Botschafter des Heils in Christo 1864

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger


Inhaltsverzeichnis: Botschafter des Heils in Christo 1864 Seite
Unsere Augen sehen nach Dir (2. Chrn.20. 1-30) 3
Betrachtungen über die Opfer des dritten Buches Moses C.H.M.
„Mein Herz ist so hart" 9 9
„Sorget um nichts!" 12 12
„Dem Glaubenden ist Alles möglich" 12 13
Josua 1 13. 18
Vier Punkte der Erkenntnis 18 20
Die Fußwaschung 20 27
Der mitleidige Hohepriester 27 31
Anläufe des Feindes beim Antritt des Lebensweges . . . 31 35
„Prüfet aber alles, haltet fest das Gute" 35 38
Der Brunnen bei Sichar 38 126

 2 Chronika 20 Unsere Augen sehen nach Dir

(2. Chron. 20, 1—30.)

Aus dem Leben Josaphats, des Königs Juda, wird uns eine Erfah­rung mitgeteilt," die für jedes gläubige Herz höchst anziehend, trost­reich, belehrend und nachahmungswürdig sein muß. Sie zeigt uns auf eine ganz schlagende Weise die Zuflucht und den Triumph des Glau­bens, und wie Gott dem Glauben antwortet.

Die Kinder Moab, Ammon und Andere — „eine große Menge" — hatten sich aufgemacht, wider Josaphat zu streiten. „Josaphat aber fürchtete sich." Das war der erste Eindruck, den jene Botschaft auf ihn machte. Er war überzeugt, daß er jenen Völkern nicht zu begegnen vermochte, und darum war nichts natürlicher als diese Furcht. Das Bewußtsein der eigenen Schwachheit und der List und Macht des Feindes kann nur Furcht erwecken. Dies lehrt die tägliche Erfahrung. Und wenn es sich um den Kampf des Christen handelt, so sind es nicht irdische Feinde, wie bei Israel, gegen welche er zu streiten hat — es ist „nicht wider Fleisch und Blut," wie der Apostel sagt, „sondern wi­der die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen (Mächte) der Bosheit in den himmlischen (Örtern)" (Eph. 6, 12). Nur das Selbstvertrauen, die Täu­schung über seine. Ohnmacht und über die List und Gewalt des Fein­des kann ein Herz ohne Furcht lassen; und der Fall. wird umso sicherer sein. Sobald wir uns aber in Wahrheit in Gemeinschaft und unter dem Schütze Dessen wissen, der stärker ist, als der Starke, wird alle Furcht verschwinden. Es ist der Herr des Himmels und der Erde. Und zu Ihm findet der Glaube stets seinen Weg. So sehen wir es bei Josaphat. „Er stellte sein Angesicht zu suchen den Herrn, und ließ ein Fasten ausru­fen über ganz Juda. Und Juda kam zusammen, es von dem Herrn zu suchen" (V. 3. 4).

Der Herr war Josaphats erste Zuflucht. Er richtete sein Antlitz weder zur Rechten noch zur Linken; er suchte seine Hilfe weder bei Israel noch bei den heidnischen Völkern, sondern allein beim Herrn. Und er tat es in Gemeinschaft mit seinem Volke — so viele ihrer Glauben genug hatten, mit ihm den Herrn zu suchen, und von Ihm ihre Hilfe zu erwarten. Sicher kann auch niemand helfen, wie der Herr und Er wird es in all unseren Umständen und Versuchungen tun, wenn wir einzig und allein unsere Blicke mit Vertrauen zu Ihm erheben. Er will und kann Sein Volk nimmer versäumen, noch vergessen. Und konnte Er damals sein irdisches Volk nicht versäumen, wie wird Er jetzt Seine geliebten Kinder versäumen können, die da rufen:

„Abba, Vater"? — „Der doch Seines Eigenen Sohnes nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat; wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken" (Röm. 8, 32)? Auch gibt es keine Versuchung, die Er nicht weiß, kein Leid, das Er nicht mitfühlt, keine Not, worin Er nicht zu helfen, und keine Schwierigkeit, die Er nicht zu überwinden vermag. Keiner steht auch den Seinigen so nahe, wie Er; Keiner kann in all ihren Umständen solch trostreiche Zusagen geben, wie Er sie ge­geben hat. Und Er ist treu und wahrhaftig. Welch eine Unehre ist es deshalb für Ihn, und wie beschämend für uns, wenn wir in unseren Umständen zuerst unsere Augen zur Rechten und zur Linken wenden,

— zur Kreatur hin, und erst dann zu Ihm kommen, wenn wir an alle Türen vergeblich angeklopft haben, oder uns sofort von Ihm abwenden, sobald wir auf den ersten Ruf nicht die gewünschte Hilfe sehen! Da mag wohl ein Schrei der Not, aber sicher nicht ein Schrei des Glaubens gehört werden. Der Glaube kennt den Herrn; er weiß, zu wem er sich wendet, und ist gewiß, daß er sich nicht vergeblich an Ihn wendet.

Betrachten wir jetzt das Gebet Josaphats. „Und Josaphat trat un­ter die Gemeinde Juda und Jerusalem, im Hause des Herrn, vor dem neuen Hofe; und sprach: Herr, unserer Väter Gott, bist Du nicht im Himmel, und Du nicht Herrscher in allen Königreichen der Heiden? Und in Deiner Hand ist Kraft und Macht; und ist niemand, der wider Dich stehen möge" (V. 5. 6). Josaphat war in einer mißlichen Lage. Hab und Gut, Freiheit und Leben stand in Gefahr. Seine Furcht bewies, daß er sich über seine Lage nicht täuschte, und die Gefahr wohl kannte. Aber mit welch einer Ruhe tritt er vor den Herrn hin! Er beginnt nicht damit, von sich und seiner traurigen Lage zu sprechen; sein erster Schrei ist nicht: „Herr hilf, wir verderben!" Nein, sein Herz kennt noch etwas Höheres und Wichtigeres. Er spricht in ruhiger Anbetung von der Macht und Gewalt Dessen, zu dem er seine Zuflucht nimmt. „Bist Du nicht Gott im Himmel und Du nicht Herrscher in allen Königreichen der Heiden? Und in Deiner Hand ist Kraft und Macht;

und ist niemand, der wider Dich stehen möge." Das ist die Sprache des Glaubens, der Trost und die Gewißheit eines Gott suchenden Herzens. Er weiß, daß Er der Allmächtige ist, daß es Dem naht, in Dessen Ge­genwart alles andere in sein Nichts zurücksinkt. Er kann helfen, wo alle menschliche Hilfe zu Ende ist; Er schafft einen Ausweg, wo keiner mehr ist; „Er spricht und es geschieht; Er gebeut, und es steht da."

Und weiter betet Josaphat: „Hast Du, unser Gott, nicht die Ein­wohner dieses 'Landes vertrieben vor Deinem Volk Israel, und hast es gegeben Deinem Samen Abraham, Deines Liebhabers, ewiglich" (V. 7).

— Mit diesen Worten erinnert Josaphat den Herrn an Seine Beziehun­gen zu dem verheißenen Lande und zu seinem Volke — eine Beziehung, die Er nie verleugnen, nie aufgeben konnte. Er war der Gott der Väter, und Seine Gaben und Berufung konnten Ihn nie gereuen. Es war das Land der Verheißung, das Er dem Samen Abrahams gegeben — dem Samen dessen, den Er liebte. Und Er hatte die heidnischen Völker jenes Landes vertrieben und es Seinem Volke eingegeben; und sie hatten Ihm ein Heiligtum darin erbaut zum Gedächtnis Seines Namens. An dies alles erinnert Josaphat den Herrn und auch an Salomos Gebet bei der Einweihung dieses Hauses: „Wenn über uns ein Unglück, Schwert, Strafe, Pestilenz oder Teuerung kommt, so wollen wir stehen vor die­sem Hause und vor Dir (denn Dein Name ist in diesem Hause) und

 schreien zu Dir aus unserer Not" (V. 8. 9). Der Glaube Josaphats ver­stand die rechte Saite vor dem Herrn anzuschlagen. Er nahm seinen Platz da. wo der Name des Herrn war — da, wo Seine Ehre in Betracht kam. Es handelte sich um Seine Beziehung zu dem Lande der Verhei­ßung und zu Seinem Volke — konnte Er diese aufgeben? Es handelte sich um die Gebete der Väter — konnte Er sie unerhört lassen? Es han­delte sich um Seine Ehre — konnte Er zugeben, daß sie angetastet würde? Es handelte sich um Seinen Namen — konnte Er dessen Ver­herrlichung hintenansetzen? Welch eine mächtige Waffe gegen den Feind! Wohl uns, wenn wir in all unseren Gebeten vor Gott stets die­selbe Saite anzuschlagen verstehen. Auch wir haben einen Platz der Anbetung — weit erhabener als jener war — wo wir für immer sicher und immer willkommen sind. Es ist in Christo Jesu, in der Kraft Sei­nes kostbaren Blutes. Das Blut Christi läßt uns stets als gereinigte Anbeter in der Gegenwart Gottes erscheinen, und der Name Christi, ist über alles köstlich vor Ihm; ja, in Seinem Namen ist uns jede Seg­nung zugesichert. Der Herr Selbst sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Alles, was ihr irgend in meinem Namen von dem Vater bitten werdet, wird Er euch geben" (Joh. 16, 23). „Was immer ihr in meinem Namen bitten werdet, das werde ich tun, auf daß der Vater mit dem Sohne verherrlicht werde." Auch können wir Ihn stets an alles das erinnern, was Er uns durch den "Mund Seiner Apostel und Propheten zugesagt hat; Er wird es treu erfüllen. Seine Ehre ist aufs innigste mit Seinem Worte verbunden. Und unser Verheißungsland ist droben in den himmlischen Örtern. Als Kinder sind wir Erben Gottes und Mit­erben Christi. Dem himmlischen Volke ist ein himmlisches Erbteil ver­heißen; und sicher werden auch in Bezug auf uns Ihn nie Seine Gaben und Berufung gereuen. 0 möchten darum auch wir allezeit im Bewußt­sein unseres innigen Verhältnisses zu Ihm, als Kinder, im Vertrauen auf Seine Treue und Gnade in der wahren Würdigung Seiner Ehre und in dem über alles gesegneten Jesusnamen Ihm nahen!

Erst jetzt, nachdem Josaphat in seinem Gebet den Herrn verherr­licht und den wahren Platz der Anbetung eingenommen hatte, spricht er von seiner eigenen Sache, von seiner mißlichen Lage, worin er war. „Nun siehe, die Kinder Ammon und Moab und die vom Gebirge Seir . . . kommen, uns auszustoßen aus Deinem Erbe, das Du uns hast eingege­ben. Unser Gott, willst Du sie nicht richten?" — Konnte Gott, der ihr Gott war, nein sagen? Konnte Er Sich weigern, da es sich um Seine Verheißung, Seine Treue, Seine Ehre und Seinen Namen handelte? Nimmermehr. Josaphat sagte: „Dein Erbe", und „Du hast es ihnen gegeben;" nimmermehr konnte der Herr nach einem solchen Gebet dem Feinde erlauben, Sein Volk auszustoßen — ein Volk, das Sein Erbe hoch schätzte, und als die Gabe Gottes erkannte. Zudem waren auch jene Völker nicht nur Feinde Seines Volkes, sondern auch Seine eige­nen Feinde, die Ihn verachteten; wie konnte Er sie ungerichtet lassen?

Jetzt folgt noch ein Bekenntnis des Josaphat, was Gott in Seiner erbarmenden Liebe und Gnade unmöglich überhören konnte. „Denn in uns ist nicht Kraft vor diesem großen Haufen, der wider uns kommt, und wir, wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach Dir." Wie hätte Gott da länger widerstehen können! Er müßte nicht der gnadenreiche Gott sein, um ein solches Bekenntnis überhören zu können. Nein, er kann es nicht und tut es auch nicht. Er sagt zu Paulus: „Meine Kraft wird in der Schwachheit vollbracht." Und der Apostel nennt Ihn „den Gott, der die Niedrigen tröstet" (3. Kor. 7, 6). Nur „den Hoffärtigen widersteht Er, aber den Demütigen gibt Er Gnade." Jeder, der sich seiner Ohnmacht bewußt ist und es vor Ihm bekennt und allein sein Auge auf Ihn richtet, darf sich in allen Umständen Seiner Hilfe versichert halten. Er darf alsdann kühn sagen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun" (Hebr. 13, 6)? Es ist stets Seine Freude, Sich auf eine wunderbare Weise an Denen zu verherrlichen, die auf Ihn allein ihr Vertrauen setzen, und in Wahrheit bekennen: „In uns ist keine Kraft. . . wir wis­sen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach Dir." — Ist dies auch dein Bekenntnis, geliebter Le­ser? Wohin richten sich deine Augen, wenn allerlei Versuchungen und Schwierigkeiten kommen? Sagst du auch zu jeder Zeit: „Meine Augen sehen nach Dir?" 0 es ist ein gesegnetes Wort; möchte es stets in allen Herzen der Seinigen in derselben Aufrichtigkeit gefunden werden, wie bei Josaphat!

Hören wir jetzt die wunderbar gnädige Antwort des Herrn: „Aber auf Jachasiel, den Sohn Zacharia . . . kam der Geist des Herrn mitten in der Gemeine, und sprach: „Merket auf, ganz Juda, und ihr Einwoh­ner Jerusalems, und du König Josaphat. So spricht der Herr zu euch:

Ihr sollt euch nicht fürchten, noch zagen vor diesem großen Haufen;

denn euer ist der Streit nicht, sondern Gottes. Morgen sollt ihr zu ihnen hinab ziehen; siehe, sie ziehen an der Höhe Ziz her­auf, und ihr werdet an sie treffen am Ende des Tales, vor der Wüste Jeruel. Es ist nicht an euch zu streiten in der Sache. Tretet nur hin und stehet, und sehet das Heil des Herrn mit euch, Juda und Jerusalem. Fürchtet euch nicht, und zaget nicht, morgen ziehet aus wider sie; der Herr ist mit euch" (V. 15—17)!

Welch eine Antwort! „Euer ist der Streit nicht, sondern Gottes." Wie völlig kam der Herr dem Glauben Josaphats entgegen! Er hatte Gottes Ehre und Macht in diese Sache hineingebracht, und Gott wollte ihm jetzt auf eine schlagende Weise kund tun, daß es nicht vergeblich geschehen war. Gott machte diesen Streit ganz zu Seiner Sache. Sie sollten nicht streiten, sondern nur hintreten und das Heil des Herrn sehen — sehen, welch wunderbare Taten Er zu ihrer Errettung zu voll­bringen vermochte. 0 wie wunderbar gütig ist der Herr, wie herrlich ist Sein Name! Der Glaube kann nie seine Saiten zu hoch spannen, nie zuviel erwarten, weil er seine Augen allein zum Herrn erhebt. Seine Erwartungen werden stets übertroffen werden. Und je mehr wir Ihm zutrauen,' desto mehr verherrlichen wir Ihn. Der Unglaube aber verunehrt ihn; die Selbsthilfe setzt Ihn beiseite. Und was vermögen wir? Ach, „nicht ein Haar weiß oder schwarz zu machen." Was aber vermag Er nicht? Welche Sache ist Ihm zu groß oder zu verwickelt?

 Und es ist sein Wohlgefallen, stets Sein inniges Mitgefühl, Seine Liebe und Macht an uns zu beweisen. Er will streiten und wir sollen stille sein, um die Wunder Seiner Macht zu sehen, und Josaphat zweifelte nicht an der Zusage des Herrn. Keinen Schatten von Unglauben sehen wir auf diesem ganzen Gemäldes Von Anfang bis zu Ende ist der Glaube wirksam und Gott verherrlicht. So­bald Er gesprochen hatte, „beugte sich Josaphat mit seinem Antlitz zur Erde und ganz Juda und die Einwohner Jerusalems fielen hin vor dem Herrn, den Herrn anzubeten. Und die Leviten machten sich auf, zu loben den Herrn, den Gott Israels, mit laut erhobener Stimme" (V. 18. 19). Diese Anbetung und dieses Lob waren ein lautes Zeugnis, daß sie dem Worte des Herrn vertrauten. „Und sie machten sich des morgens frühe auf, und zogen aus zu der Wüste Thekoa. Und da sie auszogen, stand Josaphat und sprach: Höret mir zu, Juda und ihr Einwohner Jerusalems: Glaubet an den Herrn, euren Gott, so werdet ihr sicher bleiben; und glaubet Seinen Propheten, so wird es euch ge­lingen" (V. 20). Die Lage Josaphats war für das Auge so mißlich, wie je; die Gefahr war dieselbe geblieben. Der große Haufen stand noch da und rückte immer näher und näher; aber sein Glaube war des Sie­ges gewiß und in Folge dessen sein Herz völlig in Ruhe. Gott hatte ja seine Sache in die Hand genommen und mehr bedurfte es nicht. Er wußte gewiß, daß der Herr Seinen Namen verherrlichen und einen glücklichen Ausgang verschaffen würde. Deshalb redet er auch nicht zu dem Volke von der Gefahr, sondern ermuntert sie zum Glauben an Gott und Sein Wort. Er bezeugt, daß nur der Glaube an Ihn uns sicher stelle, und das Vertrauen auf Sein Wort das Herz glücklich mache. Und so ist es in Wahrheit. Unsere Sicherheit kann nie in dem Sichtbaren, nie in der Größe und Kraft der Kreatur bestehen, und nie vermag das Eitle und Vergängliche uns wahrhaft glücklich zu machen. Nur „die Freude am Herrn ist unsere Stärke." Der Glaube an Ihn macht das Herz sicher und gewiß.

„Und er faßte einen Rat für das Volk und bestellte Sänger dem Herrn, daß sie lobten im heiligen Schmuck, und vor den Gerüsteten herzögen und sprächen: „Danket dem Herrn, denn Seine Güte währet ewiglich" (V. 21). Welch eine schöne Tat des Glaubens! Wie töricht mag es dem Unglauben vorgekommen sein, auf eine solche Weise einem großen und. feindlichen Kriegshaufen entgegen zu ziehen! Würde man die Sän­ger noch hinter die Gerüsteten gestellt haben, um nach vollbrachtem Siege den Herrn zu loben, das wäre ganz begreiflich gewesen; aber man stellte sie vorauf. Mußten nicht erst die Sänger getötet werden, sobald die Gerüsteten von ihren Waffen Gebrauch machten? Ja, so urteilt der Unglaube, der den Herrn nicht kennt und Seinem Worte nicht vertraut. Josaphats Glaube aber triumphierte. Der Streit war des Herrn, und ihre Sache war, das Lob des Herrn zu besingen. Die Ge­rüsteten hatten nichts in diesem Streit zu tun, wohl aber die Sänger. Sobald wir unser Anliegen in Wahrheit Gott anheim gestellt haben, haben wir nichts weiter zu tun,- als Ihn zu loben und anzubeten. Des­halb sagt auch der Apostel: ..Freuet euch in dem Herrn allezeit, und wiederum sage ich: „Freuet euch!" „Durch Ihn (Jesum) laßt uns Gott stets das Opfer des Lobes, das ist die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen, darbringen." Unser Kampf und alle unsere Sorgen" sind Seine Sache, und Sein Lob ist unsere Sache.

Und da sie, anfingen mit Jauchzen und Loben, ließ der Herr einen Hinterhalt kommen über die Kinder Ammon und Moab und die vom

 Gebirge Seir, die wider Juda gekommen waren, und sie wurden geschla­gen. Und es standen die Kinder Ammon und Moab wider die Einwohner des Gebirges Seir, sie zu verbannen und zu vertilgen. Und da sie die vom Gebirge Seir hatten aufgerieben, da half einer dem anderen zum Verderben" (V. 22—23). 0 wunderbarer Gott! Sobald sie anfingen. Ihn zu loben und zu jauchzen, fing Er an, für sie zu streiten. Das Triumphie­ren des Glaubens setzt die mächtige Hand Gottes in Tätigkeit. Ja, „der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." 0 wie wenig kennt und verherrlicht der die Liebe und Macht Gottes, der angesichts der Umstände und Schwierigkeiten stets mit gesenktem Blicke und mit un­ruhigem und bekümmertem Herzen einhergeht! Wie einfach und glück­lich ist der Weg dessen, der in allen Lagen vertrauensvoll seine Augen zu- Dem erhebt, der völlig bereit ist, alle unsere Sorge auf Sich zu neh­men! Und was sind alle Umstände und alle Feinde vor Ihm? Sie ver­schwinden wie ein Nebel; plötzlich sinken sie in den Staub des Todes, und sind nicht mehr.

„Da aber Juda zur Bergwarte kam an der Wüste, wandten sie sich gegen den Haufen-; und siehe, da lagen die Leichname auf der Erde, daß keiner entronnen war" (V. 24). Die Gerüsteten fanden keine Arbeit mehr. Die Schlacht war beendet; die Feinde völlig besiegt, und der Herr hatte das Feld behalten. Also nicht zu früh hatte Josaphats Glaube triumphiert; nicht zu früh hatten die Sänger gesprochen: „Danket dem Herrn, denn Seine Güte währet ewiglich;" nicht zu früh hatten sie ge­jauchzt. Gewiß, es ist nie zu früh, wenn der Glaube es tut. Wir können zu jeder Zeit Seines Sieges gewiß sein. Gott bedarf nicht zuerst unsere Hilfe; aber an unserem Lobe hat Er Sein Wohlgefallen. Sein ist die Arbeit, unser ist der Sieg und die Ernte. „Und Josaphat kam mit Sei­nem Volk, ihren Raub zu beuten, und fanden bei ihnen so viel Güter und Kleider und köstliches Geräte, und entwandten es ihnen, daß es auch nicht zu tragen war; und beuteten drei Tage an dem Raube, denn es war sein viel" (V. 25), Der Sieg war groß; denn der Herr hatte für Juda gestritten. Drei Tage hatten sie zu beuten, und vermochten es kaum wegzubringen. Ja der Sieg wird immer umso herrlicher sein, je völli­ger wir den Kampf des Glaubens kämpfen d. i. unsere Sache in.. die Hand des Herrn gelegt haben. Dann bleibt auch aller Ruhm des Sie­ges Ihm allein. Dies erkannten auch Josaphat und sein Volk. Die reiche Beute verblendete ihre Augen nicht, noch vergaßen sie im Glücke ihres Gottes, wie es ach! so oft unter den Gläubigen geschieht. Sie erfreuen sich an ihrer Freude, und nicht des Herrn, der die Freude bereitet hat.  Josaphat und sein Volk „aber kamen am vierten Tage zusammen im Lobetal, denn daselbst" lobten sie den Herrn. Daher heißt die Stätte Lobetal bis auf diesen Tag. Also kehrte jedermann von Jerusalem wie­der um, und Josaphat an ihrer Spitze, daß sie gen Jerusalem .zögen. Denn der Herr hatte ihnen die Freude gegeben an ihren Feinden. Und zogen gegen Jerusalem mit Psaltern. Harfen und Trompeten zum Hause des Herrn" (V. 26—28).

' So wie der Herr ihre Zuflucht gewesen war in der Zeit der Drang­sal,' so war Er auch der Gegenstand ihres Lobes in der Zeit der Freude. Ihre Augen blieben unverrückt auf Ihn gerichtet, und ihre Herzen mit Ihm beschäftigt. Mochten auch ihre Umstände sich verändert haben, so blieb doch der Unveränderliche der' Gegenstand ihrer Anbetung. 0

 möchte dies auch bei uns stets der Fall sein! Endlich sehen wir noch, wie der Glaube Gott Gelegenheit gibt. Sich unter Seinen Feinden zu verherrlichen. „Der Schrecken Gottes kam über alle Königreiche der Länder, da sie hörten, daß der Herr wider die Feinde Israels gestritten hatte. Also ward das Königreich Josaphats stille und sein Gott gab ihm Ruhe umher" (V. 29. 80). — Das war das Ende dieses gesegneten Kampfes und wird das Ende des. Kampfes aller Gläubigen sein, die darin im Vertrauen auf Seinen Namen ausharren. Bald werden säe, be­freit von allem Kampf, ewige Freude und ewige Ruhe in der Herrlich­keit droben finden. Der Schrecken Gottes ist für Seine Feinde, die Ruhe Gottes für Sein Volk.

Der Herr gebe, daß dies Exempel des Glaubens bei allen, die es lesen, zum Trost und zur Ermunterung gereiche und eine würdige Nach­ahmung finde!

 Mein Herz ist so hart!

Vor mehreren Jahren gefiel es Gott, die Stadt H. und die umlie­genden Ortschaften mit Seiner Gnade zu besuchen. Es war nicht eine äußere, vorübergehende Aufregung der Gemüter, die man in unseren Tagen so gern als „große Erweckung" bezeichnet, sondern es war eine Zeit, in welcher die erweckende und umwandelnde Kraft des Heiligen Geistes „wie ein Tau vom Herrn war, und wie die Tröpflein auf das Gras, das auf niemand harret, noch auf Menschen wartet" (Micha 5,6). Die Predigt des Evangeliums geschah durch geringe und ungelehrte Leute, die man gewöhnlich für einen solchen Dienst unfähig hält. Eine große Menge hörte zu, und auf allen Gesichtern lag ein großer Ernst;

Alt und Jung, Männer, Weiber und Kinder hatten einen tiefen Ein­druck von der Wichtigkeit der ewigen Dinge; und viele „wurden von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt Satans zu Gott bekehrt."

Eine der Bekehrten in dieser gesegneten Zeit war Sarah A., eine verheiratete Frau von mittleren Jahren. Sie lebte in niedrigen Um­ständen und hatte keine Erziehung gehabt; aber sie war einsichtsvoller als viele,, die größere Vorzüge genossen hatten, als sie. Wie lange sie vorher ihren verlorenen Zustand gefühlt und beim Gedanken an die Ewigkeit darüber geseufzt und geklagt hatte, weiß ich nicht; aber so viel weiß ich, daß die Überführung von demselben und ihr Elend tief und anhaltend war. Mit großer Aufmerksamkeit horchte sie auf das gepredigte Wort, forschte fleißig in der heiligen Schrift und schrie ernstlich zu Gott um Gnade. Sie hatte es sehr gern, wenn sich ein Gläubiger mit ihr über ihren Zustand unterhielt, und sie war ganz einfach und offen in ihrem Bekenntnis. Monatelang aber dauerte ihre Not und steigerte sich oft bis zur völligen Seelenangst; und nichts, was auch gesagt und angewandt werden mochte, verschaffte ihr die gering­ste Linderung. Der Zustand war oft der Gegenstand einer sorgenvollen Besprechung derer, die im Werke des Herrn arbeiteten; sie vereinigten sich ihretwegen auch mehrere Male zum Gebet; aber ihre Befrei­ung wurde immer noch hinausgeschoben.

Die beständige Bürde, worüber Sarah A. klagte, war die H ä r t i g -keit ihres Herzens. „Mein Herz ist so hart," sagte sie oft; „ich sehe wohl, welch eine Sünderin ich gewesen bin; aber ich fühle es nicht. Ich glaube alles, was Sie mir sagen; aber obgleich meine Sünden mir auf dem Gegicht zu lesen sind, so kann ich doch nicht eine einzige Träne vergießen; mein Herz ist so hart wie ein Stein. Was soll aus mir, einer armen, nichtswürdigen, verhärteten Sünderin, endlich werden!" Wiederholt wurde ihr gesagt, daß wir nicht durch Gefühle, sondern durch Glauben gerechtfertigt werden, und daß sogar der Glaube nur rechtfertige, wenn er Christum annehme und auf Ihn vertraue, in wel­chem alle errettende Kraft wohne, während sie aus den rührenden und empfindlichen Gefühlen, wonach sie so sehnlichst verlange, einen Hei­land zu machen suche. Ich sagte zu ihr: „Der Herr Jesus ist gerade für Solche gestorben, die hartherzig sind, wie Sie. Bringen Sie Ihm Ihr hartes Herz. Blicken Sie auf das Lamm Gottes und nicht länger auf sich selbst. Im Glauben auf Jesum schauen, wird in einem Augenblicke Ihr Herz mehr erweichen, als wenn Sie ein ganzes Jahr auf Ihre Sün­den und Ihre Unbußfertigkeit blicken. Sie trachten nach bußfertigen Gefühlen, und meinen darin eine Berechtigung zu finden, anstatt auf Je­sum zu blicken und auf Sein kostbares Blut zu vertrauen; aber wenn Sie in Wahrheit solche Gefühle haben, wie sie wünschen, so werden Sie da­durch bewirkt worden sein, daß sie im Glauben auf Ihn geschaut, und dem Zeugnisse Gottes über Seinen Sohn geglaubt haben."

Doch alles schien vergeblich zu sein. Wenn die Liebe Gottes in der Gabe Jesu und die Liebe Jesu im Sterben am Kreuze für Seine Feinde ihr vorgestellt wurde, so war ihre ganze Aufmerksamkeit darauf ge­richtet, und man hätte denken sollen, daß sie die gute Botschaft in sich aufnähme; aber kaum war der Schall des Wortes verhallt, so rief sie mit einem Blicke der größten Verzagtheit aus: „Es ist alles wahr;

aber ich fühle nichts davon; mein Herz ist so hart wie ein Stein!"

Eines Tages, nachdem wir uns beinahe an ihre verzweifelnden Blicke und Ausrufungen gewöhnt hatten, wurden wir alle durch die angenehme Nachricht überrascht, daß Sarah A. sich jetzt in dem Herrn erfreuen könne. Ohne Verzug eilten wir zu ihr, um von ihr selbst zu erfahren, wie diese Veränderung stattgefunden habe. Daß es wirklich so war, sah man gleich in ihrem Gesicht und in ihrem ganzen Betragen. Ihre Mitteilung war nun folgende:

„Die letzte Nacht war eine schreckliche. Indem ich wach lag und an meine Sünden dachte, und mich wunderte, woher es komme, daß ich sie weder fühlen, noch los werden könne, schien es mir, daß Gott mich ganz meiner Herzenshärtigkeit übergeben habe; und da blieb mir nichts anderes übrig, als der Wurm, der nicht stirbt und das Feuer, das nicht erlischt. Welch eine Nacht habe ich durchlebt! Gegen Morgen fiel ich auf meine Kniee und fing an, zu Gott zu schreien. Wie lange ich dieses tat, weiß ich nicht; aber da kam mir auf einmal in den Sinn, was die Bibel von Gott sagt, daß Er also die Welt geliebt, daß er Seinen eingeborenen Sohn gegeben habe, und von Jesu, daß Er an dem Kreuze gestorben sei;

und ich begann über Seine große Liebe zu denken, und konnte an nichts anderes mehr denken. Ehe ich es merkte, zerschmolz mein Herz, und

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 beim Gedanken an das, was der Herr Jesus für meine Sünden gelitten hatte, mußte ich weinen. Meine Tränen flössen reichlich; aber es waren mehr Tränen der Freude als des Schmerzes. Meine Last war weg; ich konnte nur meinen Heiland preisen und vor Ihm weinen, daß Er für solch ein elendes Geschöpf, wie ich, gestorben war. 0 welch eine Liebe, für solch ein elendes Geschöpf, wie ich bin, auf dem Kreuze zu sterben!"

So lautete ihre Mitteilung; und sie, die nimmer eine Träne ver­gossen hatte, als sie über die Härtigkeit ihres Herzens seufzte, weinte sehr, als sie auf der Liebe Christi ruhte, und rief, während sie darüber sprach, immer aufs neue aus: „O das kostbare Blut Christi! Das kost­bare Blut! Es ist ganz und gar genug für mich!"

Die Veränderung war so fortdauernd, als augenscheinlich. So oft ich später Gelegenheit gehabt habe, sie zu beobachten, oder von ihr zu hören, erfreute sie sich in Christo Jesu, und war fähig, inmitten vieler äußeren Trübsale, die Lehre Gottes, ihres Heilandes, zu zieren.

Und nun, geliebter Leser, wie steht es mit dir? Blickst du auch, wie dieses arme Weib, auf dich selbst, um Dein Herz zu erweichen und ein tieferes Sündengefühl hervorzubringen, ehe du es wagst, deine Seele Jesu anzuvertrauen? 0 möchtest du durch ihre Erfahrung lernen, daß der einzige Weg zur Erweichung deines harten Herzens der ist, auf Jesum zu schauen, wie du bist! „Siehe das Lamm Gottes!" Es war für Sünder, für solche, wie du einer bist, daß es Sein kostbares Blut ver­gossen hat, und dieses „Blut reinigt uns von aller Sünde."

 Nur Jesu Blut kann lindern Des Sünders tiefsten Schmerz Sonst nichts die Schuld vermindern, Nichts schmelzen je dein Herz.

Nur Liebe kann es heilen, Die Jesu Kreuz enthüllt;

Drum mußt du zu Ihm eilen, So ist dein Schmerz gestillt.

Auch wirst du nichts erreichen Beim Schuldgefühl allein;

Nur Gnade kann erweichen, Ein Herz, so hart wie Stein.

Und Ihm bist du willkommen, Wie groß die Schuld auch ist;

Wirst huldvoll aufgenommen, Kommst du nur, wie du bist.

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Hast du auch nichts als Sünden, Ein Herz so hart wie Stein, Wirst völlig Gnade finden, Und ewig glücklich sein.

 

 Markus 9  Dem Glaubenden ist alles möglich

(Ev. Mark. 9. 23)

In Mark. 9 zeigt uns das Wort einen Menschen, dessen Sohn einen stummen Geist hatte. In einer rührenden Weise drückt der arme Vater seine Betrübnis aus, — durch Worte, welche ein Herz verraten, das zwar durch das Gefühl seiner Bedürfnisse aufrichtig gemacht, aber doch sehr schwach im Glauben ist. Er teilt den elenden Zustand seines

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Kindes; und sein Herz liefert ein treues Gemälde von dem Zustande des Überrestes, von dem Glauben, welcher wegen des Unglaubens, unter dem er begraben lag, ertragen zu werden benötigt war. Israel war nicht besser, als das arme Kind. Nur war die alles vermögende Kraft an­wesend: nichts destoweniger gab es eine andere Schwierigkeit. War Glauben vorhanden, um diese Kraft zu benutzen? — „W e n n Du kannst," sagt der arme Vater zu Jesu. — Dieses: „Wenn Du kannst" — erwidert der Heiland, — „hängt von deinem Glauben ab;

wenn du glauben kannst, so ist alles möglich." — Der Vater — ein Mensch aufrichtigen Herzens — ruft mit Tränen: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!" — Er offenbart Ihm mit Aufrich­tigkeit seinen wahren Zustand, und nimmt für das ihm Mangelnde seine Zuflucht zu der Güte Jesu.


Josua 1

Im Buche Josua lesen wir die Geschichte der Besitznahme des Landes Kanaan, soweit als diese ausgeführt wurde; während wir im 4. B. Mose demselben Volke auf seiner mühsamen Reise durch die Wüste folgen — auf einer Reise, mühsamer noch durch seinen eigenen Unglauben, auf welcher es aber von einem getreuen und barmherzigen Gott während des ganzen Weges geleitet wurde; und Er leitete es durch einen Pfad der Züchtigung, falls es nicht auf dem Pfade des Glaubens verharrte. „Seine Kleider waren nicht veraltet an ihm, und seine Füße nicht geschwollen an ihm, diese vierzig Jahre."

Beide dieser Teile seiner Geschichte — das beachte man — ereig­neten sich nach seiner Errettung aus Ägypten. — Ich möchte nun kurz die Grundsätze verfolgen, auf welchen der Pfad und der Dienst des Glaubens, wie er durch die Geschichte Josuas dargestellt ist, mit Si­cherheit und Erfolg betreten werden kann.

Möge mein Leser bemerken — was er vielleicht niemals' beachtet hat — daß die Kämpfe, welche in dem Buche Josua berichtet werden, nicht nur nach der Erlösung aus Ägypten, sondern auch nach dem Durchgang durch den Jordan stattfanden. Nun wird der Jordan gemei­niglich als ein Bild des Todes und Kanaan als das des Himmels angenommen, Und, wie ich nicht zweifle, mit Recht. Wie kommt es aber, daß alles darnach Kampf ist, und daß" der Mann, welcher dem Josua erscheint, als „Fürst des Heeres des Herrn" kommt (Kap. 5, 13—15)? Krieg charakterisiert den Zustand Israels nach seinem Ein­zuge in Kanaan; die Reise seine Stellung in der Wüste. Dieser be­merkenswerte Zug in der Geschichte derjenigen Ereignisse, welche „Jenen als Vorbilder widerfuhren, aber zu unserer Ermahnung ge­schrieben sind, auf welche die Vollendung der Zeitalter gekommen ist", fordert uns auf, zu untersuchen, welches die Verbindung dieser Ereignisse ist, und wie der Durchgang durch den Tod und der Eingang in den Himmel zu einem Zustande des Kampfes und Krieges führte.

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 Das neue Testament erleichtert uns sehr die Auflösung dieser scheinbaren Schwierigkeit. Es lehrt nicht allein, daß Christus für uns gestorben und auferstanden ist, sondern auch, daß wir in Gottes Augen durch den Geist mit Ihm vereinigt — daß wir mit Ihm gestorben und auferweckt sind. „Ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott" (Kol. 3, 3). „Er hat uns mit dem Christus leben­dig gemacht und hat uns mit auferweckt" (Eph. 2). Der Christ wird also betrachtet, als selbst durch den Tod gegangen und wieder auferweckt, weil Christus es ist, welcher sein Leben geworden; deshalb sagt Paulus: „Wenn ihr denn mit dem Christus gestorben seid" (Kol. 2). „Wenn ihr denn mit dem Christus auferweckt seid" (Kol. 3). In diesem Sinne werden wir betrachtet, als durch den Jordan hindurch gegangen. Wir sind gestorben, wir sind auferweckt und sind in die himmlischen Örter versetzt. Deshalb haben wir unsere Kämpfe dort; denn die Kanaaniter und Pheresiter sind noch im Lande. Ebenso sagt Paulus: „Unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten ..... wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern." Er gedenkt hier Josuas und Israels, welche mit Fleisch und Blut zu streiten hatten — wir hingegen mit geistlichen Feinden. Der Christ wird also als gestorben — und wieder auferweckt mit Christo betrachtet, und ist berufen, das Land zu besitzen, d. i. die durch die Macht des Heiligen Geistes gegebenen Segnungen zu verwirk­lichen, indem er sich entweder der unausforschlichen Reichtümer Christi erfreut oder diejenigen von der Macht Satans befreit, die durch ihn gefangen gehalten werden.

Ehe ich nun zu den bereits angeführten, praktischen Grundsätzen zurückkehre, möchte ich einen Augenblick die Aufmerksamkeit auf die Wirkung richten, die der Durchgang durch den Jordan hervorge­bracht hat.

Zuerst ist es der Tod des Fleisches — gänzlicher Tod der Welt. Israel war in der Wüste nicht beschnitten; aber es war jetzt beschnitten und somit war aller Anspruch Ägyptens verschwunden. Zu dieser Stätte des Selbstgerichts kehrte Israel nach allen seinen Siegen zurück. Doch gab es noch einen anderen Punkt, Israel aß von dem alten Korn des Landes, während das Manna aufgehört hatte. Das Manna ist Christus, herniedergekommen und erniedrigt — Christus für das Be­dürfnis der Wüste. Das alte Korn des Landes aber gehört zu dem himmlischen Lande — Christus in der himmlischen Herrlichkeit. Dieses alles ist unser Teil vor irgendeinem Kampfe, ehe eine Mauer gefallen oder ein Feind besiegt worden ist. Wir besitzen alle himmlischen Seg­nungen durch ein göttliches Anrecht. Dann kommt „der Mann mit dem gezogenen Schwert" — Christus im Geist — um uns anzuführen im Streit; und Er führt uns sicher zum Siege, wenn wir unter Seiner Lei­tung wandeln.

Dies führt uns zu den Grundsätzen, nach welchen der Sieg in dem Kampfe, worin wir gestellt sind, erlangt wird. „Alles Land vom Euphrat bis an das große Meer" ist verheißen (V. 4). Es handelt sich jetzt um die Frage der Besitzergreifung. Wir müssen tätlichen Besitz davon er­greifen, um uns dessen zu erfreuen. „Jegliche Stätte, darauf eure Fuß­sohle treten wird, habe ich euch gegeben" (V. 3). Nichts kann einfacher sein. Ihr habt es nur in Besitz zu nehmen; aber das müßt ihr tun.

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 Ebenso ist es mit uns. Große Besitztümer liegen vor uns. Alle die un­ausforschlichen Reichtümer Christi sind unser Teil. Aber es bedarf der fleißigen Beschäftigung des Herzens mit diesen Dingen, um sie zu besitzen. Möge der Leser versichert sein, daß ein großes und reiches Feld vor ihm ausgebreitet liegt — alles, was Gott ihm gegeben hat, sich dessen zu erfreuen; und er ist der göttlichen Natur teilhaftig geworden (denn ich rede von Gläubigen), sodaß er sich dieser Dinge wirklich er­freuen kann. Da uns nun die geistlichen Feinde in der Verwirklichung hindern möchten, so tritt der Kampf ein — der Kampf in einem reinen und gesammelten Herzen in Bezug auf • das, was der Herr Jesus das „U n s r i g e" nennt, während er die Dinge dieser Welt das „Fremd e" nennt (Luk. 16). Allein diese Kämpfe, zu unserer Übung und zur Er­fahrung der Treue Gottes nützlich, sind kein Hindernis in Betreff un­serer Besitzergreifung, sondern zeigen nur, daß Gott mit uns ist, wäh­rend sie uns zugleich unseren eigenen Zustand offenbaren. Waren der Einsturz der Mauern Jerichos und die Siege Josuas ein Hindernis? Nein.

Heiligkeit und Aufschauen auf Gott — mit einem Wort, Absonde­rung des Herzens für Gott, sind erforderlich, wenn der „Fürst des Heeres des Herrn" kommt und Josua begegnet. Er mußte seine. Schuhe ebensowohl. ausziehen, wie Moses vor Gott in „dem Dornbusch" (Kap. 5, 13). Der Herr in unserer Mitte beim Kampfe ist ebenso heilig in Sei­ner Natur, als der Herr in der Erlösung. Daher, wie bekannt ist, wollte Gott, als ein Achan im Lager war, nicht mit ihnen ausziehen. Wenn aber Aufrichtigkeit des Herzens vorhanden ist, so haben wir dieses Wort der Verheißung: „Es soll niemand vor dir stehen mögen dein Leben lang" (V. 5). Welch einen Trost und welche Sicherheit gibt dies! „Wenn Gott für uns ist, wer mag wider uns sein?" Keine Schwierigkeit, weder in mir, noch außer mir, vermag meinen Lauf zu hemmen. Ich habe für nichts zu sorgen, und indem ich inmitten des Kampfes meine An­liegen vor Gott kund werden lasse, wird der Friede Gottes mein Herz bewahren. Und dies läßt uns nimmer zu Schanden werden. „Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen." Nicht nur, daß Gott uns nicht verläßt, sondern Er versäumt uns auch nicht in Darreichung der Kraft, Gnade und Weisheit, deren wir zur Befestigung so sehr bedürfen. Er versäumt uns in keinem Stück und in keinerlei Weise. Er ist allewege mit uns, mit uns für den Streit und in dem Streite. „Der Herr wird streiten mit Amalek." Gleichwohl ist es ein Streit in Israel, aber ein Streit des Herrn. Also ist die Kraft und Macht Gottes, die in Güte und Treue mit uns ist, die erste und gesegnete Grundlage für unsere Herzen in dem Streite.

Dies gibt Vertrauen und Mut. „Seid stark und guten Mutes" (V. 6)! Gott Selbst ruft uns Vertrauen zu und stärkt das Herz in Seiner Kraft;

denn wir sollen siegen in dem auf getragenen Werke. Dies ist auch ein Segen. Habe Mut, denn du wirst das Werk vollbringen! Und warum nicht, wenn es Sein Werk und Er mit uns ist? — Aber dies erfordert ein besonderes Verhalten, was aller Beachtung wert ist, „Du sollst die­sem Volke das Land austeilen .... sei stark und sehr mutig" (V. 6. 7.);

weiche nicht zurück; erschrecke nicht, fürchte dich nicht vor der Macht des Feindes! „Lasset euch in nichts von den Widersachern erschrecken, was für sie ein Beweis des Verderbens, für euch aber des Heils ist, und dieses von Gott" (Phil. 3, 28). Satan ist zwar da; aber ob er auch

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 da ist, Gott ist auch da, und das ist ein Beweis des Verderbens der Werkzeuge Satans und der gewissen Errettung derer, mit welchen Gott ist. Wenn Gott mit uns ist, so handelt es sich nicht darum, ob wir Heu­schrecken sind und unsere Feinde Riesen, und ob die Mauern bis an den Himmel reichen. Was ist die Höhe einer Mauer, wenn sie bei dem Schall einer Posaune zusammenstürzt? Was schadet es, daß die See hoch ist, wenn Christus da ist und uns darauf wandeln heißt? Was nützt es, daß sie ruhig geht, wenn Er nicht da ist? Nun aber merke, worin der Mut zu zeigen ist. „Sei nur stark und sehr mutig, daß du haltest und tuest aller Dinge, nach dem Gesetz, das dir Mose» mein Knecht, geboten hat" (V. 7). Wir bedürfen, Mut, zu gehorchen. Es scheint oft kein Sinn in den Vorschriften des Wortes Gottes zu sein. Unsere fleischliche Bequemlichkeit liebt es nicht, so abgesondert ein­herzugehen und die ganze Welt gegen sich zu haben. Der Pfad des Christen ist von dem aller Welt verschieden. Er setzt einen lebendi­gen Gott voraus, welcher alles sieht und in allen Dingen wirksam ist, dessen Eigentum wir sind und dessen Wille unser Ein und Alles ist. Hiervon kennt die Welt nichts. Den Willen Gottes zu tun und Seinem Worte einfältig zu gehorchen, erfordert Mut angesichts der Welt, Mut in unsern eigenen Herzen; und hierzu sind wir berufen. „Nur sei stark und sehr mutig, daß du mögest beobachten zu tun alles, was uns der Herr geboten hat." Es ist der Mut des Glaubens, welcher allein auf Gott schaut; und dies ist der Weg des Sieges im Kampfe. Die Macht Gottes ist tätig, uns auf dem Pfade des Willens Gottes beizustehen, und nicht außerhalb desselben. Dann aber ist es gleichgültig, wo wir gehen, und welches die Schwierigkeiten sind. Wie lang die Reise auch zu sein scheint — Er führt unsern Weg zum Siege: „Wo immer du gehest."

Dies führt zu einer anderen und natürlichen Folgerung, die aber von Wichtigkeit ist, weil es uns nicht allein über den Willen Gottes unterrichtet, sondern uns in Seiner Gegenwart hält, und uns mit den Gedanken, Ratschlüssen, Wegen, Hoffnungen, ja, mit der ganzen Weise unseres Gottes vertraut macht. — „Dies Buch des Gesetzes laß nicht von deinem Munde kommen, sondern sinne darüber Tag und Nacht, auf daß du haltest und tuest aller Dinge nach dem, das darinnen ge­schrieben stehet. Alsdann wird dir's gelingen auf deinem Wege, und dann wirst du glücklich sein" (V. 8. Vergl. Psalm l). Diese Betrachtung des Wortes Gottes macht uns mit dem Willen Gottes bekannt; und ein gut Teil mehr als das. Sie gibt uns eine beständige Freude des Herzens an dem, was Gott offenbart, ein Wohlgefallen an dem, woran Er Sein Wohlgefallen hat. Wir verlangen Seine (das ist die wahre göttliche) Anschauung und Beurteilung der Dinge, und nicht die der Eitelkeit und Oberflächlichkeit dieser Welt. Unsere Herzen werden durch diese göttliche und gesegnete Beurteilungsweise aller Dinge und in derselben gebildet und geübt. 0 welch ein Licht ist dieses, und wie erscheint darin die Eitelkeit dieser Welt als das, was sie ist! „Heilige sie durch Deine Wahrheit; Dein Wort ist die Wahrheit." „Denn ich heilige mich Selbst für sie, damit auch sie Geheiligte seien durch die Wahrheit." Außerdem wird die Seele im Sinnen über Sein Wort in der Unterwür­figkeit Gottes gehalten — ein unermeßlicher Punkt in moralischer Beziehung. Doch ist dies nicht alles. Es sichert die Mitteilungen Seiner

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 Gnade. „Ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kund gemacht habe." Das Wort Gottes auf­nehmen, heißt Gott Selbst aufnehmen in dieser Welt, wie Er gesagt hat. Doch ich muß weiter gehen.

Der nächste Grund, den der Herr angibt, ist dieser: „Habe ich dir nicht geboten" (V. 9)? Nichts gibt größeres Vertrauen, als dieses. „Wir sind schuldig, Gott zu gehorchen", sagt Petrus. Selbst wenn ich den rechten Weg gehe, aber nicht sicher weiß, ob ich den Willen Gottes tue, so wird die geringste Schwierigkeit alles in Ungewißheit bringen und meinen ganzen Mut zerstören. Wenn ich aber weiß, daß ich Seinen Willen tue, so sind die Schwierigkeiten nichts; ich komme ihnen ent­gegen auf dem Wege. Nur für den Gehorsam in dem Willen Gottes ist die Macht Gottes da, und das Herz, indem es weiß, daß es den Willen Gottes tut, hat kein Mißtrauen. Die Aufrichtigkeit würde fürchten, falls es der einzige Weg wäre; aber sie fürchtet nichts, ist in nichts un­sicher, wenn sie weiß, daß es der Wille Gottes ist. „Habe ich dir nicht geboten, daß du stark und guten Mutes seiest?" Und dann haben wir zugleich die bestimmte Versicherung: „Der Herr, dein Gott ist mit dir, wo immer du gehest" (V. 7).

Ein weiterer Grundsatz wird in Bezug auf die Rubeniter, Gaditer und den halben Stamm Manasse hervorgebracht. Es ist uns in diesen göttlichen Kriegen gegeben, für andere zu kämpfen. Dies ist ein ge-segnetes Vorrecht. Ich habe zu kämpfen, um immer mehr von den un­ermeßlichen Reichtümern Christi zu besitzen um völliger Seine Liebe und die Erkenntnis von Ihm zu verwirklichen, um sowohl die Wein­gärten als auch die Ölgärten Kanaans und das alte Korn des Landes zu haben; mit einem Wort, um das zu besitzen, was mir von Christo geschenkt ist. Allein es ist uns gegeben, auf jede Weise auch für das Volk Gottes zu kämpfen. Paulus war in Betreff der Gaben, durch welche er seinen wirksamen Kriegsdienst auf dem Felde des Herrn fortsetzte, von den armen, betenden Heiligen abhängig (2. Korinth. 1. 14), vielleicht von irgend einer armen bettlägerigen Witwe. Er selbst war fortwährend tätig, sowohl im Gebet als auch im Dienst des Wortes um das Volk Gottes in den Besitz seiner Vorrechte zu bringen. Ja, dies ist ein überaus köstliches Vorrecht. Nicht nur sind wir errettet, geseg­net, Teilhaber der Herrlichkeit und der Freude in Gott, sondern es hat Gott auch Wohlgefallen, uns zu Mitgenossen und Mitarbeitern unter Ihm in Seinem göttlichen Vorrecht der Liebe und des Segens zu ma­chen. Das ist wirklich Gnade. Sicher müssen wir, als ihre Gegenstände, sie kennen, um von ihr Zeugnis zu geben; aber die Liebe Gottes in uns fließt in Liebe hervor, um sie Ändern bekannt zu machen.

Beachte noch etwas. Wenn wir den Willen Gottes tun und wirken, so können wir auf Ihn rechnen, und zwar in Bezug auf alles, was uns teuer ist und woran wir Interesse haben. Wir könnten dasselbe nicht bewahren, ohne daß Gott gegenwärtig wäre; Er aber kann es ohne uns bewahren, wenn Wir Seinen Willen tun und in Liebe dienen. Die zwei und ein halb Stämme konnten ihre Kleinen zurücklassen, und alles, was sie hinter sich hatten, und gerüstet in den Krieg ziehen und ihren Brü­dern helfen. Da ist kein Zweifel, keine Furcht, keine Unsicherheit. Es ist der Weg des Glaubens, der auf dem Pfade des Gehorsams in Be­treff Seines erkannten Willens auf Gott rechnet. Er hat für jeden

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 Schritt göttliche Weisheit und göttliche Kraft. Beides ist in Christo. Wir mögen diese Weisheit nicht vollkommen kennen, noch das Ende oder die Tragweite vieler Dinge sehen; aber Er kann es, der uns das Wort gab; und wir werden in dem Worte nach jener vollkommenen Erkenntnis geleitet.

 5 Mose 8 Vier Punkte der Erkenntnis.

(5. Mos. 8, 1—9)

In diesen Versen haben wir in Verbindung mit unserem Wandel durch die Wüste vier wertvolle Punkte der Erkenntnis, nämlich

1. die Erkenntnis unserer selbst,

2. die Erkenntnis Gottes,

3. die Erkenntnis unserer Verwandtschaft oder Beziehung und

4. die Erkenntnis unserer Hoffnung.

1. In Betreff der Erkenntnis unserer selbst lesen wir in V. 2: „Und du sollst gedenken alles des Weges, den dich der Herr, dein Gott geleitet hat, diese vierzig Jahre in der Wüste, auf daß Er dich demütigte, und versuchte dich, daß kund wurde, was in deinem Herzen war e." Hier ist ein außerordentlicher Punkt der Erkenntnis. Wer kann es aussprechen? Wer kann die Tiefen des mensch­lichen Herzens ergründen? Wer kann alle seine Windungen und Laby­rinthe mitteilen? Die Einzelheiten unseres Wandels in der Wüste brin­gen einen großen Teil des Bösen hervor, welches in uns ist. Beim Be­ginn unserer Laufbahn sind wir mit der Freude über unsere Errettung beschäftigt, und wir verstehen nur sehr wenig von dem wirklichen Charakter der Natur. Aber indem wir Schritt für Schritt unsere Reise durch die Wüste fortsetzen, werden wir immer mehr mit uns selbst bekannt gemacht.

2. Wir müssen aber nun nicht denken, daß, jemehr wir in der Selbsterkenntnis wachsen, unsere Freude abnehme. Ganz das Gegen­teil; sonst würde unsere Freude von der Unwissenheit über uns selbst abhängig sein, während sie in Wahrheit von unserer Er­kenntnis von Gott abhängt. Jemehr der Gläubige in der Er­kenntnis seiner selbst Fortschritte macht, desto tiefer und fester wird seine Freude sein, insofern er dahin geleitet wird, seinen alleinigen Gegenstand ganz und gar außer sich in Christo zu finden. Er lernt, daß die gänzliche Verderbtheit der Natur nicht nur eine wahre Lehre des christlichen Glaubens, sondern auch eine tiefe Wirklichkeit in seiner eigenen Erfahrung ist. Er lernt auch, daß die göttliche Gnade und die Errettung Wirklichkeiten sind — tiefe persönliche Wirklichkeiten, daß ebenso die Sünde, das Kreuz und die Stellvertretung Christi Wirklich­keiten sind; mit einem Wort, er lernt die Tiefe, die Fülle, die Macht, die Anwendung der gnadenvollen Heilsquellen Gottes kennen. „Er demü­tigte dich und ließ dich hungern" — nicht damit du zur Verzweiflung ge­trieben werden möchtest, sondern daß Er „dich speisen möchte mit dem Man, das du nie gekannt hattest noch deine Väter; auf daß Er dir kund

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 täte, daß der Mensch nicht lebet vom Brot allein, sondern von allem, das aus dem Munde des Herrn gehet. Deine Kleider sind nicht veraltet an dir, und deine Füße sind nicht geschwollen, diese vierzig Jahre" (V. 3. 4).

Welch eine rührende und liebliche Appellation! Vierzig Jahre lang ununterbrochene Beweise von dem, was in dem Herzen Gottes gegen Sein erlöstes Volk ist. Sechsmal hunderttausend Mann gekleidet, er­nährt, bewahrt und besorgt in einer grauenvollen Wüste vierzig Jahre lang! Welch eine schöne und herzberuhigende Entfaltung der Fülle der göttlichen Hilfsquellen! Wie ist es möglich, mit der Geschichte von Israels Wanderungen in der Wüste vor uns, noch einen einzigen Zwei­fel, noch die geringste Furcht zu herbergen? 0 daß unsere Herzen völ­liger geleert werden möchten, von uns selbst —• denn das ist wahre Demut, und völliger erfüllt von Christo — denn das ist wahres Glück und wahre Heiligkeit. „Denn der Herr, dein Gott hat dich gesegnet in allen Werken deiner Hände. Er hat dein Reisen zu Herzen genommen durch diese große Wüste. Diese vierzig Jahre ist der Herr, dein Gott, bei dir gewesen, daß dir nichts mangelte" (5. Mos. 2, 7).

3. Dies alles, wobei wir verweilt haben, fließt aus etwas anderem hervor, aus der Verwandtschaft oder Beziehung, in welcher wir stehen. „So erkennest du ja in deinem Herzen, daß der Herr, dein Gott, dich gezüchtigt hat, wie ein Mann seinen Sohn züchtigt" (Kap. 8, 5). Dies erklärt alles. Der Hunger und die Speise, der Durst und das Wasser, die pfadlose Wüste und die leitende Wolken- und Feuersäule, die Beschwerlichkeit und die Erfrischung, die Krankheit und die Heilung — alles erzählt uns dieselbe Sache — alles zeigt uns eines Vaters Hand und eines Vaters Herz. Es ist gut, daran zu denken, „auf daß wir nicht ermüden, indem wir in unseren Seelen ermatten" (Hebr. 12, 3). Ein irdischer Vater küßt nicht nur das Kind, sondern er­greift auch die Rute; und ebenso ist es mit dem himmlischen Vater. Alle Seine Handlungen fließen hervor aus jener wunderbaren Ver­wandtschaft, in welcher Er zu uns steht. Es ist ein „heiliger Vater." Dies faßt alles in sich. Mit Ihm zu wandeln, sich auf Ihn zu stützen, Ihm nachzuahmen „als geliebte Kinder," erhält das wahre Glück, die wirkliche Kraft und die wahre Heiligkeit. Wenn wir mit Ihm wan­deln, so sind wir glücklich; wenn wir auf Ihn uns stützen, so sind wir stark, und wenn wir Ihm nachahmen, so sind wir praktisch heilig und gütig.

4. Und endlich müssen wir in all den Erfahrungen, den Versuchun­gen und Kämpfen, und sogar in all den Gnadenerweisungen und Vor­rechten der Wüste, unverrückt unser Auge auf das gerichtet halten, was vor uns liegt. Die Freuden der Herrlichkeit sollen unsere Herzen er­füllen und unseren Füßen Kraft und Lebendigkeit geben, während wir durch die Wüste gehen. Die grünenden Felder und die vom Wein trie­fenden Hügel des himmlischen Kanaans, die Perlentore und die golde­nen Straßen des neuen Jerusalems, und vor allem das Lamm inmitten dieses Glanzes sollen stets vor unserer Seele schweben. Wir sind be­rufen, die Hoffnung der Herrlichkeit festzuhalten — eine Hoffnung, die uns nimmer beschämen wird. Wenn der Sand der Wüste uns erprobt, so möge der Gedanke an Kanaan uns erquicken. Laßt uns im Geist

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 stets verweilen bei dem „unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, welches für uns aufbewahrt ist in den Himmeln" (1. Petr. 1. 4). „Denn der Herr, dein Gott, führet dich in ein gutes Land, ein Land, da Wasserbäche und Brunnen und Seen sind, die in den Tälern und von den Bergen fließen — ein Land voll Weizen, Gerste, Wein­stöcke, Feigenbäume und Granatäpfel — ein Land voll Obstbäume und Honig; ein Land, da du nicht kümmerlich Brot essen mußt, da dir auch nichts mangeln wird — ein Land, dessen Steine Eisen sind, und aus dessen Bergen du Erz hauest" (V. 7—9). Herrliche und gesegnete Aus­sicht! Mögen wir hierbei verweilen, und bei Dem, der für uns die ewige Quelle aller Herrlichkeit und Segnung sein wird!

Johannes 13 1864 Die Fußwaschung.

(Joh. 13, 1—11)

Wie in allen Handlungen des Herrn, so strahlt uns auch in der Fußwaschung Seine Liebe in ihrem reinsten Glänze entgegen. Weder die klare Vorstellung von all den Leiden und Mühsalen, die Seiner harrten, noch das Gefühl der Bitterkeit des Todes haben Ihn zu ver­hindern vermocht, „Sein Angesicht festzustellen, um nach Jerusalem zu gehen". Wohl vernahm Sein Ohr das wilde Rauschen der tiefen Was­ser, und aus Seiner Seele drang der Angstschrei: „Rette mich, o Gott! denn gekommen sind die Wasser bis an meine Seele. Ich versinke in tiefem Schlamm, und kein Grund ist da; m die Wasser-Tiefen bin ich gekommen, und die Flut überströmt mich. Ich bin müde vom Rufen" (PS. 69, l—3). Aber nichts vermochte dem mächtigen Strome Seiner Liebe Schranken zu setzen; sie überflutete die Wogen der Wasser-Tiefe;

denn freiwillig nahm Er aus der Hand des Vaters den Kelch des Zorns und stürzte Sich in die Fluten des Todes, um die Seinigen ins Leben zu rufen und sie den Strahlen einer göttlichen Liebe auszusetzen.

In dem vorliegenden Kapitel finden wir aber diese Liebe in einer ganz besonderen Weise vor unsere Augen gestellt. Während die Sünde in dem Verrat des Judas Iskariot die scheußlichste Form anzunehmen beginnt, und  während der Herr die Stunde nahen sieht, in welcher Er, als die Folge dieses Verrates, zum Vater hingehen sollte, entwickelt sich hier eine Szene, die uns deutlich erkennen läßt, daß Seine Liebe, die ohne Zweifel am Kreuz ihre ganze Schönheit entfaltete, selbst nicht durch den Tod in ihrem Laufe unterbrochen werden konnte. Sie hat sich nicht erschöpft. Über Grab und Tod hinaus ergießt sich ihr mächtiger Strom; denn „da Er die Seinigen in der Welt geliebt hatte, liebte Er sie bis an das Ende" (V. l).

Es nahte die schreckliche Stunde der Finsternis — jene Stunde, in welcher des Menschen Bosheit den höchsten Gipfel erstieg; und noch einmal versammelte der scheidende Herr die Seinigen, um mit ihnen vor Seinen Leiden das Passah zu essen. Die Schrecken des Todes in Seinem Herzen müssen dem Gefühle der zärtlichsten Sorgfalt Platz

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 machen. Gezählt sind die Augenblicke Seines Hierseins; aber noch ist der Hirte der Schafe nicht geschlagen, noch der Bräutigam nicht hin­weggenommen. Mit der fürsorgenden Liebe eines Hausvaters sitzt Er im Kreise Seiner Familie am Abendtisch; und weder der Gedanke an den Ihn verleugnenden Petrus, noch der Gedanke an die fliehenden Jünger, noch endlich der Gedanke an den Verräter und an die schreck­lichen Folgen dieses Verrates — nichts stört in diesem feierlichen Augenblicke die Freude dieser süßen Gemeinschaft des Herrn mit Sei­nen Jüngern, bis die Stunde der Finsternis anbricht und der Kelch des Zorns geleert wird, bis der Mensch die frevelnde Hand an die heilige Person des Herrn gelegt und seine Verwerflichkeit unzweideutig ans Licht gestellt hat, und bis endlich das vergossene Blut des wahren Opfer­lammes nach den Ratschlüssen Gottes zu einer unversiegbaren Reini­gungsquelle geworden ist, die da reinigt von aller Sünde.

Jetzt aber bricht ein neuer Moment an. Das Werk der Erlösung ist vollbracht; und von dem Augenblicke an, wo Jesus „aus dieser Welt zu dem Vater hinging", ist Seine Liebe in eine neue Bahn gelenkt worden. Wie Er es bei Seiner Himmelfahrt in Wirklichkeit getan hat, so verläßt Er vorbildlich (V. 4) Seinen Platz inmitten Seiner Jünger. In dem Bewußtsein, daß der Vater Ihm alles in die Hände gegeben, und daß Er- von Gott ausgezogen und zu Gott hingehe, „steht Er vom Abend­essen) auf und legt die Oberkleider ab, und nahm ein Leintuch und umgürtete Sich. Darauf gießt Er Wasser in das .Waschbecken, und fing an die Füße der Jünger zu waschen und mit dem Leintuch, womit Er umgürtet war, abzutrocknen" (V. 4. 5). Von dem Augenblicke an, wo der Herr Sich von Seinem Platze erhob, war vorbildlich das Werk der Erlösung eine vollendete Tatsache; es begann eine neue Stellung, und Seine Liebe drängte Ihn in eine neue Art des Dienstes. Und dieser Dienst ist die Fußwaschung — eine Handlung, die sich stets wiederholt und darum der Gegenwart und der Zukunft angehört. Er geht nicht noch einmal für uns in den Tod; aber ununterbrochen wäscht Er unsere Füße, nachdem Er gestorben, auferstanden und zur Rechten des Vaters erhöht ist.

