Botschafter des Heils in Christo 1905

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1905 Seite
Das Geheimnis des Christus 1
Betrachtungen über das zweite Buch Samuel  15, 37, 69, 95, 113, 141, 169, 197, 225, 253, 281, 309
Das Wohlgefällige Opfer
21
Der Heilige und der Wahrhaftige
29, 57, 85
Auszüge aus Briefen von A.L. 
52
Was die Gnade tut
54
Mache alles zum Gebet (Gedicht)
56
Hebräer 11, 8-16
82
Selbstvertrauen 84
Aberglaube und Unglaube
109
Glückselig die Trauernden!
130
Gehorchen ist besser als Schlachtopfer"
139
Seid nüchtern zum Gebet
156
Predigt das Kommen des Herrn166
Durch Nacht zum Licht (Gedicht)
168
Buße zum Leben
188
Christus selbst
195
Hülssleistungen
217
Einige Gedanken über Nehemia
223
Wachend und dienend
245
Ich hörte und sah
270
Gedanken
276, 307
Es dämmert (Gedicht)
280
Eine Frage des auferstandenen Heilandes
302
Ein Fünkchen (Gedicht)
308
Auszug aus einem Briefe von I N. Darby
332
An der Jahreswende (Gedicht)
336



Das Geheimnis des Christus

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 1ff

„Vielfach hast du deine Wundertaten und deine Gedanken gegen uns erwiesen, Jehova, mein Gott; nicht kann man sie der Reihe nach dir vorstellen. Wollte ich davon berichten und reden, es sind ihrer zu viele, um sie aufzuzählen.'' (Ps. 40, 5.) So rief einst David voll Bewunderung aus, als der Geist der Prophezeiung seine Gedanken auf das Kommen des Messias richtete. Doch wie viel mehr Ursache haben wir, die „Wundertaten und Gedanken Gottes gegen uns'' zu rühmen, da „Er Seine Gnade gegen uns hat überströmen lassen in aller Weisheit und Einsicht, indem Er uns kundgetan hat das Geheimnis Seines Willens nach Seinem Wohlgefallen, das Er sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten''! (Eph. 1, 8 -10.) Die Betrachtung dieses Geheimnisses Seines Willens, welches die Gläubigen des Alten Testaments nicht kannten, erfüllt das Herz mit seliger Freude, denn es enthüllt uns den ganzen wunderbaren Reichtum der Liebe unseres Gottes.

In der Schöpfung offenbarte und verherrlichte sich Gott als der Allmächtige, der durch Sein Wort die Welten ins Dasein rief; auch Seine Güte und Freundlichkeit gegenüber Seinem Geschöpf kamen zur Darstellung. Aber erst nach dem Falle des Menschen konnte Gott etwas von dem zeigen, was in Seinem Herzen war für den armen, verlorenen Menschen; und Er tat es, noch ehe der Mensch aus dem Paradiese vertrieben wurde. Er gab die Verheißung, dass der Same des Weibes der Schlange den Kopf zermalmen würde. So wies Gott, wenn auch noch in undeutlicher Weise, auf den kommenden Erlöser hin. 

Es war ein Lichtstrahl inmitten der Finsternis, in welche die Sünde den Menschen gehüllt hatte. Das Wort der Verheißung sprach von Befreiung und Sieg, als der Mensch nur noch Knechtschaft und Tod vor sich sah; es war, wie Petrus sagt, "eine Lampe, welche an einem dunklen Orte leuchtet, bis der Tag anbreche". Im Laufe der Zeit wurde dieses Licht heller, indem Gott Seine Gnadenabsichten für den Menschen allmählich deutlicher zu verstehen gab. Es gefiel Ihm wohl, in Seinen Wegen mit den Patriarchen, in der Berufung Abrahams, der Opferung Isaaks, in dem ganzen Lebensgange Josephs usw., Seine Gedanken immer wieder vorbildlich darzustellen. Es war das Verlangen Seines Herzens, das zu tun.

In dem Passahfest und dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten haben wir schon ein recht klares Bild von der Erlösung. Das Blut des geschlachteten Lammes stellte den Israeliten völlig in Sicherheit vor dem Gericht, und in dem Durchzug durch das Rote Meer erblicken wir die Befreiung des Volkes von der Macht aller seiner Feinde. Ein erlöstes Volk steht auf der anderen Seite der Wasser des Todes und stimmt einen Triumphgesang an.

Als später dem Volke in der Wüste das Gesetz gegeben, aber auch gleich von ihm übertreten worden war, errichtete Gott das Priestertum und den Opferdienst, beides Vorbilder, durch welche Er auf den wahren Hohenpriester, den einen Mittler zwischen Gott und Menschen, sowie aus das wahre Opfer, welches Er selbst bringen wollte, hinwies. Auch die Stiftshütte mit allem, was in ihr war und zu ihr gehörte: die Bundeslade, der Leuchter, der Tisch mit den Schaubroten, der Räucheraltar, der Brandopferaltar usw. - alles stellte Christum in Seiner Person, Seinem Dienst und Seinem Opfertode dar. Und je mehr die Zeit herannahte, in welcher Er offenbart werden sollte, desto deutlicher redete der Geist Christi durch die Propheten von Ihm, indem Er "von den Leiden, die aus Christum kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte''. Schließlich kam Johannes der Täufer als Vorläufer und Herold des Messias und stellte Ihn dem Volke vor mit den Worten: "Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt".

Der Sohn Gottes, das Fleisch gewordene Wort, war nun da. Der, von dem das ganze Alte Testament geredet hatte, auf den so viele Vorbilder hingewiesen und aus welchen Unzählige im Glauben gehofft und gewartet hatten, war gekommen, um in der Welt der Sünde und des Todes Gott als Den, der Licht und Liebe ist, zu offenbaren, und um Sein Leben hinzugeben als Opfer und Lösegeld für viele. (Mark. 10, 45.) Das wahrhaftige Licht schien jetzt in der Finsternis, und alle, deren Augen von Gott geöffnet wurden, sahen Seine Herrlichkeit als die eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

 Es war eine wunderbare Zeit, als der Sohn Gottes auf dieser Erde wandelte, als Er die Liebe Seines Vaters zu verlorenen Sündern kundmachte und den Seinigen den Vaternamen offenbarte. Und doch, wie wenig verstanden die Jünger damals von dem, was Er zu ihnen sagte! Wie wenig begriffen sie es, wenn Er von den Leiden, durch die Er gehen sollte, und von Seinem Tode zu ihnen redete! Selbst als Er schon gestorben und wieder auferstanden war, vermochten sie es nicht zu fassen, dass Er für sie auf dem Kreuze gelitten hatte und zu ihrem Heil in den Tod gegangen war. Der Gedanke, dass das große Werk der Erlösung nun vollbracht sei, lag ihnen völlig fern.

 "Wir hofften, dass Er der sei, der Israel erlösen solle'', sagen die beiden Jünger von Emmaus, so dass der Herr ihnen tadelnd zurufen muss: "O ihr Unverständigen und trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Christus dies leiden und in Seine Herrlichkeit eingehen? Und von Moses und von allen Propheten anfangend, erklärte Er ihnen in allen Schriften das was Ihn betraf.'' Die Verheißung war erfüllt. Der Same des Weibes hatte der Schlange den Kopf zertreten; durch Seinen Tod hatte Er den zunichtegemacht, der die Macht des Todes besaß, und nun war für den Menschen ein Weg gebahnt, aus welchem er Gott nahen konnte. Die Liebe Gottes zu dem Menschen war auf dem Kreuze völlig ans Licht getreten, Seine Gerechtigkeit war befriedigt, und hinsichtlich der Sünde war alles göttlich geordnet.

Nach vollbrachtem Werk kehrte der Herr zum Vater zurück und sandte den anderen Sachwalter, den Heiligen Geist, hernieder. Er hatte zu Seinen Jüngern gesagt: "Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird Er euch in die ganze Wahrheit leiten." Und so geschah es. Wie viel Herrliches sie auch schon aus dem Munde des Herrn selbst gehört haben mochten, durch den Geist sollten sie noch herrlichere Dinge erfahren. "Er wird mich verherrlichen", sagt der Herr, "denn von dem Meinen wird Er empfangen und euch verkündigen.'' 

Und wie ist dieses Wort in Erfüllung gegangen! Wie mächtig hat der Geist gewirkt in Petrus und den übrigen Aposteln; wie hat Er durch sie von Jesu und Seiner Herrlichkeit gezeugt! Sie waren "Augenzeugen Seiner Majestät'' gewesen, als Er aus dem heiligen Berge "von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfing, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an Ihn erging: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe''. (2. Petrus 1, 17.) Ja, sie konnten von dem zeugen, "was sie mit ihren Augen gesehen, was sie angeschaut und ihre Hände betastet hatten, betreffend das Wort des Lebens''.

 In Ihm, dem Heiland der Sünder, konnten sie jedem Glaubenden Vergebung, Frieden, Gerechtigkeit und ewiges Leben verkündigen. Ja, eine kostbare Wahrheit nach der anderen teilte der Heilige Geist ihnen mit betreffs der Person und des Werkes Jesu Christi, und erfreute dadurch ihre Herzen inniglich. Auch das Kommende verkündigte Er ihnen und zeigte ihnen die Zukunft in hellem, klaren Licht, indem Er von der Wiederkunft Jesu zur Aufnahme der Seinen, von der Auferstehung, dem kommenden Gericht, von dem herrlichen zukünftigen Zeitalter, ja, selbst von dem neuen Himmel und der neuen Erde redete.

Doch so groß und herrlich alles das war — eines war doch noch verborgen geblieben; das Höchste und Kostbarste war noch nicht mitgeteilt worden. Es gab ein Geheimnis, welches Gott "sich vorgesetzt hatte in sich selbst''; etwas, das Gott vor Grundlegung der Welt in Seinem Herzen beschlossen hatte, und das "von den Zeitaltern her in Gott verborgen war''. Dieses Geheimnis, welches "in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist'', wovon im Alten Testament, abgesehen von einzelnen Vorbildern, niemals die Rede gewesen war, teilte Gott Seinem Apostel Paulus durch eine besondere Offenbarung mit, damit er es den Gläubigen verkündige und dadurch, wie er selbst in Kol. 1, sagt, "das Wort Gottes vollende''. Mit der Verkündigung dieses Geheimnisses hat die Offenbarung Gottes an den Menschen ihren Abschluss gesunden; der Kreis der Wahrheiten ist vollendet, so dass es fortan keine neue Offenbarung mehr gibt. Mögen auch einige Bücher des Neuen Testamentes der Zeit nach später geschrieben worden sein, so bildete doch die Mitteilung dieses Geheimnisses den Schlussstein in dem herrlichen Gebäude.

Dieses Geheimnis zu verkündigen, war die Freude des Apostels: es war das, was er "das Geheimnis des Evangeliums'' und "sein (d. i. das ihm in besonderer Weise anvertraute) Evangelium'', an anderer Stelle auch "das Evangelium der Herrlichkeit'' nennt, wofür er so vieles erduldete, und für welches er "ein Gesandter in Ketten'' war. Es enthält aber auch so herrliche, über die Gedanken des Menschen so weit hinausgehende Dinge, dass der Apostel dankerfüllt ausrufen konnte: "Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, unter den Nationen den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen, und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott. der alle Dinge geschaffen hat.'' (Eph. 3, 8 - 10.)

Was ist nun dieses Geheimnis? Es ist "das Geheimnis des Christus'', d. h. es enthält die Gedanken und Ratschlüsse, welche Gott vor Grundlegung der Welt über Seinen geliebten Sohn und über uns, die Seinigen über Christum und die Versammlung, gefasst hat. Es betrifft zunächst und vor allem die Verherrlichung Christi, des Mensch gewordenen Gottessohnes, und dann unsere Segnung in und mit Ihm. Ihn, der sich selbst erniedrigt hat, indem Er Knechtsgestalt annahm, der Gott völlig verherrlicht hat auf dieser Erde, indem Er gehorsam ward bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuz, Ihn,. der den Willen Gottes ausgeführt hat, indem Er sich selbst zum Opfer gab, Ihn wollte Gott verherrlichen und zum Haupt über alles machen. Ihn hat Gott "aus den Toten auferweckt und Ihn zu Seiner Rechten gesetzt in den himmlischen Örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird'', und in der Verwaltung der Fülle der Zeiten wird Er "alles unter ein Haupt zusammenbringen in dem Christus, das was in den Himmeln und das was aus der Erde ist''. (Eph.1, 10.) Alles wird Ihm als dem Sohne des Menschen unterworfen sein.

 "Du hast Ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt, mit Herrlichkeit und Ehre hast du Ihn gekrönt und Ihn gesetzt über die Werke deiner Hände; du hast alles Seinen Füßen unterworfen.'' (Hebr. 2, 7. 8.) Es ist die Freude Gottes, Jesum zu verherrlichen; und Gott sei Dank! darin haben wir, Seine Kinder, Gemeinschaft mit dem Vaters Seine Freude ist auch unsere Freude. O welch eine verherrlichte Freude wird unsere Herzen erfüllen, wenn wir unseren geliebten Herrn, der so viel für uns gelitten hat, und dessen kostbarer Name in dieser Welt verachtet und verunehrt wird, verherrlicht sehen werden, hoch erhoben zum Haupte über alles! Dann werden alle Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden, und jedes Knie wird sich vor Ihm beugen, und jede Zunge bekennen, "dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters'', und, können wir hinzufügen, zur überschwänglichen Freude aller derer, die Ihn lieben.

Doch Gott wollte nicht Christum allein verherrlichen; das Geheimnis enthält auch unsere Segnung. Gott hat Ihm Genossen gegeben, Er will Ihn verherrlicht sehen in Verbindung mit Seiner Gemeinde oder Versammlung. Und diese Versammlung hat Gott Seinem geliebten Sahne als Seine Braut, Sein Weib, geschenkt, damit sie aufs innigste mit Ihm verbunden sei und an Seiner Herrlichkeit und Herrschaft teilnehme. Ja, mehr noch: Christus ist auch das Haupt, und wenn von dieser Beziehung die Rede ist, so wird die Versammlung Sein Leib genannt, "die Fülle Dessen, der alles in allem erfüllt''. Mit einem Wort, Christus und die Versammlung, der geheimnisvolle Mensch der Ratschlüsse Gottes vor Grundlegung der Welt, — das ist der Inhalt des Geheimnisses.

Wir haben schon weiter oben gesagt, dass im Alten Testament von diesen Dingen nicht geredet wird; es hat aber Gott doch wohl gefallen, durch einzelne Vorbilder daraus hinzudeuten. Schon in der Erschaffung der Eva aus einer Rippe Adams finden wir ein solches Vorbild. Ein tiefer Schlaf fiel auf Adam, und dann wurde die für ihn bestimmte Gefährtin aus ihm selbst gebildet, um an seiner Herrschaft und Segnung teilzunehmen. So musste auch Christus erst entschlafen, d. h. in den Tod gehen, ehe die Versammlung, Sein Weib, gebildet werden konnte. Sie ist "von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen'', und so innig mit Ihm verbunden, dass der Apostel die Worte: "die zwei werden ein Fleisch sein'', aus diese Verbindung anwendet, indem er sagt: "Dieses Geheimnis ist groß; ich aber sage es in Bezug auf Christum und die Versammlung''. (Eph. 5.) Sie wird mit Ihm in Herrlichkeit offenbart werden und an Seiner Seite alles mit Ihm teilen.

In der Berufung der Rebekka gibt uns Gott ein weiteres, sehr schönes Bild. Elieser wird gesandt, um aus fernem Lande eine Braut für Isaak zu holen, für den Sohn, dem der Vater "alles gegeben hat, was er hat''. Rebekka folgt willig und freudig ihrem Führer und wird Isaaks Weib. So hat Gott Seinen Geist gesandt, damit Er aus dieser Erde für Seinen Sohn, dem Er alles übergeben hat, eine Braut sammle und sie Ihm entgegenführe, als Seine Gefährtin, Sein Weib. — Ja, Er selbst wird ihr entgegenkommen, um sie in Empfang zu nehmen (1. Thess. 4, 16) und in ihre Segnungen einzuführen. Sein liebendes Herz verlangt nach der Vereinigung mit ihr, und Johannes, der im Geiste des Lammes Hochzeit droben sah, hörte eine Stimme wie von einer großen Volksmenge, welche sagte: "Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und Ihm Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und Sein Weib hat sich bereitet'' (Offb. 19, 7).

Woraus besteht nun diese Versammlung, dieser Leib Christi, Seine Braut? Nicht aus Engeln, die ihren ersten Zustand nie verließen, sondern aus tief gefallenen Geschöpfen, aus unreinen, sündigen Menschen, die Sklaven Satans und der Sünde waren, sich auf dem Wege zur Verdammnis befanden und Kinder des Zorns waren wie die übrigen. Solche hat Gott gerettet, gereinigt, zu Seinen Kindern gemacht und mit Seinem geliebten Sahne verbunden. Um das zu können, gab Er den Eingeborenen selbst zum Opfer dahin. 

Ihn richtete Er an ihrer Statt. Und nicht nur Gläubigen aus Israel, dem auserwählten Volke, wollte Gott diese große Gnade zu teil werden lassen, nein, sie ist da für jeden Glaubenden aus allen Völkern der Erde. Denn auch dies gehört zu dem wunderbaren Geheimnis des Christus, dass "die aus den Nationen Miterben und Miteinverleibte und Mitteilhaber Seiner Verheißung in Christo Jesu sind''. (Eph. 3, 6.) Die bis dahin bestehende völlige Trennung zwischen Juden und Heiden ist durch das Kreuz Christi beseitigt worden; "denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht und die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen hat''. (Eph. 2,14.) Ja, alle wahrhaft an Jesum Glaubenden, vom Pfingsttag an bis zu dem Augenblick des Kommens des Herrn zu unserer Ausnahme, gehören dieser Versammlung an und sind durch einen Geist zu einem Leibe, dem Leibe Christi, getauft.

O welche Liebesgedanken und Gnadenratschlüsse waren doch in dem Herzen Gottes! Wer vermochte sie zu fassen! Uns, die wertlosen, feindseligen Geschöpfe, die tot in Sünden und Vergehungen waren, hat Gott so geliebt, so hoch begnadigt und so hoch erhoben! Und alle unsere Segnungen ruhen aus einer unerschütterlichen Grundlage; sie sind unser Teil nach Seinen ewigen und unveränderlichen Ratschlüssen, die Er gefasst hat, ehe einer von uns da war, ja, "vor den Uranfängen der Erde''. Wir haben nichts dazu beigetragen, es ist alles "Gottes Werk'' und "Gottes Gabe''. In Seiner Gnade und Liebe allein wurzelt die Stellung, in welche wir gebracht sind, und die unser gegenwärtiges Teil ist, während wir noch in Schwachheit hienieden pilgern.

Und dieselbe Liebe, die in Gott war, als Er uns diesen Platz gab, war auch in Jesu, unserem Heilande. Er hat "die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben, auf dass Er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser, durch das Wort, aus dass Er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei". (Eph. 5, 25—-27.) Erst nachdem jeder Flecken von Sünde durch Sein kostbares Blut beseitigt war, konnte Er, der Heilige, sich mit ihr verbinden. 

Und in der gegenwärtigen Zeit, während sie noch eine gefahrvolle Welt durchschreitet, ist Er bemüht, sie auch, was ihren praktischen Zustand betrifft, beständig zu reinigen. Dies tut Er durch die Waschung mit Wasser, durch die Anwendung des Wortes aus Herz und Gewissen. Sie war die kostbare Perle, für deren Besitz Er alles hingab, sogar Sein Leben, und sie will Er nun auch, der Liebe Seines Herzens entsprechend, in Herrlichkeit mit sich vereinigt sehen. In Seinem Gebet in Joh. 17 sagt Er zu Seinem Vater: "Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind; ich in ihnen und du in mir, aus dass sie in eins vollendet seien, und aus dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast".

In ein Meer von Liebe schauen wir hier hinein. Welch eine Verbindung zwischen Jesu und Seiner Versammlung! Seinem verherrlichten Leibe gleichgestaltet, sollen Seine Geliebten in derselben Herrlichkeit mit Ihm erscheinen und an Seiner Herrschaft über alle Dinge teilnehmen. "Gott hat Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben.'' Er erfüllt alles in allem, und doch ist die Versammlung Seine Fülle. Den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern, welche die Versammlung in dieser Stellung sehen, wird dadurch kundgetan "die gar mannigfaltige Weisheit Gottes nach dem Vorsatz der Zeitalter, den Er gefasst hat in Christo Jesu, unserem Herrn''. Was für ein Anblick muss es heute schon für die Engel sein, wenn sie gerettete Sünder, arme, schwache Menschen, aufs innigste mit Dem verbunden sehen, der der Herr der Herrlichkeit und der Gegenstand der Anbetung aller himmlischen Heerscharen ist! Und wo heute zwei oder drei zu dem Namen Jesu hin versammelt sind, da wird ihnen dieser Anblick zu teil. Aber wie werden sie erst staunen und die überschwängliche Größe der Gnade und Liebe Gottes bewundern, wenn die Versammlung in derselben Herrlichkeit mit Christo erscheinen und Gott bewundert werden wird in Seinen Heiligen!

Geliebter Leser! Was erfüllt dein Herz, wenn du an diese Dinge denkst? Möchtest du nicht auch ausrufen, wie die Königin in Psalm 45: "Es wallt mein Herz von gutem Worte''? O wie unbegreiflich groß sind Gottes Gedanken! und wie schön und lieblich ist unser teurer Herr, der diese Gedanken zur Ausführung gebracht hat oder noch bringen wird! Wahrlich, Er ist "schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist ausgegossen über Seine Lippen; darum hat Gott Ihn gesegnet ewiglich''. Verlangt dein Herz nicht nach dem herrlichen Augenblick, wo wir unseren teuren Bräutigam sehen werden?

In Kol. 1, 27 stellt der Geist Gottes noch eine andere Seite dieses herrlichen Geheimnisses vor unsere Blicke. Während einerseits die Versammlung mit Christo, ihrem verherrlichten Haupte droben, verbunden ist und dadurch jetzt schon einen Platz im Himmel hat, wohnt andererseits "Christus in uns'' hienieden als die Hoffnung der Herrlichkeit. Auch das ist eine unschätzbare Gnade. Das Wort: "ich in ihnen'', wird nicht erst dann wahr sein, wenn wir mit Christo in Herrlichkeit kommen werden, nein, jetzt schon wohnt Christus sowohl in Seiner Versammlung wie in jedem Einzelnen und erfüllt auf dem Wege durch diese Wüste unsere Herzen mit seliger Freude und mit der Hoffnung der vor uns liegenden Herrlichkeit.

Wenn wir das alles betrachten, so bleibt uns in der Tat nichts anderes übrig, als mit Staunen und Bewunderung die darin offenbarte Liebe Gottes zu preisen und Ihm Dank und Anbetung darzubringen. Zugleich erweckt es in dem Herzen das Verlangen und ruft die Bitte wach, immer tiefere Blicke in dieses wunderbare Geheimnis tun zu dürfen. Und diese Bitte erfreut das Herz des Herrn. Er will, dass unsere Freude völlig werde. Für die Epheser erbat der Apostel von Gott, dass sie "völlig zu erfassen vermöchten mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit sie erfüllt sein möchten zu der ganzen Fülle Gottes''.

Doch wenn wir nun aus die Geschichte der Kirche zurückblicken, so müssen wir schmerzerfüllt ausrufen: Wie bald ist es dem Feinde gelungen, dieses Geheimnis Gottes, "in welchem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen sind'', in den Herzen der Gläubigen zu verdunkeln! Wie hat er es fertig gebracht, ihr Auge davon abzulenken, indem er sie entweder mit sich selbst, oder mit den Elementen der Welt, d, h. mit menschlichen Zeremonien und Satzungen, beschäftigte! Das war auch die Ursache des großen Kampfes des Apostels für die Kolosser. (Kol. 2, 1.) Sie waren in Gefahr, den Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses aus dem Auge zu verlieren, während er bemüht war, "jeden Menschen zu lehren in aller Weisheit, um jeden Menschen vollkommen in Christo darzustellen". Sein Verlangen ging dahin, dass das Geheimnis des Christus wieder den ihm gebührenden Platz in ihren Herzen einnehmen möchte: denn er wusste, welch gesegnete Folgen das haben würde.

Und wie es damals war, so ist es heute noch. Wie armselig ist angesichts der Reichtümer, welche die Liebe Gottes vor uns hingestellt hat, das Beschäftigtsein mit sich selbst oder mit menschlichen Einrichtungen und Vorkehrungen! Es kann dem Herzen weder Glück noch Kraft geben. Gott sei Dank! es ist unser gesegnetes Vorrecht, uns selbst zu vergessen und uns zu sonnen in den erwärmenden Strahlen der Liebe Gottes und unseres Herrn Jesu Christi. Und was dann? Der Segen wird nicht ausbleiben. Ruhen wir wirklich in dieser Liebe und erfreuen wir uns von Herzen an der Betrachtung der herrlichen, gesegneten Stellung in Christo; mit einem Wort, sind wir mit unseren Herzen droben, da wo der Christus, unser Leben, ist, so wird unser Leben hienieden ein glückliches und gesegnetes sein, wir werden Gott preisen und erheben, und auch durch unseren Wandel Den verherrlichen, mit welchem wir jetzt schon durch den Glauben im Geiste verbunden sind, und den wir erwarten, um uns für immer mit sich zu vereinigen in herrlichem Schauen. Der Herr schenke uns allen ein einfältiges Auge und ein ungeteiltes Herz!

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 15ff

Einleitung
Die Wege Gottes mit Israel seit seinem Einzug in Kanaan sind Gegenstand der geschichtlichen Bücher des Alten Testa­mentes. Das Verhalten dieses Volkes und das Leben der Männer Gottes aus seiner Mitte bieten uns auf jeder Seite wichtige sittliche Unterweisungen dar. Auch findet man in diesen Büchern mancherlei Bilder von der Person, dem Werke und den Herrlichkeiten des Herrn Jesu. Die beiden Bücher Samuel machen in dieser Hinsicht selbstverständlich keine Ausnahme. Auch in ihnen begegnet man diesen drei wichtigen Gegenständen. Das erste dieser Bücher beginnt, wie wir gesehen haben, mit dem Verfall des Priestertums, welches Israel in unmittelbare Beziehung zu Gott hätte bringen sollen.

 Doch weder die Tatsache, dass das Gericht über die Söhne Elis hereinbrach und die Bundeslade weggenommen wurde, noch der Abbruch der Beziehungen Jehovas zu Seinem Volke hinderten Ihn, einen Propheten (Samuel) zu erwecken und durch ihn Beziehungen der Gnade mit Israel aufrechtzuerhalten. Auch erklärt Gott, dass Er neue Beziehungen zwischen Seinem Volke und Sich anknüpfen wolle durch einen König, durch Seinen Gesalbten, vor welchem ein treuer Priester alle Tage wandeln solle.

Doch anstatt nun geduldig auf den Gesalbten Jehovas zu warten, fordert das rebellische Volk einen König, wie alle Nationen einen hatten. Gott gibt ihnen einen König in Seinem Zorn, hört aber deshalb nicht auf, barmherzig zu sein. Saul ist ungehorsam und wird verworfen. Sodann erweckt Jehova David, den König nach Seinem Herzen. Der verworfene Saul verfolgt den wahren König. Die zweite Hälfte des Buches ist voll von den Leiden Davids. Der Sohn Isais sammelt die treuen Zeugen seiner Trübsale als einen schwachen Überrest um sich, und sie werden die Gefährten seines Königtums sein, wenn er einmal die Krone empfangen haben wird.

Der in dem ersten Buche Samuel geschilderte Zeitabschnitt ist ein Vorbild der Leiden des Messias inmitten Israels. Er schließt mit dem Siege Davids über den Amalekiter, der in der Schrift ein Bild von Satan ist. (2. Mose 17, 8‑16.) Der König nach den Gedanken Gottes schlägt den Feind, welchen Saul verschont hatte, während der König nach dem Fleische, der einst Sieger über die Philister gewesen war, unter deren Streichen fällt, und so alle anfänglichen Erfolge seiner Lauf­bahn zunichte werden.

Der Anfang des zweiten Buches Samuel zeigt uns David, den Besieger Amaleks, sowie die allmählich sich vollziehende Anerkennung seines Königtums durch Juda und hernach auch durch ganz Israel. Diese königliche Herrschaft ist erst dann wirklich vollständig, wenn der herrliche Thron Salomos in Jerusalem errichtet ist. Wir finden daher in diesem Buche die Einführung Davids, des Königs der Gnade, in Macht : ein treffendes Bild davon, was der Messias im Anfang Seiner Regierung sein wird. Mit dem ersten Buche der Könige beginnt dann die Geschichte Salomos, des Königs der Gerechtigkeit und des Friedens, dessen glor­reiche, ausgedehnte Herrschaft das herrliche Vorbild des tausendjährigen Reiches Christi ist.

Beachten wir jedoch, dass David in unserem Buche nicht nur das Bild des Messias ist; er ist zugleich der verantwortliche König, welchem Gott die Regierung Seines Volkes anvertraut hat. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ist sein Königtum zu Fall gekommen, wie jedes andere Ver­hältnis, welches Gott im Laufe der Zeit auf Erden errichtet hat. Darum werden uns in diesem Buche auch der Fall Davids, die schrecklichen Folgen davon, die an ihm ausgeübte Zucht, seine Wiederherstellung und sein Bekenntnis mitgeteilt; und ganz am Ende, wenn die Sünde Veranlassung zum Opfer gegeben hat, sehen wir, dass dieses den Zorn Gottes aufhält, und dass dann in dem Altar auf dem Berge Morija eine Be­gegnungsstätte zwischen Jehova und Seinem Volke errichtet wird.

Die Erfahrungen Davids, eines Menschen, der dem Fallen ausgesetzt war, sind voll ernster Unterweisungen. Sie sind auch wie ein im voraus entworfenes Bild von den Erfahrungen, welche der aus Jerusalem vertriebene und dann wiederherge­stellte Überrest Judas dereinst machen wird, und von denen die Psalmen in prophetischer Weise reden.

Kapitel 1: Das Gericht Gottes über Israel und Saul
Der Amalekiter, Kapitel 1, 1 ‑ 16.
Zwei Tatsachen kennzeichnen den Beginn der Regierung Davids: das Gericht über Israel und seinen Fürsten auf dem Gebirge Gilboa, und der Sieg über Amalek, welchen der erringt, der morgen König sein wird. Die Regierung Christi wird dieselben Kennzeichen tragen: sie kann nur errichtet werden infolge des Gerichts über den Antichristen und die abtrünnigen Juden, und durch einen Sieg, welcher den großen Feind Gottes, Seines Gesalbten und der Menschen völlig kraftlos macht. Zur Einführung der tausendjährigen Regierung Christi wird Satan tatsächlich gebunden werden. (Offbg. 19, 19 ‑ 20, 3.)

Kaum ist der Sieg über die Amalekiter errungen, da kommt ein Bote aus dem Lager Sauls, „seine Kleider waren zerrissen, und Erde war auf seinem Haupte"; er kommt mit den Zeichen des Mitgefühls, der Trauer und des Schmerzes und zugleich mit den Ehrenbezeugungen, die er dem mut­maßlichen Erben der Königswürde schuldig ist: „Als er zu David kam, fiel er zur Erde und bückte sich. jeder andere als der Mann Gottes würde wohl von diesen Zeichen der Ehr­erbietung ergriffen worden sein; aber die einfältige Gemein­schaft mit dem Herrn, verbunden mit der Klugheit der Schlange, wenn es sich um Beziehungen zu der Welt handelt, bewahrt David vor dieser Schlinge. Wir selbst würden viel­leicht in einem ähnlichen Falle einige Mühe gehabt haben, die Absichten des Feindes zu erkennen; aber hüten wir uns vor jeder voreiligen Entscheidung. Das tat auch David. " Woher kommst du ? " fragt er. Ach bin aus dem Heerlager Israels entronnen", lautet die Antwort. " Wie steht die Sache ? berichte mir doch"; und: "Wie weißt du, dass Saul und sein Sohn Jonathan tot sind?" Erst bei der dritten Frage offenbart sich der Lügner. David, der geistliche Mensch, kann schon aus der Redeweise des Boten die Unwahrschein­lichkeit der Erzählung vermuten. „Ich geriet zufällig auf das Gebirge Gilboa", sagt er. Wie? Zufällig? Gerät man wohl je zufällig ins Gedränge der Schlacht? "Und siehe, Saul lehnte sich auf seinen Speer; und siehe, die Wagen und die Reiter setzten ihm hart nach." Wie völlig stand dies mit den Tatsachen im Widerspruch! Saul hatte sein Schwert in der Hand, und nicht die Reiter, sondern die Bogenschützen bedrängten ihn. (1. Sam. 31, 3. 4.) Der ganze Rest der Erzählung ist völlig falsch. Wie konnte Saul den Amalekiter bitten, ein Ende mit ihm zu machen, da ja sein Waffenträger sich nicht eher tötete, als bis er sah, dass Saul tot war ? „Da trat ich zu ihm hin und tötete ihn." (V. 10.)

Dieser Geist der Lüge hat den großen Feind zur Quelle, der das Herz des Sohnes Isais nicht verstehen konnte. Wie hätte er, der Böse, denken können, dass David nur Gefühle der Gnade und Liebe für seine Feinde hatte, und dass ihr Fall sein Herz mit ungeheuchelter Betrübnis erfüllen würde? Doch vor allem wollte er David dahin bringen, die Krone Sauls, das Zeichen der königlichen Würde, aus seiner Hand anzunehmen. Seine List wird vereitelt. Wenn er in späteren Tagen den Messias, den Sohn Davids, auf einen sehr hohen Berg führt und Ihm alle Reiche der Welt anbietet unter der Bedingung, dass Er ihm huldige, erleidet er eine neue voll­ständige Niederlage.

Das erste Gefühl Davids bei der Kunde von dem Sturz des Königtums und der Niederlage Israels ist Trauer. Wie rührend ist sein Verhalten! „Da fasste David seine Kleider und zerriss sie; und alle Männer, die bei ihm waren, taten ebenso. Und sie klagten und weinten und fasteten bis an den Abend um Saul und um Jonathan, seinen Sohn, und um das Volk Jehovas und um das Haus Israel, weil sie durchs Schwert gefallen waren.‑ Der Mann Gottes hat den Hass, die Nach­stellungen und Verfolgungen, die beständige, sein eigenes Leben bedrohende Gefahr gänzlich vergessen; er denkt nur daran, dass Jehova Sein Zeugnis Saul anvertraut und ihn ge­salbt hatte, und dass Israel einst durch ihn zum Siege geführt worden war. Er trauert auch um Jonathan, und mochte das Volk Gottes auch noch so schuldig sein, er trennt sich nicht von ihm, als wenn er nicht zu ihm gehöre, und er weint über das Unglück des Volkes.

Welch eine ernste Unterweisung liegt hierin für uns! Das Gericht ist bereits ausgesprochen und wird bald hereinbrechen über die Christenheit, welche die wahren Zeugen Christi hasst, verachtet und oft sogar verfolgt. Haben wir gegen sie und ihre Leiter die wahren Gefühle Davids? Trauern wir, anstatt uns zu freuen? Zerreißen wir unsere Kleider, anstatt jene zu ver­dammen? Erfüllt uns der Gedanke mit Betrübnis, dass bei der Vernichtung dessen, was den Namen Christi trägt, oder Ihm anzugehören bekennt, Satan seine Rechnung finden wird? Wahrlich, es sollte so sein! Diese Tränen über den Verfall, diese Gnade, dieses Mitgefühl mit den Irregeleiteten reden eindringlicher zu den Herzen der Schafe des Herrn, die noch mit jenen Zuständen verbunden sind, als die gerechteste Kritik, und öffnen ihnen die Augen über die Notwendigkeit, ihre Zuflucht zu dem Hirten Israels zu nehmen, wo das Schwert schon zum Schlage erhoben ist.

Der Überbringer der Nachrichten wohnt diesem Ausdruck der Betrübnis schweigend bei; er kann den Sinn davon nicht verstehen, und ahnt nicht im geringsten das Schicksal, welches über seinem Haupte hängt. Dann aber wendet sich David mit der letzten Frage an ihn: " Woher bist du?" Wenn Sa­tan, der die Gestalt eines Engels des Lichts anzunehmen weiß, uns zu versuchen trachtet, so lasst uns ihn zwingen, uns über seinen Ursprung Rechenschaft zu geben, uns seinen wahren Namen zu nennen. Sind wir in der Gegenwart Gottes, so wird er schließlich immer sich verraten. Der Name seines Volkes war diesem Lügner, der wahrscheinlich nur auf den Gilboa gekommen war, um die Toten zu berauben, schon entschlüpft, als er seine vorgebliche Unterredung mit Saul erzählte.

jetzt kann er sich nicht selbst widersprechen. "Ich bin der Sohn eines amalekitischen Fremdlings", sagt er. "Wie hast du dich nicht gefürchtet", entgegnet David, "deine Hand auszustrecken, um den Gesalbten Jehovas zu töten? ... Dein Mund hat wider dich gezeugt." Nein, es kann nichts Gemeinsames zwischen David und einem Amalekiter geben, und niemals wird David die Krone aus seiner Hand annehmen. Wenn auch unsere Herzen voll Erbarmen sein können, falls es sich handelt um die Bedürfnisse und Trübsale des untreuen Volkes Gottes und derer, die, wie Saul verworfen, doch Sein Zeugnis getragen haben, so müssen sie doch für die Werkzeuge, die Satan ge­sandt hat in der Absicht, uns zu versuchen, ohne Gnade sein; sie müssen ohne jedes Zaudern das Böse böse und den Feind einen Feind nennen.

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Wohlgefällige Opfer

Bibelstelle: Hebräer 13,16

Botschafter des Heils 1905 S. 21ff

„Des Wohltuns aber und Mitteilens vergesset nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.'' (Hebr. 13, 16.)

In Mark. 12, 41 -44 und in Luk. .21, 1 - 4 wird uns eine Begebenheit mitgeteilt, welche uns in Bezug auf obige Ermahnung eine beherzigenswerte Belehrung und Ermunterung gibt. Es ist die bekannte Geschichte von der armen Witwe und ihrer reichen Gabe; sie gehört aber zu jenen Geschichten, die man nie zu oft hört, weil man sie gar zu leicht vergisst.

Jesus sitzt im Tempel zu Jerusalem dem Schatzkasten gegenüber, und sieht zu, wie die Volksmenge Geld in denselben legt. Die Szene ist so einfach wie möglich; aber wie ernst und wichtig wird sie, wenn wir uns vergegenwärtigen, wer dieser Jesus war! Der Herr des Tempels, ja, der Herr der ganzen Erde, deren Silber und Gold Sein sind, der Jehova Seines Volkes, der Bundesgott Israels, beobachtet diejenigen, welche ihre Gaben in den Schatzkasten werfen! Viele Reiche legten von ihrem Überfluss viel ein. Doch der allwissende Herr sah nicht nur die Geldstücke, welche eingelegt wurden, sondern Er kannte auch die Beweggründe des Herzens eines jeden. Ernster Gedanke! Der Mensch sieht das, was vor Augen ist, aber der Herr sieht das Herz "an. Das verstand der Apostel Paulus sehr gut; darum schrieb er an die Korinther: "Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeilen werde . ., aber nicht Liebe habe, so ist es mir nichts nütze". (1. Kor. 13, 3.)

 Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Und wo die Geneigtheit des Herzens vorhanden ist, da werden auch die Hände dies zum Ausdruck bringen. Welch ein gesegnetes Vorrecht ist es, wenn der große Geber aller guten Gaben Seinen schwachen Geschöpfen erlaubt, an diesem Ihm so wohlgefälligen Werke teilzunehmen, sei es dass es sich um Bedürfnisse in Seinem Werke, oder um Unterstützung der Armen handelt. Es ist alles nur Güte, auch wenn wir Ihm von dem, was Er uns zuvor gegeben hat, etwas wiedergeben dürfen; denn Er bedarf unser wahrlich nicht!

Unter den Vielen, die da kamen und gingen, befand sich auch eine arme Witwe. Diese legte zwei Scherflein, das ist einen Pfennig, ein. Das war nach menschlichem Ermessen gar wenig, und man könnte Versucht sein, zu denken, dass es nicht der Mühe wert gewesen sei, eine so geringe Gabe zu bringen. Was kann denn mit einem Pfennig angefangen werden? Er kann den großen Gaben der Reichen gegenüber ja gar nicht in Betracht kommen! Scheinbar ist es so; aber auch nur scheinbar. Der Herr, dessen Urteil allein maßgebend ist, urteilte anders. Er rief Seine Jünger herzu und sprach zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch diese arme Witwe hat mehr eingelegt, als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben".

Mehr als alle? Wie ist das zu verstehen, da doch viele Reiche so viel eingelegt hatten? Die Jünger mögen in ihrem Herzen auch wohl so gefragt haben, und darum erklärt ihnen der Herr, worin dies seinen Grund hatte: "Denn alle haben von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrem Mangel, alles was sie hatte, eingelegt, ihren ganzen Lebensunterhalt". Welch ein Zeugnis aus dem Munde des Herrn, des Herzenskündigers! Und wie bereit war Er, dieses von Menschen gering geschätzte Werk mit Wohlgefallen anzuerkennen!

Was sie gab, machte das Opfer des armen Weibes freilich nicht so wertvoll, denn es waren nur zwei der kleinsten damals gangbaren Kupfermünzen. Aber ihre Handlung entsprang einem ungeteilten, liebeerfüllten Herzen; und aus den zwei Scherflein, die sie gab, bestand ihr ganzer Lebensunterhalt. Hätte sie nur ein wenig an sich gedacht, so würde sie sicherlich wenigstens ein Scherflein für sich behalten haben. Wer hätte sie darüber tadeln dürfen? Aber nein, sie gab beide; ihr Glaube urteilte, dass der Herr ihre opferwillig dargebrachte Gabe, mochte sie auch noch so klein sein, gnädig ansehen würde, und dieses Bewusstsein, verbunden mit der Dankbarkeit ihres Herzens, machte sie bereit, alles zu geben, was sie hatte. Was sie tat, tat sie nicht, um von den Menschen gesehen zu werden, wie dies wohl seitens der Reichen geschehen war, und wie es auch bei uns so leicht der Fall sein kann. Nein, sie handelte in dem Bewusstsein, dass das Auge Gottes auf ihr ruhe, und dass Er von ihrem Tun Kenntnis nehme; anders wäre es ihr nicht möglich gewesen, so zu handeln.

 Denn wir dürfen nicht vergessen, dass sie eine arme, ganz arme Witwe war; wo der ganze Lebensunterhalt aus zwei Scherflein besteht, herrscht sicherlich große Armut. Sie bewies durch ihre Handlung, dass sie völliges Vertrauen zu ihrem Gott hatte. Das stand bei ihr felsenfest: der Gott, der allezeit in besonderer Weise der Armen und Witwen gedenkt, der auch ihr bis dahin alles dargereicht hatte, was sie bedurfte, würde auch ferner ihrer gedenken und sie nicht versäumen. Und wir dürfen überzeugt sein, dass sie in ihrem kindlichen Vertrauen nicht zu Schanden geworden ist.

Mein lieber Leser, wie belehrend und ermunternd ist das Beispiel dieser armen Witwe! Wenn wir ihr Tun betrachten, so werden wir uns sicher alle beschämt fühlen. Sie hatte mehr eingelegt als alle; niemand kann es ihr in dieser Beziehung zuvortun, sie ist die Erste. Und dabei dürfen wir nicht vergessen, dass sie nicht die Erkenntnis von der Gnade und Liebe Gottes hatte, wie wir sie heute haben. Sie kannte den Vater nicht, der sich in Christo völlig offenbart hat. Und doch war sie bereit, alles für den Herrn zu geben und ein Opfer zu bringen, welches Er allein nach seinem wahren Werte zu schätzen vermochte. O möchten wir aufrichtiger danach verlangen, diesem Weibe des Glaubens nachzuahmen!

Auch in noch anderer Hinsicht ist die Geschichte dieser Witwe ermunternd. Es gibt heute unter uns auch wohl solche, die willige Herzen haben, etwas für das Werk des Herrn zu tun, die aber durch ihre Armut hieran gehindert zu sein meinen. Sie denken dieses gesegneten Vorrechtes verlustig gehen zu müssen, weil sie nur ein oder zwei Scherflein beitragen können; und was ist das im Blick auf die großen Bedürfnisse, die es im Werke des Herrn. oder unter den Gläubigen gibt! Doch der Vorgang am Schatzkasten zu Jerusalem zeigt uns, wie der Herr die Gaben ganz anders einschätzt wie wir, und dass Er selbst dem Geringsten, was in dieser Beziehung geschehen kann, Seine gnädige Anerkennung zu teil werden lässt. Die vor allem wichtige Frage ist, ob das Herz durch die richtigen Beweggründe geleitet wird, ob es ungeteilt für den Herrn schlägt; mag dann auch unser Tun in den Augen der Menschen unwichtig erscheinen, vor Gott wird es Anerkennung finden und seinen Lohn nicht verlieren.

Ein anderes schönes Beispiel von einem hingebenden Dienst für den Herrn, wenn auch etwas verschieden von dem ersteren, wird uns in Apg. 9, 36 ff. mitgeteilt. Wir lesen dort:

„In Joppe aber war eine gewisse Jüngerin, mit Namen Tabitha, was verdolmetscht heißt: Dorkas; diese war voll guter Werke und Almosen, die sie übte." Ein schönes Zeugnis, welches der Heilige Geist dieser Jüngerin des Herrn geben konnte! Eine außergewöhnlich liebevolle Teilnahme für Arme und Bedürftige kennzeichnete sie. Handelte es sich im ersten Falle um ein ganzes Herz für das Werk des Herrn. so finden wir in diesem eine warme Liebe für diejenigen, welche dem Herzen Gottes teuer sind, für Seine bedürftigen oder gar Not leidenden Kinder.

„Es geschah aber in jenen Tagen, dass sie krank wurde und starb'' (V. 37). Gottes Tun ist uns oft unbegreiflich. Wir fragen: Warum? wenn Er einen Bruder oder eine Schwester vielleicht plötzlich aus einer reich gesegneten Tätigkeit herausnimmt; und wir erhalten meist keine Antwort. Hier wird uns eine Antwort zu teil. Gott ließ diese treue Schwester sterben, damit sie zu einem noch herrlicheren Zeugnis für die Verherrlichung des Namens Jesu werde. Die Krankheit war, wie auch einst bei Lazarus, nicht zum Tode, — wiewohl beide gestorben sind, — sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, auf dass der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde.

Um jene Zeit weilte der Apostel Petrus in Lydda, einem Städtchen, nahe bei Joppe. Da sandten die über den Verlust ihrer geliebten Mitpilgerin betrübten Jünger zwei Männer zu ihm, mit der Bitte: „Zögere nicht zu uns zu kommen''. Petrus folgte der Einladung; und als er angekommen war, führten sie ihn aus den Obersaal, wo sie die entseelte Hülle der Dorkas niedergelegt hatten. Und nun traten alle die Witwen weinend zu ihm und zeigten ihm die Leibröcke und Kleider, welche die Verstorbene gemacht hatte, während sie bei ihnen war.

Wie lieblich ist das! Gott ließ auf diese Weise die gesegnete Tätigkeit der Entschlafenen allgemein offenbar werden. Es zeigte sich, mit welch einer hingebenden Liebe sie in ihrem kleinen Kreise gedient hatte. Die Tränen der Witwen bezeugten es, wie schmerzlich ihr Verlust gefühlt wurde. Es war ein ähnliches Schauspiel wie später bei; dem hochbegnadigten Diener des Herrn, dem Apostel Paulus, als er in Milet von den Ältesten von Ephesus Abschied nahm und ihnen sagte, dass sie sein Angesicht nicht mehr sehen würden. Auch da entstand "viel Weinens" über den bevorstehenden Verlust; der Gedanke an die Trennung. von dem geliebten Apostel erfüllte aller Herzen mit tiefer Betrübnis. (Apg. 20, 36—38.) Groß war der Unterschied zwischen dem Wirkungskreise dieser beiden gesegneten Werkzeuge des Herrn, ganz verschiedenartig ihre Tätigkeit: und ihre Gaben; und dennoch wurde ihr Verlust von denen, welchen sie gedient hatten, in derselben schmerzlichen Weise gefühlt. — Würde auch dein Verlust von deinen Mitgläubigen so gefühlt werden, geliebter Leser? Du siehst, es hängt nicht ab von der Größe der Gaben oder von der Art der Berufung. Die Frage ist: Wie füllen wir den Platz aus, den der Herr uns gegeben hat?)

Das schöne Beispiel der Dorkas ist vor allen Dingen eine liebliche Ermunterung für die Jüngerinnen des Herrn zu allen Zeiten. Wenn es den Schwestern einerseits nicht erlaubt ist, zu lehren und sich öffentlich am Dienste des Wortes zu beteiligen, so haben sie andererseits doch viel Gelegenheit, ihre Liebe zum Herrn und zu den Seinigen in einer Weise zu betätigen, wie es die Brüder nicht vermögen. O möchte dieses Bewusstsein sie anspornen, in ihrem Wirkungskreise und auf dem ihnen vom Herrn angewiesenen Felde fleißig zu sein, "allezeit überströmend in dem Werke des Herrn''! Manches geschieht ja auf diesem Gebiet; aber viel mehr könnte geschehen. Lasst uns nicht vergessen, dass das, was wir dem Geringsten der Seinigen getan haben, von dem Herrn als Ihm getan uns angerechnet wird! Und wir dürfen sicherlich auch hierbei an das Wort des Apostels denken: "Die Bedienung dieses Dienstes ist nicht nur eine Erfüllung des Mangels der Heiligen, sondern ist auch überströmend durch viele Danksagungen gegen Gott". (2. Kor. 9, 12.)

Die Herzen der Heiligen und Witwen zu Joppe sollten getröstet werden. Petrus wurde vom Herrn benutzt, um Tabitha ins Leben zurückzurufen.*) Es sollte ihr noch länger vergönnt sein, den Heiligen zu dienen; und das war für sie sicherlich "der Mühe wert''. (Phil. 1, 22.) Welch herzliche Freude wird es im Kreise der Heiligen zu Joppe hervorgerufen haben, als sie die Entschlafene wieder lebend in ihrer Mitte stehen sahen! Es war ein schwacher Abglanz von dem, was die Jünger erfahren durften, als sie den auferstandenen Herrn lebend in ihrer Mitte sahen. Und dies erinnert uns an den herrlichen Augenblick, wann alle, welche hienieden ihrem geliebten Herrn dienen und zugleich den beglückenden Dienst Seiner Liebe erfahren durften, Ihn sehen werden von Angesicht zu Angesicht; wann Er vor sie hintreten wird, der die Quelle alles Dienstes ist, und der auch in der Herrlichkeit nicht aufhören wird, die Seinigen zu bedienen.

Fußnote:

*) Es war die Zeit, wo der Herr Sein, durch die Apostel verkündigtes Wort durch die mitfolgenden Zeichen und Wunder als solches bestätigte (siehe Hebräer 2,4). Heute halten wir Sein Wort vollendet, geschrieben in unseren Händen und der Mensch ist verantwortlich, es als Gottes Wort anzunehmen. Es bedarf heute solcher Bestätigung nicht mehr.

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Der Heilige und der Wahrhaftige

Bibelstelle: Offenbarung 3, 7 - 22

Botschafter des Heils 1905 S. 29ff

Wir haben gestern Abend schon mit einigen Worten das Sendschreiben an Philadelphia gestreift und gehört, dass es gerade uns, d. h. die Gläubigen unserer Tage, in besonderer Weise angeht. Der Herr schenke uns heute Gnade, dass wir bei der weiteren Betrachtung desselben das für unsere Herzen empfangen, was Er uns daraus schenken möchte! Lasst uns die Worte des Herrn Jesu, denn es sind Seine Worte, als unmittelbar von Ihm kommend in unsere Herzen aufnehmen und unsere Wege, unser Tun und Lassen daran prüfen!

Deshalb ist uns ja das Wort Gottes gegeben. Es ist ein untrüglicher Spiegel, in welchen wir hineinschauen sollen, damit wir die Flecken, die Verkehrtheiten und Mängel sehen, die es an uns gibt, und dahin kommen, sie in ernster Demütigung und aufrichtigem Bekenntnis vor Gott zu bringen, so dass sie hinweggetan werden können. Von diesem Worte wird in Hebr. 4 auch gesagt, dass es schärfer sei als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt hinein in die verborgensten Winkel, ist ein Beurteiler aller Überlegungen und Gedanken des Herzens, nicht nur des Tuns, nein, auch der innersten Regungen und Beweggründe; es stellt alles genau an seinen Platz und unterscheidet haarscharf zwischen dem, was aus dem Fleische und dem was aus dem Geiste ist. Vor ihm oder, wie jene Stelle es ausdrückt, "vor den Augen Dessen, mit dem wir es zu tun haben'', ist alles bloß und aufgedeckt. So ist das Wort Gottes gleichsam das Auge Gottes, das hineinschaut in jedes Herz und Haus, das da sieht, wie es innerlich und äußerlich steht, das alles kennt und alles beurteilt.

Wie bereits gesagt, ist es der Herr Jesus selbst, der hier zu uns redet. Er ist das lebendige Wort; und zwar redet Er hier als "der Heilige und der Wahrhastige''. Es ist bemerkenswert, dass der Herr in diesem Sendschreiben nicht so sehr von dem spricht, was Er hat oder tut, sondern von dem was Er ist. Es ist Seine Person, die im Vordergrunde steht. Er ist der Heilige, der von allem Bösen äußerlich und innerlich völlig Abgesonderte; und Er ist der Wahrhastige, die Wahrheit selbst. Johannes sagt: "Wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesu Christo''. Diese wunderbare, göttliche Person immer besser kennen zu lernen und Ihm ähnlicher zu werden, ist das Begehren jedes aufrichtigen, gläubigen Herzens. Es verlangt danach, Ihm in allem Wesen und Tun zu entsprechen, heilig und wahrhaftig zu sein in allen Dingen, in jeder Beziehung.

Nachdem der Herr sich so als das, was Er in Seiner Person ist, als der Heilige und der Wahrhaftige, vor die Blicke der Seinigen gestellt hat, nennt Er auch ein Ding, das Er besitzt. Er hat die Schlüssel des David — ein Ausdruck, der dem Propheten Jesaja entlehnt ist. Dort wird von dem Hohenpriester Eljakim gesagt, dass Gott auf ihn die Schlüssel des Hauses David legen wolle; er werde öffnen, und niemand werde zuschließen, er werde zuschließen und niemand werde öffnen. (Vgl. Jes. 22, 20—22.) Diese Worte weisen hin aus eine verwaltende Macht, die Eljakim anvertraut werden sollte; die Schlüssel verschaffen Zugang zu allem, was ein Haus birgt. Wer sie besitzt, ist Verwalter des Hauses und seines Inhalts und lässt ein oder schließt aus. Der Herr wendet diese Worte hier auf sich selbst an, den wahren, großen Hohenpriester Seines Volkes. Er hat die Schlüssel Davids, des Königs. Er schließt aus, und wer kann dann zuschließen? Er schließt zu, und wer kann dann öffnen?

Ist es nicht gerade dies, was der Herr in unseren Tagen tut, ja, seit Jahrzehnten getan hat? Hat Er nicht einerseits die geistlichen Schätze Seines Hauses Seinem Volke in einer Weise zugänglich gemacht, wie es viele Jahrhunderte hindurch nicht der Fall war? Und hat Er nicht andererseits überall, auf der ganzen Erde, selbst in den finstersten Ländern, für Sein Evangelium die Türen geöffnet? Und wo Er einmal öffnet, da vermag niemand zu schließen. Die vereinigten Mächte der Hölle, der feindseligen Menschen, des Unglaubens und Aberglaubens, die dem Werke so gern Einhalt tun möchten, sind wirkungslos diesem Herrn gegenüber. Sein Werk geht voran. Sein Evangelium wird verkündigt und läuft durch die Länder. In Wort und Schrift gelangt die Kunde von dem Heil in Jesu an Tausende und Hunderttausende von Menschenherzen, und Scharen werden errettet.

Allerdings vermag da, wo Er geschlossen hat, - es gibt auch solche Länder und Gegenden, - niemand zu öffnen. Denken wir nur, um ein Beispiel zu nennen, an das unglückliche Spanien. Wie hat Gott vor Jahrhunderten in diesem Lande gewirkt! Aber es hat die Zeugen Jesu aufs Bitterste verfolgt; ihr Blut ist dort in Strömen geflossen. Es hat Zeit gehabt, Buße zu tun, aber es hat nicht gewollt; und heute sind alle Bemühungen, das Evangelium dorthin zu bringen, vergebens. Nur hie und da werden ganz vereinzelt Seelen herausgerissen und errettet. Es ist, wie wenn der Herr in diesem Lande die Tür geschlossen hätte, und niemand vermag sie zu öffnen.

Gott steht über allem. Er regiert nach Seiner Weisheit und Gerechtigkeit, und es ist oft wunderbar, wie Er handelt. Woher kommt es z. B., dass es hier zu Lande so viele Tausende von Gläubigen gibt, während in anderen Gegenden, selbst unseres deutschen Vaterlandes, in geistlicher Beziehung alles wie tot und ausgestorben daliegt? Es ist das wunderbare Tun des Herrn: Er öffnet, wo Er will, und niemand vermag zu schließen, und Er schließt, wo Er will, und niemand vermag zu öffnen. Einmal werden wir das, was uns heute unverständlich ist, verstehen, und die Wege Seiner gerechten Regierung werden uns klar werden. Heute gibt es manche Fragen, manches "Warum", das unbeantwortet bleibt. Gott gibt, wie Elihu zu Hiob sagt, über all Sein Tun keine Antwort; Er ist erhabener als ein Mensch. (Hiob 33, 12. 13.) Er handelt nach Seiner Weisheit und Gerechtigkeit, aber auch, Sein Name sei dafür gepriesen! nach der überströmenden Gnade und Liebe Seines Herzens.

„Du hast eine kleine Kraft." Ist das ein Vorwurf? Nein. Das Volk Gottes hat heute keine große Kraft nötig. Es braucht nicht, wie es in früheren Zeiten nötig war, die Türen mit Kraft auszustoßen; sie sind offen. "Du hast eine kleine Kraft"; darum habe ich die Türen geöffnet, damit du hindurchgehen und ungehindert die frohe Botschaft von der Kostbarkeit meines Namens verkündigen könnest.

„Du hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet." Die Person des Herrn Jesu und Sein Wort haben für die Herzen der Gläubigen im allgemeinen wieder mehr Wert bekommen, als es Jahrhunderte hindurch der Fall war. Man fragt nicht mehr so viel wie früher nach Menschen-Worten, nach den Meinungen und Lehren angesehener Theologen, bekannter Glaubensmänner; man fragt vielmehr: "Wie redet Gottes Wort? wie spricht der Herr?" Und das ist recht. So sollte stets ein aufrichtiges, demütiges Herz fragen, das bereit ist, den Willen seines Herrn zu tun. 

Für ein solches Herz darf nicht das Wort eines Dieners des Herrn, so achtungswert und geehrt er sein mag, Regel und Richtschnur sein; nein, der aufrichtige, gehorsame Gläubige fragt: "Was sagt mein Herr?'' Nicht dass wir die Diener, welche der Herr benutzt, gering achten wollten. Keineswegs! Aber wir müssen ihre Worte prüfen an dem einzigen uns gegebenen Prüfstein, dem Worte Gottes. Sind die Worte des Dieners mit diesem Worte in Übereinstimmung, so ist ja alles gut. Halten sie diese Probe aber nicht aus, dann hinweg mit ihnen! Menschenworte halten nicht stand, sie verwehen wie der Wind, sie vergehen mit dem, der sie gesprochen hat. Gottes Wort allein bleibt in Einigkeit.

Meine lieben Freunde! Wenn wir einmal vor unserem Herrn stehen werden, in dem untrüglichen Lichte des Richterstuhls, welcher alles Verborgene ans Licht ziehen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird, dann wird keiner von uns sagen: "Herr, ich habe so und so gehandelt, weil der und der es gesagt hat". Ach nein, wenn es hienieden so mit dir war, wirst du dort beschämt dastehen; wenn du aber gewandelt hast, wie dein Herr es dir sagte, dann wirst du Lohn und Anerkennung finden. Ja, nicht erst dann wird dir Anerkennung zu teil werden, heute schon wirst du sie-—in deinem Herzen genießen, wie einst Henoch, der treue Knecht und Prophet Gottes, der dreihundert Jahre lang mit Gott wandelte, dieses Zeugnis hatte, ehe er entrückt wurde. Der Herr nahm ihn hinweg, bevor die große Flut kam; aber vor seiner Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefallen habe. (Vgl. Hebr. 11, 5.) Dieses Zeugnis sollte jeder Christ in seinem Herzen haben. Wenn er es nicht hat, steht es nicht gut mit ihm. Er wandelt nicht in Heiligkeit und Wahrhaftigkeit.

Der Herr redet in diesem Sendschreiben nur zu Gläubigen; von Ungläubigen ist gar nicht die Rede. Auch findet sich kein Wort des Tadels oder Vorwurfs. Wenn Er von den Werken spricht, so sagt Er nur: "Ich kenne deine Werke''. In dem Sendschreiben an Laodizäa hören wir dagegen nichts anderes als ernste Vorwürfe, Mahnungen und Warnungen. "Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist.'' Dieses letzte Sendschreiben gibt uns gleichsam die Kehrseite des vorletzten. Haben wir in Philadelphia das Leben, die wahren Gläubigen, so finden wir in Laodizäa den Tod, die bloßen Bekenner, die den Namen haben, dass sie leben, aber tot sind. Trotzdem rühmen sie sich großer Dinge, sind stolz aus ihre äußere Religion, sind reich geworden nach ihrer Meinung und wissen nicht, dass sie jämmerlich elend, arm, blind und bloß sind. Der Herr rät ihnen, Gold von Ihm zu kaufen, denn sie besitzen die Gerechtigkeit Gottes nicht. Hier in Philadelphia sind es solche, die Ihn lieben, die Sein Wort hochschätzen, denen Sein Name kostbar ist. Wohl warnt der Herr auch sie, damit niemand ihre Krone nehme. Er fordert sie auf, auf ihrer Hut zu sein und das festzuhalten, was sie haben; aber Er macht ihnen keine Vorwürfe, spricht kein Wort von Gericht, sondern redet nur von kostbarem, herrlichem Segen. Das wäre unmöglich, wenn in diesem Sendschreiben noch von anderen die Rede wäre, als von Gläubigen.

Bei der Betrachtung des Sendschreibens an Thyatira hörten wir bereits von dem Ende der Kirche, d. h. der so genannten "allgemeinen" Kirche. Ihre Geschichte wird dort bis zum Schluss hin verfolgt; der treue Überrest wird ermahnt: "was ihr habt, haltet fest, bis ich komme", und dem Überwinder wird der Morgenstern verheißen, d. h. das Kommen des Herrn vor den Gerichten. In Sardes fanden wir das Ergebnis der Reformation, den Protestantismus, und in Philadelphia und Laodizäa das, was daraus hervorgeht: die Scheidung in wahre Gläubige und bloße Bekenner. Diese Scheidung vollzieht sich in unseren Tagen, und damit treten die Charakterzüge von Philadelphia und Laodizäa immer schärfer hervor. 

Das Wirken des Geistes Gottes in dieser Beziehung offenbart sich auf der ganzen Erde; immer lauter und dringender wird in den Herzen der wahren Gläubigen die Frage: "Was hat der Gläubige gemein mit dem Ungläubigen?'' Überall, wo es Kinder Gottes gibt, hat der Geist Gottes diese Frage geweckt. Viele Tausende sind leider bis heute noch in den unheiligen Verbindungen geblieben, in welchen sie einmal stehen. Vielfach fehlt es noch an der nötigen Einsicht, vielfach aber auch an der entschiedenen Treue gegen den Heiligen und Wahrhaftigen. Viele Tausende, vielleicht Hunderttausende, haben sich aber mehr oder weniger von dem leblosen Formwesen getrennt, sind „ausgegangen'', wie der Heilige und Wahrhaftige es erwartet. Denn wer diesen Namen, den Namen Jesu, bewahrt, dem ist es unmöglich, neben diesem Namen noch einen anderen anzuerkennen. Er kann es nicht. Der Name Jesu allein hat Wert. Ist ein anderer Name noch wertvoll für dich, nennst du dich nach diesem oder jenem Menschen oder Bekenntnis, so trägst du einen Namen, den Gott nicht anerkennt, der vor Ihm verwerflich ist. Das ist ernst.

„Du hast meinen Namen nicht verleugnet.'' Der Herr Jesus sagte einst zu Seinen Jüngern, und Er dachte dabei wohl gerade an unsere Tage, die Tage des Verfalls: "Wo zwei oder drei in meinem Namen (oder, wie es eigentlich heißt, "zu meinem Namen hin ") versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte''. Das ist eine kostbare Verheißung für eine Zeit der kleinen Kraft und der großen Verwirrung. Der reiche und starke Herr ist in der Mitte der Seinen, die zu Seinem Namen hin versammelt sind, und wären es auch nur zwei oder drei.

 Das ist eine gar kleine Zahl, ein verächtliches Häuflein, zwei oder drei! Vor den Menschen haben nur große Zahlen, ansehnliche Mengen, stattliche Gebäude u. s. w., Wert. Aber Gott "sieht nicht auf dass, worauf der Mensch sieht''. (1. Sam. 16, 7.) Nein, "was unter den Menschen hoch ist, ist ein Gräuel vor Gott''. (Luk. 16, 15.) Er sieht nicht auf das Äußere, sondern aus das Herz. Ein gehorsames Herz, das nichts anderes wünscht und begehrt, als: Herr, was du willst, das will ich tun, wo d u mich haben willst, da will ich sein, den Weg, den du mir zeigst, will ich gehen, — ein solches Herz ist wohlgefällig vor dem Herrn. Es wird Sein Wort bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen, und sicher, die Anerkennung wird ihm weder heute fehlen noch in der Ewigkeit.

Stehen wir hier still, um einen Augenblick darüber nachzudenken, wie schnell, unsere Tage dahineilen. Wie bald kann die Stunde kommen, die uns aus dieser Welt in die Ewigkeit hinüberführt! Wer weiß, wie kurz dem einen oder anderen von uns das Ziel gesteckt ist! Vielleicht heißt es morgen schon: Bestelle dein Haus! Und wenn es so wäre, oder wenn der Herr heute oder morgen käme, was möchtest du dann wünschen? Möchtest du nicht gerade da gesunden werden, wo der Herr dich haben will? Möchtest du nicht bei Seiner Ankunft das Zeugnis haben, Ihm wohlgefällig zu sein? Gewiss! Nun, der Herr kennt und beurteilt jedes Herz. Wohin der Mensch nicht schauen kann, dahin schaut Er. Vor Ihm stehen wir alle aufgedeckt da, und mit Ihm, dem Heiligen und Wahrhastigen, haben wir alle es zu tun. O möchte Er uns willige, gehorsame Herzen geben, Herzen, die wirklich für Seinen Namen allein schlagen!

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 37ff

Das Lied von dem Bogen, Kapitel 1, 17 ‑ 27.
,David stimmte dieses Klagelied an über Saul und über Jonathan.‑ Er drückt darin seinen Schmerz aus über das Unglück der Fürsten Israels und ihres Heeres; aber dieses Lied von dem Bogen soll von den Kindern Juda gelernt werden. Es ist eine Unterweisung für sie. Sie waren Zeugen des Unglücks Israels und sollten daher wissen, wie sie es für sich selbst in Zukunft vermeiden könnten. Saul war durch die Bogenschützen besiegt worden (1. Sam. 31, 3), da er selbst dieser Waffe beraubt war. Wir hören in 1.Chron. 12, 1 ‑ 7, dass vor der Niederlage Sauls die Bogenschützen, die zum Stamme Benjamin und zum großen Teil zur Familie des Soh­nes Kis' gehörten, sich mit David verbündet hatten und zu ihm nach Ziklag gekommen waren. Daher wurde Saul so "sehr angst vor den Schützen".

Dieses Lied von dem Bogen hat einen treffenden Kehr­reim: "Wie sind die Helden gefallen!" (V. 19.) „Wie sind die Helden gefallen mitten im Streit!" (V. 25.) "Wie sind die Helden gefallen, und umgekommen die Rüstzeuge des Strei­tes!" (V. 27.) Was hatte ihnen denn gefehlt? Der Bogen, durch den Saul besiegt worden war! Der Bogen ist in der Schrift überall das Sinnbild der Kraft , den Feind zu be­siegen. Mit dem Schwerte greift man ihn Mann gegen Mann an; mit dem Bogen bekämpft man ihn aus der Entfernung, indem man seine Annäherung zu verhindern sucht. Der Schütze sieht den Feind von weitem kommen, gibt sich Rechen­schaft von seinen Bewegungen und Absichten und streckt ihn zu Boden, bevor er angegriffen hat. Der Bogen ist eine mehr Einsicht erfordernde Waffe als das Schwert, aber er ist vor allem das Sinnbild der Kraft, denn es bedarf starker Hände und Arme, um ihn zu spannen und zu gebrauchen.

Die Helden Israels, Saul an der Spitze, hatten den Bogen eines Feindes angetroffen, der stärker war als sie. Der Irr­tum, der sie ins Verderben geführt hatte, bestand darin, dass sie ihre Kraft für genügend gehalten hatten. Doch die Kraft ist nichts ohne Abhängigkeit, denn sie ist nicht in uns selbst, sondern in Dem, der sie unfehlbar für uns besitzt. Der Mensch Jesus Christus ist das Beispiel dafür. Er hat Seine Kraft nur in Gott suchen wollen und würde sonst auch nicht der voll­kommene Mensch gewesen sein. Obwohl die Bogenschützen Ihn beschossen, hat Seine Kraft Ihn nicht verlassen. (1. Mose 49, 23. u. 24.) Als Seine Schwachheit scheinbar der Macht des Feindes erlag, blieb Sein Bogen fest, Seine Kraft unvermin­dert. Sie bestand nur in der Abhängigkeit: „Die Arme Seiner Hände waren gelenkig durch die Hände des Mächtigen Jakobs."

Hatte Er nicht schon in Seinem Leben die Kraft Gottes durch eine völlige Abhängigkeit von Ihm geoffenbart? Alle Seine Handlungen bewiesen das. So sagt Er auch am Grabe des Lazarus, wenn Er Seine Kraft in der Auferweckung eines Gestorbenen zeigt: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast."

In Seinem Tode war Er, obwohl Er in Schwachheit gekreuzigt wurde, nichtsdestoweniger Gottes Kraft. Vor dem Kreuze wurde die ganze Kraft des Menschen und des Satan von Ihm zunichte gemacht. Durch den Tod hat Er den besiegt, der die Macht des Todes hat. Da vor allem blieb Sein Bogen fest und waren die Arme Seiner Hände gelenkig durch die Hände des Mächtigen Jakobs.

Seine Auferstehung ist die öffentliche Darstel­lung dieser Kraft Gottes, auf welche Er vertraute. Gott hat Ihn als Sohn Gottes in Kraft erwiesen, indem Er Ihn aus den Toten auferweckte. Christus hatte Gewalt, Sein Leben „wieder­ zunehmen", gerade so gut wie es „zu lassen"; aber selbst hinsichtlich Seiner Auferweckung wartete Seine abhängige Seele auf die Kraft Gottes: „Du wirst meine Seele dem Scheol nicht lassen, und wirst nicht zugeben, dass dein From­mer die Verwesung sehe." (Ps. 16. 10.) „Du hast mich er­hört von den Hörnern der Büffel' (Ps. 22, 21.) „Er hat mich heraufgeführt aus der Grube des Verderbens, aus kotigem Schlamm, und Er hat meine Füße auf einen Felsen gestellt." (Ps. 40, 2.) Er ist aus den Toten auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters." (Röm. 6, 4.) „Die überschwängliche Größe Seiner Kraft ... hat in dem Christus gewirkt, indem er ihn aus den Toten auferweckte." (Eph. 1, 19. 20.)

Doch damit ist es noch nicht zu Ende. Sein Bogen wird fest, Seine Kraft unvermindert bleiben immer dar. Wenn der Sohn des Menschen kommen wird, um die Völker zu richten, dann wird der eherne Bogen, der die Sünder treffen wird, in Seiner Hand sein. Auch dann noch wird es Sein Gott sein, der Ihn mit Kraft umgürten und Seine Hände den Streit lehren wird. In dieser Abhängigkeit wird Er Seine Feinde zerschmettern, so dass sie nicht aufzustehen vermögen. (Ps. 18, 32. 34. 38.) Seine Pfeile werden scharf sein und das Herz der Feinde des Königs treffen. (Ps. 45, 5.) Ja, Sein Bogen bleibt fest, und die Arme Seiner Hände bleiben gelenkig durch die Hände des Mächtigen Jakobs, bis Er Sich für immer auf den Thron Seiner Macht setzen wird.

Der Mensch mag einen Bogen haben, und doch kann es seinen Händen an Kraft fehlen in dem Augenblick, da er ihn gebrauchen muss. „Die Söhne Ephraims, gerüstete Bogen­schützen, wandten um am Tage des Kampfes" (Ps. 78, 9), und was die Feinde des Herrn angeht, so „wird der Bogen der Helden zerbrochen". (1. Sam. 2, 4; Ps. 46, 9; Jer. 49, 35; Hos. 1, 5; 2, 18.)

Was uns Christen betrifft, so kann auch unser Bogen nur unversehrt bleiben unter der Bedingung, dass wir unser Vertrauen auf Gott setzen, der uns Seine Kraft mitteilt. „Gehe hin in dieser deiner Kraft", sagt Jehova zu Gideon (Richter 6, 14), und der Apostel Paulus machte die Erfahrung: „wenn ich schwach bin, dann bin ich stark". (2. Kor. 12, 10.) Nichts ist schwächer als ein Christ, welcher Christum als seine Kraft verlassen hat. Möchten wir daher unseren Bogen zu gebrauchen wissen; dann werden die Arme unserer Hände, ähnlich wie bei Christo, gelenkig bleiben durch die Hände des Mächtigen Jakobs. Lasst uns das Lied von dem Bogen lernen, indem wir uns üben, ihn zu spannen und den Pfeil passend zu machen, um das Ziel zu erreichen! Je mehr wir ihn gebrauchen, desto mehr werden wir dem Feinde gegenüber erstarken. 

Die Bogenschützen Benjamins, die sich als Treue in der elften Stunde, kurz vor der Niederlage Israels, zu dem Sohne Isais geflüchtet hatten, gaben dadurch zu verstehen, dass sie nicht auf ihren Bogen vertrauten mit Saul als Herrn, sondern auf die Kraft des verachteten David. Lasst uns tun wie sie; laßt uns den verworfenen König umgeben! Lasst uns nicht über unsere Schwachheit seufzen, als ob es kein Hilfsmittel dafür gebe; das würde weder Glaube noch Vertrauen auf Christum sein. Lasst uns in völliger Demut und Abhängigkeit auf Seine Kraft rechnen, welche unsere Hände stärken wird, um für Ihn zu kämpfen bis zu dem Tage, da wir nach beendetem Kampfe in Seine ewige Ruhe eingehen werden!

Das Klagelied Davids ist der rührende Ausdruck der Zuneigungen dieses Mannes Gottes. Ein mit Liebe erfülltes Herz hat keinen Raum für Groll und Bitterkeit. Mochte er einst auch unter den ungerechten Anklagen des Hasses ge­seufzt haben, jetzt hat er alles vergessen. Nicht ein Wort des Tadels wird laut gegen den, dessen Gebeine unter der Tamariske zu Jabes ruhten. Aber zu vergessen genügt diesem vortrefflichen Herzen nicht; nein, es erinnert sich gern. David gedenkt daran, dass Saul der Gesalbte Jehovas, der Träger Seines Zeugnisses, gewesen war, der Sein Volk zum Siege geführt hatte; er erkennt die natürlichen Gaben an, die ihn während seines Lebens liebenswürdig gemacht und die Liebe Israels ihm zugewandt hatten; er sieht ihn, wie er die Töchter seines Volkes köstlich kleidete. 

Sein Lied drückt zu gleicher Zeit Achtung und Schmerz betreffs dessen aus, der ihn immer nur gehasst und verfolgt hatte. Was Israel betrifft, gegen welches David an einem Tage der Schwachheit hatte kämpfen wollen, indem er sich mit den Philistern verband, so vereinigt er sich mit ihm und weint mit ihm. Freude mag das Teil der Töchter der Unbeschnittenen sein, David wird nie daran teil­nehmen. Verflucht seien die Berge von Gilboa, die Zeugen der Niederlage des Volkes Gottes!

