Botschafter des Heils in Christo 1863

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Inhaltsverzeichnis: Botschafter des Heils in Christo 1863
Betrachtungen über den ersten Brief an die Korinther (Fortsetzung) 3
Betrachtungen über den zweiten Brief an die Korinther . 20
Was ist die Wiedergeburt? 79
Mitteilungen über das Werk Gottes in unseren Tagen 94
Was ist Heiligung? 98
Gnade, Gottseligkeit und Herrlichkeit ... . 108
Was der Christ ist 110
Elihu, oder „Einer unter Tausend" .... . 113
Die Leiden und die Lobgesänge Christi . .. . 120
Der Ruheplatz des Glaubens 126
Ein Herz für Christum ...... . 127
Vorsehung und Glaube 131
Eine gute und sichere Sache ..... . 133
Wahrheit und Gnade 135
Der feste Frieden 145
Das Bekennen der Sünde 145
Ein Leib und ein Geist 148

Johannes 3  Was ist die Wiedergeburt?

Es gibt wohl wenig Gegenstände, die zu mehr Schwierigkeiten und Verwirrungen Anlaß gegeben haben, als die Wiedergeburt oder die neue Geburt. Sehr viele, die selbst Gegenstände dieser neuen Geburt sind, wissen nicht, was sie ist, und sind oft mit Zweifel erfüllt, ob sie dieselbe je erfahren haben. Es gibt viele, die, wenn sie ihre Wünsche in Worten ausdrücken könnten, sagen würden: „Ach, wenn ich doch einmal gewiß wüßte, daß ich aus dem Tode zum Leben hinüber gegangen wäre!  Wenn ich einmal die volle Überzeugung hätte, daß ich wiedergeboren wäre; o wie glücklich würde ich dann sein!" — So sind sie mit Furcht - und Zweifel gequält von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr. Oft haben . sie Hoffnung, daß diese große Veränderung mit ihnen vorgegangen sei;

aber bald steigt wieder etwas in ihnen auf, das sie veranlaßt, alle ihre früheren Hoffnungen für Täuschungen zu halten. Sie urteilen nach ihren Gefühlen und Erfahrungen und nicht nach den einfachen Unterweisun­gen des Wortes Gottes, und deshalb müssen sie notwendigerweise immer wieder in Zweifel und Ungewißheit versinken.

Es würde mir nur lieb sein, mit meinem Leser, im Lichte der heiligen Schrift, eine Unterweisung dieses so wichtigen und interessanten. Gegen­standes vorzunehmen. Es ist zu befürchten,, daß sehr viele Mißverständnisse, die darüber verbreitet sind, daher kommen, daß man so oft die . Wiedergeburt und deren Früchte, anstatt Christus predigt. Die Wirkung wird der Ursache vorausgestellt, und dies muß notwendig immer Gedankenverwirrung hervorbringen.

Laßt uns jetzt nacheinander folgende Fragen betrachten:

1. Was ist die Wiedergeburt?

2. Wie wird sie hervorgebracht?

3. Was sind die Folgen?

I. Was ist die Wiedergeburt? Viele betrachten sie als eine Änderung der alten Natur, hervorgebracht, ohne Zweifel, durch den Einfluß des Geistes Gottes. Diese Änderung, geht, nach ihrer Meinung, allmählich von Stufe zu Stufe vor sich, bis endlich die alte Natur voll­ständig unterjocht ist. Diese Ansicht über diesen Gegenstand birgt .aber

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 zwei Irrtümer in sich: Zuerst einen Irrtum in Betreff unserer alten Natur, und dann in Betreff der wirklichen Persönlichkeit des Heiligen Geistes. Sie leugnet die hoffnungslose Verderbtheit der menschlichen Natur, und sie betrachtet den Heiligen Geist mehr als einen Einfluß, und nicht als eine Person.

Was unseren wahren Zustand von Natur betrifft, so stellt ihn das Wort Gottes als einen ganz und gar unverbesserlichen Ruin dar. Wir wollen die Beweise liefern. „Und der Herr sah, daß der Menschen Bos­heit groß war auf Erden, und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar" (1. Mos. 6, 5). Die Worte „alle s" — „n u r" — und „immerdar" schließen jede Idee eines wiederherzustellenden Zuges in dem Zustande des Menschen vor Gott völlig aus. Wiederum:

„Der Herr schauet vom Himmel hernieder auf die Menschensöhne, zu sehen, ob ein Verständiger da sei, der Gott suche. Aber alle sind ab­gewichen und allesamt verdorben; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer" <Ps. 14r, 2. 3). Hier schließen ebenfalls die Aus­drücke „Alle" — „allesamt" — „Keiner" — „auch nicht einer" eine widerherzustellende Eigenschaft im Zustande des Men­schen, als gerichtet in der Gegenwart Gottes, vollständig aus. Nachdem wir nun einen Beweis von Mose und einen anderen von den Psalmen erhalten haben, laßt uns auch einen oder zwei von den Propheten neh­men. „Warum soll man weiter euch schlagen, so ihr des Abweichens nur desto mehr macht. Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihm" (Jes. 1. 5, 6). „Es ist das Herz ein überaustückisch und heil­los Ding, wer kann es ergründen" (Jer. 17, 9)?„A lies Fleisch ist Gras, und alle seine Güte wie die Blume des Feldes. Das Gras ist verdor­ret, die Blume v e r v/ e l k e t" (Jes. 40, 6. 7).

Das obige wird für das Alte Testament genügen. Wir wollen uns jetzt zu dem Neuen wenden. Wir lesen in Ev. Joh. 2, 24. 25: „Jesus Selbst aber vertraute Sich 'ihnen nicht, weil Er alle kannte, und nicht bedurfte, daß jemand Zeugnis von dem Menschen gäbe; denn Er wußte, was in dem Menschen war." — „Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch" (Joh. 3, 6). — Vergleiche auch Röm. 3, 9—19. — Weiter lesen wir in Röm. 8, 7. 8: „Weil die Gesinnung des Fleisches eine Feindschaft wider Gott ist; denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht Untertan; denn sie vermag es auch nicht. Die aber, welche in dem Fleische sind, können. Gott nicht gefallen." — „Ihr hattet keine Hoffnung, und wäret ohne Gott in der Welt" (Eph. 2. 12). — Diese Anführungen könnten verviel­facht werden; aber es ist unnötig. Es sind Beweise genug angeführt wor­den, um uns mit dem wahren Zustande der menschlichen Natur bekannt zu machen. Er ist „verloren" — und „schuldig" — „entfremdet" — „ohne Kraft" — „nur böse" — und „böse immerdar".

Wie nun, so dürfen wir mit Recht fragen, kann das, wovon in einer solchen Weise gesprochen wird, verändert oder verbessert werden? „Kann auch ein Mohr seine Haut wandeln, oder ein Parder seine Flecken" (Jer. 13, 23)? „Was krumm ist, kann nicht gerade werden" (Pred. 1. 15). Und je genauer wir das Wort Gottes untersuchen, desto mehr werden wir erkennen, daß es nicht die göttliche Methode ist, das Zerfallene und Verderbte wieder zu verbessern, sondern etwas ganz neues einzuführen.

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 Ebenso'ist es in Betreff des natürlichen Zustandes des Menschen. Gott sucht ihn nicht zu verbessern. Das Evangelium beabsichtigt nicht, die alte Natur des Menschen wieder herzustellen, sondern ihm eine neue zu geben. Es sucht nicht einen neuen Lappen auf ein altes Kleid zu setzen, sondern ein gänzlich neues Kleid darzureichen. Das Gesetz suchte etwas in dem Menschen, aber fand es nimmer. Gebote und Satzungen wurden gegeben, aber der Mensch gebrauchte sie, um Gott beiseite zu setzen. Das Evangelium, im Gegenteil, zeigt uns Christum als Den, der das Ge­setz verherrlichte und zu Ehren brachte; es zeigt uns Ihn als Den, der am Kreuze starb und alle Satzungen und Forderungen an dasselbe na­gelte; und es zeigt uns Ihn als Den, der aus dem Grabe wieder auferstand, und als Sieger Seinen Platz zur Rechten der Majestät in den Himmeln nahm; und endlich erklärt es, daß alle, die an Seinen Namen glauben, Teilhaber Seines Auferstehungslebens und eins mit Ihm sind (lies mit Aufmerksamkeit folgende Stellen: Ev. Joh. 20, 31; Apg. 13, 39; Römer S, 4—11; Eph. 2, 1—6; 13—18; Kol. 2, 10—15).

Es ist von der größten Wichtigkeit, in dieser Grundwahrheit recht ' klar und fest zu sein. Wenn ich denke, daß die Wiedergeburt eine ge­wisse Änderung meiner alten Natur ist, und daß diese Änderung sich allmählich entwickelt, so werde ich,- als notwendige Folge, mit steter Angst und Besorgnis, mit Zweifel und Furcht, mit Niedergeschlagenheit und Trauer erfüllt sein, wenn ich gewahre, wie es sicher geschehen wird, daß Natur Natur ist, und bis ans Ende nichts als Natur bleibt. Kein Einfluß, noch Wirken des Heiligen Geistes kann je das Fleisch geistlich machen. „Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch", und kann nie etwas anderes sein; und „alles Fleisch ist wie Gras" — wie verwelktes Gras. Das Fleisch wird nie in der Schrift als eine Sache dargestellt, die zu bessern ist, sondern als eine Sache, die Gott als „t o t" betrachtet, und welche wir berufen sind zu „töten" — zu unterwerfen und zu verleugnen in all ihren Gedanken und Wegen. In dem Kreuz des Herrn Jesu Christi sehen wir das Ende alles dessen, was unserer alten Natur angehört. „Die aber, welche des, Christus sind, haben das Fleisch samt den Leidenschat­ten und Lüsten gekreuzigt" (Gal. 5. 24). Er sagt nicht: „Die, welche des Christus sind, verbessern das Fleisch, oder versuchen es zu ver­bessern". Nein, sondern „sie haben es gekreuzigt". Es ist ganz und gar unverbesserlich, und darum ist es in Christo auf dem Kreuze völlig von Gott beseitigt worden. Gott fordert nichts vom Fleische, und darum sollten auch wie es nicht tun. Er betrachtet es als tot; und ebenso sollten wir es betrachten. Er hat es vor Seinem Angesicht hinweggetan, und dafür sollten wir es stets halten. Gott erkennt es nicht an. Es hat keine Existenz vor Ihm. Freilich ist es in uns; aber Gott gibt uns das köstliche Vorrecht, es als tot anzusehen und zu behandeln, wozu wir durch die Energie und die Kraft des in uns wohnenden Heiligen Geistes befähigt sind. Sein Wort an uns heißt: „Also auch ihr haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu, unserm Herrn" (Röm. 6, 11).

Dies ist ein unermeßlicher Trost für ein Herz, das sich jahrelang mit der hoffnungslosen Arbeit der Natur- oder Selbstverbesserung beschäf­tigt hat. Es ist ein unermeßlicher Trost für ein Gewissen, das in der all­mählichen Verbesserung dessen, was ganz und gar unverbesserlich ist,

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 eine Grundlage für seinen Frieden gesucht hat. Es ist endlich "ein un­ermeßlicher Trost für jede Seele, die vielleicht seit Jahren mit Ernst nach der Heilung getrachtet, die aber gemeint hat, daß die Heilung in der Ver­besserung dessen bestehe, was die Heiligkeit haßt und die Sünde liebt. Für alle solche ist es unendlich köstlich und wichtig, das wahre Wesen der Wiedergeburt zu verstehen. Niemand, der es nicht selbst erfahren hat, kann sich die tiefe Qual und die bittere Täuschung vorstellen, die eine Seele empfindet, welche in dem eitlen Wahn, daß die Natur der Verbesserung fähig sei, nach jahrelangem Kampfe findet, daß Natur Natur bleibt. Und gerade im Verhältnis zu der Qual und der Täuschung wird die Freude bei der Entdeckung sein, daß Gott keine Verbesserung der Natur, d. i. des Fleisches sucht, daß Er dasselbe als tot und uns als in Christo lebend, eins mit Ihm und angenommen in Ihm, für immer und ewig ansieht. Ja, zu einem klaren und völligen Verständnis dieser Wahrheit gekommen zu sein, ist eine göttliche Befreiung des 'Gewissens und eine wahre Erhebung des ganzen moralischen Wesens.

Was ist denn nun die Wiedergeburt? Es ist eine neue Geburt — die Mitteilung eines neuen Lebens — das Einpflanzen einer neuen Natur — die Bildung eines neuen Menschen. Die alte Natur bleibt, was sie ist, und die neue Natur, völlig von jener unterschieden, wird eingeführt. Sie hat ihre eigenen Gewohnheiten, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Und diese alle sind geistlich, himmlisch, göttlich. Ihr ganzes Streben ist nach oben gerichtet. Sie trachtet immer nach der himmlischen Quelle, aus der sie hervorgegangen ist. Wie in der Natur das Wasser stets bis zu der­selben Höhe emporsteigt, von der es kam, ebenso steigt auch in der Gnade die neue — die göttliche Natur immer wieder zu ihrer eigenen Quelle empor.' Die Wiedergeburt ist für die Seele, was die Geburt Isaaks für das Haus Abrahams war (1. Mos. 21). Ismael blieb unverändert der­selbe Ismael; aber Isaak wurde eingeführt. Ebenso bleibt die alte Natur dieselbe; aber die neue wird eingeführt. „Was vom Geist geboren wird, das ist Geist" (Joh. 3, 6). Er teilt das Wesen oder die Natur seiner Quelle. Ein Kind hat die Natur seiner Eltern, und der Gläubige ist ein Teilhaber der göttlichen Natur (2. Petr. 1. 4). „Er hat uns gezeugt nach Seinem Eigenen Willen" (Jak. 1. 18). — Mit einem Worte, die Wiedergeburt ist vom Anfang bis zum Ende das Werk Gottes. Gott ist der Wirkende, der Mensch ist der glückliche, begünstigte Gegenstand Seines Wirkens. Seine Mitwirkung wird nicht gesucht in einem Werke, das immer den Stempel einer allmächtigen Hand tragen muß. Gott war es allein in der Schöpfung — und Er muß es auch allein sein in dem geheimnisvollen und herr­lichen Werke der Wiedergeburt.

II. Nachdem wir nun durch verschiedene Schriftstellen zu beweisen gesucht haben, daß die Wiedergeburt oder die neue Geburt nicht eine Veränderung der gefallenen Natur des Menschen, sondern die Mittei­lung einer neuen — einer göttlichen Natur ist, so laßt uns jetzt, geleitet durch die Unterweisungen des Geistes, fortfahren, zu betrachten, wie die neue Geburt hervorgebracht — wie sie mitgeteilt wird. Dies ist ein Punkt von unermeßlicher Wichtigkeit, indem er das Wort Gottes als das große Werkzeug vor uns hinstellt, welches der Heilige Geist gebraucht, um tote Seelen lebendig zu machen. „Durch das Wort

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 des Herrn wurden die Himmel gemacht", und durch das Wort des Herrn werden tote Seelen ins Leben gerufen. Das Wort des Herrn ist schaffend und wiedergebärend. Es rief Welten ins Dasein; es ruft Sünder vom Tode zum Leben. Dieselbe Stimme, die vor Alters sagte: „Es werde Licht!" muß auch jetzt bei jedem Einzelnen sagen: „Es werde Leben!"

In Ev. Joh. 33 finden wir in der Unterredung des Herrn mit Nikodemus viel köstliche Belehrung über die Art und Welse, in welcher die Wiedergeburt hervorgebracht wird. Nikodemus behauptete eine sehr hohe Stellung, in der, wie man jetzt sagen würde, religiösen Welt. Er war „ein Mensch von den Pharisäern". — „ein Oberster der Juden" — „ein Meister in Israel". Er hätte kaum eine höhere oder einflußreichere Stellung einnehmen können, und doch ist es sehr augenscheinlich, daß es diesem bevorzugten Manne nicht wohl zu Mute war. Trotz aller seiner religiösen Vorzüge fühlte sein Herz ein ruheloses Sehnen nach etwas, das weder Pharisäismus, noch das ganze jüdische System ihm verschaffen konnten. Es ist wohl möglich, daß er nicht genau anzugeben wußte, was ihm eigentlich fehlte; aber ihm fehlte etwas, sonst würde er sicher nicht ' bei der Nacht zu Jesu gekommen sein. Es war augenscheinlich, daß ihn der Vater mit unwiderstehlicher, wiewohl sanfter Hand zum Sohne hinzog; und Er zog ihn dadurch, daß Er ein Bedürfnis in seiner Seele erweckte, das durch nichts um ihn her befriedigt werden konnte. Dies ist ein sehr gewöhnlicher Fall. Einige werden durch einen starken Sündendruck, andere durch ein tiefgefühltes Bedürfnis zu Jesu gezogen. Nikodemus gehörte offenbar zu der letzteren Klasse. Seine Stellung war eine solche, welche die Idee nach groben Lastern ausschließt; und darum war es bei ihm mehr eine Leere in seinem Herzen, als große Schuld auf seinem Gewissen, was ihn zu Jesu trieb. Aber es kommt doch am Ende auf eins hinaus. Das schuldige Gewissen und das sehnende Herz müssen beide zu Jesu gebracht werden; denn Er allein kann den beiden, — dem Einen wie dem anderen — begegnen. Er kann durch Sein teures Opfer jeden Flecken vom Gewissen entfernen, und Er kann durch Seine un­vergleichliche Person jede Leere im Herzen ausfüllen. Das durch Jesu Blut gereinigte Gewissen ist vollkommen rein, und das durch die Person Jesu erfüllte Herz ist vollkommen erfüllt.

Nikodemus aber hatte, wie viele außer ihm, manches zu verlernen, ehe er die Erkenntnis Jesu wirklich zu erfassen vermochte. Er hatte einen hinderlichen Ballast von religiösem Machwerk wegzuwerfen, ehe er die göttliche Einfalt von Gottes Heilsplan zu begreifen vermochte. Er hatte von den höchsten Höhen rabbinischer Gelehrsamkeit herunterzu­steigen, um das A-B-C des Evangeliums in der Schule Jesu zu lernen. Das war sehr demütigend für „einen Menschen von den Pharisäern" — „einen Obersten der Juden", — einen Meister in Israel". Da ist nichts, woran der Mensch so hartnäckig festhält, als an seiner Religion und seiner Gelehrsamkeit; und es muß dem Nikodemus höchst sonderbar vorgekommen sein, als „ein Lehrer, von Gott gekommen", zu ihm sagte:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren worden sei, so kann er das Reich Gottes nicht, sehen." — Es muß ihn, da er ein Jude von Geburt war, und als solcher zu allen Vorrechten eines Sohnes Abrahams berechtigt, in große Verwirrung ge­bracht haben, zu hören, daß er wiedergeboren — daß er der Gegenstand

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 einer neuen Geburt werden müsse, um das Reich Gottes zu sehen. Hier­bei wurden alle seine Vorrechte und Auszeichnungen gänzlich beiseite ge­setzt, Es rief ihn auf einmal von der höchsten Sprosse der Leiter hinunter zur niedrigsten. Ein Pharisäer, ein Oberster, ein Meister war diesem himmlischen Reiche nicht ein bischen näher, oder mehr bereit für das­selbe, als der Verworfenste unter den Menschenkindern. Das war sehr demütigende Wenn er alle seine Vorrechte und Auszeichnungen hätte mitnehmen und in diesem neuen Reiche sich auf Rechnung setzen kön­nen, das wäre noch etwas gewesen. Es würde ihm dort wenigstens eine Stellung gesichert haben, die weit über der eines Ehebrechers oder eines Zöllners gewesen wäre. Aber jetzt, da ihm gesagt wurde, daß er wieder­geboren werden müsse, blieb ihm nichts zu rühmen übrig. Und dies war, ich wiederhole es, höchst demütigend für einen solchen gelehrten, so re­ligiösen und so einflußreichen Mann.

Es war .aber auch ebenso sinnlos, als demütigend. „Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er in den Leib seiner Mutter zum zweiten Male hineingehen und gebo­ren werden" (V. 4)? Gewiß nicht. Durch eine zweite natürliche Geburt wurde nichts mehr gewonnen sein, als durch die erste. Wenn ein natür­licher Mensch zehntausendmal in seiner Mutter Leib zurückkehren und geboren werden könnte, so würde er doch nichts weiter als ein natür­licher Mensch sein; „denn was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch". Tue mit dem Fleische, mit der menschlichen Natur, was du willst, du kannst sie nicht ändern oder verbessern; —• nichts kann Fleisch in Geist verwandeln. Du magst es bis zum Rang eines Pharisäers, eines Obersten der Juden, eines Meisters in Israel erheben — und höher möchte man es kaum bringen — aber dessen ungeachtet wird es Fleisch sein. Wenn dies allgemeiner und klarer verstanden würde, so würde von Tausenden viel fruchtlose Arbeit und Mühe erspart werden. Das Fleisch hat keinen Wert. Es ist in sich selbst nur verwelktes Gras; seine frömmsten Anstren­gungen, seine religiösen Vorzüge und Vorteile, seine Werke der Gerech­tigkeit, sind durch die Feder der göttlichen Eingebung ein „unflätiges Kleid" genannt worden (Jes. 64, 6).

Laßt uns jetzt sehen, auf welche Weise der Herr das „Wie" des Nikodemus beantwortet. Es ist höchst interessant. „Jesus antwortete:

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand aus Wasser und Geist geboren worden sei, so kann er nicht in das Reich Gottes ein­gehen. Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch; und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist. Verwundere dich nicht, daß ich dir sagte:

Ihr müßt von neuem geboren werden. Der Wind wehet, wo er will und du hörest sein Sausen; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; also ein jeder, der aus dem Geiste geboren ist" (Joh. 3, 5—8).

Hier wird uns deutlich gelehrt, daß die neue Geburt durch „Wasser und Geist" hervorgebracht wird. Ein Mensch muß aus Wasser und Geist geboren sein, ehe er das Reich Gottes sehen oder in dessen tiefe und himmlische Geheimnisse eintreten kann. Das schärfste sterbliche Auge ist nicht im Stande, das Reich Gottes zu sehen, noch der ausgezeichnetste menschliche Verstand fähig, in dessen tiefe Geheimnisse einzudringen. „Der natürliche Mensch nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es wird

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 geistlich beurteilt" (1. Kor. 2, 14). „Es sei denn, daß jemand aus Wässer und Geist geboren sei, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen." -

Es mag nun sein, daß viele nicht wissen, was es heißt, „a u s Wasser geboren sein." Dieser Ausdruck ist in der Tat die Ursache zu vielem Disputieren und vielem Streit geworden. Nur wenn man Schritt mit Schrift vergleicht, kann man zum wahren Verständnis irgend einer be­sonderen Stelle gelangen. Es ist eine außerordentliche Gnade für den un­gelernten Christen — für den einfachen Forscher dieses heiligen Buches, daß er nicht nötig hat, äußer demselben zu suchen, um den wahren Sinn irgend einer Stelle aufzufinden.

Was ist denn nun mit dem Ausdruck aus dem Wasser geboren sein", zu verstehen? Wir wollen diese Frage durch einige Anführungen aus der Schrift zu beantworten suchen. In Ev. Joh. 1. 11—13.lesen wir:

„Er kam in Sein Eigentum, und die Seinen nahmen Ihn nicht auf. So viele Ihn aber annahmen, denen gab Er das Recht, Kinder Gottes zu sein, denen, die an Seinen Namen glauben; welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." Aus dieser Stelle lernen wir, daß jeder,, der an den Namen des " Herrn Jesu Christo glaubt, wiedergeboren, d. i. aus Gott geboren ist. Dies ist der einfache Sinn dieser Stelle. Alle die durch die Kraft Gottes, des Heiligen. Geistes, an Gott, den Sohn, glauben, sind aus Gott, dem Vater geboren. Die Quelle des Zeugnisses ist göttlich; der .Gegenstand des Zeugnisses ist göttlich und die Kraft, die uns zur Annahme des Zeug­nisses fähig macht, ist göttlich'. Darum, anstatt mich mit mir Selbst, zu beschäftigen, und wie Nikodemus zu fragen: „Wie kann ich wiedergebo­ren werden?" habe ich mich einfach durch den Glauben auf Jesum, zu werfen, und die Wiedergeburt ist geschehen. Alle, die ihr. Vertrauen auf Christum setzen, haben ein neues Leben empfangen und sind wieder­geboren.

Ferner: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort höret, und glaubet Dem, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist a u s d e m T öd e zum Leben hindurch gedrungen" (Ev. Joh. 5, 24). — „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, hat das ewige Leben" (Ev. Joh. 6, 47). — „Diese Dinge aber sind geschrieben, auf daß ihr glau­bet, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und daß ihr glau­bend das Leben habt in Seinem Namen" (Ev. Joh. 20, 3l). — Alle diese Schriftstellen beweisen, daß die einfache Annahme des Zeug­nisses über Christum der alleinige Weg ist, auf dem "wir dies neue und ewige Leben erlangen körinen. Alle, die diesem Zeugnis glauben, h ab e n dieses neue — dieses ewige Leben. — Beachte wohl,, daß es nicht jene sind, die nur sagen, daß sie glauben, sondern jene, die wirklich glauben, gemäß des Sinnes des Wortes in den vorhergehenden Stellen. In dem Christus, den das Wort offenbart, sowie in<lem Worte, welches Ihn offenbart, ist Leben gebende Kraft. „Wahrlich, wahrlich, ich, sage euch, daß die Stunde kommt, und ist jetzt, wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und 'die sie gehört haben, werden leben" (Ev. Joh. 5, 25). Und dann, damit sich nicht beim Gedanken an das Hören von toten Seelen die Unwissenheit ver­wundere und der Unglaube spotte, wird hinzugefügt: „Verwundert euch

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 darüber nicht; denn es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören werden; und es werden hervor­kommen die, welche Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übels getan haben, zur Auferstehung des Gerichts" (V. 28. 29). Der Herr Jesus Christus kann sowohl den toten Seelen als auch den toten Leibern seine lebendigmachende Stimme hören lassen. Durch Seine mächtige Stimme allein teilt Er sowohl dem Leibe als auch der Seele das Leben mit. Wenn der Ungläubige und Zweifler an dieser Wahrheit etwas zu klügeln und auszusetzen findet, so rührt es einfach daher, daß er seinen eigenen, eitlen Sinn als Richtmaß dessen hinstellt, was sein sollte, und also Gott völlig ausschließt. Das ist ein höherer Grad von Torheit.

Der Leser aber mag sich veranlaßt fühlen, zu fragen: Was hat nun dies alles mit der Bedeutung des Wortes „W a s s e r" in Joh. 3, 5 zu tun? Es hat wohl damit zu tun, indem es zeigt, daß die neue Geburt, das neue Leben, durch die Stimme Christi hervorgebracht und mitgeteilt wird; und diese Stimme ist das Wort Gottes, wie wir in Jakobus 1. 18 lesen: „Nach Seinem Eigenen Willen hat Er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt". Also auch in 1. Petri 1. 23: „Die ihr nicht aus' verweslichem, sondern aus unverweslichem Samen durch das le­bendige und bleibende Wort Gottes wiedergeboren sei d." — In diesen beiden Stellen wird ausdrücklich 'das Wort Gottes als das Werkzeug dargestellt, durch welches die neue Geburt hervor­gebracht wird. Jakobus erklärt, daß wir „durch das Wo rt der Wahr­heit gezeugt", und Petrus, daß wir „durch das lebendige Wort wiedergeboren sind". Wenn nun unser Herr vom „Geborenwerden aus Wasser" spricht, so ist es offenbar, daß er „das Wort" unter dem, be­zeichnenden Bilde „des Wassers" darstellt — ein Bild welches „ein Mei­ster in Israel hätte verstehen müssen, wenn er nur Hesekiel 36, 25—27 aufmerksam gelesen hätte.

In dem Briefe an die Epheser finden wir, wenn auch nicht gerade in Verbindung mit der Wiedergeburt, eine schöne Stelle, in welcher das Wort Gottes unter dem Bilde des Wassers deutlich dargestellt ist; „Ihr Männer, liebet eure Weiber, gleichwie auch der Christus die Versamm­lung geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben hat; auf daß Er sie hei­ligte, indem Er sie durch die Waschung mit Wasser durch das Wort reinigte" (Eph. 5, 25. 26). — Der Herr sagt zu seinen Jün­gern: „Ihr seid jetzt rein um des Wortes Willen, welches ich zu euch geredet habe". Und in Bezug auf jene Reinigung bezeugt Er ihnen in Ev. Joh. 13, 10: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, als sich die Füße zu waschen, sondern ist ganz rein". Auch lesen wir in Titus 3, 5—7: „Nicht aus Werken, die in Gerechtigkeit (vollbracht), wir getan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit errettete Er uns, durch das Wasser der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen Er auf uns reichlich durch Jesum Christum, unseren Heiland, ausgegossen hat, auf daß wir, gerechtfertigt durch desselben Gnade, nach der Hoff­nung Erben des ewigen Lebens würden".

Aus allen diesen Anführungen lernen wir, daß das Wort Gottes das große Werkzeug ist, dessen sich der Heilige Geist bedient, um tote Seelen ins Leben zu rufen. Diese Wahrheit wird in einer besonders interessanten Weise durch die Unterredung des Herrn mit Nikodemus bestätigt; denn

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 anstatt auf seine — von vielen wiederholte — Frage: „Wie kann dies ge­schehen? zu antworten, stellt Er diesen Meister in Israel vor die „eherne Schlange", um an jenem Beispiel diese einfache Aufgabe zu lernen. Der gebissene Israelit wurde vormals durch einen einfachen Blick auf die eherne Schlange völlig geheilt; und ebenso empfängt der tote Sünder jetzt das Leben durch einen einfachen Blick auf Jesum am Kreuz und auf Jesum zur Rechten Gottes. Dem Israeliten wurde nicht gesagt, auf seine Wunden zu schauen, obgleich es das Gefühl seiner Wunde war, welches ihn veranlaßte, hinzusehen; und ebenso ist auch dem toten Sünder nicht gesagt, auf seine Sünden zu schauen, obgleich es das Gefühl Seiner Sünde ist, das ihn veranlaßt, hinzusehen. Ein Blick auf die eherne Schlange heilte den Israeliten, und ein Blick auf Jesum machte den toten Sünder lebendig. Ersterer brauchte nicht zum zweiten Male hinzusehen, um geheilt zu werden, und Letzterer brauchte nicht zum zweiten Male hinzusehen, um das Leben zu empfangen. Es war nicht die A r t u n d Weise, in welcher er hinblickte, sondern der Gegenstand, auf den er blickte, welcher den Israeliten heilte; und. ebenso ist es auch nicht die Art und Weise, in welcher der Sünder hinblickt, sondern der Gegenstand, auf den er blickt, welcher dem Sünder das Leben gibt. „Wendet euch zu mir, so werdet ihr errettet, aller Welt Ende" (Jes. 45, 22).

Dieses war die köstliche Aufgabe, welche Nikodemus zu lernen be­rufen war; dies war die Antwort auf sein „Wie". Wenn ein Mensch an­fangt, über die neue Geburt zu vernünfteln, so wird er in Verwirrung geraten; wenn er aber an Jesum glaubt, so ist er von Neuem geboren. Die menschliche Vernunft kann nimmer die neue Geburt fassen; aber das Wort Gottes bringt sie hervor. Viele sind darüber im Unklaren oder gar im Irrtum. Sie beschäftigen sich mit dem Hergang der Wieder­geburt, anstatt mit dem Worte, welches von neuem gebiert; und also kommen sie in Verlegenheit und Verwirrung. Anstatt auf Christum, schauen sie auf sich selbst; und weil zwischen dem Gegenstande, auf welchen wir schauen, und der Wirkung des Schauens eine un­zertrennliche Verbindung ist, so können wir leicht einsehen, was die Wir­kung sein muß, wenn wir auf uns selbst schauen. Was würde ein Israelit damit gewonnen haben, wenn er seine Wunde betrachtet hätte? Nichts. Was aber gewann er durch sein Schauen auf die eherne Schlange? Seine Gesundheit. Und was gewinnt ein Sünder, wenn er auf sich selbst schaut? Nichts. Was aber gewinnt er, wenn er auf Jesum schaut.? „Ewiges Leben."

III. Es bleibt uns nun noch übrig, die Folgen der Wieder­geburt'— ein Punkt von der größten Wichtigkeit — zu betrachten. Wer ist im Stande, die herrlichen Resultate, ein Kind Gottes zu sein, genügend zu würdigen? Wer vermag die Gefühle und Zuneigungen aus­zulegen,, die jener hohen und heiligen Verwandtschaft angehören,, in welche die Seele durch die Wiedergeburt tritt? Wer vermag jene köstliche Gemeinschaft völlig zu erklären, welche das Kind Gottes berechtigt ist mit seinem Vater zu genießen? „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater gegeben, daß wir Gottes Kinder heißen sollen. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt h a t. Geliebte! Jetzt sind wir Gottes Kinder und es ist noch nicht offenbart worden, was

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 wir sein werden; wir wissen aber, daß, wenn (E r) offen­bar t ist, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist" (Joh. 3, l—3). „Denn so viele vom Geiste Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht den Geist der Knecht­schaft, wiederum zur Furcht, empfangen, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in welchem wir rufen: Abba Vater! Der Geist Selbst zeu­get mit unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben, — Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mit Ihm leiden, auf daß wir auch mit Ihm verherrlicht werden" (Röm. 8, 14—17).

Es ist sehr wichtig, den Unterschied zwischen Leben und Frie­den recht zu verstehen. Ersteres ist die Folge unserer Vereinigung mit der Person Christi; letzteres ist das Resultat Seines vollendeten Wer­kes. „Wer den Sohn hat, hat das Leben" (1. Joh. 5, 12). Aber: „Da wir nun sind gerechtfertigt worden" durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott . . ." (Röm. 5, l). „Da Er durch das Blut Seines Kreu­zes Frieden gemacht hat" (Kol. 1. 20). — Sobald der Mensch die ein­fache Wahrheit des Evangeliums in seinem Herzen aufnimmt, wird er ein Kind Gottes. Die Wahrheit, die er in sich aufnimmt, ist der „unver­wesliche Samen" der „göttlichen Natur" (1. Petr. 1. 23; 2. Petr. 1. 4). Viele wissen nicht, was alles mit jener einfachen Annahme des Evangeliums verbunden ist. Wie im Natürlichen das Kind des Edelmannes die ver­schiedenen Vorrechte der Verwandtschaft, in welcher es steht, nicht ver­stehen mag, ebenso ist es in der Gnade. Ich mag in Betreff der Verwandt­schaft, worin ich stehe, und deren Vorrechte, unwissend sein; aber dessen ungeachtet stehe ich darin, und weil ich darin stehe, habe ich auch die Gefühle und Neigungen, die ihr eigen sind; und ich bin schuldig, diese zu pflegen, und ihnen zu gestatten, sich ungezwungen um ihren natür­lichen Gegenstand — um Den, der mich „durch das Wort der Wahrheit gezeugt hat", zu winden (Jak. 1. 18). — Es ist mein Vorrecht, den reichen Strom der väterlichen Liebe, wie er aus dem Schöße Gottes hervorkommt, zu genießen, und diese Liebe durch die Kraft des inwohnenden Geistes zu, erwidern. „Wir sind nun Gottes Kinder" (1. Joh. 3, 2). Er hat uns dazu gemacht. Er hat dieses seltene und wunderbare Vorrecht dem einfachen Glauben an Seine Wahrheit zuerkannt (Joh. 1. 12). Wir erreichen diese erhabene Stellung nicht durch „Werke der Gerechtigkeit, die wir getan haben" oder tun könnten, sondern einfach „nach Seiner Barm­herzigkeit errettete Er uns, durch das Waschen der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen Er auf uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland, ausgegossen hat, auf daß wir gerecht­fertigt durch desselben Gnade, nach der Hoffnung, Erben des ewigen Lebens würden" (Titus 3, 5—7). Wir sind zu „Söhnen" berufen und zu „Erben" gemacht; und dies alles einfach durch den Glauben an die Wahrheit des Evangeliums, welches Gottes „unverweslicher Samen" ist.

Man denke sich den allerschlechtesten Sünder, der bis jetzt ein Leben offenbarer Gottlosigkeit geführt hat. Wenn nun ein solcher im Gefühl seiner Sünden — denn anders wird er keine Gnade begehren — das reine'

 Evangelium Gottes in seinem Herzen aufnimmt, wenn er in wirklicher Anerkennung seiner Schuld von Herzen glaubt; „daß Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und daß Er begraben worden, und daß Er am dritten Tage auferweckt ist, nach den Schriften", so wird er augenblicklich ein vollkommen erlöster, gerechtfertigter und von Gott angenommener Mensch sein. Indem er in seinem Herzen das einfache Zeugnis über Christum aufnimmt, empfängt er ein neues Leben. Christus ist die Wahrheit und das Leben, und wenn wir die Wahrheit aufnehmen, so nehmen wir Christum auf, und wenn wir Christum aufnehmen, so haben wir das Leben. „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben" (Joh. 3, 36). Wann empfängt er dieses Leben? In demselben Augenblicke, m welchem er glaubt. „Durch den Glauben habt ihr das Leben in Seinem Namen" (Joh. 20, 31). Die Wahrheit von Christo ist der Same des ewigen Lebens; und wo diese Wahrheit geglaubt wird, da wird das Leben mit­geteilt.

Beachte wohl, daß dies es ist, was das Wort Gottes versichert. Es ist eine Sache des göttlichen Zeugnisses und nicht des menschlichen Gefühls. Wir empfangen nicht dadurch das Le­ben, daß wir etwas in uns fühlen, sondern dadurch, daß wir etwas von Christo glauben, und dieses Etwas haben wir auf Autorität von Gottes ewigem Worte, „der Heiligen Schritt". Es ist wichtig, dies recht zu verstehen. Viele suchen in sich die Beweise dieses neuen Lebens, anstatt außer sich auf den Gegenstand hinzuschauen, der das' Leben mitteilt. Wahr ist es, daß, „wer an den Sohn Gottes glaubt, das Zeugnis in sich selbst hat" (1. Joh. 5, 10). Aber, ich erinnere daran, es ist das Zeugnis eines Lebens, welches durch den Glauben an den Sohn erlangt wird, und nicht durch Schauen auf sich selbst; und je ungeteilter ich mit Christo beschäftigt bin, desto bestimmter und befrie­digender wird das Zeugnis in mir sein. Wenn ich das Zeugnis in mir zu meinem Gegenstande mache, so werde ich voller Zweifel und Unge­wißheit sein; mache ich aber Christum zu meinem Gegenstande, so werde ich das Zeugnis in all seiner göttlichen Kraft und Wahrheit haben. Hierüber ist besonders Klarheit nötig, weil unsere Herzen nur zu geneigt sind, etwas in uns zum Grunde unseres Friedens und unserer Sicherheit zu machen, anstatt einzig und allein auf Christum zu bauen. Je ein­facher wir an Christum hängen, und von allem anderen absehen, desto friedvoller und glücklicher werden wir sein; aber sobald wir das Auge von Ihm abwenden, ist unser Friede gestört; wir sind unruhig und un­glücklich.