Ja, Er wäscht unsere Fuße. Anbetungswürdige Liebe! Wir sehen Ihn, den Sohn Gottes, Ihn, durch Den und für Den alle Dinge sind, Ihn, den Abglanz der Herrlichkeit und den Abdruck des Wesens Gottes, Ihn, der, nachdem Er durch Sich Selbst die Reinigung unserer Sünden gemacht, Sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt hat, — Ihn sehen wir in der Stellung und in dem Gewände eines Dieners. Seine Lenden sind umgürtet; und in Seiner Hand trägt Er das Wasch­becken, um die beschmutzten Füße der Seinigen von jedem Flecken zu reinigen. Wahrlich, die Würde und Herrlichkeit Dessen, den wir in solch herablassender Liebe tätig sehen, erhöht den Wert und die Schön­heit dieser Handlung. Was könnte erhabener und höher sein, als der Platz, den Jesus verließ, um unseren Bedürfnissen zu begegnen; und was könnte niedriger sein, als der mit Schmutz besudelte Fuß eines Wanderers? Aber das eben ist der Ruhm unseres geliebten Herrn, daß Er den ganzen Zwischenraum, die große Kluft zwischen Oben und Un­ten, mit Seiner Liebe ausgefüllt, denn indem die eine Seiner Hände auf dem Throne Gottes ruht und die andere sich mit den Füßen Seiner Heiligen beschäftigen kann, bildet Seine Person das geheimnisvolle

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 Band zwischen diesem erhabenen Throne und den in Niedrigkeit wan­delnden Füßen.

Wir bedürfen einer vollkommenen Reinigung — einer Reinigung, die der Gegenwart Gottes völlig angemessen ist; und der Herr sei ge­priesen, daß in Seinen Gefühlen gegen uns keine Veränderung, kein Wechsel ist, und daß Er, dem der Vater alles in die Hände gegeben, die Arbeit einer liebevollen Fürsorge in Ewigkeit nicht unterbricht. Sei es in Seiner Niedrigkeit, sei es in Seiner Herrlichkeit — immer war und bleibt Er in der Mitte der Seinigen „als der Dienende". In jedem Teile unseres inneren Lebensganges hat Er unseren Bedürfnissen völlig entsprochen. Er begegnete uns zuerst in erbarmender Liebe, als wir, niedergebeugt unter dem zermalmenden Gewichte unserer Sündenschuld, in Seinem kostbaren Blute Vergebung, Gerechtigkeit, Leben und Frie­den fanden; und für immer sind unsere Sünden mit all ihren erschrek­kenden Folgen verschlungen durch die hochgehenden Wogen göttlicher Gnade. Die Auferstehung des Herrn und Sein Hingang zum Vater ist ein kräftiger Beweis, daß Sein Blut ins Heiligtum getragen ist, und daß unsere Sünden für immer vor dem Angesicht Gottes hinweggetan sind. Hier bedarf es keiner zweiten Waschung; das vergossene Blut hat eine vollkommene Reinigung zu Wege gebracht; „denn durch ein Opfer hat Er auf immerdar die, welche geheiligt werden, vollkommen ge­macht" (Hebr. 10, 14).

Petrus weicht zurück bei dem Gedanken an eine solche Erniedri­gung Seines Herrn; und wiewohl Dieser dem feurigen Jünger versi­chert, daß er erst hernach Seine Handlung begreifen werde, so weigert er sich dennoch, seine Füße hinzuhalten, indem er sagt: „Du sollst in Ewigkeit nicht meine Füße waschen." Ach, wie viele Gläubige gleichen ihm, weil sie weder die Notwendigkeit dieser Fußwaschung begreifen, noch überhaupt das demütigende Gefühl besitzen, daß von ihren Sün­den nichts anderes sie zu reinigen vermag, als die Erniedrigung Christi! Petrus weigert sich; denn er versteht weder die Bedeutung noch den Zweck dieser gnadenreichen Handlung, und erkennt nicht, daß gerade diese Herablassung Seines Herrn bis zur Stellung des niedrigsten Die­ners die Herrlichkeit desselben auf das Klarste ausstrahlen läßt. Drängt ihn aber die Erkenntnis der Folgen seiner Weigerung zu; dem Rufe:

„Herr, nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt," (V. 9) so sehen wir, wie die Unwissenheit und Kurzsichtigkeit des armen Jüngers ihn aus einem Irrtum in den anderen leitet. Hat er soeben noch die zum Waschen benetzte Hand abgewiesen und sich gesträubt, eine Handlung der zärtlichsten Fürsorge an sich vollziehen zu lassen— eine Handlung, die, wollte er anders die praktische Gemein­schaft mit Gott genießen und seine Füße in das Heiligtum stellen, eine unbedingte Notwendigkeit war, so zeigt die bereitwillige Preisgebung seines ganzen Leibes nur zu deutlich, daß er die Vollgültigkeit des Opfers Christi, die vollkommene Abwaschung des Sünders durch das Blut keineswegs begreift.

Wer gebadet ist, hat nicht nötig, als sich die Füße zu waschen, son­dern ist ganz rein" (V.10). Wie erhaben klingt diese Wahrheit aus dem Munde Dessen, der allein würdig erfunden ward, die Reinigung unserer Sünden zu vollenden! So wie der, welcher aus einem Bade steigt, ganz rein ist, aber auf dem Wege bis zum Ankleidezimmer durch die Be-

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 rührung des Bodens seine Füße beschmutzen kann, ebenso sind wir in der Reinigungsquelle des Blutes Christi von unserer. Sünden gänzlich gewaschen, können aber, wandelnd bis zu dem Orte, wo wir die Kleider der Unsterblichkeit und der Herrlichkeit anziehen, durch die Berüh­rung mit einer Welt voll Sünde unsere Füße verunreinigen. Wer an Jesum glaubt, der ist so rein, wie Sein Blut zu reinigen vermag; er be­darf keines neuen Bades, und nirgends ist ein solches zu finden. Nicht ein einziger Flecken bleibt vor Gott auf dem Gewissen des Gläubigen zurück; denn er ist durch den Willen Gottes geheiligt „durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi." Durch die An­nahme, daß wir einer nochmaligen Waschung bedürfen, unterschätzen wir den Wert und die Fülle des Blutes Christi und würdigen es herab zu der Gleichheit des Blutes der „Stiere und Böcke". Bin ich in dem Blute Christi gewaschen, so bin ich vollkommen und rein gemacht — rein, um vor Gott stehen zu können. Wessen bedarf ich ferner? Nichts als des Waschens meiner Füße.

Nur einmal bei der Weihe des im Tempel dienenden Priesters fand eine Waschung seines ganzen Leibes statt, und nimmer wiederholte sich diese Handlung. Aber jedesmal beim Beginn des Dienstes war er, um Gott nahen zu können, genötigt, sich die Hände zu waschen. In demselben Falle befindet sich der Gläubige. Gereinigt durch das 'Blut, ist er ein für allemal für den priesterlichen Dienst fähig gemacht; aber nun bedarf er der Anwendung des Wortes durch den Heiligen Geist, um seine Gemeinschaft mit Gott zu unterhalten und wieder herzu­stellen, indem dieses Wort uns von dem reinigt, welches — wenn wir im Wandel unsere Füße beschmutzt haben — uns verhindert, diese Ge­meinschaft praktisch verwirklichen zu können. Würde die Fußwaschung unterbleiben, dann könnte bei dem, in sich selbst armen, schwachen, durch eine schmutzige und beschmutzende Welt pilgernden Gläubigen keine ununterbrochene Gemeinschaft stattfinden. Welch ein Segen, daß unser Herr, an den Lenden umgürtet und mit dem Waschbecken in der Hand, uns stets begegnet und die Reinigung unserer Füße bewirkt, die, solange wir hienieden wallen, den Boden einer sündlichen Welt berühren müssen! Hierzu aber bedarf es nicht des Blutes, sondern des Wassers — jenes Bildes des durch den Heiligen Geist angewand­ten Wortes. Er reinigt unsere Gewissen durch Sein Blut und reinigt unsere Wege durch Sein Wort. Er wäscht je­den Flecken ab, der sich uns auf unserem täglichen Wege ansetzt, sodaß wir stets in der gesegneten Stellung bleiben können, in welche uns Sein kostbares Blut gebracht hat. Die Gewissen sind und die Füße wer­den gereinigt, und zwar nach den Anforderungen des Heiligtums. Alles, was Gott auf meinem Gewissen sah, ist abgewaschen durch das Blut Seines Sohnes; und alles, was Er in meinem praktischen Wandel als unrein erblickt, wäscht Er hinweg durch Sein Wort, sodaß Er zu mir und zu allen Gläubigen sagen kann: „Ihr seid rein" (V. 10). Nur die Erkenntnis dieser gesegneten Wahrheit erhält das Herz in unge­trübtem Frieden. Ich schaue eine Liebe, die tätig war im T o d e zu meiner Rettung, und ich sehe eine Liebe, die ununterbrochen tätig ist im L e b e n zu meiner Bewahrung. Nicht durch meine mangelhafte Er­kenntnis, insoweit ich den Schmutz sehe, ist die Wirkung einer solchen

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 Liebestätigkeit begrenzt, nein, die Wirkung des Blutes und des Wassers befriedigt das bis in alle Tiefen schauende Auge Gottes.

Hierin liegt für uns die völligste Sicherheit. Würde nicht das Wort Gottes uns bezeugen, daß aller Schmutz, der sich unsern Füßen wäh­rend des Wandeins durch die Wüste anklebt, bis zu den feinsten Stäubchen fortwährend durch die göttliche Handlung entfernt würde, dann könnte weder von einer Ruhe im Herzen, noch von einem Gott wohl­gefälligen Dienst die Rede sein; und dieses umso weniger, als wir die Herrlichkeit unserer Stellung und unseres Weges verstehen. Nein, die Wirkung dieser Liebe ist vollkommen. Sowohl die Handlung, die wir hier unsern gepriesenen Herrn vollziehen sehen, als auch Seine Eige­nen Worte in Joh. 17, wenn Er sagt: „Ich bitte nicht, daß Du sie aus der Welt wegnehmest, sondern daß Du sie vor dem Bösen bewahrest,"

— zeigen uns die Kraft dieser Liebe und offenbaren uns ein Herz, für welches wir die Gegenstände der zärtlichsten Fürsorge sind. Im Lichte göttlicher Offenbarung erblickt das Auge des Glaubens in der Hand des umgürteten Herrn stets das geheimnisvolle Waschbecken; und tiefer Friede erfüllt unser Herz, wenn wir erkennen, daß Der, welcher uns durch das Kreuz in unsere gesegnete Stellung führte, unermüdlich be­schäftigt ist, uns in derselben zu bewahren und unsere Beziehungen zu Gott aufrecht zu erhalten. „Da Er die Seinigen in der Welt geliebt hatte, liebte Er sie bis ans Ende." Ja, bis an das äußerste Ende der Zei­ten, durch all die Wechsel dieses sich stets ändernden Schauplatzes hin­durch, übt die Liebe Tag für Tag und in allen Umständen ihr geseg­netes Werk. Nachdem Er das Werk, welches Ihm der Vater zu tun ge­geben, vollbracht und diese Erde verlassen und Sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, hat Er begonnen, die Füße Seiner Jünger zu waschen, und Er wird dieses tun, so lange sie hienieden des Pilgerstabes und der Streitwaffe bedürfen. Und selbst in der Herrlichkeit des Reiches „wird Er Sich gürten und Sich bereiten, die Seinigen zu bedienen."

„Werde ich dich nicht waschen, so hast Du kein Teil mit mir,"

— sagt der Herr zu dem sich weigernden Petrus; und diese Worte ge­ben den Schlüssel zum Verständnis dieser stets in Tätigkeit gesetzten Liebe, deren Frucht es ist, daß wir nicht nur Teil a n Jesu haben, son­dern Teil mit Ihm an den Segnungen Seines Todes und Seines Lebens, Teil mit Ihm an der Liebe des Vaters und an der zukünftigen Herrlich­keit als die Erben Gottes, und Teil mit Ihm an der Herrschaft über alle Dinge. Im Hinblick auf Seine Herrlichkeit, der Er entgegen ging, wusch Er den Jüngern die Füße, um ihnen dadurch zu erklären, daß Seine Liebe bis ans Ende dauern und daß sie, eins mit Ihm, an allem teilhaben würden.

Es kann nicht genug wiederholt werden, daß, wenn wir der Er­lösung durch Sein Blut uns erfreuen, unsere Gewissen vollkommen gereinigt sind, weil Christus immer für uns vor Gott steht und Sein Blut sich an der Stelle befindet, wo früher unsere Sünden gesehen wur­den. Aber es ist wichtig, daran zu denken, daß jede Verunreinigung unserer Füße, unseren Sinn und unser Bewußtsein befleckt, sowie die Herrlichkeit, zu der wir berufen sind, verdunkelt und unsere praktische Gemeinschaft mit Gott unterbricht. Wir bedürfen der Fußwaschung;

und da wir Teil mit Christo haben sollen, so fährt Er fort in Seiner

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 Liebestätigkeit, um alles das aus unserem Bewußtsein zu entfernen, was unsere Gemeinschaft mit Gott und den Genuß unserer Segnungen in Frage stellen will. Bleibt die geringste Schuld in unserm Bewußt­sein zurück, so ist unsere Ruhe gestört und der auf die Herrlichkeit gerichtete Blick umdüstert. Der Zweck der Fußwaschung aber ist, uns von unsern Befleckungen zu reinigen, das Bewußtsein der vollstän­digsten Vergebung wieder herzustellen und uns in die ungehinderte Ge­meinschaft mit Gott und zu dem Genuß der daraus entspringenden Segnungen zurückzuführen. 0 preiswürdige Liebe! Sie siegt über jedes Hindernis, über all die Verirrungen und Mängel derer, die Teil mit Jesu haben.

Es ist sehr wohltuend für unser Herz, daß der Herr in der Herr­lichkeit mit denselben Gefühlen erfüllt ist, die Ihn vor Seinem Hingang zum Vater leiteten, die Füße der Jünger zu waschen. Mit dem innig­sten Mitgefühl schaut Er herab auf unsere Mühen, unsere Hindernisse und Trübsale; und Seine mächtige Hand ist tätig, alles hinwegzuräumen, was unsern Frieden stören will. Er will stets als der Dienende blei­ben. Er ist in Wahrheit jener im 21. Kapitel des 2. Buches Mose be­schriebene Knecht, dem sein Herr während seines Dienstes ein Weib und Kinder gegeben hatte, und der, obgleich er nach Ablauf seiner Dienstzeit für sich selbst frei ausgehen konnte, zum Zeichen seines ewigen Dienstes sein Ohr an den Türpfosten durchbohren ließ und laut bekannte: „Ich liebe meinen Herrn, mein Weib und meine Söhne;

ich will nicht frei ausgehen." — Auch Ihm, unserm geliebten Herrn, gab der Vater ein Weib, die Kirche, die im Epheserbriefe als Fleisch von Seinem Fleisch und als Bein von Seinem Bein betrachtet wird, und Er gab Ihm Kinder, mit denen Er vor Gott hintritt und sagt: „Siehe — ich und die Kinder, welche mir Gott gegeben hat" (Hbr. 2, 13). Er hat freiwillig aus Liebe zu Seinem Herrn, und aus Liebe zu Seinem Weibe und den Kindern, einen ewigen Dienst Seiner Freiheit vorgezogen, und dieses allein ist der Grund, daß selbst der schrecklichste Tod der Tätig­keit Seiner Liebe keine Schranken zu setzen vermochte.

Er will stets als der Dienende sein. Selbst in der zukünftigen Haus­haltung will Er diesen Dienst nicht aufgeben. Nicht nur jetzt, wo die Jünger, bekleidet mit einer irdischen Hülle, durch die Berührung mit einer befleckenden Welt in ihrer praktischen Gemeinschaft mit Ihm und Seinem Vater gestört werden, will Er ihre Füße waschen, sondern auch dann. wenn sie mit Ihm in Seiner Herrlichkeit sind, wird Er Seine Gemeinschaft mit dem Vater und Seine Macht über alle Werke, welche der Vater in Seine Hände gelegt, dazu anwenden, um ihnen den Voll­genuß der Herrlichkeit und der vollkommensten Segnungen zu sichern. „Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen,"und wird hinzutreten und sie bedienen" (Luk. 12, 37), indem Er ihnen all das mitteilt und offenbart, was sie zu ihrer vollkommenen Glückseligkeit bedürfen.

Jetzt befinden wir uns freilich noch in einer Welt, wo Satan auf unsere irdische Natur zu wirken sucht. In gewissem Sinne können wir nicht ohne Befleckung die Welt berühren. Allein das vollkommene Opfer Christi hat dafür gesorgt, daß dieses uns weder aus unserer Stellung in Christo herausbringt, noch unsern Rechtsanspruch als Prie-

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 ster vor unserem Gott und Vater verändert; und da der Herr durch die Fußwaschung jede Befleckung hinwegnimmt und uns von dem Einfluß und der Macht der Dinge befreit, welche dieselbe verursachen, so sind wir jetzt schon in den Stand gesetzt, die völlige Gemeinschaft mit Ihm an jenem heiligen Platze zu genießen, in welchen uns Gott hat mitauferweckt und mitsitzen lassen in Christo Jesu.

Richten wir jetzt zum Schluß unseren Blick auf den weiteren Ver­lauf dieser lieblichen Szene. Die Handlung des Herrn ist beendet; die Füße der Jünger sind gewaschen. Er legt die Oberkleider an, läßt Sich wieder in dem Kreise der Seinigen nieder und sagt: „Wisset ihr, was ich euch getan habe? Ihr heißt mich Lehrer und Herr, und ihr saget recht; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben, auf daß, gleich wie ich euch getan habe, auch ihr tut" (V. 13—15). Also auch wir sollen unseren Brüdern die Füße waschen. In welcher Weise kann dies gesche­hen? Dadurch, daß wir Seinem Beispiel nachahmen. Wie geduldig er­trug Er die Schwachheiten, die Verirrungen und Fehler Seiner Jünger;

wie brünstig war Seine Fürbitte, wie tätig Seine Hand, um aus ihrem Sinn und Herzen alles zu entfernen, was sie beschmutzte! Und diese Gefühle, die Ihn hienieden leiteten zu der Stellung eines Dieners, sind auch in der Herrlichkeit dieselben geblieben. Seine Liebe bleibt unge­hemmt in Tätigkeit. Welche Ehre, welches Vorrecht, Seine Gehilfen sein zu dürfen! Auch wir sollen gleich Ihm die Unwissenheit, die Ver­irrungen, Schwachheiten und Fehler unserer Brüder ertragen und auf Grund der Fürbitte Jesu bemüht sein, durch Anwendung des Wortes Gottes Alles hinwegzuräumen, was ihren Sinn und ihr Gewissen be­fleckt und die Segnungen ihrer Gemeinschaft mit Christo und dem Vater hindert. Ach, wie unfähig fühlen wir uns oft in diesem Dienst, wie gering ist unsere Liebe, wie wenig demütig unser Herz, wie man­gelhaft unsere Fürbitte! Woran liegts? Daran, daß wir zu wenig Seine Gegenwart genießen, und zu wenig unsere eigenen Füße hinhalten, da­mit Er sie reinige von jeder Befleckung. Unser Dienst in Betreff der Brüder wird stets durch unsere praktische Gemeinschaft mit Ihm bedingt sein. Nur im Genüsse Seiner Liebe werden wir Sein Herz verstehen und von Seiner Gesinnung, Seinem Mitgefühl durchdrungen sein; nur in Seiner gesegneten Nähe lernen wir nicht auf das unsrige, sondern auf das, was des Ändern ist, zu sehen und die wahre Stellung eines ' Dieners einzunehmen.

Und, geliebte Brüder, beachten wir es, daß unser Herr in dem Be­wußtsein Seines nahen Hingangs in Seine Herrlichkeit, zu der auch wir mit Ihm Teil zu haben berufen sind, gewiß auch unsere Herzen würden fähiger sein, dem Beispiel unseres Herrn nachzuahmen und uns unter­einander die Füße zu waschen. Wir würden es als ein Vorrecht betrach­ten, den niedrigsten Dienst an den Seinigen vollziehen zu können, weil ein solcher Dienst Sein Herz mit Freude und Wonne erfüllt. Laßt uns daher nicht müde werden, unsere schwachen und irrenden Brüder durch brüderliche Ermahnungen und liebevolle Zurechtweisungen in den Ge­nuß' einer süßen Gemeinschaft zurückzuführen.

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 Möge der Herr uns eingehen lassen in die Wahrheit und den Wert dieses Dienstes und uns fähig machen, in Seiner Gesinnung Seiner Auf­forderung Gehör zu geben, wenn Er in dem Gefühle der zärtlichsten Fürsorge sagt: „Wenn nun ich, euer Herr und Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid ihr schuldig, einander die Füße zu waschen."

Der mitleidige Hohepriester.

Es gibt nichts Tröstlicheres für ein verwundetes Herz, als die Teil­nahme, das Mitgefühl von Jemand, der sich einmal in gleicher Lage befunden hat. In Augenblicken des Schmerzes, des Kummers und der Leiden ist nur teilnehmende Liebe fähig, Balsam in die offene Wunde zu träufeln. Ein einziges Wort, ein Händedruck, ja nur ein teilnehmen­der Blick zeigt oft eine größere Wirkung, als die schönste Rede. Kein Wunder. Das leidende Herz fühlt kein Bedürfnis nach schönen Reden, wohl aber nach Erquickung und Trost; und nur der vermag zu trösten, der die Tiefe des Schmerzes einigermaßen begreift und herzlichen An­teil daran zu nehmen im Stande ist.

Vor allem aber fühlt der Jünger des Herrn auf seinen leidensvollen Pfaden ein Bedürfnis nach einer solchen Teilnahme. Zwar ist sein Herz glücklich in dem Bewußtsein, daß seine Sünden vergeben sind und er ein Kind Gottes geworden ist. Er hat die Gnade und Liebe Gottes er­kannt, und sein Herz ruhet darin; sein Gewissen ist von bösen Werken gereinigt, und er hat völlige Freimütigkeit in der Gegenwart Gottes zu erscheinen. Sein Schatz, sein Leben, sein Bürgerrecht ist im Himmel;

er gehört nicht mehr dieser, sondern der neuen Schöpfung an, und ist bereits selbst in Christo in den Himmel versetzt. Durch die praktische Gemeinschaft mit dem Heiland genießt er schon im Vorgeschmack die himmlische Seligkeit und schaut durch den Glauben die Herrlichkeit, die seiner wartet.

Nichtsdestoweniger aber befindet er sich hienieden in allerlei Schwie­rigkeiten. Denn ist diese Erde schon für den Weltmenschen, der den Becher ihrer sogenannten Genüsse mit vollen Zügen leert, ein Schau­platz des Elends und des Leidens, wie vielmehr dem, der hier Fremd­ling ist und ein anderes, besseres Vaterland besitzt — für den, der zu unterscheiden versteht zwischen Licht und Finsternis, zwischen Leben und Tod, und dessen Auge nicht nur für das Seufzen der Kreatur ge­öffnet ist, sondern der auch bei jedem Schritt die Sünde wirken sieht, deren Abscheulichkeit er, weil davon erlöst, durch die Gnade erkannt hat! Für ihn ist die Welt in Wahrheit eine Wüste worin er keine Ruhe keine Erquickung zu finden vermag, sondern wo er den Leiden, dem Schmerze, der Trübsal, der Täuschung und anderen Übeln unterworfen ist. Wohin sich sein Blick wendet, begegnet er allerwärts den Folgen der Sünde und den Werken der Diener der Ungerechtigkeit, und ist Tausenden von Versuchungen des Teufels, der Welt und des Fleisches ausgesetzt. Überdies findet er als Kind des Lichts von Seiten der Welt

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 nichts als Haß, Spott, Hohn und Verfolgung. In der Tat, nirgends fin­det er Ruhe. Deshalb fühlt er sich gleich dem Apostel beschwert, und — gleich ihm seufzt er voll Verlangen, von der irdischen Hütte erlöst und bei Christo zu sein; ja, deshalb regt sich, wenn auch unvollkommen und in einem geringeren Maße, jenes Gefühl, welches Jesum zu dem Ausrufe drängte: „Wie der Hirsch lechzet nach Wasserbächen, also lech­zet meine Seele nach Dir, o Gott" (PS. 42, l)!

Wahrlich, der Jünger Christi bedarf in solchen Umständen des Trostes, des Mitgefühls und der Kraft. Ein Jeder fühlt dieses! und ge­rade dieses Gefühl wird oft für manchen eine Ursache des Zweifelns an der Möglichkeit, sich allezeit im Herrn erfreuen zu können. Gebeugt unter den Bürden des täglichen Lebens und niedergedrückt durch Kampf und Leiden, ist freilich keine wahre Freude denkbar; und selbst der Gedanke an das baldige Kommen des Herrn gibt in solcher Lage keinen hinreichenden Trost. In Augenblicken des Leidens sehnt man sich nach einem teilnehmenden Freunde, nach einem mitfühlenden, mitleidenden Herzen; man hat das Verlangen, den Kummer der Seele durch Mit­teilung auszuschütten, um dadurch den Schmerz zu lindern und dem Stachel desselben die scharfe Spitze abzubrechen. Haben wir uns dessen zu schämen? Keineswegs. Wir sind und bleiben Menschen, die nimmer gegen Schmerz und Weh unempfindlich sein können. Erst im Himmel sind alle Tränen abgewischt. Unser himmlischer Vater aber kennt unsere Schwachheiten und ist mit väterlicher Fürsorge auch hier unsern Be­dürfnissen begegnet, damit unsere Freude völlig sei und wir im Auf­blick zu Ihm stets singen können:                              ,

„Weint gleich das Äug' in tiefem Schmerz,

Und schleicht sich Angst und Weh ins Herz,

Mit Jesu kann ich leiden.

Schaut doch Sein Äug' so mitleidsvoll

Auf mich herab. Wohlan, nichts soll

Von Seiner Lieb' mich scheiden!"

Ja, wahrlich, Er hat uns einen Weg geöffnet, auf welchem unser Herz inmitten der schwierigsten Umstände stets Trost und Kraft zu finden vermag. Auf diesem Wege ist es möglich, sich selbst während des Leidens im Herrn freuen zu können, weil hier unser Auge Ihn Selbst, den Tröster unserer Herzen, erblickt. Christus ist alles in allem. Er ist nicht allein unser Erlöser und Bräutigam; Er hat nicht nur alles vollbracht, was zu unserem ewigen Heile nötig war, sondern Er hat auch für alles gesorgt, was wir in dieser Wüste bedürfen. Er ist der mitleidige .Hohenpriester. „Denn wir haben nicht einen Ho­henpriester, der nicht mit unsern Schwachheiten Mitleid haben kann, sondern der in allem gleich wie wir versucht worden ist, ausgenommen die Sünde. Laßt uns denn mit Freimütigkeit zu dem Throne der Gnade hinzutreten, auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe" (Hebr. 4, 15, 16).

Welch eine Fülle von Trost liegt in diesen Worten! Jesus ward Mensch; Er — .,der es nicht für eine Beute hielt, Gott gleich zu sein,

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 sondern Sich Selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, in­dem Er in Gleichheit der Menschen geworden ist" — Er ward geringer, als der Geringste, ärmer, als der Ärmste, damit Er allen helfen und allen ein mitleidiger Hohenpriester werden könnte. Er ward in allem gleichwie wir versucht, ausgenommen die Sünde. Nichts ist davon aus­geschlossen. Dreiunddreißig Jahre hindurch wandelte Er als Mensch auf dieser Erde. Jedes Leid hat Er erfahren, jeden Schmerz gefühlt, jeden Kampf gekämpft. Jedes menschliche Gefühl ist ihm bekannt. Außer der Sünde gibt es nichts, wo Jesus nicht sagen könnte: „Ich weiß, was es ist." — In Ihm finden wir also jemanden, der uns verste­hen kann. Gott ist allwissend und kennt ohne Zweifel unsere Lage;

aber wie unendlich nahe rückt die Liebe unserem Herzen die Person Christi, der alle Dinge aus Erfahrung kennt, um uns dadurch zutraulich und fähig zu machen, Ihm alles mitzuteilen. Wahrlich, der Herr Jesus versteht unser Herzeleid, unsern Schmerz, unsere Trübsal, unsere Trä­nen und alle die Schwierigkeiten unseres Weges, weil Er Selbst darin gewesen ist und sie Selbst durchgemacht hat. Welch ein süßer Trost! Er kann nun mit uns leiden. Kommt man zu Ihm mit einer Bürde, die uns zu Boden drücken will, so findet man nie eine kalte, das Herz ab­stoßende Gleichgültigkeit, sondern vielmehr eine Teilnahme, die Ver­trauen weckt und den Balsam des Trostes in die Wunde träufelt. Man fühlt, daß Er ein Herz hat, welches uns versteht und den innigsten Anteil an unseren Leiden nimmt. Er weist uns nicht hartherzig von Sich, sondern trocknet unsere Tränen; Er macht uns an Betreff unseres Kummers keinen Vorwurf, sondern teilt und fühlt den Schmerz mit uns.

0 wie glücklich sind wir, solch einen Freund zu besitzen, der uns nimmer abweist und uns nimmer die Worte hören lassen kann: „Ich verstehe dich nicht; ich habe keinen Trost für dich!" Welch ein Vor­recht, wenn man versteht, daß Er auch darum Mensch ward, um Mit­leid mit unseren Schwachheiten haben zu können!

Ja, Jesus wurde in allem versucht, ausgenommen die Sünde, auf daß Er mit unseren Schwachheiten Mitleid haben könnte. Von diesem Gesichtspunkte aus finden wir in der Lebensgeschichte unseres Herrn eine Fülle von Trost. Keine Lage ist denkbar, worin Er Sich nicht be­fand. Bist du ein Handwerker, und will dich die Schwierigkeit deines Geschäfts zu Boden drücken, o dann denke an den demütigen Zimmer­mann aus Nazareth, und du wirst bald inne werden, daß das Herz Jesu Anteil an deinen Mühen nimmt, und daß Er dein Freund ist, der dich versteht und dir Rat geben kann, weil Er Selbst deine schwierige Lage erfahren hat. — Oder ist dein Herz traurig über den Verlust teurer Angehörigen, nun dann richte das tränenfeuchte Auge zu Ihm, der auch am Grabe des Lazarus Tränen vergoß und am Kreuze der bekümmer­ten Mutter die Worte zurief: „Weib, siehe, dein Sohn! Sohn, siehe deine Mutter!" — und gewiß, dein Kummer wird gemildert werden beim Erkennen einer solchen Teilnahme. Sollte Er, der am Grabe ' Seines Freundes weinte, kein Mitleid haben mit unserem Schmerz? Sollte Er, der auf solch rührende Weise von Seiner Mutter Abschied nahm, nicht das Weh unserer Herzen begreifen beim Scheiden von denen, die uns teuer sind? — Oder ist dein Herz mit Schmerz wegen Deiner noch unbekehrten Kinder erfüllt, o dann erhebe den besorg-

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 ten Blick auf jene liebliche Szene, wo der Herr Jesus die Kinder seg­net und dabei den Jüngern zuruft: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret es ihnen nicht!" — und sicher, du wirst erkennen, daß du auch diesen Kummer in das Herz Jesu aus­schütten und Seiner wärmsten Teilnahme versichert sein darfst. — Oder bist du krank, nun so wende dein Herz zu Ihm, der unsere Krankheiten auf Sich genommen, und der während Seines Wandels hienieden nicht ermüdete, wohl zu tun und allerlei Krank­heiten zu heilen; und gewiß, du wirst bald fühlen, daß Er auch auf dich Sein mitleidiges Auge gerichtet hat. — Oder wirst du verhöhnt, verspottet, verfolgt und geschlagen; hast du keinen Ruheplatz; bist du allein, ohne Hilfe, ohne Freunde, und hast du gar von Seiten anderer Jünger zu leiden, — nun dann schaue hin auf das Leben des Herrn Selbst, und du siehst Ihn in allen diesen Umständen, um Mitleiden mit deinen Schwachheiten zu haben. — Oder bist du endlich den Ver­suchungen Satans preisgegeben; fühlst du seine Macht und List, — nun, so denke an jene 40 Tage, die der Herr in der Wüste zubrachte, und an den schweren Kampf in Gethsemane: — und sicher, du wirst in Ihm den wahren Helfer und Tröster in deinen Versuchungen er­blicken.

Und eine Fülle anderer Beweise für die Versuchungen und das Mit­gefühl des Herrn in jeder Lage liefert uns das Wort. Man denke an den Unglauben der Menge, an die Hartnäckigkeit der Pharisäer, an die Feigheit des Pilatus, an den Unverstand Seiner Jünger, und an so viele andere Vorfälle in Seinem Leben hienieden, und alles dieses wird es bestätigen, daß der Herr in allem versucht ward, ausgenommen die Sünde. Und warum ward Er in allem versucht? Damit wir freimütig mit all unserer Angst und Beschwerde, mit unserem Schmerz und un­serem Kampf, ja mit allem, was uns begegnet, zu Ihm kommen und Gnade zur rechtzeitigen Hilfe finden möchten. Sobald wir Jesus mit allem vertraut machen, werden unsere Herzen inmitten der Umstände getröstet sein, weil Sein Mitleid uns fühlen läßt, daß wir nicht mehr allein darin stehen; und eben dieses Bewußtsein wird uns nicht nur fähig machen, die Schwierigkeiten mit Geduld zu ertragen, sondern auch, uns inmitten derselben freuen zu können. Und stets wird Er uns „zur rechten Zeit" Seine Hilfe senden und den Leiden ein Ende machen, oder Er wird, wenn die Abhilfe derselben weder uns, noch der Verherrlichung Gottes dienlich ist, dieselbe verzögern bis zur „rechten Zeit", die nur Er allein kennt. Aber selbst in diesem Falle wird sich das Herz glücklich fühlen in der Gemeinschaft des Herrn, der mit unsern Schwachheiten Mitleid hat. 0 wie vollkommen ist Er allen unseren Bedürfnissen zuvorgekommen! Wie gut, wie gut ist Er! Wie glücklich sind die Herzen, die dieses verstehen und Gebrauch davon machen.

Und dennoch ist dieses nicht alles. Wir finden in dem Mitgefühl des Herrn nicht nur Trost, sondern auch Kraft bei Ihm (Hiob 5, 18). Wir bedürfen der Unterstützung im Kampfe; ja, wir bedürfen in den Ver­suchungen der göttlichen Kraft. Wer aber anders kann uns diese dar­reichen, als Er, der in allem auch versucht ward? Wer außer Ihm weiß, welches Maß von Kraft wir bedürfen, um stehen zu bleiben, und. welche Weisheit, um Widerstand leisten zu können? Er, der in allem vollkom-

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 men war, weiß, was wir bedürfen; und Er hilft uns nicht nur insoweit, als wir sehen oder fühlen, sondern Er gibt uns gerade so viel Kraft, als wir nötig haben. Welch eine Gnade! Wie ruhig können wir uns Ihm anvertrauen! Von welchem Werte ist es deshalb für uns, daß Er wahr­haftig Mensch geworden ist, daß Er als solcher auf Erden wandelte und .letzt als solcher zur Rechten Gottes sitzt!

Geliebte Brüder! Laßt uns diese Wahrheit in unserm Herzen auf­nehmen und bewahren; und gewiß, wir werden dann bald die herr­lichsten und tröstlichsten Folgen in unserem Wandel verspüren. Es wird uns antreiben, viel mit Ihm zu verkehren und Ihn zu unserem Vertrauten zu machen; und unser Herz wird sich dann selbst in Kampf und Leid freuen in dem Herrn; denn

„Jeden Schmerz hilft Er uns tragen, Jedes Leid kann Er versteh'n;

Und Er wird in allen Lagen Stets zum Vater für uns fleh'n." —

Anläufe des Feindes beim Antritt des Lebensweges.

Vor nicht langer Zeit wurde ich gebeten, einen jungen Mann zu besuchen, der gemütsleidend war. Er war Dragoner-Leutnant und lag bereits seit 70 Tagen im Lazarett. Bei Gelegenheit meines Besuches fühlte er sich körperlich etwas wohler, sodaß er im Stande war, mit mir auf dem geräumigen Kasernenplatze hin und her zu wandeln und die freie Luft genießen zu können. Ich bemerkte bald, daß sein Ge­mütszustand ein höchst unglücklicher war. Er war seit etwa/fünf Jah­ren beim Heer gewesen und hatte ohne Zweifel, gleich den meisten jungen Leuten seines Standes, ein höchst lockeres. Leben geführt. Eine Kaserne ist, wie jeder weiß, eben kein geeigneter Platz für Sittlichkeit und Gottesfurcht. Es gehört in der Tat ein nicht geringes Maß von Gnade und sittlicher Kraft dazu, um den verderblichen und vergiften­den Einflüssen der Umgebung in solch einem Räume Widerstand bieten zu können; und ein großer Teil der Jünglinge, die zwar eine gute sitt­liche Erziehung genossen, aber Jesum nicht kennen gelernt haben, er­liegen leider der Macht dieser Einflüsse.

Es erregte daher keineswegs mein Befremden, als ich aus dem Munde des Leutnants die Schilderung seines höchst leichtfertigen Lebens vernahm. Ich war vielmehr sehr erfreut, in der Art und Weise seiner Mitteilung ein tiefes Gefühl von Schuld zu entdecken und zu sehen, wie die Pflugschar dieses Bewußtseins mächtige Furchen in das Gewissen grub, um den unverweslichen Samen des Evangeliums in einem fruchtbaren Erdreiche aufnehmen zu können. Überhaupt ist es mir stets erfreulich, wenn die Sprache eines Gewissens eine verständ­liche und das Sündenbewußtsein ein tiefes ist. Ich habe oft bemerkt, daß die, welche erst nach den gewaltigen Stürmen ihres Gewissens und

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 nach den heftigsten Erschütterungen ihres ganzen sittlichen Wesens den Hafen des wahren Friedens erreichen, späterhin die standhaftesten Christen sind.

Da nun das Gewissen des jungen Mannes erwacht war, und das kostbare Blut Jesu das göttliche und allgenugsame Heilmittel für ein gebrochenes Herz und ein beunruhigtes Gewissen ist, so zeigte ich ihm alsdann diesen Balsam der Seele. Vor allem bemühte ich mich, ihm eine Wahrheit, die vor etwa 20 Jahren mir selbst Frieden gebracht, ans Herz zu legen: daß nämlich nicht das Werk des Geistes Gottes in uns, sondern das auf Golgatha für uns vollbrachte Werk das einzige Rettungsmittel sei. Der Geist hatte sein Gewissen von Sünden über­zeugt; allein nur dadurch, daß er sein Vertrauen setzte auf den Wert und die Vollgültigkeit der durch Christum bewirkten Versöhnung, ver­mochte sein Gewissen Ruhe zu finden. Ist man durch Gott in Betreff sei­ner Sünden beunruhigt, so kann man auch nur auf göttlichem Weg zum Frieden gelangen. Ich will nicht rufen: „Friede, Friede!" wenn kein Friede vorhanden ist. Nur durch den Heiligen Geist wird die Seele in die Lage gebracht, das Versöhnungswerk Christi erkennen zu können, durch welches alle Sünde getilgt und jede Forderung des gerechten Gottes befriedigt ist, der Seine Gerechtigkeit in der Rechtfertigung eines jeden offenbaret, welcher einfältig an Jesum glaubt.

Indes wurde mir klar, daß das Auge des jungen Mannes auf etwas ganz anderes, als auf das vollkommene Werk des Sohnes Gottes ge­richtet war. Er suchte Ruhe und Trost zu erlangen durch sein Beten und Bibellesen, durch Dinge, die, wie ich ihm bemerkte, als Früchte des Glaubens an Christum freilich hoch zu schätzen seien, die aber als Gründe für den Frieden eines schuldigen Sünders durchaus keinen Wert hätten. Ich suchte ihm deutlich zu machen, daß es unmöglich sei, je glücklich zu werden und Frieden zu finden, so lange er sein Auge ab­wende von dem Gegenstande, auf den Gott blicke.

„Gott sieht" — sagte ich — auf Christum; und Sie sehen auf Ihre Werke. Gott sagt: „'Wenn ich das Blut sehe, will ich vorübergehen." Gott ist zufrieden mit dem, was Er für Sie getan hat. Sie aber suchen Ruhe in dem, was Sie für Ihn zu tun sich abmühen. Sehen Sie nicht diese große Verschiedenheit? Gott hat stets ein vollbrachtes Werk vor Augen; und Sie ein noch zu vollbringendes Werk. Daher kommt Ihr Elend. Sie müssen sich unglücklich fühlen, so lange Ihr Blick auf ein unvollendetes Werk gerichtet bleibt. Wenn noch irgend etwas von meiner Seite, getan werden muß und zwar etwas, zu dessen Vollbringung ich unfähig bin, so fühle ich mich selbstredend höchst unglücklich. Wenn ich aber im Gegenteil sehe, daß dieses Werk durch einen Anderen, und zwar durch Christus, für mich bereits vollbracht worden ist, so bin ich vollkommen glücklich."

Ich gab mir viele Mühe, meinem Freunde, während wir uns auf dem Kasernenplatze hin und her bewegten, diese Wahrheit ans Herz zu legen. Er schien einigen Trost daraus zu schöpfen; es war mir, als dringe ein Strahl himmlischen Lichts in seine umnachtete Seele. Indes war meine Zeit abgelaufen, und wir verabschiedeten uns. Er begleitete

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 mich bis ans Tor, dankte mir herzlich für meinen Besuch, versprach mir, der Evangeliums-Verkündigung am folgenden Abend beiwohnen zu wollen, und hielt Wort.

Kurz nachher verließ ich für etliche Wochen die Stadt. Bei meiner Rückkehr vernahm ich indes, daß mein armer Freund wieder sehr krank sei, nicht nur dem Leibe, sondern auch der Seele nach. Im Gefühle der tiefsten Teilnahme schritt ich dem Lazarett zu. Kaum erblickte ich ihn, so mußte ich leider bekennen, daß man mir das Trostlose seines Zu­standes nicht übertrieben hatte.

„Aber, mein lieber Leutnant", — begann ich nach einer kurzen Begrüßung, — „wie sehr haben Sie sich verändert! Ich meinte, Sie seden vor sechs Wochen, als wir uns am Kasernentore verabschiedeten, sehr glücklich gewesen. Was ist denn eigentlich geschehen?"

„Ach, mein Herr!" — war seine Antwort. — „Ich fürchte, daß ich nicht den rechten Glauben habe; ja, ich fürchte, daß ich überhaupt nicht bekehrt bin. Ach! ich bin sehr, sehr unglücklich."

Ich begriff augenblicklich, wo es ihm fehlte, und sagte: „Teurer Freund! Vor sechs Wochen waren Sie mit Ihren Werken beschäftigt, und demzufolge unglücklich; jetzt blickt Ihr Auge auf Ihren Glauben, und nicht minder sind Sie unglücklich. Und warum? Einfach darum, weil Sie durch das Beschauen Ihres Glaubens Ihren Blick von Christo abwenden, ebenso, wie dieses beim Beschäftigtsein mit Ihren Werken der Fall war. Der Glaube schaut nie auf sich selbst, um seine Echtheit zu erforschen, sondern auf Christum, als den Gegenstand des Glaubens. Überdies erlaube ich mir, Ihnen zu bemerken, daß der Grund meines Friedens nicht meine vor etwa 20 Jahren geschehene Bekehrung, son­dern das vor 1900 Jahren vollbrachte Werk Christi ist, der meine Sün­den ans Kreuz trug und ohne Sünden gen Himmel fuhr. Wohl glaube ich, daß ich bekehrt bin, daß eine wirkliche Veränderung in mir statt­gefunden und der Geist Gottes Selbst in mir gewirkt hat; aber das ist nicht der Grund meines Friedens, und würde es selbst dann nicht sein, wenn auch alle Heiligen auf der Erde und alle Engel im Himmel meine Bekehrung als vollkommen bezeichneten. Der Grund meines Friedens ist, daß Gott in Betreff meiner Sünden vollkommen befriedigt ist durch das vollbrachte Werk Christi. Sie können in Ihren Begriffen hinsichtlich des wahren Grundes Ihres Friedens nicht zu einfältig sein. Nicht durch Ihre Bekehrung, oder durch Ihren Glauben, oder durch Ihr Gefühl, son­dern nur durch die Tatsache, daß Jesus starb und auferstand, können Sie Frieden mit Gott erlangen. Das, was der Heilige Geist bei der Be­kehrung einer Seele tut, darf allerdings keineswegs von dem, was Christus zu unserer Erlösung getan, getrennt, aber auch ebensowenig mit derselben verwechselt werden. Tausende tun dieses und geraten dadurch in Finsternis und Traurigkeit.."

So sprach ich mit dem jungen Manne, für dessen Seelenzustand ich das lebhafteste Interesse fühlte. Ich hatte etliche Apfelsinen für ihn mitgebracht und nahm eine derselben zur Hand, um ihm das, was ich seinem Herzen einprägen wollte, noch mehr zu verdeutlichen.

„Sehen Sie sich einmal diese Apfelsine an," sagte ich. — „Wenn ich Ihnen nun diese Frucht einhändige, was wird dann Ihren Durst löschen, die Apfelsine oder Ihre Hand?"

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 „Ohne Zweifel die Apfelsine," war seine Antwort.

„Gut," fuhr ich fort. — „Ein Kind wirds begreifen, daß Ihnen nicht Ihre Hand, sondern die Apfelsine Erquickung bringt. Indes dürfen beide nicht voneinander getrennt und ebensowenig miteinander verwechselt werden. In Betreff Ihres Glaubens und dem Gegenstande, an welchen der Glaube sich festklammert, zeigt sich derselbe Fall. Ihr Glaube mag stark oder schwach sein; allein nimmer ist es Ihr Glaube, sondern Christus, der Ihnen Ruhe gibt."

„Das ist klar, sehr klar," unterbrach mich der Kranke mit Kraft und Wärme. — „Wirklich, nun ist mirs deutlich. Ich habe mein Auge von Christo abgewandt und bin dadurch in Finsternis gekommen. Ach, möchte mein Blick fortan doch fest auf Ihn gerichtet bleiben!"

„Das wünsche ich Ihnen von Herzen," fügte ich hinzu. — „Wollen Sie elend sein, so blicken Sie auf sich selbst, wollen Sie Zerstreuung, dann schauen Sie sich um in Ihrer Umgebung; wünschen Sie aber den Genuß himmlischer Freude, dann richten Sie Ihr Auge nach oben."

Nachdem wir in dieser Weise unsere Unterhaltung noch eine Zeit­lang fortgesetzt hatten, nahm ich wieder Abschied von meinem Freunde. Als ich aber etliche Tage später im Begriffe war, in einem der Kaserne nahe gelegenen Saale das Evangelium zu verkündigen, kam er mir zu meiner großen Freude und Verwunderung mit einem fröhlichen Gesicht entgegen. Er schien nicht mehr derselbe Mann zu sein. Man hatte ihn seines körperlichen Zustandes wegen zu fernerem Militärdienst un­fähig erklärt; und er sah seiner Verabschiedung entgegen. Als ich nun meine Freude, ihn zu sehen, und zugleich die Hoffnung ausdrückte, daß er jetzt wohl vollkommen Frieden haben werde, sagte er: „O ge­wiß, teurer Freund; jetzt ist mein Glück vollkommen; und ich bin nun fest entschlossen, das Panier des Kreuzes durch das ganze Land zu tragen."

Ein feuriger Blick begleitete diese Worte. Ich bezweifelte nicht einen Augenblick seine Aufrichtigkeit; allein mich beschlich die Furcht, daß der Feind beschäftigt sein könne, ihm andere Fallstricke zu legen und sagte nach einer Pause:

„Mein Freund! Ich rate Ihnen, auf Ihrer Hut zu sein. Durch d^s Beschauen Ihrer Werke waren Sie vor etlichen Monaten sehr unglück­lich; und Sie waren es nicht minder, als Sie einige Wochen später auf Ihren Glauben den Blick richteten. Jetzt aber sind Sie beschäftigt mit Ihrem Dienste, den Sie dem, Herrn zu widmen gedenken, wobei ich fürchte, daß auch dieses wieder Ihr Auge von Christo abwenden wird. Nicht, als ob ich Glauben und Dienst gering achtete; nein — aber ich schätze Christum über alles. Ich bin vielen unbekehrten Seelen be­gegnet, die vielmehr mit ihrem Dienst, als mit Christo Selbst beschäf­tigt waren. Jene erlaubten es, daß ihr Dienst zwischen Christum und ihrem Herzen einen Platz einnahm, und verfielen bald darauf in Trau­rigkeit und Mutlosigkeit. Nur wenn Sie Ihren Blick auf den Herrn richten, wenn Sie sich fest an Ihn klammern und in Ihm bleiben, dann — aber auch nur dann werden Sie allezeit und auch bei Seiner Erschei­nung in Seinem Dienste erfunden werden. Unsere Fruchtbringung ist bedingt durch unser Bleiben in dem Weinstock. Wir haben dadurch keinen Teil an Christo, daß wir Ihm dienen, sondern wir dienen Ihm,

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 wenn wir in Ihm bleiben. Der Herr Jesus sagt: „Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke." — Und warum sollen wir kommen? Etwa um andere herbeizuziehen? Nein, um selbst zu trinken. Und was wird die Folge davon sein? „Von .dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließe n''. Nur dann, wenn unser Dienst seine Quelle hat in der Gemeinschaft mit dem Herrn, ist derselbe ein wahrhaft guter und Gott wohlge­fälliger." —

Das waren meine Unterhaltungen mit dem jungen Manne; und ich wünsche von Herzen, daß dieselben vielen Neubekehrten zum Segen dienen möchten. Legt doch der Teufel jene Stricke, womit er meinen Freund zu fangen suchte, fast einem Jeglichen, der den Weg des Lebens zu betreten beginnt; und leider fallen manche hinein. Sie suchen irgend etwas, was es auch sei, außer Christum, und glauben darin Ruhe zu finden, aber sie finden nur Unruhe und Elend. Der Herr Selbst sagt:

„Kommet her zu mir, alle Mühselige und Beladene, und ich werde euch Ruhe geben." Er sagt: zu mir. In Ihm allein finden wir alles, was ein schuldbeladenes Gewissen völlig ent­lasten und ein unruhiges Herz völlig beruhigen kann. Außer Ihm aber suchen wir dies alles vergeblich, wo wir es auch suchen mögen. Wohl mögen wir uns eine Zeitlang durch unsere Gefühle täuschen lassen;

aber nie finden wir den wahren Frieden, der in den mannigfachen Versuchungen dieses Lebens Stich hält, sondern fallen im Gegenteil oft, wenn wir unsere Täuschung erkennen, in die traurigsten Zweifel. Sollte aber meine Mitteilung etwas dazu beitragen, daß der Leser durch unverrücktes Hinschauen auf Jesum, den Anfänger und Vollen­der des Glaubens, vor den Fallstricken Satans bewahrt bleibe, so werde ich Gott dafür preisen und loben. —

Prüfet aber alles, haltet fest das Gute

Der folgende Brief ist, bei Niederlegung ihres Amtes, von zwei Priestern der bischöflichen Kirche Englands an ihren Bischof geschrie­ben worden. Wir teilen denselben hier mit, damit unter des Herrn Se­gen die klare Beleuchtung der sie bei ihrem Austritt leitenden Beweg­gründe dazu dienen möge, sowohl die Augen derer zu öffnen, die Jioch an dergleichen Satzungen gebunden sind, als auch den Glauben derer zu stärken, die bereits den Mut hatten, dieselben zu verlassen.

Ehrwürdiger Herr!

Vor sechs Monaten würden wir es für eine bestimmte' Unmöglich­keit gehalten haben, Ihnen in einer Weise zu schreiben, die uns jetzt ein Gebot der Pflicht ist. Ungefähr um diese Zeit sprach einer von uns mit einem sehr ernsten christlichen Freunde über den Standpunkt der Kirche; und auf die Bemerkung, daß wir uns lieber über Gegenstände, in denen wir übereinstimmten, unterhalten möchten, antwortete er:

„Das ist wahr; aber wir müssen uns vor keiner Besprechung fürchten,

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 über welchen Gegenstand es auch sei." Und als wir darauf bemerkten, wir seien völlig überzeugt, daß die englische Kirche unstreitbar auf einem durchaus biblischen Grunde stehe, überreichte er uns einige Traktate,, die wir Ew. Ehrwürden einliegend zusenden. Die Beweis­gründe waren uns ganz neu; und der ganze Gegenstand war in einer Weise behandelt, die sich völlig von allem unterschied, was wir früher darüber gelesen hatten.

Wir suchten sie zu widerlegen; wir prüften sie nochmals, wir lasen und beteten. In der Tat waren wir mit Vorurteilen gegen die Einwen­dungen erfüllt; denn wir hatten die größte Ursache, zu wünschen, daß sie nicht stichhaltig seien. Nichtsdestoweniger aber fühlten wir uns zu dem Bekenntnis verpflichtet, daß sie jeden Widerspruch von unserer Seite besiegt haben; und unsere Prüfung der Traktate endigte mit der vollen Überzeugung, daß sie die Wahrheit enthielten — eine Überzeu­gung, die alle unsere bisherigen Verbindungen lösen muß, und die un­sere Füße auf einen neuen, unbekannten Pfad stellt. Wir wollen in Kürze die Punkte berühren, die uns zu dieser Überzeugung brachten.

1. Der erste Punkt ist die Einheit des Leibes Christi. Das Wort Gottes erklärt, daß diese Einheit wesentlich und durchaus geistlich ist, aber zugleich, daß sie in dem Wandel einen Ausdruck finden muß. Das Gebet des Herrn (Joh. 17) wird hiervon überzeugen. Überdem finden hier die Ermahnungen des Apostels gegen Sekten und Spaltungen ihre pas­sende Anwendung. Wir werden ermahnt den „einen Leib", welcher alle wahre Gläubige in Christo Jesu, aber auch nur solche in sich schließt, nicht zu trennen. Wir werden ermahnt, „unser Zusammenkommen" nicht zu versäumen. — Um diese äußere Einheit zu bewahren, dürfen wir den Brüdern keinen Stein des Anstoßes vor die Füße legen, müssen, außer zur Unterscheidung in zweifelhaften Fragen, den Schwachen im Glauben aufnehmen, und die ernste Warnung des Apostels beachten: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, diesen wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, welcher ihr sei d."

Eine peinliche Frage, 'die aber dennoch gestellt werden muß, ist diese: „Kann die Kirche von England die Anwendung dieser biblischen Grundsätze in ihrer Mitte dulden?" Hat sie sich nicht selber an den Platz des „einen Leibes" gestellt, indem sie alle die, welche sich von ihr, aber nicht von Christo trennen, als solche bezeichnet, die da Spal­tungen anrichten? Maßt sie sich zu gleicher Zeit nicht das Recht der Einführung von Zeremonien etc. an, die sie den Gliedern als Bedingung der Gemeinschaft auferlegt und dadurch, indem säe vielen von der Herde Christi die Türe verschließt und mithin selber Spaltungen anrichtet, augenscheinlich den Leib Christi trennt? Wir haben nur eine Antwort auf all diese Fragen.

2. Ein anderer Punkt ist die Ausübung der Zucht in der Kirche. Die Worte unseres Herrn in Matth. 18, 15. 17 sind sehr deutlich, können aber im Blick auf die Grundsätze der Staatskirche nimmer befolgt wer­den. Der Apostel (2. Kor. 6, 14—18) warnt uns „nicht in einem unglei­chen Joch mit den Ungläubigen zu sein," und ermahnt uns, aus ihrer Mitte zu gehen und uns abzusondern, um von Gott als Söhne und Töch­ter erkannt zu werden. In der Tat, das Wort Gottes ist Betreffs dieser

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 Sache überall sehr klar. Aber kann die englische Kirche hierin die Prü­fung bestehen? Ist es nicht die Klage ihrer Verteidiger, daß die Zucht in ihren aus Gläubigen und Ungläubigen bestehenden Gemeinden nicht gut ausgeübt werden könne? Oder nehmen sie sonst nicht die Zuflucht zu der Erklärung, daß bei dem gegenwärtigen Zustand der Kirche das Unkraut nicht aus dem Weizen gejätet werden könne. Und doch erklä­ren die Worte des Herrn in diesem Gleichnis deutlich, daß er nicht von der Kirche, sondern von der Welt redet — und mithin ist das Resultat, daß die Welt und die Kirche ganz zu einer und derselben Sache gewor­den sind. Die Diener der Kirche haben sogar in der Welt einen großen Namen; Welt und Kirche gehen Hand in Hand; und das Ärgernis des Kreuzes scheint fast verschwunden zu sein.

3. Und nun die Frage des Amtes. In der Theorie bekennt die Kirche von England, daß die Berufung ins Amt von Gott kommen müsse; in der Praxis verleugnet sie dieses. Diejenigen, welche durch die Hände ihres Bischofs ordiniert sind, werden über Kirchen und Kirchspiele an­gestellt und dieses in sehr vielen Fällen, ohne daß sie aus Erfahrung wissen, ob ein Heiliger Geist ist oder nicht. Indem man jede wahre Ordnung über den Hauten stößt, stellt man ungöttliche Menschen über das Volk des Herrn, oder sendet man blinde Leiter der Blinden, um von einer Kirche zu sprechen, die sie nicht kennen, oder von einem Glauben, den sie selber nicht besitzen. Ew. Ehrwürden werden doch wohl einen solchen Zustand nicht als das Werk Gottes bezeichnen? Gott sendet und wirkt, durch welchen Er wirken will, unbekümmert um jede bestehende Ordnung; ja, es kann nicht geleugnet werden, daß Er oft gerade die reichlich segnet, die durchaus gegen die bestehende Kir­chenordnung handeln. Er bekümmert Sich keineswegs um die Anord­nungen des Menschen; Er zerstört sie überall, während hingegen der Mensch sich weigert, das Werk Gottes anzuerkennen, wenn es auf sektirerischem Wege, wie er es nennt, ins Leben getreten ist.

4. Und endlich die Ordnung des öffentlichen Gottesdienstes. Wir finden eine sehr bestimmte Vorschrift für die Ordnung in der Kirche Gottes in 1. Kor. 11 und 14, woselbst die geringsten Dinge, z. B. das Bedecken oder Entblößen des Hauptes, geregelt sind. Aber um welcher Ursache Willen achtet, man nicht auf diese Vorschriften? Antwort: Weil sie nicht mehr passen für unsere Zeit. Statt dessen hat man uns eine Liturgie gegeben, eine menschliche Erfindung, welche offenbar das Wir­ken des Heiligen Geistes ausschließt, welcher dient, wie und durch wen Er will. Die wirklich schriftgemäßen Vorschriften können, wie Ew. Ehrwürden beistimmen werden, in unseren Tagen keine Ausführung finden, ohne eine direkte Verwerfung der bestehenden Ordnung, zufolge welcher das ganze Werk der Auferbauung einem Manne anvertraut ist, der — ob dazu geeignet oder nicht — Hirte, Lehrer und Evangelist sein muß, und dieses alles mit Ausschluß eines jeden Ändern, wie fä­hig und geistlich derselbe auch sein möge.

Mit der tiefsten Betrübnis reden wir über diese Dinge. In der Ab­sicht, einen so folgeschweren Schritt zu tun, sind wir nicht mit Fleisch und Blut zu Rate gegangen; und wir können uns im festen Vertrauen auf Ihn berufen, der allein in Betreff der Reinheit der Beweggründe, unsere Herzen zu prüfen vermag. Wir müssen der Überzeugung unseres

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 Herzens gehorchen; und indem wir dieses tun, trennen wir uns von der Kirche Englands. Wir trennen uns von keinem der Kinder Gottes. Wir suchen nur in Demut des Geistes die Grundsätze Gottes in Betreff der Trennung von dem Bösen oder von der Welt in Ausübung zu bringen. Einem jeglichen aus dem Volke Gottes reichen wir die Bruderhand und wünschen mit einem Herzen voll Liebe in der innigsten Gemeinschaft mit ihm zu leben.

Wir wünschen eine Antwort von Ew. Ehrwürden, auf daß wir wis­sen, auf welche Weise, ohne Ihnen viel Mühe zu machen, die notwendig gewordene Trennung bewerkstelligt werden kann; und wir schließen mit der wohlgemeinten Versicherung, daß der Schritt, den wir tun, ge­tan wird mit einer aufrichtigen und herzlichen Betrübnis über die Not­wendigkeit, Bande lösen zu müssen, die so manche angenehme Erinne­rung für uns haben.

Johannes 4 Der Brunnen bei Sichar.

Während wir unsern Herrn Jesus in dem Evangelium Matthäus als den Messias der Juden, als den Sohn Davids und des Landes Israel, so­wie in Markus: als den Diener, der in den verschiedenen Kreisen Sei­nes Dienstes mit unbeugsamem Eifer Seine Bahn verfolgte, und endlich in Lukas: als den Sohn des Menschen mit Seinem, ohne Unterbrechung bis zu Adam aufsteigenden Geschlechtsregister vor unsere Augen ge­stellt sehen, zeigt das Evangelium Johannes Ihn in der erhabensten Gestalt, und zwar als den Sohn Gottes, als Den, der vom Himmel ist, als das ewige Wort, als den Schöpfer aller Dinge und als Den, der den Vater offenbart. Schon in dem ersten Kapitel dieses erhabenen Evan­geliums erblicken wir Ihn als Den, der von Anfang, vor allen Zeitaltern, war, durch den alle Dinge sind, und der als das Wort, welches von Ewigkeit her in dem Schöße des Vaters war, Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Dennoch aber gibt es kein anderes Evangelium, wo wir dieses glorreiche Wesen so oft allein, dem Sünder gegenüber erblicken; und sicher geschieht dieses nicht ohne göttliche Absicht. Wir sehen Ihn allein bei Nikodemus, allein bei der Samaritern, allein bei der im Ehebruch ergriffenen Sünderin und allein bei verschiedenen anderen; und im Blick auf diese Tatsachen dürfen, wir wohl behaupten, daß dieses Alleinsein des Sohnes Gottes bei dem Sünder dem Evangelium Johannes einen ganz besonderen Charakter verleiht. —

Indem wir nun zu unserer Unterweisung auf die Hilfe Gottes rech­nen, gedenken wir etliche Augenblicke bei einer der rührendsten Szenen zu verweilen, welche uns den Herrn bei dem einsamen Brunnen bei Sichar einer armen Sünderin gegenüber zeigt. Das samaritische Weib bildet einen auffallenden Gegensatz zu Nikodemus im dritten Kapitel. Dieser hatte eine achtbare Stellung und einen ehrenvollen Ruf und Charakter, während jene nichts von diesem allen besaß. Er befand sich

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 auf der Höhe des Rades, sie tief unten. Kaum konnte man in der Welt einem Höheren begegnen, als „einem Menschen von den Pharisäern, einem Obersten der Juden und einem Lehrer von Israel", und anderer­seits kaum einer mehr herabgewürdigten Person, als einer ehebreche­rischen Samariterin. Nichtsdestoweniger aber befanden sich beide, wenn es sich um die ewige Grund- und Lebensfrage, um ihre Stellung vor Gott, um ihr Befähigtsein, in Seiner heiligen Gegenwart zu bleiben, und um das Recht, in den Himmel einzugehen, handelte, auf gleicher Stufe.