Sein Schmerz wegen Jonathan ist ohne Grenzen. O wie hoch schätzte das zärtliche Herz des Sohnes Isais die Liebe seines Freundes! „Mir ist wehe um dich, mein Bruder Jonathan! holdselig warst du mir sehr; wunderbar war mir deine Liebe, mehr als Frauenliebe!" Es war eine gänzlich uneigennützige Liebe, was die Liebe zum anderen Geschlecht schwerlich je sein wird. In der Tat, Jonathan hatte sich seiner Würden, seines Ruhmes und des Bogens seiner Kraft ent­kleidet, um David damit zu schmücken am Tage seines Sieges über Goliath; dann hatte er mit der ganzen Wärme seiner Überzeugung die Sache seines Freundes vertreten; schließlich hatte sich seine Bewunderung für den Sohn Isais nicht vermindert in dessen Verwerfung und Verbannung, wo er ihn aufsuchte, ohne allerdings den Mut zu haben, ihm dahin zu folgen. Über diesen letzten Punkt sagt David kein Wort. Er schirmt das Andenken seines Freundes mit wunder­barem Zartgefühl. Er redet nicht von seiner eigenen Liebe zu ihm, aber er beweist sie, indem er die Liebe Jonathans preist.

O wie trägt dies alles den Geschmack und Wohlgeruch des Herzens Christi! Nur mit dem Unterschiede, dass David durch die Zucht für solche Herzensergüsse hatte zubereitet werden müssen, während das Herz des Herrn dessen in keiner Hinsicht bedurfte. Sein ganzes Leben ist nichts als Liebe und Gnade. „Ich habe euch Freunde genannt", sagt Er zu denen, die im Begriff standen, Ihn zu verleugnen, oder zu fliehen und Ihn allein zu lassen. „Ihr seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen", sagt Er zu denen, die kurz darauf nicht einmal eine Stunde mit Ihm wachen konnten. Lasst uns an diesem vollkommenen Muster ein Beispiel nehmen!

Kapitel 2 – 4: Das Königtum über Juda
Hebron. Kapitel 2.
Obwohl David hauptsächlich eine Klage über Saul und Jonathan aussprach, war doch, wie wir gesehen haben, sein eigentlicher Zweck der, die Kinder Israel in dem Gebrauch des Bogens zu unterweisen. Wir haben bemerkt, dass diese Waffe für den Gläubigen die Kraft Gottes bedeutet, die sich nur in der Abhängigkeit offenbart. Im Anfang des 2. Kapitels liefert das Verhalten Davids eine Illustration zu dieser Wahr­heit. Die Tage seiner Drangsal sind vorüber. Ein neuer Zeit­abschnitt beginnt; der Weg zum Throne öffnet sich vor ihm. Er steht im Begriff, den Platz einzunehmen, welchen Gott seit lange für ihn bestimmt hat. Das erste jedoch, was David tut, ist, Jehova zu befragen und so zu zeigen, dass er gänzlich von Ihm abhängig ist. Man kann sagen, dass vor allem Abhängigkeit Davids Laufbahn kennzeichnet. Bei den Schafhürden, wo er mit dem Löwen und dem Bären stritt, Goliath gegenüber in der Wüste Juda, in Kehila, in Ziklag (1. Sam, 30, 6 u. 7), überall ist David der abhängige und infolgedessen der starke Mensch. 

Nichts ist Gott wohl­gefälliger als das. Die Unbestimmtheit und das Schwanken in unserem Wandel erklären sich durch unseren Mangel an Abhängigkeit. Wenn diese vorhanden ist, so legen wir uns bei jedem Umstand zuerst die Frage vor: Was ist der Wille Gottes? Was hat Er für uns zu tun? Wir fragen Ihn, um es zu wissen; denn man befragt Gott, wenn man von Ihm ab­hängig ist. Auch wird dann unser Weg einfach und gesegnet sein, weil es der Weg Gottes ist. Er bringt nur dann Ver­wicklungen, wenn wir uns nicht an Gott wenden, bevor wir einen Entschluss fassen.

Nichtsdestoweniger fehlen auch im Leben Davids die Gelegenheiten nicht, wo er vergisst, Jehova zu befragen. Oft greift der Feind uns an Punkten an, wo wir unverwundbar zu sein meinen. Man kann sagen, dass gerade die Geschichte Davids, des Musters an Abhängigkeit, uns mehr als jede andere die Unabhängigkeit, ihre Gefahren und ihre Folgen zeigt. So haben wir ihn aus eigenem Antriebe zweimal an den Hof des Königs der Philister hinabgehen sehen. Beim ersten Male erntet er nur Verachtung und Demütigung; beim zweiten Male gibt er, aus Furcht getrieben und in der Absicht, sein Leben zu retten, die glücklichen Erfahrungen der Wüste Juda preis, verliert seinen Charakter als Zeuge und läuft Gefahr, sich mit den Unbeschnittenen zu verbünden, um gegen das Volk Gottes zu streiten. Unter der Zucht lernt er aufs neue Jehova zu befragen und erlangt alles wieder, was sein Mangel an Glaube ihm genommen hatte. Wir werden im 6. Kapitel unseres Buches sehen, dass der Mangel an Abhängigkeit die Ursache war, dass Jehova einen Bruch an Ussa" machte. Alles dieses ist eine reiche Quelle von praktischen Belehrungen für uns.

„Und es geschah hernach, da befragte David Jehova und sprach: Soll ich in eine der Städte Judas hinaufziehen? Und Jehova sprach zu ihm: Ziehe hinauf. Und David sprach: Wohin soll ich hinaufziehen? Und Er sprach: Nach Hebron." Gott ist es, der den besonderen Ort auswählt, wohin Sein Gesalbter gehen soll. David würde sich selbst überlassen, vielleicht zwischen vielen anderen Orten geschwankt haben, aber Gott bestimmt einen einzigen für seinen Knecht, nämlich Hebron.

In der Betrachtung über das Buch Josua haben wir darauf hingewiesen, was Hebron war: ein Begräbnisplatz, ein Ort des Todes, des Endes des Menschen, ein treffendes Bild von dem, was für uns das Kreuz Christi ist. Nach den Gedanken Gottes war es notwendig, dass David nach Hebron hinabging, weil es der einzige Ausgangspunkt für das Königtum war; und die Regierung Davids ist nur ein Vorbild der auf das Kreuz gegründeten Regierung Christi. Sein Reich ist die Folge und die Belohnung Seines Kreuzes. Die um den Thron gescharten Ältesten singen ein neues Lied: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen, denn du bist geschlachtet worden." (Offbg. 5, 9.) Er wird alle Regierungswege Gottes, die Ihn auf den Thron des tausendjährigen Reiches führen werden, in feierlicher Weise einleiten, weil Er gelitten hat und weil Sein kostbares Blut ge­flossen ist. 

Eine ewig wunderbare Sache! Man sieht im Him­mel inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und der Ältesten ein geschlachtetes Lamm, welches den Mittel­punkt von allem bildet. Es ist nicht auf dem Thron, sondern inmitten des Thrones. Von Ihm, als dem Mittelpunkt, gehen aus und zu Ihm führen hin alle inwendig in dem Buche geschriebenen Ratschlüsse und alle auf der Außenseite des Buches verzeichneten Wege Gottes. Es steht auf, und damit beginnen diese Wege sich zu entfalten; die vier lebendigen Wesen, die Kennzeichen und Eigenschaften der göttlichen Gerichte, geraten in Bewegung, das Königtum des Löwen aus Juda wird errichtet, und die Ratschlüsse Gottes werden für immer erfüllt. Das ewige „Es ist geschehen!" hat seinen Aus­gangspunkt an dem Fluchholze gefunden, an welchem der Sohn des Menschen gelitten, an welches die Welt den Sohn Gottes gehängt hat.

Hebron ist aber auch der Ort, wo sich die Geliebten Davids versammeln. Seine Gefährten wohnen dort um ihn her. „Auch seine Männer, die bei ihm waren, ließ David hinaufziehen, einen jeden mit seinem Hause; und sie wohnten in den Städten Hebrons" Da, wo David seinen Aufenthalts­ort hat, haben die Seinen viele Wohnungen. So wird auch das geschlachtete Lamm, der König der Zeitalter, „inmitten der Ältesten" sein, welche alle verherrlichten Heiligen darstellen. In Erwartung dieses herrlichen Augenblicks vereinigt uns Sein Kreuz um Ihn. Es ist der Mittelpunkt, um den die Kinder Gottes gesammelt sind, und das wird es immer bleiben.

Hebron wird auch (Kap. 5, 1) der Sammelpunkt aller Stämme Israels. Wenn das irdische Volk Gottes Den erkennen wird, Welchen sie durchstochen haben, und sich Ihm unterwerfen wird, so wird es den ersten Gegenstand der Segnungen Seiner Regierung bilden. Noch eine andere Tatsache scheint in den folgenden Versen angedeutet zu sein: „David zog dort hinauf, und auch seine zwei Weiber, Achinoam, die Jisreelitin, und Abigail, das Weib Nabals, des Karmeliters." Der Mann der Schmerzen der verworfene König, hat zu Hebron nicht nur seine Gefährten und ein Volk, sondern auch sein Weib und seine Gemahlin. 

Abigail ist, wie Rebekka, eines der seltenen Vorbilder des Alten Testaments, welche die Kirche darstellen; sie ist die Gemahlin, die freiwillige, demütige und glückliche Gefährtin Davids in den Tagen seiner Verwerfung. Achinoam, ein undeutlicheres Bild, scheint mehr den Überrest Israels vorzu­stellen, welcher vor der Errichtung Seiner Regierung mit dem Messias in Verbindung getreten ist.*) Wie dem auch sei, jedenfalls gibt es für David zu Hebron innigere Bande, als nur seine Beziehungen zu seinem Volke. Ebenso sehen wir, am Ende der Offenbarung, das Weib des Lammes an Seiner ganzen Herrlichkeit teilnehmen, während in den Propheten Jerusalem als von Jehova geliebt anerkannt wird. So wird Christus durch Seinen Tod der Mittelpunkt der Segnungen für alle.

„Und die Männer von Juda kamen und salbten daselbst David zum König über das Haus Juda." Wie die Regie­rung Davids, so wird auch diejenige Christi nicht mit einem Schlage in dieser Welt errichtet werden. Sein Gericht wird plötzlich da sein, aber Sein Reich nicht. Das würde nicht den Gedanken Gottes entsprechen, welcher dem Gewissen der Seinen Zeit lassen will, geübt zu werden. Christus muss ein „willigess Volk am Tage Seiner Macht" haben, nicht ein Volk, den Heiden ähnlich ' welche ‑ die unzählbare Schar der Erretteten aus den Heiden ausgenommen ‑ sich dem Könige mit schmeichlerischen Worten und Unterwerfung heuchelnd nähern werden. Hier wird David zuerst von den Genossen seiner Verwerfung anerkannt, dann vereinigt sich Juda um ihn. Später kom­men die anderen Stämme, wenn sie die fleischliche Stütze in der Person Isboseths verloren haben. Schließlich (Kap. 5, 11) kommen auch die Nationen, die durch die Gnade des Königs für ihn gewonnen werden und glücklich sind, ihm dienen zu können.

Der weitere Teil des Kapitels enthält wichtige Begeben­heiten, auf die wir zum Teil im nächsten Kapitel zurück­kommen müssen. Wir finden zunächst die Männer von Jabes‑Gilead, die entsprechend dem Geist der Gnade, der David kennzeichnete, von ihm gelobt werden, weil sie an Saul Güte erwiesen und ihn begraben haben. David lässt ihnen mitteilen, dass Juda ihn zum König gesalbt habe, und so dringt diese Nachricht bis zu den Grenzen des israelitischen Landes.

Sodann sehen wir Abner, den Heerführer Sauls, der sich David nicht unterwerfen will; er ist ein ehrenhafter Mann nach der Welt, sehr tapfer und mit einem natürlichen Edel­mut, aber heftigen und stolzen Charakters. Er unterstützt in der Person Isboseths den Grundsatz der Erbfolge nach dem Fleische, der mit einer scheinbaren Autorität bekleidet ist; denn Saul war von Gott erwählt worden. Diesen Grund­satz verteidigen die Menschen aufs äußerste, denn es ist der Grundsatz der Religion ihrer Väter, der nationalen Religion, die in den Augen der Menschen weit achtungswerter ist, als die „Meinung" Einzelner, die sich absondern, indem sie dem Sohne Isais folgen. 

Mit diesem religiösen System ist ein ganzes politisches System verbunden. Die Sache muss gut sein, weil Gott in einem früheren Zeitraum Sein Siegel darauf gedrückt hat, und gerade wegen ihres Alters muss sie achtungswert sein. Abner wendet seine ganze natürliche Energie auf, um sie zu verteidigen. Was will man dagegen einwenden? Nur das Eine: dass dieses ganze System sich den Gedanken Gottes widersetzt und Seinen Gesalbten bekämpft. Man kämpft für seine eigene Sache und muss, wie später Saulus von Tarsus, entdecken, dass man ein Feind Dessen ist, dem Gott die Oberherrschaft gegeben hat.

Es ist beachtenswert, dass David in diesem Kampfe keinerlei Rolle spielt, obwohl es sich scheinbar um ihn han­delt. Ein Mann aus seiner Umgebung, Joab, stellt sich mit seinen Brüdern an die Spitze der Knechte des Königs. Aus 1. Chron. 2, 16 ersehen wir, dass sie die Neffen Davids, die Söhne seiner Schwester Zeruja, waren. Sie hatten infolge dieser Verwandtschaft eine hohe Stellung und hielten fest zu dem königlichen Hause. Joab, ein ehrgeiziger Mann, sucht in der Welt vorwärtszukommen und den ersten Platz unter dem Königtum zu erringen. Obwohl er, und zwar nicht ohne Grund unter den „Helden Davids" nicht genannt wird, ist er doch ein tapferer Mann. Das Gefühl für Recht und Un­recht fehlt ihm nicht, aber er tritt dem Unrecht nur dann entgegen, wenn es seinen Plänen entgegensteht; und wenn eine gerechte Sache ihm im Wege ist, so unterdrückt er sie. Nichts hält ihn auf.

 Er ist gewissenlos, wenn er nur seinen Ehrgeiz befriedigen kann. Es hat jemand von ihm gesagt: „Man findet ihn überall da, wo es etwas Böses zu tun gibt, oder wo viel zu gewinnen ist." Joab ist das weltkluge Fleisch. Es liegt in seinem Vorteil, die Sache Davids zu unterstützen. Wenn wir Abner und Joab miteinander vergleichen, so steht Abner als der bessere vor uns. Und doch tritt Joab als der Streiter für das Zeugnis auf. Auf seinen Schul­tern wird bald das Gewicht der kriegerischen Ereignisse und anderer Dinge ruhen; er ist es, der unter der Hand leitet und manche geheimen Anschläge ausführt. Dieser Fähigkeit gegenüber fühlt David sich schwach. (Kap. 3, 39.) Von dem Augenblick an, wo das Fleisch sich des Zeugnisses bemäch­tigt, ist dies das Ergebnis. Trümmer und nichts als Trümmer! Der eine kämpft für David, der andere für den, den Gott nicht mehr anerkennt. Ist der eine mehr wert als der andere? Wenn das Fleisch David oder Christum unterstützt, so sind die Ergebnisse nicht viel besser, als wenn es den Antichrist unterstützt.

Die beiden Gegner stoßen aufeinander. (V. 12‑17.) Zu welchem Zweck? Um ihre Kräfte zu messen. Wo ist Gott? Abwesend. Wo ist David? Sein Name wird nicht einmal ge­nannt. Wer wird in diesem Zweikampf die Oberhand haben? Nicht einer der Kämpfenden entkommt; David verliert dabei seine Knechte, und das Ergebnis ist für seine Sache gleich Null.

Die Folge dieses Einzelkampfes ist eine regelrechte Schlacht, wobei Joab einen geliebten Bruder verliert, gegen welchen Abner den natürlichen Edelmut seines Charakters gezeigt hatte. Asael wollte durchaus nicht hören; voll Selbst­überschätzung stürmt er voran und fällt, von dem Speer Abners getroffen, als Opfer seiner Ruhmsucht. Joab wird seinen Tod nicht vergessen und in dem Augenblick Rache üben, wo sie ihm den größten Nutzen bringen wird.

Ach! was bleibt von allen diesen Kämpfen übrig? Man findet nichts von Gott, nichts für Gott, selbst wenn die Welt dem Anschein nach unter der Fahne Christi kämpft; und der Seele des Treuen bleibt als Zuflucht nur, sich nach Hebron zurückzuziehen, in die Nähe Dessen, der der einzige Mittelpunkt der Segnung ist, und Dessen Gegenwart ihr Friede, Glück und köstliche Ruhe gibt. Aber wenn unser David Sich zum Kampfe aufmacht, so lasst uns kühn Ihm folgen; denn mit Ihm kämpfen heißt einen gewissen und dauernden Sieg über den Feind davontragen.

Fußnote:

*) Abigail bedeutet „Freude des Vaters“, Achinoam „Gnade des Sohnes“

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Gedanke

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1904 S. 51

Das Ich liebt es, sich bedienen zu lassen, und dünkt sich selbst groß. Die Liebe dient und ist groß.

J N. D.

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Auszüge von A. L.

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1904 S. 52ff

Für die Erlösten des Herrn, die Erkauften Christi, die Kinder Gottes, gibt es keine wirkliche Einsamkeit. Ihr Vater und ihr Heiland sind durch den Geist bei ihnen. gemäß dem Worte Jesu: "Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen''. Trotzdem sind wir in mancher Hinsicht berufen, allein zu wandeln in dieser dürren Wüste, wo die göttlichen Quellen uns aber gleichwohl erfrischen ....

Der Herr weiß, wer der Ermunterung bedarf und wo sich Bedürfnisse vorfinden. Ja, der geliebte Heiland liebt uns, und Er liebt Seine Versammlung; Er nährt und pflegt sie zärtlich. — Blicken wir aus die äußeren Erscheinungen, so sehen wir allerdings, dass der Verfall immer deutlicher zu Tage tritt, wenngleich mit großer religiöser Tätigkeit verbunden, und dass in den Versammlungen viel Schwachheit vorhanden ist; aber der Herr bleibt stets derselbe. Inmitten alles dessen, was dazu angetan ist, uns zu betrüben, wissen wir, dass der feste Grund Gottes steht und dieses Siegel hat: "Der Herr kennt die Sein sind''. Er besitzt die Seinen bis ans Ende und wird sie auch bis aus Ende bewahren, solche, deren Herzen mit Hingebung für Ihn schlagen; möchten wir zu diesen gehören und unseren Lauf mutig fortsetzen!

Die andere Seite des Siegels zeigt uns den Weg, den ein jeder von uns einzuschlagen hat. "Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!'' Und dies können wir jederzeit tun, nicht wahr? Achten wir aber darauf, dass Anderen gegenüber unsere Herzen allezeit mit Gnade erfüllt seien. Dies sagt Paulus auch zu Timotheus: „Sei stark in der Gnade''. Er ermahnt diesen Diener Gottes, mit Sanftmut zurecht zu weisen. Wie wunderbar ist diese Gnade Gottes, und wie haben wir nötig, sie immer besser kennen und schätzen zu lernen! Fassen Sie Mut, lieber Bruder! Gott hat Ihnen viel genommen, das Ihnen teuer war: aber je mehr Er uns nimmt und uns ausleert, desto mehr will Er uns füllen, damit die Reichtümer des Schatzes, den Er in unsere armseligen, irdenen Gefäße gelegt hat, von uns ausströmen. Möchten wir diesen Schatz immer besser kennen und näher bei Ihm leben, indem wir Seine Gegenwart, Seine Liebe und all das Unsichtbare, Himmlische, Göttliche und Ewige verwirklichen! ....

So schwach wir auch sein mögen, der Herr hört nicht auf zu wirken, und ich glaube, wenn wir treuer wären, wenn wir mehr an Seine Worte gedachten: "Dem Glaubenden ist alles möglich'', und: "Alles was ihr im Gebet bittet, glaubet, dass ihr es empfangen werdet, und es wird euch geschehen'', so würden wir reiche Segnungen sehen. Und warum sollten wir dies nicht tun? Der Herr wolle unseren Glauben und unser Leben anfachen! Und anstatt dass wir ganz entmutigt klagen, möge Er uns geben, mit Ihm, in Seiner Kraft, uns zu erheben und ernste und entschiedene Zeugen zu sein!

Wir bedürfen stets der Belehrung. Der Herr will, dass wir in der Erkenntnis Seiner Allgenugsamkeit Fortschritte machen; dass wir lernen, uns immer ganz und allein auf Ihn zu stützen, außerhalb jeder noch so berechtigt scheinenden Stütze. Er lässt es zu, dass wir fehlen, zuweilen aus Übereilung, zuweilen aus anderer Ursache, damit wir unseres Unvermögens in allen Stücken inne werden; aber Er hört nicht auf, sich unser anzunehmen. Seine Liebe ist stets für uns da, Seine treue und zärtliche Liebe. O dass wir sie besser kennen möchten!

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Was die Gnade tut

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 54ff

1. Die Gnade bringt dem Glaubenden Errettung, vollkommene Befreiung. In demselben Augenblick da der Glaube die in Christo Jesu erschienene Gnade Gottes ergreift, ist die vollkommene Errettung für die Seele da; sie hat Vergebung aller ihrer Sünden und ist befreit von der Macht der Sünde und von allen ihren Folgen. Der glaubende Sünder empfängt ewiges Leben; er kommt nicht mehr ins Gericht, ja, er "ist aus dem Tode in das Leben hinübergegangen". Er steht nicht mehr auf dem Boden des Todes und des Verlorenseins, sondern auf dem des Lebens und der Errettung. (Joh. 5, 24.)

Diese Tatsache ist auch die Quelle, und Kraft der Heiligung. Der Gläubige, mit Christo im Leben vereinigt, ein Teilhaber der göttlichen Natur und ein Tempel des Heiligen Geistes, bringt nun für Gott Früchte hervor. Es ist ihm genug, die vergangene Zeit den Willen des Fleisches und der Gedanken getan zu haben, Dinge, deren er sich jetzt schämt. Freigemacht von der Sklaverei der Sünde, als ein Lebender aus den Toten, stellt er sich selbst Gott dar und seinen Leib als ein lebendiges Schlachtopferheilig, Gott wohlgefällig. (Röm. 6; 12, 1.) Das was das Gesetz, so heilig, gerecht und gut es ist, nie vermochte, tut jetzt die Gnade, tun die "Erbarmungen Gottes''.

Mein lieber Leser! inwieweit kommt dies in deinem täglichen Leben zur Darstellung? Was sehen deine Angehörigen, deine Mitmenschen, Mitarbeiter z.B. in dir?

2. Dies führt uns zu dem zweiten Teile dessen, was die Gnade tut. Sie bewirkt Gottseligkeit, "Sie unterweist uns, dass wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüfte verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben sollen in dem jetzigen Zeitlauf." (Tit. 2, 12.) Die Gnade Gottes trennt uns also von allem, was Gott missfällt, von .dem Geist und Treiben der Menschen dieser Welt, und bewirkt eine neue, göttliche Gesinnung in uns. Besonnenheit, Gerechtigkeit und Gottseligkeit kennzeichnen den, in welchem die Gnade wirkt. Sie lehrt ihn, alles zu tun, was gerecht und gut, und alles zu verleugnen, was ungerecht und böse ist. 

Wie wichtig und ernst ist das gerade in unseren Tagen, wo Ungerechtigkeit, Auflehnung gegen jede göttliche und menschliche Ordnung, Eigenwille und Gewalttat so erschreckend wirksam sind! Wie tut da "Besonnenheit" dem Christen not, um nicht mit dem Strome fortgerissen zu werden und mit einzustimmen in das unbesonnene, ungerechte, eigenwillige Reden und Tun der Menschen! Ferner "Gerechtigkeit" einem jeden gegenüber, sei es im Geschäft, in der Werkstatt, in der Fabrik, in der Grube, aus dem Felde, im Hause, oder wo es sei! Und schließlich "Gottseligkeit" Gott gegenüber, ein Wandel in Frieden und Reinheit des Herzens vor Gott! - Abgesondert von der Welt, aufseiten Gottes, das ist der Platz, den die Gnade dem Christen gegeben hat.

3. Die Gnade lenkt drittens den Blick aus die Herrlichkeit. Wir erwarten "die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi''. Wir mögen träge Schüler sein, aber die Aufgabe, welche die Gnade uns gibt, ist einfach genug zu lernen. Unsere Hoffnung ist nicht irdisch, sondern himmlisch. Wir sind Fremdlinge hienieden, aber vor uns liegt die Herrlichkeit! O dass diese gesegnete Hoffnung besser von uns verstanden und mehr von uns geschätzt würde! Die Gnade stellt sie vor unsere Blicke, damit sie unsere Zuneigungen dem Himmel zuwende und unseren ganzen Charakter bilde.

Der Herr belebe und ermuntere uns und bewahre uns; in Gnaden vor einem Versinken in irdische Gesinnung und Trachten nach dem Sichtbaren!

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Mach alles zum Gebet

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 56ff

Will dir eine Sorgenlast

Rauben Frieden, Freud und Rast,

Gottes Herz dir offen steht:

Mach die Sorge zum Gebet!

Wachet auf in deiner Brust

Eine Hoffnung froher Lust?

Achte gut, wohin es geht,

werde stille im Gebet!

Bist du traurig und allein?

Hast du Kummer? fühlst du Pein?

Gott, dein Vater, dich versteht:

Suche Tröstung im Gebet!

Droht der Feind mit Macht und List,

flieh zu Dem, der stärker ist!

Wer zum Thron der Gnade geht,

findet Hilfe im Gebet.

Willst dem Herrn du dienstbar sein?

Weile viel im Kämmerlein;

denn nur dessen Werk besteht,

der sich stärkte im Gebet.

Was dein Herz auch bewegt,

ob sich Schmerz, ob Freude regt,

sei es am Tage, sei es spät,

mache alles zum Gebet!

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Der Heilige und der Wahrhaftige

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 57ff

„Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, welche sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen; siehe, ich werde machen, dass sie kommen werden und huldigen vor deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe." (V. 9.) Auch diese Worte sind ein Beweis dafür, dass unser Sendschreiben nur an Gläubige gerichtet ist. Unmöglich könnte von Unbekehrten gesagt werden, dass an jenem Tage offenbar werden solle, dass Jesus sie geliebt habe; das kann nur von solchen gesagt werden, die Sein sind.

Es gab in jenen Tagen in der Stadt Philadelphia jedenfalls eine jüdische Synagoge. Die Juden hatten ja überall da, wo sie in größerer Anzahl wohnten, ihre eigenen Versammlungsstätten. Doch was sagt der Herr von den Gliedern dieser Synagoge? Er nennt sie Heuchler. "Sie sagen, sie seien Juden, und sind es nicht." Diese Leute besaßen eine äußere Religion, waren stolz aus den Gottesdienst, den sie von ihren Vätern überkommen hatten, hielten sich für das ausschließliche Bundesvolk Gottes und verfolgten die wahren Jünger Jesu, gerade so wie Saulus es einst getan hatte. Der Herr nennt sie deshalb eine Synagoge des Satans; denn im Grunde war sie nichts anderes als eine Nachbildung von Seiten Satans, eine Schale ohne Kern. Zugleich benutzte Satan diese „Juden" dazu, die Christen, die Jünger Jesu, zu verfolgen. Ohne es zu wissen, standen sie unter dem unmittelbaren Einfluss des Fürsten der Finsternis und ließen sich von ihm zur Erfüllung seiner bösen Absichten gebrauchen.

Es ist heute noch genauso; nur die Namen haben sich verändert. Es ist nicht mehr „die Synagoge der Juden'', welche geringschätzend und verächtlich auf alle die herabblickt, denen Jesu Name allein köstlich ist; die Namen sind andere geworden, aber die Sache ist dieselbe geblieben, ja, in ihrer äußeren Entwicklung nur noch größer geworden. Heute gibt es Millionen in den großen kirchlichen Körperschaften, welche - stolz aus eine ererbte Religion, auf Jahrhunderte alte Überlieferungen, aus äußere Rechtgläubigkeit und dergleichen, aber versunken in Zeremonien und Formendienst, mit einem religiösen Bekenntnis ohne Kraft und Leben — diejenigen verurteilen und verspotten, welche sie als völlig "außerhalb" stehend betrachten und für die sie nur verächtliche Namen und spöttische Bezeichnungen haben, wie "Mucker, Sektierer, Schwärmer und Narren, Fromme, die immer besser sein wollen als andere'' usw.. Wenn sie könnten,*) würden sie, gerade so wie die Juden in den ersten Zeiten der Christenheit es taten, die wahren Christen verfolgen und misshandeln. Was in dieser Beziehung in späteren Jahrhunderten geschehen ist, das hat die Geschichte mit ehernem Griffel in ihre Tafeln eingegraben; und was am Ende der Tage den „Zeugen Jesu" angetan werden wird, davon berichtet das Buch der Offenbarung. Doch wie ernst ist das Urteil de? Herrn über alle solche, die sich auf eine äußere Religion stützen, während ihr Herz weit von Ihm entfernt ist!

Wer waren die bittersten Feinde des Herrn Jesu, als Er hienieden wandelte? Das waren nicht die Sadduzäer, die Vernunftgläubigen oder die Materialisten jener Tage; auch nicht die Herodianer, die sich um Gott und Gottesdienst wenig kümmerten. Nein, das waren die Pharisäer und Schriftgelehrten, die frommen, religiösen Leiter des Volkes, die sich der alten religiösen Ordnungen und Überlieferungen, der Abstammung von Abraham und dergl. rühmten. Und wer waren hernach die bittersten Feinde des Apostels Paulus? Nicht so sehr die Heiden, obwohl auch sie ihm feindlich gesinnt waren, sondern die Juden, seine eigenen Volksgenossen. Von Seiten der Heiden hat er niemals die unversöhnliche Feindschaft, den bittern Hass erfahren, welchen ihm die Juden, die Vertreter einer fleischlichen Religion, entgegenbrachten.

Stolz auf ihre vermeintliche eigene Gerechtigkeit, auf Bündnisse und Verheißungen, auf Tempel und Priestertum, waren sie die geschworenen Feinde des Apostels, der Jesum, den Gekreuzigten, predigte. Denn in dieser Predigt gab es gar keinen Unterschied mehr zwischen Jude und Heide, keinen Ruhm für den Menschen; er wurde hingestellt als das, was er ist: sündig, verloren, fern von Gott und außerstande, sich selbst zu helfen, auf Gottes Gnade allein angewiesen. Das erregte ihren Zorn und ihre Bitterkeit; und wo dieses Evangelium heute gepredigt wird, da offenbart sich dieselbe Feindschaft auf Seiten der religiösen Leute, der Anhänger eines kraftlosen, leeren Bekenntnisses.

Die Menschen sind nicht anders geworden; die Zeiten mögen sich verändert haben, aber des Menschen Herz ist noch genau das gleiche wie vor zweitausend, ja, vor sechstausend Jahren. Immer noch verfolgen die Nachkommen Kain diejenigen Adels. Kain war von Hause aus kein gottloser Mann. Er war ein Ackerbauer, und er brachte Gott von den Früchten des Feldes seine Gabe dar. Er wollte gerade so gut opfern wie sein Bruder Abel; er wollte ein religiöser Mann sein. Erst als er sah, dass Gott dass Opfer Adelswohlgefällig annahm und dass seinige verwarf, erwachte die Feindschaft seines Herzens, und er ging hin und ermordete seinen Bruder. Dann verließ er die Stätte seiner Sünde und suchte die Erde zu verschönern. Seine Nachkommen (in geistlichem Sinne) bevölkern heute die Erde und sind die bittern Feinde derer, welche, gleich Abel, durch den Glauben an das Blut des Lammes errettet zu werden bekennen. Ja, geliebte Freunde, je treuer ihr Jesu nachfolgt, desto mehr Verachtung und Schmach wird euch werden. Je mehr ihr Seinen Namen, und nur Seinen Namen, verkündigt, desto mehr Widerspruch werdet ihr erfahren.

Aber Gott sei Dank! es wird nicht so bleiben. Die Zeit kommt, - und sie ist nicht mehr fern, - wo Er machen wird, dass jene Feinde kommen, vor den Füßen Seiner Getreuen huldigen und anerkennen, dass Er sie geliebt hat. Und warum geliebt? Weil Sein Wort ihnen teuer war, weil sie Seinen Namen nicht verleugnet haben. O seht hier die innige, persönliche Verbindung mit Ihm, dem Heiligen und Wahrhaftigen! Werden eure Herzen nicht warm bei dem Gedanken, diese Anerkennung dereinst von Ihm zu empfangen? Ja, ich möchte fragen: Wo ist das Herz, das Jesum liebt, Seine Liebe genossen und erfahren hat, das teuer erkauft ist durch das Blut des Sohnes Gottes, welches diese Anerkennung nicht begehren möchte? Antwortest du: „O Herr, lass doch auch mich dereinst diese Anerkennung aus deinem Munde hören''? Nun, so folge Jesu nach, einfältig, treu! Lass Sein Wort deines Fußes Leuchte sein! Heute ist die Zeit dazu. Der gegenwärtige Tag ist dir dafür gegeben.

 Hier, auf dieser Erde, wird Treue von dir verlangt; dort nicht mehr. In der Herrlichkeit gibt es keine Gelegenheit mehr, Treue zu beweisen. Dort liegen Sünde und Welt für immer hinter uns; dort gibt es keine verkehrten Wege, keine Möglichkeit des Abirrens mehr. Das ist alles heute; darum heißt es heute treu und gehorsam sein, in den Fußstapfen Jesu wandeln. O lasst uns daran denken, geliebte Freunde, und dieses "Heute" auskaufen, gerade so wie wir dem Sünder zurufen, verständig zu sein und das selige "Heute" der Gnade zu benutzen! Heute ist die Zeit des Wirkens und Zeugnisablegens; heute könnt ihr beweisen, dass euer Herz Jesum wirklich liebt.

Gott bewahre uns in Gnaden vor aller Heuchelei, vor allem Lippenwerk! Man redet so viel von einer völligen Hingabe an Jesum. Man liest so oft an den Wänden in großen Buchstaben die Worte: "Jesus allein!'' Manche tragen sie sogar auf Büchern, Schmuckgegenständen usw. beständig mit sich umher. Aber wie steht’s in Wirklichkeit? Leben die Worte in unseren Herzen? Kommen Sie in unseren Wegen, in all unserem Reden und Tun zum Ausdruck? Jesus allein! Ein kostbares, aber auch ein ernstes Wort! Fragen wir uns einmal: Ist Jesu Urteil und Wohlgefallen allein maßgebend für uns? Blicken wir nicht doch zuweilen fragend auf unsere Nachbarn, Freunde und Bekannten? Haben das Urteil und die Meinung der Menschen gar keinen Wert mehr für uns? Und weiter: Schlagen unsere Herzen wirklich nur für Jesum? Gibt es da keine Rückhalte, keine Ihm verschlossenen Ecken und Winkel mehr? Ist es wirklich Jesus allein?

Das sind ernste Fragen; aber wir wollen sie nicht abweisen, sie nicht an uns vorübergehen lassen, als wenn sie uns nichts angingen. Wir werden bald vor Jesu, unserem Herrn, stehen, und was muss es dann sein, aus Seinem Munde die anerkennenden Worte zu hören: "Wohl, du guter und treuer Knecht! Du warst über weniges treu, - über das Wenige, das ich dir anvertrauen konnte; es war nicht viel, nur kleine Dinge, aber du warst treu darüber - gehe ein in die Freude deines Herrn!''

Weiter lesen wir in unserem Kapitel: "Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, so werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche aus der Erde wohnen." (V. 10.) Wir haben schon einmal über den Ausdruck "auf der Erde wohnen'' gesprochen, und zwar gelegentlich der Betrachtung des Sendschreibens an Pergamus, in welchem von der Kirche gesagt wird, dass sie da wohne, wo der Thron des Satans ist, d. h. dass sie da ihre Heimat gefunden habe. Hier hören wir von Menschen, die auf der Erde wohnen. Der Ausdruck wiederholt sich im Buche der Offenbarung verschiedene Male. (Vgl. Kap. 6, 10; 8,1:3; 13, 8; 17,8 usw.). Er bezeichnet immer die Menschen, über welche die Gerichte kommen werden, die nicht nur aus der Erde sind, sondern die auf der Erde wohnen, die da ihre Heimstätte haben, die weder an den Himmel noch an die Ewigkeit denken, für welche die Erde und ihre Dinge allein wichtig sind.

Aber wohnen denn die Gläubigen nicht auch aus der Erde? höre ich fragen. Ich möchte dem entgegnen: Wohnte Abraham, der Vater der Gläubigen, auf dieser Erde? Nein! ist die Antwort. Wohl war er auf dieser Erde, aber er wohnte nicht hier. Er weilte als Fremdling hienieden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob. Obwohl er sich in dem Lande der Verheißung aushielt,. besaß er doch nicht einen Fußbreit von dem ihm gegebenen Lande. Und gerade deshalb wird er der Vater der Gläubigen genannt. Er verstand durch den Geist Gottes seinen Platz auf dieser Erde. Nicht einen Fußbreit Landes wollte er sein eigen nennen, nicht einen Faden oder Schuhriemen von dem Könige von Sodom nehmen, damit er nicht sagen könne, er habe Abraham reich gemacht. Er erwartete die Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist; aber er schlug alles aus, was die Kinder der Welt ihm anbieten mochten. So ging er durch diese Welt als ein himmlischer Fremdling, wohl in der Welt, aber nicht von der Welt, und wartete auf die herrliche Zukunft.

Dazu sind auch wir berufen; aber es wird von vielen Gläubigen wenig verstanden und verwirklicht. Viele teure Kinder Gottes vermögen sich gar nicht in die Gedanken Gottes für die gegenwärtige Zeit zu finden. Anstatt das wunderbare Geheimnis zu betrachten, welches durch Paulus uns offenbart worden ist, und sich in Gottes ewige Ratschlüsse über "Christum und die Versammlung'' zu versenken, wodurch ihnen die himmlische, außerzeitliche Stellung und Berufung der Versammlung in Verbindung mit ihrem verherrlichten Haupte droben sehr bald klar werden würde, reden sie immer wieder von dem Könige Jesus und von dem Reiche, das Er auf dieser Erde ausrichten werde.

Aber ist Christus denn nicht König? Gewiss ist Er das, Gott sei gepriesen! Ja, Er wird als "der König der Könige" einmal in Seinem Reiche aus dieser Erde herrschen; aber jetzt ist nicht diese Zeit, auch sind wir nicht angewiesen, darauf zu warten. Christus ist verworfen. Die Menschen haben gesagt: "Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche''; und Er wird so lange vor ihren Augen verborgen bleiben, bis Er aus den Wolken des Himmels in Macht und Herrlichkeit wiederkommen und durch Gericht den Boden für die Ausrichtung Seines Reiches säubern wird. Erst dann, wenn Seine Gerichte die Erde treffen, werden Gerechtigkeit lernen die Bewohner des Erdkreises. (Jes. 26, 9.)

Inzwischen vollzieht sich etwas ganz anderes, ein göttlicher Ratschluss, der mit dieser Erde gar nichts zu tun hat. Der Geist Gottes ist hernieder gekommen, um für den zur Rechten Gottes verherrlichten Menschensohn eine Braut zu sammeln, die für den Himmel bestimmt ist, die gar keine Verheißungen für diese Erde hat; und diese Braut holt Christus heim, ehe Er erscheint, um Seine Rechte an diese Erde. geltend zu machen. Denn diese Braut soll alles mit Ihm teilen, soll als Sein Weib mit Ihm aus Seinem Throne sitzen. Dem Weibe gehört alles, was der Mann besitzt. Darum holt Er Seine Braut, feiert die Hochzeit mit ihr im Himmel, und dann erst erscheint Er mit ihr, um alles in Besitz zu nehmen und Sein Reich in Herrlichkeit auszurichten. Er kommt mit Seinem Weibe an Seiner Seite, damit sie mit Ihm alles teile, mit Ihm regiere, mit Ihm herrsche, ja, mit Ihm selbst richte. "Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? . . . Wisset ihr nicht, dass wir Engel richten werden?'' (1. Kor. 6, 2. 3.) Um dies tun zu können, müssen die Gläubigen beim Herrn sein, ehe Er zum Gericht erscheint, und so ruft Er ihnen ermunternd zu: "Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird''.

„Das Wort meines Ausharrens.'' Hast du je über den Ausdruck nachgedacht: „das Wort meines Ausharrens''? Jesus sagt nicht: „deines Ausharrens'', sondern „meines Ausharrens''. Er ist droben zur Rechten Gottes und hat sich dort gesetzt, bis alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden. Er ist, wie gesagt, ein verworfener König. Er hat allen Seinen Rechten als Messias und König für die gegenwärtige Zeit entsagt. Es heißt in Hebr. 2: "Wir sehen Ihm noch nicht alles unterworfen'', aber "wir sehen Ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt''. Gott wird Ihn, den Erstgeborenen, wieder in den Erdkreis einführen, und zwar als Erbe, als Besitzer von allem. Auf diesen Augenblick wartet Er, und wir warten mit Ihm; deshalb sagt Er: "Du hast das Wort meines Ausharrens bewahrt'', oder mit anderen Worten: "Du hast es verstanden, dass ich ein Verworfener bin; du hast erkannt, dass ich droben, zur Rechten des Vaters, aus die Erfüllung meiner Ansprüche warte, und dass mein Herz sehnlichst danach verlangt, dich bei mir zu haben und alles mit dir zu teilen''.

Jetzt ist nicht die Zeit der unmittelbaren Regierung des Herrn. Wohl leitet Gott alles in Seiner Vorsehung, aber Jesus ist verworfen und wartet mit Ausharren aus die öffentliche Anerkennung Seiner Rechte; ja, Er harrt aus wie ein liebender Bräutigam, der auf seine Braut wartet. Sie, die mit Ihm ausgeharrt und Seine Verwerfung geteilt hat, soll als Sein Weib, verklärt, verherrlicht, zu Seiner Rechten stehen. So wartet Er jetzt droben auf die Seinigen; wir warten hier aus Erden auf Ihn. Und aus welcher Seite wird wohl die größte Sehnsucht, das tiefste Verlangen sein? Nicht wahr? auf der Seite, wo die größte Liebe ist. Und wo ist die größte Liebe? Bei uns? Ach, unsere Liebe, so aufrichtig sie sein mag, ist doch nur ein ganz, ganz schwacher Abglanz von Seiner Liebe. Er liebt uns, nicht um unsertwillen, weil wir so treu und gut, so eifrig, wacker und liebenswürdig sind; nein, Er liebt uns um Seiner selbst willen, weil Seine Liebe uns einen solchen Wert beigelegt, weil Er uns erkauft hat mit Seinem eigenen kostbaren Blut. Er liebt uns, weil wir das Geschenk Seines Vaters sind; nach Seinen eigenen Worten: "Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben". (Joh. 17.) Um uns zu besitzen, um uns einführen zu können ins Vaterhaus droben, hat Er alles hingegeben. Und jetzt wartet Er mit Ausharren auf die Stunde, da Er Sein Werk krönen und uns, vor jedem Gericht sichergestellt, einführen kann in die Wohnungen des Friedens. In dem Gedanken daran ruft der Apostel den gläubigen Thessalonichern zu: "Der Herr aber richte eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu dem Ausharren des Christus!" (2. Thess. 3, 5.)

„In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen", sagte Jesus an jenem letzten Abend vor Seinem Leiden zu Seinen Jüngern, „und ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen." Der Mensch hatte keine Stätte im Vaterhause droben. Erst das Hingehen Jesu, des Erstgeborenen aus den Toten, hat ihm einen Platz, ein Anrecht droben bereitet. Und nun ist der Blick des Glaubens nach oben, zum Vaterhause, gerichtet. Jesus kommt wieder, um die Seinigen aufzunehmen, aus dass sie da seien, wo Er ist. Das ist der Gegenstand ihrer Hoffnung, und das stellt Er auch hier vor ihre Blicke, indem Er ihnen zuruft: „Ich komme bald!" Er sagt nicht: Es müssen erst noch diese und jene Ereignisse geschehen; oder: ihr müsst noch vorher durch ernste Gerichte geläutert werden; Er teilt ihnen auch nicht mit, wie lange sie noch auf dieser Erde bleiben sollen. 

Die Kirche hat mit "Zeiten und bestimmten Zeiten" nichts zu tun, Diese sind am Platze, wenn es sich um die Erde und ein irdisches Volk handelt, nicht aber in Verbindung mit der himmlischen Braut. Daher sagt Jesus einfach: "Ich komme bald!'' So steht es hier, gleichsam am Ende der Geschichte der Kirche, und wir finden dasselbe Wort am Schlusse dieses Buches wieder, und zwar in dreimaliger Wiederholung. Das ist sehr beachtenswert. Im Anfang hieß es zu den Jüngern: „Ich komme wieder''; hier am Ende zu den Gläubigen von Philadelphia: „Ich komme bald'', oder "schnell, eilends". So wartet denn die Braut auf Christi Wiederkehr; sie wartet auf Ihn, den Bräutigam, nicht auf Zeichen oder auf die Erfüllung irgendwelcher Ereignisse. Jesus kommt, und Er kommt bald!

Doch warum will der Herr uns bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird? Warum will Er nicht, dass wir die unsäglichen Schrecken dieser Stunde mit durchleben? Er selbst gibt die Antwort, indem Er sagt: "Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast". Welch einen Wert legt der Herr also aus das liebende Warten der Seinigen! Weil sie sich mit Ihm eins machen in Seinem Ausharren, weil sie Ihn aus den Himmeln erwarten, sollen sie auch von dem kommenden Zorn in keiner Weise berührt werden. Wie wichtig ist es daher, meine lieben Freunde, nach Ihm, dem glänzenden Morgenstern, auszuschauen und nicht mit dem bösen Knecht zu sprechen: „Mein Herr verzieht zu kommen"! O lasst uns dastehen auf der Wacht und Ihn heute erwarten! Ja, möchte stets die Sprache unserer Herzen lauten: „O Jesu, dass ich heut’ dich säh’!"

„Ich will dich bewahren vor der Stunde der Versuchung." Man hat gesagt, im griechischen Urtext stehe nicht "vor", sondern "aus". Das ist richtig. Aber was will das sagen: bewahren aus? Es kann doch nichts anderes bedeuten als: Ich will dich bewahren, dass du nicht in die Stunde der Versuchung kommst. Denselben Ausdruck finden wir nur noch einmal im Neuen Testament, und zwar im 17. Kapitel des Evangeliums Johannes, wo der Herr zum Vater sagt: "Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen''. Diese Stelle zeigt deutlich den Sinn des Ausdrucks. Zugleich ist die Bewahrung vor der Stunde der Versuchung durchaus charakteristisch für die Kirche (d. h. die wahre Kirche). Der jüdische Überrest wird in der Stunde der Versuchung bewahrt werden; ihm wird gesagt: "Gehe hin, mein Volk, tritt ein in deine Gemächer und schließe deine Tür hinter dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe''. (Jes. 26, 20. 21.) Die Kirche aber wird vorher in die himmlischen Gemächer geführt.

Fußnote:

*) Hie und da erlaubt der Herr ihnen auch heute, ihrem Hass und ihrer Feindschaft die Zügel schießen zu lassen und dann zeigt es sich deutlich genug, dass sie ihre Natur nicht verleugnen.

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 69ff

Abner. Kapitel 3.
Im Anfang des zweiten Kapitels haben wir die glückliche Abhängigkeit Davids gesehen in dem Augenblick, als er zum König über Juda ernannt wurde. Die allmähliche Auf­richtung seines Königtums hat unsere Gedanken auf zukünf­tige Zeiten gelenkt, wo die Herrschaft Christi in Macht errichtet werden wird. Doch das zweite Kapitel enthält noch eine bisher nicht erwähnte, aber der Erwähnung werte Tat­sache. Das Königtum ist kaum errichtet, so wird der Ton der Erzählung ein anderer, wir hören von traurigen und demütigenden Umständen. Das hat seinen Grund in folgender Tatsache: David ist nicht nur ein Vorbild von Christo, son­dern ‑ und das werden wir im weiteren Verlauf dieses Buches viele Male sehen ‑ auch der Vertreter des den Händen eines Menschen anvertrauten Königtums, und er ist verantwortlich, dieses aufrecht zu halten. Als König befindet sich David von Seiten Gottes im Besitz der Macht, allerdings noch nicht der ganzen Macht. 

Er ist frei, hinsichtlich des Guten damit zu tun, was er will, frei, die ihn umgebenden Menschen nach seinem Gefallen zu erniedrigen oder zu erhöhen und sie seinen Absichten dienstbar zu machen; frei auch, Befehle zu geben und Bestimmungen zu treffen zum Wohle seines Volkes und zur Verherrlichung seines Gottes. Doch ach! es ist der Mensch, dem diese große Verantwortlichkeit und diese gleichsam unbegrenzte Macht übertragen sind. Tatsächlich war das Königtum anfänglich nicht, wie in unseren Tagen, beschränkt durch allerlei Gesetze, noch stand es unter Beauf­sichtigung durch den Volkswillen, wie es heute mehr oder weniger der Fall ist. Der König nach der Schrift war nur Gott gegenüber verantwortlich. Er haftete für das Verhalten des Volkes, und wenn dieses sich versündigte, musste der König büßen. ‑ Wir werden jetzt sehen, was aus dieser Autorität unter den Händen Davids geworden ist.

Das zweite Kapitel (V. 8 ‑ 32) zeigt uns schon den An­fang dieser Geschichte. David ist von seinen Verwandten umgeben; von tapferen Männern, die auf den ersten Rang unter den Führern Anspruch machten. Die Söhne der Zeruja nahmen diesen Rang dem Fleische gemäß ein, aber nach Gottes Gedanken hatten sie ihn in keinem höheren Grade als die übrigen; im Gegenteil: Abisai war nicht von den „ersten Drei"; Asael war unter "den Dreißig". (Kap. 23.) Joab wird, wie schon früher bemerkt, nicht einmal unter den Helden genannt; aber mutig und ebenso gewandt wie ehrgeizig, listig, grausam und blutdürstig, wenn sich der Verwirklichung seiner Pläne ein Hindernis in den Weg stellt, dabei sehr klug in der Beeinflussung des Königs, indem er dessen Schwächen schmeichelt (Kap. 14), gelangt dieser Mann dahin, die Ereignisse wenigstens scheinbar nach seinem Gefallen zu lenken.

In dem ganzen zweiten Teile des Kapitels verschwindet der König vor diesen Männern. Seine Umgebung ist in Tätigkeit, entscheidet, bekämpft die dem Hause Sauls ange­hörigen Gegner, ohne nur daran zu denken, den zu befragen, der allein das Recht hatte, die Sache in die Hand zu nehmen. Welch eine traurige Begleiterscheinung der Macht! In den Zeiten seiner Drangsal flößte David sozusagen seinen Ge­fährten seinen Charakter ein, oder er nahm vor ihrem Auf­ruhr seine Zuflucht zu Jehova, um Ihn zu befragen. (1. Sam. 30, 6 ‑ 8.) Hier aber, wo er im Besitz der Autorität und für sie verantwortlich ist, entschwindet sie ihm, und unter dem Schein, sie für seine Sache zu gebrauchen, bedienen sich seine Gefährten ihrer tatsächlich, um den Charakter Jehovas und Seines Gesalbten zu verunehren. Die Ziele derer, welche den Thron umgeben, bereiten dem König während seiner Regierung mannigfache Schwierigkeiten, und er gesteht, dass er zu schwach ist, ihre Gefühle richtig zu leiten und ihren Taten Einhalt zu tun.

Das 3. Kapitel fährt in derselben Geschichte fort. Ange­sichts dieser Schwierigkeiten bestand der einzige Schutz für David darin, in der Abhängigkeit von dem Herrn zu leben. Die Zucht wird ihn dahin bringen, sie wiederzufinden; aber der Geist Gottes zeigt uns hier, dass der Gläubige, wenn er von Gott eine herrschende Stellung erhalten hat, leicht das Bewusstsein seiner Abhängigkeit verliert, weil das Fleisch in ihm wohnt. Bei der Ausübung der Macht fasst David Ver­trauen zu sich selbst, ohne das Bedürfnis der Hilfe Jehovas zu verspüren, wie damals, als er wie ein gejagtes Rebhuhn auf den Bergen umherirrte. Bevor die Krone auf seinem Haupte war, befragte er, mit vereinzelten Ausnahmen, Gott und tat keinen Schritt ohne Ihn; seitdem er gekrönt ist, vergisst er das, was ihn allein schützen kann. Er wird es ein wenig später wiederfinden, nachdem er bittere Erfahrungen gemacht hat; denn wir dürfen nicht vergessen, dass bei David ‑ und das ist einer der Hauptzüge seines Charakters ‑die Zucht immer wunderbare Früchte trägt, und zwar bis zu den letzten Augenblicken seines Lebens, ja, bis zu seinen letzten Worten.

Auch wir haben nötig, gezüchtigt zu werden, um die Abhängigkeit zu lernen. Wenn wir unseren Willen wirken lassen, was im Grunde nichts anderes ist als Unabhängig­keit, so zerbricht uns der Herr, um uns unter Sein gesegnetes Joch zurückzubringen, welches so sanft und so leicht zu tragen ist.

Die ersten fünf Verse unseres Kapitels liefern zu dem eben Gesagten ein treffendes Beispiel. David nimmt in Hebron mehrere Weiber neben Achinoam und Abigail, den Gefährtinnen seines Umherirrens. Wenn er vorher Jehova gefragt hätte, was würde dieser ihm geantwortet haben? Lies mein Wort! Die Abhängigkeit von Gott und von Seinem Worte sind eine und dieselbe Sache. David hatte die Bücher des Gesetzes in Händen und brauchte nur über sie nachzusinnen, um seinen Weg zu erkennen. War nicht in 5. Mose 17, 17 in Bezug auf den König gesagt: "Er soll sich die Weiber nicht mehren, dass sein Herz nicht abwendig werde"? Um zu handeln, wie er tat, mochte er wohl allerlei gute menschliche Gründe haben, wie z. B. königliche Nachkommenschaft und dergleichen; aber Gründe Gott gemäß hatte er nicht. Um uns davon zu überzeugen, brauchen wir nur die Geschichte der Abkömmlinge seiner Weiber zu verfolgen. Wenn David nur die gottesfürchtige Abigail zur Gefährtin gehabt hätte, würde er dann erlebt haben, dass ein Amnon sein Haus mit Schmach und Schande bedeckte, dass ein Absalom sich gegen seinen eigenen Vater empörte, dass ein Adonija versuchte, das Königtum an sich zu reißen und schließlich die Sunamitin zum Weibe begehrte?

Mit diesen Verbindungen noch nicht zufrieden, fordert dieser Mann Gottes, der seinen Willen tun kann ‑ wie ge­fährlich ist diese Freiheit! ‑, von Isboseth sein Weib Michal zurück, die eine Ehebrecherin geworden war, indem sie einen anderen Mann genommen hatte: Michal, die Tochter Sauls, welche David einst mit einer natürlichen, fleischlichen Liebe geliebt hatte, die später aber ihre Verachtung des Samens Gottes zeigte, indem sie weder dessen Frömmigkeit noch seine Hingebung für den Dienst Jehovas verstehen konnte! (Kap. 6, 20 ‑ 23.) Dieses ehebrecherische Weib zieht er an seinen Herd, anstatt sie ihrem neuen Manne zu lassen, und bricht dadurch das Herz dieses Mannes, der doch ehrbar und seiner Genossin innig zugetan war, und der ihr weinend folgte, ohne daran zu denken, sich gegen die errichtete Macht aufzulehnen.

Ach! so ist dieser gottesfürchtige König, wenn er Ge­brauch macht von seiner noch begrenzten, bald nachher unbe­grenzten Macht, die Gott in seine Hände gelegt hat.

Dass Abner sich mit Wissen und Willen Jehova widersetzt, indem er Isboseth unterstützt, braucht uns nicht wun­derzunehmen. Abner weiß , dass David der Gesalbte Jehovas ist. „So möge Gott Abner tun und so ihm hinzu­fügen, wenn ich nicht, wie Jehova dem David geschworen hat, ihm also tun werde...." (V. 9), sagt er zu Isboseth, und nachher zu den Ältesten Israels: „Jehova hat von David geredet und gesagt: Durch die Hand Davids, meines Knechtes, will ich mein Volk Israel retten aus der Hand der Philister und aus der Hand aller seiner Feinde." Abner ist sich bewusst, dass er nicht auf der Seite Gottes steht, aber weil er nicht Jehova zum Gegen­stand seiner Pläne und seiner Tätigkeit hat, macht er sich wenig Unruhe über einen solchen Widerspruch zwischen seinem Bewusstsein und seiner Handlungsweise. Abner hat nur die Absicht, ein politisch‑religiöses System der Erbfolge zu verteidigen. Es ist ehrenvoll, sich die direkten Nach­kommen dessen nennen zu können, den Gott eingesetzt hat; und wenn Gott an die Stelle des Königtums Sauls und der Formen einer Religion ohne Leben das Königtum Davids mit seinen religiösen Hilfsquellen, die Er Seinem Volke inmitten des Verfalls gibt, gesetzt hat, was kümmert das Abner? Er wird trotz allem dem Hause Sauls beistehen. 

Isboseth wird sich auf ihn stützen, aber er mag sich wohl hüten, die Stütze seines Thrones nicht anzutasten! Sobald er gegen die Sittenlosigkeit Abners auftreten will, verlässt dieser aus verletztem Stolz seinen Herrn und wendet sich David zu. ,Bin ich ein Hundskopf?" fragt er Isboseth und teilt ihm dann offen seine Absichten mit. Bei seiner freimütigen Natur führt er sie am hellen Tage aus, und der arme König, ohne Kraft zu einer Erwiderung, kann nur zittern vor seinen Drohungen. Doch in dem allen sehen wir die göttliche Vor­sehung, welche inmitten der Leidenschaften des Menschen und sogar durch sie Seinem Gesalbten den Weg bahnt.

Wir betrachten diese Vorgänge, ohne von seiten derer, die, wie Abner, Ihm nicht angehören, etwas für Gott zu erwarten. Aber was sollen wir von David denken? Warum befragt er nicht Jehova, als ihm dieses Bündnis angeboten wird? Wird er, der sich geweigert hatte, die Krone aus der Hand des Amalekiters anzunehmen, und der sie nachher auch aus der Hand der Mörder Isboseths zurückwies sie aus der Hand Abners annehmen? Ja, weil er sich frei fühlt, weil er Gründe aller Art hat, um so zum Besten seines Reiches zu handeln. Dieses Bündnis wird die Schwierigkeiten beseitigen; der Krieg hat lange genug gedauert ... Alles das ist mensch­lich sehr verständig, aber es ist nicht nach den Gedanken Gottes.

Abner redet mit den elf Stämmen. Es gelingt ihm, sie zu überzeugen; sogar den Stamm Benjamin, der aufs engste mit Saul verbunden war. Und dann kommt er, um David von seinen Schritten Rechenschaft zu geben. „Und Abner sprach zu David: Ich will mich aufmachen und hingehen und ganz Israel zu meinem Herrn, dem König, versammeln, dass sie einen Bund mit dir machen, und du über alles regierst, was deine Seele begehrt." (V. 21.) Doch das lässt Gott nicht zu; Er will nicht, dass David das Königreich aus einer anderen Hand als der Seinigen empfange. Keiner soll sich rühmen können, dass er den Gesalbten Jehovas auf den Thron gesetzt habe. Wie könnte auch Gott dem Stolz des menschlichen Herzens erlauben, die Wege zu bestimmen, auf welchen David zur Macht emporsteigen soll? Abner wird ermordet. Gott weiß die größte Schlechtigkeit der Menschen zur Erfül­lung Seiner Absichten dienen zu lassen. Er benutzt die ehr­lose Tat Joabs um den zu beseitigen, auf welchen David schon sein Vertrauen gesetzt hatte.

Joab begeht im tiefsten Frieden einen Mord und rächt Sich so für den Tod Asaels, obgleich Abner diesen „im Streit getötet hatte", ein Beweis, dass seine Tat nicht tadelnswert war. (Kap. 2, 20‑23.) Rache ist der per­sönliche Beweggrund zu dieser schrecklichen Tat; aber wer Joab und seinen Ehrgeiz, der Heeroberste Israels zu werden, kennt, vermutet noch einen anderen. Joab fürchtete den Wert und die Macht Abners, die sich damals viel mehr erprobt hatten als die seinigen. Wenn es Abner gelang, das Bündnis zustande zu bringen, erlangte er dann nicht den ersten Platz? Daher hatte Joab bei der Ausführung seiner Rache alles zu gewinnen.

Abner wird also nicht der Wiederaufrichter des Reiches; Joab noch viel weniger, denn der von ihm begangene Mord würde ohne das Einschreiten Gottes zweifellos zu einem noch längeren und erbarmungsloseren Kriege als der eben beendete geführt haben. Was das Herz Israels einnimmt, ist die Entrüstung des Königs über das Böse, seine Betrübnis über ein Verbrechen, welches den Charakter Jehovas und den Seines Gesalbten verunehrte; es ist die Demütigung, das Fasten, die offenbare Trauer Davids angesichts seines ganzen Volkes. „Das ganze Volk und ganz Israel erkannten an selbigem Tage, dass es nicht von dem König ausgegangen war, Abner, den Sohn Ners, zu töten."

O wie gewinnt David in diesen schwierigen Umständen die kostbaren Züge seines Charakters zurück! Indem er jede Gemeinschaft mit dem Bösen von sich weist, bekundet er, dass er in dieser Sache völlig rein war. Er ruft das Gericht Gottes auf Joab herab: „Es komme über das Haupt Joabs und über das ganze Haus seines Vaters; und nie soll fehlen im Hause Joabs der Flüssige und der Aussätzige und der sich am Stabe stützt und der durchs Schwert fällt und dem es an Brot mangelt!" Und weiter: „Jehova vergelte dem, der das Böse tut, nach seiner Bosheit!" (V. 29 u. 39.) Später ist dieses durch David ausgesprochene Gericht Gottes vollzogen worden. (1. Kön. 2, 31‑34.)

David findet als König betreffs Abners die Ausdrücke der Gnade wieder, deren er sich in seiner Verwerfung in Bezug auf Saul bedient hatte. Er klagt über Abner mit den Worten: "Mußte, wie ein Tor stirbt, Abner sterben? Deine Hände waren nicht gebunden, und nicht in eherne Fesseln gelegt deine Füße. Wie man fällt vor Söhnen der Ungerechtigkeit, so bist du gefallen!" Er sagt, "dass an diesem Tage ein Oberster und Großer in Israel gefallen sei". (V. 33. 34 u. 38.)

Ach! was hatte er, obwohl die Macht in seinen Händen war, gegen die „Söhne der Ungerechtigkeit" tun können? Gott allein konnte das Gute hervorbringen. Die Söhne der Zeruja waren zu hart für David. Er erkennt selbst seine Schwach­heit an, wie sie sich an diesem Tage zeigte. Wie lieb wird uns David dieses Wortes wegen: "Ich aber bin heute schwach, obschon zum König gesalbt!" (V. 39.) Das Geschehene trifft sein Herz als eine ernste Züchtigung. Schwach warst du in der Tat, geliebter Diener Jehovas, trotz­dem du gesalbt warst; doch fürchte dich nicht, Gott wird deine Kraft und dein Schutz in deiner Schwachheit sein, und deine Füße werden vor dem Fall bewahrt werden, wenn du deine Kraft in der Gemeinschaft mit Ihm suchst! ‑ So ist es auch mit uns.

 Zwei unzertrennliche Dinge sind unser Schutz: das Gefühl unserer Schwachheit, und in Verbindung damit die Abhängigkeit von Gott und von Seinem Worte. David hatte in diesem Kapitel angefangen, seine Macht zu ge­brauchen, und, als sein eigener Herr handelnd, hatte er Jehova nicht befragt. Die Ereignisse, die ihn niederdrücken, bringen ihn zu dem Bewusstsein seiner Kraftlosigkeit, und gleichsam ganz von neuem beginnt er, die so schnell ver­gessene Abhängigkeit wieder zu lernen.

Infolge dieser Ereignisse verliert Isboseth sein Reich. Er war gänzlich von Abner abhängig, der ihm den Sieg und den Bestand seines Thrones gesichert hatte. Nachdem dieser Mann hinweggetan ist, bleibt ihm nichts mehr. Als er dem Mangel an Achtung vor dem Andenken seines Vaters entge­genzutreten sucht, wird er von dem verlassen, der ihn unter­stützte. Das ist es auch, was jede Kraft in der bekennenden Christenheit zunichtemacht, welche sich mehr oder weniger auf die ununterbrochene Überlieferung einer dem Menschen entsprechenden Religion zu gründen sucht. 

Um sich aufrecht ­zuhalten, hat sie sich mit den Regierungen und den Mächten einer christusfeindlichen Welt verbündet, wird so deren Sklave und hat keine Kraft, sich der dadurch herbeigeführten Unordnung zu widersetzen oder derselben Einhalt zu tun. Ich denke hier weniger an das römische System, welches als die große Hure sich anmaßt, "auf dem Tiere z u s i t z e n " und es zu lenken, als vielmehr an die Kirche der Reformation, welche sehr schnell ausartete, indem sie den Grundsatz des Glaubens verließ und ihre Stütze bei den Großen dieser Welt suchte. Der Verfall war die notwendige Folge davon. Begnü­gen wir uns damit, uns von jeder Einmischung des Menschen in religiöse Dinge fernzuhalten, und lasst uns, in dem Bewusst­sein unserer Unfähigkeit, dem Bösen abzuhelfen, wie David sagen: „Diese Männer, die Söhne der Zeruja, sind zu hart für mich."

Isboseth. Kapitel 4.
Dieses Kapitel ist das letzte von denen, welche die dem Königtum Davids vorangehenden Ereignisse berichten. Satan der Verführer, verliert nicht den Mut bei seinem bösen Werk gegen den Gesalbten Jehovas; obwohl er einmal zurückge­wiesen ist, fürchtet er sich nicht, den Angriff zu wiederholen. Im 1.Kapitel hatte er David durch einen Amalekiter die Krone angeboten. Nach menschlichem Ermessen wäre es sehr natürlich gewesen, sie anzunehmen; aber David konnte keine Gabe, welcher Art sie auch sei, aus der Hand eines Feindes annehmen. Sein Glaube triumphiert. Er straft den, "der in seinen Augen ein guter Bote war". "Ich ergriff ihn", sagt er, "und tötete ihn zu Ziklag, um ihm so Botenlohn zu geben." (V. 10.)

 So zurückgeschlagen, fürchtet sich der Feind nicht, den Angriff zu erneuern. Inzwischen hatte David aus der Hand Gottes das Königtum über Juda empfangen. (Kap. 2.) Doch in Betreff des Königtums über Israel wird er durch die Vorschläge Abners versucht, die auf eine so ver­fängliche Weise gemacht werden, dass der König weniger auf Widerstand vorbereitet ist. Wir haben gesehen, dass Gott ins Mittel tritt und ihn befreit, indem Er Sich dazu der Bosheit Joabs bedient. So wird auch das Bündnis mit den elf Stäm­men, die Frucht menschlicher Pläne, zunichte gemacht. Nicht von dieser Seite kann David die Krone erwarten.

Doch die Gefahr ist noch nicht vorüber; denn der große Verführer ermüdet keineswegs. Zwei böse und verbrecherische Menschen ermorden den Sohn Sauls, welchen David selbst „einen gerechten Mann *) nennt. Baana und Rekab bringen dem König den Kopf Isboseths und öffnen ihm durch ihr Verbrechen den Weg zur Herrschaft über ganz Israel: "Siehe da, der Kopf Isboseths, des Sohnes Sauls, deines Feindes, der nach deinem Leben trachtete; und so hat Jehova meinem Herrn, dem König, an diesem Tage Rache verliehen an Saul und an seinem Samen." (V. 8.) Doch anstatt ihr Anerbieten anzunehmen, straft David, der in seinen Wegen rein ist, das Böse, hasst es und trennt sich davon.

Der Arm des Fleisches war für Isboseth unentbehrlich. Seit der Ermordung Abners „wurden seine Hände schlaff, und ganz Israel war bestürzt"; denn der Sohn Sauls hatte "einen. Großen" als Stütze seines Thrones, und alles bricht zusammen, sobald diese Stütze versagt. So war es nicht bei David. Die Erfahrung hatte ihn erkennen lassen, was der Mensch wert ist und was Gott wert ist. Diese Erfahrung kehrt allerdings im Leben des Gläubigen oft wieder. Wenn alle natürlichen Stützen, selbst die, welche Gott uns gegeben hatte, brechen, dann bleiben wir in der völligsten Schwachheit zu­rück. Das ist eine Aufgabe, die wir lernen müssen, weil wir als Christen unser Vertrauen oft auf Grundlagen setzen, die erschüttert werden können. Dann wird unser Glaube auf die Probe gestellt, und es handelt sich darum, zu wissen, ob Gott uns als Hilfsquelle genügt.

So machen wir die in Psalm 30, 6 erwähnte Erfahrung: „Ich sagte in meinem Wohlergehen: Ich werde nicht wanken ewiglich!" David war ein Mann des Glaubens, der während der Prüfungen des 1. Buches Samuel vieles gelernt hatte; und als er diesen 30. Psalm schrieb als sein „Einweihungslied des Hauses", waren all die Erfahrungen des 

1. Buches bereits gemacht. Jehova! in deiner Gunst hattest du festgestellt meinen Berg." (V. 7.) Das ist nicht der Berg Zion, der Berg Gottes, der nicht erschüttert werden kann, sondern David redet hier von sich selbst und von menschlichen Hilfsquellen, die ihm von seiten Gottes gehören. Wenn aber diese Hilfsmittel uns zu mangeln be­ginnen, was wird dann unser Seelenzustand sein? Werden unsere Hände schlaff werden wie diejenigen Isboseths? Oder werden wir einen dauerhaften Frieden, eine feste Zuversicht genießen? Ach, wie oft müssen wir mit David antworten: "Du verbargst dein Angesicht, ich ward bestürzt!"

Worin auch unsere Schwierigkeiten bestehen mögen, wir haben darüber zu wachen, dass sie nicht den Zustand unserer Seele beeinflussen. Wenn der Glaube in Tätigkeit ist, weigert man sich, in den äußeren Umständen Hilfe zu suchen. Wie David in Psalm 11, 1 sagt: „Auf Jehova traue ich; wie saget ihr zu meiner Seele: Fliehet wie ein Vogel nach eurem Berge?" Wenn wir durch Proben gehen, sagt uns die Welt: Suche deine Hilfe bei deinem Berge; gebrauche die Hilfsquellen, welche du in dieser Welt zu deiner Verfügung hast. Der Glaube antwortet mit David: Nein, denn es gibt hienieden keine Grundlage, die nicht zerstört werden wird; aber „Jehova ist in seinem heiligen Palast; Jehova ‑ in den Himmeln ist sein Thron". Dort suche ich Zuflucht.

Als David in Ziklag in Bedrängnis war, "stärkte er sich in Jehova, seinem Gott". (1. Sam. 30, 6.) Isboseth kannte diese Hilfsquelle nicht. In den Tagen des Glückes, wenn die Güte Gottes unserem Berge Festigkeit und Kraft verliehen hat, müssen wir sorgfältig und täglich die wahre Quelle der Kraft aufsuchen, damit wir nicht, wenn Schwierigkeiten auftauchen, gleich furchtsamen Vögeln durch den Sturm weg­geführt werden, wer weiß wohin; sondern dass wir an dem bösen Tage Zuflucht zu suchen wissen bei Dem, der Seine Küchlein versammelt unter Seiner Flügel Schatten. Dort singen wir dann jubelnd unsere Lieder. (Ps. 63, 7.)

Fußnote:

*) Isboseth war ein gerechter Mann im Gegensatz zu diesen Bösewichtern. David will nicht damit sagen, dass er vor Gott gerecht war, aber wir sehen hier aufs neue die Gnade Davids, die immer das Gute bei seinen Feinden anerkennt. Eine wichtige Belehrung für uns!

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 82ff

Friede des Gewissens und Friede des Herzens sind zwei verschiedene Dinge. Ein Mensch mag Frieden des Gewissens besitzen, indem er weiß, dass seine Sünden vergeben sind um Christi willen, und doch nicht wahren Herzensfrieden haben. Vielleicht ist er bekümmert darüber und sagt zu sich selbst: „Ich weiß, dass meine Sünden vergeben sind, und bin doch nicht glücklich. Woher kommt das?'' Nun, die Antwort ist einfach: Das Herz ist nicht in wahrer Gemeinschaft mit Christo; irgend Etwas anderes, außer Christo, erfüllt es. Vielleicht ist es das eigene Ich, vielleicht sind es Sorgen und Kümmernisse, vielleicht irdische Dinge. Sobald das Herz aber von Christo sich entfernt, sich aus Seiner gesegneten Nähe verliert, schwindet der Friede.

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Es gibt wohl kaum etwas, das uns tiefer demütigen könnte, als das Leben eines Mannes wie Paulus. Er war ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir, und doch welch eine Selbstverleugnung sehen wir in ihm, welch ein Gestorbensein allem gegenüber, was in ihm war!

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Um unsere Vorrechte zu verstehen, sind zwei Dinge nötig. Zunächst muss ich ein Bewusstsein von der Liebes Gottes haben. Ohne das ist selbst eines Vaters Gabe nur ein Zeichen seines Beifalls. Ferner muss ich die Ausflusses des Herzens Gottes an Christo, als dem Gegenstande dieses Herzens, messen; denn sonst werden sie mich völlig überwältigen. Mit anderen Worten: ich muss zunächst die Gnade kennen und dann verstehen lernen, was sie in Christo ist. Bin ich einmal in der Liebes gewurzelt und gegründet, so kann ich glauben, dass Gott mir alles zu geben vermag, und ich bin dankbar und glücklich in der Liebe meines Vaters.

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Wir können uns keine Vorstellung darüber machen, was wir im Himmel tun werden. Aber das Eine wissen wir, dass Christus dort sein wird. Wir werden da sein, wo Er ist und wo alles nach Seinen Gedanken geordnet sein wird. Wie beruhigend ist das Bewusstsein Seiner Gegenwart schon hier! Wie vermag Sein "Ich bin’s!" jeden Sturm zum Schweigen zu bringen! Und was wird’s sein, wenn wir uns in einer Welt befinden werden, wo alles Ihm unterworfen ist! Wenn Er schon hienieden einen solchen Frieden uns schenken konnte, was wird dann der Himmel sein, das Haus des Vaters, wo alles mit Seinem Namen im Einklang stehen wird! Der reiche Strom Seiner Liebe wird nach allen Seiten hin Segen verbreiten. Seine Fülle wird jedes Herz erfüllen, und alle werden vollkommen glücklich und befriedigt sein.

lch ein wunderbarer Segen wird es sein, wenn sich das Wort erfüllen wird: „Wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist''! Und doch meine ich oft, es gebe noch etwas Höheres oder doch Gesegneteres als diese Tatsache: und das ist die durch sie bewirkte, größere, vollere Fähigkeit, unseren hochgelobten Herrn betrachten, uns ungehindert und ungestört in Ihn versenken zu können.

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Hebräer 11,8 - 16

Bibelstelle: Hebräer 11,8 - 16

Botschafter des Heils 1905 S. 84ff

Wie frei und selig ist das Herz,

von Sorgen unbeschwert,

das kindlich gläubig allerwärts

auf Gottes Stimme hört!

Es folgt dem göttlichen Gebot

gehorsam, froh und still;

Die Frage macht ihm keine Not,

was morgen werden will.

Es trachtet nicht nach dieser Welt

und ihrem eitlen Schein;

Am Altar und im Pilgerzelt

kann es nur glücklich sein.

Zur Stadt, die Gott, der Herr, erbaut,

schaut sehnend es empor.

Und bald – mit frohem Jubellaut –

steht es am Perlentor.

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Der Heilige und der Wahrhaftige

Bibelstelle: Offenbarung 3,17- 22

Botschafter des Heils 1905 S. 85ff

„Ich komme bald; halte fest was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme.'' (V. 11.) Das ist die einzige Aufforderung, welche der Herr an den Engel der Versammlung in Philadelphia richtet: Halte fest, lass dir durch nichts nehmen, was dir anvertraut ist! Und worin bestand das? Wir haben es bereits gehört: es war Sein Wort, Sein Name, sowie das Wort Seines Ausharrens.

Unglaube und Aberglaube sind heute mit immer wachsender Macht und Anmaßung auf dem Plane, um den Gläubigen ihr Gut zu rauben. Grobe, teuflische Irrlehren tauchen auf und verbreiten ihr verderbliches Gift. Die Wahrheit wird angegriffen, die göttliche Eingebung der Bibel geleugnet, der Name und die Person Jesu in geradezu lästerlicher Weise behandelt von solchen, die Lehrer der christlichen Kirche zu sein bekennen. Darum halte fest, du kleine Herde von Philadelphia, halte kindlich, zuversichtlich fest was du hast! Es gilt eine Krone zu bewahren.

Der kommende Herr selbst ist der Schatz, den du trotz aller Schwachheit besitzest und den du zu hüten hast. Nunmehr folgen die Verheißungen für den Überwinder; sie stehen, wie immer, in lieblichem und engem Zusammenhang mit dem ganzen Charakter des Sendschreibens. „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes'' Die Säule ist ein Bild der Kraft: sie stützt ein Gebäude, trägt eine Decke u. s. w. So wird den Leuten, von denen der Herr selbst sagt, dass sie nur, eine kleine Kraft haben, die Verheißung gegeben, dass sie dereinst als ein Bild der Kraft dastehen sollen. So handelt die Gnade. Sie machte die Nachkommen Korahs zu Hütern der Schwelle des Tempels, bestellte einen Petrus zum Wächter und Hirten der Schafe Christi, berief einen Markus zum Niederschreiben des Lebens Christi als Diener, und stellt Leute von kleiner Kraft als Säulen in den Tempel Gottes!

