Botschafter des Heils in Christo 1869

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1869 Seite
Geheiligt dem Herrn 1
Betrachtung über Psalm 23 5
Die beiden Bande 10
Ein Ohr und ein Herz für Jesum und Sein Wort 16
Die drei verschiedenen Stellungen Davids 21
Das Fragen nach dem bekannten Wege 29
"Du bist bei mir" 38
Ein Wort zur Beherzigung 40
D1e Schule Gottes 41
Das christliche Amt . 54
Es ist das Licht, das alles offenbar macht 60
Mephiboseth, oder dde Barmherzigkeit Gottes 61
Der heilige Jesus als der mitleidiger Hohepriester 81
Der ungebahnte Weg 95
Eine weise und lobenswerte Sache 99
Jonathan 99
Die Liebe Christi zu Seiner Kirche oder Versammlung 101
Mit Christo gestorben 113
"Glückselig ist, wer sich nicht an mir ärgern wird" 116
Die grünen Auen und die Wasser der Ruhe 119
Das Wort Gottes und das Priestertum Christi 121
Die Anbetung im Geist und in der Wahrheit 131
Die Letzten Worte Davids 134
Kurze Gedanken 137
D1e Fürbitte Christi 141
Die Wolke und das Lager 152
Das Jubeljahr 159
Ist Christus Dir kostbar? 160
Das Ausharren bis ans Ende 161
Die silberne Trompete 174
Ausheimisch vom Leibe 181
Die Liebe untereinander 188
"Das Leben ist für mich Christus u. das Sterben Gewinn" 193
"Das Fleisch gelüstet wider den Geist, 194
Kurze Bemerkungen über Phil. 4 . 195
Die Stellung des Gläubigen in Christo 198


Geheiligt dem Herrn 
Wenn ich dem Herrn folge, so befinde ich mich da, wo Er 
ist, und in dieser Stellung lerne ich Seine Gedanken über die 
gegenwärtige Zeit kennen. Ich bin dann im Lichte, „wie er 
im Lichte ist" (1. Joh 1, 7). „Unsere Gemeinschaft ist mit 
dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus" (1. Joh 1, 
3). Das Verständnis der Gedanken der Heiligen Schrift an 
und für sich ist noch nicht Gemeinschaft. Die Gemeinschaft 
besteht darin, zur bestimmten Zeit einen und denselben 
Gedanken mit dem Herrn zu haben; und zu diesem Zweck 
müssen wir uns im Lichte befinden, wie Er Selbst im Lichte 
ist. Nun aber ist die Gemeinschaft mit dem Herrn, die mit 
dem ewigen Leben verbunden ist, selbstverständlich einzig 
und allein unser wahrer Zustand; wir haben Christi Sinn. Es 
ist unmöglich, daran zu zweifeln, daß es des Herrn Wille 
sei, uns in dieser Seiner Nähe zu haben, denn nur dort 
können wir wissen, wie wir uns in einer Welt zu betragen 
haben, in der alles finster und im Widerstand zu Gott ist, 
und wo selbst unter denen, die bekennen, Ihm anzugehören, 
die verschiedensten Ansichten und Handlungsweisen zu 
finden sind. Der Dienst des Herrn hat gerade den Zweck, 
uns in diese Nähe zu führen. Er wäscht mir die Füße, damit 
ich durch Sein Wort von den Einflüssen, die mich umringen 
und mich von ihm entfernen, getrennt bin und wie Maria 
zu Seinen Füßen sitzen kann, um von Ihm zu lernen. Müssen 
wir denn gedrängt werden, um diesen Platz einzunehmen? Kann es für das Herz dessen, der die Liebe Christi 
geschmeckt hat, etwas Köstlicheres geben, als zu wissen, daß 
Jesus uns Seine Gedanken mitteilen will, und zwar nicht nur 
in allgemeiner Weise, sondern gerade in bezug auf die 
Gegenwart? Nun, das ist Gemeinschaft. Nicht als ob es nicht 
der Zweck der Heiligen Schriften sei, uns die Gedanken des 
Herrn über bestimmte Zeiten und die darin herrschenden allgemeinen Grundsätze kundzutun, aber, wie schon bemerkt, 
die Erkenntnis der Gedanken Christi, wie die Heilige Schrift 
sie uns gibt, genügt allein nicht. Um die Heilige Schrift anwenden zu können, muß ich in der Gemeinschaft des Herrn 

Selbst sein, denn nur da bin ich im Lichte, wie Er im Lichte 
ist. Ich vermag z. B. aus verschiedenen Stellen des Wortes zu 
ersehen, daß Salomo ein Vorbild auf Christus in Seinem 
messianischen Reich ist, aber wenn ich dieses Vorbild auf die 
Kirche anwenden will, so ist es klar, daß ich in dieser Hinsicht 
die Gedanken des Herrn nicht erkannt habe, weil dieses Vorbild sich nicht auf Seine Verbindung mit Seinem himmlischen 
sondern mit seinem irdischen Volke bezieht. 
Es gibt nichts Gesegneteres für die Seele, als die Gedanken 
des Herrn bezüglich der gegenwärtigen Zeit zu kennen, und 
dennoch legen die Christen in dieser Beziehung oft leider 
eine so große Gleichgültigkeit an den Tag. Das kommt ohne 
Zweifel größtenteils daher, daß diese Gedanken so wenig 
erkannt und darum auch so wenig nach ihrem wahren Wert 
geschätzt werden. Das wirkliche Hindernis besteht jedoch 
darin, daß man hier nur im Glauben eintreten kann. Nichts 
in den uns umgebenden Umständen befähigt uns, die Gedanken Christi zu verstehen; im Gegenteil, wenn wir unsere 
Blicke auf die äußeren Dinge richten und uns dadurch leiten 
oder helfen lassen wollen, so können wir gewiß sein, daß wir 
in Irrtümer fallen, denn diese Dinge sind Finsternis, und 
nicht Licht. Die Umstände und der Zustand der Dinge hienieden können uns zum Herrn treiben, und in Seiner Gegenwart sehen wir dann, wie sehr das, was die Menschen gutheißen, den Grundsätzen Christi zuwider ist. 
Es liegt — ich wiederhole es —• klar am Tage, daß die Grundsätze, die uns durch die Heilige Schrift geoffenbart werden, 
nur dann ihre Bedeutung und Kraft erlangen, wenn wir uns 
in der Gegenwart Gottes befinden. Dort allein werden wir 
durch den Glauben erleuchtet, um sowohl den Charakter und 
die Macht dieser Grundsätze als auch ihren Gegensatz zu den 
Wegen und Gedanken der Menschen zu erkennen. Nehmen 
wir als Beispiel einen Jünger Christi, der durch die Gnade 
dahin gebracht ist, Ihm zu folgen. Seine Füße sind gewaschen, 
zum ersten Mal genieß t (was die wahre Heiligkeit ausmacht) seine Seele das Glück, im Geiste durch die Kraft des 
Wortes für Christus im Lichte abgesondert zu sein. Wird er 
nicht als Folge dessen, was er bei dem Herrn genossen hat, 

in seinem Wandel allen Verkehr mit Personen und Dingen 
meiden, die durchaus keine Übereinstimmung und Gemeinschaft mit den Gedanken Christi haben? Seine Gemeinschaft 
mit Ihm mag sehr schwach gewesen sein, aber wenn er einen 
guten Gebrauch von der ihm verliehenen Gnade macht, wird 
er mehr empfangen. Er beginnt aufs allerbeste, denn sein 
Anfang ist von oben. In Gemeinschaft mit Christus und 
entsprechend dem Maße des empfangenen Lichtes und seiner 
Kraft wendet er sich von allem ab, was dieser Gemeinschaft 
nicht entspricht. Das Licht, in dem allein diese Gemeinschaft 
bestehen kann, fordert dies von ihm. Wenn er sagt, daß er 
Gemeinschaft mit Ihm habe und in der Finsternis wandelt, 
so lügt er und tut nicht die Wahrheit. Darum ist auch die 
Gemeinschaft der Prüfstein jeder Tätigkeit, denn sie kann 
nur bestehen, wenn wir im Lichte wandeln, wie Christus im 
Lichte ist. Wenn wir aufhören, im Lichte — in der Heiligkeit 
Gottes — zu wandeln, so verlieren wir im gleichen Augenblick den Genuß und das Vorrecht der Gemeinschaft, und 
wir sind nicht fähig zu beurteilen, wie wir uns in einer Welt, 
die im Argen liegt, zu betragen haben. 
Gewöhnlich handeln die Heiligen jedoch eher derart, daß sie 
berechnen, was sie ohne ihr Gewissen zu besudeln, beibehalten können, als daß sie wie der eben erwähnte Jünger versuchen, die Gedanken des Herrn zu verstehen und sich in 
dem Maße, wie sie es verstehen und wie das Wort sie dazu 
ermächtigt, von allem, was nicht Gott gemäß ist, abzuwenden. Wenn ich in Gemeinschaft mit dem Herrn bin, so weiß 
ich, was Ihm wohlgefällig ist. Da hält mich Sein Wort durch 
den Glauben aufrecht, und inmitten der mich umgebenden 
Unordnung suche ich Ihm zu dienen und Ihn zu ehren. Wie 
verschieden sind aber die Ergebnisse, die diese beiden Zustände bewirken! In dem einen — in der Gemeinschaft mit 
den Gedanken des Herrn — nehme ich nur das an, was heilig 
ist und der Gegenwart Gottes entspricht; in dem anderen 
Zustand — in dem sich so viele Gläubige befinden — habe 
ich kein klares Verständnis von dem, was Gott will, sondern 
ich wünsche, von Ihm in den Umständen, in denen ich mich 
gerade befinde, unterstützt zu werden. In dieser letzteren 

Stellung gleiche ich Abraham, der zwar in guter Absicht, 
aber nicht auf dem Boden des Glaubens, die Worte sagte: 
„Möchte doch Ismael vor dir leben" (1. Mo 17, 18)!, während ich in der anderen Stellung Mose gleiche, der die Ausrottung und die Zerstörung alles dessen verlangte, was mit 
der göttlichen Gegenwart unvereinbar war (2. Mo 32, 20-27). 
Im Zustande eines wahren Jüngers bemühe ich mich um die 
Fortdauer des Guten, das rein ist, das ich selbst in der 
Gegenwart Gottes gekostet und genossen habe und von dem 
ich durch Sein Wort weiß, daß er mich darin erhalten wird, 
während ich in einem schlechten Zustand wünsche, daß der 
Herr die Dinge wie sie sind, gutheißen möchte. Ich habe 
dann kein wahres Verständnis einer so erhabenen Stellung, 
die alle diese Dinge beiseitelassen und gewiß nichts schonen 
würde, was der Heiligkeit Gottes zuwider ist. Ich suche in 
diesem Fall nicht das Göttliche, sondern die göttliche Anerkennung dessen, was mir hienieden begegnet und als das 
Beste erscheint. Ich kann mich bemühen, die bestehenden 
Dinge zu verbessern oder zu verändern, aber sie sind und 
bleiben doch stets menschliche Dinge, selbst wenn sie verbessert sind, während das, was göttlich ist, keiner Vervollkommnung bedarf, und die menschlichen Dinge völlig ersetzt. 
Das „Geheiligtsein für den Herrn" — die Absonderung von 
jeder Art Befleckung — ist die erste und vornehmste Sache, 
auf die ein Mensch, der Christus nachfolgt und mithin in 
Gemeinschaft mit Ihm ist, sich stützen wird. Was für ein 
anderes Ziel oder Bedürfnis könnte auch derjenige haben, der 
sich im Lichte befindet, wie Gott im Lichte ist? Wir sind 
die Behausung Gottes im Geiste (Eph 2, 22), und je mehr 
ich im Lichte bin, desto mehr wird dieses Wort eine Bedeutung für mich haben, desto mehr werde ich es auch im 
Glauben festhalten, denn in Seiner Gemeinschaft ist meine 
Seele versichert, daß dies Wort vo n Ih m ist. Von Anfang 
an hat der wahre Gläubige seine Absonderung festgehalten 
und sie als das Hauptkennzeichen seiner Berufung angesehen, 
und je mehr Gott geoffenbart worden ist, desto mehr ist 
dieser Grundsatz mit Nachdruck und Macht in den Vorder -
10 
grund gestellt worden. Als Gott (wie jetzt auf Grund der 
Erlösung) unter Seinem Volke auf der Erde wohnte, wurde 
nach dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten ihnen als 
wichtigstes Gebot vor Augen gestellt: „Ihr sollt heilig sein, 
denn ich . . . bin heilig" (3. Mo 19, 2), und gewiß hat es nie 
ein aus einem aufrichtigen Herzen kommendes Zeugnis der 
Hingabe an Gott gegeben, das nicht diesen Charakter getragen hätte. Sei es ein Daniel in Babylon, ein Esra oder 
Nehemia unter den nach Jerusalem zurückgekehrten Gefangenen — immer lautet der sie beherrschende Grundsatz: „Geheiligt für den Herrn!" Sei es bei einem Pinehas oder bei 
einem Gideon — nirgends zeigt sich Kraft, wenn nicht von 
Anfang an derselbe Grundsatz aufrechterhalten wird, sich 
vom Bösen abzuwenden und sich in der deutlichsten Weise 
davon zu trennen. Und in der Tat, nichts ist folgerichtiger. 
Gott ist Licht: je mehr ich mich in Seiner Nähe befinde, und 
je mehr ich es verwirkliche, daß ich durch den Geist Seine 
Behausung bin, desto mehr muß ich in aller Einfalt und 
Klarheit mich als solcher erweisen. Nur Er und nichts anderes 
darf meine Wege ordnen, und mit Eifer habe ich das Wort 
in Ps 93 aufrechtzuerhalten: „Deinem Hause geziemt Heiligkeit, Jehova, auf immerdar". 
Dies ist es, was den Jünger leitet, der sich in der Nähe seines 
Herrn aufhält und in Seiner Gemeinschaft ist. Er hat sich in 
jeder Hinsicht auf die Heiligkeit Gottes zu stützen; er kann 
nichts dulden, was er als unrein erkennt; er kann und darf 
sich demselben nicht nähern. Er hat eine Stätte betreten, wohin 
keine Unreinigkeit zu dringen vermag; dort sind seine Neigungen und Gewohnheiten gebildet worden, und die Trennung von jedem erkannten Bösen ist eine natürliche Folge 
davon. Er heißt nichts derartiges gut, unter welchem Vorwande es auch sein könnte, und der einzige Beweggrund 
seiner Handlungen ist stets das „Geheiligtsein für den Herrn". 
Darum sagt Gott, als der Zustand in der Kirche einen ungewöhnlichen Grad des Bösen erreicht hatte, durch Sein Wort 
zu Timotheus: „Wenn nun jemand sich von diesen (den 
Gefäßen zu Unehre) reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre 
sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn" (2. Tim 2, 21). 
11 
So sehen wir also, daß kein Ausspruch des Wortes so bestimmt und so klar ist, wie der, daß die erste Grundlage der 
Behausung Gottes die Heiligkeit ist. Gott ist heilig, und die 
Seele, die in Seiner Heiligkeit lebt, findet darin ihr Glück 
und kann sich bei dem, was hier für Ihn getan wird, durchaus unter nichts beugen, was sich in irgendeiner Verbindung 
mit dem Bösen befindet. In der Gemeinschaft mit Gott 
lerne ich die wahre Macht und den Wert seines Wortes kennen, und wenn ich mich daran halte und im Glauben wandle, 
so werde ich durch den Herrn in der Richtung und in dem 
Wege, die Ihm allein gefallen, gestärkt und unterstützt werden. In Seiner Gegenwart liebt mein Herz keinen anderen 
Weg, und so geleitet, bin ich wirklich ein Zeuge für Gott. 
Betrachtung über Psalm 23 
„Jehov a is t mei n Hirte" . Wenn auch das in Joh 10 
dargestellte Bild eines Schafes eigentlich nicht auf die gesegnete Person des Herrn Jesus anzuwenden ist, so sehen wir 
Ihn doch freiwillig und in Gnaden auf dem Wege der Niedrigkeit und der Abhängigkeit wandeln, und wie sehr wäre 
es zu wünschen, daß unsere Seelen gleich Ihm mit Vertrauen 
sagen möchten: „mi r wir d nicht s mangeln . Er 
lager t mic h au f grüne n Auen , e r führ t 
mic h z u stille n Wassern. " Er gibt uns Seinen 
Frieden und will, daß Seine Freude völlig in uns sei, und 
wenn ich mich auf Seinem Wege befinde, Seine Stimme höre 
und ihr folge, so wird es sich gewiß als eine natürliche Folge 
der Pflege des guten Hirten erweisen, daß ich grüne Auen 
und stille Wasser an einem Ort finde, wo nach menschlichen 
Begriffen nur Sand und Dürre zu erwarten ist. 
„ E r ruf t Sein e eigene n Schaf e mi t Name n 
u n d führ t si e heraus " (Joh 10, 3). Trotz allem, 
was der Mensch aufgeboten hat, um Ihm den Eintritt zu 
verwehren, hat Ihm dennoch der Türhüter aufgetan, damit 
Er Seine eigenen Schafe herausführen kann. Und wohin? In 
die Wüste, in ein ödes, dürres, wasserloses Land, wo selbst 
12 
Er, Der vom Himmel kam, weder grüne Auen noch stille 
Wasser fand. Aber hier geht Er, der gute Hirte, vor ihnen 
her; Er ist der Fels in der Wüste, und Er erquickt die durstenden Schafe, die in Abhängigkeit des Herzens Seine 
Stimme hören und Ihm folgen. Wollen sie in der Wüste 
etwas finden, so müssen sie beim Felsen bleiben. 
In der Tat, wenn der Glaube nicht tätig ist, um die Pflege 
des guten Hirten würdigen zu können, dann finden wir statt 
der grünen Auen nur eine dürre, öde Sandfläche, die weder 
Nahrung noch erquickende Ruhe bietet. In einem solchen 
Fall können wir versichert sein, daß wir an Plätzen suchen, 
wohin Jesus uns nicht geführt hat. Nur der Glaube versteht, 
daß unser Glück weder von Menschen noch von Umständen 
abhängig ist, sondern von Jesus allein. Der Jude stand nicht 
unter dem Schutze des guten Hirten, sondern hinter der 
„Zwischenwand der Umzäunung", es war das „Gesetz der 
Gebote in Satzungen" (Eph 2, 14. 15); es waren hohe Mauern, die die Wölfe nicht zu erklimmen vermochten. Nicht in 
dieser Weise beschirmt Jesus Seine Schafe. Er führt sie heraus, 
und nichts kann sie vor den Angriffen des Feindes bewahren, 
als die Obhut des guten Hirten Selbst. In Joh 10 finden wir 
als den vornehmsten Gedanken, daß Jesus der Schutz und 
das Teil seiner Schafe ist; „sie hören seine Stimme und folgen 
ihm". Warum hörte man auf, ein Jude zu sein? Weil man 
die Stimme Jesu hörte. Das Schaf kennt vielleicht nicht die 
Richtung des neuen Weges, aber es hört Seine Stimme, und 
das ist hinre'chend. Gott sprach zu Abraham: „Gehe aus 
deinem Lande". Und wohin? „in ein Land, das ich dir zeigen 
werde". — Christus geht voran, und das wird wohl genügen. 
Wenn Christus vor mir hergeht, habe ich alles, was ich 
bedarf; und wenn Er mich in einer Wüste weiden will, so 
hat er dazu Seine guten Gründe. 
Seine Schafe „folgen ihm". Etwa darum, weil der Weg gut 
ist? Keineswegs; aber es ist Seine Stimme, und wer sie hört, 
hat selbst wenn Wölfe sich zeigen, keinen Grund, besorgt 
oder ängstlich zu sein. In der Gefahr ergreift das Kind die 
Hand der Mutter, und dadurch wird alle Furcht verscheucht, 
weil diese Hand für seine Verteidigung sorgt. „Einem Frem13 
den aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm 
fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen" 
(Joh 10, 5). Ein Kind verbirgt sich vor einem Fremden, nicht 
weil es weiß, wer er ist, sondern weil es hört, daß es weder 
des Vaters noch der Mutter Stimme ist; und eben weil es 
sich klein und schwach fühlt, will es beschützt sein. So 
schwach auch eine Seele sein mag, so erkennt sie doch die 
Stimme des guten Hirten, und wenn ein Fremder sie an sich 
zu locken sucht, so sagt sie: „Nein, das ist nicht die Stimme 
meines Hirten". 
„Ic h bi n di e Tür ; wen n jeman d durc h 
mic h eingeht , s o wir d e r errette t werde n 
u n d wir d ein - un d ausgehe n un d Weid e 
finden " (Joh 10, 9). Habe ich den Herrn als die Tür 
gefunden, so ist Errettung und völlige Freiheit mein Teil. Er 
ist die Tür zum Ein- und Ausgehen. Habe ich erkannt, daß 
das Wort Jesu meine Nahrung ist, so ist die Tür offen, um 
einzutreten; ich befinde mich dann auf den grünen Auen. 
Habe ich erkannt, daß die unerschöpfliche, unversiegbare 
Quelle unseres Glückes, unserer Freude und unserer Ruhe nur 
in Ihm ist, so gehe ich zu Ihm hinaus und folge seinen 
Schritten, wohin Er auch gehen mag. Aber draußen ist die 
Wüste, und Gott will nicht, daß wir hienieden in den Umständen, in den Menschen oder in uns selbst die stillen 
Wasser suchen. Er führt uns in die Wüste, um uns zu, zeigen, 
daß es undenkbar ist, das Glück, die Freude und die Ruhe 
außer Jesu zu erlangen. Der Herr Jesu stellt Seine Schafe 
dem Vater gegenüber in dieselbe Stellung, in der Er Ihm 
gegenüber steht. Und wie bei Ihm es nicht die Umstände 
waren, die Seine Freude ausmachten und Ihm Erquickung und 
Ruhe gaben, so auch bei Seinem Schaf nicht, und es ist in der 
Tat eine große Barmherzigkeit, daß wir ohne Jesus nichts finden. In dieser Stellung erfahren wir, daß der Genuß wahrer 
Segnungen nur von einer treuen Nachfolge und einem steten 
Hinschauen auf den voranschreitenden Hirten abhängt. Wir 
wissen dies, geliebte Brüder, und dennoch sind unsere Herzen so sehr geneigt, sich mit anderen Gegenständen zu 
beschäftigen, und sind unaufhörlich bemüht, grüne Kräuter 
14 
ohne Jesus, und Erfrischungen fern von der wahren Quelle 
zu suchen. Ohne den guten Hirten aber gibt es weder „grüne 
Auen" noch „stille Wasser", ohne Ihn findet die Seele nichts 
als eine öde, dürre, wasserleere Wüste. Möchten wir dies 
doch immer beachten, da wir nur im steten, unbeirrten Hinschauen auf den guten Hirten sagen können: „mir wird nichts 
mangeln!" 
„ E r erquick t mein e Seele , e r leite t mic h 
i n Pfade n de r Gerechtigkei t u m seine s 
Namen s willen . Auc h wen n ic h wandert e 
im Tal e de s Todesschattens , fürcht e ic h 
nicht s Übles , den n d u bis t be i mir ; dei n 
Stecke n un d dei n Stab , si e tröste n mich. " 
— Der Herr Jesus befand sich in Not und Gefahr, aber bei 
Ihm gab es nie eine Unterbrechung der Gedanken an Seinen 
Vater durch die Leiden die Er erduldete. Unsere Herzen seufzen oft über die Schwierigkeiten und Mühen unseres Weges. 
Der Herr Jesus tat es nie; Er schaute nach oben, und trotz 
aller Widersprüche um Ihn her konnte Er stets mit erquickter 
Seele sagen: „Er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit". Der 
vollkommene Wille Gottes war vor Ihm und in völligem Gehorsam beugte er sich unter ihn. Und wo hat Er dies gelernt? 
In den Schwierigkeiten Seines Weges, auf dem rauhen, steilen 
Pfade dieser Wüste. Angesichts der Macht des Widersachers 
konnte Er sagen: „Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts 
meiner Feinde".—Gott war da und bereitete den Tisch zu. Und 
so ist es auch heute noch. Wenn der Feind und sein Heer die 
äußersten Anstrengungen machen, um uns in den Weg zu 
treten und uns nichts als Entbehrungen aller Art finden zu 
lassen, so werden wir doch stets die Erfahrung machen, daß 
Christus in vollkommener Gnade da ist, um uns einen „Tisch 
zu bereiten". Welch eine dankenswerte Fürsorge! 
Es ist sehr belehrend zu sehen, daß das Manna beim Einzug 
der Kinder Israel in das Land Kanaan aufhörte, und zwar 
nach der Passahfeier zu Gilgal. Aber Gott bereitete den Tisch, 
und das Volk aß angesichts seiner Feinde. Ebenso vermag die 
Gegenwart unserer Feinde uns nicht des Genusses unserer 
Segnungen zu berauben. Es mögen viele Schwierigkeiten, Verls 
suchungen und selbst Kämpfe wider die Fürstentümer und 
geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen örtern 
vorhanden sein, — was schadet es uns, wenn Gott mit uns 
ist und uns den „Tisch bereitet"? Nicht weil das Meer bewegt 
war, hatte Petrus Mühe, sich darauf zu halten, sondern weil 
sein Blick nicht auf Jesus gerichtet war; und sicher wäre der 
kleingläubige Jünger gesunken, wenn auch das Meer noch so 
ruhig gewesen wäre. Ebenso werden selbst unsere gesegnetsten Erfahrungen nutzlos und ohne Einfluß auf den Zustand 
unserer Herzen sein, wenn wir nicht in jeder Lage auf Jesus 
schauen. Oft bewirken neun Zehntel unserer Gedanken nur 
Unnützes, aber welch gesegnete Resultate würden sich zeigen, wenn nur Jesus ihr einziger Gegenstand wäre? 
Dies alles soll uns zeigen, daß wir ohne Jesus nichts vermögen, und daß wir Ihn auf unserem Wege nicht einen 
einzigen Augenblick entbehren können. Wir befinden uns in 
einer Stellung, wo das Fleisch nichts auszurichten vermag, 
und wo wir ohne Jesus keinen Schritt tun können. Die Folge 
davon ist nicht, daß wir uns in einer angenehmen Lage 
befinden, sondern daß wir das Bewußtsein haben, mit Jesu 
verbunden zu sein, und Ihn als unser, und uns als Sein 
Eigentum betrachten zu dürfen. Er sieht uns an wie Sich 
Selbst, und also mit den Seinigen vereinigt, ruft Er ihrem 
Verfolger die Worte zu: „Warum verfolgst du. mich?" Was 
vermag Satan gegen einen solchen mächtigen, mitleidigen 
und guten Hirten, aus Dessen Händen uns niemand rauben 
kann? Alle Anstrengungen des Feindes können nur die Wirkung haben, uns näher zu Jesus zu treiben, Seine Gemeinschaft zu genießen und frohlockend auszurufen: Mei n Be -
che r fließ t über! " Im Genuß Seiner Liebe werden 
alle unsere Bedürfnisse gestillt und die Neigungen des Fleisches getötet und zum Schweigen gebracht. Welch ein Segen, 
bei Jesus zu sein, Ihn zu schauen und zu genießen, und in 
Ihm alles zu finden, was unsere Freude völlig macht. „Für -
wahr , Güt e un d Hul d werde n mi r folge n 
all e Tag e meines Lebens!" Gott hat für alle Tage meines 
Lebens alles entschieden und in Ordnung gebracht. Ich trage 
Sein Siegel. Er schirmt und schützt mich, und meine Vereini16 
gung mit Ihm hat die gesegnete Folge, daß Er mich an stillen 
Wassern erquickt und mich unaussprechliche, unveränderliche 
Segnungen genießen läßt. Wenn Er uns hinausgeführt hat 
und wir das Bewußtsein haben, unter Seinem Schutze zu 
stehen, so ist es ganz klar, daß wir mit Ihm draußen sind, 
denn wir hören Seine Stimme und sind in völliger Ruhe. 
Was haben die tobenden Stürme und die donnernden Meereswogen zu sagen? „Herr, wenn Du es bist, so kann ich wandeln!" 
Um aber zu. wissen, ob wir in Seiner Gemeinschaft sind, ist 
es durchaus nötig, daß wir uns praktisch darin befinden; und 
gerade wenn der Glaube geprüft wird, sind wir am glücklichsten und können in der Wüste unerschrocken unsere 
Pfade verfolgen, weil Jesus unser Schutz und Schirm ist. Und 
sollte unsere Pilgerfahrt wie bei den Kindern Israel auch 
einen Zeitraum von 40 Jahren umfassen, so werden wir doch 
gleich ihnen am Ende der Laufbahn die Überzeugung gewinnen, daß „das Kleid nicht zerfallen und der Fuß nicht geschwollen ist". 
Möchten wir doch alle die köstliche Erfahrung machen, daß 
in Seiner Gegenwart kein Leid, kein Kampf zu mühsam und 
zu schwer ist, und möchten wir stets Ihn und mit Ihm alles 
genießen! 
Die beiden Bande 
Es gibt zwei sehr wichtige Bande im christlichen Leben, die 
wir zu verstehen suchen sollten, nämlich 1. das Band des 
ewigen Lebens und 2. das Band der persönlichen Gemeinschaft. Diese Bande dürfen wegen ihrer völligen Verschiedenheit nie miteinander vermengt, und wegen ihrer innigen 
Verbundenheit nie voneinander getrennt werden. Jenes ist 
der Grund unserer Sicherheit, dieses die geheime Quelle 
unserer Freude und unserer Kraft. Jenes Band kann nie zerrissen werden, dieses jedoch aus dem kleinsten Anlaß. Da wir 
von dem unschätzbaren Wert dieser Bande überzeugt sind, 
wollen wir sie ehrfurchtsvoll und mit Gebet im Lichte des 
Wortes Gottes einer näheren Prüfung unterziehen. 
17 
Im Blick auf das erste kostbare Band, das des ewigen Lebens, 
können wir nichts besseres tun als einige kleine Schriftstellen 
anführen, die uns zeigen, woher dieses Band kommt, was es 
ist, und wann und wie es gebildet wurde. 
Dazu ist vor allem nötig, daß man „aus Wasser und Geist 
geboren" ist, denn der natürliche Mensch versteht nichts von 
diesem Bande. „Was aus dem Fleische geboren ist, ist 
Fleisch". Es mag bei einem Menschen vieles vorhanden sein, 
was liebenswürdig ist: ein wertvoller Charakter, große Freigebigkeit, strenge Rechtschaffenheit, aber das ist kein ewiges 
Leben. Mag man die Natur auch erziehen und veredeln, so 
kann man doch nie das große Band des ewigen Lebens hervorbringen. Man mag sie sittlich weise und religiös machen, 
aber solange es sich um die bloße Natur handelt, fehlt das 
ewige Leben. Man mag die besten moralischen Tugenden 
auswählen und sie in einer Person vereinigen, aber darum 
hat diese Person noch keinen einzigen Pulsschlag des ewigen 
Lebens in sich verspürt. Nicht daß diese Tugenden und Eigenschaften an und für sich nicht gut und wünschenswert sind; 
im Gegenteil ist alles, was in der Natur sittlich und gut ist, 
nach seinem eigenen Werte zu schätzen. Wer wollte auch nur 
e
:
nen Augenblick lang einen nüchternen, tätigen, liebenswürdigen und sittlich ernsten Mann mit einem trunkenen, 
trägen und störrischen Verschwender auf die gleiche Stufe 
stellen? Vom menschlichen und sittlichen Gesichtspunkt gibt 
es hier einen auffälligen, sehr wesentlichen Unterschied, aber 
dennoch können wir weder durch die besten Tugenden noch 
durch die edelsten Eigenschaften der alten Schöpfung einen 
Platz in der neuen erwerben. Wir können d;
e Vortrefflichkeiten des ersten Adam, auch wenn diese allesamt in einer 
Person vereint wären, keineswegs mit dem letzten Adam 
vereinbaren. Der alte und der neue Mensch, der erste und 
der letzte Adam, sind völlig verschieden voneinander. „Was 
aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem 
Geiste geboren ist, ist Geist". — „Daher, wenn jemand in 
Christo ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden". 
18 
Nichts ist deutlicher, nichts ist aber auch entscheidender als 
die zuletzt angeführte Stelle aus 2. Kor 5. „Das Alte" — 
was es auch sein mag — „ist vergangen". Es wird als etwas 
betrachtet, das in der neuen Schöpfung, in der „alles von 
Gott" ist, keinen Platz findet. Das alte Fundament ist weggerückt, und in der Erlösung sind neue Fundamente gelegt 
worden. „Alles ist neu geworden." — „Alles aber von . . . 
Gott". Die „Gefäße" der alten Schöpfung sind beiseite geworfen und die Gefäße der Begnadigung an ihren Platz gestellt 
worden. Das „Gewand" der alten Schöpfung ist weggeworfen und durch das neue, fleckenlose Kleid der Erlösung 
ersetzt worden. An diesem feinen Kleid kann die Hand des 
Menschen weder einen Faden weben, noch eine Masche 
stricken. Wie wissen wir das? Wie können wir das mit 
solcher Zuversicht und Festigkeit behaupten? Weil die mit 
göttlicher Autorität versehene und darum entscheidende 
Stimme der Heiligen Schrift erklärt, daß in der neuen 
Schöpfung „alles . . . von . . . Gott" ist. Der Herr sei dafür 
gepriesen! D:
es ist es, was alles so sicher macht und alles 
ganz außerhalb des Bereiches der Macht des Feindes steht. 
Er kann niemanden und nichts in der neuen Schöpfung antasten. Der Tod ist die Schranke für die Herrschaft Satans; 
das Grab bildet die Grenze seines Reiches. Aber auf der 
anderen Seite des Todes beginnt die neue Schöpfung. Sie 
zeigt unseren entzückten Blicken die Himmelsseite jener 
Gruft, in der der Fürst des Lebens begraben lag; sie läßt um 
uns herum die glänzenden Strahlen ihrer Herrlichkeiten auf 
einem Schauplatz hervorströmen, zu dem der Tod keinen 
Zutritt hat, wo Sünde und Trauer unbekannt sind, und wo 
weder das Zischen der Schlange gehört noch ihre hassenswürd;
ge Spur gesehen wird. „Alles aber von . . . Gott". 
Ein klares Verständnis der neuen Schöpfung würde gewiß 
eine Menge Schwierigkeiten und Verlegenheiten beseitigen 
und d e Dinge erstaunlich vereinfachen. Aber was entdecken 
wir, wenn wir betrachten, wozu die religiöse Welt oder die 
bekennende Kirche sich berufen glaubt? Eine gewaltige Anstrengung, um den Menschen in seiner Adams-Natur, oder 
im Zustande der alten Schöpfung zu vervollkommnen. 
19 
Menschenliebe, Wissenschaft, Philosophie, Religion — alles 
dies wird aufgeboten, um den Menschen auf das höchstmöglichste moralische Niveau zu erheben. Was meinen die 
Menschen, wenn sie, wie dies oft geschieht, von „Massenveredlung" reden? Was können sie mit ihren Versuchen 
erreichen? Bis zu welchem Punkt können sie die Massen 
„veredeln"? Können sie sie zur Höhe der neuen Schöpfung 
erheben? Keineswegs, denn in dieser Schöpfung ist „alles . . . 
von . . . Gott." 
Aber wer oder was sind diese Menschen, die sie zu veredeln 
trachten? Sind sie aus dem Fleische geboren, oder aus dem 
Geiste? Doch unleugbar aus dem Fleische. Aber: „Was aus 
dem Fleische geboren ist, ist Fleisch." Man mag das Fleisch 
so hoch wie möglich erheben und den stärksten Hebel ansetzen, um das zu erreichen. Man mag erziehen, veredeln, 
verfeinern, soviel man will. Wissenschaft, Philosophie, Religion und Menschenliebe mögen alle ihre Macht aufbieten, — 
und was geschieht? Das Fleisch läßt sich nicht in Geist umwandeln, man kann es nicht in die neue Schöpfung bringen, 
man kann nicht das erste, große Band des ewigen Lebens 
hervorbringen. Man hat also nichts erreicht zum Besten des 
Menschen, für sein ewiges, geistliches Wohl. Man hat ihn in 
seinem adamitischen Zustand, auf dem Boden der alten 
Schöpfung gelassen, und damit in seinen Neigungen, Verantwortungen, Sünden und Missetaten. Nach wie vor ist er 
dem gerechten Zorn eines die Sünde hassenden Gottes ausgesetzt. Man mag ihn, was seine Vergehungen betrifft, veredelt haben, aber dennoch ist er so sündig und schuldig wie 
vorher. Die Veredelung kann die Schuld nicht wegrücken, die 
Erziehung nicht die Sünde auslöschen, und die Sittenverbesserung kann nicht die dunklen und schweren Wolken 
von Tod und Gericht aus dem Blickfeld des Menschen beseitigen. 
Man möge uns nicht mißverstehen. Wir legen gewiß keinen 
zu geringen Wert auf Erziehung und Zivilisation, wahre 
Menschenliebe und Wahrheitsliebe. Im Gegenteil, wir achten sie nach ihrem wahren Wert als das, was sie sind. Wir 
sind bereit, alle diese Dinge an ihrem Ort anzuerkennen, 
20 
aber nachdem wir dieses getan haben, kehren wir mit verdoppeltem Nachdruck zu unserer Behauptung zurück, daß 
durch die „Massenveredelung" etwas veredelt wird, was 
keine Existenz vor Gott, keinen Platz in der neuen Schöpfung 
hat. Wir wiederholen mit allem Nachdruck, daß, solange die 
Seele nicht in die neue Schöpfung geführt ist, im Hinblick auf 
die Ewigkeit, den Himmel und Gott nichts für die Seele getan 
ist. Wohl kann man dem Menschen den Weg durch diese 
Welt ebnen, alles Bittere von diesem Weg entfernen, das 
Fleisch trügerisch in Üppigkeit und Wohlleben wiegen, man 
kann ihm Ehren aller Art zukommen lassen, seinen Namen 
mit vergänglichen Titeln schmücken, aber trotz allem bleibt 
er in seinen Sünden und unter der Drohung des Todes und 
der ewigen Verdammnis. Wenn das erste große Band, das des 
ewigen Lebens, nicht hergestellt ist, ähnelt die Seele einem 
Schiff ohne Anker, das ohne Steuer und Kompaß auf dem 
Ozean umhergeworfen wird. 
Wir wünschen von ganzem Herzen, der Leser möge seine 
volle Aufmerksamkeit auf diesen Punkt richten, denn er hat 
große praktische Bedeutung. Wir glauben, daß es kaum 
irgend eine Wahrheit gibt, der der Teufel mächtiger und 
beständiger widersteht, als die Wahrheit von der neuen 
Schöpfung. Er erkennt sehr wohl ihren mächtigen sittlichen 
Einfluß, ihre Macht, die Seele von den gegenwärtigen Dingen 
zu erheben und ein Abgestorbensein gegenüber der Welt 
und eine praktische Erhebung über die zeitlichen und sinnlichen Dinge zu bewirken. Daher seine Anstrengungen, die 
Menschen stets an die fruchtlosen Versuche zu ketten, die 
Natur zu veredeln und die Welt zu vervollkommnen. Er 
erhebt keinen Widerspruch gegen die Sittlichkeit oder gegen 
die Religion in allen ihren Formen. Er bedient sich ja gerade 
des Christentums als eines Mittels zur Veredelung der alten 
Natur. Es ist ihm wirklich als sein Meisterstück anzurechnen, 
die christliche Religion als einen „neuen Flicken" auf das 
„alte Kleid" der gefallenen Natur zu heften. Man kann tun, 
was einem beliebt, wenn man nur den Menschen in seiner 
alten Schöpfung beläßt, denn Satan weiß sehr wohl, daß der 
Mensch in seinen Krallen bleibt, solange man ihn dort läßt. 
21 
Alles in der alten Schöpfung ist in der Gewalt Satans und 
damit im Bereich seiner Pfeile. Alles in der neuen Schöpfung 
steht außerhalb seines Machtbereichs. „Der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an". Es 
wird nicht gesagt, daß der Gläubige sich bewahrt und nicht 
vom Bösen angetastet wird. Der Gläubige ist ein zusammengesetztes Wesen, das aus zwei Naturen besteht, der alten 
und der neuen, dem Fleisch und dem Geist. Wenn er nun 
nicht wachsam ist, so wird ihn der „Böse" bald antasten, 
ihn umwerfen und zu seinen Zwecken gebrauchen. Aber die 
göttliche Natur, die neue Schöpfung, kann nicht angetastet 
werden, und solange wir in der Kraft der göttlichen Natur 
wandeln und die Atmosphäre der neuen Schöpfung einatmen, 
sind wir völlig sicher vor allen Angriffen Satans. 
Wir wollen jetzt weiter untersuchen, wie wir in diese neue 
Schöpfung hineingelangen, wie wir in den Besitz der göttlichen Natur kommen, und wie dieses Band des ewigen 
Lebens hervorgebracht wird. Einige Stellen aus dem Worte 
Gottes werden uns hierüber genügend belehren. „Also hat 
Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, 
auf daß jeder, de r a n ih n glaubt , nicht verloren 
gehe, sondern ewige s Lebe n habe" (Joh 3, 16). Möge 
sich der Leser diese Worte merken und namentlich die Verbindung: „an ihn glauben" und „ewiges Leben haben". Der 
einfache Glaube ist also das Band. Durch den Glauben gehen 
wir aus der alten Schöpfung und allem, was dazu gehört, in 
die neue Schöpfung mit allen ihren Segnungen. Das kostbare 
Geheimnis der Wiedergeburt ist also der Glaube, der in der 
Seele bewirkt wird durch die Gnade Gottes, des Heiligen 
Geistes — der Glaube, der Gott bei Seinem Wort nimmt und 
der besiegelt, daß Gott wahrhaftig ist, ja, der Glaube, der die 
Seele mit dem auferstandenen Christus, dem Haupt und dem 
Anfang der neuen Schöpfung verbindet. 
In einer anderen Schriftstelle lesen wir: „Wahrlich, wahrlich, 
ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der 
mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins 
Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen" (Joh 5, 24). Wieder finden wir dieselbe Verbin22 
düng von Glauben und ewigem Leben. Nichts kann einfacher 
sein. Durch die natürliche Geburt treten wir in die alte 
Schöpfung ein und werden Erben alles dessen, was zum 
ersten Adam gehört. Durch die Wiedergeburt treten wir in 
das Reich der neuen Schöpfung ein, und werden die Erben 
alles dessen, was dem letzten Adam angehört. Wenn man 
fragt, welches das Geheimnis oder das große Rätsel dieser 
geistlichen Geburt sei, dann lautet die Antwort: der Glaube. 
Wenn der Leser also an Jesus glaubt, wie es die oben angeführten Schriftstellen ausdrücken, dann gehört er zur neuen 
Schöpfung. Er ist dann durch ein unauflösliches Band mit 
Christus verbunden. Ein solcher kann nicht verloren gehen. 
Keine Macht der Erde oder der Hölle, keine Macht der Menschen oder Teufel kann je dieses Band des ewigen Lebens 
zerreißen, das alle Glieder Christi mit ihrem auferstandenen 
und verherrlichten Haupt untereinander vereinigt. 
Möge es sich der Leser ganz besonders merken, daß wir in 
bezug auf das Band des ewigen Lebens und auf seine Bildung stets die Gedanken Gottes an die Stelle unserer 
eigenen Gedanken setzen müssen und stets unter der ausschließlichen Herrschaft des Wortes Gottes und nicht unter 
der Herrschaft unserer eitlen Vernunftschlüsse, unserer 
törichten Einbildungen und unserer stets wechselnden Gefühle se;
n müssen. Außerdem müssen wir eine Verwechslung 
der beiden zu Anfang genannten Bande, die, obschon sie innig verbunden, dennoch völlig verschieden sind, mit Sorgfalt 
vermeiden. Wir dürfen um keinen Preis ihre Plätze verrükken, sondern müssen sie in ihrer göttlichen Ordnung stehen 
lassen. Das erste Band (das des ewigen Lebens) hängt nicht 
von dem zweiten (dem der persönlichen Gemeinschaft) ab, 
aber das zweite entspringt aus dem ersten. Dennoch ist das 
zweite ebenso ein Band wie das erste, aber eben das zweite, 
nicht das erste. Das erste Band kann selbst Satan mit all 
seiner Macht und seiner Bosheit nicht zerstören; das Gewicht 
einer Feder kann das zweite zerreißen. Das erste Band bleibt 
für immer bestehen, das zweite kann in einem Augenblick 
zunichtegemacht werden. Das erste Band verdankt seine 
Beständigkeit dem am Kreuze vollbrachten Werke Christi 
23 
f ü r uns , das zweite hängt von der Wirksamkeit des 
Heiligen Geistes i n un s ab, einer Wirksamkeit, die wir im 
Laufe eines einzigen Tages durch tausend Dinge verhindern 
können, und es leider auch oft tun. Das erste Band ist gegründet auf den Sieg Christi fü r uns , das zweite auf 
den Sieg des Heiligen Geistes i n uns . 
Wir sind fest davon überzeugt, daß unzählige Christen dadurch ins Wanken gebracht werden, weil sie auf Grund der 
häufigen Unterbrechungen des Bandes und der persönlichen 
Gemeinschaft an der Wirklichkeit und Beständigkeit des 
Bandes des ewigen Lebens zweifeln. Es geschieht etwas, wodurch das zweite Band zerrissen wird und plötzlich beginnen 
sie, die Existenz des ersten in Frage zu stellen. Das ist sicher 
ein Irrtum, aber er dient nur dazu, uns die hohe Wichtigkeit 
einer heiligen Wachsamkeit in unserem täglichen Leben vor 
Augen zu stellen, so daß das Band der persönlichen Gemeinschaft durchaus nicht durch Sünde in Gedanken, Worten und 
Werken zerrissen wird. Wenn es aber zerrissen sein sollte, 
muß es augenblicklich durch ein auf den Tod und die Fürsprache Christi gegründetes Selbstgericht und Bekenntnis 
wiederhergestellt werden. Es ist eine unleugbare, durch die 
traurigen Erfahrungen tausender wahrer Gläubiger bestätigte 
Tatsache, daß das erste Band unmöglich verwirklicht werden 
kann, wenn das zweite zerrissen ist. Aber obwohl dies von 
großer Wichtigkeit für uns ist, ist es in Wirklichkeit eine 
untergeordnete Sache, denn die Unterbrechung unserer Gemeinschaft ist nur gering im Vergleich zu der Verunehrung 
des Namens Jesu und der Betrübnis des Heiligen Geistes, zu 
denen diese Unterbrechung die Ursache war. 
Möchte der Geist Gottes mächtig in uns wirken und uns zu 
Wachsamkeit, Gebetstreue, Ernst und Aufrichtigkeit anspornen, damit unsere Gemeinschaft durch nichts unterbrochen 
werde, und wir die beiden Bande in ihrem Verhältnis zueinander mit der Gewißheit der Beständigkeit unseres Friedens 
in Ihm und reinem, unbefleckten Wandel vor Ihm zu Gottes 
Verherrlichung erkennen und genießen. 
24 
Ein Ohr und ein Herz für Jesus und Sein Wort 
Nichts ist für den Gläubigen von größerer Wichtigkeit, als 
ein Ohr und ein Herz für Jesum und Sein Wort zu haben. 
Das würde uns manche Traurigkeit und manche Täuschung 
ersparen und uns viel Erquickung und Freude bereiten. Auf 
das „Aufmerken" und „Gehorchen" legt der Herr ein ganz 
besonderes Gewicht, und beides werden wir in dem Maße 
üben, wie unser Ohr und Herz für den Herrn und Sein 
Wort geöffnet sind. 
Zum Beweise dieser Behauptung will ich einige Beispiele 
anführen, und zwar aus dem Leben der Jünger während 
ihres Umgangs mit dem Herrn Jesus auf Erden. Das erste 
Beispiel lesen wir in Mk 8,17: „Und als Jesus es erkannte, 
spricht er zu ihnen: Was überlegt ihr, weil ihr keine Brote 
habt? Begreifet ihr noch nicht und verstehet auch nicht? Habt 
ihr euer Herz noch verhärtet? Augen habt ihr und sehet 
nicht? Und Ohren habt ihr und höret nicht?" — Der Herr 
wurde zu diesen Fragen an die Jünger veranlaßt, weil sie 
meinten, daß die Warnung vor dem Sauerteig der Pharisäer 
und Schriftgelehrten aus dem Grunde geschehen sei, weil 
sie vergessen hatten, Brote mitzunehmen. Soeben hatte die 
wunderbare Speisung der 4000 Männer mit wenigen Broten 
und Fischen stattgefunden, und im Hinblick darauf stellt der 
Herr diese Fragen. Hätten die Jünger Augen gehabt, um zu 
sehen, und ein Herz, um zu verstehen, dann wären sie sicher 
nicht auf den Gedanken gekommen, daß der Herr sie ermahnte, weil sie einige Brote vergessen hatten. Sie hatten 
jedoch aus allem, was geschehen war, noch nicht erkannt, wer 
Jesus war, und darum sagte Er: „Habt ihr euer Herz noch 
verhärtet?" Und weiter fragte der Herr: „Als ich die fünf 
Brote unter die fünftausend brach, wie viele Handkörbe voll 
Brocken höbet ihr auf? Sie sagen zu ihm: Zwölf. Als aber 
die sieben unter die viertausend, wie viele Körbe, mit Brocken 
gefüllt, höbet ihr auf? Sie aber sagten: Sieben." — Wie beschämend waren ihre eigenen Antworten für sie! Wie beschämend, beim Anschauen einer solchen Fülle noch bekümmert zu sein wegen einiger Brote! Wie beschämend, in der 
25 
Gegenwart Dessen zu sein, Der bewiesen hatte, daß es für 
Ihn dasselbe war, ob der Vorrat aus sieben oder aus fünf 
Broten bestand, und dann noch zu fragen: „Sollte es auch 
sein, weil wir vergessen haben, Brote mitzunehmen?" War 
Er nicht da, Der nur auszuteilen befahl, und Der sicher nicht 
eher ruhte, bis alle gesättigt waren? So lange noch ein Bedürfnis war, wurde die Vorratsscheuer nicht geschlossen. Ein 
sehnendes Auge hätte bemerkt, daß das meiste gerade dann 
übrigblieb, als das wenigste vorhanden war. Wie wenig 
hatten daher ihre Herzen noch verstanden, was Jesus war 
und was Er tat! Doch sehen wir in ihnen nicht unser eigenes 
Bild? Fehlt auch uns nicht oft ein hörendes Ohr und ein 
verständiges Herz? Wie oft haben wir die Macht des Herrn 
gesehen, wie oft erfahren, daß Er geholfen hat, wo es uns 
unmöglich schien! Und dennoch, wie oft ist es geschehen, daß 
wir kurz nach solchen Erfahrungen beschwert und bedrängt 
um uns schauten, wenn sich die kleinste Widerwärtigkeit 
zeigte! Wurde da nicht offenbar, daß wir noch stets dasselbe 
Herz hatten, das immer dieselbe Frage erhebt: „Wie soll ich 
durchkommen?" Möchten wir doch erkennen, was Jesus ist, 
damit unser Auge sich für Seine Fülle öffne! Dann werden 
wir erfahren, daß die Gegenwart eines solchen Herrn völlig 
genügend ist. 
Das zweite Beispiel finden wir in Joh 14, wo der Herr Seine 
Jünger über Seinen Hingang zum Vater belehrt. In Vers 5 
lesen wir: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst, und wie 
können wir den Weg wissen"? und in Vers 9: „So lange Zeit 
bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? 
Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen, und wie sagst 
du: Zeige uns den Vater"? — Hier sehen wir, daß die 
Jünger nichts von dem Hingang Jesu zum Vater verstanden, 
und weder den Weg zum Vater, noch den Vater Selbst erkannten. Aber hatte der Herr Jesus nicht manches mal mit 
ihnen über den Vater gesprochen? Strahlt es aus Seinen 
Taten und Werken nicht deutlich hervor, daß der Vater in 
Ihm, und Er in dem Vater war? Hatte Er ihnen nicht zu verstehen gegeben, daß Er dorthin gehen würde, wo Er zuvor 
war? O ja, aber sie verstanden es nicht. Es waren himmlische 
26 
Dinge, über die Er mit ihnen sprach, und um himmlische 
Dinge zu verstehen, muß man ein himmlisch gesinntes Herz 
haben. Die Jünger lebten jedoch nur in der Erwartung, daß 
der Herr Seine Herrlichkeit auf der Erde offenbaren werde. 
Sie hatten nicht verstanden, daß Er sie in Verbindung mit 
dem Himmel und dem Vater gebracht hatte, und darum auch 
ihre Schritte dorthin lenkte. Sein Reich war nicht „von dieser 
Welt". Es war deshalb nicht verwunderlich, daß sie als völlig 
Unkundige vor Ihm standen, als Er mit ihnen über diese 
Dinge sprach. 
Ebenso ist es oft mit uns. Dieselben beschämenden Fragen 
muß der Herr auch oft an uns richten, wenn Er unsere Unwissenheit und unseren Unverstand bezüglich der himmlischen Dinge bemerkt. Auch wenn wir seit Jahren bekehrt 
sind, zeigt es sich nur zu oft, daß wir wegen unserer irdischen 
Gesinnung die himmlischen Unterweisungen des Herrn nicht 
verstehen können. Auch uns fehlt leider nicht selten ein 
himmlisch gesinntes Herz, das fähig ist, die ganze Herrlichkeit und Kostbarkeit der Verheißungen des Herrn zu fassen. 
Zwar reicht unsere Erkenntnis viel weiter als die der Jünger, 
und diese Erkenntnis mag uns drängen, dieselben Fragen zu 
stellen; aber wo ist das Herz, das sich jener herrlichen Stätte 
erfreut, die Jesus im Hause des Vaters bereitet? Wo ist das 
Herz, das die innige Vereinigung Jesu mit den Seinen offenbart? Wo ist das Herz, das die Freude des Herrn versteht, 
wenn Er zu den Seinigen sagt, daß Er sie zu Sich nehmen 
wolle, damit sie seien, wo Er ist? Wie sehr verrät unser tägliches Leben unsere geringe Erkenntnis des Vaters und Seiner 
Liebe zu uns! Der Grund dafür sind unsere irdischen Pläne 
und Erwartungen, die nicht gerade sündig zu sein brauchen, 
uns aber unfähig machen, himmlische Dinge zu verstehen, 
weil sie irdisch und weltlich sind. Wir brauchen deshalb nicht 
zu fragen, wohin ein Herz geleitet wird, das von allerlei 
weltlichen Überlegungen erfüllt ist. Ach, ein solches Herz 
kann nichts von Jesus und Seiner Liebe verstehen. 
Und wie verhielten sich die Jünger nach der Auferstehung 
des Herrn? Wir sehen sie traurig und in ihren Hoffnungen 
getäuscht. Maria klagt voll Trauer: „Sie haben meinen 
17 
Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben". Die enttäuschten Jünger sagen auf dem Wege 
nach Emmaus: „Wir aber hofften, daß er der sei, der Israel 
erlösen solle". Und bei Thomas zeigt sich ein Unglaube, der 
nur durch das Anschauen Dessen zu beseitigen war, von 
Dem die anderen bezeugten, daß Er auferstanden war. Ach, 
allen fehlte ein Ohr für das Wort des Herrn! Hatte der Herr 
nicht oft über sein Leiden und Sterben gesprochen? Hatte 
Er ihnen nicht oft gesagt, daß Er nach drei Tagen wieder auferstehen würde? Mußte Er die nach Emmaus wandernden 
Jünger nicht wegen der Trägheit ihres Glaubens zurechtweisen? Hätten sie ein Ohr für Sein Wort gehabt, dann wäre 
ihnen dies alles erspart geblieben und sie wären in diesem 
Augenblick, da der Fürst des Lebens bei ihnen war, mit 
Freude und Anbetung erfüllt gewesen. 
Aber so geht es oft. Wir hören nicht gern von Dingen, die zu 
unserer Natur und unserem Willen im Widerspruch stehen. 
So war es auch bei den Jüngern. Es war ganz gegen ihre 
Gedanken und gegen ihren Willen, daß der Herr leiden und 
sterben sollte. Auch wir würden uns viele Trübsale und 
Täuschungen ersparen, wenn wir beim Hören des Wortes des 
Herrn weniger mit unserer Natur und unserem Willen zu 
Rate gingen. Bezeugen es leider nicht unsere eigenen Erfahrungen, daß wir durch manche Prüfungen heimgesucht werden, denen wir sicher entgangen wären, wenn wir auf das 
Wort des Herrn gelauscht hätten? Ach, wie viele traurige 
Wege gibt es unter den Kindern Gottes, weil ihr Ohr für das 
Wort des Herrn verschlossen gewesen ist! Das Wort Gottes 
ist in Wahrheit unseres Fußes Leuchte, und wenn wir mehr 
auf ihren Schein achteten, würden wir nicht so viel im 
Finsteren umhertappen, sondern in manchen vorübergehenden 
Trübsalen eine Quelle von Freude finden. 
Doch wenn auch bei dem Umgang der Jünger mit dem Herrn 
ihre Unwissenheit und Schwachheit an den Tag tritt, so 
bemerken wir doch zugleich ihre Anhänglichkeit und Liebe 
zu Jesus. Zeugen auch ihre Tränen, ihre Traurigkeit und 
Verlegenheit von ihrer Unwissenheit, so zeugen sie nicht 
weniger von ihrer Anhänglichkeit an Jesus. Offenbaren sie 
28 
sich als Lehrlinge, die oft bei den Unterweisungen ihres 
Meisters große Unaufmerksamkeit zeigten, so stehen sie 
zugleich doch auch vor uns als solche, die ein Herz für Jesus 
haben, — ein Herz, das bereit war, alles zu verlassen und 
Ihm zu folgen, Der ihnen für dieses Leben keine Annehmlichkeiten bieten konnte. Wer unter uns fühlte nicht, daß wir 
uns in dieser Hinsicht nur wenig mit ihnen vergleichen 
können? Ach, hätten doch auch wir ein solches Herz für 
Christus, das bei allem, was geschieht, in Ihm den einzigen 
Gegenstand von wahrem Wert erkennt! 
Der Herr Jesus wußte, daß Er soviel bei ihnen galt, darum 
begegnete Er ihnen als der treue Hirte in ihrer Schwachheit, 
um ihre Tränen zu trocknen. Nicht einen einzigen Augenblick 
vergaß Er die Seinigen, und ihre Schwachheiten vermochten 
Seine Liebe nicht zu. schwächen. Er legte ihnen die Schriften 
aus, ohne daß ein Tadel über Seine Lippen kam. Welch ein 
Glück für uns, einen solchen Herrn zu haben! Keine Mängel 
und Gebrechen können unsere Gemeinschaft stören. Nur die 
Sünde kann es. Jede Unreinigkeit, welcher Art sie auch sein 
mag, verhindert den Herrn, uns zu begegnen. Trotz unserer 
Mängel und Schwachheiten kann Er mit uns reden, wie Er 
es mit den Jüngern auf dem Wege nach Emmaus tat, aber 
unsere Sünden müssen wir vor Ihm verurteilen und wegtun. 