Vielleicht mag diese Behauptung etlichen unserer Leser etwas hart und fremd erscheinen. Wie? sollte der weise, religiöse und ohne Zweifel liebenswürdige Nikodemus in den Augen des Herrn keinen größeren Wert haben, als jenes elende Weib von Sichar? Keineswegs, wenn es sich darum handelt, vor Gott zu erscheinen. „Denn es ist kein Unterschied; denn alle haben gesündigt un ^errei­chen nicht die Herrlichkeit Gottes" (Röm. 3, 21); und das erste Wort, welches der Herr an Nikodemus richtet, lautet: „W a h r l i c h, wahrlich ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren worden sei, so kann er das Reich Got­tes nicht sehe n." Dieser kurze Ausspruch nahm den Boden der Sorglosigkeit unter den Füßen des Lehrers in Israel völlig hinweg. Nichts weniger als eine neue Natur ward von diesem „Menschen aus den Pharisäern" gefordert; und nichts mehr bedurfte das ehebrecherische Weib von Sichar. Es ist klar, daß das Verbrechen nicht in den Himmel eingehen kann; aber der Pharisäismus vermag es ebensowenig. Aber beide, ein Verbrecher und ein Pharisäer, vermögen — Gott sei dafür gepriesen! —in den Himmel einzugehen, weil sowohl der eine, wie der andere im Glauben an den Sohn Gottes das ewige Leben erlangen kann.

Diese große Fundamental-Wahrheit des Christentums zu verstehen, ist für den Leser von der höchsten Wichtigkeit. Es ist unmöglich, ihm eine klarere und vortrefflichere Vorstellung von derselben zu geben, als ihm in der Geschichte des Nikodemus und in derjenigen des Weibes von Sichar dargeboten wird. Hätte unser Herr das Weib zum „Gutwerden" und den Nikodemus zum „Besserwerden" ermahnt, so würde man in der Tat irgend einen Beweis zu Gunsten jener Aufstellung gehabt ha­ben, nach welcher gewisse Persönlichkeiten der gefallenen Menschheit besser und Gott näher als 'andere sind, sowie ferner einen Beweis für die Möglichkeit, die menschliche Natur bis zu dem Grade zu verbessern, daß sie endlich fähig sei, vor Gott erscheinen zu können. Allein wenn wir sehen, wie der Herr, indem Er die absolute Notwendigkeit einer neuen Geburt feierlich ankündigte, den gesetzmäßigen Boden, auf wel­chen der jüdische Oberste seinen Fuß stellte, gänzlich niederriß, dann sind wir zu der Folgerung gezwungen, daß die menschliche Natur un­heilbar und unverbesserlich ist.

Die arme Samariterin befand sich auf keinem gesetzmäßigen Boden, der des Niederreißens bedurft hätte. Ihr moralischer Charakter und ihr religiöser Zustand standen schon auf der niedrigsten Stufe der .Ent­artung. Nicht so war es bei Nikodemus; er fühlte, daß er etwas besaß, worauf er sich stützen und dessen er sich rühmen konnte. Er war ein hochgestellter Mann und hatte daher zu lernen, daß dieses alles keinen Wert in den Augen — Gottes habe. Nun aber war es unmöglich, ihm

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 diese Unterweisung in einer schärferen und bestimmteren Weise zu ge­ben, als durch den kurzen Ausspruch des Herrn: „Du mußt von neuem geboren werden." Man mache mit der menschlichen Natur was man will; man unterweise, man bilde und schmücke sie nach Belieben; man erhebe sie bis zur Zinne des Tempels der Kunst und der Phüosophie; man rufe alle Mittel eines gesetzlichen Systems und der Religion zu ihrer Hilfe; man lege Gelübde ab und man fasse Sittenverbesserungs-Beschlüsse; man häufe eine Zeremonie auf die an­dere; man werte sich in einen Kreis religiöser Pflichten: man wache, man faste und bete; man gebe Almosen und vollbringe die ganze Reihe der „toten Werke"; — und trotz allem ist das samaritische Weib dem Reiche Gottes ebenso nahe, wie ihr, da sowohl ihr, wie sie, „von neuem geboren werden müßt." Weder ihr, noch sie vermöget, in Betreff des Rechts auf das Reich, oder der Fähigkeit, sich dessen zu erfreuen, auch nur ein Jota oder einen Buchstabenstrich Gott darzubringen. Von An­fang an bis zu Ende ist und muß hier alles Gnade sein.

Aber was versteht man unter dieser neuen Geburt? Etwa die ver­besserte menschliche Natur? Keineswegs. Und was denn? Sie ist das ewige Leben, genossen durch den einfachen Glauben an den Sohn  Got­tes. „Gleichwie Moses die Schlange in der Wüste erhöhete, also muß der Sohn des Menschen erhöht werden, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren sei, sondern ewiges Leben habe. Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen Eingebornen Sohn gege­ben, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren sei, sondern ewiges Leben habe." — Das ist die neue Ge­burt, und das ist das Mittel, dieselbe zu erlangen. Gott hat geliebt _ Gott hat gegeben — wir glauben und wir haben. Nichts ist ein­facher. Das ist nicht die verbesserte Natur, nicht eine Wiederaufrichtung der gefallenen Menschheit, nein, es ist ein ganz neues Leben, und zwar das, durch den Glauben von Christum empfangene, ewige Leben, welches das arme Weib von Sichar eben so völlig und durch dasselbe Mittel empfing, wie auch der Oberste der Juden. Es ist kein Unterschied;

denn „alle haben gesündigt." Man mag vom menschlichen oder vom göttlichen Gesichtspunkte aus diese Frage betrachten, es gibt hier kei­nen Unterschied; denn alle haben gesündigt, und Gott ist reich gegen alle. Der Lehrer in Israel und das samaritische Weib sind auf eine und dieselbe Stute gestellt; und die reiche Gnade Gottes breitet sich kraft des Blutes Christi über den einen, wie über die anderen aus, um einem jeglichen von ihnen 'das ewige Leben als ein Gnadengeschenk Gottes zu gewähren.

Nun ist aber dieses ewige Leben etwas durchaus ganz Neues. Adam, in dem Zustande der Unschuld, besaß nicht das ewige Leben. Er hatte eine unsterbliche Seele; allein die Unsterblichkeit der Seele und das ewige Leben sind zwei ganz verschiedene Dinge. Das schwächste Lamm der erkauften Herde Christi befindet sich in einer weit besseren Stel­lung, als Adam in den Tagen seiner Unschuld. Jenes hat ein unverderb­liches und ewiges Leben in Christo empfangen, während Adam inmitten der köstlichen Früchte und der schönen Blumen Edens, nicht derglei­chen kannte. Erst dann als rings um ahn her alles verloren und er

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 selbst inmitten der Ruinen eine Ruine geworden war, fiel ein matter Lichtschein in seine Seele durch die erste — jedoch nicht ihm, sondern dem zweiten Adam, dem „Herrn vom Himmel", — gegebene Verhei­ßung: „Der Same des Weibes wird der Schlange den Kopf zertreten." Durch den Glauben an diese Verheißung entging Adam nicht allein seinem traurigen Zustande, sondern auch dem ihn umringenden Ver­falle, indem er seine Zuflucht suchte in Christo, dem Haupte eines neuen Geschlechts, einer neuen Schöpfung; und er nannte sein Weib Eva, d. h. die „Mutter aller Lebendigen." Und wahrlich, außer dem Samen des Weibes gibt es kein wahres Leben.

Bemerken wir ferner, daß, als die Kinder Israel unter das Gesetz gestellt wurden, sie keineswegs, selbst bei der treuesten Beobachtung desselben, das ewige Leben empfangen konnten. Die Sprache des Gesetzes lautete: „Der Mensch, welcher diese Dinge tut, wird dadurch leben." Aber nie spricht es vom ewigen Leben. Die Lebensdauer eines Israeliten knüpft sich an das Halten der Gebote. Das war ein zeitliches und bedingtes Leben; und mithin würde das Weib von Sichar, hätte sie ihre Schritte nach Sinai gerichtet, durchaus nichts erlangt haben. Die Übertretung eines einzigen Gebotes hätte sie rücksichtlich des gan­zen Gesetzes schuldig gemacht und folglich unter den Fluch gebracht. Und so hätte sie weder auf das zeitliche, noch auf das ewige Leben Anspruch machen können. Nikodemus konnte sich einbilden, irgendwie ein Recht darauf zu haben; allein die Lage dieses Weibes war so ver­zweifelt, wie möglich, und keineswegs vermochte Moses ihr eine hilf­reiche Hand zu bieten.

Welche Bedeutung aber hatte die eherne Schlange? Für wen war sie bestimmt? — Für arme, gebissene Kreaturen, und gerade darum, weil sie gebissen waren. Ihre Wunden verliehen ihnen Ihr Recht. Wel­ches Recht? — Das Recht des Anblickens der Schlange. Und was folgt daraus? — Der, welcher die Schlange erblickte, genas und lebte. Ja, „er blickte an und lebte." Welch kostbare Wahrheit für Nikodemus und für die Samariterin, ja, für alle, von der alten Schlange gebissene Söhne und Töchter Adams! Keine Grenze, keine Bedingung, keine Schranke;

nichts hindert die unaussprechliche Gnade Gottes. Der Sohn des Men­schen ist erhöht worden, damit jeder, der Ihn in einfältigem Glauben anschaut, in den Besitz dessen gelangt, welches Adam in der Unschuld nimmer besaß und das Gesetz Moses nimmer verschaffen konnte, — in den Besitz des ..ewigen Lebens." Beachten wir wohl, daß hier nicht von einer unsterblichen Seele die Rede ist; denn eine solche besaß Adam, sowohl vor, als nach seinem Falle, und ist auch jetzt das Ge­meingut aller Menschen, sowohl der Gläubigen, als der Ungläubigen. Aber, „wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das ewige Leben." Und mit einem zweifachen „Amen" bekräftigt der Herr Jesus Seine Worte, wenn Er sagt: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer mein Wort höret und glaubet Dem, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tode zum Leben übergegangen" .(Joh. 5, 24).

Hier gibt es keinen Mittelweg. Hier gilt, was man auch von der Macht der Fähigkeit und der Würde der menschlichen Natur, von der

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 Erziehung des Menschengeschlechts, von den Fortschritten und der Ent­wicklung des Menschen und ähnlichen Dingen sagen mag, entweder der „Tod" oder das „Leben". Die eben angeführte Stelle entscheidet die Frage in der bestimmtesten Weise. Wir erblicken hier entweder das Leben in Christo, oder den Tod außer Christo. Alle Fortschritte des Menschen, solange er nicht Christum ergriffen hat, sind und werden nur Fortschritte im Tode sein. Gleichviel wer oder was 'dieser Mensch ist. ob Pharisäer, Schriftgelehrter oder Zöllner, ob gelehrt oder unwis­send, ob fromm oder gottlos, ob ehrbar oder unmoralisch, ob roh oder gesittet; — ist er nicht in Christo, so ist er im Tode. Wenn er hingegen in Christo ist, so bestehen seine Fortschritte darin: zu wachsen in der Gnade und in der Erkenntnis, und in moralischer und praktischer Be­ziehung immer gleichförmiger zu werden dem Bilde Christi — dem. zweiten Menschen, dem auferstandenen Heilande, dem Haupte der neuen Schöpfung.

Der Leser wird freundlich gebeten, hier ein wenig zu verweilen und über diesen feierlichen Gegenstand nachzudenken. Er enthält viel mehr, als manche sich vorstellen. Dieses neue Leben durchschneidet die Wurzel aller Anmaßungen des Menschen. Es vertreibt, als eben so viele unnütze Lumpen, alle Religion des Menschen, alle seine gesetz­liche Frömmigkeit und Gerechtigkeit, weit hinweg. Es läßt ihn erkennen, daß, so lange er Christum nicht besitzt, er durchaus nichts besitzt, daß aber, wenn er Christum hat, er alles hat. Ja, so ist es: Nichts im Menschen, alles in Christo. Er mag ein sogenanntes gutes Herz ha­ben, wie der Oberste der Juden, oder einen sehr schlechten Charakter, wie das Weib von Sichar; — es kommt auf eins heraus. Beide sind tot — geistlich tot. Es war nicht mehr geistliches Leben in Nikodemus, als er in der Nacht zu Jesu kam, als in der Samariterin, als Jesus am Tage zu ihr kam. Daß es ohne Zweifel in moralischer und gesellschaftlicher Beziehung zwischen beiden einen großen Unterschied gab, versteht sich von selbst. Auch wird man Niemandem, der nur einiges Gefühl besitzt, zu sagen nötig haben, daß es besser sei, mäßig und ein ehrbarer Mensch, als lasterhaft, dem Trunke ergeben und ein Dieb zu sein. Dieses ist völlig klar. Allein ebenso klar ist es, daß die Ehrbarkeit, die Mäßig­keit und die Sittlichkeit nicht das „ewige Leben", ja sogar nicht ein­mal der Weg sind, der dahin führt. Wohl werden diese Erscheinungen in ihrer wahren und aufrichtigen Äußerung stets die Früchte — die not­wendigen Früchte des neuen Lebens sein; allein sie sind weder das neue Leben selbst, noch das Mittel zu dessen Erwerbung. „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht." Das ist bestimmt genug. Es existiert kein Mittelweg zwischen den Wörtchen: „hat" und „hat nicht", kein Raum zum Fort­schreiten zwischen diesen einander entgegengesetzten Begriffen. Der Schreiber wie der Leser dieser Zeilen befinden sich in diesem Augen­blicke entweder in der einen oder in der anderen dieser beiden Abtei­lungen. Welch ernster Gedanke! Wir fühlen tief die ganze Wichtigkeit in diesen, durch die stolzen Anmaßungen des Menschen gekennzeich­neten Tagen, wo man sich sogar des Christentums als eines Mechanis­mus, um das Glück einer gefallenen und verderbten Menschheit herbei­zuführen, oder als eines Zweiges eines zur Veredelung des Geschlechtes hinstrebenden Erziehungssystems bedient, und wo man, nach Anwei-

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 sung etlicher neuer Gelehrten, dahin gelangt, das Heidentum, das "Ju­dentum und das Christentum als gleichbedeutende Dinge zu betrachten, die geeignet sind, auf den Menschen zu wirken und ihn auf der morali­schen Leiter zur Höhe zu drängen. Welch trauriger Betrug und welch verderblicher Irrtum für die Seelen. 0 möchte doch der Heilige Geist vielen die Augen öffnen, um diesen Feind zu erkennen, und sie fähig zu machen, um demselben zu entfliehen! Möchte doch das Evangelium des Christus sich mit einer neuen Macht ausbreiten, und Einhalt gebie­ten der krankhaften Erscheinung des Rationalismus und des Unglau­bens in diesen finstern und bösen Tagen!

Kehren wir indes zu dem Brunnen bei Sichar zurück. Der Gedan­kenlauf, dem wir gefolgt sind, wird uns in den Stand setzen, die bis­her geschöpften heiligen und tiefen Lehren vollkommener würdigen zu können.

Der Christ findet einen ganz besonderen Reiz an den Erzählungen der Evangelien, weil es der Herr Jesus Selbst ist, der dem Geiste und dem Herzen so nahe tritt. Sie bringen uns keine schwer verständlichen Wahrheiten oder trockenen Lehrsätze; sie zeigen uns vor allem in Ihm eine Person, die nichts weniger 'ist als „Gott geoffenbart im Fleisch." Wir finden Ihn im Gespräche mit Sündern von jeglichem Stande und Charakter — mit Reichen und Armen, mit Religiösen und Irreligiösen, mit Pharisäern, Schriftgelehrten und Zöllnern. Wir erblicken Ihn in der Nähe der verächtlichsten Sünder, wie hier am Brunnen bei Sichar, und sehen, wie Er dieselben mit einer vollkommenen Gnade behandelt. Wir entdecken in Ihm eine Heiligkeit, die von keiner Sünde berührt wer­den kann, und zugleich eine Gnade, welche sich bis zu den tiefsten Tiefen der Bedürfnisse des Sünders herabzulassen im Stande ist. Mit einem Wort, Gott ist auf die Erde herabgestiegen; und wir können Ihn be­trachten in dem Angesichte Jesu Christi. Welch wunderbares Ereignis! Er kann erkannt werden, ja, erkannt in der vollen Gewißheit, welche die Offenbarung Seiner Selbst hervorzubringen fähig ist. „Die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht leuchtet schon." Die Wehklagen Hiobs: „Ach, wenn ich wüßte, wo ich Ihn finden könnte!" ist fortan verklungen (Hiob 23, 3).

Das Evangelium führt uns an den Brunnen bei Sichar und zeigt uns den Schöpfer des Weltalls in der Person eines mit Staub bedeck­ten, müden und durstigen Fremdlings, der für ein wenig Wasser der Schuldner einer ehebrecherischen Samariterin zu sein begehrt. Welch ein unausforschliches Geheimnis! Er, der da Gott ist über alles, geseg­net in Ewigkeit — Er redet mit Menschenlippen und. bittet eine Ehe­brecherin um einen Trunk Wasser. Wo, möchte man mit Recht fragen, wo in dem ganzen Bereiche der Schöpfung könnte man etwas finden, was diesem gleich wäre? Wohl mögen wir bei der Betrachtung der Schöpfung die bewunderungswürdige Offenbarung der Weisheit, der Macht und der Güte zu unterscheiden; allein nimmer werden wir Gott in der Gleichheit des Fleisches der Sünde und i,n der Gestalt eines er­müdeten, von Hitze und Durst gequälten Menschen darin erblicken kön­nen, der da auf dem steinernen Geländer eines Brunnens sitzt und eine arme Sünderin um einen Tropfen Wasser bittet. Wenn wir von dieser Szene zu derjenigen übergehen, welche uns auf den ersten Seiten der

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 Bücher Moses vor Augen gestellt wird, und wenn wir dort auf Gott, als den Schöpfer, unsere Blicke richten und sehen, wie Er die Stätte Seiner ewigen Wohnung verläßt und durch das Wort Seines Mundes Millionen Welten ins Dasein ruft, dann entdecken wir nirgends eine Spur von: Müdigkeit oder von Durst. Doch mögen wir auch die Fuß­stapfen des Schöpfers verfolgen und mit Bewunderung schauen, wie Er _auf dieser majestätischen Bahn von einer Sphäre Seines glorreichen Werkes zur anderen dahin schreitet, so ist dennoch jene Herrlichkeit, welche an dem einsamen Jakobsbrunnen unseren Blicken begegnet, weit strahlender, als alles, was in dem ersten Kapitel des ersten Bu­ches Moses sich vor uns entfaltet. Jenes: „Es werde Licht!" war in der Tat ein glorreiches Wort; aber dieses: „G i b m i r z u t r i n k e n !" übertrifft jenes an Glorie. Im Ersteren unterscheiden wir eine Maje­stät, die uns in Erstaunen setzt, und einen Glanz, der uns blendet; in Letzterem aber erblicken wir eine Gnade, die unser Vertrauen gewinnt, und eine Zärtlichkeit, die unser Herz erweicht.

Wo entdecken wir während der ganzen mosaischen Haushaltung etwas gleich jenem, welches sich an dem Brunnen bei Sichar ereignet? Hätte der Gesetzgeber eine Ehebrecherin um ein Glas Wasser bitten können? Unmöglich. Wäre die Samariterin vor den mit Feuer bren­nenden Berg gestellt worden, so würde ohne Barmherzigkeit eine Ver­fluchung und Steinigung ihr Los gewesen sein. Sicherlich hatte eine solche Person von dem „Dienste des Todes und der Verdammnis" nichts anderes zu erwarten. Und dennoch begegnet man seltsamerweise noch Leuten, welche uns sagen: „Wenn ihr das Gesetz von dem Evangelium trennt, so bleibt nichts übrig, was des Namens des Evangeliums würdig ist."

Was denkst du, mein Leser, von einer solchen Meinung? Wie er­scheint sie dir, wenn du sie in dem am Brunnen Sichars strahlenden Lichte betrachtest? Wer hätte je geglaubt, daß in unseren Tagen, wo die Bibel frei und in weiten Kreisen verbreitet wird, von den Lippen oder der Feder sogenannter Prediger des Evangeliums eine solche Be­hauptung ausgehen würde? Wie? Läßt eine Trennung des Dienstes des Todes und der Verdammnis von dem Dienste des Lebens und der Ge­rechtigkeit — eine Trennung dessen, was den Sünder verflucht und verfluchen muß, von dem, was ihm Vergebung, Heil und Segen ver­schafft — eine Trennung dessen, was „Zorn wirkt" (Röm. 4, 15), von der Fülle jener göttlichen Liebe, die uns in der Person und in dem Werke unseres Herrn Jesu Christi geoffenbart ist, — läßt eine solche Trennung nichts übrig, was des Namens des Evangeliums würdig ist? — Doch verweilen wir nicht länger bei der groben Unwissenheit und Abgeschmacktheit einer solchen Behauptung. Kehren wir lieber zu dem Brunnen bei Sichar zurück, um jener bemerkenswerten Unterhal­tung unser Ohr zu leihen, die zwischen Gott, „geoffenbart im Fleische" und einem auf der niedrigsten Stufe des Verfalls stehenden, samaritischen Weibe stattfindet.

„Als nun der Herr erkannte, daß die Pharisäer ge­hört hatten, daß Jesus mehr Jünger mache und taufe, als Johannes, (wiewohl Jesus Selbst nicht taufte, sondern Seine Jünger) verließ Er Judäa und ging von

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 da wiederum nach Galiläa. Er mußte aber durch Samaria gehen. Er kommt nun in eine Stadt Samariens, genannt Sichar, nahe bei dem Felde, welches Jakob seinem Sohne Joseph gab. Es war aber daselbst ein Brunnen Jakobs. Jesus nun, ermüdet von der Reise, setzte Sich also an dem Brunnen nieder. Es war um die sechste Stunde. Es kommt ein Weib aus Samaria um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: „Gib mir zu trinken!" —

Hier tritt eine wunderbare Szene vor unsere Blicke — eine Szene, die uns weder durch die Schöpfung, noch durch das Gesetz, noch durch die Vorsehung dargestellt werden konnte. Der Herr der Herrlichkeit ist herabgekommen in diese Welt, um als Mensch der Müdigkeit, dem Hunger und dem Durst ausgesetzt zu sein, und um, gleichwie wir ver­sucht, das Bedürfnis nach einem Becher Wasser zu erkennen. „Jesus nun, ermüdet von der Reise, setzte sich an dem Brunnen nieder." Diese Welt war für Christus ein ausgedörrtes und durstiges Land. Die einzige Erquickung, die Er hier fand, bestand für Ihn in dem Dienste Seiner Gnade gegen arme, elende Sünder, gleich jenem Weibe, welches am Brunnen vor Ihm stand. Und welchen Kontrast bilden Seine, an die Samariterin gerichteten Worte mit denen, welche das Ohr des Leh­rers von Israel trafen! Zu ihr sagt Er nicht: „Du mußt von neuem ge­boren werden!" — obwohl dieses ohne allen Zweifel für sie ebenso er­forderlich war, wie für Nikodemus. Warum dieses? Wir haben die Ur­sache bereits von ferne gesehen. Der jüdische Lehrer stand, so zu sagen, auf der höchsten Leitersprosse der gesetzlichen Gerechtigkeit, der Sitt­lichkeit und der überlieferten Religion, während die arme Samariterin sich auf der niedrigsten Stufe der Straffälligkeit und des moralischen Schmutzes befand. Und weil der Herr herniedergekommen war, um dem Menschen in der elendsten Lage desselben zu begegnen, und weil Er gekommen war, um den Toten das Leben zu geben und auf den Menschen zu wirken, so wie Er denselben fand, so war Er genö­tigt, den Nikodemus zu der demütigenden Anerkennung der Notwen­digkeit einer neuen Geburt zu führen, sowie das ganze Gerüst, worauf er sich befand, unter seinen Füßen zu zertrümmern und ihm zu zeigen, daß er alles, was er in Betreff seiner Religion und seiner Stellung be­saß, verlassen und als ein neugeborenes Kind in das Reich eingehen müsse, und mithin nichts, durchaus nichts besitze, was in der neuen, von dem Herrn angekündigten Stellung Anerkennung finde. Ist die neue Geburt durchaus notwendig, dann ist der Oberste der Juden in nichts besser, als die samaritische Sünderin. In Betreff der Letzteren war es augenscheinlich, daß ihr etwas mangelte; sie vermochte nicht mit ihren Sünden in das Reich einzugehen; und aus diesem Grunde beginnt der Herr ihr gegenüber, alsbald Seine Gnade zu entfalten. Ni­kodemus hingegen konnte sich einbilden daß er etwas habe und etwas sei vor Gott, während es auf der Hand lag, daß die Samariterin sol­chem Gedanken keinen Raum geben durfte. Darum sagt der Herr zu dem Ersten: „Du mußt von neuem geboren werden!" und zu der Letz­tern: „Gib mir zu trinken!" In dem einen dieser Worte unterscheiden wir die „Wahrheit", in dem ändern die „Gnade". Beide, „die Gnade und Wahrheit sind durch Jesum Christum geworden." Die „Wahrheit",

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 um alle Anmaßungen eines Pharisäers niederzureißen; und die „Gnade", um den tiefsten Bedürfnissen einer ehebrecherischen Sünderin zu be­gegnen.

Allein obwohl Nikodemus und die Samariterin in gewissen Punk­ten einen Gegensatz zueinander bilden, so ist es doch auch von Inter­esse, in anderen Beziehungen eine Ähnlichkeit zwischen beiden wahr­zunehmen. Beide antworten dem Herrn durch ein „Wie?" Sobald die Wahrheit das Ohr des Lehrers in Israel berührt, fragt er: „Wie kann dieses geschehen?" — und als dem Weibe von Sichar die Gnade gezeigt wird, fragt sie: „Wie bittest du, der du ein Jude bist, von mir zu trinken, die ich ein samaritisches Weib bin?" Ach! wir alle tragen dieses „Wie" in unseren Herzen. Die Wahrheit Gottes ist in ihrer ganzen majestätischen Autorität vor unsere Seele gestellt; und wir nehmen sie auf mit einem „Wie". Die Gnade Gottes ist in ihrer ganzen Lieblich­keit vor unseren Blicken entfaltet; und von unseren Lippen dringt als Antwort ein „Wie". Gleichviel, ob es ein theologisches oder ein ratio­nalistisches Wie ist — es ist immer das arme Herz, welches, anstatt die Wahrheit zu glauben, und die Gnade Gottes anzunehmen, seine Ein­wendungen machen will. Der eigene Wille ist tätig, und obwohl dem­zufolge sich das Gewissen unbehaglich fühlt und das Herz mit sich selbst und mit seiner Umgebung unzufrieden ist, so tritt nichtsdestoweniger das „Wie" des Unglaubens in der einen oder der anderen Form zum Vorschein. Nikodemus fragt: „Wie kann der Mensch geboren werden, wenn er alt ist?" — und die Samariterin sagt: „Wie, bittest du von mir zu trinken?" —

So ist es immer. Wenn das Wort Gottes uns die totale Unwürdig­keit unserer Natur aufdeckt, so erhebt das Herz, anstatt sich mit De­mut der heiligen Schrift zu unterwerfen, seine unheiligen Einwürfe. Und wenn dasselbe Wort die unbegrenzte Gnade Gottes und das un­verdiente Heil in Christo Jesu vor unsere Augen stellt, so beginnt wie­der das Herz, anstatt die Gnade anzunehmen und des Heiles sich zu er­freuen, mit seinen Klügeleien, indem es fragt: „Wie kann dieses ge­schehen?" Das menschliche Herz ist geschlossen für Gott, geschlossen für die Wahrheit Seines Wortes und für die uns darin gezeigte Liebe. Wenn der Teufel spricht, so schenkt das Herz ihm leicht Glauben; wenn der Mensch spricht, so nimmt das Herz gern seine Worte auf. Lügen des Teufels und Torheiten des Menschen finden leicht einen Eingang in dem armen menschlichen Herzen; aber sobald Gott es ist, welcher, sei es in der vollen Machtsprache der Wahrheit, oder in dem süßen Locktone der Gnade, zum Menschen spricht, ach! dann findet Er in dem menschlichen Herzen ein ungläubiges, zweifelndes, rationalistisches, treuloses W i e. Alles paßt für das natürliche Herz, nur nicht die Wahr­heit und die Gnade Gottes.

Indes läßt Sich unser Herr hier durch das W i e des Weibes von Sichar nicht abweisen. Er hatte auf das W i e des „Menschen von den Pharisäern" geantwortet, und will auch antworten auf das Wie der Samariterin. Er hatte dem Nikodemus eine Antwort gegeben, indem Er ihn hinwies auf 'die eherne Schlange und mit ihm redete über die, durch die Sendung Seines Sohnes kund gegebene Liebe Gottes; und Er gibt auch der Samariterin ein Antwort, indem Er mit ihr ebenfalls redet über die „Gnade Gottes". — „Jesus antwortete und sprach

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 zu ihr: Wenn du die Gabe Gottes kanntest und wer Der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken, du wür­dest Ihn gebeten haben, und Er hätte dir lebendiges Wasser gegeben."

Welch ein weites Gebiet köstlicher Wahrheiten öffnet hier vor der Seele dieses Wörtchen „Gabe"! Der Herr sagte nicht: „Wenn du kann­test das Gesetz, so würdest du gebeten haben." In der Tat, wenn sie es gekannt hätte, so würde sie sich verloren und verdammt unter dem­selben gesehen haben, weit entfernt, zu einer Bitte ermutigt zu sein. Niemand hat je „lebendiges Wasser" erhalten durch das Gesetz. „Tue das, so wirst du leben!" — das ist die Sprache des Gesetzes. Das Ge­setz gab niemanden etwas, außer dem Menschen, welcher es stets be­obachtet hatte, und welcher es hätte bis ans Ende und vollkommen halten können. Und wo war dieser Mensch? Gewiß, das Weib von Sichar hatte das Gesetz nicht gehalten. Dieses war zu augenscheinlich. Sie hatte wenigstens in einem Punkte gefehlt, und war deshalb schuldig in allem (Jak. 2).

Aber warum, möchte jemand fragen, stellt man beständig das Ge­setz und die Gnade als Gegensätze einander gegenüber? Bildet nicht Jedes für sich einen Teil jenes großen Systems, mittelst dessen Gott den Menschen unterweisen und ihn für den Besitz des Himmels befä­higen will? Wir antworten, daß, wenn wir sie als Gegensätze betrach­ten, dieses deshalb' geschieht, weil der Heilige Geist zu wiederholten Malen dasselbe tut. Man lese z. B. Apostelgesch. 15, Gal. 3 und 4, und 2. Kor. 3; und dann teile man uns den Inhalt dieser Kapitel mit. Zeigt sich hier nicht der Gegensatz in der bestimmtesten Weise? Wer kann diese bewunderungswürdigen Stellen der Heiligen Schritt lesen und zugleich behaupten, daß das Gesetz ein notwendiger, ergänzender Teil des Evangeliums sei, der, wenn beseitigt, nichts übrig lasse, was den Namen des Evangeliums verdiene? Daß das Gesetz, von dem Augen­blicke seiner Erscheinung bis zur Ankunft Christi ein Zuchtmeister der Juden war, sagt uns der Apostel in seinem Briefe an die Galater. Daß bei gesetzmäßigem Gebrauche das Gesetz gut ist, versichert uns der-;

selbe Apostel in seiner ersten Epistel an Timotheus (Kap. 1. 7—9); in­dem er hinzufügt, daß das Gesetz nicht für den Gerechten sei. Daß das Gesetz ihn getötet habe, meldet uns Paulus in dem 7. Kapitel der Epistel an die Römer; und daß endlich das Ge­setz, weit entfernt, ein ergänzender Teil des Evangeliums zu sein, in dem Zeiträume zwischen der dem Abraham gegebenen Verheißung und ihrer in der Person eines getöteten und auferstandenen Christus ge­schehenen Erfüllung entstanden sei, verkündet uns dieser Apostel in dem 3. Kapitel der Epistel an die Galater. Aber die Behauptung, daß das Gesetz einen notwendigen Teil des Evangeliums bilde, ist ebenso ungereimt, als wenn man behaupten wolle, daß der Fluch, der Zorn, der Tod und die Verdammnis notwendige Teile der Segnung, der Gnade, des Lebens und der Gerechtigkeit seien. Möge der Herr die Seelen von dem traurigen Einflusse der Unterweisungen derer befreien, „welche Gesetzlehrer sein wollen und nicht verstehen, weder was sie sagen, noch worüber sie etwas behaupten" (1. Tim. 1. 8).

Welch ein Glück für die sittlich versunkene Samariterin, daß der Herr für sie etwas anderes hatte, als die Donnerschläge des Gesetzes?

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 Er konnte mit ihr von einer „Gabe" reden; und gewiß, was streng ge­fordert wird, kann nicht ein notwendiger und ein ergänzender Teil einer Gabe sein. „Die Gabe Gottes ist das ewige Leben," und zwar nicht erlangt durch das Gesetz, sondern durch „unsem Herrn Jesum Christum." Zudem hat das Gesetz nie das ewige Leben in den Him­meln in Aussicht gestellt, sondern nur von einem „fortbestehenden Leben auf der Erde" gesprochen; aber das Evangelium, bietet uns schon hienieden ein ewiges Leben und hernach eine ewige Herrlichkeit im Himmel an. Dieses sind also zwei ganz verschiedene Systeme und nicht etwa zwei Teile eines und desselben Systems. „Wenn du kanntest die Gabe Gottes (d. h. Christum Jesum Selbst), du würdest Ihn gebeten haben, und Er hätte dir lebendiges Wasser (d. h. den Heiligen Geist) gegeben." So gab es also unter dem Gesetz nur Forderungen, Ver­bote und Flüche, während unter dem Evangelium alles Gabe, Gnade und Segen ist.

Und woher kam dieser Unterschied? Der Gesetzgeber war herab­gestiegen von dem Gipfel des mit Feuer brennenden Berges. Er hatte Seine Donnerschläge verstummen lassen und Sich in unsere Menschheit gehüllt. Und in dieser Weise herabgestiegen und in dieses Kleid ge­hüllt, sitzt Er müde und durstig an dem Brunnen bei Sichar und bittet, wiewohl Er Seine Hand nach allen Schätzen des Weltalls auszustrek­ken vermochte, eine elende Sünderin um einen Trunk Wasser. Wie, mein Leser, wirst du angesichts dieser rührenden Szene sagen können:

„Wenn Ihr das Gesetz von dem Evangelium trennt, so bleibt nichts übrig, was des Namens des Evangeliums würdig wäre?" Was würdest du denken von einem Menschen, der sich zu behaupten erkühnte, daß, wenn man das sechste Gebot von dem 4. Kapitel des Evangeliums Jo­hannes trenne, nichts übrig bliebe, was den Namen eines Evangeliums verdiene? Bilden denn die Donner des Berges Sinai einen ergänzen­den Teil jener Herrlichkeit, die am Brunnen bei Sichar in unsere Augen strahlt? Wahrlich, beklagenswert ist der, welcher solche Gedanken be­sitzen und nähren kann!

Ohne Zweifel wird den Leser bei fernerer Betrachtung der be­merkenswerten Szene am Brunnen bei Sichar das unablässige Fragen des Weibes in Erstaunen setzen. Kaum hat sie eine Antwort erhalten, so schwebt schon wieder eine neue Frage auf ihren Lippen. Auf ihr erstes „Wie?" hat der Herr geantwortet, indem Er mit ihr über die „Gabe Gottes" sprach; aber eben diese Antwort wird für sie ein Be­weggrund zu einer anderen Frage. „Herr !" sagt sie, „Du hast kein. Schöpfgefäß und der Brunnen ist tief, woher hast Du denn das lebendige Wasser?"

Armes Weib! Wie wenig kennst du noch Den, der mit dir redet! — In der Tat, der Brunnen mochte tief sein; allein tiefer noch waren die Bedürfnisse ihrer Seele; und selbst tiefer noch, als diese Bedürfnisse, war die Gnade, welche Christus aus den Himmeln hatte herabsteigen lassen, um denselben zu begegnen. Allein sie kannte Ihn so wenig, daß sie sagen konnte: „Bist Du größer, als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gab? Und er selbst trank aus dem­selben, und seine Söhne und sein Vieh." — Sie wußte nicht, daß sie sich wandte an den Gott Jakobs, an Den, der Jakob geschaffen und ihm alles, was er sein Eigentum nennen konnte, gegeben hatte.

Von diesem allen verstand sie nichts. Ihre Augen waren noch geschlos­sen; und das ist der Schlüssel ihrer wunderlichen Fragen.

Und so ist es noch immer. Überall, wo man Menschen findet, welche Fragen aufwerfen, kann man mit Sicherheit schließen, daß ihre Augen noch nicht geöffnet sind. Der Rationalist, der Zweifler, der Ungläubige — alle sind Blinde; und eben dieses ist es, was sie nötigt, Fragen zu stellen, Einwendungen zu machen und Zweifel zu hegen. Sie mögen sehr kenntnisreich sein; aber nichtsdestoweniger ist man erstaunt, bis­weilen zu hören, welch törichte Fragen sie hervorzubringen im Stande sind. Ein Kind an geistlichem Verständnis hätte oft Ursache, über die Einwendungen zu lächeln, welche von ergrauten ungläubigen Gelehr­ten erhoben werden.

Indes waren bei der Samariterin diese Fragen nicht so sehr die Wirkung eines vermessenen Unglaubens, als vielmehr eine Folge der natürlichen Blindheit und Unwissenheit. Auch der Herr hört sie mit Geduld an. Bei gewissen Gelegenheiten wußte Er wohl einen schwatz­haften oder neugierigen Frager zum Schweigen zu bringen und abzu­weisen; aber in anderen Fällen konnte Er, voll von erbarmender Her­ablassung und mit einer vollkommenen Geduld, den armen und unwissenden Präger" anhören und zwar in der Absicht, um seine Fragen zu beantworten, seine Zweifel zu lösen und seine Furcht zu zerstreuen.

So geschah es am Brunnen bei Sichar. Der Heiland hatte beschlos­sen, diesem unglücklichen, strafbaren Weibe Sich zu erkennen zu ge­ben; und deshalb erträgt Er sie und folgt ihr in allen ihren Fragen. Er vernichtet nach und nach alle ihre Einwendungen und verläßt sie nicht, bevor Er sie vollkommen überführt und ihre Seele durch die Offen­barung Seiner Selbst befriedigt hat. Sie dachte an die Tiefe des Brun­nens und fragte mit Erstaunen, ob Der, welcher mit ihr redete, größer sei, als ihr Vater Jakob. Sie vermochte nicht zu begreifen, wie Er Sich dieses Wasser, wovon Er sprach, verschaffen könnte. „Jesus ant­wortete und sprach zu ihr: Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wiederum dürste n." — Wie tief der Brunnen auch sein mochte, so enthielt er doch im Vergleich mit dem Durste, den er stillen sollte, nur wenig Wasser. Die tiefsten und was­serreichsten Brunnen der Erde mögen erforscht und ausgeschöpft wer­den; und dennoch bleibt der Durst der Seele ungestillt. Die Worte, die durch die Hand Jesu gleichsam als eine Inschrift in. das steinerne Ge­rüst der Quelle bei Sichar gegraben wurden, können über alle Quellen dieser armen und vergänglichen Welt geschrieben werden; denn von allem wird es heißen: „Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wiederum dürsten." Der reiche, in Purpur gekleidete Mann im Evangelium Lukas hatte zum Überfluß getrunken aus den Quellen dieser Welt; und dennoch dürstete er wiederum. Ja, als er in dem Hades seine Augen aufschlug und sich in den Qualen befand, da flehte er vergebens um einen einzigen Tropfen Wassers, um seine aus­gedörrte Zunge zu kühlen. Ach! nicht einen einzigen Wassertropfen gibt es in den Qualen der Hölle! Welch ein ernster Gedanke! Ernst für Alle; aber entsetzlich ernst für Jene, welche der Üppigkeit und den Vergnügungen folgen und ihre Zeit damit verschwenden, daß sie von einer Quelle in dieser Welt zur anderen rennen, ohne an die Ewigkeit des brennenden Durstes in dem Feuersee zu denken. Möge Gott durch Seinen Geist diesen Unglücklichen in den Weg treten und sie zu Christo führen, welcher jenes lebendige Wasser gibt, nach dessen Genüsse nie­mand wieder dürsten wird.

Welch einen Trost erhalten die Worte: ., Jeder, der von dem Wasser trinkt, welches ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit, sondern das Wasser, welches ich ihm geben werde, wird in ihm ein Quell Wassers werden, welches in das ewige Leben quillt." Das ist es, was die Bedürfnisse einer Seele stillt und befriedigt und sie besitzt in sich eine Quelle lebendigen Wassers, welches, stets frisch und fortwährend fließend, beständig nach oben zu ihrer Urquelle zu­rücksprudelt; denn die Fluten suchen immer den Höhepunkt ihrer Quelle. Unser Herr will hier vom Heiligen Geiste reden, welcher in jedem Gläubigen wohnt, und welcher das mächtige Mittel der Gemein­schaft mit dem Vater und Seinem Sohne Jesus Christus ist. In Joh. 3, 5 wird der Heilige Geist als Der betrachtet, welcher das Leben wirkt, während Er in Kapitel 4, 14 als die Kraft der Gemein­schaft, und in Kap. 7, als die Kraft des Dienstes dargestellt wird. Durch den Heiligen Geist ist die Seele wiedergeboren; durch Ihn sind -wir fähig gemacht, mit Gott Gemeinschaft zu haben und darin zu bleiben; und durch Ihn werden wir zu Segens-Kanälen für Andere. Die Quelle von diesem allen ist der Heilige Geist, der uns durch ein ewiges Band mit Christo, dem Haupte der neuen Schöpfung vereinigt, in welchem und durch welchen wir alle die Segnungen und alle die Vor­rechte genießen, womit Er, um uns zu bereichern, von dem Vater über­schüttet ist.

Dieses alles finden wir in unserer Erzählung. „Das Weib spricht zu Ihm: Herr! gib mir dieses Wasser, damit ich nicht dürste und nicht hierher komme, um zu schöpfen." Sie ist noch immer in Finsternis. Ihr Herz scheint noch nicht getroffen zu sein. Ihre Augen sind geschlossen; ihr Verstand ist verfinstert. Der Heiland der Sünder stand vor ihr; aber sie erkannte Ihn nicht. Er ließ sie Worte der Gnade hören; aber sie begriff sie nicht. Er hatte sie um einen Trunk Wasser gebeten: aber sie antwortete Ihm durch ein „Wie?" Er hatte mit ihr von der Gnade Gottes geredet;

sie aber ließ ein „W o h e r ?" -vernehmen. Er hatte sie von- ferne in eine Quelle blicken lassen, allein sie sah darin nur den Vorteil, der Mühe des Wasserschöpfens überhoben zu sein. Was bleibt in Betreff ihrer noch zu tun übrig? Einzig und allein dieses: „Gehe hin, rufe dei­nen Mann, und komm hierher!"

In der Tat, diese Aufforderung gab den Gedanken dieses unglück­lichen Weibes eine ganz andere Richtung. Unser Herr ist,' so zu sagen, gezwungen, einen Pfeil aus seinem Köcher zu nehmen und denselben direkt in das Gewissen der Samariterin zu schleudern. Nachdem sie ge­sagt hatte: „Gib mir dieses Wasser!" — antwortete ihr der Herr mit den Worten: „Gehe hin, rufe deinen Mann!" — was so viel heißen sollte, als: „Wenn du dieses Wasser begehrst, wovon ich zu dir geredet habe, so kannst du es nur empfangen als eine arme Sünderin mit einem durch das Gefühl deiner Unwürdigkeit gebrochenen Herzen." Wie wunder-

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 bar! Wer vermöchte die ganze Tiefe dieser beiden Worte: „Geh" und „komm!"^ in dem Munde des Herrn zu ergründen? Sie sollte nicht nur gehen und ihren Mann rufen, sondern auch, gerade so wie sie war, zu Christo zurückkommen. Das war für sie das Mittel, um das lebendige Wasser zu erhalten. Das Wort: „Geh, rufe deinen Mann!" wart einen Strahl der Wahrheit auf das Gewissen des Weibes, und zwar zu dem Zwecke, um ihren wirklichen moralischen Zustand zu offenbaren, während jenes: „Komm hierher!" die gesegnete Gnade ausdrückte, die ein solch elendes Geschöpf, gerade so wie es war, zu sich einzuladen vermochte, um das lebendige Wasser als eine freiwillige Gabe Seiner Hand zu empfangen.

Jeder Leser wird selbst bei der geringsten Aufmerksamkeit die mächtige Wirkung wahrnehmen, die der scharfe Stachel der Überfüh­rung in dem Gewissen des Weibes hervorbrachte. Jetzt zum ersten Male sagte sie: „Herr! ich sehe." Das war schon viel für sie; ihre Augen begannen sich zu öffnen; sie sah etwas. Sie begriff, daß sie sich in der Gegenwart eines geheimnisvollen Menschen befand, den sie für einen Propheten hielt. Wie mit Gewalt dringen mitten durch ihr Ge­wissen die ersten Strahlen des göttlichen Lichts' in ihr ganzes morali­sches Wesen. Sie entdeckt, daß Der, welcher sie um einen Trunk Wasser gebeten hatte, in Betreff ihrer alles wußte und dennoch aber Seine-Bitte an sie gerichtet, Sich mit ihr unterhalten und keineswegs verach­tet hatte. Gerade hier war der enscbeidende Moment in ihrem geistli­chen Leben.

Hast du, mein Leser, je einen ähnlichen Augenblick durch Erfah­rung kennen gelernt? Hat sich dein Gewissen wirklich einmal in der Gegenwart dieses, alles offenbar machenden Lichtes befunden? Hast du dich je als ein armer Sünder betrachtet, der, schuldig, verloren und ohne Christum, die Hölle verdiente? Ist jener Pfeil auch in dein Ge­wissen gedrungen? Wahrlich, der Herr hat Pfeile von verschiedener Art in Seinem Köcher. Er besaß einen Pfeil für den Menschen von den Pharisäern, und einen Pfeil für das Weib von Sichar. Es waren ver­schiedene Pfeile, aber jeder derselben erfüllte seine Aufgabe. „W e r d i e Wahrheit tut, kommt zu dem Licht," — das war der Pfeil für den Menschen von den Pharisäern. „G ehe hin, rufe deinen M a n n \" — das war der Pfeil für das Weib von Sichar. Sie sind in der Tat ganz verschieden, aber jeder derselben hat sein Werk zu ver­richten. Das Gewissen muß getroffen werden. Die Frage der Sünde und der Gerechtigkeit muß in der Gegenwart Gottes gelöst sein. Wohlan, mein Leser, ist dein Gewissen getroffen worden? Ist diese große und äußerst wichtige Frage zwischen deiner Seele und Gott in Ordnung ge­bracht? Wenn es so ist, dann wirst du im Stande sein, den, noch übrigen Teil dieser anziehenden Erzählung zu verstehen.

Angelangt an diesem Punkte unseres Gegenstandes, vermögen wir in der Geschichte der Samariterin drei Dinge wahrzunehmen. Wir er­blicken 1. einen geoffenbarten SündeY, 2. einen geoffenbarten Erretter und 3. einen zum Dienst geweihten Heiligen. Die Worte: „Gehe hin, rufe deinen Mann!" offenbaren die Sünderin. Aber haben wir nicht öfters bemerkt, daß, wenn das Gewissen eines Sünders wegen seiner Sünden und der Rechtsansprüche Gottes erwacht ist, er eine starke Neigung zeigt, sich mit Fragen bezüglich der Weise und des

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 Ortes des Gottesdienstes zu beschäftigen? Ist dieses nicht bei vielen unter uns der Fall gewesen? Es gibt in der Tat Wenige, welche, wie man es zu nennen pflegt, die ersten Grade religiösen Lebens durch­laufen haben, ohne daß ihr Herz mehr oder weniger durch die wett­eiternden Ansprüche verschiedener Kirchengemeinschaften oder Be­nennungen beunruhigt worden ist. Wo soll ich Gott anbeten? Welcher Benennung soll ich mich anschließen? In welcher Kirchengemeinschaft soll ich mich aufnehmen lassen? Welche von ihnen ist am meisten der Schrift gemäß? Genug, da gibt es der Fragen in Menge, die viele un­ter uns ernstlich prüfen, zu müssen glaubten, und zwar so lange vor der Zeit, ehe unsere Seelen in dem Glauben an einen geoffenbarten Heiland Ruhe gefunden hatten. Ebenso war es bei dem Weibe von Sichar. Kaum hatte sie dem Worte: „Ich sehe!" freien Lauf gelassen, als sie auch schon über den Ort der Anbetung eine Unterhaltung anknüpfte, indem sie sagte: „Unsere Väter haben auf diesem Berge ange­betet, und ihr sagt, zu Jerusalem sei der Ort, wo man anbeten soll". — Die einen beten hier, die anderen dort an; wo sollen denn wir anbeten?

Ohne im geringsten der Welt das Interesse solcher Fragen streitig machen zu wollen, behaupten wir hier nichtsdestoweniger sehr be­stimmt, daß es Fragen sind, mit denen sich ein Sünder, der sich als solcher erkannt hat oder überführt ist, nicht beschäftigen soll. Für einen solchen Menschen ist das eine, was alles andere verschwinden läßt, notwendig, daß er gefunden sei in der Gegenwart eines geoffen­barten Erretters. Ja, wir wiederholen in der feierlichsten Weise, daß aufgewachte Sünder nicht eines Anbetungsortes, nicht einer Sekte, einer Kirche oder einer Benennung bedarf, sondern eines geoffenbarten Er­retters, Möge in der Seele der Gedanke ernstlich erwogen, wohl ver­standen und sorgfältig bewahrt werden, daß ein überführter Sünder nimmer ein zum Dienst geweihter Heiliger werden kann, bevor er glücklich seinen Platz zu den Füßen eines geoffenbarten Heilandes gefunden hat!

Dieser Punkt ist von der äußersten Wichtigkeit. Man hat oft sehr übel an den Seelen gehandelt; man hat die wahren Interessen des prak­tischen Christentums bloßgestellt, indem man diese Seelen mit den Kirchen und deren Benennungen beschäftigte, anstatt mit ihnen von Gott dem Heilande zu reden. Wer sich, bevor er Christum gefunden, irgend einem Bekenntnis anschließt, setzt sich der großen. Gefahr aus, dasselbe als Leiter zu gebrauchen, um darauf zu Christo hinzugelangen, während solche Leitern nur zu oft dazu dienen, um von Christo abzu­führen. Wir bedürfen keiner Leiter, um zu Christo zu gelangen; denn Er hat Sich uns so sehr genähert, daß dadurch jedes derartige Mittel nutzlos geworden ist. Die ehebrecherische Samariterin bedurfte nichts dergleichen. Der Herr, wiewohl sie Ihn nicht erkannte, stand vor ihr und war bemüht, sie aus allen Schlupfwinkeln, in denen sie Schutz suchte, zu vertreiben, damit sie sich als eine große Sünderin, und Ihn als einen großen Erretter erkannte, der aus vollkommener Gnade vom Himmel gekommen, um sie nicht allein von der Schuld und den Fol­gen der Sünde zu retten. Was konnte ihr jener „Berg", was konnte ihr „Jerusalem" nützen? War es nicht augenscheinlich, daß eine Vor- und

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 Hauptfrage ihre Aufmerksamkeit ernstlich fesselte, die dahin lautete:

„Wie werde ich errettet von meinen Sünden?" Konnte sie ihren Mann rufen und sich dann auf den Berg Samariens oder in den Tempel Je­rusalems begeben? Welche Erleichterung vermochten diese Orte ihrem geängstigten Herzen oder ihrem beladenen Gewissen zu bringen? Konnte sie dort das Heil finden? Konnte sie dort den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten? War es nicht klar, daß sie, bevor sie an irgend einem Orte anbeten konnte, des Heils bedurfte?

Eine vollständige und treue Antwort auf alle Fragen ist uns in den Worten des Herrn gegeben: „Weib, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf  diesem Berge, noch zu Jeru­salem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht wisset; wir beten an, was wir wissen; denn das Heil ist aus den Juden. Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, wo die wahrhaftigen Anbeter den Va­ter in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn der Vater sucht auch Solche, die Ihn anbeten. Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn in Geist und Wahrheit anbeten."

In dieser Weise zeigte also der Herr dem Weibe klar, daß sie nicht nur eine Sünderin, sondern auch, daß es nutzlos sei, ihren Geist mit Fragen bezüglich der Orte der Anbetung zu beschäftigen. Sie" bedurfte des Heils; und dieses Heil konnte sie nur in der Erkenntnis Gottes finden, der als Vater geoffenbart war in dem Angesicht Jesu Christi. Dieses ist das Fundament aller wahren und geistlichen Anbetung. Um den Vater anzubeten, muß man Ihn erkennen, und Ihn erkennen, ist das ewige Leben.

Hier, mein christlicher Leser, können wir von dem Brunnen bei Sichar eine heilige und nützliche Lehre, in Betreff der richtigen Be­handlungsweise mit beunruhigten Seelen, mit uns auf den Weg neh­men. Begegnen wir einer solchen Seele, so laßt uns sie nicht beschäf­tigen mit Fragen über Sekten und Parteien, über Kirchen und Benen­nungen, über Glaubensbekenntnisse und Konfessionen. Es ist in der Tat grausam, also zu handeln. Diese Seelen bedürfen des Heils, sie be­dürfen der Erkenntnis Gottes, sie bedürfen Christi. Richten wir ihre Aufmerksamkeit nur auf diese eine Sache, und nötigen wir sie, sich nicht zu zerstreuen, bis sie den Herrn gefunden haben. Die Kirchen­fragen haben ihren Platz, ihre Wichtigkeit und ihr Interesse; aber es ist augenscheinlich, daß sie den Seelen nichts nützen, die wegen ihrer Sünden in Unruhe sind. Ich fürchte, daß Tausende verhindert worden sind, tief zu graben und alle ihre Hoffnungen auf den Felsen zu gründen, weil man sie unkluger Weise mit kirchlichen Fragen in dem Augenblicke beschäftigt hat, wo ihre Augen, um zu sehen, kaum ge­öffnet waren, und sie noch nicht ausrufen konnten: „Jesus hat mich geliebt." Ach, so viele sind so geneigt, die Reihen ihrer Partei zu ver­größern, daß dieses sie oft der Gefahr aussetzt, mehr daran zu denken, die Menschen zum Anschlüsse an sie zu bewegen, als sie einfach und direkt zu Christo zu führen. Dieses Übel muß gerichtet werden. Denken wir über das Beispiel nach, welches uns der Herr in Seiner Handlungs­weise gegenüber dem Weibe von Sichar vor Augen stellt; und laßt uns

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 nie die Torheit begehen, teuer erkaufte Seelen durch unzeitige Unter­suchungen über die verschiedenen Orte der Anbetung von dem Grunde, dem Gegenstand und dem Geiste dieser Anbetung abzulenken.

Richten wir jetzt unsere Blicke auf den glücklichen Erfolg dieser weisen und vorsichtigen Handlungsweise des Herrn. Das Weib findet sich jetzt wie eingeschlossen in eine einzige Sache. Jetzt ist sie bereit, einen geoffenbarten Erretter zu empfangen. „Ich weiß," sagt sie, „daß Messias kommt, der Christus genannt ist. Wenn Er gekommen ist, wird Er uns alles kund tun." Mit ihren Einwendungen und Fragen hat es, wie es scheint, ein Ende genommen. Ihre Fragen: „Wie? Woher? Wo?" hatte Er ihr beantwortet. Was bleibt ihr jetzt noch zu wünschen übrig? Sie bedurfte eines Christus und sie hatte Ihn. „Ich bin's, der ich zu dir rede." — sagt der Herr;

und das ist genug. Alles ist jetzt beendet, seit sie ihr alles in Christo gefunden hat. Es ist weder ein „Berg" noch ein „Tempel", weder „Samaria noch Jerusalem", dessen sie bedarf. Sie hat Jesum, den Messias, den Heiland Gott gefunden. Eine überführte Sünderin und ein geoffen­barter Heiland stehen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber; und alles ist ein für alle Mal in Ordnung gebracht. Sie hatte die wunder­bare Tatsache entdeckt, daß Der, welcher sie um einen Trunk Wasser gebeten hatte, alle ihre Umstände kannte, daß Er ihr alles zu sagen vermochte, was sie getan hatte, und dem ungeachtet mit ihr von dem Heil redete. Was bedurfte sie weiter? Nichts. „Das Weib aber ließ ihren Wasserkrug stehen und ging weg nach der Stadt und sagte zu den Leuten: Kommt, sehet einen Men­schen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe;

ist Dieser nicht der Christus?"

Hier finden wir eine zum Dienst geweihte Heilige. Das Werk war vollkommen. Wie konnte es auch anders sein? War es doch die Hand des Herrn, die es ausgeführt hatte. Er hatte das Gewissen der Sama­riterin bis in seine geheimsten Tiefen auf die Probe gestellt und den Zustand ihrer Seele vor ihren eigenen Augen aufgedeckt; Er hatte sie bis in alle geheimsten Winkel und falschen Zufluchtsorte verfolgt und sie herausgetrieben; Er hatte ihr den nutzlosen Betrug, sich mit den Orten der Anbetung zu beschäftigen, vor Augen gestellt und. sie füh­len lassen, daß außer Christo nichts ihre Bedürfnisse zu befriedigen vermöchte; und endlich hatte Er Sich ihr geoffenbart, hatte vollen Be­sitz von ihrer Seele genommen und sie durch eine gesegnete Erfahrung . die ganze Umwandlungskraft genießen lassen, deren eine neue Zunei­gung mächtig ist. Als ein elendes Weib, als eine herabgewürdigte Ehe­brecherin hatte sie am Morgen Sichar verlassen; und als eine losge­kaufte, glückliche Heilige, als eine dem Herrn geweihte Magd trat sie wieder hinein. Sie ließ den Krug stehen und kehrte zurück zu dem Schauplatze ihrer Verbrechen und ihrer Schmach, um denselben in den Schauplatz ihres glänzenden und entschiedenen Zeugnisses für Chri­stum umzuwandeln. „K o m m t", ruft sie, „sehet einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan hab e." Welch ein herrliches Zeugnis! Welch eine herrliche Einladung!

0 mein christlicher Leser! Möchte es doch stets auch unser Haupt­ziel sein, die Sünder zu Jesu einzuladen! Mit welchem Eifer unter -

54

 nimmt es dieses Weib! Kaum hat sie für sich selbst den Herrn gefun­den, so schreitet sie auch schon zu dem geeigneten Werke, Andere zu den Füßen des Heilandes zu fuhren. Laßt uns hingehen und dasselbe tun! Trachten wir, wie der Apostel uns ermahnt, durch Wort und Wan­del Seelen in großer Zahl um den, Sohn Gottes zu sammeln! Ohne Zweifel werden sich viele unter uns wegen ihrer Lauheit in diesem vortrefflichen Werke zu richten haben. Wir sehen große Hauten dahin­eilen auf dem breiten, geräumigen Wege, der ins ewige Verderben hinabführt; und dennoch, wie wenig bewegt uns dieser Anblick! Wie träge und langsam sind wir, das so wahre und für ihren Zustand so geeignete Wort „Kommt"! an ihre Ohren gelangen zu lassen! 0 hätten wir doch mehr Eifer, mehr Kraft, mehr Inbrunst! Möge der Herr uns hinsichtlich des Wertes unsterblicher Seelen, so wie hinsichtlich des unendlichen Preises Christi und der ernsten und furchtbaren Wirklich­keit der Ewigkeit ein so tiefes Gefühl schenken, daß es uns antreibe, mit mehr Ausdauer und mit größerer Treue auf die Seelen unseres Gleichen zu wirken!