Beachten wir aber auch, dass die Frage nicht wichtig ist, wie viel Kraft wir besitzen, sondern dass es sich einzig und allein darum handelt, wie wir die empfangene Kraft benutzen. Die große Kraft ist vom Herrn, und die kleine Kraft ist vom Herrn; Er gibt je nach Zeit und Bedürfnis. Wichtig für uns ist daher nur die Frage, ob wir uns in der Verwaltung des Empfangenen treu erweisen. Wer überwindet, d. h. wer die kleine Kraft treu und einfältig benutzt, soll zu einer Säule in dem Tempel Gottes gemacht werden. 

Der Herr sagt gleichsam: Indem du mein Wort bewahrst und meinen Namen nicht verleugnest, hast du deine kleine Kraft nicht nutzlos empfangen, du hast sie im Bewusstsein deiner Schwachheit treu verwertet; darum sollst du zu einer Säule werden in dem Tempel meines Gottes "und nie mehr hinausgehen". Hienieden wird der Treue oft genötigt sein, aus alten, liebgewordenen Verbindungen hinauszugehen, manchem (wenn ich mich so ausdrücken darf) christlichen Tempel den Rücken zu kehren; und das bereitet oft viel Schmerz, kostet ernste Überwindung. Dort wird es nie mehr nötig sein; der Überwinder wird den Tempel Gottes, die Stätte der Anbetung und der innigsten Gemeinschaft mit Gott, nie wieder zu verlassen haben.

Weiter hören wir: „Ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen''. Beachten wir hier wieder die innige Verbindung mit der Person des Herrn, die dem ganzen Sendschreiben eigen ist: ein "mein" folgt auf das andere; ferner die innige Verbindung mit dem, was die Treuen hienieden um Jesu willen erduldet haben. Besaßen sie hienieden keinen Namen und keine bleibende Stadt, eben weil ihnen Jesu Name allein teuer war, so werden sie dort den Namen Seines Gottes und den Namen der Stadt Seines Gottes samt Seinem neuen Namen tragen. Darum freue dich, du hienieden verachtetes Häuflein, das gerade deshalb so verachtet ist, weil es keinen Namen außer dem Seinigen anerkennen will! Droben stehst du in hoher Achtung; dort wird demnächst. Sein teurer Name aus dir stehen von Ewigkeit zu Ewigkeit, in Anerkennung deiner Treue und Hingebung.

Meine lieben Freunde! Ist es nicht der Mühe wert, nach diesem kostbaren Preise zu trachten? Der Herr schenke uns, treu zu sein und in Einfalt festzuhalten was wir haben, damit niemand unsere Krone nehme! Lasst uns zum Schluss noch einen kurzen Blick auf das Sendschreiben an Laodizäa werfen. Ich nannte es bereits die Kehrseite des lieblichen Gemäldes von Philadelphia. Gibt es in diesem nur Licht, nur Früchte der Gnade des Herrn, so finden wir in jenem nicht einen einzigen Lichtstrahl, ja, nicht einmal einen kleinen Lichtpunkt. Alles ist trostlos finster, soweit es sich um den Zustand derer handelt, an welche das Schreiben gerichtet ist. 

Bei unserer Betrachtung des Sendschreibens an Sardes hörten wir bereits das vernichtende Urteil: „Du hast den Namen, dass du lebest, und bist tot''; hier aber geht das Verderben noch einen bedeutenden Schritt weiter: man ist weder kalt noch warm, sondern lau; man hat bei viel äußerer Erkenntnis, bei vielem Wissen, kein Herz für den Herrn. Und während es in Sardes doch noch einige wenige gab, die ihre Kleider nicht besudelt hatten, ist hier der Zustand ganz allgemein böse, ausnahmslos schlecht. Darum auch das ernste, schreckliche Wort: "Ich will dich ausspeien aus meinem Munde''.

Das ist das traurige Ende der bekennenden Kirche, oder doch des Teiles derselben, welcher in Laodizäa seine Darstellung findet. Man meint, man besitze alles, man ist reich geworden und bedarf nichts. Man ist völlig zufrieden mit sich selbst; man spricht: Alles ist in schönster Ordnung, und weiß nicht, dass man elend, jämmerlich, arm, blind und bloß ist. Wie ganz anders ist deshalb hier auch von vornherein die Sprache des Herrn! Während Er in Philadelphia die Herzen der Treuen ermuntert, indem Er die Türen vor ihnen öffnet und .als der Heilige und der Wahrhastige ihre Anbetung und Hingebung hervorruft, nennt Er sich hier "den Amen, den treuen und wahrhaftigen Zeugen, den Anfang der Schöpfung Gottes''. (V. 14.) Alle diese Titel stehen in schneidendem Gegensatz zu dem Zustande von Laodizäa. 

Er, der Amen, in welchem alle Verheißungen Gottes Ja und Amen sind, bleibt unveränderlich derselbe, sich selbst treu, während die Kirche weit, weit von ihrem ursprünglichen Pfade abgewichen ist. Er, der treue und wahrhaftige Zeuge, war nicht nur hienieden bis ans Ende Seines Weges der unwandelbar treue Vertreter und Zeuge Gottes, sondern Er bleibt es auch dann, ja, Er tritt als solcher wieder hervor, wenn die Kirche ihren Platz als Gottes Zeugin in dieser Welt völlig verloren hat. Und während endlich die Kirche die Kennzeichen und schönen Charakterzüge der neuen Schöpfung ganz und gar verloren hat, ist und bleibt Er der Anfang der Schöpfung Gottes, Ach, was ist aus der Gemeinde Gottes geworden, die einst so schön und herrlich dastand in der Kraft des Auferstehungslebens und in der Wärme ihrer ersten Liebe!

„Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Also, weil du lau bist und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.'' Kalt ist noch eher zu ertragen als lau. Lauheit ist ekelerregend; laues Wasser speit man aus. Gott bewahre uns daher in Gnaden vor Lauheit und Selbstzufriedenheit! Denn Lauheit ist in der Geschichte des einzelnen Menschen gerade so hässlich und unerträglich wie in der Geschichte der bekennenden Kirche. Einen Menschen, der kalt und gleichgültig ist, kann man noch viel eher ertragen, als einen solchen, der es mit den Christen nicht verderben möchte und doch zugleich so viel wie möglich die Welt genießen will. Lau — o wie viele Tausende und Millionen tragen diesen Charakter! Mit einem frommen äußeren Schein, mit dem Namen Jesu aus den Lippen, wandeln sie aus den Wegen einer eitlen, selbstgefälligen Religion. Die Person des Sohnes Gottes hat keinen Wert mehr für ihre Herzen. Sie lieben die Anerkennung seitens der Menschen und hassen das Kreuz.

Die Geister scheiden sich in unseren Tagen immer mehr. Unglaube und Aberglaube nehmen, wie bereits gesagt, in" erschreckender Weise zu. Selbst unter dem Deckmantel des Christentums greift man die Person des Sohnes Gottes ohne Scheu und Scham an. Man erstrebt eine Kirche, die nur noch einen christlichen Mantel trägt, einer christlichen Moral huldigt, aber innerlich sich völlig von Christo losgesagt hat; wo der Mensch den ersten Platz hat, und Verstand und Vernunft an die Stelle von Glaube und Herz getreten sind. Immer schärfer wird die Scheidung zwischen denen, welche „warm" find, d. h. die wirklich Jesu angehören und, bei aller Schwachheit, Ihm nachzufolgen begehren, und denen, die kalt oder lau sind und sich doch ihrer vermeintlichen Reichtümer rühmen. "Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts“; das ist die Sprache fleischlicher Anmaßung; das Herz kennt seine Armut und Not vor Gott nicht, und die Gnade wird verachtet.

„Ich rate dir, Gold von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, aus dass du reich werdest.'' (V. 18.) Gold ist in der Schrift das bekannte Symbol der göttlichen Gerechtigkeit. Hier ist es sogar noch „geläutert im Feuer'', erprobt als echtes, lauteres Gold. Das ist das Gold, welches der Gläubige gekauft hat, wodurch er reich geworden ist. Er besitzt in sich kein Gold, er kauft es von Gott; und wie kauft er es? „Ohne Geld und ohne Kaufpreis'', ganz umsonst. Es ist die freie Gabe der Liebe Gottes in Christo Jesu. „Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm'' (2. Kor. 5, 21).

„Und weiße Kleider, auf dass du bekleidet werdest, und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde; und Augensalbe, deine Augen zu salben, auf dass du sehen mögest." Es fehlt in Laodizäa nicht nur an der göttlichen Gerechtigkeit, der freien Gabe Gottes, sondern auch an den praktischen Früchten der Gerechtigkeit, dem Wandel mit Gott. Vielleicht gibt's viel Ehrbarkeit und Achtbarkeit, allerlei menschenfreundliche Bestrebungen, Opferwilligkeit den Armen und Kranken gegenüber und dergl. mehr; aber das sind keine Kleider, welche die Blöße des Menschen vor Gott bedecken könnten; dazu ist etwas anderes nötig. Aber man sieht und erkennt es; nicht. Die Augen sind trübe und blind. Ach, wenn man Augensalbe kaufen wollte, um sehend zu werden! Aber das hieße ja seine Blindheit und Armut eingestehen; und das will man um keinen Preis.

„Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen und das Abendbrot mit ihm essen und er mit mir." (V. 20.) Wie ernst ist dieses Wort! Es zeigt uns, dass Jesus nicht mehr drinnen ist. Er hat die Kirche noch nicht ganz ausgegeben, aber Er hat Seinen Platz außerhalb genommen und steht nun an der Tür und klopft an, ob vielleicht noch jemand da sei, der ein Ohr für Ihn habe. Welch eine Veränderung ist eingetreten! Ja, in welch einem überwältigenden Gegensatz steht dies alles zu dem Zustand von Philadelphia! Für die Masse, die bekennende Körperschaft, ist jede Hoffnung verloren. 

Vielleicht gibt es aber noch Einzelne inmitten des allgemeinen, traurigen Verfalls, die ein Herz und ein Ohr für Jesum haben und, Seinem Rufe folgend, sich von dem Verderben um sie her trennen. Zu ihnen will Er eingehen und das Abendbrot mit ihnen essen, d. h. Er will persönliche Gemeinschaft mit ihnen machen. In Lukas 14 spricht Jesus von einem Manne, der ein Abendmahl macht und viele ladet; in ähnlicher, gleichnisartiger Weise redet Er auch hier. Mit der großen Masse kann der Herr keine Gemeinschaft mehr machen, Er steht draußen; aber wenn noch jemand da ist, der Seine Stimme hört und auftut, so will Er sich ihm offenbaren, ihn retten und ihm alles geben, was er bedarf.

So laufen denn die in den drei letzten Sendschreiben beschriebenen Zustände nebeneinander her. Ohne Zweifel hat es für Sardes einen bestimmten Zeitabschnitt gegeben, eine Zeit, wo die in dem Sendschreiben näher angegebenen Charakterzüge in besonderer Weise aus die Kirche anwendbar waren, gerade so wie der Beginn der Periode von Philadelphia mit verhältnismäßig großer Deutlichkeit erkannt werden kann; aber beide Zustände sind heute noch vorhanden, und der dritte und letzte, der laodizäische Geist, offenbart sich zu gleicher Zeit dem sehenden Auge immer deutlicher. "Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot", lässt sich heute, mit gleicher Kraft wie in den Tagen nach der Reformation, auf Tausende und Millionen von Menschen in der protestantischen Christenheit anwenden.

 Andererseits schließen sich die wahren Gläubigen, in Absonderung von den im Tode erstarrenden großen Körperschaften, immer mehr zusammen; Jesu Wort und Name wird erhoben, das Wort Seines Ausharrens wird bewahrt und gepredigt, und Seine Wiederkunft als der glänzende Morgenstern erwartet. Die Kraft ist klein, aber die Türen sind offen, und Scharen werden errettet. Zugleich treten immer klarer die Charakterzüge von Laodizäa hervor: äußeres Wissen ohne Herz für Jesum, Selbstgenügsamkeit, Anmaßung, Lauheit und Freigeisterei. Man hält noch an dem christlichen Namen und Bekenntnis fest, aber das Herz ist weit von Christo entfernt.

Wie ernst ist das alles! Die Tage eilen dahin, und immer näher rückt das Ziel. Noch eine kleine Weile, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen. Vielleicht nur noch einige Tage oder Stunden, und die Stimme des Sohnes Gottes, des geliebten Herrn, wird erschallen, um alle die Seinen zu sich zu rufen und sie einzuführen ins Vaterhaus. Aber auch nicht lange mehr, und die ernste Mahnung wird in Erfüllung gehen: "Also, weil du lau bist und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Munde".

Darum, wer noch ein Ohr hat zu hören, der höre und komme heraus aus der Mitte derer, die dem Gericht umso sicherer entgegengehen, je mehr sie von ihrem vermeintlichen Reichtum träumen und in ihrer eigenen Weisheit zu Narren werden. Erwache, erwache, du schlafende Seele! Tue Ihm aus, der da klopft und in erbarmender Liebe Einlass begehrt! Er will dir gnädig sein und im persönlichen Verkehr mit dir sich ganz dir schenken. Das was der Kirche einst gehörte und von ihr genossen wurde, was sie aber durch ihre Untreue und Überhebung verloren hat, will Er dir, dem Einzelnen selbst, geben, wenn du aus Ihn hörst und in Demut dich vor Ihm beugst. Seine Gnade hat sich nicht verändert, nicht vermindert.

Die Verheißung, welche den Überwindern in Laodizäa gegeben wird, scheint auf den ersten Blick höher zu sein als die vorhergehenden: „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf Seinem Thron''. (V. 21.) Eine Entfaltung äußerer Macht und äußeren Glanzes macht leicht einen besonders tiefen Eindruck auf uns. Das ist unserer Natur eigen. Aber Glanz und Macht sind nicht das Höchste, was Gott den Seinigen verheißt. Es liegen kostbarere Dinge für den Überwinder bereit, als das Teilhaben an der Herrschaft und Herrlichkeit des Reiches; denn darum handelt es sich hier. So groß die Gnade auch ist, welche dem schrecklichen Verderben von Laodizäa gegenüber sich in dieser Verheißung kundgibt, haben wir doch in den früheren Sendschreiben höhere und herrlichere Verheißungen vernommen.

 Denken wir nur an die Verheißung, welche den Überwindern in Philadelphia gegeben wird. Wie anders, wie ganz anders lautet sie! Welch eine Innigkeit und Nähe geben sich in ihr kund, die hier gänzlich fehlen! Und bei den anderen Verheißungen ist es ähnlich: Die Früchte des Baumes des Lebens, die Krone des Lebens, der weiße Stein mit dem neuen Namen, der Morgenstern usw. — alle diese Dinge sind kostbarer als Thron und Herrschaft; es ist das, was wir in Christo im Glauben heute schon haben und bald droben in Vollkommenheit besitzen werden.

„Wer ein Ohr hat, höre was der Geist den Versammlungen sagt.'' — Siebenmal ist dieses Wort an unser Ohr gedrungen; und es ist der Geist, der da redet, nicht ein Mensch. Auch redet Er zu allen, nicht nur zu den betreffenden Gemeinden, wie sie damals in Ephesus, Smyrna usw. bestanden. Sein Ruf ergeht an die ganze Kirche, an einen jeden, der ein Ohr hat zu hören. O möchten wir deshalb hören, hören und lernen Die sieben Sendschreiben enthalten nach jeder Seite hin, in prophetischer und praktischer Beziehung, ernste und tiefe Belehrungen, Mahnungen und Warnungen für uns. Der Herr schenke uns Gnade, sie zu beachten und uns durch sie mahnen und warnen zu lassen! Der Todeszustand von Sardes und die Lauheit und Selbstzufriedenheit Laodizäas umgeben uns von allen Seiten. Die Gefahr ist groß, laodizäisches Wesen anzunehmen, in äußerem Wissen uns zu gefallen und kein Herz für Jesum zu haben. Darum lasst uns wachsam und nüchtern sein, einander ermunternd und zur Liebe und Treue anreizend, und das umso mehr, je näher wir dem Ziele kommen! Der Tag ist nahe!

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 95ff

Durch die Ermordung Isboseths bahnten Rekab und Baana für David den Weg zum Königtum, und es erhob sich jetzt die Frage, ob er aus diesem Umstand Nutzen ziehen dürfe. Ein geübterer geistlicher Sinn würde ihn im vorigen Kapitel dahin gebracht haben, das ihm von Abner angebotene Bündnis auszuschlagen. Hier versteht er, dass er die sich ihm darbietende menschliche Hilfe nicht nur nicht benutzen darf, sondern dass er sie auch als von Satan kommend zurückweisen muss. Das ist es, was wir zu tun haben, wenn die Welt sich erbietet, uns zu helfen.

Diese Geschichte zeigt uns, dass Gott alle benutzt, um Seine Gnadenabsichten gegen David zur Ausführung zu bringen: Abner, Joab, Rekab und Baana. Sicherlich billigt Er ihre Handlungen nicht, aber Seine Vorsehung lässt selbst das Böse mitwirken, Seine Wege zu bahnen. Das Böse wird gerichtet werden, aber erst nachdem es den Absichten Gottes ge­dient hat. Ist nicht das Kreuz in ganz hervorragender Weise ein Beweis von diesem Seinem Tun?

Aber, möchte gefragt werden, wenn Gott solche Mittel gebraucht, habe ich dann nicht auch das Recht, mich ihrer zu bedienen? Keineswegs; denn Gott ist unumschränkt, und das bin ich nicht. Er kann Sich des Bösen, ja, des Satan selbst bedienen, wenn es Ihm gefällt; ich bin ein Wesen, welches von Ihm abhängig ist, und ich habe zu gehorchen. Der Gehorsam lässt mich den Weg gehen, den das Wort Gottes mir zeigt, den Weg der Heiligkeit, der mich von dem Bösen und von der Welt trennt. Wenn die Welt kommt und mir ihre Dienste anbietet, so weise ich sie zurück; denn ich habe es mit Gott zu tun, wie David sagt: „So wahr Jehova lebt, der meine Seele erlöst hat aus aller Bedrängnis..." (V. 9.) Das ist Der, auf den ich ver­traue. Ich weigere mich, etwas von der Welt anzunehmen, weil ich von Jehova abhängig bin.

In einer Zeit der Erweckung, die noch nicht sehr weit zurückliegt, einer Erweckung, welche von Anfang an durch schriftwidrige Lehren, die heute noch ihre traurigen Früchte tragen, verdorben wurde, wo aber trotzdem Gott beschäftigt war, Seelen zu bekehren, sagte jemand zu einem Diener Gottes: "Warum nehmen Sie an dieser Tätigkeit nicht teil? Ist es nicht augenscheinlich, dass Gott hier durch Seinen Geist wirkt?" Der Gefragte antwortete mit folgenden Worten, die jedenfalls nicht verstanden wurden: "Der Geist weht, wo Er will, aber ich muss gehorchen.‑ Diese Antwort erläutert das eben Gesagte. Gott ist unumschränkt! Er allein kann. sich des Bösen bedienen, aber ich habe nichts anderes zu tun, als mich davon zurückzuziehen.

Doch David hätte so denken können: Indem die Vor­sehung Gottes diesen Mord zuließ, tat sie es, um mir den Thron zu geben; ich bin also frei, ihn aus den Händen der Mörder anzunehmen. Das wäre eine Täuschung gewesen, denn auch die Vorsehung Gottes versetzt uns zuweilen in Umstände, in welchen unser Glaube auf die Probe gestellt wird und sich gerade dadurch bewährt, dass wir die Dinge nicht annehmen, die sich uns darbieten. Moses am Hofe des Pharao ist ein Beispiel dafür. Die Vorsehung hatte ihn nicht dorthin gebracht, damit er diese Stellung einnehme und „die zeitliche Ergötzung der Sünde" genieße, sondern damit er sich, sobald der Augenblick gekommen sein würde, durch Glauben davon zurückziehe. Sein Glaube wurde auf diese Weise geübt, und als es sich darum handelte, entweder Sohn der Tochter des Pharao zu heißen, oder mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, zögerte er nicht, das letztere zu wählen.

So scheinen auch hier die Umstände für David den Zu­gang zu dem Throne zu öffnen, den Gott ihm geben will. Aber er weist mit Unwillen jede Verbindung mit dem Bösen zurück und befiehlt, die Schuldigen zu töten. Diese Unter­weisungen sind von großer Wichtigkeit für uns, denn wir liegen immer mit denselben Grundsätzen im Kampfe. Wenn Gott uns hienieden in eine angenehme Stellung bringt, so bezweckt Er damit nicht, dass wir uns in Ruhe darin nieder­lassen, sondern, dass unser Glaube lerne, diese Bande zu lösen und, wenn es Sein Wille ist, sie mit Freuden zu verlassen, um vor dem Herrn zu wandeln. Möchten wir verstehen, das Böse, unter welcher Form es uns auch entgegentreten mag, wie David zu verurteilen, es offen zurückzuweisen und keiner­lei Gemeinschaft mit ihm zu haben!

Die Handlungsweise Davids am Ende dieses Kapitels war also nach den Gedanken Gottes. „David gebot seinen Knaben, und sie erschlugen sie und hieben ihnen die Hände und die Füße ab, und hängten sie auf am Teiche zu Hebron." Stand David im Besitz der Autorität, so musste er sie in Heiligkeit und Gerechtigkeit so ausüben, dass diese schreckliche Strafe zum Exempel diente.

Unser Kapitel bietet uns noch eine andere nützliche Unter­weisung, die wir nicht übergehen dürfen, weil David trotz seiner persönlichen Erfahrungen bis zum 11. Kapitel ein Vor­bild von Christo bleibt. Ich meine dies: dass David, bevor er das Königtum über alle Stämme erhält, von allen verkannt wird, dass keiner sein Herz zu würdigen weiß.

Beeroth war eine Stadt der Gibeoniter, welche einst (Jos. 9) in den Bund mit dem Volke Israel aufgenommen worden war. Beeroth wurde als zu Benjamin gehörend betrachtet (V. 2), dem Stamme Sauls, des glühenden Feindes Davids. "Die Beerothiter entflohen nach Gittaim und haben sich dort als Fremdlinge aufgehalten bis auf diesen Tag." (V. 3.) Die Ursache ihrer Flucht wird nicht bestimmt mitgeteilt, aber die Tatsache derselben wird mit Baana und Rekab, den Söhnen eines Beerothiters, in Verbindung gebracht. Wir können daraus wohl schließen, dass die Erzählung der Flucht den Ereignissen vorauseilt, und dass diese erst stattgefunden hat, nachdem David sein Urteil über die Mörder gefällt hatte. Da ergriff alle Beerothiter Furcht, und sie entflohen nach Gittaim.

Diese Leute verkannten also David. Sie dachten, dass der König Rachegedanken nähre, und diese dadurch zu befrie­digen suchen würde, dass er sie an dem durch Bürger Beeroths begangenen Morde mitverantwortlich mache. Hätten sie David gekannt, so würden sie vielmehr zu ihm geflohen sein und sich seiner Gnade anvertraut haben. Ähnlich ist das Verhalten der Welt dem Herrn Jesu gegenüber. Da sie zu einem Herzen, welches sie nicht kennt, kein Vertrauen haben kann und sich vor Seinem Urteil fürchtet, flieht sie lieber, als dass sie mit Ihm in Verbindung tritt. In dem Gleichnis von den Talenten verkannte der Knecht, der sein Talent in die Erde vergraben hatte, ebenso seinen Herrn, indem er, aufgefordert, von seiner Verwaltung Rechenschaft zu geben, sagt: „Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist." (Matth. 25, 24.)

In Vers 4 führt uns eine Begebenheit, die auf den Tod Sauls folgte, wieder weiter zurück. Die Amme Mephiboseths flieht, mit dem fünfjährigen Knaben auf dem Arm. Die Sache ist dieselbe wie bei den Beerothitern: immer dieses Ver­kennen des Sohnes Isais, immer dasselbe, dem Menschenher­zen so natürliche Gefühl. David hatte, als er den Tod Sauls und Jonathans erfuhr, getrauert und ein Klagelied über sie aus­gesprochen; aber diesem armen Weibe kommt der Gedanke gar nicht, dass er an dem Sohne seines Freundes keine Rache üben könne. Sie flieht, anstatt zu dem zu eilen, der Jonathan und selbst Saul geschworen hatte, ihre Nachkommen nicht zu vertilgen. Sie vertraut ebenso wenig auf die Liebe und das bestimmte Wort Davids, wie die Sünder auf die Gnade und das Wort Christi vertrauen. Die Folge davon war, dass Mephiboseth "fiel und lahm wurde". David findet ihn später wieder, elend und gebrechlich infolge Mangels an Glauben, bei diesem Weibe, welches den günstigen Augenblick, ihre Bürde den Händen des Freundes Jonathans anzuvertrauen, nicht benutzt hatte.

Rekab und Baana kennen auch nicht den, dessen Herz das Böse von sich abweist; sie stürzen sich ins Verderben, indem sie die Heiligkeit des Gesalbten Jehovas verkennen. Sie meinen, mit ihrer Sünde David nahen zu können, ohne dass dieser die mit dem Blute eines Gerechten besudelten Hände verabscheuen und von sich stoßen würde.

In der Tat, nur die Seinigen können den Herrn kennen und Ihm in allem Vertrauen nahen, da sie wissen, dass Seine Güte ewiglich währt, und dass Seine Verheißungen zuverlässig sind.

Kapitel 5 ‑ 24 Das Königtum über Israel
Kapitel 5 ‑ 10. David vor seinem Fall.
Die Burg Zion. Kapitel 5,1 ‑ 10.
Aus Rachsucht gegen Isboseth hatte Abner den elf Stäm­men David empfohlen mit den Worten: „Jehova hat von David geredet und gesagt: Durch die Hand meines Knechtes David will ich mein Volk Israel retten aus der Hand der Philister und aus der Hand aller seiner Feinde." (Kap. 3, 18.) Abner war in einem Sinne der Bote Jehovas, um Seinem Gesalbten das Herz des Volkes wieder zuzuwenden; aber zwischen den Verrichtungen, zu welchen Gott ihn benutzte, und seinem inneren Zustand lag eine große Kluft. Daraus sollten wir für uns selbst eine Lehre ziehen. Gott kann durch einen Menschen handeln und Wahrheiten verkündigen lassen, die Ihm gemäß sind, selbst wenn das Herz dieses Menschen in keiner Beziehung zu Ihm steht. 

Es geziemte sich, dass Israel den Worten Abners das Ohr lieh, aber nicht, dass es sich mit seiner Person verband. Wenn wir denjenigen Gehör schenken, die uns das Wort Gottes vorstellen, so müssen wir wohl darauf achten, dass wir die Person von dem verkündigten Wort unterscheiden und der Person nicht eine Wichtigkeit beilegen, die nur der Schrift zukommt. Es ist erfreulich, wenn wir fest­stellen können, dass das Verhalten des Redenden mit seinen Worten übereinstimmt. So war es mit Timotheus dem Apostel Paulus gegenüber.: er hatte „genau erkannt seine Lehre, sein Betragen". (2. Tim. 3, 10.) Diese beiden Dinge standen bei dem großen Apostel der Heiden in völligem Einklang. Es ist gut, festzuhalten, dass die Gabe unter­schieden ist von dem inneren Zustand. Wenn ein Mensch eine Gabe hat, so ist es nötig, dass er in bestän­digem Selbstgericht vor Gott einhergehe, um dadurch seinen inneren Zustand mit dem, was ihm anvertraut ist, in Übereinstimmung zu bringen.

 Wenn es einerseits eine große Gefahr für die Hörenden gibt, einem Menschen seiner Gabe wegen zu folgen, so besteht andererseits eine gleiche Gefahr für den Redenden, tätig zu sein, ohne dass sein Herz und sein Wandel mit den Wahrheiten, die er vorstellt, in Überein­stimmung sind.

Tatsächlich hatten Abners Worte keinen wirklichen Erfolg bei dem Volke, weil der Geist Gottes nicht in den Herzen wirkte. Sie änderten ihre Haltung in keiner Weise, solange Isboseth nicht beseitigt war; erst als ihre Stütze ihnen ge­nommen war, „kamen alle Stämme Israels zu David nach Hebron". (Kap. 5, 1.)

Der Zustand der Stämme hat dieses Bemerkenswerte, dass sie Gottes Gedanken über David kannten, ja, immer gekannt hatten. Sie sagen: „Schon früher, als Saul König über uns war, bist du es gewesen, der Israel aus ‑ und ein­führte; und Jehova hat zu dir gesagt: Du sollst mein Volk Israel weiden, und d u sollst Fürst sein über Israel." Sie wussten das also sehr wohl; aber diese Kenntnis übte nicht die geringste Wirkung auf ihr Gewissen aus. Dieselbe Erscheinung zeigt sich heute unter den Christen. Man ist viel­fach mit dem Worte Gottes vertraut, man kennt die Gedanken Gottes bezüglich Seines Sohnes und Seiner Kirche; aber diese Wahrheiten bleiben ohne praktisches Ergebnis, sie sind nicht in die Gewissen eingedrungen. In diesem Punkte ist die Hauptursache der Trennungen unter den Kindern Gottes zu suchen. Der eine folgt dieser Sekte, der andere einer anderen; der eine nimmt diese Lehre an, der andere jene; der eine beruft sich auf diesen, der andere auf jenen Menschen. Dieses Auseinandergehen hat weniger seinen Grund in dem Stande der Erkenntnis, als in dem des Gewissens, man fühlt nicht die Notwendigkeit, der erkannten Wahrheit gemäß zu wandeln.

Die drei ersten Verse unseres Kapitels zeigen uns, dass Israel noch etwas anderes fehlte: es hatte keine Zuneigung zu David; es hing Isboseth an. Wenn das Herz auf Seiten der Welt steht, so kann es nicht auf Seiten des Mannes Gottes sein. Wie könnte man die Christen um Christum vereinigen, wenn ihre Gedanken mit den Dingen der Erde beschäftigt sind, und die Gnade und die Schönheit des Herrn ihre Herzen nicht anzieht? Seine Person hat wenig Wert für ein geteiltes Herz; es verlangt nicht nach ihr. Wenn aber die Gewissen erreicht sind, so werden es die Herzen auch bald sein: „Siehe, wir sind dein Gebein und dein Fleisch." Jetzt verkünden diese Israeliten öffentlich ihre Verbindung mit David; sie kannten sie wohl, aber sie erkannten sie nicht an als eine alles andere beherrschende Tatsache.

 Dann erinnern sie sich auch auf einmal dessen, was Gott bezüglich Seines Geliebten gesagt hatte. Wenn der Geist anfängt in der Seele zu wirken, so redet das Gewissen; das Herz wendet sich zu Christo, und man wird dahin gebracht, Seine Ober­hoheit und Seine Rechte anzuerkennen. „Sie salbten David zum König über Israel." „David machte einen Bund mit ihnen zu Hebron, vor Jehova, und durch dieses Bündnis erkannte er an, dass Israel von jetzt an sein Volk sei.

Mit diesem Kapitel beginnt der zweite Abschnitt der Re­gierung Davids. Von nun an ist er König über ganz Israel zu Jerusalem. Der Heilige Geist betont diesen Unterschied in Vers 5: „David regierte zu Hebron sieben Jahre und sechs Monate über Juda, und zu Jerusalem regierte er dreiunddreißig Jahre über ganz Israel und Juda."

So wird es auch mit Christo sein: als vorbildliche Ge­schichte der Errichtung Seiner Regierung ist dieses Buch, im Lichte der Prophezeiung betrachtet, von besonderem Interesse. Es handelt sich, wie schon gesagt, in diesem zweiten Buche Samuel nicht um das errichtete Königtum, (das wird erst in Salomo erscheinen,) sondern um die Aufrichtung des Königtums in David, was eine andere Sache ist. Wir finden daher in diesem Buch die Wege Gottes, welche dahin führten, den Thron Davids zu gründen, die zwölf Stämme um ihn zu sammeln und ihm die Nationen zu unter­werfen, indem seine Feinde überwunden wurden.

Sobald David als König über ganz Israel anerkannt ist, sieht man eine Reihe von Ereignissen sich abspielen, die zu dieser öffentlichen Kundgebung in Beziehung stehen.

Das erste dieser Ereignisse ist von der allergrößten Be­deutung. (V. 6 ‑ 9.) Oft werden Tatsachen von unendlicher Tragweite in der Schrift in wenigen Versen behandelt. Wir können nicht an der Länge der Erzählung den Wert abmessen, welchen Gott dem erzählten Ereignis beilegt. Eine kurze Ein­schaltung enthält zuweilen eine Summe von überaus wichtigen Wahrheiten, wie z. B. die in Eph. 1, 20 ‑ 23, welche uns die Ratschlüsse Gottes über Christum und die Versammlung mit­teilt. So lassen uns auch die drei ersten Verse von Offenb. 21 in alle Herrlichkeiten der Ewigkeit hineinschauen. Der 23. Psalm ist ein weiteres Beispiel. In sechs kurzen Versen gibt er uns Bericht über das ganze Leben und Verhalten, über alle Erfahrungen des Gläubigen hienieden, bis zu seiner Ein­führung in das Haus Jehovas.

 Man könnte die Zahl dieser Beispiele mit Leichtigkeit vermehren. Eines davon finden wir eben in der Stelle, die uns beschäftigt. Sie handelt von der Einnahme Jerusalems. Damit beginnt von seiten Gottes eine ganz neue Weise zu handeln: es ist die Entfaltung Seiner Gnade in der Person des Königs, die Vereinigung der Macht mit der Gnade, um die Absichten Gottes auszuführen, nachdem von seiten des Menschen alles verfehlt ist.

Das Buch der Richter und das erste Buch Samuel (ohne von den Büchern Mose zu reden) haben uns diese soeben erwähnte Wahrheit vorgestellt, nämlich den völligen Verfall, unter den Händen des Menschen, von allem, was Gott seiner Verantwortlichkeit anvertraut hatte. Israel, unter das Gesetz gestellt, war als Volk zugrunde gerichtet, die Richter, das Priestertum, das Königtum nach dem Fleische waren ruiniert; mit alledem war es unwiderruflich vorbei. "Was hat Gott gewirkt" (4. Mose 23, 23) angesichts all dieser Trümmer? Seine Gnade offenbart sich, wenn das Ende der Geschichte des Volkes unter dem Gesetz schon zutage getreten ist; sie würde nicht Gnade sein, wenn sie sich nicht mit gefallenen Wesen beschäftigte. Ihre Fülle strömt hervor, nachdem die Geschichte des verantwortlichen Volkes zu unheilbarem Ver­fall geführt hat. Gott wählt den Augenblick, wo das König­tum nach Seinem Herzen verkündet wird, dazu aus, um Jerusalem einzunehmen und es David zu geben.

Welchen Grund hatte Gott, dass Er Sich für diesen Ort mehr interessierte als für jeden anderen? Keinen, als den, dass Er diese Stadt geliebt hatte, die sich in der Gewalt der Jebusiter, der Feinde Jehovas und Seines Gesalbten, be­fand. Sein Herz hing an diesem Orte, denn hier wollte Er endgültig den Thron Seiner Gnade auf Erden aufrichten. ,Jehova hat Zion erwählt, hat es begehrt zu Seiner Wohn­stätte: Dies ist meine Ruhe immerdar; hier will ich wohnen, denn ich habe es begehrt" (Ps. 132, 13. 14). „Seine Grün­dung ist auf den Bergen der Heiligkeit; Jehova liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs." (Ps. 87, 1. 2.)

Das ist es, was Gott von Zion sagt: Er hat es geliebt. Wenn Seine Augen die Erde durchliefen, so verweilten sie über diesem besonderen Ort, um da Seine Wohnung aufzu­schlagen. „Warum blicket ihr neidisch, ihr gipfelreichen Berge, auf den Berg, den Gott begehrt hat zu seinem Wohnsitz? Auch wird Jehova daselbst wohnen immerdar" (Ps. 68, 16). Das ist also der von Gott erwählte Ort, die Stätte Seines Wohlgefallens, weil Er dort Seinen König in Gnade einführt und einsetzt. Sollte nicht auch dort der Sohn Davids den Grund des ewigen Heiles legen? Jesus, die Wurzel Davids, ist der König der Gnade, wenn alles verdorben und verfallen ist; gleichwie Jesus, der Same Davids, der wahre Salomo, der König der Herrlichkeit sein wird.

Der Berg Zion steht in unmittelbarem Gegensatz zu dem Berge Sinai. In Hebr. 12, 22 sagt der Apostel zu den Juden, die vom Gesetz freigemacht und Christen geworden waren: Ihr seid gekommen zum Berge Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem." Das bedeutet einen vollständigen Wechsel in den Wegen Gottes mit Israel. Die Verse 6 ‑ 9 unseres Kapitels zeigen uns den geschichtlichen Augenblick, wann diese Veränderung stattgefunden hat, wo Gott einen neuen Berg erwählte, im Gegensatz zu dem Berge Sinai, um dort für immer die Burg Davids zu errichten. 

Tat­sächlich hat die Sache damals für Israel nicht verwirklicht werden können wegen der Untreue des verantwortlichen Königs; und das Volk wird die Errichtung der Regierung Christi abwarten müssen, um in die Segnungen dieses neuen Bundes eingeführt zu werden. Für uns Christen aber hat dies stattgefunden. "Ihr seid gekommen zum Berge Zion", sagt der Apostel. Keine der Forderungen und Schrecknisse des Sinai bestehen mehr für die, welche glauben. Wir haben den Berg der Gnade gefunden an dem Orte, wo das Kreuz Christi aufgerichtet war, und unser Fuß hat dieses sichere Fundament betreten, die erste Sprosse der Leiter, welche uns zu allen himmlischen Segnungen hinaufführt, von der "Stadt des lebendigen Gottes" bis zur „Versammlung der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind". Alles das gehört jetzt uns, und bald werden wir es in der Herrlichkeit besitzen.

Die verschiedenen Stellen dieses Kapitels entsprechen anderen Stellen im 1. Buche der Chronika, die hie und da weitere Einzelheiten hinzufügen. Die Einnahme Jerusalems wird dort in Kap. 11, 4 ‑ 9 berichtet. In unserem Kapitel sagen die Jebusiter zu David: "Du wirst nicht hier hereinkommen, sondern die Blinden und die Lahmen werden dich wegtreiben. „Sie rechneten so fest auf ihre Mauern und ihre uneinnehm­bare Burg, dass sie es nicht für nötig hielten, starke, gesunde Männer zu bestellen, um den Angriff des Königs abzuschlagen; sie meinten, die Kranken schon seien dieser Aufgabe völlig gewachsen. 

„Aber David nahm die Burg Zion ein." (V. 7.) Kein Wort wird weiter hinzugefügt; die Sache findet so einfach statt, als ob sie nichts gekostet hätte. In der Tat, dieser Sieg hat Gott nichts gekostet. Dasselbe ist der Fall, wenn Er die ganze Feindschaft des Menschen gegen Sich und gegen Seinen Gesalbten bekämpfen wird. Welch ein göttlicher Spott gibt sich in Psalm 2 kund! "Lasset uns zerreißen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile!" sagen die Könige der Erde; aber Gott antwortet: "Der im Himmel thront lacht, der Herr spottet ihrer!" (Ps. 2.)

David zeigt sich entrüstet über diese verletzenden Worte der Jebusiter, und seine Entrüstung entspricht den Gedanken Gottes. Wenn wir sehen, dass die Welt sich des Gebietes Got­tes bemächtigt, obwohl sie eine Feindin Christi ist, so können unsere vom Heiligen Geiste beseelten Herzen wohl mit Ent­rüstung erfüllt sein. Wir können mit Eifer begehren, dass der Herr endlich den Platz habe, der Ihm von Rechts wegen zu­kommt, dass Er nicht länger von einer Welt, die Ihn verworfen hat, verhöhnt werde, und dass, nach dem Gericht der Leben­digen, Seine Herrschaft auf der Erde errichtet werde. Dieses Gefühl ist rechtmäßig.

Doch wir finden in dem Herzen Davids noch ein anderes Gefühl, welches man weniger gutheißen kann. Er ist neben der vorbildlichen Person der energische Mann, welchem Gott die Macht anvertraut hat. Seine Oberhoheit wird bestritten, und so ergreift ihn ein menschlicher Zorn. Das beweisen seine Worte: "Wer die Jebusiter zuerst schlägt, soll Haupt und Oberster werden.‑ (1. Chron. 11, 6.) Und was geschieht? .Joab, der Sohn der Zeruja, stieg zuerst hinauf, und er wurde zum Haupte." Der Mann, dessen Ränken wir von Anfang an begegnet sind, dessen Bosheit David wohlbekannt geworden war, den er deshalb auch vor dem ganzen Volke mit dem Namen "Sohn der Ungerechtigkeit" belegt, und auf dessen Haupt er das Gericht Gottes herabgerufen hatte (Kap. 3, 28‑30), von dem er wiederholt erklärte, dass er "zu hart für ihn" sei Joab ist der Mann, welchem das Wort Davids Gelegenheit gab, Haupt und Oberster zu werden.

Die Tatsache, dass Joab so an die Spitze des ganzen Heeres gestellt wurde, war eine der verhängnisvollsten der Regierung Davids, und es zeigte sich in ihr die Schwachheit des Königs. Ein einziges Wort, das nicht von dem Heiligen Geiste diktiert war und einem fleischlichen Eifer entsprang, genügte, solche Folgen hervorzubringen. Wie leicht missbraucht der Mensch die Macht, welche Gott ihm anvertraut hat, und bedient sich ihrer in unabhängiger Weise! Diese Tatsache sollte uns zu denken geben. Ein Wort nach dem Fleische trägt oft ver­derblichere Früchte als eine schlechte Tat.

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Selbstvertrauen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 109ff

Es gibt auf dem Pfade eines Christen kein sichereres Zeichen von einem bevorstehenden Falle als Selbstvertrauen. Wo Vertrauen auf eigene Kraft sich offenbart, da sind Straucheln und Fallen in gewisser Aussicht. Das hat auch Petrus zu seinem tiefen Schmerz erfahren müssen. Er liebte seinen Herrn mit der ganzen Kraft seiner Seele, er war ein ehrlicher, aufrichtiger Charakter, aber — er vertraute auf Fleisch. Als der Herr ihm und den übrigen Jüngern sagte: "Ihr werdet euch alle in dieser Nacht an mir ärgern'', erwiderte er: "Wenn sich alle an dir ärgern werden, ich werde mich niemals ärgern''; und als der Herr ihm dann das ernste Wort zurief: "Wahrlich, ich sage dir, dass du in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, mich dreimal verleugnen wirst'', sprach er voll Selbstvertrauen: „Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen''.

Die übrigen Jünger sprachen ebenso. Ach! sie wussten noch nicht, was es heißt, der Macht des Todes zu begegnen, und hatten noch nicht erfahren, wie völlig ohnmächtig das Fleisch in der Versuchung ist. Sie sollten schon kurz nachher eine ernste Erfahrung in dieser Beziehung machen, als drei von ihnen mit Jesu im Garten Gethsemane waren. Sie, die gemeint hatten, mit ihrem Herrn in Gefängnis und Tod gehen zu können, waren, als die Probe kam, nicht einmal imstande, eine Stunde mit Jesu zu wachen. Anstatt der herzlichen Aufforderung des Herrn zu folgen, schliefen sie. Der Geist war willig, aber das Fleisch war schwach, zu schwach selbst für diese kleine Prüfung. "Simon, schläfst du?'' fragt der Herr mit leisem Vorwurf. „Vermochtest du nicht eine Stunde zu wachen?'' - Petrus war kurz vorher der Wortführer gewesen, und ihn hatte Jesus ganz besonders gewarnt.

Nachher finden wir Simon im Hofe des Hohenpriesters. Das Fleisch bringt ihn bis in die Gefahr und Versuchung; aber dann verlässt es ihn und beweist sein ganzes Verderben. Es ist zu nichts Gutem tauglich, selbst nicht in einem Manne wie Petrus. Eine von den Mägden des Hohenpriesters, ein schwaches Weib also, genügt, um in dem Herzen des Jüngers Furcht und Schrecken wachzurufen. "Auch du warst mit dem Nazarener Jesus", sagt sie. "Er aber leugnete und sprach: Ich weiß nicht, verstehe auch nicht was du sagst.

' Dann geht er in den Vorhof hinaus; er kann nicht länger an der Stätte weilen, wo er eine so schreckliche Lüge ausgesprochen hat. Aber die Versuchung folgt ihm, wird ernster. Es kann nicht anders sein, und das Ergebnis ist von vornherein gewiss. Obwohl der Hahn zum ersten Male kräht (Mark. 14, 68), leugnet Petrus wiederum; und als endlich auch die Umherstehenden aus ihn aufmerksam werden und zu ihm sagen: „Wahrhaftig, du bist einer von ihnen, denn du bist auch ein Galiläer'', da fängt er an, sich zu verfluchen und zu schwören, dass er "diesen Menschen'' nicht kenne.

O was ist der Mensch! Was sind wir! Eine arme Magd genügt, um den hingebendsten und tatkräftigsten Jünger, wenn er aus seine eigene Kraft vertraut, so völlig zu Fall zu bringen, dass nur die wunderbare, erbarmende Liebe seines Heilandes ihn wieder auszurichten vermag. Doch so demütigend das ist, müssen wir andererseits doch sagen, dass dieser ernste Prozess nötig für ihn war, um ihn zu dem werden zu lassen, was er hernach sein sollte: der erste unter den Aposteln. Er musste völlig zerbrochen werden, um die ganze Nichtsnutzigkeit des Fleisches kennen zu lernen. Ohne diese schmerzliche und niederschmetternde Erfahrung hätte er nicht der sein können, welchem der Herr nachher die Weide und Hut Seiner Schafe und Lämmer anvertraute. Er musste zu der überwältigenden Erkenntnis geführt werden,. dass nur Christus und die Kraft des Heiligen Geistes uns im Kampf aufrecht zu halten vermögen.

„Ich kenne diesen Menschen nicht, von welchem ihr redet.'' Und doch war "dieser Mensch'' sein Heiland, was Petrus sehr wohl wusste. Er hatte ja gar nicht lange vorher auf die Frage des Herrn das kostbare Bekenntnis abgelegt: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes''; und bei einer anderen Gelegenheit: "Wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist''. (Matth. 16, 16; Joh. 6, 69.) Welch ein Gegensatz zu seinem Verhalten im Hose des Hohenpriesters! „Ich kenne diesen Menschen nicht.'' Der Heilige Gottes ist nur noch ein Mensch für ihn, wie jeder andere, eine unbekannte, gleichgültige Person. 

O was muss dies für das Herz des Herrn Jesu gewesen sein! Je näher Petrus diesem Herzen gestanden hatte, je mehr er fähig gewesen war, die Offenbarung des Vaters über Seinen Sohn zu empfangen und zu genießen, desto tiefer musste sein jetziges Verhalten den Herrn verwunden. Einer aus der kleinen Schar der Jünger, einer der Zwölfe, war der Verräter Jesu geworden; ein anderer, einer der drei, welchen Jesus in besonderer Weise Liebe und Vertrauen geschenkt hatte, der angesehenste unter den Aposteln, verleugnete Ihn unter Fluchen und Schwören! O wer könnte die Leiden unseres anbetungswürdigen Herrn, des "Mannes der Schmerzen'', ergründen!

Endlich kommt Petrus zur Besinnung. Der Blick des Herrn, verbunden mit dem zweiten Krähen des Hahnes, bringt ihm die Worte Jesu in Erinnerung. Mit einem Mal wird es Licht in seiner Seele. Er erkennt was er getan hat, geht hinaus und weint bitterlich. Ob er in diesem Augenblick schon die ganze Tiefe seines Falles erkannt hat, ist wohl schwer zu sagen; jedenfalls aber war sein ernstes Gefühl über seine schreckliche Sünde in ihm erwacht, und damit Selbstgericht und aufrichtige Buße. Der Herr begegnet ihm später noch einmal und berührt sein Herz und Gewissen wohl noch tiefer. Aber bemerkenswert ist es, dass hier, wie in jedem Falle, das W ort des Herrn es ist, welches Reue und Umkehr hervorruft. Es sind nicht bloß menschliche Gefühle oder Scham über das Geschehene, sondern das von Jesu gesprochene Wort wirkt in der Seele. Es ist "die Waschung mit Wasser durch das Wort''. (Vgl. Eph. 6,26.) Das Wort des Herrn tut zweierlei: es überführt und heilt.

Vergessen wir daher nie, geliebter Leser, was das Fleisch ist, selbst in dem Besten der Heiligen: zu nichts Gutem tauglich, zu allem Bösen fähig! Dieses Bewusstsein wird uns vor jedem Selbstvertrauen bewahren und uns anleiten, die Aufforderung des Herrn zu beachten: „Wachet und betet!''

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel 5

Botschafter des Heils 1905 S. 113ff

Am Ende des 8. Verses lesen wir: "Die Lahmen und die Blinden, welche der Seele Davids verhasst sind. Daher spricht man: Ein Blinder und ein Lahmer darf nicht ins Haus kommen." Wer spricht so? Es ist David selbst. Wie verschie­den ist er darin von Christo! Der Herr Jesus tut bei Seinem Eintritt in diese Welt genau das Gegenteil: Blinde werden sehend, und Lahme wandeln." (Matth. 11, 5.) Er kann nicht einem dieser Armen, Zurückgesetzten begegnen, ohne dass Seine Liebe und Seine Macht sich vereinigen, um ihm zu helfen. Ist es nicht wunderbar, zu sehen, dass Er Selbst in dem Fall, wo Er Seinem Zorn, einem göttlichen Zorn, freien Lauf lässt, die Schleusen Seiner Gnade öffnet? Jesus trat in den Tempel Gottes ein und trieb alle hinaus, die im Tempel ver­kauften und kauften, und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um. Und er spricht zu ihnen: Es steht geschrieben: Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden; ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht. Und es traten Blinde und Lahme in dem Tempel zu ihm, und er heilte sie.‑ (Matth. 21, 12‑14.) 

Sein Zorn und Seine Entrüstung zeigen sich in dem Eifer um das Haus Gottes, der Ihn verzehrt (Ps. 69, 9), aber Er reinigt Sein Haus nicht um wie David die Blinden und Lahmen zu verhindern, in das Haus einzutreten, sondern um sie hinein­zuführen, indem Er sie heilt. Wir finden ein ähnliches Bei­spiel in dem Gleichnis von dem Manne, der ein Abendmahl machte. Alle Eingeladenen entschuldigten sich, dass sie nicht kommen könnten. „Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu Seinem Knechte: Gehe eilends hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt, und bringe hier herein die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden." (Luk. 14, 21.) Der Zorn des Hausherrn gegen die Eingeladenen hat zur Folge, dass die Blinden und die Lahmen an Seine große Festtafel gesetzt werden.

Uns ist dasselbe widerfahren. Die Entrüstung des Haus­herrn über dieses Volk, welches Seinen Gnadenruf nicht ge­wollt hat, hat die Tür zu dem Hochzeitsmahl für arme Heiden geöffnet, die, Seinen Verheißungen fremd, unfähig waren, Ihn zu sehen oder zu Ihm zu kommen.

Alles dieses zeigt uns, wie wichtig es ist für ein richtiges Verständnis dieses Teiles der Schrift, den Unterschied zwischen David als Mensch und David als Vorbild von Christo festzuhalten.

Siege: Kapitel 5, 11‑25.
Die Errichtung des Thrones auf dem Berge Zion hat als erstes Ergebnis die Anerkennung Davids seitens der Nationen. "Hiram, der König von Tyrus, sandte Boten zu David, und Zedernholz und Zimmerleute und Mauerleute; und sie bauten David ein Haus." (V. 11.) Denn Hiram wollte in seinem Maße zu dem Glanz der beginnenden Regierung beitragen. Später, unter Salomo, wirkt derselbe Hiram bei der Erbauung des Tempels mit. Er spielt in dieser Geschichte eine wichtige Rolle, indem er die befreundeten Nationen darstellt, welche frei­willig kommen werden, um sich der Regierung des Messias zu unterwerfen.

Die Geschichte Davids, als Vorbild von Christo, entwickelt sich in diesem Kapitel weiter. Unter den Nationen gibt es solche, welche seine Oberherrschaft durchaus nicht anerkennen wollen und sein Joch abzuschütteln suchen. Die Philister ziehen gegen David herauf; der Aufstand beginnt durch den Feind im Innern, der das Erbteil des Volkes in Besitz hat. Weiter werden wir sehen, wie die Völker, welche an den Grenzen Israels wohnten, Moab und die Kinder Ammon, dann Syrien und Assyrien, sich der Reihe nach erhoben.

 Die Be­siegung der Nationen findet, gleich der Unterwerfung der Stämme, nach und nach statt. Philistäa wird unterjocht, und der Herr sagt von ihm durch den Mund Davids: „Über Phili­stäa will ich jauchzen" (Ps.108, 9); denn wir dürfen nicht vergessen ‑ die Prophezeiung ist in dieser Hinsicht sehr be­stimmt ‑, dass die alten Feinde Israels, die jetzt zum Teil ver­schwunden sind, zur Zeit des Endes wieder hervortreten werden, sei es um ihr endgültiges Gericht zu empfangen, oder um mit dem Volke Gottes an den Segnungen des tausend­jährigen Reiches teil zu haben. Die Philister werden unter­jocht und ihre Götzen vernichtet.

Zugleich mit der Geschichte Davids als Vorbild des Mes­sias entwickelt sich auch die Geschichte Davids als des ver­antwortlichen Königs weiter. Sie zeigt uns manche Schwäche, die eine Zucht nötig machte, wodurch David zum Selbstgericht gebracht wurde, damit er, nach seiner Wiederherstellung, die Gemeinschaft mit Gott wiederfinde. Es ist für uns von außer­ordentlichem Nutzen, in dieser Geschichte uns selbst kennen zu lernen, sowie die Forderungen der Heiligkeit Gottes und Seine Wege mit uns zu verstehen.

Das Ende dieses Kapitels gibt uns eine besondere Unter­weisung. Als Hiram kam, um sich dem König zu unterwerfen, ereignete sich etwas Rührendes und Charakteristisches. Ein besonderer Zug des Charakters Davids ist die völlige Ab­wesenheit von Selbstvertrauen; er war demütig und hatte diesen Charakterzug bewahrt, seitdem Gott ihn „von der Trift genommen hatte". (Vergl. Kap. 7, 8.) Obwohl er die Gunst schätzte, die Gott ihm erwies, indem Er ihm einen glorreichen Thron gab, hatte er doch keine hohe Meinung von sich selbst. "David erkannte, dass Jehova ihn zum König über Israel bestätigt, und dass er sein Königreich erhoben hatte um seines Volkes Israel willen (V. 12); nicht um seinetwillen ‑ er verschwand in seinen eigenen Augen ‑, sondern um Seines Volkes Israel willen.

In dem Bewusstsein, dass dieses Königreich, dessen Haupt er war, er­hoben worden, weil Gott an Sein Volk gedacht hatte, stellte er sich nicht über das Volk, um es dadurch zu beherrschen, dass er seine Rechte geltend machte, sondern unter das­selbe, indem er nur dessen Wohl im Auge hatte. Er sah den Platz, welchen Israel im Herzen Gottes besaß, und erkannte an, dass Gott alles im Hinblick auf sein Volk geleitet habe. Unser vollkommenes Muster, der Herr Jesus, hat durch Seine Leiden einen Platz in der Herrlichkeit erworben; aber Er hat ihn eingenommen für uns, für Sein Volk, Seine geliebte Gemeinde. So entspricht der Charakter Davids als Mensch demjenigen Christi, was stets bei uns der Fall sein sollte.

Doch siehe da, was in Hebron geschehen war (Kap. 3, 2 ‑ 5), wiederholt sich in Jerusalem. (V. 13 ‑ 16.) Wir haben weiter oben gesagt, dass die Anzeichen eines unabhängigen Handelns bei David aus der Tatsache hervorgingen, dass er mit einer unumschränkten Macht bekleidet war. Indem er seine Macht für sich selbst anwandte, handelte er im Gegen­satz zu den Gedanken Gottes. (Vergl. 5. Mose 17, 17 ‑ 19.) David konnte , neben den politischen und anderen Grün­den, die er haben mochte, um eine große Zahl Weiber zu nehmen, das Verbot Gottes vergessen; er hätte es aber nicht vergessen sollen. Gott hatte gesagt: "Es soll geschehen, wenn er (der König) auf dem Throne seines Königtums sitzt, so soll er sich eine Abschrift dieses Gesetzes in ein Buch schreiben, aus dem, was vor den Priestern, den Leviten, liegt. Und es soll bei ihm sein, und er soll darin lesen alle Tage seines Lebens." Der größte Teil unserer Handlungen im Ungehorsam kommt daher, dass wir nicht in lebendiger und täglicher Berührung mit Gottes Wort bleiben. Wir folgen unseren eigenen Gedanken, indem wir jene wirk­liche und ausschließliche Leitung vernachlässigen; und das ist Ungehorsam.

Zwei Dinge müssen den Wandel jedes Kindes Gottes kennzeichnen. Der Lebenslauf Davids, wie er uns im 1. Buche Samuel geschildert wird, stellt das erste dieser beiden Dinge zur Schau; es heißt: Abhängigkeit. Der zweite Charak­terzug, dem wir gewöhnlich nicht die Wichtigkeit des ersten beimessen, heißt: Gehorsam. Abhängigkeit und Gehorsam sollten bei dem Kinde Gottes immer miteinander gehen.

Wir haben David gerade ungehorsam gesehen, wir werden ihn gleich abhängig sehen, ohne dass dieser Missklang für den Augenblick sein geistliches Leben beeinflusste. Aber wenn David in der Schule Gottes ist, wird er lernen, in Zukunft diese beiden Charakterzüge nicht mehr voneinander zu trennen. Am Ende unseres Kapitels zwingt Gott ihn, sozu­sagen den einen mit dem anderen zu verbinden, und wenn er später (im folgenden Kapitel) dieser Verpflichtung nicht nachkommt und dem im Worte ausgesprochenen Willen Gottes nicht folgt, sehen wir, dass er der Züchtigung verfällt.

Die Philister ziehen gegen David herauf (V. 17 ‑ 21); der König hört es und zieht in die Burg hinab. Seine Zuflucht war der Ort, wo Gott wohnen wollte. "David befragte Jehova und sprach: Soll ich wider die Philister hinaufziehen? wirst du sie in meine Hand geben?" Er ist nach seiner Ge­wohnheit abhängig von Gott. Wenn es sich darum handelt, gegen den Feind hinaufzuziehen, weiß er nicht, was er tun soll; Gott allein kann es wissen, und er wendet sich an Ihn: "Was soll ich tun?" Sofort antwortet Gott: „Ziehe hinauf, denn ich werde die Philister gewisslich in deine Hand geben." David zieht hinauf; ein Durchbruch wird gemacht in dem Damm, den der Feind ihm entgegenzusetzen sucht, und David und sein Heer breiten sich aus wie ein reißender, überfluten­der Strom, der die Philister und ihre Götzen verschlingt. In 1. Chron. 14, 12 sehen wir, was der König mit diesen Götzen tut: "Sie ließen daselbst ihre Götter; und David gab Befehl, und sie wurden mit Feuer verbrannt." So werden auch am Ende die Götzen der Nationen vernichtet werden. (Jes. 2, 18.)

Doch damit ist nicht alles beendigt; der Angriff des Fein­des erneuert sich unter den früheren Umständen, durch das­selbe Volk, auf dieselbe Weise und an demselben Orte. David hätte sich sagen können: Weil es so ist, will ich handeln wie bei dem ersten Angriff. Aber, weit entfernt davon, vertraut er sich wiederum gänzlich der Leitung Jehovas an; und er tut wohl daran, denn Jehova gibt ihm diesmal eine ganz andere Antwort. „Du sollst nicht hinaufziehen", sagt Er; zugleich schreibt Er ihm eine ganz andere Kampfweise vor: „Wende dich ihnen in den Rücken, dass du an sie kommst, den Baka­bäumen gegenüber. Und sobald du das Geräusch eines Daher­schreitens in den Wipfeln der Bakabäume hörst, alsdann beeile dich; denn alsdann ist Jehova vor dir ausgezogen, um das Heer der Philister zu schlagen." 

Warum das? Die Umstände des Angriffs sind doch genau dieselben wie früher? Es geschieht wohl deshalb, weil Gott in dem Herzen Seines Knechtes jene beiden Dinge miteinander vereinigen will, die dieser mehr oder weniger geneigt war zu trennen. Es handelte sich für David nicht nur darum, von Gott abhängig zu sein, sondern auch darum, Seinem Worte zu gehorchen, mochte er es begreifen oder nicht. Um einen neuen Sieg zu erringen, musste er gehorchen, indem er dem von Gott gegebenen Befehl folgte. „David tat also, wie ihm Jehova geboten hatte; und er schlug die Philister von Geba, bis man nach Geser kommt.‑

So lässt Gott in Seiner Güte David die Segnungen erfahren, welche die Abhängigkeit in Verbindung mit dem Gehorsam stets begleiten. David hätte sich irgend­welches Verdienst bei diesem zweiten Siege zuschreiben und stolz auf ihn werden können; aber Gott will das nicht. Es ist nötig, dass Sein Knecht verstehe, dass er gehorchen muss, und zu diesem Zweck weist Gott ihn an, bestimmte Zeichen zu beachten. Das daherschreitende Heer, dessen Geräusch man in den Wipfeln der Bakabäume hörte, war Jehova Selbst mit Seinem Heere. Sobald David dieses Geräusch hörte, konnte er sich von dem ihm angewiesenen Posten aufmachen, denn auf das Wort Gottes hin fasste er den Feind im Rücken; ihm gegenüber erhoben sich die Bakabäume. Er wusste, dass Jehova sich aufmachte, den Feind von vorn anzugreifen, und da er sich von hinten auf ihn warf, war die Niederlage vollständig. Die Hauptrolle gehörte Jehova; David verblieb in Niedrig­keit. Er hört und tut das, was Jehova ihm befohlen hat; das ist Gehorsam. Er trägt den Sieg davon.

Wie beachtenswert ist das für uns! Unsere Abhängigkeit und unser Gehorsam müssen sich indes nicht nur in großen Dingen, wie hier, offenbaren, sondern auch in den Einzel­heiten des täglichen Lebens. Wenn wir es daran fehlen lassen, setzen wir uns Züchtigungen aus. In David werden wir schon sehr bald ein Beispiel davon sehen.

Die Bundeslade in Zion: Kapitel 6.
Es genügt nicht, dass der Sitz des Königtums Davids ‑oder Christi ‑ in Zion, dem Berge der Gnade, aufgeschlagen ist; Gott Selbst will dort für immer bei Seinem König wohnen. Auch zeigt David sich völlig vertraut mit den Gedanken Gottes, als er die Bundeslade holt, um sie nach Jerusalem zu bringen. Die Herrlichkeit Gottes findet ihre Ruhe nur an der Stätte der Gnade. Die Bundes­lade, der Thron Gottes, vereinigt Sich innig mit dem Throne Davids, mit dem Throne des Sohnes Gottes. Jehova, der bis dahin durch die Untreue Seines Volkes ohne dauernden Wohnort geblieben war, kann jetzt bei dem Volke wohnen, weil Er bei Seinem Gesalbten wohnen kann.

Um die Bundeslade zu holen, versammelt der König alle Auserlesenen in Israel, dreißigtausend Mann. Das mag sonder­bar erscheinen. Wenn es sich um die Streite Jehovas handelt, sieht man nicht die Männer Gottes ihr ganzes Heer ver­sammeln. Viel eher findet das Gegenteil statt. Gideon trägt mit dreihundert Mann, Jonathan sogar mit einem einzigen Mann, wunderbare Siege davon; und neben ihnen glänzen die Namen vieler anderer Anführer. Gott kämpft auf ihrer Seite, und was macht es für Ihn aus, ob mehr oder weniger Krieger zur Hand sind? Es kann Ihm gefallen, Sein ganzes Volk in der Schlacht zu erproben; aber es ist mit Ihm nicht, wie mit den Völkern. Die Zahl spielt bei Seinen Siegen keine Rolle.

Handelt es sich dagegen darum, für Gott, der zwischen den Cherubim thront, Zeugnis zu geben, Ihm eine Stätte der Anbetung zu bereiten, so ist alles, was die Macht Israels dar­stellt, nicht zu viel. Wie wenig wird das unter den Kindern Gottes verstanden! Versammeln sich alle Auserlesenen um Christum, vor dem Throne Gottes, des Vaters, um Ihn zu ehren, indem sie Ihm Anbetung darbringen? Hat die An­betung mehr Wert in den Augen der Christen, als jede noch so gesegnete Tätigkeit, die sie für Ihn entfalten können. Man meint vielfach, das christliche Leben bestehe aus dem Kampf für das Evangelium ‑ ohne Zweifel ein gesegneter Kampf, für den es aber keineswegs nötig ist, "alle Aus­erlesenen" zu versammeln, denn dann würde man ihn bald in ein Werk ausarten sehen, welches auf menschliche Ver­einigung gegründet wäre ‑, wohingegen die Anbetung ver­nachlässigt, verkannt, aufgegeben würde. Ja, der Mittelpunkt des Zusammenkommens aller Kinder Gottes würde verachtet ' und sie selbst würden zerstreut bleiben wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Gott sei Dank! so dachte David nicht. Sein Ziel während seines ganzen Wanderlebens, in all seiner Drangsal, war gewesen, dass er zu dem Augenblick gelangen möchte, mit welchem unser Kapitel beginnt. Den Beweis hierfür finden wir in Psalm 132, auf welchen wir später zurückkommen werden.

Die Beziehungen oder Berührungspunkte zwischen dem 5. und 6. Kapitel beschränken sich indes nicht nur auf das, was wir soeben hervorgehoben haben. David, als verantwort­licher König, war trotz mancher Verfehlungen Gott wohl­gefällig. Jehova verbarg nicht Sein Angesicht vor ihm; Er liebte ihn wegen seiner Treue, wegen der Gnade, die er in seinen Wegen offenbarte, wegen seines demütigen und unter­würfigen Herzens. Er hatte ihn, wie wir gesehen haben, gelehrt, den Gehorsam mit der Abhängigkeit zu verbinden. David hatte dies verstanden, als es sich darum handelte, mit dem Feinde zu streiten. Verstand er es ebenso gut bei den jetzt vorliegenden Ereignissen?

Was hatte David zu tun, als der Augenblick gekommen war, die Stämme um die Bundeslade, ihren göttlichen Mittel­punkt, zu vereinigen? Er musste Jehova befragen! Wenn er sich auch, indem er die Bundeslade zurückholte, in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes befand, so hing doch das „Wie" dieser Handlung nicht von ihm ab; wenn er das verstanden hätte, würde er einer ernsten Züchtigung ent­gangen sein. Hätte er Jehova befragt, so würde er gewusst haben, auf welche Art er die Bundeslade nach Jerusalem bringen musste.

Die Philister (1. Sam. 6, 7) hatten die Bundeslade auf einen „neuen Wagen" gestellt, um sie in das Gebiet Israels zurückzubringen. Sie handelten in Unwissenheit, und anstatt ihnen Seine Missbilligung auszudrücken, hatte Gott der Furcht Rechnung getragen, die sie so handeln ließ. Augenscheinlich erinnerte sich David dieser Tatsache, als er der Handlungs­weise der Nationen folgte, um die Bundeslade an den Ort zu bringen, an welchem sie stehen sollte. „Sie stellten die Lade Gottes auf einen neuen Wagen , und brachten sie aus dem Hause Abinadabs weg, das auf dem Hügel war."

Doch wenn Gott auch auf die Unwissenheit der Philister Rücksicht nehmen konnte, kann Er doch nicht wirklichen Ungehorsam gegen Sein Wort dulden bei denen, die Ihm angehören. Es war den Leviten ausdrücklich befohlen worden, die Lade zu tragen, gleich allen Geräten des Heiligtums. (4. Mose 4, 15.)

Was David tat, sollte zu den Gewissen der Kinder Gottes reden. Ach, wie richtet man so gern einen Gottesdienst ein nach den Systemen und Gedanken des Menschen, die immer den Gedanken Gottes entgegengesetzt sind! Doch in den Augen Gottes ist es von der größten Wichtigkeit, dass die Seinen gehorchen, wenn es sich um den Gottesdienst, den höchsten Ausdruck des christlichen Lebens, handelt, gerade so wie in den geringsten Einzelheiten des täglichen Lebens; und Gott kann den Ungehorsam Seiner Kinder nicht übersehen.

Wie sehr auch David zeigte, dass sein Herz mit Frömmig­keit gegen Gott erfüllt war, ist er dennoch ungehorsam, weil er die Tragweite und die Folgen seiner Handlung nicht kannte. Er hatte keine Entschuldigung, weil er sie hätte kennen sollen. Das ist um so merkwürdiger, da er mit Freude er­füllt war bei dem Gedanken, Seinem Gott endlich den Platz zu geben, der Ihm zukam. "David und das ganze Haus Israel spielten vor Jehova mit allerlei Instrumenten von Zypressenholz, und mit Lauten und mit Harfen und mit Tamburinen und mit Sistren und mit Zimbeln." Nichts schien an dem Aus­druck ihrer Freude zu fehlen, und doch fehlte etwas dabei: die Trompeten waren nicht da, jene silbernen Trompeten, die erschallen sollten, wenn die Bundeslade sich in Bewegung setzte. (4. Mose 10, 1 ‑ 10; vergl. Ps. 150 und den 15. Vers unseres Kapitels.) Das war doch nur eine Kleinigkeit, wird man sagen, gerade so wie der neue Wagen; aber diese Kleinig­keit enthüllte eine Tatsache von größtem Gewicht, nämlich, dass David nicht das Wort Gottes zur Richtschnur für sein Verhalten genommen hatte.

Bei alledem war das ganze Haus Israel voll Freude. Es lag viel Frömmigkeit in dieser erhabenen Feier, aber sie war befleckt durch die eine und andere menschliche Anordnung. Für die Freude der Herzen hatte dies keine große Bedeutung, wohl aber für Den, der gesagt hat: „Gehorchen ist besser als Schlachtopfer." Es kommt ein Augenblick, wo die Einmischung des Menschen in den Gottesdienst den Menschen an irgend einer Stelle zum Hinken bringt. „Die Rinder reißen sich los, und die Menschen denken natürlich, dass sie ihnen zu Hilfe kommen, das wankende System mit ihrem Arm stützen müssen. Sie vergessen, dass es eine vermessene Torheit ist, Gott zu Hilfe kommen zu wollen. So war es mit Ussa, dem Sohne Abinadabs, dem ersten und hauptsächlichsten Leiter dieser Überführung der Lade. Er fühlte das ganz natürliche Bedürfnis, das, was er gemacht hatte, zu unterstützen, und gab sich nicht Rechenschaft darüber, dass er seine Hand gleich­sam auf Gott Selbst legte. „Als sie zur Tenne Nakons kamen, da langte Ussa nach der Lade Gottes und fasste sie an, denn die Rinder hatten sich losgerissen. Da entbrannte der Zorn Jehovas wider Ussa, und Gott schlug ihn daselbst wegen des Vergehens; und er starb daselbst bei der Lade Gottes." Sein Gericht trat sofort ein; denn wenn es sich um Kinder Gottes handelt, welche der Herr in eine Stellung des Zeugnisses gebracht hat, so erlaubt Er ihnen nicht, ein menschliches Element in den Gottesdienst einzuführen, ohne sie Sein Gericht fühlen zu lassen.

Was hier David begegnete, geschah auch den Korinthern, welche fleischlichen Dingen den Zutritt zum Tische des Herrn gestattet hatten. Gott konnte das nicht dulden. "Deshalb sagt der Apostel, "sind viele unter euch schwach und krank Und ein gut Teil entschlafen." (1. Kor. 11, 30.) Gott war ein verzehrendes Feuer für sie wie für Ussa, das sollten wir nie vergessen. David wurde gezwungen, es zu verstehen. Er, vor dem Jehova einen Bruch gemacht hatte unter den Philistern zu Baal‑Perazim, war heute der, gegen den das Gericht Gottes einen Bruch an Ussa machte. „Er nannte selbigen Ort Perez‑Ussa (Bruch Ussas)."

Das erste Gefühl des Königs ist Erregung. "David entbrannte darüber, dass Jehova einen Bruch an Ussa gemacht hatte." Das ist zu verstehen, aber nicht zu entschuldigen. Siehe da einen Menschen, der von dem Wunsche erfüllt ist, Jehova zu dienen, Ihm die schuldige Ehre zu erweisen; er ist voll Freude, voll Lob und Dank; er hat alles angeordnet um den Dienst seines Gottes wiederherzustellen; da fehlt er in einerr Einzelheit, und der Zorn Gottes entbrennt wider ihn! Und David hatte ein gottesfürchtigeres Herz als wir. Wie tief mussten deshalb seine Gefühle verwundet sein! ‑ Wie? hätte er ausrufen können, Gott richtet mich in solcher Weise, wäh­rend Er doch meine Absicht, Ihn zu verherrlichen, kennt?

In Vers 9 erwacht ein anderes Gefühl in seinem Herzen, das jedoch eben sowenig zu entschuldigen ist wie das erste. „David fürchtete sich vor Jehova an selbigem Tage. ­Er lenkt die Bundeslade von ihrem Weg ab: „Wie soll die Lade Jehovas zu mir kommen? Und David wollte die Lade Jehovas nicht zu sich einkehren lassen in die Stadt Davids; und David ließ sie beiseite bringen in das Haus Obed‑Edoms, des Gathiters. „Wegen der Züchtigung betrachtet David Jehova als einen mitleidslosen Richter und entbrennt gegen Ihn.

 Er vergisst in diesem Augenblick, dass Er ein gnädiger Gott war, der ihn erwählt, geleitet, behütet, zum Siege geführt und endlich zum Träger des Königtums auf dem Berge Zion gemacht hatte. Er kann nicht verstehen, dass die Gnade ihn richten kann, und dass Gott, je näher man bei Ihm ist, um so weniger in den Seinigen etwas dulden kann, was Ihn verunehrt. Aber Gott zeigt ihm bald, dass andere Nutzen von dem haben, dessen er sich zu seinem großen Schaden beraubt hat. Die Anwesenheit der Bundeslade wird eine Quelle überströmenden Segens für das Haus Obed-Edoms, des Gathiters: „Jehova segnete Obed‑Edom und sein ganzes Haus"

Endlich hat David seine Aufgabe gelernt! Das Geschehene wird ihm berichtet; und nun sieht man, dass die Tatsachen für sein Gewissen Frucht getragen haben. In 1. Chron. 15, 12 und 13 wird uns in Verbindung mit dem gleichen Ereignis berichtet, dass David die Priester und die Leviten berief und zu ihnen sagte: Heiliget euch, ihr und eure Brüder, und bringet die Lade Jehovas, des Gottes Israels, hinauf an den Ort, welchen ich für sie bereitet habe. Denn weil ihr das vorige Mal e s nicht tatet, so machte Jehova, unser Gott, einen Bruch unter uns, weil wir ihn nicht suchten na c h der Vorschrift." David versteht jetzt, dass dieser Bruch wegen seines Ungehorsams gemacht worden ist, und dass Heiligkeit nur auf dem Wege des Gehorsams gefunden werden kann.

Als die Lade auf den neuen Wagen gestellt wurde, hatten die Priester und die Leviten nicht nötig gehabt, sich zu heiligen, aber als sie selbst sie zu tragen hatten, mussten sie dies wohl tun; sie konnten nicht, ohne sich zu richten, mit den Gegenständen des Heiligtums in Berührung kommen.

Die Priester nehmen also den Platz ein, den Jehova ihnen angewiesen hat, und zudem ordnet David, was den Gottes­dienst betrifft, alles genau so an, wie es den Gedanken Gottes entsprach. "Es geschah, wenn die Träger der Lade Jehovas sechs Schritte gegangen waren, so opferte er ein Rind und ein Mastvieh." So machte David das Opfer zum eigentlichen Mittelpunkt des Gottesdienstes. Beim ersten Male hatte man merkwürdigerweise die Opfer vergessen! Der Wagen ‑ man beachte die Wichtigkeit einer vergessenen Einzelheit ‑brauchte gar nicht anzuhalten, während die Priester und die Leviten, welche die Lade trugen, immer wieder Pausen machen mussten, während welcher die Opfer dargebracht wurden.

Und dann die Trompeten, und das Jauchzen, und der mit aller Kraft vor Jehova tanzende David! Der König war mit einem leinenen Ephod umgürtet, dem unterscheidenden Klei­dungsstück der Priester. Hier ist er wieder ein Vorbild von Christo in Seiner zukünftigen Herrlichkeit geworden. Wir finden ein wenig von Melchisedek in der Person Davids, so wie er uns hier dargestellt wird. Das Königtum erscheint ver­einigt mit dem Priestertum. Die Anbetung steigt von dem Volke zu Gott empor durch den Mund Davids, und die Segnung kommt durch seine Vermittlung von Gott herab auf das Volk. (V. 17 u. 18.)