Es ist also höchst nötig, daß wir den Unterschied zwischen Leben und Frieden nach. der Genauigkeit der heiligen Schrift zu verstehen su­chen. Ersteres ist, wie wir gesehen haben, die Folge unserer Verbindung mit der Person Christi, Letzteres ist die Folge des Glaubens an Sein vollendetes Werk. Sehr oft begegnen wir lebendigen Seelen, die wegen ihrer Annahme bei Gott mit Trauer und Unruhe erfüllt sind. Sie glauben wirklich an den Namen des Sohnes Gottes und haben glaubend das Le­ben; aber indem sie in Betreff ihrer Sünden nicht die Vollkommenheit des Werkes Christi sehen, haben sie Unruhe statt Frieden im Gewissen. Wir wollen ein Beispiel nehmen. Wenn wir einen Zentnerstein auf die Brust eines toten Menschen legen, so fühlt er es nicht; und wenn wir

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 noch einen zweiten, einen dritten, einen vierten usw. hinzufügen, so fühlt er es nicht. Warum nicht? Weil er kein Leben hat. Wir wollen nun voraussetzen, daß plötzlich Leben in ihn käme; was würde dann die Folge sein? Das große Gewicht auf der Brust würde ihm ein höchst pein­liches Gefühl verursachen. Was würde nun nötig sein, um ihm den völli­gen Genuß des empfangenen Lebens zu ermöglichen? Ohne Zweifel die Entfernung der Bürde des Gewichtes. Ebenso ist es mit dem Sünder, der durch den Glauben an den Namen des Sohnes Gottes Leben empfängt. Solange er in dem Zustand des geistlichen Todes war, hatte er keine geistlichen Empfindungen, und wußte von keinem Gewicht; aber der Eintritt des geistlichen Lebens hat ihm geistliche Empfindungen mitge­teilt; und er fühlt jetzt seine Bürde auf seinem Herzen und auf seinem Gewissen, und weiß nicht, wie er sie los werden soll. Er sieht nicht, was alles mit dem Glauben an den eingeborenen Sohn Gottes Inbegriffen ist. Er sieht nicht, daß Christus sowohl seine Gerechtigkeit als auch sein Leben ist. Er bedarf eines einfachen Blickes auf die vollbrachte Versöh­nung Christi, wodurch alle seine Sünden in das Meer ewiger Vergessen­heit geworfen sind, und er selbst in die völlige Gunst Gottes eintritt. Dies, und dies allein, kann die schwere Bürde von seinem Herzen ent­fernen und die tiefe Seelenruhe, die durch nichts gestört werden kann, verleihen.

Wenn ich mir Gott als einen Richter und mich als einen Sünder 'denke, so habe ich das Blut des Kreuzes nötig, um mich auf dem Wege der Gerechtigkeit in Seine Gegenwart zu bringen. Ich muß völlig verste­hen, daß jede Forderung, welche Gott, der gerechte Richter, an mir, einem schuldigen -Sünder, zu machen hatte, auf eine göttliche Weise und auf ewig durch „das teure Blut Christi" berichtigt worden ist. Dies gibt meiner Seele Frieden. Ich sehe, daß durch jenes Blut „Gott gerecht sein und den rechtfertigen kann, der des Glaubens an Jesum ist" (Röm. 3, 26). Ich lerne, daß Gott am Kreuz wegen meiner Sünden verherrlicht worden, ja, daß die ganze Frage der Sünde völlig beseitigt und voll­ständig zwischen Gott und Christo, in der tiefen und feierlichen Ein­samkeit Golgathas, berichtigt worden ist. Auf diese Weise ist meine Bürde weggenommen; ist das Gewicht, das mich zu erdrücken drohte, entfernt, meine Schuld getilgt. Ich kann frei atmen; ich habe vollkomme­nen Frieden. Ich bin so frei als das Blut Christi mich frei machen kann. Der Richter hat sich in Betreff der Sünde befriedigt erklärt, und zwar dadurch, daß Er den Bürgen des Sünders von den Toten auferweckt und Ihn zur Rechten der Majestät in die Himmel gesetzt hat.

Nun gibt es aber noch etwas von unendlichem Werte. Ich sehe mich nicht nur als einen schuldigen Sünder, dem ein Weg eröffnet ist, auf welchem er zu Gott, dem gerechten Richter, Zutritt hat, sondern ich sehe, wie Gott nach den ewigen Ratschlüssen Seiner erwählenden Liebe mich durch das Wort der Wahrheit zeugt, mich zu Seinem Kinde macht, in Seine Familie einführt und mich auf eine solche Weise vor Sich hinstellt, daß ich inmitten all der zärtlichen Liebesäußerungen des göttlichen Fa­milienkreises mit Ihm, als meinem Vater, die innigste Gemeinschaft pfle­gen kann. Dies ist augenscheinlich eine andere Seite von der Stellung und dem Charakter des Gläubigen. Es ist nicht mehr die Frage, wie er in dem gewissen, beruhigenden Bewußtsein, daß jeder gerechten An-

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 forderung an ihn völlig begegnet worden ist, zu Gott komme. Dies ist an und für sich jedem schuldbeladenen Herzen überaus köstlich; aber hier ist weit mehr, als dieses. Gott ist mein Vater, und ich bin Sein Kind. Er hat ein Vaterherz, und ich kann in all meinen Schwachheiten und Nöten auf die zärtliche Liebe dieses Herzens rechnen. Er liebt mich nicht um deswillen, was ich etwa zu tun befähigt bin, sondern weil ich Sein Kind bin. — Schaut auf ein hilfloses Kindlein; es ist der Gegenstand unaufhörlicher Sorge und Pflege. Es ist ganz unfähig, des Vaters Inter­esse in irgend einer Weise zu fördern, und dennoch wird es so unaus­sprechlich von seinem Vater geliebt, daß es nicht für zehntausend Wel­ten vertauscht würde. Und wenn es also mit einem irdischen Vater ist, was wird es erst mit unserem himmlischen Vater sein? Er liebt uns, nicht um deswillen, was wir zu tun vermögen, sondern weil wir Seine Kinder sind. „Nach Seinem Eigenen Willen hat Er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt" (Jak. 1. 18). Es war uns ebensowenig möglich, einen Platz im Herzen des Vaters zu erwerben, als es uns möglich war, die Anforderungen eines gerechten Richters zu befriedigen. Alles ist aus freier Gnade. Der Vater hat uns gezeugt; und der Richter hat eine Versöhnung gefunden (Hiob 33, 24). Wir sind Schuldner für das eine wie für das andere.

Wir mögen jedoch daran denken, daß wir, obwohl wir ganz unfähig waren, durch unsere Werke einen Platz in dem Herzen des Vaters zu verdienen, oder die Anforderungen eines gerechten Richters zu befrie­digen, dessen ungeachtet verantwortlich sind, „dem Zeugnis zu glauben, welches Gott über Seinen Sohn gezeugt hat" (1. Joh. 5, 9.10). Ich sage dies, im Fall mein Leser einer von denen sein möchte, die sich hinter die Dog­men einer einseitigen Theologie verstecken, und sich weigern, das ein­fache Zeugnis Gottes zu glauben. Es gibt viele — auch kluge Leute — die, wenn sie ernstlich aufgefordert werden, das Evangelium der Gnade Gottes anzunehmen, mit der Antwort bereit sind: „Ich kann nicht glau­ben, wenn Gott mir nicht die Kraft dazu gibt; auch werde ich diese Kraft nicht erhalten, wenn ich nicht einer der Auserwählten bin. Wenn ich aber zu jener begünstigten Zahl gehöre, so m u ß ich errettet werden — wenn nicht, so kann ich nichts machen." — Dies ist, wie gesagt eine durchaus einseitige Theologie; und nicht nur das, sondern auch die Schlüsse, die von dieser einen Seite gemacht werden, sind der Art, daß sie zu dem absurden und höchst gefährlichen Glauben an ein unvermeid­liches Schicksal hinführen, wodurch die Verantwortlichkeit des Men­schen völlig vernichtet, und die moralische Regierung Gottes ganz und gar verunehrt wird. Der Mensch geht sorglos seinem Verderben entge­gen und Gott wird zum Urheber seines Unglaubens gemacht. Hier wird in der Tat noch Schimpf und Schande dem Unrecht hinzugefügt. Zuerst wird Gott zu einem Lügner gemacht, und dann wird Er beschuldigt, die Ursache davon zu sein. Man verwirft seine dargebotene Liebe, und tadelt Ihn für diese Verwerfung. Dies ist in der Tat die allerfrechste Bosheit, obwohl sie, wie schon bemerkt, auf eine einseitige Theologie gegründet ist. Glaubt nun wohl jemand, daß solche losen Schlüsse auch nur einen Augenblick vor dem Könige der Schrecken oder dem Richterstuhl Christi Stand halten werden? Wird es in den finsteren Regionen der Verdamm­ten eine Seele geben, der' es einfallen sollte, Gott als den Urheber ihres

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 ewigen Verderbens anzuklagen? 0 nein, solche törichte Reden werden nur auf der Erde, nie aber in der Hölle geführt werden. Wenn die Men­schen zur Hölle eingehen, so klagen sie sich selbst an. Im Himmel preisen sie das Lamm. Die Verlorenen haben ihr Verderben sich selbst zu verdanken, während die Erlösten ihre Errettung Gott zu verdanken haben.

Wenn die unbußfertige Seele durch den engen Raum der Zeit in den unendlichen Ozean der Ewigkeit hinübergegangen ist, so wird sie in die volle Tiefe und Kraft jener ernsten Worte eintreten: „Ich wollte, aber ihr wolltet nicht" (Matth. 23, 37; Luk. 13, 34). E& ist in Wahr­heit die Verantwortlichkeit des Menschen in dem Worte Gottes ebenso bestimmt gelehrt als die Unumschränktheit Gottes. Der Mensch findet es unmöglich, ein System zu bilden, das jeder Wahrheit seinen rechten Platz gibt. Er ist aber auch nicht berufen, Systeme zu bilden, sondern einem einfachen Zeugnis zu glauben und durch dasselbe errettet zu wer­den. Gott gebietet jetzt „allenthalben allen Menschen Buße zu tun" (Apg. 17, 30). Dieser Befehl, Buße zu tun, ist auf eine Offen­barung der göttlichen Liebe gegründet — einer Liebe, die so schön, so klar, so voll, so frei und mächtig ist, daß keiner ihr entgehen kann, aus­genommen jene, die sich weigern, das Wort zu hören und ihm zu ge­horchen — jene, die dem Fatalismus, dem Glauben an ein unvermeid­liches Schicksal huldigen, und nicht annehmen wollen, daß Gott Seiner Liebe Ausdruck zu geben vermag, oder daß das menschliche Herz unter dem Einfluß dieser vollkommenen Liebe zerschmelzen kann-

Nachdem wir nun dies zur Warnung derer gesagt haben, die etwa in Gefahr sein möchten, unter die Macht der oben erwähnten Schlüsse zu fallen, wollen wir noch ein wenig bei den Resultaten der Wieder­geburt verweilen, wie sie in der Zucht im Hause des Vaters gesehen werden.

Als Kinder Gottes haben wir freien Zugang zu all den Vorrechten Seines Hauses; und in Wahrheit ist die Zucht Seines Hauses ebensogut ein Vorrecht als alles andere. Es ist auf dem Grunde der Verwandtschaft, in welche Gott uns gesetzt hat, daß Er Seine Zucht gegen uns ausübt. Ein Vater züchtigt seine Kinder, weil sie sein sind. Wenn ich ein frem­des Kind unrecht tun sehe, so bin ich nicht berufen, es zu züchtigen. Ich stehe nicht in der Verwandtschaft eines Vaters zu ihm, und folglich kenne ich weder die Gefühle dieser Verwandtschaft, noch die Verantwortlich­keit derselben. Ich muß in einer Verwandtschaft sein, um die Gefühle zu kennen, die ihr eigen sind. Da nun Gott, unser Vater, in Seiner großen Gnade und Treue in all unseren Wegen auf uns herniedersieht, so wird Er nichts an uns oder um uns erlauben, was Seiner unwürdig wäre oder unseren Frieden und unsere Glückseligkeit stören würde. „Zudem haben wir auch die Väter unseres Fleisches zu Züchtigern gehabt, und uns vor ihnen gescheut; sollen wir nicht vielmehr dem Vater der Geister unter­worfen sein, und leben? Denn jene freilich züchtigen uns auf wenige Tage nach ihrem Gutdünken; Er aber zum Nutzen, daß wir Seiner Heilig­keit teilhaftig werden" (Hebr. 12, 9. 10). Also ist die Zucht ein positives Vorrecht, indem es ein Beweis der Sorge unseres Vaters ist, und unsere Teilnahme an der göttlichen Heiligkeit zum Zweck hat.

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 Wir dürfen aber nicht vergessen, daß wir die Zucht von unseres Va­ters Hand im Lichte Seines väterlichen Angesichts, und die tiefen Ge­heimnisse Seiner moralischen Regierung im Lichte Seiner zärtlichen Liebe, zu betrachten haben. Wenn wir dies aus dem Gesicht verlieren, so werden wir in Bezug auf uns in einem Geist der Sklaverei, und in Bezug auf andere in einen Geist des Richtens geraten. Beides aber steht in direktem Widerspruch mit dem Geiste Christi. Alle Handlungen un­seres Vaters mit uns sind in vollkommener Liebe. Wenn Er uns Brot darreicht, so ist es Liebe; und wenn Er die Rute nimmt, so ist es auch Liebe. „Gott ist die Liebe". — Es ist oft der Fall, daß wir das „Warum" und das „Wozu" in Seinen besonderen Wegen mit uns nicht verstehen;

alles scheint dunkel und unerklärlich. Der Nebel, der unsern Geist um­gibt, ist oft so dick und schwer, daß er uns verhindert, die hellen und erheiternden Strahlen des Angesichts unseres Vaters in uns aufzuneh­men. Dies ist ein Augenblick der Prüfung — eine ernste Krisis in der Geschichte der Seele. Wir sind durch die Unfähigkeit, die tiefen Geheim­nisse der göttlichen Regierung zu verstehen, in großer Gefahr, das Gefühl der göttlichen Liebe zu verlieren. In einer solchen Zeit ist auch Satan sehr beschäftigt, von seinen feurigen Pfeilen Gebrauch zu machen und seine dunklen und teuflischen Zuflüsterungen anzuwenden. Und also zwischen den unreinen Überlegungen von Innen und den schrecklichen Zuflüsterungen von Außen, ist die Seele in Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren, und aus der köstlichen Stellung der gesegneten Ruhe in der göttlichen Liebe herauszukommen, was auch die göttliche Regierung sein möge.

So steht es in Betreff unserer eigenen Seele, wenn wir unter einer besonderen Heimsuchung der Hand Gottes gestellt sind; aber die Wir­kung in Betreff anderer ist ebenfalls schlecht. Wie oft mögen wir unter dem Schein der Liebe in uns einen Geist des Richtens entdeckt haben, wenn wir ein Kind Gottes an Leib, Seele oder Gut in traurigen Umstän­den sahen! Hierüber sollten wir mit großer Sorgfalt wachen. Wir dürfen nicht denken, daß eine jede Züchtigung oder Heimsuchung der Hand Gottes auf Rechnung irgend einer besonderen Sünde in der betreffenden Person zu setzen sei. Das würde ein ganz falscher Grundsatz sein. Gottes Handlungen sollen sowohl dem Übel vorbeugen, als auch dasselbe verbessern. — Laßt uns ein Beispiel nehmen. Mein Kind ist bei mir ' im Zimmer und geniest alle die süßen Vertraulichkeiten, die unserer Ver­wandtschaft angehören. Nun tritt jemand herein, von dem ich weiß, daß er mir Dinge mitteilen will, die mein Kind nicht hören darf. Ohne eine Ursache anzugeben, fordere ich es auf, hinaus zu gehen. Wenn es nun nicht das vollste Vertrauen zu meiner Liebe hat, so kann es in meiner Hand­lung allerlei falsche Absichten vermuten. Es kann über das „Warum" und „Wozu" hin und her grübeln, bis es fast dahin kommt, an meiner Liebe zu zweifeln. Später aber, wenn ich wieder allein bin, rufe ich es wieder zu mir, und erkläre ihm die ganze Sache, und in der erneuten Erfahrung der Liebe des Vaters vergißt es den traurigen Argwohn einiger finsterer Augenblicke.

So geht es nicht selten mit unseren armen Herzen in Betreff der göttlichen Führung, sowohl mit uns als auch mit anderen. Wir grübeln, wenn wir stille sein sollten; wir zweifeln, wenn wir vertrauen sollten.

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 Das völlige Vertrauen auf die Liebe unseres Vater ist das wahre Heil­mittel in allen Dingen. Wir sollten stets die Gewißheit jener unwandel­baren, unendlichen und ewigen Liebe festhalten, die uns aus unserem niederen und verlorenen Zustande herausgenommen und uns zu „Söhnen Gottes" gemacht hat. Er wird uns nimmer verlassen noch versäumen, bis wir in die ununterbrochene und ewige Gemeinschaft des Hauses unseres Vaters droben eintreten. 0 möchte doch jene Liebe überschwenglicher in unseren Herzen wohnen, damit wir völliger in den wahren Sinn und die wahre Kraft der Wiedergeburt eintreten und immer besser verstehen lernen möchten, was sie ist '— wie sie hervorgebracht wird und was ihre Resultate sind. Gott gebe es um Christi willen! Amen.

Mitteilungen über das Werk Gottes in unseren Tagen

Rotterdam. — Als ich vor einiger Zeit in Brüssel war, um im Werke des Herrn tätig zu sein, teilte mir ein Bruder in Christo mit, daß dort eine Verkündigung des Evangeliums unter Taubstummen stattfände, und daß der Prediger selbst ein Taubstummer wäre. Ich war sehr begierig, dieses Werk etwas näher kennen zu lernen, und jener Bruder erbot sich, mich am ändern Morgen bei jenem Arbeiter im Evangelium und des Abends in die betreffende Versammlung einzuführen. Es geschah, und was ich dort sah, teile ich hier mit, damit auch die Herzen meiner Leser durch diese große und wunderbare Gnade erquickt und ermuntert wer­den möchten, wie ich es selbst geworden bin.

Zuerst will ich einiges über jenen Prediger sagen, was ich durch meinen Begleiter erfahren habe. Er war aus einer anständigen, römisch-katholischen' Familie, und war taubstumm geboren. Mit vielem Verstand begabt, hatte er in einem Taubstummen-Institut Lesen, Schreiben, Rech­nen und viele andere nützliche Dinge gelernt, und hatte darin solche Fort­schritte gemacht, daß er später fähig war, auch andere zu unterrichten. In seinen dreißiger Jahren war er bekehrt worden. Um diese Zeit war er mit meinem Begleiter, der früher auch römisch-katholisch gewesen und dem er schon zu jener Zeit bekannt war, zusammengetroffen, und dieser hatte ihn mit sich in eine der evangelischen Kirchen geführt. Von jener Zeit an waren beide nicht nur miteinander befreundet, sondern hatten auch in brüderlicher Gemeinschaft gelebt und in einer Reihe von zwanzig Jahren viel Liebliches und Trauriges zusammen erfahren. Er teilte mir einiges darüber mit, was mich sehr interessierte, aber nicht geeignet ist, um hier mitgeteilt zu werden. Nur dies will ich sagen, daß aus allem deutlich hervorging, daß er ein wahrer Christ war und bis zu einem ge­wissen Punkte in dem rechten Wege der christlichen Freiheit wandelte. — Er war Porträtmaler; und nach einigen Gemälden zu urteilen, die ich von ihm gesehen habe, war er sehr fähig darin. Seit etlichen Jahren hatte er angefangen, unter den Taubstummen zu evangelisieren. Im Anfang war er auf zu viele Schwierigkeiten gestoßen; jetzt aber hatte er ein Lokal, wo er seinen Leidensgenossen regelmäßig das Evangelium ver­kündigte.

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 Am anderen Morgen nun waren wir bei unserem taubstummen Bru­der. Für einen Mann von 56 Jahren war er sehr rüstig. Er war verheiratet und hatte schon mehrere erwachsene Kinder. Da ich nun weder ihre Gebärdensprache — ihre gewöhnliche Art, sich verständlich zu machen — und noch viel weniger die Fingersprache verstand, mußten wir uns schrift­lich unterhalten, was zwar etwas lästig aber doch nicht weniger inter­essant war. Nachdem er erfahren hatte, wer ich war und woher ich kam, schrieb er: „Dann sind wir eins in Christo''. — Ich antwortete: „Das ist das größte Glück, wogegen alles in der Welt eitel ist. Christus Jesus allein gibt Frieden und Freude für das Herz." — „Ja", schrieb er, „hier auf der Erde ist kein Glück, keine Ruhe zu finden. Dies finden wir allein im Him­mel. Dort werden wir alle fähig sein, mit unserem Munde Gott zu loben und zu Seiner Ehre zu singen, und werden uns auch alle untereinander verstehen können". — Darnach fragte ich ihn, ob er wirklich recht glück­lich sei; und die Hand aufs Herz legend, schrieb er, daß er sehr gern von diesem Leibe erlöst und bei Christo sein möchte. Ich gab zur Antwort:

„Das Herrlichste im Himmel ist Jesus; und es ist ein großes Vorrecht, ja eine große Freude für uns, hier auf der Erde Ihn verherrlichen zu können. Und dann, wie köstlich auch der Gedanke sein mag, nach dem Tode zu Jesu zu kommen, so ist doch unsere Erwartung, zu Ihm aufgenom­men zu werden, ohne zu sterben, noch weit köstlicher". — Als er dieses gelesen hatte, wurde er sehr freudig, holte eine Bibel und zeigte mir 1. Thess. 4; 1. Kor. 15 und Offb. Joh. 4. 5, und teilte mir mit, daß er seit einiger Zeit von dieser köstlichen Wahrheit, der baldigen Ankunft des Herrn, völlig überzeugt sei. Wir sprachen noch lange Zeit sehr lebhaft über diesen Gegenstand, und ich wurde durch unsere Unterhaltung reich­lich erquickt. Als wir auf den Unterschied der Sprachen kamen, sagte er mir, daß er kein Holländisch verstände, daß er aber aus seiner Jugend immer noch einige Worte- behalten hätte: — God is good (Gott ist gut). —

 Auf meine Frage über seine Wirksamkeit erzählte er mir, daß er an jedem Sonntag- und Donnerstagabend den Taubstummen das Evangelium ver­kündige. Des Sonntags habe er gewöhnlich 22 Zuhörer, des Donnerstags aber weniger, weil sie dann oft spät von der Arbeit kämen und mehrere auch außerhalb der Stadt wohnten. Von diesen 22 seien 11 bekehrt, und unter diesen ein junger Mann aus einer vornehmen Familie, der kein Geschäft habe und sich viele Mühe gebe, die Taubstummen aufzusuchen. Er rede sie auf 4er Straße an, suche sie in den Kaffeehäusern auf, wo sie mit ihren Kameraden zum Kartenspiel und Bier trinken zusammenkämen, spreche mit ihnen über allerlei und endlich auch über das Heil ihrer Seele, -und lade sie ein, die Verkündigung des Evangeliums zu hören. Auf diese Weise habe er schon mehrere dorthin gebracht. — Des abends sprach ich mit diesem jungen Manne und fand in ihm einen sehr lieben Bruder, der sich ganz und gar für den Herrn und für das Heil der Seelen hingab. — Jener erzählte mir dann weiter, daß er auch an anderen Orten das Evan­gelium verkündigt habe, in Lüttich, Namur und Antwerpen. Auch dort habe der Herr ihn gesegnet; unter anderen sei auch ein junger Holländer aus Maastricht bekehrt worden. Auch gab er den Taubstummen, die nicht im Institut gewesen waren, Unterricht im Lesen. Auf meine Frage, warum er die neue Methode nicht gebrauche, und sie sprechen lehre, gab er zur

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 Antwort, daß dies für seinen Zweck sehr lästig wäre, indem das fort­währende Sehen nach dem Munde sehr anstrenge, und die Gebärden­sprache, die allen geläufig sei, eine viel lebendigere Vorstellung der Dinge gebe.

Meine Unterhaltung mit ihm dauerte wohl über zwei Stunden. Ich war sehr ergriffen von der unaussprechlichen Liebe Gottes, die auch für diese armen Menschen, die so ganz und gar von allem Zuspruch abge­schnitten sind, einen Weg zu Seinem köstlichen Evangelium geöffnet hat, und auch hierdurch deutlich zu verstehen gibt, daß Er will, daß allen Menschen geholfen werde.

Durch dies alles war ich nun noch begieriger geworden, der Ver­sammlung selbst beizuwohnen. Gegen 8 Uhr abends gingen wir dorthin, und kamen in ein kleines, aber recht schönes Zimmer, worin einige Bänke waren, und noch ein Tisch, an dem unser Freund saß. Es war Donnerstag­abend, und deshalb waren nicht alle da Die Anwesenden waren aber sämtlich bekehrt. Beim Hineintreten begegneten wir gleich den fröhlichen Gesichtern dieser armen und doch so reichen Brüder. Sobald sie erfuh­ren, daß ich ein Christ sei, und auch das Evangelium verkündige, empfin­gen sie mich mit der größten Herzlichkeit. Mit aller Freude zeigten sie mir ihre Bibliothek, machten mir mit kindlicher Einfalt unter allerlei Gebärden, indem sie die eine Hand aufs Herz legten und mit der anderen zum Himmel zeigten, ihr Glück kund. Ich war sehr glücklich in ihrer Mitte und bekam den Eindruck von einem frischen und lebendigen Glau­ben, sowie von einer brennenden Liebe zu dem geliebten Heiland. Da sie früher alle römich-katholisch gewesen waren, so waren sie jetzt sehr gegen diese Kirche eingenommen, und zeigten mir mit origineller Freude zwei Bilder an der Wand, wodurch sie ihre Abneigung an den Tag zu legen suchten. Auf dem einen sah man einen Bierladen, worin jemand ein Marienbild verfertigte. Ein Mönch war eingetreten, um ein solches zu kaufen, und ein Priester am Fenster zeigte einer knieenden Menge das Bild der Heiligen von Parochie; und ein. anderer Priester trieb mit einem Gesicht voll Angst und Zorn einen Bibelkolporteur hinaus, der eben hin­eingetreten zu sein schien. Das andere Bild zeigte auf der einen Seite den Vatikan, der unter Donner und Blitz einstürzte, und aus welchem der Papst und seine Kardinale sowie die Priester mit der größten Angst flohen; auf der anderen Seite stand Jesus, kommend in den Wolken des Himmels, umgeben von Tausenden Engeln, und mit dem Evangelium in Seiner Hand. Eine Menge Männer, Weiber und Kinder kamen mit offenen Armen und voller Freude Ihm entgegen, während der fliehende Papst, die Kardinale und Priester mit Abscheu und Schrecken ihre Angesichter abwandten.

Nachdem wir eine Zeitlang dies alles betrachtet und mit ihnen ge­sprochen hatten, fing die Predigt an. Meine Leser müssen nun daran denken, daß sie alles das, was wir durch die Sprache ausdrücken, sich gegenseitig durch Gebärden verständlich machen — eine Sache, die für sie, da sie einmal ganz und gar daran gewöhnt sind, nichts Befremdendes hat. Sie drückten ihre Gedanken durch allerlei Bewegungen der Hände, des Kopfes, ja des ganzen Körpers aus. Für den ersten Augenblick kam mir dies alles etwas sonderbar vor; aber bald wurde ich durch den großen Ernst auf ihren Gesichtern, durch ihre große Andacht und das lebhafte

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 Interesse, womit alles geschah, sehr ergriffen. Dies war besonders der Fall, als sie ein Lied sangen. Alle standen auf, und die Hände und der Kopf aller machten dieselbe Bewegung. Man bemerkte, wie sehr sie von dem Inhalt des schönen Liedes hingenommen und erquickt waren. Hierauf trug der ältere Bruder die zwei ersten Kapitel aus Hiob vor, was ungefähr eine halbe Stunde dauerte. Alles stellte er durch Gebärden vor. Als er z. B. an die Stelle kam, wo von dem Feste erzählt wird, machte er mit Händen und Körper eine Bewegung, woraus man deutlich sehen konnte, daß sie aßen, tranken und tanzten. Ebenso machte er es scheinbar nach, wie Hiob seine Kleider zerriß.; und als er an die Stelle kam, wo von den bösen Geschwüren die Rede ist, zeigte er dieses in seinen Mienen und an seinem ganzen Körper. Obgleich sie alle eine Bibel vor sich hatten, so schien sie doch diese Vorstellung so sehr zu fesseln, daß sie ihre Augen immer auf den Vortragenden gerichtet hielten. Nachdem er die Vorlesung beendet hatte, gab er, weil es schon spät war, nur eine kurze Erklärung;

aber natürlich alles durch Gebärden. Er sagte, wie ich nachher erfuhr, ungefähr folgendes: „In der Geschichte Hiobs sehen wir deutlich, wie alle Umstände und Schwierigkeiten, in welche wir kommen, von Gott benutzt werden, uns zu unterweisen, wenn auch Satan darin wirkt. Gott führt alles zum Besten. Deshalb ist es für den Christen nötig, in allen Dingen Gott zu erkennen, Seine Hand in allem zu sehen, und stets zu fragen:

Herr, was willst Du, daß ich tun soll? Und wenn wir uns völlig dem Willen Gottes ergeben haben, so sind wir auch in den Umständen glück­lich, weil wir nicht durch diese, sondern allein durch Gott geleitet wer­den". — Hierauf wurde wieder auf die frühere Weise ein Lied gesungen. Ehe wir nach Hause gingen, unterhielt ich mich noch mit einigen und fand, daß es wahrlich liebe Brüder waren, welche das völlige Bewußtsein der Kindschaft in sich trugen. Beim Abschied ersuchte mich einer, daß ich für ihn, wenn ich nach Holland zurückgekehrt sei, beten möchte. Dies suchte er mir dadurch deutlich zu machen, daß er mehrere Male auf mich und fern von sich abwies; und darauf die Hände faltete und auf sich selbst zeigte. Ich habe es getan und werde es ferner tun; denn wahrlich, die Gnade Gottes ist groß! Er macht Taube zu Hörern und Stumme zu Pre­digern Seines süßen Evangeliums. Ich habe dort einen tiefen Eindruck von der unbeschreiblichen Liebe und der völlig unabhängigen Gnade Gottes empfangen, der auch ein Mittel zu finden wußte, um diesen Un­glücklichen Seine frohe Botschaft nahe zu bringen. Er hat die Sünder lieb, und ist stets bemüht, sie zu dem geliebten Heilande zu führen. Möchten auch wir nicht lässig sein, von Seiner köstlichen Liebe und Gnade zu zeugen! Gewiß, unsere Mühe im Herrn wird nicht vergeblich sein. Der Herr gebe, daß auch dieses Zeugnis von der erbarmenden Liebe Gottes alle die Seinigen, die es lesen, mit Freude und Eifer für Ihn er­fülle, und daß es für alle, die Ihn noch nicht kennen, eine gesegnete Einladung werde, mit Aufrichtigkeit des Herzens zu Jesu zu kommen! H. C. V.

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Was ist Heiligung?

Es gibt viele Gläubige, die über diese höchst wichtige Frage mangel­hafte oder gar irrige Begriffe haben. In vielen Fällen wird sogar die Lehre der Heiligung so sehr mißverstanden, daß dadurch die Wahrheit der vollkommenen Rechtfertigung des Glaubens vor Gott ganz und gar beeinträchtigt wird. Oft spricht man z. B. von der Heiligung als einem fortschreitenden Werke, wodurch unsere alte Natur nach und nach ver­bessert werde, und daß, solange dieser Fortschritt seinen Höhepunkt nicht erreicht habe, solange die gefallene und verderbte menschliche Natur nicht vollständig geheiligt sei, wir nicht für den Himmel taugen.

Was nun diese Ansicht über diese Frage betrifft, so haben wir einfach zu sagen, daß beides, die Schrift und die Erfahrung aller Gläubigen, ganz und gar dagegen steht. Gottes Wort lehrt uns in keiner Stelle, daß der Heilige Geist die Verbesserung — sei es allmählich oder auf einmal — unserer alten Natur — jener Natur, die wir durch die na­türliche Geburt von dem gefallenen Adam erben, zum Zwecke habe. Dieses Wort lehrt uns im Gegenteil, daß „der natürliche Mensch nicht annimmt, was des Geistes Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es wird geistlich beurteilt" (1. Kor. 2, 14). Wenn der „natürliche Mensch von dem, was des Geistes Gottes ist", weder etwas „annehmen", noch „erkennen" kann, wie kann denn der „natürliche Mensch" durch den Geist Gottes geheiligt werden? Wenn wir also von der Heiligung unserer Natur sprechen, so sind wir im Wider­spruch mit der klaren Unterweisung des Heiligen Geistes in 1. Kor. 2, 14. Noch andere Stellen könnten angeführt werden, daß der Zweck der Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht ist, das Fleisch zu verbessern oder zu heiligen; doch ist es unnötig. Ein gänzlich verderbtes Ding kann nimmer geheiligt werden. Was du auch damit anfangen magst — es ist und bleibt verdorben; und sicher kam der Heilige Geist nicht hernieder, um etwas völlig verdorbenes zu heiligen, sondern um den verderbten Sünder zu Jesu zu führen. Von jedem Versuch, das Fleisch zu heiligen, weit entfernt, lesen wir: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch. Diese aber sind einander entgegengesetzt" (Gal. 5, 17). Könnte der Heilige Geist dargestellt werden, als kämpfend wider dasjenige, was er nach und nach verbessern und heiligen will? Würde nicht der Kampf endigen, sobald der Prozeß seinen Höhepunkt erreicht hätte? Hört aber des Gläubigen Kampf je auf, so lange er in diesem Leibe ist?

Dies führt uns zum zweiten Beweise gegen die irrige Theorie der fortschreitenden Heiligung unserer Natur — zu dem Beweise nämlich, der aus der Erfahrung aller Gläubigen geschöpft wird. Ist der Leser ein wahrer Gläubiger? Und wenn er es ist — hat er je eine Verbesserung seiner alten Natur wahrgenommen? Ist sie jetzt ein Titelchen besser, als beim Anfang seiner christlichen Wallfahrt? Er mag durch die Gnade fähig sein, sie völliger zu unterwerfen; aber sie selbst ist nicht besser. Wenn sie nicht unterdrückt oder niedergehalten wird, dann ist sie noch ebenso fähig und bereit, hervorzubrechen, wie ehemals, um sich in ihrer ganzen Häßlichkeit zu zeigen. Das Fleisch in einem Gläubigen ist in

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 keiner Weise besser, als das Fleisch in einem Ungläubigen. Wenn dies vergessen wird, so wird es schwer sein, die daraus entstehenden Folgen zu berechnen. Wenn der Christ sich nicht erinnert, daß das Ich oder das Fleisch von Tag zu Tag gerichtet werden muß, so wird er bald durch bittere Erfahrungen lernen, daß seine alte Natur so böse ist, wie sie je war; und also wird sie bis ans Ende sein.

Es ist schwer zu begreifen, wie jemand, der eine allmähliche Ver­besserung seiner Natur erwartet, eine Stunde Frieden haben kann, in­dem er, wenn er sich im Lichte des heiligen Wortes Gottes beschaut, wahrnehmen muß, daß nicht die geringste Veränderung in dem wahren Charakter seines Herzens zu bemerken ist; daß sein Herz ein ebenso trotziges und verzagtes Ding ist, als zu jener Zeit, da er in der moralischen Finsternis seines unbekehrten Zustandes wandelte. Sein innerer Zu­stand und Charakter sind in der Tat durch den Besitz einer neuen, ja einer „göttlichen Natur" (2. Petr. 1. 4) und durch die Inwohnung des Heiligen Geistes verändert worden; aber sobald die alte Natur wirksam ist, findet er sie, wie immer, im Gegensatz zu Gott.

Es ist ohne Zweifel, daß die Dunkelheit und Mutlosigkeit, worüber viele klagen, ihre Quelle in dem Mangel an wahrem Verständnis dieses wichtigen Gegenstandes der Heiligung haben. Sie suchen, was sie nie finden werden. Sie suchen den Grund ihres Friedens in einer geheiligten Natur, anstatt in einem vollkommenen Opfer, — in einem fortschrei­tenden Werke der Heiligung, anstatt in einem vollendeten Werke der Versöhnung, Sie halten es für eine Anmaßung, sich der Vergebung ihrer Sünden versichert zu. halten, so lange die böse Natur nicht vollständig geheiligt ist, und haben deshalb, indem sie sehen, daß dies Ziel nicht erreicht ist, keine Gewißheit der Vergebung, und sind stets unruhig und unglücklich. Mit einem Worte, sie suchen einen Grund, der ganz und gar verschieden ist von dem, welchen Gott gelegt hat (1. Kor. 3, 11), und darum fehlt ihnen alle Gewißheit. Das einzige, was ihnen einen Strahl des Trostes zu geben vermag, ist jene scheinbar erfolgreiche Wir­kung ihrer Anstrengungen nach persönlicher Heiligkeit. Wenn sie — wie sie sagen — einen guten Tag gehabt haben; wenn sie eine Zeitlang mit erquickender Gemeinschaft begünstigt worden sind — wenn sie sich in einem ruhigen und andächtigen Gemütszustände fühlen, dann sind sie bereit, auszurufen: „Durch Dein Wohlgefallen hast Du meinen Berg stark gemacht; ich werde nimmermehr darnieder liegen" (PS. 30). Aber ach? diese Dinge bieten einen traurigen Grund für den Frieden der Seele dar. Sie sind nicht Christus; und so lange wir nicht Christum, haben, haben wir nichts. Wenn wir aber Ihn empfangen, so empfangen wir a 11 e s. Eine Seele, die Christum wirklich ergriffen hat, sehnt sich gewiß nach Heiligkeit! aber wenn sie versteht, was Christus für sie ist, so hat es mit allen Gedanken über die Heiligung der Natur ein Ende. Der Gläubige hat sein Alles in Christo gefunden, und der höchste Wunsch seines Herzens ist, Seinem Ebenbilde völlig gleich zu sein. Dies ist die wahre, praktische Heiligung.

Es ist nicht selten der Fall, daß Personen, indem sie von der Heili­gung reden, das Richtige meinen, obwohl sie sich nicht schriftgemäß aus­drücken. Es gibt viele, welche in Betreff der Heiligung die eine Seite der Wahrheit sehen, aber nicht die andere; und wiewohl es uns leidtun

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 würde, jemanden um eines Ausdrucks willen zu beschuldigen, so ist es doch immer sehr wünschenswert, wenn man über irgend einen Punkt der Wahrheit spricht, und besonders über einen so überaus wichtigen, wie dieser der Heiligung, daß man in völliger Übereinstimmung mit der heiligen Schrift darüber red&t. Wir wollen daher einige Hauptstellen des Neuen Testaments anführen, worin diese Lehre behandelt wird. Diese Stellen werden uns namentlich über zwei Dinge unterweisen: was die Heiligung ist, und wie sie bewirkt wird. Die erste Stelle, auf welche wir die Aufmerksamkeit richten, ist 1. Kor. 1. 30: „Aus Ihm aber seid ihr in Christo Jesu, der uns Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung ge­worden ist". Hier lernen wir, daß Christus diese vier Stücke „Uns geworden ist". Gott hat uns in Ihm ein kostbares Kästlein gegeben; und wenn wir es mit dem Schlüssel des Glaubens öffnen, so ist der erste Edelstein, der uns entgegenstrahlt, „die Weisheit" — der zweite „die Ge­rechtigkeit" — der dritte „die Heiligung" — und der vierte „die Erlösung". Wir haben sie alle in Christo. Als wir den einen empfingen, empfingen wir auch die anderen, und empfingen alle. Wie aber empfangen wir den einen und alle? Durch den Glauben. Aber warum nennt der Apostel die „Erlösung" zuletzt7 Weil sie die endliche Erlösung des Leibes des Gläubigen von der Macht der Sterblichkeit mit einschließt, welche er­füllt werden wird, wenn er bei der Stimme des Erzengels und der Po­saune Gottes aus dem Grabe auferweckt, oder in einem Nu, in einem Augenblick verwandelt werden wird (1. Thess. 4, 16, 17; 1. Kor. 51. 52). Wird dieser Akt allmählich und fortschreitend sein? Gewiß nicht. Es wird „in einem Nu, in einem Augenblick" geschehen.

