Botschafter des Heils in Christo 1857

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhaltsverzeichnis: Botschafter des Heils in Christo 1857 Seite
Das Mitleiden Jesu 1
Die Liebe des Vaters 14
Grundzüge der Geschichte Davids 18
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 1/9 21
Gedanken über Psalm 1 und 2 40
Eins aber thue ich 41
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 2/9 47
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 3/9 61
Trost in der Wüste 73
Gedanken über Psalm 94 78
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 4/9 81
Mose in Ägypten und Midian 92
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 5/9 101
Gedanken zu Jak 1,2.3 113
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 6/9 121
Esther 131
Das Kreuz 138
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 7/9 141
Gedanken zu 2. Kor 7,1 153
Der Blinde, welcher bettelnd am Wege sitzt 160
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 8/9 161
Gehorsam ist die Freiheit der Heiligen 172
1. Sam 1,1.2 178
Gegenwärtiger und zukünftiger Zeitlauf - 9/9 181
Endziel Gottes und Mittel Jakobs 195

Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf *) 
(Eine Schriftforschung) 
„Unser Herr Jesus Christus hat sich selbst für unsere 
Sünden hingegeben, auf daß er uns aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf herausnähme, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, welchem die Herrlichkeit sei 
von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen" (Gal. 1, 4, 5). 
I. 
Vorwort 
Der Herr Jesus ist geboren, um König zu sein; dazu ist Er in die Welt gekommen, um der Wahrheit Zeugnis abzulegen. Da Ihn aber die Seinen nicht aufgenommen haben, so 
entsagt Er für einige Zeit, hienieden zu regieren; und in den Himmel zurückgegangen, sammelt Er Sich von dort aus eine Versammlung, welche, als Sein Weib, mit Ihm das Reich ererben soll. Diese Zeit der Abwesenheit Jesu ist für uns der gegenwärtig e bös e Zeitlauf . 
Wenn diese Versammlung vollständig, und zu Ihm aufgenommen ist, so wird Er mit ihr kommen, um Seine Rechte geltend zu machen; und als wahrer Melchisedek wird Er Seinem Szepter der Gerechtigkeit und des Friedens alle Reiche, welche unter allen Himmeln sind, unterwerfen. Dies wird das Reich Gottes sein, oder der zukünftige Zeitlauf **). 
*) Aus dem Französischen übersetzt. — Die Leser werden aber besonders ersucht, die angeführten Bibelstellen selbst nachzuschlagen. **) Wir sagen, der gegenwärtige Zeitlauf sei die 
Zeit der Abwesenheit des Herrn, und es ist dies in jedem Falle für uns wahr. Aber wann hat denn dieser Zeitlauf angefangen? Vielleicht bei der Sündflut. Deshalb wären dann die Zeiten des 
Herrn und Seiner Apostel „die letzten Zeiten oder die letzten Tage" genannt (Hebr. 1, 1). 

Wäre Jesus aufgenommen worden, so wären es wirklich die letzten Tage gewesen, weil Sein herrliches Reich den zukünftigen Zeitlauf eingeführt hätte. Obwohl übrigens der Anfang dieses Zeitlaufes nicht genau angegeben ist, so ist es doch sein Charakter. Der Christ ist aus einem bösen Zeitlauf herausgenommen (Gal. 1, 4); aus einem Zeitlauf der Finsternis, dessen Weltbeherrscher und Gott der Teufel ist (Eph. 6, 12; 2. Kor. 4, 4); dessen Kinder den Kindern 
des Lichtes, entgegengestellt sind (Luk. 16, 8). Die, welche diesen Zeitlauf liebgewinnen, verlassen Gott und Seine Kinder (2. Tim. 4, 10). Auch soll man nicht diesem Zeitlauf gemäß handeln (Röm. 12, 2). 

Der zukünftige Zeitlauf fängt offenbar mit der Ankunft des Herrn an und entspricht der Zeit Seines Reiches. Dieses Reich ist ein herrliches und wünschenswertes, weil diejenigen, welche „würdig gehalten werden, jenes Zeitlaufes und der Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu sein, nicht mehr sterben können" (Luk. 20, 35. 36). Es ist der Zeitlauf der Vergeltung (Mark. 10, 30; Luk. 18, 30), und zwar offenbar derjenigen, welche bei der Auferstehung der Gerechten statt haben wird (Luk. 14, 14). Endlich ist es der Zeitlauf der Auferstehung, des Lebens und der Herrlichkeit. Oft verwechselt man die Welt und den Zeitlauf, was zu großen Irrtümern führt. 

Die Welt kosmos oder oikumene, ist die Erde, welche wir bewohnen. Der Zeitlauf aion ist ein bestimmter Zeitlauf dieser Welt, oder eine Zeitspendung Gottes gegen diese Welt und ihre Bewohner. Sie sind gleichsam wie zwei gleichlaufende Linien, die sogar manchmal in gleicher 
Entfernung von denselben Ereignissen durchschnitten und doch immer unterschieden sind. 

Wenn der gegenwärtige Zeitlauf bei der Sündflut angefangen hat, so entspricht er in seiner Dauer dem, was man die jetzige Welt nennen kann, im Gegensatz zur alten Welt, das heißt der vorsündflutlichen Welt. 

Der durch die Ankunft des Herrn eingeführte zukünftige Zeitlauf entspricht auch der zukünftigen Welt, oder dem zukünftigen Erdkreis (Ps. 8; Hebr. 2, 5), d. h. der durch den Herrn 
hergestellten Welt, auf welcher alle Kreaturen Ihm unterworfen sein werden. 
Ferner entsprechen sich auch die Charakterzüge der jetzigen Welt und des jetzigen Zeitlaufes. Wenn dieser Zeitlauf „böse" ist, so „liegt auch die ganze Welt im Argen", und „alles, 
was in der Welt ist, — die Lust des Fleisches, die Lust der Augen, und der Hochmut des Lebens —ist nicht aus dem Vater, sondern aus der Welt. Und die Welt vergehet mit ihrer Lust." 
Wie man deshalb den jetzigen Zeitlauf nicht lieben, noch ihm gemäß handeln soll, so soll man auch die Welt nicht lieben, noch was in der Welt ist (1. Joh. 2, 15 - 17; Jak. 4, 4). Wenn der 
Teufel der Weltbeherrscher dieses Zeitlaufes ist (Eph. 2, 2), so ist er auch der Fürst dieser Welt genannt (Joh. 12, 31; 14, 30; 16, 11). „Wenn man nach dem Zeitlauf dieser Welt wandelt, so 
wandelt man nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirksam ist" 
(Eph 2, 2); auch ist jetzt das Reich des Herrn Jesu weder von diesem Zeitlauf noch von dieser Welt (Joh. 18, 36). Daß es nicht von diesem Zeitlauf ist, wird durch das Wort „jetzt" bezeichnet, und daß es nicht von dieser Welt ist, durch das Wort „von hier"; aber es wird sich im zukünftigen Zeitlauf über eine erneuerte Welt erstrecken. 


Ungeachtet dieser Beziehungen, ist Welt und Zeitlauf nicht dasselbe und sollen nicht verwechselt werden. Man tut es aber in Matth. 13, 39. 40. 49 und 24, 3, wenn man anstatt „Ende des Zeitlaufes" — „Ende der Weit" liest, ujas glauben macht, daß es sich dort um Zerstörung von Himmel und Erde handle, und um das Gericht, das dann stattfinden wird (Offb. 20), während es sich in diesen Stellen, so wie in Matth. 25, das nur eine nähere 
Entwicklung davon ist, keineswegs um das Ende der Welt handelt, sondern um das Ende des jetzigen bösen Zeitlaufes, und um das Gericht, welches dann vom Herrn ausgeführt wird, um den zukünftigen Zeitlauf einzuführen. Der gegenwärtig e Zeitlauf und der zukünftige Zeitlauf, dies ist in wenigen Worten der Gegenstand, den wir in diesen Aufsätzen erforschen möchten, indem wir besonders den Charakter und den Beruf der Versammlung Jesu Christi, durch diese beiden Haushaltungen hindurch zu entscheiden suchen. 
Wie könnten wir, die Glieder dieser Versammlung, unseres Berufes würdig wandeln, wenn wir nicht zuerst einen klaren und bestimmten Begriff davon haben? Laßt uns deshalb das Licht der Prophezeiung nicht verachten, welches unseren Weg beleuchten kann, indem es mit seinen Strahlen das herrliche Ziel unserer Pilgrimschaft erhellt, und unsere Schritte durch den dunklen Ort dieser Welt, durch welche wir zu gehen haben, leitet und sicher macht. 
Gebe der Herr in Seiner Gnade, daß diese einfachen Forschungen einigermaßen zu diesem Zweck dienen. 

II, 
INatur der Versammlung 
Die Versammlung ist keineswegs die Gesamtheit aller Heiligen seit dem Anfang bis zum Ende der Welt. Sie ist der Leib des Christus, am Tage der Pfingsten durch Seinen Geist gebildet, und seitdem gesammelt, um zu ihrem Haupte versammelt zu werden, ehe Er kommt, um über die Welt Gericht zu halten, und um Sein Reich aufzurichten. Sie ist sogar ein Geheimnis, welches in früheren Zeiten nicht offenbart worden ist. Dies lehrt uns das Wort, und insbesondere Paulus, der Diener der Versammlung und Verwalter dieses Geheimnisses (Eph. 3, 1—12; Kol. 1, 18—27). Deshalb: 
1. 
Ist die Versammlung- gänzlich, sowohl von Israel in vergangenen Zeiten, als auch von Israel und den Nationen im zukünftigen Zeitalter unterschieden? 

a) Israel war ein Volk nach dem Fleische, äußerlich von allen anderen Völkern getrennt, in einem besonderen ihm zur Wohnung angewiesenen Lande. Die Versammlung ist ein Volk, welches aus allen anderen genommen ist, obschon es mitten unter ihnen wohnt. Sie ist auf der ganzen Erde zerstreut; und aller nationaler Unterschied ist darin gänzlich ausgelöscht (Gal. 3, 26; Eph. 2, 11—12; Kol. 3, 11; Apg. 15, 14). 

b) Israel war ein Volk nach dem Fleische. Wer von israelitischen Eltern geboren und am achten Tage beschnitten wurde, war Israelit. Die Versammlung ist ein Volk nach dem Geiste. Weder die Geburt nach dem Fleische, noch irgendeine Zeremonie macht zum Christen, sondern nur der Glaube und die Geburt nach dem Geiste (Joh. 1, 12. 13). 

c) Nicht nur dies, sondern die Versammlung ist ein „Haus Gottes im Geist", „der Tempel Gottes", sowie dies auch jedes Glied derselben ist (1. Kor. 3, 16; 4, 17; 2. Kor. 6, 16; Eph. 2 20—22; l.Petr. 2,5). „Der Leib Christi", in welchem folglich Sein Geist lebt, wie der Geist des Menschen im Menschen lebt (Eph. 1, 22. 23; 4, 4 usw.) Deshalb ist auch die Gottesverehrung der Versammlung bezeichnet durch „im Geist und in der Wahrheit" (Joh. 4, 21), im Gegensatz zur jüdischen, 
welche in „Schatten und Satzungen des Fleisches" bestand (Kol. 2, 17; Hebr. 9, 1. 10). Israel hatte wohl eine Wohnung Gottes bei sich in seiner Stiftshütte oder in seinem Tempel; da aber dieser Tempel selbst von „dieser Schöpfung" war, so war er nur ein Schatten der himmlischen Güter, und die Opfer, die man dort darbrachte, waren in Beziehung mit den Segnungen, welche Israel verheißen waren, d. h. wieder von dieser Schöpfung: Lämmer, Früchte, Wein, ö l usw., nicht geistliche Opfer, wie in der Versammlung. 

d) Das Königtum und das Priestertum in Israel gehörten von rechtswegen einer Familie, und waren demgemäß Rechte nach dem Fleische. Jeder Sohn Aaron's war bei erreichtem Alter, wie sein Charakter im übrigen auch sein mochte, Priester (2. Mose 28,1; 3. Mose 8). Die Leviten allein 
konnten im Tempel dienen und das Volk belehren (5. Mose 33, 10; 2. Chron. 35, 3). 
Die Versammlung hat einen einigen Hohenpriester in dem Himmel, Jesum, wie es der Brief an die Hebräer zeigt. Alle Glieder der Versammlung sind Könige und Priester durch den Geist, der in ihnen ist (1. Petr. 2, 5. 9). Der Dienst ist nicht das Recht einer Familie, und ist an keine Stellung nach dem Fleische gebunden, sondern hängt einzig von den Gaben ab, welche der Geist jedem zuteilt, wie Ihm gefällt (Röm. 12,3—8; 1. Kor. 12, 6.11; 1. Petr. 4,10.11). 

e) In Israel wollte Gott, daß man Ihm nur an einem Ort diene, den Er Sich Selbst erwählt hatte, und wo Sein Name wohnte (5. Mose 12, 11; 16, 5. 6). In der Versammlung gibt es kein e heiligen Örter. Da, wo zwei oder drei in dem Namen des Herrn versammelt sind, ist Er mitten unter ihnen (Matth. 18, 20). Dies ist ebenfalls eine Folge der Innewohnung des Geistes in den Gläubigen. Da dieser Geist in ihnen ist, so sind sie selbst der Tempel Gottes.

 f) Der Bund, den Gott mit Israel, wenigstens als Volk, gemacht hatte, war ein Bund des Gesetzes und unter der Bedingung des Gehorsams (3. Mose 18, 5; 2. Mose 19, 5. 6; 5. Mose 27,12 — 26. 28). Die Versammlung aber steht vor Gott auf dem Grunde einer unbedingten und unabhängigen Gnade (Joh. 3, 16. 17. 36; Eph. 2, 4—6). 

g) Die an den Bund mit Israel geknüpften Segnungen waren alle irdisch (3. Mose 26, 3—12; 5. Mose 7,12—15; 8,7— 18; 11,8—15.21; 28,1—14). Die Versammlung ist mit geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern gesegnet (Eph. 1,3; Kol. 3,1—4; Phil. 3,18—21). Auf der Erde hat sie Trübsal und Kreuz zu erwarten (Joh. 12, 25. 26; 15,18—21; 16,1—4; 2. Tim. 3,11.12 usw.) 

h) Israel war von Gott berufen, seinen Feinden den Krieg zu machen und sie auszurotten (3. Mos. 10, 9; 5. Mos. 7, 12. 16-26). Die Waffen der Versammlung aber sind nicht fleischlich; sie soll kein anderes Schwert kennen, als das des Geistes. Und wenn es sich um Feinde Gottes handelt, so soll der Christ sie tragen, wie auch sein Heiland tat (2. Kor. 10, 4; Eph. 6, 10—17; Matth. 13, 30; Luk. 9, 54. 55). 

Können zwei Haushaltungen*), deren Charakterzüge so verschieden sind, eine und dieselbe Haushaltung bilden? 
Mit anderen Worten, kann die Versammlung nur die Fortsetzung von Israel sein? 
Man wird sagen, daß die Versammlung, so wie sie heutzutage besteht, ein Fortschreiten der Gemeine von Israel sei, und daß die Versammlung der letzten Tage, in welchen ganz Israel errettet und die Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein wird, wieder ein Fortschreiten der jetzigen Versammlung sei. Aber kann man wohl das Ersetzen gewisser Grundsätze durch andere, oft ganz entgegengesetzte Grundsätze, ein Fortschreiten nennen? Was wird endlich die Idee einer einigen Versammlung durch alle Haushaltungen hindurch werden, wenn die hauptsächlichsten Charakterzüge der vergangenen Haushaltung, wieder in der zukünftigen Haushaltung erscheinen? Das ist es aber, was uns gerade das Wort zeigt, mit Ausnahme zweier oder dreier Fälle, in welchen Verschiedenheit, sogar Gegensatz zwischen dem alten Israel und dem Israel der letzten Tage ist. 
Um nun mit den Verschiedenheiten anzufangen, so war der Bund, den Gott einst mit Israel auf Sinai gemacht hatte, wie wir gesehen haben, nach dem Gesetz, und die Segnungen hingen vom Gehorsam ab. Der Bund, den Gott mit Israel in den letzten Zeiten machen wird, wird im Gegenteil 
*) Das Wort „Haushaltung" ist in seiner eigentlichen Bedeutung, nach meiner Meinung, auf die Versammlung, als solche, nicht anwendbar; allein ein anderer Ausdruck, etwa „Periode", würde hier weniger für Israel passend sein. (Anm. d. Herausg.) ein Bund der unbedingten Gnade sein. In diesem ist er neu, im Vergleich mit dem Bund auf Sinai. Deshalb werden auch die Segnungen dieses Bundes so lange währen wie Himmel und Erde, während die Segnungen des Bundes des Gesetzes ein Ende genommen haben (Jer. 31, 31—37; 33, 11—26; Hes. 37, 25—28). 
Übrigens hat dieser Bund der unbedingten Gnade, seinen Grund in dem Bunde, welcher (mit Abraham) schon vierhundert Jahre vor dem Gesetz — gemacht war; ein Bund, auf welchen sich die Heiligen in Israel immer vor Gott berufen, und nie auf den Bund des Sinai (Ps. 105, 8 usw.; Mich. 
7, 20 in Verbindung mit dem ganzen Kapitel. Luk. 1, 72. 73). 

Dies macht uns auch begreiflich, warum Jesus „der Mittler des neuen Bundes", Sein Blut, „das Blut des neuen Bundes" und der Kelch des Abendmahls, „der neue Bund im Blute Jesu" genannt wird (Hebr. 9, 15; Matth. 26, 28; Luk. 22, 20). Es macht uns ferner die Anwendung von Jer. 31, 31—37, in 
Hebr. 8, 8—12 und 10, 16. 17 verständlich. Ehe die Versammlung bestand, war auch Israel das einzige Volk auf Erden, mit welchem Gott einen Bund machte, und dessen Gott Er Sich nannte. Im zukünftigen Zeitlauf wird es nicht so sein; denn es werden sich im Gegenteil „mehrere Nationen an diesem Tage zum Herrn tun, und sein Volk werden." „Ihre Brand- und Schlachtopfer sollen ihm 
angenehm sein auf seinem Altar; und sein Haus wird heißen ein Bethaus allen Völkern" (Sach. 2,11; Jes. 56, 3. 6. 7). 
Jedoch laßt uns jetzt auf die Beziehungen zwischen dem alten Israel und dem der letzten Tage zurückkommen. 
a) Der Herr sagt zu der Tochter Zion allein: „Siehe, ich komme, und will in dir wohnen; denn der Herr wird Juda erben als sein Teil in dem heiligen Lande, und wird Jerusalem wieder erwählen" (Sach. 2,10.12). Kurz, unter den, alsdann gesegneten Völkern, wird Israel eine Vorrang-Stellung einnehmen. Wer könnte daran zweifeln, nachdem er Stellen, wie Jes. 14, 1. 2; 49, 22. 23; 54, 3; 60, 3—16 usw. gelesen hat? 

b) Wie vormals die Heiligen in Israel zur Austilgung ihrer Feinde berufen waren, so wird es wieder der Fall sein. Während „ihr Mund erhöhet, werden sie zweischneidige Schwerter in ihren Händen haben, daß sie die Rache üben unter den Heiden, Strafe unter den Völkern" (Ps. 149, 6—9). 
Die, welche den Herrn fürchten, „werden die Gottlosen zertreten wie Asche unter den Füßen", „wie Kot auf der Straße" (Mal. 4, 3; Micha 4, 13; 5, 8. 9; 7, 10). 

c) Wie Gott in der vorherigen Haushaltung einen einzigen Ort auf der Erde erwählt hatte, um Seinen Namen daraufzulegen, und um dort die Verehrung der Heiligen anzunehmen, so wird Er es wieder tun, und der Ort wird derselbe sein, nämlich Jerusalem, „die Stadt des großen Königs", von 
welchem Er gesagt hat: „Meine Augen und mein Herz werden immer dort sein." Da wird Er wieder mitten unter Israel wohnen, da wird nicht nur das wiederhergestellte Israel sondern es werden alle Nationen hinkommen, um „den Herrn der ganzen Erde" anzubeten (Jes. 2, 2. 3; Jer. 3, 17; Micha 4, 1. 2; Hes. 20, 40. 41; 43, 7; Sach. 8, 1—3; 20—23; 14, 16—21). 

d) Der Gottesdienst wird, wenigstens in manchen Beziehungen, den fleischlichen und irdischen Charakter annehmen, den er früher in Israel hatte. Man wird wieder Brandund Schlachtopfer, Kuchen und Weihrauch, opfern, und man wird wieder das Laubhüttenfest halten. Seht die vorherigen Stellen und Jeremias 33, 17. 18. 

e) Wie vor dem Bestand der Versammlung, die Segnungen, mit welchen Gott Seine Heiligen belohnte, irdische Segnungen waren, so wird es in der letzten Zeit wieder der Fall sein (Jes. 60; 61, 4. 5. 6; 64, 11—25; Jer. 31, 12—14. 23—28; Hes. 36, 24; Hos. 2, 18—22; Arnos 9, 13—15). 

Nun frage ich, wie kann man aus diesen Charakterzügen der Heiligen der letzten Zeit, diejenigen der Versammlung machen, ohne die bestimmtesten Belehrungen des Wortes über die Versammlung und den Beruf ihrer Glieder, umzuwerfen? — Können die Christen je den Rockzipfel eines Juden fassen, um Gott in Jerusalem zu suchen, und um dort das Laubhüttenfest zu halten (Sach 8, 23), sie, die von ihrem Meister gelernt haben, daß man in der Versammlung den Vater weder auf dem Berge von Samaria, noch in Jerusalem anbeten wird; sondern daß Gott wahrhaftige Anbeter verlangt, welche Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten? 

 Werden sie je das Schwert nehmen können, um sich an ihren Feinden zu rächen — sie, denen gesagt ist: „Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch beeinträchtigen und verfolgen" (Matth. 5, 44). — Können die Christen je, ohne 
untreu zu sein, ihre Segnungen auf der Erde erwarten — sie, denen gesagt ist, „zu trachten nach dem, was droben ist und nicht nach dem, was auf der Erde ist?" (Kol. 3, 2). — Sollen 
sie endlich einmal die Knechte und Mägde Israels sein, seine Ackersleute *und Weingärtner, und sich damit beschäftigen, die zerstörten Mauern wieder aufzubauen — sie, welche ge10 
lernt haben, daß in der Versammlung „weder Jude, noch Grieche ist?" (Kol. 3, 11). 
Das ist aber noch nicht alles. Der Herr hat gesagt: „Wer überwindet, und meine Werke bis ans Ende hält, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben; und er wird sie weiden mit einer eisernen Rute" (Offb. 2, 26. 27). Und wir sehen diese Verheißung in Offenb. 20 erfüllt, wo die Glieder der 
Versammlung, nachdem sie die Begleiter des Herrn geworden sind, mit Ihm, wenn Er kommt, um den Boshaftigen zu zerstören, leben und regieren werden tausend Jahre über Nationen, welche Satan nicht mehr verführt. Diese vor den Verführungen Satans geschützten Nationen beziehen 
offenbar die Heiligen dieser glücklichen Zeiten, wo die Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein wird, in sich. 


Wenn aber die Heiligen nur eine Fortsetzung der Versammlung sind, wenn sie wieder die Versammlung selbst sind, wie es Einige sagen, was geht daraus hervor? Daß ein Teil 
der Versammlung von dem Himmel aus über einen anderen Teil der Versammlung auf der Erde, regieren wird. Ist aber das annehmbar? Ist das die Einheit des Leibes, welche uns 
Paulus lehrt, wenn er sagt: „Ei n Leib, und ei n Geist, wie ihr auch in eine r Hoffnung eurer Berufung berufen seid?" (Eph. 4, 4). 
Wenn einmal eine einzige Wahrheit angenommen ist, so macht sie alle diese Unmöglichkeiten aufhören, und diese Widersprüche verschwinden. Die Versammlung ist der Leib 
des Christus, der seit Pfingsten durch Seinen Geist gesammelt wird; und wenn er einmal vollständig ist, wird er mit seinem Haupte vereinigt, und zwar ehe Er kommt, um über 
die Welt das Gericht zu halten und Sein Reich aufzurichten. 
Wenn diese Versammlung aus der Welt entrückt ist, so nimmt Gott. Seine unterbrochenen Beziehungen zu Israel wieder auf, und nachdem Er es gerichtet hat, erfüllt Er in Seiner Gnade, alle dem Abraham und den Vätern gemachten Verheißungen. Da sehen wir, weshalb wir Israel in den letzten Zeiten in vielen Beziehungen in ähnlichen Stellungen und Charakterzügen finden, wie diejenigen, welche es ehemals hatte. Nur konnte es ehemals, unter dem Bund des 
Gesetzes, seine Segnungen, die ihm dargestellt waren, verlieren; in den letzten Zeiten, unter dem (mit Abraham gemachter!) Bund der Gnade wird es die Segnungen, die ihm 
beigelegt werden, nicht verlieren. Doch wir kommen darauf zurück. Jetzt wollen wir unsere Forschungen über die Natur der Versammlung fortsetzen. 