Botschafter des Heils in Christo 1865

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Inhaltsverzeichnis: Botschafter des Heils in Christo 1865 Seite
Elia, der Tisbiter ( 1. Könige 17-22; 2. Könige 1-2) 5
„Der Sohn des Menschen ist gekommen,
zu suchen und zu erretten, was verloren ist." 107 108
Des Pilgers Trost 116 116
„Was seid ihr bestürzt?" 122 122
„Hast du noch jemand hier?" 124 124
Vollkommene Erlösung 126 126
„Fünf Worte." 139 139
Gedanken 141 141
Über das Erkennen des Willens Gottes 142 142
„Christus wohne in euren Herzen" 148 148
Paulus und Felix 149 149
'Der Vogel kennt seine bestimmte Zeit.' 153 153
„Sinnet nicht auf hohe Dinge!" 155 155
„Ich kenne die Meinen
und bin gekannt von den Meinen."
Gedanken über Johannes 11 159 159
Enthaltsamkeit 178 178
Der lebendige Vogel 185 185
Die unabhängige Gnade Gottes 191 191
Jesus am Schatzkasten 202 202
Der Brunnen zu Bethlehem 206 206
Betrachtungen über die zweite Ankunft des Herrn
I. 1. Thessalonicher 1 208
II. Epheser 1 221


