Botschafter des Heils in Christo 1921

02/06/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1921Seite
Unter dem Geleit der Wolkenfäule 1
Auferstehung-Zeiten8
Bereit19
Gegen den Strom26
Sei nur still Gedicht 28
Ein Wort über Gedetsheilungen29
Die Zunge42
Unter Seinem Schatten48
Mehr Vertrauen51
Die Throne zum Gerkcht54
Gibt es ein Heilmittel zur» Beseitigung der Trennungen unter den GIäübigen? 57·. 85. 113. 141. 169. 197 « 57
Judas 72
Was ist nötig, um in das Land Kannen einzutreten?79
Schild und Lohn83
Ohne Heiligung kein Christentum . . . . 101. 126. 155. 179 101
Warum sieht Stephanug den Herrn zur Rechten Gottes «sftehen?110
Auch ich fand Jhn(Gedicht)112
Seid um nichts besorgt135
Gedanken139
Brocken, gesammelt über den Propheten Haggai 164
Seid dankbar 184
Das Kreuz190
Unter den: Kreuz (Gedicht)194
Fragen aus dem Leserkreise                                                                   308 194
Glaube203
über Lieder und Gebetsverammlungen215
Bei Ihm220
Der Größte im Reiche der Himmel (Gedicht)224
Halte fest das Bild gesunder Worte« . . 225. Abs. 281. 309 225
Wie kann ich des Vaters Willen erkennen?238
Gott aber sei Dank246
Die Erfahrungen Abrahams und Jakobs.                                                    292 260
Ein Tor und nicht bereit272
Übles Nachreden« 279
Natur und Glaube (Gedicht) 280
Eins ist not«303
Diotrephes319
Das Spekulieren328


Botschafter des Heils in Christo

Achtundsechszigster Jahrgang

Elberfeld – Verlag von R. Brockhaus

1921
Unter dem Geleit der Wolkensäule

Bibelstelle: 2. Mose 13,21.22; 4. Mose 9,15-23

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 1ff

In der Wolken- und Feuersäule zog der Herr Selbst Seinem Volke voran, um sie den rechten Weg zu führen. Er leuchtete ihnen Tag und Nacht auf der Reise nach Kanaan. So stand Israel auf dem Wüstenpfade in treuer, sicherer Leitung. Auch heute leitet der Herr Sein Volk durch Seine Gegenwart. Er will dir und mir in allen Lagen und Schwierigkeiten den rechten Weg zeigen und uns leuchten, damit wir die Pilgerschaft unverrückt fortsetzen können, bis wir am herrlichen Ziele anlangen und im Vaterhause zur Ruhe eingehen.
Für welche Leute war denn die Wolkensäule bestimmt? Für die aus Ägypten, aus Pharaos Macht Entronnenen, denen das Lamm zur Rettung geworden war. Mein Leser! bist du schon dem Ägypten, der Welt und dem Fürsten der Welt entronnen durch wahre Umkehr zu Jesu hin? Wenn nicht, dann wünsche ich dir eine gründliche Befreiung aus der Gewalt der Finsternis, aus der Macht des Pharao, wo „keine Klaue" unter Satans Bereich zurückbleiben soll, sondern von wo du mit allem, was du hast, ausziehen sollst, um Gott zu dienen. Bist du aber entronnen, dann wünsche ich dir, dass die Wolkensäule dich leite. Wie mächtig und wertvoll war doch diese Wolkensäule für die Pilger Gottes in der Wüste! Wenn er sie anschaute, empfing er dreifachen Segen.
Zuerst: Du stehst unter göttlicher Leitung. Sah der Israelit die Wolkensäule, dann wusste er: Ich bin an dem Ort, wo der Herr uns haben will, in der Gegend, in die Er Selbst uns geführt hat. Das zu wissen ist auch heute wichtig. Wie glücklich und sicher fühlt sich ein Kind Gottes, wenn es weiß: An diesen Ort habe ich mich nicht selbst hingestellt, in diese Arbeit habe ich mich nicht eigenmächtig hineingedrängt, sondern die klare, göttliche Leitung, die Wolkensäule, hat mir den Weg dahin gewiesen. Das hilft besonders in Zeiten der Not und Schwierigkeiten mächtig hinüber. Sieh zu, dass du das immer weißt: „Ich stehe unter der Leitung des Herrn". Führe dich nicht selbst, sondern lass dich von dem Herrn führen. Lass deine Losung sein:
„Ich will mich nicht mehr selber führen,
Du sollst als Hirte mich regieren".
Und bleibe allezeit in der Leitung der Wolkensäule!
Ferner wusste der Israelit durch den Anblick der Wolkensäule: Ich bin in Gottes Gegenwart. Die Wolken- und Feuersäule blickte beständig auf ihn herab und sagte ihm: „Der Herr ist im Lager gegenwärtig. Er sieht dich bei Tage und bei Nacht". Welche Bewahrung vor Sünde konnte darin liegen, wenn er nur dorthin blickte! Wie wichtig ist es für uns, dass wir uns allezeit bewusst sind: Sein Blick ruht auf uns!
Liebe Leser, lasst uns bewusster weise in der Gegenwart Gottes leben! Wie viel Segen wird dann auf uns herabfließen! Vor wie vielen groben und feinen Sünden werden wir bewahrt bleiben, und wie vielen Menschen können wir zum Segen werden, wenn wir in der Gegenwart Gottes leben, uns da unterhalten, da unsere Geschäfte ausführen, da arbeiten und da ruhen! - Herr, verbirg mich im Verborgenen Deiner Gegenwart!
Die Wolkensäule sagte dem Israeliten auch: Du bist in dem allmächtigen Schütze Gottes. Kamen Feinde heran, so konnte der Israelit auf die Säule über der Stiftshütte blicken und wusste: der Herr der Heerscharen ist bei uns, Er deckt uns. Wenn sich ein Israelit in der Nacht gedrückt und voll von Sorgengeist von seinem Lager erhob und vor sein Zelt trat, dann leuchtete der Schein der Feuersäule von der Stiftshütte her ihm entgegen. Das gab andere Gedanken! So ist der Herr mit Seinem Schutz bei uns, wenn wir unter Seiner Leitung gehen. Viele Feinde werden uns überfallen wollen, aber wenn wir auch schwache Pilger sind, wir haben einen mächtigen Schutz bei uns, der uns bewahrt. Die Wolkensäule geht uns voran. So lasst uns denn in der Leitung, der Gegenwart und dem Schutz unseres mächtigen Heilands bleiben, „dann wird auf deinem Pfade das Herz stets glücklich sein".
Hinter der Wolkensäule herzugehen schuf auch einen klaren, gewaltigen Unterschied zwischen dem Volke Gottes und den Nomadenstämmen, die in der Wüste ein Wanderleben führten. Es gab ja solche Stämme oder Völker, die in der Wüste lebten. Wie zogen diese denn umher? Nach ihrem eigenen Gutdünken, nach ihrem Kopf und Willen; sie zogen dahin, wo sie am meisten Futter oder Beute zu finden hofften. Ganz anders das auserwählte Volk. Das folgte nicht seinen Launen und Neigungen, sondern dem göttlichen Leiten in der Wolkensäule. Es kam keinem in den Sinn, etwa einen schönen Weg auszusuchen, wenn die Wolkensäule ihn nicht ging.
So folgen auch heute die Vielen ihrem eigenen Willen; nur eine kleine Herde folgt dem guten Hirten, von Ihm geleitet, auch wenn Er sie ganz gegen ihr Gutdünken und Behagen führt. Leser, wem folgst du? Gleichst du den Araberstämmen, die nach ihren Launen und ihrem Gutdünken in der Wüste umherziehen, oder gleichst du Israel, das der Wolken-und Feuersäule folgte? Trotz Murren, Zank, Unglauben, trotz des goldenen Kalbes blieb es bestehen: Die Wolkensäule wich nie! Und Jehova zog vor ihnen her, um sie auf dem Weg zu leiten. Er wich nie, weder bei Tage noch bei Nacht!
Dies tägliche Wandern hinter der Wolkensäule her oder Lagern unter ihrem Schatten war für die Israeliten eine köstliche Schule, in der sie manches verlernen und anderes lernen mussten. Zunächst mussten sie alles menschliche Plänemachen verlernen. Die Pläne für die Zukunft Seines Volkes machte Gott. Er suchte den Weg aus. Israels Sache war es, kindlich treu zu folgen. Dann mussten sie auch verlernen, sich allzu häuslich und behaglich einzurichten. Das machte die stets zur Reisebereitschaft mahnende Wolkensäule unmöglich. Sie wussten ja nie, wann sie lagern oder wann sie aufbrechen mussten. Das Heimatliche, das Sich-bleibend-einrichten sollte erst folgen, wenn sie in Kanaan eingezogen sein würden. Bis dahin waren sie nur Pilger.
Mein Bruder! Meine Schwester! Wir sind Fremdlinge und Pilger. Werde darum nicht zu heimisch in dieser Welt, behalte ein göttliches, gesundes Heimweh nach dem Vaterhaus, wo der Herr Jesus die Wohnung für uns bereitet hat. Deine Einrichtung im Hause sei freundlich, reinlich, geschmackvoll, aber sie zeige auch den einfachen Pilgergeschmack. Lass dich nichts binden!         
Israel sollte aber auch verlernen, über schlechte menschliche Leitung und Führung zu schelten. Nicht Moses, sondern die Wolkensäule führte sie ja. Da nimmt man alles, auch das Unangenehme, aus der Hand des Herrn und lernt danksagen für alles.
In der Nachfolge des Herrn verstummen manche Klagen, weil man verlernt, alle möglichen Dinge und Schwierigkeiten von den Menschen anzunehmen; man nimmt sie vom Herrn an und lässt sie sich zum Guten dienen, wird still und bescheiden. Verlernen wir es also, ungöttliche Pläne zu machen, uns auf der Erde allzu häuslich und behaglich einzurichten, zu klagen und zu murren über schlechte menschliche Leitung; folgen wir stattdessen kindlich dem Herrn, behalten wir Pilgersinn und nehmen alles aus der guten Hand des Herrn!
Zwei Stücke vor allem hatte Israel zu lernen. Zunächst lernten sie warten. Die Wolkensäule führte oft Umwege, die kaum zu begreifen waren. Manchmal blieb sie mitten in der Wüste recht lange stehen, mochte auch Israel vor Eifer brennen, weiterzuziehen. „Und wenn die Wolke viele Tage auf der Wohnung verweilte, so warteten die Kinder Israel der Hut Gottes und brachen nicht auf" (4. Mose 9,19). Das mag manchem lang geworden sein, aber Israel zog nicht, wenn der Herr nicht voranging. Israel lernte warten. Gott suchte schon die rechte Stunde zum Aufbruch aus. Da wurde manche Ungeduld, mancher fleischliche Eifer weggeschmolzen, wenn es so langsam, auf Umwegen, von Station zu Station weiterging.
Jene anderen Hirtenstämme in der Wüste hatten nicht nötig, warten zu lernen. Sobald die Ungeduld sie erfasste, konnten sie ihr nachgeben und weiterziehen. Aber Gottes Volk lernte warten. Kannst du auf Gott warten? Warten heißt: mit Moses vierzig Jahre hinter der Wüste bleiben, bis Gott einen beruft. Warten heißt: mit Josef im Gefängnis liegen, wenn der Mundschenk einen vergessen hat. Warten heißt: mit David zum König gesalbt sein und sich dann Jahr für Jahr verfolgen lassen, bis Gott Seinen Diener in die Arbeit ruft. Warten heißt: mit Paulus in voller Manneskraft im Gefängnis zu Cäsarea liegen, bis es einem neuen Statthalter einfällt, ihn nach Rom zu schicken. Warten heißt: mit Abraham und Sara alt werden und immer noch nicht den verheißenen Isaak haben. Kannst du das auch?
Dann aber lernte Israel auch gehorchen. Wenn die Wolke sich erhob, dann zog Israel, - wenn sie sich niederließ, dann lagerte Israel (4. Mose 9,17). Ob der Ort angenehm war oder nicht, danach wurde nicht gefragt; nein, nur danach, ob der Herr den Platz auswählte oder nicht. - „Nach dem Befehl Jehovas brachen die Kinder Israel auf, und nach dem Befehl Jehovas lagerten sie sich" (V. 18). Hier herrschte wahre Disziplin, bedingungslose Zucht. Nicht wie bei Saul zu Gilgal; da liefen die Leute auseinander, als Samuel noch nicht kam. Das Volk mußte Gehorchen lernen. Ob die Wolke sich am Abend oder am Morgen oder in der Nacht erhob - Israel wartete und brach auf.
Während das Warten mehr gelernt wurde, wenn die Wolkensäule lange an einem Ort blieb, wurde das Gehorchen mehr geübt, wenn sie oft, vielleicht unerwartet, nach ganz kurzer Rast, aufbrach. Das Wort hebt hervor, dass die Säule sich auch mitten in der Nacht erheben konnte, wenn mancher lieber geschlafen hätte (V. 20,21). Dann ließ man eben den Schlaf Schlaf sein und gehorchte! Möchten wir immer gehorchen, wie Abraham gehorchte! Durch Glauben war Abraham gehorsam.
So lernte Israel warten und gehorchen durch die lagernde oder die voranziehende Wolken- und Feuersäule. Das sind zwei wichtige Dinge. Wir klagen oft über Mangel an Glauben und Kraft, aber es kommt mir so vor, als ob es uns mehr an Abhängigkeit vom Herrn und Unterwürfigkeit unter Sein Wort mangelte. Möge der Herr uns schenken, die kurze Zeit der Pilgerschaft treu erfunden zu werden auf dem Wege der Nachfolge, auf dem Wege Ihm nach und Ihm entgegen! So dass es nicht nur ein Wort der Lippen ist, wenn wir singen:
Ich will von Deinen Händen 
mich lassen drehn und wenden. 
Genug, dass Du mein Alles bist.

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Auferstehungszeiten

Bibelstelle: 1. Korinther 15, 22 - 28

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 8ff

Das 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes könnte man unter die Überschrift stellen: „Geschichte der Gnade und Herrlichkeit im Lichte der Auferstehung“. Es ist überaus erbaulich und belehrend, die einzelnen Teile dieser Geschichte zu betrachten. Ihre Anordnung ist folgende: 
Vers 1 - 4. Die Tatsache der Auferstehung des Herrn Jesus wird festgestellt.
Vers 5 - 11. Diese Tatsache wird durch viele und verschiedenartige Zeugen bewiesen, durch solche, die den Herrn nach Seiner Auferstehung auf Erden gesehen haben, und durch einen, der Ihn in Herrlichkeit sah, nachdem Er gen Himmel gefahren war.
Vers 12 - 19. Wert und Bedeutung der also festgestellten und bewiesenen Tatsache werden in schöner Weise entwickelt. Von der Tatsache selbst hängt alles ab, nicht nur die Interessen der Gestorbenen und derer, die noch leben und in der Arbeit stehen, sondern auch die Interessen des ganzen Menschengeschlechts.
Damit endet die Geschichte der Gnade im Lichte der Auferstehung, der Gnade insofern als wir herausgenommen worden sind aus unseren Sünden.
Mit Vers 20 - 28 beginnt dann die Geschichte der Herrlichkeit im Lichte des gleichen Geheimnisses. Der auferstanden-: Herr wird als eine Erstlingsfrucht betrachtet, als das Unterpfand einer Ernte, die „bei Seiner Ankunft“ eingesammelt und mit Ihm durch das Tausendjährige Reich hindurch jenen endlosen Zeitaltern zugeführt werden soll, wo „Gott alles in allem sein“ wird. Dieser Teil könnte wohl in Verbindung mit I1 Thess, 4 und Offbg. 20 und 21 gelesen werden.
Vers 29 - 38. In diesem Teile bringt der Apostel gleichsam beiläufig den Gedanken zum Ausdruck, dass er selbst ein Tor wäre, wenn es keine Auferstehung gäbe, da alle seine Leiden alsdann keinen Zweck hätten. In Wirklichkeit sind aber diejenigen Toren, welche die Auferstehung in Frage stellen, denn sie haben weder von Gott irgendwelche Kenntnis, noch beachten sie, was Seien und Ernten aus dieser Erde uns lehren.
Mit Vers 39 - 49 wird die Geschichte der Herrlichkeit im Lichte der Auferstehung wieder aufgenommen. In den Versen 20—·28 hatte der Apostel uns bereits den Weg gezeigt, den die auferstandenen Heiligen geführt werden sollen von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Hier zeigt er uns die Leiber, in denen sie diesen Weg antreten werden. 
In Vers 50 werden wir unterwiesen, dass nur eine Person, die sich in dem eben geschilderten Zustande befindet, einen solchen Weg zu gehen imstande ist. „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben“:
Vers 51 - 57. Hier wird. uns der wunderbare Vorgang mitgeteilt, durch den diese neue Person gebildet oder der neue Leib von den Heiligen angenommen werden wird, Weiter tun die Verse uns kund, dass wir auf diesem Wege an dem Siege teilnehmen werden, den der Herr Jesus bereits errungen hat. 
In Vers 58, dem letzten Verse des Kapitels, zieht dann der Apostel kurz die sittlichen Nutzanwendungen oder praktischen Unterweisungen aus dem großen Geheimnis.
Nachdem wir so den Aufbau und den allgemeinen Inhalt dieses wunderbaren Kapitels kurz angedeutet haben, wollen wir uns noch ein wenig näher mit den Versen 20 - 28 beschäftigen. 
Wie ich bereits sagte, geht der Apostel (nachdem er das große Geheimnis, das dieses Kapitel uns lehrt, zunächst als Tatsache sichergestellt, dann durch den Mund von Zeugen bewiesen und schließlich seine Notwendigkeit und Unerlässlichkeit dargetan hat) in den vorliegenden Versen dazu über, uns über die verschiedenen Zeitabschnitte der Auferstehung zu belehren, sowie über Dinge, die während derselben oder nach ihnen stattfinden sollen. Es ist ein Abschnitt von ganz besonderer Reichhaltigkeit und Schönheit.
An erster Stelle lernen wir aus ihm, dass der Herr Jesus ganz allein war am Tage Seiner Auferstehung. Er selbst füllte jenen Augenblick völlig aus. Von dem Volke, wenn ich mich so ausdrücken darf, war keiner mit Ihm — nicht ein einziger. „Der Erstling, Christus“, so lesen wir. Seine Auferstehung hatte nämlich Eigenschaften, die ihr durchaus eigentümlich waren. Es war eine Auferstehung aus den Toten, eine siegreiche Auferstehung. Es. war Leben im Sieg über die Macht des Todes, ein Sieg, durch Jesum selbst erstritten und gewonnen. Es war die einzige Auferstehung, die diese Eigenschaft oder diesen Charakter hatte. Und diese Auferstehung gebührte Christo. Er wurde aus den Toten auferweckt „durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Röm. 6, 4). Es war. nicht möglich, dass Einer wie Er von Tod und Grab hätte behalten werden können (Vergl. Apstgsch. 2, 24).
So konnte gleicherweise auch nur Er sagen, und Er hat es gesagt: „Brechet diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten. Dabei sprach Er nicht, wie die Juden meinten, von dem Tempel des Herodes, sondern von dem Tempel Seines Leibes.
Alles das war völlig einzigartig. Ich brauche wohl nicht zu wiederholen, dass von keinem anderen hätte gesagt werden können, dass Auferstehung ihm gebühre. Außerdem besaß Christus die Macht der Auferstehung in sich selbst oder kraft dessen, was Er war. Deshalb sehen wir Ihn auch allein in der Erstlings-Periode der Auferstehung: „Der Erstling, Christus“. Das Vorbild davon erblicken wir im Alten
Bunde in der Darbringung der Erstlingsgarbe (bevor irgend etwas von dem neuen Korn gegessen werden durfte) und in dem Weben derselben, so wie sie war, vor Jehova (3. Mose 23, 9 - 14).
Wenn aber Christus in der Auferstehung „der Erstling“ genannt wird, so liegt darin die Bürgschaft, dass es eine Ernte geben muss. Anders hätte der Titel keine Bedeutung. Dementsprechend hören wir
denn auch zu seiner Zeit von einer Ernte. Sie bildet die zweite Periode in der Reihe der Auferstehungen und wird in unserer Stelle mit den Worten eingeführt: „Sodann die, welche des Christus sind bei Seiner „Ankunft“. Das ist alles andere als ein Einzelfall. Im Gegenteil, zahllose Scharen werden dann versammelt sein, all die Auserwählten von Anfang der Zeit an bis zu jenem Augenblick, denn sie alle sind „Söhne der Auferstehung“ (Luk. 20, 36). Aber in einem Punkte wird diese Auferstehung der früheren, der Auferstehung des Erstlings, gleichen: es wird eine Auferstehung aus den Toten, eine siegreiche Auferstehung sein, die sich aber wiederum von der ersten dadurch unterscheidet, dass hier der Sieg über den Tod nicht durch diese Menge gewonnen, sondern ihnen geschenkt, auf sie übertragen wird. Der Sieg gebührt ihnen nicht, wie er Christo gebührte, sondern wird ihnen in unendlicher Gnade gegeben, und zwar gegeben durch Ihn, den „Erstling“, oder, wie Er an anderer Stelle genannt wird, „den Erstgeborenen aus den Toten“. Sie stehen aus den Toten, oder siegreich auf, einfach weil sie „des Christus sind“, wie wir hier lesen. Er wurde an Seinem Tage auferweckt, weil Er Der war, der Er war und was Er war; sie werden auferweckt werden, einfach weil sie Dem angehören, welchem sie angehören. „Die, welche des Christus sind bei Seiner Ankunft“ Das ist gleichsam die „Ernte“ von 3. Mose 23, die auf die Darbringung der Erstlingsgarbe folgte. Die eigentliche Ernte, die „Einsammlung des Ertrages des Landes“ (vergl. V. 23), kommt erst später. Wir werden deshalb auch noch „eine gewisse Erstlingsfrucht Seiner Geschöpfe“ genannt (Jak. 1, 18).
Noch einmal denn: Wir stehen, wie der Herr selbst, aus den Toten auf, gehören also einer siegreichen
Auferstehung, der ersten Auferstehung oder der Auserstehung des Lebens oder der Gerechten, an. *) Darum heißt es auch in Röm. 8: „Wenn aber der Geist Dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird Er, der Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen Seines in euch wohnenden Geistes“ (V. 11).
Nachdem dies zu seiner Zeit geschehen ist, „bei Seiner Ankunft“, wie wir lesen, (Näheres, darüber wird in 1. Thess 4 gesagt,) kommen wir zu der dritten Auferstehungs-Periode, die „das Ende“ genannt wird (V. 24). Hier nun drängen sich Gedanken anderer Art auf.
Wir haben es hier mit einer Auferstehung zu tun, die diesen Namen kaum verdient. Sie wird deshalb auch nur angedeutet und nicht ausdrücklich so genannt. Es ist keine siegreiche Auferstehung, noch eine Auferstehung aus den Toten, wie die vorhergehende, sondern es ist einfach und unrühmlich eine Auferstehung der Toten, ein Heraufkommen der nicht Wiedergeborenen, derjenigen, deren Namen nicht im Buche des Lebens angeschrieben find, und sie kommen herauf, um die Frucht ihrer Werke durch den Richterspruch Dessen zu empfangen, der auf dem großen, weißen Throne sitzt. Es ist, möchte ich sagen, eine gerichtliche, nicht aber eine siegreiche Auferstehung, eine Auferstehung zum Gericht und nicht zum Leben, wie der Herr sie in Joh. 5, 29 vorhergesagt hat, «und wie sie durch die Feder des Propheten in Offbg. 20, 11—15 geschildert wird.
Es ist etwas Neues, und es trägt fürwahr einen ernsten Charakter! „Von Güte und Recht will ich singen“, so hatte es einst zu der Harfe des Propheten geklungen. Auf die sonnigen Auferstehungszeiten, die wir betrachtet haben, Auferstehungen zum Leben und in Herrlichkeit, folgt jetzt eine Auferstehung, die die Toten zum Gericht und zum Feuersee ruft. Und so grundverschieden diese Zeiten voneinander sind, so verschieden sollten auch unsere Gefühle sein, wenn wir von ihnen lesen. Wir sollten die Freude kennen, die in der Vorstellung der Auferstehung aus den Toten liegt, andererseits aber auch die richtigen Gefühle über die Furchtbarkeit aller Warnungen und Beispiele haben, welche die Schrift uns betreffs des Schicksals derjenigen gibt, die es versäumen, in dieser Zeit der „Langmut“, dieser „wohlangenehmen Zeit“, dem „Tage des Heils“, sich Christo zuzuwenden und Kraft aus der Berührung mit Ihm zu schöpfen. Leider sind wir oft so kalt und engherzig, obwohl die Schrift so deutlich von diesen Dingen spricht. Die Propheten reden von Güte und Recht, gleichsam von der Auferstehung a u s den Toten zur Herrlichkeit und von der Auferstehung der Toten zum Gericht. Und der Sohn Gottes selbst sagt: „Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts“ (Joh. 5, 28. 29).
Der Apostel geht jetzt dazu über, uns Auskunft über Ereignisse zu geben, die die letzte Auferstehungsperiode begleiten werden oder doch in unmittelbarer Verbindung mit ihr stehen. Wir erfahren ernste und interessante Dinge, gewichtig in sich selbst und, wie alle prophetischen Wahrheiten, dazu angetan, unsere Gedanken über den großen Gegenstand der göttlichen Handlungen mit dieser Welt sowie über die verschiedenen Entfaltungen Seiner Herrlichkeit zu ordnen und zu erweitern.
Wir erfahren, dass der Herr Jesus das Reich, das Er nach dem Abschluss der ersten Auferstehung vom Vater empfangen hat, für eine (hier nicht näher bestimmte) Zeit behalten und alles so ordnen wird, dass jeder Feind, selbst der Tod, Ihm unterworfen werden wird. 
Nachdem Er das getan und so das große, Ihm von Gott übertragene Amt in Treue verwaltet und die Geschäfte „des Reiches“ ausgeführt hat, wird Er „das Reich dem Gott und Vater übergeben“, „auf dass Gott alles in allem sei“. Das will sagen: Gott selbst wird in irgend einer, durch menschliche Worte
sicherlich nicht auszusprechenden Form von Herrlichkeit auf den Plan treten, in einer Herrlichkeit, die Seiner würdig ist und würdig Seiner Ewigkeit, dann, wenn alle Verwaltungen in der Hand Christi zu Ende geführt sind, wenn die Gnade in dem Zeitalter der Langmut und die Macht in dem Zeitalter des Reiches ihre Aufgaben gelöst haben werden.
Hand in Hand mit dieser Übergabe des Reiches, dem großen Schlussakt der Wege Gottes mit dieser Erde, geht also die letzte Auserstehungsperiode, die Auferstehung der Toten, zum Gericht. Das Gericht vor dem „großen, weißen Thron“ wird stattfinden· Das ewige Los der Toten, über die dann der Urteilsspruch gefällt wird, ist „der Feuersee“. Diese Handlung wird in voller Übereinstimmung stehen mit allem, was sie begleitet, ist sie doch selbst ein weiterer Beweis dafür, dass der Herr Jesus sich alles unterwirft. Es wird gleichsam noch eine Handlung des „Reiches“ sein, geradeso wie das Werfen des Todes in den Feuersee. Alles, was in jenem Augenblick geschieht, redet von Unterwerfung unter Christum in allem und jedem, zeugt davon, dass Er es vermocht hat, alle Dinge sich zu unterwerfen (Phil. 3, 21), und weiter, dass damit jener herrliche Augenblick gekommen ist, wo Er Macht und Verwaltung. ablegen wird, um in Gottes eigene Ewigkeit einzutreten, wo das „Zepter der Aufrichtigkeit“ einem „Wohnen“ der „Gerechtigkeit“ Platz machen wird (Hebr. 1, 8; 2. Petr. 3, 13).
Zum Schluss möchte ich noch aus ein oder zwei Punkte aufmerksam machen, die in Verbindung mit diesen Dingen stehen. Wir lesen hier, dass Christus das Reich dem Vater „übergibt“. Es ist dies das erste Mal im Laufe der Weltgeschichte. in der langen, langen Folge der Throne und Herrschergeschlechter, dass „Macht“ in die Hand dessen zurückgelegt wird, der sie übertragen hat. Im Buche Daniel wird einem Tiere (oder einem Weltreiche) nach dem anderen die Herrschaft „genommen“. Da es untreu war in dem ihm Anvertrauten, wurde ihm die Verwaltung abgenommen. Das ist die gewöhnliche Geschichte, wie sie sich von Jahrtausend zu Jahrtausend wiederholt hat· Nie hat es ein „bleibendes“ Reich gegeben, denn nie ist ein Reich „treu“ erfunden worden. So hat es auch bis heute noch kein „aufrichtiges“ Zepter gegeben, und darum auch kein Zepter, das nicht „zerbrochen“ worden wäre. Die Völker der Erde werden gerichtet geradeso wie die vier großen Tiere oder Weltreiche, und die „Hügel“ erniedrigt geradeso wie die „Berge“. Das sehen wir deutlich in Jes. 15 - 24 und in Jer. 25, wo Gottes Zornschale von Volk zu Volk wandert, bis jedem Land und jedem Volk davon zu trinken gegeben ist. Ich brauche nicht hinzuzufügen, dass das Volk Israel und der Thron des Hauses Davids ebenso untreu gewesen sind wie jedes andere Volk, ja, in seiner Untreue schuldiger als alle.
Nur Einer macht eine Ausnahme, und dieser Eine ist der Messias, der Gesalbte Gottes. Er hat nicht nur den Vorrang vor allen, nein, Er steht völlig „allein“ in Seinem Reiche. Er wird „der treue und wahrhaftige“ König sein, wie Er bereits „der treue und wahrhaftige“ Zeuge und Prophet gewesen ist. (Offbg. 19, 11). Er wird Sein Reich in Gerechtigkeit regieren, wird Sein Zepter in Aufrichtigkeit führen und Sein Haus so verwalten, wie es verwaltet werden sollte. (Vergl. Ps. 101.) Deshalb kann bei Ihm keine Rede davon sein, dass Ihm das Reich genommen werden könnte, um es einem Anderen zu geben, der treuer wäre als Er. Er vermag Rechenschaft abzulegen von Seiner Verwaltung, aber Er ist auch der Einzige, der das je vermocht hat (Vergl. Lukas.16, 1; Ps. 82). Bei Ihm wird es kein Wegnehmen des Reiches geben, nein, Er wird es „übergeben“ als Einer, der unsagbar treu gewesen ist, bis in „die kleinsten Einzelheiten hinein treu Dem, der Ihn bestellt hat.
Das sind einfache Wahrheiten, aber sie sind kostbar; und sie drängen sich unserem Geist in voller Gewissheit auf beim Lesen der Worte: „wenn Er das Reich dem Gott und Vater übergibt“.
Unter den gewichtigen und bedeutungsvollen Mitteilungen, die wir in unserer Stelle finden, gibt es noch ein Wort, das wie ein heller Lichtstrahl auf uns wirkt. Es ist dies: der einzige Feind, von dem hier in besonderer, gleichsam persönlicher Weise gesagt wird, dass er vernichtet oder Jesu Füßen unterworfen werden soll, ist der „Tod“. Im Übrigen wird uns allgemein mitgeteilt, dass „alle Feinde“ unter Seine Füße gelegt werden sollen. Aber der „Tod“ wird noch besonders genannt. 
Das ist schön. Es steht im Zusammenhang mit dem großen Gegenstand des ganzen Kapitels. Denn es handelt sich hier um Auferstehung. Andere Propheten berichten von der Unterwerfung der verschiedensten Dinge unter das Zepter unseres Herrn am Tage Seiner Herrschaft. So sagt Daniel, dass Er alle anderen Königreiche zermalmen und vernichten und die ganze Erde mit Seinem eigenen Reiche füllen wird. Jesaja verkündigt, dass die Erde an jenem Tage voll sein wird der Erkenntnis Jehovas, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken. Die Psalmen reden immer und immer wieder davon, dass· die ganze Schöpfung Ihn anerkennen wird in Seiner allumfassenden Herrschaft. Johannes nennt Ihn „König der Könige und Herr der Herren« und hört die ganze Welt einstimmen in den Ruf: „Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten“. Alles das und noch weit mehr an ähnlichen Herrlichkeiten wird von den Propheten Gottes geweissagt in Bezug auf die zukünftige Herrschaft des Menschensohnes. Aber in. unserer Stelle hören wir von alledem nichts. Nur die Vernichtung des Todes in dem gewaltigen Kehraus des Reiches Christi wird hervorgehoben. Und das ist, wie gesagt, von besonderer Schönheit, denn Auferstehung ist das Thema des ganzen Kapitels.

Fußnote:
*) Hierher gehören auch noch alle die Gläubigen, welche in den Tagen des Antichristen um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen ihr Leben verlieren werden. Von ihnen berichtet Offenbg. 20, 4 - 6 Näheres. In ihrer Auferweckung kommt die erste Auferstehung zu ihrem Abschluss. Sie sind die letzten, die eingesammelt werden, und darum wird in Verbindung mit ihnen gesagt: „Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig, wer teil hat an der ersten Auferstehung!“ Und vorher: „Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren".

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Bereit

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 19ff

Das Wort, das die Überschrift dieser, Zeilen bildet, ist kurz, aber bedeutungsvoll. Es bietet dem Gläubigen wie dem Ungläubigen reichen Stoff zum Nachdenken. Ich möchte heute auf vier Bibelstellen hinweisen, in denen das Wort vorkommt, und möge Der, der darin spricht, sie mit göttlicher Kraft und Frische auf unsere Herzen und Gewissen wirken lassen.
Die erste der vier Stellen ist 1. Petr. 1, 5. Das Wort „bereit“ wird dort in Verbindung mit „Errettung“ gebraucht, indem von den Gläubigen gesagt wird, dass sie „durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt werden zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit geoffenbart zu werden“. Bringen wir die Stelle in« Verbindung mit 1. Joh. 2, 18, wo der Apostel sagt, dass es „die letzte Stunde“ sei, so wird uns klar, dass die Errettung in diesem gegenwärtigen Augenblick bereit ist, geoffenbart zu werden. Es handelt sich hier nicht um die Errettung der Seele vom ewigen Verderben, sondern um die Erlösung des Leibes der Gläubigen von der Macht des Todes und der Verwesung. Die Stelle schließt alles das in sich, was mit dem Erscheinen unseres Herrn und Heilandes in Herrlichkeit in Verbindung steht· Die Errettung unserer Seele besitzen wir heute schon, aber wir werden ermahnt, „die Lenden unserer Gesinnung zu umgürten, nüchtern zu sein und völlig auf die Gnade zu hoffen, die uns gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi“.
Die angeführten Stellen beweisen also deutlich, dass die zur Offenbarung bereit liegende Errettung in enger Verbindung steht mit der Offenbarung Jesu Christi. Das wird auch durch Hebr. 9, 28 bestätigt, wo wir lesen, dass „der Christus, nachdem Er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen wird zur Seligkeit“.
Die Errettung, von welcher Petrus redet, ist also nichts anderes als das zweite Kommen unseres Herrn Jesus Christus, und der Heilige Geist belehrt uns, dass wir dieses Kommen erwarten sollen, und zwar jeden Augenblick. Es ist tatsächlich gar kein Hindernis vorhanden, dass wir nicht „die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes“ noch in dieser Nacht, ja, noch in dieser Stunde hören könnten. Alles ist getan, was getan werden musste. Das Versöhnungswerk ist geschehen, die Erlösung ist vollbracht, Gott ist verherrlicht worden durch das Werk Jesu Christi. Das beweist aufs unumstößlichste Sein Sitzen zur Rechten der Majestät in den Himmeln· Von dem Augenblick an, wo der Mensch Jesus Christus Seinen Platz auf dem Throne einnahm, konnte gesagt werden, dass die Errettung bereit sei, geoffenbart zu werden.
Vorher war das nicht der Fall, denn der Grundstein dieser Errettung ist erst in dem Tod und der Auferstehung des Sohnes Gottes gelegt worden. Als aber einmal das Werk aller Werke vollendet war, da war auch die Errettung bereit, geoffenbart zu werden.
Das zweite „bereit“ finden wir in 1. Petr. 4, 5. In diesem Verse spricht der Apostel von solchen, welche dem Rechenschaft geben werden, der bereit ist, Lebendige und Tote zu richten“.
So lieblich das erste „bereit" ist, so ernst ist das zweite. Und so wahr es einerseits ist, dass die Errettung bereit ist, geoffenbart zu werden, so wahr ist es anderseits, dass das Gericht bereit ist, seinen Lauf zu nehmen, zum ewigen Verderben derer, die das ihnen angebotene Heil Gottes vernachlässigt haben. Gott hat Seine Gnade bis zum äußersten gehen lassen, und der Mensch ebenso seine Schuld. Beides hat in dem Tode Christi seinen Höhepunkt erreicht. Und indem wir jetzt Christum mit Herrlichkeit gekrönt auf dem Throne sehen, „fortan wartend, bis Seine Feinde gelegt sind
zum Schemel Seiner Füße“, haben wir den sichersten Beweis, dass der Offenbarung der Errettung wie der des Gerichts nichts mehr im Wege steht. 
Aus dieser Tatsache folgt, dass es ein großer Irrtum ist, zu meinen, die Prüfung des menschlichen Zustandes von Seiten Gottes sei noch nicht abgeschlossen, Gott sei immer noch damit beschäftigt, den Menschen auf die Probe zu stellen, um zu sehen, ob er zu etwas Gutem tauglich sei, ob er irgend eine Frucht für Ihn hervorzubringen vermöge. Wenn das so wäre, dann könnte Er noch· nicht „bereit sein, zu richten“. Die Welt wäre dann ·noch nicht reif fürs Gericht. Solang die Prüfung noch währte und noch auf deren Ergebnis gewartet werden müsste, könnte das Gericht noch nicht hereinbrechen.
„Jetzt ist das Gericht dieser Welt“, sprach Jesus angesichts des Kreuzes. Nichts anderes blieb übrig.
Ja, die Welt ist reif für das Gericht, das Gericht ist bereit, zu kommen. Beachte es, lieber unbekehrter
Leser! die Probezeit ist für immer vorbei, und die Zeit der göttlichen Langmut ist beinahe abgelaufen.
Diese Wahrheit zeigt dem Sünder seine wirkliche Lage. Die Geschichte der menschlichen Natur, des Menschen wie der Welt überhaupt, hat längst ihren Abschluss gefunden. Das Urteil ist längst gesprochen. Das Kreuz Christi hat die Schuld und Verderbtheit des Menschengeschlechts aufs -völligste ans Licht gestellt und auch die Probezeit des Menschen abgeschlossen. Von jener ernsten Stunde an bis zum heutigen Tage ist die Stellung der Welt und jedes einzelnen Sünders die eines Verbrechers gewesen, der verhört, schuldig befunden und verurteilt worden ist, und der nur noch auf die Vollziehung des Gerichts wartet. 
„Bereit, zu richten!“ Wie ernst sind diese Worte für jeden unbekehrten Leser dieser Zeilen! Es hängt wahrlich mehr von ihnen ab, als zeitliches Wohl und Wehe. Hier handelt es sich um Ewigkeitsfragen. Sollten sie darum nicht Herz und Gewissen in die Gegenwart Dessen bringen, „der bereit ist, Lebendige und Tote zu richten“?
Damit kommen wir zu der dritten unserer Stellen. Sie findet sich in Luk. 12, 40: „Auch ihr nun, seid, bereit; denn in der Stunde, in welcher ihr es nicht meinet, kommt der Sohn des Menschen“.
Wenn die Errettung „bereit“ ist, geoffenbart, wenn das Gericht „bereit“ ist, vollzogen zu werden, was anderes geziemt uns dann, als auch „bereit“ zu sein?
Und worin besteht dieses Bereitsein, und wie können wir dazu gelangen? Wir müssen nicht nur bereit sein hinsichtlich unserer Stellung, sondern auch hinsichtlich unseres Zustandes, bereit dem Gewissen und bereit dem Herzen nach. Das eine gründet sich auf das Werk Jesu für uns, das andere steht in Verbindung mit dem Werke des Heiligen Geistes in uns. Wenn wir durch Glauben einfältig auf dem vollendeten Werke Christi ruhen und uns allein auf das stützen, was Er für uns getan hat und für uns ist, dann sind wir unserer Stellung nach bereit und können sicher sein, dass wir bei Ihm sein werden, wenn Er kommt. Stützt sich aber jemand aus irgendwelches Gute, auf irgendwelche Gerechtigkeit, die er in sich zu besitzen meint, auf sein ehrbares Leben, seine religiösen Gewohnheiten und dergl., oder fügt er diese Dinge nur dem Werke Christi hinzu, so ist er sicherlich seiner Stellung und seinem Gewissen nach nicht bereit. Gott kann nichts annehmen, als Christum allein. Etwas anderes bringen wollen heißt erklären, dass Christus nicht notwendig sei, etwas neben Ihn stellen wollen, dass Er nicht genug sei. Christus allein ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wer Ihn besitzt, ist seiner Stellung nach bereit. 
Nun kann aber jemand bekennen, in dieser Beziehung bereit zu sein, während er es seinem Verhalten und praktischen Zustande nach offensichtlich nicht ist. Es gibt ja heute, wo das Licht des Evangeliums
ungehindert ausstrahlen kann, trotz der ernsten Wege, die Gott mit uns geht, gar viel bequemes Christentum. Trotz allem, was die letzten Jahre uns an Schwerem gebracht haben, bleibt die traurige Tatsache bestehen, dass viel Lauheit, Unbotmäßigkeit und Genusssucht mit dem christlichen Bekenntnis Hand in Hand gehen. Mit Kummer muss man wahrnehmen, dass manche, und vor allem jüngere Christen, obwohl es ihnen an Einsicht in die Heilswahrheiten nicht fehlt, sich so benehmen und in ihren Gewohnheiten und ihrem ganzen Auftreten so wenig heiligen Ernst und Demut offenbaren, dass sie im Blick aus ihre HerzensstelIung zu Christo unmöglich bereit sein können. Dass jüngere Schwestern sich in ihrer Kleidung häufig den eitlen und sinnlichen Kindern der Welt gleichstellen, ist schon oft betont worden. Viel Leichtfertigkeit herrscht auch im Lesen schädlicher oder wenigstens unnützer Bücher, und wie leicht und oberflächlich sind häufig genug die Gespräche! Es ist unmöglich, solche und andere Dinge mit dem Wort zu vereinigen: „Auch ihr nun, seid bereit!“ 
Demgegenüber ist zuweilen gesagt worden: Wenn wir nur Christum im Herzen haben, so ist es unwichtig, wie wir uns kleiden oder was wir in die Hand nehmen; das sind Äußerlichkeiten. Wir antworten: Wer so redet, beweist nur, zu welch einem Tiefstand des christlichen Lebens es schon bei ihm gekommen ist; Wenn wir Christum wirklich im Herzen haben, so wird dies alles andere, unser ganzes Leben, Sinnen und Tun bestimmen. Es wird einen deutlich wahrnehmbaren, heiligenden Einfluss auch auf unser Äußeres, auf Kleidung und Benehmen ausüben. 
Fragen wir uns doch nur: Würden wir es gern haben, wenn der Herr uns bei Seinem Kommen in oberflächlicher Unterhaltung, bei leichter Lektüre, in eitlem, unpassendem Kleide, oder gar an einer Stätte weltlicher Vergnügungen fände? Welch eine Beschämung würde unser Teil sein! Stellen wir uns deshalb doch immer wieder die Frage: Bin ich bereit, bereit nicht nur dem Gewissen, sondern auch dem Herzen nach? Ach! dass wir doch alle den Ernst der Zeit erkännten! Es fehlt wirklich vielfach an einem treuen Wandel vor und mit dem Herrn, an Übung des Herzens und des Gewissens, und viele sind da, denen das Kommen des Herrn eine wenig freudige Überraschung wäre. Dinge, die man sich wahrlich nicht erlauben würde, wenn man in Wahrheit Sein Kommen erwartete, werden gesagt und getan, und dabei führt man möglicherweise noch ein hohes, tönendes Bekenntnis im Munde!
Gott gebe dem Schreiber und Leser dieser Zeilen, allezeit zu wissen, was es ist, ein gereinigtes Gewissen und ein in Wahrheit geübtes, auf den Herrn gerichtetes Herz zu haben! Dann wird auch die Wichtigkeit der vierten und letzten Stelle erkannt werden, auf die wir noch aufmerksam machen möchten. Sie steht in Matth. 25, 10 und lautet: „Als sie (die törichten Jungfrauen) aber hingingen zu kaufen (nämlich O! für ihre Lampen), kam der Bräutigam, und die bereit waren gingen mit ihm ein zur Hochzeit; und die Tür ward verschlossen“.
Erschütternde Tatsache! Die bereit waren, die Öl auf ihren Lampen hatten, gingen zur Hochzeit ein, die aber nicht bereit waren wurden ausgeschlossen. Alle, die wirklich Leben in Christo haben, in denen der Heilige Geist wohnt und wirkt, gehen mit dem Bräutigam in die Herrlichkeit ein. Wer aber die Wahrheit nur im Kopf und auf den Lippen hat, wird hinausgestoßen werden in die äußere Finsternis, in ewige Qual.
Möchte deshalb ein jeder von uns sich die Frage vorlegen und im Lichte der Ewigkeit prüfen: Bin ich bereit?

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Gegen den Strom

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 26ff

Wer einmal in einem Fluss mit starker Strömung gerudert hat, weiß, dass ein Einhalten im Rudern gleichbedeutend ist mit einem Abwärtstreiben. Genau so ist es im Christenleben. Sobald der Gläubige in seinem Eifer ermattet, zieht die Strömung -  denn wir gehen gegen den Strom dieser Welt an — ihn
unbedingt mit sich fort, dem Abgrund zu. Das einzige Heilmittel ist: Rudern, rudern! 
Doch wie vermögen wir überhaupt gegen den Strom anzukommen? Unsere Kraft ist so gar gering!
Ich stelle mir die Sache etwa folgendermaßen vor: Der Herr Jesus steht am Ausgangspunkt des Stromes, und mittelst eines Seiles, das nur für das Auge des Glaubens sichtbar ist, zieht Er unser Schifflein vorwärts. (Vergl. Hebr. 6, 11 — 20; 12, 1 — 3 ff.) Der Heilige Geist ist mit« uns im Schiff. Er hält das Steuerruder und redet durch das Wort zu uns von der herrlichen Person Jesu, sowie von den Freuden und Herrlichkeiten, die unser am Reiseziel warten. (Vergl. Johannes. 14, 15 — 17. 26; 16, 12 — 15; 1. Johannes. 2, 20. 27.) Solang nun unser Blick auf Christum gerichtet bleibt, sehen wir, wie straff das Seil, das uns zieht) angespannt ist. „Unsere Ohren merken auf die köstlichen Worte unseres Steuermanns, und, durch diese beiden Mittel unterstützt, rudern wir ohne Schwierigkeit. Die Ruder scheinen uns leicht, die Fahrt ist kurz, das Herz glücklich. Alles geht gut. 
Schauen wir hingegen rechts und links von unserem Schifflein auf die hochgehenden Wogen und die starke Strömung, so verlieren wir das Seil und Ihn, der es zieht, aus den Augen. Ängstlich ducken wir uns nieder. Gefahrdrohend rauschen die Wasser in unsere Ohren. Die Worte des Steuermanns verstehen wir nicht mehr. Unsere Arme erlahmen und lassen die Ruder sinken. Zugleich wenden sich unsere Augen, denn der Blick ist ja nicht mehr unverrückt nach vorn gerichtet, den Schiffen zu, die mit dem Strome fahren. Diese sitzen voll gutgekleideter, frohmütiger Menschen, die uns zurufen: „Kommt mit uns! Hier geht’s lustig zu!“ Das sind dann gefahrvolle Augenblicke. Es ist gar zu verlockend, die Ruder beiseite zu werfen und in eins der hübschen, anscheinend so sicher dahingleitenden Schiffe hinüberzuspringen. Aber, Gott sei gepriesen! der treue Steuermann ergreift uns bei der Hand und ruft uns ins Ohr, damit wir, aufschreckend, wieder auf Seine Belehrungen lauschen. Sobald wir das tun, ist die Gefahr vorüber. Wir beschäftigen uns wieder mit dein vor uns liegenden Ziel, und das Seil strafft sich.

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Sei nur still!

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1921 S. 28ff

Sei nur still und warte sein,
eitles Klagen wehrt die Pein,
doch des Glaubens heitre Ruh
heilt die tiefste Wunde zu.

Sei nur still! wenn alles bricht,
Gottes Treue wanket nicht,
und sein Liebesplan besteht,
ob die Welt gleich untergeht.

Sei nur still! das Weh der Zeit
wirket Frucht der Herrlichkeit;
was du hier nicht kannst verstehen,
wirst du dort im Lichte sehen.

Sei nur still! der Liebe Macht
über allen Mächten wacht,
und der Tag kommt ganz gewiss,
der verscheucht die Finsternis.

Sei nur still und wart auf Ihn,
mag die Hilfe auch verziehn;
selig, wer es zwar nicht schaut,
doch von Herzen glaubt und traut!

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Ein Wort über Gebetsheilungen

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 29ff

Gottes Geist ist in diese Welt gesandt worden, um die Gläubigen „in die ganze Wahrheit zu leiten“ (Joh. 16, 13) und sie mit Dem zu beschäftigen, der nach Vollendung des Erlösungswerkes zur Rechten Gottes hinaufgestiegen ist und von dort wiederkommen wird, um die Seinigen zu sich zu holen, damit sie für immer bei Ihm seien.
Der Feind, der sich außerstande sieht, das Heil denen zu nehmen, die es in Christo besitzen, ist seinerseits darauf bedacht, sie wenigstens von der Betrachtung Christi abzulenken und ihnen so die einzige Quelle ihres Glückes, ihrer Fortschritte und eines gesegneten Zeugnisses zu rauben. Zur Erreichung dieses Zweckes bedient er sich vornehmlich eines Mittels: er sucht die Gläubigen mit sich selbst und ihren irdischen Umständen zu beschäftigen. Er stellt allerlei Dinge vor ihre Blicke, von denen vielleicht manche an sich gut sein mögen, die aber doch dazu angetan sind, ihre Gedanken und ihre Tätigkeit zum Schaden der Verherrlichung des Herrn in Anspruch zu nehmen. Angeblich sollen diese Dinge dem Herrn besser dienen und dem Christen ein größeres Glück verschaffen, als es der einfältige Gehorsam dem Worte gegenüber tut. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. 
Vor allem spielt auf diesem Gebiet in den letzten Zeiten ein Gegenstand eine große Rolle. Es sind die Leiden, durch welche Gott die Seinigen gehen lässt. Da die Leiden unserer menschlichen Natur, die einst dazu geschaffen wurde, um auf dieser Erde zu leben und sie zu genießen, peinlich sind, so ist es begreiflich, dass die Menschen gern allem ein Ohr leihen, was, wie man ihnen vorstellt, sie von diesen Leiden befreien soll. Aus diesem Grunde legt man auch den auf das Gebet bezüglichen Stellen ein besonderes Gewicht bei, in welchen Gott denen zu antworten verspricht, die Ihm im Glauben nahen. 
Wenn wir nun zunächst fragen, was die Schrift betreffs der Leiden sagt, so lautet die Antwort: sie belehrt uns, dass jede Prüfung in der Hand Gottes ein Mittel ist zu einer Segnung, deren Folgen für die Seele von ewiger Dauer sind. Auch die Krankheit, obwohl sie wie der Tod die Folge der Sünde ist, gehört zu den Prüfungen, die der Herr uns sendet, um diesen Zweck zu erreichen. In Römer 8, wo von
den Leiden die Rede ist, die mit dieser gefallenen Schöpfung in Verbindung stehen, einer Schöpfung, welche seufzt, und in deren Mitte auch wir seufzen, indem wir die Erlösung unseres Leibes erwarten, wird nichts davon gesagt, dass Gott Seinen Kindern die Leiden ersparen werde. Wohl aber heißt es, dass Gott „denen, die Ihn lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken“ lassen will (V. 28). Und in 2. Kor. 4, 17. 18 lesen wir: „Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überschwängliches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig“. Dieses „schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal“, das solch herrliche Ergebnisse hat, währt manchmal das ganze Leben hindurch, denn Gottes Tätigkeit an uns hat nicht diese Erde, sondern den Himmel zum Ziel. Jakobus sagt sogar: „Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallet (hier in dem Sinne von Prüfungen), da ihr wisset, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt. Das Ausharren aber habe ein vollkommenes
Werk, auf dass ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt.“ Der Zweck Gottes im Senden der Glaubensprüfungen mit ihren herrlichen Ergebnissen kann nicht erreicht werden, wenn man die Prüfung zu beseitigen sucht. Im Gegenteil wird uns empfohlen, im Glauben die Weisheit zu erbitten, die imstande ist, uns den Gedanken Gottes gemäß so durch die Prüfungen zu führen, dass die vollkommenen Ergebnisse derselben erreicht werden (Vergl. V. 5 — 8). Die Prüfung ist also keineswegs etwas Außergewöhnliches (vergl. auch 1. Petr. 4, 12), das man so schnell wie möglich loszuwerden suchen sollte. Mag es Verfolgung, Krankheit oder sonst irgend eine Prüfung sein, die Kinder Gottes bedürfen ihrer heute genau so wie zu jeder anderen Zeit, ja, heute umso mehr, da Gott das Gericht über Sein Haus bringt, bevor Er es an der Welt vollzieht. (1. Petr. 4, 17.) Er reinigt und heiligt die Seinigen, um sie fähig zu machen, treu zu wandeln und Seine Gemeinschaft zu genießen. Prüfungen sind also Beweise des Wirkens der Gnade Gottes, Seiner Liebe und Seiner Weisheit gegenüber Seinen Geliebten, und zwar im Blick auf die Herrlichkeit, wo all die Ergebnisse Seines Tuns mit uns in Erscheinung treten werden. Es bedarf daher schon einer besonderen und wirklich großen Unkenntnis der Wege Gottes, wenn man Ihn veranlassen will, Sein erzieherisches Wirken an den Seinigen aufzugeben. 
Zieht man das in Betracht, so fällt es nicht schwer einzusehen, wie weit die neuzeitigen Krankenheiler von den Gedanken Gottes entfernt sind, wenn sie uns sagen: „Ihr braucht nicht krank zu sein. Ihr könnt auf der Stelle gesund werden, wenn ihr nur den Glauben dazu habt.“ Heißt das nicht mit anderen Worten: „Gott behandelt euch verkehrt. Er täuscht —sich im Blick auf euch, und wir wollen euch die Gesundheit wieder· geben!“? Diese ganze Richtung leugnet die Regierungswege des Vaters Seinen Kindern gegenüber oder geht wenigstens mit Stillschweigen darüber hinweg. Was machen die Leute, von denen wir reden, z. B. aus der Belehrung in Hebr. 12, 4 — 17? Wo findet in diesem Kapitel der Wille, geheilt zu werden, Raum, wenn Gott uns sagt: „Mein Sohn! achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von Ihm gestraft wirst; denn wen der Herr liebt, den züchtigt Er; Er geißelt aber jeden Sohn, den Er aufnimmt. Was, ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott handelt mit euch als mit Söhnen; denn wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?«? Wie? will man wirklich den Christen das Ergebnis der Zucht nehmen, die allein imstande ist, uns „Seiner Heiligkeit teilhaftig“ zu machen und „die friedsame Frucht der Gerechtigkeit“ bei denen hervorzubringen, „die durch sie geübt sind“? (V. 10. 11). 
Wir wiederholen: Der bestimmte Wille, jemand zu heilen, ist eine Verachtung der Zucht; er trägt ihr in keiner Weise Rechnung. Die, welche dahingehende Ratschläge erteilen, entmutigen die Bekümmerten, indem sie sie beschuldigen, keinen Glauben zu haben, oder die Meinung in ihnen erwecken, ihre Leiden seien nutzlos. Solche Ratschläge stehen in unmittelbarem Widerspruch mit den
Gedanken Gottes und berauben die Seelen der Segnungen, die aus den vollkommenen Wegen Gottes hervorgehen. 
Die Krankenheiler von heute würden zweifellos den Apostel Paulus aufgefordert haben, seinen „Dorn
im Fleische“ von sich abzuschütteln. Der Apostel selbst hatte, bevor er die Gedanken des Herrn über diese Sache kannte, um Entfernung der Prüfung gebeten, da er meinte, sie würde ihm in dem ihm anvertrauten Werke hinderlich sein. Aber für ihn, wie für uns heute, lautete die vollkommene Antwort des Herrn: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht«. Jetzt wusste Paulus, dass sein Wunsch, der ihn um Wegnahme des Dornes bitten ließ, viel sicherer in Erfüllung gehen würde, wenn der Dorn ihm verblieb. Und nun rühmte er sich seiner. Oder ist ihm etwa der Dorn deswegen nicht genommen worden, weil er nicht Glauben genug hatte, wie man denen sagt, die dieser Art von Suggestion (Einwirkung) gegenüber unempfänglich sind?
Bemerkenswert ist auch, dass der Apostel Paulus nichts tat, um Gott in Seinen Wegen mit denen, die
ihn umgaben, zu einer Änderung zu veranlassen. Er wusste, dass ihr Vater droben, wenn Er sie durch Krankheiten gehen ließ, erhabenere Beweggründe hatte, als der Genuss leiblicher Gesundheit es ist. Nachdem er jahrelang viele Kranke geheilt hat, lässt er den Trophimus krank in Milet zurück. (2. Tim. 4, 20.) Lag das etwa daran, dass keine Kraft oder kein Glaube zum Heilen mehr da war? Weit davon entfernt! Paulus überließ einfach den Trophimus der Fürsorge seines Vaters, der wohl weiß, was wir bedürfen, sei es Krankheit oder Brot, und der auch ganz genau weiß, wie lang die Prüfung dauern muss, um den gewünschten Zweck zu erreichen. „Gott aber, ist Er in Bezug aus Seine Auserwählten langsam, die Tag und Nacht zu Ihm schreien?“ (Vergl. Luk. 18, 7.) Niemals wird Gott Sein Werk unvollendet lassen, um einem menschlichen Begehren, mag es auch noch so berechtigt erscheinen, zu entsprechen. 
Timotheus sollte ein wenig Wein gebrauchen um seines häufigen Unwohlseins willen. Paulus hätte ihn
heilen können, wie auch den Epaphroditus, dessen Krankheit so lang dauerte, dass die Philipper Nachricht darüber von Rom aus empfingen (Phil. 2, 26. 27). Aber Paulus achtete auf die Regierung Gottes in Seinem Hause. Er wusste, dass die Heilung eines Gläubiger: in einem gegebenen Augenblick diesen der Segnungen berauben kann, die aus der Zucht hervorfließen. Will man jeden Beliebigen zu jeder beliebigen Zeit heilen, so trägt man diesem Umstand in keiner Weise Rechnung. Selbst die Welt handelt nicht so. Niemals würde ein verständiger Mensch, der seinen Nachbar als guten Familienvater kennt, als ein Mann, der seine Kinder nach richtigen Grundsätzen erzieht, es wagen, sich in dessen Familienangelegenheiten einzumischen, obwohl es ihm leid tun mag, wenn er sieht, wie eines der Kinder gezüchtigt wird. Er hat Vertrauen zu dem Vater, den er kennt, und lässt ihn gewähren. 
Nun möchte jemand einwenden, dass wir uns durch das bisher Gesagte in Widerspruch setzten mit der bekannten Stelle Jak. 5, 14—16. Das ist aber keineswegs der Fall. Wir erkennen durchaus die ganze Kraft dieser Stelle an, so wie sie geschrieben steht. Jakobus nimmt an, dass eine Versammlung an einem Orte besteht. Er nimmt ferner an, dass einer aus der Mitte dieser Versammlung krank ist. Dieser letztere soll nun die Ältesten der Versammlung zu sich rufen, nicht die, welche ihm gerade passen, sondern die, welche dem Charakter eines Ältesten, so wie das Wort ihn beschreibt, entsprechen. (Vergl. 1. Tim. 3, 1 - 7; Tit. 1 5 - 9.) Nach der Schrift besitzen diese Ältesten Weisheit und geistIiches Verständnis, die Frucht einer langen Erfahrung auf dem Pfade der Gottesfurcht. Dieses Verständnis befähigt sie zu beurteilen, ob sie dem an sie ergangenen Ruf folgen können. Wenn ein solcher Kranker heutzutage solche Leute in einer solchen Umgebung und unter solchen Umständen findet, so könnten diese auch heute den Belehrungen des Jakobusbriefes entsprechend handeln. Dürften aber diese Ältesten irgendwelche Christen sein, die zu irgend einer Gemeinschaft gehören, aus irgend einem anderen Orte oder gar einem anderen Lande kommen und vielleicht durch die Tagesblätter die Kranken einladen, zu Sitzungen zu erscheinen, wo sie geheilt werden sollen? Wir fragen: Welche Verbindung besteht zwischen diesen Vorgängen und den Belehrungen des Jakobus? 
Ähnlich wie die Stelle aus dem Jakobusbrief führt man auch gern 1. Joh. 5, 14 - 16 in diesem Sinne an: „Und dies ist die Zuversicht, die wir zu Ihm haben, dass, wenn wir etwas nach Seinem Willen bitten, Er uns hört. Und wenn wir wissen, dass Er uns hört, um was irgend wir bitten, so wissen wir, dass wir die Bitten haben, die wir von Ihm erbeten haben.“ Aber lasst uns bedenken, dass es sich hier um ein Bitten nach Seinem Willen handelt. Begegnet man in unseren Tagen wohl oft der geistlichen Gesinnung, die nötig ist, um Gottes Willen zu kennen? Man könnte ruhig das Gegenteil behaupten. Woher kommt das? Man vergisst, dass das Gebet der Ausdruck der Abhängigkeit ist, nicht aber eine Handlung des Eigenwillens, die Gott Vorschriften machen will. Gott kann nicht dem Menschen gehorchen. 
Vergessen wir auch nicht, dass das Gebet und seine Erhörung in Beziehung stehen zu dem Seelenzustand desjenigen, für den man betet. „Betet für uns“, sagt der Apostel Paulus, „denn wir halten dafür, dass wir ein gutes Gewissen haben, da wir in allem ehrbar zu wandeln begehren“ (Hebr. 13, 18). Und in Jes. 59, 1. 2 lesen wir: „Siehe, die Hand Jehovas ist nicht zu kurz, um zu retten, und Sein Ohr nicht zu schwer, um zu hören; sondern eure Missetaten haben eine Scheidung gemacht zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben Sein Angesicht vor euch verhüllt, dass Er nicht hört“. Dass Gott zu retten  vermag, bezweifeln wir nicht, aber wir müssen auch in dem Zustande sein, dass Er es tun kann, zur Zeit da wir Ihn darum bitten. Weiter ist die Erhörung mit dem Zustand des Betenden verknüpft. „Das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel“, steht geschrieben. (Jak. 5, 16.) „Wenn ich es in meinem Herzen auf Frevel abgesehen hätte, so würde der Herr nicht gehört haben“ (Ps. 66, 18.) „Ich will nun, dass die Männer an jedem Orte beten, indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung“ (1. Tim. 2, 8). „Wenn jemand gottesfürchtig ist und Seinen Willen tut, den hört Er“ (Joh. 9, 31).
Gott allein kennt den Zustand derer, die Ihn bitten, wie auch derer, für die wir beten, und Er handelt gegen jedermann dieser göttlichen Erkenntnis gemäß mit vollkommener Weisheit und Liebe. Wer sind wir, dass wir fordern könnten, Er solle nach unseren Wünschen handeln, oder dann, wann es uns gefällt? 
Mangel an Gemeinschaft mit Gott und infolge dessen an geistlichem Sinn ist die große Ursache der Unwirksamkeit unserer Gebete. Der Herr allein konnte sagen: „Ich wusste, dass du mich allezeit erhörst“ (Joh. 11, 42.) Aber wenn auch dieser Mangel an geistlichem Sinn und Gottesfurcht uns daran hindert, den Willen Gottes in dem zu erkennen, was wir von Ihm erlangen möchten, so können wir doch alle und zu aller Zeit unsere und unserer Brüder Anliegen durch Gebet und Flehen mit Danksagung vor Ihm kundwerden lassen (Phil. 4, 6). Die verheißene Antwort, die sich freilich sehr von ·dem unterscheidet, was jene Krankenheiler uns lehren, wird, falls wir dieser kostbaren Ermahnung gehorchen, nicht auf sich warten lassen. Sie lautet: „Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christo Jesu“. Anstatt unruhig zu werden in der ängstlichen Erwartung, ob wir das, was wir erbeten haben, auch wirklich erhalten werden, bleiben unsere Herzen in dem Frieden Gottes bewahrt, und ohne einen eigenen Willen zu haben, warten wir ruhig aus Sein Eintreten, wann und wie es Ihm gefällt. 
Gottes Wort ist voll Ermahnungen zum Gebet, und wir möchten sie wahrlich nicht abschwächen. Man hat das Gebet das stetige Atmen des neuen Menschen genannt. „Betet unablässig!“ schrieb der Apostel den Thessalonichern. Wenn wir die Gegenwart des Herrn verwirklichen, so bringt uns alles, was wir in dieser traurigen Welt sehen, dahin, unsere Seele in Fürbitte und in Gebeten aller Art zu Gott zu erheben. Möchten wir es nur besser verwirklichen! Nie jedoch, wiederholen wir es noch einmal, sollten wir uns anmaßen, den Glauben und das Gebet dazu zu benutzen, Gott unseren Willen aufzudrängen. Wer das tut, beachtet die Unterweisungen des Wortes nicht. 
Nichtsdestoweniger gibt es eine Menge Bitten, von denen wir wissen, dass sie dem Willen Gottes völlig entsprechen. Wir wissen z. B., dass unser Gott „will, dass alle Menschen errettet werden und zur
Erkenntnis der Wahrheit kommen“. Es ist Ihm also durchaus wohlgefällig, wenn wir um die Errettung von Sündern bitten. Hierher gehören auch die Dinge, die sich auf die Verherrlichung des Herrn beziehen, auf das geistliche Wohl der Seinigen, auf ihre und unsere Fortschritte, sowie auf das ganze Werk des Herrn unter den Gläubiger: und in der Welt. Bei solchen Gegenständen dürfen wir stets die Gewissheit haben, dass Gott uns erhört, während, wenn es sich um unsere persönlichen Umstände handelt, um Gottes Tun in Seiner Vorsehung und Regierung, Seine Wege uns häufig unverständlich bleiben. 
Man strebt heute danach, Wunderkräfte auszuüben wie zur Zeit der Apostel, und man beruft sich dabei nicht nur auf die erwähnten Unterweisungen von Jak. 5, 12 — 18, sondern meint auch unter ganz besonderen Regungen und Wirkungen des Geistes Gottes zu stehen, der heute, als eine Art „Spätregen“, dasselbe wirke, was einst am Pfingsttage geschah. Aus der Apostelgeschichte aber ersehen wir, dass die damaligen Wunderkräfte nicht für die Gläubigen bestimmt waren, sondern als ein Zeichen für die Ungläubigen (1. Kor. 14, 22) angesichts der Errichtung der Versammlung (Gemeinde) als Haus Gottes in dieser Welt. Soweit wir sehen können, haben die Apostel niemals Wunder getan zu Gunsten von Gläubigen, außer in dem Falle der Dorkas (Apstgsch. 9, 40. 41), und bei dieser einzigen Ausnahme handelte es sich nicht um eine Heilung, sondern um eine Auferweckung, und die Folge war, dass „viele an den Herrn glaubten“. Überdies geschah dieses Wunder in einer Übergangszeit, als die Kirche aus dem Judentum gelöst wurde, also noch vor der Berufung des Apostels Paulus, der die Wahrheit von der Einheit des aus Juden und Heiden bestehenden Leibes Christi kundtun sollte. 
Fern liegt heute die Gründungszeit der Kirche, die ein mächtiges und eindrucksvolles Eintreten von seiten Gottes nötig machte, sei es inmitten der verhärteten Juden, die sich auf den göttlichen Ursprung ihrer Religion beriefen, um so dem Wirken der Gnade zu widerstehen, sei es unter den in der Finsternis des Götzendienstes versunkenen Heiden. Wir leben inmitten des Verfalle dieser Kirche, wo Menschen, die den Namen „Christen“ tragen, den Sohn Gottes mit Füßen treten, das Blut des Bundes, durch welches sie einst aus Judentum und Heidentum herausgenommen wurden, für gemein achten und den Geist der Gnade schmähen. (Vergl. Hebr. 10, 29.) Dieser Geist, der mehr denn je in der Christenheit betrübt wird, kann nicht wirken, wie wenn die Kirche treu geblieben wäre. Heute die Wunderwirkungen der ersten Zeit auszuüben würde heißen, die Unordnung, den Widerstand gegen Gott und die Unabhängigkeit gegenüber dem Haupte der Gemeinde gutheißen. Treu der Ihm anvertrauten Aufgabe, beschäftigt der Heilige Geist sich unablässig mit den Gläubigen als der Sachwalter (Tröster), den der Herr den Seinigen für die Zeit Seiner Abwesenheit gesandt hat. Er unterhält sie von Ihm bis zu Seiner Wiederkehr. Er ist der treue Elieser, der die Braut bis zum Lande des himmlischen Erben geleitet. Er erweckt immer wieder Diener für das Werk des Evangeliums und für die Auferbauung des Leibes Christi. Die Mittel, deren der Geist sich, hierfür bedient, sind auch heute noch so unversehrt wie im Anfang, aber man schenkt ihnen weniger Beachtung als dem, was den Menschen in den Vordergrund zu stellen geeignet ist. Unter der Leitung dieses Geistes können die Christen auch heute noch „in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten verharren“ (Apstgsch. 2, 42); sie können noch „die Einheit des Geistes bewahren in dem Bande des Friedens“ (Eph. 4, 3), und sie können auch noch dem Worte gehorsam sein, indem sie in den Dingen verharren, die es uns lehrt. Für alles das besitzen wir die Hilfe des Geistes. Er kann aber nicht, das möchten wir nochmals betonen, durch eine Entfaltung von Wunderkräften die in der Kirche herrschende Unordnung und den Ungehorsam der Kinder Gottes bestätigen. 
Ein charakteristischer Zug der Endzeit, dieser schweren Tage, in denen wir leben, ist der, dass man viel von Kraft, aber sehr wenig von Gehorsam gegen das Wort Gottes redet. Nachdem man die Erkenntnis, die der einfältige Glaube an die Schriften gibt, verworfen hat, ist man sehr geneigt, an irgend eine angebliche Kraft zu glauben, die nichts mit dem Geiste Gottes zu tun hat, die aber von den Menschen bewundert wird, und die später in der des »Menschen der Sünde« zusammengefasst erscheinen wird. Satan möchte" denen, die begehrlich noch irgendeiner übernatürlichen Kraft ausschauen, nur zu gern seine Kraft anstelle der des Heiligen Geistes anbieten. Der listige Feind versäumt keine Gelegenheit, diese Kraft zu empfehlen, und zwar umhüllt er sie immer mit dem Namen des Heiligen Geistes. Es bedarf keines besonderen Scharfblicks, um in diesen Dingen die Vorläufer jener „wirksamen Kraft des Irrtums“ zu erkennen, von welcher der Apostel in 2. Thess. 2 redet. Diese letztere wird zur vollen Entfaltung kommen, sobald die Kirche von der Erde weggenommen sein wird. Schon heute aber verstrickt sie die Menschen in ihr Netz, wie die Spinne ihre Beute. Um den Listen des Feindes zu entgehen, des Urhebers all jener in der Schrift vorausgesagten gegenwärtigen Bewegungen in der Christenheit, die sich immer mehr dem völligen Abfall nähern werden, lasst uns in aller Einfalt an Gottes Wort festhalten! Das Wort beschäftigt uns mit Christo und nicht mit uns selbst.
Es gibt dem Christen in dieser Welt keinen Platz, es sei denn den eines Zeugen des verachteten und verworfenen Heilands. Streben wir danach, in allem, was Ihm wohlgefälIig ist, Fortschritte zu machen, bis zu Seiner baldigen Wiederkehr, indem wir das, was wir durch das Wort von Seinem Willen kennen, in die Tat umsetzen.
Denen, welche in einfältigem Gehorsam ihre Straße ziehen wollen, sendet Gott die Antwort auf die erhabene Bitte, die der Sohn an Ihn richtete in der Nacht, da Er überliefert wurde: ,,Heilige sie durch die Wahrheit: dein Wort ist Wahrheit«.