Der Leib ist jetzt in einem niedrigen Zustande, aber „in einem Augenblick" wird er in einem verherrlichten sein. In dem kurzen Zeit­raum, den wir gebrauchen, um die Augenwimpern zu bewegen, wird der Leib von der Verweslichkeit zur Unverweslichkeit, von der Unehre zur Herrlichkeit, von der Schwachheit zur Kraft übergehen (1. Kor. 15, 43). Welch eine Verwandlung! Sie wird augenblicklich, völlig, ewig und göttlich sein. —

Was aber sollen wir von dieser Tatsache lernen, daß hier die „Heili­gung" mit der „Erlösung" in eine Reihe gestellt ist? Wir lernen daraus, daß das, was die Erlösung einst für den Leib sein wird, die Heiligung jetzt schon für die Seele ist. Mit einem Wort, die Heiligung ist in dem Sinne, wie sie hier dargestellt wird, ein augenblickliches, ein vollkommenes, ein göttliches Werk. Das eine ist ebensowenig fortschreitend wie das andere; das eine ist ebenso augenblicklich wie das andere; das eine ist ebenso vollkommen und ebenso unabhängig vom Menschen wie das andere. Ohne Zweifel, wenn einmal der Leib die herrliche Umwandlung erfahren haben wird, werden Höhen von Herrlichkeit zu betreten, Tiefen von Herrlichkeit zu durchdringen, und weite Felder von Herrlichkeit zu durchforschen sein. Alle diese Dinge werden uns während der ganzen Ewigkeit beschäftigen. Aber das Werk, welches uns für solche Szenen fähig macht, ist in einem Augenblick geschehen. So ist es auch in Betreff der Heiligung. Ihre praktischen Resultate werden sich immerfort ent­wickeln; aber die Heiligung selbst, wie an dieser Stelle von ihr ge­sprochen wird, ist in einem Augenblick vollendet.

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 Welch eine unendliche Beruhigung würde es für Tausende von ern­sten, ängstlichen und sich vergeblich abmühenden Seelen sein, wenn sie Christum als ihre Heiligung durch den Glauben ergreifen konnten! Wie viele strengen sich umsonst an, um durch sich selbst eine Heiligung zu erlangen. Sie sind nach vielen vergeblichen Verstichen, um ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, zu Christo gekommen, und haben Ihn als ihre Gerechtigkeit angenommen; aber die Heiligung wollen sie auf einem ganz ändern Wege suchen. Sie haben eine „Gerechtigkeit ohne Werke" bekommen; aber sie sind der Meinung, daß sie die Heiligung durch Werke bekommen müßten. Sie haben die Gerechtigkeit durch den Glauben er­langt, aber sie bilden sich ein, die Heiligung durch Anstrengung erlan­gen zu müssen. Auf diese Weise verlieren sie ihren Frieden. Sie erkennen nicht, daß wir die Heiligung auf dieselbe Weise empfangen, wie die Gerechtigkeit, daß uns nämlich „Christus von Gott geworden ist" das eine wie das andere. Empfangen wir Christum durch Anstrengung? Nein;

sondern durch den Glauben. Es ist „für den, der nicht wirkt" (Röm. 4, 5). Dies paßt auf alles, was wir in Christo empfangen. Wir haben kein Recht aus 1. Kor. 1. 30 die „Heiligung" auszusondern und sie auf einen ändern Grund zu stellen, als die übrigen darin enthaltenen Segnungen. Wir haben weder „Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung, noch Erlösung" in uns selbst;

noch können wir sie durch irgendwelche Anstrengungen erwerben, son­dern Gott hat Christum gemacht, um uns dies alles zu sein. Indem Er uns Christum gab, schenkte Er uns alles, was in Christo ist. Die Fülle Christi ist unser, und Christus ist die Fülle Gottes.

Weiter wird in Apg. 26, 18 in Bezug auf die Bekehrung aus den Na­tionen gesagt: „auf daß sie Vergebung der Sünden und ein Erbe unter den Geheiligten empfangen, durch den Glauben an mich". Hier wird" der Glaube als das Werkzeug bezeich­net, durch welches wir geheiligt werden, weil es uns mit Christi verbindet. Sobald der Sünder an den Herrn Jesum Christum glaubt, wird er mit Ihm verbunden. Er wird eins mit Ihm, vollkommen in Ihm, angenommen in Ihm. Dies ist die wahre Heiligung und Rechtfertigung. Es ist kein all­mähliches, fortschreitendes Werk. Das Wort ist sehr deutlich. Es sagt:

,,unter den Geheiligten, durch den Glauben an mich". Durch den Glauben an Christum empfingen sie Vergebung der Sünden, und durch den Glauben an Ihn empfingen sie „ein Erbteil unter den Gehei­ligten". Es heißt nicht: „unter denen, die geheiligt werden oder werden sollen"; sondern unter denen die geheiligt waren. Dies war ihr Charakter und ihre Stellung vor Gott.

Ohne Zweifel wächst der Gläubige in der Erkenntnis dieser Hei­ligung, in dem Bewußtsein ihrer Kraft und ihres Wertes, ihres prak­tischen Einflusses und ihrer Resultate, in der Erfahrung und im Genuß derselben. Je mehr „die Wahrheit" ihr göttliches Licht in seine Seele aus­strömen läßt, desto tiefer wird er in die Erkenntnis dessen eingehen, was mit diesem — für Christum, inmitten einer bösen Welt abgesondert oder beiseite gesetzt zu sein — verbunden ist. Dies alles ist eine gesegnete Wahrheit; aber je mehr wir diese Wahrheit erkennen, desto klarer wer­den wir auch verstehen, daß die Heiligung nicht nur ein durch den Hei­ligen Geist in uns bewirktes, fortschreitendes Werk, sondern eine Folge unserer Verbindung mit Christo durch den Glauben ist, wodurch wir

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 Mitgenossen von allem werden, was Er, ist. Dies ist ein augenblickliches, ein vollkommenes und ein ewiges Werk. „Alles, was Gott tut, das be­steht für immer; man kann nichts dazutun, noch abtun" (Pred, 3, 14). Ob Er rechtfertigt oder heiligt — „es besteht für immer". Beides ist von Gott; auf beides ist der Stempel der Ewigkeit gedrückt; „man kann nichts dazutun", und — gepriesen sei Sein Name! — „nichts davon tun".

Es gibt Stellen in der heiligen Schritt, die diesen Gegenstand von einem anderen Gesichtspunkte aus darstellen. In 1. Thess. 5, 23 bittet der Apostel für die Heiligen, an welche er schreibt: „Er Selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch vollkommen, und euer Geist und Seele und Leib werde ganz und gar un­tadelig bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christ i". Hier wird das Wort auf eine fortschreitende Heiligung an­gewandt. Die Thessalonicher hatten mit allen Gläubigen eine vollkom­mene Heliigung in Christo; aber der praktische Genuß und die Verwirk­lichung derselben waren nur zum Teil erfüllt, und deshalb bittet der Apostel, daß sie vollkommen geheiligt werden mochten. — Es ist be­merkenswert, daß an dieser Stelle „das Fleisch" nicht erwähnt ist. Unsere gefallene, verderbte Natur wird immer als eine hoffnungslos verlorene Sache behandelt. Sie ist in der göttlichen Waagschale gewogen und zu leicht erfunden. Gott hat sie beiseite gesetzt. Ihr „Ende ist vor Ihn gekommen". Er hat sie verurteilt und getötet. Nach seiner Stellung von Natur ist der Gläubige mit Christo gekreuzigt, gestorben und begraben. Sollten wir nun noch einen Augenblick daran denken, daß der Heilige Geist zu dem Zweck vom Himmel herniedergekommen sei, um das, was verurteilt, gekreuzigt und begraben ist, wieder zum Vorschein zu bringen und zu heiligen? Dieser Gedanke braucht nur ausgesprochen zu werden, um von jedem, der sich unter die Autorität der Schritt beugt, für immer verwor­fen zu werden. Jemehr wir das Gesetz, die Propheten, die Psalmen und das ganze Neue Testament mit Einsicht betrachten, desto deutlicher wer­den wir erkennen, daß das Fleisch unverbesserlich ist. Es taugt absolut zu gar nichts. Der Geist heiligt es nicht; aber Er gibt dem Gläubigen Kraft, es zu unterdrücken oder zu töten. Es wird uns geboten, „den alten Menschen a b z u l e g en". Diese Vorschrift würde uns nie gegeben worden sein, wenn der Zweck des heiligen Geistes wäre, den „alten Menschen" zu heiligen.

Wir hoffen, daß niemand uns vorwerfen wird, den Standpunkt per­sönlicher Heiligkeit erniedrigen oder das ernste Streben nach jener Rein­heit, welche jeder wahre Gläubige inbrünstig begehren muß, schwächen zu wollen. Da sei Gott vor! Wenn wir eine Sache vor jeder anderen in uns und anderen fördern möchten, so ist es eine tiefe, persönliche Rein­heit — einen erhabenen Ton praktischer Heiligkeit — eine gänzliche Trennung von allem Bösen in jedweder Form oder Gestalt. Hiernach verlangen wir, hierfür beten wir, hierin wünschen wir täglich und stünd­lich zu wachsen. Doch sind wir völlig überzeugt, daß die wahre prak­tische Heiligung nicht auf einem gesetzlichen Grunde errichtet werden kann, und darum möchten wir 1. Kor. 1, 30 der Aufmerksamkeit unserer Leser auf das dringendste anempfehlen. Es ist zu befürchten, daß viele, die m Betreff der „Rechtfertigung" den gesetzlichen Boden, wenigstens einigermaßen, verlassen haben, in Betreff der „Heiligung" noch dabei

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 verweüen. Wir glauben, daß dies mehr oder weniger der Irrtum von Tausenden ist, und es liegt uns sehr daran, sie völlig davon zu befreien. Wenn 1. Kor. 1, 30 einfach im Herzen durch den Glauben aufgenommen würde, so würde dieser Irrtum gänzlich verschwinden.

Alle wahren Christen sind in Betreff der Fundamental-Wahrheit — „der Gerechtigkeit ohne Werke" — eines Sinnes. Alle bekennen frei und völlig, daß wir nicht durch unsere eigenen Anstrengungen eine Ge­rechtigkeit vor Gott erlangen können. Allein es wird nicht so klar er­kannt, daß die Rechtfertigung und die Heiligung im Worte Gottes auf denselben Grund gestellt sind. Wir können ebensowenig eine Heiligung als eine Rechtfertigung hervorbringen. Wir mögen es versuchen, aber wir werden früher oder später gewahren, daß es eine ganz vergebliche Mühe ist. Wir mögen Gelübde tun und allerlei gute Vorsätze fassen; wir mögen arbeiten und kämpfen; wir mögen die Hoffnung hegen, daß es morgen besser gehen werde als heute; aber zuletzt werden wir gezwun­gen werden, einzusehen, daß wir in Betreff der Heiligung ebenso völlig ohne Kraft sind, als wir es schon in Betreff unserer Rechtfertigung er­fahren haben.

Ach, welch ein süßer Trost ist es für den, der auf dem Pfade der persönlichen Heiligkeit umhergestolpert ist, wenn er nach jahrelangem, vergeblichem Kampfe gerade das, wonach er so sehnlichst verlangte, in Christo in völliger Bereitschaft für sich findet, sogar eine vollkommene Heiligung, die durch den Glauben genossen wird. Ein solcher mag gegen seine Gewohnheiten, seine Neigungen, seine Begierden gekämpft und die mühsamsten Anstrengungen gemacht haben, um sein Fleisch zu unterjochen oder zu kreuzigen, und in der inneren Heiligung zu wachsen, aber ach! er wird erfahren, daß es vergeblich war. — Er findet zu seinem tiefen Leidwesen, daß er nicht heilig ist, und doch geschrieben steht, „daß ohne Heiligkeit niemand den Herrn schauen wird" (Hebr. 12, 14). Und beachte wohl, es steht nicht da, ohne ein gewisses Maß von Heilig­keit, oder ohne ein Verlangen darnach, sondern ohne die Sache selbst, welche ein jeder Christ von dem Augenblicke an, wo er glaubt, besitzt, er mag es wissen oder nicht. Vollkommene Heiligung ist ebensowohl in dem Worte „Errettung" mit einbegriffen als „Weisheit und Gerechtig­keit und „Erlösung". Der Gläubige empfing Christum nicht durch An­strengung, sondern durch den Glauben; und sobald er Christum durch den Glauben ergriffen hatte, empfing er alles, was in Christo ist. Deshalb hat er nur im Glauben zu Jesu aufzuschauen, um seine Neigungen, Lüste, Gewohnheiten, Umstände und Einflüsse niederzuhalten. Er muß in Be­zug auf alles auf Jesum blicken. Er vermag ebensowenig eine einzige böse Lust oder Laune zu bezwingen, als er das große Verzeichnis seiner Sünden auszutilgen, oder eine vollkommene Gerechtigkeit zu bewirken, oder einen Toten zu erwecken vermochte. „Christus ist alles in allem". Die Errettung ist eine goldene Kette, die sich von Ewigkeit zu Ewigkeit erstreckt; und jedes Glied dieser Kette ist Christus, vom ersten bis zum letzten Gliede.

Dies ist so einfach als möglich. Die Stellung des Gläubigen ist in Christo; und wenn in Christo für eine Sache, so ist es auch in Christo für alles. Ich bin nicht in Betreff der Gerechtigkeit in Christo und in Betreff der Heiligung außer Ihm. Bin ich ein Schuldner Christi für die

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 Gerechtigkeit, so bin ich auch ebenso Sein Schuldner für die Heiligung. Ich bin weder für das eine noch für das andere ein Schuldner des Gesetzes. Beides erlange ich aus Gnaden durch den Glauben, und alles in Christo. Ja, alles — alles in Christo. Sobald der Sünder zu Christo kommt und an Ihn glaubt, wird ei von dem alten Grunde der Natur völlig hinweg­genommen; er verliert seine alte gesetzliche Stellung und alles, was dazu gehört, und wird als in Christo betrachtet. Gott sieht ihn nur in Christo, und wie Christum. Er wird für immer eins mit Christo. „Gleich wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt" (1. Joh. 4, 17). Dies ist der bestimmte Platz — die ewige und sichere Stellung des schwächsten Kin­des in der Familie Gottes. Es gibt nur eine Stellung für jedes Kind Gottes, für jedes Glied Christi. Ihre Erkenntnis, Erfahrung, Kraft, Gabe und Einsicht mag verschieden sein, aber ihre Stellung ist ein und die­selbe. Was sie an Gerechtigkeit oder Heiligung besitzen — sie verdanken es allein dieser Tatsache, daß sie in Christo sind; folglich, wenn sie keine völlige Heiligung empfangen haben, so haben sie auch keine völlige Rechtfertigung empfangen. Doch 1. Kor. 1. 30 lehrt bestimmt, daß Christus das eine wie das andere für alle Gläubigen geworden ist. Es wird nicht gesagt, daß wir die Gerechtigkeit und „ein gewisses Maß" von Heiligung haben. Wir haben ebensoviel Recht, das Wort „Maß" vor Gerechtigkeit als vor Heiligung zu setzen. Der Geist Gottes aber setzt es weder vor das eine, noch vor das andere. Beides ist vollkommen, und wir besitzen beides in Christo. Gott tut nie eine Sache halb. Es gibt weder eine halbe Rechtfertigung, noch eine halbe Heiligung. Der Gedanke, daß ein Glied der Familie Gottes, oder des Leibes Christi ganz- gerechtfertigt, aber nur halb geheiligt sei, ist der heiligen Schrift zuwider, und für die Gefühle der göttlichen Natur verletzend.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Mißverständnis, welches in Betreff der Heiligung besteht, zum großen Teil daher kommt, daß man die Gewohnheit hat, zwei Dinge, die sehr voneinander abweichen, mit einander zu vermengen, nämlich: Stellung und Wandel, oder Stellung und Zustand. Die Stellung des Gläubigen ist vollkom­men, ewig, göttlich, unveränderlich; sein Wandel ist unvollkommen, ver­änderlich und durch persönliche Schwachheit aller Art bezeichnet. Seine Stellung ist bestimmt und unwandelbar; sein praktischer Zustand da­gegen mag mannigfache Unvollkommenheiten darbieten, insofern er noch im sterblichen Leibe und von vielen feindlichen Einflüssen umgeben ist, die von Tag zu Tag auf seinen moralischen Zustand einwirken. Wird also seine Stellung nach seinem Wandel oder nach seinem Zustande, — wird das, was er in den Augen Gottes ist, nach dem, was er in den Augen der Menschen ist, gemessen, so muß das Resultat falsch sein. Wenn ich mich nach dem beurteile, was ich in mir selbst bin, anstatt nach dem, was ich in Christo bin, so muß ich notwendigerweise einen falschen Schluß ziehen. Dies sollten wir mit Sorgfalt erwägen. Wir sind sehr ge­neigt, von uns aus zu Gott hinauf zu denken, anstatt von Gott hernieder zu uns. Wir sollten nie vergessen, daß, soweit der Himmel über der Erde ist, soweit Gottes Gedanken über unsere Gedanken sind. Und Gott kann von Seinem Volke nur dessen Stellung in Christo gemäß denken und sprechen, und gegen sie handeln. Er hat ihnen diese Stellung gegeben.

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 Er hat sie zu dem gemacht, was sie sind. Sie sind Sein Werk. Darum, wenn wir von ihnen als halb gerechtfertigt oder halb geheiligt sprechen, so bringen wir eine Unehre auf Gott Selbst.

Dies führt uns zu einem anderen wichtigen Beweis, geschöpft aus dem unfehlbaren und entscheidenden Buche der göttlichen Eingebung, nämlich zu 1. Kor. 6, 11. In den, dieser Stelle vorhergehenden Versen hatte der Apostel ein schreckliches Bild von der gefallenen Menschheit entworfen, und den Heiligen zu Korinth ganz bestimmt gesagt, daß sie gerade solche gewesen seien. „Solche sind euer Etliche ge­wesen". Dies ist eine offene Sprache. Es sind kerne Schmeichelworte — kein Zurückhalten der vollen Wahrheit in Betreff des gänzlichen und unabänderlichen Verderbens der menschlichen Natur. „ . . . aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt in dem Namen unseres Herrn Jesu, und durch den Geist unseres Gottes" (1. Kor. 6, 11).

Welch ein schlagender Gegensatz zwischen den beiden Seiten von des Apostels „a b e r". Auf der einen Seite haben wir die ganze moralische Erniedrigung und Entartung des Zustandes des gefallenen Menschen — und auf der anderen haben wir die unbedingte Vollkommenheit der Stellung des Gläubigen vor Gott Dies ist wahrlich ein wunderbarer Ge­gensatz; und wir mögen daran gedenken, daß die Seele in einem Augen­blick von der einen zu der anderen Seite dieses „aber" hinübergeht. „Solche sind euer Etliche gewesen; aber ihr seid" jetzt etwas ganz an­deres. In dem Augenblicke, wo sie das Evangelium des Paulus annahmen, wo sie an Jesum glaubten, waren sie „abgewaschen, geheiligt und ge­rechtfertigt". Sie waren für den Himmel geschickt gemacht; und wenn sie es nicht gewesen wären, so wäre das ein Flecken auf dem göttlichen Werke gewesen; doch der Herr sagt: „Ihr seid ganz rein"; das Werk Christi ist ein vollendetes Werk, und der schwächste Gläubige ist „ganz rein"; und dies ist nicht eine Sache, die er nach und nach erreicht hat, sondern die notwendige Folge seiner Stellung in Christo. „Wir sind in dem Wahrhaftigen" (1. Joh. 5, 20). Könnte jemand in Christo sein und zu gleicher Zeit nur halb geheiligt sein? Gewiß nicht. Er wird ohne Zweifel in der Erkenntnis und Erfahrung dessen, was die Heiligung wirklich ist, wachsen. Er wird in ihre praktische Kraft, in ihre moralische Wirkung auf seine Gewohnheiten, Gedanken, Gefühle und Beweggründe immer völliger eindringen; er wird, mit einem Wort, den mächtigen Ein­fluß der göttlichen Heiligung auf seinen ganzen Lebenslaut, auf sein Betragen und seinen Charakter immer mehr verstehen und verwirklichen; aber in den Augen Gottes war er in dem Augenblicke, als er mit Christo durch den Glauben verbunden wurde, ebenso vollkommen ge­heiligt, als er es an jenem Tage sein wird, wenn er dahin kommt, um sich im Sonnenlicht der göttlichen Gegenwart zu erquicken und die glänzenden Strahlen der Herrlichkeit, die von dem Throne Gottes und des Lammes ausströmen, zurückzuwerfen. Er ist jetzt in Christo und wird dann in Christo sein. Sein Aufenthalt und seine Umstände werden verschieden sein. Anstatt auf dem dürren Sande der Wüste, wer­den seine Füße auf dem goldenen Pflaster des oberen Heiligtums stehen. Anstatt in einem Leibe der Niedrigkeit werden wir in einem Leibe der Herrlichkeit sein. Aber in Betreff seiner Stellung), seiner Annahme,

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 seiner Vollkommenheit, seiner Rechtfertigung und seiner Heiligung, war alles in jenem Augenblicke in Ordnung gebracht, als er an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes glaubte. Dies alles geht als eine not­wendige und unwiderlegbare Folgerung aus 1. Kor. 6, 11 hervor.

Es ist von der größten Wichtigkeit, den Unterschied zwischen einer Wahrheit und der praktischen Anwendung, den praktischen Resultaten derselben recht klar zu verstehen. Dieser Unterschied wird im Worte Gottes immer aufrecht erhalten. „Ihr seid geheiligt". Dies ist die un­umstößliche Wahrheit in Betreff eines jeden Gläubigen, als in Christo betrachtet und als die Frucht eines ewig vollendeten Werkes. „Christus hat die Versammlung geliebt, und Sich Selbst für sie hingegeben, auf daß Er sie heiligte" (Eph. 5, 25. 26). „Er Selbst aber, der Gott des Friedens heilige euch vollkommen" (1. Thess. *5, 23). Hier haben wir die praktische Anwendung der Wahrheit für den Gläubigen und ihre Resultate i n dem Gläubigen.

Wie aber wird diese Anwendung gemacht und dieses Resultat er­reicht? Durch den Heiligen Geist vermittelst des geschriebenen Wortes. Darum lesen wir: „Heilige sie durch Deine Wahrheit" (Joh. 17). Und wiederum: „Gott hat euch von Anfang zur Seligkeit erwählt in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit" (2. Thess. 2, 13). Ebenso in 1. Petri 1, 2: „Den auserwählten Fremdlingen nach der Vorkenntnis Gottes des Vaters, in Heiligung des Geistes". Der Heilige Geist bewirkt auf Grund des vollkommenen Werkes Christi die praktische Heiligung des Gläubigen; und dies tut er dadurch, daß er die Wahrheit, wie sie in Jesu ist, auf Herz und Gewissen anwendet. Er offenbart die Wahrheit in Betreff unserer vollkommenen Stellung vor Gott in Christo; und indem Er den neuen Menschen in uns kräftigt, befähigt Er uns, alles zu ent­fernen, was mit dieser vollkommenen Stellung in Christo unverträglich ist. Ein Mensch, der abgewaschen, geheiligt und gerechtfertigt ist, sollte keiner unheiligen Neigung, Lust oder Leidenschaft Raum geben. Er sollte sich von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes reinigen. Es ist sein heiliges und gesegnetes Vorrecht, nach den höchsten Höhen-persön­licher Heiligkeit zu trachten. Sein Herz und seine Gewohnheiten sollten unter die Kraft dieser großen Wahrheit, daß er vollkommen „abgewa­schen, geheiligt und gerechtfertigt ist", gebracht und gehalten werden.

Dies ist die wahre praktische Heiligung. Es ist nicht ein Versuch zur Wiederherstellung der alten Natur Nein, es ist der Heilige Geist, der durch die mächtige Anwendung „der Wahrheit" den neuen Menschen befähigt, in einer Sphäre, zu der er gehört, zu leben, sich zu bewegen und zu sein. Es wird ein Wachstum in der moralischen Kraft dieser teuren Wahrheit da sein — ein Wachstum in der geistlichen Fähigkeit, alles, was zum natürlichen Menschen gehört, niederzuhalten — eine wachsende Kraft der Absonderung von dem Bösen um uns her — eine wachsende Bereitschaft für den Himmel, dem wir angehören und zu welchem wir pilgern — eine wachsende Fähigkeit für den Genuß seiner heiligen Übungen. Dies alles wird da sein durch das segensreiche Wirken des Heiligen Geistes, der das Wort Gottes gebraucht, um unseren Seelen die Wahrheit, in Betreff unserer Stellung in Christo und in Betreff des Wan­dels, der mit jener Stellung in Einklang ist, zu offenbaren. Laßt es uns aber recht klar verstehen daß das Werk des Heiligen Geistes in der

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 praktischen und täglichen Heilung auf die Tatsache gegründet ist, daß die Gläubigen „geheiligt sind durch das ein für allemal (geschehene) Opfer des Leibes Jesu Christi" (Hebr. 10, 10). Der Zweck des Heiligen Geistes ist, uns zu der Erkenntnis, Erfahrung und praktischen Offenbarung- dessen zu führen, was für uns völlig in Christo war m demselben Augenblick, als wir glaubten. Was dies be­trifft, so wird immer ein Fortschritt da sein; aber unsere Stellung in Christo ist ewig vollkommen.

„Heilige sie durch Deine Wahrheit: Dein Wort ist die Wahrheit" (Joh. 17, 17). Und wiederum: „Er Selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch vollkommen" (1. Thess. 5, 23). In diesen Schriftstellen haben wir die große praktische Seite dieser Frage. Hier sehen wir die Heiligung dargestellt, nicht als unbedingt und ewig wahr für uns in Christo, sondern als solche, die täglich und stündlich durch den Heiligen Geist, durch das Wort bewirkt wird. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, ist die Heiligung augenscheinlich eine wachsende und fort­schreitende Sache. Ich sollte durch die Gnade von Jahr zu Jahr in der persönlichen Heiligung weiter gefördert sein, von Tag zu Tag wachsen. Worin aber besteht dies? Es besteht einfach in der Verwirklichung dessen in mir, was in Betreff meiner in Christo wahr war in demselben Augen­blicke, als ich glaubte. Der Heilige Geist setzt das Werk i n uns fort, was außer uns in Christo vollkommen ist.

Endlich erinnern wir noch an Hebr. 12, 14: „Strebet dem Frie­den nach mit allen, und der Heiligung, ohne welche niemand den Herrn schauen wird". Hier haben wir ebenfalls die praktische Seite der Heiligung. Sie wird uns als eine Sache darge­stellt, der wir nachstreben sollen, die durch ernstliches Streben erlangt und jeder wahre Gläubige zu erlangen sehnlichst wünschen wird.

Möge uns der Herr in die wirkliche Kraft dieser Dinge einführen! Möchten sie nicht als tote Lehren und Dogmen in unserem Verstande sein, sondern als lebendige, heilige und kräftig wirkende Wahrheiten in unser Herz eindringen und darin wohnen! Möchten wir erkennen die heiligende Kraft der Wahrheit (Joh. 17, 17), die heiligende Kraft des Glaubens (Apg. 26, 18), die heiligende Kraft des Namens Jesu (1. Kor. 1. 30 und 6, 11), die heiligende Kraft des Heiligen Geistes (1. Petri 1. 2) und die heiligende Gnade des Vaters (Juda V. l)! —

Und nun — dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste sei Ehre und Herrlichkeit, Macht, Majestät und Gewalt von Ewigkeit- zu Ewigkeit. Amen.

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Gnade, Gottseligkeit und Herrlichkeit

„Die Gesinnung des Fleisches", welche „Feindschaft gegen Gott ist", wird immer einen schlechten Gebrauch von Seiner Gnade gegen Sünder machen. Sie tadelt die Gnade und widerspricht ihr immer. Sie ist das Gegenteil ihrer Natur. Der Apostel hat kaum die gesegnete Wahrheit ausgesprochen, daß, „wo die Sünde überströmend geworden, die Gnade viel überschwenglicher geworden sei, so sucht er sogleich dem Wider­spruch der natürlichen Gesinnung gegen die unumschränkte Gnade Gottes zu begegnen" (Röm. 5. 6). „Was sollen wir denn sagen? Sollen wir in der Sünde verharren, auf daß die Gnade überströme? — Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben leben?"

Der Gläubige ist der Sünde in dem Sinne gestorben, in welchem Christus ihr gestorben ist. Das ist eine tiefe und köstliche Wahrheit. Die nachfolgenden Stellen machen es vollkommen klar. , Indem wir dieses wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt ist, auf daß der Leib der Sünde abgetan sei, sodaß wir der Sünde nicht mehr dienen. Denn der gestorben ist, ist von der Sünde freigesprochen. ... A l s o auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber le­bend in Christo Jesu" (Röm. 6, l—11).

Die Gnade, die lautere Gnade Gottes, ist die alleinige Kraft zu einem heiligen, gottseligen Wandel in dieser Welt, sowie auch der Herr zu einem sagte, welcher durch tiefe Trübsal gegangen war: „Meine Gnade ist dir genug; denn meine Kraft wird in der Schwachheit voll­bracht" (2. Kor. 12, 9). Nur durch Gnade können wir „in allen Dingen die Lehre unseres Heilandes Gottes zieren". ^,Denn die heilbringende Gnade Gottes ist allen Menschen erschienen, und unterweiset uns, daß wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnend, nüchtern und gerecht und gottselig in dem jetzigen Zeitlauf leben" (Tit. 2. 10—14). Das Gesetz verlangt vollkommenen Gehorsam und will in keinem Punkte nachgeben; aber es gibt keine Kraft, zu gehorchen. Die göttliche Gunst der Gnade, welche unsere einzige Kraft ist, fließt uns zu durch den Kanal unseres Gnädigen, gesegneten Heilandes. Er ist die Richtschnur von dem Leben des Gläubigen, und die Gnade Gottes ist dessen Kraft, um Ihm zu folgen. „Denn Er hat uns ein Exempel hinterlassen, auf daß wir Seinen Foßstapfen nachfolgen" (1. Pe-tr. 2, 21). Das Gesetz weiß nichts von Gnade; es erzeigt keine Gunst; es kann nur den Sünder ver­dammen. „Denn das Gesetz war durch Moses gegeben; die Gnade und die Wahrheit sind durch Jesum Christum geworden" (Joh. 1. 17). Über dies gesegnete Teil lernen wir in Titus die drei nachfolgenden Dinge:

1. Die Gnade bringt Errettung — vollkommene Befreiung. In dem Augenblicke, daß die Gnade Gottes in Christo Jesu durch Glau­ben angenommen ist, ist vollkommene Errettung für die Seele da — eine völlige Befreiung von der Sünde und allen ihren Folgen. Der Zu­stand des Sünders vor Gott ist unmittelbar verändert. Er ist „aus dem Tode in das Leben hinübergegangen" — aus einem Zustande des Todes in einen Zustand des ewigen Lebens (Joh. 5, 24). Dies ist auch die Quelle und Macht der Heiligkeit. Der Gläubige, im Leben mit Christo vereinigt — ein Teilhaber der göttlichen Natur und ein Tempel des Heiligen

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 Geistes — bringt für Gott Früchte hervor. „Dies allein will ich von euch lernen", sagt der Apostel; „habt ihr aus Gesetzes Werken den Geist empfangen, oder aus der Kunde des Glaubens? . . . auf daß wir die Verheißung des Geistes durch Glauben empfingen" (Gal. 3, 2. 14).

2. Die Gnade, welche die Errettung bringt, leitet auch zur wahren, praktischen Gottseligkeit. „Sie unterweist uns, daß wir, die Gott-. losigkeit und die weltlichen Lüste verleugnend, nüchtern und gerecht und gottselig in dem jetzigen Zeitlauf leben". Das ist, die Gnade unter­weist uns, daß wir jedes Ding verleugnen, welches Gott unähnlich ist und Ihm mißfällt, sowie auch den. Hang unserer Herzen, nach der Welt auszugehen. Die Gnade lehrt uns zu tun, was gut und recht ist, und zu verleugnen, was böse und unrecht ist. „Wir sollen nüchtern leben" — große Nüchternheit. Mäßigkeit und Gleichmütigkeit, Charakter und Betragen sollen jeden Gläubigen auszeichnen — „gerecht", d. i. aufrichtig und ehrlich gegen, alle Menschen — „und gottselig", d. i. in aller Heilig­keit des Herzens und Lebens vor Gott sein. Dieses ist die wahre Heilig­keit; getrennt von der Welt und für Gott beiseite gesetzt. Dies sind die lieblichen Früchte der unumschränkten, überströmenden Gnade Gottes gegen verlorene und verderbte Sünder in diesem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf.

3. Die Gnade unterweist endlich den Gläubigen, auf die Herrlich­keit zu schauen. Er mag ein träger Schüler sein; aber die Aufgabe ist einfach genug. „Erwartend die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi". Hier haben wir Christum Selbst, die Hoffnung unserer Herzen, und die kom­mende Herrlichkeit vor uns gestellt — die volle Darstellung der tausend­jährigen Herrlichkeit unseres „Heilandes Gottes". Die Gnade, welche Errettung bringt und zur Glückseligkeit leitet, setzt uns zugleich'in die Stellung der Erwartung — wachend, und schauend auf den Herrn vom Himmel. Ach, daß diese gesegnete Hoffnung so wellig verstan­den und von unseren Herzen so wenig geschätzt worden ist! Was kann einfacher sein? Die Gnade, welche unsere Errettung bewirkt, stellt sie uns vor. Sie ist fähig und beabsichtigt, unsere Neigungen zu regieren und unseren Charakter für den gesegneten Herrn zu bilden. Seine erste Erscheinung war in Gnade; Seine zweite Erscheinung wird in Herr­lichkeit sein. In dieser Stelle sind .unsere Errettung und unser Wandel lieblich mit beiden verbunden. 0 mochten wir zu'einer tieferen Erkennt­nis der Gnade, zu einem höheren Charakter der Gottseligkeit und zu einer lebendigeren Hoffnung der Herrlichkeit geleitet werden!

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Offenbarung 1  Was der Christ ist

(Offb. Joh. 1, 5. 6)

„Der uns gehebt und uns von unseren Sünden in Seinem Blute gewaschen hat, und uns zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater gemacht hat, Ihm sei die Herrlichkeit und die Stärke in die Zeitalter der Zeitalter! Amen!"

Es gibt gewisse Ausdrücke in dem Worte Gottes, welche auf eine einfache Weise dartun, was der Christ ist; und gewiß würde mancher, wenn. er sie nur einigermaßen mit Ernst betrachtete, sagen müssen: „Ist es das, was ein Christ ist, so verstehe ich nichts von dieser Sache".

Und jene Ausdrücke sind nicht mit Gewalt herbeigezogen, oder etwa auf eine Ungewisse Hoffnung gegründet, sondern mit einer ruhigen Ge­wißheit teilen sie die herrliche Segnung mit. So sagt z. B. Johannes in obiger Stelle von allen Christen, an welche er schrieb: „Der uns geliebt und uns von unseren Sünden in Seinem Blute gewaschen hat etc." Wenn ich nun dich, der du vielleicht beleidigt sein würdest, wenn ich dir sagte, daß du kein Christ wärest, fragte: „Bist du gewiß, daß Christus dich liebt, daß Er dich von deinen Sünden in Seinem Blute gewaschen hat?" so würdest du vielleicht, wenn du aufrichtig wärest, antworten müssen:

„Das weiß ich nicht". — Und dennoch ist es gerade dieses, woran man die Christen erkennt.

Oder kannst du wirklich sagen: „Ja, gepriesen sei Gott! obschon ich arm in-mir selbst bin, so weiß ich doch, daß Gott mich liebt". Dies sagen zu können, ist das gemeinschaftliche Teil 'der Gläubigen. Es steht ge­schrieben: „Wir wissen, daß wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen". — Alle Christen werden dadurch erkannt, daß sie sich ihrer Rettung bewußt sind. In 2. Petri l ist' die Rede von einem solchen, der vergessen hat, daß er von seinen früheren Sünden gereinigt ist. Er kann aber nicht vergessen, was er niemals gewußt hat. Zu vergessen, „daß er gereinigt ist", ist ein Zurückgehen ; der wahre christ­liche Zustand ist, seine Reinigung zu kennen.

Es werden im Worte Gottes verschiedenartige Ermahnungen an den Gläubigen gerichtet; aber alle setzen voraus, daß er schon zu Gott ge­bracht ist. Und ich frage dich: „Würde es deine Seele nicht in einen ru­higeren, glücklicheren Zustand bringen, wenn du gewiß wärest, daß Gott dich liebte?" Es können keine glücklichen Gefühle und Neigungen da sein, wo das Zutrauen zu Gott fehlt. Jene sind das Resultat der Erkennt­nis Gottes, welche das ewige Leben ist. Gott ist die Liebe; und wenn du das nicht weißt, so weißt du nichts. Und wo bist du, wenn du Gott nicht kennst?

Wenn du aber völlig glaubtest, daß Gott die Liebe ist, Liebe gegen dich — welche Gedanken würdest du alsdann von Ihm haben? Würdest du denken, daß du gehorchen müßtest, um Seinem gerechten Zorn zu entrinnen? Würdest du an Ihn, als einen Richter, denken? 0 nein;

solche Gedanken sind nicht die Gedanken von jemand, der mit der er­rettenden Liebe bekannt ist.

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 Natürlich gibt es ein Gericht: wenn aber dieses stattfindet, dann ist keine Gnade mehr. Und wenn Christus kommt, um zu richten — wirst du vor Ihm bestehen können, wenn Er Ungerechtigkeit zurechnet? Kannst du auf deine Übertretungen Ihm ein Wort antworten? Sicher nicht. Wenn -du aber jetzt in Wahrheit an Sein gerechtes Gericht glaubtest, so wür­dest du ausrufen: „Gehe nicht ins- Gericht mit mir; denn kein Lebendiger ist vor Dir gerecht". Doch jetzt ist Christus nicht ein Richter, sondern ein Erretter. Es ist jetzt alles Gnade. Er rechnet keinem, der Ihm naht, seine Übertretungen zu. — Jedes Auge muß ihn einmal sehen. Der Christ sieht Ihn jetzt durch den Glauben, und zwar als seinen Erretter. Du, der du nicht glaubst, schiebst es bis zum Gericht auf, Ihn zu sehen, indem du hoffst, fähig zu sein. Ihm alsdann begegnen zu können; aber zu jener Zeit werden „alle Geschlechter der Erde Seinet­wegen wehklagen". Dann ist Er nicht mehr ein Erretter, sondern­ein Richter. Dann ist das Gericht, und nicht mehr die Frage, ob du Ihm entrinnen wirst. Jetzt gilt die Frage — nicht, ob du ein Sünder bist oder nicht, sondern — ob du Christum annehmen willst oder nicht, Dein Herz ist auf die Probe gestellt. Und sicher wird dein halsstarrig Herz Ihn auch jetzt noch verwerfen, wenn die Gnade dich nicht in dem Gefühl der Sünde niederbeugt. An jenem Tage aber wird Er die Sünde dartun, welche die Ursache des Gerichts ist. Jede geheime Sache wird alsdann offenbar werden. Dort wird es sich nicht mehr um die Frage handeln, ob man Christum annehmen will oder nicht; .sondern um das Gericht. Jene Frage ist jetzt erhoben; sie wird jetzt vor die Seele hin­gestellt. Und wer im Lichte Gottes seinen wahren Zustand erkennt, der rechtfertigt Gott und verurteilt sich selbst. Das Auge Gottes bringt das Gericht in sein Gewissen und er beugt sich davor. Er fühlt und sagt, daß Gott solch einen nichtswürdigen Menschen vor Ihm nicht leben lassen sollte. Er verabscheut sich selbst und bekennt, daß er ganz Sünde und Finsternis gewesen ist. Ja, im Lichte Gottes wird jede Rechtfertigung verstummen.