„David tanzte mit aller Kraft vor Jehova.‑ Er machte sich lächerlich; das war wenigstens das Gefühl Michals, der Tochter Sauls, als sie ihren Mann seine Würde vergessen sah, um Jehova allein zu erhöhen. Es geschieht oft, dass die Welt die Anbetung, welche Gott von Seinen Kindern dargebracht wird, lächerlich findet; und je mehr sie Gottes Gedanken entspricht, desto mehr werden die, welche sie darbringen, verachtet werden. Woher kommt das? Daher, dass der Anbeter keinen Wert auf sich selbst legt. "Wir," sagt der Apostel, "die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen." (Phil. 3, 3.) David, in sich selbst, war nichts; er war gering: „Ich will noch geringer werden denn also, und will niedrig sein in meinen Augen." Das kann der Welt nicht gefallen; doch, Gott sei Dank! es gibt einfältige Seelen, welche diese Erniedrigung verstehen und sie, wenn es sich um Jehova handelt, als eine Ehre be­trachten: „aber bei den Mägden, von denen du sprichst, bei ihnen werde ich geehrt sein".

David tanzte vor Jehova, und er tat es für Ihn, indem er sich selbst vergaß, damit Gott verherrlicht würde. Die könig­liche Würde war abgelegt; er war nur ein einfacher Anbeter, erfüllt von Freude in der Gegenwart Jehovas der Heer­scharen, der zwischen den Cherubim thront, und der Seine Wohnung endgültig in der Mitte Seines Volkes aufschlagen wollte.

„Sie brachten die Lade Jehovas hinein und stellten sie an ihren Ort innerhalb des Zeltes, das David für sie aufge­schlagen hatte." Das ganze Volk wird gesegnet und gesättigt; Michal wird ihrer stolzen Zurückgezogenheit überlassen und zu ihrer Schande mit Unfruchtbarkeit bis zu ihrem Tode bestraft. Sie ist von da ab für David eine Unbekannte. Der Charakter dieser Tochter Sauls war dem ihres Vaters ent­sprechend. Bei Saul war Hass, bei Michal Verachtung des Gesalbten Jehovas. Zwischen ihr und dem König kann es keine Verbindung mehr geben. Er überlässt die Tochter des gefallenen Geschlechts dem Gericht, während er, der Erwählte Jehovas, als Fürst über sein Volk, über Israel, eingesetzt wird.

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Aberglaube und Unglaube

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 130ff

„Die Extreme berühren sich", ist eine allgemein bekannte Redensart, deren Wahrheit auch in den beiden Dingen, welche die Überschrift dieser kurzen Abhandlung bilden, eine lebendige Darstellung findet. Aberglaube und Unglaube, zwei so ganz verschiedene Richtungen, berühren sich doch in eine m Punkte, nämlich in dem bestimmten Widerspruch gegen das einfache und deutliche Wort Gottes. Sie rauben beide in gleicher Weise der Seele die Autorität, Kostbarkeit und Kraft der göttlichen Offenbarung. Allerdings tun sie es auf verschiedene Weise, aber sie tun es; sie erreichen ihr Ziel auf verschiedenem Wege, aber sie erreichen es. Deswegen haben wir sie hier nebeneinander gestellt und möchten gegen beide unsere warnende Stimme erheben. Die Formen, in welchen beide Elemente wirken, sind zuweilen grob und derb, oft aber auch fein und glatt, und dann um so gefährlicher; und der menschliche Geist wird vielfach wie ein Spielball von dem einen zum anderen hinübergeworfen.

Es ist hier nun keineswegs unsere Absicht, diese beiden bösen Einflüsse ihrer Natur und ihrem Wesen nach eingehend zu behandeln; wir möchten nur die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Tatsache lenken, dass sie, wo immer sie ihre Tätigkeit entfalten mögen, in unmittelbarer Feindschaft gegen die Wahrheit Gottes erfunden werden. Der Aberglaube gibt zu, dass eine göttliche Offenbarung vorhanden sei, aber er leugnet, dass irgend Jemand dieselbe verstehen könne, es sei denn durch die Vermittlung der so genannten Geistlichkeit, oder der Kirche. Mit anderen Worten: Das Wort Gott ist ohne des Menschen Hülse unzureichend. Gott hat gesprochen, aber man kann Sein Wort nicht verstehen ohne menschlichen Beistand.

Der Unglaube andererseits leugnet das Vorhandensein einer göttlichen Offenbarung und behauptet, Gott könne uns überhaupt keine geschriebene Offenbarung Seiner Gedanken und Seines Willens geben. Menschen können ihre Gedanken und ihren Willen mitteilen, aber Gott vermag es nicht!

So haben denn Aberglaube und Unglaube einen breiten Berührungspunkt. Mit Recht können wir fragen: Worin liegt der Unterschied zwischen der Leugnung, dass Gott überhaupt gesprochen habe,— und der Behauptung, dass Er uns das, was Er gesagt, nicht verständlich machen könne? Es ist kein größerer Unterschied vorhanden, als zwischen der Leugnung, dass die Sonne scheine, und der Behauptung. sie scheine wohl, aber um sich an ihren Strahlen erfreuen zu können, habe man ein Talglicht nötig. Der Unglaube, welcher frech leugnet, dass Gott dem Menschen Seine Gedanken mitzuteilen vermöge, ist kaum schlechter als der Aberglaube, der in Abrede stellt, dass Er den Menschen das, was Er sagt, verständlich machen könne. Beide verunehren Gott in gleicher Weise, und durch beide wird der Mensch des kostbaren Schatzes beraubt, welchen Gott ihm in dem von Ihm eingegebenen Buche geschenkt hat. Unglaube und Aberglaube sind die beiden großen Werkzeuge, durch welche Satan uns den Boden unter den Füßen wegziehen möchte. Beide lehren und arbeiten der göttlichen Offenbarung schnurstracks entgegen.

Der Leser wolle weiter beachten, dass Unglaube und Aberglaube gleich böse und sinnlos sind. Es ist gerade so böse und sinnlos, zu behaupten, dass Gott nicht imstande sei, ein Buch zu schreiben, als zu sagen, dass Gott ein Buch, welches Er geschrieben habe, uns nicht verständlich machen könne. In jedem Falle wird Gott unter das Geschöpf erniedrigt, was einfach Lästerung ist. Ist es nicht seltsam, dass ein Mensch, welcher vielleicht Tag für Tag seinen Mitmenschen geschriebene Mitteilungen seiner Gedanken macht, zu leugnen wagt, dass Gott dasselbe tun könne? Und ist es nicht gerade so seltsam, dass ein Mensch es unternimmt, seinen Mitmenschen die Heiligen Schriften auszulegen, ·und doch zu gleicher Zeit erklärt, Gott sei nicht dazu imstande? Unglaube und Aberglaube erhöhen also in gleicher Weise das Geschöpf, und erniedrigen, ja, lästern Gott; beide schließen in gleicher Weise Gott aus und berauben die Seele des Vorrechts einer unmittelbaren Verbindung und Gemeinschaft mit Gott durch Sein Wort.

So war es von Anfang an, und so ist es heute noch. Es gibt gar nichts Neues unter der Sonne. Es war immer das große Ziel des Feindes, neben der Stärkung und Ausbreitung des Aberglaubens, das Licht der Inspiration auszulöschen und die Seele in die tiefe Dunkelheit des Unglaubens und der Gottesleugnung zu versenken. Und heute wendet Satan seine ganze Macht und List auf. Immer zahlreicher werden seine Hilfstruppen, immer heftiger seine Angriffe. Immer mehr sucht man die göttliche Offenbarung von ihrem erhabenen Platze herabzustoßen und die menschliche Vernunft in demselben Maße zu erhöhen. Man spricht einerseits von „Denkfreiheit, weitherziger Gesinnung, Fortschritt, gebildetem Geschmack, unbefangener Forschung, höherer Kritik"; und andererseits von „hergebrachten Vorurteilen, veralteten Schulbegriffen, Engherzigkeit, Einseitigkeit'' und dergleichen mehr.

Das ist sehr ernst, umso ernster, weil man diese Feindschaft gegen Gottes Wort nicht nur bei offenbaren, erklärten Ungläubigen findet. Das wäre ja zu verstehen und gewissermaßen sogar zu rechtfertigen, denn was kann man anderes von solchen erwarten? Aber leider, leider findet man sie selbst bei Männern, die in evangelischen, kirchlichen Kreisen eine hohe Stellung einnehmen, bei so genannten Hirten und Seelsorgern, ja, bei solchen, die Andere für den Hirtendienst in der Kirche vorbereiten sollen. 

Das ist geradezu erschreckend, ungeheuerlich. Und obwohl diese traurige Sachlage ganz offenkundig ist, sind die Männer, die ihre Stimme dagegen erheben sollten, wie „stumme Hunde, die nicht bellen''. Sie wagen kaum zu reden. Nur hie und da wird eine einzelne Stimme laut. Ist es da zu verwundern, wenn das Wort Gottes unter den bekennenden Christen eine immer schwächere Würdigung erfährt? ja, dass man mit dem teuren Bibelbuch umgeht, wie wenn es ein menschliches Machwerk wäre, über dessen Wert oder Unwert Menschen abzuurteilen haben? Teurer Leser, was sagst du zu der Tatsache, dass das göttliche Buch, das inspirierte Wort Gottes, zu einem Werke menschlichen Wissens und Könnens erniedrigt und neben die Erzeugnisse eines Homer, Horaz oder Vergil gestellt wird? Befällt dich nicht ein inneres Grauen, wenn du einen derartigen Gedanken aussprechen hörst? 

O könnten wir einen lauten Weckruf an alle teuren Kinder Gottes ergehen lassen, mit Posaunenton in ihre Herzen hineinrufen! Ja, möchten alle aufwachen zu einem tiefen Gefühl über den wahren Zustand der Dinge, damit ein unaufhörliches, inbrünstiges Schreien zu dem großen Haupte der Kirche emporstiege, dass Er in Seiner Gnade Männer erwecke und aussende, voll Heiligen Geistes und Kraft, voll Glaubens und brennenden Eifers; Männer, durchdrungen von dem unerschütterlichen Glauben an die völlige Inspiration der Heiligen Schrift, beseelt von tiefem Gottvertrauen und wahrem Zeugenmut! Das sind die Männer, welche wir in unseren Tagen bedürfen, — Helden des wahren David, wackere Vorkämpfer, die bereit sind, alles daran zu setzen, um das Herz ihres Herrn zu erquicken und den Gegnern Seines Volkes mit dem Schwerte des Geistes entgegen zu treten. Gott gebe sie uns, und schenke uns allen einfältige, treue Herzen, um festzustehen in dem Kampf und den Feinden keinen Zollbreit Boden zu überlassen! „Denn nicht wie unser Fels ist ihr Fels, dessen sind unsere Feinde selbst Richter'' (5. Mose 32, 31).

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Glückselig die Trauernden

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 134ff

In der so genannten Bergpredigt spricht der Herr als der Messias, der König Israels, und zwar als der bereits verworfene König. Obgleich Seine Verwerfung geschichtlich sich noch nicht vollzogen hatte, liegt doch dem Ganzen diese Voraussetzung zugrunde. Der Herr redet nicht von dem Wege des Heils, von der Art und Weise, wie ein Mensch errettet und Gott nahe gebracht wird, sondern von dem Charakter und Verhalten derer, welche Christo, dem wahren, aber verworfenen König, bereits angehören und sich in dem Reiche der Himmel befinden. Dieser Charakter, dieses Verhalten, muss sich bilden dem Seinigen gemäß. Die Seligpreisungen beschreiben deshalb zunächst Ihn selbst, wie Er hienieden war, und dann in zweiter Linie, was wir, Seine Jünger, während unseres Wandels aus dieser Erde sein sollten. Denn diese Grundsätze des Reiches bleiben bestehen, wenn auch nach dem Tode und der Auferstehung des Herrn ganz neue, mit dem Himmel verbundene Gedanken und Ratschlüsse offenbart worden sind.

Betrachten wir heute kurz die beiden ersten Seligpreisungen. Sie bilden sozusagen die Grundlage der übrigen. „Glückselig die Armen im Geiste . . . glückselig die Trauernden!" Wie sind diese Eigenschaften den Gedanken und Neigungen des Menschen so ganz entgegengesetzt! Der Mensch liebt einen Mann "von Geist'', von bewusster Kraft, der sein Recht zu vertreten weiß und sich nicht „unterkriegen" lässt; der, wenn es nicht anders geht, mit Gott selbst seine Sache ausfechten würde. Ein "Armer im Geist'' ist genau das Gegenteil. Er ist jemand, der innerlich zerbrochen ist, alles Vertrauen auf eigene Kraft und Weisheit verloren hat, der da weiß, dass sein Platz im Staube ist. Jede Seele, die Gott wirklich nahe gebracht ist und Ihn kennt, muss sich mehr oder weniger in dieser Verfassung befinden.

 Es mag sein, dass sie den ihr gebührenden Platz eine Zeitlang vergisst und, von Christo abblickend, die alte Gesinnung, den früheren Geist, wieder offenbart, und das ist dann sehr ernst; aber Armut im Geiste ist es, was den Nachfolger Jesu stets kennzeichnen sollte. Wer war je so arm im Geiste wie Er?

Doch wie steht es in dieser Beziehung mit dir, geliebter Leser? Wünschest du arm im Geiste zu sein? Die heutige Geistesrichtung ist mehr als je dem entgegen, und wir leben in dieser Welt und sind den Einflüssen von außen stets ausgesetzt. Solche unter uns, die in geschäftlichen Beziehung, oder durch ihre Stellung als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gezwungen sind, viel mit den Kindern dieser Welt zu verkehren und mit ihren Grundsätzen in Berührung zu kommen, befinden sich in besonderer Gefahr, zu vergessen, wem sie angehören und wessen Charakter sie darzustellen berufen sind. Wie leicht stimmt man mit ein in den allgemein herrschenden Ton, oder nimmt doch wenigstens im Herzen die Grundsätze an, von welchen der eigenwillige, selbstsüchtige Mensch sich leiten lässt! Ja, man kann soweit kommen, dass man gemeinschaftliche Sache mit den Ungläubigen macht und Hand in Hand mit den Werkzeugen des Feindes seine vermeintlichen Rechte zu erkämpfen sucht.

 Man hat dann allerdings ganz und gar vergessen, wo und wer man ist; und anstatt ein Zeugnis für den Herrn zu sein, dessen Namen man doch bekennt, ist man eine Unehre für Ihn, ein Hindernis für Sein Werk und ein Anstoß für viele. Und anstatt mit glücklichem Herzen, in Abhängigkeit vom Herrn, still seinen Weg zu gehen, ist man voll innerer Unruhe, hat die Gemeinschaft mit Ihm verloren und muss erfahren, was einst der fromme König Josaphat erfuhr, als er mit dem gottlosen König Ahab gemeinsame Sache machte. "Hilfst du dem Gesetzlosen", fragt ihn der Seher, "und liebst du die Jehova hassen? Um dessentwillen ist Zorn über dir von Seiten Jehovas". (2.Chron. 19, 2.)

„Glückselig die Trauernden!'' Meint der Herr damit solche, die über den Verlust eines geliebten Familiengliedes, über Krankheiten, Schwierigkeiten und dergleichen zu trauern haben? O nein! Deshalb ist ein Mensch nicht glückselig zu preisen, weil er erfahren muss, dass er sich im Tal der Tränen und des Todesschattens befindet. Nein, die Trauer, an welche der Herr denkt, ist der heilige Schmerz der gottesfürchtigen Seele angesichts alles dessen, was sie umgibt. Sie befindet sich in einer gottfeindlichen Welt, auf einem Schauplatz der Ungerechtigkeit und Gewalttat, wo der Geist des Antichristen immer unverhüllter sich offenbart und der Weg des Jüngers Jesu sich immer schwieriger gestaltet. Was tut sie demgegenüber? Sie trauert; sie gibt ihrem Schmerz vor Gott Ausdruck, sie seufzt zu Ihm, und Er, der jeden Seufzer der Seinigen hört, fühlt mit ihr und antwortet ihr.

Wie unaufhörlich hat unser hochgelobter Herr hienieden getrauert! Welch ein tiefer Schmerz muss Seine" heilige Seele Tag und Nacht erfüllt haben beim Anschauen alles dessen, was Ihn umgab! Wie war doch alles so ganz den Gedanken des heiligen, gerechten Gottes und den Gefühlen des gehorsamen, von Gott abhängigen Menschensohnes entgegen! Wie wurden diese reinen, zarten Gefühle auf Schritt und Tritt durch den Eigenwillen und Hochmut des Menschen, durch Sünde und Gewalttat aufs Tiefste verwundet! Welch ein unaufhörliches Seufzen ist aus dem Herzen dieses Sanftmütigen und von Herzen Demütigen zu Gott emporgestiegen! Ja, müssen wir wieder fragen, wer hat je getrauert wie Er?

Gleichst du Ihm, teurer Leser? Lass uns nicht vergessen, dass bei uns noch die Trauer darüber hinzutritt, dass wir so wenig fähig sind, so wenig verstehen, Gott inmitten einer solchen Umgebung zu verherrlichen. Jesus war vollkommen in Seiner Absonderung von all dem Bösen, das Ihn umgab; Er hat Gott in jeder Beziehung verherrlicht. Und du? Warst du allezeit ein Trauernder? Kennst du etwas von jenem tiefen, heiligen Schmerz, der einst deinen Herrn und Heiland erfüllte, als Er still und einsam diese Welt durchschritt und statt Anerkennung Verachtung, statt Gerechtigkeit Vergewaltigung, statt Ausnahme Verwerfung fand? Hast du dich rein erhalten von jeder Befleckung und Verbindung mit dem bösen, aufrührerischen Geiste unserer Tage?

Mancher Gläubige wird heute auf eine ernste Probe gestellt. Verbindungen und Vereinigungen aller Art werden geschlossen, oft unter christlichem Schein und Namen, um seine Rechte zu behaupten, Erfolge zu erringen, sich vor Ausbeutung oder Übervorteilung sicher zu stellen usw. Man wird aufgefordert, ja vielfach gedrängt, sich denselben anzuschließen. Große Vorteile werden in Aussicht gestellt, wenn man dem Drängen nachgibt und mit dem breiten Strome schwimmt, während man angefeindet, bedroht und "ein Verräter an der guten Sache" genannt wird, wenn man es nicht tut. Da gibt es dann wirklich oft Glaubensproben und schwierige Entscheidungen. Aber glückselig ein jeder, der auch in solchen Tagen unbeirrt aus der Seite seines Herrn steht und sich nicht berauschen lässt durch den süßen Mischtrank, welchen die Werkzeuge des Feindes ihm einschenken wollen! Glückselig ein jeder, dessen Blick ungetrübt bleibt und der fortfährt, mit Gottes Auge das Tun und Treiben um sich her zu beurteilen und die Geister zu unterscheiden!

Angesichts all der Erscheinungen unserer Tage aus religiösem wie sozialem Gebiet wird man unwillkürlich an das Wort des Herrn erinnert: "Zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Leset zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen''. (Matth. 13, 30.) Das sind ernste Worte, und der Herr schenke allen den Seinigen Gnade, nicht in irgend einer Verbindung mit diesen Bündeln erfunden zu werden, sondern fernab zu stehen, arm im Geiste, trauernd und flehend, und das um so mehr, je näher der Tag Seiner Erscheinung kommt! Dann werden die Trauernden getröstet werden, und der Herr selbst wird alles in Ordnung bringen.

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Gehorchen ist besser als Schlachtopfer

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 139ff

In uns allen wohnt die Neigung, unseren Gefühlen zu folgen, das zu beachten und zu schätzen, was geeignet ist, Eindruck zu machen, Wir schließen uns gern da an, wo Menschen und Verhältnisse uns ansprechen, fühlen uns dahin gezogen, wo wir Trost, Anregung oder Ermunterung gefunden haben. Mancher sagt auch: Ich habe Freiheit, hierhin und dorthin zu gehen, heute mit dieser, morgen mit jener religiösen Partei Gemeinschaft zu machen. Aber ist das Gehorsam? Hat Gott Seinen Kindern eine solche Freiheit gegeben? Wäre es nicht richtiger, ein derartiges Handeln Ungebundenheit zu nennen? Die Freiheit des Christen besteht ja gerade darin, dass er fähig gemacht ist, nicht mehr seinem eigenen Willen, sondern den Geboten seines Herrn zu folgen. Aber ach! wie wenig sind manche Gläubige bereit, den Rechten des Herrn in jeder Beziehung, auch als "Sohn über Sein Haus'', Rechnung. zu tragen!

Viele sagen: Ich habe meinen Platz in dieser oder jener Gemeinschaft eingenommen, weil ich finde, dass mein Herz dort etwas empfängt, weil ich Genuss da habe. Aber Genuss, so schätzenswert er ist, kann nie ein sicherer Führer sein. Wieder andere lassen sich durch die Erfolge auf dem Gebiete der Evangelisation in ihren Entschlüssen bestimmen; wo man am eifrigsten in der Verkündigung des Evangeliums zu sein scheint, oder wo der Herr die Arbeit eines Evangelisten in besonderer Weise gesegnet hat, da fühlt man sich hingezogen, da möchte man sein. 

Aber zahlreiche Bekehrungen oder selbst tiefgehende Erweckungen sind kein Beweis dafür, dass Gott das religiöse System, in dessen Mitte sie vor sich gehen, anerkenne: —Gott segnet Sein Wort und belohnt die Treue derer, welche mit Eifer und Aufrichtigkeit dasselbe verkündigen, aber Er wird früher oder später zeigen, dass das System Seinen Beifall und Seine Anerkennung nicht findet, wenngleich Er in ihm wirken und segnen mag.

Welch reiche Segensströme wurden z. B. in den ersten Tagen der Kirche über die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem ausgegossen! „Du siehst, Bruder, wie viele Tausende der Juden es gibt, welche glauben, und alle sind Eiferer für das Gesetz." (Apg. 21, 20.) Hieraus hätte man den Schluss ziehen können, dass Gott diese Vermengung von Judentum und Christentum gutgeheißen habe. Aber wie lagen die Dinge? Gott segnete Sein Wort und Seine Arbeiter; das System als solches wurde indes schon bald nachher gerichtet, als die Römer kamen und Stadt und Tempel zerstörten. Gott kann, wie gesagt, in einem religiösen System wirken, Er kann es in Geduld tragen, aber Er kann sich niemals mit den Grundsätzen desselben eins machen.

Es ist ohne Zweifel lieblich und stimmt das Herz zu Lob und Dank, wenn Seelen errettet werden, ja, es ist eine große Ehre, wenn Gott jemanden für ein solches Werk benutzt; aber lasst uns nicht vergessen, dass Gottes Zweck bei der Herausführung Seiner Kinder aus dem Bösen um sie her nicht zunächst das Werk der Evangelisation ist, so wichtig, ja, unerlässlich dasselbe sein mag, sondern vielmehr die Anbetung Seines Namens und die Verherrlichung .Seines geliebten Sohnes inmitten der Versammlung.

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel 7

Botschafter des Heils 1905 S. 141ff

Gemeinschaft: Kapitel 7.
Die beiden vorigen Kapitel haben uns die wichtigen Ver­änderungen gezeigt, welche durch die Errichtung des König­tums Davids in Zion in den Wegen Gottes mit Israel herbei­geführt wurden. Der König bringt die Bundeslade dorthin und verbindet so den Thron Gottes mit seiner Regierung. Dies ist aber, wie wir gesehen haben, noch nicht ein Zustand der Dinge, der von Dauer sein konnte, wie er später unter der Regierung Salomos bestand.

Aus diesem Grunde finden wir hier noch keine geregelte Ordnung des Gottesdienstes. Wohl brachte David die Bundes­lade nach Jerusalem, aber die übrigen Gegenstände aus der Stiftshütte blieben zurück. Er schlug für die Bundeslade ein Zelt auf, aber es war nicht das Zelt der Wüste, wie wir lesen: „Sie stellten die Lade Jehovas an ihren Ort innerhalb des Zeltes, das David für sie aufgeschlagen hatte." (Kap. 6, 17.) Die Stiftshütte selbst mit dem Altar war anderswo.

Im Beginn des 1. Buches Samuel befanden sich die Stifts­hütte und die Bundeslade in Silo. Dann aber wurde die Bundeslade durch die Philister weggeführt, und als sie nach­her in Gnade wiederkehrte, fand sie ihre Stätte nicht wieder in Silo, an dem Orte, wo man Gott durch das Opfer nahen konnte, sondern zunächst in Kirjath‑Jearim, im Hause Abinadabs, dann bei Obed‑Edom.

In dem 2. Buche Samuel verschwindet Silo, aber die Stifts­hütte wird nicht nach Jerusalem gebracht. Wir finden sie später in Gibeon wieder, ohne dass uns gesagt würde, wie sie dahin gekommen sei. Eins ist sicher, nämlich, dass zur Zeit, als David die Bundeslade auf den Berg Zion brachte, die Stiftshütte und der Brandopferaltar in Gibeon waren: „Und David ließ daselbst, vor der Lade des Bundes Jehovas, Asaph und seine Brüder, um beständig vor der Lade zu dienen, nach der täglichen Gebühr ... Zadok, den Priester, aber und seine Brüder, die Priester, ließ er vor der W o h n u n g Jehovas, auf der Höhe, die zu G i b e o n ist, um Jehova beständig Brandopfer zu opfern auf dem Brandopferaltar." (1. Chron. 16, 37 ‑ 41.)

 Später, nach der Pest in Jerusalem, als David auf den Befehl Jehovas einen Altar auf dem Berge Morija baute und dort opferte, wird gesagt: "Die Wohnung Jehovas, die Mose in der Wüste gemacht hatte, und der Brandopferaltar waren zu jener Zeit auf der Höhe zu Gibeon. Aber David vermochte nicht vor denselben hinzugehen, um Gott zu suchen; denn er war erschrocken vor dem Schwerte des Engels Jehovas." (i. Chron. 21, 29. 30.)

Auch Salomo opferte im Anfang seiner Regierung noch zu Gibeon: "Und der König ging nach Gibeon, um daselbst zu opfern, denn das war die große Höhe; tausend Brandopfer opferte Salomo auf selbigem Altar." (!. Kön. 3, 4.)

Alles das zeigt uns, dass während der Regierung Davids ein Zustand von Unordnung oder großer Schwachheit bezüg­lich der Anbetung Jehovas vorherrschte. Silo war seit dem Verfall des Priestertums tatsächlich verlassen (Ps. 78, 60. 61); das Haus Jehovas war noch nicht in Jerusalem gebaut, und der Gottesdienst war sozusagen zerteilt zwischen der Bundes­lade in Zion und dem Altar zu Gibeon. Die übrigen Geräte waren in dem Zelte der Zusammenkunft geblieben; sie werden in 1. Kön. 8, 4 erwähnt. Da Gibeon eine Stadt der Söhne Aarons war (Jos. 21, 17), kann man annehmen, dass die Dinge des Heiligtums sich dort, wie in Nob (1. Sam. 21, 6), unter der Obhut der Priester befanden.

Doch wie dem auch sei, der Dienst Jehovas unter der Regierung Davids war sehr weit von dem entfernt, was er hätte sein sollen. Aber eine Tatsache genügte David, sie war der Gegenstand all seiner Wünsche in der Zeit seiner Drangsale gewesen (Ps. 132, 1‑8): er hatte eine Stätte der Ruhe gefunden für den Thron Jehovas der Heerscharen, für die Lade Seiner Stärke. Da wo David als König eingesetzt war, hatte er jetzt den Gott Israels bei sich, denn „der Name" (Kap. 6, 2) stellt die Person dar. Seine Zuflucht, eine vor allem anderen kostbare Zuflucht, inmitten der Zerstreuung der heiligen Geräte, in einer Übergangszeit, auf welche die Herr­lichkeit folgen sollte ‑ war die Gegenwart Gottes Selbst bei ihm und seinem Volke Israel.

Das ist es auch, was in der gegenwärtigen Zeit das Glück der Gläubigen ausmacht. Die Kirche befindet sich in einem Zustand des Verfalls und großer Unordnung; aber eine Gewissheit genügt uns: die persönliche Gegenwart des Herrn in unserer Mitte. Wenn wir ein solches Vorrecht haben, wie sollten wir uns dann durch den uns umgebenden Zustand der Dinge entmutigen lassen? Haben wir nicht mit Ihm, und zwar in weit besserer und höherer Weise als David, den Gottesdienst? Die Gegenwart Gottes genügte, um das Herz des Königs mit Freude und Dank zu erfüllen.

Im 7. Kapitel wohnt David in seinem Hause; die Macht Gottes hat ihm Ruhe gegeben vor allen seinen Feinden; sein Königtum ist befestigt; die Bundeslade ist bei ihm. Da wünscht er in seiner Liebe zu Jehova, Ihm eine dauernde Stätte der Ruhe zu bauen. Darf die Bundeslade noch „unter Teppichen" weilen, in einer vorläufigen, vorübergehenden Wohnung, während David ein schönes, festgegründetes Haus von Zedern bewohnt7 Er teilt seinen Wunsch dem Propheten Nathan mit, den Wunsch eines frommen Herzens; denn er wünschte die Herrlichkeit in Israel errichtet zu sehen. Nathan billigt ihn mit den Worten: „Tue alles, was du im Herzen hast, denn Jehova ist mit dir."

Wenn David sich so in frommer Weise mit der Ruhe Gottes in Israel beschäftigte, kannten weder er noch der Prophet den Augenblick, den Gott für diese Sache bestimmt hatte. David sollte nicht das tun, was in seinem Herzen war; er musste von Gott abhängig sein und auf Ihn warten. Nathan konnte sich nicht auf seine Prophetengabe verlassen, um David in seinem Tun zu leiten. Der König täuscht sich trotz seiner Frömmigkeit, und der Prophet begeht einen Irrtum trotz all des Lichtes, das er besaß.

David war ein Mensch, der wirklich in Abhängigkeit von Jehova wandelte; und doch, bei wie vielen Gelegenheiten hat ihm diese Abhängigkeit gefehlt! Er konnte nicht auf seine Liebe zu dem Herrn vertrauen und hatte dies eben erst bei dem "Bruch Ussas" erfahren; er musste Gott fragen, und Nathan war ebenso wenig wie der König von dieser Verpflichtung befreit. Es ist nötig, dass jeder von uns persönlich nur von Gott abhängig ist; die gottesfürchtigsten Menschen können Gott nicht ersetzen. Lot wandelte eine Zeitlang mit Abraham. Aber ach! was war sein Ende! Abraham wan­delte mit Gott. Lasst uns den Ausgang seines Wandels anschauen und seinen Glauben nachahmen! Sicher können wir auf Ratschläge hören, sie von solchen erbitten, die weiter vorgeschritten sind als wir in Erkenntnis, Weisheit und wahrer Frömmigkeit; das tun demütige Herzen, die nicht auf sich selbst vertrauen, ‑ aber abhängig hinsichtlich unserer Entscheidungen und unseres Wandels dürfen wir nur von Gott sein.

Jehova hat Mitleid mit Seinem Knechte; Er sieht in seinem Herzen den Wunsch, Ihn zu ehren, und Er enthüllt ihm Seine geheimsten Gedanken. "Es geschah in selbiger Nacht, da geschah das Wort Jehovas zu Nathan also: Gehe hin und sprich zu meinem Knechte, zu David: So spricht Jehova: Solltest du mir ein Haus bauen zu meiner Wohnung? denn ich habe nicht in einem Hause gewohnt von dem Tage an, da ich die Kinder Israel aus Ägypten heraufgeführt habe, bis auf diesen Tag; sondern ich wanderte umher in einem Zelte und in einer Wohnung." (V. 4 ‑ 6.) Niemals, sagt Er, habe Ich Mich nach Ruhe umgesehen bis jetzt; Ich bin immer mit Meinem Volke umhergewandert. Solange die endgültige Ordnung nicht hergestellt ist, habe Ich kein Wort darüber geredet, dass man Mir eine Ruhestätte erbauen solle.

Warum das? Weil Gott die endgültige Ruhe für Sich noch nicht für gekommen erachtete. Er fuhr fort zu wirken. Er opferte Seine eigene Ruhe derjenigen Seines Volkes und Seines Königs, und entfaltete Seine Tätigkeit noch zu ihren Gunsten, um sie auf den Berg Seines Erbteils zu setzen, sie dort zu pflanzen, wie in dem Liede Moses gesagt worden war: "Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils" (2. Mose 15, 17); und diese Arbeit hatte Gott noch nicht zu Ende gebracht. Er will sie vollenden und übernimmt die Rolle eines Wanderers zugunsten dieses elenden Volkes; Er lässt sozusagen Seine eigenen Interessen beiseite, um Sein Volk endgültig in eine Ruhe einzuführen, die ewig durch nichts gestört werden wird. Das Wort „ewiglich" oder „auf ewig" kennzeichnet alle Segnungen in diesem Kapitel. (V. 13. 16. 24. 26. 29.) Das ist der Gedanke Gottes für die Seinigen.

Auch wir haben einen Herrn, der zu unserer Segnung tätig ist. Hat Er nicht gesagt: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke?" (Joh. 5, 17.) Er hat noch nicht aufgehört, durch Seinen Geist zu wirken, und wird in Tätigkeit bleiben bis zu dem Augenblick, wo "er von der Mühsal seiner Seele Frucht sehen und sich sättigen wird." (Jes. 53, 11.) Dann wird Gott Ruhe haben können, und wird Seinem Volke Anteil daran geben und Seinem König, den Er zum Haupt über alles setzen wird; dann wird Er für Sich Selbst ruhen. "Der König Israels, Jehova, ist in deiner Mitte, du wirst kein Unglück mehr sehen. 

An jenem Tage wird zu Jerusalem gesagt werden: Fürchte dich nicht! Zion, lass deine Hände nicht erschlaffen! Jehova, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein rettender Held; er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel!" (Zeph. 3, 15‑18.) Das ist die Ruhe Gottes. Wenn Er alle Gegenstände Seiner Liebe in die Ruhe eingeführt und sie um Sich haben wird in der Herrlichkeit, wo nie mehr eine Veränderung stattfinden, wo keine Wolke mehr über sie hinziehen wird, wenn der Herr, wie Sein Herz es begehrt, die reife und volle Frucht Seines Werkes auf dem Kreuze sehen wird, dann wird die Ruhe Gottes da sein. Die Ruhe der Schöpfung hat einen Tag gedauert und ist dann gestört worden; die Ruhe der Erlösung wird nie gestört werden, sie wird "ewiglich" währen.

Das 1. Buch der Könige stellt uns diese Ruhe vorbildlich dar in der herrlichen Regierung Salomos: ein schwaches Bild von der Regierung Christi. Dann werden Gerechtigkeit und Friede auf der Erde herrschen, nachdem sie sich am Kreuze „geküsst" haben. (Ps. 85, 10.) Doch das wird nicht das Ende sein. Neue Himmel und eine neue Erde werden auf die ersten folgen, und die Gerechtigkeit wird in ihnen wohnen, nachdem ihre H e r r s c h a f t für immer ein Ende gefunden haben wird. (2. Petr. 3, 13.)

Bevor nun diese Dinge eintreten, finden wir in unserem Buche eine Übergangszeit, in welcher Gott tätig ist, um die völlige Erfüllung Seiner Ratschlüsse herbeizuführen.

Gott erinnert David an das, was Er für ihn getan hat: „Ich habe dich von der Trift genommen, hinter dein Kleinvieh weg, dass du Fürst sein solltest über mein Volk, über Israel." Das war seine Herkunft. „Ich bin mit dir gewesen überall, wohin du gezogen bist, und habe alle deine Feinde vor dir ausgerottet; und ich habe dir einen großen Namen gemacht, gleich dem Namen der Großen, die auf Erden sind." Gott hatte ihm gnädiglich beigestanden von seinem ersten bis zu seinem letzten Schritt; überall war Er mit ihm gewesen und hatte ihn mächtig und geehrt gemacht.

„Und ich werde einen Ort setzen für mein Volk, für Israel, und werde es pflanzen, dass es an seiner Stätte wohne und nicht mehr beunruhigt werde, und die Söhne der Ungerechtig­keit sollen es nicht mehr bedrücken wie früher und seit dem Tage, da ich Richter über mein Volk Israel bestellt habe­ Welch eine Gnade, welch ein zärtliches Mitgefühl für Sein Volk gibt sich in diesen Worten kund! Er nennt es mit Wonne Sein Volk. 

Und was David betrifft: "Ich habe dir Ruhe geschafft vor allen deinen Feinden", aber Ich will noch mehr für dich tun. Du wolltest Mir ein Haus bauen? Ich will Mich vielmehr deinem Dienste widmen, um dir eins zu bauen; nicht ein Haus von Zedern, sondern: "Jehova tut dir kund, dass er dir ein Haus machen wird. Wenn deine Tage voll sein werden, und du bei deinen Vätern liegen wirst, so werde ich deinen Samen nach dir erwecken, der aus deinem Leibe kommen soll, und werde sein Königtum befestigen. Der wird meinem Namen ein Haus bauen; und ich werde den Thron seines Königtums befestigen auf ewig.

Bezieht sich dies nur auf die Person Salomos? Nein, Gott richtet Davids Blicke auf Christum, das Geschlecht Davids. Welche Gedanken mussten das Herz des Königs erfüllen angesichts einer solchen Ehre, die seinem Hause zuteil werden sollte! Die Verheißungen der Gnade erstrecken sich bis zu dem ewigen Reiche: ich will ihm zum Vater sein, und e r soll mir zum Sohne sein." Der Sohn Davids sollte der Sohn Gottes sein! (Hebr. 1, 5.) Welch ein Ausblick für das Herz Davids! Ein Strom von Gnade fließt ihm entgegen und wird von ihm ausfließen

Sodann redet Gott zu David über Salomo, und zwar nicht mehr als Vorbild von Christo, sondern als einem fehlbaren Menschen, dem als solchem eine Verantwortlichkeit übertragen wird; er kann unter die Zucht und das Gericht Gottes fallen. "Wenn er verkehrt handelt, werde ich ihn züchtigen mit einer Menschenrute und mit Schlägen der Menschenkinder", aber seine Nachkommenschaft wird für immer bestehen: „Meine Güte soll nicht von ihm weichen, wie ich sie von Saul weichen ließ, den ich vor dir weggetan habe. Und dein H aus und dein Königtum sollen vor dir beständig sein auf ewig, dein Thron soll fest sein auf ewig."

Hat Gott gelogen? Die Nachkommenschaft Davids scheint ein Ende genommen zu haben, die schwachen Spuren seines Thrones scheinen mit Serubbabel, der nicht einmal den Königstitel verdiente, in Staub zu zerfallen; aber man sehe, was die Stimme Sacharjas schon Serubbabel in Kap. 4, 6‑10 zuruft. Ferner lesen wir im 9. Kapitel desselben Propheten: "Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen : gerecht und ein Retter ist er, demütig, und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Füllen, einem Jungen der Eselinnen." Es gibt also keine Zwischenregierung . . .

 Aber der Messias, der wahre König, ist doch von Seinem Volke verworfen worden! Ohne Zweifel; der Thron ist verloren, und die Ver­heißung Gottes an David ist nicht in Erfüllung gegangen, Wo ist der König? Wo ist die Erbfolge des Samens Davids? Und doch, der Thron besteht. Ehe Gott ihn von neuem auf der Erde errichten wird, ist er im Himmel aufgerichtet. Der Sohn Davids ist hingegangen, „um ein Reich für sich zu empfangen und wiederzukommen". (Luk. 19, 12.) Er ist anerkannt als Haupt des himmlischen Teiles Seines Reiches, bevor Ihm der irdische Teil ebenfalls unterworfen sein wird. „Der König ist tot, es lebe der König!" so sagen die Men­schen, indem sie dem Nachfolger des gestorbenen Herrschers Heil zurufen. Aber der Christus ist einmal gestorben, und der Christus, Sein eigener Nachfolger, lebt ewiglich!

Seit der Kreuzigung und der Verwerfung Christi durch die Juden haben wir eine Zwischenzeit, welche mit der Bildung der Kirche beginnt und sich erstreckt bis zu dem Augenblick, wenn der Herr die Kirche aufnehmen wird, um sie mit Sich in die Herrlichkeit einzuführen. Erst dann wird Er Seine Rechte auf den irdischen Teil Seines Reiches geltend machen. Alle „gewissen Gnaden Davids" werden in Ihm in Erfüllung gehen, dessen Reich beständig sein wird auf ewig.

Ich gebe unserem Kapitel gern die Überschrift: „Gemeinschaft". Gott vertraut hier David alle Seine Gedanken an, nicht nur in Bezug auf ihn und sein Volk, sondern auch in Bezug auf Christum. David "geht hinein und setzt sich vor Jehova nieder", und in aller Freiheit, in allem Vertrauen wendet er sich an den Gott der Heerscharen, der zwischen den Cherubim thront, und teilt Ihm seine eigenen Gedanken mit, Gedanken der tiefsten Dankbarkeit für alles, was Gott für ihn getan hat. Er erfreut sich mit Gott an dem, was Gott vorhat, für ihn, für sein Volk und für sein Haus zu tun.

Das erste Bemerkenswerte hierbei ist die Demut des Königs; er hat keinen stolzen Gedanken. Die Gemeinschaft mit dem Herrn macht den Menschen, anstatt ihn zu erheben, gering in seinen eigenen Augen. "Wer bin ich, Herr, Jehova, und was ist mein Haus, dass du mich bis hierher gebracht hast?" Er kennt seine Herkunft und rühmt sich ihrer, weil sie den Gott erhöht, der ihn „von den Triften des Kleinviehes" genommen hat.

Können wir nicht dieselben Worte aussprechen, wir, die wir aus einer solchen Tiefe heraufgeholt worden sind, um an all dem Herrlichen teilzuhaben, das sich vor unseren Blicken auftut? "Wer bin ich, und was ist mein Haus, dass du mich bis hierher gebracht hast? Und dies ist noch ein Geringes gewesen in deinen Augen, Herr, Jehova! und du hast auch von dem Hause deines Knechtes geredet in die Ferne hin."

 Du hast deine Größe gezeigt, indem Du mir einen großen Namen gemacht hast, mir, einem elenden und wertlosen Ge­schöpf. Ja, nicht meine, sondern Deine Größe ist herrlich! "Ist dies die Weise des Menschen, Herr, Jehova?" Doch was soll David noch weiter zu dir reden?" David steht da vor Gott, indem er den Gefühlen, die sein Herz erfüllen, freien Lauf lässt, aber auch das Bewusstsein in sich trägt, dass seine Worte immer zu schwach sein werden, diesen Gefühlen einen entsprechenden Ausdruck zu geben. Dann preist er Jehova für das, was Er an seinem Volke getan hat.

Im 25. Verse kommt die Bitte, und damit schließt dieses Kapitel. Man findet darin den Charakter eines Gebetes wahrer Gemeinschaft mit Gott: Tue, was Du hast tun wollen und was Du geredet hast. "Das Haus deines Knechtes sei fest vor dir, denn du hast dem Ohre deines Knechtes eröffnet und gesagt: Ich werde dir ein Haus bauen." „So lass es dir nun gefallen und segne das Haus deines Knechtes, denn du, Herr, Jehova, hast geredet." (V. 26 ‑ 29.)

Wir können dem Verhalten Davids ein Vorbild für uns entnehmen. Nachdem wir die göttlichen Mitteilungen in unseren Herzen empfangen haben, mögen wir uns prüfen, was die Gebete unserer Herzen sind, die von Gott das er­bitten, was Er Selbst uns verheißen hat; denn Er gibt gern das, um was wir bitten, Er verleiht gern nach unseren Ge­danken und Wünschen, weil sie als die Frucht der Gemein­schaft mit Ihm Seine Gedanken und Seine Wünsche sind.

Neue Siege: Kapitel 8.
Nach dem 7. Kapitel, welches in sittlicher Hinsicht den Höhepunkt der ganzen Geschichte Davids darstellt, berichtet das 8. Kapitel eine Reihe von Siegen. Die Siege in diesem Kapitel haben zum Ausgangspunkt die Gemeinschaft Davids mit seinem Gott, wie diejenigen des 5. Kapitels die Frucht seiner Abhängigkeit und seines Gehorsams waren. Wenn wir in Gemeinschaft mit Gott sind, hat Gott nicht nötig, Zucht an uns zu üben, wie Er es im Falle Ussas tat. Die Gemeinschaft erlaubt uns, voranzugehen in der Gewissheit, dass wir auf dem Wege Gottes sind, ohne eine besondere Unterweisung nötig zu haben, die uns ihn als solchen erkennen lässt, und wir können das Wort verwirklichen: „Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; m ein Auge auf dich richtend, will ich dir raten." (Ps. 32, 8.) Unser Weg wird der Weg Gottes, weil unsere Gedanken nicht von den Seinigen abweichen. So wird auch in diesem Kapitel zweimal gesagt: Jehova half David überall, wohin er zog" (V. 6 u. 14). *)

Wie der Herr, wenn Er am Ende die Nationen richten wird, so übt David auf verschiedene Weise Gericht an ihnen, entweder nach dem Charakter seiner Feinde, oder nach der Art, wie sie sich gegen sein Volk benommen haben.

Zuerst schlägt er die Philister und demütigt sie, indem er sich des Zaumes ihrer Hauptstadt bemächtigt, und dadurch sind diese geschworenen Feinde Israels dessen beraubt, was das Bollwerk ihrer Macht war. Moab ist der stolze Feind, der sich wider Gott und wider Seinen Gesalbten erhebt, das grausame Volk, ohne Mitleid für Israel. David vernichtet davon zwei Drittel, aber er übt Gnade an einem Überrest, dem er das Leben schenkt: "Er maß eine volle Messschnur, um sie am Leben zu lassen". „Sie wurden David zu Knechten, welche Geschenke brachten."

Ebenso wurden die Syrer von Damaskus, die Hadadeser, dem Könige von Zoba, zu Hilfe gekommen waren, durch die Macht Davids besiegt, und "wurden seine Knechte, welche Geschenke brachten.

In Vers 13 u. 14 wird Edom gänzlich unterworfen. In 1. Chron. 18, 12 heißt es, dass dies durch Abisai, den Bruder Joabs, in Ps. 60, dass es durch Joab selbst geschehen sei. Doch welches auch die Werkzeuge waren, der Sieg wird hier David zugeschrieben. Edom ist die einzige von all den Nationen, die am Ende zum Gericht wieder erscheinen, von welcher kein Überrest bleiben wird. Gott wird Edom ohne Erbarmen richten für die Art und Weise, wie es sich seinem Volke gegenüber verhalten hat; denn es war die böseste und am meisten auf die Vernichtung des Volkes bedachte Nation. Hatte Edom nicht einst „sich geweigert, Israel durch. sein Gebiet ziehen zu lassen", um nach Kanaan zu kommen? (4. Mose 20, 21.) Und der betrübte Überrest in Babel ruft aus: "Gedenke, Jehova, den Kindern Edom den Tag Jerusalems, die da spra­chen: Entblößet, entblößet sie bis auf ihre Grundfeste!" (Ps. 137, 7.)

Der Prophet Obadja, dessen einziger Gegenstand das Gericht über Edom ist, sagt: „Das Haus Jakob wird ein Feuer sein, und das Haus Joseph eine Flamme, und das Haus Esau zu Stoppeln; und sie werden unter ihnen brennen und sie verzehren. Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben, denn Jehova hat ge­redet." (V. 18.) Von allen übrigen Nationen wird ein "Über­rest" bleiben. So wird am Ende das schreckliche Wort Jehovas in Erfüllung gehen: „Esau habe ich gehasst" (Mal. 1, 3); „denn", sagt Obadja, „Jehova hat geredet".

Im 5. Verse unseres Kapitels wird noch ein anderes Ereig­nis mitgeteilt. Als Toi, der König von Hamath, erfuhr, dass David Hadadeser geschlagen hatte, mit welchem Toi stets im Kriege war, sandte er seinen Sohn Joram zum König mit Geräten von Silber, von Gold und von Erz. Toi erkannte aus freien Stücken die Rettung an, die Gott durch David bewirkt hatte, und brachte seine Geschenke ungezwungen dar.

Das alles zeigt uns, dass die Nationen zur Zeit des Endes ganz verschiedene Charakterzüge tragen werden. Die einen werden mit einer eisernen Rute zerschmettert und zur Unter­werfung gezwungen werden, die anderen werden sich den Schein der Unterwürfigkeit geben, wie geschrieben steht: "Die Söhne der Fremde unterwarfen sich mir mit Schmeichelei" (Psalm 18, 44; 2. Sam. 22, 45); wieder andere, und zwar nicht Vereinzelte wie Toi, sondern eine große Schar, die niemand zählen kann (Offbg. 7, 9), werden sich willig unter das Joch Christi beugen und Seinen Sieg als ihre Rettung anerkennen.

Die ganze Siegesbeute, samt den freiwilligen Geschenken Tois, wird durch David Jehova geweiht. Er teilt sich selbst nicht das Geringste zu. Wozu sollen diese Schätze dienen? 1. Chron. 18, 7‑8 berichtet uns, dass sie nach Jerusalem ge­bracht wurden, und dass Salomo von der großen Menge Erz das "eherne Meer und die Säulen und die ehernen Geräte" für den Tempel Jehovas machte. Nachdem im 6. Kapitel David dem Throne Jehovas den Platz gegeben hatte, der ihm in der Regierung des Reiches gebührte, waren seine Gedanken nur noch darauf gerichtet, die Frucht seiner Siege zur Aus­schmückung der endgültigen und unbeweglichen Wohnung seines Gottes in der Mitte Israels zu benutzen. Die Siege des 5. Kapitels hatten zur Befestigung des Thrones Davids ge­dient, die des 8. Kapitels dienen zur Verherrlichung des Thrones Gottes, der zwischen den Cherubim wohnt.

Fußnote:

*) Es ist auch zu beachten, dass die Siege des 5. Kapitels auf die Errichtung des Königtums in Zion folgen und die des 8. Kapitels auf die Errichtung des Thrones Gottes an demselben Ort. Im ersten Fall behauptet Gott den Nationen gegenüber den Charakter und die Würde Seines Gesalbten, im zweiten Seine eigene Herrlichkeit als Gott Israels. Die Nationen müssen sich unter diese zwiefache Oberhoheit beugen. Ich zweifle nicht daran, dass ähnliche Ereignisse der endgültigen Einführung der Segnungen des tausendjährigen Reiches vorangehen werden.

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Gedanke

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 155ff

Es gibt im Himmel ein Herz, welches mit uns fühlen kann, das uns zugewandt ist und überdies alles weiß, was uns angeht. Es denkt an uns in unermüdlicher Liebe und ist allezeit bereit, uns zu Hülfe zu kommen. Haben wir Vertrauen zu diesem Herzen?

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Seid nüchtern zum Gebet

Bibelstelle: 1. Petrus 4,7

Botschafter des Heils 1905 S. 156ff

„Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet." (1.Petr. 4, 7.)

Alle, welche an den Herrn Jesum geglaubt haben, besitzen das herrliche Vorrecht, als Kinder dem Vater droben nahen zu dürfen. Sie haben mittelst des Glaubens Zugang zu der Gnade, in welcher sie stehen. (Röm. 5, 2.) Wohl kann jeder Mensch dem großen, allmächtigen Gott seine Anliegen vorstellen, Ihn anrufen in der Not und Ihm danken für Seine vielen Gnadenerweisungen; aber beten, in dem wahren, eigentlichen Sinne des Wortes, kann nur der Gläubige. Darum wird auch von Saulus erst dann gesagt: "Siehe, er betet'', als er dem verherrlichten Menschensohne aus dem Wege nach Damaskus begegnet war und Ihn als seinen Herrn und Heiland erkannt hatte.

Wie selig ist es, mit Gott, dem Vater, reden zu dürfen in aller Einfalt und Vertraulichkeit, Ihm nahen zu können in dem Namen Jesu, in dem Werte Seiner kostbaren Person! Aber gerade weil das so ist, liegt die Gefahr nahe, dass das Fleisch sich bei der Benutzung dieses Vorrechtes geltend mache. Das Fleisch ist ja unverbesserlich schlecht und möchte gern überall eine wichtige Rolle spielen. Und wie böse und doppelt schlimm muss es sein, wenn es bei diesen heiligen Übungen der Seele sich geltend macht, wenn es sich einzudrängen sucht in die Gegenwart des heiligen Gottes selbst! Darum die Ermahnung: „Seid nüchtern zum Gebet!" Diese Ermahnung ist umso eindringlicher und beherzigenswerter, weil das Ende aller Dinge ganz nahe gekommen ist. Die letzten „schweren'' Zeiten machen sich geltend, nicht nur in der Welt, sondern auch unter den Gläubigen. Mehr als je gilt es, „besonnen" zu sein, zu wachen und zu beten. Ein Beten aus Pflichtgefühl allein, ein Beten ohne Kraft und Salbung, kann Gott nicht gefallen und für uns nicht gesegnet sein. Es verunehrt Ihn, stumpft das Gewissen ab und tötet alle zarteren Regungen des göttlichen Lebens in der Seele.

Sicherlich wäre es nun verkehrt, Vorschriften darüber aufzustellen, wie oder gar was ein Gläubiger beten sollte. Ernste, gottesfürchtige Männer früherer Tage haben das getan und so genannte Gebetbücher verfasst. Sie mögen dabei von den besten Absichten geleitet gewesen sein, aber sie haben nicht bedacht, dass sie damit ein Gebiet betraten, welches dem Menschen verboten ist; und anstatt ihre gute Absicht zu erreichen, haben sie den Geist Gottes gedämpft und für viele das Gebet zu einer bloßen Form gemacht, abgesehen von dem großen Schaden, den sie bei religiösen aber unbekehrten Seelen anrichteten, indem sie in denselben das Gefühl erweckten, es sei alles mit ihnen in Ordnung und es stehe ihnen nichts im Wege, mit Gott als ihrem Vater zu verkehren.

Das Gebet muss, soll es anders Gott wohlgefällig sein, aus dem Bedürfnis des eigenen Herzens hervorgehen und der Ausdruck der Gefühle desselben sein. Deshalb kommt es beim Beten nicht allein auf ein geistliches Verständnis der Seele an, sondern weit mehr noch aus den praktischen Zustand des Herzens und auf die Verwirklichung der Gemeinschaft mit Gott. Dass in dieser Beziehung ein großer Unterschied zwischen den Kindern Gottes besteht, weiß jeder Gläubige. Schon aus diesem Grunde ist es also ein Unding, Gebete zu verfassen, welche für jeden Herzenszustand passend sein sollen. Ebenso verkehrt ist es aber auch, in Gebetsversammlungen gewisse Personen zum Beten aufzufordern, wie es heute noch manchmal geschieht, oder einer Versammlung eine von Menschen verfasste Gebetsordnung oder Gebetsfolge vorzuschreiben.

Andererseits tun wir indes wohl, auf die Fingerzeige und Ermahnungen zu achten, welche Gottes Wort uns in Bezug aus das Beten gibt. Ein Aufstellen und Gebrauchmachen von äußeren Formen und Formeln und das Achthaben auf die Weisungen des Geistes Gottes sind zwei sehr verschiedene Dinge. So verhängnisvoll das erste ist, so gut und gesegnet ist das zweite.

Die Belehrung des Herrn über die rechte Art des persönlichen Betens, in Matth. 6, 6, ist so bekannt und leichtverständlich, dass wir wohl nicht dabei zu verweilen brauchen. Wenn nur das stille, verborgene Beten im Kämmerlein, wohin nur des Vaters Auge blickt, mehr von den Gläubigen geübt würde! Es ist in dieser Beziehung wohl viel Mangel unter uns. Eine Rundfrage unter den Lesern dieser Zeilen, wie oft ein jeder von ihnen in den letzten 3 - 4 Wochen sein Kämmerlein aufgesucht, die Tür geschlossen und sein Herz im Gebet vor Gott ausgeschüttet habe, würde, fürchte ich, kein gutes Ergebnis bringen.

 Und doch ist so viel Ursache zum Bitten und Flehen, zur Fürbitte und Danksagung vorhanden. Wie arm sieht es in geistlicher Beziehung in so mancher Familie aus; wie viel Hang zur Welt und ihren Dingen, wie viel Bequemlichkeit und Selbstsucht offenbaren sich; wie mancher erwachsene Sohn, wie manche Tochter gläubiger Eltern steht noch fern, oder ist, in früher Jugend bekehrt, nachher wieder gleichgültig geworden und wandelt jetzt auf bösen, gottlosen Pfaden! Wie viel Ursache zur Demütigung und zur Fürbitte aus allen Seiten: im Hause und außer dem Hause, in der Familie und in der Versammlung!

In demselben Maße, wie uns die Verherrlichung unseres Herrn und das Wohl der Seelen am Herzen liegt, werden wir uns gedrungen fühlen, im Gebet vor Gott zu sein. Wir werden dabei allerdings erfahren, welch starke feindliche Mächte der Ausführung dieses Wunsches und Dranges sich entgegenstellen; Einflüsse und Hindernisse von innen und außen machen sich geltend, um uns die nötige Sammlung und Zeit zu rauben, und es bedarf viel Entschiedenheit, Besonnenheit und Nüchternheit, um diesen Einflüssen und Mächten erfolgreich entgegen zu treten. Aber wenn wir es tun, wenn wir in dieser Beziehung treu sind, werden wir auch die gesegneten Folgen davon erfahren. Gott selbst wird uns vergelten öffentlich, indem Er uns die Erhörung unserer Gebete schenkt und sich zu uns bekennt. „Die mich ehren, werde ich ehren,'' sagt Er. (1. Sam. 2, 30.)

Ein gemeinschaftliches Beten, ein Übereinkommen zwischen zweien oder dreien, um für irgend eine Sache zu Gott zu rufen, ein Sichvereinigen mit gleichgesinnten Kindern Gottes in Fürbitte und Danksagung, ist auch ein köstliches Ding, das mehr in unserer Mitte gefunden werden sollte. Aber ach! man hat so vielfach keine Zeit dafür; die Interessen der Familie, des Hauses, des Geschäfts nehmen die ganze Zeit und Kraft in Anspruch; die ewigen Interessen kommen erst in zweiter oder dritter Linie. Wohl möchte der Herr auch manchem von uns heute Ähnliches zurufen müssen, wie einst der Prophet Haggai dem Volke Israel zurief: "So spricht Jehova der Heerscharen und sagt: Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, dass das Haus Jehovas gebaut werde. . . Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüste liegt? . . . Richtet euer Herz aus eure Wege!" (Haggai 1.) Ach! dass es so ist angesichts der nahen Ankunft unseres Herrn und Seines wunderbaren Tuns in unseren Tagen! Möchte der Herr Sein Werk in unseren Herzen beleben!

Von besonderer Wichtigkeit ist auch das anhaltende Gebet. Immer wieder werden wir dazu ermahnt, und alle Männer des Glaubens sind auch Männer anhaltenden Gebets gewesen. Nicht mit Unrecht wird das Kämmerlein der Kampfplatz des Glaubens genannt. Dort werden die Siege vorbereitet, ja, gewissermaßen schon erstritten. In der Stille und Zurückgezogenheit des Kämmerleins, allein mit Gott, lernt der Gläubige Gott und sich selbst erkennen. Dort kommt alles ans Licht und wird beurteilt und gemessen nach den Gedanken Gottes.

 Dort, wo kein anderes Auge als dasjenige Gottes den Betenden sieht, wo Seine Gegenwart in der Seele verwirklicht wird, werden die Waffen für den Kampf geschmiedet, wird der Feind überwunden. Wäre David nicht in der Wüste allein mit Gott gewesen, hätte er nicht dort den Löwen und den Bären erschlagen, so wäre er nicht fähig gewesen, dem gewaltigen Feinde des Volkes entgegen zu treten und ihn zu besiegen. So aber war alles einfach. Es war nicht eine Angelegenheit zwischen ihm und Goliath, sondern zwischen Jehova und dem, der die Heerscharen des lebendigen Gottes verhöhnt hatte. Nur dann, wenn wir in der Gegenwart Gottes daheim sind und aus dieser Gegenwart hervortreten, können wir erfolgreiche Diener und siegende Streiter sein.

Der Herr Jesus selbst betete viel und anhaltend. Im Evangelium Lukas lesen wir immer wieder, dass Er betete, ja, dass Er ganze Nächte im Gebet zubrachte. (Vgl. Kap. 6, 12.) Die Apostel und die Gläubigen der ersten Tage machten es ebenso. „Unablässig" oder „allezeit betend'', "Nacht und Tag über die Maßen flehend", allezeit ringend in den Gebeten", "im Gebet verharrend" und "anhaltend" — sind Ausdrücke, die uns zeigen, wie jene Heiligen beteten, und wie weit wir hinter ihnen zurückstehen. Wohl ist es wahr, und wir dürfen es mit Dank gegen den Herrn anerkennen, dass viele Kinder Gottes in unseren Tagen die Wichtigkeit des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets wieder mehr erkannt haben; aber ebenso wahr ist es auch, dass andere in dieser Beziehung noch sehr lässig sind, zum Unsegen für sie selbst und für ihre Umgebung. Möchte der Herr in Seiner Gnade alle die Seinigen auswecken, dass sie wahrhaft besonnen werden und nüchtern zum Gebet! Das Ende aller Dinge ist nahe gekommen.

Es bleibt uns noch übrig, des gemeinschaftlichen Gebets, der so genannten Gebetsversammlungen, der Gläubigen zu gedenken. Sie werden mit Recht als die wichtigsten Zusammenkünfte bezeichnet, nächst der Versammlung am ersten Wochentage zur Verkündigung des Todes des Herrn. Hie und da werden allerdings auch einzelne Stimmen laut, welche behaupten, Gebetsversammlungen sollten nicht regelmäßig, sondern nur bei besonderen Anlässen stattfinden, wenn dringende Anliegen dem Herrn vorzutragen oder Danksagungen für außergewöhnliche Gnadenerweisungen darzubringen wären. Man macht für diese Behauptung geltend, die allmähliche Gewöhnung an solche regelmäßigen Zusammenkünfte wirke lähmend und erschlaffend aus die Herzen und Gewissen. 

Dass bei besonderen Gelegenheiten auch besondere Zusammenkünfte zum Gebet am Platze sind, bedarf keiner Erwähnung; aber sie sollten den regelmäßigen Gebets-Versammlungen keinen Abbruch tun. Wir haben bereits gesehen, welch einen hervorragenden Platz das persönliche und gemeinschaftliche Gebet in den ersten Tagen der Kirche einnahm; sollte es heute anders sein? Mit demselben Recht könnte man behaupten, die gemeinschaftlichen Gebete in den Familien der Gläubigen sollten nur bei besonderen Anlässen stattfinden, es wirke lähmend und erschlaffend auf die Herzen und Gewissen der Familienglieder, wenn so oft gebetet werde. Dass die Gefahr, zu gewohnheitsmäßigem Tun herabzusinken, immer vorhanden ist, liegt auf der Hand; aber deshalb sollen wir doch das Gute nicht lassen, sondern vielmehr auf der Hut sein und den Herrn bitten, dass Er uns in Gnaden vor jener Gefahr bewahre. Sicher ist, dass da, wo die Herzen in der Liebe zum Herrn und zueinander stehen, die Gebetsversammlungen mit besonderem Dank begrüßt werden, als ebenso viele kostbare Gelegenheiten, um in Gemeinschaft mit Anderen dieser Liebe Ausdruck und Ausfluss zu geben.

Der Apostel Paulus ermahnt in 1. Tim. 2, 8: „Ich will nun, dass die Männer an jedem Orte beten, indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung". Es ist nach dieser Stelle nicht nur das Vorrecht, sondern auch die Pflicht der Männer,*) überall, sei es im Familienkreise oder öffentlich, betende Hände aufzuheben und "Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagungen zu tun für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind''. (V. 1.) Wenn nun Brüder diesem Gebot nicht nachkommen, wenn sie daheim das Gebet versäumen oder den gemeinschaftlichen Gebetsversammlungen aus nicht zwingenden Gründen fernbleiben, so kann ihr Verhalten ihnen und Anderen nur zum Unsegen sein. O möchten doch alle hieran denken, umso mehr als in unseren Tagen die Gefahr so groß ist, „unser Zusammenkommen zu versäumen"!

Die eben angeführte Ermahnung des Apostels, „Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagungen zu tun für alle Menschen usw..", findet naturgemäß vornehmlich ihre Anwendung aus das gemeinschaftliche Beten der Gläubigen; der ganze Zusammenhang der Stelle beweist dies. Nun, auch hier ist das Wort: „Seid nüchtern zum Gebet", wohl zu beherzigen. Der Prediger ermahnt: „Sei nicht vorschnell mit deinem Munde, und dein Herz eile nicht, ein Wort vor Gott hervorzubringen; denn Gott ist im Himmel, und du bist aus der Erde: darum seien deiner Worte wenige". (Kap. 5, 2.) Es ist wichtig, allezeit dessen eingedenk zu bleiben, mit wem wir reden, wenn wir unsere Lippen zu einem Gebet, einer Fürbitte oder Danksagung öffnen. Die Heiden (und wie viele so genannte Christen gleichen ihnen!) meinen, uni ihrer vielen Worte willen erhört zu werden; sie denken, Gott sei ganz wie sie. 

Aber was sind viele Worte, schöne Redensarten, salbungsvolle Ausruf und dergl. vor dem Gott, der Lust hat an der Wahrheit im Innern? Sie sind für Ihn ein Gräuel. Darum sollten wir uns befleißigen, vor allem in einer öffentlichen Versammlung, wo der Betende zum Munde der Versammelten wird, alle unnötigen Worte und Wiederholungen zu vermeiden, einfach und ungeschminkt unsere Anliegen auszusprechen und nicht über das Maß des Glaubens und der Inbrunst im eigenen Herzen hinauszugehen.

Nun ist es ja nicht jedem Bruder gegeben, seine Gedanken mit wenigen Worten verständlich auszudrücken, und wir sollen deshalb Geduld miteinander haben und uns vor lieblosem Richten und Kritisieren hüten. Aber jene Gebete, die mehr einem Vortrag, einem Aneinanderreihen von göttlichen Wahrheiten, als einem Gebet, einem kindlichen Reden mit Gott, gleichen, sollten in unseren Zusammenkünften nicht gehört werden; sie sind eine Last für Gott und Menschen, und man braucht sich nicht zu verwundern, wenn manchem, von der Tagesarbeit ermüdeten Bruder (oder mancher Schwester) die Augen darüber zufallen, und wenn das Interesse für die Gebetsstunden nach und nach abnimmt.

Ein zu lang ausgedehntes Gebet ist auch vom Übel; nicht dass man eine bestimmte Zeitdauer feststellen: könnte oder wollte, Gott bewahre uns davor! Es ist wohl möglich, dass auch ein langes Gebet bis zum Ende hin vom Geiste Gottes getragen und durchweht ist; aber im allgemeinen werden ernste, von Gott gewirkte Gebete (wir reden jetzt von öffentlichem oder gemeinschaftlichem Beten) — nicht zu lang sein. Die Gebete, welche wir im Worte Gottes finden, sind mit geringen Ausnahmen kurz und den Gegenstand treffend. Ein zu langes Gebet wirkt wiederum ermüdend, dämpft leicht den Heiligen Geist, und verhindert vielleicht Andere, die Bedürfnisse ihrer Herzen kundwerden zu lassen.

Wir wiederholen: es steht keinem Menschen zu, Anderen vorzuschreiben, wie oder was sie beten sollen; aber der Herr, der unsere Herzen und unsere Gefahren kennt, macht uns durch Sein Wort aufmerksam, und wir tun wohl, auf das zu achten, was Er uns sagt. "Du hast deine Vorschriften geboten, um sie fleißig zu beobachten'' (Ps. 119, 4).

Wie wichtig das Gebet und vor allem das gemeinschaftliche Gebet ist, geht aus der Art der Ermahnung des Apostels hervor: „Ich ermahne nun vor allen Dingen, Flehen, Gebete usw. zu tun''. Möchte der Herr denn in diesen Tagen großer Schwachheit viel Bedürfnis zum persönlichen Gebet erwecken und auch das Interesse für das gemeinschaftliche Gebet vermehren! Wir sind nicht mehr fern von dem Ziel unserer Pilgerschaft; der Herr ist nahe. Darum lasst uns auf Seine Ermahnung achten: „Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet!''

Fußnote:

*) Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass es also nicht Sache der Frauen ist, an jedem Orte zu beten, vor allem nicht, wenn Brüder und Schwestern miteinander versammelt sind. Es ist tief zu beklagen, wenn trotz dieser und anderer unzweideutiger Stellen des Wortes Gottes Schwestern dazu angeleitet werden oder sich selbst dazu drängen, im Kreise von Geschwistern oder gar öffentlich zu beten, aus der "Stille" und Zurückgezogenheit, welche Gott ihnen angewiesen hat, herauszutreten und so die göttliche Ordnung in Unordnung zu verkehren. Das Endergebnis wird immer Verwirrung und Beschämung sein. Gott kann eine solche Missachtung Seines bestimmten Gebotes nicht ungestraft lassen. "Eure Weiber sollen schweigen in den Versammlungen (zu welchem Zweck dieselben auch stattfinden mögen), denn es ist ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern unterworfen zu sein." (1. Kor. 14, 34. 35.) Der Apostel spricht in solch klarer, nicht misszuverstehender Weise, das; nur der nicht unterwürfige Wille des Menschen es in Frage ziehen kann, was er meine.

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Predigt das Kommen des Herrn

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 166ff

„Predigt das Kommen des Herrn!" so sagte vor kurzem ein inzwischen heimgegangener, 86 jähriger Pilger zu einem jüngeren Gläubigen, der ihn zwei Tage; vor seinem Ende besuchte: „Predigt das Kommen des Herrn!'' Das ist merkwürdig. Der liebe Alte hatte selbst Jahrzehnte lang das Kommen des Herrn erwartet und stand nun im Begriff, heimzugehen. Der Arzt hatte ihm gesagt, dass er nach menschlicher Voraussicht nur noch wenige Tage zu leben haben würde. Aber erweckte dies Unruhe in seiner Seele, oder fühlte er sich enttäuscht, weil seine Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen war? Keines von beiden. 

Er ging zu Jesu, seinem Herrn, an den er geglaubt hatte, und von dessen Liebe er so manches Mal hatte zeugen dürfen; das erfüllte seine Seele mit Freude. Und wenn er an den zurückgelegten Weg dachte, so wusste er, wie gerade die Hoffnung aus die Wiederkunft Christi fein Herz aus der Reise so oft belebt und ermuntert hatte. Das Gefühl einer Enttäuschung lag ihm völlig fern. Freilich wäre er, wie der Apostel, lieber überkleidet als entkleidet worden; aber wenn der Herr in Seiner Langmut noch ein wenig verziehen wollte, um noch Andere zu erretten, so war er auch damit ganz zufrieden, in dem frohen Bewusstsein, dass ihm droben, "bei Jesu'', das Warten bei weitem nicht so lang werden würde wie hier.

„Predigt das Kommen des Herrn!" - Es gibt zwei besondere Gefahren, diese Predigt zu vernachlässigen; die eine liegt in unserer Neigung, uns rasch an alles, selbst das Schönste und Herrlichste, zu gewöhnen und anderes an seine Stelle treten zu lassen; die andere in der Meinung, es müsse erst noch dies oder jenes geschehen., bevor das Kommen des Herrn erwartet werden könne.

Wie bald wurden im Anfang der Geschichte der Kirche die Jungfrauen schläfrig und schliefen ein! Dies Wahrheit von der Rückkehr des Bräutigams, welche sie anfänglich wach und nüchtern erhielt, verlor ihre Frische und belebende Kraft, und sie, die „vom Tage'' Waren,. sanken in den Zustand „der übrigen, die keine Hoffnung. haben'', zurück und begannen wieder zu schlafen, als wären sie "von der Nacht'' oder "von der Finsternis''. Wenn der Bräutigam "verzieht", so bedarf es des Wachens und Betens, der tätigen Energie des Glaubens, um nicht: müde zu werden; das Auge fällt dem in der Nacht Wachenden so leicht zu, besonders wenn eine liebliche, einschläfernde Musik an sein Ohr dringt, oder wenn sich der Geist in angenehme, die Sinne berückende Traumbilder verliert.

Ach! wie viele Gläubige in unseren Tagen, die einst mit Freuden auf ihren Herrn warteten, sind auch wieder schläfrig geworden und haben aufgehört, von Herzen zu rufen: „Komm, Herr Jesu!'' Satan, der listige Verführer, und das Fleisch haben miteinander gewirkt, um. ihre Herzen und Sinne zu betören. Die Wiederkunft des Bräutigams hat sich noch ein wenig verzögert, und dies Augen sind zugefallen, die Hände sind lass geworden, und Geld und Welt haben ihre bestrickenden Einflüsse geltend gemacht. O „wache auf, der du schläfst!'' Der Herr; kommt bald! „Denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben. Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.'' (Röm. 13, 12.)

„Predigt das Kommen des Herrn!'' Diesem Kommen steht nichts im Wege. Es müssen nicht erst diese oder jene Prophezeiungen in Erfüllung gehen. Die Eroberung der Welt durch das Evangelium ist nicht vorher zu erwarten, wie manche meinen. Nein, die Welt, auch die christliche Welt, geht einem immer größeren Verderben entgegen. Je weiter die Nacht vorschreitet, desto finsterer wird es. Der Abfall kommt und mit ihm der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens. 

Unglaube und Aberglaube werden immer mehr zunehmen, und Gericht wird das gegenwärtige Zeitalter beschließen und die Erde ·für die Herrlichkeit des tausendjährigen Reiches reinigen. Wohl wirkt der Herr in unseren Tagen wunderbar, um noch zu erretten was sich retten lassen will; die Zahl der Gläubigen nimmt mit jedem Tage zu. Aber es ist das letzte, mächtige Wirken der Gnade vor dem Ausgehen des „Morgensterns". Das Haus des Vaters soll ganz besetzt werden; nicht ein Kind soll fehlen. Die Braut soll vollzählig sein; aber sobald das der Fall ist, kommt der Bräutigam, um sie heimzuholen. Das letzte Wort, welches Er an sie richtet, lautet: „Ja, ich komme bald!" Und sie antwortet: „Amen; komm, Herr Jesu!"

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Durch Nacht zum Licht

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 168ff

Sieht auch dein trübes Auge nicht

der goldnen Sterne Glanz und Pracht,

sie leuchten doch in ewigem Licht;

hier unten nur ist dunkle Nacht.

Doch warte: durch der Wolken Flor

bricht bald der Sterne Lichtgefunkel,

dann schaust du froh beglückt empor

zum Himmelsglanz aus Erdendunkel.

Und sendet Gott dir schwere Zeit,

und strahlt am Himmel dir kein Stern,

und seufzest du in bittrem Leid:

Kommt keine Hilfe mir vom Herrn?

Dein Helfer naht, ehe du es gedacht.

Blick auf in gläubigem Vertrauen!

Gott lässt dich nach des Leidens Nacht

der Freude goldne Sterne schauen.

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel 8

Botschafter des Heils 1905 S. 169ff

Zwei oder drei Psalmen stehen in besonderer Weise mit den Ereignissen dieses 8. Kapitels in Verbindung. Es ist interessant zu sehen, wie die prophetischen Gesänge Davids die Frucht seiner persönlichen Erfahrungen sind, oder damit in Verbindung stehen, aber auch wie diese Erfahrungen nur einen geringen Faktor in dem prophetischen Lauf der Ereig­nisse bilden, ein schwaches Bild von den Leiden Christi und von den darauf folgenden Herrlichkeiten.

Psalm 60, der sich auf unser Kapitel bezieht, würde, wenn das überhaupt nötig wäre, uns beweisen, dass diese Ereignisse nicht einfach die Geschichte Davids sind, sondern als Vorbild die zukünftige Errichtung des Reiches Christi auf der Erde darstellen.*)

Die Überschrift dieses Psalmes sagt uns, dass er "ein Gedicht von David ist, zum Lehren, als er stritt mit den Syrern von Mesopotamien und mit den Syrern von Zoba, und Joab zurückkehrte und die Edomiter im Salztale schlug, zwölf­tausend Mann". Der Anfang des Psalmes ist merkwürdig: "Gott, du hast uns verworfen, hast uns zerstreut, bist zornig gewesen; führe uns wieder zurück! Du hast das Land er­schüttert, hast es zerrissen; heile seine Risse, denn es wankt! Du hast dein Volk Hartes sehen lassen, mit Taumelwein hast du uns getränkt." Kein Umstand des 2. Buches Samuel ent­spricht diesen Worten, wohl aber die Geschichte Israels im 1. Buche. Infolge seiner Untreue unter dem Priestertum sowie unter dem Königtum Sauls hat Israel in der Tat am Ende dieses Buches den Taumelwein getrunken; es wird ihn in noch verderblicherer Weise unter dem Antichrist trinken.