11 
2. 
Das von den Zeitaltern her verborgene Geheimnis, die Versammlung, befindet sich im Alten Testament nur in Schatten und Bildern Die Versammlung ist „das Geheimnis des Christus, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kund gemacht worden, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden 
ist, daß nämlich die Nationen Miterben und ein Teil ein und desselben Leibes, und mitteilhaftig seiner Verheißung in dem Christus durch das Evangelium sein sollten... das Geheimnis, welches von den Zeitaltern her verborgen war in Gott" (Eph. 3, 1—10; Kol. 1, 14—27). 
Man kann fragen, ob denn der Gegenstand dieses Geheimnisses nicht einfach die Berufung der Heiden sei? Nein, denn die einfache Tatsache, daß Heiden zur Erkenntnis Gottes berufen werden, ist kein im Alten Testament verborgenes Geheimnis, denn man findet darin oft Erklärungen 
wie folgende: „Es ist ein Geringes, daß du mein Knecht bist, 
die Stämme Jakob aufzurichten, und die Erhaltenen in Israel wieder zu bringen; sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, daß du seiest mein Heil bis an 
der Welt Enden" (Jes. 49, 6). „Es werden gedenken, und sich zum Herrn bekehren aller Welt Enden, und vor dir anbeten alle Geschlechter der Heiden" (Ps. 22, 28). Eine so klargeoffenbarte Tatsache ist kein verborgenes Geheimnis. Hingegen, die Berufung einiger Auserwählten aus den Nationen, um mit einigen aus den Juden, „Miterben, und einTeil ein und desselben Leibes und mitteilhaftig seiner Verheißung in dem Christus durch das Evangelium" (Eph. 3, 6.10), zu sein; 
„Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit";. ein neuer Mensch, wo nicht ist „Grieche und Jude, sondern" alles und in allem — Christus" (Kol. 1,27; 3,10.11); —dies ist das Geheimnis, welches den Heiligen und Propheten des Alten Testamentes unbekannt war. Und wenn wir aufmerksam erforschen, was jene von der Berufung der Heiden gesagt haben, so werden wir unter anderem sehen, daß sie immer von ganzen Nationen sprechen, von Nationen als Nationen, mit ihren Fürsten und Königen; wir werden sehen, daß, obschon diese Nationen Gott kennen, und an Seinen Segnungen Teil haben, sie dennoch eine von Israel sich unterscheidende Stellung einnehmen; wir werden sehen, daß sich diese Nationen infolge von schrecklichen Gerichten, welche 12 
der Herr über sie ausübt, bekehren. Dies alles sind aber Dinge, welche nicht die Versammlung betreffen. Wir haben auch schon bemerkt, daß der Kultus dieser bekehrten Nationen nicht der der Versammlung ist. So ist es also nicht eigentlich und insbesondere die Berufung von Heiden zu r Versammlung , von welcher die Propheten gesprochen haben, — diese war für sie ein Geheimnis. 
Warum aber wenden denn die Apostel auf die Versammlung solche Stellen der Propheten an, welche von der Berufung der Heiden sprechen? Ohne Zweifel deshalb, weil die 
besondere Berufung einiger Heiden, um mit einigen Juden 
einen und denselben Leib zu bilden — den durch Seinen 
Geist belebten Leib — eine besondere Tatsache ist, welche 
in der allgemeinen Tatsache der Berufung der Heiden enthalten ist, wie die Erstlinge in der Ernte enthalten waren 
(5. Mos. 26). Denn wenn es Erstlinge gibt (Offb. 14,1—4), so 
sind wir himmlische Erstlinge, wir, die wir zuvor auf Christum gehofft haben (Eph. 1, 12; Jak. 1, 18). 
Wir sind in gewisser Beziehung diese Garbe und dieser Fruchtkorb, welche der fromme Israelit auf seinem Felde sammelte, um sie Gott im Tempel darzubringen. Die in den letzten Tagen bekehrten Israeliten und Heiden hingegen, sind die Ernte. Das, was man von der Ernte sagen konnte, 
konnte man auch in vielen Beziehungen von den Erstlingen sagen. Die einen wie die anderen wuchsen auf demselben Boden, unter demselben Regen und unter derselben Sonne; 
in anderen Beziehungen waren sie verschieden, denn die Erstlinge wurden vor der Ernte eingesammelt und gehörten Gott; die Ernte hingegen gehörte dem Volk. So kann auch 
vieles, was von den in den letzten Tagen bekehrten Israeliten und Heiden gesagt ist, von der Versammlung gesagt werden. Es sind dieselben Sünder, welche durch denselben Namen errettet sind, „denn es ist den Menschen kein anderer Name gegeben, durch welchen sie können errettet werden" (Aag. 4, 11). Sie sind in demselben Blut gewaschen; denn der offene Born, welcher einst dem Hause David und den Bürgern zu Jerusalem wider die Sünde und Unreinigkeit eröffnet wird, ist dasselbe Blut, welches heute von aller Sünde de n reinigt, welcher daran glaubt (Sach. 13, 1; 1. Joh. 1, 7). Kurz, wir sind jetzt gleich wie es auch Israel und die Nationen sein werden, kraft eines Gnadenbundes, in welchem Gott unserer Sünden nicht mehr gedenkt, und die Ungerechtigkeiten vergibt, errettet, und nicht kraft des Bundes vom Sinai, der niemand errettet hat. Dies sind allerdings Ähnlichkeiten, aber es gibt auch Verschiedenheiten, wie wir 
13 
schon gesehen haben, wie z. B., daß die Versammlung vor der Bekehrung Israels und der Nationen gesammelt wird. 
Die Versammlung ist mit geistlichen und himmlischen Segnungen gesegnet, Israel und die Nationen mit irdischen 
Segnungen. 
In allen diesen Beziehungen könnte man von der Versammlung nicht sagen, was von Israel und den Nationen gesagt ist. Man lese nur die von den Aposteln angeführten 
Stellen in den Propheten selbst, im Zusammenhang mit dem, 
was vor- und nachher steht, so wird man gewöhnlich Einzelheiten finden, welche unmöglich auf die Versammlung 
Bezug haben können; sie sind nur einerseits auf sie anwendbar; und von dieser einen Seite betrachten sie die Apostel, weshalb sie sie anführen. 
In Röm. 15 zum Beispiel, wendet Paulus auf die Versammlung Stellen an, welche Bezug auf die Berufung der 
Nationen haben, weil die Versammlung ein Pfand und ein 
Anfang dieser Berufung ist. Man sieht darin diese Berufung, 
wie der Bürger Jerusalems in der Darbringung der Erstlinge, das Pfand der Ernte sah. 
Wenn der Apostel den Hebräern im 8. Kapitel, Jer. 31, 
31—34 anführt, so ist sein Zweck zu zeigen, daß, da der 
Bund des Sinai nichts zur Vollkommenheit bringen konnte, 
ein anderer Bund, der der unbedingten Gnade, eingeführt 
werden mußte. Da nun sowohl der Bund des zukünftigen 
Zeitlaufes mit Israel, als der jetzige mit der Versammlung 
ein solcher ist*), so konnte sich der Apostel bei dieser Gelegenheit der Worte des Propheten bedienen. Wenn der Apostel diese Stelle in Hebr. 10 wieder anführt, so geschieht es, 
um zu zeigen, daß, da eine unbedingte Vergebung angekündigt und verheißen ist, notwendigerweise auch ein großes 
und vollkommenes Opfer, wie das des Herrn Jesu, diese 
Vergebung erwirkt haben müsse. Dies ist nun, wie wir schon 
gesehen haben, gleich wahr von dem Bunde Gottes mit der 
Versammlung, wie von dem Bunde mit Israel in den letzten 
Zeiten. Man lese aber diese Worte in Jeremias selbst in 
Verbindung mit dem, was vor- und nachher folgt, so wird 
man bald sehen, daß sie sich nicht eigentlich auf die Versammlung beziehen. „Ich werde mit dem Hause Israel und 
mit dem Hause Juda einen neuen Bund machen" — wir sind 
weder das eine noch das andere; — „nicht nach dem Bunde, 
welchen ich mit ihren Vätern machte, da ich sie bei der 
*) Das Wort „Bund" kann, nach meiner Meinung, weniger 
auf die Versammlung, als solche, als auf die Gläubigen, als Volk betrachtet, angewandt werden. (Anm. d. Herausg.) 
14 
Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen." Gott hat 
aber unsere Väter weder aus Ägyptenland geführt, noch 
einen Bund mit ihnen gemacht, — wir, die wir Sünder aus 
den Nationen sind, von welchen im Gegenteil gesagt ist, daß 
wir „entfremdet dem Bürgerrecht Israels waren, und Fremdlinge in Betreff der Bündnisse der Verheißung" (Eph. 2, 11 
u. 12). In diesem Bunde verheißt Gott ferner, daß Jerusalem 
wieder gebaut werde „vom Turm Hananeel an bis ans Ecktor. Und die Richtschnur wird vor demselben weiter hinausgehen bis an den Hügel Gareb, und sich gen Goath wenden, 
und das ganze Tal der Leichen und Asche, samt allen Feldern bis an den Bach Kidron bis zu der Ecke am Roßtor 
gegen Morgen, wird dem Herrn heilig sein, daß es nimmermehr ausgerissen noch abgebrochen werden soll." Wie kann 
man dies alles auf die Versammlung anwenden? 
Laßt uns aber unsere Forschungen fortsetzen, indem wir 
als Beispiele einige Stellen der Propheten nehmen, in welchen man mit dem meisten Grund erwarten könnte, die 
Versammlung zu finden; und wir wollen sehen, ob sie wirklich darin zu finden ist, oder ob diese Stellen sogar die Versicherung Pauli, daß es nämlich ein Geheimnis sei, welches 
in früheren Zeitaltern den Menschenkindern nicht offenbart worden sei, bestätigen. 
Die Verheißung, welche Gott dem Abraham gab, daß in 
seinem Samen alle Völker der Erde gesegnet werden sollen 
(l.Mos. 12, 3; 22,18; 28,14), ist in einem Sinne auf die Versammlung angewendet (Gal.3,8 usw.); doch ist sie es immerhin nur insofern, als die Versammlung die Erstlinge der Bekehrung der Welt ausmacht, und nicht in einem bestimmten 
und unbedingten Sinne. In der Versammlung ist es auf hundert oder tausend Familien eine, welche im Samen Abrahams gesegnet ist, und nicht alle Familien der Erde, und 
werden es in Zukunft ebenso wenig sein, als jetzt, weil „die 
bösen Menschen und Betrüger im Bösen fortschreiten werden, verführend und verführt werdend", bis der Abfall 
kommt und der Mensch der Sünde, welchen der Herr Selbst 
durch die Erscheinung Seiner Ankunft vernichten wird 
(2. Tim. 3, 13; 2. Thess. 2, 3—8). Wenn aber Gott sagt: „Alle 
Familien der Erde", so sind es auch alle diese Familien, und 
nicht eine kleine Anzahl aus ihnen. Dieses Wort hat also 
seine völlige Erfüllung nicht in der Versammlung; es wird 
sie aber dann haben, wenn die Versammlung hinweggerückt, wenn der Boshaftige vernichtet und „die Erde mit der 
Erkenntnis des Herrn bedeckt sein wird, wie Wasser den 
Meeresgrund bedecket" (Jes. 11, 4—9). 
15 
Und wenn der Herr sagt, „daß Abraham seinen Tag sah 
und sich freute" (Joh. 13, 56), so will Er nicht von Seiner 
ersten Ankunft in der Niedrigkeit sprechen. Wie hätte sich 
der Vater der Gläubigen freuen können, seinen Herrn durch 
seine ungläubigen Nachkommen verworfen und gekreuzigt 
und diese, infolge ihres Unglaubens, von Gott verworfen und 
auf der ganzen Erde zerstreut zu sehen, und ihr Land verflucht und öde? Dies aber ist die Bestimmung Israels während der Dauer der Versammlung hier unten. Der Tag 
Christi hingegen, welchen Abraham und alle Väter und alle 
Propheten von ferne gesehen haben, und ihn mit Frohlokken begrüßten, nennt das Wort Gottes immer mit diesem 
Namen (2. Kor. 1,14; 2. Thess. 2,1) — die Zeit Seines herrlichen Reiches. An diesem Tage werden nicht nur alle Nationen der Erde im Samen Abrahams gesegnet sein (Sach. 8,13. 
20—23; Ps. 72,17), sondern er wird auch noch vermehrt werden wie die Sterne des Himmels und wie der Sand am Meere 
(Jes. 27, 6; Jer. 31, 27; 33,22; Hes. 36, 9—11. 37.38). 
Wenn Jakob auf seinem Sterbebett weissagt, „daß dem 
Schiloh die Völker anhangen werden" (1. Mos. 49, 10), so 
spricht er nicht von der Versammlung, sondern von den 
Völkern, welche sich in den letzten Tagen wider Jerusalem 
sammeln werden, um es zu zerstören, und in der Wirklichkeit aber vom Herrn gerichtet, und dann gesegnet werden; 
— eine Tatsache, von welcher die Propheten oft reden (Jes. 
46, 18; Joel 3, 2. 11; Zeph. 3, 8. 9; Sach. 14, 2; Micha 4, 11—13; 
Matth. 25, 31 usw.; Offenb. 19, 17—21). 
Auf diese Sammlung und dieses Gericht der Völker bezieht sich auch Matth. 25, 31 usw., wo man mit Unrecht die 
Versammlung zu sehen glaubte, als wenn die schon gerecht 
gemachte, auferstandene und in den Himmel versetzte Versammlung mit den Bösen vor Gericht zu erscheinen hätte, 
um entweder ihre Verdammung oder ihre Lossprechung zu 
vernehmen, während doch gesagt wird, daß sie nicht in das 
Gericht kommt (Joh. 5,14). Auch ist dies nicht das letzte Gericht, welches in Offenb. 20, 11. 12 beschrieben ist (Vergl. 
Matth. 25, 31. 32 mit Joel 3, 17 und Jer. 3, 17). 
Wenn dann die Völker wider Jerusalem versammelt sein 
werden, wird Juda wie ein Löwe rechts und links zerreißen 
(Micha 5, 8; Sach. 12, 1—8). Dann oder doch bald nachher 
werden die Vorbilder irdischen Glückes, wie sie in 1. Mos. 
49, 11. 12, Joel 3, 23, Arnos 9, 13, enthalten sind, verwirklicht 
werden. Diesen herrlichen Tag der Ankunft ihres Herrn, um 
Sein Volk, die Kinder Jakobs, die Nachkommen Israels, zu 
erkaufen, erwarten die Erzväter. 
16 
Man könnte ähnliche Bemerkungen über die Weissagung 
Rileams machen (4. Mos. 23,11—14; 24, 5—9.17—19); über das 
Lied Moses (5. Mos. 32,11—43); der Hanna (1. Sam. 2,1—11); 
Davids (2. Sam. 22. 23); endlich über die meisten Gesänge des 
Alten Testamentes, welchen man noch die der Maria und des 
Zacharias beifügen kann (Luk. 1, 46—55. 68—71). Diese Lobgesänge, welche in den besonderen Umständen derjenigen, 
die sie aussprachen, und sich teilweise auf diese Umstände 
beziehen, ihren Grund hatten, reichen gewöhnlich bis zur 
zweiten Ankunft des Herrn und zur Herstellung Seines herrlichen Reiches, ohne sich bei Jesu, als Haupt der Versammlung, aufzuhalten. 
Der 2. Psalm gibt uns ein auffallendes Beispiel hiervon, 
daß nämlich in den Offenbarungen des Alten Testamentes 
nicht von der Versammlung die Rede ist. „Warum toben die 
Völker, und reden die Nationen Eitles? Die Fürsten ratschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten." — 
„Wahrlich, ja in dieser Stadt sind wider deinen heiligen 
Knecht Jesum, den du gesalbet hast, versammelt, — Herodes 
und Pontius Pilatus, mit den Nationen und den Völkern Israels, um alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluß 
zuvor verkündigt hat, daß es geschehen solle" (Apg. 4, 25— 
28). Dennoch haben diese Worte des Psalmes wenigstens 
schon ihre erste Erfüllung in der Verwerfung des Herrn gehabt. Man hätte nun erwarten können, daß dieser Psalm im 
Folgenden von der Versammlung und ihrer Bestimmung 
spräche. Das wäre dann ein Verfolgen der Tatsache gewesett; 
aber tut er es?—'Nein, gewiß nicht! Denn während der Zeit 
der Versammlung ist Jesus nicht König in Zion, indem es im 
Gegenteil die Zeit ist, wo Zion ohne König ist, eine Witwe 
und verlassen. In der Versammlung spricht Gott zu den Völkern nicht in Seinem Zorn, und Sein Sohn zerschlägt sie 
nicht mit eisernem Szepter, und zerschmeißt sie nicht wie 
Töpfe. Da Israel seinen König verworfen hat, und deshalb 
selbst verworfen ist, so hält Gott im Gegenteil Seinen Zorn 
zurück, welcher, wenn er nach der Weissagung seinen Lauf 
hätte, alsbald das Gericht der Erde herbeiführte. Er läßt eine 
Zeit der Geduld und der Gnade eintreten, während welcher 
Er jeden Menschen ohne Unterschied einladet, sich zu bekehren, und zu glauben, damit er errettet werde. Der Sohn 
Seinerseits stößt niemand von Sich, der zu Ihm kommt. Es 
ist die Zeit der Bildung der Versammlung in diesem Psalm 
gänzlich mit Stillschweigen übergangen, und diese Weissagung wird erst dann wieder ihren Lauf und ihre völlige Erfüllung bekommen, wenn die christianisierten Völker selbst, 
indem sie die Gnade Gottes mit Füßen treten, sich aufs neue 
16 17 
gegen den Herrn unter der Anführung des Antichristen verbinden werden. Dann wird Gott im Zorne mit ihnen reden, 
seinen König in Zion einsetzen und Ihm alle Reiche der Welt 
zum Erbe geben (Offenb. 11, 15; 19, 11 usw.; 2, 26 und 27). 
Der Psalm 60 gibt zu ähnlichen Bemerkungen Veranlassung. Es sind achtzehnhundert Jahre seit das erste Wort dieses Psalms durch die Himmelfahrt Jesu und durch Sein 
Sitzen zur Rechten des Vaters erfüllt ist; während der übrige Teil seine Erfüllung noch erwartet. Ohne Zweifel ist 
Jesus jetzt schon unser großer Hohepriester, aber Er bringt 
jetzt das Opferblut hinter dem Vorhang dar, innerhalb des 
Allerheiligsten, wo Er unsichtbar ist, und aus welchem Er 
noch nicht herausgekommen ist, um Sein Volk zu segnen; 
Er ist, mit einem Wort, als der wahre Melchisedek, Priester 
und König, welcher Gerechtigkeit und Friede auf der Erde 
regieren macht, nicht geoffenbart worden. Um dies auszurichten, muß Er zuerst alles voll Erschlagene machen, und 
das Haupt, welches über ein großes Volk herrscht, vernichten, wie es in 5. Mos. 32, 42 steht: „Ich will meine Pfeile 
trunken machen ... . mit dem Blut der Erschlagenen; vom 
Haupt an soll am Feind gerächt werden." Er muß endlich 
die zunichte machen, welche die Erde verderben, was Er in 
der gegenwärtigen Zeit nicht tut, indem Er den größten 
Sünder einladet, zu Ihm zu kommen, um das Leben zu haben. 
So geht also der Prophet unmittelbar von der Himmelfahrt 
Jesu, auf Seine herrliche Wiederkunft, um Sein Reich auf 
der Erde aufzurichten, über, und sagt nichts von der Versammlung, welche den Zwischenraum zwischen diesen beiden Ereignissen ausfüllt. 
Auch der 8. Psalm hat eine anfängliche Erfüllung gehabt, 
als die, Menge, welche dem Herrn Jesu nachfolgte, sowie 
die Kinder schrieen: „Hosianna, dem Sohne Davids!" (Matth. 
21, 8—16). Damals war das Reich gleichsam auf dem Wege, 
sich zu gestalten, als aber die Obersten diese Huldigungen 
hinderten, und sogar das Volk dahin trieben, den Tod Dessen zu verlangen, der als ein sanftmütiger König zu ihm 
kam, da wurde das Reich auf eine noch zukünftige Zeit hinausgeschoben. „Wir sehen noch nicht alle Dinge ihm unterworfen", sagt der Apostel den Hebräern (Kap. 2, 8). Dies 
wird erst erfüllt sein, wenn Jesus vom Himmel offenbart, 
und wenn die Erde durch Seine herrliche Gegenwart erneuert sein wird; dies ist der „zukünftige Erdkreis" (Hebr. 2, 5), 
hier durch den Psalmisten beschrieben, in welchem die ganze 
Schöpfung von dem Dienst der Eitelkeit befreit, den Herrn 
loben wird (Röm. 8, 20; — Ps. 148). Aber von der Versammlung, welche zwischen der Himmelfahrt Jesu und der Er18 
richtung des zukünftigen Erdkreises entstanden ist, sagt der 
Psalmist nichts. 
Jesaja 11. Die beiden ersten Verse bezeichnen offenbar 
den Herrn in Seiner ersten Zukunft. Von da an bis zum 
fünften Vers ist er als der gerechte und getreue Richter dargestellt, was den Charakter Seiner 2. Ankunft ausmacht 
(Offenb. 19 11). „Wenn er aber wiederkommt, so wird er 
die Sanftmütigen im Lande mit Billigkeit richten, und die 
Erde mit dem Stabe seines Mundes schlagen, und den Gottlosen mit dem Hauch seines Mundes verzehren" (2. Thess. 2, 
8). Dann, weil Er Seine Auserwählten, welche Tag und Nacht 
zu Ihm schreien, gerächt haben wird, wird man sagen können: „Ich habe einen Gottlosen, einen Gewalttreibenden gesehen, der sich ausbreitete wie ein grünender Lorbeerbaum; 
aber er ist vergangen und siehe er war dahin. Ich suchte ihn 
und er war nirgends zu finden" (Ps. 37, 35. 36). Die Sanftmütigen werden hingegen das Erdreich besitzen und sich am 
großen Frieden ergötzen (Ps. 37,11). Dann wird endlich die 
Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein, wie der 
Meeresgrund von den Gewässern bedeckt ist, und die ganze 
Schöpfung wird erneuert sein. Es macht also auch hier die 
erste Ankunft des Herrn mit Seiner zweiten nur Eine aus, 
weil die zwischen diesen beiden Ankünften inneliegende Versammlung, welche den Zwischenraum ausfüllt, nicht erwähnt wird. 
Untersuchen wir nun Dan. 9, 24—27, ohne uns an dem 
Anfang dieser Prophezeiung, über welchen man gewöhnlich 
einig ist, aufzuhalten. Nach 69 Jahrwochen „wird der Messias ausgerottet werden, aber nicht um seinetwillen", oder 
wie man auch übersetzen kann, „und er wird nichts haben" 
(Jes. 49, 4. 5). Dies ist erfüllt, wie man weiß. Nach diesem 
,.wird ein Volk des Fürsten kommen", das Volk des vierten 
Königreiches, aus welchem der kommende Fürst, nämlich 
der Antichrist, entstehen, „und die Stadt samt dem Heiligtum verwüsten wird." Auch dies ist in der Zerstörung Jerusalems durch Titus erfüllt worden. Ist es nun möglich, die 
siebzigste Woche gleich nach der neunundsechzigsten folgen 
zu lassen? Schon die Zerstörung Jerusalems, welche nach der 
neunundsechzigsten Woche angeführt ist, obschon sie ungefähr vierzig Jahre nach dem Tode des Heilandes erfolgte, hat 
einen Zwischenraum zwischen diese beiden Wochen gebracht. Wenn man übrigens vielleicht sagen könnte, daß 
während Z% Jahren, welche auf den Tod Christi folgten, durch 
den Bund der Gnade die Vielen gestärkt wurden, welches ist 
dann das Schlacht- und Speisopfer, das abgetan wurde? Sind 
es die jüdischen Opfer? In der Absicht Gottes haben diese 
19 
beim Tode Christi, der sie unnötig machte, aufgehört, was 
der im Tempel mitten entzwei gerissene Vorhang andeutete; 
in Wirklichkeit aber haben sie bei der Zerstörung des Tempels, welche sie unmöglich machten, aufgehört; aber weder 
im einen noch im anderen Falle war es eine halbe Woche, 
oder 3'/2 Jahre nach dem Tode des Herrn. Unter „greulichen 
Flügeln der Verwüstung" versteht man gewöhnlich einen in 
den Tempel gesetzten Götzen. Das kann man aber nicht auf 
das Heer des Titus anwenden; denn der Tempel wurde gegen 
seinen Willen, und ehe man ihn durch einen Götzen hätte 
verunreinigen können, verbrannt; und endlich fand dies 
nicht in der siebzigsten Woche statt. Demgemäß bleibt das, 
was von der siebzigsten Woche gesagt ist, unerklärbar, wenn 
man sie gleich auf die neunundsechzigste folgen läßt. Wenn 
man aber zwischen beiden Wochen, die ganze Zeit der Versammlung annimmt, und wir haben gesehen, daß man es in 
mehreren anderen Stellen tun muß, dann verschwinden viele 
Schwierigkeiten. Nach der neunundsechzigsten Woche ist der 
Messias ausgerottet worden, und der Augenblick, der die 
Segnungen über Israel hätte bringen sollen, wird der seiner 
Verwerfung. Da nun Israel von da an nicht mehr als das 
Volk Gottes auf der Erde anerkannt ist, so hört die Zeit auf, 
für dasselbe zu zählen. — „Das Ende wie durch eine Wasserflut, und die bestimmte Verwüstung bis zum Ende des Streites" ist die Zerstörung Jerusalems, die Verwüstung, welche 
darauf gefolgt ist, und welche nur mit Krieg endigen wird, 
der Streit, den der Herr mit Seinem Volk hat. Es ist die 
„lange Zeit", während welcher Israel „ohne König und ohne 
Teraphim sein wird" (Hos. 3, 4). Es ist eben gerade die Zeit 
der Versammlung. Sobald aber die Versammlung in den 
Himmel eingegangen ist, so tritt Gott wieder mit Seinem 
irdischen Volke in Verbindung, um es zuerst zu richten, und 
dann zu segnen. Die Zeit fängt wieder an für dasselbe zu 
zählen. Es ist die siebzigste Woche' oder die Zeit des Antichrist's; denn weil sie Jesum, der im Namen Seines Vaters 
kam, nicht annahmen, so wird ein anderer in seinem eigenen Namen kommen, den sie aufnehmen werden. Während 
der ersten Hälfte dieser Woche oder 3V2 Jahre, wird dieser 
mit vielen in Israel, welche er durch Schmeichelworte gewinnt, einen starken Bund machen; aber in der zweiten 
Hälfte, wenn er die Maske abwirft, und sich als Gott anbeten lassen will, wird er das beständige Opfer abtun, dessen Wiederherstellung er erlaubt hatte; und in demselben 
Tempel, wo Gott sollte gedient werden, setzt er das Bild des 
Tieres, einen Greuel, der eine Quelle des Verderbens ist, 
weil alle die, welche sich weigern, es anzubeten, getötet wer20 
den, bis das „Verderben auf den Verderber trifft", d. h. auf 
den Antichristen, welcher unter den Schlägen des Herrn 
selbst fällt. Dann erfüllen sich „an dem Volk und an der 
heiligen Stadt" alle Segnungen, welche im 24. Vers angekündigt sind. Die beiden Hälften dieser letzten Woche sind dann 
diese Zeitabschnitte, welche in der Weissagung eine so große 
Rolle spielen, die eine Zeit, die zwei Zeiten, und die halbe 
Zeit, die 1260 Tage, und die 42 Monate (Dan. 7, 25; 12, 7; 
Offenb. 11, 3; 12, 6. 14; 13, 5). *) 
Was Joel 2, 28—32, in Apg. 2, 16—21 angeführt, betrifft, 
so genügt es, diese Worte zu lesen, um zu sehen, daß sie zu 
Pfingsten nicht ihre völlige Erfüllung hatten. Wenn dazumal 
eine Ausgießung des Geistes stattfand, und demgemäß eine 
teilweise Erfüllung der Weissagung, so daß Petrus sagen 
konnte: „Dies ist durch den Propheten Joel gesagt worden"; 
so wurden doch keine Wunderzeichen am Himmel und auf 
Erden getan, als Blut, Feuer, Rauch und Dampf, die Sonne 
in Finsternis verwandelt, noch der Mond in Blut verkehrt, 
und vor allem ist der große und schreckliche Tag nicht gekommen. Was muß man daraus schließen? Daß diese sich 
auf die Herstellung des Reiches Christi beziehende Weissagung, zur Zeit Petri nur eine anfängliche Erfüllung hatte, 
weil das dazumal dem Israel dargebotene Reich, das aber 
*) Diese Unterbrechung in den Wegen Gottes in Bezug auf 
Sein irdisches Volk, entspricht dem Geheimnis der Versammlung, und ist gleichsam ein Schlüssel zum Verständnis der Weissagung. Sie erklärt auch sehr gut das Schweigen der Weissagung in Bezug auf die Völker der Christenheit seit der Verwerfung Israels. Da Israel der Mittelpunkt der Absichten Gottes auf der Erde ist, so läßt Gott von den Nationen nur vom 
Gesichtspunkt ihrer näheren oder weiteren Beziehungen mit Israel weissagen. Da nun dieses Volk seit achtzehnhundert Jahren nicht mehr als Volk besteht, so schweigt die Weissagung 
seit dieser Zeit über die Bestimmungen der Nationen. Sie 
nimmt sie erst wieder auf, wenn sich diese Nationen wieder um 
Jerusalem sammeln, d. h. im Augenblick, wo Sich Gott wieder 
zu Jerusalem wendet, um es durch das Gericht zu reinigen, und 
«m es dann in seine herrlichen Vorrechte wieder einzusetzen. 
Wenn man das verstanden hätte, so hätte man nicht im Propheten Daniel und in der Prophezeiung im allgemeinen den 
Papst, Mohammed, die Gothen, Sarazenen, Attila, Karl den 
Großen, Napoleon, alle Könige und alle Revolutionen der neueren Geschichte gesucht. Man hätte auch nicht daran gedacht, 
das Jahr der Ankunft des Herrn zu bestimmen. Man hätte endlich nicht alle diese Systeme gesehen, welche schon so oft von 
den Tatsachen widerlegt, den Ungläubigen Veranlassung zum 
Spott geben und die Frommen von der Erforschung der Weissagung ferne halten. 
21 
bald darauf von ihm zurückgestoßen wurde, der Versammlung Platz gemacht hat; und erst bei der Wiederkunft des 
Herrn wird diese Weissagung in Gang kommen, und wie das 
Reich selbst, ihre völlige Erfüllung haben. Dann werden 
wirklich Zeichen im Himmel und auf der Erde geschehen, 
der große und schreckliche Tag wird da sein, und eine Ausgießung des Geistes, welche für Israel der Herbstregen sein 
wird, wie die Pfingsten der Frühlingsregen war (Jes. 13, 6-13; 
29,6; Hos. 6,3; Sach. 12,10 usw.) Dies wird auch die Erfüllung von Matth. 24 und Offenb. 6—20, sein. 
Endlich führt man oft Arnos 9, 11. 12, verglichen mit Apg. 
15, 15—17 an, um zu beweisen, daß das wiederhergestellte 
Israel und die Versammlung ein Zusammenhängendes bilden. Wenn man im Propheten das darauf Folgende liest, so 
sieht man, daß in diesem Fall die Versammlung alle Völker 
und insbesondere Edom in Besitz erhalten müßte. Übrigens 
fassen wir die Worte Jakobi recht ins Auge: „Gott hat zuerst die Nationen besucht" und bringen wir sie in Verbindung mit: „Darnach", welchem im Propheten die Worte: „Zu 
derselben Zeit" entsprechen. Wir sehen, daß Jakobus, indem 
er durch den Heiligen Geist sprach, die Worte Hosea nicht 
auf die Versammlung anwendet, sondern auf die Wiederherstellung Israels. Er sagt: „Gott hat zuerst die Nationen besucht, um in seinem Namen ein Volk aus ihnen anzunehmen." Hiermit ist die Versammlung klar angekündigt und 
charakterisiert, aber Jakobus kündigt sie so an, und nicht 
Hosea. Dann: „Darnach", nach der Zeit der Versammlung, 
„wird Gott die verfallene Hütte Davids wieder aufbauen 
usw.". Dies ist die Wiederherstellung Israels. „Damit sie die 
Übrigen in Edom besitzen", oder: „damit die Übrigen der 
Menschen den Herrn suchen", sagt der Apostel, welcher sich 
nicht bei den kriegerischen Unternehmungen Israels in den 
letzten Tagen aufhalten wollte, obschon es eine klar geoffenbarte Tatsache war; sondern vielmehr bei der Bekehrung der Völker durch den Dienst Israels. 
Nein, die Versammlung, der Leib Christi, befindet sich 
nicht im Alten Testament, oder doch nur in Christo darin, in 
welchen sie eingeschlossen und verborgen ist, wie Eva in 
Adam verborgen war, ehe Gott sie aus ihm herausgenommen hatte. Sie befindet sich nur in Schatten und Bildern darin. Sie die jetzt aus der durchbrochenen Seite ihres Mannes 
herausgenommene Eva, während jener auf dem Thron Seines Vaters ausruht, und welche Ihm bei Seinem Erwachen, 
als herrliches Weib, ohne Flecken und Runzeln dargestellt 
wird, um mit Ihm über eine von Gott gesegnete Schöpfung 
zu regieren. Sie ist Henoch, welcher, hier unten durch den 
22 
Glauben mit Gott wandelt, dann zu Ihm entrückt wird, ehe 
die Flut Seines Zornes über einer von der Sünde erfüllten 
Erde, überfließt. Sie ist Rebekka, welche ein vom Vater gesandter himmlischer Elieser, Seinem vielgeliebten Sohne zur 
Braut sucht, welche Er durch Seine reichen Geschenke tröstet, und durch die Wüste zur Wohnung ihres Gemahls leitet, 
welcher ihr entgegenkommt. Aber das himmlische Geheimnis, welches in diesen rührenden Darstellungen enthalten ist, 
ist selbst denen verborgen geblieben, welche die Hauptpersonen dabei waren. Was die Propheten Israels klar, und 
ohne ein Geheimnis daraus zu machen, verkündigen, sind 
„die auf Christum kommenden Leiden, und die darauf folgenden Herrlichkeiten" (1. Petr. 1, 11). Dies ist das Reich, 
welches der Menschensohn bei Seiner herrlichen Wiederkunft herstellen wird (Dan. 2, 44; 7,13.14. 27), in welchem alle 
Reiche Ihm unterworfen und dienstbar sein werden; es ist 
das „Königreic h Gottes" , weil der Herr dann König 
der ganzen Erde sein wird (Sach. 14, 9); das „Königreic h 
d e r Himmel" , weil Der, welcher es errichtet, vom Himmel kommt (Dan. 7,13; Matth. 26, 64). "Übrigens wird Er darin 
ebensowohl Seine Herrlichkeit im allerhöchsten Himmel in 
Seinen himmlischen Heiligen, als auch in denjenigen, welche 
auf der Erde sein werden, offenbaren; — das „König -
reic h Israels " (Apg. 1,16), weil Israel den ersten Rang 
auf der Erde einnimmt, indem seine Söhne Fürsten auf der 
ganzen Erde sein werden (Mich. 4, 8. 9), besonders weil derjenige, der dann regieren wird, Der ist, dessen Wohlgefallen 
es war, sich der Welt als Sohn Davids zu offenbaren, und 
der sich dann wieder König Israels nennen wird (Jes. 23. 20— 
22; Zeph. 3, 14. 15). 
3. 
Die erste Erscheinung der Versammlung-
 im Neuen 
Testament, und ihre Bildung durch den Heiligen Geist 
Wenn wir nun zum Neuen Testament übergehen, so 
sehen wir die Versammlung zum ersten Mal in den Belehrungen des Herrn, bei der Gelegenheit als Israel Ihn verwarf, erscheinen. Dann sehen wir sie — nachdem sie durch 
den Heiligen Geist auf den Grund des gestorbenen und auferstandenen Jesus gebildet war — an die Stelle Israels und 
Seines Reiches gesetzt, welches von da an bis auf spätere 
Zeiten verschoben wird. 
23 
So verkündigt auch der Engel der Maria den Köni g 
diese s Reiche s und nicht das Haup t de r Ver -
sammlung , wenn er ihr sagt: „Du wirst einen Sohn gebären, und sollst seinen Namen ,Jesus' heißen. Dieser wird 
groß sein, und Sohn des Höchsten genannt werden, und der 
Herr Gott wird ihm den Thron seines Vaters David geben; 
und er wird über das Haus Jakobs in die Zeitalter herrschen; 
und seines Reiches wird kein Ende sein" (Luk. 1, 31—33). 
Jesus saß nie in der Versammlung auf dem Throne Davids; auch herrschte Er nicht über das Haus Jakobs, welches; 
im Gegenteil verworfen und ohne König ist. Aber dies war/ 
Israel verheißen (2. Sam. 7, 12—16; Jes. 9, 6; Jer. 23, 5. 6; 33J' 
15—17 usw.). I 
Dieses Reich verkündigte Johannes der Täufer: „Tuj 
Buße! denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen' 
(Matth. 3, 2.) Und die ganze Folge seiner Predigten steht in 
Beziehung mit diesem Anfang. Er gibt sich für die Stimm* 
aus, von welcher Jesaias, Kap. 40, 3 usw. gesprochen hatte, 
welcher in der Wüste ruft: „Bereitet dem Herrn den Weg']; 
und, wie der Prophet selbst sagt, würde dann „die Herrlichkeit des Herrn offenbart werden, und alles Fleisch würde 
miteinander sehen, daß des Herrn Mund redet." Ist nun dies 
die Zeit der Versammlung? Bejaht man diese Frage, so 
bringt man den Johannes in offenbaren Widerspruch mit 
dem Apostel Paulus, welcher diese Zeit der Versammlung 
als die Zeit bezeichnet, wo die ganze Kreatur zusammen 
seufzt und in Geburtswehen liegt; auch wir selbst, die wir 
die Erstlinge des Geistes haben, seufzen in uns selbst; uiid 
dieses Seufzen hat nur die Erlösung unseres Leibes zum Ausgangspunkt, nämlich unsere herrliche Auferstehung bei der 
Ankunft des Herrn (Röm. 8,19—22). Ja, die Zeit, wo alle Täler erhöhet und alle Berge erniedrigt werden, wo das Ungleiche eben gemacht, und wo die Herrlichkeit des Herrn 
sich offenbaren wird, ist das Gegenteil von dem, was wir 
jetzt sehen, das Gegenteil von der Seufzenszei t 4 e r 
Schöpfung; es ist die Zeit der Erquickung und der Herstellung aller Dinge „von dem Angesicht des Herrn" (Apg. 3, 
20. 21). Dann wird Er alle hohen Berge und alle erhabenen 
Hügel erniedrigen, damit Er allein hoch und erhaben sei 
(Jes. 2, 14—17). Dann wird auch die Erde voll werden von 
der Erkenntnis der Ehre des Herrn, wie das Wasser flas 
Meer bedecket (Hab. 2, 14; Jes. 11, 9). Dies ist es, was Johannes der Täufer ankündigte. So auch, wenn er sagt: „Er 
hat seine Worfschaufel in seiner Hand, und er wird seine 
Tenne ganz und gar reinigen, und den Weizen auf seinen 
Speicher sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem 
24 
Feuer verbrennen" (Luk. 3,17). Diese Worte versetzen uns 
in die Zeit der Ernte; denn im Morgenland folgt das Sichten 
des Kornes und das Reinigen der Tenne alsbald auf die 
Ernte und macht einen Teil derselben aus; es kann jedenfalls nie vor ihr geschehen. Die „Ernte aber ist das Ende des 
Zeitlaufes" (Matth. 13, 37—43). Johannes kündigt also das 
Gericht des Herrn an, das am Ende dieses Zeitlaufes stattfinden wird, wenn Er diejenigen, welche die Erde verdorben, 
zerstören und Sein Reich aufrichten wird. Johannes kündigt 
aber nicht die Versammlung an. Zu jener Zeit wird diese 
ihren Lauf hier unten vollendet haben, und wird bei ihrem 
Herrn sein. 
Wenn Johannes den Herrn Jesum als „das Lamm Gottes, 
welches die Sünde der Welt wegnimmt", ankündigt, so 
schließt dies allerdings die Versammlung in sich, weil sie in 
der Welt mit inbegriffen ist, aber auch dies wird seine völlige Erfüllung erst im zukünftigen Zeitlauf haben, wenn die 
ganze Welt an den Früchten des Opfers Jesu Teil haben 
wird. Er ist jetzt das Versöhnungsopfer für unsere Sünden, 
— für uns, die wir Glieder der Versammlung sind, — und 
dann wird Er es für die ganze Welt sein (1. Joh. 2, 2). Ohne 
Zweifel war es dem Johannes gegeben, dies in der Zukunft 
zu sehen. Er schaute, als Seher des irdischen Volkes, wie 
alle alten Propheten, die großen und herrlichen Dinge, 
welche der Herr auf der Erde herstellen wird, wenn Er Sein 
Reich aufrichtet; aber die Versammlung, in dem was sie besonders hat: ihren Beruf, ihren Wandel hienieden, ihre Entrückung, war für ihn noch das verborgene Geheimnis. Nur 
Jesus, der vom Himmel kam, konnte diese Dinge offenbaren. 
Dies bedeuten auch ohne Zweifel diese Worte des Johannes: 
„Der von der Erde ist, ist von der Erde und redet von der 
Erde; der vom Himmel kommt, ist über Alle. Und was er 
gesehen und gehört hat, dieses bezeugt er." Auch kann man 
bemerken, daß Johannes sich nicht allein nicht für den Bräutigam, oder den Christus ausgibt, sondern sich ebensowenig, 
als die Braut, die Versammlung, oder als einen Teil derselben, darstellt; er nennt sich vielmehr „Freund des Bräutigams" (Joh. 1, 28—31). 
Johannes lud also Israel zur Buße ein, um dem herrlichen 
Reich des Herrn, welches er ankündigte, den Weg zu bereiten; aber die Obersten, indem sie sich der Taufe des Johannes weigerten, „machten den Ratschluß Gottes gegen sich 
selbst wirkungslos" (Luk. 7, 30). Und die Versuchung des Johannes bestand ohne Zweifel darin, daß das Reich, welches 
er angekündigt hatte, durch die Verwerfung Jesu unterbrochen werden sollte; wie es auch Elias nicht ertragen konnte, 
25 
daß sein Zeugnis in Betreff der Bekehrung Ahabs und Israels wirkungslos blieb (1. Kön. 19, 3—15; Luk. 7, 19—28). 
Jesus Selbst fängt an zu predigen: „Die Zeit ist erfüllet, 
und das Reich Gottes ist nahe gekommen" (Mark. 1, 15; 
Matth. 4,17). Die siebzigste Woche des Daniel war in der Tat 
da. Die Zeit des Reiches und aller seiner Segnungen war gekommen. Damit Israel in den Genuß desselben komme, hatte 
es nur nötig, den Aufforderungen des Herrn zu gehorchen: 
„Tut Buße, und glaubet an das Evangelium." („Das Evangelium des Reiches Gottes") (Mark. 1, 14). 
Folgen wir jetzt dem Herrn Jesu in die Synagoge zu Nazareth. Er wickelt die Rolle des Propheten Jesaias auf und 
liest: „Der Geist des Herrn ist auf mir, deswegen hat er mich 
gesandt, die zerknirschten Herzens sind, zu heilen; den Gefangenen die Befreiung zu verkündigen, und den Blinden 
das Gesicht; die Zerschlagenen in Freiheit wegzuschicken; das 
angenehme Jahr des Herrn zu verkündigen" (Luk. 4, 16—21). 
Wenn wir nun selbst das 61. Kapitel des Jesaias lesen, so 
werden wir sehen, daß es die Rückkehr der Gunst Gottes 
über Israel, sowie die Rückkehr aller der Segnungen, welche 
Sein Sabbaths- und Sein Jubeljahr vorbedeuteten, und klar 
ankündigt, nämlich die Loslassung der Schulden, die Befreiung der Knechte, die Ruhe und Segnung der Erde (2. Mos. 
23, 10. 11; 3. Mos. 25; 5. Mos. 15). Jesus bot also Israel das 
wahre Jubeljahr, nämlich das Reich mit allen seinen Segnungen an, indem Er die Worte des Jes. 61, 1 und 2 gebrauchte. Johannes der Täufer und Jesus hatten schon einigermaßen den Versöhnungstag gepredigt, indem sie sagten: 
Tut Buße! (3. Mos. 25, 9.10; 23,27—32). Nun bringt Jesus dem 
Volke Israel, nach der Versöhnung, das Jubeljahr, d. h. nach 
der Demütigung der Buße, das Reich mit allen seinen Segnungen, indem Er zu dem Volk sagt: „Heute ist diese Schrift 
vor euren Ohren erfüllet." 
Warum hält nun aber der Herr inne, indem Er die Rolle 
vor den Worten: „und den Tag der Rache unseres Gottes" 
zuwickelt? Weil Er nicht die Rache brachte, sondern die Segnung. Wenn Israel Ihn dazumal aufgenommen hätte, so 
hätten die Verheißungen der Propheten ihre Erfüllung gehabt. Wir wissen aber, wie Er bei dieser Gelegenheit Selbst 
aufgenommen wurde. Bei den Bewohnern Nazareths folgte 
auf eine augenblickliche Bewunderung bald der Zorn, und 
sie wollten Ihn von dem Berge, an welchem ihre Stadt erbaut war, hinabstürzen. Da nun Israel, den Tag seiner 
Heimsuchung nicht erkennend, seinen König, der sanftmütig 
zu ihm kam, der das geknickte Rohr nicht brach und den 
brennenden Docht nicht löschte, verwarf, so wird es ihn mit 
26 
vorhergehenden großen und schrecklichen Zeichen kommen 
sehen müssen; — „die Menschen verschmachtend vor Furcht 
und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen ... " Dies sind die Tage der Rache, damit alles, was geschrieben ist, erfüllt werde" (Luk. 21; Jes. 34, 4; 63, 4). Dies 
wird „der große und erschreckliche Tag des Herrn sein" 
(Joel 2, 31; Mal. 4, 5). Und erst dann, wenn die Israeliten den 
Tag der Versöhnung verwirklicht haben werden (Sach. 12, 
10—13, 1), wird das wahre Jubeljahr kommen. „Sie werden 
wieder bauen, was verwüstet war, und werden die verlassenen Orte wieder herstellen." Dann werden sie genannt werden: „Die Priester des Herrn, die Diener unseres Gottes." 
Unterdessen genießt die Versammlung, welche an die Stelle 
des durch Israel verworfenen Reiches gesetzt ist, diese Segnungen in einem geistlichen Sinne. 
Was Jesus zu Nazareth gepredigt hatte, predigte Er von 
Ort zu Ort; denn „er ging umher durch alle Städte und Dörfer, lehrend in ihren Synagogen, und verkündigend das 
Evangelium des Reiches, und heilend jede Krankheit und 
jedes Gebrechen" (Matth. 9, 35). Als Er Seine Zwölfe erwählt, 
gibt Er ihnen Macht über die bösen Geister, um sie hinauszutreiben, und um alle Arten Krankheiten und Gebrechen 
zu heilen, sogar Tote zu erwecken. Dann befiehlt Er ihnen, 
weder zu den Heiden, noch in eine samaritische Stadt zu 
gehen, sondern zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel, um ihnen zu sagen: „Das Himmelreich ist nahe gekommen" (Matth. 10). Derselbe Auftrag ist den Siebzig gegeben; 
und wenn man sie in einer Stadt nicht aufnehmen wollte, so 
sollten sie auf die Straßen hinausgehen und sagen: „Auch 
den Staub, der uns aus eurer Stadt anhängt, schütteln wir 
gegen euch ab; doch dieses wisset, daß das Reich Gottes 
nähe zu euch gekommen ist" (Luk. 10). 
So wie aber Israel den Vorläufer seines Königs verworfen hatte, so verwarf es auch Seinen König selbst und dessen 
Gesandten. „Mein Volk aber gehorcht meiner Stimme nicht, 
und Israel will mein nicht" (Ps. 81, 11—16); und Jesus muß 
ausrufen: „Wem soll ich dies Geschlecht vergleichen? Es ist 
den Kindern gleich, welche auf den Märkten sitzen und ihren 
Gespielen zurufen und sagen: Wir haben euch gepfiffen und 
ihr habt nicht getanzt; wir haben euch Klagelieder gesungen, 
und ihr habt nicht gewehklagt; denn es ist Johannes gekommen, weder essend noch trinkend, und sie sagen: Siehe! ein 
Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Sünder und Zöllner" 
(Matth. 11,16—19). Man muß wohl bemerken, daß Jesus erst 
nach diesem Ausspruch anfängt, Seine Versammlung anzukündigen. „Wer sagen die Menschen, daß ich, der Sohn des 
27 
Menschen, sei? Sie aber sagten: Die einen: Johannes der 
Täufer; —andere: Elias; — andere aber: Jeremias, oder einer 
der Propheten. Spricht er zu ihnen: Ihr aber, wer sagt ihr, 
daß ich sei? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du 
bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona! denn Fleisch und Blut haben es dir nicht 
offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber 
auch ich sage dir, daß du bist Petrus, und auf diesen Felsen 
will ich meine Versammlung bauen, und die Pforten -des 
Hades werden sie nicht überwältigen" (Matth. 16, 13—18). 
Da Petrus von Gott die Gnade erhalten hatte, Jesum 
nicht nur als den Sohn Davids oder als den Messias Israels 
zu erkennen, sondern als Soh n de s lebendige n Got -
tes ; und da er Ihn als solchen bekannt hatte, antwortet 
Jesus auf dieses Bekenntnis mit einer neuen Offenbarung, 
ungefähr, als wollte Er sagen: Es ist so wahr, daß ich der 
Sohn des lebendigen Gottes bin, daß nicht nur Mich die 
Pforten des Hades (ein unsichtbarer Ort, welcher die Seelen 
nach dem Tode innehält [Jes. 38,10.11]) nicht zurückbehalten werden, — nicht nur werde Ich, nachdem ich in denselben hinunter gestiegen sein werde, aus demselben als Sieger 
hervorgehen; sondern ich werde auch meine Versammlung 
daraus hervorgehen lassen; „denn wie der Vater das Leben 
in sich selbst hat, also hat er auch dem Sohne gegeben, das 
Leben in sich selbst zu haben; und wie der Vater die Toten 
auferweckt und lebendig macht, also macht auch der Sohn 
lebendig, welche er will" (Joh. 5, 21. 26). Weil Ich lebe, soll 
auch Meine Versammlung leben (Joh. 16, 19). 
So haben wir also hier, die erste Offenbarung der Versammlung, und ihrer Teilnahme am Leben ihres gestorbenen und auferstandenen Jesus. Es ist ungefähr derselbe Gedanke, welchen Jesus später Seinem lieben Jünger zum 
Trost und zur Ermutigung zuruft (Offenb. 1,17.18). Beobachtet wohl, daß der Herr nicht sagt „Ich hab e gebaut", sondern: „Ich werd e bauen" meine Versammlung. Würde Er 
wohl also gesprochen haben, wenn diese Versammlung von 
Anfang der Welt bestanden hätte? Nein, denn zu jener 
Stunde war sogar noch nicht einmal der Grund dazu gelegt; 
denn dieser Grund ist der verworfene, gekreuzigte und auferstandene Jesus. Auch war es „von de r Zeit an, daß Jesus 
begann, seinen Jüngern zu zeigen, daß er nach Jerusalem 
gehen müsse, und vieles leiden von den Ältesten und Hohenpriestern, und getötet, und am dritten Tage auferweckt 
werden" (Matth. 16, 21); und so verband Er den Gedanken 
28 
Seiner Verwerfung, Seines Todes und Seiner Auferstehung, 
mit dem der Versammlung. 
Als der Herr ein wenig später erklärt, daß da, „wo zwei 
oder drei in seinem Namen versammelt seien, er mitten 
unter ihnen sei", bezeichnet Er eine Verfassungs-Grundlage 
dieser Versammlung, die uns die Natur derselben begreiflich 
macht; und wir haben das Glück, auf diese Grundlage, selbst 
inmitten des Verfalls unserer Zeit, uns zu stützen. 
Es ist wahr, daß Israel später noch einen Augenblick bereit schien, seinen König aufzunehmen. Als eine Menge 
Volks erfuhr, daß Jesus zum Feste kam, gingen sie vor Ihm 
her und riefen: „Hosianna dem Sohne Davids! Gesegnet sei, 
der da kommt, im Namen des Herrn!" Die Kinder im Tempel wiederholten: „Hosianna, dem Sohne Davids!" (Matth. 21, 
8—16). Auch Griechen, welche gekommen waren, um in Je -
rusalem anzubeten, wünschten Ihn zu sehen; und eine 
Stimme vom Himmel gab Ihm Zeugnis (Joh. 12, 20—29). Es 
schien, als ob sich alles zu Seinem Triumphe bereitete. Aber 
den Obersten des Volkes gelang es wieder, diese guten Neigungen zu ersticken, und somit die Erlösung Israels und der 
ganzen Welt zu verhindern. Sie machten sogar dem Herrn 
Jesu Seine Macht streitig. Darnach kündigte ihnen Jesus 
auch offen ihre Verwerfung an. Jn dem Gleichnis von den 
Weingärtnern nötigte Er sie, ihre Verdammnis selbst auszusprechen, indem Er sagte: „Er wird jene Bösewichter übel 
verderben, und den Weinberg wird er an andere Ackerbauer 
austun, die ihm die Früchte zu ihren Zeiten abgeben werden." Dann fügt Jesus hinzu: „Habt ihr nie in den Schriften 
gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der 
ist zum Eckstein geworden; dieses ist vom Herrn geschehen, 
und es ist wunderbar in unseren Augen? Deswegen sage ich 
euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einer 
Nation gegeben werden, welche dessen Früchte bringen wird. 
Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; 
den aber, auf welchen er fällt, wird er zermalmen" (Matth. 21, 
41—46). — So war also dieser Stein zuerst auf der Erde. Man 
stieß sich an ihm, und wird zerschmettert werden. Dies bedeutet offenbar den Herrn Selbst in der Erniedrigung bei 
Seiner ersten Ankunft, — welcher Israel ein Ärgernis war, 
und der es der Welt noch immer ist (Apg. 4, 10—12). Dann 
fällt der Stein — weil er vorher erhöht worden ist — und 
derjenige, auf welchen er fällt, wird zermalmt. Dies bedeutet den in der Herrlichkeit wiederkommenden Herrn, um 
Sein Reich durch die Vernichtung Seiner Feinde aufzurichten. Es ist der ohne Hände losgemachte Stein, welcher das 
große Bild, in seinen teils irdenen, teils eisernen Füßen, zer29 
malmt (Dan. 2, 35. 44. 45). Was während der Zeit Seiner Verwerfung auf diesen Stein gebaut wird, ist die Versammlung, 
das „Haus Gottes im Geist" ,welches auf „dem lebendigen 
Stein, der von Menschen zwar verworfen, von Gott aber auserwählt ist", ruht (Matth. 16, 18 verglichen mit Vers 21 u. 
l.Petr. 2, 4—10). Was auf den vom Himmel gekommenen und 
seine Feinde zermalmenden Stein gebaut wird, ist das Reich 
(Jes. 28,16), in welchem man den 118. Psalm, besonders Vers 
21—26 singen wird. Ungefähr dieselben Gedanken sind in 
dem Gleichnis vom Edelmann dargestellt (Luk. 19, 12 usw.) 
Nachdem Er den blinden Führern Seines blinden Volkes 
„Wehe!" zugerufen hatte, nimmt Jesus Seinen rührenden 
Abschied von Jerusalem: „Jerusalem, Jerusalem! die du die 
Propheten tötest, und die, welche zu dir gesandt sind, steinigst; wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie 
eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt, und 
ihr habt nicht gewollt. Siehe! es wird euch euer Haus wüste 
gelassen werden. Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von 
jetzt an nicht sehen, bis ihr sagt: „Gesegnet, der da kommt 
im Namen des Herrn!" (Matth. 27, 33—39). 
Man sieht es aber, daß es nicht ein Abschied für immer 
ist: ihr werdet mich nich t sehen, bi s ihr sagt usw. Dies 
hatte der Herr schon durch Seinen Propheten gesagt: „Ich 
werde wieder an meinen Ort gehen, bis sie erkennen, daß 
sie gesündigt haben, und mein Angesicht suchen" (Hos. 5,15). 
Die Zeit wird also kommen, wo Israel zu seinem König und 
Gott umkehrt, und indem es Ihn kommen sieht, wird es Ihn 
aufs neue mit dem Zuruf begrüßen: „Gesegnet, der da 
kommt im Namen des Herrn!" (Hos. 3, 5; Ps. 118, 26). Das 
Reich ist bis auf jenen Augenblick verschoben, und bis zu 
jenem Augenblick ist es durch die Versammlung ersetzt. 
Endlich ist bekannt, was Israel mit seinem König machte; 
es übergab Ihn den Heiden, daß sie Ihn töteten, indem es 
rief: „Kreuzige, kreuzige ihn!" Als Pilatus zu ihnen sagte: 
„Soll ich euren König kreuzigen?" da antworteten die Ältesten: „Wir haben keinen anderen König als den Kaiser." 
Zur Krone flocht man Ihm Dornen, zum Szepter gab man 
Ihm ein Rohr und zum Thron ein Kreuz, auf welchem man 
jedoch zum Ärger Seiner Feinde in griechischer, lateinischer 
und hebräischer Sprache lesen mußte: „Jesus von Nazareth, 
der König der Juden", um gleichsam der Welt bekannt zu 
machen, daß, wenn Israel von jetzt an ohne König sei, es 
nicht daran liege, daß der König Seinem Volke untreu geworden, sondern daran, daß das Volk seinen König verworfen und gekreuzigt habe. 
Israel war, wie seine Väter, an den Grenzen des verhei30 
ßenen Landes angekommen (4. Mos. 13 u. 14). Das Himmelreich war ihm nähe gekommen, es war ihm angeboten worden; aber es verhinderte, wie auch seine Väter, durch seinen 
Unglauben die Erfüllung der Verheißung, und jetzt, bevor 
sie erfüllt ist, muß es viele Tage in der „Wüste der Völker", 
„ohne König, ohne Fürst, ohne Opfer und ohne Altar, ohne 
Ephod und ohne Theraphim", umherirren (Hes. 20, 35; Hos. 2, 
14; 3, 4). 
Doch Jesus hatte am Kreuze für Seine Mörder gebeten: 
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun", 
und als Antwort auf - diese Bitte wurde das Reich ihnen 
abermals angeboten. Man kann den Worten Petri keinen 
anderen Sinn geben, wenn er sagt: „Und jetzt, Brüder, ich 
weiß, daß ihr in Unwissenheit gehandelt habt, gleichwie 
eure Obersten. Gott aber hat, was er durch den Mund aller 
seiner Propheten zuvorverkündigt hat, daß der Christus leiden sollte, also erfüllt. — So tut nun Buße und bekehret 
euch, daß eure Sünden ausgetilgt werden, daß Zeiten der 
Erquickung von dem Angesichte des Herrn kommen möchten, und daß er euch den zuvorverordneten Jesum Christum 
senden möchte; welchen freilich der Himmel empfangen 
muß, bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, 
wovon Gott von jeher durch den Mund seiner heiligen Propheten geredet hat" (Apg. 3, 17—26). Wenn nun auch einige 
glaubten, so verhärtete sich jedoch die Masse auf den Zuruf 
der Apostel, wie sie es auch bei dem Zuruf ihres Meisters tat. 
Stephanus wandte sich nochmals zu Israel, als zu dem 
Volke Gottes, und bat dasselbe auf das dringendste, den 
Vorvätern nicht nachzuahmen, welche voll Neid Joseph, 
welchen Gott als Erretter seiner Familie und der Welt erweckt hatte, verkauften — noch zu tun, wie die Hebräer in 
Ägypten, welche zu Moses sagten: „Wer hat dich zum Fürsten und Richter über uns gesetzt?" denn dieser Moses, den 
sie verworfen hatten, war der Mann, den Gott zum Fürsten 
und Befreier gesandt hatte. Aber die Juden, noch mehr als 
ihre Väter verhärtet, steinigten den Stephanus und schickten 
ihn, sozusagen, dem Herrn nach, wie den Knecht im Gleichnis, um damit zu sagen: „Wir wollen nicht, daß dieser über 
uns herrsche!" Von da an wurde dieser Leib, welchen der 
Heilige Geist aus Kindern Abrahams gebildet hatte, auch 
aus Samaritern und bald auch aus den Nationen gesammelt 
(Apg. 5 u. 13). Demgemäß nahm er den Charakter der Versammlung dieses neuen Menschen an, in welchem weder 
Jude noch Grieche gilt; die Versammlung trat an die Stelle 
des Reiches. Zur selben Zeit erweckte Gott aus der Zahl der 
Mörder des Stephanus denjenigen, welcher der Diener der 
31 
Versammlung, der „Verwalter dieses von den Zeitaltern her 
verborgenen Geheimnisses" sein sollte (Kol. 1, 24—29). Und 
es scheint, daß er in seiner Berufung selbst die Versamm-» 
lung als den Leib, der hier unten mit dem gestorbenen und 
auferstandenen Jesus wandelt, kennenlernen sollte. „Saul, 
Saul, warum verfolgst du mich?" sagte ihm der Herr, und 
als Paulus antwortete: „Wer bist du, Herr?" antwortete Er: 
„Ich bin Jesus, den du verfolgst" (Apg. 9, 4 u. 5). 
Die Versammlung hatte in der Tat vor Paulus begonnen, 
jedoch ohne von denen, welche sie bildeten, selbst verstanden zu sein. Als z. B. Petrus den Befehl erhielt, den Heiden 
das Wort zu bringen, gehorchte er, sozusagen nur mit Widerwillen und ohne Verständnis; er ergab sich erst dann vollständig darin, als er sah, daß der Heilige Geist den Heiden, 
nachdem sie glaubten, gegeben wurde. Diese Tatsache wurde 
ihm zum Beweis, daß er nicht das Recht habe, ihnen das 
Wasser zu wehren. „Wer war ich, um Gott zu widerstehen?" 
Petrus verstand zwar die Tatsache, daß Heiden durch den 
Glauben errettet worden waren, aber er begriff damals die 
Einheit der mit Christo für Gott in eine m Leib gesammelten Gläubigen nicht. Gewiß war es Paulus vorbehalten, 
der Verwalter dieses Geheimnisses zu sein, welches er ohne 
Zweifel „sein Evangelium" nennt (Röm. 16, 25; 2. Tim. 2, 8). 
So sind wir denn wieder bei unserem Ausgangspunkt angekommen, nämlich bei den Belehrungen Paulus über die 
Natur der Versammlung, welche wir nun besser verstehen 
können. 
4. 
Zusammenstellung der Belehrungen Paulus über die 
besondere Natur der Versammlung 
a) Die wichtigste dieser Belehrungen, diejenige, welche 
gewissermaßen alle anderen einschließt, und auf welche 
Paulus am meisten zurückkommt, ist die, daß die Versammlung „der Leib des Christus" ist (Eph. 1, 22. 23; 2,16; 3,6; 4, 
1—16; 5, 23—32; Kol. 1,18. 24; 1. Kor. 12,12—27). 
Konnte nun dieser Leib existieren, ehe Jesus verworfen 
war? Nein, denn wir haben gesehen, daß Jesus gekommen 
war, um Sich auf den Thron Davids, Seines Vaters, zu setzen, und um über das Haus Jakobs zu regieren, und nicht 
um einen Leib zu bilden, und zwar aus den aus allen Nationen erkauften Sündern. Deshalb verbindet er auch, wie wir 
32 
gesehen haben, den Gedanken der Versammlung mit demjenigen Seiner Verwerfung: Die Versammlung ist das im 
Geist auf den verworfenen Stein gebaute Haus. Paulus lehrt 
uns auch, daß die, welche ferne waren, im Blut Christi nahe 
gebracht worden sind, um mit denen, welche nahe waren, 
nur einen neuen Menschen zu bilden; und daß beide vor 
Gott durch das Kreuz eine n Leib ausmachen (Eph. 2, 13 
usw.). Kaiphas, indem er durch den Geist weissagte, sagte 
selbst, daß Jesus „nicht nur für das Volk sterben sollte, sondern auch, damit er die zerstreuten Kinder Gottes in Ein s 
versammelte" (Joh. 11, 49—52). Dieses Versammeln der bis 
dahin zerstreuten Kinder Gottes in Eins — mit anderen 
Worten: des Leibes Christi — ist also eine Frucht Seines 
Todes. 
Aber die Versammlung ist nicht der Leib eines für immer gestorbenen Christus, noch eines irdischen Christus, der 
noch sterben kann, sondern eines Christus, der tot war und 
auferstanden ist, der folglich nicht mehr sterben kann, sondern von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt (Matth. 16,16—18; Röm. 
6, 9; Offenb. 1, 17). Achten wir in der Tat darauf, daß der 
Christus, „welcher der Versammlung, seinem Leib, zum 
Haupt gegeben ist", der Christus ist, „welcher von den Toten auferstanden, und zur Rechten Gottes in den himmlischen örtern gesetzt ist, über alle Fürstentümer und Gewalt 
und Macht und Herrschaft und jeglichen Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem, sondern auch im zukünftigen Zeitalter" (Eph. 1, 20—23). Dieser Leib konnte demgemäß nicht existieren, ehe Jesus auferweckt und verherrlicht 
war. 
Da endlich die Versammlung der Leib Christi ist, so muß 
der Geist Christi in ihr wohnen und sie beseelen, wie der 
Geist des Menschen im Menschen wohnt. Das ist uns auch 
in diesen Worten gelehrt: „Ihr seid der Tempel Gottes, und 
sein Geist wohnt in euch." Die „Versammlung ist das Haus 
Gottes im Geist"; „ein Leib und ein Geist" (1. Kor. 3, 16; 6, 
19; 2. Kor. 6, 16; Eph. 2, 21.22; 4, 4; 1. Petr. 2, 4. 5). Es war aber 
notwendig, daß unsere gerechtfertigte und verherrlichte 
menschliche Natur, in der Person Christi in den Himmel 
eingegangen ist, damit der Heilige Geist von dorther herabkommen konnte, um in den von Natur armen Sündern, als 
in Seinem Tempel zu wohnen (Joh. 7, 37—39; 16, 7). Dieser 
durch Seinen Geist beseelte Leib konnte also nicht existieren, ehe der Geist von oben herabgesandt war. Gewiß waren 
alle Heiligen aller Zeiten durch den Geist Gottes gelehrt, erneuert und geheiligt — durch Ihn haben auch die Männer 
Gottes gesprochen — aber es ist nie von Eine m unter ihnen 
17 33 
noch von eine r Versammlun g unter ihnen gesagt, 
daß sie der Leib des Christus, Seine Glieder, der Tempel 
Seines Geistes seien. 
b) Paulus lehrt uns auch, daß die Versammlung „ein heiliger Tempel im Herrn ist, eine Behausung Gottes im Geist, 
auferbaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, wo 
Jesus Christus selbst Eckstein ist" (Eph. 2, 20—22), Sind nun 
die Propheten, von weichen hier die Rede ist, die des Alten 
oder des Neuen Testamentes? (Apg. 13,1; 1. Kor. 12; 14). Man 
wird sich überzeugen, daß es die Letzteren sind, wenn man 
darauf merkt, daß sie immer nach den Aposteln angeführt 
werden (Eph. 2, 20; 3,5; 4,11; 1. Kor. 12, 28. 29). In der letzteren Stelle ist sogar gesagt: „Gott hat in der Versammlung 
gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten usw." Und in 
Eph. 4, 11 ist es offenbar, daß diese Propheten eine Gabe 
des Geistes sind, welche infolge Seiner Himmelfahrt gekommen sind. Es ist also in diesen Stellen von den Propheten 
des Neuen Testamentes die Rede. Wenn nun die Versammlung auf die Grundlage der Apostel und Propheten des 
Neuen Testamentes gebaut ist, so kann sie nicht die Gesamtheit aller Gläubigen von Anbeginn der Welt sein, da die 
meisten vor diesen Aposteln und Propheten gelebt haben, 
und aiso nicht auf diese Grundlage haben gebaut sein können. Dieses bestätigt und entwickelt einigermaßen das, was 
wir in Bezug auf das Wort Jesu zu Petrus gesagt haben: 
„Auf diesen Felsen werd e ich bauen, nicht hab e ich gebaut meine Versammlung." 
c) Nach den Worten des Apostels Paulus erhebt sich auch 
die Versammlung auf den Trümmern der Zwischenwand — 
die Gebote in Satzungen — welche früher Juden und Nationen schied, als eine neuer Mensch (Eph. 2, 11. 12). Konnte 
nun die Versammlung existieren, als diese Zwischenwand 
noch bestand? Mit anderen Worten, konnte die Versammlung, in welcher weder Jude noch Grieche ist, existieren, 
wenn im Gegenteil eine tiefe unüberschreitbare Kluft zwischen Juden und Nationen da war? Wird sie existieren können, wenn diese Scheidelinie, obwohl weniger bezeichnet, 
weniger tief, wieder bestehen wird, wie wir gesehen haben, 
daß es im zukünftigen Zeitlauf der Fall sein wird? 
d) Endlich sagt uns Paulus (Eph. 4,11.12), daß „Christus 
die einen als Apostel, die anderen als Propheten, die anderen 
als Evangelisten, die anderen als Hirten und Lehrer zur 
Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die 
Auferbauung des Leibes des Christus gegeben habe." Wenn 
nun die Versammlung alle Heiligen von Anbeginn der Welt 
34 
in sich schließt, woher kommt es, daß der Apostel, indem er 
von den Gaben spricht, welche Gott dieser Versammlung zu 
ihrer Auferbauung gegeben hat, nicht ein Wort von den Pa -
triarchen, Königen und Propheten des alten Bundes sagt? 
Haben diese Männer nicht zur Auferbauung der Heiligen 
ihrer Zeit gedient? Gewiß, aber für Paulus ist die Versammlung der Leib des Christus, der zu Pfingsten durch Seinen 
Geist belebt wurde, und der erst seit diesem Augenblick Leben hat. Deshalb spricht er nur von den Gaben und Diensten, welche seit Pfingsten durch diesen Geist mitgeteilt sind, 
wie der Zusammenhang es klar zeigt. 
Ja, es gibt eine Versammlung, welche weder die Fortsetzung von Israel, noch das wiederhergestellte Israel und die 
gesegneten Nationen des zukünftigen Zeitlaufs ist, sondern 
welche die Gesamtheit derjenigen ist, welche der Heilige 
Geist, während der Zeit der Verwerfung Israels, zu Jesu 
führt, um Seine Braut, Sein Leib, ein neuer Mensen zu sein, 
wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, 
Barbar, Scythe, Sklave, Freier, sondern alles in allem — 
Christus (Gal. 3, 26—28; Kol. 3, 10. 11). Weil Christus Sich 
Selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, und bis 
zum Tod am Kreuz gehorsam war, deswegen hat Ihn „Gott 
auch hoch erhoben, und ihm einen Namen gegeben, der über 
jedem Namen ist, auf daß vor dem Namen Jesu sich jedes 
Knie der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen 
beuge, und auf daß jede Zunge bekenne, daß Jesus Christus 
,Herr' ist, zur Verherrlichung Gottes des Vaters" (Phil. 2, 
6—11; Eph. 1, 20—23). 
Diese herrliche Stellung, welche Sich Jesus durch Seine 
Erniedrigung und Seine Leiden zur Rechten Gottes in den 
himmlischen örtern, über alle Fürstentümer und alle Macht 
erworben hat, ist auch die Stellung, welche Seiner Versammlung, als Seinem Leib, zugesichert ist. Deshalb ist gesagt: 
„Gepriesen sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu 
Christi, der uns mit aller geistlichen Segnung in den himmlischen örtern in Christo gesegnet." „Als wir in Vergehungen 
tot waren, hat er uns mit dem Christus lebendig gemacht, — 
durch die Gnade seid ihr errettet; — und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in 
Christo Jesu" (Eph. 1,3; 2,5.6). 
Weil wir der Leib, die Glieder Dessen sind, der jetzt in 
den himmlischen örtern sitzt, und weil Sein Geist uns mit 
Ihm verbindet, so sind wir jetzt schon in gewisser Beziehung in den himmlischen örtern. Dahin hat uns die Liebe 
des Vaters versetzt, als Er uns von Ewigkeit her erwählte — 
uns die toten Glieder des Leibes Adams — um uns Christo, 
35 
dem Fürsten des Lebens, als Seine Glieder einzuverleiben. 
Da ist unsere Gerechtigkeit, unser Friede, der Anker unserer Hoffnung; „unser Leben", „mit Christum in Gott verborgen" (Kol. 3, 3). Wer wird es uns rauben? (Röm. 8, 27—38; 
10, 6—8). Laßt uns mit diesen köstlichen Wahrheiten uns 
nähren; denn nur in dem Maße, als wir dieses tun, werden 
wir ein Auferstehungserleben führen können, als uns selbst, 
der Sünde und der Welt Gestorbene, als Gott Lebende, durch 
Jesum Christum. 
Da wir der Leib des Christus sind, „seine Braut, Bein 
von seinem Bein, Fleisch von seinem Fleisch", so sind wir 
Seine Fülle, „die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt." 
Denn die Glieder bis zu den kleinsten hin sind die Fülle oder 
die Vervollständigung des Hauptes; und der Leib ist nur 
dann vollständig, wenn ihm keines seiner Glieder mangelt. 
Das Weib ist die Vervollständigung ihres Mannes, der nur 
m i t seinem Weibe vollständig ist; sie ist seine Ehre (1. Kor. 
11, 7). So ist es auch mit Christo. Er wird gewissermaßen 
erst der „vollkommene Mann" sein, und wird „das Maß des 
vollen Wuchses" (Eph. 4,14) erst dann erreicht haben, wenn 
Sein Leib durch die Hinzufügung des letzten Gliedes vervollständigt sein wird (1. Kor. 12,12). Der ganze Leib wird 
in dieser Stelle „der Christus" genannt. Denn wenn der 
zweite Adam „sich selbst seine Versammlung verherrlicht, 
ohne Flecken und Runzeln, dargestellt hat", wird Er Sich in 
ihr verherrlichen, wie geschrieben ist: „um in seinen Heiligen verherrlicht zu werden, und bewundert in allen denen, 
die geglaubt haben" (2. Thess. 1,10); und mit ihnen wird Er 
über Sein Erbe, Israel und die Nationen, regieren. 
Fragt man, warum der Herr die Versammlung wie auch 
jedes einzelne Glied zu einem so hohen Beruf, der denjenigen aller übrigen Klassen von Heiligen so weit übertrifft, 
berufen hat, so finden wir die Antwort allein in dem Wohlgefallen Gottes. Aus keinem anderen Grund haben wir, die 
wir glauben, die Liebe zur Wahrheit erhalten, als aus dem, 
weil uns Gott „zuvor verordnet hat für sich selbst durch Jesum Christum, nach dem Wohlgefallen seines Willens" (Eph. 
1, 5). Wir würden umsonst einen anderen Grund der Berufung der Versammlung suchen. Man muß in einem wie im 
andern Fall dahin kommen, zu sagen: „Ja, Vater, denn also 
war es wohlgefällig vor dir" (Matth. 11, 26). Übrigens offenbart uns das Wort in Bezug auf den Zweck, den Sich Gott 
hierin vorsetzte, folgendes: „Damit er in den kommenden 
Zeitaltern den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade 
durch seine Güte an uns in Christo Jesu erweise" (Eph. 2, 7) 
und ferner: „auf daß nun den Fürstentümern und Gewalten 
36 
in den himmlischen Örtern durch die Versammlung die 
mannigfaltige Weisheit Gottes kundgemacht sei (Eph. 3, 10). 
Wie sehr erhebt dies noch den Gedanken, den wir uns von 
der Versammlung und ihrer Berufung machen können! Ein 
Denkmal der Weisheit Gottes in den himmlischen Örtern, 
und des überschwenglichen Reichtums Seiner Gnade in den 
kommenden Zeitaltern zu sein! 
Wenn es jemandem als Hochmut vorkommen sollte, an 
diese hohe Berufung zu glauben, so bedenke man, daß „die 
Wege Gottes nicht unsere Wege, und seine Gedanken nicht 
unsere Gedanken sind; sondern so viel die Himmel höher 
sind, als die Erde, so sind auch seine Wege hoher als unsere 
Wege, und seine Ratschläge höher, als unsere Ratschläge" 
(Jes. 55, 8. 9). Man bedenke vor allem, daß die wahre Demut 
nicht darin besteht, unter dem Vorwand der Unterwürfigkeit, die Gnade, die uns Gott darbietet, von uns zu stoßen 
(Joh. 13, 8). Denn wessen sind wir würdig? — Die Demut besteht vielmehr darin, mit Anbetung das anzunehmen, was 
Gott uns darreicht, indem wir es weit höher schätzen, als 
unsere liebsten Gedanken, als die ältesten Überlieferungen 
und die ehrwürdigsten Belehrungen. Laßt uns in diesem 
Sinne die Belehrungen, welche uns das Wort über die Versammlung gibt, annehmen. Demütigen wir uns; denn was 
ist geeigneter um uns zu demütigen, als die Betrachtung der 
überschwenglichen Gnade Gottes gegenüber unserem Elend? 
Sollte man sich dann nicht sagen: „Was hast du, das du 
nicht empfangen hast, und wenn du es empfangen hast, 
warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?" 
(1. Kor. 4, 7). Laßt uns deshalb demütig, aber auch gläubig 
sein; laßt uns anbeten und danksagen und gestärkt sein, um 
würdig der Berufung, zu welcher wir berufen sind, zu wandeln, indem wir den unergründlichen Reichtum der Liebe 
Gottes betrachten. 
37 
III. 
Verfall der Versammlung 
Israel hätte durch seinen Gehorsam und die damit verbundenen sichtbaren Segnungen allen Völkern der Erde zeigen sollen, wie „glücklich das Volk ist, dessen Gott Je -
hov a ist" (Ps. 144, 15). Allein dieses so sehr bevorzugte 
Volk war ungehorsam und verwarf Jehova. Gott aber wird 
von Israel und den Nationen im zukünftigen Zeitlauf verlangen, daß sie sich, indem sie die dann geoffenbarte Herrlichkeit des Sohnes Davids betrachten, freudig diesem wahren Melchisedek unterwerfen, welcher sie in Friede und Gerechtigkeit regieren wird. 
Die während der Abwesenheit Jesu hier unten wandelnde Versammlung ist berufen, durch ihren geistlichen 
und himmlischen Wandel der Welt zu zeigen, daß dieser 
Jesus, welchen sie verworfen hat, im Himmel lebt, indem Er 
in der Versammlung durch Seinen Geist diese himmlische 
Gesinnung und Neigung bewirkt; und diese Zeit Seiner Geduld ist bestimmt, sich zu Ihm zu bekehren. 
Hätte die Versammlung ihrer Berufung gemäß den bewunderungswürdigen Anblick eines aus allen Völkern gesammelten einigen Leibes stets dargeboten, — eines Leibes, 
der durch eine bis dahin unbekannte Macht in der Einheit, 
Liebe und Erwartung seines Hauptes erhalten wurde, so 
würde dies ohne Zweifel für sie ein reicher Segen und für 
die Welt ein gewaltiges Zeugnis geblieben sein. Doch dazu 
hätte sich die Versammlung dem Geiste völlig überlassen 
müssen, welcher alsdann reichlich gewirkt hätte. Was sieht 
man aber statt dessen jetzt in der Christenheit? Der Katholizismus entzieht den Gläubigen das Vorrecht, durch den 
Geist geleitet zu werden, und räumt dem Klerus allein das 
Recht dazu ein. Unter den Protestanten ist der Heilige Geist 
nur eine tote unfruchtbare Lehre. Diejenigen sogar, welche 
Dessen Wirkung in ihrer Wiedergeburt erfahren haben, und 
sich Ihm für ihren eigene n Wandel anvertrauten, scheinen oft, wenn es sich um den gemeinschaftliche n 
Wandel oder um die Versammlung handelt, zu vergessen, 
daß es einen Heiligen Geist gibt. Sie verkennen den so ein38 
fachen Grundsatz, daß, so wie die Gesamtversammlung der 
durch den Geist beseelte Lei b Christ i ist, so auch die 
Versammlung eines jeden Ortes, die vom Heiligen Geist geleitete Versammlung der Glieder Christi an diesem Ort ist; 
und daß folglich alles, was diese Glieder zu tun haben, darin 
besteht, sich gemeinschaftlich im Namen des Herrn zu versammeln, um im Geist und in der Wahrheit anzubeten. Dies 
ist die Versammlung und ihr Gottesdienst. 
Statt dessen aber sucht man da, wo man es nach seiner 
eigenen Weisheit zweckmäßig findet, Versammlungen zu 
machen. Man richtet Schulen ein, in welchen man durch Erlernung der Wissenschaften, vielleicht auch in Verbindung 
mit einem orthodoxen Glauben, Hirten, Lehrer, kurz Diener 
für diese Versammlungen bildet. Man vergißt, daß der Geist 
in der Versammlung Seine Gaben austeilt, „wie er will" 
(1. Kor. 12, 4-12). Man bringt das, was der Geist Selbst durch 
Seine mächtige und freie Wirkung hervorbringen sollte, in 
Verfassungen und Formen; während diese Dinge vor Gott 
nur insofern wahr sind und einen Wert haben, als sie durch 
diesen Geist hervorgebracht sind. Wie sollte die Welt für 
den Glauben gewonnen werden, wenn sie sieht, daß diejenigen, welche an diesen Geist zu glauben bekennen, sich in 
Wirklichkeit nicht diesem Geist anvertrauen, sondern gleich 
ihnen, sich auf die Weisheit ihrer Formen und auf das Talent und die Redekunst ihrer Lehrer verlassen? Und sollte 
sich der hierdurch betrübte Geist nicht zurückziehen? Sie 
sind wie Israel, welches sein Vorrecht, Gott zum König zu 
haben, verkannte, und sagte: Wir wollen einen König haben, 
gleichwie auch die anderen Nationen. 
Die Versammlung sollte von dem Leben ihres auferstandenen Hauptes Zeugnis ablegen, indem sie Ihn täglich vom 
Himmel erwartete, wie sie es auch anfänglich tat. Wenn man 
die Briefe der Apostel einfältig liest, so ist es unmöglich, 
nicht zu erkennen, daß die ersten Christen den Herrn auf 
eine ganz andere Weise erwarteten, als es die meisten Christen heutzutage tun. Sie erwarteten Ihn wirklich , und 
nicht geistig ; sie glaubten, daß Er jeden Augenblick 
kommen könne. Die Ankunft war für sie einer der Zwecke, 
wofür sie bekehrt waren, eine Triebfeder zur Erfüllung aller 
ihrer Pflichten und ein Trost in all ihrem Leid (1. Thess. 1, 
9. 10; 2,19.20; 4,18; Titus 2,13; Hebr. 10, 36. 37; Jak. 5, 7—9). 
Man hat sich aber so sehr von der Gesinnung dieser ersten 
Jünger entfernt, daß, da man ihre Sprache nicht mehr verstand, man ihren einfachsten Ausdrücken einen fremden 
und gezwungenen Sinn gegeben hat. Die Ankunft des Herrn 
wurde für viele nur die Zerstörung Jerusalems oder der 
39 
Tod; oder auch etwas, was man eine geistige Ankunft nannte, 
um ein sogenanntes geistiges Reich aufzurichten, von welchem aber das Wort nichts weiß. 
Die meisten kennen keine andere Ankunft des Herrn, als 
diejenige, in welcher Er die Welt richten wird, und verwechseln so den Ta g de s Zorne s de s Lammes , mit 
dem liebliche n un d herrliche n Ta g Seine r 
Vereinigun g mi t Seine r vielgeliebte n Braut . 
Und wenn ihr sie an die Belehrung des Wortes über diesen 
Punkt erinnert, so werden sie euch, wie Festus dem Paulus, 
sagen: „Deine große Gelehrsamkeit bringt dich zur Raserei." 
Mit der täglichen Erwartung des Herrn ist auch die Einheit der Jünger, ihre Trennung von der Welt, das geistliche 
und himmlische Leben, welches sie anfänglich auszeichnete, 
verschwunden. Als der Knecht in seinem Herzen sagte: 
„Mein Herr verzögert zu kommen", begann er seine Mitknechte zu schlagen und mit den Trunkenen zu essen und 
zu trinken (Matth. 24, 48 usw.) Als die Versammlung aufhörte nach oben zu blicken, um den Herrn vom Himmel zu 
erwarten, blickte sie nach unten, um da ihre Ruhe, ihre Bequemlickkeit, Reichtümer und Ehre zu suchen. Sie ist irdisch geworden und ein Feind des Kreuze s Christi. Sie 
verband sich zu dem Punkt mit der Welt, daß sie derselben 
das Bürgerrecht in ihr einräumte und ihr ihren Gottesdienst 
und ihr Mahl des Herrn preisgab. Endlich suchte sie ihre 
Ehre in ihrer Schande — in einer anerkannten, ruhigen und 
geehrten Stellung mitten in der Welt, welche ihr Haupt gekreuzigt hat. 
Nicht nur haben sich die Christen mit der Welt verbunden, sondern sie haben sich auch unter sich getrennt. Anstatt von der Einheit des Geistes, die sie zu der Einheit des 
Leibes beseelte, zu zeugen, hat sich die Versammlung in unzählige Parteien geteilt, welche sich untereinander durch 
Namen von Menschen, von Nationen oder Lehren unterscheiden. Ach! das war es nicht, was der Herr für sie erbat, 
als Er sagte: „daß sie alle ein s seien, gleichwie du, Vater, 
in mir und ich in dir; auf daß auch sie in uns ein s seien, 
auf daß die Welt glaube, daß du mich gesandt hast" (Joh. 
17, 21). Das war auch nicht der Anblick, den die ersten 
Jünger dargeboten, als sie „alle zusammen waren" und „als 
die Menge derer, die gläubig geworden waren, e i n Herz 
und ein e Seele war" (Apg. 2, 44—47; 4, 32. 33). Auch war 
große Gnade über ihnen allen, und viele glaubten. Es ist 
zwar wahr, daß diese glückliche Einheit in Korinth einen 
ernsten Stoß erlitt, als der eine sagte: „Ich bin des Paulus, 
ein anderer: ich des Apollos" (1. Kor. 1,11—13). Das Geheim40 
nis der Bosheit fing schon an zu wirken (2. Thess. 2, 3—8). 
Das Übel war jedoch weit entfernt, die Ausdehnung zu haben, die es heute hat, die Versammlung des Diotrephes vielleicht ausgenommen (3. Joh. V. 9.10). Es ist gewiß, daß man 
zur Zeit der Apostel an einem Ort nie mehr als ein e Herde 
sah. Man stellte sich gewiß nicht vor, daß eine Zeit kommen würde, wo man in ein und derselben Stadt oder Dorf, 
drei, vier, fünf oder sechs verschiedene Versammlungen 
sehen würde, deren jede ihren Glauben, ihre Organisation, 
ihr Abendmahl und ihren Dienst haben würde. Trotz dieser 
Trennungen sagt man, daß im Grunde doch eine Einigkeit 
unter diesen Versammlungen sei (falls sie alle auf demselben Grund ruhten) und daß der Herr von dieser fundamentalen und unsichtbaren Einheit habe reden wollen, als Er 
für die Einheit Seiner Jünger bat. Aber diese unsichtbare 
Einheit genügt nicht, um die Welt zum Glauben zu bringen; 
sie bedarf einer sichtbaren Offenbarwerdung. Wenn nun die 
Einheit wirklich existiert, warum denn diese Trennungen, 
welche Veranlassung so vieler Sünden und beständige Ursache von Gebrechen in der Versammlung sind? Denn die 
Gaben, welche den Christen der verschiedenen Versammlungen gegeben sind, welche, durch die Einheit noch vermehrt, ihnen Überfluß an Erbauung und Tröstung geben 
würden, reichen jetzt, da sie getrennt sind, nur hin, um ein 
armseliges, kraftloses Leben zu führen, wenn sie nicht gar 
gebraucht werden, um sich gegenseitig zu bekämpfen. Sie 
sind Israel und Juda gleich, welche die Sünde voneinander 
trennte, und welche, anstatt ihre Kräfte gegen ihre gemeinschaftlichen Feinde zu vereinigen, diese gebrauchten, um 
einarider den Krieg zu machen; und riefen sogar Ägypten 
und Assyrien zu Hilfe. 
Um den Verfall der Versammlung zu erkennen, würde es 
genügen, sich dessen zu erinnern, was sie nach dem Vorsatz 
Gottes ist, und dann einen Blick darauf zu werfen, was sie 
in der Christenheit geworden ist. Wir haben aber übrigens 
über diesen Gegenstand die klarsten und genauesten Aussprüche. Paulus sagt der Versammlung zu Rom im 11. Kap. 
Vers 22: „Siehe die Güte und die Strenge Gottes; an denen, 
die gefallen sind, Strenge; an dir aber Güte, wenn du an 
der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden." Er stellt also die Möglichkeit eines Abfalles vor; und 
in diesem Fall kündigt er nicht ein Wiederaufstehen an, 
sondern ein Ausgeschnittenwerden; jedoch nicht ein sogleich erfolgendes Abhauen, weil es nach der Treue Gottes 
nicht möglich ist, daß ein einziger der Auserwählten umkomme, obschon sie infolge des Falles zu leiden haben. Und 
41 
diesen Abfall, vor welchem Paulus die Christen in der Versammlung zu Rom warnte, verkündigt er auf bestimmte 
Weise den Ältesten der Versammlung Ephesus (Apg. 20, 29. 
30): „Ich weiß dieses, daß nach meinem Abschied verderbliche Wölfe zu euch hereinkommen werden, die der Herde 
nicht schonen. Und aus eurer eigenen Mitte werden Männer 
aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her" (Siehe auch 2. Petr. 1, 12—15, vergl, 
mit dem ganzen 2. Kap., besonders mit Vers 1). Was ist nun 
nach all diesem die Aufeinanderfolge des apostolischen Amtes, und das Alter der Lehre, auf welche sich so viele Kirchen stützen? Ach! nur die Lehre des Wortes ist einzig und 
allein wahr, und nur de r Dienst ist Gott angenehm, der 
vom Geiste ausgeteilt wird. 
übrigens warteten die falschen Lehrer und die verderblichen Lehren nicht einmal den Abschied der Apostel ab, 
um in die Versammlungen hineinzudringen. Es gibt wenige 
apostolische Versammlungen, in welchen man nicht an einigen Zügen ihre Gegenwart bemerkt, — von der Versammlung zu Ephesus an, bis zu der des Diotrephes, wo man den 
Apostel Johannes und die, welche ihn aufnehmen wollten, 
verjagte (Man sehe 1. Kor. 3, 1—4; 5; 6; 11, 17—22; 15, 12. 33. 
34; Gal. 1,6. 7; 2,4.5; 3,1; 5,7—15; 6,12—13; Kol. 2, 8.16—23). 
Und weit entfernt, daß diese Unordnungen in der Folge 
verschwinden sollten, lehren uns die Apostel, daß das Verderben bis ans Ende immer zunehmen werde. 
„Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in den letzten 
Zeiten etliche von dem Glauben abfallen werden, Acht habend auf Geister des Irrtums und Lehren der Teufel, die in 
Heuchelei Lügen reden, und was ihr eigenes Gewissen betrifft, wie mit einem Brenneisen gehärtet sind; verbietend 
zu heiraten, und gebietend sich von Speisen zu enthalten, 
welche Gott für die, welche glauben und die Wahrheit erkennen, zur Annahme mit Danksagung geschaffen hat" 
(1. Tim. 4,1—3). „Dieses aber wisse, daß in den letzten Tagen 
schwere Zeiten entstehen werden. Denn die Menschen werden sein eigenliebig, geldgierig, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, heillos, gefühllos, unversöhnlich, verleumderisch, unenthaltsam, grausam, 
das Gute nicht liebend, verräterisch, verwegen, aufgeblasen, 
mehr Freunde der Wollust als Gottes, welche die Form der 
Gottselig"keit haben, ihre Kraft aber verleugnen. Von diesen halte dich fern!" „Alle aber auch, die gottselig in Christo 
Jesu leben wollen, werden verfolgt werden. Böse Menschen 
aber und Betrüger werden im Bösen fortschreiten, verführend und verführt werdend" (2. Tim. 3, 1—5. 12. 13). „Es 
42 
waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie 
auch unter euch falsche Lehrer sein werden, welche Sekten 
des Verderbens neben einführen werden, und den Gebieter, 
der sie erkauft hat, verleugnen, sich selbst schnelles Verderben zuziehend. Und viele werden ihren Ausschweifungen 
nachfolgen, wegen welchen der Weg der Wahrheit verlästert 
wird usw." Zuerst dies wissend, daß am Ende der Tage 
Spötter kommen werden mit Spötterei, nach ihren eigenen 
Lüsten wandelnd und sagend: Wo ist die Verheißung seiner 
Ankunft? denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt 
alles von Anfang der Schöpfung an" (2. Petr. 2,1—3; 3, 3—5). 
Welch trauriges Gemälde der letzten Tage des Zeitlaufes! 
Und trotzdem können einige die Fortschritte des Evangeliums und des Reiches Gottes dabei sehen. Was die letzten 
Tage in den Augen der Apostel charakterisierte, war nicht 
der Triumph des Evangeliums, sondern das Vorhandensein 
vieler Antichristen: „wie ihr gehört habt, daß der Antichrist 
kommt, so sind jetzt schon viele Antichristen geworden; daher wissen wir, daß es die letzte Stunde ist" (1. Joh. 2, 18). 
Auch kündigte Paulus den Thessalonichern an, daß „der Tag 
Christi nicht komme, es sei denn, daß zuvor der Abfall 
komme, und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, offenbart sei, welchen der Herr Jesus mit dem Hauch 
seines Mundes verzehren, und durch die Erscheinung seiner 
Ankunft vernichten wird" (2. Thess. 2); nicht aber, wie die 
meisten Christen heutzutage meinen: Es sei denn, daß zuvor 
die Wahrheit über den Irrtum triumphiere, daß das Evangelium alles durchdrungen habe und die Erde von der Erkenntnis des Herrn erfüllt sei. — Auch der Apostel Judas 
lehrt uns, daß das Verderben, welches er schon in die Versammlungen einschleichen sah, bis zur Ankunft des Herrn, 
anstatt zu verschwinden, wachsen würde, weil er, nachdem 
er ein schreckliches Gemälde der verdorbenen Menschen seiner Zeit gemacht hatte, hinzufügt: „von welchen auch der 
Siebente von Adam, Henoch, geweissagt: usw." Er sieht 
also, wie sie sich fortpflanzen und eine ununterbrochene 
Kette bilden, bis zu dem Augenblick, wo, wenn das Übel 
seinen Höhepunkt erreicht hat, der Herr kommt, um sie 
durch die Erscheinung Seiner Ankunft zu zerstören. 
Dieses lehrte auch schon der Herr in den Gleichnissen 
des 18. Kapitels Matthäus, welche die Geheimnisse des Himmelreichs enthalten. 
In dem ersten zeigt uns der Herr die Saat des Reiches, 
und schon da sehen wir drei Teile des Samens verloren und 
nur einen, der aufkeimt und wirklich Frucht bringt. 
Das zweite zeigt uns den auf dem Speicher gesammelten 
43 
Weizen; aber vorher zeigt es uns das vom Feind gesäte Unkraut und zwar da, wohin der Mensch guten Samen gesät 
hatte, nämlich in der Christenheit. Die Knechte des Menschen, wie auch gewisse Christen, sind willens, das Unkraut 
auszurotten und den Acker zu reinigen; aber Er sagt ihnen: 
„Laßt es beides zusammen wachsen bis zur Ernte; und zur 
Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Leset zuerst 
das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, um es zu 
verbrennen; den Weizen aber sammelt auf meinen Speicher." „Die Ernte aber ist die Vollendung des Zeitlaufes", 
nämlich des jetzigen; und keineswegs das Ende der Welt, 
welche wir bewohnen und welche der Acker ist, wo die Saat 
gesät wurde. „Gleichwie nun das Unkraut zusammengelesen 
und im Feuer verbrannt wird, also wird es in der Vollendung dieses Zeitlaufes sein; usw." So wird also in dieser 
Welt das Böse mit dem Guten bis zur Ernte gemischt bleiben, das heißt, bis ans Ende des Zeitlaufes und bis zu dem 
vom Herrn Selbst ausgeführten Gericht (Joel 3, 13; Offenb. 
14, 15. 16). 
Übrigens ist hier keineswegs von der Versammlung die 
Rede, noch von der Zucht, durch welche man den Bösen von 
ihr hinaustut. Wenn man dieses Gleichnis als Beweis gegen 
die Zucht gebraucht, so bringt man den Apostel Paulus in 
Widerspruch mit dem Herrn. Dieser sagt: „Laßt es beides 
zusammen wachsen (die Söhne des Bösen und die Söhne des 
Reiches) bis zur Ernte." Jener sagt im Gegenteil: „Tut den 
Bösen aus eurer Mitte" (1. Kor. 5,12.13). Wenn hier von denselben Personen unter denselben Umständen die Rede ist, so 
ist offenbarer Widerspruch vorhanden; aber eine einfache 
Bemerkung macht es klar und läßt jeden Widerspruch verschwinden. Der Herr, indem Er vom Reich spricht, sagt, man 
solle die Bösen nicht aus der Wel t tun, denn „der Acker 
ist die Welt". Paulus hingegen, indem er sich an die Glieder 
der Versammlung wendet, sagt: „Tut den Bösen aus eurer 
Mitte", nämlich aus der Versammlung . Das sind zwei 
gleichwahre Sachen, welche vollkommen übereinstimmen. 
Paulus bestätigt sogar die Belehrung des Gleichnisses, indem er sagt: „Was habe ich die, welche draußen sind, zu 
richten? die aber draußen sind, wird Gott richten." Er 
sagt aber auch: „Richtet ihr nicht, die drinnen sind? Tut 
den Bösen aus eurer Mitte." 
Es gehört also nur dem Herrn an, das Böse und den Bösen aus der Welt zu tun, und Er wird es tun, wenn Er am 
Ende des Zeitlaufes erscheint. Die Versammlung aber muß, 
indem sie Ihn erwartet, in ihrem Schöße Zucht ausüben und 
den Bösen aus ihrer Mitte tun. 
44 
In Matth. 13, 31 u. 32 hören wir weiter: daß das Reich 
der Himmel gleich einem Senfkorn ist. Die Versammlung, 
welche als eine kleine Herde, fremd und pilgernd, hier unten 
in der Verachtung und Armut, gleich ihrem Herrn und Meister, sein sollte, ist ein Weltinstitut geworden, ein großer 
Baum wie der des Nebukadnezar, „den man bis ans Ende 
der Erde sah, dessen Äste schön waren und viele Früchte 
trugen, davon Alles zu essen hatte usw." (Dan. 4, 9). In der 
mit Gütern und Ehren dieser Welt bereicherten Versammlung hat man, wie in jedem weltlichen Institut seine Gelüste nach Titeln und Einkommen befriedigen können. Es 
hat für alle zu essen gegeben, welche auf seinen Zweigen 
wohnen wollten; aber es ist auch gesagt worden: „Hauet den 
Baum um, behauet ihm die Äste, streicht ihm das Laub ab 
und zerstreut seine Früchte, damit die Tiere unter ihm wegfliehen und die Vögel von seinen Zweigen" (Dan. 4, 11). 
„Wenn du nicht an der Güte Gottes bleibst, wirst du auch 
ausgeschnitten werden" (Röm. 11, 22). Seht hier das ausgesprochene Gericht über die weltliche Herrlichkeit und Größe, 
mit welcher sich die Versammlung umgeben hat; und erst 
nachdem Gott den großen Baum erniedriget und den grünen 
Baum verdorrt haben wird, wird er den verdorrten Baum 
wieder grünen machen und wird ihn zu einer großen Zeder 
werden lassen auf den Bergen Israels. — 
„Das Reich der Himmel ist dem Sauerteig gleich, den ein 
Weib nahm und unter drei Scheffel Mehl verbarg, bis alles 
gesäuert ward." Viele sehen hierin, wie im vorhergehenden 
Gleichnis, eine Darstellung der Fortschritte des Evangeliums 
in der Welt, d. h. für sie stellt das Mehl nur die Kinder dieser Welt dar und der Sauerteig das Evangelium. Aber das 
Wort gibt diesen Bildern einen ganz entgegengesetzten Sinn. 
Der gute Same, oder das Getreide sind die Kinder des Reiches, und der Sauerteig bedeutet immer einen schlechten 
Einfluß. Jesus sagte zu Seinen Jüngern: „Hütet euch vor 
dem Sauerteig der Pharisäer und Saduzäer." — Paulus sagte 
den Korinthern: „Wißt ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig 
die ganze Masse durchsäuert? Darum fegt den alten Sauerteig aus, auf daß ihr eine neue Masse werdet, gleichwie ihr 
ungesäuert seid." Und im 5. Kapitel an die Galater sagt er 
ebenfalls: „Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig." 
— So bedeutet also Sauerteig immer etwas Schlechtes unter 
dieser oder jener Form. Wie hätte sich der Herr in diesem 
Gleichnis dieses Wortes bedienen können, um im Gegenteil 
das Beste, was es gibt, zu bezeichnen? Übrigens scheint 
schon die Handlung des Verbergens an und für sich anzudeuten, daß dieser Sauerteig etwas Schlechtes ist. O, es ist 
45 
gewiß der Sauerteig der modernen Pharisäer und Sadduzäer, 
das Formwesen, der Unglaube, der alte Sauerteig des unbekehrten, boshaften Herzens, von welchem der Herr in diesem Gleichnis reden will; es ist das Geheimnis der Bosheit, 
welches in den Tagen des Paulus begann, und welches wir 
ganz entwickelt finden werden in der Hure, welche auf ihrer 
Stirn geschrieben trägt: „Geheimnis, Babylon, die große, die 
Mutter der Huren und der Greuel der Erde" (Offb. 17, 5). 
So erscheinen uns also die Geheimnisse des Reiches, die 
in diesen Gleichnissen dargestellt sind, als die Geheimnisse 
des Verderbnisses des Reiches, oder, wenn man will, als die 
Geschichte dieses Reiches, wie der Mensch dasselbe gemacht 
hat, indem er es der Absicht Gottes zuwider mit der Versammlung verwechselte. Diese Gleichnisse sind in gewisser 
Hinsicht für das Reich dasselbe, was auch die sieben Briefe 
an die Versammlungen in Asien für die Kirche sind. In diesen Gleichnissen haben wir, wie wir soeben gesagt haben, 
die Geschichte des Reiches, wie es durch die Sünde des Menschen verdorben ist, und welches also bleiben wird, bis der 
König in Person kommt, um alle Dinge wieder herzustellen. 
In den sieben Briefen haben wir die Geschichte der Versammlung — nicht wie sie nach der Absicht Gottes sein sollte, 
sondern wie sie durch die Sünde des Menschen geworden ist 
— bis der Herr kommt, um die Seinigen aus dieser Unordnung herauszunehmen, und um nachher alle Völker zu 
richten. 
Ohne Zweifel sind die sieben Briefe in Offb. 2 u. 3 an 
ebensoviel dazumal wirklich bestehende Versammlungen 
geschrieben, und haben an ihnen ihre erste Erfüllung gehabt; aber man kann nicht zweifeln, daß sie auch wie das 
ganze Buch, einen prophetischen Charakter haben und daß 
sie uns ein Bild der verschiedenen Veränderungen der Geschichte der Versammlungen hier unten darbieten. Und was 
zeigen sie uns, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, anders, als einen zunehmenden Verfall inmitten teilweiser 
und augenblicklicher Belebungen — von der Versammlung 
zu Ephesus an, welche ihre erste Liebe verlor, bis zu Pergamus, der Gemeine der weltlichen Größe, welche da wohnt, 
wo der Sitz Satans ist; und von Thyatria an, wo die Lüge 
offen gelehrt wird und welche nur einen Überrest hat, bis 
zu Laodicea, der Gemeine, welche aus dem Mund des Herrn 
gespieen und mit den Völkern gerichtet wird? „Wenn du 
nicht an der Güte bleibest, so wirst auch du ausgeschnitten 
werden." „Ich werde dich aus meinem Munde speien", sagt 
der Herr zu dem, was am Ende noch den Namen,, Versammlung" auf der Erde trägt. Und was ist der Rest der Offen46 
barung bis zum 19. Kap. anders, als ein düsteres Gemälde 
der schrecklichen Gerichte, welche am Ende auf eine abgefallene Christenheit kommen werden? Wir finden in der Zeit, 
wo diese Kapitel ihre Anwendung haben, nichts mehr auf 
der Erde, was den Charakter der Braut Christi trägt. Wir 
sehen wohl einzelne Heilige, welche für das kommende 
Reich ihres Herrn inmitten vieler Wehen, Zeugnis ablegen, 
und welche selbst die Erde mit vielen Plagen schlagen (Offb. 
11, 5. 6); allein dies ist nicht der Charakter der Glieder 
Christi (Luk. 9, 55). Im Himmel hören wir das Lied der Versammlung (Offb. 5) und au s dem Himmel sehen wir sie 
kommen (Offenb. 19), um den Herrn zu begleiten, wenn Er 
kommt, Sein Reich in Besitz zu nehmen. Sie ist also vorher 
dorthin versammelt worden. Ja, in der Tat, die Treue Gottes 
kann nie fehlen; Er hat es gesagt, daß Seine Auserwählten 
durch die Macht Gottes für das Heil bewahrt werden. Er 
hat Seinen Jüngern, ehe Er die Erde verließ, gesagt (Joh. 14, 
2. 3): „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten usw." Es 
muß, trotz des Verfalls und der Zerrüttung der Gemeine 
durch die Sünde des Menschen, dies Wort des Herrn sich erfüllen, —• wie es auch geschehen mußte, daß Paulus, ungeachtet des Unterganges des Schiffes, welches ihn trug, dem 
Kaiser dargestellt wurde. 
Aber wan n findet die Vereinigung der Versammlung 
mit ihrem Haupte statt? Sollte es nicht in Philadelphia sein, 
dieser Versammlung mit einer kleinen Kraft, welche aber 
den Namen ihres Meisters nicht verleugnet, und das Wort 
Seines Ausharrens gehalten hat? Deshalb sagt der Herr: 
„Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, 
welche über den ganzen Erdkreis kommen wird usw." (Offb. 
3, 7—13). Was kann diese Versuchung anders sein, als die 
große Drangsal, welche wir in Jesaias 2, 10—19, Jer. 30, 6—9, 
23 u. 24, Daniel 12, 1, Matth. 24, 22 usw. beschrieben finden. 
Ohne Zweifel könnte Philadelphia in der Mitte dieser Versuchung bewahrt werden, wie Noah inmitten der Sintflut. 
Dies letztere wird auch mit den Heiligen geschehen, welche 
dann auf der Erde sein werden, aber in diesem Fall wäre 
Philadelphia nicht „v o r der Stunde der Versuchung bewahrt." Zu diesem Zweck muß sie nicht nur an einem Ort 
sein, wo die Versuchung nicht durchdringt, sondern sogar an 
einem Ort, wo. die Stunden nicht mehr gezählt werden. Sie 
muß in dem Himmel sein, wie Henoch, welcher dorthin entrückt und also vor der Stunde der Sintflut bewahrt wurde. 
Und ist nicht die Tür des Himmels vor dir offen? Wenn es 
aber also ist, was ist dann die von so vielen geträumte 
„Kirche der Zukunft", die hier unten das Ideal der Gemeine 
47 
verwirklichen soll. O, es ist eine Täuschung, deren Wirkung 
ist, daß die Gedanken und Hoffnungen sich an die Erde 
knüpfen, die nach oben gehen sollten! Ja, es gibt, wenn man 
will, eine Kirche der Zukunft, es gibt selbst zwei, Phila -
delphia , die jetzt gesammelt und morgen vielleicht dem 
Herrn entgegengerückt wird; Laodicea , welche dann aus 
Seinem Mund ausgespieen und mit den Völkern gerichtet 
wird, mit welchen sie Hurerei getrieben hat. Aber es gibt 
im jetzigen Zeitlauf keine andere Versammlung. 
Die Zerstörungen, welche die Sünde in Israel gemacht 
hatte, sollten nur durch den Herrn bei Seiner Ankunft völlig 
gehoben werden. Das zeigt ein aufmerksames Lesen der 
Propheten auf jeder Seite. Auch wollten die von dem Heiligen Geist Unterrichteten das Reich Israel nicht selbs t 
wiederherstellen oder sich an die Stelle der verlorenen Bundeslade eine neue machen; sondern sie erwarteten in dem 
Gefühl Dessen, was ihrem Volk mangelte, demütig den 
„Trost Israels" —• jene Zeiten, welche durch die Propheten 
vorhergesagt waren, wo der Herr Selbst aus David einen 
„gerechten Zweig" hervorgehen ließe, welcher als König 
herrschen sollte; und in dessen Tagen Juda erlöst, Israel in 
Sicherheit wohnen und Jerusalem selbst der „Thron des 
Herrn" sein würde (Luk. 2, 25—28; Jer. 3,16. 17; 23,5.6). 
Nun ist es für die Versammlung in gewisser Hinsicht 
dasselbe. Jede Hoffnung, sie also, wie sie in den ersten Tagen war, herzustellen, ist Einbildung und ohne Grund; denn 
sie könnte nur Grund in der Verheißung des Herrn haben, 
deren es aber keine der Art gibt. Bedenken wir vielmehr 
im Gegenteil: 2. Thess. 2, 1—8. Wie könnte einer so be-r 
stimmten Erklärung gegenüber eine solche Hoffnung bestehen? Doch soll dies nicht in dem Werk der Erbauung der 
Heiligen entmutigen; denn die Segnungen, welche der Herr 
über die Zerstreuten ausbreiten will, welche mitten im Verfall in Aufrichtigkeit auf Ihn harren, können nicht begrenzt 
werden. Wir haben, um sicher zu dem Ziel unserer Berufung 
geführt zu werden, das Wort und den Geist Gottes. Paulus 
scheint dies den Ältesten zu Ephesus ins Gedächtnis rufen zu 
Wollen, als er, nachdem er ihnen den schrecklichen Verfall 
der Versammlung verkündigt hatte, hinzufügt: „Nun befehle 
ich euch, Brüder, Gott und dem Wort seiner Gnade, welches 
mächtig ist, aufzuerbauen und euch ein Erbe unter allen Geheiligten zu geben" (Apg. 20, 32). 
Wir haben die köstliche Verheißung, daß der Herr da, 
wo zwei oder drei in Seinem Namen versammelt sind, in 
ihrer Mitte ist. Laßt uns nun nicht in eigener Kraft das tun, 
48 
w as uns der Herr nicht geboten hat, und wozu wir keine 
Verheißung haben; laßt uns nicht durch Organisationen und 
Anordnungen, welche nur Hindernisse unter den Schafen 
des Herrn sind, das herstellen wollen, was nicht hergestellt 
werden kann. 
Laßt uns als „Jünger", als „Brüder" im Namen des Herrn 
und auf Seinen Geist uns verlassend, uns vereinigen. Unsere 
Versammlung der Zukunft sei die des Himmels; und ich 
wiederhole, daß wir den Segnungen, welche der Herr noch 
über uns verbreiten wird, keine Grenzen setzen können. 
Aber das erste Mittel, um diese Segnungen zu erhalten, ist 
die Demütigung; denn Gott erniedrigt den, der sich erhöht 
und erhöht den, der sich erniedrigt. Dies haben wir in der 
Erlösung jedes Einzelnen von uns erfahren, indem wir erst 
dann, nachdem wir uns erniedrigt, verdammt und vernichtet 
hatten, Erhöhung, Friede und Gewißheit fanden. Warum 
sollte Gott, wenn es sich um die Versammlung handelt, von 
diesem Grundsatz abgehen? Wenn jemand, befriedigt von 
seiner Versammlung, seinem Leben und seinen Fortschritten 
sagen würde: wozu soll ich mich für die Untreuen anderer 
demütigen? so ist sehr für ihn zu befürchten, daß er von 
dem Geiste des Pharisäers in dem Gleichnis, oder wenigstens von dem der Juden habe, welche bei den Aufforderungen der Propheten, antworteten: „der Tempel des Herrn, 
der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn!" Jer. 7) indem 
sie sich eines Dienstes rühmten, an dem Gott keinen Gefallen mehr hatte, und eines Tempels, welchen Er verlassen 
wollte. In jedem Falle wäre dies Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit, — Kurzsichtigkeit , nur in seiner Versammlung, seiner Sekte, Glieder Christi unterscheiden zu 
können, — Engherzigkeit , nicht das Bedürfnis zu 
fühlen, sich für das Elend, in welchem die zerstreuten Glieder des Leibes Christi seufzen, zu demütigen. 
Ohne Zweifel ist die Christenheit nicht der Leib Christi; 
wenn es aber, wie man nicht zweifeln kann, in ihren verschiedenen Teilen Gläubige gibt, d. h. von unseren Gliedern, 
unserem Fleisch, unserem Blut, so haben wir uns für diese 
Zertrennung selbst zu demütigen, als über etwas, welches 
den Absichten des Herrn und Seinem Ruhm entgegen ist. 
Wir haben uns für verschiedenartige Untreuen, in welchen 
unsere Brüder verwickelt sind, und infolge derer sie leiden, 
zu demütigen; denn wenn ein Glied leidet, so leiden alle 
Glieder mit (1. Kor. 12, 26). Als Daniel für sein Volk zu Babel 
bat, zögerte er nicht, zu sagen: „W i r haben gesündigt; wi r 
sind gottlos gewesen, w i r haben übel gehandelt, w i r sind 
Empörer gewesen usw." (Dan. 9). 
18 49 
Wäre denn die Gemeinschaft und die Verbindlichkeit der 
Versammlung unter sich weniger enge, als diejenige, welche 
zwischen den Gliedern des Volkes Israel existierte? Übrigens tragen wir alle das, was den Verfall der Versammlung 
herbeigeführt hat, in uns. In diesem Sinne haben wir alle 
Teil daran, und wir leiden alle darunter; wir leiden alle an 
der Schwachheit der geistlichen Gaben, an dem Mangel und 
der Kraft der himmlischen Hebe, weil der die Früchte hervorbringende Geist so mannigfach betrübt worden ist. Wir 
leiden infolge unserer Trennungen, infolge der Schwachheit, 
infolge vorgefaßter Meinungen und infolge des Erkaltens der 
brüderlichen Liebe, welches dadurch entsteht. Laßt uns 
denn in einer gemeinsamen Demütigung uns vereinigen, und 
uns darnach gegenseitig trösten und ermuntern durch die 
Hoffnung, daß der Herr bald kommt, um uns von allem Bösen zu befreien und uns in Sein himmlisches Reich einzuführen. 

IV. 
Entrückung der Versammlung 
„Wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die Entschlafenen durch Jesum 
mit ihm bringen. Denn dies sagen wir euch im Wort des 
Herrn, daß wir, die Lebenden, die bis zur Ankunft des 
Herrn übrig bleiben, den Entschlafenen nicht zuvorkommen 
werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, 
mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes 
vom Himmel herabsteigen; und die Toten in Christo werden 
zuerst auferstehen. Darnach werden wir, die übrig gebliebenen Lebenden, zugleich mit ihnen in den Wolken dem 
Herrn entgegengerückt werden in die Luft, und also allezeit 
bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen 
Worten" (1. Thess. 4, 14—18). 
In diesen Worten haben wir die klarste und vollkommenste Offenbarung über die Entrückung der Versammlung. 
Es werden uns darin drei Dinge, welche durch den Herrn in 
Seiner Zukunft erfüllt werden, dargestellt: 
1. Die Auferstehung der bis dahin gestorbenen Glieder 
der Versammlung. 
2. Die Verwandlung der übriggebliebenen Lebenden. 
3. Die Entrückung, sowohl der einen, als der anderen, 
dem Herrn entgegen. 
1. Die Tatsache, daß mehrere voneinander getrennte Auferstehungen stattfinden werden, geht schon aus diesem einen 
Ausdruck hervor: „Auferstehun g au s de n Toten " 
(Apg. 4, 2; Luk. 20, 35; Phil. 3,11). Sie wird uns aber auch in 
mehreren besondern Aussprüchen klargestellt; z. B. Luk. 14, 
14: „Glückselig wirst du sein, weil sie nicht haben, dir zu 
vergelten; denn es wird dir i n de r Auferstehun g 
d e r Gerechte n vergolten werden." 
Luk. 20, 35: „Die aber für würdig gehalten sein werden, 
jenes Zeitlaufes und de r Auferstehun g au s de n 
Tote n teilhaftig zu sein, werden weder heiraten, noch verheiratet werden. Denn sie können auch nicht mehr sterben; 
51 
denn sie sind Engeln gleich und sind Söhne Gottes, weil sie 
Söhn e de r Auferstehun g sind." Dies ist keine Auferstehung alle r Toten, weil nur einige dieser Auferstehung, sowie jenes Zeitlaufes für würdig gehalten werden; 
und weil sie infolge dieser Auferstehung den Engeln gleich 
sind — „Söhne Gottes, weil sie' Söhn e de r Auferste -
hung " sind — so wie Jesus Christus Selbst durch Seine 
Auferstehung, als Sohn Gottes in Kraft erwiesen wurde 
(Röm. 1, 4). 
Phil. 3, 11: „Ob ich auf irgend eine Weise zu r Aufer -
stehun g au s de n Tote n hingelangen möge." Paulus 
hätte nicht so sprechen können, wenn es nur ein e Auferstehung gäbe, zu welcher sowohl Gerechte als Ungerechte 
gleicherweise und ohne irgendwelche Anstrengung gelangen 
würden. 
Die Belehrung, welche Paulus den Korinthern über die 
Ordnung, in welcher die Auferstehung geschieht, gibt, 
stimmt völlig mit dem Gedanken einer besondere n 
Auferstehung der Versammlung bei der Zukunft Christi 
überein, worauf dann eine andere für die Übrige n der 
Toten erfolgt, wie wir sogleich sehen werden. „Denn gleichwie in dem Adam alle sterben, so werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden, jeglicher aber in seiner 
eigenen Ordnung. Christus — Erstling. Darnach die, welche 
des Christus sind bei Seiner Ankunft. (Dies kann in keinem 
Fall auf die Bösen Bezug haben.) Dann das Ende" (1. Kor. 
15, 22. 23). 
Halten wir uns jedoch einen Augenblick bei Joh. 5, 28. 29 
auf, weil man diese Stelle oft als Beweis für eine einzige 
Auferstehung anführt, und suchen wir den Gedanken des 
Herrn hier recht zu fassen. Jesus, von den Juden der Gotteslästerung angeklagt, weil Er Sich Sohn Gottes nannte, rechtfertigt Sich, indem Er zeigt, daß der Vater dem Sohne Macht 
gegeben hat, das alles auch zu tun, was der Vater Selbst tut. 
Dem Vater aber gehört die Lebendigmachung, die Auferweckung und das Gericht; und der Sohn tut ganz dieselben 
Dinge, wie wir vom 14. Vers an lesen. 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort höret 
und glaubet dem, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben 
und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod 
in das; Leben hinübergegangen." Dies ist die Lebendigmachung der Geistlich-Toten durch den Glauben an das Wort 
Jesu. Hiermit ist alles über diesen Gegenstand gesagt. 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, daß die Stunde kommt 
und ist jetzt, wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes 
hören werden, und die sie gehört haben, werden leben." 
52 
Geht nun der Herr, indem Er hier den obenerwähnten Gedanken wiederholt, nicht weiter, und umfaßt Er nicht auch 
darin die leibliche Auferstehung derjenigen, welche geistlicher Weise durch den Glauben an Sein Wort lebendig gemacht sind? Wenn es nicht so wäre, so würde dieser Vers zu 
dem vorigen nichts hinzufügen. Bei dieser Voraussetzung 
aber ist das Wort „werden leben" um so besser gewählt, indem es ebensowohl die Verwandlun g der lebenden 
Heiligen, in welcher das Sterbliche vom Leben verschlungen 
wird (2. Kor. 5,4), als auch die Auferstehun g der gestorbenen Heiligen, welche aus ihren Gräbern hervorgehen, 
bezeichnet. Es ist zwar wahr, daß Jesus diesen Augenblick 
mit den Worten bezeichnet: „Es kommt die Stunde, und ist 
schon jetzt", eine Ausdrucksweise, welcher Er Sich bei der 
Samariterin bediente, um die Zeit der Versammlung zu bezeichnen (Joh. 4, 23). Es geschieht dies deshalb, weil in der 
Tat die herrliche Lebendigmachung der Versammlung nur 
die volle Offenbarung des Lebens Christi ist, welches von 
jetzt an in ihr ist (Kol. 3, 3. 4). Ihre Lebendigmachung ist 
durch kein Ereignis, noch durch irgend eine Zwischenzeit 
von der Stunde ihrer Pilgrimschaft hier unten getrennt. Sie 
ist nur der letzte „Augenblick", der „letzte Nu" derselben 
(1. Kor. 15, 52). Warum sollte sie in den Worten des Herrn 
getrennt sein? 
„Denn gleich wie der Vater das Leben in sich selbst hat, 
also hat er auch dem Sohne gegeben, das Leben in sich 
selbst zu haben" (V. 26). Dieses erinnert an die Worte Jesu 
zu Petrus: „Auf diesen Felsen (den Sohn des lebendigen 
Gottes) will ich meine Versammlung bauen, und die Pforten 
des Hades werden sie nicht überwältigen" (Matth. 16, 18). 
Als Sohn des lebendigen Gottes habe ich das Leben in mir, 
wie der Vater das Leben in Sich Selbst hat; und wie ich das 
Leben habe, so werden diejenigen, welche mir angehören, es 
auch haben. Wie ich siegreich aus dem Hades hervorgegangen bin, so werden auch sie daraus hervorgehen. Weil ich 
lebe, werden auch sie leben. „Unser Leben ist mit dem 
Christus in Gott verborgen. Wenn der Christus, unser Leben, 
offenbart sein wird, dann werden auch wir mit ihm in 
Herrlichkeit offenbart werden" (Kol. 3, 3. 4). 
„Und er hat ihm Gewalt gegeben, auch Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist" (V. 27). Nach der herrlichen Lebendigmachung und Himmelfahrt der Versammlung 
durch die Stimme „des Sohnes Gottes" kommt das durch 
„den Sohn des Menschen" ausgeübte Gericht; ein Gericht, 
welches sich von dem Gericht über die Nationen bei Seiner 
Ankunft, bis zu dem der Toten, Geringen und Großen, vor 
dem großen weißen Thron erstreckt. 
„Wundert euch darüber nicht; denn es kommt die Stunde, 
53 
in welcher alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorkommen, die, welche Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber, 
welche Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts" 
(V. 28.29). Wundert euch nicht darüber, daß der Sohn des 
Menschen richten wird, denn Ihm kommt es auch zu, die 
Toten auf zuerwecken. „Die Stunde kommt . . . . " Di e 
Stund e de r Versammlung , das verborgene Geheimnis, hat schon 1800 Jahre gedauert; und wir können nicht 
sagen, wie lange sie währen wird. Und nichts tritt dem Gedanken entgegen, daß d i e Stunde, von welcher hie r die 
Rede ist, nicht mindestens tausend Jahre dauere; und sie 
ist sowohl eine Stunde der Auferstehung, als auch des Gerichtes. — Es findet am Anfang derselben Auferstehung statt, 
bei der Ankunft des Sohnes des Menschen, gleich nach der 
großen Trübsal. Von dieser Auferstehung, oder wenigstens 
von einem Teil dieser Auferstandenen, nämlich derjenigen, 
welche zum Leben auferstehen, redet Jesus in Luk. 20, 35; 
denn hier trägt alles einen jüdischen Charakter. Dies e 
Auferstehung war es auch, welche Daniel in Kapitel 12, 2 sah 
(und nicht die de r Versammlung) , weil sie nach der 
großen Trübsal erfolgt. Übrigens sagt auch der Prophet an 
dieser Stelle: „Viele " (nicht alle) , „welche im Staub 
der Erde schlafen." Es entspricht also dem, was Jesus sagte, 
nicht genau: „Alle , die in den Gräbern sind usw." Dies 
kommt daher, weil in der Tat, nach den tausend Jahren die 
Auferstehung derer stattfindet, welche bis dahin in den 
Gräbern geblieben sind, um vor dem großen weißen Thron 
zu erscheinen. Der Ausdruck des Herrn: „Alle welche in den 
Gräbern sind", bezeichnet wie mir scheint die Gesamtheit 
dieser, außer der Versammlung der Auferstandenen, und 
zwar aller, ohne daß ein einziger fehlt. 
Vor allem aber haben wir in Offenbarung 20, 4—6, zwei 
sich klar unterscheidende Auferstehungen: „Die erst e Auferstehung", welche für immer von der Macht des zweiten 
Todes befreit, und die „Auferstehung de r übrige n de r 
Toten. " Wir erfahren ferner, was nirgends sonst gesagt 
ist, daß der Zwischenraum zwischen diesen beiden Auferstehungen mindestens tausend Jahre beträgt. 
Wird man sagen, daß die erst e Auferstehung eine 
geistliche Auferstehung sei? Dann würde aber die zweite , 
welche aus „den Übrigen der Toten" besteht, es ebenfalls 
sein; denn dieser Ausdruck: de n Übrige n au s de n 
Toten " zeigt an, daß diese mit denen, welche schon zum 
voraus von ihnen herausgenommen, von gleicher Natur sind; 
und in diesem Falle gäbe es keine Auferstehung. Übrigens 
finden wir die Versammlung im ersten Teil des 4. Verses: 
„Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es ward 
54 
ihnen Gericht gegeben (1. Kor. 6, 2). Denn sehen wir noch 
andere Heilige, welche auch einen Teil der Auferstehung 
bilden, aber nicht zur Versammlung gehören, weil sie durch 
die große Trübsal gegangen sind, vor welcher Stunde die 
Versammlung die Verheißung hat, bewahrt zu werden. Sie 
haben weder das Tier noch sein Bild angebetet, und haben 
das Malzeichen nicht auf ihre Stirn noch auf ihre Hand angenommen. Sind es nicht diejenigen, von welchen Offb. 6, 
9—11 die Rede ist; sowohl diejenigen, welche dann schon 
getötet worden sind, als auch diejenigen, welche es von 
diesem Augenblick an sein werden? 
So kann also die gewöhnliche Annahme einer einzigen 
Auferstehung der Gerechten und Ungerechten, die in dem 
Augenblick vor dem letzten Gericht stattfinden soll, nicht 
bestehen, wenn wir die auf diesen Gegenstand bezüglichen 
Stellen nur einigermaßen ernstlich untersuchen. 
Wenn es nur eine einzige Auferstehung gibt, welche im 
Augenblick, wo Himmel und Erde vor dem großen weißen 
Thron entfliehen, stattfindet (Offenb. 20, 11—13), wie soll 
man sich denn Römer 8, 18—23 erklären, wo die Wiederbelebung diese r Schöpfung offenbar an die Erlösung der 
Leiber der Heiligen, nämlich an ihre Auferweckung geknüpft 
ist? Wie soll man sich auch Stellen erklären, wie Matth. 19, 
28. 29; 1. Kor. 6, 2; Offb. 2, 26. 27; Jes. 25, 8—10; verglichen 
mit 1. Kor. 15, 54? Wir sehen in der Tat in Jes. 25, 8—10, 
daß, nachdem der Tod durch den Sieg verschlungen ist, der 
Herr Moab zertreten wird, wie man das Stroh zertritt, um 
Dünger daraus zu machen. Diese Worte sind aber 1. Kor. 15, 
54 gebraucht für die Auferstehung der Heiligen, so daß also, 
nachdem diese Auferstehung stattgefunden haben wird, 
Moab zertreten wird. Man versucht dies in dem System 
einer einzigen Auferstehung zu erklären! 
Nicht allein di e Versammlun g wird vor den Bösen, 
welche bis zum Schlußgericht in den Banden des Todes gehalten werden, auferstehen, sondern auch, wenn der Sohn des 
Menschen in Seiner Herrlichkeit kommt, um die Welt zu richten und Israel zu befreien, werden auch die Heiligen die -
s e s Volkes, und andere, welche in Beziehung zu Ihm waren, 
auferstehen, um am Reich Teil zu haben, so wie auch, wie 
es scheint, Böse, um gerichtet zu werden. Dann wird ein 
Daniel, ein Jesajas usw. auferstehen, und sie werden „ihr 
Los am Ende der Tage" haben. 
Aber Etliche werden zu vielfältiger Schmach und ewiger 
Schande erwachen, denn „die Zeit der Toten, um gerichtet 
zu werden, ist gekommen, und den Lohn zu geben deinen 
Knechten, den Propheten, und den Heiligen und denen, 
welche deinen Namen fürchten, den Geringen und den Großen, und die zu verderben, welche die Erde verderben" 
55 
(Offenb. 11, 18; Jes. 25, 8; 26, 19. 21; Dan. 12, 2. 13; Matth. 
11, 20—25; 12, 41. 42; Luk. 10, 12—14; 11, 30—33; 2. Tim. 4, 1; 
1. Petr. 4, 5). Dann wird endlich die Erlösung Israels durch 
den Sohn des Menschen in Herrlichkeit stattfinden, und die 
Auferstehung der gestorbenen Heiligen dieses Volkes ist 
nur der erste Akt dieser Erlösung, wie die Auferstehung der 
Toten der Versammlung, der erste Akt der Erlösung der 
Versammlung ist. 
Zwar sind diese verschiedenen Auferstehungen manchmal in zwe i zusammengefaßt: in die Auferstehung der 
Gerechten, und in die der Ungerechten (Joh. 5, 29), oder in 
die erste Auferstehung und in die der Übrigen der Toten 
(Offenb. 20). Und in der Tat gibt es in Betreff des Cha -
rakter s der Auferstandenen, nur zwei Klassen, Gerechte 
und Ungerechte; nämlich solche, welche zum Leben, und 
solche, welche zum Gericht auferstehen. Ebenso kann man 
sie in Betreff der Zei t dieser Auferstehungen, in zwei zusammenfassen: die einen werden bei der Ankunft des Herrn 
(im allgemeinsten Sinne des Wortes genommen, ohne Seine 
Ankunft für die Versammlung, und die für Israel zu unterscheiden) auferstehen, und bilden zusammen die „erste Auferstehung"; die anderen bilden die „Übrigen der Toten." 
Was auch übrigens die Schwierigkeiten sein mögen, 
welche dieser Gegenstand, falls man ihn ein wenig ergründen will, darbieten kann, so bleibt es doch klar (und dies 
wollten wir hauptsächlich darzutun suchen), daß die Auferstehung der Versammlung, von der Auferstehung der Bösen gänzlich getrennt ist, sowohl in Betreff de r Zeit , als 
auch in Betreff der darin wirkende n Grundsätze . 
In Betreff de r Zei t bleiben die Bösen — mit Ausnahme 
derer, welche in Beziehung zu Israel waren, und welche im 
Augenblick der Erlösung dieses Volkes gerichtet werden, — 
in den Banden des Todes, bis daß sie der Herr zum Gericht 
vor den großen weißen Thron ruft. Die Versammlung, als 
Erstlinge der neuen Schöpfung, steht vor der Vollendung des 
Zeitalters auf, bei der Ankunft des Herrn, und wird Ihm 
entgegengerückt. „Jeglicher in seiner Ordnung. Christus — 
Erstling. Darnach die, welche des Christus sind bei seiner 
Ankunft" (1. Kor. 15, 23). 
In Betreff der dari n wirkende n Grundsätz e 
stehen die Bösen durch eine unüberwindliche Kraft des 
Herrn, welcher sie zum Gericht ruft, auf. Die schon gerechtfertigte, des geistlichen Lebens ihres Hauptes teilhaftig gewordene Versammlung, steht durch das Herannahen dieses 
herrlichen Hauptes, dessen leibliches Leben sich Seinen im 
Staub der Erde schlafenden Gliedern mitteilt, auf. Die in 
Christo Entschlafenen sind wie ein erstarrter Leib, der 
wieder Leben gewinnt, und der beim Herannahen des le56 
bendigen Hauptes, welcher ihn ruft, und welcher kommt, 
um sich mit ihm zu vereinigen, sich erhebt. 
2. „Darnach werden wir, die übrig gebliebenen Lebenden, 
zugleich mit ihnen in den Wolken dem Herrn entgegen gerückt werden in die Luft." Wenn nun schon die Verwandlung der Lebenden hier nicht eigentlich bezeichnet ist, so ist 
sie doch darunter verstanden; denn wir können nicht mit 
diesen schweren und gebrechlichen Leibern, in den Wolken 
dem Herrn entgegen gerückt werden in die Luft, und können nicht den Himmel bewohnen und seine Freuden genießen. Paulus sagt anderswo: „Fleisch und Blut können das 
Reich Gottes nicht ererben; auch erbt die Verwesung nicht 
die Unverweslichkeit." Er fügt auch zugleich hinzu: „Siehe! 
ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem 
Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune. Denn posaunen wird es, und die Toten werden unverweslich auferweckt werden, und wir werden verwandelt werden. Denn 
dies Verwesliche muß Unverweslichkeit anziehen, und dies 
Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Wenn aber dies Verwesliche Unverweslichkeit anziehen wird, und dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, welches geschrieben steht: Verschlungen ist der 
Tod in einen Sieg" (1. Kor. 15, 50—54). „Dann, wenn er offenbart ist, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden 
ihn sehen, wie er ist" (1. Joh. 3, 2). 
„Wir erwarten vom Himmel als Heiland den Herrn Je -
sum Christum, der den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten wird, daß er dem Leib seiner Herrlichkeit gleichförmig 
sei, nach der Wirkung, womit er vermag alle Dinge sich 
untertänig zu machen" (Phil. 3, 20. 21). 
Paulus erwartete demnach die Verwandlung und nicht 
den Tod, wie er es in 2. Kor. 5, 4 sagt: „Wir wünschen nicht 
entkleidet, sondern überkleidet zu werden, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen werde"; obschon er gleich bereit war durch den Tod abzuscheiden, wenn ihn Gott dazu 
berufen würde; was ihm immer weit besser schien, als in 
diesem Leib abwesend vom Herrn zu sein (Phil. 1, 21—24). 
Aber anstatt diese Erwartung des Paulus zu bewahren, 
und mit ihm zu wiederholen: „Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden", hat 
man sich nicht gescheut, ihn der Lügen zu strafen, indem 
man sagt: Dies ist gewiß, daß wir alle sterben müssen; und 
so hat man die Seelen und Herzen der Christen von der Erwartung des Herrn hinweggezogen, welche nach der Gnade 
die kräftigste Triebfeder jeder wahren Hingabe und jedes 
freudigen Gehorsams ist, um sie auf den Tod, diesen Sold 
57 
der Sünde, zu lenken, welcher an und für sich nur einen gezwungenen und knechtischen Gehorsam hervorbringen kann; 
Doch man sagt oft, indem man glaubt, ein Wort der Schrift 
anzuführen, es sei allen Menschen verordnet, einma l zu 
sterben. Aber nein, das Wort sagt das nicht, denn es wäre 
im Widerspruch mit sich selbst. Es sagt: „Gleich wie es den 
Mensche n obliegt, einmal zu sterben, darnach aber das 
Gericht, also wird auch der Christus, einmal geopfert, um 
Vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal ohne Sünde denen, die ihn erwarten, zur Seligkeit erscheinen" (Hebr. 9, 
27. 28). 
Demgemäß sagt es uns, daß es de n Menschen , den 
meisten Menschen, obliegt, einmal zu sterben, und erinnert 
uns zugleich daran, daß Christus ein zweites Mal, ohne 
Sünde, von einigen gesehen wird, welche also nicht sterben 
werden, nämlich von denen, welche, Ihn zur Seligkeit erwartend, im Augenblick Seiner Ankunft leben werden. 
3. In diesem Augenblick, in diesem Nu, werden sowohl 
die Auferstandenen als die Verwandelten „zusammen in den 
Wolken dem Herrn entgegengerückt werden in die Luft." 
Henoch und Elias hatten schon das Vorrecht, die Erde zu 
verlassen, um in den Himmel aufzufahren ohne durch den 
Tod zu gehen. Henoch hatte, wie es scheint, keine Zeugen 
Seiner Entrückung, über welche wir nichts Näheres wissen. 
Elias, als Prophet de s Bundes, welcher unter Sturm, Blitzen 
und Donnern gegeben wurde, wurde in einem Sturmwind, 
durch einen Feuerwagen und durch Feuerrosse entrückt. 
Jesus als Mittler eines besseren Bundes, eines Bundes der 
Gnade, wurde auf Wolken entrückt. Die Versammlung, Sein 
Leib, wird wie Er entrückt. 
Es wird übrigens keine langsame und schmerzhafte Umwandlung sein, wie die der Puppe, deren Neugeborener 
lange seine schlaffen und ungeschickten Flügel schütteln 
muß, ehe er sich fröhlich in die Luft erheben kann. 
Es wird nicht einmal, wie bei der Auferstehung des Lazarus sein, der aus seinem Grab mit Tüchern gebunden herauskam, die man losmachen mußte, damit er gehen konnte. 
In einem Augenblick, in einem Nu wird diese Auferstehung 
der gestorbenen Heiligen und die Verwandlung der Lebenden stattfinden, so wie auch ohne Zweifel die Entgegenrükkung dem Herrn, der einen wie der anderen. 
Also wird die köstliche Verheißung, welche der Herr Seinen Jüngern, ehe Er sie verließ, gab, erfüllt: „Im Hause 
meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es aber nicht so 
wäre, so würde ich es euch gesagt haben. Ich gehe hin, für 
euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingegangen bin 
und euch eine Stätte bereitet habe, komme ich wieder und 
58 
werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr 
seid" (Joh. 14, 2. 3). 
So vollendet sich endlich das Werk Gottes in Seinen Auserwählten. Diese Vollendung ist gleichsam das letzte Wort 
unserer himmlischen Berufung, ohne welches wir nie einen 
klaren und vollkommenen Begriff von ihr haben würden. 
Die Versammlung ist die himmlische Eva, welche, nachdem sie aus der Seite ihres Mannes, während Er auf dem 
Throne des Vaters ruhte, genommen ist, Ihm bei Seinem Erwachen als herrliches Weib, „ohne Flecken und Runzeln, 
noch etwas dergleichen, sondern heilig und tadellos dargestellt wird" (Eph. 5, 27). 
Da uns Gott vor Grundlegung der Welt in Christo Jesu 
erwählt hat, so hat Er uns auch damals „lebendig gemacht, 
auf erweckt und in die himmlischen örte r versetzt", denn 
„welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit 
er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei" (Röm. 8, 29; 
Eph. 1,2.3; 2,5.6). Diesen Vorsatz der freien und gnadenvollen Liebe des Vaters aber, hat der Sohn in uns angefangen zu verwirklichen, als Er uns zu Sich zog und durch den 
Glauben mit Sich vereinigte. So mit Ihm in Gemeinschaft 
gesetzt, haben wir in einem gewissen Grad Seine Gesinnung 
angenommen und sind ein Widerschein Seines Bildes. Dies 
will Er nun vollenden, indem Er unsere toten Leiber lebendig macht und sie zur Gleichförmigkeit Seines herrlichen 
Leibes umgestaltet. Der Herr hat uns in einer Beziehung 
schon von der Welt getrennt, indem Er uns ihre Nichtigkeit 
und ihr Verderben zu erkennen gab und unsere Neigungen 
und unsere Gesinnung zu Sich hinzog. Auch dieses will Er 
in uns vollenden, indem Er uns zu Sich auf den Wolken 
außerhalb der Welt zieht. 
Das vom Herrn zu diesem bewunderungswürdigen Werk 
angewandte Mittel ist immer dasselbe, nämlich Sein Wort. 
Sein Wort, vielleicht aus dem Munde eines schwachen und 
von der Welt verachteten Gläubigen herkommend, ist es, 
das uns lebendig macht, und uns von der Welt trennt, um 
uns mit Ihm zu verbinden. Sein Wort wird es auch sein, 
aber als gebietender Zuruf, der vom Himmel mit der Stimme 
des Erzengels und mit der Posaune Gottes ertönt, welches 
das letzte Teilchen unserer Leiber lebendig macht und uns 
mit Ihm für immer vereinigt. Die, welche Seine Stimme, 
die zum Glauben und zur Bekehrung rief, hörten, und ihr 
folgten, werden Seine herrliche Stimme entweder in den 
Gräbern hören und daraus hervorgehen, oder sie in der Gebrechlichkeit dieses sterblichen Leibes vernehmen und verwandelt werden. Diejenigen hingegen, welche sich weiger59 
ten, sie zu hören und ihr zu gehorchen, als dieselbe sie zur 
Bekehrung rief, werden in den Banden des Todes bleiben, 
bis daß sie zum Gericht auferstehen. 
So erfüllt Dein Wort, Herr Jesu, Deine gesegnete Stimme 
alles in den Deinen, wie Du es auch gesagt hast: „Meine 
Schafe hören meine Stimme und sie folgen mir." 
O! wieviel süßer und köstlicher würde uns die liebliche 
Stimme Jesu klingen, wenn wir immer daran dächten, daß 
sie bald in den Wolken erschallen wird, um unsere sterblichen Leiber lebendig zu machen und um uns zu Ihm in den 
Himmel zu ziehen, auf daß, wo Er ist, auch wir seien! Ach! 
wenn der Ungläubige glauben könnte, daß die Stimme, welche ihn jetzt im Evangelium beruft, und die ihm nur als 
Schwachheit und Torheit erscheint, die einzige ist, welche 
nicht nur seiner Seele Frieden geben, sondern auch seinen 
Leib lebendig machen kann! Wenn er glauben könnte, daß 
diese Stimme, welche jetzt von Gnade und Vergebung 
spricht, sich in ein zweischneidiges Schwert verwandeln 
wird, um die Völker damit zu schlagen, und in eine Feuerflamme, um denen Vergeltung zu geben, die Gott nicht kennen und dem Evangelium nicht gehorchen! Wenn er endlich 
glauben könnte, daß es die allmächtige Stimme Dessen ist, 
welchem man wohl gehorchen muß, wenn sie die Toten, die 
Geringen und die Großen zwingen wird, vor Ihm zu erscheinen, um nach ihren Werken gerichtet zu werden! Doch dies 
sind Dinge, welche der Geist allein offenbaren kann. 
An uns ist es denn, vielgeliebte Brüder im Herrn, „und 
Teilnehmer der himmlischen Berufung", Gott ohne Aufhören zu danken, „daß er uns von Anfang zur Seligkeit erwählt hat, in Heiligkeit des Geistes und im Glauben an die 
Wahrheit, wozu er uns durch das Evangelium berufen hat, 
zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesu Christi" 
(2. Thess. 2, 13. 14). 
Möchte diese glückselige Hoffnung, indem wir sie immer 
mehr im Glauben erfassen, immer mehr zu unserem Trost 
und zu unserer Heiligung dienen, wie auch gesagt ist: „Tröstet euch nun mit diesen Worten." „Und jeder, der diese 
Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich selbst, gleichwie er 
rein ist" (1. Thess. 4, 18; 1. Joh. 3, 3). 
Weinen wir über geliebte Freunde, die im Herrn entschlafen sind? Lasset uns doch nicht traurig sein; denn Er 
Selbst wird bald vom Himmel erscheinen, und auf Seinen 
Zuruf werden diese Vielgeliebten zuerst auferstehen, und 
wir, die wir leben, werden zusammen mit ihnen in den Wolken dem Herrn entgegengerückt werden in die Luft und 
allezeit bei Ihm sein. Dann endigen alle diese durch die Umstände auferlegten Trennungen, diese bitteren Notwendig60 
keiten des Lebens, diese oft noch schmerzhafteren Trennungen, welche die Sünde zwischen denen herbeigeführt hat, 
welche, da sie nur e i n Leib sind, auch nur ei n Herz und 
ein e Seele sein sollten. Im Hause des Vaters werden alle 
Kinder um den „Erstling der Entschlafenen" versammelt sein, 
ohne daß ein einziges fehlt, und ohne je wieder irgend eine 
Trennung befürchten zu müssen. Sollten wir aber weinen, 
so laßt uns nicht weinen wie die, die keine Hoffnung haben, 
sondern trösten wir einander mit dem Gedanken, „daß wir 
allezeit bei dem Herrn sein werden." 
Ist uns dieser Leib durch seine Gebrechlichkeiten eine 
Last, welche wir mühsam nachschleppen müssen, hindern 
uns jene, den Herrn durch unsere Tätigkeit also zu verherrlichen, wie wir es wünschen, so laßt uns stets daran gedenken, daß der Herr, wenn Er kommt, unseren Leib der Niedrigkeit verwandeln und ihn Seinem Leib der Herrlichkeit 
gleichgestalten wird. Wie wir jetzt das Bild des irdischen 
Adams tragen — eine Quelle der Schmerzen und Seufzer — 
so werden wir das Bild des himmlischen Adams tragen — 
eine Quelle der Herrlichkeit und des Glückes. Dann werden 
wir den Herrn von Angesicht zu Angesicht sehen und Ihm 
ohne Ermüdung und Gebrechlichkeit dienen. Habt denn 
noch ein wenig Geduld und Mut, Ihn zu verherrlichen, wenn 
Er uns in Leiden und Gebrechlichkeiten dazu beruft. „Er 
wird bald kommen, und nicht verziehen." 
Leiden wir infolge der Armut, der Ungerechtigkeit der 
Menschen oder ihrer Verfolgungen, so weiset uns auch da 
das Wort zu unserem Trost auf die Ankunft des Herrn (Jak. 
5, 7), indem es uns also lehrt, daß die Gewalttätigkeit, die 
Ungerechtigkeit und die Unterdrückung auf der Erde herrschend sein werden, bis der Herr kommt, diejenigen zu verderben, welche sie verderben, und um alle Dinge durch 
Seine herrlicheGegenwart neu zu machen. Aber vor diesem 
Tag werden wir zu Ihm versammelt sein, fern von der Welt 
und den Bösen. „So habt denn Geduld, Brüder, bis zu der 
Ankunft des Herrn! Siehe, der Ackermann wartet auf die 
köstliche Frucht der Erde und hat Geduld über derselben, 
bis sie den Frühregen und den Spätregen empfange. Habt 
auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen; denn die Ankunft 
des Herrn ist nahe gekommen." 
Wie würden wir in allen unseren Nöten getröstet sein, 
wenn wir immer diesen glücklichen Augenblick vor Augen 
hätten, wo uns der Herr für immer bei Sich vereinigen wird! 
Denn welche Not wird dann nicht wie ein Traum am 
Morgen verschwinden? Und wie würde nicht selbst diese 
Tröstung zu unserer Heiligung beitragen! Denn woher 
kommt Murren, Eifer, Neid, Geiz und so viele Lüste, welche 
61 
wider die Seelen streiten, wenn nicht daher, daß die Hoffnung unserer baldigen Vereinigung mit dem Herrn nicht lebendig in uns ist? Dann hängen sich unsere armen Herzen, 
welche wie das Efeu ein Bedürfnis haben, sich an etwas anzuschließen, an die Erde, da sie sich nicht an den Himmel 
hängen können. Wenn aber diese Hoffnung uns belebt, so 
wird der Eifer, das Murren usw. einer sanften und geduldigen Erwartung Platz machen, sogar der Freude und der 
Danksagung; und anstatt zu dem Irdischen, werden wir zum 
Himmlischen hingezogen sein; dann wird auch, während 
unsere Füße noch hier unten wandern, unser Herz schon im 
Himmel sein. 
So heiligt der Heiland die Seinigen; zuerst durch Seine 
Gnade und dann durch die Hoffnung Seiner Herrlichkeit, 
welche gleichsam eine Ergänzung derselben ist. Als Er uns 
in Seiner Gnade sagte: „Gehe hin in Frieden, deine Sünden 
sind dir vergeben!" da nahm Er von unseren Herzen die 
Last, welche sie fast erdrückte; Er führte uns zu Sich, beschämt von unserer Bosheit und Seiner Liebe. Wir fühlten 
dann das Bedürfnis, nicht mehr uns selbst zu leben, sondern 
Dem, der uns geliebt und Sich Selbst für uns dargebracht 
hat. Indem Er uns sagt: „Ich komme wieder und werde euch 
zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seid", versetzt 
Er unsere Hoffnung, unseren Schatz, unser Leben in den 
Himmel. Er macht Himmelsbürger aus uns, welche hier unten für eine kleine Zeit Fremdlinge und Pilgrime sind (Tit. 
2,11—14). Der Herr aber richte unsere Herzen zu der Liebe 
Gottes und zu dem Ausharren des Christus! (2. Thess. 3, 5). 
62 