Wenn ich aber zur Erkenntnis meiner Sünde gebracht bin, so werde ich nicht mehr einem Ungewissen Gefühl vertrauen, daß Gott barmherzig ist. Hiermit beruhigte sich Petrus nicht, als er sich selbst als einen Sünder in der Gegenwart des Herrn fand. Er sagte: „Gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!" Er fühlte, daß die Sünde und Christus, der heilige Herr. nicht'zusammen sein konnten. So ist es immer, wenn die Seele dahin gebracht ist, sich vor Gott zu fürchten. Die Idee einer Vergleichung wird ein Schrecken für den sein, dessen Gewissen über die Sünde autgeweckt ist. Worauf aber kann er dann in Wahrheit sein Vertrauen setzen? Allein darauf, daß Gott voll Gnade und Erbar­men ist, und daß Er gerade für solche, wie er einer ist,. Seinen eingebo­renen Sohn dahingegeben hat.

Wenn ich um mich her blicke, so sehe ich Beweise der Güte Gottes, aber auch weit ausgedehntes Elend und Jammer, sodaß ich nicht begreife, wie man dabei sagen kann, daß Gott die Liebe ist. Und jene Beweise der Güte verurteilen mich sogar; denn ich habe diesen Gott beleidigt. • Wenn ich mich zur Vorsehung wende, so finde ich alles in Verwirrung. Wie oft hat der Gottlose die Oberhand. Wenn ich auf das Gesetz sehe, — es verdammt mich, und läßt mich ohne Hoffnung.

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 In der Schöpfung um mich her sehe ich Dinge, die von Gott zeugen, aber nichts, was Ihn offenbart. In Christo aber finde ich, was Gott offen­bart. Er ist der „treue Zeuge" Gottes, und zwar in dieser Welt, die voll von Sünde ist. Im Himmel ^wird kein Zeugnis nötig sein. Ich kann jetzt zu Jesu gehen, und Gott in Ihm sehen. Und hast du je eine Tat oder ein Wort dieses treuen Zeugen, während Seines Wandels hienieden, gefun­den, das nicht Liebe war? Niemals. — Natürlich mußte Er den Heuchler entlarven. Aber sobald jemand aufrichtig ist — und wäre er der größte Sünder in der Welt — sobald er nichts anderes sein will, als was er in der Gegenwart Christi wirklich ist, wird er niemals finden, daß Gott etwas anderes gegen ihn ist, als Liebe. Er muß uns von der Sünde über­zeugen. Er wird uns die Maske abnehmen, unsere Selbsttäuschung uns autdecken; aber dann ist Er vollkommene Liebe und nichts anderes. Wes­halb kam Christus hernieder? Um zu sehen, ob Sünde da war? 0 nein! Das wußte Er; Er kam einfach hernieder, weil die Sünde da war. Dieselbe Sünde, die mich zu Schanden macht, ist dieselbe Sache, welche Ihn in Liebe herniedergebracht hat.

Bei dem Weibe, welche eine Sünderin war, in Lukas 7, demütigt Christus den Simeon und bekümmert sich nicht um die Gäste. Warum? Weil ein armes Weib da war, die in Liebe getröstet zu werden bedurfte. Christus kam an den Ort, wo die Sünde war. Er kennt meine Sünden;

Er weiß alles, was ich bin; und dennoch liebt Er mich. Sicherlich liebt Er nicht den sündhaften Zustand, worin ich bin, aber Er liebt mich, der ich darin bin. Er wird auf den Boden schreiben (siehe Ev. Joh. 8), um mein Gewissen wirken zu lassen; Er wird nicht zugeben, daß ich mit mir selbst zufrieden bin, sondern Er will haben, daß ich in S e i -nen Gedanken über mich ruhe. Das Herz zwar müht sich oft lange ab, um mit sich selbst zufrieden zu sein; aber Gott reißt diese falsche Stütze nieder; und sobald dies geschehen, ist Er bemüht, daß wir an Ihm, wie wir sind, unser Genüge haben. Er will uns ruhen lassen in der Erkennt­nis Seiner vollkommenen Liebe. „In Ihm, der uns geliebt hat", finden wir allein wahre Ruhe.

Aber das ist nicht alles. Es wird noch hinzugefügt: „und uns von unseren Sünden in Seinem Blute gewaschen hat". Es ist nicht gesagt:

„der uns waschen will", sondern „uns gewaschen hat". Wir bedürfen dies jetzt, um im Frieden und in heüiger Zuneigung vor Ihm zu sein:

„In Seinem Blute gewaschen". Wer hat das getan? Christus; Er hat uns „von jedem Flecken gereinigt". Und wenn Er uns gewaschen hat, so hat Er es in Gerechtigkeit getan. Er hat alle unsere Sünden getilgt, und zugleich diese ganze, vollkommene Gerechtigkeit bewahrt, die uns unserer Sünden wegen zittern machte. In Übereins Ummung mit derselben, „hat Er uns von unseren Sünden in Seinem Blute ge­waschen". Er wußte, was unsere Sünden vor Gott -waren, und in diesem Bewußtsein gab Er Sich hin; ja, Er Selbst gab Sich ganz und gar für mich dahin. Ein Engel konnte es nicht, noch sollte er es tun; er ist berufen, seine erste Behausung zu bewahren, — nur Christus allein ver­mochte es zu tun. In der Handlung Christi, um mich von meinen Sünden abzuwaschen, finde ich, daß Er Sein Blut, Sein Leben, Sich Selbst für mich hingegeben hat. Und nicht einen einzigen Beweggrund finde ich, der nicht Liebe zu mir war. Dies ist die Erkenntnis, die ich von Christo

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 erlange. „Er hat mich gewaschen von meinen Sünden'in Seinem Blute". Dies ist es, was ich zuversichtlich glaube. Ich glaube, daß jede Sünde weggewaschen ist, und daß Er es getan hat — wie im Hebräerbriefe gesagt wird: „durch Sich Selbst hat Er uns von unseren Sünden ge­reinigt". „Ach", sagst du vielleicht, „wenn ich dieses nur fühlte"! Aber laß mich dich fragen: Werden deine Gefühle dem Werte des Blutes Christi hinzugefügt? 0 nein! Warum willst du denn nicht in dem ruhen, was Gott in Betreff deiner Sünden vollkommen befriedigt hat? Die Frage der Sünde brachte Christus zwischen Gott und Sich Selbst in Ordnung. „Durch Sich Selbst reinigte Er uns von unseren Sünden". Er tat es gemäß der Heiligkeit Gottes und gemäß meines Bedürfnisses. Und welche Reinheit, welche das Auge Gottes erfordert. Er beseitigte alles vollkommen, was uns von Gott trennte, sodaß wir in das Licht gebracht sind, wie Gott im Lichte ist; und indem Er es getan hat, ist seine voll­kommene Liebe offenbart worden.

Noch mehr: „Und uns zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater gemacht hat" Wenn ich jemand in den Besitz von allem bringe, was ich selbst habe, so gebe ich ihm den völligsten Beweis meiner Gunst. Die Güte mag etwas für jemand hergeben; aber jenes ist vollkommene Liebe. Ich kann nicht mehr tun. Nun, dies ist es, was Christus getan hat;

und Er ist der König und Priester. Dies ist umso mehr wert, weil es dieselbe Sache ist, die Er Selbst hat. — Dies alles aber verkündigt uns auch ebensosehr die vollkommene Liebe des Vaters. Nicht die Liebe Jesu allein, sondern auch die Liebe des Vaters, von welcher Jesus uns die Erkenntnis gibt. Er macht uns zu Priestern Seinem Gott und Vater. Gab es je eine Liebe gleich dieser? Niemals. War Christus je etwas anderes, als Liebe? Niemals. Er ist nichts als die Vollkommenheit der Liebe für uns; — die Summe von allem ist: „Er bat uns geliebt". Hat Er uns noch sonst etwas zu sagen? Nein. Was die Liebe zu tun hatte und zu tun ver­mochte, hat sie getan.

0 welch eine Gnade, in Einfalt eines dankbaren Herzens sagen zu können: „Er hat Frieden gemacht durch das Blut Seines Kreuzes!" „Der uns geliebt, und uns von unseren Sünden in Seinem Blute gewaschen hat, und uns zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater gemacht hat, Ihm sei die Herrlichkeit und die Stärke in die Zeit­alter! Amen."

Hiob 33  Elihu oder „Einer unter Tausend"

(Hiob 33)

Das ganze Buch Hiob stellt in einer sehr lebendigen Weise das Interesse dar, welches Gott an der Geschichte, der Erfahrung und dem Zustande einer einzigen Seele nimmt. Es ist ein langes Buch von zwei-undvierzig Kapiteln und enthält eine Darstellung verschiedener Ereig­nisse und Umstände, mancherlei Wirkungen und Einflüsse, die aber alle in Beziehung zu der Geschichte einer Seele stehen. Himmel, Erde und Hölle werden auf den Schauplatz gebracht. Jehova, Satan, die Sabäer, die Chaldäer, das Feuer vom Himmel und der Wind von der Wüste, Hiobs Weib, Hiobs Freunde — kurz alles wird in Tätigkeit gesehen, alles in Anspruch genommen in Beziehung zu einer einzigen Seele. Diese eine

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 Tatsache ist genügend, um für das Buch Hiob ein besonderes Interesse zu erwecken. Es gibt uns eine Belehrung —eine sehr eindringliche Be­lehrung über den Wert, den eine Seele in den Augen Gottes hat, und über Seine Teilnahme an allem, was dieselbe betrifft, sei es groß oder klein.

Das, was ich hier darzustellen beabsichtige, ist keineswegs eine Be­trachtung über das ganze Buch Hiob zu geben, sondern ich möchte nur die Aufmerksamkeit meines Lesers auf den Dienst des Elihu lenken, auf den Platz, den derselbe einnimmt, und auf die Wirkung, die er in Hiobs geistlicher Geschichte hervorbringen sollte.

Die Bedeutung des Wortes „Elihu" ist: ..Gott ist es". Er steht vor­dem geistlichen Gemüt als das bezeichnende Vorbild des Herrn Jesu Christi, welcher ist „Gott über alles, gelobt in Ewigkeit;"  „Gott geoffenbart im Fleisch"; — „der Eine Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Jesus Chri­st u s". Der Zeitpunkt, in welchem Elihu handelnd auftritt, ist der be­sonderen Aufmerksamkeit meines Lesers wert. Die drei Freunde Hiobs hatten gänzlich ihre Aufgabe verfehlt, ihm in seinem Falle auf die rechte Weise zu begegnen. Ihr Dienst war ganz einseitig. Sie brachten eine be­trächtliche Masse von Wahrheit zusammen, um sie auf ihn zu legen;

aber da war keine Gnade. Ein einziges Beispiel möge genügen, um den Grundsatz all ihrer Ansprachen zu beleuchten: „Wie mag ein Mensch gerecht sein vor Gott? Und wie mag rein sein eines Weibes Kind? Siehe, der Mond scheinet noch nicht, unddieSternesindnichtreinvorSeinenAugen. Wieviel wenigerein Mensch, die Made, und ein Menschenkind, der Wurm" (Kap. 25, 4—6)? Bildad und seine Gefährten konnten wohl diese Fragen aufstellen, aber sie konnten sie nicht beantworten. Sie konn­ten verwunden, aber nicht heilen; sie konnten niederreißen, aber nicht aufbauen; und daher finden wir Hiob wieder in solchen Ausdrücken sich Luft machen, wie folgende: „Ja ihrseid die Leute, mit euch wird die Weisheit sterben". — „Ich habe dergleichen oft gehört; ihr seid allzumalleidige Tröster". — „Wie lange plaget ihr d»o ch meine Seele, und zermalmet mich mit Worten?"— „Ach, daß ich wußte, wo ich Ihn finden könnte"! — „Was hast du nun geholfen dem Ohn­mächtigen? Wie hastdu gerettet den kraftlosen Arm? Was hast du Rats gegeben dem Unweisen?" — „Ihr seid allzumal unnütze Ärzte".

Solches waren die Ausdrücke, die Seufzer, welche Hiob ausstieß -• unter dem einseitigen Dienst seiner drei Freunde, deren Absichten ohne Zweifel gut und aufrichtig waren; aber ihnen mangelte etwas Wesent­liches, welches sie allein fähig gemacht haben würde, mit einem Sünder zu handeln: sie hatten keine Gnade. Sie wußten Hiob nicht zu sagen, wo er Den finden konnte, den er suchte. Sie hatten keine Kraft für den Kraftlosen, oder. Weisheit für den Toren, oder Vergebung für den Schul­digen, oder Balsam für den Verwundeten, oder Arznei für den Kranken oder Leben für den Toten. Nichts als gesetzlicher Ernst und unbiegsame Strenge war bei diesen drei Männern, welche es zwar gut mit Hiob mein­ten, aber es nicht verstanden, ihm auf die rechte Weise zu begegnen; sie waren unfähig, einen armen, blinden, hilflosen, bedürftigen, schuldigen

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 Sünder'zu trösten. Um vor Bildad und seinen Gefährten bestehen zu können, muß man keine Wunden, keine Beulen, keine Flecken und Run­zeln haben. Wenn nur. eine einzige Wunde da .ist, so werden diese „un­nützen Ärzte" gewiß ihren durchbohrenden Blick darauf haften lassen, um die entmutigende Frage zu erheben, warum und woher dieselbe ge­kommen sei. Wenn nur ein einziger Unglücksfall sich ereignet, so werden diese „leidigen Tröster" gewiß das Auge mit kalter Strenge darauf rich­ten und fragen, warum es so kommen mußte. Wenn nur ein einziges Ge­brechen zu finden ist, so werden diese ernsten Richter sicher mit dem Finger darauf hinweisen und fragen, warum es nicht geheilt sei.

Es war deshalb augenscheinlich unimöglich, daß Hiob und seine Freunde jemals zu einer Verständigung hätten kommen können. Sie verlangten, was er nicht zu tun vermochte; und er bedurfte, was sie nicht geben konnten. Sie selbst standen auf dem unrichtigen .Grunde, als sie sich mit ihm beschäftigten, und sie waren unfähig, ihn auf den rechten Grund zu stellen, um ihnen zu antworten. So stand es zwischen Hiob und seinen Freunden. Er wollte sich selbst rechtfertigen, und hierin lag sein Irrtum; — sie wollten ihn verurteilen, und dies war ihr Fehler. Hätten sie die Plätze gewechselt, so würden sie einander besser ver­standen haben; aber so, wie es war, konnte man nichts anderes erwarten, als einen endlosen Wortstreit — einen beständigen Widerspruch. Er wollte ihnen nichts bekennen, und sie wollten ihm keine Nachsicht wider­fahren lassen. Er hatte für sie keine bußfertigen Seufzer, "und sie hatten für ihn keine zärtlichen Ausdrücke. Es war eine hilflose Lage.

Auf diese Weise war die Szene vorbereitet, um von Elihu betreten zu werden. Er war der Mann, den man gebrauchte. Er brachte gerade das mit sich, was Hiob bedurfte, und was seine Freunde ihm nicht geben konnten. Hiob hatte sehr nach einem solchen Manne sich gesehnt; er hatte ernstlich nach einem Schiedsrichter verlangt; und nun stand dieser Schiedsrichter vor ihm in der vorbildlichen Person des Elihu — ein Bild Dessen, durch welchen beides, „Wahrheit und Gnade", von Gott zu dem Menschen gekommen ist. „Das Gesetz war durch Moses ge-ge-ben; aber die Gnade und die Wahrheit sind durch Jesum Christum geworden". Hier bricht die moralische Herr­lichkeit der Person und des Dienstes Christi in ihrem ganzen unvergleich­lichen Glänze hervor. Er brachte „Wa h r h e i t", um den wirklichen Zu­stand des Menschen zu offenbaren; und er brachte Gnade", um diesem so offenbar gemachten Zustande zu begegnen. Die Wahrheit stellt den Sünder auf seinen rechten platz; und die Gnade bringt Gott hernieder, um ihm daselbst zu begegnen. Die Gnade kann nicht abgesondert von der Wahrheit wirken; und die Wahrheit will nicht getrennt von der Gnade handeln. Beide sind in dem herrlichen Dienste unseres Herrn und Heilandes unzertrennlich miteinander verbunden. Die Herrlichkeit, welche jedes einzeln hat, wenn man sie getrennt erblickt, wird zwiefach groß, wenn sie in Verbindung treten. Die Wahrheit, welche die hei­ligen Ansprüche Gottes behauptet, scheint nur deso heller durch ihre Vereinigung mit der Gnade, welche vollkommen all den tiefen Bedürf­nissen des Sünders begegnet; und die Gnade, welche den Bedürf­nissen des Sünders begegnet, wird nur desto herrlicher durch die Grund­lage der Wahrheit, auf welcher sie ruht. Wir werden diese beiden Ele-

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 mente, „Gnade und Wahrheit", aufs schönste in dem Dienste des Elihu entwickelt sehen, auf welches wir jetzt unsere Aufmerksamkeit rich­ten wollen.

Als Hiob seine Rede geschlossen und seine drei Freunde aufgehört hatten, ihm zu antworten; oder, mit anderen Worten, als beide Parteien gerade dahin wieder gelangt waren, wo sie angefangen hatten, — „d a entflammte der Zorn de s Elihu, des Sohnes Baracheel von Bus, des Geschlechts Ram; über Hiob ward er zor­nig, daß er seine Seele gerechter hielt, denn Gott ; und über seine drei Freunde ward er zornig, daß sie keine AntwortfandenunddochHiobverdammten" (Kap. 32, 2. 3).

Hier trifft Elihu, in der Ausübung seines wahrhaftigen Dienstes, genau den Punkt, in welchem beide, Hiob und seine Freunde, von An­fang an geirrt hatten. Er wendet sich zuerst an die Freunde: „Siehe, ichhabe geharret euren Worten; ich habe aufgemerkt auteurenVerstand,bisihrträfetdierechteRede;und habe Acht gehabt auf euch; aber siehe, da ist keiner unter euch, der Hiob strafe, oder seiner Rede ant­worte. Daß ihr nicht etwa saget: wir haben die Weis­heit getroffen; Gott wird ihn schlagen und kein Mensch" (Kap. 32, 12. 13). Sie hatten ihn verdammt, ohne ihn zu über­führen. Die göttliche Weise ist im Gegenteil, einen Menschen zu über­führen und ihn sich selber das Urteil sprechen zu lassen. Die Sprache einer göttlich überführten Seele ist: „Gott aber sei wahrhaftig, jeder Mensch aber Lügner; wie geschrieben steht:

daß du gerechtfertigt seiest indeinen Worten, und überwindest, wenn du gerichtet wirst" (Röm. 3, 4). Aber Hiobs Freunde hatten dieses Resultat nicht erreicht, und deswegen tadelt sie der glaubensvolle Elihu; und sie werden genötigt, stumm und er­staunt in seiner Gegenwart zu bleiben.

Soweit in Betreff der drei Freunde. Laßt uns jetzt seine Anrede an Hiob etwas näher betrachten. Alles ist in lieblicher, moralischer Ordnung. Wir wollen uns für jetzt nur auf zwei oder drei leitende Punkte in Kap. 33 beschränken.

Vor allen Dingen stand Elihu vor Hiob, als derjenige, welcher seiner Not begegnen konnte: „Siehe, ich bin nach deinem Wunsche an Gottes Statt; und aus Ton binauch ich gebildet"' (V. 6. Vergl. 9, 33 u. 13,3). Welch ein getreues Vorbild von Christo! „An Gottes Statt" und dennoch „gebildet aus Ton".

Das ist etwas für einen armen, hilfsbedürftigen Sünder. „Siehe, du darfst vor mir nicht erschrecken; und meine Hand solldirnichtzuschwer sein" (V. 7). Hier erklingen die rühren­den, herzgewinnenden Töne der Gnade in das Ohr Hiobs. Bisher hatte er nur die Ausdrücke eines harten Urteils und einer schneidenden Strenge gehört, während er jetzt auf die Worte leutseliger Zärtlichkeit lau­schen konnte. Und ach! welch eine Freude erfüllte das. Herz eines über­führten Sünders, wenn ev von den Lippen Jesu jene Worte hört: „Und meine Hand soll dir nicht zu schwer sein". Und dies ist in Wahrheit Seine gnädige Sprache zu Jedem, der seinen wahren Platz

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 als ein verlorener Sünder einnimmt. Die Hand Christi, war nie, wird nie und kann nie schwer sein auf einer bußfertigen Seele. Er wird nie den Mühseligen und Beladenen, der zu Ihm kommt, ohne Er­quickung lassen.

Es fällt aber dem Sünder sehr hart, zu glauben, 'daß des Herrn Hand nicht schwer auf ihm liegen sollte. „T a g u n d Nacht", sagte. jemand, „war Deine Hand,schwer aufmi r". Aber warum war. es so? Weil er nicht seinen rechten Platz im Bekenntnis und Selbst­gericht eingenommen hatte. Aber im selben Augenblicke, wo er spricht:

„Ich werde Dir kundtun meine Sunde und meine Ungerechtig­keit nicht bedecken"; ich sagte: „ich will Jehoya. bekennen meine Übertretungen"; da war es nicht mehr die schwere Hand, sondern: „und D u wirst mir v e r g e b e n die Ungerechtigkeit meiner Sünden" (PS. 32). So ist es immer. Göttliche Vergebung folgt sogleich auf menschliches Bekenntnis. Solange der Sünder damit zurückhalt — solange irgend ein Vorbehalt bleibt, irgend ein Deckmantel oder eine Entschuldigung, irgend ein Verbergen der Sünde, irgend ein Anspruch, auf Gerechtigkeit oder Frömmigkeit, irgend eine Voraussetzung von Kraft oder Weisheit so lange muß auch die schwere Hand bleiben; aber in dem Augen­blicke, wo der Sünder den Platz des Selbstgerichts einnimmt, da heißt es auch: „Siehe, du darfst vor mir nicht erschrecken, und meine Hand soll dir nicht zu schwer sein". Die schwere Hand der ewigen Gerechtigkeit lag auf dem Lamme, welches der Welt Sünden wegnimmt, als es am Kreuze hing, um sie auf immer von dem armen, sich selbst verdammenden Sünder zu entfemen.

Dies wird völlig die Meinung Elihus erklären, wenn er sagt: „So denn ein Engel, ein Mittler, einer aus. tausend, ihm beistehet, zu verkündigen dem Menschen seinen rechten Weg: — so wird er ihm gnädig sein, und sa­gen- Erlöse ihn, daß er nicht hinunterfahre ins Ver­derben; ich habe eine Versöhnung gefunden" (V. 23. 24).

Es gibt in der Tat nur „Einen unter Tausend", welcher einem Men­schen zeigen wird, worin seine wahre Auufrichtigkeit besteht. Für einen, der ihm in Betreff dieses die Wahrheit sagen wird, werden es neunhun-dertneunundneunzig andere geben, welche ihm sagen werden, daß die Aufrichtigkeit darin bestehe, sein Bestes zu tun, sich zu bemühen, ein gutes Leben zu führen, Anstrengungen zur Selbstbesserung zu machen und dergleichen mehr. Wenn die „Aufrichtigkeit" in diesen Dingen be­stände, dann hatte Hiob Überfluß daran. Wenn mein Leser ein wenig das 29. Kapitel betrachtet, so wird er finden, daß Hiob, wie man zu sagen pflegt, auf der höchsten Stufe stand, als ein Mann, der den Ruf der größten Moralität und weitherzigsten Wohltätigkeit hatte, Dinge, welche an und für sich wirklich schön sind. Und dennoch, sobald der treue „Engel" — der wahrhaftige „Mittler" —und „Eine unter Tausend" den Schauplatz betritt, gibt er einen ganz. und gar veränderten Gesichtspunkt über die Sache. Er sagt uns, daß des Menschen Aufrichtigkeit darin bestehe, zu bekennen, daß man gesündigt habe. Erwartet Er von den Menschen, daß sie Ihm sagen: „Ich habe ein gutes Leben geführt — ich habe Tausende • den Armen gegeben — ich habe viel gebetet — viele Tränen vergossen . — viel gefastet — viele Predigten gehört — viel in der Bibel gelesen —

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 alle Arten guter Werke getan". Ists dieses? 0 nein! aber wenn jemand sagt: „Ich habe gesündigt und Unrecht getan — was dann? Wird Er ihn dann in die Hölle werfen? Nein; „Er wird seine Seele erlösen, daß sie nicht ins Verderben fährt, sondern daß sein Leben das Licht sieht".

Beachte dies wohl, geliebter Leser, ich bitte dich! Des Menschen Aufrichtigkeit besteht darin, zu bekennen, daß er gesündigt habe. Wie einfach! Und doch, so einfach es ist, so schwer wird es dem Herzen, sich auf diesen Grund zu stellen. Wie schwer fand es Hiob! Welche Gegen­reden! Welch ein Wortstreit! Welche Selbstrechtfertigung! Welches Rüh­men seiner guten Werke! Welches Zufluchtnehmen zur öffentlichen Mei­nung! Welch ein Prozessieren! Welch unermeßliche Schwierigkeit, um mit sich zu Ende zu kommen, und seinem Herzen jenen Ausdruck wahrer Aufrichtigkeit abzupressen — die wenigen Wörtlein: „Ich bin ein Sünder". So ist es mit dem armen menschlichen Herzen. Es ist so schwer, das ganze Gebäude seines guten Rufes' um sich her in Trümmern liegen zu sehen! Und dennoch ist es nur unter den Trümmern des eigenen Ichs, daß einer den Anblick der Herrlichkeit genießen kann. Behaupte deinen eigenen Charakter — baue auf deinen eigenen Ruhm — wirke deine eigene Gerechtigkeit — was aber wirst du damit gewinnen? Gerade dadurch .wirst du eine unübersteigliche Schranke zwischen deiner Seele und dem Heile Gottes aufrichten. Diese Schranke muß niedergerissen werden, sie muß in Staub zerfliegen zu deinen Füßen, ehe deine Seele sich sonnen kann in den Strahlen jener freien Gnade, welche durch Ge­rechtigkeit herrscht zum ewigen Leben, durch Jesum Christum, un­seren Herrn.

Es ist von der größten Wichtigkeit, ein klares Verständnis über die Frage von der Aufrichtigkeit des Menschen zu haben. Es ist zu befürch­ten, daß sehr wenige sie verstehen. Der einzig wahre Grund für einen Sünder ist das Bekenntnis des völligen Verderbens. „Ich habe ge­sündigt"; — dies ist es, was ich getan habe. „Ich bin verdor­ben"; — dies ist es; was ich bin. Diese wenigen Worte bezeichnen die ganze Summe der Werke und des Z'ustandes des Menschen und bilden das einzige Formular für eine aufrichtige Seele. „S i ehe, wer über­mütig ist, dessen Seele ist nicht recht in ihm ; aber de r Gerechte aus.s einem Glaufcen wird leben" (Hab. 2, 4). „Gott sei mir Sünder gnädig"! ist der einzige Seufzer eines auf­richtigen Herzens. Wenn ich nicht aus innerster Seele mich als verloren bekenne, so bin ich nicht aufrichtig. Wenn ich wähne, daß ein einziger guter Zug in meiner Natur und in meinem Charakter vor den Augen Gottes liege, dann habe ich noch nicht recht die Stimme des Mittlers — des „Einen unter Tausend" gehört.

Und nun laßt mich fragen: „Was empfängt eine Seele, wenn sie Aufrichtigkeit gelernt hat"? — Sie empfängt, der Rede des Elihu gemäß, drei Dinge: Erlösung, Gerechtigkeit und Auferweckung. Das göttliche Zeugnis für jede überführte, sich selbst verdammende Seele ist dieses:

„Ich habe eine Erlösung erfunden"; und nicht: „Gehe hin und finde sie, wo du kannst"! Nein! Gott versichert mich, daß Er Selbst sie gerunden hat, — alles gefunden, was nötig war, — gefunden für alle, welche sich selbst als verloren erkennen und bekennen, — gefunden für mich. Gott erklärt sich befriedigt durch das Lösegeld; und es kann auch ..

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 nicht anders sein, da Er Selbst es erfunden hat. Er hat Seine Befriedigung durch die Auferweckung Dessen bewiesen, welcher mit Seinem Blute die furchtbare Schuld bezahlt, das Lösegeld für mich entrichtet hat. Er kann jetzt dem Sünder diese freisprechenden Worte sagen: „Erlöse ihn, daß er nichthinunterfahreins Verderben" — Worte, die mir auf der einen Seite sagen, daß es eine Grube .gibt, woraus ich erlöst werden muß, während sie mir auf der anderen Seite von der Gnade erzählen, die mich daraus erlöst. Gott kann jetzt zu dem armen zitternden und bußfertigen Sünder sagen: „Meine Hand soll dir nicht zu schwer sein"; und indem Er dieses ausspricht, weist Er auf das Kreuz hin, wo das Lösegeld mit dem Blute Seines eingeborenen, ewigen Sohnes bezahlt wurde. Möge mein Leser jetzt erfahren, wenn er es bis dahin noch nicht erfahren hat, welch einen Wert dieses Lösegeld hat, und wie vollständig die darauf gegründete Erlösung ist!

Innigst verbunden mit diesem Lösegekte, ja gegründet auf dasselbe, ist die göttliche Gerechtigkeit, welche Gott der Seele nahebringt, die ihre Schuld und ihr Verderben erkennt und bekennt. Elihu sagt: „E r wird dem Menschen seine Gerechtigkeit wiederge­ben", das heißt: Gott gibt mir Seine Eigene Gerechtigkeit, sobald ich die allein aufrichtige Stellung vor Ihm eingenommen habe, welche darin besteht, daß ich bekenne: „Ich habe gesündigt"! In demselben Augen­blicke, wo mein Herz bekennt, daß es vor Gott nichts als Schuld hat, in demselben Augenblicke sagt Er zu mir, daß Er eine Gerechtigkeit für mich hat, — eine göttliche Gerechtigkeit, gegründet auf ein göttliches Löse­geld. Dies ist das gerade Gegenteil von meiner Bemühung, mich selbst vor Gott zu rechtfertigen — Ihm eine eigene Gerechtigkeit bringen zu wollen. Alles, was ich sagen kann, ist dieses: „Siehe, ich bin nichtswürdig". Die göttliche Antwort tönt dagegen mit Klarheit in das Ohr des Glau­bens: „Ich bringe dir meine Gerechtigkeit nahe". Gott hat das Lösegeld erfunden; Er Selbst bringt die Gerechtigkeit nahe und reicht sie dar. Als wir Sklaven waren, bezahlte Er das Lösegeld, und als wir schuldig waren, sorgte Er für das Kleid der fleckenlosen Gerechtigkeit. Es ist alles von Gott. So lange der Sünder in dem Wahne bleibt, daß er Gott eine eigene Gerechtigkeit bringen müsse, so lange ist alles dunkel; und das Dunkel ist tief und steht im Verhältnis zu der Übung des Gewissens. Aber sobald er durch den wahrhaftigen Mittler — den „Einen unter Tau­send" — erfährt, daß er ganz verderbt ist, daß er in großem Irrtum, gelebt, daß, anstatt seiner Mühe, eine Gerechtigkeit für Gott zu wirken, Gott schon eine Gerechtigkeit für ihn bereit hat, und daß diese Gerechtigkeit eine „Gabe" ist — durch Jesum Christum, unseren Herrn, alsobald ist sein Herz erleichtert, sein Gewissen befreit, seine ganze Seele mit Frieden und Freude erfüllt. Er erkennt dann seine Torheit, daß er so lange ge­trachtet hat, seine eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und ist fähig, hie­nieden schon in das Lied einzustimmen, welches er für immer in der Herrlichkeit zum Preise Dessen singen wird, „der uns geliebt und uns von unseren Sünden in Seinem Blute gewaschen hat".

Und jetzt zum Schluß noch ein Wort über die Hoffnung der Auf­erstehung, welche Elihu in seiner eigentümlichen Form einführte: „Sein Fleisch wird grünen, mehr denn in der Jugend; er wird wiederkehren zu den Tagen seiner Jünglingschat t"

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 (V. 25). Dies vollendet das liebliche Gemälde. Das Lösegeld ist der Grund der Rechtfertigung, und die zukünftige Herrlichkeit ist die Hoffnung aller derer, welche die Gerechtigkeit empfangen haben. „Denn wir er­warten durch den Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit" (Gal. 5, 5). Dies ist die Hoffnung, welche aus unserer neuen Stellung vor Gott entspringt. Wir haben die Gerechtigkeit empfangen, und wir warten auf die Zeit, Wo wir mit Christo in der Herrlichkeit offenbar werden sollen. Dann wird es keine Sorgen, keine Seufzer, keine Krankheiten oder Schmerzen, keine Schwachheit, keinen Tod, keine Trennung noch Trübsal mehr geben. Das Grün und die Frische der Un­sterblichkeit werden uns für immer bekleiden. Wir werden eine ewige Jugend besitzen. „Geliebte! jetzt sind wir Gottes Kinder, und es ist noch nicht offenbart worden, was wir sein werden; wir wissen aber, daß, wenn (Er) offenbart ist, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn se­hen, wie Er ist" (1. Joh. 3, 2). „Denn unser Wandel ist in den Himmeln, •woher wir auch als Heiland den Herrn Jsum Christum erwarten, der den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten wird, daß er dem Leibe Seiner Herrlichkeit gleichförmig sei, nach der Wirkung, womit Er vermag, auch alle Dinge sich untertänig zu machen" (Phil. 3, 21).

Möge der Herr durch Seinen Geist diese heiligen Unterweisungen aus Seinem Worte auf die Tafeln unserer Herzen eingraben, damit wir eine erhabenere Vorstellung von dem Werte des Lösegeldes und von der darauf gegründeten Gerechtigkeit bekommen, und eine lebendigere Hoff­nung jener Herrlichkeit in uns nähren, in welcher wir um ein gar Kleines erscheinen werden!

Psalm 22  Die Leiden und die Lobgesänge Christi

(Psalm 22)

Das Resultat der Wahrheit in "diesem Psalm ist, daß diejenigen Gott loben sollen, welche Ihn suchen. Es ist die Frucht der lauteren Gnade, welche hier auf eine sehr bemerkenswerte Weise hervortritt, und ganz und gar von einer Hoffnung oder Verheißung unterschieden ist. Es ist sicherlich keine Verheißung, daß der Heilige von Gott verlassen sein Sollte, und dennoch ist dies hier die Ursache des Lobes.

In Psalm 19 haben wir das Zeugnis der Schöpfung und des Gesetzes. Es ist ein. feierlicher Gedanke, daß der Mensch alles, was irgendwie von ihm berührt worden ist, verdorben hat. Die Schöpfung seufzt, sobald ein Mensch dagewesen ist. Aber wenn ich das anschaue, was der Mensch nicht erreichen kann: den Mond, die Sterne etc. etc. — alles ist herrlich. „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Veste verkündigt Seiner Hände Werk" (V. 7 usw.) „das Gesetz Jehovas ist vollkommen, wiederherstellend die Seele, das Zeugnis Jehovas ist wahrhaftig, beleh­rend den Unkundigen. Die Befehle Jehovas sind richtig, erfreuend das

-                                                               »

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 Herz; das Gebot Jehovas ist rein, erleuchtend die Augen". Hier handelt es sich nicht darum, ob der Mensch das Gesetz halten kann oder nicht, sondern um dessen innere Vollkommenheit und dessen Wert jür jene, welche durch die Gnade von dem Lichte desselben Nutzen ziehen. Auch können diese Zeugnisse nicht verändert werden. Der Mensch erfüllte frühzeitig die Erde mit Verderbtheit und Frevel. „Und Gott sah auf die Erde, und siehe, sie war verderbt, und Gott sagt: Das Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen; denn die Erde ist voll Frevels von ihnen" (1. Mos. 6, 12. 13). Die Himmel, überall ausgebreitet, und die Sonne, welche in unermüdlichem Kreislauf von einem Ende zum anderen läuft, sind die glänzenden, unveränderlichen Zeugnisse der göttlichenHerrlichkeit, die außer dem Bereiche der schändenden Hand des Menschen liegen. Ebenso­wenig ändert sich das Gesetz Jehovas; aber wenn der Mensch das Gesetz Jehovas nicht ändern kann, so ist er ihm ungehorsam. Die Wirkung des Gesetzes ist, von einem sündhaften Menschen zu fordern, daß er nicht sündigen solle.

Beachte im Vorbeigehen die Ordnung der Handlungsweise Gottes. Als die Sünde in die Welt kam, da sagte Gott, daß der Samen des Weibes den Kopf der Schlange zertreten solle. Dies ist keine Verheißung für Adam, sondern das für den Satan angekündigte Gericht. Insofern es eine Verheißung ist, gehört sie dem zweiten Adam. Später kommt ein Wort von bestimmter Verheißung zu Abram, dem Vater der Gläubigen: „In dir sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden". Nachher, als das Opfer auf Morija stattgefunden hatte, wurde, wie vorher, die Verheißung seinem Samen ohne Bedingung gemacht. Es mußte aber die Frage der Gerechtigkeit erhoben werden, weil Gott der gerechte Gott ist. Die Segnung unter dem Gesetz war ebensowohl von des Menschen als auch von Gottes Treue abhängig. Auf Sinai wurde gesagt: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern" (2. Mos. 19, 5). Das Gesetz erhob die Frage der Gerechtigkeit und stellte den Menschen unter den Gehorsam, anstatt ihm seinen Platz als Sünder anzuweisen. Und alles Volk ant­wortete zugleich und sagte: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun". Dies war das Gesetz, und Israel war unter demselben; „so viele aber aus Gesetzes Werken sind, sind unter Fluch". Lange nachher erschien ein anderes Zeugnis. Es kam Einer, der sowohl von der mo­ralischen Natur Gottes, als auch von Seiner Macht zeugte, — Einer, der, anstatt eine bloße Forderung an den Menschen zu stellen, die Gerech­tigkeit Gottes offenbarte, — Einer, der, wenn Er wäre aufgenommen worden, alle Verheißungen in Sich Selbst brachte.

Und wie wurde Christus aufgenommen? Er wurde völlig verworfen. In Psalm 20 ist der Messias in den Tagen der Trübsal betrachtet. Ebenso werden auch die Juden in ihren letzten Tagen Trübsal haben, wenn sie Jesum als ihren Heiland erkennen. Psalm 21 ist die Antwort ihres gött­lichen Wunsches in 'Betreff des Gesalbten Jehovas und der Ausdruck ihrer Freude über Seine Erhöhung als König. „Den Wunsch Seines-Her­zens hast Du Ihm gegeben und das Verlangen Seiner Lippen nicht ver­weigert" (V. 2).

In Psalm 22 aber haben wir eine ganz andere Sache. Christus ist von G" o 11 verlassen. Nicht, als ob Er dort nicht auch von dem

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 Volke, verachtet worden sei. Viele Stiere umgaben Ihn, gewaltige Basans umringten Ihn, die Versammlung der Gottlosen umzingelte Ihn; aber dies alles, welches keiner fühlte, wie Christus allein es fühlen konnte, was war es in der Gegenwart der Ehrfurcht erweckenden Wirklichkeit der Leiden Christi von der Hand Gottes — der Leiden Christi für die Sünde? Es ist ein trauriges aber nützliches Ge­mälde auf Seiten des Menschen; denn es ist bei allen dieselbe Natur, — solche waren wir; aber wende das Bild um, und was ist die andere Seite? Christus hat ans Licht gebracht, was Gott ist, und das ist Liebe, sogar wenn es sich um unsere Sünden handelt.