„Denen, die dich fürchten, hast du ein Panier gegeben, dass es sich erhebe um der Wahrheit willen; damit deine Geliebten befreit werden." (V. 4 u. 5.) Was ist dieses Panier? Es ist David, wie wir in Jes. 11, 10 sehen: „Und es wird geschehen an jenem Tage: der Wurzelspross Isais, welcher dasteht als Panier der Völker, nach ihm werden die Nationen fragen; und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein." Diese Segnung wird in unserem Kapitel nur teilweise gefunden; sie wird ihre volle Erfüllung in „Jehova‑Nissi" (Jehova, mein Panier) finden, in Christo, dem wahren Wurzelspross Isais, vor Seiner Einsetzung in Seine Regierung als der wahre Sa­lomo. Er wird das Panier sein, um welches Israel sich scharen wird, um von Sieg zu Sieg zu schreiten. „Damit deine Ge­liebten befreit werden; in der Tat, die Siege des wahren David werden die Befreiung des Überrestes Israels bedeuten.

Gott hat geredet in Seiner Heiligkeit: Frohlocken will ich, will Sichem verteilen und das Tal Sukkoth ausmessen.‑ (V. 6.) Sichem und Sukkoth erinnern uns an den Anfang der Ge­schichte Israels, in der Person seines Stammvaters Jakob. (1‑ Mose 33, 17‑20.) Es sind die ersten Orte, wo er sich niederließ, nachdem er in der Fremde umhergewandert war und nun wieder das Land der Verheißung betreten hatte. Ähnlich wird es für den Überrest Israels am Ende sein, indem er den wahren David umringt und in Seinem Gefolge in den Besitz des Landes Kanaan zurückkehrt.

„Mein ist Gilead, und mein Manasse, und Ephraim ist die Wehr meines Hauptes, Juda mein Herrscherstab." (V. 7.) Alle Stämme Israels werden den wahren König anerkennen.

,Moab ist mein Waschbecken, auf Edom will ich meine Sandale werfen; Philistäa, jauchze mir zu!" (V. 8.) Nachdem der Messias anerkannt sein wird, werden die drei großen Feinde in unserem 8. Kapitel unterworfen; Philistäa erkennt laut die Oberhoheit des Gesalbten Jehovas an.

In den Versen 9‑12 fragt der Überrest: „Wer wird mich führen in die feste Stadt, wer wird mich leiten bis nach Edom?" und antwortet: "Nicht du, Gott, der du uns ver­worfen hast, und nicht auszogest, o Gott, mit unseren Heeren?" Ein Größerer als David, ihr Messias, Gott Selbst, wird da sein, um sie zu führen. Dieser Psalm, der durch die Erfahrungen Davids und durch die Tatsachen seiner Ge­schichte hervorgerufen worden ist, findet also in ganz bestimmter Weise seine Anwendung auf die Person des Herrn Jesu.

Diesen 60. Psalm finden wir, wenigstens teilweise, in Psalm 108 (V. 6‑13) im fünften Buche wieder. Die fünf ersten Verse sind dem 57. Psalm entnommen, stammen also gleichfalls aus dem zweiten Buche. Psalm 57 wurde gedichtet, als David vor Saul in die Höhle floh. In den Versen 7‑11 frohlockt David über die Folgen der Rettung, die Jehova zu seinen Gunsten gewirkt hat. Er geht gewissermaßen aus dem 1. in das 2. Buch Samuel über und sagt: "Befestigt ist mein Herz, o Gott! ich will singen und Psalmen singen. Wache auf, meine Seele! wachet auf, Harfe und Laute! ich will auf­wecken die Morgenröte. Ich will dich preisen, Herr, unter den Völkern, will dich besingen unter den Völkerschaften. Denn groß bis zu den Himmeln ist deine Güte, und bis zu den Wolken deine Wahrheit. Erhebe dich über die Himmel, o Gott! und über der ganzen Erde sei deine Herrlichkeit!"

Die Verse 6 ‑ 13 des 108. Psalms sind dieselben wie in Psalm 60, aber der Gedanke dort ist verschieden von dem Gedanken hier; das heißt, in Psalm 108 trägt David den Sieg davon, damit Jehova verherrlicht werde unter den Nationen, und auch, damit Seine Geliebten befreit werden, während in Psalm 60 nur von der Befreiung Seiner Geliebten die Rede ist.

Im 5. Buche der Psalmen, wovon der 108. Psalm einen Teil bildet, haben wir die Umstände, welche die Rück­kehr Israels in sein Land begleiten; es befindet sich noch nicht unter der Regierung Salomos, des Vorbildes von Christo während des tausendjährigen Reiches, sondern unter der Regierung Davids, des Königs der Gnade, und zwar in unruhigen Zeiten (wie in 2. Sam. 8), hervorgerufen durch das Erscheinen des Assyrers , der sich beim An­bruch des tausendjährigen Zeitalters des Landes Israel be­mächtigen will. Wenn alle Feinde geschlagen sind, und der König über Philistäa triumphiert hat (vergl. Ps. 60,8), fragt der Überrest, wer ihn bis nach Edom leiten werde. Jesaja 63, 1 ‑ 6 gibt uns die Antwort: "Wer ist dieser, der von Edom kommt? ... Ich habe die Kelter allein getreten, und von den Völkern war niemand bei mir.... Denn der Tag der Rache war in meinem Herzen, und das Jahr meiner Er­lösung war gekommen.... Und ich trat die Völker nieder in meinem Zorn."

Das wird der letzte der aufeinanderfolgenden Siege des Messias über Seine Feinde sein; ganz allein wird Er sie zu Boden werfen.

Wie interessant ist es, die ganze Geschichte des Alten Testamentes auf ihr Gegenbild zurückzuführen, und es nicht bei den sittlichen Unterweisungen, die man ihm entnehmen kann, bewenden zu lassen; denn das ganze Wort redet zu uns von dem Herrn Jesu. ihn müssen wir vor allem darin suchen. Wenn wir das Wort mit Gebet, unter dem Auge des Herrn, untersuchen, führt es uns notwendigerweise zu der Erkenntnis Seiner Person. Wir haben nötig, vor allem mit Ihm beschäftigt zu sein. Dann werden die Herrlichkeit Seines Reiches, Sein Sieg über die Nationen, sowie die Wiederan­knüpfung Seiner Beziehungen zu Seinem Volke von höchstem Interesse für uns sein, obschon diese Dinge nicht uns per­sönlich angehen. Wir freuen uns in dem Gedanken, Ihn den Platz einnehmen zu sehen, der Ihm gebührt; denn Jehova wird dieses Reich der Herrlichkeit auf der Erde für Den er­richten, der das wunderbare Werk der Erlösung vollbracht hat, durch welches Gott vollkommen verherrlicht und wir für immer gerettet wurden.

Die letzten Verse (15 ‑ 18) unseres Kapitels bezeichnen einen Abschnitt des ganzen Buches. Wir werden sie mit einigen Änderungen in Kapitel 20, 23 ‑ 26 wiederfinden. Diese Verse stellen die Ordnung der Regierung Davids vor, und das 8. Kapitel schließt eigentlich die Ge­schichte der Einsetzung des Königs als Vorbild des Messias ab. Indessen zeigt uns die Anwesenheit Joabs an der Spitze des Heeres und die Ausübung des Priestertums durch zwei Hohenpriester, dass die endgültige Ordnung noch nicht einge­führt war. Sie tritt erst unter der Regierung Salomos ans Licht.

M e p h i b o s e t h ‑ Kapitel 9.
Die Kapitel 9 und 10 bilden eine Art Anhang; sie stellen vorbildlich die Gnade des Messias dar, im 9. Kapitel dem Überrest Israels, im 10. Kapitel den Nationen gegenüber. Die Nationen weisen aber die Gnade zurück und ziehen sich dadurch das Gericht Gottes zu.

Im 9. Kapitel erinnert sich David im rechten Augenblick wie­der des Hauses Sauls; er forscht nach übriggebliebenen von diesem Geschlecht, um ihnen Güte zu erweisen um seines Freundes Jonathan willen. Er findet Mephiboseth, einen armen Nachkommen dieser Familie, der an seiner Person die Folgen des Mangels an Glauben seiner Wärterin zu tragen hatte. (Vergl. Kap. 4, 4.)

Mit dem Herrn Jesu wird es gerade so sein wie mit David. Die Zeit wird kommen, wo der Messias Seine Be­ziehungen zu dem Überrest Israels wieder aufnehmen wird, dessen Väter (gleich Jonathan) Ihn während der Tage Seiner Verwerfung anerkannt und trotz ihrer Schwachheit geliebt haben wie ihre Seele. Dieser erste Überrest, der in den Tagen Jesu bekehrt wurde, hat ein Ende gefunden und ist nach der Auferstehung des Herrn sozusagen in der christlichen Kirche aufgegangen. Die Kirche bildet in der jetzigen Zeit die große Einschaltung, welche durch das Kommen des Herrn zur Aufnahme der Heiligen ihren Abschluss finden wird. Dann erst wird der wahre David sich der Nachkommenschaft Jonathans erinnern, der Nachkommenschaft der ersten jüdi­schen jünger in geistlichem Sinne. Er wird diese Nachkom­menschaft in einem elenden Überrest zu entdecken wissen, welcher einstmals, indem er sich nicht der Gnade anvertraute, dem Messias den Rücken wandte und am Ende der Tage unter den Folgen seines Unglaubens leiden wird.

Dieser Überrest wird zwei Charakterzüge haben, die wir beim Lesen der Psalmen immer und immer wieder finden. Er wird einerseits das Gewicht des göttlichen Zornes in Gottes Regierungswegen tragen, des Zornes gegen ein aufrührerisches Volk, von welchem er sich hätte trennen sol­len, und andererseits, wie Mephiboseth, des Charakters der Gnade nicht entbehren, die dann sein Teil sein wird. Die Psalmen geben durch den Mund des Überrestes diesen beiden, scheinbar sich widersprechenden Gedankenreihen, Ausdruck: 1. der Regierung Gottes, die äußerlich in Zorn gegen den Überrest ausgeübt wird, weil dieser einen Teil des Volkes ausmacht, welches den Messias gekreuzigt und sich auch mit „Blutschuld" beladen hat (Ps. 51, 14); 2. der Gnade, die in den Herzen dieser Gerechten wirkt, um sie dahin zu bringen, dass sie den Herrn als ihren Retter anerkennen und an der Herrlichkeit Seines Reiches teilnehmen.

Lasst uns jetzt die Züge in dieser Erzählung hervorheben, welche mit unseren eigenen Beziehungen zu Christo in Be­rührung stehen.

David lässt seinem Erbarmen gegen die, welche er segnen will, freien Lauf. Es gab gar keinen Grund dafür, dass er an dem Hause Sauls hätte Interesse nehmen sollen. Es hatte ihn zu aller Zeit bekriegt, und was seinen jetzigen Zustand betraf, so konnte nur seine jammervolle Lage die Gedanken des Königs auf sich ziehen. Aber gerade Jammer und Elend sind es, welche die Gnade anziehen.

 David sagt: "Ist noch jemand da, der vom Hause Sauls übriggeblieben ist, dass ich Güte an ihm erweise um Jonathans willen?" und weiter: "dass ich Güte Gottes (d. i. göttliche Güte) an ihm erweise?" Ziba teilt ihm mit, dass noch ein armer Elender übrig sei, lahm an seinen beiden Füßen, weil er einst vor dem geflohen war, der nur daran dachte, ihn zu segnen. Der König lässt ihn holen; und Mephiboseth, der zu der Zahl jener "Lahmen und Blinden" gehörte, "die der Seele Davids verhasst sind" (Kap. 5, 8), kommt vor ihn. Von welchen Gefühlen mag das Herz dieses armen Krüppels bewegt worden sein! Mit welcher Angst mag er das Los erwogen haben, welches seiner wartete! David hatte zwar zu Ziba gesagt, dass er an einem der Nach­kommen Sauls Güte erweisen wolle; aber würde er, wenn er nun wirklich einen Abkömmling dieses Geschlechts, welches ihn ohne Erbarmen im Lande umhergejagt hatte, vor sich sah, noch daran denken, die versprochene Barmherzigkeit zu erweisen?

„Und David sprach: Mephiboseth!" Er nennt ihn bei seinem Namen, obwohl anscheinend niemand denselben vor ihm genannt hatte. "David kennt mich also; er erinnert sich meiner", muss der Unglückliche gedacht haben. Und Mephi­boseth, zu den Füßen des Königs auf seinem Angesicht liegend, sagt: „Siehe, dein Knecht."

David tut das, was der Herr immer tut, wenn Er das Vertrauen eines Sünders gewinnen will; er sagt zu ihm: ,Fürchte dich nicht!" Als diese arme Seele, in Schrecken vor dem kommenden Gericht, zu den Füßen ihres Richters liegt, dringen die lieblichen Worte in ihr Ohr: „Fürchte dich nicht; denn ich will gewisslich Güte an dir erweisen um deines Vaters Jonathan willen." David gedenkt seines Bundes mit Jonathan; er hatte sich ihm gegenüber durch Zusagen verpflichtet, die nicht zurückzunehmen waren (1. Sam. 20, 14‑17); er konnte nicht davon zurücktreten, wollte es aber auch nicht. Mephiboseth hatte nichts zu fürchten, denn sein Richter sagt ihm: "Ich will gewiss­lich Güte an dir erweisen."

Doch David lässt es dabei nicht bewenden: "Ich will dir alle Felder deines Vaters Saul zurückgeben", sagt er. Er setzt ihn wieder in sein Erbteil ein. Ferner: "Du sollst beständig an meinem Tische essen." Die Gnade des Königs gibt ihm einen der ausgezeichnetsten Plätze an seinem Hofe. Er isst mit dem König;‑ und noch mehr: „wie einer von den Königssöhnen." (V. 11.) David gibt ihm vor aller Augen den Titel und das Verhältnis eines Sohnes!

Für das Auge des Menschen war dieser Mann das Bild des Elends selbst. Unfähig, sich fortzubewegen, arm und kraftlos, musste er stets an den Tisch des Königs getragen werden. Was mochten die Draußenstehenden von ihm denken, wenn sie an einem der Hoffeste teilnahmen? Ach, mochten sie denken, was sie wollten, für David war er ein Sohn, in die höchste Stellung versetzt, die er ihm geben konnte.

 Finden wir nicht dasselbe in Eph. 2, 6. 7, wo es heißt: „Gott hat uns mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu, auf dass er in den kommenden Zeitaltern den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade in Güte gegen uns erwiese in Christo Jesu?" Die Tatsache, dass Mephiboseth als Sohn am Tische Davids sitzen durfte, war in den Gedanken des Königs tausendmal kostbarer, als die Tatsache, dass er Erbe der Felder seines Vaters war. Auch werden diese Worte dreimal wiederholt. (V. 7. 10 u. 13.)

Beachten wir, dass die Einführung in dieses so überaus herrliche Verhältnis an dem Zustand Mephiboseths gar nichts änderte. Das Kapitel schließt mit den Worten: „Er war aber lahm an beiden Füßen." In den Augen anderer, wie in seinen eigenen, blieb er daher notwendigerweise derselbe. „Ich Weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt", sagt Paulus in Röm. 7, 18. In den Augen Davids aber ist es ganz anders: Mephiboseth ist mit der ganzen Würde eines Königssohnes bekleidet. So ist es auch mit uns Christen, die „kein Vertrauen auf Fleisch haben": wir müssen bleiben, wo wir sind, indem wir das betrachten, was Gott aus uns gemacht hat. Er sieht uns nicht mehr in unserem Elend. Zur Verherrlichung Seiner Gnade gibt Er Armen, an beiden Füßen Lahmen, das Recht, in Seiner Gegenwart in der Herrlichkeit zu sein.

Was geht in dem Herzen Mephiboseths vor, wenn er sieht, dass er der Gegenstand einer solchen Gunst ist? Er beugt sich nieder und spricht: "Was ist dein Knecht, dass du dich zu einem toten Hunde gewandt hast, wie ich einer bin?" Vor David bezeichnet er sich als einen Hund, als unrein und ver­ächtlich, ein Bild des Schmutzes; ja, als einen toten Hund, einen Gegenstand des Ekels und Abscheus, den man mit dem Fuße von sich stößt. Indem er so zu David redete, stellte er sich auf denselben Platz, auf welchen David sich einst seinem Großvater Saul gegenüber gestellt hatte: "Wem jagst du nach? Einem toten Hunde (1.Sam. 24, 15.) Der mächtige König, vor dem Mephiboseth sich befand, hatte einst denselben Platz eingenommen wie er; er hatte während der Tage seiner Drangsal kennen und würdigen gelernt, was Schmutz, Tod und Verwerfung sind. Mit einem solchen Retter hatte Mephiboseth es zu tun.

Als die Syrophönizierin zu dem Messias kam, sagte dieser zu ihr: "Es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hündlein hinzuwerfen." – „ja, Herr", antwortet sie. Sie nimmt dieses Wort an. Ja, Herr, das ist wahr; ich bestätige, was du gesagt hast; ich bin unwürdig, aber du bist die Gnade, und dieser Gnade vertraue ich mich an. "Es essen ja auch die Hündlein unter dem Tische von den Brosamen der Kinder." (Mark. 7, 24‑30.) Diese Worte treffen sogleich das Herz des Herrn Jesu. Ein Glaube, der trotz der eigenen tiefen Unwürdigkeit an seiner Liebe und Macht nicht zweifelt, ist sicher, als Entgelt einen Überfluss von göttlichen Segnungen zu empfangen. Unsere Unwürdigkeit dient nur dazu, die Größe der Gnade ans Licht zu stellen.

Der jüdische Überrest am Ende wird auch in der Gegen­wart Dessen, den er verworfen hat, zum völligen Selbstge­richt kommen. Er wird sagen: Ist es möglich, dass ich Ihn, den Sohn Gottes, "für nichts geachtet" habe? Und Er hat meine Feindschaft benutzt, um Sich an meiner Stelle schlagen zu lassen! Er ist in meinen Zustand eingetreten; wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, hat Er Seinen Mund nicht aufgetan, denn Er hatte beschlossen, mich um jeden Preis zu erretten!

Das Teil Mephiboseths konnte ihm nicht genommen wer­den: „Du sollst beständig an meinem Tische essen" (V. 7 u. 10); „er aß beständig am Tische des Königs." (V. 13.) Er wohnte in Jerusalem, an demselben Ort, den der König für sich zur Wohnung gewählt hatte. Wir besitzen dieselben Vorrechte. Die Reihe von Gnadenerweisungen, welche Mephiboseth gehörten, sind auch unser jetziges und zukünftiges Teil. Wir haben das Erbteil, und wir wer­den es besitzen. Wir wohnen im Hause des Va­ters, und wir werden dort wohnen in Ewigkeit. Er lässt uns an Seinem Tische sitzen, und wir werden dasein auf immerdar. Ja, wenn wir uns an jenem zu­künftigen Gastmahl niederlassen werden, wird die Liebe, die sich erniedrigt hat, um uns zu erretten, ihre Freude darin finden, sich für immer zum Diener unserer Freude zu machen!

Wie Mephiboseth finden auch wir den Maßstab für das, was wir sind, im Lichte der Gnade, die uns zuteil geworden ist; und indem wir uns selbst verurteilen, müssen wir ver­stehen, dass unsere herrliche Stellung als Kinder Gottes nur von der Liebe abhängig ist, von welcher das Herz des Herrn zu so armen Wesen, wie wir es sind, erfüllt ist.

Hanun - Kapitel 10.
Die Gnade Davids wendet sich nicht nur dem jüdischen Überrest zu; in dem vorliegenden Kapitel bietet er sie auch den aufrührerischen Heiden an. Moab und Ammon, die Nach­kommen Lots, bildeten sozusagen nur ein Volk, indem wir sie stets miteinander und mit den Feinden Israels verbündet finden, um dem Volke Gottes Schaden zuzufügen. „Es soll kein Ammoniter noch Moabiter in die Versammlung Jehovas kommen; auch das zehnte Geschlecht von ihnen soll nicht in die Versammlung Jehovas kommen ewiglich: deshalb, weil sie euch nicht mit Brot und Wasser entgegengekommen sind auf dem Wege, als ihr aus Ägypten zoget; und weil sie Bileam, den Sohn Beors, aus Pethor in Mesopotamien, wider dich gedungen haben, um dich zu verfluchen.

 Aber Jehova, dein Gott, . . . wandelte dir den Fluch in Segen; denn Jehova, dein Gott, hatte dich lieb." (5. Mose 23, 3‑5.) Das ist die Verordnung Gottes in Bezug auf sie. Israel sollte niemals ihren Frieden und ihr Wohl suchen; und dennoch wünschte David, wenn nicht das Volk als solches, so doch wenigstens das Haupt desselben durch seine Gnade zu gewinnen, indem er Boten hinsandte, um ihn zu trösten.

Gerade so wird es am Ende der Zeiten sein: die Gnade Gottes, welche durch die Regierung Christi eingeführt wird, wird den Nationen angeboten werden. Boten werden aus­gehen, um die Nationen aufzufordern, sich Christo zu unter­werfen, und eine große Menge von ihnen wird das Joch des Sohnes Davids leicht finden; andere aber werden, wie Hanun, sich weigern, irgendetwas von Ihm anzunehmen.

Diese Geschichte redet indes, gleich derjenigen Mephi­boseths, noch von etwas anderem als von der zukünftigen Regierung Christi und von Seiner Gnade, die Er am Ende den Nationen anbieten wird. Wir finden darin auch die Wege Gottes für die jetzige Zeit.

„Und David sprach: Ich will Güte erweisen an Hanun, dem Sohne Nahas', so wie sein Vater Güte an mir erwiesen hat." Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass dieser Nahas ein anderer gewesen sei, als der, von welchem in 1. Sam. 11 die Rede ist, dessen Stolz und Wut sich darin zu befriedigen wünschten, dass er allen Bewohnern von Jabes-Gilead, zur Schmach für ganz Israel, das rechte Auge aus­stechen wollte. Gott befreite sie durch die Hand Sauls; aber die Geschichte zeigt uns, welch ein böser und blutdürstiger Mensch und welch ein Feind des Volkes Gottes dieser Nahas war.

„Sein Vater hat Güte an mir erwiesen." War das während des Umherwanderns Davids geschehen? Wir wissen es nicht. Das Wort berichtet nichts darüber. Aber jedenfalls war es so, und David, das Vorbild von Christo, erinnert sich einer güti­gen Handlung seitens dieses Mannes, der ihn als den zu­künftigen König Israels doch eigentlich hassen musste. Zu einer Zeit, wo der Gesalbte Jehovas verworfen war, hatte dieser Nahas (Gott hatte jedenfalls Seine Hand in seinem Tun) ihm Wohlwollen erwiesen.

Es kann sein, dass die Welt, dass ein Mensch, welcher zu der dem Volke Gottes feindseligen Welt gehört, etwas für Christum tut, sein Herz reden lässt, um denen, die auf Erden den Herrn Jesum vergegenwärtigen, irgendwelche Hilfe zu leisten. Dieser Mensch mag sein Tun vergessen, auch die Welt mag es vergessen; es mag nirgendwo aufgezeichnet sein, doch der Herr vergisst es nicht. Ein solcher Mensch bekommt nicht im Himmel eine Belohnung, aber die Augen, das Herz, die Gedanken des Herrn Jesu. sind auf ihn gerichtet; Er will nicht ein Schuldner dessen bleiben, der, obwohl im Grunde seines Herzens Ihm feindlich gesinnt, doch etwas für Ihn ge­tan hat. "David sandte hin, um ihn durch seine Knechte wegen seines Vaters zu trösten." Nahas war gestorben; er war ohne Zweifel ein guter König für sein Volk gewesen, und Hanun, sein Sohn und Nachfolger, betrübt über diesen großen Verlust, bedurfte des Trostes. David denkt an ihn.

So ist es auch heute. Der Herr vergisst nichts, und als Vergeltung für eine Tat der Güte, die ein sonst böser Mensch Ihm erwiesen hat, sendet Er ihm etwas, das ihn glücklich macht. Es sind Tröstungen, welche die Seele aufzurichten vermögen, auf welcher der Schmerz lastet, der durch die Sünde in die Welt gekommen ist. David kannte die Bedürf­nisse Hanuns; er verstand es, den Schmerz und die Trauer durch liebliche und glückliche Gefühle zu ersetzen. Er sendet ihm weder Geschenke, noch Reichtümer, noch Ehrenbezeu­gungen, sondern was unendlich mehr wert ist, er sendet hin, um ihn zu trösten. Er sendet seine Knechte; diese aufnehmen, hieß ihn aufnehmen.

So ist es auch mit dem Evangelium, welches der Welt ver­kündet wird. Wie ermutigend ist es, daran zu denken, dass der Herr Seine Augen auf jeden gerichtet hat, und dass Er nicht, auch nicht für einen Augenblick, die Herzen der Sünder, die zu Ihm gebracht werden, vergisst, um ihnen und ihren Kindern Seine Wohltaten anzubieten.

Welches Glück wäre es für Hanun gewesen, wenn er die Absichten des Königs verstanden hätte! Die Gnade ist es immer, welche David kennzeichnet. Sie macht ihn zu dem bemerkenswerten Vorbilde von dem Herrn Jesu, ganz abge­sehen von seinen Leiden und Drangsalen. In dem ganzen Ver­laufe unseres Buches beweist er diese Gnade, sowohl ange­sichts des traurigen Loses Sauls, als auch des beklagenswer­ten Geschickes Abners und Isboseths. David hat von seinen Feinden nur Gutes zu sagen; er vergisst ihre Feindseligkeit und ihre Beleidigungen; sein edles und weites Herz erhebt sich über jeden persönlichen Beweggrund, um seine Gegner nur in dem reinen Lichte der Gnade zu betrachten. So sendet auch Jesus Seinen schlimmsten Feinden die beglückende Bot­schaft des Heils.

Hanun empfängt die Boten Davids nicht. Wäre er allein gewesen, so würde sein Herz vielleicht gerührt worden sein. Er jagt die Boten nicht sofort weg, aber er wird schlecht be­raten. Die Fürsten der Ammoniter erregen sein Misstrauen: "Hat nicht David seine Knechte zu dir gesandt, um die Stadt zu erforschen und sie auszukundschaften und sie umzukeh­ren?" Wie leicht finden solche Einflüsterungen Gehör, wenn man Jesum nicht kennt! Diese Leute, sagen sie, sind Heuchler; ihre Absicht ist, uns zu bekriegen. O wie oft sind die Knechte des Herrn durch solche Zuflüsterungen in ihrer Ar­beit, Seelen für Christum zu gewinnen, gehemmt worden! Die Welt hat mehr Vertrauen zu der Meinung ihrer Ratgeber, als zu der Botschaft Christi, und jene tun alles, um diejenigen aus ihr von dem Evangelium abzuwenden, die sich geneigt zeigen, es anzunehmen. Vom Misstrauen zur Beleidigung ist ein kleinerer Schritt, als es oft scheint.

„Da nahm Hanun die Knechte Davids und ließ ihnen die Hälfte des Bartes abscheren und ihre Oberkleider zur Hälfte abschneiden, bis an ihre Gesäße; und er entließ sie." Das war die größte Schmach die man den Gesandten eines Königs antun konnte. Sie mussten das Gebiet Hanuns entehrt und halbnackt durchziehen, als Gegenstände des Gelächters und des Gespöttes. Kann man sich wundern, wenn „sie sich sehr schämten?" David sandte ihnen entgegen und lässt ihnen sagen: „Bleibet in Jericho, bis euer Bart gewachsen ist; dann kommet zurück."

So wurde die letzte Gnadenbotschaft ‑ ach! wie wenig ahnte Hanun, dass es die letzte war! ‑ verworfen. Die Folge war ein schreckliches Gericht, welches in diesem Kapitel be­ginnt und in den folgenden fortgesetzt wird, ein Gericht ohne Erbarmen, hervorgerufen durch die Entrüstung über die Beschimpfung, die der Gnade angetan war.

"Als nun die Kinder Ammon sahen, dass sie sich bei David stinkend gemacht hatten, da sandten die Kinder Ammon hin und dingten die Syrer von Beth‑Rechob und die Syrer von Zoba, zwanzigtausend Mann zu Fuß, und den König von Maaka, tausend Mann, und die Männer von Tob, zwölftausend Mann. Und als David es hörte, sandte er Joab hin und das ganze Heer, die Helden."

Man beschimpft den Herrn Jesum, und man hat Furcht vor Ihm; man erweist sich als Sein Feind und macht, in der Absicht dem Gericht zu entgehen, ein Bündnis mit anderen Feinden. Man meint, Ihm Widerstand leisten zu können. „Warum toben die Nationen und sinnen Eitles die Völker­schaften? Es treten auf die Könige der Erde, und die Fürsten ratschlagen miteinander wider Jehova und wider Seinen Ge­salbten: Lasset uns zerreißen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile! Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer. Dann wird er zu ihnen reden in seinem Zorn, und in seiner Zornglut wird er sie schrecken. Habe doch ich meinen König gesalbt auf Zion, meinem heiligen Berge!` (Psalm 2, 1 ‑ 6). Die Ereignisse entwickeln sich reißend schnell in der Welt. Der Augenblick ist nicht mehr fern, wo die verbündeten Völker so gegen den Gesalbten Jehovas reden werden. Wehe ihnen! Der Augenblick ist auch nicht mehr fern, wo Jehova ihrer spotten wird, und wo Er durch Sein Gericht Den erhöhen wird, den Er zum König auf Zion gesalbt hat.

Wir finden hier bei David wieder einige Zeichen von Schwäche. Hätte er sich nicht an die Spitze seines Heeres stellen sollen, anstatt es Joab anzuvertrauen? Es scheint, als ob dieses Leben in beständigen Kämpfen ihn ein wenig niedergedrückt habe, und er hat wohl gemeint, die Führung des Krieges anderen überlassen zu können, um sich etwas Ruhe zu gönnen.

Die Kinder Ammon ziehen aus, um sich dem Heere Isra­els gegenüber aufzustellen, während die verbündeten Völker ihm in den Rücken zu fallen suchen. Joab entwirft in ge­schickter Weise seinen Schlachtplan. Er stellt seinen Bruder Abisai den Ammonitern gegenüber und wendet sich selbst gegen die Syrer. Er sagt zu seinem Bruder: „Wenn die Syrer mir zu stark sind, so sollst du mir Hilfe leisten; und wenn die Kinder Ammon dir zu stark sind, so will ich kommen, dir zu helfen". Dann fügt er hinzu: „Sei stark und lass uns stark sein für unser Volk und für die Städte unserer Gottes! und Jehova wird tun, was gut ist in seinen Augen." ‑ Beginnen wir damit, stark zu sein, sagt Joab. Kämpfen wir für die Ehre unserer Nation und für die Städte unseres Gottes. Das ist es, was wir zu tun haben, und dann möge Jehova tun, was Ihn gut dünkt; wir weisen seine Hilfe nicht zurück. So ähnlich lautet der Wahlspruch der Welt: „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!" Die Frömmigkeit Joabs erhebt sich nicht über diesen Standpunkt.

Joab trägt den Sieg davon, aber einen Sieg ohne Nutzen. Die Kinder Ammon und die Syrer fliehen; die Kinder Ammon kehren in ihre Stadt zurück. Sie sind zwar geschlagen, aber nicht besiegt und zu Gefangenen gemacht. Die Schlacht ist er­folglos. Die Sache muss von neuem begonnen werden. David hatte das, was Gott ihm anvertraut hatte, den Händen des Menschen übergeben. Die ihm erteilte Lektion ist voll Milde, denn er erleidet keine Niederlage; doch die Unterweisung des Herrn bringt ihn auf den rechten Weg zurück.

Die Syrer versammelten sich aufs neue. "Da versammelte David ganz Israel und ging über den Jordan und kam nach Helam; und die Syrer stellten sich David gegenüber auf und stritten mit ihm. Und die Syrer flohen vor Israel, und David tötete von den Syrern siebenhundert Wagenkämpfer und vierzigtausend Reiter; und er erschlug Schobak, ihren Heerobersten, und er starb daselbst. Und als alle die Könige, welche Knechte Hadaresers waren, sahen, dass sie vor Israel geschlagen waren, da machten sie Frieden mit Israel und dien­ten ihnen. Und die Syrer fürchteten sich, den Kindern Am­mon fernerhin zu helfen." Das ist ein wirklicher und voll­ständiger Sieg, so vollständig, dass die Könige sich Israel unterwerfen.

David hätte aus dieser Tatsache eine Lehre für sich ziehen sollen. Er hatte sich seiner Verantwortlichkeit entzogen, und lernte jetzt in der Schule Gottes die Gefahr eines solchen Sich zurückziehens kennen.

Die Kinder Ammon bleiben noch zu besiegen; die Auf­gabe ist schwieriger, wie wir bald sehen werden. Zugleich werden wir Zeugen der schrecklichen Erfahrungen sein, welche David machen musste, weil er nicht ein für allemal die Unterweisung gelernt hatte, die der Herr ihm hier in so gnädiger Weise gab.

Fußnote:

*) Das zweite Buch der Psalmen, zu welchem der 60. Psalm gehört hat Bezug auf die zukünftigen Umstände des Überrestes, wenn er aus Jerusalem vertrieben sein wird, und führt uns bis zur Errichtung des Reiches Davids und zu dem Siege über die Nationen. Psalm 72 beschließt dieses Buch mit der Regierung Salomos. Der als König der Gerechtigkeit und des Friedens über sein Volk eingesetzt ist.

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Buße zum Leben

Bibelstelle: Apostelgeschichte 11,18

Botschafter des Heils 1905 S. 188ff

Buße und Glauben sind die beiden wichtigen Dinge, deren Vorhandensein zur Errettung eines Sünders notwendig ist. Selbstredend bewirkt weder die Buße noch der Glaube die Errettung, das tut das vergossene Blut Christi; aber beide müssen vorhanden sein. Es gibt Bekehrungen, bei denen die Freude, die Folge des Glaubens, vorherrscht; und es gibt solche, wo das Herz in besonderer Weise mit Trauer und Betrübnis, den Wirkungen der Buße, erfüllt ist. 

Wir selbst können bei aller Anstrengung weder Buße noch Glauben hervorbringen; beide sind, wenn anders echt, eine Folge der Wirkung des Heiligen Geistes, der das Wort Gottes auf Herz und Gewissen des Sünders anwendet. Die Buße auslassen würde dasselbe sein, wie z. B. bei der Gartenarbeit den Spaten beiseite lassen. Alles Graben in der Welt wird nicht eine Ähre hervorbringen: aber die Ähre würde taub sein, wenn das Graben unterbliebe. So ist es nötig, dass die Seele wohl umgegraben werde in der Gegenwart Gottes. Mit anderen Worten: Dem Geiste Gottes muss Zeit und Raum gelassen werden, den Boden zu bearbeiten, damit das ausgestreute Samenkorn in gute Erde falle und Frucht bringe.

Nehmen wir ein Beispiel. Wenn ein Kind Blumen pflanzen will, so kratzt es die Erde einen Zoll hoch hinweg. Einige wenige Tage gewähren dann die Pflanzen, deren Wurzeln in die harte, ungebrochene Erde nicht tief einzudringen vermögen, vielleicht einen ebenso schönen Anblick wie die des Gärtners, dessen erste Sorge dahin ging, einen wohlgelockerten Boden zu schaffen. Plötzlich aber stellt sich Hitze ein, die Zeit der Prüfung kommt. Das Werk des Kindes bewährt sich nicht. Die nur oberflächlich eingepflanzten Blumen verwelken; die Arbeit muss noch einmal getan werden, und vielleicht erholen sich die Pflanzen den ganzen Sommer hindurch nicht wieder, während die anderen, deren Wurzeln tief in die Erde eingelassen waren, selbst bei großer Hitze blühen und gedeihen.

Wenden wir dieses Bild aus uns an. Wie viele Seelen gibt es heutzutage, die eine Zeitlang aufs beste voranzugehen schienen, die aber schon nach einigen Monaten der Prüfung matt und schwach wurden! Eine ganz neue Arbeit muss bei ihnen begonnen werden. Sie haben noch zu lernen, dass sie von Natur ganz kraftlose, ja, gottlose Geschöpfe sind. Vielleicht steigen während dieser schmerzlichen Lektion selbst Zweifel in ihnen aus, ob ihre Bekehrung überhaupt echt war, ob sie wirklich teil an Christo haben. Aber dass dies der Fall ist, beweist gerade der Kampf; er würde nicht da sein, wenn kein göttliches Leben vorhanden wäre. Gott ist nur bemüht, den harten Boden des Herzens zu lockern, damit das Evangelium seine Wurzeln tiefer in die Seele zu senken vermöge.

Freilich gibt es auch Seelen, welche die frohe Kunde von dem Heil in Christo alsbald mit Freuden aufnehmen, ohne irgendwie "Wurzel in sich zu haben''. (Matth. 13, 21.) Solche sind dann „nur für eine Zeit''; sobald Drangsal oder Verfolgung entsteht um des Wortes willen, "ärgern sie sich'' und wenden wieder um zu ihrem früheren Leben und Treiben. Ihre Zahl ist in unseren Tagen vielleicht größer als je, und jeder, der sich irgendwie mit dem Werke der Seelengewinnung für Christum beschäftigt, sollte ernstlich aus der Hut sein, einer solch oberflächlichen Annahme des Wortes keinen Vorschub zu leisten. Gott wirkt wunderbar in der gegenwärtigen Zeit; aber hüten wir uns vor dem Wahn, eine "Erweckung" durch menschliche Mittel hervorrufen zu können! Der Wind weht, wo er will; wir können sein Wehen nicht nach unserem Willen oder nach unseren Wünschen lenken.

Höchst bedenklich ist auch die bekannte, neuerdings wieder so vielfach angewandte Praxis, anscheinend erweckte Seelen zur Annahme des Evangeliums zu drängen, sie zum Glauben zu überreden, oder bekehrt zu beten. Es mag sein, dass Seelen, die wirklich vom Geiste Gottes vorher bearbeitet waren, auf diesem Wege, wie man sagt, zum Durchbruch kommen; aber die große Gefahr liegt nahe, Andere, deren Gewissen noch niemals vor Gott aufgewacht ist, zu einem Bekenntnis zu bringen, das nicht auf einer wirklich erfahrenen Belehrung, sondern auf einer mehr oder weniger tiefen Erregung der Gefühle beruht, und das infolge dessen sich über kurz oder lang als hohl und leer erweisen muss. Die Erfahrung lehrt, dass solche, von Menschen bekehrte Seelen sehr häufig nachher in einen schlimmeren Zustand geraten, als vorher, und für das Evangelium geradezu unzugänglich werden.

 Wie ernst ist es aber, einer Seele zum Selbstbetrug oder gar zur Verhärtung verholfen zu haben! Sicher sollte ein Evangelist, sollten alle Gläubigen mit einem Eifer beten und arbeiten, als wenn die Errettung der Seelen von diesem ihrem Eifer abhinge; aber doch dürfen sie dabei nie vergessen, dass geschrieben steht: „Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten'', und: „es glaubten, so viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren". (Apg. 2, 47; 13, 48.) Die Errettung jeder einzelnen Seele ist und bleibt ein Werk Gottes. Er benutzt uns als Boten, Mitarbeiter, Handlanger, Wegweiser und dergleichen, aber das Werk ist Sein, und es kann nur zu schlimmen Ergebnissen führen, wenn der Mensch das vergisst. Die besten Absichten und der größte Eifer können das Wirken des Geistes Gottes nicht ersetzen.

Aber, möchte gefragt werden, hat Gott uns nicht die bestimmte Versicherung gegeben, dass alle, die an Jesum glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben? und sollten wir deshalb nicht allen Menschen zurufen dürfen: „Glaubet an den Herrn Jesum, und ihr werdet errettet werden''? Ja und nein. Sicher ist die Einladung und Verheißung Gottes so allgemein und umfassend wie möglich; alle, alle sind geladen, niemand ist ausgenommen. Das: „Wer da will'' öffnet jedem Sünder die Tür. Aber doch müssen wir festhalten, dass dem Glauben stets und unter allen Umständen die Buße vorangehen muss, und dass nur dem bußfertigen Sünder, nicht dem Sorglosen und Gleichgültigen, Vergebung und Heil durch den Glauben an Jesum angeboten wird. „Tut Buße!" ruft Petrus seinen Volksgenossen zu. "Dann hat Gott also auch den Nationen die Buße gegeben zum Leben,'' sagen die Apostel und Brüder in Jerusalem; und Paulus bezeugte sowohl Juden als Griechen "Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesum Christum''.

 (Apg. 2, 38; 11, 18; 20, 21.) Die bedingungslose Anbietung der Gnade verringert in keiner Weise Gottes Ansprüche aus eine aufrichtige Buße. Nicht als ob Gott ein bestimmtes Maß von Buße verlangte, oder als ob eine gewisse Zeit verfließen müsste, bis der Sünder angenommen werden könnte. Keines von beiden. Wohl aber muss der Mensch dahin kommen, sich vor Gottes Urteil zu beugen und sein bisheriges Leben in Seinem Licht zu verurteilen. Das Werk des Geistes Gottes mag langsam kommen und still und leise voranschreiten wie der dämmernde Morgen, oder plötzlich einsetzen, Licht und Helligkeit verbreitend wie die strahlende Mittagssonne; aber eins ist gewiss: je ernster und tiefer dieses Werk ist, umso besser. 

So manches Haus wird in unseren Tagen gebaut, mit hübscher Front und prächtigen Ornamenten; aber Fundament und Mauerwerk sind unsolide, die übrigen Arbeiten oberflächlich, und wenn Stürme, Frost und Hitze einige Zeit darüber hingegangen sind, zeigen sich die Mängel aus allen Seiten. Ähnlich ist es mit einem Menschen, dessen Gefühle vielleicht tief bewegt sind, während das Gewissen wenig berührt ist. Das viel versprechende Äußere hält nicht stand, und Fundament und Aufbau sind unsolide. Es ist zu viel vom Menschen darin. Gottes Werk in einer Seele aber wird alle Stürme und Proben überstehen und sich bewähren in Ewigkeit.

Aber predigten denn die Apostel nicht überall die freie, unumschränkte Gnade Gottes gegen die Sünder? Ganz gewiss; aber sie vergaßen auch nicht des Sünders Buße zu Gott. Der Auftrag des verherrlichten Heilandes an Paulus ging dahin, die Augen der Nationen aufzutun, auf dass sie sich bekehrten von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, aus dass sie Vergebung der Sünden empfingen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an Jesum Christum geheiligt sind. Und Paulus, der himmlischen Erscheinung gehorsam, verkündigte ihnen, Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren, indem sie der Buße würdige Werke vollbrächten. Und wie damals, so hat man sich auch heute noch zu entscheiden für Gott oder Satan, für Christum oder die Welt. 

Eine ernste Umkehr ist nötig, eine wahre Wiedergeburt durch Wasser und Geist. Traurig steht es, wenn man fragen muss: Wo ist die Buße? wo die der Sinnesänderung würdigen Werke? wo das Sichabkehren von den Götzen, um dem lebendigen Gott zu dienen und Seinen Sohn aus dem Himmel zu erwarten? wo die veränderten Zuneigungen und Gesinnungen, die das Evangelium lehrt?

Vielleicht mag der eine oder andere Leser, der es ernst nimmt mit dem Zustand seiner Seele, jetzt ängstlich fragen: "Habe ich dann wohl in der richtigen Weise mein Leben verurteilt? Habe ich mit der Buße, die zum Heil und Leben ist, meine Vergangenheit bereut?"

Wer so fragt, beweist schon durch seine Frage, dass er nicht gleichgültig und oberflächlich ist, sondern dass ihm das Heil seiner Seele am Herzen liegt. Einen solchen möchten wir daran erinnern, dass, so notwendig die Buße ist, wir uns doch hüten müssen, einen Heiland aus ihr zu machen. Es steht geschrieben: „Wer den Sohn hat (nicht: wer Buße hat), hat das Leben, wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht''. (1. Joh. 5, 12.) Was ist Buße? Buße bedeutet Sinnesänderung, sowohl im Blick auf Gott als auch auf mich selbst. Der natürliche, unbekehrte Mensch kennt Gott nicht; er macht sich ganz falsche Vorstellungen von Ihm, ja, er flieht und hasst Ihn, während er sich selbst und die Sünde liebt. Sobald aber das göttliche Licht in die Seele fällt und das Herz sich der Wirksamkeit des Geistes und Wortes Gottes erschließt, tritt das Gegenteil ein: man hasst die Sünde, verabscheut sich selbst, kehrt sich von dem bisherigen Leben ab und wendet sich, wenn auch anfänglich nur zitternd und bebend, Gott zu. Man verurteilt sich selbst und rechtfertigt Gott. Eine „Betrübnis Gott gemäß'' erfüllt die Seele und "bewirkt eine nie zu bereuende Buße zum Heil''. (2. Kor. 7, 10.) Ja, ein wahrhaft wiedergeborener Mensch hasst nicht nur die Sünde selbst, sondern auch die Neigung, den Hang, zu ihr, und in der Kraft der neuen Natur liebt er Gott, der ihn zuerst geliebt hat, und sucht Ihm in einem neuen und heiligen Leben zu gefallen.

Zum Schluss noch ein kurzes Wort an die Unbußfertigen. Hütet euch, dass nicht eure Reue und Buße zu spät kommen! Bereuten nicht die Menschen zur Zeit Noahs beim Herannahen der Flut ihre Torheit, nachdem sie vorher die Predigt des Glaubenszeugen viele Jahre lang verachtet hatten? Ohne Frage; aber die Tür der Arche war für sie verschlossen. Reute es Esau nicht, dass er so leichtsinnig sein Erstgeburtsrecht verkauft hatte, und schrie er nicht "mit einem großen und bitterlichen Geschrei über die Maßen'', als er vernahm, dass Jakob ihm zuvorgekommen war? Ja; aber es war zu spät, der Segen war einem Anderen gegeben worden und konnte ihm nie mehr zu teil werden. Fühlte nicht der reiche Mann, als er im Hades und in Qualen war, Reue über sein selbstsüchtiges, nur dem Vergnügen und der Freude geweihtes Leben? Ganz gewiss; aber es war jetzt zu spät, für ewig zu spät!

Darum, wenn noch einer unter den Lesern dieser Zeilen bis heute der Aufforderung Gottes zur Buße nicht gefolgt sein sollte, so wolle er es doch nicht länger aufschieben! Gott bittet dich, teurer Freund, zu Ihm zu kommen, und zwar gerade so wie du bist, mit all deinen Sünden. Er lässt dir sagen, dass du ein verlorener Sünder bist, aber auch, dass Er nicht deinen Tod will, sondern dass du dich bekehrest und lebest. Die Sache ist ernst. Wer mit Gott und Seinem Worte spielt, wird für ewig verloren gehen. Darum kehre um, tue Buße von deinen bisherigen Wegen, glaube an Jesum und lebe ewiglich!

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Christus selbst

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 195ff

(Aus einem alten Briefe.)

. . . Was Sie mir im Blick aus Ihre Seele mitteilen konnten, hat mich sehr erfreut. Ich hoffe, dass Sie auch heute noch sagen können: "Der liebe Herr ist in allen Dingen köstlich für mich''. Seit langer Zeit habe ich Ihm dienen dürfen und viele Mängel in meinem Dienst gesehen; aber ich kann sagen, dass nichts anderes der Mühe wert ist, als Christus selbst. Wohl habe ich gesunden, wie schwach mein Glaube ist, aber auch, dass der Gegenstand meines Glaubens von unwandelbarem Werte, ja, unendlich kostbar ist. Seine Liebe ist eine Quelle von Freude und Friede, eine Quelle, die nie aufhören wird zu sprudeln, und die in Ewigkeit uns sättigen wird. Ja, lieber Bruder, ich werde immer glücklicher in Ihm; immer mehr erfüllt der Gedanke, dass ich Ihn sehen werde, wie Er ist, mein Herz mit Freude. Er ist meine tägliche Freude. Alles andere stirbt und verschwindet. Wenn der Mensch seinen Geist aushaucht, sagt der Psalmist, gehen seine Pläne zu Grunde. (Ps. 146, 4.) Aber Gott sei gepriesen! das Wort Gottes und wer den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit. Und für die gegenwärtige Zeit ist die Liebe Jesu besser als alles; sie gibt vollkommene Freude und reichen Segen. Man lebt in Frieden und in Gemeinschaft mit Gott; man hat das Unterpfand und den Vorgeschmack der ewigen Seligkeit.

Allein wir dürfen nicht vergessen, dass das Leben des neuen Menschen ein abhängiges Leben ist, abhängig von Christo. Wer Ihn isst, bleibt in Ihm (Joh. 6, 56); und „jeder, der in Ihm bleibt'', sagt der Apostel, "sündigt nicht". (1. Joh. 3, 6.) Der Wert der unsichtbaren Dinge hat dann Kraft in der Seele, und die Wertlosigkeit des Sichtbaren wird klar und deutlich erkannt. Ach! die Seligkeit und das Leben sind jetzt und für immer in Jesu allein. Er ist das Leben, das Leben aus Gott; und also mit Gott, bleiben wir in Gott und Gott in uns, und diese Freude können keine Umstände zerstören oder auch nur vermindern und unterbrechen. Trübsale gibt es wohl aus der Reise. "In der Welt habt ihr Drangsal'', und diese fühlen wir; aber nichts kann die Freude der Seele in Jesu unterbrechen, nichts uns trennen von der Liebe Gottes, noch von dem Gott der Liebe. Und das Bewusstsein dieser Seiner Liebe und des Wertes derselben wächst immer mehr. Je näher wir der Ewigkeit kommen, desto mehr verstehen wir, wir wissen es nicht nur durch den Glauben, nein, wir verstehen es, — dass die Liebe Gottes und Sein Christus alles ist, und die Welt nichts. Zugleich wird die Liebe zu den armen Verlorenen stärker, und unser Herz ist bewegt bei dem Gedanken an den Zustand der Welt selbst.

Gott gebe Ihnen, lieber Bruder, immer mehr in Gemeinschaft mit Ihm zu wandeln und Ihn in allem zu verherrlichen! . .

J. N. D.

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 197ff

Kapitel 11 – 20: Der Fall Davids und seine Folgen
Vom 11.‑20. Kapitel haben wir die Geschichte Davids, des verantwortlichen Königs. Diese Kapitel erzählen seinen schrecklichen Fall, die Züchtigung, die ihn daraufhin trifft, die Folgen seines Fehltritts und endlich seine Wiederherstellung. Das 20. Kapitel schließt mit der Darstellung der Ordnung seines Reiches, (worauf wir schon früher bei der Betrachtung von Kap. 8, 15‑18 hingewiesen haben,) aber einer weniger vollständigen Ordnung als die erste war, weil David hier nicht mehr das Vorbild von dem Messias ist.

Es ist sehr bemerkenswert, dass das 1. Buch der Chronika kein Wort sagt, von der Geschichte Bathsebas, Ammons und Tamars, noch von Absalom und der Flucht Davids und seiner Wiedereinsetzung als König. Die drei ersten Verse von 1. Chron. 20 enthalten den ersten Vers von 2. Sam. 11 und die Verse 29‑31 von Kap. 12. Über alles andere herrscht völliges Schweigen. Die Erklärung ist einfach. Diese Weg­lassung ist einer der unzähligen Beweise von einem göttlichen Plan in den verschiedenen Büchern der Bibel. Das Buch der Chronika zeigt uns nicht den verantwortlichen König, der als solcher auf die Probe gestellt wird, sondern den König, der, den Ratschlüssen Gottes gemäß, in Gnade und Segnung eingesetzt ist. In Kap. 21 folgt dann ein neuer Ab­schnitt, der uns das Gericht über das Haus Sauls zeigt. Die Kapitel 22 und 23 verbinden die Worte Davids, des Vor­bildes von Christo, mit den Worten Davids, des verantwort­lichen Königs. Schließlich, nach der Aufzählung der Helden Davids, endet das Buch in bewunderungswürdiger Weise mit dem Opfer auf Morija, welches, wie jemand gesagt hat, durch die Gnade den Zorn Gottes zurückhält und den Grund legt zu der Stätte der Anbetung, wo Er mit Israel zusammen­treffen kann.

Der Fall: Kapitel 11.
Beim Lesen dieses Kapitels erfüllt ein Gefühl tiefer De­mütigung das Herz eines jeden Kindes Gottes. Es sind unge­fähr dreitausend Jahre her', seitdem die hier berichteten Dinge geschehen sind; aber auch dreißig in den Strom der Zeit ver­sunkene Jahrhunderte ändern nichts an der Tatsache, dass Gott durch einen Seiner Knechte verunehrt worden ist. Die Sünde hat getilgt werden können, aber die Beleidigung, welche Gott durch sie zugefügt wurde, bleibt bestehen. Die Sünde ist umso schwerer, weil sie in dem Leben eines Mannes vorge­kommen ist, welcher trotz mehr als einer Schwäche das Zeug­nis empfangen hatte, dass "kein Böses je an ihm gefunden worden sei." (1. Sam. 25, 28.)

 Mitten in seiner Laufbahn wird dieser Knecht Gottes ein Ehebrecher, Heuchler und Mörder! O wenn wir nur einigen Eifer für die Ehre des Herrn, nur einige Liebe zu Seinen Erlösten haben, so lasst uns weinen beim Anblick eines David, der, seine ganze Vergan­genheit verleugnend, die Heiligkeit Jehovas mit Füßen tritt ‑er, der gerade diese Heiligkeit vor der Welt hätte darstellen sollen! Wie demütigend ist der Gedanke, dass David, der Ge­liebte, den Namen Jehovas, welcher über ihm angerufen war, in solcher Weise hat bloßstellen können, er, dem Gott das Vorrecht einer besonders innigen Nähe geschenkt, und den Er mit solch wunderbaren Gnadenerweisungen überhäuft hatte!

Das Leben der Gläubigen bietet in seiner Gesamtheit sehr verschiedene Charakterzüge dar: man sieht Gläubige ihre Laufbahn schlecht beginnen, aber, indem sie lernen, sich unter der Züchtigung zu verurteilen, ihren Lauf gut, ja, zuweilen in herrlicher Weise beenden. Das war bei Jakob der Fall, dessen Tage "wenig und böse" waren, dessen Leben aber in dem vollen Anschauen der Herrlichkeit endete. Öfter noch sieht man Gläubige ihre Laufbahn gut beginnen, aber schlecht beenden. Das ist die Geschichte Lots, der, obwohl er nicht den Glauben Abrahams besaß, doch seinen Spuren folgte. Sein Leben floss dahin in innerem Schwächerwerden, hervorgerufen durch seine Liebe zu den irdischen Dingen, und endete auf die schmählichste Weise.

 Es ist auch die Ge­schichte Gideons, der demütig und ohne Selbstvertrauen, voll Mut, sein Haus von falschen Göttern säuberte, dann Fürst Israels und Besieger Midians wurde, schließlich aber sein Haus und ganz Israel sündigen machte durch ein Ephod, welchem man abgöttische Verehrung darbrachte. Es ist end­lich die Geschichte Salomos. Er besaß alles: Weisheit, prak­tische Gerechtigkeit, Selbstverleugnung, Kenntnis der Ge­danken Gottes, das Begehren, Ihn zu verherrlichen, und große Macht. Gott benutzt ihn dazu, den kommenden Geschlechtern die Sprüche der Weisheit zu geben. Aber das Ende Salomos ist traurig: er liebte viele fremde Weiber, die sein Herz zu ihren Göttern hinneigen. Der Diener des wahren Gottes wird ein Götzendiener.

Zwischen diesen beiden Wegen sehen wir den Pfad eines Gläubigen, der von Anfang bis zu Ende treu wandelt, ohne zu straucheln, im Geiste persönlicher Heiligkeit und Absonde­rung von der Welt. Das war bei Abraham der Fall, dessen Glaube und Abhängigkeit sich nur selten verleugneten, und der sein Verhalten stets verurteilte, wenn es seine Gemein­schaft mit Gott gestört hatte. Aber vor allem war es der Weg Christi, der gleichmäßige Pfad des vollkommenen Dieners, wie wir ihn in Psalm 16 finden. Da zeigt sich nicht ein Feh­ler; alles ist vollkommen: bedingungsloses Vertrauen, völliger Gehorsam, gänzliche Abhängigkeit, praktische Ge­rechtigkeit ohne je zu fehlen, göttliche Heiligkeit in einem Menschen, unerschütterlicher Glaube, unbegrenzte Liebe, un­geschwächte Hoffnung. Angesichts eines solchen Weges bleibt nichts übrig als anzubeten. Doch wir können Ihm nach­folgen, und Er gibt uns die Fähigkeit und die Kraft dazu. Zwischen Ihm und uns wird immer der Unterschied von Vollkommenem und Unvollkommenem, von Unbegrenztem und Begrenztem vorhanden sein; aber soweit unsere Blicke sich nicht von Ihm abwenden, finden wir das Geheimnis eines Wandels, der Ihn in dieser Welt bis zum Ende hin verherrlicht.

Der Fall Davids ist selten, aber nicht alleinstehend in der Schrift. David hat gut angefangen und gut geendet, aber die Mitte seiner Laufbahn war ein sittlicher Zusammenbruch. Man könnte auch auf die Geschichte des Petrus hinweisen; doch möchten wir hier nicht länger bei ihr verweilen.

Warum hat Gott diesen Fall Davids zugelassen? Die Ant­wort ist reich an Unterweisung und, in einem Sinne, sehr köstlich für uns. Wie Abraham ein Muster des Glaubens ist, so ist David in dem 1. Buche Samuel ein Muster der Gnade. Überall entfaltet sich bei ihm die Gnade und beherrscht seine Wege. Er offenbart sie stets, sowohl gegenüber seinen Fein­den als auch seinen Freunden, ja, gegenüber seiner ganzen Umgebung. Sein Herz ist von der Liebe Gottes erfüllt und von einem unbeschreiblichen Zartgefühl durchdrungen. Auf­richtig sind die Tränen, die er über Saul, seinen Verfolger, vergießt; er hat alles vergessen, was Saul ihm angetan hat; in seinem Herzen ist nur noch Raum für die Gnade. Und doch genügte es, dass dieser Mann für einen Augenblick sich selbst überlassen wurde, um ihn in tiefe Finsternis zu stürzen und jede Spur dessen, was ihn vorher erfüllte, auszulöschen.

Wir bedürfen solcher Beispiele, um das Fleisch in uns kennenzulernen. „In mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes", sagt Paulus. Es gibt für das Fleisch weder Ver­edlung, noch Reinigung, noch irgendwelche Verbesserung; das einzige, was ihm gebührt, ist, ans Kreuz geschlagen zu werden.

Nachdem die Sünde vor Gott bekannt ist, folgt diesem so plötzlichen Fall eine lange und schmerzliche Arbeit der Wie­derherstellung. Petrus vergoss bittere Tränen, als er aus dem Hofe, dem Zeugen seiner Verleugnung, hinausging; aber nicht da fand er die Gemeinschaft mit dem Herrn wieder. Ebenso konnte David erst später mit einem völlig freien Herzen die Gnade preisen. Es genügte nicht, dass er sie in seiner Laufbahn mehr oder weniger treu geoffenbart hatte; Gott wollte ihm Seine Gnade gegen ihn, diese volle und unvermischte Gnade, zeigen in den Umständen, welche aus David einen Mörder gemacht hatten. Er, der arme, elende Gegenstand des Gerichts, wird gerade derjenige, an welchem Gott Seine triumphierende Gnade groß macht und verherrlicht.

Doch wie war es möglich, so ist man versucht zu fragen, dass ein Mann Gottes von einer solchen Höhe herabstürzen konnte? Jehova hatte ihm Autorität und eine verantwortliche Stellung anvertraut. Er hätte in der ununterbrochenen Tätig­keit des Glaubens davon Gebrauch machen sollen, um Jehova und Seinem Volke zu dienen. Aber was tut David? Er ruht aus. Es war die Zeit, in welcher die Könige der Erde zu Felde ziehen; denn die Menschen der Welt entfalten oft mehr Tätigkeit für das Gelingen ihrer Pläne, als die Christen für den Dienst Christi. Diese meinen oft ein wenig ausruhen, sich an der Seite des Weges niedersetzen zu dürfen. Doch wir sind nicht in den Dienst gestellt worden, um faule Knechte zu sein.

„Da sandte David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel." Das, was er am Ende des 10. Kapitels gelernt hatte, hätte ihn auch diesmal an die Spitze seines Heeres stellen sollen. So bereitet sich der Fall vor, oft in ganz un­scheinbarer Weise. Ein‑, zweimal redet Gott zu Seinem Knechte, um ihn zurechtzubringen; er fehlt, Gott stellt ihn wieder her; er fällt wieder, und nun lässt Gott ihn seinen Weg gehen. David bleibt zu Jerusalem; ein wenig Müßig­gang hält ihn von der Teilnahme am Kriege fern. Ein Wan­derer kommt zu ihm herein; er heißt: die Lust. Des Königs Augen werden von einem Gegenstand angezogen, der ihm begehrenswert erscheint; sein Fleisch ist gewonnen; die Macht, über die er verfügt, dient zur Befriedigung seiner Begierde; das Böse wird vollbracht; der Gesalbte Jehovas wird ein Ehebrecher!

Wie lange hat die Befriedigung seines Fleisches gewährt? Kaum ist der Fehler begangen, so trägt er seine Früchte ‑ eine Schwangerschaft. Die Lage ist schwierig, der König ist voll Besorgnis. Sein Charakter ist bloßgestellt, seine Sünde wird ans Licht kommen; er muss sie verbergen. Man handelt immer so, wenn man das Bewusstsein der Gegenwart Gottes verloren hat. David kämpft mit den Umständen, er wehrt sich dagegen, will sie lenken, und in seiner Blindheit sieht er nicht, dass Gott sie leitet.

Er lässt Urija aus dem Feldlager kommen, erkundigt sich heuchlerisch nach Joab, nach dem Volke und dem Stande des Streites. War er um diese Dinge besorgt? Waren nicht alle seine Gedanken auf das eine Ziel gerichtet, seine Sünde zu verbergen? Urija, der von dem König zu seinem Weibe ge­schickt wird, legt sich bei allen Knechten an dem Eingang des Palastes nieder. "Warum", fragt ihn der König, „bist du nicht in dein Haus hinabgegangen?" Welch eine schöne Antwort gibt Urija:

 "Die Lade und Israel und Juda weilen in Hütten, und mein Herr Joab und die Knechte meines Herrn lagern auf freiem Felde, und ich sollte in mein Haus gehen?" In der Schule Davids hatte er diese Hingebung ge­lernt. Hatte nicht David (Kap. 7, 2) zu Nathan gesagt: "Siehe doch, ich wohne in einem Hause von Zedern, und die Lade Gottes wohnt unter Teppichen?" Dieser fromme Wunsch und dieses Zeugnis Davids waren von seiner Umgebung aufgenommen worden und hatten Früchte ge­tragen. Urija redet wie der David der vorigen Tage. Welch einen Tadel gibt er damit ungewollt und unbewusst seinem verehrten Herrn! Dieser Mann hat ein einfältiges und edles Herz. Gott, sagt er, beruft mich zu einem Dienst, zu einer Tätigkeit für Ihn, und so lange Er nicht ruht, kann auch i c h nicht ruhen.

David beachtet diese ernsten Worte nicht im geringsten; sein ganzes Sinnen ist nur darauf gerichtet, Urija zu dem Akt zu treiben, durch welchen der König seine Sünde meint zu­decken zu können. Er macht seinen Diener trunken; trotzdem bleibt Urija fest bei seinem Beschluss. David flattert, wie ein Vogel in seinem Käfig, hilflos gegen die Hand an, die ihn darin eingeschlossen hat. Satan gibt ihm das einzige Mittel ein, welches noch blieb, um dem Bekanntwerden seiner Sünde zu entrinnen: er wird der Mörder Urijas und macht sich der­selben Sünde schuldig, welche sein Volk später begangen hat, indem es "den Gerechten, der ihm nicht widerstand" (Jak. 5, 6), zum Tode gebracht hat. Er macht Joab, der selbst ein Mörder war, zum Mitschuldigen, und so wird er, der einst gesagt hatte: "Das Blut Abners komme über das Haupt Joabs!" (Kap. 3, 28), der Sklave des Menschen, der alles Interesse daran hatte, ihn zu knechten.

Auf die Nachricht vom Tode Urijas, der mit einigen anderen Knechten Davids an der Mauer von Rabba getötet wurde, lässt David dem Joab sagen: Lass diese Sache nicht übel sein in deinen Augen, denn das Schwert frisst bald so, bald so." An seinem Ziele angelangt, beruhigt er seinen Mitschuldigen. Dann nimmt er Bathseba in sein Haus; sie wird sein Weib und schenkt ihm einen Sohn.

Doch damit ist die Geschichte nicht aus, nein, sie beginnt erst. Am Ende dieses 11. Kapitels, das so voll von Verderben und Schande ist, erinnert uns ein kurzes Wort an das einzige, woran David nicht gedacht hatte, das einzige, woran er hätte denken sollen. Es lautet: „Aber die Sache, die David getan hatte, war übel in den Augen Jehovas."

Geliebter Leser! Lass uns auf unsere Wege acht haben! Zum Fallen genügt ein Augenblick; aber um einem Fall zu entgehen, haben wir lange über das, was ihm vorangeht, zu wachen, ja, möchte unser Wachen ein tägliches sein, damit wir nicht auf einem "Wege der Mühsal" wandeln, sondern auf dem "ewigen Wege" geleitet werden. (Ps. 139, 24.) Auf diesem Wege ist alles Frieden für unsere Seelen; es ist der Weg des Lebens, der zu dem wolkenlosen Genuss der Gegen­wart Gottes führt: „Fülle von Freuden ist vor deinem Ange­sicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar." (Ps. 16, 11.)

Vergebung, Züchtigung und Wiederherstellung: Kapitel 12.
Seit dem Falle Davids war eine Zeit vergangen. Der Krieg gegen Ammon, dessen Beginn uns im vorigen Kapitel, welches die Ereignisse von ungefähr einem Jahre umfasst, berichtet wird, war noch im Gange. Die Belagerung von Rabba war noch nicht zu Ende; wir wissen ja, dass die Belagerung einer Stadt zu jener Zeit Jahre dauern konnte. Während dieser ganzen Zeit war Davids Gewissen stumm geblieben, obwohl seine Sünde auf ihm lag und die Folge seiner Übertretung ständig vor seinen Augen war.

Endlich schreitet Jehova ein, nachdem Er lange vergeblich auf Buße gewartet hat. Der Prophet Nathan, der Träger Seines Wortes, wird von Ihm gesandt, um die Seele des Königs aufzuwecken. Wie verschieden ist dieses Kapitel von dem siebenten! In einer Zeit des Glücks und der Freude hatte David, ganz dem Dienst Jehovas gewidmet, nur einen Gedanken gehabt: seinem Gott ein Haus zu bauen; und Gott hatte jenes erste Mal Nathan zu ihm gesandt, um ihm zu sagen, dass der Augenblick dafür noch nicht gekommen sei, aber auch, um ihm die reichen Schätze Seiner Gnade aufzutun; denn Seine Absicht war, die Seele Davids zu erfreuen. Jetzt ist die ganze Szene verändert. Der Prophet erscheint, um David in das Licht eines heiligen und gerechten Gottes zu stellen, dessen Augen zu rein sind, um das Böse zu sehen, und Der die Sünde richten muss.

Nathan redet in einem Gleichnis, und der verblendete König erkennt gar nicht, dass die Erzählung ihn selbst betrifft. Es waren, sagt der Prophet, in einer Stadt zwei Männer, der eine reich, der andere arm; der eine besaß Rind‑ und Klein­vieh, der andere nur ein einziges kleines Lamm, das er zärt­lich liebte. Da kam ein Reisender zu dem Reichen, und dieser nahm, um sein eigenes Vieh zu schonen, das Schaf des Armen und richtete es für den Wanderer zu, der zu ihm gekommen war.

Lasst uns vor einem solchen Reisenden auf der Hut sein, denn wir sind alle der Gefahr seines Besuches in unseren Häusern ausgesetzt. Gewiss, wenn er sich zeigt, ist es das Beste, sofort die Tür vor ihm zu verschließen. Dieser Reisende ist die Lust, und zwar eine uns begegnende Lust; es ist nicht eine von denen, die man bei sich duldet und ge­wohnheitsmäßig nährt. Dieser Reisende war bei dem König eingekehrt, da er wusste, dass er dort Aufnahme und Nahrung finden würde. Auch unsere Herzen enthalten stets die geeig­neten Elemente, um den Versuchungen Satans zu erliegen. David hatte, indem er die Abhängigkeit von Gott vergaß, gemeint, ausruhen zu können, anstatt zu dienen und zu kämpfen. Diese Elemente genügten dem Reisenden, sich die Tür zu öffnen und seine Einkehr durch Verwüstung und Jammer zu kennzeichnen.

„Da entbrannte der Zorn Davids sehr wider den Mann, und er sprach zu Nathan: So wahr Jehova lebt, der Mann, der dieses getan hat, ist ein Kind des Todes; und das Lamm soll er vierfältig erstatten, darum dass er diese Sache getan, und weil er kein Mitleid gehabt hat!" Das Herz und das Gewissen Davids sind in einem schlechten Zustand, und doch bleibt sein Urteil richtig. Obwohl er selbst sich unter dem Joch der Sünde befindet, urteilt er streng über andere. Wenn es sich nicht um uns selbst handelt, haben wir oft ein völlig klares Unterscheidungsvermögen für das Böse bei anderen, aber unsere eigenen Herzen unterwerfen sich dem Urteil nicht. (Matth. 21, 41.)

„Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann!" Welch ein plötzlicher Umschwung! David hat sein eigenes Urteil gesprochen: er hat den Tod verdient! Dieser Stich musste sein Herz treffen; aber er traf nicht nur sein Herz, er drang tiefer, bis auf den Grund seines Gewissens. Plötzlich in das Licht gestellt, kann ein Sünder, der Gott nicht kennt, überführt werden, so dass er den Mund nicht mehr auftun kann, ohne dass diese Überführung tiefer eindringt; für ein Kind Gottes aber kann ein solcher Zustand nur vorüber­gehend sein.

Jehova ruft jetzt David alles ins Gedächtnis zurück, was Er für ihn getan hatte: „Ich habe dich zum König über Israel gesalbt, und ich habe dich aus der Hand Sauls errettet, und ich habe dir das Haus deines Herrn gegeben, und die Weiber deines Herrn in deinen Schoß, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und wenn es zu wenig war, so hätte ich dir noch dies und das hinzugefügt." Die Schätze Meiner Gnade waren dein, und du hast angesichts Meiner Liebe gesündigt! "Warum hast du das Wort Jehovas verachtet, indem du tatest, was übel ist in seinen Augen?" Worin hatte David Ihn denn verachtet? Gott hatte ihn mit Segnungen überhäuft, aber er hatte diesen die Befriedigung seiner Lüste vorgezogen!

Dasselbe Urteil wird über Eli ausgesprochen (1. Sam. 2, 30), weil er seine Söhne mehr geehrt hatte als Gott. Er fürchtete Jehova, aber er hatte Ihn verachtet, indem er seine Söhne 2sein Schlachtopfer und sein Speisopfer, die er in der Wohnung geboten hatte, mit Füßen treten" ließ. Auch sagt ihm Jehova: „Die mich verachten, werden gering geachtet werden." Dieselbe Wahrheit finden wir in Luk. 16, 13: „Kein Hausknecht kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. „Wenn wir zu Gegenständen unseres Begehrens die Dinge haben, welche diese Welt darbieten kann, so heißt das Gott verachten. Man denkt im allgemeinen sehr wenig daran, aber Gott betrachtet es so. „Darum, dass du mich verachtet hast", wiederholt Er im 10. Verse.

David hatte die Sünde Gott vorgezogen. Welch eine schreckliche Sache! Sagen uns unsere Gewissen nichts, wenn wir hierüber nachdenken? jedes natürliche Herz hat Lüste, die es anziehen. Unter "Lüsten" muß man nicht nur die groben Befleckungen der Welt verstehen, sondern alles: „die Lust der Augen, die Lust des Fleisches, den Hochmut des Lebens", Eitelkeit, Vergnügungen und Ehrgeiz. Diese Dinge finden leicht Eingang in das Herz des Christen, und wie viele Tage und Jahre gehen oft dahin, ohne dass wir die Tür wirklich vor ihnen verschließen! So oft wir sie aber einem solchen Gast öffnen, verachten wir den Herrn Selbst. Und ‑ bedenken wir es wohl: Deshalb kam das Gericht Gottes über Seinen Knecht.

Die David verliehenen Gnadenerweisungen waren irdisch; die unseren sind "geistliche Segnungen in den himmlischen Örtern in Christo". Haben diese Dinge einen solchen Wert für unsere Herzen, dass darin kein Raum mehr bleibt, den "Reisenden aufzunehmen? Die Züchtigung und das Gericht des Herrn werden über uns kommen nach dem Maße, wie wir diesen Gast aufnehmen oder abweisen.

Der Prophet kündigt David dreierlei an. Zunächst: „Das Schwert soll von deinem Hause nicht weichen ewiglich." Gott hat dieses Bluturteil nicht zurückgenommen. Sodann (V. 11 und 12): Du hast für das Fleisch gesät, du wirst von dem Fleische Verderben ernten. Diese beiden Dinge, die von An­fang an den der Sünde unterworfenen Menschen gekenn­zeichnet haben (1. Mose 6, 11), sollen fortan beständige Gäste in dem Hause des armen, schuldigen Königs werden.

Bevor wir uns den züchtigenden Wegen der Regierung Gottes aussetzen, lasst uns daran denken, dass diese Regierung unbeugsam ist. Wir können den Folgen unserer Hand­lungen, unseres Betragens nicht entrinnen; das ganze Wort Gottes beweist es uns. Der 1. Brief Petri zeigt uns, dass, selbst unter dem Haushalt der Gnade, die Grundsätze der Regierung Gottes unveränderlich sind. Ohne Zweifel muss die Seele eines Christen, der gefallen ist, wiederhergestellt werden, aber in dieser Welt wird er von den. Folgen seiner Tat nicht wieder befreit.

David hat bis ans Ende seiner Laufbahn die bittere Er­fahrung hiervon gemacht, obwohl seine völlig wiederher­gestellte Seele von neuem beginnen konnte, zu seiner Harfe die „lieblichen Gesänge Israels" zu singen. Die Züchtigung selbst wird dann ein neuer Gegenstand, um die Reichtümer der Gnade zu preisen.

Nathan sagt nur ein Wort: „Du bist der Mann", um David zu überführen. Dieser sagt auch nur ein Wort in der Gegenwart Gottes: "Ich habe gegen Jehova gesündigt." Wenn die Seele das eingesehen hat, so hat sie einen sehr weiten Schritt vorwärts getan. Wenn ein Christ gefallen ist, und Gott seine Sünde offenbar gemacht hat, so findet man gewöhnlich bei ihm das Bekenntnis: Ich habe gesündigt. Aber was hat das auf sich, nachdem die Sünde doch einmal ans Licht gekommen ist? Beachten wir deshalb, dass David nicht sagt: „Ich habe gesündigt", auch nicht: Ach habe gegen Urija, oder "gegen das Weib Urijas, gesündigt", sondern: "Ich habe gegen Jehova gesündigt." Unsere Sünden gegen andere können uns von denen vergeben wer­den, die wir beleidigt haben; wir können in vielen Fällen, in gewissem Maße wenigstens, unsere Sünden gegen andere wieder gut machen; aber was haben wir zu sagen, wenn wir gegen Jehova gesündigt haben? Man sagt: Ich habe ge­sündigt; man schämt sich wegen seiner Sünde, weil die Menschen sie sehen, aber etwas anderes ist es, wenn man überzeugt ist, dass das, was man getan hat, „in den Augen Jehovas " böse gewesen ist.

Nachdem dieses völlige Bewusstsein der Sünde hervorge­bracht ist, lässt Gott Seinen armen, schuldigen Knecht nicht lange warten. Er sagt ihm wiederum nur ein Wort, aber welch ein Wort: "So hat auch Jehova deine Sünde hinweg ­getan!" Er sagt nicht: Jehova wird es tun", sondern „Er hat deine Sünde hinweggetan". Er hatte sich vorher mit der Sünde Seines Knechtes beschäftigt, und Er hat dafür Sorge getragen, dass sie von ihm weggenommen werden konnte, und dass vor Gott keine Rede mehr davon zu sein brauchte. Das ist es, was wir auf dem Kreuze Christi finden.

Dann sagt Nathan zu David: "Du wirst nicht sterben; nur weil du den Feinden Jehovas durch diese Sache Anlass zur Lästerung gegeben hast, so soll auch der Sohn, der dir ge­boren ist, gewisslich sterben. ‑ Und Nathan ging nach seinem Hause." "Du hast den Feinden Jehovas Anlass zur Lästerung gegeben." Das ist die Folgerung, welche die Welt aus unseren Fehltritten zieht. Satan benutzt jede unserer Sünden, um in den Herzen der Menschen eine offenbare Abneigung gegen Gott und gegen Christum hervorzurufen. Da sieht man, sagt die Welt, wohin ihre Religion sie bringt; und so wird Gott gelästert. Satan weckt die Lüste bei einem Christen nicht nur deshalb, um ihn verklagen zu können, sondern auch, um bei den Menschen, den Zeugen seines Falles, Abneigung gegen Christum hervorzurufen, damit sie sich nicht zu Ihm wenden, um das Heil zu erlangen.