Des Pilgers Trost 

5.Mose 8,2 - 4 
Das achte Kapitel des 5.Buches Mose enthält herrliche, trostreiche und ernste Lehren. Gott redet hier durch den Mund Seines Knechtes Moses zu Seinem Volk, welches nach einer 
vierzigjährigen Wanderung im Begriff steht, das verheißene Land in Besitz zu nehmen. Er richtet den Blick dieser Pilger 
der Wüste auf den zurückgelegten Weg und erinnert sie an alle 
Ereignisse jener Zeit und an die nie fehlende Hilfe und unablässige Treue Gottes. Hauptsächlich aber werden uns hier zwei 
Dinge vor Augen gestellt: Erstens der Grund, warum Gott uns 
in die besonderen Umstände geführt hat und zweitens Seine 
Hilfe und Sorgfalt für uns, während wir mit dem Blick auf die 
Herrlichkeit durch die Wüste pilgern. 
1. Im zweiten Vers des vorliegenden Kapitels lesen wir: „Und 
du sollst gedenken des ganzen Weges, den Jehova, dein Gott, 
dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um 
dich zu demütigen, um dich zu versuchen, um zu erkennen, 
was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote beobachten 
würdest oder nicht." - Hier wird uns Aufschluß gegeben über 
die Absicht Gottes bei den Umständen, die uns begegnen. Sie 
sind in Seiner Hand das Mittel, wodurch Er alles das, was in 
unseren Herzen verborgen ist, offenbar machen und vor 
unseren Augen ins Licht stellen will. Mögen wir uns in traurigen oder glücklichen Lagen befinden, mögen Schwierigkeiten und Mühsale unsere Schritte hemmen oder Stunden kurzer 
Ruhe an uns vorüberziehen, mag die Wut der Verfolgung ihr 
Haupt erheben oder der ungestörte Genuß der uns geschenkten 
Vorrechte uns vergönnt sein - alle diese Umstände offenbaren, 
in welchem Zustand unsere Herzen sich befinden. 
Das zeigt uns die Geschichte der durch die Wüste wandernden 
Kinder Israel in auffälliger Weise. Nur wenige Tage nach dem 
Auszug aus Ägypten bot schon der Mangel an Fleisch die Gelegenheit zu offenbaren, daß ihr Herz mehr durch die Schätze 
116 
Ägyptens als durch die Gegenwart des Herrn angezogen wurde. 
„Wären wir doch im Lande Ägypten durch die Hand Jehovas 
gestorben" (2.Mo 16,3), sprachen sie. Ebenso stellte die vierzigtägige Abwesenheit Moses auf dem Berg ins Licht, wie sehr 
sie durch den ägyptischen Götzendienst verunreinigt waren, 
denn das längere Verweilen des Knechtes Gottes auf dem Berg 
wurde zum Prüfstein für das Verhalten Israels. Genauso zeigte 
der eingetretene Mangel an Wasser klar und bestimmt, daß das 
Herz dieses Volkes angesichts der geringsten Unannehmlichkeit 
zum Murren und zur Empörung neigte. Und eben dieses Murren wurde selbst für Moses, dessen Handlungen in vielen anderen Umständen die größte Sanftmut, den stärksten Glauben und 
unerschütterliches Gottvertrauen offenbarten, ein geeignetes 
Mittel, um das Verborgene seines Herzens zu erkennen. Wenn 
wir schließlich noch daran erinnern, wie es nur des Berichtes 
der Kundschafter bedurfte, um das Mißtrauen Israels gegen die 
Macht Gottes wachzurufen, so belehren uns diese einzelnen 
Beispiele schon zur Genüge, daß Gott Sich all dieser äußeren 
Umstände bediente, um den Zustand der Herzen zu offenbaren. 
Und so ist es noch immer. Werden wir durch Trübsal, Leiden 
und Schwierigkeiten heimgesucht, so sind diese Umstände die 
von Gott gewählten Mittel, uns durch das Offenbarwerden 
unserer Herzen zur Selbsterkenntnis zu führen, damit wir uns 
vor Gott demütigen und, vom Bösen gereinigt, mehr und mehr 
fähig werden, Ihn zu verherrlichen. Alles, was uns begegnet, 
hat diesen gesegneten Zweck. Die uns treffenden Umstände 
werden entweder offenbaren, daß unser Herz befestigt ist und 
sich in der Nachfolge Jesu befindet, oder daß verkehrte Grundsätze in uns tätig sind. Wenn jemand mit Armut und Dürftigkeit zu kämpfen hat, so wird sich bald zeigen, ob sein 
ganzes Vertrauen auf den Herrn gerichtet und sein Herz darum 
von Frieden und Trost erfüllt ist, oder ob er ängstlich besorgt 
ist und voll Unzufriedenheit über sein Verhängnis murrt und in 
Klagen ausbricht. Ist jemand beleidigt worden, so wird bald 
offenbar, ob er, sanftmütig wie Jesus, für seinen Beleidiger 
beten kann, oder ob gekränkte Eitelkeit, verletzter Stolz, oder 
sogar Zorn und Rache seine Handlungen leiten. 
117 
Es ist sehr wichtig, das ernstlich zu erwägen. Wir sind so sehr 
geneigt, bei den Umständen zu verweilen, ohne Gott darin zu 
sehen; besonders aber sind wir bemüht, die Hand Gottes dann 
völlig auszuschließen, wenn wir durch andere Menschen ohne 
unsere Schuld in unangenehme Umstände gekommen sind. 
Aber leider lehnt sich in solchem Fall das Herz auf, und man 
verkennt die Absicht Gottes, wenn man nicht glaubt, daß Er 
Selbst die verkehrten Handlungen der Menschen zuläßt, um 
unser Wachstum zu fördern! Dennoch aber ist es so, und darin 
liegt für uns ein sicherer Trost. Wenn unser Herz den gesegneten Zweck der uns begegnenden Umstände erfaßt hat, so 
gewinnen die Leiden, die Kämpfe und alle Schwierigkeiten eine 
ganz neue Bedeutung, und wir haben dann das glückliche 
Bewußtsein, daß alle Dinge für uns zum Guten mitwirken (Röm 
8,28). Vergessen wir also nicht, daß Gott es ist, der die für uns 
passenden Umstände bewirkt oder zuläßt, um uns zu segnen 
und zu erziehen. Wenn wir das nicht beachten, wird unser Herz 
unruhig und unglücklich, und wir sind dann auch unfähig, Seine 
Stimme zu vernehmen und von Ihm zu lernen. Wir sind Seine 
Kinder, und kein Haar fällt von unserem Haupt ohne Seinen 
Willen. Unser Glück ist Sein Wunsch, unser Wachstum Sein 
Zweck. Beachten wir daher Seine Worte, wenn Er sagt, daß all 
dieses geschieht, „um zu erkennen, was in deinem Herzen ist". 
2. Das ist jedoch nicht alles. Wir bedürfen nicht nur das Offenbarwerden unseres Herzenszustandes, sondern auch die Hilfe 
und den Trost Gottes, um unsere Wanderung durch eine öde, 
dürre Wüste mit Ausharren und Standhaftigkeit vollenden zu 
können. Welch ein herrliches Vorbild liefert uns in dieser 
Beziehung das nach Kanaan pilgernde Israel! Vierzig Jahre 
hindurch war das große israelitische Heer in einer Wüste umhergezogen, die weder Brot noch Wasser, weder Kleider noch 
Schuhe bot, wo vielmehr die alles versengenden Strahlen der 
Sonne den Sand des Bodens fast unerträglich erhitzten und kein 
schattenspendender Baum zur Ruhe und Erquickung einlud. Es 
gab sogar ganze Scharen wilder Kriegsvölker, die in ihren 
Verstecken lauerten oder mit Wutgeschrei hervorstürmten, um 
dem wandernden Volk den Durchzug streitig zu machen. Den118 
noch konnte nach Ablauf dieser vierzig Jahre der Herr sagen: 
„Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht 
geschwollen diese vierzig Jahre" (V. 4). Er möchte gleichsam 
fragen: 'Hat euch in den vierzig Jahren je etwas gemangelt?' 
Welch eine herrliche Offenbarung der Liebe Gottes! Trotz all 
ihrer Untreue, ihres Murrens, ihres Unglaubens und ihres 
Götzendienstes war Er in Seiner Treue unverändert Derselbe 
geblieben. An jedem Morgen hatte das Manna den Boden 
bedeckt, an jedem Tage war Wasser in Überfluß aus dem 
Felsen hervorgesprudelt. Ihre Kleider waren nicht zerfallen 
und ihre Füße nicht geschwollen während dieser vierzig Jahre. 
„Mangelte euch wohl etwas?" Wohl mag Israel bei dieser 
Frage beschämt auf jene Zeit zurückgeblickt haben, wohl mag 
diesem halsstarrigen Volk das Bewußtsein seiner Untreue 
lebendig vor die Seele getreten sein; nichtsdestoweniger aber 
wird ihr Herz sich gefreut haben bei der Erinnerung an die 
unwandelbare Treue Gottes. Nicht einen einzigen Augenblick 
hatte Er sie vergessen. 
Welch ein Gott! Und dieser Gott ist auch unser Gott! Er, der 
diese Worte einst zu Israel redete, wird sie am Ende unserer 
Pilgerreise auch an uns richten. Im Blick auf den zurückgelegten Weg, auf Seine Führung und Leitung, und bei der 
völligen Erkenntnis Seiner anbetungswürdigen Liebe werden 
wir auf die an uns gerichtete Frage: „Mangelte euch wohl 
etwas?" (Lk 22,35), die freudige Antwort geben: 'Nein, Herr, 
nichts!' - Dann werden wir erkennen, wie Er jeden Umstand 
für uns zum Segen bereitete, wie das schnell vorübergehende 
Leichte unserer Drangsal uns ein über die Maßen überschwengliches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit bewirkte 
(2.Kor 4,17), und wie Er uns versorgte, leitete, beschützte und 
uns sogar aus tausend Gefahren errettete, die wir kaum ahnten. 
Uns werden dann die Worte fehlen, um eine solche, uns stets 
bewiesene Liebe zu preisen! 
Und warum werden wir an dieses alles erinnert? Weil die 
Fürsorge Gottes unser Auge auf jenen Tag der Zukunft richten 
will. Ebenso wie Israel in der Wüste, die weder Speise noch 
Erquickung bietet, finden wir in der Welt nichts als Kampf, 
119 
Elend und Mühe. Als Fremdlinge, die mitten im Gebiet des 
Feindes wandeln, erblicken wir hier als Nachfolger Christi 
keine Heimat und keinen Ruheort. Die kleine Schar der Gläubigen, die sich oft noch in den schwierigsten Umständen 
befindet, ist ein armes, schwaches und verachtetes Volk. Je 
mehr wir uns als Pilgrime und Fremdlinge bewähren und 
unseren himmlischen Charakter verwirklichen, desto mehr 
werden wir Beschwerden, Schmach und Hohn zu ertragen 
haben. Wollen wir nun die Waffen strecken und mutlos niedersinken? Ach, nein! Das Auge ist auf den Tag der Zukunft 
gerichtet, auf das Ziel der Pilgerschaft, und das mächtige Wort 
des Herrn dringt ins Herz: „Dein Kleid ist nicht an dir 
zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen!" Das Auge des 
Glaubens schaut den starken Arm des treuen Gottes, und mit 
Beschämung und Reue über unseren Unglauben klammern wir 
uns umso fester an den Unsichtbaren. Und wenn wir schon 
jetzt auf die bereits zurückgelegte Strecke schauen, so müssen 
wir mit Anbetung bekennen, daß uns nie etwas gefehlt hat. Hat 
euch, die ihr arm an zeitlichen Gütern seid und oft ratlos und 
mutlos unter der Bürde des Lebens geseufzt habt, je etwas 
gefehlt? Hat Er, der die Raben speist und die Lilien kleidet, 
euch nicht mit Nahrung und Kleidung versorgt? Habt ihr nicht 
oft, wenn die Not ihren Höhepunkt erreichte, Seine mächtige 
Hilfe erfahren? Haltet fest: „Seid um nichts besorgt, sondern in 
allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure 
Anliegen vor Gott kundwerden" (Phil 4,6). Ihr, die ihr in 
allerlei Schwierigkeiten verwickelt seid oder sogar für den 
Namen des Herrn geschmäht werdet, - ihr, die ihr das Werk 
des Herrn ausführt und mit soviel Widerstand, Hartnäckigkeit, 
Unglauben und Heuchelei von seiten eurer Widersacher zu 
kämpfen habt, - und ihr alle schließlich, in welchen Lagen und 
Umständen ihr auch sein möget - hat euch je im Geistlichen 
wie im Leiblichen etwas gemangelt? Nein, tausendmal nein! 
So laßt uns also dem Herrn vertrauen, laßt uns Ihm alles 
übergeben und an Seiner Hand mutig vorwärts schreiten! Wie 
dürre, wie öde, wie beschwerlich die Wüste auch sein mag -
Seine Nähe ersetzt alles, und Er wird alles wohlmachen. 
120 
O geliebte Brüder! Möchten wir doch alle - ein jeder in dem 
Bereich, wohin Gott ihn gestellt hat - als Lichter in der Welt 
scheinen, möchte doch unser ganzes Verhalten ein Zeugnis 
sein, daß wir ein besseres Vaterland und größere Reichtümer 
besitzen als die Welt mit ihren eitlen Genüssen, möchten wir 
doch durch Wort und Wandel in allen Lagen verkünden, daß 
wir an den allmächtigen Gott glauben, den Schöpfer des 
Himmels und der Erde! Von diesem Glauben zu reden genügt 
nicht, er muß in unseren Herzen verwurzelt sein. „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben" (Hebr 10,38). Der Glaube 
allein überwindet die Welt. Er findet zu jeder Zeit die Vorratskammern Gottes geöffnet und empfängt daraus das, was er 
braucht. Der Glaube erblickt in allen Umständen die Treue 
Gottes. Diese Erfahrungen stärken ihn für das, was auf ihn 
zukommen wird. Er richtet die Blicke auf die vor ihm liegende 
ewige Herrlichkeit und vernimmt inmitten der Kämpfe und 
Trübsale dieser Welt das Wort des Herrn: „Mangelte euch 
wohl etwas?" 
Ja, geliebte Brüder! Wie einst Israel, so stehen auch wir an der 
Grenze des verheißenen Landes, des himmlischen Kanaan. Nur 
noch wenige Augenblicke der Mühe und der Drangsal, und der 
Herr wird kommen, um uns aus dem Kampf wegzurufen und 
dem Vaterhaus entgegenzuführen, wo ein überfließendes Maß 
ewiger Freude uns durch die Gnade bereitet ist. Dann wird statt 
Leid Herrlichkeit sein, statt der Fremde die Wohnstätte des 
Vaterhauses, statt der Wüste ein Land, wo Milch und Honig 
fließt. Darum laßt uns im Rückblick auf den bereits beschrittenen Weg und im Anschauen der zukünftigen Herrlichkeit unsere Pilgerreise mutig in der Kraft Dessen fortsetzen, der uns 
vorangegangen ist als der Anfänger und Vollender des Glaubens! 
121 
„Was seid ihr bestürzt?" 
Lukas 24,38.39 
Wenn ihr noch fern seid von dem Herrn Jesus, noch unbekannt 
mit Seiner unvergleichlichen Liebe, so habt ihr gewiß viel 
Ursache, bestürzt zu sein. Der Gedanke an den Tod und das 
kommende Gericht wird euch wohl mit Angst erfüllen. Gott 
möge bewirken, daß diese Angst zunimmt, bis ihr in Jesus 
Ruhe findet. Aber der Herr sprach jene Worte zu seinen 
Jüngern, die eigentlich keine Ursache hatten, bestürzt zu sein -
und sollten diese Zeilen in die Hände solcher Gläubigen gelangen, die durch Zweifel in Furcht gesetzt werden, so möchte 
ich sie daran erinnern, daß die Worte in Lukas 24,38.39 besonders ihnen gelten. 
Jesus Selbst ist es, der nach Seiner Auferweckung aus den 
Toten in die Mitte Seiner Jünger tritt und sagt: „Was seid ihr 
bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen? 
Sehet meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin." 
Welch eine Liebe drückt sich in diesen Worten aus! Er hatte 
ihnen zugerufen „Friede euch!", und Sein liebendes Flerz 
mußte feststellen, daß Bestürzung und Gedanken in ihren 
Seelen Raum gefunden hatten. Wie konnte eine so tiefe und 
aufrichtige Liebe zulassen, daß sie in Zweifel gezogen würde? 
Er hatte sie geliebt bis zum Tod; Sein Leib war für sie dahingegeben und Sein Blut für sie vergossen worden zur Vergebung ihrer Sünden. Er hatte ihren Platz eingenommen auf dem 
Kreuz, war an ihrer Stelle auf dem Fluchholz gestorben - der 
Gerechte für die Ungerechten. Einer von ihnen hatte Ihn 
verleugnet, und die Übrigen hatten Ihn verlassen. Gott aber 
hatte Ihn auferweckt zu ihrer Rechtfertigung. Und jetzt, wo der 
Gegenstand Seines ewigen Ratschlusses vollbracht und die 
Erlösung vollendet war, spricht Er voller Freude die wunderbaren Worte zu ihnen: „Friede euch!" Wie hätte Er zulassen 
können, daß der geringste Zweifel in den Herzen derer aufstieg, die Er so unaussprechlich liebte? Das Herz ist glückselig, 
wenn es den Herrn Jesus sagen hört: „Was seid ihr bestürzt, 
122 
und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen? Sehet 
meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin." 
Glaubst du, geliebter Leser, daß Jesus, der Sohn Gottes, für 
deine Sünden dieses Werk vollbracht, diesen schrecklichen Tod 
auf dem Kreuz erlitten hat? Glaubst du, daß Er um deiner Übertretungen willen dahingegeben und, nachdem Er die ganze 
Schuld getilgt hat, um deiner Rechtfertigung willen von Gott 
auferweckt worden ist? Das ist für jeden Sünder wahr, der an 
Ihn glaubt; und es gilt auch für dich, wenn du durch den Heiligen Geist dahin gebracht worden bist, dein Vertrauen allein auf 
das Blut Christi zu setzen. Der Herr Jesus sagt auch jetzt noch: 
„Friede euch!" Hast auch du, wie Petrus, Ihn verleugnet oder, 
wie die Übrigen, Ihn verlassen - blicke nur auf Jesus und höre, 
welche Worte der Liebe aus Seinem Mund hervorkommen. Es 
sind Worte, die auch an dich gerichtet sind: „Was seid ihr 
bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen? 
Sehet meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin." 
Wie antwortest du Ihm auf diese Worte? Sagst du etwa: 'Ich 
habe es zu schlimm getrieben'? Er antwortet: „Sehet meine 
Hände und meine Füße." Betrachte sie doch! Was denkst du 
von diesen Malzeichen an dem Leib des auferstandenen Jesus? 
Rufen sie deinem belasteten Gewissen nicht zu: „Friede dir!"? 
„Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller 
Sünde" (l.Joh 1,7). Glaube, daß Sein Herz betrübt ist über 
jeden Zweifel, der in unserem Innern aufsteigt. Sein Name sei 
gepriesen, daß Sein Werk vollbracht ist! Christus ist jetzt der 
ewig sichere Ruheplatz für unsere Seelen. Unsere Sünden wurden einst auf Ihn gelegt und können nicht mehr auf uns gelegt 
werden. Unseretwegen lag der Zorn auf Ihm, und Seinetwegen 
ruht auf uns der Friede. Möchten deshalb diese Worte des 
Herrn in dein Herz dringen: 'Gehe hin in Frieden und zweifle 
nicht.' Er sagt nicht: 'Betrachte deinen Glauben, prüfe deine 
Gefühle und sieh auf deine Sünden und Vergehungen' - dann 
könnten wir verzweifeln -, sondern Er sagt: 'Sieh meine Hände 
und meine Füße', als wollte Er damit sagen: 'Ist das nicht 
genug für dich? Könnte ich dich noch mehr lieben?' So schaue 
denn hin mit gläubigem Herzen und sei getrost! 
123 
'Hast du noch jemand hier?' 
siehe l.Mose 19,12 
'Hast du noch jemand hier?' Das ist die Frage des Herrn. 
Geliebte Brüder, die Gerichte Gottes werden bald über die 
Welt hereinbrechen. Sind in dieser Stadt des Verderbens noch 
irgendwelche, deren Errettung euch am Herzen liegt? „Wen du 
noch hier hast... wen irgend du in der Stadt hast, führe hinaus 
aus diesem Orte! Denn wir wollen diesen Ort verderben." 
Ehe die Flut kam, in der die Ungläubigen umkamen, sagte Gott 
zu Noah: „Gehe in die Arche, du und dein ganzes Haus" (l.Mo 
7,1). - Ehe die schuldbeladenen Einwohner Jerichos - Mann 
und Frau, jung und alt - verbannt wurden, wurde Rahab mit 
ihrem Vater und ihrer Mutter, ihren Brüdern und allem, was sie 
hatte, an einen sicheren Ort gebracht (Jos 6,23); denn Rahab 
hatte für das Leben ihres Vater, ihrer Mutter, ihrer Brüder und 
ihrer Schwestern und aller ihrer Angehörigen gebeten (Jos 
2,13), und alle wurden unter dem Schutz „der Karmesinschnur" am Tage des Gerichts gerettet. 
Rahab hatte einen einfältigen Glauben. Es steht geschrieben: 
„Bittet, und es wird euch gegeben werden." Der Herr ist bereit, 
uns denselben Glauben zu schenken. Rahab war von Natur aus 
nicht gut, sie war eine große Sünderin, vielleicht die größte in 
Jericho. Aber sie glaubte Gott, und 'es wurde ihr zur Gerechtigkeit gerechnet'. Die „Karmesinschnur", ein Bild des kostbaren 
Blutes Christi, war ihre Sicherheit, und die Worte der Kundschafter ermutigten sie, um diese Sicherheit für alle ihre Verwandten und für alle, die sie in Jericho sonst noch hatte, zu 
bitten; und ihr Wunsch wurde erhört. Welch ein gesegnetes 
Beispiel eines lebendigen Glaubens an den lebendigen Gott! 
Auch unsere Herzen sollten dadurch zu einer größeren Abhängigkeit und einem größerem Glauben an den Herrn ermuntert werden! 
Es war aber Lot, an den das Wort gerichtet wurde: „Wen du 
noch hier hast ..." Es war derselbe Lot, von dem wir lesen: 
124 
„Und Lot hob seine Augen auf und sah die ganze Ebene des 
Jordan, daß sie ganz bewässert war", und der sie erwählte 
(l.Mo 13,10.11). Die Engel kündigten ihm jetzt an, daß die 
Stunde des Untergangs Sodoms gekommen war: „Wen du 
noch hier hast, einen Eidam und deine Söhne und deine 
Töchter und wen irgend du in der Stadt hast, führe hinaus aus 
diesem Orte! Denn wir wollen diesen Ort verderben." Was 
könnte verständlicher sein als diese Worte „Wen du noch hier 
hast"? - 'O Lot, denke an jene, die du in Sodom bei dir hast -
an deine Frau, an deine Kinder, an deine Schwiegersöhne, 
denen du in Sodom deine Töchter geben willst -, gehe zu 
ihnen, beschwöre sie und sage ihnen, daß dies ihre letzte 
Gelegenheit ist; wenn sie heute -deine Stimme verwerfen, so 
werden sie morgen umkommen.' - „Aber er war in den Augen 
seiner Eidame wie einer, der Scherz treibt." Sein Leben war 
weltlich, und darum hatte er keine Kraft, von dem kommenden 
Gericht zu zeugen. Er war wie einer von ihnen - ein Bewohner 
ihrer Stadt. Er selbst wurde durch die Barmherzigkeit des 
Herrn gerettet, aber wie durchs Feuer. Er verließ die Stadt ohne 
seine Schwiegersöhne, und bald verlor er auch seine Frau. Sie 
sah hinter sich und wurde zu einem warnenden Beispiel für 
alle Geschlechter. Es ist ohne Nutzen, auf dem Weg zum 
Himmel zu sein und Herz und Auge auf die Welt zu richten. 
Das Heil oder die Rettung besteht in einem auf Gott gerichteten Herzen. Als es Tag wurde, kamen die Bewohner Sodoms 
und der Städte der Ebene in dem Schwefel- und Feuerregen 
um. 
Der Herr gebe, daß wir die Unterweisungen zu Herzen 
nehmen, die in diesen ernsten Beispielen für uns enthalten 
sind. Jesus kommt - die Welt wird bald gerichtet werden; und 
wie es in den Tagen Lots war, so wird es an dem Tage sein, wo 
der Sohn des Menschen geoffenbart wird. Für uns aber, die wir 
dem Herrn in der Luft entgegengerückt werden, ist es nötig, 
die Worte des Engels zu beherzigen: „Wen du noch hier hast... 
führe hinaus!" 
125 
Vollkommene Erlösung 
Wer zu Gott gebracht ist, hat Vergebung seiner Sünden durch 
den Glauben an das gesegnete Zeugnis Gottes; er hat die Erlösung durch das Blut Christi. Es ist aber dann nötig, auch die 
Größe, die Fülle und die Vollkommenheit dieser Erlösung zu 
kennen. Hierin mangelt es bei vielen Gläubigen, besonders bei 
jungen. Deshalb sind folgende Zeilen hauptsächlich für sie geschrieben, obgleich die Ausführungen durch die Gnade Gottes 
für alle gesegnet und auch zur Erweckung von Unbekehrten 
nützlich sein können. 
So wie ein kleines Kind vieles durch Bilder lernt, so kann der 
junge Christ in Bezug auf die Vollkommenheit der göttlichen 
Wahrheit vieles durch die Bilder des Alten Testaments lernen. 
Es ist vor allem das zweite Buch Mose, in dem wir ein genaues 
Bild finden von dem Weg, auf welchem Gott uns zu Sich gebracht hat. Sogar der aus dem Wasser des Todes gezogene 
Moses ist in gewissem Maß ein schwaches Bild von Dem, der 
aus den Toten auferweckt worden ist. Christus war der Erstgeborene aus den Toten, um der auferstandene Befreier Seines 
Volkes zu sein. 
Werfen wir nun zunächst einen Blick auf den Zustand des 
Volkes Israel zu jener Zeit. Auf dem Volk lastete der grausame 
Druck der ägyptischen Sklaverei; es seufzte unter der eisernen 
Rute Pharaos. Wir lesen in 2.Mose 3,7.8: „Gesehen habe ich 
das Elend meines Volkes, das in Ägypten ist, und sein 
Geschrei wegen seiner Treiber habe ich gehört; denn ich kenne 
seine Schmerzen. Und ich bin herabgekommen, um es aus der 
Hand der Ägypter zu erretten und es aus diesem Lande 
hinaufzuführen." Ist dies nicht überall und zu allen Zeiten der 
Zustand des Menschen? Ist er nicht von Natur ein Sklave 
Satans? Wie schrecklich ist das Elend, das durch die Sünde auf 
das ganze Menschengeschlecht gekommen ist! Welch eine 
schreckliche Wirklichkeit von Leid und Elend verbirgt sich 
unter der schönen Oberfläche der menschlichen Gesellschaft. 
Der Mensch glaubte dem Feind, er zweifelte an der Güte 
126 
Gottes und sündigte, und jener Fall war sehr tief - von der 
glücklichen Freiheit in Eden in die elende Sklaverei Satans. 
Gott aber hörte das Geschrei der Israeliten in ihrem Elend und 
ihrer Not. Kein Bild könnte treffender darstellen, was Gott für 
uns ist. Er kam in Christus hernieder, um uns zu befreien, als 
für uns arme Menschen kein Retter da war. Er brachte 
Errettung durch Seine Rechte, als niemand vorhanden war, um 
zu helfen. „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart 
worden, daß Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt 
gesandt hat, auf daß wir durch ihn leben möchten. Hierin ist 
die Liebe: nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns 
geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für 
unsere Sünden" (1 .Joh 4,9.10). Laßt uns alle ein völliges 
Vertrauen zu dieser Liebe haben! Nichts anderes scheint das 
Herz Gottes zu den Kindern Israels herniedergezogen zu haben 
als ihre Sklaverei, ihr Elend und Seine Liebe und Treue. Wir 
sehen am Ende des zweiten Kapitels, daß sie seufzten und 
schrieen, aber sie blickten nicht auf zu Gott; Gott aber blickte 
hernieder auf sie. „Und Gott hörte ihr Wehklagen, und Gott 
gedachte seines Bundes mit Abraham, mit Isaak und mit Jakob; 
und Gott sah die Kinder Israel, und Gott nahm Kenntnis von 
ihnen" (V.24.25). Ja, alles war von Gott; es war kein Verdienst 
bei Israel. Gott hörte - Gott gedachte - Gott sah - Gott kam 
hernieder, um zu erretten. Voller Liebe und Mitgefühl offenbarte Er Sich stets als der Helfer und Retter der Unterdrückten. 
Sein Name sei gepriesen! 
Und war es nicht genauso mit dir, mein lieber christlicher 
Leser? Gott hörte dein Seufzen; Er kam mit Erbarmen und 
Liebe dir entgegen. Wäre Er nicht gekommen, um uns zu 
erretten - welche Seufzer würden dann während der ganzen 
Ewigkeit von uns zu hören sein! Aber Er ist gekommen; Jesus 
ist für unsere Sünden gestorben, und zwar bevor wir geboren 
waren. Darum ist es sicher, daß unsere Erlösung ganz und gar 
von Gott ist. Schon vor aller Zeit erwählte Er uns in Christus, 
„in welchem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen'' (Eph 1,7). Die beiden ersten Kapitel 
des Briefes an die Epheser behandeln diesen gesegneten Ge127 
genstand ausführlich. Dort steht die ewige Liebe Gottes, aus 
welcher unsere Erlösung hervorströmte, vor unseren Herzen. 
Doch laßt uns das Bild im 2.Buch Mose ein wenig weiter betrachten. Gott hat Mose Sein Erbarmen und Seine Liebe 
verkündigt und sandte ihn hin mit der Botschaft der Befreiung 
(Kap. 4); aber die Kinder Israel waren noch in völliger Unwissenheit über die wunderbare Gnade, die für sie bereitstand. Erst 
nachdem Mose dem Aaron begegnet war, wurde diese frohe 
Botschaft von der Befreiung Gottes dem Volk verkündigt. „Und 
das Volk glaubte; und als sie hörten, daß Jehova die Kinder 
Israel heimgesucht, und daß er ihr Elend gesehen habe, da 
neigten sie sich und beteten an" (Kap. 4,31). Und wie wenig 
dachtest du an die Ratschlüsse der Liebe Gottes, als du noch in 
der Knechtschaft der Sünde seufztest! Erst als dir Gott durch 
Seinen Geist begegnete, da kam „der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort" (Röm 10,17). 
In Kapitel 5 wird der Zustand des Volkes immer unerträglicher. 
Sie sehnen sich nach Befreiung, sie wünschen anzubeten; aber 
ihre Lasten werden vermehrt. Sie bekommen kein Stroh und 
können ihre Arbeit nicht vollenden. Das Kapitel endet mit 
schlimmer Unterdrückung und nicht mit Errettung. Es ist eine 
schmerzliche Sache für eine Seele, durch solche Erfahrungen zu 
gehen. Man wollte Ziegel machen, aber da war kein Stroh; man 
will das Gute tun, aber das Böse ist vorhanden. Man sehnt sich 
anzubeten, man bemüht sich eifrig, die Vorschriften des Gesetzes zu erfüllen; aber man erntet nur Schläge und sieht keine 
Rettung. Wie lange war Luther in dieser Not! Warst du es auch, 
mein lieber Leser? Dann wirst du verstehen, daß die Vorsteher 
der Kinder Israel sahen, „daß es übel mit ihnen stand, weil man 
sagte: Ihr sollt nichts mindern am euren Ziegeln: das Tagewerk 
an seinem Tage!" (Kap. 5,19). So lebten sie täglich unter 
schwerem Druck und vielem Seufzen. - Aber man darf nicht 
vergessen, daß die Erlösung damals in Ägypten noch nicht 
bekannt war. Solche, die in unseren Tagen durch ähnliche 
Erfahrungen gehen - geistlich betrachtet - kennen diese Errettung durch Gott ebenso wenig. Vielleicht befindest du dich 
noch in diesem Zustand. Vielleicht kennst du das Evangelium, 
128 
vielleicht wünschest du, Gott anzubeten und willst auch nicht 
mehr in der Sünde leben. Dies alles ist vielleicht das innige 
Verlangen deiner Seele; aber die Erlösung selbst hast du noch 
nicht kennengelernt. Du genießt sie nicht; du mußt fortwährend 
bekennen: Ich habe keine Kraft zu tun, was ich zu tun wünsche, 
ebensowenig wie das Volk es konnte. Sie hatten kein Stroh, und 
du hast keine Kraft; und jetzt stellt dir Satan die Vorschriften 
des Gesetzes vor und sagt, daß sie erfüllt werden müssen. Ja, 
welch ein treffendes Bild waren die Treiber Pharaos von jenen, 
welche predigten, daß die Errettung von guten Werken abhängig sei! „Und nun gehet hin, arbeitet! Und Stroh wird euch 
nicht gegeben werden, und das Maß Ziegel sollt ihr liefern" 
(V.18). 'So gehet nun hin und wirket; es sei denn, daß ihr das 
Gesetz haltet', „so könnt ihr nicht errettet werden" (Apg 15,1). 
Wie übereinstimmend ist dem Wesen nach die Aussage der 
beiden Stellen. In Kapitel 6 sehen wir, daß die Verheißungen 
Gottes durchaus keine Erleichterung gaben, während das Volk 
unter der schrecklichen Last des Sklavendienstes seufzte. In den 
Versen 1-8 hören wir die Aussprüche Gottes: „Ich habe die 
Wehklage gehört." „Ich habe meines Bundes gedacht." „Ich bin 
Jehova." „Ich werde euch herausführen." „Ich werde euch 
erretten." „Ich will euch annehmen mir zum Volke." „Ich will 
euer Gott sein." „Ich werde euch in das Land bringen." „Ich 
werde es euch zum Besitztum geben, ich, Jehova." Doch so 
kostbar jene Verheißungen auch waren, so geben sie den Israeliten bei ihrem Abmühen doch nicht die geringste Erleichterung. „Aber sie hörten nicht auf Mose vor Ungeduld und vor 
hartem Dienste" (V. 9). 
Jede erweckte Seele, die noch unter dem Gesetz ist, wird über 
kurz oder lang dieselben Erfahrungen machen. In diesem Zustand sagt man: 'Gewiß, die Verheißungen Gottes sind sehr 
köstlich, aber ich kann meine Pflicht nicht erfüllen. Ich habe 
versucht, für Gott zu leben und Seine Gebote zu erfüllen; aber 
so oft, ja immer versage ich.' Solange die Seele auf dem Boden 
der Verantwortlichkeit unter dem Gesetz steht, findet sie nur 
Fehltritte, Sünden, Angst und Knechtschaft. Jedes Kind Gottes 
weiß, wie stark die Neigung ist, stets bei sich selbst stehenzu129 
bleiben. Das hat seinen Grund nur in der Unwissenheit über 
die vollkommene Erlösung. Aber Gott sei gepriesen! Wir 
stehen nicht in unserer Verantwortlichkeit unter Gesetz wie im 
Bilde das geknechtete Volk Israel in Ägypten, sondern stehen 
auf dem Boden der Gnade in dem auferstandenen Christus, 
durch dessen kostbares Blut wir die Erlösung haben - die 
Vergebung der Sünden. 
Nun offenbart Gott Seine Macht in den Plagen Ägyptens, in 
Seinem Gericht über den stolzen Unterdrücker Seines Volkes; 
aber da war noch keine Befreiung. Es sind sehr ernste Bilder 
von dem Gericht Gottes in den letzten Tagen, das uns im Buch 
der Offenbarung mitgeteilt wird. In jenen Tagen wird der 
Unterdrücker des Volkes Gottes völlig vernichtet werden. Wir 
wollen aber zu unserem Gegenstand zurückkehren. 
Es fällt auf, daß durch eine so große Entfaltung der Macht des 
Herrn in Ägypten nicht eine einzige Seele befreit wurde. Wir 
sehen das gleiche in den Evangelien. Nach all den reichen 
Offenbarungen der Macht und Gnade in dem Leben des Herrn 
Jesus hätte Er dennoch am Schluß Seines Dienstes unter den 
Menschen allein bleiben müssen, wenn Er nicht noch mehr 
getan hätte. So gesegnet Sein Dienst, so groß Seine Wunder, so 
herrlich Seine Lehre, so heilig Sein Leben auch war, so hätte 
doch nicht ein Mensch errettet werden können, wenn Er nicht 
gestorben wäre, der Gerechte für die Ungerechten. Welch eine 
Bedeutung hat doch die Erlösung! Ebenso war es in Ägypten. 
Wir haben das zärtliche Mitgefühl Gottes gesehen, Seine 
wunderbaren Verheißungen gehört, die Offenbarung Seiner 
großen Macht gegen den Feind betrachtet -, wir haben dies 
alles in den Kapiteln 3-11 gesehen; aber keine einzige Seele 
wurde aus der Knechtschaft befreit, bis das Blut des Lammes 
gesprengt war. Wie genau ist die Belehrung, die Gott uns in 
diesen Bildern gibt! 
Wir kommen jetzt zu dem höchst lehrreichen Kapitel 12 jenes 
Buches. Wir wollen es mit ganzer Aufmerksamkeit betrachten, 
und der Herr möge geben, daß alle Christen die vollkommene 
Erlösung, die darin vorgebildet ist, in Wahrheit erkennen! 
130 
Dieses Kapitel stellt uns die Erlösung durch das Blut Christi 
bildlich vor, denn der Apostel sagt: „Denn auch unser Passah, 
Christus, ist geschlachtet" (l.Kor 5,7). So wie das „Lamm ohne 
Fehl, ein männliches, einjährig" nach einer Verwahrung bis auf 
den vierzehnten Tag des Monats dann geschlachtet wurde, so 
wurde auch Jesus als das Lamm ohne Flecken geopfert. In 
derselben Nacht, wo das Passah geschlachtet wurde, gab auch 
Er Sich Selbst für uns dahin. Er sagte: „Mit Sehnsucht habe ich 
mich gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide" 
(Lk 22,15). Hat es jemals solch eine Liebe gegeben? - Damals 
wurde das Blut „an die Oberschwelle und an die beiden 
Pfosten" des Hauses gestrichen. Der Herr sagte zu den Kindern 
Israel: „Und das Blut soll euch zum Zeichen sein an den 
Häusern, worin ihr seid; und sehe ich das Blut, so werde ich an 
euch vorübergehen" (2.Mo 12,13); und Gott erfüllte Sein Wort. 
Keine einzige Seele kam in jener Nacht um, welche Seinen 
Worten in Bezug auf das Blut glaubte. Gott sagte: „Sehe ich das 
Blut, so werde ich an euch vorübergehen". Und beachte wohl, 
mein christlicher Leser, was Gott in dem Blut Christi sieht, 
denn es handelt sich nicht darum, was du darin siehst. Wir 
erfassen den Wert des Sühnungswerkes Christi nur sehr 
unvollkommen. Was aber sieht Gott? Seine Antwort auf das, 
was Er in dem Opfer Christi sieht, ist der Platz der höchsten 
Herrlichkeit, zu welchem Er Christus Jesus erhoben hat, der 
Sich Selbst für uns zum Schlachtopfer hingegeben hat. Die 
schrankenlose Gnade, die für ewig das Teil der Millionen 
Erlösten ist, verkündigt uns, was Gott in dem Blut Christi sieht. 
Welch einen Beweis der Liebe gibt uns das Blut des Lammes! 
Der Tod Christi-offenbart die Gerechtigkeit Gottes in ihrem 
vollen Umfang, denn Christus traf stellvertretend für uns der 
Zorn eines heiligen Gottes. Aber zugleich ist der Tod Christi 
der Beweis der Liebe Gottes gegen Sünder! Geliebter Leser, es 
gibt mir oft großen Trost, so an Gott zu denken. Er hat Seine 
Gerechtigkeit bis aufs Äußerste geoffenbart und dennoch Seine 
Liebe zu uns in ihrer ganzen Fülle gezeigt. Warum waren die 
Oberschwelle und die Türpfosten der Kinder Israel mit Blut 
besprengt? Gott liebte Sein Volk! Warum erlöste Er alle Män131 
ner, Frauen und Kinder, die in jenen mit Blut besprengten 
Häusern wohnten? Er liebte sie! Was sagen dir die mit Blut 
besprengten Pfosten? „Gott ist Liebe!" Das Blut ist das 
Zeichen von Gottes Liebe zu dir, aber es bezeugt auch: „Ohne 
Blutvergießung gibt es keine Vergebung" (Hebr 9,22). Betrachte das Kreuz; was sagt es dir? Warum starb der Heilige 
einen solchen Tod? Warum wurden Seine Hände und Füße 
durchbohrt? Jene, welche Ihn liebten, waren geflohen, und 
jene, welche Ihn haßten, verspotteten Ihn noch. Warum jene 
dreistündige Finsternis? Warum jener bittere Schrei: „Mein 
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" In jenen 
Stunden der Finsternis, in dem Verlassensein von Gott bezahlte 
Jesus den vollen Preis der Erlösung. Er rief aus: „Es ist 
vollbracht!" Und Er neigte Sein Haupt und übergab den Geist. 
So starb das Lamm Gottes. Ja, das Kreuz beweist: „Gott ist 
Liebe!" Aber wir lesen auch: „Ohne Blutvergießung gibt es 
keine Vergebung." Laßt uns das wohl beherzigen! Wenn unsere Sünden an Ihm gerichtet wurden, als Er sie an Seinem Leibe 
auf dem Kreuz trug, dann können sie auch sicherlich uns nicht 
erlassen werden aus irgendeinem anderen Grund als durch Sein 
kostbares Blut. Welch ein sicheres Fundament, auf dem meine 
Seele für ewig ruhen kann! 
Vor jener Nacht des Passahs, in welcher jeder Erstgeborene 
Ägyptens getötet wurde, war kein Hebräer aus Ägypten befreit; doch später wurde nicht ein einziger in der Sklaverei 
zurückgelassen. Ernste Wahrheit! Der Tod mußte da sein, der 
Tod traf Israels Lamm an ihrer Stelle; aber der Tod traf den 
Erstgeborenen Ägyptens. Ebenso haben Gericht und Tod 
meinen Stellvertreter, Gottes Lamm getroffen, sonst würde der 
Tod und der Zorn Gottes mein Teil sein auf ewig. Das Blut war 
an die Oberschwelle und an die Türpfosten gestrichen, und der 
Herr führte sie aus Ägypten heraus. Ebenso „hat ja Christus 
einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, 
auf daß er uns zu Gott führe" (l.Petr 3,18). 
Laßt uns nun das 14. Kapitel betrachten, um die Erlösung noch 
besser kennenzulernen. Welch ein Bild von Satans letzter Anstrengung! Vor ihnen war das Meer, hinter ihnen die ganze 
132 
Macht Pharaos, und rechts und links die Wüste. Das Volk war 
in großer Furcht. „Und Mose sprach zu dem Volke: Fürchtet 
euch nicht! Stehet und sehet die Rettung Jehovas, die er euch 
heute schaffen wird; denn die Ägypter, die ihr heute sehet, die 
werdet ihr hinfort nicht mehr sehen ewiglich" (V. 13). Und 
welch eine Befreiung bewirkte der Herr in jenen Tagen! Das 
Meer wurde geteilt, sodaß die Kinder Israel trockenen Fußes 
hindurchgingen ans jenseitige Ufer. Aber in jenem Meer, durch 
das sie errettet wurden, kam der Feind, der sie verfolgte, um. 
Nicht ein Hebräer kam um, und nicht ein Ägypter wurde 
verschont. „Und die Wasser kehrten zurück und bedeckten die 
Wagen und die Reiter der ganzen Heeresmacht des Pharao, die 
hinter ihnen her ins Meer gekommen waren; es blieb auch 
nicht einer von ihnen übrig" (Y. 28). Auf diese Weise errettete 
der Herr Israel. Welch eine Errettung! Hätte sie vollständiger 
sein können? Alle grausame Knechtschaft, alle Schläge und 
Unterdrückungen in Ägypten hatten ein Ende. Welch ein 
Anblick mußte es für die Kinder Israel sein, als sie die Ägypter 
tot am Ufer des Meeres liegen sahen! 
Wenn nun schon das Bild unserer Erlösung so vollkommen 
war, wie vollkommen muß dann die Wirklichkeit sein! Es ist 
furchtbar für eine arme, zitternde Seele, wenn sie zwar anfängt, 
den Wert der Erlösung zu verstehen, aber wenn dann, wie hier 
bei Israel, sich die Wogen des Todes hoch vor ihr auftürmen 
und Satan sie verfolgt, indem er sie an ihre Sünden erinnert. 
Doch was war es für den Anführer unserer Errettung, als am 
Ende Seines Lebens auf der Erde der Fürst dieser Welt gegen 
Ihn anstürmte und die finsteren Wogen des Zornes Gottes über 
Ihn kamen und kein Entrinnen war! Für Ihn gab es kein 
Hindurchgehen auf dem Trockenen. Ihm begegnete die ganze 
Macht Satans und die äußerste Feindschaft und Wut des 
Menschen. Was waren die Heere Ägyptens im Vergleich zu 
jenen schrecklichen Stunden, als alle unsere Sünden auf Ihn 
gelegt waren! Alle Wogen des Zornes Gottes gingen über Ihn 
hinweg. Aber warum wälzten sich diese Wasser des Todes auf 
Seine Seele? Er trug es freiwillig, damit wir durch Tod und 
Gericht „trockenen Fußes" hindurchgehen möchten, im Bilde 
133 
gesehen. Er kam auf diese Erde, „auf daß er durch den Tod den 
zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den 
Teufel, und alle die befreite, welche durch Todesfurcht das 
ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren" 
(Hebr 2,14.15). Wie vollkommen ist diese Befreiung! Unser 
hochgelobter Befreier ist jetzt nicht mehr unter den finsteren 
Wogen des göttlichen Zorns, sondern ist auferstanden aus den 
Toten. Alle unsere Sünden sind für ewig getilgt; und so wie 
durch das Rote Meer der Pharao und sein ganzes Heer 
umkamen, so machte Jesus den zunichte, der die Macht des 
Todes hat, das ist den Teufel. Auf diese Weise sehen wir in 
Wahrheit das Heil oder die Rettung durch Gott in dem Tod 
Christi. 
Es war eine ganz und gar neue Stellung für Israel, von Ägypten 
getrennt und zu Gott gebracht worden zu sein, obwohl sie noch 
in der Wüste waren. Wieviel sie auch noch zu lernen hatten, 
so konnten doch Mose und sie jetzt das Loblied ihrem Gott 
singen. Welch ein Lied der vollkommenen Befreiung! Lies es 
einmal mit Aufmerksamkeit. Ist das auch die Sprache deines 
Herzens? Kannst du dich ebenso erfreuen in der vollkommenen 
Errettung durch Gott? Verstehst du die Belehrung dieser gesegneten, vom Geiste Gottes mitgeteilten Geschichte? Hat nicht der 
Tod Jesu, des Lammes Gottes, die Stellung eines jeden, der an 
Ihn glaubt, völlig verändert? Ist nicht die ganze Macht der 
Sünde und die Macht Satans überwunden und zunichte gemacht 
worden, als sie Ihm als deinem heiligen Stellvertreter begegnete? Als die Kinder Israel auf das Rote Meer zurückblickten 
und die toten Leiber ihrer Feinde sahen, da hofften sie nicht, 
errettet zu werden, sondern waren von ihrer Errettung völlig 
überzeugt. Und kann ich in das leere Grab Jesu zurückblicken 
und nur hoffen, errettet zu werden? Es ist gewiß ein vollendetes 
Werk. Die Kinder Israel sangen: „Singen will ich Jehova, denn 
hoch erhaben ist er; das Roß und seinen Reiter hat er ins Meer 
gestürzt. Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir 
zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn 
verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben" 
(2.Mo 15,1.2). Ja, jeder Satz redet von Gewißheit und Freude. 
134 
Und sollte nicht die Sprache des Christen ebenso zuversichtlich 
sein? „Danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu 
dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte, der uns errettet 
hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des 
Sohnes seiner Liebe, in welchem wir die Erlösung haben, die 
Vergebung der Sünden" (Kol 1,12-14). 
Leider kann ich die gesegneten Wahrheiten in diesen göttlichen Vorbildern nur kurz andeuten. 
Das Rote Meer hatte also Israel von Ägypten getrennt; Israel 
war tot für Ägypten, und die Ägypter waren tot für Israel. 
Lieber gläubiger Leser, bist du nicht durch den Tod Christi der 
Welt gestorben und die Welt für dich? Niemand von dem Heer 
Pharaos war übriggeblieben, um einen Stein auf das erlöste 
Volk Gottes zu werfen. Bist du überzeugt, daß der Wert des 
Blutes Christi so unermeßlich groß ist, daß dir nicht eine 
einzige Sünde mehr zur Last gelegt werden kann? Es ist nicht 
mehr der Tod, gleich einem tiefen, eingeengten Strom, der dich 
vom Himmel trennt; sondern jener tiefe, eingeengte Strom des 
Todes, in welchem Jesus deinen Platz einnahm und für dich 
hindurchging, trennt dich für immer von der Welt, der Sünde 
und Satan. Tod und Gericht, Sünde, Satan und Welt - alles ist 
dahinten; und ebenso wie Israel am jenseitigen Ufer des 
Meeres das Loblied sang, so können wir es singen, nachdem 
der Vater uns aus der Gewalt der Finsternis errettet und in das 
Reich des Sohnes Seiner Liebe versetzt hat. 
Ist dies nicht ein wirklich glücklicher und gesegneter Platz? 
Doch du sagst vielleicht: 'Dies alles glaube ich; aber ich bin 
nicht mehr so glücklich wie am Anfang meiner Bekehrung.' 
Das ist sehr gut möglich und hat vielleicht seinen Grund darin, 
daß anfangs, als Gott deiner Seele Frieden gab, dein Herz mit 
Christus erfüllt war und du jetzt mehr mit dir selbst beschäftigt 
bist. Wenn dies der Fall ist, so bist du aufs Neue auf den 
Boden des Gesetzes zurückgekehrt. Nichts ist wirksamer, den 
Genuß des Friedens zu untergraben. Du betrachtest das Gesetz 
wahrscheinlich nicht als ein Mittel zur Errettung, aber als eine 
Regel oder Richtschnur des Lebens. Siehst du den Sklaven135 
dienst in Ägypten als Regel für das Leben an, so wird es bald 
wieder zur traurigen Knechtschaft werden. Ich habe nie 
gefunden, daß jemand, der das Gesetz zur Lebensregel machte, 
den Frieden mit Gott wirklich genoß. Doch geradeso wie die 
Erlösung aus Ägypten die Hebräer völlig von der Sklaverei 
befreite, so befreite auch der Tod Christi den gläubigen Juden 
vollständig von der Knechtschaft unter dem Gesetz. Ich sage: 
den Juden; denn obgleich die Menschen oft lehren, daß die 
ganze Welt unter dem Gesetz sei, so ist das doch nur eine 
große Verwirrung und steht zur Schrift im völligen Widerspruch. Natürlich war das Gesetz nicht von Adam bis Moses 
gegeben; aber dann wurde es nur den Kindern Israel gegeben, 
und dies geschah vierhundertunddreißig Jahre nach der dem 
Abraham gegebenen Verheißung, die seinem Samen bestätigt 
wurde, welcher Christus ist (Gal 3). Doch die Juden waren 
unter dem Gesetz. Das Gebot war notwendig, um den Menschen von der Sünde zu überzeugen und sein Bedürfnis nach 
Erlösung zu erwecken. Durch das Gesetz kam auch die Übertretung, aber nicht die Gerechtigkeit. 
Die Juden standen wirklich unter dem Gesetz. Es war eine 
große Seite des Todes Christi, sie vom Gesetz zu erlösen, wie 
geschrieben steht: „Christus hat uns losgekauft von dem 
Fluche des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist"; 
und wiederum: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, 
sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, geboren 
unter Gesetz, auf daß er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte" (Gal 3,13; 4,4.5). Die Erlösung vom Gesetz war also 
genauso wichtig wie die Erlösung von der Sünde und dem 
Fluch. Dieselbe Wahrheit wird im Brief an die Römer betont. 
Der Gläubige ist durch den Leib Christi ebenso dem Gesetz 
gestorben wie der Sünde (Röm 7,4; 6,2). 
Aber was heißt es, dem Gesetz gestorben oder vom Gesetz 
losgekauft zu sein? Was hieß es, unter dem Gesetz zu sein? 
Die Betrachtung über die Sklaverei in Ägypten wird uns die 
Sache klarmachen. Der hebräische Sklave war verantwortlich 
zu tun, was er nicht zu tun vermochte. Der Mensch unter dem 
Gesetz ist in der gleichen Stellung: Er ist verantwortlich zu tun, 
136 
was er nicht zu tun vermag. Und jeder Mensch, sei er Jude 
oder Christ, ist verantwortlich, das zu tun, was er eigentlich gar 
nicht tun kann, wenn er sich auf den Boden des Gesetzes stellt. 
„So ist also das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht 
und gut" (Röm 7,12); aber der Mensch entdeckt, daß er selbst 
verloren, fleischlich, unter die Sünde verkauft ist. Wenn er das 
Gute tun will, so merkt er, daß das Böse bei ihm vorhanden ist. 
In dieser Stellung ist er höchst elend. Er tut das, was er haßt; 
und das, was er tun will, vermag er nicht zu tun. Vielleicht 
sagst du: 'Genauso ist es mit mir.' Es ist in der Tat so; und so 
ist es mit jedem, der unter Gesetz ist. Du warst freilich nicht 
wie Israel unter dem Gesetz vom Sinai; doch kann es sein, daß 
du dich wie die Galater wieder unter das Joch der Knechtschaft 
bringen läßt. Bei vielen Gläubigen ist das der Fall; daher ist es 
kein Wunder, daß sie so elend und niedergedrückt sind. Fast 
ihr ganzes Leben sind sie in trauriger Knechtschaft. Sie empfinden, daß sie das ganze Gesetz erfüllen sollten; da sie aber in 
jedem Punkt versagen, so kommen sie oft an den Rand der 
Verzweiflung. 
Nun könnte man fragen: Wenn nun das Gesetz nicht die Regel 
des Lebens ist, gibt es denn gar keinen Grundsatz des heiligen 
Gehorsams? Gewiß, aber der Grundsatz kann nicht dem der 
Knechtschaft unter Gesetz gleich sein. Das Gesetz sagte dem 
Menschen, was recht war, aber es gab ihm keine Kraft, das 
Rechte zu tun; es forderte ihn zwar zum Tun auf, aber der 
Mensch tat das, was er als böse erkannte. Deshalb gereichte 
ihm das Gesetz nur zur Verdammnis. Aus diesem Zustand nun 
sind jene, die in ihm waren, völlig errettet. So wie Israel einst 
aus Ägypten geführt und vollständig befreit wurde von dessen 
grausamer Knechtschaft, so waren sie jetzt völlig befreit oder 
losgekauft von der Sünde, von dem Tod und von dem Gesetz. 
Aber auch wir, die nicht unter dem Gesetz standen, sondern 
ganz gesetzlos waren, sind errettet von dem alten Zustand des 
verlorenen und schuldigen Menschen und zu Gott gebracht 
worden auf einem ganz und gar neuen Boden der Verantwortlichkeit des Menschen. Wir sind nicht mehr Sklaven der 
Sünde, sondern Söhne Gottes, aus Gott geboren, und haben 
137 
eine neue Natur. Dazu noch haben wir den Geist Gottes in uns 
wohnend, wie geschrieben steht: „Weil ihr aber Söhne seid, so 
hat Gott den Geist Seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der 
da ruft: Abba, Vater!" (Gal 4,6). Und es gibt noch einen 
anderen Charakter der Erlösung: „Mit seinem eigenen Blute ist 
er ein für allemal in das Heiligtum eingegangen, als er eine 
ewige Erlösung erfunden hatte" (Hebr 9,12). 
Der Israelit konnte möglicherweise nach Ägypten zurückkehren, aber das kann der Gläubige nicht, der durch das Blut 
Christi eine ewige Erlösung hat. Er ist fähig zu sagen: „Ich bin 
mit Christo gekreuzigt"; 'mein ganzer voriger Zustand ist für 
immer beseitigt.' Laßt uns diese Worte wohl beherzigen: Eine 
ewige Erlösung.' Die Schuld von allen deinen Sünden ist für 
immer ausgetilgt; der Tod, ja, der Tod auf dem Kreuz hat allem 
für immer ein Ende gemacht. Es ist nicht mehr eine Frage der 
Hoffnung, sondern es ist Wirklichkeit; wir haben eine ewige 
Erlösung. Wo man das versteht, da gibt es Ruhe. Sogar in 
dieser Beziehung ist das Vorbild sehr treffend. Sobald die 
Erlösung und Befreiung aus Ägypten vollendet war, machte 
Gott die Hebräer mit dem Sabbath oder der Ruhe bekannt, aber 
nicht eher! Wir hören, daß Gott am siebenten Tag von all 
Seinem Werk ruhte, nachdem Er Himmel und Erde und all ihr 
Heer vollendet hatte. Aber von Adam bis Mose hören wir von 
keinem Sabbath für den Menschen. Gewiß sagt uns Gott 
dadurch, daß es keine Ruhe für den Sünder geben kann als nur 
durch das Blut des Lammes. Die ewige Erlösung gibt ewige 
Ruhe. Selbst wenn wir einst in der Herrlichkeit sind, wird sie 
nicht vollkommener sein. Nichts kann ihrem Wert etwas hinzufügen oder von ihm etwas wegnehmen. Erkennst du, daß 
dies der Platz der unbegrenzten Segnung ist, an welchen Gott 
dich gebracht hat? Und wenn du es erkennst, rühmst du dich 
allein des Kreuzes Christi? Der Herr gebe, daß wir allezeit in 
Seinem kostbaren Wort forschen und Ihm von Herzen glauben! 
138 
„Fünf Worte." 
1.Korinther 14,19 
Es ist wunderbar, in welcher Weise die Worte der Schrift auf 
unser Herz wirken. Sie sind in der Tat „wie Treibstacheln, und 
wie eingeschlagene Nägel die gesammelten Sprüche; sie sind 
gegeben von einem Hirten" (Pred 12,11). Manchmal ist nur ein 
Ausspruch oder ein Teil davon nötig, um zum Herzen zu 
reden, das Gewissen zu durchbohren und den Geist zu beschäftigen. Das Wort Gottes wirkt in einer solchen Weise, daß 
dadurch die göttliche Inspiration des Buches, worin jener Ausspruch sich befindet, für jeden Aufrichtigen völlig klar wird. 
Beim Lesen des Wortes Gottes sind wir beeindruckt von seinen 
treffenden und machtvollen Urteilen, seiner Fülle und Tiefe, 
der Anwendungsfähigkeit und Anwendungskraft, der Entfaltung der Quellen der Natur, der Offenbarung der Verborgenheiten des Herzens, der Schärfe, der Energie. Dies erfreut das 
Herz zu allen Zeiten, aber besonders in der gegenwärtigen, wo 
der Feind Gottes und des Menschen auf allerlei Weise versucht, das Wort Gottes anzugreifen. 
Diese Gedanken haben oft mein Herz beschäftigt, wenn ich 
obenstehenden Ausdruck las. „Aber in der Versammlung", 
sagt der sich selbst verleugnende und demütige Apostel, „will 
ich lieber fünf Worte reden mit meinem Verstände, auf daß ich 
auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer 
Sprache". Wie wichtig ist das für alle, die in der Versammlung 
reden! Wir wissen, daß die fremden Sprachen damals einen 
Wert hatten. Sie waren ein Zeichen für die Ungläubigen. In der 
Versammlung aber waren sie nutzlos, wenn kein Ausleger da 
war. 
Der große Zweck, in der Versammlung zu sprechen, ist die 
Erbauung, und dieser Zweck kann zunächst nur dadurch erreicht werden, daß man versteht, was gesprochen wird. Es ist 
ganz und gar unmöglich, daß jemand mich erbauen kann, wenn 
ich nicht verstehe, was er sagt. Er muß in einer verständlichen 
139 
Sprache reden, deutlich und vernehmbar, sonst kann ich keine 
Erbauung empfangen. Das ist eigentlich ganz einfach, aber es 
verdient die größte Aufmerksamkeit aller, die öffentlich sprechen. 
Ferner sollten wir es wohl beachten, daß wir nur dann ein Recht 
haben, in der Versammlung zu sprechen, wenn der Herr Selbst 
uns einen Auftrag dazu gegeben hat. Wenn es nur „fünf Worte" 
sind, so laßt uns diese aussprechen und uns wieder hinsetzen. 
Nichts kann unverständlicher sein, als zu versuchen, „zehntausend Worte" zu sprechen, wenn der Herr nur „fünf gegeben 
hat. Es ist sehr zu bedauern, daß es in den Versammlungen oft 
so etwas gibt. Welch ein Segen würde es sein, wenn wir über 
das uns zugeteilte Maß nicht hinausgingen! Jenes Maß mag 
gering sein; das ist nicht entscheidend. Laßt uns immer einfach, 
ernst und wahrhaftig sein. Ein ernstes Herz ist besser als ein 
fähiger Kopf, und ein inbrünstiger Geist besser als eine gewandte Zunge. Ein reines, herzliches Verlangen, das wahre 
Wohl der Seelen zu fördern, wird sich bei den Menschen wirksamer und bei Gott annehmlicher erweisen als die glänzendste 
Gabe ohne dieses. Wir sollen ohne Zweifel nach den besten 
Gaben streben; aber wir sollten vor allem auch den „vortrefflicheren Weg" im Auge behalten - den Weg jener Liebe, die 
immer sich selbst verbirgt und nur den Nutzen der anderen 
sucht. Damit ist nicht gemeint, daß wir die Gaben geringer 
achten, sondern daß wir die Liebe höher achten sollen. 
Schließlich würde es viel helfen, jene einfache Regel stets zu 
beachten: 'Nimm dir nicht vor, etwas sagen zu wollen, weil dir 
zu reden gegeben ist, sondern rede, weil dir etwas gegeben ist, 
das gesagt werden sollte.' Das ist sehr einfach. Es ist völlig 
verkehrt, wenn jemand nur sucht, so viel Stoff zusammenzubringen, wie nötig ist, um einen gewissen Zeitraum auszufüllen. 
Das sollte niemals der Fall sein. Wenn der Lehrer oder Prediger 
mit Fleiß auf seinen Dienst achtet, seine Gabe nicht verkümmern läßt, auf die Leitung, Kraft und Segnung Gottes wartet, im 
Geist des Gebets lebt und die Atmosphäre der Schrift um sich 
her verbreitet, so wird er immer zum Gebrauch des Meisters 
zubereitet sein, und seine Worte - seien es „fünf oder „zehn140 
tausend" - werden sicher Christus verherrlichen und dem Menschen nützlich sein. Das wird aber nicht der Fall sein ohne die 
Überzeugung, daß Gott einen Auftrag gegeben hat, und ohne 
den Wunsch, es zur Erbauung zu sagen. Der Herr möge uns 
durch Seinen Geist in dieser so wichtigen Sache leiten und 
unsere Herzen einfältig machen! Der Dienst ist völlig nutzlos, 
wenn er nicht zur Ehre des Herrn und zum Wohl der Seinigen 
gereicht; ja, er ist oft sogar ein Schaden für uns und andere. 
Worte ohne Leben und Kraft schwächen uns selbst und die 
Versammlung. Das sollte jeder beherzigen, der in der Versammlung lehrt oder ermahnt. Unsere Verantwortung in dieser 
Sache ist sehr groß, und der Herr gebe, daß wir sie alle fühlen! 
So gesegnet es auch ist, wenn wir vom Herrn zur Erbauung der 
Versammlung benutzt werden, so verwerflich ist es auch, wenn 
wir ohne Ihn wirken wollen. Das schwächt die Versammlung. 
Gedanken 
Die Liebe Gottes ist die Quelle, aus welcher die Erlösung fließt. 
Das vollkommene Opfer Christi ist der Kanal, durch welchen 
sie fließt. Der Glaube, gewirkt in der Seele durch den Heiligen 
Geist, ist die Kraft des Genusses, und das ewige Leben, das wir 
jetzt schon kennen dürfen, ist die Folge (Joh 3,16). 
Mein Gewissen ist völlig zur Ruhe gekommen durch das Werk 
Christi - alles ist gutgemacht. Gott ist in Bezug auf meine Sünde durch dieses Werk völlig verherrlicht worden. Das Sehnen 
meines Herzens aber kann nur befriedigt werden durch die 
Person Christi. Es muß dort seine Freude und Wonne haben, 
wo Gott Selbst sie hat - in dem Geliebten. 
141 
Über das Erkennen des Willens / 
Gottes 
Wenn ein Kind im allgemeinen seinem Vater gegenüber 
gleichgültig ist und sich keine Mühe gibt, seine Gedanken und 
seinen Willen kennenzulernen, so ist leicht vorauszusehen, daß 
ein solches Kind in einem schwierigen Fall nicht wissen wird, 
wie es sich zu verhalten hat, um dem Vater Freude zu machen. 
Dagegen wird z.B. eine Frau wohl wissen, was ihrem Mann 
angenehm ist, selbst in solchen Fällen, worin er seinen Willen 
noch nicht kundgetan hat, falls sie die Gefühle und den Geist 
einer wahren Gattin hat. Es gibt nun gewisse Dinge, über die 
Gott in Seinem Wort nur in allgemeinen Grundsätzen spricht, 
damit der Seelenzustand des einzelnen geprüft wird. Dieser 
Prüfung kann ein Gläubiger nicht entgehen; Gott wird es niemals Seinen Kindern erlauben. „Wenn nun dein Auge einfältig 
ist, so wird dein ganzer Leib licht sein" (Mt 6,22). - Gott hat 
uns also nicht für jede Sache in das einzelne gehende Regeln 
gegeben, um Seinen Willen zu erkennen; sondern diese Erkenntnis steht immer in Beziehung zu unserem Seelenzustand. 
Da wir sehr geneigt sind, hoch von uns selbst zu denken, 
kommt es aber oft vor, daß wir uns einbilden, in dieser oder 
jener Sache den Willen Gottes zu erkennen, obwohl Gott uns 
gar nichts darin zu sagen hat. Das Übel ist die Unruhe, die wir 
uns selbst in Bezug auf jene Sache machen. Gottes Wille aber 
in solchem Fall ist, still zu sein und zunächst nichts zu tun. 
Ein anderes Mal suchen wir in den augenblicklichen Umständen den Willen Gottes zu erkennen, weil wir nicht wissen, wie 
wir uns verhalten sollen, während Sein einziger Wille ist, daß 
wir uns gar nicht in jenen Umständen befinden. Wenn unser 
Gewissen in Tätigkeit wäre, so hätte es uns schon dazu gebracht, diese Umstände zu verlassen oder aufzugeben. Unser 
eigener Wille hat uns dort hingebracht; trotzdem möchten wir 
den Trost Gottes genießen, von Gott darin geleitet werden -
und zwar auf einem Weg, den wir uns selbst erwählt haben. 
Das kommt sehr oft vor. 
142 
Andererseits aber können wir gewiß sein, daß es für uns nicht 
schwer sein wird, Seinen Willen zu erkennen, wenn wir uns 
nahe bei Ihm aufhalten. Es kann natürlich in einem langen 
Leben vorkommen, daß Gott uns in Seiner Liebe nicht immer 
sogleich Seinen Willen offenbart, um uns unsere Abhängigkeit 
fühlen zu lassen, denn wir haben oft die Neigung, nach unserem 
eigenen Willen zu handeln. Aber wenn „dein Auge einfältig ist, 
so wird dein ganzer Leib licht sein". Daraus folgt auch das 
Umgekehrte: Wenn das Auge nicht einfältig ist, so ist auch der 
ganze Leib nicht licht. Manche mögen sagen: Das ist ein 
armseliger Trost! Ich aber erwidere: Es ist ein reicher Trost für 
alle, deren einziger Wunsch es ist, ein einfältiges Auge zu haben und mit Gott zu wandeln. Man kann sich dieser Forderung 
des Wortes Gottes an unseren Wandel nicht entziehen. „Wenn 
jemand am Tage wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht 
dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht wandelt, stößt 
er an, weil das Licht nicht in ihm ist" (Joh 11,9.10). „Wer mir 
nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird 
das Licht des Lebens haben" (Joh 8,12). Der Grundsatz ist 
immer derselbe. „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem 
Tage an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu 
bitten, auf daß ihr erfüllt sein möget mit der Erkenntnis seines 
Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um 
würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem 
guten Werke fruchtbringend, und wachsend durch die Erkenntnis Gottes" (Kol 1,9.10). Die Verbindung dieser Dinge ist sehr 
wichtig für die Seele. Man muß den Herrn gut kennen, um 
Seiner würdig zu wandeln, und auf diese Weise wachsen wir in 
der Erkenntnis des Willens Gottes. „Und um dieses bete ich, 
daß eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis 
und aller Einsicht, damit ihr prüfen möget, was das Vorzüglichere sei, auf daß ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag 
Christi" (Phil 1,9.10). Schließlich steht auch geschrieben, daß 
„der geistliche [Mensch] aber alles beurteilt; er selbst aber wird 
von niemand beurteilt" (1.Kor 2,15). 
Die Erkenntnis des Willens Gottes ist also abhängig von unserem geistlichen Zustand. Unsere Aufgabe ist es immer, uns 
143 
nahe beim Herrn aufzuhalten. Nur dann erlaubt uns Gott, 
Seinen Willen zu erkennen; und wer Seinen Willen ohne dieses 
Nahesein beim Herrn zu erkennen sucht, der sucht verkehrt. 
Man möchte es natürlich ganz bequem haben. Ein 'Befehlshaber 
des Gewissens' soll praktisch verhindern, daß unser moralischer 
Zustand offenbar wird und u.U. Züchtigung erfordert. Aber es 
verhält sich nicht so, und das sehen wir immer wieder. Wie oft 
kommt es vor, daß ein Christ in einer Sache im Zweifel und in 
Verlegenheit ist, während ein anderer, der geistlicher ist, darin 
so klar sieht wie am Tage und sich, da er nicht die geringste 
Schwierigkeit sieht, über jenen wundert. Endlich merkt der 
Erste, daß diese vermeintliche Schwierigkeit nur in seinem 
eigenen Zustand begründet ist. „Denn bei welchem diese Dinge 
nicht sind, der ist blind, kurzsichtig ..." (2.Petr 1,9). 
Was nun die Umstände betrifft, so glaube ich, daß man 
manchmal von ihnen geleitet werden kann, aber nicht immer. 
Wir finden das selbst im Wort Gottes bestätigt durch den 
Ausdruck „Bändigen mit Zaum und Zügel". Schöner ist es, 
wenn für uns gilt: „Ich will dich unterweisen und dich lehren 
den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, 
will ich dir raten" (Ps 32,9.8). Dies ist das Vorrecht und die 
Verheißung für den, der in Gemeinschaft mit Gott wandeln 
möchte. Man muß aber dem Herrn recht nahe sein, um den 
Wink Seiner Augen zu verstehen; Er hat verheißen, uns so zu 
leiten, und Er ist treu. Zugleich warnt Er uns davor, nicht wie 
Rosse und Maultiere zu sein, die keinen Verstand haben; sie 
kennen weder den Willen noch die Wünsche und Gedanken 
ihres Meisters, und deshalb müssen sie mit „Zaum und Zügel" 
geleitet werden. Allerdings ist dies besser als anzustoßen und 
dann zu fallen oder sich gegen Den aufzulehnen, der uns führt; 
aber es ist ein trauriger Zustand. Von Seiten Gottes ist es 
immer Erbarmen, daß Er es tut; aber auf unserer Seite steht es 
traurig, wenn es nötig ist. Doch müssen wir gut beachten, daß 
zwischen dem Erkennen des Willens Gottes in den Umständen 
und dem Geleitetwerden durch die Umstände ein großer Unterschied ist. Wer sich nur von ihnen leiten läßt, handelt in Bezug 
auf den Willen Gottes ohne Gemeinschaft mit Ihm, seine 
144 
Handlungsweise hat gar keine moralische Grundlage; durch 
äußere Macht wird er gezwungen. Es kann aber oft vorkommen, daß ich im Voraus über eine Sache nicht einen bestimmten Entschluß fassen kann, da ich weiß, welche Umstände 
eintreten können; sobald aber diese Umstände da sind, erkenne 
ich mit völliger und göttlicher Gewißheit die Absicht des 
Geistes. Das erfordert einen hohen Grad von geistlichem 
Verständnis und heißt nicht, durch die Umstände, sondern von 
Gott in den Umständen geleitet zu werden. Sobald die Umstände eintreten, kann ich dann beurteilen, was ich zu tun habe, 
weil ich Ihm nahe genug bin. 
Wenn wir um Erkenntnis Seines Willens bitten, so kann Gott 
gewisse fleischliche Einflüsse entfernen und geistlichen Einflüssen einen größeren Raum in der Seele geben. Er kann uns 
auch an eine Pflicht erinnern, die wir vielleicht ganz vergessen 
haben, weil ein gewünschter Gegenstand uns zu sehr beschäftigt hatte. Ähnliches kann aber auch zwischen zwei Personen 
vorkommen. Vielleicht hat der eine nicht genug Unterscheidungsvermögen, um selbst das Gute in einer Sache zu erkennen; sobald aber ein anderer ihn darauf aufmerksam macht, 
erkennt er es völlig. Das Licht, das Gott uns für unseren Weg 
in bestimmten Umständen gibt, bleibt aber nicht immer ein 
bloßer Eindruck für uns, sondern ist meist so klar wie der helle 
Tag. Gott gibt es uns, wenn wir mit Ihm wandeln und auf 
Seine Stimme hören. 
Der Fall, daß jemand ohne Kenntnis des Willens Gottes handelt, sollte bei einem Gläubigen nicht vorkommen. Die einzige 
Regel, die man geben kann, lautet, nie zu handeln, wenn man 
den Willen Gottes nicht kennt. Wenn man aber dennoch 
handelt, so hat man sich praktisch den Umständen überliefert, 
obwohl Gott auch dann noch alles zu unserem Besten lenken 
kann. Aber warum sollen wir handeln, wenn wir den Willen 
Gottes nicht kennen? Ist denn die Notwendigkeit zum Handeln 
so dringend? - Wenn wir aber bei einer Handlung völlig sicher 
sind, den Willen Gottes zu tun, so soll kein Hindernis uns bestürzt machen oder aufhalten; es ist dann nur eine Glaubensprüfung für uns. Wenn wir nicht nahe genug beim Herrn 
145 
wandeln, so erkennen wir vielleicht noch das Richtige, haben 
aber doch nicht Glauben und Kraft genug, es auch zu tun. 
Wenn wir unseren eigenen Willen tun oder nachlässig sind in 
unserem Wandel, so warnt uns Gott in Seiner Barmherzigkeit 
manchmal durch ein Hindernis. Wenn wir darauf achten, so 
werden wir auf diesem Weg nicht weitergehen; „die Einfältigen aber gehen weiter und leiden Strafe" (Spr 22,3; 27,12). 
Gott kann aber auch erlauben, daß Satan uns ein Hindernis in 
den Weg legt, damit wir in der Abhängigkeit vom Herrn 
erhalten bleiben; aber Satan kann seine Wirksamkeit nur auf 
das Fleisch ausüben. Wenn wir nicht wachsam sind und uns 
sogar von Gott entfernen, so kann Satan uns schaden; anders 
aber ist es nur eine Glaubensprüfung, um uns vor einer Gefahr 
oder einem Fallstrick zu warnen - vor etwas, das uns hochmütig machen könnte. Es dient zu unserer Züchtigung. Gott 
erlaubt also dem Satan, den Geist zu betrüben und dem Fleisch 
Leiden zu bereiten, damit der innere Mensch vor dem Bösen 
bewahrt bleibt. Ist das nicht der Fall, so sind es wahrscheinlich 
unsere Wenn und Aber, die uns aufhalten, oder es sind die 
Folgen unserer Nachlässigkeit, die dem Satan die Für geöffnet 
haben, um uns durch Zweifel und scheinbare Schwierigkeiten 
zu beunruhigen, indem wir dann nicht mehr klar sehen. 
„Sondern der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse 
tastet ihn nicht an" (l.Joh 5,18). 
Manche für uns unlösbare Frage würde aber auch nicht vorhanden sein, wenn wir uns nicht in einer solchen Lage befänden, 
wenn wir vorher in einem guten Seelenzustand gewesen wären 
und wenn eine wahre geistliche Gesinnung uns bewahrt hätte. 
Nun ist es vor allem nötig, daß wir uns wegen dieser Sache 
demütigen. Zugleich müssen wir untersuchen, ob wir in der 
Schrift nicht einen Grundsatz finden, der uns leiten könnte. Dazu 
ist einzig und allein eine wahre geistliche Gesinnung nötig. 
Die einfache Regel, das zu tun, was der Herr Jesus in den 
gleichen Umständen getan hätte, ist dort, wo man sie anwenden kann, sicherlich gut. Aber befinden wir uns immer in 
denselben Umständen, worin der Herr Sich befunden hat? -
146 
Ferner ist es oft nützlich, aufrichtig zu fragen, woher der 
Wunsch kommt, dieses oder jenes zu tun. Ich habe gefunden, 
daß dies in der Hälfte der Schwierigkeiten, die einem Christen 
begegnen können, die Entscheidung gibt. Zwei Drittel der 
restlichen Schwierigkeiten sind die Folge davon, daß wir nicht 
warten konnten, aber auch die Folge früherer Sünden. 
Wenn eine Sache von Gott kommt und nicht vom Fleisch, so 
haben wir uns in Bezug auf ihre Ausführung nur einfach an 
Gott zu wenden, der uns gewiß nicht ohne Leitung darin lassen 
wird. Es ist also von großer Wichtigkeit, die Beweggründe zu 
wissen, die uns in dieser oder jener Sache leiten. Und diese 
würden mehr an den Tag kommen, wenn unsere Liebe mehr in 
Tätigkeit wäre oder mehr in der Gegenwart Gottes ausgeübt 
würde. Dann würden wir sehr oft finden, daß auf unserer Seite 
nur Selbstsucht war. 
Vielleicht könnte jemand fragen: Wie ist zu handeln, wenn es 
bei einer Sache weder um Liebe noch um Gehorsam geht? 
Dann erwidere ich, daß man einen Grund zum Handeln zeigen 
muß; denn wenn es nur unsere Eigenliebe ist, so denke man ja 
nicht, daß Gott Sich unserem Willen fügen wird. Auch dies ist 
eine Ursache vieler Schwierigkeiten. In einem solchem Fall 
wird Er uns in Seiner Gnade den Weg des Gehorsams zeigen 
und uns deutlich machen, wieviel Zeit wir mit unserer eigenen 
Tätigkeit verloren haben. Zum Schluß möchte ich noch das 
Wort des Psalmisten hinzufügen: „Er leitet die Sanftmütigen 
im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg" (Ps 25,9). 
Übrigens sollen wir nicht vergessen, daß die Weisheit Gottes 
uns leitet, den Willen Gottes zu tun. Wenn unser Eigenwille in 
Tätigkeit ist, wird Gott nicht mit uns sein. Das ist das Wesentlichste. Es ist das Geheimnis des Lebens Christi. Ich kenne 
keinen anderen Grundsatz, nach dem Gott mit uns handelt, 
obwohl Er vergibt und alles zu unserem Besten lenkt. Der Platz 
eines Türhüters ist, an der Tür zu warten. Wenn er das tut, so 
tut er den Willen seines Herrn. Auch können wir sicher sein, 
daß Gott mehr in uns tut, als wir für Ihn; und was wir tun, ist 
nur dann für Ihn, wenn Er Selbst es in uns gewirkt hat. 
147 
„Christus wohne in euren Herzen." 
Vor einiger Zeit lag ein junger Mann auf seinem Sterbebett, 
der durch den Glauben an den Herrn Jesus dem Tod ohne 
Furcht ins Auge schauen konnte. Dennoch genoß sein Herz 
wenig Freude auf seinem Sterbelager; es fehlte an einem 
„reichlichen Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und 
Heilandes Jesus Christus" (2.Petr 1,11). 
Ein erfahrener Diener des Herrn, der ihn besuchte und mit ihm 
von der unaussprechlichen Herrlichkeit sprach, die auf ihn 
wartete, fragte ihn, ob sein Herz über diese glückliche Aussicht 
mit Freude erfüllt sei. Der sterbende junge Bruder erwiderte: 
"Was meine Sünden betrifft, so habe ich Frieden durch den 
Glauben an das kostbare Blut Christi, aber der Himmel kommt 
mir vor wie ein fremdes, unbekanntes Land; und ich habe eine 
gewisse Furcht, wenn ich daran denke, daß ich so allein in 
diesen geheimnisvollen, verborgenen Ort eintreten muß." Sein 
älterer Freund merkte bald, woran es fehlte. Er ruhte zwar auf 
dem Opfer Christi, aber er machte sich nicht vertraut mit dem 
Herrn als einem lebendigen Heiland. Deshalb sagte er ihm, daß 
er nicht den Himmel vor seinen Geist stellen solle, sondern die 
gesegnete Tatsache, daß der geliebte Herr, dem er seine Erlösung und alles verdanke, dort wäre, um ihn zu empfangen; so 
würde ihm der Himmel nicht mehr ein fremder Ort sein. Da 
wurde das Herz des Sterbenden durch die Gnade Gottes bald 
mit großer Freude erfüllt. Es war ihm ein kostbarer Gedanke, 
Jesum zu sehen und für immer bei Ihm zu sein - bei Jesu, der 
ihn geliebt und Sich Selbst für ihn hingegeben hatte. Jetzt 
waren seine letzten Stunden voller Freude, denn nicht nur war 
sein Gewissen beruhigt, sondern Jesus Selbst erfüllte sein Herz 
und seine Zukunft - der kostbare Name Jesus, zu dem sein 
Geist nun bald hingehen sollte. 
Sicher wirst nun du, lieber gläubiger Leser, mit mir anerkennen, daß wir die Liebe unseres auferstandenen Heilandes nicht 
allein in der feierlichen Sterbestunde, sondern auch in unserem 
täglichen Leben nötig haben. Die Verwirklichung dieser gött148 
liehen Wahrheit wird zu jeder Zeit ein Schutz für unsere 
Herzen sein. Viele Gläubige haben durch das Werk Christi ein 
beruhigtes Gewissen, aber die Person Christi bildet nicht den 
gesegneten Mittelpunkt der Neigungen ihres Herzens. Paulus 
bittet für die gläubigen Epheser, daß der „Vater unseres Herrn 
Jesus Christus... euch gebe, nach dem Reichtum seiner 
Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist 
an dem inneren Menschen; daß der Christus durch den 
Glauben in euren Herzen wohne" (Eph 3,14-17). O möchte 
dies auch stets unser Gebet sein! 
So gesegnet und kostbar es auch ist, durch das Blut Christi 
Ruhe für das Gewissen zu haben, so ist es doch noch weit 
kostbarer, stets die glückselige Gemeinschaft mit dem Herrn 
Selbst zu genießen. Möge deshalb jeder sich selbst fragen: 
Verlangt mein Herz nichts mehr - sucht es nichts mehr, seitdem ich Ihn kenne und besitze? Habe ich genug, wie Maria 
Magdalene, weil der auferstandene Herr mich mit Namen 
gerufen und Sich mir offenbart hat? Was kann mein Herz noch 
begehren, wenn ich sagen kann: „Ich bin meines Geliebten, 
und nach mir ist sein Verlangen." (Hl 7,10)? 
Paulus und Felix 
Apostelgeschichte 24 
Dieses Kapitel liefert uns einen bemerkenswerten Kontrast 
zwischen einem wahren Christen und einem Weltmenschen -
zwischen Paulus, dem Gefangenen, und Felix, dem Richter. 
Wir sehen sie hier einander gegenüberstehen und haben Gelegenheit, die Quellen der Handlung in dem Gefangenen und in 
dem Richter zu betrachten. Das Auge des Paulus ruhte auf dem 
Unsichtbaren und Ewigen, das Auge des Felix aber auf dem 
Sichtbaren und Zeitlichen; Paulus stand im Licht des Himmels, 
Felix war eingehüllt in die Finsternis der Erde. Mit einem Wort, 
149 
sie stellen in jeder Beziehung den größtmöglichen Gegensatz 
dar. Laßt uns deshalb dieses bezeichnende Bild ein wenig 
näher betrachten. Wenn wir das tun, werden wir sehen, worin 
der Glaube, die Hoffnung und das praktische Leben beider 
Menschen bestand. 
Wir wollen nun zuerst von Paulus, dem Gefangenen Jesu 
Christi, eine Darstellung seines Glaubens, seiner Hoffnung und 
seines praktischen Lebens hören. 
„Aber dies bekenne ich dir, daß ich nach dem Wege, den sie 
eine Sekte nennen, also dem Gott meiner Väter diene, indem 
ich allem glaube, was in dem Gesetz und in den Propheten 
geschrieben steht" (V. 14). Hier finden wir den Glauben des 
Paulus: „... indem ich allem glaube, was in dem Gesetz und in 
den Propheten geschrieben steht." Ein Christ hat jetzt, wie wir 
wissen, ein größeres Feld; er ist fähig, hinzuzufügen: 'und 
allem, was im Neuen Testament geschrieben steht.' Dies ist der 
Glaube eines Christen: Das ganze Wort Gottes - der ganze 
Kanon der göttlichen Eingebung. Er braucht nichts mehr, er 
kommt nicht mit weniger aus, er wünscht nichts anderes. „Die 
ganze Schrift" ist das Glaubensbekenntnis eines Christen, und 
sicher ist sie völlig ausreichend. In ihr findet er sein Bekenntnis, seinen Maßstab, sein Alles. Durch sie kann er sich selbst 
und alles um sich her prüfen - sowohl seine eigenen Gedanken 
als auch die seiner Mitmenschen. Gewohnheiten und Lehren 
können alle mit diesem Maß gemessen und mit dieser Waage 
gewogen werden. Sie reicht auf göttliche Weise hin für alle 
Zeitalter und alle Nationen. Hohe und Niedrige, Reiche und 
Arme, Gelehrte und Ungelehrte, Alte und Junge können im 
Wort Gottes alles finden, was sie brauchen. Wir verunehren 
Gott, wenn wir sagen, daß wir außer dem Wort Gottes noch 
etwas anderes nötig haben. 
Und was war die Hoffnung des Paulus? „... daß ich ... die 
Hoffnung zu Gott habe, welche auch selbst diese annehmen, 
daß eine Auferstehung sein wird, sowohl der Gerechten als der 
Ungerechten" (V. 15). Das ist die Hoffnung eines Christen: 
„Hoffnung zu Gott" - Hoffnung der Auferstehung. Sie ist nicht 
150 
auf den Menschen gerichtet, noch steht sie zu irgend etwas auf 
der Erde in Beziehung. Alle irdischen Hoffnungen und Erwartungen schwinden wie die Wolke am Morgen. Auf alles hier ist 
der Stempel des Todes gedrückt. Das Grab ist das traurige 
Ende der Geschichte des Menschen in dieser Welt. Aber, gepriesen sei Gott, die Hoffnung des Christen führt ihn ganz und 
gar über das Grab hinaus und verbindet ihn mit jener unsichtbaren und ewigen Wirklichkeit, der er, als auferweckt mit 
Christus, angehört. Hier auf der Erde hat nichts Bedeutung, um 
seine Hoffnung darauf zu setzen. Alles geht schnell vorüber. 
Der kalte Hauch der Sterblichkeit durchkreuzt beständig die 
lieblichsten Szenen auf der Erde und zerstört sie. Paulus war 
deshalb glaubensvoll, als er sagte: „Ich habe die Hoffnung zu 
Gott." Wäre es anders gewesen, so wäre sein Los höchst elend 
gewesen. Er war mit allem zu Ende gekommen, was diese Welt 
bieten konnte; aber er hatte seine Hoffnung auf Den gegründet, 
Der die Toten lebendig macht: auf den lebendigen Gott - auf 
den Gott der Auferweckung. 
Nun noch ein Wort über das praktische Leben des Paulus. 
„Darum übe ich mich auch, allezeit ein Gewissen ohne Anstoß 
zu haben vor Gott und den Menschen" (V. 16). Das ist die 
praktische Übung des Christen, die auch uns beständig kennzeichnen sollte. Wir sollten uns so betragen, daß wir den Menschen keinen Anstoß - keinen gerechten Anlaß geben, und vor 
Gott sollen wir ein reines Gewissen bewahren, das uns nicht 
verurteilt. Nie sollten wir mit weniger als diesem zufrieden 
sein. Wir können mißverstanden werden, wir können Dinge in 
Unwissenheit tun, Fehler machen und in vielen Dingen versagen; aber bei diesem allem sollen wir stets ernstlich und 
aufrichtig begehren, ein Gewissen ohne Anstoß vor Gott und 
den Menschen zu haben. Die „Übung" ist ohne Zweifel nötig, 
und manchmal macht sie uns Mühe; aber wir sollten sie eifrig 
suchen, denn sie gehört zur wahren Praxis eines Christen. 
Das ist nun das liebliche Bild eines wahren Christen, das in der 
Person des Paulus, des Gefangenen, dargestellt wird. Sein 
Glaube ruhte auf der Offenbarung Gottes, seine Hoffnung 
erstreckte sich bis zur Zeit nach der Auferstehung, und sein 
151 
praktisches Leben wurde charakterisiert durch die ernste 
Übung, ein tadelloses und aufrichtiges Leben vor Gott und den 
Menschen zu führen. Gott gebe, daß wir in dieser Zeit, wo es 
soviel leeres Bekenntnis gibt, diese Dinge kennen und verwirklichen. 
Jetzt laßt uns einen kurzen Blick auf das Bild eines Weltmenschen werfen. Dabei geht es uns aber nur um die wesentlichen 
Merkmale. 
Der Geist Gottes hat uns das, was wir den Glauben des Weltmenschen nennen können, in dem vorliegenden Kapitel in 
höchst eindringlicher Sprache vorgestellt. „Als er (Paulus) aber 
über Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit und das kommende Gericht redete, wurde Felix mit Furcht erfüllt und antwortete: Für 
jetzt gehe hin; wenn ich aber gelegene Zeit habe, werde ich dich 
rufen lassen" (V. 25). Der treue Gesandte stand vor dem in 
Sünde lebenden Landpfleger und sprach feierliche und ergreifende Worte in Bezug auf die Gerechtigkeit, die Enthaltsamkeit 
und das kommende Gericht. Und als der Gefangene sprach, da 
zitterte der Richter. Wie ungewöhnlich! Es war etwas Neues -
etwas, das ganz verschieden von dem war, was gewöhnlich in 
den Gerichtshallen gesehen wird. „Felix wurde mit Furcht 
erfüllt." Armer Mensch! Wie glücklich wäre er gewesen, wenn 
sein Zittern über sich selbst ihn zu Jesus geführt hätte! Aber 
leider begnügte er sich mit dem Glauben an eine „gelegene 
Zeit", die, soweit es uns berichtet wird, niemals kam. Es ist 
Torheit für einen Menschen, von einer „gelegenen Zeit" zu 
sprechen, da er sie nie finden wird. Da wird immer etwas sein, 
das seinem ernsten.Nachdenken über die große Frage seiner 
eigenen Zukunft hindernd in den Weg tritt - etwas, das es 
ungelegen macht. Vielleicht erzittert er, wenn von dem „kommenden Gericht" die Rede ist. Aber die Welt in ihren verschiedenen Formen wird dazwischenkommen und den Anlaß zu 
einer ungelegenen Zeit machen, und so geht er von Tag zu Tag 
und von Jahr zu Jahr dahin, bis der Tod kommt und ihn an 
jenen Platz des ewigen Elends führt, „wo ihr Wurm nicht stirbt 
und das Feuer nicht erlischt" (Mk 9,44). Gottes Zeit ist jetzt. 
„Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag 
152 
des Heils!" „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure 
Herzen nicht" (2.Kor 6,2; Hebr 3,7). 
Doch betrachten wir nun die Hoffnung des Felix: „Zugleich 
hoffte er, daß ihm von Paulus Geld gegeben werden würde" 
(V.26). Welch ein Gedanke! Felix konnte oft zu Paulus senden 
in der Hoffnung, Geld zu erhalten; aber in Bezug auf die 
Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und das kommende Gericht hatte 
er gar keine gelegene Zeit. Welch eine Entfaltung der verborgenen Quellen der Handlung haben wir hier! Welch eine Enthüllung der Wurzeln der Dinge! Die Ewigkeit wird beiseite 
gesetzt - nach Geld wird mit Fleiß getrachtet. Jede Zeit ist 
„gelegen", wenn vielleicht Geld zu erwarten ist - keine Zeit ist 
gelegen, wenn es um das kommende Gericht geht. 
Jetzt noch ein Wort in Bezug auf das praktische Leben des 
Felix. „Als aber zwei Jahre verflossen waren, bekam Felix den 
Porcius Festus zum Nachfolger; und da Felix sich bei den 
Juden in Gunst setzen wollte, hinterließ er den Paulus 
gefangen" (V. 27). Dies vollendet das traurige Bild eines Weltmenschen. Sein Glaube richtet sich auf eine „gelegene Zeit", 
die nie kam, seine Hoffnung auf „Geld", das er nie empfing, 
und sein praktisches Leben wurde dadurch gekennzeichnet, 
einen unschuldigen Menschen in Gefangenschaft zu lassen, um 
die Volksgunst zu erlangen. Möge der Geist Gottes die Lehren, 
die wir aus der Betrachtung dieser beiden Personen entnehmen 
durften, tief in unsere Herzen einprägen! 
'Der Vogel kennt seine bestimmte Zeit.' 
Im vorigen Herbst durchkreuzte ich das Moor im Norden 
Englands. Der wilde Sturm trieb den strömenden Regen hinab 
in die Täler und ließ die Bäche zu brausenden Strömen anschwellen. Während ich staunend die schwarzen Wolken betrachtete, bemerkte ich hoch über mir einen weißen Fleck, der 
153 
sich zu bewegen schien. Plötzlich durchschnitt ein Sonnenstrahl die Wolken und zeigte mir einen Vogel, der mit dem 
Wind kämpfte. Meine Augen verfolgten lange Zeit den einsamen Wanderer, der so mutig gegen den Sturm ankämpfte. 
Oft mußte er der Gewalt des Windes weichen und seine müden 
Flügel einen Augenblick ausruhen lassen. Er schien sich dann 
ganz regungslos in der Luft zu halten; aber bald machte er neue 
Anstrengungen und kam immer weiter vorwärts. Schließlich 
verlor ich ihn ganz aus dem Auge. Was war sein Ziel? Der 
Herbst war da, und der Prophet sagt: „Selbst der Storch am 
Himmel kennt seine bestimmten Zeiten" (Jer 8,7). Fern von 
dieser öden Wüste lag eine ruhige und sonnige Gegend. Dorthin richtete er seinen Flug, ohne sich seitwärts zu wenden und 
ohne vor den Schwierigkeiten des Weges zurückzuschrecken. 
Es war eine gesegnete Unterweisung, die mich dieser Vogel 
lehrte. Oft habe ich mich, wenn ich betrübt und mutlos war, an 
jene göttliche Lektion erinnert, worin der Herr mir sogar ein 
Beispiel aus der Natur gab. Und auch du, lieber christlicher 
Mitpilger, kannst aus diesem einfachen Bild lernen. Noch eine 
kurze Zeit, und du wirst das „bessere Land" erreichen, wo es 
keine Trübsale und Beschwerden mehr geben wird. Jetzt bist 
du in der Wüste, wo dein Fuß keine Ruhe finden kann, wenn 
du mit Gott wandelst. Ist jener göttliche Grundsatz, dem Ziel 
der hohen Berufung Gottes in Christo Jesu entgegenzueilen, so 
kraftvoll und wirksam in dir, daß du vorandringst wie der 
Zugvogel nach der Heimat? Bist du müde und schwach, so 
denke an die Worte: „Meine Gnade genügt dir, denn meine 
Kraft wird in Schwachheit vollbracht" (2.Kor 12,9). Dein Weg 
ist ein Weg des Glaubens. Nur das Auge des Glaubens erkennt 
ihn; dem natürlichen Auge ist er Torheit. „Durch Glauben 
verstehen wir." Bei deinem Kampf handelt es sich nicht um die 
Vergebung deiner Sünden, denn deine Sünden sind dir vergeben um Seines Namens willen. Jene Bürde der Sünde liegt 
nicht mehr auf deinem Rücken, denn der Herr Jesus hat „selbst 
unsere Sünden an Seinem Leibe auf dem Holze getragen" 
(l.Petr 2,24). Wir werden jetzt ermahnt, den Lauf mit Ausharren zu vollenden und auf Jesus zu sehen. Wir sind nicht von 
154 
der Welt, gleichwie auch Er nicht von der Welt ist (Joh 17,14); 
wir sind mit Ihm auferweckt und der Stellung nach in den 
himmlichen Örtern. 
Als die Israeliten am anderen Ufer des Roten Meeres standen, 
sangen sie ein Triumphlied. „Meine Stärke und mein Gesang ist 
Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, 
und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will 
ihn erheben" (2.Mo 15,2). Auch du hast einst vorn Sieg durch 
das Blut des Lammes gesungen. Als aber Israel drei Tage in der 
Wüste gewandert war, da murrte es über den Weg, weil kein 
Wasser in der Wüste war. Auch du wirst entdecken, daß diese 
arme Welt keine Erfrischungen für die wiedergeborene Seele 
hat. Doch murre nicht, denn unser Herr hat gesagt: „Das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers 
werden, das ins ewige Leben quillt" (Joh 4,14). 
Schaue auf Jesus, damit du nicht ermüdest, indem du in deiner 
Seele ermattest. Erinnere dich an das „bessere Land", an den 
Ort deiner Bestimmung, und lerne von dem einsamen Vogel, 
der seine weißen Flügel nach seiner Heimat ausbreitete und 
trotz Wolken und Sturm sich nicht seitwärts wandte. 
„Sinnet nicht auf hohe Dinge!" 
Nichts ist geziemender für den Christen, nichts ziert ihn mehr, 
nichts ist wohlgefälliger vor dem Herrn als ein demütiges Herz; 
aber nichts widerstrebt der menschlichen Natur mehr, als demütig, niedrig und gering zu sein. Der Sündenfall des Menschen 
kam durch Überhebung. Wir lesen in 1 .Mose 3,4: „Und die 
Schlange sprach zu dem Weibe: Mit nichten werdet ihr sterben! 
sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon esset, eure 
Augen aufgetan werden, und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses." Der Mensch wollte wie Gott sein, und 
darum aß er. Er wußte jetzt aus eigener Erfahrung, was gut und 
155 
böse war; aber dieses Bewußtsein flößte ihm Angst vor der 
Gegenwart Gottes ein, und er verbarg sich vor Ihm mitten unter 
die Bäume des Gartens. In diesem traurigen Zustand befindet 
sich der Mensch jetzt noch, und Satan fährt fort, ihn durch 
allerlei Versprechungen und Lügen zum Hochmut zu verleiten. 
Selbst der Christ, der Jünger des Herrn, bleibt vor seinen 
Nachstellungen nicht verschont; und wie oft wird er leider 
betört, wie oft wendet er sein Herz ab von dem einfachen Wort 
Gottes und vergißt, auf Den zu schauen, der „sich selbst zu 
nichts machte und Knechtsgestalt annahm ... indem er gehorsam ward bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze" (Phil 2,6-9). 
Die Geschichte der Gläubigen ist in dieser Beziehung reich an 
traurigen Erfahrungen, besonders auch in unseren Tagen. Man 
ist so geneigt, die ernsten Worte des Apostels unbeachtet zu 
lassen: „Sinnet nicht auf hohe Dinge, sondern haltet euch zu 
den niedrigen" (Röm 12,16). Ja, wenn wir bei der Mehrzahl der 
Christen in das Innere des Herzens schauen könnten, so würden 
wir erstaunt sein, in welch hohem Maß ein Trachten nach einer 
höheren Stellung, nach besseren Verhältnissen, nach größerem 
Ansehen, nach schöneren Möbeln, Kleidern usw. zu finden sind 
und wie das Herz durch all diese Dinge so viele Stunden des 
Tages mit Gedanken, Unruhe und Sorge erfüllt ist. Muß man 
sich da wundern, wenn so viele klagen, daß sie wenig Freude 
haben, daß das Wort des Herrn und Seine Gegenwart sie so 
wenig erquicke und beglücke, daß sie soviel Lauheit bei sich 
verspüren, ohne daß gerade besondere Sünden auf ihrem 
Gewissen liegen? Die Beschäftigung mit jenen eitlen, nichtigen 
Dingen schließt Gott aus. Der Apostel sagt: „Wenn wir sagen, 
daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der 
Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir 
aber in dem Lichte wandeln, wie er in dem Lichte ist, so haben 
wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines 
Sohnes, reinigt uns von aller Sünde." Wir können nur wirklich 
glücklich sein, wenn wir die Gemeinschaft Gottes genießen und 
in Seinen Geboten wandeln. „Wer da sagt: Ich kenne ihn, und 
hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die 
Wahrheit nicht" (l.Joh 1,6.7; 2,4). Wie ernst und bestimmt sind 
156 
diese Worte! Der Herr möge sie in unsere Herzen tief einprägen! 
Es ist nötig, daß wir stets mit Aufrichtigkeit des Herzens in die 
Gegenwart Gottes kommen und mit dem Psalmisten flehen: 
„Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und 
erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal 
bei mir ist, und leite mich auf ewigem Wege!" (Ps 139,23.24). 
Nur im Licht Gottes können wir ein wahres Urteil über uns 
selbst haben; ohne dieses Licht aber werden wir stets durch 
Eigenliebe geleitet werden. Wenn es uns wirklich darum geht, 
zur Ehre Seines Namens durch diese Welt zu gehen, so laßt 
uns die Gegenwart des Herrn aufsuchen, damit wir erfahren, 
wie Er unseren Weg beurteilt. Es ist nicht wichtig, welch eine 
Stellung wir in dieser Welt einnehmen, sondern wie wir sie 
einnehmen, d.h. ob unser Verhalten darin zur Verherrlichung 
des Herrn gereicht. 
Aber leider sind viele Gläubige mehr mit Ersterem als mit 
Letzterem beschäftigt. Anstatt geduldig in einer Stellung 
auszuharren und die Schwierigkeiten um des Herrn willen zu 
ertragen, sind sie unruhig bemüht, herauszukommen, um etwas 
Besseres oder Höheres zu erlangen. Sie verstehen nicht die 
Worte des Apostels: „Denn das Leben ist für mich Christus" 
(Phil 1,21). Bei Paulus kam die Frage nicht in Betracht, ob er 
eine hervorragende oder eine untergeordnete Stellung hatte, ob 
er Herr oder Knecht, Meister oder Geselle, angesehen oder 
verachtet, reich oder arm, frei oder gefangen war, wenn nur der 
Name des Herrn durch ihn verherrlicht wurde. Er war glücklich, ein Sklave Christi zu sein, und er wünschte nichts, als 
Sein Wohlgefallen zu haben. Wenn aber jemand an sich denkt 
und seine eigene Ehre sucht, so haben alle jene Dinge ein 
großes Gewicht, und immer ist das Bestreben vorhanden, etwas höher zu steigen. Deshalb möge der Herr unsere Herzen 
erforschen und uns Gnade darreichen, alles zu richten, was 
nicht der Gesinnung Christi gemäß ist. Er widersteht jedem 
Hochmut und gibt nur dem Demütigen Gnade. Deshalb 
ermahnt auch der Apostel so nachdrücklich: „Seid mit Demut 
fest umhüllt" (l.Petr 5,5). 
157 
Gott hat in Seiner Gnade dafür gesorgt, daß wir in den verschiedenen Verhältnissen dieses Lebens Sein Wort als Leuchte 
für unseren Fuß und als Licht für unseren Weg haben. So lesen 
wir z.B. in Kolosser 3,18-4,1: „Ihr Weiber, seid euren Männern 
unterwürfig, wie es sich geziemt in dem Herrn. Ihr Männer, 
liebet eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie. Ihr Kinder, 
gehorchet euren Eltern in allem, denn dies ist wohlgefällig im 
Herrn. Ihr Väter, ärgert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht 
mutlos werden. Ihr Knechte, gehorchet in allem euren Herren 
nach dem Fleische, nicht in Augendienerei, als Menschengefällige, sondern in Einfalt des Herzens, den Herrn fürchtend. 
Was ihr irgend tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und 
nicht den Menschen, da ihr wisset, daß ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dienet dem Herrn 
Christus. Denn wer unrecht tut, wird das Unrecht empfangen, 
das er getan hat; und da ist kein Ansehen der Person. Ihr 
Herren, gewähret euren Knechten, was recht und billig ist, da 
ihr wisset, daß auch ihr einen Herrn in den Himmeln habt." 
Wie einfach und klar offenbaren diese Worte den wohlgefälligen Willen Gottes in all unseren Verhältnissen! Sicher 
kann niemand darin irren, dem es in Wahrheit um die Verherrlichung Gottes zu tun ist. Der Herr wird einem demütigen 
Herzen Gnade und Kraft genug darreichen, um Seinen Willen 
zu erfüllen. Doch dem Trachten eines selbstsüchtigen und 
hochmütigen Herzens muß Gott immer entgegen sein. Er ist 
gegen uns, wenn wir unsere eigennützigen Pläne verfolgen, 
wenn wir etwas sein wollen, wenn wir mehr geehrt, mehr 
beachtet, mehr berücksichtigt werden wollen. Ja, Er ist gegen 
uns, weil Er heilig ist und uns lieb hat. Jenes Trachten verunehrt Ihn und raubt uns den Segen. Friede und Freude in Ihm 
können können nur von einem demütigen Herzen genossen 
werden. Laßt uns deshalb, getrennt von allem, was Ihn verunehrt, diese einzige Quelle aufsuchen! Der reiche Strom der 
Liebe Gottes ist gegen uns geöffnet, denn Er hat Seinen eingeborenen Sohn für uns dahingegeben. Er ist auch unser Licht 
und unsere Kraft in dieser versuchungsreichen Wüste. Laßt uns 
Ihm nur völlig vertrauen und mit gläubigem Herzen unsere 
158 
Blicke stets auf Jesum richten und in Seinen Fußstapfen 
wandeln. Das allein ist ein gesegneter Weg - ein Weg, auf dem 
wir nicht irren und auf dem der Name des Herrn verherrlicht 
wird. Auf diesem Weg werden wir bewahrt bleiben und in der 
Erkenntnis des Herrn wachsen. Jeder andere Weg bringt nur 
Betrübnis und Verderben. Mancher Gläubige hat am Ende 
seines Lebens bittere Tränen geweint, als er auf sein vergangenes Leben zurückblickte und erkannte, daß er die meiste Zeit 
mit dem Trachten nach eitlen und nichtigen Dingen zugebracht 
und nicht zur Verherrlichung des Herrn gelebt hatte. Mancher 
ist sogar darüber in Not und Zweifel in Bezug auf seine 
Errettung gekommen. „Darum, Brüder", ermahnt der Apostel 
Petrus, „befleißiget euch umsomehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so 
werdet ihr niemals straucheln. Denn also wird euch reichlich 
dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres 
Herrn und Heilandes Jesus Christus" (2.Petr 1,10.11). Dieser 
reichliche Eingang wird also nur für solche sein, die durch 
einen ernsten und würdigen Wandel ihre Berufung und 
Auserwählung festgemacht haben. Möge der Herr uns deshalb 
durch Seinen Geist fähig machen, allezeit einen Gott wohlgefälligen Wandel zu führen! 
„Ich kenne die Meinen und bin 
gekannt von den Meinen." 
Johannes 10,14 
Gedanken zu Johannes 11 
Die Gemeinschaft mit Christus ist das Köstlichste, was ein 
Herz auf der Erde im Glauben und im Himmel im Schauen 
genießt. Je mehr wir diese Gemeinschaft verwirklichen oder je 
mehr wir mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des 
Herrn anschauen, desto mehr werden wir „verwandelt nach 
159 
demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch 
den Herrn, den Geist" (2. Kor 3,18). Wir werden immer durch 
den Gegenstand geformt, mit dem wir am meisten beschäftigt 
sind. Wie gesegnet ist es nun, wenn Christus, der Sohn Gottes 
und der Abglanz Seiner Herrlichkeit, dieser Gegenstand für 
uns ist! Und sicherlich wird ein Herz, das Ihn liebt und in 
Seiner Gemeinschaft wandelt, sehr erfreut sein, die Worte von 
Ihm Selbst zu hören: „Ich kenne die Meinen und bin gekannt 
von den Meinen" (Joh 10,14). Er sprach sie öffentlich vor allen 
aus; ja, die ganze Welt soll wissen, daß zwischen Ihm und den 
Seinigen eine innige Verbindung besteht, und die Seinigen 
sollen es aus Seinem eigenen Mund hören, damit Seine Freude 
völlig in ihnen sei. Köstliches Band, das für immer geknüpft ist 
durch eine unzerstörbare Liebe, durch eine Liebe bis in den 
Tod! Zwar kennen wir Ihn jetzt noch sehr unvollkommen; aber 
Er kennt uns vollkommen, und nichts kann uns von Seiner 
Liebe trennen. Auch ist Er stets bemüht, Sich uns immer mehr 
zu offenbaren. Alle Seine Führungen haben diesen gesegneten 
Zweck; und je mehr wir Seine Gemeinschaft in den vielfaltigen 
Versuchungen dieser Wüste verwirklichen, desto mehr werden 
wir all die Schönheiten und Vollkommenheiten in Ihm erkennen. Nur Jesus ist es, der wirklich ein Herz ausfüllen und 
beglücken kann. Alle Schwierigkeiten der Erde sind für uns 
leicht zu ertragen, wenn Er da ist; aber selbst der Himmel 
würde einsam und ohne Freude für uns sein, wenn Er dort 
fehlte. Wir werden sicher ein herrliches Erbteil erlangen, weil 
wir Erben Gottes sind; doch die höchste aller Gaben ist 
Christus Selbst, und unser Glück wird dadurch vollkommen 
sein, daß wir alles mit Ihm genießen werden. 
Um das oben Gesagte noch etwas näher zu erläutern, laßt uns 
einen Augenblick bei der lieblichen Szene in Bethanien verweilen, die uns in Johannes 11 mitgeteilt wird. Der Herr hielt 