Was ist der Mensch? Was wer Püatus? Ein ungerechter Richter, der seine Hände wusch, während er Den zum Tode verdammte, welchen er dreimal schuldlos erklärt hatte; und dies auf Anreizung, ja auf Ver­wendung der Hohenpriester und der Leiter des Volkes Gottes. Und die Jünger — was und wo waren sie? „Sie alle verließen Ihn und flohen". Und Petrus folgte Ihm von ferne nach. Aber kaum ist er in den Palast eingetreten, so flucht und schwört er, und verleugnet Jesum drei­mal. Betrachte den Menschen von jeder Seite — und wenn Christus da ist, so ist alles auf die Probe gestellt — und nichts als Sünde kommt hervor. Sein Kreuz, Sein Tod offenbart den wirklichen Charakter von allem; die moralische Geschichte des Menschen ist beendet. „Christus ist in der Vollendung der Zeitalter einmal offenbart zum- Wegtun der Sünde durch das Schlachtopfer Seiner Selbst" (Hebr. 9, 26). Der Mensch ist gewogen und zu leicht gefunden worden. „Das Fleisch nützt auf alle Weise nichts". Es bricht das Gesetz und mißbraucht die Gnade. Das Ende von allem, was ich als Mensch bin, lese ich in dem Kreuze. „Aber wo die Sünde überströmend geworden ist, da ist die Gnade überschweng­licher geworden". — Doch hier noch eine ganz andere Sache. Auf dem Kreuze hing der fleckenlose, gesegnete Mensch; aber verlassen von Gott. Welch eine Tat vor der Welt! Kein Wunder, daß die Sonne, das zentrale und glänzende Zeugnis von Gottes Herrlichkeit in der Natur verfinstert wurde, als der treue und wahrhaftige Zeuge zu Seinem Gott schrie und nicht erhört wurde.

Verlassen von Gott! Was will das sagen? Was hat der Mensch damit zu tun? Welches Teil habe ich an dem Kreuze? Ein einziges Teil: — meine Sünden. Hier ist Einer, der von Gott verlassen ist, und es vor allen Menschen laut bekennt, und keiner ist-da, der es sieht und mitfühlt, wie es in Psalm 20 geschieht. Die Frauen, welche von Galiläa nachgefolgt waren, weinten wohl; aber sie wußten nicht warum. Sie ist nicht zu ergründen, jene höchst feierliche, einsame Stunde, die von allen, früher oder später, völlig verschieden war. Wie glänzt darin die Vollkommenheit Christi! „Der Mann Mose war sehr geduldig über alle Menschen auf Erden"; dennoch erbitterten sie seinen Geist, also daß er unbedacht redete mit seinen Lippen". — „Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört"; dennoch öffnete er seinen Mund, um seinen Tag zu verfluchen, und murrte, daß der Erhalter der Menschen ihn als ein Merkmal gesetzt hatte, sodaß er sich selbst eine Last war. Bei Christo aber kam nichts hervor, als nur das, was vollkommen war.

Was ist das erste von allem, was ich Christo zu sagen .habe? Was bringe ich zum Kreuze? Was habe ich darin? Meine Sünden. ES

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 gibt keine Eitelkeit, die wir Christo nicht vorgezogen haben. Welch ein demütigender Gedanke für uns, für mich! Der Gerechte leidet für die Sünde und rechtfertigt Gott, obschon Er Ihn in der Seelenangst verließ, wo Er Ihn, so zu sagen, am meisten bedurfte. .,D u aber bist heilig, der Du wohnest unter den Lobgesängen Israels. Auf Dich vertrauten unsere Väter; sie vertrauten, und Du halfst ihnen aus. Zu Dir schrieen sie und wurden gerettet; sie vertrauten auf Dich und wurden nicht zu Schanden. Aber ich, ich bin ein Wurm und kein Mann; der Menschen Hohn und der Verachtete des Volkes" (V. 3—6). Es war ein Gehorsam — ein Leiden bis aufs Äußerste. Aber so verlassen Er auch war, so sagt Er dennoch, daß Sein Gott heilig, ganz und gar derselbe sei. Wir wissen jetzt, warum es geschah. Es war für die Sünde, für unsere Sünden, nicht für die Gerech­tigkeit. Unsere Sünden waren unsere alleinige Beisteuer zum Kreuz. Welch eine demütigende Mitteilung auf unserer Seite, aber auf Sei­ner Seite — o, welch eine gesegnete Liebe!

Es ist eine wunderbare Wahrheit, daß der Sohn Gottes in die Welt kam, und Gott Ihn auf dem Kreuze zur Sünde gemacht hat — Ihn, der Sünde nicht kannte. Der fleckenlose Heiland hat den Kelch des Zorns getrunken. Es gefiel Jehova, Ihn zu zerschlagen — Seine Seele zu einem Opfer für die Sünde zu machen. Er hat unsere Ungerechtigkeiten ge­tragen. Was ist die Folge? Er starb unter der Last der Sünde, und was wurde aus ihr? Sie ist ganz und gar hinweggetan; nicht ist sie übertüncht worden, sondern durch das Opfer Seiner Selbst ist sie für immer beseitigt.

Also ist vor dem Tage des Gerichts die Sünde durch Gott auf dem Kreuz Christi vollständig gerichtet worden. Es wird ein Tag des Gerichts kommen, und die, welche nicht glaubten, werden dort die ewige Ver­dammnis finden. Aber für die, welche glaubten, ist hier das Gericht in Christo schon vollzogen. Gott muß die Sünde richten; aber wäre dieses alles, wo würde Seine Liebe bleiben? Wenn Er die Sünde übersähe, wo bliebe Seine Heiligkeit? Das würde nicht Liebe, sondern Gleichgültigkeit gegen das Böse sein. Wenn ich das Kreuz ansehe, so sehe ich den voll­kommenen Sold der Sünde, und dies nicht in der Zerstörung des Sün­ders, sondern in der Person des Herrn Jesu Christi, welcher „einmal für Sünden gelitten hat, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß Er uns zu Gott führe", der in den Sünden, die auf diese Weise vollständig ge­tilgt, verherrlicht wurde. Christus trug die Sünde an Seinem Eigenen Leibe auf dem Holze; Er gab das Leben hin, in welchem Er sie trug, und stand ohne sie wieder auf. Jetzt ist also die Frage der Gerechtigkeit nicht allein erhoben, sondern auch völlig beantwortet. Auch ist es nicht länger eine Verheißung, sondern ein vollbrachtes Werk. Es gibt Ver­heißungen für den Gläubigen, um Ihn zu Seiner Zeit zu erfreuen; aber das Leiden auf dem Kreuze ist beendet und vorüber. Die Versöhnung ist weder eine Schöpfung, noch ein Gesetz, noch eine Verheißung, sondern ein göttliches Werk, gewirkt für die Sünde, und in Christo durch Sein Blut schon vollendet, — in Christo, der jetzt von Gott genommen, und zu Seiner Rechten verherrlicht ist.

Wenn also die Sünde an Christo gerichtet ist, so folgt daraus nichts als Gnade für uns, in Ihm und durch Ihn. Denn wenn Gott am

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 Tage des Gerichts an mir die Sünde richtet, so bin ich verloren. Doch ich sehe, daß Er sie in Christo gerichtet hat, „der um unserer Missetat willen verwundet, und um unserer Sünden willen zerschlagen ward"; und jetzt fließt da ein Strom von ungetrübter Gnade. Denn es ist nicht nur der schonungslose Zorn Gottes auf Christum, den Gekreuzigten, gefallen, sondern Christus tritt auch in die ganze Wonne Gottes ein, nachdem die Sünde hinweggetan ist. Gott war jetzt nicht mehr ein Richter und ein Rächer, sondern ein Befreier vom Tode und von allen Folgen der Sünde, welche Christus auf Sich genommen hatte. Seine Herrlichkeit als Gott und als Vater wurde offenbart, indem Er Christum von dem Tode auf­erweckte, Ihn als Mensch in die ganze Herrlichkeit, und als Sohn in un­endliche Wonne vor Sich setzte.

Welch eine Veränderung ist jetzt da! Christus ist erhört von den Hörnern der Einhörner. Die Auferweckung ist die Antwort Seines Gottes und Vaters. Aber bemerke wohl: Christus hat ein Volk, welches Er Seine Brüder nennt, und zu ihnen muß Er gehen, und ihnen alles erzählen. Gott hat auf eine gerechte Weise und in vollkommener Liebe Ihn aus dem Grabe zurückgebracht, und jetzt sagt der Herr: „Ich will er­zählen Deinen Namen meinen Brüdern, inmitten der Versammlung will ich Dir lobsingen" (V. 22). Niemals ist das göttliche Wohlgefallen in Christo so vollkommen gewesen, als auf dem Kreuze; niemals war Gott so verherrlicht als dort in Ihm; aber es war und konnte in jener schrecklichen Stunde, wo die Sünde gerichtet wurde, wie es niemals wieder geschehen wird, kein Genuß der Gemein­schaft sein. Sobald aber die Sünde getragen und von Gott vollkommen gerechtfertigt und verherrlicht war, handelte es sich .bei Christo darum, andere in den Platz der heiligen Freude und des göttlichen Friedens und Seiner Eigenen Verwandtschaft mit Seinem Gott und Vater einzuführen.

Maria Magdalena weinte am Grabe; denn sie liebte den Herrn und kannte nicht die Errettung in Seiner -Auferstehung. „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie Ihn hingelegt haben". Nach ihrer Meinung war alles verloren, sobald Er weggegangen war. Aber Jesus offenbarte Sich ihr in der Auferstehung und sagte: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber zu meinen Brüdern hin, und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott"!

— Für welche war das Werk getan, wenn nicht für sie? Aber noch mehr als das. Gott war Sein Vater und der ihrige; Sein Gott und der ihrige. Er bringt die Jünger in dieselbe Stellung, in welche Er Selbst eingetreten ist;

Wenn du deine Kinder völlig liebst, so wünschest du sie in dieselbe Stellung, in welcher du selbst bist. So war es mit Christo. Er konnte allein leiden; als aber dies geschehen war, konnte Er auch allein loben? 0 nein: „Inmitten der Versammlung werde ich Dich loben". Alle die Leiden und Schmerzen waren für Ihn; Seine Freude aber wollte Er mit denen teilen, die Er liebte: Er Selbst leitet ihr Lob. Er ist aus un­ergründlicher und unaussprechlicher Angst und Verachtung gekommen,

— und schweigt Er still? Harmoniert nicht der Tön Seines Lobes sehr wohl mit der Finsternis, in welcher Er war? Gibt nicht die Fülle der Freude Antwort auf sein Verlassensein von Gott für unsere Sünden

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 (vergl. V. 24, 25)? Er ist in der Tiefe für uns gewesen; aber jetzt ist Er herausgenommen und lobsingt; und wie sollten wir loben? Mit Ihm in der völligen Gewißheit über das, was Er getan hat. Gott wollte uns frei und glücklich vor Sich haben, und zwar nach dem Werte dessen, was Christus getan hat. Er wollte jedes Böse an uns gerichtet haben;

denn es ist ein heiliger Platz; aber der Platz, wo Er ist, ist das Ergebnis Seines Werkes und Er gibt ihn völlig uns. Könnte ich mit "meinen Sün­den in die Gegenwart Gottes gehen? Ich würde vor Ihm fliehen, gleich Adam. Aber, indem ich an Christum glaube, bin ich in Gottes Gegenwart, weil Er mich dorthin gebracht hat.

Suchst du Gott? Hast du die Stimme Christi gehört? Sie ist nicht mehr der Schrei des tiefsten, nicht erhörten Kummers. Die Versöhnung ist vollbracht; Er Selbst, der angenommene, verherrlichte Heiland, ist von dem Tode auferweckt. Und welch ein Unterschied ist zwischen der Betrübnis, womit Er betrübt war, und Seiner Freude, sobald Er auf­erstanden war! Er sammelt jene um Sich, die Ihn annehmen, und in ihrer Mitte singt Er die Lobgesänge Gottes. Wenn du jetzt Gott suchst, so bist du durch Sein Werk berechtigt, mit Ihm gemeinschaftlich Seinen Lobgesang anzustimmen. Denn es ist nicht «eine Verheißung, sondern eine vollen­dete Tatsache. Glaubst du an Christum? Wenn so, dann bist du vor dem Throne Gottes (der Stellung und nicht der Wirklichkeit nach), durch die Kraft des Kreuzes. Du bist innerhalb des Vorhangs, und deine Sünden sind für immer hinter dir zurückgeblieben.

Von Vers 22 an finden wir nichts als Gnade. Sagst du, der du Gott suchst: „O, daß ich Ihn finden möchte"? Siehe, Er hat dich gefunden;

komm denn und lobe Ihn! Christus ist auf dem Kreuze gewesen, wo Er unsere Sünden trug. Du hast es als eine vollendete Tatsache zu lernen, und nicht zu sagen; „Ich hoffe, Er wird es tun". Das Werk ist voll­bracht, die Sünde ist völlig hinweggetan, und Christus, der .Leiter des Lobes gemäß Seiner Würdigung der Sünde und des wohlverdienten Zornes, den Er in Gnade trug — Christus, der Bewirker der vollkomme­nen Befreiung, ist in Seiner Auferstehung offenbart. Hinfort wird Lob und nichts als Lob gehört. Zuerst lobt Christus in der Mitte der Ver­sammlung Gott, und zugleich werden die, welche Jehova fürchten, auf­gefordert, Ihn zu loben (V. 22. 23). Sein Lob ist im Voraus angestimmt „in der großen Versammlung"; und „es werden Jehova loben, die Ihn suchen, und es werden eingedenk werden und zu Ihm umkehren alle Enden der Erde" (V. 25—27). Im tausendjährigen Reiche wird die Unter­werfung allgemein sein, „alle die Fetten der Erde" — „die in den Staub hinabtahren, und der seine Seele nicht am Leben erhält; denn sie werden verkündigen seine Gerechtigkeit dem Volke, welches geboren werden wird, daß Er es getan hat" (V. 30—32).

In dem Lichte gibt es Erfahrungen des Gewissens; aber wie gelange ich in jenes Licht? Dadurch, daß ich Christum, der die Sünden hinweg­trug, annehme. Wahrlich, wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbart werden; aber es ist der Richterstuhl Dessen, der mich liebt und Sich Selbst für mich dahingegeben hat, der mich errettete, und in welchem ich angenommen bin. Wenn Christus es mit einem Pharisäer zu tun hatte, so nahm Er ihm bald die Maske weg; aber für den, der als Sünder zu Ihm kam, war Er immer Gnade, wie wir bei dem Weibe in

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 Lukas 7 sehen. Niemals behandelte Er eine Seele hart, welche in der Aufrichtigkeit ihres Zustandes kam. Mit solchen redete Er, und wirkte zugleich in der Wahrheit Seiner Gnade. Jenes sündige Weib wurde durch die göttliche Liebe in Christo angezogen, und hörte Ihn die Vergebung ihrer Sünden verkündigen. Sie kannte Seine große Liebe und liebte viel. Und während Christus also beschäftigt war, störte Er Sich nicht mehr an dem Pharisäer, sondern sagte dem Weibe: „Dein Glaube hat dich er­rettet; gehe hin in Frieden"! Und dieselbe Sache, die den Himmel mit Freude erfüllt, erfreute auch ihr Herz.

Ist auch deine Stimme erhoben, geliebter Leser, um mit Christo zu loben? Er ist von dem Zorn und der Finsternis des Kreuzes in das Licht und die Liebe Seines Vaters Gegenwart gegangen und lobsingt. Kannst du mit Ihm lobsingen? Alles Zittern hat dort ein Ende. Glaubst du, daß Er alles vollbracht hat? 0 wie weit bleiben jene, die Ihn suchen, und daran zweifeln, hinter Seinem Herzen zurück. Was ist es, was du glaubst? Und an wen glaubst Du? Weißt du nicht, daß Er den Kelch bis zur Hefe ausgetrunken hat? Und dennoch bist du in Ungewißheit? Wenn du daran denkst, was du bist, so sage ich dir, daß du weit, weit von dem entfernt bist, was du sein solltest. Wenn du aber'an Ihn glaubst, so berechtigt dich Sein Wort, auch mit Ihm zu loben. Er ist in der Gegenwart Gottes infolge Seines Werkes. Er hat Sein Leben hingegeben, indem Er einmal für die Sünden litt, der Gerechte für die Ungerechten, damit Er uns zu Gott führe;

— „Er hat alles vollbracht!"

Der Ruheplatz des Glaubens

Meine Seele kann allein ruhen auf dem vollendeten Werke Christi und auf Seiner vollkommenen unendlichen Annahme, als Dem, der für mich in der Gegenwart Gottes erschienen ist; und „wie E r i s t, so bin auch i c h in dieser Welt", sodaß „hierin die Liebe mit mir vollendet ist, damit ich am Tage des Gerichts Freimütigkeit habe" (1. Joh. 4, 17). Sobald ich aber die Wirkungen des Geistes an dessen Stelle setze, sobald ich die Wirkungen der neuen Geburt anstatt der Erlösung zum Grunde meiner Ruhe mache, habe ich nur dann Hoffnung, wenn ich jene Wirkungen sehe, aber ich verzage, wenn ich die Wirksamkeit des Fleisches sehe. Ich habe das Werk des Geistes an die Stelle des Werkes Christi gesetzt, und weil ich das Vertrauen, das mir festzuhalten befohlen ist, nicht finde, so zweifle ich zuletzt ganz und gar, ob ich im Glauben bin. Dies ist das Resultat, wenn ich das Werk des Geistes Gottes in mir an die Stelle des wirklich vollendeten Werkes Christi, Seines Sieges und Seiner Aufer­stehung setze, an die Stelle dieses sicheren, weil vollendeten Ruhe­platzes des Glaubens, der sich nie verändert, der nie aufhört, sondern immer vor Gott derselbe bleibt. Die Entdeckung der Sünde in dir so häßlich und verabscheuungswürdig sie auch ist, ist kein Grund zum Zweifeln; denn gerade deshalb, weil du ein solcher warst, ist Chri­stus gestorben und wieder auferstanden, und hat dieser Frage für immer ein Ende gemacht.

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Matthäus 26 Ein Herz für Christum

(Ev. Matth. 26)

In diesem ernsten Kapitel sind verschiedene Herzen offenbart. Das Herz der Hohenpriester, das Herz der Ältesten, das Herz der Schrift­gelehrten, das Herz Petri und das Herz des Judas. Aber es gibt hier ein Herz insonderheit, verschieden von all den übrigen — das Herz jener Frau, welche die Alabaster-Flasche mit sehr köstlicher Narde brachte, um den Leib des Herrn zu salben. Diese Frau hatte ein Herz für Chri­stum. Sie mochte eine sehr große Sünderin — eine sehr unwissende Sün­derin gewesen sein, aber ihre Augen waren geöffnet worden, um in Jesu eine Schönheit zu erblicken, welche sie leitete; zu urteilen, daß nichts zu köstlich war, um Ihm gespendet zu werden. Mit einem Wort, sie hatte ein Herz für Christum.

Laßt uns an den Hohenpriestern, Ältesten und Schriftgelehrten vor­übergehen und für einen Augenblick beobachten, wie .das Herz dieser Frau im Gegensatz zu dem Herzen des Judas und auch zu dem des Petrus war.

Judas war ein habsüchtiger Mann. Er liebte das Geld — eine all­gemeine Neigung in jedem Alter. Er hatte das Evangelium gepredigt. Er hatte in Gesellschaft mit dem Herrn Jesu, in den Tagen. Seines öffent­lichen Dienstes, gewandelt. Er hatte Seine Worte gehört, Seine Wege gesehen. Seine Güte erfahren. Aber, ach! obschon ein Apostel, obschon in Gesellschart mit Jesu, obschon ein Prediger des Evangeliums, hatte er doch kein Herz für Christum. Er hatte ein Herz für das Geld. Sein Herz war immer durch den Gedanken an Gewinn bewegt. „Der Beutel" war sein nächster und teuerster Gegenstand. Satan wußte dieses. Er kannte die besondere Begierde des Judas. Er wußte völlig, um welchen Preis er erkauft werden konnte. Er verstand seinen Mann, wie er ihn versuchen, wie er ihn behandeln und gebrauchen mußte. Ernster Gedanke!

Es ist auch zu beachten, daß die wirkliche Stellung des Judas ihn desto mehr für Satan fähig machte. Seine Bekanntschaft mit den Wegen Christi machte ihn zu einem passenden Werkzeug, um Ihn in die Hände Seiner Feinde zu überliefern. Die Kopferkenntnis von heiligen Dingen, wenn das Herz nicht berührt* wird, macht einen Menschen noch schreck­licher unempfindlich, gemein und'böse. Die Hohenpriester und Schrift-gelehrten in Matth. 2 hatten eine Kopferkenntnis von dem Buchstaben der heiligen Schrift; aber kein Herz für Christum. Sie konnten sofort die prophetische Rolle zur Hand nehmen und die Stelle finden, wo geschrie­ben stand: „Und du, Bethlehem, Land Juda; keineswegs bist du die geringste unter den Fürsten Juda; denn aus d i r wird ein Fürst kommen, der mein Volk Israel weiden wird" (Kap. 2, 6). Dies alles war sehr gut, sehr wahr un;d sehr schön; aber dann — sie hatten kein Herz für diesen „Fürsten" — kein Auge, um Ihn zu sehen — sie bedurften Seiner nicht. Sie kannten die heilige Schrift auswendig. Sie würden sich ohne Zweifel beschämt gefühlt haben, wenn sie nicht fähig gewesen wären, auf die Frage des Herodes zu antworten. Es würde eine Schande vor den Men­schen gewesen sein, in ihrer Stellung Unwissenheit zu offenbaren; aber sie hatten kein Herz für Christum, und daher legten Sie ihre Schrift-127

 kenntms zu den Füßen eines gottlosen Königs nieder, der sie, wenn mög­lich, dazu anzuwenden gedachte, den wahren Erben des Thrones um­zubringen. So viel von der Kopferkenntnis ohne die Liebe des Herzens.

Scheint es uns nun nicht, als wenn wir auf die Schrifterkenntnis wenig Wert legten? Das sei ferne. Die wahre Erkenntnis der Schrift muß das Herz leiten, um Jesu zu lieben. Aber es gibt ein gewisses buchstäb­liches Wissen der heiligen Schrift, eine gewisse Fähigkeit, ein Kapitel nach dem anderen und einen Vers nach dem anderen herzusagen; und bei alledem ist das Herz kalt und unempfindlich gegen Christum. Diese Erkenntnis wird jemand nur um so mehr in die Hände Satans bringen, wie es bei den Hohenpriestern und Schriftgelehrten der Fall war. Hero-des würde nicht unwissende Menschen gebraucht haben, ihm Auskunft zu geben. Der Teufel benutzt niemals unwissende oder dumme Leute, um gegen die Wahrheit Gottes zu wirken. Nein; er findet passendere Agenten, um sein Werk zu vollführen. Die Gelehrten, die Geistreichen, Tiefdenkenden — nur vorausgesetzt, daß sie kein Herz für Christum haben — wird er zu jeder Zeit ganz geeignet finden. Was aber bewahrte „die Magier aus dem Morgenlande"? Warum konnte nicht Herodes, und warum konnte nicht Satan auch si e für seinen Dienst anwerben? 0, ge­liebter Leser, bemerke diese Antwort! Sie hatten ein Herz für Christum. Gesegnete Schutzwäffe! Ohne Zweifel waren sie unwissend in der Hei­ligen Schrift. Sie würden nur eine kümmerliche Anwendung von der Untersuchung einer Stelle in den Propheten gemacht haben; aber sie sahen auf Jesum. — sie sahen ernst, aufrichtig, eifrig auf Jesum. Herodes würde sie mit Freuden gebraucht haben, wenn er es gekonnt hätte; aber sie waren nicht dazu da, um von ihm benutzt zu werden. Sie fanden ihren Weg zu Jesu. Sie wußten nicht viel über jenen Propheten, der von dem „Fürsten" gesprochen hatte; aber sie fanden den Weg zu dem „Fürsten" selbst. Sie fanden Ihn in der Person des Kindes in der Krippe zu Beth­lehem; und anstatt Werkzeuge in den Händen Herodes zu sein,, wurden sie Anbeter, zu den Füßen Jesu.

Wäre es nun nicht gut, Unwissenheit in den heiligen Schriften an­zuempfehlen? Keineswegs. Diejenigen werden sicher sehr irren, welche die heiligen Schriften nicht kennen. Es war ein Lob für den Timotheus, daß der Apostel zu ihm sagen konnte: „Weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich zur Seligkeit weise zu machen":

aber dann fügt er hinzu: „durch den Glauben, der in Christo Jesu ist" (2. Tim. 3, 15). Die wahre Erkenntnis von der heiligen Schrift wird uns immer zu den Füßen Jesu leiten; aber die bloße Kopferkenntnis der heiligen Schrift, ohne die Liebe des Herzens für Christum, wird uns nur zu wirksameren Agenten in den Händen Satans machen.

So war es bei dem hartherzigen, geldgierigen Judas der fall. Er hatte Erkenntnis ohne einen Funken von Zuneigung für Christum; und seine große Vertrautheit mit jenem Gesegneten machte ihn zu einem passen­den Werkzeuge für den Teufel, Seine Nähe bei Jesu befähigte ihn, ein Überlieferer zu werden; und der Teufel wußte, daß dreißig Silberlinge seine Dienste erkaufen konnten für das schreckliche Werk der Über­lieferung seines Herrn.

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 Geliebter Leser, bedenke dieses! Hier war ein Apostel — ein Prediger des Evangeliums — ein hoher Bekenner; aber ach! unter dem Deckmantel des Bekenntnisses lag „ein Herz, geübt in Habsucht" — ein Herz, welches einen weiten Raum für dreißig Silberlinge hatte, "aber keinen Winkel für Jesum. Welch ein Fall! Was für ein Gemälde! Was für eine Warnung! 0, alle ihr herzlosen Bekenner, denkt an Judas! Denkt an seinen Wan­del! Denkt an seinen Charakter! Denkt an sein Ende! Er predigte das Evangelium, aber er erkannte es niemals; niemals glaubte er — niemals fühlte er. Er hat Sonnenstrahlen auf einen Vorhang gemalt, aber er hat niemals ihren Einfluß gefühlt. Er hatte ein weites Herz für Geld, aber kein Herz für Christum. Als „der Sohn des Verderbens erhängte er sich selbst" und „ging an seinen Ort". Bekennende Christen, hütet euch vor Kopferkenntnis —Lippenbekenntnis — äußerlicher Frömmigkeit —me­chanischer Religion — hütet euch vor diesen Dingen, und suchet ein Herz für Christum zu haben!

In dem. Petrus haben wir ebenfalls eine Warnung, wenn. auch von ganz verschiedener Art. Er liebte Jesumwirklich; aber er fürchtete das Kreuz. Inmitten der Reihen der Feinde schrak er vor dem Be­kenntnis Seines Namens zurück. Er prahlte von dem, was er tun wollte, wenn es ihm selbst sein Leben kosten würde. Er war aber fest einge­schlafen, als er hätte auf seinen Knieen sein sollen. Anstatt zu beten, schlief er; und dann, anstatt ruhig zu sein, zog er sein Schwert. „Er folgte Jesu von ferne nach", und dann „wärmte er sich an dem Feuer des Hohenpriesters". Endlich fluchte und schwur er, daß er seinen geliebten Herrn nicht kannte. Dies alles war schrecklich! Wer würde daran denken, daß der Petr-us in Matth. 25, 16 der Petrus in Matth. 26 sei? Ja, es ist so;

der Mensch, in seinem besten Zustande, ist nur einem verwelkten Blatte gleich; „er bleibt nicht". Die höchste Stellung, das lauteste Bekenntnis kann alles darin endigen, daß man Jesu von ferne nachfolgt und Seinen Namen auf eine traurige Weise verleugnet.

Es ist sehr wahrscheinlich, ja, fast gewiß, daß Petrus den Gedanken verachtet haben würde, Jesum für dreißig Silberlinge zu verkaufen; und dennoch war er bange, um Ihn vor der Magd zu bekennen. Er möchte Ihn Seinen Feinden nicht überliefert haben; aber er verleugnet Ihn vor ihnen. Er mag das Geld nicht geliebt haben; aber er versäumt es, ein Herz für Christum zu offenbaren.

Welch eine ernste Warnung! 0 wie sehr haben sich die Seinigen vor Selbstvertrauen zu hüten, sich zu üben, im Geiste zu beten, sich nahe bei Jesu und fern von allen Einflüssen der Welt zu halten! Wie sehr haben sie zu wachen, um nicht in einen gleichgültigen und trägen Zustand der Seele zu verfallen, sondern stets mit Christo beschäftigt zu sein! Das ist die rechte Schutzwaffe. Es ist nicht • genug, mit der bloßen Vermeidung der offenbaren Sünde zufrieden zu sein, im Verhalten und Charakter tadellos dazustehen, sondern eine innige und warme Zuneigung für Christum zu haben. Der, welcher „Jesu von ferne nachfolgt", kann Ihn auf einmal verleugnen. Laßt uns daran denken. Laßt uns aus dem Vorfall mit Petrus Nutzen ziehen. Er selbst, sagt uns nachher: „Seid nüch­tern, wachet; euer Widersacher, der Teufel,geht wie ein brüllender Löwe umher, suchend, welchen er ver­schlinge. Dem w id erst eh et stand h aft durch den Glau-

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 ben" (1. Petr. 5, 8. 9). Dies sind wichtige Worte, die von dem Heiligen Geiste und durch die Feder dessen kommen, der aus Mangel an „Wach­samkeit" so sehr gelitten hatte.

Gepriesen sei die Gnade, welche dem Petrus vor seinem Falle sagen konnte: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre". Bemerke wohl; Er sagt nicht: „Ich habe für dich gebetet, daß du nicht fallen mögest". Nein; sondern, „daß dein Glaube nicht aufhöre", wenn du gefallen bist. Köstliche, unvergleichliche Gnade! Sie allein war die Hilfe des Petrus. Er war ein Schuldner der Gnade vom Anfang bis zum Ende. Als ein verlorener Sünder war er ein Schuldner „des köstlichen Blutes Christi"; und als ein strauchelnder Heiliger v/ar er ein Schuldner der alles überwindenden Vertretung Christi. So war es mit dem Petrus. Die Vertretung Christi war die Grundlage seiner glücklichen Wiederher­stellung. Von dieser Vertretung wußte Judas nichts. Nur jene, die in dem Blute Christi gewaschen sind, haben an Seiner Vertretung Teil. Judas wußte nichts davon. Zudem „ging er hin und erhängte sich", wäh­rend Petrus hinging, als eine zurückgekehrte oder wiederhergestellte Seele, um „seine Brüder zu stärken". Keiner ist so passend, seine Brüder zu stärken, als der, welcher selbst die wiederherstellende Gnade Christi erfahren hat. Petrus war fähig, vor der Versammlung Israels zu stehen und zu sagen: „Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet" — ganz dieselbe Sache, welche er selbst getan hatte. Und dieses zeigt, wie völlig sein Gewissen durch das Blut gereinigt, und sein Herz durch die Ver­tretung Christi wieder hergestellt war.

und jetzt noch ein Wort über die Frau mit der Alabaster-Flasche. Sie zeigt sich in einem schlagenden und lieblichen Gegensatz zu allen. Während die Hohenpriester, Ältesten und Schriftgelehrten sich „i n d e ro Palast des Hohenpriesters Kajaphas" gegen Christum ver-schwörten, salbte sie Seinen Leib „in dem Hause Simons, des Aussätzige n". Während Judas mit den Hohenpriestern übereinkam, Jesum für dreißig Silberlinge zu verkaufen, goß sie den köstlichen Inhalt ihrer Alabaster-Flasche auf Seine Person. Rührender Gegensatz! Sie war völlig in ihren Gegenstand vertieft, und ihr Gegenstand war Christus. Diejenigen, welche Seinen Wert und Seine Schönheit nicht kann­ten, mochten ihr Opfer eine Verschwendung nennen. Der, welcher Ihn für dreißig Silberlinge verkaufen konnte, mochte vom „Geben an die Armen" sprechen; aber sie beachtete jene nicht. Ihre Einwendungen und ihr Murren war nichts für sie. Sie hatte in Christo ihr alles gefunden. Jene mochten murren, aber sie konnte Gott dienen und anbeten. Jesus war mehr für sie, als alle die Armen der Welt. Sie fühlte, daß nichts „Verschwendung" war, was Ihm gespendet wurde. Er mochte nur dreißig Silberlinge für den wert sein, der ein Herz für das Geld hatte; aber Er war mehr als zehntausend Welten für sie wert, weil sie ein Herz für Ihn hatte. Glückliches Weib! Möchten wir ihr nachahmen! Möchten wir im­mer unseren Platz zu den Füßen Jesu finden und Seine gesegnete Person lieben, anbeten, bewundern und Ihm dienen! Möchten wir zu Seinem Dienste alles verwenden und verwendet werden, selbst wenn den herz­losen Bekennern unser Dienst eine törichte „Verschwendung" scheinen möchte! Die Zeit nahet schnell heran, wo wir es nicht bereuen werden, Seines Namens wegen etwas getan zu haben. Ja, wenn dort noch für eine

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 einzige Reue Raum sein würde, so würde es die sein, daß wir Ihm in dieser Welt so träge und schwach gedient haben. Wenn an „dem wolken­losen Morgen" ein einfaches Erröten die Wangen bedecken- könnte, so würde es daher kommen, daß wir hier unten nicht ungeteilter uns Seinem Dienste widmeten.

Geliebter Leser, laß uns dies wohl erwägen; und möge der Herr uns einganzes Herz für Christumverleihen!

Vorsehung und Glaube

Der Christ ist berufen, kraft des Glaubens zu wandeln, und nicht des Schauen s. „Wir dienen dem Herrn Christo". Es ist vergleichungs-weise eine leichte Sache, zu handeln, wie die Umstände uns zu leiten scheinen; wenn aber jene Umstände als eine göttliche Regel unserer Handlungen betrachtet werden — in wie viele Gruben, wird dieser blinde Führer die unbedachtsamen oder die untreuen Christen leiten!

Sogar die Welt liebt von einer „Vorsehung" zu reden. Es erfordert keinen Glauben; es schließt einen gegenwärtigen, handelnden und treuen Gott, der Sich herabläßt, um Seine Kinder mit Seinen Augen zu leiten, völlig aus. Die Welt liebt viel mehr über unbestimmte Vorstellungen ihres Geistes zu reden, als dem lebendigen Gott nahegebracht zu sein. „Vorsehung" ist da ein familiäres und beliebtes Wort,, wo der Herr Jesus — „Gott geoffenbart im Fleisch" — ein fremder und unwillkommener Klang ist.

Es bedarf in der Tat wenig Geistlichkeit, um die Hand Gottes in den Umständen zu sehen; aber es erfordert nicht wenig Kraft des Geistes, um ihre Tragweite zu verstehen und um in ihrer Mitte den Pfad' Christi zu unterscheiden. Nicht das, was gesehen wird, sondern das, was nicht gesehen wird, sollte allein den Gläubigen leiten. Und dazu ist ein un­geteiltes Herz und, ein einfältiges Auge nötig. Nur dann ist der Leib voll von Licht. Wenn die Umstände, anstatt Christus, mein Auge füllen, so werde ich sicher irre gehen. Es ist aber nicht damit gemeint, daß jemand die Handlungen der Vorsehung Gottes leugnen solle, oder daß ein Christ sie ohne Nachteil unbeachtet lassen könne. Was ich behaupte ist dies, daß die Umstände nicht geradezu der Führer der christlichen Handlungen sein können, und daß alle Umstände im Lichte des vollkommenen Wortes Gottes beurteilt werden sollten. Ich glaube, daß, während Gott einerseits häufig in Ermangelung unseres Glaubens die Umstände beherrscht und überwacht, Er sie oft andererseits so ordnet, daß sie zum Prüfstein un­serer Treu oder unserer Untreue dienen. Mit anderen Worten, es kann sich der. Gläubige — nicht nach eigener Wahl, sondern nach, Gottes Fü­gung — in einer Stellung befinden, die dessen ungeachtet der Glaube aufzugeben hat. Er darf nicht darin bleiben, obgleich die göttliche Vor­sehung ihn dorthin gestellt haben mag. Hiervon gibt uns die Geschichte Moses einen schlagenden Beweis. Ich spreche jetzt nicht von dem Glau­ben, der die Eltern Moses kennzeichnete; denn es war Glauben, und nicht nur elterliche Liebe, der sie leitete, ihr Kind drei Monate lang zu ver-

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 bergen; „und sie fürchteten sich nicht vor dem Gebot des Königs" (Hebr. 11, 23). Auch spreche ich hier nicht von der Unumschränktheit Gottes, um ihrem Glauben zu begegnen, und die Begebenheiten so zu ordnen, daß Seine Ratschlüsse in Betreff Seines Volkes erfüllt wurden. Es ist das Verhalten des Moses selbst, das so voll von Belehrung für alle ist, welche die wahre Beziehung des Glaubens zu den durch die Vorsehung bewirkten Umstände kennen zu lernen wünschen.

„Durch den Glauben verweigerte Moses, als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharaos zu heißen, lieber wählend, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als d i ezeitlicheErgötzungderSün dezuhaben, indem er die Schmach Christi für größeren Reichtum hielt, als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung hin" (Hebr. 11, 24—26). — Hier nun lernen wir, daß, so gewiß als die Vorsehung ihn in das Haus Pharaos gebracht hatte, es der Glaube war, der ihn wieder hinausführte. Nie war eine durch die Vor­sehung bewirkte Handlung stärker durch den Finger Gottes bezeichnet, als diese. Trotz des königlichen Befehls nahm die Tochter Pharaos den ausgesetzten Moses auf und versorgte ihn wie ihren eigenen Sohn. Die Vorsehung Gottes hatte ihn ungesucht und wider alles Erwarten in eine glänzende Stellung versetzt. Und erzogen, wie es aich geziemte, „ward er in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen; und er war mächtig in seinen Worten und Werken" (Apg. 7, 22). — Warum gebrauchte er nicht den Einfluß, den sein hoher Rang und seine nahe Verbindung mit den fürstlichen Personen in der Regierung ihm darbot? Warum, verwandte er solche augenscheinliche Gaben der Vorsehung nicht weislich und dank­bar für den Dienst des Volkes Gottes? Welch eine Segnung würde es gewesen sein, Pharao, den Tyrannen, in .Pharao, den Beschützer Israels, umgewandelt zu sehen! Und welches Unternehmen hätte für einen, der so seltsam, ohne einen Wunsch und ohne eigene Anstrengung, in den Kreis des Thrones dieser Welt gebracht war, ehrenvoller sein können? Welch einen Gewinn würde er jener erlauchten Person, die ihn mit solch einer Güte überschüttet hatte, verschafft haben? Und zu welchem Zweck endlich hatte Gott so wunderbar gewirkt, wenn nicht deshalb, daß Moses das Szepter Ägyptens zur Befreiung und zum Vorteil des Volkes Gottes gebrauchen sollte? Aber nein; der Glaube verwirft alle diese, wenn auch scheinbar noch so richtigen Schlüsse, die auf die Vorsehung ge- , gründet sind. „Durch den Glauben verweigerte Moses, als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharaos zu heißen". Für ihn war die einfache Frage: „Wird es Gott Wohlgefallen und Ihn ver­herrlichen"? Wo ist die Liebe Gottes? Ruht sie nicht auf Seinem Volke? Dies Volk mochte in einem schimpflichen, elenden und leidenden Zustande sein; es mochte wenig verstehen und schlecht vergelten; aber die Liebe und der Glaube konnten von diesem allen absehen. Es mochte den Schutz des Sohnes der Tochter Pharaos einem sich selbst aufopfern­den Moses, der solch eine Stellung verweigerte und lieber mit ihnen Un­gemach leiden wollte, weit vorziehen; aber für Moses war es genug, daß die armen Gefangenen das Volk Gottes waren. Es war ihm aber nicht genug, daß sein Herz bei ihnen, war, und er selbst weit entfernt an dem glänzenden Hofe Ägyptens. Sein einfältiges Auge ver-

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 urteilte alles, was Pharaos Tochter ihm darbieten konnte, als die zeit­liche Ergötzung der Sünde. Er entsagte wohlbedacht den glänzenden Ehren und dem weltlichen Einfluß, womit die Vorsehung ihn umgeben hatte, „indemerdie Schmach Christi für goß er enReich-tum hielt, als die Schätze Ägyptens". Mit wem war Gott vereinigt? Mit dem Palast Pharaos oder mit Israel im eisernen Feuer­ofen. Würde Moses der Vorsehung gefolgt sein, so würde er Hilfe und Beistand gesucht, und vielleicht durch die Vorteile, die ihm seine Stellung verlieh, Israel zuletzt befreit haben; aber es war der Glaube , der ihn leitete, sich von der Welt zu entfernen und sich mit dem Volke Gottes eins zu machen. Die Welt haßt das Volk Gottes. Es kann ihr er­laubt werden, es zu unterjochen; — kann aber die Welt das Volk Gottes segnen? Gewiß nicht. Und Moses, als ein Mann des Glaubens, würde zurückgebebt .sein vor dem Gedanken, der Welt einen solchen Platz ein­zuräumen. Er würde ihr erlaubt haben, der Größere zu sein; denn es ist „außer allem Widerspruch, daß der Geringere von dem Größeren geseg­net wird". Deshalb geschah es, daß Moses alles aufgab und allein in Gott ruhte. Sein Wunsch war nicht, sich vom Untergang, von Schmach und Leiden zu rette n, sondern er erwählte es vielmehr, weil Gott da war; und Moses wünschte zu sein, wo Gott war, und bei denen, die Gott liebte. Seine Handlungsweise war verhältnismäßig nur der Wider­schein der Gefühle Gottes gegen Sein Volk, die uns in 2. Mos. 3, 7—9 so schön dargestellt werden.