Um unsere Gemeinschaft mit dem Herrn aufrechtzuerhalten, 
ist Reinheit die erste Bedingung. Verwechseln wir daher 
unsere Sünden nicht mit unseren Schwachheiten. Werfen wir 
aber auch unsere Zuversicht nicht weg, wenn wir unsere 
vielen Gebrechen und Schwachheiten sehen, sondern nehmen 
wir stets unsere Zuflucht zum Herrn, Der die Seinen nie abwies, sondern sie immer mit Langmut behandelte und ihnen 
in Liebe begegnete. 
Die drei verschiedenen Stellungen Davids 
Wir finden David im Laufe seiner ereignisreichen und sehr 
lehrreichen Geschichte in drei bemerkenswerten Stellungen. 
Wir sehen ihn am Boden liege n als Büßer, wir sehen ihn 
29 
sitze n als Anbeter, und wir sehen ihn stehe n als Diener. Aber wir sehen ihn n'cht nur, sondern wir hören ihn 
auch, was er in den verschiedenen Stellungen sagt, und beides 
ist höchst lehrreich für unsere Seelen. Möge der Heilige 
Geist uns befähigen, daraus Nutzen zu ziehen! Möge Er unsere Gedanken leiten, wenn wir Auge und Ohr richten auf 
den König David al s Büßer , Anbete r und Die -
ner . 
David als Büßer 
Als erstes sehen wir ihn als Büßer am Boden liegen: „Und 
Dav'd fastete und ging hinein und lag über Nacht auf der 
Erde" (2. Sam 12,16). Hier sehen wir ihn also am Boden 
liegen in der Stellung eines wahren Büßers. Der Pfeil der 
Überführung ist in sein Gewissen gedrungen. Das scharfe, 
durchdringende Wort Nathans: „Du bist der Mann!" ist mit 
göttlicher Macht in sein Herz gefallen, und mit gebrochenem 
Herzen und beschwertem Gewissen nimmt er im Staube seinen Platz vor Gott ein. 
Das ist seine Stellung und nun wollen wir seine Worte hören, die wir im 51. Psalm finden. Ach, welche Worte hören 
wir hier! Wie völlig stimmen sie mit seiner Stellung überein! 
„Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Güte; nach der Größe 
deiner Erbarmungen tilge meine Übertretungen!" — Das ist 
kein bloßer Schein. Der Büßer stellt seine Sünden neben die 
Güte und Erbarmungen Gottes. Er kann auch wirklich nichts 
Besseres tun. Der beste Platz für ein überführtes Gewissen 
ist die Gegenwart göttlicher Barmherzigkeit. Wo ein überführter Sünder und die Liebe Gottes sich begegnen, ist die 
Sündenfrage bald zum Abschluß gebracht. Es ist d*e Freude 
Gottes, Sünden zu vergeben. Er hat Freude an Erbarmen. 
Das Richten ist nicht Sein gewöhnliches Werk. Er bewirkt, 
daß wir die Sündhaftigkeit der Sünde fühlen, daß wir s:

richten, und daß wir sie hassen. Nie wird Er s:
e mit Schminke 
bedecken und „Frieden" rufen, wo kein Frieden ist. Er wird 
den Pfe'l, der überführen soll, mit allem Nachdruck senden. 
Aber, gepnesen sei Sein Name! dem Pfeil Seines Köchers 
folgt stets die Liebe Seines Herzens, und die Wunde, die der 
30 
Pfeil hervorgebracht hat, wird geheilt werden durch den 
kostbaren Balsam, den Seine Liebe anwendet. Wir sehen die 
Reihenfolge in den folgenden Worten: „Du bist der Mann!" 
— „Ich habe gegen Jehova gesündigt." — „So hat auch Jehova deine Sünde hinweggetan." 
Ja, mein teurer Leser, die Sünde muß im Gewissen gerichtet 
sein, und je gründlicher dieses Gericht ist, desto besser, ist 
die Wirkung des Gewissens oberflächlich, dann ist auch der 
Friede ein falscher. Ist das Gewissen durch die Wirkung des 
Wortes und des Geistes Gottes in seinen tiefsten Tiefen 
gründlich untersucht, dann wird auch bald die Frage der 
Sünde und der Gerechtigkeit erörtert und schließlich im 
Herzen in Ordnung gebracht werden. Wir haben darauf zu 
achten, daß Satan sich oft in einen Engel des Lichts verwandelt, und hinter dieser gefährlichen Maske ist es sein stetes 
Bemühen, unsere Seelen zu einer Art von falschem Frieden 
und falschem Glück zu führen und etwas bei uns hervorzurufen, das nicht auf das Kreuz, wo Gott für alle Bedürfnisse 
des Sünders vorgesorgt hat, gegründet ist. Wir sollten uns 
die wichtigen Worte aus dem Gleichnis vom Säemann tief 
einprägen: „Der aber auf das Steinichte gesät ist, dieser ist 
es, der das Wort hört und es alsbald mit Freuden aufnimmt; 
er hat aber keine Wurzel in sich, sondern ist nur für eine 
Zeit; und wenn Drangsal entsteht oder Verfolgung um des 
Wortes willen, alsbald ärgert er sich" (Mt 13, 20. 21). 
Merke dir die Worte: „Der .. . es alsbald mit Freuden aufnimmt." Dort finden wir kein gründliches Werk im Gewissen — kein moralisches Gericht über das Ich oder über die 
Sünde, und daher auch keine Wurzel, ke:
ne Kraft zum Ausharren. Dies ist sehr beachtenswert. Wir können nicht sorgfältig genug die Verbindung zwischen den Worten: „alsbald 
mit Freuden" — „keine Wurzel" — „es verdorrte" ins Auge 
fassen. Solche Gefahren sind vorhanden, wenn das Werk der 
Errettung bloß mit dem Verstand aufgefaßt wird und keine 
geistliche Wirkung im Gewissen hervorgebracht w
!
rd. Auf 
die freudigsten Bewegungen folgt dann bald eine völlige Erschlaffung. Die natürlichen Gefühle sind dann wachgerufen, 
aber die Wahrheit ist nicht ins Herz gedrungen. Die Wirkung 
31 
des Wortes hat keine Furchen gezogen, und wenn die Zeit 
der Trübsal kommt, ist daher keine Kraft zum Ausharren 
vorhanden. Alles erweist sich als ein oberflächliches Werk, 
das die sengenden Strahlen der Sonne nicht ertragen kann. 
Daraus soll nun nicht geschlossen werden, daß wir bei der 
Bekehrung ein übermäßiges Gewicht auf das Werk des 
Gewissens legen. Wir sind völlig überzeugt, daß Christus 
unsere Seelen rettet, und nicht die Weise, wie wir zu Ihm 
kommen, und überdies ist der wahre Grund des Seelenfriedens nicht eine gewisse Verrichtung oder Übung des 
Herzens oder des Gewissens oder des Verstandes. Es ist 
das göttlich wirksame Opfer des Sohnes Gottes, das das 
Gewissen reinigt und die überführte Seele mit Frieden erfüllt. Es ist die kraft der Autorität Gottes durch die Gnade 
des Heiligen Geistes empfangene Versicherung, daß die wichtige Frage der Sünde ein für alle Mal am Kreuze in Ordnung 
gebracht ist, und dadurch ist die Seele befreit und genießt 
einen Frieden, der ihr nie geraubt werden kann. 
Dies alles ist so klar, daß, wenn jemand zu uns sagen wollte: 
„Ich habe Frieden, weil ich so außerordentliche Gewissensübungen durchgemacht habe", wir ihm ohne Zögern erwidern 
müßten, daß er sich getäuscht habe. Keine Übung des Gewissens befriedigt jemals die Forderungen Gottes, und daher 
kann sie auch nicht das Verlangen einer erweckten Seele 
stillen. Christus ist alles; wenn wir Ihn haben, fehlt uns 
nichts mehr. Wir halten es für durchaus töricht, wenn jemand 
auf die Art und Weise seiner Bekehrung ein so großes Gewicht legt. Man gewährt dadurch dem Feinde einen Vorteil, 
den er sicher einmal benutzen wird, um das Vertrauen zu 
erschüttern. Der Grund des Friedens besteht nicht darin, daß 
jemand auf diese oder jene Weise bekehrt ist, daß er so tief 
gefühlt, so viel geweint, so stark gekämpft und so brünstig 
gebetet hat. Gewiß haben alle diese Dinge ihren Platz und 
ihren Wert. Wir glauben nicht, daß Paulus den Augenblick 
zwischen Jerusalem und Damaskus je vergaß, aber wir sind 
auch völlig überzeugt, daß er seinen Frieden niemals auf 
diese bemerkenswerten Umstände gründete. Nie konnte Luther 
die zwei Jahre vergessen, die er im Kloster verlebt hatte, 
32 
aber er baute niemals seinen Frieden auf die Erfahrungen 
in diesen Jahren. Bunyan konnte nie den Kerker vergessen, 
aber er gründete auch nie den Frieden seiner Seele auf die 
Herzensangst, die er darin durchlebte. 
Ich zweifle keineswegs daran, daß die Übungen, die diese 
drei ausgezeichneten Männer durchmachten, auf ihren späteren 
Lauf und Charakter als Christen und Diener einen höchst 
wichtigen Einfluß ausübten, aber der Grund ihres Friedens 
bestand nicht in dem, was sie gefühlt oder durchgemacht 
hatten, sondern in dem, was Christus für sie am Kreuz getan 
hatte. So wird und muß es immer sein, Christus ist alles und 
in allem. Möge unsere Seele sich stets daran erinnern, und 
möge der Leser verstehen, daß wir, wie hoch wir auch die 
Wirkung des Gewissens schätzen, dennoch nie wünschen, daß 
jemand darauf baue, sondern einzig und allein auf das Werk 
am Kreuz. Nicht das Werk i n uns, sondern das Werk fü r 
uns, rettet unsere Seelen. Freilich ist beides eng miteinander 
verbunden, und darf daher nicht getrennt werden, aber das 
eine ist von dem anderen unterschieden und darf daher nicht 
verwechselt werden. Wir können nichts von dem für uns 
gewirkten Werk erkennen als nur durch das Werk, das in 
uns getan ist, und die Klarheit und Beständigkeit unserer 
Ruhe in dem für uns vollbrachten Werk wird von der Tiefe 
und Stärke des in uns gewirkten Werkes abhängig sein. 
Indessen gibt es noch einen anderen Punkt, bezüglich dessen 
wir Mißverständnisse sorgfältig vermeiden möchten. Es könnte vielleicht jemand der Meinung Raum geben, als ob wir 
durch unsere Bemerkungen über David, den Büßer, beweisen 
wollten, daß man an der Wirklichkeit seiner eigenen Wiedergeburt zweifeln müsse, wenn man nicht gerade dieselben 
Erfahrungen durchgemacht habe. Das wäre sicher ein grober 
Irrtum, denn zunächst war David ein Knecht Gottes, lange 
vor jenem ersten Augenblick, den wir zum Gegenstand unserer Betrachtung gemacht haben (Anm.: Der Leser wolle beachten, daß wir bei unserer Betrachtung über die „drei Stellungen Davids" diese Ereignisse nicht in ihrer historischen 
Ordnung darstellen, sondern sie nur als eine Erläuterung 
dreier Hauptpunke in dem geistlichen Leben des Volkes Got33 
tes ausgewählt haben.) Weiter glauben wir, daß David seine 
Ruhe und die kostbaren Verheißungen und Zusicherungen, 
die Gott seiner Seele gemacht hatte, nicht durch irgendeine 
Übung von innen , sondern durch Mitteilungen von aus -
s e n gefunden hat. Er ruhte nicht auf der Tatsache, daß der 
Pfeil in sein Herz gedrungen war. Er fand keine Ruhe in den 
Worten: „Du bist der Mann!", und auch nicht in dem Schrei 
seiner bußfertigen Seele: „Ich habe gegen Jehova gesündigt.", 
sondern der Friede seines Herzens stützte sich auf die ihm 
zugerufenen Worte: „So hat auch Jehova deine Sünde hinweggetan." 
Wir wünschen um keinen Preis, daß eine Seele sich beunruhigt, weil die ersten Augenblicke ihrer geistlichen Geschichte 
sich nicht durch starke Bußübungen, sondern vielmehr durch 
freudige und glückliche Bewegungen kennzeichneten. Unmöglich kann die frohe Botschaft des Heils etwas anderes tun, 
als die glaubende Seele mit Wonne und Entzücken erfüllen. 
Es herrchte große Freude in Samaria, als Philippus dort den 
Christus predigte, und der Kämmerer zog fröhlich seines Weges, als er vernahm, daß Jesus für seine Sünden gestorben 
war. Wie hätte es anders sein können? Wie könnte jemand 
an die Vergebung der Sünden glauben und nicht durch den 
Glauben glücklich gemacht sein? Sicher, die frohe Botschaft 
einer „großen Freude" mu ß das arme Herz glücklich machen. 
Ja wirklich, so ist es, aber tut diese Tatsache dem Wert eines 
tiefen und völligen Werkes des Geistes Gottes im Gewissen 
in irgendeiner Weise Eintrag? Keineswegs. Ein hungriger 
Mensch schätzt das Brot hoch, und obwohl er nicht von der 
Qual des Hungers zu leben gedenkt, ist diese Qual dennoch 
die Ursache seiner Wertschätzung des Brotes. Ebenso verhält 
es sich mit der Seele. Sie wird nicht durch Bußübungen gerettet, aber je größer diese Übungen sind, desto fester klammert die Seele sich an Christus, und um so beständiger und 
lebensvoller ist ihr praktisches Christentum. 
Geliebter Leser, der einfache Sachverhalt ist folgender. Wir 
finden in unseren Tagen eine Menge Christen, deren Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit uns mit großer Furcht erfüllt. 
34 
Wir begegnen vielen, die einen falschen Frieden und eine 
trügerische Glückseligkeit erlangt haben, ohne daß das Gewissen wirklich tätig war, und ohne daß die Kraft des Kreuzes 
in irgendeiner Weise auf die Natur und ihre Wirksamkeit 
angewendet wurde. Das sind solche, die auf das Steinige 
gesät sind. Sie haben keine Wurzel, keine Tiefe, keine Kraft, 
keine Beständigkeit. Solche Seelen haben sich nicht nur selbst 
betrogen, sondern der Ton und die Art ihres Bekenntnisses 
bilden mit den anderen Einflüssen den Kanal, durch den die 
Flut des Unglaubens bald ihre verpestenden und verwüstenden Wasser fortwälzen wird. Wir glauben, daß sowohl die 
kalte, wirkungslose Orthodoxie und das oberflächliche, formelle und leichtfertige Bekenntnis als auch der finstere, entwürdigende Aberglaube den Weg für jenen Unglauben bahnen werden, der bald seinen Mantel über die ganze zivilisierte 
Welt werfen wird. 
Welch ein ernster Gedanke! Möge der Leser ihn beachten 
und nicht leichtfertig darüber hinweggehen. Wir möchten 
gern ein kräftigeres Zeugnis für Christus, eine treuere Nachfolge und eine völligere Hingabe sehen. Dafür seufzen und 
beten wir, und wir erwarten sicher nicht, dies in den Kreisen 
derer zu finden, die nie eine Tätigkeit des Gewissens kennengelernt oder die Kraft des Kreuzes Christi nie erfahren haben. Wir wollen jedoch nicht einigen Gedanken vorgreifen, 
die uns im weiteren Verlauf unserer Betrachtungen noch beschäftigen werden. Wir werden, bevor wir damit schließen, 
in David das edle Bild einer persönlichen Hingabe sehen. 
David als Anbeter 
Im Anfang von 2. Sam 7 sehen wir David, wie er in einem 
„Hause von Zedern" sitzt und nachsinnt über die mannigfaltigen Gnadenerweisungen, mit denen Jehova ihn umgeben 
hat. „Und es geschah, als der König in seinem Hause wohnte, 
und Jehova ihm ringsumher Ruhe geschafft hatte vor allen 
seinen Feinden, da sprach der König zu Nathan, dem Propheten: „Siehe doch, ich wohne in einem Hause von Zedern, 
und die Lade Gottes wohnt unter Teppichen. Und Nathan 
sprach zu dem König: Gehe hin, tue alles was du im Herzen 
hast, denn Jehova ist mit dir" (2. Sam 7,1-3). 
35 
David hatte sich in seinem Herzen vorgesetzt, Jehova ein 
Haus zu bauen. Er war jedoch nicht der dazu bestimmte 
Mann, und auch die Zeit dazu war noch nicht gekommen. 
Nathan wurde gesandt, diesen Irrtum zu berichtigen. Der 
beabsichtigte Dienst ging aus einer guten Meinung hervor, 
aber das genügte nicht. Es mußte auch die geeignete Zeit 
gekommen sein. David hatte viel Blut vergossen, überdies 
gab es noch Feinde und üble Ereignisse. Auch mußte David 
noch tiefere Unterweisungen der Gnade erhalten. Gott hatte 
viel für ihn getan, aber alles, was in der Vergangenheit geschehen war, stand in keinem Vergleich zu dem, was in der 
Zukunft noch getan werden sollte. Wenn schon ein „Haus 
von Zedern" etwas Großes war, wieviel größer war dann ein 
ewiges Haus und Königreich. Aus dem Munde Nathans vernimmt David die Worte: „Jehova tut dir kund, daß Jehova 
dir ein Haus machen wird" (V. 11). Das veränderte die 
Sache ganz und gar. Die Taten der Vergangenheit waren voll 
von Gnade, die Taten der Zukunft sollten voll von Herrlichkeit sein. Die Hand der erwählenden Gnade hatte David von 
den Schafhürden genommen und ihn auf den Thron Israels 
gesetzt. Darum hören wir David sagen: „Und dies ist noch 
ein Geringes gewesen in deinen Augen, Herr, Jehova! und du 
hast auch von dem Hause deines Knechtes geredet in die 
Ferne hin" (V. 19). Sowohl die Vergangenheit als auch die 
Zukunft, alles war für David lange vorher schon in Ordnung 
gebracht, so daß er nichts Weiteres zu tun hatte, als sein 
Haupt zu beugen und anzubeten. 
„Da ging der König David hinein und setzte sich vor Jehova 
nieder und sprach: Wer bin ich, Herr, Jehova, und was ist 
mein Haus, daß du mich bis hierher gebracht hast" (V. 18)? 
Hier haben wir also die zweite Stellung Davids. Anstatt auszugehen und Jehova ein Haus zu bauen, trat er ein und setzte 
sich vor Jehova. Welch eine große sittliche Schönheit und 
Kraft tritt hier vor unser Auge! Einem unerleuchteten Auge 
könnte diese Stellung als ganz nutzlos erscheinen, aber wir 
können versichert sein, daß niemand vor dem Herrn stehen 
kann als Diener, der nicht vorher vor ihm gesessen hat als 
Anbeter. Wir müssen mi t dem Herrn zu tun gehabt haben, 
36 
ehe wir fü r ihn wirken können. Zeige uns einen Menschen, 
der wirklich den Platz eines Anbeters eingenommen hat, und 
wir wollen dir einen zeigen, der, nachdem er aufgestanden 
ist, sich als tatkräftiger Diener erweisen wird. 
Möchten wir auch beachten, daß das Sitzen vo r de m 
Herr n etwas ganz anderes ist als das Sitzen vor unsere m 
Werk, unsere m Dienst, unsere r Predigt, unsere n 
Umständen und unsere n Erfahrungen. Wie oft sind wir 
geneigt, uns niederzusetzen, um unsere verschiedenen Taten 
zu betrachten und darüber nachzusinnen. Das aber heißt eine 
Schwachheit auf die andere häufen. Nichts ist verwerflicher 
als eine solche Selbstbeschauung. Wir haben sicher Ursache 
dankbar zu sein, wenn der Herr uns in irgendeinem Teil seines Werkes gebrauchen kann, aber hüten wir uns davor, in 
irgendeiner Form, sei es direkt oder indirekt, unser Ich vor 
unser Auge zu stellen. Laßt uns nicht die verschiedenen 
Dinge, mit denen wir beschäftigt sind, die Interessen, die wir 
in Gang gebracht haben, und die Wirkungskreise, in denen 
wir stehen, mit Selbstgefälligkeit betrachten. Alles dient nur 
dazu, die Natur aufzublähen, während die Seele dabei dürr 
und leer bleibt. 
Merken wir den Unterschied! „Da ging der König David 
hinein und setzte sich vor Jehova nieder und sprach: „Wer bin 
ich, Herr, Jehova?" Sicher wird das Ich in Dunkelheit und 
Vergessenheit versinken, wenn wir vor dem Herrn sitzen. 
Wir wissen kaum, was mehr zu bewundern ist, diese Stellung 
oder diese Äußerung. Er „setzt e sich " und sagte: 
„We r bi n ich? " Beides ist lieblich, beides zeugt von 
einer vortrefflichen sittlichen Ordnung. Möchten wir doch 
noch mehr die tiefe Bedeutung und die praktische Kraft dieser 
beiden Dinge erkennen! Möchten wir reichlich erfahren, was 
es heißt, in der Gegenwart Gottes zu sitzen und dort das Ich 
mit allem was dazu gehört aus den Augen zu verlieren! 
Es ist nicht unsere Absicht, über den 51. Psalm, der wie bemerkt, die Äußerungen des büßenden David enthält, oder 
über 2. Sam 7, wo wir die Worte des Anbeters finden, eine 
nähere Erklärung zu geben. Diese kostbaren Schriftstellen 
führen wir nur an, um den Leser darauf aufmerksam zu ma37 
chen, und gehen jetzt zum dritten und letzten Platz über, wo 
wir David als Diene r stehen sehen. 
David als Diener 
„Und der König David erhob sich auf seine Füße" (1. Chron 
28, 1). Hier wird das Gemälde dieses lieblichen Charakters 
vollendet. Wir sahen David auf der Erde liegen, als sein 
Gewissen überführt wurde und das Gericht Gottes ihn erwartete. Wir sahen ihn im Heiligtum sitzen, wie er die Gnadenerweisungen der Vergangenheit überschaute und die glänzenden Strahlen der Herrlichkeit in der Zukunft im voraus 
genoß. Nun sehen wir ihn die Stellung eines wirklichen, aufrichtigen Dieners einnehmen, der sich selbst und alle seine 
Mittel Gott zu Füßen legt. Alles zeugt hier von einer tiefen 
Echtheit. Der Ausruf des Büßers, das Verlangen des Anbeters, 
der Ausdruck der Ergebenheit und Hingabe des Dieners •—• 
alles ist tief, aufrichtig und wahr. „Ich hatte in meinem Herzen, ein Haus der Ruhe zu bauen für die Lade des Bundes 
Jehovas und für den Schemel der Füße unseres Gottes; und 
ich schickte mich an zu bauen" (V. 2). Welch eine selbstvergessene Ergebenheit zeigte sich hier! David sollte nicht die 
Ehre haben, das Haus Gottes zu bauen, aber was kümmerte 
das ihn, der seinen Platz im Heiligtum gefunden und gelernt 
hatte zu. sagen: „Wer bin ich?" David zeigte keinen Neid auf 
den, der gewürdigt war, das Haus zu bauen. Es war das Haus 
seines Gottes und das genügte. Die Kraft seiner Hände, die 
Liebe seines Herzens, die Hilfsquellen seiner Reichtümer, alles 
wurde bereitwillig einem solchen Zweck geopfert. 
Gerne würden wir bei diesem Gegenstand noch länger verweilen, aber wir müssen schließen. Möchte der Heilige Geist 
in göttlicher Macht diese Dinge auf unser Herz anwenden! 
Geh'ebter christlicher Leser, verlangst du nicht nach einer 
völligeren Hingabe an den Herrn, sowohl was dich selbst 
betrifft als auch was deinen Besitz angeht? Nun, dann gehe 
doch jetzt in Seine Gegenwart. Du hast dich aus der Stellung 
eines Büßers erhoben, gehe jetzt und setze dich zu Seinen 
Füßen nieder, schaue und bet e an , dann wirst du, wenn 
die Gelegenheit sich bietet, bereit sein, die Stellung eines 
treuen, nützlichen Diener s einzunehmen. 
38 
Das Fragen nach dem bekannten Weg 
(4. Mose 22) 
Die Geschichte Bileams enthält für unser tägliches Leben so 
wichtige Unterweisungen, daß es wohl der Mühe wert ist, 
einige Augenblicke dabei zu verweilen. Uns werden darin die 
Ursachen und die Folgen eines Wandeins und Nichtbefolgens 
der Gebote des Herrn deutlich vor Augen gestellt. „Alle 
Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur 
Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der 
Gerechtigkeit" (2. Tim 2, 16). Wir wollen im Blick auf diese 
Wahrheit die Geschichte Bileams lesen und betrachten, und 
das wird uns gewiß von reichem Segen sein. 
Die Kinder Israels waren bis zu den Grenzen des verheißenen 
Landes gekommen und hatten in den Ebenen Moabs ihr 
Lager aufgeschlagen. Nun wurde Balak, der Moabiter, beim 
Anblick der Israeliten nicht wenig besorgt und sandte daher 
Boten zu Bileam mit folgendem Auftrag: „Siehe, ein Volk ist 
aus Ägyten gezogen; siehe, es bedeckt die Fläche des Landes, 
und es liegt mir gegenüber. Und nun, komm doch, verfluche 
mir dieses Volk, denn es ist stärker als ich, vielleicht gelingt 
es mir, daß wir es schlagen, und ich es aus dem Lande vertreibe; denn ich weiß, wen du segnest, der ist gesegnet, und 
wen du verfluchst, der ist verflucht" (4. Mo 22, 5. 6). Das 
kann mit Recht eine Botschaft des Teufels genannt werden. 
Der Feind des Volkes Gottes brauchte Balak und wollte Bileam gebrauchen, um das Volk zu verfluchen und zu vertilgen. Wie aus der ganzen Geschichte hervorgeht, war Bileam 
mit dem Gott Israels bekannt. Er wußte sehr gut, mit welch 
großer Macht Jehova dieses Volk aus Ägypten befreit und 
durch das Schilfmeer geführt hatte. Wäre also wahre Gottesfurcht in seinem Herzen gewesen, so hätte er wohl erkannt, 
daß Jehova es unmöglich zulassen könnte, daß dieses von 
Ihm so wunderbar geleitete Volk verflucht und vertilgt 
würde. Doch wahre Gottesfurcht war bei Bileam nicht zu 
finden — dafür werden wir noch sichere Beweise finden — 
und darum sagt er: „Übernachtet hier diese Nacht, und ich 
werde euch Antwort bringen, so wie Jehova zu mir reden 
wird" (V. 8). 
39 
Wie mancher ähnelt Bileam! Wie mancher kennt die List des 
Feindes nicht, weil er nicht in Gemeinschaft mit Gott ist! 
Wenn wir mit dem Herrn wandeln, dann wandeln wir im 
Licht, und das Licht macht die Finsternis offenbar. Im Lichte 
Gottes erkennen wir die Absichten Satans. Doch oft sind wir 
in Verlegenheit und fragen, was vom Teufel und was von 
Gott kommt. Diese Frage ist unnötig, wenn wir in Gemeinschaft mit Gott wandeln. Ist unser Auge einfältig, so wird 
unser ganzer Leib Licht sein. 
Gott kam bei Nacht zu Bileam und sagte zu ihm: „Du sollst 
nicht mit ihnen gehen; du. sollst das Volk nicht verfluchen, 
denn es ist gesegnet" (V. 12). Das war eine deutliche Sprache, 
die keine Zweifel erlaubte. Sie enthielt ein bestimmtes und 
eindeutiges Verbot, und das hätte für Bileam genügen sollen. 
Und wirklich, er gehorcht und geht nicht mit den Boten Balaks. Er unterwirft sich dem Willen Jehovas. Ob es wohl aus 
einem guten Beweggrund hervorging? War es die Furcht Gottes, die ihn dazu brachte? Die Geschichte zeigt uns deutlich, 
daß es nicht so war. Schon die Worte, die er an die Boten 
richtet, verraten uns den Zustand seines Herzens. „Ziehet in 
euer Land; denn Jehova hat sich geweigert, mir zu gestatten, 
mit euch zu gehen" (V. 13). Man hört aus diesen Worten, 
wie verdrossen er ist, daß er nicht mit ihnen gehen darf. 
„Jehova hat sich geweigert. " Er wäre gern mitgegangen, aber er durfte nicht. Er fürchtete die Folgen, den Zorn Jehovas. Ein Herz, das in Übereinstimmung mit dem Herrn 
ist, führt keine solche Sprache, sondern sagt mit Joseph: 
„Wie sollte ich dieses große Übel tun und wider Gott sündigen?" Das wußte Satan nur zu. gut. Er wußte, daß Bileams 
Herz den Lohn der Ungerechtigkeit liebte, und darum kommt 
er zum zweiten Mal mit derselben Botschaft zurück. Er hatte 
deutlich erkannt, daß in Bileams Worten: „Jehova hat sich 
geweigert" zu lesen war, daß er lieber mitgegangen wäre. 
Darum läßt Balak ihm sagen: „Laß dich doch nicht abhalten, 
zu mir zu kommen" (V. 16). Wie listig ist doch der Teufel! 
Und wie schlau versteht er auf den Zustand zu wirken, in 
dem sich das Herz gerade befindet! Welch eine ernste Warnung ist dieses für uns! Wir können versichert sein, daß der 
40 
Teufel von uns abläßt, wenn er merkt, daß wir nicht auf 
seine Stimme lauschen. Sind wir bereit, den Weg Gottes zu 
gehen und Seinen Willen zu tun, dann sind Seine Versuchungen wirkungslos und er stellt sie ein. Doch wenn er 
sieht, daß, wenn auch unser Mund diese Versuchung abweist, 
unser Herz nach der uns vorgestellten Sache verlangt, dann 
kehrt er beständig wieder zurück und wiederholt seine Angriffe so lange, bis wir in seinen Stricken gefangen sind. Es 
kommt daher immer darauf an, ob wir mit einem wahr -
haftige n Herzen für den Herrn leben. Dann werden wir 
auch mit Freuden und keineswegs gezwungen die Versuchungen Satans abweisen können. 
Als nun die Boten Balaks zum zweiten Mal zu Bileam kamen, 
sagte er: „Wenn Balak mir sein Haus voll Silber und Gold 
gäbe, so vermöchte ich nicht den Befehl Jehovas, meines Gottes, zu übertreten, um Kleines oder Großes zu tun" (V. 18). 
Das war eine feste Sprache, wird vielleicht mancher ausrufen. 
O ja, aber der Schein trügt. Der Mund kann oft sehr schöne 
und fromme Worte aussprechen, während das Herz mit ganz 
anderen Dingen erfüllt ist. Wäre das Herz Bileams mit seinen Worten in Übereinstimmung gewesen, so hätte er die 
Boten Balaks augenblicklich zurückgeschickt. Doch was tut 
er? Auf seine stolze Weigerung läßt er sofort die Worte folgen: „Und nun bleibet doch hier, auch ihr, diese Nacht, und 
ich werde erfahren, was Jehova ferner mit mir reden wird" 
(V. 19). Aber was hat Jehova noch weiter zu sagen? Hat Er 
nicht ausdrücklich gesagt: „Du sollst nicht mit ihnen gehen; 
du sollst das Volk nicht verfluchen, denn es ist gesegnet." 
Kannte denn Bileam den wohlgefälligen Willen Gottes nicht? 
Gewiß. Aber warum sendet er denn die Boten nicht sofort 
zurück? Warum bleibt er'nicht einfach bei den Worten, die er 
zu Anfang gesprochen hat? Warum läßt er sie noch eine Nacht 
bleiben? Ach, sein Herz zieht ihn nach Moab, es verlangt 
nach den Geschenken Balaks. Die Welt und ihre Schätze hatten einen so großen Wert für sein Herz, daß er nicht widerstehen konnte. Mit einem Wort, er liebte den Lohn der Ungerechtigkeit, wie der Apostel Petrus uns mitteilt. Sein Mund 
sprach zwar fromme Worte, aber sein Herz war fern von 
41 
Gott. Er verlangte nach Silber und Gold, obwohl er, nach 
seinen Worten zu urteilen, keinen Wert darauf legte. Die 
Boten mußten noch über Nacht bei ihm bleiben, weil er 
hoffte, daß Jehova ihm gestatten würde, mit nach Moab zu 
ziehen. Wiewohl er den Willen Gottes genau kannte, wollte 
er dennoch noch einmal nach Gottes Willen fragen. Das ist 
aber ein Fragen nach dem bekannten Wege, und es offenbart 
stets die Abneigung des Herzens, den Weg zu gehen, den wir 
nach dem Willen des Herrn gehen sollen. 
Wie oft geschieht aber Ähnliches bei den Christen! Wie oft 
fragt man nach dem bekannten Wege! Man kennt den Willen 
des Herrn oft sehr gut, man hat jedoch keine Lust, diesen 
Willen zu tun, weil das Herz durch die Welt und ihre Lust 
angezogen wird. Was tut man dann? Natürlich wäre es zu 
grob, wenn man sagen wollte, daß man keine Lust habe, den 
Willen Gottes zu tun. Darum sucht das arglistige Herz nach 
einem Ausweg. „Für kein Geld in der Welt möchte ich gegen 
den Willen des Herrn handeln", ruft man aus, „wenn ich nur 
wüßte, was der Herr wollte, dann schlüge ich sicher diesen 
Weg ein." Solche Worte klingen allerdings sehr gottesfürchtig, aber sie verbergen leider nur zu oft die Abneigung des 
Herzens. Man sucht sich selbst zu überreden, daß man bereit 
sei, den Willen des Herrn zu tun, und doch beweist das 
ständige Fragen um Rat nur zu deutlich, daß man in Wirklichkeit keine Lust hat, den Weg zu gehen, den uns der Wille 
Gottes vorzeichnet. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Christ hat 
eine starke Zuneigung für eine unbekehrte Person in sich 
aufkommen lassen. Er weiß sehr gut, daß es gegen den Willen des Herrn ist, mit einer Unbekehrten in den Ehebund zu 
treten. „Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen" hat der Herr gesagt. Das ist ein bestimmtes Gebot, das 
keine Zweifel zuläßt. Wenn nun die Furcht Gottes in seinem 
Herzen wohnte und es seine Lust wäre, den Willen des Herrn 
zu tun, so würde er eine solche Neigung sofort als unerlaubt 
verurteilen. Aber das tut er nicht, sondern versucht auf allerlei Weise diesen Schritt zu rechtfertigen. Er fragt beständig 
um Rat, und wenn ihm dieser nach der Heiligen Schrift erteilt 
wird, ist er unzufrieden. Vielleicht bittet er den Herrn, Er 
42 
möge der Eheschließung ein Hindernis in den Weg legen, 
falls sie nicht nach Seinem wohlgefälligen Willen sei. Doch 
wie fromm solche Worte auch sein mögen, so geschieht doch 
alles nur, um das Gewissen zum Schweigen zu bringen und 
dann der Lust des Herzens zu folgen. 
Nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Ein Christ will sein 
bisheriges Geschäft aufgeben und Handel treiben. Sein Gewissen sagt ihm, daß die Beweggründe, die ihn dazu leiten, 
verkehrt sind. Hochmut, Habsucht und Weltsinn sind die 
Quellen; er hat an seinem täglichen Brot nicht genug und 
will mehr verdienen. Er weiß wohl, daß das Wort Gottes 
solche Grundsätze verurteilt, doch sein Herz ist von seinem 
Vorhaben so sehr erfüllt, daß es ihm unmöglich ist, damit zu 
brechen. Was tut er nun? Er geht zu. den Brüdern und fragt 
um Rat. Er sagt, daß ihm die Sache nicht ganz klar sei, daß 
er nicht recht wisse, was er tun solle, und daß er darum den 
Rat anderer einhole. Wenn nun die Brüder ihm von seinem 
Vorhaben abraten, ist er dann zufriedengestellt? Keineswegs. 
In seinem Herzen verlangt er danach, sein Vorhaben zur 
Ausführung zu bringen, nur wagt er es nicht, solange nicht 
auch andere seinen Schritt billigen. Er geht darum gerade zu 
denen, von denen er hofft, daß sie ihm Ratschläge nach seinem Willen erteilen. Erreicht er auf diesem Wege seinen 
Zweck, so ist er aufs höchste erfreut und sucht sich selbst zu 
überreden, daß jetzt alles in Ordnung sei. Unglücklicher Zustand! Man kennt den Willen des Herrn, und dennoch fragt 
man um Rat. Ist das nicht ein Fragen nach einem bekannten 
Wege? Und verrät solches Fragen nicht die Abneigung unseres Herzens, das zu tun, was dem Herrn wohlgefällig ist? Ja, 
in einem solchen Fall gebraucht man wohl schöne und fromme Worte, aber dahinter verbirgt man nur den eigenen Willen und die Härte des Herzens. Wie bedauernswert sind solche Zustände! Möchten wir doch alle lernen, solche Wege vor 
Gott zu verurteilen, damit wir noch beizeiten bewahrt bleiben 
vor unausbleiblichen, traurigen Folgen! 
Die Folgen eines solchen Zustandes sind höchst traurig. Das 
sehen wir bei Bileam. Sein Herz sehnte sich nach Moab, darum ging er nochmals zu Gott und fragte nach dem bekannten 
43 
Wege. Und was tut Jehova? „Da kam Gott des Nachts zu 
Bileam und sprach zu ihm: Wenn die Männer gekommen 
sind, um dich zu rufen, so mache dich auf, gehe mit ihnen; 
aber nur dasjenige, was ich dir sagen werde, sollst du tun" 
(V. 20). Oberflächlich betrachtet ist dies eine sehr seltsame 
Handlungsweise. Zuerst sagt Jehova: „Du sollst nicht mit 
ihnen gehen", und nun sagt Er: „Mache dich auf, gehe mit 
ihnen." Wenn wir jedoch bedenken, was in der Zwischenzeit 
geoffenbart worden war, dann wird uns die Handlungsweise 
Jehovas durchaus nicht befremden. Die Worte und Werke 
Bileams hatten unzweideutig bewiesen, daß er nur gezwungenermaßen zu Hause geblieben war. Sein Herz verlangt nach 
den Geschenken Balaks. Obwohl Gott gesagt hatte, daß er 
nicht gehen sollte, ließ er die Boten zum zweiten Male in 
seinem Hause übernachten, um nochmals Jehova zu fragen. 
Darauf sagt ihm Jehova: „Gehe mit ihnen." War ein anderer 
Weg möglich? Nein, denn Gott will keinen gezwungenen 
Dienst; Er will ein vollkommenes und ungeteiltes Herz. Der 
Herr sagt mit anderen Worten: „Wenn du durchaus willst, 
so mache dich auf; du wirst früh genug die Folgen davon 
tragen." Ebenso ist es mit uns. Haben wir keine Lust, den 
Willen des Herrn zu tun, bleiben wir nur aus Furcht vor der 
Strafe äußerlich auf dem guten Wege, und kehren wir immer 
wieder zurück, um nach dem Willen des Herrn zu fragen, 
dann sagt der Herr endlich: „Tu was du willst, gehe deinen 
eigenen Weg"! — Du willst eine unbekehrte Person heiraten. 
Du weißt, daß das gegen den Willen Gottes ist, doch du hast 
allerlei Entschuldigungen, du redest dir ein, daß es doch vielleicht noch gut sein könnte, und daß du wohl gar noch das 
Mittel zur Bekehrung dieser Person sein könntest. Dann läßt 
Gott es dir vielleicht endlich zu, damit du durch die traurigen 
Folgen deiner Torheit zu einer wirklichen Demütigung kommen möchtest. — Oder willst du irgendein Geschäft beginnen. Man hat dich aus guten Gründen davor gewarnt. Dein 
eigenes Gewissen sagt dir, daß es nicht gut ist. Doch dein 
Herz ist ganz und gar davon erfüllt, und du willst nicht davon 
zurücktreten. Dann läßt der Herr vielleicht die Umstände so 
zusammentreffen, daß du darin Seine Anerkennung deines 
44 
Vorhabens zu erkennen meinst. Er läßt dir gleichsam sagen: 
„Beginne, gehe deinen Weg!" Und du beginnst, doch ach, 
nur um bald einzusehen, wie sehr du dich getäuscht hast. Der 
Herr kann unmöglich anders handeln. Durch das wiederholte 
Fragen nach dem bekannten Weg bekundet man nur seine 
Abneigung, den Willen Gottes zu tun, daher ist kein anderer 
Weg zur Heilung möglich. Der Herr gibt darum schließlich 
deinem Verlangen nach, damit du durch die Umstände deine 
Torheit einsehen lernst. Wenn der Herr sieht, daß unsere 
Füße zwar auf dem rechten Weg wandeln, aber unser Herz 
weit davon entfernt ist, dann läßt Er es zu, daß unsere Füße 
dahin schreiten, wo unser Herz sich befindet. Sind unsere 
Füße bei den Kindern Gottes, während unser Herz mit der 
Welt liebäugelt, dann läßt der Herr es zu, daß auch unsere 
Füße in die Welt kommen. Was nützt es auch, ob du äußerlich mit dem Herrn wandelst, aber innerlich in der Welt bist? 
Dann ist es besser, daß du auch äußerlich in der Welt lebst, 
denn dann kannst du dich und andere nicht mehr täuschen, 
und dann ist noch Aussicht vorhanden, daß du zur Erkenntnis deines schlechten Zustandes kommst. 
Beachten wir jedoch, daß ein solches Nachgeben von Seiten 
Gottes ein über uns verhängtes Gericht ist. Du hast auf 
Seine Stimme nicht hören wollen, du hast deinen eigenen 
Willen durchgesetzt, — nun, wer nicht hören will, muß fühlen. Es gibt kein anderes Mittel, um dich zur Einsicht zu 
bringen, als dich die traurigen Folgen deiner Verkehrtheit 
fühlen zu lassen. — In seiner Freude darüber, daß sein 
Wunsch erfüllt wurde, hatte Bileam seine Eselin gesattelt 
und sich auf den Weg gemacht. Doch kaum ist er ausgezogen, 
da entbrennt der Zorn Jehovas, weil er ausgezogen ist: der 
Engel Jehovas tritt ihm in den Weg. Dasselbe wirst auch du 
erfahren. Kaum hast du die Ehe geschlossen oder dein Geschäft begonnen, so tritt der Herr dir mit Seiner züchtigenden 
Hand entgegen. Allerlei Widerwärtigkeiten dringen auf dich 
ein. Deine Ehe ist nicht glücklich, in deinem Geschäft geht es 
nicht vorwärts. Und wie bei Bileam werden die Umstände je 
länger desto schwieriger. Erst trat ihm der Engel auf offenem 
Wege entgegen, dann zwischen zwei Mauern, wo sein Fuß 
45 
gegen die Mauer geklemmt wurde, und endlich an einem 
engen Ort, wo er weder zur Rechten noch zur Linken ausweichen konnte. Aber wozu dies alles, fragst du vielleicht? Antwort: Der Herr will dir die Augen öffnen. Er will dich erkennen lassen, wie töricht und verkehrt du gehandelt hast, wie 
du unter dem Schein der Frömmigkeit deinem eigenen Willen 
gefolgt bist und nach deinen eigenen Gedanken gehandelt 
hast. Aber ach, welche Mühe kostet ihn das oft! Wie blind 
sind wir oft in bezug auf uns selbst. Haben wir endlich unser 
Ziel ereicht, dann überwältigt uns die Freude darüber oft so 
sehr, daß wir die Schwierigkeiten, die uns auf dem Wege 
begegnen, keineswegs als von der Hand des Herrn kommend 
betrachten, sondern sie den verschiedensten Umständen zuschreiben. Bileam dachte nicht daran, daß der Zorn Jehovas 
über ihn entbrannt sein könnte; er war über seinen Gang nach 
Moab so sehr erfreut, daß jedes Hindernis auf dem Wege seinen höchsten Unwillen wachrief. Ach, wie oft handeln wir 
in ähnlicher Weise! Wir werfen die Schuld auf andere Menschen — der Mann auf seine Frau, die Frau auf ihren Mann, 
der Kaufmann auf die Zeitverhältnisse oder auf die Betrügerei 
der Menschen —, und die Hand des Herrn wird nicht gesehen. Sowie Bileam seine Eselin schlug, so eifern wir über die 
Umstände, wie er das arme Tier erwürgen wollte, so sind 
wir beschäftigt, die Umstände und Menschen, wenn möglich, 
aus dem Weg zu räumen. Ach, wie blind ist unser Auge, wie 
verkehrt unser Herz! 
Doch zu unserem Glück hört der Herr nicht auf. Nein, Er hat 
Sein Ziel, und dieses Ziel muß erreicht werden. Wenn wir der 
ersten Ermahnung kein Gehör schenken wollen, dann folgen 
mehrere. Bringen uns kleinere Schwierigkeiten nicht zum 
Nachdenken, dann folgen größere. Gott läßt nicht von uns 
ab. Welche Gnade! Er hat uns lieb, und mögen wir noch so 
verkehrt und halsstarrig sein, so bringt Er uns dennoch dahin, wo Er uns haben will. Zwar ist es traurig, daß dies auf 
so schwierigem Wege geschehen muß. Wenn wir in Einfalt 
mit Ihm wandeln und uns Seiner Leitung übergeben würden, 
dann wären solche Wege nicht nötig. Hüten wir uns vor dem 
Gedanken, als ob unsere Heiligung nur auf so schwierigen 
46 
Wegen zu bewirken sei. O nein, es ist eine große Betrübnis 
für Gott, wenn Er solche Wege mit uns gehen muß. Wenn 
sich bei uns Unterwürfigkeit und wahre Abhängigkeit von 
Ihm zeigt, dann würde Er uns mit ganz anderen Dingen bekannt machen. Er würde mit uns, wie einst mit Abraham, 
reden können, wie ein Freund mit seinem Freunde redet, Er 
würde uns Seine Gedanken mitteilen können. Alles dieses 
verhindern wir durch unsere Verkehrtheit, und die in einem 
solchen Zustand verlebte Zeit ist verlorene Zeit, von der wir 
in der Ewigkeit keine Früchte ernten werden. Wie beklagenswert die Zustände, die Gott zu solchen Wegen zwingen, jedoch auch sein mögen, Er liefert dadurch, daß Er uns dennoch nicht uns selbst überläßt, immer neue Beweise Seiner 
unendlichen Liebe. Er wird uns dahin bringen, wohin Er 
auch Bileam gebracht hat, der schließlich ausrufen mußte: 
„Ich habe gesündigt" (V. 34)! Ja der Herr läßt es soweit 
kommen, daß wir endlich keinen Ausweg mehr sehen, daß 
die Mühsale so groß und so zahlreich werden, daß wir weder 
zur Rechten noch zur Linken ausweichen können. Dann beginnen die Umstände zu uns zu reden, bis wir so weit sind, 
daß wir nicht mehr die Hand des Menschen, sondern die 
Hand des Herrn in allem sehen. Dann wird uns klar, daß 
Gott seine Zuchtrute über uns erhoben hat, und daß darum 
alles verkehrt gegangen ist. Dann beugen wir unser Haupt 
und unsere Lippen öffnen sich zu, dem Ausruf: „Ich habe 
gesündigt!" Dahin muß es kommen. Gott will, daß wir unsere Sünden erkennen und vor Ihm bekennen und uns selber 
richten. O möchte es doch mit allen dahin kommen! Geliebte 
Leser, diese ernste Geschichte Bileams ist uns zur Warnung 
und Belehrung durch den Heiligen Geist mitgeteilt worden. 
Möchte sie doch in Wahrheit für unsere Seelen von Segen 
sein! Bist du auf einem verkehrten Wege, bist du deinem 
eigenen Willen gefolgt, hast du einen eigenen Weg eingeschlagen und bist dadurch in allerlei Schwierigkeiten geraten, 
dann bitte ich dich, suche die Schuld bei dir und nicht bei 
anderen Menschen oder in den Umständen. Bedenke, daß 
der Herr dir widersteht und du darum solche Erfahrungen 
machen mußt. Wirf dich vor ihm nieder und rufe: „Ich habe 
gesündigt!" 
47 
„Und dann?" wirst du vielleicht fragen. Dann wird der Herr 
dir zeigen, welchen Weg du einschlagen sollst. Vielleicht ist 
es Sein Wille, daß du den bisher verfolgten Weg verlassen 
sollst, vielleicht auch, daß es nicht geschehen soll. Beides ist 
möglich. Elia floh aus Unglauben vor Isabel und ging vierzig 
Tage und vierzig Nächte duxch die Wüste, bis er an den Berg 
Horeb kam. Und als Gott ihn dort zur Erkenntnis seines 
Irrtums gebracht hatte, mußte er vierzig Tage und vierzig 
Nächte durch die Wüste zurück bis nach Samaria gehen. — 
Bileam hingegen wurde nicht zurückgesandt, sondern Jehova 
sagt zu ihm: „Gehe mit den Männern; aber nur dasjenige, 
was ich dir sagen werde, sollst du reden" (V. 35). Jehova 
wollte Bileam gebrauchen, um dem heidnischen König Seine 
Gedanken über Israel mitzuteilen und die herrliche Weissagung in bezug auf den Messias zu offenbaren. So wurde also 
Bileam zur Verherrlichung Gottes nach Moab gesandt. Ebenso geht es mit uns. Oft sendet der Herr uns zurück, wenn 
wir einen verkehrten Weg eingeschlagen haben. In diesem 
Fall gebietet Er uns, unseren Handel wieder aufzugeben und 
unsere Geschäfte abzubrechen. Oft geschieht es jedoch auch, 
daß wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen sollen, um inmitten der Schwierigkeiten den Herrn zu verherrlichen. Wie 
nötig ist es daher, in völliger Abhängigkeit den Herrn zu 
fragen: „Herr, was willst Du, daß ich tun soll"? — Wir sind 
oft der Meinung, daß wir den eingeschlagenen verkehrten 
Weg sogleich verlassen müßten, wenn uns die Schwierigkeiten zum Nachdenken gebracht haben. Das ist auch oft weit 
bequemer, als darin auszuharren. Doch unsere Gedanken sind 
nicht die Gedanken des Herrn. Er allein weiß, was gut und 
nötig für uns ist. Und sind wir wirklich abhängig von Ihm, 
dann wird Er uns schon den rechten Weg zeigen. Wir müssen 
uns daher nicht nur demütigen und, wenn wir verkehrte 
Wege gegangen sind, unsere Sünden bekennen, sondern wir 
müssen uns auch ganz dem Herrn übergeben, damit Er uns 
auf Seine n Weg leiten kann. Der Herr schenke uns dazu 
Seine Gnade! Aber vor allen Dingen möge Er uns bewahren 
vor Eigenwillen und vor dem Fragen nach dem bekannten 
Wege, damit Er nicht gezwunge n ist, uns durch schwierige Wege dahin bringen zu müssen, wo Er uns haben will. 
48 
O möchte diese Geschichte uns zur Warnung dienen und uns 
anspornen, mit ungeteiltem Herzen für den Herrn zu leben 
und in Seiner Gemeinschaft zu wandeln! Dann wird der Herr 
auch uns, wie einst Abraham, zu Seinen Vertrauten machen, 
und wir werden all die geistlichen Segnungen, die Gott in 
Christo für uns bereitet hat, reichlich genießen. 
„Du bist bei mir" 
(Psalm 23, 4) 
Diese Erde ist der Schauplatz der Traurigkeit und des Elends. 
Überall begegnet unser Auge der Mühsal, dem Kummer, dem 
Kampf und der Sünde. Der Glanz der Welt kann mit den 
Blicken des Gläubigen selbst das verborgenste Elend nicht verdecken. Ja, je mehr er in der Gemeinschaft mit seinem Gott 
lebt, desto mehr fühlt er die Eitelkeit und Sünde seiner ganzen Umgebung, und er ruft mit Mose aus: „Ihr (der Jahre) 
Stolz ist Mühsal und Nichtigkeit" (Ps 90). Und wie viele 
Gefahren umringen ihn! Wie viele Versuchungen stürmen 
auf ihn ein! Wie viele vergiftete Pfeile werden auf ihn abgeschossen! In jedem Augenblick befindet er sich in Gefahr. 
Jeden Augenblick kann er vom Feind überwunden werden. 
Tausend und aber tausend Widerwärtigkeiten begegnen ihm. 
Das alles ist wahrlich geeignet, ihm den Mut zu rauben. — 
Aber nein, der Mut des Gläubigen sinkt nicht, denn sein 
Glaubensauge schaut durch die finsteren Nebel, die die Welt 
bedecken, und er erblickt über den Wolken Ihn, in Dessen 
Namen seine Kraft und seine Stärke liegen, und mit heiliger 
Freude ruft er aus: „Auch wenn ich wanderte im Tale des 
Todesschattens, fürchte ich nichts Übles, denn du bist bei 
mir; dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich". 
Ach, warum wird diese Glaubenssprache so wenig gesprochen? Warum lebt sie so wenig in unseren Herzen? Weil wir 
so wenig aus Erfahrung sagen können: „Jehova ist mein 
Hirte, mir wird nichts mangeln." Und doch kann nichts uns 
in den Kämpfen und Mühsalen mehr trösten, als das Bewußtsein, der Herr ist bei mir. Ich brauche also mein Leiden nicht 
49 
allein zu tragen, meine Kämpfe nicht allein zu kämpfen, und 
die Schwierigkeiten nicht allein zu bestehen. Ich habe einen 
Freund, Der mit mir leidet und kämpft, einen Begleiter, Der 
mir zum Stecken und zum Stabe dient. Dieser Freund, dieser 
Begleiter, ist der Herr Selbst, der gute Hirte. Er besitzt alle 
Macht im Himmel und auf Erden. Nur ein einziges Wort von 
Seinen Lippen, und der Kampf schwindet, das Leiden endigt, 
und der Feind flieht. Ist es gut für mich, dann verwandelt 
sich das Tal des Todesschattens in einen Ort der Freude und 
des Jubels. Selbst wenn die Versuchung andauert, „fürchte ich 
nichts Übles, denn du bist bei mir." Wo der Unglaube nichts 
als Jammer und Elend erblickt, da sieht der Glaube den 
guten Hirten, Der Sein Leben ließ für Seine Schafe. Überall 
wo wir sind, da ist auch Er. Er wandelt uns zur Seite, Er ist 
Tag und Nacht bei uns, im Sonnenschein und Regen, im 
Sturm und in der Stille. Er ist da, um zu leiten, zu helfen, 
zu trösten und zu beschirmen. 
Vor wem sollten wir uns fürchten? Ist Jesus nicht der Allmächtige? Ist Seine Liebe nicht unendlich? Sollte Er uns auf 
dem Wege umkommen lassen? Unmöglich. Er gab Sein Leben 
für uns, und Sein kostbares Blut hat uns freigemacht von der 
Sünde, der Welt und dem Teufel. Sollte Er uns nicht bewahren auf dem Wege? Und kämen auch die Wasser der Trübsal 
bis an die Lippen, und heulten die Stürme auch noch so heftig, so wird dennoch unser Schifflein nicht untergehen, sondern durch Seine Hand in den sicheren Hafen geführt werden. 
Was ruft der gute Hirte uns zu? „Meine Schafe hören meine 
Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe 
ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich, 
und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, 
der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand 
kann sie aus der Hand meines Vaters rauben. Ich und der 
Vater sind eins" (Joh 10, 27-30). Welche mächtigen Worte! 
Das Einssein Jesu mit dem Vater, dieses Einssein in bezug auf 
den Willen und die Kraft dient uns zur Bürgschaft, daß wir 
sicher das Ziel unserer Pilgerschaft erreichen werden. „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben," -— „Niemand kann 
sie aus der Hand meines Vaters rauben!" 
50 
Welch eine Sicherheit! Welch ein unaussprechlich seliges 
Bewußtsein! Geliebter Leser! Kennst auch du diesen guten 
Hirten, Der Sein Leben für Seine Schafe gelassen hat? Hast 
auch du Ihn zu deinem Freunde, zu deinem Begleiter, zu 
deinem Stecken und Stab gewählt? Folgst du mit willigem 
Herzen Seinen Schritten? Hörst du gern auf Seine lockende 
Hirtenstimme? Nun, wenn das der Fall ist, dann wirst du 
trotz der jähen und steilen Pfade, die Er dich führen mag, 
mit fröhlichem Herzen weiterpilgern und den stürmischen 
Wogen und Wellen, ja selbst dem Tode mit ruhigem Vertrauen ins Auge schauen, während deine Lippen zuversichtlich 
ausrufen: „Du bist bei mir!" Ja wahrlich, dann wirst du 
selbst da, wo der Mensch nur Elend erblickt und nichts als 
Seufzer und Klagen vernimmt, „grüne Auen" und „stille 
Wasser" finden. 
O möchte dies unser aller Teil sein! Möchte unsere Seele sich 
stets in dem Herrn, unserem Gott, erfreuen, Dessen Nähe 
allein uns zu trösten und zu befestigen vermag! Nur der fühlt 
sich sicher, der in jeder Lage in vollem Vertrauen zu sagen 
versteht: „Du bist bei mir!" 
Ein Wort zur Beherzigung 
Unser geistliches Bedürfnis kennzeichnet unseren geistlichen 
Zustand. Ist jenes schwach, so ist es auch unser Zustand, denn 
beides geht Hand in Hand. Wie zeigt sich aber das wahre 
geistliche Bedürfnis? In dem Verlangen, das Wor t z u er -
forschen , in der Freude am Gebet , in dem Eifer zum 
Zusammenkomme n und in der treuen Benutzung 
der vorhandene n Gaben . 
Der Apostel Petrus sagt: „Wie neugeborene Kindlein seid 
begierig nach der vernünftigen, unverfälschten Milch, auf daß 
ihr durch dieselbe wachset zur Errettung" (1. Petr 2, 2). Der 
Psalmist ruft aus: „Dein Wort ist Leuchte meinem Fuße und 
Licht für meinen Pfad", und: „Deine Zeugnisse sind auch 
meine Wonne, meine Ratgeber" (Ps 119). Ist dies auch die 
Sprache deines Herzens? 
51 
In bezug auf das Gebet ermahnt der Apostel: „Betet unablässig" (1. Thess 5, 17). Ebenso in Phil 4, 6. 7: „Seid um nichts 
besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit 
Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden." Von Daniel lesen wir: „Dreimal des Tages kniete er auf seine Kniee 
und betete und lobpries vor seinem Gott" (Dan 6, 11), und 
Petrus ermahnt: „Seid nun besonnen und seid nüchtern zum 
Gebet". Wie köstlich ist es, alle unsere Anliegen vor den 
Herrn zu bringen und Ihn für Seine Güte zu preisen! Geniessest auch du reichlich dieses große und gesegnete Vorrecht? 
Weiter ermahnt der Apostel: „unser Zusammenkommen nicht 
(zu) versäumen, wie es bei etlichen Sitte ist" (Hebr 10). Wie 
mancher ist im Besuch der Versammlung nachlässig geworden 
und ist bald darauf in die Welt zurückgekehrt. Wenn die 
Versammlung nicht mehr ein lieblicher, anziehender Ort für 
uns ist, wenn uns alles willkommen ist, was uns an ihrem 
Besuch hindert, dann ist unser geistlicher Zustand gewiß 
beklagenswert. Prüfe dich doch, geliebter Leser, wie es um 
dich in dieser Sache steht! 
Wie benutzest du auch die verschiedenen Gaben, die der Herr 
in Seiner großen Güte zum allgemeinen Nutzen darreicht, und 
die teils mündlich, teils schriftlich dir dienen wollen? Gereicht 
diese liebende Fürsorge Gottes auch wirklich zu deiner Auferbauung? Erwäge dies alles mit Aufrichtigkeit und Ernst! 
