gnade des Herrn zu arbeiten berufen sind, wirksam, um den christlichen Wandel aufrecht zu erhalten, die Schwachen zu stärken, die Unwissenden zu unterweisen, alle zu ermahnen und zu ermuntern, mit dem Worte zu ernähren und sie durch diese göttliche Nahrung fähig zu machen, Gott und die Lehre des Heilandes zu zieren, — kurz, auf allerlei Weise, in Betreff der gemeinschaftlichen Verantwortlichkeit, behilflich zu sein. Alles gehört dem Christen. Die Wirksamkeit des Arbeiters Gottes, und seine Anstrengungen, jedes Übel auszurotten. Es sei Paulus, oder Apollos, oder Kephas; es sei Welt, oder Leben, oder Tod, oder Gegenwärtiges, oder Zukünftiges; — alles gehört dem Christen; der Christ aber Christo, Christus aber Gott (1. Kor. 3, 22. 23).

 Der Apostel sagt: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Christum Jesum, dem Herrn; uns selbst aber als eure Knechte um Jesu willen" (2. Kor. 4, 5). Diese beiden öffentlichen Ämter fehlen uns also jetzt und niemand kann sie nach der Heiligen Schrift auf eine göttliche Weise wieder herstellen, weil niemand dazu diese Autorität oder diesen Auftrag von Gott empfangen hat. Weil aber Christus Seinem Leibe unfehlbar treu bleibt und der Heilige Geist immer in der Versammlung auf der Erde ist, so bleiben die Gaben, welche für die Erbauung der Versammlung nötig sind, immer da. Die Schwachheit der Ver- 80 Sammlung Gottes offenbart sich freilich in dieser, wie in jeder anderen Beziehung; aber Christus bleibt immer treu und kann nicht anders, als Seine Glieder ernähren. Die Lehre der Schrift über die Gaben hat man beinahe vergessen, oder man widersetzt sich sogar denselben ganz, indem man das Recht, die Menschen zu erbauen, denen zuschreibt, welche durch Menschen in ihre Stellungen eingeführt sind, — Stellungen, welche man meistens fü r s i c h s e l b s t erfunden hat. Selbst wenn man zugibt, daß Gott die Gaben darreicht, so erlaubt man doch nicht, daß man sie ohne die Bestätigung von Menschen ausübe.

 Diese Verwirrung, die von der Vermischung der Gaben und der Ämter, welche die Menschen erfunden haben, herstammt, nennt man gewöhnlich d i e G e i s t l i c h k e i t und selbst G o t t e s d i e n s t ; ja, man behauptet, daß, wenn man diese nicht annehme und anerkenne, man den Gottesdienst verleugne. Der wahrhaftige Gottesdienst ist aber da, wo jedes Glied Christi mit der Gabe, welche ihm Christus durch die Kraft des Heiligen Geistes mitgeteilt hat, auch Gott dient, sowohl in der Welt, als auch zur Erbauung der Brüder, und also des ganzen Leibes Christi. Wenn die öffentliche Wiederherstellung der Ämter, welche die Schrift anerkennt, in dem gegenwärtigen Zustande der Kirche nicht möglich ist, so hat doch Gott für diesen Zustand, so traurig er ist, alles was nötig, alles, was gut ist, zuvor verordnet, wie Er auch alles, was nützlich ist, unfehlbar denen geben wird, die Ihn darum bitten. Von der Auflegung der Hände, um die A u s ü b u n g d e r G a b e n z u b e r e c h t i g e n o d e r i n A n s e h e n z u s e t z e n , weiß die Heilige Schrift gar nichts. Der einzige Fall, wo etwas Ähnliches geschehen ist, fand bei den Aposteln Paulus und Barnabas statt, die für das Werk, welches sie hernach vollbrachten, dem Segen des Herrn empfohlen waren. Diese beiden aber hatten schon lange Zeit ihre Gaben ausgeübt, und dies war also nichts anderes, als, von Seiten der Propheten in Antiochien, eine Empfehlung an die Gnade des Herrn für ein besonderes Werk.

 Die zwölf Apostel legten die Hände auf die sieben, welche gewöhnlich Diakonen genannt werden; und, obgleich es nirgendwo gesagt ist, so ist es wahrscheinlich durch Analogie (Schlußfolge), daß der Apostel Paulus, oder seine Abgeordneten auf die Ältesten Hände gelegt haben. Von der Ausübung der Gaben aber ist überall erzählt, nicht nur ohne diese Zeremonie zu erwähnen, sondern auf eine solche Weise, daß, wenn dies nötig wäre, sich alle Christen die Hände auflegen lassen müßten. Es ist so klar, wie das Licht der Sonne, daß, 6 81 weil alle weissagen konnten, (1. Kor. 14,31) alle in der Tat gepredigt haben, und viele in fremden Sprachen redeten, die Auflegung der Hände für die Ausübung der Gaben ganz und gar unmöglich war. Von den Zeremonien, de n D i e n s t de s A b e n d - m a h l s z u v e r r i c h t e n , weiß die Schrift nichts, und ebenso wenig tut Gott in derselben kund, daß dieses ein besonderes Vorrecht eines eingeweihten Mannes sei. Die Jünger versammelten sich, um Brot zu brechen (Apg. 20, 7). Wahrscheinlich wurde zuvor von den Angesehenen das Brot mit Gebet gebrochen, ehe sie es austeilten, weil es also passend war; jedoch hat die Schrift nichts darüber verordnet. Das Segnen in dem Gottesdienst ist bloß Danksagung, wie wir 1. Kor. 14, 16 lesen. Selbst der Herr hat gedankt, ehe Er das Brot brach (1. Kor. 11, 24). (v. J. N.D.)

 Gottes Ruhe, der Heiligen Ruhe (Hebräer 4) 

Es ist köstlich, und doch in einem Sinne schrecklich, — stets schrecklich für das Fleisch — zu wissen, daß wir „mit Gott zu tun haben" (V. 13). 