Wir sehen also, daß die Vorsehung uns in eine Stellung versetzen kann, welche das Wort Gottes uns nicht erlaubt zu benutzen, sondern zu verlassen. Es mag in äußeren Dingen die meist begünstigte zu sein scheinen; aber der Glaube urteilt das Gegenteil, weil er nicht auf unsere, sondern auf Gottes Ehre, nicht auf unsere Erleich­terung, sondern auf Gottes Befreiung schaut. Der Glaube ruht auf den Verheißungen Gottes für Sein Volk; „denn er schaut auf die Belohnung hin".

Psalm 119  Eine gute und sichere Sache

„In meinem Herzen habe ich verborgen Dein Wort, auf daß ich nicht wider Dich sündige" (PS. 119, 11).

Dieses ist wahrlich eine gute und sichere Sache. Laßt uns sie wohl erwägen und befolgen. Es gibt dabei drei Fragen zu beantworten:

1. Was habe ich verborgen?

2. Wo habe ich es verborgen?

3. Warum habe ich es verborgen?

Der Herr Selbst möge die Beantwortung dieser einfachen Fragen recht tief in unsere Herzen einprägen!

1. Was habe ich verborgen? „Dein Wort". Es ist nicht eines Menschen Wort, sondern Gottes Wort, das ewiglich lebt und bleibt. Dies ist die Sache, die wir zu verbergen haben. Er ist ein Schatz, der

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 des Verbergens wert ist. Kein Dieb kann ihn stehlen, keine Motte ihn verderben. Wenn wir ihn in Wahrheit erkennen, so werden wir ihn ver­bergen; und nie können wir dem Worte Gottes einen zu hohen Wert beilegen. So dachte der Psalmist, als er es verbarg. Dieser Ausdruck zeigt uns klar, wie hoch er dieses Wort schätzte. „Ich habe es verborgen". Er vergrub es in seinem Innern und stellte es außer den Bereich von allem, was es ihm hätte rauben können. Laßt uns darin seine Nach­ahmer sein!

2. Wo habe ich es verborgen? „In meinem Herzen". Es war weder in seinem Kopf, noch in seinem Verstand, sondern in seinem Herzen — dem Wohnsitz seiner Zuneigungen — dem Mittelpunkt seines moralischen Charakters — der Quelle aller Einflüsse, die seine ganze Laufbahn regierten. Dies ist der rechte Platz, um das Wort zu verbergen. Man soll es nicht unter einen Scheffel stellen, oder in die Erde vergra­ben, noch soll man es gebrauchen, um die Menschen in eine knechtische Furcht zu bringen, es sei denn, daß sie es verspotten, oder sich empören. Wir haben das Wort Gottes gerade da zu verbergen, wo es auch der Psalmist verbarg — in unserem Herzen. Dies laßt uns wohl beachten und befolgen!

3. Warum habe ich es verborgen? Um einer sehr wichtigen Ursache willen. „Auf daß ich nicht wider Dich sündige". Es ist nicht, um einen reichen Vorrat von neuen Gedanken zu haben, um darüber zu dis­putieren und damit zu glänzen, noch um fähig zu sein, seine Widersacher durch Beweisgründe zu verwirren, oder sie zum Schweigen zu bringen. Der Psalmist dachte an dies alles nicht. Er hatte eine Abscheu gegen die Sünde — einen heiligen Abscheu; auch wußte er, daß das Wort Gottes der Schutz gegen die Sünde war, und darum verbarg er es in seinem Herzen. Und um derselben Ursache willen haben auch wir es in unserem Herzen zu verbergen. Der Apostel ermahnt; „Das Wort des Christus wohne in euch reichlich in aller Weisheit; euch lehrend und ermahnend mit Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in eurem Herzen mit Gnade" Kol. 3, 16). Sein Wort ist die rechte Waffe im Streit, gibt Kraft in der Schwachheit und Mut in den vielfachen Ver­suchungen. Möchten wir darum stets in Wahrheit mit dem Psalmisten ausrufen können: „In meinem Herzen habe ich verborgen Dein Wort, auf daß ich nicht wider Dich sündig e".

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Wahrheit und Gnade

„und es begab sich, als Jesus diese Worte voll­endet hatte, erstaunte die Volksmenge sehr über Seine Lehre. Denn Er lehrte sie, wie Einer, der Gewalt hat, und .nicht wie die Schriftgelehrten.

Als Er aber von dem Berge herabgestiegen, folgte Ihm eine große Volksmenge. Und siehe! ein Aussätziger kam und huldigte Ihm, und sagte: Herr, wenn Du willst, kannst Du mich reinigen! Und Jesus, Seine Hand ausstreckend, rührte ihn an, und sagte: Ich will, sei gereinigt;

— Und alsbald war sein Aussatz gereinigt. Und Jesus sagte zu ihm: Siehe! sage es niemanden;

aber gehe hin, zeige dich dem Priester und bringe die Gabe dar, welche Moses geboten hat, ihnen zu einem Zeugnis" (Matth. 7, 28—8, 4).

In diesem Abschnitt der heiligen Schrift wird uns sehr klar dar­gestellt, was Wahrheit und Gnade ist. Und nicht allein das, son­dern auch, welche Resultate daraus hervorgehen- Es heißt: „Die Gnade und die Wahrheit sind durch Jesum Christum geworden" (Joh. 1. 17), und es ist in der Tat für uns von Wichtigkeit, das Wesen und die Folgen von dem zu kennen, was durch den Sohn Gottes aus dem Himmel her­niedergekommen ist. Wenn Er die himmlische Herrlichkeit und Freude verlassen hat, um uns auf dieser Erde Gnade und Wahrheit zu bringen, dann haben wir wohl Ursache zu fragen: Was ist Wahrheit? Was ist Gnade? Was haben wir für Teil daran?

In diese Fragen möchte ich hier etwas näher eingehen. — Zuerst laßt uns sehen, was Wah'rheit ist; denn Jesus wird uns hter dar­gestellt als Der, wodurch die Wahrheit zu uns gekommen ist.

Im Anfang des 5. Kapitels sehen wir, daß Er einen Berg bestieg, und als Er Sich dort gesetzt hatte, traten Seine Jünger zu Ihm, und Er tat Seinen Mund auf und lehrte sie. Jesus stieg auf einen Berg; die Höhe, worauf Er Sich setzte, ist ein Zeichen von dem, was Er zu tun beab­sichtigte. Soeben hatte Er das ganze Land durchzogen und vielerlei Krankheiten geheilt, und eine große Volksmenge war Ihm nachigefolgt. Aber jetzt (Kap. 5, l—2) steigt Er auf einen Berg und nimmt dort als der große Lehrer, umgeben von Seinen Schülern, Seine Stelle ein, um die Wahrheit zu lehren. Er nimmt die höchste und ansehnlichste Stelle ein, als Der, der weiser ist, denn alle.

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 Und wer war im Stande die Wahrheit zu lehren, wie Er? Er konnte sagen: „Ich bin die Wahrheit". Er war auch Der, welcher kam, um von der Wahrheit Zeugnis zu geben; denn da Er als ein Gefangener vor Pilatus stand, sagte Er: „Hierzu bin ich in die Welt gekommen, a u f d a ß ich der Wahrheit Zeugnis gebe"; und fügte hinzu; „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme". Gewißlich, wenn wir wün­schen, die Wahrheit zu hören, werden wir auf Seine Stimme horchen. Der Herr öffne unsere Ohren, um auf Ihn zu hören!

Aber vielleicht fragst du, wie einst Pilatus: „Was ist Wahrheit"? Ich antworte dir: die Gedanken Gottes. Das ist Wahrheit und das allein. Und wenn du auf Jesum hörst, sowie Er hier auf dem Berge Seinen Jüngern die Wahrheit lehrt, dann wirst du die Gedanken Gottes und Seinen Willen vernehmen. Ich widerhole es, daß Gottes Gedanken allein Wahrheit sind. Und ich muß es besonders hervorheben; denn die Gedanken der Menschen, mögen sie sich auf den Menschen oder auf Gott, auf die Erde oder auf den Himmel beziehen, sind keine Wahrheit. Die Gedanken und Bemerkungen der Menschen über Gutes und Böses, Ge­rechtigkeit oder Ungerechtigkeit, sind keine Wahrheit. Die Gedanken der Menschen sind verkehrt, ganz und gar verdorben; denn in dem Para­diese wurde der Mensch ein Sklave des Satans, des großen Lügners. Und der Herr spricht in Joh. 8, 44 zu den Juden: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun; jener war ein Men­schenmörder von Anfang, und ist in der Wahrheit nicht bestanden, weil in ihm keine Wahrheit ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen; denn er ist Lügner und der Vater derselben". Die Wahrheit kann deshalb unter den Menschen nicht gefunden werden. Wenn wir die einige Wahrheit besitzen, so muß dieselbe von Gott zu uns ge­kommen sein. Gott' sandte, bevor Jesus auf diese Erde kam, manches Wort der Wahrheit hernieder, zu Adam, Noah, Moses und allen Prophe­ten; aber nie ist die ganze Wahrheit hernieder gekommen, bis Jesus kam. Da kam die Wahrheit; denn wir lesen: „In Ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis".

Aus Vers 28 und 29 des 7, Kapitels geht hervor, daß, während der Herr auf dem Berge saß und Seine Jünger lehrte, daß Volk um Ihn her stand und die Wahrheit hörte, welche Er verkündigte. Das Volk hörte, wie der Meister Seine Jünger lehrte; die Wahrheit selbst, von dem allein weisen Lehrer ausgesprochen, drang in ihre Ohren. Aber welche Wir­kung übte dieselbe auf sie aus? „Die Volksmenge erstaunte sehr über ' Seine Lehre." Eine neue Lehre war ihr verkündigt worden. 0 wie feier­lich ist dieses! Die Wahrheit war neu für sie. Die Wahrheit war eine fremde Lehre (vergl. Mark. 1. 27. 28). Wie! sie hatten das Wort Gottes unter sich; sie hatten Schriftgelehrte, welche „den Schlüssel der Erkennt­nis besaßen", und dennoch, sobald der Herr die Wahrheit verkündigt, sind sie erstaunt; denn sie hören eine fremde Lehre: „Er lehrte sie, wie einer, der Gewalt hat, und n i ch t wie die Schriftgelehr-t e n". Wie traurig ist doch der Zustand des Menschen, ob Lehrer oder Lehr­ling, wenn die Wahrheit für ihn eine neue Lehre ist!

Aber was sagte dieser neue Lehrer, der da lehrte wie einer, der Gewalt hat? Wenn du lesen wirst, was Er sagte, so wirst du, denke ich, dich nicht über das Erstaunen des Volkes verwundem, denn in

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 der Tat, „kein Mensch hat je geredet, wie dieser". Und verstand es sich nicht von selbst, daß das Volk erstaunt sein mußte, wenn Er sprach:

„Glückselig die Trauernden — die Armen im Geiste — die verfolgt wer­den!? Glückselig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen wer­den, und wenn sie jedes böse Wort lügnerisch wider euch reden um meinetwillen. Freuet euch und frohlocket"! Wahrlich, diese Lehre war nicht die der Schriftge'lehrten! Denn die Schriftgelehrten waren solche, „die da lieben in langen Gewändern zu wandeln und die Grüße auf den Märkten, und die ersten Sitze in den Synagogen und die ersten Plätze bei den Mählern." Und wenn sie ferner dieses hörten: „Wenn nicht eure Gerechtigkeit vorzüglicher ist, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht hineinkommen in das Reich der Himmel", — mußte das Volk nicht erstaunt sein? Wie! die Schriftgelehrten waren doch die kundigen Gesetzesmänner und die Pharisäer die frömmsten Leute, die es gab. Die Schriftgelehrten und Pharisäer schienen „äußerst gerecht". Aber der Sohn Gottes bezeugte, daß, um in das Reich der Himmel ein­gehen zu können, ihre Gerechtigkeit vorzüglicher sein mußte, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer. Je mehr man auf diese Lehre horcht, desto mehr muß man sich verwundern.

Wie aber wird sich das Volk verwundert haben, als es ein wenig später hörte, daß Jesus zu Seinen Jüngern sagte: „Seid denn vollkommen, gleichwie euer-Vater, der in den Himmeln, vollkommen ist". Ihre Ver­wunderung muß in der Tat groß gewesen sein, zu hören, daß sie mußten vollkommen sein, gleichwie Gott vollkommen ist. Wie! stellt Jesus keine geringere Bedingung als diese? Hieß das die Gerechtigkeit Gottes auf die Erde bringen, welche die Menschen erreichen mußten, um in den Himmel .eingehen zu können? Die Gerechtigkeit .des Menschen, voraus­gesetzt, daß er eine besitzt, wird durch diese Lehre ganz und gar beiseite gesetzt, und die Gerechtigkeit Gottes dargestellt, als das Ziel, welches erreicht werden muß. Wahrlich, das ist eine neue Lehre; kein Wunder, daß die Schrittgelehrten dies nicht lehrten. Alles, was die Menschen in ihrer Unwissenheit oder ihrem Hochmut zu erreichen hoffen, ist nur eine Gerechtigkeit, nur eine Vollkommenheit nach ihrer Einbildung. Es heißt auch in Röm. 10, 3: „Denn die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennend, und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachtend, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworten".

Auf solche Weise nun hörte das Volk die Wahrheit, und solche Wir­kung brachte sie bei ihm hervor. Sie waren 'verwundert — ihre Lehrer waren verurteilt  sie, die in ihren Augen als Vorbilder der Gerechtig­keit dastanden. Einer war vom Himmel gekommen, der himmlische Ge­danken und Urteile hernieder brachte; und der arme Mensch war ganz und gar verurteilt und gedemütigt.

0, wie bringt Jesus auf dem Berge jede Zunge zum Schweigen, und wie verschließt Er jeden Mund! Wie stellt Er die Unaufrichtigkeit und die Unwissenheit des Menschen ans Licht! Er braucht bloß Seinen heili­gen Mund zu öffnen und die Wahrheit hören zu lassen, und „alle werden schuldig vor Gott".

Dieses, teurer Leser, ist immer der Fall, wenn man den Menschen die Wahrheit bringt; sie beweist unmittelbar, daß alle zu kurz kommen:

Man teilt oft die Menschen in Klassen ein, und spricht alsdann von armen

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 Heiden, welche derr Götzen dienen, von gebildeten und christlichen Völ­kern usw.; aber Gott hat für alle Menschen nur einen Namen; Er sagt:

„Sie sind alle Sünder". Und dieses beweist Er gerade durch die Sen­dung Seines Sohnes in diese Welt. Ein vollkommener Mensch beweist, daß alle anderen unvollkommen sind; und bedenke, daß nur Voll­kommenheit vor Gott bestehen kann. Niemand ist wie Jesus, nicht ein einziger; denn sie sind alle verlorene Sünder. Die will­kürlichen Unterschiede bei den Menschen sind in einem Augenblick ver­schwunden, wenn das vollkommene Bild Gottes unter ihnen erscheint! Es mag mancher sehr eifrig und auf geschickte Weise darüber disputie­ren, welches Kleid unter vielen schmutzigen Kleidern das reinste sei;

aber sobald jemand ein ganz reines Kleid bringt, ist aller Streit zu Ende; denn das reine Kleid beweist, daß alle die übrigen Kleider schmutzig sind. Ebenso ist es hier. Gott sendet Jesus unter die Men­schen und bezeug zu gleicher Zeit, daß kein Sterblicher in den Himmel eingehen kann, der nicht ebenso makellos und vollkom­men ist, wie Er. Nur dann, wenn du dich ohne Furcht neben Jesum stellen und Gott auffordern kannst, daß Er prüfen und sehen möge, ob du Ihm gleich seiest, und Er keinen Unterschied findet — nur dann bist du errettet; aber wenn du nicht so rein bist, wie Er, so gehst du mit schnellen Schritten der Hölle entgegen, welchem Stande du auch ange­hören und welchen Titel du auch haben magst. Gott will Seine Forde­rung von Wahrheit nicht verringern, um der de inigen zu begegnen;

und denke daran, „daß Gott Licht ist und ist in Ihm keine F i n ~ s terni s".

Ich zweifle nicht, daß der Leser über diese Lehre wird verwundert sein, wenn ihm solche so einfach dargestellt wird; aber dies ist die Wahr­heit, und die Wahrheit geht über alles. Doch ich frage dich, bist du auch ebenso verurteil t als verwundert durch diese Wahrheit? Das Volk, welches Jesum auf dem Berge zuhörte, schien höchst verwundert zu sein, aber ihr Gewissen schien nicht gesprochen zu haben. Und ich frage dich noch einmal: „Bist du fähig, vor Gott zu stehen und zu sagen: Ich bin wie Jesus"! Kennst du dich selbst nicht so viel, um vor einem solchen Versuch zurückzubeben? Und wenn du so viel Unreinigkeit und Sünde in deinen Gedanken, Worten und Werken siehst, was meinst du, wie viel Gott in dir sieht? Das Auge Gottes ruht auf dir, und von dir richtet Er Sein Auge auf Jesum. 0, welch einen Unterschied sieht, Er zwischen dir und Ihm! Und denke zugleich daran, daß, wieviel du auch jetzt be- • müht sein magst, um den Gedanken an das, was du bist, zu verbannen — einmal kommt der Tag, wo dieses unmöglich sein wird. Dann müssen wir alle nackt und offen der Wahrheit gegenüberstehen. Ich flehe zu Gott, daß mancher, der unbekümmert und in eigener Gerechtigkeit dahingeht, lesen möge, was von der Wahrheit gesagt ist, und daß die­selbe für ihn ein Spiegel werde, worin Gott ihn seine Verderbtheit und sein Elend sehen läßt! Mancher Pharisäer hat seine guten Gedanken über sich fahren lassen, als er die Wahrheit vernommen hat. Und das, geliebter Leser, möge der Herr auch Dir verleihen!

Wenn aber bloß die Wahrheit durch Jesum zu uns gekommen wäre, so würden wir geblichen sein, was wir von Natur sind: arme und verlorene Sünder, ohne Hoffnung. Wenn Jesus, um sich des Ausdrucks

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 zu bedienen, von der Höhe des Berges wieder gen Himmel gefahren wäre, so würde es für niemanden irgendwelche Hoffnungen gegeben haben — nicht für einen einzigen. Dann würde diese Welt ein ebenso hoffnungs­loser Ort als die Hölle gewesen sein. Aber Er ist nicht von der Höhe jenes Berge! gen Himmel gefahren. Er tat vorher etwas anderes, das wir jetz etwas näher betrachten wollen. Und wenn das, was du in Betreff der Wahrheit gehört hast, dich als einen überzeugen und verurteilten Sünder vor den allein Heiligen gebracht hat, alsdann beherzige auch jetzt, -ich bitte dich, was dir von der Gnade mitgeteilt werden kann.

„Die Gnade und die Wahrheit sind durch Jesum Christum geworden". Um von der Wahrheit zu hören, haben wir gehorcht auf das, was Jesus Seine Jünger auf dem Berge lehrte; um aber von der Gnade zu verneh­men, müssen wir in die Ebene hinabsteigen, uni Jesu Werk der Gnade zu betrachten. Denn wir lesen Kapitel 8, l: „Als Er aber von dem Berge hinabgestiegen usw." Die Stellung, die Jesus hier wieder ein­nimmt, ist aufs neue ein Bild von dem, was Er vorhat zu tun. Zuerst stieg Er hinauf, und saß höher als alle anderen — jetzt steigt Er her­nieder, um in der gleichen Stellung mit allen das Werk Seiner Gnade zu zeigen.

Es ist das erste große Werk der Gnade. Der Heilige und der^ Sünder nehmen hier dieselbe Stellung ein. In demselben Augenblick, 'wo die Wahrheit den Sünder erkennen läßt, daß er ein Sünder ist, in demselben Augenblick vernimmt er, daß Gott zu seinen elenden Zustande Sich herabläßt. Jesus nimmt die höchste Stelle ein, um zu zeigen, daß die unsrige die niedrigste ist; aber dann, wenn wir durch unsere Sünden erniedrigt sind, läßt. Er Sich zu uns herab. Von dem Berge steigt Er hinab in die Ebene; und dann ist Er in dem Bereich des armen Aus­sätzigen. Er bleibt nicht auf halbem Wege stehen und ruft den Aus­sätzigen, um jetzt zu Ihm hinauf zu kommen. Nein — dies würde keine vollkommene Gnade gewesen sein. Der Aussätzige geht keinen einzigen Schritt zu Ihm hinauf; Jesus legt den ganzen Weg zurück, um dem Aussätzigen zu begegnen.

Und dies, geliebter Leser, ist die bewunderungswürdige Gnade Gottes. Wenn du weißt, daß du ein Sünder bist — wenn du den Aussatz der Sünde in dir, und dadurch das Urteil des Todes über dich gewahrst, als­dann kann ich dir den teuren Jesus-Namen, des Erretters, verkündigen. Gott läßt dir diesen Namen verkündigen inmitten deines Elends und Deiner Sünden. Er fordert dich auf, an diesen Namen zu glauben, und erklärt auf das bestimmteste, daß alle, welche an Jesum glauben, von allem gerechtfertigt sind. Ja, dieses, dieses ist Gnade!

Kein mühevolles Hinaufsteigen zu dem allein Heiligen, keine An­strengung, um den Berg za ersteigen, sondern vollkommene Errettung wird dem Sünder gebracht inmitten seiner Sünde und seines verlorenen Zustandes; denn Gott sagt: „Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glau­benden zur Gerechtigkeit". Deshalb, o Sünder! sprich nicht in deinem Herzen: „Wer wird hinauf in den Himmel steigen"? oder: „Wer wird hinab in den Abgrund steigen? Nahe ist dir das Wort in deinem Munde und in deinem Herzen. Daß, wenn du mit deinem Munde den Herrn Jesum bekennen und 'in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott Ihn aus den Töten auferweckt hat, du selig werden wirst" (Röm. 10, 4—9).

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 Ist das nicht Gnade? Die Gerechtigkeit wird dem Sünder gebracht mit der frohen Botschaft: „GlaubeanJesum, und sie istdei n".

Doch laßt uns jetzt die gesegnete Darstellung der Gnade, die uns hier mitgeteilt wird, etwas näher betrachten. Die Gnade ließ Jesum, den Heüigen und Allmächtigen, in die Ebene hinabkommen. Und als Er in die Ebene hinabgekommen war, „siehe! ein Aussätziger kam und huldigte Ihm und sägte: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen"!

Indem wir gesehen haben, was Jesus ist, ist es auch nötig, zu wissen, was ein Aussätziger ist. Ein Aussätziger war ein solcher, von dem fol­gendes gesagt werden konnte:

1. Man setzte von Ihm voraus, daß er eine verabscheuungswürdige Krankheit hatte. 2. Es war ihm nach einer langen Probe bewiesen wor­den, daß er in Wirklichkeit mit einer solchen Krankheit behaftet war. 3. Er war deshalb außerhalb des Tempels verwiesen, indem er ganz unrein war. 4. Seine Unreinheit war öffentlich bekannt; denn er war verpflichtet, von sich auszurufen: „Unrein! unrein"! 5. Keine Kunst oder Wissenschaft der Menschen konnte ihn heilen; es war unnütz, dieses zu versuchen, indem Gott Selbst es schon bewiesen hatte. 6. Die Allmacht Gottes allein konnte den Aussätzigen heilen.

Es gab also hier einen Aussätzigen, der überzeugt, verurteilt, öffent­lich bekannt und unheilbar war. Und wen betrifft diese Darstellung? Den Menschen — jeden Menschen — ja die ganze Menschheit. Dies ist der jetzige Zustand der ganzen Welt vor Gott. Eine Welt, die aus ver­urteilten und unheilbaren Sündern besteht. Alle, alle sind solche. Wer du auch bist, siehe hier dein Bild! Denn alles, wovon wir soeben gespro­chen haben, und was der Aussätzige zu erfahren hatte, dies alles hat die Welt schon längst erfahren. Denn:

1. In dem Paradiese wurde der Mensch als schuldig befunden. 2. Der Mensch hat eine lange Probe bestanden, um die Wahrheit dieser Schuld darzutun. Diese Probe hat 4000 Jahre gedauert, vom Paradiese bis zum Kreuz Jesu. 3. Der Mensch ist nicht nur geprüft, sondern ist auch schuldig erfunden worden. Das Urteil ist ausgesprochen: „Diese Welt ist schul­dig vor Gott". Die Kreuzigung des Herrn Jesu ist der vollkommene und tatsächliche Beweis von der Sünde des Menschen. Da hörte die Probe auf, denn die Schuld war erwiesen; da wurde das Urteil ausgesprochen:

„Jetzt ist das Gericht dieser Welt". Die Schuld und das Urteil wurden laut verkündigt, als Gott den Herrn Jesum aus den Toten auf erweckte;

denn die Auferweckung Jesu ist Gottes öffentliche Erklärung Seiner Heiligkeit, und der Sünde des Menschen, und des unwiderruflichen Ge­richts. „Welchen ihr gekreuzigt habt, den Gott aus den Toten auferweckt hat". Gott wird die Welt richten in Gerechtigkeit durch denselben Jesus, „den Er dazu bestimmt hat, welches zu glauben Er allen Menschen Grund gegeben, als Er Ihn aus den Toten auferweckt hat" (Apg. 17, 31). 4. Keine Wissenschaft oder Kraft, oder irgendwelche menschliche Anstrengung kann etwas ausrichten. Er ist schon verurteilt. Die Menschen mögen sich zu verbessern, zu erziehen oder zu polieren suchen — Gott sagt: „Du bist eine verderbte Kreatur, und niemand flickt einen neuen Lappen auf ein altes Kleid. 5. Es folgt hieraus, daß niemand den Menschen erlösen kann, als Gott allein.

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Ist es deshalb nicht eine Wahrheit, daß die Welt aus einer Menge verurteilter Sünder besteht, welche die Vollziehung ihres Urteils ab­warten? Wie schrecklich dies auch sein mag, es ist die Wahrheit. Die Stunde der Prüfung oder Untersuchung ist für immer vorüber. Zu sagen, daß der Mensch jetzt noch in einer Probezeit sei, heißt Gott zu einem Lügner machen. Wenn du ein menschliches Geschöpf bist — ein Kind Adams, so bist du verurteilt. Es ist nicht nötig, deinen Charakter und deine Eigenschaften zu wissen; beide sind bekannt. In jedem Men­schen, den man sieht, sieht man jemanden, der rechtmäßig zum Tode verurteilt ist. Vor 1900 Jahren ist die Probezeit beendet, und seit der Zeit spricht Gott nicht anders zu oder von dem Menschen, als zu oder von einem schon verurteilten Sünder.

Und der, welcher dieses nicht erkennt, kann auch die Gnade nicht verstehen oder erfassen. Denn was ist die Gnade? Betrachte noch ein­mal das Bild, das wir hier vor uns haben. Dort stehen zwei auf gleicher Höhe: der Heilige und der Schuldige; denn die Gnade hat den allein Heiligen in die Ebene geführt, und dort kommt der unglückliche Aus­sätzige und huldigt Ihm. Die Gnade kommt zu dem Aussätzigen, nicht zu dem Pharisäer. Die Gnade ist für Verlorene — für Tote.

Beachte nun, geliebter Leser, dieses wunderbare Zusammentreffen des Herrn mit dem Aussätzigen — des gnadenreichen Gottes mit dem Sünder. Während Jesus auf der Höhe des Berges saß, konnte dieses Zu­sammentreffen unmöglich stattfinden. Dort saßen Seine Jünger, als Ihm untertänig und das Volk stand um sie her und hörte zu. Dort wurden sogar die Schrittgelehrten und die Pharisäer verurteilt; welche Hoff­nung blieb da noch einem unglücklichen Aussätzigen? Das Volk hatte sich vielleicht ganz nahe hinzu gemacht, um Ihn hören zu können; wenn sich .aber der Aussätzige genaht hätte, so würde wohl sicher ein jeder seine Zustimmung dazu gegeben haben, ihn von dort hinwegzutreiben. „Gehe von hier hinweg; ich bin heiliger, als du bist"! möchte man ihm wohl zugerufen haben. So lange Jesus auf dem Berge saß, gab es für ihn keine Hoffnung. — Aber bald sah er Jesum herabsteigen. Wie wird sein Herz gepocht, wie wird sein Auge Jesum ängstlich begleitet haben' Und siehe! Jesus kam immer näher; ja, Er kommt ganz herunter, Er steigt bis zur Ebene hinab; und jetzt gibt es Hoffnung für den armen Aus­sätzigen; jetzt vermag er selbst zu Jesu zu gehen und Ihm zu huldigen!

Ja, Jesus mußte zu dem Aussätzigen kommen, wenn dieser geheilt werden sollte; und Er kam zu ihm hinab! Die Heiligkeit und die Sünde — der Herr der Herrlichkeit und des Lebens und der Sklave der Sünde und des Todes begegnen sich jetzt. Das suchende Auge Gottes entdeckt unseren Aussatz, und dann kommt Seine Liebe ohne Schran­ken und Ende, um uns zu heilen. _

Dieses ist es, -was wir hier lernen. Auf diese Weise sehen wir" das erste große Werk der Gnade — Gott Selbst in Christo Sich erniedrigend. um zu dem Boden der Sünder hinabzusteigen. Das — das ist Gnade. Einen Augenblick vorher war Jesus über dem Aussätzigen weit erhaben;

aber jetzt war Er Selbst herabgekommen in der Absicht, jene Entfer­nung zwischen Ihm und dem Aussätzigen aufzuheben; und dieser, wie unrein er auch sein mochte, kann sich zu den Füßen Jesu werfen. Dieses ist, ich wiederhole es, der erste Schritt in dem mächtigen Werke der

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 Gnade Gottes. Denn keiner braucht zwischen Jesu und dem Sünder zu stehen. Zwischen ihnen gibt es etwas zu ordnen, welches zwischen ihnen allein nur stattfinden und abgemacht werden kann. O! wie sehr ist der Mensch geneigt, als die dritte Person etwas zu diesem Werke beizutra­gen, und zwischen dem verurteüten Sünder und Jesu etwas aufzurich­ten! Dieser Gedanke aber möge weit — sehr weit von uns entfernt sein! Gott ist in Jesu herabgekommen zu dir, dem Sünder; und es gibt nichts zwischen Ihm und dir als das, was dein eigener Unglaube dazwischen bringen will. Höre doch in dieser Sache nicht auf Menschen. Die Men­schen werden dir vieles aufzählen, was du zu tun hast, oder was du füh-. len und erfahren, oder was du kennen mußt. Wende dich von ihnen ab, und höre allein auf Gott, der da spricht: „Das Wort ist dir nahe; — komm zu mir! Der, welcher glaubt, ist errettet". Deine Errettung hängt einfach und allein davon ab, ob du glaubst, was Gott in Betreff Christi sagt. Das Evangelium ist das Wort Gottes in Betreff Jesu, und der, wel­cher dem Worte glaubt, „versiegelt, daß Gott wahrhaftig ist", und hat das ewige Leben".

Betrachte wiederum den Aussätzigen. Kein Mensch, weder Jünger, noch Schriftgelehrter oder Pharisäer, steht ihm zur Seite, um zu Jesu zu gehen. Das Bewußtsein seines Aussatzes treibt ihn zu Jesu; er geht;

weil er ein Aussätziger ist.

Und er wendet sich gleich zu Jesu; er bleibt nicht von Weitem stehen. Die Jünger und das Volk müssen ihm Platz machen. Er beugt seine Kniee unmittelbar zu Jesu Füßen. Und beachte jetzt einen Augenblick seinen Ausruf: „Herr, wenn Du willst, kannst du mich reinigen!" Er ist von zwei Dingen völlig überzeugt von der Macht Jesu und von seinem hoffnungs­losen Elend; denn er sagt: Herr, Du kannst"! und er bittet: „Reinige mich"! Aber der Aussätzige ist nicht von der Gnade überzeugt; „Herr, wenn Du willst"! sagt er. Dies ist das einzige „W e n n" in dem Herzen des Aussätzigen. Er hat kein ,.W e n n" in Betreff der Macht Jesu, kein „Wenn" in Betreff seines eigenen Elends; aber er weiß nicht, ob es bei Jesu vollkommene Gnade gibt, und deswegen sagt er- Wenn Du willst".

Hier klopft ein Aussätziger an die Tür des Herzens Jesu; es ist die Bitte eines Sünders um die Gnade Gottes. Wie freimütig ist dieser Aus­sätzige geworden, da es Jesu gefallen hat, in die Eebene hinabzusteigen. Viele der Umstehenden werden ihn für zu frei, für unverschämt gehalten haben. Sie hätten ihm wohl sagen mögen: „Wie, du, ein verurteilter Aus­sätziger, willst dich nahen! Wie, du, der du zu unrein bist, um in der Stadt zu wohnen, zu unrein für uns — du willst dich erkühnen, zu Jesu zu gehen! Wie unverschämt und dreist ist dieser Mann! Sein Aussatz hat ihn sicherlich wahnsinnig gemacht"! Auf diese Weise spricht und urteilt der Mensch. Aber laßt uns sehen, wie Jesus diese Bitte, gereinigt zu werden, aufnimmt. Der Aussätzige beugt sich mit diesem Glaubensruf:

„Herr, wenn Du wülst, kannst Du mich reinigen"! Er kommt zu Jesu Herzen, bloß mit diesem „Wenn" — „wenn Du willst". Und will Jesus dieses „Wenn" beantworten, oder es dem Aussätzigen lassen? Nein, selbst nicht für einen Augenblick.             •

Der Ruf des Aussätzigen dringt hin zu Gott! Jesus ist da, um es zu beweisen; denn was kommt auf diesen Ruf aus dem Herzen Jesu hervor? Gnade — allmächtige Gnade! Sie fließt, gleich einem gewaltigen Strom,

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 und wäscht und reinigt die Krankheit des Aussätzigen, und zugleich sein „Wenn". Ja, der Aussatz und das „Wenn" sind beide verwischt. Welch eine wichtige Sache ist hier zustande gebracht! Auf diese Weise wirkt die Gnade für den Sünder. Wenn ein armer Sünder nur auf Jesum blickt, um Gnade, allmächtige Gnade, zu empfangen, alsdann fließt sie in Überfluß, und wäscht in einem Augenblick die Sünde und den Zweifel zusammen hinweg. Siehe, wie Jesus sich 'beeilt, und auf den Glaubens-rut — bloß auf den Glauben efties armen Aussätzigen — diese Worte spricht, während Er Seine Hand ausstreckt und ihn berührt: „Ich will, sei gereinigt"! Nur auf diese Weise können Sünder gereinigt werden. Bei all ihren Sünden und ihrem Elend brauchen sie nur an Jesum zu glauben, und alsdann gibt es bei Ihm keine andere Antwort, als die eine:

„Ich will, sei gereinigt"! Denn Er Selbst hat dieses Wort zu uns gespro­chen: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinauswerfen".

Du hast sicherlich bemerkt, daß der Aussätzige nicht bat, teilweise gereinigt zu werden. Seine Bitte war, gereinigt zu werden. Er wußte, daß nur Jesus es tun konnte und erwartete von Ihm, daß Er es voll­kommen tun würde. Seine Erwartungen wurden nicht beschämt. „Ihm geschah nach seinem Glauben"; er wurde gleich gereinigt, vollkommen gereinigt. „Ich will, sei gereinigt"! Dies ist das Wort der allmäch­tigen Gnade. Wie manchmal wird dies vergessen und nicht anerkannt. Manche sagen, daß es eine anhaltende Arbeit erfordere, um den Sünder zu reinigen; andere behaupten, daß die Gnade nur teilweise an diesem großen Werke mitwirke, und selten hört man das Evangelium der Gnade Gottes vollkommen und einfach verkündigen. Der Mensch hält immer dafür, daß man durch eine stufenweise Verbesserung zur Gnade gelange, der Mensch denkt fortwährend daran, s e'l b s t die Dinge zu verbes­sern. Gott aber verfährt anders; Gott stellt nie das alte wieder her; Er bringt etwas neues hervor.

Es gehört zu dem Werk der allmächtigen Gnade, sagen zu können:

„Ich will, sei gereinigt! denn Er spricht und es geschieht; Er befiehlt und es steht" (PS. 33, 9).

Wessen Stimme war es, die den Aussätzigen reinigte? Die Stimme Dessen, der alle Dinge hervorrief, die Stimme des Schöpfers; denn alle Dinge sind durch Sein Wort gemacht. Es war Gott, der zu dem Aussät­zigen sagte: „Ich will, sei gereinigt"! denn niemand sonst hat das Recht, einen Willen zu haben. Und niemand als Er, kann sagen: „Sei gereinigt"! denn niemand als Gott kann-gebieten: „Sei"! Hierin liegt der Beweis für die vollkommene und augenblickliche Reinigung des Sünders, der nur glauben will. Es ist das allmächtige Werk Gottes. „Daß Du seiest mein Heil bis an der Welt Ende", sagt Gott zu Christo (Jes. 49, 6). Auch steht geschrieben: „daß Gott in Christo war, die Welt mit Ihm Selber versöhnend" (2. Kor. 5, 19).

Deshalb gedenke daran, daß Der, der gesagt hat: „Ich will, sei gerei­nigt"! derselbe ist, der Jahrtausende vorher sagte: „Es werde Licht"! Durch Ihn ist die Welt erschaffen. Und als Seine Stimme das Licht her­vorrief, hat es einen Augenblick gezögert, zu erscheinen? Gottes Wort gibt die Antwort: „Und es ward Licht", und als dieselbe Stimme zu dem Aussätzigen sagte: „Ich will, sei gereinigt"! wurde da sein Aussatz lang­sam oder teilweise geheilt? Gottes Wort antwortet: „Und alsbald war

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 sein Aussatz gereinigt". Und deshalb kann ich dir, als einem Sünder, vor Gott bezeugen, daß in demselben Augenblicke, wo du an Jesum als deinen Erretter glaubst, du in demselben Augenblicke errettet bist; in demselben Augenblicke reinigt dich die allmächtige Gnade von aller Sünde durch das teure Blut Jesu — in demselben Augenblicke bist du ein Genösse des unbefleckten und ewigen Lebens in Christo — in dem­selben Augenblicke versetzt aus dem Reiche des Satans und der Knecht­schaft der Sünde, in das Reich des teuren Sohnes Gottes und in die Freiheit, womit Christus freimacht — in demselben Augenblicke bist du, der du der ewigen Strafe wert warst, würdig geachtet — ein Ge­nösse des Erbteils der Heiligen im Licht zu sein!