Die Schule Gottes 
(1. Samuel 17) 
Es gibt einen Zug, der allen gemein ist, die Gott zu Seinem 
Dienst erwählt hat: sie haben im Verborgenen mit Ihm zu 
tun gehabt, bevor sie öffentlich auftraten? Das bildet einen 
Gegensatz zu der Ruhelosigkeit des Fleisches, das die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken trachtet, bevor die Seele die 
Zucht der Schule Gottes durchgemacht hat. Viele gehen aus, 
ohne gesandt zu sein und bekommen erst durch ihre bitteren 
Erfahrungen schmerzliche Lektionen erteilt. Paulus, das Gefäß, das der Herr erwählt hatte, um Seinen Namen zu tragen, 
52 
empfing seine Erziehung in der Schule der Trübsale. „Ich 
werde ihm zeigen, wie vieles er für meinen Namen leiden 
muß" (Apg 9, 16). So hat Gott Seine verborgenen Wege, um 
für Seinen Dienst zu erziehen. Ebenso war es mit Seinem 
vollkommenen Diener, Seinem vielgeliebten Sohn. „Und er 
ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen, und wie ein Wurzel -
sproß aus dürrem Erdreich" (Jes 53, 1). 
Ebenso verhielt es sich mit David. In 1. Sam 17 finden wir 
ihn in völliger Verborgenheit. Wedpr sein Vater noch seine 
Brüder schienen sich um ihn besonders zu kümmern; er war 
von seiner Familie getrennt und hütete die Schafe. Niemand 
hielt es für wichtig, ihn zum Opfermahl herbeizurufen. Aber 
dennoch war er der Erwählte Jehovas. Er war nicht allei n 
in der Wüste; er stand unter der Zucht Gottes. Er wurde für 
den öffentlichen Dienst zubereitet, und zwar in der geheimen 
Schule Dessen, Der nicht nach dem äußeren Schein urteilt, 
wie es die Menschen tun. So müssen auch wir ein Leben vor 
dem Herrn führen. Wenn unsere Seelen nicht vor Ihm geübt 
sind, so wird Er uns nicht als Werkzeuge in Seinem Dienst 
gebrauchen. Mögen wir es uns auch einbilden, es ist doch nur 
Täuschung. Gott will mit jeder Seele, die Er in Seinem Dienst 
öffentlich gebrauchen will, vorher zu tun haben. Diese Weisheit unseres Gottes finden wir in der Geschichte Seiner hervorragendsten Diener. Nachdem sie für ihren besonderen 
Dienst zubereitet sind, treten sie in der Stunde der Not in 
Erscheinung. Dann sind sie ruhig, weise und voll Ausharren, 
während alle anderen verlegen und furchtsam sind. Alles was 
sie sagen und tun, verrät, daß sie für ihren Dienst zubereitet 
sind. Menschen, die im Verborgenen vor dem lebendigen Gott 
gelebt haben, sind fähig, voranzuschreiten, unbekümmert über 
die Verwirrung und Kämpfe der Menschen. Sie haben gelernt, 
sich vor dem ängstlichen Israel in die Bresche zu stellen und 
selbst einem Goliath die Stirn zu bieten. Sie haben ihre 
Zubereitung in dem verborgenen Leben vor Ihm empfangen, 
Der größer ist als alles, vor dem lebendigen Gott. 
David hatte in der Wüste die Hilfsquellen kennengelernt, die 
der Glaube in Gott besitzt, und jetzt rüstet er sich, um als 
Streiter Gottes dem Kämpfer der Unbeschnittenen gegenüber 
53 
zu treten. Den Löwen und den Bären hat er bereits zu Boden 
gestreckt, jetzt tritt er auf den Schauplatz, um vor den Heeren 
Israels und der Philister Goliath zu besiegen. 
Welch einen furchtbaren Feind hatte Israel in Goliath vor 
sich! Vom Morgen bis zum Abend forderte er sie trotzig 
heraus, aber seine Herausforderung wurde nicht angenommen, denn die Kinder Israel waren entmutigt und heftig 
erschrocken. Saul mochte sein Heer in Schlachtordnung, aufstellen, das Heer mochte auf den Kampfplatz rücken und sein 
Kampfgeschrei erheben (V. 19 - 21), aber „siehe, da kam der 
Zwischenkämpfer herauf, Goliath, der Philister und sprach 
nach jenen Worten; . . . Und alle Männer von Israel, als sie 
den Mann sahen, flohen vor ihm und fürchteten sich sehr" 
(V. 23, 24). Unter diesen Umständen betrat David das 
Schlachtfeld. Er vernahm die trotzige Herausforderung des 
Riesen und sah die Entmutigung und Schmach Israels. Ihr 
lautes Kriegsgeschrei war bald verhallt, und das ganze Volk 
war in äußerster Bestürzung. Der kleine Mann, den seine 
Brüder in der Leichtfertigkeit ihrer Herzen wegen seines 
Kommens tadelten, er, den der Philister verachtete und verfluchte, ist der einzige, der sich nicht fürchtet. Gleichwohl gab 
es in David nichts, das ein Grund gewesen wäre, sich weniger 
zu fürchten, nichts, das den äußeren Schein der Mach t an 
sich trug, sondern eher das Gegenteil. Das Fleisch sucht die 
Macht in den Armeen, den zahlreichen Bewaffneten, oder 
dem mächtigen Goliath, nie aber in dem Knaben , der 
soeben von seinen Schafen in der Wüste gekommen war. 
Beachten wir, David war dem lebendigen Gott im Verborgenen begegnet, und jetzt sah er, daß der Name des lebendigen 
Gottes angetastet wurde. Israel blickte auf seine eigenen 
Hilfsmittel, und was waren diese im Vergleich mit denen der 
Philister! Aber es gab hier einen, der die Gedanken Gottes 
besaß, der auf die Hilfsmittel des lebendigen Gottes blickte. 
David besaß sicher nicht mehr natürlichen Mut als Saul, aber 
er hatte Glauben. In der Wüste war David zwar im Verborgenen gewesen, aber dort hatte er die Gemeinschaft mit Gott 
kennengelernt. Nun trat er mutig und frisch aus der Gegenwart des lebendigen Gottes hervor und betrachtete alles um 
54 
sich her nach den Gedanken Gottes; und er verwertete in 
dieser neuen Lage, was er von Gott im Verborgenen gelernt 
hatte. Das war das Geheimnis seiner Kraft und seines Sieges. 
Wohl wurden die Umstände erwogen, ihre Schwere und Gefahr abgemessen, aber sein Glaube brachte Gott hinein und 
er handelte nun nach der Weisheit und Macht des lebendigen 
Gottes. Von diesem Gesichtspunkt aus muß David betrachtet 
werden. Er sieht das Heer Israels als das Heer Jehovas der 
Heerscharen, er sieht es im Lichte Dessen, aus Dessen Gegenwart er soeben gekommen ist (V. 26). 
Fragen wir uns, ob unsere Fehler nicht meistens daher kommen, daß wir nicht im Verborgenen bei Gott gewesen sind. 
Es ist von höchster Wichtigkeit. Schätzen wir die Gemeinschaft mit Gott als unser höchstes Vorrecht? Schätzen wir den 
Wandel mit Gott höher als den Wandel vor und mit den 
Gläubigen? Ich glaube, daß wir das Leben vor und mit den 
Gläubigen oft für wichtiger halten als das Leben vor und mit 
Gott. Umringt von Gläubigen mögen wir gestärkt werden, 
aber Kraft können wir nur empfangen durch unseren Wandel 
und unsere Gemeinschaft mit Gott; denn nur im Blick auf 
den Unsichtbaren können wir ausharren. Das Fleisch mag 
unter den Gläubigen Anerkennung suchen und auch finden, 
aber in der Gegenwart Gottes verwelkt das Fleisch wie Gras. 
Sicher und glücklich sind wir daher nur, wenn wir im Glauben „im Verborgenen des Höchsten" wohnen, und mit der 
dort gesammelten Kraft in den Dienst treten. Dann werden 
wir jeden Feind so anblicken können, wie David Goliath. 
„Denn wer ist dieser Philister, dieser Unbeschnittene, daß er 
die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt" (V. 26)? 
Aber die Sprache des Glaubens bringt augenblicklich das 
Fleisch in Aufregung. So war es bei Joseph, als er seinen 
Brüdern seine Träume mitteilte, und so finden wir es hier bei 
David und seinen Brüdern. Eliab ruft ihm zu: „Ich kenne 
deine Vermessenheit wohl und die Bosheit deines Herzens" 
(V. 28). Wenn das Fleisch etwas sieht, das mächtiger ist als 
es selbst, dann besteht alles, was es tun kann, darin, das 
andere als Vermessenheit zu bezeichnen. Eliab war der älteste 
Bruder, er stand daher auf der Höhe, die das Fleisch liebt und 
55 
sucht. Für das natürliche Auge besaß er einen hervorragenden Platz, aber obwohl seine Person die Aufmerksamkeit 
auf sich lenken konnte, hatte Gott ihn dennoch „verworfen" 
(Kap. 16, 6. 7). Er war nicht der Gesalbte des Herrn. Eliab 
steht hier, wie Ismael und Esau, als der Repräsentant der 
natürlichen Ansprüche des Fleisches. Gestützt auf diese Tatsache tadelt er David. Aber die Weisheit, die die Sprache 
Davids verrät, ist durch eine Macht hervorgerufen, von der 
Eliab nichts versteht. Es war die Sprache des Glaubens. Der 
lebendige Gott, Jehova der Heerscharen Israels, steht vor seinen Blicken, und an ihm mißt er die Philister und ihren 
Vorkämpfer. Eliab sprach und fühlte es als Mensch , darum war für ihn die Sprache des Glaubens nichts als „Vermessenheit und Bosheit des Herzens". 
Das Fleisch verkennt immer den Glauben. Stets ruft es uns 
zornig die Worte zu: „Es ist Vermessenheit!", so oft wir von 
Vertrauen auf den lebendigen Gott reden. Gerade dieses 
Vertrauen, das völlige Erniedrigung, völligen Verzicht auf 
eigene Kraft voraussetzt, wird von seiten des Fleisches als 
Vermessenheit bezeichnet. David verliert sich selbst bei dieser ganzen Handlung aus den Augen, weil er auf Gott und 
Dessen Heere schaut. Es ist die Macht und das Vorrecht des 
Glaubens, das Ic h völlig auszuschalten und allein auf Gott 
zu blicken. „Damit sich vor Gott kein Fleisch rühme." — 
„Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn." Was David gelernt hatte und offenbaren wollte, das nannte Eliab Vermessenheit. Das Fleisch ist stolz und trotzig. Ich setze voraus, 
daß wir dies wissen, und auch dieses, daß der Glaube das 
Ich beiseitesetzt, weil der Glaube alles von Gott empfängt 
und Gott Selbst sein Teil ist. 
„Was habe ich nun getan?" fragte David. „Ist es nicht der 
Mühe wert" (V. 29)? Hatte David sich selber gerühmt?" 
Keineswegs. Und gab es für David nicht eine Veranlassung, 
seine Stimme zu erheben? Wenn der Name Gottes in Frage 
gestellt wird, dann ist immer Ursache vorhanden, ein Wort 
zu reden. Der einzige Zweck, weshalb wir in dieser Welt 
zurückgelassen worden sind, besteht darin, daß wir vor den 
Menschen den Namen Jesu bekennen und unseren eigenen 
56 
Namen beiseite setzen sollen. Möchten doch alle Kinder 
Gottes in dieser einen Sache vereinigt sein — im Bekennen 
des Namens Jesu! 
Aber folgen wir David, der, ohne sich durch die Verweise 
Eliabs zurückhalten zu lassen, in die Gegenwart Sauls tritt. 
Welch eine Würde, welch eine Festigkeit und Gewißheit 
zeigt sich in jeder seiner Bewegungen. „Und David sprach zu 
Saul: Es entfalle keinem Menschen das Herz seinetwegen! 
Dein Knecht will gehen und mit diesem Philister kämpfen" 
(V. 32). Während das ganze Heer Israels zittert, steht ein 
kleiner Mann vor dem König und sagt: „Es entfalle keinem 
Menschen das Herz." Ja, der Glaube verleiht ein solches 
Selbstbewußtsein, das uns nicht nur befähigt, inmitten der 
bedrohlichsten Umstände Trost und Vertrauen zu schöpfen, 
sondern auch den Verzagten neuen Mut zu geben. Von den 
Umständen unbehindert schöpft der Glaube aus den nie versiegenden Quellen des Himmels, und so können wir, anstatt 
dem Druck der Trübsale zu erliegen, wie der Apostel sagt, „die 
trösten. . ., die in allerlei Drangsal sind, durch den Trost, mit 
welchem wir selbst von Gott getröstet werden" (2. Kor 1, 4). 
David hatte die Schule der Trübsale durchlaufen und hatte 
bereits den Gott erprobt, auf Den er vertraute. Er wußte, an 
Wen er glaubte. Er war vorher in Gefahren gewesen und 
hatte siegreich bestanden, darum ist sein Herz jetzt voller 
Vertrauen. In der Wüste waren zwischen seiner Seele und 
Gott Dinge geschehen, die, wie es scheint, bis zu diesem 
Augenblick nicht ans Tageslicht gekommen waren (V. 34 - 37). 
Wo ist der Ort, Geliebte, an dem die Gläubigen lernen können, Siege zu feiern? Ich glaube dort, wo uns außer Gott 
kein menschliches Auge sieht. Entschiedene Selbstverleugnung, das Aufnehmen des Kreuzes im Verborgenen, die in 
der Einsamkeit unseres Kämmerleins erlangte Erkenntnis der 
Notwendigkeit, unsere Einbildungen und alles, was sich gegen 
die Erkenntnis Gottes erhebt, niederzuhalten, — das sind 
die mächtigsten Mittel, um den Schwierigkeiten des täglichen 
Lebens widerstehen zu können. Das Betkämmerlein ist das 
große Schlachtfeld des Glaubens. Haben wir dort den Feind 
getroffen und besiegt, dann werden wir auch in der Stunde 
57 
wirklicher Gefahr feststehen und andere aufrichten und trösten können. Nur derjenige, der bereits in der Wüste den 
Löwen und den Bären niedergestreckt hat, kann im Terebinthental einem Goliath unerschrocken entgegentreten. 
Wie deutlich offenbart uns dies das wirkliche Geheimnis der 
Kraft Davids! Es ist die Kraft des Glaubens. Jetzt verstehen 
wir, was der Apostel meint, wenn er sagt: „Ich bin ein Tor 
geworden." Er war gezwungen worden, von sich selbst zu 
sprechen und da s war seine Torheit. Was war das große 
Geheimnis seiner Kraft für den Dienst und seiner Fähigkeit, 
den Widerstand so vieler Gläubiger ertragen zu können? War 
alles dies nicht eine Frucht jener Übungen, die im Verborgenen zwischen seiner Seele und Gott stattgefunden hatten 
und nur ihm und seinem Gott vertraut waren? Aus demselben Grund konnte jetzt David zu Saul sagen: „Es entfalle 
keinem Menschen das Herz." 
„Aber Saul sprach zu David: Du vermagst nicht wider diesen 
Philister zu gehen, um mit ihm zu kämpfen" (V. 33). Saul 
blickte auf David und dann auf Goliath, und nach menschlichem Ermessen war sein Urteil richtig. Aber Saul kannte 
nicht das Geheimnis Gottes, das David kennengelernt hatte. 
Saul wußte noch nicht, was David sagen wollte. Wenn Eliab 
sich solcher Heldentaten hätte rühmen können, so hätte er 
sie s'cher nicht einen einzigen Tag geheim gehalten, aber 
David war in einer Schule gewesen, in der er gelernt hatte, 
nicht viel aus seiner eigenen Person zu. machen, sondern dem 
lebendigen Gott die Ehre zu geben. Daher hatte er, soweit 
uns die Schrift darüber belehrt, seine Taten nie erwähnt, geschweige sich ihrer gerühmt. Aber als die Gelegenheit es erforderte, konnte er kühn auftreten und verkündigen, wie die 
Güte und Macht Jehovas ihm geholfen hatten. Ebenso verhielt es sich mit dem Apostel Paulus, als er sagte: „Ich kenne 
einen Menschen in Christo vor vierzehn Jahren usw." (2. Kor 
12, 2). Obwohl vierzehn Jahre verflossen waren, scheint es 
doch, daß niemand etwas von seiner Entrückung bis in den 
dritten Himmel gewußt hat. Aber als die Gelegenheit kam, 
dieses Ereignis nicht zu seinem, sondern zu seines Herrn Ruhm 
ins Licht zu stellen, teilte er es ohne Zögern mit. Sicher hat 
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weit mehr zwischen dem Herrn und seinem treuen Apostel 
stattgefunden, ohne daß es je ans Tageslicht gekommen ist. 
Ebenso war es bei David. Wer wußte, was dieser „Knabe" bereits ausgeführt hatte? Wer kannte die wunderbaren Triumphe, die er bereits gefeiert hatte? Wer wußte, daß er schon ein 
Lamm seiner Herde aus dem Rachen des Löwen befreit, und 
sowohl den Löwen als auch den Bären mit seiner Hand 
niedergestreckt hatte? Weder Eliab noch Saul wußte es. Nur 
von dem scharfen Unterscheidungsvermögen des persönlichen 
Glaubens hätte es möglicherweise erkannt werden können 
(Kap. 16, 18); sonst aber waren seine Heldentaten unbekannt. 
In der Tat, wenn wir stark sein wollen, müssen wir einen 
verborgenen Umgang mit Gott unterhalten. Wir sind oft 
schnell bereit, irgendeinen Dienst vor den Augen der Menschen zu verrichten, während wir vielleicht eine ungesehene 
Gemeinschaft und Übung vor Gott vernachlässigen. Und dennoch hängt hiervon alles ab, denn wenn wir nicht im Verborgenen den Löwen und den Bären erlegt haben, werden 
wir nicht in der Öffentlichkeit einen Goliath töten können. 
Dieses sollte uns dahin führen, das Wort zu verstehen: „Der 
. . . nehme sein Kreuz auf täglich." Viele mögen meinen, man 
könne und müsse bei gewissen außergewöhnlichen Gelegenheiten das Kreuz auf sich nehmen, aber ein tägliches Aufnehmen des Kreuzes, eine tägliche Selbstverleugnung, ein 
tägliches Hassen und Verlieren des eigenen Lebens in dieser 
Welt ist eine ganz andere Sache. Gottes Auge ruht immer 
auf uns. Es ist unser Vorrecht, immer vor Gott zu wandeln, 
und darum hat man stündlich Gelegenheit, das Kreuz vo r 
I h m auf sich zu nehmen, sich selbst zu verleugnen, und 
Jesu nachzufolgen. 
„Und David sprach: Jehova, der mich aus den Klauen des 
Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat, er wird 
mich auch aus der Hand dieses Philisters retten" (V. 37). 
David wußte, daß das eine so leicht war wie das andere. 
Wenn wir in Gemeinschaft mit Gott sind, wissen wir, daß 
es für Ihn keine Schwierigkeit gibt. Der Glaube mißt jede 
Schwierigkeit an der Macht Gottes; dann werden Berge zu 
Ebenen. Ach, wie oft denken wir, daß wir in kleinen Dingen 
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diese Allmacht nicht benötigen, und das ist die Ursache unseres Versagens. Haben wir nicht oft sonst eifrige und 
ergebene Gläubige in geringen Versuchungen fallen sehen? 
Die Ursache war, daß sie versäumt hatten, Gott durch Glauben in all e ihre Wege einzuführen. Abraham konnte seine 
Familie und seines Vaters Haus verlassen und auf Befehl 
Gottes ausgehen, ohne zu wissen, wohin, aber in dem Augenblick, wo er einer Schwierigkeit begegnet und in seiner eigenen Weisheit hinabzieht nach Ägypten, wie ist dort sein Verhalten? Beständig fällt er in verhältnismäßig kleinen Dingen. 
Sind wir einmal in einer verkehrten Stellung, die wir uns 
selbs t gewähl t haben , wie schwach erweisen wir 
uns dann! Der Glaube kennt keine geringen Dinge, er setzt 
unsere Schwachheit so völlig voraus, daß er für jeden Sieg 
nichts Geringeres als die Macht Gottes nötig hält. Er unterschätzt keine Gefahr, weil er weiß, was wir sind, er verzagt 
aber auch in keiner Gefahr, weil er weiß, was Gott ist. Diese 
wahre Einschätzung der Gefahr und unserer eigenen Schwachheit kennzeichnet die Glaubenszuversicht. Wenn wir uns an 
unseren Feinden messen, was sehen wir dann? „Unser Kampf 
ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser 
Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den 
himmlischen örtern" (Eph 6, 12). Und was sind wir im Vergleich zu solche n Feinden ? Was ist unsere Macht 
im Vergleich zu der ihrigen? „Wir waren in unseren Augen 
wie Heuschrecken, und also waren wir auch in ihren Augen" 
(4. Mo 13, 33). „Ziehet an die ganze Waffenrüstung Gottes" 
(Eph 6, 11)! Der Glaube entdeckt überall unsere Schwachheit, 
aber er ruht sicher in der Macht des Herrn. Der Glaube weiß, 
was das Fleisch ist, obwohl das Fleisch es selbst nicht weiß, 
und daher wird jemand, der durch den Glauben stark ist, sich 
nie des Fleisches rühmen. „Wenn ich schwach bin, dann bin 
ich stark". 
So ist es hier bei David. Er wußte, daß er sich nicht mit 
Goliath messen konnte. Er hatte auch keine Veranlassung 
dazu, denn er handelte nicht aus Stolz. Er war weit davon 
entfernt, an seine eigene Kraft zu denken, als er den schreck60 
liehen Riesen von Gath erblickte. Er wußte, daß er selbst geringer war als Eliab oder Saul, wie hätte er sich da mit einem 
Goliath vergleichen können? Trotzdem konnte er in völliger 
Zuversicht sein Ziel verfolgen. Er wußte, daß er gerettet 
werden würde. Er vertraute auf Jehova, und Er war stark 
und mächtig. 
„Und Saul sprach zu David: Gehe hin, und Jehova sei mit 
dir! Saul zog David seinen Rock an und setzte seinen ehernen 
Helm auf sein Haupt und zog ihm einen Panzer an" (V. 37b, 
38). Saul konnte sagen : „Jehova sei mit dir!" Aber Saul 
besaß nicht das Vertrauen auf Jehova, das David kennzeichnete. Er versuchte den kleinen David auszurüsten wie er selbst 
ausgerüstet war, und er brachte darum seine eigenen fleischlichen Waffen zum Vorschein. Aber diese sind ungeeignet für 
einen Glaubenskämpfer. Sobald David die Waffenrüstung 
Sauls angelegt hatte, war er zu jeder Bewegung unfähig. Er 
fühlte sich gefesselt und gehemmt. Wer nicht alles im Glauben tut, ist ungeschickt und unfähig, festen Schrittes zu gehen. Wenn aber der einfältige Glaube an den lebendigen Gott 
in Tätigkeit ist, dann schreiten die Gläubigen ruhig, leicht, 
unbeschwert und siegreich vorwärts. Es liegt eine glückselige 
Freiheit in dem Dienst, den der Glaube für den Herrn tut, 
Der keine Fähigkeit oder Anstrengung des Fleisches anerkennen kann. Deshalb müssen wir jede zur „Unterstützung" des 
Glaubens angewandte Tätigkeit des Fleisches entschieden zurückweisen. Bei den verschiedensten Dingen kann man entdecken, daß Anstrengungen gemacht werden, die den Glauben 
anderer nachahmen sollen, und man versucht irgendein Opfer 
zu bringen, nur weil andere es auch getan haben. Aber das 
alles ist verabscheuungswürdig. Wer wirkliche Kraft von dem 
Herrn besitzt, bewegt sich frei und ruhig, und schlägt jedes 
andere Hilfsmittel aus. Er stützt sich auf Gott, das ist das 
wahre Geheimnis seiner Kraft. Wir werden dies bei David 
sehen. 
/ „Da sprach David zu Saul: Ich kann nicht darin gehen, denn 
ich habe es nie versucht" (V. 39). David hatte keine Furcht, 
dem Philister entgegenzutreten, weil er wußte, daß Jehov a 
m i t ih m war , aber unmöglich konnte er i n diese r 
61 
Weis e sein Vorhaben ausführen. Der Glaube vertraut nicht 
teilweise auf den Herrn und teilweise auf den Menschen. 
David hatte keinen ehernen Helm und keinen Panzer, als er 
den Löwen und den Bären schlug. Jehova war seine einzige 
Kraftquelle, und Er errettete ihn, wie er sagte. Ebenso hören 
wir Paulus sagen: „Der Herr aber stand mir bei . . . und ich 
bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen" (2. Tim 4, 
17). In derselben Weise hatte auch David den mächtigen Arm 
seines Gottes erprobt, aber er war nicht „gewohnt", die Waffenrüstung Sauls zu tragen. 
Aber wie oft haben wir uns selbst so eine falsche Rüstung 
angezogen oder uns von anderen in so beengende und hinderliche Waffenröcke einschnüren lassen, ohne wie David 
deren Untauglichkeit zu entdecken und sie so schnell wie 
möglich wieder abzulegen! Haben wir sie nicht oft sogar mit 
Wohlbehagen getragen, und sind wir nicht oft so gerüstet 
in den Kampf gezogen? Haben wir nicht oft versucht, das 
Werk Gottes in irgendeiner Form mit menschlicher Macht zu 
unterstützen und das im Fleische zu vollenden, was im Geiste 
begonnen war? Aus diesem Grunde haben wir dann zu unserem Schaden und Nachteil unsere Torheit und unseren Unglauben erkennen müssen. Wie ganz anders handelte David! 
Er entdeckte sofort, daß die glänzende Waffenrüstung Sauls 
für einen Glaubensstreiter untauglich war. Die Worte Sauls 
waren gut, aber sie wurden durch diese Waffenrüstung Lügen 
gestraft. Ich glaube, daß diejenigen, mit denen Gott Sich viel 
im Verborgenen beschäftigt, David gleichen werden; sie werden ruhig und klar die Hilfsmittel des Fleisches erkennen 
und zurückweisen. Sie prüfen, was „das Vorzüglichere sei" 
(Phil 1, 10), mit dem geistlichen Unterscheidungsvermögen, 
das man nur in der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott 
erlangen kann. Selbst wenn dies durch die Kunstgriffe des 
Feindes für einen kurzen Augenblick getrübt und durch 
einen trügerischen Gegenstand beeinflußt wird, wird der 
Betrug, wenn auch nicht gesehen , so doch bald ge -
fühl t werden. So ist es bei David. Für einen Augenblick 
ließ er sich die ganze Waffenrüstung Sauls anlegen, aber 
gerade als Saul ihn vorschriftsmäßig ausgerüstet zu haben 
62 
glaubt, fühlt David sich gefesselt und behindert. Das geeignetste Hilfsmittel der Welt ist das größte Hindernis für den 
Glauben. 
„Und David legte sie (die Rüstung) von sich ab." So begibt 
sich der Glaube aller fleischlichen Waffen und hält sich nur 
an die Macht Gottes. Dies zu lernen, fällt uns oft sehr schwer. 
Wir lernen langsam, vergessen aber umso schneller. Aber 
wenn wir mehr den verborgenen Umgang mit Gott genössen, 
würden wir viel eher auf alle fleischlichen Waffen verzichten. 
Die Seele, die wie David im Verborgenen vor Gott geübt worden ist, weiß, daß alles außer der Kraft Gottes gänzlich wertlos 
ist. Wenn sie diese gesegnete Lektion erlernt hat, wirft sie eiligst alle die Dinge von sich, die das Fleisch als gute Hilfsmittel 
so sehr schätzt, und fühlt sich erst glücklich und frei, wenn 
sie alles das beiseitegeworfen hat. Wie gesegnet ist es, das 
Fleisch zu erkennen und zu verleugnen! Aber eben weil wir 
jenen verborgenen Umgang mit Gott vernachlässigen, bleibt 
oft nichts anderes übrig, als auf dem Wege schmerzlicher 
Züchtigungen Erfahrungen dieser Art zu sammeln. Ein solcher 
Weg ist schwierig. Sicher aber gibt es nichts Verwerflicheres, 
als wenn man wie Saul den Namen des Herrn mit menschlicher Autorität oder menschlicher Weisheit verbindet. Wie sehr 
freut sich der Apostel, alle die von Menschen so hoch geschätzten Dinge um Christi willen verloren zu haben! Wie 
kam es, daß ihm dies so leicht wurde? Wodurch erlangte er 
die Kraft, alle diese Dinge zu verleugnen und für nichts zu 
achten? Er hatte gelernt, sich in Christo Jesu zu erfreuen und 
stark zu sein „in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke". 
Möchten wir uns daher stets daran erinnern, daß jeder, m i t 
d e m Got t Sic h im Verborgenen beschäftigt hat, sich 
nicht dieser fleischliche n Waffe n bediene n 
kann! Das zeigt uns, wie notwendig es ist, daß wir nicht eher 
unseren Dienst beginnen, als bis wir vorher in der Gegenwart des lebendigen Gottes gewesen sind. Nur dann werden 
wir fähig sein, die Ansprüche und Hilfsmittel des Fleisches 
verleugnen und ausschlagen zu können. Es ist wirklich betrübend, einen Gläubigen zu sehen, der jene heilige Gemeinschaft noch nicht gepflegt hat, wie er in der Waffenrüstung 
63 
der Welt kämpfen muß. Auf diese Weise ist auch die Welt in 
die Kirche eingedrungen. Ihre Grundsätze und Kräfte werden 
an einem Ort anerkannt, der eigentlich durch die Worte Gottes gekennzeichnet werden sollte: „Liebet nicht die Welt!" 
„Alles was in der Welt ist . . . ist nicht von dem Vater", und 
„die Freundschaft der Welt (ist) Feindschaft wider Gott." 
Wie oft kämpft das Fleisch gegen das Fleisch. Anstatt einfach 
das Wort Gottes zu gebrauchen, sucht man auf einem fleischlichen Wege einen Sieg zu erringen; statt der Schleuder in 
der Hand des Glaubens wird der eherne Helm und der Panzer Sauls der Rüstung Goliaths gegenübergestellt. Wie oft 
rechtfertigt Gott Sein eigenes im Glauben angewandtes Wort, 
indem Er es mit göttlicher Macht begleitet! Wie oft demütigt 
er uns aber auch dadurch, daß Er uns zeigt, wie unser Fleisch 
nichts anderes vermag als zu fallen! 
David geht jedoch nicht unbewaffnet in den Streit, obwohl er 
die Waffenrüstung Sauls von sich wirft. „Und er nahm seinen 
Stab in seine Hand und wählte sich fünf glatte Steine aus 
dem Bache . . . und seine Schleuder hatte er in seiner Hand; 
und er trat an den Philister heran" (V. 40). Er legte die einen 
Waffen ab, um sich mit Waffen anderer Art ausrüsten zu 
können. Aber wie einfach sind diese Waffen! Wenn David 
mit solchen Waffen den Riesen Goliath erlegte, mußte dies 
sicher ein Sieg Jehovas sein. Diese Waffen waren nicht durch 
die Kunst und nach dem Plan des Menschen gearbeitet, denn 
der dahinfließende Bach hatte diesen Steinen ihre Glätte gegeben. Der Glaube ist stets so bewaffnet. Aber in den Augen 
der Menschen ist diese Waffenrüstung des Glaubens immer 
schwach und töricht. Die größten Siege Gottes sind durch 
Werkzeuge gewonnen worden, die der Mensch am meisten 
verschmäht hat. Der Mensch behandelt die törichte Predigt 
am Kreuze Christi mit Verachtung, und doch ist sie die 
„Macht und Weisheit Gottes." Eine solche Predigt war stets 
so töricht wir die Schleuder Davids. Aber eben diese Einfachheit haben wir nötig, wenn wir daran denken, daß die Wahrheit Gottes in die Gewissen der Menschen dringen soll. Unsere Waffen haben eine göttliche Kraft, und wenn wir in 
einfältigem Glauben nur auf Gott unser Vertrauen setzen 
64 
und die Waffen menschlicher Energie, Weisheit und Autorität von uns werfen, dann wird uns der Sieg gewiß sein. 
„Und der Philister ging und kam David immer näher" (V. 41). 
Verächtlich auf David und seine Waffen sehend, sagt Goliath: „Bin ich ein Hund, daß du mit Stöcken zu mir kommst" 
(V. 43)? Das Fleisch in seinem Stolz sieht sich immer schimpflich behandelt, wenn unsere Waffen den ihrigen nicht ähnlich 
sind. Es fordert Schwert gegen Schwert und Helm gegen 
Helm, denn das Fleisch liebt sich selbst. Aber David antwortet: „Du kommst zu mir mit Schwert und mit Speer und mit 
Wurfspieß; ich aber komme zu dir im Namen Jehovas der 
Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du 
verhöhnt hast" (V. 45). So stellt David die Frage auf den 
rechten Boden. Es handelt sich jetzt einfach um eine Frage 
zwischen Jehova der Heerscharen und dem Philister. David 
setzt seine eigene Person ganz beiseite und bringt Gott als 
den Gegner Goliaths auf den Schauplatz. So sollte es auch bei 
uns immer sein. Wer sind wir? Was liegt daran, was wir 
sind, und was die Macht des Feindes ist? Mögen wir auch 
schwach und er stark sein, ist es nicht Gott, Der Seinen eigenen Namen verteidigen will? David kam im Namen Jehovas 
der Heerscharen, und wird Gott nicht über Seinen eigenen 
Namen wachen? Wird Er dem Philister erlauben, darüber zu 
triumphieren? Niemals. Hierin besteht die Kraft des Glaubens. Der Glaube bringt die Allmacht Gottes in die Umstände. Der Glaube sagt immer: „Wenn Gott für uns ist, wer 
wider uns?" 
David hätte sicher nicht die Probe bestanden, wenn er nicht 
Gott als seinen Gott in der Einsamkeit kennengelernt hätte. 
Aber jetzt konnte er sagen: „Es entfalle keinem Menschen 
das Herz", und jetzt konnte er dem Philister mutig entgegentreten. Der Name des Herrn muß unsere Kraft gegen das 
Böse sein, mag es von außen oder von innen kommen. Setzen 
wir die schlimmste Art des Bösen voraus, und das ist sicher, 
wenn wir irgendeine Sünde bei einem Gläubigen sehen, wohin sollten wir dann unsere Zuflucht nehmen? „Herr, um 
Deines Namens willen, verzeihe mir mein Unrecht, denn es 
ist groß!" — Wir haben in jedem Falle nur nötig, Gott an 
65 
Seinen Namen zu erinnern, und Er wird für diesen Namen 
einstehen. So kann also der Glaube sich immer dieses Namens 
als seiner Kraft gegen den Feind bedienen. Anstatt sich durch 
den Stolz seines Herzens leiten zu lassen, trat David selbst 
ganz in den Hintergrund und legte alles in die Hand Gottes. 
Sein volles Vertrauen zeigt seine völlige Demut. Für uns ist 
es der Name Jesu, den wir jedem Ding gegenüberstellen müssen. Ist dieser Name nicht in jeder Trübsal, in jeder Verlegenheit und jedem Feinde gegenüber genügend? Diese Unterweisung will Gott jetzt vielen Seelen im Verborgenen erteilen. Er weckt in ihnen das Gefühl eines Elends, das sie 
früher nicht kannten, und eine Traurigkeit, die sie früher nie 
gefühlt hatten, damit sie den Wert des Werkes, das am Kreuz 
für sie geschehen ist, schätzen lernen. Während sie so auf 
dem Wege der Erfahrung die Kostbarkeit der Erlösung erkennen, erkennen sie zugleich die Notwendigkeit, diesen allmächtigen Gott als ihren Freund zu besitzen. Gott ist jetzt 
im Verborgenen unaufhörlich bemüht, viele Seelen mit dem 
Werte des Kreuzes bekannt zu machen, damit sie im Kampf 
stark werden. 
Ja, wenn wir vor Gott im Verborgenen gelebt haben, werden 
wir, wenn ich so sagen darf, den ersten Schritt beim Angriff 
tun können, wie David es tat. Er sagt: „An diesem Tage wird 
dich Jehova in meine Hand überliefern, und ich werde dich 
erschlagen und dein Haupt von dir wegnehmen; .. . da eilte 
David und lief der Schlachtreihe zu, dem Philister entgegen" 
(V. 46. 48). David zögerte nicht, sondern bediente sich augenblicklich seiner einfachen Waffen und schleuderte einen Stein 
gegen die Stirn des Riesen, so daß dieser tot zur Erde fiel 
(V. 49). „So war David, mit der Schleuder und mit dem Steine, stärker als der Philister, und er schlug, den Philister und 
tötete ihn" (V. 50). 
David wartete also nicht den Angriff ab, sondern eilte dem 
Philister sofort entgegen. Wenn wir im Verborgenen den 
Wert des Namens des Herrn kennengelernt haben, gibt uns 
das Bekenntnis dieses Namens alle Kraft, daß wir, statt angegriffen zu werden, selbst den Angriff auf den Feind eröffnen können. Aber wir haben gesehen, wieviel Gnade nötig 
66 
ist, um wirklich gegen das Böse Zeugnis ablegen zu können. 
Ach, wie schwach ist oft unser Zeugnis, weil wir nicht wirklich mit Gott Umgang haben! Möchten wir es uns merken, 
wie ruhig und sicher David ohne zu zögern seine Schleuder 
zur Hand nahm. Er trifft keine großartigen Vorbereitungen, 
er handelt, als ob er in der Wüste sei, wo außer Gott kein 
Auge ihn sah. Wie Jehova ihn befähigt hatte, den Löwen 
und den Bären zu erschlagen, so lenkte er auch die Richtung 
des geschleuderten Steines. So trug David den Sieg davon, 
und so wird der Glaube stets siegen. 
Auch in unseren Tagen gibt es viele Gelegenheiten für einen 
solchen Dienst des Glaubens. Vergessen wir nur nicht, daß 
die Kraft dazu im Verborgenen bei Gott gewonnen werden 
muß. Nur in der Kraft Gottes können wir dienen. Wenn ein 
Gläubiger in der Öffentlichkeit vom Herrn gesegnet wird, 
so können wir sicher sein, daß der Herr Sich im Verborgenen 
mit ihm beschäftigt hat, und zwar auf eine Weise, die wir 
nicht vermutet haben. Aber wie oft sehen wir auch einen 
Christen, der sich eine Zeitlang im Dienst auszeichnete, 
plötzlich bei einem geringen Widerstand fallen. Woher kommt 
das? Aus Mangel an fortgesetztem, verborgenem Umgang 
mit Gott. „Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, 
und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten" (Matth 6, 6). 
Das christliche Amt 
Inwiefern muß es anerkannt oder verworfen werden? 
Man beschuldigt uns der Verwerfung des christlichen Amtes 
und wir haben darauf nur die einfache Antwort, daß wir nur 
ein unchristliche s Amt verwerfen. 
Wir glauben nicht, daß jemand auf dem Wege der Einsetzung 
durch eine weltliche Behörde oder durch die Wahl des Volkes 
in den Besitz eines solchen Amtes gelangen kann, und hierin 
liegt der Kern dieser Frage. Aufgrund des Wortes Gottes 
können wir weder einer Behörde noch dem Volk das Recht 
der Berufung oder der Wahl in dieser Sache einräumen. Nur 
67 
Gott hat dieses Recht. Dennoch glauben wir, daß für die 
gegenwärtige Zeit das christliche Amt so nötig ist wie die 
Wiederkunft Christi, und wir sind weit davon entfernt, das 
christliche Amt beiseitezusetzen, da wir überzeugt sind, daß 
der bloße Wille einer Staatsbehörde oder des Volkes — obschon beides an seinem Platz zu ehren ist —• sich nicht mit 
einer so heiligen Sache befassen kann, die die Herr allein nach 
Seinem Willen ordnet. 
Wir lesen, daß der gen Himmel gefahrene Herr „die einen 
gegeben (hat) als Apostel und andere als Propheten und 
andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer". 
Dieses, nicht aber die Berufung durch irgendeine Staatsbehörde oder die Wahl des Volkes ist der einzige Ursprung des 
Amtes. Man behauptet zwar von der einen Seite, daß eine 
Behörde das Recht zur Berufung, und auf der anderen Seite, 
daß das Volk das Recht zur Wahl habe, aber wir verneinen 
beides. Christus verleiht das Amt, wann und wie Er es für 
gut befindet, und wehe dem, der ein solches Amt nicht anerkennt! Wenn aber, wie in einem Schriftchen behauptet 
worden ist, ein Mensch ebenso das Recht hat, sich seinen 
eigenen Pastor zu wählen, wie er bei Gericht sich seinen 
Rechtsanwalt oder in Krankheitsfällen seinen Arzt wählen 
darf, so ist Gott offensichtlich ganz ausgeschlossen, und 
dagegen richten wir unseren Einwurf. Wenn Christus eine 
Gabe verliehen hat, so ist der Gläubige verpflichtet, ihre 
Ausübung und durch sie das Wort Christi anzuerkennen. 
Die durch die Wirksamkeit eines Evangelisten bekehrten 
Seelen sind der Beweis für seine Gabe, und die Kirche ist 
genötigt, eine solche anzuerkennen. Wenn die Glieder der 
Kirche geistlich gesinnt sind, so werden sie sicher ihre Anerkennung nicht versagen, wenn die Gabe und der Beweis, 
daß Gott sie gegeben hat, vorhanden sind. Tun sie es aber 
doch, dann sündigen sie gegen Christus, Der diesen Evangelisten gesandt hat. Die menschliche Einsetzung und Wahl der 
hat zur Folge, daß man das Auge auf jemand richtet, der — 
mag er nun tauglich oder untauglich sein — der Behörde, dem 
Patron oder dem Volk gefällt, und der, wenn die Kirche 
die ihr eingeräumten Rechte nicht einbüßen will, als die ein68 
zige Person, anerkannt werden muß, in der alle Gaben vereinigt sind. Daher dreht sidi gewöhnlich der ganze Dienst 
um einen Prediger. 
Wir machen daher keine Einwendungen gegen das Amt, 
wohl aber gegen dessen Übernahme seitens einer Person, 
deren göttliche Sendung nicht erwiesen ist, denn wenn auch 
jemand die eine oder andere Gabe besitzen mag, so doch 
nicht alle Gaben. Wenn ein solcher offenbar zum Evangelisten 
geeignet ist, kann man ihm deshalb das Amt des Pastors oder 
Hirten übertragen, zu, dem er nicht die geringsten Eigenschaften besitzt? Vielleicht hat er die Gabe zu lehren, während ihm die Gabe zu regieren ganz und gar fehlt; kann er 
nun zum Hüter der Herde angestellt werden? Aufrichtig beklagen wir die Einsetzung eines — ob guten oder schlechten — Pfarrers für das ganze Werk des Dienstes. Denn was 
ist die Folge? Man verrückt gleichsam den Rahmen, der den 
Leib Christi umschließt. Ist die sogenannte Innere oder Heimatmission etwas anderes, als eine Anstrengung, die zutagegetretenen Schäden an dem Bauwerk jener Körperschaften, 
die sich Kirchen nennen, auszubessern? 
Der Grund, weshalb wir das Amt in der gegenwärtigen Zeit 
für sehr notwendig halten, findet seine Erklärung in den 
Worten: „Gott war in Christo, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend, und hat 
in uns das Wort der Versöhnung niedergelegt" (2. Kor 5). 
Die Versöhnung der Welt, die Nichtzurechnuxig der Sünden 
und die Gründung des Amtes, das waren die drei Dinge, die 
Gott in Christo wirkte. Bei den Juden war das nicht so; sie 
waren ein durch Geburt gebildetes Volk, dem als solchem 
bestimmte Gesetze gegeben worden waren. Aber als Gott in 
Christo als versöhnender Gott erschien, war ein Amt als Mittel notwendig, um gerade diese Absicht Gottes auszuführen. 
So ist also das Amt das wesentliche Kennzeichen der gegenwärtigen Zeit. Die Gnade mag die Gaben wie bei den Aposteln in wunderbarer Weise in einer Person vereinigt haben, 
aber gewöhnlich sind sie auf verschiedene Diener verteilt. 
Sie dienen zum Nutzen der Kirche und diese muß sie anerkennen, sonst leugnet sie das Recht des Herrn Jesu, diese 
69 
Gaben zum Besten der Kirche auszuteilen. Dieses Recht aber 
hat Er allein, ebenso wie Er allein die Macht hat, als Versöhner zu vergeben und die Sünde nicht zuzurechnen. Jeder, 
der versöhnt ist, ist zubereitet und, insofern er fähig ist, 
verpflichtet, den Unbekehrten die Herrlichkeit Christi als des 
Versöhners zu verkündigen. Es gibt solche, die die besondere 
Gabe haben, das Evangelium zu predigen, und natürlich ist 
nicht die Kirche oder Versammlung der Ort für die Ausübung dieser Gabe, sondern die Welt, in der sie den Sündern 
das Evangelium verkündigen. Niemand hat das geringste 
Recht, in der Kirche zu reden, wenn Gott ihm nicht die Gabe 
gegeben hat, si e erbaue n zu können. Für die Natur 
gibt es hier keinen Platz, sie hat in Christo ihren Tod gefunden. Außer Christo ist sie tot in Sünden und Vergehungen, 
ihr Teil ist ewiges Verderben. Wir können dem rebellischen 
Sünder kein anderes Recht einräumen als daß er verloren 
ist. Christus hat alle Rechte und alle Gewalt. Nie räumt die 
Gnade das Recht ein, in der Kirche zu reden, wenn es nicht 
zur Erbauung der Brüder dient. Diese werden bald herausfinden, ob sie durch jemanden erbaut werden oder nicht, und 
im letzteren Fall ist die Unfähigkeit eines Redners, und besäße er auch die Weisheit eines Fürsten von Tyrus (Hes 28), 
völlig erwiesen, denn der Heilige Geist spricht stets zum 
Nutzen derer, die zuhören. 
Freilich mögen die Zustände so schlecht sein, daß die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen wollen. In 
diesem Fall gibt es kein anderes Hilfsmittel als die Dazwischenkunft der Barmherzigkeit, die irgendeine dazu begabte 
Person sendet, um die Irrenden zurückzubringen. Die Kirche 
hat das Recht, aus jedem Dienst Nutzen zu ziehen, zu dem 
Gott irgendeinen der Brüder zur Auferbauung begabt hat. 
Der, dem diese Gabe fehlt, muß natürlich schweigen, denn 
nur Gott kann segnen, und Er wird dieses Recht darin erweisen, daß Er Seine Gaben gibt, wem Er will. Wenn jemand 
in besonderer Weise von Gott mit Erkenntnis und Weisheit 
ausgerüstet ist, die Seelen in Liebe zu pflegen, sowie mit der 
Fähigkeit, die Unordentlichen in der Kraft des Heiligen Geistes zurechtzuweisen und die Listen Satans aufzudecken, dann 
70 
wird seine Gabe, die Herde Christi zu weiden, bald erkannt 
werden, und der geistlich gesinnte Teil der Kirche wird bald 
bereit sein, sich eher zu viel als zu wenig an jemand zu 
klammern, der zur Führung, zum Trost und zur Stütze 
gegeben ist. 
Wer eine Gabe hat, ist verpflichtet, sie nach dem Maße, in 
dem sie ihm gegeben worden ist, auszuüben, sei es im engeren oder weiteren Kreise. Wenn jemand von Gott eine große 
Gabe empfangen hat, das Wort der Wahrheit recht auszuteilen, so kann er, mag er auch die oben erwähnten Gaben eines Hirten nicht besitzen, seine Gabe als Lehrer mit ebenso 
viel Nutzen ausüben, wie ein anderer, der einen anderen Dienst 
unter den Brüdern verrichtet. Ob der eine ein Wort der Weisheit, ein anderer ein Wort der Erkenntnis besitzt — zu allem 
ist die Kirche berechtigt. Alles, was Gott gegeben hat, ist zum 
Nutzen der Kirche gegeben. Wie können wir aber diese Gaben genießen, wenn sie nicht in Tätigkeit gesetzt werden? 
Christus wird gewiß Rechenschaft über die verliehenen Talente fordern. Es geht dabei aber um viel mehr als die bloße 
Ausübung der verliehenen Gaben, denn wohl wird da, wo 
der Heilige Geist anerkannt wird, die Kraft der Gemeinschaft 
vorhanden sein, aber nur da, wo der Heilige Geist geehrt 
wird, werden die Seelen in der Kraft der Gnade und der 
Gemeinschaft reichlich gesegnet werden. 
Wir erkennen also das christliche Amt ganz und gar an, aber 
wir bestreiten aufgrund der Schrift, daß es in der Macht 
derer steht, die sich dazu berechtigt glauben, es einem einzelnen Menschen, ohne Rücksicht auf das Maß seiner Fähigheiten nach Belieben anzuvertrauen. Wenn Personen vorhanden sind, die eine fortdauernde Gabe bestimmter Art 
besitzen, dann ist es ihre Pflicht, sie auszuüben, indem sie 
von Zeit zu Zeit ein Wort zum Nutzen an die Seelen 
richten. Wenn es solche gibt, die durch Gottes Gnade Erfahrungen zur Leitung und Regierung der Kirche gesammelt 
haben, so werden die Gläubigen durch den Geist Gottes 
geleitet werden, sich ihnen zu ihrem eigenen Nutzen unterzuordnen, ja, alle werden einander untergeordnet sein. Wo 
der Geist der Gnade und der Liebe vorhanden ist, da wird 
71 
alles gut gehen, wo nicht, wird sich bald das Böse zeigen, 
wenn nicht der Herr in Seinem Erbarmen dazwischentritt und 
jemand sendet, der die Unordentlichen zurechtweist und die 
Widersacher überführt. Der Herr wird sicher der Kirche alles 
darreichen, dessen sie bedarf, obwohl Er uns zu, unserem 
Besten zuweilen darauf warten läßt, um uns zu belehren, daß 
wir von Ihm abhängig sind. Würden wir unsere Blicke auf 
Ihn richten, dann würden wir sicher nicht so vielen Schwierigkeiten begegnen, denn Er würde dann mehr, ich möchte 
sagen, in einer sichtbareren Weise für uns tätig sein. 
Wenn aber auch jedes Amt oder jede Gabe ein Segen für die 
Kirche ist und anerkannt werden muß, ist es dennoch das 
klare Vorrecht zweier oder dreier Christen, wenn es nicht 
irn Geiste der Spaltung geschieht, sich im Namen Jesu zu 
versammeln, um das Brot zu brechen, mag unter ihnen auch 
kein Amt oder keine Gabe vorhanden sein. Als Christe n 
besitzen sie dieses Vorrecht. Selbstverständlich sind alle Gaben zum Nutzen der Gläubigen und müssen freudig begrüßt 
und zum Dienst verwendet werden, aber sie dürfen keineswegs mit dem wirklich bleibenden Vorrecht der Gemeinschaft 
und den Pflichten untereinander, als dem beständigen Teil 
der ganzen Sache, verwechselt werden. Die Notwendigkeit, 
zu der es leider gekommen ist, einen Pfarrer zum Dienst in 
der Kirche oder der Versammlung haben zu müssen, ist nur 
ein Teil des Abfalls in der Kirche, obwohl auch da, wo viele 
Gläubige versammelt sind, diejenigen, die in der Versammlung dienen, das Brot brechen werden. Das Amt bedarf sicher 
nicht der Bestätigung angesichts der Welt und durch die 
Welt, und dennoch macht man sie in unseren Tagen für einen 
Geistlichen zur Bedingung. In diesem Fall treten die Zeichen 
des Abfalls — die Vereinigung der Kirche mit der Welt — 
deutlich zutage. Die Stellung eines Geistlichen in diesem 
Sinne verschmähen und verwerfen wir im höchsten Grade. 
Nur die Natur oder das Fleisch — davon sind wir überzeugt — liebt eine solche Stellung. Die Autorität, in der 
Kirche dienen zu dürfen, hängt nur von der Befugnis ab, die 
Christus erteilt. Ihre Anerkennung von seiten der Kirche ist 
daher eine Verantwortung, deren Ernst aller Beachtung wert 
72 
ist. Ist der Geist Gottes gegenwärtig, so wird Er alles, was 
zum Dienst nötig ist, anordnen und den Irrtum aufdecken 
und beseitigen. Wenn wir von einer großen Autorität zum 
Dienste in der Kirche reden, so ist es sicher eine große "Verantwortlichkeit, diese dem Worte Gottes gemäß auszuüben; 
und ohne Zweifel wird Christus Rechenschaft fordern und 
unsere Nachlässigkeit richten. Jede Anerkennung von Seiten 
der Kirche mag an und für sich und wegen der Ordnung ganz 
am Platze sein, aber auf diesem Wege kann keine Befugnis 
zum Dienen erteilt werden. Wehe der Kirche, wenn sie das 
nicht anerkennt, was Christus gegeben hat! Wenn es dem 
Herrn gefällt, kann Er eine Aussonderung zu irgendeinem 
Dienst bewirken. Wenn Er es tut, dann wird Er Selbst den 
Weg dazu bereiten, und dieser wird sich als gut erweisen 
und von den Kindern der Weisheit gerechtfertigt werden. 
Daß eine solche Aussonderung für den beständigen Segen 
der Kirche nicht durchaus erforderlich ist, zeigt uns die Geschichte der Kirche zu Antiochien. 
Trotz unserer Schwachheit und Torheit wirkt Gott durch 
Seine Macht viel tiefer und mächtiger, als es die Anordnung 
menschlicher Einrichtungen zu tun vermag. Möchte Er uns 
bereit machen, auf Seine Zeit und Seine Wege für jede Gabe 
und jede Leitung des Heiligen Geistes zu warten! Sein Geist 
ist und bleibt unumschränkter Herrscher, wenn auch die 
Menschen Kanäle erbauen, um die frischen Ströme hindurch 
zu leiten. Wenn die Wasser diese Kanäle überschwemmen 
und ihre Ufer zerstören, kann kostbare Nahrung zurückbleiben und sich ablagern, während der Kanal selbst, dem 
man die größte Sorgfalt widmet, nur Sand und Steine mitschwemmt, die den Strom trübe machen und Nutzen und 
Wert nur darin haben, daß sie die Dämme durchbrechen, die 
der Mensch in seiner vermeintlichen Weisheit aufgerichtet 
hat. Wir sind fest davon überzeugt, daß der Herr, wenn wir 
geduldig und unterwürfig sind, weit mehr Segen darreichen 
wird, als wir bis jetzt gesehen haben. Wir sehen daher im 
Blick auf diejenigen, die der Herr befähigt hat, der Kirche zu 
nützen, und die, wie es nur im Geiste geschehen kann, geübt 
und der Autorität Gottes unterworfen sind, in jeder im 
72, 
Dienste Gottes tätigen Gabe, die Christus zum Nutzen und 
zur Auferbauung der Kirche gegeben hat, ein Amt. Wenn 
Gott jemand beruft und ihm irgendeine Gabe gibt, so ist er 
selbstverständlich ein Diener und daher verpflichtet, mit 
dieser Gabe zu dienen. Wir überschätzen unsere Weisheit in 
diesen Dingen nicht, aber die Heilige Schrift redet von ihnen, 
und wir glauben, daß Gott geehrt wird, wenn wir uns stets 
Seinen Gedanken und Wegen unterwerferi. 
J. N. D. 
„Es ist das Licht, das alles offenbar macht." 
(Epheser 5, 13) 
Alles, was böse, alles, was unrein in uns ist, muß ans Licht 
kommen und verurteilt werden, denn nichts Beflecktes und 
Unreines kann in das Reich Gottes eingehen. Wenn wir im 
Licht bleiben, werden wir das Böse sehen und verurteilen. 
Wenn wir es nicht tun, dann deckt Gott es auf und richtet 
es. Gott bedient Sich der verschiedensten Mittel, um uns zur 
Selbsterkenntnis zu bringen. Er bringt uns in allerlei Prüfungen und Schwierigkeiten, in Angst und Traurigkeit, trennt 
uns von denen, an denen wir hängen, sendet uns Schmerzen 
und Leiden und prüft uns auf allerlei Weise, um die verborgenen Dinge, die mit Seiner Heiligkeit nicht in Übereinstimmung sind, ans Licht zu bringen (Siehe 1. Kor 11, 31). 
Wir müssen von aller Unreinigkeit gereinigt werden, und dies 
bewirkt Gott in Seiner Treue. Er reinigt uns durch die Waschung mit Wasser durch das Wort (Eph 5, 26. Joh 13, 6). 
Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns und ist sozusagen in unseren Bereich gebracht. Jesus sagt: „Wer mir 
nachfolgt, . . . wird das Licht des Lebens haben". Christus 
war im Licht, im Schöße des Vaters, und dasselbe Licht hat 
Er in die Welt gebracht (Joh 12). Das ist das Licht, das uns 
erleuchtet, das alles offenbar macht und durch das wir gereinigt werden. Der Heilige Geist tritt in alle Umstände des 
täglichen Lebens ein, Er spricht über alle Beziehungen, in 
denen wir zueinander stehen: über das Verhältnis zwischen 
74 
Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Herren und Dienstboten. In bezug auf die gewöhnlichen Dinge 
des Lebens werden wir aufgefordert, im Licht zu wandeln, 
und die „Frucht des Lichts besteht in aller Gütigkeit und 
Gerechtigkeit und Wahrheit". Wir alle straucheln oft und 
müssen einsehen lernen, daß in uns nichts Gutes wohnt. Das 
ist schmerzlich und demütigend, aber es ist die Wahrheit, 
und die Wahrheit allein kann uns demütig erhalten. Sie allein 
kann uns dahin bringen, daß wir die Gnade schätzen lernen, 
die uns zubereitet hat, die uns aufrechterhält, und die an uns 
arbeitet, um uns zu reinigen und zu heiligen bis auf den Tag 
Christi, wenn nichts Unreines gefunden werden wird. 
Mephiboseth oder die Barmherzigkeit Gottes 
(2. Samuel 9) 
Vor vielen Jahren las ich eines Morgens im neunten Kapitel 
des zweiten Buches Samuel die Geschichte Mephiboseths, des 
lahmen Sohnes Jonathans. Anfangs fand ich nichts Besonderes, das meine Aufmerksamkeit gefesselt hätte, jedoch bei 
nochmaligem Lesen ruhte mein Auge auf den Worten Davids: „Ich will gewißlich Güte an dir erweisen um deines 
Vaters Jonathan willen" (V. 7). Plötzlich tauchte der Gedanke 
in meinem Herzen auf: Ach! das ist ein schönes Bild von 
der Güte Gottes durch Jesus Christus. Es war mir, als eröffne 
sich meinen Blicken eine liebliche Landschaft beim Anbruch 
eines schönen Morgens. Viele Jahre sind seitdem verflossen, 
aber was ich damals fühlte und genoß, das hat sich tief in 
mein Gemüt eingeprägt. Oft bin ich dahin geführt worden, 
diese liebliche Geschichte zum Gegenstand meiner Predigt 
zu machen, und viele Seelen sind dadurch zu Christus geführt 
worden. Dies ermutigt mich, auch dem Leser dieser Schrift 
eine kurze Betrachtung über den oben erwähnten lehrreichen 
Teil des Wortes Gottes vorzulegen, und zwar in dem Vertrauen, daß der Herr sie zum Nutzen vieler Seelen segnen 
werde. 