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Die Zunge

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 42ff

„Die Zunge ist ein Feuer, die Welt der Ungerechtigkeit. (Jakobus 3,6).
„Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, wiewohl ihr sie wisset“ (2.Petr. 1, 12). Es ist nichts Neues, worüber ich reden möchte. Auch ist es nicht eine ,,schwierige Wahrheit«, die weniger begabte Kinder Gottes nicht mit ihrem Verständnis erfassen können. Nein, jedes Kind kann es verstehen, wenn man ihm sagt, dass es seine Zunge zügeln solle. Aber diese einfache Forderung wird so leicht unter uns vergessen, dass wir immer wieder durch Erinnerung aufgeweckt werden müssen. 
In der Welt kennt man das Sprichwort: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Gott sagt uns: „Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden“ (Jak. 1, 19). Aber ist es unter uns nicht manchmal gerade umgekehrt, dass man schnell zum Reden und langsam zum Hören ist? Wie beschämend ist es aber, dass die Möglichkeit uns so nahe liegt, das Gegenteil von dem zu tun, was Gott uns sagt! Viel wird in diesem Stück gesündigt, und man erkennt und beachtet es nicht einmal. Es ist uns allen durchweg eigen, zum Reden schneller zu sein als zum Hören. Wie schnell ist man mit einer raschen, fertigen Meinungsäußerung zur Hand, anstatt sich durch eingehendes, fleißiges Hören zu einem wohlerwogenen, besonnenen Urteil leiten zu lassen! 
Unberechenbaren Schaden hat vorschnelles Reden schon gebracht. Ach! man möchte so gern, dass andere hören, was man weiß oder kann. Als ob Gott oder die Menschen darauf warteten, was wir Großes wüssten! Schon der Gedanke, dass es außer Gott kein wahres Wissen gibt, sollte uns sehr behutsam machen. Aber leider gibt es unter uns solche, die mit ihrer Zunge so unvorsichtig sind, dass sie immer wieder Klatschereien herbeiführen. Und doch ist das Wort so hässlich,. Dass man es lieber gar nicht aussprechen möchte. Es ist tief beschämend, dass so etwas unter Gläubigen gesunden wird. Deshalb wollen wir uns gegenseitig auf diesen hässlichen Fehler deutlich aufmerksam machen. 
In dem Bestreben, das zu tun, möchte ich den Leser gerade und offen fragen: Über was unterhält man sich in deiner Familie? Erlaubst du deinen Kindern oder sonstigen Angehörigen, die Unarten anderer ans Licht zu ziehen und sie zu einem Gegenstand der gemeinsamen Unterhaltung zu machen? Wenn es so ist, dann gestattest du dem Unkrautpflänzlein „Klatschsucht“ freie Entfaltung. Solltest du nicht lieber deine Hausgenossen darauf aufmerksam machen, über alles Böse an sich und anderen Leid zu tragen? Solltest du ihnen nicht sagen, wie der Herr Jesus über alles Sündige denkt, ja, dass Er der Sünde wegen den Kreuzestod erleiden musste? Zeige ihnen, wie schrecklich alles Böse in den Augen Gottes ist. Vor allem sollten unsere Kinder uns stets abfühlen können, wie sehr wir jede Sünde verabscheuen. Dann beeinflussen wir sie im Sinne der Heiligen Schrift. Dann lernen auch sie das Böse hassen, und verlernen es, das Böse anderer zum Gegenstand der Unterhaltung zu machen. 
Vor allem vergiss nicht, deine Kinder auf die bösen Neigungen in ihren eigenen Herzen hinzuweisen. Verwende darauf alle Liebe und allen Ernst. Mache es ihnen recht klar, das; sie von Natur nicht besser sind als die, von denen sie Böses wissen, dass sie also gar keine Ursache haben, sich über andere zu stellen und deren Unarten und Fehler geschwätzig weiter zu tragen. Zeige ihnen, was die Gnade Gottes für sie und an ihnen tut und tun will, auf dass sie lernen in Furcht zu beten: Bewahre mich, o Gott! 
Aber mehr noch. Ich möchte fragen: Liebe Schwester, lieber Bruder, zügelst du allezeit deine Zunge? Empfindest du Schmerz und trägst du Leid, wenn du von Verkehrtheiten anderer hörst oder sie selbst erfährst? Wenn wir unsere Geschwister lieben, so werden wir trauern über jeden, der etwas Unrechtes tut. Wir denken dann nicht ans Weitererzählen. Dadurch würde die Sünde ja nur vergrößert werden. Die Liebe aber bedeckt im Gegenteil eine Menge von Sünden, indem sie bereit ist, die Füße des Fehlenden zu waschen und dadurch wiederherstellend zu wirken. Erzählst du die Fehler deiner Geschwister weiter, so erweisest du ihnen das Gegenteil von Liebe; du tust so, als wenn du sie nicht liebtest und ihnen Schaden zufügen wolltest. 
Aber nicht nur das Wohl und Wehe der Geschwister kommt hierbei in Betracht, es handelt sich auch um die Ehre Gottes. Und sie ist doch das Höchste, was es für uns als Kinder Gottes gibt. Teilt man die Fehler seiner Geschwister wie wohlfeile Früchte aus, so handelt man wie ein Mensch, der seinen Familienangehörigen schlechte Speise vorsetzt, obwohl er weiß, dass sie den Magen verdirbt und die Gesundheit schädigt. Möchtest du so etwas tun? Nimmermehr! Die schlechte, verdorbene Speise gehört aus den Schutthaufen, wo sie von niemand mehr gefunden wird. Böses Geschwätz, übles Nachreden und dergl. ist aber gleich einer vergiftenden Speise. Willst du die deinen Geschwistern vorsetzen, dass sie davon essen und krank werden? Willst du, dass die von Gott gepflanzten Pflänzlein dadurch leiden, oder dass die Welt gar annehmen müsste, die Schuld läge an Gott? Denn wenn Seine Pflanzen nicht gedeihen, so wird die Schuld Ihm zugeschoben. Und dabei wolltest du hilfreiche Hand bieten? 
Wenn jemand seine Zunge nicht zügelt, so ist das an sich schon eine hässliche Sünde, so hässlich und schrecklich, dass Gott uns sagt: „Wenn jemand sich dünkt, er diene Gott, und zügelt nicht seine Zunge, sondern betrügt sein Herz, dessen Gottesdienst ist eitel“ (Jak. 1, 26) .Mein Leser! Bleibe einen Augenblick bei dem Worte stehen: dessen Gottesdienst (Religion) ist eitel. Dein Gottesdienst ist dann nichts wert, wird von Gott nicht anerkannt. 
O wie ernst redet das Wort Gottes! Die vorliegende Stelle ist so ernst, dass man nicht wagen mag,
sie näher zu zerlegen, um dadurch nicht etwa ihre durchdringende Kraft zu schwächen. (Hebr. 4, 12. 13.) Möchte sie wie ein zweischneidiges Schwert unser Herz und Gewissen treffen, damit wir erkennen, was aus dem Geiste und was aus dem Fleische ist, und — uns fürchten! 
Viel Druck und Seufzen haben geschwätzige, nicht gezügelte Zungen schon hin und her in den Versammlungen hervorgerufen. Solche Zungen mischen Wahres und Erdachtes untereinander. Es hält ihnen eben nicht genau. So können Lüge und Verleumdung aus ihren Reden erwachsen. „Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet es an!“ Wir freuen uns, die Wahrheit zu besitzen. Da beugt es uns nieder, wenn das Werk Satans durch solche Zungen unter uns betrieben wird. Gewiss mag es oft unwissentlich oder ungewollt, in gleichgültiger Weise geschehen. Aber wir dürfen nicht gleichgültig sein. Uns allen gilt das Wort: „Habe acht auf dich selbst“ (1. Timotheus. 4, 16).
Noch eins. Wenn wir uns als Geschwister besuchen, so ist es gut, darauf zu achten, über was wir uns
unterhalten. Das Vorzüglichste ist, wenn wir uns erbauen auf unseren allerheiligsten Glauben. Ist der Herr der Gegenstand unserer Herzen, dann redet unsere Zunge nicht von den Fehlern solcher Geschwister, die nicht zugegen sind. Haben wir uns ein wenig kennen gelernt und erfahren, wieviel uns unser eigenes Herz zu schaffen macht, dann sind wir klein in unseren Augen und stellen uns nicht über andere. Genießen wir die Liebe des Herrn als solche, denen viel vergeben ist, so erweisen wir Liebe, und „die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses'«, sie ist langmütig, ist gütig, sie sucht nicht das
Ihrige, sie rechnet Böses nicht zu, sondern „überwindet das Böse mit dem Guten“ (Römer 13, 10; 1.Kor. 13, 4; Römer 12, 21). Und wenn wir die überströmende Gnade Gottes an uns selbst kennen gelernt haben, dann sind wir imstande und begehren, auch unseren Geschwistern Gnade zu erweisen. 
Andererseits steht geschrieben: ,,Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld tragest«. (3. Mose 19, 17.) Es ist selbstverständlich nicht unser Gedanke, dass Sünden durch Stillschweigen übergangen werden sollen. Im Gegenteil; wir alle wissen, dass es Fälle gibt, in denen ernste Gläubige sich im Gefühl ihrer Verantwortlichkeit mit den Sünden anderer beschäftigen müssen. Der Punkt, um den es sich handelt, ist die Redesucht» über andere. Nicht über andere sollst du reden, sondern, wenn es nötig ist, dich unter sie stellend, mit ihnen. Das möchte die Liebe Christi in uns allen bewirken, und das müssen wir tun, wenn die Ehre Gottes uns am Herzen liegt.
Es würde uns allen heilsam sein, wenn wir wieder und wieder einmal Jakobus 3 lesen wollten. Dort heißt es am Schlusse der ernsten Abhandlung über die Zunge: „Aus demselben Munde geht Segen und Fluch hervor. Dies, meine Brüder, sollte nicht also sein. Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere? Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen, oder ein Weinstock Feigen? Auch kann Salziges nicht süßes Wasser hervorbringen. 

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Unter Seinem Schatten

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 48ff

Wir pilgern durch eine Wüste, die Schwierigkeiten und Gefahren, Sturm und Unwetter in sich birgt. Da ist es kostbar, einen Bergungsort zu haben. Wir finden ihn unter den starken Flügeln unseres Herrn. Der Psalmist sagt: „Du bist mir zur Hilfe gewesen, und ich werde jubeln in dem Schatten deiner Flügel“ (Ps. 63, 7). Wie fühlen sich die Küchlein so wohl geborgen unter den Flügeln der Henne! Dort sind sie
sicher vor den Angriffen des Raubvogels, sie sind der Gefahr entronnen. Auch auf uns möchten sich Raubvögel stürzen, auch uns drohen mancherlei Gefahren. Da lasst uns denn Zuflucht nehmen zu dem Schatten Seiner Flügel! Sie sind stark, und unter ihnen wohnt’s sich sicher. „Mit Seinen Fittichen gedeckt zu werden“ (Psalm 91, 4), ist doppelt nötig in dieser ernsten Zeit, wo die Gefahren sich täglich mehren und so manche Seele eine Beute der Raubvögel wird.
Auch in den Stürmen des Lebens liegen Gefahren für uns. Stürme können ein Bäumlein leicht knicken. Aber da ist Einer, von dem wir lesen: Er „wird sein wie ein Bergungsort vor dem Winde und ein Schutz vor dem Regensturm . . . wie der Schatten eines gewaltigen Felsen in lechzendem Lande“ (Jes. 32, 2). In dem Schatten des Felsen finden wir Schutz und Deckung, Schutz vor dem Unwetter und Deckung vor den sengenden Gluten der Mittagssonne. Er ist allem gewachsen, sei es Schmach und Verfolgung, Leid und Not, oder seien es die verführerischen Winde falscher Lehre. Darum lasst uns zu diesem Felsen fliehen! Die Stürme gehen dann über uns hinweg, und die Gluten versengen uns nicht. Statt uns zu knicken oder schwach zu machen, dienen sie uns vielmehr zur Stärkung und Befestigung.
Der Weg durch die Wüste macht auch oft müde, und der Müde bedarf der Ruhe. Da dürfen wir uns denn setzen in den Schatten des Apfelbaumes, wie es im Hohenliede heißt: „Ich habe mich mit Wonne in Seinen Schatten gesetzt, und Seine Frucht ist meinem Gaumen süß“ (Kap. 2,3). Im Schatten des Apfelbaumes gibt es aber nicht nur Ruhe, sondern auch Erfrischung und Erquickung. Hier ruht man in lieblichem Schatten und genießt die Frucht des Baumes. Durch Jesum zur Ruhe gebracht, kann man sich mit Ihm und Seinem Werke für uns beschäftigen. Rechtfertigung durch Ihn, Befreiung durch Ihn, Stellung in Ihm, Zeugnis für Ihn — alles kostbare Früchte Seines Werkes! Und dann wird Er selbst immer mehr der Gegenstand des Herzens, und das Herz entdeckt unaufhörlich neue Lieblichkeiten an Ihm, bis es ausruft: „Sein Gaumen ist lauter Süßigkeit, und alles an Ihm ist lieblich!“ (Hohelied 5, 16). Meine Brüder und Schwestern, sollten wir nicht viel im Schatten des Apfelbaumes sitzen und Seine Frucht genießen? Hier ist das Herz stets glücklich.
So dürfen wir denn allezeit in Seinem Schatten wohnen: im Schatten Seiner Flügel, im Schatten des gewaltigen Felsen, im Schatten des Apfelbaumes! Er entspricht immer unseren Bedürfnissen, ob wir durch Gefahren und Stürme gehen, oder ob wir müde und matt zu werden drohen. Stets dürfen wir zu Ihm fliehen, zu Seinem Schatten Zuflucht nehmen. Ja, wir dürfen allezeit „bleiben in dem Schatten des Allmächtigen“ (Psalm 91, 1), Er versteckt uns gar in dem Schatten Seiner Hand! (Jes. 49, 2; 51, 16). Diese Hand ist nie zu kurz, wird nie schwach; ihr dürfen wir unter allen Umständen vertrauen. O bedenken wir es: Ihm so nahe, stets im Bereiche Seiner Hand! Diese Hand leitet und bildet, stützt und bewahrt uns und führt uns sicher durch die Wüste dem Vaterhause zu, zum herrlichen Ziel.
Dann, wenn schauend wir Ihm Ehre bringen,
Jeder müde Kämpfer siegreich ruht,
Werden ewig sel’ge Herzen singen:
Du, o Jesu, machtest alles gut!

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Mehr Vertrauen

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 51ff

Es gibt Gläubige, die viel von Gott als ihrem Vater reden, der ihren täglichen Bedürfnissen und all den großen und kleinen Nöten ihres Lebens freundlich begegne; und doch lehnen sie sich immer wieder gegen Seinen Willen auf. Ich sage nicht, dass sie es mit Absicht tun; aber durch ihr beständiges Ausschauen nach Dingen, die Gott in Seiner Weisheit ihnen zu versagen für gut findet, und durch ihre Unzufriedenheit darüber, dass sie diese Dinge nicht erlangen, setzen sie sich in unmittelbaren Widerspruch mit Gottes Willen. Solchen möchte ich in Liebe, aber doch auch mit Nachdruck zurufen: Nimm gerade das, was dein Vater dir sendet! Mag dein Weg auch schmerzlich und einsam sein, mag Gott dich dazu berufen, dein Kreuz allein zu tragen, anscheinend ganz verlassen einen steilen Berggipfel zu erklimmen, während die grünen Weiden und stillen Wasser im Tale hinter dir zurückbleiben: Nimm gerade, was dein Vater dir sendet!
Er sendet— es in Liebe und in Weisheit. Nimm es an, murre nicht und ermatte nicht auf dem Wege! Die Wüstenwanderung führte die Israeliten in ein schönes Land, in ein Land, das von Milch und Honig
floss. Dieselbe Erfahrung wirst du machen. Ja, gerade in der Wüste, da wo die dunkelsten Schatten lagern, wirst du des Herrn Stimme hören wie nirgendwo sonst. Du wirst finden, das; Er die Schatten in helles Licht umzuwandeln und dir eine Ruhe zu geben vermag, die süßer ist als die stillen Abendstunden nach der Arbeit und Last des Tages, eine Ruhe, die du bisher nicht gekannt hast, und die gerade darin liegt, dass du Seinen vollkommenen Willen geduldig annimmst. Der Herr hat nicht solche Worte für Freudentage, wie Er sie hat für Tage des Leibes und Druckes. Er kann dir nie ein reicheres Maß von geistlicher Stärkung und Hilfe zufließen lassen, als wenn alle irdischen Kanäle verstopft zu sein scheinen. Gerade dann lernst du den Herrn kennen als deinen besten, deinen treusten Freund in einer Weise wie nie zuvor. Mag der Weg auch lang, steil und dunkel sein, Er ist bei dir, Sein Stecken und Sein Stab trösten dich. Selbst im Tale des Todesschattens hast du nichts Übles zu fürchten.
Ein gläubiger Arzt, der selbst durch tiefes Leiden in die Herrlichkeit eingegangen ist, erzählt von einem
Manne, der an tuberkuloser Erkrankung der Wirbelsäule litt. Der abgemagerte Körper des Kranken war gekrümmt und an einzelnen Stellen durchgelegen. Heftige Schmerzen quälten ihn fast unaufhörlich. Die Nächte brachten ihm selten Schlaf· Wenn er nun so in der Stille der Nacht auf seinem Schmerzenslager lag, pflegte er über den einen oder anderen Bibelspruch nachzudenken. Der Inhalt wurde seinem Herzen dann so wertvoll und kostbar, dass er Schmerzen und Schlaflosigkeit darüber vergaß. Trotz seiner schweren Leiden sah man ihn nie anders als glücklich. Besuchte man ihn, in dem Gedanken, ihn zu trösten, so konnte man sicher sein, dass man mehr Trost und Ermunterung empfing, als man bringen konnte. Dieses friedliche Glück hielt stand bis zu seinem Tode. Mein lieber Mitpilger, bist auch du bereit, in stillem Vertrauen den Weg zu gehen, den der Herr dich führt? Oder bist du Ihm widerspenstig auf dem Pfade, den Er dich gehen heißt? Vergiss nicht, dass Er
ein eifriger Gott ist, der Seine Ehre aufrecht gehalten wissen will, und der dein ganzes ungeteiltes Vertrauen begehrt. O werde still dem Herrn und traue Ihm nur Gutes zu! Hüte dich davor, Ihn um Dinge zu bitten, betreffs deren du in deinem Innern nicht überzeugt bist, dass sie Seinem Willen für dich entsprechen Mache Ihm in deinem Mangel an kindlichem Vertrauen nicht Vorschriften, die Ihn vielleicht zwingen könnten, dich deine eigenen Wege gehen zu lassen, die dir nur Schmerzen und große Verluste eintragen würden! Du bist Sein geliebtes Kind, für das Er einen unendlich kostbaren Preis bezahlt hat. Darum vertraue Ihm bedingungslos! Er wird dir sicherlich kein Gutes vorenthalten, sondern nur das, wodurch du Schaden leiden könntest. 
Warte auf Gott von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, mag deine Verlegenheit, Versuchung oder Not sein wie sie will! Er wünscht nicht, dass man Ihm Vorschriften Mache, aber Er liebt den Hilferuf des Glaubens. Sei nicht niedergeschlagen, denke auch nicht daran, wie gebunden und kraftlos du bist. Du brauchst ja keine eigene Kraft. Unternimm es nur nicht, für dich selbst -zu planen oder gar eigenmächtig zu handeln. Übergib Ihm alles! Traue es Seiner Liebe und Weisheit zu, dass Er alle Dinge, hörst du? Alle Dinge, zu deinem Guten mitwirken lassen wird! 
Dann wird dir geschehen nach deinem Glauben.

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Die Throne zum Gericht

Bibelstelle: Psalm 122,5

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 54ff

Der 122. Psalm ist zweifellos von dem Geiste Gottes eingegeben worden zum Nutzen und Segen der nach Jerusalem zur Feier der Jahresfeste wallenden Israeliten; aber er passte auch für den aus der babylonischen Gefangenschaft heimkehrenden Überrest, der im Psalm vorher Gottes Fürsorge für ihn auf der Reise besingt und jetzt seine Rückkehr zum Hause und zur Stadt Gottes im Voraus genießt. Beide Psalmen gehören zu den sogenannten „Stufenliedern“. Wir können sie heute lesen als eine Beschreibung der Gefühle einer erneuerten Seele, die nach dem Jerusalem droben ihre Blicke erhebt und ihrem Verlangen nach dem Himmel Ausdruck gibt. Das Vaterhaus, die Stätte Seiner Ruhe und Seiner Anbetung in vollendeter Heiligkeit und nie mehr gestörter Freude, das ist das Ziel, nach dem wir ausschauen. 
Der Psalmist beschreibt in lieblicher Weise die Stadt Gottes als die Stadt des Friedens, als den Ort, wo Gott Seines Namens Gedächtnis gestiftet hatte, den Mittelpunkt der Anbetung und der feierlichen Festversammlungen Israels, aber auch als den Sitz Seiner gerechten Regierung. „Denn daselbst stehen die Throne zum Gericht, die Throne des Hauses Davids Dem Hause und Volke Gottes geziemt Heiligkeit »auf immerdar. Das Wort Gottes, so süß und lieblich es einerseits ist, bewahrt stets seine mehr als zweischneidige Schärfe.
Das Ziel unserer Sehnsucht, das Ende unserer Reise ist, wie gesagt, der Himmel, das Vaterhaus droben. Aber schon hier aus Erden dürfen wir einen Vorgeschmack genießen von dem, was bald unser ewiges Teil sein wird. Gott hat eine Stätte hienieden, wo Er Seinen Namen wohnen lässt, und wo Er angebetet werden will von geliebten, gereinigten Anbetern, die Er selbst gesucht und aus dem Hause der Knechtschaft herausgeführt hat und gebracht zu der Freiheit erlöster, glücklicher Kinder. Hier werden sie an alles das erinnert, was Gott an ihnen getan hat, und dürfen ihrerseits Dessen gedenken, der einst aus dem Himmel herniederkam, um sie zu Gott zu führen. ·Und wenn schon David, durch den Geist der Prophezeiung geleitet, sagen konnte: „Ich freute mich, als sie zu mir sagten: Lasset uns zum Hause Jehovas gehen !« «-— mit wieviel tieferer, innigerer Freude sollten wir dann der Einladung unseres Herrn: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ folgen und uns da einfinden, wo Er in der Mitte der zwei oder drei zu Seinem Namen hin Versammelten sein will! Könnte es hienieden einen herrlicheren, begehrenswerteren Platz geben, als unter dem erlösten Volke Gottes, am Tische des Herrn, da wo die priesterliche Familie, mit ihrem verherrlichten Haupte in der Mitte, Gott die Opfer des Lobes darbringt, die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen? 55
Doch so wie es einst Anordnungen für den Israeliten gab, wie er nach Jerusalem kommen sollte, so werden auch wir heute eindringlich darauf hingewiesen, wie wir in der Gegenwart unseres Herrn zu erscheinen haben. In Korinth hatte man diese Anweisungen vergessen, und so musste der Apostel in seinem 1. Briefe die Versammlung ernstlich daran erinnern, von welch einer feierlichen Bedeutung das Zusammenkommen zu des Herrn Mahl an des Herrn Tisch und an des Herrn Tag ist. Man hatte »in Korinth unwürdiglich gegessen und getrunken und sich dadurch des Leibes und Blutes des Herrn schuldig gemacht. Die Folgen waren nicht ausgeblieben, denn die Stätte der Anbetung ist auch heute noch die Stätte der heiligen Regierung Gottes: viele waren erkrankt, und ein gut Teil war sogar entschlafen. Immer noch stehen neben dem Altar Gottes die Throne zum Gericht. Solang die Gläubigen in diesem Leibe wallen, gilt ihnen das kurze, aber so schwerwiegende Wort: „Ein jeder aber prüfe sich selbst, und also esse er“. Und weiter: „Denn wer unwürdiglich isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht“ (1. Kor. 11, 27 — 30).
Mancher Gläubige hat schon gefragt: Was will das sagen, „des Leibes und Blutes des Herrn schuldig Sein“? Wenn ein Christ, ein Gläubiger (denn von solchen redet der Apostel hier), an dem Abendmahl teilnimmt, als sei es ein gewöhnliches Mahl, eine tagtägliche, unwichtige Sache, also in nachlässiger, unheiliger Stimmung, ohne Selbstgericht, so begeht er damit nicht nur ein Vergehen an dem Herrn im allgemeinen Sinne, sondern er macht sich einer Beleidigung Seines Leibes und Blutes schuldig, deren Gedenkzeichen und Sinnbilder er vor sich sieht. Da wo die Fülle der Leiden Christi, die unendliche Größe der Schuld« und Not des Menschen, das tiefstmögliche Gericht über die Sünde und dabei die unermesslichen Reichtümer der göttlichen Gnade und Liebe, die allein ein solches Werk vollbringen konnten, einander begegnen, sich wie in einem Brennpunkt vereinigen und mit ihrer ganzen Größe und Wucht auf Herz und Gewissen wirken —— da, sage ich, gleichgültig und oberflächlich sein, heißt sich an dem Leibe und Blute des Herrn versündigen, was unfehlbar Gericht über den Schuldigen bringen muss. „Denn“ — vergessen wir es nicht! — „daselbst stehen die Throne zum Gericht.“
Andererseits glaube ich, dass wir dereinst im Himmel jede Stunde wiederfinden werden, die wir am Tische des Herrn „in heiligem Schmuck“ mit glücklichem Herzen zugebracht haben. Wir werden dann auch sehen, wie kostbar solche Stunden für unseren Herrn waren, und wie sie das Vaterherz Gottes erfreut haben·

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Gibt es ein Heilmittel zur Beseitigung der Trennungen unter den Gläubigen? *)

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 57ff

„Ich bin zerschlagen wegen der Zerschmetterung der Tochter meines Volkes; ich gehe trauernd einher, Entsetzen bat mich ergriffen. Ist kein Balsam in Gilead, oder kein Arzt daselbst? Denn warum ist der Tochter meines Volkes kein Verband angelegt worden?“ (Jeremia 8, 21. 22).
Die große Zerrissenheit unter den Kindern Gottes hat je und je viele aufrichtige, gläubige Herzen mit Schmerz und Trauer erfüllt und die Frage nach einem Heilmittel aufkommen lassen. Dabei ist das Bild von Jahr zu Jahr trüber geworden. Zahlreiche neue Trennungen sind entstanden. mancherlei „fremde Lehren“ haben die Herzen der Gläubigen beschwert und die Verwirrung noch größer gemacht. Ach! weIch ein schrecklicher Gegensatz liegt darin; dass solche, die sich das Volk Gottes nennen, die Kinder eines treuen Vaters im Himmel zu sein bekennen, auf dieser Erde in fast unzählige kleinere oder größere Kreise zersplittert erscheinen, teils uneins untereinander, teils sich sogar feindlich gegenüberstehend. Die Schar, welche einst einmütig beisammen war, hat sich in scharf voneinander getrennte Parteien aufgelöst. Das herrliche Zeugnis von dem einen Leibe, der an jenem denkwürdigen
Pfingsttage durch die Ausgießung des Heiligen Geistes gebildet wurde, ist dahin, diese liebliche Einheit ist nicht mehr zu sehen.
Satans List hat sie zerstöret,
Sünd und Welt manch Herz betöret.
O wie sehr wirst du entehret!
Herr Jesus, komm! 
Will Gott, dass die durch das kostbare Blut Seines eingeborenen, vielgeliebten Sohnes erkaufte Schar also vor den Augen der Welt dastehe, dass sie ein solches Bild gebe den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern, denen Gott Seine gar mannigfaltige Weisheit gerade durch die Versammlung oder Gemeinde kundtun will? (Epheser 3, 10.) Gibt es in all dem Wirrwarr keinen Gott wohlgefälligen Ausweg? Hat Gott in unseren Tagen keinen Weg der Rückkehr, wie einst für Sein irdisches Volk Israel? Ich antworte, und viele werden mit mir einstimmen: Gott sei gepriesen, doch! Da ist ein schmaler Pfad von Gott selbst in Seinem ewig bestehenden, kostbaren Worte vorgesehen, auf den, wenn auch nicht alle ihn erkennen und manche ihn nicht betreten wollen, der Einzelne seinen Fuß setzen darf, um in Einfalt und Demut glücklichen Herzens die Wüste zu durchschreiten. Es ist, so seltsam es erscheinen, und so widerspruchsvoll es im ersten Augenblick klingen mag, der Pfad der Absonderung — der Absonderung sowohl von sittlich Bösem, als auch von all den Irrtümern und gutgemeinten Einrichtungen der Menschen, der Pfad der Rückkehr zu dem, „was von Anfang war“. Immer wieder ermahnt Johannes, der letzte der neutestamentlichen Schreiber, die Gläubigen, an dem festzuhalten, was sie „von Anfang gehört hatten“. Nur so konnten sie »in dem Sohne und in dem Vater bleiben“, nur so vor Irrtum und Lüge bewahrt werden. 
Wenn ich nun über diese Wahrheit« einige Gedanken mitteile, so geschieht es nicht deshalb, weil über den so heiß umstrittenen Gegenstand nicht schon genug geschrieben worden wäre, auch nicht um eine umfassende Darlegung der vielen, mit dieser Wahrheit verbundene Punkte zu geben, noch schließlich in dem Bewusstsein, hierzu besonders geschickt zu sein; nein, ich tue es einerseits, um denen, die diesen Weg bisher gegangen, aber vielleicht nicht völlig darin befestigt sind, weil sie die Wahrheit nicht persönlich erkämpft und errungen haben, noch· einmal die Hauptmomente vorzustellen, und andererseits, um solchen, die nach Wahrheit suchen, mit Gottes Hilfe als Wegweiser zu dienen. Gleichzeitig möchte ich einige der am häufigsten gegen diese Stellung vorgebrachten Einwände an der Hand des Wortes Gottes auf ihre Stichhaltigkeit und Berechtigung hin untersuchen. Ich bitte daher, in diesen Zeilen nicht etwa eine Streitschrift zu erblicken. Ich hoffe vielmehr, dass der Leser den Eindruck gewinnen wird, dass es dem Schreiber mit dem angegebenen Zweck ernst gemeint gewesen ist. Möge der Herr diese erneute, schwache Bemühung zur Ausbreitung und Befestigung der kostbaren Wahrheit unter Seiner teuer erkauften Herde segnen! 
Bevor wir uns indes mit den einzelnen Fragen näher beschäftigen, mag es gut sein, daran zu erinnern, dass der Herr Jesus in Joh. 16, 13 den Heiligen Geist als den ,,Geist der Wahrheit« bezeichnet, der die Jünger in die ganze Wahrheit leiten würde. Er selbst konnte ihnen vieles nicht mitteilen, weil sie noch nicht imstande waren, es zu fassen. Das Wort des Herrn ist in Erfüllung gegangen. In den durch den Heiligen Geist eingegebenen Schriften des Neuen Testamentes ist die ganze Wahrheit enthüllt worden, vor allem in den Briefen des Apostels Paulus. Jeder einzelne der göttlich inspirierten Schreiber hat freilich nur stückweise prophezeit, d. h. jeder in dem Maße, wie Gott ihn für Seinen Zweck zubereitet hatte. Aber durch die von dem Heiligen Geiste bewirkte oder unter Seiner Leitung entstandene Zusammenstellung der einzelnen Schriften ist die ganze Wahrheit in einem abgeschlossenen Ganzen ein für allemal in dem in unseren Händen befindlichen „Worte Gottes“ niedergelegt. Nichts wird mehr hinzukommen. Es ist vollendet worden durch die Offenbarung des von den Zeitaltern her verborgenen Geheimnisses an den Apostel Paulus. Dieses Geheimnis ist: „Christus und die Versammlung (Gemeinde)“, oder: „Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Vergl. Eph. 5, 32; Kot. 1, 24 — 29).
Wenn dies unwiderruflich feststeht, so ist es andererseits eine bekannte Tatsache, dass wir mit dem Erfassen und Verstehen dieser Wahrheit weit, weit hinter dem Erschöpfen der Fülle und Herrlichkeit derselben zurückbleiben. Eine vollkommene Erkenntnis ist ja überhaupt ausgeschlossen, solang wir uns noch in diesem Leibe der Schwachheit befinden. Er wird stets ein Hindernis bilden, wie weit auch manche Gläubige in die Gedanken und Ratschlüsse Gottes· hineinschauen mögen. Der Apostel Paulus, der an Erkenntnis und christlicher Tugend unbestritten einzig dasteht, schreibt den Korinthern: „Denn wir erkennen stückweise, und wir prophezeien stückweise; wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist," weggetan werden . . . Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin“ (1. Korinther 13, 9ff.).
Wenn also jeder einzelne der inspirierten Schreiber eine seiner eigentümlichen Berufung entsprechende Seite der Wahrheit behandelt, uns sozusagen nur ein Stück davon vor Augen stellt, alle, von ein und demselben Geist eingegebenen Schriften zusammengenommen aber das ganze wunderbare Wort Gottes ausmachen, so ist es einleuchtend, dass man den einzelnen Vers im Zusammenhang mit dem betreffenden Kapitel, das Kapitel mit dem Buch und das Buch mit den anderen Büchern, beziehungsweise mit dem ganzen Wort, erforschen und betrachten muss, um die Gedanken Gottes und deren Tragweite einigermaßen zu erkennen. Das Nichtbeachten dieser Regel hat schon zu den verhängnisvollsten Irrtümern geführt. Selbstverständlich kann uns ein einziger Vers, sogar nur ein einzelnes Wort ermuntern und erquicken, denn es ist Geist und Leben darin. Wenn ich aber den Ratschlüssen und Offenbarungen des Willens Gottes nachspüren will, so ist es eine unerlässliche Bedingung, das Wort in seinem ganzen Umfang zu benutzen. Selbst dann wird alles Verstehen unvollkommen bleiben, aber nichtsdestoweniger ist es die einzige Möglichkeit, um in Abhängigkeit von dem Herrn und unter der Leitung des Heiligen Geistes den richtigen Weg zu erkennen und zu gehen. 
Wenn der Herr einst die Jünger auf dem Wege nach Emmaus mit den Worten tadelte: „O ihr Unverständigen und trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben!“ und zu den Zwölfen in Mark. 4, 13 sagte: „Fasset ihr dieses Gleichnis nicht? und wie werdet ihr all die Gleichnisse verstehen?“ so gibt es mancherlei Gründe, ihr mangelhaftes Verständnis zu entschuldigen. Der wichtigste ist wohl der, dass das Werk damals noch nicht vollbracht war, und die Jünger den Geist der Sohnschaft noch nicht empfangen hatten, „denn der Geist war noch nicht, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war“ (Joh. 7, 39). Die Erfüllung der Verheißung des Vaters bezüglich der Sendung des Heiligen Geistes hing ja ab von der Rückkehr des Herrn nach vollbrachtem Opfer in den Himmel. Erst nachdem Er dort verherrlicht und Sein Werk so gekrönt war, wurden die Jünger angetan mit „Kraft aus der Höhe“, erst dann befähigt, die ganze Wahrheit zu verstehen. 
Für uns aber gibt es keine Entschuldigung. Wir „sind versiegelt worden mit dem Heiligen Geiste der Verheißung“ (Eph. 1, 13) und besitzen die ganze Offenbarung der Gedanken und Ratschlüsse Gottes in Seinem Worte, und doch sind wir oft fast noch unverständiger und trägeren Herzens, als seiner Zeit die beiden Emmausjünger. Ich wiederhole: Für uns gibt es keine Entschuldigung, wenn wir so wenig in den Spuren des göttlichen Zeugnisses wandeln. Gott wolle in Seiner großen Gnade geben, dass wir in diesen letzten und ernsten Tagen wieder lernen möchten, Sein kostbares Wort wirklich zu lesen, es zu essen, wie Jeremias sagt: „Deine Worte waren vorhanden, und ich habe sie gegessen, und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens“ (Jer. 15, 16). Sind nicht Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit viel, ja sehr viel schuld an so manchen Unklarheiten und Missverständnissen bei uns persönlich und im Verkehr miteinander? O dass der Geist dieser Welt, die Luft, die uns umgibt, einen so großen Einfluss auf uns ausgeübt hat! Wie wenig Tiefe wird heute im allgemeinen unter den Gläubigen gesunden! Man möchte zwar gern alles wissen, aber man lernt das Wenigste gründlich. Auch das Jagen nach irdischen Dingen beeinflusst neben den Sorgen des Lebens und dem Druck unserer Tage vielfach die wahren Christen so, dass sie zu einem ruhigen, ernsten, persönlichen Forschen in dem Worte Gottes kaum noch Zeit finden. Wenn wir aber diese Gefahr erkennen, so sollten wir vor ihr auf der Hut sein und dem Feinde widerstehen· Satan, dem heute noch „alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit gehören“, möchte die Schätze, die er zu vergeben hat, vor allem denen begehrlich machen, welche hier kein Bürgerrecht zu haben bekennen.
Wenn jemals, so ist heute die Ermahnung des Apostels am Platze: „Und dieses noch: Die Zeit erkennend, dass die Stunde schon da ist, dass wir aus dem Schlafe aufwachen sollen; denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben: Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anziehen!“ (Röm. 13, 11. 12). Oder die andere: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“ (Eph. 5, 14).
Behandeln wir nach dieser kurzen Einleitung zunächst die Frage:
1. Wie stand es im Anfang um die äußere Darstellung der Einheit?
Dass es von jeher in Gottes Absicht gelegen hat, das Bild eines einheitlichen Ganzen vor die Augen der Menschen hinzustellen, geht schon aus den Worten hervor, die wir in Joh. 11, 51. 52 lesen: „Dies aber sagte er (Kajaphas) nicht aus sich selbst, sondern da er jenes Jahr Hoherpriester war, weissagte er, dass Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht für die Nation allein, sondern auf dass Er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“. Das Gleiche beweisen die wiederholten Bitten des Herrn in Seiner letzten Unterredung mit dem Vater, dass die Seinigen eins sein möchten, eins in Ihm und dem Vater. Wir wissen, dass dereinst, bei der Erscheinung des Herrn mit den Seinige in Herrlichkeit, diese Einheit in ihrer Vollendung gesehen werden wird, damit die Welt erkenne, dass der Vater Ihn gesandt und sie geliebt hat, gleichwie Er Ihn geliebt hat (Joh. 17, 23). Aber Gottes Wille ist, dass Seine Kirche oder Gemeinde heute schon eins sei, nicht nur innerlich, d. h. in ihren Gefühlen, Interessen und Zielen, sondern auch in einem äußeren Zeugnis, so dass an jedem Orte, wo sich wahre Gläubige befinden, und im allgemeinen auf der ganzen Erde die Einheit des einen Leibes praktisch vor den Menschen dargestellt und von ihnen gesehen werde. Neben dem persönlichen Zeugnis in heiligem Wandel, für das jeder Gläubige da, wo Gott ihn hingestellt hat, verantwortlich ist, gibt es ein gemeinsames Zeugnis der Glieder der Familie Gottes, des Leibes Christi, für das wir ebenfalls eine Verantwortlichkeit tragen, der wir uns nicht entziehen können. „Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden“ (1. Korinther 12, 13). 
Ich möchte jedoch nicht länger verweilen bei dieser grundlegenden Wahrheit von dem einen Leibe, dessen verherrlichtes Haupt, Christus, droben weilt, — es ist schon wiederholt in ausführlicher Weise geschehen **) — sondern die Frage untersuchen, ob es· wirklich eine Zeit gegeben hat, in welcher diese Einheit nach Gottes Gedanken auf Erden zur Darstellung gekommen ist. Zur Prüfung dieser Frage müssen wir uns zu dem Anfang der Apostelgeschichte wenden. Dort lesen wir von den auf die Verheißung des Vaters wartenden Gläubigen: „Diese alle verharrten einmütig im Gebet“ (Kap, 1, 14). „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, warten sie alle an einem Orte beisammen“ (Kap. 2, 1.) Nachdem dann der Heilige Geist über sie ausgegossen war, heißt es: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten“ (Vers 42) 
Aus diesen Stellen geht klar hervor, dass· in jenen Tagen ein einmütiges Zeugnis« vor den Blicken der
Menschen dastand. Am Ende des 2. Kapitels berichtet Lukas: „Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten, . . . lobten sie Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volke. Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung (Gemeinde) — die also als solche bekannt war — hinzu“; und im 5. Kapitel: „Und sie waren alle einmütig in der Säulenhalle Salomons. Von den übrigen aber wagte keiner sich ihnen anzuschließen« (V. 13) —— der Unterschied und die Absonderung zwischen den Gläubigen und den übrigen wurde klar gesehen. Und damit niemand denke, dass dieses einmütige Zeugnis nur für die Zeit der ersten Kraft bestimmt oder möglich gewesen sei, möchte ich auf eine Stelle im 1. Korintherbrief hinweisen, wo der Apostel sagt: „Wenn nun die ganze Versammlung an einem Orte zusammenkommt, . . . und es kommen Unkundige oder Ungläubige herein u. s. w.“ (Kap. 14, 23). Gerade das einmütige Zeugnis sollte den Sünder überführen, das Verborgene seines Herzens offenbar machen, sodass er, auf sein Angesicht fallend, Gott anbeten und verkündigen würde, dass Gott wirklich unter den Versammelten war (V. 24. 25). Auch in 1. Kor. 11, 20 ist — von dem Zusammenkommen an einem Orte zum Brotbrechen die Rede. Auch in Apstgsch. 14, 27 und 15, 22 lesen wir von dem Zusammenkommen der, d. h. der ganzen Versammlung eines Ortes. Und erinnert schließlich das den Sünder überführende Zeugnis der ganzen Versammlung nicht lebhaft an die Worte des Herrn Jesus in Joh. 17, 20. 21: „Nicht für diese allein (Seine damaligen Jünger) bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben; aus dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, auf dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“.
Man wendet zwar immer wieder ein, dass es sich hier um eine geistige, Unsichtbare Einheit handle, die immer unter den wahren Gliedern des Leibes Christi bestehen werde. Doch die Worte des Herrn: „auf dass die Weltglaube, dass du mich gesandt hast,“ und die Ausführungen des Apostels in 1. Kor. 14, 23 ff. widerlegen diesen Einwand auf das Bestimmteste· Für eine Welt, welche nur glaubt, was sie sieht, ist eine unsichtbare Einheit ohne jede Beweiskraft. Man vergisst zugleich auch, dass der Herr im 11. Verse von Joh. 17 von dieser inneren Einheit redet, wenn Er sagt: „Heiliger Vater! bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, gleich wie wir“. Gleichwie Vater und Sohn eins sind in Natur, Geist und Gesinnung, so sollen (und werden) auch die im Namen des heiligen Vaters bewahrten Gläubigen ein Herz und eine Seele sein. Nachher, in den Versen 21 und 23, handelt es sich um eine Art der Einheit, die von außen gesehen und erkannt werden kann.
Gott hat Seine Kinder zu gemeinschaftlichem Mahl, gemeinschaftlicher Anbetung, gemeinschaftlicher Erbauung und gemeinschaftlichem Zeugnis berufen. Wie könnte es auch anders sein? Denn „da ist ein Leib und ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“ (Eph. 4, 4 ff.). Sollten da nicht alle Gläubigen auch heute noch sich befleißigen, die „Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens“? Sollte man bei einer solchen Offenbarung der Ratschlüsse und des Willens Gottes in Spaltungen und Trennungen leben, sich gegenseitig beneidend oder» gar befehdend? Unser aller Antwort wird sein: Wahrlich nicht! Aber dann möchte ich fragen: Haben wir auch alle die Folgerungen aus dieser Antwort gezogen, und ziehen wir sie? Dieser überaus wichtigen Frage sollte keiner von uns ausweichen. 
Vor Jahrzehnten haben sich in verschiedenen Ländern Gläubige, die heute nahezu alle beim Herrn sind, mit diesen Dingen unter Selbstgericht und ernstem Gebet und Flehen zu Gott beschäftigt. Gott hat ihnen in Seiner großen Gnade und Treue geantwortet und klar gemacht, dass diese Einheit in der altehrwürdigen römischen Kirche, die, wie wir alle wissen, Anspruch darauf macht, sie darzustellen, (aber es nur in einer rein menschlichen, fleischlichen Weise tut) nicht zu finden ist. Ebenso wenig in den protestantischeu Kirchen, noch in den von diesen abgesonderten protestantischen oder evangelischen Gemeinschaften. Denn diese, welchen Namen sie auch tragen, und so verschiedenartig sie gebildet sein mögen, gründen sich doch alle mehr oder weniger auf den Namen und die persönlichen Ansichten einzelner Führer, die anfänglich vielleicht selbst nicht daran dachten, eine neue Kirche zu gründen, deren Anhänger oder Nachfolger aber in diesen Fehler fielen. Wohin jene Gläubigen auch blicken mochten, überall gewahrten sie in schärferer oder milderer Form dasselbe traurige Bild von Zerrissenheit, Uneinigkeit und teils sogar groben Irrlehren· Die so hochbegnadigte Christenheit lag wie ein Trümmerhaufen vor ihren Augen.
Tiefer Schmerz erfüllte sie dieserhalb. Aber was sollten sie tun? Sollten sie sich in das Unvermeidliche schicken und ein jeder in der als irrig und nicht nach den Gedanken Gottes erkannten Verbindung bleiben? Sie haben im Aufblick zum Herrn, dessen Treue für die Seinen nie wankt, und der gestern und heute und in Ewigkeit derselbe ist, mit einem entschiedenen „Nein“ geantwortet; denn Gott hatte ihnen, in gnädiger Beantwortung ihres heißen Flehens, den Weg aus diesem Wirrwarr gezeigt. Es war, wie wir bereits andeuteten, die Rückkehr zu Seinem Wort und zu dem, was von Anfang war. In ganz kleinen Häuflein, teils nur zu zweien oder dreien, haben sie sich, gestützt und ermuntert durch das Wort des Herrn in Matth. 18, 20: „Wo zwei oder drei versammelt sind zu meinem Namen hin, da bin ich in ihrer Mitte“, um ihren geliebten Herrn geschart. 
Auf diesem Wege haben sie ausgeharrt, trotz aller Feindschaft von Seiten der Welt und leider auch mancher Gläubigen. Auf diesem Wege sind sie glücklich gewesen, haben den Segen des Herrn in überströmender Weise genossen. Auf diesem Boden sich zusammenfindend, haben sie angefangen, das Brot miteinander zu brechen, dem Herrn gemeinsam Anbetung darzubringen und Ihm in Demut und Abhängigkeit zu dienen. Sie haben, wie einst der kleine, aus der Gefangenschaft in Babel zurückgekehrte Überrest, den Altar Gottes wieder aufgerichtet an seiner Stätte, indem sie sich einfältig, wie jene, unter den Schutz des Herrn stellten (Vergl. Esra 3, 3). Sie haben gebetet für alle Kinder Gottes, denn sie erkannten alle als Glieder des Leibes Christi an. Sie wollten nichts anderes, als nach ihrer Überzeugung handeln und das Bedürfnis ihrer Seele auf Grund des Wortes Gottes befriedigen.
Dass ihr Vorbild so weit führen würde, dass bald Tausende und aber Tausende in allen Erdteilen, wenn auch in großer Schwachheit, denselben Boden betreten würden, daran haben sie nicht im entferntesten gedacht, das konnten sie gar nicht erwarten. Was sie erwarteten, war die baldige Wiederkunft ihres Herrn. Davon zeugen ihre Schriften und viele herrliche Lieder, die von ihnen gedichtet wurden und uns heute noch erfreuen, ja, vielfach mit Beschämung erfüllen, wenn wir erkennen, wie schwach die Sehnsucht nach dieser Ankunft in unseren Herzen heute oft lebt. Wo ist jener Ernst geblieben, jene Freude und jener Eifer für den Herrn und Seine Sache, die unsere Eltern und Großeltern an den Tag gelegt haben? Wo ist ihr Glaube und ihr Vertrauen heute zu finden? Nicht möchte ich hier der Vergangenheit als solcher ein Loblied singen, auch nicht Menschen rühmen, denn aller Ruhm gebührt ewig Gott allein, aber es ist meine tiefe Überzeugung, dass es anders unter uns aussehen würde, wenn wir ihrem Beispiel mit mehr persönlicher Treue und Hingebung gefolgt wären, wenn wir, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ihren Glauben besser nachgeahmt hätten. 
Doch unsere Untreue, so folgenschwer und betrübend sie ist, ändert nichts an den Grundsätzen Gottes· Er bleibt sich selbst und Seinem Worte treu, Er kann sich nicht verleugnen. Es ist ohne alle Frage tief demütigend, wenn der heutige Stand der Dinge in vielen Fällen in einen traurigen Gegensatz zu der Wahrheit von der Einheit der Kinder Gottes getreten ist; aber es ist kein Beweis dafür, wie es manche darstellen wollen, dass jene Gläubigen sich geirrt hätten und wir uns nicht mehr in der Weise der ersten Christen versammeln und dieser Einheit Ausdruck geben könnten, sondern uns irgend einer Partei anschließen müssten. Die Tatsache des traurigen Verfalls innerhalb der Christenheit wie auch unsere eigene Untreue beweisen nur, dass alles, was dem Menschen je und je anvertraut worden ist, von ihm immer wieder verdorben wurde — ganz gleich ob es sich um Adam im Paradiese handelt, um Noah auf der aus dem Gericht gereinigt hervorgegangenen Erde, um Israel als Träger des Zeugnisses Gottes unter den Nationen, um das Gesetz und das Priestertum, um Salomon als vorbildlichen König des Friedens, um Nebukadnezar als das Haupt der Nationen, oder endlich um die Christen in der neuen Haushaltung. Die erste Tat des Menschen hat, unter der Leitung Satans, immer wieder darin bestanden, das zu verderben, was Gott gut eingerichtet hatte.

Fußnoten:
*) Von einem jüngeren Bruders vornehmlich für seine Altersgenossen geschrieben. Der Herr segne die einfachen, klaren Ausführungen an vielen Herzen!
**) Vergl. Die Versammlung des lebendigen Gottes. — Christus, der Mittelpunkt. – „Auf dass sie alle eins seien“.

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Judas

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 72ff

Unter den Berichten der Evangelisten aus dem Leben des Herrn Jesus gibt es wohl nichts Kostbareres, nichts Herzbewegenderes, als das was sie uns von den letzten Stunden erzählen, die unser Herr und Heiland in der Mitte der Seinigen zubrachte. Vor allem ist es Johannes, der uns einen eingehenden Bericht über diese Stunden gibt- Sicherlich hat der Jünger, den Jesus liebte, besondere Eindrücke von den Vorgängen in diesen Tagen empfangen. Auch die anderen Evangelisten berichten« ja interessante Einzelheiten, aber Johannes allein räumt den Abschiedsworten des Herrn an die Seinigen volle fünf Kapitel ein.
Die Abschiedsworte des Herrn! Wir alle sind wohl einig in der Überzeugung, dass die letzten Wünsche von solchen, die wir lieben, und die im Begriff stehen, uns zu verlassen, besondere Beachtung verdienen. Gewiss nehmen wir auch gern die Ratschläge einer von uns wertgeachteten Persönlichkeit an, solang sie in der Kraft des« Lebens unter uns weilt. Wenn sie aber dem Ende nahe ist, so achten wir mit doppelter Aufmerksamkeit, ja, Ehrerbietung aus das Letzte, was sie uns zu sagen hat.
So können wir auch nur mit Gefühlen tiefster Ehrerbietung den Worten unseres teuren Herrn lauschen, die Er in der letzten Nacht Seines Lebens hienieden an die Seinigen richtete. Ich brauche nicht zu sagen, dass wir dadurch in keiner Weise das Ansehen und die Kraft anderer Worte herabsetzen, die Er uns hinterlassen hat. Sie alle haben ja den gleichen Wert und bringen uns den gleichen Segen, aber dennoch dürfen wir Seine letzten Reden in den erwähnten Kapiteln insofern besonders bewerten, als Sein Tod da unmittelbar bevorstand. 
Die Art und Weise, wie der Herr im 13. Kapitel dieses Evangeliums Judas behandelt, ist ebenso ergreifend wie feierlich. Nachdem Judas hinausgegangen ist, beginnt dann jene wunderbare Unterredung voll warmer Zuneigung und Vertraulichkeit, in welcher der Herr den Jüngern Sein ganzes Herz öffnete, und die, so dürfen wir gewiss sagen, unmöglich hätte stattfinden können, solang der Verräter noch in ihrer Mitte weilte. 
Schwer ist es, sich einen richtigen Begriff von den Gefühlen zu machen, die das Herz unseres Heilandes bewegt haben mögen, als Er den berief, der Ihn überliefern sollte, und auch weiterhin während der ganzen Zeit, die Er ihn in Seiner «Gesellschaft dulden musste. Der Geist der Prophezeiung in den Psalmen lässt uns Blicke tun in das, was den vollkommenen Menschen bewegte angesichts der Verworfenheit" des Mannes, der Ihm Böses für Gutes erwies, und Hass für Seine Liebe. (Ps. 109, 5.) ,,Denn nicht ein Feind ist es, der mich höhnt«, hören wir Ihn klagen, „sonst würde ich es ertragen; nicht mein Hasser ist es, der wider mich groß getan hat, sonst würde ich mich vor ihm verbergen; sondern du, ein Mensch meines Gleichen, mein Freund und mein Vertrauter“ (Ps. 55, 12. 13). 
Im Neuen Testament brechen die Gefühle des Herrn in Bezug auf Judas sich einmal Bahn in einer plötzlichen und feierlichen Kundgebung. Jesus hatte die Wahrheit von dem Zustand des Todes vorgestellt, in welchem der Mensch von Natur sich befindet, sowie die Notwendigkeit, das Fleisch des Sohnes des Menschen zu essen und Sein Blut zu trinken (d. h. die Notwendigkeit, wenn man anders Leben in sich selbst haben will, sich durch den Glauben einen gestorbenen Christus anzueignen), und diese Mitteilungen hatten viele von Seinen Jüngern dahin gebracht, sieh von Ihm zu trennen. »Diese Rede ist hart«, sagten sie, ,,wer kann sie· hören? · . . Von da an gingen viele Seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit Ihm“ (Joh. 6, 60. 66.) Und als der Herr sich darauf an die Zwölfe wandte mit den Worten: „Wollt ihr etwa auch weggehen?“ antwortete Simon Petrus: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens“ (V. 67. 68). 
Damit war der Augenblick für den Herrn gekommen, um vor Seinen Jüngern einen Anlass unsäglichen inneren Leidens zu enthüllen mit den Worten: „Habe ich nicht euch, die Zwölfe, auserwählt? Und von euch ist einer ein Teufel“, d. h. ein „falscher Ankläger“. Mit Trauer blickte Er hin auf die, die sich von Ihm zurückzogen und der Wahrheit widerstanden. Er sah in ihrem Tun, wie sie Gott hassten und nur ihr Eigenes suchten — Dinge, die einen aus ihrer Mitte, den Er selbst -zu Seiner Nachfolge berufen hatte, verleiten würden, Ihn um den Kaufpreis eines Sklaven zu verraten. Wie erschütternd ernst ist die Tatsache, dass das Herz des Menschen, wenn es einmal die Wahrheit zurückgewiesen hat, gar bald dahin kommt, ihr zu widerstehen! Dieser Widerstand gegen die Wahrheit musste schließlich dahin führen, Den, welcher der persönliche Ausdruck derselben ist, den Händen Seiner Feinde auszuliefern, Ihn „durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz zu heften und umzubringen“ (Vergl. Apstgsch. 2, 23). Wie war doch das Wort: „Von euch ist einer ein Teufel“ (vergl. Kap. 6, 70 mit 13, 21) geeignet, die Jünger zum Nachdenken und zur Beugung zu bringen!
Der Augenblick, wo der Zustand des Judas ganz offenbar werden musste, nahte heran. Er war als einer der Zwölfe auserwählt worden, und er hatte als solcher Gewalt empfangen, „jede Krankheit und jedes Gebrechen zu heilen“ (Matth. 10, 1.) Noch mehr, er gehörte zu dem engen Kreise derer, welche die Gnade des Herrn in Wahrheit erreicht hatte, und die eine innigere Gemeinschaft mit Ihm genossen als andere. Aber sein Herz war durch Geldliebe verhärtet und so dem Wirken des Wortes verschlossen worden. Schließlich musste alles ans Tageslicht kommen. Das bezweckte schon das Tun Jesu mit diesem unglücklichen Manne während des letzten Passahfestes. Aber der Herr ließ es dabei nicht bewenden. Wenn wir das 13. Kapitel des Evangeliums Johannes, das uns den eingehendsten Bericht über diese Vorgänge bringt, aufmerksam lesen, so erkennen wir in den Worten und Handlungen des Herrn eine zarte und letzte Berufung an das Gewissen des Verräters. Wäre das Herz dieses Menschen nicht völlig verhärtet gewesen, wie oft hätte er sich im Laufe der Jahre verurteilt und gedemütigt fühlen müssen angesichts der Liebe und unermüdlichen, selbstlosen Fürsorge des Herrn, wie oft hätte er ergriffen werden müssen von der alles durchdringenden Kraft Seiner Worte! Ist es nicht schier unbegreiflich, dass sein trauriger Zustand ihm nicht zum Bewusstsein kam, wenn er Worte vernahm wie diese: „Sehet zu und hütet euch vor aller Habsucht!“? (Luk. 12, 15). Oder wenn er später in Bethanien den Verlust der Salbe rügte, die Maria über das Haupt Jesu ausgegossen hatte, sollte man- nicht meinen, tiefe Beschämung hätte sein habgieriges Herz ergreifen
müssen, wenn er die Antwort erhielt: „Die Armen habt ihr allezeit bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen wohltun; mich aber habt ihr nicht allezeit“? (Mark. 14, 7). 
Als endlich der Augenblick kam, wo der Weg des Judas sich scheiden musste von dem des Herrn, da geschah es, wie man wohl sagen darf, nicht ohne einen schmerzlichen Kampf für den Herrn. Auf Seinen Befehl hatten die Jünger das Passah bereitet und sich mit Ihm zu Tische gelegt. Das gab Anlass zu den bekannten Worten, in welchen Seine Liebe zu ihnen in solch ergreifender Weise zum Ausdruck kam: „Mit Sehnsucht habe ich mich gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide“ (Luk. 22, 15). Während des Abendessens teilte der Herr ihnen dann die erschütternde Wahrheit mit: „Einer von euch wird mich überliefern“ (Matth. 26, 21; Joh. 13, 21.) Tiefe Traurigkeit befällt daraufhin ihre Herzen, und Simon Petrus gibt Johannes ein Zeichen, „damit er forschen möchte, wer es wohl wäre“, der sich eines solchen Verbrechens schuldig machen könne. „Jesus antwortete: Jener ist es, welchem ich den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde· Und als Er den Bissen eingetaucht hatte, gibt Er ihn dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot“ (V. 26).
Der Zweck des Herrn war ein doppelter. Er wollte nicht nur den Verräter bezeichnen, Seine Handlungsweise sollte auch, wenn noch irgend möglich, das Herz des Judas zerbrechen. Sie bedeutete nämlich eine bekannte morgenländische Sitte, in welcher eine besondere Aufmerksamkeit und Ehrung für einen Tischgenossen lag. In dem Tun des Herrn lag also „für Judas der Beweis, dass die Liebe und die Gesinnung Jesu ihm gegenüber sich nicht verändert hatten, wie schrecklich auch die Absichten waren, die er in seinem finsteren Herzen bewegte. Hätte diese Erkenntnis nicht selbst in einem so verhärteten Menschen, wie Judas war, einen letzten heftigen Kampf wachrufen sollen? Aber nein, wir lesen: „Judas aber antwortete und sprach: Ich bin es doch nicht, Rabbi? Er spricht zu ihm: Du hast es gesagt“ (Matth. 26, 25). Die Frage bewies, dass jede Berufung an das Gewissen dieses Mannes vergeblich war. Seine Entscheidung stand fest. Das Geld der Hohenpriester hatte für diesen Menschen mehr Wert, als die Person seines Herrn und Meisters. 
In schrecklicher Weise ergreift alsdann Satan Besitz von ihm: „Und nach dem Bissen fuhr alsdann der Satan in ihn. Jesus spricht nun zu ihm: Was du tust, tue schnell“ (Joh. 13, 27.) Judas verlässt darauf den Obersaal, um das finstere Werk zu vollbringen, das er in seinem Herzen beschlossen hatte, und Johannes fügt bezeichnend hinzu: „Es war aber Nacht“. In der Tat, aus dieser Seele war· jeder Lichtschimmer geschwunden, und das Wort des Herrn, das Er bei einer früheren Gelegenheit gesprochen hatte, erfüllte sich an Judas in schrecklichster Weise: „Wenn das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß die Finsternis!“ (Matth. 6, 23).
In wunderbarer, vollkommener· Ruhe setzt der Herr Jesus sodann die Erinnerungsfeier an Seinen Tod ein, dieses besondere Merkmal der gegenwärtigen Zeit, wie das Passahfest das Zeitalter des Gesetzes gekennzeichnet hatte. Welch ein Gegensatz besteht zwischen diesem feierlichen Vorgang und dem, was sich bald darauf draußen im Garten Gethsemane abspielte! An der Spitze einer mit Schwertern und Stöcken bewaffneten Rotte erscheint der Verräter an dem ihm wohl bekannten Ort und überliefert seinen Herrn mit einem Kuss! „Sei gegrüßt, Rabbi! und er küsste ihn sehr“ (Matthäus 26, 49). 
Der furchtbare Rückschlag ließ dann freilich nicht lange auf sich warten. Entgegen den Erwartungen des unseligen Mannes machte der Herr sich nicht frei von Seinen Feinden, wie Er das bei früheren Gelegenheiten so oft getan hatte, sondern ließ sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen. Jetzt trachte das Gewissen aus, aber ach! zu spät, für immer zu spät! „Als nun Judas, der Ihn überliefert hatte, sah, dass Er verurteilt wurde, gereute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und den Ältesten zurück und sagte: Ich habe gesündigt, indem ich schuldloses Blut überliefert habe. Sie aber sagten: Was geht das uns an? siehe du zu. Und er warf die Silberlinge in den Tempel und machte sich davon und ging hin und erhängte sich“ (Matthäus 27, 3 — 5). 
WeIch ein Ende mit Schrecken! Doch vergessen wir nicht: auch unsere natürlichen Herzen sind nicht besser, als das des Judas war. Dennoch — wie unbeschreiblich groß ist die Gnade! ·— dürfen wir zu und von Ihm, der für uns gestorben ist, sagen: »Dein, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen· hat in Seinem Blute und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Offbg. 1, 5. 6).
Was sollen und wollen wir einer solchen Liebe und Gnade gegenüber tun? Der Ermahnung des Geistes folgen und Ihn betrachten, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, auf dass wir nicht ermüden, indem wir in unseren Seelen ermatten! (Vergl. Hebr. 12, 1 — 3.)

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Was ist nötig, um das Land Kanaan einzutreten?

Bibelstelle: Josua 5, 9 - 15

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 79ff

Wir alle sind wohl darüber klar, dass ein großer Unterschied besteht zwischen dem Ergebnis des für uns vollbrachten Werkes Christi und unserer Fähigkeit, die Dinge zu genießen, die dem himmlischen Kanaan angehören. Nach dem Durchzug durch das Rote Meer war die Erlösung Israels eine vollendete Tatsache, und was den Pharao betrifft, so war er für immer abgetan. Als ein völlig erlöstes Volk trat Israel die Wüstenwanderung an. Genau so ist es mit uns. Wir sind ein erlöstes Volk und besitzen zugleich alles, was wir für die Wüstenwanderung bedürfen: Christum — die Wolkensäule, das Manna und das Wasser aus dem Felsen. Diese Segnungen sind die freie Gabe der Gnade Gottes. Kein Kampf ist nötig, um sie zu erwerben. Gott gibt sie, und Seine Segnungen sind immer da.
Christus ist uns gegeben, um allen unseren Bedürfnissen zu genügen, und damit wir aus Ihm Kräfte schöpfen zum Durchschreiten der Wüste. 
Wenn es sich aber um den Zustand unserer Seelen handelt, so ist da leider viel Unvermögen vorhanden, um die uns gehörenden himmlischen Dinge auch zu genießen. Dazu bedarf es nicht nur des Betretens der Wüste, sondern des Eintritts in das Land Kanaan, mit anderen Worten: des Durchschreitens des Jordan. Jeder Fehler, den wir machen, wird vor den Augen des Feindes unserer Seelen begangen, macht uns schwach und nimmt uns unsere Kraft. Der Christ ist dazu berufen, in die himmlischen Ortes: einzutreten; aber er befindet sich in der Gegenwart des Feindes, und wenn er nicht treu ist, so verliert er die Fähigkeit, die Verheißungen zu genießen. Auch muss er durch das hindurch, was ihm den Weg versperrt, nämlich durch den Tod. Freilich finden wir in dem Tode die ganze Macht der Gnade, die Bundeslade, die mitten im Jordan stehen bleibt. Christus hat den Tod zu einem Durchgang, zu einem Wege für uns gemacht, „der Tod ist unser“. Aber man kann die Verheißungen Gottes nur in dem Maße genießen, wie man alledem, was von hier unten ist, gestorben ist.
In dem Tode Christi werden wir als der Sünde und der Welt Gestorbene betrachtet. Das Manna ist da, solang die Wüstenreise währt, bis an den Jordan, d. h. Christus ist da, um uns die zur Wanderung nötige Kraft darzureichen. Aber wir dürfen auch das andere nicht außer Acht lassen: um in den Genuss der Segnungen eintreten zu können, die uns im Himmel geschenkt sind, müssen wir allem gestorben sein, was von hier unten ist. So oft und so lang ich diesen Tod nicht verwirkliche, beraube ich mich des Genusses der himmlischen Dinge. Es ist eine Sache, die Wüste mit Christo zu durchschreiten, wobei ich in Ihm alles finde, was ich dazu bedarf, und eine zweite Sache, die Tätigkeit des Fleisches nicht in mir zu haben, damit ich, in den Himmel versetzt, mich von dem nähren kann, was dieses Land hervorbringt. Wir sind dazu berufen, jetzt schon die geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern zu genießen, da zu weilen, wo man von dem „Erzeugnis“ des Landes isst, aber um das zu können, müssen wir den Jordan überschritten haben. 
Das erste, was Josua tut, bevor er in den Kampf eintritt, ist, Israel zu beschneiden. Die Beschneidung bedeutet das Ausziehen des Fleisches; denn bevor wir bekehrt wurden, waren wir nur fleischlich. Das ist „die Schmach Ägyptens“, das Einzige, was dieses Land hervorbringt. Mit der Beschneidung des Volkes wird praktisch alles das zerstört, was bis dahin ihm noch von Ägypten übriggeblieben war. Dann galt es, immer wieder nach Gilgal, dem Ort der Beschneidung, zurückzukehren, nach jedem Siege dort zu lagern, damit sie immer wieder daran erinnert wurden, dass da, wo das Gericht über das Fleisch vollzogen worden war, nichts Böses geduldet werden konnte. Nach der Beschneidung feiert Israel das Passah. Während der Wüstenwanderung hören wir davon nichts, denn da waren sie alle unbeschnitten. Man kann keine wirkliche Gemeinschaft mit dem Lamme Gottes haben, wenn das Fleisch nicht gerichtet und man nicht abgesondert ist vom Bösen. Um das Passah essen zu können, muss man in Gilgal sein. Ohne die Beschneidung erscheint uns das Fest der ungesäuerten Brote als ein Ding der Unmöglichkeit; beschnitten, genießen wir Gottes Heiligkeit in Christo.
In den „gerösteten Körnern“ erblicken wir Christum als auferweckt aus den Toten, ohne je die Verwesung gesehen zu haben. Ich genieße Ihn, ich kann mich von Ihm nähren, und zwar nicht nur von dem, was mir täglich für die Wüstenwanderung nötig ist. 
Die letzten Verse unseres Kapitels reden von einer neuen Sache. Wir sprachen davon, dass man, um geistlichen Genuss haben zu können, der Welt und der Sünde gestorben sein müsse, und dass es dazu in praktischem Sinne des Ausziehens des Fleisches und der beständigen Rückkehr nach Gilgal, d. i. eines steten Selbstgerichts bedürfe. Nach der Feier des Passah, wobei man sich von einem gestorbenen Christus nährt, und dem Essen von dem Erzeugnis des Landes, d. h. von einem lebenden und auferweckten Christus, kommt dann, wie gesagt, etwas ganz Neues. Der Oberste des Heeres Jehovas, Christus, erscheint, um uns zum Kampf zu führen. Und Er gibt sich mit derselben Heiligkeit als der Oberste des Heeres zu erkennen, mit der Er sich einst als Jehova dem Mose offenbarte: „Ziehe deinen Schuh aus von deinem Fuße; denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig!“ (Vergl. V. 15 mit 2. Mose 3, 5). Um Sein Volk zu Kampf und Sieg zu führen, ist Er genau so der Gott der Heiligkeit wie zur Zeit, da Er das Werk unserer Erlösung vollbrachte.
Diese Heiligkeit zeigte sich gar bald in der Führung des Volkes. Wegen der Sünde Achans konnte Jehova nicht mit Israel ausziehen zum Kampf wider Ai. Solang Gott da ist, kann keine Schwierigkeit bestehen, wenn Gott aber nicht da ist, kann das Volk nicht vor seinen Feinden bestehen, mögen diese noch so schwach und klein sein. 
Vergessen wir es also nie: Um die himmlischen Dinge genießen zu können, bedarf es des Jordan und Gilgals, des Todes und des Ausziehens des Fleisches. Nur unter dieser Bedingung« kann man sich von dem Erzeugnis des Landes Gottes nähren. In diesem Sinne mit der Sünde zu Ende gekommen zu sein, ist ein großer Gewinn und ein überaus köstliches Ding. Die Wüste und der Kampf in Kanaan sind zwei Dinge, die mit dem christlichen Leben unzertrennlich verbunden sind. Um stark zu sein, ist es notwendig, den fleischlichen Dingen gestorben zu sein. Dann ist alles unser. Christus ist unser, Seine Heiligkeit und die Kraft Seiner Auferstehung sind unser. Wir haben dann den Herrn selbst bei uns, der uns von Triumph zu Triumph führt und in Beziehungen der Heiligkeit zu sich bringt, wo es sich für uns geziemt, die Schuhe von unseren Füßen zu ziehen.
Gott schenke uns Gnade, aus dem Jordan und aus Gilgal Nutzen zu ziehen, um so von dem Erzeugnis des Landes essen zu können, von allem, was wir in dem auferweckten Christus besitzen. Möchten wir uns auch daran gewöhnen, wieder und wieder nach Gilgal zurückzukehren, damit wir allezeit den Obersten des Heeres in unserem Lager haben! Ach! ich bin so schwach! seufzest du vielleicht. Wie? schwach, wenn du Christum als deine Stärke besitzest? Nein, wir sollten beständig alles das genießen, was das himmlische Kanaan für uns in sich birgt.