V. 
Letzte Entwicklung des Bösen im gegenwärtigen Zeitlauf; seine Zerstörung und die 
Einführung des zukünftigen Zeitlaufs 
durch den Herrn in Person 
1. 
Die Entrückung der Versammlung, welche der Welt 
unsichtbar ist, läßt diese in ihrem Unglauben 
Nicht nur hat die Welt an der Entrüekung der Versammlung keinen Teil, sondern sie sieht sie auch nicht. Dies 
scheint wenigstens aus folgenden Erwägungen hervorzugehen: 
a) Nichts von dem, was das Wort von dieser Entrückung 
sagt, gibt Veranlassung zu glauben, daß sie der Welt sichtbar sei. 
b) Die Reden des Herrn, die Er an Seine Jünger richtete 
(Joh. 14), lassen uns vielmehr das Gegenteil schließen. Er 
sagt ihnen im 19. Vers: „Noch ein wenig und die Welt sieht 
mich nicht mehr. Ihr aber sehet mich; weil ich lebe, werdet 
auch ihr leben." Eine aufmerksame Erforschung dieser ganzen Rede zeigt uns, daß, wenn der Heiland sagt: „Ich gehe 
hin", es nicht „zum Tode" gemeint ist, — im Gegenteil betrachtet Er Sich, indem Er über den Tod hinweggeht, als 
hätte Er schon Sein Werk vollbracht (Joh. 13, 31; 17, 4 usw.), 
— sondern zum Vater; Er geht in das Haus des Vaters (Kap. 
14,2.6.12.28; 16,16—23. 28). — Als Er starb, befahl Er zwar 
Seinen Geist in die Hände des Vaters (Luk. 23,46); aber erst 
nach Seiner Auferstehung, als Er auf dem Punkte war, in 
den Himmel zurückzukehren, sagte Er zu Seinen Jüngern: 
„Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh. 20, 17). Das „noch ein wenig", welches auf dem Hingang des Heilandes folgte, ist 
nicht die Zwischenzeit zwischen Seinem Tod und Seiner 
63 
Auferstehung, wenn es auch wahr ist, daß Sich Jesus nach 
Seiner Auferstehung nur den Jüngern zeigte, und nicht der 
Welt. Wir finden aber, daß Seine Jünger Ihn noch nach der 
Auferstehung fragten (Joh. 16, 23) und Er warf ihnen ihren 
Mangel am Verständnis vor (Luk. 24, 25). — Seine Jünger 
wurden nach Seiner Auferstehung auch nicht Seines Lebens 
teilhaftig gemacht; denn dies wird erst bei Seiner Wiederkunft stattfinden (Kol. 3, 2. 3). Dann werden sie „erkennen", 
daß Jesus in Seinem Vater ist, und sie in Ihm, und Er in 
ihnen; dann werden sie Ihn nicht mehr fragen, sondern Ihn 
von Angesicht zu Angesicht sehen, und Ihn anbeten und 
preisen. Wir sagen also, daß das „noch ein wenig", welches 
auf den Hingang des Heilandes folgt, nicht die Zwischenzeit 
von Seinem Tode bis zu Seiner Auferstehung ist, sondern 
die Zwischenzeit von Seiner Himmelfahrt bis zu Seiner Wiederkunft, die Zeit der Versammlung — ein Geheimnis, welches die Apostel dazumal noch nicht begriffen; welche Zeit 
sie aber später mit demselben Ausdruck — „noch um ein gar 
Kleines" — bezeichneten (Hebr. 10, 37). Was nun aus diesem 
allem folgt, ist dieses, wenn der Herr zu Seinen Jüngern 
sagt: „Noch ein wenig und die Welt sieht mich nicht mehr; 
Ihr aber sehet mich; weil ich lebe, werdet auch ihr leben", 
so kann sich dies nur auf Seine Ankunft, um Seine Versammlung zu holen, beziehen, eine Ankunft, welche also 
der Welt unsichtbar bleibt. 
Dasselbe wird uns in Hebr. 9, 27 u. 28 gelehrt, wo gesagt 
ist, „daß der Herr zum zweiten Mal ohne Sünde denen, die 
ihn erwarten, zur Seligkeit erscheinen wird." Er wird also 
nicht von allen gesehen werden, wie es später sein wird, 
wenn Er kommt, um die Welt zu richten. 
c) Alle Vorbilder von der Entrückung der Versammlung 
geben uns Veranlassung, diese Entrückung als eine der Welt 
unsichtbare zu betrachten. Von Henoch ist gesagt, daß, nachdem er mit Gott gewandelt war, „er nicht mehr vorhanden 
war, weil ihn Gott hinweg nahm" (1. Mos. 5, 24); „daß er entrückt wurde, damit er den Tod nicht sehen sollte; und ward 
nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte" (Hebr. 11, 5). 
Dies setzt voraus, daß niemand seine Entrückung sah. 
Als Elias gen Himmel entrückt wurde, erhielt Elisa, als 
eine besondere Gunst, die Erlaubnis, ihn auffahren zu 
sehen. Die Prophetenkinder selbst sahen nichts davon, und 
obschon sie von dieser Entrückung benachrichtigt waren, 
wollten sie doch, nachdem sie geschehen war, nicht daran 
glauben (2. Kön. 2). Wenigstens meinten sie, daß der Geist 
Gottes ihn auf irgend einen Berg oder in ein Tal geworfen 
hätte. 
Der Herr Jesus Selbst, der Erstling Seiner Versammlung, 
wurde bei Seiner Himmelfahrt nur von den Jüngern ge64 
sehen. So wird es auch der Versammlung gehen. Sie wird 
nicht mehr gefunden werden, weil Gott sie hinweggenommen haben wird. Und also wird sie auch in ihrer Entrükkung den Titel „Geheimnis", welchen das Wort ihr gibt, 
rechtfertigen; sie ist ein Geheimni s in ihrer Bildung 
(Kol. 3, 10. 11), und ihrer Zusammensetzung (Joh. 1, 12. 13), 
ein Geheimni s in ihrem verborgenen Leben mit Christo 
in Gott (Kol. 3, 3. 4), ein Geheimni s in ihrer Wanderschaft durch diese Welt, welche sie nicht kennt (2. Kor. 6; 
9. 10), wie auch endlich ein Geheimni s in ihrem Hingang aus dieser Welt. 
Es ist zwar wahr, daß ein so außerordentliches Ereignis 
nicht unbemerkt vor sich gehen kann. Man wird dieses Verschwinden bemerken; man wird davon ohne Zweifel in Bewegung gebracht werden, und davon reden, wer weiß? 
Einige werden vielleicht in ihrer menschlichen Weisheit darüber urteilen, wie auch die Prophetenkinder über die Entrückung des Elias; aber die Welt wird sich deshalb nicht bekehren. Und wenn wir nicht begreifen können, wie es möglich ist, daß sie einem so großen Zeichen widerstehen kann, 
so erinnern wir uns, was bei der Auferweckung des Lazarus 
und bei der des Herrn Jesu Selbst geschah. Als Lazarus angesichts einer Menge Juden auferweckt wurde, glaubten 
nur einige; die andern gingen hin und erzählten die Sache 
den Pharisäern; und diese, darüber erzürnt, daß man zu Lazarus lief, als einem Zeugen der Macht Jesu, suchte man 
beide, sowohl Jesum als auch Lazarus, zu töten (Joh. 11, 46; 
12, 10. 11). Wir wissen, was sie bei der Auferstehung Jesu 
Christi machten, als sie dieselbe nicht leugnen konnten 
(Matth. 28, 11—15). 
So weit geht die Verhärtung des menschlichen Herzens, 
wenn dasselbe von Gott verlassen ist; und dies wird dann 
für eine Welt, welche die Wahrheit lange von sich gestoßen 
hat, der Fall sein. Es werden aber etliche sich bekehren; 
denn Gott hat zu allen Zeiten Seine Auserwählten und Heiligen. Etliche werden sich bekehren und werden die Verkündiger des Evangeliums des Reiches sein, indem sie die 
unterbrochene Predigt des Johannes des Täufers wieder aufnehmen. Sie werden sagen: „Tut Buße, denn das Reich der 
Himmel ist nahe gekommen Schon ist die Axt an die 
Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum denn, der nicht gute 
Früchte bringt, wird abgehauen und in das Feuer geworfen."' 
Als Prediger der Gerechtigkeit werden sie gleich Noah, unter einem verdorbenen Geschlecht, sagen: „Fürchtet euch 
vor Gott, und gebet ihm die Ehre; denn die Stunde seines 
Gerichts ist gekommen!" (Offenb. 14, 7). Denn wie nach der 
Entrückung Henochs das Verderben der Menschen zunahm, 
bis daß die Sündflut über eine mit Ungerechtigkeit erfüllte 
19 65 
Welt hereinbrach, so wird es auch sein, wenn die Versammlung aus der Welt genommen ist. Das Böse wird überströmend sein, bis daß es durch die Lästerungen des Menschen 
der Sünde auf dem Höhepunkt angekommen, das Gericht 
des Herrn über sich herabzieht. 
Laßt uns nun schnell diese finsteren Tage — diesen traurigen Schluß des gegenwärtigen bösen Zeitlaufes — welche 
jedoch Vorläufer des herrlichen zukünftigen Zeitlaufes sind, 
durchlaufen. 
2. 
Das vierte wiederauferstandene Tier und das Weib, 
welches auf ihm sitzt, oder die Hure 
Nachdem Gott dem Volke Israel in Seinem Zorn einen 
König gegeben hatte, nahm Er ihn in Seinem Grimm wieder 
weg, obwohl Er lange mit großer Geduld die Verirrungen 
dieses halsstarrigen Volkes ertrug. Seitdem die Sünde Salomo's die Lostrennung der zehn Stämme und ihre Abgötterei 
herbeigeführt hatte, warnte sie Gott lange durch Seine Diener, die Propheten. Als aber Israel nicht zu seinem Gott umkehrte, wurde es endlich durch Salmaneser, den König von 
Assyrien, gefangen geführt, und ist nie wieder zurückgekehrt. Juda bestand von der Zeit an noch über hundert 
Jahre; als es aber in den Wegen Israels wandelte, und Jerusalem es sogar noch schlimmer trieb, als ihre Schwester Samaria, da entbrannte der Grimm Jehovas so sehr, daß kein 
Hilfsmittel mehr übrig blieb. Und Gott ließ den König der 
Chaldäer gegen sie kommen (2. Chron. 36), welcher, nachdem 
er die Stadt und den Tempel zerstört hatte, das Volk gefangen nach Babylon führte. So ging die Universal-Herrschaft, 
welche immer das Vorrecht Israels geblieben wäre, wenn es 
in den Wegen Jehovas gewandelt hätte, in der Person des 
Nebukadnezar, auf die Nationen über; wie es auch Daniel 
diesem selbst sagte: „Du, o König, bist der König der Könige, dem der Gott des Himmels die Herrschaft, die Macht 
und die Gewalt und die Herrlichkeit gegeben; und überall, 
wo Menschenkinder wohnen, Tiere des Feldes und Vögel des 
Himmels, hat er sie in deine Hände gegeben und dich über 
sie alle zum Herrscher gemacht; du bist das Haupt von Gold" 
(Dan. 2, 37. 38). Es ist wahr, daß nach siebzig Jahren Juda 
wieder in sein Land zurückkehrte, seine Stadt und seinen 
Tempel wieder aufbaute; denn der Gesalbte mußte es in 
Seiner Gnade besuchen. Aber die Macht wurde ihm nicht 
wiedergegeben, und es wird sie auch nicht wiedererhalten, 
bis Derjenige gekommen sein wird, welchem „das Reich ge66 
hört", der Sohn Davids, der gesalbte König Zions, welcher 
auf der Erde Gericht und Gerechtigkeit ausüben und ewig 
über das Haus Jakobs regieren wird (Hes. 21, 30—32; Jer. 23, 
5. 6). Bis zu de r Zeit gehört die Herrschaft den Nationen; 
und diese Zeit nennt das Wort Gottes „die Zeiten der Nationen" (Luk. 21, 24). 
Wir kennen die vier Königreiche, welche durch das große 
Bild, welches Nebukadnezar sah, und durch die vier Tiere 
Daniels dargestellt sind (Kap. 2, 7). Diese Königreiche entsprechen gerade der Zeit der Nationen. Wir wissen, daß die 
drei ersten dieser Reiche, das babylonische, das persische 
und das griechische ein Ende genommen haben, nachdem sie 
zu ihrer Zeit den Absichten Gottes gedient haben. Das vierte 
(das römische Reich) hat auch schon bestanden; und unter 
demselben erschien der Heiland. Infolge der Verordnung des 
Hauptes dieses Reiches, des Kaisers Augustus, gingen Joseph und Maria nach Bethlehem, der Stadt Davids, um dort 
eingeschrieben zu werden. Unter einem anderen dieser Kaiser, dem Tiberius, ertönte zum ersten Mal in den Ländern 
Judäa's das Wort „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist 
nahe gekommen." Da die drei ersten Reiche nur von kurzer 
Dauer waren, so hätte man denken können, daß es mit diesem auch also sein würde, und daß dann, nach Beendigung 
der Herrschaft der Nationen, bald alle Reiche unter allen 
Himmeln, dem Sohn des Menschen unterworfen sein würden. Dies war auch wahrscheinlich die Erwartung vieler; 
aber Israel verwarf seinen König. Es lieferte denselben diesem vierten Reiche sogar aus, indem es Ihn in die Hände 
seines Repräsentanten, des Pilatus, überlieferte. Darnach 
wurde dieses Reich die Rute Gottes, um sein empörerisches 
Volk zu züchtigen. Als Christus ausgerottet war, kam das 
Volk des Fürsten, der kommen wird, und zerstörte die Stadt 
und das Heiligtum. 
Später verblich dieses Reich selbst, und in seinem sechsten Haupte, der kaiserlichen Regierung in Rom, tödlich verwundet unterlag es den Angriffen der Völker des Nordens. 
Aber seine tödliche Wunde soll geheilt werden; und die 
ganze Erde, darüber verwundert, wird ihm anhängen (Offb; 
13, 3). „Und es werden die staunen, welche auf der Erde 
wohnen (deren Namen vor Grundlegung der Welt in dem 
Buch des Lebens nicht geschrieben sind), wenn sie das Tier 
sehen, welches war, und nicht ist, und da sein wird" (Offb. 
" , 8). 
Ungefähr zur Zeit der Entrückung der Versammlung, nähern sich die zerstreuten Glieder dieses vierten Tieres, und 
es steht wieder auf, schrecklich, fürchterlich, greulich, um 
alles zu erfüllen, was geschrieben steht. Dieses Gesicht 
schaute Johannes, „Und ich sah aus dem Meer heraus ein 
6? 
wildes Tier aufsteigen, das zehn Hörner und sieben Köpfe 
hatte, und auf seinen Hörnern zehn Diademe, und auf seinen 
Köpfen Namen der Lästerung. Und das wilde Tier, welches 
ich sah, war gleich einem Pardel, und seine Füße wie eines 
Bären, und sein Maul wie ein Löwenmaul. Und der Drache 
gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt" 
(Offb. 13, 1. 2). 
Gewiß ist dies das vierte Tier des Daniel, welches wir 
hier wiedererscheinen sehen, um unter den Schlägen des 
Herrn bei Seiner herrlichen Ankunft zu endigen (Offb. 19). 
a) Es kommt aus dem Meer wie das des Daniel (Kap. 7, 
23), d. h. aus dem Wogen, den Revolutionen der Völker. Von 
der Hure, welche uns> in der Folge als auf dem Tier sitzend, 
dargestellt wird, ist gesagt, daß sie auf vielen Wassern sitze: 
„Die Wasser, welche du sähest, wo die Hure sitzt, sind Völker und Volkshaufen, und Nationen und Sprachen" (Offb. 
17, 1. 15). 
b) Wir finden darin etwas von jedem dieser drei ersten 
Tiere Daniels wieder. Es hat den Leib eines Leoparden, die 
Füße eines Bären und das Maul eines Löwen. Man bemerkt 
aber gerade die umgekehrte Ordnung Daniels, und zwar 
ohne Zweifel deshalb, weil der Prophet diese Reiche in der 
Zukunft sah; Johannes hingegen in der Vergangenheit. 
So sind die vier Tiere Daniels in demjenigen des Johannes vereinigt, weil jedes Reich die vorhergehenden Reiche 
mehr oder weniger in sich schloß, und weil das wiedererstandene Rom in seinem weiten Reiche die Trümmer aller 
vorhergehenden in sich vereinigen wird. Wir sehen sie auch 
in der Tat alle im Gericht wiedererscheinen. Wenn der ohne 
Hände losgemachte Stein das Bild in seinen tönernen und 
eisernen Füßen zermalmt, „dann sind auf einmal nicht nur 
Ton und Eisen, sondern auch Erz, Silber und Gold zermalmt und werden wie Spreu auf der Sommertenne sein, 
die der Wind hin- und herweht" (Dan. 2, 34. 35. 45; 7,11.12). 
c) Das Tier des Johannes hat „einen Mund, der große 
Dinge und Lästerungen redet" (Kap. 13, 5); das des Daniel 
hatte „einen Mund der große Dinge redete" (Kap. 7, 8. 20). 
d) Die Heiligen sind eine Zeit, zwei Zeiten und eine 
halbe Zeit, d. h. dreiundeinhalb Jahr, in die Hände des Tieres des Daniel gegeben (Kap. 7,25). Dem Tier des Johannes 
ist die Gewalt zweiundvierzig Monate (Offb. 13, 5), also die 
nämliche Zeitdauer verliehen. 
e) Das Tier des Daniel hat zehn Hörner, oder zehn Könige, die aus diesem Reiche aufstehen werden (Kap. 7, 24), 
wie auch die Füße des Bildes in zehn Zehen geteilt waren; 
68 
und das Tier des Johannes hat ebenfalls zehn Hörner, von 
denen Vers 12 gesagt ist: „die zehn Hörner, die du gesehen 
hast, sind zehn Könige usw." 
Diese zehn Könige sind übrigens noch nicht erschienen; 
denn sie empfangen ein e Stunde mit dem wilden Tier Gewalt, wie Könige, und zwar zu dem Zwecke, um die Hure zu 
zerstören (Offb. 17,12.17). Die Barbaren, welche im vierten 
Jahrhundert das Römische Reich verheerten, entsprechen gar 
nicht den zehn Hörnern oder den zehn Zehen. Die zehn 
Hörner sind zehn Könige, welche aus diesem Königreich 
selbst kommen werden, während jene Könige der Barbaren 
nicht aus dem Schöße des Römischen Reiches, sondern aus 
dem äußersten Norden kamen, um dieses Reich zu zerreißen 
und dessen Trümmer unter sich zu verteilen. Die zehn Hörner kommen aus dem siebenten Haupte, dem Ergebnis aller 
vorhergehenden Häupter und entsprechen offenbar den zehn 
Zehen, welche aus den beiden Füßen (nicht nur aus einem) 
des Bildes kommen. Bis jetzt aber war nie das ganz e 
Römische Reich in zehn Königreiche geteilt. 
Wer kennt heutzutage zehn Reiche der Westgoten, Ostgoten, Vandalen usw., wenn es je zehn gab? Einige Gelehrte 
bemühen sich in ihren Studierzimmern, die Könige der Barbaren auf diese Zahl zu bringen, aber auf diese Weise erfüllen sich die Prophezeiungen nicht. Als die vier Reiche 
Israel beherrschten, war es selbst dem Unwissendsten bewußt, ob er die Babylonier, die Perser, die Griechen oder 
die Römer zu Herren hatte. So wird es ebenfalls sein, wenn 
das vierte Tier mit seinen zehn Hörnern auferstehen wird. 
f) Das Tier des Johannes wird im Feuer verbrannt wie 
das des Daniel (Offb. 19; Dan. 7, 11). 
Wenn man auf diese Beziehung achtet, so wird man 
überzeugt sein, daß das Tier des Johannes nur die Fortsetzung des vierten Reiches des Daniel ist, welches alle übrigen zusammenfaßt — das wiederauferstanden e 
viert e Tier . Es sind aber einige Züge beigefügt, um es 
in seinem neuen Zustand zu beschreiben: 
a) Es hat einen teuflischen Charakter; „der Drache gibt 
ihm seine Macht, seinen Thron und große Gewalt" (Offb. 13, 
2). Es wird aus dem Abgrund aufstehen und ins Verderben 
gehen (Kap. 17, 8). Wenn es uns Johannes zuerst zeigt, als 
aus dem Meer aufsteigend, wie das des Daniel, so steigt es, 
wenn es wieder erscheint, aus dem Abgrund auf. 
b) Es hat sieben Köpfe oder Häupter (Kap. 17, 9. 10), 
welche sieben Berge sind, auf denen das Weib sitzt, und 
welche Rom zu bezeichnen scheinen. Es sind auch sieben 
69 
Könige, von denen fünf zur Zeit des Johannes gefallen waren. Diese bezeichnen ohne Zweifel die von allen Geschichtsschreibern angeführten ersten fünf römischen Regierungsformen. Die sechste Form, die kaiserliche, bestand zur Zeit 
des Johannes; und wenn das siebente in der Verbindung der 
vereinigten zehn Königreiche wird erschienen sein, so wird 
das Tier selbst ein achter König sein. 
c) Was uns dieses wilde Tier in seinem neuen Zustand besonders darbietet, ist die Hure, welche auf ihm sitzt. Bemerken wir hier zuerst, daß das Gesicht über dieses Weib, 
das auf dem Tier sitzt (Offb. 17), welches von Johannes erst 
nac h dem im 13. Kapitel erwähnten Tier gesehen wird, 
diesem in der Reihenfolge der Zeit jedoch nicht ganz nachsteht. Wir glauben im Gegenteil, daß es zwischen dem 4. und 
5. Vers des 13. Kapitels gehört, bevor von dem Munde, welcher große Dinge und Lästerungen redet (V. 5), gesprochen 
ist; und also noch vielmehr vor das zweite Tier, welches 
zwei Hörner hat gleich einem Lamm, und welches redet wie 
ein Drache (V. 11). 
Dies könnte im ersten Augenblick manchem willkürlich 
erscheinen; aber es erklärt sich, wenn wir uns daran erinnern, daß die Propheten auf diese Weise verfahren. Sehr 
oft ist die Reihenfolge ihrer Geschichte keine Reihenfolge 
der Zeit, welche den Ereignissen, die sie sehen, entsprechen; 
sondern nachdem sie zuerst in einem Gesicht die Ereignisse, 
welche sie verkündigen sollen, gleichsam in einem Gesamtbild gesehen haben, haben sie nachher neue Gesichte, welche 
das erste, allgemeine Gesicht entwickeln und ergänzen, und 
sich in dasselbe, als ebenso viele einzelne Bilder einreihen. 
Dies bemerkt man vornehmlich im Propheten Daniel. 
Was ist denn nun die Hure? Was könnte sie anders sein, 
als das mit der materiellen Gewalt verbundene religiöse 
Prinzip, als die Staatsreligion, welche dann in der Christenheit den höchsten Grad ihrer Verdorbenheit erreicht hat. 
Die Versammlung, welche berufen ist, als eine keusche 
und reine Braut ihren Bräutigam zu erwarten, hatte mit den 
Mächten der Erde nichts anderes zu tun, als, während ihres 
Durchgangs durch ihre Staaten, dem Kaiser zu geben, was 
des Kaisers ist, und für Gott zu bewahren, was Gottes ist; 
und keine andere Stütze noch Schutz zu suchen, als die ihres 
himmlischen Hauptes. — Gestützt auf Seinen unsichtbaren 
Arm und mit gen Himmel gerichteten Augen sollte sie als 
Fremdling diese Wüste durchreisen. Aber bald wurde sie 
ihrer Vereinzelung, ihrer Unscheinbarkeit, ihrer Armut und 
der unaufhörlichen Kämpfe, welche die Folge ihres Wandels 
im Glauben waren, müde. Sie wurde in ihren Neigungen 
und Hoffnungen irdisch; und bald gelang es ihr, Massen von 
70 
Menschen zu umfassen. Und nachdem sie selbst eine Macht 
der Erde geworden war, unterhandelte sie mit den Mächten. 
Sie verkaufte diesen ihren Einfluß auf die Gewissen für 
eine anerkannte Stellung in dieser Welt, wo ihr Meister 
keine hatte, für Purpur und Scharlach, womit Er nur aus 
Spott bekleidet war. Endlich ist sie dahin gekommen, — 
wer hätte es geglaubt! — mit der Welt ein e Körperschaft 
zu bilden, mit de r Welt, von welcher Jesus den Seinigen 
sagte: „Ihr seid nicht von der Welt; denn ich habe euch von 
der Welt erwählt." Anstatt deren Verfolgungen zu erdulden, 
hat sie sich selbst zum Verfolger derer gemacht, welche ihre 
Gewissen nur Christo unterwerfen und kein anderes Haupt 
als Ihn anerkennen wollen; sie hat sie dem Tier überliefert, 
und dieses hat sie mit Füßen zertreten, zerrissen, so daß ihr 
Blut auf die Hure zurückspritzte und sie bedeckte. O gewiß! 
dies ist ein Geheimnis, wie auch die Einigung der wahren 
Versammlung mit dem Christus, Dessen Leib sie ist — Bein 
von Seinem Bein und Fleisch von Seinem Fleisch, — ein Geheimnis ist. Nur ist dieses das Geheimnis der Gottseligkeit, 
jenes aber das der Bosheit. Dieses Geheimnis sah Paulus 
schon zu seiner Zeit sich regen und mit dem Menschen der 
Sünde endigen. Auch trägt die Hure auf ihrer Stirn geschrieben: „Geheimnis, Babylon, die große, die Mutter der 
Huren und der Greuel der Erde!" Unter diesem Bild wird 
sie uns dargestellt (Kap. 17, 5.18); gerade das Gegenteil der 
Braut, des Weibes des Lammes, welche „die große Stadt ist, 
das heilige Jerusalem, herniederkommend aus dem Himmel 
von Gott" (Kap. 21, 9. 10 usw.). 
Es ist wahr, daß dieses an die Meinung einiger erinnert, 
welche an ein Wiederaufleben Babylons glauben, um das zu 
erfüllen, was davon gesagt ist, indem es nicht ganz erfüllt 
zu sein scheint. Wir wissen aber, daß Babylon oder Babel 
Verwirrun g bedeutet; und welches System verdiente 
wohl mehr diesen Namen, als dasjenige, mit welchem wir 
uns hier beschäftigen? Gab es je eine unermeßlichere und 
abscheulichere Verwirrung? Die Versammlung Jesu Christi 
mit der Welt, ihrem Feinde, vereinigt! 
Wenn uns übrigens dieses System, als über Völker und 
Zungen herrschend, dargestellt wird (Kap. 17, 1. 15), so erscheint Rom dennoch als Mittelpunkt, wenn gesagt wird, daß 
„die sieben Häupter sieben Berge sind, auf welchen das 
Weib sitzt." Wenn wir uns daran erinnern, daß das vierte 
Reich dann wieder auferstanden sein wird, ist es da nicht 
natürlich, zu denken, daß seine alte Hauptstadt ihre frühere politische und religiöse Bedeutung geltend machend, 
ihren Platz wieder einehmen, und der Mittelpunkt dieses 
Systems in seiner neuen Form sein wird? Sie kann dann 
71 
Babylon genannt werden, wie Jerusalem „Sodom und Ägypten" genannt ist (Mos. 32, 32; Jes. 1, 10; Offb. 11, 8), und das 
um so mehr, als die tönernen und eisernen Füße, die Fortsetzung des goldenen Hauptes sind1 so daß in einem gewissen Sinne Eom und Babylon nur ein s bilden. 
Der Luxus der Hure und das Blut, von welchem sie trunken ist, scheint zwar mehr das Papsttum, oder die vergangene Christenheit, als die Christenheit in ihrem gegenwärtigen und zukünftigen Zustand zu charakterisieren. Aber 
außerdem, daß wir nicht wissen, was sie werden kann, muß 
man daran denken, daß, wenn eine Versammlung oder ein 
Volk zum Gericht Gottes erscheint, es mit seiner ganzen Vergangenheit beladen erscheint: „Erfüllet das Maß eurer Väter!" sagt Jesus den Juden (Matth. 23, 32—36), „daß alles gerechte Blut, vergossen auf der Erde, auf euch komme, von dem 
Blute Abels, des Gerechten, an, bis zum Blut des Zacharia, 
des Sohnes Barachiä, den ihr zwischen dem Tempel und dem 
Altar ermordet habt." Nach diesem muß, obschon die Hure 
nicht eigentlich und einzig das päpstliche Rom, sondern vielmehr die ganze abtrünnige Christenheit ist, dasselbe, da es 
einen bedeutenden Teil der Christenheit ausmacht, hier in 
seinen Hauptzügen, in seinem Purpur, Scharlach und Blut 
der Heiligen, von welchem es trunken geworden ist, unter 
dem vierten, wiederauferstandenen Reich, nochmals erscheinen. Vielleicht geht der Herr noch weiter zurück und sieht 
dieses System der Erdrückung der Gewissen unter den Staat, 
in seiner ganzen Dauer der Zeit der Nationen, von Nebukadnezar und seinem goldenen Bild an, *) bis zu dem Ende 
des abgefallenen Rom. 
Weil nun die Hure dieses System in den letzten Tagen 
darstellt, könnte man wohl buchstäblich von ihr sagen: „Das 
Blut von Propheten und Heiligen und aller derer, die auf 
der Erde geschlachtet sind, ist in ihr gefunden worden" 
(Offb. 18, 24). 
Das Ende der Hure erinnert uns daran, daß, „wer das 
Schwert nimmt, durch das Schwert umkommt"; und daß, 
„wenn jemand ins Gefängnis führt, er ins Gefängnis geht; 
wenn jemand mit dem Schwert töten wird, er mit dem 
Schwert getötet werden muß" (Matth. 26, 52; Offb. 13, 10). 
Die Hure hat bei den Königen Stütze und Schutz gesucht, 
um sie nachher zu beherrschen, und um durch sie zu verfolgen. Die Könige, endlich müde geworden, ihre willigen 
Werkzeuge zu sein, lassen ihren längst zurückgehaltenen 
Haß ausbrechen, machen sie öde und nackt, fressen ihr 
Fleisch und verbrennen sie mit Feuer." Dies ist die Absicht 
*) Man denke daran, daß Nebukadnezar zuerst eine Staatsreligion einführte. (Anm. des Übers.) 
72 
der gerechten Rache Gottes, welche zu tun, Er in ihre Herzen gegeben hat; denn ihre Sünden sind bis zum Himmel 
aufgehäuft (Offb. 17, 16. 17; 18, 5. 6). 
Die Belehrung, die aus all diesem hervorgeht, ist: „Gehet 
aus von Babylon, mein Volk, auf daß ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig seid, und daß ihr nicht von ihren Piagen 
empfanget" (Offb. 18, 4). 
Wir sind nun berufen, den Geist Babylons, da, wo er 
wirkt, zu unterscheiden und uns davon fern zu halten, damit unsere Seelen nicht davon leiden. Dieser Geist aber ist 
die Vermengung der Dinge Gottes mit den Dingen dieser 
Welt. Befleißigen wir uns deshalb, jedem zu geben, was ihm 
gehört: „Gott, was Gott gehört, und dem Kaiser, was dem 
Kaiser gehört." Lasset uns den hochgestellten Mächten untertänig sein: die Steuer geben, dem die Steuer, und den 
Zoll, dem der Zoll gebührt. Weit entfernt die Mächte zu verachten und die Majestäten zu lästern, lasset uns vielmehr 
für sie bitten, damit wir eine ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit (1. Tim. 2, 
1, 2). Aber zugleich lasset uns eingedenk sein, daß Jesus 
allein das Haupt Seiner Versammlung ist, das Haupt, aus 
welchem „der ganze Leib wohl zusammengefügt und zusammenbefestigt durch jedes Gelenk der Darreichung, das 
Wachstum schafft, usw. (Eph. 4,15.16; 5,29.30). Er hat niemandem diese Macht und diese Sorge übertragen; Er hat 
niemand beauftragt, Ihn in diesem zu ersetzen, die Obrigkeit ebensowenig, als den niedrigsten ihrer Untertanen. Da 
wir Glieder dieses gesegneten Leibes sind, so laßt uns unser 
himmlisches Haupt nicht verleugnen, indem wir jemand anders als Ihm irgend welche Gewalt in der Versammlung geben. Laßt uns nicht Seinen Geist verleugnen, indem wir uns 
diesen toten Formen beigesellen, durch welche eine blinde 
Volksmenge Gott einen angenehmen Dienst zu bringen 
glaubt. Wenn wir Seines Geistes teilhaftig geworden sind, 
so laßt uns alle diejenigen aufsuchen, aus welchen Sein Geist 
lebendige Steine gemacht hat, um mit ihnen dieses Haus 
Gottes im Geist zu bilden, in welchem wir, als heilige Priester, Gott durch Jesum Christum wohlgefällige Opfer bringen mögen. Mit einem Wort, lasset uns, was das Irdische 
und Menschliche betrifft, unterworfene Untertanen des Kaisers sein, ihm in allem gehorchen, was nicht dem Willen 
Gottes zuwider ist. Was aber die Versammlung betrifft, so 
lasset uns kein anderes Haupt anerkennen, als Christum, 
und keine anderen Eingebungen, als die Seines Wortes und 
Seines Geistes. 
In der Geschichte der Hure könnt ihr Christen, die ihr 
euch bemüht, die Bande, welche die Kirche mit dem Staat 
73 
verbinden, noch enger zu schließen, indem ihr hofft, die 
Kirche so zu heben, um endlich alle Völker in ihrem Schoß 
zu bergen, euren Irrtum erkennen. Und auch ihr, Brüder, 
die ihr vielzusehr in Bewegung seid, diese Bande zu zerreißen, indem ihr glaubt, der Versammlung durch ihre Unabhängigkeit auch ihr ehemaliges Leben wieder zu verschaffen, 
auch ihr könnt hier eure falsche Einbildung erkennen. Das 
Wort lehrt uns, daß die Zeit kommt, wo die Völker und die 
Könige, ermüdet von den Anmaßungen einer hurerischen 
Kirche, und vom Joch einer heuchlerischen Form, welche sie 
ihnen auferlegen will, dieses Joch abwerfen und diese Ketten zerreißen werden; sie werden die Hure hassen, öde und 
nackt machen, ihr Fleisch fressen und im Feuer verbrennen. 
Werden sie es aber tun, um sich Gott und Seinem Christus 
zu unterwerfen? Keineswegs, sondern um ihre Macht dem 
Tiere zu geben, welches mit den Königen der Erde und ihren 
Herren dem, welcher „Wort Gottes" heißt, den Krieg erklären wird. Es ist also ein unnützes Sich-Zerarbeiten, wenn 
man Babylon reformieren will und sich zu diesem Zweck in 
die eitlen Projekte der Völker und Könige mischt. Es ist uns 
nicht befohlen, mit Babylon zu unterhandeln, sondern von 
ihm auszugehen. „Wir wollten Babylon heilen, aber sie ist 
nicht heil geworden; verlasset sie und laßt uns ziehen" (Jer. 
51, 51, 9; Offb. 18, 4). Ein jeder Einzelne muß aus Babylon 
ausgehen, um dem Herrn außerhalb des Lagers zu folgen, 
Seine Schmach tragend. Dies ist's, wozu uns das Wort beruft. 
Doch die Hure ist noch nicht die völlige Entwicklung des 
Übels, noch nicht der letzte Triumph Satans. Dieser Engel 
der Finsternis hat nie seine listigen Anschläge aufgegeben, 
die er schon in Eden offenbarte, um den Menschen dahin zu 
treiben, sich vermessener Weise an die Stelle Gottes zu 
setzen. Diesen Gedanken, an dessen Verwirklichung er seit 
Jahrhunderten gearbeitet hat, und in welchem das stolze 
Herz des Menschen ihm behilflich ist, wird er am Ende verwirklichen. Und zu diesem Zweck wird er sich einen Menschen erwählen, in welchem er alle seine Gaben vereinigen 
wird, indem er ihn mit allem ausrüstet, was dem Fleische 
gefällt, und was die Volkshaufen nach sich ziehen kann. 
Dann wird er ihn den Natione n als denjenigen darbieten, welcher endlich die Einbildungen von irdischem Glück, 
welchen sie schon so lange nachjagen, verwirklichen soll; 
und wird ihn den Jude n als den Messias, welchen sie erwarten, darbieten. Den einen wie den andern als das Ideal, 
in welchem der Mensch sich rühmen und selbst anbeten soll. 
Die Entehrung, welche das auf dem Tier sitzende Weib mit 
den heiligen Dingen so lange vor den Nationen getrieben 
hat, der eingewurzelte Haß der Juden gegen Jesum von Nazareth, dies alles, vereint mit dem Stolz und mit der Bosheit 
74 
des menschlichen Herzens, wird dieses teuflische Unternehmen gelingen lassen. Wie sich Juden und Nationen schon 
einmal vereinigt haben, um den Heiland, welchen Gott 
ihnen gesandt hatte, zu kreuzigen und zu verwerfen, so werden sie sich nochmals vereinigen, um den Menschen, in 
welchem Satan eingefleischt ist, aufzunehmen und anzubeten. Dann erfüllt sich, was eine große Stimme vom Himmel 
spricht, wenn Satan aus demselben geworfen wird: „Wehe 
der Erde und dem Meer! denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut" (Offb. 12,12). Dann wird für 
die Heiligen, welche auf der Erde sind, für die in Israel insbesondere, „die große Drangsal sein, wie sie von Anfang der 
Welt bis jetzt nicht gewesen ist, und auch nicht werden 
wird." Dann ist aber auch die Ernte, welche das Ende des 
Zeitlaufes ist, und die Weinlese bereit; denn die Trauben 
der Rebe der Erde werden reif seih, um in die Kelter des 
Zornes Gottes geworfen zu werden. 
Laßt uns nun sehen, ob diese allgemeine Übersicht, den 
Belehrungen des Wortes gemäß ist. 
3. 
Der Antichrist und seine hauptsächlichsten 
Kennzeichen 
Dieser Stellvertreter Satans ist im Gegensatz „zu dem 
Herrn des Heils, welches Gott Israel in dem Hause Davids, 
seines Knechtes, aufgerichtet hatte" (Luk. 1, 69), das kleine 
von Daniel gesehene Hörn (Dan. 7, 8. 24 - 26), welches zwischen den zehn Hörnern hervorkommt, vor welchem drei 
von den vorigen Hörnern ausgerissen werden, und welches 
Augen hat wie Menschenaugen und ein Maul, das große 
Dinge redet. 
Es ist auch das von demselben Propheten gesehene kleine 
Hörn in Kap. 8, 9 - 14. 23 - 25. Und im Gegensatz zu Jesu, 
„dem sanftmütigen König", ist er „der freche und tückische 
König, der mächtig sein wird, doch nicht durch seine Macht; 
der wunderliches Verderben anrichten wird; und es wird 
ihm gelingen, daß er's ausrichte, und er wird die Starken 
samt dem heiligen Volke verstören; und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und durch Sicherheit (oder unversehens) wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider 
den Fürsten aller Fürsten; aber er wird ohne Hand zerbrochen werden." 
Er ist im Gegensatz zu „Christo, dem Fürsten" — „der 
Fürst, der kommen wird" (Dan. 9, 26). 
75 
Er ist im Gegensatz zu Jesu, dessen Speise es war, den 
Willen Seines Vaters zu tun (Joh. 5,30; 6, 38) — „der König, 
welcher tun wird, was er will, und sich erhebt, und sich aufwirft wider alles, was Gott ist, und der wider Gott wunderliche Dinge reden wird, und es wird ihm gelingen bis der 
Zorn vorüber ist" (Dan. 11, 31—45). 
Ist er nicht auch im Gegensatz zu dem König von Zion — 
dieser König von Babel, welchen Israel höhnt, nachdem sein 
hartes Joch von ihm genommen ist? dieser „Morgenstern", 
(wir wissen, daß Jesus Sich Selbst diesen Titel gibt (Offb. 
22, 16) der in seinem Herzen spricht: „Ich will in den Himmel steigen, und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen; ich will mich setzen auf dem Berge der Zusammenkunft im äußersten Norden, und will auf der Wolken Höhen 
steigen, und gleich sein dem Allerhöchsten" (Jes. 14). Alle 
diese Züge haben eine eigentümliche Beziehung mit dem, 
was anderswo von dem Antichristen gesagt ist. Ebenso ist 
es auch wahr, daß besonders das, was Jes. 13, 19 vorangeht 
und das, was auf Kap. 14, 22 folgt, buchstäblich Babel und 
einen König von Assyrien anzudeuten scheint. 
Der Antichrist ist im Gegensatz zum himmlische n 
Menschen (l.Kor. 15,47), und zu dem Gerechten in den Psalmen — „der Mensch von der Erde" (Ps. 10,18), „der Tor, der 
Übeltäter , der in seinem Herzen spricht: Es gibt keinen 
Gott!" (Ps. 14,53), „der Feind, der Tyrann, der sich rühmt, 
Böses tun zu können" (Ps. 52). 
Er ist dieses „Haupt", an welchem in den letzten Tagen 
des Zeitlaufes das Gericht des Herrn ausgeübt wird (5. Mos. 
32,42.43; Ps. 110, 6), weil sich in ihm der Stolz des Menschen 
und seine Empörung gegen Gott in jenem erhabenen Augenblick konzentriert. 
Im Gegensatz zu Jesu, dem Heiligen und Gerechten, der 
Sich Selbst erniedrigte und Knechtsgestalt annahm (Phil. 2, 
6—11), ist der Antichrist „der Mensch der Sünde, der Sohn 
des Verderbens ... , welcher widersteht und sich selbst über 
alles, was Gott heißt, oder ein Gegenstand der Verehrung 
ist, erhöht, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt, und 
sich selber darstellt, als sei er Gott dieser Gesetzlose, 
welchen der Herr Jesus mit dem Hauch Seines Mundes verzehren, und durch die Erscheinung seiner Ankunft vernichten wird" (2. Thess. 2, 3—10; Jes. 11, 4). 
Er ist derjenige, von welchem der Herr zu den Juden redete, als Er ihnen sagte: „Ich bin im Namen meines Vaters 
gekommen, und ihr nehmet mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen" (Joh. 5, 43). 
76 
Er ist endlich „der Antichrist, welcher den Vater und den 
Sohn leugnet" (1. Joh. 2, 22; 4, 2. 3). 
In der Offenbarung ist er nacheinander dargestellt: als 
„ein Mund, der große Dinge und Lästerungen redet"; als 
„das wilde Tier, das zwei Hörner hatte gleich einem Lamm, 
und redete wie ein Drache"; als „ein achter König"; und 
endlich als „der falsche Prophet" (Offb. 13, 5. 11—18; 17, 11; 
19, 19. 20). 
Wenn man sich wundert, daß dieselbe Persönlichkeit 
nacheinander durch so viele verschiedene Bilder dargestellt 
ist, so möge man beachten, wie sehr diese Bilder im Grunde 
übereinstimmen, obgleich sie dem besonderen Gesichtspunkt 
eines jeden der heiligen Schreiber entsprechend sind. Daniel, 
welcher von den mit seinem Volk und mit seiner heiligen 
Stadt in Beziehung stehenden Nationen und Reichen weissagt, sieht in dem Antichristen den falschen Propheten, welcher, nachdem er die verirrten Kinder seines Volkes verführt hat, die Getreuen verfolgen wird, und zwar als der 
letzte König dieser Nationen, in deren Hände Jerusalem für 
einige Zeit überliefert worden ist. 
Für die Versammlung, welche sich nicht mit den Nationen dieser Welt, noch mit ihren Revolutionen abgibt, sondern alles von dem geistlichen und himmlischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ist dieser König „der Mensch der 
Sünde, der Sohn des Verderbens, der Antichrist." 
Die Offenbarung, welche in ihren Gesichten über die 
letzten Tage den Himmel und die Erde zusammenfaßt, stellt 
uns den Antichristen als König, Prophet, und endlich als ein 
in gewisser Beziehung dem Lamme ähnliches Tier dar, welches aber wie der Drache redet. Auch bemerken wir, daß 
das kleine Hörn des Daniel (Kap. 7,8) Augen hat wie Menschenaugen, und einen Mund, der große Dinge redet. Dies 
alles bezeichnet sehr gut den Propheten, den man in Israel 
Sehe r nannte (1. Sam. 9,9), und der auch ein „Mund" ist 
(2. Mos. 4, 16 verglichen mit 7, 1). Dies wird auch von einer 
anderen Seite bestätigt, indem der falsche Prophet (Offb. 19, 
20) gerade dasselbe ausübt, was auch das Tier mit den zwei 
Hörnern tut (Kap. 13). Der Antichrist kann ein achter König 
sein, sei es als achte Form der römischen Herrschaft, wovon 
sechs bis heute vorhanden gewesen sind, und die siebente, 
die Genossenschaft der zehn Könige, dann ihre Zeit vollendet haben wird, sei es, weil er neben und über den sieben 
Königen, dem Rest der zehn ist, welche durch zehn Hörner 
dargestellt sind, von denen er drei ausgerissen hat. 
Wenn wir endlich das Endziel von diesem allem, wie es 
uns in Daniel und in der Offenbarung mitgeteilt wird, zusammen vergleichen, so haben wir in Daniel das Tier mit 
seinen sieben Hörnern, den Rest der zehn und das kleine 
77 
Hörn, nämlich das Tier oder das wiedererstandene Römische 
Reich, die sieben Könige und den Antichristen. Diese werden getötet und ins Feuer geworfen. In der Offenbarung 
(Kap. 19, 19. 20) haben wir das Tier, die Könige der Erde, 
und den falschen Propheten. Diese wurden in den Feuersee 
geworfen, welcher mit Schwefel brennt. Und die Übrigen 
wurden durch das Schwert dessen getötet, welcher auf dem 
Pferde saß. 
Das fortschreitende und außerordentliche Wachstum dieser 
Persönlichkeit erklärt auch die Verschiedenheit der Bilder, 
unter welchen er dargestellt ist. Im Buch Daniel haben wir 
zuerst nur ein kleines Hörn, welches zwischen den zehn Hörnern hervorkommt; aber bald reißt es drei aus. Man sieht 
in ihm Augen wie Menschenaugen, und einen Mund, der 
große Dinge redet, und sein Ansehen ist größer, als das seiner Gefährten (Dan. 7, 8. 20). In der Offenbarung ist zuerst 
dem Tier nur ein Mund gegeben; aber bald wird es selbst 
ein zweites Tier, welches alle Macht des ersten Tieres in 
seiner Gegenwart ausübt; ein Tier mit zwei Hörnern, denen 
des Lammes ähnlich, was ohne Zweifel die bürgerliche und 
religiöse Macht dieser Person darstellt, welche der große 
Staats- und Kriegsmann ist und zugleich der verführerische 
Prophet, der große Wunder tut und die Bewohner der Erde 
verführt. Man hat schon mehr als einmal Ähnliches gesehen. 
Personen, gering und unbeachtet in ihrem Ursprung, erhoben sich nach und nach und wie das kleine Hörn in der 
Mitte der Zehn, und indem sie diejenigen, welche ihre 
Oberen waren, beherrschten und durch ihre Redekunst, 
durch ihre bürgerliche Klugheit und ihre Kriegstalente, der 
Mund und der Arm der Nation wurden, welche sie hervorgebracht hatte, vereinigten sie endlich alle Macht in ihrer 
Hand und wurden selbst eine Macht. 
Was den Ursprun g dieser Persönlichkeit betrifft, so 
scheint er uns dadurch bezeichnet, daß dieselbe in Daniel 7,8 
aus dem vierten Tier zur Zeit der zehn Könige, d. h. aus 
dem wiedererstandenen Römischen Reich hervorkommt; und 
Kap. 8, 9 aus dem dritten Königreich. Dies erklärt sich durch 
die Annahme, daß diese Person aus einem Teil des Reiches 
Alexanders kommt, welcher mit dem Römischen Reich vereinigt sein wird. Der Antichrist könnte nach diesem sogar 
ein Jude sein, wie einige, auf Grund von 1. Mos. 49, 17. 18, in 
Verbindung mit der Abwesenheit Dan's in Offb. 7, 5—8 und 
nach Nahum 1, 11; Jer. 8, 16; 5. Mos. 33, 22; Joh. 5, 43; 2. Thes. 
2, 4 glauben. 
In jedem Falle wird er in Verbindung mit Judäa und den 
Juden treten, welche dann in ihrem Lande im Unglauben 
gesammelt sein werden. Das kleine Hörn (Dan. 8,9) „wächst 
gegen Mittag, und gegen Morgen, und gegen das werte 
78 
Land", d. i. Judäa (Hes. 20, 6). „Dem frechen und tückischen 
König", welchen dieses kleine Hörn vorstellt, „wird es gelingen; er wird die Starken, samt dem heiligen Volke verstehen. Durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten; 
und er wird sich in seinem Herzen erheben, und durch Sicherheit (oder unversehens) wird er viele verderben." Dies 
scheint anzudeuten, daß er durch seine Schmeicheleien viele 
aus den Kindern Israels verderben wird. Das sind die „vielen, welchen er den Bund stärkt", oder „mit welchen er 
einen starken Bund macht", und zwar am Anfang der letzten Woche (Dan. 9, 27). Dies ist auch wahrscheinlich in Dan. 
11, 30. 32 angezeigt: „Er wird auf die, welche den heiligen 
Bund verlassen haben, achtgeben und den Bundbrüchigen wird er mit süßen Worten schmeicheln." 
So werden also die Kinder Juda, weil sie Den nicht aufnahmen, welchen Gott ihnen in Seiner Treue sandte, um sie 
zu segnen, indem Er einen jeglichen unter ihnen von seiner 
Ungerechtigkeit erlöste, preisgegeben den Verführungen und 
Verfolgungen dieses Ungeheuers von Ungerechtigkeit, dem 
es gelingen wird bis der Grimm Gottes ein Ende genommen 
hat (Dan. 11,36; Joh. 5, 43). Weil sie den gute n Hirten verwarfen, welcher kam, „um das Verlorene zu suchen, das Verjagte zurückzubringen, das Verwundete zu verbinden, das 
Schwache zu stärken", werden sie für etliche Zeit in die 
Hände de s Hirten fallen, „der das Verkommene nicht heimsucht, den Jungen nicht nachfragt, das Verwundete nicht 
heilt, das Stillstehende nicht versorgt, sondern das Fleisch 
der fetten Schafe frißt, und ihre Klauen abreißen wird" 
(Hes. 43, 15. 16; Sach. 11, 16). 
Er wird aber nicht nur bei der Rolle eines Verführers 
stehen bleiben. Durch sein Gelingen stolz gemacht, wird er 
sich in seinem Herzen erheben, und „wird wider den Allerhöchsten reden", „wird wider den Gott aller Götter wunderliche Dinge reden" (Dan. 7, 25; 11,36). Während der Herr Je -
sus nicht gekommen ist, das Gesetz und die Propheten aufzulösen, sondern sie durch eine gänzliche Unterwerfung unter den Willen Gottes zu erfüllen (Matth. 5, 17); wird sein 
Gegner „sich unterstehen, Zeiten und Gesetz zu verändern" 
(Dan. 7, 25), d. h. das Gesetz und die Rechte Moses, welche 
dann in Israel in Kraft sein werden. Er wird insbesondere 
das tägliche Opfer abschaffen (Dan. 9, 27; 11, 31 usw.), welches dann durch die Juden wieder aufgerichtet sein wird, 
und vielleicht aufgerichtet unter dem Schutz des Antichristen selbst, als er ihnen noch schmeichelte. Dann wird er, 
indem er keinen Gott annimmt, und sich wider alles erhebt, 
an seinem Ort den Abgott der Gewalt ehren (Dan. 11,38. 39); 
ohne Zweifel die Gewalt des Menschen, welche in dem Bild 
des vierten Reiches, dessen Haupt er selbst ist, personifiziert 
79 
ist. Er ist das Bild des Tieres, welchem er eine lebendige 
Seele geben kann, daß es redet, und welches man bei Todesstrafe anbeten muß (Offb. 13, 13—15). Er ist „der Greuel 
der Verwüstung an heiligem Orte", welchen Jesus Seinen 
Jüngern ankündigte, und von welchem der Prophet Daniel 
zuvor gesprochen hatte (Matth. 24,15). „Greuel" — so nannten die Juden die Götzen (1. Kön. 11, 5—8) — „der Verwüstung" oder der Trostlosigkeit, weil alle, welche sich weigern, ihn anzubeten, getötet werden. Dies ist es, was der 
Welt zur Anbetung dargestellt wird! So will dieser freche 
Lästerer alles, was an Gott, an Sein Gesetz und Seinen 
Dienst erinnert, sowohl den Menschen im allgemeinen, als 
auch Israel insbesondere, hinwegtun, um sich selbst als Gott 
darzustellen. Ja, dies ist „der Mensch der Sünde, der Sohn 
des Verderbens; welcher widersteht, und sich selbst über 
alles, was Gott heißt, oder ein Gegenstand der Verehrung 
ist, erhöht, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt, und 
sich selber darstellt, als sei er Gott" (2. Thess. 2, 3. 4). 
Er ist im Keim und im Bilde in Pharao, dem stolzen Feind 
Gottes und Seines Volkes, welcher sagt: „Wer ist der Herr, 
daß ich seiner Stimme gehorche?" Er ist der Nebukadnezar, 
der bei Todesstrafe gebietet, daß alle Völker und Sprachen 
vor dem goldenen Bild, welches er in der Landschaft Babylons hatte errichten lassen, niederfallen sollen (Dan. 3). Er 
ist ein Darius, welcher verbot, daß jemand etwas begehre 
von irgend einem Gott oder einem Menschen, es sei denn 
von ihm (Dan. 6). Er ist Alexander, genannt der Große, der 
sich als Sohn Jupiters ausgeben wollte, d. h. des großen Gottes des Himmels. Er ist das heidnische Rom, welches sich in 
den Symbolen seiner Macht, den Bildern seiner Kaiser, vor 
welchen man bei Todesstrafe Weihrauch anzünden mußte, 
anbeten ließ. Denn Satan hat nie seinen Vorsatz aufgegeben, den Menschen dahin zu bringen, daß er sich an die 
Stelle Gottes setze, und sich also selbst anbete; und die Reiche der Nationen waren besonders der Schauplatz seiner Anstrengungen. Er ist, wenn man will, der Papst, der sich in 
seinem Bischofssitz anbeten läßt; er ist in allen falschen 
Lehrern, welche auf irgend eine Weise, Jesum Christum, den 
im Fleisch geoffenbarten Gott, verleugnet haben, oder Ihn 
einiger Strahlen Seiner Herrlichkeit beraubten. Alle diese 
waren vom Geist des Antichristen beseelt, diesem Geiste, 
welcher schon zur Zeit des Johannes in der Welt war; sie 
waren Antichristen , aber nicht de r Antichris t 
(1. Joh. 2, 18; 4, 3). 
Dies waren nur Versuche, durch welche Satan von dem 
ein Vorspiel machte, was er in den letzten Tagen des Zeitlaufes, in dem letzten Haupt des vierten Reiches, erfüllen 
80 
wird, wenn er offen den Vater und den Sohn leugnen, und 
keinen anderen Gott, als sich selbst, anerkennen wird. 
Gewiß wird er dann durch die Wirkung Satans kommen; 
denn Satan gibt ihm nicht nur seinen Thron, diese Reiche 
der Welt und ihre Herrlichkeit, welche Jesus anzunehmen 
verweigerte (Matth. 4, 8—10), sondern er gibt ihm auch seine 
Macht und große Gewalt, um große Zeichen zu tun, daß er 
sogar Feuer vom Himmel auf die Erde vor den Menschen 
herniederkommen macht (Offb. 13, 2. 13 —15). „Er kommt", 
dieser Mensch der Sünde, „in aller Kraft und Zeichen und 
Wundern der Lüge" (2. Thess. 2, 9). Es scheint selbst, daß er 
nicht der einzige Besitzer dieser teuflischen Macht sein wird, 
weil der Herr, als Er von diesem Augenblick spricht, sagt: 
„Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen, 
und werden große Zeichen und Wunder tun, so daß sie, 
wenn möglich, selbst die Auserwählten verführen würden" 
(Matth. 24, 24). Übrigens wird ihnen Gott (allen denen, die 
verloren gehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben) „die Wirkung des Irrtums schicken, daß sie 
der Lüge glauben, auf daß alle, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen an der Ungerechtigkeit gefunden haben, gerichtet werden" (2. Thess. 2, 10—12). 
Ach! wie schrecklich sind diese Zeiten! Welch eine Zukunft für die Welt! Wenn schon heute, wo Gott die Seelen 
zum Glauben nötigt, um sie zu erretten, die Wahrheit für 
die meisten so wenig Anziehendes, und der Irrtum so große 
Wirkung hat, was wird es dann erst sein? 
Der Antichrist wird übrigens mit allen seinen Verführungen schreckliche Verfolgungen verbinden, und zwar gegen alle die, welche sich seinem Willen nicht unterwerfen, 
noch das Bild des Tieres anbeten wollen; denn „er wird die 
Heiligen des Allerhöchsten zerstören" (Dan. 7,25; 8,24). Es 
wird ihm gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie 
zu überwinden (Offb. 13, 7. 8). Er wird insbesondere diese 
beiden Zeugen töten (wahrscheinlich Moses und Elias, Luk. 
9, 30. 31; 2.Kön. 1, 10; 1. Kön. 17, 1; Jak. 5, 17; 2. Mos. 7, 17) 
welche weissagen, angetan mit Säcken, in dieser Stadt Gottes, welche dann nur noch Sodom und Ägypten ist (Offb. 11, 
3—12). Auch schreien die Getreuen in ihrer Angst zu Gott, 
und sagen: „Herr, warum stehst du von ferne? warum verbirgst du dich zur Zeit der Not? .. . Hilf, Herr, denn die Heiligen haben abgenommen, und der Wahrhaftigen, der Getreuen sind wenig unter den Menschenkindern .. . Der Gottlose spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott Sie verschlingen mein Volk, als verschlängen sie Brot.. . Wer wird 
dem Israel das Heil aus Zion geben!" (Ps. 7,10.11.12.13.14. 
52. 53 usw.). „Schaue vom Himmel herab", sagen sie, „schaue 
20 81 
herab von der Höhe deines Heiligtums und deiner Herrlichkeit: Wo ist nun dein Eifer und deine Stärke, die Menge deiner Erbarmungen?" „Ach, daß du den Himmel zerrissest und 
herabstiegest!" (Jes. 63, 15 — Jes. 64, 1). 
Aber es ist das ungestüme Wetter des Herrn, Sein grimmiger Zorn, der ausgeht Der Zorn des Herrn wird sich 
nicht wenden, bis er die Ratschläge Seines Herzens vollbracht und ausgerichtet hat (Jer. 23, 19. 20). Dies sind „die 
Tage der Rache, damit alles, was geschrieben steht, erfüllt 
werde" (Luk. 21, 22 — 27). Alle Völker sammeln sich zur 
Schlacht gegen Jerusalem, welches auch mit Donner und 
Erdbeben, mit Zeichen im Himmel und auf der Erde, mit 
Blut und Feuer heimgesucht wird (Jes. 29, 6; Matth. 24, 29). 
Die Stadt wird genommen, die Häuser geplündert, und der 
halbe Teil der Stadt wandert in die Gefangenschaft (Sach. 
14). Das Blut der Heiligen wird vergossen um Jerusalem her 
wie Wasser; ihre Leichname werden den Vögeln unter dem 
Himmel zu fressen gegeben, und ihr Fleisch den Tieren im 
Lande" (Ps. 79, 2. 3). 
Dies ist „die große Trübsal, dergleichen nicht gewesen ist, 
seit Völker gewesen sind, und wie sie nicht mehr werden 
wird" (Jerm. 30, 4—7; Dan. 12, 1; Matth. 24, 21). Dies ist die 
Versuchung, welche über den ganzen Erdkreis kommen 
wird, um die, welche auf Erden wohnen, zu versuchen, und 
vor welcher Stunde die Versammlung, die Verheißung hat, 
bewahrt zu werden (Offb. 3,10). In der Tat ist sie zu dieser 
Stunde bei ihrem Herrn, außer dem Bereich Satans und der 
Boshaftigen. 
Die Verständigen unter den Heiligen auf der Erde werden sich jedoch, wenn sie den Greuel an heiliger Stätte stehen sehen, der Worte des Herrn erinnern und in die Wüste 
fliehen (Matth. 24,15—18); Jes. 26, 20. 21). Von dort aus werden sie zu Gott schreien, wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreit (Ps. 42. 43. 44. 74 usw.). Sie sind das Weib, welchem ein Ort in der Wüste bereitet ist, auf daß es dort fem 
von dem Angesicht der Schlange 1260 Tage, oder zwei Zeiten, 
eine Zeit und eine halbe Zeit, ernährt werde (Offb. 12, 6.14); 
und dies ist gerade die Zeit der großen Macht des Antichristen (Dan. 7, 25). Sie stellen den mitten in den Wassern der 
Sündflut in der Arche bewahrten Noah dar, um die Welt 
wieder zu bevölkern, — so wie der vor dem Gericht entrückte Henoch, die Versammlung vorstellt. 
Nun sind wir freilich sehr weit von dem System, entfernt, 
welches aus dem Papst den Antichristen macht. Allein wenn 
man einmal diese große Grundlage verstanden hat, daß die 
Versammlung, mit allem, was sie betrifft, den Sehern des 
alten Volkes ein verborgenes Geheimnis war — wenn man 
82 
gesehen hat, daß dieser durch die Gesamtheit der Weissagung gerechtfertigte Grundsatz ein Schlüssel wird, um mehrere Stellen, welche sonst unerklärlich wären, zu verstehen, 
wie könnte man dann noch an einem System festhalten, 
nach welchem, ganz in Widerspruch mit diesem Grundsatz, 
Daniel im kleinen Hörn die ganze Geschichte des Papsttums 
gesehen hätte? 
Wenn übrigens, wie wir gesehen haben, die zehn Könige, 
dargestellt durch die zehn Hörner, erst in dem vierten wiedererstandenen Reiche erscheinen, so kann der durch das 
kleine Hörn dargestellte König nicht der Papst sein, weil er 
erst nach ihnen aufsteht. „Die zehn Hörner sind zehn Könige, die aus diesem Reich aufstehen werden; und nach denselben wird ein anderer aufstehen" (Dan. 7, 24). Er folgt sogar erst auf die Zerstörung der Hure, weil diese durch die 
zehn Könige zerstört wird (Offb. 17,16), während das kleine 
Hörn, indem es drei zerstörte, dieselben auf sieben herabsetzt. 
Wenn das kleine Hörn des 7. und des 8. Kapitels des Daniel, wie wir gesehen haben, ein und dieselbe Persönlichkeit 
bezeichnet, so kann diese nicht der Papst sein, weil er, um 
sowohl die eine als die andere Prophezeiung zu erfüllen, aus 
einem Teil des Reiches Alexanders, welches mit dem Römischen Reich vereinigt ist, herkommen muß — weil er, „gegen 
das Ende des Zornes" erscheinen (Kap. 8, 19), weil er „sehr 
stark gegen Mittag, gegen Morgen und gegen das werte Land 
wachsen" (Kap. 8, 9—13), und weil er endlich den Tempel 
wiederhergestellt finden, und dann das wieder eingeführte 
tägliche Opfer abschaffen muß. 
Man hat in dem kleinen Hörn des 8. Kapitels auch den 
Mohammed gesehen; aber unter allen Zügen, welche diese 
Prophezeiung bezeichnet, könnte nur ein einziger sich besser 
auf ihn beziehen, als auf den Papst, nämlich der, daß er gegen Mittag, gegen Morgen und gegen das werte Land wächst. 
Was seinen Ursprung betrifft, so ist Mohammed aus Arabien gekommen, ein Land, welches, weit entfernt dem Alexander und den Römern unterworfen gewesen zu sein. Er 
kann also das kleine Hörn nicht sein, weil es von den Kindern Israels stammt, diesem „wilden Esel, dessen Hand wider jedermann sein wird, und jedermanns Hand wider ihn, 
und der vor allen seinen Brüdern wohnen wird" (1. Mos. 
16, 12). 
Der Antichrist soll sich in den Tempel Gottes setzen und 
vorgeben, er sei Gott (2. Thess. 2, 4). In welchen Tempel nun 
setzt sich der Papst? Etwa in die Peterskirche zu Rom? Aber 
wie schon gesagt, man tut einem Götzentempel zu viel Ehre 
an, wenn man ihn Tempel Gottes nennt. Das Wort, welches 
sich immer selbst erklärte, kennt keinen anderen Tempel 
83 
Gottes, als das Haus, das Ihm auf dem Berge Zion zu Jerusalem gebaut wurde, und von welchem Er sagte: „So habe 
ich nun dieses Haus erwählt und geheiligt, daß mein Name 
daselbst sein soll ewiglich" (2. Chron. 7, 16); dann wird der 
Leib des Christen Tempel Gottes genannt (1. Kor. 6,19), und 
endlich die Versammlung; aber di e Versammlung, welche 
aus Heiligen in Christo Jesu zusammengesetzt ist, und nicht 
die abgefallene Christenheit (1. Kor. 3,16. 17 vergl, mit Kap. 
1, 1—9. 6, 11). Da sich nun der Antichrist in diesen beiden 
letzteren Bedeutungen nicht in den Tempel Gottes setzen 
kann, so kann also nur der Tempel zu Jerusalem gemeint 
sein. Dies ist übrigens durch andere Einzelheiten der Prophezeiung bestätigt, z. B. das Erwähnen des täglichen Opfers, 
welches kein anderes sein kann, als das, von dessen Aufrichtung wir 2. Mos. 29, 38—42 lesen. 
„Dies ist der Antichrist", sagt die Schrift (1. Joh. 2, 22), 
„welcher den Vater und den Sohn leugnet." Der Papst aber 
hat nie eigentlich weder den einen noch den anderen geleugnet. Im Gegenteil baut er auf ihre Existenz das Lehrgerüst 
seiner Irrtümer. Und wenn man dahin kommt, den Vater 
und den Sohn völlig zu verwerfen, so wird man auch den 
Papst, der sich für ihren Stellvertreter ausgibt, verwerfen. 
Der wesentlichste Charakterzug des Antichristen ist der 
Gegensatz, in welchem er zu Christo in seinen Ämtern und 
Aufträgen steht, wie der Name selbst es andeutet. Wo ist 
aber zum Beispiel von Jesu, der als Mensch in Israel einen 
Dienst von drei bis vier Jahren versieht, und sich diesem 
Volk als König und Prophet darstellt, der Gegensatz in dem 
Papsttum, das ist in einem religiösen System, oder wenigstens in einer Reihenfolge von Menschen verschiedener Charaktere, welche während Jahrhunderten im Westen aufeinanderfolgen, ohne etwas mit den Juden zu tun zu haben? 
Der Gegensatz mangelt hier gänzlich. Hingegen besteht er 
in seiner ganzen Kraft, wenn der Antichrist ein Mensch ist, 
der in Israel während dreieinhalb Jahren ein Amt versieht, 
indem er sich diesem Volk als König und Prophet darstellt 
und von demselben aufgenommen wird. Man begreift dann 
dieses sonst unverständliche Wort Jesu: „Ich bin im Namen 
meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht auf. 
Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den 
werdet ihr aufnehmen" (Joh. 5, 43). 
Endlich sollte man glauben, daß eine ruhige Beobachtung 
dessen, was in der Christenheit vor sich geht, genügen 
würde, um aufzuhören aus dem Papsttum den Antichristen 
zu machen. Findet man denn nur im Papsttum die falschen 
Lehrer, den Rationalismus, die Liebe zur Welt, zu deren Güter und Herrlichkeit? Was für traurige Christen sind die 
meisten, welche Gegner des Papstes sind! Was wäre das für 
84 
ein Reich Gottes, wenn man von der Christenheit den Papst 
und die Päpstlichen weggetan hätte! Und dann, wo soll man 
heutzutage im Papsttum diese Macht der Verblendung suchen, welche dem Antichristen Massen nachziehen soll, wo 
die Auserwählten selbst verführt würden, wenn es möglich 
wäre? Er kann diese Macht bis auf einen gewissen Punkt 
gehabt haben, als die Völker noch ein Bedürfnis nach einer 
Religion hatten; aber Satan hat unterdessen mit Erfolg gearbeitet, um sie davon abzubringen. Wenn das Papsttum 
seine Anhänger behält, so ist es, weil wenigstens die meisten 
zu einem solchen Grad des Unglaubens und der Gleichgültigkeit gelangt sind, daß es ihnen abgeschmackt vorkommt, 
irgend eine religiöse Überzeugung ernst genug zu nehmen, 
um sich der einen mehr als der anderen anzuschließen. Sie 
bleiben, wie auch die meisten Protestanten, da, wo ihre Geburt sie hinstellte. Das Papsttum ist heutzutage ein von den 
unterirdischen Feuern des Unglaubens untergrabenes Feld, 
das nur mit einer dünnen Lage falschen Christentums überdeckt ist; sobald diese Lage verschwindet, wird der Unglaube wie ein Vulkan in Empörung und Lästerung gegen 
Gott und Seinen Gesalbten ausbrechen. 
Der wahrhaftige, antichristische Geist ist in der ganzen 
Christenheit, im Protestantismus ebensogut wie im Katholizismus; er ist der Unglaube, welcher den Menschen an Gottes Stelle setzt, und der Materialismus, welcher aus der Erde 
seinen Himmel macht. Dies ist das AntiChristentum, vor 
welchem wir uns hauptsächlich heutzutage in Acht zu nehmen haben, denn wir können es bis in die Kirche hinein 
einatmen. 
Wenn man sich z. B. zum Richter macht, bis zu welchem 
Grad, dieser oder jener Teil der Schrift Vertrauen verdient, 
oder wenn man dessen bestimmteste Aussprüche fruchtlos 
macht, indem man sie vergeistigt; wenn man in der Kirche 
dem menschlichen Talent, dem Geld oder einer hohen weltlichen Stellung einen Platz einräumt, was ist das anders, als 
den Menschen an Gottes Stelle setzen? Wenn man, anstatt 
den Seine Versammlung abholenden Herrn zu erwarten, um 
sie aus der Welt zu nehmen, sich hier unten ein vermeintliches durch das Evangelium herbeigeführtes Reich Gottes 
zurecht macht, mit Hilfe aller Zivilisationsquellen; wenn 
man denselben Eifer zeigt wie die Kinder dieses Zeitlaufes, 
um Geld zu gewinnen, um sich die Annehmlichkeiten dieses 
Lebens und den Genuß des Luxus zu verschaffen; heißt das 
nicht aus der Erde seinen Himmel machen? 
85 