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In dieser Darstellung der Barmherzigkei t Gotte s 
entdecken wir zwei Charaktere. Wir sehen hier den Mephiboseth, das Kin d de r Gnade , und den Ziba, den 
selbstgerechte n Mann . Das Verhalten Mephiboseths stellt uns den Zustand eines zu Gott gebrachten Sünders in der deutlichsten Weise vor Augen. In 2. Sam. 4, 4 
lesen wir: „Und Jonathan, der Sohn Sauls, hatte einen Sohn, 
der an den Füßen lahm war. Er war fünf Jahre alt, als die 
Nachricht vom Tode Sauls und Jonathans aus Israel kam; da 
nahm in seine Amme auf und floh. Und es geschah, als sie 
ängstlich floh, daß er fiel und lahm wurde; und sein Name 
war Mephiboseth." Von dieser Zeit an wohnte der lahme 
Knabe in Lodebar, und dieses hebräische Wort bedeutet 
„einen Platz ohne Pflege". Da er aus dem Hause Sauls, des 
Feindes Davids war, erblickte er auch in David seinen Feind 
und mied deshalb dessen Nähe. 
Wie deutlich stellt uns dies den Zustand des gefallenen 
Menschen vor Augen! Sobald die Sünde das Herz Adams 
verunreinigt hatte, „versteckte der Mensch und sein Weib 
sich vor dem Angesicht Jehovas Gottes mitten unter die 
Bäume des Gartens" (1. Mo 3, 8). Ist dies nicht auch der 
Zustand des Sünders in unseren Tagen? Warum haschen 
heutzutage so viele Menschen nach den Vergnügungen und 
Zerstreuungen dieses Lebens? Sie kennen Gott nicht. Weil 
sie Feinde Gottes sind, erblicken sie auch in Ihm ihren Feind 
und meiden daher geflissentlich Seine Gegenwart. Der Gedanke, eine Stunde in der Gegenwart Gottes wandeln zu 
müssen, würde ihnen schrecklich sein. Beunruhigt auch dich 
ein solcher Gedanke, mein Leser? Ach, dann kennst auch du 
Gott nicht. Vielleicht wirst du sagen: „Ich habe gesündigt, 
und darum fürchte ich mich vor Gott." Es ist wahr, ich habe 
gesündigt, du hast gesündigt, und alle haben gesündigt. Aber 
wenn du wüßtest, daß Gott Seinen eigenen Sohn nicht 
geschont hat, um Sünder zu retten, dann würdest auch du 
erkennen, daß Gott der einzige ist, an Den du dich als Sünder wenden kannst und zwar in der völligen Gewißheit, daß 
„das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, reinigt . . . von aller 
Sünde". 
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Doch wenden wir unsere Blicke wieder auf das vor uns liegende Kapitel. „Und der König sprach: Ist niemand mehr 
da vom Hause Sauls, daß ich Güte Gottes an ihm erweise" 
(V. 3)? — Ist das nicht in der Gegenwart die Sprache und 
das Werk des Geistes Gottes? Ist nicht irgend jemand von 
den gefallenen Söhnen und Töchtern Adams in unserer 
Nähe, den wir hinführen könnten zu der Barmherzigkeit 
Gottes? Es wird nicht gefragt, ob und wie tief du gefallen 
bist, ob du durchaus lahm, lahm an beiden Füßen bist und 
dich in einem Haus ohne Weide befindest. Du bist ein armer 
verlorener Sünder, und wenn du dich auch vor Gott zu verbergen suchst, so wirst du doch in dieser Welt der Sünde und 
des Elends nichts finden, was dich glücklich machen kann. 
Bist du den Einflüsterungen Satans gefolgt, oder hast du dein 
Vertrauen auf die Reize und Schätze dieser Welt gesetzt, bis 
dein armes Herz unter den bittersten Täuschungen zusammengebrochen und nur eine traurige Leere zurückgeblieben 
ist? Nun, dann lausche, und ich werde dir von jemand erzählen. Der alle deine Bedürfnisse befriedigen kann und 
will. 
Ziba, der selbstgerechte Mann, belehrte den König, daß Jonathan nur noch einen Sohn habe, der lahm sei und in 
Lodebar im Hause Makirs, des Sohnes Ammiels, wohne. „Da 
sandte der König David hin und ließ ihn . . . holen" (V. 5). 
Welch eine herrliche Sache ist dieses Holenlasse n ! 
Ebenso handelt Gott in völliger Gnade. Die Menschen erzeigen nur denen Güte und Barmherzigkeit, die es nach ihrer 
Meinung verdienen. Oder sie erwarten, daß ihre Güte in 
irgendeiner Weise erwidert wird. So handelt Gott nicht. Mephiboseth hatte nichts getan, wodurch er die Barmherzigkeit 
des Königs verdient hätte. Er brauchte auch nicht einmal den 
ersten Schritt zu tun. Nein, die Gnade ließ ihn von Lodebar, 
dem Orte, wo er sich befand, abholen. Und ist nicht auch 
der Herr Jesus zu den armen Sündern, d. h. dahin gekommen, wo sie sich befanden? Er kam um sie abzuholen und 
Er fand sie tot in Vergehungen und Sünden. Er nahm ihren 
Platz ein und starb auf dem Kreuz für sie, der Gerechte für 
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die Ungerechten, auf daß Er sie zu Gott führe. Nur in der 
Gesinnung eines Pharisäers kann jemand sagen: „Der Mensch 
muß den ersten Schritt tun." 
Mephiboseth war zu lahm, als daß er den ersten Schritt hätte 
tun können. Er mußte schon geholt werden. Er, Der die 
gänzliche Ohnmacht und die frei suchende Gnade kannte, hat 
gesagt: „Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, daß 
der Vater, der mich gesandt hat, ihn ziehe; und ich werde 
ihn auf erwecken am letzten Tage" (Joh 6, 44). Und wiederum: „Alles was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, 
und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen" 
(Joh 6, 37). Ach, wären wir nicht der frei wirkenden Gnade 
begegnet, dann wären wir in unserem armseligen Streben, 
uns vor Gott zu verbergen, alle umgekommen. „Und Mephiboseth, der Sohn Jonathans, des Sohnes Sauls, kam zu David und fiel auf sein Angesicht und beugte sich nieder" 
(V. 6). Welch ein Bild des Schreckens und der Furcht! Was 
hatte der Sohn Sauls, des Mannes, der stets nach dem Leben 
Davids getrachtet hatte, zu erwarten? Konnte nicht im 
nächsten Augenblick die Stimme der unerbittlichen Gerechtigkeit sein Leben fordern? Dort am Boden liegt er und 
liefert uns in dieser Stellung das treue Bild eines mit Sünde 
und Schuld beladenen und in die Gegenwart Gottes gebrachten Sünders, der Gott nicht kennt und darum nicht weiß, 
was seiner harrt. 
Bevor wir jedoch die Worte Davids hören, wollen wir uns 
des Bundes erinnern, den die Liebe zwischen David und Jonathan errichtet hatte. In 1. Sam 20, 14-17 lesen wir, nachdem 
Jonathan sich bereiterklärt hatte, die Absichten seines Vaters 
Saul gegen David auszukundschaften, die Worte: „Und nicht 
nur während ich noch lebe, und nicht nur an mir sollst du 
Güte Jehovas erweisen, daß ich nicht sterbe; auch meinem 
Hause sollst du deine Güte nicht entziehen ewiglich, auch 
nicht wenn Jehova die Feinde Davids ausrotten wird, einen 
jeden vom Erdboden hinweg! Und Jonathan machte einen 
Bund mit dem Hause Davids . . . Und Jonathan ließ David 
nochmals bei seiner Liebe zu ihm schwören; denn er liebte 
ihn, wie er seine Seele liebte." 
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Bist du in deinem Leben nicht einmal dem Kinde eines dir 
teuren aber verstorbenen Freundes begegnet? Nun, dann 
wirst du dir vielleicht eine schwache Vorstellung von dem 
machen können, was im Herzen Davids vorging, als er Mephiboseth, den Sohn Jonathans, zu seinen Füßen liegen sah. 
Gewiß drang es wie ein lieblicher Klang aus seinem Herzen, 
als er rief: „Mephiboseth!" worauf die zitternde Antwort 
folgte: „Siehe, dein Knecht" (V. 6)! Wie wenig wird der 
arme Lahme an die unbedingte Gnade, womit er überschüttet 
werden sollte, gedacht haben! „Siehe, dein Knecht!" Das ist 
der höchste Gedanke eines gefallenen Menschen. Er wagt es, 
sich als Knecht anzubieten und hofft auf diesem Wege Rettung zu finden. Das ist die Religion jedes menschlichen Herzens. 
Aber jetzt wollen wir auf die Worte Davids horchen. Wie 
der Vater in dem Gleichnis des verlorenen Sohnes, so unterbricht auch hier David den Unglücklichen mit den Worten: 
„Fürchte dich nicht; denn ich will gewißlich Güte an dir erweisen um deines Vaters Jonathan willen, und will dir alle 
Felder deines Vaters Saul zurückgeben; du aber sollst beständig an meinem Tische essen" (V. 7). David handelt hier, wie 
Gott gegen einen Sünder handelt. Keine Bedingungen werden 
gestellt. Es heißt nicht: „Wenn du dieses tust," oder: „Wenn 
du dieses nicht tust/' O nein, es ist alles freie, unumschränkte 
Gnade, es ist die Barmherzigkeit Gottes. „Ich will Güte an 
dir erweisen," — und zwar ganz und gar um eines anderen 
willen. „Und du, sollst beständig an meinem Tische essen." 
Finden wir nicht dasselbe in dem oben erwähnten Gleichnis, 
wo der Herr Jesus die unbekannte, unbegrenzte Liebe und 
Gnade des Vaterherzens zu offenbaren suchte? Gab es dort 
irgend einen Tadel? Gab es dort irgendeine Bedingung? Nein, 
er „fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn sehr" (Lk 15). 
Ist das nicht die Barmherzigkeit Gottes? Hat nicht der Herr 
Jesus in dieser Weise den wahren Charakter Gottes gezeichnet? Nimmt Er nicht so den armen verlorenen Sünder auf? 
Sind es nicht Seine Worte, die Er dem armseligen, zitternden, 
verdammungswürdigen Sünder zuruft? Gott sei gepriesen, 
daß wir alle diese Fragen mit einem kräftigen „Ja" beantwor79 
ten können. Ja, Gott kann auf das Kreuz Christi hinweisen 
und sagen: „Fürchte dich nicht, denn ich will Barmherzigkeit 
an dir tun, um Jesu willen." Und dies alles ohne eine Bedingung. Alles aus Gnaden, hervorströmend aus der unendlichen 
Liebe Gottes. 
Geliebter Leser, hast du Gott so kennengelernt? „Gott aber, 
der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, 
womit er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen 
tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht, — 
durch Gnade seid ihr errettet — und hat uns mitauferweckt und 
mitsitzen lassen in den himmlischen örtern in Christo Jesu, 
auf daß er in den kommenden Zeitaltern den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade in Güte gegen uns erwiese in 
Christo Jesu" (Eph 2, 4-7). Kannst du sagen, daß dieses dein 
Teil ist? — Der Mensch hätte dem lahmen Jüngling sicher 
allerlei Verhaltungsmaßregeln und Ratschläge erteilt, wie er 
seine Füße zu heilen und wer weiß was alles zu seinem 
Glück zu tun habe. Aber wir finden hier nichts derartiges. 
Er kommt, wie er ist, und weiter wird nichts verlangt. Von 
welcher Seite sollten auch Anforderungen an ihn gestellt 
werden, da das Herz des Königs bereits mit Liebe gegen ihn 
erfüllt war? Satan ist immer bemüht, die Barmherzigkeit 
Gottes vor dem Auge des Sünders zu. verbergen. Man mache 
den Sünder mit Gott bekannt, und er erkennt alsbald, daß 
er keines Priesters auf Erden und keines Heiligen im Himmel bedarf, um das Herz Gottes zu seinen Gunsten zu erweichen. — In der Tat, dieses Herz ist mit einer unaussprechlichen Liebe erfüllt. Hast du, lieber Leser, die Sündenlast gefühlt? Haben dich die Menschen mit ihren Ratschlägen 
versehen, wie du Buße tun und das Herz Gottes erweichen 
mußt, um Ihn für deine Rettung bereitzumachen? Vielleicht 
hat dir der eine im Gegensatz zu den Worten, die wir in 
Kol 2, 20 lesen, mit großem Ernst den Rat erteilt, dich der 
Sakramente und anderer kirchlicher Vorschriften zu bedienen 
und dann zu hoffen, gerettet zu sein, während ein anderer 
dir vorschreibt, daß du über deine Sünden eine tiefe Trauer 
fühlen und alles aufgeben und Gott von ganzem Herzen 
lieben mußt, um auf diesem Wege zu Christo zu kommen. 
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Ach, wie töricht! Der Grund ist, daß man dich gern überreden möchte, dich nicht als einen gänzlich gefallenen Menschen zu betrachten, daß du nur an einem Fuß lahm seiest 
und nur nötig habest, aus Christo eine Krücke zu machen, 
um in den Himmel zu kommen. Bei all diesem tritt die 
menschliche Eigengerechtigkeit in den Vordergrund. 
Wenn du durch solche Einflüsterungen von Menschen in Verwirrung und Verlegenheit gebracht bist, so verschließe dein 
Ohr vor ihnen. Vielleicht sagst du in der Unruhe deines Herzens, daß du Furcht habest, auf diese Weise deine Buße vernachlässigen. O nein, wende dich zu Gott, in Seinem Licht 
wirst du deinen trostlosen Zustand, sowie die Notwendigkeit 
einer freien und unumschränkten Gnade erkennen. Kaum 
hatte der Strom der bedingungslosen Gnade das zitternde 
Herz Mephiboseths erreicht, so öffnen sich seine Lippen zu 
den Worten: „Was ist dein Knecht, daß du dich zu einem 
toten Hunde gewandt hast, wie ich einer bin" (V. 8)? Ja, 
wahrlich, die Güte Gottes leitet zur Buße. Der Sünder ist 
gebracht in die Gegenwart der unendlichen Gnade, aber auch 
in die Gegenwart der unendlichen Heiligkeit. Der wahre 
Charakter Gottes ist ihm in Christo Jesu geoffenbart worden. Er vernimmt die süßen Worte der göttlichen Liebe: 
„Fürchte dich nicht, denn ich will Güte an dir erweisen," und 
die Wirkung ist, daß er sich in dem Gefühl dieser überwältigenden Gnade in den Staub beugt. Das ist jene Herzensänderung, die man Buße nennt. Darf ich dir, lieber Leser, 
nun sagen, daß du Buße tun müssest, bevor du zu Jesu 
kommst? O nein, denn es würde dasselbe sein, als ob ich 
dir, wenn du in Gefahr wärest zu erfrieren, sagen wollte, du 
müssest dich erwärmen, bevor du dich dem Feuer genähert 
habest. 
Im Grunde ist das, was man im allgemeinen als Buße bezeichnet, nichts als eine Selbstbesserung, wodurch man Gott, 
als ob Er ein erzürntes Wesen sei, zu erweichen gedenkt, als 
ob von unserer Seite gute Werke nötig wären, um den Gedanken Gottes in bezug auf uns eine andere Richtung zu 
geben. Waren solche Mittel nötig, um das Herz Davids zu 
verändern? Nein, sein Herz war mit Liebe erfüllt. Wie könnte 
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nun irgend etwas nötig sein, um das Herz Gottes zu verändern? Was ist das Kreuz anders, als der höchste Ausdruck 
der Liebe Gottes für verlorene Sünder? Wenn du nun, lieber 
Leser, die Barmherzigkeit Gottes gegen dich erkanntest, wenn 
du wüßtest, daß dich nichts zu scheiden vermöchte von der 
Liebe, die in Christo Jesu ist, würde das nicht augenblicklich 
eine gänzliche Veränderung in deinem Herzen hervorrufen? 
Gewiß, und je mehr du in die Fülle dieser unendlichen Liebe 
eingingest, desto mehr würdest du dich in den Staub beugen. 
Das was du vergeblich in dir hervorzurufen versucht hast, 
weil du meintest, es müsse der Rettung vorhergehen, wird in 
dir in dem Augenblick bewirkt, wo du an die wunderbare 
Liebe Gottes glaubst. 
Wir wollen jetzt einen Blick richten auf den Gegensatz zwischen Ziba, dem Knechte, und Mephiboseth, dem Sohn. David 
ruft Ziba zu sich und erteilt ihm seine Befehle. Ziba sagt: 
„Nach allem was mein Herr, der König, seinem Knechte gebietet, also wird dein Knecht tun" (V. 11). Es ist die gleiche 
Sprache, die Israel am Fuße des Berges Sinai törichterweise 
führte und ach, Tausende in unseren Tagen fassen solche 
guten Vorsätze, weil sie sich selbst nicht kennen, und ich 
fürchte, daß selbst der eine oder andere Leser dieser Zeilen 
die Religion des Knechtes, statt der Religion des Sohnes zu 
der seinigen gemacht haben könnte. 
Wie verschieden sind die an den Sohn gerichteten Worte 
Davids! Sie sind der Ausdruck einer vollkommen freien 
Gnade. „Alles . . . habe ich . . . gegeben, . . , Mephiboseth 
. . . soll beständig an meinem Tische essen . . . Mephiboseth 
. . . wird an meinem Tische essen, wie einer von den Königssöhnen7
' (V. 9. 10. 11). „Und Mephiboseth wohnte in Jerusalem, denn er aß beständig am Tische des Königs. Er war 
aber lahm an beiden Füßen" (V. 13). Nicht ein Wort der 
Gnade wird an den Knecht gerichtet, und nicht ein einziger 
Befehl trifft das Ohr des Sohnes. Das eine ist der Dienst der 
gesetzlichen Knechtschaft, das andere der Dienst der tiefsten 
Zuneigung des Herzens. 
Wie herrlich ist das Teil der Kinder der Gnade! Gott hat 
ihnen das ewige Leben gegeben. Du bist nicht ein Knecht, 
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sondern ein Königssohn an der Tafel deines Herrn. Du hast 
kein Sakrament nötig, um gerettet zu werden, sondern du 
sitzest stets am Tisch des Herrn und issest jenes Brot und 
trinkest jenes Blut, das dich an den gebrochenen Leib und an 
das vergossene Blut erinnert, denen du deine Rettung verdankst (Joh 6, 51-59). Ja, Gott hat dir das Brot des Lebens 
gegeben, von dem du dich stets ernähren sollst. Und warum 
findest du die beständige Nahrung in Jesu? Weil Gott es so 
gewollt hat. Er hat es gesagt, und Er wird es tun. Wenn du 
ein Gläubiger bist, kann deine Stellung unmöglich die eines 
Knechtes sein. „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er 
das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen 
Namen glauben" (Joh 1, 12). „Wenn aber Kinder, so auch 
Erben — Erben Gottes und Miterben Christi" (Rö 8, 17). 
Wie unendlich wichtig ist es, diese Verwandtschaft zu verstehen. Es ist nötig, den Unterschied zwischen dem Verhältnis 
eines Knechtes und dem eines Sohnes zu erkennen. Der Sohn 
gehört immer ins Haus; nicht so der Knecht. So führte die 
Gnade den armen Mephiboseth aus dem Versteck der Furcht 
und der Feindschaft und gab ihm alle Vorrechte der Sohnschaft und zwar ohne jede Bedingung. Wir haben die Wirkung davon gesehen. Es war ein völliges Niederbeugen in 
den Staub und eine gänzliche Sinnesänderung. Ja, wir werden 
sehen, daß dieses Herz für immer für David gewonnen ist. 
„Aber", könnte vielleicht jemand einwenden, „wenn es auch 
wahr ist, daß Mephiboseth ein armer, lahmer Krüppel war, 
bevor er zu David gebracht und zu einem Königssohn gemacht wurde, so konnte er sich doch unmöglich des Vorrechts, ein Gast an der königlichen Tafel zu sein, erfreuen, 
solange er noch ein Krüppel war." — Und wirklich gibt es 
nicht wenige, die zwar zugeben, daß nur die Gnade einen 
armen verlorenen Sünder zu Christus führen kann, die sich 
aber trotzdem einbilden, daß das Ausharren auf diesem Wege, 
sowie die endliche Errettung abhängig sei von seinem eigenen Wandel und Gehorsam. Aber welch ein Irrtum! Wenn 
das wahr wäre, ach, wer würde dann das Ziel erreichen? 
Jeder Gläubige, der sein Herz kennt, wird dann sagen müssen: „Ich werde es nicht erreichen." Denn wenn meine end83 
liehe Errettung oder mein Eingang in den Himmel auch nur 
eine Stunde von mir abhängig wäre, dann dürfte idi mir 
keine Hoffnung machen. Oder willst du es wagen, lieber Leser? Was aber entdecken wir hier in dem von Gott gezeichneten Bild der Barmherzigkeit Gottes? Wir lesen: „Er aß 
beständig am Tische des Königs. Er war aber lahm an beiden 
Füßen." Kostbare Gnade! 
Wie kommt's, daß ich hier sicher walle? 
Weil Deine Gnad', o Gott, mich schützt. 
Wie kommt's, daß ich im Kampf nicht falle? 
Weil Deine Lieb' mich schirmt und stützt. 
Der Gläubige ist oft nicht wenig verlegen, wenn er sieht, daß 
in Stunden der Versuchung, wenn es sich um seine eigene 
Kraft handelt, er jetzt ebenso schwach ist wie vorher. Und 
sollte er für einen Augenblick seine Stellung in Gnade als 
Sohn aus den Augen verlieren und als Knecht zu wandeln 
versuchen, so wird er sich bald durch seinen lahmen Fuß 
gehindert sehen, so daß ihm, als dem Knecht unter Gesetz, 
der Gott nicht gefallen kann, nichts als Trauer und Verzweiflung übrigbleibt. Hast du diese Erfahrung schon auf 
deinem Wege gemacht, mein lieber Leser? Und hast du nicht 
schon, hinschauend auf deinen gelähmten Gang, sagen müssen: „Ach, ob ich auch wirklich wohl ein Kind Gottes bin?" 
Aber beim Anschauen deines lahmen Fußes wirst du niemals 
Frieden finden. Nein, stecke deine Füße unter den Tisch und 
blicke auf das, was Gott in Seiner unendlichen Gnade auf 
diesem Tische für dich ausgebreitet hat. Er stellt Christum 
vor uns, damit wir uns mit Ihm beschäftigen sollen. Alles, 
was wir in unserem armseligen, kläglichen, lahmen und 
armen Ich besitzen, hat am Kreuz sein Gericht und seinen 
Tod gefunden. Selbst Gott betrachtet unser Ich als gestorben 
und begraben, Er sieht uns als auferstanden mit Christo und 
als in Ihm in die himmlischen Orter versetzt. 
Ja, in sich selbst ist der Gläubige nach seiner Bekehrung 
ebenso lahm wie vorher. Freilich besitzt er ein neues Leben, 
eine neue Natur, die er früher nicht besaß, auch wohnt der 
Heilige Geist in ihm. Aber seine alte Natur, das Fleisch, ist 
unverändert geblieben. Was ist also zu tun? Er soll in keinem 
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Fall sein Vertrauen auf das Fleisch setzen, sondern sich festklammern an der Gnade, die ihn zu Christo geführt hat, und 
die ihn auf ewig bewahren wird. Setzen wir daher unsere 
Füße unter die reichgedeckte Tafel des Herrn, und erquicken 
wir uns an den Reichtümern der vor uns ausgebreiteten 
Gnade. Wenn wir nichts mehr von uns selbst abhängig machen, wenn wir den gänzlichen Ruin des alten Menschen 
anerkennen und alle Gelübde und guten Vorsätze beiseitesetzen, dann folgt jene ruhige Abhängigkeit von Christo, in 
der wir die Kraft Seiner Auferstehung in einem heiligen 
Leben zu verwirklichen beginnen. Doch das selbstgerechte 
Fleisch wird sich zum Kampf rüsten, bevor es sich in den 
Tod begibt (Rö 7). 
Im folgenden Kapitel sehen wir ebenfalls die Barmherzigkeit 
Gottes angeboten, aber verworfen, sowie das Gericht über 
die, die sie verworfen haben. Wie belehrend ist diese Tatsache! Die Barmherzigkeit Gottes ist einer schuldigen Welt 
angeboten worden. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, 
daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an 
ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe" 
(Joh 3). Welch eine wunderbare Gnade! Aber man horche 
auf die ernsten, feierlichen Worte: „Wer aber nicht glaubt, 
wird verdammt werden." Sollte einer meiner Leser zu denen 
gehören, die die Barmherzigkeit Gottes in Seinem Sohn verwerfen, — o möge er an die ewige Verdammnis denken! 
Ich möchte nun noch kurz die Geschichte jener beiden Männer verfolgen, die uns hinsichtlich derer, die Gnade und 
Errettung in Gott gefunden haben, und hinsichtlich derer, 
die durch das Halten Seiner Gebote gerettet zu werden 
suchen, gleichsam als Vorbilder gedient haben. 
In 2. Sam 15 wird uns die Empörung Absaloms mitgeteilt. 
David, der wahre König, ist verworfen, und es ist bemerkenswert, daß er, nachdem er Jerusalem verlassen hat, denselben Bach überschreitet, den auch der verworfene Herr 
Jesus später überschritt. „Und das ganze Land weinte mit 
lauter Stimme, und alles Volk ging hinüber. Und der König 
ging über den Bach Kidron" (V. 23). Als der Herr Jesus 
diesen Bach in der Nacht Seiner Verwerfung überschritt, wa85 
ren nur jene wenigen Begleiter bei Ihm, die nicht einmal 
eine Stunde mit Ihm wachen konnten. „David aber ging die 
Anhöhe der Olivenbäume hinauf und weinte" (V. 30). Zu 
diesem Berge führte Jesus Seine Jünger, als Er, von dieser 
Welt getötet und durch Gott von den Toten auferweckt, gen 
Himmel fuhr — verworfen von der Welt, aber aufgenommen 
in Herrlichkeit. 
Jetzt, nachdem David verworfen und zum ölberg hinaufgestiegen ist, tritt der Charakter Zibas, des Knechtes, wieder 
in den Vordergrund (Lies 2. Sam 16, 1-4). Das erste, was 
unser Auge hier sieht, ist Dienst für den König: ein Paar 
Esel, mit Brot, Früchten und Wein beladen. „Was willst du 
damit?" und „Und wo ist der Sohn deines Herrn?" fragte 
David Ziba. Ziba antwortet, daß Mephiboseth in Jerusalem 
geblieben sei, in der Absicht, das Königreich an sich zu reißen. Wirklich, Ziba, der selbstgerechte Mann, scheint die 
beste Religion von der Welt zu haben. Aber der Schein trügt. 
Gott kennt die verborgenen Ratschläge aller Herzen. Nach 
außen hin verriet Ziba großen Eifer und große Ergebenheit, 
und auch die Form seiner Anbetung war tadellos. Aber dennoch war alles Heuchelei. Der Tag der Rückkehr des verworfenen Königs kam, und Mephiboseth eilte ihm entgegen, 
und die Untreue Zibas wurde offenbar (Kap. 19, 21-30). 
Ebenso wird der Tag der Rückkehr des verworfenen Jesus 
bald anbrechen, und jedes Kind der Gnade, mag es im Grabe 
ruhen, oder noch am Leben sein, wird bei Seiner Ankunft 
Ihm entgegengehen in der Luft (1. Thess 4, 15-18). 
So ist also der wahre Charakter der beiden Männer zutagegetreten. Mephiboseth hatte „seine Füße nicht gereinigt und 
seinen Bart nicht gemacht und seine Kleider nicht gewaschen 
von dem Tage an, da der König weggegangen war, bis zu 
dem Tage, da er in Frieden einzog" (Kap. 19, 24). Die Barmherzigkeit Davids hatte sein Herz gewonnen. Dieses Herz 
war mit Liebe und Zuneigung für den verworfenen König 
erfüllt, und seine Zuneigung war so tief und stark, daß sie 
ihm keinen anderen Platz einzunehmen erlaubte, als den 
eines Leidtragenden, der die Rückkehr dessen erwartete, dem 
er mit so großer Liebe anhing. 
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Setzte nicht auch der Herr Jesus in der Nacht Seiner Verwerfung eine solche Zuneigung bei Seinen Jüngern voraus? 
„Über ein Kleines, und ihr schauet mich nicht, und wiederum 
über ein Kleines, und ihr werdet mich sehen. Wahrlidi, wahrlich, ich sage euch, daß ihr weinen und wehklagen werdet, 
aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, aber 
eure Traurigkeit wird zur Freude werden" (Joh 16, 19b, 20). 
Ach, wie wenig haben wir dem Herzen unseres verworfenen 
Herrn entsprochen! Ich kann es nur als eine Geringschätzung 
Christi betrachten, wenn wir einen anderen Platz einnehmen 
als den, welchen Mephiboseth einnahm, den Platz eines betrübten Leidtragenden, der auf die Wiederkehr dessen wartet, 
den er liebt. 
Von wem stammten die Früchte, die Brote und der Wein? 
„Warum bist du nicht zu mir gezogen, Mephiboseth?" so 
fragt der zurückkehrende König. Die Antwort des lahmen 
Jünglings stellt die ganze Wahrheit ins Licht. Er und nicht 
Ziba hatte die Esel mit diesen Gaben beladen, aber Ziba war 
dem armen Lahmen zuvorgekommen, hatte sich in den Sattel 
geworfen und ihn bei David verleumdet. Wie tief aber ist 
die Wirkung der Gnade? Mephiboseth sagt: „Tue was gut 
ist in deinen Augen. Denn das ganze Haus meines Vaters 
war nichts anderes als Männer des Todes vor meinem Herrn, 
dem König; und doch hast du deinen Knecht unter die gesetzt, 
welche an deinem Tische essen" (Kap. 19, 27. 28). Wie lieblich ist das Vertrauen, das die Gnade verleiht! Lieber Leser, 
hast du die völlige Gewißheit, daß Gott dir aus reiner Gnade 
einen Platz an Seinem Tisch angewiesen hat? Darfst du dann 
nicht mit ungetrübter Freude der Ankunft Jesu entgegensehen? 
„Und der König sprach zu ihm: Warum redest du noch von 
deinen Sachen? Ich sage: Du und Ziba, ihr sollt die Felder 
teilen. Da sprach Mephiboseth zu seinem König: Er mag auch 
das Ganze nehmen, nachdem mein Herr, der König, in Frieden 
in sein Haus gekommen ist" (V. 29. 30). Er verlangte nicht 
nach den Feldern, nein, sein höchster Wunsch war erfüllt. Er 
befand sich in der Gegenwart dessen, der ihm so große 
Barmherzigkeit erwiesen hatte, und das war ihm gut genug. 
87 
Ist es nicht ebenso, wenn Christus durch die Gnade ein Herz 
wirklich gewonnen hat? Ein solches Herz wird nicht durch 
die Dinge der Erde angezogen. „Ja, wahrlich", sagt der Apostel, „ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn" (Phil 3, 
8). O möchten wir doch mehr dem lahmen Mephiboseth, den 
Thessalonichern gleichen, die den Sohn Gottes aus den Himmeln erwarteten. Mephiboseth hatte die Barmherzigkeit Davids 
in vollem Vertrauen angenommen. Trotz seiner eigenen Gebrechlichkeit hatte er nie an der Liebe Davids gezweifelt, 
sondern auf die Rückkehr des Königs gewartet und bis zu 
dieser Zeit jede Schmach ertragen. Auch die Thessalonicher 
hatten die frohe Botschaft der Gnade Gottes in Kraft und in 
dem Heiligen Geist und in großer Gewißheit empfangen 
(1. Thess 1, 5), und deshalb ertrugen sie in Geduld und 
Freude die Mißhandlungen ihrer Feinde. Was war die geheime Kraft ihres Verhaltens? Sie erwarteten Jesus aus den 
Himmeln. Die wahren Kinder Gottes sind immer verhaßt und 
verunglimpft, ja, oft sogar an Schandpfählen verbrannt worden, und zwar von denen, die sich rühmen, zu ihrer Errettung 
das Gesetz zu halten. 
Aber welch ein Tag wird bald anbrechen! Wer weiß, wie bald 
Er, Den wir erwarten, erscheinen wird? Seine letzten Worte 
sind: „Siehe, ich komme bald." Möchte unsere Antwort stets 
lauten: „Amen, komm, Herr Jesu"! 
David kehrte zurück; sollte Er nicht zurückkehren, Den David 
seinen Herrn nennt? Ja, bald werden wir Ihn sehen. Herrliche, gesegnete Hoffnung! Wir erwarten nicht ein tausendjähriges Reich, nicht die Erfüllung der Prophezeiung, wie 
gesegnet dies auch an seinem Platz sein mag. Es ist Jesus 
Selbst, Den die in Seinem Blut gewaschenen Gläubigen zu 
sehen begehren. 
Der Gegenstand unserer Betrachtung geht noch bis zum 
21. Kapitel des 2. Buches Samuel, wo wir den Tag des Gerichts über das Haus Sauls hereinbrechen sehen. „Aber der 
König verschonte Mephiboseth, den Sohn Jonathans, des 
Sohnes Sauls, um des Schwures Jehovas willen, der zwischen 
ihnen war, zwischen David und Jonathan, dem Sohne Sauls" 
(V. 7). Hiermit endet die Geschichte dieses Kindes der Gnade. 
88 
Wenn der Herr Jesus zurückgekehrt sein und Sein Königreich 
aufgerichtet haben wird, wenn die Kirche sich lange der 
himmlischen Herrlichkeit Christi und Israel sich der Herrlichkeit des Königreiches auf Erden hat erfreuen dürfen, ja 
selbst wenn der große weiße Thron aufgerichtet sein wird, 
und alle gefallenen Söhne Adams davor erscheinen werden, 
dann wird keiner von denen, die in den Ratschlüssen der 
Ewigkeit zur Familie der Gnade gezählt sind, verloren sein. 
Aber wo werden die sorglosen Sünder sein, und jene, die 
ihre Rettung in guten Werken suchten? Zeige mir einen 
Mann, der ein Beobachter des Gesetzes zu sein bekennt, der 
nicht zugleich Übertreter des Gesetzes ist. Kannst du, mein 
lieber Leser, oder kann ich aufgrund von Werken, vor diesem 
Throne stehen? Unmöglich. Jeder Mensch, der besser zu sein 
glaubt als sein Nachbar, muß ein Heuchler sein, denn Gott 
sagt, daß es keinen Unterschied gibt. Alle haben gesündigt. 
Nein, durch Werke kann ein Sünder nicht errettet werden. 
Wenn du jemand findest, der kein Sünder ist, der mag es 
versuchen. Aber ein Sünder bedarf der Vergebung. „Und 
ohne Blutvergießen ist keine Vergebung" (Hebr 9, 22). Der 
Herr Jesus aber hat den Zorn, den Fluch, das Gericht erduldet und die Sündenschuld bezahlt; ungehemmte Barmherzigkeit und ewiger Friede sind jetzt das Teil jeder Seele, 
die in Ihm ruht. Blicke auf das Kreuz und horche. Gott ruft 
dir zu: „Ich will Barmherzigkeit an dir erweisen." 
Aber werden denn keine Werke als Gegenleistung erwartet? 
O ja, aber wahre, aus dem Herzen hervorströmende Werke 
des Dienstes — die Früchte des rettenden Glaubens. Wie 
vieles, das vor den Menschen den Schein guter Werke an sich 
trägt, hat keinen Wert vor Gott. Die Menschen beladen sich 
selbst mit schweren Bürden eigengerechter Werke, und diese 
sind doch nichts anderes als eine deutliche Verwerfung der 
unverdienten Barmherzigkeit Gottes! 
Je tiefer die Gewißheit der unwandelbaren Barmherzigkeit 
ist, die Gott dir, dem wertlosen Sünder, erwiesen hat, desto 
stärker wird auch dein Haß gegen die Sünde, umso vollkommener dein Dienst für den Herrn und desto ernster dein 
Warten auf die Wiederkunft Christi sein. 
89 
Der Heilige Jesu 
als der mitleidige Hohepriester 
Das Mitleiden Jesu ist unzertrennlich mit Seinem Priestertum 
verbunden. Er hat kein Mitleid mit der Sünde oder dem 
Sünder als solchem, aber Er hat Mitleid mit den leidenden 
Kindern Gottes. Zu gleicher Zeit schaut der Heilige Geist zurück auf Christi eigene Erfahrungen hier auf der Erde. Er 
wurde versucht, aber die Versuchung drang von außen auf 
Ihn ein und kam nicht aus Seinem Inneren hervor. In Ihm 
gab es keine Neigung zum Bösen, die der Versuchung Satans 
einen Anknüpfungspunkt geboten hätte; im Gegenteil, der 
Feind begegnete einer völligen Abhängigkeit von Gott und 
einem einfachen, unwandelbaren Glauben an Sein Wort, aber 
keiner fleischlichen Tätigkeit, wie wir sie oft in unserem 
Herzen entdecken. 
Da der Herr Jesus keinen eigenen Willen kannte und in jeder 
Beziehung das Böse haßte und von sich stieß, gab es für 
Ihn nichts als Leiden. Für den gefallenen Menschen sind die 
Versuchungen keine Leiden, sondern ein Genuß, wenn wir 
die Befriedigung unserer bösen Natur einen Genuß nennen 
können. Christus kannte hiervon nichts, weder in Seiner Person, noch in Seiner Erfahrung. Er hatte keine Regungen des 
Fleisches oder innere Versuchungen zur Sünde. Er kannte 
keine Sünde (2. Kor 5,21). Es ist unbedingt nötig, daß wir 
die Wahrheit hinsichtlich der Person Christi, so wie Gott sie 
uns geoffenbart hat, mit göttlicher Entschiedenheit festhalten, damit wir vor jeglichem Irrtum in bezug auf einen so 
heiligen und zarten Gegenstand bewahrt bleiben. 
Der Heilige Geist stellt uns diesen Gegenstand im Hebräerbrief mit großer Klarheit vor Augen. Er beginnt mit der 
Person Jesu und zeigt uns seine göttliche Herrlichkeit als die 
notwendige Grundlage (Kap. 1). Aus Zeugnissen des Alten 
Testaments wird bewiesen, daß der Messias, der Sohn (V. 1, 
5), der Gegenstand der Anbetung der Engel (V. 6), und Jehova Selbst ist (V. 10-12). Wenn wir nicht von diesem Punkt 
als der Grundlage, auf der die Herrlichkeit Christi ruht, ausgehen, werden wir bald eine falsche Richtung einschlagen. 
90 
Nichts kann bei uns am rechten Platz sein, wenn wir bezüglich Dessen irren, Der der Weg, die Wahrheit und das Leben 
ist. 
Nachdem der Heilige Geist auf diese Weise die göttliche 
Würde Jesu hervorgehoben hat, stellt Er uns Seine Menschheit vor Augen (Kap. 2). „Weil nun die Kinder Blutes und 
Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise an denselben teilgenommen, auf daß er durch den Tod den zunichte 
machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und 
alle die befreite, welche durch Todesfurcht das ganze Leben 
hindurch der Knechtschaft unterworfen waren" (V. 14.15). 
Christus mußte Mensch werden, um durch Seinen Tod Gott 
zu rechtfertigen, die Macht des Teufels zu vernichten und die 
Erlösung zu vollbringen. Doch es wurde Ihm durchaus nicht 
auferlegt, in Seiner Person hier auf der Erde die kleinste Befleckung des gefallenen Menschen anzunehmen, Es war im 
Gegenteil notwendig, daß Er rein und unbefleckt sein mußte. 
Ein Opfer für den Altar Gottes mußte vollkommen rein und 
tadeltos sein. Das Lamm Gottes mußte fleckenlos sein. Christus war dies in jeder Beziehung. Er nahm Fleisch und Blut 
an, ohne daß irgendein Bestandteil der gefallenen Natur damit verbunden war. 
In den Evangelien liefert uns der Heilige Geist hierfür unumstößliche Beweise, besonders aber im Evangelium des Lukas, 
wo der Herr besonders als Mensch dargestellt ist. „Der Engel 
antwortete und sprach zu ihr (Maria): Der Heilige Geist wird 
über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden 
wird, Sohn Gottes genannt werden" (Lk 1,35). Es ist also 
augenscheinlich, daß, obwohl Jesus wirklich von einem Weibe geboren ist und eine menschliche Natur angenommen 
hat, es dennoch eine göttliche Wirkung war, daß Er Sich von 
Seiner Geburt an in auffallender Weise von allen anderen 
Menschen unterschied. Was Rom fälschlicherweise von Maria 
behauptet hat, das ist vollkommen wahr von Jesus. E r und 
nicht sie war unbefleckt in Seiner menschlichen Natur, und 
zwar durch die Kraft des Heiligen Geistes, die Frucht der 
überschattenden Kraft des Allerhöchsten. Darum konnte Er 
auch von Anfang an das „Heilige" genannt werden. Christus 
91 
allein ist „heilig" geboren/
 und nicht nur unschuldig und rechtschaffen wie Adam, und noch viel weniger in Sünde empfangen und in Ungerechtigkeit geboren, wie die Söhne Adams. 
Er ist als das „Heilige" angekündigt worden, und zwar nicht 
in bezug auf das, was rein göttlich, sondern auf das, was 
menschlich war. „Das Heilige, das geboren werden wird, 
(wird) Sohn Gottes genannt werden". 
Im Evangelium nach Matthäus lesen wir: „Siehe, da erschien 
ihm (Joseph) ein Engel des Herrn im Traum und sprach: 
Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, 
zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist von dem 
Heiligen Geiste. Und sie wird einen Sohn gebären, und du 
sollst seinen Namen Jesus heißen; denn er wird sein Volk 
erretten von ihren Sünden. Dies alles geschah aber, auf daß 
erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, welcher spricht: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger 
sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen 
Emmanuel heißen", was verdolmetscht ist: Gott mit uns". 
(Mt 1,20-23). Der Messias, Jehova, Der, weil Er Sein Volk 
von ihren Sünden erretten sollte, hernach Jesus genannt 
wurde, war also der Sohn der Jungfrau Maria, der von dem 
Propheten angekündigte Emmanuel. Aber es ist ebenso gewiß, daß das, was von Maria geboren wurde, eine Frucht 
der Überschattung des Heiligen Geistes war. 
So ist also der Herr Jesus nicht nur infolge Seiner göttlichen 
Natur der Sohn Gottes von Ewigkeit her, sondern Er wurde 
auch wegen der göttlichen Kraft so genannt, die Er als 
Mensch offenbarte. Das Kind von Bethlehem, der Sohn der 
Jungfrau wurde nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus 
dem Willen des Mannes, sondern im vollsten Sinne des Wortes aus Gott geboren. Nie kann von Ihm gesagt werden, daß 
Er wie wir wiedergeboren sei, denn das wäre eine Leugnung 
der Heiligkeit Seiner Menschheit. „Das Wort ward Fleisch", 
Gott hat Sich im Fleisch geoffenbart. Doch selbst die Art und 
Weise Seines Kommens in diese Welt war eine Frucht der 
Kraft Gottes; sie war ein Wunder außergewöhnlicher Art und 
in jeder Beziehung von der Geburt Isaaks verschieden, wie 
wunderbar diese auch gewesen sein mag, auch von der Geburt 
92 
Johannes des Täufers, obwohl dieser Vorläufer des Herrn 
auch von Mutterleibe an mit dem Heiligen Geiste erfüllt war. 
Es gibt noch etwas, was nicht übersehen werden darf. Der 
gefallene Mensch braucht nicht eine Verbesserung, sondern 
eine Versöhnung. Wäre nun die Meinung einiger Irrlehrer, 
daß Jesus Sich mit der gefallenen Menschheit vereinigt habe, 
richtig, dann hätte Er auch dafür sterben müssen, um Sich 
Selbst zu erlösen, und dadurch würde nicht nur Sein Erlösungswerk für andere, sondern auch Seine eigene Person verworfen. Von jedem Gesichtspunkt aus ist daher diese Anschauung ebenso unwahr wie verwerflich und ist nichts als 
eine Anmaßung des Verstandes gegenüber dem Geheimnis 
der Gottseligkeit. 
In Jesu war also nicht eine Spur von dem traurigen Erbe der 
inneren Verdorbenheit, das Adam seinen Nachkommen hinterlassen hat. Er hat die menschliche Natur ebenso gewiß 
angenommen, wie Er auch Gott ist, jedoch war Er durch Gottes Willen und in Kraft fleckenlos und heilig. Er war in einem 
ganz besonderen Sinn der Same des Weibes und nicht des 
Mannes, und es hat dem Heiligen Geist Wohlgefallen, aus 
der menschlichen Natur Jesu, jeden Flecken der Sünde, die 
dem gefallenen Menschen — und mithin auch Seiner Mutter — angeboren ist, fernzuhalten. Daher war Er völlig geschickt für das Werk, um dessentwillen Er auf die Erde kam. 
Von der Seite Gottes konnte Er nicht anders als vollkommen 
fähig dazu sein, denn Er war der wahrhaftige Gott und das 
ewige Leben, und auf der menschlichen Seite hielt Gott die 
Verdorbenheit des Fleisches auf wunderbare Weise gänzlich 
fern. Die Kraft des Höchsten überschattete Maria von Anfang an, und so wurde zur bestimmten Zeit das „Heilige" 
aus ihr geboren. 
Die Vorbilder des Alten Testaments stehen mit dieser Behauptung in vollem Einklang. Im ersten Kapitel des 3. Buches 
Mose wird Christus als das Brandopfer vorgestellt, in dem 
zweiten als das Speisopfer. Im Brandopfer zeigte sich die 
Hingabe des Lebens, aber beim Speisopfer war nicht die Rede 
von Schlachtopfern oder von etwas, was Blutvergießung forderte. Es wurde aus „Feinmehl" bereitet und stellte also ge93 
rade das vor, was der Zustand des Herrn in bezug auf die 
Erde war. Natürlich wurde im Speisopfer kein Sauerteig — 
ein Zeichen des Verderbens — zugelassen, ja nicht einmal 
Honig, — das Sinnbild natürlicher Zuneigungen, die, wie 
lieblich sie auch sein mochten, für ein Gott geweihtes Opfer 
unpassend waren — während Weihrauch, das Salz des Bundes 
Gottes, und öl, als Gegensatz von Sauerteig, zulässig und 
vorgeschrieben waren. Dies steht mit Lukas 1 in Verbindung, 
ö l ist das wohlbekannte Sinnbild des Heiligen Geistes, das 
alles ausschließt, was anders nach der Natur aus der Jungfrau 
hätte hervorkommen müssen. So war ihr Kind durch Seine 
Kraft ganz frei von Sünde. Daher wird das Speisopfer genannt das „Hochheilige von den Feueropfern Jehovas" (3. Mo 
2,3). Es bestand aus dem Gewächs der Erde und stellt die 
menschliche Natur des Herrn vor. 
Ich gebrauche den Ausdruck „menschliche Natur", um dadurch 
im allgemeinen die Menschheit zu bezeichnen, abgesehen von 
dem Zustand, wie sie ursprünglich geschaffen oder worin sie 
bald nachher gefallen ist. Ebenso bezeichnet in der Schrift oft 
das Wort „Fleisch" die menschliche Natur, wie z. B. „das 
Wort ward Fleisch" und „Gott geoffenbaret im Fleische" und 
„Christus, getötet nach dem Fleische" usw. Die eigentliche 
schriftgemäße Bedeutung dieses Wortes, das vornehmlich in 
den Briefen des Paulus den sittlichen Zustand der Menschheit 
darstellt, bezieht sich auf den Grundsatz des Eigenwillens im 
Herzen. Doch wer unter den Gläubigen sollte nicht im Blick 
auf den Herrn erschrecken, wenn jemand eine solche Bezeichnung des Fleisches auf Seine Person anwenden würde. Durch 
den Zusammenhang lernen wir stets den wahren Sinn verste 
hen. Ebenso wird gewöhnlich durch den Ausdruck „menschliche Natur" ihr gegenwärtiger Zustand bezeichnet. Dennoch 
müssen wir hier einen großen Unterschied machen. Adam vor 
dem Fall besaß die menschliche Natur, und sie war auch in 
Christus. Auch wir besitzen sie selbstverständlich. Aber wie 
sie in allen wirklich sein mag, so war doch Adam vor dem 
Fall in einem ganz anderen Zustand als nach dem Fall — 
in dem auch wir uns befinden —, und in Christus allein bezeichnet die Schrift sie als heilig . Wir unterscheiden also 
94 
drei verschiedene Zustände der menschlichen Natur hienieden: 
unschuldig, gefallen und heilig. Die Menschheit Christi war 
weder diejenige Adams vor dem Fall noch nach dem Fall. 
Es ist also deutlich, daß das Bestehen der menschlichen Natur 
ganz unabhängig von ihrem Zustand ist. Der Fall veränderte 
den Zustand der Menschheit Adams, aber die Menschheit 
selbst bestand ebenso wirklich vo r wie nac h dem Fall. 
Ebenso konnte der Sohn Gottes, das Wort, Fleisch oder 
Mensch werden. Er konnte die menschliche Natur in Verbindung mit der göttlichen annehmen, um so ein e Person zu 
bilden, aber der Zustand Seiner Menschheit muß aus den 
bereits angeführten Stellen erklärt werden. So sahen wir in 
Lukas 1, daß von Seiner Empfängnis an die Menschheit 
Christi „heilig" war, wie dies im gleichen Sinn nie von irgend einem Menschen gesagt ist. Er ist heilig, nicht nur, weil 
der Heilige Geist auf Ihn ausgegossen ist, sondern weil Er 
das „Heilige" war, das von Maria geboren und Sohn Gottes 
genannt wurde. 
Aber was war der Zweck der Ausgießung des Heiligen Geistes auf Christus, als Er ungefähr dreißig Jahre alt zu werden 
begann? Sicher geschah es nicht, um einer inneren Neigung 
zu Sünde Widerstand bieten zu können, denn in Ihm war 
keine Sünde. Der Heilige Geist wurde vielmehr ausgegossen 
zu einem Zeugnis und als eine an den Menschen gerichtete 
Offenbarung der Macht Gottes~über Satan und seine Werke. 
Er hatte den Heiligen Geist nicht zur Wiedergeburt oder zur 
Reinigung nötig, denn in der menschlichen Natur Jesu war 
gar nichts, das eine solche Wirksamkeit erforderte. Nein, der 
Heilige Geist kam in Kraft. Sowohl als Er ausging, um vom 
Teufel versucht zu werden, als auch als Er öffentlich im 
Dienst Gottes auftrat, gefiel es dem Herrn Jesus, in der 
Macht des Heiligen Geistes zu handeln. Sein Widerstand bei 
der Versuchung, Seine Wundertaten, Seine Predigt, alles geschah in göttlicher Kraft. W i r können durch das Fleisch in 
Versuchung gebracht werden, aber Jesus widerstand dem 
Bösen, das von außen an Ihn herantrat, im Heiligen Geiste. 
Darum war die Salbung mit dem Heiligen Geist nur eine 
Frage der göttlichen Kraft, wie in Apg 10,38 gesagt wird: 
95 
„Wie Gott ihn mit Heiligem Geiste und mit Kraft gesalbt 
hat, der umherging, wohltuend und heilend alle, die von dem 
Teufel überwältigt waren; denn Gott war mit ihm". — Daß 
Adam den Einflüssen der Sünde zugänglich war, hat die Geschichte gelehrt. Wer dies aber von Christus behauptet, lästert sowohl Seine Person als auch Seine sittliche Größe, ja 
er leugnet die Wahrheit dessen, was Er in bezug auf Seine 
Gottheit und Seine heilige Menschheit war und ist. 
Wie lehrreich in dieser Beziehung ist das Vorbild in 3. Mo 8. 
Zuerst wurde Aaron allein ohne Blut gesalbt (V. 12). Wenn 
aber danach seine Söhne auf den Schauplatz treten, so ist er 
bei ihnen, und das Blut der Weihe wird auf ihn und auf 
seine Söhne gesprengt zum Beweis, daß sie mit Aaron gesalbt sind (V. 30). Ebenso wird der Herr Jesus allein gesalbt 
und zwar als Mensch ohne Blutvergießung. Der Heilige Gottes 
bedurfte keines Opfers, um den Heiligen Geist zu empfangen. 
Wenn wir jedoch die Gemeinschaft dieser Salbung aus der 
Höhe genießen sollen, dann muß zuvor Blut vergossen werden. Der so vor Seinem Tode gesalbte Christus tritt für uns 
durch die Kraft Seines Blutes in das Allerheiligste, und nachdem Er Seinen Platz zur Rechten Gottes eingenommen und 
die Verheißung des Heiligen Geistes gegeben hat, hat Er 
ausgegossen, was auf dem Pfingstfeste und danach gesehen 
und gehört worden ist. Welch ein Zeugnis für Seine heilige 
Menschheit und für den Wert des für uns vergossenen Blutes! 
Daß Gott Seinen Sohn „in Gleichheit des Fleisches der Sünde" 
gesandt hat, sagt uns die Schrift, aber gerade dieses deutet 
an, daß die gefallene Natur, die sündige Menschheit nich t 
in Ihm war, obwohl Er als wirklicher Mensch nichts hatte, 
was Ihn für das menschliche Auge von anderen unterschied, — 
ein Mensch, den man verspeien, schlagen, kreuzigen und 
töten konnte. Daß Er „in Gleichheit des Fleisches der Sünde" 
erschienen ist, beweist deutlich, daß Er nicht das Wesen , 
sondern nur die „Gleichheit " oder „ G 1 e i c h g e -
s t a 11" des sündigen Fleisches besaß. Sonst hätte Er kein 
Opfer für die Sünde sein können, Er hätte nicht zur Sünde 
gemacht werden können, wie dies am Kreuz geschehen ist. 
Dieselbe Wahrheit wird durch die Worte angedeutet: „Einen 
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Leib hast du mir bereitet." Selbst in dieser Seiner Erniedrigung hat Gott Ihm und keinem anderen einen Leib bereitet, 
der für das ganze Werk, das Er vollbringen mußte, geeignet 
war (Hebr 10). Es ist daher sicher ein Irrtum zu glauben, daß 
die Menschwerdung Christi den Zustand Adams, ob vor oder 
nach dem Fall, in sich schließe. Eine Lehre dieser Art ist 
Ketzerei. In der Schrift wird Christus Adam als ein neuer 
Stamm, ein neues Haupt, ein neuer Mensch und als der letzte 
Adam gegenübergestellt und durchaus nicht als jemand betrachtet, der aus dem ersten Adam vor oder nach seinem 
Fall entsprossen ist. Er ist nicht nur, wie Adam, eine lebendige Seele, sondern ein lebendigmachender Geist (1. Kor 
15,45). War Adam, bevor er sündigte, gerecht und heilig? 
Die Schrift sagt es nicht, und sie kann nicht gebrochen werden. Was die Schrift sagt, ist sogar unvereinbar mit einer 
solchen Meinung. Sündlos sein ist noch keine Heiligkeit. Der 
Herr Jesus war von Geburt an innerlich über das Böse gänzlich erhaben. Wir sind in Sünden empfangen und in Ungerechtigkeit geboren; das Fleisch des Herrn aber wurde nicht 
so empfangen und gebildet, sondern war heilig durch die 
Kraft des Geistes. 
Der gefallene Mensch ist nicht nur des Fleisches und Blutes 
teilhaftig, sondern er hat auch, wie wir im Römerbrief lesen, 
das „Fleisch" in sich. Viele erkennen den Unterschied zwischen dem „Fleisch und Blut" nicht. Christus hat nicht wie wir 
das „Fleisch" in Sich, wenn es sich um die moralische Bedeutung dieser Worte handelt. Weil Er es nicht hatte, konnte Er 
es an unserer Statt am Kreuz tragen, so daß Gott es verurte:
len konnte. Er hat nicht nur gelitten für unsere Sünden , 
sondern auch für die Sünde . Als unser Stellvertreter hat 
Er nicht nur unsere Werke, Wege und Handlungen, sondern 
auch die Wurzel des Bösen auf sich genommen, wie geschrieben steht: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur 
Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in 
ihm". Es ist also nicht die ganze Wahrheit, wenn man sagt, 
daß Gott die Sünden auf Ihn gelegt habe, sondern Jesus 
wurde auch zur Sünde gemacht, und Gott tat, was das Gesetz 
nicht zu tun vermochte. Das Gesetz konnte nur bestimmte 
97 
Übertretungen behandeln, aber die Wurzel des Bösen konnte 
es nicht erreichen. Das Gesetz Gottes, obwohl „heilig, gerecht und gut", konnte nicht vollbringen, was Gott in der 
Sendung Seines eingeborenen Sohnes vollbracht hat. In Seinem Leben hat Christus geoffenbart, daß das Fleisch nicht 
in Ihm war, denn stets erfüllte Er den Willen Gottes und 
deckte gerade dadurch den widerspenstigen und verlorenen 
Zustand jedes anderen Menschen auf. In Seinem Tode aber 
ertrug Er das über das Fleisc h gefällte Urteil, auf daß 
wir, frei von allen Beschuldigungen, in Seinem Auferstehungsleben vor Gott stehen könnten. Gott, „seinen eigenen 
Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und (als Opfer) 
für die Sünde sendend, verurteilte die Sünde im Fleische" (Rö 
8, 3). Das war dem Gesetz unmöglich. Das Gesetz konnte 
den Sünder verdammen, es konnte Zorn bewirken, es konnte 
ein Urteil über die Sünde aussprechen, aber es konnte ebenso wenig die Sünde auswischen und vergeben wie das Urteil 
Gottes über die Wurzel der Sünde ausführen, damit der 
Gläubige freigesprochen werden konnte. Das hat Gott in 
Christo getan. Am Kreuz hat Gott alles gerichtet, sowohl 
die Wurzel als auch die Zweige. 
Neben der Tatsache, daß unser Herr das ewige Wort, der 
Sohn des Vaters ist, finden wir in Seiner Person auch die 
Erfüllung davon, daß das ungesäuerte Feinmehl mit ö l ge -
meng t und dann, daß das ö l darauf gegosse n wurde. 
Ersteres ist die Wirkung des Heiligen Geistes, wie sie in 
Lk 1 beschrieben ist, von Anfang Seiner Menschwerdung an, 
auf daß das, was von Maria empfangen und geboren wurde, 
„heilig" sei. Das zweite aber wird in Lk 3, 22 und Apg 10, 38 
mitgeteilt. Diese beiden Wahrheiten dürfen, wie dies leider 
oft geschehen ist und noch geschieht, nicht miteinander verwechselt werden, denn auf diese Weise wird der Heiland, der 
Christus Gottes, hinsichtlich der menschlichen Seite Seiner 
Person zu einem Kinde Adams herabgewürdigt. Man erkennt 
nicht das Geheimnis Seiner gesegneten Person, das völlig von 
der Salbung mit dem Heiligen Geist zu unterscheiden ist, die 
erst dreißig Jahre später stattfand, als Er vor Beginn Seines 
Dienstes im Jordan getauft wurde. 
98 
Die Salbung steht in keiner Beziehung zu der Bildung der 
vollkommenen reinen menschlichen Natur für die Person 
Christi, sondern ist nur eine Handlung, durch die der reinen 
Natur die Kraft des Heiligen Geistes verliehen und durch die 
der niedrige und gehorsame Mensch im Blick auf das öffentliche Amt mit göttlicher Kraft gesalbt wurde. „Denn diesen 
hat der Vater, Gott, versiegelt". Seine inneren Erfahrungen 
waren nach der Salbung nicht heiliger oder Gott wohlgefälliger als vorher. Es galt hier, anderen die mächtige Gnade des 
Geistes in dem Menschen offenbar zu machen. Danach kam 
Satan, um den Herrn zu versuchen, wie wir in Lk 4,13 lesen, 
jedoch soll hier durch das Wort „Versuchung" nur das Angreifen eines äußeren Feindes angedeutet werden, und hat 
keineswegs wie in anderen Stellen des Wortes die Bedeutung, 
als sollte dadurch die Wirkung der inneren Schwachheit oder 
Verderbtheit ans Licht gestellt werden. 