Hierin besteht das große Werk der Gnade für alle, welche glauben. Der Glaube versetzt uns immerdar in die vollkommene Gewißheit und Größe dieser Beziehung, sogar in eine lebendige Gemeinschaft mit Gott. Und dies kann Gott deswegen für Sünder tun, weil Jesus an unserer Statt vor Gott ist. Denn Er, der allein Heilige, ist „für uns zur Sünde ge­macht, auf daß wir in Ihm die Gerechtigkeit Gottes würden" (2. Kor. 5, 21). Dafür hat Jesus Sein kostbares Blut vergossen.

Wir haben gesehen, daß der arme Aussätzige mit einem „W e n n" zu Jesu kam. Er zweifelte nicht an der Macht; aber er war nicht sicher, ob es eine vollkommene Gnade gab; aber jetzt ist dieses „Wenn" für immer verschwunden. Niemand kann jetzt mehr an der Gnade zwei­feln — Niemand darf jetzt mehr verzagen — niemand hat jetzt mehr nötig, mit Zweifel in seinem Herzen zu Jesu zu nahen. Denn das Blut Jesu ist die Antwort Gottes auf jedes „Wen n". Gott richtet den Blick des Sünders auf dieses kostbare Blut hin und fragt: „Kannst du jetzt noch an meiner Gnade zweifeln"? Das Kreuz Jesu verkündigt ebenso laut die Liebe Gottes als die Sünde des Menschen. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren sei, sondern ewiges Leben habe". Jetzt noch an Gottes Gnade zu zweifeln, ist in der Tat eine sehr große Sünde.

Aber ach! Manche sind zu stolz, wie die Schriftgelehrten und Phari­säer, zu gelehrt oder zu brav. Manche sind, wie das Volk, bloß er­staunt über das, was sie hören. Manche folgen dem Herrn nach, aber vielleicht wie die Volksmenge, aus Selbstsucht. Aber wenn ein armer Aussätziger bloß mit dem Begehren kommt, sich der Gnade Gottes willig zu überlassen, alsdann fließt der lebendigmachende Strom und er ist vollkommen gereinigt; dann ist Freude dort oben im Himmel und hie­nieden in den Herzen des armen Sünders; denn einer, der tot war, ist lebendig geworden — für immer und ewig; denn er hat das ewige Leben.

Geliebter Leser! zweifelst du wirklich noch daran, ob du in Gottes Augen ein beschmutzter Aussätziger bist? Wenn du der lügnerischen Stimme des Satans soviel Gehör gibst, dann höre noch einmal, was Gott von deinem Herzen sagt. In Mark. 7, 20. 21 heißt es: „Das, was aus dem Menschen herausgeht, das verunreinigt den Menschen .Denn von Innen, aus dem Herzen der Menschen, gehen die bösen Gedanken hervor: Ehe­bruch, Hurerei, Mord". Siehe hier den Menschen, wie die Sünde ihn gestaltet hat.

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 Höre dieses, du, der du sprichst von dem Guten, das im Menschen ist — du, der du Sagst, daß die Sünde die Folge der Unistände des Menschen sei und nicht der Ausfluß seines Herzens. Gott läßt das Licht Seiner Heiligkeit über unsere Herzen leuchten, und während Er Seinen Blick darauf richtet, sagt Er: „Das Herz des Menschen ist hoff­nungslos böse". Du magst alles in Bewegung setzen, um eine Welt von offenen Gräbern in eine Welt von übertünchten Gräbern zu verwan-deln — du magst bezähmen, ausbilden, erziehen, verbessern; aber den­noch bleiben die Totengebeine, die Verwesung und der Tod darin .— den­noch ist Sünde, Unreinigkeit, nicht verziehene Sünde darin. —' Unnütze Arbeiter, die ihr seid!

Gott .aber sei gepriesen, daß ein jeder, d e r a l s ein S ü n d e r an Jesum glaubt, unmittelbar und vollkommen von Gott gereinigt ist! Ja, Du, o Gott, bist ein allmächtiger Wirker! — Dies sind Worte der Wahrheit! — Dies sind Worte der Gnade!

Der feste Frieden

Sobald wir anfangen, unseren Frieden auf irgend etwas in uns selbst zu stützen, verlieren wir ihn; und dies ist die Ursache, warum so viele;

Heiligen keinen festen Frieden haben. Nichts kann beständig sein, was nicht allein auf Gott gebaut ist. Du kannst nur dann einen festen Frieden haben, wenn du ihn nach der Anordnung Gottes hast; nur dann, wenn du dich nicht auf irgend etwas stützest, was in dir ist, nicht einmal. auf das Werk des Geistes in dir, sondern allein auf das, was Christus, ganz und gar außer dir getan hat. Nur dann wirst du Frieden haben — Frieden, beim Bewußtsein deiner gänzlichen Unwürdigkeit. In Christo allein findet Gott das, worin Er ruhen kann, und ebenso ist es mit Seinen Heiligen. Jemehr du die Größe und die Natur des Bösen, das in dir und außer dir um dich her ist, siebest, desto mehr wirst du verstehen, daß nur das, was Jesus ist, und was Er getan hat, der einzig wahre Grund, ist, worauf du ruhen kannst.

Das Bekennen der Sünde      

Beim Betrachten irgend einer Wahrheit Gottes ist es durchaus nötig, alle unsere Schlußfolgerungen mit ruhigem und prüfendem Geiste in der Waage der heiligen Schrift zu. wägen. Auf diese Weise werden wir vor dem Übel bewahrt, nur die eine Seite einer Frage voreilig aufzugreifen und sie in einer Weise anzuwenden, wodurch die Reinheit der göttlichen Wahrheit verdorben und die Seelen der Menschen beschädigt werden.

Unter vielen Christen herrscht ein großer Mangel an Klarheit über den wichtigen Gegenstand von dem Bekennen der Sünde des Gläubigen. Sehr oft werden die zwei verschiedenen Dinge, Versöhnung Und Ver­gebung, miteinander vermengt. Es ist völlig wahr, daß alle unsere Sün-

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 den auf dem Kreuze versöhnt sind, und wir deshalb in demselben Augen­blicke, wo wir durch die Gnade an den Sohn Gottes glauben, aus der Stellung der Schuld und Verdammnis in die Stellung der vollkommenen Vergebung und Annahme eintreten. Der Gläubige ist mit Christo ver­einigt. Er ist, was seine Stellung vor Gott betrifft, vollendet, sodaß das Wort sagt: „Wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt" (1. Joh. 4, 17). „Ihr seid in Ihm vollendet" (Kol. 2). „Begnadigt in dem Geliebten" (Eph. l). Niemals können wir diese vollkommene Stellung verlieren. Es ist un­möglich, daß jemals ein einziges Glied des Leibes Christi nur für einen Augenblick außerhalb jener Stellung der vollkommenen Gunst sein kann, in welche es durch Gottes freie Gnade gesetzt worden ist, und zwar in Vereinigung mit dem gekreuzigten, auferweckten und verherrlichten Haupte.

Er mag das Gefühl, den Trost und die Kraft davon verlieren; aber die Sache selbst kann er nicht verlieren. Es ist die unabänderliche Stellung in Christo. Die Wolken mögen die belebenden Strahlen der Sonne vor unseren Augen bedecken und verbergen, aber die Sonne scheint immer­dar in ungetrübtem Glänze fort. Der Gläubige ist ein für allemal in Christo angenommen. Er ist mit Ihm durch ein Band vereinigt, welches niemals getrennt werden kann.

Dies alles ist göttliche Wahrheit, und ist in dem Worte in zu zahl­reichen Stellen niedergelegt, um sie hier anführen zu können. Aber man muß wohl daran denken, daß wir nicht eher in diese gesegnete Stellung eintreten, bis wir glauben. Der Grund derselben, ist völlig in dem Tode und der Auferweckung Christi niedergelegt; aber nur dann, wenn wir durch, die Kraft des Heiligen Geistes die köstliche Wahrheit des Evan­geliums in unsere Herzen aufnehmen, treten wir in den Genuß derselben ein. „Nachdem ihr an Ihn gläubig geworden, seid ihr mit dem Heiligen Geiste der Verheißung versiegelt worden" (Eph. 1. 13).

Ferner haben wir nicht zu vergessen, daß wir, obgleich in Betreff unserer Stellung und unseres Rechtes in Christo vollendet, sodaß wir jeden Augenblick zubereitet und fähig sind, in die göttliche Gegenwart einzutreten, und obgleich im Besitz der göttlichen Natur, welche nicht sündigen kann, weil sie aus Gott geboren ist. dennoch die Sünde in uns haben. Wir tragen eine sündhafte Natur mit uns umher, und wenn wir nicht wachsam sind, sind wir stets der Gefahr ausgesetzt, die Sünde in Gedanken, Worten und Werken zu begehen. „Wenn wir sagen, daß wir nicht Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht • in uns. • Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt, und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt. Wenn wir sagen, daß wir nicht gesündigt haben, so machen wir Ihn zum Lügner, und Sein Wort ist nicht in uns. Meine Kinder, ich schreibe euch dieses, auf daß ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat, so haben wir einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Ge­rechten. Und Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt" (1. Joh. 8; 2, 1. 2.)

Hier nun ist die Lehre von dem Bekennen niedergelegt. „Wenn wir", die Gläubigen, „unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt, und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt". Bemerke wohl, er sagt: „treu und gerecht", und nicht nur: „gnädig und

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 barmherzig". Es ist wunderbar zu denken, daß Gott uns auf diese Weise dargestellt werden kann, wenn es sich um die Vergebung und Reinigung von jemand handelt, der die Sünde begangen hat. Und dies kann allein deshalb geschehen, weil durch Jesum Christum ein vollkommenes Opfer für unsere Sünden dargebracht ist. Wer durch Glauben in Ihm und Seinem Werke ruht, hat die Gerechtigkeit Gottes nicht mehr zu fürchten; sie ist ebensowohl für Ihn, als auch Seine Gnade und Liebe.

Aber es muß das Bekenntnis da sein. Das Gewissen muß rein gehal­ten werden. Es ist unverzeihlich für einen Gläubigen, die Sünde zu be­gehen und zu sagen: „O, meine Sünden sind alle vergeben, und ich brauche mich deshalb nicht zu beunruhigen"; dies geht nicht an. Ein einziger, sündlicher Gedanke ist genügend, um die praktische Gemeinschaft des Gläubigen mit Gott zu unterbrechen. Es kann nicht sein Leben berühren, oder seine Sicherheit in Christo beeinträchtigen, aber es kann seine Ge­meinschart beeinträchtigen und seinen Trost schwächen. Es kann unmög­lich Gemeinschaft mit Gott haben, während die kleinste bewußte und ungerichtete Sünde auf seinem Gewissen ist. Was hat er zu tun? Sein Herz durch Bekennen vor Gott auszuschütten — sofort reine Bahn damit zu machen. Und was wird die Folge sein? Eine volle Vergebung und Reinigung gemäß der Treue und Gerechtigkeit Gottes.

Einige mögen sich indes versucht fühlen, zu fragen: „Begehen wir aber nicht viele Sünden, die niemals in den Bereich unseres Gewissens kommen, und wie haben wir diese zu bekennen? Die Antwort ist ganz einfach; um solche Sünden handelt es sich nicht. Wir können ohne Zweifel im Allgemeinen unsere mannigfachen Sünden, Schwachheiten und Fehler bekennen, und uns der vollen Vergebung versichert halten; aber unsere Gemeinschaft ist nur durch solche Dinge unterbrochen, die auf unserem Gewissen lasten. „Wenn wir aber in dem Lichte wandeln, wie Er in dem Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde". Wenn wir in dem Lichte wandeln, so handelt es sich nicht um die Sünde, sondern wir sind vor Gott, gemäß der göttlichen Kraft des Blutes Jesu, bewahrt. — Aber wenn wir in dem gegenwärtigen, praktischen Zustande der Seele aus dem Lichte gehen und die Sünde tun, wie kommen wir wieder zurück? Durch Bekennen, durch die Vertretung oder Fürsprache Christi. Wenn wir in dem Lichte wandeln, so haben wir das Blut; wenn wir gesündigt haben, so haben wir einen Sachwalter oder Vertreter. Gewöhnlich ist es der Fall bei den Menschen, daß sie diese Ordnung umkehren. Wir gehen aber nur dann einen sicheren und gesegneten Weg, wenn alle unsere Gedanken in Übereinstimmung mit dem Worte Gottes sind, und dies ist besonders bei diesem so wichtigen Gegenstande der Fall, worüber so viel Ver­wirrung unter den Gläubigen herrscht.

Möge der Herr uns deshalb in allem ein klares Verständnis geben, und den Geist der völligen Unterwerfung unter die Autorität der heili­gen Schrift in uns vermehren!                                     

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Ein Leib und ein Geist

Es ist der Wille Gottes, daß Seine Kirche oder Versammlung eins sein soll, nicht nur im Geiste, sondern, auch in ihrer äußerlichen Gestalt, um einen Leib an jedem Orte, und einen Leib in der ganzen Welt darzustellen (Joh: 11, 52; 17. 11. 21; Apg. 2, 44; Röm. 12; 1. Kor. 1; 10; 12; Eph. 2; 4; 1. Tim. 3, 15). Er wird dieses in Vollkommenheit beenden bei der Ankunft Christi (Joh. 17, 21. 22; Eph. 5, 27; Hebr. 12, 23; Offb. 19, 7; 21, 9), Inzwischen, obliegt es aber allen Gläubigen, diese heilige und geoffenbarte Vereinigung zu suchen, und alles aus dem Wege zu. räumen, was sie Verhindert. Wir mögen freilich, um unserer gemeinschaft­lichen Verantwortlichkeit zu entsprechen, ebenso schwach sein, wie wir es "auch im Entsprechen unserer persönlichen Berufung zur Hei­ligkeit sind; aber dennoch bleibt in Bezug auf beides, und trotz aller Schwierigkeiten, unsere Pflicht klar, höchst wichtig und unausweichlich. Doch ist bei der Masse der Christen dieser heilige, unwiderrufliche Punkt der Lehre und der Ausübung sehr vernachlässigt und vergesset! worden. Ein großer Teil der Christenheit erkennt zwar den Grundsatz der kirch­lichen Einheit an; aber nach einer ganz fleischlichen Weise. Ein anderer Teil maßt sich das Recht an Seine Verfassungsformen, seinen Ritus und Seine Zeremonien dem Willen seiner Kirchen-Regenten anzupassen, die dann in den verschiedenen Zeiten und Gegenden verschieden sind. Außer­dem: gibt es noch eine Menge kleinerer Parteien, die sich von der großen Masse' getrennt haben, und gewöhnlich gebildet worden sind, entweder nach einem selbsterdachten Plane irgend einer bestimmten Person, ohne daß solchen Stiftern gerade diesmal der Gedanke, eine Kirche sein zu wollen, vor Augen schwebte, oder in Folge der zu einseitigen Ansichten von Schriftwahrheiten, welche die Gläubigen zerstreuen, anstatt sie Au vereinigen:

Der Hauptirrtum auf der einen Seite ist die uneingeschränkte Öffnung der Tür, um grundsätzlich die ganze Bevölkerung, ohne nach einem lebendigen Glauben zu tragen, zu den feierlichsten Hand­lungen des Gottesdienstes und der christlichen Gemeinschaft zuzulassen. Jeher auf der anderen Seite ist im Gegenteil das sektirische Zu­schließender Tür vor wahren Christen, welche nicht das Schibboleth der Partei auszusprechen vermögen; wodurch dann viele Brüder ausgeschlossen sind. Das charakteristische Übel der ersten ist, daß sie viele als Chri­sten behandeln, welche durchaus nicht als solche anerkannt sind. Dahin­gegen ist das- gleichfalls charakteristische Übel der letzteren, daß sie viele nicht als Christen behandeln, die als solche anerkannt sind. Das eine System macht die Grenzen weiter, das andere enger als die Grenzen Gottes. In beiden Fällen aber sind die wahren Gedanken der Schrift über die Kirche tatsächlich zerstört. Während die einen den wahren Charakter der Kirche als Leib Christi ganz aus dem Auge verloren haben, be­festigen die anderen kräftiglich, daß sie nicht ein Leib ist. Gott aber will, daß Seine Kinder nicht getrennt seien, sondern sich im Namen Jesu versammeln. Dies ist aber augenscheinlich beiseite gesetzt, wenn man solche als Brüder in Christo vereinigt, die getrennt sein sollen,

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 — nämlich jene, welche offenbar von dieser Welt sind*), öder welche', wenn sie Christum bekennen. Ihn durch böse Lehren' oder Werke ver­leugnen; oder wenn man solche trennt, die vereinigt sein sollen, nämlich alle, die aus richtigen Gründen für wahre Christen gehalten werden.

Es mag vielleicht erwidert werden,, daß, obschon ohne. allen Zweifel, dies die Anordnungen des Heiligen Geistes in den ersten Tagen der Kirche, war, jetzt aber die Zeiten und Umstände verändert sind. Die, .Gaben der Heilung, die Wirkungen der Wunderwerke, die verschiedenen, Arten von Sprachen bestehen nicht mehr, wie sie es früher waren. Dies alles Ist freilich wahr; aber ich frage: Ist solch ein Körper, wie .die Kirche,**) jetzt nicht mehr auf der Erde? Ist er noch da, so ist auch der Geist Gottes Selbst noch persönlich auf der Erde, ebenso gewiß, wenn auch nicht augenscheinlich, wie im Anfange; denn Er ist die bildende Kraft und der Leiter der Kirche. Er war es, der die Juden und Heiden zu Einem Leibe taufte. Er war es, welcher immerdar bleibt. Zu jeher Zelt trat die Kirche als eine erfüllte Tatsache in Erscheinung (siehe Apg.; l,,5; und 1. Kor. 12, 13); denn ich spreche nicht von dem verborgenen Ratschluß Gottes. Zu Pfingsten sah man sie zuerst mit der Verheißung .des Vaters ausgestattet. Natürlich gab es, wie wir wissen, auch vorher Gläubige, von Abel abwärts; aber obschon belebt vom Geiste, so waren sie doch nicht durch Ihn getauft; sie hatten Ihn nicht in sich wohnend, wie die Heiligen nach Pfingsten. Dies war das köstliche Vorrecht, welches den Heimgang Christi zum Vater notwendig machte: „Denn wenn ich nicht hingehe, wird der Sachwalter nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich Ihn zu euch senden" (Joh. 16, 7). Es konnte nicht eher geschehen, als bis Christus verherrlicht war (Joh. 7, 39). Aber vom Himmel; hernieder gesandt, war der Geist der Wahrheit in ihnen, und bleibt immerdar bei ihnen. „Und ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, daß Er bei euch bleibe in Ewigkeit, den Geist der

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*) Die evangelische Allianz, — welche, wie ich glaube, ein, wenn auch un­vollkommenes Zeugnis des gegenwärtigen Verfalls der Kirche ist — ist in der Tat ein Geständnis, daß es keine solche anerkannte und verwirklichte Ver­einigung in der gegenwärtigen Christenheit gibt; denn anders würde kein Bedürfnis für eine evangelische Allianz dagewesen sein.     

**) Wenn wir von dem Verfall der Kirche sprechen, so ist damit nicht ge­meint, daß die Kirche nicht mehr auf der Erde existiere. Im Gegenteil, wenn sie nicht mehr auf der Erde bestände, so könnte sie nicht in solchem Zustande sein. Der Ausdruck ist dem ähnlich, den man auf einen Mann anwendet, der sein Vermögen verloren hat. Man sagt: „Er ist ein ruinierter Mann". Natür­lich ist damit verstanden, daß der Mann selbst noch e.cistiert. Ebenso ist es mit dem gegenwärtigen Zustand der Kirche. Jener Zustand gibt ohne Zweifel Veranlassung zu Schwierigkeiten; denn inele Dinge sind nicht; wie sie sein sollten, noch wie sie einst waren. Aber das Wort und der Geist sind für einen immerwährenden Dienst, und genügen für alle vorkommenden Fälle. „Wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib Licht sein; wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein". Dem demütigen und gehorsamen Herzen wird niemals die göttliche Leitung fehlen.

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 Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn nicht stehet, noch kennt. Ihr aber kennet Ihn; denn Er bleibet bei euch und wird in euch sein" (Joh. 14, 16. 17). Die Anerkennung des Heiligen Geistes, als der wirklich gegenwärtige, alleinige und genügende Regierer in der Kirche, während der Abwesenheit unseres Herrn, ist ein besonderer Teil unserer Verantwortlichkeit, und sollte stets ein leitender Zug in unse­rem Zeugnis sein.

Diese Haupt-Wahrheit von der Gegenwart des Heiligen Geistes, 1 n und mit der Kirche, hat diese zwei unendlich wichtigen Folgerungen:

1. Es ist nicht durch die Kindertaufe, oder durch die Taufe der Er­wachsenen,*) es ist nicht durch die Annahme dieses oder jenes Artikels des Glaubensbekenntnisses, sondern es ist „durch einen Geist", den Heiligen Geist, durch welchen wir alle — d. h. alle Gläubigen — zu einem Leibe getauft sind (1. Kor. 12, 13). Die Taufe des mit Blut gewaschenen Heiligen durch den Heiligen Geist Selbst ist, wenn man so mit Ehrfurcht sagen darf, die höchste Befähigung, welche Gott uns mitteilen kann, um ein Glied des einen Leibes, des Leibes Christi zu werden. Aber dieses ist das Vorrecht aller wahren Christen. Nur eine Grenze, die grundsätzlich alle Christen, und nur Christen, einschließt, kann den Glauben befriedigen, weil diese allein den Geist Gottes befriedigt. Wenn gesagt wird: „nur Christen", so ist damit gemeint, insoweit der Mensch, geleitet durch das Wort und den Geist Gottes, unterscheiden kann. Wenn sie Heuchler sind, so werden sie zu seiner Zeit offenbart werden.

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*) Es ist nicht zu leugnen, daß die Taufe das äußere Zeichen, oder das Offenbarwerden eines Bekenners Christi war. Nur ist es wichtig, zu bemer­ken, daß ein Gläubiger nicht als ein Glied einer besonderen Kirche oder Ver­sammlung getauft wurde. Anerkannt durch die Taufe als ein Bekenner Christi, suchte er natürlich da Gemeinschaft, wo er sich befand, vorausgesetzt, daß dort eine Versammlung war; und das Abendmahl des Herrn war das bestän­dig wiederkehrende Symbol der Vereinigung oder Gemeinschaft. „Denn ein Brot — ein Leib sind wir, die Vielen; denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig" (1. Kor. 10, 17). Es mag hier hinzugefügt werden, daß jene, welche predigten, in keinerlei Weise die Taufe oder des Herrn Abendmahl als eine gottesdienstliche Handlung betrachteten, die notwendigerweise durch sie verwaltet werden mußte. So befahl Petrus, den Cornelius und seine Freunde im Namen des Herrn zu taufen (Apg. 10, 48); und Paulus schreibt, daß Christus ihn nicht gesandt habe. zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen (1. Kor. 1. 17). Er sagt dies vornehmlich in Bezug auf die Korinther. Da wir nun wissen, daß viele von ihnen glaubten und getauft wurden (Apg. 18, S), so werden jedenfalls andere Brüder diesen Dienst vollzogen haben. In Betreff des Abendmahls des Herrn ist diese Sache ebenso klar, wenn nicht noch klarer. In der Tat kommt die Idee von einer bevollmächtigten Person zum Austeilen oder Brechen des Brotes nirgend vor, ja, nicht irgend etwas im Neuen Testament, soviel ich weiß, das auch nur einen Schatten davon gäbe. Siehe Apg. 20, 7, sowie 1. Kor. 11, woselbst, wenn je unter welchen Umständen, eine etwaige Einschränkung notwendig erscheinen möchte, weil die Korinther den Tisch zu einer fleischlichen Freiheit gebrauchten. Während aber der Geist das Übel rügt und den heiligen und feierlichen Charakter des Festes einschärft, läßt Er die Weise seiner Feier uneingeschränkt, wie immer. Bei ihm sind es die Heiligen als ein Leib, und nicht eine bevorzugte Klasse, welche die Ver­waltung, als ihr Recht, in Anspruch nimmt.

 

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2. Nachdem der Apostel über die Anerkennung der Oberherrschaft Jesu durch den Heiligen Geist (1. Kor. 12, 3). welche hier die Grundlage von allem ist, gesprochen hat, zeigt er, daß da Verschiedenheiten von Gaben sind, aber derselbe Geist; Verschiedenheiten von Diensten, aber derselbe Herr; und Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, wirkend alles in allem. Alsdann, in V. 7—11, geht er auf die Einzelheiten dieser Offenbarung des Geistes ein. Sie ist einem jeden zum gemeinsamen Nutzen gegeben; sei es die Rede der Weisheit, die Rede der Erkenntnis etc. Es sind verschiedene Offenbarungen; „aber alle diese Dinge wirket ein und derselbe Geist, jeglichem insbesondere austeilend, wie Er will". Während es nun völlig anerkannt ist, daß einige oder viele der äußeren Gaben nicht mehr gefunden werden, so muß jedoch auf das bestimmteste behauptet werden, daß dieses nicht im Geringsten die Wahr­heit verneint, daß der Geist Selbst bleibt. Wenn Er. aber bleibt, hat Er dann etwa Seine Funktionen niedergelegt? Wenn sogar in diesen Tagen, wo der Hochmut den geistigen Verfall, den er so gern zu leugnen sucht, nicht bemänteln kann, — wenn jetzt ein Christ „die Rede der Weisheit" und ein anderer „die Rede der Erkenntnis" hat, ist es durch den Geist Gottes, oder durch einen anderen Geist? „Denn wer von den Menschen weiß die Dinge des Menschen, als der Geist des Menschen, der in ihm ist? Also weiß auch niemand die Dinge Gottes als der Geist Gottes" (1. Kor. 2, 11). Ist es jetzt nur die Weisheit des Menschen, oder gibt es wirklich noch eine Belehrung durch den Heiligen Geist? Ich halte mich davon über­zeugt, daß die Christen, die diese Schrift lesen, glauben, daß es gegen­wärtig noch eine wirkliche Kraft gibt, um der Welt das Evangelium zu predigen und die Kirche zu erbauen. Wenn dies aber der Fall ist, woher kommt sie? Der natürliche Mensch kennt nichts als nur die natürlichen Dinge, und kann weder die Dinge des Geistes Gottes empfangen, noch mitteilen. Die wahre geistliche Macht ist von Ihm Selbst. Wer von uns Gläubigen ist nicht ein Zeugnis, daß diese Macht noch fortbesteht? — Geschwächt und abgestumpft ist sie leider; denn Er, welcher wirkt, ist durch all die Verwirrung und Verwüstung um Ihn her betrübt. Jedoch bleibt Er, und Seine Macht bleibt; und die Art und Weise, in welcher Er handelt, ist gemäß der oben angeführten Stelle: „Jeglichem insbesondere austeilend, wie Er will". Das ist klar; und selbstredend gebraucht Er den, welchen Er für passend findet. Es ist keine menschlich abgesonderte Kaste, die Er dazu verwendet, um der enge und ausschließliche Kanal Seiner Segnungen zu sein. Nein; Er tritt Seine Oberherrschaft nicht ab. Es ist daher nicht das Gutdünken eines Predigers, noch einer Synode von Predigern, noch einer Versammlung, noch einer Sekte, ja sogar nicht der wahren Kirche, viel weniger der weltlichen Macht; — es ist der Geist Gottes. Und Er teilt aus, wie Er will. Wiederum: Er teilt einem jeden, oder jedermann aus — d. h. innerhalb der Kirche oder Versammlung — nicht nur diese oder jene besondere Gabe, sondern teilt etwas für das gemeinsame Wohl aus: — „Jeglichem insbeson­dere, wie Er will". Daher hängt die Ordnung und Handlungsweise der Kirche, wie sie in der Schrift mitgeteilt ist, allein von der Gegenwart und

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 der Wirkung des Heiligen Geistes ab. Und wenn Ihm freier Raum ge­lassen wird, um zu wirken, so geschieht es, wenn wir in Wahrheit dem Worte Gottes folgen, nach jenem Muster: „Der Glieder viele, der Leib aber einer". Er handelt in der Einheit des ganzen Leibes. Auf diese Weise werden wir Sein Zeugnis angeordnet finden, wie es deutlich aus der Apostelgeschichte und den Episteln hervorgeht, sei es nun innerhalb der Kirche, d. i. in der Mitte der Gläubigen, oder außerhalb derselben.

Was das Zeugnis gegen die, welche draußen sind, betrifft, vergl. Apg. 8, 1. 4; 11, 20; 18, 24—28 und Phil. 1. 14. Der größte Teil der Kirche, die bei der Verfolgung nach der Steinigung des Stephanus zerstreut wurde, ging überall hin und predigte das Evangelium. Unter ihnen war Philippus besonders hervorragend, sowohl in Samaria als auch anderswo. Wenn gesagt wird, daß er öffentlich angestellt war, so ist die Antwort:

Er war es, aber nur um den Tischen zu dienen, und nicht, um das Wort Gottes zu predigen. Jener Dienst war angeordnet, damit die zwölf Apo­stel, der Sorge dieses Geschäftes überhoben, ungehindert im Gebet und im Dienste des Wortes verharren konnten. Wenn Philippus mit Macht predigte, wenn Stephanus mit unwiderstehlicher Weisheit redete, und wenn beide Wunder wirkten, so war dies alles nicht vermöge einer Ein­setzung, da diese sich nur einfach und ausschließlich auf den täglichen Dienst bezog (vergl. Apg. 6, 6. mit 4, 35). Ferner reisten einige jener Zer­streuten bis Phönizien, Zypern und Antiochia, indem sie zu niemanden das Wort verkündigten als allein zu den Juden. Es waren aber unter ihnen einige Männer von Zypern und Zyrene, als sie nach Antiochia kamen, zu den Griechen redeten und ihnen die gute Botschaft von dem Herrn Jesu brachten. Maßten sich diese Brüder etwas an, was ungerechtfertigt war? Wurden sie durch die Kirche zu Jerusalem getadelt, wo doch so viele stets bereit waren, um das zu verurteilen, was unregelmäßig erschien? „ES kam aber die Rede von Ihnen bis zu den Ohren der Versammlung, die zu Jerusalem war; und sie entsandten Barabas, um bis nach Antiochia zu gehen. Als dieser hinkam, und die Gnade Gottes sah, freute er sich und ermahnte Alle, mit Herzens-Entschluß bei dem Herrn zu verharren. Denn er war ein guter Mann und voll Heiligen Geistes und Glaubens, und eine zahlreiche Menge ward dem Herrn zugetan" (Apg. 11. 22—24). Und später lesen wir: „Apollos redete und lehrte sorgfältig die Sache des Herrn";

und dies sogar, als er nur von der Taufe Johannes wußte. Und genauer unterrichtet durch einen Gläubigen und sein Weib, die ebensowenig be­vollmächtigt waren, wie er selbst, finden wir ihn bald nachher wirk­samer und angesehener als je, „indem er den Glaubenden durch die Gnade so behilflich war; — denn kräftig widerlegte er öffentlich die Juden, indem er durch die Schritten bewies, daß Jesus der Christus ist". — Ebenso zu Rom, wo mehrere Brüder im Herrn, indem sie durch Pauli Banden Vertrauen gewonnen hatten, viel kühner waren, furchtlos das Wort zu reden. Es ist wahr, die Beweggründe waren nicht bei allen gut;

aber dies ist eine Gefahr, welche keine menschliche Einschränkung ab­wehren kann. Ach! sogar niedrigere Beweggründe als diese, wurden un­fehlbar eingeführt, als der sogenannte Dienst Christi zu einem geregel­ten, ansehnlichen und in einigen Fällen einträglichen Beruf hinabsank. Es war nicht also in den apostolischen Tagen. Damals gab es sowohl solche, die Christum aus Neid und Streit predigten, als auch andere, die

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 Ihn aus gutem Willen predigten. — „Was dann?" sagt der weitherzige Apostel. Schlägt er etwa vor, jene gesegnete Freiheit zu fesseln, weil sie durch diese unheiligen Gefühle verkehrt angewandt .wurde? Nichts der Art. „Wird doch auf alle Weise" — sagt er — „sei es aus Vorwand, sei es in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich" (Phil. 1. 18>. Es wird nicht nötig sein, noch andere, weniger direkte Schriftstellen anzuführen, die aber gleichfalls zeigen, daß die Lehre, und nicht die Ordination, der göttliche Prüfstein für die Verwerfung oder Annahme derer ist, welche bekennen, Diener Christi zu sein. Es ist klar, daß jene angeführten Stellen beweisen, daß solche Christen, welche befähigt sind, nicht nur die Freiheit, sondern sogar die Verantwortlich­keit haben, das Evangelium zu predigen. Nicht eine Schriftstelle kann vorgebracht werden, die diesem Grundsatze widerspricht, ihn begrenzt oder einschränkt. Die Schrift spricht niemals von einer menschlichen Vollmacht, als einer notwendigen Einführung zu diesem Werke. Im Ge­genteil, das Gleichnis von den Talenten in Matth. 25 zeigt uns durch sein ernstes Gericht die Gefahr, auf eine andere Ermächtigung zu warten, als auf die Tatsache, daß der Herr den Dienern Seine Güter übergeben hat, womit zu handeln sie verantwortlich sind. An der Gnade des Herrn zwei­feln — sich fürchten, weil man nicht die Vollmacht derer hat, die sich anmaßen, dazu berechtigt zu sein, mit Seinem Rechte scherzen oder das Talent in die Erde vergraben, heißt nach der Weise des bösen und faulen Knechtes handeln. Denn der Herr der Ernte, um ein anderes Gleichnis zu gebrauchen, hat allein das Recht, Seine Arbeiter auszusenden (vergl. Matth. 10 u, Röm. 10). Mit einem Worte, die Frage ist nicht, ob alle Christen von Gott befähigt sind, das Evangelium zu predigen, sondern jene, die dazu befähigt sind, nicht predigen dürfen, bevor sie irgend einen menschlich autorisierten Ruf empfangen haben. Die heilige Schrift, wie wir gesehen haben, entscheidet, daß sie es nicht nur dürfen, sondern sogar müssen,

Was nun das Zeugnis gegen die sich innerhalb der Kirche oder Ver­sammlung Befindenden betrifft, so zeigt uns 1. Kor. 14. ganz klar, daß die einzige Beschränkung zur Ausübung der Gaben der Gläubigen diese war: „Laßt alles zur Erbauung geschehen". Den Weibern war auf das Bestimmteste verboten, in den Versammlungen zu reden. Anders­wo waren sie verantwortlich, die ihnen vom Herrn zugeteilte Gabe, in der Unterwürfigkeit unter Sein Wort, zu benutzen. Also nahm Priscilla, nicht weniger als Aquila, den Apollos zu sich, und sie legten ihm noch genauer den Weg Gottes aus (Apg. 18, 26). und die vier Töchter des Phi­lippus prophezeihten (Apg. 21, 9); aber nicht in den Versammlungen. Der Heilige Geist verbot dieses in 1. Kor. 14, 34. 35. Einem Weibe war nicht erlaubt zu lehren, auch nicht den Mann zu beherrschen (1. Tim. 2, 12). Aber alle die Brüder, als ein Ganzes, wurden auf diese Weise ermahnt:

„Strebet nach der Liebe; eifert aber um die geistlichen Gaben, am mei­sten aber, daß ihr weissaget". Und natürlich sollten sie ihre Gaben aus­nützen, wie Gott sie bevollmächtigte, sodaß alles anständig und in Ord­nung geschah. Deswegen sagt Jakobus in Kap. 3, l: „Werdet nicht viele Lehrer, meine Brüder" — eine Ermahnung, die im allgemeinen in den gegenwärtigen kirchlichen Einrichtungen ebensowenig Anwendung fin­det, als sie in den Umständen derer, an welche sie gerichtet, ange-

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 messen und notwendig war — eine Ermahnung, die offenbar voraussetzt, daß dort eine offene Dienstleistung war, welche sehr leicht durch das Fleisch auf eine falsche Weise benutzt werden konnte, die aber der Apo­stel, anstatt sie zu beseitigen oder einzuschränken, für das Beste ihrer Seelen anwandte, indem er ihnen ihre direkte Verantwortlichkeit vor Gott darstellte. Auf der anderen Seite ist das ganze Haus Gottes ermahnt, nicht jeglichem Geist zu glauben, sondern die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind; „denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegan­gen" (1. Joh. 4). Sogar wird zu jener „auserwählten Frau" in 2. Joh. V. 10 gesagt, daß, wenn jemand komme, und nicht die Lehre von Christo bringe, diesen nicht in ihr Haus aufzunehmen. Sowohl jene, welche hören, als auch jene, die da lehren, haben nötig, auf ihrer Hut zu sein. Die Verant­wortlichkeit ist nach allen Seiten hin geblieben, und keiner kann ihr, entgehen.

In Röm. 12 haben wir dieselbe Sache, obschon von einem anderen Gesichtspunkt betrachtet. „Denn ich sage durch die Gnade, die mir ge­geben ist, einem jeden unter euch, nicht höher von sich zu halten, als es sich zu halten gebührt, sondern (von sich) also zu denken, daß er mäßig gesinnt sei, wie Gott einem jeglichen das Maß des Glaubens zugeteilt hat. Denn gleich wie wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber alle Glieder nicht dasselbe Geschäft haben, also sind wir viele ein Leib in Christo, aber je einer des anderen Glieder, aber Gnaden­gaben habend, verschieden nach der Gnade, die uns gegeben ist: Es sei Weissagung (so laßt uns weissagen), nach dem Maß des Glaubens; es sei Dienst, (so laßt uns bleiben) in dem Dienst, es sei der Lehrer, — in der Lehre; es sei der Ermahner, — in der Er­mahnung; der da mitteilt, — in Einfalt; der Vorstehende, — in Fleiß;

der Barmherzigkeit Übende, — in Freudigkeit". — Man hatte auf die Handlungsweise Gottes mit jedem zu sehen, und nicht auf eine rein menschliche Vollmacht oder Übertragung an einen oder an einige. Daher kam der Glaube hinein, und ein jeder ist ermahnt, mäßig von sich zu denken, und das, was Gott ihm gegeben hat, zu benutzen, anstatt sich mehr anzumaßen. Es ist nicht ein Glied, das alle Gaben in sich ver­einigt oder andere hindert, sondern es sind viele Glieder und doch nur ein Leib, der verschiedene Gaben hat; und jene sind ermahnt, diese Gaben anzuwenden, nicht nur in Liebe, weil ein jeder, einer des anderen Glieder sind, sondern auch um der Gnade willen, die uns von Seiten Gottes gegeben ist. So in Eph. 4, 4—16. „Ein Leib, und ein Geist. . . . Einem jeglichen von uns aber ist die Gnade nach dem Maß der Gabe des Christus gegeben, . . . aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und zusammen befestigt, durch jedes Ge­lenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße eines jeglichen Teiles, das Wachstum des Leibes zu seiner Selbstauferbauung in Liebe schafft". In Kol. 2, 19. finden wir die­selbe Sache: — „Das Haupt, von welchem der ganze Leib, durch die Ge­lenke und Bande Darreichung empfangend, und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst". Ebenso macht es 1. Petri 4, 10. 11. zu einem Gegenstand bestimmter Verpflichtung, daß, „je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat", sie damit einander dienen sollen. So, und nicht anders, würden sie gute Verwalter der mannigtalti-

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 gen Gnade Gottes sein. „Wenn jemand redet, (so rede er) als Aus­sprüche Gottes ; wenn jemand dient, (so sei es) als aus der Kraft, welche Gott durch Jesum Christum darreicht, auf daß in allem Gott durch Jesus Christus verherrlicht werde, welchem ist die Herrlichkeit und die Stärke in die Zeitalter der Zeitalter! Amen"!