4. 
4. 
Vernichtung des Antichristen und Einführung des 
zukünftigen Zeitlaufs durch den Herrn in Person 
„Siebenzig Wochen", ward dem Daniel gesagt (Kap. 9, 24-
27), „sind bestimmt über dein Volk und über deine heilige 
Stadt, um die Übertretung zu schließen, die Sünden zu versiegeln und die Missetat zu versöhnen und die ewige Gerechtigkeit zu bringen, auch das Gesicht und die Propheten 
zu versiegeln und das Allerheiligste zu salben." Wenn also 
die letzte dieser siebenzig Wochen gekommen ist, wenn der 
Antichrist viele, mit denen er einen starken Bund machte, 
verführt haben wird, und die Nationen die heilige Stadt 
zweiundvierzig Monate lang, trotz der Zeugen, welche, mit 
Säcken angetan, während dieser Zeit oder während dieser 
1260 Tage weissagen, zertreten haben werden (Offb. 11, 2. 3), 
und wenn er endlich in der zweiten Hälfte dieser letzten 
Woche das tägliche Opfer abgeschafft, und seine zweiundvierzig Monate, während welcher Zeit er die Heiligen verfolgt, welche eine Zeit, etliche Zeiten und eine halbe Zeit 
seinen Händen übergeben worden (Offb. 13, 5; Dan. 7, 25), 
vollendet haben wird, — dann muß das Verderben auf den 
Verwüster triefen. Der Gottlose muß durch den Hauch des 
Mundes des Herrn verzehrt, und durch die Erscheinung Seiner Ankunft vernichtet werden. Ja, wenn die Bedrängnis 
Israels zu dem Punkt gekommen sein wird, daß es weder 
von sich noch von irgend einem Menschen etwas zu erwarten hat (Jes. 26, 17. 18), wenn die Nationen ihrerseits den 
Höhepunkt ihrer Empörung erreicht haben werden, indem 
sie die Stadt, über welche Gott die Augen immer offen hat, 
entheiligen, dann wird der Herr um Sein Land besorgt sein, 
und wird sich Seines Volkes erbarmen (Joel 2,17.18; Sach. 1, 
14—17; 8,2; 12,5; 14,1—5). „Der Herr wird ausziehen wider 
diese Völker zu streiten... Seine Füße werden alsdann auf 
dem ölberg stehen, der vor Jerusalem gegen Morgen liegt... 
und Jehova, mein Gott, wird kommen, und alle Heiligen mit 
ihm." So wird also der vom Himmel offenbarte Jesus mit 
großer Macht und Herrlichkeit auf demselben ölberge erscheinen, von welchem aus Er gen Himmel fuhr. Er wird 
die Nationen im Tale Josaphat versammeln, und da wird 
Er mit ihnen rechten wegen Seines Volkes und Seines Erbteils Israels (Joel 3). Diese Ankunft des Herrn erwarteten 
alle Heiligen der früheren Zeiten, und diese wird so oft in 
den Weissagungen angekündigt (Ps. 96; 98; Jes. 25; 26 besonders V. 8. 9.19—21; 40,9—11; 59,20.21; 62,11.12; 63,1—6; 64, 
1—5; 66, 5—16; Hab. 3, 3—16; Sach. 2; 14; Matth. 24, 27—30; 
86 
25, 31 usw.; 26, 64; 2. Thess. 1, 7—10; 2,8; Jud. 15; Offb. 1,7; 
19, 11—21 usw.). 
Das Ergebnis von diesem ist also die Vernichtung derjenigen, welche die Erde verderben. Das Tier und der falsche 
Prophet werden lebendig in den Feuersee, der mit Schwefel 
brennt, geworfen werden. Die Könige der Erde und ihre 
Heere werden getötet durch das Schwert, welches aus dem 
Munde des Herrn geht, und die Vögel des Himmels werden 
von ihrem Fleisch gesättigt werden. 
Dies ist die Ernte und die Kelter der Erde (Joel 3, 13; 
Matth. 13, 36. 43; Offb. 14, 15—20). Dann wird die Erde mit 
der Rute des Mundes des Herrn geschlagen, und der Gesetzlose mit dem Hauch Seines Mundes verzehrt (Jes. 9, 4; 
2. Thess. 2, 8). Die empörerischen Nationen werden vom 
Herrn in Seinem Zorn zerschmissen werden wie irdene Gefäße (Ps. 2). Dies ist das Bild Nebukadnezars, welches durch 
den ohne Hände losgemachten Stein, der auf seine eisernen 
und tönernen Füße fällt, zermalmt wird (Dan. 2). Es ist das 
vierte Tier desselben Propheten, welches getötet wird, und 
dessen Leib verderbt und in ein brennendes Feuer geworfen wird (Dan. 7). Dies ist endlich das große Ereignis, auf 
welches die ganze Prophezeiung des Alten Testamentes hinzielt. Und darüber darf man sich nicht wundern; denn es 
ist das Ende „der Zeit der Nationen" und folglich „der Ungnade Gottes über Israel." Durch die Vernichtung des Tieres 
ist die Mach t den Nationen genommen, und sie kehrt 
wieder zu ihrem Ursprung zurück, zu demjenigen, der der 
König der Könige und der Herr der Herren ist. Aber dieser 
Allmächtige ist auch der Sohn Davids, der König Zions, der 
wiederkommt zu der Tochter Zions, welche Er für einen 
Augenblick verlassen hatte, der sich wieder zu Jerusalem 
wendet (Jes. 54; Sach. 1; 2). „Tröstet, tröstet mein Volk!" 
wird Er dann sagen (Jes. 40, 1—11), „redet mit Jerusalem 
freundlich und rufet ihr zu, daß ihr Streit vollendet, und 
daß ihre Missetat versöhnt ist; denn sie hat von der Hand 
des Herrn Zwiefältiges empfangen, um all ihrer Sünden 
willen." Und das Volk, welches ehemals seinen König verwarf, wird seinerseits dann Ihn aufnehmen und sagen: „Gesegnet sei der Kommende im Namen des Herrn" (Ps. 118; 
Matth. 23, 39). Bis dahin sind die starken Stäbe in Zion abgerissen und mit Feuer verbrannt, und es gibt keinen Stab 
mehr, welcher zu einem Regentenstab tauglich wäre (Hes. 
19, 11—14). „Zerstört, zerstört, zerstört will ich sie machen; 
auch soll sie nicht sein, bis der kommt, dem das Gericht gehört und welchem ich es übergebe", spricht der Herr (Hes. 
21, 27). In kurzer Zeit wird Er groß sein bis an die Enden 
der Erde; denn als gesalbter König in Zion hat Er die Nationen zum Erbe und die Enden der Erde zum Eigentum, 
87 
und Er wird Frieden machen (Micha 5, 4. 5; Ps. 2, 8). Der 
Herr ist König auf der ganzen Erde. Dies ist das Reich Gottec oder der zukünftige Zeitlauf, der auf diesen gegenwärtigen bösen Zeitlauf folgt. 
Das Reich Gottes oder der zukünftige Zeitlauf ist in der 
Tat stets als eine Folge der herrlichen Ankunft des Herrn 
dargestellt. Wenn der auf das Bild gefallene Stein dasselbe 
zermalmt hat, wird er selbst ein großer Berg, der die ganze 
Erde erfüllt. Wenn das Tier ins Feuer geworfen ist, wird 
die Herrschaft, die Ehre und das Reich dem Sohn des Menschen gegeben und mit Ihm den Heiligen des Allerhöchsten 
(Dan. 2; 7; Offb. 19, 11 — 21 in Verbindung mit Kap. 20, 4. 
Siehe auch: Jes. 2, 20. 21; 11, 4 in Verbindung mit V. 6—10; 
Jes. 26, 17—21; 25; 62; 63, 1—9; 66, 5. 24; Sach. 2, 10—13; 
14 usw.). Diese Zeit des Reiches ist auch „die Zeit der Erquickung vom Angesicht des Herrn" ... die Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, wovon Gott von jeher durch den 
Mund seiner heiligen Propheten geredet hat" (Apg. 3, 20. 21). 
Es ist die „Wiedergeburt", in welcher die zwölf Apostel auf 
zwölf Thronen sitzen werden, um die zwölf Stämme Israels 
zu richten (Matth. 19, 28). Es ist endlich die Zeit, welche man 
oft das tausendjährige Reich nennt, weil man in Offb. 20, 
1—7 sieht, daß es tausend Jahre währen wird. 
Die Geschichte der Herstellung des Reiches, oder der 
Einführung des zukünftigen Zeitlaufes läßt sich in Folgendes zusammenfassen: „Zuerst Gerichte und dann Segnungen 
über Israel und die Nationen. Dies hat man schon oft in 
den Wegen Gottes bemerken können, und es geht auch aus 
mehreren Aussprüchen hervor (z.B. Jes. 4; Zeph. 3, 8. 9; Mal. 
3, 1—6 usw.). Das Reich wird nicht nur durch die Vernichtung des Antichristen und seiner Anhänger hergestellt; sondern weil es ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens 
ist, werden sich die Gerichte auf alle Gottlosen ausdehnen 
(Jes. 11,14; 19,1—17; 30, 31), ohne von dem Gericht des Gog 
zu sprechen, über dessen Zeitpunkt wir nichts feststellen 
(Hes. 37; 38). Und in diesen Gerichten werden die Kinder 
Israels selbst als die Hämmer und Kriegsinstrumente Gottes 
gebraucht werden (4. Mos. 23, 23. 24; 24, 7. 9; Jes. 41, 10—16). 
Endlich wird das Böse, wo es erscheint, unverzüglich 
durch die Gegenwart des Herrn unterdrückt und der Sünder 
zerstört, oder doch wenigstens gezüchtigt werden (Ps. 101, 8; 
Sach. 14, 16—19). Wenn dieser König, der nach Gerechtigkeit regiert, gekommen sein wird, so wird die Gerechtigkeit 
vor Ihm hergehen, und Er wird sie überall aufpflanzen, wo 
Er vorübergeht. Und der Lohn der Gerechtigkeit wird 
Friede sein, und ihre Frucht Ruhe und Sicherheit ewiglich. 
Dann wird Sein Volk in der Herberge des Friedens wohnen, 
88 
und in sicheren Wohnungen und in stillen Ruheplätzen (Jes. 
32, 1. 17. 18). 
So folgt also die Segnung auf das Gericht, zuerst für Israel und dann für die Nationen. Eine der ersten Segnungen 
wird die Sammlung Israels und dessen Vereinigung mit Juda 
sein, um sie zu eine m Volke zu machen. Man muß nicht 
vergessen, daß Juda allei n den Herrn verworfen und gekreuzigt hat, weil Israel dazumal schon zerstreut war. Deshalb ist es auch Juda allein , welches als Strafe für dieses 
Verbrechen durch die große Trübsal gehen muß, und den 
Verführungen und Verfolgungen des Antichristen übergeben wird. Wenn aber der Herr den Boshaften durch den 
Hauch Seines Mundes verzehrt haben wird, „wird er zum 
zweiten Mal seine Macht gebrauchen, um die Übriggebliebenen seines Volkes zu sammeln, die von den Assyrern, 
Ägyptern, Pathrösern, Mohren, Elamiten, Chaldäern, von 
Hamath und den Inseln des Meeres übriggeblieben sind; 
und er wird ein Zeichen unter den Heiden aufrichten, und 
die Verjagten Israels zusammenbringen" (Jes. 11, 11 —16). 
„Zur selben Zeit wird die große Posaune erschallen, und es 
werden diejenigen kommen, welche im assyrischen Lande 
verloren, und die, welche in Ägypten zerstreut waren, und 
werden den Herrn zu Jerusalem auf dem heiligen Berge 
anbeten" (Jes. 27,13). So werden Israel und Juda, indem sie 
nur ei n Volk bilden, wie in den schönsten Tagen Salomos, 
alle die den Vätern gegebenen Verheißungen an sich erfüllt 
sehen (Jer. 50, 4. 5; Hes. 37, 15—28). Dann werden sie als 
Diener der Segnung, wie sie es für das Gericht waren, zu 
den Nationen gehen, welche nichts vom Herrn gehört, noch 
Seine Herrlichkeit gesehen haben, und Seine Ehre unter 
ihnen verkündigen (Jes. 61, 6; 66,19). Diese, gedemütigt und 
lenksam, werden, um anzubeten, nach Jerusalem kommen, 
welches dann die politische und religiöse Hauptstadt der 
Welt sein wird — der Mittelpunkt der Segnung, welche sich 
von da wie ein Strom bis an die Enden der Erde ausdehnen 
wird. 
5. 
Gegeneinanderstellung der Ankunft des Herrn, um 
Seine Versammlung abzuholen, und Seines Kommens, 
um die Welt zu richten 
a) Wenn der Herr kommt, um Seine Versammlung abzuholen, dann kommt Er nicht auf die Erde herab, sondern 
nur in die Luft, wo die Versammlung in den Wolken Ihm 
entgegengerückt wird (1. Thess. 4, 16. 17). 
89 
Wenn Er zum Gericht der Erde kommt, „dann werden 
seine Füße zu der Zeit auf dem Ölberge stehen, der vor Jerusalem gegen Morgen liegt" (Sach. 14, 4). „Alle Nationen 
werden zusammengebracht und in das Tal Josaphat hinabgeführt; und er wird mit ihnen daselbst rechten" (Joel 3, 7). 
b) Wenn der Herr kommt, um Seine Versammlung abzuholen, so wird Er nur von denen gesehen, welche Ihn zur 
Seligkeit erwarten, wie wir es schon bemerkt haben. Wenn 
Er zum Gericht kommt, so ist es: „gleichwie der Blitz ausfährt vom Aufgang und scheinet bis zum Niedergang ... . 
dann werden alle Stämme der Erde wehklagen; sie werden 
an ihre Brust schlagen, und werden den Sohn des Menschen 
sehen, kommend auf den Wolken des Himmels, mit Macht 
und vieler Herrlichkeit" (Matth.24, 27. 30). „Siehe! Er kommt 
mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn schauen, auch die, 
welche ihn gestochen haben; und alle Geschlechter der Erde 
werden über ihn wehklagen. Ja Amen!" (Offb. 1, 7). 
c) In der Ankunft des Herrn, um Seiner Versammlung zu 
begegnen, ist nur Liebliches und Ermutigendes, „ein gebietender Zuruf" oder der Aufmunterung, wie man auch übersetzen kann, „eine Stimme des Erzengels, und die Posaune 
Gottes"; aber weder Feuerflamme, noch Zorn, noch Rache. 
Wie ist es aber so ganz anders, wenn Er Sich aufmacht, um 
die Erde zu richten, als Derjenige, welcher recht richtet und 
streitet. „Seine Augen sind wie Feuerflammen; sein Kleid 
ist von Blut gefärbt; aus seinem Munde g.eht ein zweischneidiges Schwert, um die Nationen damit zu schlagen; denn er 
wird sie mit eiserner Rute regieren; und er tritt die Kelter 
des Weines des Grimmes Gottes, des Allmächtigen" (Offb. 
19,11-21; Jes. 63,1-6). „Denn siehe, Jehova kommt im Feuer, 
und wie der Sturmwind sind seine Wagen, auszulassen in 
Glut seinen Zorn, und sein Schelten in Feuerflammen. Denn 
mit Feuer rechtet Jehova, und mit seinem Schwerte gegen 
alles Fleisch; und viel sind der Erschlagenen" (Jes. 66,15.16). 
„Er kommt in einer Feuerflamme, um denen Vergeltung zu 
geben, die Gott nicht kennen, und denen, die nicht dem 
Evangelium unseres Herrn Jesu Christi gehorchen, welche 
Strafe leiden werden, ewiges Verderben von dem Angesicht 
des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke" (2. Thess. 
1, 7 — 9), Auch werden die Menschen „in die Felsenspalten 
und Bergklüfte kriechen vor dem Schrecken Jehovas und 
vor seiner herrlichen Majestät, wenn er sich aufmachen 
wird, die Erde zu schrecken"; „und sie werden zu den Bergen und Felsen sagen: „Fallet auf uns und verberget uns 
vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor 
dem Zorn des Lammes. Denn der große Tag seines Zornes 
ist gekommen; und wer kann bestehen?" (Jes. 2, 21; Offb. 6, 
90 
16.17). Gewiß, dies ist nicht der ersehnte und glückliche Tag 
der Hochzeit des Lammes. 
Übrigens ist der Gegensatz, welchen wir soeben zwischen 
der Wiederkunft des Herrn für die Versammlung, und Seiner Wiederkunft für Israel und die Welt bezeichnet haben, 
nur eine Folge des Gegensatzes, welchen wir ebenfalls zwischen der Abwesenheit des Herrn in Bezug auf Seine Versammlung, und Seiner Abwesenheit in Bezug auf Israel und 
die Nationen bemerken, 
Das Hingehen Jesu in den Himmel, welches für Israel 
und die Nationen, den irdischen Völkern, ein Gericht ist, ist 
für die Versammlung, dem himmlischen Volke, eine Quelle 
der Segnungen. Wenn aber der Herr, Seiner Drohung gemäß, 
wieder an Seinen Ort ging und Sein Volk ohne König ließ 
(Hosea 3, 4; 5, 15), so war dies ähnlich dem, was ein Vater 
tut, wenn er, nachdem er umsonst alles versucht hat, um 
sein Kind zu bessern, dasselbe, wenigstens für einige Zeit, 
sich selbst überläßt. Hingegen ist die Gegenwart Jesu im 
Himmel für die Versammlung die Quelle der köstlichsten 
Segnungen. So kann Er vor Gott, als ihr Stellvertreter, 
Sachwalter und Vorläufer, für sie erscheinen, und ihr auch 
alle Hilfe und Tröstungen des Geistes verschaffen (Joh. 7, 
38. 39; 14, 1—13; 16, 7 usw.). 
Daher kommt denn auch der Unterschied Seiner Ankunft 
für die Versammlung und Seiner Ankunft für Israel. Wenn 
Er wiederkommt, um Seine Versammlung abzuholen, so geschieht es, um sie in den Besitz der Güter zu setzen, welche 
Er ihr erworben hat, und wegen welcher Er in den Himmel 
ging, um sie für sie zu bereiten. Wenn Er wieder unter Israel und die Nationen kommt, welche Ihn verworfen haben, 
so muß Er mit Richten und Strafen anfangen, damit Er, 
nachdem Seine Ungnade ein Ende genommen hat, nachher 
segnen kann (Luk. 19, 12—27; 20, 9—18; Jes. 9). 
d) Wenn der Herr kommt, um Seine Versammlung abzuholen, so ist es „de r Soh n Gottes " (1. Thess. 1, 10); welches sehr an den himmlischen Charakter dieser Brüder erinnert, welchen Er, ehe Er in den Himmel ging, sagte: „Ich 
fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem 
Gott und zu eurem Gott" (Joh. 20, 17). 
Wenn Er kommt, um die Welt zu richten, nennt Er Sich 
„Soh n de s Menschen " (Dan. 7,13; Matth. 24, 27. 30. 37. 
39.44; 26; 64); welches mit dem Charakter jenes Augenblicks 
in Beziehung ist, indem Er als Sohn Davids kommt, um die 
Ihm bestrittenen Rechte, als König Israels, in Anspruch zu 
nehmen. Er kommt, um den Thron Davids, Seines Vaters, 
in Besitz zu nehmen, um über das Haus Jakob ewiglich zu 
regieren (2. Sam. 7, 12—16; Luk. 1, 32). 
91 
e) Wenn Jesus der Versammlung entgegenkommt, so geschieht es, um sie zu Sich zu nehmen, damit da, wo Er ist, 
auch sie sei. 
Wenn Er erscheint, um die Welt zu richten, so kommt 
Seine Versammlung zu Ihm, denn sie bildet einen Teil dieser 
himmlischen Heere, welche Seine glorreiche Begleitung ausmachen. Wie könnte man daran zweifeln, wenn man darauf 
achtet, daß diese Heere „mit weißer reiner Leinwand angetan sind" und daß „die Leinwand die Gerechtigkeiten der 
Heiligen sind?" (Offb. 19, 8. 14). Übrigens sagte schon Henoch, der siebente nach Adam: „Siehe, der Herr kommt mit 
seinen heiligen Tausenden, Gericht wider alle auszuführen, 
und alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, welche sie gottlos getan haben, und von all den 
harten Worten, welche gottlose Sünder wider ihn geredet 
haben, völlig zu überführen" (Jud. 15). Diese einfache Bemerkung sollte schon allein genügen, um diese beiden Erscheinungen des Herrn zu unterscheiden. Wenn Er mit Seinen Heiligen kommt, um die Welt zu richten, so müssen doch 
diese Heiligen vorher zu Ihm aufgenommen worden sein. 
f) Wenn Jesus kommt, um die Versammlung abzuholen, 
so ist Er „de r Morgenstern" , welcher, solange die 
Nacht noch die Erde bedeckt, den Tag ankündigt, und der 
nur von denen gesehen wird, welche wachen (2. Petr. 1, 19; 
Offb. 2,28; 22, 16). 
Wenn Er zum Gericht kommen wird, so wird Er „di e 
Sonn e de r Gerechtigkeit " sein, welche, nachdem sie, 
brennend wie der Ofen, alle Verächter und Boshaftigen verzehrt haben wird, den Sanftmütigen der Erde das Heil 
bringt, — denjenigen nämlich, welche inmitten der großen 
Versuchung ausharrten, auf dasselbe zu warten; „denjenigen, welche sein Wort fürchten und welche von ihren Brüdern, um seines Namens willen, gehaßt werden" (Mal. 3, 16; 
4, 1. 2; Jes. 66, 5). 
Wenn Jesus kommt, um die Versammlung abzuholen, so 
ist Er gleichsam der Hausvater, welcher kommt, um die 
Erstlinge einzusammeln, um sie Gott in Seinem Tempel darzubringen (5. Mos. 26). Denn „nach seinem eigenen Willen 
hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, auf daß 
wir in etwa Erstlinge seiner Schöpfung seien ... . wir, die 
wir zuvor auf den Christus gehofft haben" (Jak. 1, 18; 
Eph. 1, 12). 
Wenn Er kommt, um die Welt zu richten, so ist Er gleichsam der Hausvater, welcher kommt, um die Ernte einzusammeln, welcher das Unkraut zusammenbindet, um es mit 
dem Stroh in dem Feuer, welches nicht erlischt, zu verbrennen, und welcher den Weizen auf den Speicher sammelt, 
92 
und also Seine Tenne ganz und gar reinigt (Matth. 3, 12; 
Matth. 13, 30). 
g) Für die Ankunft des Herrn zum Gericht gibt es vorlaufende Zeichen. Ohne von dem Zeichen des Sohnes des 
Menschen zu reden, welches alsdann im Himmel erscheinen 
wird (Matth. 24, 30), und von welchem wir nichts wissen, als 
was uns hier davon gesagt ist, ohne, sage ich, von diesem 
Zeichen zu reden, müssen, ehe der Sohn des Menschen Selbst 
erscheint, die Juden in ihr Land zurückgekehrt und Jerusalem wieder aufgebaut sein, der Abfall unter dem Antichristen seinen Höhepunkt erreicht haben, und das Evangelium 
vom Reich auf der ganzen Erde gepredigt sein. 
Aber es ist uns kein Zeichen gegeben, welches der Ankunft des Herrn, um Seine Versammlung abzuholen, vorangehen müsse. Für sie ist Er immer „der Kommende!" „denn 
noch um ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen 
und nicht verzögern" (Hebr. 10, 37). „Ich bin das Alpha und 
das Omega, Anfang und Ende! — spricht der Herr Gott, der 
ist, der war, und der kommt, — der Allmächtige" (Offb. 1, 
4. 8; 8, 11; 22, 7. 20). 
Die Zeit des Aufenthaltes der Versammlung auf der Erde 
ist sogar nie nach Jahren oder Monaten oder Wochen und 
Tagen gemessen — mit einem Wort, nicht nach den Umdrehungen der Sonne oder des Mondes bestimmt worden, wie 
dies bei Israel und den Heiligen der Erde der Fall ist, weil 
es im Himmel, von wannen die Versammlung ist, weder 
Stunde, noch Jahr, noch Jahreszeit gibt, und auch wohl ohne 
Zweifel deshalb, weil der Herr will, daß sie Ihn beständig 
erwarte. Es ist immer „um ein gar Kleines" (Joh. 14, 19; 16, 
16; Hebr. 10, 37). 
Man sagt zwar, daß Paulus die Thessalonicher gelehrt 
habe, auf die Zeichen achtzuhaben, welche der Ankunft des 
Herrn, um sie abzuholen, vorangehen würden (2. Thess. 2,1-3). 
Wenn aber dies die Absicht Paulus gewesen wäre, so 
hätte er sich widersprochen, indem er so oft seine Brüder 
ermahnte, in einer beständigen Erwartung des Herrn zu 
stehen. Und hieße das nicht, sich auf die offenbarste Weise 
widersprechen, wenn man ermahnt, den Herrn täglich zu erwarten, und zu gleicher Zeit lehrt, daß, ehe Er kommt, 
diese und jene noch zukünftigen Dinge erfüllt werden müssen, daß der Abfall seinen Höhepunkt erreicht, daß der Antichrist geoffenbart sein müsse usw.? Wenn alle diese Dinge 
geschehen müssen, ehe der Herr kommt, um Seine Versammlung abzuholen, so habe ich nur diese Zeichen zu erwarten, welche sich nicht in eine m Tag verwirklichen 
können, und bis dahin kann ich in der Gewißheit leben, daß 
der Herr noch nicht kommt. — Nein, dies war nicht der Ge93 
danke des Paulus; man hatte aber die Thessalonicher beunruhigt, indem man ihnen sagte und schrieb, daß „der Tag 
Christi da sei"; gerade wie es heutzutage einige Christen 
machen, welche in jeder Revolution, jedem Kriegsgeschrei, 
jedem Ereignis, welches ein wenig außerhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge ist, die Zeichen der Ankunft des Sohnes des Menschen sehen (Matth. 24), und ebenfalls sagen: 
„Der Tag Christi ist da." Wenn dies wäre, so hätten wir Ursache, bestürzt zu sein, wi r nämlich, die wir, wie die Thessalonicher, Jesum vom Himmel erwarten, uns vor dem zukünftigen Zorn zu erretten", denn wir hätten uns in unserer 
Erwartung, unserem Haupte entgegengerückt, um mit Ihm 
vereinigt zu sein, bevor Er auf diese Welt Seine Zornschalen 
ausgießen wird, getäuscht. Dieser Beunruhigung wollte gerade Paulus bei seinen Brüdern in Thessalonich zuvorkommen. Deshalb erinnert er sie, daß, ehe der Tag Christi komme, 
(d. h. das Gericht und das Reich), der Abfall kommen, und 
der Mensch der Sünde geoffenbart sein müsse; aber er sagt 
keineswegs, daß der Herr Seine Versammlung nicht abholen 
werde, ehe diese Dinge geschehen sein würden. Im Gegenteil wollte er sie in dieser Hoffnung, welche er ihnen eingeflößt hatte, und welche durch irrige Belehrungen in Gefahr 
stand, erschüttert zu werden, befestigen. Deshalb erinnert 
er sie Vers 13, daß sie nicht zum Zorn erwählt seien, sondern 
zur Seligkeit und zur Erlangung der Herrlichkeit. So hatte 
er ihnen in Thess. 5, 8, schon gesagt: „Angetan mit dem Helm 
der Hoffnung zur Seligkeit; denn Gott hat uns nicht zum 
Zorn gestellt" — nicht gesetzt, um den Tag des Zornes des 
Lammes durchzumachen, weil wir im Gegenteil an jenem 
Tag mit Ihm die Welt richten werden, —• „sondern zur Erlangung der Seligkeit durch unseren Herrn Jesum Christum, 
der für uns gestorben ist, auf daß wir, sei es, daß wir wachen oder schlafen", — d. h. sei es, daß wir leben, wenn Er 
kommen wird, oder vorher gestorben sind — „zusammen 
mit ihm leben." Denn alle, sowohl die Auferstandenen, als 
die Verwandelten, werden miteinander Ihm entgegengerückt 
werden, um allezeit bei Ihm zu sein. 
Haben wir nun erkannt, daß die Ankunft des Herrn, um 
Seine Versammlung abzuholen, und Sein Kommen, um die 
Welt zu richten, zwei verschiedene Tatsachen sind, so kann 
man nur noch fragen, was uns berechtigt, zwischen diese 
beiden Tatsachen die große Trübsal zu setzen, und daß demgemäß die Versammlung nicht durch diese hindurchzugehen hat. 
Wir hatten schon Gelegenheit, auf die Verheißung des 
Herrn, in Betreff der Versammlung zu Philadelphia, aufmerksam zu machen: „Ich werde dich vor der Stunde der 
Versuchung bewahren", worauf dann Laodicea aus dem 
94 
Munde des Herrn gespieen wird. Verdient dies nicht ernstlich in Betracht gezogen zu werden? Und wie kann man eine 
genaue und genügende Erklärung von diesen Offenbarungen geben, wenn man nicht die Entrückung der Versammlung vor der Stunde der Versuchung darin sieht? Dem System, welches lehrt, daß die ganze Welt sich am Ende der 
jetzigen Zeitperiode bekehren werde, ist es gewiß befremdend, zu hören, daß der Herr der Versammlung dieser Zeit 
zu der Versammlung des Endes sagt: „Ich werde dich aus 
meinem Munde ausspeien!" Zwar steht der Herr auch noch 
nach diesem vor der Tür und klopft an, damit, wenn jemand 
Seine Stimme höre und Ihm auftue, Er zu diesem einkehre 
und mit ihm Abendmahl halte. So hat also der Herr auch 
dann noch Seine Auserwählten; aber diese Auserwählten 
haben nicht den Charakter der Glieder der Versammlung, 
wie wir es auch Seite 69 schon gesehen haben. 
Wenn der Apostel Paulus den Thessalonichern sagt: 
„Schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam, nur 
ist jetzt der, welcher zurückhält, vorhanden, bis er aus dem 
Wege ist; und dann wird der Gesetzlose offenbart werden 
usw." (2. Thess. 2, 7. 8); will er da nicht von der Versammlung 
sprechen? Ist es nicht die Versammlung dieses dem Namen 
des Herrn geweihten Volkes, welches hier unten für Ihn 
Zeugnis ablegend, noch heute das Hindernis ist, daß der Gesetzlose geoffenbart wird? Wenn aber die Versammlung aus 
dem Wege sein wird, d. h. aus der Welt entrückt und in die 
himmlischen örter gesammelt, dann wird Satan aus diesen 
vertrieben, und, indem er mit großem Zorn auf die Erde 
herabkommt, wird er daselbst den Antichristen, das Werkzeug seiner boshaften Absichten, erwecken. Dann wehe den 
Bewohnern der Erde, weil dies die Stunde der großen Trübsal sein wird (Offb. 12, 7. 12). 
Diesen Betrachtungen ist noch dieses hinzuzufügen. Es 
gibt eines der wichtigsten Bücher der Schrift, welches sich 
offenbar auf die Zeit des Endes des Zeitlaufes bezieht, und 
worin wir jeden Augenblick Gefühle ausgedrückt finden, 
welche nicht der Versammlung angehören können; es ist das 
Buch de r Psalmen . Wer es ohne Vorurteile liest, wird 
bald darin die lieblichen Gesänge Israels, nach eingegebenen 
Ausdrücken, erkennen (2. Sam. 23, 1), in welchen es durch 
den Geist Seinen Messias, Seine Leiden, die Kämpfe und die 
Herrlichkeiten Seines Reiches besingt, wie dies von den Propheten im allgemeinen gesagt ist (l.Petr. 1,11). Die Seufzer, 
die Gebete, welche durch die Lästerungen und die Verfolgungen des Gottlosen in den Getreuen hervorgerufen werden, die Hoffnungen, die Triumph- und Dankgesänge, welche 
die Wiederkunft ihres Königs, die Zerstörung Seiner Feinde 
95 
u n d die Aufrichtung Seines Reiches ihne n eingibt, — dies 
alles bildet gleichsam eine prophetische Geschichte de r Zeit 
des Endes.*) — Wir habe n nu n gesagt, da ß mehrer e dieser 
in den Psalme n ausgedrückten Gefühle nicht in de r Versammlun g sein können, wie zum Beispiel: 
a) Di e Psalme n sprechen beständig von Israe l un d den 
Nationen als Völkern, sogar als Gott feindlichen Völkern, 
weil sie Feinde Seine s Volkes sind. Dan n zeigen sie un s 
*) Wenn die Psalmen nicht die Gesänge der Versammlung 
sind, und wenn diese nicht berufen ist, dieselben unmittelbar 
auf sich anzuwenden, so geht daraus nicht hervor, daß sie das 
Lesen derselben vernachlässigen soll, oder daß sie etwas dabei 
verlieren würde. Denn zunächst gibt es allgemeine Grundsätze 
darin, von welchen Gott in Seinen Wegen gegen die Menschen 
nie abgeht, und die sich also in allen Haushaltungen vorfinden, 
— Sein Haß gegen das Böse, welches Er früher oder später bestraft, indem Er den Weisen in seiner Klugheit erhascht und 
den Bösen in die Grube fallen läßt, die Er gegraben hatte; 
Seine Erbarmungen, die alle Seine Werke übertreffen; die Leiden und der vollkommene Gehorsam Seines vielgeliebten Sohnes, kraft dessen Er die Ungerechtigkeiten vergibt und die Gebrechen derer heilt, die sich Ihm anvertrauen. Diese in den 
Psalmen betrachteten Wege Gottes werden stets die Lust des 
Christen sein. Wenn er nur vom Geiste gelehrt worden ist, in 
allem diesem die besondere Seite für Israel zu unterscheiden, 
so läuft er nicht Gefahr, sich in falsche Anwendungen zu verirren, wie man es oft gemacht hat, und Gedanken und Hoffnungen an die Erde knüpfte, welche sich nur nach oben richten 
sollten. 
Wenn man übrigens in den Psalmen eine prophetische Geschichte der Zeit des Endes erblickt, so gewinnen sie ein ganz 
besonderes Interesse. Es eröffnet sich uns in dem unendlichen 
und herrlichen Felde der Offenbarungen Gottes eine neue Aussicht. Viele Stellen, welche uns bis dahin nur einen unbestimmten Sinn darboten, oder welche wir sogar auf keine Weise mit 
unserem Verständnis in den Wegen Gottes vereinbaren konnten, werden für uns, wenn sie dann ihren wahren Platz finden, 
einfach und klar sein. Wir haben ohne Zweifel das Vorrecht, 
während den traurigen Tagen des Endes des Zeitlaufs nicht mehr 
auf der Erde zu sein; das, was aber Gott nach Seinem Wohlgefallen uns darüber offenbart hat, ist deshalb nicht ohne Interesse. 
Könnte uns etwas, was den Kampf unseres Herrn gegen Seine 
Feinde betrifft, Sein schließlicher Triumph, und die Aufrichtung 
Seines Reiches auf der Erde, gleichgültig sein, wenn wir den 
Herrn lieben, und wenn wir uns daran erinnern, daß wir mit 
Ihm triumphieren und regieren sollen? Nein, indem wir die 
Anwendung der Psalmen, sowie auch aller übrigen Propheten, 
unmittelbar auf Israel beziehen, verlieren wir nichts; wir machen uns nicht ärmer, es sei denn, daß das sich arm machen 
heiße, wenn man zum Erbe den Himmel lieber als die Erde 
nimmt: denn der Unterschied zwischen Israel und der Versammlung kommt immer auf dieses zurück. 
96 
dieselben gezüchtigt und hernach mit ihren Königen und Regenten gesegnet. In der Versammlung ist nicht von Völkern 
die Rede, sondern von Sündern, wovon jeder persönlich für 
sich verloren ist, und in Christo persönlich errettet, ohne 
irgendwelchen Unterschied des Volkes. 
b) In den Psalmen bitten die Heiligen um Rache für ihre 
Feinde. „Zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul sie müssen 
zergehen wie Wasser, das dahinfließt... der Gerechte wird 
sich freuen, wenn er solche Rache sieht und wird seine Füße 
baden in des Gottlosen Blut; daß der Mensch sagen wird: 
der Gerechte hat ja Frucht! Es ist ja Gott Richter auf Erden ... . Schütte deinen Grimm auf die Nationen, die dich 
nicht kennen, und über die Königreiche, die deinen Namen 
nicht anrufen (Ps. 58; 59 79; 83; 140). Dies ist nicht die Gesinnung der Versammlung. 
c) Endlich ist die Hoffnung der Gerechten in den Psalmen diese: die Bösen von der Erde ausgerottet zu sehen, daß 
sie selbst aber darauf bleiben, um in allerlei irdischen Segnungen gesegnet zu sein. „Die Bösen werden ausgerottet, 
aber die auf Jehova harren, werden das Land erben. Es ist 
noch um ein Kleines, so ist der Gottlose nicht mehr; du achtest auf seine Stätte, und er ist nicht mehr. Aber die Sanftmütigen werden das Land erben und Lust haben in großem 
Frieden" (Ps. 37, 9—11 usw.). Ist dies die Hoffnung der Versammlung? Nimmermehr. Die schon gerechtfertigte Versammlung kommt nicht mit dem Gottlosen ins Gericht, und 
vor allem bleibt sie nicht nach demselben auf der Erde, um 
daselbst mit irdischen Segnungen überhäuft zu werden. Im 
Gegenteil, ihre Hoffnung ist mitten aus den Bösen herausgenommen zu werden, welche sie hier unten dem Gericht 
Gottes überläßt, um zu ihrem Heiland zu gehen. 
Wer fühlt nicht den großen Unterschied des Charakters, 
welcher eine so verschiedene Hoffnung voraussetzt? Da nun 
der Charakter der Heiligen dieser Zeit nicht der der Glieder 
der Versammlung sein kann, so kann die Versammlung 
dann also nicht mehr auf der Erde sein und muß folglich 
vor der großen Trübsal entrückt worden sein. 
Dies ist übrigens in vollkommener Übereinstimmung mit 
dem, was wir von ihrer Natur und ihrer Bestimmung gesehen haben. 
Es kommt auch auf diesen so einfachen Grundsatz zurück. Die göttliche Gesinnung, wovon jede Haushaltung die 
besondere Offenbarung ist, ist die Gesinnung, welche der 
Geist Gottes den Heiligen der betreffenden Haushaltung 
insbesondere einflößt. Es wäre sonst Widerspruch in Gott, 
indem Sein Geist Seinen Heiligen Gesinnungen einflößen 
würde, die denen, welche Er Selbst empfindet, entgegen wä21 97 
ren und deren Verwirklichung Er in diesem Augenblick will. 
Da die Versammlung die vollkommenste Offenbarung der 
Gnade und der Geduld Gottes gegen die Welt ist, so soll sie 
diese vollkommene Gnade verkündigen, ohne jedoch von 
dem, was das Reich des Herrn betrifft, zu schweigen. Ihr 
Zeugnis ist: „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben, 
und er kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tod 
zum Leben hindurchgedrungen", — und ihr Gebet: „Komm, 
Herr Jesu!" (Offb. 22, 20). Aber wenn die Geduld Gottes erschöpft und Seine Versammlung gesammelt sein wird, erhebt Er Sich von Seinem Thron, um die Welt mit Seinen 
Plagen heimzusuchen; dann verkündigen auch Seine Heiligen, indem sie Seine Gefühle teilen, das herannahende Gericht. Und wie könnten sie dann noch die Gnade anbieten, 
die der Versammlung angeboten wurde, wenn dieselbe zu 
ihrem Herrn gesammelt ist? Es bleibt denjenigen Heiligen, 
die dann noch auf der Erde wohnen, keine andere Aussicht 
mehr, als diejenige, durch die Gerichte hindurch errettet zu 
werden, wie Noah durch die Wasser der Sündflut. Auch ist 
dann das Zeugnis der Heiligen in diesem Augenblick: 
„Fürchtet euch vor Gott und gebt ihm Ehre; denn die 
Stunde seines Gerichts ist gekommen" (Offb. 14, 7). Sie flehen: „Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden und die 
Gottlosen nicht mehr sein" (Ps. 104, 33—35). 
98 