Die erste der drei großen Versuchungen in der Wüste war: 
„Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich zu diesem Steine, daß 
er Brot werde". Jesus war der Sohn Gottes, und Er war 
hungrig. Das war sicher eine außergewöhnlich günstige Gelegenheit, um Seine göttliche Sendung zu beweisen und zu 
gleicher Zeit die Bedürfnisse Seines Leibes zu befriedigen. 
Konnte Er keine Steine in Brot verwandeln? Gewiß. Wir 
können diese Versuchung eine natürlich e nennen. Die 
zweite Versuchung (wenigstens wie Lukas die Reihenfolge 
nach ihrer moralischen und nicht wie Matthäus nach ihrer 
geschichtlichen Ordnung angibt) galt dem weltliche n 
Element. Es war das Anerbieten aller Königreiche der Welt 
unter der Bedingung, daß Christus den Teufel anbeten sollte. 
Die dritte Versuchung war auf den geistlichen Grundsatz gerichtet; deshalb bedient sich der Teufel des Wortes Gottes. 
Wie wir wissen, weigert Sich der Herr, aus Steinen Brot zu 
machen. Er erkannte hier die Einflüsterung des Teufels; dies 
war auch nicht das Wort Gottes, das die wahre Speise des 
Gläubigen ist. Christus als Mensch, der Sohn Gottes auf Erden, lebt in unwandelbarer Vollkommenheit durch das Wort 
Gottes. Als der Sohn des Menschen ehrt Er Jehova, Seinen 
Gott, und dient Ihm allein; als der Messias vertraut Er auf 
99 
Ihn und versucht Ihn nicht, wie Ihn einst das Volk in der 
Wüste versuchte. Bemerken wir den Unterschied zwischen 
Christo und anderen, die sich in ähnlichen Umständen befanden. Mose und Elias fasteten vierzig Tage, aber Mose wurde 
auf dem Berge während dieser Zeit durch die Gegenwart 
Gottes unterstützt, und Elias wurde auf wunderbare Weise 
durch einen Engel ernährt. Bei dem Herrn Jesus war es nicht 
so, Er befand Sich nicht wie Mose in der Gegenwart Gottes, 
sondern in der Gegenwart des Teufels, und Ihm fehlte jeder 
Lebensunterhalt, während Elias mit Speise versehen wurde. 
Es ist vollkommen wahr, daß der Herr Jesus nicht auf eine 
fleckenlose und glückliche, sondern auf eine gefallene Erde 
gekommen ist; doch daraus den Schluß zu ziehen, daß er den 
gefallenen Zustand der Menschheit angenommen habe, ist ein 
grober, unverzeihlicher Irrtum. Ohne Zweifel lit t Er und 
konnte Er leiden durch Hunger, Durst und Müdigkeit, aber 
dies ist kein Beweis, daß die Menschheit in Ihm eine gefallene war, sondern zeigt uns nur die Umstände, in die die 
Menschheit, mag sie heilig oder unheilig sein, kommen 
kann. In seiner Unschuld machte Adam solche Erfahrungen 
nicht. Die heilige Person Jesus war solchen Mißhelligkeiten 
unterworfen und verherrlichte Gott in ihnen, aber was hat 
dies mit dem Zustand der Heiligkeit Seiner Menschheit gegenüber dem Zustand der Menschheit Adams vor oder nach 
dem Fall zu tun? Wer wagt es zu behaupten, daß Adam in 
Eden keinen Hunger gelitten hätte, wenn er nichts gegessen 
hätte? Man versucht damit nur, den Herrn der Herrlichkeit 
in den gefallenen Zustand des Menschengeschlechts herabzuziehen. Wenn man den Hunger, den Durst und die Ermüdung des Herrn hierfür als Beweis anführen will, dann 
gelangt man zu Trugschlüssen, da man die Umstände, denen 
die Menschheit unterworfen ist, mit der Menschheit selbst 
verwechselt. Gott teilt uns diese Tatsachen mit, um unser 
Verständnis von der Gnade des Heilands zu erhöhen und um 
Seine moralische Größe vor unseren Augen zu verherrlichen, 
während der Mensch, von Satan veranlaßt, diese Tatsachen 
benutzt, um Seine Menschheit zu besudeln und Seine Person 
zu erniedrigen. Der Herr ist versucht worden bis zum Äu100 
ßersten; doch daraus zu schließen, daß Er wie wir eine gefallene menschliche Natur besessen habe, ist eine Schmach gegen 
Christus und eine verwerfliche Lüge. Die Schrift zeigt uns 
die Menschheit Christi, aber sie sorgt auch deutlich dafür, 
daß Seine unbefleckte Herrlichkeit in den Vordergrund gestellt wird. Das ist kein Wunder, denn Gott wacht darüber, 
daß die unaussprechliche Gnade unseres Heilands nicht in 
irgendeiner Weise angetastet werden kann. 
In Hebr 2 lesen wir: „Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht 
alles unterworfen. Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter 
die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit 
Herrlichkeit und Ehre gekrönt — so daß er durch Gottes 
Gnade für alles den Tod schmeckte". Die Bedeutung dieser 
Worte ist, daß Christus zur Belohnung für Sein Werk mit 
Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist (siehe Phil 2,9), und zwar 
der Christus, Der ein wenig unter die Engel erniedrigt worden ist, um durch die Gnade Gottes für alles den Tod zu 
schmecken. Die Menschwerdung allein, wie wichtig sie auch 
war, konnte uns nicht erlösen. Sollte der Mensch nach der 
Gerechtigkeit Gottes von der Sünde erlöst werden, so war 
der Tod unbedingt nötig. „Ohne Blutvergießung ist keine 
Vergebung". — „Denn es geziemte ihm, um deswillen alle 
Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne 
zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch 
Leiden vollkommen zu machen" (Hebr 2,10). Es geziemte sich 
also, daß Christus für die vielen Söhne, die Gott zur Herrlichkeit führte, durch Leiden zum Himmel gehen sollte. Nicht 
um Seiner Selbst willen, sondern als Urheber unserer Errettung mußte Er durch Leiden geheiligt werden. Unser Zustand 
erforderte dies. Auf dem Kreuz wurde Er für uns zur Sünde 
gemacht, und das ist das entsetzliche Leiden, wovon hier die 
Rede ist, ohne Sünde aber (die hat Er am Kreuz getragen) 
stand Er auf aus den Toten und ist mithin an unserer Stelle 
durch Leiden geheiligt. „Denn sowohl der, welcher heiligt, 
als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; 
Um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder 
zu nennen" (V. 11). Erst nach Seiner Auferstehung stellt der 
Herr Seine Jünger in das Verhältnis von Brüdern. Die Worte 
101 
„alle von einem" bezeichnen nicht das Eintreten Jesu in ihren 
Zustand, sondern ihre Einführung in Seinen Zustand. Der 
Grund dazu wurde in Seinem Tode gelegt, und nach Seiner 
Auferstehung aus den Toten vereinigt Er sie mit Sich. Sie 
waren also „alle von einem". „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater 
und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott" 
(Joh 20,17). In Hebr 2,14 wird die Menschwerdung des Sohnes als notwendiges Mittel bezeichnet, um durch den Tod 
die Macht des Teufels zunichte zu machen, und die zu erlösen, die „durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der 
Knechtschaft unterworfen waren". Er allein hat das mächtige 
Werk vollbracht, kraft dessen Er nach Seiner Auferstehung 
die, welche geheiligt werden, in Gemeinschaft mit Sich bringt. 
Die Kraft Gottes war in Christo. Strahlte diese Kraft etwa 
weniger hervor, weil ihr Glanz durch ein Leben völliger Abhängigkeit vom Vater und durch die Leiden einer grenzenlosen Erniedrigung hindurchdringen mußte? Dabei waren diese Leiden nur eine Folge Seines Erbarmens über die Menschen, Seiner Liebe für die Seinigen und Seiner Hingabe und 
Seines Eintretens für die Herrlichkeit Gottes. Laßt uns auf 
den Höhepunkt von allem, auf das Kreuz blicken, das Törichte und Schwache Gottes. „Ich habe Gewalt es (das Leben) 
zu lassen, und habe Gewalt es wiederzunehmen". Aber Er 
gebrauchte diese Gewalt nur in völligem Gehorsam, denn Er 
fügt hinzu: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen" (Joh 10,18). Es ist daher ein verwerflicher Irrtum, 
wenn einige behaupten, daß in Seiner Natur nicht nur die 
Möglichkeit und Fähigkeit, sondern auch die Notwendigkeit 
zu sterben gelegen habe. Die Geschichte Seines Lebens lehrt 
uns das Gegenteil. Die kurze Zeit, in der es dem Herrn gefiel, 
Seinen Geist aufzugeben, worüber selbst Pilatus sich verwunderte, und die laut e Stimme, die Er noch kurz zuvor 
zum Erstaunen des Hauptmanns vernehmen ließ, dies alles 
zeigt uns Seine Macht im Sterben wie im Leben und ist keineswegs ein Zeichen der völligen Erschöpfung Seiner körperlichen Kraft infolge der vorangegangenen Leiden, wie einige meinen. Wenn man behauptet, daß Jesus in Seiner 
102 
Natur von Anfang an gezwungen gewesen sei zu sterben, 
oder daß Er am Kreuze darum sterben mußte, weil Er Seiner 
Kraft beraubt war, dann leugnet man die göttliche Herrlichkeit Seiner Person. Das aber stellt sofort die Lehre der Versöhnung in Frage, denn wie sehr wird die im Tode Jesu offenbarte Gnade untergraben, wenn der Herr Jesus am Kreuz 
nur einen Tod starb, den Er in der einen oder anderen Form 
doch einmal hätte sterben müssen. Für mich kommt eine 
solche Vorstellung dem Hohn derer gleich, die das Kreuz 
umringten, als sie riefen: „Andere hat er gerettet, sich selbst 
kann er nicht retten" (Mt 27,42). 
Nein, der Tod unseres Herrn ist im vollsten Sinne des Wortes 
ein freiwilliger, obschon es ein im Gehorsam gegenüber dem 
Vater vollbrachter Tod war. Niemand anders als der Heilige 
Gottes und zugleich eine göttliche Person konnte sagen: „Ich 
habe Gewalt es zu lassen usw". Er erlitt den Tod nicht auf 
Grund des Urteils über die gefallene Natur, sondern durch 
die Gnade Gottes. In Phil 2 lesen wir ganz klar, daß 
der Tod Jesu durchaus keine Folge der allgemeinen Sterblichkeit des gefallenen Fleisches war. Denn nicht weil Er „in 
seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden" wurde, mußte Er 
notgedrungen sterben, sondern auf Grund des Vorsatzes der 
Gnade hat Er „sich selbst erniedrigt, indem er gehorsam ward 
bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze". Es geschah unserer 
Sünden wegen, und darum nach einem ganz anderen Grundsatz. Er wurde „gehorsam bis zum Tode, ja, zum Tode am 
Kreuze". Jesus wurde für uns zur Sünde gemacht, Er wurde 
für uns zum Fluch. Er wurde in Schwachheit gekreuzigt, aber 
nicht weil es Seine menschliche Natur erforderte, denn wenn 
dies wahr wäre, so wären wir ohne Hoffnung. Es war der 
Triumpf der Gnade in dem Sohn des Menschen, Der Sein 
Leben zum Lösegeld für viele hingeben wollte. So wurde Gott 
in Ihm verherrlicht, und „darum", sagt Jesus, „liebt mich der 
Vater, weil ich mein Leben lasse, auf daß ich es wiedernehme". Ich weiß wirklich nicht, was von der Wahrheit, der 
Liebe, dem Gehorsam, der Versöhnung oder der Verherrlichung Gottes im Tode Jesu noch übrigbleibt, wenn man an 
dem traurigen Irrtum festhält, der Christus in Seiner eigenen 
Person den Gesetzen der gefallenen Menschheit unterwirft. 
103 
„Denn er nimmt fürwahr sich nicht der Engel an, sondern 
des Samens Abrahams nimmt er sich an", lesen wir in Hebr 2. 
Daß hier keineswegs gesagt werden soll, daß Er nicht die 
Natur der Engel, sondern die Natur Abrahams angenommen 
habe, geht deutlich aus den Worten hervor: „Daher mußte 
er in allem den Brüdern gleich werden, auf daß er in den 
Sachen mit Gott ein barmherziger und treu.er Hoherpriester 
werden möchte, um die Sünden des Volkes zu sühnen" (V. 17). 
Er nimmt Sich nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams — das will sagen: Er kam nicht, um die Engel zu erlösen, sondern den Samen Abrahams, und darum mußte Er 
in allem den Brüdern gleich werden. Er mußte Mensch werden, um die Menschen erlösen zu können. 
„Denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht wurde, 
vermag er denen zu helfen, die versucht werden" (V. 18). 
Es ist zu beachten, daß hier nicht steht, daß Jesus gelitten 
habe, nachdem Er versucht war; denn dieses kann nur jemand 
tun, der sich überwunden sieht und darüber trauert. Jesus 
kannte weder Betrübnis des Gewissens noch die Wirkung des 
Unglaubens, wie das bei uns der Fall ist. Er litt in Seiner 
ganzen moralischen Stellung das Leiden in Heiligkeit und 
Gnade. Er verabscheute und verwarf alles, was der Feind 
Seiner heiligen Natur vorstellte. Darum ist Jesus, Der in der 
menschlichen Natur Versuchung und Leiden kennenlernte, 
mehr als irgendein Mensch imstande, die Gläubigen, die versucht werden, zu trösten. Das ist die wirkliche Bedeutung und 
die richtige Anwendung des hier gebrauchten Wortes „Versuchung". Es bezeichnet durchaus keine innere Neigung oder 
Empfänglichkeit für das Böse, wie in Jak 1,14, wo das Wort 
mit der „Lust" in Verbindung steht. Wenn jemand dies auf 
Jesus anwenden will, der sage es sofort frei heraus, damit 
die Schafe Christi die Stimme des Fremden hören und fliehen. 
Jakobus gebraucht jedoch in demselben Kapitel (V. 2-12) das 
Wort „Versuchung" in seiner gewöhnlichen Bedeutung als 
Prüfung. Die Verwirrung entsteht dadurch, daß man den 
Unterschied nicht beachtet, der zwischen den inneren Wirkungen der gefallenen Natur, wie sie in Jak 1,14 vorkommen, und den Versuchungen besteht, die Satan von außen 
104 
bei uns hervorruft. In Adam und Eva war keine Sünde, als 
sie versucht wurden. Daher ist es nicht notwendig eine gefallene Natur zu haben, um versucht werden zu können. Doch 
laßt uns nicht vergessen, daß noch kein Leiden bestand, als 
unsere ersten Eltern versucht wurden; sie unterlagen dem 
Verführer. Das steht im Gegensatz zum letzten Adam, Der 
unendlich viel mehr versucht wurde, aber in nichts einwilligte. Er begegnete jedem Angriff mit dem Wort Gottes, anstatt dieses Wort fallenzulassen und zu übertreten, wie es 
der erste Adam tat. Er kam um den Willen Gottes und nicht 
Seinen eigenen zu tun. Er handelte in der Kraft des Heiligen 
Geistes, Der für die Bedürfnisse des Augenblicks die richtige 
Schriftstelle anführt. Freilich haben wir als Menschen das 
sündige Fleisch, das Jesu nicht besaß, aber als Gläubige sind 
wir doch aus Gott geboren, da Christus Selber unser Leben 
ist, und daher haben wir durch den Heiligen Geist Kraft zum 
Widerstand empfangen. Besonders aber dürfen wir nicht vergessen, daß der Teufel jetzt für uns um Christi willen ein 
überwundener Feind ist. Doch die alte menschliche Natur in 
uns ist noch stets unverbessert, so daß bei uns die Überwindung nicht von der Veredlung der Natur abhängt, sondern 
eine Frucht des Glaubens ist. Christus hatte nie die Kämpfe 
zu bestehen, die in uns durch den Widerstand des Fleisches 
gegen den Heiligen Geist entstehen. Er ordnete jeden Gedanken und jedes Gefühl völlig dem Willen Gottes unter. 
Eine scheinbare Ausnahme zeigte sich nur, als Er in Seiner 
Angst ausrief: „Nimm diesen Kelch von mir weg!" Doch wie 
konnte Er, Der Sich während Seines Erdenweges immer des 
ununterbrochenen Wohlgefallens Gottes erfreut hatte, auch 
begehren, von Gott verlassen zu werden? Es wäre Gleichgültigkeit und keine Liebe gewesen, ja, es hätte eine Geringschätzung der glückseligen Gemeinschaft zwischen Ihm und 
dem Vater verraten. Darum war es ein Teil der Vollkommenheit Christi, wenn Er ausrief: „Nimm diesen Kelch von 
mir weg, doch nicht, was ich will, sondern was du willst". 
Seine Menschheit konnte, wenn ich so sagen darf, gerade weil 
sie so vollkommen war, nicht nach der furchtbaren Offenbarung des Zornes Gottes verlangen; aber wie in allen Dingen, 
105 
war Er auch hierin dem Willen Gottes Untertan. „Den Kelch, 
den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?" 
Betrachten wir jetzt Hebr 4, 15: „Denn wir haben nicht 
einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit 
unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde". 
Heißt das vielleicht nur, daß Jesus in allem gleichwie wir 
versucht worden sei,, ohne zu sündigen? Gewiß nicht. Vielmehr ist der Sinn dieser Stelle, daß Er, ausgenommen die 
Sünde, jede Art der Versuchung durchgemacht hat. Obwohl 
Er in allem versucht wurde, unterschied Er Sich doch besonders dadurch, daß Er durchaus keine Sünde in Seiner Natur 
hatte. Von uns wird gesagt: „Wenn wir sagen, daß wir keine 
Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit 
ist nicht in uns". Wir haben also innere Versuchungen, die 
mit der Sünde in uns in Verbindung stehen, wie Jakobus 
schreibt. Jesus hatte dagegen solche Versuchungen nicht. Mit 
der Sünde hatte Er in den Versuchungen nichts zu tun. Dazu 
besaß Er in Seiner menschlichen Natur nicht die geringste 
Neigung. Wenn Er auch Fleisches und Blutes teilhaftig war, 
so besaß Er doch nichts von dem, was Paulus „das Fleisch" 
nennt. In Ihm, Der vollkommen Gott und vollkommen Mensch 
war, bestand für die Sünde kein Anknüpfungspunkt. Im 
ersten Menschen, Adam, war ein solcher Anknüpfungspunkt 
vorhanden, und daher fiel er. Der zweite Mensch, der letzte 
Adam, kannte eine solche Schwäche nicht, sondern Er war 
Mensch geworden, um zu leiden und am Kreuz, wann und 
wie es Ihm gefiel, doch stets im Gehorsam gegen Gott, fü r 
unser e Sünde n zu sterben (2. Kor 13,4). Innere, moralische Schwachheiten kannte Jesus nicht. 
Wenn Adam in seiner Natur im vollsten Sinne des Wortes 
„aus Gott geboren" gewesen wäre, so hätte er, ohne eine 
göttliche Person zu sein, doch nicht sündigen können (Siehe 
1. Joh 3, 9). Wenn der Christ sündigt, geschieht das, weil 
er gegen den Willen der neuen Natur und des in ihm wohnenden Geistes, der nicht aus Gott geborenen alten Natur 
nachgibt. Er ist dann nicht wachsam gewesen, wird vom Feind 
angegriffen und fällt. In einer ausschließlich heiligen Natur 
106 
ist kein Anknüpfungspunkt für die Sünde vorhanden. Wer 
wollte einen solchen bei Christus, wenn Er in Herrlichkeit 
wiederkommt, voraussetzen? Sowohl in Verbindung mit Seiner Wiederkunft (Hebr 9,28) als auch in bezug auf Seine 
Versuchung auf Erden (Hebr 4,5) wird derselbe Ausdruck 
„ohne Sünde" gebraucht. In den Tagen Seines Fleisches war 
Jesus „ohne Sünde". Auf dem Kreuz hat Gott Ihn „für uns 
zur Sünde gemacht". Wenn Jesus zum zweiten Mal für die 
Seinen kommt, dann wird Er „ohne Sünde erscheinen". Einmal wurde Er geopfert, um die Sünden vieler zu tragen, bald 
wird Er nicht zum Gericht, sondern zur Seligkeit derer erscheinen, die Ihn erwarten, aber dann wird Er völlig von der 
Sünde getrennt gesehen werden, weil Er den Willen und 
das Werk Gottes in bezug auf die Sünde durch das Opfer 
Seines Leibes ein für allemal vollbracht hat. Ohne die geringste Spur von Sündhaftigkeit oder Neigung zur Sünde in 
Seiner menschlichen Natur zu besitzen, wurde Jesus dennoch 
bis zum Äußersten vom Teufel angegriffen. Danach hat Er 
die Sünde ausgelöscht durch das Opfer Seiner Selbst. Zum 
zweiten Mal wird Er ohne Sünde, d. h. getrennt von der 
Sünde erscheinen, nachdem Er das Werk vollbracht und Gott 
am Kreuz verherrlicht hat. Niemand wird es wagen, Christus 
in der Herrlichkeit die geringste Empfänglichkeit für inneres 
Böses zuzuschreiben; aber wer in diesem Sinn bezüglich Seiner Menschheit, während Er auf der Erde war, über Seine 
Person zu sprechen oder zu denken wagt, der steht ebenso 
im Widerspruch zur Heiligen Schrift. Der Heilige Geist sagt 
in beiden Fällen, daß Er auf Erden „ohne Sünde" war, und 
daß Er in Herrlichkeit ohne Sünde erscheinen wird. 
Wenn auch nur das geringste Teilchen der gefallenen menschlichen Natur in Christus vorhanden gewesen wäre, wie hätte 
Er dann je ein geeignetes Opfer für die Sünde sein können? 
Selbst die als Vorbilder gebrauchten Opfertiere im Alten 
Testament mußten vollkommen sein. Und es ist bemerkenswert, daß kein Opfer sich mehr durch Heiligkeit auszeichnete, 
als das Speisopfer und die Sund- und Schuldopfer. Sie werden nachdrücklich „hochheilig" genannt, weil sie Christus in 
Seinem Wirken als Mensch und zugleich Ihn als für uns zur 
Sünde gemacht vorstellen. Das Passahlamm ohne Fehl, die 
107 
täglichen Opfer ohne Flecken, die rote Kuh oder der Farren 
ohne Fehl und worau f kei n Joc h gekomme n 
w a r (man merke sich dies gut), — alles dies zeigt uns 
deutlich, daß in Christo, dem wahren Gegenbilde, für die 
Verdorbenheit des gefallenen Menschen kein Platz war. 
Wäre Christus als vom Weibe geboren irgendwie unter dem 
Joch der gefallenen menschlichen Natur gewesen, dann hätte 
Er, auch wenn nicht der kleinste Flecken in Seinem Wandel 
gefunden wäre, doch nie ein geeignetes und passendes Opfer 
für uns sein können, weil Er dann das wichtigste Gebrechen 
der Menschheit besessen hätte. Jeder, der nicht so verblendet 
ist, sich mit Gott auf die gleiche Stufe zu stellen, wird zugeben müssen, daß durch den Sündenfall unser ganzer Zustand 
verdorben ist. Wie könnte Gott nun ein durch den Sündenfall besudeltes Schlachtopfer annehmen? Durch eine solche 
Irrlehre untergräbt man die Person und das Werk Christi 
und tastet dadurch die Herrlichkeit Gottes in schamloser 
Weise an. 
Wie aber kann Christus Mitgefühl mit uns haben, ohne ein 
persönliches Bewußtsein von der gefallenen Menschheit zu 
besitzen? Eine höchst unwürdige Frage! Das Mitgefühl Jesu 
ist in der Schrift auf ganz andere Gründe gebaut. Ich gestehe, 
daß Seine göttliche Herrlichkeit nicht genügend ist, aber diese 
Herrlichkeit zeigt den Glanz und unendlichen Wert Seines 
Leidens als Mensch, ausgenommen die Sünde. Jesus mußte 
die Natur derer haben, deren Sache Er übernahm, obwohl Er 
nicht in demselben gefallenen Zustand erschien. Er mußte die 
Angst und Bitterkeit der Versuchung auf Erden selbst erfahren haben, und das war bei Ihm in unvergleichlich höherem 
Maße der Fall als bei jedem anderen Menschen. So konnte 
Er in Seiner heiligen Menschheit Mitgefühl haben mit unseren 
Schwachheiten, da Er die List, die Macht und die Bosheit des 
Feindes gefühlt hatte, und zwar deshalb in so viel stärkerem 
Maße als wir, da Seine Würde, Heiligkeit und Liebe die unsrige in demselben Maße übertrifft. Da Er nie eine Sünde 
(die das Herz verengt) gekannt, aber unbeschreiblich viel gelitten hat, ist Seine Liebe weit und frei, um uns, den Gläubigen, die nicht nur den gleichen äußeren Feind und Versu108 
eher haben, sondern auch eine trügerische Natur in uns tragen, ungehindert zuströmen lassen zu können. 
Die Wahrheit ist, daß der Gläubige, der durch den Glauben 
an die Erlösung in einem für ihn vollbrachten Werke Ruhe 
gefunden hat, das Mitleiden Christi mit der in ihm wohnenden Sünde oder mit den Sünden, die er getan hat, nicht mehr 
nötig hat, da er die göttliche Versicherung besitzt, daß Christus für beides gestorben ist. Wenn Christus auferweckt ist, 
ist auch der Gläubige mit Christo auferweckt. Ist das nicht 
ein fester Trost aus dem Himmel gegenüber der sündhaften 
Natur und ihren bösen Früchten? Christus hat unsere Sünden 
an Seinem Leibe auf dem Holz getragen. Das Fleisch und 
die Sünde sind in Ihm mitgekreuzigt und bereits verurteilt. 
Soll ich dies alles nicht glauben und mit demütigem und 
dankbarem Herzen den Frieden annehmen, den mir das Leiden des Überwinders, das so vollkommen die Gnade Gottes 
gegen mich zeigt, gebracht hat? Andererseits handelt Gott 
weise und heilig mit dem Gläubigen, der nicht wachsam war 
und darum in die Sünde gefallen ist. Hier hilft dann weder 
das Dogma (Lehrsatz), das die bleibende Beziehung der Kinder Gottes leugnet und uns auffordert, von neuem unsere 
Zuflucht zu dem Blut der Versöhnung zu nehmen (als wenn 
wir Juden und nicht Christen wären), noch die Lehre, die in 
dem heiligen Wandel Christi ein Hilfsmittel für die Mängel 
in unserem Betragen sucht. Den Grund für diese Verirrung 
finden wir in den voreiligen Worten des Petrus in Joh 13, 8. 
9; die Wahrheit, die beide Lehren widerlegt, finden wir in 
der Antwort des Herrn, wenn Er sagt: „Wer gebadet ist, hat 
nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße". Die 
erstgenannte Lehre verkennt in ihrem Eifer den vollen Wert 
der ein für allemal vollbrachten Reinigung der Person, während die zweite nicht die Notwendigkeit der fortdauernden 
Fußwaschung versteht, nachdem die Person einmal ganz gereinigt ist. Der Gläubige aber hält beides aufrecht; er schwächt 
nicht den ewigen, unerschütterlichen Glauben der Wiedergeburt ab, und er verkennt auch nicht die Notwendigkeit des 
beständigen Bekennens der Sünden. Die Reinigung oder Waschung wird nie wiederholt, während wir die Fußwaschung 
109 
hier auf Erden immer nötig haben, wenn wir in Gemeinschaft 
mit Christus bleiben wollen. Der Heilige Geist setzt auf der 
Erde das Werk fort, als Folge der Fürbitte Christi im Himmel, und reinigt durch das Wort diejenigen, die bereits in 
dem Blute Christi von ihren Sünden gewaschen und aus 
Wasser und Geist geboren sind. Die verunreinigte Seele muß 
durch den Heiligen Geist und durch das Wort Gottes fühlen, 
was ihr Einwilligen in die Sünde den Sohn Gottes kostet, Der 
Selbst das unwiderrufliche Urteil Gottes über die ganze 
Schuld getragen hat, als Er für uns zur Sünde gemacht worden ist. Das ist die Lehre der Schrift, des Alten wie des 
Neuen Testaments, und das ist der heilige Weg Gottes in den 
täglichen Erfahrungen der Gläubigen. 
Doch das Mitleiden Christi mit der Sünde, ja selbst mit dem 
Sünder als solchem, wäre nur ein Ruhekissen für die Sünde, 
und nicht nur verderblich für uns, sondern auch entehrend 
für Christus. Nein, so ist es nicht. Sein Mitleiden gilt den 
Schwachheiten der Wiedergeborenen, die die Sünde hassen, 
die den Widerspruch der Sünder gegen sich zu erdulden haben und die durch Satan, der in der Welt und auf das Fleisch 
wirkt, auf ihrem Wege angegriffen werden. Ihnen gilt das 
Trostwort der Schrift: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren 
Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in 
gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde." Er weiß, 
was es heißt, von der Welt gehaßt zu werden, jeden Tag die 
Sünde sehen und fühlen zu müssen. Er kennt die List des 
Teufels und die Macht des Unglaubens. Er hat das Elend, die 
Mühsale und das Leiden dieser Erde angeschaut und erfahren. Er weiß, was es ist, von Freunden verlassen zu sein und 
von Feinden verspottet zu werden. Ja, in allen Dingen, die 
Sünden ausgenommen, ist Er versucht worden, und darum 
kann Er in unseren Schwachheiten und Leiden Mitleid mit 
uns haben. 
Aus Hebr 5 wird es uns noch deutlicher werden, wie bereit 
der Mensch ist, verkehrte Gedanken in bezug auf Christus 
in sich aufzunehmen. „Denn jeder aus Menschen genommene 
Hohepriester wird für Menschen bestellt in den Sachen mit 
110 
Gott, auf daß er sowohl Gaben als auch Schlachtopfer für 
Sünden darbringe; der Nachsicht zu haben vermag mit den 
Unwissenden und Irrenden, da auch er selbst mit Schwachheit umgeben ist" (V. 1. 2). Diese Worte werden oft als eine 
Beschreibung von Christo betrachtet, während sie gerade das 
Gegenteil sind. Sie zeigen uns den Unterschied zwischen 
einem gewöhnlichen menschlichen Hohenpriester und Christus. Unwissende und irrende Menschen haben einen Priester 
nötig, der wie sie selber mit Schwachheit umgeben ist. Ein 
solcher ist Jesus, der Sohn Gottes nicht. Er braucht nicht „wie 
für das Volk, so auch für sich selbst zu opfern für die Sünden". Zwar folgt dann eine Gleichstellung mit Aaron, aber 
diese besteht darin, daß Christus nicht Sich Selbst verherrlicht hat, um Hoherpriester zu werden, sondern „von Gott 
berufen (wurde), gleichwie auch Aaron". Sonst werden in 
diesem Kapitel Aaron und seine Söhne Christus gegenübergestellt. Sie waren schwache Menschen und mußten nicht nur 
für die Sünden des Volkes, sondern auch für ihre eigenen 
Sünden opfern. Christus ist ein Hoherpriester „...heilig , 
unschuldig , unbefleckt , abgesonder t vo n 
d e n Sünder n un d höhe r al s di e Himme l 
geworden , der nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohenpriester, zuerst für die eigenen Sünden Schlachtopfer darzubringen, sodann für die des Volkes; denn dieses hat er 
ein für allemal getan, als er sich selbst geopfert hat. Denn 
das Gesetz bestellt Menschen zu Hohenpriestern, die Schwachheit haben; das Wort des Eidschwurs aber, der nach dem 
Gesetz gekommen ist, einen Sohn , vollende t i n 
Ewigkeit " (Hebr 7, 26-28). Doch dies hinderte Ihn nicht, 
Schmerzen mehr als irgendein Mensch kennenzulernen. Aber 
vergessen wir nicht, daß es stets der Schmerz der Gerechtigkeit und Liebe war. „Der in den Tagen seines Fleisches, da 
er sowohl Bitten als Flehen dem, der ihn aus dem Tode zu 
erretten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen dargebracht hat (und um seiner Frömmigkeit willen erhört worden ist), obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte; und, vollendet worden, ist er allen, die ihm 
gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden" (Kap 5, 7-8). 
Jesus mußte Gehorsam lernen, als etwas, das Ihm, Der nur 
111 
zu gebieten wußte, unbekannt war. Vor Seiner Menschwerdung war Er der Herrsche r über alles. Nachdem Er 
aber Mensch geworden war, mußte Er — obwohl freiwillig — 
in Abhängigkei t vom Vater leben. Das Leiden, ja 
alles, was Ihm hier widerfuhr, war Ihm etwas ganz Neues, 
und in diesem allen mußte Er Gehorsam lernen. Nachdem Er 
gehorsam gewesen war bis zum Tode am Kreuz und das 
Werk der Erlösung und Versöhnung für andere vollbracht 
hatte, ist Er „vollendet" in der Auferstehung „allen, die ihm 
gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden, von Gott 
begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks" 
(V. 9. 10). 
In Verbindung hiermit gibt es noch eine falsche Lehre, nämlich die, daß Christus uns durch Seine Menschwerdung in 
Gemeinschaft mit Sich gebracht habe. Dies ist ein höchst gefährlicher Irrtum, denn dann gäbe es ja einen anderen Weg 
zur Errettung als durch Christus. Das Wort Gottes lehrt uns 
das Gegenteil. Wir Christen sind aus unserem natürlichen 
Zustand herausgenommen und durch den Heiligen Geist zu 
Gliedern Christi gemacht worden. Christus ist nicht ein 
Fleisch mit uns geworden, hat also nicht an dem Zustand der 
gefallenen Menschheit teilgenommen (dadurch würde die 
Versöhnung gänzlich in Frage gestellt werden) sondern wir 
sind zu einem Geiste mit Ihm gemacht worden (1. Kor 6, 17). 
Dieser Irrtum stellt uns die Geburt und nicht den Tod Christi 
als das Fundament unserer Gemeinschaft vor, und dadurch 
wird natürlich das Urteil Gottes über die Sünde am Kreuz 
in den Schatten gestellt. 
Nach den Zeugnissen der Schrift gab es Glieder am Leibe 
Christi, nachdem der Herr geboren, gekreuzigt, auferweckt 
und gen Himmel gefahren war und den Heiligen Geist herniedergesandt hatte, um die Gläubigen zu einem Leibe zu 
taufen. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und 
stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel 
Frucht" (Joh 12, 24). Das ist eine deutliche Sprache. Wäre 
der Herr nicht gestorben, dann wäre Er allein geblieben; doch 
nun da Er gestorben und auferstanden ist, sind die Gläubigen 
mit Ihm vereinigt. Ebenso sagt der Herr in Joh 17, 21: „Auf 
112 
daß sie alle eins seien" — etwas, das, als der Herr noch nicht 
gestorben und auferstanden war, noch geschehen mußte. 
Unsere Vereinigung hat nicht in Seiner Geburt oder Seinem 
Leben hier auf Erden, ja selbst nicht in Seinem Tode, sondern 
in Seiner Auferstehung und Verherrlichung ihren Anfang 
genommen. Wenn der Gläubige so mit Christus vereinigt ist, 
spricht die Schrift von ihm als von einem mit Christo Gekreuzigten, auf Seinen Tod Getauften, mit Ihm Gestorbenen 
und mit Ihm Auferweckten. Dies finden wir jedoch nie von 
einem Gläubigen gesagt, bevor das Werk der Erlösung vollbracht und Jesus verherrlicht war. Erst von diesem Augenblick an konnte das, was von Ihm, ihrem großen Stellvertreter, wahr war, auch von den Seinigen gesagt werden. In 
2. Kor 5, 14-18 wird uns die Wahrheit in völliger Klarheit 
dargestellt. „Denn die Liebe des Christus drängt uns, indem 
wir also geurteilt haben, daß einer für alle gestorben ist und 
somit alle gestorben sind". Erst am Kreuz geschah die vollkommene Offenbarung der Liebe Gottes und der Feindschaft 
des Menschen, des heiligen Urteils Gottes über die Sünde 
und der hoffnungslosen Bosheit des Menschen. Die im Tode 
Christi erwiesene traurige Tatsache ist, daß alle tot sind. 
Aber zugleich wird dort die Gnade Gottes geoffenbart. „Einer 
ist für alle gestorben" — dies allein kann ihrem Zustand ein 
Ende machen — „auf daß die, welche leben, nicht mehr sich 
selbst leben, sondern dem, der fü r si e gestorbe n 
i s t un d is t auferweck t worden" . Und dann folgt 
das Resultat: „Daher kennen wir von nun an niemand nach 
dem Fleische; wenn wir aber auch Christum nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr 
also. Daher, wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue 
Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden." 
Wie alle anderen Irrtümer hat auch der zuletzt erwähnte 
keinen anderen Zweck, als die Person Christi zu erniedrigen 
und die sündige Menschheit, also den Menschen wie er ist, 
zu erheben. Ferner trachtet der Feind durch diese Lehre den 
wahren Zeitpunkt der Erlösung durch den Glauben zu verrücken, den wahren Charakter und den Umfang der Vorrechte der Christen zu, verbergen und die Seelen in den 
113 
Zustand zurückzuführen, in dem sie waren, als das Erlösungswerk noch nicht vollbracht, die Sünde noch nicht gesühnt, der Heilige Geist noch nicht gegeben und Jesus noch 
nicht verherrlicht war, ja, als im Gegenteil das Gesetz mit 
seinen fleischlichen Satzungen, seiner irdischen Priesterschaft 
und seinem weltlichen Heiligtum noch in voller Kraft bestand. 
Laßt uns daher mit heiligem Ernst erfüllt sein, wenn wir den 
zarten und ernsten Gegenstand der göttlich-menschlichen 
Natur unseres Herrn Jesus Christus betrachten! Wir dürfen 
Ihn nicht anders betrachten als die Schrift Ihn uns vor Augen 
stellt, und daher bedarf es der Vorsicht bei der Behandlung 
solcher Schriftstellen, die sich auf Ihn beziehen, den niemand 
kennt als nur der Vater. Dann werden wir davor bewahrt 
bleiben, Gott zu widersprechen. Wir traurig ist es zu sehen, 
daß Männer, die behaupten, daß Jesus eine sündhafte Natur 
gehabt habe, von gleichgültigen Christen aber auch von der 
blinden Menge als Lehrer dieses Jesus betrachtet werden, 
Der durch sie grenzenlos entehrt wird! Bedenken wir es 
wohl, daß der wahre, auf das Wort gegründete Glaube an 
Christus der einzige Grund alles Guten in der Seele ist. Etwas 
anzunehmen, was die Herrlichkeit Christi verdunkelt und 
beschmutzt, ist eine sehr gefährliche Sünde, deren Ende niemand voraussehen kann. Wenn man auch nur einen Schritt 
in dieser Richtung geht, so legt man den Grund eines schrecklichen Frevels, denn wir treten dadurch in Widerspruch zu 
der Absicht des auf der Erde wohnenden Heiligen Geistes, 
Der ununterbrochen bemüht ist, die Herrlichkeit und die 
Rechte unseres Herrn Jesus Christus aufrechtzuerhalten. 
Der ungebahnte Weg 
„Ihr seid des Weges früher nicht gezogen." Jos 3, 4. 
„Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen". 
Joh 13, 36. 
Als die Kinder Israel im Begriff standen, in das verheißene 
Land zu gehen, flössen die Wasser des Jordan zwischen ihnen 
und dem Gegenstand ihrer Hoffnung. Der Jordan ist ein 
114 
Vorbild des Todes, der zwischen der Wüste und Kanaan 
liegt, während das Rote Meer jenen Tod vorbildlich darstellt, 
der Ägypten von der Wüste trennt. Die Israeliten gingen 
durch das Meer in die Wüste, und durch den Jordan in das 
Land Kanaan. In Ägypten, in der Wüste und in dem Lande 
Kanaan sehen wir die drei verschiedenen Stellungen des 
Volkes Gottes. Tatsächlich befinden wir uns in Ägypten, 
bezüglich unserer Erfahrungen sind wir in der Wüste, und 
durch Glauben sind wir im Geist und dem Grundsatz nach 
in Kanaan. Wir wandeln durch die Welt, die für die neue 
Natur moralisch eine Wüste ist. Unsere Heimat ist droben, 
wo Jesus unser Haupt und Vorläufer ist. 
Nun mußte der Jordan durchschritten werden, bevor das 
Volk sein verheißenes Erbe antreten konnte. Zu ihren Füßen 
dehnte sich der drohende Grenzfluß aus, der wohl nie drohender den Weg versperrte, als in dem Augenblick, da der 
lebendige Gott im Begriff stand, für Sein Volk zu handeln, 
denn „der Jordan .. . ist voll über alle seine Ufer die ganze 
Zeit der Ernte hindurch" (Jos 3, 15). Nie war der Tod drohender, schrecklicher und fürchterlicher als in dem Augenblick, als der Fürst des Lebens diese Macht für uns zerstörte 
und den Tod in den Weg verwandelte, der uns zu unserer 
himmlischen Heimat führt. Für Israel war das tiefe Bett des 
Jordan ein ungebahnter Weg. Sie mußten daher warten, bis 
die von den Priestern getragene Lade des lebendigen Gottes 
vor ihnen herging, um ihren Weg zu bereiten. „Und es geschah am Ende von drei Tagen, da gingen die Vorsteher mitten durch das Lager, und sie geboten dem Volke und sprachen: 
Sobald ihr die Lade des Bundes Jehovas, eures Gottes, sehet, 
und die Priester, die Leviten, sie tragen, dann sollt ihr von 
eurem Orte aufbrechen und ihr nachfolgen. Doch soll zwischen 
euch und ihr eine Entfernung sein bei zweitausend Ellen an 
Maß. Ihr sollt ihr nicht nahen, auf daß ihr den Weg wisset, 
auf dem ihr gehen sollt; denn ihr seid des Weges früher nicht 
gezogen . . . Und Josua sprach zu den Kindern Israel: Tretet 
herzu und höret die Worte Jehovas, eures Gottes! Und Josua 
sprach: Hieran sollt ihr wissen, daß der lebendige Gott in 
eurer Mitte ist und daß er die Kanaaniter usw. . . . gewißlich 
115 
vor euch austreiben wird. Siehe, die Lade des Bundes des 
Herrn der ganzen Erde zieht vor euch her in den Jordan" 
(Jos 3, 2-4. 9-11). 
Hier haben wir ein herrliches Vorbild davon, wie der Herr 
Jesus Christus die Macht des Todes für Sein Volk überwunden hat. Er begegnete dem Tod in seiner erschreckendsten 
Form. Der Jordan sah drohend aus, als die Bundeslade seine 
mächtigen Fluten zurückdrängte und einen Weg für den 
Übergang der Erlösten des Herrn bahnte. „Und die Priester, 
welche die Lade des Bundes Jehovas trugen, standen festen 
Fußes auf dem Trockenen in der Mitte des Jordan; und ganz 
Israel zog auf dem Trockenen hinüber, bis die ganze Nation 
vollends über den Jordan gegangen war" (V. 17). Es war ein 
vollständiger Sieg des Lebens über den Tod. Die Macht des 
lebendigen Gottes verwandelte den Tod in einen Weg des 
Lebens. Die Füße der Erlösten Gottes durften die finsteren 
Wasser des Todes nicht berühren. Diese Wasser sahen in der 
Entfernung drohend aus. Für das natürliche Auge waren sie 
auch wirklich erschreckend, aber in dem Augenblick als sich 
das Volk näherte, war statt einer schrecklichen Flut ein trokkener Fußweg zu finden. Gott, der lebendige Gott war da in 
Gnade und Wahrheit, was seinen Ausdruck in den Priestern 
und der Bundeslade fand. Alles wird dadurch verändert. Der 
Tod verliert seine Existenz, wenn Gott gegenwärtig ist. Die 
Sünde brachte den Tod in die Welt. Die Sünde ist der wirkliche Stachel des Todes, aber die Gnade ist erschienen und 
hat alles verändert, so daß der Gläubige sagen kann: „O 
Herr! Durch dieses lebt man, und in jeder Hinsicht ist darin 
das Leben meines Geistes." Das ist der sittliche Triumph 
jener Gnade, die „herrschte durch Gerechtigkeit zu ewigem 
Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn." In und durch 
Christus hat die Gnade so gewirkt, daß der Tod in einen 
Diener des Gläubigen umgewandelt ist. Statt ein furchtbarer Feind zu sein, ist er ein wirklicher Teil unseres Eigentums (siehe 1. Kor 3, 22); anstatt ein unübersteigbarer 
Schlagbaum zu sein, ist er ein Fußweg geworden. 
In Joh 13 haben wir ein Gegenbild von dem, was wir im 
Buch Josua gesehen haben. Dort belehrt unser geliebter Herr 
116 
Seine Jünger, daß Er vor ihnen her durch den Jordan des 
Todes gehen, daß eine „Entfernung" zwischen Ihm und ihnen 
sein müsse, und daß sie Ihn nicht begleiten könnten, während 
Er diesen furchtbaren Weg ging. „Kinder, noch eine kleine 
Weile bin ich bei euch; ihr werdet mich suchen, und wie ich 
den Juden sagte: Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen, so sage ich jetzt auch euch" (V. 33). Diesen Weg zu 
gehen war für die Jünger ebenso unmöglich wie für die Juden. Jesus mußte ihn ganz allein betreten. Wer hätte Ihn 
begleiten können? Wer hätte dem schrecklichen Heere aller 
Mächte der Finsternis, der List Satans, der Wut der Hölle und 
vor allem dem Zorn begegnen können? Wer konnte diesen 
Dingen widerstehen? Wer außer Ihm, dem Gott-Menschen? 
Petrus verstand dies nicht. Er glaubte dem Tode begegnen zu 
können. Er wollte es wagen, die göttlich bezeichnete „Entfernung" — die geheimnisvollen „zweitausend Ellen" •— zu 
überspringen. Der arme Petrus! Wie wenig dachte er daran, 
daß das ferne Rauschen der fürchterlichen Fluten des Jordan 
ihn so sehr erschrecken würde, daß er mit Flüchen und 
Schwüren seinen Herrn und Meister verleugnen würde. 
„Herr", fragt er, „wo gehst du hin?" Jesus antwortete ihm: 
„Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst 
mir aber später folgen" (V. 36). Mit anderen Worten, der 
gnadenreiche Herr sagt seinem armen Diener, daß Er ihm 
vorausgehen müsse, um ihm durch die finsteren Wasser des 
Todes einen trockenen Fußpfad zu öffnen, auf dem Petrus 
in Gemeinschaft mit allen Erlösten unverletzt zur Herrlichkeit eingehen könne. Welche Gnade! Er ging allein in die 
finstere, schreckenerregende Einsamkeit. Wehrlos trat Er dem 
mit seiner ganzen Macht ausgerüsteten und mit allen Schrekken bewaffneten Tod entgegen. Da gab es kein Ufer, das 
den wahren Jordan in sein Bett gezwungen hätte. Nur öde, 
durch keinen Lichtstrahl erhellte Finsternis zeigte sich dem 
Auge. Dort zeigte sich die Bosheit Satans, des Feindes der 
Menschen, und die Feigheit Seiner nächsten Freunde: sie flohen. Nachdem endlich Menschen und Teufel ihr Äußerstes 
versucht hatten, öffnete sich vor dem Fürsten des Lebens 
eine so dunkle und schaurige Region, daß weder ein Mensch 
117 
noch ein Engel dort einzutreten vermochte. Dort mußte Er den 
Kelch des gerechten Zornes Gottes über die Sünde trinken 
und — was uns unmöglich gewesen wäre — Er mußte es 
ertragen, daß das Antlitz Gottes sich von Ihm abwandte. 
Das war die Antwort auf die Frage des Petrus: „Wohin gehst 
du?" Wer hätte es verstehen können? Niemand; daher sagt 
der Herr statt jeder weiteren Erklärung einfach: „Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber 
später folgen." Wenn der Weg gebahnt war, sollte Petrus 
folgen, denn dann konnte er es. Welch ein gnadenreicher 
Herr und Meister! Er wollte den Schrecken des Todes begegnen, damit wir die Freude des ewigen Lebens genießen könnten. 
Doch Petrus versteht die Andeutungen des Herrn immer 
noch nicht. „Herr", sagt er, „warum kann ich dir jetzt nicht 
folgen? Mein Leben will ich für dich lassen. Jesus antwortet: 
Dein Leben willst du für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, 
ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast" (V. 37. 38). Der arme Petrus kannte 
weder sich selbst noch den Weg, den er im Selbstvertrauen 
zu unternehmen bereit war. Aber Jesus — gepriesen sei Sein 
Name! — kannte beides. Mit festen Schritten ging Er den 
Pfad allein, und dann führte Er Seinen armen Diener auf 
demselben Pfad zur Herrlichkeit. Mit welcher Güte sucht Er 
bei Petrus und den anderen Jüngern jeden Gedanken zu entfernen, der sie mutlos und traurig machen könnte! Er sagt: 
„Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubet an Gott, glaubet 
auch an mich. In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt 
haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und 
wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich 
wieder und werde euch zu mir nehmen, auf, daß, wo ich bin, 
auch ihr seiet" (Kap. 14, 1-3). 
118 
Eine weise und lobenswerte Sache 
„In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, auf daß 
ich nicht wider dich sündige" (Ps 119, 11). 
Das ist wirklich eine weise und lobenswerte Sache. Mögen 
wir sie wohl in unserem Herzen erwägen. Laßt uns daher 
fragen: 
1. Wa s muß ich verbergen? 
2. W o muß ich es verbergen? 
3. Waru m muß ich es verbergen? 
1. Wa s mu ß ic h verbergen ? „Dei n Wort. " 
— Es ist nicht das Wort der Menschen, sondern das Wort 
des lebendigen und ewigen Gottes. Es ist ein Schatz, der 
Wert genug hat, um ihn zu verbergen. Kein Dieb kann ihn 
stehlen, keine Motte ihn verderben. Wir können das Wort 
Gottes nicht hoch genug schätzen. So dachte auch der Psalmist, als er es verbarg . Dieser Ausdruck zeigt deutlich, 
welch einen Wert das Wort für ihn hatte. Er brachte es außerhalb des Bereiches eines jeden, der es ihm hätte rauben können. 
2. W o mu ß ic h e s verbergen ? „I n meine m 
Herzen" . — Der Psalmist barg es nicht in seinem Kopfe 
oder in seinem Verstand, sondern in seinem Herzen , dem 
Sitz seiner Neigungen, dem Mittelpunkt seines Bestehens, 
der Quelle von allem, was er tat. Das ist der wahre Platz, 
um das Wort Gottes zu verbergen. Dort kann es seinen Einfluß auf alle meine Pläne und Gedanken und auf alle meine 
Wege und Werke ausüben. 
3. Waru m mu ß ic h e s verbergen ? Au f da ß 
i c h nich t wide r dic h sündige. " — Ein höchst 
wichtiger und bedeutungsvoller Beweggrund! Es war nicht, 
damit der Psalmist reichen Stoff zu. neuen Gedanken habe, 
auch nicht, damit er in den Besitz von Beweisen gelange, um 
alle Widersprecher zum Schweigen zu bringen. O nein, damit 
beschäftigte er sich nicht viel. Aber er hatte eine heilige Abscheu vor der Sünde, und er wußte, daß das Wort Gottes das 
einzige Bewahrungsmittel gegen die Sünde war. Darum verbarg er es in seinem Herzen. Möchten wir alle dies erwägen 
und zu Herzen nehmen! 
119 
Jonathan 
(1. Samuel 18, 1-4) 
„Und es geschah, als er aufgehört hatte, mit Saul zu reden, 
da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; 
und Jonathan liebte ihn wie seine Seele . . . Und Jonathan 
und David schlössen einen Bund, weil er ihn liebte wie seine 
Seele. Und Jonathan zog das Oberkleid aus, das er anhatte, 
und gab es David, und seinen Rock bis auf sein Schwert und 
seinen Bogen und seinen Gürtel." 
Welch ein herrliches Bild der hingebenden Liebe — einer 
Liebe, die sich selbst entblößt, um den, der ihr Gegenstand 
ist, zu bekleiden! In dieser Szene besteht ein großer Unterschied zwischen Saul und Jonathan. Saul wollte David um 
sich und in seinem Haus haben, um sich selbst zu verherrlichen, aber Jonathan entblößte sich selbst, um David zu 
bekleiden. Das ist Liebe in einer ihrer schönsten Tätigkeiten. 
Jonathan hatte zusammen mit den Tausenden von Israel mit 
atemlosem Interesse die Szene im Terebinthental beobachtet. 
Er hatte David ohne Waffen hingehen sehen, um mit jenem 
schrecklichen Feind zu kämpfen, dessen Größe, Betragen und 
Worte Angst und Schrecken unter dem Volk verbreitet hatten. Er hatte gesehen, wie dieser große Riese durch die Hand 
des Glaubens niedergestreckt wurde. In allem nahm er teil 
an diesem herrlichen Sieg. 
Hier aber sehen wir mehr. Nicht mehr der Sieg, sondern der 
Sieger erfüllte das Herz Jonathans, — nicht so sehr das Werk, 
wie derjenige, der es vollbracht hatte. Jonathan begnügte sich 
nicht zu sagen: „Gott sei Dank, der Riese ist tot und wir 
sind befreit und können zurückkehren in unsere Häuser und 
uns freuen." Sein Herz wurde von der Person des Siegers 
angezogen und verband sich mit ihm. Darum fühlte er den 
Wert des Sieges nicht weniger, aber er schätzte den Sieger 
höher und fand daher seine Freude daran, seine Kleider und 
Waffen abzulegen, um sie der Person seiner Zuneigung zu 
geben. 
Christlicher Leser, dies ist eine schöne Belehrung für uns. 
Wir sind so oft geneigt, mehr mit der Erlösung als mit dem 
120 
Erlöser beschäftigt zu sein, mehr mit dem Heil als mit dem 
Heiland. Ohne Zweifel sollen wir uns unserer Errettung 
freuen, aber sollten wir dabei stehenbleiben? Sollten wir 
nicht wie Jonathan suchen uns selbst zu entblößen, um die 
Person Dessen zu verherrlichen, Der für uns in den Staub 
des Todes hinabstieg? 
Jonathan vergaß sich selbst und dachte nur an David. Wieviel 
mehr sollte es so mit uns sein! Die Liebe hat ihre Freude 
daran, sich selbst für ihren Gegenstand zu entblößen. „Was 
irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für 
Verlust geachtet; ja, wahrlich, ich achte auch alles für Verlust 
wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines 
Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für 
Dreck achte, auf daß ich Christum gewinne" (Phil 3, 7. 8). 
O, besäßen wir doch mehr von diesem Geist! 
Die Liebe Christi zu seiner Kirche 
oder Versammlung 
„Gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt 
und sich selbst für sie hingegeben hat, auf daß er sie 
heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser 
durch das Wort, auf daß er die Versammlung sich 
selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder 
Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern daß sie 
heilig und tadellos sei" (Eph 5, 25-27). 
Gott ist die Liebe! Seine unumschränkte Güte ist besonders 
geoffenbaret worden in der Dahingabe Seines Sohnes zur 
Rettung der Sünder. „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er 
seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn 
glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe." 
Das ist die Liebe, die die ganze Bedeutung der Sünde des 
Menschen weit übersteigt. Je mehr wir die Art und Weise 
verfolgen, in der diese Liebe sich entfaltet, desto mehr tritt 
sie vor unser Auge. Sie offenbart sich darin, daß sie diejenigen, die gerettet sind und das ewige Leben haben, in ein 
121 
bestimmtes Verwandtschaftsverhältnis mit Gott Selbst bringt. 
Gott ist uns daher nicht nur als Gott unseres Heils bekannt, 
sondern Er hat Sich uns als unser Vater bekanntgemacht. Der 
Herr Jesus sagt: „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sprich 
zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, 
und zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh 20, 17). An einer 
anderen Stelle lesen wir: „Ich werde euch aufnehmen; und 
ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen 
und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige" (2. Kor 
6, 18). Das ist weit mehr als erlöst zu sein von dem gerechten Gericht, das wir durch unsere Sünden verdient haben. 
Gott hätte uns retten und uns einen Platz fern von Seinem 
Angesicht anweisen können, aber das würde Seine Liebe nicht 
befriedigen. Er wollte uns in Seiner Gegenwart haben und 
zwar als Kinder , mit denen Er Gemeinschaft haben und 
an denen Er Sich erfreuen konnte. Wenn ich von jemand 
sagen kann: „Er ist mein Vater/' so ist das selbstverständlich 
weit mehr als wenn ich nur von ihm sagen kann: „Er ist ein 
guter Mann." Meine Worte deuten in diesem Fall das besondere Verhältnis zwischen uns an, und tausendfache Zuneigungen, die nur im Herzen eines Kindes Platz finden, ergießen 
sich aus einer solchen Quelle. Ist es jetzt nicht etwas Bewundernswürdiges, in das Verhältnis von Kindern Gottes gebracht 
zu sein? Aber um uns dieses Verhältnisses erfreuen zu können, müssen wir es auch kennen, und uns dessen bewußt 
sein. Gewiß muß sich das Herz unglücklich fühlen, wenn wir 
überzeugt sind, daß ein solch zärtliches Verhältnis existiert, 
ohne daß wir die Gewißheit haben, daß wir uns darin befinden. Wie bitter wäre für ein kleines Kind, das in einer Familie 
Aufnahme gefunden hat, der Gedanke, daß es dort nur ein 
Fremdling und die Person, die ihm bisher soviel Güte erwies, 
nicht seine Mutter ist! Wie ganz anders ist es, wenn dieses 
Verwandtschaftsverhältnis völlig außer Zweifel steht und die 
Gefühle der Dankbarkeit und des Wohlwollens sich gleichsam auflösen können in die weit tiefere Freude der elterlichen 
und kindlichen Liebe! 
Nun ist es vor allem nötig, daß jeder, der an Christus glaubt, 
diese Erkenntnis besitzt. Er ist aus Gott geboren und hat 
122 
eine neue Natur empfangen, die ihr eigentümliche Wünsche 
und Verlangen hat. Aber diese Triebe der göttlichen Natur 
geben nicht aus sich selbst die Freude, von der wir sprechen. 
Wenn wir uns unseres neuen Verhältnisses zu Gott als unserem Vater erfreuen wollen, ist es nötig, daß wir es kennen 
Das ist keine Vermessenheit, wir decken nur die unumschränkte Barmherzigkeit Gottes auf, die in der zärtlichsten 
Liebe zu den Menschen zutagetritt. „So viele Ihn (Jesus) 
aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes 
zu werden", und weil sie Kinder Gottes sind, werden auch 
der Seele neue Gedanken, Gefühle und Interessen mitgeteilt 
werden. Wir empfangen den Geist der Kindschaft, aber wir 
brauchen die sichere Erkenntnis, daß Gott uns in diese Stellung gebracht hat. Wenn wir diese Gewißheit haben, dringen die Worte „geliebte Kinder" (Eph 5, 11) mit Freude 
in unser Herz. Wir erfahren dann, daß wir geliebt sind 
wie Jesus geliebt ist (Joh 17, 23). Dann ist das Herz in 
Freiheit und wir sind glücklich mit Gott. Mag dann die 
Seele auf die Probe gestellt werden, so findet sie doch ihre 
Ruhe in Gott, und jemehr sie Seine unendliche Vollkommenheit und die Fülle Seiner Liebe zu den auserwählten 
Kindern versteht, desto mehr wird das Vertrauen gestärkt. 