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Schild und Lohn!

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 83ff

„Nach diesen» Dingen geschah das Wort Jehovas zu Abram in einem Gesicht also: Fürchte dich nicht, Abram; ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn“ (1. Mose 15, 1).
Der Herr wollte nicht zugeben, dass Sein Diener, indem er die Anerbietungen der Welt ausschlug, irgend einen Verlust erlitt. Es war unendlich besser für Abraham, sich hinter dem Schilde Jehovas geschützt zu sehen und. Seines „sehr großen Lohnes“ teilhaftig zu sein, als sich unter den Schutz des Königs von Sodom zu flüchten und die „Habe Sodoms“ anzunehmen. Der in obigem Verse angedeutete Platz, auf welchen Abraham gestellt wird, redet in schöner, ausdrucksvoller Weise von der Stellung, in welche jede Seele durch den Glauben an Christum eingeführt wird. Jehova war Abrahams „Schild“, so dass er in Ihm ruhen konnte, und Er war sein „Lohn“, so dass er auf Ihn harren
konnte. Gerade so ist es mit dem Gläubigen heute: er findet seine Ruhe, seinen Frieden, seine Sicherheit, sein Alles in Christo. Kein Pfeil des Feindes kann den Schild durchdringen, der den schwächsten Jünger Christi deckt. Und die Zukunft? — Christus füllt sie aus. Welch ein kostbares Teil! Welch eine Hoffnung! Ein Teil. das nie erschöpft werden kann; eine Hoffnung, die nimmer beschämt werden lässt. Das eine wie das andere ist unabänderlich gesichert durch die Ratschlusse Gottes und durch das vollbrachte Opfer Christi; und wir genießen gegenwärtig diese Dinge durch den Dienst des in uns wohnenden Heiligen Geistes. Weil das also ist, liegt es auf der Hand, dass der Gläubige, der eine weltliche Laufbahn verfolgt oder fleischlichen Begierden nachhängt, sich weder des „Schildes“ noch des „Lohnes“ erfreuen kann. Wenn der Heilige Geist betrübt ist, so wird Er den Genuss dessen nicht darreichen, was das besondere Teil und die besondere Hoffnung des Gläubigen ausmacht. Wir sehen daher in diesem Teile der Geschichte Abrahams, dass, nachdem er aus der Schlacht der Könige zurückgekehrt war und das Anerbieten des Königs von Sodom ausgeschlagen hatte. Jehova in einem doppelten Charakter, als „sein Schild und sein sehr großer Lohn“, vor seine Seele tritt. Möge unser Herz darüber sinnen, geliebter Leser! Es enthält ein ganzes Buch voll tiefer, praktischer Wahrheit.

Fußnoten:
*) Aus C. H. M., Betrachtungen über das erste Buch Mose. Ein langjähriger Leser des ,,Botschafter« bittet um Abdruck des obigen Auszugs aus dem bekannten Buche, da er „in der gegenwärtigen Zeit vielen zur Ermunterung dienen könne“. Wir kommen der Bitte gern nach.

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Gibt es ein Heilmittel zur Beseitigung der Trennungen unter den Gläubigen?

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 85ff

2. Die Versammlung oder Gemeinde.
Die Ergebnisse des wunderbaren Wirkens Gottes am Pfingsttage waren herrlich und vielfältig. Wir erinnerten uns bereits daran, dass da zum ersten Male die Einheit der Gläubigen ungetrübt verwirklicht wurde. Zum ersten Male begegnen wir aber auch der „Versammlung“ oder „Gemeinde“. Nur zweimal wird sie bis dahin in der Schrift überhaupt erwähnt, und zwar beide Male im Evangelium Matthäus. Zunächst verheißt der Herr im 16. Kapitel, dass Er auf den von Petrus bekannten Felsenboden Seine Versammlung bauen werde. Sie bestand damals noch nicht. Deshalb sagt der Herr auch: „Ich will (oder werde) bauen“. Dann hören wir noch einmal von ihr im 18. Kapitel. (Auf diese zweite Erwähnung werden wir in dem nächsten Abschnitt näher eingehen).
Jetzt, am Pfingsttage, ist sie nun nicht länger mehr eine zukünftige, sondern eine vollendete Erscheinung. Die Versammlung ist da!. Sie ist plötzlich ins Dasein getreten. Der Heilige Geist hat sie hervorgebracht, indem Er von den auf die Verheißung des Vaters wartenden Gläubigen Besitz ergriff und sie mit ihrem auferstandenen und verherrlichten Herrn zu einem  Leibe verband: Er das Haupt, sie die Glieder. Der wunderbare, vor den Uranfängen der Erde gefasste Ratschluss Gottes bezüglich des zweiten Menschen, „des Christus“ (1. Kor. 12, 12), begann sich damit zu erfüllen. Die mit dem Heiligen Geiste versiegelte Schar, vielleicht 120 nach Apostelgeschichte 1,15, bildete zunächst die Versammlung (Gemeinde), aber noch an demselben Tage wurden ihr bei dreitausend Seelen hinzugetan, und der Herr vermehrte ihre Zahl täglich, sodass wir im 4. Kapitel schon von fünftausend gläubigen Männern lesen. (Apstgsch. 2, 41 und 47; 4, 4.) Zunächst waren es allerdings nur Gläubige aus Israel. Die „anderen Schafe“, die nicht aus dem Hofe Israels waren, sollten aber bald folgen. Wir hören von den ersten bereits im 8. und 10. Kapitel. 
Ein neuer Mittelpunkt war den Gläubiger: jetzt geschenkt. Es war nicht der Tempel zu Jerusalem und der mit ihm verbundene Dienst, auch nicht mehr ein auf dieser Erde lebender Messias. Es ist die Familie Gottes, der „Erstgeborene“ und die Kinder, die Gott Ihm gibt, Seine „Brüder“; es ist der verherrlichte Christus und die, welche der Geist um Ihn schart, die Versammlung oder Gemeinde des lebendigen Gottes. Da wo sie zur Darstellung kommt, ist jetzt die Stätte für den gemeinsamen Gottesdienst der Gläubigen, für die wahre Anbetung, für das Verharren »in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten“. Wohl ist es wahr, dass die ersten Christen noch mit dem Tempel in Jerusalem in Verbindung blieben, manche vielleicht nie ganz von jüdischen Einflüssen und Beziehungen frei geworden sind. Wir müssen aber bedenken, dass jene Tage eine Übergangszeit bildeten, und dass, um die „großen Taten Gottes“ in ihrer ganzen Tragweite zu erkennen, es weiterer Belehrungen und Offenbarungen des Heiligen Geistes bedurfte, besonders derer durch den Apostel Paulus. Wie schwer wurde es z. B. einem Petrus, an die Begnadigung der Heiden zu glauben! Welche Widerstände und Vorurteile musste Gott erst bei ihm beseitigen, bevor er willig wurde, zu Kornelius, dem heidnischen Hauptmann, zu gehen! Erst nach und nach verstand man, dass Israel als Volk beiseite gesetzt war, und dass Gott den Gläubigen einen ganz neuen Platz „außerhalb des Lagers“, außerhalb der Tore Jerusalems, wo auch ihr Herr gelitten, geschenkt hatte. Und kein Wunder! wird es doch heute noch manchem Christen schwer, zu verstehen, dass „wir einen Altar haben, von welchem kein Recht haben zu essen die der Hütte dienen“ (Vergl. Hebr. 13, 10 - 14). Wie viel Mühe hat sich der Apostel Paulus gegeben, diese Wahrheit den Gläubigen klar zu machen! Wenn man aber heute auf die Tatsache, dass die ersten Christen noch· mit dem Judentum in Verbindung geblieben seien, hinweist, um ein Verbleiben in einer falschen Stellung und in nicht schriftgemäßen Einrichtungen zu rechtfertigen, so ist das doch eine Begründung, die angesichts der heute vollendeten Offenbarung der Gedanken Gottes wohl niemand im Innersten seines Herzens aufrecht erhalten kann. Freilich, der Mensch sucht, wie einst im Paradiese, noch immer nach Entschuldigungsgründen, so fadenscheinig sie sein mögen, und wähnt, sich vor Gott verstecken zu
können hinter den Bäumen des Gartens. 
Nun, in dieser ersten Versammlung finden wir in wunderbarer Einfachheit und Klarheit die schon angeführten vier Hauptkennzeichen einer lebendigen, heiligen, christlichen Gemeinschaft: 
1. Die Lehre der Apostel,
2. Die Gemeinschaft,
3. Das Brechen des Brotes,
4. Die Gebete.
Einmütig verharrten die Gläubigen in diesen vier Stücken. Sie waren „ein Herz und eine Seele“ (Kap. 4, 32). Welch herrliches, gesegnetes Zeugnis! In der Tat, auch für uns kann es nichts Kostbareres geben, als wenn wir in derselben Stellung und Gesinnung verharren. Hier ist der Boden, die einzige Möglichkeit für ein Zusammengehen aller Kinder Gottes. Hier gibt es keine trennenden Schranken, keinen Raum für Selbstliebe und Eigenwillen. Alles unterliegt der Ordnung und Leitung durch das Wort, und darum redet auch alles von einer wahren und reinen Gemeinschaft. 
Es ist gewiss nicht von ungefähr, dass die vier genannten Stücke nicht alle in derselben Weise miteinander verbunden sind, sondern dass ,,Lehre der Apostel und Gemeinschaft“, „Brechen des Brotes und Gebete“ zusammengehen.- Wir dürfen hieraus wohl den Schluss ziehen, dass wahre Gemeinschaft in besonderer Weise mit der Lehre des Wortes in Verbindung steht, während die mit der Feier des Abendmahls verbundene große Verantwortlichkeit bei den beständig drohenden Gefahren und Anfechtungen von innen und außen die Gläubigen ins Gebet treibt, um aus dem schmalen Pfade der Abhängigkeit von Gott bewahrt zu bleiben. 
Es war von der größten Wichtigkeit, dass die großen Scharen der Neubekehrten in der Gnade und Wahrheit, wie sie durch Jesum Christum geworden sind, befestigt wurden, und zwar durch solche, die mit Jesu gewandelt hatten und Augenzeugen Seines Todes, Seiner Auferstehung und Himmelfahrt gewesen waren, d. h. also durch die eigens vom Herrn dazu berufenen Apostel. Schriftliches über das Leben und die Lehren Jesu besaß man in jenen frühen Tagen der christlichen Kirche ja noch nicht; aber lebendige, wahrheitstreue Zeugen öffneten .ihren Mund und verkündigten in der Kraft des Heiligen Geistes das, „was von Anfang war, was sie gehört, was sie mit ihren Augen gesehen, was sie angeschaut und ihre Hände betastet hatten, betreffend das Wort des Lebens“ (1. Joh. 1, 1). Für uns hat Gott „die Lehre der Apostel“ in den Schriften des Neuen Testaments niedergelegt, und wenn wir wachsen und vor Irrtümern bewahrt bleiben wollen, so kann es nur durch eine bedingungslose Unterwerfung unter dieses Wort geschehen. 
„Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, auf dass auch ihr mit uns (den Aposteln) Gemeinschaft habet, und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus“ (1. Johannes 1, 3 - 4). In dieser Stelle finden wir das vorhin Gesagte bestätigt. Die Belehrung des Apostels Johannes, der das Leben durch unmittelbare Mitteilung besaß und als Augen- und Ohrenzeuge die Dinge kannte, die er verkündigte, sollte dazu dienen, die Gläubigen in eine lebendige Gemeinschaft untereinander zu führen, indem sie sie daran erinnerte, dass jeder, der durch das  Zeugnis der Apostel das Leben empfangen hatte, in die „Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne“ gebracht war. So ist es auch hier das Wort Gottes, das uns mit unserer gesegneten Stellung bekannt macht und die wahre Gemeinschaft hervorbringt, ähnlich wie die wahre Liebe darin besteht, »dass wir nach Seinen Geboten wandeln«. (2. Joh. 6.) Wir sagen deshalb wohl nicht zu viel, wenn wir behaupten: Wenn nicht das Wort Gottes unsere alleinige Richtschnur bildet und uns um den Herrn zusammenschließt, so werden alle Bemühungen, so gut sie gemeint sein mögen, auch die stärkste Betonung der Bruderliebe, nicht imstande sein, die Gläubigen dem gewünschten Ziele näher zu bringen. Weichen wir von diesem Standpunkt ab, indem wir „die Lehre der Apostel2 mit irgendwelchen menschlichen Lehren und Meinungen verbinden oder gar durch solche ersetzen, dann können nur Verwirrung und Trennungen die Folge sein. Würden die Gläubigen, wie sie es anfangs taten, in der Lehre der Apostel verharrt haben, so würden sie auch in der Gemeinschaft geblieben sein, und das traurige Bild der Zerrissenheit der Kinder Gottes, das unseren Herrn, der gestorben ist, um „die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln“, so verunehrt und uns solch unermesslichen Segens beraubt, würde sich nicht der Welt und den Engeln des Himmels dargeboten haben. 
„Alle aber, welche glaubten, waren beisammen und hatten alles gemein; und sie verkauften die Güter und die Habe und verteilten sie an alle, je nachdem einer irgend Bedürfnis hatte“ (Kap. 2, 44. 45; siehe auch Kap. 4, 32 — 35.) Man begegnet bei der Besprechung  dieser Stelle zuweilen recht eigenartigen Anschauungen, hört auch wohl hie und da sagen, dass, wenn man zu den Dingen des Anfangs zurückkehren wolle, man auch die Gütergemeinschaft wieder einführen müsse. Es mag deshalb am Platze sein, einige kurze Gedanken über diesen Punkt zu äußern. 
Alle Ausleger sind wohl darüber einig, dass der Geist der Liebe damals ein Ergebnis zeitigte, das nicht
schöner und lieblicher hätte sein können. Es war in jeder Beziehung das Gegenstück zu dem traurigen Bilde, das wir vorhin besprachen. Als eine große, vieltausendköpfige Familie sehen wir hier die Kinder Gottes vereinigt, in inniger Liebe durch einen Geist und durch einen Glauben zu einer gemeinsamen Hoffnung verbunden. - Einer trug des anderen Lasten, und also erfüllten alle das Gesetz des Christus (Gal. 6, 2.) Niemand in dieser Familie sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre, sondern es war ihnen alles gemein. Damit nun keiner Mangel leide, verkauften die Besitzenden ihre Habe und verteilten sie, „je nachdem einer irgend Bedürfnis hatte“. Fürwahr, herrlich steht die christliche Kirche in ihrem Schmuck der ersten Liebe und Jugendfrische vor uns! Gott hat ihr diesen unvergänglichen .Ehrenplatz in Seinem Worte geschenkt. Aber ach! nicht lange währte dieser Zustand. Der Feind brach ein und zerriss die innigen Bande. Mit dem Betrug des Ananias und der Sapphira im 5. Kapitel war der Friede gestört, und nie wieder, weder in der Apostelgeschichte, noch in den übrigen Schriften des Neuen Testaments, wird einer gleichen Erscheinung Erwähnung getan, wenn auch derselbe Geist der Bruderliebe, der damals wirksam war, für alle Zeiten die Gläubigen leiten sollte. 
Die Gütergemeinschaft war eine augenblickliche, schnell vorübergehende Erscheinung, ein Ergebnis der ersten Freude und inbrünstigen Liebe der Gläubigen, und sie war auch wohl nur unter den damaligen Verhältnissen möglich, wo alle, die sich zu Jesu bekannten, an einem Orte, in Jerusalem, beisammen waren. Niemals im Worte Gottes wird eine derartige Gemeinschaft gefordert, oder auch nur empfohlen. Selbst in jenen ersten Tagen floss alles aus dem freien Triebe der Liebe hervor. „Blieb es nicht dein, wenn es so blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Gewalt?“ sagt Petrus zu Ananias. (Kap. 5, 4.) Auch wurde der Erlös des Verkauften nicht etwa in fünftausend oder mehr gleiche Teile geteilt und jedem Gläubigen sein Teil ausgehändigt, wie manche vielleicht denken
möchten, sondern man „legte den Preis nieder zu den Füßen der Apostel“ (Kap. 4, 35 und 5, 2), bildete also gleichsam eine gemeinsame Kasse, aus der die Gaben an die Einzelnen, „so wie einer irgend Bedürfnis hatte“, verteilt wurden. Wäre es wohl möglich, heute eine derartige gemeinsame Vermögensverwaltung einzuführen für alle, die sich als Christen ausgeben? Würden nicht sofort die größten Übel daraus entstehen? Und vergleicht man schließlich noch den von vielen Menschen heute so laut geforderten „Kommunismus“ mit der Gütergemeinschaft jener Tage, dann erkennt man sofort, welch böser Geist aus solchen Forderungen redet. Trefflich hat ein anderer Schreiber hierzu folgende
Gegenüberstellung gemacht: „Damals hieß es: Alles, was mein ist, ist dein! Der unchristliche Kommunismus dieser Tage aber spricht: Alles, was dein ist, ist mein! Jene ersten Christen sagten: Nimm alles, was ich habe! Heute ruft man aus: Gib alles, was du hast! Die damalige Gütergemeinschaft ging aus der Liebe zu den Armen hervor, aber das, was heute gefordert wird, ist das Ergebnis des Hasses gegen die Reichen“

3. Die persönliche Gegenwart des Herrn in der Versammlung oder Gemeinde. 
„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Matth. 18, 20).
Um den Wert dieses kostbaren Ausspruchs unseres Herrn richtig erkennen zu können, ist es nötig zu untersuchen, warum Er ihn mit dem Wörtchen „Denn“ einleitet. Hier muss eine Verbindung bestehen mit etwas vorher Gesagtem. Und so ist es in der Tat. Der Herr bringt die Tatsache Seiner persönlichen Gegenwart in Beziehung zu der Versammlung oder Gemeinde und deren Versammeltsein, um irgend eine wichtige Sache zu behandeln oder zum Gegenstand des gemeinsamen Gebete zu machen. Von Vers 15 an zeigt der Herr den einzuschlagenden Weg, wenn einer von zwei Brüdern gegen den anderen gesündigt hatte. Der Beleidigte sollte zunächst allein versuchen, seinen Bruder von seinem Unrecht zu überführen. Hörte dieser aus seine Vorstellungen, so hatte er ihn gewonnen; verharrte er aber in seinem bösen Zustand, so sollte der Beleidigte einen oder zwei andere Brüder mit sich nehmen, damit die Sache „aus zweier oder dreier Zeugen Mund“ bestätigt werde. Fanden  die gemeinsamen Vorstellungen auch kein Gehör bei den Betreffenden, so blieb als letzte Berufungsstelle „die Versammlung“ übrig: „er sage es der Versammlung“, d. h. der Versammlung Gottes an dem betreffenden Ort, zu welcher alle Beteiligten gehörten. Die Schrift kennt nichts anderes als Gottes Versammlung oder Gemeinde. Gemeinden oder Gemeinschaften in dem heutigen Sinne sind nichts mehr und nichts weniger als Einrichtungen und Erfindungen der Menschen. Die Versammlung bemühte sich nun ihrerseits um den Bruder. Sie teilte ihm ihr Urteil mit, suchte ihn von seiner Schuld zu überzeugen, warnte und ermahnte ihn. Hörte er aber auch auf die Versammlung nicht, erwies er sich also als ein Mensch, der in Eigenwille und Verhärtung seinen Weg zu gehen entschlossen war, so wurde der beleidigte Bruder angewiesen, ihn zu betrachten wie einen Heiden und einen Zöllner, d. h. jede Gemeinschaft, jeden persönlichen Verkehr mit ihm abzubrechen, ihn nicht mehr als Bruder anzuerkennen. Die ganze Angelegenheit, die zunächst eine persönliche zwischen den zwei Brüdern war, wurde, wenn alle Versuche, den Bruder zu gewinnen, scheiterten, zu einer Sache der ganzen örtlichen Versammlung. Der Fall mochte anfänglich nicht so schwerwiegend erscheinen wie der eines „Bösen“, eines Trinkers oder Hurers und dergl. (1.Kor. 5), aber die unmittelbar folgenden Worte des Herrn: „Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein“, deuten doch darauf hin, dass der Ausschluss erforderlich werden konnte und erforderlich wurde, wenn der böse Zustand des Betreffenden, der zunächst in der Sünde gegen seinen Bruder, sodann in dem Nichtbeachten der Versammlung und ihrer Ermahnungen ans Licht getreten war, blieb oder gar sich noch weiter verschlimmerte. 
Was gibt nun der Versammlung die Macht, ja, die Pflicht, gegebenenfalls so zu handeln? Die Antwort
lautet: Die Gegenwart des Herrn! „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ 
Sind da aber nicht leicht Irrungen möglich? Haben nicht die aufrichtigsten Menschen, die treuesten Gläubigen bei der besten Meinung und den lautersten Absichten oft in ihrem Urteil gefehlt und zu scharf oder zu gelinde geurteilt? Gewiss. Darum fügt der Herr im 19. Verse hinzu: „Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde« übereinkommen werden über irgend eine Sache, um welche sie auch bitten mögen, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist“. Es sind also zwei Dinge, die der Herr Seinen Jüngern hier klar machen will. Zunächst, dass der Beschluss der Versammlung, weil Jesus in der Mitte ist, die Verheißung der Bestätigung im Himmel hat, obwohl die Ergebnisse des Urteils sich nur auf diese Erde beschränken, und dann, dass der Vater im Himmel die gemeinschaftlichen Gebete Seiner zu dem Namen Seines Sohnes versammelten Kinder erhören wird, wiederum weil der Herr selbst in der Mitte ist· Das allein gibt der Versammlung die Autorität zum Handeln, und dem einstimmigen Gebet die Verheißung der Erhörung, selbst. wenn die Versammlung nur aus zwei oder drei bestehen sollte —  eine kostbare Ermunterung für die Zeit des Verfalls! Was also in dieser Stelle so bedeutungsvoll, ja, unerlässliche Bedingung ist, ist das Versammeltsein in dem Namen Jesu, in alleiniger Unterwerfung unter das Wort Gottes und den Willen des Herrn. 
Wo irgend nun Gläubige in dieser Weise, in Unterwerfung unter das Wort Gottes allein, in Anerkennung nur dieses einen Namens, unter der Leitung des Geistes Gottes zusammenkommen, da findet sich eine vielleicht schwache und unscheinbare, aber doch wahre Darstellung der Versammlung Gottes. In den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften gibt es ohne Frage viele wackere Kinder Gottes, treue und, soweit ihre Erkenntnis reicht, in der Lehre gesunde, gewissenhafte Gläubige, Brüder und Schwestern, die ihren Herrn und Heiland aufrichtig lieben und Ihm zu dienen begehren; aber alles das — und es könnte noch manches andere Anerkennenswerte hinzugefügt werden — macht die Kirche oder Gemeinschaft, der sie angehören, nicht zur Versammlung oder Gemeinde im Sinne der Schrift. So lang man nicht, allein auf dem Boden des Wortes Gottes stehend, alle Sonderbündelei ausgibt und sich einfach und einzig dem Herrn als Haupt Seines Leibes durch die Kraft des Heiligen Geistes unterwirft, kann man auf dieses Vorrecht keinen Anspruch machen.
Aber, höre ich fragen, wo gibt es denn solche Versammlungen heute? Glaubst du selbst wirklich auf diesem Boden zu stehen? Ist es überhaupt möglich, in dem großen Verfall und der unheilvollen Verwirrung unserer Tage solche Grundsätze aufrecht zu halten und praktisch in Ausübung zu bringen? Ich möchte den Fragern mit einer Gegenfrage antworten: Gibt uns das Wort Gottes nicht genaue und verständliche Anweisungen für unser Verhalten in allen anderen Dingen? Und sollte es uns gerade in dieser einen wichtigen Beziehung im Stich lassen und es dem persönlichen Ermessen eines jeden Gläubigen anheimstellen, wie er sich versammeln, wo er, wie man es nennt, „sich anschließen“, wo er Verbindung und Gemeinschaft suchen will? Hat der Herr nicht gerade im Blick auf die Zeit des Endes von den Zweien und Dreien geredet, die in Seinem Namen versammelt sein würden? Ja, mehr noch: ist es überhaupt im Einklang mit Gottes Willen, irgend einer von Menschen gebildeten Kirche oder Gemeinschaft anzugehören? Die Schrift kennt nur die Versammlung oder Gemeinde. Wenn sie von Versammlungen redet, so meint sie einfach Gottes Versammlung oder Gemeinde an den in Frage kommenden Orten. Jeder treue Christ sollte deshalb nicht nur mit den verschiedenen Namen und Benennungen, sondern auch mit der Sache selbst, mit dem Grundsatz, auf dem sie errichtet sind, gebrochen haben und sich einfältig auf den Boden stellen, auf welchen er als Glied des Leibes Christi gebracht ist. 
Dass das nicht«« immer leicht ist. vielmehr unter Umständen schwere innere und äußere Kämpfe kostet, gerade infolge des betrübenden und demütigenden Verfalls, an welchem wir alle beteiligt und mitschuldig sind, sei von vornherein zugegeben; auch dass die Verwirklichung stets Mängel, Schwachheiten und Unvollkommenheiten aufweisen wird. Aber wer könnte etwas anderes erwarten? Der religiöse Mensch liebt Formen und Gebräuche, und nichts erregt mehr seinen Zorn als ein Angriff  auf die „von den Vätern überlieferten“ Satzungen und Einrichtungen. Und andererseits: Wann und wo hat der Mensch jemals seiner Verantwortlichkeit entsprochen? Wo das ihm Anvertraute makellos bewahrt? Aber man darf deshalb nicht sagen, dass es unmöglich sei, nach den besprochenen Grundsätzen zu handeln. Es ist möglich, und es ist geschehen und geschieht in unseren Tagen. Wo es geschieht, das in jedem Einzelfalle zu entscheiden, mag schwer, wenn nicht unmöglich sein; der Herr wird es an jenem Tage, an welchem alles in das Licht Seines Richterstuhls gebracht wird, offenbar machen. Aber der Schreiber -— und er weiß sich in diesem Punkte mit Tausenden von Gläubigen eins — möchte um keinen Preis in der Mitte derer fehlen, die, so schwach und unvollkommen alles bei ihnen sein mag, aufrichtig begehren, allein in dem Namen ihres teuren Herrn versammelt zu sein, und die steh befleißigen, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens. Der Herr steht zu Seiner Verheißung: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen (eig. Zu meinem Namen hin), da bin ich in ihrer Mitte“; aber auch nur da, wo die Vorbedingung in Treue und einfältigem Glauben erfüllt wird, kann die Wirklichkeit der verheißenen kostbaren Tatsache genossen werden.
Doch wiederum möchte eingewandt werden: Darf man denn von einzelnen Gläubigen oder von Gemeinschaften, die, ohne jene Bedingung zu kennen oder zu erfüllen, zum Gebet, zur Wortbetrachtung usw. zusammenkommen, behaupten, dass sie das nicht im Namen des Herrn tun und deshalb nicht auf des Herrn Segen rechnen dürfen? Ich antworte darauf: Der Gläubige sollte alles, was er tut, „im Namen des Herrn“, d. h. in Abhängigkeit von Ihm, und „zur Ehre Gottes“ tun, sogar essen und trinken (vergl. Kol. 3, 17; 1. Kor. 10, 31), und wenn er so handelt, darf er sicher stets auf den Segen des Herrn rechnen. Aber ein Zusammenkommen zur Erbauung oder zu irgendwelcher schriftlichen Tätigkeit, selbst wenn es im Ausblick zum Herrn geschieht, (wie es immer geschehen sollte), ist noch kein Versammeltsein zu Seinem Namen hin. 
Wo eine Versammlung von der Leitung eines oder mehrerer Menschen, eines Ausschusses oder dergl. abhängig ist, wie z. B. bei der Verkündigung des Evangeliums oder bei Zusammenkünften von Gläubigen, um den Unterweisungen irgend eines Dieners des Herrn über einen gegebenen Teil der Wahrheit zu lauschen, kann man wohl von einem „Tun im Namen Jesu“, aber nicht von einem „Versammeltsein zu Seinem Namen hin“ reden. Es ist das kein „Zusammenkommen als Versammlung“. (1. Kor. 11, 18). Wie könnte da von Handlungen der Versammlung als solcher, z. B. von „Binden“ und „Lösen“, die Rede sein? Ein bestimmter Bruder (oder mehrere), ob Evangelist oder Lehrer, erfüllt in beiden Fällen einen ihm vom Herrn aufgetragenen Dienst und ist für diesen Dienst allein verantwortlich. Dass er dabei die Hilfe und Nähe seines Herrn genießen kann und genießen sollte in dem Bewusstsein, in Seinem Namen und Auftrag zu handeln, ist so selbstverständlich, dass es kaum erwähnt zu werden braucht. Wenn der Herr einem jeden, der Ihm in Herzensaufrichtigkeit naht, freundlich entgegenkommt, wieviel mehr wird Er den, der in Liebe und Lauterkeit Seine Sache vertritt und den Menschen die gute Botschaft verkündigt oder das Wort auslegt, Seine persönliche Nähe erfahren lassen! Er wird segnen und jedes ernste Rufen um Seinen Beistand reichlich beantworten. Der Herr ist immer und überall bei und mit denen, die auf Ihn harren. Aber ich wiederhole: Die persönliche Gegenwart des Herrn in der Mitte derer, die in Seinem Namen versammelt sind, ist etwas anderes, hat eine ganz andere Bedeutung. Von dieser persönlichen Gegenwart redet die Schrift nur in der oft genannten Stelle Matth. 18, 20. Wenn also gefragt wird: Darf man denn nicht auch da auf diese Gegenwart rechnen, wo man sich aus anderem Boden, nach menschlichen Satzungen und Einrichtungen, versammelt, so kann die Antwort nur verneinend lauten. Der Herr mag segnen und den einzelnen Seelen Seine Nähe offenbaren, der Heilige Geist mag wirken, Seelen erretten oder die Herzen erquicken, aber es ist nicht eine Verwirklichung der Wahrheit von der Versammlung oder Gemeinde nach Gottes Gedanken.
Ich wiederhole nur oft und immer wieder Gesagtes, wenn ich schließlich noch darauf hinweise, dass andererseits Gläubige, die sich, unter Aufgebung alles menschlich Errichteten und Trennenden, in dem Namen Jesu versammeln, sich niemals die Versammlung oder Gemeinde nennen können. So lang im Anfang alle Gläubige an einem Orte in herzlicher Gemeinschaft miteinander wandelten und so auch nach außen hin· ihre Einheit darstellten, bildeten sie die Versammlung an dem betreffenden Orte, im Gegensatz, zu den umwohnenden Juden oder Heiden; heute aber, wo die Kinder Gottes überall zerstreut sind, kann natürlich nur von einer schwachen Darstellung dieser Wahrheit die Rede sein, es sei denn dass unter der mächtigen Wirkung des Geistes alle Gläubige eines Ortes sich in dem Namen Jesu zusammenfinden würden. Aber wer würde bei der gegenwärtigen Verwirrung imstande sein, das festzustellen? 

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Ohne Heiligung kein Christentum

Bibelstelle: 1. Petrus 1

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 101ff

Es liegt etwas sehr Liebliches in der Gewissheit, mit welcher der Apostel Petrus uns die in seinem ersten Briefe enthaltenen Wahrheiten darstellt. Da gibt es kein ungewisses Schwanken, kein ängstliches Zögern. Das Wort redet von e m p f a n g e n e n Dingen, von einer Vollgewissheit für die, an welche es sich richtet. Der Glaube der Heiligen mochte in jenen Tagen ernstlich auf die Probe gestellt werden, aber die Sache selbst war fest, unantastbar.
Der Apostel redet von einem unerschöpflichen Schatz von Wahrheiten, die ihm anvertraut waren, und wahrlich, er spricht nicht wie einer, der im Finstern tastet. Das was er sagt ist auch zu wichtig, als dass irgend ein Zweifel darüber bestehen dürfte. Es sind Dinge, die unsere volle Aufmerksamkeit verdienen, deren Kenntnis unseren Herzen, nottut.
Die noch nicht wiedergeborene Seele liebt den Herrn Jesus nicht. Man kann ehrlich, brav, tugendhaft und alles was man sonst noch will sein, und dabei denken, dass ein solch unanstößiges Leben einem im Himmel ein entsprechendes Ergebnis sichern werde, aber bei alledem keinen Funken von Liebe zum Herrn Jesus haben; und doch ist gerade diese Liebe das unterscheidende Merkmal des Christen. Petrus sagt im 8. Verse des 1. Kapitels: Welchen ihr, obgleich ihr« Ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr Ihn jetzt nicht sehet, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlocket2. Nun, etwas derartiges gibt es nicht ohne Wiedergeburt, mit anderen Worten, ohne ein neues Leben, das einen Gegenstand hat, welcher es ganz in Anspruch nimmt -— ein völlig neues Leben, das seine eigenen Interessen und Zuneigungen, ja, eine ganz neue Welt für sich besitzt. Ohne dieses neue Leben ist man kein Christ, aus dem einfachen Grunde, weil Christus nicht da ist. 
Gott findet jeden Menschen in einer gewissen Stellung, in gewissen Beziehungen, und Er entfernt ihn daraus, um ihn aus einen ganz neuen Boden, in einen ganz neuen Stand zu bringen; und diese Absonderung geschieht gemäß der Kraft der Auferstehung Christi. 
Der Apostel schreibt an die Juden „von der Zerstreuung« und beginnt mit den Worten: „Petrus, Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen von der Zerstreuung von Pontus, Galatien, Kappadocien, Asien und Bithynien, auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters“. Er wendet sich also an zerstreut wohnende Juden (vergl. Joh.7, 35), die, zum Christentum bekehrt, „auserwählt waren nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“, und sendet ihnen den Segenswunsch: „Gnade und Friede sei euch vermehrt!“ Indem ( Petrus so redet, denkt er an eine ganz andere Auserwählung, als die des jüdischen Volkes. Israel war auch auserwählt, aber in einer ganz anderen Weise. Die Leute, an welche Petrus schreibt, hatten an den Herrn Jesus geglaubt; ihre Heiligung war deshalb nicht die einer Nation vor anderen Nationen durch irgendwelche äußeren Mittel, sondern sie war bewirkt durch den Heiligen Geist, welcher diese Seelen aus der Mitte der Juden für Gott abgesondert hatte, damit sie einen Teil des gegenwärtigen Haushalts der Gnade bilden möchten. Es war also nicht mit ihnen wie mit den alten Juden, die einst durch das Rote Meer von Ägypten getrennt wurden; sie waren abgesondert durch eine Heiligung, die der Geist bewirkt hatte. Beachten wir wohl diesen Ausdruck: „durch Heiligung des Geistes“. Der erste Gedanke, der uns hier entgegentritt, ist also der der Absonderung für Gott, nicht nur vom Bösen, sondern für den Gott, der heiligt. 
Das ist es, was Gott in denen tut, die Er beruft. Er findet sie „im Bösen liegend“. Johannes sagt in seinem ersten Briefe: „Wir sind aus Gott, und die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (Kap. 5, 19). Es ist überaus wertvoll, einer so bestimmten, klaren Sprache zu begegnen: „Wir sind aus Gott“. Es handelt sich nicht nur darum, dass wir uns gut verhalten sollten, was ja ohne Zweifel richtig ist, sondern um den großen Unterschied zwischen uns und der Welt: wir sind aus Gott, während die ganze Welt im Bösen liegt. Will das sagen, dass wir stets das sind, was wir sein sollten? Nein; aber wir sind aus Gott. Man ist nicht allezeit das, was man gern sein n1öchte; das wird erst im Himmel so sein, denn dort wird Gott uns dem Bilde Seines geliebtes: Sohnes gleichgestalten. 
Aber was Gott getan hat, ist dies: Er hat uns abgesondert für sich selbst, etwa wie ein Mensch, der Steine aus einem Steinbruch bricht. Der Stein wird aus dem Felsen gebrochen und beiseite geschafft, um bearbeitet, behalten, in eine Form gebracht und dann in den bestimmten Bau eingefügt zu werden.
So nimmt Gott aus dem Steinbruch dieser Welt Seelen heraus, um sie für sich abzusondern. Ich sage nicht, dass da nicht noch viel an ihnen zu tun ist. Im Gegenteil, solch rohe, aus dem Bruch gehauene Steine kosten, ehe sie an ihren bestimmten Platz gebracht werden können, oft beträchtliche Mühe. Aber Gott bearbeitet und formt die Seelen, die Er für sich absondert, um sie dann in Seinen geistlichen Bau einzufügen. Es gibt da noch viele unnütze Dinge zu entfernen, aber Gott ist Tag für Tag in Gnade tätig. Nichtsdestoweniger sind solche Seelen geheiligt, für Gott beiseite gestellt von dem Augenblick an, da sie aus dem Steinbruch dieser Welt herausgenommen werden. 
Beachten wir, dass der Apostel hier die Heiligung dem Gehorsam und dem Blute Jesu Christi voranstellt. Wir sind geheiligt für diese beiden Dinge (V. 2), auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, „zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“. Gott nimmt uns aus dem Steinbruch dieser Welt heraus, um uns unter die Wirksamkeit des Blutes Christi zu stellen. Der Stein ist völlig Sein Eigentum und passend für Seine Absicht. Obgleich Gott ihn, wie gesagt, noch bearbeiten muss, handelt es sich hier doch nicht so sehr darum, was Er jeden Tag an ihm tut, als vielmehr um die Erreichung des Zweckes, den Er sich mit dem Steine vorgesetzt hat. Der Heilige Geist wirkt in der Seele des Menschen und nimmt von ihr Besitz. Ob ihr früheres Verhalten ehrbar oder schlecht gewesen ist, macht dabei wenig aus -— obwohl sie umso dankbarer sein wird, je mehr sie sich als böse erkannt hat — aber ihr früherer Zustand ist nicht von Belang: sie gehört jetzt Gott an. Das ist das überaus Wichtige. 
Wozu hat Gott nun eine solche Seele bestimmt? Zum Gehorsam. Bis dahin hat ein solcher Mensch kaum etwas anderes als seinen eigenen Willen getan, ist seinen eigenen Weg gegangen. Die äußeren Erscheinungen mögen mehr oder weniger gut, mehr oder weniger böse, der Charakter mag schwach und träge oder stark und lebhaft gewesen sein bis zu der Stunde, da Gott den Menschen, wie einst bei Paulus, auf seinem Wege still stellte — bedeutungsvoll ist nur dies: der Mensch, der bis dahin von seinem eigenen Willen erfüllt war, ist jetzt abgesondert zum Gehorsam. 
Paulus war in der Religion seiner Väter sehr gut unterwiesen; er hatte zu den Füßen eines Gamaliel gesessen und war der guten, aufrichtigen Meinung, den Willen Gottes zu tun, und doch hätte er kaum weiter von diesem Willen entfernt sein können. Er folgte seinem eigenen Willen in der Richtung, in welche die Überlieferungen seiner Väter ihn gedrängt hatten. Niemals, ehe der Herr ihm entgegentrat, hatte er gefragt: Herr, was willst ·du, dass ich tun soll? 
Darum, was irgend das Verhalten einer Seele vor ihrer Absonderung für Gott gewesen sein mag, nichts hat sie angeleitet, den Willen Gottes zu tun, während das Verlangen einer für Gott geheiligten oder abgesonderten Seele von vornherein darauf gerichtet ist, diesen Willen zu erfüllen. Sie mag darin fehlen, aber das ist ihr Wunsch, der Zweck ihres Lebens. Jesus hat gesagt: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Hebr. 10). Er bedurfte der Heiligung nicht, Er war heilig. Aber die Richtung, der Zweck Seines ganzen Lebens war Gehorsam: Hier bin ich, „um deinen Willen zu tun“. Nachdem Er Knechtsgestalt angenommen hatte und in Gleichheit der Menschen geworden war, wurde Er gehorsam bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze. Er war nur für Gott da. Der Grundsatz Seines ganzen Lebens war Gehorsam. Zu nichts anderem war Er gekommen, als um den Willen Seines Vaters zu tun. 
So ist es auch mit jeder wiedergeborenen Seele. Sie ist geheiligt zum Gehorsam, und das offenbart sich in dem Geist der Abhängigkeit, der mit dem eigenen Ich und Willen Abschluss gemacht hat. Sie fragt wie Saulus: „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“ Sie mag, wie gesagt, in vieler Hinsicht durch Schwachheit fehlen, aber das ist das Ziel, nach welchem sie sich ausstreckt. 
Weiterhin sind wir geheiligt „zur Blutbesprengung Jesu Christi“. Die so unter den Einfluss des Blutes gestellte Seele ist dadurch vollkommen gereinigt. „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller Sünde“. Durch die wirksame Kraft dieses Blutes sind wir abgesondert von dieser Welt. Es handelt sich hier nicht um das Blut von Böcken und Stieren, das die den Gottesdienst Übenden niemals vollkommen machen konnte, sondern um das Blut Jesu Christi, welcher durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat. Das ist das Blut, welches das Gewissen reinigt. 
Die Israeliten, im Vertrauen auf ihre eigene Kraft, sagten einst: „Alles, was Jehova gesagt hat, wollen wir tun“. Sie nahmen es aus sich, alles zu tun, was ihnen in Form einer Bedingung auferlegt wurde. Die Folge kennen wir. Aber hier ist weit mehr als das. Es ist der Geist Christi, der uns sagen lässt: „Was willst du, dass ich tun soll?“ Die Unterwürfigkeit, der Grundsatz des Gehorsams ist in dem Herzen vorhanden. Es kann sagen: „Ich weiß nicht, was dein Wille ist, aber worin er auch bestehen mag, hier bin ich, um ihn zu tun“. Es ist ein Gehorsam ohne jeglichen Rückhalt. Hier gibt es nicht Regeln, die der Mensch doch nicht erfüllen kann, sondern es handelt sich um eine völlige Willensänderung — man will nicht mehr seinen eigenen Willen, sondern den Willen
Gottes tun. 
Das Buch des Gesetzes wurde einst mit Blut be- sprengt, wie auch das ganze Volk. Aber diese Blutbesprengung verlieh den Forderungen des Gesetzes ihre Kraft und bedrohte jede Übertretung mit dem Tode. Die Besprengung mit dem Blute Jesu gibt dagegen dem veränderten Herzen die Reinigung und den Frieden, welche denen gehören, die unter die Kraft dieses Blutes gebracht sind. Und wir sind ·dahin gebracht, ähnlich wie die Juden am Versöhnungstage unter die Besprengung des Blutes des Bockes kamen, aber nicht, wie sie, nur für ein Jahr, sondern für immer.
Noch einmal denn: Eine Seele, die der Heilige Geist aus dem Steinbruch dieser Welt herausgeholt hat, mag menschlich ehrbar, liebenswürdig und durch die göttliche Vorsehung vor groben Sünden bewahrt geblieben sein, aber sie lebte nach ihrem eigenen Willen und war, trotz all ihrer guten Eigenschaften, in der Welt und von der Welt. Da hat Gott sie gesunden, und Er musste zunächst Seine Liebe in ihr Herz ausgießen, um sie dahin zu bringen, ohne Rückhalt und Zögern nach dem Willen Gottes zu fragen. Auf diese Weise abgesondert, steht sie jetzt unter der Blutbesprengung Jesu Christi, sie ist gereinigt von aller Sünde. 
So hat Gott selbst als Erstes eine Absonderung bewirkt, die uns aus der Welt oder vielmehr aus den Dingen dieser Welt herausnimmt und uns zu Christen macht. Ohne diese Absonderung oder Heiligung gibt es kein Christentum. 
Gott wirkt mit Macht, und Er tut nichts Halbes. Vor Ihm gelten nur Wirklichkeiten. Er täuscht sich nie, wie wir uns oft täuschen und auch andere zu täuschen suchen, obwohl wir in den meisten Fällen andere weniger täuschen als uns selbst. 
Ich möchte hier einige Bemerkungen über die Bedeutung des Wortes „Heiligung“ einschalten. Es wird in der Schrift selten so gebraucht, wie wir es gewöhnlich anwenden, ich meine in dem Sinne eines allmählichen Fortschreitens. In dieser Bedeutung kommt es nur etwa dreimal vor. In Hebräer 12, 14 heißt es z. B.: „Jaget dem Frieden nach mit allen, und der Heiligkeit (oder Heiligung), ohne welche niemand den Herrn schauen wird“; und in 1. Thess. 5, 23: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig“. Diese beiden Stellen beweisen, dass dem Worte der eben besprochene Sinn innewohnt, aber im allgemeinen bedeutet Heiligung in der Schrift eine besondere Handlung der Absonderung, ein Beiseite stellen für Gott. Solang man diesen Sinn des Wortes nicht erfasst hat, wird man nie verstehen, was Heiligung wirklich ist. In den beiden angeführten Stellen bezieht es sich auf das tägliche Leben. Im Anfang unseres Briefes aber gebraucht der Apostel das Wort ganz und gar in dem besprochenen Sinne des Aushauens eines Steines aus dem Steinbruch dieser Welt, um ihn für Gott zu gestalten. 
Heiligung wird in mehr als einer Stelle dem Vater zugeschrieben; so z. B. in Hebr. 10, 10: „Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“. Der Wille Gottes ist an dieser Stelle der erste Gedanke. Es war der Wille Gottes, uns zu heiligen oder abzusondern. Das Mittel zur Ausführung dieses Willens ist das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. Von praktischer Heiligung ist hier keine Rede. Wir - alle Gläubigen - sind geheiligt durch den Willen Gottes, mittels des Opfers Jesu Christi. 
Mit der einzigen schon angeführten Ausnahme wird das Wort „Heiligung“ im Hebräerbriefe wohl immer
in diesem Sinne gebraucht.
Da der Vater Kinder für sich haben wollte, hat das Blut Jesu das dafür notwendige Werk vollbracht, und der Heilige Geist ist herniedergekommen, «um die Ratschlüsse des Vaters auszuführen und ihnen dadurch Wirksamkeit zu verleihen, dass Er in den Herzen die notwendigen praktischen Wirkungen hervorbringt. Die von. der Welt abgesonderte Seele ist durch diese Tatsache geheiligt. Der alte Stamm ist zwar noch da und will immer wieder Schösslinge treiben; aber Gott beschneidet ihn. Diese Seine Tätigkeit, die durch den Heiligen Geist im Gewissen oder, wenn es nötig ist, durch Züchtigungen geschieht, bewirkt dann die tägliche praktische, Heiligung. Das Herz wird jeden Tag mehr für Gott abgesondert. Sobald Leben mitgeteilt und dadurch der Mensch geheiligt ist, hebt ein täglich fortschreitendes Werk der Heiligung an, das sich beschäftigt mit den Neigungen, den Gewohnheiten, dem Wandel, kurz, mit allen Äußerungen des Lebens.

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Warum sieht Stephanus den Herrn zur Rechten Gottes stehen?

Bibelstelle: Apostelgeschichte 7, 55

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 110ff

Es war ohne Zweifel Gottes Absicht, dass Sein Geliebter sich nach vollbrachtem Werke zu Seiner Rechten setzen sollte. (Psalm 110, 1.) Deshalb spricht der Herr, wenn Er Seinen Feinden gegenüber steht und ihnen ihre schwere Verschuldung und Gottes Antwort daraus vorstellen will, von nichts anderem (vergl. Matth. 26, 64; Mark. 14, 62; List. 22, 69), und das wohl aus zwei Gründen: 1. um zu zeigen, dass Sein Opfer Gott vollkommen verherrlicht und unser Heil ein für allemal begründet hatte, und 2. um darzutun, das; der von den Menschen Verworfene. Von Gott erhöht und zum Herrn und Richter über alle bestimmt worden ist (Hebr. 10, 12; Apstgsch. 2, 36 u. a. St.).
Wenn Stephanus trotzdem in Apstgsch. 7 Jesum zur Rechten Gottes stehen sieht, so. muss das eine besondere Bedeutung haben, und wir sind zu der Frage berechtigt: Welche? Um die richtige Antwort zu finden, müssen wir uns die damalige Lage der Dinge vergegenwärtigen. Jesus war von Seinem Volke verworfen und ermordet worden, aber die Tat war nach Luk. 23, 34 und Apstgsch. 3, 17 in Unwissenheit geschehen. Auf Grund dessen und als Antwort auf die Fürbitte Christi erfolgte noch einmal eine ergreifende Berufung an das Volk, zuerst durch Petrus und die Elfe, dann durch Stephanus. Hätte Israel auf diese Berufung gehört, so wäre jetzt noch eine Vergebung und Wiederherstellung möglich gewesen. (Vergl. Apstgsch. 3, 19 - 21.) Aber auch diese letzte Bemühung des langmütigen Gottes vermittelst der in der Fülle des Heiligen Geistes redenden Apostel war vergeblich. „Die Bürger des Landes« schickten (in Stephanus) eine Gesandtschaft hinter dem in ein fernes Land gezogenen hochgeborenen Mann her mit der Botschaft: »Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Luk. 19, 14). Dann erst erfolgte der endgültige Abbruch der Beziehungen Gottes zu Israel. 
Es war also eine Übergangszeit, in welcher dem Volke Israel noch eine letzte Gelegenheit zur Umkehr
geboten wurde, und solang nicht der letzte Alt in der Geschichte der Verwerfung Christi vollendet war, konnte Er sich nicht zur Rechten des Thrones der Majestät setzen. Das will sagen: Die Treue gegenüber Seinen Verheißungen und die Langmut gegenüber Seinem Volke ließen es nicht zu, dass Er durch Sein Sichsetzen das endgültige Urteil über Seine Feinde aussprach. Israel musste erst bis zum Äußersten gegangen sein. Bis dahin stand Jesus» als der große Hohepriester Seines Volkes vor Gott, selbst jetzt noch bereit, in Gnaden wiederzukehren, wenn sie Buße getan haben würden.

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Auch ich fand Ihn

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo 1921, S. 112ff

Ich juble es in heller Wonne,
ich jauchze es laut in selger Lust:
Auch ich fand ihn, den Fels, die Sonne,
auch ich ruh jetzt an Jesu Brust!

Nun ist auch mir die Angst genommen
vor Satan, seiner Macht, dem Tod;
ein Frieden ist auf mich gekommen,
wie ihn die Welt mir niemals bot.

Ja, höchstes Glück ist mir beschieden:
An seinem Herzen – welch ein Platz!
An seinem Kreuze – lauter Frieden!
Und seine Liebe – welch ein Schatz!

Drum juble ich in heller Wonne,
drum jauchz ich laut in selger Lust:
Auch ich fand Ihn, den Fels, die Sonne,
auch ich ruh jetzt an Jesu Brust!

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Gibt es ein Heilmittel zur Beseitigung der Trennungen unter den Gläubigen?

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 113ff

4. Der Heilige Geist in den Gläubigen und in der Versammlung. 
Als der Herr Jesus nach vollendetem Werk in den Himmel hinaufgestiegen war und sich als Haupt Seines Leibes, der Versammlung, zur Rechten Gottes gesetzt hatte, nachdem die Frage der Sünde geordnet war und die Gnade Gottes nun ungehindert ausströmen konnte, kam der Heilige Geist aus die Erde herab, um von diesen Dingen zu zeugen und Christum, den zur Rechten der Majestät erhöhten Menschen, zu verherrlichen. Er ist ebenso persönlich gegenwärtig, wie der Herr selbst es einst war. Zwar schauen unsere leiblichen Augen Ihn ebenso wenig, wie sie den Herrn heute sehen, aber nichtsdestoweniger ist der Heilige Geist eine wirkliche Persönlichkeit, die dritte Person der Gottheit, nicht aber, wie viele meinen, nur ein Einfluss, eine auf uns einwirkende göttlich-geistige Macht. Bei der Taufe des Herrn im Jordan sehen wir Ihn in, „Gestalt einer Taube“ auf den Herrn herabkommen, und am Pfingsttage setzte Er sich „gleich zerteilten Zungen wie von Feuer“ auf jeden der aus die Verheißung des Vaters in Jerusalem wartenden Gläubigen. Seit jenem für uns alle so wichtigen Tage wohnt der Heilige Geist, der „Sachwalter“, wie der Herr Jesus Ihn nennt, auf dieser Erde, und zwar sowohl in der das „Haus Gottes“ bildenden Gesamtheit der Gläubigen, als auch in jedem von ihnen persönlich. Das ist eine Tatsache von herrlichster Bedeutung, aber auch von ernstester Tragweite. 
Die Jünger Jesu sollten nach dem Weggang ihres Meisters nicht verwaist dastehen in einer feindseligen, gefahrvollene Welt. Kurz vor Seiner Rückkehr zum Vater sagte Jesus zu ihnen: „Wenn ihr mich liebet, so haltet meine Gebote; und ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen SachwaIter geben, dass Er bei euch .sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn nicht sieht, noch Ihn kennt. Ihr aber kennet Ihn, denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh. 14, 16. 17). Der Heilige Geist, der also jetzt hienieden wohnt, wird diese Erde nicht eher wieder verlassen, bis Er die Braut Christi aus allen Nationen der Erde volIzählig gesammelt hat, um sie dann triumphierend dem himmlischen Bräutigam entgegenzuführen. Nach diesem herrlichen Augenblick sehnt Er sich mit der Braut. „Der Geist und die Braut sagen: Komm!“ Aber auch der Bräutigam, der Herr selbst, wartet — wie könnte es auch anders sein? — auf diese selige Stunde und erwidert jenen Ruf mit den Worten: „Ja, ich komme bald!" (Offbg. 22, 17. 20). Bis dahin bleibt der Heilige Geist bei uns und in uns. 
Damit nun niemand denke, dass diese zwiefache Offenbarung der Gegenwart des Heiligen Geistes nur für die Zeit der ersten Frische des Volkes Gottes bestimmt gewesen sei, sondern für alle Zeiten eine kostbare Wahrheit bleibt, möchte ich noch einige Stellen aus den Briefen des Apostels Paulus anführen, dem, wie keinem anderen der Apostel, die Wahrheit von der Versammlung als dem Leibe Christi durch Offenbarungen seitens des Herrn anvertraut worden war. Er sagt in 1. Kor. 6, 19: „Wisset ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt?“ Der Apostel erinnert hier die Korinther an das persönliche Wohnen des Heiligen Geistes in dem Einzelnen, weil einige von ihnen in Gefahr standen, ihren Leib durch unreine Dinge zu schänden, anstatt Gott in ihm zu verherrlichen. Im dritten Kapitel spricht er dagegen von dem Wohnen des Heiligen Geistes in dem „Tempel“ oder „Bau Gottes“, welcher von den Gläubigen in ihrer Gesamtheit gebildet wird. „Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in (oder: unter) euch
wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (Kap. 3, 16. 17). Es handelt sich hier um das „Haus Gottes“, das etliche durch böse Lehren, durch Verwendung von unechten Stoffen, wie Holz, Heu und Stroh, zu verderben trachteten. Im Epheserbrief nennt der Apostel die Versammlung Gottes den „einen Leib“, „einen heiligen Tempel im Herrn“, „eine Behausung Gottes im Geiste“. Das Wort Gottes unterscheidet also deutlich hier und au anderen Stellen zwischen dem Wohnen des Heiligen Geistes in den einzelnen Gläubigen und Seinem Wohnen in dem „Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist“. 
Die wichtige Frage ist jetzt: Wie verwirklichen wir diese kostbare Wahrheit? Wie kommt sie zum Ausdruck in unserem täglichen Leben, sowohl persönlich bei jedem einzelnen, als auch bei unseren Zusammenkünften zum gemeinschaftlichen Gottesdienst, zur Betrachtung des Wortes, zum Gebet, oder was der Grund sein mag, der uns zu einmütigem Handeln vereinigt? Lebt wirklich in unseren Herzen das Bewusstsein, dass unser Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, und dass wir alle zusammen die Behausung Gottes im Geiste bilden? Müssen wir nicht mit tiefer Beschämung bekennen, dass diese herrlichen Tatsachen unter uns vielfach nur als Lehre mit dem Verstande erfasst werden, aber gar wenig in der Praxis zur Geltung kommen? · Der Apostel ermahnt die Epheser, denen er wie keinen anderen die erhabene Stellung der Gläubigen in Christo vorstellt: „Werdet mit dem Geiste erfüllt, redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen, danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus, einander unterwürfig in der Furcht Christi (Eph. 5, 18ff.). Und: „Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung“ (Kap. 4, 30). 
Wer vermöchte den Segen und die überschwängliche Freude auszusprechen, die unsere Herzen erf0llen würden, wenn wir diesen Ermahnungen mehr nachkämen! Wahrlich, auch aus uns würden dann „Ströme lebendigen Wassers hervorfließen“. Aber wie ganz anders sieht es oft aus! Wie vielfach haben Weltsinn und Gleichgültigkeit Eingang gefunden! Anstatt das persönliche Leben unter die heiligende, bewahrende Zucht der bewussten Innewohnung des Geistes zu stellen, lässt man der Natur und dem Fleische Raum; anstatt sich aus die Gegenwart des Geistes, der in der Versammlung alles ordnen, leiten und darreichen möchte, zu verlassen, nimmt man seine Zuflucht zu menschlichen Hilfsmitteln und Einrichtungen. Doch lasst uns nicht bei diesem demütigenden Bekenntnis stehen bleiben, sondern mit Herzensentschluss zu der Quelle wahrer Kraft und-Freude zurückkehren und mit Ernst und geistlicher Entschiedenheit die kostbare, erhabene Stellung, in welche Gott uns versetzt hat, zu »verwirklichen uns bemühen! 
Wir haben vorhin gesagt, dass die Aufgabe des Heiligen Geistes darin bestehe, die Braut Christi aus der Welt zu sammeln und sie, wenn das letzte Glied gefunden sei, dem himmlischen Bräutigam entgegenzuführen, um dann selbst mit ihr in die Herrlichkeit zurückzukehren, wie einst Eliesers Aufgabe erfüllt war, als er Rebekka nach vollendeter Wüstenreise dem Sohne seines Herrn zugeführt hatte. Doch die Tätigkeit des Heiligen Geistes beschränkt sich nicht auf das Sammelnder Glieder. Wir wissen, dass Er, entsprechend dem Worte des Herrn Jesus, die bereits gefundenen auf ihrem Wege durch die Wüste in die ganze Fülle der göttlichen Wahrheit einleiten soll. Es ist Seine Freude, die Erlösten mit der Herrlichkeit ihres Herrn und Heilandes zu beschäftigen, ihnen die unausforschlichen Reichtümer des verherrlichten Menschensohnes, die Fülle Seiner Gnade und die Tragweite Seines Opfers ·vorzustellen. „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird Er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn Er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was irgend Er hören wird, wird Er reden, und das Kommende wird Er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird Er empfangen und euch verkündigen“ (Joh.16, 13. 14). Diese Verheißung ist in Erfüllung gegangen. Wir besitzen in den Schriften des Neuen Testamentes die ganze Wahrheit; das Wort Gottes ist vollendet, der Kreis der Offenbarungen Gottes geschlossen. Gleichwohl aber dürfen wir sagen, dass der vielseitige Dienst des Heiligen Geistes seine höchste Aufgabe auch heute noch in der Verherrlichung des Herrn findet. Das umschließt alles. Denn wenn Er heute einen Sünder in das Licht Gottes führt und ihn das Knie beugen lässt vor dem Sohne Gottes, oder wenn Er in dem einzelnen Gläubigen dahin wirkt, in der Wahrheit zu wandeln und viel Frucht zu bringen, wenn Er warnt und straft, tröstet und ermuntert, oder wenn Er in der Versammlung Lob, Dank und Anbetung wachruft, das nötige Wort darreicht und in Herzen Und Gewissen lebendig macht, oder wenn Er schließlich sich für die Erlösten in unaussprechlichen Seufzern verwendet, so geschieht das alles zur Ehre und Verherrlichung des Herrn.
Betrachten wir jetzt, als unserem Gegenstand am nächsten liegend, den Platz, welchen der Heilige Geist im Anfang in der Versammlung einnahm, und den Er auch in unseren Tagen noch beansprucht. Denn wenn auch infolge unserer Untreue alles in großer Verwirrung sich befindet, so bleiben doch die Grundsätze und Wahrheiten, welche die Gemeinde Gottes in der ersten Zeit leiteten, für alle Zeiten und Verhältnisse allein maßgebend. Viele mögen sich kurzerhand mit den gegenwärtigen Zuständen abfinden, indem sie alles so lassen, wie es einmal ist, oder sich bemühen, die bösen Folgen menschlicher Irrungen und Untreuen nach besten Kräften abzuschwächen. Aber nie wird Gott solches Tun gutheißen. Er verlangt vielmehr unter allen Umständen Gehorsam gegen Sein einmal gegebenes
Wort und Beugung unter Seinen Willen. 
Wenn wir daher verstehen, dass uns der Heilige Geist persönlich und gemeinschaftlich als Leiter und Führer von Gott, dem Vater, geschenkt worden ist, dann dürfte man billigerweise auch erwarten, dass die Gläubigen sich Seiner Leitung unterwerfen, dass sie so auf Seine Wirksamkeit achten und auf Ihn warten, wie es im Anfang geschah, und wozu uns Gottes Wort ermahnt. Ich sage: wie es im Anfang geschah. Da lesen wir z. B. in Apstgsch. 2, 4, dass die mit dem Heiligen Geiste erfüllten Gläubigen am Pfingsttage redeten, „wie der Geist ihnen gab auszusprechen“. Petrus sprach zu den Obersten und Ältesten des Volkes, „erfüllt mit Heiligem Geiste“. Desgleichen Stephanus (Kap. 4, 8 u. 6, 10). Ferner wird gesagt: „Der Geist sprach zu Philippus“, „der Geist sprach zu Petrus“, „der Geist hieß ihn mitgehen“; „es hat dem Heiligen Geiste und uns (den in Jerusalem versammelten Aposteln und Gläubigen) gut geschienen“; „sie waren von dem Heiligen Geist verhindert worden“; „der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht“; „sie sagten dem Paulus durch den Geist“ usw. (Apstgsch. 8, 29; 10, 19; 11, 12; 15, 28; 16, 6 — 7; 21, 4. 11). Der Dienst der Apostel und Jünger des Herrn, sei es der Welt gegenüber oder in der Versammlung, trug also den unverkennbaren Stempel der Wirksamkeit des Heiligen Geistes (Vergl. Phil. 3, 3). 
Über die besonderen Wirkungen der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes im Blick auf die Gemeinde und die Entfaltung Seiner Wirksamkeit in ihrer Mitte zur Auferbauung der Gläubigen geben uns die Kapitel 11, 13 und 14 des ersten Korintherbriefes klare und deutliche Anleitungen. So heißt es in Kap. 12, 7 ff: „Einem jeden wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben“, d. h. zum Nutzen für die Gesamtheit der Zuhörer. „Denn einem wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geiste; einem anderen aber Glauben in demselben Geiste, einem anderen aber. Gnadengaben der Heilungen in demselben Geiste, einem anderen aber Wunderwirkungen, einem anderen aber Prophezeiungen, einem anderen aber Unterscheidungen der Geister; einem anderen aber Arten von Sprachen, einem anderen aber Auslegung der Sprachen. Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie Er will. 
Hieraus erhellt, dass der Heilige Geist in der Gemeinde Gottes hienieden aus die verschiedenste Weise und durch die verschiedensten Personen und Gaben wirkt zum Nutzen und Segen aller, und zwar „wie Er will“. Überdies bezeichnet der Apostel seine Unterweisungen ausdrücklich als „Gebote des Herrn“, wodurch er ihre besondere Wichtigkeit hervorheben will (Kap. 14, 37). Es ist nicht etwas Nebensächliches, über das man verschiedener Ansicht sein könnte, wenn er so von dem Zusammenkommen der Gläubigen und der Ausübung des Dienstes in ihrer Mitte redet. Nein, es sind
grundlegende Anordnungen, Wahrheiten, die für den einfältigen, von dem Geist geleiteten Christen unmittelbar von Gott kamen —- „Gebote des Herrn“, „welche die volle Autorität Gottes besaßen. Und diese Gebote sind unveränderlich. Zeit und Umstände haben keinen Einfluss auf sie. Wer sich also gegen sie auflehnt, lehnt sich gegen den Herrn aus, wer sie gering achtet, achtet den Herrn gering, der einst zu Seinen Jüngern sagte: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was irgend ich euch gebiete“ (Joh.15,14). Wir sollten uns daher allen Ernstes fragen, inwieweit wir persönlich und gemeinsam diesen Seinen Geboten nachkommen. 
Was machen wir z. B. aus dem Wort: „Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden“? (V. 13). Erkennen wir diese Zugehörigkeit zu dem einen Leibe, in welchem es keine Spaltungen geben sollte, an und handeln wir dementsprechend? Verwerfen wir jede andere Gliedschaft? Glauben wir, dass es heute noch wahr ist: „Gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch der Christus“? und: „Ihr aber seid der Leib Christi und Glieder insonderheit“? (V. 12. 27). Weiter: Räumen wir dem Heiligen Geist bei unseren Zusammenkünften den Platz ein, den Er beansprucht und beanspruchen muss? Warten wir wirklich auf Seine Leitung? Oder sind wir auf dem Plan? Ist letzteres der Fall, dann sieht es schlimm aus; alles wird dann verdorben. Die Zusammenkünfte werden kraftlos, und von dem Segen, den der Herr uns zugedacht hat, geht viel verloren. Anstatt dem Heiligen Geiste Raum zu lassen, zu wirken, wie und durch wen Er will, indem Er durch den einen Bruder ein Wort der Ermahnung, der Belehrung oder des Trostes an die Versammlung richtet, einem anderen Freimütigkeit zum Sprechen
eines Gebete gibt, einen dritten ein Loblied vorschlagen lässt, einem vierten einen Psalm oder sonst einen Schriftabschnitt gibt, der zum Segen der Versammlung vorgelesen wird, liegt dieser Dienst nur einzelnen Personen ob, die eigens hierzu ernannt sind. Man mag diese Personen nennen wie man will, jedenfalls ist der freien Wirksamkeit und Leitung des Heiligen Geistes ein ernstes Hindernis bereitet. Er ist nicht, wenn ich mich so ausdrücken darf, die maßgebende Person, der allein Ausschlag gebende Faktor. 
Ich rede jetzt selbstverständlich nicht von dem Dienst am Evangelium, noch von jenen besonderen Fällen, wo ein „Lehrer“ über vorher ausgewählte Schriftabschnitte oder bestimmte Teile der Wahrheit auf seine persönliche Verantwortlichkeit hin Vorträge hält, sondern von den gemeinsamen Zusammenkünften der Gläubigen zum Gebet, zur Erbauung usw. Trifft da das Obengesagte zu, so ist der Heilige Geist, wenn Er anders leiten und wirken will, gebunden, sich dieser bestimmten Personen zu bedienen, ja, da wo nur eine Person der Versammlung vorsieht, nur dieser einen. Ich brauche nicht zu sagen, dass dadurch der Wirksamkeit des Heiligen Geistes geradezu Gewalt angetan wird. Wenn das aber geschieht, so muss eine solche Versammlung des größten Segens beraubt werden. Es mag besonders begnadigte, treue Diener des Herrn geben, die mehrere Gaben in sich vereinigen, aber wer von ihnen wollte zu behaupten wagen, dass er alles besitze, was zur Auferbauung der Gemeinde erforderlich ist und was der Herr ihr schenken möchte? Wer ist überdies imstande, jederzeit den Heiligen zu dienen? Und doch erfordern das die getroffenen Einrichtungen in vielen Fällen. Ein Diener
des Herrn, der sich in einer derartigen Anstellung befindet, ist herzlich zu bedauern; er müsste ja gar kein geistliches Gefühl haben, wenn er es nicht empfände, dass solche Verhältnisse ihm einen Zwang und Druck auferlegen, die der Herr niemals für Seine Knechte bestimmt hat. Ob er persönlich den Drang in sich fühlt, den verantwortungsvollen Dienst auszuüben, ob sein Verhältnis zum Herrn stets so ist, wie der Dienst es erfordert, ob sein Herz glücklich oder beschwert ist — alle diese Fragen können keine Berücksichtigung finden; er muss in jeder Versammlung predigen, lehren, ermahnen, trösten, zurechtweisen, beten usw. Ist das nicht in der Tat eine traurige, unwürdige Lage, die in unmittelbarem Widerspruch steht zu den in ihrer Ausübung so gesegneten „Geboten des Herrn“? Wir bestreiten nicht, dass der Geist in den genannten Personen wirken kann und es, entsprechend der Herzensstellung der Betreffenden, auch tut, — das Gegenteil zu behaupten käme einer Leugnung der Tatsache gleich, dass der Heilige Geist in den einzelnen Gläubigen wohnt — aber eine solche Versammlung steht, als ein Ganzes betrachtet, unmöglich unter der Leitung des Heiligen Geistes. 
Wir finden hier also einen ähnlichen Unterschied wie im vorigen Abschnitt zwischen dem „im Namen Jesu“ Versammeltsein und irgend einer persönlichen Handlung im Namen des Herrn. In beiden Fällen handelt es sich das eine Mal um den Gläubigen persönlich, das andere Mal um die Gläubigen als Körperschaft, als der „Leib Christi“, das „Haus Gottes“, der „Tempel des Heiligen Geistes“ oder „die Versammlung des lebendigen Gottes“. 
Hieraus geht auch hervor, dass wir nicht wirklich im Namen Jesu versammelt sein können, ohne die Leitung und Wirksamkeit des Heiligen Geistes praktisch anzuerkennen, und, umgekehrt, uns ebenso wenig unter der alleinigen Leitung des Heiligen Geistes befinden können, ohne im Sinne von Matthäus 18, 20 im Namen Jesu versammelt zu sein. Beide Wahrheiten gehen Hand in Hand und sind unzertrennlich miteinander verbunden. 
Ein wirkliches Zusammensein im Namen Jesu, unter der Leitung des Heiligen Geistes, setzt aber nicht nur eine schriftgemäße Erkenntnis über diese Dinge, sondern auch eine aufrichtige Gesinnung und Herzensstellung voraus. Gott sieht das Herz an! Und nie und nimmer haben wir ein Recht, uns auf den Herrn und den Heiligen Geist, oder aus eine dem Buchstaben des Wortes entsprechende Stellungnahme zu berufen, wenn wir in Eigenwillen und SelbstgefälIigkeit oder in Gleichgültigkeit und Sünde leben. Dass hierzu Gefahr vorliegt, wird jeder zugeben müssen, der sein eigenes Herz nur ein wenig kennt. Möchten wir daher wohl auf der Hut sein und den Herrn viel bitten, dass Er uns vor solch bösem Tun in Gnaden bewahre! Freiheit des Geistes ist das kostbare Teil der Kinder Gottes. Sollte aber die Freiheit im persönlichen Leben für das Fleisch missbraucht werden, oder in der Versammlung sich in Ungebundenheit und Eigenwillen des Menschen umwandeln, dann ist es die Pflicht der Versammlung, einzuschreiten und dem Bösen zu wehren. 
Es gibt also zwei Dinge, die der Wirksamkeit des Heiligen Geistes und Seiner Leitung hindernd im Wege stehen können: einerseits menschliche Anordnungen und Einrichtungen, und andererseits persönliche Untreue, Eigenwille und fleischliche Freiheit. In beiden Fällen ist ernste Prüfung, Selbstgericht und Umkehr notwendig. Die bestgemeinten menschlichen Einrichtungen müssen fallen; ein anderes Mittel gibt es nicht, nichts Geringeres als das genügt. Aber ebenso schonungslos müssen Eigenwille und andere böse Erscheinungen in den Einzelnen und inmitten der Versammlung gerichtet werden. Nur ernstes Selbstgericht und wahre Reinigung können verloren gegangene Segnungen wieder herbeiführen.