VI. 
Gegeneinanderstellung des gegenwärtigen 
u n d zukünftigen Zeitlaufes 
1. 
Israel 
Im gegenwärtigen Zeitlauf ist Israel, weil es seinen König und Gott verworfen hat, auch von Ihm verworfen. Gott 
sagt zu ihm: „Ihr seid nicht mein Volk, und ich will nicht 
euer Gott sein" (Hosea 1, 9). Es ist dies „die lange Zeit", 
während welcher die Kinder Israel „ohne König und ohne 
Obersten und ohne Opfer und ohne Säule und ohne Brustkleid und ohne Ephod und ohne Theraphim" sein werden 
(Hos. 3, 4). Sie sind hingegeben, um unter allen Völkern gesichtet zu werden, „wie man mit einem Sieb sichtet, und 
kein Körnlein auf die Erde fällt" (Arnos 9, 9), „und ihr Herz 
ist verstockt, ihre Ohren sind dick, daß sie mit ihren Herzen nicht verstehen, mit ihren Ohren nicht hören, damit sie 
bekehrt würden" (Jes. 6, 10). „Eine Decke ist über ihren 
Augen, wenn sie den Moses lesen" (2. Kor. 3, 14. 15). 
Im zukünftigen Zeitlauf wird der Grimm Gottes, nachdem Er das Volk Israel, wie in einem Tiegel mitten in Jerusalem zusammengeschmolzen, und wie in einem Feuerofen 
alle Stolzen und Boshaften verzehrt hat (Jes. 4, 4; 65, 8—10; 
Hes. 22, 18—22; Mal. 3, 2. 3; 4, 1), ein Ende nehmen; und in 
Seiner Barmherzigkeit wird Sich der Herr wieder zu ihnen 
kehren. Er sagt: „Über das Haus Davids und über die Einwohner zu Jerusalem will ich den Geist der Gnade und des 
Gebets ausgießen, und sie werden auf mich, den sie durchstochen haben, schauen, und werden eine Klage über ihn 
führen, wie man einen Klage über einen Eingeborenen führt 
und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt 
über einen Erstgeborenen ... . Zu derselben Zeit wird das 
Haus Davids und die Einwohner Jerusalems einen offenen 
Born haben wider die Sünde und Unreinigkeit. Und zu der 
Zeit, spricht der Herr Zebaoth, will ich euch die Namen der 
Götzen aus dem Lande ausrotten, daß man ihrer nicht mehr 
gedenken soll. Ich will auch die falschen Propheten und den 
99 
unreinen Geist aus dem Lande hinwegtun" (Sach. 12,10—13, 
1. 2). „In denselben Tagen und auf dieselbe Zeit, spricht der 
Herr, werden die Kinder Israels kommen, samt den Kindern 
Juda's; sie werden weinend daherziehen und werden den 
Herrn, ihren Gott, suchen. Sie werden forschen nach Zion; 
sie werden ihre Angesichter dahin kehren: Kommt, lasset 
uns dem Herrn anhangen mit einem ewigen Bund, der nimmer vergessen werden soll" (Jer. 50, 4. 5). „Ich will euch denn 
unter den Völkern wegnehmen, und aus allen Ländern zusammenlesen, und euch wieder in euer Land bringen. Und 
ich will reines Wasser über euch sprengen, und ihr werdet 
rein werden. Ich will euch von aller eurer Unreinigkeit und 
von allen euren Götzen rein machen, und ich will ein 
neues Herz und einen neuen Geist in euch geben; ich will 
das steinerne Herz aus eurem Leibe wegnehmen und euch 
ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch 
geben, und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln, und meine Rechte halten und darnach tun. Also werdet ihr in dem Lande wohnen, welches 
ich euren Vätern gegeben habe, und ihr werdet mein Volk 
sein, und ich will euer Gott sein" (Hes. 36, 24—28; Jer. 23, 5. 
6.; 30; 31, 31; 33, 14—18). Darnach werden sich die Kinder 
Israels bekehren und den Herrn, ihren Gott, und David, 
ihren König, suchen; und werden in den letzten Tagen zu 
dem Herrn und seiner Gnade eilen" Hos. 3, 5). Ja, „der ganze 
Samen Israels wird in dem Herrn gerechtfertigt werden, 
und sich seiner rühmen"; „denn Gottes Gnadengaben und 
die Berufung sind unbereubar" (Jes. 45, 25; Röm. 11, 26—29). 
Im gegenwärtigen Zeitlauf ist Jerusalem wüste gelassen 
(Matth. 23, 37—39). Von den Völkern zertreten, ist es kinderlos, besonders verlassen von Dem, der seine Herrlichkeit, 
sein König und sein Gott ist; denn Er ist wieder an Seinen 
Ort gegangen, bis sie erkennen, daß sie gesündigt haben 
und Sein Angesicht suchen (Hos. 5, 15). 
Die letzen Tage des Zeitlaufes werden noch schrecklicher 
für dasselbe sein, als die ersten. Es wird von den zornigen 
Völkern umgeben, genommen und geplündert werden; und 
zu gleicher Zeit wird es vom Herrn der Heerscharen mit 
Wetter und Erdbeben und mit großem Donner, Ungewitter, 
Wirbelwind und mit Flammen verzehrenden Feuers heimgesucht werden. Dies wird endlich die große Trübsal sein, 
„wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist, 
und auch nicht werden wird" (Jes. 29, 6; Dan. 12, 1; Sach. 
13, 8. 9. 14; Matth. 24; Luk. 21). — 
Im zukünftigen Zeitlauf wird sich Zion der Schande seiner Witwenschaft nicht mehr erinnern, denn: „So spricht der 
Herr der Heerscharen: Ich habe für Zion geeifert mit großem Eifer, und mit großem Zorn für sie geeifert. Also 
100 
spricht der Herr: Ich will mich wieder zu Zion wenden, und 
mitten in Jerusalem wohnen. Alsdann wird man Jerusalem 
die treue Stadt nennen, und den Berg des Herrn der Heerscharen, den heiligen Berg. Also spricht der Herr der Heerscharen: Es werden noch ferner auf den Gassen zu Jerusalem alte Männer und alte Frauen sitzen, die alle an Stäben 
gehen vor großem Alter. Zudem werden die Gassen der 
Stadt voll Knaben und Mägdlein sein, welche auf den Gassen spielen werden. Also' spricht der Herr der Heerscharen: 
Obgleich dieses dem übriggebliebenen Volk dieser Zeit wunderbar dünkt, so ist es doch nicht wunderbar in meinen 
Augen, spricht der Herr der Heerscharen" (Sach. 8, 2—6). 
„Und von dieser Zeit an soll der Name der Stadt sein: Der 
Der Herr ist daselbst!" (Hes. 48, 35). „Jerusalem wird bewohnt werden ohne Mauer, vor der Menge der Leute und 
des Viehes, die darin sein werden; denn ich will ihr ringsherum zu einer feurigen Mauer sein, und will in ihr meine 
Herrlichkeit erzeigen, spricht der Herr" (Sach. 2, 4. 3. 10; 11; 
14, 11; Jer. 31, 38—40; Zeph. 3, 14—17). 
Im gegenwärtigen Zeitlauf ist das Land Israel verwüstet. 
Es ist nicht besät, es bringt nichts hervor, und kein Kraut 
wächst darin. Das Land ist verwüstet, die Städte verlassen, 
und zwar so sehr, daß seine Feinde darob erstaunt sind 
(3. Mos. 26, 31—35; 5. Mos. 29, 22—27). 
Im zukünftigen Zeitlauf „wirst du Jungfrau Israel 
auf den Bergen Samariens wieder Weinberge pflanzen; und 
die Pflanzer werden pflanzen und die Frucht genießen. Denn 
es wird die Zeit kommen, in welcher die Wächter auf dem 
Berge Ephraim schreien werden: Kommet, lasset uns gen 
Zion hinaufgehen, zu dem Herrn, unserem Gott!... Sie werden kommen und auf der Höhe des Berges Zion frohlocken, 
und werden zu den Gaben des Herrn strömen, zum Getreide, 
Most, ö l und zu den jungen Schafen und Kälbern, und ihre 
Seele wird sein wie ein gewässerter Garten, und werden 
nicht mehr trauern So sagt der Herr: Man wird noch 
dies Wort wiederum reden im Lande Juda und in seinen 
Städten, wenn ich ihr Gefängnis wenden werde: Der Herr 
segne dich, du Wohnung der Gerechtigkeit, du heiliger Berg! 
Und daselbst werden Juda und alle ihre Städte beisammen 
wohnen, die Ackersleute und die, so mit der Herde umherziehen" (Jer. 31, 4—40; 33, 7—14)... „Ihr Berge Israels sollt 
wieder grünen und eure Früchte tragen meinem Volke Israel, und es soll in kurzem geschehen. Denn siehe, ich will 
mich wieder zu euch wenden und euch ansehen, daß ihr gebaut und besät werdet. Ich will bei euch der Menschen viel 
machen, das ganze Haus Israel allzumal, und die Städte sollen wieder bewohnt, und die Trümmer erbaut werden. Ich 
101 
will bei euch der Menschen und des Viehes viel machen, daß 
sie sich mehren und wachsen sollen. Ich will euch bewohnt 
sein lassen, wie vorhin; ja, ich will euch mehr Gutes beweisen als je zuvor, und ihr sollt erfahren, daß ich der Herr 
bin .. . Alsdann wird man sprechen: Dieses verwüstete Land 
ist wie ein Garten Eden worden, und diese Städte waren 
zerstört, öde und zerrissen und stehen nun fest gebaut. Alsdann werden die übrigen Heiden, welche um euch her liegen, erfahren, daß ich der Herr bin, der ich das Abgebrochene wieder baue und das Verwüstete wieder pflanze. Ich 
der Herr habe es geredet und werde es auch tun" (Hes. 36). 
„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, daß das Ackern 
ah die Ernte und das Keltern an die Aussaat reichen wird. 
Die Berge werden von Most triefen und alle Hügel fruchtbar sein. Und ich will das Gefängnis meines Volkes Israels 
wenden, daß sie die wüsten Städte wieder bauen und bewohnen werden, Weinberge pflanzen, und ihren Wein davon 
trinken, Gärten machen, und Früchte daraus essen. Und ich 
will sie in ihr Land pflanzen, daß sie aus ihrem Boden, welchen ich ihnen gegeben habe, nimmermehr ausgerottet werden sollen. Dieses hat der Herr, dein Gott, gesprochen" 
(Arnos 9, 13—15). 
Endlich scheint es im gegenwärtigen Zeitlauf, als hätte 
Gott alle dem Israel gemachten Verheißungen vergessen 
und wollte nur Seiner Drohungen gedenken. Wie sollten sich 
auch die Verheißungen erfüllen, solange Israel Den verwirft, 
in welchem diese alle Ja und Amen sind? (2. Kor. 1, 20). Im 
zukünftigen Zeitlauf hingegen, wenn Gott durch Seine freie 
Gnade Israel Sinnesänderung und den Aufblick auf Seinen 
Geliebten geschenkt hat, wird es Seine Freude sein, dasselbe mit Seinen Segnungen um Seinetwillen zu überschütten.. Dann werden alle Verheißungen erfüllt werden; denn 
es wird „die durch die Propheten angekündigte Zeit der 
Wiederherstellung aller Dinge" sein (Apg. 3, 19—21). Dann 
wird man sagen „Frohlocket, ihr Himmel, denn der Herr hat 
es getan! Jauchzet, ihr Tiefen der Erde! Frohlocket, ihr 
Berge und Wälder samt allen Bäumen, die darinnen sind; 
denn der Herr hat Jakob erlöst und wird herrlich sein in 
Israel!" (Jes. 44, 3). 
O, wie erhaben sind die Gemälde, welche die Propheten, 
angetan mit dem Heiligen Geist, von diesen herrlichen Zeiten dargestellt haben! Nur einige herausgerissene Stellen 
können uns keinen Begriff davon geben. Doch wir lesen 
Jes. 4; 11; 30,18—33; 35; 40,1—11; 49; 54; 55; 60; 61; 62. 65, 
16—25; 66, 5—24; Jer. 30; 31; 32, 37—44;. 33; Hes. 34, 11—31; 
36; 37; 38; 39; Joel 3; Micha 4; 5; 7, 7—20; Sach. 2; 3; 8; 12; 
13; 14. Seht auch die Gebete, welche der Heilige Geist in 
den Heiligen Schriften niederlegte, um die Ankunft dieser 
102 
Tage zu beschleunigen, z. B. Jes. 62, 1. 6. 7; 63, 15—19; 64. 
Ebenso die Triumphgesänge, welche der Heilige Geist bei 
der Anschauung dieser Zeiten in das Herz der alten Seher 
legte und welche dann in Israel gesungen worden, z. B. Jes. 
12; Ps. 65; 95; 97; 99; 118. 
2. 
Die Nationen 
Im gegenwärtigen Zeitlauf sind die Nationen vom Satan, 
,,dem Fürsten dieser Welt", „dem Gott dieses Zeitlaufes", 
verführt (Joh. 12, 31; 14, 30; 2. Kor. 4, 4). Die Nationen sind 
selbst diese Welt, deren Fürst Satan ist; sie sind von diesem 
Zeitlauf dessen Gott Satan ist. 
Einige rufen zwar den Namen Gottes und Seines Gesalbten für sich, für ihre Regierungen, ihre Gerichtshöfe, ihre 
Politik an; aber sie entheiligen und verunehren auf diese 
Weise nur diesen heiligen Namen, indem sie dem Herrn eine 
Politik zuschreiben, die Er nie bestätigte und die meistens 
geradezu im Widerspruch mit Seinem Geist und Wort ist. 
Sie offenbaren also ihre unwissende Einbildung — Israel, 
als Volk Gottes, auf der Erde zu ersetzen. 
Es ist wahr, daß Gott die Herrschaft, indem Er Israel 
dieselbe wegnahm, den Nationen in der Person des Nebukadnezar gab, mit welchen die Zeiten der Nationen angefangen haben; aber nie gab Gott irgend einem anderen irdische n Volk, als Israel, die Verheißung, Sei n Volk zu sein, 
und das Recht, Ih n Seinen Köni g und Gott zu nennen. Ihm 
allein gab Er eine bürgerliche, politische und religiöse 
Staatsverfassung, ihm allein hat Er verheißen, seine Schlachten zu leiten und ihm den Sieg über seine Feinde zu geben. 
Nie waren die Könige der Nationen die Gesalbten Jehovas; 
vor allem bekamen sie nie irgendwelche Macht, um Seine 
Versammlung zu regieren, noch sie zu beherrschen. Diese 
Nationen, die Trümmer des Römischen Reiches, welche den 
christlichen Namen angenommen haben, sind es auch gerade, 
welche uns der Geist unter dem Bild dieses vierten schrecklichen Tieres darstellt, das ins Feuer geworfen wird, wenn 
der Sohn des Menschen das Reich empfängt (Dan. 7). Ihre 
Könige und Heere sind es, welche wir unter der Leitung des 
Tieres und des falschen Propheten versammelt sehen, um 
dem, welcher auf dem Pferd sitzt, und Seinem Heer den 
Krieg zu machen, und welche endlich der Raub der Vögel 
des Himmels werden, die zum Abendmahl des großen Gottes 
eingeladen sind (Offb. 19). Dies ist das Ende der Nationen, 
der Christenheit im gegenwärtigen Zeitlauf. Dies ist der 
schreckliche Tag, zu welchem der Herr sie durch Seinen Pro103 
pheten zusammenruft, indem Er sagt: „Rottet euch zusammen, und kommet her, alle ihr Völker ringsherum, und versammelt euch! Die Völker werden sich aufmachen und in 
das Tal Josaphat hinaufziehen; denn daselbst will ich sitzen, 
die Nationen ringsherum zu richten. Schlagt die Sichel an, 
denn die Ernte ist schon reif! Kommet herab, denn die Kelter ist schon voll; ja, die Keltertröge fließen über, denn 
ihrer Bosheit ist viel. Es werden Haufen an Haufen Volks 
sein im Tal des Urteils; denn des Herrn Tag ist nahe im 
Tal des Urteils" (Joel 3, 16—19). 
Aber bis dahin trägt der Herr diese Völker mit einer 
großen Geduld. Er besucht sie zuerst in Seiner Gnade, um 
aus ihnen ein Volk für Sich zu nehmen, nämlich die Versammlung, das einzige Volk, welches Gott, während der Zeit 
der Zerstreuung Israels, anerkennt, und dessen Gott Er 
sein will. 
Im zukünftigen Zeitlauf wird Satan, der diese Völker 
verführt, tausend Jahre gebunden und in den Abgrund geworfen (Offb. 20,1—3). Nachdem die Völker der Gegenstand 
der schrecklichen Gerichte des Herrn gewesen sein werden, 
werden sie die Gerechtigkeit lernen (Jes. 26, 9); und wie Nebukadnezar, ihr erstes Haupt und ihr Vertreter, Gott die 
Ehre geben (Dan. 4). Sie werden zu dem Lichte Zions, und 
ihre Könige zu dem Glanz, der über dasselbe aufgegangen 
sein wird, wandeln; denn wenn die Verwerfung Israels die 
Versöhnung der Welt war, was wird seine Annahme anders 
sein, als Leben aus den Toten? (Jes. 60, 3; Röm. 11, 15). Es 
wird die Zeit der Erfüllung der dem Abraham gemachten 
Verheißungen sein, daß alle Familien der Völker in seinem 
Samen sollten gesegnet sein. Denn an jenem Tage wird es 
geschehen, daß die Völker die Wurzel Isai's suchen werden, 
die den Völkern zu einem Panier gemacht ist; und seine 
Ruhe wird Herrlichkeit sein (1. Mos. 12, 1—3; 22, 18; Ps. 22, 
27 usw.; Jes. 11, 9.10). „Dann werden viele Völker gehen und 
sagen: Kommet, lasset uns auf den Berg des Herrn gehen, 
zum Hause des Gottes Jakob, daß er uns lehre seine Wege, 
und wir wandeln auf seinen Steigen. Denn von Zion wird 
das Gesetz ausgehen, und des Herrn Wort von Jerusalem. 
Er wird richten zwischen den Nationen und zurechtweisen 
viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen 
und ihre Spieße zu Rebmessern schmieden. Es wird kein 
Volk wider das andere ein Schwert aufheben, und werden 
hinfort nicht mehr kriegen lernen. Ein jeglicher wird unter 
seinem Weinstock und seinem Feigenbaum wohnen, daß niemand sie schrecke; denn der Mund des Herrn Zebaoth hat's 
geredet" (Jes. 2, 2—4; Micha 4, 2—4; Sach. 8, 20—23). 
104 
So werden die Träume des Glücks, welche die Völker seit 
so vielen Jahrhunderten durch Revolutionen, Zerstörungen 
und Blut vergeblich erwarten, Träume von guten Regierungen, von Staatsreligion, von Universalfrieden usw. verwirklicht sein. Solange die Völker dieses ihrer eigenen Weisheit 
verdanken wollen, so werden sie sich nur in ihren hochmütigen Gedanken verirren, und Satan wird sich zuletzt derselben bedienen, um sie unter der Anführung des Antichristen in eine offene Erhebung wider Gott und Seinen Gesalbten zu stürzen. Wenn aber Dieser in Seiner Herrlichkeit, 
triumphierend über Seine Feinde, erschienen sein wird, so 
werden alle diese Bedürfnisse in Ihm ihre Befriedigung finden. Als „gerechter Herrscher unter den Menschen, in der 
Furcht Gottes" wird Er das Gericht und die Gerechtigkeit 
wahrhaftig ausführen (2, Sam. 23, 3; Jer. 23, 5). Alsdann wird 
Er Seine Macht auf das Herz der Menschen, in welches Er 
Selbst Sein Gesetz schreiben wird, ausdehnen (Jer. 31, 32— 
34; Sach. 3, 9), so wie auch über die materielle Schöpfung, 
die Er gänzlich erneuern wird, und nichts wird dann dem 
Glück Seiner gesegneten Untertanen mehr mangeln. Dann 
wird auch die Religion wirklich die Staatsreligion sein, denn 
es wird nur e i n en König und nur eine n Gott für die 
ganze Erde geben; und dieser wird Jesus sein, der Sohn Davids, Mittelpunkt der Religion, sowie der Politik aller Völker. Unter diesem wahren Melchisedek wird der Friede die 
Wirkung der Gerechtigkeit sein, so daß man wird sagen 
können: „Kommet her und schaut die Werke des Herrn, der 
auf Erden Zerstörungen anrichtet; der den Kriegen steuert in 
aller Welt; der Bogen zerbricht und Spieße zerschlägt, Wagen mit Feuer verbrennt. Lasset ab, und erkennet, daß ich 
Gott bin (Ps. 46, 8—10). Dann werden die Worte der Engel, 
welche einstweilen nur ein prophetischer Gesang und ein 
frommer Wunsch sind, ihre Erfüllung erhalten: „Friede auf 
Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen" (Luk. 2, 14). 
3. 
Die Versammlung 
Im gegenwärtigen Zeitlauf lebt die durch den Heiligen 
Geist aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen 
gesammelte Versammlung durch den Glauben vom Leben 
ihres Hauptes, ein Leben, das mit Christo in Gott verborgen 
ist. Seine Glieder sind zwar von jetzt an Kinder Gottes, was 
sie aber einst sein werden, ist noch nicht geoffenbart. Von 
den Kindern dieses Zeitlaufes aber sind sie verworfen, wie 
es auch noch ihr Haupt ist, sie sind als Auskehricht der Welt 
geachtet. Da sie durch ihren Leib dieser Schöpfung, welche 
105 
seufzt, angehören, so seufzen sie selbst wegen ihrer Gebrechlichkeit. Es ist die Zeit der Zerstreuung und des Weinens, 
während sich die Welt freut (Joh. 16, 20). 
Einige sind schon im Herrn entschlafen und erwarten 
die Auferstehung ihrer mit dem Staub verbundenen Leiber. 
Die Zurückgebliebenen beweinen sie, da sie selbst, solange 
sie in diesem Leib daheim sind, ausheimisch vom Herrn 
sind. Wieviele Kämpfe gibt es auch für sie gegen eine Gott 
feindliche Welt, gegen das Fleisch, gegen den Teufel, welcher beständig sie belauert, um jemanden von ihnen zu verschlingen und dem es nur zu gut gelingt, sie durch seine 
Schlauheit hier unten zu verführen! Ach, dieser Zeitlauf ist 
sicherlich für sie der gegenwärtige, böse Zeitlauf, und sie 
könnten dessen Last nicht tragen, wenn sie nicht den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu ihrer Unterstützung 
hätten (1. Kor. 13, 13). 
Im zukünftigen Zeitlauf werden alle bei der Stimme ihres 
himmlischen Hauptes auferweckten und verwandelten Glieder der Versammlung Ihm entgegen in den Himmel gerückt 
sein und allezeit bei Ihm sein. Wenn sie Ihn sehen, so wie 
Er ist, werden sie Ihm nicht nur in Seiner Gesinnung und in 
Seinen Gedanken gleich sein, sondern auch in demselben 
Leib. Dieser, welcher jetzt das Bild des irdischen Adams 
trägt, wird dann das Bild des himmlischen Adams tragen. 
Die Zeit der Zerstreuung, des Kampfes und des Weinens 
wird für immer vergangen sein. Der Augenblick ist dann 
gekommen, von welchem der Heiland Seinen Jüngern 
sprach, indem Er sagte: „Ich werde euch wieder sehen und 
euer Herz wird sich freuen, und niemand wird diese Freude 
von euch nehmen" (Joh. 16, 22). Die ermüdeten Pilgrime 
werden in ihr Vaterland eingegangen, die Braut mit ihrem 
vielgeliebten Bräutigam vereinigt sein. Nachdem sie Sein 
Gefolge gebildet hat, wenn Er gekommen sein wird, um sich 
an Seinen Feinden zu rächen und Sein Reich in Besitz zu 
nehmen, wird sie mit Ihm über Sein Erbe, Israel und die 
Nationen, herrschen. Seine zwölf Apostel werden auf zwölf 
Thronen sitzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten, 
und Seine Heiligen werden die Welt richten (Matth. 19, 28; 
1. Kor. 6, 2. 3). „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, 
und es ward ihnen das Gericht gegeben ... . und sie lebten 
und herrschten mit dem Christus die tausend Jahre. Die übrigen der Toten aber wurden nicht lebendig bis die tausend 
Jahre vollendet sind. Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig ist der, welcher Teil hat an der ersten Auferstehung! Der zweite Tod hat keine Gewalt über sie; sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein, und 
werden mit ihm tausend Jahre herrschen" (Offb. 20, 4—6). 
So wird das Lied verwirklicht, in welches die Versammlung 
106 
von jetzt an durch den Glauben einstimmen kann: „Du hast 
uns Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Geschlecht und 
Sprache und Volk und Nation; und hast sie unserem Gott zu 
Königen und Priestern gemacht; und sie werden über die 
Erde herrschen" (Offb. 5, 9. 10). 
4. 
Die Schöpfung 
Im jetzigen Zeitlauf seufzt die ganze Schöpfung und liegt 
in Geburtswehen; sie ist der Eitelkeit unterworfen (nicht 
mit Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat) 
auf Hoffnung (Röm. 8, 18—22). Denn in der Tat, als der 
Mensch durch seinen Ungehorsam das Band, das ihn mit 
Gott verband, samt der ganzen Schöpfung, deren Haupt er 
war, gebrochen hatte, wurde ihm gesagt: „Verflucht sei der 
Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf 
nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiß 
deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder 
zur Erde kehrest, davon du genommen bist. Denn du bist 
Staub und zum Staube sollst du wiederkehren" (1. Mos. 3, 
16—19). Dies ist der Ursprung des Seufzens und sehnsüchtigen Harrens der Schöpfung. Von diesem Augenblick an 
bedeckte sich die Erde, welche den Menschen mit herrlichen 
Früchten ernährte, mit Dornen und Disteln; und er erhielt 
von ihr seine Nahrung nur dadurch, daß er sie im Schweiße 
seines Angesichtes bebaute. Die Tiere, welche vorher zu 
Adam kamen, und welchen er Namen gab, flohen bei seinem 
Anblick oder machten ihm den Krieg, als ihrem Tyrannen. 
Die Ermüdung, die sein Leib erlitt, der Schweiß, der von 
seinem Angesicht rann, erinnerte ihn, daß er in sich die 
Krankheit und den Tod trage; denn von da an war das Leben für den Menschen nur noch ein Kampf gegen den Tod. 
Er trat in dasselbe unter Tränen und Seufzen ein, und so 
ging er auch hinaus. 
Die Wehen der Schöpfung wuchsen noch durch die sich 
einander folgenden Empörungen des Menschen. Man kann 
z. B. nicht bezweifeln, daß die Sündflut den Zustand der 
Schöpfung tief eingreifend verändert habe, indem sie die 
Kraft der belebten Wesen verminderte und ihr Leben abkürzte. Während die Gewächse bis dahin der Nahrung des 
Menschen genügten, so wurden ihm dazumal die Tiere übergeben, damit er sich von ihrem blutigen Fleische nähre. 
Wenn^ wie es wahrscheinlich ist, es dazumal zum erstenmal 
regnete, so mußte es auch zu der Zeit sein, daß die Gewitter, 
die Überschwemmungen anfingen, welche seitdem so oft di» 
107 
Erde verheert haben. Und wieviel Demütigungen und Ermüdungen hat nicht die Verwirrung der Sprachen, die Folge 
der Empörung des Menschen zu Babel, gekostet? Wieviel 
Kriege hat sie nicht verursacht durch die Trennung der Familien in besondere sich einander beneidende Nationen? 
Sind es endlich nicht die Sünden Sodoms, NiniveS, Israels 
insbesondere, welche die schönsten Gegenden der Erde in 
Einöden verwandelt haben? 
Ja, die ganze Schöpfung harrt und seufzt. Es seufzen die 
Tiere, die sich einander zerreißen, die die Menschen ihrerseits mit einer unersättlichen Begierde verfolgen, um ihren 
Geiz oder ihre Eßlust zu befriedigen; sie sind seine Arbeitsund Leidensgenossen und haben oft nichts anderes als eine 
barbarische Behandlung und Verwünschungen zum Lohn. 
Es seufzen die Pflanzen, obschon noch in ihren Wundern die 
Herrlichkeit des Schöpfers verkündigend, haben sie dennoch 
ihre erste Schönheit verloren und leiden heute an geheimnisvollen Krankheiten. Es seufzt die Erde, die anfangs verflucht, und seitdem so oft wegen der Sünde ihrer Bewohner 
Veränderungen erlitt, die seit den Tagen Abels so oft das 
Blut des Menschen durch Bruderhand vergossen, getrunken 
hat, die noch jeden Tag unseren Schweiß und unsere Tränen 
aufnimmt und die sich zuletzt öffnet als eine große Begräbnisstätte, um in ihrem Busen unser Verderbnis zu verbergen. Alles miteinander seufzt; aber nicht, um zu seufzen, 
hat der Schöpfer, der die Liebe ist, alles geschaffen; und 
auch war gewiß die ganze Schöpfung nicht in diesem 
Zustand, als Er ansah, was Er gemacht hatte, und siehe, es 
war alles gut! Alles seufzt in der Hoffnung, einmal von der 
Knechtschaft des Verderbens befreit zu werden, um an der 
Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes Teil zu nehmen. 
Und auch wir, die Ursache des Seufzens; wir, welche durch 
unseren gebrechlichen Leib dieser Schöpfung, welche seufzt, 
angehören, die wir aber durch den Geist die verständigen 
Dolmetscher ihrer unverständlichen Seufzer sind; auch wir 
seufzen in uns selbst, erwartend die Kindschaft, nämlich die 
Erlösung unseres Leibes. Dann werden unsere Seufzer aufhören, wenn Der, „welchen wir vom Himmel erwarten, unseren niedrigen Leib verwandelt haben wird, um ihn seinem 
verherrlichten Leibe ähnlich zu machen." Dann wird auch 
die Befreiung der Schöpfung nahe sein; denn die Macht, 
durch welche Er das letzte Teilchen unseres verweslichen 
Leibes verherrlicht haben wird, wird Er auch bald nachher 
gebrauchen, „um sich alle Dinge zu unterwerfen" (Phil. 3, 
20. 21). Nachdem der mächtige und himmlische Boas die 
Ruth, die Moabitin, genommen hat, wird er nicht zögern, 
auch ihr Erbe zu kaufen. „Dann", d. h. im zukünftigen Zeit108 
lauf, nachdem der Herr die Erde mit der Rute Seines Mundes geschlagen, und den Bösen durch den Hauch Seines 
Mundes getötet hat, „werden die Wölfe bei den Lämmern 
wohnen und die Pardel bei den Böcklein; Kälber und junge 
Löwen und Mastvieh werden beieinander sein und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Kühe und Bären werden miteinander weiden, daß ihre Jungen beisammen liegen; und 
der Löwe wird Stroh essen wie das Rindvieh. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter; und ein Entwöhnter 
wird seine Hand in die Höhle des Basilisken stecken" (Jes. 
11,6—8). „Zur selben Zeit", sagt der Herr in Betreff Seiner 
Auserwählten, „will ich ihnen einen Bund machen mit den 
Tieren auf dem Felde, mit den Vögeln in der Luft und mit 
allem, was sich auf der Erde regt. Ich will Bogen und 
Schwert und Krieg aus dem Lande zerbrechen, und machen, 
daß sie sicher wohnen (Hos. 2, 18). Die Schlange allein scheint 
dieser Erneuerung fremd bleiben zu müssen, um ein ewiges 
Zeugnis der Verführung zu sein, deren Werkzeug sie war 
(Jes. 65, 25). „Die Wüste und die dürren Plätze werden sich 
freuen; und die Einöde wird frohlocken und wie eine Rose 
blühen. Sie wird lieblich blühen und sich erfreuen mit 
Frohlocken und Jauchzen" (Jes. 35,1. 2). „Die Berge und Hügel werden sich vor euch freuen mit Gesang und alle Bäume 
des Feldes in die Hände klatschen. Anstatt der Dornen werden Tannen wachsen, und Myrten anstatt der Hecken. Und 
dieses wird dem Herrn zu einem Namen, zu einem ewigen 
Zeichen sein, das nicht ausgerottet werden wird" (Jes. 55, 
12. 13). 
Selbst der Tod, diese Quelle der Trauer und des Seufzens, — wird er nicht in diesem Zeitlauf, wenigstens für die 
Gerechten, abgeschafft werden? Dies ist wahrscheinlich, 
wenn man bemerkt, daß nur vom Ted des Gottlosen ausdrücklich die Rede ist, welcher, wenn er hundertjährig 
stirbt, noch jung sein wird; hingegen in Bezug auf die Gerechten: „Es wird kein Einwohner sagen: Ich bin schwach" 
und „es werden weder Kinder noch Alte mehr sein, die ihre 
Tage nicht erfüllen sollen ... . Die Tage meines Volkes werden einem Baume gleich sein und das Werk ihrer Hände 
wird alt werden" (Jes. 33, 24; 35, 10; 65,19—22). Wir wissen 
aber, daß die Bäume bis tausend Jahre leben, ein Zeitabschnitt, welchem schon die ersten Menschen nahe kamen, 
ohne ihn jedoch zu erreichen. Dies ist auch wahrscheinlich 
der Sinn der Worte Jesu an Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, wenn 
er auch gestorben ist; und jeder, der lebt, und an mich 
glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben" (Joh. 11, 25. 26). Die, 
welche an den Herrn geglaubt haben, und zur Zeit der Ein109 
führung des zukünftigen Zeitlaufes leben, werden während 
der ganzen Dauer dieses Zeitlaufes nicht sterben, und die, 
welche gestorben sind, werden in diesem Augenblick wieder 
auferstehen, wie es der Herr anderwärts gesagt hat: „Die 
aber für würdig gehalten werden, jenes Zeitlaufes und der 
Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu sein ... . können 
nicht mehr sterben, denn sie sind den Engeln gleich und 
sind Söhne Gottes, weil sie Söhne der Auferstehung sind" 
(Luk. 20, 35. 36). 
Wie dem auch sei, so sind dies „die Zeiten der Erquikkung vom Angesicht des Herrn" für eine ermüdete Schöpfung (Apg. 3,19). So wird sie befreit werden von der Knechtschaft des Verderbnisses, um in der Freiheit der Herrlichkeit 
der Kinder Gottes zu sein. Denn während heute Satan und 
seine Engel, die Beherrscher dieser finsteren Welt, von oben 
herab ihren bösen Einfluß ausüben, so wird dann die ihrem 
Haupte vereinigte Versammlung in den himmlischen Örtern 
der Kanal der Segnungen sein, welche dieser über die ganze 
Schöpfung verbreiten wird. Dann wird man singen: „Lobet 
den Herrn vom Himmel, lobet ihn in der Höhe! Lobet ihn, 
alle seine Engel, lobet ihn, alle seine Heerscharen! Lobet 
ihn, Sonne und Mond, lobet ihn, alle ihr leuchtenden Sterne! 
Lobet ihn, ihr höchsten Himmel, und ihr Wasser, die über 
dem Himmel sind! Diese alle sollen den Namen des Herrn 
loben, denn er hat geboten, und sie sind erschaffen worden! 
Und er hat sie befestigt, daß sie immer und ewig währen. 
Er hat eine Ordnung gemacht, die nicht vergehen wird. 
Lobet den Herrn von der Erde, ihr Walfische und alle Tiefen! Feuer und Hagel, Schnee und Dampf, samt dem Sturmwind, der seinen Befehl ausrichtet; Berge und alle Hügel, 
die fruchtbaren Bäume und alle Zedernbäume; die Tiere 
und alles Vieh, die kriechenden Tiere und das Geflügel! Ihr 
Könige auf Erden, und alle Völker, ihr Fürsten und alle 
Richter auf Erden! Ihr Jünglinge und Jungfrauen, ihr Alten 
und Jungen. Diese sollen loben den Namen des Herrn; 
denn sein Name allein ist hoch, seine Herrlichkeit ist über 
die Erde und den Himmel!" (Ps. 148). 
5. 
Der Herr Jesus 
Der auf Erden verworfene Jesus hat Sich im gegenwärtigen Zeitlauf in den Himmel zurückgezogen, wo Er, sitzend 
auf dem Throne Seines Vaters, das erwartet, was noch zu 
erfüllen ist, nämlich, daß Seine Feinde zum Schemel Seiner 
Füße gelegt, und alle Dinge Ihm unterworfen werden. Wohl 
sehen wir jetzt Den, der ein wenig unter die Engel ernied110 
rigt war, Jesum, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt; aber 
wir sehen Ihm noch nicht alles unterworfen. Letzteres ist 
das Ergebnis dessen, was uns der Apostel in Hebr. 2, 5—9 
lehrt. Der zukünftige Erdkreis, welchen der 8. Psalm beschreibt, muß unter die Füße des Sohnes des Menschen gelegt werden; und dies ist noch nicht geschehen. Im Gegenteil ist die Schöpfung der Eitelkeit unterworfen, unter welcher sie harrt und seufzt. So ist also Jesus noch nicht als 
Sohn des Menschen oder als zweiter Adam verherrlicht; und 
Er ist es auch nicht als der Same Abrahams, in welchem alle 
Völker sollen gesegnet werden und welchem die Gesamtheit 
der Völker gehören. Wenn auch schon große Völker und 
mächtige Nationen sich heute nach Seinem Namen nennen, 
so geschieht dies mehr im Geist des Aberglaubens oder der 
menschlichen Weisheit, als im Geiste des Evangeliums. 
Die Kinder Israels ihrerseits, ferne davon, Ihn als ihren 
König und Gott anzuerkennen, lästern noch Seinen Namen 
in ihren Synagogen; und indem sie sich Glück wünschen, 
ihren Bruder verkauft zu haben, sagen sie immer noch: Wir 
wollen sehen, was aus diesen Träumen wird. Wer endlich 
erkennt Ihn als das Haupt des Leibes, der Versammlung, als 
den himmlischen Bräutigam der Braut, welche Seine Herrlichkeit teilen soll? 
Im zukünftigen Zeitlauf wird es anders sein. Wenn Er 
in Seinen Heiligen verherrlicht sein wird, und bewundert in 
allen Glaubenden, dann wird die Welt erkennen, aber zu 
spät, daß dieser Jesus, welchen sie verworfen hat, ein s mit 
dem Vater, und daß Seine Versammlung ein s mit Ihm ist 
— Seine Braut, Sein Leib. Alsdann wird „er offenbart werden mit den Engeln Seiner Macht, in einer Feuerflamme, um 
denen Vergeltung zu geben, die Gott nicht kennen, und denen, die nicht dem Evangelium unseres Herrn Jesu Christi 
gehorchen." Alle Seine Feinde werden vor Ihm umgebracht. 
Die Übrigen Israels, welche im Schöße dieser Herrlichkeit 
den Bruder erkennen, welchen sie den Fremden verkauft 
haben, werden Ihn aufnehmen mit Tränen der Reue und der 
Freude, unter dem Zuruf: „Hosianna! gelobet sei, der da 
kommt im Namen des Herrn!" „Der Herr Gott wird ihm den 
Thron seines Vaters Davids geben; und er wird über das 
Haus Jakobs in die Zeitalter herrschen, und seines Reiches 
wird kein Ende sein" (Luk. 1, 32. 33). „Siehe, es kommt die 
Zeit, spricht der Herr, daß ich dem David einen gerechten 
Sproß erwecken will; und soll ein König regieren, der es 
weislich ausführen wird und Recht und Gerechtigkeit anrichten auf Erden. Zu derselbigen Zeit soll Juda geholfen 
werden, und Israel sicher wohnen. Und dies ist sein Name, 
dabei man ihn nennen wird: Herr, der unsere Gerechtigkeit 
ist!" (Jer. 23, 5. 6). 
111 
Als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab und 
über sie weinte, da entstand ein großes Aufsehen im Hause 
des Pharao; was aber wird es erst in der Welt sein, wenn 
der himmlische Joseph sich den Kindern Israels zu erkennen 
gibt, und diese Den anschauen, in welchen sie gestochen 
haben, und über Ihn Leid tragen, wie man über einen einzigen Sohn Leid trägt. Dann „werden gedenken und sich 
zum Herrn bekehren aller Welt Enden, und vor dir anbeten 
alle Geschlechter der Völker" (Ps. 22, 27—30). Während Jesus 
im gegenwärtigen Zeitlauf sagt: „Nun aber ist mein Reich 
nicht von hier" (Joh. 18, 36), so werden dagegen dann die 
großen Stimmen vom Himmel sich erfüllen, welche sagen: 
„Das Reich der Welt ist unseres Herrn und seines Christus 
geworden, und er wird in die Zeitalter der Zeitalter herrschen" (Offb. 11, 15). Dann wird Ihm die Schöpfung Selbst 
unterworfen sein: „Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch 
die wilden Tiere; die Vögel des Himmels und die Fische des 
Meeres und was in den Straßen der Meere geht." Dann wird 
man diesem verherrlichten Menschensohne sagen: „Herr, 
unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen" (Ps. 8). Dies ist die Verwaltung der Fülle der Zeiten, 
in welchen Gott „alle Dinge, die in den Himmeln und die 
auf der Erde, unter e i n Haupt in dem Christus zusammenbringt" (Eph. 1,10). Es wird alsdann unser hochgelobter Heiland, der in Seiner Niedrigkeit für uns mit Dornen gekrönt 
wurde, alle Kronen tragen, welche Ihm als König Israels 
und der Nationen und der Welt gehören. Dann wird Er, 
nachdem Er mit Seinem eisernen Szepter Seine Feinde zerschmettert hat, anstatt des Rohrs, des Symbols der Schwachheit, welches Er für uns annahm, Sein goldenes Szepter, 
das Pfand der Gnade und der Segnung, über die ganze 
Schöpfung ausstrecken. Dann wird Er nicht mehr mit spöttischer Verehrung umgeben sein, wie Er es im Hofe des Pilatus war, und wie Er es jetzt noch so oft in der Christenheit ist, welche sich nach Seinem Namen nennt; sondern weil 
Er gehorsam war bis zum Tod am Kreuze, wird Er einen 
Namen über alle. Namen haben, damit vor Seinem Namen 
sich jedes Knie der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen beuge. Und wir, elende Sünder von Natur, die wir 
durch Seine Gnade zu Königen und Priestern gemacht sind, 
werden unsere Kronen zu Seinen Füßen niederlegen und 
werden Ihn ewig loben, daß Er uns durch Sein Blut Gott 
erkauft hat aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und 
Sprachen. 
Man könnte sagen: Wenn Jesus zu jener Zeit mit Seiner 
Versammlung im Himmel ist, wie kann Er dann zu Jerusalem auf dem Throne Davids regieren? Wenn aber irdische 
112 
Herrscher mehrere Residenzen in den verschiedenen Provinzen ihres Reiches gehabt haben, warum sollte dies nicht 
auch im Reiche des großen Königs der Fall sein können? 
(Ps. 95, 3). Da es in diesem Reiche einen Bräutigam gibt, der 
König ist, eine himmlische und eine irdische Braut, Freunde 
des Bräutigams, Diener und Untertanen; so gibt es auch 
himmlische und irdische Wohnplätze. Und wenn der auferstandene Jesus, obgleich Er noch auf Erden war, bei verschlossenen Türen plötzlich in die Mitte Seiner Jünger treten konnte, was wird es erst sein, wenn die Zeit Seines Reiches gekommen ist und Er in Herrlichkeit offenbart sein 
wird? Laßt uns auch daran denken, daß die Himmel dann 
geöffnet sein werden und zwischen Himmel und Erde eine 
glückselige Verbindung hergestellt sein wird. Dies stellt uns 
auch schon die Himmelsleiter vor, deren Fuß die Erde und 
deren Spitze den Himmel berührte und auf deren Sprossen 
Jakob die Engel Gottes auf- und niedersteigen sah (1. Mos. 
28). „Von nun an", sagte Jesus den wahren Israeliten, welche 
gleich dem Nathanael Ihn als Sohn Gottes, den König Israels, erkennen werden, „von nun an werdet ihr den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes auf den Sohn des 
Menschen auf- und niederfahren" (Joh. 1, 52). Die Himmel 
werden also über der Erde geöffnet sein, und wer kann alle 
die herrlichen Geheimnisse dieses Ausspruches und alle die 
verschiedenen Herrlichkeiten nennen, welche auf diesen verschiedenen Stufen Platz finden werden, von der sich dann 
im Himmel befindlichen Versammlung an, bis zu dem irdischen Israel, welches die Plätze Seiner irdischen Stadt einnehmen wird? Und wer ist, der den Herrn Jesum und Seine 
Herrlichkeit liebt, die Leiden dieser Schöpfung mitfühlt und 
sich nicht freut beim Gedanken an diese herrlichen und gesegneten Zeiten der Zukunft? 
Es ist wahr, daß sogar der zukünftige Zeitlauf durch eine 
Empörung des Menschen und mit einem Gericht Gottes auf 
der Erde endigt; und i n diese r Beziehun g gleicht er 
dem gegenwärtigen Zeitlauf, anstatt einen Gegensatz zu 
demselben zu bilden. Seit der Erschaffung dieser Welt hat 
die Sünde des Menschen immer das Werk Gottes verdorben 
und hat Ihn genötigt, auf anderen Grundlagen immer wieder neue Schätze der Weisheit und Liebe zu offenbaren. So 
geschah es in Eden und in der alten Welt; ebenso in Israel, 
welches durch seine Verstockung die Absichten (Lottes in 
Betreff seiner, wenigstens für einige Zeit, zunichte gemacht 
hat; sogar die Versammlung verherrlicht den Herrn nicht 
ihrem Beruf gemäß; und so wird es auch am Ende des 
künftigen Zeitlaufes sein, wenn der Mensch, nachdem er ein 
Zeuge der Herrlichkeit des Herrn war, nochmals durch die 
22 113 
Loslassung Satans auf die Probe gestellt wird. Die Nationen, 
welche an den vier Ecken der Erde sind, der Gog und Magog, ohne Zweifel eifersüchtig auf die Herrlichkeit Israels, 
werden heraufkommen und das Heerlager der Heiligen und 
die werte Stadt umgeben; aber Gott wird Feuer vom Himmel fallen lassen, welches sie verzehrt (Offb. 20, 7—9); vielleicht dasselbe Feuer, welches auch Himmel und Erde verzehren wird. Der Teufel wird dann nicht nur gebunden 
werden, sondern in den See des Feuers und des Schwefels 
geworfen, wo das Tier und der falsche Prophet sind. Ein 
großer weißer Thron wird aufgerichtet, und es setzt sich jemand darauf, vor dessen Angesicht Erde und Himmel entflieht. Dann erscheinen die Toten, Geringe und Große, vor 
Gott, um nach ihren Werken gerichtet zu werden. „Und 
wenn jemand nicht im Buche des Lebens geschrieben ge runden ward, so ward er in den See des Feuers geworfen", wohin auch der Tod und der Hades geworfen werden (Offb. 20, 
11—15). Dies ist das Ende des zukünftigen Zeitlaufes; und 
zu gleicher Zeit das Ende der Welt, d. h. der gegenwärtigtn 
Wohnung des Menschen. Es ist der Augenblick, wo der Heir 
Jesus, nachdem Er Sein Werk als Vermittler vollendet hat, 
das Reich Gott, Seinem Vater, überliefern, und Gott in den 
neuen Himmeln und auf einer neuen Erde, wo die Gerechtigkeit wohnt, alles in allem sein wird (1. Kor. 15, 28; 
2. Petr. 3). Der Apostel spricht in diesen Stellen vom „Tag 
Gottes" oder vom „Tag des Herrn" als von dem Augenblick, 
wo Himmel und Erde vergehen; weil dieser Tag nichts anderes ist, als der zukünftige Zeitlauf selbst, wie es auch 
diese Worte andeuten: „Ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag." 
Der zukünftige Zeitlauf ist in der Tat der Tag Gottes, an 
welchem die Erde von der Erkenntnis Seiner Herrlichkeit 
erfüllt sein wird, im Gegensatz zu dem jetzigen Zeitlauf, wo 
die Völker für das Feuer arbeiten, und müde werden für 
nichts, und wo die ganze Schöpfung in Wehe seufzt (Hab. 2, 
13.14); Röm. 8,19.—22). Es ist der Tag des Gerichts und der 
Zerstörung der gottlosen Menschen; denn der Herr ist an 
demselbigen geoffenbart als Derjenige, welcher recht richtet 
und streitet (Jes. 11, 1—5; Offb. 19, 11; Juda 15). 
Zur Zeit der Dämmerung dieses Tages wird die dann 
auferstandene und verwandelte Versammlung entrückt, wie 
auch ihr Haupt früh am Morgen, als es noch finster war, 
auferstand (Mark. 16, 2; Joh. 20, 1). 
Am Morgen kommt der Herr wieder mit Seinen Heiligen. 
Er ist die Sonne der Gerechtigkeit, welche die Gottlosen 
verzehrt und den Elenden Heilung bringt (Mal.'4, 2; Sach. 
14, 6 usw.). 
114 
Am Ende des Tages vergehen Himmel und Erde. — Wenn 
man fragen würde: Warum sich soviel mit dem zukünftigen 
Zeitlauf beschäftigen, der zuletzt doch nur der Vorhof der 
Ewigkeit ist?, so würden wir antworten: Weil sich das Wort 
Gottes soviel damit beschäftigt. Man kann ohne Übertreibung sagen, daß auf dreißig Seiten, welche uns vom zukünftigen Zeitlauf sprechen, das Wort kaum eine Seite über die 
eigentliche Ewigkeit enthält. Es wird uns oft, aber ohne 
Einzelheiten, vom ewigen Leben, vom unverwelklichen Erbe, 
das nicht befleckbar ist und das uns im Himmel aufbewahrt 
wird, gesprochen. Es ist uns gesagt, daß „wenn alle Dinge 
dem Sohne unterworfen sein werden, dann auch der Sohn 
selbst de m unterworfen sein wird, der ihm alle Dinge unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei" (1. Kor. 15, 28). 
Es wird uns von neuen Himmeln und einer neuen Erde, in 
welchen die Gerechtigkeit wohnt, gesprochen, wo Gott Seine 
Wohnung bei den Menschen aufrichten und alle Tränen von 
ihren Augen abwischen wird, wo der Tod nicht mehr sein 
wird, wo es kein Leid, kein Geschrei, keine Mühe mehr geben wird, weil die ersten Dinge vergangen sind und alles 
neu geworden ist (2. Petr. 3; Offb. 21,1—8). Wenn der übrige 
Teil des Kapitels und die ersten Verse des folgenden sich 
nicht auf den zukünftigen Zeitlauf beziehen, sondern auf 
die darauf folgende Ewigkeit, so sind dies gerade die ausführlichsten Belehrungen, welche das Wort über diesen Gegenstand enthält; aber was ist dies im Vergleich mit den 
zahlreichen Gemälden, welche es uns vom zukünftigen Zeitlauf darstellt? Was können wir aber Besseres tun, als uns 
vom Worte leiten lassen, indem wir jeder Sache den Platz 
einräumen, welchen dasselbe ihr anweist? Wenn man von 
dem sprechen will wovon das Wort nicht spricht, so übergibt man sich müßigen und eitlen Spekulationen; denn jede 
Forschung, welche nicht das Wort zur Grundlage hat, besonders noch, wenn es sich um die Zukunft handelt, verdient nur diesen Namen; aber „die Offenbarungen Gottes 
sind unser und unserer Kinder ewiglich" (5. Mos. 29, 29). 
115 
Schlußwort 
Die herrliche Erscheinung Jesu Christi in Person ist es, 
die den zukünftigen Zeitlauf, oder das Reich Gottes hier 
unten einführt und ihm seinen Charakter gibt. 
Übrigens hat uns der Herr, als Er noch in der Schwachheit und im Leiden war, schon gezeigt, was Seine Gegenwart für die seufzende Schöpfung ist. Wenn Er mit einigen 
Broten und Fischen die hungernde Menge sättigte, wenn Er 
beim Hilferuf Seiner erschreckten Jünger, dem Wind und 
den Wogen gebot, und sie sich legten, — welch ein Pfand hat 
Er uns schon dadurch von der Fülle und von der Ruhe, 
welche die Welt genießen wird, wenn Er als zweiter Adam 
regiert, gegeben? Wenn Er durch ein Wort oder durch eine 
Berührung alle die Ihm zugeführten Kranken heilte; — denn 
es ging eine Kraft von Ihm aus, welche sie Alle heilte (Luk. 
6, 19); wenn Er den Tod und die Gräber — überall wo diese 
Feinde des Menschen sich in Seiner Gegenwart zu zeigen 
wagten, — nötigte, ihre Opfer herzugeben; welch eine liebliche Voraussicht des Lebens und der Gesundheit ist dies 
für die glücklichen Bewohner der Erde in den Tagen, wo Je -
sus als der verherrlichte Sohn des Menschen darauf offenbart sein wird! Wenn Er endlich die Teufel austrieb und sie 
nötigte, die von ihnen Besessenen zu verlassen, und diese 
Ihn baten, daß Er sie nicht in den Abgrund schicken möchte, 
da zeigte Er Sich der Welt als Der, welcher den Starken 
binden und ihm seinen Raub nehmen wird, als der Überwinder Satans, welchem Er das an sich gerissene Reich dieser Schöpfung wegnehmen wird. Auch sagte Er: „Wenn ich 
die Teufel durch den Geist Gottes austreibe, so ist denn das 
Reich Gottes zu euch gekommen" (Luk. 11,18—22). Aber sie 
waren für alle diese Liebe gefühllos, und diese mächtigen 
Taten des Heilandes sind als Zeugnis geblieben für das, was 
Er bei Seiner herrlichen Wiederkunft erfüllen wird. Ja, Je -
sus ist der König, dessen Herrlichkeit wie die Salomons 
das ganze Reich erfüllt. Er ist die Sonne, deren Strahlen die 
ganze Schöpfung des zukünftigen Zeitlaufes beleben, von 
den Höhen des Himmels an, wo Ihn die Versammlung anbetet, bis zu den Eingeweiden der Erde, von welcher Er den 
Fluch wegnimmt, und bis zu den Tiefen des Meeres, deren 
unzählige Bewohner Ihm unterworfen sein werden. 
Was macht ihr denn, die ihr vermittelst der Künste, der 
Wissenschaften, der Industrie, der politischen Berechnungen 
oder sogar durch die Predigt des Evangeliums von einer Zeit 
der Erneuerung und des Glückes für die Erde träumt? Was 
tut ihr anders, als euch an Jesu Statt setzen, und Ihm die 
gebührende Ehre rauben? Übrigens verwechselt ihr Dinge, 
116 
die einander ganz entgegengesetzt sind. Ihr verwechselt 
diese Zeit, wo die Welt im Argen liegt, mit der, wo sie mit 
der Erkenntnis und Herrlichkeit des Herrn erfüllt sein wird; 
die Zeit des Seufzens der Schöpfung mit der Zeit ihrer Erquickung; die Zeit der Leiden und der Tränen der Versammlung mit der Zeit ihrer Freude und ihres Reiches; die Zeit 
der Erwartung Jesu mit der Zeit Seiner herrlichen Gegenwart. Ihr verwechselt endlich den gegenwärtigen Zeitlauf 
mit dem zukünftigen, und indem ihr sie miteinander verwechselt, nehmt ihr dem einen wie dem anderen seine Natur. Dem gegenwärtigen Zeitlauf nehmt ihr seinen unheilbaren Charakter des Verderbnisses, welchen ihm das Wort 
gibt. Er ist nicht mehr der gegenwärtige böse Zeitlauf (Gal. 
1, 4), weil ihr euch versprecht, ihn durch eure Bemühungen 
gutzumachen; er ist nicht mehr der Zeitlauf der Gewalt der 
Finsternisse (Eph. 6), weil ihr einen durch das Licht des 
Evangeliums erleuchteten Zeitlauf daraus machen wollt. 
Demgemäß sind es auch nicht mehr dieselben Beweggründe, 
die da wirken, um die Welt nicht lieb zu haben, noch sich 
ihr gleich zu stellen (2. Tim. 4, 10; Röm. 12, 2). Andererseits 
nehmt ihr dem zukünftigen Zeitlauf, indem ihr ihn der Gegenwart des Herrn beraubt, seine herrlichsten Wirklichkeiten; ihr macht daraus ein Reich ohne König, ein Frühjahr 
ohne Sonne. Wie sollte er auf diese Weise seine Wirkung 
bewahren, um unsere Herzen zu ihm zu ziehen und sie vom 
gegenwärtigen Zeitlauf loszumachen; um uns in unserer 
Vereinzelung und in den Kämpfen, welche diese Trennung 
immer nach sich zieht, zu trösten und zu stärken? 
Wollt ihr wissen, welchen Wert die Wissenschaft, die 
Künste und die Politik in den Augen Gottes für die Wiedergeburt und das Glück der Erde haben? Gedenkt an Babylon 
mit seinen hohen und starken Mauern, seinen ehernen Türen, seinen hängenden Gärten, seinen Palästen und Tempeln, welche sich bis an den Himmel erhoben. Gedenket an 
Susan, in deren Palästen die medischen und persischen Könige Gastmähler von 180 Tagen hielten, an die Statthalter 
der 127 Provinzen, von Indien an bis gen Äthiopien, welche 
in goldenen Gefäßen Wein tranken und auf goldenen und 
silbernen Betten lagen (Esther 1, 1—7). Gedenket an die 
Griechen mit allen ihren großen Männern, ihren Weisen, 
ihren Künstlern; an das römische Volk, dessen Politik so geschickt war, dessen Reich fast alles umfaßte, deren Räte 
den Fremden, welche die Ehre hatten darin aufgenommen 
zu werden, als eine Versammlung von Königen erschien. 
Erinnert euch aller dieser Weltreiche und ihrer Herrlichkeit, 
und sehet dann, was sie für den Heiligen Geist sind; — ein 
schrecklicher Götze, welcher zermalmt und wie das Stroh 
117 
der Sommertenne werden soll, das der Wind dahintreibt; — 
vier wilde Tiere, deren letztes, ein schreckliches, greuliches 
Ungeheuer ohne Namen, getötet und dessen Leib dem Feuer 
übergeben werden soll, damit die Herrschaft, die Ehre und 
das Reich dem Sohn des Menschen gegeben werde, und damit alle Geschlechter, alle Nationen und Sprachen Ihm 
dienen. 
Es ist wahr, diese Zivilisationen waren nicht die christliche Zivilisation. Sie verhießen durch ihren Vereinigungsgeist und ihre Menschenliebe, durch die Entwicklung der 
Wissenschaften, des Handels und der Industrie, der Welt 
Wunder, welche diese aber nie gesehen hat. Dies alles aber 
hindert nicht, daß gerade di e Völker, welche das Licht des 
Evangeliums mitten unter sich haben und es für ihre Zivilisation benutzen, diejenigen sind, unter welchen die Empörung gegen Gott sich am Ende auf die auffallendste Weise 
offenbaren wird. Sie bilden zuletzt dieses Tier, welchem der 
Drache seine Macht, seinen Thron und eine große Gewalt 
gibt und welchem die ganze Erde in Bewunderung nachziehen wird... . Und wie schrecklich dies auch sein mag, so 
ist es doch den Belehrungen des Wortes gemäß. Denjenigen, 
welche mit dem Wort in Berührung kommen und sich nicht 
durch dasselbe erleuchten lassen, dient gerade dies Wort zur 
Verfinsterung und zur Verhärtung. „Denn das Land, welches 
den häufig über dasselbe kommenden Regen trinkt, und 
Kraut hervorbringt, Denen geeignet, um welcher willen es 
auch bebaut ist, empfängt Segen von Gott; welches aber 
Dornen und Disteln hervorbringt, ist unbewährt und dem 
Fluche nahe, dessen Ende zur Verbrennung ist" (Hebr. 6, 7. 8). 
Es waren nicht blinde Heiden, welche ihren Gott kreuzigten, 
sondern Israel, — damals das einzig e Volk, welchem sich 
Gott offenbart hatte; und in Israel war es nicht das Volk , 
das am meisten zu dieser Kreuzigung beitrug, sondern die 
Angesehenen , die Pharisäe r und Schriftge -
lehrten , die Oberste n und die Priester . So wird 
zuletzt diese christliche Zivilisation, die man so sehr rühmt, 
nur ein Mittel mehr in den Händen des Fürsten der Welt 
sein, um den Menschen dahin zu treiben, sich selbst zu verherrlichen, und zwar bis zu dem Punkte, daß er sich wider 
Gott erhebt und Seinen Namen lästert. Dann aber, wenn 
der Kelch der Gottlosigkeit überströmt, wird das Gericht 
hereinbrechen. Der ohne Menschenhände losgerissene Stein 
wird das Bild zermalmen und selbst ein großer Stein werden, der die Erde erfüllt. Das Tier wird getötet und dem 
Feuer übergeben werden. Dann wird die Herrschaft, die 
Ehre und das Reich dem Sohn des Menschen gegeben, damit 
alle Völker und Sprachen Ihm dienen (Dan. 2; 7; Offb. 19). 
118 
Dies ist „der längst vom Herrn Zebaoth bestimmte Tag, der 
über alles Hoffärtige und Hohe und über alles Erhabene 
gehen wird, damit es erniedrigt werde; und über alle hohen 
und erhabenen Zedern Libanons, und über alle Eichen Basans; über alle hohen Berge und über alle erhabenen Hügel; 
über alle hohen Türme und über alle festen Mauern; über 
alle Schiffe im Meere, und über alle köstlichen Gebilde; daß 
sich bücken muß aller Stolz der Menschen, und niedrig werden, was hohe Männer sind; und der Herr allein hoch sei zu 
der Zeit" (Jes. 2, 10—22). 
Was der Mensch auch sage, siehe, dies ist das Ende der 
Industrie, der Wissenschaft, der Künste, der Politik mit all 
ihrer feinen Berechnung, ihren arbeitsvollen Anstrengungen, 
sogar mitten in der Christenheit. Wie könnte derjenige, der 
dem Wort Gottes glaubt, noch nach allem diesem, von diesen 
Dingen das Glück und die Wiedergeburt der Erde erwarten? 
Man wird sagen: Wir erwarten die Bekehrung der Welt 
und die Errichtung des Reiches Gottes vom Evangelium, 
dessen mächtige Wirkung ihr außer acht laßt. Nein, wir wissen, daß das Evangelium mächtig ist, um den elendesten 
und verzweifeltsten Sünder zu erretten. Das ist für uns völliger Trost und Freude; aber das Evangelium kann unsere 
Leiber nicht erwecken noch verwandeln; es kann die Schöpfung nicht erneuern und nicht so viele Wunder auswirken, 
wie in dem Reich Gottes ausgewirkt werden sollen. Wenn 
man die Aufrichtung dieses Reiches Gottes dem Evangelium 
zuschreibt, so entsagt man den Verheißungen des Wortes; 
denn wenn man sie vergeistigt, so entsagt man ihnen; man 
macht sie sozusagen zunichte. Das Evangelium mit seiner 
ganzen Wirksamkeit wird immer nur de n Zweck ausrichten, zu welchem Gott es gegeben hat, und dieser Zweck ist 
nicht die Bekehrung und Erneuerung der Welt in dieser 
Haushaltung, sondern die Sammlung eines dem Herrn eigentümlich gewidmeten Volkes mitten aus der Welt heraus, 
wie Jakobus sagte: „Gott hat zuerst die Nationen besucht, 
um aus ihnen ein Volk für seinen Namen zu nehmen" 
(Apg. 15, 14). 
Vom Evangelium die Bekehrung der Welt und die Aufrichtung des Reiches Gottes zu erwarten, heißt dem Wort 
auf die bestimmteste Weise zu widersprechen. Man werfe 
nur einen Blick auf die schon auf der 42. und 43. Seite bei 
Gelegenheit des Verfalles angeführten Stellen. Verkündigen 
diese denn einhellig für die letzten Tage dieses Zeitlaufes 
die Bekehrung der Welt, oder ein zunehmendes Verderben? 
Wenn wir diesen Erklärungen noch mehr beifügen sollten, 
so würden wir nur an die Worte des Heilandes Selbst erinnern: „Gleichwie es in den Tagen Noahs geschah, also wird 
119 
es auch in den Tagen des Sohnes des Menschen sein: — sie 
aßen, sie tranken, sie heirateten, sie wurden verheiratet, bis 
zu dem Tage, wo Noah in die Arche hineinging, und die 
Sündflut kam und sie alle umbrachte." „Desgleichen auch", 
sagte ebenfalls der Heiland, „wie es in den Tagen Lot's geschah: sie aßen, sie tranken, sie kauften, sie verkauften, sie 
pflanzten, sie bauten. An demselbigen Tage aber, wo Lot 
aus Sodom herausging, regnete es Feuer und Schwefel vom 
Himmel und brachte sie alle um. Demgemäß wird es an dem 
Tage sein, wo der Sohn des Menschen offenbart wird" (Luk. 
17,28—30). Kann man etwas Bestimmteres und Klareres 
verlangen? Wenn es nur diese Erklärung allein in der 
Schrift gäbe, sollte sie nicht jedem Gläubigen genügen, um 
ihn zu überzeugen, daß es vor der Ankunft des Herrn keine 
Bekehrung der Welt, kein Reich Gottes auf Erden geben 
wird? 
Und ist uns je der Herr bei dieser Ankunft Selbst dargestellt als Der, welcher unter dem Zuruf Seiner getreuen 
Untertanen in ein zu Seiner Aufnahme ganz bereites Reich 
kommt? Wenn der Herr kommt, um Seine Versammlung abzuholen, so geschieht es, um sie zu Ihm in den Himmel zu 
entrücken, und um sie vor der großen Versuchung, die über 
den ganzen Erdkreis kommen wird, in Sicherheit zu bringen. Das Reich Gottes wird also dan n nicht aufgerichtet. 
Wenn Er der Welt mit Seinen Millionen von Engeln offenbart wird, so ist es in Gestalt eines mißkannten und verhöhnten Königs, der da kommt, um Sich an Seinen Feinden 
zu rächen. Er wandelt dann unter den Völkern in Seinem 
Zorn und zertritt sie in Seinem Grimm, und ihr Blut spritzt 
auf Seine Kleider; der Tag der Rache ist dann in Seinem 
Herzen. Er übt das Gericht über die Nationen aus; Er erfüllt alles mit Leichen; Er zerbricht das Haupt, welches über 
ein großes Volk herrscht. Er zerschmettert die Nationen mit 
einem eisernen Szepter; Er zerschmeißt sie wie Töpfergefäße 
(Jes. 63, 1-6; Dan. 2; 7; Ps. 2; 110; Offb. 19, 11-21). Ich frage, 
wie soll man dies vereinigen mit dem Gedanken, daß zu der 
Zeit das Reich Gottes durch das Evangelium aufgerichtet, 
und seine Grenze bis an die Enden der Erde ausgedehnt 
sein soll? 
Es ist traurig und entmutigend, werdet ihr sagen, zu denken, daß die Welt sich nicht durch die Predigt des Evangeliums bekehren wird. Ja, es ist traurig und demütigend für 
unsere Natur; denn es ist nur ein neuer Beweis von ihrem 
verzweifelten Verderben; und dies ist auch ohne Zweifel der 
Grund, weshalb diese Wahrheit überall so vielem Widerstand begegnet. Wenn ihr einem Unbekehrten sein Verderben und die Unmöglichkeit, seine Übertretungen selbst zu 
tilgen und sich Gott angenehm zu machen, verkündigt habt, 
120 
und dieser sagen würde: Das ist doch traurig und entmutigend; so würdet ihr sehr gut verstehen, demselben zu bemerken, daß es sich nicht sowohl darum handle, zu wissen, 
ob dies traurig sei, sondern vielmehr darum, ob dies wahr 
sei, mit andern Worten, ob Gott es gesagt habe. Ihr würdet 
ohne Zweifel hinzufügen, daß die Wahrheit dieser Sache 
wirklich weniger traurig sei, als die Einbildungen, durch 
welche man sie zu ersetzen und zu beseitigen suche; weil 
diese Einbildungen vom Heile fern halten und zum Tode 
führen, während ein völlig umsonst dargebotenes und vollkommenes Heil jedem angeboten ist, welcher durch die Erkenntnis seines Elendes dahin gebracht worden, ein Verlangen darnach zu haben. Ähnlich verhält es sich in dem Falle, 
wovon wir reden, d. i. mit der Nichtbekehrung der Welt in 
diesem Zeitlauf. Es ist nicht die erste und größte Frage, ob 
es traurig sei, sondern ob es wahr sei? Und es ist auch die 
Wahrheit über diesen Punkt, so traurig er auch ist, weniger 
traurig als die Einbildungen, durch welche man sie zu ersetzen sucht. Was gibt es in der Tat auch Traurigeres, als 
die, unter dieser oder jener Form, immer wieder erneuerten 
Projekte für die Bekehrung der Welt, während man nur 
nötig hat, um sich zu schauen, um gleich zu sehen, daß die 
Herde Jesu Christi eine kleine bleibt, und daß die Welt immer ungläubiger wird, immer mehr mit ihrem Vergnügen 
und ihren Interessen beschäftigt ist. Ja, dies ist traurig, und 
das um so mehr, als diese Einbildungen von der wahren, 
dem Christen vorgesteckten Hoffnung entfernen, von derjenigen, den Herrn bald zu sehen und in Sein Bild und zu 
Seiner Ähnlichkeit umgestaltet zu werden. Wie könnte sich 
derjenige mit dieser Hoffnung nähren, der jetzt das Reich 
Gottes hier unten aufgerichtet glaubt, und nur von dessen 
Förderung spricht? Wenn das Reich Gottes jetzt aufgerichtet ist, so kann es sich nicht mehr darum handeln, es durch 
die herrliche Erscheinung Jesu Christi Selbst zu erwarten, 
und noch viel weniger darum, den Herrn vor der Aufrichtung dieses Reiches zu erwarten, um uns zu Sich in den 
Himmel zu sammeln. So verschwindet die Erwartung der 
nahen Wiederkunft Christi, diese, nach der Gnade, mächtigste Quelle unserer Tröstungen und unserer Kraft, um der 
fernen und eingebildeten Hoffnung auf eine durch das Evangelium erneuerten Welt Platz zu machen. 
Glaubt man übrigens, daß sich Henoch, weil er von seiner 
baldigen Entrückung, von dem wachsenden Verderben der 
Welt und dem schrecklichen Gericht, das diese bedrohte, benachrichtigt war, deshalb zurückhielt, den Menschen seiner 
Zeit die Sinnesänderung zu verkündigen? Mußte er sich 
nicht im Gegenteil um so mehr gedrungen fühlen, es zu tun, 
121 
als die Zeit der Geduld Gottes ihrem Ende nahe war? Nun 
denn, warum sollte es denn heute bei demjenigen anders 
sein, der dem Worte gemäß glaubt, daß die bösen Menschen 
böser werden, verführen und verführt werden, bis das Gericht über sie kommt? Anstatt sich deshalb von der Verkündigung des Evangeliums zurückzuhalten, sollen im Gegenteil alle diejenigen, die dazu fähig sind, sich zu dieser Verkündigung gebrauchen lassen, ohne irgendwie anders als vom 
Herrn dazu berufen, und ohne anders als durch Seinen Geist 
dazu geweiht zu sein. Aber man muß es verkündigen, so wie 
es ist, ohne es, in der eitlen Hoffnung, die Welt zu bekehren, 
dem Geschmack derselben anzupassen; ohne über irgendeine 
der Torheiten dieses Evangeliums zu erröten, sogar nicht 
über die letzte, die vielleicht die größte aller ist, daß nämlich die Versammlung dem Herrn aus einer Welt, welche 
zum Gericht heranreift, entgegengerückt wird. Anstatt die 
Welt in ihrem falschen Frieden einzuschläfern, indem man 
sie in die trügerische Hoffnung einer fortschreitenden Verbesserung und allgemeinen Bekehrung der Welt einwiegt, 
muß man ihr erklären, daß ihr Gericht naht, und daß jede 
über ihr Heil geängstigte Seele außerhalb des Lagers zu 
Jesu gehen muß. Man muß das Evangelium verkündigen, 
ohne von der Welt weder Anleitungen, noch Schutz, noch 
Hilfe zu verlangen, damit sie wisse, daß sie keinen Teil an 
dieser Sache habe, und damit der Herr in den Seinigen verherrlicht werde (1. Sam. 17, 45—47; Esra 4, 1—3; 8, 21—23; 
3. Joh. 7). Mit einem Wort, man muß aus der Welt ausgehen, 
um in der Welt zu evangelisieren; denn wenn man in Sodom bleibt, wenn man darinnen pflanzt und baut, wie sollte 
man zu den Einwohnern sagen: Gehet aus, der Herr wird 
die Stadt zerstören? Man muß vor allem ausgehen, um dem 
Herrn zu dienen, mit denjenigen, welche aus Gnaden errettet und in Seinem Geist getauft sind und welche Gott für 
Sein Heil danken, und Ihn im Geist und in Wahrheit anbeten können. 
Dahin führt auch eine verständige Einsicht in den gegenwärtigen und in den zukünftigen Zeitlauf. Wenn man die 
Wissenschaft, die Politik, die Industrie, sogar die christliche 
Zivilisation mit allen ihren Kräften in einem schrecklichen 
Gericht des Herrn endigen sieht, an dem Tag, wo Er Sich 
erhebt, um die Erde zu richten; wenn man erkannt hat, wie 
vor diesem Tage, die Versammlung außerhalb dem Schauplatz dieser Erde, entrückt wird, um bei ihrem Herrn zu 
sein; dann hat man nicht mehr den fremdartigen Gedanken, 
für das Werk Gottes Stützen zu suchen in dem, was unter 
den Schlägen Seines Gerichtes fallen wird; dann versteht 
man, daß, wenn man, in welcher Weise es auch sei, die Ver122 
Sammlung mit den Nationen dieser Welt — ihrem Gottesdienst, ihren Hoffnungen, ihrer Politik — verbindet, daß dies 
einen Lebenden an einen Toten binden heißt, wie ein alter 
Tyrann es gemacht haben soll. Indem man die Toten ihre 
Toten begraben läßt, geht man vorwärts durch die Wüste 
zum himmlischen Kanaan und sieht nur auf Jesum, und erwartet nur von Ihm sein Licht und sein tägliches Brot. Auf 
dem Wege begegnet man denen, welche, wie auch wir aus 
Ägypten ausgegangen, nur Jesum zur Stütze und nur Sein 
Wort und Seinen Geist zum Führer wollen. Wenn unzähliges Elend uns jeden Tag erinnert, daß wir bis ans Ende in 
Mängel und Gebrechen wandeln werden, und welches uns 
nach der Erlösung seufzen macht, so laßt uns doch wenigstens zwischen dem Herrn und uns, und zwischen uns und 
unseren Brüdern keine verschiedenartige Einrichtungen und 
Überlieferungen, welche Früchte der Politik und der 
menschlichen Weisheit sind, setzen. 
Die wahre Politik des Christen ist sehr einfach und besteht darin, mit Christum im gegenwärtigen Zeitlauf zu leiden, unterstützt durch die Hoffnung mit Ihm im zukünftigen Zeitlauf zu leben und zu regieren. Dies war die Politik Paulus, wie wir es in seinen Worten, an Christen gerichtet, welche auch vor der Zeit regieren wollten, sehen: „Schon 
seid ihr satt geworden, schon seid ihr reich geworden; ohne 
uns habt ihr geherrscht; und ich wollte wohl, daß ihr herrschtet, auf daß auch wir mit euch herrschen möchten. Denn 
ich denke, daß Gott uns, die Apostel, als die Letzten dargestellt hat, als zum Tode hingegeben, weil wir der Welt, und 
Engeln, und Menschen ein Schauspiel geworden sind. Wir 
sind Narren um Christi willen, ihr aber seid klug in Christo; 
—-wir schwach, ihr aber stark; — ihr herrlich, wir aber verachtet usw" (1. Kor. 4, 8-14). Auf diese Weise machte er seinen Dienst empfehlenswert, indem er in seinem Fleische, 
was von den Trübsalen des Christus für Seinen Leib noch 
rückständig war, erfüllte, nicht aber durch weltliche Titel 
und Vorrechte (2. Kor. 4, 5-12; 6, 4-10; Kol. 1, 24). 
So war auch die Politik des vielgeliebten Jüngers, der 
sich „Mitgenosse in der Drangsal und in dem Königtum und 
in dem Ausharren Jesu Christi nennt (Offb. 1, 9); indem er 
uns also daran erinnert, daß bis zur Aufrichtung des Reiches, an welchem er Teil hat, es für den getreuen Jünger nur 
Ausharren mitten in den Drangsalen gibt. In der Tat dauert 
dieses „Nun" , von welchem Jesus sagte: „Nu n aber ist 
mein Reich nicht von hier", noch, und wird dauern bis zu 
Seiner Wiederkunft. Da regieren wollen, wo der Meister 
nicht regiert, und Seine Verwerfung in Erwartung Seiner 
Wiederkunft nicht teilen können, heißt an der Ausharrung 
123 
Christi mangeln, und dem Knechte gleichen, der, die Ausharrung verlierend, weil sein Meister zu kommen zögerte, 
anfängt, zu trinken und zu essen mit den Trunkenbolden. 
O, liebe Brüder! Möchten wir immer besser verstehen 
lernen, daß wir weder von diesem Zeitlauf, noch von dieser 
Welt sind; sondern daß der Herr Jesus, indem Er Sich Selbst 
für unsere Sünde dahingab, uns aus dem gegenwärtigen 
bösen Zeitlauf herausgenommen hat, um aus uns zu machen 
die Erstlinge der neuen Schöpfung, welche bei Seiner Ankunft offenbart wird. Dies wird uns unseren Weg in der 
Nacht dieser gegenwärtigen Zeit zeigen, und wird uns mehr 
Kraft geben, darinnen zu wandeln, als viele Ermahnungen. 
Und Du, lieber Leser, der Du diese Blätter durchgelesen 
hast, vielleicht angezogen durch das Bedürfnis nach etwas 
Besserem, als Dir die Welt geben kann, wisse, daß Du nur 
in Jesu da s findest, was Deine Seele wünscht. Die Leere, 
die Unruhe, welche wir in uns fühlen, kommt von der 
Sünde, welche uns von Dem getrennt hat, für welchen wir 
geschaffen, und welche den Fluch in unser Gewissen gebracht hat. Das Blut Jesu Christi kann aber allein das Gewissen reinigen, und ihm den Frieden geben. Das Bedürfnis 
einer besseren Welt, das uns überall verfolgt, ist wie ein 
Andenken an Eden und wie ein Sehnen darnach. Der gestorbene und auferstandene Jesus kann uns aber allein, indem Er uns mit dem Rock Seiner für uns durch Blut erworbenen Gerechtigkeit bedeckt, vor Gott bestehen machen, 
und uns in die himmlischen Wohnungen einführen, dem 
neuen Eden, nach welchem unsere Seele seufzt, ohne es zu 
kennen. Jesus allein konnte den Abgrund ausfüllen, welchen die Sünde zwischen Gott und uns gegraben hatte; aber 
in Ihm, wenn wir Ihn durch den Glauben angenommen 
haben, finden wir alles, was wir durch die Sünde verloren 
hatten, und noch weit mehr. Denn „wenn durch die Übertretung des eine n der Tod durch den Eine n geherrscht 
hat; vielmehr werden die, welche die Uberschwenglichkeit 
der Gnade und der freien Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den Einen , Jesum Christum" (Röm. 5,17). Das Leben, dessen uns Adam durch seine 
Sünde beraubte, so herrlich es auch war, war doch nur ein 
irdisches Leben, das verloren werden konnte, und das verloren ging. Das Leben, das wir, an Jesu glaubend, finden, 
ist ein himmlisches und unvergängliches Leben; es ist das 
Leben des auferstandenen und verherrlichten Jesus selbst; 
denn „wir sind gestorben und unser Leben ist mit dem Christus in Gott verborgen. Wenn aber Christus, unser Leben, 
offenbart sein wird, dann werden auch wir mit Ihm in 
Herrlichkeit offenbart werden" (Kol. 3, 3. 4). 
124 
„Und dies alles ist aus Gnaden, durch den Glauben, damit Aller Mund gestopft werde, und niemand sich rühme; 
sondern wer sich rühmet, der rühme sich im Herrn." Wenn 
Du warten willst, bis Du dieses Heils würdig bist, oder auf 
irgendeine Weise zubereitet, um es zu empfangen, so widersprichst Du Gott, der Dir sagt, daß Du aus Dir selbst nichts 
kannst, und der Seine Gnade dadurch verherrlichen will, 
daß Er Dir Deine Übertretungen umsonst vergibt. Noch 
einige Zeit die unreinen Vergnügen der Welt, des Fleisches 
und Deines eigenen Willens, genießen wollen, heißt das Blut 
Christi verachten, das vergossen worden ist, um uns von 
diesem eitlen Lebenswandel zu erkaufen; das heißt auf eine 
Zukunft rechnen, die Dir nicht gehört. Noch diese Nacht 
kann der Herr kommen, oder auch Deine Seele von Dir fordern, und was wird aus Dir, wenn Du keinen Heiland hast? 
Gehe denn ohne Zögern zu Jesu, der Dich ruft, um Dir das 
Leben zu geben. 
„Der Geist und die Braut sagen: Komm! und wer höret, 
spreche: Komm! und wen da dürstet, komme; und wer da 
will, nehme das Wasser des Lebens umsonst" (Offb. 22, 17). 
125 
Das Mitleiden Jesu 
„Denn der Mann ist das Haupt des Weibes, wie auch 
der Christus das Haupt der Versammlung ist; er ist des 
Leibes Heiland" (Eph. 5, 23). 
Die Vortrefflichkeit des Hohenpriesteramtes Christi ist 
ein beständiger Gegenstand der Erquickung für Seine Erkauften; nur indem wir diesen teuren Erlöser betrachten, 
können wir in Seiner Liebe bleiben; und es kann nicht ohne 
den Geist des Gebets und der Sammlung sein, daß wir unsere Blicke auf Den richten, der gekommen ist, uns die 
Worte des Vaters zu geben, auf daß Seine Freude in uns 
wohne. Dieser teure Erlöser wolle uns, während wir untereinander Sein heiliges Wort betrachten, vor allem Übel bewahren, auf daß unsere Freude auch völlig sei, indem wir 
vor allen Dingen wissen, daß wir ohne Ihn nichts tun 
können. 
Indem das Werk der Erlösung vollkommen ist, freut sich 
der Herr der Gemeinschaft, in die Er Seine Erkauften mit 
dem Vater durch Sein fortwährendes Hohenpriestertum versetzt hat; von der andern Seite erfordert die Heiligung der 
Erkauften eine beständige Tätigkeit der Liebe des Herrn, 
bis daß der Letzte der Erwählten vollendet ist. 
Deshalb müssen wir Jesum betrachten, nicht allein als 
vollkommenen Erretter der Versammlung, welche Sein Leib 
ist, sondern auch als Haupt, als Mann der Versammlung, 
während der Bildung und der Geburt derselben. — Das, was 
unsere Brüder schon besitzen, ist viel mehr als alles, was 
wir ihnen bieten können; denn sie besitzen Jesum, in welchem alle Reichtümer der Liebe des Vaters eingeschlossen 
sind; jedoch kann uns dies in der fortwährenden Betrachtung des Wortes nicht aufhalten; es kann uns ebenso wenig 
verhindern, uns mit den Brüdern über alles das zu unterhalten, was darin enthalten ist; und wir vertrauen der 
Gnade des Herrn, daß Er durch diese Betrachtung die Brüder im Kampfe stärken, in der Heiligung ermutigen und 
unter ihnen die Tragsamkeit, die Liebe, das Mitleiden und 
das Mitgefühl vermehren werde. Er wolle uns einen klaren 
Blick, ein einfältiges und wachsames Auge geben, um Ihn zu 
betrachten in Seiner Eigenschaft als Haupt des Leibes, dessen Heiland Er ist, und besonders noch als Mitträger der Lei126 
den und der Gebrechlichkeiten aller Glieder zusammen und 
jedes einzelnen. 
Aber bevor wir das Mitleiden Christi mit Seinen Erlösten 
betrachten, müssen wir die Grundlage, worauf wir gegründet sind, darstellen, nämlich, daß Jesus vollständig und vollkommen das Werk vollendet hat, welches der Vater Ihm 
übertragen hatte*) (Joh. 17, 4), d. i. Gott auf der Erde zu 
verherrlichen. 
Ferner ist der Dienst Jesu als Heiland des Leibes ausreichend, vollkommen und vollendet (Röm. 8, 2); denn durch 
Seinen Tod hat Er die Sünde, die Verdammnis und den Tod 
auf Sich genommen und von uns abgewälzt. Durch Seine 
Auferweckung haben wir die Rechtfertigung und das Leben, 
und diese Auferweckung selbst ist ein Beweis der Ausreichung Seines Todes (Joh. 11, 25; l.Petr. 1, 3; Röm. 4, 25; 5, 
18; 5, 5). 
Indem Er einmal für die Sünden gelitten, Er, der Gerechte für die Ungerechten (1. Petr. 3,18) ist Er gekreuzigt 
worden in Schwachheit (2. Kor. 13, 4) **), um uns zu Gott zu 
führen. 
Die Leiden Jesu in der Niedrigkeit und unter dem Fluche, 
der unseren Sünden zukam, haben vollständig unser Löse-
*) Das Opfer Christi ist ein für allemal dargebracht. „Jesus, 
nachdem er ein Opfer für die Sünden dargebracht, hat sich für 
immerdar zur Rechten Gottes gesetzt, denn durch ein Opfer hat 
er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden" (Hebr. 10,10.12. 
14. 18. 26). Der verherrlichte Jesus hat Sich in Seiner Eigenschaft 
als Hoherpriester und als Opfer, welches die Sünden für immer 
wegnimmt, gesetzt, und so wartet Er, bis Seine Feinde unter 
Seine Füße gelegt werden (Hebr. 10, 12; 1, 13). 
**) Diese Stelle, 2. Kor. 13, 4, ist übereinstimmend mit Röm. 
1, 3. 4, Röm. 9, 5. „Denn, wenn er gekreuzigt ward in Schwachheit (oder infolge der Schwachheit des Fleisches), so lebt er 
durch die Macht Gottes." Es ist der Gegensatz zwischen dem 
Samen Davids und dem- Sohn Gottes, zwischen dem Sohn des 
Menschen in Niedrigkeit und dem Sohn des Menschen in Herrlichkeit. 
Hinsichtlich des Wortes: Schwachheit, (Gal. 4,13; Hebr. 4, 15; 
5, 2; 7, 28; 1. Kor. 15, 43; 2. Kor. 12, 9) sehen wir, daß die Macht 
Gottes sich in der Schwachheit des Fleisches verherrlicht, sei es 
durch die Auferweckung des Sohnes des Menschen in Herrlichkeit, des Christus, der unser Haupt ist, oder sei es indem dasselbe durch dieselbe Macht an uns, die wir Seine Glieder sind, 
geschieht. 
So hat Christus in Schwachheit sein müssen, zuerst als Diener, um Sich Selbst zu erniedrigen. Er ist eine Zeitlang unter 
die Engel erniedrigt worden, aber durch die Macht Gottes, die 
in Ihm war (Joh. 10, 18) hat Er Sein heben wiedergenommen, 
um dadurch der Erstgeborene unter vielen Brüdern zu sein. 
127 
geld bezahlt; die Gerechtigkeit Gottes ist ganz und gar befriedigt worden. Als Erretter der Versammlung hat Jesu 
also vollständig und vollkommen unser Heil und unsere 
Rechtfertigung durch Seinen Tod und Seine Auferstehung 
vollbracht. Von diesem köstlichen Gesichtspunkte aus ist das 
Herz Jesu mit Freude erfüllt, wenn Er die Versammlung betrachtet. 
Die Gläubigen der Jetztzeit betrachten das Werk, auf 
welchem ihr Heil beruht, als eine geschehene Tatsache; während die Gerechten des alten Bundes durch den Glauben es 
im voraus gesehen und den Tag Christi begrüßt haben. Doch 
für jene sowohl, als für diese ist das ewige Leben und die 
Rechtfertigung aus Gnaden und umsonst durch den Tod 
Christi und für die Ewigkeit reichlich erworben. 
Wir haben also dargestellt, daß Jesus als Heiland des 
Leibes alles vollbracht hat, was Ihm zu tun oblag, und daß 
Er als Anführer unserer Errettung durch Leiden einmal 
und für immer*) zur Vollkommenheit gebracht wurde 
(Hebr. 2, 10). 
Jetzt wollen wir untersuchen, wie es nötig ist, daß Seine 
Erkauften, bevor sie zur Herrlichkeit geführt werden, 
ihrerseit s leiden, und zwar während der Bildung des 
*) Joh. 19, 30. Als unser Heiland noch lebend am Kreuze war, 
sagte Er: „Es ist vollbracht!" So lange der Herr Sein Leben 
nicht gelassen hatte, war aber noch nicht alles vollbracht, 
was unsere Seligkeit betrifft. Es war sogar nach Seinem 
Tode noch nötig, daß Er auferstand; ohne Seine Auferstehung 
wäre unser Glaube eitel, und wir wären noch in unseren Sünden. Jesus mußte noch in dem Augenblick, wo Er die obigen 
Worte aussprach, erst sterben, dann verherrlicht und in den 
Himmel aufgenommen werden; und darnach war es nötig, daß 
Er Seinen Jüngern den Sachwalter, den Heiligen Geist, sandte. 
Jetzt sind die verheißenen Dinge noch nicht erfüllt, da wir 
nur in Hoffnung selig sind (Röm. 8, 24), bis daß diese Seligkeit 
in der letzten Zeit durch unsere Wiederkunft mit Christo nach 
der ersten Auferstehung offenbart wird. Der Herr hat also 
nicht gesagt: „Alles ist vollbracht", sondern: „Es ist vollbracht." Das, was die Schrift von dem Messias in der Niedrigkeit vorhergesagt hatte, war erfüllt. 
In Wirklichkeit, wenn alle Dinge dem Lamm, welches auf 
dem Throne wartet, unterworfen sein werden (Hebr. 2, 9; Offb. 
5, 6-12) und der letzte Feind, der Tod, in den Pfuhl, der mit 
Feuer und Schwefel brennt, geworfen sein wird; alsdann wird 
das Alte vergangen und alles neu gemacht worden sein; und 
dann wird Christus, das Alpha, Sich als das Omega offenbaren. 
Derjenige, welcher unser Haupt gewesen ist, und der Erste 
aller Dinge, wird auch der Letzte sein; Er wird alle Dinge in 
Sich Selbst zusammenfassen. 
128 
Leibes. Dies wird dazu beitragen, uns zu unserer Freude das 
Mitgefühl und das unablässige Mitleiden Dessen besser verstehen und begreifen zu lassen, welcher das herrliche Haupt 
und zu gleicher Zeit der geliebte Heiland der Versammlung 
ist (Joh. 16, 33; Apg. 14, 22). Alles, was die Schrift uns über 
die Leiden des Leibes Christi sagt, ist in einem Sinne anwendbar auf Jesum Selbst, als Haupt des Leibes; und wenn 
die Gemeinschaft des Herrn und die Erforschung Seiner Gedanken der gewöhnliche Zustand der Christen wäre, so würden die Leiden Dessen, der ihr Haupt ist, eine Ursache des 
Schmerzes und der Gebete, besonders aber der Wachsamkeit 
und der Demütigung für diese sein, indem sie der Gegenstand dieser Leiden des Herzens Jesu sind. 
Wenn wir sagen, daß die Leiden des Leibes in einem 
Sinne diejenigen des Hauptes sind, so haben wir immer dabei die Teilnahme Christi an unseren Leiden und an unseren Schmerzen durch Sein Mitgefühl und Sein Mitleiden im 
Auge; und wir wenden diese Worte an, wie sie die Schrift 
anwendet, als gleichbedeutend mit den Worten: 
„Mitleiden , teilnehme n a n de n Leide n 
anderer. " 
Die Stunde des Leidens ist für die Versammlung gekommen, seitdem Jesus zu Dem zurückgekehrt ist, welcher Ihn 
gesandt hatte. Durch Geburtsschmerzen geht die Versammlung ihrer Vollendung in Christo entgegen; und dieser Zustand des Leidens wird dauern, bis wir alle uns in dem 
Maße des vollen Wuchses des Christus begegnen werden, bis 
wir alle durch unseren Durchgang durch die Prüfungen dieses Lebens einzeln und allmählich in Dem vollendet werden, 
der das Haupt über alle Dinge ist, für die Versammlung, 
welche Sein Leib ist, damit Er in allen Dingen den Vorrang 
habe. 
Die Auferbaüung des Leibes Christi ist also eine Zeit der 
Schmerzen und das Haupt nimmt Teil an all den vielen und 
verschiedenen Leiden, welche die Glieder, sei es in dem 
Kampfe des Geistes gegen die Sünde zu ihrer Heiligung, sei 
es wegen der Feindschaft einer Welt, aus der die Gnade 
Gottes sie herausgeführt hat, erdulden müssen. Die Stellung der Versammlung der Erkauften, betrachtet in ihrer 
Tätigkeit, muß ihr, während ihrer Bildung durch die Jahrhunderte hindurch, notwendigerweise Verfolgungen zuziehen, wenn sie treu ist, — oder einen falschen Frieden und 
eine gefährliche Ruhe, wenn sie untreu oder geschwächt ist. 
In den Augen Gottes ist die Versammlung die Fortsetzung Jesu auf der Erde; sie soll Ihn gegenüber der Welt 
vertreten, um den Vater zu verherrlichen. Die Aufgabe der 
23 129 
Versammlung ist fortwährend das Andenken Jesu zu erhalten, bis Er kommt, Seinen Fußstapfen durch die Hilfe des 
Heiligen Geistes zu folgen, und die Welt, welche Ihn gekreuzigt hat, von der Sünde, von der Gerechtigkeit und von 
dem Gericht zu überführen (Joh. 16, 8—11; Apg. 17, 31). 
Jesus hat besonders zwei Dinge auf der Erde getan: E r 
w a r gehorsa m un d ha t gelitten . — Die Versammlung soll diesem Vorbilde folgen. Sie wird demnach den 
Obrigkeiten der Welt in allem gehorchen, soweit deren Befugnisse gehen; und sie gehorcht Gott, indem sie sich von 
allem trennt, was schon gerichtet ist. Auf diese Weise gibt 
sie Zeugnis fü r die Rechte Jesu und gege n die Unrechtmäßigkeit des Besitzes Seines Reiches durch den Feind. Die 
Versammlung ist also gerade dadurch, daß sie Seinem Vorbilde folgt, gewiß, auch so zu leiden, wie Er gelitten hat. Ihr 
einziger Trost und ihre einzige Freude hienieden besteht in 
der Gemeinschaft mit ihrem Haupte und in der herrlichen 
Hoffnung, in der sie durch die völlige Gewißheit des Glaubens die künftigen und unsichtbaren Güter genießt. Jesus 
ist, während Seines Wandels auf der Erde als Mensch in 
der Schwachheit —ein Mensch der Schmerzen gewesen, weil 
Er in der Gesinnung der göttlichen Reinheit, in Knechtsgestalt ohne Sünde, von der Sünde umgeben war, und verworfen von de r Welt, welche zu suchen, um sie zu erretten 
und zum Vater zu führen, Er gekommen war. 
Jesus war durch den Vater geheiligt, d. h. abgesondert 
worden; Er hatte Sich Selbst geheiligt in Seiner Eigenschaft 
als Gesandter (Joh. 10, 36; 17, 18. 19), und zwar für die Seinigen, damit auch sie Geheiligte seien in Wahrheit. Der besondere Zweck dieser Absonderung von der Welt war, die 
Gnade des Vaters vermittelst dieses abgesonderten und Seinem Namen geweihten Volkes zu verherrlichen (Apg. 15, 14; 
Tit. 2, 14). 
Jesus hat an keiner einzigen Freude dieser Welt teilgenommen, es sei denn, um dadurch Seine Herrlichkeit zu offenbaren (Joh. 2, 11), welches die Herrlichkeit des Vaters 
war. Derjenige, welcher Ihm folgen will, muß bei sich und 
bei den anderen alles, was von der Welt ist, hassen. Er 
nimmt sein Kreuz auf sich und geht durch die Wüste, wie 
ein Pilger, welcher ein besseres Vaterland sucht. Aber das 
Herz Christi wird hier stets die Quelle sein, woraus wir 
Sanftmut, Geduld, Tragsamkeit gegen die Kinder dieser 
Welt schöpfen. Christus hat immer gesegnet, getragen, mit 
Liebe alle Seelen gerufen, welche Er auf Seinem Wege fand. 
Laßt uns denn Demjenigen nachahmen, welcher nicht gekommen war, um zu richten, sondern um zu erretten, wel130 
eher die Sünde haßte, aber die armen Sünder liebte, diesem 
Jesus, welcher sanftmütig und von Herzen demütig war. 
Das Mittel, um in unserem Leben die Demut, die Liebe 
und die Absonderung von den Freuden und den Gütern dieser Welt zu verwirklichen, besteht darin, anstatt unser Vertrauen auf diese Güter zu setzen — den Herrn in Seinem 
Leben und in Seinem Tode mit Ernst zu betrachten. 
„Allezeit das Sterben Jesu am Leibe umhertragend, auf 
daß auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbart 
werde" (2. Kor. 4, 10; Mark. 10, 24; Gal. 6, 17). Wie groß 
auch zu irgend einer Zeit die Duldsamkeit der Welt gegen die 
Versammlung sein möge, so ist sie deshalb doch nicht weniger eine gegen Gott feindlich gesinnte Welt, welche Jesum 
gekreuzigt hat, und welche durch Satan, ihren jetzigen Fürsten, beherrscht wird. Immer wird von Seiten der Welt gegen die Kinder Gottes, wenn sie treu darin sind, ihren Vater 
zu verherrlichen, Feindschaft sein. Wenn gar kein Widerspruch von seiten der Welt für die Treue der Christen Zeugnis gibt, so ist nötig aufmerksam den Zustand der Versammlung zu untersuchen. Denn wenn die Welt uns liebt, so ist 
es ein Beweis, daß wir den Menschen dieser Welt ähnlich 
sind; während, wenn wir den Fußstapfen Jesu folgen, die 
Welt uns hassen wird; denn die Welt hat das Ihrige lieb 
(Joh. 15, 18. 19; 17, 14. 16). 
Warum die Versammlung nichts von der Welt erwartete, 
wenn sie nichts von ihr annähme; wenn sie, — anstatt sich 
durch einen falschen Frieden mit dem Feinde einzuschläfern, 
und sich mit ihm zu verbinden — getrennt davon lebte; 
wenn sie von der schönen Stellung, außer ihr zu stehen, um 
mit der Macht der Gnade in der Welt und auf sie einzuwirken, und von der bevorstehenden Wiederkunft des wahren 
Königs in Seiner großen Macht Zeugnis gäbe; — dann würde 
jedes ihrer Glieder sehen, daß es nur Trübsal zu erwarten 
habe, und daß wir durch viel Leiden in das Reich Gottes 
eingehen müssen (Joh. 16, 33; Apg. 14, 22). — Sind wir denn 
wirklich hienieden wie auf einer Reise durch die Wüste? Ist 
das Zeugnis der Glieder des Leibes Jesu einstimmig, oder 
wenigstens mächtig genug, um den Feind zu erschrecken 
und zu erzürnen? Sind wir nicht mitten in einer christlichen Welt und einem verweltlichten Christentum, und seufzen wir über diese Verwirrung? Nehmen nicht die meisten 
Brüder aus der Hand dieser Welt an, was sie ihnen, an die 
Stelle der wirklich evangelischen Gaben und Ämter, bietet? 
Die Predigt des Evangeliums, die Taufe, die Lehre, der Gottesdienst, die Ämter — sind sie nicht zum sehr großen Teil 
abhängig von dem Willen und der Ermächtigung der Welt, 
131 
und ist dieses Übel nicht das Werk des Widersachers und 
das Zeichen einer großen Verwirrung? 
Jesus, unser Haupt, hatte notwendigerweise von allen diesen Gebrechen jedes einzelnen Gliedes und aller Glieder zusammen, während der allmählichen Bildung Seines Leibes 
ein tiefes Gefühl, und wenn unser Zeugnis so elend ist, ist das 
denn nicht für uns immer aufs neue ein Gegenstand der Demütigung und des Gebetes? — Das Gebet und die Gemeinschaft mit dem Herrn sind die einzigen Genüsse, welche das 
Teil der Gläubigen in dieser Welt sind; es sind innere und 
geistliche Segnungen, welche sie nur finden können, indem 
sie sich in die Nähe des Herrn zurückziehen, fern von der 
Sünde, welche uns so leicht umstrickt. 
Die Gemeinschaft mit dem Herrn verschafft uns unter 
anderen Segnungen auch die Gemeinschaft mit den Brüdern, und das Verständnis der Bedürfnisse und der Leiden 
des ganzen Leibes Christi. Je mehr wir also in der Nähe des 
Herrn sind, desto mehr verstehen wir, daß wir hienieden 
unsererseit s unser Teil der Leiden, welche der Leib 
Christi noch während seiner Bildung erdulden soll, zu tragen haben. 
Es ist möglich, es ist nach dem, was der Herr oft in Seinen Wegen gegen die Kirche offenbart hat, sogar wahrscheinlich, daß der Geist, welcher jetzt viele Brüder zu der 
Betrachtung Jesu, wie Er in Seiner Liebe handelt, antreibt, 
und welcher die Braut auf die ganze Macht und List des 
Feindes aufmerksam macht, auf diese Weise sie auf irgend 
ein großes Ereignis vorbereiten will. — Die Gnade Gottes 
stärkt immer Seine Kinder, wenn es nötig ist und wenn böse 
Zeiten nahen, wo könnten wir wohl einen mächtigeren 
Schild in den Prüfungen finden, als die Gemeinschaft mit 
unserem Haupte, als die brüderliche Liebe, als die Kraft, 
welche in jedem Gliede durch das Gefühl seiner Verantwortlichkeit und seiner Solidarität (gegenseitige Verpflichtung) 
gegen den ganzen Körper, hervorgebracht wird? Keine Betrachtung scheint uns geeigneter, als die des Mitgefühls und 
des Mitleidens Christi, um die Selbstsucht und die Trägheit, 
und sogar die Feigheit zu zerstören und zu vertreiben, 
welche die Brüder verhindern, sich in der Gemeinschaft des 
Herrn und im Gebet zu vereinigen, sich wegen des Übels, 
welches die Versammlung zertrennt, zu demütigen und 
selbst, um es zu erkennen. Nichts kann uns mehr antreiben 
einer des anderen Last zu tragen, als die Beteiligung Christi 
an allen diesen Nöten. 
Das wahre Mittel, um uns nicht in einem leeren Bekenntnis des Christentums einzuschläfern, um nicht tot zu sein, 
132 
indem wir den Schein des Lebens haben, besteht darin, uns 
zu der Betrachtung des Herrn Jesu in der Tätigkeit Seiner 
Liebe für uns, zu ermahnen. — Es war wegen unserer 
Schwachheit nötig, daß Jesus Sich unserem Glauben unter 
verschiedenen Gestalten offenbarte; daß Er Sich uns in Seinen verschiedenen Eigenschaften und in Seinen verschiedenen Ämtern zu erkennen gab, indem Er sie uns jedes durch 
Sich Selbst erklärte, und uns in allem Seine Einheit mit dem 
Vater und dem Heiligen Geiste offenbarte. — Wir wissen, 
daß Jesus in der Krippe derselbe ist, wie Jesus an dem 
Kreuze, daß der Sohn Gotte s in der Niedrigkeit derselbe ist, wie der Sohn des Mensche n in Macht; wir 
glauben alle, daß Jesus Gott ist, hochgelobt in Ewigkeit; 
aber wir bedürfen in diesem Augenblick besonders, Jesum 
in Seiner verherrlichte n Menschhei t zu betrachten. Die Menschheit des Herrn Jesu ist unsere Menschheit; 
darin ist Er der Sohn des Menschen. In unserer Menschheit hat Er die Gerechtigkeit Gottes befriedigt, und hat uns 
in die Gemeinschaft Gottes gebracht. Unsere Menschheit ist 
in Jesu verherrlicht und ebenso wie das Leben Christi schon 
jetzt auf der Erde in uns ist, ebenso ist auch durch Christum 
jetzt unsere Menschheit im Himmel verherrlicht. 
Um das Mitleiden und das Mitgefühl Christi, Seine Teilnahme an dem Zustande der Versammlung wohl zu verstehen, dürfen wir Ihn nicht allein als Heiland in der Herrlichkeit, sondern auch als Haupt der Versammlung in Seiner 
verherrlichten Menschheit betrachten. So ist Er das Haupt 
des Leibes, welchen Er errettet hat; unter diesem für unsere 
Seelen so köstlichen Gesichtspunkt ist Er der Erstgeborene 
unter vielen Brüdern, das Haupt der Versammlung, so ist 
Er tätig und in lebendigen und wirksamen Beziehungen mit 
Seiner Versammlung. — Vielleicht haben die Erkauften diese 
Seite Christi etwas aus den Augen verloren; deshalb ist es 
nötig, dahin zurückzukehren, weil die Auferstehung und die 
Verherrlichung Jesu das Handgeld für unsere eigene Auferstehung in Herrlichkeit und das Unterpfand Seiner Tätigkeit, Seines Mitgefühls und Seiner Fürbitte für Seine Brüder, für Seine Versammlung vor dem Gnadenthrone des 
Vaters sind. 
Paulus wurde bekehrt durch den Anblick des verherrlichten Jesus; er sah Ihn in Seiner Einheit mit der Braut. Dieser 
Paulus, welcher vorher die Versammlung zerstörte, welcher 
den Leib Christi verfolgte (Gal. 1, 13), verstand dieses Geheimnis, als Jesus aus der Höhe der Herrlichkeit zu Ihm 
sagte: „Saul! Saul! was verfolgst du mich ? Ich bin Je -
sus , welche n du verfolgst." — War es nicht das Haupt 
133 
der Versammlung, welches Sich über das Übel, das man Seinen ersten Gliedern auf der Erde zufügte, beklagte? Und ist 
der Leib nicht jetzt noch auf der Erde? Lebt, leidet, bildet 
er sich nicht auf derselben? — Paulus wurde selbst Glied 
dieses Leibes; er wurde von diesem Augenblick an mit verbunden, und die Leiden, welche er von da an erduldete, waren nicht ein besonderer und bezeichnender Teil seines Dienstes; sondern er hatte die Gesinnung Christi; er litt und 
starb sogar alle Tage; den n di e Leide n Christ i waren bei ihm in Fülle vorhanden (2. Kor. 1, 5). Was Paulus 
unter allen seinen Brüdern auszeichnet, ist nicht, für den 
ganzen Leib zu leiden, sondern vielmehr das Übermaß seiner Trübsale. 
Wenn es wahr ist, daß wir auch den Geist und die Gesinnung Christi haben (1. Kor. 2,16), so müssen wir, während 
unserer Prüfung hienieden, sorgfältig untersuchen, welches 
die Leiden und Schmerzen der Glieder Seines Leibes sind, 
damit wir unseren Anteil an diesen Trübsalen tragen und 
so unser Gestorbensein der Welt mit Christo und unser Leben mit Ihm in Gott verwirklichen. Dann werden wir ausrufen: „Wer ist schwach, und wir sind es nicht? wer wird 
geärgert, und wir brennen nicht?" Wir haben sogar Wohlgefallen an Schwachheiten, an Leiden und Ängsten für Christum (2. Kor. 11,29; 12,10). Wenn ein einziges der Glieder 
des Leibes in einem Zustand des Verfallenseins, der 
Schwachheit, der Weltlichkeit unter einer Prüfung oder 
unter einem Gericht ist, so leiden alle Glieder, wenigstens 
wenn der Leib in seinem richtigen Zustand ist, und das 
Haupt ist nicht abgesondert, noch für diese Unordnungen 
unempfindlich. Denn wir sind der Leib Christi, und ein Teil 
Seiner Glieder; und wenn ein Glied leidet, so leiden alle 
Glieder mit; denn der Leib ist nicht ein einziges Glied, sondern viele Glieder (1. Kor. 12,14. 26. 27), und Christus ist das 
Haupt jedes Mannes; so daß Er nicht allein an den Leiden 
aller Glieder, als Versammlung betrachtet, teilnimmt, sondern Er teilt auch die Trübsale eines jeden von uns insonderheit. So zeigt uns die Schrift unsere unvermeidlichen 
Leiden und unseren unaufhörlichen Kampf, als Trübsale 
Christi, unseres Herrn, welcher voll Mitleiden und Erbarmen ist (Jak. 5, 11). 
So müssen wir denn das, was von jedem Falle eines unserer Brüder gesagt ist, auf unsere eigenen Fälle anwenden, 
damit wir, indem wir den schmerzlichen Eindruck betrachten, welchen sie dem Haupte und dem ganzen Leibe verursachen, in der Heiligung wandeln, Gott in allen Dingen zu 
verherrlichen suchend. Christus, welcher treu ist über Sein 
134 
ganzes Haus, reinigt uns immerdar von unseren Befleckungen, und hat als Hoherpriester Mitleiden mit unserer 
Schwachheit. 
Dieser Dienst Christi über Sein Haus ist auch ein Dienst 
der Liebe gegen Seine Versammlung; aber wie sehr wird 
Sein Herz auf tausendfache Art betrübt, während Er ihn 
ausübt? Unsere Pflicht ist demnach, diese ganze Sache als 
unsere eigenen Angelegenheiten zu Herzen zu nehmen, vor 
Gott und in Seiner Liebe unseren eigenen elenden Zustand 
(denjenigen unserer Brüder im Glauben), und den Zustand 
der Trennung und der Schwachheit, worin sich der ganze 
Leib befindet, zu betrachten. Dann werden wir, wenn die 
Liebe Christi uns treibt, auch wie in Geburtswehen sein, bis 
daß Christus in den Erwählten gestaltet worden sei, welche 
in den elenden Elementen der Welt gefangen gehalten werden oder dahin zurückgekehrt sind (Gal. 4, 19). 
Was auch die Art der Leiden unserer Brüder sein mag, 
wir sollen daran teilnehmen, wie die Hebräer die Banden 
Pauli und die Leiden ihrer Brüder mitfühlen (Hebr. 10, 32. 
37); denn wir sehen, daß der Apostel dieses Mit-Leiden auf 
dieselbe Linie stellt (hinsichtlich der Belohnung, welche es 
erhalten sollte) als die Leiden selbst, und als die durch die 
Hebräer wirklich erduldeten Trübsale. Es war auch die 
brüderliche Liebe, welche bei den Korinthern eine große 
Geduld hervortreten ließ, um dieselben Leiden wie Paulus 
zu erdulden (2. Kor. 1, 3—8). Dieser Letztere lobt sie wegen 
dieses Mitgefühls, sodaß die Trübsale Pauli den Korinthern 
Heil und Trost bringen, weil sie an dem Heil und dem Trost 
teilnehmen werden, nachdem sie an den Trübsalen teilgenommen haben. In dieser letzteren Stelle finden wir immer 
den Hauptgedanken wieder, welcher für unsere Herzen so 
süß ist, nämlich diesen: Wenn di e Leide n Christu s 
reichlich über uns kommen, ebenso auch unse r Tros t 
durc h Christu m reichlich sein wird. 
Wir werden auf diese Weise jedesmal mi t Christo leiden, wenn wir mit Ihm an den Leiden teilnehmen, welche 
sich in Seiner Versammlung während ihres Kampfes wider 
die Weltbeherrscher der Finsternis und wider die geistlichen 
Mächte der Bosheit in den himmlischen örtern, zeigen (Eph. 
6,12) aber wir haben außerdem auch fü r Christum zu leiden; und wir begegnen gewiß dieser letzteren Art Leiden, 
wenn wir dem Evangelium treu sind. Wenn wir ein kräftiges und ernstes Zeugnis zur Ehre Dessen, der uns erkauft 
hat, ablegen wollen, so werden wir auch, als gute Streiter 
Jesu Christi, Leiden zu erdulden haben (2. Tim. 2,3); und 
135 
hier, wie überall, werden wir durch die mächtige Kraft und 
durch die starke Hand unseres Hauptes getragen. 
Die Verachtung einer Welt, welche sich christlich nennt 
die Beschuldigung vieler Brüder, welche selbst die Beweggründe nicht kennen, die uns von jeder Einrichtung, die von 
der Welt herkommt, trennen, sind gewiß genügend, um uns 
zu veranlassen, unser Kreuz auf uns zu nehmen und unslals 
Teilnehmer an den Leiden des Leibes Christi zu betrachten. 
Wenn auch die Zeiten offener Verfolgung augenblicklich unser Teil nicht sind, so sind wir doch glücklich, wenn wir auf 
irgend eine Art um des Namens Christi willen geschmäht 
werden; weil der Geist der Herrlichkeit und der Geist Gottes auf uns ruht. Laßt uns denn fest im Glauben sein, wissend, daß dieselben Leiden über alle unsere Brüder, welche 
in der Welt sind, ergehen, und wenn wir ungerecht leiden, 
indem wir das Gute tun, so ist das eine Gnade von Gott; 
denn hierzu sind wir berufen, weil auch Christus, der Gerechte für Ungerechte, gelitten hat, uns ein Exempel hinterlassend, auf daß wir Seinen Fußstapfen nachfolgen (1. Petr. 
4, 4; 2. Kor. 4, 17; Apg. 7, 54. 56; Röm. 8, 18; 1. Petr. 3, 18; 
4, 1. 2. 6). 
Christus, als Heiland des Leibes, freut Sich Seines vollkommenen Werkes (Eph. 5, 23); aber als Bräutigam der Versammlung und als Haupt des Leibes nimmt Er ebensowohl 
an den Trübsalen dieses Leibes, während seiner Bildung, 
als an dem Elend und den Schwachheiten jedes Seiner Glieder, tätigen Anteil. 
Wenn wir diese so ermutigende Wahrheit verstanden 
haben, so werden wir dahin gedrängt werden, sowohl das 
Ziel dieses Zustandes der Dinge, als die Belohnung, welche 
denen verheißen ist, die an all dieser Arbeit und an allen 
diesen Mühseligkeiten Teil genommen haben, zu untersuchen. Dieses Ziel ist uns im vierten Kapitel des ersten Briefes an die Thessalonicher und Kap. 5, 13—18 vorgestellt; — 
der Augenblick der Freude wird kommen, wenn der Bräutigam wiederkommen wird auf den Wolken, um all die Seinigen mit Sich in der Luft durch die herrliche Auferwekkung der Heiligen zu vereinigen. Dann wird jeder seine 
Belohnung empfangen; dann wird der Bräutigam vor den 
Augen der ganzen Schöpfung offenbart werden, bekleidet 
mit der Herrlichkeit und der Macht des Sohnes Gottes. Laßt 
uns denn unsererseits in unserem Fleische unser Teil der 
Leiden Christi tragen und dadurch unser Gestorbensein der 
Welt mit Christo und unser Leben in Gott durch Christum 
verwirklichen; aber laßt uns auch durch unser Sehnen und 
unsere Gebete diesen gesegneten Augenblick, nämlich der 
136 
Wiederkunft de s Herrn, welcher immer unseren Herzen 
durch den Glauben nahe sein soll, beschleunigen. 
Nicht allein die ganze Schöpfung und die leblosen Dinge 
seufzen, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des 
Geistes haben, seufzen und sind beschwert, erwartend die 
Kindschaft, die Erlösung unseres Leibes (Röm. 8,19 usw.). Sollten wir weniger verständig sein als die ganze Schöpfung, 
welche seufzet und seit so vielen Jahrhunderten in Geburtswehen ist bi s jetzt , und den Augenblick der Wiederkunft Christi mit Seinen Heiligen erwartet, um von der 
Knechtschaft, der Eitelkeit und des Verderbens befreit zu 
werden? Sollten wir, die erwählten Glieder des Leibes 
Christi, während unseres Durchgangs durch dieses Übel, 
welches die Sünde Adams hervorgebracht hat, nicht auch 
seufzen? Denn wir sind Erben Gottes, Miterben Christ^ 
wenn wir anders mi t Ih m leiden , mit Christo, welcher 
wegen Seiner Liebe für uns und Seiner innigen Verbindung 
mit uns, leidet. 
Es darf uns nicht einfallen, daran zu denken, mit Christo 
Seine ausgestandenen Leiden, sowohl während Seines Wandels, als auf dem Kreuz zu tragen. Diese Leiden des Heilandes sind immer für Ihn allein gewesen; denn Er allein 
war fähig, sie zu erdulden; und wir können daran nicht anders Teil nehmen, als indem wir Anbetung, Ehre und Lob 
Dem darbringen, welcher sie erduldet hat. Aber wenn wir 
mit Ausharren leiden, so werden wir auch mit Ihm herrschen; und Ausharren tut uns in den Trübsalen not, auf daß 
wir, nachdem wir de n Wille n Gotte s geta n haben, 
die Verheißung erlangen (2. Tim. 2, 11. 12; Hebr. 10, 36). 
„Weil ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid, so freut 
euch, auf daß ihr auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch freut"; „denn der Ackerbauer muß 
um die Früchte zu genießen, zuerst arbeiten" (l.Petr. 4, 13; 
2. Tim. 2, 6). Eine der köstlichsten Früchte unserer Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus in Seiner Gesinnung und in Seinen Leiden voll Liebe ist gewiß die bessere Auferstehung 
(Hebr. 11,35); denn Paulus rief aus: „Daß ich ihn kenne, und 
die Kraft seiner Auferstehung, und die Gemeinschaft seiner 
Leiden, indem ich seinem Tode gleichgestaltet werde; ob ich 
auf irgendeine Weise zur Auferstehung aus den Toten hingelangen möge" (Phil. 3, 10). 
Der Apostel Johannes sagt Offb. 1, 9: „Ich Johannes, euer 
Bruder und Mitgenosse in der Drangsal und in dem Königtum und in dem Ausharren*) Jesu Christi." Hier ist das 
*) Offb. 13, 10; 14, 12; Jak. 5, 11; Luk. 21, 19; Hebr. 10, 36. 
137 
Königtum allein etwas Zukünftiges, welches durch die Teilnahme an der gegenwärtigen Drangsal und dem Ausharren 
Jesu Christi während des Lebens des geliebten Jüngers erlangt wird. Diese Drangsale, wie wir sie bis jetzt entwickelt 
haben, sind diejenigen des Herrn, wegen Seiner Verbindung 
mit der Versammlung und wegen Seiner mitleidigen Barmherzigkeit gegen Seine Erkauften; und diese sowohl als das 
Ausharren Christi sind auch das Teil der treuen Glieder 
Seiner Versammlung; es sind ihre kostbarsten Titel. 
Viele Christen geben die Folgerungen dieser Lehre zu; 
sie wollen wohl die Gegenseitigkeit anerkennen, welche alle 
Glieder des Leibes Jesu zusammen verbindet, und auch die 
Verantwortlichkeit jedes einzelnen Gliedes für das Übel, 
welches in Allen und in der Mitte Aller ist; sie leiden über 
die Verfolgungen, welche die Versammlung an mehreren Orten auf der Erde erduldet; sie seufzen über das Übel, welches sie mehr und mehr zertrennt; sie beklagen in ihrem 
Herzen die Sünden, die "Untreue und das Elend jedes Bruders; aber sie nehmen die Lehre nicht an, welche uns dieses 
Mitgefühl zur Pflicht macht, weil sie uns Christum als 
Haupt zeigt, als Mittel- und Vereinigungspunkt aller der allgemeinen und besonderen Leiden. Diese Brüder folgen so 
dem Trieb eines guten natürlichen Herzens, aber sie nehmen 
den einzigen Grundsatz, welcher dieses Mitleiden heiligen 
kann, nicht an, nämlich die Gemeinschaft mit Christo, als 
die Quelle und die Triebfeder dieser christlichen Gesinnungen. — Andere, die nur die herrlichen und unaussprechlichen 
Vorrechte unserer schon vollendeten Einheit mit dem Haupt 
des Leibes begreifen, scheinen nur zu oft sich allein ihrer 
Hoffnung zu rühmen; aber sie scheinen andererseits zu vergessen, sich der Niedrigkeit zu rühmen und sich mit dem 
verfolgten Christus, mit dem leidenden Haupte Seines eigenen Leibes ein s zu wissen. 
Es ist wahr, daß die Lehre von den gegenwärtigen Leiden Christi unter den Christen vielfach durch den Mißbrauch, welchen andere Gemeinschaften damit getrieben haben, vernachlässigt worden ist. Was uns betrifft, die wir 
den Herrn von allen Seiten zu betrachten wünschen, wir 
sind versichert, daß die Lehre von dem Mitgefühl Christi 
für die Versammlung während ihrer Bildung, der Lehre 
von der vollständigen Befriedigung Gottes durch den Tod 
Jesu keinen Abbruch tun kann. 
Außer der Betrachtung der Liebe des Vaters und des 
Sohnes, der Sein Leben für Seine Feinde gelassen hat, finden wir nichts Rührenderes, als dies Mitleiden des Herrn 
Jesu, welcher an allen unseren Schmerzen Teil nimmt, wel138 
eher uns ohne Unterbrechung mit einer ewigen Liebe liebt, 
welcher leidet, indem Er uns noch mit unserem Kreuze beladen sieht, — Er, welcher alle Sünden Seiner Erkauften 
getragen, die Verdammnis und den Tod für sie und an ihrer 
Stelle auf Sich genommen hat. 
Wie groß ist die Liebe Christi! Übersteigt sie nicht alle 
Erkenntnis? Sind wir nicht eben durch die immer tätige 
Macht dieser Liebe mehr als Überwinder in allem, durch 
Den welcher uns geliebt hat, und welcher jetzt noch für uns 
bittet? (Röm. 8, 26. 33. 38). 
Und doch wird die Auferstehung Dessen, was von dem 
Leibe Christi noch zu bauen übrig ist, immer mühsamer 
und schwieriger; denn der Mangel an Liebe, die Trägheit, 
die Selbstsucht bei jedem von uns, der Mangel an Zuneigung und der Gemeinschaft unter den Brüdern, aber besonders unser Widerwille, mit Christo zu leiden — vermehren 
sehr die Schwierigkeiten, der letzten Zeiten, in denen wir 
leben. 
Die Liebe und die Zuneigung des Herrn und der Brüder 
sind das letzte Mittel, welches uns bleibt; aber wie wenden 
wir es an? Wenn wir Jesum unaufhörlich betrachteten; wenn 
wir Ihn unablässig im Worte durch den Geist suchten, so 
würden wir einigermaßen Seine Liebe und Sein göttliches 
Mitleiden verwirklichen können. Nur dadurch, und nicht 
indem wir, die Liebe betrachten, die in uns oder in irgend 
einem anderen Menschen ist, werden wir in der Liebe des 
Vaters und im Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit 
Gottes, im Angesicht Jesu Christi, bleiben (2. Kor. 4, 6). 
Die Liebe findet sich nur in Christo; es ist uns unmöglich, sie anders zu verwirklichen, als in der Gemeinschaft 
mit Ihm durch den Geist, welcher von Dem, was Christi ist, 
nimmt, um es uns zu geben. Wenn wir an der Quelle trinken, so werden Ströme des lebendigen Wassers von uns fließen. Wenn wir von Christo genährt werden, so verstehen 
wir alles, was uns mangelt, und alles, was in der Versammlung mangelt. Möge der Herr Selbst die Härte unserer Herzen brechen und unsere strafbare Selbstsucht überwinden, 
damit wir auch unsererseits an Seinen Gedanken und an 
den Leiden unserer geliebten Brüder auf der ganzen Erde 
teilnehmen und mit Vertrauen dem Ziel entgegen gehen 
können, indem wir wissen, daß Jesus, der Sohn Gottes, 
unser großer Hohepriester ist, welcher, nachdem Er in allem 
versucht worden ist, gleichwie wir, doch ohne Sünde, mit 
unserer Schwachheit Mitleiden haben kann. 
In diesen Gesinnungen, welche von oben sind, werden 
wir freudig unsere Schritte dem himmlischen Vaterland zu139 
zuwenden, indem wir unterwegs immer auf die Ruhe und 
die Befreiung warten, und beständig in der lebendigen Erwartung Seiner Ankunft dem Herrn entgegen gehen. 
Dann, meine Brüder, wenn Christus, der unser Leben ist, 
offenbart sein wird, werden wir in wahrer unvermischter 
Liebe verbunden sein. Dann werden wir uns wahrhaft in 
dem Herrn freuen und nicht mehr in Hoffnung. Indem wir 
warten, laßt uns suchen, was droben ist, wo unser Leben mit 
Ihm in Gott verborgen ist. „Denn noch um ein gar Kleines 
und der Kommende wird kommen und nicht verziehen." 