Die natürliche Neigung des Herzens ist, sich davon loszumachen, und dann (wie sich das ungehorsame Kind fürchtet, den Augen seiner Eltern zu begegnen) Gottes Gegenwart zu scheuen und zu fürchten. Jeden Augenblick aber und in jeder Lage ist es Gott, mit dem „wir es zu tun haben". Menschen, welche immer nach andern Ursachen forschen, befinden sich im wirklichen Unglauben; und der Heilige Gottes, — wenn er sich in den Umständen beruhigt, so verliert er den Gedanken „mit Gott zu tun zu haben". Doch welch ein Segen und Nutzen liegt in dem Bewußtsein: Wir haben allezeit „mit Gott zu tun!" Suchen wir Glückseligkeit, wo sollen wir sie finden? Wo finden wir den Segen, welchen nichts erreichen oder hindern und nichts schmälern kann, außer in Gott? Er ist nicht allein die Quelle unseres Segens, sondern der Segen selbst. In der Tat sind Seinen Kindern viele äußerliche Segnungen auf dem Wege gegeben, und diese können sogar Unbekehrte haben; aber die Kraft, die Erquickung und die Freude des Christen ist diese: er hat „mit Gott zu tun". Gott ist die Quelle und der Mittelpunkt seines Segens. 82 Wenn wir einmal dahin gekommen sind, Gott wirklich zu kennen, so kennen wir Ihn auch als L i e b e . Denn wir wissen, daß uns alles von Ihm kommt, obgleich wir in einer Wüste sind, wo außer den Umständen nichts von Bedeutung ist, und wir verstehen alles durch Seine Liebe. 

Ich mag berufen sein, durch Mühe, durch Trübsal und Versuchungen aller Art, als einem Teil der göttlichen Zucht zu gehen: aber ich weiß, daß dies alles von Gott kommt; es kommt aus einer Quelle, zu welcher ich Zuversicht habe. Ich sehe durch die Umstände Ihn, und nichts kann mich von Seiner Liebe trennen. Wo Gott aber nur wenig gekannt wird, und wo darum auch kein Vertrauen zu Seiner Liebe ist, da wird in den mannigfachen Umständen Unzufriedenheit, Murren und Empörung sein. In solchem Falle wird das Bewußtsein „mit Gott zu tun zu haben", mehr Furcht als Freude verursachen. Johannes sagt: „Wir haben die Liebe, welche Gott zu uns hat, erkannt und geglaubt. Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott in ihm" (1. Joh. 4,16). Es ist nicht gut, daß wir oft in den Umständen, in welchen wir yns gestellt finden, lange stille stehen, und unsere Fehler und das Gericht darüber betrachten. Dies gäbe nur den Beweis, daß unsere Seele nicht völlig in der Gemeinschaft mit Gott lebte. Das, womit wir beschäftigt sein sollen, sind nicht die Umstände, sondern das, was Gott durch diese beabsichtigt. Das Gewissen muß gleichwohl in Übung sein; denn es ist ebenso wahr, daß wir es in unserem Gewissen „mit Gott zu tun haben". Dies ist sicher sehr nützlich aber nicht so angenehm. „Alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir zu tun haben" (V. 13). Und dennoch ist es bei allem Diesem köstlich, teure Brüder, daß nichts der H a n d und dem A u g e Gottes entfliehen kann. Welch ein Glück ist es, daß Er jeden Gedanken unserer Herzen versteht, welcher den Segen verhindern oder die Gemeinschaft mit ihm stören könnte! Es mag da ein verborgenes Übel sein (eins von den unzähligen Dingen, welche, wenn sie begünstigt würden, unsere Freude an Gott hinderten) welches in meinem Herzen wirkt, und ich bleibe dennoch unberührt davon; wohlan, Gott sendet irgend einen Umstand, welcher mir das Übel aufdeckt, in der Absicht, daß es hinweggetan werde.

 Ist das nicht Segen? Der Umstand erzeugt nicht das Übel, das rege wird; er wirkt nur, damit es im Herzen gefunden und offenbar gemacht werde. Seitdem ich „mit Gott zu tun habe" bin ich fähig, das in mir befindliche Übel zu verstehen, was ich vorher nie verstand, nicht einmal dessen 83 Dasein kannte. Gott macht die G e d a n k e n und die A b - s i c h t unserm Herzen kund; Er kann nicht ruhen, solange noch irgend etwas da ist, was unsere Liebe und unser Vertrauen zu Ihm, und unseren Trost und unsere Freude in Ihm aufhält. Ist das Übel offenbar gemacht, sind die Umstände alle vergessen, dann wird Gottes Absicht allein gesehen. Das Herz des natürlichen Menschen sucht Kühe, und sucht sie hienieden. Doch h i e r ist jetzt keine Ruhe für den Heiligen zu finden; aber es steht geschrieben: „Es bleibt noch eine Sabbathruhe für das Volk Gottes" (V. 9). Dies Bewußtsein bringt eine Fülle von Freude, aber auch eine Fülle von Schmerz — Schmerz für das Fleisch, weil es immer beschäftigt ist, hier die Ruhe zu suchen, und immer getäuscht wird, — Freude für den Geist, welcher, hervorgegangen aus Gott, nirgends anders, als in Gottes eigener Ruhe, ruhen kann, wie gesagt ist: „Wenn sie in m e i n e Ruhe einkommen werden" (V. 3—5). Gott kann nicht im Verderben der Sünde ruhen. Er kann nur in Dem ruhen, was vollkommen heilig ist. 

Und weil Er, der also ruhet, Liebe ist, und uns liebt, so läßt Er uns verstehen, daß Er uns in Seine eigene Ruhe, in Seine eigene Glückseligkeit bringen will. Hat die Seele einmal verstanden, was diese Ruhe Gottes ist, ist das Herz einmal in dieselbe versetzt, so werden wir eine unaussprechliche Freude in dem Bewußtsein haben, daß Gottes Liebe nicht eher ruhen kann, bis sie auch uns in ihre eigene Glückseligkeit gebracht hat. Dann werden wir die völlige und bestimmte Überzeugung haben, daß w i r sonst nirgends Ruhe finden können. Es gibt in der Tat Erquickungen auf dem Wege, aber von dem Augenblick an, wo wir darin ruhen, werden sie uns, wie die Wachteln den Kindern Israel (4. Mose 11), zum Gift. Sobald die Seele praktisch das Bewußtsein verliert, daß sie in Gott ruhet, so richtet sich augenblicklich das Auge auf das Vergängliche; wir fangen dann an, hier eine Ruhe zu suchen, und gehen folglich ruhelos und unzufrieden einher. Zu jener Zeit, wenn wir etwas finden, worin wir zu ruhen versuchen, finden wir in Wahrheit nur eine neue Quelle von Schmerz und Kampf, eine Quelle von Unruhe und Betrübnis für das Herz. Gott liebt uns zu sehr, als daß Er uns könne h i e n i e d e n ruhen lassen. Ist es auch deine Freude, teurer Leser, d e i n e R u h e nirgends anders als in S e i - n e r R u h e zu finden? Worin besteht das Geheimnis der Unzufriedenheit und Unruhe so vieler Heiligen? — In dem Trachten nach der Ruhe hienieden.