Gewalttat und Verderben in seinem Hause waren David als Frucht seiner Sünde angekündigt worden. Das dritte ist der Tod seines Kindes. Der Tod kommt nicht über ihn, den Schuldigen, sondern über seinen geliebten Sohn. Das Gericht Gottes muss in unmittelbarer Weise, vor aller Augen, das Haus des Königs treffen. Das Kind wird krank. Der arme Vater ist in Betrübnis, in Fasten und Flehen. Wenn es doch möglich wäre, dass Gott ihm Gnade erwiese! Nein, die Züch­tigung muss ihren Lauf haben. Welch eine Pein für dieses Herz, dessen zärtlichste Gefühle so tief erregt waren ange­sichts des unschuldigen Opfers seines Fehltritts!

Das Kind stirbt. „Da stand David von der Erde auf und wusch und salbte sich und wechselte seine Kleider." Er ist wie ein neuer Mensch, der eine neue Laufbahn beginnt. Er geht in das Haus Jehovas und betet an. Tut er das, um zu trauern? Nein, sondern um die Gerechtigkeit, die Heiligkeit, die Liebe Gottes, die Aufrechterhaltung Seines Charakters in der Züchtigung anzuerkennen. David steht auf als ein Wiederhergestellter; er kann in sein Haus gehen und sich zu essen geben lassen. Nachdem er sich vor Gott gebeugt hat, ist er auf dem Wege, die Gemeinschaft mit Ihm wiederzufinden.

Seine Knechte sagen zu ihm: "Was ist das für ein Ding, das du tust? Als das Kind lebte, hast du um seinetwillen ge­fastet und geweint, und wie das Kind tot ist, stehst du auf und isst?" David antwortet: "Als das Kind noch lebte, habe ich gefastet und geweint, weil ich dachte: Wer weiß, ob Jehova mir nicht gnädig sein wird, dass das Kind am Leben bleibt? Nun es aber tot ist, warum sollte ich denn fasten? Vermag ich es wieder zurückzubringen? Ich gehe zu ihm, aber es wird nicht zu mir zurückkehren." – „Ich gehe zu ihm." David ist jetzt damit zufrieden, das Siegel dieser Züch­tigung, von welcher der Tod seines Sohnes Zeugnis gab, bis zum Ende seiner Laufbahn zu tragen. „Es wird nicht zu mir zurückkehren. „Diese Freude konnte David nicht zuteil wer­den, aber er nimmt den Weg des Todes, den er einst gehen wird, um seinen Sohn wiederzufinden, als notwendig an.

Der König kann jetzt Bathseba trösten. Die Gnade strömt von neuem ihm entgegen. Er bekommt einen Sohn, den er Salomo (der Friedliche) nennt, und dem Gott durch Nathan den Namen Jedidjah (Geliebter Jahs) gibt. Die Gnade führt Bathseba, die durch ihre Befleckung verhindert war, an den Segnungen teilzuhaben, in die Geschlechtslinie des Messias ein. (Matth. 1, 6.) Sie wird die Mutter des Königs des Frie­dens und der Herrlichkeit. Die Gnade erweist sich gern an gefallenen Wesen, die sie mit Christo verbindet, um in den ,kommenden Zeitaltern zu offenbaren, was ihr „überschwänglicher Reichtum" ist.

Um sich von der Weise, in welcher die Seele Davids Wiederhergestellt wurde, Rechenschaft zu geben, ist es nötig, den 51. Psalm zu betrachten. Andere Psalmen spielen auf dieselben Umstände an, doch wir führen, wie immer, in diesen Betrachtungen nur die Psalmen an, deren Überschrift auf die Ereignisse hinweist, welche den Anlass zu dem be­treffenden Psalm gegeben haben. Dies ist bei dem 51. Psalm der Fall: „Ein Psalm von David, als Nathan, der Prophet, zu ihm kam, nachdem er zu Bathseba eingegangen war." Dieser Psalm, der wie alle Psalmen prophetisch ist, geht weit über die Umstände des Lebens Davids hinaus. So haben die Worte: „Tue Zion Gutes in deiner Gunst, baue die Mauern Jerusa­lems" (V. 18), 

Bezug auf zukünftige Ereignisse. Die "Blut­schuld" besteht nicht nur in der Ermordung des Urija, son­dern in der des Messias. David selbst ist, wie wir im Verlauf dieser Geschichte sehen werden, das Vorbild von dem Über­rest Judas, wenn er in den Regierungswegen Gottes unter den Zorn Gottes gestellt wird. Derselbe Psalm kann auch bei der Verkündigung des Evangeliums benutzt werden, um den Zu­stand eines Sünders zu beschreiben, der sich, wie der verlorene Sohn, wieder zu Gott wendet und sagt: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir"; doch was wir darin suchen, das sind die persönlichen Gefühle die in der Seele eines Gläubigen hervorgebracht werden, welcher durch seinen Fall der Gemeinschaft beraubt ist und infolge­dessen die Freude des Heils verloren hat.

Zwei Gedanken haben zu Beginn dieses Psalms in dem Herzen Davids die Oberhand; der erste ist, dass die Gnade das einzige Heilmittel für seine Übertretung ist (V. 1); der zweite, dass er gegen Gott allein gesündigt hat (V. 4), (und dieses Wort kam, wie wir gesehen haben, aus dem Munde Davids in Gegenwart des Propheten) „damit du gerechtfertigt werdest, wenn du redest, rein erfunden, wenn du richtest". ,Ich habe gesündigt', sagt der König, und du, o Gott, findest durch meine Sünde Gelegenheit, dich selbst zu rechtfertigen. Du rechtfertigst dich, indem du zeigst, dass du die Sünde nicht ertragen kannst. Für mich bedeutet das bedingungslose Ver­urteilung, du aber kannst es zu deiner Verherrlichung benutzen!' Das sind die richtigen Gefühle für einen Heiligen, welchen Gott gerichtet und gedemütigt in Seine Gegenwart zurückführt.

Sodann zeigt uns der Psalm drei Herzenszustände bei dem wiederhergestellten Gläubigen. Diese drei Zustände und ihre Folgen werden in den drei Abschnitten des Psalms geschildert.

Die Verse 1‑6 zeigen den ersten Herzenszustand, der mit den Worten beschrieben wird: „Siehe, du hast Lust an der Wahrheit im Innern, und im Verborgenen wirst du mich Weisheit kennen lehren." „Die Wahrheit im Innern" wünscht Gott zu allererst hervorzubringen, indem Er uns, wenn wir gesündigt haben, in Seine Gegenwart führt. Oft verurteilt die Seele eine Tat und geht nicht weiter; doch das ist nicht die ganze Wahrheit im Innern. David verurteilt nicht nur seine Tat mit den Worten: „Denn ich kenne meine Übertretungen, und meine Sünde ist beständig vor mir", son­dern er richtet auch seinen Zustand: „Siehe, in Ungerech­tigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich empfangen meine Mutter." Es genügt ihm nicht, seine Schuld zu richten; er richtet auch die Sünde als solche, das, was er von seiner Geburt an gewesen war. Er begnügt sich nicht damit, zu sagen: Ich habe Gott beleidigt, sondern er geht auf die Quelle dieser Beleidigung zurück und versteht, dass die Ursache all dieses Bösen in seinem Herzen war. Die Weisheit besteht darin, dies zu unterscheiden.

(V. 7‑13.) Die Wahrheit im Innern hat ihre Früchte getragen; ein zweiter Seelenzustand ist die Folge davon: „Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in meinem Innern einen festen Geist!" Auf welche Weise konnte dieses reine Herz hervorgebracht werden? " Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein sein; wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee." Er spricht von dem Ysop, womit man das Blut auf den Aussätzigen sprengte, dann vom Waschen mit Wasser. Unter dem Gesetz musste bei jeder Sünde die Blutbesprengung erneuert werden; für uns ist das Opfer ein für allemal dargebracht worden; doch außerdem bedarf die Seele des Gläubigen fortgesetzt der Waschung mit Wasser durch das Wort, angewandt durch unseren Hohenpriester auf die Befleckungen, die wir uns auf dem Wege zuziehen: „Wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee.“

Doch um ein reines Herz zu haben, ist noch etwas anderes als unsere persönliche Reinigung erforderlich: „Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, und tilge alle meine Ungerech­tigkeiten!" Es ist nötig, dass Gott selbst nicht mehr daran gedenkt. Für einen Heiligen des Alten Testa­mentes war das nicht eine vollendete, geschehene Sache; wir würden uns deshalb nicht in derselben Weise ausdrücken können, wie David in Vers 9, sondern wenn unsere Herzen von jeder Ungerechtigkeit gereinigt worden sind, treten wir vor Gott mit dem Bewusstsein, dass Er nicht mehr daran gedenkt. Die Folge davon ist die Wiederkehr der Freude des Heils und der Geist der Befreiung, der uns stützt.

In den Versen 14‑19 finden wir den dritten und letzten Seelenzustand, einen Zustand, welcher, nach seinem Fall und seinem Wiederaufstehen, David bis zum Ende seiner Lauf­bahn kennzeichnen soll. „Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist ; ein zerbrochenes und zer­schlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten." Was ihn zerbricht, ist, dass er „die Blutschuld" vor Augen hat, der Gedanke daran, dass er das Blut des gerechten Urija vergossen hat, ein prophetisches Bild von dem durch Israel vergossenen Blute Christi, welches auf diesem Volke und seinen Nach­kommen liegt bis zu dem Augenblick, wo der Überrest mit einem zerbrochenen und zerschlagenen Herzen zu Ihm wieder umkehren wird. Wir werden in der Folge noch hierauf zurück­kommen; doch lasst uns nicht vergessen, dass Gott uns züchtigt, um uns Schritt für Schritt von dem wahrhaftigen und reinen Herzen zu dem zerbrochenen Herzen zu bringen, dem einzigen Zustand, der sich angesichts des Kreuzes für uns geziemt, dem einzigen Opfer, welches Gott neben dem des Lobes (V. 15) annimmt, dem einzigen Herzenszustand, der uns vor neuen Fehltritten bewahren kann.

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Hilfsleistungen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 217ff

Wir lesen in 1. Kor. 12, 28, wo der Heilige Geist von den verschiedenen Gaben spricht, die Gott einst zum Nutzen und zur Auferbauung der Versammlung gegeben hatte: „Und Gott hat etliche in der Versammlung gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, sodann Wunderkräfte, sodann Gaben der Heilungen, Hilfsleistungen, Regierungen, Arten von Sprachen''.

Wir werden einigermaßen überrascht sein, das Wort „Hilfsleistungen" an dieser Stelle zu finden, und es mag wohl sein, dass man im allgemeinen die Tiefe und wichtige Bedeutung dieses Wortes weit unterschätzt, oder gar kaum darüber nachsinnt, was es eigentlich sagen will. „Hilfsleistungen." Bei einigem Nachdenken wird es uns nicht schwer werden, zu fassen, was unter einem Apostel, einem Propheten, einem Lehrer, unter Wunderkräften, Gaben der Heilungen, Regierungen und Arten von Sprachen zu verstehen ist.

 Aber der Sinn des Wortes Hilfsleistungen, vornehmlich an dieser Stelle, ist nicht so leicht verständlich. E6 öffnet ein weit ausgedehntes Feld christlicher Tätigkeit vor unseren Blicken und weist uns auf einen Dienst hin, dem man oft nicht den ihm gebührenden Platz gibt. Gott hat ihm hier einen ganz bevorzugten Platz zugeteilt; er folgt unmittelbar aus „Gaben der Heilungen" und steht noch vor „Regierungen''; ja, die Gabe, in fremden Sprachen zu reden, auf die die Korinther in ihrem kindischen Stolz so viel hielten, weil sie vor Menschen einen so schönen, glänzenden Schein hatte, steht zuallerletzt. Das ist sehr beachtenswert. Gott urteilt so oft ganz anders wie wir, und Sein Urteil ist stets richtig."

Doch was haben wir unter „Hilfsleistungen" zu verstehen? Wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir das Wort in durchaus buchstäblichem Sinne auffassen. Es gibt in einer größeren Versammlung vielleicht viele Brüder, von denen nicht gesagt werden kann, dass sie eine besondere Gabe besäßen, dass sie Evangelisten, Hirten oder Lehrers*) seien, die aber denen, welche im Besitz dieser Gaben stehen, in kräftiger Weise Hülse leisten, sowie der Versammlung im allgemeinen von großem Nutzen sein können. Um in einer Versammlung einen gesegneten Einfluss auszuüben, muss man nicht notwendigerweise besonders begabt sein, oder einen hervorragenden Platz einnehmen. 

Da ist z. B. ein Bruder, der weder Prediger noch Lehrer ist, und doch nimmt er mit großem Interesse teil an allem, was das Werk des Herrn in und außer der Versammlung betrifft. Er denkt nicht daran, in den Zusammenkünften zur Betrachtung des Wortes oder zur Verkündigung des Evangeliums ein Wort zu reden, er hat nicht die Gabe und Freimütigkeit dazu; aber die Art und Weise, wie er die geringsten Dienste verrichtet, und wäre es auch nur, um jemandem einen Platz anzuweisen, oder eine Bibel oder ein Liederbuch zu reichen, tut wohl und ist gesegnet. Man sieht, wie sein ganzes Herz bei der Sache ist, und das gewinnt die Herzen. Er nimmt innigen Anteil an dem Werke des Herrn und wünscht, soweit es in seinen Kräften steht, zur Förderung desselben beizutragen. Es ist ihm nicht gleichgültig, wer da kommt und geht; auch nicht, wie es um die übrigen Gläubigen nach Leib und Seele steht. Er ist bereit, allen zu dienen, die seiner Hilfe bedürfen. In selbstverleugnender Liebe sieht er nach den Einzelnen, geht ihnen nach, legt Hand an, wo er kann, und übt so, mag sein Dienst auch noch so unscheinbar aussehen, einen bedeutenden Einfluss auf die Versammlung und den Fortgang des Werkes aus.

Er drängt sich niemandem auf, aber er ist der Mann, der allezeit zu haben ist, und an den man sich nie vergeblich wendet. So oft du auch zu ihm kommen magst, welcher Art dein Anliegen auch sei - er steht allezeit zu deinem Dienst bereit. Nichts ist ihm zu lästig oder zu beschwerlich; im Gegenteil, er freut sich, dass du zu ihm kommst und seine Hülse in Anspruch nimmst: die Schwierigkeit, in welcher du steckst, ist ja gerade eine Gelegenheit für ihn, um seinen Dienst zu tun, dir Hilfe zu leisten.

Und was leitet ihn bei seinem Tun? Sucht er sich selbst darin? Geizt er nach Anerkennung? Nein, er liebt Christum und freut sich, Ihm in den Seinigen dienen zu können. Die Diener Christi und ihr Werk liegen ihm ganz besonders am Herzen. Indem er großen Wert aus die Errettung von Sündern, sowie auf das geistliche Wachstum der Kinder Gottes legt, freut er sich, wenn das Werk einen guten Fortgang nimmt, unbekümmert darum, wer es verrichtet. Nicht seine eigene Ehre suchend, nur dankbar, Hilfsleistungen tun zu dürfen, unterstützt er die Arbeiter des Herrn mit seiner ganzen Kraft. Er tut, was seine Hand zu tun findet, in Einfalt und Treue.

Sollten ferner nicht auch die Dienste eines Diakonen unter „Hilfsleistungen" mit einzubeziehen sein? Arme und Kranke besuchen, in äußeren Schwierigkeiten hilfreiche Hand bieten, hier helfend einspringen, um das aufgefahrene Boot wieder flott zu machen, dort freundlich mahnen und warnen, dass man nicht mehr Segel aufspanne, als das Boot tragen kann, hier Kleinmütige trösten, dort sich der Schwachen annehmen — gehört das nicht alles unter die Rubrik der „Hilfsleistungen"? Und wenn es so ist, wie weit ist dann das Feld, wie gesegnet die Tätigkeit, sowohl für die Brüder, als auch für die Schwestern in ihrem Maße und an ihrem Platze! Wahrlich, vom Herrn gesetzte und geleitete Hilfsleistungen sind ein Dienst von unschätzbarem Werte; sie sind ganz besonders dazu geeignet, die Herzen in Liebe miteinander zu verbinden und die Einheit des Geistes zu bewahren. Wir bitten den Herrn oft um Evangelisten, Hirten und Lehrer, und wir tun recht daran, denn wir bedürfen sie sehr; aber es sollte auch Sache unseres Gebets werden, dass Er mehr „Hilfsleistungen" in unserer Mitte erwecke, denn sie üben auch einen höchst gesegneten Einfluss aus.

Ich glaube, dass wir im allgemeinen eine schwache Vorstellung davon haben, wie sehr der glückliche Fortgang des Werkes des Herrn, sei es unter den Kindern Gottes oder unter der Welt, befördert wird durch kleinere oder größere Hilfsleistungen, die in Abhängigkeit vom Herrn getan werden. Sind wir auch nicht alle Evangelisten, Hirten und Lehrer, so können wir doch auf mancherlei Weise kräftig an ihrer Seite mitwirken, ihr Herz erquicken, ihren Geist erfrischen und ihr Werk durch unzählige Mittel fördern, welche für das Herz des Herrn Jesu wertvoll sind und die Er sicherlich reich belohnen wird am Tage Seiner Ankunft.

Es ist ein ganz verkehrter und verwerflicher Gedanke, dass in dem Werke des Herrn nur solche tätig sein könnten, welche im Besitz besonderer Gaben stehen. Jeder hat einen Platz auszufüllen, ein Werk zu tun, eine Aufgabe zu vollbringen, und jeder hat seinen eigenen Platz und seinen eigenen Dienst. Fühlen wir das und handeln wir danach? Es gibt einen Vogel, - man nennt ihn Spottvogel, - der die besondere Fähigkeit besitzt, andere Vogelstimmen nachzuahmen, beziehungsweise die Melodien anderer Vögel nachzupfeifen. Er hat keine Melodie, die ihm eigentümlich wäre, kein eigenes Lied, sondern er brüstet sich mit den Weisen seiner Kameraden. Ach, wie mancher Christ gleicht in seinem Tun diesem Tiere! Aber ist es nicht besser, viel besser, einfältig zu sein und mein eigenes Lied zu singen - und wenn es auch nur die Weise eines Rotkehlchens wäre — als zu versuchen, das Lied der Nachtigall nachzuäffen? Nichts ist unausstehlicher, als wenn jemand das Maß der ihm verliehenen Gabe zu überschreiten trachtet.

Was uns Not tut, um in irgend einer Weise für den Herrn tätig zu sein, ist ein ganzes Herz für Ihn und Sein Werk. Wo dies fehlt, da fehlt alles; wo aber dies vorhanden ist, da redet man nicht mehr so viel von der Gabe, sondern ist bereit, sich in jeder Weise und zu jedem guten Werke verwenden zu lassen. War nützt einem Menschen die hervorragendste Gabe, wenn er sie in Selbstgefälligkeit und nicht einzig und allein zum Segen und im Dienst für Andere benutzt? Wenn ich Christum lieb habe, so werde ich danach trachten, Ihn zu verherrlichen und Sein Herz der Liebe zu befriedigen. Kann ich nicht selbst das Evangelium verkündigen, so kann ich mir doch Mühe geben, Zuhörer herbeizurufen, wenn ein Evangelist da ist; ich kann sie empfangen, ihnen behilflich sein und den Dienst des Evangelisten fürbittend und helfend wirksamer gestalten.

 Ich kann in vielen, vielleicht unscheinbaren Dingen zeigen, dass mein Herz teilnimmt an dem Werke des Herrn, und kann so auch anspornend und ermunternd auf Andere wirken. Die einzig wichtige Frage ist, ob unser Herz frei und glücklich in Jesu ist, frei von aller kleinlichen Eifersucht, treu und ernst in dem Begehren, Anderen zu dienen. Treffen diese Bedingungen zu, so werden wir nicht verlegen sein um Arbeit, und unsere Hilfsleistungen werden sich sicher nützlich und gesegnet gestalten. Noch einmal denn: es kommt nicht daraus an, welche Arbeit ich tue, welchen Dienst ich verrichte; sondern alles hängt davon ab, ob ich das mir ausgetragene Werk mit einem freudigen, treuen und liebenden Herzen verrichte.

Fußnote:

*) Apostel und Propheten waren nur in der ersten Zeit der Kirche vorhanden; sie bilden die Grundlage des göttlichen Baues. (Eph. 2, 20.)

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Einige Gedanken über Nehemia

Bibelstelle: Nehemia

Botschafter des Heils 1905 S. 223ff

Zur Zeit Esras und Nehemias waren die Beziehungen Gottes zu Israel als Volk scheinbar abgebrochen, aber für den Glauben des Einzelnen bestanden sie fort. War auch der Thron Gottes nicht mehr in Jerusalem und die Herrschaft den Nationen gegeben, so blickte der Glaube in jenen Männern doch über die Trümmer hinweg nach oben und vertraute auf den Gott, der einst Abraham berufen und einen Bund mit ihm gemacht hatte, seinem Samen das Land Kanaan zu geben. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für uns in diesen letzten Tagen. Der gerechte Gott kann nicht anders, als Seinen bedingungslos gegebenen Verheißungen treu bleiben! (Vgl. Neh. 9, 8 mit 2. Petr. 1, 1.) Der Glaube erfasst dies mit dankbarer Freude und ruht darin. Nehemia (= "Gottestrost", Esra: "Hilfe") verweilte nur drei Tage in Jerusalem, nachdem er vorher monatelang getrauert hatte, und begann dann die Mauer zu bauen. So sollen auch wir nicht nur angesichts des verfallenen Zustandes der Kirche trauern, sondern den Gedanken des Herrn und der Leitung Seines Geistes gemäß auch treu. und eifrig Hand anlegen und bauen. Der Glaube erhebt sich, wie gesagt, über das Sichtbare und betrachtet Gottes Volk stets so, wie Gott es sieht.

Wie schön ist Nehemias Ritt bei der Nacht um die in Trümmern liegende Stadt! Während Andere schliefen, war er mit einigen wenigen Männern wach und nüchtern, und seine Treue entflammte am nächsten Tage die übrigen. Vorsteher des Volkes zu energischem Handeln. "Sie stärkten ihre Hände zum Guten.'' (Kap. 2, 18.) So beginnt Gottes Werk meist in der Stille, durch Werkzeuge, die Er im Verborgenen zubereitet hat. 

Der vollkommene Diener, unser hochgelobter Herr, verbrachte auch manche Nacht allein, in der Gemeinschaft mit Gott. Nehemia erforschte "bei der Nacht", allein mit Gott, die Schäden der Mauer, die Risse und Breschen, um hernach Gott gemäß handeln zu können. So bedürfen auch wir der göttlichen Belehrung (vielleicht unter vielen Tränen und ernster Beugung) über den wahren Zustand der Dinge um uns her; dann erst können wir in der rechten Weise Hand anlegen.

Wenn wir ein Herz haben für Gottes Werk und Volk und in Wahrheit "das Wohl der Kinder Israel suchen'', so sind wir in den Augen der Welt Friedensstörer (Vgl. Kap. 2,10. 19; -1-,1—3); während ein so genannter Weltverbesserer, ein Prediger menschlicher Moral und fleischlicher Religion, immer auf Anerkennung rechnen darf.

Die Forderung: "Weichet vom Bösen", bezieht sich nicht nur auf unsere Stellungnahme hinsichtlich des Zeugnisses von der Einheit des Leibes Christi; mit anderen Worten, es handelt sich für uns nicht nur um Absonderung von allem religiösen Parteiwesen, wie manche zu denken meinen, sondern auch, und zwar in ganz besonderem Sinne, um Reinheit, Treue und Hingebung im persönlichen Leben, sei es in der Familie, im Geschäft, im Verkehr mit der Welt, daheim oder draußen. Wir müssen mit Nehemia sagen können: "Ich tue nicht also, aus Furcht vor Gott". (Vgl. Kap. 5.) Nur dann, wenn der Eifer für den Herrn und Sein Werk Hand in Hand geht mit der Furcht Gottes, können wir auf den Herrn und Seinen Segen rechnen.

Es ist nicht nur wichtig, die Mauer der Absonderung zu bauen und die Tore einzusetzen; es müssen auch die Riegel und Schlösser angebracht werden, anders wird der Feind dennoch ungehindert ein- und ausgehen.

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 225ff

A m n o n: Kapitel 13.
Die Seele Davids ist wiederhergestellt, sein Gewissen gereinigt, sein Herz gedemütigt; trotzdem müssen die Wege der Regierung Gottes betreffs seiner ihren Lauf haben. Was Nathan vorhergesagt hatte: "Das Schwert soll von deinem Hause nicht weichen ewiglich . . . ich will Unglück über dich erwecken aus deinem Hause . . . ich werde dieses tun vor ganz Israel und vor der Sonne", das alles muss unfehlbar in Erfüllung gehen, und David wird sich dieser Notwendigkeit mit einem zerbrochenen Herzen unterwerfen.

Die in diesem Kapitel erzählten Dinge sind schändlich. Es war "eine Schandtat in Israel". (V. 12. 13.) Das Wort Gottes berichtet sie, weil dieses Wort "die Wahrheit" ist und uns den Menschen so schildert, wie er ist, in seiner ganzen Hässlichkeit, um in uns Abscheu vor seiner Verdorbenheit zu er­wecken. Diese schrecklichen Handlungen der Unsittlichkeit und Gewalttat sind Handlungen der beiden Söhne Davids, Amnon und Absalom, von denen der eine ebenso weit von Gott entfernt ist wie der andere. Ein Freund, ein Verwandter und Ratgeber, Jonadab, findet sich, um Amnon in den Sumpf hineinzuführen (V. 4, 5); derselbe Mensch kennt später das böse Vorhaben Absaloms, ohne ihm entgegenzutreten. (V. 32.)

Wie kurz und eitel ist das Ergötzen der Sünde! Kaum hat man mit dem Inhalt des Bechers seine Lippen benetzt, so schmeckt man schon dessen unsägliche Bitterkeit! „Amnon hasste Tamar mit einem sehr großen Hasse; denn der Hass, womit er sie hasste, war größer als die Liebe, womit er sie geliebt hatte." Er hat sofort Abscheu vor diesem armen, unfreiwilligen Opfer seiner schändlichen Tat. Er verurteilt alles, ausgenommen sich selbst. Absalom, gewalttätig und hinterlistig wie er war, rächte sich wegen der seiner Schwester zugefügten Schmach durch Brudermord.

Bei dem wiederhergestellten David fällt mir jedoch etwas auf, das von allgemeinerer Bedeutung und Anwendbarkeit ist. Es mangelt ihm an geistlichem Unterscheidungsvermögen, was wir vor seinem Fall nicht bei ihm gefunden haben. Zwischen seiner Seele und Gott war schon alles geordnet, als er hinging, um Rabba zu belagern. (Kap. 12, 26‑31.) Das Gericht über die Kinder Ammon war gerecht und nach den Gedanken Gottes; aber es scheint doch, als ob David seine persönlichen Eindrücke sowohl mit dem Siege als auch mit der Rache vermengt habe. Sein geistlicher Sinn besaß nicht mehr dieselbe Spannkraft wie früher. Er nimmt die Krone des Königs der Kinder Ammon und setzt sie sich aufs Haupt, während er früher alle Kostbarkeiten der Nationen Jehova geweiht hatte. (Kap. 8, 11; 1. Chron. 20, 2.) Er voll­zieht an dem Volke eine grausame Rache, wovon 1. Chron. 20, 3, wo uns der König nach den Ratschlüssen Gottes dar­gestellt wird, wenigstens einen Teil fortlässt. Zu anderen Zeiten hatte David niemals so gehandelt.

Doch es gibt hier noch mehr zu beachten. In dem vor­liegenden Kapitel wenden sich die wohlwollenden Absichten Davids, sein Wunsch nach Eintracht unter seinen Kindern, alle gegen ihn. Er tut, ohne es zu wollen, gerade das Umge­kehrte von dem, was er hätte tun sollen. So ist er es, der Tamar in das Haus Amnons schickt. Später, als in Absalom der Mordplan zur Reife gekommen ist, sucht David anfangs zu widerstehen in dem Gedanken, dass, wenn er der Bitte seines Sohnes nachgebe, Böses daraus entstehen könne; aber dann gibt er nach und schickt, um Amnon zu behüten, seine anderen Söhne mit ihm. Das alles deutet wohl nicht auf ein geübtes geistliches Urteil hin.

Außerdem zeigt uns der 39. Vers, dass der gottlose Absa­lom der Lieblingssohn Davids war. „Der König David sehnte sich, zu Absalom hinauszuziehen; denn er hatte sich über Amnon getröstet, dass er tot war." Im folgenden Kapitel lässt David sich leicht überreden, Absalom wieder nach Jerusalem kommen zu lassen, und dieser Entschluss ist die unmittelbare Veranlassung zu all dem Unheil, welches hernach herein­bricht. Ohne Zweifel vollführt Gott auf diese Weise Seine Absichten, aber doch geben uns alle diese Tatsachen eine ernste Unterweisung. 

Wenn ein Gläubiger zu Fall gekommen ist, indem er sich seinem eigenen Willen überließ, so hat seine Seele, selbst wenn sie wiederhergestellt ist, einen Teil ihrer geistlichen Spannkraft eingebüßt; wenn er dahin gekommen ist, die Gemeinschaft mit dem Herrn gering zu schätzen oder doch nicht mehr für wichtig zu halten, und er sie infolge­dessen verloren hat, so braucht es eine gewisse Zeit, um das geistliche Verständnis, welches mit dieser Gemeinschaft ver­bunden ist, wiederzuerlangen. Es ist, als ob der Fall bei dem Gläubigen einen Stillstand im geistlichen Wachstum herbei­führte.

Fast jede Seele, die sich der Zucht des Herrn und der Ver­sammlung aussetzt, liefert ein Beispiel hierfür. Sie kann wiederhergestellt werden und die Gemeinschaft Gottes und der Heiligen wiedererlangen; allein es ist ihr, infolge der Wirksamkeit der Sünde, eine geheime Kraft entschwunden, und es ist möglich, dass sie sie niemals wiedererlangt.

Gott wolle uns geben, dass wir Seine Gemeinschaft für etwas überaus Kostbares halten, für so kostbar, dass wir eifersüchtig darüber wachen, sie nicht zu verlieren, und so auch die Kraft und das Unterscheidungsvermögen, welche mit ihr verbunden sind, uns zu erhalten!

Joab: Kapitel 14.
Wir haben bereits hervorgehoben, dass das 1. Buch der Chronika über die Ereignisse, welche uns hier beschäftigen, Schweigen beobachtet. In unserer Erzählung ist David nur noch beiläufig das Vorbild von Christo; weit mehr stellt er den wiederhergestellten Überrest dar, welcher dereinst durch die Drangsal gehen wird in dem Bewusstsein der Schuld, den Gerechten getötet zu haben. Jedoch sind alle Erfahrungen Davids in diesen Kapiteln auch unmittelbar auf uns anwend­bar, weil wir gleich ihm in eine Stellung der Verantwortlich­keit gesetzt und darum auch, wie er, Gegenstände der Zucht sind.

Das 14. Kapitel zeigt uns, wie es Joab gelingt, das Herz Davids zu gewinnen. Wir haben schon bemerkt, dass Joab nie etwas tat, das ihm selbst nicht nützlich gewesen wäre. Wenn er die Sache Davids zu der seinigen machte, so tat er es nicht aus Liebe, wiewohl er Beweise einer gewissen Anhänglichkeit an seinen Herrn geben mochte, sondern weil er die Seite Davids für die geeignetste hielt, um seine ehrgeizigen Ab­sichten zu erreichen. Seine Gedanken gingen nicht bis zum Königtum; er war klug genug, zu wissen, dass ihm der Zu­gang zum Thron versperrt war; sein Ehrgeiz begnügte sich damit, oberster Feldherr, Kriegsminister und Rat des Königs zu sein. Wenn irgendein Hindernis sich seinen Plänen entgegenstellte, war er bemüht, es zu überwinden; ein Verbrechen hielt ihn auf seinem Wege nicht auf.

Vor allem suchte Joab sich unentbehrlich zu machen. Das beste Mittel dazu war, dass er sich zum Diener der Schwächen des Königs gebrauchen ließ. Als David sich des Urija ent­ledigte, indem er ihn den Händen Joabs überlieferte, hatte Joab nicht ein Wort des Vorwurfs; er handelte ohne Zögern. Der schuldige David hatte jetzt einen geheimen Mitschuldigen gewonnen, der aber gerade durch seine Verschwiegenheit zum Herrn Davids wurde. Der gute Ruf des Königs hing fortan von Joab ab; nur wurden die Pläne Joabs durch das Ein­schreiten Gottes vereitelt. Gott redet, David erkennt sich als schuldig; der Aussatz wird, anstatt verborgen zu bleiben, öffentlich ans Licht gebracht und anerkannt unter Demütigung und Tränen, und das nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen.

So wurden die Pläne Joabs vereitelt, seine Interessen ge­schädigt; er konnte seinen Herrn nicht mehr durch dessen geheimes Verbrechen beherrschen. Um seinen Einfluss wieder­zugewinnen, musste er es anders anfangen. Was tut er nun? Als er im Begriffe stand, Rabba zu erobern und bereits den Teil der Stadt eingenommen hatte' in welchem das für sie unentbehrliche Wasser war, lässt er David sagen: "Nun ver­sammle das übrige Volk und belagere die Stadt und nimm sie ein, dass nicht ich die Stadt einnehme und sie nach meinem Namen genannt werde." (Kap. 12, 28.) Welch eine Uneigen­nützigkeit! möchte man ausrufen. Doch gewinnt er nicht auf diesem Wege den Einfluss auf das Herz des Königs zurück? David gehorcht, und wir haben in dem vorigen Kapitel ge­sehen, dass sein Sieg über Rabba auf seine geistlichen Gefühle nicht günstig wirkte, dass aber Joab ihm wieder unentbehrlich wurde und den verlorenen Einfluss wiedergewann.

Am Ende des 13. Kapitels sehnt sich der König nach Ab­salom. Das war eine schlimme Schwäche. Absalom war ein Mörder; das Gesetz Jehovas erlaubte David nicht, sich nach ihm zu sehnen. Der Mörder verfiel den Händen des Blut­rächers, und die Sühnung konnte nur durch das Blut dessen geschehen, der es vergossen hatte. (4. Mose 35, 33.) David hatte dies gezeigt bei dem Amalekiter und bei Rekab und Baana. Wenn Absalom seinen freiwilligen Verbannungsort verließ, so musste das Urteil an ihm vollzogen werden. Ihn schonen hieß einer Übertretung Ungehorsam hinzufügen. Die Tatsache, dass David Maaka, die Tochter Talmais, des Königs von Gesur (Absalom war zu seinem Großvater geflohen), geheiratet hatte, war eine Übertretung. Talmai war einer der kanaanitischen Könige, welche durch die Untreue des Volkes verschont worden waren (Jos. 13, 2. 3); jede Heirat mit diesen war Israel verboten. (2. Mose 34, 15. 16.) Lange, bevor dieses Verbot ausgesprochen wurde, hatte der geistliche Sinn Abra­hams es schon zu einem Gesetz gemacht. (1. Mose 24, 3.) Anstatt dem Gesetz zu gehorchen, hatte David die ihm ver­liehene unumschränkte Macht dazu benutzt, diese Verordnung zu brechen.

Alle diese demütigenden Tatsachen hätten den Zuneigun­gen Davids Schweigen gebieten sollen; aber Joab hatte ein Interesse daran, dass der König nicht den einfachen Weg des Gehorsams ging, und er stand auf der Wache. Joab, der Sohn der Zeruja, merkte , dass das Herz des Königs nach Absalom stand." Er war nicht der Mann, um aus diesem Umstand keinen Nutzen zu ziehen. Er ersinnt einen unwürdig gen Kunstgriff, um David dahin zu bringen, dass er den Entflohenen nach Jerusalem zurückkommen lässt.

 Die Worte, die er dem tekoitischen Weibe in den Mund legt, lassen den Hintergedanken bei Joab vermuten, dass David Absalom zu seinem Nachfolger bestimmen könnte. Er lässt sie sagen: „Sie sprechen: Gib den heraus, der seinen Bruder erschlagen hat, dass wir . . . auch den Erben vertilgen." (V. 7.) „Warum hast du dergleichen wider Gottes Volk im Sinn?" (V. 13.) „Der Mann, der mich und meinen Sohn aus dem Erbteil Gottes vertilgen will." (V. 16.) Man kann in der Tat aus den Worten des Weibes sehen, dass Joab den Gedanken hatte, sich für die Zukunft eine Stellung bei Absalom zu sichern; denn dieser musste ihm doch dankbar dafür sein, dass er ihn an den königlichen Hof zurückgebracht hatte.

Um diese Machenschaften durchzuführen, hatte Joab sogar die Kühnheit, sich bei dem König als Träger der Gedanken Gottes hinzustellen: „Gott nimmt nicht das Leben weg son­dern er sinnt darauf dass der Verstoßene nicht von ihm weg verstoßen bleibe!"

In diesem allen war David ohne Zweifel zu entschuldigen, wenn wir an die natürlichen Gefühle eines Vaters für seinen Sohn denken; aber als Knecht Gottes war er schuldig. Jehova hatte durch den Mund des Propheten (Kap. 12, 24. 25) denjenigen seiner Söhne bezeichnet, auf welchem Seine Wahl ruhte; das war Salomo, der Sohn der Bathseba, den Gott „Jedidjah", d. i. Geliebter Jehovas, genannt hatte. 

Joab aber sagte sich, dass Davids Herz im Geheimen, ohne vielleicht sich selbst dessen klar bewusst zu sein, den Gedanken hege, Absalom zum Nachfolger zu haben. Konnte nun der König bei der Wahl zwischen dem bestimmten Worte Gottes und den eigennützigen Einflüsterungen Joabs einen Augenblick zaudern? Er hätte verstehen müssen, dass Absalom, trotz all seiner äußeren Vorzüge (V. 25 ‑ 27), und trotzdem er ein schöner und vielleicht ebenso Eindruck erweckender Mann war wie Saul, nicht der Mann der Ratschlüsse Gottes sein konnte. Er hatte gesehen, dass sein Bruder Eliab, von dem selbst ein Samuel dachte: „Gewiss, vor Jehova ist sein Gesalbter!" (1. Sam. 16, 6), trotz seiner schönen Erscheinung beiseite gesetzt worden war, um ihm Platz zu machen, ihm, dem armen Hüter der Schafe. Es ist eine ernste Sache, wenn wir uns von unseren natürlichen Zuneigungen, so berechtigt sie sein mögen, leiten lassen, und nicht durch das geistliche Urteil, welches Gott uns gegeben hat.

Damit soll nun keineswegs gesagt sein, dass in diesem Zeitabschnitt bei dem geliebten König nichts als Schwäche vor­handen gewesen sei. Nein, es gab in seinem Herzen eine gött­liche Saite, die nie vergeblich berührt wurde. Joab wusste dies wohl und verfehlte nicht, es zu benutzen. Eine Berufung auf die Gnade fand bei David stets ein Echo; das tekoitische Weib verwendet sich deshalb bei ihm um Gnade. Der König gibt nach, indem er vergisst, dass es sich nicht allein um Gnade handelt; Gott ist auch ein gerechter Gott, und man kann nicht Seine Gnade auf Kosten Seiner Gerechtigkeit erhöhen. 

Der Rat Joabs, den David befolgt, führt ihn zu einem Miss­brauch der Gnade, der um so ernster war, weil seine natürlichen Gefühle dabei im Spiele waren. Das ist wie der Honig, der den Opfern im alten Bunde niemals beigemengt werden durfte. (3. Mose 2, 11.) Die Gnade darf den menschlichen Gefühlen, den Banden und der Sanftmut der menschlichen Natur keinen Platz einräumen. Leider war es bei David anders. Seiner Vaterliebe nachgebend, unterscheidet er nicht genügend das Werk des Feindes, obwohl es ihm nicht ganz entgehen kann. Er fragt: "Ist die Hand Joabs mit dir in diesem allen?" Das Weib gesteht: „Joab hat dieses getan; und der König sagt zu Joab: "Siehe doch, ich habe dieses getan." Er nimmt die Verantwortlichkeit für das auf sich, was Joab hatte tun wollen. Der Feind, Absalom, wird nach Jerusalem zurückgebracht; und was für ein Feind!

Doch David will nicht, dass der Schuldige sich vor ihm zeige. Joab nimmt die Entscheidung seines Herrn an. Einmal und zweimal weigert er sich, zu Absalom, der ihn rufen lässt, zu kommen, in dem Bewusstsein, dass es in seinem Interesse lag, es mit dem König zu halten. Absalom lässt in seinem Zorn Feuer an das Feld Joabs legen und übt so Gewalttat gegen den aus, der für ihn eingetreten war und ihn aus Gesur geholt und nach Jerusalem zurückgebracht hatte, alles in der Hoff­nung, ihn sich zu Dank zu verpflichten. Schließlich muss Joab gegen seinen Willen bei David vermitteln, damit dieser einer Begegnung mit seinem Sohne zustimmt.

In Absalom hat Joab seinen, Meister gefunden. Gott er­laubt das alles. Er hat schon die List, die Geschicklichkeit, die Bosheit und Grausamkeit Joabs benutzt, um Seine Pläne aus­zuführen; und Er steht nun im Begriff, sich Absaloms zu demselben Zweck zu bedienen. Aber schließlich werden sich alle Seine Wege nur als Gnade gegen David erweisen. Doch Joab wird gezwungen, dem zu gehorchen, welchen er zu be­herrschen gedachte. Er wird das nicht vergessen. Absalom ist ein Hindernis für seine Aussichten geworden, eine Macht, auf die er nicht mehr rechnen kann, die sich gegen ihn wendet. Wenn ein günstiger Augenblick kommt, wird Joab Absalom töten.

Davids Flucht: Kapitel 15.
Joab besitzt, obwohl er mit David zusammen arbeitet, keinen der Beweggründe dieses Mannes Gottes; aber zwischen ihm und Absalom besteht doch noch ein großer Unterschied. Der Charakter Absaloms ist von Anfang an der eines Ver­worfenen, im sittlichen Sinne eines Sohnes Satans, weicher "ein Mörder von Anfang" ist. Am Ende lässt er allen schlech­ten Trieben seiner Natur freien Lauf, um seinen Zweck zu erreichen. Er wendet Schmeicheleien an, gibt sich den Anschein von Gerechtigkeit, von Uneigennützigkeit, von Liebe, um „das Herz der Männer von Israel zu stehlen". 

Er täuscht die Einfältigen (V. 11), er tut, als ob er Jehova Opfer bringen und Ihm dienen wolle, und das alles, um sich des Königtums zu bemächtigen und sich an Stelle des Gesalbten Jehovas, seines eigenen Vaters, auf den Thron zu setzen, denn er hasst seinen Vater, er hasst jeden, ausgenommen sich selbst. Er ver­bindet sich mit Ahitophel, der beim Volke in dem Rufe stand, ein Prophet zu sein: „Der Rat Ahitophels, den er in jenen Tagen riet, war, wie wenn man das Wort Gottes be­fragte". Schließlich erhebt er sich und vergöttert sich fast noch bei seinen Lebzeiten. (Kap. 18, 18.)

Alle diese Züge werden am Ende der Zeiten den großen Feind des Königs Israels, den "Antichristen", den Menschen der Sünde, „den Gesetzlosen" (2. Thess. 2, 3. 8), kennzeich­nen. Er wird das Volk verführen, wird dessen nationalen Gottesdienst unterstützen, um ihn hernach zu beseitigen; er wird sich erheben und sich selbst erhöhen, bis er sich endlich als Gott anbeten lässt; er wird sich für den wahren Messias ausgeben, den Vater und den Sohn leugnen und in seiner Person den falschen König mit dem falschen Propheten ver­einigen. Wir finden ihn vom jüdischen Gesichtspunkt aus in Daniel 11, 36 ‑ 39 gekennzeichnet, und der Herr weist Seine Jünger (den ersten Kern des späteren jüdischen Überrestes, so lange der in ihrer Mitte lebende Messias noch nicht ver­worfen war) an, zu fliehen, sobald sie den Gräuel, wovon Daniel geredet hatte, in dem Tempel aufgestellt sehen würden.

Das ist es, was hier geschieht. Der vor Absalom fliehende David ist ein treffendes Vorbild von den treuen Juden am Ende der Tage. Auf beiden Seiten ruht die Schuld des un­schuldig vergossenen Blutes, hier des Urija, dort des ver­worfenen Messias; auf beiden Seiten finden wir die nach diesem Verbrechen wiederhergestellte Seele; auf beiden Seiten die Lauterkeit des Herzens, vermischt mit dem tiefen Gefühl über den Fehltritt; auf beiden Seiten endlich die Folgen des Fehltritts, die unter der Regierung Gottes getragen werden, welcher die Missetat nicht ungestraft lassen kann, der aber die wiederhergestellte Seele aufrecht hält unter dem Zorn, den sie in aller Augen tragen muss, und zwar tragen muss als eine Bürde, von welcher sie aber weiß, dass Gott sie schließlich davon befreien wird, um sie in den wolkenlosen Genuss Seiner Gegenwart einzuführen.

David, der im Anfang seiner Laufbahn ein so schönes Vorbild von Christo war, ist durch seine Sünde zu einem Vorbild des leidenden Überrestes geworden. jedoch wird das ganze Buch der Psalmen hindurch der Überrest dadurch er­muntert, dass er durch den Mund des Propheten David erfährt, dass der Messias Selbst, in dem vollkommenen Mitgefühl Seines Herzens und um ihnen den Weg zu zeigen, im voraus in die Trübsale und Bedrängnisse eingetreten ist, durch welche der Überrest am Ende gehen muss. Die Treuen werden auf diese Weise jeden Tag durch die Worte gestärkt werden, welche der Geist Christi ausgesprochen hat, und in denen sie inmitten ihrer Drangsal den prophetischen Ausdruck ihres Glaubens und ihres Gottvertrauens finden werden. Wir be­gegnen also in diesem Teile der Geschichte Davids den Erfahrungen der Seele unter den Folgen ihres Fehltritts und den Ermunterungen, welche der Geist Christi ihr unter der Re­gierung Gottes zuteil werden lässt.*)

David flieht in Eile, sobald er erfährt, dass das Herz der Männer von Israel sich Absalom zugewandt hat. Das ist weder Feigheit noch Schwäche von seiner Seite, sondern vielmehr Glaube. Der Glaube wird nie den Weg gehen, den der natürliche Mensch wählen würde. Wer hätte nicht in diesem Augenblick ein krieggewohntes Heer einer entstehenden Ver­schwörung entgegengestellt? Wer würde nicht, mindestens einmal, die Entscheidung der Waffen versucht haben, wo ganz Jerusalem noch auf Seiten des rechtmäßigen Königs stand? David flieht, nicht weil Absalom der Stärkere ist, sondern weil er in ihm die Rute sieht, welche Gott zur Züchtigung über Seinen Knecht erhoben hat. Doch David denkt nicht nur an sich; er will auch Jerusalem, der Stadt Jehovas, eine Prü­fung oder ein Verderben ersparen, welche sein Widerstand über sie gebracht haben würde.

So zieht der König hinaus und macht Halt am Bache Kidron. So eilig die Flucht ist, geht sie doch so ruhig vor sich, dass sie mehr einem königlichen Zuge als einer Niederlage gleichsieht. Das kommt daher, weil sie von dem tiefen Gefühl beherrscht wird, dass man mit Gott in der Trübsal ist. Der fliehende König wird bei diesem Auszug von vornherein der Mittelpunkt des Volkes. In seinem Gefolge ist sein Haus und das ganze ihm treu gebliebene Volk; zu seiner Seite sind seine Knechte; an der Spitze seine Krieger. Ist es nicht merkwürdig, dass die Bewaffneten nicht den Nachtrab bildeten, wo doch der Feind dem verteidigungslosen Volke auf den Fersen war? Sie marschieren vor dem König her; seine Helden, seine Kampfgenossen, ziehen ihm voran auf dem Wege zur Wüste. Die Gefährten Absaloms mochten diesen Marsch als eine Flucht betrachten; die Kerethiter, die Pelethiter und die Gathiter sahen darin eine hohe Ehre. 

Doch man beachte dies: In dem Augenblick, wo der wahre König Israels infolge der Empörung seines Volkes ein Fremdling und Flüchtling wird, werden Fremde auf den Ehrenplatz gestellt ‑ die Kerethiter und die Pelethiter, zu den Philistern gehörende und, wie man sagt, von Kreta eingewanderte Stämme; die Gathiter, Leute von Gath, welche die Hauptstadt der Philister und ihr Geburts­land verlassen hatten, um ihr Los mit demjenigen Davids zu verbinden. Ihr ehemaliger König hatte seine Autorität über sie verloren; der König Jehovas war der Wegweiser geworden, dem sie fortan folgten.

Das alles redet zu uns von Christo. Von Israel verworfen, ist Er der Mittelpunkt geworden, welcher die Nationen an­zieht, die in Betreff der Verheißungen Fremdlinge waren und kein Anrecht auf die Segnungen des Volkes hatten. Verworfen, ist Er noch viel mehr der Mittelpunkt von allem geworden, Derjenige, welchem die Seinen mit Freude folgen, weil sie nur bei Ihm, den die Welt nicht gewollt hat, Sicherheit finden weil sie wissen, dass die Zeit Seiner Verwerfung ein Ende nehmen wird, und dass die, welche an Seinen Trübsalen teil­genommen haben, sicherlich auch an Seiner Herrlichkeit teil­nehmen werden; ja, der Mittelpunkt von allem, ein Christus, der immer noch Seine Stellung als Fremdling bewahrt und von der Welt verachtet ist, ein Vorbild zum Nachfolgen, ein Gegenstand des Dienstes (denn Seine Knechte umringen Ihn, Seinem Willen unterwürfig), ein Gegenstand des Zeugnisses, und welch eines glücklichen Zeugnisses!

In diesem Abschnitt der Geschichte Davids werden die H e r z e n offenbar. Während der Herrschaft des Thrones handelt es sich viel mehr um Unterwerfung als um Liebe; aber ein verworfener Christus bringt die Hingebung der Herzen ans Licht, und in solchen Umständen zeigt es sich, ob die Seinigen an Ihn gefesselt sind oder nicht. Es gab in dieser Zeit in Jerusalem solche, die sich sehr leicht der gott­losen Herrschaft Absaloms anbequemten; doch Gott sei Dank! es gab auch ergebene Herzen, die nicht an David irre wurden und trotz allem wussten, dass Jehova mit ihm war; die ihr Los mit dem des Königs verbanden Lind nicht fürchteten, sich bloßzustellen, wenn sie offen erklärten, dass sie zu ihm ge­hörten.

 O diese Furcht, sich bloßzustellen! Man braucht sich nicht zu wundern, wenn man sie bei Christen findet, die vom Christen nur den Namen haben, und die im Grunde der Welt angehören und sich nicht von ihr trennen wollen. Aber bei den Kindern Gottes ‑ welche Schande! Was, du wagst nicht, den Namen deines Heilandes vor den Menschen zu bekennen? Die Meinung der Welt hat also einen solchen Einfluss auf dich? Von ihr geschmäht zu werden ist nicht deine höchste Ehre? Willst du so als Feind des Kreuzes Christi handeln? Hat nicht das den Apostel zum Weinen gebracht, dass er sah, dass Menschen, die Christi Namen trugen, die irdischen Dinge der Schmach des Kreuzes vorzogen? ( Phil. 3, 18).

Ittai, der Gathiter, war ein ganz anderer Mann. Alles traf zusammen, um ihn zu entschuldigen, wenn er sein Los nicht mit demjenigen Davids zusammenwarf. Er war ein Fremder, ein Eingewanderter, der noch kein Bürgerrecht in Israel besaß, gestern erst gekommen; er war, moralisch betrachtet, wie ein kleines Kind, das seine ersten Schritte versucht. David ‑selbst erwartete nicht, dass er sich der Beschwerde, ihm zu folgen, unterziehen würde. „Kehre um", sagt er zu ihm, „und führe deine Brüder zurück; Güte und Wahrheit seien mit dir!" Er segnet ihn sogar, um ihn wohl verstehen zu lassen, dass unter solchen Umständen ein Mangel an Entschiedenheit ihm keines­wegs als böse angerechnet werden würde.

 Nun, dieser Fremde gibt den Beweis eines großen Glaubens. Zu einem großen Glauben ist weder viel Verständnis noch ein langes christliches Leben nötig; es genügt, einen hohen Begriff von dem Herrn zu haben, zu wissen, dass nichts Ihm an die Seite gestellt, nichts mit Ihm verglichen werden kann, dass Er allein imstande ist, alle Bedürfnisse völlig zu befriedigen. Vergebens ent­schuldigt David ihn, vergebens fordert er ihn auf, zurück­zukehren; nichts überwindet ihn. Er bleibt; er kennt keinen anderen Platz, keinen anderen Herrn. Wem könnte er dienen, außer David? Ist nicht Absalom der Feind seines Herrn? Wer und was könnte ihn zurückhalten, David zu folgen? Der Tod? Nein, wenn David sterben soll, so ist der Tod auch Ittai willkommen. Er wartet darauf und nennt ihn in erster Linie: „Sei es zum Tode, sei es zum Leben." Das Leben kommt für ihn nach dem Tode. 

Wie und an welchem Orte es auch sei: da wo David ist, "daselbst wird auch dein Knecht sein". Wie müssen solche Gefühle das Herz des flüchtenden Königs, das Herz unseres geliebten Heilandes erquicken! Was Ittai wünscht, verheißt uns Jesus: "Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo i c h bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren." (Joh. 12, 26.) Der Herr sagt uns: Vielleicht im Tode, aber sicher in der Herrlichkeit. Indem wir Ihm dienen, sind wir der Herrlichkeit sicher; denn dort befindet Er Sich auf immer.

Beachten wir auch, dass das Herz des Vaters durch eine solche Hingebung an Seinen Sohn befriedigt wird. Haben wir Ihm in Seiner Erniedrigung gedient, haben wir uns nicht gefürchtet, vor der Welt Seine Schmach zu teilen, so können wir gewiss sein, dass der Vater uns einen Ehrenplatz geben wird. Ein armer, unwissender Gathiter wird diesen Platz haben; eine arme Moabitin wird ihn ebenfalls einnehmen, sie, die nicht gezögert hatte, der Noomi, der Ahnfrau des flüchtenden Königs, zu folgen: "Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, hinter dir weg umzukehren; denn wohin du gehst, will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott." (Ruth 1, 16.)

„Komm und ziehe hinüber!" sagt der König zu Ittai; und er ging über den Bach Kidron, indem er dem triumphierenden Feinde den Rücken wandte und den Weg zur Wüste vor sich sah. Aber was machte das? David ist sein Hirte, es wird ihm nichts mangeln.

Welch ein Gegensatz zwischen diesem Fremdling und Petrus, dem jüdischen Jünger, welcher dem Herrn von Anfang an nachgefolgt war. Ach, wie eilig war er zu sagen, ohne dass Jesus ihn dazu aufgefordert hatte: "Herr, mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen!" (Luk. 22, 33.) Petrus dachte an das, was er war, Ittai an das, was sein Herr für ihn war. Der arme Petrus! Sein Glaube war, ohne dass er es ahnte, der kleinste und ärmste, den man finden konnte, denn er hatte eine hohe Meinung von sich selbst.

Da sind auch Zadok und Abjathar mit der Lade Jehovas. David weist sie zurück; er kann eine solche Ehre nicht an­nehmen. Die Lade ist in ihre Ruhe eingegangen und kann nicht wieder mit David die Wanderungen durch die Wüste beginnen. David übernimmt hier wieder die Rolle des büßenden und leidenden Überrestes. Die Nationen können mit einem Schein von Recht ihn fragen: "Wo ist dein Gott?" und sein Vertrauen verspotten, wie es in dem zweiten Buch der Psalmen geschieht, welches die Gefühle des vor dem Antichristen von Jerusalem wegfliehenden Überrestes ausdrückt. (Ps. 42, 10 u. a.)

 Mit diesen Gefühlen sagt David zu dem Priester: „Bringe die Lade Gottes in die Stadt zurück. Wenn ich Gnade finde in den Augen Jehovas, so wird er mich zurückbringen, und mich sie und seine Wohnung sehen lassen. Wenn er aber also spricht: Ich habe kein Gefallen an dir ‑ hier bin ich, mag er mit mir tun, wie es gut ist in seinen Augen." Wunderbares Ergebnis der Wirkung des Geistes Gottes auf ein durch die Zucht geübtes Herz! Völlige Ergebung in den Willen Gottes, in dem Bewusstsein, dass man das Gericht verdient hat ‑ völliges Vertrauen auf Seine Güte, die ewiglich währt, auf Sein Interesse an den Seinigen, die dessen unwürdig sind! Alles was ihn trifft, ist gerecht; doch David rechnet auf die Gnade, indem er die Demütigung annimmt und Gott die Sorge, ihn zu rechtfertigen, überlässt; denn „Gott ist es, welcher rechtfertigt".

Diese Gefühle bilden einen Gegensatz zu den Gefühlen Ittais; aber die einen sind an ihrem Platz ebenso schön wie die anderen. Es ist kostbar, die Kraft Gottes in dem Glauben zu finden; aber er ist ebenso wunderbar, wenn er "alles Ausharren" hervorbringt bei einem armen, schwachen Wesen, welches, vorn Sturm getroffen, keine Kraft in sich selbst hat, um der wachsenden Flut des Bösen zu widerstehen.

David geht unter Weinen die Anhöhe der Olivenbäume hinauf, barfuß und mit verhülltem Haupte. Das Volk, das ihm nachfolgt, trägt Trauer wie er. Diese Erniedrigung hat Christus am Ende Seiner Laufbahn für Sein geliebtes Volk auf Sich genommen und getragen. Der, welcher über Jerusalem weinte, befand Sich in Gethsemane im Kampf gegen den schrecklichen Ansturm Satans. Es handelte sich dabei ohne Frage um noch größere und weiterreichende Dinge, als um das Mitgefühl mit dem leidenden Überrest Israels, um ein weit wichtigeres Werk, als die schließliche Befreiung Seines Volkes; aber es handelte sich auch um diese, denn "in all ihren Bedrängnissen war Christus bedrängt". Da hat der Mann, der mit Ihm aß, wie Absalom die Ferse wider Ihn erhoben, hat Ihn verraten mit einem Kuss; da hat Er auch in der Angst Seiner Seele mehr als die Tränen Davids vergossen; da ist Sein Schweiß geworden wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen.

In diesem Augenblick bricht Schlag auf Schlag über den armen König herein. Er erfährt den Verrat Ahitophels. Alle Hilfsquellen sind versiegt, ausgenommen eine einzige; diese aber ist vollkommen genügend. Er beugt sich vor Gott nieder. „Betöre doch", sagt er, den Rat Ahitophels."

Gott gibt auf das Gebet Seines Knechtes sofort Ant­wort. Husai, der vertraute Freund des Königs, kommt ihm entgegen. David, voll geistlichen Verständnisses, sendet ihn wieder fort in dem Bewußtsein, dass Gott ihn ausersehen habe, den Rat Ahitophels zu vereiteln. Husai kehrt nach Jerusalem zurück. Was auch unsere Vorzüge sein mögen, wir müssen stets an dem Platz sein, wo Christus uns hinstellt. Ein Diener Christi kann immer da sein, wo die Bundeslade und das Priestertum sind, da er dort Christum findet. Ist Er nicht zugleich Bundeslade und Priester? Wir sind zu verschiedenen Diensten in Seiner Sache berufen. 

Das Zeugnis und der Dienst sind eine Sache; eine andere ist der Kampf gegen die Listen des Feindes, um den Namen Christi triumphieren zu lassen; wieder eine andere Sache ist es, in Seine Gegenwart zu treten und Ihm Anbetung darzubringen. All diese verschiedenen Dienstleistungen sind unser Teil. Die Aufgabe Husais war schwierig; ebenso ist sie es heute für die, welche gegen die Feinde Christi zu streiten haben, gegen Leute wie Ahitophel, die Anspruch darauf machen, Propheten zu sein, und im Grunde falsche Propheten sind, welche die Gedanken des Herrn kennen und ihr Wissen dazu benutzen, Seine Autorität zu vernichten. Doch wenn der Herr uns in die Mitte der Feinde sendet, so lasst uns ohne Furcht gehen. Den Rat Ahitophels vereiteln, heißt das nicht unserem David den Platz wieder zu bereiten, der Ihm gehört?

Fußnote:

*) Es ist sehr bemerkenswert, dass die Psalmenreihe 3‑7, welche dem ganzen Buche der Psalmen zur Einleitung dient, ‑ Psalm 1 und 2 geben den Inhalt an; sie stellen die beiden Hauptgegen­stände der Psalmen dar: den Charakter der Söhne des Reiches (Ps. 1) und die Ratschlüsse Gottes bezüglich des Messias (Ps. 2), und man findet in ihnen alle auftretenden Personen: die Gerech­ten, das abtrünnige Volk, die Nationen und den Messias ‑ ich sage, es ist sehr bemerkenswert, dass die Einleitung mit dem Psalm beginnt, den David sang, „als er vor Absalom, seinem Sohne, floh". In der Tat gehört diese ganze Psalmenreihe jener Zeitperiode an, wie Ps. 7 zeigt, welcher die Beschimpfung Simeis, die in 2. Sam. 16 berichtet wird, erwähnt. Alles das beweist, dass Davids Flucht vor Absalom wohl ein prophetisches Bild ist von der Stellung und den Gefühlen des Überrestes in den Psal­men, Fügen wir noch hinzu, dass Ps. 71, wie überhaupt ein Teil des 2. Buches, zu dem er gehört, sich direkt auf diesen Abschnitt der Geschichte Davids bezieht.

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Wachend und dienend

Bibelstelle: Lukas 12, 32 - 48

Botschafter des Heils 1905 S. 245ff

Während der Herr hienieden wandelte, konnte die Wahrheit von Seiner Wiederkehr noch nicht so klar und ausführlich mitgeteilt werden, wie es nachher in den Briefen der Apostel geschehen ist. Der Tod und die Auferstehung des Herrn und die darauf sich gründende Herniederkunft des Heiligen Geistes mussten zu Tatsachen geworden sein, ehe der Unterschied zwischen dem Kommen des Herrn zur Aufnahme Seiner himmlischen Braut und Seiner Erscheinung mit ihr in Herrlichkeit und Macht offenbart werden konnte. So lange das Volk Israel seinen Messias nicht endgültig verworfen hatte und infolge dessen unter das Gericht Gottes gekommen war, mussten die göttlichen Gedanken über Christum und Seine Versammlung, Seinen Leib, ein Geheimnis bleiben. Hierauf bezieht sich auch wohl das Wort des Herrn in unserem Kapitel: "Ich habe eine Taufe, womit ich getauft werden muss (Sein Tod), und wie bin ich beengt, bis sie vollbracht ist!" (V. 50.) Mit anderen Worten: Wie bin ich gehindert, alles das mitzuteilen, was in meinem Herzen ist: die ganze Fülle der göttlichen Liebesgedanken und Gnadenratschlüsse.

Heute, wo wir die Belehrungen der Episteln besitzen, können wir zurückgehen und in dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen, sowie in dem Beginn der Abschiedsreden unseres Herrn an Seine Jünger deutliche Hinweise auf Sein Kommen für uns entdecken, aus jene Stunde, in welcher nur diejenigen, welche wirklich Sein sind, zu Ihm entrückt werden sollen. Auch in unserem Kapitel spricht der Herr viel von Seinem Kommen, und Petrus fragt Ihn endlich: „Herr, sagst du dieses Gleichnis zu uns oder auch zu allen?'' (V. 41.) Daraufhin antwortet der Herr: „Wer ist nun der treue und kluge Verwalter. welchen der Herr über Sein Gesinde setzen wird?" Wir erkennen aus diesen Worten, dass zwischen der Verwerfung des Herrn und Seiner Wiederkehr eine längere Zeit vergehen sollte, in welcher die Treue Seiner Knechte aus die Probe gestellt werden würde. Zugleich zeigen sie uns, dass der Herr besonderen Wert legt aus die treue Versorgung Seines Haushalts oder Gesindes während der Zeit Seiner Abwesenheit. Doch wir werden hierauf noch zurückkommen.

Der Herr nennt Seine Jünger eine „kleine Herde''. Sie waren das in der Tat im Vergleich mit dem Volke Israel in seiner Gesamtheit oder auch mit der Masse der christlichen Bekenner in unseren Tagen. Aber sie sollten sich nicht fürchten. Ihr Vater im Himmel hatte für sie das Reich bestimmt, welches damals noch nicht in Herrlichkeit ausgerichtet werden konnte, aber dereinst von dem treuen jüdischen Überrest genossen werden wird, welchen die Jünger hier vorbildlich darstellten, indem sie den Messias ausgenommen hatten in der Hoffnung, dass Er "ans dem Berge Zion'' herrschen werde. Wir brauchen kaum hinzuzufügen, dass diejenigen Gläubigen, welche die Kirche, den Leib Christi, bilden, aus ein himmlisches Erbe hoffen, sowie aus ein Herrschen mit Christo als Sein himmlisches Volk. 

Dies muss zum richtigen Verständnis unserer Stelle festgehalten werden; aber dadurch verliert sie in keiner Weise etwas von ihrer Kraft und Bedeutung für uns. Die wichtige Frage, um die es sich für uns, wie für die Jünger handelt, ist die Stellung unserer Herzen zu dem kommenden Herrn. Denn „wo unser Schatz ist, da wird auch unser Herz sein". Wer in Wahrheit täglich aus Seinen Herrn wartet, für den wird selbst die irdische Habe, welche für den natürlichen Menschen alles bedeutet, nur insofern Wert haben, als er sie im Hinblick auf die Ewigkeit benutzen kann. Er macht sich "Säckel, die nicht veralten, einen Schatz, unvergänglich, in den Himmeln". — Steht es so mit dem Schreiber und Leser dieser Zeilen?

Der Herr will, dass wir Knechte seien, die aus Ihn warten und Ihm dienen. „Es seien eure Lenden umgürtet"; das will sagen: Seid stets bereit, euch in meinem Dienst verwenden zu lassen, hierhin oder dorthin geschickt zu werden,. wie es mich gut dünkt. Die umgürteten Lenden deuten eine derartige stete Bereitschaft zum Dienst an. Das lang herabwallende Gewand, wie man es im Morgenlande trug, war hinderlich beim Dienen und Gehen. Deshalb erscheint es hier ausgeschürzt, um die Lenden befestigt, damit der Träger zu jeder Arbeit, zu jedem Gang geschickt sei, auch wenn die Arbeit beschwerlich sein oder der Weg durch Dornen und Gestrüpp führen sollte. Ein Knecht, der seine Lenden umgürtet hat, braucht nur noch auf den Befehl zu warten, wann und wohin er gehen soll.

Zugleich sollen unsere Lampen brennen. Wir sollen leuchtende Knechte sein. Statt dass die Lampen niedrig brennen oder gar erlöschen, sind sie wohl mit Öl versehen und geputzt; sie scheinen weithin. Hierzu sind Abhängigkeit, Glaube und Gemeinschaft mit Christo nötig, sowie ein Geist, der nicht durch einen untreuen Wandel betrübt ist. Und wie kann dies erreicht werden? Durch stetes, ernstes Selbstgericht. Johannes der Täufer wird einmal von dem Herrn eine „brennende und scheinende Lampe'' genannt. (Joh. 5, 35.) 

Das sollten auch wir allezeit sein, wie der Apostel uns so bestimmt belehrt, wenn er sagt: „Auf dass ihr tadellos und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes, inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheinet wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort des Lebens''. (Phil. 2, 15. 16.) Wenn wir in unserem Herrn Jesu bleiben, wird unser Licht vor den Menschen leuchten. Er ist das lebendige Wort, das wahrhastige Licht, und je inniger unsere Herzen mit Ihm in Verbindung stehen, desto deutlicher wird Sein Bild in uns zur Darstellung kommen, desto heller werden unsere Lampen brennen.

Wir haben bereits gesagt, dass wir wartende Knechte sein sollen, und zwar ermahnt uns der Herr in dieser Beziehung, „Menschen gleich zu sein, die auf ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der Hochzeit''. Es ist Nacht, aber die Knechte warten. Sie wissen nicht, wann ihr Herr zurückkehren wird; sie wissen aber, dass es jeden Augenblick geschehen kann, und deshalb warten sie. Sie laufen nicht hierhin und dorthin, sondern warten; sie legen sich nicht zum Schlafen nieder, sondern warten mit Ausharren, damit sie, sobald ihr Herr klopft, ihm öffnen können. Das Eine, Wichtige, was sie erwarten, ist das Kommen ihres Herrn.

Ein solches Warten bedingt Wachsamkeit. Während die Nacht langsam vorrückt und Wache auf Wache vorbeigeht, senkt sich leicht der Schlummer aus die müden Augenlider; aber wachsame Knechte lassen sich nicht von der Müdigkeit übermannen, sie wissen, dass es nicht mehr lange währen kann, bis ihr Herr kommt. Dieses Bewusstsein erhält sie wach, und je weiter der Zeiger aus der Uhr vorrückt, desto angestrengter lauschen sie auf jedes Geräusch. Das sind wachende Knechte, und solche schätzt der Herr sehr hoch. Er preist sie glückselig und fügt dann hinzu: „Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen, und wird hinzutreten und sie bedienen''. 

Könnte es eine höhere Anerkennung von Seiten des Herrn für die Knechte geben, welche Er wachend finden wird? Unmöglich! Aber, geliebter Leser, hat diese Tatsache den Wert für unsere Herzen und Gewissen, welchen sie haben sollte? Warten und wachen wir, weil wir wissen, dass dies Sein liebendes Herz befriedigt? Es kann sicherlich nicht lange mehr dauern, bis wir Sein teures Angesicht sehen und für immer bei Ihm sein werden. Unser Herr sagt dasselbe auch weiter: "Und wenn Er in der zweiten Wache kommt und in der dritten Wache kommt und findet sie also —— glückselig sind jene Knechte!'' (V. 38.) Was die verschiedenen Nachtwachen betrifft, so wissen wir, dass die erste Wache von sechs bis neun Uhr währte, die zweite von neun Uhr bis Mitternacht, die dritte von Mitternacht bis drei Uhr morgens, und die vierte von drei bis sechs Uhr, bis zum Beginn des Tages. Dass die beiden ersten Nachtwachen vorüber sind, ist sicher; denn wir lesen in dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen: „Um Mitternacht entstand ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam! gehet aus, Ihm entgegen!'' (Matth. 25, 6.) 

Und Tatsache ist, dass dieses Geschrei schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts entstanden ist und sich seitdem in einer Weise über die ganze zivilisierte Welt verbreitet hat, wie sie seit den Zeiten der Apostel völlig unbekannt war. In den Tagen Pauli bekehrten sich die Menschen von den Götzenbildern zu Gott, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und Seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten; aber dann geschah es nach dem prophetischen Worte unseres Herrn: „Während der Bräutigam verzog, wurden alle schläfrig und schliefen ein''.

Wir können also sagen, dass wir uns gegenwärtig in der dritten Nachtwache befinden, und dass diese Wache schon ein gutes Stück vorgerückt ist. „In der vierten Nachtwache'' wird der Herr kommen, um Sein altes Volk (Israel) zu befreien. Das 14. Kapitel des Evangeliums Matthäus liefert uns eine schöne bildliche Erläuterung hierzu. Wir finden dort den Herrn, nachdem Er die Volksmenge entlassen hat, betend auf dem Berge. Diese Stellung entspricht Seiner gegenwärtigen dienstlichen Stellung im Himmel. Um die vierte Nachtwache ist Sein irdisches Volk, dargestellt in der Schar Seiner Jünger, in großer Drangsal und Gefahr, und Er begegnet ihnen in ihrer tiefen Not. Jesus offenbart sich ihnen als ihr Retter, und sobald Er ins Schiff tritt, legt sich der Wind, und sie beten Ihn an als den Sohn Gottes, geradeso wie Israel Ihn dereinst als „Sohn Gottes'' und „König Israels'' anerkennen wird. Wenn wir uns nun in der dritten Nachtwache befinden und diese bereits weit vorgerückt ist, wenn ferner der Herr in der vierten Nachtwache zur Befreiung Israels erscheint —— und es ist klar, dass wir dem Herrn entgegengerückt werden in die Luft, ehe Er Israel befreit, denn wir werden dann mit Ihm aus dem Himmel kommen - so kann es gewiss nur noch „ein gar Kleines'' währen, bis Er in der Lust erscheint, um uns heimzuholen.

Während der Wartezeit verlangt der Herr ferner nach treuen und klugen Knechten; denn Er hat uns nicht nur berufen, zu warten und zu wachen, sondern Er hat uns auch Talente oder Pfunde gegeben, mit denen wir in Seinem Interesse handeln sollen. Gnadengaben sind uns geschenkt zum Nutzen Anderer, und so sind wir zu Verwaltern geworden. An den Verwaltern aber sucht man, dass einer treu erfunden werde. (1.Kor. 4, 2.) Und in unserem Kapitel fügt der Herr hinzu: „Wer ist nun der treue und kluge Verwalter, welchen der Herr über Sein Gesinde setzen wird, um ihm die zugemessene Speise zu geben zur rechten Zeit? Glückselig jener Knecht, den sein Herr, wenn Er kommt, also tuend finden wird! In Wahrheit sage ich euch, dass Er ihn über Seine ganze Habe setzen wird.'' (V. 42—44.) 

Es wäre kaum möglich, in eindringlicherer und deutlicherer Sprache den Beifall unseres Herrn solchen Knechten gegenüber auszudrücken, die während Seiner Abwesenheit für Seine Heiligen Sorge tragen. Es ist Treue gegen Ihn, wenn wir die uns von Ihm gegebenen Talente zum Wohle Seines Gesindes benutzen; zugleich ist es der Pfad der Weisheit, denn aus diese Weise sammelt man sich einen Schatz für die Zukunft. Dem Gesinde die zugemessene Speise zur rechten Zeit zu geben, unterscheidet den wahren Bekenner Seines Namens von dem falschen. Sicherlich denkt der Herr hier zunächst an solche Knechte, die in besonderer Weise einen Platz als Verwalter in Seinem. Hause einnehmen; aber grundsätzlich sind Seine Worte anwendbar aus alle, die sich zu Ihm bekennen.

Sehr ernst ist das Wort, welches Er über den untreuen Knecht ausspricht. Derselbe mag seinem Bekenntnis nach einen hohen, bevorzugten Platz in dem Hause des Herrn einnehmen und in seinen religiösen Überzeugungen durchaus rechtgläubig sein; aber er beginnt in seinem Herzen die Ankunft des Herrn hinauszuschieben. Er sagt: "Mein Herr verzieht zu kommen''; und infolge dessen beginnt er, die Knechte und Mägde zu schlagen und zu essen und zu trinken und sich zu berauschen. Da ist keine Liebe in seinem Herzen, weder zu Christo noch zu den Seinigen; da besteht keine innere, lebendige Verbindung zwischen ihm und dem Herrn, denn er hat niemals die Liebe Christi für sich selbst geschmeckt. Sein Ende ist schrecklich. Plötzlich, an einem Tage, an welchem er es nicht erwartet, wird das Verderben über ihn kommen.

So will der Herr, dass unser Herz bei der Sache sei, dass wir mit Verlangender Liebe nach Ihm ausschauen. Nichts weniger als das kann Ihn befriedigen. Er erwartet, dass, wenn Er sich als der helle, glänzende Morgenstern ankündigt, unsere Antwort sei: "Amen, komm, Herr Jesu!'' Und in der Tat gibt es kaum eine Sache, die ernster und in ihren Wirkungen mehr heiligend wäre als gerade diese. Wer wirklich seinen Herrn erwartet, kann nicht in Gleichgültigkeit oder gar in Unreinheit und Sünde verharren. Nein, wer die Hoffnung hat, Ihn bald zusehen, wie Er ist, "reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist'' (1. Joh. 3, 3).

O möchten denn wirklich unsere Herzen so von unserem anbetungswürdigen Herrn erfüllt sein, dass wir beständig rufen: „Komm, Herr Jesu!'' Wir dürfen versichert sein, dass Er Seine Ankunft nicht verzieht. "Noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen.'' (Hebr. 10, 37.) „Der Herr verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten." (2. Petr. 3, 9.) Nein, während einerseits alles, was vor dem Kommen-, unseres Herrn noch erfüllt werden muss, in vollkommener Übereinstimmung sich erweisen wird mit allen Eigenschaften und Ratschlüssen Gottes, wird andererseits Seine Langmut gegenüber dieser bösen Welt zu Seinem ewigen Preise gereichen.

 Das Verlangen des Herzens unseres Herrn, während Er droben zur Rechten Gottes sitzt, ist, uns bei sich zu haben, da wo Er ist, damit wir Seine Herrlichkeit schauen und das Erbe und die Herrlichkeit, welche der Vater Ihm gegeben hat, mit Ihm teilen. (Joh. 17.) Lasst uns deshalb das Wort Seines Ausharrens in dankbarer Liebe bewahren und danach trachten, als glückselige Knechte erfunden zu werden, die wachend dastehen und als treue und kluge Verwalter verlangend nach Seiner Ankunft ausschauen!