Um völlig glücklich zu sein und einen heiligen Wandel führen 
zu können, ist ein solches Vertrauen unbedingt nötig, denn 
diese Zuneigungen haben eine heiligende Kraft, und wir 
brauchen sie, um in Absonderung durch die Welt gehen zu 
können. 
Wir können uns diese Wahrheit durch ein Bild aus dem 
Leben verdeutlichen. Betrachten wir ein glückliches Kind im 
Kreise der Familie. Es wünscht nichts in der Welt, was nicht 
mit dem Elternhaus in Verbindung ist. Die Heimat gilt ihm 
mehr als alles, was draußen ist. Es ist glücklich und begnügt 
sich mit den häuslichen Freuden. Das ist nur ein schwaches 
Bild von dem, was in der Seele vorgeht, die im Genuß 
der auserwählenden Liebe des Vaters lebt, und das bringt die 
wahre Heiligkeit des Wandels hervor. Ein anderer gesegneter 
und schöner Zug einer erneuerten Seele besteht darin, daß 
sie, da sie Gott liebt, auch diejenigen liebt, die aus Ihm 
123 
geboren sind. In einer solchen Seele sind neue Gefühle erwacht. Neue Familienbande sind geschaffen und geknüpft, 
neue Triebe, die ihre Freude finden in dem was auf die Brüderschaft des Glaubens, die Familie Gottes, Bezug hat, sind 
geschaffen worden. 
Christus kam, „zu suchen und zu retten, was verloren ist", 
aber in den Versen, die wir betrachten wollen, wird uns ein 
besonderes, bestimmtes und wahres Verhältnis zwischen Ihm 
und denen, die gerettet sind, vor Augen gestellt. „E r ha t 
d i e Versammlun g geliebt. " Die Versammlung 
wird hier als der besondere Gegenstand Seiner Liebe dargestellt, und die Stärke Seiner Liebe zu ihr besteht darin, daß 
Er sie mit Sich Selbst gesegnet wissen will, als vereinigt mit 
Ihm, dem Segnenden. Hier ist nicht die Rede von dem Sühnopfer für die Sünde, sondern von dem Einssein mit Ihm, Der 
die Versammlung — Seinen Leib, Seine Braut — geliebt hat 
(Eph 5, 31-32). Dieses Einssein mit Ihm ist in verschiedenen 
Schriftstellen sehr schön dargestellt und enthüllt. Wenn Er 
uns daher Frieden schenkt, dann ist es Sei n Frieden. 
„Meine n Friede n gebe ich euch." Er stellt uns, was 
das Herz, die Seele und das Gewissen betrifft, in die Gegenwart Gottes, wo Er Selbst war. Er teilt uns nicht nur Freude 
mit, sondern vereinigt uns mit Seine r Freude. „Auf daß 
mein e Freud e völlig in ihnen sei/' Das ist unsere besondere Stellung. Es ist unser köstlichstes Vorrecht, nicht nur 
durc h Ihn, sondern auch m i t Ihm gesegnet zu sein. Das 
ist der Wunsch Seines und nicht nur unseres Herzens. Wenn 
meine Zuneigung stark ist, so werde ich wünschen, den Gegenstand meiner Liebe stets bei mir zu haben. So ist es der 
Wunsch des Herrn Jesus, daß wir nicht nur glücklich, sondern 
bei Ihm glücklich sein sollen. Darum sagt Er beim Abschied 
von Seinen trauernden Jüngern: „Ich komme wieder und 
werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr 
seiet." Und wiederum: „Vater, ich will, daß die, welche du 
mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf daß sie 
meine Herrlichkeit schauen." Wie sehr offenbaren diese 
Stellen uns das Herz Jesu! Sie sagen uns, daß Seine Liebe 
in persönlicher Zuneigung überströmt. Er begehrt nichts, 
124 
sondern Er begehrt un s selbst. Er konnte zu Seinen Jüngern sagen: „Mit Sehnsucht habe ich mich gesehnt, dieses 
Passah mit euch zu essen." Er sagt nicht: „Ihr habt euch 
gesehnt," sondern „Ich habe mich gesehnt." Warum ein 
solches Verlangen Seines Herzens? Er wünschte sich mit ihnen dieses letzten Ausdrucks der Liebe erfreuen zu können. 
Nun, geliebte Brüder, das ist der Christus, mit Dem wir es 
zu tun haben. Es handelt sich hier nicht um unser e Liebe 
zu Ihm, sondern um Sein e Liebe zu uns: „Christus hat 
die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben." 
Diese Worte offenbaren ein Herz, das im höchsten Grade an 
einem Gegenstand hängt, der nur durch die Hingabe alles 
anderen erlangt werden konnte. Er gab nicht nur Seinen Leib, 
nicht nur Sein Blut, sondern Sich Selbst. Er gab alles, was 
wahre Hingabe zu geben vermochte, alles, was Er Selbst einsetzen konnte. Jeder Gedanke, jede Bewegung in Seinem 
Herzen, alles wurde für die Kirche in Tätigkeit gesetzt. Er hat 
Sich Selbst für sie hingegeben. Welch eine Gabe! 
Von dem Augenblick an, wo ich diese bewundernswürdige 
Liebe Christi erkenne und glaube, kann mein Herz auf alles 
rechnen, was in Ihm ist. Er „hat die Versammlung geliebt und 
sich selbst für sie hingegeben." Alles was wir an dieses 
Wort „Sich Selbst", an Seine Hingebung, an die Vortrefflichkeit, die in Ihm ist, knüpfen können, ist ein Teil der Liebe 
Christi. Kannte Er nicht die Größe dessen, was Er zu geben 
im Begriff stand? Kannte Er nicht die Folgen Seines Werkes? 
Gewiß, und dennoch gab Er alles für die Versammlung hin. 
Er opferte Sein Leben, Er unterwarf Sich dem Zorn Gottes. 
Verschmäht und verworfen von den Menschen, wurde Er in 
der Stunde Seines tiefsten Wehs von Gott verlassen, obwohl 
Er niemals so sehr wie in diesem schrecklichen Augenblick 
der Gegenstand der Liebe Gottes war. Niemals gab es einen 
solchen Gehorsam, niemals eine völlige Unterwerfung und 
Hingabe. Er verzichtete auf alles, Er erduldete alles für die 
Versammlung. Und darum besitzt die Versammlung auch 
einen Wert, der dem entspricht, was für ihre Erlösung geschehen ist. In den Augen Gottes hat sie den Wert Christi. 
Der Gläubige weiß, daß er ein Teil dieses Wertes ist, aber er 
125 
kennt nicht dessen Unermeßlichkeit. Die Liebe Christi kann 
nicht gemessen werden. Sie ist vollkommen, weil sie göttlich 
ist. Wenn Er aus dem Nichts Welten machen kann, wenn Er 
das Größte ausführen und das Geringste beachten kann, 
sollte Seine Liebe nicht unendlich sein? Es gibt keine Trauer, 
keine Trübsal, keine Herzensangst, die Er nicht mit uns 
fühlt. Er liebt es, in den täglichen Schwierigkeiten unsere 
Zufluchtsstätte zu sein. Er möchte so gern unser ganzes 
Vertrauen besitzen und die Seufzer unserer Herzen aus uns 
herauslocken. Weshalb sollten wir auch unser Herz verschließen? Gibt es denn eine Trübsal, in der wir nicht auf 
Seine Güte vertrauen können? Gewiß kränkten sowohl Maria 
als auch Martha das Herz Jesu, als sie sagten: „Herr, wenn 
du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben." Sie dachten, daß ihre Trauer, ihre Trübsal nicht die 
Seinige gewesen sei. Sie kannten das Mitgefühl Jesu nicht. 
Es ist die Absicht Christi, Der Seine Versammlung liebt, sie 
für Sich Selbst zu besitzen. Er hat Sich ganz für sie hingegeben, um sie ganz als Sein Eigentum zu besitzen. Aber es wird 
uns hier noch ein anderer Zug der Liebe Christi vor Augen 
gestellt. Nachdem Er Sich Selbst für sie hingegeben hat, um 
sie für Sich zu besitzen, „reinigt " Er sie. Sie sollte das 
Bewußtsein haben, für eine so innige Beziehung zu Ihm 
tauglich zu sein. Wenn ich frage: „Bin ich genug gereinigt?" 
so verstehe ich nicht die Macht und Liebe Christi. Bevor Er 
irgendetwas anderes beginnt, macht Er sie zu Seinem Eigentum. Dies zu wissen ist für unseren praktischen Wandel von 
größter Wichtigkeit. Alle Handlungen Gottes, um uns Seiner 
Heiligkeit teilhaftig zu machen, hängen von der Tatsache ab, 
daß wi r Christu s angehören . „Er hat sich selbst 
für sie hingegeben, auf daß er si e heiligte , si e rei -
nigen d durc h di e Waschun g mi t Wasse r 
durc h da s Wort. " Das heißt, er fährt fort, die Versammlung nach Seinem Wohlgefallen zuzubereiten und sie 
nach den Wünschen Seines eigenen Herzens zu bilden. Zuerst 
ruft Er sie ins Leben, und dann nimmt Er das Zeugnis Gottes 
und wirkt damit duxch die Kraft des Heiligen Geistes auf das 
Gewissen und auf die diesem Verwandtschaftsverhältnis entsprechenden Zuneigungen. 
126 
„Auf daß er sie heiligte/' Welch eine Quelle von Segnungen! 
Es ist Sein Wille, unsere Herzen vom Bösen abzusondern 
und sie zu erfüllen und zu bilden durch den Genuß der 
Gnade, in der wir stehen, sowie durch den Vorgeschmack 
der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll. Das Mittel der 
Reinigung ist „die Waschung mit Wasser durch das Wort." 
In derselben Weise beschreibt der Apostel in seinem Brief 
an die Kolosser Mittel und Wirkung des Dienstes am Wort. 
Er spricht von Christus und fährt dann fort: „Den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden 
Menschen lehren in aller Weisheit, auf daß wir jeden Menschen vollkommen in Christo darstellen." Der Zweck seiner 
Predigt war, daß Christus dem Herzen in Seiner Fülle geoffenbart, und das Herz nach dieser vollen Offenbarung alles 
dessen, was Er ist, geistlich gebildet werden möchte. Wenn 
du sagst: „Ich habe diese oder jene Sünde oder Begierde, die 
mich niederdrückt", so verstehe ich dich, aber ist deine Sünde 
stärker als Christus? Christus wirkt durch den Geist und 
offenbart Sich dir. Findest du Ihn, Der Sich so in Macht und 
Liebe offenbart, nicht anziehender als alles, was du, getrieben 
von deinen Begierden, verlangen kannst? — Wenn ich als 
Mensch habsüchtig bin und meinen Blick auf das Geld richte, 
dann wird meine Hand von der Begierde meines Herzens 
getrieben, doch immer wieder danach zu greifen, obgleich ich 
es für die erste Zeit beiseiteschieben möchte. Wenn ich aber 
durch die Gnade Christus in Seiner Fülle und Kostbarkeit 
betrachte, so kann ich Ihn nur lieben. Dann verbannt meine 
Liebe zu Ihm meine Begierden und ich vergesse das Geld 
ohne Anstrengung. Ich brauche es dann nicht einmal beiseite 
zu schieben. Nein, dann hat das Geld keinen Wert für mich. 
Mein Herz hat einen besseren, mir völlig genügenden Gegenstand gefunden. Was hat Christus getan, um Seine Versammlung zu heiligen und ihre Neigungen zu reinigen? Er 
hat sie geliebt, Er hat Sich Selbst für sie hingegeben und 
jetzt möchte Er ihre Zuneigungen hervorlocken, damit sie auf 
Ihm ruhen. Wi r sind berufen, unsere Wonne da zu finden, 
wo Got t Seine Wonne findet. Welch ein glückseligender 
und heiligender Gedanke ist es, daß wir mit Gott in der 
127 
Liebe zu demselben Gegenstand vereinigt sind und die gleichen Zuneigungen wie Er haben. In der Tat, auf diesem Wege 
wird ein aufrichtiges Verlangen nach einem reicheren Maß 
persönlicher Heiligkeit geweckt. 
Wenn einfach Heiligkeit von uns gefordert würde, dann 
würde nichts erreicht werden. Unter dem Gesetz hätten wir 
sicher nichts, was Gott wohlgefällig ist, vollbracht, denn das 
Gesetz zeigt nur die Grundsätze, nach denen der Mensch 
hätte sein sollen, ohne jedoch die Zuneigungen mitzuteilen, 
die ihn fähig machen, das Vorgeschriebene vollbringen zu 
können. Durch die Zuneigungen bekommen wir das, was 
die Quelle unseres Betragens wird. Wenn Jesus ihr Gegenstand ist, haben wir denselben Gegenstand, den Gott Selbst 
hat, und dann trachten wir natürlich, Ihm gleich zu sein. Der 
Herr sei gepriesen! Er hat uns berufen, dem Bilde Seines 
Sohnes gleichförmig zu sein. „Treu ist, der euch ruft; der 
wird es auch tun." Sollte das Anschauen dessen, was Christus 
gelitten und getan hat, keine Wirkung auf mein Herz haben? 
Ist es eine kraftlose Hoffnung, wenn wir über die Worte 
nachdenken: „Wenn es offenbar werden wird, werden wir 
ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Die 
praktische Bedeutung dieser Wahrheiten ist aber nicht unseren eigenen Meinungen und Folgerungen überlassen, denn 
wir lesen weiter: „Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, 
reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist". Wenn wir Ihm, Der 
so herrlich ist, anschauen, wird unsere ganze Zuneigung wachgerufen, und dann wünschen wir zu verwirklichen, was wir 
in Jesu sehen. Unmöglich können wir Seine Vollkommenheiten in Seinem Wandel auf Erden betrachten, ohne daß 
der Gedanke in unserem Herzen aufsteigt: „Ich wollte, ich 
wäre wie Jesus!" 
„Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie Geheiligte 
seien durch Wahrheit," sagt der Herr. Das will sagen: Christus sondert sich für sie ab, damit der Heilige Geist Ihn in 
Kraft ihren Seelen darstellen und sie nach dem Bilde Seiner 
Vollkommenheit bilden möchte. Er sagt: „Ich bin nicht von 
der Welt," und daher auch: „Sie sind nicht von der Welt." 
128 
Sie sind eins mit Ihm, dem himmlischen Menschen. Die Versammlung ist die Braut Christi. Welche Wirkungen hat ein 
solches Verhältnis? Christus wird verantwortlich für alle ihre 
Schulden, für alles, was sie getan hat und tun wird, und 
durch diese Verbindung mit Ihm verliert sie ihre frühere 
Stellung. Sie verliert auch ihr irdisches Bürgertum und erlangt 
dafür ein himmlisches (Phil 3, 20). Christus ist von der Welt 
verworfen, ausgestoßen und gekreuzigt worden. Sie ist stets 
in Feindschaft gegen Ihn. Ihre Sprache ist immer: „Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche!" Aber die Zeit wird 
kommen, wo Er „seine Engel aussenden (wird), und sie werden aus seinem Reiche alle Ärgernisse zusammenlesen und 
die das Gesetzlose tun," und „dann werden die Gerechten 
leuchten wie die Sonne in dem Reiche ihres Vaters." Dann 
wird Christus von der Welt Besitz nehmen. Aber bevor alle 
Ärgernisse niedergetreten und alles Ihm Mißfällige aus dem 
Wege geräumt ist, können Seine Zuneigungen nicht auf der 
Welt ruhen. Die Versammlung ist der Gegenstand Seiner 
Liebe, und wie Er ist, so ist sie jetzt. Ihre Zuneigungen sind 
gerichtet auf die Dinge, die auf der Erde sind (Kol 3, 2). 
Wir müssen aus „Wasser", dem Sinnbilde der Reinigung, 
„geboren" sein. Dies ist eine Anspielung auf die jüdische 
Reinigung durch Waschung in reinem Wasser. Während der 
Geist Gottes göttliches Leben mitteilt, ein Leben, das früher 
nicht existierte, wird das Wort der Wahrheit auf das Herz 
und Gewissen des Gläubigen angewendet, damit er praktisch 
gerichtet und dem Charakter Christi gemäß gebildet wird. 
Das ist die reinigende Kraft des Wortes, „die Waschung mit 
Wasser durch das Wort." In Joh 17 spricht Christus als Sohn 
des Menschen, als Mensch, an dem Gott Seine Wonne haben 
konnte. Und „wer da sagt, daß er in ihm bleibe, ist schuldig, 
selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat". Christus 
gibt uns Licht. Er ist das Licht der sittlichen Vollkommenheit 
und der rettenden Gnade, und Christus ist unser alleiniges 
Vorbild. Gott will, daß wir wandeln wie Christus, daß wir 
Ihm gleich sind, und um dieses zu bewirken, stellt Er uns 
Christus als das Banner der Vollkommenheit nach den Gedanken Gottes vor Augen. 
129 
Wie kam es, daß Christus ein vollkommener Mensch nach 
den Gedanken Gottes war? Weil Er außer Gott kein anderes 
Ziel in der Welt hatte. Er aß und trank und unterhielt Sich 
mit den Menschen, aber Gott war Sein einziger Gegenstand. 
Er kam, um den Willen Seines Vaters zu tun. Das war Sein 
alleiniger Zweck. Es war Seine Freude, den Willen des Vaters 
zu tun. Er konnte, als Er auf der Erde war, von Sich sagen: 
„Der Sohn des Menschen, der vom Himmel ist." Jedenfalls 
ist dies von Ihm als einer göttlichen Person gesagt. Auf 
Erden war Er stets der himmlische Mensch; und dadurch, 
daß wir droben in Ihm, dem himmlischen Haupte Seines 
Leibes, der Versammlung, bleiben, werden wir Ihm hienieden 
gleich sein. Unsere Freude und unser Glück ist, daß wir das 
Bewußtsein haben, in Christo zu sein, und daß wir Ihn im 
Himmel als unser Haupt und Vorbild haben, so daß wir wie 
Er keinen anderen Gegenstand haben als Gott. So auf Ihn 
blickend, — „mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit 
des Herrn anschauend, werden (wir) verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den 
Herrn, den Geist." Der Apostel sagt: „Eines aber tue ich: 
Vergessend was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, 
was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem 
Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu." 
Das will mit anderen Worten sagen: „Gott ruft mich nach 
oben von der Erde. Ich habe mein himmlisches Teil noch 
nicht empfangen, aber ich will nichts tun, was mit einer 
solchen Berufung im Widerspruch steht/' Der Gläubige kann 
nicht sagen, daß er es schon „ergriffen" habe, denn das Bild, 
dem er gleichförmig sein soll, ist der auferstandene, verherrlichte Christus. Er hat jetzt jedoch nur eines zu tun: Christus 
im Himmel stets vor sich zu haben. Er strebt danach, ob er 
ergreifen möge, wozu er auch von Christo Jesu ergriffen ist. 
In diesem Sinn werden wir also die Herrlichkeit nicht eher 
besitzen, als bis wir dort sind, während wir sie in einem 
anderen Sinn jetzt schon haben und sehen. Sie ist durch 
Glauben unser Teil. Wir besitzen sie in Hoffnung. Angenommen, in einiger Entfernung von mir wäre eine Lampe, mit 
deren Hilfe ich wandeln und meinen Weg verfolgen könnte. 
130 
Ihr Licht, obgleich es noch fern ist, wird natürlich zunehmen, 
je mehr ich mich der Lampe nähere. Obwohl ich nun im Licht 
dieser Lampe wandle, besitze ich sie doch nicht eher, als bis 
ich sie erreicht habe. So verhält es sich mit den Christen. Mit 
jedem Schritt nähert er sich der himmlischen Herrlichkeit. 
„Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht 
offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß, 
wenn es offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, 
denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese 
Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist." 
Jeder, der weiß, daß er Christo in der Herrlichkeit gleich sein 
wird, sollte auch wissen, daß er Ihm jetzt gleich sein sollte. 
Er ist der Gegenstand, der stets vor unserem Herzen stehen 
sollte und der jede unreine Neigung verurteilen muß. Das ist 
die Waschung mit Wasser durch das Wort. Die Wirkung wird 
uns in den folgenden Worten gezeigt: „Auf daß er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken 
oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern daß sie 
heilig und tadellos sei." Das ist die Absicht Christi. Das ist 
die hohe Berufung und das Maß der Heiligung und der 
Herrlichkeit, in der wir, als der Versammlung Gottes angehörend, erscheinen sollen. Nachdem der Herr Jesus Sich Selbst 
geheiligt hat, heiligt Er auch die Versammlung. Er bewirkt 
nicht nur, daß sie herrlich und ohne Flecken sei, sondern auch 
daß sie es selbst darzustellen vermag. 
Diese Liebe Christi und Sein Ratschluß bezüglich der Versammlung bilden die Grundlage unserer Segnung und unserer Hoffnung. Welche Wirkung muß nun diese Erkenntnis 
auf unser Herz haben? Wenn ich weiß, daß Christus uns 
selbst für Sich zu. haben wünscht, — eine verherrlichte Versammlung ohne Flecken und Runzel — werde ich dann Ruhe 
in meinem Geist haben, wenn ich bezüglich meiner Zuneigungen nicht dasjenige erwidere, was Christus in Macht zu 
vollbringen im Begriff ist? In dieser Weise wirkt der Heilige 
Geist in der Seele, und in dem Maße wie wir genießen, was 
Christus ist und was Er tut, wird sich unser geistliches 
Wachstum und unser Verständnis vermehren, so daß wir 
über die Dinge um uns her ganz anders urteilen als wir es 
131 
bisher getan haben. Da das Gewissen durch den Glauben an 
das Werk Christi völlig zur Ruhe gekommen ist, beginnen 
wir zu verstehen, daß wir von Ihm geliebt werden und 
schuldig sind, Seine Liebe zu erwidern, und daß zwischen Ihm 
und unseren Seelen nichts sein darf als der ungehinderte 
Genuß Seiner Liebe. Wenn die Seele diese friedliche und 
glückliche Ruhe des Glaubens genießt, kann sie sich von sich 
selbst und ihren eigenen Interessen abwenden und sich mit 
den Angelegenheiten Christi beschäftigen. 
Das Wissen um die untrügliche Liebe Christi zu. Seinem 
Volk setzt uns in den Stand, die Segnung jedes wahren, 
wenn auch noch so schwachen Gläubigen voraussetzen zu 
dürfen. Selbst wenn ein solcher gefallen ist, wie können wir 
an der Macht der Gnade zweifeln, die ihn wieder aufrichten 
kann, da wir doch wissen, daß er ein notwendiger Teil der 
Versammlung ist, die Christus Sich Selbst verherrlicht darstellen will? Nein, daran können wir nicht zweifeln. Der 
Glaube rechnet auf die Macht und Liebe in Christus und 
bewahrt uns, daß wir nicht ermüden und in unseren Seelen 
ermatten (Hebr 12, 12). So hören wir den Apostel, der wegen 
der Galater in Verlegenheit war (Gal 4, 20), im Hinblick auf 
die Liebe Christi die Worte sagen: „Ich habe Vertrauen zu 
euch im Herrn, daß ihr nicht anders gesinnt sein werdet." 
Wenn daher unsere Gefühle für gewisse Christen schwinden 
wollen, so laßt uns daran denken, daß sie gesegnet werden 
können, wei l si e Christu s angehören . 
Er hat uns geliebt und Sich Selbst für uns hingegeben. Anstatt 
Seiner Braut die Sünde zuzurechnen, hat Er ihre Sünden auf 
Sich genommen. Weil wir Sünder waren und die Sünde nach 
dem gerechten Urteil Gottes den Tod zum Lohn hat, darum 
gab Er Sich für uns in den Tod; aber Sein Erlösungswerk ist 
jetzt vollbracht, und seine Wirkung ist gegenwärtig vor Gott. 
Wenn nun Christus die Versammlung so sehr geliebt hat, so 
sollte doch ihr Herz auch gan z fü r Ih n sein. Wenn ihre 
Zuneigungen geteilt sind und teils Ihm, teils der Welt gewidmet sind, die Ihn gekreuzigt hat und noch immer verwirft, 
dann ist sie in der Tat eine untreue Braut. Sind wir 
nicht in Seiner Abwesenheit durch die stärksten und zärt132 
liebsten Bande mit Ihm verbunden? Haben wir nidit alle 
Ursache, unsere Herzen treu, zu bewahren, uns in Bereitschaft 
zu halten und auf Seine Wiederkehr zu warten? Sollte ein 
einziger Zweifel darüber herrschen, daß wir Ihm angehören? 
Sollte man uns nicht stets auf Seiner Seite sehen? Sollten wir 
für irgendeinen anderen Gegenstand als Seine Herrlichkeit 
leben? Unsere Pfade und Gewohnheiten sollten nie denen 
der Welt gleichen. Die glatte Höflichkeit der Welt verbirgt 
die schreckliche Tatsache ihrer eingewurzelten Feindschaft 
gegen Christus, während ihre kalte Verehrung und ihre 
äußeren Formen eine schlechte Nachahmung von Liebe sind. 
Die Heiligkeit, zu der wir berufen sind, wird das Teil derer, 
die mit Christo gestorben und auferstanden sind, und unsere 
Kraft zur Überwindung des Bösen erlangen wir nicht dadurch, 
daß wir daran denken, sondern durch Gemeinschaft mit 
Christus. Wir sollen Ihm ganz gleich sein, aber je mehr wir 
Seine Liebe und was Er für uns ist, verwirklichen, um so tiefer 
werden wir fühlen, wie wenig wir in Wirklichkeit Ihm gleich 
sind. 
Wie bewundernswürdig ist das Los, zu dem wir berufen 
sind! Das Herz Christi wäre nicht befriedigt, wenn Seine 
Braut, die Teilhaberin Seiner ganzen Herrlichkeit, nicht bei 
Ihm sein sollte. Und wir werden bei Ihm sein, gerade so wie 
Er es angeordnet hat. Wir werden in der Gegenwart Gottes 
wohnen, und Sein Auge wird an denen, die durch das Blut 
des Lammes von jedem Flecken gereinigt sind, nicht den 
geringsten Mangel erblicken. Je glänzender und klarer das 
Licht ist, in das die Versammlung gebracht werden wird, 
desto mehr wird es offenbar sein, daß weder Flecken noch 
Runzel ihre Herrlichkeit besudeln. 
„Und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein" (1. Thess 
4, 17). Geliebte Brüder! Ist dies die Freude eurer Herzen? 
Macht der Gedanke, allezeit bei Ihm zu sein, euch glücklich? 
Habt ihr geschmeckt, wie gnadenreich und gütig Er ist, so daß 
ihr sagen könnt: „Mein einziger Wunsch ist, allezeit bei dem 
Herrn zu sein"? Wenn irgendetwas eure Herzen erfüllt, ist 
es der Mühe wert, euch damit aufzuhalten? Blickt auf Jesus, 
schaut Seine Lieblichkeit und Herrlichkeit an, und ihr werdet 
133 
alles andere fahren lassen können. Ihr werdet dann erfahren, 
daß nur Einer eurer Liebe würdig ist. Von Christi Seite ist 
das Verlangen, uns bei Sich zu haben, völlig vorhanden. 
„Vater, ich will, daß die, wekhe du mir gegeben hast, auch 
bei mir seien, wo ich bin, auf daß sie meine Herrlichkeit 
schauen" (Joh 17, 24). Möchte doch die Wonne, die wir dann 
bei Ihm genießen werden, schon jetzt in unseren Zuneigungen verwirklicht sein, und möchte doch die Kraft des Glaubens uns in jedem Kampf den Sieg geben! 
Geliebte Brüder! Glaubt ihr, daß die Gedanken Christi in 
dieser Weise mit euch beschäftigt sind? daß Er immer nur 
euer Bestes im Auge hat? daß es nie eine Regung in Seinem 
Herzen gibt, die nicht eure Segnung zum Zweck hat? Wenn 
dies eure Überzeugung ist, dann laßt es auch euer Verlangen 
sein, Ihn zu verherrlichen! Seid in Ihm ruhig, getrost und 
glücklich; vertraut Ihm zu allen Zeiten, was euch auch begegnen mag, und seid versichert, daß „Güte und Huld euch 
folgen werden alle Tage eures Lebens, und ihr werdet wohnen im Hause Jehovas auf immerdar" (vgl. Ps 23). 
Das ist der nach Christo gebildete Charakter des Christen. 
Mit Herzensentschluß hängt er an dem Herrn. In einem der 
Psalmen lesen wir: „Meine Seele hängt dir nach" (Ps 63, 8)! 
Hier sehen wir die Energie des Verlangens, aber nichts ist 
imstande, eine tiefere Sehnsucht nach Gemeinschaft mit dem 
Herrn zu erwecken, als die Macht eines erkannten Verhältnisses mit Ihm. Wo dieses Verhältnis besteht und erkannt 
wird, da gibt es viel mehr Liebe, Vertrauen, Freude und 
Ergebenheit des Herzens. 
Erinnern wir uns, Geliebte, daß Christus das gleiche Ziel vor 
uns hingestellt hat, das auch das Seinige war. Dieses Ziel ist 
die verherrlichte Darstellung der Versammlung ohne Flecken 
und Runzel für Sich Selbst. Er möchte, daß wir solange wir 
hier sind, als Seine liebende Braut vorwärts schauen auf die 
Vollendung unserer Freude. Wenn Er so der Gegenstand ist, 
an dem unsere Herzen hängen, so ist das der Weg, Ihm, ohne 
daß wir es merken, immer ähnlicher werden. Die Gemeinschaft mit Ihm wird es bewirken, daß Sein Bild immer mehr 
von uns ausstrahlt. Mose trug den Abglanz der Herrlichkeit 
134 
Gottes. Das hatte er nicht selbst bewirkt, sondern sein Angesicht strahlte, ohne daß er es wußte, weil er in der Gegen -
war t Gotte s gewesen war. Und wenn wir Gott, geoffenbart in der Fülle der Gnade und Liebe in der Person Jesu, 
anschauen und in Seiner Gegenwart verweilen, dann wird 
auch sicher Sein Bild von uns ausstrahlen. Diese Gemeinschaft 
ist die Quelle aller persönlichen Heiligkeit. Er wird dann der 
Seele den Frieden bewahren inmitten aller Versuchungen und 
Prüfungen. Wenn wir uns in Seiner Gegenwart erfreuen, 
dann werden uns die schweren Dinge leicht und die bitteren 
süß erscheinen. Wir können versichert sein, daß Er, Der unsere Seelen zu Sich gezogen und uns in den Genuß dieses 
zarten Verwandtschaftsverhältnisses gebracht hat, nach den 
ewigen Ratschlüssen Seiner Liebe und nach der Wirksamkeit 
Seiner allmächtigen Kraft wirken wird, bis Er uns für Sich 
Selbst in der Fülle der Freude darstellt. Der Herr gebe, daß 
sich unsere Herzen beständig dieser Ruhe in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes erfreuen mögen! 
Mit Christo gestorben 
In Rö 6, 1-14 finden wir eine Wahrheit, die in ganz besonderer Weise unserer Aufmerksamkeit würdig ist. Zweifellos 
ist die Rechtfertigung durch den Glauben an das Blut Jesu 
(Rö 3, 19-26) von größter Wichtigkeit, aber diese Verse 
zeigen uns im Kreuz eine Tatsache von noch größerer Tragweite, denn dort sehen wir, daß nicht nur die Sünden des 
Gläubigen durch das Blut Christi abgewaschen sind, sondern 
daß der ganze „Leib der Sünde", der „alte Mensch" (V. 6), 
das „Fleisch", in dem wir waren (Kap. 7, 5), der „Leib des 
Fleisches" (Kol 2, 11), das „Ich" (Gal 2, 20), kurz, die ganze 
Natur, in der wir als Nachkommen Adams waren, im Tode 
des Herrn Jesus Christus „gekreuzigt, gestorben und begraben" ist, und wir durch Gott mit Ihm begraben worden 
sind — eine Tatsache, die durch die Taufe als das von Gott 
gegebene Bild dargestellt wird. Dies ist doch weit mehr als 
die Tatsache, daß Christus Selbst „unsere Sünden an seinem 
135 
Leibe auf dem Holze getragen hat" (1. Petr 2, 24), denn Er 
hat, indem Er Selbst zur Sünde gemacht (2. Kor 5, 21) und 
als solche behandelt wurde, die Sünde im Fleische verurteilt 
(Rö 8, 3) und den „Leib der Sünde" hinweggetan. Dadurch 
hat alles am Kreuz seinen Fluch, sein Gericht und sein Ende 
gefunden, und wir sind dem gestorben, in dem wir als 
Angehörige des ersten Adam festgehalten waren (Rö 7, 6) 
und sind nun in dem auferstandenen Christus lebendig, eine 
„neue Schöpfung" (2. Kor 5, 17. 18), „mit Christo auferweckt" 
(Eph 2, 1-6; Kol 2, 13; 3, 1-3), „Glieder seines Leibes" (1. Kor 
6, 15; Eph 5, 25, 32), und haben teil an Seinem Leben. Kann 
im Leibe irgendeine Spur von der Sünde, vom Fleisch, vom 
ersten Adam sein? Da unser „alter Mensch" mit Ihm gekreuzigt worden ist, sind wir der Sünde gestorben. Natürlich ist 
hier nicht die Rede von dem, was wir praktisch im Wandel 
verwirklichen, sondern von dem, was der Glaube dem Worte 
Gottes gemäß uns vorhält, sowie von der wahren Bedeutung und dem ganzen Wert des Kreuzes für uns. Das ewige 
Leben durch den Glauben an Christus zu besitzen, heißt 
nichts weniger als daß Christus unser Leben und daß das 
von Adam ererbte Leben gerichtet ist, ja daß wir von Gott 
so gesehen werden, als lebten wir nicht darin, obwohl wir 
uns noch im dem Leibe unserer Niedrigkeit befinden und 
dem Leibe Seiner Herrlichkeit entgegenharren (Phil 3, 20). 
Es ist wunderbar, über wieviele Schwierigkeiten uns diese 
Wahrheit hinweghilft. Es ist eine unumstößliche Tatsache, 
daß der Gläubige sich außerhalb des Bereiches Satans, der 
Sünde, der Welt und des eigenen Ichs befindet. Gott sagt es 
in Seinem Wort, und darum ist es wahr. Die Wirkungen 
dieser Tatsache werden aber durch den Glauben verwirklicht. 
Die Früchte stehen im Verhältnis zu. meinem Glauben. Nun 
habe ich aber den bestimmten Befehl, mich der Sünde „für 
tot zu halten", „denn wer gestorben ist, ist freigesprochen 
von der Sünde" (Rö 6, 7). Christus nahm unsere Sünden am 
Kreuz auf Sich, und nachdem Er gestorben ist, ist Er freigesprochen (losgelassen) von der Sünde, die Er am Kreuz 
trug. Unser „alter Mensch" ist mit Ihm gekreuzigt, und wir 
sind durch die Taufe (als Gegenbild) auf Seinen Tod getauft 
136 
und mit Ihm „einsgemacht .. . in der Gleichheit Seines 
Todes." Christus ist durch den Tod und das Gericht gegangen und steht auf dem neuen Boden der Auferstehung. Dieser auferstandene Christus ist unser Leben, so daß es „keine 
Verdammnis (gibt) für die, welche in Christo Jesu sind. Denn 
das Gesetz des Geistes des Lebens — vom Blut ist hier nicht 
die Rede, wiewohl es die erste Bedingung dieser Erlösung 
ist — in Christo Jesu hat mich freigemacht . . . , indem er, 
seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde 
und für die Sünde sendend, die Sünde — nicht die Sünden — 
im Fleische verurteilte" (Rö 8, 1-3). Die Sünde im Fleisch ist 
also gerichtet, verurteilt worden. „Ihr aber seid nicht im 
Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in 
euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der 
ist nicht sein" (V. 9). Wir sehen also, hier ist keine Wahl; 
entweder wir sind nicht „sein" oder wir sind „nicht im 
Fleische". — „Wer aber dem Herrn anhängt ist ein Geist mit 
ihm" (1. Kor 6, 17). Dies ist das einzige wahre Christentum, 
die einzige Grundlage der an die Sünder gerichteten frohen 
Botschaft, die gänzliche Abschaffung des Alten und eine völlig 
neue Schöpfung in dem auferstandenen Christus. Wir befinden uns nicht in dem Alten, sondern in dem Neuen. „Das 
Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden" (2. Kor 
5, 17)! 
Doch dann taucht die Frage auf: „Warum fühlen wir denn 
beständig die Macht des Fleisches, den Einfluß der Welt und 
die List Satans?" Die Antwort ist ganz einfach: „weil wir 
das neue Leben nicht im Glauben ergreifen und nicht in der 
Kraft dieses neuen Lebens wandeln". Wie hast du überhaupt das ewige Leben erlangt? Gewiß nicht durch Gefühle, 
sondern durch den Glauben. Ebenso erlangen wir die Früchte 
dieses Lebens nicht durch die Gefühle, sondern durch den 
Glauben. Liebt denn ein Toter die Sünde? liebt er die Welt? 
— „Haltet euch der Sünde für tot" (Rö 6, 11)! Wer lebt Gott? 
Derjenige, der durch Gottes Gnade von ewiger Verdammnis 
durch die Gabe und den Tod des Sohnes Gottes errettet, 
jetzt in dem neuen Auferstehungsleben wandelt und mit 
völliger Gewißheit Christus aus dem Himmel erwartet, um 
137 
in die Herrlichkeit eingeführt zu werden (Kol 3, 1-4). „Der 
Lebende, der preist dich". — „Der Tod lobsingt dir nicht." 
Die Vermischung dessen, was Gott getrennt hat, ist das Hindernis für den Frieden und das Wachstum des Christen. Das 
Fleisch ist leider da, sonst wäre Christus nicht gestorben. Doch 
Er starb , und das Fleisch erreichte vor Gott dort am 
Kreuze ein für allemal sein Ende. Das Fleisch ist in mir, und 
es ist bereit, zu wirken, wenn ich es zulasse; aber meiner 
Stellung nach bin ich nicht „im Fleische". Ich darf den Tod 
Christi als den meinigen betrachten; ich besitze das Leben 
des Auferstandenen als mein Leben, und weil es sich nach 
dem Wort Gottes so verhält und mir der Geist Gottes gegeben ist, soll ich nun in der Kraft dieses Lebens wandeln 
(Rö 8, 9-13). Was wäre auch sonst zu tun? Ich habe daher 
nicht auf meine Gefühle oder auf meine Erfahrungen zu 
schauen, sondern auf das, was Gott denen sagt, die glauben 
um die ganze Tragweite des Todes Christi für mich zu erfassen. Die Gefühle kommen aus dem Glauben, nicht der Glaube 
aus den Gefühlen. „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort." Die 
Gefühle des Unglaubens stammen alle vom alten Menschen, 
und das Kreuz sollte uns zeigen, daß sie allesamt schlecht 
sind. Ich habe zuweilen die Äußerung gehört: „Die Adamsnatur muß Gott geopfert werden." — Welch ein verkehrter 
Gedanke! Sollte Gott die so sehr besudelte Adamsnatur annehmen? Keineswegs. Gott hat sie am Kreuz gerichtet. Sie 
hatte nur den Tod verdient, das Grab war ihr Bestimmungsort. „Haltet euch für tot" — „Tötet nun eure Glieder!" 
Christus ist unserer Rechtfertigung wegen auferweckt. In 
Ihm sind wir Gott „nahegebracht". In Ihm, dem Geliebten, 
sind wir begnadigt worden. In Ihm ist keine Sünde, kein 
Fleisch. 
Nur wenn wir dies erkannt haben, können wir wahre Anbeter 
sein, denn wenn die Sünde mir noch irgendwo anklebt, kann 
ich nicht zu Gott nahen und als Anbeter ins Heiligtum treten 
(Hebr 10, 19). In Seiner Gegenwart kann die Sünde nicht 
bestehen. Da wir in Christo sind, können wir ohne Sünde 
hinzunahen, denn in Ihm ist und kann keine Sünde sein. 
138 
Je heller das Licht ist, in das ich komme, desto mehr wird 
meine Gerechtigkeit offenbar, denn Christus ist meine Gerechtigkeit. Das Licht der Gegenwart Gottes kann in Ihm 
keinen Flecken entdecken. 
Und da Christus, was meine Annahme betrifft, meine Gerechtigkeit ist, so muß Er auch hienieden mein Leben sein. 
Meine Verantwortung besteht darin, daß ich Christo (nicht 
nur für Christus) lebe (Phil 1, 21), in einer Welt, die durch 
das Kreuz gerichtet ist (Joh 12, 31; 1. Joh 5, 19). Die von 
Beröa untersuchten täglich die Schriften, ob „dies sich also 
verhielte". Sie werden „edler" genannt. — Möchten wir 
ihnen gleichen und denselben Fleiß im Erforschen der Schrift 
über diese herrliche Wahrheit anwenden! 
„Glückselig ist, 
wer sich nicht an mir ärgern wird" 
In Mt 11 finden wir einen merkwürdigen Vorfall aus dem 
Leben Johannes des Täufers, einen Vorfall, der sehr zu 
unserer Belehrung und Ermahnung dienen kann. Wir lesen 
dort nämlich: „ Als aber Johannes im Gefängnis die Werke 
Christus hörte, sandte er durch seine Jünger und ließ ihm 
sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen 
anderen warten? Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: 
Gehet hin und verkündet Johannes, was ihr höret und sehet: 
Blinde werden sehen, und Lahme wandeln, Aussätzige werden gereinigt, und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird gute Botschaft verkündigt; und 
glückselig ist, wer irgend sich nicht an mir ärgern wird" 
(V. 2-6)! Johannes der Täufer ärgerte sich also an Jesu. 
„Wie ist das möglich?" möchte vielleicht mancher unter uns 
fragen. Johannes der Täufer, der Wegbereiter des Messias, 
der Mann, dessen Finger auf Jesus, das Lamm Gottes hinwies — wie konnte er sich an Ihm ärgern? Und dennoch war 
es so. Die Worte des Herrn: „Glückselig ist, wer irgend sich 
nicht an mir ärgern wird" stellen diese Tatsache außer jeden 
Zweifel. Aber warum ärgerte er sich? — werfen wir einen 
139 
Blick auf die Umstände, in denen sich Johannes befand, dann 
wird es uns leicht sein, die rechte Antwort auf diese Frage zu 
finden. 
Johannes war in der Tat der Wegbereiter des Herrn gewesen. 
Er hatte gepredigt: „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen." Er hatte den König Israels angeschaut und in Ihm das 
Lamm Gottes gesehen, „welches die Sünden der Welt wegnimmt". Er hatte seine Jünger von sich weg und zu Jesu 
hingewiesen. Aber ebenso wie die Jünger Jesu sogar noch 
nach Seiner Auferstehung (s. Apg 1, 6), so hatte auch er 
erwartet, daß die Ankunft des Messias in Glanz und Herrlichkeit stattfinden würde, daß Israel von der Zwingherrschaft der Römer erlöst werden und die von den Propheten 
des Alten Testaments angekündigte herrliche Regierung des 
Königs Israels sofort beginnen würde. Jedoch war nichts von 
dem allem geschehen. Im Gegenteil, anstatt in Glanz und 
Herrlichkeit war Christus in Niedrigkeit und Elend erschienen. Jesus mußte von Sich Selbst bezeugen: „Die Füchse 
haben Höhlen, und die Vögel des Himmels Nester, aber der 
Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege. Er, 
Der der König der Juden war, ging verachtet und verspottet 
Seinen Weg. Und Johannes der Täufer, der Vorläufer und 
Herold Jesu, hatte, anstatt einen ausgezeichneten Platz im 
Reiche zu bekommen, einen Platz im Gefängnis gefunden, um 
sogar, bevor noch das Reich aufgerichtet war, von dem 
Schauplatz dieser Erde zu verschwinden. Dies alles konnte 
Johannes sich nicht erklären. Darüber war er unzufrieden, 
daran ärgerte er sich. Darum sandte er aus dem Gefängnis 
Boten zu Jesu mit der Frage: „Bist du der Kommende, oder 
sollen wir auf einen anderen warten?" Diese Frage birgt 
keineswegs einen Zweifel bezüglich der göttlichen Sendung 
des Herrn in sich. O nein, davon war er überzeugt, denn 
sonst hätte er nicht zu Ihm gesandt. Aber er glaubte dadurch den Herrn an den Zweck erinnern zu müssen, weshalb 
Er in die Welt gekommen war. Es ist, als hätte er sagen 
wollen: „Ist das nun die Offenbarung des Königs der Ehren?" Aber welche Antwort gibt ihm der Herr auf seine 
Frage! Er weist Johannes auf Seine Werke und fügt dann 
140 
hinzu: „Glückselig ist, wer irgend sich nicht an mir ärgern 
wird." Johannes hatte nicht verstanden, daß vor der Herrlichkeit die Leiden kommen mußten, und daß die Reinigung 
und Heiligung Israels der Herrlichkeit der Regierung Christi 
vorangehen mußte. Er hatte sich gefreut über die Erfüllung 
der alttestamentlichen Prophezeiungen über die Herrlichkeit 
des Königreichs, aber er hatte ebenso wenig wie die Jünger 
Jesu die Prophezeiungen beachtet, die über die Leiden des 
Messias sprachen. 
Johannes ärgerte sich also an dem Wege, den der Herr Jesus 
eingeschlagen hatte. Er begriff nicht, warum der Herr soviel 
Erniedrigung und Schande ertrug und nicht Seine Herrlichkeit 
offenbarte. Verurteilen wir ihn nicht! Sicher, es war hart für 
Johannes, sein Leben im Gefängnis zubringen und endigen 
zu müssen, nachdem er einen Platz in dem herrlichen Königreich Christi erwartet hatte. Und ach, wie oft befinden wir 
uns in einer ähnlichen Lage! Wie manchmal ärgern wir uns 
an dem Wege, den der Herr uns führt! Wie oft seufzen und 
klagen wir, wenn Er uns in schwierige Lagen kommen läßt, 
oder uns aufs Krankenlager legt, oder uns durch andere 
Leiden und Trübsale heimsucht! Der Herr führt uns oft ganz 
anders als wir erwartet hatten. Anstatt uns Glück und Wohlsein finden zu lassen, bringt Er uns manchmal in Kampf 
und Leiden. Anstatt unsere mühevolle Arbeit durch äußere 
günstige Erfolge gekrönt zu sehen, finden wir nicht selten 
Mißgeschick und Unglück. Und anstatt uns dann dem Willen 
Gottes zu unterwerfen und in Seiner liebreichen Fürsorge zu 
ruhen, zweifeln wir oft an Seiner Liebe, wünschen es anders 
zu haben und ärgern uns an dem Wege, den der Herr uns 
führt. In einer solchen Gemütsstimmung sind dann auch wir 
gene'gt, zu rufen: „Bist Du der liebreiche und gnädige Heiland, Der uns verheißen hat, für uns zu sorgen und unsere 
Gebete erhören zu wollen?" 
Die Hand aufs Herz, geliebte Brüder! Ist es nicht oft so bei 
uns? Und was tut dann der Herr? Er weist uns zunächst auf 
die Heilung unserer Herzen hin, bevor Er uns aus unserer 
schwierigen Lage befreit. Der Herr wird sicher unsere Gebete 
erhören und unseren Trübsalen ein Ende machen, aber Er 
141 
will uns zuerst durch die Trübsale reinigen und segnen und 
uns dadurch, daß Er uns nicht sofort erhört, im Glauben 
üben. O möchten wir doch dieses verstehen lernen! Zu den 
Israeliten sagte Gott am Ende ihrer vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste: „Um dich zu demütigen und um dich 
zu versuchen, damit er (Jehova) dir wohltue an deinem 
Ende." Und ebenso ist es mit uns. Die Wege, die der Herr 
uns führt, haben den Zweck, uns zu demütigen und zu offenbaren, was in unseren Herzen ist. Durch diese Wege werden 
die Grundsätze und Beweggründe unserer Herzen offenbar, 
und wir werden dahin geführt, sie vor Gott zu verurteilen. 
Dies dient natürlich zu unserer Demütigung, zur Niedertretung unseres Hochmuts und unseres Eigenwillens, und das 
ist es eben, was Gott will. Er will uns immer mehr zur Selbsterkenntnis führen, damit wir nichts mehr von uns selber 
erwarten und uns allein Seiner Selbst und Seiner Gnade 
rühmen. Das Endziel der Wege Gottes ist stets Seine Verherrlichung und unser Glück. Darum: glückselig ist, wer 
irgend sich nicht an den Wegen Gottes ärgert, sondern sich 
kindlich dem Willen Gottes unterwirft. 
Beachten wir schließlich noch, mit welcher Schonung der Herr 
Jesus den Johannes behandelt. Weder die Volksmenge noch 
die Boten des Johannes vermochten den sanften Tadel zu 
begreifen, der in der Antwort des Herrn verborgen war; aber 
für Johannes waren diese Worte verständlich. Und kaum 
haben sich die Boten entfernt, da richtet der Herr die Frage 
an die Volksmenge: „Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen zu sehen? ein Rohr, vom Winde hin und her bewegt? 
Aber was seid ihr hinausgegangen zu. sehen? einen Menschen, mit weichen Kleidern angetan? Siehe, die die weichen 
Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. Aber was 
seid ihr hinausgegangen zu sehen? einen Propheten? Ja, sage 
ich euch, und mehr als einen Propheten." Und dann fügt der 
Herr hinzu, daß unter denen, die von Weibern geboren seien, 
kein Größerer aufgestanden sei als Johannes der Täufer. 
Alles dies tat der Herr, obwohl Johannes noch etliche Augenblicke vorher sich als ein vom Winde hin und her bewegtes 
Rohr erwiesen hatte. Welch eine Liebe! Welch eine Zartheit! 
142 
Und behandelt uns der Herr nicht mit derselben Liebe, mit 
derselben Zärtlichkeit? Ja, gewiß. Wohl straft und tadelt Er, 
doch er tut es stets mit derselben Sanftmut und Liebe. Er 
gibt nie harte Verweise. Er ist stets bemüht, unsere Herzen 
und Gewissen zu erreichen und uns durch die Macht Seiner 
Liebe zu. überwinden. Hochgepriesener Jesus! Lehre uns mehr 
und mehr, Dich und Dein Herz zu kennen, damit wir stets 
in Dir ruhen und uns Deiner Liebe erfreuen! 
Die grünen Auen und die stillen Wasser 
(Psalm 23, 2) 
Wie der Leib, so kann auch die Seele nicht ohne Speise und 
Trank sein. Es ist nicht genug, daß wir durch den Glauben 
an den Herrn Jesus das Leben empfangen haben, sondern 
es muß auch unterhalten, genährt und gestärkt werden. Wie 
der Israelit in der Wüste jeden Tag das Manna brauchte, so 
hat der Gläubige täglich neue Speise nötig. Diese Speise nun 
hat der Herr für uns bereitet. David sagt: „Jehova ist mein 
Hirte, mir wird nichts mangeln. Er lager t mic h au f 
grüne n Auen , e r führ t mic h z u stille n 
Wassern. " Und der Herr Jesus sagt: „Ich bin die Tür; 
wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden 
und wird ein- und ausgehen und Weid e finden " (Joh 
10, 9). Sobald man durch die Tür in den Hof der Schafe 
getreten ist, ist man nicht nur gerettet, sondern man findet 
auch alles, was zur Nahrung und Stärkung nötig ist. Dort 
sind grüne Auen und stille Wasser, dort wird man Weide 
finden. Dort ist kein Mangel, sondern Überfluß. David hat 
es erfahren und jeder, der in Wahrheit sagen kann: „Der 
Herr ist mein Hirte," wird es ebenfalls erfahren. 
Aber wo sind die grünen Auen und die stillen Wasser? Hier 
auf Erden? O nein. Die Welt ist für den Gläubigen eine 
Wüste voller Dornen und Disteln. Da ist alles wüst, dürr 
und leer. Da findet sich keine Speise, keine Erquickung für 
die Seele. Wer da etwas sucht, wird schließlich mit dem 
weisen Salomo sagen müssen: „Eitelkeit der Eitelkeiten! Alles 
143 
ist Eitelkeit." Aber wo ist denn das Nötige zu finden? „Meine 
Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie 
folgen mir," sagt der gute Hirte. Und wo ist der gute Hirte? 
Nicht mehr in der Welt, sondern außerhalb des Lagers; nicht 
mehr hier auf der Erde, sondern droben zur Rechten des 
Vaters. Seine Schafe hören Seine Stimme, und sie folgen 
Ihm. Vom Himmel ruft Er uns zu, damit wir auf den Flügeln 
des Glaubens mit Ihm Gemeinschaft haben. Dort oben sind 
die grünen Auen, dort oben sind die stillen Wasser. „Unser 
Bürgertum ist in den Himmeln." — „Sinnet auf das was 
droben ist, nicht auf das was auf der Erde ist." Dort ist 
Überfluß an Speise und Trank. Jesus Selbst ist die Speise 
der Seele, Er Selbst ist die grüne Aue. Er Selbst gibt das 
frische lebendige Wasser. Wie Er das Leben ist, so ist Er 
auch der Erhalter des Lebens. „Wer an ihn glaubt hat ewiges 
Leben." Wer Gemeinschaft mit Ihm pflegt, hat Speise und 
Trank in Überfluß. „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir 
kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird 
nimmermehr dürsten" (Joh 6, 35). 
Lieber Leser, bist du durch die Tür eingegangen und bist du 
gerettet? Dann muß ich zwei Fragen an dich richten: Lebst 
du in Gemeinschaft mit Jesu? Kannst du mit David sagen: 
„Er lagert mich auf grünen Auen, er führt mich zu stillen 
Wassern"? Ach, wieviel Kälte, Trägheit und Gleichgültigkeit 
finden wir oft unter den Gläubigen! Wie viele sind krank, 
wie viele schlafen, ja wie viele sind sozusagen gestorben! 
Alles zeugt von einem Mangel an Gemeinschaft mit Jesu. 
Man folgt Ihm nicht nach, man wandelt nicht mit dem Herzen im Himmel, man ist erfüllt mit den nichtigen und eitlen 
Dingen dieser Welt. 
Es fehlt an Speise und Erquickung, und darum ist keine Kraft, 
kein Glauben, kein Leben, keine Frische, kein Eifer da Möchten wir doch alle mit Jesu wandeln. Ihm folgen in die Wohnungen des Lichtes und des Lebens, ietzt durch den Glauben 
und bald in Wirklichkeit mit einem neuen, verherrlichten 
Leibe! 
144 
Das Wort Gottes und das Priestertum Christi 
(Hebräer 4 und 5) 
Es ist hier von zwei Dingen die Rede, derer Sich Gott bedient, 
um uns in der Wüste aufrechtzuerhalten. Das eine ist das 
Wort Gottes, das andere das Priestertum unseres Herrn Jesus 
Christus. 
Das Wort Gottes dient dazu, die Gedanken und Überlegungen des Herzens aufzudecken und zu beurteilen. Es ist „lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige 
Schwert . . . ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen 
des Herzens" (Hebr 4). Alles, was vom Fleische ist, schneidet 
das Wort Gottes ohne Barmherzigkeit weg; und Gott sei 
gepriesen, daß es so ist, weil das Fleisch nur den Segen 
hindert. Bei dieser Gelegenheit weist der Apostel warnend 
auf die Geschichte der Kinder Israels, indem er sagt, daß ihre 
Leiber in der Wüste fielen. Sie gingen von Ägypten aus, 
und danach fielen ihre Leiber in der Wüste. Es läßt sich nicht 
leugnen, daß für uns eine ähnliche und sehr große Gefahr 
vorhanden ist. Gott wird ohne Zweifel die Seinigen bis ans 
Ende bewahren, aber die Gefahr besteht darin, zu vergessen, 
daß wir nur durc h Glaube n bewahrt werden. Das 
Fleisch ist die Ursache des Fallens in der Wüste, und das 
Wort Gottes, das schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert, 
ist das Mittel, dessen Gott Sich bedient, damit wir nicht in 
der Wüste fallen. Das Wort Gottes richtet jeden Gedanken, 
der nicht von Gott kommt, und wir wissen, daß alles, was 
aus dem Herzen des natürlichen Menschen hervorquillt, 
Fleisch ist. Das Fleisch geht nie aus der Wüste in das Land 
der Verheißung. Es kann in der Wüste sterben, sie aber nie 
verlassen. Das Fleisch gehört gewissermaßen der Wüste an, 
es kann darin sterben, aber sich nie davon trennen. Für das 
Fleisch gibt es nur das Schwert — ein Bild dessen, das es 
aufdeckt, richtet und verurteilt. Gott sei dafür gepriesen! 
Im Blick auf unsere Annahme bei Gott können wir sagen, 
daß das Fleisch schon verurteilt ist. „Das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, 
indem Er, seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches 
145 
der Sünde und (als Opfer) für die Sünde sendend, die Sünde 
im Fleische verurteilte," Handelt es sich um die Frage der 
Gerechtigkeit, so hat Gott am Kreuz Christi die Sünde im 
Fleische verurteilt; handelt es sich hingegen um die Wüstenreise, so richtet das Wort Gottes alles, was ihm nicht angemessen ist. Das Kreuz hat bereits mit dem Fleisch zu tun 
gehabt. Alles in Gedanken und Werken, was nicht mit dem 
Tode Christi in Einklang war, hat am Kreuz sein Gericht und 
seine Verurteilung gefunden. Das Mittel aber, um dies praktisch zur Anwendung zu bringen, ist einerseits das Wort 
Gottes und andererseits das Priestertum unseres Herrn Jesus 
Christus. 
Wie wir schon gesehen haben, richtet das Wort Gottes die 
Gedanken und Überlegungen des Herzens, während das 
Priestertum Jesu auf Schwachheiten und Vergebung Bezug 
hat. Sobald von Gedanken und Gesinnungen des Herzens 
die Rede ist, müssen diese, da sie vom Fleisch kommen, gerichtet werden. Das geschieht durch das Wort Gottes, das 
schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert. Wenn es sich 
andererseits um die Prüfungen und Schwachheiten handelt, 
so haben wir das Priestertum unseres Herrn Jesus Christus. 
Das Wort Gottes ist das Auge Gottes, das in unserem Herzen alles richtet, was Ihm nicht angemessen ist. Dann haben 
wir „einen großen Hohenpriester, der durch die Himmel 
gegangen ist, Jesum, den Sohn Gottes." Wenn wir durch 
mancherlei Schwierigkeiten gehen, so haben wir diesen Hohenpriester voller Mitleid und Erbarmen, „auf daß wir 
Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen 
Hilfe." Diese Hilfe kann aber unmöglich irgendwie im Widerspruch zum Wort Gottes stehen. Keineswegs kann das 
eine gegeben sein, um das Fleisch zu töten, und das andere 
um es zu verschonen. Deshalb muß uns der Priester ganz 
außerhalb des Fleisches aufrechterhalten, in Übereinstimmung 
mit dem Segen, der uns mitgeteilt wird. Auf diese Weise 
haben wir Christus als Hohenpriester. Er ist dorthin hinaufgestiegen, wohin das Fleisch nicht gelangen kann. Dort ist 
der Platz, wo wir es mit Gott zu tun haben, und dorthin, in 
die Gegenwart Gottes, wohin nichts Unreines dringen kann, 
146 
muß unser Hoherpriester alles bringen, was uns betrifft. 