 Und deshalb ist Gott genötigt, diese Seelen 84 zu züchtigen und zu unterweisen; zu erlauben, daß durch irgend einen Umstand die wahre Stellung ihres Herzens durch Prüfung dessen, worauf der Wille oder die Neigung gerichtet ist, aufgedeckt werde. Die Umstände würden uns nicht beunruhigen, wenn sie nicht irgend etwas in uns fänden, was gegen Gott wäre; sie würden vorbei rauschen, wie der Wind. Gott begegnet Dem in uns, was unsere Gemeinschaft mit Ihm stört, und veranlaßt uns unsere Ruhe in Ihm allein zu suchen. Seine Zucht ist die beständige und unermüdliche Übung der Liebe, welche nicht eher ruhen kann, als bis wir in Seine Ruhe eingegangen sind. Wenn Er unsere Ruhe hienieden stört, so geschieht dies nur, damit wir in die Seinige kommen mögen, und besitzen, was nicht unserm, sondern Seinem Willen entspricht. E r w i l l a b e r , d a ß wi r i n S e i n e r L i e b e r u h e n . „ D e n n d e r , w e l - c h e r i n s e i n e R u h e e i n g e g a n g e n ist , d e r r u h t a u c h v o n s e i n e n W e r k e n , w i e G o t t vo n s e i - ne n e i g e n e n " (V. 10). Es handelt sich hier nicht um die Rechtfertigung oder die Ruhe des Gewissens, als vor einem Richter, der völlig befriedigt ist: „Denn wie durch des einen Menschen Ungehorsam die vielen (in die Stellung von) Sündern gesetzt, also sind auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen (in die Stellung von) Gerechten gesetzt" (Röm. 5, 19). Wiederum: „Durch ein Opfer hat er auf immerdar die welche geheiligt werden, vollkommen gemacht" (Hebr.10,14). Der Gläubige hat schon ganz und gar von seinen eigenen Werken als solchen, abgestanden. Er hat Frieden durch das Blut Christi. Es handelt sich hier allein um die, welche gerechtfertigt s i n d , welche Gott in S e i n e Familie aufgenommen hat, welche Gott erzieht, um sie in Seine eigene Seligkeit und Ruhe einzuführen. Wenn ich als Vater mich über etwas erfreue, so ist es unmöglich, daß, wenn ich mein Kind wirklich liebe, ich nicht wünschen sollte, daß es sich mit mir freue. Und wenn wir, die wir böse sind, also tun, wieviel mehr wird dies unser himmlischer Vater tun. Was Gott für uns wünscht, wie wir gesehen haben (und es erfreut Ihn, also zu handeln) ist, uns teilnehmen zu lassen an der Freude über alles dasjenige, was Ihn Selbst erfreut. Er hat uns der göttlichen Natur teilhaftig gemacht., damit wir davon genießen sollen. Die Hebräer waren beständig der Gefahr ausgesetzt, hier eine Ruhe auf kurze Zeit zu suchen, und nicht ein Leben des Glaubens zu leben. Die große Sache aber, um welche es sich bei dem Apostel handelt, ist, daß Gott hier Seine Ruhe nicht hat.

 Solange noch etwas vorhanden ist, was die Glückseligkeit Seiner Liebe stört, so lange kann Er 85 nicht ruhen, und dies ist durch eine Menge von Zeugnissen bewiesen (siehe V. 3—8). Der Apostel versetzt sich mit jenen in dieselbe Stellung, wenn er sagt: „Denn wir, die wir geglaubt haben, kommen in die Ruhe ein... " Es war nicht nötig ihnen dies zu beweisen, ebenso wenig als es für uns selbst nötig ist, zu beweisen, daß sie noch nicht in der Ruhe waren. Sie hatten einen großen Kampf der Leiden ausgehalten; sie waren durch Schmach und Drangsal zur Schau gestellt und Mitgenossen derer geworden, die sich in solchen Umständen befanden" (Hebr. 10, 32. 33). Sie waren noch immer in solchen Umständen, in welchen ihnen zugerufen werden mußte: „Denn ihr bedürft des Ausharrens, auf daß ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung erlangt" (V. 36). Die Ermahnungen: „Fürchten wir uns also" . . . . (Kap. 4,1). „Laßt uns hinfort Fleiß tun . . . " (V. 11) sind in der Tat mit dem Zustand der Ruhe nicht zu vereinigen. Es scheint hart zu sein, wenn uns in einem Augenblick die herzlichsten Versicherungen der Liebe und Treue Gottes vorgestellt werden, und in dem nächsten uns zugerufen wird: „Fürchten wir uns also, daß, wiewohl eine Verheißung, in seine Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, nicht jemand von euch zurückzubleiben scheine" (V. 1). Doch Gott hört nimmer auf, uns auf diese Weise zu warnen, daß wir stets unsere Verantwortlichkeit gegen Ihn fühlen, während wir auf dem Wege zur Ruhe sind. Würde von der Rechtfertigung die Rede gewesen sein, so hätte er ihnen zurufen müssen: „ F ü r c h t e t e u c h n i c h t , und w i r k e t n i c h t ! denn Christus hat alles für euch getan!" „Dem aber, der wirkt, wird der Lohn nicht nach Gnade gerechnet, sondern nach Schuldigkeit" (Röm. 4, 4). Dies „Fürchten" und dies „Fleiß tun" beginnt dann, wenn die Frage von der Rechtfertigung beseitigt ist, und zwar beseitigt für immer. Dieser gesegnete Grundsatz offenbart uns, daß wir es jetzt „mit Gott zu tun haben". Wenn wir völliges Vertrauen zu der Liebe Gottes haben, wenn wir Seine Ruhe hoch schätzen, so fürchten wir alles, nicht nur die Versuchungen und Fallstricke auf dem Wege, sondern auch jedes Wirken des Fleisches, — alles, was sich zwischen Gott und uns stellen will. Die Segnungen bleiben bis zum Ende gesichert, — „aufbewahrt", wie geschrieben steht, „für uns in den Himmeln"; aber das Gewissen spricht also: Wie könnte ich ein so großes Übel, wie könnte ich eine Sünde gegen Gott tun! Es ist durch Glauben, daß wir durch Gottes Macht zum Heile bewahrt werden, welches bereit ist in der letzten Zeit offenbart zu werden (1. Petr. 1, 5).