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 253ff

Freunde und Feinde: Kapitel 16.
Die Umstände, durch welche David geht, stellen den Zustand der H e r z e n auf die Probe; auch sind die verschie­denen Charaktere der Menschen, die vor den König treten, in dieser Hinsicht lehrreich für uns.

Wir haben Ittai gesehen, dessen Herz erst "seit gestern" für David schlug und gerade darum ein einfältiges Herz war. Der König, dessen Knecht er geworden war, ist für ihn alles. Mit einem solchen Gegenstand im Herzen wird man immer richtig geleitet. Zadok und Abjathar haben nicht unrecht, wenn sie meinen, dass die Bundeslade bei dem König sein müsse; sie haben ein allgemeines Verständnis über die Ge­danken Gottes, bringen aber Seine Wege mit David nicht in Rechnung. Dieser selbst unterweist sie, indem er sie zurückschickt. Er muss betreffs seiner Zurückführung gänzlich auf Gott rechnen, da er diese Züchtigung verdient hat; und selbst, wenn er ganz verworfen werden sollte, ist David bereit, sich zu beugen; denn alles, was Gott tut, ist gut.

Husai hat einen anderen Charakter, der in seiner Art ebenso so schön ist wie derjenige Ittais; tatsächlich besitzt er mehr Einsicht in die Gedanken Gottes. Husai ist „der Freund Davids"; eine innige Liebe verbindet die beiden Männer, und sie haben kein Geheimnis voreinander; dennoch ist Husai, im Gegensatz zu Ittai, damit einverstanden, eine Zeitlang von seinem Freunde getrennt zu werden. Die Trennung wurde ihm offenbar schwer, denn er war zu David gekommen, um David sein ganzes Mitgefühl auszudrücken; aber er wählt die bessere Art, ihm zu dienen, und kehrt nach Jerusalem zurück. Husai hat bei seiner ruhigen und tiefen Liebe zu seinem Freunde eine Erkenntnis , wie sie selbst die Hohenpriester nicht be­saßen; eine Erkenntnis allerdings, die David selbst ihm mit­geteilt hatte durch die Worte: „Du wirst mir den Rat Ahi­tophels zunichte machen". In dem innigen Verkehr mit Christo empfangen wir die Mitteilung Seiner Gedanken.

Das 16. Kapitel berichtet uns zunächst etwas von Ziba, der schnell zum Handeln bereit und dienstbeflissen ist. Die Esel satteln, sie mit allem, was für die Begleiter des Königs auf der Flucht nötig ist, beladen, sie dann hinbringen, alles das wird ihm nicht schwer. Das ist ein schöner Eifer, eine liebliche Wirkung der Gnade in dem Herzen;*) denn nichts verpflichtete Ziba, so zu handeln. Und doch fehlt diesem eifrigen Herzen Geradheit, oder, um das wenigste zu sagen, er schreibt Mephiboseth Beweggründe zu, die diesem fremd sind.

 Ich denke nicht, dass er wissentlich gelogen hat. Er sagt nicht, dass Mephiboseth ihm seine Pläne mitgeteilt habe, sondern, weil er in den Entschließungen seines Herrn ein Zögern wahrnimmt, schiebt er ihm Absichten unter, die, wie wir in Kapitel 19 sehen, dem Herzen Mephiboseths völlig fern lagen. Nichts ist gefährlicher, als in den Gedanken Anderer lesen zu wollen, um ihre Beweggründe zu erkennen. Eine gewisse Schärfe des Urteils, verbunden mit einiger Kennt­nis des menschlichen Herzens, bringt uns leicht dazu. Unsere Schlüsse sind leider fast immer wenig wohlwollend. Da es uns nur von mittelmäßigem Interesse ist, gute Absichten zu entdecken, beschäftigen wir uns mehr mit den schlechten. Doch Gott behält sich das Urteil vor über das, was in den Herzen vorgeht; Er allein kennt und beurteilt das Ver­borgene. Der Herr sagt uns: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet". (Matth. 7, 1.) 

Setzen wir uns daher nicht der Gefahr aus, selbst von anderen gerichtet zu werden. Das ist es, was später Ziba trifft, wenn er in die Gegenwart Mephiboseths gestellt wird. Dem König, der hier nicht ein Vorbild von Christo ist, fehlt es anscheinend an Scharfblick. Er kommt später (Kap. 19, 29) auf seine Entscheidung zurück; nichtsdestoweniger bietet er hier ein schönes Beispiel von Dem dar, welcher das, was für Ihn geschieht, hundertfach belohnen wird, mag auch die Schwachheit Seiner Knechte noch so groß sein: „Siehe, dein ist alles, was Mephiboseth gehört".

Nach dem Beispiel von Ergebenheit finden wir ein Beispiel von Hass. Gott lässt es zu; denn es bildet einen Teil der Züch­tigung, die Er über David verhängt hat. Indes war es auch das Teil Christi, ohne Ursache gehasst zu werden. (Joh. 15, 25.) Sollte es Seinen Jüngern anders ergehen? Er allein aber konnte in Wirklichkeit sagen: "Ohne Ursache". Die Beweg­gründe zum Hasse waren bei Simei ohne Zweifel unrecht­mäßig, und David hatte in keiner Weise Grund dazu gegeben; aber der gedemütigte König hielt das Urteil seines Feindes für wahr.

 Simei rief David zu: „Hinweg, hinweg, du Mann des Blutes und Mann Belials! Jehova hat alles Blut des Hauses Sauls, an dessen Statt du König geworden bist, auf dich zu­rückgebracht, und Jehova hat das Königtum in die Hand Ab­saloms deines Sohnes, gegeben; und siehe, nun bist du in deinem Unglück, denn ein Mann des Blutes bist du!" Welch eine unwürdige Verleumdung! So wurde der Mann angeschul­digt, welcher Saul in der Höhle und inmitten seines schlafenden Heerlagers verschont hatte, der ihm für sein Böses stets nur Gutes getan, der sich gerecht, geduldig und heilig erwie­sen hatte in allen seinen Wegen (1. Kön. 15, 5), indem er niemals sich selbst rächte, der in Saul den Gesalbten Jehovas geachtet, ja, den Tod seines Feindes mit einem Klagelied geehrt hatte!

Seine ganze Lauterkeit lehnte sich gegen eine solche An­klage auf ‑ und dennoch war er ein Mann des Blutes! Simei wusste das nicht, aber Gott wusste es. Dieser Bösewicht war ein Werkzeug in der Hand Gottes, um David an seinen Fehltritt zu erinnern: Lasst ihn, dass er fluche; denn Jehova hat es ihn geheißen." David nimmt den Fluch an; sein zerbrochenes Herz sucht weder Verteidigung, noch Entschuldigung, noch erblickt er in seiner früheren Gerechtigkeit irgendwelche Aus­gleichung für sein späteres Tun. Für ihn ist Simeis Fluchen das Urteil Gottes, und seine einzige Zuflucht ist die Gnade: „Vielleicht wird Jehova mein Elend ansehen, und Jehova mir Gutes erstatten dafür, dass mir geflucht wird an diesem Tage." Sehen wir hier nicht wieder ein treffendes Bild von dem jüdischen Überrest? Lauterkeit und praktische Gerechtigkeit, sowie Demütigung, hervorgerufen durch die Ermordung des Gerechten, von welchem sie gesagt hatten: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!" finden sich in einem und demselben Herzen vereinigt.

„Abisai, der Sohn der Zeruja, trachtet David von der de­mütigen Unterwerfung unter die Züchtigungswege Gottes ab­zubringen. "Warum soll dieser tote Hund meinem Herrn, dem König, fluchen? Lass mich doch hinübergehen und ihm den Kopf wegnehmen!" Man kann von Abisai nicht erwarten, dass er sich selbst einen toten Hund heißt, wie Mephiboseth, oder wie David vor Saul. Wie hassenswürdig Simei auch sein mochte, er und Abisai waren in den Augen Gottes einander gleich. Das Bewusstsein unserer Unwürdigkeit bewahrt uns vor beleidigenden Worten gegen das Geschlecht, dem wir an­gehören. 

Ein Menschenfeind ist immer ein Mensch, der sich für besser hält als andere. Dennoch scheint die Veranlassung die Worte Abisais einigermaßen zu rechtfertigen. Gott war Verachtet und beleidigt worden. Musste man nicht Seine Par­tei nehmen dem gewalttätigen Menschen gegenüber? Das tat Petrus, als die Schar des Verräters Judas seinen Herrn weg­führte. Hatte Petrus recht, als es sich um einen Größeren, einen Würdigeren als David handelte? „Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort", sagt ihm Jesus, denn alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen." (Matth. 26, 52.) Die Worte Abisais zeigen seine völlige Unfähigkeit, in die Leiden Davids unter der Züchtigung Gottes einzugehen; er war nicht imstande, die demütige Unterwerfung Davids zu begreifen oder seinen unerschütterlichen Entschluss zu ver­stehen, den Weg, welchen Gott ihm wies, zu gehen. 

Wie könnte das Fleisch, dessen Wille, weil er Feindschaft gegen Gott ist, sich Ihm nicht unterwerfen kann, eine vollkommene Abhängigkeit verstehen, die keinen anderen Willen kennt, als den des Vaters? Petrus liefert uns dafür wiederum ein Bei­spiel. Als der Herr Seinen Jüngern gezeigt hatte, dass Er von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und dann getötet werden müsse, "fing Petrus an Ihn zu strafen , indem er sagte: Gott behüte dich, Herr! dies wird dir nicht widerfahren". Was sagt ihm der Herr? "Gehe hinter mich, Satan! du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnest nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist." (Matth. 16, 23.) David sagt zu Abisai "was haben wir miteinander zu schaffen, ihr Söhne der Zeruja?" Ihre Gedan­ken konnten nur durch das Fleisch hervorgebracht werden und kamen vom Feinde. David nimmt den Kelch aus der Hand Gottes, wie später Jesus in Gethsemane. "Vielleicht", sagt er, „wird Jehova mein Elend ansehen, und Jehova mir Gutes er­statten dafür, dass mir geflucht wird an diesem Tage." Welch ein Wort! Lasst uns überzeugt sein, dass Gott der Gott der Gnade ist, und dass der Fluch ebenso wenig das Ende Seiner Wege mit Seinen Geliebten ist, wie er es einst war in Bezug auf Christum!

Husai, von Absalom empfangen, widersetzt sich nicht dem Rat Ahitophels bezüglich der Kebsweiber Davids. Sein Ver­trautsein mit David kam ihm sehr zustatten; denn er konnte über das, was Gott dem König hatte sagen lassen, nicht in Unwissenheit sein, und er musste dem göttlichen Ausspruch seinen Lauf lassen. (Kap. 12, 11. 12.) Ahitophel meinte, durch dieses Mittel die Hände Absaloms zu stärken, aber er trug nur dazu bei, das Wort Gottes zu erfüllen, das Ende Seiner Wege herbeizuführen und die Wiederherstellung dessen zu beschleunigen, den er zu verderben dachte. Dieser Elende sollte bald in seinen eigenen Schlingen gefangen werden. Wie es scheint, tat er das Böse aus keinem anderen Beweggrund, als um es zu tun, und er endete wie Judas, dem er sehr ähnlich ist. Dieser „Freund", der wider David die Ferse erhoben hatte (vergl. Ps. 41, 9), erdrosselte sich und starb.

D e r D i e n s t: Kapitel 17.
Wie wir gesehen haben, hatte der König Zadok, Abjathar und Husai nach Jerusalem zurückgeschickt, um sie dort in seinem Dienst zu verwenden. Die Beweise von Ergebenheit genügen nicht, wie kostbar sie auch dem Herzen des Herrn sein mögen; sie sind nur ein Vorspiel des Dienstes. So ist es auch für uns Christen. Wie Husai und den Priestern, ist es auch uns nicht gestattet, den Ort zu wählen, noch die Weise, in welcher wir dem Herrn dienen wollen; es ist Seine Sache, das zu bestimmen. Hier handelte es sich darum, den Rat Ahitophels zunichte zu machen, zu verhindern, dass es diesem falschen Propheten gelang, die Sache Davids zu verderben.

In den Versen 1 ‑ 4 entdecken wir die verborgene Absicht des Feindes: er will David schlagen. Er urteilt mit Recht: wenn dieser Mann beiseite geschafft ist, wird alles zusammenbrechen und das ganze Volk die Beute Absaloms werden. „Ich werde denn König allein schlagen; und so werde ich alles Volk zu dir zurückbringen." (V. 2.) So handelt der Fürst der Fin­sternis: seine ganze Anstrengung ist darauf gerichtet, Christum zu beseitigen. Er hat zu diesem Zweck die Welt gegen Ihn aufgestachelt, aber am Kreuze hat er das Spiel verloren, statt es zu gewinnen, und seine Macht ist gebrochen worden. Später wird er, in einem vermeintlich günstigen Augenblick, die Könige der Erde aufwiegeln, um das Joch Christi zu zer­brechen. Aber dann „wird der im Himmel thront, lachen, der Herr wird ihrer spotten". (Ps. 2.)

„Das Wort Ahitophels war recht in den Augen Absaloms, und in den Augen aller Ältesten von Israel"; alle waren von der Vortrefflichkeit des Weges, den dieser Mensch vorschlug, überzeugt. Wie kam es nun, dass Absalom trotzdem dazu überging, auch Husai, den Arkiter, zu rufen, um seinen Rat zu hören? Wie kam es, dass, nachdem man ihn gehört hatte, Absalom und alle Männer von Israel sagten: „Der Rat Husais, des Arkiters, ist besser als der Rat Ahitophels?" Weil Gott die Umstände, die Entschlüsse der Menschen und ihre Überlegungen leitet nach Seinem Willen und zur Ausführung Seiner Vorsätze.

 Wenn man die Dinge nur äußerlich betrach­tet, schien Gott sich um das, was damals geschah, gar nicht zu bekümmern; der Böse triumphierte, ja, der Böse herrschte, die Menschen „wallten über in den Einbildungen des Her­zens". Doch Gott war hinter der Szene verborgen, Gott, dem nichts zu widerstehen vermag, und dem selbst Satan als Werk­zeug dienen muss. Für uns ist die Macht Satans schrecklich, für Gott ist sie weniger als der Strohhalm, den ein leises Lüft­chen davonträgt. „Der Gott des Friedens", heißt es, „wird in kurzem den Satan unter eure Füße zertreten." Es ist nicht der mächtige Schöpfer, nicht der Gott der Rache, der diese schreckliche Macht bricht; es ist der Gott des Friedens. Es kostet Ihn keine Anstrengung, das zu tun; Er zertritt in völliger Ruhe den Feind unter die Füße Seiner Heiligen.

Der Wohlgeruch des Dienstes wird in diesem Kapitel überall wahrgenommen. Jeder beteiligt sich an der Tätigkeit zu dem Zweck, seinem Herrn den Platz zu geben, der ihm gebührt, und den Gottlose ihm genommen haben. Husai, der Freund Davids, ist der erste in der Gefahr, aber auch das erste Werkzeug des Sieges. Die Priester sind seine ersten Vertrau­ten. Ihre Söhne, Jonathan und Achimaaz, überbringen die Bot­schaft, welche David und seine Schar retten soll. Eine einfache und unbekannte Magd dient als Mittel, um sie zu ihnen ge­langen zu lassen. Das Weib zu Bachurim, ebenso unbekannt, ebensowenig genannt wie die Maria von Matth. 26,6‑13, ein Weib, welches das Haus hütet, erfüllt ihren Dienst an den Boten und verschafft ihnen ein Versteck, das den forschenden Blicken des Feindes entgeht.

 Ihr Dienst ist ein „gutes Werk" an David , obwohl es unmittelbar an den beiden Boten getan wurde. Wir erblicken somit eine ununterbrochene Kette von Dienstleistungen, die alle denselben Zweck hatten. Hätte ein Glied gefehlt, so wäre David die Beute Absaloms gewor­den. Die Ergebenheit der armen Magd hat für den König den gleichen Wert wie die schöne Uneigennützigkeit Husais. Keiner ist zu verachten, und die Niedrigsten werden vielleicht den besten Platz haben, wenn einmal gesagt werden wird: „Der und der ist darin geboren." (Ps. 87, 5.) „Wo irgend dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt", sagt der Herr, "wird auch von dem geredet werden, was diese ge­tan hat, zu ihrem Gedächtnis." (Matth. 26, 13.)

Nicht nur bilden die verschiedenen Dienstleistungen, worin sie auch bestehen mögen, ein Ganzes, da sie nur einen Zweck und einen Gegenstand haben; es ist auch beachtens­wert, dass der Dienst des einen sozusagen den des anderen hervorruft. Von einem Ende dieser Erzählung bis zum anderen geht jeder Handelnde ans Werk, indem er durch den vorher­gehenden Teilnehmer dazu angetrieben wird. In Zeiten geist­licher Trägheit und Entmutigung beklagen wir uns manchmal über den geringen Eifer derer, die uns folgen, über die man­gelnde Bereitwilligkeit, etwas für den Herrn zu tun, etwas aufzugeben, sei es Bequemlichkeit, Gewinn oder Ansehen und so der Welt gegenüber die Rechte unseres Herrn aufrechthalten. Solche Klagen sind wirkungslos und gleichen sehr dem Worte des Elias: „Ich allein bin übriggeblieben!" Was wir zu tun haben ist, unseren Eifer zu verdoppeln und keinen Augen­blick in dem Dienste des Geliebten zu erschlaffen. Gleich den Wellen des Schalles, des Lichtes und der Wärme wird sich die Wirkung davon bald über unsere nächste Umgebung hin­aus fühlbar machen.

Als David die Nachricht erhalten hatte, ging sein ganzes Volk über den Jordan, ohne dass ein einziger vermisst wurde.*) Dank dieses Dienstes setzt das wahre Volk Gottes eine Schranke zwischen sich und den Feind. Ahitophel, der in seinem Stolz verletzt ist, aber vor allem den schließlichen Triumph Davids fürchtet, nimmt sich das Leben, und stürzt sich so in das ewige Gericht, um der kommenden Rache zu entgehen!

David, von Absalom verfolgt, kommt nach Machanaim. Hier war es, wo Jakob auf der Rückkehr aus der Verbannung dem Heerlager Gottes begegnete, welches ihn gegen die An­schläge Esaus in Schutz nehmen sollte. Hier befindet sich David, der unter der Zucht den Weg der Verbannung wieder einschlägt, unter demselben Schutz. Wie ermunternd ist das für die Seele! Unsere Umstände können sich ändern: mag es sich um die Kraft oder die Schwachheit, die Prüfung oder die Wiederherstellung der Seele handeln ‑ in beiden Fällen bleibt die Gefahr dieselbe, ob sie von seiten eines Esau oder eines Absalom kommt; aber auch die Hilfsmittel unseres Gottes bleiben unveränderlich.

Amasa tritt an Stelle Joabs an die Spitze des Heeres des aufrührerischen Sohnes. Er war ein Vetter Joabs durch seine Mutter, aber auch durch die Schande seiner Mutter. Joab ver­zeiht, wie wir sehen werden, niemals etwas, weder einen Schandfleck auf seiner Familie, noch die Anmaßung seines Platzes, noch die Gefahr einer Mitbewerbung um den Ober­befehl.

Zu Machanaim finden wir den Dienst an dem Volke Davids, wie vorher an dem König selbst. Es ist rührend zu sehen, wie derselbe Eifer drei Personen herbeiführt, die so verschieden an Stellung, Nationalität und Charakter waren. Ein Gegenstand gemeinsamen Interesses beseitigt alle Schran­ken. Schobi, der Ammoniter, der Sohn des Nahas, ein Bruder jenes Hanun, der die Gesandten Davids geschmäht hatte (Kap. 10), ein Mann aus königlichem Geschlecht, erscheint ver­bündet mit Makir, dem Sohne Ammiels, aus Lodebar, dem ehemaligen Wärter des armen Mephiboseth. (Kap. 9, 4.) Bar­sillai, der Gileaditer, aus Rogelim, vereinigt sich mit ihnen; er hatte die Autorität des Alters und das Ansehen, welches große Reichtümer verleihen (Kap. 19, 32); doch das Alter ver­hindert seinen Dienst nicht, und sein ganzer Reichtum wird dazu benutzt, den König und sein Volk zu unterhalten. 

Das Volk hat eine besondere Anziehungskraft für die Liebe dieser Männer; sie sagen: "Das Volk ist hungrig und matt und durstig in der Wüste." (V. 29.) Sie scheuen keine Mühe, wenn die Gefährten des flüchtenden Königs in Frage stehen; sie handeln durch Glauben; auch ziehen sie ihre eigenen In­teressen gar nicht in Betracht. Die hohe Stellung des einen, die Tätigkeit des anderen, der Reichtum und das Ansehen des dritten, alles wird zu den Füßen Davids, in der Person seiner Gefährten, niedergelegt. Alle diese Männer wünschen, wie Abigail, die Füße der Knechte ihres Herrn zu waschen; und das ist keine Erniedrigung, denn es erhöht und verherr­licht einen David, der heute erniedrigt ist, morgen aber in Herrlichkeit über alle Könige der Erde gesetzt werden wird.

Der Tod Absaloms und das zerbrochene Herz Davids: Kapitel 18.
David mustert das Volk und stellt es unter den Befehl Joabs, Abisais und Ittais, des Gathiters, den der König allein für würdig hält, das Heer zu führen in demselben Range wie die seit lange bewährten Führer; und doch war Ittai "erst gestern gekommen", ein Fremdling, ohne Verbindung mit dem Volke Gottes. Was war der Grund, dass er in diesem kritischen Augenblick auf einen Posten von solcher Wichtigkeit gestellt wurde? Seine rückhaltlose Hingebung für David. So vertraut der Herr auch uns einen in Aussicht stehenden Dienst an nach dem Maße unserer Liebe zu Ihm.

David wollte mit seinem Volke in den Kampf ziehen; aber alle antworten: "Du sollst nicht ausziehen." Das eine wie das andere dieser Gefühle war Gott gemäß. Einst war David, anstatt mit dem Volke auszuziehen, in Jerusalem geblieben (Kap. 11, 1), und hatte die Folgen davon tragen müssen; er versteht jetzt, dass sein Platz bei dem Heere ist. Aber das Volk hat auch recht, denn es schätzt den Wert Davids: „Du bist wie unser zehntausend." Das begriff der Hass Ahitophels sehr gut: „Ich werde den König allein schlagen ... 

Gleich der Rückkehr aller ist der Mann, den du suchst", sagte er. (Kap. 17, 2. 3.) Die Liebe des Volkes verstand es aber noch viel besser. Auf beiden Seiten herrschte die Überzeugung, dass alles von David abhing; nur war bei dem Volke der Glaube wirksam. Für diesen war es dasselbe, ob David vom Schlachtfeld abwesend war, oder ob er sich in der Mitte des kämpfenden Volkes be­fand. „Es ist besser", sagen sie, „dass du uns von der Stadt aus zum Beistande bist." David gibt ihrer Bitte nach: "Was gut ist in euren Augen, will ich tun." So handelt auch der Herr Jesus mit uns. Wie einst bei dem Hauptmann und dem kananäischen Weibe, gibt Er dem Glauben nach, lässt sich Gewalt antun, denn Er kann nicht anders, als auf das antworten, was Seine eigene Gnade in den Herzen hervorgebracht hat.

Das Volk zieht an dem König vorüber. In aller Gegenwart gebietet David den Führern, „gelinde zu verfahren mit dem Jüngling, dem Absalom". Welch eine zärtliche Liebe zu die­sem aufrührerischen Sohne! ‑ vielleicht mit Schwäche ver­mischt, aber sie lässt uns doch an die schrankenlose Liebe unseres Herrn zu Seinen Feinden denken. O, wenn sie nur zurückkehren und in der elften Stunde Buße tun möchten! Geht Seine Langmut gegen sie nicht bis an die äußersten Grenzen? Erst wenn sie völlig erschöpft ist, gießt Gott Seinen Zorn in den Kelch; dann bleibt allerdings auch kein Erbarmen mehr übrig.

Was nun folgt, braucht keine Erläuterung. Der gottlose Sohn wird zu seinem Fluch und seiner Schande ans Holz ge­hängt. Dieser Mann, der in seinen jüngeren Jahren, bevor er Söhne hatte*) (vergl. V. 18 mit Kap. 14, 27), sich eine Denksäule errichtet hatte, „um seinen Namen in Erinnerung zu halten", wird unter einem Haufen Steine im Walde Ephraim begraben, während sein Denkmal blieb, um seine Demütigung und sein schreckliches Gericht der Nachwelt stets ins Gedächtnis zu rufen. So wird es auch mit dem Antichristen und mit dem Tier gehen, die sich gegen den Herrn erheben werden. Ihr Sturz wird umso schrecklicher sein, weil sie sich bis zu Gott erhoben haben. (Jes. 14, 12 ‑ 20.)

Man sieht in diesem schmählichen Ende die Hand Gottes, aber man sieht auch, und das ist erschreckend, die mörderische Hand Joabs dabei. Stets verübt er Böses. Er zeigt hier das Maß seiner Achtung vor dem Willen und der Person des Königs. Sein Interesse bringt ihn dahin, Absalom zu beseiti­gen, der einst seinen Stolz verletzt hatte (Kap. 14, 32. 33) und ihm eines Tages würde schaden können, indem er Amasa an seine Stelle setzte. Joab wird auch Amasa selbst töten, wenn die Ermordung Absaloms nicht die gewünschten Ergebnisse bringen wird. Ein Mann aus dem Volke hat mehr Achtung vor dem Willen des Königs, als der Anführer seines Heeres.

Die Niederlage ist vollständig; Israel flieht vor dem sieg­reichen Juda. Achimaaz möchte der erste sein, David die gute Botschaft zu bringen. Er, der sein Leben gewagt hatte, um ihn vor einer drohenden Gefahr zu warnen, will jetzt keinem das Vorrecht lassen, ihm seinen Triumph anzukündigen. Joab, stets politisch und die Gefühle des Königs für Absalom ken­nend, sucht ihn davon abzubringen; aber vergebens. Dass es ihm persönlich schaden oder seinem Fortkommen hinderlich sein könnte, macht für Achimaaz wenig aus; die Politik Joabs ist nicht die seinige. Was auch geschehen möge, er will, vor dem König zur Erde niedergebeugt, als der erste die Würde anerkennen, die ihm wieder geworden ist. 

Dahin treibt es ihn mit Macht, denn sein ganzes Herz gehört David. Vielleicht hat ihn auch der Gedanke geleitet, er könne den Schlag ab­schwächen oder lindern, welchen Absaloms Tod über das Herz seines geliebten Herrn bringen würde. Doch wie dem auch sei, das eine ist sicher, dass er nur die Verherrlichung Davids im Auge hatte. Er kommt dem vor ihm abgesandten Läufer zu­vor. o möchten wir auch laufen wie Achimaaz! ‑ laufen, um uns als erste zu den Füßen unseres siegreichen Erretters zu befinden, ohne uns durch irgend jemand überholen zu lassen!

Als der Kuschit die schmerzliche Nachricht bringt, bricht Davids Herz unter einem untröstlichen Schmerz zusammen: "Mein Sohn Absalom! mein Sohn, mein Sohn Absalom! wäre ich doch an deiner Statt gestorben! Absalom, mein Sohn, mein Sohn!"

„Wäre ich doch an deiner Statt gestorben!" Das konnte David nicht. Das musste für einen Einzigen vorbehalten bleiben, für Ihn, der für Gottlose starb; für den Einzigen, welcher den Übertretern beigezählt worden ist und die Sün­den vieler getragen hat". (Jes. 53, 12.) Doch David konnte seinem Schmerz freien Lauf lassen über den endgültigen Ver­lust desjenigen, dessen Rettung er so ernstlich begehrt hatte.

Dieser ganzen Trauer waren ohne Zweifel menschliche Ge­fühle beigemengt; darum musste Davids Herz zerbrochen werden. Obwohl es viel ist, so ist doch ein zerbrochener Geist (Ps. 51, 17) noch nicht genug. Bei einem zer­brochenen Geist kann der eigene Wille nicht wirksam sein. Bevor David einen zerbrochenen Geist hatte, war er seinem Willen gefolgt, der ihn zum Ehebruch und zur Ermordung Urijas geleitet hatte. Ein zerbrochener Geist bewirkt das Auf­geben des eigenen Willens, um von Gott abhängig zu sein. (Kap. 15, 25. 26; 16, 10‑12; 18, 4.) Der Geist Jesu brauchte nicht zerbrochen zu werden. Sagte Er nicht bei Seinem Ein­tritt in die Welt: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun"?

Doch früher oder später muss auch unser Herz ebenso gut zerbrochen werden wie unser Geist. Gott beginnt zuweilen mit dem einen, zuweilen mit dem anderen. Bei Petrus war, als er bitterlich weinte, das Herz wirklich zerbrochen und gedemütigt, denn das Zerbrechen des Herzens geht nicht ohne Demütigung vor sich. (Ps. 51, 17.) Petrus hatte aber erst später einen zerbrochenen Geist: „Als du jünger warst", sagt Jesus zu ihm, „gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest ; wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst."

Oft wird das Herz nicht auf einmal zerbrochen; bei David geschah es bei drei Gelegenheiten: am Hofe Achis', als er sah, dass er den Herrn verunehrt hatte, und als er deshalb im Staube lag (Ps. 34, 18); nach dem Tode seines Kindes (Ps. 51, 17); und schließlich in unserem Kapitel. Hier war die Demüti­gung schon vollständig, und doch mussten die natürlich en Zuneigungen noch verzehrt und zu Asche ver­brannt werden, damit göttliche Zuneigungen allein das Herz Davids erfüllen möchten. Dieses Ergebnis erreicht Gott nur durch dieses Mittel. Nur in einem zerbrochenen Herzen kann der Herr den Platz ganz ausfüllen.

In Bezug auf unseren hochgelobten Herrn lesen wir auch von einem "Brechen" Seines Herzens; doch hat dies einen ganz anderen Sinn als bei uns. Die Verkennung Seiner Liebe war es, was Sein Herz brach. je mehr diese Liebe sich zeigte, desto mehr erhob sich der Hass gegen Ihn. „Der Hohn hat mein Herz gebrochen", lesen wir in Ps. 69, 20. Er bedurfte nicht eines Zerbrechens wie wir, um von allem losgemacht zu werden. Er war die Liebe selbst. Aber Sein menschliches Herz wurde gebrochen durch die Unmöglichkeit, diese Liebe zu zeigen angesichts des Hasses des Menschen, dessen einzige Antwort auf soviel Gnade die Schmach und Schande des Kreuzes war. Und trotzdem hat das gebrochene Herz des Heilandes den Fluch und die ganze Schwere des Gerichts Gottes getragen, um die zu erretten, welche Ihm ins Angesicht spien.

Vergessen wir indes nicht, dass es für uns fortgesetzt nötig ist, dass das Herz zerbrochen wird. So oft Gott in uns irgendeinen neuen Charakterzug Christi ans Licht bringen will, zerbricht Er unser Herz, um ihn hervorkommen zu lassen.

So tat Er es auch mit dem Apostel Paulus. Das Licht und das Leben Jesu, welche aus Paulus als einem zerbrochenen Gefäß hervorleuchteten, erwärmten und belebten die Seele seiner Brüder.

Von nun an hat Gott nicht mehr nötig, David zu zer­brechen. Die Sonne geht zuletzt strahlend auf; sein Herz ist erfüllt von einer Gnade, die ein Ergebnis seiner schweren Prüfung ist, und er wird für andere der Austeiler dieser göttlichen Gnade.

Fußnote:

*) Diese Auffassung wird kaum allgemein geteilt werden. An­dere Ausleger halten Ziba für einen klug berechnenden, selbstsüchtigen Mann. (Der Übersetzer.)

*) Wir finden hier wieder das Bild des aus Jerusalem fliehen­den Überrestes, der von dem Drachen, dem Tier und dem falschen Propheten verfolgt und außerhalb der Grenzen Israels bewahrt wird, so dass kein Haar von seinem Haupte fällt, obwohl der Strom überflutet. (Offbg, 12, 16.)

*) Oder waren seine Söhne vor ihm gestorben? (Der Übersetzer.)

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Ich hörte und sah

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 270ff

„Und ich, Johannes, bin der, welcher diese Dinge hörte und sah; und als ich hörte und sah, fiel ich nieder, um anzubeten.'' (Offb. 22, 8.)

Etwa 54 mal sagt Johannes in dem Buche der Offenbarung "ich sah'', und etwa 26 mal "ich hörte''. Erstaunliche Dinge hat er gesehen und gehört, Dinge, welche einerseits seine Gestühle aufs tiefste erschütterten, und andererseits seine höchste Bewunderung und Anbetung wachriefen. Er sah Ihn, den er" einst aus dieser Erde gekannt, an dessen Brust er gelegen hatte, wie Er inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelte, angetan mit richterlicher Herrlichkeit und göttlicher Majestät. Er wurde in den Himmel entrückt und sah dort den Thron Gottes, aus welchem Stimmen und Blitze und Donner hervorgingen; und inmitten dieses Thrones erblickte er das Lamm wie geschlachtet, den Löwen aus Juda, der allein würdig war, das Buch der Gerichte zu nehmen und seine Siegel zu brechen. Um den Thron her sah er die vierundzwanzig Throne und die, welche darauf saßen: Erlöste, Heilige, Könige und Priester, angetan mit wallenden weißen Gewändern und geschmückt mit goldenen Kronen. Staunenden Blickes betrachtete er sie und hörte dann ihren Lobgesang, das neue Lied, welches das Echo des ganzen Weltalls wachrief: "Du bist würdig". Er sah die verschiedenen Scharen der Erlösten: die Versiegelten aus Israel, die zahllose Schar aus allen Nationen und endlich die Braut, das Weib des Lammes. Er hörte den schrecklichen Ton der Gerichtsposaunen und sah den Inhalt der sieben Zornschalen sich ergießen.

 Er hörte den Jubel der himmlischen Heerscharen, als das Gericht an der "großen Hure'' vollzogen war, und der Herr, der allmächtige Gott, Seine Herrschaft antrat. Er sah die Hochzeitsfeier des Lammes und nachher das Kommen des Herrn mit den Kriegsheeren des Himmels, um die Kelter des Weines des Grimmes Gottes zu treten. Er sah die Herrlichkeit des tausendjährigen Reiches, den Sturz Satans in den Feuersee, das Gericht vor dem großen weißen Thron, das Vergehen der alten Schöpfung und das Kommen eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Und endlich tat sich vor seinen Blicken der ewige Zustand auf: er sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herniederkommen von Gott, wie eine für ihren Mann geschmückte Braut, und vernahm den Ausdruck der Freude Gottes an der Vollendung Seiner ewigen Ratschlüsse: "Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und Er wird jede Träne von ihren - Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Throne saß . . ., sprach zu mir: Es ist geschehen.''

Alles das und noch vieles andere durfte Johannes schauen, und als er nun sah und hörte, fiel er nieder, um anzubeten. Wie hätte es anders sein können? Zwar irrte er darin, dass er dem Engel, dem Vermittler der göttlichen Mitteilungen, Anbetung darbringen wollte, die doch nur Gott gebührt; aber wir können wohl verstehen, dass sein Herz zum Überströmen gefüllt war. „Bete Gott an'', wird ihm gesagt, und: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches; die Zeit ist nahe''. Die Zeit ist nahe!

Ja, nicht lange mehr, so werden sich alle die von Johannes gesehenen und gehörten Dinge vor unseren Augen und Ohren erfüllen, und wie werden wir dann einstimmen in das Lob der Erlösten, wie werden wir anbeten! Das Herz jubelt bei dem Gedanken daran. Aber auch heute schon lässt Gott uns so vieles sehen und hören, was unsere herzliche und beständige Anbetung wachrufen sollte. Was haben wir z. B. gesehen, als Gott uns zum ersten Male in Sein Licht führte? als Er uns einen Blick tun ließ in unser Herz und Leben, in unseren ganzen Zustand vor Ihm? Nichts als Sünde und Verderben lag da vor unserem Auge, nichts als Elend und Jammer, wohin wir blickten! Aber dann? Durch die Gnade belehrt, durch Gottes Geist geleitet, wandte sich unser Blick von uns ab und zum Kreuze hin. Wir sahen Gottes Lamm, für uns geschlachtet, von Gott verlassen, und wir hörten Seinen Ruf: „Es ist vollbracht!'' Wir hörten Worte der Gnade, eine Botschaft der Liebe, und anbetend sanken wir nieder vor dem Gott, welcher uns, die Unwerten, also geliebt hat. Wir priesen Ihn, der sich selbst für uns dahingab und unsere Herzen mit Friede und Freude erfüllte. Wir sahen und hörten und fielen nieder, um anzubeten.

Und nachdem uns einmal Auge und Ohr geöffnet waren, haben wir da nicht immer neue Wunder der Gnade geschaut und immer neue große und herrliche Dinge gehört? Können, müssen wir nicht von jedem seither zurückgelegten Tage unseres Pilgerweges sagen: "Ich hörte und sah"? Eine treue, starke Hirtenhand hat uns bei Tag und Nacht geleitet, ein liebendes Vaterherz unser allezeit gedacht. O wie viele Liebesbeweise, Ermunterung, Trost, Hülse sind uns täglich, stündlich zuteilgeworden! 

Aber, möchte ich weiter fragen, können wir im Blick aus alle diese Dinge nun auch sagen: „Und als ich hörte und sah, fiel ich nieder, um anzubeten"? Ist unser Leben ein stetes Dankopfer gewesen für den Gott, der uns so unaussprechlich liebt? Können wir mit David ausrufen: „Ich will singen von deiner Starke und des Morgens jubelnd preisen deine Güte"? Haben wir Morgen für Morgen das wohlriechende Rauchwerk auf dem Altar unseres Gottes angezündet? Und am Sonntagmorgen, am Tage unseres Herrn, wenn wir an Seinem Tisch versammelt waren, um Seinen Tod zu verkündigen, wenn wir hörten und sahen, wie Er uns geliebt und was Er für uns getan hat, sind wir da wirklich niedergefallen, um anzubeten? - Als Johannes im Geiste all das schaute, was der Engel ihm zeigte, da war seine ganze Seele mit dem erfüllt, was er sah und hörte. Nichts anderes fand Raum in seinem Innern. Sein eigenes Ich, die irdischen Dinge, das Sichtbare und Zeitliche - alles lag weit hinter und unter ihm.

O wenn auch wir mehr von solchen Zeiten zu sagen wüssten, wo der ganze Gesichtskreis der Seele nur von Ihm ausgefüllt ist, wo Seine Schönheit das Herz so völlig einnimmt, dass kein Raum mehr bleibt für Eigenheit und Eitelkeit, für Zeit und Welt! Alles, auch das Heiligste, kann so leicht Form und Gewohnheit für uns werden; selbst in den ernstesten Augenblicken schweifen die Gedanken oft so weit umher, blicken die Augen anderswohin als aus Jesum, sind die Ohren für andere Dinge geöffnet, als für das Ewige und Himmlische. Und doch — wir wissen es nur zu gut — gibt es nichts, was das Herz wahrhaft glücklich machen und mit Anbetung erfüllen kann, als Jesus und Seine Liebe. 

Wir können Reisen machen, Länder und Völker sehen, herrliche Gegenden und hervorragende Menschen kennen lernen, wir können interessante, ja ergreifende Vorträge hören und von kundiger Hand in die weiten Gebiete des Wissens oder der Kunst eingeführt werden — aber nichts stimmt das Herz zu Lob und Anbetung, nichts gibt der ruhelosen Seele Frieden und wahre Genüge. Das vermag allein der Verkehr mit Jesu. Zu Seinen Füßen sitzen, Seinen Worten lauschen, Ihn betrachten, das ist herrlich, das erhebt das Herz und füllt den Becher der Freude bis zum Rande. Er hat Worte des ewigen Lebens. Möchten wir diesen Platz mehr einnehmen! Dann werden wir auch, wie Maria, imstande sein, in die Gedanken unseres hochgelobten Herrn einzugehen und Sein Herz zu erquicken.

Noch eine kleine Weile, dann werden wir Ihn sehen und Seine holdselige Stimme hören. Welch ein Loben und Danken wird dann ertönen! Musste die Königin von Scheba sagen: „Nicht die Hälfte ist mir berichtet worden'', so werden wir ausrufen müssen: „Was wir auch auf Erden gesehen und gehört haben mögen, es ist nicht in Vergleich zu bringen mit der Wirklichkeit, die unsere Augen erblicken".

Noch eine kleine Weile! Sollten wir nicht ausharren in Einfalt und Treue, bis Er kommt? Ach, der Feind bietet alles auf, um die Herzen der Gläubigen von Jesu und Seiner nahen Ankunft abzulenken, ihre Augen und Ohren mit anderem zu füllen. Und es gelingt ihm gar zu leicht. In so manchen Häusern sind von früh bis spät weltliche, irdische Dinge Gegenstand der Unterhaltung. Für Jesum bleibt kein Raum. Die leeren Plätze in den Versammlungen reden ebenfalls eine vernehmliche Sprache. Wie mancher versäumt das Zusammenkommen zum Gebet oder zur Betrachtung des Wortes und geht eigene Wege, anstatt da zu sein, wo Jesus in der Mitte der Seinigen ist und Segen schenken will! Ist es ein Wunder, wenn die Herzen dann arm und leer sind, und so wenig Lob und Dank laut wird? Wenn man nicht hört und sieht, wie kann man dann niederfallen und anbeten?

„Wir möchten gern Jesum sehen", so lautete einst der Wunsch der Griechen, die nach Jerusalem hinausgezogen waren, um auf dem Feste anzubeten. Ihr Wunsch wurde mehr als erfüllt. Sie sahen nicht nur Jesum, sondern sie hörten auch wunderbare Worte aus Seinem Munde - Worte, die sie damals in ihrer Tragweite wohl nicht verstanden haben mögen, die aber in späteren Tagen sicherlich ihre tiefe Freude und Anbetung wachgerufen haben. (Vgl. Joh. 12, 20 — 33.) Gerade so wird es uns ergehen. Nicht nur wird das Verlangen, Jesum zu sehen, gestillt werden, sondern wir werden auch immer weit mehr empfangen, als wir erwarteten; und die Folge wird sein, dass der Strom der Anbetung fließt und der Ruf laut wird: „O Jesu, dass ich heut' Dich säh!''

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 276ff

Das Zeugnis der Wahrheit, so schwach es sein mag, ist Gottes- und nicht Menschenwerk. Wenn wir das verstehen und verwirklichen, können wir auch Trübsal leiden mit dem Evangelium nach der Kraft Gottes. (2. Tim. 1, 8.) Wir haben nur den Willen Gottes zu tun, alles andere Ihm überlassend. Er wird dann für uns mit unseren Feinden streiten, und wir dürfen zuschauen.

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Hiob hatte Freude und Wohlgefallen an sich, so lange er nur mit seinem Ohre von Gott gehört hatte; sobald aber das Licht Gottes auf ihn gefallen war und er sagen konnte: "Jetzt sieht dich mein Auge'', verabscheute er sich.

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Das Wort „Freuet euch!'' richtet sich nicht an oberflächliche, gleichgültige Menschen, sondern an solche, die trauern und weinen, die ein Gefühl haben über den Zustand der Dinge um sie her.

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Als die aus der Verbannung zurückgekehrten Juden zur Zeit Nehemias den Bau der Mauer um Jerusalem vollendet hatten, versammelten sie sich wie ein Mann, um das Wort Gottes zu hören. Sie forderten den Priester Esra auf, das Buch des Gesetzes Moses herbeizubringen, und dann lauschten alle, Männer, Weiber und Kinder (soweit letztere Verständnis hatten, um zuhören zu können) vom lichten Morgen bis zum Mittag aus das, was vor gelesen wurde. „Die Ohren des ganzen Volkes waren aus das Buch des Gesetzes gerichtet.'' Stehend horchten sie in lautloser Spannung auf die Worte, welche Esra las, und aus die Erklärungen, welche ihnen von Seiten der Priester und Leviten gegeben wurden.

Das ist höchst beachtenswert. Es genügt nicht, sich auf den Boden der Absonderung gestellt zu haben; wir müssen mit Eifer Gottes Wahrheit weiter zu erfassen trachten und mit Ehrfurcht dessen Belehrungen lauschen. Anders werden wir leicht in einen Zustand der Selbstzufriedenheit oder gar Selbstgefälligkeit geraten, dessen Folgen höchst bedenklich sind. Ferner besitzen wir, nachdem wir selbst in Bezug aus die Erkenntnis der Wahrheit Fettes gegessen und Süßes getrunken haben, das kostbare Vorrecht, ja, wir sind berufen, "denen Teile zu senden, welchen nichts zubereitet ist''. (Neh. 8, 10.) — Verstehen wir das, und kommen wir unserer Berufung nach?

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Meine irdischen Verhältnisse sind wandelbar: meine Ehre kann sich in Unehre, mein Reichtum in Armut, meine Freiheit in Gefängnis verwandeln; aber nie können die Beziehungen, welche durch Gottes Gnade zwischen mir und dem Herrn gebildet sind, eine Veränderung oder Unterbrechung erleiden. Nie kann ein Sohn des Vaters aushören, ein Sohn zu sein.

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Bald sind wir am Ziele, im Vaterhause, bei Jesu, unserem geliebten Herrn. Dann brauchen wir nicht mehr zu singen: "Bist im Sturm ein sicherer Nachen, Heilung für ein wundes Herz". Dort gibt es keine Stürme und keine Wüsten-Erfahrungen mehr; eine ewige Fülle wird uns umgeben. Aber doch sagen wir heute schon voll Zuversicht und Herzensvertrauen: "Alle meine Quellen sind in dir" (Ps. 87, 7).

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„Die Liebe vergeht nimmer." (1. Kor. 13, 8.) Warum nicht? Sie ist aus Gott. Gott ist Liebe. Glaube und Hoffnung werden aufhören, denn sie stehen nicht mit der Natur Gottes, sondern mit der Fassungskraft des Menschen, oder der menschlichen Natur, in Verbindung; aber die Liebe bleibt, wie Gott selbst. Gleichwie sie vor der Zeit war, so überdauert sie auch die Zeit. Prophezeiungen, Sprachen, Erkenntnis — alles wird aufhören oder bei der Ankunft des Herrn hinweggetan werden; aber die Liebe vergeht nimmer, sie wird niemals veralten, nie sich verändern. Jene passen zu dem vorübergehenden Zustand, in welchem wir uns heute befinden, sie sind nur Stückwerk und stimmen nicht zu der Vollkommenheit, wo nichts Böses mehr besteht und die Liebe in ihrer vollen, ungehinderten Ausübung erscheinen wird. Die Liebe aber passt durchaus zu einem Zustande der Herrlichkeit und Vollkommenheit.

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„Strebet nach der Liebe!" (1. Kor. 14, 1.) So gesegnet diese Tätigkeit der neuen Natur allezeit und überall ist, kommt sie doch, soweit es sich wenigstens um uns handelt, in der Versammlung Gottes zu ihrer tiefsten und weitesten Entfaltung. Nirgendwo anders ist sie so unausgesetzt und in so mancherlei Formen erforderlich. Hier ist das eigentliche Feld ihrer Tätigkeit, ihr gesegneter Wirkungskreis. Je näher und inniger die Verbindung oder Beziehung ist, in welcher wir stehen, desto mehr Liebe ist zu ihrer Aufrechthaltung nötig, umso tiefer und mannigfaltiger sind die Ansprüche, welche an die Liebe gestellt werden. Nicht mit Unrecht ist daher gesagt worden: Willst du Freude haben, so verkündige das Evangelium; kannst du Lasten tragen, so bemühe dich um die Versammlung Gottes.

Wenn Liebe vorhanden ist, werden die schwersten Proben zu dem lieblichsten Zeugnis von der Gnade Gottes; fehlt sie, so leiden die Seelen Schiffbruch bei ruhiger See. Das hatten die Korinther noch nicht gelernt. Sie waren weit entfernt von jener ersten Frische und Einfalt der Thessalonicher, denen der Apostel zurufen konnte: "Was aber die Bruderliebe betrifft, so habt ihr nicht nötig, dass wir euch schreiben, denn ihr selbst seid von Gott gelehrt, einander zu lieben; denn das tut ihr auch gegen alle Brüder, die in ganz Mazedonien sind". (1. Thess. 4, 9. 10.) Die Liebe denkt nie an sich, sondern nur an das Wohl der Anderen; sie redet auch nie von sich, umso mehr aber von dem Guten, das sie in Anderen sieht. Sie ist genau das Gegenteil von unserer alten Natur. Darum ist es nötig, nach ihr zu streben, ihr nachzujagen. Alles was von Natur in uns ist, stellt sich ihr und ihrer Ausübung entgegen. Was sie aber in solch schwachen Gefäßen, wie wir sind, zu wirken vermag, das sehen wir in dem Apostel Paulus, der eben jenen Korinthern schreiben konnte: "Ich will aber sehr gern alles verwenden und völlig verwendet werden für eure Seelen, wenn ich auch, je überschwänglicher ich euch liebe, umso weniger geliebt werde?" (2. Kor. 12, 15.)

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Es dämmert

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 280ff

Es dämmert! – Vorüber ist die finstre Nacht;

Durch Wolkendunkel bricht der Morgenstern,

zu neuem Harren Pilgerherzen mahnend,

die höher schlagen ihrem treuen Herrn.

Es dämmert! – Im Sündenschlafe liegt die Welt,

verträumt den Rausch, den ihre Lust gebar.

Verblendet durch den eitlen Trug der Sünde,

nimmt sie den Ernst der Gnadenzeit nicht wahr.

Es dämmert! – In Eile fügt der Herr hinzu

die letzten Glieder der erlösten Schar;

es hemmt Ihn nicht des Abgrunds finstres Dräuen,

zu Ende geht das „angenehme Jahr“.

Es dämmert! – Und mit des Morgens Röte, sieh,

wird heller stets der Pilger Glaubensblick,

und Herzen, die sich vordem nie verstanden,

erschließen sich in warmer Liebe Glück.

Es dämmert! – Wie himmlisch süßes Ahnen geht`s

Durch Hunderttausend: „Still! Es naht der Herr!“

Der Geist bezeugt`s mit immer laut`rem Rufe

und weckt die Braut zu liebendem Begehr.

Es dämmert! – Von Herz zu Herz, von Mund zu Mund

bricht sich die Kunde immer mächt´ger Bahn,

den Müden selbst zu neuer Kraft belebend;

Der Bräutigam kommt! Auf, lasst uns Ihn empfahn!

(Nach einem Eingesandt)

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel

Botschafter des Heils 1905 S. 281ff

Die Gnade. Kapitel 19, 1‑40.
Joab wirft David seine Schwäche vor, er ermahnt David! Aber wer hatte denn all dieses Böse herbeigeführt und das Vaterherz zerrissen, außer Joab allein? Ohne Zweifel gehörte auch dies zu den Wegen Gottes, die dem angekün­digten Gericht (Kap. 12, 10. 11) Bahn machten, und David musste Gottes Hand darin erkennen; doch wehe dem unge­rechten Werkzeug, durch welches diese Wege zur Ausführung gebracht wurden! Nur war jetzt der Augenblick der Ver­geltung noch nicht gekommen. Gott erlaubt nicht einmal, dass Amasa an Joabs Stelle tritt, wie der gekränkte David es beabsichtigte. (V. 13.) David befolgt den Rat Joabs, und zwar, wie ich überzeugt bin, weil er die Gerechtigkeit der Wege Gottes betreffs seiner anerkennt. Wenn er später die Aus­führung des Gerichts an Joab seinem Sohne Salomo überträgt, so klagt er ihn eigentlich nicht der Tötung Absaloms an, sondern vor allem der Ermordung Abners und Amasas in Friedenszeiten. (1. Kön. 2, 5.) ‑ David setzt sich in das Tor der Stadt, und das ganze Volk kommt vor ihn.

Die Züchtigung ist nunmehr zu Ende. Im ersten Buche Samuel hatte die Züchtigung den Zweck, David auf dem Wege der Abhängigkeit zu erhalten, und so gab es damals kein Herzeleid für ihn, sondern vielmehr das glückliche Bewusst­sein der göttlichen Gunst. Im 2. Buche dagegen ist die Züch­tigung bitter, weil sie verbunden ist mit dem Bewusstsein, dass er Gottes Heiligkeit verunehrt habe. Welche Früchte trägt sie aber auch! Gott erfüllt das zerbrochene Herz, wie Er allein es tun kann, und nach außen hin offenbart sich das Leben Jesu. Wir treten jetzt in eine Szene der Gnade, der Vergebung und des Friedens ein, in welcher das zum Ausdruck kommt, was jetzt das Herz des Königs beschäftigt.

In den Versen 9‑15 erblicken wir die Gnade. Die zehn Stämme hatten David verraten und verlassen, um dem gott­losen Absalom zu folgen; sie kehren zuerst um und reden davon, den König zurückzuführen. David hört es und öffnet seine Arme für 1 u da, welches bis dahin sich so langsam und träge gezeigt hatte in der Wiederanerkennung des Thrones seines Königs, und welches doch für denselben hätte Sorge tragen sollen. "Ihr seid mein Gebein und mein Fleisch", lässt David den Ältesten von Juda sagen. Amasa war der Anführer des Heeres gewesen, welches David verfolgt hatte, und er war um so schuldiger, weil er, wie Joab, ein Neffe des Königs war. Auch ihm sendet David die Botschaft: "Bist du nicht mein Gebein und mein Fleisch?" Seine Gnade fordert nichts; im Gegenteil, sie findet ihr Glück darin, den Feinden Gutes zu tun.

In den Versen 16‑23 finden wir die Vergebung. Der König gewährt sie dem Simei, welcher kommt und sich unter­wirft, um so dem Lose, das seiner wartet, zu entgehen. „Mein Herr wolle mir keine Verschuldung zurechnen", sagt er; „und gedenke nicht, wie dein Knecht sich vergangen hat, . . . denn dein Knecht weiß wohl, dass ich gesündigt habe." Abisai, der immer derselbe bleibt (vergl. Kap. 16, 9), möchte an Simei Rache nehmen. David hält ihn zurück mit den Worten: Was haben wir miteinander zu schaffen, ihr Söhne der Zeruja, dass ihr mir heute zu Widersachern werdet? Sollte heute ein Mann in Israel getötet werden?" Nein, es ist der Tag der Gnade und der Vergebung. Ob die von Simei an den Tag gelegten Gefühle echt waren oder nicht, damit hält David sich nicht auf; er beurteilt sie jetzt nicht; dieserhalb wird später Rechenschaft von ihm gefordert werden, wenn sein Verhalten sie erkennen lassen wird. (1. Kön. 2, 36‑46.) „Du sollst nicht sterben", sagt David zu dem Schuldigen.

In den Versen 24‑30 haben wir ein Bild des F r i e d e n s. Mephiboseth kommt herab, seinem Wohltäter entgegen; er hatte seit dem Weggang des Königs getrauert. Ziba hatte ihn betrogen und verleumdet. Hier entdecken wir einen neuen Zug in dem Charakter Zibas. Er hat in Gesellschaft des bösen Simei den Jordan überschritten, um dem König entgegen­zugehen. (V. 16 u. 17.) Das Schweigen Davids in Bezug auf ihn ist bezeichnend, aber anscheinend wird Mephiboseth von David getadelt. Vielleicht war seine Gebrechlichkeit nicht ein so unübersteigliches Hindernis, dem fliehenden David zu folgen, wie er sich gedacht hatte. Vielleicht war bei ihm, wie bei seinem Vater Jonathan, ein gewisser Mangel an sittlichem Mut vorhanden, um sich seinem Wohltäter in den Gefahren, die diesem bevorstanden, bei zugesellen. Die Sache ist für uns nicht ganz klar, und wir sind auf Mutmaßungen angewiesen. Aber gewiss ist, dass während der Abwesenheit des Königs Mephiboseths Leben voll Betrübnis, Trauer, Gelübde und tiefem Verlangen nach Davids Rückkehr gewesen war. Wie kommt es nun, dass David ihn so hart behandelt? "Warum redest du noch von deinen Sachen?" fragt er.

 Diese Worte erinnern ein wenig an die anscheinend so harten Worte Jesu dem kananäischen Weibe gegenüber. Der Herr sprach sie aus, um den Glauben jenes Weibes auf die Probe zu stellen. Wenn ein Ingenieur eine Brücke gebaut hat, so führt er sehr schwere Lasten über sie hin, um ihre Festigkeit zu erproben, So ist es auch mit den Worten Davids. Der kostbare Glaube Mephi­boseths wird auf die Probe gestellt, und es geht nur ein Wohlgeruch der Abhängigkeit und Selbstverleugnung aus der Probe hervor. Dieser Glaube hat drei Charakterzüge: Mephiboseth fügt sich dem Willen Davids, als ob es der Wille Gottes sei: "Mein Herr, der König, ist wie ein Engel Gottes: so tue, was gut ist in deinen Augen."

 Dieser Wille, worin er auch bestehen möge, ist gut in den Augen Mephi­boseths, weil er es in den Augen Davids ist. (Vergl. Röm. 12, 2.) Zweitens erkennt er an, dass er durch seine Abstam­mung und seinen persönlichen Wert keinerlei Rechte auf die Gunst des Königs hat: "denn das ganze Haus meines Vaters war nichts anderes als Männer des Todes vor meinem Herrn, dem König; und doch hast du deinen Knecht unter die gesetzt, welche an deinem Tische essen. Und was für ein Recht habe ich noch? und um was hätte ich noch zum Könige zu schreien?" Schließlich, als David entgegnet: "Ich sage: Du und Ziba, ihr sollt die Felder teilen", antwortet Mephiboseth: „Er mag auch das Ganze nehmen, nachdem mein Herr, der König, in Frieden in sein Haus gekommen ist.“ Er verzichtet auf alle seine zeit­lichen Vorteile; es genügt ihm, dass sein Herr den Platz zurückerhalten hat, der ihm gebührt.

O möchte auch unser Glaube, wenn er auf die Probe gestellt wird, immer solche Früchte hervorbringen!

Im Gegensatz zu Mephiboseth wird Barsillai durch das Anerbieten von zeitlichen Segnungen auf die Probe gestellt. Er war sehr reich, aber ganz verschieden von dem Jüngling, den 2Jesus liebte"; er hatte sein Vermögen dem König wäh­rend seines Aufenthaltes in Machanaim zur Verfügung gestellt. Sein hohes Alter hatte ihn nicht verhindert, sich selbst mit Leib und Gut dem Dienste Davids zu widmen. Dieser bietet ihm eine seiner Hingebung angemessene Belohnung an: „Gehe du mit mir hinüber, und ich will dich bei mir versorgen zu Jerusalem." Doch Barsillai hatte nicht für eine Belohnung gearbeitet, und er weist sie deshalb zurück, indem er sich ihrer nicht für würdig hält.

 „Wie viel sind noch der Tage meiner Lebensjahre, dass ich mit dem König nach Jerusalem hinaufziehen sollte? Ich bin heute achtzig Jahre alt; kann ich Gutes und Schlechtes unterscheiden? oder kann dein Knecht schmecken, was ich esse und was ich trinke? ... und warum sollte dein Knecht meinem Herrn, dem König, noch zur Last sein?" Dass sein Sohn Kimham von der Frucht seiner Arbeit genieße, dagegen hat er durchaus nichts ein­zuwenden, er freut sich vielmehr darüber. Später werden, wie Mephiboseth am Tische Davids, die Söhne Barsillais am Tische Salomos essen. (1. Kön. 2, 7.)

Drei Dinge genügen diesem Manne Gottes neben dem Glück, die Rechte des Königs jenseits des Jordan wieder aner­kannt und ihn in sein Reich wieder eingeführt zu sehen. Das erste ist die schöne Verheißung in Vers 38: "Kimham soll mit mir hinübergehen, und ich will ihm tun, was gut ist in deinen Augen; und alles, was du von mir begehren wirst, will ich für dich tun." Das zweite ist, dass David, in dem Augenblick, als Barsillai von ihm Abschied nimmt, ihm einen Beweis seiner Liebe gibt: „der König küsste Barsillai". Wie Henoch empfängt er durch diesen Kuss das Zeugnis, dass er Gott, in der Person Seines Gesalbten, wohl gefallen habe.

 Das dritte ist, dass der König ihn segnete. Auch Jesus breitete Seine Hände aus, als Er Seine geliebten jünger verließ, um sie zu segnen, und noch heute steht Er in derselben Haltung uns gegenüber. Seine Hände bleiben, wenn auch unsichtbar, über uns ausgebreitet und halten in unseren Herzen die Gewissheit der völligen Wir­kungskraft Seines Werkes aufrecht. Barsillai kehrte an seinen Ort zurück mit der Wärme der Liebe, mit dem Genuss der Segnungen, mit der Verheißung Davids: "Alles, was du von mir begehren wirst, will ich für dich tun, und mit der anderen herrlichen Verheißung, dass sein Sohn, ja, seine Söhne, mit dem König hinübergehen sollten, um ihn nie mehr zu verlassen und um für immer an dem Tische des Königs der Herrlichkeit zu sitzen!

Streit zwischen Brüdern: Kapitel 19, 41 ‑ 20, 26.
In ähnlicher Weise wie David, wird auch der Überrest Israels am Ende der Tage einen Weg finden, (er in Wirklich­keit, das Volk einst im Vorbild,) um wieder nach Kanaan zu kommen. Der Jordan, der Fluss des Todes, ist dieser Weg. Man muss mit Christo gestorben sein, um in das Erbteil und die Segnungen der Verheißungen einzutreten. Nachher kommt Gilgal (Kap. 19, 40), der Ort der Beschneidung, wo einst die Schande Ägyptens von dem Volke abgewälzt wurde. Zum ersten Male werden dann jene Treuen am Ende wirklich wissen, was die wahre Beschneidung Christi ist, das Ausziehen des Leibes des Fleisches". Sie werden in das Reich Gottes als von neuem geborene Wesen eingehen.

Diese Stelle lässt sich auf den Überrest anwenden und, obwohl in anderer Weise, auch auf uns selbst. Ohne Zweifel sind wir jetzt mit Christo gestorben; wir sind ein für allemal beschnitten worden mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, mit der Beschneidung des Christus (Kol. 2, 11); wir können nicht aus den himmlischen Örtern, die unser Erbteil sind, vertrieben werden; aber unsere Untreue hat not­wendigerweise die Züchtigung seitens des Herrn zur Folge. Wir können nicht nur, sondern müssen durch einen Fall den Genuss der himmlischen Dinge verlieren, und wenn wir auch nicht wie David und der Überrest aus Kanaan ver­trieben werden, so sind wir doch mindestens Fremdlinge dort geworden, indem wir dahin zurückgekehrt sind, von wo die Gnade Gottes uns ausgeführt hatte.

Um dies herbeizuführen, genügt es schon, wenn wir einen Augenblick (indem wir zu dem zurückkehren, wovon da, Kreuz uns abgesondert hat) vergessen, dass der Tod Christi, wie der Jordan und Gilgal, uns von der Welt und von dem Fleische trennt. Um dann die Kraft dessen, was unsere Tor­heit verachtet hat, wiederzuerlangen, müssen wir praktischerweise den früher zurückgelegten Weg noch einmal machen, die Bekanntschaft mit unserem Jordan und unserem Gilgal erneuern und durch die Buße den Zweck des Kreuzes und die Kraft dieses Todes mit Christo wiederfinden, durch welchen wir der Sünde und der Welt gekreuzigt worden waren. Gott wolle es uns schenken, diese Erfahrungen an der Hand Seines Wortes zu machen und nicht infolge wirk­licher Fehltritte! Die Geschichte Davids zeigt uns den uner­messlichen Verlust, welchen ein Fall seiner Seele zufügte, trotz der Vollkommenheit der Gnade, die sich in seiner Wieder­herstellung verherrlichte.

Von Kap. 19, 41 bis 20, 2 sind wir Zeugen des Zwie­spaltes zwischen Israel und Juda. Tatsächlich hatte weder der eine noch der andere Teil recht; Israel hatte in Masse Verrat geübt, war aber nach dem Tode Absaloms zuerst zurück­gekehrt; Juda hatte sich anfangs langsam und lässig gezeigt, hatte aber diesen Mangel an Eifer dadurch wieder gut gemacht, dass es dem Ruf der Gnade Folge leistete, als Israel noch zauderte. (Kap. 19, 9‑15.)

Eifersüchtig auf die Entschlossenheit Judas, beklagen sich die zehn Stämme darüber bei dem König. Juda antwortet damit, dass es seine nahen Beziehungen zu dem Sohne Isais geltend macht, und gibt zugleich zu verstehen, dass es bei der Zurückführung des Königs nicht, wie andere, durch selbst­süchtige Beweggründe geleitet werde. (Kap. 19, 42.) Israel erwidert: „Ich habe zehn Teile an dem König, und habe auch an David mehr Anrecht als du; und warum hast du mich gering geachtet? und ist nicht mein Wort das erste gewesen, meinen König zurückzuführen?" Alle diese Reden sind vom Fleische.

 Der Ehrgeiz, in den Dingen Gottes eine Rolle zu spielen, die Eifersucht angesichts der Tätigkeit unserer Brüder, die verletzte Eigenliebe, das Eingenommensein von uns selbst alles das ist sicherlich nicht die Frucht des Geistes und der göttlichen Zuneigungen. Juda steht trotz seiner besseren Stellung nicht besser da als die zehn Stämme: Das Wort der Männer von Juda war härter als das Wort der Männer von Israel. Die, welche recht haben, handeln ohne Liebe, und daraus kann nur eine Trennung entstehen. Sie vollzieht sich in Kap. 20, 1. 2. Auf Antrieb Satans, welcher Scheba, den Sohn Bikris, als Werkzeug benutzt, ruft Israel, nachdem es eben erst gesagt hat. „Ich habe zehn Teile an dem König", nunmehr: „Wir haben kein Teil an David und kein Erbteil an dem Sohne Isais!" So trennt sich ganz Israel von dem König wegen einer Personenfrage; das ist es, was der Feind wünscht. Es ist oft schwer, von vornherein seine Absichten zu erraten; doch der Augenblick kommt immer, wo er seine Maske abwirft und die armen, verblendeten Heiligen hinter sich herzieht. Welche Torheit, einen Mann Belials", einen Scheba, den Sohn Bikris, einen Benjaminiter, David vorzu­ziehen! So ist es immer in den inneren Streitigkeiten des Volkes Gottes.

 Satans Zweck ist, die Seelen von Christo abzuwenden. Es macht ihm dabei wenig aus, dass Juda mit dem Gesalbten Jehovas verbunden bleibt. Hat diese kleine Zahl nicht die Achtung verloren dadurch, dass ihr Wort härter war als das der Männer von Israel? Es ist für Juda demü­tigend, in diesem Streit einen Fehler gemacht zu haben; aber etwas bleibt ihm: die Gnade Davids war ihm zuvorgekommen „Ihr seid mein Gebein und mein Fleisch", hatte er gesagt. Er hatte ihre Herzen wie eines Mannes Herz geneigt, indem er in ihnen das Bewusstsein ihrer innigen Verbindung mit ihm wieder wachrief. (V.14.) Das ganze Verdienst gebührt deshalb David. Infolge seiner Gnade „hingen die Männer von Juda ihrem König an, vom Jordan bis Jerusalem" (Kap. 20, 2.) So ist denn die Segnung für Juda, trotz seines Fehlers; denn es wird da erhalten, wo David ist.

Nachdem David seinen Platz in der Mitte des Oberrestes seines Volkes wieder eingenommen hat, reinigt er sein Haus von dem Verderben, welches hineingebracht worden war. Indes jagt er nicht seine verunreinigten Weiber aus dem Hause, um es auf einer neuen Grundlage wieder aufzurichten; denn er selbst trug Schuld an diesem ganzen Verfall. Das Böse, die Gefäße zur Unehre, die Verunreinigung, sind da. David trägt die Strafe und die Demütigung dafür, zugleich aber reinigt er sich persönlich davon, um ein Gefäß zur Ehre für Jehova zu sein. Er vereinigt sich keineswegs mit dem Bösen, wenngleich er es war, der es hervorgerufen hatte. Seine Absonderung ist im Gegenteil eine öffentliche Absonderung. Er versteht, dass er hinfort „ein Gefäß zur Ehre" sein muss, „geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet".

Diese Dinge finden auch ihre Anwendung auf uns, ge­liebter Leser. Wir stehen in der Zeit des Verfalls, welche im 2. Briefe an Timotheus angekündigt wird. Wir können weder das Haus Gottes wiederherstellen, noch die Gefäße zur Unehre zerbrechen; aber wir können von der Ungerechtigkeit abstehen und so das Siegel des „festen Grundes Gottes" tragen. (2. Tim. 2, 19 ‑ 21.)

Während David entschlossen ist, Joab zu entlassen, sucht er das seinem Neffen Amasa gemachte Versprechen zu er­füllen, indem er ihn zum Anführer des Heeres macht (vergl. Kap. 19, 13); er trägt ihm auf, die Männer Judas zu berufen, um dem Sohne Bikris nachzujagen. Amasa zaudert bei der Ausführung dieses Auftrags. Vielleicht hatte David auch nicht genug Geduld; denn Amasa war kein Verräter und war schon bis Gibeon, nicht weit von Jerusalem, gekommen, als das Heer Abisais und die Helden aus der Stadt zogen. jedenfalls ist es Tatsache, dass David aus Furcht vor dem Bösen, welches Scheba tun könnte, durch Abisai wieder in die Hände Joabs geriet. Hätte er nicht bei diesem Wiederbeginn seiner Regierung Jehova um Rat fragen sollen? Nachdem Gott schon einmal das Herz Israels geneigt hatte, hätte Er es da nicht auch ein zweites Mal tun können?

Der ehrgeizige, gewissenlose Joab, für den alles, was seinen Interessen dient, erlaubt ist, wird zum dritten Mal zum Mörder, um seinen Platz wiederzugewinnen.

Vor der Stadt Abel wehrt die Weisheit eines Weibes weiterem Blutvergießen. Der Bruderkrieg nimmt durch den Tod Schebas, des eigentlichen Schuldigen, ein Ende. Joab selbst hat hier ein weises Wort; er beschuldigt Scheba, "seine Hand wider den König, wider David, erhoben zu haben" (V. 21). Damit traf er in der Tat den Kern der Sache, denn der Angriff Schebas war gegen den König gerichtet. Das Weib in Abel ist sich darüber klar, dass die einzige Möglichkeit, den Frieden wiederherzustellen, darin besteht, den Schuldigen zu richten: „Siehe, sein Kopf soll dir über die Mauer zuge­worfen werden." Es handelt sich nicht darum, wie man so oft sagt, dass jeder sein Unrecht anerkenne und sich demütige; das beseitigt das Übel nicht. Nein, der, welcher seine Hand gegen David erhoben hat, muss weggetan werden.

Sollte dies nicht immer geschehen in den Streitigkeiten unter Brüdern betreffs der Lehre? Die einen verurteilen den Ketzer, die anderen nehmen ihn an, aber der Friede kann nur durch das Hinwegtun des Bösen wiederhergestellt werden. Dieses Kapitel schließt, wie Kap. 8, 15‑18, mit der Be­schreibung der in der Verwaltung des Reiches wiederherge­stellten Ordnung. Was jetzt noch folgt, bildet gleichsam ein Schlusswort zu dem ganzen Buche.

Kapitel 21 – 24: Das Ende der Regierung Davids
Rizpa. Kapitel 21, 1‑14.
Die schrecklichen und wohlverdienten Prüfungen, die über das Reich Israel hereingebrochen waren, sind vorüber; das Reich ist wiederhergestellt, und man hätte glauben können, dass ihm jetzt eine Zeit friedlichen Gedeihens beschieden sein würde. Aber ach! es wird von einer neuen Plage heimgesucht. Es ist wohl möglich, dass die Hungersnot zu einem anderen Zeitpunkt der Regierung Davids stattgefunden haben kann, denn es heißt: „Es war Hungersnot in den Tagen Davids"; aber es ist nie ohne Absicht, wenn der Geist Gottes bei einer Erzählung die Zeitfolge unbeachtet lässt, beziehungsweise verändert. Wir sehen das am Ende des Buches der Richter und an vielen Stellen in den Evangelien.

Die Regierung Gottes kann das Böse nicht übersehen, worin es auch bestehen mag, und sie richtet es mit um so größerer Strenge, wenn die Gemeinde sich in einem verhält­nismäßig guten Zustande befindet. Viele Jahre waren seit der Bluttat Sauls verflossen; die Geschichte dieses Königs erwähnt sie nicht. Das Volk hatte sie vielleicht vergessen, vielleicht war sie David gar nicht bekannt; aber Gott hatte sie nicht vergessen, sie lag noch ungesühnt vor Seinen Augen. Doch die Gemeinde Israels hatte keinen Anteil an diesem Ver­brechen, und Saul, der es begangen hatte, war ja längst ge­storben; wozu also musste es wieder ins Gedächtnis gebracht werden? Weil es sich eben um einen sehr wichtigen Grund­satz handelt in den Wegen Gottes, sei es mit Israel oder mit der Kirche.

 Das Volk ist verantwortlich für die Tat Sauls, weil sie auf dem Boden der Gemeinde Israels stattgefunden hat. Die gewaltsame Verletzung der eingegangenen, Verpflich­tungen und des im Namen Jehovas geschworenen Eides (Jos. 9, 18) machte die ganze Gemeinde der Sünde ihres Führers schuldig. Ein neues Geschlecht war seitdem erstanden; sie hätten sich darauf berufen können, dass sie nichts davon wussten; aber das Verbrechen blieb, und Gott bringt es zu Seiner Zeit wieder in Erinnerung.

Ereignen sich in unseren Tagen nicht ähnliche Dinge, und reden sie nicht zu den Gewissen der Heiligen? Ob nach einer Sünde Zeit verflossen ist, ist von wenig Belang; die Versamm­lung ist haftbar für die Sünde, die sie hat geschehen lassen, und bleibt befleckt durch eine Tat, gegen die sie nicht aufge­treten ist.

Der Leser kennt die Geschichte der Gibeoniter; man kann sie in Josua 9 lesen. Diese Amoriter hatten sich durch List in die Gemeinde Israels eingeschlichen, um dem Gericht über ihr Volk zu entgehen. Gott betrachtete als gebunden, was die Gemeinde gebunden hatte: sie konnte ihren Eidschwur nicht zurücknehmen. Ohne Zweifel hatte die Gnade Gottes Israel von den Folgen eines leichtsinnigerweise und durch Un­kenntnis begangenen Fehlers dadurch befreit, dass die Gibeoniter dem Volke gegenüber in Sklavenstellung gebracht wurden; aber die Nachwirkung einer Entscheidung nach dem Fleische blieb immerfort bestehen.

 Saul urteilte anders darüber; denn ein Mensch im Fleische tut stets genau das Gegenteil von dem, wozu der Geist Anleitung geben würde. Und doch "eiferte Saul für die Kinder Israels und Judas" (V. 2); aber es geschah mit einem Eifer, der sich leider sehr mit dem Hass gegen den Gesalbten Jehovas verband. Saulus von Tarsus war in späteren Tagen auch mit Eifer erfüllt, aber dieser Eifer machte ihn zu einem Verfolger Christi in Seiner Versammlung. Auch in unseren Tagen kann man mit Eifer für seine Nation, für seine Kirche erfüllt sein, ohne dass Gott irgendwie Anteil daran hat.

Derselbe Mann, der um seines eigenen vermessenen Schwures willen seinen Sohn, den Retter Israels, geopfert hätte (1. Sam. 14, 24. 44), verachtet den Eid, durch welchen Josua und die Fürsten Israels sich im Namen Jehovas den Gibeonitern gegenüber verpflichtet hatten.

Die Hungersnot wütet drei Jahre nacheinander; die Schläge, welche die Gemeinde Gottes treffen, wiederholen sich. Durch die Prüfung wird das Gewissen Davids dahin gebracht, dass er die Ursache davon kennenzulernen wünscht: „David suchte das Angesicht Jehovas." Das war das einzige Hilfs­mittel, und Gott antwortete ihm sogleich: "Es ist wegen Sauls und wegen des Bluthauses, weil er die Gibeoniter getötet hat." Wegen des Bluthauses! Als der Sohn Geras den gebeugten David verfolgte und ihm zurief: Hinweg, hinweg, du Mann des Blutes! Jehova hat alles Blut des Hauses Sauls auf dich zurückgebracht... denn ein Mann des Blutes bist du", da hatte Gott diese Beleidigungen eines Mannes aus dem Hause Sauls aufgezeichnet; aber jetzt war die Zeit gekom­men, um Seinen Gedanken über diese Schmähung Aus­druck zu geben: Gott bezeichnet das Haus Sauls als ein Blut­haus und rechtfertigt das Haus Davids.

David hatte Jehova über die Ursache der Züchtigung be­fragt, und ohne Zweifel hätte er Ihn auch weiter befragen sollen über die Weise, wie den Gibeonitern Gerechtigkeit widerfahren müsse. Statt dessen befragt er diese selbst, und sie fordern sieben Männer der Familie Sauls, "um sie dem Jehova zu Gibea aufzuhängen". David stimmt dem zu, denn das Gericht war notwendig, obwohl er seinerseits Schwäche offenbarte. Mephiboseth wird dabei verschont. David, der ihn bei einer anderen Gelegenheit anscheinend mit Härte behandelt hatte, zeigt hier, dass er ihn immer auf dem Her­zen trägt. Ein David vergisst seine Eidschwüre nicht. Hatte er nicht einst dem Jonathan geschworen: "Jehova sei zwischen mir und dir und zwischen meinem Samen und deinem Samen auf ewig"? (1. Sam. 20, 42.)