Sich oft an diesem Ort auf. Dort finden wir Ihn, als die Tage 
Seines Leidens nahten, und ebenso, als Er Abschied nahm von 
Seinen Jüngern und, indem Er sie segnete, hinaufgetragen 
wurde in den Himmel (Lk 24,50). Besonders war es ein Haus, 
in dem Martha und Maria wohnten, das Er durch Seinen 
160 
Aufenthalt vor allen ehrte. Diese Schwestern und auch 
Lazarus, ihr Bruder, waren Ihm mit Liebe und Vertrauen 
zugetan; und soweit es auf dieser Erde möglich sein konnte, 
fand Sein Herz in dieser gesegneten Gemeinschaft Trost und 
Ermunterung. Da der Herr von den Juden völlig verworfen war 
und Sich als die Auferstehung offenbarte, können wir dieses 
Haus als Bild des treuen Überrestes betrachten, mit welchem 
der Herr Sich verband. Welch eine Gnade! Jehova Selbst, der 
vom Himmel herniedergekommen war, um Seinem Volke 
Erlösung zu bringen, weilt hier in der Mitte der Seinigen, wie 
ein Freund unter Seinen Freunden. Er tritt ihnen so nahe, daß 
alle Furcht verschwinden muß. Er möchte auch, daß sie in 
Seiner Gegenwart völlig glücklich sind und ganz nahe und 
vertraulich mit Ihm verkehren. Er nennt die Jünger Seine 
Freunde und sagt auch in unserem Kapitel: „Lazarus, unser 
Freund, ist eingeschlafen" (V.ll). Er möchte nicht nur durch 
Sein Werk unsere Gewissen Ruhe finden lassen, sondern auch 
durch Seine Person unsere Herzen gewinnen und völlig erfreuen. Er hat Sich Selbst für uns ganz hingegeben; und so wie 
Er der Mittelpunkt unserer geistlichen Segnungen in den 
himmlischen Örtern ist, so besitzen wir Ihn hier in der Wüste 
als unser tägliches Manna und als den treuen Freund inmitten 
der vielfältigen Versuchungen. Doch wie wenig kennen und 
genießen die Seinigen Ihn hier auf der Erde! Viele, ja vielleicht 
die meisten unter ihnen erblicken in Ihm nur den Heiland der 
Sünder, der vom Tod und vom Verderben errettet. Ihr Gewissen ist zur Ruhe gekommen; aber ihr Herz bleibt unbefriedigt, 
und inmitten der sie umgebenden Umstände sind sie meist 
unruhig und niedergedrückt. Jesus fehlt ihnen - nicht für ihr 
Gewissen, aber für ihr Herz - nicht Sein Werk, aber Seine Person. Seine gesegnete Gegenwart wird nicht durch den Glauben 
verwirklicht und genossen. Er ist nicht der kostbare Gegenstand, auf den das Auge gerichtet bleibt und mit dem das Herz 
einen innigen und vertrauten Umgang pflegt. Wäre dies der 
Fall, so würde es keine Furcht, keine unruhige Sorge geben, 
sondern allezeit Freude im Herrn (Phil 4,4). Paulus genoß in 
den schwierigsten Umständen, sogar im Gefängnis zu Rom, 
eine solche Freude, daß er seinen geliebten Philippern zurufen 
161 
konnte: „Freuet euch mit mir!" (Phil 2,18). Sein Herz war mit 
Christus erfüllt. Nicht nur ruhte sein Gewissen auf Seinem 
vollkommenen Werk, sondern auch sein Herz in Seiner 
vollkommenen Liebe. Er hatte Ihn Selbst, den Gegenstand der 
Freude und Wonne Gottes, den Abdruck Seines Wesens (Heb 
1,3). Er kannte Ihn und hing an Ihm mit hingebender Liebe; 
und darum wurde es ihm nicht schwer, alles für Ihn 
einzubüßen, - für Ihn zu leben, zu leiden und zu sterben. Er 
konnte sagen: „Ja, wahrlich, ich achte auch alles für Verlust 
wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines 
Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für 
Dreck achte, auf daß ich Christum gewinne", und: „Das Leben 
ist für mich Christus" (Phil 3,8; 1,21). Christus Selbst war sein 
einziger Gegenstand und sein einziges Ziel. Er war bereit, alles 
zu verlieren, um Ihn kennenzulernen. 
Eine solche Gesinnung läßt die Welt und alles, was in ihr ist, 
weit hinter sich zurück. Sie erfreut sich an diesem einen Gedanken: Ich kenne Ihn und Er kennt mich. Wenn Christus wirklich 
der Gegenstand unseres Herzens ist, so haben wir immer genug, 
weil die Fülle Gottes in Ihm wohnt und Er unser gesegnetes 
Teil ist. Wo werden wir in unseren traurigen Stunden einen 
Freund finden, der so trägt und mitfühlt wie Er und dem nichts 
verborgen ist? Kein Leid ist so tief, daß Er nicht trösten kann, 
keine Schwierigkeit so groß, daß Er nicht zu helfen vermag; 
und selbst in der dunkelsten Wolke, die uns umhüllt, hat er 
Seine verborgene Hand. Er ist uns immer nahe, sowohl in den 
kleinsten als auch in den größten Umständen; wir können immer mit voller Zuversicht auf Ihn rechnen. In all Seinen Wegen 
mit uns, in all den Trübsalen, durch welche wir hier zu gehen 
haben, dürfen wir Ihn immer besser kennenlernen. 0 möchten 
wir Seine gesegnete Gegenwart doch mehr verwirklichen und 
genießen! Dann würde sicher alles, sowohl in unseren Herzen 
als auch in unseren Häusern, ja, in unserem ganzen Leben, 
mehr geordnet und mit Seinem Wesen übereinstimmender sein. 
Die Geschwister zu Bethanien nutzten das Vorrecht der Gemeinschaft mit ihrem geliebten Herrn. Lazarus war krank, und 
seine beiden Schwestern sandten zu Ihm und ließen Ihm sagen: 
162 
„Herr, siehe, der, den du lieb hast, ist krank" (V. 3). Sie waren 
von Seiner Liebe überzeugt und machten sie zum Beweggrund 
Seiner Hilfe. Sie durften ja jede Wohltat von dieser Liebe 
erwarten und hatten darum Freimütigkeit, sie zu erwähnen. 
Würden sie von ihrer Liebe zu Ihm gesprochen haben, so hätten 
sie Seine Hilfe gewissermaßen als eine Schuldigkeit erwartet. 
Doch Er schuldet uns nichts; alles ist freie Gnade; vielmehr hat 
Er uns zu Seinen Schuldnern gemacht. Deshalb heißt es: „Wir 
lieben, weil er uns zuerst geliebt hat" (l.Joh 4,19). Alle unsere 
Segnungen haben ihre Quelle in Seiner Liebe. Er hat Sein 
Leben für uns gelassen, als wir noch Feinde und Gottlose 
waren. Jetzt kann uns nichts von Seiner Liebe trennen; unsere 
Schwachheiten und Fehler setzen ihr keine Grenze. Nichts gibt 
es, wodurch sie geschwächt werden könnte. Sie bleibt ein 
offener Quell während unseres ganzen Laufs hier auf der Erde; 
sie trägt und leitet uns durch alle Versuchungen dieser Wüste 
mit vollkommener Gnade und Langmut und wird uns bald droben ihre ganze Fülle offenbaren und genießen lassen. 
Wenn wir nun unsere Brüder lieben und in ihren Schwachheiten und Leiden von Herzen mit ihnen fühlen, so werden wir 
immer mit Zuversicht zu Ihm sagen: „Herr, siehe, der, den du 
lieb hast ..." Wir können völlig gewiß sein, daß Er alle Gläubigen mit vollkommener Liebe liebt, und daß es die Freude 
Seines Herzens ist, wenn wir Seine zärtliche Liebe und Zuneigung gegen die Seinigen teilen. Dann werden wir auch mit 
Bitten und Flehen und Danksagung alle ihre Anliegen vor Ihm 
kundwerden lassen. Wie beschämt aber würden wir dastehen, 
wenn die Erhörung unserer Bitte von unserer Liebe zu Ihm 
abhängig wäre! Wieviel würden wir dann zu erwarten haben? 
Jeder wird sich selbst die Antwort geben können. Wie gut ist 
es, daß alle unsere Segnungen nur Seiner vollkommenen Liebe 
gegen uns entspringen! Er ist Liebe, und Er ist unser Teil in 
Ewigkeit. 
Wenn wir jetzt einen kurzen Blick auf das innere Leben, das 
geistliche Verständnis und die aufopfernde Liebe der beiden 
Schwestern werfen, so wird es uns nicht schwerfallen, einen 
großen Unterschied wahrzunehmen (Lk 10,38-42). Es ist wahr, 
163 
Martha glaubte an den Herrn; sie liebte Ihn und nahm Ihn in 
ihr Haus auf; aber Maria war geistlicher und darum auch 
fähiger, in den Zweck Seines Kommens und in die Fülle Seines 
Wesens tiefer einzudringen. Während Martha mit vielem Dienen beschäftigt und um viele Dinge besorgt war, saß Maria 
auch zu Seinen Füßen und horchte auf Seine wunderbaren 
Worte. Er war gekommen, um das Wort Gottes zu bringen, 
und es war Seine Freude, ein offenes Ohr zu finden. Dies war 
das gute Teil der Maria. Sie erwählte, Sein Wort zu hören, sie 
erwählte Ihn Selbst, und Er rechtfertigte Maria; ihr gutes Teil 
sollte nicht von ihr genommen werden. 
Ja, es ist das gute Teil, zu Seinen Füßen zu sitzen und das Wort 
Gottes zu hören; und erst danach haben wir den Platz eines 
Dieners einzunehmen. Es gibt soviel christlichen Dienst in der 
Welt, dem die wahre Kraft und Schönheit fehlt, weil er zu 
wenig mit der Quelle jeden Dienstes, mit Christus Selbst, in 
Verbindung steht und auf das Wort Gottes gegründet ist. Es 
gibt viele Gläubige, die ebenso wie Martha um viele Dinge 
besorgt sind, aber leider weder Bedürfnis noch Ruhe genug 
haben, um zu Seinen Füßen zu sitzen und auf Sein kostbares 
Wort zu hören. Eine Stunde mit dem Herrn allein zuzubringen 
fällt ihnen weit schwerer als sich tagelang mit allerlei Dingen 
zu beschäftigen. Woher kommt das? Es erfordert einen weit 
geistlicheren Sinn, in Seiner Gegenwart zu weilen, als mit dem 
Dienst beschäftigt zu sein. Hier kann selbst unsere Natur noch 
etwas Befriedigung finden, während sie in Seiner Gegenwart 
ganz beiseitegesetzt werden muß. Wir sind aber nur dann 
wirklich fähig, dem Herrn auf eine wohlgefällige Weise zu 
dienen, wenn wir in Seiner Gegenwart die nötige Kraft und 
Weisheit empfangen. Dies sehen wir bei Maria. Wir lesen in 
Johannes 11,2: „Maria aber war es, die den Herrn mit Salbe 
salbte und seine Füße mit ihren Haaren abtrocknete" (vgl. Joh 
12,1-8). Sie gab ihr Kostbarstes aus Liebe zu Ihm hin; sie 
erkannte den rechten Augenblick, um Sein Herz zu erquicken. 
Der Herr Selbst war der alleinige Gegenstand ihrer Liebe und 
ihres Dienstes. Sie hatte sich selbst Ihm völlig geweiht und war 
für Ihn zu jedem Opfer bereit. Zwar war ihr Verhalten nicht 
164 
der menschlichen Vernunft angepaßt; ihr Werk wurde von 
niemandem verstanden, selbst nicht von den Jüngern, die darin 
eine Verschwendung sahen. Nach ihrer Meinung hätte man mit 
dieser Salbe nützlichere Dinge tun können. Sie urteilten 
menschlich, und darum verstanden sie nicht das Werk der 
Maria, das göttlich schön war. Sie allein hatte verstanden, was 
dem Herrn bevorstand; sie erkannte, daß die finsteren Wolken 
sich immer dichter um das teure Haupt ihres geliebten Herrn 
zusammenzogen; ihr liebendes Herz ahnte die Nähe des Tages, 
an dem die Bosheit der Menschen Ihn aus ihrer Mitte reißen 
würde, und deshalb sah sie den geeigneten Augenblick gekommen, Ihn im Voraus zum Begräbnis zu salben. Und der Herr, 
der in das Verborgene des Herzens zu schauen vermag, sah 
ihre tiefe und hingebungsvolle Liebe; und so, wie Er sie früher 
gerechtfertigt hatte, als sie auf Sein Wort hörte, so rechtfertigte 
Er jetzt auch ihr Werk, indem Er sagte: „Sie hat ein gutes Werk 
an mir getan" (Mt 26,10). Wie mußte es das Herz der Maria 
erfreut haben, als sie aus Seinem eigenen Mund hörte, daß sie 
ein gutes Werk an Ihm getan habe; Er hatte den Beweis ihrer 
Liebe anerkannt und angenommen! 
Martha war zwar mit vielem Dienen beschäftigt und so sehr 
von ihrem Dienst eingenommen, daß sie meinte, der Herr 
müsse dafür Sorge tragen, daß Maria ihren Platz zu Seinen 
Füßen verlasse und ihr beistehe; aber der Herr sprach zu ihr: 
„Martha, Martha! du bist besorgt und beunruhigt um viele 
Dinge; eines aber ist not" (Lk 10,41.42). Ihr Dienst fand nicht 
Seine volle Anerkennung, weil er zu sehr aus ihrer geschäftigen Natur hervorging und zu wenig den Herrn Selbst als 
Quelle und Gegenstand hatte. Nur Maria war es, die das „gute 
Teil" erwählte und das „gute Werk" vollbrachte. O möchten 
wir ihr darin gleichen! Möchte auch wir oft zu den Füßen Jesu 
sitzen, um das gute Wort Gottes aus Seinem Mund zu hören; 
möchten auch wir mit inniger Liebe an Ihm hangen und uns 
dann völlig Seinem Dienst weihen! Laßt uns auch nicht vergessen, daß das eine Werk der Maria mehr Wert vor dem Herrn 
hatte als alle Werke der Martha. 
Das Urteil des Herrn ist noch immer allein gültig; Er sieht das 
165 
Herz an, Er sieht die Quelle, woraus alle unsere Dienste entspringen. Aber leider ist zu furchten, daß es in unseren Tagen 
viele Marthas, aber wenige Marias gibt. Es gibt so viele christliche Tätigkeiten, die zwar dem Menschen wertvoll erscheinen, 
aber wenig Wert haben in den Augen Gottes, auf Dessen 
Anerkennung es doch einzig und allein ankommt. Sie entspringen oft mehr aus der eigenen Gerechtigkeit, aus einer frommen 
Natur als der Liebe zu Christus. Das ist wohl zu beachten. 
Leider gibt es auch solche, die wenig Interesse am Herrn Selbst 
und an an Seinem Dienst haben. Sie leben sich selbst und der 
Welt und sind zufrieden, daß ihr Gewissen vor Gott in Bezug 
auf ihre Sünde in Ruhe ist. Wie verwerflich ist eine solche 
Gesinnung! Wie undankbar ist ein solches Herz gegen die unaussprechliche Liebe des Herrn, der Sein Leben für uns gelassen und uns zu Teilhabern Seiner Herrlichkeit erwählt hat! -
Solltest du zu denen gehören, geliebter Leser, so wisse, daß du 
der Bestimmung nicht entsprichst, für die Christus dich durch 
Sein Opfer passend und fähig gemacht hat; dadurch bringst du 
dich selbst um den Segen - was die Erde betrifft; denn Christus 
hat Sich Selbst für uns gegeben, „auf daß er uns loskaufte von 
aller Gesetzlosigkeit und reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, eifrig in guten Werken" (Tit 2,14). „Denn wir sind sein 
Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche 
Gott zuvor bereitet hat, auf daß wir in ihnen wandeln sollen" 
(Eph 2,10). Gehörst du aber zu jenen, die mit vielem Dienen 
beschäftigt sind wie Martha, so frage dich, ob dein Dienst auch 
die Anerkennung des Herrn finden wird. Sonst ist er wertlos, 
auch wenn die Sache, mit der du beschäftigt bist, noch so gut 
und christlich ist und wenn du dir noch so viel Mühe machst. 
Unser Dienst ist nur dann gesegnet, wenn Jesus der Gegenstand unserer Herzen ist, wenn wir im verborgenen Umgang 
mit Ihm verstehen lernen, was Ihm wohlgefällig ist. Unser Herz 
ist nur dann wirklich glücklich, wenn es das gute Teil erwählt 
hat wie Maria und wenn es mit dem Apostel sagen kann: „Das 
Leben ist für mich Christus" (Phil 1,21). Ja, ein solches Herz 
ist glücklich in den Umständen. Der Gläubige ist dann auch 
gesegnet im Dienst und wandelt hienieden zur Verherrlichung 
des Herrn. 
166 
Der eine oder andere Leser könnte nun vielleicht fragen: 'Hatte 
der Herr die Martha weniger lieb als die Maria, weil ihre 
Gefühle für Ihn so schwach waren?' Zu unserem großen Trost 
können wir dies auf das Bestimmteste verneinen. Der Herr 
liebte Martha mit einer vollkommenen Liebe und ebenso 
Maria, weil Er die Liebe ist. Seine Liebe zu uns findet ihren 
Beweggrund in Ihm Selbst und nicht in uns. Unmöglich kann 
es Ihm gleichgültig sein, welche Gefühle der Liebe und 
Zuneigung Ihm gegenüber unser Herz erfüllen; aber nie kann 
dies Seine Gefühle gegen uns leiten. Wir können sehr schwach 
und mangelhaft sein; aber Seine Liebe gegen uns ist immer 
vollkommen. „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, 
wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, als auch 
wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus 
lebendig gemacht" (Eph 2,4.5). Der Tod Christi auf dem Kreuz 
für uns, als wir noch Sünder und Gottlose waren, ist der vollkommene Beweis Seiner Liebe. Er fand nichts Liebenswertes 
in uns; im Gegenteil, wir waren „hassenswürdig". Wenn es 
sich aber um unsere Liebe zu Ihm handelt, so geht es um den 
Sohn Seiner Liebe, an dem Gott Selbst Sein ganzes Wohlgefallen gefunden hat und der der große Gegenstand der Anbetung aller himmlischen Heerscharen ist. Zudem sind wir auch 
schuldig, Ihn zu lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat. Doch 
wie beschämt müssen wir beim Blick auf Seine vollkommene 
Liebe gegen uns die Augen niederschlagen, wenn wir an 
unsere schwache und unvollkommene Liebe zu Ihm denken! 
Wie tröstlich ist da das Bewußtsein, daß Seine Liebe stets mit 
einer vollkommenen Gnade gepaart ist! Wenn diese Gnade 
fehlte, so würden wir nie Gegenstände Seiner Liebe bleiben 
können; doch jetzt sind wir es und bleiben es für immer. Da ist 
nichts, „weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgend ein anderes Geschöpf 
uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in 
Christo Jesu ist, unserem Herrn" (Röm 8,38.39). 
Der Heilige Geist gibt Zeugnis von der aufopfernden Liebe der 
Maria, aber Er stellt zugleich die Martha voran, wenn Er von 
167 
der Liebe des Herrn zu ihnen reden will. „Jesus aber liebte die 
Martha und ihre Schwester und den Lazarus" (Joh 11,5). 
Anbetungswürdige Liebe! Wir können jedem Heiligen, selbst 
dem schwächsten, zu jeder Zeit bezeugen: 'Der Herr hat dich 
lieb; du bist Seinem Herzen ein kostbarer Gegenstand. Magst 
du dich dieser Liebe auch noch so unwert fühlen und noch so 
viel Ursache haben, dich vor Ihm zu demütigen - Er hat dich 
dennoch lieb, ja, vollkommen lieb! O wie würdig ist diese 
Liebe, von uns bewundert und angebetet zu werden! Je mehr 
wir sie anschauen, desto mehr erweitert sich unser Herz in 
Gefühlen der Liebe gegen Ihn und desto glücklicher sind wir in 
dem Bewußtsein, Gegenstände einer solchen Liebe zu sein und 
für immer darin ruhen zu können; und je mehr wir die Gnade 
erkennen, die mit Seiner Liebe gepaart ist, desto mehr sind wir 
auch fähig, unsere Brüder mit all ihren Schwachheiten und 
Fehlern zu tragen und zu lieben. Doch es ist nutzlos, mit der 
Schwachheit unserer Liebe beschäftigt zu sein. Alle unsere Anstrengungen, mehr Liebe zu offenbaren, sind umsonst; das 
Herz wird nur unruhiger und elender, bis wir zuletzt mutlos 
und gleichgültig unsere Hände sinken lassen. Meistens haben 
auch solche Anstrengungen und Wünsche, den Herrn mehr zu 
lieben, ihren Grund in einem gewissen Streben nach eigener 
Gerechtigkeit. Wir sind weit mehr geneigt, Ihm etwas von 
unserem Eigenen darzubringen, als uns mit dankbarem Herzen 
Seiner Gnadengabe zu erfreuen - mehr geneigt, in unserer 
Liebe zu Ihm als in Seiner Liebe zu uns zu ruhen. Welch eine 
Torheit! Und doch ist diese Gesinnung verbreiteter unter den 
Christen als man gewöhnlich denkt; und sie ist bei vielen ein 
Hindernis der Freude im Herrn und des Dienstes für Seinen 
gesegneten Namen. 
Wir lesen weiter: „Als er nun hörte, daß er krank sei, blieb er 
noch zwei Tage an dem Orte, wo er war" (V. 6). Wie 
auffallend! Warum kam Er nicht sogleich? War es Mangel an 
Liebe? O nein! „Jesus aber liebte die Martha und ihre Schwester 
und den Lazarus." Würde aber nicht Martha oder auch Petrus 
auf eine solche Botschaft sofort gekommen sein, wenn sie 
hätten trösten oder helfen können? Höchst wahrscheinlich; 
168 
denn sie waren weit mehr geneigt, ihren natürlichen Gefühlen 
zu folgen, als dem Herrn. Wie oft werden diese Gefühle der 
Natur mit der bereitwilligen Liebe Christi verwechselt! Der 
Herr aber wandelte auf der Erde in völliger Abhängigkeit vom 
Vater; in allen Dingen richtete Sich Sein Blick zuerst nach 
oben. Gewiß war Sein Herz mit einer innigen Zuneigung gegen 
die drei Geschwister und mit dem innigsten Mitgefühl mit ihrer 
Not erfüllt; aber die Verherrlichung des Vaters war Sein 
höchstes und vornehmstes Ziel. Er sagte: „Diese Krankheit ist 
nicht zum Tode, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, 
auf daß der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde" (V. 4). 
Sein ganzer Wandel war stets in völliger Übereinstimmung mit 
dem Willen des Vaters. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: 
Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den 
Vater tun sieht; denn was irgend er tut, das tut auch der Sohn 
gleicherweise" (Joh 5,19). Ebenso war auch Sein Werk auf 
dem Kreuz nicht nur zu unserer Errettung, sondern auch zur 
Verherrlichung des Vaters, sodaß Er am Ende Seines gesegneten Weges sagen konnte: ,Jch habe dich verherrlicht auf der 
Erde; das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben 
hast, daß ich es tun sollte" (Joh 17,4). 
So standen also die Verherrlichung Gottes und unser Heil stets 
vor den Augen unseres geliebten Herrn, während Er Seinen 
Lauf in dieser versuchungsreichen Welt und Wüste vollendete. 
Wieviel können wir daraus lernen! Es fehlt uns oft nicht allein 
an jener Abhängigkeit, sondern auch an dem Wunsch, daß der 
Name des Herrn verherrlicht werde. Wir sind so geneigt, uns 
selbst und unsere Umstände zur Hauptsache zu machen. Sind 
wir in Trübsalen, so fehlt nicht selten die ruhige Ergebung in 
den Willen des Herrn. Wir sehnen uns danach, herauszukommen, versuchen oft allerlei Wege, um unser Ziel zu erreichen, 
und wenn uns alles mißlingt, so ist oft das Herz mit Murren 
und Unzufriedenheit erfüllt. Möchten wir doch mehr unser 
Auge auf den Herrn richten, der uns auf dem Pfad des 
Glaubens vorangegangen ist. Wenn wir mehr in Abhängigkeit 
von Ihm wandeln und Seine Verherrlichung suchen, so werden 
wir auch willig unser Kreuz tragen und Ihm nachfolgen! Wenn 
169 
es unser aufrichtiger Wunsch ist, daß Sein wohlgefälliger Wille 
durch uns erfüllt wird, so werden wir in all Seinen Führungen 
still sein und in all unseren Versuchungen mit Vertrauen auf 
Ihn schauen. Paulus hatte nur ein Ziel - die Verherrlichung des 
Herrn und die Verkündigung Seines Namens. Darum war er 
glücklich in seinem Gefängnis, sobald er erkannte, daß seine 
Gefangenschaft zur Förderung des Evangeliums gereichte. Es 
war seine sehnliche Erwartung und Hoffnung, daß Christus 
allezeit hoch erhoben werde an seinem Leibe, sei es durch 
Leben oder durch Tod (Phil 1,12-20). Diese Gesinnung allein 
geziemt sich für alle teuer erkauften Heiligen. 
Die Schwestern in Bethanien hatten in ihrer Trübsal Gelegenheit, sich in Ausharren und Vertrauen zum Herrn zu üben. Sie 
kannten Seine Güte und Macht, die sie so oft gesehen hatten; 
auch zweifelten sie nicht an Seiner Liebe, die sie selbst schon 
vielfach erfahren hatten; aber dennoch ließ Er sie jetzt warten, 
Lazarus starb; der Herr kam nicht, um ihn zu heilen. Wie sehr 
wurde durch dieses Verhalten des Herrn ihre Liebe und ihr 
Vertrauen zu Ihm auf die Probe gestellt! Sie bedurften aber, 
wie immer, der Läuterung, damit die Bewährung ihres Glaubens viel köstlicher als die des vergänglichen Goldes erfunden 
wurde zu Lob und Ehre und Herrlichkeit in der Offenbarung 
Jesu Christi (1. Petr 1,7). Das ist das Ziel Gottes bei allen 
Führungen der Seinigen hienieden. Sicher hat Er in Bezug auf 
unsere Bitten die herrlichsten Verheißungen gegeben. Wir 
lesen in Johannes 14,13: „Und was irgend ihr bitten werdet in 
meinem Namen, das werde ich tun, auf daß der Vater verherrlicht werde in dem Sohne." Und wiederum: „Und dies ist die 
Zuversicht, die wir zu ihm haben, daß, wenn wir etwas nach 
seinem Willen bitten, er uns hört" (l.Joh 5,14). Dennoch läßt 
Er uns oft warten, damit unser Vertrauen fest werde und sich 
als wirkliches Vertrauen auf Ihn erweise. Andererseits will Er 
auch das Bewußtsein unserer Abhängigkeit sowie die Wichtigkeit der Verherrlichung Seines Namens in unseren Herzen 
lebendiger machen. Aber nie ist es bei Ihm Mangel an Liebe 
oder Mitgefühl, wenn Er uns warten läßt. Dies sehen wir so 
deutlich bei den Geschwistern in Bethanien. Er liebte sie innig, 
170 
Er verweilte oft in ihrer Mitte, und doch kam Er nicht sogleich, 
um Lazarus zu heilen und ihren Schmerz in Freude zu 
verwandeln. Er ließ Lazarus sterben. Gewiß ist Satan bemüht 
gewesen, allerlei Gedanken in den Herzen der Schwestern 
wachzurufen; er ist in solchen Stunden immer tätig, unser 
Vertrauen zu schwächen und Zweifel und Murren in uns zu 
erwecken. Wir haben dann besonders nötig, fest auf den Herrn 
zu blicken und an Seiner Liebe festzuhalten; sonst werden wir 
unruhig und unglücklich sein. Ja, viele trübe Stunden bereiten 
sich die Geliebten des Herrn dadurch, daß sie in ihren Versuchungen mit sich selbst oder mit ihren Umständen beschäftigt 
sind, anstatt auf Seine Hilfe zu harren. 
Für die Jünger des Herrn gab es bei dieser Gelegenheit auch 
etwas Schönes zu lernen, sowohl in Bezug auf die Erkenntnis 
des Herrn als auch in Bezug auf sie selbst. Als Seine Stunde 
gekommen war, sagte Er zu ihnen: „Laßt uns wieder nach 
Judäa gehen." Die Jünger aber erwiderten: „Rabbi, eben 
suchten die Juden dich zu steinigen, und wiederum gehst du 
dahin?" (V. 7.8). Ihr Auge ruhte auf den Umständen, und 
darum fürchteten sie sich, dem Herrn zu folgen. Wie oft 
machen wir dieselbe Erfahrung! Die Gegenwart des Lichts 
kann uns nicht helfen, wenn das Auge nicht klar ist. Die Quelle 
des Lichts ging vor den Jüngern her, und dennoch fürchteten 
sie die Schwierigkeiten auf dem Weg. Der Herr antwortete: 
„Sind der Stunden des Tages nicht zwölf? Wenn jemand am 
Tage wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt 
sieht; wenn aber jemand in der Nacht wandelt, stößt er an, weil 
das Licht nicht in ihm ist" (V.9.10). Der Herr wurde stets 
durch den wohlgefälligen Willen Seines Vaters geleitet; nach 
diesem Willen verweilte Er und ging Er weiter. Nie wurde Er 
durch die Umstände geleitet. Sobald der wohlgefällige Wille 
des Vaters Ihm den Weg geöffnet hatte, fürchtete Er weder die 
Steine der mörderischen Juden noch das Kreuz. Alles war hell 
und klar auf Seinem Weg, und in diesem Licht sollten auch 
jetzt die Jünger Ihm folgen. Aber leider hielt der Unglaube ihre 
Augen verschlossen, und so hatten sie auf dem Weg nach 
Judäa nichts anderes als den Tod vor Augen. „Da sprach 
171 
Thomas, der Zwilling genannt ist, zu den Mitjüngern: Laßt 
auch uns gehen, auf daß wir mit ihm sterben" (V. 16). 
Wie oft ergreift die Todesfurcht unser armes Herz, wenn der 
Unglaube unseren Blick auf die Umstände richtet! Der wohlgefällige Wille des Vaters ist aber auch für uns das Licht in dieser 
versuchungsreichen Welt und Wüste. Wir sollten nie einen Ort 
oder eine Stellung verlassen oder ein Verhältnis aufgeben oder 
etwas Ähnliches tun, bis wir überzeugt sind, daß es der Wille 
unseres Vaters sei; und nie wird Er ein aufrichtiges Herz über 
eine Sache in Ungewißheit lassen, wenn es Gewißheit braucht. 
Wenn wir nach Seinem Willen wandeln, so wandeln wir am 
Tag. Der Weg ist gebahnt. Wir dürfen bei allem, was uns auch 
begegnen mag, festhalten, daß alle Dinge zum Guten für uns 
mitwirken (Röm 8,28). Unser Herz ist dann getrost und ruhig; 
wir können voller Vertrauen auf Ihn blicken und Ihm alles 
anbefehlen und selbst in den schwersten Prüfungen auf Seine 
Kraft und Hilfe rechnen. Doch ganz anders ist es, wenn wir 
durch das Fleisch oder durch die Umstände geleitet werden. 
Wir kommen bald in Bedrängnis, und das Herz ist voller 
Unruhe und Sorge. Wie oft ist dies der Fall! Der Knabe Samuel 
mußte dreimal gerufen werden, ehe er erkannte, wer zu ihm 
sprach, weil er das Wort Gottes noch nicht kannte; aber viele 
Christen laufen schon, ehe der Herr einmal gerufen hat und 
machen nicht selten die traurigsten Erfahrungen. Deshalb laßt 
uns stets warten, bis wir Seinen wohlgefälligen Willen erkennen, damit wir nie anstoßen, nie in Unruhe sind und nie den 
Namen des Herrn durch eigene Wege verunehren. 
Als nun Jesus nach Bethanien kam, fand er Lazarus schon vier 
Tage in der Gruft liegen (V. 17). Der Tod hatte eine tief empfundene Lücke bereitet. Er hatte das innige Band der drei 
glücklichen Geschwister zerrissen und nur Kummer und 
Tränen zurückgelassen, und der Herr, der teuerste Freund ihres 
Herzens, war während dieser traurigen Szene nicht zugegengewesen. Er kam jetzt wohl; aber der Tod war vor Ihm gekommen und hatte den geliebten Bruder aus ihrer Mitte weggenommen. „Martha nun, als sie hörte, daß Jesus komme, ging 
ihm entgegen. Maria aber saß im Hause. Da sprach Martha zu 
172 
Jesu: Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder 
nicht gestorben" (V. 20.21). Sie wußte, daß Er ihn wieder hätte 
gesund machen können; aber weiter reichte ihr Glaube nicht. 
Sie erkannte aber auch, daß Jesus, der Christus, der Sohn 
Gottes war und so sehr in der Liebe und Gunst Gottes stand, 
daß Er, was Er auch bitten mochte, von Gott empfangen 
würde. Auch hielt sie fest, daß ihr Bruder Lazarus am letzten 
Tag auferstehen würde. Aber so sehr dies auch stimmte, so 
hatte diese Wahrheit doch keinen wirklichen Wert für sie und 
brachte ihrem bedrückten Herzen wenig Befreiung und Trost. 
Denn welch eine Ruhe gewährt die Hoffnung der Auferstehung, wenn sie nicht mit der Gewißheit verbunden ist, daß 
alle Folgen unseres sündigen Lebens und Zustandes für immer 
beseitigt sind? Gott aber sei Dank, daß wir diese Gewißheit 
haben! - Der Herr sprach zu Martha: ,Jch bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch 
wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich 
glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit" (V. 25.26). In Ihm 
haben wir nicht nur die Auferstehung, sondern auch das Leben. 
Er ist in Gnade Mensch geworden und hat auf dem Kreuz die 
Sünde und deren Strafe auf Sich genommen. Jetzt haben wir 
Sein Auferstehungsleben empfangen, und es befreit uns von 
allem, was der Tod umfaßt; es läßt Sünde und Tod, ja alles, 
was mit unserem natürlichen Leben in Verbindung steht, für 
immer zurück. Der Herr hat durch Seinen Tod „den zunichte 
gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel" 
(Hebr 2,14), und ebenso den Tod selbst, und hat „Leben und 
Unverweslichkeit ans Licht gebracht" (2.Tim 1,10). Gott hat 
uns mit Ihm lebendig gemacht, indem Er uns alle unsere 
Vergehungen vergeben hat, sodaß wir jetzt schon im Glauben 
triumphierend ausrufen können: „Verschlungen ist der Tod in 
Sieg. Wo ist, o Tod, dein Stachel? wo ist, o Tod, dein Sieg?" 
(l.Kor 15,54.55). Der Glaubende wird leben, selbst wenn er 
gestorben ist; und der Lebende, der an Ihn glaubt, wird nie 
mehr sterben, denn Christus hat den Tod besiegt; er kann in 
Seiner Gegenwart nicht mehr existieren. Die ganze Wirkung 
der Sünde auf den Menschen ist durch die Auferstehung, durch 
die Lebensmacht in Jesu vollständig zerstört. Der Tod ist das 
173 
Ende des natürlichen Menschen, und die Auferstehung ist das 
Ende des Todes. Welch eine Befreiung! 
Doch Martha, obwohl sie an den Herrn glaubt und Ihn liebt, ist 
nicht fähig, in die Worte des Heilandes einzudringen. Sobald 
Er kommt, geht sie Ihm aus eigenem Antrieb entgegen, sobald 
Er aber mit ihr von der in Seiner Person dargestellten Macht 
des göttlichen Lebens redet, zieht sie sich zurück. Sie fühlt, 
daß die Unterhaltung mit dem Herrn mehr Sache der Maria sei 
und ruft sie deshalb. Maria, die sich vom Herrn gerufen glaubt, 
eilt sofort zu Ihm und wirft sich weinend zu Seinen Füßen. Sie 
hatte wohl über die Auferstehung und das Leben nicht mehr 
Verständnis als auch Martha; aber unter dem Schmerz über den 
Tod bricht ihr Herz in der Gegenwart Dessen zusammen, der 
das Leben war. Sie legt jetzt ihre Not und ihren Kummer zu 
den Füßen Jesu nieder, wo sie früher gesessen und die Liebe 
und Gnade ihres teuren Herrn kennengelernt hatte. Er allein 
war fähig, den tiefen Kummer ihres Herzens zu verstehen; Er 
allein konnte mitfühlen, wie kein Mensch es vermochte. 
„Als nun Jesus sie weinen sah, und die Juden weinen, die mit 
ihr gekommen waren, seufzte er tief im Geist und erschütterte 
sich und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sagen zu ihm: 
Herr, komm und sieh! Jesus vergoß Tränen. Da sprachen die 
Juden: Siehe, wie lieb hat er ihn gehabt!" (V. 33-36). Welch ein 
Anblick! Der Herr der Herrlichkeit, der Schöpfer aller Dinge 
stellt Sich hier mitten unter Seine armen Geschöpfe, die durch 
die Sünde völlig ruiniert sind, und vergießt Tränen. Er erschüttert Sich Selbst in der Gegenwart des Todes, welcher der Lohn 
der Sünde ist, welcher kalt und herzlos das innigste Band der 
Liebe zerreißt und nichts als Schmerz und Tränen zurückläßt. 
Ja, der Herr Selbst seufzt, voll innigsten Mitgefühls, unter der 
Schrecklichkeit des Todes, den Er zunichte machen würde. Er 
nimmt völlig teil an dem Seufzen der Geschöpfe und bringt den 
Tod vor Gott als das Unglück des Menschen, als die Macht, der 
er vergeblich zu entfliehen sucht. Er erschüttert Sich Selbst; Er 
seufzt vor Gott; Er weint mit den Menschen, und dies alles aus 
Liebe zu denen, welche diesem schrecklichen Schicksal unterworfen sind. Auch wir, die wir mit Christus lebendig gemacht 
174 
sind, nehmen teil an diesem Seufzen. „Denn wir wissen", sagt 
der Apostel, „daß die ganze Schöpfung zusammen seufzt und 
zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt. Nicht allein aber sie, 
sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, 
auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: 
die Erlösung unseres Leibes" (Röm 8,22.23). Der Gläubige ist 
jetzt der Kanal, wodurch alle diese Seufzer zu Gott emporsteigen. Es ist aber kein Seufzen unter der Macht der Sünde, die 
uns etwa noch gefangenhielte, oder weil wir in Bezug auf 
unsere Errettung oder der Liebe Gottes ungewiß wären; o nein, 
sondern wir seufzen, weil wir als Teilhaber der himmlischen 
Herrlichkeit sehen, wie die Sünde auf alles um uns her den 
Stempel der Nichtigkeit und des Verderbens gedrückt hat. Ja, 
wir werden umso mehr mit der leidenden und seufzenden 
Schöpfung Mitgefühl haben, je mehr die Liebe und Gnade 
Gottes uns erfüllt, je mehr wir, wie Jesus, das Elend fühlen, das 
durch die Sünde in die Schöpfung gekommen ist, und je mehr 
die Strahlen jener himmlischen Herrlichkeit in unsere Herzen 
leuchten. 
Maria hatte hier also Gelegenheit, einen neuen, lieblichen Zug 
der Vollkommenheit Christi kennenzulernen. Sie hatte oft 
Seine Güte und Macht gesehen und die wunderbaren Worte 
aus Seinem Mund gehört; aber jetzt sollte sie auch Sein vollkommenes Mitgefühl kennenlernen, und wie konnte dies 
anders geschehen als auf dem Weg der Trübsal und Leiden! 
Sie wußte wohl, daß Er mächtig genug war, um den kranken 
Bruder gesund zu machen; aber daß Er, wenn der Bruder 
gestorben war, voll des tiefsten Mitgefühls mit ihr Tränen 
vergießen konnte, das hatte sie bis jetzt noch nicht erfahren. 
Welche Vollkommenheit war und ist in Jesu! In allen Lagen 
unseres Lebens finden wir die Fülle in Ihm; und was ist 
schöner, was ist in den Stunden unserer tiefsten Trauer kostbarer für unser Herz: Seine unumschränkte Macht kennenzulernen oder Sein inniges Mitgefühl? Ja, einen solchen Jesus 
mußten solch arme und schwache Geschöpfe haben, wie wir 
sind. Nie ist Sein Arm zu kurz, um zu helfen, und nie kommt 
Seine Hilfe zu spät; aber auch nie trifft uns ein Leid, klein 
175 
oder groß, bei dem Er nicht auf das Tiefste mitfühlt und uns 
tröstend zur Seite steht. Welch eine Ruhe gibt uns das in dieser 
Wüste, in den vielfältigen Versuchungen dieses Lebens! Wie 
oft erfahren wir, daß wir hier durchs Tränental gehen, wie oft 
zieht Kummer und Schmerz in unser Haus ein oder reißt der 
Tod ein Glied aus der so innig verbundenen Kette und läßt eine 
Leere zurück, die niemand ausfüllen kann. Doch Er vermag es 
- Er allein. Er kann die tiefste Wunde heilen; Er kann 
vollkommen mit uns fühlen. Wir können uns vertrauensvoll zu 
Seinen Füßen niederwerfen und an Seinem treuen Herzen 
unseren Schmerz ausweinen. Wenn niemand uns versteht, Er 
versteht uns; wenn alle uns verlassen, Er bleibt uns immer nahe. 
Er erlaubt zwar oft, daß wir in Trübsal kommen - nicht nur, 
weil die Trübsal Ausharren bewirkt, sondern weil sie Ihm eine 
Gelegenheit bietet, uns Sein mitfühlendes Herz zu offenbaren 
und uns eine neue Seite Seiner göttlichen Vollkommenheit 
erkennen zu lassen. Wie wunderbar sind solche Wege und 
Erfahrungen trotz allem Schmerz! Es sind Erfahrungen, die wir 
in der Herrlichkeit droben nie machen können. Dort brauchen 
wir Sein inniges Mitgefühl nicht mehr, weil dort alle Tränen für 
immer von unseren Augen abgewischt sein werden. Darum, 
geliebte Brüder, laßt uns deshalb, solange wir noch auf der Erde 
sind, festhalten: „Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, 
wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallet" (Jak 1,2). 
Als etliche der Juden Seine Tränen sahen, sprachen sie: „Siehe, 
wie lieb hat er ihn gehabt!" (V. 36). Ja, Er liebte Lazarus, und 
Er liebt alle die Seinigen mit einer vollkommenen Liebe. Doch 
es war nicht der Verlust des Lazarus, der Seufzer und Tränen 
bei Ihm hervorbrachte, sondern die Gegenwart des Todes und 
das Mitgefühl für die tiefbetrübten Schwestern. Er wußte, wo 
Lazarus' Seele war; Er konnte sagen: „Niemand wird sie aus 
meiner Hand rauben" (Joh 10,28). Sie bleiben in Seiner Hand, 
auch wenn der Tod sie aus unserer Mitte weggenommen hat. 
Sie leben, auch wenn sie gestorben sind. Er verliert sie niemals, denn Er hat den Tod zunichte gemacht und Leben und 
Unverweslichkeit ans Licht gebracht. Welch ein Trost für die 
Zurückgebliebenen! Ihre heimgegangenen Geliebten sind noch 
176 
immer in Seiner Hand; nichts hat Macht über sie; nichts kann 
sie Ihm rauben. Dieselbe Hand bewahrt sie dort, die auch uns 
hier bewahrt. Sie sind in völliger Ruhe und sind bei dem 
geliebten Herrn, zu dem auch wir bald hingehen werden. Es ist 
nur eine Trennung für kurze Zeit. 
Andere der dabeistehenden Juden sagten: „Konnte dieser, der 
die Augen des Blinden auftat, nicht machen, daß auch dieser 
nicht gestorben wäre?" (V. 37). Nur der Unglaube, der über die 
Wege des Herrn murrt, führt eine solche Sprache. Der Unglaube ist die Quelle der Sünde, wodurch alles Elend über diese 
Schöpfung gekommen ist; er hält das Herz des Menschen stets 
von Gott fern. Der Herr fühlt das. „Jesus nun, wiederum tief in 
sich selbst seufzend, kommt zur Gruft" (V. 38). Seine Tränen 
verwandeln sich in einen unaussprechlichen Seufzer, der die 
Empfindung eines Herzens ist, das aufs Tiefste mitleidet. 
Marthas Herz ist wie immer mit den Umständen beschäftigt. 
Sie sagt: „Herr, er riecht schon ... Jesus spricht zu ihr: „Habe 
ich dir nicht gesagt, wenn du glauben würdest, so würdest du 
die Herrlichkeit Gottes sehen?" (V. 39.40). Er hatte Sein 
Anliegen vor Gott gebracht, und Er konnte jetzt Seine Augen 
aufheben und sagen: „Vater, ich danke dir, daß du mich erhört 
hast. Ich aber wußte, daß du mich allezeit erhörst; doch um der 
Volksmenge willen, die umhersteht, habe ich es gesagt, auf 
daß sie glauben, daß du mich gesandt hast. Und als er dies 
gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! 
Und der Verstorbene kam heraus" (V.41-44). Wie vollkommen 
bestätigte Er hier die im vorigen Kapitel ausgesprochenen 
Worte: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, 
und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie 
gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus 
meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist 
größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines 
Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins" (Joh 10,27-30). 
Die schon eingetretene Verwesung war für Seine Macht kein 
Hindernis; der Tod mußte Lazarus zurückgeben, sobald Er es 
wollte; jede Spur des Todes mußte verschwinden, sobald Er es 
gebot. Seiner Macht ist alles unterworfen. Er hat sowohl den 
177 
Tod zunichte gemacht als auch den, der die Macht des Todes 
hat, den Teufel. Die Seinigen bleiben stets in Seiner Gewalt, sei 
es daß sie leben oder entschlafen sind. Sie bleiben immer in 
Seiner Hand, und Er kann sie jeden Augenblick zu Sich rufen. 
Jedes Hindernis ist für immer beseitigt, um mit Ihm und bei 
Ihm in der Herrlichkeit zu sein. Ja, er hat solch eine große 
Macht und Kraft, daß wir nicht einmal sterben müssen. Er kann 
uns plötzlich, in einem Nu, verwandeln, sodaß das Sterbliche 
die Unsterblichkeit anzieht (l.Kor 15). Das wird in jenem 
glückseligen Augenblick Seiner Ankunft geschehen, wenn die 
Lebenden verwandelt, die Entschlafenen auferweckt und mit 
jenen zusammen dem Herrn entgegengerückt werden in die 
Luft, um allezeit bei dem Herrn zu sein (1. Thess 4). Welch eine 
Sicherheit, welch ein Trost ist das für alle, die an Ihn glauben! 
Sie sind für immer vom Tod und von allem, was damit in 
Verbindung steht, völlig befreit; sie sind für ewig errettet, für 
ewig sicher in Seinen treuen Händen. Weder die Versuchungen 
der Wüste, noch der Tod, weder Hohes noch Tiefes kann sie 
von Ihm und Seiner Liebe trennen. O möchte dieses kostbare 
Bewußtsein stets unsere Herzen beleben und erfreuen! 
Enthaltsamkeit 
Das Wort „Enthaltsamkeit" in 2.Petrus 1,6 hat eine viel tiefere 
Bedeutung als man ihm gewöhnlich beilegt, wenn man es nur 
auf Essen und Trinken anwendet. Ohne Zweifel ist das einbegriffen; aber es enthält weit mehr; wir dürfen an jemand denken, der das eigene „Ich" in beständiger Unterwürfigkeit hält. 
Das ist in der Tat eine besondere Gnade, die ihren geheiligten 
Einfluß auf den ganzen Wandel, den ganzen Charakter und das 
ganze Verhalten eines Menschen ausübt. Sie zielt nicht nur auf 
eine oder zwei oder zwanzig schlechte Gewohnheiten hin, 
sondern auf das ganze „Ich", in der vollen Bedeutung dieses 
Wortes. Viele, die mit Überheblichkeit auf den Schwelger oder 
178 
Trinker herabblicken, versagen jede Stunde darin, Enthaltsamkeit in ihrem täglichen Wandel zu offenbaren. Es ist wahr, daß 
Schwelgerei und Trunkenheit zu den abscheulichsten und niedrigsten Formen der Selbstsucht gehören; man kann sie unter 
die bittersten Früchte zählen, die auf jenem Baum wachsen. Ja, 
das „Ich" ist ein Baum und nicht nur ein Zweig oder die Frucht 
eines Zweiges; und wir sollten es nicht nur richten, wenn es 
wirksam ist, sondern auch im Zaume halten, damit es nicht 
wirksam werde. 
Man könnte fragen: Aber wie können wir das Ich bezwingen? 
- Die Antwort ist ganz einfach: „Alles vermag ich in dem, der 
mich kräftigt" (Phil 4,13). In Christus haben wir die Errettung 
empfangen; - und was umfaßt dieses kostbare Wort? Etwa nur 
die Errettung von dem zukünftigen Zorn? Nur die Vergebung 
der Sünden und die Gewißheit, daß wir nicht in den See 
kommen, der mit Feuer und Schwefel brennt? Es umfaßt weit 
mehr als das, so wertvoll diese Dinge auch sind. Die Errettung 
schließt ein, daß ich Christus als meine „Weisheit" besitze, um 
mich aus den dunklen Pfaden der Torheit herauszuführen auf 
die Pfade des himmlischen Lichts und Friedens. Sie schließt 
auch ein, daß Christus meine „Gerechtigkeit" ist, um vor dem 
Angesicht eines heiligen Gottes gerechtfertigt zu sein; - daß Er 
meine „Heiligkeit" ist, um mich auf praktische Weise heilig zu 
machen in allen meinen Wegen, so daß mein praktischer 
Zustand dann auch meiner Stellung in Christus entspricht, denn 
in Ihm bin ich heilig. Schließlich ist auch die „Erlösung" enthalten, um mich von der Macht des Todes zu erretten und mir 
einen reichlichen Eingang in die ewigen Gefilde der Herrlichkeit zu geben (1. Kor 1,30). 
Deshalb ist es klar, daß die Enthaltsamkeit in die Erlösung, die 
wir in Christus haben, eingeschlossen ist. Sie ist ein Resultat 
der praktischen Heiligung. Wir sollten uns vor der Gewohnheit, 
einen zu engen Begriff von der Erlösung zu haben, sorgfaltig 
hüten. Laßt uns vielmehr bemüht sein, in ihre ganze Fülle einzudringen. Es ist ein Wort, das in seiner Bedeutung von Ewigkeit zu Ewigkeit reicht und alle praktischen Einzelheiten des 
täglichen Lebens völlig umfaßt. Ich habe kein Recht, von der 
179 
Erlösung meiner Seele für die Zukunft zu reden, wenn ich mich 
weigere, ihren praktischen Einfluß auf meinen Wandel in der 
Gegenwart anzuerkennen und zu offenbaren. Wir sind nicht nur 
von der Schuld der Sünde und der Verdammnis befreit, sondern 
auch ebenso völlig von der Macht der Sünde, deren Ausübung 
und von der Liebe zu ihr. Diese Dinge sollten nie getrennt werden; und es wird sie auch niemand trennen, der in der Bedeutung, der Tragweite und der Kraft jenes kostbaren Wortes 
„Erlösung" göttlich unterwiesen ist. 
Wenn ich nun über die Enthaltsamkeit etwas Praktisches sagen 
möchte, so will ich sie von drei Seiten betrachten: Zuerst in 
Bezug auf die Gedanken, dann in Bezug auf die Zunge und 
schließlich in Bezug auf das Temperament. Ich möchte aber 
betonen, daß sich diese Zeilen ausschließlich auf solche beziehen, die errettet sind. Sollte mein Leser es noch nicht sein, 
so kann ich ihn nur auf den einen wahren und lebendigen Weg 
hinweisen: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet 
werden" (Apg 16,31). 
Zuerst also zu dem, was unsere Gedanken und ihre Beherrschung betrifft. Ich glaube, daß es wenige Christen gibt, die 
nicht unter bösen Gedanken leiden, unter jenen quälenden 
Gedanken, die selbst in unsere tiefste Zurückgezogenheit eindringen und beständig unsere innere Ruhe zu stören suchen -
die so oft die Atmosphäre um uns her verdunkeln und uns 
daran hindern, den klaren Blick nach oben zum Himmel zu 
genießen. Der Psalmist konnte sagen: „Lüge [oder Falschheit] 
hasse und verabscheue ich" (Ps 119,163). Böse Gedanken sind 
wirklich hassenswert und sollten gerichtet und vertrieben werden. Freilich kann ich es nicht verhindern, daß böse Gedanken 
in mir auftauchen; aber ich kann ihnen ihren Aufenthalt in 
meinem Geist verwehren. 
Aber wie können wir unsere Gedanken beherrschen? Wir vermögen dies ebensowenig wie unsere Sünden zu tilgen. Was 
haben wir denn zu tun? Auf Christus zu schauen! Dies ist das 
wahre Geheimnis der Enthaltsamkeit. Er kann uns vor der Anwesenheit böser Gedanken bewahren, ja sogar verhindern, daß 
180 
sie uns beeinflussen. Wir können weder das eine noch das andere. Er aber vermag beides. Er kann den schlechten Gedanken 
nicht nur das Eintreten, sondern auch sogar das Anklopfen an 
die Tür verwehren. Wenn das göttliche Leben in wirklicher 
Energie ist, wenn der Strom der geistlichen Gedanken und Gefühle tief und reißend ist, wenn die Zuneigungen des Herzens 
einzig und allein mit der Person Christi beschäftigt sind, so 
werden die bösen Gedanken uns nicht stören. Nur wenn wir im 
Glauben träge werden, brechen die bösen Gedanken wie eine 
Flut über uns herein, und dann besteht unsere einzige Sicherheit darin, direkt auf Jesus zu schauen. Wir könnten ebensogut 
versuchen, mit dem ganzen Heer der Hölle zu kämpfen, als mit 
einer Schar böser Gedanken. Unsere Zuflucht ist in Christus. 
Er ist uns von Gott gemacht zur Heiligung. Alles vermögen wir 
durch Ihn. Wir haben nur den Namen Jesu der Flut böser Gedanken entgegenzustellen, und Er wird uns gewißlich völlige 
und augenblickliche Befreiung geben. 
Es ist aber ein vortrefflicherer Weg, um vor den Einflüsterungen des Bösen bewahrt zu bleiben, sich stets mit dem, was gut 
ist, zu beschäftigen. Mögen wir es durch unsere eigene Erfahrung erproben. „Übrigens, Brüder, alles was wahr, alles was 
würdig, alles was gerecht, alles was rein, alles was lieblich ist, 
alles was wohllautet, wenn es irgend eine Tugend und wenn es 
irgend ein Lob gibt, dieses erwäget. Was ihr auch gelernt und 
empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dieses tut, und 
der Gott des Friedens wird mit euch sein" (Phil 4,8.9). Wenn 
das Herz völlig mit Christus, der lebendigen Quelle aller in 
Vers 8 enthaltenen Dinge erfüllt ist, so genießen wir einen 
tiefen Frieden, der nicht durch böse Gedanken gestört wird. 
Das ist wahre Enthaltsamkeit. 
Wir wollen jetzt unseren Blick auf die Zunge richten, - auf 
jenes einflußreiche Glied, das soviel Gutes und Böses hervorbringen kann - auf das Werkzeug, wodurch wir Ausdrücke 
sanften und zärtlichen Mitgefühls oder Worte bitterer Ironie 
und brennenden Zorns hervorbringen können. Wie wichtig ist 
die Enthaltsamkeit in ihrer Anwendung auf solch ein Glied! 
Mit der Zunge kann in einem Augenblick Unheil angerichtet 
181 
werden, das auf Jahre nicht gutzumachen ist. Wir würden unser 
ganzes Vermögen dafür geben, wenn wir die Worte zurückrufen könnten, die wir unbedacht mit unserer Zunge ausgesprochen haben. Der Heilige Geist sagt durch Jakobus über 
diesen Gegenstand: „Denn wir alle straucheln oft. Wenn jemand nicht im Worte strauchelt, der ist ein vollkommener 
Mann, fähig, auch den ganzen Leib zu zügeln. Siehe, den Pferden legen wir die Gebisse in die Mäuler, damit sie uns gehorchen, und lenken ihren ganzen Leib. Siehe, auch die Schiffe, 
die so groß sind, und von heftigen Winden getrieben werden, 
werden durch ein sehr kleines Steuerruder gelenkt, wohin 
irgend der Trieb des Steuermanns will. So ist auch die Zunge 
ein kleines Glied und rühmt sich großer Dinge. Siehe, ein 
kleines Feuer, welch einen großen Wald zündet es an! und die 
Zunge ist ein Feuer, die Welt der Ungerechtigkeit. Die Zunge 
ist unter unseren Gliedern gesetzt, als die den ganzen Leib befleckt und den Lauf der Natur anzündet und von der Hölle 
angezündet wird. Denn jede Natur, sowohl der Tiere als der 
Vögel, sowohl der kriechenden als der Meertiere, wird gebändigt und ist gebändigt worden durch die menschliche 
Natur; die Zunge aber kann keiner der Menschen bändigen: sie 
ist ein unstetes Übel, voll tödlichen Giftes" (Jak 3,2-8). 
Wer kann die Zunge zähmen? „Kein Mensch"; aber Jesus 
Christus vermag es; und nur zu Ihm sollen wir aufblicken in 
einfältigem Glauben, der sowohl das Gefühl unserer eigenen 
großen Hilflosigkeit als auch Seiner Gnade und Allmacht 
umfaßt. Es ist ganz und gar unmöglich, daß wir die Zunge im 
Zaume halten können. Ebenso wenig könnten wir Ebbe und 
Flut des Ozeans, einen Gebirgsbach oder eine Lawine aufhalten. Wie oft haben wir, wenn wir unter den Folgen eines groben 
Vergehens durch die Zunge zu leiden hatten, den Entschluß 
gefaßt, das nächste Mal dieses unruhige Glied besser zu zügeln; 
aber leider waren unsere besten Vorsätze wie eine vorüberziehende Morgenwolke. Es blieb uns nichts anderes übrig, als 
in der Stille unseren traurigen Mangel an Enthaltsamkeit zu 
beklagen und zu beweinen. Und warum war es so gekommen? 
Einfach deshalb, weil wir es in unserer eigenen Kraft taten oder 
182 
wenigstens, ohne ein ausreichend tiefes Bewußtsein unserer 
eigenen Schwachheit zu haben. Wir müssen uns an Christus 
klammern und gleichsam festhalten, wie das Kindlein sich an 
seine Mutter klammert. Nur auf diese Weise sind wir imstande, 
die Zunge mit Erfolg im Zaume zu halten. Laßt uns zu jeder 
Zeit die ernsten Worte von Jakobus im Gedächtnis haben: 
„Wenn jemand sich dünkt, er diene Gott, und zügelt nicht seine 
Zunge, sondern betrügt sein Herz, dessen Gottesdienst ist eitel" 
(Jak 1,26). Das sind wichtige Worte für die gegenwärtige Zeit, 
in der so oft die Zungen nicht gezügelt werden! Möge uns der 
Herr Gnade geben, diese Worte zu beachten, sodaß ihr heiliger 
Einfluß in unserem ganzen Wandel wahrzunehmen ist. 
Schließlich kommen wir auf das Temperament zu sprechen, 
das mit den Gedanken und der Zunge so eng verbunden ist. 
Wenn die Quelle der Gedanken geistlich und das Herz nach 
oben gerichtet ist, so ist die Zunge nur wirksam im guten Sinn 
und das Temperament ist ruhig und still. Wenn Christus durch 
den Glauben im Herzen wohnt, so ordnet Er alles. Ohne Ihn ist 
alles schlecht und wertlos. Ich mag die Selbstbeherrschung 
eines Sokrates besitzen und ausüben und doch zu gleicher Zeit 
ganz und gar unwissend sein in Bezug auf die Enthaltsamkeit in 
2. Petrus 1,6. Die Letztere ist auf den Glauben, die Erstere auf 
die Philosophie gegründet - zwei ganz verschiedene Dinge. Wir 
dürfen nicht vergessen, daß es heißt: „... reichet aber auch dar, 
indem ihr allen Fleiß anwendet [oder „aufbietet"; wörtlich 
„hinzubringet"], in eurem Glauben ...". Der Glaube steht an 
erster Stelle. Er ist das alleinige Band, welches das Herz mit 
Christus, der lebendigen Quelle aller Kraft verbindet. Wenn wir 
Christus haben und in Ihm bleiben, so sind wir fähig, unserem 
Glauben „die Tugend, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der 
Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber 
das Ausharren, in dem Aushanen aber die Gottseligkeit, in der 
Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die 
Liebe" hinzuzufügen. Das sind die herrlichen Früchte davon, 
daß wir in Christus bleiben. Ich aber kann ebenso wenig mein 
Temperament, wie meine Zunge oder meine Gedanken im 
Zaum halten, und wenn ich es versuche, so werde ich sicher 
183 
jede Stunde mein Versagen zu beklagen haben. Ein Philosoph 
ohne Christus übt vielleicht mehr Enthaltsamkeit in Bezug auf 
seine Zunge und sein Temperament aus als ein Christ, der nicht 
in Christus bleibt. Dies sollte nicht sein, und es würde auch 
nicht so sein, wenn der Christ einfach auf Jesus schaute. Tat er 
das nicht, so gewinnt der Feind die Oberhand. Vergessen wir 
nicht, daß Satan seine Lust daran hat, einen Christen zum 
Straucheln und zum Fallen zu bringen, damit dadurch der 
kostbare Name Jesu verlästert werde! 
Geliebter Leser, laß uns diese Dinge zu Herzen nehmen! Laß 
uns auf Christus schauen, um unsere Gedanken, unsere Zunge 
und unser Temperament im Zaume zu halten. Laß uns dabei 
„allen Fleiß anwenden". „Denn wenn diese Dinge bei euch 
sind und reichlich vorhanden, so stellen sie euch nicht träge 
noch fruchtleer hin bezüglich der Erkenntnis unseres Herrn 
Jesus Christus. Denn bei welchem diese Dinge nicht sind, der 
ist blind, kurzsichtig und hat die Reinigung seiner vorigen 
Sünden vergessen." Wie ernst sind diese Worte! Wie leicht 
verfallen wir in einen Zustand geistlicher Blindheit und Vergeßlichkeit! Kein Maß der Erkenntnis, weder der Lehre noch 
des Buchstabens der Schrift, kann unsere Seele vor diesem 
schrecklichen Zustand bewahren. Nur die „Erkenntnis unseres 
Herrn Jesus Christus" kann uns von Nutzen sein; und diese Erkenntnis wird dadurch vermehrt, daß wir allen Fleiß aufbieten, 
unserem Glauben alle die verschiedenen Gnaden hinzuzufügen, die der Apostel in jenem höchst praktischen und 
wichtigen Abschnitt anführt. „Darum, Brüder, befleißiget euch 
umsomehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; 
denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn also wird euch reichlich dargereicht werden der 
Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus 
Christus" (2.Petr 1,8-11). 
184 
Der lebendige Vogel 
3.Mose 14,6.7 
Das Gesetz über die Reinigung des Aussätzigen liefert uns ein 
höchst eindrucksvolles Bild von der vollkommenen Erlösung, 
die durch Jesus Christus für arme, verlorene Sünder geschehen 
ist. Wir finden darin die wahre Grundlage, auf welcher unser 
Friede und die Sicherheit unserer Rechtfertigung vor Gott ruht. 
Der Herr möge uns allen ein geöffnetes Herz schenken, damit 
der Heilige Geist uns diese herrliche Wahrheit offenbaren 
kann, so daß wir den Frieden Gottes und den Frieden Christi 
genießen können. 
Der Aussatz und der Aussätzige stellen uns das traurige Bild 
von der Sünde und dem Sünder vor Augen. „Und der Aussätzige, an dem das Übel ist, - seine Kleider sollen zerrissen, 
und sein Haupt soll entblößt sein, und er soll seinen Bart 
verhüllen und ausrufen: Unrein, unrein! Alle die Tage, da das 
Übel an ihm ist, soll er unrein sein; er ist unrein: allein soll er 
wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein" (3.Mo 
13,45.46). Welch ein bejammernswerter Zustand! Der Aussätzige war sozusagen ein lebendig Toter. Er mußte sich vor 
den Blicken der Menschen verbergen. Er war unrein und daher 
von den Reinen getrennt; er befand sich „außerhalb des Lagers", wo Gott in der Mitte Seines Volkes wohnte. Entweder 
allein oder in Verbindung mit anderen, die dasselbe Elend mit 
ihm teilten, durchschritt er die öde Wüste. Niemand durfte ihm 
nahen; und wenn sein Auge in der Ferne einen Menschen sah, 
dann öffneten sich seine Lippen zu dem Warnruf: „Unrein, 
unrein!" Auf einem dazu bestimmten Platz fand er seine bescheidene Mahlzeit, oder die wilden Früchte der Wüste mußten 
seinen Hunger stillen. 
Welch eine Szene! Aber welch ein passendes Bild eines Sünders! Wie der Aussätzige durch den Aussatz, so ist der Sünder 
durch die Sünde gekennzeichnet. Vom Scheitel bis zur Fußsohle ist er unrein; er paßt nicht in die Gesellschaft der Reinen; 
185 
er hat keine Gemeinschaft mit Gott. Gott nimmt seine Opfer, 
seine Werke und seinen Dienst nicht an. Obwohl er auf der 
Erde lebt, ist er dennoch „tot in Vergehungen und Sünden"; er 
ist dem Leben Gottes entfremdet. Das ist der Zustand, in dem 
sich ohne Unterschied alle Menschen von Natur befinden. 
Glaubst du das, mein Leser? Glaubst du, daß in dir nichts Gutes 
wohnt? Oder denkst du etwa, daß irgend ein guter Grundsatz, 
ein Anknüpfungspunkt für das Leben Gottes in dir sei? Wenn 
das der Fall ist, dann befindest du dich in Widerspruch zu dem 
Wort Gottes, welches ausdrücklich sagt „da ist keiner, der Gutes 
tue, da ist auch nicht einer" (Röm 3,12); alle, sowohl Juden als 
Heiden, sind „tot in Vergehungen und Sünden" (Eph 2). Die 
erste Stelle schildert den Wandel und die zweite den Zustand 
des Sünders. Da gibt es keinen Anknüpfungspunkt. Nein, der 
Mensch ist verloren, und wenn ihn die Gnade Gottes nicht 
rettet, ist er für ewig getrennt von dem Leben Gottes. 
Betrachten wir nun das Gesetz über die Reinigung des 
Aussätzigen. „Dies soll das Gesetz des Aussätzigen sein am 
Tage seiner Reinigung: Er soll zu dem Priester gebracht werden; und der Priester soll außerhalb des Lagers gehen; und 
besieht ihn der Priester, und siehe, das Übel des Aussatzes ist 
heil geworden an dem Aussätzigen, so soll der Priester gebieten, daß man für den, der zu reinigen ist, zwei lebendige, 
reine Vögel nehme und Cedernholz und Karmesin und Ysop. 
Und der Priester soll gebieten, daß man den einen Vogel 
schlachte in ein irdenes Gefäß über lebendigem Wasser. Den 
lebendigen Vogel soll er nehmen, ihn und das Cedernholz und 
das Karmesin und den Ysop, und dieses und den lebendigen 
Vogel in das Blut des Vogels tauchen, der geschlachtet 
worden ist über dem lebendigen Wasser; und er soll auf den, 
der vom Aussatze zu reinigen ist, siebenmal sprengen und ihn 
für rein erklären; und den lebendigen Vogel soll er ins freie 
Feld fliegen lassen" (3.Mo 14,1-7). 
Der Priester hatte den Auftrag, hinauszugehen außerhalb des 
Lagers, um den Zustand des Aussätzigen zu untersuchen. Der 
Unglückliche durfte nicht zum Priester gehen, sondern mußte 
draußen in seiner Einöde bleiben, bis er als rein anerkannt war. 
186 
Und was hatte er zu tun? Nichts. Er stand untätig vor dem 
Priester und schaute dessen Handlungen zu. Er mußte ruhig auf 
den Augenblick warten, wo die Prüfung zu Ende war und der 
Priester sagte: 'Du bist rein!' Es war nicht seine Aufgabe, in 
irgendeiner Weise an diesem Werk zu helfen; er war nur 
Zuschauer. Der Priester tat alles, der Aussätzige tat nichts. -
Ebenso ist es in Bezug auf den Sünder. So wie der Priester das 
Lager, die Wohnstätte Gottes, verließ, so ist der Herr Jesus zu 
uns Sündern gekommen. Wir konnten Gott nicht nahen; ja, wir 
hätten nicht einmal daran gedacht, das zu tun. Er hat uns 
aufgesucht in unserem Elend und das Werk unserer Erlösung 
und Versöhnung vollbracht. Und was haben wir zu tun? Nichts. 
Ebenso wie der Aussätzige brauchen auch wir nur zuzusehen, 
was Er tut, und wir brauchen Seinem Wort nur zu glauben. 
Richten wir unsere Aufmerksamkeit jetzt auf die Handlung des 
Priesters. Er hat das Lager verlassen und ist zu dem Aussätzigen in der Wüste gekommen. - Ein feierlicher Augenblick 
für den Unglücklichen! Entweder wird er vielleicht für immer 
in sein Elend zurückgestoßen, oder er kann als rein erklärt in 
sein Haus zurückkehren. Mit welcher Spannung werden seine 
Blicke jede einzelne Bewegung des Priesters verfolgen! Der 
eine Vogel wird jetzt geschlachtet, und das Blut des getöteten 
Tieres fließt in ein irdenes Gefäß. Dann ergreift er den anderen 
Vogel, taucht ihn in das Blut des getöteten, sprengt es siebenmal, also in vollkommener Zahl, auf den Aussätzigen und 
macht sich bereit, das Urteil Gottes auszusprechen. Die Blicke 
des Aussätzigen heften sich in gespannter Erwartung auf den 
lebendigen in Blut getauchten Vogel in der Hand des Priesters. 
Seine Freiheit hängt von diesem Tier ab. Öffnet der Priester 
seine Hand und fliegt der Vogel davon, so ist für den Aussätzigen der Augenblick der Freiheit gekommen. Nur noch 
wenige Sekunden, und Tränen der Freude rollen über die 
Wangen des Elenden; der Vogel fliegt ins freie Feld und 
schwingt sich hoch empor zu den Wolken als ein lebendiger 
Zeuge der Reinigung und der Befreiung des Aussätzigen. 
Welch ein herrliches Gemälde des Werkes Christi und der Befreiung des Sünders! Die beiden Vögel stellen uns den Tod und 
187 
die Auferstehung des Herrn bildlich vor Augen. Freilich kann 
nicht ein und derselbe Vogel getötet und zugleich in Freiheit 
entlassen werden; aber um die beiden Handlungen zu einer 
einzigen zu vereinigen, wurde der lebendige Vogel erst dann 
befreit, nachdem er vorher in das Blut des getöteten getaucht 
worden war. In Christus finden wir diese beiden Handlungen 
vereinigt; und es ist von höchster Wichtigkeit, diese zwei Seiten des Werkes Christi zu verstehen. Der Friede unserer Seelen 
hängt davon ab. Leider bleiben viele Gläubige bei dem Kreuz 
stehen und haben deshalb keinen vollkommenen Frieden. 
Beständig kämpfen sie mit ihren Zweifeln, warten von Tag zu 
Tag auf die Gewißheit der Vergebung ihrer Sünden und ihrer 
Annahme bei Gott. Sie nahen nie mit Freimütigkeit dem Thron 
Gottes, weil ihnen das Bewußtsein fehlt, daß ihr Gewissen gereinigt ist. Wie kann es auch anders sein? Am Fuß des Kreuzes 
vernimmt das Ohr des Sünders nicht das Wort: 'Du bist rein!' 
Obwohl der eine Vogel getötet und der andere freigelassen 
war, so wartete der Aussätzige dennoch gespannt auf den Ausspruch des Priesters. 
Ich möchte aber nicht falsch verstanden werden. Es versteht 
sich von selbst, daß ohne das Werk auf dem Kreuz keine Vergebung, keine Reinigung von Sünden denkbar ist; denn „ohne 
Blutvergießung gibt es keine Vergebung" (Hebr 9,22). Der 
Herr Jesus mußte mit Sünden beladen und zur Sünde gemacht 
werden. Er wurde von Gott verlassen und mußte sterben, um 
uns mit Gott versöhnen und uns erlösen zu können. Aber wenn 
außer dem Werk auf Golgatha nichts weiter geschehen wäre, 
so würde niemand die Gewißheit der Vergebung seiner Sünden 
und seiner Annahme bei Gott haben können. Wir müssen mehr 
wissen als die Tatsache, daß Christus unsere Sünden trug und 
für uns zur Sünde gemacht wurde, daß über Ihn das Urteil des 
Todes ausgesprochen und an Ihm vollzogen worden ist. Wir 
müssen wissen, daß wir von der Sünde, dem Tod und dem 
Gericht freigemacht sind. Unsere Ruhe hängt nur von dem 
Bewußtsein ab, daß Er unsere Sünden weggenommen und daß 
Gott das durch Ihn dargebrachte Opfer angenommen hat. Wir 
müssen, das Zeugnis Gottes Selbst haben, daß Er in Bezug auf 
188 
unsere Sünden und unseren Zustand völlig befriedigt ist und 
daß wir von allem gerechtfertigt sind. Und, mein lieber Leser, 
diese Freisprechung, dieses Zeugnis findest du nicht am Kreuz. 
Aber eile hin zum offenen Grab Jesu und lausche hier auf die 
Zusage Gottes, daß Er deine Sünden vergeben hat! Hier findest 
du deine Freisprechung und deine Rechtfertigung. Er, der beladen mit unseren Sünden am Kreuz hing und deswegen von 
Gott verlassen war, wurde durch Ihn aus den Toten auferweckt. Hier gibt Gott Selbst den Beweis, daß das durch Jesus 
dargebrachte Opfer vollkommen ausreichend war und Er durch 
dieses Werk völlig befriedigt worden ist. Wäre nur eine einzige 
Sünde zurückgeblieben, so hätte Gott Ihn nicht auferwecken 
und Ihm nicht einen Platz zu Seiner Rechten geben können. 
Aber die Schrift sagt, daß „er einmal geopfert worden ist, um 
vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die ihn 
erwarten, ohne Sünde erscheinen wird zur Seligkeit" (Hebr 
9,28). Herrliche Wahrheit! Die Auferstehung des Herrn ist der 
sichere Beweis, daß die Gerechtigkeit und die Heiligkeit 
Gottes durch das Werk Christi völlig befriedigt worden sind. 
Hätte man den Aussätzigen nach dem Beweis seiner Reinheit 
und Freiheit gefragt, so hätte er geantwortet: 'Der Vogel dort in 
der Luft ist für mich der Beweis.' Ebenso ist es mit uns. Wenn 
jemand die Frage an mich richtet, woher ich wisse, daß ich von 
den Sünden gereinigt und gerechtfertigt sei, dann antworte ich: 
'Der auferstandene Christus ist für mich der Beweis.' Ja, 
geliebte Brüder, die Auferstehung des Herrn ist der Beweis, 
daß die Sünden vergeben und wir gerechtfertigt sind. Der Herr 
Jesus trug unsere Sünden auf dem Kreuz; Er wurde für uns zur 
Sünde gemacht und gerichtet. Er hat „seine Seele ausgeschüttet 
in den Tod", und am dritten Tag stand Er auf aus den Toten. 
Wo sind nun unsere Sünden? Sie sind gesühnt. Als der Auferstandene, als Sieger über Sünde, Tod und Teufel, hat der 
Herr Jesus das Grab verlassen. Wir hatten ewiges Verderben 
verdient und gingen dem gerechten Gericht Gottes entgegen; 
aber Christus ging für uns ins Gericht; und Seine Auferstehung 
ist der Beweis, daß Gott befriedigt ist. Wir hatten nichts als den 
Tod zu erwarten, aber Christus starb an unserer Statt, und Gott 
189 
weckte Ihn auf aus den Toten, sodaß der Tod zunichte gemacht 
wurde. Darum haben Tod und Gericht ihre Schrecken für uns 
verloren. Christus, sitzend zur Rechten Gottes, ist der Beweis 
unserer Rechtfertigung. 
Wie gesegnet ist es für uns, wenn wir diese herrliche Wahrheit 
verstehen! Sie allein kann uns wahre Ruhe und vollkommenen 
Frieden geben. Mein Herz braucht ein Zeugnis von Seiten 
Gottes, daß Er in Bezug auf mich befriedigt ist; und dieses 
Zeugnis finde ich in der Auferstehung. Gott bezeugt mir darin, 
daß Er das Werk Christi als vollkommen vollbracht anerkennt, 
daß Er das Opfer angenommen und daß mein Stellvertreter 
genug getan hat. Er hat für mich jedes Hindernis für die 
Gemeinschaft mit Ihm beseitigt und mich passend gemacht für 
den Himmel. Mit voller Freimütigkeit darf ich jetzt vor Gott 
erscheinen. „Wenn aber Christus", sagt der Apostel, „nicht 
auferweckt ist, so ist euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren 
Sünden" (l.Kor 15,17). Weil Er aber nun auferweckt worden 
ist, so bin ich nicht mehr in meinen Sünden; ich bin gerechtfertigt. 
Lieber Leser, verstehst du diese kostbare Wahrheit? Genießt 
dein Herz diesen festen, wunderbaren Frieden? Hast du die 
Gewißheit, daß deine Sünden für immer gesühnt sind? Darfst 
du mit völliger Freimütigkeit in der Gegenwart Gottes erscheinen? Wenn du noch gewisse Zweifel hast, so kommt dieses 
einfach daher, daß du die Kraft der Auferstehung Christi nicht 
begreifst. Du verstehst die Sprache Gottes nicht, die Er aus 
dem offenen Grab zu dir redet. Du erblickst am Kreuz das 
Urteil Gottes über deine Sünden; aber du hast deinen 
Freispruch noch nicht gehört. O ich bitte dich, bleibe nicht 
länger an diesem Platz; gehe einen Schritt weiter. Richte deine 
Blicke nicht nur auf den gestorbenen, sondern auch auf den 
auferstandenen Christus. Glaube dem Wort Gottes, welches 
sagt: „... die wir an den glauben, der Jesum, unseren Herrn, aus 
den Toten auferweckt hat, welcher unserer Übertretungen 
wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen 
auferweckt worden ist" (Röm 4,24.25). Glaubst du, daß Jesus 
am Kreuz starb, indem Er Selbst unsere Sünden an Seinem 
190 
Leibe auf dem Holz trug? Dann glaube auch, daß deine Sünden 
vergeben sind und du selbst gerechtfertigt bist, weil Er aus den 
Toten auferstanden ist. Paulus sagte zu den Juden: „So sei es 
euch nun kund, Brüder, daß durch diesen euch Vergebung der 
Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon ihr im Gesetz 
Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem 
jeder Glaubende gerechtfertigt" (Apg 13,38.39). Aufgrund der 
Auferweckung unseres Stellvertreters erklärt Gott, daß jeder 
Glaubende von allem gerechtfertigt ist. Glaubst du, daß das 
kostbare Blut Jesu vergossen ist? Glaubst du, daß Gott Ihn aus 
den Toten auferweckt hat? Dann gibt Gott dir die Zusicherung, 
daß alle deine Sünden durch Jesus vergeben sind; ja, Er 
bezeugt dir darüber hinaus, daß jeder Glaubende von allem 
gerechtfertigt ist. Der Aussätzige wußte, daß er gereinigt war, 
weil der lebendige Vogel sich in die Luft geschwungen und der 
Priester ihm gesagt hatte: 'Du bist rein.' Ich weiß, daß meine 
Sünden vergeben sind und ich von allem gerechtfertigt bin, 
weil Gott es sagt, und weil Jesus Christus auferstanden ist und 
zur Rechten Gottes sitzt. Gott kann keinen größeren Beweis 
von der Sicherheit meiner Rechtfertigung geben als die 
Auferweckung Jesu aus den Toten. Glaube diesem Zeugnis, 
mein geliebter Leser, und du wirst einen Frieden genießen, den 
die Welt dir nicht rauben kann, und der dich in die Lage 
versetzt, Gott verherrlichen zu können! 
Die unabhängige Gnade Gottes 
Wenn das unter alle Völker der Erde zerstreute Volk Israel in 
das Land seiner Väter zurückgeführt ist, wird Gott es wegen 
der Verwerfung des Messias durch Züchtigungen und Strafen 
heimsuchen. Allerdings wird Gott schon damit beginnen, bevor 
das ganze zwölfstämmige Volk zurückgekehrt ist. Die schrecklichsten Gerichte, wie sie seit dem Anfang der Welt nie gewesen sind noch jemals wieder sein werden, brechen dann über 
191 
das Volk herein (s. Mt 24 und Offb 6-19). Obwohl der größte 
Teil des Volkes in seinem Unglauben verharren und später ausgerottet werden wird (Sach 13,8), soll doch ein Überrest nach 
Wahl der Gnade bleiben, der durch die Ankunft des Herrn aus 
aller Not befreit werden wird, nachdem er sich eine bestimmte 
Zeit in der größten Bedrängnis befand. In dieser Zeit der 
Drangsal nun, wo sie gebeugt unter der Schwere ihrer Schuld 
hinsichtlich der Kreuzigung ihres Messias umhergehen und 
keine Worte finden können, um ihr Schmerzgefühl auszudrücken, erinnern sie sich an die Prophezeiung in Jesaja 43, 
welche ihre Herzen mit neuem Mut erfüllen kann und welche 
ihnen am Ende die vollkommene Vergebung ihrer Schuld 
verheißt. „Doch nicht mich hast du angerufen, Jakob, daß du 
dich um mich gemüht hättest, Israel! Du hast mir die Schafe 
deiner Brandopfer nicht gebracht, und mit deinen Schlachtopfern hast du mich nicht geehrt; ich habe dir nicht mit Speisopfern zu schaffen gemacht, noch mit Weihrauch dich 
ermüdet; du hast mir nicht um Geld Würzrohr gekauft, noch 
mit dem Fette deiner Schlachtopfer mich gelabt. Aber du hast 
mir zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, du hast mich 
ermüdet mit deinen Missetaten. Ich, ich bin es, der deine 
Übertretungen tilgt um meinetwillen; und deiner Sünden will 
ich nicht mehr gedenken" (Jes 43,22-25). 
Wie herrlich sind diese Worte, und wie sehr werden die 
Israeliten sich freuen, wenn sie in solch lieblichen Ausdrücken 
die Gnade und unveränderliche Treue ihres Gottes vernehmen! 
Aber es ist nicht unsere Absicht, hierbei länger zu verweilen. 
Wir wollen uns jetzt nur mit den kostbaren, zu allen Zeiten 
geltenden Grundsätzen beschäftigen, die auch für uns in diesen 
herrlichen Worten eingeschlossen sind und uns vermehrten 
Anlaß geben, unseren Gott und Vater zu loben und anzubeten. 
Betrachten wir zunächst den sittlichen Zustand, in dem uns 
Israel hier vorgestellt wird; es ist ein Zustand, in dem sich 
jeder natürliche Mensch befindet, sei er Jude oder Heide. Wir 
wissen, daß Gott den Kindern Israel, nachdem sie Ägypten 
verlassen und das Rote Meer durchzogen hatten, Sein Gesetz 
gegeben hatte. Und zu welchem Zweck gab Er ihnen das 
192 
Gesetz? War es etwa deshalb, weil Er dachte, daß der Mensch 
es halten könnte? O nein; Gott wußte, daß kein Mensch dazu 
imstande war, und darum sagte Er auch: „Und meine Satzungen und meine Rechte sollt ihr beobachten, durch welche der 
Mensch, wenn er sie tut, leben wird" (3.Mo 18,5). Gott machte 
das Leben von dem Halten der Gebote abhängig. Aber warum 
gab Er ihnen denn das Gesetz? Eben darum, weil Israel sich 
einbildete, die Gebote Gottes halten zu können, denn sie hatten 
gesagt: „Alles was Jehova geredet hat, wollen wir tun!" (2.Mo 
19,8). - Gott wußte, daß der Mensch unfähig war, das Gesetz 
zu halten; aber Er wollte auch den Menschen davon überzeugen; jeder sollte die Unmöglichkeit so klar erkennen wie Er 
Selbst. Das Gesetz wurde gegeben, um den Menschen von der 
Sünde zu überführen (Röm 7; Gal 3). Und was ist geschehen? 
Noch bevor die beiden steinernen Tafeln durch Moses ins 
Lager kamen, hatte das Volk das Gesetz bereits durch die Aufrichtung des goldenen Kalbes gebrochen. Die ganze Geschichte Israels beweist immer deutlicher die Unmöglichkeit, daß der 
Mensch das Gesetz halten konnte. Israel übertrat jedes Gebot; 
in seiner Geschichte finden sich die größten Sünden und die 
schändlichsten Missetaten, und mit vollem Recht kann man die 
Beschreibung des schrecklichen sittlichen Verderbens der 
Heiden in Römer 1 auch auf Israel anwenden. Der Herr sagte 
in einer Prophezeiung: „Doch nicht mich hast du angerufen, 
Jakob, daß du dich um mich gemüht hättest, Israel! Du hast mir 
die Schafe deiner Brandopfer nicht gebracht, und mit deinen 
Schlachtopfern hast du mich nicht geehrt ... du hast mir nicht 
um Geld Würzrohr gekauft, noch mit dem Fette deiner 
Schlachtopfer mich gelabt" (Jes 43,22-24). 
Die Geschichte Israels beweist, daß der Mensch das Gesetz 
unmöglich erfüllen kann. Gott wußte das von Anfang an; und 
jeder, der diese Geschichte liest, muß zu derselben Überzeugung kommen. Das Gesetz wurde gegeben, um den Menschen 
von der Sünde zu überzeugen und ihm seinen verlorenen Zustand zu offenbaren; und die Geschichte Israels liefert davon 
den Beweis. Nachdem nun aber ans Licht gestellt ist, daß der 
Mensch nur sündigen kann und deshalb verloren ist, tritt Gott 
193 
nicht noch einmal mit dem Gesetz vor die Menschen. Er sagt 
jetzt zu Israel, welchem Er einst Sein Gesetz gab und dessen 
Opfer Er forderte: „Ich habe dir nicht mit Speisopfern zu 
schaffen gemacht, noch mit Weihrauch dich ermüdet." Gott 
fordert nichts mehr von Seinem Volk! Und warum nicht? 
Etwa, weil Er nichts mehr zu fordern hat? O nein. Aber es ist 
völlig offenbar geworden, daß das Volk Ihm nichts geben 
kann. Zuerst fordert Gott; nachdem aber der Beweis geliefert 
ist, daß Israel den Anforderungen nicht entsprechen kann, 
fordert Gott nicht mehr. 
Die Geschichte Israels ist aber nicht allein die Offenbarung des 
Herzens der Israeliten, sondern auch des menschlichen Herzens 
im allgemeinen. Niemand ist fähig, Gott etwas zu bringen. Es 
ist bewiesen, daß der Mensch nicht im Stande ist, Gutes zu tun; 
er ist tot in Vergehungen und Sünden und ein Feind Gottes. 
Von diesem Gesichtspunkt aus behandelt Gott den Menschen. 
Er begegnet ihm in Gnade und tritt nicht vor ihn hin, um etwas 
zu fordern, sondern um ihm etwas zu bringen. Das Evangelium 
offenbart Jesus als die Gabe Gottes für den Sünder; es wendet 
sich als eine frohe Botschaft an den Verlorenen, der völlig 
unfähig ist, das Gute zu tun. Gott fordert nichts von dem Menschen, sondern offenbart Seine Gnade in Christus. Solange das 
Gesetz herrschte, richtete Gott Seine Forderungen an den Menschen, nicht als ob Er etwas Gutes von ihm erwartet hätte, 
sondern um ihn zur Überzeugung seines verlorenen Zustandes 
zu bringen. Da nun aber die Geschichte Israels deutlich die 
Unfähigkeit des Menschen in Bezug auf seinen Wandel vor 
Gott ans Licht gestellt hat, so fordert Gott nichts mehr von ihm, 
sondern tritt mit einer frohen Gnadenbotschaft vor den Sünder 
hin, die den Menschen als verlorenen Sünder behandelt und 
ihm das Heil oder die Rettung durch Christus anbietet. Es ist 
sehr wichtig, diesen Grundsatz zu verstehen; sonst wird man nie 
das richtige Verständnis über die Gnade Gottes besitzen und sie 
immer wieder abhängig machen von dem, was wir in uns 
fühlen. Eine Predigt des Evangeliums, in der die Gnade mit 
dem Gesetz vermischt wird, kann den Sünder nie ganz 
freimachen. Die Apostel haben nie das Gesetz, wohl aber die 
194 
Gnade verkündigt. Ihre Predigt der frohen Heilsbotschaft ging 
stets davon aus, daß der Menschen verloren war; und ihr 
Bemühen ging dahin, die Juden, welche sich hartnäckig an das 
Gesetz klammerten, aus ihrer Bindung zu befreien. Ohne Zweifel ist auch noch jetzt das Gesetz in der Lage, jemanden, der in 
seiner Selbstgerechtigkeit Gott dienen will, von seiner Sünde zu 
überführen. Doch ich wiederhole noch einmal, daß die Predigt 
des Evangeliums nicht mit dem Gesetz vermischt werden darf; 
sonst entsteht die größte Verwirrung. 
Früher haben wir Gott nicht gedient; wir können uns weder 
eines guten Werkes noch eines Ihm angenehmen Opfers 
rühmen. Gott richtet auch keine Forderung an uns; Er hat zwar 
das Recht dazu, aber wir sind in einem solchen Zustand, daß 
wir unmöglich Seinen gerechten Ansprüchen entsprechen können. Das einzige, was für uns genauso wie für Israel gilt ist, daß 
wir Gott mit unseren Sünden zu schaffen gemacht und Ihn mit 
unseren Missetaten ermüdet haben. Ja, wir haben Ihm wirklich 
Arbeit und Mühe mit unseren Sünden gemacht. Wir haben Ihn 
nicht nur mit unseren Sünden betrübt, sondern Ihn gleichsam 
zur Arbeit veranlaßt. Nachdem Gott in sechs Tagen Himmel 
und Erde gemacht hatte, ruhte Er am siebenten Tag; Sein Werk 
war vollendet, und alles war sehr gut. Doch Seine Ruhe war nur 
von kurzer Dauer. Und wer hat sie gestört? Der Mensch. Ja, wir 
haben die Ruhe Gottes durch unsere Sünde gestört; wir haben 
Ihn veranlaßt, von Neuem zu wirken. Durch unsere Sünde kam 
alles in Verwirrung; der Mensch wurde ein Sklave des Teufels; 
die herrliche Schöpfung Gottes wurde durch die Sünde verdorben; der Fluch wurde über die ganze Erde ausgesprochen; 
und wo vorher alles in Ruhe und Frieden war, da gab es jetzt 
Verwirrung und Unordnung. Die Ruhe Gottes war zu Ende; 
von neuem begann Sein Wirken. Welches war nun Sein neues 
Werk? Es war das Werk der Versöhnung und Erlösung des 
Sünders und der Versöhnung aller Dinge. Um welchen Preis hat 
Er dieses Werk zustande gebracht? In Seiner anbetungswürdigen Liebe gab Er Seinen geliebten eingeborenen Sohn. Ja, 
lieber Leser, vergessen wir es nicht: Wir haben die Ruhe Gottes 
gestört; wir haben Ihn wieder veranlaßt zu wirken. Der Herr 
195 
Jesus sagt: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke" (Joh 
5,17). Gott sandte Seinen Sohn aus dem Himmel auf diese Erde 
und gab Ihn damit der Schmach, der Verfolgung, dem Spott 
und dem Hohn der Menschen preis. Wir sind es, die den Herrn 
der Herrlichkeit so erniedrigten. Wenn wir Ihn am Kreuz 
zwischen zwei Räubern hängen sehen und dann in den Stunden 
der Finsternis, von Gott verlassen, wenn wir Ihn betrachten, wie 
Er unter der Schwere unserer Sünde leidet und dann das Haupt 
neigt und den Geist aufgibt, dann muß jeder sich selbst sagen: 
'Das ist meine Schuld; meine Sünden haben Ihn dort hingebracht.' Freilich ist es die Gnade Gottes, die hier handelt; und 
wir haben alle Ursache, uns darüber zu freuen, daß Seine Gnade 
groß genug war, um ein solches Werk zu vollbringen; aber wir 
sollten nie vergessen, daß unsere Sünden die Ursache dazu 
waren. Ach! wir denken leider so wenig an den Schmerz, an die 
Mühe und Arbeit, die wir Gott bereitet haben. Wir erfreuen uns 
an der Gnade, ohne ernsthaft daran zu denken, daß Gott um 
unseretwillen Seine Ruhe unterbrechen und Seinen Sohn für 
Sünder und Feinde hingeben mußte. Wir fühlen so wenig, wie 
schrecklich tief wir gefallen und wie weit wir von Gott entfernt 
waren. Darum genießen wir auch so wenig Seine Gnade und 
fühlen so wenig das Bedürfnis, durch die Gnade geleitet und 
gestärkt zu werden. 
Warum gibt es so manche Gläubige, die nicht zu jeder Zeit 
ihrer Errettung gewiß sind und die es nicht zu jeder Zeit 
wagen, als Kinder Gottes ihrem Vater mit Freimütigkeit zu 
nahen? Die Ursache ist, daß sie so wenig die völlige Verdorbenheit des Menschen kennen. Viele reden über die Unfähigkeit des Menschen und bedienen sich der schärfsten Ausdrücke, um die Schlechtigkeit des Sünders zu beschreiben; 
doch bei diesem allen zeigen sie nur zu deutlich, daß sie in der 
Tat die Verdorbenheit und das Verlorensein des Menschen 
nicht glauben. Wodurch kann ich den besten Beweis liefern, 
daß ich wirklich an mein Verlorensein glaube? Etwa dadurch, 
daß ich stets an mich denke und mit mir selbst beschäftigt bin, 
oder dadurch, daß ich mich ganz aus den Augen verliere und 
mich ausschließlich der Gnade Gottes anvertraue? Ich glaube, 
196 
wenn ich das Letztere tue. Jemand, der behauptet, Hunger zu 
haben, beweist dies dadurch, daß er sich der Speise bedient, die 
man ihm vorsetzt. Und wenn sich jemand als völlig verloren 
kennengelernt hat, so vertraut er sich der Gnade Gottes an, die 
ihm in Christus Jesus angeboten wird. Er erwartet nichts von 
sich selbst; er weiß, daß keine Verbesserung seiner Natur 
möglich ist. Deshalb erfreut er sich an der Gnade Gottes, an 
dem Werk Christi, und hat dadurch völlige Gewißheit, daß er 
ein Kind Gottes ist. Er versteht das kostbare Wort: „Ich, ich bin 
es, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen; und deiner 
Sünden will ich nicht mehr gedenken." 
Wie lieblich wird dieses Wort einmal das Ohr der Israeliten 
berühren! Wie wird ihr Auge glänzen in Wonne und Entzücken! Gebeugt unter der Bürde ihrer Schuld, niedergedrückt 
durch das Bewußtsein, den Sohn Gottes getötet zu haben, ohne 
Hoffnung und bis zur Verzweiflung getrieben durch ein erwachtes Gewissen, dringt plötzlich das Wort Jehovas an ihr 
Ohr: „Ich, ich bin es, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen; und deiner Sünden will ich nicht mehr gedenken." - Sie 
haben ihren Messias verworfen und dadurch jede Möglichkeit 
zu ihrer Errettung mit Füßen getreten; ihr Zustand ist hoffnungslos, und nichts als ewige Strafe ist ihre trostlose Erwartung. Da ertönt der Ruf Gottes: „Ich, ich bin es, der deine 
Übertretungen tilgt um meinetwillen; und deiner Sünden will 
ich nicht mehr gedenken." In sich selbst finden sie nichts; eine 
Erlösung um ihretwillen ist nicht denkbar. Gibt es keinen 
anderen Weg, dann ist ewige Trennung von Gott ihr Los. Aber 
es gibt noch einen anderen Weg. „LJm meinetwillen", sagt der 
Herr der Heerscharen, „tilge ich deine Übertretungen". 'Um 
deinetwillen kann ich es nicht; denn du bist verloren; aber um 
meinetwillen werde ich es tun.' - Welch eine unaussprechliche 
Gnade! 
Verstehst du dieses Wort, geliebter Leser? Bist du schon zu den 
Füßen Jesu in Anbetung niedergesunken? Hast du Ihm ein 
Loblied gesungen? Gott hat um Seinetwillen dich erlöst und mit 
Sich versöhnt. Blicke nur zurück auf deinen Wandel: Findest du 
da etwas, dessen du dich rühmen, etwas, das du vor Gott 
197 
bringen kannst? Findest du da irgendein tadelloses Werk, eine 
reine Handlung, ein Werk zur Verherrlichung Gottes? Leider 
wirst du es verneinen müssen. Dir wird nur das Bekenntnis 
übrigbleiben: 'Ich habe Gott Arbeit und Mühe gemacht mit 
meinen Sünden und Missetaten.' Gibt es denn nichts in uns, 
wodurch Gott veranlaßt werden kann, uns zu erlösen? Nein; wir 
sind elend, nackt, jämmerlich und hassenswürdig in den Augen 
Gottes. Bei uns findet Er nur etwas, das Ihn abstoßen kann und 
was für Ihn ein Greuel ist. Wir sind verloren und tot in Vergehungen und Sünden; wir sind Feinde Gottes. Müßte Er um 
unseretwillen vergeben, dann würden wir ewig in unseren Sünden bleiben. Aber Gott sei gepriesen! Er ruft uns zu: „Ich, ich 
bin es, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen." Ja, 
Geliebte, Er tut es um Seinetwillen und nicht wegen unserer 
Werke, unserer Tränen, unserer Seufzer, unserer Gebete, unserer Erfahrungen oder dergleichen. Leider glaubt mancher, ein 
Recht auf die Seligkeit zu haben, weil er soviel gebetet und 
geweint oder weil er so lange gesucht hat. Der eine sagt: 'Ich 
habe schon so lange gesucht und schon so viele Tränen vor Ihm 
vergossen; Er wird mich doch wohl endlich erhören.' Ein 
anderer: 'Ich habe schon so viele Erfahrungen von der Liebe 
Gottes gemacht, daß ich wohl glauben kann, daß Er mich 
endlich annehmen wird.' Ein dritter: 'Ich habe den Herrn schon 
seit Jahren gesucht und werde Ihn doch wohl endlich finden.' -
Aber alle diese Gedanken stehen in Widerspruch zu dem Wort 
Gottes und sind nur die Folge der traurigen Selbstgerechtigkeit 
des menschlichen Herzens. Wenn man nicht mehr auf seine 
Werke vertrauen kann und die Selbstgerechtigkeit in ihrer 
gröbsten Form verschwunden ist, dann tritt sie in einer feineren 
Form auf und man setzt sein Vertrauen auf Gebete, auf Tränen, 
auf Gefühle und auf das beständige Streben nach der Seligkeit. 
Mein geliebter Leser! Würdest du auch so viele Tränen vergießen, daß ein Meer damit gefüllt werden könnte, würdest du 
jahrelang Tag für Tag seufzen und beten, würdest du von den 
tiefsten Gefühlen reden können, die denkbar sind, hättest du 
schließlich seit vielen Jahren nach der Seligkeit getrachtet, so 
könnte Gott dich dennoch nicht erlösen um deinetwillen. Aber 
um Seinetwillen tilgt Er deine Übertretungen! Und weißt du, 
198 
warum? Weil Er nicht will, daß du dich irgendeiner Sache 
rühmst. Wie gern möchten wir sagen: 'Meine Gebete, meine 
Tränen und mein eifriges Suchen sind die Ursache gewesen, 
daß Gott Sich über mich erbarmt hat.' Aber das möchte der Herr 
nicht. Er möchte, daß wir uns in Ihm allein rühmen. Wir können 
und dürfen keine Ansprüche stellen in Bezug auf die 
Vergebung unserer Sünden; Seine Gnade allein muß es sein, 
durch welche wir erlöst werden; und die Gnade muß das einzige Fundament unserer Sicherheit sein. Jeder andere Boden ist 
falsch. Gründest du deine Sicherheit auf deine Gebete und auf 
wunderbare Erscheinungen bei deiner Bekehrung und es tritt 
eines Tages jemand mit der Behauptung vor dich hin, daß du 
noch zu wenig gebetet habest und daß seine Bekehrung noch 
wunderbarer gewesen sei, dann wird ohne Zweifel dein scheinbar so sicheres Gebäude bald wanken und zusammenstürzen. 
So wird es immer sein. Sobald man sein Vertrauen auf Gebete 
oder Erfahrungen setzt, auf eine Bekehrungsgeschichte oder auf 
etwas dergleichen, kann nicht von einer Gewißheit der Errettung die Rede sein. Den einzigen wahren Grund finden wir in 
dem Werk Christi und in der Gnade Gottes; Er ruft uns die 
kostbaren Worte zu: „Ich, ich bin es, der deine Übertretungen 
tilgt um meinetwillen." 
Ja, in der Tat, wegen Seinetwillen und nicht um unseretwillen 
erlangen wir die Vergebung unserer Sünden. Oder denkst du 
etwa, daß der elende Zustand, in dem wir uns befanden, Gott 
bewogen habe, uns zu erlösen? Dann irrst du dich sehr. Er rettet 
uns um Seinetwillen und nicht um unseretwillen. Aber warum 
um Seinetwillen? Geliebte! Es gibt ein Wort in der Schrift, das 
uns dieses erklärt, ein Wort, das uns das Geheimnis der 
Erlösung aufschließt und uns die Ursache erkennen läßt, um 
derentwillen Gott den verlorenen Sünder erlösen und selig 
machen kann. Und dieses eine Wort, welches das ganze Evangelium umfaßt, lautet: „Gott ist Liebe!" - Ja, Er ist Liebe; Liebe 
ist Seine Natur, Sein Wesen; und darum hat Er das Bedürfnis, 
Liebe zu üben, zu erweisen und zu offenbaren. Seine Liebe ist 
die Ursache unserer Erlösung. Es war Liebe, die gleich nach 
dem Sündenfall, noch vor der Ankündigung der Strafe die frohe 
199 
Botschaft der Erlösung brachte, daß der Same des Weibes der 
Schlange den Kopf zermalmen sollte. Es war Seine Liebe, die 
in der Fülle der Zeit den Sohn Seiner Liebe vom Himmel auf 
die Erde sandte, um unsere Sünden auf dem Kreuz zu tragen 
und für uns zur Sünde gemacht zu werden. Die Liebe ist die 
Quelle von allem. Alles geschah, weil Er Liebe ist. Darum hat 
Er dich gesucht, der du nicht nach Ihm fragtest; nicht wegen 
deiner Werke und deiner Tränen, auch nicht aus Mitleid gegen 
dich, sondern weil Er Liebe ist. Ja, weil Er das Bedürfnis hatte, 
Liebe zu erweisen, hat Er uns gesucht, als wir tot, hassenswürdig und durch unzählige Sünden ruiniert waren. 
Welch eine wunderbare Gnade! Welche Ruhe für das Herz! 
Denke einmal zurück an den Augenblick, als du nach vielem 
Seufzen und Wirken als ein Mühseliger und Beladener in Jesus 
Vergebung deiner Sünden erlangtest; was fandest du da? Die 
Liebe Gottes! Aber gehe noch einen Schritt weiter zurück. 
Betrachte das Kreuz, das auf Golgatha aufgerichtet war und 
woran Jesus, der Sohn Gottes hing, beladen mit deinen Sünden 
und verlassen von Gott! Was siehst du dort? Wiederum die 
Liebe Gottes! Und wenn du noch weiter zurückgehst bis zu der 
Zeit, als noch keine Erde und kein Mensch geschaffen war, 
was findest du dort? Immer wieder die Liebe Gottes! Der 
Apostel ruft uns zu, daß Gott „uns auserwählt hat in ihm vor 
Grundlegung der Welt, daß wir heilig und tadellos seien vor 
ihm in Liebe; und uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch 
Jesum Christum für sich selbst nach dem Wohlgefallen Seines 
Willens" (Eph 1,4.5). Wenn du dieses alles siehst, wirst du 
dann nicht losgemacht von dir selbst? Gibt es dann noch Raum 
für dich, an deine Werke, an deine Gebete, an deine Tränen 
und Gefühle zu denken? Vielleicht ist dir nun das Wort 
deutlich: „Ich, ich bin es, der deine Übertretungen tilgt um 
meinetwillen." Von Ewigkeit her ist Gott Liebe, und bis in alle 
Ewigkeit wird Er Liebe bleiben. Er liebte uns, ehe die Welt 
erschaffen war. Überall, wohin ich meine Blicke richte, sehe 
ich die Liebe Gottes. Sie ist die Quelle meines Glücks, meines 
Friedens, meiner Ruhe und meiner Seligkeit. Gott Selbst, der 
Liebe ist, ist das Fundament meiner Sicherheit. Fragst du mich, 
200 
warum ich glücklich und meiner Errettung gewiß bin, so 
antworte ich: 'Weil Gott Liebe ist.' In mir finde ich nichts, aber 
in Gott alles. Hätte ich um meinetwillen erlöst sein müssen, 
dann wäre ich ewig verloren; aber da ich jetzt erlöst bin um 
Seinetwillen, weiß ich, daß nichts mich scheiden wird von der 
Liebe Gottes. Ich bin nun völlig ruhig; jeder Zweifel ist verschwunden, denn die vollkommene Liehe Gottes hat alle 
Furcht ausgetrieben. 
Ja, die Liebe Gottes ist das unerschütterliche Fundament unserer Sicherheit. Alles, was von uns kommt, ist dem Wechsel 
unterworfen; die Liebe Gottes aber ist unveränderlich. Sie war 
gestern und ist heute und in Ewigkeit dieselbe. Sehe ich auf 
meine Werke, dann finde ich alles beschmutzt; sie sind wie ein 
schmutziges Kleid. Sehe ich auf meine Gebete, Seufzer und 
Tränen, so erkenne ich, daß sie meine Sünden nicht auslöschen 
können. Setze ich mein Vertrauen auf meine Bekehrungsgeschichte, dann finde ich, daß andere eine noch bessere zu 
erzählen wissen. Blicke ich auf meine Erfahrungen, so wissen 
andere noch vielmehr aufzuweisen; oder betrachte ich meine 
Sünden, so fühle ich, daß ich noch schlechter bin als ich je 
gedacht hatte. Dieses alles gibt keinen Frieden; es kann mich 
vielleicht für kurze Zeit glücklich machen, aber die geringsten 
Umstände werden mein Glück zerstören. Blicke ich auf das 
Werk des Geistes in mir, o wie veränderlich ist auch da alles! 
An dem einen Tag fühle ich mich bei weitem heiterer und 
freudiger als an dem anderen; heute fühle ich mich zu dem 
Wort Gottes mehr hingezogen als gestern; morgen fühle ich 
vielleicht viel weniger Bedürfnis zum Gebet als heute; fast mit 
jedem Tag verändern sich meine Gefühle. Sehe ich schließlich 
auf meinen Wandel, so habe ich leider vieles zu richten und zu 
verurteilen! Wie viele Verirrungen, wie viele Mängel und 
Fehler finde ich hier; wie oft muß Gott auch zu mir sagen: „Du 
hast mir zu schaffen gemacht mit deinen Sünden.'1 
Aber richte ich meine Blicke auf die Liebe Gottes, dann bin ich 
in völliger Sicherheit. Die Liebe ruft mir zu: 'Und hast du mir 
auch zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, so bin ich es 
doch, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen.' Und 
201 
wenn ich traurig auf meine Verdorbenheit blicke, die ich 
täglich mehr erkenne, so ruft wiederum die Liebe mir zu: „Ich, 
ich bin es, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen." 
Wie gesegnet ist es, wenn unsere Herzen das verstehen, wenn 
wir auf diesen festen und sicheren Grund bauen! Gott ist 
unveränderlich; bei Ihm gibt es keinen Wechsel. Wie oft wir 
uns auch verändern, Er verändert Sich nicht. Nichts kann den 
Strom Seiner Liebe zurückhalten. Noch nicht einmal unsere 
Schwachheiten, Mängel und Gebrechen können Seine Liebe 
verändern. Gott liebte uns, als wir Seine Feinde waren, wieviel 
mehr jetzt, da wir Seine Kinder sind. Wäre die Liebe Gottes 
von uns abhängig, dann freilich würde sie sich verändern, je 
nachdem wir gut oder schlecht wandeln; aber jetzt, da sie von 
Gott allein ist, bleibt sie unwandelbar und unveränderlich. Er 
tilgt die Übertretungen um Seinetwillen; Er liebt, weil Er Liebe 
ist. 
Der Herr gebe, daß wir diese Wahrheit verstehen und mit unserem ganzen Herzen aufnehmen! 
Jesus am Schatzkasten 
Markus 12,41-44 
Vom Ende des elften bis zum Ende des zwölften Kapitels sehen 
wir, wie die verschiedenen Klassen der Juden nacheinander zu 
Jesu kommen, um Ihn in der Rede in eine Falle zu locken. Da 
erscheinen Hohepriester, Schriftgelehrte, Älteste (Kap. 11,27), 
Pharisäer, Herodianer und Sadducäer (Kap. 12,13.18), und alle 
sind bemüht, Ihn zu Fall zu bringen. Was aber war das Ergebnis? Sie alle mußten sich beschämt und verurteilt aus Seiner 
Gegenwart zurückziehen, und niemand mehr wagte Ihn noch zu 
fragen. Der Herr antwortete ihnen mit der vollkommenen 
Weisheit, die Er in all Seinen Reden und Handlungen an den 
Tag legte. Er war das Licht, und in Seinem Licht wurde nicht 
nur ihre völlige Unwissenheit, sondern auch ihre schreckliche 
202 
Heuchelei und Bosheit offenbar gemacht. „Der die Weisen erhascht in ihrer List" (Hi 5,13). Wer böse ist, kann vor Ihm nicht 
bestehen. Es wird ein Tag kommen, an dem Er „auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der 
Herzen offenbaren wird" (l.Kor 4,5); ja, wir alle müssen offenbar werden vor dem Richterstuhl des Christus. Feierlicher und 
ernster Gedanke! 
Am Schluß des zwölften Kapitels lesen wir das Urteil des 
Herrn über die Gaben, welche Gott dargebracht wurden. „Und 
Jesus setzte sich dem Schatzkasten gegenüber und sah, wie die 
Volksmenge Geld in den Schatzkasten legte" (V. 41). Jedes 
Herz und jede Hand war vor Seinen alles durchdringenden 
Augen. Er sah, daß viele Reiche viel einlegten und daß eine 
arme Witwe zwei Scherflein einlegte. Er sah aber nicht nur 
das, sondern wußte auch, wieviel ein jeder einwerfen konnte 
und mit welch einer Gesinnung er es tat. Welch eine ernste 
Sache ist es, in der Gegenwart Dessen, der alles sieht und alles 
weiß, unseren Dienst zu verrichten oder unsere Gaben zu 
spenden! Er ist gegenwärtig, wenn wir gemeinsam unsere 
Gaben einlegen, und Er sieht es auch, wenn wir sie als 
Einzelne im Verborgenen geben. Und nach welchem Maßstab 
beurteilt Er den Wert unserer Gaben? Gewiß nicht nach ihrer 
Größe, sondern nach der Bereitwilligkeit und nach der Liebe, 
womit wir sie geben. Hören wir Sein Urteil am Schatzkasten: 
„Und er rief seine Jünger herzu und sprach zu ihnen: Wahrlich, 
ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, 
die in den Schatzkasten eingelegt haben." Und weshalb waren 
ihre zwei Scherflein mehr? „Denn alle haben von ihrem 
Überfluß eingelegt; diese aber hat von ihrem Mangel, alles was 
sie hatte, eingelegt, ihren ganzen Lebensunterhalt" (V.43.44). 
Der Mensch beurteilt den Wert einer Gabe so gern nach ihrer 
Größe, der Herr aber nach dem Herzen des Gebers. Wir hätten 