Die Liebe des Vaters 
Die Liebe zu erkennen, womit der Vater den Sohn liebt, 
ist eine gegenwärtige Segnung für uns; wir haben das Vorrecht, diese zu genießen. Wie muß es unsere Seele erquikken, wenn wir hören, daß die Liebe, womit die Heiligen von 
Gott geliebt sind, dieselbe ist, mit welcher Er Jesum liebt, 
— „w i e d u mic h gelieb t ha s t." Unsere Gemeinschaft 
mit dem Herrn in Herrlichkeit wird die völlige Offenbarung 
dieser Liebe sein, und dann wird es auch die Welt erkennen. 
Allein wi r sollten nicht warten, bis zu diesem Tage der Offenbarung; schon jetzt soll das Bewußtsein der Liebe Gottes 
durch den Geist unser Herz erfüllen und uns schon hienieden erfreuen und trösten. 
Wie hat sich nun die Liebe des Vaters gegen uns offenbart, meine Brüder? In der Gabe Seines Sohnes, als „Versöhnung für unsere Sünden." — Wer unter uns weiß dieses 
nicht? Aber wir können weiter gehen, und bekennen, daß 
der Geist uns fähig gemacht hat, an den Sohn zu glauben 
und Ihn anzubeten. Es wird wohl niemandem unter uns einfallen, zu denken, daß die Macht, an den Sohn zu glauben, 
von geringem Wert sei, als ob das menschliche Herz an und 
für sich dazu tüchtig wäre. Es gehört gewiß nicht zur Fähigkeit des menschlichen Geistes, die beste und gesegnetste 
Gabe Gottes, „de n Sohn " zu würdigen; und gewiß denken 
wir oft zu wenig an die Größe der Gnade, welche uns zum 
Glauben leitete. Doch laßt uns noch weiter gehen. Wir wissen alle, daß das Kommen des Herrn Jesu in diese Welt, 
nicht aus dem Menschen hervorgegangen ist; es war allein 
Gotte s Gabe . — Wir wollen jedoch nicht länger hierbei 
verweilen, und vielmehr einige Worte von der Liebe des Vaters zu dem Sohne, an welcher wir durch unsere Einheit mit 
140 
demselben so völligen Anteil haben, reden. Die Gnade, welche uns fähig machte, den Sohn aufzunehmen, macht uns 
auch tüchtig, immer mehr von der Fülle und Tiefe dieser 
Liebe zu verstehen. Die besondere Liebe des Vaters ist unser Teil. Ich spreche nicht davon, daß wir Christum haben, 
sondern von dem, was wir in Ihm haben. 
Wir lesen Johannes Kap. 17, 25. 26: „Gerechter Vater! und 
die Welt hat dich nicht erkannt. — Ich aber habe dich erkannt, und diese haben erkannt, daß du mich gesandt hast. 
Und ich habe ihnen deinen Namen kund getan, auf daß die 
Liebe, womit du mich geliebt hast, sei in ihnen und ich in 
ihnen." Hier ist von einer Liebe gesprochen, welche bei uns 
bleibt, weil wir an Jesum glauben und Ihn lieben. Wir wissen alle, daß wir den Herrn Jesum nicht lieben konnten, als 
nur durch den Geist; aber wenn wir Ihm, als unserem Heiland begegnet sind, wenn wir die Schönheit in Ihm, in welchem der Vater mit Lust und Wonne wohnt, gesehen haben, 
dann ruht auch unser Herz dort und begegnet der vollen 
Liebe des Vaters. Dies ist ein köstlicher Gedanke. 
In Johannes Kap. 16, 26. 27 lesen wir: „Ich sage euch nicht, 
daß ich den Vater für euch bitten werde. Denn der Vater 
selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und geglaubt habt, 
daß ich von Gott ausgegangen bin." Was will diese Stelle 
sagen? Will sie den Trost der Fürsprache des Herrn Jesu von 
uns wegnehmen? Gewiß nicht! sondern sie beabsichtigt, dies 
Gefühl aus unseren Herzen zu entfernen, als ob der Herr 
Jesus die Liebe des Vaters erst erwecken müßte. Er hat nur 
dem reichen Strom derselben, den Weg zu uns gebahnt. Es 
ist ein ganz falscher und sogar nachteiliger Begriff, zu denken, daß die Stellung des Herrn Jesu nur die sei, das Gericht eines zürnenden Gottes von uns abzuwenden. Die Liebe 
des Vaters konnte aber, das ist wahr, nicht eher völlig gegen 
uns ausströmen, bis das Werk des Sohnes für uns vollbracht 
war. Es kam aber die Gabe des Sohnes aus der Liebe Gottes 
hervor. „Hierin ist die Liebe: nicht, daß wir Gott geliebt 
haben, sondern daß er uns geliebt, und seinen Sohn, als eine 
Versöhnung für unsere Sünden gesandt hat." 
Das Bewußtsein der Liebe des Vaters gegen uns, macht 
unsere Herzen recht frei und glücklich und läßt uns Seine 
Gemeinschaft genießen. Solange aber dieses Bewußtsein 
nicht in uns verwirklicht ist, haben wir Furcht. Und wie 
können wir diese Liebe preisen und verherrlichen, wenn wir 
nicht überzeugt sind, daß sie reichlich vorhanden ist? Wir 
suchen alsdann der Gemeinschaft mit dem Vater mehr auszuweichen, als daß wir sie zu genießen trachten. Unsere 
Freude wird aber völlig sein, wenn wir verstehen, daß die 
14! 
Liebe in dem Herzen des Vaters, die Quelle aller Segnungen 
ist, und daß sie selbst, durch die Gabe des Sohnes, Sorge getragen hat, um ihrer reichen Strömung gegen uns freien 
Lauf zu lassen. Jetzt, nachdem die Gerechtigkeit Gottes 
durch das Opfer Christi völlig befriedigt ist, steht Seiner 
väterlichen Liebe und Zuneigung gegen uns nichts mehr im 
Wege. Jede Sorge, jede Bemühung für uns hat diese überströmende Liebe zur Quelle. 
Noch ein anderer Gedanke wird dann, wenn wir die vollkommene Liebe des Vaters gegen uns erkannt haben, sehr 
köstlich und gesegnet für uns sein. — Ehe unser geliebter 
Herr aus dieser Welt ging, vertraute Er uns Seinem Vater 
an. Wir lesen Joh. 17, 11 und ferner: „Heiliger Vater! be -
wahr e si e in deinem Namen, in welchem du sie mir gegeben hast.. . Ich bitte nicht, daß du sie von der Welt wegnehmest, sondern , da ß d u si e vo r de m Böse n be -
wahre s t." So sind wir also jetzt unter die besondere Obhut des Vaters gestellt; und wenn unsere Herzen geistlich 
genug sind, Seine Liebe zu erkennen und in Seiner Gemeinschaft voranzugehen, so werden wir überall der Fürsorge 
Seiner Liebe begegnen. Gott wollte einen Gegenstand hienieden haben, gegen den Er als Vater die ganze Fülle Seiner 
Liebe und Zuneigung ausströmen lassen konnte. Jesus war, 
als Er auf dieser Erde wandelte, allei n dieser Gegenstand; 
jetzt aber sind auch wir es, weil wir „angeneh m ge -
mach t sin d i n de m Geliebten. " Und der Vater hat 
darin, daß wir Ihm von Seinem geliebten Sohn anvertraut 
sind, sozusagen einen neuen Beweggrund für Seine Liebe 
und Fürsorge gegen uns gefunden; und wie sehr muß dies 
Bewußtsein unsere Herzen mit Freude und Trost erfüllen. 
„Jetzt aber komme ich zu dir und rede dieses in der Welt, 
damit sie meine Freude völlig in sich haben." 
Weiter: .. . „Wer mich liebt, der wird von meinem Vater 
geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbar machen" (Joh. 14, 21). — Hier sehen wir die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne, verbunden mit dem 
Gehorsam, — eine weitere Freude über die Liebe des Vaters, 
als Folge unseres Gehorsams. Der Gehorsam selbst aber muß 
das Ergebnis der Liebe sein; denn nur dann führt sie in den 
vollen Genu ß der Liebe des Vaters selbst ein. — War dies 
nicht die praktische Seite der Liebe, in welcher Jesus Selbst 
verharrte, als Er hienieden war; Er sagt: „Ic h hab e di e 
Gebot e meine s Vater s gehalten , un d bleib e 
i n seine r Liebe " (Joh. 15,10). Was ist dies anders, als 
die einfache Versicherung, daß, wenn wir gleicherweise 
durch die Kraft der Einheit mit Ihm also wandelten, wir die 
142 
volle Offenbarung dieser Liebe genießen würden. Aber 
dann wird natürlich die Frage in der Seele entstehen, ob der 
Ungehorsam diese Liebe hindert? — Dies eine glaube ich 
gewiß, daß die Offenbarun g des Vaters und des Sohnes 
in unserer Seele im Verhältnis zu unserem Gehorsam steht. 
Die Verwirklichung unserer Einheit mit Jesu zur rechten 
Hand Gottes wird den Gehorsam in uns wirken. Und dann 
wird jeder Schritt, den wir tun, jede Handlung der Liebe, 
jeder Ausdruck der Gnade in der Fürbitte für Andere, uns 
zu der weiteren Offenbarung der Liebe des Vaters den Weg 
öffnen. Die Seele wird durch Seine Liebe, womit Er uns so 
überströmend geliebt hat, fortgedrängt, und in einen weiteren Genuß derselben eingeführt. Es ist eine Handlung der 
Gnade Gottes, eine Seele zum Gehorsam vorwärt s z u 
treiben , und eine andere Handlung derselben Gnade, ihr 
auf dem Wege des Gehorsams z u begegne n und sie z u 
segnen . 
Wir sehen, daß die ganze Bürde der Gebote des Herrn 
Jesu darin besteht, daß wi r un s untereinande r 
lieben . Was ist aber der Charakter dieser Liebe, welche 
wir gegeneinander offenbaren sollen? — Derselbe Charakter 
den die Liebe Jesu offenbarte, — sich selbst zu verleugnen, 
sich selbst hingeben, arm werden, um andere zu bereichern, 
Dinge verlassen, nicht nur solche, welche verwerflich, sondern, wenn es sein muß, auch solche, die an und für sich 
ganz unschuldig sind. Der glückliche und heilige Lauf eines 
Christen besteht darin, in der Gemeinschaft Christi alle 
Dinge mit Verleugnung seiner selbst zu verlassen, wenn er 
dadurch Andern zum Heil, zur Stärkung und zum Gehorsam 
dienen kann. Dies ist der Weg, auf welchem er immer mehr 
das genießt, was auch Jesus genoß, — di e Lieb e de s 
Vaters . Ihr werdet mich nicht mißverstehen, teure Brüder, wenn ich sage, daß der gesegnete Sohn Gottes hienieden 
lernte, was Er, wenn ich so reden darf, nie so völlig hätte 
lernen können, nämlich: di e Lieb e de s Vaters . Hienieden in den Umständen der Schwachheit und der Prüfungen und der Drangsale lernte Er sie praktisch in einer Weise, 
wie Er es zur rechten Hand des Thrones Gottes nicht hätte 
tun können. Und hier inmitten der Stürme und der Versuchungen des Lebens, sind auch wi r berufen, den eigentlichen Charakter der Liebe des Vaters zu lernen. — Gerade in 
dem Tode, in der Angst des Herzens, und in der Hingabe 
Seiner Selbst, lernte der Herr Jesus diese eigentümliche 
Liebe des Vaters; und hier ist es auch allein, wo unsere 
Seele, wenn wir durch die Gnade auf Seinem Wege geleitet 
werden, die Eigentümlichkeit dieser Liebe, welche bei uns 
143 
bleibt, aus Erfahrung verstehen und kennen lernt. Wenn 
wir uns selbst vergessen, wenn wir bereitwillig sind, schwach 
zu sein, damit Andere stark werden, für Andere Schmach 
zu tragen, für Andere zu sterben, dann ist der Weg eines 
tieferen Verständnisses der Liebe Gottes für uns geöffnet; 
doch können wir in allen unseren Versuchungen nur glücklich sein, wenn wir mit Christo darin sind. 
Der Herr lasse uns, geliebte Brüder, die Fülle der Liebe 
Gottes immer mehr verstehen, welche ist in Seinem Sohne, 
und welche auch ewiglich bei uns bleiben wird. 
(Übersetzt» 
Einige Grundzüge der Geschichte Davids *) 
Die Einfachheit des Glaubens erhält den David in der 
Stellung der Pflicht und in der Zufriedenheit, ohne daß er 
aus dieser Stellung herauszukommen begehrt, weil ihm Gottes Billigung genügt. Hier rechnet er, infolge davon, auf 
Gottes Hilfe, als die ihm völlig sicher ist; er handelt nach 
dem Glauben. Der Löwe und der Bär fallen unter seinem 
Knabenarm. Waru m auch nicht, wenn Gott da war? In 
gleicher Einfalt folgt er dem Saul; dann kehrt er mit derselben Zufriedenheit zur Besorgung seiner Schafe zurück. 
Hier, im Verborgenen, hatte er durch den Glauben begriffen, daß Jehova mit Israel war; er hatte die Natur und 
Kraft dieses Verhältnisses verstanden. Er sieht in dem Zustand Israels etwas, was diesem Verhältnis nicht entspricht; 
aber für seine Person hält sein Glaube sich an Gottes Treue. 
Ein unbeschnittener Philister fällt ebenso wie der Löwe. Er 
dient dem Saul als Harfenspieler in derselben Einfalt wie 
früher. Mag er nun bei Saul sein, oder mag dieser ihn als 
Obersten über Tausend ausschicken: er legt die Probe seines 
Wertes ab. Er unterwirft sich den Befehlen des Königs. Endlich vertreibt der König ihn; aber David ist immer in der 
Stellung des Glaubens. Doch sind es nicht mehr Waffentatfn, sondern es ist die Unterscheidung dessen, was sich geziemt, als die geistliche Kraft in ihm, und das göttliche Ansehen äußerlich in anderen Händen war. David verfehlt sich 
gegen diese Stellung nicht. Die Schwierigkeiten dienen nur 
dazu, die ganze Schönheit der Gnade Gottes und die Früchte 
des Werkes des Geistes Gottes desto mehr hervortreten zu 
*) Aus den „Betrachtungen des göttlichen Wortes". 
144 
lassen, während sie zugleich auf ganz besondere Weise seine 
geistigen Zuneigungen und innigen Beziehungen zu Gott, als 
seiner einzigen Hilfsquelle, enthüllen. Dies ist es insbesondere, was zu den Psalmen Anlaß gegeben hat. Der Glaube 
genügt, um durch alle Schwierigkeiten der ihm angehörenden Stellung hindurchzuschreiten, und hier ist es, wo derselbe alle seine Schönheit und Gnade entfaltet. Der Adel 
des Charakters, den der Glaube dem Menschen verleiht, und 
welcher der Wiederschein des Charakters Gottes ist, bringt 
in den verhärtetsten Seelen, selbst in solchen, welche, nachdem sie Gott verlassen haben, von Ihm verlassen sind (ein 
Zustand, wo die Sünde, der Eigennutz und die Verzweiflung 
ihr Verhärtungswerk treiben), Gefühle natürlicher Zuneigung, Gewissensbisse hervor, die von einer Natur sind, welche erwacht unter dem Einfluß von etwas, was ihrer Bosheit überlegen ist, und was, da diese Natur nur augenblicklich und ohnmächtig ist, sein peinliches Licht auf die Finsternisse wirft, welche den unglücklichen Sünder umgeben, 
welcher nichts von Gott will*). Weil der Glaube sich nahe 
an Gott hält, um oberhalb des Bösen zu sein, entzieht er 
selbst der Natur ihre Macht, obwohl die Natur selbst keine 
hat, um sich zu beherrschen. Aber Gott ist mit dem Glauben; auch achtet der Glaube alles, was Gott achtet, und bekleidet den, welcher etwas von Ihm trägt, mit der Achtung, 
welche dem, was Ihm angehört, und was an Ihn erinnert, 
gebührt, mit der Zuneigung, die der Glaube auf alles überträgt, was von Gott ist, oder sich auf Ihn bezieht. Dies sieht 
man immer in Jesu und überall da, wo Sein Geist Sich befindet, und dies ist es, was so viel Schönheit, solche Erhabenheit dem Glauben gibt, welcher sich mit dem Adel Gottes 
adelt, indem er das anerkennt, was in Seinen Augen, und 
wegen seiner Beziehung zu Ihm edel ist, was auch immer 
die Ungerechtigkeit und der herabwürdigende Zustand derer, welche damit bekleidet sind, sein mag. Der Glaube handelt im Namen Gottes und offenbart Ihn inmitten der Umstände, anstatt von diesen beherrscht zu werden. Seine 
Überlegenheit über Seine Umgebung ist augenscheinlich. 
Welch eine Ruhe, ihn zu sehen, mitten unter dem Kot dieser 
armen Welt! Jesus ist der vollkommene Ausdruck davon. 
Aber, obwohl der Glaube in der Stellung, worin er uns in 
dieser Welt versetzt, für alles, welchem wir hier begegnen, 
genügt, — ach! die Gemeinschaft mit Gott ist nicht vollkom-
*) Dies tritt uns namentlich in der Gesinnung Sauls gegen 
David entgegen als dieser oul clf.r Flucht ist, und jener ihn 
veriolgt. 
24 145 
men in uns. Anstatt in allem, was es auch sei, unsere Pflicht 
zu tun, ohne zu ermüden, weil ja Gott mit uns ist; und anstatt, wenn wir den Löwen getötet haben, bereit zu sein, 
den Bären zu töten, und eben hierdurch noch mehr bereit, 
uns des Goliath zu entledigen; — ermüdet die Natur von 
den Kämpfen, wenn der Glaube durch die Siege gestärkt 
sein sollte; wir treten aus der wahren Stellung des Glaubens heraus, um uns herabzuwürdigen und uns selbst zu 
entehren. Welch ein Unterschied zwischen David, wie er, 
durch die Gnade, das Herz Saulus weinend macht, indem er 
die Kanäle seiner Zuneigung, für den Augenblick wenigstens, wieder öffnet, und zwischen dem David, welcher unfähig ist, seine Hand wider die, von ihm so oft geschlagenen 
Philister zu erheben, und der sich noch rühmt, daß er bereit 
ist, wider Israel und Saul, den er geschont hatte, zu kämpfen. 
Meine Brüder! Halten wir uns in der Stellung des Glaubens, welche dem Anschein nach schwieriger ist, aber wo 
Gott Sich befindet, und wo die Gnade, das einzige Köstliche 
in dieser Welt, blüht, und das Herz mit tausend Banden der 
Zuneigung an Gott knüpft, als Den, welcher uns erkannt, 
und Sich zu unseren Bedürfnissen und zu den Seufzern unserer Herzen herabgelassen hat. Der Glaube gibt Energie; 
der Glaube gibt Geduld, und oft entwickeln sich hier die 
köstlichsten Neigungen; Neigungen — welche, wenn die 
Energie des Glaubens uns auf der Erde dienen läßt, selbst 
den Himmel glücklich machen, weil Er, welcher deren Gegenstand ist, Sich dort befindet, und ihn vor dem Vater ausfüllt. 
Die Natur gibt uns Ungeduld über die äußern Umstände, 
weil wir Gott nicht genug verwirklichen, und sie reißt uns 
auf einen Boden fort, wo es unmöglich ist, Ihn zu verherrlichen. Andererseits ist es gut, zu bemerken, daß, nachdem 
der Mensch vollständig gefehlt hat, als der Glaube Davids 
selbst schwach geworden ist, und er sich unter die Philister 
gestürzt hat, indem er sich von Israel entfernte, Gott ihm 
das Königtum gegeben hat. Hoch über allen Fehlern ist die 
Gnade. Gott muß Sich Selbst in denen verherrlichen, welche 
Sein sind. 
146 
Gedanken über Psalm 1 
Jesus, der Sohn des Menschen, ist hier in Seiner Heiligkeit und persönlichen Vollkommenheit vorgestellt; dann 
aber auch in Seinen erlangten Segnungen: „Der ist wie ein 
Baum, gepflanzt an Wasserbächen" (Jer. 17, 7. 8). Seine Segnungen bestanden zunächst in Seiner Auferstehung, aber 
andere warten Seiner in Seinem Königreich oder in „dem 
Gericht". Dort werden die Gerechten Seine Segnungen teilen, 
während die Gottlosen nicht bestehen können. 
Dieser Psalm ist sehr köstlich für das gläubige Herz. Wir 
sehen hier, daß der gottselige Mensch einzig und allein der 
Gegenstand der Sorgen und der Leitung Gottes ist. Nichts 
zeigt sich hier, was die Ruhe und Sicherheit des Gerechten 
stören könnte, welcher seinen Weg unaufhaltsam verfolgt, 
um die Segnung zu erlangen. Und wie süß ist es, dieses 
Buch in solcher Weise beginnen zu sehen, indem es unseren 
Blicken den Anteil des gottseligen Menschen anweist, der in 
der Gunst Gottes allein sein Glück findet. Möchten doch unsere Seelen mehr und mehr dieses Glück kennen, welches 
ihre Kraft ist, um das Ziel zu erreichen! 
Gedanken über Psalm 2 
Hier fühlt man nicht mehr die milde Atmosphäre des 
vorigen Psalms; sie ist gänzlich verschwunden, weil die Welt 
in die Szene eintritt. Es ist nicht mehr die Vertraulichkeit 
Gottes und des gottseligen Menschen. In diesem Psalm begegnet man dem heftigen Widerstand einer gottlosen und 
verfolgenden Welt. 
„Leiden und Herrlichkeit", — das ist es, was wir hier 
haben: die Wut des Menschen gegen den Gesalbten Gottes, 
und dann: die Weise, in welcher sich Gott erhebt und Seinen Gesalbten triumphieren läßt. — Jesus, der Christus oder 
der Gesalbte Gottes, ist uns hier in Seiner Gnade und in 
Seiner Macht vorgestellt; wir treffen hier die Nichtigkeit 
der Anstrengungen derer, welche Ihm widerstreben, und 
das Glück derer, welche sich zu Ihm begeben. 
147 
Der Bund der Nationen und ihrer Könige gegen Christum, wovon hier geredet ist, kam zur Ausführung als Jesus 
gekreuzigt wurde (Apg. 4, 25. 26), und er wird gerichtet und 
bestraft werden, wenn Er kommt und von Seinem Königreich Besitz nehmen wird (Luk. 19). Aber im Grunde existiert dieser Bund noch immer. Obwohl dem Gericht übergeben, aber durch eine Wirkung der Langmut Gottes aufgespart, handelt der Zeitlauf dieser Welt immer nach den 
Wünschen und dem Verstand der alten Schlange, des Fürsten dieser Welt, der ein Lügner und Mörder ist von Anfang 
(1. Mos. 3). 
Dieser Bund möchte gern Gott entthronen; aber Der, 
welcher in den Himmeln wohnt, lachet ihrer listigen Anschläge. Mit welcher Macht drückte dieses die Tat des Engels aus, indem er den Stein von der Tür des Grabes Jesu 
wälzte und sich darauf setzend, den Schrecken und das Urteil des Todes in die Herzen derer warf, welche die Wache 
hatten (Matth. 28,2.4). Was war dieses anders, als daß der 
Herr im Bunde erklärte, daß Er ihrer lache? Allein es war 
mehr als dieses. Der Ratschluß Gottes ist der große Gegenplan wider den der Gegner; und dieser Ratschluß, welcher 
hier durch den Herrn Selbst geoffenbart wird, zeigt uns die 
Eigenschaft des Sohnes und diejenige des Erben. Nun, als 
Sohn Gottes ist Er bereits in Kraft erwiesen (Röm. 1, 4; Apg. 
13, 30-39); was die Erbschaft betrifft, so wird sie Ihm bald 
in der Herrlichkeit gegeben werden. 
Wenn wir diese beiden Psalmen zusammen betrachten, so 
zeigt uns der erste Jesum unter dem Gesetz, erprobt von 
Gott und erwerbend den Segen durch Seine Gerechtigkeit; 
in dem zweiten sehen wir Jesum als Zeugnis oder als Gesalbter dem Widerstand des Menschen ausgesetzt, aber durch 
Gott erhoben, befestigt Er den Segen derer, welche Ihm angehören. 
148 
„Eins aber tue ich" 
(Phil. 3) 
Es gibt zwei Dinge, durch welche uns Gott mit Sich 
Selbst verbindet und Sich in der Welt ein Zeugnis aufrichtet: da s Lebe n Christ i I N de r Seele , un d di e 
Gegenwar t eine s verworfene n un d verherr -
lichte n Christu s VO R de r Seele . — Jedes wahrhaftige Zeugnis für Christum in einer Welt, die Ihn verworfen hat, und jeder wahrhaftige Dienst für Seinen Namen,— 
d. i. die wirklich lebendige Kraft des Christentums in der 
Welt — ruht auf diesem einfachen Grunde. 
Dies sage ich nicht deshalb, weil es eine anerkannte 
Wahrheit ist, sondern wegen des Bedürfnisses der gegenwärtigen Zeit, wo es für den Geist so erforderlich ist, von 
den gesammelten menschlichen Gedanken, zu Gottes einfacher Kraft eines lebendigen Christentums zurückzukehren.— 
„Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit", drückt 
unendlich mehr aus, als eine Lehre oder ein Dogma. Es ist 
der einfache Beweis einer lebenden und wirksamen Kraft in 
unseren Herzen. 
Nichts ist falscher in der Christenheit, als der Begriff 
über „die Nachfolge Christi". Ein einziger Satz einer Epistel 
lehrt in dieser Beziehung weit mehr, als ganze Werke von 
„Kempis". — „Christus muß i n mi r leben" , wenn ich 
w i e Christus oder fü r Christum leben will. Alles andere 
ist beklagenswerte Nachahmerei; ja es ist noch mehr: Es ist 
gleichsam, Christum vor der Welt lächerlich machen, durch 
einen Versuch, Ihn darzustellen, während Sein wahrer Charakter und Seine Herrlichkeit unbekannt sind. 
Denn was war Christus in Seinem moralischen Wandel 
in dieser Welt? Und was ist Christus, als verachtet und verworfen von der Welt, und um in Herrlichkeit geoffenbart zu 
werden? Ich spreche nicht von Seiner wirklichen Gottheit, 
welche alle Orthodoxen zugeben, indem sie Seinem Opfer 
die Wirksamkeit und den Wert ihrer himmlischen Hoffnungen zuschreiben. Aber die gesegnete Person Christi und 
Seine Herrlichkeit haben einen anderen Anblick als dieses; 
und Sein Kreuz hat eine andere Kraft. „Um ih n z u ken -
nen " offenbart uns das erste, und „durc h welche n 
i c h de r Wel t gekreuzig t bin" , leitet zu dem anderen. 
149 
Aber was war die moralische Darstellung des Lebens 
Christi auf der Erde? Es war ein Leben, in welchem jede 
Handlung, jeder Beweggrund, jedes Gefühl und alle Liebe 
völlig von oben, vom Himmel war, — ein Leben, welches das 
völligste Gegenstück von all dem war, was von unten, von 
dieser versunkenen und verdorbenen Welt ist. Ich spreche 
nicht von der moralischen Erhabenheit des Charakters 
Christi, welcher auch die Bewunderung der Ungläubigen 
gewann, und wovon sie zu ihrer eigenen Verdammnis ausgesprochen haben, daß Er göttlich sei; sondern ich spreche von 
dem Lebensbild in seinen Einzelheiten, welches die Evangelien von Seinem Alltagsleben entwerfen, wo Er als der Geliebte und von Gott Anerkannte, aber von der Welt Verachtete und Verworfene dasteht. Wie kann ich nun berufen 
sein, dieses Leben darzustellen, und wie kann ich meinen 
Platz mit Ihm in Beziehung zu der Welt einnehmen, wenn 
ich nicht durch Seine Gnade Seine Stellung mit Ihm im 
Himmel eingenommen habe? Und wie kann ich es, wenn 
nicht alle Quellen des himmlischen Lebens und der himmlischen Gemeinschaft und des ewig bleibenden Friedens und 
der wahren Freude mein sind? 
Dies aber ist die wahrhaftige Kraft des Christentums; 
und es ist das, was das volle Herz Christi Seinen Jüngern 
entfaltet. — Verworfen von der Welt, hat Seine Liebe auch 
sie als bleibendes Zeugnis für Gott in die Welt gestellt, während Er abwesend ist. — Er bereitet (Joh. 14) für sie eine 
Heimat im Himmel, und sie sind Seiner Rückkunft versichert. Sie haben eine gewisse Erkenntnis des Vaters, welchen sie in Ihm gesehen und erkannt haben; sie haben eine 
unbeschränkte Zuversicht, in Seinem Namen zu bitten, und 
Seine eigene Liebe als Pfand für die Erfüllung jeglicher Verheißung. Die Gegenwart eines anderen Sachwalters, welcher 
nicht so sehr die Kraft des Zeugnisses, als der Gefährte 
ihrer Einsamkeit ist, offenbart ihnen die unaussprechliche 
Tiefe der Einheit des Vaters mit dem Sohne und ihre eigene 
lebendige Einigung mit Ihm, so daß hinfort ihr Leben mit 
dem Seinigen eins ist: „Weil ich lebe, sollt auch ihr leben." 
Und schließlich, obwohl dies nur ein schwaches Bächlein der 
überströmenden Quelle ist, sagt Er ihnen, daß Seine Stelle 
in der Welt nun die ihrige geworden sei; — aber inmitten 
der Kälte, des Hasses und des Spottes der Welt, nicht ohne 
„seinen Frieden" und die Gegenwart Seiner Liebe, um ihre 
gehorsamen Herzen, während sie in die Welt, welche nicht 
ihr Ruheort ist, gesandt sind, zu erfreuen. 
Dies ist der kurze Inbegriff eines Christen-Laufes in der 
Welt: „Wer da sagt, daß er in ihm bleibt, der ist schuldig, 
selbst auch so zu wandeln, wie e r gewandelt hat." Mögen 
150 
unsere Herzen auf dem einzigen Wege, auf welchem es gelernt werden kann, ihre himmlische Kraft lernen! „Das 
Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft." Wer 
irgendein Herz für Christum hat, kann das Bild des Apostels „Nachfolge Christi", wie es im dritten Kapitel des PhiHpper-Briefes entworfen ist, nur mit Bewunderung anstaunen. Aber in der Tat, nur wenige haben das Geheimnis 
jener gesegneten Stellung, Seine Nachfolger zu werden, wie 
er Christi, ergründet. — Vielleicht ist schon ein jeglicher 
in einer gewissen Lebensperiode freiwillig ein Held gewesen; aber im Christentum, — ach! wie geneigt sind wir da, 
Christo mehr durch Vorsätze, als in der Tat zu leben. Es 
ist eine seltene Darstellung des Evangeliums, einen Menschen zu sehen, dem es völlig darum ging: „Ein s zu tun." 
Laßt uns nicht nur die Beweggründe anschauen, welche 
den Apostel leiteten, den Charakter und das Leben Christi 
darzustellen; denn zu oft vermißt man, indem man bei diesen Beweggründen stehen bleibt, was der Geist in dem Apostel zu enthüllen beabsichtigte, welches augenscheinlich hier 
nicht das Resultat, sondern die verborgene Quelle eines Lebens ist, welches eine unbegrenzte Heiligung zum Gegenstand hatte. Was er in seinem Laufe hingibt und welchen 
Wert er auf gegenwärtige Dinge setzt, ist uns vorgestellt, 
und seine zukünftige Erwartung ist ebenfalls zu finden; und 
er konnte sagen: „Unser Wandel ist in den Himmeln", — was 
viel gesagt ist, wenn die Kraft dieses Ausdrucks verstanden 
wird. Er konnte ferner hinzufügen: „woher wir auch als 
Heiland den Herrn Jesum Christum erwarten", — was den 
heiligen und himmlischen Charakter seiner Hoffnung stempelte. Aber sein Schmerz war ungemildert, wenn er daran 
dachte, daß „das Kreuz Christi" mit niedrigen Zwecken 
„durch Irdischgesinntsein" verknüpft wurde. 
Doch wie erreichte er diese Höhe, und was setzte oder 
hielt diese himmlischen Sympathien in Bewegung? Es gibt 
nur einen einfachen und unveränderlichen Beweggrund, sei 
es im Anfang, sei es bei der Fortsetzung, oder sei es am 
Schluß seines Laufes. Der Ausgang oder das Resultat ist so 
einfach wie sein Anfang oder Ursprung. War Christus der 
Anfang oder Ursprung seines Tuns, so war auch das Ende 
desselben nur Christus. 
Es war die Offenbarung Christi in seiner Seele, welche 
ihn zuerst von der Welt, von sich selbst und von alledem, 
was ihm Gewinn war, losmachte; und es war derselbe ungetrübte Anblick Christi, welcher ihn in einem unverlöschlichen Eifer der Liebe erhielt, um Ihm auf dem Pfade der 
Verwerfung zu folgen, und sich in unermüdlichem Dienst, 
inmitten einer gefühllosen und feindlichen Welt dem, was 
151 
Christo teuer war, zu widmen. Es war einzig und allein derselbe gesegnete Christus in Herrlichkeit, welcher die Zukunft seiner Seele erleuchtete, und welcher den Horizont 
seiner ernsten und unfehlbaren Hoffnung erfüllte. „Unser/ 
Wandel ist in den Himmeln; von woher wir auch als Hei-! 
land Jesum Christum erwarten", spricht von Dem, auf wel^ 
chen sein Auge gerichtet war. „Um ihn zu kennen", offerfbart den einfachen Strom des ersten und letzten Eifefs 
seines Herzens, worin er ganz und gar versunken war. / 
Aber ist dies der Christus, Den w i r kennen? Ist es dieselbe Sonne, welche die Tage der ernsten Arbeit Paulus Erwärmte, erfreute und erleuchtete, welche auch jetzt für uns 
scheint? Oder glühte sie in den Tagen des Apostels in ihrem 
Scheitelpunkt, während deren Strahlen durch die Länge der 
Zeit uns jetzt nur schräg erreichen können? Oder sind unsere Herzen in der Welt alt geworden, und wollen sie uns in 
ihrer schwachen und gelähmten Bewegung sagen, daß die 
Zeit für sie vorüber sei, um unter ihrer zeugenden Glut Leben zu erwecken? Es ist dem nicht so; aber wir haben den 
Scheitelpunkt, von wo Er noch immer Seine heißen Strahlen 
sendet, verlassen, und sind in den Nebel, und die Dünste, 
und die Feuchtigkeit der morastigen Ebenen hier unten hinabgesunken. 
„Jesus Christus gestern und heute und in die Zeitalter 
derselbe", ist eine Wahrheit, welche das Herz befestigen 
kann, wenn alles ringsumher das Zeichen des Verfalls an 
sich trägt, und alles, was den Namen Christi trägt, sich 
schnell zu der Lauheit und der Verwerfung der Laodicäer 
neigt. Christus will aber ein Zeugnis in der Welt haben, bis 
Er wiederkommt. Und die Wahrheit, daß Elias ein Mensch 
von gleicher Beschaffenheit war, wie wir, möge das einsam 
hinschmachtende Herz zu dem Gott des Elias hinwenden, 
trotz der Abtrünnigkeit Israels, der Gottlosigkeit Ahab's 
und der Verderbnis Isabels. 
Der Ausdruck: „kein Vertrauen auf Fleisch haben" ist der 
leitende Zug in dem oben angeführten Kapitel, der bei unserer Nachfolge nicht übersehen werden darf. Es ist die 
Rückseite der Denkmünze, welche auf der andern Seite die 
Inschrift hat: „Unser Wandel ist in den Himmeln." 
Nur die völlige Offenbarung eines gekreuzigten und verherrlichten Christus, eines Christus, den Seine Liebe von des 
Himmels Herrlichkeit zu „des Todes Raub" für uns brachte; 
eines Christus, den die Welt verworfen hatte, und der uns 
nun vom Throne unseres Gottes nach oben zu Seiner Herrlichkeit winkt, kann diese Wirkung in uns hervorbringen: 
„kein Vertrauen auf Fleisch zu haben"; und diese Offenbarung, wenn sie in der Seele wahr und klar ist, kann und 
152 
tut es allein. Gleicherweise entfernt sie die Forderungen 
und Ansprüche eines selbstgerechten und sündigen Ichs. 
Sie kann und muß es tun, weil „nicht ich lebe, sondern 
Christus in mir lebt." 
Es ist nicht die Welt, weder in ihrem Reichtum, noch in 
ihrer Annehmlichkeit, noch in ihrem Ruhm oder ihrer Achtung, welche hier hervorragt. Sie ist eine von den Gedanken 
des Apostels so entfernte Sache, die so gänzlich allen Halt, 
welchen sie auf seine Neigungen hätte machen können, verloren, daß er bloß Tränen hat, wenn er jene erwähnt, die 
sich einbildeten, daß sie einen Augenblick mit dem Kreuze 
vereint werden könnten. Er fügt einem solchen Gedanken 
die ernste Erklärung bei, „daß die, welche irdisch gesinnt 
sind, die Feinde des Kreuzes Christi seien." Dieser Mehltau 
der Christenheit, welcher sich beinahe auf alle, die jetzt den 
Namen Christi tragen, so dicht gelegt hat, wurde von dem 
Apostel nur als etwas erkannt, was im völligsten und tödlichsten Widerstand zu dem Kreuze war. Und sein entschiedenes Urteil darüber ist in dem kurzen Ausdruck enthalten: 
„Ich bin der Welt gekreuzigt, und die Welt ist mir gekreuzigt." 
Aber in diesem „kein Vertrauen auf Fleisch haben" liegt 
alles, was das Fleisch nur als irgend einen Gewinn betrachten könnte, seien es die Dinge der Welt, Reichtum und Ehre, 
oder sei es der Gottesdienst des Fleisches und was damit zusammen hängt; und dies alles hat er um Christi willen für 
einen Verlust geachtet; ja alles, was er um Seinetwillen verloren hat, achtet er im Vergleich zu Seiner überschwenglichen Erkenntnis nur als einen Haufen Kot. 
„Die Gerechtigkeit, welche aus Gott durch den Glauben 
ist"; „die Gerechtigkeit, welche durch den Glauben an Christum kommt", setzt gänzlich die Selbstgerechtigkeit, oder 
das, was vom Gesetz kommt, beiseite; und das „in ihm befunden zu werden", während die Macht der Auferstehung 
Christi ihn durch ein Leben von Leiden hindurchführt, ist 
der alleinige „Weg zu der Auferstehung aus den Toten." 
Wenn er dem Tode Christi gleichgestellt zu sein wünscht, so 
ist es, weil er darin den moralischen Pfad zur Herrlichkeit 
sieht, wohin seine Seele eilt, wie der Laufende nach 
seinem Ziel. 
Sein Leben im einzelnen, inmitten solch sehnlicher 
Wünsche, solcher Verachtung der Welt, solch himmlischer 
Beweggründe, war in gewisser Beziehung gewöhnlich genug: 
Es hatte bloß diesen Vorzug, daß die Welt in dem Maße, in 
welchem seine Seele Himmel und Herrlichkeit, Christum, 
besaß, auf ihn Verachtung, Spott und Verfolgung brachte. 
153 
„Bis auf die jetzige Stunde leiden wir sowohl Hunger als 
Durst, und sind nackt, und leiden Backenstreiche und haben 
keine bestimmte Wohnung, und bemühen uns, mit eigenen 
Händen arbeitend. Werden wir geschmäht, — wir segnen; 
verfolgt, — wir dulden; gelästert, — wir bitten. Wir sind 
wie Auskehricht der Welt geworden, ein Auswurf aller bis 
jetzt." Aber seufzte er deshalb, weil er so ganz von der Welt 
ausgestoßen wurde? Nein; er hatte weder Zeit noch ein Herz 
daran zu denken, ausgenommen, wenn schwankende Seelen, 
die noch an der Welt hingen, es nötig hatten, ermahnt zu 
werden, daß derjenige, welcher die Herrlichkeit des Himmels besitzt, durch der Welt Spott ging, und daß unser Gott 
uns zu demselben Erbe „durch Herrlichkeit und Tugend" 
berufen hat. 
E i n Ziel hatte er vor Augen, eine n Gegenstand und 
eine r allein begrenzte seinen Blick — „Unser Wandel ist in 
den Himmeln, woher wir auch als Heiland Jesum Christum 
erwarten" — und obgleich jeder Schritt ihn näher brachte, 
so glaubte er doch noch nichts erreicht zu haben, solange 
dieses noch vor ihm war. 
Seine eigene, sowie der Versammlung Verwandtschaft 
mit Christo hatte er völlig erkannt; der letzte Gegenstand, 
für welchen Christus ihn ergriffen hatte, war jetzt unverrückt vor seinem Geist, und weder Glück noch Unglück 
konnte ihn abhalten, demselben nachzujagen, bis er ihn ergriffen hatte. „Nicht, daß ich es schon ergriffen habe . . . 
Eins aber tue ich, das, was hinter mir liegt, vergessend, 
strebe ich, das vorgesteckte Ziel immer anschauend, hin zu 
dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo 
Jesu." Aber ist er zufrieden, allei n in diesem feurigen 
Laufe zu stehen? Nein! Er streckt seine freundliche Hand 
zu denen aus, welche aus Schwachheit zurückbleiben, und 
er ruft ihnen zu: Vorwärts! Vorwärts! „Werdet zusammen 
meine Nachfolger, Brüder!" Und er wirft auch einen 
schmerzlichen Blick auf die, welche in ihrem Lauf „durch 
Irdischgesinntsein" eingehalten haben. Er weint über ihren 
Zustand, und traurig spricht er die warnenden Worte aus: 
„Sie sind die Feinde des Kreuzes Christi . . . ihr Ruhm ist 
ihre Schande." Aber er kann sich selbst nicht aufhalten. Er 
wischt die Tränen ab, welche, als er herniederblickt, seine 
Augen durch Betrübnis verdunkelten; und indem er aufwärts- und vorwärtsschaut, wird sein Angesicht von der 
herrlichen Hoffnung wieder glänzend, und er ruft aus: „Unser Wandel ist in den Himmeln, von woher wir auch als 
Heiland den Herrn Jesum erwarten, der den Leib unserer 
Niedrigkeit umgestalten wird, daß er dem Leib seiner Herr154 
lichkeit gleichförmig sei, nach der Wirkung, womit er vermag, auch alle Dinge sich untertänig zu machen." 
Geliebte Brüder in dem Herrn! Ist dies der einfache 
Charakter des Christentums, zu dem wir uns bekennen? Ist 
Christus so einzig und allein der Gegenstand unserer Seelen, daß wir durch Seine Kraft alles, woran wir uns hier gehängt haben, alles, was uns umstricken und uns vom Kreuze 
wegziehen will, alle Pläne und Erwartungen, alle Furcht 
oder Hoffnungen für die Zukunft fahren lassen können? Für 
das Herz des Apostels war Christus alles . — O, möchte 
die köstliche Gnade dieses Gottes, welche ihn von seiner 
Mutter Leib abgesondert und durch Seine Gnade berufen 
hat, indem es Ihm wohlgefiel, Seinen Sohn in ihm zu offenbaren, damit er Ihn unter den Nationen verkündigte; — 
möchte diese köstliche Gnade Ihn auch uns zum einzigen 
Gegenstand unserer Seelen machen, damit Er in unserem 
Herzen völlig offenbart und wieder hergestellt werde. Leider 
geht so oft das Maß unserer Gottseligkeit, das Lesen der 
Schrift, unser Gebet, unsere Selbstverleugnung, nicht über 
das eigene Ich, oder doch nicht über die Grenzen des Dienstes, welche sich das Herz für Christum vorgesetzt hat, hinaus. Diese Dinge sind zwar notwendig, um unseren christlichen Charakter zu behaupten, und das Herz zu bewahren, 
daß es durch den Strom der Welt nicht fortgetrieben werde; 
aber dies ist noch „kein Wandel in den Himmeln"; Christus 
erfüllt nicht ganz und gar unsere Herzen; wir können nicht 
mit dem Apostel sagen: „Eins aber tue ich!" 
Es gibt eine Hand, welche jeden Flecken von unseren 
verdunkelten Augen wegnehmen kann, um uns mit aufgedecktem Angesicht, wie in einem Spiegel, die Herrlichkeit 
des Herrn schauen zu lassen, und um in dasselbe Bild von 
Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt zu werden, als 
durch den Herrn den Geist; — und dann, ja dann allein, 
werden wir sagen können: „Ein s abe r tu e ich! " 
(Übersetzt) 
155 