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Ohne Heiligung kein Christentum

Bibelstelle: 1. Petrus 1

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 126ff

II.
Sehen wir jetzt zu, wie Gott dieses Werk der Heiligung ausführt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach Seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten!“ (Vers 3). 
Das ist die Weise, wie Gott mit uns verfährt. Wenn Er uns für sich absondert, so tut Er es nicht etwa so, dass Er das Böse in uns verbessert oder umgestaltet, sondern indem Er uns selbst ganz neu schafft. Er bewirkt eine neue Schöpfung, weil die alte Natur dem Gesetz Gottes nicht untertan sein kann. Er gibt ein völlig neues Leben.
Wer nicht von neuem geboren ist, gehört noch der Welt an, die unter Gericht und Verdammnis steht. Von Adam abstammend, bedürfen wir einer neuen Geburt, einer Geburt durch Christum, in der Kraft des Heiligen Geistes. Wird das Herz durch den Heiligen Geist besucht, so erfährt man diese Wiedergeburt kraft eines Lebens, das nicht von dieser Welt ist und das Herz einem ganz anderen Ziele zudrängt: Christo. Das geschieht, wie bereits bemerkt, nicht durch Vorschriften, die an den alten Menschen gerichtet werden, sondern durch ein anderes Leben, eine neue Schöpfung. Die Vorschriften kommen hernach, jedoch nicht als ein Gesetz, das wiederum Furcht hervorruft. Das will sagen: das Leben, von welchem wir reden, die neue Geburt, gehört nicht dieser Welt an, weder seinem Ursprung, noch seinem Ziele nach; es gibt nicht einen einzigen Gegenstand, den das neue Leben mit dem alten gemein haben könnte. Wir besitzen es hienieden in unserem Leibe: wir essen, wir arbeiten usw., wie vorher; aber Christus ist gekommen, um uns mit etwas bekannt zu machen, das von dem Leben auf dieser Erde gänzlich verschieden ist, und dieses Neue ist die Richtschnur für den Christen, das was sein ganzes Verhalten bestimmt. Er hat mit Christo den gleichen Gegenstand, das gleiche Ziel, dieselbe Freude; seine Gefühle und Neigungen sind himmlisch, wie diejenigen Christi es waren.
Wenn das Leben Christi in mir ist, so kann der Geist Christi in mir keine Freude an irgend etwas finden, woran Er Seine Freude nicht hat. Der Geist Christi in mir kann kein anderer sein, als der einst hienieden in Ihm war, und es ist deshalb klar, dass ein Christ, der von der Welt für Gott abgesondert ist, kein Vergnügen finden kann an dem sündigen Treiben dieser Welt; er kann nicht die Welt dem Himmel vorziehen.
Wir wissen ja wohl, dass der Christ oft weit hinter dieser göttlichen Regel zurückbleibt. Aber dennoch bleibt es wahr, dass es zwischen dem himmlischen Leben und dem Leben der Welt nichts Gemeinsames geben kann. Ich wiederhole: Es handelt sich für uns nicht um Gebote oder Verbote bezüglich dieser oder jener Sache, sondern darum, dass die Neigungen, Wünsche und Freuden des Herzens ganz andere geworden sind. Aus diesem Grunde meinen die Menschen oft, die Christen seien doch recht arme und bedauernswerte Geschöpfe, weil sie alle nur von einem einzigen Gedanken beseelt seien. Aber es liegt nur daran, dass unsere Freuden ganz andere sind, als die der Welt, und dass die Welt diese Freuden nicht kennt. 
Ein nicht wiedergeborener Mensch kann nicht verstehen, was .den Christen so glücklich macht, dass er gar keinen Geschmack mehr an den Dingen dieser Welt findet. Das Sinnen· und Denken des Christen ist nach oben gerichtet. Seine Freude ist, dass Christus in den Himmel eingegangen ist und alles hinweggetan hat, was uns daran hindern könnte, auch dort einzugehen. Tod, Satan und böse Geister — alles ist durch Christum überwunden worden, und Seine Auferstehung hat alles zunichte gemacht, was zwischen Ihm und der Herrlichkeit stand, als Er sich völlig auf unseren Platz stellte. Indem Er das tat und sich allen damit verbundenen Folgen unterwarf, hat Er die Welt und ihren Fürsten überwunden. Darum wird uns zugerufen: „Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch fliehen“. Wenn Satan schon besiegt ist, brauchen wir ihn nicht mehr zu besiegen, sondern nur ihm zu widerstehen. Wenn wir ihm widerstehen, so weiß er, dass er Christo, seinem Überwinder, in uns begegnet. Das· Fleisch widersteht ihm nicht. Jesus hat uns durch Seine Auferstehung aus den Toten eine lebendige Hoffnung gegeben, und in Ihm stehen wir jetzt auf einem Felsen den nichts erschüttern kann.
Christus hat in Seiner Auferstehung gezeigt, dass Er den Sieg davongetragen hat. Und welche Gnade, dass uns dieser Sieg gebracht hat „zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelkliche: Erbteil, welches in den Himmeln aufbewahrt ist für uns, die wir durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt werden“! (Vers 4. 5). 
Dieser Schatz wird in den Himmeln aufbewahrt. Er ist in vollkommener Sicherheit; für ihn brauche ich nicht besorgt zu sein. Aber was mich in Bezug auf mich selbst so leicht furchtsam macht, sind die Versuchungen und mancherlei Schwierigkeiten des Weges, denn ich bin noch nicht im Himmel. Proben und Hindernisse aller Art begegnen uns; aber was uns Sicherheit und Gewissheit gibt, ist das Bewusstsein, dass wir in den Proben hienieden „bewahrt“ werden, geradeso wie das Erbe in den Himmeln für uns aufbewahrt wird. 
Welch eine kostbare Stellung! Durch die Auferstehung Jesu Christi abgesondert, von Gott- gezeugt, erwartet der Christ die Herrlichkeit; und indem er das tut, wird er bewahrt durch Gottes Macht, mittels des Glaubens, und ist von der Welt getrennt durch die mächtige Mitteilung des Lebens Dessen, der den Sieg davongetragen hat über alles, was uns hätte hindernd im Wege stehen können. 
Aber wozu sollen die Proben, die uns gesandt werden, dienen? Gott bearbeitet den Boden, damit die Zuneigungen des Herzens geläutert, geübt und in Übereinstimmung gebracht werden mit der Herrlichkeit des Himmels und mit den Gegenständen, die vor unsere Augen gestellt sind. Wirst man für nichts das Gold in den Schmelztiegel? Oder deshalb, weil es nicht Gold ist? Nein, es geschieht, um es zu reinigen. Gott will durch die Proben aus unseren Herzen das entfernen, was unrein ist, damit, wenn die Herrlichkeit kommt, wir uns ihrer ungehindert erfreuen können.
Betrachten wir noch ein wenig, was der Apostel über diesen Gegenstand sagt: „Worin ihr frohlocket, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen, auf dass die Bewährung eures Glaubens, viel köstlicher als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (V. 6. 7). Und womit beschäftigt der Heilige Geist unsere Seelen, während dieser Heiligungsprozess sich in uns vollzieht? Petrus sagt es uns: „Welchen ihr, obgleich ihr Ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr Ihn jetzt nicht sehet, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlocket, indem ihr das Ende eures Glaubens, die Errettung der Seelen, davontraget“ (V. 8. 9). 
Hier befindet sich unser Herz, hier ist sein wahrer Platz. Welche Umstände uns auch auf unserem Wege begegnen mögen, Christus ist da inmitten aller Versuchungen, und das Herz ist immer nahe bei Ihm, ruht an der Quelle seines Glücks, und wenn wir auch einerseits sagen müssen, dass Seine Liebe ohne Grenzen ist und alle Erkenntnis übersteigt, dürfen wir andererseits doch auch sagen, dass wir ein Verständnis von ihr haben. 
Wir alle wissen, was ein Kompass ist. Man mag ihn drehen und wenden, wie man will, die Magnetnadel wendet sich immer dem Nordpol zu« Sie mag ein wenig zittern, wenn Gewitter und Stürme sich erheben, aber ihre Richtung verändert sie niemals. So zeigt auch die Magnetnadel des Christenherzens immer auf Christum hin. Ein Herz, das Jesum versteht und Ihn liebt, das da weiß, wohin Er ihm vorausgegangen ist, blickt auf Ihn, während es durch Proben und Schwierigkeiten geht. Wie rau und schwer der Weg deshalb auch sein mag, er ist uns köstlich, weil wir die Fußstapfen Jesu auf ihm finden (denn Er selbst ist diesen Weg gegangen), und besonders weil dieser Weg uns durch Leiden zu der Herrlichkeit führt, in welcher Er schon ist. Der Apostel sagt deshalb auch: „Worin ihr frohlocket, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen“. 
Wir sind nicht nur wiedergeboren, sondern wir tragen auch das Ende unseres Glaubens, die Errettung der Seelen, davon. Das Ende von allem wird sein, Christum zu schauen, sowie die Herrlichkeit, die Er für mich erworben hat. Petrus spricht von der „Errettung der Seelen“, weil es sich nicht um eine zeitliche Befreiung handelt, wie einst bei dem Volke Israel. Heute schon sehe ich die Herrlichkeit wie durch einen Vorhang, aber ich möchte mich selbst gern dort sehen. Und während ich durch die Proben des Weges gehe, blicke ich auf Den, der schon in der Herrlichkeit ist und sie mir verbürgt. Das Gold wird durch die Läuterung nicht erst geschaffen, es ist da; und was. mich betrifft oder das ewige Leben, das ich habe, so ist es das Gleiche, als wenn ich schon in der Herrlichkeit wäre. Errettung und Herrlichkeit sind, obschon ich noch durch Proben zu gehen habe, mir genau so sicher, als wenn ich schon in die Ruhe eingegangen wäre. Wie vollzieht sich also die praktische Heiligung? Indem sich meine Gewohnheiten und Neigungen, mein Wandel, mein ganzes Tun und Lassen bilden nach dem Leben und der Berufung, die ich von Gott empfangen habe.
Wenn in einem Hause Reinlichkeit herrscht, so erwartet man von einem Diener, der darin angestellt wird, auch Reinlichkeit. So sagt Gott: „Seid heilig, denn ich bin heilig“. Wie mit jenem Diener, so ist es mit uns. Gott muss uns passend haben für den Zustand Seines Hauses: Er will praktische Heiligkeit in Seinen Dienern sehen. Mehr noch: die Absicht des Apostels geht dahin, unseren Glauben fest und beständig zu machen. Er gibt uns deshalb im 21· Verse eine volle Sicherheit, indem er uns sagt: „auf dass euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott sei“ — auf Gott selbst, dass sie sich also nicht einfach auf das gründen, was uns vor einem gerecht urteilenden Gott rechtfertigt. Der Gott, an welchen wir glauben, ist ein Gott, der „für uns“ ist, der uns helfen wollte und uns in Seine Familie eingeführt hat, indem Er uns absonderte zum Gehorsam Jesu Christi und zur Teilnahme an der Besprengung mit Seinem Blute. Er hat uns geliebt mit einer ewigen Liebe und hat alles getan, was für uns getan werden musste, und nun bewahrt Er uns durch Seine Macht, durch Glauben, um uns in die Herrlichkeit einzuführen. Er mag uns in den Schmelztiegel legen, weil Er uns völlig reinigen will, aber Er selbst ist es, der uns gerechtfertigt hat; wer ist nun da, der verdammen könnte? „Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet. Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“ Wenn unser Glaube und unsere Hoffnung auf Gott sind, was haben wir dann zu fürchten? 
-Das 3. Kapitel des Propheten Sacharja gibt uns in dieser Beziehung ein sehr ermunterndes Beispiel. Jehova lässt Seinen Propheten dort den Hohenpriester Josua sehen, der vor dem Engel Jehovas steht, und Satan steht zu seiner Rechten, um ihm zu widerstehen. Jehova spricht zu Satan: „Jehova schelte dich, Satan! Ja, es schelte dich Jehova, der Jerusalem erwählt hat! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer gerettet ist?“ Josua war aber bekleidet mit schmutzigen Kleidern — ein Bild der Sünde und des Verderbens des Menschen. Da spricht der Engel, vor dem er steht: „Ziehet ihm die schmutzigen Kleider aus“. Und zu Josua sagt er: „Siehe, ich habe deine Ungerechtigkeit von dir weggenommen, und ich kleide dich in Feierkleider“, die uns zugewendete Gerechtigkeit Gottes. So verklagt Satan die Kinder Gottes, aber wenn Gott rechtfertigt, wer kann dann verdammen? Wäre es möglich, das; Gott nicht befriedigt sein könnte mit Seinem eigenen Werke, mit dem, was Er für sich selbst getan hat? Nein, es ist ganz in der Ordnung, dass wir heilig und tadellos sind vor Ihm in Liebe (Eph. 1, 4). 
Mein Leser! Kannst du sagen: „Er hat mich geheiligt“, in dem Sinne, dass Er dich abgesondert und dir Jesum als Gegenstand deines Glaubens gegeben hat? Wenn es so ist, dann bist du unter die Besprengung des kostbaren Blutes Jesu Christi gebracht, damit du ein Christ seiest und glückselig im Gehorsam. Dann kannst du sagen: Er ist der Gegenstand meiner Wünsche und meiner Hoffnung. Du hast ja noch nicht alles erfasst und verstanden, was Christus für dich ist, und hast dich noch in vielem zu üben; aber so viel weißt du, dass Gott es ist, der alles getan und dich unter die Wirksamkeit des neuen Auferstehungslebens gebracht hat, damit du glücklich seiest in Seiner Liebe.
Es ist beachtenswert, bis zu welch einem Punkte Gott alles neu in uns macht. Er tut es, weil Er unsere eigenen Gedanken und Wege zerstören muss, damit wir so wirklich Frieden haben.
Zwischen Adam, dem ersten, und Christo, dem zweiten Menschen, gibt es in sittlicher Beziehung nichts Gemeinsames: der erste Mensch sündigte und riss sein ganzes Geschlecht in seinen Fall mit hinein; der zweite ist die Quelle des Lebens und der Kraft. Diese Tatsachen finden ihre Anwendung aus alle Wahrheiten des Christentums und zeigen uns den wahren Charakter von allem, was in der Welt ist. Es gibt nur diese beiden Menschen: Adam und Christus. Nikodemus war betroffen über die Weisheit in Jesu und die Macht, die sich in Seinen Wundern und Zeichen offenbarte. Aber der Herr unterbrach ihn mit den Worten: „Du musst von neuem geboren werden. Nikodemus war nicht in einem
Zustand, dass er in den Dingen Gottes hätte unterwiesen werden können; er verstand. sie nicht, denn er hatte kein Leben, wenigstens damals noch nicht. Später sehen wir ihn dem Herrn Jesus Ehre erweisen, indem er die zu Seiner Einbalsamierung nötigen Spezereien herzubrachte.

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Seid um nichts besorgt

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 135ff

Eine Christin in vorgerücktem Alter, die schon seit vielen Jahren mit ihrer Hände Arbeit durch Waschen und Bügeln ihren und ihres kranken Mannes Unterhalt bestritt, hatte ihren Mann nach langer Krankheit verloren. In Frieden war er heimgegangen. Besonders die letzten Wochen während der Krankheit des Entschlafenen hatten außerordentlich hohe Anforderungen an ihre ohnehin schwachen körperlichen Kräfte gestellt. Volle drei Wochen war sie nicht aus den Kleidern gekommen und kaum von dem Lager ihres Mannes gewichen. Nun stand sie mit ihrer erwachsenen, kränklichen Tochter, die, auch ein Kind Gottes, der Mutter nach Kräften in allem· beigestanden hatte, allein.
Nach den vielen Entbehrungen und Anstrengungen der letzten Zeit hat die Mutter das Bedürfnis, sich einmal recht auszuruhen. Sie versucht es auch, zu schlafen, allein es will ihr lange nicht gelingen. Endlich jedoch senkt sich der Schlummer auf ihre müden Augen. Der Herr schenkt dem ermatteten Körper einige Stunden erquickenden Schlafes. Kaum aufgewacht, muss die Mutter aber wieder an die raue Wirklichkeit denken. Sie weiß, dass die geringen Ersparnisse, die seither gemacht wurden, während der Krankheit ihres Mannes und durch die großen Beerdigungskosten völlig aufgebraucht worden sind; sie weiß auch, dass ihre Körperkraft nicht mehr ausreicht, das anstrengende Waschen und Bügeln in bisheriger Weise fortzusetzen; sie denkt an die Tochter, die mit ihrem körperlichen Gebrechen nicht nur keine besondere Arbeitskraft bedeutet, sondern selbst eine Erholung dringend nötig hätte. Ach! die Arme sieht nichts als Schwierigkeiten und erschrickt angesichts der ohnehin so ernsten Lebensverhältnisse. Wie dunkel und unsicher liegt die Zukunft vor ihr! 
Das Mütterlein seufzt. Sie erfährt die Wahrheit des Wortes, dass das Menschenherz ein armes, verzagtes Ding ist. Da aber ist ihr’s auf einmal, als würde an der ihrem Bett gegenüberliegenden Wand eine Schrift sichtbar, als leuchte es dort auf: 
„Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden.“ 
Wie oft hatte sie dieses Wort schon in ihrer Bibel (Phil. 4, 6) gelesen, und wiederholt schon hatte sie in ihrem Leben dessen Kraft und Wahrheit erfahren. Aber jetzt, als es gleichsam handgreiflich vor ihren Augen erschien, da fühlte sie, dass der Herr selbst im Begriff stand, ihr in Seiner Liebe eine ernste, aber auch trostreiche Unterweisung zu geben. 
Doch nicht genug damit! Noch waren ihre Gedanken mit dem eben Vernommenen beschäftigt, da erscheint neben dem ersten, das immer noch zu lesen war, ein zweites Wort:
„Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo Er Sein Haupt hinlege“ (Luk. 9, 58).
Das Mütterlein sieht und staunt. Da stehen beide Stellen klar und deutlich vor ihr; erst allmählich verblassen und verschwinden sie. War es Wirklichkeit, oder hatte sie im Halbschlaf vielleicht geträumt? Sie wusste es selbst nicht recht, obwohl sie glaubte, dass das erstere der Fall war. Doch wie es auch sein mochte, das Eine war ihr klar: der Herr selbst hatte durch Sein Wort zu ihr geredet. Bald fand sie auch den Zusammenhang der beiden Stellen heraus. Der Herr wollte ihr zuerst zeigen, dass sie von Ihm abhängig sei. Das musste und konnte ihr genügen, um völlig überzeugt zu sein, dass Er, wie Er es ja seither schon getan, nunmehr in besonderer Weise ihre Führung übernehmen wolle. O, wie köstlich war ihr mit einem Male der Gedanke: „Er sorgt für mich!“ Und nicht nur das; im Blick auf Ihn, der einst in Niedrigkeit auf dieser Erde gewandelt hat, erkannte sie auch das Mittel, mit dessen Hilfe sie imstande sein würde, den Sorgengeist, wenn er wiederkehren wollte, zu bannen. Dieses Mittel hieß: „Anspruchslosigkeit“. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit Jesu, wie Er einst als ein einsamer Fremdling und Pilgrim auf dieser Erde war, und sie dachte mit Staunen daran, dass der Schöpfer aller Dinge, dem doch alles gehört, nichts beanspruchte und nichts forderte, sondern in Gehorsam und Abhängigkeit auf Seinen Vater wartete. Ja, Er lebte von jedem Worte, das aus dem Munde Gottes hervorging, und hatte eine Speise zu essen, die Seine Jünger nicht kannten. Es war das Bewusstsein, den Willen Dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte. 
Das Mütterlein hatte verstanden, was der Herr ihr kundtun wollte. Sie war überaus dankbar für die empfangene Ermunterung und Belehrung, und als sie mir einige Tage später davon erzählte, da glänzten Freudentränen in ihren Augen. Sie schloss ihren  Bericht mit den Worten: „Der Herr ist freundlich! Meine Tochter und ich, wir haben es uns vorgenommen, auf Ihn allein zu vertrauen. Wir wollen keine Ansprüche stellen, auch keine Pläne machen, wollen auch nicht klagen, sondern auf Ihn warten, der gesagt hat: „Seid um nichts besorgt!““ . . . 
Ich möchte diese einfache Begebenheit den Lesern des „Botschafter“ nicht vorenthalten. Sie mag vielleicht dem einen oder anderen von ihnen gleichfalls zur Belehrung und Ermunterung dienen. 
Wie gesegnet ist es für jeden von uns, wenn wir der Aufforderung des Wortes Gottes in kindlich einfältigem Vertrauen nachkommen und wirklich um nichts besorgt sind! Es gibt eine Stelle, wir alle kennen sie ja, da find unsere Bedürfnisse bekannt, noch ehe wir sie aussprechen, und dort dürfen wir allezeit mit unseren Anliegen im Gebet nahen. Der allmächtige Herr, der dort zur Rechten des Gnadenthrones weilt, kennt aus eigener Erfahrung von Seinem Erdenlauf her alles, was uns begegnen und beschweren kann, ist vertraut mit den Schwachheiten der menschlichen Natur und ist voll innigen Mitgefühls und barmherzig. 
Aber hüten wir uns, irgendwelche Bedingungen Gott gegenüber machen zu wollen, ähnlich, wie es einst Jakob zu Bethel tat! (1. Mose 28, 20. 21). Wenn wir uns aller Wünsche enthalten, auch in unseren innersten Gedanken, so werden wir viel freudiger unseren Weg gehen und viel dankbarer sein für alles das, was der Herr uns zukommen lässt. Unsere Augen werden dann hell und blicken freundlich, auch wenn es trübe um uns her werden will und manches anders geht, als wir erwarten und wünschen. Dem Herrn steht ja alles zur Verfügung, aber Er kann uns nicht immer von allem geben; es wäre nicht nützlich für uns. Deshalb singt auch der Dichter:
Und weigerst du uns je ein Teil,
So ist es nur zu unserm Heil!
Die Stelle im Worte Gottes, die uns auffordert, um nichts besorgt zu sein, und uns dann anweist, uns allezeit durch Gebet und Flehen vertrauensvoll an Gott zu wenden, verheißt uns auch nicht, dass wir stets bekommen werden, um was wir gebeten haben. Aber eines ist unser Teil: 
„Der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird unsere Herzen und unseren Sinn bewahren in Christo Jesu.“

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Gedanken

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 139ff

Alles was in dieser Zeit für den Herrn getan, oder was von Ihm in und unter Seinen Heiligen gewirkt wird, alles wird dereinst, an Seinem Tage, Anerkennung finden. Alle Gnade in den Gläubigen, alle Liebe, alles Dienen und Mühen, alles Leiden um Seinet- oder um der Gerechtigkeit willen, ja, was es nur irgend an ähnlichen Dingen geben mag, wird dort der Bestätigung und Ehrung seitens des Herrn begegnen. Aber ich möchte hinzufügen, dass gewiss auch alles Eingehen in Seine Gedanken, das Lernen zu Seinen Füßen, auf Anerkennung und eine eigene, besondere Freude an jenem Tage rechnen darf. Es mag, verglichen mit dem anderen, gering sein, aber auch ihm wird sein Maß werden. Knechte und Mägde, die viel geliebt und gearbeitet haben, Nachahmer und Nachfolger Jesu, Märtyrer usw. werden ihren besonderen Platz haben; aber auch treue, fleißige Schüler werden ihre Anerkennung nicht verlieren.
An jenem Tage, wo „einem jeden sein Lob werden wird von Gott“, werden sicherlich auch die einen Platz finden, die inmitten menschlicher Irrtümer und falscher Auslegungen an den Gedanken und Grundsätzen der göttlichen Weisheit festgehalten, die zu der Wahrheit Gottes und zu Seinen Offenbarungen betreffs der verschiedenen Haushaltungen gestanden und darin ihre Freude und Wonne gefunden haben.
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Wenn die Erkenntnis in göttlichen Dingen nicht mit praktischer Gemeinschaft gepaart geht, so fehlt ihr gerade das, was sie fruchtbar macht und durch sie der Seele wahre, göttliche Freude vermittelt. Ein solches Christentum empfiehlt sich niemand. Wir mögen die herrlichsten Wahrheiten besitzen, wenn wir aber der Gnade ermangeln, die aus der Gemeinschaft mit Gott hervorströmt, so ist all unser Wissen kraft- und wertlos. Es nützt uns nichts gegenüber der List und Macht des Feindes. Nur die bewusste, ununterbrochene Verbindung des Herzens mit Gott macht uns stark. Anders ist Satan stark wider uns, und er würde uns ganz mit sich fortreißen und verderben, wenn Gottes Gnade und Erbarmen, trotz unseres Mangels an Gemeinschaft, uns nicht hielten.

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Gibt es ein Heilmittel zur Beseitigung der Trennungen unter den Gläubigen?

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 141ff

5. „Abendmahl“ und „Tisch des Herrn“.
„Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, in welcher Er überliefert wurde, Brot nahm, und als Er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahle und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute; dies tut, so oft ihr trinket, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt“ (1. Kor. 11,· 23 - 28).
Unsere Blicke werden in dieser Stelle zurückgelenkt zu jener dunklen Nacht, in welcher der Herr Jesus in die Hände sündiger Menschen überliefert wurde; wo die Bosheit und der Hass des Menschen· sich mit der Macht der Finsternis verbanden gegen das Licht, gegen den Sohn Gottes; wo ein Judas den Herrn für dreißig Silberlinge verriet, alle Jünger Ihn verließen, und Petrus mit einem dreifachen. Eide sich verschwor, den „Menschen“ nicht zu kennen. Zu jener schrecklichen Nacht, in welcher der Herr im Garten Gethsemane auf Seinem Antlitz lag und angesichts des herannahenden Todes und des Verlassenseins von Gott, angesichts der furchtbaren Erwartung, an unserer Stelle zur Sünde gemacht zu werden, in ringendem Kampfe betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“; wo „Sein Schweiß wie große Blutstropfen auf die Erde herabfiel, und „Seine Seele sehr betrübt war, bis zum Tode“. In der klar bewussten Erwartung all dieser Leiden schart der Herr Seine geliebten Jünger noch einmal um sich, nicht um durch sie ermuntert oder gestärkt zu werden, nein, um ihnen Trost zuzusprechen, um ihnen zu zeigen, dass Er im Begriff stand, für sie in den Tod zu gehen, damit sie dessen Schrecken nicht schmecken möchten in Ewigkeit. Bei diesem feierlich-ernsten Anlass gibt Er ihnen für die Zeit Seiner Abwesenheit die kostbaren Erinnerungszeichen an Seinen Tod. 
„Da Er die Seinigen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte Er sie bis ans Ende.“ Mit diesen Worten leitet der Evangelist Johannes seinen Bericht über das letzte Zusammensein des Herrn mit Seinen Jüngern ein (Joh. 13, 1). Könnte es eindrucksvollere, rührendere Worte geben? Wie das Passahmahl, zu dessen Feier man zusammengekommen war, an die Befreiung Israels aus Ägypten erinnerte, so ruft das Mahl des Herrn uns immer wieder das, große Opfer in die Erinnerung zurück, das auf Golgatha zu unserer Befreiung dargebracht worden ist. Ein gebrochenes Brot, ein ausgegossener Kelch -— siehe da die so laut und eindringlich redenden Zeichen des Todes unseres Heilandes, der uns „in dem Leibe Seines Fleischesdurch den Tod“ mit Gott versöhnt und „Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes“ (Kol.1,19 - 22). Als solche, die einst Gottlose und Feinde
waren, nun aber mit Christo, ihrem droben verherrlichten Haupte, vereinigt sind, blicken wir dankbar auf jenes Werk der Liebe zurück. Das ist das Geringe, das der Herr von uns wünscht und erwartet. „Dies tut zu meinem Gedächtnis!“ Beachten wir das Wort! Zweimal wird es uns zugerufen. Nicht ein Christus, wie Er jetzt ist, sondern ein Christus, wie Er einst war, und zwar in Seinem Tode war, ist der Gegenstand, der vor unseren Blicken steht, an den wir uns erinnern. 
So oft wir das Brot essen und den Kelch trinken, gedenken wir der wunderbaren Liebe, die Ihn für uns in den Tod trieb, verkündigen wir den Tod, der uns Leben und Heil brachte, und wir tun es, bis der Herr wiederkommt, um uns als „Frucht der Mühsal Seiner Seele“ aus der Welt in das Vaterhaus droben hinaufzuführen. Wo ist eine Liebe wie Seine Liebe? Worte vermögen die Gefühle nicht auszudrücken, die unsere Seele beim Anschauen einer solchen Liebe erfüllen. Indem wir uns in das Meer derselben versenken, richten sich unsere Blicke .anbetenden Herzens nach oben, wo Er jetzt weilt; auf Ihn, „der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war“, nun aber zur Rechten des Vaters „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ ist (Hebr. 2, 9).
Ist es ein Wunder, dass der Apostel Paulus zu allernächst von diesem Mahle redet (über welches, beiläufig bemerkt, der Herr ihm eine besondere Offenbarung gegeben hatte), wenn er sich anschickt, den Korinthern eine Beschreibung der Versammlung Gottes, ihrer inneren Ordnung und Auferbauung zu geben? Vor all den machtvollen Wirkungen des Heiligen Geistes, den mannigfaltigen Gaben, durch welche Er sich in der Versammlung hienieden offenbarte, wird dieser einfachen und an und für sich so unscheinbaren Handlung des Brotbrechens der Vorrang gegeben. Ihr gebührt der erste Platz. Bei der Ausübung der Gaben ist es der Mensch, der mehr oder weniger im Vordergrunde steht. Bei der Feier des Abendmahls ist der Mensch nichts, Christus ist alles. Herz und Gewissen kommen in Tätigkeit, denn es ist der Tod des Herrn, der verkündigt wird. Mit Recht wird denn auch das Abendmahl der sittliche Mittelpunkt der Versammlung genannt, der Ausgangspunkt, von dem aus alles andere sich ordnet und regelt. Aber ach, wie ist der Mensch in seiner Untreue und seinem Eigenwillen von dieser einfachen Wahrheit abgewichen! Was hat er aus diesem Mahle gemacht! 
Der Herr hat sich einst „mit Sehnsucht danach gesehnt“, mit Seinen Geliebten zum letzten Mal das Passah zu essen und ihnen dann die äußeren Zeichen Seiner Liebe zu hinterlassen. Für Ihn war dies ein Herzensanliegen, ein brennender Wunsch Seiner Liebe. Könnte nun Sein heiliges Vermächtnis je seinen Wert für uns verlieren? Sollte es nicht vielmehr immer kostbarer für uns werden, je näher wir dem glückseligen Augenblick kommen, wo wir Ihn sehen werden, „wie Er ist“? 
Ja, der Herr erwartet dankbare Herzen bei Seinen Erlösten, Herzen, deren Freude es ist, Ihm, dem verherrlichten Herrn, inmitten der Versammlung Preis und Anbetung darzubringen. Und wenn wir uns wirklich mit Seiner hingebenden Liebe, die stärker war als der Tod, beschäftigen, wenn wir Seiner gedenken in alIedem, was Er in den Tagen Seines Fleisches für uns getan hat, und dann zugleich an Seine gegenwärtige Erhöhung zur Rechten der Majestät in den Himmeln erinnert werden, dann kann es nicht anders sein, als dass Lob und Dank aus unseren Herzen zu Ihm emporsteigen, und wir völlig überwältigt in das Loblied aus Offenbarung 1, 5 einstimmen: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ 
Wir haben bisher von dem Abendmahl als einer Erinnerungs- oder Gedächtnisfeier gesprochen unter dem Gesichtspunkt von 1. Kor. 11. Es steht aber noch eine andere wichtige Wahrheit mit der Feier des Abendmahls in Verbindung, und das ist die Gemeinschaft, die in ihm zum Ausdruck kommt, die Darstellung des „einen Leibes“, des Leibes Christi· Alle Kinder Gottes sind durch einen Geist zu einem
Leibe getauft und sollen untereinander Gemeinschaft haben und dem auch Ausdruck geben zu ihrem persönlichen Segen und zum Zeugnis für die Welt. Dies geschieht, wie uns der Apostel in 1. Kor. 10, 14 – 22 belehrt, obwohl nicht ausschließlich, so doch in einer ganz eigenartigen, hervorragenden Weise „am Tische des Herrn“. 
„Abendmahl“ und „Tisch des Herrn“ — zwei Ausdrücke für dieselbe Sache, und doch nicht dasselbe!
In diesen beiden Ausdrücken wird die gleiche Sache unter zwei ganz verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, und es ist von großer Wichtigkeit, diese beiden Gesichtspunkte zu verstehen und auseinander zu halten. Viele wollen den Unterschied nicht machen, aber wenn Gott ihn macht, so geziemt es uns, nach der Ursache zu forschen. Beide Ausdrücke bezeichnen, wie gesagt, dieselbe Sache, aber trotzdem spricht der Apostel in zwei völlig voneinander getrennten Kapiteln zunächst von dem einen, dann von dem anderen. Der Heilige Geist vermengt nie verschiedene Wahrheiten. Er stellt alles an seinen richtigen Platz, und wenn wir an die göttliche Eingebung der Schriften glauben, so beugen wir uns unter Seine Belehrung. Es bedarf in dem vorliegenden Falle auch nicht einmal besonderer Einsicht oder ernsten Forschens, um zu erkennen, dass in 1. Kor. 10 nicht von der Art des Essens und Trinkens (ob würdig oder unwürdig) die Rede ist, wie im 11., sondern von der Gemeinschaft, die sich im Brotbrechen kundgibt. Die Folge davon ist, dass im 11. Kapitel des Herrn Mahl und das eigene Mahl der Korinther zueinander in Gegensatz gebracht sind, während im 10. Kapitel der Tisch des Herrn dem Tisch der Dämonen gegenübersteht. Weiterhin hat ein unwürdiges Essen und Trinken im 11. Kapitel Gericht zur Folge, im 10. Kapitel führt eine unheilige Verbindung zu einem Verderben des Zeugnisses der heidnischen Welt gegenüber. In Kapitel 11 hören wir kein Wort von der Einheit des Leibes, die im 10. Kapitel so stark hervorgehoben wird; dagegen heißt es zweimal: „Dies tut. zu meinem Gedächtnis“, und alle jene Umstände werden hervorgehoben, die so ergreifend zu den Herzen der Gläubigen reden. Mit einem Wort: In dem einen Fall (Kap. 10) handelt es sich um äußere Beziehungen, in dem anderen (Kap. 11) um innere Angelegenheiten. Beide Gegenstände finden eine durchaus getrennte Behandlung. 
Bei einer näheren Betrachtung des Abschnittes im 10. Kapitel muss uns zunächst auffallen, dass der Kelch dem Brote vorangestellt ist. Nach unserer Bemerkung, dass in der Heiligen Schrift nichts von ungefähr, nichts willkürlich ist, maß der Heilige Geist auch hiermit einen besonderen Zweck verfolgen, und wir werden gleich sehen, dass es so ist. „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus?“ Unsere Befreiung von der Macht Satans und der Herrschaft der Sünde, sowie unsere Verbindung mit Christo gründen sich auf das vergossene Blut des Herrn. „Ohne Blutvergießung ist keine Vergebung“ (Hebr. 9, 22). „Durch Sein Blut sind wir gerechtfertigt“, haben wir „die Vergebung der Vergehungen“ und „Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum“ (Römer 5, 9; Eph. 1, 7; Hebr. 10, 19). Ja, alles, was wir in Christo sind und haben, ist uns geworden durch Sein kostbares Blut. 
„Erst nachdem wir in die „Gemeinschaft des Blutes des Christus“ gebracht sind, kann von einer Gemeinschaft untereinander, die in dem ein en Brote zum Ausdruck kommt, die Rede sein. Wenn es sich deshalb um die Erörterung der Frage der Gemeinschaft handelt, deren Grundlage das Blut Jesus ist, so erwähnt der Geist Gottes den Kelch vor dem Brote und fährt dann fort: „Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig“. 
Dass das Brot zunächst den wirklichen Leib Christi darstellt, wie er einst für uns am Kreuze geopfert wurde, ist selbstverständlich: „Dies ist mein Leib, der für euch ist“. Aber in Verbindung mit dem Tische
des Herrn erhält das Brot eine den geistlichen Leib Christi darstellende Bedeutung: „Wir, die Vielen, sind ein Brot, ein Leib“. Alle Glieder des Leibes Christi gehören dazu. Die Handlung des Essens von dem einen Brote bezeugte, dass nicht nur die Kinder Gottes in Korinth, sondern auch „alle, die an jedem Orte den Namen unseres Herrn Jesus Christus anriefen“ (Kap. 1, 2), durch die Macht des Heiligen Geistes vereinigt (Kap. 12, 13) und deshalb notwendigerweise von Juden und Heiden abgesondert waren. Paulus machte sich daher, obwohl er in Ephesus war, völlig eins mit den Korinthern, indem er sagt: „den Kelch, den wir segnen, das Brot, das wir brechen“. Spricht er dagegen später von der Gemeinschaft am Götzentisch, so schließt er sich aus und sagt: „Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch usw.“ Er würde sich in dieser Sache nie mit ihnen eins gemacht haben. 
Von vornherein warnt der Apostel die Korinther vor einer Verbindung mit dem Götzendienst. Die ernsten Worte: „Darum, meine Geliebten, fliehet den Götzendienst!“ leiten die ganze Auseinandersetzung ein. Im weiteren Verlauf zeigt er dann, dass das Essen und sich zu Tisch setzen so viel bedeutet wie in die Gemeinschaft dessen eintreten, dem der betreffende Tisch gehört oder geweiht ist, sowie in die Gemeinschaft derer, die sich an diesem Tisch versammeln und von ihm essen. 
Das Gleiche lehrte schon der Altar Jehovas im Alten Bunde. Alle, welche von den Schlachtopfern aßen, waren in Gemeinschaft mit dem Altar. Genauso mit denen, die von den Opfern der Götzen aßen: sie kamen dadurch in Gemeinschaft mit den Dämonen. Das Geopferte an sich war nicht böse und hätte unter anderen Umständen ruhig genossen werden können. Aber weil es den Götzen geweiht war, hinter denen sich die Dämonen verbargen, sodass das, was die Nationen opferten, sie „den Dämonen opferten und nicht Gott“ (vergl. 5. Mose 32, 17), kam man in Gemeinschaft mit den Dämonen selbst und war in Verbindung mit dem „Tisch der Dämonen“. Das war etwas Furchtbares. Wie hätten die, welche durch das Essen des einen Brotes am Tische des Herrn ihre Zugehörigkeit zu dem Leibe Christi bekannten, einen derartigen Frevel begehen können! „Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches“ (V. 21). —- „Denn welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? . . . . Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an!“ (2. Kor. 6, 14ff.). 
Der „Tisch des Herrn“ — ein Ausdruck, der natürlich geistlich zu verstehen ist — steht aber nicht nur im Gegensatz zu dem „Tisch der Dämonen“, sondern auch zu dem Altar Israels im Alten Bunde. Der Herr hat durch Sein Werk und den Heiligen Geist etwas völlig Neues errichtet: „Seinen Tisch“. Der Ausdruck „Tisch des Herrn“ kommt allerdings auch im Alten Testament vor (vergl. Hesekiel 44, 16; Mal. 1, 7 u. 12), und wird gebraucht sowohl· für den Räucheraltar im Heiligtum als auch für den Brandopferaltar im Vorhof, aber der Tisch des Herrn im Alten Testament ist ebenso verschieden: von dem Tische des Herrn im Neuen Testament, wie das irdische Volk Gottes von dem himmlischen. „Wir haben einen Altar, von welchem kein Recht haben zu essen die der Hütte dienen', d. h. die in Verbindung mit den gottesdienstlichen Einrichtungen im Judentum blieben. Der Ausdruck weist zugleich auf die Person unseres Herrn hin, weniger auf die Erinnerungszeichen Seines Todes; mit anderen Worten, er erinnert mehr an Ihn, der an dem Tische, als an das, was aus dem Tische ist, mehr an den Festgeber als an das Fest. Es ist „des Herrn Tisch“. Er allein ist Herr desselben. Er gehört Ihm, nicht uns. Aber Er hat ihn in der Mitte Seiner Versammlung errichtet und ihr damit auch die Verantwortlichkeit gegeben, über die Aufrechthaltung der Reinheit und Heiligkeit desselben zu wachen. Niemand hat schon deshalb, weil er behauptet, gläubig zu sein, ein Recht, hier teilzunehmen. Der Glaube muss sich im praktischen Wandel offenbaren, ja, der Herr muss die Einzelnen durch ein gutes Zeugnis der Versammlung empfehlen, „denn nicht wer sich selbst empfiehlt, der ist bewährt, sondern den der Herr empfiehlt“ (2. Kor. 10, 18). 
In unserer Zeit des Verfalls und der großen Verwirrung, wo so viele unechte Christen und böse Lehrer umhergehen, ist doppelte Vorsicht geboten. Man wird in der Regel gut tun, abzuwarten, bis mehrere sich ein klares Urteil über den um Zulassung Bittendern gebildet haben. Wenn kein Unechtes Geld in Umlauf ist, brauche ich ein mir angebotenes Geldstück nicht näher zu prüfen; wenn ich aber weiß, dass falsches Geld verbreitet wird, so wäre ich ein Tor, wollte ich es nicht auf seine Echtheit hin untersuchen. In der ersten Zeit der christlichen Kirche „wagte von den übrigen keiner sich den Jüngern anzuschließen«. (Apgsch. 5, 13.) Der Geist Gottes wirkte so mächtig inmitten der Versammlung, dass ein Ungläubiger, der sich hätte einschleichen wollen, sofort offenbar geworden wäre. Heute aber ist das Bild ein anderes. Millionen nennen sich nach dem Namen Jesu und behaupten Christen zu sein, ohne wahre Verbindung mit dem Herrn zu haben; sie nehmen auch teil am Abendmahl, obgleich sie nicht in die Gemeinschaft des Blutes des Christus, die nur durch einen lebendigen Glauben erlangt werden kann, gebracht worden sind. Da gilt, es zu wachen und nüchtern zu sein, denn es handelt sich um nichts Geringeres als um die Ehre unseres hochgelobten Herrn.
Bei dieser Gelegenheit sei noch bemerkt, das; die Empfehlung eines einzelnen Bruders (oder einer Schwester) nicht genügt, auch nicht zu einer vielleicht nur vorübergehenden Zulassung eines unbekannten Gläubigen. Zum mindesten sollte das einstimmige Zeugnis von zwei oder drei unbescholtenen Zeugen vorliegen, nach dem Worte des Herrn: „Aus zweier oder dreier Zeugen Mund wird jede Sache bestätigt werden“ (Vergl. Matth. 18, 16; 2. Kor. 13, 1). 
Am „Tische des Herrn“ wird also der Einheit des Leibes Christi öffentlich Ausdruck gegeben: „Wir, die Vielen, sind ein Brot, ein Leib, denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig“. Wie klein oder groß die Zahl auch sein mag, die geistliche Einheit der Gläubigen wird durch das Essen von dem einen Brote anerkannt und ausgedrückt. Nichts anderes ist uns so wie dieses Mahl geschenkt, um von der Einheit der Glieder untereinander und mit dem verherrlichten Haupt im Himmel Zeugnis abzulegen und so dem Wunsche des Herrn zu entsprechen. Denn, nachdem Er den Vater gebeten hat: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, auf das; sie eins seien, gleichwie wir“- eine innere Einheit der Gefühle, Wünsche, Interessen usw. — fährt Er fort: „Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir, und ich in dir; auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh. 17, 11. 20. 21). Diese Einheit, eine Einheit in dem Vater und dem Sohne, soll hienieden geschaut werden. Die Welt glaubt nur was sie sieht. Es ist also eine Einheit, die äußerlich in die Erscheinung tritt. Nach dieser Zeit, wenn einmal das Vollkommene gekommen ist, und wir uns in Seiner Herrlichkeit befinden, werden wir „in eins vollendet“ sein. Dann wird die Welt erkennen, dass der Vater den Sohn gesandt und uns geliebt hat, gleichwie Er Ihn geliebt hat. (V. 23.) Das geht noch einen bedeutenden Schritt weiter. Solang wir aber auf Erden sind, ist es unser Vorrecht und unsere Aufgabe, die Einheit des Leibes am Tische des Herrn darzustellen und „die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens“. 
Nun wird zwar behauptet: Der Tisch des Herrn ist überall da, wo Gläubige zum Brotbrechen zusammenkommen, ganz gleich unter welchen Bedingungen sie dies tun. Aber ist das wahr? Ist es nicht vielmehr betrübend, Einrichtungen des Herrn Tisch nennen zu hören, die nicht ausschließlich auf den Willen Gottes aufgebaut sind und Sein Wort zur alleinigen Grundlage haben, wo noch irgendwie Menschenwille und Menschenmeinung zur Geltung kommen? So gern und bereitwillig man persönlichen Glauben und Frömmigkeit anerkennt, ist es doch ein Widerspruch, wenn man da, wo die Rechte des Herrn und die Ehre Seines Namens nicht gewahrt werden, wo der Mensch in der einen oder anderen Weise an die Stelle des Herrn getreten ist, am Tische des Herrn zu sein behauptet. Doch wir wollen nicht weiter die Frage untersuchen, wo der Tisch des Herrn ist und wo nicht, ich möchte lieber die persönliche Frage an den Leser richten: Bist du an des Herrn Tisch? Gottes Wort, nicht dein eigenes Urteil, kann allein die wahre Antwort geben. Eins ist gewiss: der Einheit des Leibes kann praktisch nur. in Verbindung mit allen Gliedern des Leibes Christi, der Versammlung oder Gemeinde Gottes, Ausdruck gegeben werden. Die wichtige Frage für Schreiber und Leser ist daher auch hier wieder: Auf welchem Boden stehe ich? Auf dem irgend einer christlichen Gemeinschaft, klein oder groß, jung oder alt? oder stehe ich auf der alleinigen Grundlage des Wortes Gottes, wo es keine Kirchen und Kirchlein gibt, sondern nur die eine wahre Gemeinde Gottes, bestehend aus allen wahren Gläubigen, anerkannt wird? Jede andere Vereinigung von Gläubigen zum Brotbrechen hat nicht den Charakter des Tisches des Herrn. Wie könnte die Darstellung der Einheit des Leibes am Tische des Herrn mit Einrichtungen oder Zuständen verbunden sein, die diese Einheit praktisch leugnen? Das Wesen des Tisches des Herrn ist nicht nur in den großen landeskirchlichen Einrichtungen, sondern auch überall da verloren gegangen, wo» man sich in einzelne Gruppen abgesondert hat und nun unter dem einen oder anderen Namen, unter diesem oder jenem Sonderbekenntnis, getrennt von den übrigen Gläubigen, das Abendmahl feiert. Das Brotbrechen mag da wohl noch den Charakter eines Gedächtnismahls haben (obwohl selbst das nicht immer der Fall ist), aber die Darstellung der Gemeinschaft und Einheit aller Glieder des Leibes Christi kommt nicht in Betracht- Vielleicht möchte der eine oder andere sagen: Die Wahrheit von der Erinnerung an den gekreuzigten und nun abwesenden Herrn beansprucht doch unstreitig den ersten Platz. Es mag sein; aber der zweite Gesichtspunkt ist für alle, die in diesen Tagen des Endes verharren möchten „in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten", kaum von geringerer Wichtigkeit. Die Beobachtung beider Seiten oder Gesichtspunkte ist wesentlich für eine den Gedanken Gottes entsprechende Teilnahme an diesem unvergleichlichen Fest. Der Herr gebe, dass es in den Herzen all der geliebten Seinigen. wieder den Platz bekommen möchte, der ihm gebührt, damit wir nicht beschämt vor Ihm dastehen bei Seiner Ankunft!

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Ohne Heiligung kein Christentum

Bibelstelle: 1. Petrus 1

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 155ff

lII.
Die Schlussworte unseres Kapitels erinnern an das 40. Kapitel des Propheten Jesaja. Ich denke jetzt nicht an die Erfüllung der Weissagung, die für Israel in einer späteren Zeit eintreten wird, sondern an einen allgemeinen, wichtigen Grundsatz. Jesaja 40 beginnt mit den Worten: ,,Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems, und rufet ihr zu, dass ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand Jehovas Zwiefältiges empfangen hat für alle ihre Sünden. . . . Stimme eines Sprechenden: Rufe! Und er spricht: Was soll ich rufen? „Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Anmut wie die Blume des Feldes. Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; denn der Hauch Jehovas hat sie angeweht. Fürwahr, das Volk ist Gras. Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit““ (V. 1 — 8). 
Zu allererst muss Gott, wenn Er zu wirken beginnt, das Verständnis im Herzen wecken, dass alles Fleisch wie Gras ist. Darum, wenn Er Sein Volk trösten will, ruft Er ihm zunächst zu: „Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Anmut wie die Blume des Feldes“. Damit muss Er beginnen. „Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit“ 
Das aber ist das Wort, das uns verkündigt worden ist. Hier liegt der einzige Grund der Hoffnung. Wenn es für irgend einen Menschen möglich gewesen wäre, etwas von Gott zu erlangen, so waren die Juden die Leute dafür, denn sie besaßen alles; aber sie waren nicht mehr als die Blume des Feldes, als das Gras, das verdorrt. Ist es nicht wunderbar, dass Gott, wenn Er einen Menschen trösten will, der seiner Verantwortlichkeit nicht entsprochen hat, mit den Worten beginnt: „Alles Fleisch ist Gras“ usw.? Aus diesem Grunde gibt es oft so viel Verwirrung in den Herzen von Neubekehrten, ja auch von manchen älteren Christen; man beachtet nicht, dass Gott sagt: „Das Gras ist verdorrt“, mit anderen Worten: das Fleisch ist unfähig, irgend Etwas Gutes zu tun, und man stützt sich nicht auf die Tatsache, dass das Wort des Herrn ewig bleibt, sodass den Seinigen, der Segen nie mangeln kann. Solange man sich mit Bemühungen, Gutes aus dem Fleische hervorzubringen, aufhält und nicht zu der klaren Überzeugung kommt, dass das Wort Gottes ewig besteht, wird man immer unruhig bleiben und den Angriffen des Feindes gegenüber schwach sein. 
Das Volk Israel hat die Satzungen Gottes mit Füßen getreten, gegen das Gesetz gefrevelt, den Messias gekreuzigt und alles Mögliche Böse getan — hat sich damit aber das Wort Gottes verändert? In keiner Weise. Gott ändert nichts an Seiner Auserwählung, noch an Seinen Verheißungen. Wenn Paulus fragt: „Hat Gott etwa Sein Volk verstoßen?“ so lautet die Antwort: „Das sei ferne!“ Und wenn Petrus sich an das Volk selbst wendet, so war scheinbar nichts mehr von ihm vorhanden: „Das Volk ist Gras“; aber das Wort Gottes ist noch da, und der Apostel kann zu ihnen sagen: „Die ihr einst nicht ein Volk“ wart, jetzt aber ein Volk Gottes seid; die ihr »nicht Barmherzigkeit empfangen hattet“, jetzt aber Barmherzigkeit empfangen habt“ (Kap. 2, 10). 
Dieses Wort wird nun, wie wir sehen werden, das Mittel und Werkzeug zur Segnung und praktischen Heiligung. Unmöglich kann Gott etwas heiligen, was wie Gras vergeht. Das Wort hat den Menschen gleichsam verdorren lassen; der „Hauch Jehovas“ ist über ihn hingegangen. Es wäre ein schreckliches Ding, die Herrlichkeit oder Anmut des Menschen in den Himmel einführen zu wollen. Und dennoch versucht man es; aber es ist ein mühevolles, schmerzliches Werk, schmerzlich wegen der verzweifelten Anstrengungen des Hochmuts und Eigenwillens des Fleisches. Wir sagten schon früher,
dass Gott Sein Werk nicht damit beginnt, etwas bereits Vorhandenes zu verbessern. Er kann das gar nicht, weil Er das Vorhandene vernichten will. Man kann keine Frucht fordern oder erwarten, solang ein Baum nicht gepflanzt ist. Womit beginnt Gott denn? Mit der Mitteilung eines neuen Lebens. Ich betone es immer wieder. Gott macht das Geschöpf los von den Dingen, mit welchen sein Fleisch in Verbindung steht, und der Heilige Geist teilt ihm die himmlischen Dinge mit; das Mittel, das Er dazu gebraucht, ist das Wort, das Wort, von welchem gesagt wird, dass „es in Ewigkeit besteht“. Das Wort, das für Israel ein Verheißungswort war, ist ein Werkzeug des Lebens für unsere Seelen geworden. Wir sind wiedergezeugt durch das Wort der Wahrheit, welches zugleich wie ein zweischneidiges Schwert alles richtet, was nicht aus diesem neuen Leben hervorkommt. 
Prüfen wir jetzt einen Augenblick den Unterschied zwischen unserer Rechtfertigung und unserer Heiligung. Rechtfertigung ist nicht etwas, das in uns vorgeht, sondern eine Stellung, in welche Gott uns Ihm gegenüber gebracht hat; und denen, die diese Gerechtigkeit besitzen, denen sie von Gott zugewandt ist, gehört auch, als Nachkommen des zweiten Menschen, alles, was dieser zweite Mensch hat und alles, was Ihm teuer ist. Ja, wer diese Gerechtigkeit Gottes hat, ist aus Gott geboren und besitzt alles, was sein Vater hat, der die Rechte Seiner Kinder denen Seines Sohnes, des Erben aller Dinge, gleichmacht. Er ist ein Erbe Gottes und ein Miterbe Christi. Sobald ich ein Nachkomme des letzten Adam geworden bin, stehe ich in der Segnung und Gerechtigkeit, worin Christus selbst sich befindet. Und so wie ich von dem ersten Adam alle Folgen und Ergebnisse seines Falles geerbt habe, geradeso erbe ich, als ein aus dem letzten Adam Geborener, alles was Christus erworben hat. Wenn das aber so ist, dann ist es klar, dass ich teilhabe an der Herrlichkeit Christi. Wie groß und
wunderbar find diese Dinge! Gott bietet uns Seine Liebe an. Er offenbart sie uns, und Sein Wort besteht in Ewigkeit. Das ist der Weg, auf welchem Gott Sein Werk in der Seele beginnt. Er stellt uns diese Wahrheit in ihrer ganzen Frische vor, so wie sie stets vor Ihm ist. Er richtet unsere Blicke nicht auf ein Ergebnis, das in uns hervorgebracht wird; im Gegenteil, Er zeigt uns, dass der Mensch, so wie er ist, kein Teil haben kann an dieser Gerechtigkeit, weil das Fleisch, das wie Gras ist, niemals in Beziehung zu Ihm treten kann. Er offenbart uns und teilt uns eine Rechtfertigung mit, die Er vollbracht hat. 
Gott kann Menschen, die noch nichts von Rechtfertigung wissen, keine Heiligungsvorschriften geben.
Die Wirkungen des Lebens Christi äußern sich zunächst darin, die Seele von der Sünder zu überführen und dann ein Fruchttragen hervorzubringen· Wenn im Anfang des Christentums das Evangelium verkündigt wurde, so richtete es sich an Heiden, die an Gottes Verheißungen keinen Anteil hatten. Es wäre zwecklos gewesen, von Heiligung zu ihnen zu reden. Und heute, wo jedermann sich Christ nennt, sagt man: Ich muss untersuchen, ob ich wirklich ein Christ bin. Aber ein solcher Gedanke findet sich nirgendwo in der Bibel. Damals redete man von dem Zustand in der Sünde und verkündigte in Verbindung damit die gute Botschaft. Heute fragt man: „Bin ich wirklich ein Christ?“ Man blickt auf sich selbst, betrachtet sein praktischer Leben, um zu sehen, wo und wie man steht; man forscht nach Früchten, um zu entscheiden, ob man Leben hat oder nicht, und verwechselt so häufig ein Überführtsein von Sünde, das der Rechtfertigung durch Glauben und dem Frieden mit Gott vorangeht, mit der Heiligung. Man denkt an Heiligung, während es sich nur erst um Rechtfertigung handelt. Solang eine Seele nicht dahin gekommen ist, mit Überzeugung zu sagen: „Jesus ist alles, und ich bin nichts“, gibt es noch nichts in ihr, was mit christlicher Heiligung verwandt wäre. Es ist nötig, hierüber klar zu sein, denn vorher kommt die Seele nicht zur Ruhe und zu wahrem Frieden. 
Am Pfingsttage wurden durch die Predigt des Petrus dreitausend Seelen belehrt und glücklich; da war keine Ungewissheit im Blick auf ihre Stellung vor Gott. Sobald ein Mensch das Evangelium gläubig aufnahm, war er ein Christ, er war gerettet. Heute ist es nicht anders. 
Man darf also die fortschreitende praktische Heiligung nie mit der Rechtfertigung verwechseln, weil praktische Heiligung nur in einer Seele sich vollziehen kann, die gerechtfertigt ist und das ewige Leben besitzt. Es ist etwas ganz Neues, was die glaubende Seele empfängt, wovon es keine Spur in ihr gibt, solang sie Christum nicht gefunden hat. Es steht geschrieben: „Ohne Heiligkeit (eig. Geheiligtsein) wird niemand den Herrn schauen“ — eine Stelle, die schon viele beunruhigt hat; aber wenn man sie richtig versteht, so liegt nichts darin, was eine Seele beunruhigen könnte. Es ist ja einfach und klar, dass, wenn ich Christum nicht habe, ich den Herrn nicht schauen kann. Habe ich nicht das Leben des zweiten Adam in mir, wie früher das des ersten, so werde ich niemals Sein Angesicht schauen. Die natürlichen Neigungen und Wünsche des neuen Lebens werden sich in diesem entfalten, wie sie sich früher in dem anderen Leben entfalteten. Wenn eine Seele über diese Stelle beunruhigt ist, sollte man sie zu allererst fragen: Hast du Frieden mit Gott? Bist du der Vergebung deiner Sünden gewiss? Muss sie diese Fragen verneinen, so ist es vergebliche Mühe, das Fehlende auf dem Wege der Heiligung erlangen zu wollen. Es handelt sich dann für sie eben nicht um Heiligung, sondern um Rechtfertigung, um eine Sache, die, wie schon gesagt, völlig außer ihr liegt und das ausschließliche Werk Gottes ist.
Wir lesen in Vers 22: „Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit“, mittels des Heiligen Geistes. Das ist das wesentlich Notwendige: Gehorsam gegen die Wahrheit. Gewöhnlich aber hat man ein Verlangen nach Reinigung und wünscht, Frucht bei sich zu sehen; aber das ist nicht das Erste, was Gott von uns verlangt. Er fordert Gehorsam, und zwar Gehorsam gegen die Wahrheit. 
Und was hat der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, uns zu sagen? Mancherlei, vor allem aber dies eine: „Alles Fleisch ist Gras“, d. h. im Menschen gibt es durchaus nichts Gutes. Wovon überführt der Geist die Welt nach Joh. 16, 8? Zunächst von Sünde. Derselbe Gedanke! Die ganze Welt liegt im Bösen. Sie hat nichts von Christo gewollt, rund der Heilige Geist kann sich ihr nicht darstellen, ohne den Menschen zu sagen: „Ihr habt Christum verworfen“, und ihnen ihren Hochmut und ihre Empörung ins Gedächtnis zu rufen. Der Sohn Gottes ist nicht mehr in der Welt — und warum? Die Welt hat Ihn verworfen. Deshalb zeugt der Geist: „Das Gras ist verdorrt“. Wird dieses Zeugnis angenommen, so teilt Er der Seele den Frieden mit, den das Evangelium verkündigt. Er sagt mit Recht: „Ihr seid Sünder“, aber dann redet Er nicht mit Sündern über Heiligung. Dass Er diese bewirken will, ist seIbstverständlich; aber wodurch? Durch die Wahrheit, und Er sagt den Menschen die Wahrheit. Wie könnte auch ein Mensch irgendwie Heiligkeit hervorbringen? Es ist ja nichts Gutes in ihm. Nein, Christus allein ist. der Weg, die Wahrheit und das Leben, und der Heilige Geist redet zu dem Sünder von Gnade, von Gerechtigkeit, von Gott — von einem Frieden, der gemacht ist, nicht mehr gemacht zu werden braucht. Das ist die« Wahrheit. Er überführt die Welt von dem, was sie wirklich ist, und redet dann zu ihr von jenem Willen Gottes, durch welchen der Glaubende geheiligt wird. So sollen wir der Wahrheit gehorchen, indem wir uns beugen vor der Liebe Gottes; und sobald eine Seele der Wahrheit sich unterworfen hat, ist das neue Leben da. Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus teilt uns Leben mit. Er „hat nach Seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt zu einer lebendigen Hoffnung«, und zwar „nicht aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“. So ist es also Gott, der den Grundsatz, der Heiligung, das ist das Leben Christi, zunächst in uns hervorruft. Und wenn man nach den praktischen Mitteln fragt, die dazu notwendig sind, so lautet die Antwort immer nur: das Wort der Wahrheit. 
Ich wiederhole: Forderte der Heilige Geist seiner Zeit Heiden auf, Fortschritte in der Heiligung zu machen? oder redet Er heute darüber zu unbekehrten Menschen? Nein. Erst wenn ein Sünder die Wahrheit erfasst hat, so wie Gott sie darstellt, bringt der Heilige Geist ihn in Beziehung zu Gott, dem Vater, und dann darf dieser Sünder glaubend sich alles dessen erfreuen, was Christus für ihn erworben hat. So sagt der Apostel denn auch hier zunächst: „Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit, so liebet einander“, und fügt dem hinzu: „die ihr wiedergeboren seid aus unverweslichem Samen durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“. So ist es immer. In 2. Thess. 2, 10 lesen wir im Blick auf die letzten Tage von den Ungläubigen im Gegensatz zu den Christen, „dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden“. Deshalb sendet Gott ihnen denn auch „eine wirksame Kraft des Irrtums, dass sie der Lüge glauben, auf dass alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“. Von den Gläubigen sagt der Apostel: „Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Seligkeit in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit“.

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Gibt es ein Heilmittel zur Beseitigung der Trennungen unter den Gläubigen?