 Der Glaube 86 verwirklicht die Gegenwart Gottes; deshalb ist es auch eine h e i l i g e F u r c h t , — wir bringen die Zeit unserer Fremdlingschaft in F u r c h t zu. Paulus schreibt den Philippern: „Brüder! ich halte mich selbst nicht dafür, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: ,Das, was hinter mir liegt, vergessend, und nach dem, was vor mir liegt, mich ausstreckend, strebe ich, das v o r g e - s t e c k t e Z i e l i m m e r a n s c h a u e n d , hin zu dem Kampf preis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu'; und wiederum: ,ob ic h au f i r g e n d e i n e W e i s e zur Auferstehung aus den Toten hingelangen möge" (Phil. 3). Warum sieht er nicht die Gewißheit des Endes? Weil er sowohl den Weg, als auch das Ende und die Schwierigkeiten des Weges sieht. Paulus fürShtet alles, was ihn auf seiner Laufbahn aufhalten, und ihn für einen Augenblick auf einen Abweg lenken könnte; (das Fleisch wandelt immer auf Abwegen, wenn es dazu Erlaubnis erhält) und er fügt dann hinzu: „Werdet zusammen meine Nachfolger, Brüder! und sehet auf die, welche so wandeln, wie ihr uns zum Vorbilde habt. Denn Viele wandeln, von denen ich euch öfters gesprochen habe, aber nun auch weinend spreche, daß sie die Feinde des Kreuzes Christi sind, deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch, und deren Ehre in ihrer Schande ist, die nach dem Irdischen trachten" (Phil. 3,17—19). 

Wo diese h e i l i g e F u r c h t ist, kennen wir, weil die Verheißung der Ruhe Gottes vorhanden ist, das Ende des Weges; aber wir „tu n F l e i ß , in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiele des Unglaubens falle" (V. 11). Die Gnade wird ein solches Resultat verhindern; doch das Fleisch führt stets dahin, und darum kann auch der nicht erneuerte Bekenner nichts anderes als die Wirkung des menschlichen Willens hervorbringen. Der natürliche Mensch hat sozusagen keine Furcht vor dem Satan, aber er hat, wenn er nicht ganz verhärtet ist, große Furcht vor Gott. Der Heilige Gottes hat keine Furcht (d.i. Angst) vor Gott, während er große Furcht vor dem Satan hat. Der Herr Jesus sagt von Seinen Schafen: „Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen; denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht" (Ev. Joh. 10, 5). Sie haben Mißtrauen gegen alles, a b e r si e k e n - n e n d i e S t i m m e i h r e s H i r t e n (V. 27). Besonders aber fürchten sie den Wolf, weil dieser ihre Schwächen kennt. Wenn jemand sagt: „der Ausgang ist sicher, es kann nimmer fehlen" — so würde das Schaf erkennen, daß dies nicht die Stimme des wahren Hirten wäre. Es tut Not, daß wir gegen alles wachsam sind, was unsere Augen gegen die 87 himmlische Herrlichkeit verdunkeln könnte oder was uns verhindern wollte, allein in Gott befunden zu werden, mag es auch noch so schön und kostbar scheinen, wachsam gegen jegliche Neigung, die uns auf einen Abweg ziehen will.

 Wenn das Auge einfältig ist, so ist der ganze Leib Licht; und dann ist jedes Übel aufgedeckt und allein auf Gott gerichtet. Es ist nichts Unzuverlässiges in der Liebe Gottes; aber dabei ist es gewiß, daß wir in einer Wüste sind, wo wir zu „fürchten" und „Fleiß zu tun" haben. Die Heiligen wissen, daß dies ein „dürres und trockenes Land ohne Wasser ist"; aber sie wandeln darin in der Gegenwart Gottes, und ihre Seele wird gesättigt, wie in einem fetten und fruchtbaren Lande, und sie trinken aus dem Strom Seiner Freuden. Die Befreiung aus Ägypten führt m die Wüste. Wenn wir nicht Gott darin haben, so haben wir nichts. Es ist nicht das Geringste in dieser weiten Welt, was den neuen Menschen erfrischen könnte, ebenso wenig als im Himmel etwas zur Sättigung des alten Menschen ist. Würden wir Gottes Auge und Hand aus dem Gesicht verlieren, wir hätten dann weiter nichts als unsere eigene Torheit und eine Sandwüste um uns her. Würde man zu einem Heiligen sagen: „die Ruhe beim Ende ist köstlich". „Ach!" würde er erwidern, „es ist nicht genug für mich, dieses zu wissen; ich wandle jetzt mit Gott; ich ruhe jetzt in ihm; ich kenne ihn j e t z t ; ich genieße j e t z t seine Gegenwart; ich kann, ohne Gott selbst als mein g e g e n w ä r t i g e s Teil zu haben, nicht zufrieden sein, und ich fürchte im höchsten Grade alles, was sich zwischen ihn und mich drängen will." Während das Auge auf Gott gerichtet ist, und die Seele in Ihm ruhet, sind auch die W e g e , und nicht allein das Ende köstlich für uns, und werden für uns Kanäle der Gemeinschaft mit Gott. Alles, teure Brüder, beweist uns, daß u n s e r e Ruhe nicht h i e - n i e d e n ist. Furcht haben, weil wir mit einem Herzen, zum Abfall von Gott geneigt, in der Wüste sind, ist nicht ruhen.