die zwei Scherflein kaum beachtet; der Herr aber sagt, daß sie 
unter den vielen großen Gaben die größte sei. Sie machte das 
ganze Vermögen der armen Witwe aus. Sie selbst brauchte die 
beiden Scherflein zu ihrem eigenen Unterhalt; aber sie gab sie 
Dem, den sie mehr liebte als sich selbst. Solch eine Tat kann 
203 
nur die Liebe vollbringen. Da, wo Liebe das Herz erfüllt, ist 
die Hand immer zum Geben bereit. Jede Gelegenheit ist ihr 
willkommen; sie beklagt sich nicht über die vielen Bedürfnisse: sie berechnet nicht, wieviel sie schon getan hat oder 
noch tun muß, sie ist um die eigenen Umstände nicht bekümmert; nur zu geben ist ihre Freude, ihr Genuß. Die Liebe zum 
Herrn ist der einzige Maßstab, mit dem im Himmel alle unsere 
Gaben gemessen werden. Wir mögen aus bloßen Pflichtgefühl 
oder aus Ehre vor den Menschen reichlich von unserem Überfluß spenden. Die Anerkennung des Herrn aber haben nur jene 
Gaben, welche aus freiwilliger Liebe zu Ihm gegeben werden; 
nur „einen fröhlichen Geber hat Gott lieb". 
Gott Selbst ist Liebe, und Seine Liebe hat uns reich gemacht. 
Er gab uns Seinen eingeborenen und geliebten Sohn, als wir 
noch gottlose Sünder waren; Christus starb für uns, als wir 
noch Seine Feinde waren. Täglich reicht Er uns allerlei Gutes 
dar und versorgt uns mit den vielfältigsten Gaben. Wir gehören 
Ihm, weil Er uns um einen hohen Preis erkauft hat, und unsere 
Gaben gehören Ihm, weil wir sie von Ihm empfangen haben. 
Wozu haben wir sie empfangen? Um einander damit zu dienen 
„als gute Verwalter der mancherlei Gnade Gottes" (l.Petr 
4,10). Er gibt uns, damit wir weitergeben; wir sollen austeilen, 
was Er uns dargereicht hat. Wir sollen Kanäle sein, durch die 
die Segnungen fließen. Welch eine gesegnete aber auch zugleich 
verantwortliche Stellung! Sie gibt uns Gelegenheit, unsere 
Liebe gegen Ihn zu beweisen. Er sieht, wieviel wir für Ihn 
übrig haben von dem, was Er uns zuvor gegeben hat. Und 
gleichen wir nicht oft unseren Kindern, die, wenn wir ihre 
Händchen gefüllt haben, uns kaum etwas davon mit willigem 
Herzen zurückgeben können? Das kleine Herz denkt nur an 
sich und versteht nichts von der Liebe derer, die beständig um 
es besorgt sind. Wir aber kennen Den, der Sein Leben für uns 
gelassen hat; wir sind fähig, etwas von Seiner unvergleichlichen Liebe gegen uns zu verstehen und kennen zugleich 
unsere Verantwortung. Wir wissen: „Wer sparsam sät, wird 
auch sparsam ernten, und wer segensreich sät, wird auch 
segensreich ernten" (2.Kor 9,6). 
204 
Ein schönes Zeugnis konnte der Apostel in dieser Hinsicht den 
Versammlungen Macedoniens geben. Wir finden es in 2. Korinther 8,2-5: „... daß bei großer Drangsalsprüfung die Überströmung ihrer Freude und ihre tiefe Armut übergeströmt ist in 
den Reichturn ihrer Freigebigkeit. Denn nach Vermögen, ich 
bezeuge es, und über Vermögen waren sie aus eigenem 
Antriebe willig, indem sie mit vielem Zureden uns um die 
Gnade und die Gemeinschaft des Dienstes für die Heiligen 
baten. Und nicht, wie wir hofften, sondern sie gaben sich selbst 
zuerst dem Herrn und uns durch Gottes Willen." Welch ein 
herrliches Zeugnis! Wie beschämend ist es für viele, die in 
Bezug auf die Bedürfnisse der Heiligen zurückhaltend sind bei 
großem Überfluß, und wie ermunternd ist es für alle ärmeren 
Geschwister, in jedem guten Werk überströmend zu sein! Gott 
ist mächtig, dies in uns zu vollbringen (s. 2. Kor 9,8). Wir 
können nie eine Gabe besser und gesegneter für uns verwenden als im Dienst des Herrn. Nie können wir mehr Zinsen 
erhalten als wenn wir unser Geld dem Herrn leihen. Bei Ihm ist 
es immer gut aufgehoben, und der Ertrag wird die Einlage 
immer weit übertreffen. Wie töricht ist es, stets an sich zu 
denken, das kleine Geldstück für den Herrn einzuwerfen und 
das größere für sich zu behalten! So machte es jene arme 
Witwe nicht; sie „legte alles ein, was sie hatte, ihren ganzen 
Lebensunterhalt". Blieb ihre Gabe auch von den Menschen 
unbeachtet - der Herr hat sie gesehen und hochgeschätzt und 
ihre Tat zu unserer Belehrung und Ermunterung aufschreiben 
lassen. Waren es auch nur zwei Scherflein - sie hat reichlich 
gesät und wird darum auch reichlich ernten. O möchten wir ihr 
gleichen! Möchten wir nie vergessen, daß bei jedem Geben 
oder Einwerfen unserer Gaben für den Herrn sowohl unsere 
Herzen, als auch unsere Hände unter Seinen alles erforschenden Augen sind! Möchten wir alle erfahren, daß Geben seliger 
ist als Nehmen (Apg 20,35)! 
205 
Der Brunnen zu Bethlehem 
2.Samuel 23 
„Und David hatte ein Gelüste und sprach: Wer wird mich mit 
Wasser tränken aus der Zisterne von Bethlehem, die am Tore 
ist?" (V. 15). Das war das Verlangen des Herzens Davids - ein 
Verlangen, dem sofort entsprochen wurde von den drei Männern jener heldenmütigen Schar, die ihn in der Höhle Adullam 
umgab. „Da brachen die drei Helden durch das Lager der 
Philister und schöpften Wasser aus der Zisterne von Bethlehem, 
die am Tore ist, und trugen und brachten es zu David." Er hatte 
keinen Befehl erlassen. Keiner war besonders auserwählt und 
beauftragt worden. Es war nur der einfache Ausdruck eines 
Wunsches, und dadurch bestand die Gelegenheit, echte Zuneigung und wahre Hingabe zu zeigen. Hätte irgendjemand einen 
ausdrücklichen Befehl empfangen, so würde es nur eine Gelegenheit gewesen sein, blinden Gehorsam zu zeigen. Doch der 
Ausdruck eines Wunsches offenbarte die innige Anhänglichkeit 
an David - eine Anhänglichkeit, die so lieblich anzuschauen ist. 
Laßt uns auch die Handlung Davids in dieser höchst rührenden 
Szene beachten: „Aber er wollte es nicht trinken und goß es 
aus als Trankopfer dem Jehova; und er sprach: Fern sei es von 
mir, Jehova, daß ich solches tue! Sollte ich das Blut der 
Männer trinken, die mit Gefahr ihres Lebens hingegangen 
sind? Und er wollte es nicht trinken." Es war ein zu kostbares 
Opfer für irgendjemanden außer Jehova, und darum wollte 
David, daß der volle Wert dieses Opfers zu Gott aufstieg. 
Wie wenig mochten diese drei starken Helden daran gedacht 
haben, daß ihre Tat liebender Ergebenheit in dem ewigem Buch 
Gottes aufgezeichnet werden würde, um von unzähligen Millionen gelesen zu werden! Ihre Herzen waren auf David gerichtet, 
und sie achteten ihr Leben nicht für so teuer, daß sie ihn nicht 
hätten erfreuen oder seinen Geist erfrischen sollen. Hätten sie 
gehandelt, um einen Namen oder einen Platz für sich selbst zu 
erlangen, so wäre ihre Tat kein wohlgefälliges Opfer gewesen, 
206 
und man hätte sie längst vergessen. Doch nein; sie liebten 
David. Das war die Quelle ihrer Tat, und sie bewiesen, daß er 
ihren Herzen wertvoller war als ihr eigenes Leben. Sie vergaßen 
alles in dem einen Gegenstande, der sie ganz und gar in 
Anspruch nahm, nämlich David zu dienen; und der Wohlgeruch 
ihres Opfers stieg hinauf zu dem Thron Gottes, während ihre 
Tat einen Platz in dem Heiligen Buch gefunden hat. 
Wie sehr sollten auch wir bestrebt sein, Ähnliches für den 
wahren David in diesen Tagen Seiner Verwerfung zu tun! Wir 
bedürfen eine tiefere und aufopfernde Ergebenheit als eine 
Frucht der Liebe Christi. Es handelt sich keineswegs darum, 
für eine Belohnung, für eine Krone oder für einen Ehrenplatz 
zu arbeiten, obgleich wir völlig überzeugt sind, daß wir Lohn 
empfangen werden. Doch in dem Augenblick, wo das Auge 
auf den Lohn gerichtet ist, sind wir nicht auf der wahren Höhe. 
Ein Dienst, der nur im Blick auf die Belohnung geleistet wird, 
ist mangelhaft; andererseits aber sind wir völlig überzeugt, daß 
jeder kleine Dienst am Richterstuhl des Christus seine Belohnung finden wird. Wir möchten diese Wahrheit dem christlichen Leser dringend ans Herz legen. Wir wünschen sehr, daß 
unter uns wahre Hingabe gefunden würde, indem wir unsere 
Herzen völliger Christus und Seinem Werk widmen! 
0 Herr, belebe Dein Werk! 
207 
Betrachtungen über 
die zweite Ankunft des Herrn1 
I. 1. Thessalonicher 1 
Die Ankunft des Herrn ist die Hoffnung der Versammlung. So 
wird sie durch den Heiligen Geist dargestellt. Obwohl der Herr 
Selbst das Fundament von allem ist und Sein erstes Kommen 
Frieden und Errettung brachte, so ist es doch vornehmlich die 
sehnliche Erwartung Seiner zweiten Ankunft, die das Gewissen der Heiligen aufwecken kann. 
Sobald eine Seele durch den Glauben ihrer Errettung gewiß ist, 
wird der Herr Selbst für sie kostbar; und solange die Versammlung in einem guten Zustand verharrte, waren die Herzen der 
Heiligen mit Ihm verbunden und erwarteten Seine Ankunft. 
Wir sehen in den Schriften, daß diese Erwartung keine 
Spekulation, keine törichte Schwärmerei Einzelner war, sondern sie war der Versammlung als eine fundamentale Wahrheit 
gegeben; sie machte einen Teil der Gewohnheiten und Gefühle 
der Heiligen aus und bewegte ihre Gedanken. Sie war und ist 
noch die Grundlage von allem, wodurch das Herz in dieser 
Welt und Wüste aufrechterhalten wird, und zwar in dem Maß, 
in dem wir während unserer Pilgrimschaft mit dieser Erwartung erfüllt sind. Mit einem Herzen voll Liebe zu Gott und voll 
Sehnsucht, Christus zu sehen, vermögen wir das Gebet des 
Apostels zu würdigen: „Der Herr aber richte eure Herzen zu 
der Liebe Gottes und zu dem Ausharren des Christus!" 
(2.Thess 3,5). Wir brauchen nicht lange zu warten; aber es ist 
der Mühe wert, geduldig auszuharren. 
Die Belehrungen der Schrift über die zweite Ankunft des 
Herrn werfen zugleich ein klares Licht auf die Bedeutung Seiner ersten Ankunft. Seine zweite Ankunft vollendet die Heili1) Anmerkung des I lerausgebers: 
Hiermit ist das Kommen des Herrn/?»' die Seinen und mit den Seinen gemeint. 
Aus Vorträgen von J.N.Darby. Kolgebetrachtungen III und IV sind im Jahrgang 
1866 erschienen. 
208 
gen in Bezug auf den Leib und führt sie zu dem vollkommenen Resultat des Werkes der Erlösung. Ihnen ist das Leben 
Christi schon mitgeteilt, und es ist auf das Recht der vollkommenen Gerechtigkeit gegründet, die Er auf dem Kreuz für sie 
erlangt hat. Er kommt jetzt wieder, um ihren „Leib der Niedrigkeit umzugestalten zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe 
der Herrlichkeit". Er wird sie zu Sich nehmen, damit sie dort 
sind, wo Er ist. Für die Heiligen gibt es die Auferstehung des 
Lebens und nicht die Auferstehung des Gerichts; sie werden, 
da sie schon gerechtfertigt und lebendig gemacht sind, durch 
die Macht Gottes in die Herrlichkeit eingeführt. Wenn Menschen ein Gericht erwarten und mit Martha sprechen: „Ich 
weiß, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten 
Tage" (Joh 11,24), so vergessen sie das Gericht der Lebendigen, das Gericht dieser Welt, welches die Menschen überraschen wird, wenn sie essen und trinken. „Wenn sie sagen: 
Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben 
über sie, gleichwie die Geburtswehen über die Schwangere; 
und sie werden nicht entfliehen" (l.Thess 5,3). Das liebt der 
Mensch nicht; vielmehr schiebt er das Gericht auf einen unbekannten und unbestimmten Zeitpunkt hinaus, wo er hofft, daß 
alles gutgehen werde. Er denkt nur, daß dann sein ewiges 
Schicksal entschieden und das Urteil zu seinen Gunsten ausfallen werde. Doch er irrt sich völlig. Sicher kommt das Gericht; doch das Los des Menschen ist jetzt schon entschieden. 
„Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht 
glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den 
Namen des eingeborenen Sohnes Gottes" (Joh 3,18). 
Wenn wir der Schrift glauben, so ist alles höchst einfach. Das 
erste Kommen des Herrn als Er kam, um den Willen Seines 
Vaters zu erfüllen, war so vollkommen in seiner Auswirkung, 
daß alle, welche durch Glauben an Seinem Werk teilhaben, 
von ihren Sünden völlig gereinigt und gerechtfertigt sind; und 
wenn Er zum zweiten Mal kommt, wird Er sie in Seine 
Herrlichkeit einführen. Sobald ich diese Wahrheit verstehe, 
daß Er wiederkommen und die an Ihn Glaubenden in Seine 
Herrlichkeit aufnehmen wird, um für immer bei Ihm zu sein, 
209 
werde ich alles in einem ganz anderen Licht betrachten. Seine 
Ankunft wird dann nicht länger eine unwichtige Sache für 
mich sein! Gewiß ist der Augenblick des Todes für den 
Gläubigen ein höchst glücklicher Augenblick; aber darauf 
warte ich nicht. Ich erwarte, Jesus zu sehen; Er kann morgen, 
heute, ja in diesem Augenblick kommen. Zweifellos würde 
eine solche Erwartung eine große und heilsame Veränderung 
in den Gedanken, Plänen und Handlungen der Christen unserer 
Tage hervorbringen. Denn würde nicht eine Frau, welche auf 
die Rückkehr ihres geliebten Mannes wartet, Sorge tragen, daß 
er bei seiner Wiederkehr alles schön und geordnet vorfindet? 
Gewiß! Es ist höchst gesegnet, wenn diese Erwartung unsere 
Herzen eng mit Christus verbindet, und es sollte uns nicht nur 
der Gedanke leiten, in den Himmel zu gehen, um dort 
glücklich zu sein. Ohne Zweifel werden wir dort vollkommen 
glücklich sein; Seine Gegenwart wird sich als eine unendliche 
Segnung um uns her ergießen; aber noch viel kostbarer ist der 
Gedanke, daß Er kommt, den wir kennen, der uns liebt, der 
Sich Selbst für uns gegeben hat und den wir lieben. Wir 
werden für immer bei Ihm sein. Durch diese Wahrheit wird 
Christus persönlich vor unsere Augen gestellt und wird auch 
mehr der Gegenstand unserer Gedanken sein. Nichts ist wirksamer als dieses und in Beziehung auf alle Dinge nichts 
mächtiger, als die Schrift zur Grundlage zu haben. Sie wirkt 
auf die Seele mit der Macht des göttlichen Lichtes; sie offenbart Christus; sie stellt das Herz in Seine Gegenwart; sie richtet 
jeden Gedanken und offenbart dessen wahren Wert. 
Die Schrift zeigt uns Christus in verschiedenen Stellungen: 
Auf dem Kreuz; sitzend zur Rechten Gottes; und zum zweiten 
Mal wiederkommend. Auf dem Kreuz hat Er den Grund zu 
allem gelegt, was wir in Ihm besitzen; und jetzt, während Er 
zur Rechten Gottes sitzt und wir Seine Rückkehr erwarten, 
besitzen wir den Heiligen Geist als Sachwalter. Er wohnt in 
den Gläubigen und gibt ihnen die Gewißheit ihrer Errettung 
durch das Werk Christi; und die Liebe Gottes führt sie dahin, 
Seine zweite Ankunft sehnlich zu erwarten. 
Nachdem ich nun kurz den Platz angedeutet habe, den die 
210 
zweite Ankunft des Herrn in den Schriften einnimmt, möchte 
ich jetzt einige Stellen aus verschiedenen Teilen des Wortes 
anführen, ohne sie aber ausführlich zu erläutern. Mein Absicht 
ist, einfach zu zeigen, daß diese Ankunft die Hoffnung der 
Gläubigen ist, und daß alle Gedanken, Hoffnungen, Gefühle 
und Interessen der Kinder Gottes eng damit verbunden sind -
daß sie kein falscher, seltener und fremder Gegenstand ist, sondern vielmehr einen wesentlichen Teil des Christentums bildet. 
l.Thessalonicher 1,9.10: „Denn sie selbst verkündigen von 
uns, welchen Eingang wir bei euch hatten, und wie ihr euch 
von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen 
und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln 
zu erwarten, den er aus den Toten auferweckt hat - Jesum, der 
uns errettet von dem kommenden Zorn." - Ihre lebendige 
Erwartung des Herrn übte einen solchen Einfluß auf ihr ganzes 
Verhalten aus, daß selbst die Welt darauf aufmerksam wurde 
und davon sprach. Sie bildete sogar einen Teil des göttlichen 
Ratschlusses zur Errettung der Nationen. 
l.Thessalonicher 2,19: „Denn wer ist unsere Hoffnung oder 
Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem 
Herrn Jesus bei seiner Ankunft?" - Wie schön ist es, hier die 
Liebe des Paulus zu den Heiligen zu sehen! Doch wann würde 
seine Hoffnung in Bezug auf die Thessalonicher erfüllt sein? 
Bei der Ankunft Christi. Dasselbe sehen wir auch in Bezug auf 
die Heiligkeit. 
l.Thessalonicher 3,12.13: „Euch aber mache der Herr völlig 
und überströmend in der Liebe gegeneinander und gegen alle, 
(gleichwie auch wir gegen euch sind) um eure Herzen tadellos 
in Heiligkeit zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei der 
Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen." - Die 
Ankunft Christi mit allen Seinen Heiligen stand so lebendig 
vor seinem Geist, daß er daran dachte, daß die Thessalonicher 
dann vollkommen erfunden würden, so wie auch an das, was 
sein Herz für sie wünschte. 
l.Thessalonicher 4,13-18: „Wir wollen aber nicht, Brüder, daß 
ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid, auf daß ihr 
211 
euch nicht betrübet wie auch die übrigen, die keine Hoffnung 
haben. Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen 
mit ihm bringen. (Denn dieses sagen wir euch im Worte des 
Herrn, daß wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft 
des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der 
Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst 
auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem 
Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei 
dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten)." - Paulus stellt den Christen nicht das Sterben als einen 
Gegenstand des Trostes vor, obwohl der Tod für sie die Tür 
zum Himmel war, sondern tröstet sie dadurch, daß die in 
Christus Entschlafenen mit Ihm wiederkommen würden. Der 
Tod konnte ihnen diesen Trost nicht nehmen. Das war und ist 
völlig sicher sowohl für die lebenden als auch für die entschlafenen Heiligen. Und wie kann man es wagen zu behaupten, daß 
es unmöglich sei, diesseits des Grabes etwas über das Jenseits 
zu sagen! Paulus spricht von dem, was sich auf beiden Seiten 
ereignet. Bei Seinem ersten Kommen hat der Herr das Werk der 
Versöhnung und der Sühnung der Sünden so vollkommen 
vollbracht, daß Sein zweites Kommen für die lebenden wie für 
die entschlafenen Heiligen nur Seligkeit bedeutet. Deshalb war 
die Verheißung Seiner Wiederkunft in den Herzen der Heiligen 
stets lebendig. Was würde man aber jetzt von mir denken, wenn 
ich die Freunde eines soeben entschlafenen Gläubigen damit 
trösten wollte, daß Gott ihn mit Jesu bringen werde, wenn Er 
mit allen Heiligen wiederkommt? Daß ich ein Narr sei! Und 
doch war dies der Trost, womit Paulus die Thessalonicher 
tröstete, obwohl er an einer anderen Stelle deutlich darlegt, daß 
die Seele eines Heiligen nach dem Tod in den Himmel geht. 
Damals aber waren alle Gedanken und Gefühle der Christen mit 
dem Kommen des Herrn verbunden; und dies wünschte auch 
der Apostel, wie wir in Kapitel 5,23 sehen: „Er selbst aber, der 
Gott des Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist 
212 
und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft 
unseres Herrn Jesus Christus." Die Welt aber verwirft diese 
Wahrheit, und die Christenheit verweltlicht sich und legt keinen 
Wert mehr darauf. So war es nicht bei den ersten Jüngern. Ihre 
Herzen hingen ihrem Lehrer an; sie wünschten Ihn zu sehen 
und Ihm gleich zu sein. Sie haben beständig den Sohn Gottes 
vom Himmel erwartet. 
Untersuchen wir jetzt auch andere Stellen der Schrift, in denen 
diese Lehre unter verschiedenen Gesichtspunkten dargestellt 
wird. 
Matthäus 24,30.31: „Und dann wird das Zeichen des Sohnes 
des Menschen in dem Himmel erscheinen; und dann werden 
wehklagen alle Stämme des Landes, und sie werden den Sohn 
des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels 
mit Macht und großer Herrlichkeit. Und Er wird seine Engel 
aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine 
Auserwählten versammeln von den vier Winden her, von dem 
einen Ende der Himmel bis zu ihrem anderen Ende." 
Als die Jünger Ihn fragten, wann diese Dinge geschehen würden, gebot Er ihnen zu wachen; und in Vers 44 sagt Er: „Deshalb auch ihr, seid bereit; denn in der Stunde, in welcher ihr es 
nicht meinet, kommt der Sohn des Menschen." Doch der Herr 
geht noch weiter in den folgenden Gleichnissen, die auf den 
Christen Bezug haben. Das Kennzeichen des bösen Knechtes 
am Schluß dieses Kapitels besteht darin, daß er in seinem 
Herzen sagt: „Mein Herr verzieht zu kommen"; und deshalb 
fängt er an, zu essen und zu trinken mit den Trunkenen. Als der 
Bräutigam verzog, hörte die Versammlung auf, Ihn zu erwarten 
und verlor damit die gesegneten Früchte, die diese Erwartung in 
der Seele hervorbringt. Die Christenheit verlor sich in der Welt, 
in ihren Vergnügungen und Annehmlichkeiten, und darüber 
hinaus entstand Hierarchie mit stets wachsender Macht. 
„Alsdann wird das Reich der Himmel gleich geworden sein 
zehn Jungfrauen, welche ihre Lampen nahmen und ausgingen, 
dem Bräutigam entgegen" (Mt 25,1). So war es in Bezug auf 
die Christenheit. Sie ging aus; als aber der Bräutigam verzog, 
213 
schliefen alle ein - sowohl die Heiligen als auch die bloßen 
Bekenner. Sie vergaßen, wofür sie ausgegangen waren und 
hörten auf zu wachen; und wodurch werden sie wieder aufgeweckt? „Um Mitternacht aber entstand ein Geschrei: Siehe, der 
Bräutigam! gehet aus, ihm entgegen!" (Mt 25,6). Sie waren in 
die Welt zurückgekehrt und hatten einen Platz gesucht, wo sie 
bequem schlafen konnten. Nun mußten sie aufs Neue gerufen 
werden um auszugehen. Ja, aufs Neue ist der Ruf erschollen: 
„Siehe, der Bräutigam!" Die bekennende Christenheit aber „ißt 
und trinkt mit den Trunkenen" und spricht „Mein Herr verzieht 
zu kommen!". Leider sprechen viele Christen diese Sprache; sie 
sagen nicht 'Er kommt nicht!' sondern „Er verzieht zu kommen"; sie warten deshalb nicht auf Ihn. 
Das Evangelium des Markus möchte ich nun nicht näher 
betrachten, weil die darin vorkommenden Stellen im allgemeinen mit denen in Matthäus übereinstimmen. Wir gehen deshalb 
zu Lukas 12,35-38 über: „Es seien eure Lenden umgürtet und 
die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf 
ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der 
Hochzeit, auf daß, wenn er kommt und anklopft, sie ihm alsbald aufmachen. Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn 
er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er 
wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen und 
wird hinzutreten und sie bedienen. Und wenn er in der zweiten 
Wache kommt und in der dritten Wache kommt und findet sie 
also - glückselig sind jene Knechte!" Nach den Gedanken des 
Herrn ist es die Erwartung Seiner Wiederkunft, die den 
Christen kennzeichnet. Die Menschen sprechen vom Tod; aber 
der Tod ist nicht „mein Herr". Der Herr stellt dieselbe Wahrheit in Lukas 17,26.27 mit großem Ernst den Menschen vor. 
Dort bezieht sich die Warnung nicht auf die Sünde, sondern 
auf jenen bösen Gedanken, daß die gegenwärtige Welt kein 
Ende haben würde. Sobald Noah in die Arche gegangen war, 
kam die Flut und brachte alle um. Sobald die Versammlung 
aufgenommen sein wird, beginnen, nachdem Satan die Herzen 
der Menschen mit Lügen erfüllt hat, die Gerichte. „Gleicherweise auch, wie es geschah in den Tagen Lots: sie aßen, sie 
214 
tranken, sie kauften, sie verkauften, sie pflanzten, sie bauten; 
an dem Tage aber, da Lot von Sodom ausging, regnete es 
Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte alle um. Desgleichen wird es an dem Tage sein, da der Sohn des Menschen 
geoffenbart wird." Dies kann sich unmöglich auf den großen 
weißen Thron in Offenbarung 20 beziehen. Wenn der Herr auf 
diesem Thron sitzen wird, dann sind die Erde und der Himmel 
entflohen, denn vorher hat eine vollständige Zerstörung aller 
Dinge stattgefunden. Die Menschen können dann nicht essen 
und trinken, pflanzen und bauen. 
Wir kommen jetzt zu Lukas 21. Man bezieht Vers 21 gewöhnlich auf die Zerstörung Jerusalems: „Daß alsdann, die in Judäa 
sind, auf die Berge fliehen, und die in ihrer Mitte sind, daraus 
entweichen, und die auf dem Lande sind, nicht in sie hineingehen." Aber wir hören nachher in Vers 24: „... und Jerusalem 
wird zertreten werden von den Nationen, bis die Zeiten der 
Nationen erfüllt sein werden." Das geschieht also jetzt und 
dauert solange, bis das Maß der Ungerechtigkeit des letzten 
Tieres voll sein wird. Danach geschehen die Zeichen, und der 
Sohn des Menschen wird geoffenbart (V. 25 ff). 
Johannes 14,1-3: „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubet 
an Gott, glaubet auch an mich. In dem Hause meines Vaters 
sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, wurde ich es 
euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu 
bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, 
so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, 
wo ich bin, auch ihr seiet." Das ist der herrliche Trost, den 
Jesus den Seinigen bei Seinem Abschied hinterlassen hat; Er 
kommt wieder, um sie zu Sich zu nehmen. 
Apostelgeschichte 1,10.11: „Und wie sie unverwandt gen 
Himmel schauten, als er auffuhr, siehe, da standen zwei Männer 
in weißem Kleide bei ihnen, welche auch sprachen: Männer von 
Galiläa, was stehet ihr und sehet hinauf gen Himmel? Dieser 
Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden 
ist, wird also kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den 
Himmel." Hier wird Christus beschrieben, der in Wolken 
215 
wiederkommt; aber wir sehen doch, daß in dem Augenblick, wo 
der Herr Seine geliebten Jünger verlassen hatte, sie durch den 
Engel mit den Worten getröstet werden: „Dieser Jesus ... wird 
also kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel." 
Das ist es stets, was die Schrift den Heiligen zum Trost und zur 
Stärkung vorstellt. „Und ebenso wie es den Menschen gesetzt 
ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht ..." Ebenso wie 
dies das Los des Samens des ersten Adam ist, „... also wird 
auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um 
vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die ihn 
erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit" (Hebr 9,27.28). 
Christus wartet nur, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen 
ist. Wir werden nicht alle entschlafen (1 .Kor 15,51). 
Römer 11,25: „Denn ich will nicht, Brüder, daß euch dieses 
Geheimnis unbekannt sei, auf daß ihr nicht euch selbst klug 
dünket: daß Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis 
die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird." Wenn die 
Versammlung als das Haus Gottes vollständig ist, wenn der 
letzte lebendige Stein hinzugefügt und damit die Vollzahl der 
Nationen eingegangen sein wird, dann wird Israel als Nation 
errettet werden, und der Erretter wird aus Zion kommen. 
Christus wird zu ihrer Befreiung erscheinen. - Fügen wir noch 
1.Korinther 1,6.7 hinzu: „... wie das Zeugnis des Christus unter 
euch befestigt worden ist, sodaß ihr in keiner Gnadengabe 
Mangel habt, indem ihr die Offenbarung unseres Herrn Jesus 
Christus erwartet." 
Ferner sehen wir, daß alle Verheißungen der Propheten bei 
Seinem Kommen mit den Heiligen erfüllt sein werden. 
Apostelgeschichte 3,19-21: „So tut nun Buße und bekehret 
euch, daß eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der 
Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn, und er den 
euch zuvorverordneten Jesus Christus sende, welchen freilich 
der Himmel aufnehmen muß bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von welchen Gott durch den Mund seiner 
heiligen Propheten von jeher geredet hat." Wir können dies 
nicht auf den Heiligen Geist beziehen, denn der Heilige Geist 
war vom Himmel gekommen und erklärte ihnen durch den 
216 
Mund des Petrus, daß Christus wiederkommen würde, den der 
Himmel aufgenommen hatte. 
In Apostelgeschichte 17,30.31 bezeugt der Apostel: „Nachdem 
nun Gott die Zeiten der Unwissenheit übersehen hat, gebietet 
er jetzt den Menschen, daß sie alle allenthalben Buße tun 
sollen, weil er einen Tag gesetzt hat, an welchem er den 
Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den 
er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon 
gegeben, indem er ihn auferweckt hat aus den Toten." 
Die Auferstehung der Heiligen wird bei Seinem Kommen stattfinden. „Ein jeder aber in seiner eigenen Ordnung: Der Erstling, Christus; sodann die, welche des Christus sind bei seiner 
Ankunft" (1.Kor 15,23). 
Die Briefe an die Galater und Epheser sind die einzigen Schriften des Neuen Testaments, in denen wir nichts vom Kommen 
des Herrn finden. Die Galater hatten sich von dem Fundament 
des Glaubens, der völligen Rechtfertigung durch den Glauben 
an Christus, abgewandt, und Paulus war genötigt, bei ihnen zu 
den ersten Grundsätzen der Rechtfertigung zurückzukehren. 
Der Brief an die Epheser ist ganz und gar entgegengesetzt. 
Hier sehen wir die Versammlung in Christus schon im Himmel, vereinigt mit Ihm, und darum kann dort vom Kommen des 
Herrn nicht die Rede sein. 
Philipper 3,20-21: „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, 
von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit, nach der wirksamen 
Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen." 
Kolosser 3,1-4: „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt 
worden seid, so suchet was droben ist, wo der Christus ist, 
sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das was droben ist, 
nicht auf das was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und 
euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. Wenn der 
Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, dann werdet 
auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit." 
217 
In den beiden Briefen an die Thessalonicher ist die Ankunft 
des Herrn der Hauptgegenstand. In dem ersten, mit Ausnahme 
der Ermahnung im fünften Kapitel, finden wir die Segnung, 
welche Sein Kommen den Heiligen bringen wird. In dem 
zweiten Brief ist der Charakter Seiner Ankunft gerichtlich, 
obgleich die Herrlichkeit der Heiligen auch dort mit enthalten 
ist; denn wenn Er das Gericht über die Lebenden halten wird, 
so werden jene mit Ihm erscheinen. 
l.Timotheus 6,14: „... daß du das Gebot unbefleckt, unsträflich 
bewahrst bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus." 
Sowohl wenn es sich um die Freude der Heiligen, als auch 
wenn es sich um die Verantwortung der Welt oder der Heiligen 
handelt, spricht das Wort Gottes von der Erscheinung Christi. 
Deshalb ermahnt der Apostel den Timotheus auch, das Gebot 
des Herrn zu bewahren bis zur Erscheinung des Herrn] Seine 
Erscheinung ist sehr geeignet, einen mächtigen Einfluß auf das 
Gewissen auszuüben. Wenn es auch nicht die höchste Triebfeder ist, so ist es doch eine, die wir alle benötigen. Wenn nun 
der Herr in Seiner Gnade die Verheißung Seiner Ankunft noch 
nicht erfüllt hat, „da er nicht will, daß irgend welche verloren 
gehen" (2.Petr 3,9), so werden doch jene, die in Seiner Erwartung Seines Kommens gewandelt haben, die Frucht ihrer Treue 
nicht verlieren; sie werden ihre Belohnung finden an jenem 
Tage. 
2.Timotheus 4,8: „Fortan liegt mir bereit die Krone der 
Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur 
Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, 
sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben." Und liebst 
du, geliebter Leser, das, was allem Angenehmen dieser Welt 
ein Ende setzt? 
Hebräer 2,5.6: „Denn nicht Engeln hat er unterworfen den 
zukünftigen Erdkreis, von welchem wir reden; es hat aber 
irgendwo jemand bezeugt und gesagt: 'Was ist der Mensch, 
daß du seiner gedenkst, oder des Menschen Sohn, daß du auf 
ihn siehst?'" Christus ist jetzt zur Rechten Gottes, bis Gott alles 
Seinen Füßen unterworfen hat. „Denn der Christus ist nicht 
218 
eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um 
jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen" (Hebr 
9,24). 
Nachdem Gott den Menschen aus dem Garten Eden vertrieben 
hatte, stellte Er ihn auf verschiedene Weise auf die Probe, um 
ihn vielleicht zu Sich zurückzubringen, — durch das Gesetz, 
durch die Propheten, durch die Sendung Seines Sohnes; doch 
bis zum Tod Christi war alles vergeblich. Der Mensch ist verloren. Sobald aber durch die Kreuzigung Christi die Sünden 
des Menschen ihren Höhepunkt erreicht hatten, eröffnete Gott 
einen Weg der Versöhnung, und zwar durch dasselbe Kreuz, 
auf dem der Mensch den Herrn gekreuzigt hatte. Christus ist 
erschienen, um die Sünde durch das Opfer Seiner Selbst zu 
sühnen. Sein Werk ist vollkommen, und alle, welche durch die 
Gnade glauben und Teil daran haben, erwarten Ihn jetzt als 
Heiland zur Erlösung ihres Leibes. 
Jakobus 5,8: „Habt auch ihr Geduld, befestiget eure Herzen, 
denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen." Die Ankunft 
des Herrn wird hier als Beweggrund für das Ausharren dargestellt. Durch das beständige Warten auf Ihn soll die Seele in 
Geduld erhalten werden, und dadurch wird uns auch der Zustand der Welt in einem ganz anderen Licht erscheinen. 
In dem ersten Brief des Petrus finden wir ein bemerkenswertes 
Zeugnis in Bezug auf die Wege Gottes in dieser Hinsicht. 
Zuerst haben wir die Propheten, die beim Erforschen ihrer 
eigenen Prophezeiungen erkannten, daß das, wovon sie weissagten, nicht zu ihrer Zeit erfüllt werden sollte; dann das Evangelium, die Verkündigung der Erfüllung dieser Weissagungen 
durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist. Die Heiligen 
werden ermahnt, nüchtern zu sein und völlig auf die Gnade zu 
hoffen, die ihnen in der Offenbarung Jesu Christi zuteil werden 
würde. Wir lieben Ihn, obgleich wir Ihn nicht gesehen haben, 
und bei Seiner Offenbarung werden die Gläubigen sehen, daß 
alle ihre Hoffnungen erfüllt sind (1. Petr 1,10-13.). 
In dem zweiten Brief beschreibt der Apostel die Spötter der 
219 
letzten Tage. Sie werden dadurch charakterisiert, daß sie diese 
Verheißung verachten. 
In dem ersten Brief des Johannes wird die Ankunft des Herrn in 
Kapitel 2,28 erwähnt, um das Gewissen anzusprechen, wohingegen sie in Kapitel 3,2.3 in ihrer Bedeutung für das Herz und 
den Wandel der Heiligen dargestellt wird. „Geliebte, jetzt sind 
wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, 
was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es offenbar werden 
wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, 
wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt 
sich selbst, gleichwie er rein ist." Unsere gesegnete und gewisse Hoffnung ist, Christus gleich zu sein, und zwar, wenn Er 
erscheinen wird. Die jetzige Wirkung dieser Hoffnung ist, daß 
der Heilige sich reinigt, gleichwie Er rein ist; er bemüht sich, so 
viel wie möglich Ihm jetzt schon gleich zu sein. Das Vorrecht, 
Ihm bei Seiner Offenbarung gleich zu sein, wird zum Beweggrund und zur Regel seines Wandels. 
Judas 14: „Es hat aber auch Henoch, der Siebente von Adam, 
von diesen geweissagt und gesagt: 'Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende ...'" Dieser Brief zeigt 
uns besonders den Verfall der Versammlung durch das Einschleichen falscher Brüder, sowie den Zustand der bekennenden Kirche in den letzten Tagen und das Gericht, wenn der 
Herr erscheinen wird. 
Das ganze Buch der Offenbarung bezieht sich auf unseren 
Gegenstand. Wir haben dort die Mitteilung der vorbereitenden 
Gerichte Gottes bis zum 19. Kapitel, wo der Herr kommt, um 
das Gericht zu vollziehen. Er hat das Werk der Errettung vollbracht und Sich zur Rechten Gottes gesetzt; jetzt kommt Er, 
um alle Dinge wiederherzustellen. Deshalb hat Sein Kommen 
eine solch große Bedeutung; Er kommt in der Herrlichkeit des 
ewigen Sohnes Gottes, aber als Mensch und Mittelpunkt aller 
Dinge. Das ist es, was die Ratschlüsse und Pläne Gottes vollendet. - Sein erstes Kommen offenbarte Seine Herrlichkeit und 
übertrifft in moralischer Hinsicht jede Herrlichkeit. Es ist die 
vollkommene Offenbarung dessen, was Gott ist in einer Welt 
220 
der Sünde; aber bei seiner zweiten Ankunft wird das Ergebnis 
in vollem Umfang geoffenbart. Er kommt, um die Versammlung, die Zeugen Seiner höchsten Gnade, zu Sich zu nehmen, 
und einige Jahre später, um die Welt mit Macht zu unterwerfen, Sein Reich darin aufzurichten und so die Regierung Gottes 
zu entfalten. Nichts von alledem kann stattfinden, bevor Er 
kommt. Wir genießen dann die vollkommene Offenbarung 
Dessen, von dem alle Segnungen kommen; wir genießen schon 
jetzt einen Teil davon durch den Heiligen Geist; aber wir 
warten noch auf das völlige Resultat. 
Wie steht es nun mit dir, mein geliebter Leser? Bist du noch mit 
der Welt, die Er bei Seiner Erscheinung richten wird, verbunden 
oder schon mit Ihm Selbst, der die Fülle der Segnungen bringt? 
Wenn Er jetzt käme, würdest du dich darüber freuen, oder macht 
der Gedanke an Seine Ankunft dich unruhig und bestürzt? Möge 
der Herr diese ernsten Fragen auf dein Gewissen legen! 
Wir haben gesehen, daß die Ankunft des Herrn der beständige 
Gegenstand der Heiligen Schrift ist, und ihre Erwartung nahm 
stets die Gedanken derer ein, die durch den Heiligen Geist darüber belehrt waren. Der Verlust dieser Hoffnung war ein Zeichen des Verfalls und ein Zurücksinken der Kirche in die Welt. 
Möge der Heilige Geist diesen kostbaren und ernsten Gegenstand wieder in allen Herzen lebendig machen! Um wirklich 
Christus zu erwarten, muß unser Gewissen gereinigt und unser 
Herz auf Den, „der da kommt", gerichtet sein. 
II. Epheser 1 
In der vorigen Betrachtung habe ich bereits angedeutet, daß die 
Briefe an die Galater und Epheser die einzigen sind, in denen 
die zweite Ankunft des Herrn nicht erwähnt wird. Es muß 
daher auffallen, daß ich dennoch gerade das erste Kapitel des 
Epheserbriefes dieser zweiten Betrachtung zugrunde lege. Ich 
sehe mich dazu veranlaßt, weil dieses Kapitel in allgemeinen 
Zügen den ganzen Ratschluß Gottes, der bei der zweiten Ankunft unseres Herrn erfüllt werden wird, vor unsere Augen 
stellt; ich werde aber noch mehrere andere Stellen anfuhren. 
221 
Das oben erwähnte Kapitel redet also nicht von der Ankunft 
des Herrn, sondern vielmehr von dem Ratschluß Gottes, der 
sich bei jenem glorreichen Ereignis erfüllen wird. Zugleich 
aber wird darin auch die Art und Weise, in welcher die 
Versammlung Gottes oder die durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist zu Christus gebrachten wahren Gläubigen bei der Ankunft des Herrn beteiligt sind, bezeichnet. Wir 
lernen auch ihren Platz in dem großen Heilsplan Gottes kennen, der notwendigerweise die Verherrlichung des Sohnes, 
„des Abglanzes der Herrlichkeit Gottes", zum Mittelpunkt hat. 
Er hat Sich erniedrigt und ist erhöht worden. Gott hat nun den 
ganzen Wert des Werkes Christi auf Golgatha uns zugerechnet, 
und deshalb kann Er uns auch denselben Platz schenken, den 
Christus in der Herrlichkeit einnimmt, denn Gott hat uns mit 
Christus einsgemacht. Nun teilt Er uns Seine Ratschlüsse mit. 
Wir sind daher nicht nur errettet, sondern sind auch Söhne 
Gottes geworden. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus 
aber ist Gottes" (1 .Kor 3,23). 
Gott behandelt uns als Freunde. Wie Gott einst Abraham, so 
betrachtete Christus Seine Jünger in diesem Charakter. „Sollte 
ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?" (l.Mo 18,17). -
Gott gab Abraham nicht nur die Zusicherung, daß er Gnade bei 
Ihm gefunden habe, Er machte ihn nicht nur mit den Verheißungen bekannt, die ihm und seinem Samen gehörten, sondern Er teilte ihm auch Dinge mit, die nur auf die Welt Bezug 
hatten. Welch ein deutlicher Beweis von Freundschaft! Wenn 
ich mit jemandem, der mir mehr oder weniger gleichgültig ist, 
irgendeine Sache abzumachen habe, so rede ich mit ihm in 
geziemender Weise über diese Angelegenheit; einem Freunde 
aber öffne ich mein Herz. So handelt Gott mit Seinen Kindern. 
Der Herr sagte zu seinen Jüngern: „Ich nenne euch nicht mehr 
Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; aber 
ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von 
meinem Vater gehört, euch kundgetan habe" (Joh 15,15). 
Sobald die Ankunft Christi nicht mehr der Gegenstand der Erwartung der Versammlung war, zeigte sie deutlich und klar, 
wie sehr sie ihre Verbindung mit Ihm aus dem Bewußtsein 
222 
verloren hatte. Das hatte und hat seinen Grund darin, daß die 
Herzen vieler Christen nicht mehr von dem Gedanken erfüllt 
sind, daß Gott uns in Seine unmittelbare Nähe geführt hat und 
uns darum als Seine eigene Familie betrachtet. Wir sind nach 
dem biblischen Ausdruck „Söhne und Töchter" und daher nicht 
mehr unmündig und unter Gesetz gestellt; denn „solange der 
Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in nichts von einem 
Knechte, wiewohl er Herr ist von allem; ... als aber die Fülle der 
Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von 
einem Weibe, geboren unter Gesetz, auf daß er die, welche 
unter Gesetz waren, loskaufte, auf daß wir die Sohnschaft empfingen. Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines 
Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater!" 
(Gal 4,1-6). Und da wir den Geist, „die Salbung von dem Heiligen" haben, so wissen wir alles (1. Joh 2,20.) und haben das 
Bewußtsein, daß wir Kinder Gottes, und zwar erwachsene 
Kinder sind, die das Vertrauen ihres Vaters besitzen. 
Dieser Geist als der Geist der Sohnschaft offenbart uns alle 
Dinge, die uns von Gott gegebenen sind, wie geschrieben steht; 
„Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines 
Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die 
ihn lieben" (l.Kor 2,9). (Vergleiche auch Jesaja 64,4: „Denn 
von alters her hat man nicht gehört noch vernommen, hat kein 
Auge einen Gott gesehen, außer dir, der sich wirksam erwiese 
für den auf ihn Harrenden." Gewöhnlich macht man bei diesen 
Worten des Propheten Jesaja Halt, während der Apostel hinzufügt, um uns den Unterschied zwischen jener Stellung und der 
unsrigen zu zeigen: „... uns aber hat Gott es geoffenbart durch 
seinen Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen 
Gottes ... Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, 
sondern den Geist, der aus Gott ist, auf daß wir die Dinge kennen, die uns von Gott geschenkt sind" (l.Kor 2,10.12). Es ist 
doch seltsam, daß man nur die Stelle aus Jesaja anführt, welche 
beweist, daß das Herz des Menschen die Dinge nicht erfaßte, 
welche Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben; andererseits läßt 
man aber die unmittelbar daraus folgende Erklärung unbeachtet, 
welche den großen Unterschied zwischen der Stellung des 
223 
Christen und der des Israeliten beschreibt und uns mitteilt, daß 
Gott uns diese Dinge durch seinen Geist geoffenbart hat. Gott 
hat uns alle Seine Gedanken in Bezug auf Christus mitgeteilt 
und uns gewissermaßen in die Herrlichkeit Christi eingeweiht; 
ist es deshalb nicht traurig, wenn man sich damit überhaupt 
nicht beschäftigen will? Ein solches Verhalten ist nicht nur 
Undankbarkeit, sondern zugleich eine Geringschätzung der uns 
von Gott erwiesenen Liebe. Würde ein Kind sagen: 'Ich erhebe 
keinen Anspruch auf das Vertrauen meines Vaters; ich brauche 
es nicht und wünsche nur, Ihm zu gehorchen', so müßte ich 
ihm antworten: 'Unglückliches Kind! Du kennst gar nicht die 
Stellung eines Kindes.' 
Von dem soeben Gesagten spricht der Apostel am Anfang 
unseres Kapitels. Er spricht von der Stellung, die wir vor Gott 
einnehmen, daß wir „heilig und tadellos seien vor ihm in 
Liebe; und uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesum 
Christum für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, worin er uns 
begnadigt hat in dem Geliebten, in welchem wir die Erlösung 
haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach 
dem Reichtum Seiner Gnade" (Eph 1,4-7). 
Wir sind vor Gott gerecht und heilig: „Heilig und tadellos vor 
Ihm in Liebe." Wir sind im Besitz der Sohnschaft; wir haben 
die Vergebung unserer Vergehungen und sind angenehm gemacht in dem Geliebten. Das ist von jetzt an unser Platz; für 
den Christen gibt es keinen anderen. Und jetzt sagt Gott: 'Da 
ich euch diesen Platz gegeben habe, will ich euch auch mit 
meinem Ratschluß vertraut machen in Bezug auf die Herrlichkeit Christi und auch in Bezug auf eure Herrlichkeit mit Ihm.' 
Der Apostel fahrt daher fort: „... nach dem Reichtum seiner 
Gnade, welche er gegen uns hat überströmen lassen in aller 
Weisheit und Einsicht, indem er uns kundgetan hat das Geheimnis seines Willens, nach seinem Wohlgefallen, das er sich 
vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der 
Zeiten" (V.8.9). Gott hat uns nicht nur unser Verhältnis zu Ihm 
erkennen lassen, sondern uns auch Seine Absicht mitgeteilt, 
alle Dinge in den Himmeln und auf der Erde unter ein Haupt in 
224 
dem Christus zusammenzubringen (V.10). Wie klar bezeichnen die Worte „in ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt 
haben" (V.l 1), unsere Beziehung zu diesem Plan Gottes. Wir 
sind Erben, und zwar „Erben Gottes und Miterben Christi" 
(Röm 8,17). Gott sagt gleichsam: 'Ich will alle Dinge Christus 
geben; ich will alle Dinge, die in den Himmeln und die auf der 
Erde sind, in Ihm zusammenbringen; und ihr seid Seine Miterben.' In dieser Art und Weise werden uns in Epheser 1 die 
Gedanken und Ratschlüsse Gottes mitgeteilt. 
Wir wollen nun verschiedene andere Stellen betrachten, um zu 
sehen, wie Gott Seine Ratschlüsse erfüllen und uns in den Besitz des Erbes einführen wird - denn gerade das erwarten wir. 
Wir erwarten nicht, zu Erben gemacht zu werden, sondern wir 
erwarten das Erbe. Wir erwarten nicht, Kinder zu werden, sondern weil wir Kinder Gottes durch den Glauben an Christus 
sind, warten wir auf den Besitz dessen, was uns als Kindern 
gehört. Ja, das ist die Erwartung solch armer Fremdlinge in der 
Wüste! Er hat uns versiegelt „mit dem Heiligen Geiste der Verheißung, welcher das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Preise seiner Herrlichkeit" 
(V.l3.14). Die Herrlichkeit Seiner Gnade, das ist die Erlösung, 
besitzen wir schon; die Herrlichkeit, die wir noch nicht besitzen, ist die, welche wir erwarten. 
In dem Gebet des Apostels, mit dem das Kapitel schließt, 
finden wir folgende Gedanken: Er erinnert an unsere Berufung, 
an unsere Beziehung zu Gott, an unser Erbe, welches alles 
umfaßt, was wir mit Christus erben werden, und endlich an die 
Kraft, die uns an diesem Erbe teilnehmen läßt. Dieselbe Kraft, 
die Christus aus den Toten auferweckte, hat auch jeden Gläubigen aus seinem Zustand des Todes ins Leben gerufen, um ihn 
mit Christus in dieselbe Stellung zu versetzen. (V.l5-19.) 
Schließlich zeigt uns der Apostel den Platz, auf den Christus 
erhoben ist, und dieser Platz ist „zu Seiner Rechten in den 
himmlischen Örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt 
und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, 
nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als 
225 
Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib 
ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt" (V. 20-23). 
Dieses zeigt uns in etwa die Weise, in welcher Gott Seinen 
Ratschluß für „die Verwaltung der Fülle der Zeiten", nämlich 
„alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus", 
ausfuhren wird. Wenn Christus diesen Platz als Mensch" einnehmen wird, so werden wir mit Ihm, „in welchem wir auch ein 
Erbteil erlangt haben", dieses Erbe in Besitz nehmen. Im Brief 
an die Römer lesen wir: „Wenn aber Kinder, so auch Erben -
Erben Gottes und Miterben Christi" (Röm 8,17). Leider haben 
viele Christen diese Wahrheit aus dem Auge verloren, weil sie 
die Art und Weise nicht kennen, in welcher sie mit Christus in 
dieselbe Stellung versetzt sind. Er wurde Mensch, um uns mit 
Sich in diese Stellung zu bringen; Er sagt: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben" (Joh 
17,22). Er ist Sohn, deshalb sind auch wir Söhne. Er ist unser 
Leben, unsere Gerechtigkeit; und wir teilen mit Ihm Seine 
Herrlichkeit als die Frucht der Gerechtigkeit. Auf dem Berg der 
Verklärung erschienen Moses und Elias in derselben Herrlichkeit und unterredeten sich mit Ihm in vertrauter Weise. Vergessen wir nicht, daß der Herr in Niedrigkeit und Armut zu uns 
herabgekommen ist, damit unsere Herzen Ihm nahe genug sein 
möchten; nur so können wir dieses alles verstehen. 
Da wir den Ratschluß Gottes kennen, wollen wir nun unsere 
Aufmerksamkeit auf etliche andere Stellen richten, die uns über 
seine Ausführung Klarheit verschaffen. In Psalm 2 lesen wir, 
was geschah, bevor Christus Seine Herrschaft auf der Erde antreten konnte; Er kam auf die Erde und wurde verworfen: 
„Warum toben die Nationen und sinnen Eitles die Völkerschaften? Es treten auf die Könige der Erde, und die Fürsten 
ratschlagen miteinander wider Jehova und wider seinen Gesalbten" (V. 1.2; vgl. Apg 4,25.26). - „Der im Himmel thront, lacht, 
der Herr spottet ihrer. Dann wird er zu ihnen reden in seinem 
Zorn, und in seiner Zornglut wird er sie schrecken" (V.4.5). 
Noch ist das Letztere nicht geschehen. - „Habe doch ich meiI) Ks versteht sich von selbst, daß Kr als Coli über allen Dingen steht. 
226 
nen König gesalbt auf Zion, meinem heiligen Berge!" (V.6); 
trotz der Verwerfung durch die Menschen. - „Vom Beschluß 
will ich erzählen: Jehova hat zu mir gesprochen: Du bist mein 
Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Fordere von mir, und ich 
will dir zum Erbteil geben die Nationen, und zum Besitztum die 
Enden der Erde. Mit eisernem Zepter wirst du sie zerschmettern" (V. 7-9). Diese Gerichte haben noch nicht stattgefunden. 
Wenden wir uns jetzt zur Bestätigung des Gesagten der Offenbarung zu, wo uns am Ende des 2. Kapitels unsere Verbindung 
mit Christus angedeutet wird. Dort lesen wir: „Wer überwindet 
und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde ich Gewalt 
über die Nationen geben; und er wird sie weiden mit eiserner 
Rute, wie Töpfergefäße zerschmettert werden, wie auch ich von 
meinem Vater empfangen habe" (V. 26.27). Ich führe diese 
Stelle als Beweis dafür an, daß die Heiligen in diesen Dingen 
mit Christus vereinigt sein werden, obwohl es weit gesegnetere 
für sie gibt. Weiter lesen wir: „Und ich werde ihm den Morgenstern geben", d.h. Christus Selbst, als die kostbarste Gabe. Und 
erst nachdem die Heiligen mit Seiner ganzen Herrlichkeit in 
Verbindung gebracht sind, empfängt Er die Nationen zum 
Erbteil und zerschmettert sie wie Töpfergefäße. 
Es ist traurig zu sehen, wie sehr die Kirche das Licht verloren 
hat über das, was ihr Teil ist. Ebenso wie die oben angeführte 
Stelle beweist, daß die Heiligen mit Christus sogar hinsichtlich 
der Gerichte vereinigt sind, so schreibt auch Paulus an die 
Korinther: „Oder wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt 
richten werden?" Dann fügt er auf die Frage, ob sie nicht fähig 
seien, die geringsten Rechtssachen des täglichen Lebens unter 
sich zu schlichten, die Worte hinzu: „Wisset ihr nicht, daß wir 
Engel richten werden?" (l.Kor 6,2.3). Die Korinther 
benötigten solch ein Zeugnis, weil sie die Tragweite ihrer Verbindung mit Christus nicht verstanden und sich von der Stellung, in welche Christus die Heiligen eingeführt hatte, falsche 
Begriffe bildeten. Was ich daher über unsere Verbindung mit 
Christus im allgemeinen gesagt habe, bezieht sich auch auf 
unsere Verbindung mit Ihm in den Gerichten; die Bestätigung 
finden wir in den angeführten Schriftstellen. 
227 
Wir dürfen aber nicht vergessen, daß der zweite Psalm von 
dem Kommen und der Verwerfung Christi spricht. Der verworfene Christus spottet über das Toben der Nationen; und es 
wird die Zeit kommen, wo Er trotz ihrer Auflehnung in Zion 
siegen und die Enden der Erde zum Erbteil empfangen wird. 
Das alles zeigt uns Ihn jedoch nicht auf jenem Platz, den Er im 
Neuen Testament einnimmt. In unserem Psalm wird Er einfach 
in Beziehung zu den Juden und den Nationen am Ende der 
Tage gesehen. Bei Seiner ersten Ankunft wurde Er als 
Christus, als Messias, als Gesalbter, verworfen; und wir lesen, 
daß Er Seinen Jüngern ausdrücklich gebot, nicht zu sagen, daß 
Er der Christus sei, weil Er verworfen werden mußte. Die 
Worte „Der Sohn des Menschen muß vieles leiden" lauten, als 
hätte Er sagen wollen: 'Jetzt ist noch nicht die Zeit, daß ich 
meinen Platz als König in Zion einnehme, sondern ich bin 
vielmehr gekommen, um als Sohn des Menschen zu leiden, 
damit ich später verherrlicht werde.' 
In Psalm 8 lesen wir: „Jehova, unser Herr, wie herrlich ist dein 
Name auf der ganzen Erde, der du deine Majestät gestellt hast 
über die Himmel! Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge 
hast du Macht gegründet um deiner Bedränger willen, um zum 
Schweigen zu bringen den Feind und den Rachgierigen" (V. 1.2). 
Wie wir wissen, fand das seine Erfüllung, als Jesus, sitzend auf 
einer Eselin in Jerusalem einzog. - „Was ist der Mensch, daß du 
sein gedenkst, und des Menschen Sohn, daß du auf ihn achthast? 
Denn ein wenig hast du ihn unter die Engel erniedrigt; und mit 
Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum 
Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände; alles hast du 
unter seine Füße gestellt" (V. 4-6). Diese Stelle zeigt uns, daß 
der Herr, der als der Christus verworfen war, die Stellung des 
Sohnes des Menschen einnimmt, eine Stellung, in welcher alle 
Dinge unter Seine Füße gestellt werden. 
Im Neuen Testament finden wir die Erklärung dieser Stelle. 
Sowohl im zweiten als auch im achten Psalm sehen wir, wie 
Christus in die Mitte der Juden tritt und, von ihnen verworfen, 
am Ende trotz ihrer Empörung Seinen Platz über Seinen Feinden einnimmt. Als unmittelbare Folge Seiner Verwerfung be228 
kleidet Er die Stellung des Sohnes des Menschen; mit diesem 
Namen nennt Er Sich in den Evangelien beständig. Auch im 
ersten Kapitel des Epheserbriefes finden wir aus Psalm 8 die 
Stelle angeführt: „... und hat alles seinen Füßen unterworfen", 
mit der Beifügung „und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist". Die Versammlung ist Sein 
Leib, die Vervollständigung des Hauptes; deshalb wird sie 
auch genannt „... die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt" 
(Eph 1,22.23). Christus erfüllt alle Dinge; Er ist eine göttliche 
Person, aber wahrhaftiger Mensch; die Versammlung aber vervollständigt Ihn als den Sohn des Menschen und vollendet so 
den geheimnisvollen Christus, dessen Haupt Er Selbst ist, und 
dessen Leib aus allen Gliedern der Versammlung gebildet 
wird. Aus diesem Grund ist auch die Versammlung so innig 
mit Christus verbunden wie der Leib eines Menschen mit dem 
Haupt verbunden ist; diesen Vergleich finden wir in Epheser 5. 
„Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie auch der Christus die 
Versammlung. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von 
seinem Fleische und von seinen Gebeinen" (V. 29.30). Weil es 
in diesem Leib nur einen Geist gibt, so ist die Versammlung 
mit Christus, als dem Haupt über alles vereinigt. Wir sehen 
Christus, als den Sohn des Menschen, in den Ratschlüssen 
Gottes über alle Dinge gesetzt, die in den Himmeln und die auf 
der Erde sind; und wir, errettet durch Ihn und vereinigt mit Ihm 
- wir, Seine Brüder, Seine Miterben und Glieder Seines Leibes 
- sind völlig eins mit Ihm. Das sind die Beziehungen, die 
zwischen der Versammlung und der Herrlichkeit Christi bei 
seiner zweiten Ankunft bestehen. 
Ähnliche Gedanken finden wir in Hebräer 2, wo der Apostel bei 
Anführung des achten Psalms zugleich andeutet, wieweit er 
schon erfüllt ist. „Es hat aber irgendwo jemand bezeugt und 
gesagt: 'Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, oder des 
Menschen Sohn, daß du auf ihn siehst? Du hast ihn ein wenig 
unter die Engel erniedrigt; mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn 
gekrönt und ihn gesetzt über die Werke deiner Hände; du hast 
alles seinen Füßen unterworfen.' Denn indem er ihm alles 
229 
unterworfen, hat er nichts gelassen, das ihm nicht unterworfen 
wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen. 
Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen des 
Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre 
gekrönt" (V. 6-9). Beachten wir hier, daß Gott Sich vorgesetzt 
hat, alle Dinge, ohne Ausnahme, Christus zu unterwerfen. In 
der Tat ist Christus der Schöpfer aller Dinge und folglich auch 
der Erbe; und hier liegt der Kernpunkt. Die Dinge, die Er als 
Gott geschaffen hat, erbt Er als Mensch, damit wir sie zusammen mit Ihm erben möchten. Dieser Zeitpunkt ist aber noch 
nicht gekommen, denn wir sehen Ihm noch nicht alles unterworfen. Aber wir sehen den ein wenig unter die Engel erniedrigten Jesus mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Ein Teil dieser 
Stelle ist erfüllt, der andere noch nicht, denn wir sehen Christus 
noch nicht alles unterworfen. Die Erklärung dafür finden wir in 
Psalm 110, den der Apostel ebenfalls im Hebräerbrief und der 
Herr Selbst in Matthäus 22,44 anführt, als Er mit den Pharisäern 
über diesen Gegenstand sprach. Wir lesen in Psalm 110: 
„Jehova sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner 
Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße." 
Darum sagt der Apostel: „£> aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich auf immerdar gesetzt zur 
Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind 
zum Schemel seiner Füße" (Hebr 10,12.13). Wir wollen später 
auf diesen Gegenstand zurückzukommen. 
Aber welch ein kostbares Bewußtsein ist es für die Heiligen, 
daß Christus sitzt „zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis 
seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße". Allerdings 
ist das noch nicht geschehen, denn sonst würde der Herr dem 
Treiben der Welt Einhalt gebieten. Bis jetzt beschäftigt Sich 
Gott damit, die Miterben Christi zu sammeln, während Er an 
Ihn das Wort richtet: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich 
deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße." Und wann findet 
das statt? „Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß 
niemand ... noch der Sohn" (Mk 13,32), sondern zu Ihm wird 
gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten" bis zum Tage der 
Ausführung dieses Ereignisses. Der Ratschluß Gottes ist also 
230 
völlig klar. Wir sehen Jesus, nachdem Er unsere Sünden gesühnt hat, sitzend zur Rechten der Majestät in der Höhe. Von 
dort aus sammelt Er Seine Miterben durch das Evangelium. 
Während Er zur Rechten Gottes sitzt, sind wir mit Ihm vereinigt; wir sind eins mit Ihm durch denselben Geist. 
Nun finden wir in 1. Korinther 15,22-27, wie wir zu diesem 
Platz der Herrlichkeit gelangen. „Denn gleichwie in dem Adam 
alle sterben, also werden auch in dem Christus alle lebendig 
gemacht werden. Ein jeder aber in seiner eigenen Ordnung: Der 
Erstling, Christus; sodann die, welche des Christus sind bei seiner Ankunft"; (und wer sind diese Letzteren anders als Seine 
Miterben?) - „dann das Ende, wenn er das Reich dem Gott und 
Vater übergibt, wenn er weggetan haben wird alle Herrschaft 
und alle Gewalt und Macht. Denn er muß herrschen, bis er alle 
Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod. 'Denn alles hat er seinen Füßen unterworfen.' Wenn er aber sagt, daß alles unterworfen sei, so ist es 
offenbar, daß der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen 
hat." Es wird also gesagt, daß Gott, der Vater, Ihm nicht unterworfen ist; aber gerade diese Ausnahme beweist, daß alles übrige Christus unterworfen sein wird. Das ist noch nicht erfüllt; 
denn sonst würden, wie gesagt, die Greuel in dieser Welt ihr 
Ende gefunden haben. Noch ist Satan, und nicht Christus, der 
Fürst und Gott dieser Welt; und doch ist es eigenartig, daß viele 
der Meinung sind, daß das Kreuz diesem allen ein Ende gemacht 
habe, während gerade das Kreuz bewiesen hat, daß Satan der 
Fürst und Gott dieses Zeitlaufs ist. Der Herr sagte: „Der Fürst 
der Welt kommt und hat nichts in mir" (Joh 14,30). Vor der 
Verwerfung Christi ist Satan niemals der Fürst dieser Welt genannt worden. Gott wohnte inmitten Seines Volkes; im Tempel 
befand sich die Wolke der Herrlichkeit, das Zeichen Seiner 
Gegenwart; aber nachdem Gott in der Person Christi in diese 
Welt eingetreten und verworfen worden ist, wird Satan der Fürst 
dieser Welt genannt; und in diesem Sinn sagt der Apostel: „... in 
welchen der Gott dieser Welt den Sinn der Ungläubigen 
verblendet hat" (2.Kor 4,4). Wenn der Herr kommt, wird Er der 
Fürst dieser Welt sein; bis dahin aber hat Satan diese Herrschaft. 
231 
In Lukas 19 spricht der Herr in einem Gleichnis davon, in ein 
fernes Land zu gehen, um ein Reich zu empfangen und dann 
wiederzukommen, um Gericht zu halten. „Während sie aber 
dieses hörten, fügte er noch ein Gleichnis hinzu, weil er nahe bei 
Jerusalem war und sie meinten, daß das Reich Gottes alsbald 
erscheinen sollte" (V. 11). Man erwartete also dieses Reich und 
wollte sich mit Ihm bald des Besitzes erfreuen. Deshalb sagte Er: 
„Ein gewisser hochgeborener Mann zog in ein fernes Land, um 
ein Reich für sich zu empfangen und wiederzukommen. Er 
berief aber seine zehn Knechte und gab ihnen zehn Pfunde und 
sprach zu ihnen: Handelt, bis ich komme" (V. 12.13). Hier haben 
wir den Dienst der Christen während der Abwesenheit ihres 
Herrn, welcher hinging, um das Reich in Empfang zu nehmen. 
Wenn Er zurückkommt, wird Er Seine Knechte zur Rechenschaft ziehen. „Und es geschah, als er zurückkam, nachdem er 
das Reich empfangen hatte, da hieß er diese Knechte, denen er 
das Geld gegeben, zu sich rufen, auf daß er wisse, was ein jeder 
erhandelt hätte" (V. 15). Nachdem Er Sich mit Seinen Knechten 
beschäftigt hatte, hören wir den Herrn sagen: „Doch jene, meine 
Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her und erschlaget sie vor mir" (V.27). Das wird stattfinden, 
wenn der Herr nach Empfang des Reiches zurückgekehrt sein 
wird; denn während Seiner Abwesenheit richtet Er nicht. In 
Johannes 5,22.23 lesen wir: „Denn der Vater richtet auch niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem Sohne gegeben, auf 
daß alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren." Wenn Er 
aber jetzt das Gericht beginnen wollte, so müßte Er die Zeit der 
Gnade und das Sammeln der Gläubigen beenden. Jetzt richtet 
der Vater die Heiligen durch Züchtigung, denn wir lesen: „Und 
wenn ihr den als Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person 
richtet nach eines jeden Werk ..." (l.Petr 1,17). In Bezug auf das 
Endgericht aber lesen wir im Evangelium nach Johannes, daß 
der Vater niemanden richtet, sondern das ganze Gericht dem 
Sohn übergeben hat. Nach Seiner Rückkehr wird der Sohn Sich 
mit Seinen Feinden als der Richter beschäftigen und der Bosheit 
der Menschen ein Ende setzen. Bis dahin sollen wir wachen und 
treu mit den uns verliehenen Pfunden, d.h. mit den uns anvertrauten geistlichen Gaben handeln. 
232 
Das wird auch in Kolosser 1 klar dargestellt. Ich möchte gern 
ein wenig dabei verweilen, um zu einer möglichst vollständigen 
Betrachtung über die Gedanken und Ratschlüsse Gottes zu 
kommen. Ich beginne mit Vers 12, wo der Apostel sagt: „... 
danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat." Es ist also 
eine vollendete Tatsache, daß wir fähig gemacht sind; und nirgendwo sagt uns eine Schriftstelle, daß dieses noch geschehen 
müsse. Wohl wird gesagt, daß wir in allem Christus gleich 
werden sollen; aber etwas ganz anderes ist es, wenn der Apostel 
an die Danksagung gegenüber einem Vater erinnert, „der uns 
fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem 
Lichte, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und 
versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe, in welchem wir 
die Erlösung haben, die Vergebung der Sünden; welcher das 
Bild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn durch ihn ..." - (und dies ist der Grund, warum Er 
über alle Dinge gesetzt ist) - „... sind alle Dinge geschaffen 
worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften 
oder Fürstentümer oder Gewalten: alle Dinge sind durch ihn 
und für ihn geschaffen" (V. 12-16). Alle Dinge werden Ihm 
unterworfen sein, jedoch nicht in ihrem gegenwärtigen Zustand 
des Verdorbenseins. Christus wird sie als Mensch besitzen; Er 
ist zum Erben aller Dinge gesetzt (Hebr 1,2.), und wir besitzen 
sie mit Ihm als Seine Miterben. Christus ist „vor allen, und alle 
Dinge bestehen zusammen durch ihn. Und er ist das Haupt des 
Leibes, der Versammlung, welcher der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, auf daß er in allem den Vorrang habe" 
(V. 17.18). Christus ist das Haupt aller Dinge und zugleich das 
Haupt der Versammlung; das haben wir auch in Epheser 1 
gesehen. „Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in 
ihm zu wohnen und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen, 
- indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes 
- durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in 
den Himmeln. Und euch, die ihr einst entfremdet und Feinde 
wäret nach der Gesinnung in den bösen Werken, hat er aber nun 
versöhnt in dem Leibe seines Fleisches durch den Tod" (V. 19-
21). In Bezug auf die Heiligen wird nie gesagt: 'Er wird 
233 
versöhnen' sondern: „Er hat versöhnt." Die Versöhnung aller 
himmlischen und irdischen Dinge hingegen ist ein Gegenstand 
der Erwartung, weil Satan jetzt noch nicht gebunden ist. In 
Kolosser 1,20 „und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen... es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den 
Himmeln", sowie in Epheser 1,10 „... alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus", sagt der Apostel nicht, daß 
diese Versöhnung schon geschehen ist, noch spricht er von den 
Dingen, die unter der Erde sind. In Bezug auf die Unterwerfung 
aber sagt er: „... auf daß in dem Namen Jesu jedes Knie sich 
beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen" 
(Phil 2,10). Bezüglich der Letzteren ist von keinem „Versöhnen" sondern von einem „Beugen" die Rede; aber in Bezug auf 
uns sagt er: „Er hat uns versöhnt." Ebenso wie Christus sowohl 
das Haupt der Versammlung als auch das Haupt aller Dinge ist, 
so ist auch die Versöhnung eine zweifache, nämlich die gegenwärtige Versöhnung und Erlösung der Gläubigen und die zukünftige Versöhnung aller himmlischen und irdischen Dinge. 
Noch sind nicht alle Dinge Seinen Füßen unterworfen. Aber 
durch den Glauben sehen wir Christus zur Rechten Gottes 
sitzen, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind. 
Wenn diese Zeit kommt, wird Christus das Erbe antreten, und 
zwar in dem Charakter, welcher Gott durch Melchisedek beigelegt wurde, als dieser, um Abraham zu segnen, erschien und 
sagte: „Gesegnet sei Abram von Gott, dem Höchsten, der 
Himmel und Erde besitzt!" (l.Mo 14,19). Und wenn Christus, 
in der ganzen Bedeutung des Wortes, als König und Hoherpriester auf Seinem Thron sitzen wird, dann wird Gott diesen 
Titel haben. 
Während wir nun einerseits gesehen haben, daß Christus alle 
Dinge, die in den Himmeln und die auf der Erde sind, versöhnen wird, und daß alle diese Dinge in Ihm unter ein Haupt gebracht werden sollen, so ist uns andererseits in mehreren Stellen 
gezeigt worden, daß die Versammlung Seine Miterbin sein 
wird. Wir haben gesehen, daß die Kirche Gottes oder alle durch 
die Gnade Gottes herzugerufenen Heiligen mit Christus, dem 
Mittelpunkt der Segnungen, vereinigt sind, um mit Ihm über die 
234 
himmlischen und irdischen Dinge zu herrschen. Die Schrift 
lehrt uns, daß dieses erst in der Verwaltung der Fülle der Zeiten, 
wenn Christus das Reich empfangen hat und zurückkehrt, 
stattfinden wird. Erst dann werden alle Dinge in den Zustand 
der Ordnung und der Segnung unter der Autorität Christi gelangen. Wenn Gott, der Vater, alle Dinge Seinen Füßen unterworfen hat, so wird Christus die Ordnung darin wiederherstellen 
und schließlich das Reich Seinem Vater zurückgeben, während 
die Versammlung in der Verwaltung der Fülle der Zeiten den 
Mittelpunkt in den himmlischen Örtern bilden wird; Israel wird 
dagegen den Mittelpunkt auf der Erde bilden. 
Wir erkennen klar zwei Dinge, die, nächst unserer Erlösung, in 
der Schrift den höchsten Platz einnehmen: In der Versammlung 
entfaltet Gott Seine unumschränkte Gnade, indem Er die 
Glieder derselben an der Herrlichkeit Christi teilnehmen läßt; 
und inmitten der Juden zeigt Er, wie Er diese Welt regiert. Die 
Schrift betrachtet die Versammlung als die mit Christus vereinigte Erbin Seiner Herrlichkeit. Welch kostbare Wahrheit! 
Wir, die wir „nichts sind", sollen die Herrlichkeit Christi teilen 
und denselben Platz einnehmen wie Er! 
Die Versöhnung wird alle Dinge im Himmel und auf der Erde 
umfassen. Diese Welt wird nicht immer der Schauplatz der 
Wirksamkeit Satans bleiben. Sobald der Sohn Davids Seine 
Herrschaft angetreten hat, werden sich die Dinge in der Welt 
ändern. „Man wird nicht übeltun, noch verderbt handeln auf 
meinem ganzen heiligen Gebirge" (Jes 11,9). Es kommt die 
Zeit, wo Christus der Friedefurst sein wird; aber diese Zeit ist 
noch nicht gekommen. „Denket ihr, daß ich gekommen sei, 
Frieden auf der Erde zu geben? Nein, sage ich euch, sondern 
vielmehr Entzweiung. Denn es werden von nun an fünf in 
einem Hause entzweit sein; drei werden wider zwei, und zwei 
wider drei entzweit sein: Vater wider Sohn und Sohn wider 
Vater, Mutter wider Tochter und Tochter wider Mutter, Schwiegermutter wider ihre Schwiegertochter und Schwiegertochter 
wider ihre Schwiegermutter" (Lk 12,51-53). In unserer Zeit 
macht das Licht des Evangeliums die Finsternis der Menschen 
offenbar, und sie empören sich gegen das Licht. Aber bei der 
235 
zweiten Ankunft Christi werden sie gerichtet. Deshalb müssen 
die Christen ihr Kreuz auf sich nehmen und Jesus nachfolgen. 
Wenn Christus jetzt schon die Herrschaft angetreten hätte, dann 
wäre nicht das Kreuz das Teil Seiner Jünger, sondern eine 
Krone wurde ihr Haupt schmücken. Christus wird kommen, um 
verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen. Wie wunderbar wird 
ihre Herrlichkeit sein, wenn Er das Reich besitzen wird! Dann 
wird, wie bereits gesagt, die Versammlung Gottes der Mittelpunkt aller Dinge in den himmlischen Ortern sein, während die 
Juden den Mittelpunkt aller Dinge auf der Erde bilden und 
Christus das Haupt ist. Das finden wir deutlich ausgedrückt in 
den Worten: „... damit ihr wisset, ... welches die überschwengliche Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der 
Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in welcher er gewirkt hat 
in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte; (und 
er setzte ihn zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern, über 
jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft 
und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem 
Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles seinen 
Füßen unterworfen, und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in 
allem erfüllt)" (Eph 1,19-23). Dieselbe Kraft, welche Christus 
aus den Toten auferweckte, hat die Gläubigen mit Ihm 
auferweckt. In Epheser 2 ist davon die Rede, wo die Auferweckung als eine geistlich vollendete Tatsache betrachtet wird: 
„... und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den 
himmlischen Örtern in Christo Jesu, auf daß er in den kommenden Zeitaltern den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade 
in Güte gegen uns erwiese in Christo Jesu" (V. 6.7). 
So beschreibt also die Schrift die Wahrheit, daß Gott uns über 
Engel, Fürstentümer und Gewalten des zukünftigen Zeitalters 
gesetzt hat, um uns den unermeßlichen Reichtum Seiner Gnade 
zu erweisen. Die Engel werden durch die Tatsache, daß wir die 
Herrlichkeit Christi teilen werden, den unermeßlichen Reichtum der Gnade Gottes kennenlernen; es wird sicher ihre Bewunderung erregen, wenn sie Maria Magdalene, den Räuber 
am Kreuz, die große Sünderin und einen jeden von uns in der236 
selben Herrlichkeit mit Christus sehen. Wenn wir, unterwiesen 
durch den Heiligen Geist, uns jetzt schon diese Dinge durch 
den Glauben vergegenwärtigen, so werden wir uns in der jetzigen Stellung hinsichtlich der Zucht, der Übung und der geistlichen Erziehung sehr bevorzugt sehen; aber wir werden uns 
erst bei Seiner Ankunft, wenn den Engeln die Güte Gottes uns 
gegenüber geoffenbart wird, des völligen Genusses erfreuen. 
Jetzt möchte ich gerne versuchen zu zeigen, in welcher Weise 
der Herr Sich mit uns vereinigt. Lesen wir mit Aufmerksamkeit 
Johannes 17, wo der Herr ausdrücklich sagt, daß die Heiligen 
Seine Herrlichkeit und die Liebe des Vaters mit Ihm teilen 
werden. Welch eine bewundernswerte Stellung! Wie reich entfaltet sich die alle Erkenntnis übersteigende Liebe Christi! -
„Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, 
welche durch ihr Wort an mich glauben; auf daß sie alle eins 
seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, auf daß auch 
sie in uns eins seien, auf daß die Welt glaube, daß du mich 
gesandt hast." Diese Worte beziehen sich auf die Jetztzeit oder 
wenigstens auf das, was jetzt sein sollte, während das Folgende 
zukünftig ist: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, 
habe ich ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleichwie wir 
eins sind; ich in ihnen und du in mir, auf daß sie in eins 
vollendet seien, und auf daß die Welt erkenne, daß du mich 
gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast" 
(Joh 17,20-23). Hier spricht der Herr von der Herrlichkeit, die 
Gott Ihm als Mensch gegeben hat; denn Seine Herrlichkeit als 
Sohn Gottes ist ewig. - Wenn Er von der Jetztzeit spricht, so 
sagt Er: „... auf daß die Welt glaube " - eine Aufforderung, daß 
die Heiligen eins seien und dadurch bezeugen sollen, daß der 
Geist Gottes eine Macht ist, die trotz aller irdischen Unterschiede die Gläubigen vereinigen kann. In Bezug auf die 
Zukunft aber sagt Er „... auf daß die Welt erkenne". In der Tat 
wird die Welt einst erkennen, daß Gott es war, der Jesum 
sandte; ja, alle Ungläubigen werden es erkennen, wenn sie diejenigen mit Christus in Herrlichkeit kommen sehen, die auf der 
Erde die Zielscheibe ihres Spottes waren. Unsere Herzen sollten diese unergründliche Liebe Gottes kennen, wertschätzen 
237 
und durch völliges Vertrauen ehren. Die Zeit naht, wo auch die 
Welt diese Liebe erkennen wird. „Gerechter Vater! - und die 
Welt hat dich nicht erkannt; ich aber habe dich erkannt, und 
diese haben erkannt, daß du mich gesandt hast. Und ich habe 
ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, auf 
daß die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich 
in ihnen" (V. 25.26). Jetzt genießen wir, daß die Liebe in uns 
wohnt, mit der der Vater den Sohn liebt. Ja, diese unergründliche Liebe - Christus in uns - sollen wir besitzen und erkennen. Der Vater liebt uns jetzt schon, wie Er Christus geliebt 
hat; und wir erkennen darum schon jetzt diese Liebe, während 
die Welt erst dann erkennt, wenn sie uns in der Herrlichkeit 
mit Christus erblickt, daß Gott uns liebt wie Er Christus geliebt 
hat und liebt. 
Zwei wichtige Punkte der Schrift sollten wir tief in unsere 
Herzen einprägen, nämlich, daß wir Christus völlig gleich sein 
werden - ausgenommen Seine Gottheit - und daß dieses bei 
unserer Auferstehung oder Verwandlung stattfinden wird und 
wir später mit Ihm offenbar werden. Schon jetzt sind wir nicht 
von dieser Welt; aber, wie gesagt, die Welt erkennt jetzt nicht, 
daß wir Gegenstände der völligen Liebe Gottes sind. Wenn 
Christus geoffenbart werden wird, werden wir mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit. Diese Wahrheit steht mit der 
Auferstehung in Verbindung. „Der erste Mensch ist von der 
Erde, von Staub; der zweite Mensch vom Himmel. Wie der 
von Staub ist, so sind auch die, welche von Staub sind; und wie 
der Himmlische, so sind auch die Himmlischen." Wir werden 
uns also nicht nur im Himmel befinden, sondern wir werden 
dort, mit Ausnahme Seiner Gottheit, Christus gleich sein. Das 
ist völlig klar; und der Apostel fügt in Bezug auf die 
zukünftigen Herrlichkeit hinzu: „Und wie wir das Bild dessen 
von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des 
Himmlischen tragen. Dies aber sage ich, Brüder, daß Fleisch 
und Blut das Reich Gottes nicht ererben können, auch die 
Verwesung nicht die Unverweslichkeit ererbt." „Es wird gesät 
in Verwesung, es wird auferweckt in Unverweslichkeit" (1 .Kor 
15,47-50.42). 
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Untersuchen wir jetzt etliche Stellen über die Art und Weise 
unserer Aufnahme bei Christo; denn ich wünsche, daß wir, um 
sichere Schritte tun zu können, uns in allem, was Christus uns 
mitteilt, auf den Boden des Wortes Gottes stellen. Christus sagt: 
„In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es 
nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe 
hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und 
euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch 
zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet" (Joh 
14,2.3). Christus ist also in das Haus des Vaters gegangen; aber 
Er wird wiederkommen und uns zu Sich nehmen. Er ist 
hinaufgestiegen in einem verherrlichten Leib; obwohl noch 
nicht alle Dinge Seinen Füßen unterworfen sind, so ist Er doch 
mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Er hat Seinen Jüngern 
geboten, daß sie bis zu Seiner Rückkehr warten und wirken 
sollten. Doch schon jetzt wissen wir, wie Er mit uns handeln 
wird, die wir dieselbe Herrlichkeit mit Ihm teilen werden. „... so 
komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen." In 
Johannes 13,8 sagt Er: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du 
kein Teil mit mir"; - als ob Er hätte sagen wollen: 'Ich kann 
nicht als König oder Messias bei euch bleiben; aber durch 
dieses Waschen will ich euch befähigen, mit mir, wenn ich wiederkomme, zu regieren. Indem ich mich für euch verwende, bin 
ich euer Diener; durch meinen Dienst wasche ich euch täglich, 
denn ihr müßt mir gleich sein, um mit mir in meinem Reiche zu 
sein.' - Dieselbe Wahrheit wird in 1. Thessalonicher 4 verkündigt: „Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen 
mit ihm bringen. (Denn dieses sagen wir euch im Worte des 
Herrn, daß wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft 
des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen 
werden" (V. 14.15). Der Apostel erwartete beständig die Ankunft des Herrn. Man hat zu sagen gewagt, daß er sich getäuscht habe in dem Glauben, das Kommen des Herrn noch zu 
erleben. Aber die Stunde dieses Ereignisses war von Christus 
nie geoffenbart worden, und nie hat Paulus behauptet, dieselbe 
zu kennen. Aber er erkannte, daß die Zeit nahe war, wo die 
Gläubigen zu jeder Stunde den Herrn erwarten sollten, anstatt 
239 
zu sagen „Mein Herr verzieht zu kommen" (Lk 12,45). Deshalb 
stellte sich Paulus in die Reihe der Lebenden, die bis zur 
Ankunft des Herrn übrigbleiben sollten. Dieser Erwartung entsprach sein ganzes Leben, sodaß er ohne Zweifel seinen Lohn 
empfangen wird, während jene, die die Ankunft Christi verwerfen und, anstatt auf Ihn zu warten, ihren Lüsten folgen, jedenfalls auch die Früchte ihrer Werke ernten werden. Später 
erkannte der Apostel durch Offenbarung, daß er bald sterben 
würde, so wie auch Petrus von dem Ablegen seiner Hütte unterrichtet war. Aber die Stunde der Ankunft des Herrn war weder 
dem einen noch dem anderen geoffenbart. Paulus sagte nun 
weiter: „Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden 
aber alle verwandelt werden" (l.Kor 15,51). Christus hat den 
Tod besiegt. Es kann sein, daß wir vor der Ankunft des Herrn 
sterben; trotzdem können wir sagen: „Wir, die Lebenden, die 
übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn." Jener, welcher sagte: 
„Mein Herr verzieht zu kommen", schlug seine Mitknechte und 
berauschte sich. Die klugen und törichten Jungfrauen waren, als 
der Bräutigam verzog, alle eingeschlafen. Ebenso hat auch die 
Kirche die Wahrheit vergessen, daß wir täglich auf den Herrn 
warten sollen. Wir müssen alle aufgerüttelt werden. Zwar zeigt 
uns das Aufwachen der Jungfrauen zur rechten Stunde, wie treu 
Christus stets gegen Sein Volk ist; aber das Warten auf den 
Herrn charakterisiert die treuen Knechte. Die Versammlung zu 
Philadelphia wartete auf das Kommen des Herrn, und von ihr 
heißt es: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, 
werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, 
die über den ganzen Erdkreis kommen wird" (Offb 3,10). 
Doch kehren wir nun wieder zu 1. Thessalonicher 4 zurück. 
„Denn dieses sagen wir euch im Worte des Herrn, daß wir, die 
Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr 
selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom 
Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen" 
(V. 15.16). Es handelt sich hier nur um die Heiligen. Weder der 
gebietende Zuruf, noch die Stimme des Erzengels, noch die 
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Posaune Gottes richtet sich an alle, um Gerechte und Ungerechte aufzuwecken, sondern nur an die Gerechten. Die Posaune Gottes ruft gleichsam die Soldaten vom Kampfplatz in 
ihre Reihen zurück; und nur die Toten in Christus werden 
diesen Ton vernehmen, denn „die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem 
Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei 
dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten" 
(V. 17.18). Der Herr hatte gesagt, daß Er kommen und uns zu 
Sich nehmen werde; der Apostel belehrt uns durch eine Offenbarung, wie dieses geschehen wird. Die in 1. Korinther 15 
angeführte Stelle teilt uns dasselbe Ereignis mit. „Ein jeder aber 
in seiner eigenen Ordnung: Der Erstling, Christus; sodann die, 
welche des Christus sind bei Seiner Ankunft" (V. 23). Wir müssen beachten, daß hier nicht von einer Auferstehung sämtlicher 
Toten, sondern von einer Auferstehung aus den Toten die Rede 
ist, so wie auch die Auferstehung Christi eine aus den Toten 
war. Er ist aus den Toten auferstanden, weil der Vater Seine 
Wonne an Ihm hatte; und auch uns hat Er gleicherweise aus den 
Toten auferweckt, weil auch wir Gegenstände Seiner Wonne 
geworden sind. Darum wird der Herr kommen (es heißt nicht: 
Er wird erscheinen) und uns rufen, um für immer bei Ihm zu 
sein und Seine Herrlichkeit zu teilen; darauf deuten die Worte 
hin: „Und wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, 
so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen." Es ist 
also nicht der Tod, den wir zu erwarten haben, obwohl er 
eintreten kann; denn wir lesen: „... wiewohl wir nicht entkleidet, 
sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche 
verschlungen werde von dem Leben" (2.Kor 5,4). - Um Seine 
Macht völlig zu offenbaren, nimmt Christus sterbliche Menschen zu Sich. Sind sie gestorben, so weckt Er sie auf; leben sie 
bei Seiner Ankunft, so verwandelt Er ihren Leib in einen Herrlichkeitsleib. Zuerst weckt Er die Toten auf, dann verwandelt Er 
die Lebenden, und alle gehen zugleich dem Herrn entgegen in 
die Luft. „Denn welche er zuvorerkannt hat, die hat er auch zuvorbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, 
damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern" (Röm 8,29). 
241 
In Johannes 17,22 lesen wir: „Und die Herrlichkeit, die du mir 
gegeben hast, habe ich ihnen gegeben." Das ist unser Anteil an 
den himmlischen Dingen; und in Kolosser 3 sehen wir, daß, 
wenn Er geoffenbart werden wird, wir mit Ihm geoffenbart 
werden in Herrlichkeit. Wenn Er gekommen ist und uns zu Sich 
genommen hat, wird Er Sich der Welt offenbaren, und wir 
werden mit Ihm erscheinen. Der Apostel stellt uns als vollkommen eins mit Christo dar; denn es heißt: „Wenn ihr nun mit 
dem Christus auferweckt worden seid, so suchet was droben ist, 
wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das 
was droben ist, nicht auf das was auf der Erde ist; denn ihr seid 
gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in 
Gott." Christus ist in Gott verborgen; und weil Christus unser 
Leben ist, so ist folglich auch unser Leben in Gott verborgen. 
„Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, 
dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit" (Kol 3,1-4). - Wir wissen, daß wir in keiner Weise von 
Christus getrennt sind; wir sind mit Ihm in Gott verborgen, 
werden mit Ihm geoffenbart und mit Ihm verherrlicht, sind 
Erben Gottes und Miterben Christi. In etwas anderer Form wird 
dieselbe Wahrheit in 1.Johannes 3,1 dargestellt. „Sehet, welch 
eine Liebe uns der Vater gegeben hat, daß wir Kinder Gottes 
heißen sollen!" Wir tragen denselben Namen wie Christus; und 
„deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht 
erkannt hat". - Nach Seiner Auferstehung sagte der Herr: „Ich 
fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem 
Gott und eurem Gott." Er sagt gleichsam: 'Ich habe das Werk 
eurer Erlösung vollbracht, und die Folge davon ist, daß ich euch 
denselben Platz gegeben habe, den ich selbst einnehme.' Darum 
lesen wir in Psalm 22,22: „Verkündigen will ich deinen Namen 
meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich dich 
loben." Im Blick auf die Gegenwart heißt es: „Geliebte, jetzt 
sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar 
geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es 
offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir 
werden ihn sehen, wie er ist" (1 Joh 3,2). 
Jetzt noch etwas in Bezug auf unsere Erscheinung mit Christus. 
242 
In Sacharja 14 lesen wir, daß der Herr kommen wird und alle 
Seine Heiligen mit Ihm, und daß an demselben Tag Seine Füße 
auf dem Ölberg stehen werden. Das ist es, worauf die Engel 
bei der Himmelfahrt hindeuten, wenn sie sagen: „Männer von 
Galiläa, was stehet ihr und sehet hinauf gen Himmel? Dieser 
Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden 
ist, wird also kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den 
Himmel" (Apg 1,11). Der Apostel Judas sagt in den Versen 
14.15: „Es hat aber auch Henoch, der siebente von Adam, von 
diesen geweissagt und gesagt: 'Siehe, der Herr ist gekommen 
inmitten seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen wider 
alle ...'" Hier sehen wir also die Heiligen mit Christus zur Ausführung des Gerichts vereinigt. 
Wie erhaben ist unsere Stellung! Die Schrift spricht über 
diesen Gegenstand so ausführlich, daß es unmöglich ist, sich 
zu täuschen. Unter dem Druck schwerer Verfolgungen hören 
die Thessalonicher den Apostel sagen: „... sodaß wir selbst uns 
euer rühmen in den Versammlungen Gottes wegen eures Ausharrens und Glaubens in allen euren Verfolgungen und Drangsalen, die ihr erduldet; ein offenbares Zeichen des gerechten 
Gerichts Gottes, daß ihr würdig geachtet werdet des Reiches 
Gottes, um dessentwillen ihr auch leidet; wenn es anders bei 
Gott gerecht ist, Drangsal zu vergelten denen, die euch bedrängen, und euch, die ihr bedrängt werdet, Ruhe mit uns bei 
der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel, mit den Engeln 
seiner Macht, in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung gibt 
denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium 
unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen; welche Strafe 
leiden werden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn 
und von der Herrlichkeit seiner Stärke, wenn er kommen wird, 
um an jenem Tage verherrlicht zu werden in seinen Heiligen 
und bewundert in allen denen, die geglaubt haben" (2.Thess 
1,4-10). Das sind die heiligen Tausende, von denen Judas 
spricht, und die auch in Offenbarung 17 genannt werden. Alle 
Könige der Erde werden kommen, um in Verbindung mit dem 
Tier Krieg mit Christus zu führen. „Diese werden mit dem 
Lamme Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; 
243 
denn er ist Herr der Herren und König der Könige, und die mit 
ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue" (V. 14). 
Andere Stellen teilen uns mit, daß Christus die Engel in Seinem Gefolge haben wird; aber hier ist nicht davon die Rede. 
Die Engel können wohl Auserwählte und Treue genannt 
werden, da die Schrift von auserwählten Engeln spricht. Aber 
die, welche wir hier bei Christus sehen, sind Berufene; und nur 
die Heiligen sind Berufene durch die Gnade Gottes. 
Laßt uns jetzt einen Blick auf Offenbarung 19 werfen. „Und 
ich sah den Himmel geöffnet, und siehe, ein weißes Pferd, und 
der darauf saß, genannt Treu und Wahrhaftig, und er richtet 
und führt Krieg in Gerechtigkeit" (V. 11). Wir haben überall 
gesehen, daß Christus kommen wird, um die Bösen auf der 
Erde zu richten, und daß sowohl ein Gericht der Lebendigen 
als der Toten stattfinden wird. „Denn gleichwie sie in den 
Tagen vor der Flut waren: sie aßen und tranken, sie heirateten 
und verheirateten, bis zu dem Tage, da Noah in die Arche ging, 
und sie es nicht erkannten, bis die Flut kam und alle wegraffte, 
also wird auch die Ankunft des Sohnes des Menschen sein" 
(Mt 24,38.39). „Seine Augen aber sind eine Feuerflamme, und 
auf seinem Haupte sind viele Diademe, und er trägt einen 
Namen geschrieben, den niemand kennt, als nur er selbst; und 
er ist bekleidet mit einem in Blut getauchten Gewände, und 
sein Name heißt: Das Wort Gottes. Und die Kriegsheere, die in 
dem Himmel sind, folgten ihm auf weißen Pferden, angetan 
mit weißer, reiner Leinwand" (Offb 19,12-14). „... denn die 
feine Leinwand", so lesen wir in Vers 8, „sind die Gerechtigkeiten der Heiligen". 
Hiermit schließe ich meine Anführungen. Wir haben in der 
vorigen Betrachtung gesehen, daß in der Heiligen Schrift die 
Ankunft des Herrn stets als der Gegenstand der Erwartung oder 
Hoffnung der Gläubigen dargestellt wird. O, möchte Seine Ankunft alle Gedanken und Empfindungen der Heiligen erfüllen, 
weil es ja ein Zweck ihrer Bekehrung ist, den Sohn Gottes aus 
den Himmeln zu erwarten. Alle übrigen Lehren der Heiligen 
Schrift stehen mit Seiner Ankunft in Verbindung. Der Gedanke 
„Mein Herr verzieht zu kommen" ist das ausdrückliche Zeichen 
244 
des Verfalls, und nur der Ruf: „Siehe, der Bräutigam!", hat sie 
wieder aufgeweckt. 
Wir haben also in den verschiedenen Schriftabschnitten gesehen, daß Gott uns in aller Weisheit und Einsicht Seinen Ratschluß kundgetan hat, nämlich alle Dinge in den Himmeln und 
auf der Erde in dem Christus zusammenzubringen. Zu diesem 
Zweck hat uns Gott mit Christus, dem Haupt über alles, vereinigt, sodaß wir das Erbe mit Ihm teilen können, weil wir 
Erben Gottes sind. Wenn Christus sein Erbe antritt, so nehmen 
wir Besitz mit Ihm; wenn Er erscheint, werden wir mit Ihm 
erscheinen. 
Nachdem Er von den Juden verworfen worden war, nahm Er 
Seinen Platz als Sohn des Menschen ein und zwar in erster 
Linie in der Auferstehung, und Er wird ihn auch in Herrlichkeit einnehmen. Uns aber wird Er auferwecken, um zur bestimmten Zeit diesen Platz mit Ihm einzunehmen. Noch sehen 
wir freilich Ihm nicht alle Dinge unterworfen; Aber wir sehen 
Ihn mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, und wir warten mit 
Ihm, bis alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt 
sind. Diesen Augenblick kennt niemand, denn Gott hat ihn 
nicht geoffenbart. Aber Christus ist dabei, die Gläubigen zu 
sammeln. Er wird uns rufen, um Ihm in der Luft zu begegnen. 
Die Entschlafenen wird Er auferwecken, die Lebenden verwandeln und uns zusammen in das Haus Seines Vaters 
bringen, wo unser Platz ist. Er wird alles bereitet haben, um 
uns dort zu empfangen. Er wird Sein Erbe nicht in Besitz 
nehmen, bevor Seine Miterben bei Ihm sind. 
In Offenbarung 19 finden wir zuerst die Hochzeit des Lammes; 
dann sehen wir Ihn mit Seinem Heer kommen. In diesem Heer 
erkennen wir Seine Braut, denn das Lamm muß eine Gefährtin 
haben, die das Erbe mit Ihm teilt. Bis jetzt hat Er noch nicht 
die Macht und die Herrschaft in Seine Hand genommen. Aber 
wenn wir zu Ihm erhoben sind, wird Er erscheinen und wir mit 
Ihm. Wir werden Ihn zur Ausführung Seiner Gerichte in dieser 
Welt begleiten, wenn Er die Nationen wie Töpfergefäße zerschmettert. Aber das gesegnetste Teil unseres Erbes wird sein. 
245 
daß wir bei Ihm sind! Wenn Er erscheinen wird, dann wird die 
Welt auch uns sehen, und wir werden das Bild des Himmlischen tragen, „wie wir das Bild dessen von Staub getragen 
haben". Jetzt sitzt Christus zur Rechten Gottes, und Er hat 
Seinen Heiligen Geist gesandt, um Seine Miterben zu 
sammeln. Nur durch den Geist sind wir fähig, Ihm hier nachzufolgen. Heute muß Sein Volk das Kreuz tragen; morgen wird 
es das Reich und die Herrlichkeit besitzen. Christus wird nicht 
zu unserem Gericht kommen; denn „ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, 
also wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert 
worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male 
denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit" 
(Hebr 9,27.28). 
Zum Schluß möchte ich noch einige ernste Fragen stellen. Mit 
wem bist du vereinigt? Bist du durch den Heiligen Geist mit 
Christus, der von der Welt verworfen, jetzt zur Rechten Gottes 
sitzt, vereinigt, oder gehörst du noch der Welt an, die Er, wenn 
Er mit allen Seinen Heiligen kommt, richten wird? Mit wem 
bist du vereinigt während der Abwesenheit Christi, welcher 
hingegangen ist, um eine Herrlichkeit zu empfangen, die höher 
ist als alles auf der Erde? Bist du, der du eine Welt durchschreitest, die Christus verwarf, wirklich überzeugt, daß Satan 
der Gott und der Fürst dieser Welt ist, und lebst du dieser 
Überzeugung gemäß? Glaubst du, daß Christus zur Rechten 
Gottes sitzt und daß Er wiederkommen und dich mit allen 
Heiligen zu Sich nehmen wird, um in dem Hause des Vaters 
teilzuhaben an den Segnungen, womit Er gesegnet ist, und um 
Zeuge der Herrlichkeit Seines Vaters zu sein und Dessen Liebe 
mit Ihm zu teilen? Gibt es wirklich etwas in unseren Herzen, 
welches dem Vertrauen eines Kindes zu seinem Vater gleicht 
und welches bezeugt, daß wir Kinder sind? Gibt es etwas in 
uns, welches uns vereinigt mit denen, die Erben dieser Segnungen und dieser Herrlichkeit sind? Können wir sagen, daß 
die Welt uns nicht kennt, gleichwie sie Ihn nicht erkannt hat? 
Gleichen wir in unserer Stellung hier Ihm, an dem, als Er auf 
dieser Erde wandelte, keine Schönheit war, die Ihn für die 
246 
Welt anziehend machte? Sind es die sichtbaren oder die unsichtbaren Dinge, welche ihre Macht auf unsere Herzen ausüben? Wohnt Christus, den man nicht sieht, durch den Glauben 
in unseren Herzen, so daß Er unser Teil ist? - Wenn es so ist, 
dann werden wir mit Ihm in Herrlichkeit erscheinen, wenn Er 
kommen wird, und - was noch mehr ist - wir werden stets bei 
Ihm sein! 
Möge der Herr es uns schenken, daß wir stets auf Ihn warten 
und rufen „Komm, Herr Jesus!" - damit Er allein unser Teil, 
unser Platz, unser Schatz, unser Alles sei. „Denn noch über ein 
gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht 
verziehen" (Hebr 10,37).