Die Grundlage dieser Stellung und dieser Gnade ist das 
Opfer, kraft dessen Er dort eingehen konnte, so daß das 
Priestertum Christi auf unsere Annahme gegründet ist. 
Die Erlösung Israels aus Ägypten, die der ganzen Wüstenreise voranging, ist hier als Vorbild gewählt. Wir sind mit 
Ägypten ganz fertig. Das Rote Meer hatte den Tod und das 
Gericht zwischen die Pilger und Ägypten gestellt, und ebenso 
verhält es sich jetzt mit den Gläubigen. Der Tod und das 
Gericht sind für sie der Ausgangspunkt. Zwar gibt es noch 
Übungen des Herzens. Wenn eine Seele beginnt, diese Welt 
des Verderbens und der Verdammnis zu verlassen, so ergeht 
es ihr oft wie den Israeliten an der Küste des Roten Meeres, 
als sie die Fluten vor sich und die Ägypter hinter sich hatten. Dort sahen sie sich gänzlich eingeschlossen in das Gericht, dem Satan sie entgegendrängte. Sobald sie aber durch 
das Rote Meer gegangen waren, war alles völlig beendet 
und zum Abschluß gebracht. Was sie verhindert hatte, auch 
nur einen einzigen Schritt zu tun, das lag jetzt hinter ihnen 
und bildete eine Schranke zwischen ihnen und Ägypten. So 
ist auch für uns der Tod und das Gericht eine sichere 
Schranke zwischen uns und allem was gegen uns war. Das 
will nicht sagen, daß es nachher nicht Kämpfe geben und 
nicht ein Mattwerden stattfinden könnte, aber von Erlösung 
ist keine Rede mehr. Wenn die Kinder Israel nicht treu 
waren, konnten sie keine Siege erringen, aber Gott war nicht 
mehr gegen sie. Erst dann folgt die Reise durch die Wüste, 
das Gericht über das Fleisch durch das Wort, und das Priestertum Christi für uns. Indem ich meinen Blick auf Christus 
richte, erkenne ich in Ihm Den, Der durch Tod und Gericht, 
derer ich schuldig war, gegangen ist und Seinen Platz in der 
Gegenwart Gottes eingenommen hat, wo Er Sein Priestertum 
ausübt. Er hat den Platz bezeichnet, dem ich angehöre und 
wo ich anzubeten habe, und dieser Platz ist in der Gegenwart Gottes. Alles was im ersten Adam mein Teil war, ist 
infolge meines Verhältnisses völlig hinweggetan, d. h. nicht 
hinsichtlich meines Kampfes mit dieser Natur, sondern hinsichtlich meines Platzes bei Gott. Tatsächlich ist die alte Natur 
147 
fortwährend vorhanden, und das Wort richtet alle ihre 
Regungen, die mich in meinem Laufe aufhalten könnten. Der 
Platz aber wo Christus Sein Priestertum ausübt, ist ganz 
außerhalb des Bereiches des Fleisches: er ist im Himmel. „Ein 
solcher Hoherpriester geziemte uns: heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern und höher als die 
Himmel geworden" (Hebr 7, 26). Israel hatte seinen Platz 
und einen Priester auf der Erde, wir haben unseren Platz 
und einen Priester im Himmel. „Und, vollendet worden, ist 
er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden" (Hebr 5, 9). Zunächst mußte Er seinerseits vollendet 
werden, bevor Er diejenigen, die durch Ihn anbeten sollten, 
einführen und für sie wirken konnte. 
Wir finden also, daß Christus dieses Priestertum ausübt, weil 
wir einem Platz angehören, wo das Fleisch nicht hingelangen 
kann. Alles, was uns mit dem ersten Adam verbunden hatte, 
hat Er beiseitegesetzt. Er gestattet uns den Zutritt in die 
Gegenwart Gottes und erhält uns darin. Der aus den Menschen genommene Hohepriester Israels befand sich dort nicht. 
Er ging nicht einmal vorbildlich in das Innere des Vorhangs, 
außer einmal des Jahres, und dann auch nur in der Wolke 
des Weihrauchs, die ihm die Herrlichkeit Gottes verhüllte. 
Die Israeliten waren Menschen im Fleisch und konnten folglich nicht mit dem Allerheiligsten in Verbindung stehen. Wir 
hingegen sind nicht im Fleisch, sondern im Geist, und befinden uns daher im Allerheiligsten, wo das Fleisch durchaus 
keinen Platz findet. Die Juden als Nation waren im Fleische 
und mußten einen im Fleische mit Schwachheit umgebenen 
Hohenpriester haben, weil auch sie Schwachheiten hatten, 
wie geschrieben steht: „der Nachsicht zu haben vermag mit 
den Unwissenden und Irrenden, da auch er selbst mit 
Schwachheit umgeben ist." Gleich ihnen befand auch er sich 
draußen; er stand mit ihnen auf demselben Boden. Auch wir 
stehen mit unserem Hohenpriester auf gleichem Boden, nämlich auf dem Boden des letzten, verherrlichten Adam, Der im 
Himmel ist. Wir sind mit Gott verbunden in dem neuen 
Platz, den Er uns in Christo bereitet hat. Aber als unse r 
Hoherpriester stellt Jesus einen völligen Gegensatz zu dem 
148 
aus Menschen genommenen jüdische n Hohenpriester 
dar. Er muß „abgesondert von den Sündern und höher als 
die Himmel" sein, weil wir es sind. In bezug auf unsere 
Fähigkeit, als solche, die droben ihren Platz haben, mit 
Freuden unseren Lauf fortzusetzen, hängt alles von der Fürbitte Christi ab. 
Hinsichtlich der Eigenschaften Christi als Hoherpriester seien 
hier drei Dinge erwähnt. Das erste ist der Rechtstitel Seiner 
Person. „Und niemand nimmt sich selbst die Ehre, sondern 
als von Gott berufen, gleichwie auch Aaron. Also hat auch 
der Christus sich nicht selbst verherrlicht, um Hoherpriester 
zu werden" (Hebr 5, 4. 5). Er hat Sich nicht erhoben als eine 
Person, die durch ihre Würdigkeit sich selbst verherrlicht hat, 
sondern Gott sagt von Ihm: „Du bist mein Sohn." Dies 
genügt, um Seine Person mit aller erforderlichen Befähigung 
zu bekleiden. Er ist verherrlicht worden durch Den, Der zu 
Ihm gesagt hat: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich 
gezeugt." In Psalm 2 lesen wir: „Habe doch ich meinen 
König gesalbt auf Zion, meinem heiligen Berge! Vom Beschluß will ich erzählen: Jehova hat zu mir gesprochen: Du 
bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt". Wenn ich 
Christus als Mensch auf der Erde anschaue (hier ist nicht 
die Rede von Seiner ewigen Eigenschaft als Sohn), und mir 
die Frage vorlege: Welches ist Sein Anrecht, um ein Priestertum zu besitzen? dann lautet die Antwort: Er ist der Sohn 
Gottes. Er ist in Seiner Person zu einer solchen Tätigkeit 
befähigt. Wir haben daher in bezug auf Seine Einsetzung 
in dieses Amt den Ausspruch: „Wie er auch an einer anderen 
Stelle sagt: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung 
Melchisedeks." Er ist nicht wie ein anderer aus den Menschen 
genommener Hoherpriester, der stirbt und seinen Dienst 
einem anderen überläßt, sondern Er ist Priester in Ewigkeit. 
Die Ausübung des Priestertums Christi im Himmel ist, was 
die Blutvergießung und die Gerechtigkeit betrifft, auf ein 
schon vollbrachtes Heil gegründet. Wenn die Gerechtigkeit 
nicht schon vollkommen wäre, so würde jeder Fehltritt notwendigerweise das Gericht, nicht aber die Fürbitte hervorrufen. Wenn die Sühnung für die Sünden nicht geschehen 
149 
ist, so hat die Sünde das Gericht zur Folge, weil aber die 
Gerechtigkeit in Christo ganz und gar für uns vollbracht ist, 
sitzt Er jetzt im Himmel und bittet zugunsten derer, für die 
die Sühnung durch Sein Blut geschehen ist. Die Versöhnung 
ist ganz vollbracht, die Sünde weggetan, und wir sind Gerechtigkeit Gottes in Christo. Jetzt handelt es sich nur um 
unsere Verbindung mit Gott, als Gesegnete im Heiligtum, 
und um unser Verhältnis im vollen Genuß der Stellung, in 
die Er uns aufgrund des an Christus vollzogenen Todes und 
Gerichts eingeführt hat. Und das ist die Wirkung der Fürbitte. „Wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum 
Christum, den Gerechten" (1. Joh 2, 1). So besitzen wir also 
den Herrn Jesus Christus in der Würde Seiner Person als 
Sohn Gottes, und mit Seinem Amtstitel als Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks. Soll Er unser Priester 
vor Gott sein, so ist Er es in der vollkommenen Würde, in 
der Er Seinen ganzen Dienst verrichten kann. 
Es gibt aber noch eine andere Schwierigkeit. Wenn Er den 
erhabenen Titel „Sohn" besitzt, wie kann Er dann teilnehmen 
an all den Nöten und Prüfungen armer Kreaturen, wie wir 
es sind? Wäre Er ein Priester wie andere Menschen, so 
könnte Er ihre Schwachheiten verstehen. Ich antworte darauf: 
Das Priestertum wird da ausgeübt, wo nicht einmal der 
Gedanke einer Schwierigkeit hingelangt, wo der Genuß ein 
geistlicher ist, ja, wo durchaus keine Gemeinschaft mit Gott 
sein könnte, wenn irgendein Gedanke des Fleisches oder der 
Sünde dort existieren würde. Darum ist der Platz Christi als 
des Hohenpriesters notwendigerweise außerhalb des Bereiches jeglicher Schwachheit. Ein anderer Priester konnte sich 
zu. den Sündern gesellen und ihre Schwachheit fühlen als 
jemand, „der selbst mit Schwachheit umgeben" ist. Wie aber 
ist der Herr Jesus im vollen Sinn des Wortes befähigt 
worden, unser Hoherpriester zu werden? Hat Er jetzt, während Er dieses Priestertum besitzt, die Fähigkeit zu diesem 
Amt erlangt? Gewiß nicht. Nicht was Er jetzt als Priester ist, 
sondern was Er auf Erden war, hat Ihn zu einem solchen 
Werk bereitet. „Ein solcher Hoherpriester geziemte uns usw." 
Er ging durch die Prüfungen und Schwierigkeiten eines gott150 
seligen und vollkommenen Menschen auf der Erde, Er hat 
alle Schwierigkeiten erfahren, die einem gottesfürchtigen 
Menschen auf seinem Wege durch die Welt begegnen können. Er hat auch alle Prüfungen eines solchen kennengelernt. 
Er hat gelitten, denn Er ist „in allem versucht worden . . . 
in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde." Das ist 
es nun gerade, was wir nötig haben. Wir brauchen keine 
Teilnahme an unserer Sünde; wir haben das Wort Gottes, 
um sie mitleidlos hinwegzutun. Christus bittet nicht für das 
Fleisch. Wir brauchen die Hilfe Christi für den neuen Menschen gegen das Fleisch. Als Gläubige, die durch die Welt 
gehen, haben wir nötig, daß uns gegen uns selbst geholfen 
werde, da, wo das Fleisch vorhanden ist. 
„Der in den Tagen seines Fleisches, da er sowohl Bitten als 
Flehen dem, der ihn aus dem Tode zu. erretten vermochte, 
mit starkem Geschrei und Tränen dargebracht hat (und um 
seiner Frömmigkeit willen erhört worden ist), obwohl er 
Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte." Das 
ist es, was ich zu lernen habe. Wenn es sich aber um Ihn 
handelt, höre ich die Worte: „Obwohl Er Sohn war usw." 
Christus mußte den Gehorsam lernen. Warum? Weil Er von 
Ewigkeit her allem befahl. Ich soll Gehorsam lernen, weil 
mein Herz und mein Wille böse sind; Christus mußte ihn 
lernen, weil Er Gott war über alles und darum der Gehorsam 
etwas Neues für Ihn war. Der Gehorsam ist für mich neu, 
weil ich ein ungehorsames Geschöpf bin; er war neu für Ihn, 
weil Er gar kein Geschöpf war. Christus ist in alle Schwierigkeiten und Prüfungen gestellt worden, durch die wir zu 
gehen haben, und überdies ist Er Selbst unter den Zorn Gottes gestellt worden, damit uns dieser Zorn nicht treffen 
könnte. An diesen Leiden können wir nie teilhaben, während 
wir an Seinen Leiden, denen Er als gerechter Mensch auf der 
Erde ausgesetzt war, in geringem Maße unseren Anteil haben können. Wenn ich ein gottseliges Leben in dieser Welt 
führen will, muß ich mein Kreuz auf mich nehmen und Ihm 
nachfolgen. „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in 
Christo Jesu, werden verfolgt werden." Wenn die Bequemlichkeiten dieses Lebens unser Teil sind, ist Gefahr vorhan151 
den. Wir sind berufen zu leiden. Wenn wir in unseren Wegen 
gottselig sind, oder in der Macht der Liebe Christi wandeln, 
werden wir Leiden finden. Mögen wir jedoch auch um der 
Gerechtigkeit und um der Liebe Christi willen leiden, so finden wir doch auf dem Wege durch die Welt den Herrn 
Selbst als Den, Der vor uns hergeht und Der zuerst vor 
allem litt. In den Leiden für unsere Sünden war Christus ganz 
allein, aber es gibt eine andere Art Leiden, die Christus 
kennengelernt hat, und von denen wir zwar nicht sagen können, daß die Seinigen mit Ihm leiden, aber in denen Er mit 
den Seinigen leiden kann. Wir finden diese Leiden am Ende 
Seines Lebens. Das wird auch der besondere, wenn auch 
nicht ausschließliche Charakter der Leiden des jüdischen 
Überrestes in den letzten Tagen sein. Diese Auserwählten 
sind unter dem Gesetz, sie kennen nicht die Versöhnung mit 
Gott und treten in den schrecklichen Kampf mit Satan, dem 
Antichristen und allen Schrecknissen jener Zeit. Sie werden 
in der Trübsal sein, die aus der ganzen Machtentfesselung 
Satans gegen sie erwächst, und sie werden darin sein, ohne 
zu wissen, daß das Wohlgefallen Gottes auf ihnen ruht. Das 
ist nicht ein Leiden mit Christus; aber sie, die Auserwählten, 
werden des Mitleidens Christi teilhaftig sein. Auch durch 
diese Leiden ist Christus gegangen. Und darum kann er teilnehmen an den Leiden, die der Überrest Israels erdulden 
muß. 
Überall, wo wir diesem Charakter der Leiden begegnen, finden wir, daß von den Leidenden das Gericht über die Menschen gefordert wird, daher der beständige Ruf zu Gott, daß 
Er Sich erheben möge und sie an ihren Widersachern rächen 
möge, — ein Ruf, den wir von Anfang bis Ende in den 
Psalmen finden. Wenn hingegen die Versöhnung geschehen 
ist, wird die Barmherzigkeit angerufen. In einem Fall wird 
das Gericht über die Menschen gefordert, weil sie Christus 
als Werkzeuge Satans Leiden bereiten, aber von dem Augenblick an, wo Er von Seiten Gottes für die Sühnung unserer 
Sünde leidet, zeigt sich das Gegenteil. Dann lesen wir: „Verkündigen will ich deinen Namen meinen Brüdern; inmitten 
der Versammlung will ich dich loben." Alles ist Gnade, nichts 
als Gnade. 
152 
Wie ist dies nun auf uns anzuwenden? Betrachten wir die 
Seelen unter dem Gesetz, die etwas von der Tiefe und dem 
Umfang ihrer Sünden erkennen und deren Geist den Schrekken des Gesetzes preisgegeben ist, wenn auch nicht ganz in 
dem Zustand der Verzweiflung. Christus kann mit ihnen 
leiden. Weil Er durch alle diese Schrecken, sowie durch die 
Bedrängnis, die die Macht Satans verursachte, hindurchgegangen ist, ist Seine Gnade da, um die Seele zu erhalten und zu 
verhindern, daß sie völlig unterliegt. Die Leiden für die Versöhnung sind etwas ganz anderes. Christus allein hat diesen 
Kelch getrunken, weil Er von Seiten Gottes litt, und nichts 
als die Gnade ist übriggeblieben. Nachdem Er gesagt hat: 
„Ja, du hast mich erhört von den Hörnern der Büffel," finden 
wir nichts anderes mehr als Gnade. Das war der Zorn Gottes, 
den Er für andere trug. In den ersten beiden Arten von Leiden kann Christus mit uns leiden; es sind die Prüfungen und 
Leiden einer gerechten Seele. Er kann für uns bitten und uns 
helfen, voranzugehen. Ich zweifle auch nicht daran, daß die 
Anwesenheit Christi im Himmel das Volk Israel besonders 
unterstützt. „Und, vollendet worden, ist er allen, die ihm 
gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden." Er ist von 
Grund aus zu einem Hohenpriester bereitet worden, indem 
Er durch das, was Er auf Erden erlitt, fähig gemacht wurde, 
mit uns leiden zu können. Er hat alle Schwierigkeiten eines 
gottseligen Lebens auf der Erde erlebt, und darum ist Er 
jetzt, nachdem Er uns einen Platz im Himmel gegeben hat, 
imstande, mit uns während unseres Wandels durch diese 
Welt Mitleiden haben zu können. 
Unser Platz ist im Himmel, und unser Weg auf der Erde ist 
in Übereinstimmung mit dem Platz, den wir im Himmel haben, und das soll unser Wandel auch zum Ausdruck bringen. 
Welches war der Weg Christi in dieser Welt? Selbst als Sohn 
des Menschen auf Erden war Er stets der „Sohn des Menschen, der im Himmel ist". Jedes Atom Seines Lebens war 
der Ausdruck dieses himmlischen und gesegneten Wesens, 
und so ist es mit uns, wenn wir praktisch in Ihm bleiben. 
Der Christus, Der im Himmel ist und uns diesen Platz im 
Lichte der Gegenwart Gottes gibt, ist derselbe Christus, Der 
153 
in uns ist. Auch sagt der Apostel: „Allezeit das Sterben 
Jesu am Leibe umhertragend, auf daß auch das Leben Jesu 
an unserem Leibe offenbar werde." Das Leben des Gläubigen 
auf der Erde ist die Offenbarung dieses Lebens in Jesu, mit 
dem Er im Himmel ist. Es ist der Ausdruck dieses Christus 
auf Erden. Da wo wir fehlen, wo unser Leben nicht der Ausdruck des Lebens in Jesu ist, wird das Wort Gottes, das als 
der Ausdruck desselben uns richtet, angewandt. Auf diese 
Weise vollzieht sich die Heiligung durch die Wahrheit. Das 
Wort stellt Christus, wenn ich Ihn nicht offenbare, vor mich 
hin und richtet diesen Zustand. Was geschieht aber, wenn ich 
Schwierigkeiten und Prüfungen auf dem Wege begegne? 
Dann habe ich die Fürbitte Christi. Ich habe Christus, Der 
für mich bittet, als Den, Der den ganzen Trost der Gnade 
Gottes kennt, — einer Gnade, die aus Ihm hervorquillt und 
bis auf das Leben auf der Erde herabströmt. Er hat es erfahren, wie eine Seele in der Prüfung aufrechterhalten wird. Er 
gebraucht dies alles für mich und verwendet Sich zu meinen 
Gunsten vor Gott nach Seiner eigenen Kenntnis meiner Bedürfnisse. Dort finde ich die Schätze der Gnade, die ich 
benötige, in einer Person, die die Gnade auf ein Herz, das 
durch diese Schwierigkeiten geht, anzuwenden weiß. Er Selbst 
hat diese Schwierigkeiten durchgemacht, bevor Er in Seiner 
Stellung als Priester war. Sein Wandel auf Erden war immer 
der Wandel eines abhängigen Menschen, und jetzt bittet Er 
für uns abhängige Wesen und hält dadurch unsere Gemeinschaft mit dem Gott aller Segnungen aufrecht, und zwar an 
dem Ort, zu dem wir ein Anrecht haben. Man kann sich 
vieler Schwachheiten bewußt sein, wenn man aber sagt: „Ich 
bin schwach", so hat man zugleich das Recht zu sagen: „Hierin 
ist Gott für mich." Wenn ich Licht und Leitung auf meinem 
Wege brauche, so ist Gott hierin für mich. Ich habe alles, 
was Gott für meine Bedürfnisse ist, und das ist die Wirkung 
der Fürbitte Christi. Auf unserem ganzen Prüfungsweg hier 
gibt es nicht eine einzige Schwierigkeit, in die Gott nicht in 
Gnaden eintritt. Ich tue nicht einen einzigen Schritt auf meiner 
Bahn, bei dem Gott nicht an mich denkt. Es können Dinge in 
mir sein, die es erforderlich machen, daß Gott sich damit 
154 
beschäftigt, wie es z. B. bei Hiob der Fall war. Er sieht, daß 
bei Hiob nicht alles in Ordnung ist und sagt: „Ich muß mich 
mit ihm beschäftigen." Er erlaubt Satan, die Pfeile seiner Bosheit auf Hiob abzuschießen, bis dieser in seinen eigenen 
Augen zunichte geworden ist. Und das war es gerade, was 
ihm nötig war. Der Herr sagt zu Petrus: „Simon, Simon, 
siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den 
Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube 
nicht aufhöre". Hier betete Er, bevor die Sünde geschehen 
war. Der Herr gedachte des Petrus; und als der passende 
Augenblick gekommen war, schaute Er ihn an, und Petrus 
weinte bitterlich. Es war gut für ihn, gesichtet zu werden. Er 
war ein treuer und aufrichtiger Mensch, aber er setzte ein zu 
großes Vertrauen in sich selbst und in seine Liebe zu. dem 
Herrn. Später bedient der Herr Sich des Wortes, um ihn 
völlig wiederherzustellen, und sagt zu ihm: „Liebst du mich 
mehr als diese?" Und Petrus, im Bewußtsein der geringen 
Liebe, die er gezeigt hat, ist genötigt, sich hierin auf die 
göttliche Kenntnis zu berufen, und sagt: „Du weißt alle 
Dinge; du weißt, daß ich dich lieb habe." Ja, Du weißt es, 
wenn auch niemand anders es wissen kann. Dann spricht der 
Herr zu ihm: „Weide meine Schafe." Das ist die Erfüllung 
der Worte: „Und du, bist du einst zurückgekehrt, so stärke 
deine Brüder." 
Christus, Der „an dem, was er litt, den Gehorsam lernte", 
verbindet unsere Herzen mit Sich in der Vollkommenheit, in 
der Gott ist, und wendet diese Vollkommenheit in Gnaden 
auf alle Bedürfnisse unserer Seele an. Straucheln wir, so 
tritt die Fürbitte ein und stellt die Seele wieder her, indem 
sie sie fortwährend in dem Vertrauen zur göttlichen Liebe 
erhält. Der Herr bittet für uns selbst ohne daß wir Ihn darum 
angehen. Wir erlangen Seine Fürbitte nicht durch unsere 
Reue oder durch unsere Gebete. Nicht erst dann, als Petrus 
Reue fühlte, sondern schon ehe er gesündigt hatte, hat der 
Herr für ihn gebetet. Er betete für ihn, weil Petrus es nötig 
hatte. „Wenn jemand gesündigt hat, — wir haben einen 
Sachwalter bei dem Vater." Es heißt nicht: „Wenn jemand 
seine Sünde bereut", sondern: „Wenn jemand gesündigt hat." 
155 
Das ist die Wirksamkeit der Gnade im Herzen Jesu zur 
Wiederherstellung unserer Seelen. 
In Hebr 5, 12 lesen wir: „Denn da ihr der Zeit nach Lehrer 
sein solltet, bedürfet ihr wiederum, daß man euch lehre, 
welches die Elemente des Anfangs der Aussprüche Gottes 
sind; und ihr seid solche geworden, die der Milch bedürfen 
und nicht der festen Speise." Man ist geneigt, die feste Speise 
als etwas sehr Großes anzusehen. Die einfache Wahrheit 
aber, die hier gelehrt wird, ist daß den Kindern die Milch 
und den Erwachsenen die Speise gehört. Wer also nicht fähig 
ist, feste Speise zu genießen, der befindet sich in einem 
schlechten Zustand. Ich gebe die Milch nicht einem Erwachsenen, weil für ihn das Fleisch da ist. Wenn wir die feste Speise 
nicht genießen können, ist das ein Beweis, daß wir uns begnügt haben, Kinder zu bleiben, weil wir nicht in Christo 
gewachsen sind. Die Gedanken und Überlegungen des Herzens sind demnach nicht lauter. Wir sind berufen, geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und Bösen zu haben, und 
dies ist unmöglich, wenn wir nicht wirklich mit Gott wandeln. 
Der Platz aber, wo Christus unsere Herzen bewahrt, ist das 
Allerheiligste. Er hat Sich Selbst in der Gegenwart Gottes für 
uns geheiligt, und dort bewahrt Er uns. Wir können Jesus 
vergessen, wir können die Stellung, in die Er uns gebracht 
hat, durchaus nicht nach ihrem Wert schätzen, und es darum 
vernachlässigen, daß Er uns im Allerheiligsten bewahrt, in 
dem vollen und immer frischen Genuß dessen, was dort ist, — 
in der vollkommenen Liebe und im Licht, wie Gott im Licht 
ist, weil die Sünde getilgt ist und wir selbst Gottes Gerechtigkeit in Ihm sind. Ich habe gar nicht mehr an meine Fähigkeit, 
dort zu. sein, zu denken. Ich bin dort und habe nur vollkommen gereinigt dorthin gelangen können. Weil jede Sünde 
getilgt ist und ich folglich als ein Gereinigter dort bin, 
genieße ich auch die Gunst Gottes vollkommen. Ich bin 
wirklich dort eingeführt, von wo das vollkommene Wohlgefallen Gottes hervorströmt — ein Wohlgefallen, das mir 
durch den Tod Christi, der mich gereinigt hat, zuteilgeworden 
ist. Jetzt soll ich auf der Erde Christus offenbaren. Inmitten 
aller Prüfungen und Schwierigkeiten des Weges finden wir 
156 
jedoch das Wor t Gottes , das schärfer als jedes zweischneidige Schwert, alles richtet, was Gott zuwider ist, und 
die Fürbitt e Christi , die all unseren Schwachheiten 
und Fehltritten begegnet. Dieser beiden Mittel bedient Sich 
Gott, um uns voranzuführen. Er ist denselben Weg gegangen, den wir zu gehen haben und ist denselben Versuchungen 
begegnet, denen auch wir begegnen. Wenn wir in der Abhängigkeit Christi bewahrt werden, ist jetzt unsere Schwachheit für Ihn nur ein beständiger Grund zur Ausübung Seiner 
Liebe, und für uns ist sie das Mittel, aus den Schätzen 
Seiner Liebe beständig zu schöpfen. J. N. D. 
Die Anbetung in Geist und Wahrheit 
Hast du jemals im Licht der Heiligen Schrift untersucht, was 
die Anbetung eigentlich ist? Leider ist es dem Feind gelungen, 
die meisten Gläubigen hinsichtlich ihrer Stellung in Christo — 
als durch ein Opfer auf ewig vollendet und in Ihm, dem 
Auferstandenen, vollkommen gemacht — so sehr in Verwirrung zu bringen, daß sie ganz und gar kein Auge haben 
für das, zu dem Gott sie gebracht hat, und stattdessen Ersatzmittel aller Art suchen. „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten", und: „der 
Vater sucht solche, die ihn anbeten". Es muß im Geiste sein, 
eine äußere Form genügt nicht, und es muß in Wahrheit 
sein, d. h. der Grund muß so fest und unerschütterlich gelegt 
sein, daß Gott Selbst dadurch befriedigt ist und das Opfer 
des Anbeters als einen duftenden Wohlgeruch annehmen 
kann. Zu diesem Zweck muß die Sünde vom Anbeter entfernt sein. Es genügt nicht, daß ihm seine Sünden vergeben 
sind, sondern die Sünde muß weggetan sein, und zwar in 
einer so vollkommenen Weise, daß er geheiligt und fähig 
gemacht ist, ja sogar aufgefordert wird, nicht in den äußeren 
Vorhof, nicht in das Heilige, in das die Priester des Alten 
Bundes eintreten durften, sondern als Anbeter ins Alierheiligste einzugehen, in jene Stätte, die im Vorbild nur der 
Hohepriester und das nur einmal im Jahr betreten durfte. 
Welch eine Reinigung muß es sein, die ihn hierzu befähigt! 
157 
Nicht in seiner eigenen Person, sondern in Christo geht er 
hinein. Über die Sünde, die der Sohn Selbst an Seinem eigenen Leib auf dem Holz getragen hat, ist das Gericht ergangen. Er, das Schlachtopfer, das einzige, das uns vollkommen 
vertreten konnte, weil es unbefleckt und göttlich war, trank 
den Kelch des Gerichts bis zur Neige an unserer Stelle, so 
daß — wenn man sich so ausdrücken darf — nicht das 
kleinste Teilchen der Gerechtigkeit Gottes unbefriedigt oder 
für uns zu befriedigen übriggeblieben ist. Am Kreuz wurde 
der Mensch für immer beiseitegesetzt, und zwar als von 
Grund auf verderbt, ohne Hoffnung, tot in Sünden. Der Tod 
Christi ist das über den Menschen als Sohn Adams gefällte 
Urteil Gottes, so daß das Leben aus Adam für alles Gute als 
völlig unbrauchbar erklärt worden ist. 
Welch eine Beruhigung für den Gläubigen, dem „elenden 
Menschen" sozusagen Lebewohl zurufen zu dürfen (Rö 6, 3-
11), sowohl den Leib der Sünde als auch die Sünden weggetan 
(Kol 2, 11), und sich vom Leibe des Todes (Rö 7, 24) erlöst 
zu sehen! Ja, mehr noch, die Schuld ist bezahlt, und was ist 
aus dem Schuldner geworden? Wir haben gesehen, daß er 
gestorben ist. Ist das alles? Nein, er ist in ein neues Leben 
eingegangen. Nicht ein Funke, nicht eine Spur des alten 
Lebens ist übriggeblieben: „Siehe, alles ist neu geworden." 
Und von welcher Art ist dieses neue Leben? Es ist das Leben 
Christi. Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu 
hat mich freigemacht" (Rö 8, 2). Der Geist aber (ist) Leben 
der Gerechtigkeit wegen" (Rö 8, 10). „Dies ist das Zeugnis: 
daß Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben 
ist in seinem Sohne. Wer den Sohn hat, hat das Leben" 
(1. Joh 5, 11. 12). „Euer Leben ist verborgen mit dem 
Christus in Gott" (Kol 3, 3). Ist das nicht die richtige Zubereitung zum Eintritt in das Allerheiligste? Ja, wir sind in 
Christus ins Allerheiligste versetzt, denn „er hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen örtern in 
Christo Jesu" (Eph 2, 7). Dieses und kein anderes, kein geringeres ist unser Heiligtum. Können wir Christus aus diesem 
Heiligtum herunterziehen? Kann Gott Ihn anderswo sehen 
als im Heiligtum? Kann Er uns i n Ih m anderswo sehen? 
158 
Gewiß nicht, und wenn wir diesen Platz nicht einnehmen, 
so heißt das, Ihn verunehren und Sein Werk gering achten. 
Wenn du diese Stellung als Anbeter nicht einnehmen kannst, 
so betrachtest du dich entweder in deiner alten Natur und 
hast sie nicht völlig aufgegeben, oder du unterschätzest den 
Wert der Person Christi, an Den zu glauben du behauptest. 
Versuche nicht, Licht und Finsternis miteinander zu vermengen. Bediene dich des Lichtes, das Gott in Christo hervorstrahlen lassen hat, und laß das Kreuz dich trennen von aller 
Finsternis in dir, wie das Kreuz es nach Gottes Gedanken 
und nach Seinem Werk bereits getan hat (2. Kor 5, 17. 18; 
Eph 2, 10; 5, 8). Höre die Worte: „Das Alte ist vergangen, 
siehe, alles ist neu geworden". Betrachte sie und vertiefe 
dich in sie. „Vergangen" und „neu geworden". Nicht nur die 
Sünden, nein, „Das Alte", d. h. alles, was uns von Adam her 
anhaftete, „ist vergangen". — „Alles ist neu geworden." Und 
noch mehr: „Alles aber von Gott." Kannst du dir dieses 
Wort aneignen? „Alles von Gott". Vom Alten ist nichts 
mehr vorhanden, alles ist neu geworden, alles von Gott. 
Wunderbar aber wahr. Das Wort Gottes sagt es, und darum 
kann es nicht anders sein. Weder die Gefühle, die Erfahrungen, noch die verschiedenen Arten von Zweifeln und Vernünfteleien können diese kostbare Wahrheit umstoßen. Es 
ist das wahrhaftige Wort Gottes. Fragst du, wie das möglich 
sei, so ist die einzige Antwort: Gott hat es wahr gemacht, 
indem Er das „Alte" in den Tod gegeben und das „Neue" 
in Christus uns geschenkt hat. Und fragst du: Warum? so 
lautet die Antwort: Weil Gott, Der „reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, 
. . . uns mit dem Christus lebendig gemacht (hat), . . . auf 
daß er . . . den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade 
in Güte gegen uns erwiese in Christo Jesu" (Eph 2, 4-7), 
und damit schon jetzt „durch die Versammlung kundgetan 
werde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes" (Eph 3, 10). 
Doch wer soll die Frucht dieses Gnadenwerkes ernten? Sicherlich der Gläubige, aber nicht er allein. Soll Gott säen und — 
wenn man es in Ehrfurcht sagen darf — nicht auch ernten? 
Darfst du Ihm Seinen Anteil an diesem wunderbaren Werk 
rauben? Willst du, mit anderen Worten, die Frucht eines 
159 
dankbaren, vollen und überfließenden Herzens verweigern, 
das in Lob, Preis und Anbetung zu Ihm hinaufstrebt? Wer 
war es, der zur festlichen Freude einlud? War es der verlorene 
Sohn? Nein, es war der Vater, der sagt: „Laßt uns fröhlich 
sein". — „Der Vater sucht solche als seine Anbeter. — 
„Durch ihn nun laßt uns Gott stets ein Opfer des Lobes 
darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen 
bekennen . . . denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen" (Hebr 13, 15. 16). „Werdet mit dem Geiste erfüllt, 
redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen 
Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen" 
(Eph 5, 19). Welches ist die erste Frucht des Kreuzes, die in 
Psalm 22 erwähnt wird? — „Verkündigen will ich deinen 
Namen meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich 
dich loben," sagt Christus. 
Geliebte Brüder! Haben wir den Vater kennengelernt als Den, 
Dem wir „nahe geworden" sind (Eph 2, 13-19)? Fühlen wir 
uns in Seinem Hause heimisch? Haben wir von dem gemästeten Kalbe gegessen? Ist der Vater, Der sagt: „Freuet euch 
mit mir"? fröhlich unter uns? Der Brief des Paulus an 
die Epheser und der Brief des Petrus an die auserwählten 
Fremdlinge von der Zerstreuung beginnen beide mit den 
Worten? „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn 
Jesus Christus". Das ist Anbetung. Kann sonst etwas das 
Herz Gottes befriedigen? Wenn deine Kinder mit dir an deinem Tische säßen, und alles was das Herz ersinnen oder wünschen kann, für sie gedeckt und bereitet wäre, was würde 
dann dein Wunsch sein? Würdest du wünschen, daß deine 
Kinder trotz eines solchen Reichtums dich immerfort um Brot 
anflehten? Würde es dir nicht vielmehr eine Freude sein, wenn 
sie fein Zugriffen und dir für deine Güte dankten? — Sicher 
wird sich unser Mund zu Bitten und Gebet öffnen müssen, 
aber sollen wir dies an die Stelle dessen setzen, was Gott 
von uns fordert, nämlich Anbetung, Danksagung und Opfer 
der Erstlinge (5. Mo 26, 1-11)? Gerade das Herz dessen, der 
am meisten seine Abhängigkeit im Gebet fühlt, wird am 
weitesten geöffnet sein, um mit Lob und Dankbarkeit für 
Gott erfüllt zu sein (Lk 34, 53). 
160 
Die letzten Worte Davids 
(2. Samuel 23) 
Es liegt etwas außergewöhnlich Rührendes und zugleich 
Tröstendes in den letzten Worten des Mannes, der „der 
hochgestellte Mann, . . . der Liebliche in Gesängen Israels" 
ist (V. 1). Sicher ist es für uns sehr nützlich und lehrreich, wenn wir auf die „letzten Worte" eines erfahrenen 
Greises oder auf die zarten Töne solcher Heiligen Gottes und 
solcher Diener Gottes lauschen, die den letzten Abschnitt 
ihres stürmischen Lebens erreicht haben. Wir wissen, daß 
unsere ersten Schritte auf dem christlichen Wege mit vielen 
eitlen Einbildungen und törichten Vorstellungen, die unser 
Herz erfüllen, begleitet sind. Wir erwarten große Dinge von 
den Menschen und Umständen. Wir halten alles was glänzt 
für reines Gold, und wir schenken dem, was das Herz bewegt 
und was das Auge sieht, blindes Vertrauen, ohne an dessen 
Verwirklichung auch nur im Geringsten zu zweifeln. Aber 
ach, wie bald werden wir enttäuscht! Wie bald wird unser 
Irrtum offenbar! Die traurige Wirklichkeit heilt uns nur 
zu. bald von den Träumen unserer Kindheit, und die schneidenden Windstöße der Wüste verscheuchen die Blumen unserer Jugendtage. Der junge Gläubige ist geneigt, einem 
jeden, der ein gutes Bekenntnis ablegt, Vertrauen zu schenken, und in der Tat ist dieses arglose Vertrauen liebenswürdig. Möchte es doch eine würdigere Erwiderung finden! Aber 
leider ist dies nicht immer der Fall. Wie bald stößt die junge 
Seele auf ältere Christen, die, anstatt das Wachstum zu fördern, einen schädlichen Einfluß ausüben und Mutlosigkeit, 
Trägheit und Kälte in dem noch unerfahrenen Herzen hervorrufen! Wie wichtig und wertvoll sind daher die „letzten 
Worte" eines Gläubigen, besonders wenn sie nicht nur die 
Frucht eines durch Erfahrung gereiften Urteils, sondern wie 
bei David durch Inspiration des Heiligen Geistes hervorgegangen sind. 
Dies sind die letzten Worte Davids: „Es spricht David, der 
Sohn Isais, und es spricht der hochgestellte Mann, der Gesalbte des Gottes Jakobs und der Liebliche in Gesängen Isra161 
eis: Der Geist Jehovas hat durch mich geredet, und sein 
Wort war auf meiner Zunge. Es hat gesprochen der Gott 
Israels, der Fels Israels zu mir geredet: Ein Herrscher unter 
den Menschen, gerecht, ein Herrscher in Gottesfurcht; und 
er wird sein wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne 
aufgeht, ein Morgen ohne Wolken; von ihrem Glänze nach 
dem Regen sproßt das Grün aus der Erde" (V. 1-4). 
Hier richtet David das göttliche Banner des Charakters für 
jemand auf, der berufen ist, über die Menschen zu herrschen. 
Er muß ein gerechter Herrscher sein, und auf der Grundlage 
der Gerechtigkeit ist ein Bau wolkenlosen Lichts aufgebaut, 
in reichstem Segen und überströmender Fülle. Dies alles wird, 
wie wir wissen, verwirklicht werden, wenn der jetzt in den 
Himmel aufgenommene Sohn Davids vom Thron Seines Vaters herabsteigen und Sein Szepter über die wiederhergestellte 
Schöpfung ausstrecken wird. 
David richtet aber nicht nur das göttliche Banner auf, sondern vergleicht sich selbst damit, und in diesem Vergleich 
finden wir eine große moralische und praktische Wahrheit, 
die sich dem Leser tief ins Herz einprägen sollte. David sagt: 
„Obwohl mein Haus nicht also ist bei Gott, so hat er mir 
doch einen ewigen Bund gesetzt, geordnet in allem und 
verwahrt; denn dies ist all meine Rettung und all mein Begehr, obwohl er es nicht sprossen läßt" (V. 5)! Der einzige 
Weg zur richtigen Einschätzung unserer eigenen Person ist, 
auf Christus zu blicken. Das tut David in diesen „letzten 
Worten". Er wiegt sich auf einer vollkommenen Waage und 
findet sich als gering; er mißt sich mit einem vollkommenen Maß und findet sich mangelhaft. Er blickt auf das vollkommene Muster und ruft aus: „Ich gleiche ihm nicht." Er 
schaut zurück auf die Vergangenheit und sieht die Mängel 
und Gebrechen. Er wendet eine Seite der Geschichte seines an 
Erfahrungen reichen Lebens nach der anderen um, und sein 
Auge, das durch die Lichtstrahlen des Heiligtums erleuchtet 
ist, sieht die Runzeln und Flecken. Aber, Gott sei gepriesen, 
er kann zurückgreifen auf den „ewigen Bund, geordnet in 
allem und verwahrt", und in diesem geordneten Bunde findet 
er „all seine Rettung und all sein Begehr." 
162 
Eine ungewöhnliche Schönheit zeigt sich in der Verbindung 
der beiden Wörtchen „obwohl" und „doch", die wir in der 
oben angeführten Stelle finden. Das erste läßt einen weiten 
Rand offen, um dem Ausdruck eines überführten und gebeugten Herzens einen neuen Platz anzuweisen, und das zweite 
öffnet die Schleusen, um die volle Flut göttlicher Gnade und 
Huld einzulassen. Das Wörtchen „obwohl" setzt den Menschen in den Staub eines Fehlenden, während das Wörtchen 
„doch" Gott einführt in die Fülle Seiner erbarmenden Liebe. 
Jenes ist die Sprache einer Seele, die sich kennengelernt hat, 
dies der Ausdruck eines Herzens, das einige Bekanntschaft 
mit Gott gemacht hat. 
Geliebter Leser, ist es nicht ein großes Glück, daß wir, wenn 
wir das Ende unserer Geschichte erreicht haben und zurückblickend auf unser Leben, ausrufen müssen: „Mein Haus ist 
nicht also bei Gott"!, daß wir dann die ewige Unerschütterlichkeit jener Gnade erfahren, in der „all unsere Rettung 
und all unser Begehr" ist? 
Kurze Gedanken 
„Wenn ihr mich liebet, so haltet meine Gebote" (Joh 14. 15). 
Der Wunsch des Herrn ist, daß wir aus Liebe zu Ihm in Seinen Geboten wandeln sollen, und sicher ist dies auch der 
einzige, kostbare Beweggrund eines guten Wandels, weil 
dabei das Herz in Tätigkeit für den Herrn ist. 
Weil unsere Liebe zum Herrn so schwach ist, gibt es leider 
bei uns viele andere Beweggründe für unser Tun. Aber wenn 
es auch an und für sich anerkennenswert ist, wenn das Böse 
gemieden und das Gute getan wird, so werden doch solche 
Werke nur dann als völlig vor unserem Gott erfunden werden, wenn sie aus der einzigen gottgefälligen Quelle hervorgehen. 
Wie vieles tun und wie manches lassen wir, weil wir gesetzlich sind und der Unruhe des Gewissens ausweichen möch163 
ten, oder weil wir die Ermahnungen der Brüder fürchten, 
oder gar das Urteil der Welt scheuen! Aber dies alles hat 
nicht die Liebe zu Jesus zur Quelle. „Lasset uns ihn lieben, 
denn er hat uns zuerst geliebt." Wenn wir uns von dieser 
Liebe leiten lassen, werden unsere Werke den wahren Klang 
vor Ihm haben. Alles andere ist wertlos und bringt keine 
Frucht. 
„Gebet nicht das Heilige den Hunden; werfet auch nicht 
eure Perlen vor die Schweine, damit sie dieselben nicht etwa 
mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen" (Matthäus 7, 6). 
Diese Worte, sowie die ganze sogenannte Bergpredigt sind 
zwar zunächst Grundsätze des Reiches der Himmel, das auf 
dieser Erde aufzurichten der Herr gekommen war. Aber die 
Kirche oder Versammlung hat schon jetzt, obwohl das Reich 
noch nicht geoffenbart ist, die Berufung, ihren himmlischen 
Charakter zu zeigen, und darum ist gerade die obige Stelle 
in einem weit höheren Sinn auf die Versammlung anwendbar, weil sie „Heiliges" und "Perlen" besitzt, die sich im 
Reiche nicht finden. 
Man hat nun oft dieser Stelle die Bedeutung unterschoben, 
als sollte man, weil Widerspruch und sogar Spott und Verachtung zu erwarten sei, nicht mit den Kindern dieser Welt 
über die Notwendigkeit ihrer Bekehrung reden, oder als beträfen diese Worte überhaupt die Verkündigung des Evanliums. Doch sicher ist dies nicht ihre wahre Deutung. Das 
Evangelium sollte man allen nahebringen, obwohl es sich 
bei dem einen als ein Geruch des Lebens zum Leben und bei 
dem anderen als ein Geruch des Todes zum Tode erweisen 
wird. 
Unmöglich ist daher mit dem „Heiligen" und den „Perlen" 
das Evangelium gemeint. Diese Ausdrücke sind vielmehr 
Bilder für die Köstlichkeit der Beziehungen, in denen die 
Kinder Gottes zu ihrem Vater und ihrem Heiland stehen. 
Wer möchte mit der Welt reden über diese herrlichen Bezie164 
hungen, über die kostbare Hoffnung der Kinder Gottes, über 
ihre Gemeinschaft mit Gott, über ihre Freude im Herrn, über 
den allen Verstand übersteigenden Frieden Gottes — kurz, 
über die Dinge, die die Welt nicht kennt und nie erfassen 
kann? Eine Unterhaltung dieser Art mit den Kindern dieser 
Welt hieße „das Heilige den Hunden geben" und „die Perlen 
vor die Schweine werfen" und würde keineswegs eine gute 
Wirkung haben, während das Evangelium sie zu erretten 
vermag. 
„Dann stand er auf und bedrohte die Winde und den See; 
und es ward eine große Stille" (Matthäus 8, 26). 
Der Herr hatte kurz zuvor mehrere Wunder verrichtet. Er 
hatte einen Aussätzigen geheilt, den Knecht des Hauptmanns 
gesund gemacht und die Schwiegermutter des Petrus vom 
Fieber befreit. Bis dahin hatte Sich der Herr mit den Menschen und deren Elend beschäftigt. In der oben angeführten 
Stelle beschäftigt Er Sich mit den Elementen. Die Winde verstehen Ihn und sind Ihm Untertan. Er kann sie hervorrufen 
wie bei Jona, und Er kann sie zum Schweigen bringen. Welch 
ein Herr, Dem die Krankheiten, die Teufel und die Winde 
gehorchen! Wie ruhig können wir sein, wenn wir verstehen 
und durch den Glauben festhalten, daß Er für uns ist! 
Die Jünger weckten Ihn in ihrem Kleinglauben, aber der Herr 
richtet die Frage an sie: „Was seid ihr furchtsam, Kleingläubige?" Trotz Seines Schlafes hätten sie ihr Vertrauen nicht 
aufgeben sollen. Hätten sie verstanden, daß der Herr Selbst 
mit ihnen untergehen würde, wenn das Schiff sank, und hätten sie die ewigen Ratschlüsse Gottes gekannt, die sich an 
diese heilige Person Jesu, knüpften, dann hätten sie ihn sicher 
ungestört schlafen lassen. Ein Windstoß kann die ewigen 
Ratschlüsse Gottes nicht vereiteln. Wie klein und machtlos 
wird alles, was uns zuwider ist, wenn wir Jesus kennen und 
Seine Macht und Treue verstehen. Aber wie unüberwindlich 
groß erscheint uns der geringste Widerstand, wenn wir den 
Herrn nicht einbeziehen! 
165 
„Und nun laß mich, daß mein Zorn wider sie entbrenne und 
idi sie vernichte; dich aber will ich zu einer großen Nation 
machen" (2. Mose 32, 10). 
Das Volk Israel hatte gesündigt, und bevor Mose dies wußte 
und bevor er ein Wort gesprochen hatte, sagte Gott zu ihm: 
„Und nun laß mich ... " Welch ein Zeugnis für die Treue 
Moses! Gott kannte diesen Mann, der treu war in seinem 
ganzen Hause. Obwohl Gott hinzufügte: „Dich aber will ich 
zu einer großen Nation machen", macht dies auf Mose durchaus keinen Eindruck. Der treue Knecht begehrte nichts für 
sich, aber sein ganzes Herz hing an diesem Volk. Er hatte 
daher nichts Eiligeres zu tun als Gott zu sagen, daß dieses 
Volk Sein eigenes Volk sei. Er erinnert Gott an die Macht, die 
nötig war, um das Volk aus Ägypten zu führen, er erinnert 
Ihn daran, daß die Ägypter sagen würden, Gott habe dieses 
Volk nicht ins Land Kanaan bringen können, und schließlich 
beruft er sich auf die Verheißungen, die Er Abraham, Isaak 
und Jakob gegeben hatte. Umsonst hat Gott gesagt: „Und 
nun laß mich ... " Mose hatte kein Ohr für solche Worte, 
aber ein Herz, ein ganzes Herz für das Volk Gottes. 
Nicht als ob Mose die Sünde gering achtete. O nein. Wir 
sehen dies aus der Geschichte, wie er einst gegen die Sünde 
handelte. Er verstand es, bei dem Sünder für die Heiligkeit 
Gottes tätig zu sein, und bei Gott die Erbarmung gegen die 
Sünder zu erwirken. Möchten wir ihm ähnlich sein! Möchten 
wir lernen, uns eins zu machen mit dem Volke Gottes und 
die Fürbitte zu üben, wie Mose sie übte. 
„Und Gott sprach zu Noah: Das Ende alles Fleisches ist vor 
mich gekommen; denn die Erde ist voll Gewalttat durch sie; 
und siehe, ich will sie verderben mit der Erde. Mache dir 
eine Arche von Gopherholz" (1. Mo 6, 13. 14). 
Noah glaubte den Aussprüchen Gottes und machte sich daran, 
sein Rettungsschiff zu bauen. Das mußte eine wunderliche 
Sache für die Menschen sein, von Noah zu hören, daß die 
Welt bald untergehen werde, und zu sehen, daß er sich ein 
großes Schiff zu seiner Rettung baute. Wie mögen die gott166 
losen Menschen gespottet haben und wie töricht mag ihnen 
Noah bei seiner Zimmermannsarbeit erschienen sein! Aber 
Noah baute und die Menschen blieben gottlos, bis die Flut 
kam. Dann ruhte Noah in Sicherheit in seiner Arche, aber 
sein Ohr hörte die Spottreden nicht mehr. Das Gericht verschloß den Mund und vernichtete die Werke der Sünder für 
ewig. 
Und wie es mit der Arche ging, so geht es heute noch. Die 
einen suchen den Platz, wo man sicher ist vor den kommenden Gerichten und sie ruhen nicht eher, als bis sie in Christus 
die Ruhe des Gewissens und den Frieden des Herzens gefunden haben. Die anderen lachen und spotten, wenn man 
sie an den kommenden Zorn Gottes erinnert. — Wie es Noah 
ging, so geht es heute noch. Ist Christus die Arche des Heils 
für uns geworden, dann gibt es keine Gefahr. Je näher die 
Wasser der Flut stiegen, um so näher kam Noah zu Dem, 
Der über den Wassern wohnte. — Wie es damals den Gottlosen erging, so wird es auch wiederum den Gottlosen ergehen. Sie werden essen und trinken, usw., bis der Richter 
Sich erhebt und alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße 
gelegt werden. O, möchten sich noch einige warnen lassen! 
„Das Gesetz wurde durch Moses gegeben; die Gnade und 
die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden" (Johannes 
1, 17). 
Das Gesetz sagte dem Menschen, was er tun sollte, aber 
nicht was er war. Es knüpfte das Leben an seinen Gehorsam 
und den Fluch an seinen Ungehorsam. Aber es sagte ihm 
nicht, daß Gott die Liebe ist. „Tue dies und du. wirst leben", 
und „Verflucht ist, wer nicht hält alle Worte dieses Gesetzes." 
Alles dies war vollkommen an seinem Platz. Aber man lernte 
daraus weder was der Mensch, noch was Gott war. Die Wahrheit hingegen zeigt uns nicht, wie der Mensch sein sollte, 
sondern wie er ist, und wie Gott ist. Dies aber konnte nicht 
geoffenbaret werden ohne Gnade. Wie konnte der schreckliche Zustand des Menschen vor seinen Blicken enthüllt 
werden, ohne daß zugleich in Jesus das Heilmittel gezeigt 
wurde! Wie konnte dem Sünder die Heiligkeit und Gerech167 
tigkeit Gottes enthüllt werden, ohne zugleich in Jesus Den 
zu. offenbaren. Der in Gnaden gekommen war, um die 
Sünder anzunehmen und die Gerechtigkeit Gottes zu befriedigen! Die Wahrheit zeigt den Zustand des Menschen, und 
die Gnade heilt diesen Zustand. Die Wahrheit offenbart Gott 
in Seiner ganzen Fülle, und die Gnade führt zu dieser Fülle 
Gottes. Wahrheit und Gnade sind zwei Begriffe, die nie getrennt werden dürfen. 
Die Fürbitte Christi 
(Lies den Hebräerbrief und 1. Johannes 2, 1. 2) 
Es scheint, daß die Lehre der Fürbitte Christi bei vielen 
Christen in eine gewisse Dunkelheit gehüllt ist und es von 
großem Nutzen sein dürfte, sie zu erhellen. Die meisten weisen dieser Lehre den unrechten Platz an, indem sie aus ihr 
das Mittel zur Erlangung der Gerechtigkeit und des Friedens 
machen wollen, wodurch natürlich der von ihnen nicht erkannte Charakter der Erlösung abgeschwächt wird. Andere 
hingegen, die verstanden haben, daß die Erlösung vollkommen und vollendet ist, lassen die Fürbitte beiseite, weil diese 
mit der Vollkommenheit der Erlösung, die sie dadurch geschwächt und verleugnet zu sehen glauben, für unvereinbar 
halten. Daß aber alle diese Christen im Irrtum sind und den 
wahren Charakter der Fürbitte Christi verkennen, ist einleuchtend. Sie ist auch nicht ein Mittel zur Erlangung der 
Gerechtigkeit und des Friedens. Sie zu. diesem Zweck benutzen zu wollen, ist von großem Schaden und verhindert uns, 
an der Wahrheit festzuhalten, daß wir Gottes Gerechtigkeit 
in Christo sind. Aber ebenso schädlich ist es, die Fürbitte 
Christi aus dem Auge zu verlieren, nachdem wir Christus 
als unsere vollkommene Gerechtigkeit erkannt haben. Auf 
diese Weise macht man aus der Gerechtigkeit eine kalte 
Sicherheit, an der das Herz keinen Anteil hat. Man zerstört 
in der Seele das tiefe und süße Gefühl der beständigen Liebe 
Christi zu uns, sowie unsere Abhängigkeit von der täglichen 
Ausübung dieser Liebe. 
168 
Weil, wie schon bemerkt, die Mehrzahl der Christen der 
vollkommenen Liebe Gottes in Gerechtigkeit nicht versichert 
ist, gehen sie zu Christus, um von Ihm zu erlangen, daß Er 
Sich mit ihrer Sache befasse und für sie vor Gott Fürbitte 
einlege, um alles in Ordnung zu. bringen. Ohne sich davon 
Rechenschaft zu geben und ohne es eingestehen zu wollen, 
erblicken sie tatsächlich in Christus die Liebe , in Gott das 
Gericht , und sie erwarten von Christus, daß Er Gott 
zum Mitleid, zum Erbarmen und zur Vergebung bewege. Im 
Blick auf die allgemeinen Belehrungen in unseren Tagen ist 
es wirklich kein Wunder, daß sich viele in einem solchen 
Seelenzustand befinden. Aber dieser Zustand verrät nicht 
unsere wahrhaft christliche Stellung. Die Liebe Gottes ist die 
Quelle aller unserer Vorrechte und der Hoffnungen unseres 
Heils, und kraft des Werkes Christi, in dem Gott verherrlicht 
worden ist, betätigt sich diese Liebe vollkommen in der 
Gerechtigkeit (Rö 5, 21). Wir sind Gottes Gerechtigkeit in 
Christo (2. Kor 5, 21), wir haben nicht nötig, sie zu suchen. 
Christus ist unsere Gerechtigkeit für immer. Diese Gerechtigkeit ist ebenso vollkommen wie beständig und fortdauernd, 
wie vollkommen. Gott ist in dieser Beziehung vollkommen 
verherrlicht worden, und Seine Liebe ergießt sich völlig und 
nach der Gerechtigkeit auf den Christen wie aui Christus 
Selbst. Die Stellung ist sicher und von Gott festgestellt —-
eine Stellung und eine Verbindung, die sich nie verändern. 
Die Fürbitte Christi ist auf sie gegründet. Wenn ich später 
vom Brief an die Hebräer spreche, werden wir auch sehen, 
inwiefern jene Handlung, die das Fundament unseres Platzes 
vor Gott vervollständigte, eine Handlung des Priesters war. 
Andererseits ist es ebenso wahr, daß wir auf Erden arme, 
schwache Kreaturen sind, die oft straucheln (Jak 3, 2). 
Unser Platz vor Gott ist im Licht, wie Gott im Licht ist, und 
dort sind wir in der Gerechtigkeit, von der wir eben gesprochen haben, angenommen. Aber wir wandeln noch durch eine 
versuchungsreiche Wüste, und zwar in einem noch nicht 
erlösten Leibe. Wir sind schwache und abhängige Geschöpfe, 
die oft straucheln, und leben in einer Welt, wo wir der 
Gnade und der Barmherzigkeit „zur rechtzeitigen Hilfe" 
169 
bedürfen. Die besseren Neigungen werden durch unsere täglichen Bedürfnisse, durch das tägliche Vertrauen und durch 
das tägliche Erfahren der Treue des Herrn, nicht aber durch 
das Gefühl unserer Sicherheit erweckt und in Tätigkeit gesetzt, obwohl das Zweite die Grundlage des Ersten und 
durchaus notwendig ist, und schon an und für sich Dank und 
Lob hervorbringt. Aber es ist einleuchtend, daß die Abhängigkeit und alles, was damit zusammenhängt, weder hervorgerufen noch unterhalten wird durch die Tatsache, daß wir 
vollkommen und auf immer vollendet sind. Wenn ich das 
Gefühl verliere, daß ich so auf immer vollkommen vor Gott 
bin, so wird meine Furcht eine knechtische sein, und wenn ich 
in Gott einen gerechten Richter erblicke, werde ich wegen 
meiner Sicherheit auf Christus sehen. Wenn ich aber das 
Gefühl meiner Abhängigkeit in der Schwachheit verliere, 
dann genügt es mir, mich in Sicherheit zu wissen; höher geht 
mein Bestreben dann nicht, und die besten Neigungen und 
die köstlichsten Gnadengaben werden nicht wachgerufen. 
Betrachten wir jetzt, worin denn eigentlich die Fürbitte besteht und welches der Platz ist, der ihr im Christentum 
gebührt. 