 Im Kampf wider den Satan sein, ist keine Ruhe. Arbeiten ist nicht ruhen. „Es bleibt also noch eine Sabbathruhe für das Volk Gottes". Die Beschäftigung, die Reichtümer in Christo Jesu zu erforschen, hält unsere Sinne recht wacker in Ihm, und macht uns alles andere eitel. Nur dann, wenn unser Herz auf Christum gerichtet ist, sind wir fähig der Versuchung zu wider^ stehen. Es ist nicht das Nachdenken über den Gegenstand, womit wir versucht werden, noch unser Verstand, womit wir es darzustellen wissen, noch die eigene Anstrengung, zu widerstehen, was uns Kraft dazu gibt. Unser Vorrecht ist, mit Christo beschäftigt zu sein, und dies verschafft uns den 88 Sieg. Unsere Freiheit geht noch weiter; es ist eine Freiheit, Gott zu dienen, ohne Hindernis des Fleisches, und der Sünde nicht unterworfen zu sein. Die Freiheit des Fleisches habe ich nicht nötig; aber die Freiheit des neuen Menschen, und diese ist, meines Vaters Willen zu tun. Wenn irgend etwas die Freiheit des Herrn Jesu, während Er auf Erden war, hätte wegnehmen können, (was ohne Zweifel unmöglich war), es würde ihn verhindert haben, den Willen Seines Vaters zu tun. Es mag wohl nicht wie ein Vorrecht erscheinen, wenn es heißt, „sich zu fürchten" und „Fleiß zu tun"; aber es ist wirklich so. Und weil wir so oft in diesem fehlen, so ist es ein gesegnetes Vorrecht, zu wissen, daß Gott unsere Herzen untersucht, und das Bewußtsein mitteilt, daß „alles bloß und aufgedeckt vor den Augen d e s s e n ist , m i t d e m w i r z u t u n haben. " Wenn wir uns nicht selbst richten, so will Er uns richten. „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht mit der Welt verdammt werden" (1. Kor. 11, 32).

 Ist es nicht ein Trost der Seele, wenn wir wirklich die Heiligkeit lieben, zu wissen, daß Gott beschäftigt ist, das Haus zu reinigen, damit nicht das Geringste übrig bleibe, was Sein Auge betrübe und uns verhindern könnte, in Seinem Lichte zu wandeln? Die Gnade ist es, welche die Heiligen reizt, zu sagen: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz! prüfe mich, und erkenne meine Gedanken! Und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf dem ewigen Wege." Welch eine tiefe Zuversicht, und welch inniges Vertrauen! Gott erforschet uns, und zwar durch das Licht Seines Wortes. Er zeigt uns das Böse durch das Wort. Dies ist der Gebrauch, welchen der Heilige Geist von dem Worte macht: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam, und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Zerteilung der Seele und des Geistes, der Gelenke und des Markes, und ist ein Beurteiler der Überlegungen und Gesinnungen des Herzens" (V. 12). Wir sind in die Gegenwart Gottes gebracht; Er redet uns zu. Er untersucht mein Herz unter den lieblichsten Zeugnissen Seiner Gnade. Und wenn Er mir das Übel aufgedeckt hat, verkündigt Er dann das Gericht, als ob Er mir die Sünde zurechnete? Nein! Er sagt: Hier ist etwas, das nicht im Einklang mit meiner Liebe ist, etwas, das meine Liebe nicht befriedigt. Wenn wir versäumt haben, uns selbst durch das Wort Gottes zu richten, so ist wohl eine Züchtigung auf dem Wege umso nötiger; aber es bleibt dennoch stets köstlich und tröst- 89 lieh, daß wir „mit Gott zu tun haben". Haben wir z. B. hienieden Ruhe gesucht und uns zuletzt in etwas niedergelassen und eine Heimat in der Wildnis gefunden, so fängt Gott an zu wirken, und Er arbeitet uns entgegen.

 Es kann sogar sein, daß Er es für nötig, hält, uns für eine Zeitlang uns selbst zu überlassen, damit unser Gewissen durch irgend einen Anstoß wieder aufgeweckt werde. Und sind Umstände da, welche unsere Herzen beunruhigen und in Verlegenheit setzen, so laßt uns nur sagen: Es ist „Gott, mit welchem wir zu tun haben." Sobald das Herz zur Prüfung in die Gegenwart Gottes gebracht ist, ist alles vorbereitet, um dasselbe in Unterwürfigkeit zu bringen. Die Seele findet sich selbst in Gemeinschaft mit Ihm inmitten der Umstände; alles ist Friede. Untersucht und geprüft zu werden ist nicht Ruhe. Die Ruhe Gottes finden wir hienieden nicht. Seine Heiligkeit will uns nicht da ruhen lassen, wo die Sünde ist, und Seine Liebe will uns nicht da ruhen lassen, wo die Leiden sind. Es ist aber noch eine Ruhe für uns vorhanden — S e i n e e i g e n e R u h e , d i e R u h e G o t t e s . Dort, in der Ruhe Gottes, wird weder Sünde, noch Leid, noch Schmerz sein. Er wird dort Selbst sein, und wir werden in Ihm ruhen. Je mehr wir den Trost Gottes erfahren, je mehr wir von Seiner Freude in der Fülle Seiner Liebe genießen, desto weniger werden wir die gegenwärtigen Umstände fühlen. Wenn wir die Absichten Seiner Liebe gegen uns erkennen, so werden wir sagen: Mag Er uns nur züchtigen, mag Er uns läutern, wie Er will, wenn wir nur eine völlige Gemeinschaft mit Seiner Liebe haben. O, laßt uns nicht zufrieden sein, geliebte Brüder, mit einem geringen Teil von Segen, —• geringes Maß bringt geringen Genuß; laßt uns vorwärts eilen, laßt unsere Augen nach oben gerichtet bleiben, laßt uns durch die Macht des Heiligen Geistes die Verwirklichung Dessen suchen, was wir in Jesu haben. (Aus dem Englischen)

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Sorget um nichts; sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung euer Begehren vor Gott kund werden; und der Friede Gottes, der jede Vernunft übersteigt, wird eure Herzen und eure Sinne in Christo Jesu bewahren. (Phil. 4, 6. 7)