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 169ff

6. Absonderung, nicht Vermengung.
Satans Bemühen hat bekanntlich von jeher darin bestanden, das Werk Gottes zu verderben, und wir haben gesehen, in wie zahlreichen Fällen, wo menschliche VerantwortIichkeit in Frage kam, ihm dies gelungen ist. Mag er auch durch das Werk unseres hochgelobten Herrn ein besiegter Feind sein und niemals die VolIgültigkeit dieses Werkes und dessen herrliche, ewige Ergebnisse antasten können, sodass der Herr Jesus im Blick aus die von Ihm zu erbauende Versammlung die unerschütterlichen Worte sprechen konnte: „Des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen“ (Matth. 16, 18), so übt er doch unausgesetzt seine verderbenbringende Tätigkeit aus und sät Unkraut unter den Weizen, d. h. er vermengt das Reine mit dem Unreinen, das Göttliche mit dem Ungöttlichen. In demselben Maße, wie ihm dies gelingt, schwinden Freude, Kraft und Segen aus dem Gemeinschaftsleben der Gläubigen. Es ist deshalb mit Recht gesagt worden: Vermengung ist der Grundsatz Satans, Absonderung vom Bösen der Grundsatz Gottes. 
Es darf uns nicht wundern, wenn wir die Welt, auch die religiöse Welt, nach dem Grundsatz ihres Fürsten handeln sehen, wenn sie untereinander, ja, selbst mit offenbaren Feinden des Christentums Bündnisse schließt; aber wundern muss es uns, wenn Gläubige den Grundsatz, Gottes nicht. beachten, wenn sie dem klaren Worte Gottes gegenüber gleichgültig sind, welches sagt: „Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosig!eit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? . . . Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ... ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2. Kor. 6, 14ff.). 
Viele wenden hiergegen ein: „Wir haben kein Recht, über andere zu urteilen; ein jeder hat es mit sich selbst zu tun. Wie können wir außerdem wissen, ob jemand gläubig ist oder nicht? Es, ist nicht unsere Sache, das zu entscheiden, und noch weniger, uns heiliger hinzustellen als andere. Die Liebe hofft immer das Beste usw..“ Aber was sind alle diese Einwendungen angesichts des bestimmten Gebotes Gottes, hinauszugehen, sich abzusondern und Unreines nicht anzurühren? Nichts mehr und nichts weniger als unmittelbare Auflehnungen gegen Gottes Willen. Wie reimen sie sich mit dem bekannten Worte des Apostels: „Der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Sein sind; und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit! In einem großen Hause aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die anderen aber zur Unehre. Wenn jemand sich nun von diesen reinigt, (eig. wegreinigt, d. h. absondert) so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet. Die jugendlichen Lüste aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glaube, Liebe, Frieden mit denen, die den Namen des Herrn anrufen aus reinem Herzen“? (2. Tim. 2, 19 — 22). 
Es ist beachtenswert, dass in dieser letzten Stelle nicht wie in 2. Kor. 6 von Gläubigen und Ungläubigen die Rede ist. Die Aufforderung, sich abzusondern von den Gefäßen zur Unehre, ergeht hier an alle, die den Namen des Herrn nennen. Diese sind gebunden, weil sie den Namen Christi tragen, sich Seinem Worte zu unterwerfen, sich fernzuhalten und sich zu trennen von allem, was den „Geboten des Herrn“ zuwiderläuft. Alle, von denen der Apostel in diesem Brief: spricht, nannten den Namen des Herrn, selbst Hymenäus und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt waren. Aber nicht mit allen sollte Timotheus Gemeinschaft haben, sondern nur mit denen, die diesen Namen anriefen aus reinem Herzen, d. h. die durch das Festhalten an der Wahrheit gekennzeichnet waren und inmitten des Verfalle sieh rein erhielten in Wandel und Lehre. Die Übrigen mochten auch „Bekenner des  Namens des Herrn« sein, da sie aber Seine Gebote nicht achteten, nicht in dem blieben, was sie empfangen und gelernt hatten, so war die Echtheit ihres Bekenntnisses nicht erwiesen. Doch „der Herr kennt die Sein sind". Das ist ein starker Trost für jede aufrichtige Seele, zugleich aber auch ein Beweis dafür, dass nicht alle, die Seinen Namen nennen, Sein Eigentum sind. 
An anderer Stelle ist oft darauf hingewiesen worden, dass wir in dem Bilde des großen Hauses die Masse der bekennenden Christen vor uns haben, die Christenheit, in welcher es sowohl wahre Christen als auch nur Namenschristen gibt. Dass letztere mit den ersteren verbunden und vermengt sind, mit einem Wort, dass es überhaupt eine Christenheit gibt, ist der Beweis der Untreues der ersteren. Aber die Tatsache besteht: beide befinden sich in dem großen Hause, beide sind Bekenner und nennen sich nach dem Namen Christi. Der Apostel konnte daher Timotheus nicht auffordern, aus dem Hause hinauszugehen, denn das würde gleichbedeutend mit der Forderung gewesen sein, das Bekenntnis des Namens des Herrn aufzugeben; wohl aber konnte er ihm die Pflicht auferlegen, sich von den Gefäßen zur Unehre zu reinigen und abzusondern. 
Die Behauptung, das Bild von dem großen Hause stelle dasselbe Verhältnis dar, wie wir es in dem Gleichnis vom Unkraut im Acker finden (Matth. 13), ist ebenfalls an anderer Stelle ausführlich widerlegt worden. Man sagt: Wie der Acker die Welt ist, so ist auch unter dem „großen Hause“ die Welt zu verstehen, und folgert daraus, dass es sich in dieser Stelle (wie in 2. Kor. 6) nur um Trennung von den ungläubigen Weltmenschen handle. Indem man so nur die Notwendigkeit der Absonderung von der Welt und ihrem sündigen Wesen einräumt, sträubt man sich, denselben Grundsatz auch auf das kirchlich Böse anzuwenden, welches in falschen Lehren, in eigenmächtigem Handeln und im Nichtbeachten der göttlichen Wahrheit zu Tage tritt. Aber schon der Herr hatte einst Seinen· Jüngern zugerufen: „Hütet euch vor dem Sauerteig der Lehre!“ (Matth. 16, 6 -12) und dieselbe Warnung erhebt der Apostel in so eindringlicher Weise hier. Gehen wir noch ein wenig näher auf die wichtige Belehrung des Apostels ein. 
In dem ersten Brief an Timotheus nennt der Apostel die Gemeinde „das Haus Gottes, die Versammlung des lebendigen Gottes, den Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit« und gibt seinem „Kinde“ Anweisungen, wie es sich in diesem Hause verhalten soll. (Vergl. Kap. 3, 15.) Als Trägerin der Wahrheit und des Zeugnisses Gottes sollte die Versammlung (Gemeinde) nach Gottes Bestimmung in dieser Welt abgesondert und rein dastehen. Leider hat sie ihrer Berufung und Verantwortlichkeit nicht entsprochen. Schon damals gab es etliche, die von der „Liebe aus reinem Herzen, dem guten Gewissen und dem ungeheuchelten Glauben“ abgeirrt waren und sich zu eitlem Geschwätz hingewandt hatten. (Kap. 1, 5. 6.) Andere, sagt der Apostel, würden von dem Glauben abfallen und auf betrügerische Geister und Lehren der Dämonen achten, die verbieten würden zu heiraten, und gebieten, sich von Speisen zu enthalten (Kap. 4, 1 — 3). Wieder andere hielten damals schon die Gottseligkeit für ein Mittel zum Gewinn (Kap. 6, 5). Die verderblichen Lehren fraßen um sich wie ein Krebs (2. Tim. 2, 17). Als der Apostel dies letztere schrieb musste er gleichzeitig die Tatsache aussprechen, dass alle, die in Asien waren, sich von ihm abgewandt hatten (2. Tim. 1, 15.) Demas hatte ihn verlassen und den gegenwärtigen Zeitlauf liebgewonnen. Es wird nicht gesagt, dass alle den Glauben verleugnet hatten und dem Fallstrick des Teufels zum Opfer gefallen waren. Bei manchen wird es gewiss so gewesen sein. Aber man verließ den Apostel, weil sein Weg zu eng war und keinen Raum ließ für das Fleisch und den Eigenwillen. So stand dieser treue Diener des Herrn am Ende seiner Laufbahn allein da. Das herrliche Zeugnis, welches ihm durch besondere Offenbarung anvertraut worden war, für das er gelitten und gestritten hatte, und für welches er bereit war, jederzeit sein Leben zu opfern, ging dem Verfall entgegen. Und noch schlimmere Dinge sah der Apostel kommen. Das Böse würde weitere Fortschritte machen. Die Menschen würden mehr das Vergnügen lieben, als, Gott, und eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen. Es würde eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht mehr ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufhäufen würden, indem es ihnen in den Ohren kitzelte. Sie würden die Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln sich hinwenden (2. Tim. 4, 1ff.) 
Welch eine Veränderung ist vor sich gegangen mit dem Hause Gottes, der Versammlung oder Gemeinde! Anfangs so herrlich und heilig nach innen und außen dastehend, das; „von den übrigen keiner wagte, sich ihr  anzuschließen“ (Apgsch. 5, 13), ist sie zu einem Hause geworden, in welchem Gefäße zur Ehre und solche zur Unehre nebeneinander Platz haben, sodass es wiederum nötig geworden ist, sich abzusondern. Ach! die Gemeinde hat ihren ersten Zustand nicht bewahrt. Sie, die einst von der Welt Verachtete und Verfolgte, ist zu einem „großen Hause“ geworden, d. h. sie hat äußerlich Macht und Ansehen erlangt, aber sie hat sich nicht rein erhalten, sie hat nicht gewacht. Sauerteig in jeder Form ist in sie eingedrungen, und dieser wird seine durchsetzende Wirkung ausüben, bis alles durchsäuert ist. Diese letzte Entwickelung wird eintreten, wenn der Herr die Treuen aus ihr zu sich gerufen hat. Dann wird das Gericht, das schon angefangen hat am Hause Gottes (1.Petr. 4, 17), völlig über die Untreue hereinbrechen, und der Herr, nach dessen Namen sie sich genannt hat, wird sie ausspeien aus Seinem Munde (Offbg. 3, 16). 
Angesichts dieser traurigen Zustände fordert der Apostel Timotheus auf: „Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe, die in Christo Jesu sind. Bewahre das schöne anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt!“ (2· Tim. 1, 13 — 15) Das treue Festhalten am Worte Gottes, der einzigen untrüglichen Richtschnur für alle Zeiten, die Absonderung von jeder Art des Bösen und die Gemeinschaft mit denen, die selbst ein reines Herz bewahrt haben, sind dann, wenn die Allgemeinheit den schmalen Pfad verlässt und schließlich ganz dem Verderben anheimfällt, die alleinigen Bewahrungsmittel. Will also der „Mensch Gottes“ ein „Gefäß zur Ehre sein, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werte bereitet“, so muss er dieser Aufforderung zur Trennung von allem, was der Wahrheit des Wortes zuwiderläuft, folgen. Und im Blick auf die Menschen, die nur eine Form der Gottseligkeit haben, wird ihm zugerufen: „Von diesen wende dich weg!“ Zur weiteren Erläuterung des Gesagten und zum Beweise, dass Absonderung vom Bösen stets der göttliche Grundsatz war, möchte ich noch eine Stelle aus dem Propheten Jeremia anführen, die manche ·Berührungspunkte mit der soeben behandelten Stelle, 2. Tim 2, hat. Jeremia lebte in einer ähnlichen Zeit des Verfalls wie« Paulus am Ende seiner Laufbahn. Die Untreue Israels, des irdischen Volkes Gottes, hatte zur Zeit des Propheten ihren Höhepunkt erreicht, sodass Jeremia dem Volke Gericht über Gericht ankündigen musste. Trotzdem blieb Israel das aus allen Nationen der Erde auserwählte, von Gott geliebte Volk, denn »die Gnadengaben und Berufungen Gottes sind unbereubar“. Dessen ungeachtet wird der treue Prophet, dessen Herz wegen der Treulosigkeit seiner Brüder blutete, von Jehova aufgefordert, sich von ihnen abzusondern: „Darum spricht Jehova also: Wenn du umkehrst, so will ich dich zurückbringen, dass du vor mir stehst; und wenn du das Köstliche vom Gemeinen ausscheidest (oder absonderst), so sollst du wie mein Mund sein. Jene sollen zu dir umkehren, du aber sollst nicht zu ihnen umkehren“ (Jer.15,19). 
Es ist. auffallend, dass Gott von Jeremia und dem Volke wie von e in e r Person redet. Jeremia war nicht abgewichen. Er hatte das Wort bewahrt und sich von dem Verderben um sich her rein erhalten, sodass er in den Versen 16 und 17 sagen konnte: „Deine Worte waren vorhanden, und ich habe sie gegessen, und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens . . . . Ich saß nicht im Kreise der Scherzenden und frohlockte, wegen deiner Hand saß ich allein.“ Und doch spricht Gott: „Wenn du umkehrst“. Wir lernen daraus die sehr beachtenswerte Tatsache, dass Gott Sein Volk stets als ein Ganzes ansieht und den Treuen für den Zustand desselben mitverantwortlich macht. Dessen war sich der Prophet auch bewusst. Er fühlte die Hand Jehovas aus dem Volke lasten und litt unter ihrer Schwere. Dieselbe Gesinnung finden wir bei Daniel, dem „vielgeliebten Manne“. Auch er machte sich eins mit dem treulosen Volke und bekannte: „Wir haben gesündigt und verkehrt und gesetzlos gehandelt, und wir haben uns empört und sind von deinen Geboten und. von deinen Rechten abgewichen“ (Dan. 9, 5). Aber dieser Umstand ändert nichts an der Wahrheit, dass der Treue von Gott unterwiesen wird, das Köstliche von dem Gemeinen auszuscheiden und sich von denen getrennt zu halten, welche ihrem Bekenntnis und ihrer Berufung nach das Volk Gottes bilden, deren Wege aber Seinen Gedanken und Seinem Willen nicht entsprechen. 
„Jene sollen zu dir umkehren, du aber sollst nicht zu ihnen umkehren!“ Nach menschlichem Ermessen hätte Jeremia einen weit größeren Wirkungskreis gehabt und daher auch mehr zum Segen sein können, wenn er in Verbindung mit dem Volke geblieben wäre. Aber das sind menschliche Überlegungen. Gottes Gedanken sind höher. Er weiß, wo Seine Diener Ihm von Nutzen sein können, und deshalb müssen diese es Ihm überlassen, sie an den Platz zu stellen, welchen Er für gut erachtet. Gott fordert vor allem Gehorsam, und erst in zweiter Linie unseren Dienst. Saul glaubte umgekehrt handeln zu sollen, wurde aber deswegen verworfen. „Siehe“, so lässt Gott ihm durch Samuel sagen, „Gehorchen ist besser als Opfer, Ausmerken besser als das Fett der Widder. Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst“ (1. Sam. 15, 22. 23) Und der Apostel Johannes ruft uns zu: „Hieran wissen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und Seine Gebote halten. Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir Seine Gebote halten“ (1. Joh. 5, 2. 3).
Wenn also jemand glaubt, Gott wohlgefällig dienen zu können, indem er mit irgend einer Sache in Verbindung bleibt, von der er weiß, dass sie die Zustimmung Gottes nicht hat, so ist er auf falschem Wege. Sicher kommt Gott unserem geringen Verständnis und unserer Unwissenheit entgegen und segnet überall, wo treue Herzen für Ihn schlagen, ja, um Seines Wortes und Seiner Sache willen selbst da, wo Christus „aus Neid und Streit“ gepredigt wird. Habe ich aber irgend Etwas nach Gottes Wort als unrichtig erkannt und verharre dennoch darin, so bin ich ungehorsam und sündige. Einen anderen Ausweg gibt es nicht. Und der Herr wird mich sicherlich dereinst darüber zur Rechenschaft ziehen. 

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Ohne Heiligung kein Christentum

Bibelstelle: 1. Petrus 1

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 179ff

- IV.
Der Glaube, um den es sich für uns handelt, ist also ein Glauben an die Wahrheit, nicht etwa ein Glauben an die in mir hervorgebrachten Früchte. Wie könnte auch der Heilige Geist die Wirkungen, die Er in mir hervorgerufen hat, mir als Gegenstand für meinen Glauben darbieten? Unmöglich! Er zeigt mir meine Fehler, meine Mängel, redet mit mir über mein vieles Zukurzkommen, niemals aber macht Er mich auf die guten Werte bei mir aufmerksam· Er ruft sie in mir hervor, aber dann verbirgt Er sie vor mir; denn wenn ich mich mit ihnen beschäftigen würde, so wäre es nichts als eine feinere Art von Selbstgerechtigkeit. Es ist wie mit dem Manna, welches Würmer erzeugte, wenn man es aufbewahren wollte. Alles ist dann verdorben; es ist nicht mehr der Glaube, der in Tätigkeit ist. Soll ich Frieden haben, so muss mir der Heilige Geist immer wieder Christum vor Augen stellen. 
Wir begegnen demselben Grundsatz in Joh. 17, 16. 17, wo wir den Herrn zum Vater sagen hören: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin. Heilige sie durch die Wahrheit: dein Wort ist Wahrheit.“
Die Welt war nicht das, wonach Christus hienieden trachtete. Obgleich Er Sein ganzes Leben lang nicht aus der Welt hinausging, war Er doch nicht mehr von der Welt, als wenn Er im Himmel gewesen wäre. Im Blick auf die praktische Anwendung dieses Grundsatzes auf uns sagt Er: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin. Heilige sie durch die Wahrheit“. Wahrheit ist nicht von der Welt; die Welt ist vielmehr eine große Lüge, wie uns dies ihre Geschichte zeigt, wie wir sie in der Bibel besitzen. Dort finden wir zugleich die Offenbarung der Sünde in dem natürlichen Menschen, und die Offenbarung des Lebens Gottes in dem durch das Wort erneuerten Menschen. „Heilige sie durch die Wahrheit“, sagt der Herr, und: „Ich heilige mich selbst für sie“. Was will das sagen? Der Herr Jesus sondert sich ab, heiligt sich. Nicht als ob Es selbst heiliger würde, sondern Er macht sich zum Vorbilde für uns in der Herrlichkeit droben. Praktische Heiligung steht immer mit einem verherrlichten Christus in Verbindung. (Vergl. 1. Johannes 3, 2. 3; 2. Kor. 3, 18). Es handelt sich nicht um gesetzliche Forderungen, sondern unser Vorbild ist Christus selbst, der Leben und Kraft dessen ist, wovon Er das vollkommene Ergebnis darstellt. Christus, die Darstellung der Fülle und Vollendung, ist die lebendige Quelle von allem, und indem ich dies im Glauben unverrückt anschaue, wird der Widerschein davon in mir gesehen werden; der Glaube bringt dasselbe in meinem inneren Menschen und in meinem äußeren Leben hervor. 
Das erste Kapitel des Evangelium Johannes gibt uns eine wichtige Belehrung über diesen Gegenstand. Wir lesen dort bezüglich des Anfangs: „In Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“. Das war das Gesetz- nicht. Christus war nicht ein Licht, welches verdammte, nein, dieses Licht war Leben, und  wir haben es gleichsam leuchten sehen „voller Gnade und Wahrheit“ — nicht nur voller Wahrheit, sondern auch voller Gnade, und aus Seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade um Gnade“. Wenn ich Christum angenommen habe, dann gibt es nicht eine einzige Gnade, die nicht mir gehörte und in mir wäre. Da ist kein Christ, der nicht alle Gnaden besäße, die in Christo Jesu sind. Selbst wenn wir in eine Sünde willigen — und einen traurigeren Fall können wir uns nicht denken! -— besitzen wir doch alles in Ihm. Es ist gewiss tief betrübend, wenn ein Christ sündigt, aber es verändert seine Stellung nicht; denn der Christ hat nicht nur einen Teil von Christo empfangen, sondern den ganzen Christus, alles was Er ist. 
Einerseits ist es ermunternd, wenn ich, nach solcher Gnade trachtend, die Antwort bekomme: „In Christo besitzest du sie voll und ganz«; andererseits aber demütigt es mich, denn wenn ich sie besitze, warum offenbare ich sie dann so wenig? Immer aber setzt dies voraus, das; »wir die Wahrheit erkannt haben, dass Gott Frieden gemacht hat. Wir müssen immer wieder zu dem Worte zurückkehren: „Heilige sie durch »die Wahrheit; dein Wort «ist Wahrheit“. Werde ich diese Heiligung finden, wenn ich auf mich blicke und sie in mir zu bewirken suche? Nein, sondern nur, indem ich auf Jesum blicke, in welchem sie ist, auf Ihn, der uns von Gott gemacht worden ist zur „Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1· Kor. 1, 30). Wenn ich im Glauben auf Ihn blicke, so ist meine Seele in Frieden. Sein Geist ist stets in mir, und ich bin geheiligt durch den Glauben an Ihn, nach der Gnade, die mich mit Ihm eins macht. Es ist Christus, der mir alles gibt, und diese Wahrheit offenbart mir, dass die Erlösung vollbracht ist; ich genieße davon, nachdem ich der Wahrheit gehorcht habe. 
Wenn jemand nach Heiligkeit trachtet, ohne seiner Rechtfertigung gewiss zu sein, und nun beunruhigt ist und daran zweifelt, ob er wohl wirklich ein Christ ist, so frage ich ihn: „Was hast du mit der Heiligung zu tun? Du hast dich zunächst gar nicht mit ihr zu beschäftigen. Versichere dich vor allem deiner Errettung“ Ein Ungläubiger kann sich nicht selbst heiligen. Wenn du Glauben hast, so bist du errettet. Es handelt sich einzig und allein darum, deinen sündigen Zustand zu betrachten und zu fragen: Habe ich der Wahrheit gehorcht? Habe ich mich ihr unterworfen? Wenn du das tust, dann redet Gott zu deinem Herzen von einem Frieden, der ein für allemal gemacht ist. Er sagt dir, dass Er die Welt also geliebt, dass Er Seinen Sohn dahingegeben hat, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Dieser Wahrheit musst du dich unterwerfen, sie musst du annehmen, vor allem, wenn du dich mit der Frage der Heiligung beschäftigen willst. Denn diese hängt nicht von dir ab, sondern von Ihm, der dir das ewige Leben gegeben hat. 
Beginne also vor allem anderen mit dem Gehorsam gegen die Wahrheit. Sie erzählt dir von der Gerechtigkeit Gottes, die sich in Jesu befriedigt hat und nun dein Teil ist in Ihm; ja, sie sagt dir, dass du in Christo bist. Glaubst du ihrem Zeugnis, unterwirfst du dich ihr, so genießest du Frieden» bist geheiligt, und die praktische Heiligung wird nachfolgen. Diese letztere ist die natürliche Frucht des Anschauens Jesu. Sieh, was der Apostel Paulus uns über diesen Gegenstand sagt: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor. 3, 18). 
Du siehst, dass wir durch das Anschauen Jesu von Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt werden. Darin ist Leben, der Grundsatz des Lebens, nicht aber in deiner Unruhe und in deinen ängstlichen Kämpfen und Anstrengungen. Die Entfaltung dieses Lebens Jesu in uns ist fortschreitend, sie vollzieht sich, indem wir auf Ihn blicken, Ihn anschauen. Derselbe Glaube, welcher rechtfertigt, heiligt uns auch; er blickt auf Jesum. 
Als Moses vom Berge herabkam, nachdem er die Herrlichkeit Gottes an sich hatte vorübergehen sehen, wusste er nicht, dass sein Angesicht strahlte; aber die, welche es sahen, wussten es. Moses hatte Gott angeschaut, und die anderen sahen die Wirkung davon. Gott sei gepriesen, dass es so ist und immer so sein wird! Es sind Gläubige, Christen, die in praktischem Sinne geheiligt' werden, und zwar weil sie gerettet, weil sie für Gott geheiligt sind, was ihre Personen betrifft. Bei Menschen, die noch nicht erlöst sind, kann von praktischer Heiligung gar keine Rede sein; was sie bedürfen ist, dass Gott ihnen Leben gibt. Und diese Gabe kommt durch Jesum, der die Quelle des Lebens ist. Es war bei dem Vater, und ist uns geoffenbart worden im Sohne (1. Joh. 1, 2). Er teilt das Leben mit, und dieses Leben ist Heiligkeit.
„O möchte Gott uns viel Gnade darreichen, dass wir immer tiefer fühlen, dass alles Fleisch Gras ist und all seine Anmut wie des Grases Blume, aber auch, dass das Wort des Herrn besteht in Ewigkeit! „Dies aber ist das Wort, welches euch verkündigt worden ist.“ Aus diesem unverweslichen Samen sind wir wiedergezeugt. Wie sollten wir deshalb auf dieses Wort vertrauen!

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Seid dankbar

Bibelstelle: Kolosser 3, 15

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 184ff

Es gibt in unseren Tagen viele Leute, denen jedes Gefühl der Dankbarkeit abhanden gekommen zu sein scheint. Sie empfinden offenbar nicht das Geringste, wenn man ihnen in freundlicher Weise begegnet, sehen selbst einen mit Aufbietung aller Kräfte ihnen erwiesenen Dienst als durchaus selbstverständlich an. Wo liegt die Ursache für dieses Nachlassen guter Sitten und Gefühle? 
In dem verderbten Zustand des gefallenen Menschen, der die Sünde liebt und sich von der einzigen Quelle aller Güte, idem lebendigen Gott, weiter und weiter entfernt und so, trotz Bildung und Kultur, immer tiefer sinken muss.
In dem zweiten Brief an Timotheus, wo der Apostel Paulus Gesinnung und Zustand der Menschen, wie sie in den letzten Tagen sein werden, beschreibt, wird gesagt, dass die Menschen auch die ihnen von Natur noch anhaftenden guten Eigenschaften ganz und gar ablegen werden. Diese Erscheinung können wir täglich beobachten. Die an jener Stelle gegebene Beschreibung passt Zug um Zug auf die Menschen unserer Zeit. 
„Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden; denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, heillos, ohne natürliche Liebe«, und wie die traurigen Dinge alle heißen, die der Geist Gottes auszählt, um den verkommenen Zustand des Menschen zu bezeichnen. Wir sagen „verkommen“, denn der Mensch, der als Bild Gottes einst rein und untadelig aus der Hand seines Schöpfers hervorging, ist durch die Sünde und den Einfluss Satans auf einen Stand herabgesunken,
wie er trauriger und beklagenswerter nicht gedacht werden könnte. 
Inmitten einer solchen Umgebung, in einer von Unreinheit, Bosheit und Unglauben geschwängerten Luft, leben und atmen wir. Aber, Gott sei gepriesen! auf Grund des wunderbaren Erlösungswerkes Christi ist der Gläubige freigemacht von der Sünde, durch die Macht der Gnade errettet aus der Gewalt der Finsternis.- Als „Himmelslichter“ sind wir berufen, zu leuchten inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, als ,,unbescholtene Kinder Gottes«, als „Kinder des Lichts“ einen treuen Wandel zu führen und so nicht nur keine Gemeinschaft zu haben mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern sie auch zu strafen (Phil. 2; Eph. 5).
Zu den Tugenden, die einen Gläubigen zieren sollen, gehört ganz besonders die Dankbarkeit, und zwar nicht nur jenes natürliche Gefühl, das Gott  Seinen Geschöpfen ins Herz gepflanzt hat, sondern auch eine höhere, „geistliche“ Dankbarkeit, wenn ich mich so ausdrücken darf. Die Dankbarkeit, welche die Kinder Gottes kennzeichnen soll, kommt auch nicht aus unseren wankelmütigen, allen möglichen Einflüssen unterworfenen natürlichen Herzen hervor, sondern ist ein Ergebnis oder, vielleicht besser gesagt, ein Wesenszug des uns von Gott geschenkten neuen· Lebens. Sie wird angefacht durch den in uns wohnenden Heiligen Geist und hat als Gegenstand die Liebe Gottes, die, je mehr wir sie erkennen, Gegenliebe bei uns hervorruft und ein dankbares, glückliches Herz schafft. Dankbarkeit und Liebe bewirken auch Gehorsam. Oder wird wohl, um ein Beispiel aus dem Leben zu gebrauchen, ein Kind, das die hingebende und aufopfernde Liebe seiner Eltern, deren Arbeiten, Sorgen und Mühen an sich erfahren hat, die Dankbarkeit und Liebe nicht gerade durch Gehorsam zeigen? In der angeführten Stelle (2. Tini. 3, 2) werden deshalb auch im umgekehrten Sinne Ungehorsam, Undankbarkeit und das Fehlen der natürlichen Liebe in Verbindung miteinander genannt. 
Bei dem durch den Heiligen Geist erneuerten Kinde Gottes strahlen andere Dinge hervor. Wahrlich, es hat alle Ursache, seine Dankbarkeit gegen Gott auf dem ganzen Wege in Liebe und Gehorsam zum Ausdruck zu bringen. „Seid dankbar!“ Es ist so schlicht und einfach ausgedrückt; wie wenn Gott uns durch diese Worte zurufen wollte: „Das dürfte euch doch nicht schwer fallen, dankbar zu sein!“ Nein, es fällt da auch nicht schwer, wo die Liebe angezogen ist und der Friede des Christus in den Herzen regiert; Da, wo das Herz unter dem tiefen Eindruck der unendlichen Liebe Gottes steht, der des eingeborenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben und Ihn um unserer Missetaten willen am Kreuz auf Golgatha zerschlagen hat. Wer von uns könnte eine Beschreibung dieser mächtigen und gewaltigen Liebe Gottes geben, wer sagen, wo sie ihren Anfang genommen hat, wo sie ihr Ende findet? Niemand! Obwohl die Liebe Gottes unser aller vollkommenes Teil ist, ist doch keiner von uns imstande, sie zu ermessen, oder gar in würdiger Weise zu erwidern. Aber eins können wir: unseren Dank zum Ausdruck bringen und dadurch das Herz des Vaters erfreuen. Tun wir es?  
Immer wieder werden die Gläubiger! im Worte Gottes aufgefordert, Gott zu danken, mit Danksagung ihre Anliegen vor Gott kundwerden zu lassen, oder, wie es in anderen Stellen kurz heißt, zu „danksagen“. Wir danken auch, aber, so möchte ich fragen, ist die Danksagung, wie sie in unseren Gebeten laut wird, immer der wahre Ausdruck der Gefühle, von denen unser Herz, unsere Seele, unser ganzes Inneres erfüllt und bewegt werden? Geht nicht unser Mund oft —- oder müssen wir sagen „meist“?“— weiter als diese Gefühle? Bringen wir nicht oft „fremdes Feuer“ dar, das nicht auf dem Altar Gottes angezündet worden ist? Wir wollen niemand die Antwort vorwegnehmen; möge sich ein jeder von« uns selbst prüfen, sich selbst antworten. 
Wenn wir die Psalmen lesen) können wir uns einen Begriff davon machen, was wahre Dankbarkeit  ist, und wie sie sich äußert. Beides ist uns nicht so bekannt, wie es sein sollte. Vergegenwärtigen wir uns einmal, was David wohl empfinden mochte, als er den 103. Psalm dichtete! Die Gefühle, von denen wir reden, haben ihre Quelle freilich nicht in uns, nicht in der Natur des Menschen, sondern in Gott. Sie werden hervorgerufen durch den Heiligen Geist, durch welchen getrieben ja auch die heiligen Männer Gottes im Alten Bunde redeten. Sie bewirken jene wahre, allezeit dankbare Gesinnung, die vor Gott so köstlich ist, und machen das Herz überströmend in Danksagung. 
Hand in Hand mit der Dankbarkeit geht naturgemäß die Erinnerung an Gottes Güte und Treue. „Vergiss nicht alle Seine Wohltaten“, sagt der Psalmist (Ps. 103, 2). O wie sind wir so vergesslich! Obwohl Gottes Güte jeden Morgen neu ist, obwohl wir, wenn wir nur einen Augenblick nachsinnen wollen, viele, viele Beweise aus unserer eigenen Erfahrung aufzählen können, sind wir zu nichts rascher bereit, als zu vergessen, was Gott seither an uns getan hat. Wir wundern uns über die Undankbarkeit anderer. Wir sind erstaunt, dass das Volk Israel so rasch Jehova vergessen konnte, der es doch aus Ägypten herausgeführt hatte, und schütteln den Kopf darüber, dass es ein goldenes Kalb zu seinem Gott machte und anbetend umtanzte. Und wir selbst?! Wie mancher, der durch den Tod des wahren Passahlammes aus der Sklaverei der Sünde und Welt herausgeführt worden ist, um nicht mehr den Scheusalen Ägyptens, sondern dem allein wahren und lebendigen Gott zu dienen, hat die Reinigung seiner Sünden gar bald vergessen und sich von neuem der Welt zugewandt! Wie manches Herz, das einst voll freudiger, dankbarster Gefühle war, ist wieder gleichgültig geworden, die Lob- und Dankeslieder sind verstummt, die Harfen hängen an den Weiden, welche die Bäche dieser Welt umrahmen.
Gott sucht und erwartet dankbare Herzen, und wahrlich mit Recht. Wodurch könnte auch das Kindesverhältnis, in welchem wir zu Ihm stehen, mehr zum Ausdruck kommen, als dadurch, dass wir Ihm dankbaren Herzens nahen? O möchten wir uns von dem Geiste Gottes mehr einführen lassen in Gottes Wort und Gedanken! Dieser andere Sachwalter, den der Herr den Seinigen gegeben hat, möchte uns so gern dahin bringen, dass wir völlig-zu erfassen vermögen mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus (Vergl. Eph. 3, 18. 19.) Erschließen wir uns Ihm und Seinem Wirken, so wird unfehlbar tiefe Dankbarkeit unser Herz erfüllen und überströmend machen zum Lobe Gottes.
Ein solch dankbares Herz ist dann auch in der Lage, sich voll und ganz des Herrn zu freuen und den Frieden Gottes, der allen Verstand übersteigt, als Herz und Sinne bewahrende Macht mit sich umherzutragen. Gott lässt nichts unbeachtet, nichts unerwidert, auch nichts unbelohnt. Seien wir daher allezeit dankbar!
„Dienet Jehova mit Freunden, kommet vor Sein Angesicht mit Jubel! . . . Komme: in Seine Tore mit Lob, in Seine Vorhöfe mit Lobgesang! Lobet Ihn, preiset Seinen Namen!“ (Psalm 100, 2. 4).

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Das Kreuz

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 190ff

Von dem Werke, das einst auf dem Kreuze geschehen, ist gesagt worden, dass es der staunenswerteste Vorgang sei in der Geschichte dieser Welt, ja, der Ewigkeit selbst. Auf Golgathas Höhe ist die ganze Frage der Sünde zwischen einem Gott, der die Sünde hasst, auf der einen Seite, und Christo, dem heiligen Dulder auf der anderen Seite, behandelt und für ewig geordnet worden. Da hat der hochgelobte Sohn Gottes sich selbst durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert. Da ist auch alles völlig ans Licht gekommen: die Bosheit des Menschenherzens, die Arglist Satans und die Liebe Gottes zu armen Sündern. Es war, als ob in der Finsternis dieser Stunde sich alles gegen Christum verschworen hätte: Hohepriester, Älteste, Oberste, Schriftgelehrte und römische Soldaten. Ja, sogar die mit Ihm gekreuzigten Räuber schmähten Ihn. In jener Stunde hat der Mensch seine Wahl getroffen. „Hinweg mit diesem! Kreuzige, kreuzige Ihn!“ so schrie man und forderte dann die Freigabe eines Mörders an Stelle des Sohnes Gottes. Es war das Gericht dieser Welt, das Gericht Satans, ihres Fürsten (Joh. 12, 31), und in sittlicher Hinsicht, vor Gott, das Ende der Welt (Hebr. 9, 26). 
Aber gerade diese Tiefen der Leiden vermochten nichts anderes zu offenbaren als die Vollkommenheit Christi; je heißer das Feuer, umso mehr entwickelte sich die Vortrefflichkeit des Wohlgeruchs des Gott dargebrachten Opfers. Welch ein vollkommener Gehorsam, selbst bis zum Tode, tritt uns in Christo entgegen! Welch eine Liebe zum Vater! Welch eine Liebe zu den Seinigen! Welche Tiefen der Leiden für die Sünde! 
Doch wandern wir ein wenig zurück und begleiten mit unbeschuhten Füßen unseren Herrn in den Garten Gethsemane, wo Er im Voraus den Kelch nahm, den Er trinken sollte, und nun als der abhängige, gehorsame Mensch mit dem Vater durch alles hindurchging, was vor Ihm lag. - Wie hat Er da schon „auf Mitleiden gewartet, und da war keines, und auf Tröster, und Er hat keine gefunden“! (Ps. 69, 20). Die Jünger schliefen vor Traurigkeit, und Er, „Er fiel auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an Ihm vorübergehe«. Wer könnte sagen, was es für Ihn war, die ganze vor Ihm liegende Kreuzesszene zu überschauen, und das mit einer vollkommenen Kenntnis der Heiligkeit Gottes und Seines gerechten Zornes wider die Sünde!? So heißt es denn auch von Ihm: „Als Er in ringendem Kampfe war, betete Er heftiger. Es wurde aber Sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen.“ Fürwahr, ein solcher Anblick ist dazu angetan, das Herz eines Gläubigen in seinen tiefsten Tiefen zu bewegen. Aber der Kelch konnte nicht an Ihm vorübergehen, wenn das Sühnungswerk vollbracht werden sollte. Denn ohne Blutvergießen ist keine Vergebung. Und so beugte Er sich in vollkommener Unterwürfigkeit unter den Willen des Vaters und fügte hinzu: „Doch nicht was ich will, sondern was du willst!“
Lasst uns auch einen kurzen Blick auf das Kreuz werfen von dein Gesichtspunkt aus, unter dem der Herr selbst es betrachtet in den bemerkenswerten Versen in Joh. 13, 31. 32. 
Es war in der Nacht des Passahfestes. Der Herr war mit Seinen Jüngern beim letzten Mahle vereinigt. Judas, der Verräter, war gerade hinausgegangen, um sein trauriges Werk zu vollenden. Von seiner Gegenwart erlöst und nun frei, den Seinigen Seine innersten Gedanken zu enthüllen, überschaut der Herr gleichsam die gewaltigen und wunderbaren Ergebnisse, die aus Seinem Tode erwachsen sollten, und äußert sich gemäß der ganzen Höhe der göttlichen Gedanken über das große und wunderbare Werk, das Er zu tun im Begriff stand. Er sagt: „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in Ihm. Wenn Gott verherrlicht ist in Ihm, so wird auch Gott Ihn verherrlichen in sich selbst, und alsbald wird Er Ihn verherrlichen.“ Hatte der erste Mensch (Adam) Gott verunehrt durch Sünde und Ungehorsam, so war Christus, der zweite Mensch, jetzt bereit, Ihn zu verehren und zu verherrlichen, und das in unendlichem Maße, durch Seinen Tod aus dem Kreuze. Eine Wahrheit von wunderbarer und gesegneter Tragweite für die Seele! Als Sohn des Menschen stand Er im Begriff zu sterben, und zwar wollte Er sich der Herrlichkeit Gottes weihen, unbedingt und um jeden Preis. Beachten wir es wohl: es ist hier nicht die Rede von einer Verherrlichung des Vaters im Sohne — diese ist in gesegneter Weise wahr in Seinem Leben —-, nein, Gott, in der ganzen Wahrheit und Majestät Seines Wesens, in Seiner Gerechtigkeit, Seiner Wahrheit, Seiner Heiligkeit usw., — Er ist  völlig verherrlicht worden in dem Tode Christi. Es gibt nicht eine einzige Eigenschaft der Natur Gottes als Gott, vollkommen an Wahrheit und Gerechtigkeit, vollkommen an Liebe, die nicht voll und ganz erwiesen und verherrlicht worden wäre durch das Werk am Kreuze, und das angesichts des ganzen Weltalls. Dies ist so wahr, dass Gott öffentlich Seine Befriedigung darüber kundgegeben und als Antwort darauf Christum aus den Toten auferweckt und zu Seiner Rechten in Herrlichkeit erhöht hat. Und das ist ohne Verzug geschehen, unmittelbar nach Vollendung des Werkes, lange bevor Christi Herrlichkeit auf Erden offenbar werden wird, wenn Er kommt, um Seine Herrschaft anzutreten. 
Und was ist der Preis, um den Gott so verherrlicht worden ist? O wer könnte die Tiefen jener Leiden ermessen, die der Seele unseres geliebten Herrn den Schrei auspressten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Wer könnte verstehen, was jene drei Stunden der Finsternis auf dem Kreuze für Ihn waren? Er, die Wonne Jehovas, auf dem allezeit das Wohlgefallen Gottes geruht hatte, konnte als Sündenträger nicht eher Erhörung finden, bis alles vollbracht war. Erst als der Kelch bis auf den letzten Tropfen getrunken war, wurde Er erhört, erhört in der Auferstehung und verherrlicht zur Rechten Gottes. 
Das Werk des Kreuzes ist von ewiger Bedeutung in seinen Ausgängen und Ergebnissen, ewig in den Segnungen, die der Erlösten Teil sind, ewig auch im Blick auf das Gericht der Verlorenen. Durch dieses Werk ist ein Kanal erschlossen worden, durch den Gottes Liebe und Gnade in ihrer ganzen Fülle dem armen glaubenden Sünder entgegenströmen können, und zwar in völliger Übereinstimmung mit Gottes Heiligkeit. Dieses Werk bringt allen denen, die in einfältigem Glauben auf ihm ruhen, tiefen, gegründeten Frieden des Gewissens. Es bildet die unveränderliche und unerschütterliche Grundlage, auf der alle zukünftigen« Segnungen ruhen, sei es während der tausendjährigen Herrschaft Christi, oder in dem neuen Himmel und aus der neuen Erde — in jenen seligen Zeitaltern, wenn kraft dieses Werkes jede Spur von Sünde aus dem ganzen Weltall verbannt sein wird.

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Unter dem Kreuz

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1921 S. 194ff

Nichts als Jesu Blutvergießen .
konnte deine Schulden büßen.
Den der Dornenkranz gekrönet,
Gottes Sohn hat dich versöhnet;
Seine Tränen, Not und Wunden 
haben Rat für dich gefunden,
Und Ihm bleibt allein die Ehre,
Das; Er deinen Tod zerstöre.
O so gib dem Sohn die Ehre,
dass Ihm aller Ruhm gehöre!
Suche nicht erst zu verdienen,
was am Kreuz vollbracht erschienen!
Suche nicht, was schon gefunden!
Preise fröhlich Seine Wunden,
und bekenn’ es bis zum Grabe, 
dass Er dich erlöset habe!

G. Woltersdorf, gest. 1771.

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Fragen aus dem Leserkreis

Bibelstelle(n): 1. Korinther 11, 2 – 15

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, S. 194ff

1. Eine Schwester aus D. schreibt: „Ein alter Bruder sagte kürzlich auf Befragen zu einer von uns Schwestern, wir sollten uns beim Beten nicht bedecken, sondern nur unser Haar aufstecken; da der Frau das Haar anstatt eines Schleiers gegeben sei, so sei eine andere Bedeckung unnötig. - Ist das richtig?
Nein. Denn dann wäre die ganze Belehrung des Apostels in 1. Korinther 11, 2 - 15 zweck- und sinnlos. Warum von Bedeckung des Hauptes reden, wenn Gott der Frau in ihrem langen Haar bereits die entsprechende Bedeckung gegeben hat? Nein, das lange Haar ist der Frau als ein Schleier gegeben. Mit einem Schleier verhüllt man sich; er ist also ein Symbol der Sittsamkeit, des Sichverbergens und Zurückziehens (vgl. 1. Mose 24, 65). Dieses symbolische Merkmal ist der Frau von Natur (in der Schöpfung) gegeben. Der Apostel fragt deshalb: „Lehrt euch nicht auch die Natur selbst, dass, wenn ein Mann langes Haar (das Zeichen der Abhängigkeit und Unterordnung, vgl. 4. Mose 6, 5) hat, es eine Unehre für ihn ist, wenn aber eine Frau langes Haar hat, es eine Ehre für sie ist?“
Die Frau, der Gott dieses liebliche, kennzeichnende Merkmal in der Natur gegeben hat, soll nun „um der Engel willen“, die auf die Gläubigen herabschauen, „eine Macht auf dem Haupt haben“; d.h. sie soll dann, wenn sie persönlich betet oder weissagt (was natürlich nur im häuslichen Kreis geschehen kann, nicht öffentlich, denn ihr Platz ist in der Stille, und vor allem nicht in der Versammlung), ein Zeichen der Macht tragen, unter welcher sie steht. Sie soll willig den Platz einnehmen, den Gott ihr in der Schöpfung angewiesen hat, und dem durch jenes äußere Zeichen Ausdruck geben. Ich wiederhole: Die Verordnung des Apostels bezieht sich auf den Fall, wenn eine Schwester persönlich betet oder weissagt. Ob sie stets, auch wenn sie im Familienkreis oder in der Versammlung mitbetet und mitsingt, eine Bedeckung auf dem Haupt haben sollte, ist eine Frage, über die man vielleicht verschiedener Meinung sein kann, die aber niemals Anlass zum Streiten geben sollte. Es ist wohl nur eine Anstandsfrage; aber es berührt ohne Zweifel angenehm, wenn man Schwestern (bes. in der Versammlung) bemüht sieht, die Tugenden, die der Frau so wohl anstehen, Bescheidenheit und Sittsamkeit, auch äußerlich zum Ausdruck zu bringen.
Fußnoten: 
1 In den Zusammenkünften bedecken sich die Schwestern jedoch auch, obwohl sie schweigen, weil wir an diesem Ort in der Gegenwart Gottes als Seine Versammlung zusammenkommen, um unter der Leitung des Heiligen Geistes gemeinsam zu beten und durch Weissagung erbaut, ermahnt und getröstet zu werden.

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Fragen aus dem Leserkreis

Bibelstelle(n): 1. Korinther 14, 16

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, S. 195

2. Fast um dieselbe Zeit schrieb ein Bruder: Ich weiß nicht, ob ich recht urteile, aber es berührt mich immer schmerzlich, wenn in den Versammlungen, aber auch beim Tischgebet (besonders von den Schwestern) nicht „Amen“ gesagt wird. Wäre es nicht dem Herrn wohlgefällig, wenn nach dem Gebet stets ein fröhliches Amen aus aller Mund erschallte? aus aller Munde? Ich bitte um Antwort. 
Eine bestimmte Weisung über diesen Punkt besitzen wir wohl nicht, aber nach ersten Korinther 14, 16 kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die ganze Versammlung ihr Amen zu dem Gebet sprach, dass vor Gott gebracht wurde. Es liegt auch in der Natur der Sache, denn der Betende ist doch bei einem gemeinsamen Gebet der Mund des Beterkreises, sei es im Hause oder in der Versammlung, und alle sollten ihr Einverständnis mit dem Gesagten durch ein vernehmliches „Amen“ Ausdruck geben. Wenn es sich um unsere geistlichen Beziehungen zueinander handelt, so besteht kein Unterschied des Geschlechts, „im Herrn“ gibt es nicht Mann und Frau. (Vergleiche Galater 4, 28; Kolosser 3, 11). Die Schwester ist ebenso gut berufen, priesterlich zu dienen, wie der Bruder, und wenn es ihr auch nicht gestattet ist, zu „lehren“ oder in  der Versammlung zu reden, so sollten die Stimmen der Schwestern sowohl in den gemeinsamen Lobgesängen als auch bei der Bestätigung der gemeinsamen Gebiete gewiss ebenso kräftig gehört werden wie der Brüder. 
Vielleicht ist hier auch ein Beispiel aus dem Alten Testament angebracht. Als Esra einmal vor dem ganzen versammelten Volke Jehova den großen Gott, pries, da antworteten alle Anwesenden, Männer Frauen und alle, die Verständnis hatten Amen, Amen! (Nehemia 8, 3. 6).

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Fragen aus dem Leserkreis

Bibelstelle(n): Lukas 16, 9

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, S. 196

Wenn ein Gläubiger stirbt, so sagt man, er gehe heim. Worauf gründet sich der Ausdruck?
Die Schrift gebrauchte ihn allerdings nirgendwo. Aber sie redet so, dass wir das Abscheiden eines Kindes Gottes mit Fug und Recht Heimgehen nennen können. Denn wohin geht ein Christ, wenn er entschläft? Aus der Fremde, wo er  nur ein Beisasse ist, keine Rechte besitzt und keine bleibende Stadt hat, in das himmlische Vaterland, in die Stadt, die Gott ihm bereitet hat (Hebräer 11, 16; 12, 22); er geht in die „ewigen Hütten“ (Lukas 16, 9), wo er heimatberechtigt, zu Hause ist, dahin, wo der Vater für seine Kinder eine Stätte bestimmt und herrlich ausgeschmückt hat, uns „viele Wohnungen“ gibt und wo der Erstgeborene vieler Brüder jetzt schon weilt. Wenn auch „das Vollkommene“ noch nicht für ihn gekommen ist, befindet sich der entschlafene Gläubige doch schon in der Herrlichkeit seines Herrn, „bei Christo“ und bei den Geistern der vollendeten Gerechten, im Kreise der Familie Gottes. Dann singen wir mit Recht und lassen es uns nicht nehmen:
Ich gehe heim! 
Wie süß sind diese Klänge! 
O selige Heimat, wo der Brüder Menge
Ich find und nimmer wieder scheiden sehe!

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Gibt es ein Heilmittel zur Beseitigung der Trennungen unter den Gläubigen?

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 197ff

7. Schlusswort
Wir stehen am Schluss unserer Betrachtung. Fragen wir uns nun noch einmal, was von den vielen Trennungen und Parteien unter den Gläubigen zu halten sei, so wird der Leser mit dem Schreiber antworten müssen: sie sind nicht nach Gottes Gedanken, nicht in Übereinstimmung mit Seinem Worte. Wenn das aber so ist, was anderes bleibt uns dann übrig, als sie aufzugeben, die trennenden Schranken zu beseitigen und zu dem zurückzukehren, was im Anfang der christlichen Kirche war? Nur so können wir die Grundlage der Einheit finden und die Weise, wie sie zu verwirklichen ist.
Aber wer wählt diesen einzigen Ausweg? Ist es nicht vielmehr so, dass, je näher wir an das Ende der Gnadenzeit kommen, die Zersplitterung wächst? Freilich wird dadurch die Verantwortlichkeit der Gesamtheit wie des, Einzelnen nicht aufgehoben, und wenn die großen Kreise in einer schriftwidrigen Stellung verharren, so bleibt für den Einzelnen kein anderer Weg offen, als seiner persönlichen Überzeugung zu folgen und dem Worte der Wahrheit gemäß zu handeln, mit anderen Worten, sich abzusondern, wie schwer und schmerzlich ihm ein solcher Schritt auch werden mag. Jeremia stand allein inmitten des damaligen Volkes Gottes, und mit Paulus war es an seinem Lebensabend nicht viel besser. Welch ein Schmerz das für beide treue Zeugen gewesen sein muss, können wir einigermaßen verstehen, wenn wir uns an ihre brennende Liebe zu dem Herrn und zu Seinem Volke erinnern. Aber nichts konnte sie verhindern, den schmalen Pfad der Absonderung im Vertrauen auf Gott, der alles zu ersehen vermag, zu betreten und zu gehen. Der bestimmte Befehl Jehovas lautete: „Jene sollen zu dir umkehren, du aber sollst nicht zu ihnen umkehren!“ und diesem Befehl gehorchten sie. 
Die gleiche Treue und Entschiedenheit erwartet der Herr heute von uns. Überdies wird eine Seele, die heute den Platz der Absonderung betritt, nicht ohne Gemeinschaft sein, . denn, wie wir eingangs erwähnten, Tausende haben durch die Gnade Gottes in den letzten 70 - 80 Jahren ihre Parteistellung verlassen und sich unter Preisgabe aller Sondermeinungen und Eigeninteressen einfach als Christen, als die Glieder eines Leibes, unter Anerkennung der alleinigen Autorität des Herrn und Seines Heiligen Geistes, zu dem Namen Jesu hin versammelt. Die praktische Verwirklichung des von ihnen als richtig Erkannten mag schwach und mit vielen Mängeln behaftet sein, — sie wird, solang wir uns in dem Leibe der Niedrigkeit befinden, stets unvollkommen bleiben, — aber das konnte und kann sie nicht zurückhalten, eine von Gott Seinen Kindern angewiesene Stellung einzunehmen. 
Eine häufig vorgebrachte Entschuldigung für das Verharren in einer Sonderstellung ist die, dass Gottes Wort keine Trennung unter Gläubigen gestatte. Grundsätzlich stimmen wir dem voll und ganz bei. Es ist gewiss nicht vom Geiste Gottes, wenn Gläubige wegen Meinungsverschiedenheiten oder verschiedener Grade in der Erkenntnis göttlicher Dinge den Boden, auf welchen Gott Seine Kinder gestellt hat, verlassen, um sich nur mit Gleichgesinnten oder Gleichgeförderten zu versammeln. Das Verlassen dieses Bodens ist es ja gerade, was Paulus bei den Korinthern so scharf rügt. Es ist unter allen Umständen böse. Aber wodurch sind die Trennungen unter den Christen entstanden? Nicht gerade durch das Verlassen des Bodens der Einheit und durch das Bilden von Parteien? Und wenn nun heute jemand die voneinander getrennten Gruppen anerkennt, leugnet er damit nicht gerade die Wahrheit von jener Einheit? Man. übersieht eben völlig, dass nicht die Parteien zuerst vorhanden waren, sondern die die Einheit aller Kinder Gottes ausdrückende Gemeinde, welche einmütig und eines Sinnes war und hierdurch der Welt gegenüber ein machtvolles Zeugnis ablegte von den großen Taten Gottes. Der Einwand mag also gut gemeint sein, er baut sich aber auf einen Trugschluss auf. Zudem handelt es sich bei dem Verlassen einer Parteistellung und der Rückkehr zu den Richtlinien des Wortes Gottes gar nicht um eine Trennung von Gläubigen, sondern um das Aufgeben einer falschen Stellung. Man trennt sich nicht von Personen, sondern von einem System. Dass man dabei die praktische Gemeinschaft mit manchen geschätzten Geschwistern verliert, steht außer Frage, und dieser Punkt hat schon vielen treuen Kindern Gottes tiefen Schmerz und bitteren Kampf gekostet. *) Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir Gott unbedingten Gehorsam schuldig sind. Sein Wort, die Wahrheit, ist unerbittlich.
Solang die Gläubigen in schriftwidrigen Stellungen verharren, ist ein einmütiges Zusammengehen unmöglich. Viele meinen allerdings in der sogenannten „AlIianz“, einer Vereinigung der verschiedenen Benennungen und Gemeinschaften, eine von Gott gewollte Überbrückung der Hindernisse gefunden zu haben. Aber so anerkennenswert diese Bestrebungen, welche ohne Zweifel in vielen Fällen einem tiefgefühlten Bedürfnis nach äußerer Gemeinschaft mit Kindern Gottes aus anderen Benennungen entsprungen sind, auch scheinen mögen, Abhilfe können sie selbstverständlich nicht bringen. Denn nicht nur bleiben die Parteien nach wie vor bestehen, sondern man erwartet und fordert die gegenseitige Anerkennung derselben, und die Mitglieder werden, eben weil man ihre Sonderstellung laut oder stillschweigend anerkennt, nur umso mehr bestärkt, in ihr zu verharren. Ein solches Zusammengehen ist nur auf Grund gegenseitiger Zugeständnisse möglich, wodurch notgedrungen der Wahrheit Abbruch getan wird; während das Wort solche, den menschlichen Gedanken und Meinungen gemachten Zugeständnisse verbietet, muss man, um den Frieden nicht zu stören, und niemand zu nahe zu treten, in vielen Fällen „fünf gerade sein lassen“, um einen landläufigen Ausdruck zu gebrauchen. Das mag unter den Kindern dieser Welt wohl gelten, vor dem heiligen Auge Gottes aber können solche Grundsätze nicht bestehen.
Es ist schon oft daraus hingewiesen worden, dass Gott Seine Kinder gewiss nicht zu einer Allianz beruft, die für die größte Mehrzahl derselben unmöglich ist, die auch immer nur für Stunden oder im besten Falle für einige Tage im Jahre künstlich herbeigeführt werden kann. »Was Gott von, Seinen Kindern verlangt, wenn es sich um die Darstellung ihrer Einheit handelt, ist“, wie an anderer Stelle ausgeführt worden, „ein einfaches Zusammenkommen im Namen Jesu, zugänglich für alle, ohne Geräusch, ohne Aufsehen, aber wahrhaft und treu, an dem Orte und mit den Brüdern, wohin und in deren Mitte sie Seine Vorsehung gestellt hat. Das ist es, was der Herr von ihnen verlangt, und was selbst die Welt von ihnen erwartet. Woher kommt es, sagt diese, dass ihr, nachdem ihr euch mit den Christen der ganzen Welt verbrüdert habt, zurückkommt und euch abgesondert haltet von den Christen in eurer Stadt oder in eurem Dorfe, und wieder wie früher anfangt, euren eigenen Gottesdienst und euer eigenes Abendmahl zu halten? Was ist das für eine Einheit? — Ach! wir müssen es bekennen, die Welt hat recht. Das ist nicht die Einheit, das Einssein, welches Jesus für Seine teuren Jünger wünschte und vom Vater erbat“ (Joh. 17). 
Gott wird und kann sich unmöglich den jeweiligen Meinungen und Wünschen der Menschen anpassen. Sein einmal gegebenes Wort ist unabänderlich für alle Zeiten und Verhältnisse, schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und ausgedeckt vor den Augen Dessen, mit dem wir es zu tun haben“ (Hebr. 4, 12. 13).
Dieses Wort stellt alles an seinen richtigen Platz, lässt aber dem Eigenwillen des Menschen keinen Raum. Es ist ein wunderbares Wort. Obwohl es hoch erhaben ist über allem, was in eines Menschen Herz aufkommen kann, ist es für den· Glauben doch wiederum so einfach, dass der Verstand eines gläubigen Kindes genügt, um in seinen Geist und in seine Wahrheit einzudringen. Gerade an die „Kindlein in Christo“ schreibt der Apostel Johannes: „Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles. Ich habe euch nicht geschrieben, weil ihr die Wahrheit nicht wisset, sondern weil ihr sie wisset... Ihr, was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohne und in dem Vater bleiben“ (1. Johannes 2, 20 — 24). Wie überaus kostbar ist gegenüber all den krampfhaften, aber nutzlosen Bemühungen des Menschen, dem eingetretenen Übel zu steuern, diese nie trügende Quelle und nie versagende Zuflucht! 
Die Zeit eilt dahin. Bald werden wir vor dem heiligen Angesicht des Herrn stehen. Dann werden die Ratschläge der Herzen offenbar werden, und einem jeden wird sein Lob werden von Gott je nach der Treue, mit der er das ihm Anvertraute verwaltet hat. O möchte denn Sein herrliches Wort, welches dem Psalmisten schon kostbarer war „als Tausende von Gold und Silber“, und das wir heute in seiner ganzen Vollendung besitzen, in Wahrheit und allein unseres Fußes Leuchte sein und das Licht auf unserem Wege! Der Herr segne auch in Gnaden diese erneuten, schwachen Bemühungen zur Befestigung und Gründung unserer Herzen und zur Verherrlichung Seines Namens, der über jeden Namen ist!

Fußnote:
*) Wenn es richtig bei uns steht, wird im Blick auf die traurige Zerrissenheit des Volkes Gottes ein beständiger Schmerz uns erfüllen. Und wie betrübt muss erst der Herr über die Zustände unserer Tage sein! Gott wolle uns alle davor bewahren, dass wir leicht über diese Sache hinwegdenken!

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Glaube

Bibelstelle: Hebräer 11

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 203ff

Eine Verwirklichung nennt Gottes Wort den Glauben, „eine Verwirklichung dessen, was man hofft“. Das besagt, dass das Vorhandensein einer Hoffnung sich kundgibt durch Werke, die dieser Hoffnung entsprechen. 
Der Sünder, in dessen Herz das Licht und die Gnade Gottes ein Insichgehen bewirken, offenbart Glauben dadurch, dass er, die Überzeugung von seinem Verlorensein verwirklichend, von Not getrieben, um Hilfe und Erbarmen ruft und das in Jesu geoffenbarte und ihm dargebotene Heil dankbar. ergreift. Das ist Glaube. 
In Hebr. 11 wird eine Schar von Menschen aufgezählt, in deren Leben offenbar wurde, was ihr Herz erhoffte. Diese Zeugen des Glaubens verwirklichten ihre Hoffnung, und das göttliche Wort teilt uns das eine und andere über sie mit, um uns die Wirkungen eines lebendigen Glaubens vor Augen zu stellen, damit uns Ermunterung werde, in der Kraft desselben Glaubens unseren Weg zu verfolgen bis zur Erreichung des Zieles (Hebr. 12, 1. 2).
Besonderer Beachtung wert erscheinen mit Rücksicht auf unsere Tage die Verse, in denen von Abraham die Rede ist. Lieblich sind die Bilder, die von dem Leben Abrahams in der Schrift gezeigt werden. Sie verdanken ihre Lieblichkeit hauptsächlich dem Umstande, dass das Leben unseres Patriarchen bezeugte: „Abraham glaubte Gott“. 
In Vers 8 heißt es: „Durch Glauben war Abraham, als er gerufen wurde, gehorsam“. Auch Abel, Henoch, Noah und andere werden als Glaubenszeugen genannt, und es wird uns mitgeteilt, wie ihr Glaube sich betätigte. So heißt es von Noah: Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses“ (Vers 7). Auch ihn kennzeichnete deshalb Gehorsam dem göttlichen Ausspruch gegenüber, und man kann wohl allgemein sagen, dass der Glaube stets mit Gehorsam verbunden ist. Bezüglich Abrahams wird aber ausdrücklich gesagt, dass er gehorsam war, „auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen sollte“, und in unmittelbarer Verbindung damit: „und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme“. Gehorsam gegen Gottes Wort scheint also im Falle Abrahams allein das sein Handeln bestimmende, entscheidende Moment gewesen zu sein, während bei Noah Furcht vor dem kommenden Gericht und die Fürsorge für sein Haus mittätig waren bei der Verwirklichung dessen, was ihm infolge des göttlichen Ausspruchs „Überzeugung“ geworden war. 
Dieser Gehorsam kennzeichnete das ganze Leben Abrahams und machte ihn fähig, die Herablassung Seines Gottes in besonderer Weise zu erfahren, indem er des Vertrauens Dessen gewürdigt wurde, dem er gehorchte. (Vergl. 1. Mose 18, 17 — 21). Und wir können verstehen, dass nichts mehr zur Ehre Gottes gereichen, nichts Ihm wohlgefälliger sein kann, als ein einfältiger Gehorsam, der ohne weiteres Seinem Worte folgt. Es heißt darum auch in der Schrift: „Siehe, Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufmerken besser als das Fett der Widder“ (1. Samuel 15, 22). Und von dem Herrn Jesus, dem in Knechtsgestalt hienieden erschienenen Sohne Gottes, wird bezeugt: „Er ward gehorsam bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze. Darum hat Gott Ihn auch hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist“ (Phil. 2, 8. 9). Diese Stellen zeigen uns neben vielen anderen, wie Gott den Gehorsam bewertet. 
Ein Zeuge des Herrn (.J. N. D.) schreibt einmal treffend: „Der Grundsatz der Unterwürfigkeit und des Gehorsams ist der heilende Grundsatz der Menschheit“. Aber so heilsam und segenbringend der Gehorsam für den Menschen hiernach ist, hat die Geschichte des Menschen doch bewiesen (und jeder kann es bei sich selbst feststellen), dass Gehorsam der menschlichen Natur völlig zuwider ist. Diese Tatsache ist besonders beachtenswert im Blick auf die Bestrebungen unserer Zeit. Heute gehen, mehr als je, die Bemühungen feindlicher Mächte dahin, alles zu stürzen, was Autorität heißt. Dass es so ist bei der Welt, braucht uns nicht zu befremden. Schon die ersten Menschen waren empfänglich für das Wort: „Ihr -werdet sein wie Gott“. Und einer, der heute als Führer auf geistigen: Gebiet von den Menschen gepriesen wird, hat sich zu dem Ausspruch verstiegen: „Wenn es einen Gott gäbe, wer ertrüge es, nicht Gott zu sein?" -— Eine ähnliche Gesinnung ist gegenwärtig überall verbreitet, sie begegnet uns auf Schritt und Tritt. Gehorsam, Unterwürfigkeit, Aufmerken, das sind Worte, denen heute von den Menschen Daseinsberechtigung nicht mehr zuerkannt wird. 
Gott hat sich aber nicht verändert. Für Ihn sind Gehorchen und Aufmerken heute noch ebenso wertvoll wie zu Abrahams und Samuels Zeiten, und das sollten wir als Glaubende festhalten. „Abraham war gehorsam, auszuziehen -  -, er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme. Durch Glauben hielt er sich auf in dem Lande der Verheißung wie in einem fremden und wohnte in Zelten - -. Denn er erwartete die Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“ Die Verwirklichung dieser seiner Erwartung, die allen sichtbare Offenbarung seines Glaubens, bestand darin, dass er als Fremdling im Lande der Verheißung in Zelten wohnte. Er zeigte dadurch „deutlich“, dass er ein Vaterland suchte (Vers 14), und dass dieses Vaterland, nach dem er trachtete, „ein besseres, das ist himmlisches“, war. 
„Du bist ein Fürst Gottes unter uns“, sagen die Kinder Heth zu ihm (1. Mose 23, 6) — ein Wort, das anzeigt, dass sein Weg „deutlich“ die himmlische Richtung bekundete. Ein ähnliches Zeugnis, allerdings mehr den segnenden Gott in den Vordergrund stellend, wird dem glaubenden Isaak zuteil. Die Geschichte Isaaks (1. Mose 26) zeigt uns in lieblicher Weise, dass die Beobachtung göttlicher Grundsätze nie zum Nachteil des Glaubenden ausschlägt. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass den Erzvätern Verheißungen betreffs dieser Erde gegeben waren, während unser Erbteil in den Himmeln aufbewahrt ist, dürfen wir doch wohl annehmen, dass unser Gott dem gehorsamen, unterwürfigen Kinde auch heute Seinen Segen in irdischer Beziehung entbietet, während Er ihn dem ungehorsamen vorenthalten muss. Wenn es nicht so wäre, würden wir bei Zuwendung irdischen Besitzes überhaupt nie von „Segen“ reden können. 
Beachtenswert ist in der Geschichte Isaaks, dass seine Neider, seine Feinde, es sind, die in ihm den „Gesegneten Jehovas“ erkennen. Isaak hatte als Fremdling einen Brunnen nach dem anderen den Gegnern überlassen; er hatte ihnen Platz gemacht und erfuhr nun, dass „Jehova ihm Raum machte“ (1. Mose 26, 22). Sollte Gott heute anders handeln? Gerade diese Geschichte kann heute manchen von uns, die in besonderer Weise ähnlichen Stürmen ausgesetzt sind, zur Ermunterung dienen. Sie bestätigt so schön und lieblich das Wort: „Gott schämt sich ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden“. 
Diese Zeugnisse über Abraham und Isaak aus dem Munde der Menschen jener Tage in Verbindung mit den Umständen, unter denen sie ausgesprochen wurden, sind in der Tat unserer Beachtung wert. In Abrahams Fall handelte es sich um einen Grundstückskauf; bei Isaak waren es neidvolle Gegner, die, fast möchte man sagen, klagend anerkennen mussten: „Du bist nun einmal ein Gesegneter Jehovas“. Möchten sich solche Bilder uns tief einprägen! Wir glauben mit dem lebendigen, verherrlichten Herrn droben verbunden zu sein; wir glauben, dass wir passend gemacht sind, an Seiner Herrlichkeit teilzuhaben; wir freuen uns darauf, als von Gott berufene und auserwählte Kinder bald mit unserem Herrn im Vaterhause droben zu weilen — wie sollten und könnten Veränderungen auf dieser Erde, wechselnde Umstände, sich wandelnde Anschauungen und Begriffe der Menschen eine Änderung unseres Glaubensweges herbeiführen? Man hört zuweilen sagen: „Die veränderten Verhältnisse fordern unbedingt ein Anpassen an dieselben“. Gewiss, die Verhältnisse sind andere geworden im Laufe der Zeit, besonders die letzten Jahre haben manche gründliche Änderung gebracht. Haben sich damit aber die Dinge geändert, auf die unsere Hoffnung gerichtet ist? Ist unser Endziel ein anderes geworden? Wenn nicht, dann muss naturgemäß auch der Weg zum Ziel, der Weg des Glaubens, unverändert geblieben sein, weil der Weg des Glaubens die Verwirklichung, die sichtbare Darstellung dessen ist, was wir erhoffen. 
In 1. Joh. 3, 3 lesen wir: „Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat (d. h. Ihm gleich zu sein, Ihn zusehen, wie Er ist), reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist“. Es kann nicht anders sein: Das Ergebnis einer Rechnung ist abhängig von den Faktoren, mit denen gerechnet wird. Steht das Wort: „Wir wissen, dass —- -— wir Ihm gleich sein werden; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“, bei uns im Vordergrunde, so wird dieses Wort unserem Leben sein Gepräge geben. Der „Mensch Gottes“ (1.Tim. 6, 11) wird als solcher von der Umgebung geschaut werden, wie seiner Zeit die Kinder .Heth in Abraham den „Fürsten Gottest und der heidnische Abimelech mit seinen Begleitern in Isaak den „Gesegneten Jehovas“ erblickten. Dann entsprechen wir unserer Berufung, indem wir die Tugenden Dessen verkündigen, der uns berufen hat aus der Finsternis in Sein wunderbares Licht, und erfreuen uns der wahren, das Herz beglückenden Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Sohne, mit Ihm, „dem wir gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“. 
Abraham zog einmal nach Ägypten hinab, als eine Hungersnot im Lande war (1. Mose 12, 10). War zu jener Zeit eine Änderung der Verheißungen Gottes eingetreten? Nein. Aber Abraham verlor diese Verheißungen für einen Augenblick aus dem Auge und suchte Brot in Ägypten. Aber bald führte Gott ihn wieder dahin, „wo im Anfang sein Zelt gewesen war, zu der Stätte des Altars“ (1. Mose 13, 3. 4), und von da ab wurde ihm Segnung auf Segnung zu teil. (Vergl. 1· Mose 13, 14 — 18; 14, 19; 15, 1; Kap. 17.) Änderungen auf dieser Erde, auch gründliche, können an den Verheißungen Gottes ebenso wenig ändern (denn Seine Gnadengaben und Berufung sind unbereubar, Röm. 11, 29), wie an Seinen Grundsätzen. Wir tun gut, das im Auge zu behalten in einer Zeit, in der man versucht, da den Verstand sich betätigen und einen Weg suchen zu lassen, wo das Herz einfach in Unterwürfigkeit den von Gott bezeichneten Weg gehen sollte. Der Verstand bildet sein Urteil und zieht seine Schlüsse auf Grund der Wahrnehmungen der mehr oder weniger entwickelten menschlichen Sinne; mit einem Wort, der Mensch beurteilt eine Sache so, wie er sie sieht. Darum ist das Wort so ernst: „Da ist ein Weg, der einem Menschen gerade erscheint, aber sein Ende sind Wege des Todes“ (Spr. 14, 12). 
Bei Licht besehen, gehen die Bemühungen des Feindes dahin, an die Stelle des untrüglichen, ewigen
Wortes Gottes als Leitseil durch die Welt die Verhältnisse des Lebens zu setzen. Nicht dem Worte Gottes, sondern den veränderlichen Verhältnissen soll der Weg des Glaubens angepasst werden. Man wird vielleicht einwenden: „Nein, das kann kein wahrer Christ wollen!“ Und doch ist es so: Das Ziel der Bemühungen des Feindes ist die Beseitigung der Autorität des göttlichen Wortes, und wir können ihm, wenn auch unbewusst, Vorspanndienste leisten, wenn wir meinen und solcher Meinung Ausdruck geben, dass Änderungen in dieser Welt eine Anpassung an diese Änderungen seitens der Gläubigen« erfordern. „Der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt, die Sein sind; und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit“ (2. Timotheus 2, 19). Diese Worte setzen allen Ausweichungsversuchen des betrüglichen menschlichen Herzens ein Ziel. 
Vielleicht erscheint es manchem meiner Leser zu scharf, in diesem Zusammenhang ein Wort anzuführen, das von „Abstehen von der Ungerechtigkeit“ redet. Aber wenn wir an das oben erwähnte Ziel des Feindes denken, dessen Erreichung· er mit allen Mitteln anstrebt, so können wir doch nicht anders, als jedem, wenn auch vielleicht gutgemeinten Bestreben, das eine gleiche Richtung bekundet, mit der dem göttlichen Worte eigenen Schärfe entgegentreten. Zudem« ist. es das Wort unseres Gottes, das uns, falls wir wirklich in Unterwürfigkeit zu wandeln begehren, nie zu scharf erscheinen kann, wenngleich es „schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr. 4, 12). Wesentlich ist, ob Unterwürfigkeit und williger Gehorsam bei uns vorhanden sind; dann wird die „Schärfe“ dieses Wortes uns nicht beengen, vielmehr wird es sich für uns, nach den Worten des Psalmisten, „süßer als Honig und Honigseim“ erweisen und „besser als Tausende von Gold und Silber“.
Eine wichtige Frage für uns alle ist: Welchen Wert hat Gottes Wort für mich? Ist es für mich das „Brot aus dem Himmel“, das mir tägliche Speise, Lebensbedürfnis ist? Es gibt auch einen Zustand, in welchem wir den Kindern Israel gleichen können, welche weinend sprachen: „Wer wird uns Fleisch zu essen geben? Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, der Gurken und der Melonen und des Lauchs und der Zwiebeln und des Knoblauchs; und nun ist unsere Seele dürre; gar nichts ist da, nur auf das Man sehen unsere Augen“ (4. Mose 11, 5. 6). Die Gefahr, nach reizvoller, den Gaumen kitzelnder Speise Umschau zu halten, besteht in ganz besonderer Weise für Gläubige in jüngerem Lebensalter. Der glaubende Kaleb hatte sich von Man genährt und konnte in hohem Alter Zeugnis geben von dem Wert und der Kraft dieser Speise: „Ich bin heute fünfundachtzig Jahre alt. Ich bin heute noch so stark, wie an dem Tage, da Mose mich aussandte. Wie meine Kraft damals, so ist meine Kraft jetzt zum Streit“ (Jos. 14, 10. 11). Diese Worte hätte er nicht aussprechen können, wenn er in jüngeren Jahren, gleich den ungehorsamen (und deshalb gestorbenen) Weggenossen, sich von dem Man abgewandt und gaumenreizende Kost gesucht hätte. Wenn wir über „Dürre der Seele“ zu klagen haben wie Israel -- und wie oft ist sie in größerem oder geringerem Maße vorhanden, im Gegensatz zu der Frische des 85jährigen Kaleb —, so liegt es ganz sicher daran, dass wir den Geschmack an dem „Brot aus dem Himmel“ verloren haben. „Gar nichts ist da, nur auf das Man sehen unsere Augen.“ 
Wie schade, wie verderblich ist es, wenn Gläubige, ob jung oder alt, ihre Lebensbedürfnisse zu stillen suchen durch Nährmittel, die den von Israel begehrten Genüssen gleichen! Sie werden in demselben Maße wie sie solche Kost genießen, das Brot aus dem Himmel vernachlässigen, geringschätzen und schließlich für „gar nichts“ halten. Es gibt keinen Ersatz für das Man. Als der Tag kam, an dem Israel die Frucht des Landes genießen durfte, hörte das Man auf, aber keinen Tag eher. Solang wir noch nicht zum Schauen gekommen sind und glaubend durch die Wüste gehen, sind wir auf das Wort angewiesen, das uns Jesum vor Augen stellt, der sich persönlich das „Brot des Lebens“ nennt, und haben Ursache, es dankbaren Herzens täglich neu zu nehmen. Es ist uns als Speise auf dem Wege gegeben. Möchten wir nur angesichts des zunehmenden Bösen, angesichts der Menge der Bürden und Fallstricke (Hebr. 12, 1) unserer Tage, es mehr benutzen, um im Wettlauf nicht zu ermatten und bewahrt zu bleiben auf dem Wege zum Ziel!
„Du hast mein Wort bewahrt“, so lautet, das anerkennende Wort aus dem Munde des Herrn an die, welche nur eine kleine Kraft haben. Das Bewahren Seines Wortes, das Festhalten an Seinem Namen, sollte uns und unseren Weg „deutlich“ kennzeichnen in einer Zeit, in der jeder tut, was recht ist in seinen Augen. 
Dass es in unseren Tagen manche Schwierigkeiten im täglichen Leben gibt, die früher in gleichem Ausmaß nicht bestanden, ja, dass mancher Christ in eine ähnliche Lage kommen kann wie Abraham zur Zeit der Hungersnot, ist gewiss. Aber so wenig der Weg Abrahams nach Ägypten ein Weg des Glaubens war, so wenig kann es heute Glaube sein, wenn wir den Zeitverhältnissen unserer Tage Rechnung tragen auf eine Weise, die mit dem göttlichen Wort und den darin enthaltenen Grundsätzen unvereinbar ist. Abraham machte üble Erfahrungen in Ägypten, und er musste zurück in das Land der Verheißung, um wieder durch Glauben als Fremdling in Zelten in diesem Lande zu wohnen. Auch wir gehören nicht nach „Ägypten“. Schlagen wir in ihm unsere Wohnung auf, so werden wir, gleich Abraham, „Altar und Zelt“ verlieren und können nicht eher wieder glücklich sein, bis wir an unseren Platz zurückkehren. Gott selbst wird uns dahin zurückbringen Seiner Treue gemäß. Auf diesem Wege aber liegen demütigende, nachhaltig schmerzende Erfahrungen. Es ist ein Weg abseits vom Wege des Glaubens, auf welchem es ,,eine Verwirklichung dessen, was man hofft«, nicht gibt. Der Weg des Glaubens mag für die Natur schwer und dornenvoll sein — er ist es ohne Frage für manchen Gläubigen -—, aber es ist der einzige glückliche, zielwärts führende Weg. 
Mein Leser! Haben wir eine Hoffnung, ein Ziel? Dann ist es gewiss das Einfachste, den Weg dahin unbeirrt durch die Dinge um uns her zu gehen, „hinschauend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher, der Schande nicht achtend, für die vor Ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“.
Zum Schluss möchte ich noch einmal an das wertvolle Wort erinnern: ,,Darum (weil ihr Trachten nach dem besseren, himmlischen Vaterland ging) schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden«· Der Gott, von dem die Schrift bezeugt: „Er ist für uns, wer wider uns?“ vermag nicht nur unseren Gehorsam, unser Festhalten an Seinem Wort hier auf Erden schon reichlich zu belohnen, nein, Er wird sich auch zu uns bekennen, zu uns stehen, denn „Er schämt sich nicht“, unser Gott genannt zu werden. Zeigt unser Weg „deutlich“ die Richtung, das Ziel, so dürfen wir Ihm vertrauen und festhalten: Er hat die Führung, und Seine Führung verbürgt unter allen Umständen ein sicheres Erreichen des Ziels. 