Inhaltsverzeichnis: Botschafter des Heils in Christo 1865 Seite
Elia, der Tisbiter 5 5
Einige Worte über die Lehre
von der Versammlung im Anschluß
an die Betrachtungen über Elia, den Tisbiter 88 88
„Der Sohn des Menschen ist gekommen,
zu suchen und zu erretten, was verloren ist." 107 108
Des Pilgers Trost 116 116
„Was seid ihr bestürzt?" 122 122
„Hast du noch jemand hier?" 124 124
Vollkommene Erlösung 126 126
„Fünf Worte." 139 139
Gedanken 141 141
Über das Erkennen des Willens Gottes 142 142
„Christus wohne in euren Herzen" 148 148
Paulus und Felix 149 149
'Der Vogel kennt seine bestimmte Zeit.' 153 153
„Sinnet nicht auf hohe Dinge!" 155 155
„Ich kenne die Meinen
und bin gekannt von den Meinen."
Gedanken über Johannes 11 159 159
Enthaltsamkeit 178 178
Der lebendige Vogel 185 185
Die unabhängige Gnade Gottes 191 191
Jesus am Schatzkasten 202 202
Der Brunnen zu Bethlehem 206 206
Betrachtungen über die zweite Ankunft des Herrn
I. 1. Thessalonicher 1 208
II. Epheser 1 221