 Je mehr wir unsere Schwachheit und die Wüste mit ihren mannigfachen Versuchungen erkannt haben, desto willkommener wird uns ein Zuruf sein, der so voll von Trost und Beruhigung ist, wie der obige. Wir verstehen dann immer besser, wie wir gerade auf unserem Wege hienieden eines so reichen Trostes bedurften, um den Lauf bis zum Ende fortzusetzen. Und doch, teure Brüder, wie so schwer wird es uns immer noch, die ganze Tragweite dieses so lieblichen Zuspruchs zu erfassen! Wie so schwer fällt es uns an so manchem Anstoß auf dem Wege vorüberzugehen mit dem. Trostspruch Gottes im Herzen: „ S o r g e t u m n i c h t s ! " Und dennoch umfassen diese wenigen Worte alles, was den Geliebten Gottes irgendwie treffen kann; sie umfassen die kleinen und großen, die irdischen und himmlischen Dinge, sie umfassen leibliche und geistliche Zustände; n i c h t s ist ausgeschlossen, n i c h t s bleibt für die Selbstsorge übrig. Stets heißt es: „ S o r g e t u m n i c h t s ! " Das Sorgen ist Sache der Väter, und in der Familie Gottes auf der Erde sorgt und waltet der Vater, der im Himmel ist. Es sind Seine eigenen Kinder, die Er pflegt; denn sie sind aus Ihm wiedergezeugt und aus Seinem Worte neugeboren (l.Petri 1, 3. 23); sie sind Seiner eigenen, der göttlichen Natur teilhaftig geworden. Er liebt sie mit Seinem V a t e r h e r z e n , weil Er w i r k l i c h ihr Vater ist, und weil sie w i r k l i c h Seine eigenen Kinder sind. 

Er kann nicht anders, als sie lieben, und zwar mit der ganzen Fülle Seiner Liebe. Gott ist Liebe, und die Liebe ist auch die eigentliche Natur des Vaterherzens. — Es ist dies also ein wahrhaft inniges Verhältnis, das vollkommene Verhältnis zwischen einem Vater und seinen eigenen Kindern, deren ganzer Ausdruck in den Worten liegt: „Der Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi." Denn Jesus Selbst sagt nach Seiner Auferstehung zu der Maria Magdalena: „Gehe hin zu meinen Brüdern, und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu 91 meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh. 20,17). Es gibt noch eine andere, ebenso gesegnete Beziehung, durch welche wir auf dem Wege durch diese Wüste unter die besondere Obhut und Pflege des Vaters gekommen sind. Der Vater hat uns dem Sohne, unserm Herrn Jesu Christo, gegeben. Durch dessen eigenes Blut sind wir erkauft. Welch kostbarer Preis! Aber auch wie wertvoll sind für Ihn die Seinigen, weil sie eine Gabe von Seinem Vater sind, und weil Er Selbst sie so teuer erkauft hat. Als Er aus dieser Welt ging, übergab Er die Seinigen, die Er bis ans Ende völlig liebte, während Seiner sichtbaren Trennung von ihnen, dem Vater zur Bewahrung. Wir lesen. Joh. 17, 9—15: „Ich bitte für sie d i e d u m i r g e g e b e n hast , wei l sie d e i n s i n d , (und alles das meinige ist dein, und das deinige mein), und ich bin in ihnen verherrlicht. Un d ic h bi n n i c h t m e h r i n d e r W e l t ; und diese sind in der Welt, und ich komme zu dir. H e i l i g e r V a t e r ! b e w a h r e si e i n d e i n e m N a m e n , in welchem du sie mir gegeben hast Als ich bei ihnen in der Welt war, bewahrte ich sie in deinem Namen ... .

 Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt wegnehmest, s o n d e r n d a ß d u si e v o r d e m B ö s e n b e w a h r e s t . " Besseren Händen konnten wir nicht anvertraut werden. Er kennt alle die Seinigen, wo sie sich auch befinden mögen; Er versteht alle ihre Bedürfnisse, ihre Umstände und ihre Eigentümlichkeiten. Seinem Auge ist nichts verborgen; und Er leitet Alle mit Seiner unvergleichlichen Liebe; Er trägt sie mit Seiner großen Langmut; Er geht ihnen nach mit Seinem herzlichen Erbarmen; Er erzieht sie durch Seine heilbringende Gnade; Er tröstet sie mit S e i n e m Trost und erquickt sie mit S e i n e m Frieden und S e i n e r Freude. Bei Ihm ist keine Veränderung; jede Veränderung kann nur in unserem Herzen, *in unseren Gefühlen und Neigungen gegen Ihn Raum finden. Sein Angesicht ist stets voll Milde und Freundlichkeit gegen alle die Seinen; nie kann es sich gegen sie verdunkeln noch verändern. — Je mehr wir aber die ganze Tiefe und Innigkeit unseres Verhältnisses zu Gott, als Kinder zu ihrem Vater, verstanden haben, je mehr wir die Kostbarkeit eines Gegenstandes in den Augen des Vaters fühlen, — eines so teuer erkauften Gegenstandes, der Ihm von Seinem geliebten Sohne, auf welchem Sein ganzes Wohlgefallen ruht, anvertraut ist, desto mehr werden wir auch die Kraft des Wortes verstehen: „ S o r g e t u m n i c h t s ! " Es ist wahr, teure Brüder, dieses Leben ist reich an Versuchungen; jeder Tag bringt seine eigene Beschwerde. Und 92 drei Stücke sind es, die unsern Gang hienieden stets charakterisieren: G l a u b e , L e i d e n und Kampf . Wenn wir ausharren, so begleiten uns diese drei Stücke von Anfang bis zu Ende des Weges. Dies ist unser Teil in der Wüste, aber ein von Gott gegebenes Teil. Wir wandeln auf demselben Wege, worauf Jesus hienieden wandelte, und wir wandeln darauf mit Gott.

 Auf diesem Wege will Er Seinen Namen an uns verherrlichen, und Seine Macht und Gnade, Seine Liebe und Langmut offenbaren. Ja, es ist gewiß, hier in der Wüste, die so voll von Verleugnung für uns ist, erfahren wir etwas von dem Wesen Gottes, wozu wir selbst in der Herrlichkeit keine Gelegenheit haben; und die Erkenntnis Gottes ist Seligkeit für uns. Wir fühlen aber auch sehr die Beschwerden in einer irdischen Hütte, und darum „seufzen wir in uns selbst, erwartend die Kindschaft — die Erlösung unseres Leibes." — Wie so reich und mannigfach sind doch die Sorgen dieses Lebens, die sich immer wieder wie eine Zentnerlast auf das Herz des Christen wälzen wollen; und wo sie Eingang gefunden, da zehren sie beständig an dem Mark des inneren Lebens. 