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Über Lieder und Gebetsversammlungen

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 215ff

Unter dieser Überschrift sind vor Jahren zwei kurze Aufsätze in einer vielen Lesern des „Botschafter“ bekannten Schweizer Christlichen Zeitschrift erschienen. Es mag gut und zeitgemäß sein, einige besonders bemerkenswerte Stellen noch einmal in Erinnerung zu bringen. Bei der bekannten Neigung der menschlichen Natur zur Oberflächlichkeit und Trägheit sind wir ja stets in Gefahr, die Vorzüge und Vorrechte unserer Stellung als Gläubige nicht mehr mit den Augen des Glaubens und den Gefühlen der Dankbarkeit zu genießen, sondern sie rein gewohnheitsmäßig zu betrachten und so «auch unseren Platz bei den Zusammenkünften einzunehmen. Dadurch entstehen dann traurige Missstände. Anstatt sich, im Bewusstsein seines Nichts und seiner völligen Unfähigkeit, in enger Gemeinschaft mit dem Herrn der Leitung des Heiligen Geistes hinzugeben, beteiligt man sich an dem Dienst, schlägt Lieder vor, ja, redet und betet, als wenn es sich um irgend eine andere menschliche Tätigkeit handle. Man macht es ähnlich wie einer der Prophetensöhne zur Zeit Elisas, der den großen Topf aufsetzte und dann auf dem Felde wilde Koloquinten las und sie in den Topf schnitt; aber als das Gericht dann den Männern vorgesetzt wurde, schrien sie: „Der Tod ist im Topfe!“ und konnten es nicht essen (2.Kön. 4, 38 — 41).
Der Apostel Petrus, der sich in seinem zweiten Brief an die wendet, die einen gleich kostbaren Glauben mit ihm empfangen haben durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus, verfolgt damit den Zweck, durch Erinnerung ihre lautere Gesinnung aufzuwecken. (2. Petr. 3, 1.) Möchten auch die folgenden Ausführungen eine solche Wirkung in unseren Herzen hervorbringen! „Es wird von manchen für etwas sehr Einfaches, Leichtes gehalten, in der Versammlung ein Lied vorzuschlagen; daher kommt es viel vor, dass solche, die nicht geistliche Kraft genug haben, um zu beten, oder die Gabe, ein Wort der Ermahnung zu sagen, doch gern mit dem Liederbuch bei der Hand sind, als ob jedermann nur so ein Lied vorschlagen könnte. Sollten wir es im Gegenteil nicht als etwas recht Ernstes betrachten, ein Lied vorzuschlagen? Nach meiner Überzeugung erfordert es große Unterwürfigkeit unter die Leitung des Heiligen Geistes, um fähig zu sein, den richtigen Augenblick für ein Lied und das richtige Lied für den Augenblick erkennen zu können. Wir haben es mehr als einmal erfahren, dass der ganze Gang einer Versammlung durch das Vorschlagen eines Liedes rau unterbrochen wurde, und nicht selten haben wir das Gefühl gehabt, als könne das Liederbuch in den Versammlungen zu einem peinlichen Hindernis werden. 
„Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, dass an einzelnen Orten in den Gebetsversammlungen wohl zu viele Lieder gesungen werden, wodurch die Tiefe und der Ernst, die bei solchen Gelegenheiten herrschen sollten, nicht recht aufkommen können. Hie und da geht man in regelmäßigem Wechsel von Gebet und Lied, Gebet und Lied voran, bis man fast erschöpft ist von der leiblichen Übung, die sicherlich „zu wenigem nütze“ ist. Zuweilen geht man auch mit vollem Herzen zur Gebetsversammlung, im Bewusstsein tiefer, dringender Bedürfnisse und mit dem Verlangen, wirklich auf den Herrn zu warten. Der Zustand der Gemeinde Gottes, das Werk des Herrn, die Bedürfnisse der eigenen Seele liegen einem auf dem Herzen, und man sehnt sich danach, in der Mitte der Geschwister in Demütigung, Bekenntnis und Gebet sieh vor dem Herrn zu beugen. Aber siehe da, das Gesangbuch wird genommen, durchblättert und endlich ein Lied vorgeschlagen, das der Gelegenheit völlig fremd ist. Solche Dinge sind in der Tat recht beklagenswert.“
Das, worauf der Schreiber in brüderlicher Liebe die Aufmerksamkeit lenken will, verdient allen Ernstes von uns geprüft zu werden. ·Nicht allein bei unseren Zusammenkünften zum Gebet, auch bei anderen Gelegenheiten, ja, sogar bei der Anbetung am Tische des Herrn treten solche bedauerliche, den Herrn verunehrende Dinge in die Erscheinung.
Doch hören wir weiter:
„Es kommt vor, dass Gläubige sich am ersten Tage der Woche im Namen des Herrn versammeln, um Seiner zu gedenken und Seinen Tod zu verkündigen, ohne sich zu anderen Zeiten zum Gebet zusammenzufinden. Es ist zwar kaum begreiflich, aber es ist so. Von den ersten Christen lesen wir: „Sie verharrten in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten“ (Apstgsch. 2, 42). Ebenso ist dem vereinigten Gebet der Zweie oder Dreie, welche im Namen Jesu versammelt sind, eine besondere Verheißung gegeben. (Matth. 18, 19. 20.) In den  Tagen, in denen wir leben, sollten wir, die Schwachen, fleißig von dieser Verheißung Gebrauch machen. Und wären der Beter auch nur zwei, wenn sie mit wirklichem Ernst zusammenkommen, so dürfen sie von ihrem vereinigten, anhaltenden, gläubigen Gebet gesegnete Ergebnisse erwarten. Es ist auch ein kostbares Vorrecht, durch die Gnade Gottes zur Fürbitte und zum Flehen für andere angeleitet zu werden. Andererseits bedürfen wir bei allen Zusammenkünften zum Gebet einer heiligen Wachsamkeit und geistlichen Gesinnung; denn allzu leicht versinkt man in eine tote Form, in eine kraftlose Gewohnheitsfolge, wodurch die Gebetsversammlungen solchen, die unseren Herrn Jesus wirklich lieb haben, anstatt einziehend, geradezu widerwärtig werden können. Ein einfältiges, kindliches Ausschütten des Herzens vor unserem Gott und Vater, ein durch den Geist geleitetes ernstes und gläubiges Flehen um bestimmte Dinge sollte jede Versammlung zum Gebet kennzeichnen, mögen der Beter wenige oder viele sein. Wo es so ist, wird es gewiss nicht an Ermunterung und Segen fehlen, während es andererseits kaum etwas gibt, was so erschlaffend auf die Seele wirkt, wie kalte, ziellose Gebete, denen man es anfühlt, dass das Herz nicht dabei ist.“
Irrtümlicherweise scheint man zuweilen die Fähigkeit, vor anderen beten zu können, als eine Gabe zu betrachten, und man hört manchmal Aussprüche wie: „Bruder N. N. hat eine außerordentliche Gebetsgabe“. Wir wissen, was damit gemeint wird, doch ist der Gebrauch des Wortes „Gabe“ in diesem Sinne nicht berechtigt. Unter den verschiedenen Gaben, die wir in den Briefen erwähnt finden, ist das Gebet nicht genannt. Einige haben ihr beständiges Stillschweigen schon damit zu entschuldigen gesucht, dass sie diese Gebetsgabe nicht hätten. Das ist selbstverständlich nicht richtig. Wann aber werden Inbrunst und Wirklichkeit in der Gebetsversammlung fehlen? Wenn es mit der Frömmigkeit des Einzelnen und der Familien nicht gut bestellt ist. Wenn ein Bruder wenig im Kämmerlein betet und selten mit seiner Familie, so ist es kein Wunder, wenn sein Mund in einer öffentlichen Gebets-Versammlung geschlossen bleibt. Wenn er aber im Stillen ein Mann des Gebetes ist und den Herrn in seiner Familie ehrt, indem er sie regelmäßig um das Wort Gottes und zum Gebet versammelt, so wird es ihm nicht schwer werden, in einer Gebetsversammlung sein Herz in Gemeinschaft mit anderen vor dem Herrn auszuschütten. Es ist dann eine ganz einfache Sache für ihn. Würde der stille Verkehr mit Gott mehr gepflegt, so würde es wohl eine Ausnahme sein, dass ein Bruder in den Gebetsversammlungen beständig schwiege. 
Möchte es Gott in Seiner Gnade gelingen, unsere Seelen zu beleben und durch Seinen Geist und Seine Wahrheit mehr persönliche und häusliche Frömmigkeit in uns zu bewirken! Sicher würden dann die Gebetsversammlungen ernster und wahrer und darum auch reicher an Erfahrungen von erhörtem Gebet werden. Vergessen wir nicht das Wort unseres Herrn: „Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen“ (Joh. 15, 7).

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Bei Ihm

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 220ff

Wie groß die Zahl der „Toten in Christo“ auch sein mag, wo irgend und unter welchen Umständen sie „entschlafen“ sein mögen — bei Seiner Wiederkunft wird der Herr einen jeden der Seinigen zu finden wissen, um ihn aus dem Staube des Todes aufzuerwecken. Er wird die Erde zwingen, das, was in sie niedergelegt ist, wieder herzugeben. Jeder einzelne wird einen Herrlichkeitsleib empfangen, und jedes Herz wird sich versetzt sehen in des Herrn Gegenwart und Herrlichkeit selbst. Welch ein wunderbarer Gedanke ist das!
Der Sohn des Menschen besitzt in der Herrlichkeit des Vaters die höchste Stellung, die wir nur zu erdenken vermögen, und dieser Sohn des Menschen erhebt sich und steigt von Seiner Höhe herab, herab in den Bereich der Erde, in deren Staub es dem Tode erlaubt ist, die Leiber derer, die in dem Herrn entschlafen sind, in ihre einzelnen Teile aufzulösen. Ein jeder dieser Entschlafenen gibt durch sein Auserstehen Zeugnis davon, dass Jesus die Auferstehung und das Leben ist. Jeder wird auf das erste Wort von Ihm, dem „Erstgeborenen aus den Toten“ und dem „Erstgeborenen vieler Brüder“, aus dem Staube des Todes hervorkommen, um dann für ewig bei dem Herrn zu sein. 
Das ist für meine Seele ein unendlich lieblicher und köstlicher Gedanke. Und wie vollkommen entspricht er der Gnade! Wie ganz anders wäre es, wenn Gott Seinen Sohn zum Haupt über alles gesetzt, aber dabei  nicht die Herzen Seines Volkes für diesen Herrn zubereitet hätte! Würde Gott plötzlich die Tore des Himmels mit all seinen Herrlichkeiten öffnen, so würde ich doch in allem, was mein trunkenes Auge erblickte, nicht das finden, was ich in dem einen Worte finde: „Für immer bei dem Herrn“. Der Gedanke, den Herrn zu sehen, für immer bei dem Herrn zu sein, lässt die Seele überströmen. Wie ist es nur möglich, so fragt sie unwillkürlich, dass der Herr, dessen ganze Geduld und Liebe und heilige Sorge nötig waren, um mich nach meiner Bekehrung zu tragen, zu bewahren und zu überwachen, sagen kann: „Du sollst mir entgegengehen“! Aber so ist es. Ja, mehr als das: Er selbst wird herniederkommen, um mit mir in der Lust zusammen zu treffen. Diese meine Augen werden Ihn sehen, diese meine Ohren Ihn hören, Ihn, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat, und der nun wiederum Seine Liebe so wunderbar an denen offenbart, die der Vater Ihm vor Grundlegung der Welt gegeben hat. 
Was wusste der sterbende Räuber vom Paradiese? Nichts. Aber er wusste, dass er bei Dem sein würde, dem er seine Seele für die Ewigkeit anvertraut hatte. Das war ihm genug. Sollte es bei uns anders sein? Könnte uns etwas daran liegen, wo wir sind, wenn wir nur bei Ihm sind? Alles ist in diesem bei Ihm eingeschlossen. Und bei Ihm werden wir auch dann schon weilen, wenn es Gott gefallen sollte, uns vor der Wiederkunft unseres Herrn abzurufen. Wir sind dann „ausheimisch von dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn“. Wenn ich meinen Körper  verlasse, so geschieht es nur, um bei Ihm zu sein, bei Ihm, der die immer sprudelnde Quelle all der Segnungen ist, die sich heute schon über meine Seele ergießen. Das neue Jerusalem wäre ein armseliger Ort ohne Ihn. Wir singen mit Recht:
O Gottes Lamm, du Quelle aller Freuden, 
bist unser, wir sind dein, jetzt und ewiglich.
Hast teuer uns erkauft ·
und uns mit deinem Geist getauft.
Die Liebe zog dich nieder,
sie zieht zu dir uns wieder.
Was wär’ der Himmel ohne dich
und alle Herrlichkeit? 
Ja, was wäre der ganze Glanz der himmlischen Herrlichkeit ohne Ihn? Für den seinen Herrn liebenden Gläubigen gibt es nur die eine Sache: Ich werde für immer bei Ihm sein! Und indem so alle seine Gedanken und Gefühle auf Christum gerichtet sind, wird er, noch während er hienieden pilgert, in Sein Bild verwandelt. Das was der Geist zu erlangen trachtet und wohin sein Streben gerichtet ist, gibt ihm sein Gepräge. Je unverwandter wir Seine Herrlichkeit als des verherrlichten Menschen droben anschauen, desto mehr werden wir uns der Gleichförmigkeit mit Ihm nähern, und indem unsere Seele sich zu Ihm erhebt, der gesagt hat: „Ich komme bald!“ wird sie in der Wärme und Frische der ersten Liebe antworten: „Amen, komm, Herr Jesus“.
Man hat oft gefragt, was· wir im Himmel tun werden. Wer könnte die Frage beantworten? Dass wir nicht untätig sein werden, ist gewiss, denn wie könnte die Liebe je untätig sein? Aber wenn wir uns auch keine Vorstellung darüber zu machen vermögen, worin unsere Tätigkeit bestehen wird — das Eine ist gewiss: Christus wird dort sein, und wir werden da sein, wo alles nach Seinen Gedanken und nach Seinem Sinne geordnet ist. Haben wir hier schon die kostbaren Wirkungen Seiner Gegenwart verspürt? Haben wir je von Seinen Lippen die Worte: „Ich bin’s!“ vernommen und die Bedeutung derselben erfahren? Nun, was wird es dann erst sein, wenn wir uns in der nächsten Nähe Dessen befinden werden, der hienieden schon solchen Frieden in unsere Herzen auszugießen und sie mit solcher Freude zu erfüllen vermochte? Was wird der Himmel sein, wenn das, was Jesus ist, Seine Fülle und Herrlichkeit, uns im Vaterhause, da wo alles Seinem Namen entspricht, ganz geoffenbart werden wird? Der reiche Strom Seiner Liebe wird nach allen Seiten hin ausströmen und ganz gewiss jedes Herz bis zum Überlaufen füllen.
Wie lieblich ist auch der Gedanke, dass wir an der Ihm gegebenen Herrlichkeit teilhaben und als die Gegenstände Seiner und des Vaters Liebe von den himmlischen Heerscharen erkannt werden sollen! Ja, selbst die Welt samt allen feindlichen Mächten soll erkennen, dass wir geliebt sind, gleichwie Jesus geliebt ist. (Joh.17,23; vergl. Offbg.: 3, 9.) Alles werden wir mit Ihm teilen. Im Vaterhause droben werden die „Vielgeliebten“ Gottes die Entfaltung der Herrlichkeit Christi bilden und zugleich Seine persönliche Herrlichkeit als Gott von Ewigkeit her» schauen. Als solche, die schon vor Grundlegung· der Welt des Vaters waren und von Ihm dem Sohne gegeben wurden —— „sie waren dein; und du hast sie mir gegeben“ — als das gemeinsame, zuvor erkannte und teuer erkaufte Gut des Vaters und des Sohnes, werden wir dem Lamm folgen, wohin irgend es geht. Sollte man da noch fragen, was wir droben tun werden?

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Der Größte im Reich der Himmel

Bibelstelle: Matthäus 18,1-14

Botschafter des Heils 1921 S. 224

Autor: Rudolf Brockhaus

Seht ihr das Kindlein hier!
Es sucht nicht seine Ehre,
sorgt nicht, wie es im Kampf sich wehre
und eignen Vorteil schafft.
Es fragt nicht bange: Was ist morgen?
Des Vaters Hand, der Mutter Sorgen
Sind seine Kraft.

Seht ihr das Kindlein hier?
Auf Wissen kann es nicht bauen,
doch darf sein Engel allzeit droben schauen 
des Vaters Angesicht.
Nach Menschenurteil ist sein Wert gar nichtig,
in Gottes Augen ist es groß und wichtig,
Er lässt es ewig nicht.

Seht ihr das Kindlein hier?
Ihr fragt: „Wer ist der Größte
Im Himmelreich?“, und keiner löste 
Die Frage von euch auf.
Ihr Toren geizt nach eitlem Ruhme,
nach Dunst, den, wie des Grases Blume,
verweht der Zeiten Lauf.

Seht ihr das Kindlein hier?
Lasst euch zu ihm hernieder!
O kehrt von eurem Irrweg wieder
Und werdet nochmals klein!
Wer hier den letzten Platz erwählet,
dem Kleinsten gern sich beigezählet,
wird dort der Größte sein.

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Halte fest das Bild gesunder Worte

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 225ff

Einfache, schlichte Gedanken sind es, die ich in Nachstehendem lose aneinander gereiht habe, so wie der Herr sie mir beim Lesen Seines Wortes gab. Ich weiß, dass sie für die meisten der Leser des „Botschafter“ nichts Neues enthalten, aber mich leitete der Wunsch, dem einen oder anderen meiner Geschwister eine Hilfsleistung beim Erforschen der Schrift zu bieten. Besonders den jüngeren unter ihnen möchte ich in herzlicher Liebe zurufen:
Bleibt nahe an der Quelle! Manches wird heute als Brot angeboten, das kein Brot ist. Manche verkehrte, ja, böse Lehre wird eifrig verbreitet, und die Schriften, in denen sie dargeboten werden, finden besonders unter den jungen Christen vielfach bereitwillige Abnahme. Man will doch auch einmal etwas anderes lesen und selbst prüfen, „auf anderen Feldern Ähren lesen und sie ausschlagen“! Aber die vermeintliche „Prüfung“ erweist sich sehr oft als ein Schaden für die Seele, wandelt sich in einen Fallstrick für die eigenen Füße. Wer sich in Gefahr begibt kommt darin um! Wenn ich die Wahrheit kenne, warum soll ich mich dann noch mit dem Irrtum beschäftigen? Der Herr sagt von Seinen Schafen: „Einem Fremden werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen“ (Joh.10,5). Fliehen ist in solchem Falle das einzig sichere Bewahrungsmittel. Merke dir das Wort, teurer Leser! 
Überdies sehen wir, wie die alten, sturmerprobten Brüder einer nach dem anderen abgerufen werden. Wenn der Herr uns noch eine kleine Zeit hier lässt, so werden wir, die Jüngeren und Jungen, Träger des Zeugnisses werden, und groß ist unsere Verantwortlichkeit. Werden wir dann auch die Probe bestehen und uns die Anerkennung des Herrn erwerben: „Du hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet“?
Gott gebe es!
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„Verstehst du auch, was du liest?“ —- So fragte einst der Evangelist Philippus den Kämmerer aus dem Mohrenlande, der aus der Straße nach Gaza hinabfuhr und den Propheten Jesaja las (Apstgsch. 8, 30). Der Kämmerer, eine aufrichtig suchende Seele, bekannte ehrlich: „Wie könnte ich denn, wenn nicht jemand mich anleitet?“ und bat dann den Philippus, sich zu ihm zu setzen und ihm die nötige Anleitung zu geben. Wie gesegnet die Unterweisungen des Evangelisten waren, sagt uns Vers 39. Der Kämmerer zog seinen Weg mit Freuden. So wird’s immer sein. Eine hungrige Seele wird die dargebotene Speise, selbst wenn sie einfach ist, stets dankbar annehmen. Ihr ist selbst „das Bittere süß“, während „eine satte Seele Honigseim zertritt“ (Spr. 27, 7). 
So oft wir die Heiligen Schriften öffnen, sollte das tiefe Bewusstsein unsere Herzen erfüllen: Gott ist gegenwärtig, und Er will jetzt durch Sein Wort zu uns reden. Gleichwie einst der Knabe Samuel ehrfurchtsvoll sagte: „Rede, denn dein Knecht hört“ (1.Sam.3, 10), also sollten auch wir in Demut lauschen auf die Aussprüche des lebendigen Gottes und „mit Sanftmut empfangen das eingepflanzte Wort, das unsere Seelen zu erretten vermag“ (Jak.1,21).
Hand in Hand damit wird dann das Verlangen gehen, den Willen Gottes kennen zu lernen, Seine Gedanken besser zu verstehen, um so fähig zu sein, Ihn zu verherrlichen inmitten eines bösen und verkehrten Geschlechts, indem wir prüfen, „was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist“ (Röm. 12, 2). Petrus ermahnt uns, wie neugeborene Kindlein begierig zu sein nach der unverfälschten Milch des Wortes Gottes, um durch sie zu wachsen zur Errettung (1. Petr. 2, 2), und Paulus bittet für die gläubigen Kolosser, dass sie erfüllt sein möchten „mit der Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen“ (Kol. 1, 9. 10). Soll dieses Gebet aber Erhörung finden, so ist es nötig, das Wort Gottes mit Gebet und Flehen unter der Leitung .des Heiligen Geistes zu erforschen; und das nicht nur wenn wir in dem Namen unseres Herrn Jesus mit anderen Gläubigen versammelt sind (Matth. 18, 20), und deshalb auf Seinen besonderen Segen rechnen dürfen — denn wo Er ist, da fließen die Segensströme — sondern auch daheim im Familienkreise, und vor allem in der heiligen Stille der Einsamkeit und des persönlichen Zurückgezogenseins vor dem Herrn.
Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, wie wichtig das persönliche Lesen und Erforschen der Heiligen Schriften für uns ist, um als treue Zeugen in dieser gottentfremdeten Welt dastehen zu können.
Immer wieder sei es deshalb gesagt, dass jeder Gläubige es sich zur Gewohnheit machen sollte, täglich einen Abschnitt aus der Bibel für sich allein zu lesen und darüber nachzusinnen. Die Folgen davon werden sich nach außen hin segensreich offenbaren. 
Wie die leibliche Speise erforderlich ist, um das Leben zu erhalten und das körperliche Wachstum zu fördern, so bedarf das Kind Gottes der geistlichen Speise, des Brotes des Lebens, damit nicht das innere Leben verkümmere, der Schild des Glaubens zu Boden sinke und das Schwert des Geistes der Hand entgleite. Jeden Morgen musste das Manna neu gesammelt werden, um Speise für den Tag zu haben (2. Mose 16), jeden Tag müssen wir neu schöpfen aus der nie versiegenden Quelle unserer Kraft. Nur so vermögen wir den Anforderungen des Tages mit seinen Kämpfen und Versuchungen zu entsprechen. Gott will, dass Seine Kinder „die Dinge kennen, die ihnen von Ihm geschenkt sind (1.Kor. 2,12). Deshalb hat Er ihnen Seinen Heiligen Geist gegeben, und der Herr Jesus sagt von diesem neuen Sachwalter: „Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe . . . Er wird euch in die ganze Wahrheit leiten. . . und das Kommende (Zukünftige) wird Er euch verkündigen“ (Joh. 14, 26; 16, 13). 
Auch heute noch ist es das Bemühen und die Freude des Geistes Gottes, uns ein Verständnis über die göttlichen, ewigen Wahrheiten zu geben; ja, die so erkannte Wahrheit wird uns wahrhaft „frei machen“, wie der Herr sagt (Ioh.8,32), frei auch von aller Menschenfurcht, von Menschengeboten und Satzungen des Fleisches. Sie wird uns befähigen, in der seligen, aber auch heiligen Freiheit der Kinder Gottes zu wandeln, Gott zum Ruhm und unserem teuren Herrn zum Preise.
„Die Schrift kann nicht aufgelöst werden“ (Joh. 10, 35), bezeugt der Herr Jesus den Juden gegenüber. Ob Altes oder Neues Testament, sie ist ein unteilbares Ganzes, ein majestätisches, einheitliches Bauwerk, in welchem Stein an Stein sich schließt, eine unzerreißbare Kette, wo Glied an Glied sich reiht. Kein Stein, kein Glied ist überflüssig, keins fehlt. Alle Teile sind fest, unlöslich miteinander verbunden, und doch ist jeder einzelne Teil in sich vollkommen, jeder harmonisch da eingefügt, wohin er gehört. Überall die Meisterhand des göttlichen Bildners spürbar. Neue Offenbarungen gibt es nicht mehr, das Wort Gottes ist vollendet, der Kreis der Offenbarungen ist geschlossen (Kol. 1, 25). Und wo wir die Bibel ausschlagen mögen, aus allen Blättern weht uns derselbe Geist entgegen, dieselbe Person wird uns vor Augen geführt: im Alten Bunde in Vorbildern, Schatten und Prophezeiungen, im Neuen in der ganzen Herrlichkeit und -Schöne der Verwirklichung. Jesus, der Sohn Gottes von Ewigkeit her, tritt vor unsere Blicke. Die alttestamentlichen Schriften zeugen von Ihm (Joh. 5, 39), und die neutestamentlichen offenbaren Ihn als den Mittelpunkt aller Gedanken und Ratschlüsse Gottes, gleichsam die Zentralsonne, um die sich alles dreht, das Alpha und das Omega, Anfang und Ende aller Mitteilungen und Wege Gottes. Schon im ersten Buch Mose (Kap.3,15), unmittelbar nach dem Falle des Menschen, redet Gott von Ihm als dem Samen des Weibes, der der Schlange den Kopf zermalmen werde -—, eine wunderbare Weissagung auf unseren hochgelobten Herrn hin, der am Kreuze von Golgatha Satan, die alte Schlange, besiegt und ihr den Kopf zermalmt hat. Indem Er das tat, wurde Ihm selbst freilich die Ferse zermalmt. Er musste in den Tod hinabsteigen, um alle die zu befreien, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren (Hebr. 2, 15).
Das Passahlamm in 2. Mose 12, die blutbestrichene Tür, hinter der der Erstgeborene Israels geborgen war vor dem Schwerte des Würgengels, die Verordnung: „Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gesotten, sondern am Feuer gebraten“, die bitteren Kräuter — alles das redet von Jesu und Seinem Erlösungswerk, von Seinem bitteren Leiden und Sterben. (Vergl. 1. Kor. 5, 7 und 1. Petr.1, 18 - 20). 
Die Opferung Isaaks mit der darauf folgenden Werbung der Braut für den einzigen Sohn und Erben, die Erhöhung Josephs zum Erhalter des Lebens und Herrn der Welt, die Berufung Moses zum Führer und Mittler Israels und die Aarons zum Hohenpriester sind weitere überraschende Hinweise auf Jesum in Seinen verschiedenen Stellungen und Ämtern. 
Der Zug des Volkes Israel durch das Rote Meer, wo es befreit wurde von der Macht des Pharao, während alle seine Feinde in den Wellen ihren Untergang fanden, ihr Lobgesang in 2. Mose 15, wo das Volk angesichts seiner wunderbaren Befreiung wie aus einem Munde Jehova also preist: „Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst, hast es geführt durch deine Stärke zu deiner heiligen Wohnung!“ — wie deutlich erinnern uns diese Dinge an die Tatsache, dass wir im Tode Christi befreit worden sind, gerettet aus der Macht und Sklaverei Satans, und nun fähig gemacht, mit glücklichem Herzen als ein erlöstes, befreites Volk dem Herrn Lob- und Dankeslieder zu singen! 
Und später der Jordan, der Todesfluss, der alle seine Ufer überflutete, als Israel ihn im Glauben durchschritt (Jos. 4), wie weist er uns in vorbildlicher Weise auf unser Gestorbensein mit Christo hin! Zwölf Steine, ein Bild des zwölfstämmigen Volkes Israel, musste Josua im Flussbett des trocknen Stromes, da wo die Füße der die Bundeslade tragenden Priester gestanden hatten, ausrichten, und zwölf andere Steine von da mitnehmen, um sie zu Gilgal als Denkmal für alle Zeiten aufzustellen. Die an ihren Ort zurückkehrenden Wasser des Jordan bedeckten dann das Mal in der Tiefe des Stromes. Damit war Israel dem Fleische nach gleichsam vom Tode verschlungen, während ein neues, aus dem Tode auferstandenes Israel seinen Fuß auf den Boden des verheißenen Landes setzte, um sich fortan von dem Erzeugnis des Landes zu nähren. Das Man, die Wüstenspeise, hörte auf, und ungesäuertes Brot und geröstete Körner bildeten von jenem Tage an die Speise des Volkes. Zu Gilgal aber stand hochaufgerichtet jenes Denkmal aus zwölf Steinen, das Volk stets an die wunderbare Tatsache erinnernd, dass der Todesfluss hinter ihm lag, und dass Gott Seine Verheißung wahr gemacht hatte. In Verbindung damit traten dann auch die scharfen Steinmesser in Tätigkeit (Jos. 5).
Wenn der freundliche Leser jetzt Röm. 6, 1 - 14 und Kol. 2, 20 —3, 17 aufschlagen und aufmerksam durchlesen will, so wird er dort, in neutestamentlichem Licht, dieselben Belehrungen und Ermahnungen finden wie hier. Jene Ereignisse waren „Schatten der zukünftigen Dinge, der Körper aber ist Christi“ (Kol.2,17). Heute lesen wir: „Haltet euch der Sünde für tot“, „tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind!“ Mit anderen Worten: Nachdem ihr mit Christo gestorben und auferstanden seid, benutzet die scharfen Steinmesser des Selbstgerichts, um nun als ein heiliges Volk vor Gott zu wandeln. 
Von Beginn der Schöpfung an war es das Verlangen Gottes, mit dem Menschen in Verbindung zu stehen, bei ihm zu wohnen. Adam und Eva besuchte Er im Garten Eden bei der Kühle des Tages. Gott wollte ruhen in den Werken Seiner Hände, deshalb segnete Er den siebenten Tag und heiligte ihn. Das Heiligen des siebenten Tages war der Ausdruck der Ruhe Gottes in einer vollendeten Schöpfung, ein Bild von der Ruhe Gottes in der in Christo Jesu vollendeten Erlösung, der neuen Schöpfung. Doch wurde diese Ruhe durch den Sündenfall des Menschen jäh unterbrochen, und seitdem hat Gott wieder zu wirken begonnen. „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“ (Joh.5,17). 
Bei der Sündflut führte Gott das Gericht über alles Fleisch aus, denn die Erde war verderbt und voll Gewalttat. Sodann übergab Er Noah, dem Prediger der Gerechtigkeit, eine neue, durch das Gericht gereinigte Erde; aber auch Noah und seine Nachkommen blieben nicht in der Abhängigkeit von Gott, und so kam als Gericht die Sprachenverwirrung. 
Hierauf traf Gott in Abraham eine Auswahl. Er erwählte sich Israel als Volk zum Besitztum, verhieß ihm die herrlichsten und reichsten Segnungen auf dies er Erde, erlöste es aus dem Sklavenhause Ägypten und führte es in ein Land, das von Milch und Honig floss. Hier sollte es wohnen unter dem Friedenszepter eines Fürsten, der herrschen wird in Gerechtigkeit. Zum Teil sind diese Verheißungen in dem König Salomo (= der Friedliche) erfüllt worden, doch ihre volle Erfüllung liegt noch in der Zukunft. Sie wird erst kommen, wenn der. verheißene, aber von Seinem Volke verworfene Messias wiederkehren und auf Grund einer bedingungslosen Gnade, nach Niederwerfung aller Feinde, Sein
Volk in die Herrlichkeit des Tausendjährigen Reiches einführen wird. 
Das so reich gesegnete, hoch bevorzugte Volk der Juden hat schwere Blutschuld auf sich geladen. Sein Messias, sein König, „kam in das Seinige, aber die Seinigen nahmen Ihn nicht an“ (Joh. 1, 11). In blindem Hass, von ihren religiösen Führern angeleitet, riefen sie vielmehr: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Das Gericht Gottes, das sie so auf sich selbst und ihre Nachkommen herabriefen, ist in furchtbarer Weise über sie gekommen. Israel ist zerstreut über die ganze Fläche des Erdbodens und, trotzdem es immer wieder die Schätze der Welt an sich zu reißen verstand, ein verachtetes Volk. Die züchtigende Hand Gottes liegt schwer aus der ganzen Nation. Bis heute zwar vergeblich, aber doch wird Israel einmal umkehren zu Jehova, seinem Gott; sie werden Den „sehen, den sie durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes“ (Offenb.1, 7). „Sie werden über Ihn wehklagen gleich der Wehklage über den Eingeborenen, und bitterlich über Ihn leidtragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen leidträgt“ (Sach.12, 10). Alle diese Dinge — das Kommen des Messias, Seine Verwerfung, die Folgen derselben für Israel, die endliche Wiederherstellung des Volkes, die Einführung des Überrestes nach unsäglichen Leiden und Drangsalen in die Herrlichkeit des Tausendjährigen Reiches, die damit in Verbindung stehende Segnung der Nationen — sind der besondere Gegenstand, mit dem die Propheten des Alten Bundes sich beschäftigen. Es ist gut, sich das beim Lesen des Alten Testamentes immer wieder vor Augen zu halten, um so vor irrtümlichen Auslegungen und Anwendungen bewahrt zu bleiben. 
David, der König und Prophet, ein Mann nach dem Herzen Gottes, von dem so viele kostbare Psalmen herrühren, wurde, obwohl schon das heilige Salböl auf seinem Haupte war, von Saul, dem König nach dem Herzen der Menschen, wie ein Rebhuhn auf den Bergen umhergejagt. Er wurde so ein Vorbild auf den Herrn Jesus in Seiner Verwerfung, gleichwie Salomo es später war im Blick auf die Herrlichkeit des Reiches.
Da wir gerade von den Psalmen reden, noch ein kurzes Wort über sie. Sie wurden schon oft das „Herz“ der Bibel genannt, und nicht mit Unrecht. Wieviel Trost und Ermunterung haben sie den Gläubigen aller Zeiten gespendet, wie manch niedergebeugtes Herz aufgerichtet! Dennoch dürfen wir beim Sinnen über diese herrlichen Gesänge nicht vergessen, dass wir auf alttestamentlichem Boden stehen, und dass die Psalmen der Ausdruck der Gedanken des Geistes Gottes sind im Blick auf Israel und vor allem auf den gläubigen Überrest aus diesem Volke. 
Dass die Psalmen sich in fünf Bücher teilen, ist bekannt. Das erste Buch (Ps. 1 - 41) zeigt den jüdischen Überrest noch in Jerusalem wohnend, und in Verbindung mit seinem Zustand denjenigen Christi in Seiner Beziehung zu ihm; doch hat „der Gesetzlose“ die Herrschaft. Dieses Buch redet deshalb mehr von der persönlichen Geschichte des Herrn als alle übrigen. Das zweite Buch (Ps. 42 - 72) betrachtet den Überrest als aus Jerusalem vertrieben, unter der züchtigenden Hand Gottes. Die Bundessegnungen sind verloren, darum findet sich der Name „Jehova“ verhältnismäßig nur selten. Im dritten Buche (Ps. 73 - 89) haben wir die Befreiung und Wiederherstellung Israels als Nation, doch wird ein treuer, aufrichtiger Überrest unterschieden. Jerusalem ist am Schluss der Mittelpunkt der Segnung und Regierung Gottes. Das vierte Buch (Ps. 90 - 106) zeigt den Messias als gekommen, das Volk als Nation mit Jehova wieder in Verbindung gebracht. Die Namen Gottes in Beziehung zu Abraham und zu dem Tausendjährigen Reich: „Allmächtiger“ und „Höchster“, treten besonders hervor. Über die Gesetzlosen kommt Gericht, die Gerechten werden befreit. Segnung kommt über Israel, die Nationen werden gerichtet. Das letzte, fünfte Buch trägt einen mehr allgemeinen Charakter. Israel wird als ins Land Kanaan zurückgebracht betrachtet.-Das Buch enthält einen Überblick über die Wege Gottes mit Seinem irdischen Volke, über dessen Zustand und das, was es durchgemacht hat, und zeigt den Boden, auf welchem es schließlich vor« Gott stehen wird, indem Sein Gesetz in ihre Herzen geschrieben ist. Das Ganze klingt in Lob und Dank aus. 
Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung über das Gesetz, das Zehngebot. Durch den Finger Gottes in zwei steinerne Tafeln unverwüstlich eingegraben, wurden die „Zehn Worte“ dem Volke Israel gegeben. Die Tafeln fanden später ihren Platz in der Bundeslade. Das Gesetz enthält die Forderungen, welche Gott als Schöpfer, gemäß Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit, an Sein Geschöpf, den Menschen im Fleische, richten muss. Das Gesetz stellt den Menschen unter Verantwortlichkeit, verheißt dem, der es erfüllt, Leben auf dieser Erde, spricht den Fluch aus über jede Seele, die es übertritt, reicht aber keine Kraft dar, seinen Forderungen zu entsprechen. Das Gesetz fordert, gibt aber nichts. Darum wird der ganze Dienst, mit dem es in Verbindung stand, ein Dienst des Todes und der Verdammnis genannt (2. Kor. 3, 7. 9).
Israel stellte sich freiwillig unter dieses Gesetz, als es sprach: „Alles was Jehova geredet hat, wollen wir tun“ (2. Mose 19, 8), aber noch ehe die Gesetzestafeln in seinen Händen waren, hatte es die beiden ersten Gebote schon übertreten. Als Mose von dem Berge herabstieg mit den beiden Tafeln in seiner Hand, tanzte das Volk um das goldene Kalb und sagte: „Das ist dein Gott, Israel, der dich ans dem Lande Ägypten heraufgeführt hat“ (2. Mose 32). So brachte das Gesetz, das dem Volke zum Leben gegeben war (Röm. 7, 10), ihm Tod und Fluch. Denn „verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buche des Gesetzes geschrieben ist, um es zu tun!“ (Gal. 3, 10 und 5. Mose 27, 26). Nichts als ob das Gebot unvollkommen wäre; nein, „das Gesetz ist heilig, und das Gebot heilig und gerecht und gut“ (Röm. 7, 12), aber der Mensch ist kraftlos, völlig außerstande, den gerechten Ansprüchen Gottes zu genügen. Ja, das Gesetz hat bewiesen, dass er so völlig verderbt ist, dass Gottes heiliges Gebot, wenn es an ihn herantritt, nur die Lust in ihm bewirkt, es zu übertreten. 
Auch uns hätte das Gesetz nichts anderes als Fluch und Verdammnis bringen können. Aber als solche, die mit Christo gestorben und auferstanden sind, sind wir nicht mehr „Menschen im Fleische“, obwohl das Fleisch noch in uns wohnt. Wir sind eines Anderen geworden, des aus den Toten Auferweckten, um Gott Frucht zu bringen. Von dem Gesetz losgemacht, dienen wir jetzt „in dem Neuen des Geistes und nicht in dem Alten des Buchstabens“ (Röm. 7, 6).
Gott betrachtet Seine Kinder nie als unter Gesetz stehend. Wir sind unter Gnade. Christus ist für uns des Gesetzes Ende geworden, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (Röm. 10, 4). „Er hat uns losgekauft von dem Fluche des Gesetzes“ (Gal. 3, 13).

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Wie kann ich des Vaters Wille erkennen

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 238ff

Viele möchten gern ein angenehmes und bequemes Mittel haben, um in allen Fällen Gottes Willen erkennen zu können, ähnlich wie man ein Rezept vom Arzt bekommt; aber ein solches Mittel gibt es nicht. Dieses Erkennen hängt immer mit dem Zustand unserer Seele zusammen. Meist haben wir eine zu hohe Meinung von unserer eigenen Wichtigkeit und betrügen uns dann selbst, indem wir von diesem Standpunkt aus Gottes Willen zu erkennen suchen. Gott hat uns möglicherweise in der betreffenden Sache gar nichts zu sagen, weil in dem Antrieb, den wir selbst uns gegeben haben, von vornherein Böses liegt. Während wir nach irgend Etwas Großem ausschauen, besteht der Wille Gottes für uns vielleicht darin, dass wir still ein bescheidenes Plätzchen einnehmen.
Sehr oft möchten wir auch Gottes Willen in Umständen erkennen, in denen wir uns nach Seinem Willen gar nicht befinden sollten. Wenn das Gewissen in wahrer, gesunder Tätigkeit wäre, würde es uns antreiben, die falsche Stellung ohne weiteres zu verlassen. Unser eigener Wille hat uns hineingebracht, und doch möchten wir gern den Trost der Leitung Gottes auf einem Pfade genießen, den wir selbst gewählt haben.
Wir dürfen versichert sein, dass wir keine große Mühe haben werden, Gottes Willen zu erkennen, wenn wir Ihm nur nahe genug sind. Ein Kind, das die Gewohnheit hat, auf seinen Vater zu achten, und sich bemüht, dessen Gedanken und Willen zu verstehen, wird nicht leicht in Umstände kommen, wo es nicht weiß, was seinem Vater gefällt. In einem langen und tätigen Leben mag es vorkommen, dass Gott in Seiner Liebe uns nicht immer Seinen Willen sofort offenbart, um uns so unsere Abhängigkeit fühlen zu lassen, besonders dann wenn eine persönliche, starke Neigung vorliegt, dem eigenen Willen zu folgen. Indes „wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ (Matth. 6, 22). Daraus folgt: wenn mein Leib nicht licht ist, so ist mein Auge nicht einfältig. Man könnte
sagen: Das ist ein armer Trost. Ich erwidere: Es ist ein reicher Trost für alle, deren aufrichtiger Wunsch es ist, ein einfältiges Auge zu haben und mit Gott zu wandeln, —- allerdings nicht für solche, die der Mühe, Gottes Willen einfältig und sachlich zu erkennen, aus dem Wege gehen möchten. „Wenn jemand am Tage wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht wandelt, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist“ (Joh. 11, 10). Der Grundsatz ist immer derselbe. So sagt der Herr ein anderes Mal: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8, 12).Das ist ein unumstößliches sittliches Gesetz des Christentums. So schreibt denn auch der Apostel Paulus an die Kolosser: „Deshalb hören wir nicht auf, . . . für euch zu beten und zu bitten, auf dass ihr erfüllt sein möget mit der Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werke fruchtbringend, und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“. Die wechselseitige Verbindung dieser Dinge ist von unermesslicher Wichtigkeit für die Seele. Man muss den Herrn genau und innig kennen, um in einer Seiner Person würdigen Weise wandeln zu können; und nur indem man so wandelt, wächst man in der Erkenntnis Gottes (Vergl. Phil. 1, 9. 10). Schließlich steht auch geschrieben, dass der geistliche Mensch „alles beurteilt“, während er selbst von niemand beurteilt wird (1. Kor. 2, 15). 
Gott will also, dass wir fähig sein sollen, Seinen Willen zu erkennen, und zwar gemäß unseres geistlichen Zustandes. Was uns gebührt, ist deshalb, uns möglichst nahe zu Ihm zu halten. Es wäre kein Beweis der Güte Gottes gegen uns, wenn Er uns erlaubte, Seinen Willen ohne das zu erkennen. Es würde freilich unserer Natur angenehm sein, für alle Fragen eine Art von „Führer für das Gewissen“ zu haben, aber wir würden auf diesem Wege keine Erfahrungen von unserem inneren Zustand machen und der Züchtigung und Zurechtweisung Gottes entgehen. Darum, wenn ein Gläubiger den Willen Gottes zu erkennen sucht, ohne im Lichte zu wandeln, so trachtet er in Wirklichkeit nach Bösem. Leider begegnen wir dieser Erscheinung fast täglich. 
Woher kommt es, dass der eine Christ in Sorgen und Zweifeln aller Art ist, während der andere, geistlicher als sein Bruder, dessen Unruhe gar nicht begreift? Er erblickt gar keine Schwierigkeit und· kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die Ursache in dem Seelenzustand seines Bruders liegen muss. Nicht umsonst sagt Petrus: „Bei welchem diese Dinge nicht sind, der ist blind, kurzsichtig“. (Vergl. 2. Petr.1,5 — 9) Wenn es sich um eine Leitung durch die „Umstände“ handelt, so glaube ich wohl, dass es eine solche
geben kann; die Schrift redet davon, wenn sie von einem „Bändigen durch Zaum und Zügel“ spricht, während der Glaubende das Vorrecht und die Verheißung hat: „Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten“ (Psalm 32, 8. 9). Gott, der treue Gott, hat uns verheißen, uns in dieser Weise zu leiten; aber wir müssen Ihm nahe genug sein, um den Wink Seiner Augen wahrnehmen zu können. Er warnt uns, nicht wie ein Ross oder ein Maultier zu sein, wie Tiere, die kein Verständnis haben für den Willen, die Gedanken und Wünsche ihrer Herren. Es ist ganz am Platz, dass sie durch Zaum und Zügel gebändigt werden. Aber wir?! Ohne Zweifel ist es noch besser, als zu straucheln und zu fallen oder gegen Den auszuschlagen, der uns zügelt, und es ist von seiten Gottes Erbarmen, wenn Er uns durch die Umstände leitet; aber es ist doch ein trauriger Zustand, und wir haben nur Ursache, uns desselben tief zu schämen. 
Hier müssen wir jedoch unterscheiden zwischen der Tatsache, dass man sich durch die Umstände leiten lässt, und der Frage, was man in gewissen Umständen zu tun hat. Wer sich durch die Umstände leiten lässt, befindet sich, was die Erkenntnis des Willens Gottes betrifft, in Finsternis. Innere, sittliche Beweggründe fehlen ihm gänzlich, er wird nur von einer äußeren Kraft mit fortgeschleppt. Nun mag es aber sein, dass ein Gläubiger, der in Abhängigkeit von Gott wandelt, auch nicht im Voraus weiß, was er tun soll; er weiß nicht, welche Umstände eintreten mögen, und kann sich deshalb für nichts entscheiden. Aber sobald die Umstände da sind, urteilt er mit klarer und göttlicher Überzeugung, was Gottes Wille und des Geistes Absicht in denselben ist. Allerdings erfordert das einen hohen Grad von Geistlichkeit. Anstatt sich durch die Umstände leiten zu lassen, wird man in ihnen von Gott geleitet; indem man nahe genug bei Ihm ist, um bei Eintritt der betreffenden Umstände sofort zu erkennen, was man zu tun hat. 
Man redet oft von empfangenen „Eindrücken“. Dass Gott uns solche geben kann und tatsächlich zuweilen unserem Geiste eine bestimmte Sache eingibt, ist gewiss. Aber in einem solchen Falle wird die Richtigkeit und der sittliche Charakter der betreffenden Sache uns so klar sein wie die Mittagssonne. Im Gebet — wie sollten wir darum viel und ernstlich beten! -— kann Gott auch gewisse fleischliche Einflüsse aus unserem Herzen entfernen und andere, geistliche, an deren Stelle treten lassen. Vielleicht erinnert Er uns dadurch an die Wichtigkeit irgend einer Pflicht, die wir ganz übersehen hatten, weil uns der Gegenstand, den wir zu erlangen wünschten, völlig in Anspruch genommen hatte. Ähnliches kann zwischen zwei Personen vorkommen. Jemand hat vielleicht nicht genügende geistliche Einsicht, um zu unterscheiden, was gut ist, aber sobald ein anderer es ihm zeigt, erkennt er es sofort. Nicht alle sind Baumeister, aber wenn ein Weg einmal gebaut ist, kann ein einfacher Fuhrmann beurteilen, ob er gut ist. So sind die Eindrücke, die von Gott kommen, meist klar und bestimmt. Aber auch hier gilt wieder die Regel: Gott gibt sie wohl nur denen, die mit Ihm wandeln und auf Seine Stimme hören. 
Niemals sollte ein Gläubiger handeln, ohne den Willen Gottes zu kennen. Die einzige Regel, die gegeben werden kann, ist darum diese: Handle nicht, solang du den Willen des Herrn nicht erkannt hast! Tust du es dennoch, so bist du ein Spielball der Umstände, wenngleich Gott in Seiner Gnade alles zum Wohle Seines Kindes ausschlagen lassen kann. Aber warum sollten wir handeln, solang wir Seinen Willen nicht kennen? Sollte die Notwendigkeit zu handeln wirklich so außerordentlich dringend sein? 
Wenn ich etwas tue in der bestimmten Überzeugung und Gewissheit, dass ich nach dem Willen Gottes handle, so mögen sich mir wohl Hindernisse in den Weg stellen, aber diese sind dann nur eine Erprobung meines Glaubens und werden mich nicht auf dem Wege aufhalten. Vielleicht tun sie es dennoch, weil es mir an dem nötigen Glauben mangelt; denn wenn wir nicht, im Gefühl unseres Nichts, nahe genug mit Gott wandeln, so wird es uns an Glauben fehlen, um das auszuführen, was zu unterscheiden wir Glauben genug haben. Andererseits, wenn wir unserem eigenen Willen folgen oder in unserem Wandel nachlässig sind, mag Gott uns durch irgend ein Hindernis warnen, das uns, wenn wir es gebührend beachten, zum Stillstehen bringt, „während die Einfältigen weitergehen und Strafe leiden“ (Spr. 22, 3). Es kann auch sein, dass Gott dem Satan erlaubt, uns Hindernisse entgegen zu stellen, um uns dadurch in der Abhängigkeit von Ihm zu erhalten; und wenn wir dann nicht auf der Hut sind und uns von Gott entfernen, wird Satan uns Böses zufügen. Sonst aber ist das Hindernis nur eine Glaubensprobe und soll dazu dienen, uns vor einer Gefahr oder einer Schlinge zu warnen, die wir nicht sehen. Es ist ein Mittel in Gottes Hand, um uns zurechtzuweisen oder vielleicht auch auf etwas aufmerksam zu machen, das uns in unseren eigenen Augen groß machen will. Das heißt also: Gott erlaubt Satan, uns zu beunruhigen und das Fleisch in äußere Leiden zu bringen, um den inneren Menschen vor Bösem zu bewahren. Mit einem Wort: Die ganze, uns beschäftigende Sache ruht auf geistlichem oder sittlichem Gebiet. Wenn darum eine besondere Frage entsteht, die wir auf den ersten
Blick nicht zu lösen wissen, so werden wir sehr oft finden, dass sie gar nicht vorliegen würde, wenn unsere innere Stellung richtig wäre und wir uns in einem guten Seelenzustand befänden. Alles was wir in einem solchen Falle zu tun haben, ist, uns bezüglich der vorliegenden Angelegenheit zu demütigen.
Die oft aufgestellte Regel: „Tu das, was Jesus in den und den Umständen getan haben würde“, ist ausgezeichnet, wo und wann sie angewandt werden kann. Aber sind wir oft in den Umständen, in welchen der Herr Jesus sich befand?
Es ist manchmal sehr nützlich, sich zu fragen: Woher kommt dieser oder jener Wunsch in mir, das Verlangen, dies oder das zu tun? Ich habe  gefunden, dass diese eine Frage mehr als die Hälfte der Verlegenheiten, denen Christen begegnen, zur Entscheidung bringt. Zwei Drittel der übrigbleibenden sind das Ergebnis unserer Hast oder früherer Verfehlungen. Wenn ein Gedanke von Gott kommt und nicht aus dem Fleische, so brauchen wir uns nur zu Gott zu wenden hinsichtlich der Art der Ausführung und der Mittel dazu; wir werden dann sicher bald Leitung von oben erhalten. Wenn wir aber unseren natürlichen Wünschen und unserem Eigenwillen zu wirken erlauben, so werden wir vergeblich auf Antwort von oben warten. Gottes Weisheit wird sich niemals vor unserem Willen beugen. Hier liegt auch eine Quelle zahlloser Schwierigkeiten, die Gott nicht lösen kann. In solchen Fällen wird Er uns in Seiner Gnade Gehorsam lehren und uns zeigen, wieviel Zeit wir mit unserer eigenwilligen Tätigkeit verloren haben, aber Er kann unsere Bitten nicht beantworten. „Er leitet die Sanftmütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen Seinen Weg“ (Ps. 25, 9). 
Vergessen wir deshalb nie: Nur Gottes Weisheit leitet uns auf dem Wege Seines Willens, und wenn unser eigener Wille in Tätigkeit tritt, so kann Gott nicht mit uns sein. Das ist der wesentliche Punkt, der in Frage kommt, das Geheimnis des Lebens Christi· Gott kann nicht nach einem anderen Grundsatz handeln, obwohl Er uns vergeben und alles zu unserem Wohl ausschlagen lassen kann. Er leitet den neuen Menschen, der keinen anderen Willen kennt, als Christum zu verherrlichen, und Er tötet und zerstört den alten Menschen. Er reinigt uns, damit, wir mehr Frucht bringen. Der Herr sprach einst: „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun . . . . Dein Wohlgefallen zu tun, o Gott, ist meine Lust«. Worin dieser Wille besteht, ist unwichtig. Die Sache eines Pförtners ist, auf die Tür zu achten, nicht mehr; aber indem er das. tut, tut er den Willen seines Herrn. Wir dürfen schließlich versichert sein, dass Gott unendlich mehr in uns tut, als wir für Ihn; und das was wir für Ihn tun, steht immer im Verhältnis zu der Frage, inwieweit Er allein es ist, der in uns wirkt. 

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Gott aber sei Dank

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 246ff

„Bin ich versammelt zu meinem Volke, so begrabet mich zu meinen Vätern in der Höhle, die in dem Felde Ephrons, des Hethiters, ist, in der Höhle, die in dem Felde Machpela vor Mamre ist, im Lande Kanaan, welche Abraham samt dem Felde von Ephron, dem Hethiter, zum Erbbegräbnis gekauft hat. Dort haben sie Abraham begraben und sein Weib Sara; dort haben sie Isaak begraben und sein Weib Rebekka; und dort habe ich Lea begraben; das Feld und die Höhle, die darin ist, sind erkauft von den Kindern Heth. Und als Jakob geendet hatte, seinen Söhnen Befehle zu geben, zog er seine Füße aufs Bett heraus und verschied, und wurde versammelt zu seinen Völkern“ (1. Mose 49, 29 - 33).
Beim Lesen dieser Worte taucht die ehrwürdige Gestalt des Erzvaters Jakob vor unseren Blicken auf. Ein alttestamentlicher Gläubiger redet nach dem Grade der Erkenntnis, die damals gegeben war. Seine Worte lauten anders, als ein Gläubiger des Neuen Bundes reden würde, aber sie geben Kunde von demselben Glauben, der heute unsere Herzen belebt. Jakob gibt seinen Söhnen, nachdem er sie alle, „einen jeden nach seinem Segen“, gesegnet hatte, Anleitung, wie sie nach seinem Abscheiden mit seinem Leibe verfahren sollten, ähnlich wie Joseph in späteren Tagen Befehl gab wegen seiner Gebeine. „Bin ich zu meinem Volke versammelt, so begrabet mich zu meinen Vätern in der Höhle, die in dem Felde Ephrons, des Hethiters, ist, in der Höhle, die in dem Felde Machpela vor Manne ist, im Lande Kanaan.“ Sein Leib sollte da ruhen, wo Abraham ein Erbbegräbnis von den Kindern Heth gekauft hatte, wo er und Sara begraben lagen, und Isaak und sein Weib Rebekka, wo Jakob selbst sein Weib Lea begraben hatte, an derselben Stätte, in der gleichen Höhle. Dort, im Lande Kanaan, wollte auch er begraben sein. 
Warum das? War es nur deshalb, damit sein Leib nicht in fremder Erde, sondern möglichst nahe bei den Leibern seiner Familienangehörigen seine letzte Ruhestätte finden sollte? Nein, Jakob war ein Mann des Glaubens, und der Glaube ließ ihn so reden. Kanaan war das dem Abraham und seinem Samen als ewiges Besitztum verheißene Land, in welchem er mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung, nur als Fremdling-und Beisasse geweilt hatte. In diesem Lande wollte Jakob auch im Tode mit den übrigen seines Geschlechts auf die Erfüllung der Verheißung warten. Denn die Erzväter wussten: „Gottes Gnadengaben und Berufung sind unbereubar“, und sie glaubten an einen lebendigen Gott, an einen Gott der Auferstehung. Mochte auch einer nach dem anderen abgerufen werden, ohne die Erfüllung der Verheißung zu sehen, eins wussten sie: Die Stunde kam, wo GottSein Wort wahr machen und ihnen das „köstliche Land“ geben würde. Und so „starben sie im Glauben“ (Hebr. 11, 13), in der unerschütterlichen Überzeugung, dass ihre Hoffnungen und Erwartungen bezüglich desirdischen Kanaan in Erfüllung gehen würden. 
Wie ist es heute? Wohin richten sich unsere Blicke, wenn wir an der Gruft eines teuren, entschlafenen Bruders oder einer Schwester stehen? Ins Grab? — Nein! — Unsere Hoffnungen verbinden sich mit der Grabstätte oder überhaupt mit der Erde in keiner anderen Weise, als dass wir wissen: wir haben einen Leib in die Gruft gesenkt, der bald — vielleicht heute, vielleicht morgen schon — dem Rufe des wiederkehrenden Sohnes Gottes folgen und verklärt, verherrlicht, Seinem Bilde gleichgestaltet, wieder aus dem Grabe hervorkommen wird. In jener Stunde werden alle „Toten in Christo“ auferstehen, alle die Vielen, die »durch Jesum Entschlafene genannt werden können. Sie alle werden teilhaben an der ersten Auferstehung, der Auferstehung aus den Toten, und das Wort Gottes preist sie deshalb „glückselig und heilig“ (Offbg. 20, 6), während alle übrigen keine Hoffnung haben und dem zweiten Tode verfallen, dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, Wie ernst redet das zu allen, die noch nicht durch den Glauben an Jesum Christum errettet sind! Möchten sie aufmerken und hören! 
Jesus heißt der „Erstling der Entschlafenen“ (1. Korinther 15, 20). Durch Ihn ist „die Auferstehung der Toten“, und alle, die im Glauben an den kommenden oder gekommenen Heiland entschlafen sind, gehören zu den „Toten in Christo“. Welch ein Trost für uns am Grabe eines unserer in Jesu entschlafenen Lieben! Der Herr hat dem Leben und Wirken des Heimgegangenen auf dieser Erde ein Ziel gesetzt. Wir werden ihn nicht mehr in unserer Mitte sehen, seine Stimme nicht mehr hören. Sein Hingang wird vielleicht tief empfunden, nicht nur in der Familie und im Freundeskreise, sondern auch in den Reihen der Kinder Gottes nah und fern. Aber er hat nichts verloren. Für ihn war der Abschied nicht schwer. Er konnte in den Tagen oder Wochen seines Leidens mit dem Apostel sagen: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“ (1. Kor. 15, 57), und das sowohl im Blick auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart und Zukunft, sich und den Seinigen zum Trost. Ähnlich wie Jakob, als er die beiden Söhne Josephs segnete, sagen konnte: „Der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, segne die Knaben!“—— darf auch heute ein Gläubiger am Ende seines längeren oder kürzeren Weges die Treue seines Gottes rühmen, der ihn versorgt, getragen, ihn mit seiner Familie Tag für Tag geweidet und vor allem Übel bewahrt hat. 
Von Jakob berichtet die Schrift in Hebr. 11, 21: „Durch Glauben segnete Jakob sterbend einen jeden der Söhne Josephs. und betet an über der Spitze seines Stabes“. O es ist etwas Wunderbares um den Glauben! Er erhebt sich über das Sichtbare, triumphiert über die Schwachheit des Leibes und der
Natur und kennt die Gedanken Gottes. Als dem sterbenden Jakob berichtet wurde, dass sein Sohn Joseph zu ihm komme, da heißt es: „Und Israel machte sich stark und setzte sich auf das Bett“ (1.Mose 48, 2). Israel, nicht Jakob — wie genau ist Gottes Wort! — machte sich stark. Israel, d. i. „Kämpfer Gottes“, war der neue Name, den Gott ihm gegeben, nachdem er bei Pniel mit Gott und Menschen gerungen und obgesiegt hatte. In dem Bewusstsein und in der Kraft dieses neuen Namens und Verhältnisses redete und handelte Jakob. Schon bei seiner Rückkehr aus Mesopotamien hatte er zu Gott gesagt: „Mit meinem Stabe bin ich über den Jordan gegangen, und nun bin ich zu zwei Zügen geworden!“ Und jetzt, am Ende seines Lebens, segnete er nicht nur die beiden« Söhne Josephs nach Gottes Gedanken, sondern betete auch an über der Spitze seines Stabes. Dieser Stab war es ja, der ihn auf seinem ganzen langen Wege begleitet hatte und ihn einerseits an seine eigene Unbeständigkeit und Untreue, andererseits aber auch an die nie wankende Treue Gottes erinnerte. Was blieb ihm da anderes übrig, als anzubeten? 
Konnten aber schon die Gläubigen des Alten Bandes im Leben und Sterben als Sieger dastehen, wieviel mehr wir, die wir heute den zur Rechten Gottes verherrlichten Menschen Jesus Christus kennen, der alle uns entgegenstehenden feindlichen Mächte überwunden hat, und in dem die Gnadenratschlüsse Gottes alle Ja und Amen sind! Durch Ihn, unseren Herrn Jesus Christus, erringen wir den Sieg. Ja, mehr als das. Vor dem alttestamentlichen Gläubigen lag die Ewigkeit unklar, trübe, der „Scheol“ war für ihn das Land der Vergessenheit, der Ort des Schweigens (vergl. Ps. 6, 5; 88, 10 -12; Jes. 38, 18. 19. u. a. St.), — für den Gläubigen des Neuen Bandes ist. alles klar und licht. Nachdem sein Heiland den· Tod zunichte gemacht und Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat, ist er „mehr als Überwinder durch Den, der ihn geliebt hat“. Alles ist sein, es sei Leben oder Tod, es sei Gegenwärtiges oder Zukünftiges (Röm. 8, 37; 1. Kor. 3, 22). Wenn er abgerufen wird, so geht er einen Weg, den sein Heiland vor ihm gegangen ist, und der keinerlei Schrecken mehr für ihn hat, ja, der ihn dahin führt, wo sein geliebter Herr schon weilt. Er kann nicht nur sagen: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“ - ein Spruch, der von allgemeiner Bedeutung ist, wahr von allen und für alle, die Christo angehören; nein, Gott kann und will ihn dahin bringen, mit dem Apostel auszurufen: „Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn es ist weit besser“ (Phil. 1, 23). Und ist das geschehen, hat sich die allgemeine und gemeinsame Segnung in eine persönliche, das „uns“ in „ich“ umgewandelt, so freut der Scheidende sich nicht nur des Sieges, den Gott ihm und allen Erlösten gibt, sondern er sehnt sich danach, den verherrlichten Sieger zu schauen, bei Christo im Paradiese zu sein. Das Sterben wird für ihn Gewinn, das Abscheiden ein Gegenstand der Lust, des innigen Begehrens.
Lieblich lautet schon der Bericht über Jakob: „Und als Jakob geendet hatte, seinen Söhnen Befehle zu geben, zog er seine Füße herauf und verschied“. Es ist, wie wenn er selbst über seine Todesstunde hätte entscheiden können. Sein Tagewerk war vollbracht, Segnungen und Befehle waren ausgesprochen, und so zog er seine Füße aufs Bett herauf und verschied. Ruhe und Frieden umgaben das Sterbebett dieses Gläubigen aus dem Alten Bunde, trotzdem er Jesum Christum nur als den Verheißenen kannte und von Seinem vollendeten Werke und Siege nichts wusste. 
Lieblicher noch ist das Sterbebett eines Gläubigen heute. Nachdem er seine Arbeit getan und seine Lieben der Güte und Huld des Gottes, der ihn selbst so treu geleitet, anvertraut hat, kann er in tiefem Frieden entschlafen. Vor ihm liegt die Herrlichkeit. Er geht heim, zu seinem Herrn Jesus Christus, an den er geglaubt, den er geliebt hat, und dem er hienieden, wenn auch in Schwachheit, dienen durfte. Er erblickt, wie einst Stephanus, den verherrlichten Menschensohn zur Rechten Gottes, und wie ein Vöglein dem engen Käfig entfliegt, so löst sich sein glücklicher Geist von der sterblichen Hülle und geht zu Jesu — aus der Enge in die Weite, aus Kampf und Leid in die ewige Ruhe.
Und die Zurückbleibenden? Sie schauen ihm nach, sie richten ihre Blicke gleichfalls nach oben. Sie schauen nicht ins Grab, suchen den geliebten Gatten, Vater oder Bruder nicht an dieser Stätte. Nein, alle ihre Hoffnungen sind mit dem himmlischen Kanaan verbunden. Deshalb trachten sie auch nicht nach einem Erbbegräbnis wie die Patriarchen. Nicht dass sie die Stätte, wo die Leiber ihrer Lieben ruhen, nicht würdig ausgestalten sollten; sie dürfen das tun, aber sie suchen sie nicht hier, sondern bei Jesu, im Lichte droben. Indem sie selbst still und mit Ausharren weiterpilgern, erwarten sie Ihn, der bald die „Toten in Christo“ auferwecken, „die Lebenden“ verwandeln und „unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit" (Phil. 3, 21). Das Andenken des Heimgegangenen bleibt unter ihnen im Segen. Den Ausgang seines Glaubens anschauend, ahmen sie seinen Glauben nach.  
„Ich komme bald!“ sagt Jesus, und wenn Er kommt, werden alle, die an Ihn geglaubt haben, „entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft, und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein“. Der Apostel sagt: „Ermuntert einander mit diesen Worten!“ Das wollen wir tun, zugleich aber auch an das Wort denken, das er seinem Siegesruf in 1. Kor. 15, 57 unmittelbar anschließt: „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn!"