Kann irgend etwas deutlicher zeigen, daß die durch Menschen er­langte Befähigung von keinem Werte ist, und daß ebensosehr die Idee einer menschlichen Einschränkung völlig ausgeschlossen ist? Das, was von Gott kommt, und nichts anderes, ist ohne weitere Bestätigung zu benutzen und anzunehmen, auf daß in allem Gott durch Jesum Chri­stum verherrlicht werde.

Von diesen Schriftstellen lernen wir also, daß die Gaben von oben zur Segnung des ganzen Leibes Christi sind; und nicht die eine für diese, und die andere für jene Abteilung der Kirche, sondern alles frei und offen für die ganze Kirche oder Versammlung und die ganze Kirche offen für alle.

Gemäß des göttlichen Planes bin ich also, wenn ich überhaupt ein Glied der Kirche bin, ein Glied der Kirche überall. Wenn ich in irgend einen Teil der Welt gehe, wo Heilige den Namen Christi, unseres Herrn, anrufen, da bin ich ein Glied, nicht durch Erlaubnis oder Höflich­keit, sondern durch die allgemeine Anerkennung seitens der Gläubigen, nach dem Rechte, welches mir die Gnade gegeben hat. Getauft durch den Geist, bin ich ein Glied des Leibes Christi, wo immer ich sein mag. In den Tagen der Apostel war überall nur diese Vereinigung, und keine andere gekannt. Es mag verschiedene Ansichten geben; es mag das Wort nötig sein: „Doch wozu wir gelangt sind, laßt uns nach der selben Regel wandeln, gleich gesinnet sein". Einige mögen „Gemüse" essen, und an­dere „feste Speise"; aber der Geist sagte und sagt noch: „Darum nehmet euch untereinander an, gleichwie auch der Christus euch angenommen hat, zu Gottes Herrlichkeit" (Röm 15, 7). Nun aber ist die Herrlichkeit Gottes nicht mit einigen, sondern mit allen Gliedern des Leibes Christi vereinigt. Wenn daher das schwächste Glied ausgeschlossen wäre, aus­genommen in dem Falle der notwendigen, schriftgemäßen Zucht, so würde insoweit jene Herrlichkeit vergessen oder verachtet sein; und des­halb sollten jene, die, wenn nicht aus Unkenntnis, eine solche Ausschlie­ßung hervorrufen, gemieden werden, als Urheber von Zwiespalt und Är­gernissen, entgegen der Lehre, die wir gelernt haben.

Wie nun der Grund der Vereinigung oder Gemeinschaft ist, so ist auch der des Dienstes. Er ist von dem Geiste Gottes. Wenn nicht, so ist es nichts oder gar noch schlechter, und sollte als solches von allen denen behandelt werden, die Gott lieber ehren, als den Menschen. Wenn ein Christ ein Evangelist ist, so ist er es überall, und ist nicht nur auf diesen oder jenen Bezirk, auf diese oder jene Volksversammlung oder Kapelle beschränkt. Wenn er ein Lehrer oder Hirte ist, oder beides, so übt er natürlich seine Gaben da aus, wo er wohnt. Aber er ist alsdann nicht der Lehrer, sondern ein Lehrer; und er ist ein Lehrer in der Kirche,*) und nicht in einer Kirche.

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*) In der Versammlung zu Antiochia waren zum wenigsten fünf Prophe­ten und Lehrer (Apg. 13, l).

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„Wir", sagt der Apostel, indem er an weit entfernte Heilige schreibt, welche er bis dahin noch nicht gesehen hatte — „wir sind viele ein Leib in Christo; aber je einer des anderen Glieder" (Röm. 12, 5). Er spricht nicht von dem, was im Himmel se;.--wird, sondern was gegenwärtig auf der Erde war — von der Einheit des Leibes hier unten. „Aber Gnadengaben habend, verschieden nach der Gnade, die uns gegeben ist etc." Ebenso druckt der Apostel in 1. Kor. 3., indem er dem fleischlichen, weil ausschließenden Vorziehen des einen Dieners Christi vor dem anderen begegnet, die weite und gesegnete Wahr­heit aus: „Denn alles ist euer; — es sei Paulus, oder Apollos, oder Kephas etc". Es war ein sektirischer Geist, in Bezug auf jene, die im Werke des Herrn dienten, den Paulus tadelte. Es ist derselbe Grundsatz in 1. Kor. 12, 18—28: „Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt, ein jegliches dersel­ben am Leibe, wie Er gewollt hat. Wenn aber alle ein Glied wären, wo wäre der Leib? Nun sind aber der Glieder viele, der Leib aber einer. Das Auge kann nicht zu der Hand sagen: Ich habe dich nicht nötig; — oder wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich habe euch nicht nötig. Viel­mehr aber sind die Glieder des Leibes, welche schwächer zu sein schei­nen, notwendig; und welche uns die unehrbaren des Leibes zu sein dün­ken, diese umgeben wir mit reichlicherer Ehre; und unsere unanstän­digen empfangen desto reichlichere Wohlanständigkeit. Unsere wohlan­ständigen bedürfen es nicht. Aber Gott hat den Leib passend zusammen verbunden, indem Er den mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat;

auf daß nicht eine Trennung an dem Leibe sei, sondern die Glieder die­selbe Sorge für einander haben. Und sei es, daß ein Glied leide, so leiden alle Glieder mit; sei es, daß ein Glied verherrlicht werde, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi, und Glieder insonderheit. Und Gott hat etliche in der Versammlung gesetzt, aufs erste Apostel, aufs zweite Propheten, aufs dritte Lehrer, darnach Wunderkräfte, dann Gnadengaben von Heilungen, Hilfsleistungen, Regierungen, (verschiedene) Arten von Sprachen"? — ,.Gott hat etliche in d e r Versammlung gesetzt", — nicht in einer Versammlung. Als Versammlung betrachtet, konnten nur in wenigen Apostel sein. Es war keiner in der Versammlung oder Kirche zu Korinth als Paulus schrieb. Die Lehrer standen offenbar auf demselben Grunde: — Apostel in d e r Versammlung, Lehrer in d e r Versammlung. Wiederum sehen wir in Eph. 4, 11—16, daß, seien es nun Apostel oder Propheten, Evangelisten oder' Hirten und Lehrer, sie nicht von Christo gegeben, um die alleinigen Beamten einer Denomination oder Benennung zu sein, sondern „zur Vollendung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Chri­stus, bis wir alle hingelangen etc." Der 16. Vers sagt uns, daß es „der ganze Leib, wohl zusammengefügt, ist", — nicht in Sekten zerteilt, sondern der ganze Leib — „zusammenbefestigt durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße eines jeglichen Teiles"; — es ist eine Wirklichkeit, und nicht nur eine Theorie — eine Sache, die in der Kirche oder Versammlung, während sie auf der Erde ist, ausgeführt werden sollte, und die sich nicht auf den Himmel bezieht. Dort werden wir eine solche Verwaltung nicht bedürfen. In jener Stelle gibt es auch, worauf ich noch aufmerksam machen möchte, eine Berech­tigung zu dem Glauben, die Fortdauer der Gaben Christi zu erwarten, bis Sein Leib vollendet ist. Und wahrlich, E r hat nie gefehlt während der

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 vielen, vielen Jahre des Verfalls, in denen Seine Gaben fast unterdrückt waren, indem sie tatsächlich und auf eine zu traurige Weise miß­braucht wurden. Denn ich erkenne völlig an, daß es zu jener Zeit, selbst in den finsteren Jahrhunderten des Mittelalters, solche gegeben hat, die durch Gottes Gnade die Gaben besaßen, Sein Volk aufzuerbauen Und den Namen Christi inmitten der Sünder auszubreiten. — Aber zu glei­cher Zeit verneine ich es ebenso bestimmt, daß irgendwelche Gaben von Christo vorhanden waren kraft der Vollmacht eines oder einiger Men­schen, welches Ansehen sie auch genießen mochten, wie auch, daß andere Gaben nicht von Ihm waren, denen eine solche Vollmacht fehlte. Wollte Gott, daß die zarte Liebe Christi, der die Versammlung wie Sein Eigenes Fleisch pflegt, eine Saite in allen Seinen Gliedern berühren möge, die uns antreibe, über unsere gemeinschaftliche Sünde zu weinen und zu­gleich uns zusammen zu erfreuen, indem wir die Gnade erheben, die umso überströmender gewesen ist.

Es ist nötig, einen Unterschied zu beachten, der ohne Schaden nicht vergessen werden kann. Sobald der Leib, als solcher, zusammen­kam, war die Versammlung unter der Leitung des Heiligen Geistes. Es würde ein Eingriff in die Rechte Christi sein. wenn irgend eine Person, wie begabt sie auch immer sein möge, die Einrichtung in ihre eigene Hand nähme. Der Geber ist da, und wir haben auf Ihn zu sehen, und nicht nur auf die Gab?. Die Ordnung einer solchen Versammlung ist entscheidend in der heiligen Schrift niedergelegt (1. Kor. 14). „Denn ihr könnt alle einzeln weissagen, auf daß alle lernen und alle getröstet wer­den". Wenn sich jemand dünkt, er sei Prophet oder geistreich, der er­kenne, was ich euch schreibe, daß es Gebote des Herrn sind. Ist aber jemand unwissend, so sei er unwissend. Also Brüder, eifert um die Weis­sagung und wehret nicht, in Sprachen zu reden. Lasset aber alles an­ständig und in Ordnung geschehen",

Da ist noch ein anderer Grundsatz, welcher einen Diener des Herrn bei Ausübung irgend einer Gabe, die ihm anvertraut ist, leiten soll. Er verschuldet Christo eine unmittelbare und persönliche Verantwortlich­keit, mit der empfangenen Gabe zu handeln. Er mag den Unbekehrten predigen, er mag den Kindern Gottes den Weg genauer auslegen, oder beides tun, wenn er beide Gaben besitzt; — er ist es seinem Meister schuldig, alles auszuüben, was er zum Besten der Seelen empfangen hat, ohne sich durch sonst jemanden hindern ZU lassen oder zu hindern. Jeder Diener, sei seine Gabe groß oder klein, hat dieselbe Freiheit und dieselbe Verantwortlichkeit. Zwei oder mehrere mögen es für gut finden, sich im Dienst zu vereinigen; doch erinnern wir uns, daß, als Paulus den Silas erwählte, „der Gnade Gottes befohlen", während Barnabas den Markus mitnahm, wir nicht lesen, daß dieser auf eine solche Weise wie jener von Gott geehrt wurde, die Versammlung zu befestigen (Apg. 15, 36-^1).

Diese Gaben aber, laßt es uns nicht vergessen, müssen unterschieden werden von den Diensten oder Ämtern an einem Orte, wie die der Ältesten •) oder Presbyter der Schritt, die an verschiedener» Stellen

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*) In Apg. 11, 30 sind die Ältesten 'turn ersten Male erwähnt; aber dort nur in Verbindung mit der Versammlung zu Jerusalem. Sie sind hervorragend bei der Zusammenkunft in Kap. 15; aber in Bezug auf diese finden wir in der ganzen Apostelgeschichte keine Andeutung über ihre Einsetzung, wenn sie wirklich ordiniert worden sind. Auch Jakobus (Kap. 5, 14) erwähnt die Ältesten; und Petrus (1. Petr. 5, l) und Johannes (2. und 3. Epistel) nennen sich selbst Älteste; aber sie sagen nichts von einer amtlichen Einsetzung. Dies scheint bestätigt zu sein durch die Art und Weise, in welcher in 1. Petr. 5, l—5 die Ältesten den Jüngern entgegengesetzt werden. Es handelte sich mehr um die Erfahrung als um ein Amt.

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 auch Bischöfe oder Aufseher genannt werden. Die Dienste oder Ämter hatten es nur mit einer Versammlung zu tun, und waren eingesetzt durch irgend einen Apostel, oder durch einen Bevollmächtigten, der zu dem Zweck einen direkten und besonderen Auftrag von einem Apostel hatte. Solch ein Bevollmächtigter war Titus. Aber die Schrift deutet nir­gendwo an, daß die Autorität zur Einsetzung der Ältesten fortbestehen solle. Wir haben gesehen, daß die Gaben Christi da sein sollen, bis „wir alle hinankommen -etc."; aber die Schrift vermengt sie nie­mals mit den Diensten oder Ämtern an einem Orte, obschon beide völlig in ein und derselben Person vorhanden sein konnten. Wir wissen, daß dies bei Philippus der Fall war; er war einer von den sieben, und außer­dem ein Evangelist.

Das Hirtenamt, um jetzt näher .darauf einzugehen, ist eine Gabe (Eph. 4, 11); das Ältestenamt ist ein Dienst; aber die Gabe, die Herde Gottes zu weiden — weit davon entfernt, um mit dem Dienst eines Ältesten oder Bischofs unvereinbar zu sein — war offenbarlich eine der wichtigsten Eigenschaften, welche man bei jenen suchte, die das gute Werk begehrten. So ermahnt Paulus (Apg. 20, 28) die Ältesten zu Ephesus, Acht zu haben auf sich selbst und auf die ganze Herde, in welche der Heilige Geist sie als Aufseher gesetzt hatte, die Versammlung Gottes zu hüten, welche Er Sich durch das Blut Seines Eigenen erworben hat. „Hütet die Herde Gottes", — sagt ein anderer Apostel — „welche unter euch ist, und führet die Herde nicht aus Zwang, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, noch als herrschend über die Erbgüter, sondern Muster der Herde werdend".*) (1. Petr. 5, 2. 3). In der ersten Epistel an Timotheus, Kap. 3., finden wir die Tüchtigkeit zu lehren und die Fähigkeit, für die Gemeine Gottes Sorge zu tragen, mit anderen Erfordernissen zusammengestellt. Ebenso wurde dem Titus in Kap. 1. 5—9 befohlen, nur solche anzustellen, welche dem treuen Worte, welches der Lehre gemäß ist, anhingen, auf daß sie fähig seien, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen, als auch die Widersacher zu über­führen. Aber es würde sicher zu weit gegangen sein, daraus zu schließen, daß alle Ältesten notwendigerweise in dem öffentlichen Dienst des Wortes gearbeitet hätten.

 

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*) Der Unterschied zwischen Volk und Geistlichkeit ist wesentlich ein jü­disches Element, welches später in die Kirche einschlich und sie untergrub. Zu jener Zeit war das christliche Volk die Geistlichkeit' Sie dienten zum ge­genseitigen Nutzen — ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hatte (1. Petr. 4); aber es gab nur einen Leib und nicht zwei Kasten. Dieses ach' ist nicht der einzige Teil der Worte des Apostels, wovon wir bekennen müssen, daß es bald vernachlässigt und praktischer Weise zerstört worden ist.

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 Sie wurden eingesetzt, um eine göttlich-väterliche Sorgfalt über die Versammlung auszuüben; aber in dem Worte und in der Lehre zu arbeiten war nicht unumgänglich notwendig. Deshalb sagt der Apostel in 1. Tim. 5, 17: „Die Ältesten, welche wohl vorstehen, sind doppelter Ehre würdig zu achten, besonders die, welche sich im Wort und in der Lehre bemühen". Sowohl in der einen als auch in der anderen Weise waren die Ältesten da, um die Herde zu weiden; aber es waren solche unter ihnen, die nicht in dem Worte, wenigstens nicht öffentlich, dienten.

Noch eine andere Bemerkung muß bei der Frage über die Führer oder Vorsteher gemacht werden. — Paulus, indem er an die Heiligen zu Rom schreibt, ermahnt: „Es sei der Vorstehende — in Fleiß". Alle Be­weisführung, die wir haben, zeigt uns, daß es zu Rom noch keine offizielle Ernennung gab, wenn es dort je eine solche gegeben hat. Der Vorrang des Petrus ist nur Einbildung. Die heilige Schrift bestätigt auf eine be­stimmte Weise, daß er vorzugsweise der Apostel für die Beschneidung, wie es Paulus für die Vorhaut war. Damals hatte der letztere die Gläu­bigen in der Hauptstadt der Heiden noch nicht besucht. Demnach gibt es nicht ein Wort, welches voraussetzt, daß dort Älteste eingesetzt waren. Nichtsdestoweniger ist es offenbar, daß jene zu Rom, gleich dem übrigen Teile der Kirche, Gnadengaben in ihrer Mitte hatten — Prophezeiung, Dienst, Lehre, Ermahnung usw. Diese Gaben konnten sie besitzen, und sie sind ermahnt, sie fleißig auszuüben; aber nicht ein Wort ist über die Ältesten gesagt. Es ist schon bemerkt worden, daß in den Briefen an die Korinther von keinen Ältesten die Rede ist, und doch sind die Brüder ermahnt, sogar solchen, die sich selbst den Heiligen zum Dienst verord­neten und jedem, der mitwirkte, und sich bemühte, Untertan zu s e i n (1. Kor. 16, 15. 16). Ebenso in 1. Thess, 5, 12. 13: „Wir bitten euch aber, Brüder, daß ihr die kennet, die sich unter euch bemühen und euch im Herrn vorstehen und ermahnen; und daß ihr sie über die Maßen in Liebe, um ihres Werkes willen, achtet und untereinander in Frieden seid". — Geben uns nicht die Ermahnungen, „daß ihr die kennet", die sich be­mühen, vorstehen und ermahnen, deutlich zu verstehen, daß es nicht eine Klasse von öffentlich Eingesetzten war? Dies würde von selbst offenbar gewesen sein, und also eine Ermahnung, solche zu kennen, nutzlos machen. Die Achtung und Liebe war um ihres Werkes willen. Auf eine öffentliche Stellung ist gar nicht hingedeutet worden. In Hebr. 13, 7. 17. 24 sind gewisse angesehene Männer genannt — Führer oder Leiter — aber da ist nichts, was auf eine öffentliche Einsetzung schließen läßt. Es ist höchst wahrscheinlich, daß es solche Personen waren, deren Alter, Cha­rakter und geistliche Begabung sie eine besondere Stellung einnehmen ließ. Wenn jemand in unseren Tagen genügende, d. h. schriftgemäße Beweise geben könnte, daß er ein apostolisch Bevollmächtigter wäre, so würde sicher seine Einsetzung von Ältesten geschätzt werden, wenig­stens von allen, deren Augen allein auf den Herrn in dieser Sache ge­richtet wären. Wenn aber solche Beweise fehlen, so sollten sie entschie­den nicht anerkannt werden. Wenn wir daher in der Schrift keine Älte­sten durch irgend jemand, ausgenommen durch die Apostel oder deren Bevollmächtigte, eingesetzt finden, können dann die Kirchen oder Ver­sammlungen unserer Tage ihre betreffenden Einsetzungen durch das

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 Wort Gottes rechtfertigen? Die -apostolische Nachfolge, worauf viele sich berufen, scheint hierin die einzig folgenrechte Verteidigung in ihrer An­maßung zu sein — in ihrer Anmaßung, sage ich, denn in Wahrheit existiert eine solche Nachfolge nicht; — es ist judaisiertes Christentum, oder besser christliches Judentum.

Der Fall bei Paulus in Apg, 13, welcher zuweilen angeführt wird, um die .Notwendigkeit einer menschlichen Vollmacht oder Übertragung zu beweisen, zeigt in der Tat das Gegenteil. Wenn dem aber wirklich so wäre, dann würde es sehr befremdend sein, in Gal. 1. 1 zu sehen, daß der Apostel sich solche Mühe gibt, um darzutun, daß er ein Apostel war, „nicht von Menschen", d. i. in Betreff der Quelle, „noch durch einen Men­schen", d. h. in Betreff des Kanals. Er hatte jahrelang vor seiner Ab­sonderung durch den Geist zu dem besonderen Werke, welches in Apg. 13 u. 14 mitgeteilt ist, gepredigt. Auch waren jene, welche gefastet und gebetet und auf ihn und Barnabas ihre Hände gelegt hatten durch sie .gepflegt und belehrt worden, als durch solche, die über ihnen in dem Herrn waren. Gegen solch eine Auflegung der Hände weiß ich keinen Einwurf. Sie maßt sich weder eine Gabe noch eine Autorität an, sondern ist eine einfache Anbefehlung der Gnade Gottes, welche, wie es scheint wiederholt werden kann (Ap. 15, 40). Ist da- ein Zug in Verbindung mit der Ordination unseren Tage?

Es ist oft vergessen worden, daß Matthias auf eine jüdische Weise durch das Los gewählt war, ehe der Heilige Geist vom Himmel hernie­der gesandt war, um die Gläubigen zu taufen. Die Kirche, eigentlich ge­sprochen, war noch nicht offenbart. Seine Erwählung daher, kann keinen vorhergehenden Beweis für einen Zustand der Dinge liefern, welcher durch die Gegenwart des Geistes näher bestimmt und geleitet wurde. Nie lesen wir nachher von dem Gebrauch des Loses.

In dem Fall des Timotheus waren Prophezeiungen vorhergegangen (1. Tim. 1. 18), und eine wirkliche Gabe durch Prophezeiung mit Auf­legung der Hände der Ältesten mitgeteilt (Kap. 4, 14), und durch die Auflegung der Hände Pauli (2. Tim. 1. 6), ein Fall, dessen Nachahmung ohne einen Apostel öder ein apostolisches Presbyterium, um nicht ein­mal von Prophezeihungen zu sprechen, nicht nur unausführbar ist, son­dern auch, wenn die Macht, Gaben zu erteilen, wie si6 damals wirklich erteilt wurden, nicht vorhanden ist, eine verderbliche Anmaßung sein würde. 0 möchte Gott Sein Volk von jener Sprache: „Ich bin reich und habe reichlich und bedarf nichts," völlig frei machen!

Endlich ist es .in 2. Tim. 2, 2 augenscheinlich, daß es sich nicht um die Autorität handelt, Nachfolger einzusetzen, sondern um die Mitteilung der Dinge, welche Timotheus von dem Apostel durch viele Zeugen ge­hört hatte. Es war nicht, um einen Geistlichen einzusegnen, sondern um die gesunde Lehre treuen Männern anzuvertrauen, welche tüchtig sein würden, auch andere zu lehren.

Auf der anderen Seite ist der Grundsatz von der Erwählung eines Pastors rein menschlich, nicht einmal vom Judentum abgeleitet, noch viel weniger vom Christentum. Laßt uns das Zeugnis von jemand hören, der selbst also gewählt war. Er sagt: „Nur mit Erstaunen können wir

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 eine Gemeinde nach der heutigen Form eine so folgenschwere Handlung vollziehen sehen, wie die, sich einen Pastor oder Lehrer zu setzen oder zu erwählen, ohne fähig zu sein, aus dem Neuen Testament irgend einen Befehl oder eine Vollmacht zu Jener Handlung oder wenigstens ein Bei­spiel, sei es nun befriedigend oder unbefriedigend, beizubringen. Nach weltlichen Grundsätzen kann nichts einfacher oder vernünf­tiger sein, als daß jene, welche bezahlen, auch zu befehlen haben; und bei dem jetzigen Charakter der Menschenkinder, besonders in gewissen Kreisen, mag es beinahe unausführbar sein, die Unterwertung durch irgend ein anderes Gesetz zu sichern. Nichtsdestoweniger kommt die ernste Frage uns noch einmal: Ist dies das Gesetz oder der Grundsatz, der als die Grundlage der kirchlichen Verfassung im Neuen Testament anerkannt ist? Wir sind gezwungen zu antworten, daß es nicht also ist"! — Dennoch haben einige geglaubt, dies in Apg. 14, 23 zu finden. „Als sie ihnen aber in jede Versammlung Älteste gewählt hatten". Aber die­ses beweist nicht, daß die Kirche, sondern s i e , d. i. Paulus und Bar­nabas, die Ältesten erwählten. Einige machten Schlüsse aus der Wort­bedeutung; aber der Gebrauch und nicht die Wortbedeutung ist der einzig sichere Leiter. Das griechische Wort bedeutet ursprünglich „die Hand ausstrecken". Daher wurde es beim Abgeben seiner Stimme oder beim Wählen in dieser Weise angewandt und nachher einfach für das Wählen gebraucht, ohne auf die Weise deuten zu wollen. Also ist in Apg. 10, 41 dasselbe Wort, verbunden mit einer Präposition, auf die Wahl Gottes angewandt, wo die Meinung von dem Wählen der Kirche durch Stimmen­mehrheit natürlich ausgeschlossen ist. Wenn es sich um eine gute und umsichtige Bedienung der Tische oder dergleichen handelte, wie in Apg. 6 und 2. Kor. 8, 19, so wählte die Versammlung oder die Versammlungen, obgleich selbst in der Apostelgeschichte als die Menge der Jünger sieben treue Männer ausersehen hatten, die Apostel es waren, die sie in ihre Beschäftigung einsetzten. Kurz, wenn Gott eine Gabe erteilt, so erwählt E r. Wenn die Kirche gibt oder spendet, was sie kann, so mag sie dazu Werkzeuge benutzen, die sie für passend hält. Da sie aber nicht eine Gabe zum Dienst erteilen kann, so sollte sie auch nicht wählen, sondern alle jene annehmen, die Gott zu ihrem Besten gegeben hat.

Was also die Ältesten betrifft, so erwählt sie ein Apostel (Apg. 14, 23), oder er läßt für eine Zeit einen Bevollmächtigten zurück, um sie einzusetzen (Tit. 1. 5—9), oder beschreibt einem ändern die erforderlichen Eigenschaften (1. Tim. 3, 2—7). In keinem Falle aber ist die Kirche aufgefordert, sie zu erwählen. Sie hatte nie eine solche Autorität, selbst nicht in ihren schönsten Tagen.

Keine Epistel, gerichtet an eine Kirche oder Versammlung, berührt diese Frage, weil es unnötig war. Es war nicht ihre Mission. Titus war ausdrücklich in Kreta zurückgelassen, um das, was der Apostel unerledigt gelassen hatte, in Ordnung zu bringen, und in jeder Stadt Älteste zu ordinieren, so wie einst der Apostel ihm vorgeschrieben hatte, und sonst niemand. Nachher sollte er zu dem Apostel nach Nikopolis kommen (Tit, 3, 12). Das ist alles, was die Schrift sagt; und es würde Anmaßung sein, darüber hinauszugehen. Der Apostel sah auf die Ankunft des Herrn, als die unmittelbare Hoffnung der Kirche, und lehrt auch sie also. Dies er­weckt natürlich Eifer und hindert in keiner Weise, gegenwärtig für die

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 Schafe Sorge zu tragen; aber es ist unvereinbar mit stets fortdauernden, öffentlichen Werkzeugen für die kommenden Zeitalter. Deshalb finden wir auch keine solche Anordnungen in den Episteln. Was aber die Ga­ben betrifft, so ruhen diese auf einem ganz anderen Grunde: nicht auf Aposteln, welche hinweggetan werden konnten, sondern auf Christo, welcher niemals aufhört, das Haupt und die Quelle der Ernährung zu sein, und welcher nicht anders kann, als Seinen Leib, d. i. die Versamm­lung, lieben und pflegen. Diese Gaben bedurften niemals der Bestätigung eines Menschen, selbst nicht, als die Apostel noch vorhanden waren. Christus erteilt sie, ohne irgend jemandes Vermittlung, sodaß das, was Paulus von seinem eigenen Apostelamt sagte, dem Grundsätze nach von allen gesagt werden konnte. — „Nicht von Menschen, noch durch einen Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott, den Vater, der Ihn aus den Toten auf erweckt hat". Ich spreche natürlich von der Art und der Quelle der Gaben, und nicht von ihrem Maße.

In Betreff der Z u c h t ist es von der höchsten Wichtigkeit, daran zu denken, daß sie von keinen Gaben oder Dienste oder irgend einer anderen Sache abhängt, sondern allein von der gesegneten Tatsache, daß der Leib, die Kirche oder Versammlung, welche der Leib Christi ist, in Seinem Namen versammelt ist, und in ihrer Mitte den Heiligen Geist hat, um sie zu leiten und Seinen Regungen Kraft zu verleihen. Er ist, so können wir sagen, die Seele dieses heiligen und himmlischen Leibes. Die völligste Anweisung in Betreff der Zucht, sowohl im Ausschließen als auch im Wiederaufnehmen, war der Kirche zu Korinth gegeben, wo, wie es scheint, zu jener Zeit keine Ältesten waren. Daß da Versammlungen ohne Ältesten sein konnten und waren, geht deutlich aus Apg. 14, 23 und Titus 1. 5 hervor. Die Versammlungen bestanden, bevor irgend solche Ämter ein­gesetzt waren. Die Ältesten waren ohne Zweifel für die Verwaltung einer Versammlung wünschenswert: aber auf keine Weise zu ihrem Be­stehen unumgänglich notwendig. Gewiß ist es, daß weder in den beiden Briefen noch sonst irgendwo etwas von den Ältesten in Korinth erwähnt worden ist, und daß die Unordnungen, die daselbst ausbrachen, der Ver­sammlung nahegelegt wurden; auch schob der Geist ihre Wirksamkeit, als Versammlung, im Verbessern ihrer Mißbräuche nicht auf, bis Älteste ordnungsmäßig eingesetzt waren.

Handelt es sich also um den höchst feierlichen Akt der Ausschließung, oder um die würdige Feier des Abendmahls des Herrn, so ist es die Ver­sammlung, welche angeredet, getadelt und beauftragt ist, in all diesen ernsten Einzelheiten das Böse hinwegzutun und würdig zu wandeln. Und dies ist umso auffallender, indem es doch solche unter ihnen gab, die „in keiner Gnadengabe zurück waren" (1. Kor. 1. 7), und sogar das Haus des Stephanus sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet hatte,*) zu deren Unterwürfigkeit die Gläubigen im Allgemeinen ermahnt sind.

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*) Es mögen jene, die keine Bedenken tragen, „die Selbst-Verordnung" zu verspotten, diese Stelle wohl erwägen, und bedenken, daß das was sie verachten, wie es auch einige fleischliche Korinther getan haben mögen, der Heilige Geist durch den Apostel bestimmt und ungeschwächt anempfiehlt. Wenn sie Gott gehorchen wollen, so haben sie sich einfach solchen zu unter­werfen.

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Es sind also nicht, ich wiederhole es, die Arbeiter, sondern es ist die Versamm­lung, welche beauftragt ist, in Dingen zu urteilen, welche die verfallene Kirche zum Beruf der amtsmäßigen Ordnung gemacht hat.

Wo Aufseher waren, wie zu Philipp! und Ephesus, da werden sie ohne Zweifel, falls sie eine göttliche Sorge ausübten, ganz natürlich und richtig einen großen Anteil an den praktischen Einzelheiten gehabt ha­ben; umso mehr, da eine Aufforderung an die Versammlung die letzte und schmerzliche Zuflucht ist (Matth. 18, 15—17). Der Hauptzweck ist, die Seele wieder herzustellen, wenn es in dem Herrn möglich ist. Aber die erkannte Sünde eines Christen betrifft das Gewissen der Versamm­lung; denn es ist ein Leib, und wenn sie nicht gerichtet wird, so ver­säuert ein wenig Sauerteig die ganze Masse. Wenn der Sünder das Übel auf eine göttliche Weise betrauert und hinwegtut, so ist er wieder her­gestellt, und alle erfreuen sich. Wenn er aber in dem, was Christum verunehrt, fortfährt, so muß die Versammlung gereinigt werden, mag es kosten, was es will (1. Kor. 5, 7. 8). „Darum feget den alten Sauerteig aus, auf daß ihr eine neue Masse werdet, gleichwie ihr ungesäuert seit. Denn auch unser Passah, Christus, ist für uns geschlachtet. Darum laßt uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, noch mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit ungesäuertem (Brote) der Lauterkeit und Wahrheit". „Denn was habe ich die, welche draußen sind, zu richten? Ihr, richtet ihr nicht, die drinnen sind? Die aber draußen sind, wird Gott richten; tut den Bösen aus eurer Mitte".

Ferner behandelt die Heilige Schrift mit noch größerer Strenge die falsche Lehre, weil sie listig und in ihren Wirkungen umso verderblicher ist, und auch den Herrn Selbst unmittelbar berührt, als ein schlechter Wandel. Sie ist immer ein Werk des Fleisches, und kann noch weit nach­drücklicher ein Werk Satans sein, als eine bloß fleischliche Handlungs­weise (siehe Gal. 5, 9—21; Röm. 16, 17. 18; 1. Tim. 1. 18—20; 6. 3—5; 2. Tim. 2, 17. 18; 3, 6; 4, 3. ; 4. Titus 3, 9—11; 1. Joh. 4, 1—6; 2. Joh. 10, 11; Offenbarung 2, 14. 15. 23. 24).

Wie es die Versammlung ist, welche ausschließt, so obliegt es eben­falls der Versammlung, unter der Leitung Dessen, der darin wohnt, wie­der aufzunehmen. Gott aber kann solche Werkzeuge gebrauchen, die Er für passend hält, um die Versammlung aufzuwecken, und zwar durch Er­innerung an die Heiligkeit Christi beim Ausschließen eines Bösen (1. Kor. 10) und durch Erinnerung an die Gnade beim Vergeben und Wiederaufnehmen eines gedemütigten Bruders (2. Kor. 2). In beiden Fäl­len ist es die gewissenhafte Handlung der Versammlung, die der Herr erwartet. Wenn aber alle Aufmunterung vergeblich ist, — wenn trotz dem beharrlichen Zeugnisse die Versammlung im Tun und Bemänteln des Bösen, und also im Verunreinigen des Namens des Herrn fortfährt, so wird der Anspruch, Sein Leib zu sein, null und nichtig. Es ist eine völlig verdorbene Masse, und der Geist, welcher Christum liebt, erwartet, daß wir uns davon trennen, anstatt unsere Kräfte in der Anstrengung zu verschwenden, das Unverbesserliche oder Unheilbare — das, was nur auf das Gericht des Herrn wartet — zu verbessern.

Jetzt bleibt uns aber noch eine Schwierigkeit zu erwägen und aus dem Wege zu räumen. Es ist aufgestellt worden, daß die Behauptung von

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 dem Verfall der Kirche uns nötige, zu sagen, daß wir in diesen letzten Tagen vor der Epistel an die Korinther etc. keine Anwendung mehr machen könnten, und uns nichts anderes übrig bliebe, als uns auf die Verheißung zu stützen: „Wo zwei oder drei versammelt sind in mei­nem Namen, da bin ich in ihrer Mitte". Das gegenwärtige Schriftchen ist schon eine hinreichende Antwort auf eine Beschuldigung, wie sie kaum härter gemacht werden könnte. Es ist bewiesen worden, daß die ver­schiedenen kirchlichen Parteien die Grundsätze ihrer Vereinigung oder ihrer Ämter durch solche Schriftabschnitte wie 1. Kor. l; 3; 10; 11; 12;

14; 16,'Ephes. 4. etc. nicht verteidigen können. Die große Wahr­heit der Versammlung, daß sie ist die Behausung Gottes im Geist, der die einzige Kraft und der Austeiler der Gaben Christi in der Einheit des ganzen Leibes ist, ist durch keine derselben anerkannt; ja, sie könnte von ihnen nicht einen Augenblick praktisch anerkannt werden, ohne sich selbst in allen ihren Abweichungen zu verurteilen. Sind nun alle die Hei­ligen verantwortlich, diese Wahrheit anzuerkennen, was auch immer die Folge ihres Bekenntnisses sein mögen? Wenn sie es nicht sind, so laßt es uns offen gestehen. Aber wenn vormals die Kirche im Verwirk­lichen der Segnungen einer solchen Stellung lebte, sich erfreute und litt, wo und was sind wir denn jetzt? Haben wir von all dem erkannten Bösen, das sich in dem bekennenden Körper ausgebreitet hat, und ihn zu einem Zeugen wider Christum und nicht für Ihn gemacht hat, nichts zu füh­len, nichts zu bekennen, nichts damit zu tun? Wenn ich finde, daß ich als die Kirche Gottes eine Gesellschaft oder ein System verehrt habe, deren Gesetze mit den leitenden Schriftgrundsätzen jener Kirche unver­einbar sind, hab ich nicht meine Sünde zu bekennen, und von dem un­reinen Zustande auszugehen? Oder habe ich zu bleiben und fortzusündi­gen, damit die Gnade überströme? Dies ist die wahre Frage. Es wird jetzt von vielen Christen, die einigermaßen einsichtsvoll und geistlich sind, eingeräumt, daß die bestehende klerikale Stellung nicht zu verteidigen ist, wenn wir sie mit dem Worte Gottes vergleichen. Nicht nur ist sie in den Einzelheiten falsch, sondern auch in ihren Fundamental-Grundsätzen. Deshalb haben einige hervorragende Namen in der religiösen Welt mit aller Kühnheit behauptet, daß das Wort Gottes, obschon vollkommen in Betreff der persönlichen Rechtfertigung, die Bildung und Regierung der Kirche der Einsicht der Menschen überlasse; d. i. mit anderen Worten:

Wir dürfen für ihre gegenwärtige Leitung nicht mehr unsere Zuflucht zu solchen Episteln, wie 1. Kor. etc. nehmen. Ein Teil ist befriedigt mit den Dingen, wie sie sind; ein anderer sehnt sich nach einer Kirche der Zukunft, wo alles auf eine viel herrlichere Weise erwartet wird. Wenn aber der Heilige Gottes vor solch einem schrecklichen Grundsatz, wie das Hinwegtun des Wortes Gottes, welches die Untreue der Kirche in Bezug auf ihre Berufung darstellt und anzeigt, zurückbebt, was hat er zu tun? Kann er noch einen Augenblick darüber Bedenken haben? Hat er nicht sogleich von dem Übel, das er fühlt, abzulassen und sich vor Gott zu demütigen — vor Gott, sowohl wegen seiner eigenen Fehler als auch der der Kirche? Und wenn er zwei oder drei Jünger im Namen Christi ver­sammelt weiß, bei denen die Tür weit geöffnet ist, sodaß der Heilige Geist frei und völlig wirken kann, gemäß des gesegneten Wortes, das Er hat niederschreiben lassen und durch welches Er wirken will — wird Er sich

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 nicht glücklich daselbst fühlen? Werden nicht die also Versammelten, die Matth. 18, 20 nicht als eine Genehmigung betrachten, zu tun, was in ihren eigenen Augen recht ist, zu ihrer Freude lernen, daß Jesus immer treu ist? Werden sie nicht Gott loben für die Autorität und Allgenugsamkeit Seines Wortes? Und wird es irgend einen Unterschied in Betreff des erfah­renen Trostes und der lebendigen Anwendbarkeit der Schriften geben, von denen ihre Widersacher sagen, daß sie nicht angewandt werden können? Werden sie Ihm nicht wiederholt für die Gegenwart des Heiligen Geistes danken, der ebenso gern in dem ganzen Leibe, als auch in den einzelnen Gliedern zur Verherrlichung des Herrn Jesu wirkt? Gott ist es, den wir bedürfen; es ist der lebendige Gott, mit dem wir es zu tun haben, und nicht nur mit Grundsätzen. Seine Gegenwart allein, wenn auch die Grundsätze in sich selbst noch so richtig sind, kann Kraft und Segen geben. Dies ist es, was wir suchen, wissend, daß die Ankunft des Herrn nahe gekommen ist.