Wie reich ist nicht oft ein einziger Tag an kleinen und großen Erlebnissen für uns, an Vorfällen, die, wenn auch vor den Augen Anderer verborgen, doch so ganz geeignet sind, unsere Herzen zu beschweren. Ja, es gibt eine unzählige Menge von Dingen, die unseren Herzen viel Unruhe, Verlegenheiten, Furcht und Angst bereiten können, wenn wir damit beschäftigt sind. Kein Verhältnis, kein Stand, kein Alter bleibt unberührt davon. Es mag aber sein Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, Herr oder Frau, Knecht oder Magd, Reich oder Arm — zu jedem und zu allem ruft das Wort Gottes, der alle diese Dinge aufs völligste sieht und kennt: „ S o r g e t u m n i c h t s ! " Wir müssen hier, meine Brüder, aber auch einer Sorge gedenken, die weniger als solche erkannt und gerichtet und darum umso mehr gepflegt und genährt wird. Sie beschwert aber ebenso sehr das Herz wie die andern.

 Es ist die Sorge um den traurigen Zustand der Versammlung Gottes, entweder der Versammlung in ihrer Gesamtheit oder auch der an einem bestimmten Orte. Wieviele Christen haben schon bisher ihre Herzen dieserhalb mit Unruhe und Sorgen beschwert, welche doch, so schön auch ihr Schein war, keinen anderen Boden hatten, als Unglauben. Selbstsorge bringt Selbsthilfe, Selbsthilfe aber bringt Verwirrung. Manche sind durch ihre Sorge für die Versammlung verleitet worden, daran zu denken, dieselbe durch ihre Bemühung in den ersten Zustand zurückzubringen, zu tun, wozu die Apo- 93 stel und deren Gehilfen beauftragt waren, — Aufseher (Älteste) und Diener (Diakonen) einzusetzen, ja sogar Lehrer und Evangelisten zu berufen und in ein Amt einzuführen, (was doch selbst die Apostel und deren Gehilfen nie getan haben. Dies alles aber hat stets, so treu es auch gemeint war, die Verwirrung und Zerrissenheit vergrößert und die Zahl der Sekten vermehrt. Die Sorge und Bemühung in dieser Beziehung ist ebenso unnütz und eitel, als dahin arbeiten zu wollen, den verderbten Menschen in seinen •ersten Stand der Unschuld zurückzubringen. Eins ist völlig wahr, die Versammlung Gottes auf Erden ist in dem Zustande der Verwirrung und Zersplitterung. Überall ist Unordnung; nichts ist an seinem Ort; die Sünde hat alles verändert und ungeschmälert bleibt das Werk Christi für uns. "Wie es dem Satan gelang in das Paradies einzudringen, so ist er auch in die Versammlung Gottes eingedrungen; aber Gottes Vorsatz ist unbereubar; und die Gewißheit und Erfüllung Seines Ratschlusses kann niemand hindern noch aufhalten. 

Dies ist die Überzeugung des Glaubens, und das einfältige und demütige Herz gibt sich auch in Betreff des traurigen Zustandes der Versammlung weder der Selbstsorge, noch der Selbsthilfe hin; es harret auf die Güte Gottes und vertraut in allen Umständen auf Seine Leitung und Durchhilfe. Mag auch die einzelne oder die ganze Versammlung in einem noch so betrübenden Zustande sein, so gilt für uns dennoch immer das Wort: „ S o r g e t u m n i c h t s!" Der Natur des Kindes ist auch nichts mehr fremd, als Sorgen. Es empfängt und genießt, aber es sorget nicht; es denkt nicht einmal daran, dieses zu tun. Die wahre Natur des Kindes Gottes ist in dieser Beziehung dieselbe; in seine m Herzen wohnt Einfalt und Freude. Das Fleisch aber hat seine Unruhe und seine Sorgen, und die Wüste ist voll von Versuchung. Wenn wir uns nun in die Dinge dieses Lebens einlassen, wenn wir anstatt auf Gott zu vertrauen, die Umstände betrachten, so wird unser Herz beschwert. Und sobald wir in diesen Umständen anfangen, selbst wirksam zu sein, so vergrößern wir nur unsere Unruhe; aber wir ändern nichts. Wenn aber der Glaube unseren Gott und Vater hineinbringt, der allein helfen kann, und der im voraus alle unsere Sorgen hienieden übernommen hat, so ist unser Herz ruhig, und wir sehen stets einen herrlichen und gesegneten Ausgang.

 Darum, meine Brüder, lasset uns in allen Umständen dieses e i n e Wörtchen beherzigen: „Sor - g e t u m n i c h t s ! " Denn Er hat gesagt: „Ich werde dich nicht versäumen, noch dich verlassen", so daß wir kühn sagen dürfen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich 94 nicht fürchten vor dem, was mir ein Mensch tun wird" (Hebr. 13, 5. 6). Lasset uns jetzt einen Blick auf die Worte werfen, welche auf das „Sorget um nichts!" folgen, und ganz genau damit zusammenhängen: „Sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung euer Begehren vor Gott kund werden." So wie einerseits das Wörtchen: „u m n i c h t s " jede und selbst die kleinste Selbstsorge a u s schließt, so schließt andererseits das Wörtchen: „in a l l e m " jeden und auch den kleinsten Vorfall zur Kundwerdung vor Gott e i n. O, möchte dieses gesegnete „ n i c h t s" und dieses „a lies " stets in unseren Herzen wohnen! Bei Gott gibt es nicht diesen Unterschied zwischen kleinen und großen Dingen; diesen Unterschied kennt nur der Mensch. Gott aber ist in allen Dingen für uns wirksam; Seiner väterlichen Liebe und Fürsorge begegnen wir überall. 

Für diese ist nichts zu klein, und für Seine Kraft nichts zu groß und zu schwierig. Er ist es, der die Vögel speiset und die Lilien kleidet; ohne Seinen Willen fällt selbst kein Sperling auf die Erde, und sogar sind alle Haare auf unserem Haupt gezählt. Gibt es für uns Dinge, die uns zu geringfügig scheinen, um sie vor Gott zu bringen, so hat dies nur seinen Grund in unserem Hochmut und in dem Mangel an Einfalt; vor unserem Gott und Vater ist nichts zu gering, als daß er sich nicht darum bekümmern sollte. Es ist aber wahr, daß man die Christen in kleineren Umständen oft unruhiger findet, als in größeren, weil sie in jenen selbst sorgen und wirken, in diesen aber mit Gott verkehren und auf Ihn ihr Vertrauen setzen. Die Selbstsorge in kleinen Dingen bringt uns aber ebenso wenig Segen, als in größeren; Gott aber kann durch die geringsten Umstände gesegnet auf unsere Herzen wirken. Denn wenn selbst die Haare unseres Hauptes alle gezählt sind, so kann auch nicht der geringste Umstand ohne Bedeutung für uns sein. Sind wir selbst wirksam, so offenbart sich immer, was das Fleisch ist, sein Verderben und seine Ohnmacht; ist aber Gott für uns wirksam, so erfahren wir den Reichtum Seiner Liebe und Seiner heilbringenden Gnade. All unser Begehren soll d u r c h G e b e t u n d F l e h e n m i t D a n k s a g u n g v o r G o t t k u n d w e r d e n . Er will, daß wir mit all unseren Bedürfnissen Ihm begegnen; keine Last, auch nicht die kleinste, soll unser Herz beschweren. „Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorget für euch."