Trost in der Wüste 
„Lasset uns den vor uns liegenden Wettlauf mit Ausharren laufen, von allem absehend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher für die ihm 
vorliegende Freude das Kreuz erduldete und der Schande 
nicht achtete, und sitzt zur Rechten auf dem Throne 
Gottes" (Hebr. 12, 2). 
Die vielen Versuchungen dieses Lebens, die Leiden mannigfacher Art bewirken in unserer Seele ein starkes Bedürfnis nach Trost von oben, um auf dem so rauhen Weg 
durch diese Wüste immer weiter fortwandeln zu können. 
Und Er, der so überströmend nicht allein nach unseren Bedürfnissen, sondern nach der Fülle Seines allgütigen Herzens darreicht, gibt nicht nur das, was für den Augenblick 
erhalten, lindern und befähigen kann, um weiter vorwärts 
zu dringen, sondern Er verleiht auch neue Kraft und neues 
Leben, wodurch wir unsere Pilgerreise mit größerer Freudigkeit und erneuertem Mut fortsetzen können. Gern 
möchte ich hier einige Gedanken über den Segen des 
Kampfes und der Leiden in dieser Wüste niederschreiben. — 
1. Unser e Herze n werde n durc h dieselbe n 
z u m Gehorsa m gebracht . — Eine aufrichtige Seele 
wird immer besser verstehen lernen, daß die vielfachen 
Segensbezeugungen des Herrn ihren Grund in Seiner Liebe 
haben, und daß sie stets unserem besonderen Bedürfnis 
hienieden in der Wüste entsprechen. Hier ist der Ort des 
Kampfes und der Leiden. Und wir werden nie wieder Gelegenheit haben, Glauben, Liebe und Gehorsam i n Prü -
fungen zu beweisen, weil diese nicht dem Himmel angehören. Dort werden Liebe und Gehorsam ihren freien und 
ungehinderten Lauf haben; aber hier gibt es fortwährend 
etwas zu bekämpfen und zu besiegen. Darum ist es auch 
die gegenwärtige Zeit, in welcher wir vor Engeln, Teufel 
und Menschen beweisen können, daß eine solche Gesinnung 
dem Herzen Gottes Freude bereitet, und daß gerade jetz t 
ein stiller, friedlicher, heiliger und gerechter Wandel so 
großen Wert in Seinen Augen hat, um so mehr, da demselben so vieles entgegen ist. — 
2. Kamp f un d Leide n habe n de n Zweck , un s 
i n tiefer e Bekanntschaf t mi t Got t einzu -
führen . — Nur in diesem Zeitraum unseres Lebens ist es 
uns möglich mit der Barmherzigkeit, der Langmut, der 
156 
Liebe, der Fürsorge, dem Mitgefühl und der Bewahrung unseres Gottes in besonderer Weise vertraut zu werden. Wie 
könnten wir dieses alles auch besser kennen lernen, als in 
unseren mannigfachen Nöten? Denn wir wissen, daß wir 
es im Himmel, wo nur Freude und Wonne herrscht, nicht 
können; und daß es nur hier ist, wo Gott mit liebender 
Sorgfalt und Barmherzigkeit in jedes Leiden, das uns trifft, 
eingreift. — Seine süßen Trostworte, Sein Herz voll Mitleid 
und Seine treue und segnende Hand erhalten, stärken und 
tragen uns durch alles hindurch. Selbst in der Herrlichkeit 
droben, wo eine ununterbrochene Glückseligkeit herrscht, 
eine persönliche Vertrautheit mit der göttlichen Natur und 
ihrem Wesen stattfinden wird, haben wir keine solche Gelegenheit, unseren Gott auf eine solch e Weise kennen zu 
lernen. Diese Wüste allein mit ihren mannigfachen Versuchungen gibt uns diese kostbare Gelegenheit. Und ich 
glaube fest, daß wir in der Freude des Himmels durch alle 
Zeitalter hindurch mit Anbetung und Dankbarkeit des 
Kampfes und der Leiden gedenken werden, die uns unseren 
Gott in der Wüste so teuer machten. — 
3. Durc h di e Leide n werde n wi r z u de r Ver -
wirklichun g de r Gesinnun g Gotte s imme r 
meh r zubereitet . — In dieser Wüste allein haben wir 
Gelegenheit, bei den Leiden Anderer Nachahmer unseres 
Gottes zu sein, sowohl in Seiner herzlichen Güte und Seinem liebevollen Erbarmen, als auch in Seinem innigen Mitgefühl; hier allein in den schweren, zeitlichen Verhältnissen 
haben wir Gelegenheit, unserem Gott in der Geduld, Milde 
und Liebe gegen die Feinde nachzufolgen. Sollten wir, dies 
wissend, nun wohl wünschen können, den Prüfungen zu 
entgehen, und nicht vielmehr in dieser Zeit der Langmut, 
Barmherzigkeit und Gnade Gottes stets nach einer innigeren Gemeinschaft mit Ihm trachten? — Ach! wie wenig erkennen wir noch die unsichtbare Kette, durch welche unser 
Leben und Wandel hienieden mit der zukünftigen Herrlichkeit in Verbindung steht! — 
4. Got t gib t Sic h un s imme r meh r un d meh r 
i n de n Leide n z u erkennen . — Nur in den Trübsalen dieses Erdenlebens hat unser Gott die Freude, uns zu 
trösten; nur hier vermag Er vor Engeln und Menschen diese 
beglückenden, segensreichen Züge Seines Charakters zu enthüllen, welche sonst für immer verborgen blieben. Deshalb 
können wir so getrost und guten Mutes in allen Versuchungen sein, weil diese unserem treuen Gott ja die kostbare 
Gelegenheit geben, Sich in Seinem herrlichen Wesen an uns 
mehr und mehr zu offenbaren, und durch welche Er unseren Herzen immer teurer wird. Es gereicht selbst den 
157 
Engeln zu größerer Wonne und Glückseligkeit, diesen 
Schauplatz unaussprechlicher Segensbezeugungen zu sehen, 
wodurch auch sie eine besondere Erkenntnis ihres herrlichen 
Schöpfers erhalten, auf welche sie stets mit erneuerter Bewunderung, Anbetung und Entzücken hinblicken. Sie sind 
aber nicht, gleich uns, in solchen Verhältnissen, durch welche 
jene herrlichen Eigenschaften Gottes in lebendiger Erfahrung erkannt werden. — Gewiß aber erscheint unserem Gott 
diese Zeit sehr wichtig; und wie wichtig würde sie uns erscheinen, wenn wir besser deren ganze Tragweite auf die 
Zukunft verständen? Und selbst wie unbedeutend würden 
wir unsere Leiden und Trübsale ansehen, wenn wir stets 
daran dächten, was es dem Herzen unseres Gottes gekostet 
haben muß, sechstausend Jahre lang diesem Ärgernis des 
Satans durch die Menschen zuzusehen. Betrachten wir im 
Glauben, was geschrieben steht, wie die Sünde vor der 
Sündflut überhand nahm, wie dieselbe zuletzt zu einem 
solchen schauderhaften Grad heranwuchs, daß Gott in Seinem Herzen darüber erzürnt wurde und die Welt vertilgte. 
Dann wieder zu der Zeit des Ausgangs des Volkes Gottes 
aus Ägypten bis zu dem Augenblick, wo sie den Jordan erreichten. Gott Selbst spricht hierüber: „Vierzig Jahre verdroß mich dieses Geschlecht" (Ps. 95,10). Und wiederum sagt 
der Psalmist: „Wie oft empörten sie sich über ihn in der 
Wüste und erzürnten sein Herz in der Einöde" (Kap. 78, 40). 
Und als Jehova sie endlich nach Kanaan gebracht und ihnen 
das gute Land zum Eigentum gegeben hatte, wie oft lesen 
wir davon in den Propheten, in den Königen und in den 
Psalmen, wie sie Jehova in dem Lande, das Er ihnen gegeben, „versuchten" , — „betrübten" , — „reiz -
ten " und „Ärgerni s gaben" , — bis Er Sich endlich 
genötigt sah, sie hinauszustoßen? — Und als der Gesalbte, 
der Heilige, zuletzt Selbst erschien, wieviel hat es da dem 
Herzen des Vaters gekostet, Seinen Sohn zu opfern, Seinen 
Geliebten, an welchem Er Sein Wohlgefallen hatte, hinzugeben, weil auf keine andere Weise Rettung für uns war? 
— Und von dem Pflngstfest bis zu der heutigen Stunde ist 
dem Heiligen Geist widerstrebt, Seinem segensreichen Wirken entgegengearbeitet und Sein Zeugnis verschmäht und 
verworfen worden. Seit dem Sündenfall bis zu dem heutigen 
Tag ist die Welt durch den Satan ein Schauplatz des Leidens für Gott, den Vater, Gott, den Sohn, und Gott, den 
Heiligen Geist, geworden. — Ist es nicht wunderbar, daß 
der allmächtige Gott, der Herr des Himmels und der Erde, 
durch Geschöpfe wie wir, erfreut oder auch betrübt werden 
kann? — Welche alles übersteigende Wahrheit, daß Er mit 
dem Menschen, den Er aus dem Erdenklos gebildet hat, in 
eine solche enge Verbindung treten wollte, daß Er leidet , 
158 
wenn sie leiden, Sich freut , wenn es ihnen wohlgeht; und 
daß Freude im Himmel ist (bei allen Engeln) über eine n 
Sünder, der sich bekehrt (Luk. 15, 10). Lesen wir nicht, wie 
Sein Herz froh ist, wenn wir weise vor Ihm wandeln? (Spr. 
27,11) wie Er frohlockt, wenn wir Gutes reden? (Kap. 23,16) 
wie unser Gebet Ihm wohlgefällt? (Kap. 15, 8) und wie unsere Lobpreisungen Ihn verherrlichen? (Ps. 50, 23). Ach! wie 
wenig wissen wir von unserem herrlichen Gott; denn sonst 
würde Er zu jeder Zeit in unserem Herzen sein, und in zunehmender Erkenntnis würden wir nur für Ihn leben. Was 
auch dann unser Weg hienieden sein möchte, wieviel Dornen 
und Unebenheiten sich auch auf demselben befinden würden — der Laut des teuren Vaternamens würde immer in 
unseren Herzen innige Liebe hervorrufen. Doch wie wenig 
verstehen selbst die Geistlichen und Geistreichen unter uns 
von der Fülle, die in Ihm ist, durch welche wir nur befähigt 
sind, des Apostels Ermahnung an die Philister ganz zu fassen und in unserem Leben zu verwirklichen: „Freuet euch 
in dem Herrn allewege; und abermals sage ich: Freuet euch!" 
5. Kamp f un d Leide n führe n z u de r Ver -
herrlichun g Seine s Namens . — Noch eine kurze 
Zeit und alle Sünde, alle Traurigkeit, alles Leiden wird für 
immer von der Erde verschwunden sein. Wir sind dann die 
Gefährten Seines herrlichen Triumphs, nämlich dann, wenn 
Er, das Haupt der Versammlung, das Loblied anstimmen 
wird, wie von Ihm geschrieben steht: „Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen" (Hebr. 2,12). Dann werden 
gewiß auch alle jene Beweise der errettenden, hilfreichen 
und tröstenden Liebe, die wir während unseres Pilgerlebens 
hienieden von Ihm erfahren haben, nicht vergessen sein. — 
Ja, dann erst werden wir dieselben, in ihrer durch alle 
Zeiten hinlaufenden Bedeutung, wahrhaft verstehen. Der 
Anführer unseres Heils, welcher durch Leiden zur Vollkommenheit gebracht ist (Hebr. 2, 10), wird Seine Gelübde erfüllen (Ps. 116,14; 22,26). Die treue Liebe, welche Ihn durch 
Seine ganze Pilgerschaft hienieden begleitete, wie wir in 
vielen Psalmen lesen, ja alle die einzelnen Begebenheiten 
in Seinem Wandel werden dann ganz besonders der Gegenstand Seines Ruhmes und Seines Dankes sein. Und wahrlich, die Versammlung kann für die unzähligen Gnadenbezeugungen, welche jedem einzelnen Glied zuteil geworden 
sind, mit überströmender Freude und Wonne einstimmen. 
Der Grund des Lobens und Dankens, welcher am meisten 
im Wort Gottes erwähnt wird, — ich erinnere hier nur an 
Ps. 22, 24. 25 — ist die Erhörung der Gebete in Leiden und 
Kampf. Sicherlich können wir in jene Dank- und Loblieder 
einstimmen, um Seinen und unseren Vater für alle Seine gna159 
denreichen Führungen, deren wir uns hier in jedem Kampf 
und in allen Leiden zu erfreuen hatten, zu preisen. Dort 
werden wir eine Erinnerungsfähigkeit besitzen, gleich der 
unseres verherrlichten Hauptes, wodurch es uns möglich 
sein wird, alles klar in seinem Zusammenhang mit der Jetztzeit unter Anbetung, Lob und Preis zu betrachten; und vor 
dem Herrn Jesu Christi niederfallend, werden wir mit tiefer 
inniger Dankbarkeit Ihm unaufhörlich Lob und Preis darbringen — Ihm, der uns vom ewigen Tod errettet und Gott 
dargebracht hat, sagend: „Du wurdest geschlachtet und hast 
uns durch dein Blut Gott erkauft aus jedem Geschlecht und 
Sprache und Volk und Nation" (Offb. 5, 9). 
6. Zusamenhan g de s Kampfe s un d de r Lei -
d e n mi t de r zukünftige n Herrlichkeit . — 
Wenn der Schmerzensmann, der den Leidenskelch bis zum 
letzten Tropfen austrinken mußte (Jes. 53, 3), der tot war 
und lebt (Offb. 2, 8), der Sich mit uns verlobte, als wir in 
der Wüste waren — wenn Er uns, Seine Braut, geschmückt 
für Ihn, den Gemahl, zu Sich nehmen wird, damit sie Seine 
Freude teile und Mitgenossin Seiner Herrlichkeit sei, wie 
sie jetzt Seine Gefährtin im Kampf und in Leiden ist — 
alsdann wird Er uns in die himmlischen Wohnungen einführen, nicht als die Gemahlin des Königs , des Herrn , 
sondern als das Weib des Lammes . — 
Uns allen ist der Ausdruck „Braut" bekannt. Wir verbinden damit Glück und Freude; aber wir wissen auch, daß 
das Wort „Weib" eine weit vollkommenere Verbindung ausdrückt, eine solche, die durch vielfache, gemeinschaftliche 
Prüfungen und in schweren Kämpfen in dieser Welt geknüpft wurde.— Was das Wort „Lamm " betrifft, so wissen wir, daß jeder Name von Jesu auch seine Bedeutung 
hat, dessen Erklärung wir schon in der Bibelstelle, mit 
welcher derselbe verbunden ist, selbst finden; und jeder 
Name, welcher Ihm im Alten oder Neuen Testament gegeben ist, soll unserem Geist und unserem Herzen die Umstände, welche die verschiedenen Charakterzüge unseres 
hochgelobten Emanuels enthüllen, tief einprägen. Und gewiß, es ist nicht ohne Ursache, daß der Name „Lamm " so 
oft in dem Buch der Offenbarung vorkommt. „Das Lamm, 
das geschlachtet ward", führt die ganze Kette der Leiden in 
der Wüste an unserem Geiste vorüber, nämlich den ganzen 
langen Kampf des Heiligen, den Martertod des sanften, demütigen und gehorsamen Menschensohnes. Ich glaube daher, 
daß die Versammlung, das Weib des Lammes, diesen ihren 
schönsten Namen deshalb empfangen hat, weil sie ein s 
mit Dem ist, der verworfen ward, ein s mit Ihm in den 
Leiden, den Prüfungen und der Schmach, aber auch ein s 
160 
mit Ihm in den Wünschen und Hoffnungen. Ich finde in der 
Schrift keine Wahrheit, welche mehr geeignet wäre, uns zu 
demütigen; aber auch keine, welche uns mehr zu ermuntern 
und zu stärken vermöchte. — 
7. Di e folgerecht e Beziehun g de s Kampfe s 
u n d de r Leide n z u de r zukünftige n Herr -
lichkeit . — Wir alle wissen, daß unsere Erweckung aus 
der Erkenntnis der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes, welche Er in Christo Jesu kundgetan hat, entspringt. 
Während unserer ganzen Wallfahrt hienieden aber lernen 
wir Ihn immer besser kennen; und kommen wir zu dem 
Richterstuhl Christi, so finden wir, daß die Stellung in der 
Herrlichkeit völlig derjenigen entspricht, welche wir hier 
im Kampfe und in Leiden mit dem Vater und dem Sohne 
verwirklicht haben. Der Herr aber allein kennt das Verborgene des Herzens; Er allein vermag die wahre und falsche 
Ähnlichkeit mit dem Vater und dem Sohne zu unterscheiden; ja, Er kennt das, was an jenem Tage bestehen wird. 
Dies erinnert uns daran, daß wir selbst nicht vor der Zeit 
zu richten haben. — Der Sieg über das Temperament, den 
Eigenwillen und die Begierden dient ebenso sehr dazu, das 
Bild Gottes in uns zu verwirklichen, als der äußere Dienst 
in der Darreichung der leiblichen Notdurft unter den Kindern Gottes, oder der Dienst am Wort des Lebens; weil das 
eine wie das andere auf dieselbe Sache hinzielt, nämlich auf 
eine größere Gleichförmigkeit mit Jesu, dem vollkommenen 
Bilde des Vaters. Sei es nun, daß wir in unserem Kämmerlein für andere beten oder zu Gott flehen um mehr Kraft im 
Kampf für uns selbst, sei es, daß wir mit unseren Familien 
in verschiedener Weise, entweder als Dienende oder als Regierende, als Eltern oder als Kinder zu tun haben; sei es, 
daß unsere Beschäftigungen zu Hause oder außerhalb demselben, im öffentlichen oder Privatleben sind, oder in welcher Weise wir auch immer zu wirken haben, — überall und 
in allem kommt es stets darauf an, daß wir in unserem inwendigen Menschen nach dem Ebenbild des Herrn Jesu 
Christi heranwachsen. Wenn dies der Fall ist, so werden 
wir immer zu allem guten Wort und Werk, je nachdem wir 
die Fähigkeit und auch die Gelegenheit dazu haben, bereit 
sein. Und ist es Wahrheit, daß die verschiedenen Stellungen 
in der Herrlichkeit dem Wesen nach de r Ähnlichkeit entsprechen werden, welche wir mit dem Vater und dem Sohne 
hienieden verwirklicht haben, dann können wir auch leicht 
daraus folgern, daß durch die ganze Ewigkeit hindurch eine 
beseligende Erinnerung an unsere irdische Pilgerreise stattfinden wird, nämlich dort in der Herrlichkeit, wo jede Traurigkeit, jede Versuchung und Sünde für ewig verschwunden 
sein wird. — (Übersetzt) 
25 161 
Einige Gedanken über Psalm 94 
Bei dieser Betrachtung möchte ich besonders einen 
Augenblick bei den Tröstungen Gottes in den Versuchungen 
der Heiligen hienieden verweilen. — In Vers 11—13 lesen 
wir: „...de r Herr kennet die Gedanken des Menschen, daß 
sie eite l sind" (V. 11). Und dann: „Hei l dem Manne, den 
du Herr züchtigst usw." (V. 12. 13). 
Die Erhebung des Menschen ist Torheit, und ebenso all 
sein Vornehmen. Seine „Gedanken" sind nicht geringer , 
als die Weisheit Gottes, sondern sie sind „ e i t e I." Alles ist, 
vom Anfang bis zum Ende, in dem Herzen des Menschen 
„Eitelkeit", und nichts anderes. Wie sich auch der Zustand 
der Dinge um uns her gestalte, wie sehr diese auch geeignet 
sein mögen, unsere Herzen mit Kummer zu erfüllen — Gott 
urteilt, daß alles „eitel" ist. Jede Schutzwehr von Menschenhand bereitet, jede Kraftanstrengung und jeder noch so 
scharf durchdachte Plan ist nur „Eitelkeit". Mag aber dem 
Herrn auch alle s entgegenwirken, — Seine Gedanken, 
welche Er bei Sich Selbst beschlossen hat, d. i. di e Ver -
herrlichun g Christ i un d unser e mi t Ihm , 
wird Er vollkommen erfüllen. Der Mensch aber hat diesen 
Zweck Gottes nicht zu dem seinigen gemacht, deshalb müssen alle seine Gedanken und Pläne nur „Eitelkeit" sein. Der 
Zweck Gottes aber wird erreicht werden. Mögen auch alle 
Anstrengungen der Menschen dahin gerichtet sein, denselben zu verhindern — ihr Ende wird nichts anderes als 
„Eitelkeit" sein. 
Nehmet einen Menschen aus der Welt, den größten Gelehrten, oder den klügsten Staatsmann, gewiß, ein armer, 
elender Heiliger ist weiser, und hat zur Ausführung seiner 
Pläne mehr Sicherheit als jener; denn das Herz des einfachsten, schwächsten Heiligen läuft in demselben Gleis mit 
Gott; und obgleich jener selbst keine Kraft hat, so ist doch 
Gott seine Kraft. 
In diesem Psalm finden wir zunächst den Aufruhr der 
Feinde, und dann — was Gott darin getan hat. So ist es gewöhnlich mit den Heiligen in ihrer Trübsal; sie sehen das 
Werk Satans zuerst, und dann — Gottes Hand, welche sie 
segnet. Die Wirkung dieser Handlungen des Gottlosen für 
uns ist gegenwärtig diese: „Hei l dem, den du, Herr, 
züchtigst , und lehrest ihn aus deinem Gesetz; daß du 
ihn ruhi g machst an dem bösen Tage, bis des Gottlosen 
162 
Grube gegraben ist." Diese Grube ist aber bis jetzt noch 
nicht gegraben und der Thron der Ungerechtigkeit noch 
nicht erniedrigt. — Wenn aber auch in der Züchtigung die 
ganze Macht des Bösen gegen uns ist, so bleibt doch des 
Herrn Absicht diese: „An dem bösen Tage uns Ruhe zu 
geben." 
Ich spreche nicht nur von den Leiden für Christum, wenn 
wir um Seines Namens willen geschmäht werden, was ja 
nur Freude, Triumph und Ruhm für uns ist, sondern von 
jenen Dingen, welche geeignet sind, viel Bekümmernis in 
uns zu erwecken, wenn wir sehen, daß wir unbeständig und 
nachlässig in den Wegen des Herrn gewandelt haben. Und 
dennoch heißt es: „Hei l dem Manne, den du, Herr, züch -
tigs t ! " Der Herr züchtigt uns nicht ohne eine bestimmte 
Absicht. Wenn irgend eine Sünde oder eine Nachlässigkeit 
im Wandel vorhanden ist, welche Züchtigung nach sich 
zieht, so benutzt Er diese Gelegenheit der Zucht, um das 
Übel des Herzens zu heilen. Er richtet nicht nur das Vergehen, sondern auch die Quelle, aus welcher dieses hervorkam. Hierdurch wird die Seele fähig gemacht, das Wort 
Gottes in Kraft auf sich anzuwenden. Sie ist unterwiesen, 
weshalb sie gezüchtigt ist; und nicht nur dies: sie ist auch 
in die Gedanken des Herzens Gottes eingeweiht; sie erkennt 
mehr von Seinem Charakter, „daß er sein Volk nicht verstoßen, noch sein Erbe verlassen wird" (V. 14). Was Gott für 
uns wünscht, ist nicht nur, daß wir Vorrechte, sondern auch 
daß wir mit Ih m Gemeinschaft haben. Durch diese Züchtigung aber wird das Herz mehr in die Nähe Gottes gebracht, und zugleich in der Gewißheit der Hoffnung gestärkt und befestigt. 
Betrachten wir den Petrus, nachdem der Feind gesichtet 
hatte, so sehen wir, daß er, obgleich sein Fall sehr demütigend und schmerzlich war, viel tiefe*-
 in die Erkenntnis 
Gottes und in das Gefühl seiner Abhängigkeit von Ihm eindrang. — Der Herr „macht unsere Seele ruhig am bösen 
Tage" und zwar durch die Gemeinschaft mit Ihm — aber 
nicht nur Gemeinschaft in der Freude, sondern auch in der 
Heiligkeit. Die Umstände werden benutzt, um die Tür des 
Herzens zu öffnen und Gott einzulassen. Und Gott ist der 
Seele nahe, wenn Er inmitten der Umstände in Seiner Liebe 
erkannt wird. 
Der Herr züchtigt niemals, ohne irgendeine Veranlassung 
dazu zu haben, und dennoch: „Hei l dem Manne, welchen 
du, o Herr, züchtigst! " Das ist gewiß ein wunderbarer 
Ausdruck! Ich sage nicht, daß ein Christ dies immer während der Züchtigung sagen kann, denn das Selbstgericht ist 
oft mit Angst und Sorge verbunden; aber die Wirkungen 
163 
sind gesegnet. Was wir wünschen ist, daß alle unsere Gedanken und Wege und Handlungen des eigenen Willens hinweggetan sein möchten, und daß Gott alle s sei. — Jede 
Züchtigung muß im Grundsatz den Charakter des Gerichts 
in sich tragen; denn der Herr handelt mit Seinem Volke 
nach Gerechtigkeit, — wie geschrieben steht: „Wenn ihr als 
Vater de n anrufet, der ohn e Ansehe n der Person nach 
eines jeglichen Werk richtet usw." (1. Petr. 1,17) —und nicht 
nach dem unumschränkten Beichtum der göttlichen Gnade. 
Gott erlaubt nichts in dem Herzen, was mit der Heiligkeit, 
woran Er die Heiligen hat teilnehmen lassen, nicht übereinstimmend ist. Es ist in der Tat die gesegnetste Gnade 
und Liebe des Vaters, welcher Sich so viele Mühe mit uns 
gibt; doch ist dies nicht an und für sich der Charakter der 
Züchtigung. 
Was wir notwendig bedürfen, ist der Umgang des Herzens mit Gott — zu ruhen in Seiner Ruhe, obgleich alles um 
uns her Verwirrung und Aufruhr ist. Wenn wir, umgeben 
von Ungerechtigkeiten aller Art, Seinem Herzen nahe sind, 
so werden wir auch Seine Tröstungen erfahren, wie geschrieben steht: „Wenn ich viel Bekümmernis habe in meinem Herzen so ergötzen deine Tröstungen meine Seele" 
(V. 19). Unser Teil ist nicht nur die Reichtümer der Gnade 
Gottes, sondern das Geheimnis des Herrn zu kennen, mit 
Ihm in Seiner Heiligkeit innige Gemeinschaft zu haben. 
Wie sehr auch immer die Umstände uns entgegen sein mögen, die Seele ruht immer glücklich und zufrieden in Ihm. 
Wenn wir stets einen völligen und ungetrübten Frieden 
und eine innige Gemeinschaft mit Gott und untereinander 
hätten, wenn wir inmitten der Umstände und Versuchungen 
von diesen nicht bewegt würden, so würden wir nicht nur 
die Erkenntnis haben, daß alle Dinge in Christo unser sind, 
sondern auch eine Bekanntschaft mit Gott Selbst, wie geschrieben steht: „...fruchtbringend in jedem guten Werk, 
und wachsend in der Erkenntnis Gottes." — Möchte doch 
Seine Gnade Ihm jeden Weg zu unseren Herzen öffnen. 
(Übersetzt) 
164 
Moses in Ägypten und Moses in Midian 
(Apg. 7, 20—36) 
Jeder wahre Dienst ist mit dem Bewußtsein verbunden, 
daß wir vo n Got t dari n erhalte n werden . Dasselbe finden wir auch i n de m vollkommene n 
Diens t de s Herr n Jes u Christi . Wir lesen Jes. 
42, 1: „Siehe meinen Knecht, welchen ich erhalte; meinen 
Auserwählten, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat." 
Der große Charakterzug Seines Dienstes war, daß Er nimmer 
aus Sich Selbst handelte. — „Ic h kan n nicht s vo n 
m i r selbs t tun ; s o wi e ic h höre , richt e ich ; 
und mein Gericht ist gerecht; denn ich suche nicht meinen 
Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat" 
(Joh. 5, 30). „Wenn ihr den Sohn des Menschen werdet erhöhet haben, dann werdet ihr erkennen, daß ich es bin, 
u n d da ß ic h vo n mi r selbs t nicht s tue , son -
der n die s rede , so wi e mic h mei n Vate r ge -
lehr t hat . Un d de r mic h gesand t hat , de r is t 
m i t mir ; de r Vate r ha t mic h nich t allei n ge -
lassen , den n ic h tu e allezeit , wa s ih m wohl -
gefälli g ist " (Joh. 8, 28. 29). — Sobald ein Knecht unabhängig handelt, handelt er aus sich selbst, und nicht in 
seinem Charakter als Knecht. 
Es ist nicht zu leugnen, daß wir in der gegenwärtigen 
Zeit unter den Christen um uns her viele Wirksamkeit Anden; allein es ist auch ebenso gewiß, daß dabei der wahr e 
Dienst Gottes oft mißverstanden wird. Ich bin aber überzeugt, daß es Gottes Absicht ist, sowohl das, was der natürliche Verstand und die natürliche Kraft des Menschen, 
als auch das, was die Macht und Weisheit des Heiligen Geistes vermag, sehr bestimmt zu bezeichnen. Unsere Gabe als 
Christ ist der Geist des Herrn — der Geist der Weisheit und 
des Verstandes, der Geist der Besonnenheit und der Macht, 
der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn — um 
unsere Einsicht in der Furcht Gottes zu beleben. 
Wen n wi r vo r Mensche n anstat t vo r Got t 
leben , so wird stets Sorge und Unruhe in uns sein. Wir 
mögen Verlangen haben, viele Dinge, welche in dem Wort 
Gottes geschrieben stehen, zu tun, aber sie werden nicht in 
ruhiger und seliger Freude getan; und wir werden nie ganz 
vor Heuchelei bewahrt bleiben, wenn wir nicht vor Gott 
leben. Dies Lebe n vo r Got t ist aber auch das beste 
165 
Heilmittel, um von dem Eigendünkel, wozu das Herz so 
sehr geneigt ist, befreit zu werden. 
Laßt uns jetzt die Geschichte Moses, des Knechtes Gottes, 
ein wenig untersuchen, und wir werden über diesen Gegenstand reiche Belehrung für uns finden. 
Moses ist ein ausgezeichnetes Vorbild auf den Herrn Jesum. — Und ich könnte hier beiläufig bemerken, daß beide 
die einzigen Personen sind, welche in der Schrift erwähnt 
werden, deren Lebenslauf wir von ihrer Geburt bis zur 
Herrlichkeit verfolgen können. 
Es ist beachtenswert, daß das Leben Mose in drei unterschiedene Perioden von je vierzig Jahren eingeteilt ist. •— 
Die ersten vierzig Jahre brachte er in Ägypten als „Sohn 
der Tochter Pharaos" zu, — die nächsten in der Wüste, die 
Herden seines Schwiegervaters weidend. Dort auf dem 
Berge Gottes hatte er ein Gesicht von der Herrlichkeit, welches ihm in Ägypten nicht offenbart werden konnte. — In 
den letzten vierzig Jahren haben wir seinen schweren und 
versuchungsreichen Lauf, welchen er als Knech t Gotte s 
zu durchwandern hatte. Wir sehen, wieviel er von dem 
Volke Israel erdulden mußte, indem er die Last dieses 
Volkes trug. 
Der erste Teil seines Lebens wurde also in Ägypten zugebracht. Stephanus sagt in dem oben angeführten Kapitel 
der Apostelgeschichte V. 22: „Und Moses ward in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen; er war aber mächtig in seinen Worten und Werken." Doch diese Weisheit der Ägypter 
war nicht etwas, das Gott anerkennen konnte. Ohne Zweifel wußte Moses, daß Gott ihn als Befreier Seines Volkes 
gebrauchen wollte; aber das, was er in Ägypten erworben 
hatte, konnte des Herrn Volk nicht au s Ägypten befreien. 
Die Eltern des Moses erkannten das Außergewöhnliche 
ihres Kindes. Wir lesen Hebr. 11, 23: „Durch den Glauben 
ward Moses, als er geboren war, drei Monate von seinen 
Eltern verborgen, weil sie sahen, daß das Kind schön war; 
und sie fürchteten sich nicht vor dem Gebot des Königs." — 
Und Moses selbst verweigerte durc h de n Glauben , 
als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharaos zu 
heißen, lieber wählend, mit dem Volke Gottes Ungemach zu 
leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, indem er die Schmach Christi für größeren Reichtum hielt, 
als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung hin" (V. 24-26). 
„Als ihm aber eine Zeit von vierzig Jahren erfüllt war, 
kam es in seinem Herzen auf, seine Brüder, die Söhne Israels, zu besuchen" (Apg. 7, 23). — Welche Bequemlichkeit und 
Freude auch immer den Moses in dem Hause des Pharao 
166 
hätten erfreuen können — alles war ja sein, der Luxus und 
die Annehmlichkeit des Hofes, die Schätze Ägyptens, — so 
trauerte doch sein Herz über seine Brüder und schaute auf 
ihren Druck. — „Und als er einen unrecht leiden sah, verteidigte er ihn, und rächte den Unterdrückten, und erschlug 
den Ägypter (V. 24). Er war ,mächtig im Handeln', und zwar 
zum Besten des Volkes Gottes; aber er handelte in der 
Energi e de s Fleische s und nicht als von Got t 
gesandt . Er dachte daran, als Mose s das Volk zu befreien. „Er meinte aber, daß seine Brüder verstehen würden, 
daß Gott ihnen durch seine Hand Rettung gebe" (V. 25). 
Aber nein, sie verstanden ihn nicht. Moses hatte eine andere Aufgabe zu lernen. Gott mußte ihn zuerst unterweisen, 
daß Er Sich nur de r Macht und Kraft bedienen würde, die 
von Ihm Selbst kam, und nicht der Macht und Weisheit 
Ägyptens. Es gibt keine zwei Dinge von größerer Verschiedenheit, als wenn jemand in der Energie des Fleisches oder 
wenn er in der Macht des Geistes handelt. In dem ersten 
Fall gibt es bei dem Fehlschlagen unserer Anstrengungen 
immer viel Widerwärtigkeit und Verdruß. 
Als Moses vierzig Jahre, sozusagen in Untätigkeit in der 
Wüste zugebracht hatte, sehen wir (2. Mos. 3), daß er auf die 
Berufung Gottes: „S o geh e nu n hin , ic h wil l dic h 
sende n " also antwortete: „We r bi n ICH , daß ich 
zu Pharao gehe und führe die Kinder Israels aus Ägypten?" 
— Als er von Gott gesandt werden sollte, da erfüllte ihn 
ein tiefes Gefühl der Verantwortlichkeit, welche auf ihn gelegt wurde, und er erschrak davor. Früher, als er in der 
Energie des Fleisches voranging, sah er sich bei den Widerwärtigkeiten, die ihm begegneten, bitter getäuscht, — jetz t 
nachdem er seine Untüchtigkeit gelernt hatte, sagte er: 
„W erbi n ICH? " — Und so ist es immer. Wenn ein Heiliger fühlt, daß er von Gott zu irgend einem Dienst gesandt 
werden soll, so ist immer die tiefste Beugung des Geistes 
da. Dies wird oft durch schmerzliche Züchtigungen in der 
Seele hervorgebracht; aber das Ende der Erziehung Gottes 
ist: alles Selbstvertrauen in der Seele zu brechen, so daß, 
wenn zuletzt die also zubereitete Person im Dienste vorangeht, es mit dem Gefühl geschieht: „Werbi n ICH? " — 
Ein großer Charakterzug des Fleisches aber ist die Abneigung gegen dies: „We r bi n ich? " Und diese Abneigung 
ist durch den so langen Aufenthalt in Ägypten genährt worden. Gott aber muß in uns zuvor diese Beugung in Wahrheit erwecken, ehe Er uns in Seinem Dienst gebrauchen 
kann. Der ausgebildetste Verstand, die menschliche Weisheit oder Kraft werden nie in irgend einer Weise im Dienst 
Gottes standhalten. 
167 
„Und am folgenden Tage zeigte er sich ihnen, als sie sich 
stritten, und trieb sie zum Frieden, sagend: Männer! ihr 
seid Brüder; warum tut ihr einander Unrecht? — Der aber, 
welcher dem Nächsten Unrecht tat, stieß ihn weg, sagend: 
Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gestellt? 
— Willst du mich töten, wie du gestern den Ägypter getötet 
hast?" (V. 26. 28). — Er wurde gänzlich von jenen, welchen 
er zu dienen suchte, mißverstanden. Als er der Mann des 
Friedens sein wollte, da wurde Verachtung sein Lohn: „Wer 
hat dich zum Obersten und Richter gestellt?" 
Laßt uns dieses wohl beachten, geliebte Brüder. Moses 
war in einem gewissen Sinne von der Gemeinschaft mit 
Gott beseelt. Er wußte, was diese Gemeinschaft war; aber 
er hatte noch nicht gelernt auf die Kraft und Weisheit 
Ägyptens völlig zu verzichten. Doch wir werden nie in diesem Kampf überwinden, wenn wir auf unsere eigenen Kosten Kriegsdienste tun. 
Mancher Heilige geht eine Zeitlang mehr oder weniger 
in seiner natürlichen Kraft und in dem Eifer des Fleisches 
voran. Er mag vielleicht die richtige n Dinge tun, aber 
er tut sie nicht im Geiste der Abhängigkeit von Gott. Nach 
und nach erschlafft seine Kraft; und er hat das Gefühl, als 
ob er ganz unbrauchbar wäre, als ob Gott ihn nie wieder in 
Seinem Dienste gebrauchen könne. Dies ist eine nützliche 
Aufgabe, obgleich eine tiefe Demütigung für ihn. Der Herr 
erzieht oft den Einzelnen in dieser Weise, um ihn später in 
der Versammlung zu benutzen. 
Ebenso war es mit Moses. — „Moses aber entfloh bei 
diesem Worte und ward Fremdling im Lande Midian, wo 
er zwei Söhne zeugte" (V. 29). 
Diese ersten vierzig Jahre in dem Leben des Moses sind 
vorübergegangen, wenig von Gott beachtet. Ohne Zweifel 
würden wir, wenn der Mensch die Geschichte Moses geschrieben hätte, eine wundervolle Mitteilung über alles das, 
was er in diesem Lande getan und gesagt, erhalten haben; 
aber der Geist Gottes schweift darüber. Und warum, Geliebte? Weil die „Weisheit" Ägyptens „Torheit" bei Gott, 
und die „Kraft" Ägyptens „Schwachheit" bei Gott ist. 
Während der nächste n vierzig Jahre hat Moses Ägypten und Israel verlassen; und er war allein mit Gott. In der 
Einsamkeit begegnet ihm (2. Mos. 3) Jehova auf Horeb, „dem 
Berge Gottes." Und ich zweifle nicht, daß Horeb also genannt ist, weil es ein Platz war, wo sich Moses der Gemeinschaft Gottes erfreute, und wo er eine Aufgabe lernte, die 
er nie in Ägypten gelernt haben würde, — Abhängig -
kei t vo n Gott . Im Verborgenen wurde er für alle jene 
168 
mächtigen Taten vorbereitet, welche er vor Pharao, Ägypten 
und Israel ausführen sollte. 
Gott lehrt Sein Volk vornehmlich in der Verborgenheit. 
Unser geliebter Herr Jesus suchte auf dieser Erde zu 
Seiner Stärkung mit Gott allein zu sein. Und dies ist auch 
der Weg, auf welchem ein Heiliger seine Schwachheit und 
Gottes Kraft kennenlernt. Er dringt ein in die Tiefen seines 
eigene n Verderbens , aber auch in die Tiefen der 
Gnad e Gottes . Er lernt sich selbst verleugnen — alle 
Vernunftschlüsse und alle Höhe, die sich wider die Erkenntnis Gottes erhebt, zu unterwerfen. Er erprobt die Notwendigkeit des Kreuzes. 
„Lange Zeit aber darnach starb der König von Ägypten. 
Und die Kinder Israels seufzten über ihre Arbeit und 
schrieen; und ihr Schreien über ihre Arbeit kam vor Gott. 
Und Gott erhörte ihr Wehklagen und gedachte an seinen 
Bund mit Abraham, Isaak und Jakob; und sah an die Kinder Israels, und erkannte es wohl" (2. Mos. 2, 23-25). „Die 
Zeit der Verheißung" war endlich gekommen, und jetzt finden wir den Moses zubereite t und gesandt , um 
Führer und Befreier Israels zu sein. 
Ein Teil seiner Vorbereitung hatte vierzig Jahre gedauert, die er in der Einsamkeit zugebracht hatte — im Verborgenen in der Wüste von Gott erzogen. Jetzt aber war etwas 
anderes nötig: di e Offenbarun g de r Herrlich -
kei t Gottes . — „Und als die vierzig Jahre erfüllt waren, 
erschien ihm in der Wüste des Berges Sinai ein Engel des 
Herrn in einer Feuerflamme eines Busches" (V. 30). Nie war 
etwas derartiges in Ägypten gesehen worden; denn Ägypten 
war nicht der Ort, wo Gott Seine großen Gesichte offenbarte. Die Wunder der Natur waren dort zu finden, z. B. in 
dem periodischen Austreten des Flusses und dergleichen; 
aber hier war etwas, was Moses während seiner Erziehung 
in der ägyptischen Weisheit, nicht gesehen hatte. — „Als 
aber Moses es sah, verwunderte er sich des Gesichts" (V. 31), 
—• „der Busch brannte mit Feuer, und ward nicht verzehrt." 
— Erst dann, wenn die Weisheit Gottes in unserem Herzen 
ist, verstehen wir, w;arum der Busch von dieser Flamme 
nicht verzehrt wurde. Dieselbe Herrlichkeit aber wurde in 
der Feuersäule gesehen, welche das Volk Israel durch die 
Wüste geleitete; und sie wird wiederum gesehen werden, 
wenn der Herr in einer Feuerflamme offenbart werden 
wird, um Seine Widersacher zu zerstören. 
„Als aber Moses hinzutrat, es zu betrachten, geschah eine 
Stimme vom Herrn zu ihm: Ich bin der Gott deiner Väter, 
der Gott Abrahams, und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs" (V. 31. 32). — Wir mögen nun den Menschen von die169 
sem Gesicht erzählen; allein sie werden uns nicht glauben. 
Nie kann durch einen ägyptischen Mund so etwas ausgesprochen, noch durch ein ägyptisches Ohr verstanden werden; wir müssen mit Augensalbe gesalbt sein, um es zu 
sehen. Es geht über alle menschlichen Begriffe; und dies 
eben beweist uns, daß die menschliche Weisheit zu tadeln ist. 
In dem armen, schwachen und wertlosen Busch, in dessen Mitte das Feuer brannte, ohne ihn zu verzehren, haben 
wir ein Sinnbild von dem, was — obgleich schwach und unvollkommen in sich selbst — dennoch mit der Herrlichkeit 
Gottes umgeben ist, nämlich die Versammlung . Und 
was Mose s lernte, war dieses: daß es Gottes Absicht war, 
Israel mit Seiner Eigenen Herrlichkeit zu umgeben. Woher 
kommt es aber, sowohl was Israel, als auch was die Versammlung betrifft, daß sie von dieser Herrlichkeit nicht 
verzehrt werden? Das Heil , welches Gott bereitet hat, 
umgibt beide und erhält sie. 
Solange jemand die Sicherheit der Versammlung nicht 
kennt — wie köstlich sie vor Gott ist, und daß nichts wider 
sie etwas vermag — ist er nicht fähig, ein Knecht Gottes 
darin zu sein. Gott hat Sein gnadenreiches Heil für sie als 
Bollwerk und Schutzwache bestimmt. — 
Welch eine wunderbare Sache, daß sich auf dieser Erde 
ein kleiner schwacher Busch, wie es ja die Versammlung ist, 
befindet, welcher alle s entgegen ist, und doch nichts imstande ist, etwas dawider zu vermögen! Gott hat sie mit 
Seiner Eigenen Heiligkeit eins gemacht. Und dies ist eine 
tiefe und wichtige Wahrheit. Wie würde sie anders bestehen können, da ja „unse r Got t ei n verzehren -
d e s Feue r ist? " — Und dieser Charakter Gottes ändert 
sich nicht; deshalb erlaubt Er auch nicht, daß irgend eine 
Sünde, verbunden mit der Versammlung, vor Ihn kommt. 
Er hat sie an dem Kreuze gerichtet. Das Urteil ist nicht 
allein darüber ausgesprochen, sondern auch vollzogen worden. Wenn die Kraft des Kreuzes wirklich verstanden ist, 
so finden wir, daß gerade dieselbe Heiligkeit Gottes, welche 
gesehen wird, die Bürgschaft für die Sicherheit der Versammlung ist. 
Der Herr sagte zu Moses: „Löse die Sandalen von deinen 
Füßen, denn die Stätte, worauf du stehst, ist heiliges Land" 
(V. 33). — Wir sind durch die Gnade an den Ort der Heiligkeit gebracht und erfreuen uns derselben. Hier lernt die 
Seele in Wahrheit verstehen, was die Sünde ist; sie sieht 
nicht nur ihr eigenes Nichts, sondern auch ihre Empörung 
gegen Gott. Hier lernt sie verstehen, daß es Errettung durch 
Gnade vom Ersten bis zum Letzten sein muß. Und sobald 
wir von der Welt errettet sind, werden wir an diesen Ort 
170 
der Heiligkeit gebracht, und Gott handelt jetzt in diesem 
Charakter mit uns. Der Zweck Seiner Züchtigung und Bestrafung ist, „seiner Heiligkeit" teilhaftig zu werden. Er 
wünscht, daß wir Ihm so nahe im Geist sein möchten, als 
wir es auch unserem Haupte sind. 
Was mögen die Gedanken des Moses in Betreff der Herrlichkeit Gottes gewesen sein, als er sich seitwärts wandte, 
um dies „große Gesicht" zu sehen? Und was würden die unseren in Betreff der Welt sein, wenn das Auge immer fest 
auf die Herrlichkeit Gottes gerichtet bliebe? Als Moses in 
die Einsamkeit versetzt war, die Herde in der Wüste zu 
weiden, da mag wohl einige Sehnsucht nach der Herrlichkeit Ägyptens gewesen sein; aber dies wird aufgehört haben, nachdem er diese Offenbarung von der Herrlichkeit 
Gottes gemacht hatte — „des Gottes Abrahams, des Gottes 
Isaaks und des Gottes Jakobs." Ebenso ist es mit uns. Wenn 
wir von der wahren Herrlichkeit der Versammlung erfüllt 
sind, so sind wir fähig, auf die Herrlichkeit Ägyptens zu 
schauen, und sie zu verachten, indem wir uns von derselben 
wie auch von der Macht und Weisheit Ägyptens entwöhnt 
fühlen. Aber wenn unsere Seelen nur auf ihre eigenen 
Schwächen schauen, so werden wir sehr bald versucht werden, uns nach Ägypten und nach seinen Schätzen umzuschauen. Laßt uns auch das Folgende wohl beachten: 
„Sehend habe ich gesehen die Mißhandlung meines Volkes 
in Ägypten, und habe ihr Seufzen gehört, und bin herabgekommen, sie herauszureißen; — und nun komm', ich werde 
dich nach Ägypten senden. Diesen Moses, den sie verleugneten, sagend: Wer hat dich zum Obersten und Richter bestellt? — Diesen hat Gott zum Obersten und Richter gesandt durch die Hand des Engels, der ihm in dem Busch erschien" (V. 34. 35). — Zuerst mußte Gott den Moses aus 
Ägypten bringen; denn Ägypten war nicht der Ort, um ihm 
solche Mitteilungen zu machen. Lesen wir z. B. die Geschichte des Abraham, so finden wir, daß sein Aufenthalt in 
Ägypten kein Segen für ihn war. Er hatte dort keinen Altar. Und ebenso ist auch unsere gesegnete Gemeinschaft mit 
dem Herrn unterbrochen, wenn wir in die Welt gehen, d- h. 
wenn unsere Herzen in den Dingen dieser Welt leben. 
Was nun Gott zuerst dem Moses offenbart, ist Sei n 
Name : „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs" (2. Mos. 3, 6). — 
Dann offenbart Er ihm Sein e Gnade : „Sehend habe ich 
gesehen die Mißhandlungen meines Volkes usw." (V. 7). Wie 
köstlich ist es, versichert zu sein, daß keine Sorge, keine 
Last auf dem Volke Gottes liegt, die Er nicht völlig kennt. 
Und endlich erteilt ihm Gott Seine n Auftrag : „So 
171 
gehe nun hin; ich will dich zu Pharao senden, daß du mein 
Volk, die Kinder Israels, aus Ägypten führest" (V. 10). 
Moses aber sagt zu Gott: „Wer bin ich , daß ich zu Pharao gehe, und führe die Kinder Israel aus Ägypten?" (V. 11). 
Nachdem er mit entblößten Füßen in der Gegenwart Gottes 
angebetet hatte, erschrak er über das, was Gott jetzt auf 
seine Schulter legen wollte, obgleich er vierzig Jahre vorher, 
mit wildem Eifer einen ähnlichen Dienst ausführen wollte. 
Es ist aber auch stets eine feierliche Sache, mit dem Volke 
Gottes zu tun zu haben. Wir treten dadurch in eine Verantwortlichkeit, unter deren Gewicht wir zusammensinken 
würden, wenn sie uns selbst überlassen wäre. Dennoch ist 
es nötig, sowohl den Wert dieses Volkes in den Augen Gottes zu erkennen, als auch unsere Verantwortlichkeit in dem 
Dienst selbst zu fühlen; doch in dem Bewußtsein, daß es 
eine Verantwortlichkeit nicht unter dem Gesetz, sondern 
unter der Gnade ist. 
Moses wußte, daß er, wenn er Israel freimachen sollte, 
viel Schimpf und Schande zu erwarten hatte. Daher auch 
dieses Zögern, welches er anwandte. Ebenso ist es in Betreff 
des Dienstes in der Versammlung. Wenn Paulus „ein auserwähltes Gefäß sein sollte, um seinen Namen vor Nationen 
und Königen und Söhnen Israels zu tragen", so fügt der 
Herr, der dies dem Ananias offenbarte, hinzu: „Ich werde 
ihm zeigen, wieviel er um meines Namens willen leide n 
muß" (Apg. 9, 15. 16). Und was war die nachherige Erfahrung des Paulus? Er selbst sagt: „Ich habe Wohlgefallen an 
Schmähungen, an Schwachheiten, an Nöten, an Verfolgungen, Drangsalen für Christum" (2. Kor. 12, 10). Und wiederum: „Ich will aber sehr gern für eure Seelen alles verwenden, wenn ich auch, je mehr ich euch liebe, um so weniger geliebt werde" (V. 15). Paulus befand sich auf dem 
Wege der Verleugnung vom Anfang bis zum Ende. Er ging 
in seinem Dienst nicht in der Energie des Fleisches vorwärts, sondern als einer der wohl wußte, daß es nötig war, 
bis ans Ende auszuharren . 
Wie oft denkt ein junger Christ: „Ich will diesem oder 
jenem von der Liebe des Herrn erzählen, und er wird mir 
glauben"; oder: „Ich will den Christen die Vollkommenheit 
der Versammlung, die himmlische Berufung der Heiligen, 
die Ankunft des Herrn usw. verkündigen, und sie werden 
es annehmen." Doch wie bald sieht er sich getäuscht. Wir 
haben nötig zu lernen, daß wir nicht alles nach eigenem 
Gutdünken vor uns hertragen können. Wo aber die meiste 
Überzeugung von der Sendun g Gotte s ist, da ist auch 
immer die tiefst e Demut . Wenn Paulus von seinem 
schwierigen Dienst spricht, so sagi er: „Ich habe mehr ge172 
arbeitet, denn sie alle; doc h nich t ich , sonder n di e 
Gnad e Gottes , welch e mi t mi r w a r." 
Die Zubereitung zu dem wahren Dienst geschieht, wie 
wir gesehen haben, in dem verborgenen Umgang mit Gott. 
In Seiner Gemeinschaft lernen wir verstehen, was wir sind. 
Es ist für uns nötig, ruhig zu den Füßen des Herrn zu sitzen, 
um von Seinen Lippen unsere Erkenntnis der Gnade und 
Wahrheit zu nehmen. Die Kraft des Dienstes wird nicht in 
dem Dienst selbst erlangt, sondern in dem Umgang mit Gott. 
In der Verborgenheit mit Ihm muß zuerst die Schlacht geliefert werden. Unseren Dienst können wir aber auch nur 
als Anbeter verrichten. Diese Stellung wird das Gefühl unserer Verantwortlichkeit gegen Gott wach erhalten; und sie 
gerade ist es, worin wir für uns und andere Segen finden. 
Der Dienst vor Gott ist aber auch ein großes Vorrecht für 
uns. Wir sind gesegnet, wenn wir Seine Kraft erkennen, 
wenn wir im Geist und in der Wahrheit zu dienen verstehen, wenn wir stets in dem Gefühl unseres Nichts, und 
daß alles Sein ist, darin einhergehen. Die wahre Stellung 
des Knechtes ist, sich selbst zu verbergen und Gott allezeit 
zum Vorschein kommen zu lassen. Dies charakterisierte den 
Dienst des vollkommene n Knechtes; ohne welches 
aber auch die glänzendste Tat kein Dienst ist. 
Der Gott aller Gnade aber wolle uns stärken, gründen 
und befestigen und uns durch Seinen Geist fähig machen, 
in seliger und ruhiger Freude in diesem heiligen Dienst vorwärts zu gehen. Er bedarf unserer zwar nicht; doch wir sind 
gesegnet, wenn Er an unserem Leib und Geist, welche Sein 
sind, verherrlicht wird. 

Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr 
in mannigfache Versuchungen geratet, wissend, daß 
die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt 
(Jak. 1, 2) 
Ehe wir dieses ebenso köstliche als wunderbare Trostwort näher betrachten, geliebte Brüder, ist es gut, daß wir 
den Charakter dieser mannigfache n Versuchun -
gen , wovon der Apostel Jakobus hier redet, verstehen. Wir 
lesen im 14. Vers desselben Kapitels: „Jeglicher aber wird 
versucht, wenn er von seiner eigenen Lust fortgezogen und 
173 
gelockt wird usw.". Auch hier ist von Versuchungen die 
Rede, und doch tragen diese einen ganz anderen Charakter. 
Jenen begegnen wir dann am meisten, wenn wir in Christo 
Jesu gottselig leben wollen. Diese aber sind dann besonders 
wirksam, wenn jene mehr oder weniger aufgehört haben, 
uns zu begegnen. Jene waren bei der Versammlung zu der 
Zeit reichlich vorhanden, als sie in ihrer ersten Liebe, getrennt von der Welt und in der Erwartung ihres geliebten 
Herrn, wandelte, — deshalb reden auch die Briefe der Apostel so oft hiervon; — von diesen aber spricht man soviel in 
der jetzigen Zeit, wo die Christen in so mannigfacher Beziehung weltlich geworden sind; ja die meisten von ihnen 
kennen kaum eine andere Versuchung, als die, „wenn sie 
von ihrer eigenen Lust fortgezogen und gelockt werden." •— 
Unter dem oben angeführten Wort „mannigfache Versuchungen", versteht der Apostel also vornehmlich solche Versuchungen, die sich auf unserem Wege durch diese Wüste 
uns entgegenstellen — Leiden und Trübsale aller Art, 
Schmach und Verfolgung, schwierige Lagen, worin wir uns 
befinden, oder welche uns bevorstehen, Versuchungen in unserem äußeren Stand oder Beruf — mit einem Wort alles, 
gering und groß, was uns als Christen Unangenehmes oder 
Schwieriges auf unserem Pilgerlauf hienieden begegnet. 
Durch diese Versuchungen ging auch Jesus, als Er in Seiner 
Niedrigkeit auf dieser Erde wandelte, wo Er Sich Selbst zu 
nichts machte, und Gott durch einen vollkommenen Gehorsam verherrlichte; aber die Worte: „Jeglicher wird versucht, 
wenn er von seiner eigenen Lust fortgezogen und gelockt 
wird", finden auf Ihn kein e Anwendung. Der Apostel 
sagt Hebr. 4, 15 von Ihm: „...de r in allem gleichwie wir 
versucht worden ist, ausgenommen die Sünde." Auch Paulus 
und die übrigen Apostel hatten viele Versuchungen dieser 
Art zu erdulden (Röm. 8, 36; 1. Kor. 15, 30-32; 2. Kor. 1,8. 9; 
11,23-26; Phil. 2,17; Apg. 12, 4; 16, 22-24 usw.). Ebenso finden 
wir die Versammlungen zu Philippi, Thessalonich usw. in 
vielen und schweren Drangsalen. Wir lesen von den Hebräern: „Erinnert euch der vorigen Tage, in welchen ihr, 
erleuchtet geworden, einen große n Kamp f de r Lei -
d e n ausgehalte t hab t " (Hebr. 10, 32-34). 
Dies wird genügen, um den Charakter der mannigfachen 
Versuchungen, wovon der Apostel Jakobus in obiger Stelle 
redet, zu verstehen. Allein es könnte sich uns hier leicht die 
Frage aufdrängen: Wie ist es möglich, es für lauter Freude 
zu halten, wenn wir in diese mannigfachen Versuchungen 
geraten? Dieses ein wenig näher zu untersuchen ist der 
Zweck dieser Zeilen. 
Haben wir unsere Stellung in dieser Welt wirklich ver174 
standen, so erkennen wir, daß wir, gleich Israel in der Wüste 
sind. Wir haben Ägypten, d. i. die Welt verlassen, und unsere Füße haben den dornenvollen Weg nach dem himmlischen Kanaan betreten. Wir haben den Wert und die Kraft 
des Blutes Christi, des Lammes Gottes, welches alle unsere 
Sünden getilgt, und die Gerechtigkeit Gottes in Betreff unserer völlig befriedigt hat, erfahren; wir haben das Rote 
Meer durchschritten, indem die Kraft des Todes und der 
Auferstehung Christi in uns verwirklicht worden ist. Jetzt 
sind wir in der Wüste. Obgleich wir durch den Glauben 
schon in das himmlische Kanaan in Christo mitversetzt sind, 
so bleibt es dennoch wahr, daß wir hienieden in der Wüste 
sind, wo wir Versuchungen aller Art zu erdulden haben. Wir 
sind hier Fremdlinge, und nirgends ist für uns eine bleibende Stadt; aber wir wissen, daß wir Hausgenossen Gottes 
sind, deren Vaterhaus droben ist. Wir sind Sein Volk, und 
werden nach dem Wert und der Kraft des Blutes Christi in 
Gnade, Langmut und Liebe von Ihm getragen und geleitet. 
Es ist uns bekannt, wieviel Schwierigkeiten und Kämpfe 
dem Volke Israel auf seinem Wege durch die Wüste begegneten, und wie traurig es sich in all den Versuchungen benommen hat, indem es stets Mißtrauen und Unglauben 
gegen seinen Gott an den Tag legte. Wir sehen aber auch, 
welch große Zahl Ägypten verließ, das Rote Meer durchschritt und in der Wüste mit großer Geduld und Langmut 
von Jehova getragen wurde, und wie doch so wenige von 
den Ausgezogenen das verheißene Land wirklich erreichten. 
Dies zeigt uns die Verantwortlichkeit des Volkes Gottes; 
Israel verantwortlich nach dem Gesetz und wir nach der 
Gnade. Also auch auf uns liegt eine Verantwortlichkeit, 
und nicht umsonst stellt uns der Apostel in 1. Kor. 10 das 
traurige Verhalten dieses Volkes, als ein warnendes Beispiel 
vor unsere Augen, und sagt uns in Hebr. 3, 19, daß jene 
wege n Unglaube n nicht hätten eingehen können. Dies 
Volk hielt die mannigfachen Versuchungen nicht für lauter 
Freude, sondern vielmehr für Traurigkeit. 
Laßt es uns aber auch verstehen, geliebte Brüder, daß 
uns in Christo eine viel größere Errettung zuteil geworden 
ist, und daß deshalb der Apostel sagt: „Wie aber wollen wir 
entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen!" (Hebr. 2, 3) und daß der ernste Zuruf an die Hebräer 
auch uns gilt: „daß niemand von der Gnade Gottes zurückbleibe" (Kap. 12, 15). Doch wie ermunternd und Zuversicht 
erweckend ist es, was wir in Hebr. 10, 19-22 lesen: „Da wir 
denn, Brüder, zum Eintritt in das Heiligtum Freimütigkeit 
haben, durch das Blut Jesu, auf einem neuen und lebendigen Wege, welchen er uns eingeweiht hat, durch den Vor175 
hang, das ist sein Fleisch, und einen großen Priester über 
das Haus Gottes, so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem 
Herzen, in voller Gewißheit des Glaubens, besprengt an den 
Herzen (und also gereinigt) vom bösen Gewissen, und gewaschen am Leibe mit reinem Wasser." — Wir haben einen 
großen Hohenpriester, der mit Seinem Eigenen Blut ein für 
alle Mal in das Heiligtum, den Himmel, eingegangen ist, um 
für uns vor Gott zu erscheinen, um uns kraft Seines Blutes 
allezeit zu vertreten und unsere Beziehungen mit Gott aufrecht zu erhalten. Wir haben einen unbeschreiblich großen 
Vorzug vor Israel; wir haben das wahre Wesen in Christo, 
während jene nur den Schatten davon hatten. Unser Heil 
ist fest gegründet; für immer ist der Eintritt in das Heiligtum uns erlaubt, und der neue und lebendige Weg uns eingeweiht, und für immer behält das Blut Christi für uns Seinen ganzen Wert und Seine vollkommene Kraft. Nur der Unglaube kann uns die Freimütigkeit rauben und den Genuß 
der Segnungen verkümmern, sonst nichts. Es gibt keine Lage, 
noch irgend einen Zustand eines Christen, worin er weniger Freimütigkeit haben dürfte; weil diese Freimütigkeit 
in keiner Weise von unserem Wandel, sondern allein von 
dem Blute Christi, welches sich für immer vor dem Gnadenthron befindet, abhängt. Dieses Blut hat uns den Zugang 
für immer geöffnet und nichts kann ihn schließen; nur 
kann, wie gesagt, der Unglaube unseren Zutritt verhindern. 
So köstlich nun auch dieser Gegenstand ist, so will ich doch 
jetzt nicht weiter in denselben eingehen, und vielmehr auf 
die Versuchungen in der Wüste zurückkommen. 
Wenn wir unsere Verantwortlichkeit verstehen, so wissen wir, daß es sich darum handelt, daß wir bis ans Ende 
ausharren. „Wer beharret bis ans Ende, der wird errettet 
werden." Warum haben wir Ägypten, d. i. die Welt und ihre 
Freuden verlassen? Ist es der Wüste wegen, oder der Erfahrungen wegen, die wir auf diesem Wege machen können? 
Gewiß nicht, sondern um das köstliche Ziel, das himmlische 
Kanaan wirklich zu erreichen. Die Versuchungen in der 
Wüste aber benutzt Gott, unseren Glauben zu bewähren 
und also unser Ausharren bis ans Ende zu bewirken. Und 
hierin liegt zunächst der Grund, weshalb wir die mannigfachen Versuchungen für lauter Freude halten können. 
Das Fleisch liebt den Weg nach Kanaan nicht; es erschwert und verkümmert uns nur denselben. Es fängt vielleicht mit guten Vorsätzen an; aber es schreckt vor der 
kleinsten Versuchung zurück und zeigt nichts als Furcht und 
Ohnmacht- Nach jeder Durchhilfe von Seiten des Herrn ist 
es zu neuen Vorsätzen bereit; aber es wird auch immer aufs 
neue sein wahres Wesen offenbart werden, und wir werden 
176 
erfahren, daß Fleisch stets Fleisch bleibt. —Wir können nur 
mit Gott sicher durch diese Wüste gehen; und da wir Ihn 
nicht mit unseren Augen sehen, so ist unser Wandel ein 
Wandel durch den Glauben. Durch diesen sind wir sowohl 
von Seiner Gegenwart, als auch von Seiner Macht und Liebe 
überzeugt. Durch diesen wandeln wir, als sähen wir den Unsichtbaren, und also verwirklichen wir auf diesem Wege das, 
was Er uns ist. Es ist nicht zu leugnen, daß es auf diesem 
Weg viele Schwierigkeiten gibt, die uns in Sorge und Unruhe 
bringen können; aber wir gehen hindurch, sobald wir im 
Glauben wandeln. Was uns einzig und allein vor diesen Versuchungen zurückschrecken läßt, sind nicht die Versuchungen selbst, sondern wenn wir un s selbst , d. i. das Fleisch 
durch den Unglauben hineinbringen; ja wir erschrecken 
schon vorher, und suchen zu entfliehen, wenn wir unsere 
Kraft mit der vor uns liegenden Schwierigkeit messen. 
Durch den Glauben aber halten wir uns an Gott, wir vertrauen allein auf Seine Kraft und also bleiben wir getrost. 
Nur dann, wenn wir völlig von unserem Nichts überzeugt 
sind, wenn wir unsere ganze Abhängigkeit von Gott fühlen, 
sind wir fähig in der Wüste voranzugehen; ruht aber das 
Auge auf den Schwierigkeiten oder auf uns, dann schrecken 
wir zurück oder fallen. 
Diese Versuchungen nun, meine Brüder, denen Gott erlaubt, uns in der Wüste zu begegnen, haben den Zweck, unseren Glauben zu bewähren und unser Ausharren zu bewirken. Durch den Glauben machen wir in den Versuchungen 
immer neue Erfahrungen von der Macht, Liebe und Gnade 
Gottes, überall begegnen wir Seiner treuen Hand, und dies 
gerade befestigt den Glauben und macht uns immer mehr 
zum Ausharren geschickt. Dieselben Schwierigkeiten, die 
für so viele durch den Unglauben ein Anlaß zum Zurückweichen werden, werden durch den Glauben für uns ein 
Mittel, bis ans Ende zu beharren. Gehen wir in Gemeinschaft mit Gott durch die mannigfachen Versuchungen, so 
sind freilich unsere Füße in der Wüste, aber mit unseren 
Herzen wandeln wir im Himmel. Wir gleichen sozusagen 
dem Paulus und Silas im Gefängnis zu Philippi. Ihre Füße 
befanden sich unter vielen Schmerzen im Stock, aber ihre 
Herzen waren droben und sangen Lobgesänge. „Die Freude 
am Herrn ist unsere Stärke." Und je mehr wir die Gemeinschaft Gottes in unserem Wandel verwirklichen, und je 
mehr wir unseren Wandel in den Himmeln — woher wir 
Jesum erwarten — haben, desto geistlicher und himmlischer 
wird unsere Gesinnung werden, und desto mehr werden wir 
geeignet sein, bis ans Ende auszuharren. Wir können aber, 
wie schon gesagt, in den vielen Versuchungen nicht anders, 
26 177 
als durch den Glauben und in der Gemeinschaft mit Gott 
bestehen, und deshalb wird es uns nicht schwer sein, zu erkennen, wie gut und nötig dieselben sind, weil wir beim 
Ausharren in den Schwierigkeiten, der steten Gemeinschaft 
mit Gott bedürfen, wodurch gerade unsere Gesinnung immer mehr ein himmlisches Gepräge erhält, und wir also 
zum Ausharren immer fähiger werden. — Wie wunderbar 
ist es doch, daß selbst die ein e Versuchung dazu dient, um 
uns zur Beharrung in einer anderen zuzubereiten. Unser 
treuer Gott aber ist es, der uns diesen reichen Segen in der 
Versuchung finden läßt; wir werden in allen Umständen 
und Schwierigkeiten Seine fürsorgende Liebe für uns wirksam finden, um uns zu segnen. Wie groß ist doch Seine 
Weisheit und Liebe, daß Er gerade das, was uns das Schwierigste auf dem Wege zu sein scheint, in einen so reichen 
Segen für uns verwandelt hat, daß gerade unter der Leitung 
Seines Geistes die mannigfachen Versuchungen dazu dienen, 
unseren Glauben immer mehr zu bewähren, unsere Herzen 
zu befestigen und unser Ausharren zu bewirken. Deshalb 
haben wir gewiß Ursache, geliebte Brüder, wenn es uns 
anders von Herzen darum geht, unser Kanaan, d. i. die 
himmlische Herrlichkeit, wirklich zu erreichen, die mannigfachen Versuchungen für lauter Freude zu achten, und haben keinen Grund, davor zu erzittern noch zurückzuschrekken, weil unser Gott uns nur Liebe und Segen darin finden 
läßt. Er wolle uns reichlich Weisheit geben, um dies recht 
zu verstehen. 
Noch in anderer Beziehung haben wir, meine Brüder, 
Grund genug, die mannigfachen Versuchungen für lauter 
Freude zu achten. — Wir sind Kinder Gottes und sind überzeugt, daß unser Vater uns nicht verlassen, noch versäumen 
kann; wir wissen, daß unser Gott die Liebe ist, und wir verstehen dieses, weil Seine Liebe, durch den uns mitgeteilten 
Geist, in unsere Herzen ausgegossen ist. Er hat Seinen eingeborenen Sohn für uns dahingegeben und dies gerade ist 
der vollkommene Beweis Seiner großen Liebe gegen uns. 
„Der doch seinen eigenen Sohn nicht verschonet, sondern 
ihn für uns alle hingegeben hat; wie wird er uns mit ihm 
nicht auch alles schenken?" (Röm. 8, 32). 
So verstehen wir, daß Gott die Liebe ist und daß Er die 
Liebe gegen uns ist; aber das Kind wird gerade in den mannigfachen Versuchungen am meisten Gelegenheit haben, das 
Herz des Vater s kennen zu lernen. Seine Güte und Treue, 
Seine Liebe, Langmut und Gnade werden wir dann am 
reichlichsten erfahren, wenn wir in unserer Schwachheit 
durch die Versuchungen dieser armen Erde gehen. Er trägt 
und leitet uns hindurch, und läßt uns überall, wenn wir an178 
ders Augen dafür haben, Seine beseligende Gegenwart 
empfinden; überall können wir erfahren, daß „der Gott und 
Vater unseres Herrn Jesu Christi, der Vater der Erbarmungen und der Gott allen Trostes ist" (2. Kor. 1, 3). Diese Erfahrungen machen unser Herz glücklich und getrost. 
Betrachten wir die Versuchungen von dieser Seite, so 
werden sie uns nichts anderes als Freude sein; wir werden 
in ihnen nur eine Gelegenheit sehen, in welcher unser Gott 
und Vater auf eine besondere Weise offenbaren kann, was 
Er gegen uns ist, und wir werden darin eine Gelegenheit 
finden, immer besser das Herz unseres treuen Vaters zu 
verstehen. 
Doch noch mehr; die mannigfachen Versuchungen sind 
nicht nur für unseren Gott eine Gelegenheit Sich in Seiner 
Macht und Liebe a n un s zu verherrlichen, sondern auch 
für uns eine Gelegenheit, Ih n vor der Welt zu verherrlichen. Wandeln wir im Glauben durch die Versuchungen, 
harren wir darin aus, so beweisen wir dadurch, daß wir 
etwas haben und kennen, das höher und köstlicher für uns 
ist, als die Welt und ihre Freuden, daß wir für das Unsichtbare, für unseren Gott und Seine Herrlichkeit, das Sichtbare 
verleugnen. Wir geben dadurch zu verstehen, daß Seine 
Ehre und Sein wohlgefälliger Wille uns mehr gelten, als die 
Ehre und der Wille der Menschen, und daß es uns köstlicher 
ist, in den Leiden Ihm zu gehorchen und unterworfen zu 
sein, als in den Freuden der Welt Seiner zu vergessen. 
Ebenso wissen wir, teure Brüder, daß wir uns selbst 
nicht mehr angehören, sondern Dem, der für uns gestorben 
und auferstanden ist, daß wir Sklaven Jesu Christi sind. Ist 
Er uns nun teuer und köstlich, ja ein und alles geworden, 
dann wird uns nichts mehr am Herzen liegen, als daß Sein 
Name an uns verherrlicht werde. Wir wünschen dann mit 
Paulus, daß „Christus an unserem Leibe hoch erhoben 
werde, sei es durch Leben, sei es durch Tod"; es wird uns 
eine Freude und eine Ehre sein, für Seinen Namen Schmach 
zu leiden (Phil. 1, 20). Dann verstehen wir auch die Worte 
des Apostels in 2. Kor. 12, 9-11: „Daher will ich mich denn 
vielmehr am allerliebsten meiner Schwachheit rühmen, auf 
daß die Kraft des Christus mir innewohne. Deshalb habe 
ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an 
Nöten, an Verfolgungen, an Drangsalen, für Christum. Denn 
wenn ich schwach bin, dann bin ich mächtig." — 
Dies Wenige reicht schon hin, um uns verstehen zu lassen, wieviel Ursache wir haben, die mannigfachen Versuchungen für lauter Freude zu halten. — Ehe ich jedoch diese 
Zeilen schließe, möchte ich noch für einen Augenblick unsere Gedanken auf einige ernste Aussprüche des Apostels 
179 
Jakobus, die auf den 2. und 3. Vers des angeführten Kapitels 
folgen, lenken. Zuerst ermahnt er uns, „das Ausharren sein 
vollkommenes Werk haben zu lassen" (V. 4). Es ist nicht 
genug, nur für eine Zeit in den Versuchungen zu beharren, 
sondern bis ans Ende. Sind wir durch den Glauben in der 
Kraft Gottes bis dahin gebracht, dann hat das Ausharren 
sein vollkommenes Werk, und wir werden von allen Kämpfen und Mühsalen ausruhen. Im 5. Vers fügt er eine köstliche Zusage hinzu, die uns in unserer Schwachheit und Unweisheit so not tut. „Wenn aber jemandem von euch Weisheit mangelt, so bitte er von Gott, welcher allen willig gibt, 
und nichts vorwirft; und es wird ihm gegeben werden." Wie 
tröstlich ist es für uns zu wissen, meine Brüder, daß Gott 
Sich nicht durch unsere Mängel beschränken läßt, sondern 
uns die auf unserem Pilgerwege so nötige Weisheit willig 
darreicht. Er stillt nach dem Reichtum Seiner Gnade und 
Liebe alle unsere Bedürfnisse. 
In Vers 6 und 7 sehen wir, wie traurig der Unglaube ist, 
und wie leer der Zweifler ausgeht; er bekomm t „nichts". 
„Ein doppelherziger Mann", sagt der Apostel, „ist unstet in 
in allen seinen Wegen." Ein solcher will es mit Gott halten 
und doch die Dinge dieser Welt nicht fahren lassen; er unterwirft den Willen Gottes seinen Vernunftschlüssen und folgt 
nur dann, wenn es keine Verleugnung kostet. Und dies eben 
bringt in allen seinen Handlungen nichts weiter als Verwirrungen hervor. — Ebenso zeigt uns der Apostel in dem 
9. und 10. Vers die Nichtigkeit allen Reichtums. Nicht nur 
gleicht dieser des Grases Blume, sondern auch der Mensch, 
dessen Schatz der Reichtum dieser Welt ist, wird in seinen 
Wegen verwelken. Wie töricht ist es deshalb, in dieser Welt 
etwas zu suchen und zu besitzen, wie töricht ist es, sein 
Herz an irgend etwas Sichtbares zu hängen! denn noch ein 
wenig und „die Sonne ist mit der Glut aufgegangen und hat 
das Gras gedörrt, und seine Blume ist abgefallen, und die 
Zierde seines Ansehens ist verloren." — 
Doch „glückselig der Mann, welcher in der Versuchung 
aushält! Denn wenn er bewährt ist, wird er die Krone des 
Lebens empfangen, welche der Herr denen, die ihn lieben, 
verheißen hat." — Die Krone des Lebens ist der kostbare 
Kampfpreis, welcher dem Ausharrenden am Ziel seiner 
Wanderschaft zuteil wird. Wo der Reiche dieser Welt nichts 
mehr hat, da findet der, welcher ausgeharrt hat, ein unverwesliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil. Um 
wieviel köstlicher sind deshalb alle die mannigfachen Versuchungen in der Wüste, die Leiden und Trübsale, welche 
für den Bewährten eine Brücke zur ewigen Glückseligkeit 
geworden sind, als alle die Freuden dieser Welt, die nichts 
180 
als Kummer und Herzeleid zurücklassen. Ja, „glückselig ist 
der Mann, welcher in der Versuchung aushält." — Deshalb, 
geliebte Brüder, laßt uns nicht ermatten, sondern die mannigfachen Versuchungen für lauter Freude halten, laßt uns 
in der Verleugnung des Sichtbaren erkennen, daß wir unseren Gott mehr lieben als alles, so wird Er am Ende unserer Laufbahn uns die herrliche Krone des Lebens darreichen. Und wir werden auch nicht mehr weit bis zu unserem Ziel haben; denn wenn je, so gilt uns jetzt besonders 
das liebliche Trostwort des Apostels an die Hebräer: „denn 
noch um ein gar Kleines und der Kommende wird kommen 
und nicht verzögern" (Hebr. 10, 38). So lasset uns denn in 
diesen wenigen Tagen es „fü r laute r Freud e hal -
ten , wen n wir in mannigfach e Versuchunge n 
geraten" , und nicht ermatten. —• Das wolle der treue 
Herr durch Seine Gnade in uns allen reichlich verwirklichen. 
Esther 
„Die Furcht des Herrn ist Zucht zur Weisheit, und der 
Herrlichkeit geht Leiden vorher" (Spruch. 15, 33). 
„Dem Verderben geht Stolz vorher und dem Falle 
Hochmut" (Spruch. 16, 18). 
Zuers t Leiden , un d dan n Herrlichkeit . 
Dies ist der bezeichnende Charakter des Pfades oder der 
Geschichte der Heiligen, wie wir es schon von alter Zeit her 
bestätigt finden. Erinnern wir uns nur, in Verbindung mit 
dieser Wahrheit, an die Geschichte des Joseph, des Moses, 
des David und andere. Aber gewöhnlich ist auch der Augenblick des tiefsten Druckes der Vorabend der Befreiung. In 
Ägypten hatte der Druck beinahe den höchsten Gipfel erreicht, als der Herr den Moses für die Befreiung zubereitete. 
Gerade dann ist der Teufel am eifrigsten bemüht, seine armen Gefangenen recht tief in die Trübsale hineinzuziehen 
und sie unter noch empfindlicheren Schmerzen schreien zu 
machen, wenn der Herr mit Seiner Erlösung nahe ist. In 
den letzten Tagen, wenn Israels „Kraft vergangen und kein 
Verschließen noch Aufhören mehr da ist", wenn der Feind 
gleich einer Flut hineingedrungen — dann wird der Herr 
Seine Standarte aufpflanzen und eine bessere Ordnung der 
Dinge einführen. Die Vorbereitun g dieser besseren 
181 
Ordnung aber ist gewiß nicht eine Zeit des lieblichen Anblicks, sondern im Gegenteil; es ist gleichsam die Rückseite 
des so herrlichen Bildes. 
Dies alles aber kann uns erfreuen und ermutigen. Während die Knospe bitter ist, verbreitet in demselben Augenblick die Blume ihren duftenden Wohlgeruch. Aber nicht 
nur sind zuerst Leiden und dann Herrlichkeit, sondern gewöhnlich Leiden der empfindlichsten Art, gerade zu de r 
Zeit , wenn die Herrlichkeit und die Errettung vor der 
Tür ist. 
Es gibt eine Wahrheit, welche mit dieser in Verbindung 
steht, oder, ich möchte lieber sagen, ihr gegenüber steht, — 
nämlidi diese: de r Hochmu t zuerst , un d dan n 
d e r Untergan g ode r da s Gericht , un d die s 
gerad e i n de m Augenblic k de r höchste n un d 
völligste n Erhebung . 
Die Erbauer Babels hatten einen großen Bund gemacht; 
und ihre stolze Absicht, welche ihre Herzen erfüllte, war 
keine geringere, als eine Stadt zu erbauen und einen Turm, 
dessen Spitze bis in den Himmel reichen sollte, und sie 
streckten ihre Hände aus, diesen stolzen Plan auszuführen. 
Aber in der Stunde der hochmütigsten Erhebung kam der 
Herr im Gericht hernieder (1. Mos. 11). — Pharao suchte sich 
zum ersten Manne in der Welt zu erheben; und in dem Gedanken an seine Größe und in dem Gefühl seiner Unabhängigkeit hatte er den Joseph vergessen; und er erklärte, 
daß er von dem Gott Israels nichts wisse. Aber gerade dann 
fingen die Schalen des Zornes von der Hand Jehovas an, 
sich über ihn auszugießen (2. Mos. 5). — Nebukadnezar wandelte in seinem Palast und bewunderte seine Größe und er 
sagte: „Ist nicht diese große Babel, welch e ic h erbau t 
habe? " Doch der Herr wachte über den Bösen, und während das Wort des Hochmuts und der Erhebung in seinem 
Munde war, und e r sic h erhob , wurd e e r ernied -
rig t (Dan. 4). — Herodes wurde von dem Volke gepriesen, 
als ein Gott; und in demselben Augenblick machte das Gericht Gottes ein schreckliches Schauspiel aus ihm (Apg. 12). 
Solche furchtbare Heimsuchungen in der Stunde des 
größten Glückes und in dem höchsten Stolz des Herzens sind 
uns sowohl in den Propheten vorher gesagt, als auch in den 
Geschichten dargestellt. Der „Morgenstern" in Jesajas, der 
„Fürst von Tyrus" in Hesekiel, „der Mensch der Sünde" in 
dem Brief an die Thessalonicher, das „wilde Tier" in der 
Offenbarung Johannes — diesen allen ist der Untergang in 
dem Augenblick ihrer höchsten Vermessenheit angekündigt. 
Diese so wichtigen und interessanten Wahrheiten —• die 
Erhebung des Gerechten in dem Augenblick des tiefsten 
182 
Druckes, und die Erniedrigung des Hochmütigen in seiner 
höchsten Selbstgefälligkeit — treten uns in dem Buch der 
Esther in einer sehr bestimmten und ausgezeichneten Weise 
entgegen. Dieses Buch schließt die Geschichtsbücher des 
Alten Testaments, und unter allen enthält es die völligste 
und lebendigste Darstellung dieser zwei großen Grundsätze 
in den Wegen Gottes. 
In dem Verzeichnis jener Hochmütigen, welche in ihrem 
höchsten Stolz ihrem Untergang begegneten, möchte ich besonders Haman, den Agagiter, hervorheben. Er war aus dem 
Geschlecht der Amalekiter, einem Geschlecht, womit der 
Herr immer Streit hatte, welches Seine Herrlichkeit verachtete, und schon in der traurigsten Wüste, in den ersten 
Augenblicken der Geschichte Israels anfing, seinen eigenen 
Glanz zu enthüllen (4. Mos. 17). — Das Glück hatte diesen 
Haman auf eine merkwürdige Weise begleitet. „Der König 
Ahasveros erhob ihn über alle Fürsten, die bei ihm waren. 
Und alle Knechte des Königs, die im Tore des Königs waren, beugten die Kniee und beteten Haman an Da tat 
der König seinen Ring von der Hand und gab ihn Haman .. . 
Und der König sprach zu Haman: das Silber sei dir gegeben, 
dazu das Volk, daß du damit tust, was dir gefällt" (Kap. 3, 
1. 2.10.11). Dieses alles erfüllte das Herz des Haman so sehr 
mit Stolz, daß er keinen Widerspruch vertragen konnte, — 
und wenn der Diener Gottes ihn nicht ehren wollte, so mußte 
das ganze Volk Gottes dafür büßen. In den Tagen dieses 
Amalekiters erscheint Esther. Sie war eine arme Gefangene aus dem Lande Israels und war jetzt in dem Lande 
der Perser. Und nicht nur nahm sie teil an der allgemeinen 
Betrübnis und den Leiden ihres Volkes, sondern ihr Herz 
hatte noch für sich besonders Kummer und Trübsal durchzumachen. Sie war eine in jeder Beziehung hilflose Waise, 
die nur unter der Mühe und Sorge ihres gottseligen Verwandten Mordokai stand. 
Im Laufe der Zeit wurde sie, ohne irgend welche Bemühung oder einen Wunsch von ihrer Seite, das am meisten 
begünstigte Weib des persischen Königs; und nicht allein 
kam sie in diese Stellung ohne ihr Bemühen und ihren 
Wunsch, sondern sie hatte auch, obgleich sie an dem königlichen Hofe war, gleich Daniel und anderen, ihre Absonderung für Gott unter den Gebräuchen der Nationen bewahrt 
(Kap. 2,15). Sie wollte keine Schuldnerin der Menschen sein, 
und nahm, gleich Abraham, von dem Könige zu Sodom 
(1. Mos. 14) nichts, ausgenommen das Nötigste. Es war der 
Herr, und nicht ihr Schmuck, welcher ihr in den Augen 
aller, die sie anschauten, Gunst verlieh. Selbst der König 
war von ihr eingenommen, und die königliche Krone wurde 
183 
auf ihr Haupt gesetzt. Dennoch blieb sie das einfache, jüdische Mädchen und gehorchte dem Mordokai gerade so wie 
an dem Tage, als dieser sie in sein Haus brachte. 
Das war ein glücklicher Anfang. Sie fing be i sic h 
selbs t an, indem sie sich rein bewahrte; und deshalb war 
sie ein Gefäß für den Hausherrn gebräuchlich (2. Tim. 2). 
Jerusalem konnte sich einer solchen Tochter rühmen, obgleich sie in dem Palast zu Susan war. Sie stand als ein 
Zeugnis der prophetischen Wahrheit da: „Ihre Nasiräer waren glänzender als Schnee, weißer als Milch; röter waren sie 
am Leibe als Korallen, wie Saphir ihre Gestalt" (Klagl. Jer. 
4, 7). Und als sie im ferneren Verlauf der Zeit den Kummer 
ihres Volkes hörte, vergaß sie, gleich dem Moses, dem Nehemias und anderen, alles, was sie besaß — die Gemächlichkeit, die Annehmlichkeit und die Ehren des Palastes, und 
gedachte nur an die Bürden ihrer Brüder. 
Das war ein glücklicher Fortgang. Sie hatte sich selbst 
vor der Befleckung bewahrt und machte sich jetzt eins mit 
den Leiden der anderen. Sie hatte gegen die persönlichen 
Verirrungen gewacht, und war jetzt frei und fähig, zu dienen. Schon stand sie umgürtet da und wartete nur auf einen 
Ruf. Dies ist der wahre Zustand eines jeden Nachfolgers 
Jesu, ja der einzig wahre und geeignete Zustand, in welchem jemand als Diener des Hauses Gottes berufen werden 
kann. Esther, die Königin, war jetzt auf das sorgsamste bemüht, sich mit dem Zustand ihres Volkes in dem ganzen 
Reich der königlichen Lande vertraut zu machen; und sie 
stellt sich völlig unter dessen Last. 
Israel befand sich in dem gegenwärtigen Augenblick unter dem größten Druck. Der Hochmut Hamans, welcher in 
dieser Zeit die persische Monarchie zu befehligen hatte, 
konnte die heilige Widersetzlichkeit des Juden Mordokai 
welcher sich weigerte, vor ihm nieder zu fallen, nicht ertragen; und er gewann so sehr die Oberhand, daß es ihm gelang, das ganze Volk der Juden (die zerstreuten Gefangenen 
in allen persischen Provinzen) unter das Urteil des Todes zu 
bringen. Aber der Herr, wie wir gesehen haben, hatte schon 
einen verborgenen Pfeil in Seinem Köcher; der errettende 
Stein des Baches war schon für die Schlinge bereit (1. Sam. 
17, 40). 
Wir haben Esther gut anfangen und auch gut fortfahren 
sehen. In der Gemeinschaft des Herrn wurde sie durch Sein 
Licht und Seine Kraft geleitet. Sie hatte einen verborgenen 
und sehr gesegneten und vertrauten Umgang mit Ihm, obgleich wir nichts von Gesichten oder Entzückungen oder irgend etwas anderem der Art hören, — und ich darf auch 
sagen, daß in diesen Tagen keine Offenbarungen durch Ge184 
sichte stattfanden. Es war aber in ihr erreicht, was allein in 
der Stellung des Glaubens in jedem Stande und Alter erreicht werden kann —• Gemeinschaf t mi t Gott . 
Sie vertraute allein auf Gott, wie Sadrach und andere 
(Dan. 3). Wenn es Ihm wohlgefiel, so konnte Er sie befreien; 
daran zweifelte sie nicht. Aber ob es Ihm wohlgefiel oder 
nicht, sie hatte nur ihre Pflicht zu tun; und sie konnte und 
wollte alles in der Sache des Dienstes Christi wagen. Ihre 
Seele war, gleich der des Sadrach und seiner treuen Begleiter, für jede Folge vorbereitet: „Komme ich um, so komme 
ich um", sagte sie. Welch eine kostbare und liebliche Arbeit 
in der Hand des Herrn! Sie war in der Tat, sowohl zu einem 
demütigen als auch zu einem brauchbaren Gefäß Seines 
Hauses zubereitet. 
Doch noch mehr. Wir sehen, in welch naher Gemeinschaft 
Esther mit den Gedanken Gottes stand. Sie scheint die göttliche Methode mit ihren stolzen Widersachern beobachtet zu 
haben; denn sie schlägt mit diesem bösen Haman genau 
Gottes eigenen Weg ein. Sie handelt nicht in unruhiger 
Eile, sondern bereitet ruhig ihre Pläne vor, um diesem Amalekiter, dessen Herz bis an den Rand mit Hochmut angefüllt war, gemäß des göttlichen Weges zu Fall zu bringen, 
und zwar in dem Augenblick seines höchsten Eigendünkels. 
— Das goldene Zepter des Königs war gegen sie ausgereckt, 
und zugleich erhielt sie die königliche Verheißung, ihr alles 
zu geben, was immer sie verlangen möchte, selbst bis zur 
Hälfte des Königreiches. Dennoch verharrt sie in Geduld, 
und ladet den König und Haman zu einem Festmahle ein. 
Beide kommen — und wiederum wird das halbe Königreich 
zu ihrer Verfügung gestellt. Aber sie verhält sich immer 
noch geduldig und ladet sie zum zweiten Male ein. —• War 
denn aber dies nichts anderes als Geduld, oder als Ruhe und 
Selbstverleugnung? War es nicht mehr (wie vortrefflich dies 
auch immer sein mag) als ein Widerstand der Gärung und 
Leidenschaftlichkeit des Bösen? Oder war es nur Tugend 
und ein wohlgeartetes Herz, im Gegensatz zu dem leidenschaftlichen Weg einer Herodias? (Mark. 6, 23). Dies alles 
mag es gewesen sein; aber es war auch mehr. Es war das 
Verhalten einer Person, welche den Weg Gottes kannte und 
welche in den gleichen Fällen Seinen Weg nachahmte. Der 
Herr, im Besitz aller Macht, ist geduldig; und über vierhundert Jahre kann Er ausharren mit einem Amoriter, bis 
das Maß seiner Sünden voll ist (1. Mos. 15, 13-15). Ebenso 
hier; die eine , welche von Ihm gelernt hatte, die eine , 
welche in der Schule Seiner Gemeinschaft gewesen war, 
konnte, obgleich im Besitz der Hilfsquellen eines Königrei185 
dies, so geduldig sein, und den Menschen der Erde zu dem 
vollen Maß seiner Sünden voran gehen lassen. 
Sie ladet also Haman und den König zum zweiten Male 
zu ihrem Festmahl ein; und gerade an diesem Tag ging Haman mit voller Freude und mit einem fröhlichen Herzen 
einher. Er erzählte seinem Weib und seinem Freund von 
seiner Größe und seinem Glück, und fügt, indem seine hochmütigen Gedanken und seine Selbstgefälligkeit sich steigern, mit großer Freude hinzu, daß die Königin Esther ihn 
und den König allein zu ihrem Mahl eingeladen hätte. Dies 
ist wohl zu beachten. Ich werde aber nicht nötig haben, daran zu erinnern, wie dieser Mensch in seiner stolzen Erhebung in einem einzigen Augenblick erniedrigt wurde, und 
wie das Gericht Gottes plötzlich über dies alles hernieder 
fuhr. Diese Geschichte wird uns bekannt sein. Ebenso werde 
ich nicht nötig haben davon zu reden, wie Esther und ihr 
Volk in dem Augenblick des tiefsten Druckes befreit wurden, und wie dieser Streit zwischen Furcht und Hoffnung 
in dem ruhmvollsten und wunderbarsten Triumph der Hoffnung endigte. Die Juden hatten das Urteil des Todes in sich 
selbst; aber da war einer, welcher den Tod aufhob und den 
Schatten des Todes in einen lieblichen Morgen verwandelte. 
„Den Juden ward Licht und Freude und Wonne und Ehre. 
Und in allen und jeglichen Landschaften und in allen und 
jeglichen Städten, wohin das Wort des Königs und sein Befehl gelangte, war Freude und Wonne unter den Juden, 
Gastmahl und Festtag. Und viele von den Einwohnern und 
den Ländern wurden Juden; denn die Furcht vor den Juden 
war auf sie gefallen" (Kap. 8,16.17). Der so traurige Monat 
hatte seine Sorgen in Freude und seine Trauer in einen 
fröhlichen Tag verwandelt. Esther war Königin und was 
den Mordokai betrifft, so „war er der Zweite nach dem 
König Ahasveros, und groß bei den Juden, und wohlgefällig 
der Menge seiner Brüder, der das Beste seines Volkes suchte, 
und redete zum Heil für all seinen Samen" (Kap. 10, 2. 3). 
Wie gesegnet ist es doch, den Geist in dem Pfade dieses 
teuren und ehrenwerten Weibes zu beobachten. Zunächst ist 
sie besorgt, sich selbst rein zu bewahren, und ist voll der 
tiefsten Sympathien für ihr Volk. Sie vertraut allein auf den 
Herrn und ist völlig bereit, mit aller Aufopferung Seinen 
Willen zu tun. Welch eine Fülle von Belehrung stellt dies 
eine Beispiel vor unsere Seele. Und doch sehen wir, wie 
man zu sagen pflegt, wie sehr die Umstände entgegen waren. 
Sie war in einer Lage des Lebens, welche einen echten Israeliten erforderte, einen wahren Nasiräer, der viel Wachsamkeit und Selbstverleugnung besaß. Allein ihr Wandel 
und ihr Umgang mit dem Herrn war so verborgen, so innig 
186 
und rein, daß es schien, als sei sie in die tiefsten Geheimnisse Seiner Gedanken eingedrungen. Sie handelte gegen 
den großen Widersacher, wie wir schon gesehen haben, genau nach Gottes eigenem Weg und in einer steten nahen 
Gemeinschaft mit Ihm. Wir sehen auch, daß, sobald der Plan 
gegen den Stolz Hamans zur Reife gekommen war, der Herr 
in demselben Augenblick anfing, gegen ihn zu handeln und 
die Werkzeuge seines Verderbens vorzubereiten. Es war 
nämlich genau in derselben Nacht zwischen den beiden Tagen, an welchen die Königin Esther ihre Festmahle bereitet 
hatte, daß der Herr in das Herz des Ahasveros den Traum 
gab, welcher den Amalekiter in seinem Hochmut erniedrigte (Kap. 6). Deshalb möge niemand sagen, daß die Umstände gegen ihn seien. Es ist nur nötig, daß wir mit aller 
Entschiedenheit des Herzens und mit aller Einfalt des Auges 
mit de r Kraft in Gemeinschaft bleiben, welche für alle 
Umstände passend ist, wie uns die Königin Esther hier ein 
so schönes Exempel gegeben hat. 
Schon habe ich am Anfang an die zwei großen Grundsätze erinnert, die wir in der Geschichte der Esther und des 
Haman in einer so ausgezeichneten Weise verwirklicht finden: di e Erhebun g de s Gerechte n i n de m 
Augenblic k de s tiefste n Druckes , un d di e 
Erniedrigun g de s Mächtige n i n de r Stund e 
seine r hohen , stolze n Gedanken ; und diese 
Grundsätze in den Wegen Gottes werden sich immer wieder 
aufs neue in der Geschichte der Menschen bewahrheiten. 
Es wird aber noch eine Krise in der Geschichte dieser 
Erde kommen, welche die schrecklichste und ausgedehnteste 
von allen ist, wogegen jede vorhergegangene nur eine Vorübung und Schatten war. Sie wird in eine Zeit fallen, wo 
die Menschen, wie zu der Zeit des Noah, in einer stolzen 
und schrecklichen Sicherheit dahinleben, wo sie, gleich jenen, inmitten ihrer Hochzeitsfeste, in ihrem Kaufen und 
Verkaufen nichts ahnen, bis die Flut der Gerichte Gottes 
über sie hereinbricht. Äußere Wohlfahrt und Selbsterhebung sind gewöhnlich in Gesellschaft und werden auch diese 
Tage auszeichnen. Und sehen wir nicht jetzt schon, wie alles 
wirksam ist, um solche Zeiten herbei zu führen? Nehmen 
die Bequemlichkeiten und Verschönerungen des menschlichen Lebens nicht auf eine wunderbare Weise zu? Wünscht 
sich dieses Geschlecht nicht Glück wegen der Vorzüge, 
welche es genießt, indem es im stillen jene bedauert, welche 
in den Staub dahin sanken, ehe diese Vorzüge bekannt waren? Und sind sie nicht auf das eifrigste bemüht, alle Hilfsquellen zu vervielfältigen, um die Tage des irdischen Glücks 
herbei zu führen, wo sie sagen können: „Nun iß und trink', 
187 
liebe Seele, und sei guten Mutes?" — Ja, dies alles sehen 
wir; und der treue Gott gebe uns recht einfältige Augen und 
einen wahrhaft nüchternen Sinn, um dies alles mit Seinen 
Augen zu sehen und zu entfliehen. Er mache uns durch Seinen Geist recht fähig, um uns selbst, wie wir es hier bei 
Esther gesehen haben, von allem unbefleckt zu bewahren, 
um einen steten verborgenen und innigen Umgang mit Ihm 
zu verwirklichen und auf die Ankunft des Herrn zu warten. 
Das Kreuz 
„Mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, es sei denn in 
dem Kreuze unseres Herrn Jesu Christi, wodurch mir 
die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt" (Gal. 6, 14). 
I n de m Kreu z finden wir das gänzlich e End e 
unsere s eigene n Lebens ; es führt uns in unser 
Nicht s zurück. Wir verstehen in unserem praktischen Leben noch wenig davon, was wir dann am tiefsten fühlen 
werden, wenn wir auf Jesum sehen; ja dann werden wir 
erkennen, wie wenig noch die Kraft des Kreuzes in unseren 
Seelen verwirklicht ist, wie wenig wir noch gelernt haben, 
uns selbs t beiseit e z u setzen . 
Jesus besaß alle Gerechtigkeit, und zugleich „wohnte in 
ihm alle Fülle der Gottheit leibhaftig." Doch was für einen 
Pfad wandelte Er? Was war das Kreuz für Ihn? Wie offenbarte Er Sich darin? Er setzte diese ganze Gerechtigkeit und 
diese ganze göttliche Macht völli g beiseite . Die vollkommene Stärke Seiner Liebe wurde geprüft; nicht nur darin, „daß er sich nicht selbst zu gefallen suchte", daß Er, 
„obgleich er in der Gestalt Gottes war, es nicht für eine 
Beute hielt, Gott gleich zu sein", daß Er „sich selbst zu 
nichts machte und Knechtsgestalt annahm.. . sich selbst erniedrigte" und diesen Platz für unseren Ungehorsam einnahm, sondern darin, daß Er in diesem Platz der Liebe zufrieden war, gänzlich verworfen und vernichtet zu werden, 
damit die wahre Kraft dieser Liebe offenbar werden möge. 
Das Fleisch in uns ist klug, sehr klug. Wenn wir Liebe 
zeigen, so erwarten wir, daß es auch anerkannt werde. 
Wird irgend eine erwiesene Wohltat gar nicht erwidert, vielleicht nicht einmal durch ein freundliches Wort, so fangen 
unsere Herzen an, in der Übung der Liebe matt und kalt zu 
188 
werden. — Verstehen wir, geliebte Brüder, die Worte des 
Apostels an die Korinther: „Wenn ich auch, je mehr ich euch 
liebe, um so weniger geliebt werde." Das wahre Wesen der 
Erniedrigung offenbart sich dann, wenn wir in den Beweisen der Liebe unermüdlich fortfahren, obgleich wir gerade 
deshalb noch immer mehr erniedrigt werden. 
Also war es mit Jesu. Voll Geduld und Milde setzte Er 
Sich der Macht und Bosheit Satans aus. — Und was fand Er 
in uns, als Er dieses Werk der Liebe vollbrachte? Der 
Mensch nahm durch Seine so tiefe Erniedrigung Veranlassung, Ihm mit der größten Geringschätzung zu begegnen. 
„Er war die Schmach der Menschen, die Verachtung des Volkes." Von allen Seiten war Er eingeschlossen: „Hunde haben 
mich umgeben; der Bösewichter Rotte hat mich umringt; sie 
durchgraben meine Hände und meine Füße" (Ps. 22, 17). 
„Mich umgeben große Stiere, Gewaltige Basans umringen 
mich, sperren ihren Rachen wider mich auf, gleich reißenden, brüllenden Löwen" (V. 13. 14). Er suchte Tröster, aber 
Er fand keine. Einer von denen, mit welchen Er in einem 
so herzlichen und vertrauten Umgang hienieden gestanden 
hatte, hob seine Ferse gegen Ihn auf; und gerade jener Jünger, welcher der erste war, Ihm Seine Anhänglichkeit zu bekennen — „wenn sich auch alle ärgern werden; ich aber 
nicbt* — „verleugnete ihn mit Schwüren und Flüchen." 
Sein Kummer fand hier keinen Ausweg; Er fand keinen 
Trost bei den Menschen; und verschmäht und verworfen 
von denen, zu welchen Er in Liebe kam, um sie zu erretten, 
wandte Seine Seele Sich zu Gott und rief: „Sei d u nicht 
ferne von mir, o mei n Gott! " Aber Gott hatte Sein Angesicht vor Ihm verborgen: „Mein Gott, mein Gott, warum 
hast du mich verlassen?" Finsternis und Zorn fiel bis auf 
das Äußerste auf Ihn, und kein Zuspruch kam von irgend 
einer Seite — der tiefste Haß der Menschen um Ihn her und 
Finsternis über Ihm! Außer der Macht der Liebe blieb nichts 
mehr für Ihn übrig. „Ich tauchte in tiefen Schlamm, ohne 
Grund, sank in Wassertiefen, und Flut überströmte mich" 
(Ps. 69, 3). Alle Wogen und Wellen gingen über Ihn, und 
außer der Liebe war in diesen Wogen alles untergegangen. 
Nur diese Liebe hielt Ihn aufrecht; sie war größer als alles 
— und sie war wirksam für uns. 
Wenn wir Ihn in dieser Erniedrigung und gänzlichen 
Vernichtung betrachten, so finden wir die unergründliche 
Tiefe der Liebe. Diese blieb und entfaltete sich dann am 
herrlichsten, als Er von allem entblößt war; denn Er ist 
Gott und „Gott ist Liebe." — Wir, teure Brüder, haben die 
Fülle der Liebe in Jesu gefunden, und welche Freude! Sie 
wird unser immerwährendes Teil sein; für immer werden 
189 
wir sie kennen und genießen. Als Jesus umherging und 
Seine wunderbare Macht im Gutestun offenbarte, da fand 
das natürliche Herz etwas, was es anerkennen und gutheißen mußte. Es freute sich, wenn die Kranken geheilt 
wurden, wenn geliebte Freunde wieder ins Leben zurückkehrten usw.; aber in dem Kreuze wurde diese Macht nicht 
offenbart; hier gab es keine Wunder — nur Schwach -
hei t un d Niedrigkeit . „E r is t i n Schwach -
hei t gekreuzig t worden. " Geprüft von den Menschen, versucht vom Satan, verlassen von Gott — was blieb 
da noch außer Seiner Liebe übrig, als die Tiefe, die Fülle 
und der Reichtum dieser Liebe, welche für immer unser gesegnetes Teil bleiben wird. 
Das natürliche Herz in einem jeden von uns haßt die 
Kraft des Kreuzes. Wir wünschen etwas zu haben, worauf 
das Auge ruhen kann; wir suchen ein wenig Ehre usw., — 
das Kreuz aber steht allem Stolz und aller menschlichen 
Ehre entgegen; und deshalb lieben wir es nicht. Fragen wir 
uns selbst, Geliebte, ob wir wirklich zufrieden sind, das 
Kreuz in dieser seiner wahren Gestalt auf uns zu nehmen 
und zu sagen: Ich wünsche nichts mehr? „Mir aber sei es 
ferne, mich zu rühmen, es sei denn in dem Kreuze unseres 
Herrn Jesu Christi, wodurch mir die Welt gekreuzigt ist 
und ich der Welt." — Möchten doch unsere Seelen stets in 
dieser gesegneten Zuversicht ruhen: Jesus ist unser immerwährendes Teil; und zu ruhen in Ihm, heißt ruhen in Gott 
— und „Gott ist Liebe." Diese Liebe aber werden wir um 
so völliger genießen, je mehr wir von allem andern entblößt 
sind. Ehre, Talent, Gelehrsamkeit, Reichtum, Freunde, Ansehen, und etwas derartiges, was den natürlichen Menschen 
ergötzt, ist sehr geeignet, den Stolz in uns zu nähren, und 
Christum weniger kostbar und den Genuß Seiner Liebe 
weniger völlig zu machen. Deshalb wolle der treue Herr uns 
reichlich zu erkennen geben, was es heißt, mi t de r Wel t 
gekreuzig t z u sein ; aber laßt uns auch, geliebte Brüder, stets Gott preisen für alles, was uns erniedrigt. 
190 

Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, laßt 
uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes 
uns reinigen, die Heiligkeit in der Furcht Gottes 
vollendend" 
(2. Kor. 7, 1) 
Dieser erste Vers des 7. Kapitels steht noch im Zusammenhange mit dem vorigen Kapitel. Der Apostel sagt: „Da 
wir nun solch e Verheißunge n haben, Geliebte usw." 
Er knüpft die Ermahnung dieses ersten Verses an seine Verheißung des Herrn, die er im vorigen Kapitel ausgesprochen hatte. Wir lesen daselbst Vers 17 und 18: „Darum 
gehet aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, 
und rühret nichts Unreines an, — un d ic h werd e euc h 
aufnehmen ; un d ic h werd e euc h zu m Vate r 
sein , un d ih r werde t mi r z u Söhne n un d 
Töchter n sein , sprich t de r Her r de r All -
mächtige. " Ebenso in Vers 16: „Ich will unter ihnen 
wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie 
sollen mein Volk sein" (3. Mos. 26, 11. 12). 
Es gibt wohl keine Verheißung, meine Brüder, die für 
uns in den mannigfachen Versuchungen auf dem Weg durch 
diese Wüste tröstlicher und köstlicher wäre, als diese, und 
keine, die wir in unserer Schwachheit so sehr bedürfen. Es 
ist der Herr, der Allmächtige Selbst, welcher uns versichert: 
„Ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater 
sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein." Er, 
für dessen Größe und Herrlichkeit es keine Worte gibt und 
von Dem wir in unserer Schwachheit so wenig verstehen, 
Er, vor Dem alle heiligen Engel auf ihre Angesichter niederfallen und anbeten, is t unse r Vate r und wir Sein e 
Kinder . Es gibt keine Kreatur, weder im Himmel noch 
auf der Erde, welche sich eines solchen gesegneten Vorrechtes zu rühmen hätte. Jesus war der einzige, welcher sagen 
konnte: „Mei n Vater! " — der einzige, zu welchem Gott 
sagte: „D u bis t mei n Sohn! " Allein Jesus hat durch 
Sein gnadenreiches Werk uns in eine solche Stellung gebracht, daß Er zu uns sagen konnte : „Mei n Got t — 
eue r Gott ; mei n Vate r — eue r Vater. " Wir 
haben jetzt den Geist der Kindschaft empfangen, durch 
welchen wir rufen: „Abba, Vater!" 
Unsere Aufnahme bei Gott und unser Eintritt in das 
191 
Kindesverhältnis zu Ihm ist aber, wie wir hier sehen, an 
eine Bedingung geknüpft. „Daru m gehe t au s ihre r 
Mitt e un d sonder t euc h ab , sprich t de r Her r 
u n d rühre t nicht s Unreine s an, — und ich werde 
euch aufnehmen usw.". Der Herr sonderte Israel von allen 
übrigen Völkern ab. Es war zwar ein irdisches Volk, bestimmt für diese Erde und deren Segnungen; aber es war 
ausgezeichnet vor allen anderen Völkern, weil es das Volk 
Gottes war, und sollte deshalb auch von allen anderen abgesondert wohnen. — Wenn der Herr anfängt, uns zu suchen, so findet Er uns inmitten der Welt, der Sünde und 
dem Verderben preisgegeben. In diesem Zustand ist Er 
weder unser Vater, noch sind wir Seine Kinder; sondern wir 
befinden uns inmitten einer Welt, die der Ausführung eines 
schrecklichen Gerichts, welches der Herr schon lange über 
sie ausgesprochen hat, entgegentaumelt; und wir selbst haben auch nichts anderes als dieses zu erwarten, solange wir 
in diesem Zustand beharren. Und gewiß ist es eine große 
Täuschung und Verblendung des Herzens, in dieser Stellung Gott seine n Vate r zu nennen, oder Ihn als V a t e r 
anzurufen. Gott sagt ja Selbst, daß Er uns dann aufnehmen und unser Vater sein will, wenn wir aus der Mitte derer ausgehen und uns von ihnen absondern, unter welchen 
wir uns von Natur befinden, und keine Gemeinschaft mehr 
mit dem haben, was unrein und vor Gott verwerflich ist. Es 
ist dies zwar keine so äußerliche und leibliche Absonderung 
wie bei Israel, dem irdischen Volke Gottes, sondern eine 
Absonderung in Gesinnung, Wort und Wandel von allem, 
was vor Gott nicht wohlgefällig ist, obgleich wir uns äußerlich in der Mitte der Welt der Sünde befinden. Eine solche 
Absonderung geziemt dem Volke Gtottes, welches für den 
Himmel bestimmt ist. Der Zweck des Opfers und des ganzen 
Werkes Christi war ja auch kein anderer als der, uns von 
jeder Sünde und Unreinigkeit zu befreien; und der auf die 
Erde herniedergesandte Heilige Geist ist beschäftigt, dieses 
Werk bei uns zu verwirklichen. Er überführt von der Sünde, 
von der Gerechtigkeit und von dem Gericht; Er bringt die 
Kraft des Blutes Christi auf unser Gewissen in Anwendung 
und reinigt uns durch dasselbe von allen toten Werken. Er 
sondert uns von der Welt und ihren Werken ab, nimmt 
Selbst Besitz von Unseren Herzen und stellt uns also für 
Gott bei Seite. Jetzt erst findet das köstliche Wort, welches 
wir in 2. Kor. 6, 16 lesen, auf uns seine Anwendung: „Ihr 
seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: 
Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde 
ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein" (2. Mos. 26, 
11. 12). 
192 
Die Art und Weise unserer Bekehrung zeigt uns also 
deutlich, an welche Bedingung Gott Selbst unser Verhältnis 
zu Ihm geknüpft hat. Ohne unsere Absonderung durch den 
Heiligen Geist könnten wir unmöglich in diesem so gesegneten und köstlichen Verhältnis zu Ihm stehen. Welch ein 
Vorrecht aber für solche armen und elenden Sünder, wie 
wir von Natur sind, daß wir durch die Innewohnung des 
Heiligen Geistes Sein Tempel geworden, worin Er wohnt 
und wandelt, Sein Volk und Seine Kinder, deren Gott und 
Vater Er ist; ja daß Er uns ganz und gar für Sich genommen und uns Seiner göttlichen Natur teilhaftig gemacht hat. 
Und um uns in dieses Verhältnis zu bringen — welche 
Liebe, welche Gnade, welche Arbeit und Mühe hat es von 
Seiten Gottes gekostet! Ist es deshalb nicht sehr traurig, um 
nicht mehr zu sagen, wenn wir dies alles so wenig anerkennen und so leicht vergessen; wenn wir leichtsinnig und 
nachlässig wandeln und uns durch die Dinge beflecken, wovon wir gereinigt sind, und wenn wir mit der Welt in Dingen Gemeinschaft haben, von welchen uns der Heilige Geist 
abgesondert hat. Die Worte: „Darum gehet aus ihrer Mitte 
und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret nichts 
Unreines an, — und ich werde euch aufnehmen usw." verlieren nie ihre Geltung. Soviel wir selbst jetzt, nachdem wir 
Kinder Gottes geworden sind, dieser Absonderung gemäß 
leben, soviel werden wir auch die Segnung und die Kraft 
dieses Kindesverhältnisses genießen. Der Heilige Geist fand 
es für nötig, die Korinther an die köstliche Verheißung des 
Herrn und die damit verbundene Absonderung zu erinnern; 
und dies wird auch immer bei uns nötig sein, besonders 
dann, wenn wir uns in Betreff unseres Wandels mit ihnen 
in einem ähnlichen Zustand befinden. 
Nur dann, wenn wir die Natur unseres Verhältnisses zu 
Gott recht erkannt haben, sind wir auch imstande zu verstehen, was für ein Wandel diesem Verhältnis allein geziemt, nämlich ein Wandel in Untertänigkeit, im Gehorsam, 
in dem Gefühl der Abhängigkeit und in der Liebe. Sobald 
unser Wandel nicht diesen Charakter hat, vernachlässigen 
wir unsere Stellung und unser Verhältnis zu Gott. Die Welt 
erkennt und versteht nichts davon; das göttliche Leben ist 
ihr ganz und gar fremd. Deshalb ermahnt auch der Apostel: 
„Seid nicht in einem ungleichen Joch mit den Ungläubigen! 
Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Und welche Übereinstimmung hat Christus mit 
Belial? Oder welches Teil hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang hat der Tempel 
Gottes mit Götzenbildern?" (2. Kor. 6, 14. 15). Eine solche 
Gemeinschaft würde im vollsten Widerspruch zu der Natur 
27 193 
unseres Verhältnisses stehen. Die Welt hat den Herrn aus 
ihrer Mitte geworfen und gekreuzigt, weil sie Ihn nicht 
kannte; die Glaubenden aber sind Seine Tempel, worin Er 
wohnt und wandelt und sind Seiner Natur teilhaftig geworden. Wie wäre es nun aber möglich, daß jene und diese Gemeinschaft haben können? Gewiß nicht anders, als wenn 
die Gläubigen ihre Natur verleugnen und sich der Welt 
gleichstellen. 
Fragen wir, inwieweit diese Absonderung und Reinigung stattfinden soll, so finden wir die Antwort in dem 
oben angeführten Vers: „...Geliebte , lasse t un s 
v o n alle r Befleckun g de s Fleische s un d de s 
Geiste s un s reinigen , di e Heiligkei t i n de r 
Furch t Gotte s vollende n d." Also eine völlige Absonderung und Reinigung. Gott will nicht, daß wir eine geringere Heiligkeit haben sollen, als Er Selbst; und es ist ein 
unendliches Glück für uns, daß uns Gott an Seiner eigenen 
Heiligkeit teilnehmen läßt! Und wenn wir je wünschen oder 
nur daran dächten, weniger heilig zu sein als Er, so würden 
wir dadurch nur eine große Verachtung Seiner Gnade und 
Liebe, und eine Geringschätzung gegen Seine Heiligkeit 
und unser eigenes Heil an den Tag legen. 
Wir lesen 1. Petri 1, 14-16: „Als Kinder des Gehorsams 
euch nicht nach den Lüsten, welche früher in eurer Unwissenheit euch beherrschten, bildend, sondern dem Heiligen 
gemäß, der euch berufen hat, seid auch ihr selbst im ganzen 
Wandel heilig! Sintemal geschrieben steht: Seid heilig, denn 
ich bin heilig" (3. Mos. 11, 44). Es ist ganz naturgemäß, wenn 
das Kind sich nach dem Vater bildet, der es gezeugt hat; 
und so ist es ja auch ganz naturgemäß, wenn wir in der 
Heiligkeit unseres Gottes und Vaters wandeln. Gewiß, es 
wird auch also sein, daß, wenn wir die Bedingung unserer 
Annahme kennen, die Natur unseres Verhältnisses zu Gott 
verstehen und die Gnade, Liebe und Heiligkeit Gottes, so 
wie unser kostbares Heil wirklich ehren und hochschätzen, 
daß wir uns in dieser Welt von allem trennen, was dem 
Herrn nicht wohlgefällt, daß wir eifrig sind, von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes uns zu reinigen und 
unsere Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden, oder 
mit einem Wort, daß wir uns von alledem getrennt halten, 
wovon der Herr Selbst getrennt ist. 
Nun ist es aber auch wahr, daß „alle diejenigen, welche 
gottselig in Christo Jesu leben wollen", — einen Wandel in 
der Furcht Gottes führen wollen — „verfolgt werden" 
(2. Tim. 3,12). Je unbefleckter wir uns vor der Welt zu bewahren suchen, desto mehr wird diese uns schmähen, hassen 
und verwerfen! je mehr wir der Gesinnung unseres Herrn 
194 
Jesu Christi gemäß, der in stetem Gehorsam gegen Gott 
wandelte und Sich von der Welt völlig unbefleckt erhielt, 
einhergehen, desto mehr werden wir auch in dieser Welt erfahren, was Er Selbst hier erfuhr. Aber wir finden auch 
etwas, was wir nie in der Welt finden konnten, und was unendlich köstlicher ist als alles, was diese uns je darbieten 
kann, nämlich die Verheißung Gottes . . . „und ich werde 
euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und 
ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der 
Herr der Allmächtige." Befinden wir uns in der Stellung 
des Gehorsams, die uns allein geziemt, so wird der Herr 
auch die ganze Kraft und Tragweite dieser Verheißung an 
uns offenbaren und verwirklichen. Überall werden wir Seiner väterlichen Sorgfalt, Seiner tröstenden Liebe, Seiner 
wunderbaren Hilfe und Seiner göttlichen Langmut begegnen. Nie wird Er uns versäumen noch verlassen und wir 
dürfen stets, wie auch der Apostel den Hebräern Kap. 13, 6 
schreibt, mit aller Kühnheit sagen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht vor dem fürchten, was mir ein 
Mensch tun wird." 
Besonders beruhigend und tröstlich ist auch der Schluß 
der Verheißung in 2. Kor. 6, 18: „ .. . spricht der Herr , der 
Allmächtige. " Unser Vater, der uns aufgenommen hat, 
Dessen Söhne und Töchter wir sind und in Dessen Obhut 
wir zu jeder Zeit stehen, ist der Herr , der Allmäch -
tige . Er ist Her r über alles und ist auch allmächtig , 
und gewiß hat der Heilige Geist dies Trostwort deshalb hinzugefügt, um unsere Herzen in allen Versuchungen, in allen 
Drangsalen und Verfolgungen mit Mut und Trost zu erfüllen. Unser Gott und Vater will und kann uns in jeder 
Lage das völlig sein, was Er uns auch verheißen hat; denn 
Er ist de r Herr , de r Allmächtige . 
Der Herr wolle durch diese köstliche Verheißung einen 
lebendigen Eifer für Seine Heiligkeit in unseren Herzen erwecken. Es kommt immer darauf an, welchen Eifer wir für 
Ihn Selbst haben; denn dieser bedingt das Maß unseres 
wahren Eifers fü r alles, was gut und heilig und vor Ihm 
wohlgefällig ist, und ebenso das Maß unseres Eifers gege n 
alles, was Sünde, was ungöttlich und was vor Ihm mißfällig ist. Dann auch können wir sagen, daß wir soviel Eifer 
für Ihn und Seine Heiligkeit haben, als das Bild Christi, 
welcher das Ebenbild Gottes ist, in uns eine Gestalt gewonnen hat, oder als Seine Gesinnung in uns verwirklicht ist. 
Der Heilige Geist ist fortwährend bemüht, unsere Absonderung, welche vor Gott in Christo schon vollkommen ist, auch 
in unserem praktischen Leben völlig zu machen; und die 
Züchtigungen des Vaters haben, wie wir in Hebr. 12, 10 
195 
lesen, denselben Zweck: „Er aber züchtigt uns zum Nutzen, 
daß wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden." Es ist also 
nicht allein Jesus, der uns durch Sein Opfer ein für alle Mal 
reinigte, um uns für immer in die Gemeinschaft Gottes zu 
bringen, sondern wir sehen auch die Sorgen des Vaters und 
die Wirksamkeit des Heiligen Geistes beschäftigt, um uns 
praktisch in unserem Wandel zu reinigen und abzusondern. 
Wie ernst und gesegnet ist diese Wahrheit! und sie wird 
uns gewiß nicht leer und unfruchtbar und in dem Wachstum 
zur Vollendung der Heiligkeit in der Furcht Gottes gleichgültig sein lassen, wenn anders unsere Herzen ein wahres 
Gefühl für die Liebe Gottes haben. 
In den Briefen an die Korinther findet der aufmerksame 
Leser in dieser Beziehung viele ernste und köstliche Ermahnungen und Exempel. Hier, wie überall in den Briefen 
des Apostels Paulus, begegnen wir dessen nachahmungswürdigem Eifer, sowohl in seinem Dienst als auch in seinem 
Leben. Er sagt von sich selbst: „Ich zerschlage meinen Leib 
und führe ihn in die Knechtschaft." Dieser Eifer für die 
Heiligkeit Gottes, diese Absonderung von allem Bösen, 
machte ihn fähig, ein Diener Gottes zu sein; und auch wir 
werden nur dann in Wahrheit tüchtig sein, anderen zu dienen, wenn wir uns selbst unbefleckt erhalten; denn nur in 
dieser Gesinnung haben wir einen wahren Eifer für die 
Reinigung anderer. Wir finden dies ebenfalls in dem Dienst 
des Apostels bewahrheitet. Er ist stets auf das eifrigste bemüht, wie wir es besonders in seinen Briefen an die Korinther wahrnehmen, jede Art des Bösen aus der Versammlung zu entfernen. Er sagt 2. Kor. 11, 2: „Ich eifere über 
euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Manne 
verlobt, um euch als keusche Jungfrau dem Christus darzustellen." Sein Herz ist voll überströmender Freude, als er 
durch die Ankunft des Titus von den Korinthern erfährt, 
daß sein erster Brief eine gute Aufnahme gefunden hatte 
und ein Mittel für die Reinigung der Versammlung geworden war. Er sagt in 2. Kor. 7, 4-8: „Ich bin mit Trost erfüllt; ich bin von Freuden ganz überströmend bei aller unserer Trübsal, denn auch als wir nach Mazedonien kamen, 
hatte unser Fleisch keine Ruhe, sondern allenthalben waren 
wir bedrängt; von außen Kampf, von innen Furcht- Aber 
der Gott, der die Niedrigen tröstet, tröstete uns durch die 
Ankunft des Titus. Nicht allein aber durch seine Ankunft, 
sondern auch durch den Trost, womit er über euch getröstet 
ward, indem er uns euer Verlangen, eure Trauer, euren 
Eifer um mich kund tat, so daß ich mich desto mehr freute." 
— Solch ein überschwenglicher Trost und solch eine tiefe 
Freude konnten nur in dem Herzen eines Mannes Raum 
196 
finden, der also für Gott und Seine Versammlung eiferte. 
Und der Gott allen Trostes, der den Kummer Seines demütigen und treuen Knechtes verstand, kannte auch das rechte 
Mittel, um ihn aufzurichten — durch die Ankunft des Titus 
mit einer guten Botschaft von Korinth. O möchte doch dieser köstliche und gesegnete Eifer des Apostels auch in unseren Herzen reichliche Nachahmung finden. 
Es wird uns noch etwas in diesem siebenten Kapitel mitgeteilt, was auf den Gegenstand unserer Betrachtung Bezug 
hat, und wohl beobachtet zu werden verdient; ich meine 
eben die Mitteilung über den Zustand der Versammlung zu 
Korinth, welcher den Apostel mit so großem Trost erfüllte. 
Der Eifer für den Herrn und Seine Heiligkeit, sowie der 
Eifer gegen das Böse war in die Versammlung zurückgekehrt. Wir lesen Vers 9—11: „Jetzt freue ich mich, nicht, 
daß ihr betrübt worden, sondern daß ihr zur Buße betrübt 
worden seid; denn ihr seid Gott gemäß betrübt worden, damit ihr in nichts von uns beschädigt würdet. Denn die 
Betrübnis Gott gemäß, bewirkt die unbereubare Buße zum 
Heil; aber die Betrübnis der Welt bewirkt den Tod. Denn 
siehe eben dieses, daß ihr Gott gemäß betrübt worden seid, 
— welchen Fleiß hat es in euch bewirkt! — sogar Verantwortung, sogar Unwillen, sogar Furcht, sogar Verlangen, sogar Eifer, sogar Ahndung! — Ihr habt euch in allem dargestellt, daß ihr an der Sache rein seid." — Es gibt eine Freude 
wie auch eine Betrübnis, welche der Welt gemäß ist. Wir 
finden sie bei denen, die in den zeitlichen Dingen dieser 
Welt ihr Leben haben; und die eben durch diese Dinge entweder erfreut oder betrübt werden. Das Ergebnis aber ist 
ein trauriges, es bringt den Tod. Und wie betrübend ist es, 
wenn die Heiligen Gottes sich in diese Dinge einmischen, 
und an dieser Freude und dieser Traurigkeit teilnehmen. 
Für die Geliebten Gottes, für die Kinder des himmlischen 
Vaters paßt nur d i e Freude und d i e Betrübnis, welche 
Gott gemäß ist und Heil bewirkt, — es ist d i e Freude, die 
wir bei dem Apostel Paulus, und d i e Betrübnis, die wir 
hier bei den Korinthern finden. 
Es ist nicht zu verkennen, daß unter den Heiligen in der 
gegenwärtigen Zeit beides sehr mangelhaft ist, und dies hat 
sicher seinen Grund in der so schwachen Erkenntnis Gottes 
und in dem so geringen Gefühl für Seine Heiligkeit und für 
Seinen Haß gegen die Sünde. Beides aber kann nur der 
Herr in uns erwecken. Er allein kann alles in uns schaffen, 
was vor Ihm wohlgefällig ist und wodurch Sein heiliger 
Name verherrlicht wird. Er wolle es tun und auch diese 
kurze Betrachtung über diesen kostbaren Gegenstand dazu 
dienen lassen. 
197 
Der Blinde, welcher bettelnd am Wege sitzt 
(Mark. 10, 46—52) 
Welch ein treffendes Bild von dem Menschen ist dieser 
Blinde, welcher bettelnd am Wege sitzt! Er ist verfinstert 
am Verstand (Eph. 4,18) und am Herzen (Röm. 1, 21) und an 
dem Sinne (2. Kor. 4, 4); seine Krone und seine Reichtümer 
verloren, sitzt er da, ein unglückseliger Sträfling aus Eden, 
arm am Wege. 
Wohl ihm! wenn er, wie Bartimäus, sich nicht durch Hinnem rechten Namen um Erbarmen anruft, und weil er blind 
ist, nicht mit dem Pharisäer sagt, daß er sehend sei, und 
deswegen in seinen Sünden bleibt oder wie später Laodicea: 
„Ich bin reich und habe reichlich und bedarf nichts." 
Wohl ihm! wenn er wie Bartimäus sich nicht durch Hindernisse, woher sie auch kommen mögen, von Jesu abhalten 
läßt, und von Ihm sehend, ja von Finsternis zum Licht in 
dem Herrn gemacht wird (Eph. 5, 8; Offb. 21, 24) und Ihm 
dann auf dem Pfad des Leidens zur ewigen Herrlichkeit 
folgt (Offb. 3, 4; 14, 4). 
Gehorsam ist die Freiheit der Heiligen 
(Hebr. 13, 17—25) 
Der Geist des Gehorsams ist das große Geheimnis aller 
Gottseligkeit, und die Ungläubigkeit des Willens ist die 
Quelle alles Bösen von Anfang an. Der Gehorsam ist der 
allein wahre Zustand der Kreatur, oder Gott müßte aufhören der Höchste zu sein, ja Er müßte aufhören Gott zu 
sein. Wo Unabhängigkeit ist, da ist auch immer die Sünde. 
Wenn wir uns stets an diese Regel erinnerten, so würden wir 
darin eine kräftige Stütze für unser ganzes Verhalten finden. 
Es gibt keinen Fall, der uns berechtigt, unserem eigenen 
Willen zu folgen. Geschieht dieses aber, so haben wir weder 
die Fähigkeit, zu beurteilen ob unser Verhalten richtig sei, 
noch die Fähigkeit,, es vor Gott zu bringen. Würde ich auch 
198 
von der höchsten Autorität der Welt auf das dringendste 
aufgefordert, unabhängig zu handeln, so wäre dies kein 
Grund für mich, meinen eigenen Willen zu tun. 
Die Freiheit des Heiligen besteht nicht in der Erlaubnis, 
seinen eigenen Willen zu tun. Eine gänzliche Entsagung unserer selbst — und dies geht sehr weit, wenn wir die Schlauheit des menschlichen Herzens kennen — ist das alleinige 
Mittel, um in dem vollen Segen zu wandeln, welcher mit 
unserer glücklichen Stellung in dem Dienst Gottes, in dem 
Dienst unserer Brüder und dem der Menschheit, verknüpft 
ist. Wenn irgend etwas die Freiheit unseres Herrn Jesu hätte 
aufheben können, so würde es das gewesen sein, was Ihn 
verhindert hätte, allezeit den Willen Gottes zu tun. Alles, 
was sich in der Sphäre des menschlichen Willens bewegt, 
ist Sünde. 
Wir sind geheiligt zum Gehorsam (1. Petr. 1, 2). Das 
wahre Wesen der Heiligung besteht darin, selbst keinen 
Willen zu haben. Wenn ich auch der Weiseste wäre, und 
dies dient dazu, meinen eigenen Willen zu tun, so würde 
alle meine Weisheit doch nur Torheit sein. — Die wahre 
Sklaverei besteht darin, ein Sklave seines eigenen Willens 
zu sein, und die wahre Freiheit darin, seinen eigenen Willen ganz und gar beiseite gesetzt zu haben. Beim Tun unseres eigenen Willens bildet das „Ich" unser Zentrum. 
Der Herr Jesus „nahm Knechtsgestalt an, indem er in 
Gleichheit der Menschen geworden ist und in (Seiner) Stellung wie ein Mensch befunden, sich selbst erniedrigt hat 
und bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz gehorsam 
ward" (Phil. 2, 4-8). Der Sünder als solcher hat aufgehört 
ein Knecht Gottes zu sein, obgleich Er in der Sünde und in 
der Empörung der Sklave eines mächtigeren Rebellen ist, als 
er selbst ist. Wenn wir geheiligt sind, so sind wir sowohl in 
die Stellung der Knechte, als auch in die der Söhne gebracht. Der Geist der Kindschaft (Sohnschaft) offenbarte 
sich gerade in Jesu, indem Er kam, den Willen Seines Vaters zu tun. Satan suchte Ihn durch alle Mittel in diesem 
Gehorsam zu schwächen, aber der Herr Jesus wollte von 
Anfang bis zum Ende Seines Lebens nie etwas anderes, als 
den Willen Seines Vaters tun. 
In dem oben angeführten Kapitel wird der Geist des Gehorsams gegen die geltend gemacht, welche die Leitung in 
der Versammlung haben. „Gehorchet euren Führern und 
gebet nach" (V. 17). Es wird in jeder Sache zu unserem 
Nutzen sein, wenn wir nach diesem Geiste trachten. „Sie 
wachen zum Besten eurer Seelen" sagt der Apostel, „als die 
da Rechenschaft zu geben haben." Jene, welche der Herr in 
den Dienst gestellt hat, macht Er Sich Selbst verantwortlich. 
199 
Dies ist das Geheimnis jedes wahren Dienstes. Nie sollte 
das Rech t die, welche vorstehen, wie auch die, welche gehorchen, leiten. Jene sind Diener, und hierin besteht ihre 
Verantwortlichkeit. Ein großer Schaden für sie, wenn sie 
nicht leiten, nicht ermahnen, nicht zurechtweisen, nicht 
tadeln usw.; wenn sie es nicht tun — der Her r wird es 
von ihnen fordern. Auf der anderen Seite werden die, die 
unter der Leitung stehen, dem Herr n für den Gehorsam 
verantwortlich gemacht. 
Der große bewahrende Grundsatz von allem Verhalten 
in der Versammlung Gottes ist die persönliche Verantwortlichkeit gegen Gott. Zwischen das persönliche Gewissen und 
Gott kann nie die Leitung eines anderen treten. Jene, von 
welchen in diesem Kapitel als den Führern gesprochen wird, 
haben Rechenschaft zu geben, nicht anstat t der Seelen, 
die ihnen übergeben, sondern wegen ihres persönli -
che n Verhaltens. Rechenschaft anstat t der Seelen anderer zu geben kann nicht sein, denn: „ein jeglicher von uns 
wird für sich selbst Gott Rechenschaft geben" (Röm. 14, 12). 
Die persönliche Verantwortlichkeit sichert immer die Aufrechterhaltung der Autorität Gottes. Wenn jene, die zum 
Besten der ihnen anvertrauten Seelen wachen, in ihrem 
Dienst treu gewesen sind, so werden sie in Betreff ihrer 
selbst nicht nötig haben, „mit Seufzen" Rechenschaft zu 
geben; es würde ihre Treue aber kein Nutzen für die anderen sein, wenn diese in Ungehorsam gewandelt hätten. 
Wenn nicht der Gehorsam unsere Herzen leitet, so ist 
alles unrecht, alles Sünde. Nie sollte der Grundsatz, der uns 
in unserem Verhalten regiert, der sein: Ich muß tun, was 
ich für Recht halte; sondern: Ich muß Gott gehorchen! (Apg. 
5, 29). — 
Dann sagt der Apostel: „Betet für uns, denn wir sind 
der Zuversicht, daß wir ein gutes Gewissen haben, indem 
wir willens sind, in allem ehrbar zu wandeln" (V. 18). Es 
gibt immer besondere Gefahren für jene, welche fortwährend mit den Dingen Gottes beschäftigt sind, um das „gute 
Gewissen" zu verlieren. Keiner ist so sehr einem Falle ausgesetzt als der, welcher stets das Wort Gottes lehrt, wenn 
er nicht immerdar Acht hat, ein „gutes Gewissen" zu bewahren. Das beständige Sprechen über die Wahrheit und 
das fortwährende Beschäftigtsein mit anderen ist sehr geeignet, das eigene Gewissen einzuschläfern und zu verhärten. Der Apostel sagt nicht: „Betet für uns; denn wir arbeiten mit großem Fleiß u. dergl.", sondern das, was ihm Zuversicht gibt, ihre Gebete in Anspruch zu nehmen, ist, da ß 
e r ei n „gute s Gewissen " hat . Wir sehen, daß in 
1. Tim. 1, 19 von demselben Grundsatz die Rede ist: „Indem 
200 
du den Glauben und ein gutes Gewissen bewahrest, welches 
etliche von sich gestoßen und was den Glauben betrifft, 
Schiffbruch gelitten haben." Wenn wir nicht allen Fleiß anwenden, um ein „gutes Gewissen" zu bewahren, so kommt 
Satan und zerstört das Vertrauen zwischen der Seele und 
Gott, oder wir kommen in ein falsches Vertrauen. — Wo das 
Gefühl der Gegenwart Gottes ist, da ist der Geist des demütigen Gehorsams *). In dem Augenblick, wo ein Christ 
sehr im Dienste beschäftigt ist, oder auch, wenn er viel Erkenntnis besitzt und auf irgend eine Weise eine Stellung in 
der Versammlung einnimmt, ist immer Gefahr vorhanden, 
nicht ein „gutes Gewissen" zu haben. 
Es ist sehr gesegnet, zu sehen, welchen Weg der Apostel 
in Vers 20 und 21 nach aller Übung und Versuchung des 
Geistes einschlägt: Seine Zuflucht ist Gott, und zwar der 
„Gott des Friedens". Er, der Apostel, war von ihnen genommen und befand sich selbst in Gefangenschaft und Versuchung; aber dennoch geht er mit der innigsten Teilnahme 
in alle die Versuchungen dieser Heiligen hinein. Er ist 
ihretwegen, wie uns der ganze Brief zeigt, sehr besorgt; aber 
er ist fähig, sich mit aller Ruhe des Herzens zu Gott, als zu 
dem „Gott des Friedens" zu wenden. 
Wir sind im Frieden berufen. Paulus schließt seine 
zweite Epistel an die Thessalonicher mit den Worten: „Er 
selbst aber, der Herr des Friedens, gebe euch den Frieden 
immerdar auf allerlei Weise." Es gibt beinahe nichts, was 
die Seele des Gläubigen mehr zu fühlen nötig hat, als daß 
sie des Ausharrens bedarf" (Hebr. 10, 36); wenn sie aber 
durch irgend etwas verhindert wird, um zu finden, daß Gott 
„der Gott des Friedens" ist, wenn etwa Kummer und Sorgen oder Versuchungen anderer Art dieses für sie verbergen, so ist der Will e de s Fleische s wirksam. Nie 
kann der Wille Gottes in Ruhe getan werden, wenn das 
Herz durch tausendfache Dinge gequält und verwirrt wird. 
Es ist aber beständig unser Vorrecht, im Frieden zu wandeln; in der Gegenwart Gottes von aller Unruhe frei zu 
sein, und in völliger Ruhe Seinen Willen zu erforschen. Es 
ist unmöglich, diesen Willen zu verstehen und darin zu wandeln, es sei denn, daß wir Gott als „den Gott des Friedens" 
*) Das Gefühl der Gegenwart Gottes wird jede Sache auf 
ihrem Platz erhalten. — Derselbe Herr hat gesagt: „Ihr alle seid 
Brüder"; und: „Stärke deine Brüder!" Um aber in Wahrheit 
jähig zu sein, sie zu stärken, wird immer eine schmerzliche Erfahrung des eigenen Willens nötig sein, wie auch in dem Falle 
des Petrus. Zwar ist dies nicht etwas, was der Mensch würde 
bestimmt haben; aber Gott hat es also geordnet. 
201 
kennen. Wenn alles, außer Christo, vor dem Angesicht Gottes weggetan ist, so wird auch Gott völlig als „der Gott des 
Friedens" erkannt. Das Gefühl meiner Mängel und Gebrechen, meiner Schwachheit und Unvollkommenheit wird 
diese Erkenntnis nicht verringern, solange das Auge des 
Glaubens Christum in der Gegenwart Gottes erblickt. Verliere ich aber diesen Blick, sehe ich etwa auf die tausendfachen Schwierigkeiten auf dem Wege, seufzt mein Herz 
unter den mannigfachen Bürden und Sorgen dieses Lebens, 
hat praktisch für mich Gott aufgehört der „Gott des Friedens" zu sein. Es fehlt das einfache, nüchterne Auge, um 
Ihn als solchen zu erkennen und zu begreifen. 
Es gibt drei Fußstapfen für den Glauben, die wir nie 
aus den Augen verlieren dürfen. Zuerst, daß Gott Frieden 
gemacht hat durch das Blut des Kreuzes (Kol. 1, 20). Dies 
gibt uns Frieden mi t Gott (Röm. 5, 1). — Dann haben wir 
in Betreff aller unserer Sorgen und Bekümmernisse die 
Verheißung, daß, wenn wir um Nichts in Unruhe sind, sondern in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung 
kund werden lassen, „de r Fried e Gottes" , der jede 
Vernunft übersteigt, unsere Herzen und Sinne in Christo 
Jesu bewahren wird (Phil. 4, 6. 7). Gott Selbst nimmt alle 
unsere Sorgen auf Sich; Er beladet Sich mit allem, was uns 
trifft; und dennoch ist Er nie beschwert, nie in Unruhe, und 
es ist gesagt, daß „sein Friede" unsere Herzen bewahren 
wird. Wenn Jesus auf dem unruhigen See wandelte, so war 
Sein Herz ebenso ruhig wie immer; denn es ruhte da, wohin 
die Wogen und Wellen nicht drangen. — Endlich ist Er „der 
Gott des Friedens", allezeit mit uns und wirkt in uns, das 
zu wollen und zu tun, was vor Ihm wohlgefällig ist. „Der 
Gott aber des Friedens, der den großen Hirten der Schafe, 
unseren Herrn Jesum, in dem Blute des ewigen Bundes aus 
den Toten wiederbrachte, vollende euch in jedem guten 
Werk, um Seinen Willen zu tun, in euch schaffend, was vor 
Ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum, welchem sei 
Herrlichkeit in die Zeitalter der Zeitalter! Amen" (V. 20, 21). 
Die heilige Kraft Gottes wird hier als solche dargestellt, 
welche die Seele in jenen Dingen, die vor Ihm in Christo 
Jesu wohlgefällig sind, wandeln läßt. 
Es gab Kampf — Kampf mit Satan und in unseren eigenen Gewissen. Dieser Kampf ist auf dem Kreuze des Herrn 
Jesu zur Entscheidung gebracht. In dem Augenblick, als Er 
aus den Toten auferstanden war, wurde Gott völlig, als der 
„Gott des Friedens verkündigt. Er konnte Seinen Sohn nicht 
im Grabe lassen. Die ganze Macht des Feindes wurde in 
ihrer vollsten Ausdehnung angewandt; aber Gott brachte 
den Herrn Jesum in die Stellung des Friedens, und in Ihm 
202 
auch uns, welche an Ihn glauben; und Gott wurde nichts 
weniger als der „Gott des Friedens." 
Er ist der „Gott des Friedens", sowohl im Blick auf unsere Sünde, als auch auf unsere Umstände; aber nur in Seiner Gegenwart ist dieser Frieden festgestellt. In dem Augenblick, wo wir uns in Betreff der Umstände in menschliche 
Gedanken und Erfindungen einlassen, kommen wir in Unruhe. Nicht nur ist der Friede für uns durch die Genugtuung Christi bereitet worden, sondern er ist auch auf die 
Macht Dessen gegründet, welcher Jesum aus den Toten 
wieder auferweckt hat; und deshalb kennen wir Ihn als den 
„Gott des Friedens". Die Segnung der Heiligen ist nicht 
nach den Grundsätzen des alten Bundes, in welchem der 
Mensch stets ein Übertreter blieb, ist also nicht auf die 
Treue der Heiligen gegründet, sondern auf de n Gott, welcher durch alle Not und Angst und durch die ganze Macht 
Satans hindurch, unseren Herrn Jesum aus den Toten wiederbrachte, und also eine ewige Erlösung sicherte (Hebr. 
9, 12). Alles, was Gott Selbst als Gericht gegen die Sünde 
ausgesprochen, und die ganze gottlose Macht Satans lag auf 
Jesu am Kreuz, und Gott Selbst hat Ihn aus den Toten auferweckt. Hier findet die Seele ihren völligen Trost und ihre 
vollkommene Zuversicht. Der Glaube spricht: „Nichts vermag uns zu scheiden von der Liebe, die in Christo Jesu, unserem Herrn, ist" (Röm. 8,39). Nachdem alle unsere Sünden 
auf Jesum gelegt waren, schritt Gott in der Kraft Seiner 
Stärke ein und brachte den großen Hirten der Schafe, unseren Herrn Jesum, in dem Blute de s ewige n Bunde s 
aus den Toten wieder. Das Blut war sowohl der Beweis und 
das Zeugnis der Liebe Gottes gegen den Sünder, als auch 
Seiner Gerechtigkeit und Seiner Majestät gegen die Sünde. 
Dieser Bund ist gegründet auf die Wahrheit und die Heiligkeit des ewigen Gottes, welcher in dem Kreuze des Herrn 
Jesu völlig befriedigt ist; ja, Sein kostbares Blut hat jede 
Forderung Gottes vollkommen zufriedengestellt. Wenn Gott 
nicht „der Gott des Friedens" wäre, so müßte das Blut Seines teuren Sohnes für die Sünde nicht hinreichend sein. 
Und dies ist aber, wie wir wissen, unmöglich; Gott ruht darin, als in einem lieblichen Geruch. 
Die Wirkung von diesem allem auf das Leben des Heiligen ist diese: Sie bringt die Erkenntnis der Gemeinschaft 
mit Gott, und die Freude, Seinen Willen zu tun, hervor; Er 
„schafft in uns", wie hier geschrieben steht, „was vor ihm 
wohlgefällig ist durch Jesum Christum." — Der Gedanke an 
das Tun des Willens Gottes ist wohl geeignet, in den Herzen mancher Heiligen die Furcht zu erwecken, daß sie von 
Christo getrennt werden könnten. Geschieht dies, so ist 
203 
dies nur ein Beweis, daß Gott nicht als „der Gott des Friedens" erkannt wird. Sollte auch wohl die Freude in der 
Herrlichkeit, wo wir bei Christo sind, durch einen solchen 
Gedanken getrübt werden? Und gewiß, das Tun Seines Willens wird auch hier unsere Freude sein, wenn wir Ihn als 
„den Gott des Friedens" kennen. Der Apostel sagt: „Nach 
meiner sehnlichen Erwartung und Hoffnung, daß ich in 
nichts werde zu Schanden werden, sondern mit aller Freimütigkeit, wie allezeit, so auch jetzt, Christus an meinem 
Leibe hoch erhoben werden wird, sei es durch Leben, sei es 
durch Tod. Denn zu leben ist für mich Christus, und zu 
sterben Gewinn. Soll es aber sein, daß ich im Fleische leben 
bleibe, so ist es für mich der Mühe wert; und was ich erwählen soll, weiß ich nicht. Beides aber liegt mir hart an, 
indem ich Lust habe abzuscheiden und bei Christo zu sein; 
denn es ist weit besser. Das Bleiben aber im Fleische ist 
nötiger um euretwillen; und in dieser Zuversicht weiß ich, 
daß ich bleibe, und zu eurer Förderung und Freude des 
Glaubens bei und mit euch allen bleiben werde" (Phil. 1, 20 
bis 24). Hier finden wir die Zuversicht zu Gott, als zu „dem 
Gott des Friedens" und die Zuversicht zu Seiner bewahrenden und erhaltenden Macht während des Wandels hienieden. Wenn die Seele in der Unruhe des eigenen Geistes 
handelt, so kann sie nicht den Segen von der Erkenntnis 
von Gott als dem „Gott des Friedens" haben. — Das Fleisch 
ist so leicht in Tätigkeit, und wir bedürfen oft der Erinnerung: „Ich bitte euch aber, Brüder, ertraget das Wort der 
Ermahnung" (V. 22). Der Geist des Gehorsams ist der 
alleinige Geist der Heiligkeit. Der Herr aber schenke uns 
die Gnade, allezeit in Seinen Wegen zu wandeln. 
Gedanken über 1. Sam. 1, 2 
Das, was von Elkana, welcher zwei Frauen hatte, gesagt 
ist, scheint uns ein Vorbild auf Christus, sowie auf Israel 
und die Kirche zu sein. Hanna repräsentierte die in Gnaden 
wieder aufgenommenen Juden, und Peninna die beiseite gesetzten Heiden. Dieses ist es, was wir in dem prophetischen 
Gesang Hannas unterscheiden können. 
Auch sehen wir das Verderben des Priestertums, sowie 
das dem Hause Eli's angekündigte Gericht Gottes. Das Priestertum Aarons und seiner Söhne war ein Vorbild der 
Kirche. 
204 
Die Umstände des jüdischen Volkes unter Samuel, dem 
Propheten, unter Saul und David bis zur Erhebung Salomons auf den Thron, bilden die vorbereitenden Begebenheiten ab, welche das Regiment des Messias einführen, d. h. 
sie stellen im Vorbild die hauptsächlichsten Tatsachen dar, 
welche sich zutragen werden seit dem Augenblick, wo Gott 
für dieses Volk wieder zu wirken beginnen wird, bis Jesus 
kommen und Sich auf den Thron Davids in Jerusalem 
setzen wird. 
Das dem Eli angekündigte Wort Gottes ist das gegen 
dieses Priestertum abgelegte Zeugnis vor der Ausübung Seines Gerichts. Die Kirche, welche die Kenntnis dessen, was 
sich ereignen wird, besitzt, soll ebenfalls zeugen, daß Gott 
das christliche Heidentum richten und verwerfen wird. Das 
Gericht Gottes wird ausgeführt werden hinsichtlich derer, 
welche an dem in der Kirche eingeführten Verderben Anteil 
haben (Juda 15). 
Unter dem Priestertum Eli's und seiner Söhne beginnt 
die Erfüllung des Gerichts gegen diese Ordnung der Dinge. 
Als Priester hatte Eli nicht mehr die erforderliche Einsicht: 
in einem solchen Zustand ist das Ohr nicht mehr aufmerksam, um den Tadel zu verstehen; auch ist, was sehr bemerkenswert, das dem Eli vorgeführte Zeichen da s Gerich t 
selbst , welche s Got t anwende n wil l (Kapitel 2, 4). 
Das Gericht gegen das Haus Eli findet erst zur Zeit der 
Erhebung Salomons auf den Thron seine Erfüllung (1. Kön. 
2, 27-35). Das durch Salomon gegründete Priestertum ist 
nach dem Wort Jehovas, welches dem Eli durch den Mann 
Gottes angekündigt ward: ei n beständige r Prie -
ster.. . welche r wandel n wir d vo r meine m 
Gesalbte n immerda r (V. 35). Die Erfüllung dieses, 
unter dem Königtum Salomons dargestellten Vorbildes wird 
stattfinden, wenn Christus Sich auf den Thron Seiner Herrlichkeit in Jerusalem setzen wird; — es ist das Priestertum, 
welches in der Beschreibung der Ordnung des Tempels erwähnt ist (Hes. 44, 15). 
Aaron und seine Söhne repräsentieren das himmlische 
Priestertum in dem Charakter und der Stellung, welche Je -
sus durch Seine Auferstehung eingenommen hat; die Stellung der Kirche ist die des Christus, als des vor Gott dem 
Vater verherrlichten Menschen. Diese, welche als stellvertretend angekündigt und welche verworfen ist, ist vo r 
Seine m Gesalbten . Es ist ein Priestertum in einer 
anderen Stellung und ist himmlisch, wie es in der Stiftshütte, de m Sinnbil d de r himmlische n Ding e 
vorgebilde t wa r (Hebr. 9, 24), während das andere auf 
205 
der Erde für den Tempel in Jerusalem in den Tagen ausgeübt wird, wo der Messias auf dem Thron Davids sitzt. Dieses Priestertum wird ebensowenig fallen, wie das wiederhergestellte jüdische Volk, weil Christus die Regierung in 
die Hand genommen haben wird. Das, was unter die Hände 
des Menschen, unter die Verantwortlichkeit gestellt war, 
hat freilich fallen können; aber Gott hat nach Seiner Gnade 
Seine Auswahl erhalten. Sein ist die ganze Herrlichkeit. 
Eine Unterweisung von einer für uns aus den Nationen 
großen Wichtigkeit, leuchtet aus den Versen 27. 28 des 2. Kapitels hervor. Vor der Ausübung des Gerichts dessen, was 
sich verderbt hat, erinnert Gott immer, was die Segnung 
betrifft, die unter die Hände der Menschen, dieser Gegenstände Seiner Güte, gestellt ist, an die Natur Seiner Berufung nach Seiner Gnade. Gott sagt zu Eli: „Hab e ic h 
mic h nich t de m Haus e deine s Vater s ge -
offenbart , d a si e in Ägypte n waren , im Haus e 
Pharaos? " Das Haus Aarons war der Gegenstand einer 
ganz speziellen Gnade inmitten der Stämme Israels gewesen. 
Allein diese Gnade hatten sie vergessen. Deswegen, weil 
das Gedächtnis an die Güte Gottes in Betreff ihrer verschwunden war, waren sie in einen Zustand gänzlicher Verderbnis gefallen; und auf diese Weise ist das Gericht das 
letzte Hilfsmittel, welches Gott zu ihrer Wiederherstellung 
oder zu ihrer unwiderruflichen Ausschließung anwendet. 
Ebenso verhält es sich in Betreff der Kirche; auch sie hat 
vergessen, die Güte Gottes, dem Ruf Seiner Gnade gemäß; 
auch sie wird ihrer unwiderruflichen Ausscheidung durch 
das schließliche Gericht Babylons (Offb. 18) entgegen gehen. 
Es ist also von der höchsten Wichtigkeit für den Christen, 
die Gnade Gottes in Betreff Seiner ursprünglichen Berufung 
nicht zu vergessen; erinnern wir uns, woher uns Gott genommen hat, um der Anwendung der Drohung Jesu in Laodicäa: „Ic h wil l dic h ausspeie n au s meine m 
Munde" , zu entgehen (Offb. 3, 16). 
Das Endziel Gottes und die Mittel Jakobs 
(1. Mose 35) 
Im 13. Kapitel des 1. B- Mose sehen wir, daß Abraham, 
nachdem sich Lot von ihm getrennt hatte, dem Herrn einen 
Altar baute. Gott erschien ihm; aber nicht wie das erste 
206 
Mal, um ihn auf den Weg des Glaubens zu b r i n g e n. Kr 
ist auf dem Weg des Glaubens; die Verheißungen sin d 
ihm gemacht. Gott gibt ihm jetzt eine genauere Kenntnis 
von der Tragweite dieser Verheißungen. „Hebe deine Augen 
auf, und siehe von der Stätte, da du stehest, gegen Mitternacht, gegen Mittag, gegen Morgen und gegen Abend. Denn 
alles Land, das du siehst, will ich dir geben, und deinem 
Samen ewiglich ... . Mache dich auf und ziehe durch das 
Land, in die Länge und in die Breite; denn dir will ich's 
geben (1. Mos. 13,14-17). Hier haben wir einen großen Grundsatz in Betreff der Trennung von aller Welt. 
Wir wollen jedoch jetzt einen anderen Altar betrachten, 
den, welchen Jakob bei seiner Zurückberufung bei Bethel errichtete, und diesen ein wenig mit dem Ringkampf Gottes 
mit Jakob, als er aus Mesopotamien zurückkehrte, vergleichen. In der Fremde hatte dieser keinen Altar. — 
Die Geschichte Jakobs ist die Geschichte eines solchen, 
der in der Gunst Gottes steht; der aber auf einem hin- und 
herschwankenden Weg und in vielen Fehltritten erzogen ist. 
Die Treue Gottes erwies sich in allen seinen Mängeln und 
Wanderungen, selbst in seinen Versuchen, die Segnung auf 
einem fleischlichen Weg zu erlangen. Dieses Ergebnis drückt 
er selbst in seiner Unterredung mit Pharao aus (Kap. 47). Er 
naht dem großen Beherrscher der Welt und segnet ihn, ohne 
im geringsten zu stocken, während er zu gleicher Zeit eine 
sehr traurige Mitteilung über sein eigenes Leben macht. Wir 
sehen seine augenscheinliche Überlegenheit in der Gegenwart der Welt; aber im Vergleich mit anderen Heiligen ist 
sein Leben ein trauriges gewesen. „Weni g und bös e 
waren die Tage meines Lebens." Wenn der geringste Heilige dem höchsten Herrscher der Welt gegenüber gestellt 
wird, so ist er doch immer der größte. Es ist aber sehr lieblich, in Jakob diese Niedrigkeit, als ein Ergebnis seiner we -
nige n und böse n Tage, zu sehen. Der Heilige mag zu 
seiner eigenen Beschämung manche Fehler vor der Welt zu 
bekennen haben; seine Seele aber ist in Gemeinschaft mit 
Gott und im Bewußtsein Seiner Segnungen. 
Was den Charakter Jakobs betrifft, so war er gewiß ein 
Gläubiger, der Gottes Verheißungen schätzte. Esau tat es 
nicht; die Schrift redet von ihm, als einer „unheiligen Person". Während Jakob die Verheißungen schätzte, verkaufte 
Esau seine Erstgeburt für ein Linsengericht. Doch finden wir 
in Jakob nicht diesen Charakter des Glauben s — das 
Vertrauen auf Gott, daß Er die Verheißungen auch ausführe. 
Er schätzte sie wirklich; aber er gebrauchte fleischliche Mittel, um sie zu erlangen; er verließ sich auf menschliche 
Klugheit, anstatt auf Gott. Am Ende sehen wir ihn geseg207 
net; aber sein Betragen konnte Gott nicht billigen. Auf seinen Wegen wurde ihm mit demselben Maß gemessen, mit 
welchem auch er gemessen hatte. Er wurde selbst stets der 
Gegenstand eines ähnlichen Betruges. Er sagt zu Laban: 
„Des Tages verschmachtete ich vor Hitze und des Nachts vor 
Frost; und es floh der Schlaf von meinen Augen. Also habe 
ich diese zwanzig Jahre in deinem Hause zugebracht; habe 
dir gedient vierzehn Jahre um deine beiden Töchter, und 
sechs um deine Herde, und du hast mir meinen Lohn zeh n 
M a l verändert " (Kap. 31, 40. 41). Betrogen mit seinem 
Weibe, übervorteilt in seinem Lohn, fern vom Hause seines 
Vaters und ein Sklave Labans, ging er auf einem betrügerischen Wege einher, anstatt sich auf die Erfüllung der Segnungen Gottes zu verlassen. In diesem allem sehen wir tatsächliche Züchtigungen für seine Unlauterkeiten. Gott ließ 
ihn die Ruhe fühlen; aber zu gleicher Zeit unterstützte Er 
ihn auch. Und in dieser Weise verfährt der „Vater der Geister" immer mit den Seinigen. 
Als sich Jakob auf seiner Flucht vor Esau am Abend 
niedergelegt und einen der umherliegenden Steine als Kopfkissen benutzt hatte, träumte er: „Und siehe, eine Leiter 
war gestellt auf die Erde, die rührte mit der Spitze an den 
Himmel; und siehe! die Engel Gottes stiegen daran auf und 
nieder, und siehe! der Herr stand über ihr und sprach: Ich 
bin der Herr, der Gott Abrahams, deines Vaters, und der 
Gott Isaaks; das Land worauf du liegst will ich dir und deinem Samen geben; und dein Same soll werden wie der 
Staub auf Erden, und du sollst dich ausbreiten gegen Abend, 
Morgen, Mitternacht und Mittag; und durch dich und deinen Samen sollen die Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe! ich bin mit dir, und will dich behüten überall, wo du hinziehest, und will dich wieder herbringen in 
dies Land; denn ich will dich nicht lassen, bis daß ich tue, 
was ich dir geredet habe" (Kap. 28, 12-15). Aber trotz dieser 
köstlichen Verheißung und dieser trostreichen Zusage gebrauchte Jakob immer List und menschliche Mittel, um sein 
Ziel zu erreichen, sowohl in Betreff des Geburtsrechtes und 
des Segens, als auch der Herde Labans (Kap. 30). 
Nach einer gewissen Zeit sieht er ein, daß er nicht länger 
bei Laban bleiben kann; und er stiehlt sich heimlich von 
dort weg, obgleich Gott ihm geboten hatte, in das Land seiner Verwandtschaft zurückzukehren. Laban verfolgte ihn; 
aber Gott tritt dazwischen, und wenn jener auch wollte, er 
durfte ihm keinen Schaden zufügen. Jakob richtet zum 
Zeugnis einen Steinhaufen auf (Kap. 31). 
Als er zum ersten Mal vor Esau floh, sah er ein Gesicht 
von Engeln, und es wurde ihm offenbart, daß er ein Gegen208 
stand der Gunst Gottes sei. Ebenso jetzt. — Zu Bethel hatte 
er den Stein, welchen er zu seinen Häuptern gesetzt, als ein 
Denkmal aufgerichtet; er hatte ö l darauf gegossen und ein 
Gelübde getan. Und darnach sehen wir, daß er durch eine 
Reihe von Züchtigungen geht. 
Nicht länger fähig bei Laban zu bleiben, erschien ihm 
der Herr wieder, und indem Er ihm gebot, in das Land seiner Väter zurückzukehren, sagte Er ihm: „Ich will mit dir 
sein!" Und es begegneten ihm die Heere Gottes auf dem 
Wege, und er nennt diesen Ort: „Mahanaim", d. h. ZweiLager (Kap. 32, 1. 2). 
Jetzt aber hat sich Esau aufgemacht, um ihm zu begegnen, und wiederum offenbart sich in Jakob derselbe Charakter des Unglaubens. Anstatt sich der Worte Gottes zu 
erinnern: „Ich will mit dir sein!" und der Tatsache zu gedenken, daß Gottes Heere ihm begegnet sind, nimmt er aufs 
neue seine Zuflucht zu fleischlichen Auswegen, um Gnade 
zu finden „vor den Augen Esau's", und um „zu versöhnen 
meinen Herrn Esau." Wären viertausend Mann anstatt vierhundert bei Esau gewesen, was lag daran? — „Wenn Gott 
für uns ist, wer wider uns?" Und dann auch: Welches Recht 
und welcher Titel gebührt Esau? Wir erniedrigen uns immer 
unter die Kinder der Welt, wenn wir menschliche, hinterlistige Wege in unserem Handeln mit ihnen einschlagen. 
Doch der Herr begegnet dem Jakob in Barmherzigkeit! — 
Dieser sendet einen Haufen Vieh nach dem andern und auch 
Knechte. Nach diesen folgen die Kinder und die Weiber; 
und ganz am Ende er selbst. „Und Jakob blieb allein übrig" 
(Kap. 32, 24). — Trauriges Bild eines Menschen, der nicht mit 
Gott wandelt! Befreit von der Verfolgung Labans, ermutigt 
durch die Verheißung Gottes: „Ich will mit dir sein!" und 
durch das Gesicht der Heere Gottes zu Mahanaim, — und 
doch gab dies alles ihm keinen Mut, und warum nicht? Sein 
Herz war nicht mit Gott. Und Gott mußte Selbst die Sache 
in Seine Hand nehmen; aber wenn Er den Jakob von der 
Hand Esau's befreien sollte, so mußte Er zuvor mit Jakob 
selbst zu tun haben. 
Auf seiner Flucht nach Mesopotamien hatte Jakob dem 
Herrn ein Gelübde getan und gesagt: „So Gott mit mir sein 
wird und mich behütet auf diesem Wege, den ich reise, und 
mir Brot zu essen geben wird und Kleider anzuziehen, und 
ich mit Frieden wiederkehre zu meines Vaters Haus, so soll 
der Herr mein Gott sein" (Kap. 28, 20. 21); und jetzt sagt er: 
„Gott meines Vaters Abraham, und Gott meines Vaters 
Isaak, Herr, der du mir gesagt hast: Ziehe wieder in dein 
Land und in deine Heimat, ich will dir wohltun. Ich bin zu 
gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an dei28 209 
nem Knechte getan hast; denn mit meinem Stab ging ich 
über diesen Jordan, und nun bin ich zwei Heere geworden. 
O, errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand 
Esau's! Denn ich fürchte mich vor ihm, daß er nicht komme 
und schlage mich, die Mutter samt den Kindern. Du hast 
ja gesagt: Ich will dir wohltun, und deinen Samen machen 
wie den Sand am Meere, den man nicht zählen kann vor 
Menge" (Kap. 32, 9-12). So sprach er; aber er verstand nicht 
auf Gott zu vertrauen. 
Wir sehen in Jakob einen Menschen, welcher den Herrn 
liebt und Seine Verheißungen schätzt; aber einen Heiligen 
Gottes, welcher fortwährend gezüchtigt, und dessen Herz 
dennoch nicht gebrochen ist. Gott Selbst mußte sogar mit 
ihm ringen. — Ähnlich finden wir es bei dem Petrus. Dieser 
liebte auch wirklich den Herrn; aber er hatte nicht den geringsten Begriff von dem, was das Fleisch ist, und deshalb 
mußte er durch Läuterungen gehen. „Simon, Simon! siehe, 
der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten, wie den Weizen. Ich aber habe für dic h gebetet, auf daß dein Glaube 
nicht aufhöre, und bist du einst zurückgekehrt, so stärke 
deine Brüder" (Luk. 22, 31. 32). Auf dem Weg der Läuterung 
wurde er bewahrt. „Ic h hab e fü r dic h gebetet! " 
An der Furt Jabbok begegnete der Herr dem Jakob allein. 
„Da rang ein Mann mit ihm bis die Morgenröte anbrach." 
Dies ist aber nicht das Ringen Jakobs im Glauben mit Gott, 
wie oft gesagt wird. „Und da er sah, daß er ihn nicht übermochte, berührte er das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs ward über dem Ringen mit ihm verrenkt" (Kap. 32, 24. 25). Es ist kein Ringen, in welchem alle 
Kräfte Jakobs sich zeigen; und in der Folge, während er 
fühlte, was es heißt, ein gebrochenes Herz und ein verwelktes Fleisch zu haben, konnte zu ihm gesagt werden: „Du 
hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und bist obgelegen." — Er empfängt einen Segen: Gott nennt ihn „Israel"*); aber Er weigert Sich, Seinen Namen zu offenbaren. 
Und konnte Er als ein Ringender, Seinen Namen kundtun? 
— eine Stellung, wozu Er sozusagen durch Jakob genötigt 
worden war. „Warum", sagt Er, „fragst du wie ich heiße? 
Und Er segnete ihn daselbst." Hier gibt es keine friedliche 
und ruhige Kenntnis der wunderbaren Gnade Gottes. Durch 
das Ringen ist Jakob der starke Mann Gottes; aber Gott 
muß das Fleisch schwächen. Er wird immer die Seele früher 
oder später durch Seine Züchtigungen heimsuchen, wenn 
das Fleisch nicht geschwächt ist. 
*) d. i. der mit Gott kämpft — Kämpfer vnd Überwinder 
Gottes. 
210 
Es war ein Segen, solch einen Namen wie „Israel" zu erhalten — ein Segen, der einem hinkenden Heiligen zukam. 
Er hinkte jetzt alle Tage seines Lebens, und Gott hatte Sich 
geweigert, Seinen Namen zu offenbaren. Nicht so bei Abraham. Derr Herr sprach zu diesem: „Ich bin Gott, der Allmächtige, wandle vor mir und sei vollkommen!" ..Und als 
Er Seine Rede mit ihm geendigt, stieg Gott auf von Abraham." Hier finden wir eine friedliche Gemeinschaft; und 
Abraham kann sich für andere verwenden, anstatt für sich 
selbst zu ringen (Kap. 17. 18). Nach diesem sagte Gott zu 
Jakob: „Mache dich auf und ziehe gen Bethel, und wohne 
daselbst und mache daselbst einen Altar dem Gott, der dir 
erschien, da du flohest vor deinem Bruder Esau" (Kap. 35,1). 
Es scheint in diesem Kapitel, als wenn Gott hier mit Jakob 
zuerst anfinge, und gleichsam alles Vorhergehende übersähe, 
als wenn noch nichts vorgefallen wäre. „Da sprach Jakob 
zu seinem Hause und zu allen, die mit ihm waren: Tut von 
euch die fremden Götter, so unter euch sind, und reinigt 
euch und wechselt eure Kleider; und lasset uns auf sein und 
gen Bethel ziehen, daß ich daselbst einen Altar mache dem 
Gott, der mich erhöret hat zur Zeit meiner Trübsal und is t 
m i t mi r gewese n au f de m Wege , de n ic h ge -
zoge n b i n " (V. 2. 3). Rahel hatte ihres Vaters fremde 
Götter lange mit sich umhergetragen (Kap. 31,19. 30-35). Jakob gedenkt jetzt daran, aber früher hatte er es nicht beachtet. In welch einem geteilten Zustand befand sich sein 
Herz! Und so ist es immer, wenn wir nicht auf Gott vertrauen. Jetzt aber, da Jakob in die Gegenwart Gottes treten 
will, fühlt er, was sich in dieser Gegenwart geziemt oder 
nicht; sein Unterscheidungsvermögen zwischen rein und unrein ist erwacht. Nach allen den Züchtigungen erinnert er 
sich jetzt der Liebe und Treue Gottes, die ihm in all seinen 
Wegen gefolgt ist. „Da gaben sie Jakob alle fremden Götter, 
die unter ihren Händen waren" (V. 4. 5). 
Jetzt wird Gott wieder geehrt, und zwar als der treue 
Gott, der dem Jakob in den Tagen seiner Trübsal geantwortet hatte, und der auf dem ganzen Wege mit ihm gewesen 
war. Zu der Zeit, als Gott den Jakob unter Seine Zucht 
brachte, sagte Er: „Ich bin mit dir und will dich erhalten 
in allen Orten, wohin du gehst!" — Jetzt sagt Jakob: „Er ist 
mit mir gewesen!" — Ja, Er ist der Gott, der, während wir 
auf dem Wege fehlen, dennoch auf dem ganzen Wege stets 
mit uns ist. 
„Und Gott erschien Jakob abermals, nachdem er aus Mesopotamien gekommen war und segnete ihn und sprach zu 
ihm: „D u heißes t Jakob ; abe r d u solls t nich t 
meh r Jako b heißen , sonder n Israe l solls t d u 
211 
heißen . Un d als o heiß t ma n ih n Israel " (Vers 
9. 10). Dies ist eine lange Zeit nach dem Ringkampf. Jakob 
hatte alle seine fremden Götter abgeschafft und begegnet 
Gott da, w o E r Sic h ih m offenbare n kann , und 
wo Er ihm den neuen Namen „Israel" gibt. Er tut es jetzt, 
als wenn Er es nie zuvor getan hätte, und gedenkt nicht seiner früheren Übertretungen. Gott betrachtet ihn als einen, 
der stark bei Ihm ist. 
„Und Gott sprach zu ihm: Ich bin de r allmächtig e 
Got t ! sei fruchtbar, mehre dich: Völker und Völkerhaufen 
sollen von dir kommen, und Könige sollen aus deinen Lenden hervorgehen. Und das Land, das ich Abraham und 
Isaak gegeben habe, will ich dir geben; und will deinem Samen nach dir dies Land geben. Un d Got t fuh r au f 
v o n ihm , a n de m Orte , d a e r mi t ih m gerede t 
hatte " (V. 11-13). Das ist es gerade, was Er auch bei Abraham getan hatte. Er macht ihn jetzt nicht hinkend, noch 
ringt Er mit ihm, noch verbirgt Er jetzt Seinen Namen. 
Vielmehr offenbart Er ihm diesen in allem friedlichen Vertrauen. „Un d e r geh t au f vo n ihm. " Früher hatte 
Gott von der Spitze der Leiter zu ihm geredet; jetzt aber 
kommt Er zu ihm hernieder. „Und Jakob richtete ein Mal 
auf, an dem Ort, da er mit ihm geredet hatte, ein steinernes 
Mal, und goß Trankopfer darauf, und begoß es mit öl. Und 
Jakob hieß den Ort, d a Got t mi t ih m gerede t 
hatte , „B e t hei" , d.i. Haus Gottes (V. 14.15). Da ist kein 
Fürchten, kein halbes Verehren. „Wie heilig ist diese Stätte! 
usw." (Kap. 28, 17). Sein Name war Jakob , d. i. „Übertreter". Gott aber kann ihm diesen Namen nicht geben; Er 
nennt ihn Israel . Er offenbarte sich ihm als Gott, der 
Allmächtige ; und Jakob ist fähig, den Ort zu nennen: 
„das Haus Gottes." 
Hier haben wir die köstliche Belehrung, daß, wenn Gott 
mit uns handelt, es nicht nur darum ist, uns die Segnung 
des Landes Kanaan zu geben, und die damit verbundene 
Freude, sondern daß Er uns züchtigt, um das Fleisch zu demütigen, damit Er Sich uns in friedlicher Gemeinschaft offenbaren kann. Wir mögen, wie Petrus, wirkliche Liebe für 
den Herrn haben, oder wie Jakob die Verheißungen in 
Wahrheit schätzen; wenn aber das Fleisch nicht gerichtet 
ist, so ist dessen Erniedrigung zuerst nötig. Dies mag oft im 
Anfang, oft durch Umstände auf dem Wege, oft erst auf 
dem Sterbebett geschehen; aber früher oder später muß das 
Fleisch, entweder auf eine friedliche oder eine peinliche 
Weise gerichtet werden. In Jakob sehen wir das Vertrauen 
auf das Fleisch; er stützt sich auf dasselbe zur Erlangung 
der Verheißungen Gottes; deshalb gibt es auf seinem ganzen 
212 
Weg allerlei Züchtigungen; aber am Ende ist die Segnung. 
Es kann ein gewisses Trauen auf die Treue Gottes, verbunden mit Glauben an Seine Verheißungen und mit Freude 
darin, vorhanden sein, und dennoch, anstatt sich auf die 
Macht Gottes in Betreff ihrer Erfüllung zu verlassen, zu 
solchen unheiligen Mitteln Zuflucht genommen werden, die 
nur Züchtigung und Sorge zur Folge haben. „Irret euch 
nicht" sagt der Apostel, „Gott läßt sich nicht spotten! denn 
was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Denn 
wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleische 
Verderben ernten" (Gal. 6. 7. 8). 
„Ich bin mit dir und will dich behüten überall, wo du 
hinziehest!" (Kap. 28, 15). Dies war das Teil Jakobs beim Beginn; — am Anfang und am Ende fand er die Treue Gottes; 
aber er verstand nicht, sich auf dem Wege darauf zu verlassen. An Gott genug zu haben, und nicht auf die Nichtigkeit des Fleisches zu vertrauen, muß gelernt werden; entweder auf eine friedlich e Weise, wenn wir mit Gott 
wandeln, oder auf eine schmerzliche , wenn wir einundzwanzig Jahre auf einem fleischlichen Weg einhergehen. 
Jakob konnte erst dann im Frieden in Bethel sein, nachdem 
er gelernt hatte: „kein Vertrauen auf das Fleisch zu haben." 
Er liebte zwar nicht die fremden Götter; aber nie war er zu 
Hause durch sein Gewissen genötigt worden, sie hinwegzutun. Jetzt aber war es geschehen, und wir finden ihn im 
friedlichsten und überaus glücklichen Selbstgericht vor Gott. 
Dahin muß es stets mit uns kommen; mögen auch die Mittel 
Gottes, uns dahin zu bringen, noch so verschieden sein; Gott 
kann nicht eher mit Seinem Kinde in Bethel sein, bis Er es 
von seinem Vertrauen auf das Fleisch entwöhnt hat. 
Der Herr gebe uns, auf Ihn allein zu vertrauen, — nicht 
allein am Ende, sondern auf dem ganzen Wege! (Übersetzt) 
213