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Halte fest das Bild gesunder Worte

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 253ff

Wenn wir uns jetzt zu den Schriften des Neuen Testaments wenden, so begegnen wir zunächst den vier Evangelien, die uns die Person unseres Herrn und Heilandes, das fleischgewordene Wort, vor Augen stellen. Und wunderbar, ein jedes dieser Evangelien betrachtet diese herrliche Person unter einem anderen Gesichtspunkt. Wenn auf einen kostbaren Diamanten das Sonnenlicht fällt, dann erstrahlen seine Flächen in wunderbarem Farbenspiel, immer anders, je nachdem man ihn wendet oder betrachtet, aber immer herrlich, das Auge fesselnd. Gerade so ist es hier. Wohin wir blicken, überall sehen wir nur Schönheiten, immer neue Herrlichkeiten, die das Herz gefangen nehmen. Betrachten wir den Herrn als den vollkommenen Menschen, wie Lukas ihn darstellt, so ist’s, als wenn Er uns leise zuriefe: „Folge mir nach!“ Sinnen wir über Ihn mit Johannes, schauen wir das Wort, den Sohn Gottes von Ewigkeit her, Gott, geoffenbart im Fleische, so mahnt uns die Stimme des Geistes: „Bete an!“ -— Doch werfen wir einen kurzen Blick auf die Evangelisten ihrer Reihenfolge nach. 
Matthäus stellt den Herrn dar als den Sohn Davids, den verheißenen Messias. Von vornherein wird deshalb Sein Geschlechtsregister auf David, den König, und auf Abraham, den Empfänger der Verheißungen Gottes, zurückgeführt, und immer wieder wird auf die Erfüllung von Weissagungen hingewiesen, die auf Ihn als den Messias Bezug haben. Jehova-Immanuel (Gott mit uns) ist inmitten Seines Volkes erschienen, um Sein Reich auszurichten, wird aber von Israel verworfen. 
Im Evangelium nach Markus finden wir eine kurze, gedrängte Darstellung der Tätigkeit unseres Herrn als Prophet und Diener. Wir hören deshalb nichts von Seiner wunderbaren Geburt, noch von einem Geschlechtsregister. Der Herr wird unmittelbar in Seinen Dienst eingeführt. Von einem Diener erwartet man eben nicht den Nachweis seines Stammbaumes, sondern nur treue Pflichterfüllung. 
Lukas schildert den Herrn als den vollkommenen Menschen, in welchem Gottes Gnade den Menschenkindern nahe gekommen ist. Deshalb geht das Geschlechtsregister zurück bis auf Adam, den ersten Menschen, ja, bis auf Gott selbst. Zugleich wird uns in ganz besonderer Weise die sittliche Herrlichkeit Jesu in Seiner Menschheit vorgestellt, wie Er unter den Menschenlindern hienieden wandelte und jeder Not, jedem Bedürfnis begegnete, von welcher Seite auch Seine Hilfe, Sein Rat in Anspruch genommen wurde. Sein Dienst entfaltet sich in den verschiedenen Formen der Gnade, unter besonderer Bezugnahme auf deren sittliche Elemente und ihre Ausdehnung auf die Nationen, nach dem Bruch der Bundesbeziehungen zu Israel. 
Johannes endlich, der vor unseren Blicken Christi Herrlichkeit als Sohn Gottes entfaltet, führt uns sofort in die Ewigkeit zurück: „Im Anfang war das Wort“. Wo und wann war der Anfang? Wir mögen Hundert-  tausende, ja, Millionen von Jahren zurückdenken, wann war der Anfang? Niemand weiß es. Und im Anfang war das Wort. Es war da, es wurde nicht geschaffen. Es war bei Gott und war Gott. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben Seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh. 1, 14). Christus, geoffenbart als Licht und Liebe, und nach Seiner Verwerfung die Sendung des anderen Sachwalters, um Seinen Platz hienieden einzunehmen, sind die Hauptgegenstände des Evangeliums Johannes.
Mose, der treue Knecht Jehovas, bat einst: „Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen!“ (2. Mose 33, 18). Möchte das Verlangen auch unserer Herzen dahin gehen, den Herrn immer mehr und näher kennen zu lernen und, Seine Herrlichkeit mit aufgedecktem Angesicht anschauend, in Sein Bild verwandelt zu werden von Herrlichkeit zu Herrlichkeit! (2. Kor. 3, 18.) Die Braut im Hohenliede gibt in ergreifenden Bildern eine Schilderung von der Person ihres Geliebten und bricht zum Schluss, als ob ihr die Worte fehlten, um den Gefühlen ihres Herzens Ausdruck zu geben, in den Ruf aus: „Alles an Ihm ist lieblich!“ (Kap. 5, 16). O wie ist ihr der Geliebte so vertraut, wie genau ist Sein Bild ihrem Herzen eingeprägt! Ihr Mund kann nicht anders, als von Ihm zeugen und Sein Lob verkünden. Wünschen wir nicht auch, den Herrn so zu kennen, Ihn, „der unter den Lilien weidet“? 
Die Apostelgeschichte, geschrieben von Lukas, dem geliebten Arzt (Kol. 4, 14), dem Schreiber des nach ihm benannten Evangeliums, an welches sich dieses Buch auch unmittelbar anschließt, schildert die Gründung und Entwicklung der Kirche Christi nach der Himmelfahrt des Herrn, sowie die Wirksamkeit und Reisen der Apostel und ihrer Mitarbeiter im Werk oder Dienst des Evangeliums. 
Hier ist es besonders ein Punkt, der unserer eingehenden Beachtung wert ist, d. i. die persönliche Herniederkunft des Heiligen Geistes auf diese Erde (Kap. 2). Zu allen Zeiten wirkte der Geist Gottes in den Gläubigen und leitete sie an, den Gedanken Gottes gemäß zu urteilen und zu handeln. Zuweilen kam Er auch in besonderer Weise über sie, »bekleidete«« sie, wirkte durch sie usw.; aber niemals wird uns im Alten Testament gesagt, dass der Heilige Geist in ihnen gewohnt habe. Das konnte nicht sein, solang das Werk der Erlösung nicht vollbracht war und der Herr Jesus Seinen Platz als der verherrlichte Menschensohn zur Rechten Gottes nicht eingenommen hatte. Hierauf beziehen sich auch die Worte in Joh. 7, 39: „Dies aber sagte Er (Jesus) von dem Geiste, welchen die an Ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war“. Das will sagen, der Geist, die dritte Person der Gottheit, war noch nicht auf diese Erde gekommen, war noch nicht „ausgegossen“. Das geschah, wie oben gesagt, erst am Pfingsttage zu Jerusalem, und zwar um zunächst in Jerusalem eine machtvolle Tätigkeit zu entfalten und dann, nachdem auch Er durch Israel verworfen war, außerhalb dieses Volkes in freier, unumschränkter Weise unter den Nationen zu wirken und aus allen Völkern der Erde, hauptsächlich durch die apostolische Tätigkeit Pauli. die Versammlung (Gemeinde) des lebendigen Gottes zu bilden. Seit jenem Tage sind alle wahrhaft Glaubenden versiegelt mit dem Heiligen Geiste der Verheißung (Epheser 1, 13), sie haben „die Salbung von dem Heiligen“ (1. Joh. 2, 27). Ihre Leiber sind Tempel des Heiligen Geistes (1. Kor. 6, 19), und sie bilden in ihrer Gesamtheit die Behausung Gottes im Geiste (Eph. 2, 22). 
An jenem wichtigen Tag ging auch das Wort des Herrn an Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben“ (Matth. 16, 19), in Erfüllung; hier schloss Petrus den Juden, und in Apostelgeschichte 10 in dem Hauptmann Cornelius den Heiden die Tür zum Reiche der Himmel auf. Es mag hier am Platze sein, ein kurzes Wort über den Ausdruck „Reich der Himmel“ oder „Reich Gottes“ zu sagen. Dem ersten Ausdruck begegnen wir nur bei Matthäus; die anderen Evangelisten reden stets vom Reiche Gottes. 
Johannes der Täufer, der Vorläufer des Herrn, rief das Volk Israel zur Buße mit den Worten: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen!“ Gott stand im Begriff, die Seinem irdischen Volke gegebenen Verheißungen einzulösen. Der König des Reiches war gekommen, und das Volk wurde aufgefordert, Ihn als den verheißenen Messias und König aufzunehmen. Statt dessen hielten die Pharisäer und Schriftgelehrten Rat, wie sie Ihn umbrächten (Matth. 12), und schrieben die Kraft Gottes, die in Ihm wirkte, um Satans Reich zu zerstören und Seine eigene Herrschaft aufzurichten, Beelzebub, dem Obersten der Dämonen, zu. So wurde die Aufrichtung des Reiches in sichtbarer Gestalt, so wie die Propheten davon geredet haben, für eine Zeit hinausgeschoben; es begann eine ganz neue, geheimnisvolle Gestalt anzunehmen. 
In Matth. 13 entwickelt der Herr vor den Ohren Seiner staunenden Jünger die „Geheimnisse des Reiches der Himmel“. Den Jüngern war es gegeben, diese zu wissen, über das Volk als solches aber kam das ernste Gericht der Verblendung und Verstockung. Im Anfang des Kapitels setzt sich der Herr an den See, ein Bild von dem Völkermeer in seiner steten Unruhe, seinem Wogen und Brausen, und erzählt zunächst das Gleichnis von dem Säemann: „Der Säemann ging aus zu säen“. Mit dem „Weinberg“ Israel war es vorbei. Am Ende des 12. Kapitels zerreißt der Herr gleichsam die natürlichen Bande zwischen sich und Israel und „verlässt das Haus“ (Kap. 13, 1). Fernerhin „Frucht“ in dem Menschen zu suchen, wäre zwecklos gewesen; alle dahin zielenden Bemühungen hatten sich als vergeblich erwiesen. Der Herr - denn Er ist der Säemann - musste jetzt selbst das bringen, was Frucht hervorzubringen vermochte: das Wort. In den sechs folgenden (Gleichnissen zeigt Er dann den Charakter, die Gestalt, welche das Reich der Himmel fortan annehmen würde. Drei Gleichnisse redet Er zu der Volksmenge, — sie beschäftigen sich mit dem Reich in seiner äußeren, allen sichtbaren Form, — drei zu Seinen Jüngern; denn ihnen war es, wie gesagt, gegeben, die Geheimnisse des Reiches zu wissen, und diese drei letzten Gleichnisse erfordern ein geistliches Unterscheidungsvermögen, da sie das Reich nach der Wertschätzung des Heiligen Geistes, mit anderen Worten, Gottes Gedanken darüber offenbaren. 
Israel war also nicht das Reich der Himmel, ebenso wenig wie es die Kirche oder die Versammlung Christi heute ist. Es begann im eigentlichen Sinne erst *) nach dem Tode und der Auferstehung Jesu Christi, nachdem der König endgültig verworfen und in den Himmel zurückgekehrt war (Vergl. Luk. 19, 11 ff). Matthäus nennt es deshalb, dem Charakter seines Evangeliums entsprechend, fast immer das „Reich der Himmel“, d. h. ein Reich, das hier auf Erden errichtet ist, aber vom Himmel aus nach himmlischen Grundsätzen regiert wird und, wenn der König dereinst in Herrlichkeit erscheint, in das „Reich des Sohnes des Menschen“ (irdischer Teil) und das „Reich des Vaters“ (himmlischer Teil) übergehen wird (Matth. 13, 41 - 43). Zu diesem Reiche gehören heute alle, die infolge ihres Bekenntnisses in irgend einem Verhältnis oder einer Beziehung zu dem Namen Christi stehen; es umschließt somit alle christlichen Bekenner, echte und unechte. Inwieweit der Einzelne in seinem persönlichen Leben den Grundsätzen dieses Reiches entspricht, darüber muss er Gott einst Rechenschaft geben. 

Fußnote:
*) Ich rede jetzt selbstverständlich nicht von dem Reiche Gottes in seiner sittlichen oder geistlichen Bedeutung. In diesem Sinne war es schon da, als der Sohn Gottes hienieden weilte, es war in Seiner Person gegenwärtig (Matth.12, 28; Lukas 11, 20; 17, 21); bei dieser Betrachtungsweise kann es auch niemals einer Veränderung unterworfen sein. (Vergl. Röm. 14, 17; 1. Kor. 4, 20; auch Apstgsch. 20, 25; 28, 31).

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Die Erfahrungen Abrahams und Jakobs

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 260ff

Man redet unter den Christen viel von „Erfahrungen“, und man kann das verstehen; nur ist es wichtig, diese Erfahrungen an dem Worte Gottes zu prüfen und nach ihm zu beurteilen. Unsere Erfahrungen als Gläubige stehen in unmittelbarer Verbindung mit unserem Herzenszustand, sowie mit unseren Beziehungen zu anderen, und sind der Ausdruck der Gefühle, welche unser Verhalten in diesen Beziehungen in unserem Herzen und Gewissen bewirkt. 
Obwohl ein und derselbe Geist, der Geist Gottes, in den Gläubigen wohnt und wirkt, gibt es in ihren Erfahrungen doch einen sehr großen Unterschied. Er wird einerseits bedingt durch die Frage, in welchem Verhältnis wir zu Gott stehen, andererseits durch unser Verhalten in diesem Verhältnis. Gott hat uns ja nicht unter Gesetz gestellt; aber tatsächlich steht unser Gewissen, wenn es anders wach ist, in seinem Verhältnis zu Gott entweder unter Gesetz oder unter Gnade. Der Geist Gottes lässt Sein Licht in unser Inneres hineinleuchten und wirkt in uns das Bewusstsein der Verantwortlichkeit. Solang ich nun meine Annahme bei Gott von meiner Treue, d. h. von der gewissenhaften Erfüllung der mir obliegenden Pflichten, abhängig mache, stehe ich unter Gesetz. Bildet aber die Liebe Gottes und Sein in Christo vollbrachtes Werk die einzige Grundlage, auf welcher jene Annahme für mich ruht, so stehe ich unter Gnade. Die Verantwortlichkeit darf nie geschwächt werden, aber der Heilige Geist kann mir offenbaren, dass Gott mich, dessen Leben dieser· Verantwortlichkeit in keiner Weise entsprach, gerettet hat. 
Solang eine erweckte Seele unter Gesetz steht, macht sie trübe Erfahrungen. Sie fühlt, dass sie das Gesetz zu halten schuldig ist, aber keine Kraft besitzt, seine Forderungen zu erfüllen. Sie erkennt, dass das Gebot gut und gerecht ist, aber trotz aller Anstrengungen vermag sie das Ziel des ihm Gehorchens nicht zu erreichen. Die Erfahrungen einer solchen Seele lassen sich zusamrnenfassen in: Schuldbewusstsein, Erfahrung der eigenen Ohnmacht und der Kraft der Sünde. Mag sie auch noch etwas von der Liebe Gottes verspüren und von dem Werke Christi erhoffen, sodass die Erwartung des gerechten Gerichtes Gottes sie nicht ganz zur Verzweiflung bringt, lebt sie bezüglich ihres Verhältnisses zu Gott doch in steter Ungewissheit, und Freude- und Friedelosigkeit wechseln unaufhörlich in ihr. In einem solchen Falle hat wohl die Gnade die Seele angezogen, aber weder ist das Gewissen gereinigt, noch das Herz befreit. Dennoch sind solche Erfahrungen nützlich, um eine tiefe Überzeugung von unserer Sündhaftigkeit und Ohnmacht in uns zu erwecken und unser Selbstvertrauen von Grund aus zu zerstören. Wir müssen erkennen, dass wir vor Gott ganz und gar verdammungswürdig sind, und dass alles von Seiner Gnade abhängt.
Anders ist es, wenn eine Seele ihre Stellung vor Gott in Christo verstanden hat und nun ein gereinigtes Gewissen besitzt. Obwohl in der heiligen Gegenwart Gottes verurteilt, erkennt sie, dass Gott sie geliebt hat und sie durch das Werk Seines Sohnes rechtfertigt. Sie versteht, dass die Sünde gerichtet, die Schuld hinweggetan und ihr Gewissen vollkommen gemacht ist. Das Gewissen hat vor Gott kein Bewusstsein mehr von Sünde, weil Er selbst die Sünde durch das Blut Christi für immer hinweggetan hat, und weil dieses Blut allezeit vor Seinen Augen ist. Sie weiß, dass sie, vereinigt mit Christo, der Gott hinsichtlich unserer Sünde vollkommen verherrlicht hat, in Ihm zur Gerechtigkeit Gottes gemacht ist, und nun ist das Herz frei, Gottes Liebe in dem Licht Seiner Gegenwart zu genießen (2. Kor. 5, 21). 
Wir stehen also unter Gnade. Unser Verhältnis zu Gott hängt von dem ab, was Gott ist, sowie von der Gerechtigkeit, welche Christus für uns geworden ist, nicht aber von dem, was wir als verantwortliche Menschen vor Ihm sind. Wir wissen und erfahren: Gott ist Liebe, Christus ist unsere Gerechtigkeit, und Gott ist unser Vater in Ihm. So, und nicht anders, ist unser Verhältnis zu Gott. Alle unsere Erfahrungen hängen jetzt von diesem Verhältnis ab. Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne Jesus Christus. Wir genießen alle Vorrechte dieses Verhältnisses, allerdings stets in dem Maße, wie wir unsere Vorrechte benutzen. Das Verhältnis kann sich nie verändern, und unser Bewusstsein von demselben sollte auch nie getrübt sein; aber inwieweit wir das genießen, was Gott in diesem Verhältnis für uns ist, hängt von unserem Verhalten in demselben ab. 
Unsere Erfahrungen gründen sich also immer auf das Verhältnis, in welchem wir zu Gott stehen. Wenn ich unglücklich und niedergedrückt bin, so liegt es daran, dass die beseligende Gemeinschaft mit Gott, die diesem Verhältnis entspricht, unterbrochen ist. Das Bewusstsein, dass ich die kostbare Gemeinschaft, zu der ich berufen bin, nicht genieße, ist die Quelle meiner Betrübnis, nicht aber irgendwelche Ungewissheit über die Gemeinschaft selbst. Das Fleisch ist noch in uns, und das Fleisch hat keinerlei Beziehung zu Gott. Aber „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist“ (Röm. 5, 5). Durch diesen Geist haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne und sind berufen, im Lichte zu wandeln, wie Gott selbst im Lichte ist (1. Joh. 1, 3. 7.) Der Genuss unserer Gemeinschaft mit Gott hängt von unserem Wandel im Licht ab, obgleich Gott uns in Seiner Gnade besuchen und die Gemeinschaft erneuern kann, wenn wir sie durch unsere Schuld verloren haben. Gott bleibt sich stets treu und gestattet keine Sünde in Seinen Kindern. Wenn sie deshalb nicht mit Ihm im Lichte wandeln, so muss Er sie durch Prüfungen und Anfechtungen gehen lassen, um sie zur Selbsterkenntnis zu bringen und sie ins Licht zurückzuführen. Die Gemeinschaft mit Gott muss wahr und echt sein. 
Diese Prüfungen und Anfechtungen tasten freilich das Verhältnis zu Gott nicht an; dieses hängt davon ab, was Gott nach Seiner Gnade und Gerechtigkeit in Christo ist. Aber die Unterbrechung der Gemeinschaft mit Gott, das Heraustreten aus dem Genuss des Wandels im Licht, bereitet uns Kampf und lässt uns in schmerzlicher, demütigender Weise erfahren, was unser Herz und was in unserem Herzen ist. Gott benutzt auch die Züchtigungen, um uns zu demütigen und unseren Willen zu brechen: Nicht nur ein wirkliches Fallen in die Sünde veranlasst Ihn, sich mit uns zu beschäftigen; die natürliche Härte und Ungebrochenheit unserer Herzen sind vielfach die Ursache Seines Handelns mit uns. Er möchte uns so gern von allem befreien, was hart und ungebrochen in uns ist.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Erfahrungen einer Seele, die still und einfältig mit Gott wandelt, viel einfacher sind, als die einer untreuen Seele, und dass demnach bei der ersten die Erkenntnis Gottes und des eigenen Herzens viel tiefer ist als bei der zweiten. Insoweit wir in Gemeinschaft mit Gott wandeln, wandeln wir im Licht und genießen in Gottes Gegenwart das ungestörte Bewusstsein Seiner väterlichen Liebe. Wiederum macht uns diese Gegenwart auf alles aufmerksam, was nicht dem Licht entspricht, und bewirkt so in uns ein ernstes Selbstgericht, entsprechend dieser heiligen Gegenwart, aber auch der unwandelbaren Liebe Gottes, die uns immer kostbarer wird. So im Herzen gereinigt und durch die Liebe Gottes in der Gemeinschaft mit Ihm gestärkt, wird unser äußerer Wandel, unser Zeugnis in der Welt, der Ausfluss unserer inneren Gemeinschaft mit Gott. Die also in uns wirkende Gnade tritt an die Stelle der gerichteten Sünde, und wir tragen sozusagen Gott in unserem Herzen durch die Welt. Erfüllt mit Seiner Liebe und lebend in der Kraft des Lebens Christi, lockt uns nichts von alledem, was Satan uns anbieten mag. Unsere Prüfungen in der Welt werden dann nur ein Anlass zum Gehorsam, nicht zum Fall, und die Gegenwart Gottes in unserem Herzen bewahrt uns in unserem Verkehr mit den Menschen. 
Die Erfahrungen von unserem natürlichen Verderben machen wir jetzt in der Gegenwart Gottes und in Seiner Gemeinschaft. Hier erkennen und richten wir die Sünde, sodass sie in unserem Leben und Wandel gar nicht in Erscheinung tritt. Verharren wir aber nicht in der Gemeinschaft Gottes, so bleibt die Sünde ungerichtet, der Wille ungebrochen, die Neigungen unverurteilt, und wir schreiten durch die Welt unruhig und unbefriedigt, und Satan weiß dann wohl solche Versuchungen uns auf den Weg zu legen, wie sie unserem Willen, unseren Neigungen und Wünschen entsprechen. Und siehe da! die Seele macht ihre Erfahrungen im Verkehr mit Satan, anstatt in der Gemeinschaft mit Gott; das Verderben des Herzens wird erst erkannt, wenn der Fall geschehen und nicht wieder gut zu machen ist. Wie ernst und beklagenswert ist das!
Nirgendwo und nirgendwie wird das Verderben des Herzens so tief, so klar und so nachhaltig erkannt, wie in der Gegenwart Gottes und wenn Sein Licht ungetrübt in die Seele fällt. In dem eben behandelten Falle aber erkennt man die Sünde erst durch die Sünde, durch ein böses, schuldbeladenes Gewissen, statt durch das Licht Gottes. Anstatt demütig zu sein, muss man gedemütigt werden. Die Treue Gottes wird die Seele nicht lassen, sondern sie wiederherstellen, aber die siegende Kraft und das wachsende Licht Seiner Gemeinschaft fehlen ihr. Sie erfährt wohl die Langmut und Güte Gottes, aber sie lernt Gott nicht kennen, wie eine treue, mit Ihm wandelnde Seele dies tut. Gott verherrlicht sich ohne Zweifel auch durch Seine Handlungen mit einer solchen Seele, denn alles, was Er tut, wird zu Seiner ewigen Verherrlichung ausschlagen; aber die wahre Kenntnis dessen, was Gott ist, wird nicht auf diesem Pfade, sondern in der Gemeinschaft mit Ihm gefunden, nur da kann sie wachsen und gedeihen. 
Das Leben der beiden Patriarchen Abraham und Jakob enthält viele interessante, erläuternde Beispiele zu dem Gesagten. Allerdings kannten beide weder das Gesetz noch die Vollkommenheiten der Gnade, aber im allgemeinen waren doch die Grundsätze des Glaubenslebens dieselben wie heute. Das zeigt uns deutlich das 11. Kapitel des Hebräerbriefes.
Wir alle fehlen mannigfaltig. Selbst einem Abraham hat es in einigen Fällen an Glauben gemangelt, wenngleich sein ganzes Leben nach seiner Berufung ein Wandel mit Gott genannt werden kann. Aus diesem Grunde waren auch seine Erfahrungen ganz andere als die des Jakob - einfacher, weniger verwickelt und viel mehr durch Vertraulichkeit mit Gott gekennzeichnet. Seine Geschichte ist arm an Ereignissen und Wechselfällen, aber desto reicher an Mitteilungen von seiten Gottes. In seiner Geschichte hören wir viel von Gott und wenig von dem Menschen. Mit einer einzigen Ausnahme ist Abraham immer im Lande der Verheißung geblieben und .hat in seinem Zelte gewohnt, neben welchem der Altar stand. Ein Fremdling und Pilgrim im Lande, weil die Kanaaniter noch darin wohnten (1. Mose 12, 6), stand er in stetem Verkehr mit Gott und wandelte vor Seinem Angesicht·
Als Gott ihn im Anfang berief, folgte Abraham dem Rufe nicht ganz. Er verließ wohl sein Vaterland   und seine Verwandtschaft, blieb aber in Verbindung mit seines Vaters Hause. So kam er nicht sogleich nach Kanaan. Obwohl er vieles aufgegeben hatte und von Ur in Chaldäa abgereist war, kam er doch nur bis Haran in Mesopotamien. Hier wohnte er bis zum Tode seines Vaters Tarah. So geht es, wenn unser Herz sich nicht voll und ganz Gott ergeben hat. Wir können niemals in die Stellung der Verheißung kommen, solang wir nicht dem Rufe Gottes folgen. 
Erst nach dem Tode Tarahs wanderte Abraham weiter, der Berufung Gottes entsprechend: „Und sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen; und sie kamen in das Land Kanaan“ (Kap. 12, 5). Kanaan ist bekanntlich ein Vorbild der himmlischen Stellung des Volkes Gottes heute. Durch die Gnade und Kraft Gottes in die himmlische Stellung, ins Land Kanaan versetzt, wohnen wir jetzt im Lande. Wir haben alles, allerdings nur im Glauben, als Gegenstand der Verheißung, im wirklichen Besitz stehen wir noch nicht. 
Als Gott Abraham berief, hatte Er sich ihm als „Gott der Herrlichkeit“ geoffenbart. Im Lande erschien Er ihm aufs neue, um ihm die Gewissheit zu geben, dass sein Same das Land, das er schon kannte, aber noch nicht besaß, besitzen würde. „Deinem Samen will ich dieses Land geben“ (V. 7.) So werden auch wir das, was wir jetzt als Fremdlinge kennen, in der Zukunft wirklich besitzen. 
Und Abraham „baute daselbst Jehova, der ihm erschienen war, einen Altar“. So diente er Gott und genoss Seine Gemeinschaft. Zieht er dann weiter an einen anderen Ort, so schlägt er dort sein Zelt auf, baut wieder einen Altar und ruft den Namen Jehovas an (V. 8). Er ist, mit einem Wort, Pilger im Lande der Verheißung. Das ist seine ganze Geschichte. Und wir? Auch wir sind versetzt in die himmlischen Örter, wohnen dort, genießen durch den Glauben ihre Segnungen und haben Gemeinschaft mit Gott, der uns dorthin gebracht hat. Abrahams Zelt und Altar im Lande Kanaan geben der ganzen Geschichte unseres Patriarchen ihr Gepräge, und alle seine GIaubenserfahrungen stehen damit in Verbindung. 
Der Unglaube führte Abraham nach Ägypten (V. 10 — 20.) Hier hatte er keinen Altar. Beachtenswert ist auch, dass eine ägyptische Magd ihm später Anlass zum Fallen gab und eine Quelle großer Beunruhigung für ihn wurde. Hagar ist, wie wir aus Gal. 4, 24. 25 ersehen, ein Bild des Gesetzes, denn Fleisch und Gesetz stehen immer in Beziehung zueinander. Gottes Gnade führte Abraham wieder nach Kanaan zurück, aber erst als er nach Bethel gekommen war, „bis zu dem Orte, wo im Anfang sein Zelt gewesen war, zu der Stätte des Altars, den er zuvor daselbst gemacht hatte“, hatte er
wieder Gemeinschaft mit Gott. „Und Abram rief daselbst den Namen Jehovas an“ (Kap. 13, 3 — 5). Entstehen Streitigkeiten zwischen den Hirten Abrahams und Lots, so lässt der Ältere den Jüngeren wählen, wie er will; Abrahams Teil sind die Verheißungen Gottes. „Wir sind Brüder!“ sagt er zu Lot. „Ist nicht das ganze Land vor dir? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich mich zur Rechten wenden, und willst du zur Rechten, so will ich mich zur Linken wenden. Und Lot hob seine Augen auf und sah die ganze Ebene des Jordan, dass sie ganz bewässert war (bevor Jehova Sodom und Gomorra zerstört hatte), gleich dem Garten Jehovas, wie das Land Ägypten, bis nach Zoar hin. Und Lot erwählte sich die ganze Ebene des Jordan“ (V. 8 — 11). Lot ist das Bild eines weltlichen Gläubigen. Er nimmt, was für den Augenblick das beste Teil zu sein scheint, und wählt die Stätte, über welcher das Gericht Gottes schwebte. Abraham dagegen gibt dem Fleische nach alles auf, und Gott zeigt ihm den ganzen Umfang der Verheißung. Er lässt ihn alles das sehen, was Er für ihn bestimmt und ihm gegeben hat, und bestätigt ihm alles „aus ewig“ (V. 14 - 18). 
Lot, der weltliche Gläubige, wird von dem Fürsten der Welt überwunden. Abraham befreit ihn, indem er mit seinem Hausgesinde, seinen „Geübten“, die Kraft des Feindes überwindet. Von der Welt will Abraham nichts nehmen. Er spricht zu dem König von Sodom die denkwürdigen Worte: „Ich hebe meine Hand auf zu Jehova, zu Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt: Wenn vom Faden bis zum Schuhriemen, ja, wenn ich irgend etwas nehme von dem, was dein ist . . ·! auf dass du nicht sagest: Ich habe Abram reich gemacht. Nichts für mich!“ (Kap. 14). 
Danach offenbart sich Gott dem Abraham als „sein Schild und sein sehr großer Lohn“. Er sichert ihm, trotzdem sein Leib schon erstorben war, einen Nachkommen zu. Abraham glaubt Gott, sein Glaube wird ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und so, durch Glauben gerechtfertigt, empfängt er von Gott die Bestätigung aller Verheißungen, indem Gott sich durch ein Opfer — ein Vorbild von dem Opfer Christi — Seinem Knechte gegenüber verpflichtet. Im Anschluss daran wird ihm dann nochmals sein Erbe in seiner ganzen Ausdehnung und in seinen Einzelheiten vor Augen gestellt.
Den Vorschlägen des Fleisches Gehör schenkend, meint Abraham für einen Augenblick die Erfüllung der Verheißung durchs Gesetz, d. i. durch Hagar, herbeiführen zu können. Er lernt auf diesem Wege aber nur, dass das Kind des Gesetzes (Fleisches) unmöglich erben kann mit dem Kinde der Verheißung (Kap. 16). Hierauf offenbart Gott sich ihm aufs Neue als der „allmächtige Gott“ und teilt ihm mit, dass er zum Vater einer Menge von Nationen werden solle, (sein Name Abram - erhabener Vater, wird in Abraham – Vater einer Menge, umgewandelt), und dass Gott ihm und seinem Samen nach ihm zum Gott sein werde ewiglich. Der Same der Verheißung wird in unmittelbare Aussicht gestellt und Sarai Sara = Fürstin genannt. 
Nach diesem besucht Gott den Abraham noch einmal, um ihm die Verheißung der baldigen Geburt seines Sohnes zu wiederholen. Er betrachtet Abraham als einen Freund, vor dem man keine Geheimnisse hat, indem Er sagt: „Sollte ich vor Abraham verbergen was ich tun will?“ (Kap. 18, 17). Dann teilt Er ihm Seine Gedanken bezüglich der Welt (Sodom und Gomorra) mit, und Abraham unterhält sich mit Ihm in aller Vertraulichkeit und in völligem Frieden. Er bittet für die Menschen, deren Gericht von Seiten Gottes beschlossen war. — Auch in dem Falle Ismaels muss Abraham erfahren, dass das Gesetz „Trübsal und Angst“ bringt, und an dem Hofe Abimelechs lernt er, dass nur Verwirrung und Unannehmlichkeiten entstehen, sobald der Unglaube zu wirken beginnt. Gott in Seiner Treue wacht aber über ihn, wie auch über Sara, die Mutter des Sohnes der Verheißung.
Im 22. Kapitel endlich wird Abraham in nie geahnter Weise auf die Probe gestellt. Er muss alles nach dem Fleische, selbst die Verheißungen, aufgeben: Gott fordert den einzigen, geliebten Sohn, den Isaak. Aber dann werden in einem im Vorbilde auferstandenen Christus die Verheißungen Christo selbst und in Ihm der gesamten geistlichen Nachkommenschaft Abrahams bestätigt (V. 15—19; vergl. Galater 3).
Wenn Abraham also auch auf schmerzlichem Wege lernen musste, dass weder Gesetz noch Verheißung für das Fleisch von irgend welchem Nutzen sind, bestanden seine Erfahrungen im allgemeinen doch in denen eines Pilgers und Anbeters, der im Lande der Verheißung wohnt. Wie schon bemerkt, wurde sein Leben durch ein Zelt und einen Altar gekennzeichnet. Ja, das ganze Leben dieses Vaters der Gläubigen mit fast allen seinen Erfahrungen bestand aus Anbetung, Fürbitte und Mitteilungen von seiten Gottes, und weil er in solch treuer Gemeinschaft mit Gott wandelte, lernte er diese Mitteilungen mit wachsender Klarheit und Genauigkeit verstehen. Er verbrachte seine Zeit indem Lande, in welches Gott ihn berufen hatte. Die Offenbarungen, die er empfing, waren reich, wunderbar und köstlich, seine Kenntnis Gottes tief und vertraulich, seine persönlichen Erfahrungen einfach und glücklich. Und warum das alles? Weil er mit Gott wandelte. 

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Ein Tor und nicht bereit

Bibelstelle: Lukas 12,13 -21

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 272ff

Da kam einmal ein Mann zu Jesu und verlangte von Ihm, Er solle seinen Bruder bestimmen, dass er das Erbe mit ihm teile. (Luk. 12, 13—-21.) Doch der Herr, der in das Herz blickt und die Veranlassung zu diesem Wunsch erkannte, antwortete ihm sehr kurz: „Mensch, wer hat mich zu einem Richter oder Erbteiler über euch gesetzt?“ Es war nicht Seine Aufgabe, die Streitigkeiten der Menschen zu schlichten, Er verfolgte himmlische Ziele, nicht irdische. Er war gekommen, um zu suchen und zu erretten was verloren ist (Lukas 19,10). Aber als ein Verlorener, der der An- und Aufnahme beim Vater bedurfte, stand jener Mensch nicht vor Jesu. Sein Herz war vielmehr gefangen von natürlichen Begierden und hingerichtet auf die Dinge dieses Lebens. Habsucht trieb den Mann zu dem Sünderheiland, und Er, der sich sonst so gern zu jedem Hilfesuchenden herabneigt, konnte in diesem Falle nicht helfen. Hier saß der Mammon noch auf dem Thron, und die Habsucht scheute sich nicht, die Hilfe des Sohnes Gottes zur Befriedigung ihrer Wünsche in Anspruch zu nehmen.
Der Herr benutzt die Begegnung mit diesem Manne zu einer ernsten Warnung an Seine Jünger. „Er sprach aber zu ihnen: Sehet zu und hütet euch vor aller Habsucht“; denn das Leben eines Menschen besteht nicht in seiner reichen Habe, in seinem Überfluss. Der Glaube vertraut auf Gott für alle Bedürfnisse und Schwierigkeiten und ist zufrieden mit dem und dankbar für das, was Gott gibt. Für den Glauben ordnet Gott alles. 
Aber damit ist noch nicht alles gesagt. Unser Herz ist sehr trügerisch. Das was man menschliche Klugheit, weise Vorsorge für die Zukunft nennt, ist oft nichts anderes als Selbstsucht und Torheit. Zur näheren Erläuterung dieses Gedankens benutzt der Herr ein Gleichnis. In diesem Gleichnis wird uns ein gewisser reicher Mensch gezeigt, der nicht nur alles besaß, was er für sein Leben auf dieser Erde bedurfte, sondern reichen Überfluss hatte. Und alles war sorgfältigst aufgespeichert, „bereitet“ (V. 20), aber für den ernsten Augenblick, wo Gott seine Seele von ihm fordern würde, war er nicht bereit. Sein Reichtum war so groß geworden, dass er nicht mehr in der Lage war, ihn unterzubringen. Er konnte zu seiner Seele sagen: „Seele, du hast viele Güter daliegen auf viele Jahre; ruhe aus, iss, trink, sei fröhlich!“ Höhere Dinge kannte der arme Mann — denn das war er in Wirklichkeit — nicht; sein Herz hatte genug an dem Irdischen, und er meinte, auch seine Seele damit befriedigen zu können. 
In unseren Tagen ist die Zahl derer, die sich möglichst viel von den Schätzen dieser Welt sichern möchten, vielleicht größer als je. Die Welt im allgemeinen kennt kein höheres Ziel. Dass die Seele, die
nach Gott verlangt, auch ihr Recht haben möchte, das ist für die Tausende, die dem Götzen Mammon huldigen, Nebensache geworden, und wo wirklich noch nicht alle Gefühle erstorben sind, da sorgt eine sogenannte „Religion“ dafür, diese Gefühle zu befriedigen oder einzulullen. Doch welch ein schreckliches Erwachen wird es für solche in der Ewigkeit sein, wenn sie, die hier mit ihren Schätzen und Reichtümern geprangt haben, dann nackt und bloß dem göttlichen Richter gegenüberstehen werden! O für die Ewigkeit „nicht bereit“ sein, vor Gott „nackt erfunden“ werden, welche Feder vermöchte das Furchtbare einer solchen Lage zu schildern! Möchte doch jede unbekehrte Seele heute noch das Wort des Herrn beachten: „Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden“! (Matth. 6, 33; vergl. auch Luk. 12, 28 -31). 
Doch die weitaus größte Mehrzahl meiner Leser bekennt, Christi Eigentum zu sein, und man könnte deshalb meinen, für sie habe das Gleichnis des Herrn keine Bedeutung mehr. Aber ist das so? sind nicht auch für einen jeden von uns die Fragen berechtigt: „Wonach steht mein Herz? Ist es auf Jesum gerichtet, oder suche ich noch etwas in dieser Welt?“ Wenn das erstere der Fall ist, so wird es mich nach dem Gold und den Schätzen, der Macht und Schönheit dieser Welt nicht mehr gelüsten. Wenn aber Jesus nicht der erste, alles beherrschende Gegenstand meines Herzens geblieben ist, so hat in demselben Maße, wie mein Interesse für Ihn abnahm, die Liebe zur Welt und zu den irdischen Dingen in meinem Herzen Raum gewonnen. Es kann ja nicht anders sein. Aber ist es nicht betrübend, wenn man beobachten muss, dass Kinder Gottes, die doch bereits mit dem Himmel in Verbindung gebracht sind, häufig und eifrig nach irdischen Gütern trachten? Oder wenn ich denselben Hang in mir entdecke und bekennen muss, dass ich ihm leider gar oft gefolgt bin? 
Man begründet zuweilen das Trachten nach irdischem Hab und Gut damit, dass man sagt: „Es geht heute eben nicht mehr anders; wir leben in einer Zeit, in der das Streben und Ringen nach Besitz nötig geworden ist; wir müssen gleich allen anderen sehen, wie wir unsere Lebensinteressen wahren, sonst gehen wir unter.“ Man schützt mitunter auch den „Zeitgeist“ vor und behauptet, dass es schwer sei, sich seinem Einfluss zu entziehen. 
Es bedarf eigentlich keiner Erörterung, dass der Gläubige, der seinen Pfad in der Furcht Gottes und in Abhängigkeit von Ihm geht, keine dieser Entschuldigungen auf sich anwenden kann. Das Wort Gottes, das unseres Fußes Leuchte und unseres Pfades Licht ist (Ps. 119,105), zeigt uns klar, dass wir uns von der Welt unbefleckt erhalten sollen, und dass alles, was nicht von diesem unbedingt sichern Ratgeber und Führer gutgeheißen wird, in irgend einer Form den Gifthauch der Welt in sich trägt. In der Welt spricht man gemeinhin zwar erst von Habsucht, wenn ein besonders grober Fall vorliegt; für den Christen aber, den der Herr unter- weist und den Weg lehrt, den er wandeln soll (Ps. 32, 8), beginnt die Habsucht da, wo die Genügsamkeit aufhört. Sehr ·gut, höre ich den Leser sagen, aber wo ist das? Wie sagt das Wort? „Wenn wir Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen“ (1. Tim. 6, 8). So haben wir es oft gelesen und als richtig anerkannt. Aber Hand aufs Herz! Steht es tatsächlich so bei uns? Lassen wir uns wirklich an Nahrung und Kleidung genügen? Beschäftigt und beschwert uns nicht doch auch manchmal dieser oder jener Wunsch, in welchem sich, wenn wir uns genau prüfen, die Geldliebe, „die Wurzel alles Bösen“, verborgen hält? Nennen wir einmal ein oder zwei Dinge. Das Wort Gottes fordert uns nie auf, darauf bedacht zu sein, dass wir unseren Kindern oder sonstigen Angehörigen dereinst ein möglichst umfangreiches Erbe hinterlassen,
auch nicht aus dem so oft angeführten und anscheinend so selbstlosen Grunde, damit diese es nicht so schwer im Leben haben, wie wir es vielleicht hatten. Und doch, wie manches Mal mag sich der eine oder andere von uns bei solchen Gedanken haben ertappen müssen! Auch ist es nach Gottes Gedanken gewiss nicht richtig, wenn ein Kind Gottes sein Einkommen oder sein Vermögen durch Spekulations-Gewinne zu vergrößern sucht. Und doch, wie oft mag wohl schon der eine oder andere der Versuchung, die heute stärker als je an viele herantritt, erlegen sein! Zeigt sich da nicht überall die Habsucht? „Fliehe diese Dinge!“ schreibt der Apostel Paulus an Timotheus.
Wie verkehrt und töricht ist es auch, auf die Ungewissheit des Reichtums seine Hoffnung zu setzen! (1.Tim. 6, 17). Sollten wir nicht vielmehr dankbar jede Gelegenheit benutzen, „reich zu sein in guten Werken“, indem wir das, was der Herr uns gegeben hat, mit Freigebigkeit zur Linderung der Not anderer oder für Sein Werk verwenden? Wird nicht die Gefahr, die uns von Seiten des „Zeitgeistes“ droht, am besten gerade dadurch beschworen, dass wir freigebig und mitteilsam sind? Ernst und feierlich klingt die Ermahnung des Heiligen Geistes in 1. Joh. 2, 15 in unsere Zeit hinein: „Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist!“ Und weiter: „Die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit. Nichts in dieser Welt hat Bestand. Und nichts, was sie uns von ihren Schätzen anbieten mag, kann uns glücklich machen. Gott sei gepriesen! wir Kinder Gottes kennen und besitzen bessere, mit der Seligkeit verbundene Dinge. Als Erben Gottes und Miterben Christi können und sollen wir über dem Irdischen und Vergänglichen stehen. O wenn unser Herz nur immer da wäre, wo unser Schatz ist! 
Wo irgend ein Gläubiger sich von der Habsucht und Weltliebe ergreifen ließ, ist er, selbst wenn er es in dieser Welt zu etwas gebracht hat, in seinem Innern tief unglücklich geworden. Und wie mancher trägt heute ein schönes Bekenntnis auf den Lippen, aber in seinem Tun und Lassen unterscheidet er sich kaum noch von den Kindern dieses Zeitlaufs! Das ist ein großes Übel und eine grobe Vermehrung des Namens unseres Herrn. Wir wollen uns deshalb immer aufs Neue gegenseitig zurufen: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt!“ (Röm. 12, 2). Wie schön berichtet uns das Wort Gottes von Henoch, dass er, obwohl die damaligen Zeitverhältnisse gewiss nicht besser waren als die heutigen, dreihundert Jahre mit Gott wandelte! Reicher Lohn ward ihm dafür: Gott nahm ihn hinweg. Ohne den Tod zu sehen, durfte er dahin gehen, wo sein Herz all die Jahre geweilt hatte.
Auch wir warten auf das Kommen unseres Herrn zur Entrückung der Seinigen, und sie kann jeden Augenblick erfolgen. Wir wissen ferner, dass wir Ihm dann gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Aber immer wieder müssen wir uns prüfend fragen, inwieweit diese Hoffnung, die wir zu Ihm haben, lebendig  278 in unseren Herzen wohnt. Nur dann übt sie einen reinigenden und heiligenden Einfluss auf unsere Gesinnung und unseren Wandel aus. Möchte doch keiner von uns jenem Toren gleichen, der« nur ein Auge für die sichtbaren, gegenwärtigen Dinge hatte, aber an die Zukunft nicht dachte! Es würde uns dies, auch wenn uns niemand aus der Hand des guten Hirten rauben kann, doch zu tiefster Beschämung gereichen. Die Ankunft des Herrn würde uns als Knechte und Mägde jedenfalls „nicht bereit“ finden. Die Ermahnung des Herrn ist ernst: „Auch ihr nun, seid bereit; denn in der Stunde, in welcher ihr es nicht meinet, kommt der Sohn des Menschen“ (Luk. 12, 40).
Beachten wir auch dies noch: Der reiche Narr in unserem Gleichnis war kein unsittlicher Mann, auch machte er nach menschlichem Urteil keinen bösen Gebrauch von seiner Habe; was ihn kennzeichnete war das Begehren, sich seines wachsendes Wohlstandes zu freuen und ihn „viele Jahre“ lang zu genießen — ein Wunsch also, der dem menschlichen Herzen nur zu natürlich ist. Und ein solches Herz besitzen wir auch. Seien wir deshalb wohl auf der Hut, damit es uns nicht einen Streich spiele und wir jenem Toren ähnlich werden! Gott selbst aber lenke unsere Blicke immer unverrückter auf Jesum hin, des Himmels Kleinod und größten Schatz! Ja, benutzen wir die kurze Spanne Zeit, die noch vor uns liegt, dazu, Jesu Tugenden zu verkündigen und Ihn zu erwarten! „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn Er kommt, wachend finden wird!“ (Luk. 12, 37).

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Übles Nachreden

Bibelstelle: 1. Petrus 2, 1

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 279ff

„Übles Nachreden“, ein hinter dem Rücken der Leute Herumschwatzen ungünstiger Dinge, die man bei ihnen voraussetzt oder über sie gehört hat, kommt leider unter Gläubigen häufig vor. Man verteidigt sich manchmal damit, solches in Unwissenheit getan zu haben, aber trotzdem ist es eine Sünde vor Gott. Man hätte die wirklichen Tatsachen zu erfahren suchen sollen. .
Wir kennen das ernste Wort:  „Wer den Bruder nicht liebt, bleibt in dem Tode“, oder „ist nicht aus Gott“. Wie aber lässt sich die Liebe zu dem Bruder mit „üblem Nachreden“ verbinden? Es gibt vielleicht keine andere Sünde, in die die Gläubigen so leicht fallen, und über die sie so leicht hinweggehen, wie diese. Und doch warnt uns. Gott mit solchem Ernst vor üblem Nachreden, Verleumdung und Ohrenbläsereien! (Vergl. Pf. 15, 3; 101, 5; 1. Petrus 3, 10 u. a. St.)
Möchte ein jeder von uns folgende Winke beherzigen:
1. Richte nie jemand in Bezug auf Dinge, die du nur vom Hörensagen weißt, ohne erfahren zu haben, was er selbst zu seiner Verteidigung oder Entschuldigung zu sagen hat.
2. Wiederhole nie ein böses Gerücht, ehe du von seiner Richtigkeit überzeugt bist, und auch dann nicht, ohne dich zu fragen, ob es auch zur Ehre Gottes ist.
3. Wenn du von anderen sprichst, so gebrauche nie Worte, die das Bewusstsein der Gegenwart Gottes dir verbieten würde auszusprechen.

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Natur und Glaube

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1921 S. 280ff

Du warst vom Herrn uns eine teure Gabe,
Er nahm dich uns – wir trugen dich zu Grabe.
Wir weinten. – Die Natur trägt bittres Leid,
der Glaube dringt durch alle Dunkelheit.
Er sieht dich stehen vor Gottes Angesicht
so glänzend schön in wunderbarem Licht.
Natur vermisst dich überall hinieden,
der Glaube rühmt: du bist daheim in Frieden!
Natur sieht nur die Leiche hier im Staube,
den Geist zum Herrn entrücket sieht der Glaube.
Natur bleibt stumm am Jordan diesseits stehen,
der Glaube kann das andere Ufer sehen.
Natur hat nur dein Lebewohl vernommen,
der Glaube hört im Himmel das Willkommen!
Natur spricht dauernd von den großen Schmerzen,
der Glaube weiß: es kommt vom Vaterherzen.
Natur bejammert nur das bittre Scheiden,
der Glaube kennt ein Wiedersehen mit Freuden.
Natur steht da, gebeugt in Schmerz und Trauer,
der Glaube sieht empor mit Freudenschauer.
Natur will murren, Glaube kann auch lachen,
die Gotteskraft ist mächtig in dem Schwachen.
Es grämt sich die Natur und hasst die Rute,
der Glaube preiset Gott mit frohem Mute.
Natur sieht erdenwärts, der Glaub nach drüben,
Natur fühlt Härte nur, der Glaube – Lieben.

O lass den Glauben siegreich triumphieren
und über die Natur das Szepter führen!
Du bist daheim! Und nicht dem  Tod zum Raube.
Soll ich zurück dich wünschen spricht der Glaube?
Zurück aus Eden, aus der Heimat Lande? 
Zurück aus deinem hohen, selgen Stande?
Zurück vom Lamme, das dich freundlich weidet?
Zurück vom Quell, zu dem es sanft dich leitet?
Zurück von Gottes Stadt, zurück vom Himmel?
Zurück zur Sünde und zum Weltgetümmel?
O nein, ich möchte nicht, dass Gott es wende,
viel lieber wall ich einsam bis ans Ende
und wart auf meinen Herrn geduldig hier,
Er nimmt auch mich zu sich – dann jubeln wir.

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Halte fest das Bild gesunder Worte

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 281ff

Wir kommen jetzt zu den Lehrschriften des Neuen Testaments, den Briefen der Apostel. Die meisten dieser Briefe haben den Apostel Paulus zum Verfasser; mehrere von ihnen sind während seiner Gefangenschaft in Rom geschrieben worden. Wie wunderbar sind Gottes Wege! Während Satan den treuen, unerschrockenen Zeugen mit allen Mitteln aus dem Wege zu räumen, hinter Kerkermauern mundtot zu machen suchte, benutzte Gott gerade diese stille Zeit dazu, Seinen Knecht jene Briefe schreiben zu lassen, die vornehmlich Seine Gedanken und Ratschlüsse im Blick auf Christum und Seinen Leib, die Versammlung, zum Gegenstand haben. So mussten auch in diesem Falle der Hass des Widersachers Gottes und der Grimm des Menschen dazu dienen, die Wege der Vorsehung Gottes zu ebnen. „Aus dem Fresser kam Fraß, und aus dem Starken kam Süßigkeit“ (Richter 14, 14). „Der Grimm des Menschen wird dich preisen, mit dem Reste des Grimmes wirst du dich gürten“ (Ps. 76, 10).
Der Brief an die Römer steht mit Recht allen voran. Er macht uns mit den Grundwahrheiten des Christentums bekannt, mit der Schuld und Sündhaftigkeit des Menschen und mit der Rechtfertigung aus Glauben ohne Gesetzeswerke. Die Juden waren  Übertreter des Gesetzes, die Heiden Sünder. So ist denn kein Unterschied: alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes. Die ganze Welt ist dem Gericht verfallen. Der Mensch kann nur gerechtfertigt werden auf Grund der unumschränkten Gnade Gottes, indem er sich reumütig zu den Füßen Jesu niederwirft und an Den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt. Der Brief zeigt zugleich, wie sich diese Gnadenwege Gottes mit den besonderen Verheißungen vertragen, die das Volk Israel besaß, und entwickelt dann die wichtigsten Grundsätze des praktischen Christenlebens.
Die beiden Briefe an die Korinther enthalten sozusagen das Kirchengesetz der Bibel. Bei den Korinthern gab es viel menschliche Weisheit, viel Erkenntnis, aber wenig geistliche Gesinnung. Einige lebten in offenbaren Sünden, andere bildeten Parteiungen innerhalb der Versammlung, wieder andere neigten dem Götzendienst zu oder lebten in Neid und Zwietracht und fochten Rechthändel miteinander aus. Sogar bei der Feier des Abendmahls hatten sich große Missstände eingestellt. Auch hatten die Korinther bösen Arbeitern und falschen Lehrern ihr Ohr geliehen. Diesen Zuständen tritt der
Apostel mit allem Ernst und Nachdruck entgegen, zeigt den Korinthern das Sündhafte und Törichte ihres Tuns, erinnert sie an die Notwendigkeit der Zucht dem offenbaren Bösen gegenüber und regelt die Ordnung bei ihren gemeinsamen Zusammenkünften; denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie in allen Versammlungen der Heiligen. Und, Gott sei gepriesen! die Gewissen der Korinther wachten auf; sie reinigten sich von dem Bösen, wurden eifrig, die Echtheit ihres Glaubens in Wort und Wandel zu betätigen, sodass der Apostel in seinem zweiten Briefe viel Ursache fand, den Herrn dieserhalb zu preisen. Sein tief niedergedrücktes Gemüt war aufgerichtet und getröstet worden, und so konnte er mit erleichtertem Herzen auf die verschiedenen, im ersten Briefe berührten Punkte zurückkommen und neue Belehrungen hinzufügen.
Der Brief an die Galater ist eine ernste Warnung für die, welche das Christentum mit den Grundsätzen des Judentums zu vermengen und dadurch zu verderben suchen. Denn wenn man noch irgend Etwas Gutes im Fleisch zu finden meint und noch irgend ein Tun von Seiten des Menschen erwartet, um dadurch eine Gerechtigkeit vor Gott zu erwirken, so leugnet man damit die Notwendigkeit und AIlgenugsamkeit des Werkes Christi. Die Grundpfeiler der Wahrheit werden umgestürzt. Man „fällt aus der Gnade“ und kehrt auf gesetzlichen Boden zurück. Unter den Galatern waren jüdische Lehrer aufgestanden, welche behaupteten, der Gläubige müsse beschnitten werden und das Gesetz beobachten; mit anderen Worten: Dem Blute und Werke Christi müsse die Religion des Fleisches hinzugefügt werden, anders könne der Mensch nicht gerettet werden. Dieser List und Lüge Satans tritt der Apostel dadurch entgegen, dass er das Evangelium zu seinen einfachsten Elementen zurückführt und in den stärksten Ausdrücken den unversöhnIichen Gegensatz zwischen Gesetz und Gnade entwickelt.
Der Brief an die Epheser zeigt uns die herrliche Stellung des Gläubigen in Christo, versetzt uns in die Beziehungen Christi zu Seinem Gott und Vater und gibt uns einen Platz in den himmlischen Örtern, wo wir jetzt schon in Christo mit jeder geistlichen Segnung gesegnet sind. Die Quelle von allem ist Gott. Der Mensch ist tot in Sünden und Vergehungen. Gott schafft etwas ganz Neues, worin alles von Ihm ist, und worin Er Seine ewigen Ratschlüsse im Sohne offenbart, der als Haupt über alles und als Haupt Seines Leibes verherrlicht zu Seiner Rechten sitzt. 
Im Philipperbrief, der oftmals und zutreffend das „Buch der Erfahrung“ genannt worden ist, finden wir, wie ein Christ selbst unter den schwierigsten Umständen mit einem glücklichen Herzen diese gefahrvolle Welt durchschreiten kann, wenn sein Blick nur unverwandt auf Jesurn in der Herrlichkeit gerichtet bleibt. Der Brief behandelt nicht die Grundlagen der Beziehungen des Menschen zu Gott (Römerbrief), noch die äußere Ordnung der Gemeinde Gottes hienieden (Korintherbriefe), noch endlich die göttlichen Ratschlüsse (Epheserbrief), sondern beschäftigt sich mit dem inneren, geistlichen Leben des Gläubigen und den Hilfsquellen, die es für dieses Leben gibt. 
Im Kolosserbrief wird der Gläubige gesehen als auferstanden mit Christo, nicht aber als in Ihm versetzt in die himmlischen Orten Eine Hoffnung wird für ihn droben aufbewahrt, und er soll sinnen auf das was droben ist. Redet der Epheserbrief von den Vor- rechten des Christen, von den Segnungen des Leibes, der Fülle Dessen, der alles in allem erfüllt“, so spricht der Kolosserbries von der Fülle des Hauptes selbst, welche die Kolosser durch die Einflüsse der menschlichen Philosophie und des Judentums ein wenig aus dem Auge verloren hatten. Und sieht der Epheserbrief die Gläubigen in Christo, so bildet im Kolosserbrief Christus in uns den Grundton. Betrachtet uns ferner der erste Brief als tot in Vergehungen und Sünden und dann „mit dem Christus lebendig gemacht“, so sieht uns der zweite als Sünder lebend im Fleische, und der Tod wird eingeführt: „ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott“. So ähnlich beide Briefe deshalb auch sein mögen, es bestehen ernste, bedeutungsvolle Unterschiede zwischen ihnen. 
Wir kommen jetzt zu den beiden Briefes! an die Thessalonicher. Die Thessalonicher waren noch jung im Glauben und hatten viel Verfolgung zu erdulden; aber ihre Herzen waren überströmend glücklich im Herrn. Ihr Blick war nach oben gerichtet, sie hatten sich von den toten Götzenbildern zu dem lebendigen und wahren Gott bekehrt und erwarteten nun Seinen Sohn vom Himmel, und die Hoffnung, bald bei Jesu zu sein, gab ihnen Kraft, alle Leiden und Drangsale geduldig zu ertragen. So ist es immer: wenn ich das, was mein Mund bekennt, im Leben und Wandel darstelle, verwirkliche, so erfüllen Friede und Freude mein Herz. Andererseits werden Leiden und Trübsale nicht ausbleiben. Es
bleibt stets wahr: „Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden verfolgt werden (2. Tim. 3,12). 
Die beiden Briefe an die Thessalonicher sind der Zeit nach die ersten, die Paulus geschrieben hat. Sie entwickeln in ergreifender Weise den christlichen Charakter mit allen seinen Beweggründen, die Stellung und das Zeugnis des Christen auf dieser Erde in ihrer ersten Frische und Wärme, umstrahlt von der Hoffnung auf die baldige Rückkehr Christi. Ach, wie begehrenswert ist diese Frische der ersten Liebe auch für unsere Zeit! Aber vielen Gläubigen ist die heute so bekannte Wahrheit von der Wiederkunft unseres Herrn Jesus zur Aufnahme Seiner Gemeinde oder Braut nur noch eine Lehre, die leider wenig oder gar keinen Einfluss auf Herz und Gewissen ausübt. Man weiß schriftgemäß darüber zu reden, ja, selbst hinreißende Vorträge zu halten, die die Hörer für eine Zeit in eine gerührte Stimmung versetzen und ihnen vielleicht die Meinung geben, das sei „geistlich gesinnt sein“; aber dabei ist der Sinn in Wirklichkeit auf das Irdische gerichtet, und die Fragen: „Was sollen wir essen? was sollen wir trinken? Womit sollen wir uns kleiden?“ nehmen das arme Herz völlig gefangen. 
Und doch ist die Ankunft unseres Herrn so nahe gekommen! Bald wird Sein gebietender Zuruf erschallen. Wo wird er uns finden? Im Dienste Seines Hauses und Seiner Sache, oder „laufend, ein jeder für sein eigenes Haus«? Mit dem Herrn beschäftigt, oder mit den Dingen dieser Welt? 
Die Thessalonicher hatten weniger Erkenntnis als wir, aber das was sie verstanden hatte Wert für ihre Herzen, und sie lebten darin. Wohl traten in ihrer Mitte auch böse Lehrer auf und behaupteten in anmaßendem Tone, der Tag des Herrn sei schon gekommen, die Drangsale, welche sie, die Thessalonicher, erduldeten, seien ein Beweis davon, das Gericht Gottes über die Welt sei schon hereingebrochen. Aber der treue Erzhirte, der allezeit über Seine Herde wacht, ließ ihnen durch Seinen Knecht in dem zweiten Brief in klaren, unzweideutigen Worten das Unhaltbare und Böse dieser leichtfertigen Behauptung kundtun. 
Es gibt wohl keine Wahrheit in der Heiligen Schrift, die in so bestimmter und leichtverständlicher Weise entwickelt wäre, wie die Lehre von der Wiederkunft unseres Herrn zur Entrückung der Seinigen. Und doch, wie ist es dem Feinde gelungen, dieses klare Bild zu verwirren und irrige Meinungen und Ansichten darüber in den Herzen der Gläubigen hervorzurufen! Der Lügner von Anfang weiß sehr gut, warum er es tut; und auch wir wissen es. Darum lasst uns wachen und nüchtern sein! 
Der besondere Gegenstand der Briefe an Timotheus ist die Bewahrung der gesunden Lehre. Über diese zu wachen, hatte Paulus den Timotheus in Ephesus zurückgelassen. In dem ersten Brief sehen wir die Versammlung (Gemeinde) noch als das, was sie ist nach den Gedanken Gottes: „der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“, während der zweite Brief sie uns in ihrem Verfall unter dem Bilde eines „großen Hauses“ schildert, in welchem es Gefäße zur Ehre und zur Unehre nebeneinander gibt. Beide Briefe, besonders aber der zweite, tragen einen prophetischen Charakter. Sie reden weder von den Beziehungen der Gläubigen zum Vater, noch von den inneren Vorrechten der Versammlung. Da ist ein Heiland-Gott, der die Menschen liebt, und ein Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus. Die Versammlung ist die Bewahrerin des Zeugnisses Gottes nach außen hin, aber böse Geister sind wirksam, um alles zu verderben. 
Der Brief an Titus beschäftigt sich im allgemeinen mit der Aufrechthaltung der Ordnung in den Versammlungen Gottes und in den Beziehungen der Gläubigen zueinander. Die Grundsätze, auf welche sich der den Gläubigen geziemende Wandel gründet, werden kurz entwickelt. Im Übrigen enthält der Brief weniger von Lehre. 
Der äußere Anlass zu dem Briefe an Philemon war ein entlaufener Sklave, namens Onesimus, der auf seiner Flucht nach Rom gekommen, dort durch den gefangenen Paulus mit dem Evangelium bekannt geworden und bekehrt worden war. Diesen Mann sendet der Apostel mit dem Briefe an seinen in Kolossä wohnenden Herrn zurück in der Gewissheit, dass Onesimus (d.i. nützlich) seinem Namen fortan mehr Ehre machen, und dass Philemon ihn um des Apostels willen freundlich aufnehmen werde. Der kurze und doch so kostbare Brief belehrt uns in rührender Weise, wie Liebe und zarte Rücksichtnahme auf die Rechte des anderen uns im gegenseitigen Verkehr als Brüder in Christo allezeit leiten sollten. 
Der Schreiber des Hebräerbriefes wird in weiser Absicht nicht genannt, doch nimmt man allgemein an, dass auch et von dem Apostel Paulus geschrieben ist; der ganze Aufbau, sowie die kurzen Bemerkungen am Schlusse des Briefes deuten darauf hin. (Vergl. auch 2. Petr. 3, 15.) Die Gläubigen, an welche der Brief sich richtet, waren Juden gewesen und hatten nach ihrer Bekehrung mancherlei Leiden und Verfolgungen, besonders seitens ihrer Volksgenossen, zu erdulden gehabt. Manche waren ins Gefängnis geworfen, andere geschmäht, verfolgt, von Haus und Hof vertrieben worden. Wie ein edles Wild gehetzt, fanden sie nirgendwo Ruhe. Und doch, glücklichen Herzens in der Liebe ihres Herrn ruhend, harrten sie aus, und zu ihrer Ermunterung und Bewahrung sendet ihnen Gott den herrlichen Brief. Der Blick des wegmüden Pilgers wird darin nach oben gerichtet, der Himmel öffnet sich, und in strahlender Schönheit sieht das Glaubensauge Ihn, den Anfänger und Vollendet des Glaubens, zur Rechten Gottes, herrlicher als die Engel, größer als Moses, der treue Diener, mächtiger als Josua, der fein Volk ins verheißene Land, aber nicht in die Ruhe einführen konnte, erhabener als Aaron und sein Priestertum, welches, selbst von Schwachheit umgeben, nichts zur Vollkommenheit gebracht hatte. Alles verblasst, alles verschwindet vor Ihm, dem Sohne Gottes, dem Sohne des Menschen, der, „ein wenig unter die Engel erniedrigt, nun mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ zur Rechten Gottes sitzt und von Gott begrüßt worden ist als Hoherpriester „nach der Ordnung Melchisedeks“. Auch hier gilt wohl das Wort: „Sie sahen niemand, als Jesum allein“. Nur Er bleibt. „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“, so heißt es frohlockend und anbetend am Schlusse des Briefes (Kap. 13, 8). Ja, wenn das Herz sich mit Ihm beschäftigt, über Seine Liebe und Gnade, Seine Schönheit und Vollkommenheit sinnt, dann wird der Mund beredt, dann fließen die Worte ganz von selbst in die Feder. Das, was man redet oder schreibt, kommt einem im Vergleich mit dem behandelten Gegenstand gar kurz vor (Kap. 13, 22). Hier möchte ich in Liebe ein Wort an die jüngeren Geschwister unter uns einschalten. Bei manchen von ihnen findet man eine erschreckende Gleichgültigkeit gegen Gottes Wort. Es scheint ihnen zu gehen wie dem Volke Israel in der Wüste, das dem himmlischen Man keinen Geschmack mehr abgewinnen konnte und über „diese elende Speise“ murrte (4. Mose 21, 5). 
Mein lieber Leser! Sollten je ähnliche Gedanken und Gefühle in deinem Herzen gewesen sein? Wenn ja, dann lass dich herzlich bitten, keinen Tag so weiter voranzugehen! Kehre um, noch heute, und bekenne dem Herrn deine Gleichgültigkeit, deine Untreue und Undankbarkeit! Vertiefe dich nicht weiter in die Zeitung, wirf den Roman von dir! Lies wieder das alte, teure Wort Gottes! Und sollte es dir selbst im Anfang wie ein dürres Mittagsland vorkommen -— es kann so sein nach langem Weilen „auf anderen Feldern“ —- wende dich dann zum Vater droben, Ihn bittend, dir auch Wasserquellen dazu zu geben. Mache es wie einst Aksa, das Weib Othniels! (Richter 1, 15). Gott wird dir antworten. Er tut es gern. Und „wie von Mark und Fett wird gesättigt werden deine Seele“. Der Friede des Herzens wird dir wiederkei1ren, und du wirst wieder Zeit und Kraft finden zum Leben und Danken. „Mit jubelnden Lippen wird loben dein Mund“ 
Die Hebräer wurden unter anderem ermahnt, ihr „Zusammenkommen nicht zu versäumen“. Bitter nottut diese Ermahnung auch heute. Welch ein schmerzliches Gefühl muss es für unseren teuren Herrn sein, wenn Er die oft so leeren Bänke sieht, die in früheren, besseren Tagen gefüllt waren mit glücklichen, dankbaren Anbetern oder mit Zuhörern, die nach himmlisch« Speise hungerten und nach geistlichem Trank dürsteten! Wie mancher, der einst keinen Weg und keine Anstrengung scheute, ist müde geworden und geht heute mit Fleisch und Blut zu Note! Wie mancher Vater (oder Mutter) führt am Sonntagnachmittag lieber seine Kinder in „Gottes freie Natur“ — wie man so gern sagt, um die Sache doch mit dem Namen Gottes in Verbindung zu bringen — anstatt mit der ihm anvertrauten Schar dahin zu wallen, wo Gott „Seines Namens Gedächtnis gestiftet“ Und „Segen in Ewigkeit verordnet“ hat! Nicht als ob das erste an und für sich böse· wäre —- im Gegenteil; aber alles hat seine Zeit, und wenn uns wirklich daran liegt, Gottes Willen zu tun, werden wir das eine tun können, ohne das andere lassen zu müssen. Es mag nicht immer leicht sein, aber es wird ganz gewiss gehen, und „ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend“! So jubelten einst die Söhne Korahs; sie „sehnten sich, und ihre Seele schmachtete nach den Vorhöfen Jehovas“, und sie wollten „lieber an der Schwelle stehen im Hause ihres Gottes, als wohnen in den Zelten der Gesetzlosen“ (Ps. 84, 10). - Und wir, die wir ins Heiligtum, ja, an das Vaterherz Gottes gebracht sind?!