Die beiden Söhne der Rizpa und die fünf Söhne der Michal (oder der Merab), der Tochter Sauls (vergl. 1.Sam. 18, 19), werden den Gibeonitern ausgeliefert. Das Vorgehen der letzteren ‑ man braucht sich über ihre Gleichgültigkeit gegen die Vorschriften des Gesetzes allerdings nicht zu wun­dern ‑ ist nicht in Übereinstimmung mit der Verordnung des 5. Buches Mose: „Wenn an einem Manne eine todeswürdige Sünde ist, und er wird getötet, und du hängst ihn an ein Holz, so soll sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holze bleiben, sondern du sollst ihn jedenfalls an demselben Tage begraben; denn ein Fluch Gottes ist ein Gehängter; und du sollst dein Land nicht verunreinigen, das Jehova, dein Gott, dir als Erbteil gibt." (5. Mose 21, 2 .2. 23.)

Die „Weizenernte" könnte als Entschuldigung dafür dienen, dass man den ausdrücklichen Befehlen der Schrift ungehorsam gewesen sei; aber Entschuldigungen rechtfertigen den Ungehorsam nicht. Indessen ist es nach der Erzählung wahrscheinlich, dass die Leichname von dem Galgen herab ge­nommen wurden, um auf dem Felsen liegen zu bleiben, an­statt ein Begräbnis zu finden.

Rizpa, die Tochter Ajas, die Mutter zweier der Gehängten, die schon bei dem Streit zwischen Abner und Isboseth erwähnt wurde, vollführt eine Handlung der Pietät, welche verdient, dass ihr Name in dem Gedächtnis der Gläubigen fortlebt. Sie macht sich zur Hüterin der sieben Leichname. Der Beweggrund zu ihrer Aufopferung ist nicht allein der, dass ihre beiden Söhne sich unter den Hingerichteten befan­den, denn sie wacht über die fünf anderen Leichname ebenso gut wie über die ihrer Söhne. Die Nachkommenschaft dessen, welcher „der Erwählte Jehovas" (V. 6) gewesen war, liegt ihr am Herzen. Sie zeigt ihre Anhänglichkeit an ihren Mann und ihren Herrn. Mehr noch, Rizpa ist ein Weib des Glaubens. Sie behütet die Leiber vor jeder Entheiligung und bewacht sie, ohne zur Erfüllung dieser mühsamen Aufgabe etwas anderes zu haben, als das Sacktuch der Trauer, welches sie unter sich ausbreitet. Sie verbindet so ihre Trauer mit der wachsamen Pietät gegen die Toten. Deren Begräbnis wenig­stens soll ehrenvoll sein. Sie will sie nicht bei Tage den Vögeln des Himmels, noch bei Nacht dem Getier des Feldes zum Fraß überlassen, als ob sie verurteilte Verbrecher seien. So haben zwar die Nationen gegen das Volk Gottes gehan­delt (Psalm 79, 2), aber so hat Jehova nicht befohlen, und so tat man nicht in Israel!

Der Glaube Rizpas wird belohnt: „Es wurde David be­richtet, was sie getan hatte." Die Tat dieses Weibes ist wert, in dem Herzen des Königs eingeschrieben zu werden. Welche Freude bei ihrer Trauer! Sie hat ein Herz gefunden, das sie versteht, und das sein Glück darin findet, sie zu belohnen; eine Gnade, die ihren Wünschen entspricht. Die Gebeine der Nachkommen Sauls werden mit denen ihrer Väter in dem Begräbnis Kis' vereinigt. , Dieses Weib befand sich auf dem Wege Gottes und hat die Antwort erhalten, welche ihr Glaube forderte.

Von da an kann Jehova dem Lande gnädig sein, denn das Gericht ist ausgeführt; aber auch die Gnade hat ihren Lauf gehabt, denn in Seinen Wegen bleibt Gott nicht bei dem Gericht stehen; letzteres bereitet vielmehr den Weg für den Triumph der Gnade.

Die Söhne des Riesen: Kapitel 21, 15‑22.
Das Ende der Geschichte Davids trägt denselben Charakter wie ihr Anfang. Goliath scheint wieder lebendig geworden zu sein. Für den Herrn war es ebenso: nach der Versuchung in der Wüste ließ Satan Ihn für eine Zeit in Ruhe, dann erschien er wieder in Gethsemane und versuchte Ihn in Schrecken zu setzen, um Ihn dahin zu bringen, Sein Werk aufzugeben. Seine Anstrengungen waren vergeblich, und wie im ersten Falle, so trug auch hier die Abhängigkeit Jesu den Sieg davon.

Wenn nach dem Siege Christi die „Söhne des Rapha" (d. i. des Riesen) sich an Seine Erlösten wagen, in dem Ge­danken, da leichter zu ihrem Ziele zu kommen als bei deren Meister, so wird ihr Los dasselbe sein; sie werden besiegt aus dem Kampfe hervorgehen. Dieser Streit mit den Philistern wiederholt sich viermal. Aus der Mitte dieser inneren Feinde gehen die Söhne des Riesen hervor, diese „reißenden Wölfe", welche die Herde zu berauben suchen, indem sie ihre Leiter in Schrecken setzen.

Beim ersten Male ist David persönlich auf dem Schauplatz. Er war mit seinen Knechten herabgekommen und hatte weder sein Alter noch seine Kräfte in Betracht gezogen: "David war ermattet". Jischbi‑Benob, der von den Söhnen des Riesen war, furchtbar durch seine Waffe – „das Gewicht seiner Lan­zenspitze war dreihundert Sekel Erz an Gewicht" ‑ unver­wundbar, denn "er war neu gerüstet", wollte sich die augen­scheinliche Schwäche des Königs zunutze machen. Aber „Abisai, der Sohn der Zeruja, kam ihm zu Hilfe und schlug den Philister und tötete ihn". Auf solche Weise wird dieser Knecht Davids auf die Probe gestellt; er verlässt seinen Herrn nicht in der Gefahr und hat die Ehre, Davids Retter zu sein. Ist es nicht auch so bei uns? Da der Herr für uns ge­stritten und uns gerettet hat, haben wir da nicht in gewissen Sinne die Pflicht, Ihm zu Hilfe zu kommen? Sein Name, Seine Person, Seine Ehre werden durch die Werkzeuge des Feindes bedroht. Der Feind wagt sich an unseren David heran, um Sein Gedächtnis gänzlich zu beseitigen, und er weiß, dass er wenig Zeit hat, denn schon steht in der Person Salomos der Tagesanbruch Seiner glorreichen Regierung nahe bevor. Wird der Feind die Oberhand gewinnen? Wir sind dafür verantwortlich, ob er siegt oder eine Niederlage erleidet. An uns ist es jetzt, in der Kraft des Geistes Gottes die Söhne des Riesen zu schlagen, den zu besiegen, der sich an Christum heranwagt, Seinen Namen und Sein Wort un­verletzt zu erhalten gegenüber dem Feinde, der sie vernich­ten möchte.

Und selbst wenn wir nicht „Helden Davids" wären, sollten wir ihm nicht wenigstens zuschwören, wie dessen Diener alle taten: "Du sollst nicht mehr mit uns ausziehen zum Streit, dass du die Leuchte Israels nicht auslöschest"? Der Glaube aller wird so auf die Probe gestellt. Sie fühlen, dass sie selbst zu streiten haben, ein jeder seinem Rang entsprechend, damit die Leuchte des Volkes Gottes nicht ausgelöscht werde, son­dern fortfahre, in ihrem ganzen Glanze zu strahlen. Ohne Zweifel ist unser David niemals ermattet, wie derjenige dieser Geschichte: "Ein ewiger Gott ist Jehova, der Schöpfer der Enden der Erde; er ermüdet nicht und ermattet nicht."

 (Jes. 40, 28.) Doch um unseren Glauben zu erproben und zu stärken, um unsere Herzen im Kampf zu ermutigen und sie durch den Sieg und die Belohnung zu erfreuen, bringt Er Sich den Seinigen gegenüber gern in eine Lage, wo Er, der Besieger Satans, unserer Hilfe zu bedürfen scheint. Welch ein Vorrecht, für Ihn zu streiten! Die Tage sind ernst. Christus wird von allen Seiten angegriffen. Die Anstrengungen, die in dieser Hinsicht gemacht werden, sind furchtbar und über­steigen weit unsere schwachen Hilfsmittel. Diejenigen, welche auf Seiner Seite stehen und die Unverletzlichkeit Seines Wortes und Seiner Person verteidigen sollten, machen leider fast immer gemeinsame Sache mit den Söhnen des Riesen. Möchten wir uns dadurch nicht beunruhigen lassen!

Es macht nichts aus, dass unser David, wie in den beiden Kämpfen zu Gob (V. 18. 19), abwesend ist; derselbe Geist, der Ihn belebte, ist noch bei uns. Vielleicht werden wir wie Sibbekai, der Huschathiter, allein dem Saph gegenüberstehen müssen, denn der geschlagene Riese steht unter einer anderen Gestalt immer wieder auf. Aber was macht das aus? Vielleicht wird, und das ist ein entmutigender Umstand, der­selbe Ort, wo der Feind schon einmal besiegt worden ist (Gob), zum zweiten Male zum Kampfplatz. Aber was macht das, wenn wir noch einmal in dieselben Spuren treten müssen, nachdem wir glaubten, mit einem unehrlichen Kampf zu Ende zu sein?

Auf diesem Boden kommt auch Goliath, der alte Feind, wieder zum Vorschein. "Und wiederum begann der Streit mit den Philistern zu Gob. Und Elchanan, der Sohn Jaare-­Orgimes, der Bethlehemiter, erschlug Goliath, den Gathiter; und der Schaft seines Speeres war wie ein Weberbaum." Ist denn Goliath nicht von David besiegt worden? Beunruhige dich nicht, erschrick nicht, Elchanan, du Held von "Gottes Gnaden"! *) Dieser Goliath, der Gathiter, ist ein falscher Goliath, der sich mit einem täuschenden, lügnerischen Namen schmückt. Es ist nur sein Bruder Lachmi. (Vergl. 1. Chron. 20, 5.) Aber er trägt doch denselben Speer, wie ein Weber­baum? (Vergl. 1. Sam. 17, 7.) Frage ihn, Elchanan, wo sein Schwert ist. Es ist in den Händen Davids geblieben und wird da immer bleiben. Der Sieg, Elchanan, ist dir sicher; es ist dazu nicht einmal ein Schleuderstein nötig, den du sicher nicht so würdest schleudern können wie dein König. Was ihn besiegen wird, ist das Vertrauen, die demütige Abhängigkeit, die du in David gesehen hast. ja, wie es auch sein möge, der Sieg gehört dir; er gehört uns, weil er Ihm gehört!

Der letzte, ungeschlachte, schreckliche Feind wird nicht mit Namen genannt, aber „auch er war dem Rapha (dein Riesen) geboren worden", „ein Mann von großer Länge, der je sechs Finger an seinen Händen und je sechs Zehen an seinen Füßen hatte, vierundzwanzig an der Zahl". Wie einst Goliath, so höhnt auch er Israel. (V. 21; 1. Sam. 17, 10.) In Abwesenheit Christi haben wir ebenso gut für Ihn wie für Sein Volk zu streiten. Das Volk verhöhnen heißt Ihn verhöhnen. Wir haben Brüder, die vom Feinde gefangenge­nommen wurden, wie Lot, die auf traurige Weise wie er mit der Welt verbunden sind, bei denen das Wort in Anwendung kommt: „Die anderen aber rettet mit Furcht, sie aus dem Feuer reißend." (Jud. 23.) Lasst uns wie Jonathan, der Sohn Schimeas, in die Bresche treten; zeigen wir wie er, dass wir durch Gnade den Namen „Brüder Davids" (V. 21) tragen! Lasst uns wie er die Interessen Seines Volkes auf dem Herzen tragen!

Wie schmerzlich ist es, sagen zu hören: Was mischt ihr euch in unsere Sachen ein? Wir befinden uns wohl da, wo wir sind. Ihr streitet gegen uns. ‑ Ach! die so reden, machen sich eins mit dem Feinde, der sie knechtet, und sie ziehen ihre Knechtschaft der Freiheit vor, die ihnen angeboten wird. Doch was liegt daran? Lasst uns für sie kämpfen, lasst uns diese schreckliche Macht, die das Volk Gottes verhöhnt, schlagen! Noch ein Schlag; es wird vielleicht der letzte sein. Nur noch ein Sieg, und Jehova wird uns aus den Händen aller unserer Feinde befreien, und wir werden Ihm in Frieden, wie David, die Worte unseres Liedes darbringen können!

Fußnote:

*) Elchanan bedeutet: Gottes Gnade

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 301ff

Wenn wir das Bewusstsein der Gegenwart Gottes verlieren, so fällt das Gewissen in Schlaf, und der eigene Wille wacht auf.

Die neue Natur ist eine abhängige Natur, der alte Mensch behauptet unabhängig zu sein.

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Eine Frage des auferstandenen Heilandes

Bibelstelle: Lukas 24,17

Botschafter des Heils 1905 S. 302ff

Die Tage, welche unser geliebter Herr im Grabe zubrachte, waren für viele von denen, die auf Erlösung in Israel warteten, eine Zeit des Dunkels und der Verwirrung. Es hätte eines nüchternen und starken Glaubens bedurft, um das Herz ganz über die schweren Wolken zu erheben, die sich gerade damals am Gesichtskreis des Volkes Gottes zusammengezogen hatten; und anscheinend haben in jener Prüfungsstunde nicht viele diesen Glauben besessen. Ohne Zweifel erblicken wir in den beiden, nach Emmaus wandernden Jüngern eine Darstellung des Zustandes, in welchem sich die meisten, wenn nicht alle, geliebten Heiligen Gottes damals befanden. Sie waren in gänzlicher Verwirrung und wussten nicht mehr ein und aus. "Und sie unterhielten sich miteinander über alles dieses, was sich zugetragen hatte. Und es geschah, indem sie sich unterhielten und miteinander überlegten, dass Jesus selbst nahte und mit ihnen ging; aber ihre Augen wurden gehalten, damit sie Ihn nicht erkännten.''

Ihre Herzen waren voll von den Umständen um sie her. Alle Hoffnung war abgeschnitten. Ihre mit so großer Liebe genährten Erwartungen betreffs der Wiederherstellung des Reiches waren vereitelt. Über der ganzen Szene lagen finstre Todesschatten, und ihre armen Herzen waren traurig. In diesem Augenblick naht der auferstandene Heiland und richtet eine Frage an die bekümmerten und zagenden Gemüter. "Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr wandelnd miteinander wechselt, und seid niedergeschlagen?"

Das war in der Tat eine billige und zugleich ernste Frage, in hohem Grade darauf berechnet, die beiden Jünger, wie wir zu sagen pflegen, wieder zu sich selbst zu bringen. Denn gerade das bedurften sie in jenem Augenblick. Anstatt in der ewigen und unabänderlichen Wahrheit Gottes zu ruhen, waren sie mit den Umständen beschäftigt. Die Schrift sprach klar und einfach genug; hätten sie nur auf ihre Stimme gelauscht. Aber anstatt aus das bestimmte Zeugnis des ewigen Geistes im Worte zu hören, hatten sie sich gänzlich unter die Wirkung und den Einfluss äußerer Umstände bringen lassen. Anstatt festen Fußes auf dem unvergänglichen Felsen der göttlichen Offenbarung zu stehen, trieben sie auf den Wogen des bewegten Lebensmeeres dahin, auf und nieder, auf und nieder. Sie waren, um es mit einem Wort zu sagen, für den Augenblick, was ihren Gemütszustand betraf, unter die Gewalt des Todes geraten. Kein Wunder deshalb, wenn ihre Herzen traurig und ihre Reden nichts weniger als fröhlich waren.

Lieber Leser! ist es nicht auch manchmal mit uns so? Geraten wir nicht, gleich jenen Jüngern, zuweilen unter die Gewalt der sichtbaren und zeitlichen Dinge, anstatt durch den Glauben im Lichte der unsichtbaren und ewigen Dinge zu leben? Wir bekennen, an einen auferstandenen Heiland zu glauben, Ihn zu kennen, mit Ihm gestorben und auferstanden zu sein; wir bekennen, geliebte Kinder Gottes zu sein und den Heiligen Geist in uns wohnen zu haben, und doch sinken wir zu Zeiten völlig zusammen, lassen die Flügel hängen und kriechen am Boden, im Staube umher. 

Bedürfen wir in solchen Augenblicken nicht auch einer ähnlichen Frage von Seiten unseres auferstandenen Heilandes? Ja, hat Er nicht oft Ursache, uns zu fragen: "Was sind das für Reden, die ihr miteinander wechselt''? Kommt es nicht häufig vor, dass bei Zusammenkünsten, Begegnungen, gemeinschaftlichen Wanderungen und dergl. unsere "Reden" alles andere sind, als was sie sein sollten? Ich denke jetzt nicht an "faule Reden'', an "albernes Geschwätz oder Witzelei, welche— sich nicht geziemen'', wie der Apostel so einfach und so ernst sagt. Nein; aber wie oft machen trübe Gedanken über die niederdrückenden Umstände, in denen wir leben, unser ganzes Gesprächsthema aus! Unsere Geschäfte, unsere schwache Gesundheit, unsere Familienverhältnisse, die Schwierigkeiten, unter denen wir uns durchs Leben schlagen müssen, kurz, alles und jedes wird behandelt, nur nicht das Richtige! Wir lassen uns so völlig von solchen Dingen ein- und hinnehmen, dass unsere geistlichen Augen gehalten werden und wir Ihn nicht mehr zu erkennen vermögen, der in Seiner zärtlichen treuen Liebe an unserer Seite steht; und Er muss dann unsere armen, törichten Herzen aufrütteln mit Seiner gewaltigen Frage: "Was sind das für Reden, die ihr wandelnd miteinander wechselt?'

' „Lass uns darüber nachdenken, teurer Leser! Wir neigen alle so sehr dazu, uns mit den Umständen zu beschäftigen, anstatt mit dem, "was droben ist'', jenen herrlichen und gesegneten Wirklichkeiten, welche in Christo Jesu unser Teil geworden sind. Und was haben wir davon? Werden unsere Umstände leichter, oder unsere Aussichten freundlicher, wenn wir recht viel darüber reden und seufzen? Im Gegenteil, wir machen uns nur immer ärmer und unglücklicher; unsere Unterhaltungen rauben uns den letzten Rest von Mut und Kraft, und, was das Schlimmste von allem ist, wir verunehren Christum durch sie in trauriger Weise.

Christen machen sich einen sehr unklaren Begriff davon, wie wichtig ihr Verhalten ist, ihr Wesen, ja, selbst ihre Gemütsstimmungen und die ganze Art und Weise, wie sie sich im täglichen Leben geben. Wir vergessen oft, dass die Verherrlichung des Herrn in engster Verbindung steht mit unseren Bewegungen und Äußerungen, mit unserer Redeweise und unserem ganzen Auftreten. Wir alle wissen, dass wir den Charakter eines Familienhauptes viel nach dem beurteilen können, was wir bei seinen Kindern und Dienstboten wahrnehmen. Sind die Kinder scheu und ängstlich, so darf man annehmen, dass der Vater ein strenger,. mürrischer und wahrscheinlich auch willkürlicher Mann ist. Sehen die Dienstboten gedrückt und abgearbeitet aus, so gehen wir wohl nicht fehl, wenn wir den Herrn für hartherzig und selbstsüchtig halten. Mit einem Wort, wir können uns ein Bild von dem Vorstand eines Haushaltes machen, wenn wir den Ton, den Geist, die ganze Art. und Weise seiner Angehörigen beobachten.

Wenn das nun so ist, sollten wir dann nicht ernstlich bemüht sein, als Angehörige des Haushaltes Gottes durch unsere Gemütsstimmung, durch unsere Worte, unser ganzes Wesen einen richtigen Eindruck von dem zu geben, was Er ist? Wenn die Menschen, mit denen wir in den Einzelheiten des täglichen Lebens in Berührung kommen, uns finster, mürrisch und niedergedrückt sehen, wenn sie zornige, aufgeregte Worte von uns vernehmen, oder uns bitter klagen hören über dies und das, wenn sie sehen, wie wir für das Unsrige besorgt sind, mit derselben, oder gar noch größerer Gewinnsucht als sie unsere Geschäfte betreiben,. oder wenn sie in unseren Häusern Unfrieden und unheiliges Gesinnung, Eitelkeit und Weltsinn sehen —— ja, wie können sie dann den Gott richtig würdigen lernen, den wir unseren Gott und Vater nennen? Wie können sie zu der Überzeugung kommen, dass sie die Wege, auf welchen sie gehen, verlassen müssen? Wie können sie glauben, dass es wirklich selig ist, mit Jesu zu wandeln? Wie können sie von ihrer eigenen Sündhaftigkeit und ihrem Bedürfnis für einen Heiland überführt werden? Ach! die "Briese Christi", die von ihnen gekannt und gelesen werden sollten, sind ja völlig unleserlich geworden.

Mein lieber gläubiger Leser! Wende dich nicht von diesen Worten ab. Sei versichert, wir bedürfen dringend solch einfacher, praktischer Ermahnungen. Man findet heutzutage viel Verstandestätigkeit bei der Beschäftigung mit den göttlichen Wahrheiten, wobei das Gewissen unberührt und das Herz leer bleibt, und infolge dessen auch im Herzen keine Frucht zu Tage tritt. Wir bekennen, wie bereits gesagt, gestorben und auferstanden zu sein; aber wenn einmal etwas geschieht, was uns empfindlich trifft, sei es in unserer Person oder in unseren Interessen, ach! wie oft zeigt es sich da, dass das Alte praktisch noch gar nicht tot ist, und dass unser Glaube an Tod und Auferstehung noch sehr viel von einer bloßen Theorie an sich hat!

Möge der treue Herr uns Gnade geben, diese Dinge mit mehr Ernst in unseren Herzen zu erwägen, aus dass das Bild eines wahren Christen durch uns mehr zur Darstellung komme, zur Verherrlichung unseres Gottes und Vaters und unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi! Dann werden auch die, welche mit uns in Berührung kommen, mehr davon sehen, was wahres Christentum ist in seiner Wirkung auf Charakter und Wandel, und die Folgen werden gesegnete sein.

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 307ff

Die Gewissheit, dass Gott unserer Sünden und Übertretungen nie mehr gedenken will, gründet sich auf drei Dinge: auf den festen, unabänderlichen Willen Gottes, „durch welchen Willen wir geheiligt sind'', auf das vollkommene Opfer Christi, der sich nach vollbrachtem Werke zur Rechten Gottes gesetzt hat, und aus das sichere Zeugnis des Heiligen Geistes: "Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist''. (Hebr. 10, 8 - 18). Es ist ein Gegenstand des Glaubens, dass Gott nie mehr unserer Sünden gedenken will.

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Ein Mensch wird niemals durch Gefühle oder Erfahrungen gerechtfertigt, sondern durch Glauben. Ich habe Glauben an Gott. Daran zu zweifeln, dass Gott für mich ist, ist Unglaube.

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Gott war vollkommene Liebe gegen mich, als ich vollkommene Feindschaft gegen Ihn war.

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Die Prophezeiung beschäftigt sich immer mit der Erde, niemals mit dem Himmel. Irdische Ereignisse und Mitteilungen über die Erde sind nie die Fülle Christi im Himmel. Gott verringert nie Seinen Maßstab; mögen auch Zeiten und Umstände sich verändern, Er sagt: "Tue deine ersten Werke!''

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Als die Häscher Jesum griffen, um Ihn vor das Synedrium zu führen, sprach Er: "Jetzt ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis''. Es war Religiosität, welche Christum kreuzigte. Wie erinnert uns dies an das Wort des Herrn: "Wenn nun das Licht, dass in dir ist, Finsternis ist, wie groß die Finsternis-!'' Indem der —Mensch Christum kreuzigte, hat er Gott gleichsam aus der Welt hinaus gestoßen. Gott hat also die Welt geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab; aber die Welt sagt: Wir wollen dich nicht; hinweg mit diesem! Und dabei will sie doch religiös sein.

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Welche Gegensätze: Wir fanden den Tod durch Ungehorsam, Christus fand ihn durch Gehorsam. Wir konnten dem Gericht nicht entrinnen, Christus wollte ihm nicht entrinnen. Die Gnade führte Christum dahin, wohin uns die Sünde gebracht hatte. Aber ach! der Mensch hat kein Herz für Christum.

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Ein Fünkchen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 308ff

Lugt durchs Fensterlein des Morgens Licht,

harret dein des Tagewerkes Pflicht,

schaue himmelwärts, dass Leib und Seele

sich des Schöpfers Obhut anbefehle!

Hilf, o Herr, so flehe stets aufs neu,

dass ich handle, geize mit den Stunden,

wuchre mit den anvertrauten Pfunden!

Fern der Welt und ihrem eitlen Schein,

lass mich, Herr, für dich ein Zeugnis sein!

Schenke mir, dass ich an diesem Tage

Sonne in ein finstres Leben trage,

sei`s auch nur ein Fünkchen, winzig klein,

ew`ger Liebe schwacher Widerschein!

K. B.

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Betrachtungen über das zweite Buch Samuel

Bibelstelle: 2. Samuel 22

Botschafter des Heils 1905 S. 309ff

Das Lied der Errettung. Kapitel 22.
Wir sind jetzt bei der endgültigen Errettung Davids ange­langt. Alle seine Feinde, zu denen auch Saul gehörte (V. 1), sind verschwunden. Dieses Lied, welches der Zeit nach an den Anfang des 7. Kapitels gehört, hat seinen Platz hier gefun­den, weil der letzte Gegner Davids und seines Volkes eben vernichtet worden ist (Kap. 21. 21) und diese feindliche Macht hinfort nicht mehr ihr Haupt erhebt. Die Worte dieses Liedes, die wir in Psalm 18 wiederfinden, konnten tatsächlich nicht bei dieser Gelegenheit ausgesprochen werden, denn sie reden von einer Zeit, wo David nicht unter der Zucht war, sondern inmitten der Verfolgungen seitens seines grau­samen Feindes durch Gnade vor dem Fall bewahrt worden war. 

Aber auch selbst in diesen Zeiten der Kraft und der Heiligkeit, welche den ersten Abschnitt seiner Laufbahn ge­kennzeichnet hatten, würde David nicht alle Worte dieses Psalms auf sich haben anwenden können. David war ein Prophet; seine prophetischen Gesänge gingen aus seinen persönlichen Erfahrungen hervor, aber sie würden nicht prophetisch gewesen sein, wenn sie nicht Christum zum Ge­genstand gehabt hätten. In seinen Erfahrungen ist David ein Abglanz Christi, und das ist ein sehr großes Vorrecht; indes ist dieser Abglanz immer nur ein gedämpftes Licht, eine schwache Wiedergabe des vollkommenen Musters.

Der vorliegende Psalm kann in drei Teile eingeteilt werden.

Der erste (V. 1‑18) verkündet die Errettung aus der Hand Sauls: „Er errette mich von meinem starken Feinde." (V. 17.) Diese Errettung erinnert an die Errettung Israels von der Verfolgung des Pharaos beim Durchzug durch das Rote Meer: "Es wurden gesehen die Betten der Wasser, und die Grundfesten des Erdkreises wurden aufgedeckt vor deinem Schelten, Jehova, vor dem Schnauben des Hauches deiner Nase. Er streckte seine Hand aus von der Höhe, er nahm mich, er zog mich aus großen Wassern." (V. 15. 16.) jedoch entspricht diese Schilderung nicht genau der Errettung Davids, noch derjenigen Israels aus Ägypten. Es handelt sich um eine zukünftige, prophetische Zeit. Es ist die Errettung des Über­restes am Ende, wenn Gott offenbarlich und sichtbarlich zu seinen Gunsten einschreiten wird (V. 7 ‑ 14).

 Der Überrest wird bis an die Pforten des Todes geführt werden; aber dann wird Gott für ihn eintreten und in einem Augenblick seine Feinde zerstreuen. Vor dieser Errettung wird der Überrest lernen, dass sein Messias, der Sohn Davids, allein durch diese Schrecknisse hindurchgegangen ist und sie getragen hat, indem Er Sich so mit der zukünftigen großen Bedrängnis Seines Volkes eins machte, um sie erretten zu können. David hat den Inhalt dieser Worte, welche uns an die Ängste Gethsemanes denken lassen, nur in schwachem Maße ver­wirklichen können: "Es umfingen mich die Bande des Todes, und die Ströme Belials erschreckten mich; die Bande des Scheols umringten mich, es ereilten mich die Fallstricke des Todes." (V. 4 u. 5.)

Der zweite Teil des Psalms (V. 19 ‑ 29) ist, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, noch treffender als der erste. Die Ursache der Errettung Davids liegt darin, dass Gott Lust hat an Seinem Gesalbten, und zwar nach der ganzen Vollkommenheit dessen Charakters. Nun hat aber der Cha­rakter Davids, nicht einmal vor seinem Fall, wie viel weniger nachher, genau diesen Versen entsprochen: „Er führte mich heraus ins Weite, er befreite mich, weil er Lust an mir hatte. Jehova vergalt mir nach meiner Gerechtigkeit, nach der Rein­heit meiner Hände erstattete er mir. Denn ich habe die Wege Jehovas bewahrt, und bin von meinem Gott nicht frevelhaft abgewichen. 

Denn alle seine Rechte waren vor mir und seine Satzungen, ich entfernte sie nicht von mir. Und ich war voll­kommen gegen ihn, und hütete mich vor meiner Ungerechtigkeit. Und Jehova erstattete mir nach meiner Gerechtigkeit, und nach der Reinheit meiner Hände vor seinen Augen. Gegen den Gütigen erzeigst du dich gütig, gegen den voll­kommenen Mann erzeigst du dich vollkommen; gegen den Reinen erzeigst du dich rein, und gegen den Verkehrten erzeigst du dich entgegenstreitend." (V. 19 ‑ 26.) David preist die Vollkommenheit eines Anderen in den Worten: „Jehova erstattete mir nach meiner Gerechtigkeit, nach der Reinheit meiner Hände vor seinen Augen." Christus allein konnte Seinem Vater einen Beweggrund darbieten, um Ihn zu lieben und Ihn zu retten ‑ aber Seine Rettung ist diejenige Seines Volkes geworden. (V. 30‑50)

In dem dritten Abschnitt des Psalmes (Verse 30‑50) preist David das, was Gott für ihn getan hatte. Gott hat ihm geantwortet und „ihn aus den Streitigkeiten des Volkes errettet", (was in der Geschichte Davids dem in 2. Sam. 20 Mitgeteilten entspricht,) und hat ihn "zum Haupt der Nati­onen gesetzt", die er unterjocht hatte. (V. 43.) Die Kinder Ammon, die Philister, die Syrer, die Edomiter ‑ alle haben sich unter sein Joch beugen müssen. Doch wie redet das alles zu uns von einem Größeren als David! Es beginnt damit, dass dieser Größere als König Israels und als Haupt der Nationen anerkannt wird. „Die Söhne der Fremde unterwerfen sich ihm mit Schmeichelei" (V. 44); "Gott gibt ihm Rache und unterwirft ihm die Völker" (V. 47); „Er wird erhöht über die, welche wider ihn aufstanden." (V. 48) Vergl. Psalm 2, 2 u. 6.

Nichtsdestoweniger konnte David diese Dinge mit einem dankerfüllten Herzen verkünden. Die Gnade ruhte damals auf ihm wegen der Lauterkeit und Vollkommenheit seines Verhaltens. Er stand am Ende des Leidensweges, und dieser Weg war der des Wandelns mit Gott. Ruhigen und fröh­lichens Herzens rühmt er die Errettung, welche die Gnade der Treue zuteil werden lässt. Auf seiten Davids ist alles Freude, Freiheit, Macht, Danksagung; auf seiten Gottes alles Gunst und Gnade.

Was werden wir in dem folgenden Kapitel finden, wo es sich um die Verantwortlichkeit des Königs handelt?

Die letzten Worte Davids: Kapitel 23, 1 ‑ 7
Es sind ernste Worte, mit denen die Laufbahn Davids schließt. Beim Herannahen seines Todes betrachtet er als der von Gott begnadete, aber verantwortliche König das Ergebnis seines ganzen Lebens. Dieses Leben umfasst alle seine Erfah­rungen samt seinem Fall und der Züchtigung, welche die Folge desselben war. Er war im Begriff, die Welt zu verlassen, nun wenden sich seine Blicke rückwärts, vorwärts und um sich her, und sein Auge ist klarer als je. Er erblickt die Vergan­genheit wieder, beschaut die Gegenwart und betrachtet die Zukunft; wir hören, was er darüber denkt, erleuchtet durch die Unterweisung und die Eingebung des Geistes Gottes.

Der 1. Vers stellt uns in feierlicher Weise und als etwas sehr Bedeutungsvolles dar, was den Mann kennzeichnete, der die nachfolgenden Worte aussprach. Der erste wichtige Punkt ist deren göttliche Eingebung. Zweimal hören wir: "Es spricht" (od. Spruch), wodurch die Worte Davids als Orakelsprüche, d. h. Aussprüche Gottes, bezeichnet werden. David war also inspiriert in den vier Beziehungen, in welchen dieser Vers ihn uns zeigt: als "Sohn Isais", in dem geringen Charakter seiner menschlichen Abstammung, ‑ als „der hochgestellte Mann", in dem Charakter, den Gott ihm gegeben, zu dem Er ihn als Mensch erhoben hat, ‑ als der Gesalbte des Gottes Jakobs", in seinem Charakter als König über Israel, das Volk der Verheißungen, ‑ und endlich als der Liebliche in Gesängen Israels", in seinem Charakter als Prophet, der seinem Volke die Gnade brachte.

Wie lauten nun die Worte dieses Mannes, den Gott uns so beschreibt? Er gibt zunächst Zeugnis davon, dass der Geist Gottes es war, welcher durch ihn geredet hatte: "Der Geist Jehovas hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge." Sodann, dass Gott ihm Seine Gedanken über Sein Volk Israel unmittelbar mitgeteilt habe: „Es hat ge­sprochen der Gott Israels, der Fels Israels zu mir geredet." Wir haben hier neben einer göttlichen und feierlichen Autori­tät zugleich eine sehr deutliche Erklärung darüber, was In­spiration ist. Sie benutzt den Menschen, den ganzen Menschen, und bedient sich zum Ausdruck dessen, was sie sagen will, aller Eigenschaften dieses menschlichen Werk­zeugs.

 Wenn der inspirierte Mensch spricht, so geschieht es als Ausspruch Gottes; wenn er redet, so redet Jehova durch ihn. Seinen Worten ist nichts beigemengt, was von ihm selbst käme: „Sein Wort war auf meiner Zunge" Gott benutzt von dem Menschen, was Er will, um Seine Gedanken in der völligen Unversehrtheit Seines Wortes vorzustellen. Doch wenn Gott einerseits durch David redet, so redet Er andererseits auch zu David: „Der Fels Israel hat zu mir geredet." Das, was Gott zu ihm geredet hat, bildet einen Teil des Schatzes seiner persönlichen Erfahrungen.

Was will nun dieses so wunderbar behütete Wort uns mitteilen? Wir haben es bereits gesagt, und wir werden es sehen: es teilt uns die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft mit. Die Vergangenheit bin ich, ist meine Ge­schichte; die Gegenwart ist die Gnade; die Zukunft ist Christus, ist die Herrlichkeit. Indes ist der erste Gegenstand, welchen Gott dem David und durch ihn uns vorstellt, nicht Er Selbst, d. h. Seine Vergangenheit, sondern Christus, d. h. Seine Zukunft, und die unsrige mit Ihm. David kündigt hier ohne Zweifel als un­mittelbar bevorstehend die Regierung Salomos an; aber in Wirklichkeit hat Salomo der glänzenden Beschreibung, welche uns hier von dem zukünftigen König der Herrlichkeit gegeben wird, keineswegs entsprochen. Es ist, wie immer, eine Prophezeiung auf Christum hin. 

Die Zukunft ist in den Gedanken Gottes das unmittelbar Bevorstehende, und sie sollte es auch in unseren Gedanken sein, wie sie in denjeni­gen Davids es war. Doch welch wunderbare Offenbarung wird uns von dem Charakter des wahren Königs gegeben. "Ein Herrscher unter den Menschen, gerecht, ein Herrscher in Gottesfurcht; und er wird sein wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ein Morgen ohne Wolken! "Wie ist alles so frisch, neu, jung und unbefleckt an dieser Herrlichkeit, bei diesem Auf­gang der Sonne der Gerechtigkeit! Er bedeutet den Anbruch eines Zeitalters unvermischten Glückes.

 Wer hat nicht schon an einem Frühlingsmorgen, bei völlig klarem Himmel, das Auf­gehen der Sonne betrachtet? Wie wird das Herz da so weit unter dem überwältigenden Eindruck dieser Frische und dieses unaussprechlichen Friedens! Die Schönheit der Erscheinung reißt uns hin; nichts trübt den reinen Genuss. Nicht ein ein­ziger dunkler Punkt zeigt sich am Horizont; die Möglichkeit eines Sturmes scheint für immer ausgeschlossen zu sein. Man sieht, man genießt ohne Nebengedanken das herrliche Schau­spiel; es ist ein Morgen ohne Wolken!

Doch es gibt noch mehr, als nur die Pracht dieses herrlichen Gestirns an einem reinen Himmel zu bewundern. Wir hören weiter: „Von ihrem Glanze nach dem Regen sprosst das Grün aus der Erde." Die erneuerte Erde erscheint uns wie auferweckt von dem Glanze der Sonne. Von Salomo, dem Vorbilde von Christo, heißt es: „Er wird herabkommen wie je ein Regen auf die gemähte Flur, wie Regenschauer, Regen­güsse auf das Land.‑ (Psalm 72, 6; vergl. auch 5. Mose 32, 2; Sprüche 19, 12; Jes. 66, 14; Micha 5, 6.) Die Menschen, Sein Volk, werden von ihren Strahlen durchdrungen sein. Das vom Gericht abgemähte Gras wird einem neuen Grase Platz machen, d. i. dem Überrest, einem „willigen Volke". Der Glanz der Sonne der Gerechtigkeit wird ihn sprossen lassen, nachdem der Herr, gleich dem erfrischenden Regen, mit einer Fülle von Segnungen über Sein erniedrigtes Volk herabge­kommen ist. "Aus dem Schoße der Morgenröte wird der Tau deiner Jugend kommen" (Ps. 110, 3).

Die Erscheinung der Herrlichkeit Christi, ihrer Freude und ihrer Hoffnung, überwiegt also jeden anderen Gedanken in den Herzen derer, die Ihn kennen und lieben.

Angesichts dieser Herrlichkeit wirft David nunmehr einen Rückblick auf sich selbst und seine ganze Geschichte. Es ist so, als wenn er sagte: Das ist es, was ich hätte sein sollen und was ein anderer nach mir sein wird; aber nun sehet, was ich bin: „Obwohl mein Haus nicht also ist bei Gott." Ach! um diese Geschichte der Demütigung und Schmach nie­derzuschreiben, bedarf es nur weniger Worte. Doch man sieht hier, dass David angesichts des Todes durchaus kein Vertrauen mehr auf sich selbst noch auf sein Haus hat; er verurteilt den einen wie das andere. Klingt sein Ausruf nicht wie das Wort des Patriarchen Jakob: "Wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre"? Was also die Vergangen­heit betrifft, so hatte David weder dem, was Gott von ihm erwartete, entsprochen, noch war er „ein gerechter Herrscher unter den Menschen" gewesen.

Doch etwas blieb, und zwar festgestellt für die Gegenwart und für die Ewigkeit: „Er hat mir doch einen ewigen Bund gesetzt, geordnet in allem und verwahrt." Die Gegenwart ist die Gnade, das, was Gott für David getan hat trotz allem, was David gewesen ist. „Um diese Zeit wird gesagt werden, was Gott gewirkt hat." (4. Mose 23, 23.) Der Bund Jehovas ist ewig, gesichert oder verwahrt. Es ist ein neuer Bund; denn der alte war wohl geordnet, aber weder verwahrt noch ewig, wegen der Ver­antwortlichkeit des Menschen.

 Gott hat in Sich Selbst einen Beweggrund für den neuen Bund gesucht; der Mensch tritt da nicht als ein vertragschließender Teil ein. Darum kann dieser Bund auch von Dauer sein, ja er wird niemals ein Ende nehmen. David ruht auf dem, was Gott ge­tan hat: "Denn dies ist all meine Rettung und all mein Be­gehr, obwohl er es nicht sprossen lässt." Dieser Bund sprosst jetzt nicht; er wird bei einem neuen Volke sprossen. (V. 4.) Damit er sprossen könne und die volle Segnung eingeführt werde, ist es zuvor nötig, das das Gericht ausgeführt wird, dass "die Söhne Belials allesamt sind wie Dornen, die man wegwirft . . . . und dass sie mit Feuer gänzlich ver­brannt werden an ihrer Stätte." David aber kann sich fest stützen auf diesen Bund und auf die Verheißungen Gottes.

Bei einer Seele, die sich in der Gegenwart des Herrn auf­hält, findet man immer diese drei Dinge, von denen wir soeben gesprochen haben. Sehen wir sie nicht sogar bei einem Räuber am Kreuze in ihrem ganzen Glanz erstrahlen? Dieser Mensch verurteilte sich selbst, indem er die Gerechtig­keit des Gerichts Gottes anerkannte: „Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind." Er nahm als Maßstab das, was Christus gewesen war: „Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan." Er rechnete auf Seine Gnade: „Gedenke meiner, Herr"; und auf Seine zukünftige Herrlichkeit blickend, fügte er hinzu: „wenn du in deinem Reiche kommst." (Luk. 23, 39‑43.)

Die Helden Davids. Kapitel 23, 8‑39.
Nach den letzten Worten Davids zeigt uns Gott, dass Er das Andenken der Helden, der Gefährten Seines Gesalbten bis zur endgültigen Aufrichtung seiner Herrschaft, bewahrt. Es fanden sich noch andere ergebene Männer, wie Ittai, Schobi, usw., auf seinem Wege, als er aus Jerusalem floh; aber diejenigen, welche hier aufgezählt werden, waren seine Genossen von der ersten Stunde an. So sind auch in späteren Tagen die zwölf Jünger ausgezeichnet worden, weil sie den Herrn begleitet hatten "in all der Zeit, in welcher er bei ihnen ein ‑ und ausging". (Luk. 22, 28. 29; Apstgsch. 1, 21.) Und so werden auch dereinst diejenigen ausgezeichnet werden, welche Ihm nachfolgen, während die Welt Ihn verwirft und ver­kennt.
Diese Männer sind hier siebenunddreißig an der Zahl. (Vergl. 1. Chron. 11 und 12.) Joab, der bis ans Ende der Regierung Davids einen hervorragenden Platz als Heer­oberster einnahm, ist von den Helden Davids ausgeschlossen. Es ist nicht unmöglich, dass er mehr glänzende Waffentaten verrichtet hatte als alle anderen; man fand bei ihm viel Mut und auch eine gewisse äußere Hingebung für den König. 

Aber diese Eigenschaften geben an und für sich noch keinen Platz in dem Verzeichnis Gottes; sonst würde das Wort fast alle großen Helden der Menschheit aufzählen. Der 87. Psalm belehrt uns über das, was Gott unter Helden versteht: "Er­wähnen will ich Rahabs und Babels bei denen, die mich kennen; siehe, Philistäa und Tyrus samt Äthiopien: dieser ist daselbst geboren." Die Herrlichkeit dieser Helden der Natio­nen war vergangen und blieb nicht über ihr kurzes Be­stehen hinaus, obwohl sie die Erde mit dem Klang ihres Namens erfüllt hatten. "Und von Zion wird gesagt werden: der und der ist darin geboren; und der Höchste, er wird es befestigen." Das war das Kennzeichen der Helden Davids: sie wurden als durch ihren Ursprung der Stadt der könig­lichen Gnade angehörend betrachtet. 

Doch der Geist fügt hin­zu: Jehova wird schreiben beim Verzeichnen der Völker: dieser ist daselbst geboren." Wenn das Verzeichnis der Völker vor Jehova aufgeschlagen werden wird, so wird Er nur einen Einzigen haben, den Mann Seiner Rechten, welcher verdient , Seinen Ursprung in Zion zu haben. Die Häupter der Nationen haben ihren Tag gehabt, und ihre Herrlichkeit ist in Rauch aufgegangen; Dieser wird herrschen über alle Völker; der Ausgangs‑ und Mittelpunkt Seines Reiches wird in Jerusalem sein, und die Seinigen werden „alle ihre Quellen" in Ihm finden. Aber Seine Helden, der und der", werden in Seiner Herrschaft mit Ihm verbunden sein.

Was die Helden Davids kennzeichnete, war die Verbin­dung mit dem Gesalbten Jehovas, welche die Gnade ihnen gegeben hatte. Joab hatte nie in einem solchen Verhältnis zu David gestanden; dieses Buch hat es uns reichlich gezeigt. Er suchte sich selbst, indem er David diente, und niemals hatten seine Handlungen die Verbindung mit seinem Herrn zum Ausgangspunkt. Sein Name wird deshalb mit Stillschweigen übergangen.

Unter den Helden nennt das Wort zunächst drei, die geehrter waren als alle anderen. Was war die Ursache dieser Auszeichnung? Diese Männer hatten eine ausdauernde Tat­kraft bewiesen, wenn es sich darum handelte, die Rettung des Volkes Gottes zuwege zu bringen; aber im Kampfe hatten sie nicht auf sich selbst gerechnet; es war Jehova, der die Rettung durch ihre Vermittlung bewirkte. Jehova", so wird zweimal in Vers 10 und 12 gesagt, „schaffte eine große Rettung."

Woher kam ihr Ausharren? Wären sie allein gewesen, so würden sie sicher schwach geworden sein; aber sie waren alle drei "mit David" und unter seinen Augen (V. 9) während des Kampfes. Er flößte ihnen den Mut und das Ausharren ein. Sie hatten ihn zum Muster, der sagen konnte: „Mit dir werde ich gegen eine Schar anrennen"; „Er lehrt meine Hände den Streit, und meine Arme spannen den ehernen Bogen"; und weiter: „Meinen Feinden jagte ich nach und vertilgte sie, und ich kehrte nicht um, bis sie auf gerieben waren." (Kap. 22, 30. 35. 38.)

Welchen Feind bekämpften diese tapferen Männer? Den Philister, den inneren Feind, wie wir so oft in diesen Betrach­tungen gesehen haben. Kein Feind ist gefährlicher als dieser; die Ägypter oder die Moabiter waren weniger zu fürchten als diejenigen, welche im Gebiet Israels lebten und sich be­ständig dem Volke Gottes in dem friedlichen Besitz des Landes widersetzten, das Gott Seinem Volke zum Erbteil gegeben hatte.

Die drei Männer waren in diesem Kampfe nicht schwach geworden. Der erste, Joscheb‑Baschebeth, schwang seinen Speer wieder achthundert Mann;*) er hatte sie auf einmal erschlagen und nur aufgehört, weil keine Gegner mehr da waren. Daher kam sein Vorrang.

Der zweite, Eleasar, der Sohn Dodos, kämpfte allein in Gegenwart der Männer von Israel. Er erwartete keine Hilfe von ihnen, denn er rechnete nicht auf die Kraft des Menschen. Mit David sein, das war für ihn genug, um den Philistern Trotz zu bieten. Er schlägt sie und hört nicht auf, „bis seine Hand ermüdet". Es kann im Kampfe des Glaubens Grenzen geben, denn Gott bedient sich unvoll­kommener Werkzeuge, die erwarten müssen, dass ihre Kräfte erlahmen; doch das Ausharren Eleasars war ein solches, dass „seine Hand am Schwerte klebte", d. h. dass er sie nicht von der Waffe, die er gebraucht hatte, losmachen konnte.

 Möchte der Sieg Eleasars auch der unsrige sein! Un­sere Waffen sind nicht fleischlich; wir haben das Schwert des Geistes, welches Gottes Wort ist. Lasst uns das Wort Gottes so gebrauchen, dass wir sozusagen einen Leib mit ihm bilden, selbst nach dem Kampfe! Möchte der Kampf stets den Erfolg haben, dass wir dadurch das Wort mehr schätzen lernen, so dass es uns unmöglich ist, uns davon zu trennen! Der dritte dieser Männer war Schamma, der Sohn Ages, des Harariters. Unter Eleasar hatte das Volk, wie es scheint, leichte Arbeit gehabt, da es umkehrte, Eleasar nach, „nur um zu plündern". Hier war „das Volk vor den Philistern ge­flohen". (V. 11.) Der Gegenstand des Streites war "ein Ackerstück voll Linsen", ein ganz kleines Stück des Erbteils, welches Gott Israel gegeben hatte, das aber Nahrung für dieses Volk enthielt. Der Feind suchte ihm den Acker und seine Ernte zu entreißen. Schamma *) hatte sich mitten auf das Stück gestellt und es dem Volke Gottes erhalten. Diese Tat redet zu unserem Gewissen. 

Unser Erbteil und unser „Ackerstück" sind himmlisch, und wir haben sie ebenso zu verteidigen, wie die himmlische Speise, das Wort, welches Gott uns anvertraut hat. Das Volk Gottes flieht feige vor dem Feinde, indem es zu seiner Schande die Rechte des Unglaubens auf Vernichtung des Wortes Gottes anerkennt. Lasst uns sein wie Schamma; verteidigen wir es für die Heiligen ohne Furcht, denn wir sind mit David! Lasst uns auf Gott rechnen, der „eine große Rettung" schaffen wird.

Die Verse 13 ‑ 17 zeigen uns eine zweite Reihe von drei Häuptern.**) Ihre Namen werden bei der kühnen Tat, von welcher diese Verse berichten, nicht genannt, und das nicht ohne Grund; es geschieht nachher bei der Erzählung ihrer glänzenden Waffentaten. Doch warum werden die Namen hier weggelassen? Wohl deshalb, weil es sich hier nicht um Tatkraft und Ausharren handelt, sondern um die Hinge­bung des Glaubens. Diese Hingebung ist für das Herz von Dienern, die ihren Herrn kennen und schätzen, ganz selbstverständlich; sie quillt aus dem Grunde der Herzen empor. Ihrer Natur nach ist die Hingebung verborgen. Wel­cher Mensch hat ein Recht, sich ihrer zu rühmen? Hat unser verworfener und der Welt unsichtbarer David durch die über­wältigende Vollkommenheit Seines Charakters nicht ein Recht auf unsere Hingebung? Ihn kennen heißt Ihn lieben.

Jene drei Besucher der Höhle Adullam fühlten sich sofort zu David hingezogen. Ein einfacher Wunsch ihres Königs war für sie genug, um sie alle Hindernisse überwinden zu lassen; um diesen Wunsch befriedigen zu können, achteten sie ihr Leben für nichts. Auf diese Weise wurde ihre Zuneigung viel mehr als ihre Tatkraft auf die Probe gestellt. Die Gefahr schreckte sie nicht zurück, wenn es sich darum handelte, ein wenig Wasser aus der Zisterne zu Bethlehem zu schöpfen, weil ihr Geliebter zur Zeit der Ernte Durst hatte. Wenn sie infolge ihres Unternehmens umgekommen wären, so würden sie das, was David eine, wenn auch nur vorübergehende, Befriedigung gewähren konnte, nicht zu teuer bezahlt haben.

 Gott verzeichnet diese Hingebung in Seinem Buche; der König schätzt sie hoch, aber er will sie sich nicht zunutze machen. Er sagt: „Sollte ich das Blut dieser Männer trinken, die mit Gefahr ihres Lebens hingegangen sind?" Wohl ruft er die Hingebung der Seinen wach, aber sein Charakter ist an sich doch der, sich für sie hinzugeben. Das Wasser, welches ihm dargeboten wird, geht nur durch seine Hände, um „als Trank­opfer dem Jehova" dargebracht zu werden; denn alles, was für Christum getan wird, ist für Gott getan, und Gott nimmt es, durch Christum dargebracht, als ein vortreffliches Opfer an. Ein einfaches Glas Wasser, welches „einem dieser Kleinen" gereicht wird aus Liebe zu Christo, geht aus Seinem Herzen in das Herz Gottes Selbst über.

Die Waffentatenn dieser drei Männer reichten nicht an die der drei ersten hinan. Da ist zuerst Abisai, der, dem Joscheb‑Baschebeth ähnlich, seinen Speer über dreihundert Mann schwang, die er erschlug; doch hatte er nicht dasselbe Ausharren des Glaubens.

Sodann finden wir Benaja, den Sohn Joiadas; er bekämpft die äußeren Feinde, Moab und den Ägypter. Er erschlägt zwei Helden*) von Moab. Wie David, erschlägt er allein einen Löwen. Er tötet den Ägypter, wie David den Goliath erschlagen hatte; und so wie David dem Riesen das Schwert entriss, um ihm das Haupt damit abzuschlagen, brachte Benaja den Ägypter mit seinem eigenen Speer zu Fall. Benaja wandelte treu in den Fußstapfen seines Herrn, und seine große Zuneigung zu ihm brachte ihn dahin, die Charakterzüge seines Vorbildes in sich wieder zur Darstellung zu bringen. Ein solcher Wandel findet seine Belohnung: „David setzte ihn in seinen geheimen Rat", an einen Platz des Vertrauens und der innigen Gemeinschaft.

Benaja nimmt teil an den Geheimnissen seines Herrn, empfängt die Mittei­lung seiner Pläne und sieht jederzeit das Angesicht des Königs. Welch ein glückseliges Teil! Wenn wir den Herrn Jesum lieben, um Ihm im Gehorsam zu folgen und Ihm zu dienen, so werden wir dafür belohnt durch eine Nähe, ähnlich der des Johannes, des geliebten Jüngers, dessen Platz an der Brust Jesu war, Asael wird nicht besonders erwähnt. Er hätte irgend eine Waffentat vollführen können, aber sein Vertrauen auf sich selbst und auf seine Behändigkeit ließ seine Laufbahn in dem Zweikampf mit Abner frühzeitig zu einem Ende kom­men (Kap. 2, 18 ‑ 24).

Schließlich finden wir die „Dreißig", weniger berühmt als die sechs Vorhergehenden; aber der Herr vergisst keinen der Seinigen. Wenn Davids Auge das Verzeichnis seiner Knechte durchlief, mit welchem Schmerz musste es dann Halt machen bei dem Namen Urijas, des Hethiters, dem letzten in der Reihe! Er war unter den Helden, und wahrlich, er nahm unter diesen, dem König und seinem Volke ergebenen Herzen nicht den geringsten Platz ein. Aber David hatte ihn getötet, um eine seiner Lüste zu befriedigen! Sein Name blieb da stehen zum Zeugnis gegen den, welchem er gedient hatte. Dieser eine Name, Urija, rief David seine ganze Vergangen­heit mit ihrer ganzen Schande und Züchtigung ins Gedächtnis zurück; aber indem er sich selbst verurteilte und die Gnade pries, die ihn wiederhergestellt hatte, dachte er nie daran, diesen Namen aus dem Buche, in welches er eingetragen war, auszulöschen.

Morija.*): Kapitel 24.
Das zweite Buch Samuel endet mit der wunderbarsten Offenbarung des Erlösungswerkes, welche während der Dauer des Haushaltes des Gesetzes gegeben worden ist.

Das Wort sagt uns, dass der Zorn Gottes abermals wider Israel entbrannte". Es sagt uns nicht, bei welcher Gelegen­heit, aber wir haben in Kap. 21 gesehen, dass längst geschehene und vergessene Taten vor Gott gegenwärtig blei­ben, wenn es sich um die Bestrafung oder Züchtigung Seines Volkes handelt. David selbst wird das Werkzeug für diese Züchtigung: „Jehova reizte David wider Israel, indem er sprach: Gehe hin, zähle Israel und Juda." Der 1. Vers von 1. Chron. 21 belehrt uns darüber, dass, wie in dem Falle Hiobs, Satan dazu benutzt wurde, gegen das Volk aufzu­treten und David zu verleiten. "Der Verkläger der Brüder" hätte gern gesehen, dass Gott das Volk und seinen Fürsten verflucht hätte; er konnte nicht wissen, dass Gott ihn als unfreiwilligen Diener Seiner Pläne für die schließliche Segnung und den Triumph Seiner Auserwählten benutzen würde.

Man könnte sich fragen, inwiefern die Zählung des Volkes so gegen die Gedanken Gottes gewesen sei; denn seit dem Auszug aus Ägypten waren mehrere Zählungen der kräftigen Männer in Israel von Gott angeordnet worden.

Die erste Zählung, welche erwähnt wird (2. Mose 38, 25 ‑ 27), bezweckte die Einsammlung des Silbers (ein Beka auf den Kopf), welches dazu bestimmt war, die Füße der Säulen für die Stiftshütte herzustellen; sie fand also statt für Jehova und im Blick auf Seinen Dienst. Die zweite Zählung (4. Mose 1, 2. 3) sollte die Zahl der für den Kriegsdienst geeigneten Männer feststellen in dem Augenblick, als Israel im Begriff stand, den Kampf mit dem Feinde zu beginnen. Die Sache war Gott gemäß; jeder Israelit von zwanzig Jahren und darüber sollte seine persönliche Verantwortlichkeit in den Kriegen Jehovas kennenlernen.*) Das Wort erwähnt noch eine dritte Zählung (4. Mose 26, 2. 52 ‑ 65) solcher, die zum Heeresdienst tauglich waren, im Blick auf die Verteilung des Landes. Auch hier war die Zählung von großer Wichtigkeit; denn jede Familie sah ihr Erbteil mehr oder minder groß je nach der Zahl ihrer Söhne.

Die Zählung in unserem Kapitel konnte keinen dieser Charakterzüge aufweisen. Da die Stiftshütte errichtet war, Levi an die Stelle der Erstgeborenen getreten und das Erbteil zum größten Teil erobert war, blieben nur noch die für den Krieg geeigneten Männer übrig, aber Gott „hatte David errettet aus der Hand aller seiner Feinde". (Kap. 22, 1.) Wozu war es also nötig, die Zahl seiner Krieger kennenzulernen? Sein Zweck war, wie er zu Joab sagt, „die Zahl des Volkes zu wissen ". Durch die Anreizung Satans wurde das Herz dieses gottesfürchtigen Königs am Ende seines Lebens einer Versuchung ausgesetzt, die seinem Charakter ganz zuwider war. David war immer ein demütiger Mann gewesen, sowohl vor Jehova (Kap. 7, 18) als auch vor den Menschen (1. Sa­muel 26, 20). 

Es schien so, als ob er nicht nötig gehabt hätte, gegen den Hochmut auf seiner Hut zu sein. Einst hatte ihn die Lust der Augen und des Fleisches fortgerissen, und er war schwer dafür gestraft worden; jetzt wird er durch den Hochmut des Lebens versucht und widersteht nicht dem Ver­langen, sich von seinen eigenen Kräften Rechnung zu geben, um zu wissen, inwieweit er sich auf sie stützen könne. Die Züchtigung trifft ihn, damit er lerne, dass er nur auf Gott allein rechnen kann und soll.

Joab tadelt seinen Herrn. Dieser Mensch, der sich selbst nie gerichtet hatte, verurteilt den Mann Gottes! Das Wort des Königs war Joab ein Gräuel." (1. Chron. 21, 6.) Welche Schande für einen David, von einem Joab getadelt zu werden! Man kann nur einen einzigen Grund finden für die Weigerung Joabs, den Befehlen des Königs zu gehorchen. Es war aus dieser Tat kein Nutzen zu ziehen, noch war es vorteilhaft, Gott Trotz zu bieten. Joab würde sie nie ausge­führt haben, weit er seine Rechnung nicht dabei fand und seine Interessen nicht dabei im Spiele waren. Warum hätte also David diese gottlose und keinerlei Nutzen bringende Sache tun sollen?

Das Verlangen des Königs behält indes die Oberhand, und während einer Zeit von mehr als neun Monaten be­schäftigen sich Joab und die Obersten des Heeres mit der Zählung. In dieser ganzen Zeit redet das Gewissen Davids nicht; doch sobald er die Frucht seines Begehrens erlangt hat, findet er, dass sie bitter schmeckt. Wie viel Mühe war für einen so erbärmlichen Gegenstand verschwendet worden! Zudem fehlte noch etwas daran, denn Levi und Benjamin waren nicht gezählt worden. Diesem unvollständigen Ergebnis gegenüber musste David doppelt die Torheit seines Vergehens fühlen.

Wir machen dieselben Erfahrungen wie er. Satan verlockt uns durch Lüste. Doch niemals kann der Besitz dessen, worauf diese Gelüste gerichtet sind, das Herz eines Kindes Gottes befriedigen; denn es vermag sein Gewissen nicht zum Schweigen zu bringen. Der Weltmensch findet in dieser Be­ziehung nicht mehr Genugtuung als der Christ; aber er be­gibt sich sogleich wieder auf die Suche nach neuen Gegen­ständen, durch welche er die Leere, die er fühlt, auszufüllen hofft. So ist es nicht bei dem Christen. Er wacht erschreckt auf, mit leeren Händen, mit leerem Herzen, ein Bild des Jammers, da er die Gemeinschaft mit Gott und die Freude des Himmels verloren und die Freude der Erde nicht gewonnen hat. Sein Gewissen macht ihm Vorwürfe, und er kommt von Reue erfüllt zu Gott.

O wie gern hätte David jetzt jene unglückseligen neun Monate weggewischt, wenn er es nur gekonnt hätte! Aber es war unmöglich. Da nimmt er Zuflucht zu dem einzigen Wege, der ihm noch bleibt: er wendet sich an Jehova. „Ich habe sehr gesündigt in dem, was ich getan habe, so ruft er; „und nun, Jehova, lass doch die Ungerechtigkeit deines Knechtes vorüber­ gehen, denn ich habe sehr töricht gehandelt!" Er hatte bei einer anderen Gelegenheit gesehen, was es auf sich hat, die Heiligkeit Gottes zu verletzen. Sollte ein neues Gericht über ihn kommen? Die Folgen seiner Tat erwecken Furcht in ihm, aber zu spät; sie hätten ihn erschrecken sollen, bevor er diesen Weg einschlug. Seine Reue kann das Böse nicht weniger schuldhaft und strafbar machen; sie kann seine Sünde nicht austilgen, noch ihn von ihren Folgen retten. Was allein bleibt für David übrig? Sich dem Urteil zu unterwerfen, dem er hatte entgehen wollen.

Doch hier zeigt sich sein Glaube. Jehova legt ihm durch den Mund des Propheten Gad dreierlei vor; er wählt das letzte. Das Schwert Jehovas, dieses zweischneidige Schwert, ist beruhigender für ihn als das Schwert des Menschen. Warum? Weil er Gott kennt. Hat er nicht in seiner langen Laufbahn voll Schmerzen, Prüfungen und Kämpfen erfahren, dass „die Erbarmungen Jehovas groß sind"? (V. 14.) Er übergibt sich den Händen der Gerechtigkeit, weil er weiß, dass diese unzertrennlich mit Barmherzigkeit verbunden ist. David ist in großer Angst, wie der Überrest Israels am Ende der Tage es sein wird; doch er weiß, dass er auf die Gnade Gottes rechnen kann. (Vergl. Kap. 12, 13).

Die Pest wütet; der Engel hat vom Norden bis zum Süden des Landes geschlagen, von Dan bis Beerseba, in dem ganzen Gebiet der Zählung (V. 7); er kommt nach Jerusalem und streckt sein Schwert über die geliebte Stadt aus. In diesem Augenblick „reut Jehova des Übels", und Er hält die Hand des Engels zurück. Er hält sie nicht zurück wegen der Reue Davids, sondern wegen Seiner eigenen Reue. Sein Gericht macht Seiner Gnade Platz, ohne dass das eine oder die andere geschwächt oder gar geopfert würde.

Doch zuvor tritt David als Mittler und Schiedsmann zwischen Gott und dem Volke ein: „Siehe, ich habe gesündigt, und ich habe verkehrt gehandelt; aber diese Schafe, was haben sie getan? Es sei doch deine Hand wider mich und wider das Haus meines Vaters." Er nimmt das Gericht auf sich und tritt in den Riss, damit die Schafe verschont werden; er nimmt die Sünde und Schuld auf sich ‑ aber ach! diese Sünde war seine Sünde, dieses Gericht hatte er verdient. Ein anderer, ein ganz einzig­artiger Schiedsmann, hat unsere Sünden getragen, ohne dass Er Selbst eine einzige gehabt hätte; Er hat, indem Er sie zu den Seinigen machte, Sein Leben für Seine Schafe hingegeben und gesagt: „Wenn ihr mich suchet, so lasst diese gehen.“

Nunmehr tritt eine dritte große Tatsache vor unsere Augen. Die erste war die Gnade, die zweite das Eintreten eines Schiedsmannes zwischen Gott und Menschen, die dritte ist das Opfer. Die Barmherzigkeit von der einen, das Opfer von der anderen Seite halten das schließliche Gericht auf, und der wahre Schiedsmann kann auftreten und sagen: „Ich habe eine Sühnung gefunden." (Hiob 33, 24.) Jerusalem, die Stadt der Gnade, wird verschont; doch dies kann nur durch das Sühnopfer geschehen, welches auf Morija, auf der Tenne Ornans, des Jebusiters, dargebracht wird. (2. Chron.3,1.)

Morija war der geschichtliche Ort, wo Abraham den Isaak geopfert hatte. (1. Mose 22, 2.) Auf diesem Berge Jehovas war es, wo einst „ersehen " wurde. Wie viel mehr jetzt, da die Sünde Israels und seines Königs das Gericht Jehovas gegen das Volk hervorgerufen hatte! Hier wurde jetzt ein Opfer ersehen, welches das Volk nichts kostete, für das aber David den vollen Preis bezahlte. Auf eine noch weit vollkommenere Weise ist auf diesem selbigen Berge „ersehen worden", als Jesus für uns gekreuzigt wurde.

Gott, der sich ehemals den Widder zum Brandopfer ersah, nimmt jetzt das Opfer an, da Er dessen Wirksamkeit vorausgesehen hat, und so wird die unumschränkte, in Ge­rechtigkeit herrschende Gnade, die als solche auf dem Kreuze geoffenbart worden ist, für Israel das Mittel, um Gott zu nahen. Die alte Stiftshütte wird mit ihrem Altar verlassen; die Bundeslade allein bleibt auf dem Berge Zion. Es beginnt eine neue Ordnung der Dinge. Das System des Gesetzes wird als veraltet beiseite gelassen; die freie Gnade, die das Opfer ersieht, ist mehr wert als alles, was der Mensch dar­bringen könnte. Hier entspricht Jehova den Bedürfnissen eines jeden armen Sünders, hier opfert auch der Gläubige und betet an. (Vergl. 1. Chron. 22, 1.) Nicht mehr das Zelt Moses, sondern die Tenne eines Jebusiters, der den Verheißungen fern stand, wird der Ort des Zusammentreffens zwischen Gott und Seinem Volke.

Fußnoten:

*) Der Text bietet hier einige Schwierigkeit für die Übersetzung, vielleicht liegt auch ein Fehler seitens der Abschreiber vor. (Man vergleiche Vers 8 mit 1. Chron. 11, 11.)

*) Und die beiden anderen mit ihm. ( Chr. 11, 14.)

**) Es ist vielleicht von Interesse, hier die Gründe anzugeben, weshalb man Abisai, Benaja und Asael für die drei Häupter des 13. Verses hält. Es heißt in Vers 17: "Das taten die drei Helden", und in Vers 22: "Er hatte einen Namen unter den drei Helden." Außerdem ist zu beachten, dass, wenn in Vers 23 gesagt wird: "Vor den Dreißigen war Benaja geehrt", diese dreißig sich als Zweiunddreißig erweisen, die in den Versen 24‑39 auf­gezählt werden. Wenn man nun Asael davon weglässt, der „unter den Dreißig" war (V. 24), aber zusammen mit Abisai und Benaja die Zahl drei ausmacht, und wenn man Urija, den Hethiter, weg­lässt, der in so bemerkenswerter Weise an das Ende des Verzeich­nisses gestellt ist, während er in 1. Chron. 11 in der Reihe der übrigen aufgeführt wird, so findet man „die Dreißig"; doch, wie bereits gesagt, ihre volle Zahl ist siebenunddreißig. In 1. Chron. 11 und 12 wird aus einem anderen Grunde eine noch viel grö­ßere Zahl genannt.

*) Wörtlich: „Zwei Ariel" oder Gotteslöwen, d. i. starke Helden.

*) Siehe 2. Chron. 3, 1.

*)Eine ergänzende Zählung wurde in Bezug auf die Erstgeborenen, von einem Monat und darüber, angeordnet. (4. Mose 3, 40.) An ihre Stelle traten die Leviten, um Jehova anzugehören. Die über die Zahl der Leviten hinausgingen, mussten gelöst werden, und das Geld wurde Aaron und seinen Söhnen gegeben.

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Auszug aus einem Brief von J. N. D.

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 332ff

Neu York, 8. April 1875.

.... Das Gefühl ist allgemein verbreitet, dass die Brüder etwas haben, was andere Christen nicht empfangen haben . . . In vielen Fällen werden die Brüder gesucht und hofiert wegen ihrer Kenntnis der Schrift; ihre Bücher werden gelesen, um die Wahrheit zu haben, ohne danach zu handeln. Andere, die noch an der bekennenden Kirche hangen und, obwohl sie einzelne Teile der Wahrheit ergriffen haben, noch mit viel Irrtum verbunden sind, rühmen sich, dass man es*) besitzen könne, ohne die Systeme um uns her zu verlassen, ja, sie dringen zuweilen öffentlich aus ein Bleiben in denselben; aber es wird gefühlt, dass die Brüder etwas haben, was andere nicht haben. Ich glaube auch, dass dies so ist.

 Nur ist das Wichtige nicht "die Brüder'', sondern die Wahrheit, die sie haben . . . Gott könnte sie beiseite setzen und Seine Wahrheit durch andere verbreiten, ja, ich glaube, Er würde es tun, obwohl Er voll gnädiger Geduld ist, wenn sie nicht treu wären. Ihr Platz ist, in Verborgenheit und Hingebung zu verharren, nicht an "Brüder" zu denken (es ist immer verkehrt, an uns selbst zu denken, es sei denn um uns zu richten), sondern an Seelen, in dem Namen und der Liebe Christi, sowie an Seine Herrlichkeit und Wahrheit -— nicht „Brüdertum" zu treiben, sondern mit jeder Seele zu handeln ihren Bedürfnissen entsprechend, um Christi willen.

Doch wenn die Aufmerksamkeit auf die Wahrheit gelenkt wird (und dies ist der Fall), welche die Brüder durch die Gnade besitzen, so vermehrt sich ihre Verantwortlichkeit sehr. Wird nicht eine allgemeinere und anhaltende Hingebung bei ihnen gefunden, so würden sie ein Stein des Anstoßes wider die Wahrheit werden. Nichtweltliche Gesinnung, Nichtgleichförmigkeit mit der Welt, Selbstverleugnung und selbstlose Liebe zu anderen, das sind die Dinge, welche erforderlich sind; denn Liebe aus reinem Herzen ist das Endziel des Gebots. Mögen sie wandeln in Liebe, in der Wahrheit, demütig, niedriggesinnt, von der Welt getrennt und ganz für Christum, so klein (und zufrieden, so klein zu sein) wie sie im Anfang waren — und Gott wird sie segnen. Wenn nicht, so mag ihr Leuchter verschwinden, (und welch ein Schmerz und eine Beschämung des Angesichts würde es sein nach solcher Gnade!) wie der Leuchter anderer. Möge keine Vermengung mit der kirchlichen Welt stattfinden — was wären sie, wenn es geschähe? — sondern mögen sie Gnade gegen sie üben, indem sie das Köstliche vom Gemeinen ausscheiden; und sie werden wie Gottes Mund sein. . . .

Was all die Tätigkeit um sie her angeht, so ist sie eines der Zeichen der Zeit, und sie sollten sich darüber freuen; selbst wenn Christus aus Neid und Streit gepredigt würde, sollten sie sich freuen, es sei denn dass sie durch eigene Fehler Veranlassung dazu gegeben hätten, was auch möglich ist; aber es stellt durchaus nicht ihr Zeugnis dar. Gott ist unumschränkt und kann wirken, wo und wie es Ihm gestillt, und wir sollten uns darüber freuen; aber es ist keine Absonderung vom Bösen vorhanden, sondern im allgemeinen das Gegenteil. Es ist, was dies betrifft, gerade die Vermengung, aus welcher Gott herausführt. Im Anfang habe ich ein oder zwei Jahre lang überall gepredigt, wo man es mir erlaubte, und andere haben dasselbe getan, aber es war schließlich doch etwas anderes; obgleich die Posaune einen undeutlichen Ton gab, war das Ergebnis doch ein Herausbringen (der Seelen), selbst dann wenn nur ein volles Evangelium verkündigt wurde. Jetzt aber ist allgemein bekannt um was es sich handelt, und das Zeugnis muss klar sein, verbunden mit der vollsten Predigt des Evangeliums und der Heilsgewissheit.

Ich glaube nicht, dass Angriffe auf irgend Etwas unser Pfad sind, sondern höhere und vollere Wahrheit, in Gnade. Petrus griff niemals die Hohenpriester an, sondern ging seinen eigenen Weg. Es ist ein Herabsteigen von dem wahren, hohen Boden der Wahrheit, die wir von der christlichen Stellung haben. Diese und ein volles, in Gnade angewandtes Evangelium sollten uns unterscheiden; das Zeugnis gegen das Böse sollte in unserem eigenen Wandel und in unseren Wegen liegen. Seien Sie ver. sichert, wenn es wirklich ist, wird es völlig gefühlt. Es mögen Gelegenheiten kommen, wo die Wahrheit in Frage steht, aber Selbstverteidigung ist in jeder Beziehung zu vermeiden: der Herr wird für uns antworten, wenn wir Seinen Willen tun.

Vereinigung wird heute gesucht durch Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit . . . Ein geduldiges Warten, wo es sich nur um Unwissenheit und Irrtum handelt, ist höchst notwendig; aber Wahrheit und Heiligkeit, Liebe in der Wahrheit und um der Wahrheit willen kennzeichnen die Offenbarung Christi von sich selbst, sowie Seinen Einfluss in den letzten Tagen. Gott bedarf unser nicht, aber Er bedarf eines Volkes, das in Liebe und Heiligkeit in der Wahrheit wandelt. Ich finde im Alten Testament die Worte:—"Ich werde in deiner Mitte ein elendes und armes Volk übriglassen, und sie werden aus den Namen Jehovas vertrauen''; und im Briefe Juda, welcher von der Vermengung redet, die das Gericht herbeiführt, begegne ich demselben Geiste:

 "Ihr aber, Geliebte, euch selbst erbauend aus euren allerheiligsten Glauben, betend im Heiligen Geiste, erhaltet euch selbst in der Liebe Gottes, erwartend die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesu Christi zum ewigen Leben''. Wir dürfen und sollen uns am Evangelium freuen, aber es macht das Zeugnis der Brüder außerhalb des Lagers notwendiger als je; nur muss es wirklich sein. Möchten sie tatsächlich aus den Herrn warten und Menschen gleich sein, die auf ihren Herrn warten! Seine Liebe fehlt nicht. Möchten wir in ernster Liebe zu Ihm auf Ihn warten, weil wir Ihn so lieben, und wachend erfunden werden! . . .

Möchten die geliebten Brüder von Ihm erfunden werden in Frieden und Wachsamkeit; möchte ihre Hingebung bleiben und wachsen, und ihr ganzer Geist und Seele und Leib tadellos bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi! . . . Wenn sie dem Christentum verfallen, das innerhalb des Lagers gang und gebe ist, so würden sie nichts anderes sein als eine neue Sekte mit gewissen Wahrheiten . . .

Fußnote:

*) das was die Brüder haben. (Anm. des Übersetzers.)

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An der Jahreswende

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1905 S. 336ff

Sinnend stehen wir an der Jahreswende

schauen empor zum Herrn der Ewigkeit:

nimm und halte unsre schwachen Hände,

führe uns auch weiter durch die Zeit.

Leite uns von Deines Thrones Sitze

Durch der Zukunft fernen, dunklen Schoß;

Arm und schwach sind wir, zu gar nichts nütze,

doch in Deiner Gnade stark und groß.

Alles, Herr ist dein. – Durch Schöpfermächte,

Deines Wortes Stärke, ward das All;

Meerestiefen fassen Deine Rechte,

Kreise heißt Du ziehen den Erdenball.

Was sind wir? Ein Stäublein auf der Waage;

nichts – und doch in Deinen Augen wert,

gnädiglich geführt von Tag zu Tage,

bluterkauft, geliebt und hoch geehrt.

Harrend stehen wir: Du kennst das Ende,

weißt, ob dieses Jahr das letzte ist –

nimm und halte unsre schwachen Hände,

lehre uns nützen die noch kurze Frist!

K. B.