 Das Herz soll mit Vertrauen zu Ihm, und nicht mit Sorgen erfüllt sein. Dies Vertrauen kann nur seine Stütze im Wort finden, und Sein Wort fordert Glauben. Dem Glauben aber geschieht immer, was Gott verheißen hat, weil er 95 sich auf Seine Liebe und Seine Wahrhaftigkeit stützt. Es ist aber eine Tatsache, teure Brüder, daß in den Umständen mehr Gebet und Flehen offenbar wird, als Danksagung. Dies hat darin seinen Grund, daß unser Verkehr mit Gott mehr durch die Umstände als durch die Erkenntnis Gottes hervorgerufen wird. Wir verstehen besser, daß Gott helfen k a n n , als daß Er helfen will ; wir haben mehr Vertrauen zu Seiner Allmacht, als zu Seiner Liebe und Treue. Je mehr wir aber Gott selbst erkennen, besonders in den gesegneten Beziehungen zu uns als Gott und Vater, desto größer ist auch unsere Zuversicht, mit welcher wir Ihm nahen. Die Umstände machen uns alsdann nicht unruhig, sondern wir freuen uns, durch dieselben eine Gelegenheit zu haben, Ihn zu bitten, weil Er so g e r n hilft. Der Glaube wird dann nicht getragen durch die Umstände, sondern durch die Liebe Gottes, Er läßt die Umstände zu, damit E r Gelegenheit hat, Seinen Namen durch Seine Hilfe an uns zu verherrlichen. Es ist Seine Freude und Lust, uns wohlzutun. „Der doch seinen eigenen Sohn nicht verschonet, sondern ihn für uns alle hingegeben hat; wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?" (Röm. 8, 32). Es sind ja selbst die Seinigen ermahnt, „Barmherzigkeit zu üben i n F r e u d i g k e i t " (Röm. 12,8), wie vielmehr wird Gott Selbst an uns Seine Barmherzigkeit mit Freuden ausüben. Die Erkenntnis Gottes und Vaters unsers Herrn Jesu Christi läßt keine Selbstsorge zu. Wir sind in allen Umständen getrost, wenn wir Ihn kennen und Ihm begegnen. Wir werden voll Zuversicht in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung unser Begehren vor Ihm kund werden lassen. Wir werden überzeugt sein, daß wir nie zuviel kommen, weil jede Hilfe von Ihm eine neue Verherrlichung Seines Namens ist. 

Ist aber Gott Selbst der Beweggrund, weshalb wir Ihm in allen Dingen mit Freimütigkeit und Zuversicht nahen, so ist nicht die Not, sondern die Liebe in unseren Herzen wirksam. Unser Glaube ist mit Liebe verbunden, und so wird auch unsere Danksagung nicht aus dem Gefühl der Pflicht entspringen, sondern es wird unseren Herzen eine süße Freude sein, bei jeder Offenbarung Seiner Hilfe, Ihn zu preisen und Ihm zu danken. Wo aber die Not der Umstände allein der Beweggrund unseres Gebets und unseres Flehens sind, da wird, wenn die Not vorüber ist, die Danksagung entweder vergessen, oder nur als eine gesetzliche Pflicht erscheinen. Darum wohl uns, wenn wir das Herz Gottes kennen, wenn wir verstehen, daß unsere Hilfe Seine Freude und Lust ist. Und was wird der Segen sein, den unsere Herzen jetzt schon genießen, wenn wir um nichts besorgt sind, sondern 96 in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung unser Begehren vor Gott kund werden lassen? „De r F r i e d e Got - t e s , der jede Vernunft übersteigt, wird unsere Herzen und unsere Sinne in Christo Jesu bewahren." Die Sorgen aber trüben diesen Frieden; sie rauben unseren Herzen, solange sie wirksam sind, dies kostbare Teil. Statt in Gott zu ruhen, werden wir in die Umstände hineingezogen, und mit denselben fortgerissen. Es gibt aber nichts, worin unser Herz wahrhaftig ruhig und glücklich sein kann, als in Gott allein. Und wir genießen den Frieden, der in Ihm ist, und der jede Vernunft übersteigt, wenn wir in allen Dingen um nichts besorgt sind, und all unser Begehren durch Gebet und Flehen mit Danksagung vor Ihm kund werden lassen.

 Der Friede, welcher in Gott Selbst ist, erfüllt alsdann unser Herz. Welch ein gesegnetes Gut! Inmitten einer Welt voll Unfrieden und Unruhe haben wir das köstliche Vorrecht, den Frieden Gottes selbst zu genießen. Entweder der unglückselige Unfriede der Welt, oder der selige Friede Gottes — nur eins von beiden findet Raum in unseren Herzen. Wir leben entweder durch Unglauben in den Umständen, oder durch Glauben in Gott; entweder in der Welt oder im Himmel. Beschweren und quälen wir uns nicht mit den Umständen, sondern verkehren wir im Glauben mit Gott in denselben, so wird Sein Friede unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu bewahren. Es bewahrt der Friede uns, und nicht haben wir alsdann nötig, den Frieden zu bewahren. Der Unfriede hält uns gefangen in der Welt und in den Umständen; aber der Friede Gottes erhält uns in Christo Jesu. Der treue Gott aber, der unsere Herzen nur glücklich und in Freuden sehen will, gebe uns einen tiefen Eindruck von dieser Ermahnung durch Seinen Geist, damit wir allewege durch Seinen seligen Frieden geleitet und in Christo Jesu bewahret bleiben. 

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