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Die Erfahrungen Abrahams und Jakobs

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 292ff

Wir kommen jetzt zu dem Leben und der Geschichte Jakobs. Jakob war Erbe derselben Verheißung wie Abraham, und als Gläubiger schätzte er sie; aber er vertraute nicht auf Gott allein. Er wandelte nicht wie Abraham im täglichen Umgang mit dem Herrn und im Warten auf Ihn. Wohl hatte er, wie bereits gesagt, die gleiche Verheißung empfangen, aber seine Erfahrungen waren viel wechselnde: und vieIgestaltiger als die des Abraham. Obgleich er am Ende seines Lebens sagen konnte: „Der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin, bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel“, musste er doch auch bezeugen: „Wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre“ (1. Mose 48, 15. 16; 47, 9). Gerade die Mannigfaltigkeit seiner Erfahrungen war ein Beweis seiner Untreue. 
Auf den Rat seiner Mutter wandte er zunächst unheilige Mittel an, um sich den Segen des Vaters zu erwerben, und musste dann aus Furcht vordem getäuschten und gewalttätigen Bruder Esau das Land der Verheißung verlassen. (Kap. 27 u. 28.) Damit war seine Stellung von Grund aus verändert. Durch seine eigene Schuld aus dem Lande der Verheißung vertrieben, lag fortan seine Pilgerschaft nicht, wie die des Abraham, in dem Lande, sondern außerhalb desselben Gott wachte zwar über ihn, stand ihm bei und bewahrte ihn; aber Jakob wandelte nicht mit Gott. Er hatte nicht eher einen Altar, als bis er nach einer langen Reihe schmerzlicher Erfahrungen ins Land zurückgekehrt war (Kap. 33, 20). Und er fand erst dann wieder mehr Gemeinschaft mit Gott, als er an dem Orte anlangte, wo Gott sich ihm im Anfang geoffenbart und ihm Seine Verheißungen gegeben hatte. Zwanzig lange Jahre hatte er Verkehr mit Menschen, die ihn betrogen und bedrückten; und wenn auch Gott im Verborgenen acht auf ihn hatte und ihn segnete, konnte Jakob doch außerhalb des gelobten Landes keinen Altar, keine wahre Verbindung mit Gott haben. Er war in all der Zeit kein Anbeter. 
Auch wir sind als Anbeter in die Gemeinschaft mit Gott berufen; aber wir können diese nur dann genießen, wenn wir durch den Geist in den himmlischen Örtern wohnen, wo Gott uns unsere eigentliche Stellung, unseren Platz gegeben hat. Halten wir uns fern von da auf, so können wir keine Gemeinschaft mit Gott haben, wenngleich Er uns durch Seine Gnade und Treue selbst dann bewahren mag. 
Am Ende jener zwanzig Jahre rief Gott den Jakob aus Aram zurück. Er musste sich· von seinem Schwiegervater entfernen wie ein schuldbeladener Flüchtling. Es ist eben unmöglich, sich von der Welt und ihren Einflüssen rein zu erhalten, wenn man die Gemeinschaft mit Gott verloren hat; und es ist schwer, wenn man zurückkehrt, nichts von dem, was der Welt angehört, mitzubringen (Vergl. Kap. 31, 30 - 85). Gott aber ist treu. Es beginnt jetzt für Jakob eine Reihe von Erfahrungen, die im Grunde doch nichts anderes waren als das Ergebnis seiner Entfernung von Gott. 
Von Laban befreit, zieht Jakob seines Weges nach Kanaan, und um ihn zu trösten und zu stärken, schickt Gott ihm eine Schar Seiner himmlischen Boten entgegen. (Kap. 32, 1.) Doch trotz dieser Stärkung von oben erneuert der Unglaube, der durch die Entfernung Labans und der durch ihn drohenden Gefahr nicht abgenommen hat, die Furcht Jakobs vor seinem Bruder Esau. Er plant, wie er der neuen Schwierigkeit begegnen soll; aber die Vermeidung der Schwierigkeiten des Glaubenslebens entfernt diese Schwierigkeiten nicht, man muss sie durch die Kraft Gottes überwinden. Jakob hatte sich seine Schwierigkeiten selbst geschaffen, weil er Gott nicht vertrauen konnte. Und nun ist die Begrüßung durch die Engelschar gar bald vergessen, und die Schar Esaus, der keinerlei Hass gegen den Bruder mehr im Herzen nährt, erschreckt den schwachen Jakob aufs höchste (V. 7). Allerlei Mittel müssen in Anwendung gebracht werden, um den vermeintlichen und so sehr gefürchteten Zorn Esaus zu beschwichtigen. Jakob lässt Herde auf Herde einander folgen; aber anstatt dem gewünschten Zweck zu dienen, verrät diese Maßregel nur den Herzenszustand Jakobs. Zugleich denkt Jakob aber auch an Gott. Er erinnert Gott daran, dass Er ihn ins Land zurückgerufen habe, und bittet Ihn angelegentlich, ihn doch von der Hand seines Bruders Esau zu retten. Dabei gedenkt er des Zustandes, in welchem er einst das Land verlassen hatte, und erkennt an, dass Gott ihm all seinen gegenwärtigen Reichtum geschenkt habe. Zum Schluss erinnert er Gott an Seine Verheißung, ihm wohlzutun und seine Nachkommenschaft zu machen wie den Sand am Ufer des Meeres (V. 9 - 11). Sein Gebet beweist nur zu deutlich seine Furcht und seinen Unglauben. Als wenn Gott jemals eine Verheißung vergessen könnte! Es ist Glaube in Jakob vorhanden, aber der Unglaube überwiegt und entwirft vor den Augen des armen Mannes ein buntfarbiges, wechselvolles Bild (V. 13 — 21). 
Die Furcht treibt Jakob an, nicht allein die Herden vorauszuschicken, um durch das Geschenk seinen Bruder zu versöhnen, er nimmt auch seine ganze Familie, Weiber, Mägde und Söhne, und führt sie über den Jabbok; dann bleibt er allein zurück. Sein Herz ist voll von Sorgen aller Art. Aber wenn er sich nun anschickt, selbst auch den Fluss zu überschreiten, begegnet ihm Gott, der alles weiß und von allem Kenntnis nimmt. Wenn Er auch nicht zuließ, dass Esau seinem Bruder ein Haar des Hauptes krümmen durfte, hatte Er doch mit ihm selbst zu reden. Jakob musste ins Licht der göttlichen Gegenwart gebracht und daselbst gerichtet werden; denn nur so konnte er das Land der Verheißung mit Gott genießen. 
Gott ringt in der Finsternis mit Jakob, .bis die Morgenröte aufgeht (V. 24). Beachten wir es wohl, teurer Leser: Es ist nicht Jakob, der aus eigenem Antrieb mit Gott ringt, sondern Gott ringt mit Jakob! Der Unterschied ist von tiefster Bedeutung. Gott konnte Jakob nicht in der einfachen Weise segnen, wie Er es einst bei Abraham getan hatte; da war zunächst ein Kampf mit dem Unglauben Jakobs auszufechten. Jakob muss die Wirkungen seines Verhaltens kennen lernen, ja, sogar leiden, ehe Gott ihn segnen kann. Dennoch erblicken wir in allem das Wirken der göttlichen Liebe. Gott gibt Jakob Kraft und Ausharren in dem Kampfe, den er führen muss, um die Segnungen zu erlangen. Er muss aber den fortdauernden Beweis seiner Schwachheit und früheren Untreue behalten: „das Hüftgelenk Jakobs wird verrenkt, indem er mit ihm rang“ (V.25). Aber nicht nur das; Gott weigert sich auch, ihm Seinen Namen bedingungslos zu offenbaren. „Warum doch fragst du nach meinem Namen?“ Er segnet Jakob, gibt ihm auch einen neuen Namen zum Andenken an seinen Glaubenskampf", aber Er offenbart sich selbst nicht. 
Wie groß ist hier der Unterschied zwischen Jakob und Abraham! Diesem offenbarte Gott Seinen Namen ungebeten; Abraham sollte diesen Namen gut kennen, weil er im allgemeinen mit Gott in der Kraft dieser Offenbarung wandelte. Er hatte nichts mit Gott auszufechten und, anstatt seine Verwandten zu fürchten, besiegte er die Könige der damaligen Welt, um seinen Neffen aus ihrer Gewalt zu befreien. Unter den Bewohnern des Landes galt er für „einen Fürsten Gottes“ (Kap. 23, 6), und oft unterredete sich Gott mit ihm. Statt dass Gott mit ihm rang, oder er mit Gott, um einen Segen für sich zu erlangen, tat er Fürbitte für andere und sah von der Höhe aus, wo er in Gemeinschaft mit Gott war, das Gericht der Welt. 
Doch kehren wir zu der Furt des Jabbok zurück. Trotz aller Vorgänge ist die Furcht Jakobs noch immer nicht gewichen. Obwohl von Gott infolge des Kampfes gesegnet (V. 29), zittert er nach wie vor vor seinem Bruder Esau. Er teilt seine Weiber und Kinder nach dem Maße seiner Liebe zu ihnen in mehrere Züge, sodass die meist Geliebten am weitesten von Esau entfernt  standen; dann erst wagt er es, seinem Bruder entgegen zu gehen, indem er, der Träger der Verheißungen Gottes, sich siebenmal vor ihm zur Erde niederbeugte! Welch ein Schauspiel! Wahrlich, als Mensch spielt Esau, der „Ungöttliche“ (Hebr. 12, 16), hier eine weit würdigere Rolle als sein Bruder. Und bei alledem täuscht Jakob ihn schließlich doch noch! Er lehnt die freundlich angebotene Begleitung Esaus ab und verspricht, ihm in langsamer Gangart zu folgen bis zu seiner Wohnstätte im Lande Seir. Aber kaum ist Esau aus seinen Augen verschwunden, da bricht er auf und zieht nach Sukkoth! (Kap. 33, 1 - 17). 
Nun ist Jakob oder, nach seinem neuen Namen, Israel im Lande; aber nachdem er so viele Jahre fern von Gott umhergeschweift ist, versteht er noch nicht ein Pilger mit Gott zu sein. Er kauft ein Feld bei Sichem und siedelt sich an in dem Lande, in welchem Abraham nur ein Fremdling und Beisasse (Kap. 23, 4) gewesen war und, in Erkenntnis des Willens Gottes, nicht einen Fußbreit sein eigen genannt hatte. Wohl baut Jakob nun auch, weil er wieder im Lande ist, einen Altar, aber der Name, den er ihm gibt, deutet nur die Segnung Israels an, aber weist nicht hin auf den Gott der Verheißung. Er nennt ihn: Gott, der Gott Israels (V. 20). Die Dankbarkeit in Jakob erkannte wohl die empfangenen Segnungen an, aber der Gott, der sie gab, blieb in einem Sinne noch verborgen. 
Während des Aufenthalts in Sukkoth offenbaren sich in der Familie Jakobs sittliches Verderben und Gewalttat. (Kap. 34.) Der grausame und Gott nicht fürchtende Zorn seiner Söhne Simeon und Levi scheucht Jakob aus seiner falschen Ruhe auf. Sie wurzelte nicht in Gott und konnte deshalb keinen Bestand haben; dennoch bewahrt die Treue Gottes ihn aufs neue. 
Jakob hatte anscheinend bisher noch gar nicht an den Ort gedacht, wo Gott ihm bei seiner Ausreise nach Mesopotamien die Verheißung gegeben, und wo er selbst gelobt hatte, Gott anzubeten, wenn Er ihn in Frieden zum Hause seines Vaters zurückbringen würde. Wohl hatte er seinen beiden Weibern vor dem Aufbruch aus Paddan-Aram erzählt, dass Gott ihm erschienen sei und zu ihm gesagt habe: „Ich bin der Gott von Bethel, wo du ein Denkmal gesalbt, wo du mir ein Gelübde getan hast. Nun mache dich auf, ziehe aus diesem Lande usw.“ (Kap. 31, 13), aber obgleich er sich jetzt im Lande befand, machte er doch keinerlei Anstalten, sein Gelübde zu erfüllen. Da erschien ihm Gott und sprach zu ihm: „Mache dich auf, ziehe hinauf nach Bethel und wohne daselbst, und mache daselbst einen Altar dem Gott, der dir erschienen ist, als du vor deinem Bruder Esau flohst“ (Kap. 35, 1). Der Gott, der ihn bewahrt und geleitet, hatte ihn auch gezüchtigt und so vorbereitet, in Seine Gemeinschaft einzutreten. Zuvor aber musste er die falsche Ansiedlung, die nicht von Gott war, aufgeben. Er sollte in Bethel wohnen und dort dem Gott, der sich ihm im Anfang geoffenbart hatte, einen Altar bauen. 
Die Wirkung dieser Aufforderung Gottes war groß. Jakob hatte trotz all seiner Erfahrungen die Gegenwart Gottes noch nicht kennen gelernt· Jetzt trat sie ihm entgegen, stand unmittelbar vor ihm. Der Gedanke daran  erinnert ihn sofort an die falschen Götter, die sich unter seinem Hausgerät befanden. Sie stammten noch aus seinem früheren Verkehr mit der Welt. Rahel hatte ja die Teraphim ihres Vaters Laban gestohlen und sie, als dieser ihnen nachjagte und das Zelt durchsuchte, in den Kamelsattel gelegt. Jakob wusste sehr wohl, dass Götzenbilder in seinem Hause waren, denn er „sprach zu seinem Hause und zu allen, die bei ihm waren: Tut die fremden Götter hinweg, die in eurer Mitte sind, und reiniget euch und wechselt eure Kleider; und wir wollen uns aufmachen und nach Bethel hinaufziehen, und ich werde daselbst einen Altar machen dem Gott, der mir geantwortet hat am Tage meiner Drangsal und mit mir gewesen ist auf dem Wege, den ich gewandelt bin. Und sie gaben Jakob alle fremden Götter, die in ihrer Hand, und die Ringe, die in ihren Ohren waren, und Jakob vergrub sie unter der Terebinthe, die bei Sichem ist (V. 2 — 4). 
Der Gedanke an die Gegenwart Gottes rief bei Jakob nicht nur die Erinnerung an die fremden Götter wach, sondern weckte in seiner Seele auch das Bewusstsein, dass man diese Götzen, die Gegenstände der Anbetung der Welt, unmöglich mit dem wahren Gott zusammen behalten kann. Nichts anderes hätte dieses Bewusstsein hervorrufen können; alle, auch die ernstesten und tiefsten, Erfahrungen können nicht die Wirkung auf eine Seele ausüben, wie das Bewusstsein der heiligen Gegenwart Gottes. Solche Erfahrungen sind nützlich, sie dienen dazu, uns zu demütigen und uns von uns selbst loszumachen; aber nur das untrügliche Licht der Gegenwart Gottes vermag uns von den wohlbekannten, obwohl verborgenen und verheimlichten Götzen in uns und um uns her zu reinigen.
Für Abraham waren sowohl die Götzenbilder als auch die Erfahrungen Jakobs unbekannte Dinge. 
Der Schrecken Gottes kam jetzt über die Feinde Jakobs, sodass sie ihn trotz der mörderischen Gewalttat seiner Söhne nicht verfolgten (V. 5). Abgesehen von der stets bleibenden Lähmung Jakobs, wickelt sich alles so ab, als wenn er bis dahin noch keine einzige Erfahrung gemacht hätte. Er ist jetzt auf dem Wege, auf welchem Gott sich ihm offenbaren kann. Er kommt nach Bethel, von wo er seine Reise nach Mesopotamien angetreten hatte, und baut dem Gott, der ihm die Verheißung gegeben und ihm stets Treue gehalten hatte, einen Altar. Der Name desselben erinnert uns nicht mehr an Jakob und seine Segnungen, sondern an Den, der segnet, sowie an Seine Wohnung. Jakob nennt ihn nicht: „Gott, der Gott Israels“, sondern: El-Bethel, d. i. „Gott des Gotteshauses“ (V. 7). Gott redet jetzt mit Jakob, ohne dessen frühere Erfahrungen auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Diese waren nötig gewesen, um ihn zu züchtigen und von sich selbst auszuleeren, weil er untreu gewesen war, aber sie hatten ihn nicht in Gottes Gegenwart gebracht. 
Gott erscheint Seinem Knechte jetzt ungebeten. Wir lesen im 9. Verse unseres Kapitels: „Und Gott erschien dem Jakob wiederum, als er aus Paddan-Aram kam, und segnete ihn“. Er gibt ihm auch den Namen „Israel“, als wenn das noch nie geschehen wäre, und offenbart Jakob Seinen Namen ohne irgendeine Aufforderung seinerseits. Auch unterredet Er sich mit ihm  geradeso, wie Er es früher mit Abraham getan hatte. Er erneuert und bestätigt ihm die Verheißungen, wenigstens die, die sich auf Israel beziehen, und nachdem Er Seine Mitteilungen an ihn vollendet hat, „fährt Er von ihm auf“; denn Gott hatte Jakob besucht. 
So war Jakob nach einer Reihe von Erfahrungen an den Ort zurückgekehrt, wo er Gemeinschaft mit Gott haben konnte, in die Stellung, in welcher Abraham durch die Gnade Gottes sich fast immer erhielt. Jakob dient uns deshalb als Warnung, Abraham als Vorbild. Wohl hat er den Herrn durch dessen Gnade aufs neue gefunden, aber die segensreichen Erfahrungen Abrahams hat er nicht. gemacht; er ist nie dahin gekommen, für andere zu bitten. Das Höchste, das er erlangte, war der Ausgangspunkt Abrahams, die Stätte, wo Abrahams Seele stets weilte. Von einigen Fällen abgesehen, lebte Abraham in beständiger Gemeinschaft mit Gott, das war sein gewöhnlicher Zustand; und so starb er auch im Lande der Verheißung, in hohem Alter, ruhig und friedlich. Alt und der Tage satt, wurde er zu seinen Völkern versammelt. Jakob aber musste sagen: „Wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre, und sie haben nicht erreicht die Tage der Lebensjahre meiner Väter in den Tagen ihrer Fremdlingschaft“ (Kap. 47, 9). Auch brachte er die letzten siebenzehn Jahre seines Lebens in Ägypten zu.
Jakobs Erfahrungen hatten die Herzen der Menschen zum Gegenstand, Abraham aber durfte erfahren, was im Herzen Gottes ist. Die ersten Erfahrungen sind die des Gläubigen unter dem Gesetz, wo die ihm in Christo gegebene Stellung nicht erkannt oder doch nicht im Herzen verwirklicht wird, Erfahrungen zugleich von dem eigenen Herzen, wenn man fern von der Stellung wandelt, in welcher Gott sich der Seele offenbaren kann. Die zweite Art von Erfahrungen macht man, wenn man mit Gott in der Stellung wandelt, in die Er uns gesetzt hat, um so ungehindert Seine Gemeinschaft in Demut und Dankbarkeit zu genießen. Diese Erfahrungen machen uns mit dem Herzen Gottes bekannt, indem sie uns einführen in die Erkenntnis Seiner Ratschlüsse und Seiner treuen Liebe. Sie werden erlebt in dem vertraulichen Verkehr mit Gott selbst.
Die erste Art von Erfahrungen beschäftigt sich, wie wir bereits sagten, mit dem Herzen des Menschen, und der höchste (wenngleich köstliche) Punkt, zu dem der Glaube sich zu erheben vermag, ist der, dass Gott bei unserer Untreue treu bleibt und unserer Torheit, in welcher wir uns aus Seiner Gegenwart entfernen, in Geduld und Langmut begegnet.
Unser Vorrecht ist, wie Abraham zu wandeln.
Und wenn wir untreu sind — wozu nie eine Notwendigkeit vorliegt, denn« Gott ist treu und wird nicht zulassen, dass wir über Vermögen versucht werden (1. Kor. 10, 13) — so ist unsere Zuflucht die, dass Gott treu bleibt und uns bis ans Ende aus aller Not errettet.
Aber was wollen wir für uns begehren? Gott schenke uns, dass wir bei Ihm verharren, mit Ihm wandeln, damit wir jene köstlichen Erfahrungen machen, die uns eine wachsende Erkenntnis Seiner Liebe und Seiner Natur einbringen! (Kol. 1, 9 — 12).

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Eins ist not! *)

Bibelstelle: Lukas 10, 38 - 42

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 303ff

O selig Haus, wo man dich aufgenommen,
Du wahrer Seelenfreund, Herr Jesu Christ!
Wo unter allen Gästen, die da kommen,
Du der gefeiertste und liebste bist;
Wo aller Herzen dir entgegenschlagen,
und aller Augen freudig auf dich sehn,
wo aller Lippen dein Gebot erfragen,
Und alle deines Winks gewärtig stehn.

Maria.
„Es geschah aber, als sie ihres Weges zogen, dass Er in ein gewisses Dorf kam.“
Wie wunderbar, der Herr der Herrlichkeit ist über diese Erde hingegangen und zog mit Seinen Jüngern
„Seines Weges“! 
In der Wüste, wo wir gehen,
ist ein Fußpfad nur zu sehen,
Seiner Füße Spur im Sand.
Und Er war auch ein Pilger. Er hat nichts gesucht hier auf Erden, als Gottes Ehre, Gottes Willen zu erfüllen. Er ging als Pilger überall vorüber. Nur nicht an einem Haus, in einem Dorf, wo eine Seele sich gern zu Seinen Füßen niederlassen wollte. Da musste Jesus eine kleine Zeit verweilen und Worte des Lebens reden.
Oft kam der Herr mit Seinen Jüngern nach Bethanien, und immer war Er willkommen. Auch jetzt war Er, vielleicht spät abends, in das Dorf gekommen. Er zieht an manchem Häuslein vorbei, denn der Häuser sind wenige, wo man den Herrn aufnimmt. Da bleibt Er stehen vor einem — o selig Haus! Es ist der Herr, und rasch und weit öffnet sich die Tür, — denn Martha und Maria liebten Ihn, —- der Herr trat ein und . . . . .
„Maria setzte sich zu Seinen Füßen nieder und hörte Seinem Worte zu.“ 
Das war ihr Platz, einen anderen kannte sie nicht, wenn Jesus im Hause war. Wenn wir von Maria hören, sehen wir sie zu Jesu Füßen. Als Lazarus gestorben war und Jesus kam, als sie Ihn salbte vor dem Passah beim Abendessen, stets saß sie zu Seinen Füßen.
So auch jetzt; und diesen Platz lässt sie sich nicht nehmen, weder hier von ihrer Schwester, noch dort von Seinen Jüngern. Alle anderen können sich auch hinsetzen, aber sie will den Platz stets einnehmen, um die gelegene Zeit auszukaufen. Und der Herr sorgt, dass dieses gute Teil ihr nicht genommen wird. 
Maria, kindlich Jesum „für sich“ hinnehmend, unbekümmert um die Jünger, um die ältere, eifrig sorgende, hin und her eilende Schwester, ruht zu Jesu Füßen, sieht verlangend zu Ihm auf und lauscht Seinen Worten. Sie hat alle Arbeit, die ganze Umgebung, sich selbst vergessen, sie sieht nur nach ihrem geliebten Herrn, hört nur noch Seine sanfte, köstlich belehrende Stimme. 
„Wie ein Apfelbaum . . . ist mein Geliebter. Ich habe mich mit Wonne in Seinen Schatten gesetzt, und
Seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Er hat mich in das Haus des Weines geführt, und Sein Panier über mir ist die Liebe“ (Hohel. 2, 3. 4). 

Martha. 
„Martha nahm Ihn in ihr Haus auf“
Das ist das einzige Schöne, was ich in dieser Erzählung von Martha lese. Ich finde hier nichts Weiteres, was den Herrn hätte erfreuen können. Der Bericht geht gleich zu der Tätigkeit Marias über, deren ganzes Handeln in nichts besteht, als sich zu den Füßen Jesu zu setzen und Ihm zuzuhören. Das war es, was dem Wunsche des Herrn entsprach und dem Herzen der Maria.
Martha fängt sofort an zu dienen. Ohne Zweifel meinte sie es gut, und gedient werden muss ja auch. Aber es hat alles seine Zeit. Wir dürfen annehmen, dass auch Martha mit ihrem Dienst nur an den Herrn dachte und an Seine Jünger. Aber alles hat seine Zeit. Wir müssen bei unserem Handeln in die Gedanken des Herrn eingehen, und ein Herz voll Liebe und Zuneigung wird das Richtige ganz von selbst tun. 
Der Herr dachte jetzt nicht an Essen und Trinken.
„Rabbi, iss!“ sagten einmal Seine Jünger zu Ihm. Sie meinten es gut. Er aber sprach zu ihnen: „Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennet“. 
Maria zu Seinen Füßen zu erblicken, sie belehren zu dürfen, war für Jesum ein Bedürfnis. Ihre Seelen hatten sich verbunden, und alles andere war unnötig. 
Als Martha Ihn in ihr Haus aufnahm, fing sie an zu wirken und zu arbeiten und zieht sich nur einen Tadel vom Herrn zu. Alles kann dem Herrn zur Verfügung gestellt werden, und Seine Person mag mir so wichtig sein, dass ich sie mit meinem- Dienst umgehe; aber was der Herr wirklich sucht und wünscht — ein Herz voll Liebe, Ruhe und Sehnsucht zu Seinen Füßen — das kann fehlen, und das vermisst Er dann. Wird es etwas nützen, wenn ich dem Herrn mein Haus, meine Gaben, Mittel und Kräfte, meinen Verstand, ja, alles zur Verfügung stellen will, „das Eine, was not ist“, aber versäume? Wie gern mag gedient werden! Besonders in jungen Jahren beginnt der Christ so leicht sich mit Wirken und Arbeiten zu betätigen. Das ist ein begreiflicher, aber nicht der beste Anfang. Das erste soll ein „Sich-Niedersetzen“ bei Jesu sein. Dein Dienst ist nicht so wichtig. Wichtig ist „das was not ist“. Er kann deinen Dienst einem anderen geben. Darauf aber muss der Herr bestehen, dass du bei Ihm weilst, weil das nötig ist. Der Herr sagte: „Eines aber ist not“. Wenn ich dieses „Eine“ nicht tue, habe ich „alles“ versäumt, und alles andere Tun hat keinen Wert und Zweck, weil der Herr nicht damit einverstanden und darüber erfreut ist. 
Dienen ist nicht das Wichtigste. Ein gesunder, guter, fruchtbringender Dienst kommt nur vom Sitzen zu Jesu Füßen und vom Hören auf Sein Wort. Ein tüchtiger Diener und Arbeiter kommt aus des Herrn Gegenwart und trägt dessen Frieden im Herzen. 
Für Martha brachte der Herr nur Unruhe ins Haus, für Maria nur Ruhe! Aber der Herr macht die Herzen offenbar. 
Vielleicht dachte Martha: Maria kann sich später mit mir zu Jesu Füßen setzen und Ihn hören. Wir wissen, wie schwer ein unruhiges Herz wieder zur Ruhe kommt. Nein, fange frühmorgens dein Tagewerk an mit Beten und Lesen. Gehe hinaus und sammle Manna! „Am Morgen war die Tauschicht rings um das Lager Israels.“ Das war das Brot, das Jehova zur Nahrung gegeben: fein, körnig, und Morgen für Morgen musste es gesammelt werden. Das war die erste Tagesarbeit der Kinder Israel. Dann erfahren wir täglich, dass wir mit Kraft ausgerüstet ins Leben treten, und erfahren, dass ein stilles Herz nicht in Unruhe kommt. 
Ein Christ, der zu Jesu Füßen sitzt, ist befreit. 
Das ist das Eine, was so vielen fehlt, das Eine, was not ist. Ach, dass wir doch alle das nie versäumten: früh die Gemeinschaft des Herrn zu suchen, um gewappnet und gestärkt in die Kämpfe des Tages hinauszutreten! Dann sind wir überwinden und Christi Frieden gibt uns das Geleit. 
Versuche es, lieber Mitpilger, du wirst reichen Nutzen davontragen. 
Martha meinte, sie diene. Der Herr aber sagt: „Du bist besorgt und beunruhigt“. Der Herr sieht so vieles ganz anders an als wir. Wir aber sollen lernen, alles so zu betrachten, wie Jesus es tut. Das lernt man gerade zu Seinen Füßen durch das Hören Seiner Worte. 
Wenn unser Leben ein Leben des Sorgens ist, so ist es auch ein Leben voller Unruhe.
Setzen wir uns zu unserem Herrn und lassen wir Ihn sorgen. Tun wir das „Eine, was not ist“, und alles ist getan. Dann ist alles gut besorgt, und „die vielen Dinge“ beunruhigen unsere Herzen nicht mehr.
Und niemand scheuche eine solche in Gott ruhende Seele von ihrem kostbaren Platze fort in Sorge und Unruhe hinein, wie Martha dies in ihrem Unverstand mit Maria tun wollte! 
Eifern vielmehr auch wir dem guten Teile nach, das Maria erwählt hatte! Wer das aufrichtig will, wird anfangen zu beten, und das ist der erste Schritt hin zu den Füßen Jesus

Fußnote:
*) Aus „Glaube nur! von G. Ruff; (S. die Empfehlung aus dem Umschlag des „Botschafter“.)

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Fragen aus dem Leserkreis

Bibelstelle: 3. Mose 4,31

Botschafter des Heils in Christo 1921, S. 308

Sünd- und Schuldopfer waren, wie das Wort uns sagt keine Opfer  „zum lieblichen Geruch“; warum heißt es nun aber in 3. Mose 4, 31, bei der Verordnung über das Sündopfer: „ und der Priester soll es räuchern zum  lieblichen Geruch dem Jehova“? 
Zunächst sei bemerkt, dass Sünd- und Schuldopfer, obwohl sie nicht zu den Opfern lieblichen Geruchs gehörten, doch „hochheilig“ waren; ja, diese Heiligkeit wird gerade bei diesen beiden Opferarten ganz besonders betont (Kapitel 6, 18. 20. 22; 7, 1. 6 usw.). Ferner musste auch von diesen Opfern alles Fett samt den Nieren und dem Netz über der Leber auf dem Altar „geräuchert“, nicht einfach „verbrannt“ werden, gerade so wie das Brandopfer und bestimmte Teile vom Speisopfer und Friedensopfer. Das Räuchern des Fettes usw. wies vorbildlich hin auf die vollkommener Weihung Christi für Gott selbst dann, wenn Er betrachtet wird als für uns zur Sünde gemacht und mit unserer Schuld beladen.  Die Annehmlichkeit, ja, Kostbarkeit Christi, der den Wert aller Opfer in seiner Person vereinigte, darf in keinem Opfer fehlen. Wenn deshalb Sünd- und Schuldopfer, als Ganzes betrachtet auch nicht Opfer lieblichen Geruchs genannt werden konnten, fehlt dieser Wohlgeruch doch bei keinem derselben. In der genannten Stelle wird auch nur von dem Fett gesagt, dass der Priester es zum lieblichen Geruch dem Jehova räuchern solle. Warum gerade hier und nur hier, ist wohl schwer zu beantworten. Steht es in Verbindung mit der Tatsache, dass das Opfer eines „Mannes aus dem Volke“ beschrieben wird?

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Halte fest das Bild gesunder Worte

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 309ff

Der Brief des Jakobus richtet sich in eindringlicher Sprache an das Gewissen des Gläubigen und dringt immer wieder auf die Offenbarung göttlichen Lebens im täglichen Wandel. Gott weiß, wo Glaube im Herzen wohnt, aber Er will, dass er auch gesehen werde, dass er in Taten zum Ausdruck komme. So ist es gut zu verstehen, wenn Jakobus schreibt: „Ihr sehet also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird, nicht aus Glauben allein“. Lehrt der Brief an die Römer die Rechtfertigung aus Glauben ohne Gesetzeswerke, die Rechtfertigung vor Gott, so besteht der Jakobusbrief auf der Rechtfertigung durch Glauben und Werke, mit anderen Worten, auf der Betätigung des Glaubens vor Menschen.
Nun ist ja bekanntlich ein großer Unterschied zwischen Glaubenswerken und guten Werken. Während der Christ zur Ausübung der letzteren stets ermahnt wird, ergeht nicht allgemein die Aufforderung an ihn, Werke des Glaubens zu tun; denn diese sind nicht immer, vielleicht niemals, gute Werke im landläufigen Sinne. War z. B. die Opferung Isaaks oder das Verbergen der Kundschafter in Jericho nach dem Urteil der Menschen ein gutes Werk? Eher alles andere als das! In dem einen Falle sieht das natürliche Auge einen blinden, finstern Fanatiker, der im Begriff steht, Hand an sein eigen Fleisch und Blut zu legen, in dem anderen ein gewissenloses, verworfenes Weib, welches Hochverrat begeht.
Ließe Gott uns nicht Blicke in das Herz dieser beiden Menschen tun, oder legte Er uns nicht die Beweggründe, welche sie bei ihrem Tun leiteten, klar, so würden auch wir kaum von Werken des Glaubens reden. Jakobus sagt: „Glückselig der Mann, der die Versuchung erduldet!“ Ja, es ist eine Ehre, ein Vorrecht, wenn Gott den Glaubenden versucht (prüft), und besteht er die Probe, so wird der Name Gottes verherrlicht. Anders aber ist es, wenn von außen oder von innen, aus dem eigenen Herzen heraus, eine Versuchung zum Bösen an uns herantritt. Möge dann nur niemand sagen: „Ich werde von Gott versucht“! Es wäre eine Lästerung. „Denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, und selbst versucht Er niemand.“ 
Der Brief des Jakobus ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein ausgezeichnetes Mittel, um das Fleisch in Zucht zu halten, der Gurt der Wahrheit für unsere Lenden. Die erhabene Stellung, in welche wir gebracht sind, könnte uns leicht verleiten — nicht um ihrer selbst willen, sondern infolge unserer unglaublichen Verkehrtheit — uns zu überheben und unsere christliche Freiheit zu einem Deckmantel der Bosheit zu machen. Es ist schrecklich, dass es so ist, aber solch böse Geschöpfe sind wir von Natur. Diesem Übel nun begegnet Gott in dem Briefe des Jakobus, indem dieser immer wieder betont, dass der Glaube seine Kraft in dem Leben beweisen muss. Er muss sich in seinen Früchten zeigen, das ist das stets wiederkehrende, prüfende Wort. Darum redet er, wie bereits gesagt, auch nur von Werken des Glaubens. Abraham gab in bedingungslosem Gehorsam alles auf, selbst die Verheißungen nach dem Fleische, indem er auf die Treue und Macht Gottes rechnete, und Rahab machte sich eins mit dem Volke Gottes, als dieses noch nicht einen Sieg über seine mächtigen Feinde in Kanaan errungen hatte. Da war praktische Wirklichkeit, nicht bloße Theorie. Beide waren Täter, nicht allein Hörer. 
Petrus richtet seine beiden Briefe an die Gläubigen aus den Juden, welche in den Provinzen Kleinasiens in der Zerstreuung« wohnten. Tief war einst am See von Tiberias das Wort des Herrn Jesus in sein Herz gedrungen. Mit heiligem Ernst, mit selbstloser Liebe und hingebender Treue wachte er über die Herde Gottes. Unermüdlich weidete und hütete er die Schäflein des guten Hirten. Immer wieder sucht er in seinen Briefen den Blick des wegmüden Pilgers auf Jesum hinzurichten, der auch durch Leiden zur Herrlichkeit einging, der uns ein Beispiel hinterlassen hat, auf dass wir Seinen Fußstapfen nachfolgen sollen. 
Auch dieser große Apostel will immer wieder von den Wahrheiten reden, welche die Gläubigen bereits kannten, ähnlich wie Paulus sagt: „Euch dasselbe zu schreiben ist mir nicht verdrießlich, für euch aber ist es sicher“, oder wie Johannes spricht: „Nicht ein — neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes Gebot, welches ihr von Anfang hattet“. So will auch Petrus Sorge tragen, die GIäubigen immer wieder an diese Dinge zu erinnern, wiewohl sie sie wussten und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt waren (2.Petr. 1, 12). Wollen wir nicht von diesen großen Männern lernen? 
Von den klugen Athenern wird in Apstgsch. 17, 4 gesagt, dass sie ihre Zeit mit nichts anderem zubrachten, als etwas Neues zu sagen oder zu hören. So kann es auch sein, dass ein Bruder in der Versammlung aufsteht und in schlichten, ungekünstelten Worten das Wort auslegt. Er bringt nichts Neues, nichts Interessantes, nur das altgewohnte, hausbackene Brot. Und siehe da, gelangweilte Mienen, gleichgültige Gesichter rund umher. Mancher fängt sogar an einzunicken. Woher kommt das? Möglicherweise liegt ein Teil der Schuld bei dem Redenden, aber oft, sehr oft sind die Herzen der Hörer so voll von irdischen Dingen, das Ohr ist so träge zum Hören, dass nur noch etwas, das auf die äußeren Sinne Eindruck macht, vielleicht ein schöner, formvollendeter Vortrag, vorübergehend das Interesse zu erwecken vermag. Gott schenke uns allen, auf der Hut zu sein! Satan schlummert nicht. Der Geist dieser Zeit und Welt begehrt Einlass in unsere Herzen und Häuser. Möchten wir diesem allem „standhaft im Glauben widerstehen“! 
Petrus redet vornehmlich von den Regierungswegen Gottes, indem er die Gegenwart mit den früheren Wegen Gottes verbindet. Im ersten Briefe ist es Gottes Regierung zu Gunsten der Gläubigen, im zweiten finden wir Seine Regierungswege .hinsichtlich der offenbar Gottlosen. Infolge dessen geht Petrus bis zur Verzehrung alles Bestehenden durch das Feuer des Gerichts und zu der Schaffung neuer Himmel und einer neuen Erde, „in welchen Gerechtigkeit wohnt“. Der Gläubige ist für Petrus ein Fremdling und Pilgrim hienieden, aber ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil wird für ihn aufbewahrt in den Himmeln. Selbstverständlich findet sich in beiden Briefen die Lehre von der Erlösung klar entwickelt. Indes sind wir nicht mit Christo auferweckt. Christus ist auferweckt, und wir haben durch Seine Auferstehung eine lebendige Hoffnung. Die Entfaltung der Regierung Gottes. Zu Gunsten Seines Volkes führt die Verbindung mit dem Alten Testament herbei, jedoch steht alles auf einem neuen Boden. Die Gläubigen bilden ein „heiliges“ Priestertum, „um geistliche SchIachtopfer darzubringen, Gott wohlannehmlich durch Jesum Christum“, und ein „königliches“ Priestertum, um die Tugenden Dessen zu verkündigen, der sie berufen hat aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht. 
Die Briefe des Johannes tragen einen eigenartigen, besonderen Charakter. In dem ersten Briefe werden wir zurückgeführt zu dem, was von Anfang des Christentums war, betreffend das Wort des Lebens; und dieses, das ewige Leben, welches bei dem Vater war, ist in der Person Jesu im Fleische geoffenbart worden. In Ihm, dem« Sohne Gottes, besitzt der Gläubige ewiges Leben und ist nun befähigt, in der Kraft dieses neuen Lebens Gemeinschaft zu haben mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo. Jedoch ist diese Gemeinschaft nur möglich, wenn er im Lichte wandelt, gleichwie Gott in dem Lichte ist; das will sagen, das. Leben, der Wandel des Gläubigen muss in Übereinstimmung stehen mit der Natur, dem Charakter Gottes selbst. Gemeinschaft haben heißt einen gemeinsamen Gegenstand der Betrachtung, der Freude besitzen, gleiche Wege, gleiche Ziele, gleiche Beweggründe usw. haben. Das Denken, Fühlen, Empfinden klingt harmonisch zusammen bei solchen, die Gemeinschaft miteinander haben. Wie wunderbar ist das, wenn wir es auf Gott und die Gläubigen anwenden! Aber wie verstehen wir auch, dass diese Gemeinschaft durch einen einzigen unreinen, sündigen Gedanken, der im Herzen aufsteigt, unterbrochen werden muss! Wie könnte ich mit Gott, der Licht ist, Gemeinschaft haben, bevor jener Gedanke verurteilt und gerichtet ist? 
„Ich schreibe euch dieses, auf dass ihr nicht sündiget“ (1. Joh. 2, 1). Das ist der normale, gesunde Zustand des Christen. Das Wort Gottes setzt niemals voraus, dass der Gläubige sündigen müsse. Im Gegenteil, wer in der Kraft Gottes, in Gehorsam und Unterwürfigkeit treu seinen Weg geht, der bewahrt sich vor dem Bösen und genießt das kostbare Teil der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne. 
„Und wenn jemand gesündigt hat, — wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den
Gerechten.“ Das Sündigen sollte bei uns immer nur eine Ausnahme bilden. „Wenn jemand“ — mit anderen Worten: wenn einmal jemand in der Wachsamkeit nachlassen und von einem Fehltritt übereilt werden sollte, er braucht deshalb, so betrübend und demütigend es ist, nicht zu verzweifeln. Für einen solchen Fall ist Vorsorge getroffen: »wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten“, der  die Blicke des Vaters stets auf das Blut hinrichten kann, das zur Reinigung für unsere Sünden geflossen ist. Dass Er zu gleicher Zeit durch Seinen Geist und durch Sein Wort auf unser Herz und Gewissen wirkt, damit das Böse als solches erkannt und in der Gegenwart Gottes schonungslos von uns gerichtet werde, zeigen uns andere Stellen. Unsere Stellung in Christo vor Gott, unsere ewige Errettung wird hierdurch nicht in Frage gestellt, aber es ist sicherlich für uns alle weit besser, uns vor dem Bösen zu bewahren, als mit beschmutzten Füßen und vor Neue und Scham brennenden Herzen unseren Heiland als Sachwalter zu benötigen. 
„Der 2. Brief des Johannes besteht darauf, dass die Liebe Von der Wahrheit regiert und geleitet werde. Er warnt die GIäubigen vor der Aufnahme solcher Lehrer, welche die Wahrheit, besonders bezüglich der Person Jesu Christi, nicht bringen würden. „Jeder, der weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott nicht“ (V. 9). 
Der 3. Brief ermuntert demgegenüber, solche, welche „die Wahrheit“ verkündigten, aufzunehmen und zu unterstützen. Er enthält einige wichtige Grundsätze für alle Zeiten. Es ist nicht so sehr unsere Aufgabe, die Person jemandes, der das Wort Gottes verkündigt, zu prüfen, als vielmehr die Lehre, das was er bringt. Ist diese gesund, so ist der Bringer willkommen; im anderen Falle muss er abgewiesen werden. Man soll ihn nicht ins Haus aufnehmen, ihm nicht einmal einen Gruß bieten. Gajus und Diotrephes dienen als ermunternde bzw. warnende Beispiele. 
Die Absicht des Apostels Judas war, den Gläubigen über ihr gemeinsames Heil zu schreiben, doch der Geist Gottes gab ihm andere Gedanken in die Feder, und so behandelt er den Abfall der Kirche, *) das Verlassen ihres ursprünglichen Zustandes bis zur offenen Auflehnung gegen Gott. Gewisse Menschen hatten sich schon damals nebeneingeschlichen, welche die Autorität Christi verleugneten und die Gnade in Ausschweifung verkehrten. Das Böse würde unaufhaltsam fortschreiten nach den Beispielen von Kain, Bileam und Korah. Wenn man die betreffenden Stellen liest, kommen einem unwillkürlich die Worte des Herrn in den Sinn: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt“. Nur noch einige wenige Striche, und das ganze furchtbare Gemälde, wie es der Judasbrief von der Christenheit entrollt, wird sich den Blicken der Menschen zeigen. 
Den Treuen der letzten Tage wird zugerufen, sich zu erbauen auf ihren allerheiligsten Glauben, zu beten in der Kraft des Heiligen Geistes und die Barmherzigkeit des Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben zu erwarten. Ja, die Hoffnung und Freude des Gläubigen auf seinem Wege zur ewigen Heimat, das Kommen des Herrn, wird in diesem Briefe als eine Handlung der Barmherzigkeit betrachtet, die den kleinen, schwachen Überrest aus dem überflutenden Verderben herausreißt. 
O Herr, erhalte uns treu und aufrecht, bis du kommst! Lass uns den Pfad der Absonderung in heiliger Furcht wandeln, bis dein Befreiungsruf ertönt! 
Zum Schluss noch einige kurze Gedanken über die Offenbarung: 
Es ist die Offenbarung Jesu Christi, nicht die des Johannes, wie man meist sagt. Mit keinem Buch der Heiligen Schrift hat man sich wohl in den letzten Jahren mehr beschäftigt, als mit diesem, und das mit Recht; denn: „Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung (dieses Buches) und bewahren was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe“! Gott gab die Offenbarung Seinem Sohne, damit Er den Gläubigen, Seinen Knechten, zeige, was bald geschehen muss, um Ihn, den Erstgeborenen, in Seine Rechte als Menschensohn einzusetzen. Dieses Ergebnis wird Gott auf dem Wege gerechter Gerichte herbeiführen. „Denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises“ (Jes. 26, 9). 
So ist denn die Offenbarung in besonderer Weise ein Buch der Gerichte, die über diese Erde im allgemeinen und über Israel und die abtrünnige Christenheit im Besonderen hereinbrechen werden. Indes dürfen wir nicht meinen, dass die Ereignisse genau in der Reihenfolge in Erscheinung treten werden, wie sie in den einzelnen Kapiteln des Buches vorgestellt sind. Der Seher Johannes steht gleichsam aus hoher, ragender Watte, sein Auge schaut hinaus in die Ferne, hin bis zum weiten Horizont, und was er sieht beschreibt er. Dann wendet sich sein Blick nach links und rechts, er schaut nieder zu seinen Füßen und berichtet, was sein Auge nun im einzelnen erblickt — ähnlich wie man zunächst den Gesamteindruck eines Bildes wiedergibt und dann sich zu einer Erklärung der einzelnen Personen oder Gegenstände wendet. Der innere Zusammenhang und die moralische Ordnung aber sind immer wunderbar. 
Der Zeitraum, in welchem die von Kap. 4 - 20, 7 beschriebenen Ereignisse stattfinden, beträgt nach Dan. 9 ungefähr sieben Jahre. Wir haben alle in den letzten sieben Jahren viel Trauriges, ja, manch Entsetzliches, Grauenhaftes durchlebt, und noch weiß der scharfsinnigste Mensch nicht, wie die nächste Zeit sich gestalten wird, niemand vermag den Schleier der Zukunft zu lüften. Aber im Vergleich mit dem, was jene sieben Jahre in sich bergen, war das von uns Erlebte nur ein schwaches Vorspiel. Die Gnade Gottes, die heute noch währt, hat dann ein Ende. Die Zornesschalen werden vom Himmel auf die Erde und ihre Bewohner ausgegossen. Kein Damm stellt sich dem Bösen mehr entgegen. Satan wird mit seinen Engeln aus dem Himmel auf die Erde herabgeworfen, und da er weiß, dass seinem Wirken ein baldiges Ende bereitet werden wird, lässt er seine Wut schrecklicher als je an den Menschen aus. Kein Erbarmen, kein Entrinnen wird es mehr für sie geben. Sie werden den Tod als Befreiung von ihren Qualen suchen und nicht finden. Er wird vor ihnen fliehen.
Glückselig darum jede Seele, die sich geborgen weiß in den Armen der ewigen Liebe, die dann, wenn die Donner des Zornes Gottes über diese Erde hinrollen, droben im Vaterhause mit jubelnden" Lippen das Lamm preist und unter dem lieblichen Klang der goldenen Harfen Dem Anbetung darbringt, der ihrer allein würdig ist!

Fußnote:
*) Petrus redet in seinem 2. Briefe von dem Verderben, dem Verfall, der Christenheit, Judas geht noch
einen bedeutsamen Schritt weiter.

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Diothrephes

Bibelstelle: 3. Johannes 9. 10

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 319ff

Wunderbare Zeit war es in der Geschichte der Versammlung Jesu Christi, als der Heilige Geist bezeugen konnte: „Die Menge derer aber, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele“, und: „es war ihnen alles gemein“ (Apstgsch. 4, 32). Das war nicht ein Werk, hervorgebracht in der Kraft der menschlichen Natur, nein, es war ein Werk Gottes, die Frucht der Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der, zu Pfingsten herabgesandt, Wohnung in den Gläubigen genommen hatte und sie nun anleitete, das zu tun, was dem Herrn in jenem Augenblick gefiel. Die Geschichte berichtet, dass selbst die Welt von den ersten Christen bezeugte: „Sehet, wie lieb sie sich haben!“
Wo unter den Kindern Gottes Liebe sich betätigt, da ist es eine Erquickung zu weilen. Da erfüllt sich das Wort: „Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! . . . Denn dort hat Jehova den Segen verordnet, Leben bis in Ewigkeit“ (PsaIm 133).
Wir wissen leider, wie bald es dem Feinde gelang, die liebliche Eintracht zu stören. Die Natur, das Fleisch, trat in Tätigkeit zum unberechenbaren Schaden der Gläubigen und ihres Zeugnisses. Deshalb bringen die Briefe der Apostel so manche Belehrungen über unser Verhalten untereinander und gegeneinander. Dem Herrn sei Dank für diese treuen Unterweisungen! Er hat sich angesichts all der bösen Früchte des Fleisches herabgelassen, in Gnade und. Langmut sich mit uns zu  beschäftigen, um uns mehr dem Bilde gleich zu gestalten, das uns in Seinem Worte von Ihm vor Auge und Herz gestellt wird. Mit Beschämung müssen wir freilich bekennen, dass Seine Bemühungen gar oft nicht von dem gewünschten Erfolg gekrönt sind. Und forschen wir nach der Ursache, so liegt sie wohl hauptsächlich darin, dass das arme, natürliche Ich mit seinen Wünschen und Neigungen nicht da gehalten wird, wohin es gehört —- im Tode. 
Wie das Fleisch sich offenbaren und wirken kann, indem der Mensch etwas sein und gelten will, zeigt uns so recht das Bild des Diotrephes in 3. Joh. 9. 10. Die Mitteilungen, die wir über diesen Mann in dem Schreiben des Apostels Johannes an Gajus finden, sind nur kurz, aber trefflich geeignet, um belehrend, mahnend und abschreckend auf einen jeden zu wirken, der in der Mitte der Geliebten des Herrn einen Dienst ausüben möchte. 
Der Apostel hatte einen Brief an die Versammlung geschrieben, in deren Mitte beide Männer, Diotrephesund Gajus, sich befanden. über den Inhalt desselben wird uns nichts Näheres berichtet. Wir wissen nicht, ob er wichtige Grundsätze der „Wahrheit“ behandelte, von der Johannes so viel redet, oder ob er Belehrungen und Ermahnungen für die Gläubigen enthielt; jedenfalls aber sollte er den Empfängern zum Segen dienen. Das war aber offenbar nicht nach dem Sinne des Diotrephes. Denn im unmittelbaren Anschluss an seine Mitteilung: „Ich schrieb etwas an die Versammlung“, sagt Johannes: „aber Diiotrephes, der gern unter ihnen der erste sein will, nimmt uns nicht an“. 
Wie traurig ist es, wenn ein Gläubiger so von sich eingenommen ist, dass er sich über andere erhaben dünkt, den ersten Platz in ihrer Mitte beansprucht und über sie zu herrschen sucht! Solche Gesinnung offenbart, wo das Herz sich befindet. Wenn ein Mensch im Lichte Gottes wandelt und Gemeinschaft pflegt mit dem sanftmütigen und von Herzen demütigen Herrn, der nicht kam, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen, so lernt er, den niedrigsten Platz einzunehmen. Das Wort dieses Herrn, der hinsichtlich der in der Welt herrschenden Gesinnung den Seinigen zuruft: „Also ist es nicht unter euch; sondern wer irgend unter euch groß werden will, soll euer Diener sein, und wer irgend von
euch der erste sein will, soll aller Knecht sein“ (vergl. Mark. 10, 42 — 45), hätte den Diotrephes unfehlbar vor Hochmut und Herrschsucht bewahrt. Das Vorbild Christi, die Mahnungen des Heiligen Geistes Und die Belehrungen des Wortes Gottes würden ihn angespornt haben, dem Apostel Paulus ähnlicher zu werden, der, obwohl er von den Korinthern so manches über sich ergehen lassen musste, dennoch ihnen schreiben konnte: „Ich will aber sehr gern alles verwenden und völlig verwendet werden für eure Seelen, wenn ich auch, je überschwänglicher ich euch liebe, umso weniger geliebt werde“ (2. Kor. 12, 15). 
So redet ein wahrer Diener des Herrn. Ein solches Verhalten offenbart einen Wandel im Licht und in Gemeinschaft mit dem Herrn. Aber leider ist dieses Verhalten, einer kostbaren Perle gleich, gar selten unter dem Volke Gottes zu finden. Und doch, sollten wir, die wir unseren Herrn zu lieben bekennen, nicht selbstlos und selbstverleugnend, als Seine Knechte und Mägde, gern den uns geziemenden Platz einnehmen und Sein Wohlgefallen auf uns herabzuziehen trachten? 
Das Verhalten des Diotrephes stellte auch ans Licht, dass er sich selbst nicht kannte. Wer sich selbst wirklich kennen gelernt hat, wird niemals der erste sein wollen. Im Gegenteil, er wird Furcht vor sich haben, erkennend, wie verabscheuungswürdig alles ist, was von der alten Natur sich in ihm zeigt; er wird andere höher achten als sich selbst und gern den letzten Platz einnehmen. 
Drittens hat Diotrephes nicht daran gedacht, was die Gläubigen für das Herz des Herrn Jesus sind, wie selbst der Allerschwächste und Geringste von ihnen für Ihn unaussprechlich teuer und wertvoll ist. Wieder können wir auch in diesem Punkte von Paulus lernen. Schon auf dem Wege nach Damaskus, wo der Herr ihm begegnete und ihm zurief: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ und er auf seine angsterfüllte Frage: „Wer bist du, Herr?“ die Antwort erhielt: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apstgsch. 9, 5), ja, schon da durfte Paulus etwas von dem erkennen, was die Gläubigen nach den Gedanken Gottes sind, als eins mit Jesu. Später wurde ihm geoffenbart, dass sie „Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen sind“ (Eph. 5, 29. 30). Deshalb sehnte er sich auch nach ihnen mit dem Herzen Jesu Christi (Phil. 1, 8), und wollte gern als ein Trankopfer über das Opfer und den Dienst ihres Glaubens gesprengt werden (Phil. 2, 17), um so ihr Opfer umso wohlannehmlicher vor Gott zu machen. Deshalb erduldete er auch alles „um der Auserwählten willen, auf dass auch sie die Seligkeit erlangen möchten, die in Christo Jesu ist, mit ewiger Herrlichkeit“ (2.Tim. 2, 10). 
Wenn jemand ein wenig die Gedanken des Herrn bezüglich der Seinigen erfasst hat, kann er es nur als ein Vorrecht, als eine Gunst betrachten, Ihm in den Seinigen dienen zu dürfen· Anstatt der erste sein zu wollen, die Gläubigen einseitig zu beeinflussen oder gar über sie zu herrschen, ihnen seine eignen Gedanken und Urteile aufzwingend, dient er ihnen in Liebe und Abhängigkeit, nicht als herrschend über die Herde Gottes, sondern indem er sich ihnen als Vorbild in der Nachfolge des Herrn in Demut und Treue empfiehlt. 
Dem Diotrephes mangelte es also an drei Dingen: an dem Herzensumgang mit dem sanftmütigen und demütigen Herrn, an Selbsterkenntnis und an dem Verständnis über den Wert der Geliebten des Herrn. Er mochte manches wissen, ein gewandter, beredter Mann sein, aber die erwähnten kostbaren und ernsten Dinge waren seinem Herzen fremd. 
Angesichts des ganzen Ernstes dieser Sache möchten wir noch einmal betonen: Wie verabscheuungswürdig ist es, wenn da, wo die Gnade sich so wunderbar wirksam erweist, der alten Natur, dem Fleische, erlaubt wird, sich zu entfalten! Bedauernswerter Diotrephes! Du bist eitler Ehre geizig! Du entsprichst nicht dem Herzen deines Herrn, der sich selbst zu nichts machte, Knechtsgestalt annahm, sich selbst erniedrigte, indem Er gehorsam ward bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuze. (Phil. 2, 5 - 8.) Deshalb können auch die Gläubigen von dir keinen Segen haben. Du kannst auch nichts aufweisen, was der Herr bestätigen oder anerkennen könnte. Denn mit einem hochmütigen Manne kann der Herr nicht gehen. Er hasst ihn (Spr. 8, 13). Er muss ihm „widerstehen“ (Jak. 4, 6), um ihn zur Besinnung zu bringen. Ja, es steht geschrieben: „Wer irgend sich selbst erhöhen wird, wird erniedrigt werden“. Ist es darum nicht erschreckend, wenn ein Gläubiger seine eigene Ehre sucht und nach einem hervorragenden Platz trachtet? Den Demütigen gibt Gott Gnade, und: „Wer irgend sich selbst erniedrigen wird, wird erhöht werden“ (Matth. 23, 12). 
Ein hochmütiger Mann, mag er auch noch so begabt sein, kann den Gläubigen keinen Segen bringen.
Die Einbildung, etwas zu sein, macht ihn unnahbar und stößt andere ab. Sein Dienst gereicht nicht zur Auferbauung und Förderung, geht nicht von Herz zu Herz, denn er wird nicht hervorgebracht durch den Heiligen Geist, sondern durch die Tätigkeit des eigenen Ichs. Sehr schwer ist es auch, einem solchen Manne beizukommen und zu dienen. Von sich selbst eingenommen und blind für das Licht des Wortes Gottes, fühlt er sich erhaben über jede Belehrung und Ermahnung. 
Sogar den Dienst eines vom Herrn berufenen Apostels erkannte Diotrephes nicht an. Welch eine Anmaßung und Verblendung! Während andere herzlich dankbar waren für jeden Dienst, der, aus der Liebe zum Herrn und Seinen Heiligen hervorgehend, ihnen gebracht wurde, wies dieser verblendete Mann die Diener Gottes, ob Apostel, Lehrer oder Evangelisten, ab. Welch ein Zustand! Noch nicht zufrieden damit, suchte er auch durch böse, verleumderische Reden die Diener des Herrn anzuschwärzen und das Vertrauen zu ihnen zu untergraben, um so ihren Dienst unmöglich zu machen.
Das tat freilich der Machtvollkommenheit des Apostels keinen Abbruch. Er will bei seinem Besuch mit Autorität bezüglich des Diotrephes handeln und „seiner Werke gedenken“. 
In jenen Tagen gab es neben den Aposteln manche, die von dem Herrn der Ernte für Sein Werk ausgerüstet waren, und die nun, getrieben durch die Liebe Christi, um des „Namens“ willen (V. 7) ausgingen, um sich in Seinem Dienste zu verwenden. Aber seitens eines Diotrephes wird ihnen keine Liebe, kein Entgegenkommen erwiesen. Diotrephes denkt nicht daran, dass (Gastfreundschaft wohlgefällig ist vor Gott, und dass durch dieselbe etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt haben· (Hebr. 13, 2.) Er bedarf auch des Dienstes jener Männer nicht. Wo er ist, da ist es doch nicht notwendig, dass noch andere kommen! Will jemand etwas wissen, so kann er sich ja bei ihm erkundigen! O welch eines Segens wird eine Versammlung durch das Auftreten eines solchen Mannes beraubt! Sie geht der Ermunterung und Erquickung, die der Herr durch andere Kanäle Seinen Geliebten zufließen lassen möchte, verlustig. Die Ausübung der Gaben, die Er zur Auferbauung Seines Leibes gegeben hat, wird verhindert. 
Es gab einige in der Versammlung, die ein solches Verhalten nicht billigten, eingedenk des Wortes des Herrn: „Wer euch hört, hört mich, und wer euch verwirft, verwirft mich; wer aber mich verwirft, verwirft Den, der mich gesandt hat“ (Luk. 10, 16). Sie wünschten die Knechte des Herrn in Liebe auszunehmen und zu beherbergen; aber auch das ließ Diotrephes nicht zu. Er übte eine solch rücksichtslose Herrschaft aus, dass er jeden, der es wagte, die reisenden Brüder zu beherbergen, aus der Versammlung stieß. 
Welch ein dunkles, tief betrübendes Bild entrollen diese zwei Verse vor unseren Augen! Jener stolze, eigenwillige Mann hemmte jede geistliche Wirksamkeit und schloss treue, hingebende Glieder rücksichtslos von ihren Vorrechten aus. Einem solchen Verhalten gegenüber galt es, entschieden Stellung zu nehmen. 
Bezeichnend ist hierbei, dass über die Versammlung selbst nichts gesagt wird. War sie in einem schwachen, niedrigen Zustand? Jedenfalls gab es einzelne Glieder, die unter dem vorhandenen übel seufzten und litten, aber sie waren wohl nicht stark genug, um ihm in der rechten Weise begegnen zu können. Dass bei den allgemeinen Zusammenkünften infolge der Gegenwart und Wirksamkeit des Diotrephes der eigentliche Charakter einer Versammlung nicht zum Ausdruck kam, ist anzunehmen. Sein Tun musste fraglos der Darstellung der Versammlung als solcher Abbruch tun, denn es war genau das Gegenteil von dem, was die Zusammenkünfte einer örtlichen Versammlung offenbaren sollen. Wir denken hier vor allem an eine Tatsache, die uns nie verdunkelt werden, geschweige denn ganz verloren gehen sollte, nämlich dass es die Person unseres geliebten Herrn ist, um die wir uns scharen (Matth. 18, 20). Nicht um einen Menschen oder zu einem Menschen hin versammeln wir uns, nein, dieses Recht oder dieser Platz gebührt dem Herrn allein, und niemals wird Er ihn einem Seiner Diener, und wenn es der beste und treueste wäre, überlassen. Auch darf nur der Heilige Geist unser Leiter sein, damit Er sich bediene, wessen Er will, und wirke, wie Er will, den Bedürfnissen und dem Zustand der Versammlung entsprechend. 
Viel Wachsamkeit und Zartgefühl ist nötig, wollen wir anders die Gegenwart des Herrn in der Mitte der um Ihn Versammelten genießen; und es bedarf wahrer Abhängigkeit und Stille des Herzens, um der Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht hinderlich im Wege zu stehen oder Ihm gar vorzugreifen. 
Voraussehend was da kommen würde, hat der Herr in diesem kurzen Briefe des Diotrephes gedenken lassen, einerseits um uns zu zeigen was es für Ihn ist, wenn jemand in solcher Gesinnung vorangeht, andererseits um uns ein warnendes Beispiel zu geben, wenn irgendwie selbstgefällige und hochmütige Regungen in uns aufsteigen wollen. Fürchten wir uns denn vor aller Überhebung und Anmaßung, und möchte niemand von uns höher von sich denken, als zu denken sich gebührt! Lasst uns besonnen sein, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat, und nicht sinnen auf hohe Dinge, sondern uns halten zu den niedrigen!
„Geliebter, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute“, wird dem Gajus zugerufen. Das ist sehr beherzigenswert auch für uns in diesen Tagen des Endes. Um aber vor dem Bösen bewahrt zu bleiben, ist es notwendig, „in Ihm zu bleiben“ (1.Joh. 2,28). In Ihm „bleibend“, sind wir sicher vor den listigen Anläufen des Feindes und können mit glücklichem Herzen, ein Segen für andere, voraneilen Ihm entgegen.

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Das Spekulieren

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, Seite 328ff

Spekulieren heißt eigentlich: umherspähen, beobachten, forschen, und war früher fast ausschließlich ein Vorrecht der Gelehrten. Wenn beispielsweise Isaak Newton, auf Grund seiner Beobachtungen von Naturvorgängen das »Gesetz über die Anziehungskraft der Erde“ aufstellt, oder Julius Robert von Mayer seine Forschungsergebnisse in der Lehre von der „Erhaltung der Energie“  zusammenfasst, oder wenn ein Immanuel Kant eine Betrachtung anstellt über das „Erhabene und Schöne“, so ist das. Spekulation im eigentlichen Sinne des Wortes. Spekulieren bedeutet also, das Ergebnis von Forschungen, von Beobachtungen oder gedanklichen Überlegungen zusammenfassen und festlegen.
Daneben wurde allerdings das Spekulieren früher schon mit gewissen Handels- und Finanzunternehmungen in Verbindung gebracht, so bei der wirtschaftlichen Erschließung von Kolonialgebieten oder bei der Kapitalbeschaffung zur Ausbeutung von Goldminen, Diamantenfeldern und dergl. Es waren dies Unternehmungen, die bei großer Gewinnmöglichkeit die Gefahr großer Verluste in sich schlossen, also durch das Merkmal besonders großer Unsicherheit gekennzeichnet waren.
In diesen Zusammenhang gehört auch die sogenannte Boden- und Häuserspekulation, die besonders in Großstädten und Industrie-Mittelpunkten, unter Ausnutzung der jeweiligen Geschäftslage, auf Kosten der Allgemeinheit große Gewinne für sich zu erzielen suchte — eine Spekulation, die von dem Bund der Bodenreformer berechtigterweise scharf bekämpft wird. Doch waren an diesen Spekulationen immer nur verhältnismäßig wenige beteiligt.
Seit dem Kriege aber und besonders in der Nachkriegszeit ist die Spekulation zu einem geflügelten Wort  geworden, das den Zeitcharakter treffend widerspiegelt. Die Spekulation in dem nichtguten Sinne des Wortes beschränkt sich nicht mehr auf einen kleinen Kreis, sondern hat Eingang gefunden in die breite Masse des Volkes. Im Vordergrunde steht die sogenannte Börsenspekulation in Wertpapieren, Auslandswechseln usw. Habsucht treibt die einen, eine gewisse äußere Not die anderen zu einem Vorgehen, das ihnen früher unbekannt war, oder dem sie doch ablehnend gegenüber standen. Hier ist es ein Rentner, der von seinen Ersparnissen lebt, die nicht mehr genügen wollen, dort ein junger Mann, dem sein Einkommen zur Gründung eines eigenen Hausstandes nicht reicht und der nun glaubt, in der Börsenspekulation die Möglichkeit zu einem Nebenverdienst zu sehen. Die Börsenspekulation ist heute nicht mehr ein vereinzelter Vorgang, ist nicht mehr ein Begriff, der nur wenigen Eingeweihten geläufig ist, nein, sie ist ein, allerdings trauriges, Gemeingut des Volkes geworden. Das beweist ein Blick in die Tagespresse, in die Banken- und Börsenberichte. Die Börsenkurse sind heute das Tagesgespräch in den Eisenbahnzügen, auf den Straßenbahnen, in den Wartezimmern, an den Mittagstischen, mehr als früher das Wetter. Es ist wie ein Taumel, der die Menschen, alt und jung, erfasst hat, der Männer und sogar Frauen betört, weil sie hier eine Möglichkeit sehen, auf eine mühelose Weise viel Geld zu verdienen. Da sich leider auch solche, die bekennen, Christo anzugehören, an diesem betrübenden Treiben beteiligen, so ist es an der Zeit, ein offenes Wort über die Spekulation an die zu richten, welche es angeht. 
Man muss zugeben, dass das ganze Leben, vor allem das Wirtschaftsleben, heute den Stempel großer Unsicherheit trägt. Jedes Geschäft, um dieses Gebiet herauszugreifen, ist an sich schon durch die Zeitumstände in gewissem Sinne spekulativ geworden. Das starke Ausschlagen der Preise nach oben und unten, das ständige Anziehen der Löhne und der rasche Wechsel von Angebot und Nachfrage auf dem Warenmarkt machen es außerordentlich schwer, eine einigermaßen annehmbare Berechnungsgrundlage zu finden. Führt ein Kaufmann Waren ins Ausland aus, oder ist er auf den Bezug ausländischer Rohstoffe angewiesen, so wird er gezwungen sein, Zeit- oder Kassengeschäfte in fremden Geldwährungen abzuschließen, und er tut gut daran, wenn er nicht den Bestand seines Geschäfts aufs Spiel setzen will. Dies ist ein Fall, wo ein Christ, in der Erfüllung seiner berufsmäßigen Pflichten, gehalten ist, Devisengeschäfte abzuschließen, und zwar gerade um dadurch eine sogenannte Devisenspekulation auszuschalten. 
Hat ferner jemand eigenes oder fremdes Vermögen zu verwalten, so mag er als Verwalter mit Verantwortungsgefühl heute wohl vor die Frage kommen: Soll ich die Staatspapiere oder die Kriegsanleihe oder die Pfandbriefe behalten, oder soll ich in Anbetracht der Entwertung der Mark, wodurch diese Papiere ebenfalls entwertet werden, nicht lieber das Vermögen in Industriepapieren anlegen? (Es erscheint nötig, die Dinge mit dem richtigen Namen zu nennen). Wenn jemand aus dieser Überlegung heraus ein Papier an der Börse kaufen lässt, das ihm als zuverlässig empfohlen ist, so tut er unter Umständen gut daran, auch als Christ. Und wenn er nach einiger Zeit das Papier wieder zum Verkauf aufgibt, weil es im Kurse zu hoch gestiegen ist, oder weil es ihm nicht mehr sicher erscheint, so ist dagegen vom christlichen Standpunkt aus nichts einzuwenden. Ganz anders aber liegen die Dinge, wenn Papiere gekauft werden, oft noch mit fremdem Gelde, lediglich· mit Rückficht auf etwaige Kursaussichten und in der Absicht, sie nach Erlangung eines gewissen Kursstandes wieder abzustoßen, um dann denselben Versuch vielleicht mit einem anderen Papier zu machen und so fort. . Derartige Geschäfte sind Spekulationsgeschäfte im üblen Sinne des Wortes. Sie gleichen äußerlich den vorher erwähnten, sind aber grundsätzlich von ihnen ganz verschieden, sowohl in den Beweggründen, als auch in den Folgen. Wenn nicht der Gedanke der Verwaltung oder der Kapitalanlage Ausgangspunkt des Handelns ist, sondern das Begehren, durch Ausnutzung der Börsenkonjunktur einen möglichst hohen Kursgewinn zu erzielen, so ist das Geschäft unsolide, und über den Bestand eines derartig erworbenen Vermögens schreibt Salomo in Spr. 13, 11: „Vermögen, das auf nichtige Weise erworben ist, vermindert sich“, und in Jer. 17, 11 lesen wir: „Ein Rebhuhn, das Eier brütet, die es nicht gelegt hat, so ist wer Reichtum erwirbt, und nicht mit Recht: in der Hälfte seiner Tage wird er ihn verlassen, und an seinem Ende wird er ein Tor sein«“ Das Leben bestätigt die Wahrheit dieser Worte täglich. 
Wer als Christ darüber noch einen Zweifel haben sollte, ob es recht sei, in der beschriebenen Weise zu spekulieren, der frage sich doch nur, ob er zu derartigen Geschäften den Segen Gottes erbitten kann. Der Gedanke schon ist abstoßend, während wir ganz gewiss Gott bitten dürfen, uns in unserer Berufsarbeit, in unseren Geschäften zu segnen und uns Weisheit und Einsicht zu geben zu richtigem Handeln, damit wir auch in unserem Beruf als treue Verwalter erfunden werden, besonders heute wo die Verhältnisse so unübersichtlich sind. 
Die Entschuldigung — und man hört sie oft gerade von solchen, die am wenigsten Ursache dazu haben —- dass man deshalb Börsengeschäfte betreibe, weil das Geschäft daniederliege, hält vor dem Worte Gottes nicht stand; denn dieses Wort warnt uns einerseits davor, „auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen“ (1. Tim. 6, 17), und ermahnt uns andererseits, „uns mit dem zu begnügen, was vorhanden ist“. (Hebr.13, 5). Immer wieder weist der Geist Gottes warnend auf die Geldliebe hin als die Wurzel alles Bösen, „welcher nachtrachtend etliche von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben“. Der Mensch Gottes soll diese Dinge fliehen (1. Tim. 6, 10, 11). Die Verwirrung der Begriffe ist aber gerade in diesem Stück heutzutage besonders groß, und jeder Christ, den diese Ausführungen angehen, möge sich prüfen und sich vom Herrn selbst die Antwort geben lassen. 
Das eine ist gewiss: Sofern nicht geschäftliche Notwendigkeiten vorliegen, ist das systematische Ausüben von Spekulationsgeschäften seitens eines Christen eine Verleugnung seiner Berufung und führt zur bewussten Ertötung des göttlichen Lebens. Die Tage, in denen wir leben, sind besonders böse. Eigenliebe und Geldliebe geben ihnen ein hässliches Gepräge. Das Begehren der Menschen ist in besonderer Weise auf das Materielle, das Sichtbare eingestellt. Wir Christen sind in großer Gefahr, von dieser Zeitströmung mitgerissen zu werden. Nur eine bewusste, tägliche Hingabe an den Herrn kann uns bewahren. Wenn aber die Sucht nach Reichtum und Wohlleben sich unter uns ausbreitet, wo bleibt dann noch Raum für wirkliches Gottvertrauen, wo noch Kraft zu freudigem Zeugnis? An uns liegt es, an jedem persönlich, der sich zu Christo bekennt, im Glaubensgehorsam Gott zu dienen und, wenn’s not tut, auf irdische Vorteile zu verzichten. Und es tut heute not.
Lasst uns denn einzeln und gemeinsam den Herrn bitten um geistliche Kraft zur Reinigung von allem, was Seinem Wort und Willen entgegen ist! Damit es von uns doch nicht heißen möge, wie einst von dem Volke Israel in Hesekiel 33, 31: . . . „sie hören deine Worte, aber sie tun sie nicht; sondern sie tun, was ihrem Munde angenehm ist, ihr Herz geht ihrem Gewinne nach“! Davor möge der Herr uns in Gnaden bewahren!