Die Fürbitte unseres Herrn hat zwei verschiedene Charaktere: 
Christus ist Priester vor Gott und Sachwalter bei dem Vater. 
Unter diesen beiden Charakteren erscheint Er vor Gott und 
vor dem Vater für uns, damit wir die Segnungen empfangen, 
die wir brauchen. Der erste dieser Charaktere ist aber allgemeiner als der zweite. Als Prieste r ist Christus vo r 
Gott , so daß wir zu Gott kommen und Ihm nahen dürfen; 
Er bittet aber auch zugleich für unsere Bedürfnisse. Als 
Sachwalte r be i de m Vate r ist Er mehr für die 
Wiederherstellung der Gemeinschaft tätig. 
Hier stoßen wir auf einige Schwierigkeiten. Es gibt Personen, 
die leugnen, daß das Wort Fürbitte die tatsächliche Fürbitte 
oder Dazwischenkunft für uns bezeichnet. Sie behaupten, der 
griechische Ausdruck ..entvgckän-ö" bezeichnet nur die persönliche Gegenwart oder das Erscheinen des Herrn vor Gott 
und unserem Vater für uns. Doch das ist ein Irrtum. Wenn 
wir in Hebr 7, 25 lesen, daß „er immerdar lebt, um sich für 
170 
sie zu verwenden", so lebt Er doch nicht immerdar, um unsertwegen nur vor Gott zu erscheinen. Auch in Rö 8, 34 lesen 
wir: „Der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns 
verwendet." Und wenn wir in demselben Kapitel (V. 26, 27) 
in bezug auf den Heiligen Geist die Worte lesen: „Der Geist 
verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern", so ist 
es klar, daß der Ausdruck, um den es sich hier handelt, in 
dem einfachen und gewöhnlichen Sinn einer tatsächlichen 
Fürbitte für uns angewendet wird. Denn in keiner Weise 
erscheint der Heilige Geist in der Gegenwart Gottes für uns, 
sondern Er spricht für uns; Er verwendet Sich in unaussprechlichen Seufzern. Der Gebrauch des Wortes „eatvgchü/uT, 
ist also unzweideutig. 
Andere Personen haben, wie seltsam dies auch scheinen mag, 
sich nicht zu sagen gescheut, daß der Brief an die Hebräer 
nicht an Christen, sondern an den jüdischen Überrest gerichtet sei. Allerdings gibt es in diesem Brief Aussprüche, 
die wie Äste eines fruchtbaren Baumes über die Mauer hinausragen und so bis zu jenen Gläubigen zu ihrem Nutzen 
und Segen hingelangen. Dennoch ist der Brief an Christe n 
gerichtet. An wen wuxde (und in der Tat ist, da es ein Brief 
ist und keine Prophezeiung, dies ein genügender Beweis) der 
Brief gerichtet, an Christen oder an Nichtchristen? Ohne Zweifel an Christen. Es bestand damals kein anderer jüdischer 
Überrest, als Christen, an den der Brief hätte gerichtet sein 
können. Der Irrtum, in den man in dieser Beziehung gefallen 
ist, scheint daher zu kommen, daß der Brief sich nicht auf 
den eigentlichen christlichen Boden stellt, d. h. auf den Boden 
der Vereinigung der Gläubigen mit Christus. Er sieht vielmehr die Gläubigen auf der Erde und Christus für sie im 
Himmel abgesondert, von ihnen getrennt, für sie persönlich 
in der Gegenwart Gottes. Er sieht die Gläubigen nicht als in 
die himmlischen örte r versetzt (vgl. Eph 1, 3-6. 22; 2, 5. 7), 
sondern als in Trübsal, in der Wüste geübt und geprüft. Der 
Brief richtet sich an die heiligen Brüder der damaligen Zeit, 
die Genossen der himmlischen Berufung waren und Christus 
zum Apostel und Hohenpriester ihres Bekenntnisses hatten 
(Hebr 3, 1). Er richtete sich also damals nur an Christen, denn 
171 
nur sie genossen diese Stellung, und er richtet sich nicht d i -
T e k t an jemand anders. Gott brachte viele Söhne zur Herrlichkeit und Christus ist der Urheber ihrer Errettung (Hebr 2, 
10). Vom Anfang bis zum Ende des Briefes finden wir dieselbe Wahrheit. Sie nimmt Bezug auf die, die damal s die 
himmlische Gabe geschmeckt hatten und des Heiligen Geistes 
teilhaftig geworden waren (Hebr 6, 4). Damal s hatten sie 
den Heiligen gedient, damal s hatten sie mit Freuden den 
Raub ihrer Güter aufgenommen, da sie wußten, daß sie selbst 
eine bessere und bleibende Habe besaßen (Hebr 6, 10; 10. 32. 
34). Es scheint mir nicht wahrscheinlich, daß jemand daran 
zweifeln könnte, daß die, von denen man damals diese Dinge 
sagen konnte, Christen waren, oder daß sich, mit anderen 
Worten, dieser Brief an Christen , und nur an solche, 
richtet. Ihre Hoffnung war innerhalb des Vorhangs, wo 
Jesus eingegangen ist als Vorläufer des Schreibers und derer, an die er schrieb (Hebr 6, 18-20). War der Schreiber 
kein Christ? Sie nahten Gott damals , ich denke, als 
Gläubige, d. h. als Christen. Ihnen geziemte ein Hoherpriester, höher als die Himmel geworden, weil sie im Geiste dort 
eintraten (Hebr 7, 26; 8, 2). Das ganze neunte Kapitel setzt 
eine damal s ewige Erlösung, ein ewiges Erbe, die himmlischen Dinge, und das Erscheinen Christi Selbst im Himmel 
zur Zeit der Abfassung des Briefes für die voraus, an die er 
gerichtet war. Ihre Gewissen waren gereinigt (Hebr 9, 11-14), 
während die des Oberrestes es erst dann sein werden, wenn 
sie Christus kommen sehen. Christus sitzt für immer zur 
Rechten Gottes (Hebr 10, 12), und der Eintritt ins Heiligtum 
war für sie auf einem neuen und lebendigen Weg geöffnet 
(Hebr 10, 19-22). Sie sollten den Anfang ihres Bekenntnisses 
standhaft festhalten (Hebr 3, 6-14; 4, 14; 6, 11; 10, 23). Sie 
waren Gläubige, d. h. solche, die Zutritt hatten in das Alierheiligste. Der ganze Brief setzt voraus, daß die, an die er sich 
richtet, Gläubige waren, daß sie ein ihnen bekanntes Teil 
im Himmel hatten, und daß dies ihre Berufung war. Er 
spricht nicht nur von den einzelnen, die, nachdem sie getötet 
worden seien, einen Platz im Himmel haben würden (vgl. 
Offb 6, 9-11; 20,4); der Himmel ist die Berufung aller derer, 
172 
an die der Brief gerichtet ist. Es waren Christen, wenn auch 
Christen aus dem Judentum. Der Brief richtet sich nur an 
solche, die es sind, obwohl er in seiner Ausdrucksweise auch 
derer gedenkt, die späterhin auf der Erde geschont werden; 
denn für diese ist noch eine Ruhe übriggeblieben. 
Es ist in der Tat ganz unglaublich, daß man den Brief an die 
Hebräer lesen kann ohne zu erkennen, daß er zu Christen 
redet und nur an Christen gerichtet ist, d. h. an solche, die 
damals für den Himmel berufen waren und deren Bekenntnis 
ein solches war. Ich gebe gerne zu, daß der Brief nicht an die 
Kirche als solche gerichtet ist. Er würde, wie auch die Kirche, 
seine wahre Bedeutung verlieren, weil die Kirche mit Christus 
im Himmel vereinigt ist, und hier die Christen nicht von diesem Standpunkt betrachtet werden. Der Brief wäre nicht an 
seinem wahren Platz, weil er lehrt, daß Christus für uns im 
Himmel ist, während wir noch auf der Erde wandeln und 
kämpfen und unsere irdische Stellung zur Anbetung der 
himmlischen Gnade Veranlassung gibt. Aber die Gnade von 
oben, die uns in einer irdischen Lage findet, während wir für 
den Himmel berufen sind, führt uns ein in die Erkenntnis der 
Liebe, der Teilnahme und Treue, die in Jesus ist, sowie des 
Interesses, das er an unserer Lage und den Verhältnissen 
nimmt, in denen wir uns hier befinden. Das kann nicht der 
Fall sein, wenn von unserer Vollkommenheit in Ihm die Rede 
ist. Die Gnade bildet uns also zur Abhängigkeit und zum 
Vertrauen auf Ihn; sie lehrt uns, auf Seine Treue zu rechnen, 
sie macht, daß wir das Interesse, das Er beständig für uns hat, 
ergreifen, und läßt uns auf den Zeitpunkt hinschauen, wo wir 
Ihn sehen werden, wie Er ist. Dies kann nicht der Fall sein, 
wenn von unserer Anwesenheit in Ihm im Himmel die Rede 
ist. 
Was nun die Stellen in 1. Joh 2, 2 und Rö 8, 34 betrifft, 
so beziehen diese sich unstreitig auf Christen . Die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn ist unstreitig das 
Teil der Christen. Das achte Kapitel des Römerbriefes bedarf 
in dieser Hinsicht gar keiner Erklärung. Wenn man die Stelle 
in 1. Joh 2, 2 auf Nichtchristen beziehen wollte, wie wäre sie 
dann mit der Fürbitte in Einklang zu bringen? Das Eintreten 
173 
des Herrn als Sachwalter ist also auf die Tatsache gegründet, 
daß Jesus Christus, der Gerechte, der Sachwalter und die 
Sühnung für unsere Sünden ist. Die göttliche und vollkommene Gerechtigkeit und die vollkommene Versöhnung haben 
uns gezeigt, wie Gott im Lichte ist, auf daß wir darin wandeln 
sollen; und weil wir fehlen — „wenn jemand gesündigt hat" 
— dann wird und kann keine Zurechnung möglich sein, weil 
diese Gerechtigkeit und diese Versöhnung immerdar vor Gott 
sind. Es ist unmöglich, weil die Sünden weggenommen sind 
und die Gerechtigkeit fortbesteht. Gott kann jedoch die Sünde 
in denen, die Er liebt, nicht dulden, und Christus bittet für 
uns sowohl kraft Seines Werkes, als auch kraft dessen, daß Er 
unsere Gerechtigkeit vor Gott ist. So wird die Seele wiederhergestellt. Der Grundlage der Tätigkeit Christi als Sachwalter führt auch dahin, von der ähnlichen oder wirklich 
gleichen Grundlage des Priestertums zu sprechen. Auf Erden 
konnte Christus nicht Priester sein, aber es gab ein Werk, das 
der Hohepriester außerhalb der im Heiligtum stattfindenden 
Ausübung des Priestertums zu vollziehen hatte, •— ein Werk, 
das den Grund zu dieser Ausübung legte, bei dem er der 
Stellvertreter des Volkes war und das den Grund legte zu 
dem, was eigentlich sein priesterlicher Dienst im Laufe des 
Jahres war: ich meine das Opfer des großen Versöhnungstages, an dem das Blut auf den Gnadenstuhl gebracht und 
die Sünden auf den Kopf des Bockes Asasel bekannt wurden 
(3. Mo 16). Auf diese Weise wurde das Volk versöhnt, und 
auf dieser Grundlage ruhte die ganze Ausübung des Priestertums. Der Brief an die Hebräer nimmt nun Bezug auf diese 
Handlung sowie auf das Priestertum selbst. Durch Sein 
irdisches Leben wurde Christus befähigt, Mitgefühl zu haben, 
obwohl Er jetzt im Himmel ist, und das auf Erden vollbrachte 
Opfer (durch das Er, was die Schuld betrifft, die Sünden für 
immer wegnahm) bildet die Grundlage der Fürbitte wegen 
der täglichen Segnung und des täglichen Zutritts zu Gott 
durch Ihn. Darum erklärt der Brief an die Hebräer nachdrücklich, daß Christus nicht Priester sein könnte, wenn Er 
auf Erden wäre (Hebr 8, 4), und er sagt zugleich: „Daher 
mußte er in allem den Brüdern gleich werden, auf daß er in 
174 
den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hoherpriester werden möchte, um die Sünden des Volkes zu sühnen" (Kap 2, 17). Auf dieser Grundlage beruhen sein erbarmungvolles und fortdauerndes Priestertum und Seine Fürbitte. Auf Grund des Opfers Christi ist es unmöglich geworden, 
daß die Sünde uns angerechnet würde, und Sein Leben des 
Leidens und der Versuchung befähigt Christus, denen zu 
helfen, die versucht werden, weil Er weiß, was es ist, zu leiden und versucht zu werden (Kap 2, 17. 18; 4, 15). Darum 
werden wir Christen in Kap 4 ermahnt, unser Bekenntnis 
festzuhalten*; „denn wir haben nicht einen Hohenpriester, 
der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher 
Weise wie wir, ausgenommen die Sünde". Wir haben also 
einen Priester bei Gott und einen Sachwalter bei dem Vater. 
Christus ist dort in diesem doppelten Charakter kraft eines 
Opfers, durch das Er ein für allemal unsere Sünden getragen hat. Nachdem Er durch das Opfer Seiner Selbst die 
Sünde weggenommen hat, befindet Er sich dort in vollkommener Annahme, an der auch wir teilhaben. Er allein — 
Jesus Christus, der Gerechte, die Sühnung für unsere Sün» 
den — war fähig, völlig (wörtlich: bis zur Vollendung) die 
zu erretten, die durch Ihn Gott nahen, indem Er immerdar 
lebt, um sich für sie zu verwenden, weil Er, nachdem Er die 
Reinigung unserer Sünden gemacht hat, als großer Hoherpriester sitzt zur Rechten des Thrones der Majestät in den 
Himmeln (Kap 8, 1-2; 9, 11. 14. 24-28; 10, 5. 22; 1. Joh 2, 
1. 2). 
Dies führt uns zu einem anderen Punkt. Wir nahen uns nicht 
dem Hohenpriester, sondern wir kommen zu Got t durch 
Ihn als zu einem Gnadenthron. Ich zweifle nicht, daß die 
herablassende Gnade Gottes Geduld haben würde mit jemand, der in Aufrichtigkeit des Herzens sich zu Christus, als 
dem Hohenpriester nahte; aber dies ist nicht die Belehrung 
des Wortes Gottes. 
*) Beachten wir, daß dies im Gegensatz steht zur Rückkehr ins Judentum. Wie fern 
liegt daher der Gedanke, daß der Brief nur auf den jüdischen Überrest anwendbar 
sei. 
175 
Christus erscheint in der Gegenwart Gottes für uns; wir nahen durch Ihn zu Gott. Es gibt in dieser Hinsicht weder 
Ungewißheit noch Ausnahme in der Schrift. Die Fürbitte 
Christi ist weder die Folge unserer Rückkehr zu Gott, noch 
die Folge unserer Reue, sondern Er bittet für uns wegen 
unserer Schwachheiten, Bedürfnisse und Mängel. Seine Gnade 
ist in Tätigkeit, weil Seine Wirksamkeit diese Gnade zur 
Quelle und Sein Werk, Seine Stellung in Gerechtigkeit vor 
Gott zur Grundlage hat, wie wir gesehen haben. 
Wenn wir uns Christus in der soeben erwähnten Weise nahen, haben wir weder die Liebe Gottes noch unseren Platz 
und unsere Verbindung mit Gott — um mit Johannes zu 
reden — im Licht, wie Er im Lichte ist, jemals erkannt, und 
ebenso wenig die volle Freiheit zum Eintritt in das Heiligtum 
durch den zerrissenen Vorhang (Hebr 10, 20). Wir haben 
dann noch nicht erfahren, daß es weder Verdammnis noch 
Trennung gibt für die, welche in Christo Jesu sind (Rö 8). 
Das Priestertum Christi, sowie Sein Eintreten oder Sein Werk 
als Sachwalter setzen voraus, daß wir unseren Platz im Himmel haben. Fehlt dieses Bewußtsein, dann sind wir in Gefahr, 
betreffs unseres Wandels mit diesem Vorrecht nicht in Übereinstimmung zu sein. Einerseits kann Gott kein Böses dulden 
an denen, die in Verbindung mit Ihm stehen, wie sehr sie 
sonst auch vor Ihm begnadigt sein mögen; sie müssen mit 
reinen Füßen und reinen Herzen vor Ihm sein, weil sie rein 
sind . Andererseits prüft Er sie hier auf der Erde, und 
Christus geht in besonderer Weise in alle ihre Leiden und 
Schwachheiten ein. Er fördert ihr Wachstum, trifft Vorsorge 
in ihren Schwachheiten und reicht Barmherzigkeit, Reinigung 
und Wiederherstellung dar. Dies ganze Eintreten Christi hat 
nichts mit unserer Annahme vor Gott zu tun. Sie hat aber 
zum Zweck, uns zu bewahren oder uns zum wirklichen Genuß 
der Gemeinschaft mit Gott und in die Verbindung zurückzuführen, in der wir uns Ihm gegenüber befinden. Die Sicherheit ist nicht das Ende, sondern der Anfang des Christentums. Das Christentum stellt uns in Verbindung und Gemeinschaft mit Gott, wie Er ist, sowie mit unserem Vater und 
Seinem Sohne Jesus Christus. Das Priestertum und das Werk 
176 
des Sachwalters halten uns darin aufrecht, helfen dazu und 
führen uns dahin zurück. Das geschieht jetzt, da unsere Verbindung der göttlichen Gerechtigkeit gemäß bereits besteht, 
wir uns aber auf einem Schauplatz der Versuchungen und 
Prüfungen befinden, dessen ganze Wirkung dahin gerichtet 
ist, diese Gemeinschaft zu unterbrechen wegen unserer 
Schwachheit und der Seelenprüfungen, durch die wir inniger 
zu dieser Gemeinschaft gebildet werden sollen. Aber nicht 
w i r bewirken es, daß unser großer Hoherpriester Sich für 
uns in den Riß stellt; Er tut es in Seiner Gnade und nach 
Seinem Willen. So sehen wir in einem Beispiel, wo Er die 
Grundsätze Seines Priestertums schon im voraus offenbarte, 
daß Er für Petrus betete, noch ehe dieser die Sünde begangen 
hatte, und daß Er gerade um das flehte, was Petrus nötig 
hatte, — und zwar nicht, daß der Jünger nicht gesichtet werde, sondern daß sein Glaube nicht aufhöre und er nicht der 
Verzweiflung anheimfalle. Im rechten Augenblick wird das 
Herz des Petrus durch die Gnade und die Tätigkeit Christi 
getroffen, und bitterlich weint er über seinen Fehltritt. Diese 
Rückkehr des Jüngers ist nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Tätigkeit Christi. Später stellt der Heiland die 
Seele des Petrus ganz wieder her. Ebenso lesen wir, wenn es 
sich um die Tätigkeit des Sachwalters handelt, in 1. Joh 2, 1: 
„Wenn jemand gesündigt hat —• (nicht aber: „Wenn jemand 
bereut"), wir haben einen Sachwalter bei dem Vater." 
Derselbe Grundsatz findet seine Anwendung in Joh 13. Christus, anerkannt als Sohn Gottes, als Sohn Davids, als Sohn 
des Menschen, nimmt jetzt Seinen Platz droben im Himmel 
ein und zeigt, daß Er noch unser Diener ist, indem Er uns 
reinigt, damit wir, weil Er nicht hier bei uns bleiben konnte, 
ein Teil dort wo Er ist mit Ihm haben. Es handelt sich um 
die Tätigkeit Christi, nicht um etwas, das die Jünger gewünscht hatten. Sie, die durch das Wort gewaschen sind und 
als rein betrachtet werden, sind der Gegenstand des Dienstes 
Christi. Durch Seine Gnade dazu bewogen, wäscht Christus 
ihre Füße von dem Schmutz, der sie bei ihrem Wandel verunreinigt hat. 
177 
Bemerken wir ferner, daß die Fürbitte Christi zugunsten derer 
stattfindet, die in Verbindung mit Ihm sind. „Nicht bitte ich 
ich für die Welt, sondern für die, welche du mir gegeben hast", 
sagt Er und fügt hinzu: „Aber nicht für diese allein bitte 
ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich 
glauben." Im Hebräerbrief ist es ebenso klar, daß Christus 
Priester ist für diejenigen, die in Verbindung mit Gott sind, 
nur bezieht es sich hier mehr auf Bekenntnis und das Volk 
als im Römerbrief und in den Schriften des Johannes. Trotzdem redet der Hebräerbrief von uns. Wenn darin von der 
Tätigkeit Christi für uns die Rede ist, so wird hier unserer 
Fehler weniger gedacht als bei Johannes. Der Brief hat sich 
die Darstellung der besonderen Natur und des besonderen 
Charakters des Priestertums im Gegensatz zu dem, was zum 
Gesetz gehörte, zum Hauptgegenstand gewählt, nämlich die 
Abschaffung des irdischen und die Aufrichtung des himmlischen Priestertums. Jedoch handelt es sich keineswegs um 
den Gedanken, daß es der Priester sei, an den man sich 
wenden müsse. Wir gehen zu Gott durch Ihn. Wir nahen mit 
völliger Zuversicht dem Gnadenthron, weil Jesus vor diesem 
Throne ist, aber nirgends zeigt die Schrift den Gedanken, 
daß wir zu Ihm gehen, sondern nur, daß wir uns zuversichtlich Gott Selbst nahen. Im ganzen Brief ist in keiner Weise 
der Gedanke ausgesprochen, daß wir die Gerechtigkeit mittels 
des Priestertums erlangen; in dieser Hinsicht läßt sie keine 
Ungewißheit. „Durch ein Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden", und: „Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für allemal 
geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi" (Hebr 10, 14. 10). 
Er hat S;
ch ein für allemal geopfert (Hebr 7, 27; 9, 25). Sein 
Priestertum ist für diejenigen, die versucht werden. Er kann 
ihnen helfen, weil Er immerdar lebt, um sich für sie zu verwenden (Hebr 7, 23-25). Er ist durch das Bewußtsein unserer 
Schwachheiten zum Mitleiden bewegt, da Er versucht worden 
ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde (Hebr 
2, 17f; 4, 15f). Er hilft denen, die geheiligt und durch das 
ein für allemal geschehene Opfer Christi vollkommen gemacht 
sind, während sie durch die Wüste gehen. Er ist Derjenige, 
durch Den sie zu Gott nahen. 
178 
Das Priestertum Christi wird also ausgeübt, damit wir vor 
dem Gnadenthron Barmherzigkeit und Hilfe finden. Das 
Bedürfnis nach Barmherzigkeit, das jeder einzelne von uns 
hat, geht in bemerkenswerter Weise aus der wohlbekannten 
Tatsache hervor, daß die an einzelne Personen gerichteten 
Briefe die Barmherzigkeit erwähnen, während in den an die 
Versammlungen gerichteten Briefen davon keine Rede ist 
(Rö 1, 7; 16, 24; 1. Kor 1, 3; 2. Kor 1, 2; Gal 1, 2; Eph 1, 2. 
Kol 1, 2 usw.; 1. Tim 1, 2; 2. Tim 1, 2; Tit 1, 4 usw.). Aus 
diesem allen ergibt sich, daß der Charakter der Fürbitte Christi, Seines Priestertums und Seiner Dazwischenkunft als Sachwalter ganz einfach für uns ist. Diese Tätigkeiten werden 
ausgeübt zugunsten derer, die bereits mit Gott in Verbindung 
sind, und dienen mithin nicht dazu, diese zu Ihm hinzuführen. Sie stehen im Dienst derer, die schon Gottes Gerechtigkeit in Christus sind, und in Ihm ihren Platz in den himmlischen örtern haben. Christus tritt als Sachwalter zugunsten 
derer ein, die im Licht wandeln, wie Gott im Licht ist. Seine 
Fürbitte ist für die, die Gott für sich haben, und die durch 
niemand verdammt werden können. Sie ist in Tätigkeit wegen der Vergehungen und Schwachheiten der Gläubigen auf 
dem Wege hier, nicht aber, um für sie einen Platz in den 
himmlischen örtern zu erwerben. Sie ist da, damit sie für 
uns, die wir droben sind, einstehe bei allen Abweichungen 
in unserem Wandel durch die Wüste, um uns in unseren 
Schwachheiten zu helfen, um uns armen, strauchelnden Geschöpfen, die wir hier noch sind, die Fähigkeit zu geben, 
mit Freimütigkeit dem Thron der Gnade nahen zu können, 
„auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden 
zur rechtzeitigen Hilfe" (Hebr 4, 16). 
Auf diese Weise erhält die Fürbitte in uns das Gefühl unserer 
Abhängigkeit sowie zugleich auch das Gefühl eines völligen 
Vertrauens lebendig. Wenn Christus nicht vor dem Thron 
wäre, dann könnten wir uns diesem nicht mit Zuversicht 
nahen. Wenn es sich noch darum handelte, Gerechtigkeit 
erlangen zu müssen, dann wäre zwar von Schuld und Annahme, nicht aber von Hilfe die Rede. Wenn unser Weg zu 
Christus als dem Priester führt, dann würde das nur bedeu179 
ten, daß wir nicht zu Gott nahen dürfen, und das wäre gerade 
das Gegenteil von dem, was das Christentum uns lehrt. Aber 
von diesem allem ist keine Rede. Wir nahen freimütig zu Gott, 
weil Christus vor Ihm ist als unser Hoherpriester. Wir denken nicht daran, daß uns irgend etwas zugerechnet werden 
könnte, aber die Tatsache, daß wir Gottes Gerechtigkeit in 
Ihm sind, hat nicht zur Folge, daß wir es in irgendeiner Weise 
mit unseren Mängeln und Gebrechen auf dem Wege leichtfertig nehmen. Christus nimmt Notiz davon, und Er ist unser 
Sachwalter, weil Er der Gerechte und die Sühnung für uns 
ist. Das persönliche Gefühl der Schuld wird auf diese Weise 
aufrechterhalten und keineswegs durch das Gefühl der Gnade 
geschwächt, und dennoch wird unsere Annahme bei Gott nie 
in Frage gestellt oder die Gerechtigkeit Gottes in Zweifel 
gezogen, oder durch das Bewußtsein unserer Verbindung mit 
Gott beseitigt. Alles ist auf diese Dinge gegründet. Zugleich 
aber ist die Heiligkeit Gottes betreffs unseres Wandels völlig 
aufrechterhalten, und wir werden, wenn wir fehlen sollten, 
in einem wahren Geiste des Bekenntnisses bewahrt. Unser 
eigenes Urteil über das Gute und Böse wird lebendig erhalten 
und wächst ohne die mindeste Spur einer knechtischen 
Furcht. In dieser Beziehung wird eine beseligende Zuversicht 
in der Seele wachgehalten. 
Ich habe bereits auf den Unterschied zwischen dem Eintreten 
Christi als Sachwalter, das uns in die Gemeinschaft mit dem 
Vater zurückführt oder uns in ihr erhält, und dem Priester -
tum, dessen Ausübung sich auf das Vorrecht, Gott nahen 
zu dürfen, und auf die Hilfe, die wir als Menschen brauchen, 
bezieht, aufmerksam gemacht. Aber bezüglich ihrer Grundlage und Natur sind diese beiden Ämter dieselben. Sie haben 
die positive Beziehung, in der wir zu Gott stehen, zur Grundlage und werden auf unseren Wandel hier in der Schwachheit angewendet, wenn wir uns in dieser Lage befinden. Wie 
Johannes uns den Sachwalter beim Vater zeigt, wenn wir 
gesündigt haben, so stellt uns der Hebräerbrief den Hohenpriester dar, Der mit unseren Schwachheiten Mitleid haben 
kann und Der, obwohl Er jetzt alle Macht im Himmel und 
auf Erden besitzt, Mitgefühl haben kann, weil Er die Schwach180 
heitert kennt; Er ist beständig mit uns in unserem Zustand 
beschäftigt, und dadurch wird das heilige Selbstgericht in 
unseren Seelen aufrechterhalten, während zugleich das Bewußtsein der Gnade sowie die Zuversicht in die unveränderliche Liebe Dessen unangefochten bleibt, Der „in allem den 
Brüdern gleich (geworden ist), auf daß er in den Sachen mit 
Gott ein barmherziger und treuer Hoherpriester werden 
möchte." Das Gefühl der Abhängigkeit und des Vertrauens 
wird auf diese Weise erhalten und vermehrt, und zwar nicht, 
als ob wir in einer Schwierigkeit zum Priester unsere Zuversicht nähmen, um Seine Hilfe anzusprechen, sondern in 
dem Bewußtsein der freien und beseligenden Tätigkeit und 
der treuen, fürsorglichen Ausübung Seiner eigenen Liebe. 
Diese Liebe wird nie müde, wenn wir im richtigen Gefühl 
der Demütigung zu Ihm zurückkehren, denn wenn dieses 
Gefühl richtig ist, dann ist es die Frucht der köstlichen Wirksamkeit Seiner Gnade. 
Ich füge nichts weiter hinzu. Mein Zweck war nicht, bei dieser 
Gnade und ihren Früchten, die sie in uns hervorbringt, zu 
verweilen. Mich leitete nur der Wunsch, den Platz, den das 
Priestertum Christi und Sein Werk als Sachwalter in der 
Schrift haben, klar hervorzuheben. Ich wollte nur zeigen, daß 
beide Tätigkeiten auf die Aufrichtung der göttlichen Gerechtigkeit und der vollbrachten Versöhnung, sowie auf den 
Platz, den diese Versöhnung uns zuwegegebracht hat, gegründet sind. Weder das eine noch das andere dieser beiden 
Ämter verdunkelt die Gerechtigkeit und Versöhnung, sondern 
diese bilden die Grundlage für die Ämter, die den Zweck 
haben, unsere Schwachheiten und Mängel hier auf der Erde 
mit jenem glorreichen Platz in Übereinstimmung zu bringen, 
so daß einerseits bezüglich der Gnade keinerlei Ungewißheit 
herrschen kann, andererseits aber nichts geduldet wird, was 
(obwohl nichts zugerechnet wird) mit ihr nicht im Einklang 
steht. Statt einer kalten, gefühllosen Sicherheit bezüglich des 
Heils vereinigen sich im Herzen die Gefühle der Abhängigkeit, des Vertrauens und der Liebe mit der Sicherheit in Ihm, 
Der der Gegenstand des Herzens ist, bis wir dahin gelangen, 
wo es der Ausübung dieser beiden Ämter nicht mehr bedarf. 
J.N. D. 
181 
Die Wolke und das Lager 
(4. Mose 9, 15-23) 
„Und an dem Tage, da die Wohnung aufgerichtet wurde, 
bedeckte die Wolke die Wohnung des Zeltes des Zeugnisses; 
und am Abend war es über der Wohnung wie das Ansehen 
eines Feuers bis an den Morgen. So war es beständig: die 
Wolke bedeckte sie, und des Nachts war es wie das Ansehen 
eines Feuers. Und so wie die Wolke sich von dem Zelte erhob, brachen danach die Kinder Israel auf; und an dem Orte, 
wo die Wolke sich niederließ, daselbst lagerten sich die Kinder Israel. Nach dem Befehl Jehovas brachen die Kinder 
Israel auf, und nach dem Befehl Jehovas lagerten sie sich; 
alle die Tage, da die Wolke auf der Wohnung ruhte, lagerten 
sie. Und wenn die Wolke viele Tage auf der Wohnung verweilte, so warteten die Kinder Israel der Hut Jehovas und 
brachen nicht auf. Und geschah es, daß die Wolke wenige 
Tage auf der Wohnung war — nach dem Befehl Jehovas lagerten sie sich, und nach dem Befehl Jehovas brachen sie auf. 
Und geschah es, daß die Wolke da war vom Abend bis an 
den Morgen, und die Wolke erhob sich am Morgen, so brachen sie auf; oder einen Tag und eine Nacht, und die Wolke 
erhob sich, so brachen sie auf; oder zwei Tage oder einen 
Monat oder eine geraume Zeit — wenn die Wolke auf der 
Wohnung verweilte, indem sie darauf ruhte, so lagerten die 
Kinder Israel und brachen nicht auf; und wenn sie sich erhob 
so brachen sie auf. Nach dem Befehl Jehovas lagerten sie 
sich und nach dem Befehl Jehovas brachen sie auf; sie warteten der Hut Jehovas nach dem Befehl Jehovas durch Mose." 
Unmöglich könnte ein lieblicheres Gemälde von gänzlicher 
Abhängigkeit und völliger Unterwerfung unter die göttliche 
Leitung entworfen werden als dasjenige, das uns in dieser 
Stelle vor Augen geführt wird. Weder Fußspuren noch 
Grenzpfähle waren in dieser „großen und schrecklichen 
Wüste" zu sehen. Es war eitel und nutzlos darauf zu warten, 
daß jemand sie führte, der den Weg früher schon einmal 
gegangen war. Die Kinder Israel waren bei jedem Schritt auf 
ihrem Weg auf Gott angewiesen. Sie befanden sich in einem 
182 
Zustand des beständigen Wartens auf Ihn. Das wäre für 
einen ungebrochenen und nicht unterworfenen Willen unerträglich; aber für eine Seele, die Gott kennt, Ihn liebt, Ihm 
vertraut und sich in Ihm erfreut, kann es nichts Gesegneteres 
geben. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn das Herz 
Gott erkannt hat, Ihn liebt und Ihm vertraut, dann wird 
es sich an einer völligen Abhängigkeit von Ihm freuen. Im 
entgegengesetzten Fall aber ist diese Abhängigkeit nicht zu 
ertragen. Der nicht wiedergeborene Mensch betrachtet sich 
gern als unabhängig und findet ein Vergnügen daran, sich 
einzubilden, er sei frei, könne tun was ihm beliebe, gehen 
wohin und reden was er wolle. Doch ach, wie groß ist diese 
Täuschung! Der Mensch ist nicht frei. Er ist der Sklave des 
Teufels, seines größten Feindes. Fast sechstausend Jahre sind 
verflossen, seit er sich den Händen und Ketten dieses furchtbaren geistlichen Sklavenhalters überliefert hat, und seit dieser Zeit befindet er sich unter dessen Macht und Herrschaft 
und wird bis zu diesem Augenblick festgehalten. 
Ja, Satan hält den unbekehrten, natürlichen, nicht bußfertigen 
Menschen in schrecklicher Sklaverei. Hände und Füße hat er 
ihm mit den Ketten der Finsternis gebunden, die in ihrer 
wirklichen Gestalt nicht gesehen werden, weil sie in trügerischen Schimmer gehüllt sind. Satan übt eine völlige Herrschaft über den Menschen aus, indem er auf dessen Lüste und 
Begierden wirkt und die Reize, die Schätze und die Vergnügungen der Welt vor seine Augen stellt. Er ruft die Begierden und Leidenschaften im Herzen wach und befriedigt sie 
mit den Dingen dieser Welt, und weil der Mensch seine 
Wünsche erfüllt sieht, zieht er daraus den falschen Schluß, 
daß er frei ist. Leider aber wird sich früher oder später herausstellen, daß dies der allertraurigste Selbstbetrug ist. Es 
gibt keine andere Freiheit als diejenige, womit Christus Sein 
Volk befreit. Er sagt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, 
und die Wahrheit wird euch frei machen," und „Wenn nun 
der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei 
sein" (Joh 8). 
Hier ist die wahre Freiheit. Es ist die Freiheit, die der neue 
Mensch findet, indem er im Geiste wandelt und die Werke 
183 
tut, die nach dem wohlgefälligen Willen Gottes sind. Der 
Dienst des Herrn ist die vollkommene Freiheit. Jedoch steht 
dieses Dienen stets mit der bestimmten Abhängigkeit von 
Gott in unzertrennlicher Verbindung. So verhielt es sich mit 
dem einzig wahren und vollkommenen Knecht, Der je auf 
dieser Erde gewandelt hat. Er wandelte stets in völliger Abhängigkeit. Jede Handlung, jede Tat, jedes Wort, kurz, alles 
was Jesus tat oder ließ, war die Frucht der völligen Abhängigkeit und der eindeutigen Unterwürfigkeit unter Gott. Er 
handelte, wie es in jeder Beziehung der Wille Gottes war. 
Er harrte, wie Gott Ihm zu harren gebot, Er sprach, Er 
schwieg, wie Gott es wollte. Alles war bei Ihm in völliger 
Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes. 
In dieser Weise setzte der Herr Jesus, als Er auf dieser Erde 
lebte, Seinen Weg fort. Auch wir, als Teilhaber Seiner Natur, 
Seines Lebens und Seines Geistes, sind berufen, in Seinen 
Fußstapfen zu wandeln und von Tag zu Tag Gott zu leben 
in einfältigem kindlichem Vertrauen. In den oben angeführten 
Versen liefert uns die Schrift ein passendes und herrliches 
Vorbild eines solchen Lebens in der Abhängigkeit von Gott. 
Der Israel Gottes, — das Lager in der Wüste — das Heer 
der Pilger, folgte den Bewegungen der Wolkensäule. In Bezug 
auf ihre Führung waren sie genötigt, aufwärts zu schauen. 
Das ist die eigentliche Tätigkeit des Menschen. Dazu ist er geschaffen, um im Gegensatz zu dem Tier das Antlitz nach 
oben erheben zu können, während das Tier geschaffen ist, 
nach unten zu blicken. Die Kinder Israel konnten sich keine 
Pläne machen. Sie konnten nie sagen: „Morgen wollen wir 
nach diesem oder jenem Ort reisen". Sie waren ganz abhängig 
von der Bewegung der Wolke. 
Wie mit Israel, so sollte es sich auch mit uns verhalten. Auch 
wir durchwandern eine pfadlose, ungebahnte Wüste, eine 
Wildnis im sittlichen Sinn. Nirgends zeigt sich die Spur eines 
Wegweisers. Wir wüßten nicht, wie wir wandeln und wohin 
wir gehen sollten, wenn nicht die kostbaren und verständlichen Worte unseres hochgepriesenen Herrn: „Ich bin der 
Weg!" unser Ohr erreicht hätten. Hier ist also eine göttliche, 
unfehlbare Leitung. Wir müssen Ihm folgen, denn Er ruft 
184 
uns zu: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird 
nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des 
Lebens haben" (Joh 8). Es ist eine lebendige Leitung. Es ist 
nicht ein Handeln nach dem Buchstaben gewisser Regeln und 
Vorschriften, nein, hier heißt es, einem lebendigen Christus 
nachfolgen, zu wandeln, wie Er gewandelt, zu, tun, wie Er 
getan hat, und in allem Seinem Beispiel zu folgen. Hier gilt 
es, das Auge fest auf Jesus gerichtet und Sein Bild in unsere 
neue Natur eingeprägt zu haben, damit es hervortrete in 
unserem täglichen Leben und in unseren täglichen Handlungen. 
Ein solcher Wandel schließt unbedingt eine völlige Unterwerfung des Herzens und eine gänzliche Aufopferung des 
eigenen Willens, der eigenen Pläne und der eigenen Wege 
in sich. Wir müssen ohne Zögern der Wolkensäule folgen. 
Wir müssen imme r und ausschließlic h auf Gott 
warten. Wir können nicht sagen: „Wir wollen hierhin und 
dorthin gehen, oder wir wollen morgen oder in der folgenden Woche diese und jene Arbeit verrichten." Alle unsere 
Wege müssen gestellt werden unter die waltende Kraft der 
gebietenden Worte: „Wen n de r Her r will! " — 
Worte, die leider nur zu oft in leichtfertiger Weise ausgesprochen oder niedergeschrieben werden. 
O möchte unser Verständnis in diesen Dingen doch mehr 
erleuchtet sein! Möchten wir doch alle besser verstehen, was 
göttliche Leitung ist! Oft bilden wir uns in törichter Weise 
ein, und behaupten es sogar mit großer Sicherheit, daß die 
Wolke sich in dieser oder jener Richtung bewege, nur weil 
diese neue Richtung in Übereinstimmung ist mit unseren 
Neigungen! Wir wünschen eine gewisse Arbeit zu tun, oder 
diesen oder jenen Weg einzuschlagen, und wir suchen uns 
dabei einzureden, daß unser Wille der Wille Gottes sei. Auf 
diese Weise betrügen wir uns oft selbst, anstatt uns von 
Gott leiten zu lassen. Unser Wille ist nicht gebrochen, und 
darum können wir nicht in rechter Weise geleitet werden. 
Denn das wahre Geheimnis, um recht, d. h. durch Gott geleitet zu werden, besteht darin, den eigenen Willen ganz und 
gar in Unterwürfigkeit zu halten. „Er leitet die Sanftmütigen 
185 
im Recht, und lehrt die Sanftmütigen Seinen Weg". — „Mein 
Auge auf dich richtend, will ich dir raten". Laßt uns die ernste 
Ermahnung zu Herzen nehmen: „Seid nicht wie ein Roß, wie 
ein Maultier, das keinen Verstand hat; mit Zaum und Zügel, 
ihrem Schmucke, mußt du sie bändigen, sonst nahen sie dir 
nicht" (Ps 32, 9). Wenn das Antlitz nach oben gerichtet ist, 
um die Bewegungen des göttlichen „Auges" zu beobachten, 
dann werden wir „Zaum und Zügel" nicht benötigen. Doch 
hier liegt gerade der Punkt, wo wir oft in trauriger Weise 
unsere Unachtsamkeit und Nachlässigkeit an den Tag legen. 
Wir leben nicht nahe genug bei Gott, um die Winke Seiner 
Augen erkennen zu können, und unser eigener Wille steht 
im Vordergrund. Wir handeln und wandeln nach unserem 
eigenen Gutdünken, und darum bleibt uns nichts anderes 
übrig, als daß wir bittere Früchte ernten. Der Prophet Jona 
liefert uns in dieser Hinsicht ein lehrreiches Beispiel. Er erh
;
elt den Befehl, nach Ninive zu gehen. Doch sein Verlangen war, nach Tarsis zu reisen, und alle Umstände schienen zu seinen Gunsten zu sein; die Vorsehung schien sich 
nach seinem eigenen Willen zu richten. Aber ach, Jona mußte 
seinen Zustand im Eingeweide eines Fisches kennenlernen. 
Ja, aus dem Schöße des Scheols, wo das Meergras sich um 
sein Haupt schlang, mußte er in seiner Angst seine Stimme 
erheben. Dort mußte er die bitteren Früchte seines eigenwilligen Handelns kosten. Es war für ihn eine Notwendigkeit, 
in der Tiefe des Meeres die wahre Bedeutung von „Zaum 
und Zügel" kennenzulernen, weil er der sanften Leitung des 
„Auges" nicht Folge leisten wollte. 
Doch wie gnädig, wie zart, wie geduldig ist unser Gott! Er 
will uns unterweisen; es ist das Bedürfnis Seines Herzens, 
Seine armen, schwachen, irrenden Kinder zu leiten. Er läßt 
es bei uns an keiner Mühe fehlen. Er ist ununterbrochen mit 
uns beschäftigt, um uns die traurigen Folgen unserer eigenen Wege, die voller Dornen und Disteln sind, zu ersparen, 
und uns in Seinen Wegen zu leiten, in denen unser Herz 
Frieden und Freude in Fülle genießen kann. 
Nichts in dieser Welt ist gesegneter, als ein Leben in beständiger, ununterbrochener Abhängigkeit von Gott. Ihn in jedem 
186 
Augenblick und in allen Umständen als Stütze zu haben, 
auf Ihn zu warten und sich vor allen Dingen an Ihn festzuklammern, Ihn als die unerschöpfliche und unversiegbare 
Quelle aller guten Gaben zu besitzen, — das ist das wahre 
Geheimnis des Friedens im Herzen und der Kraft unseres 
Zeugnisses hier auf Erden. Die Seele, die in Wahrheit sagen 
kann: „Alle meine Quellen sind in dir", ist erhaben über 
jedes auf das Geschöpf gestellte Vertrauen und über alle 
menschlichen Hoffnungen und irdischen Erwartungen. 
Wir wollen hier jedoch durchaus nicht behaupten, daß Gott 
die Geschöpfe nicht auf tausenderlei Weise gebraucht, um 
uns zu dienen. Im Gegenteil, der Herr geht oft diesen Weg 
zu unseren Gunsten. Aber sobald wir uns, statt auf Ihn auf 
die Kreatur stützen , machen wir das Fleisch zu unserem 
Arm und werden bald eine große Leere und Dürre in unseren 
Seelen verspüren. Es besteht ein großer Unterschied zwischen 
der Tatsache, daß Gott Sich Seiner Geschöpfe bedient, um 
uns zu segnen, und einem Umstände, wo wir uns auf das 
Geschöpf stützen und Gott gleichsam ausschließen. Im ersten 
Fall werden wir gesegnet, und Gott wird verherrlicht, im 
zweiten werden wir enttäuscht und Er verunehrt. 
Es ist unbedingt nötig, daß unsere Seelen diesen Unterschied 
allen Ernstes erwägen, denn wir glauben, daß von dieser 
Seite auf mancherlei Weise gefehlt wird. Wir meinen oft, auf 
Gott zu vertrauen und auf Ihn zu sehen, während wir noch 
eine große Menge Sauerteig des Vertrauens auf Menschen, 
auf die Umstände und auf uns selbst entdecken würden, 
wenn wir nur mit Aufrichtigkeit auf die Wurzel der Dinge 
blicken und uns im Licht der unmittelbaren Gegenwart Gottes 
beurteilen würden. Wie mancher rühmt sich, durch Glauben 
zu leben und sein Vertrauen allein auf Gott zu setzen, während zugleich sichtbar ist, daß er sich an die Umstände 
klammert und Gott nicht den einzigen Platz im Herzen einnimmt. 
Mein teurer Leser, sei auf der Hut. Ich bitte dich, habe acht, 
daß dein Auge allein auf den lebendigen Gott und nicht auf 
sterbliche Menschen gerichtet ist, „in deren Nase nur ein 
Odem ist!" Harre auf Gott! Harre geduldig und ununterbro187 
chen nur auf Seine Güte! Bist du wegen irgendeines Umstandes in Verlegenheit, richte dann mit einfältigem Vertrauen deine Augen auf den Herrn. Weißt du nicht, welchen 
Weg du einschlagen, wohin du dich wenden und wen du 
in deiner Not um Hilfe ansprechen sollst, dann laß dich 
daran erinnern, daß der Herr Jesus sagt: „Ich bin der Weg!" 
und: „Ich werde dich nicht versäumen und dich nicht verlassen." Folge Ihm in Zuversicht nach und vertraue Seinen 
Verheißungen. Er wird alles hell und klar und sicher machen. 
Wenn wir Ihm nachfolgen, kann Er keine Dunkelheit, keine 
Verwirrung und keine Unsicherheit an uns dulden, denn wir 
dürfen Seinen eigenen Worten Glauben schenken, wenn Er 
sagt: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben." Sind wir 
in Finsternis, dann können wir sicher sein, daß wir uns nicht 
in Seiner Nachfolge befinden. Auf dem gesegneten Pfad, 
auf dem Gott diejenigen leitet, die mit einem einfältigen 
Auge Jesus nachzufolgen trachten, herrscht keine Dunkelheit. 
Vielleicht ist jemand, der diese Zeilen liest, dennoch geneigt 
zu sagen: „Trotzdem bin ich über meinen Weg in Verlegenheit, denn ich weiß wirklich nicht, welchen Pfad ich einschlagen und zu welchem Schritt ich mich entschließen soll." Wenn 
diese Worte aus deinem Munde kommen, mein teurer Leser, 
dann wollen wir dir nur die einzige Frage vorlegen: „Folgst 
du Jesus?" Kannst du diese Frage mit Aufrichtigkeit bejahen, 
so gedulde dich ein wenig. Dann wirst du erfahren, daß du 
nicht in dieser Schwierigkeit bleiben wirst. Folgst du der 
Wolkensäule? Tust du es, dann ist der Weg so deutlich, wie 
Gott ihn machen kann. Hierin liegt der Kernpunkt der Sache. Verwirrung, Mutlosigkeit und Zweifel sind oft die Folgen der Tätigkeit unseres eigene n Willens . Wir sind 
oft beschäftigt, etwas zu unternehmen, wozu Gott uns durchaus nicht gerufen hat. Wir meinen oft, irgend wohin gehen 
zu müssen, wo Gott es nicht für nötig erachtet. Wir bitten 
oft um eine Sache, ohne eine Antwort zu erhalten; wir wiederholen unsere Bitte, und noch bleibt die Antwort aus. Warum das? Es ist sehr einfach. Gott will, daß wir uns ruhig 
verhalten, daß wir stillstehen und da bleiben sollen, wo wir 
188 
uns gerade befinden. Trachten wir daher danach, nichts anderes zu tun, als auf Gott zu warten, anstatt unseren Kopf 
zu zerbrechen über das, was wir tun sollen. 
Das ist das geheime Mittel, um völlig glücklich, ruhig und 
in Frieden zu sein. Wenn ein Israelit sich in den Kopf gesetzt hätte, irgendeinen Schritt vorwärts oder rückwärts zu 
machen, ohne auf Jehova zu achten, — wenn er sich vorgenommen hätte weiterzugehen wenn die Wolke ruhte, oder 
stillzustehen wenn sie sich in Bewegung setzte, dann könnten wir leicht erraten, was die Folgen gewesen wären. Ebenso wird es jederzeit bei uns der Fall sein. Bewegen wir uns, 
wenn wir still sein sollen, oder ruhen wir, wenn wir uns in 
Bewegung setzen sollen, dann werden wir uns sicher nicht 
der Gegenwart Gottes erfreuen können. Von den Kindern 
Israels heißt es: „Nach dem Befehl Jehovas lagerten sie sich, 
und nach dem Befehl Jehovas brachen sie auf". Beständig 
auf Gott zu warten war für sie erforderlich, und das ist 
in der Tat der gesegnetste Zustand, in dem man sich befinden kann. Doch dieser PJatz muß eingenommen werden, bevor das glückliche Gefühl, das er gibt, genossen werden 
kann. Es ist nicht nur ein Lehrsatz, über den man sprechen 
kann, sondern eine Wirklichkeit, die gekannt sein muß. 
Der Herr gebe uns das Vorrecht, während unserer ganzen 
Lebensreise in steter und ununterbrochener Abhängigkeit von 
Ihm zu sein. 
Das Jubeljahr 
(3. Mose 25," 16) 
Die Einsetzung des Jubeljahres war, wie jemand ganz richtig 
bemerkt hat, nach zwei Seiten hin von Bedeutung. Sie zeugte 
von der Verwirrung der Menschen und von der Ordnung 
Gottes. In 49 Jahren mußten notwendigerweise viele Dinge 
in der Hand der Menschen in Unordnung geraten. Der eine 
verarmte, ein anderer geriet in Schulden, ein dritter in Sklaverei, ein vierter wurde verbannt. Ferner hatte der eine sein 
Erbe durch Schwelgerei verpraßt, der andere durch Sparsamkeit und Fleiß das Seinige vergrößert. 
189 
So geschah es in den Tagen der Menschen. Aber die Trompete des Jubeljahres änderte auf einmal die Lage. Sobald der 
Ton dieser Posaune auf der Erde gehört wurde, war der 
Schuldner gelöst, der Sklave befreit, und der Verbannte 
durfte zurückkehren. Das Jubeljahr war Gottes Jahr, und Er 
wollte keine Schuldner, keine Sklaven, keine Verbannten. 
Alle sollten frei und glücklich sein, und alle in dem Jahre 
Jehovas volles Genüge haben. Es ist nun interessant und von 
sehr großem praktischem Wert, die verschiedenen Gemütsstimmungen, in die die Menschen durch das Herannahen 
des Jubeljahres versetzt wurden, zu betrachten. Wenn einer 
sein Eigentum verloren hatte, war er froh, weil er es zurückerhielt. Derjenige aber, der sein Besitztum vergrößert hatte, 
wurde traurig, weil er alles verlieren mußte. Aber derjenige, 
der keines von beiden getan, weder verloren noch gewonnen 
hatte, der rechte Israelit, der sein Erbe bewahrt hatte und sich 
mit ihm begnügte, er betrachtete das Jubeljahr nicht im Hinblick auf seinen eigenen Gewinn oder Verlust, sondern nur 
als ein herrliches Zeugnis der göttlichen Ordnung, und als 
ein Mittel, die ganze Nation zu segnen. 
Das war das Verhältnis der Juden zu dem Jubeljahr, und so 
sollte auch das Verhältnis des Christen zu der herrlichen 
Erscheinung des Sohnes Gottes vom Himmel sein. Wir sollten dieses gesegnete Ereignis einfach betrachten als den 
Augenblick der Erhöhung Christi, den Augenblick, der aller 
Verwirrung oder Unordnung der Menschen ein Ende machen 
und die göttliche Ordnung für immer zur Geltung bringen 
wird. Welch ein gesegneter, heißersehnter Augenblick; Das 
Kreuz ist nun das Heilmittel für alle menschliche Verwirrung 
und der Grund der göttlichen Ordnung. Das zeigt uns ganz 
deutlich die Einsetzung des Jubeljahres. „Du. sollst im siebenten Monat, am zehnten des Monats, den Posaunenschall 
ergehen lassen; an dem Versöhnungstage sollt ihr die Posaune 
ergehen lassen durch euer ganzes Land." Die Posaune des 
Jubeljahres und der Tag der Versöhnung waren unzertrennlich vereinigt. Das auf dem Kreuz vergossene Blut ist die 
Grundlage von allem. Wenn alles wiederhergestellt sein 
wird, wird der Strom des Lebens vom Throne Gottes und 
des Lammes fließen (Offb 22, 1). 
190 
Ist Christus dir kostbar? 
Wenn Christus dir nicht kostbar ist, dann bist du in Feindschaft gegen Gott. Wenn Er dir nicht kostbarer ist als alles 
andere, dann befindest du dich in einem traurigen Zustand. 
Wenn es dich langweilt, von Ihm zu hören, dann kann und 
wird der Himmel nichts Anziehendes für dich haben, denn 
der Himmel ist der vornehmste Gegenstand der Freude und 
Wonne. Erblickst du noch nicht soviel Schönheit in Christus, 
daß du Ihn allem vorziehst, verlangst du nicht nach Ihm und 
kannst ohne Ihn fertig werden, dann ist dein Herz sicher 
noch von Gott entfremdet, und dann besteht keine Gemeinschaft zwischen dir und Gott, denn Gott hat alle Seine Wonne an Christo. Er sagt: „Dies ist mein geliebter Sohn, an 
welchem ich Wohlgefallen gefunden habe." Denke darüber 
ernstlich nach. Wirf alles weg und achte „alles für Verlust 
wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu." 
Das Ausharren bis ans Ende 
(Die Beantwortung eines Briefes) 
Teurer Freund! 
Ihr Brief berührt einen höchst wichtigen Gegenstand. Die 
Frage in Bezug auf das Ausharren bis ans Ende hat, wie 
einfach ich sie auch für mich finde, schon viele in Verlegenheit gebracht, und sowohl die Fragen, die Sie an mich richten, als auch die Schriftstellen, die Sie anführen, beweisen 
zur Genüge, daß es auch Ihnen in diesem Punkt in etwa an 
Licht mangelt, es sei denn, daß Sie die Untersuchung dieser 
Wahrheit nach dem Worte Gottes weniger Ihretwegen begehren, sondern vielmehr anderen dadurch nützen wollen. 
Wie dem auch sei, in jedem Fall schätze ich mich glücklich, 
meinen Lesern Zeugnis von dem Licht geben zu können, 
das mir der Herr in Seiner Gnade bezüglich dieser wichtigen 
Frage geschenkt hat. 
In der Beantwortung Ihres Briefes habe ich mich mit drei 
Dingen zu beschäftigen: 1. den Lehrsatz über das Ausharren 
191 
bis ans Ende, oder mit anderen Worten, die ewige Sicherheit 
aller Glieder des Leibes Christi festzustellen; 2. die Fragen, 
die Sie an mich richten, die seitens der Gegner jener Wahrheit erhoben werden, zu beantworten, und 3. die Schriftstellen, die Sie anführen und die Ihnen so große Schwierigkeiten bereiten, zu erklären. Möge der Herr uns unterweisen 
und uns einen den Aussprüchen Seines Wortes unterwürfigen Geist schenken, damit wir fähig sind, über den uns vorliegenden Gegenstand ein gesundes Urteil zu fällen. 
1. 
Der Lehrsatz in betreff des Ausharrens bis ans Ende ist sehr 
deutlich und einfach, wenn wir ihn nur in unmittelbarer 
Verbindung mit Christus betrachten — eine Verbindung, in 
der jede Frage dieser Art allein betrachtet werden muß. 
Christus ist die Seele, der Mittelpunkt und das Leben der 
ganzen christlichen Lehre. Ein von Christus getrennter Lehrsatz ist ohne Leben und ohne Kraft; er ist nicht mehr als 
ein Artikel eines Glaubensbekenntnisses. Darum muß jede 
Wahrheit in Verbindung mit Christus betrachtet werden. Er 
muß unser Ausgangspunkt sein, und nur wenn wir an Ihm 
festhalten und von diesem großen Mittelpunkt aus alle anderen Punkte betrachten, können wir uns eine richtige Vorstellung von ihnen bilden. Wenn ich z. B. mich selbst zum 
Ausgangspunkt wähle und dann die Frage bezüglich des 
Ausharrens bis ans Ende betrachte, dann kann ich sicher 
sein, daß ich einen ganz falschen Begriff von diesem Gegenstand erhalte, weil es sich um mein Ausharren handelt, und 
alles, was von mir abhängt, ist durchaus unsicher. Ist hingegen Christus mein Ausgangspunkt und untersuche ich von 
dort aus den Gegenstand, dann werde ich sicher eine richtige 
Anschauung von der Sache bekommen, denn dann handelt es 
sich um das Ausharren Christi. Ich bin völlig sicher, daß Er 
ausharren wird, und daß weder die Welt, noch das Fleisch, 
noch der Teufel Christus hindern können, bis ans Ende, und 
zwar zum Glück für alle die auszuharren, die Er kraft Seines 
Blutes losgekauft hat. Denn „er vermag völlig zu erretten, 
die durch ihn Gott nahen" (Hebr 7, 25). Wahrlich das ist ein 
Ausharren bis ans Ende. Welches auch die Schwierigkeiten 
192 
und die feindlichen Mächte sein mögen, „er vermag völlig 
zu erretten." Die Welt mit ihren unzähligen Fallstricken ist 
gegen uns, aber Er besitzt alle Gewalt (Mt 28,18). Die Sünde 
in uns mit ihren tausenderlei Wirkungen ist gegen uns, aber 
Er hat alle Gewalt. Der Teufel mit seinen listigen Angriffen 
ist gegen uns, aber Er hat alle Gewalt. Mit einem Wort, die 
Macht Christi, die Treue Christi, das Ausharren Christi bis 
ans Ende, das und nur das ist die einzige Grundlage unseres 
Ausharrens. Alles hängt in dieser wichtigen Sache von Ihm 
ab. Er hat Seine Schafe losgekauft, und Er wird sie beschirmen; und da Ihm „alle Gewalt im Himmel und auf Erden 
gegeben ist", müssen Seine Schafe für ewig in völliger Sicherheit sein. Wenn das Leben des schwächsten Lammes 
Seiner Herde angetastet werden könnte, dann könnte nicht 
von Christus gesagt werden, daß Er „alle Gewalt" habe. 
Es ist daher von höchster Bedeutung, die Frage des Ausharrens bis ans Ende in unzertrennlicher Verbindung mit 
Christus zu betrachten. In diesem Fall lösen sich alle Schwierigkeiten auf, Zweifel und Furcht schwinden, das Herz wird 
befestigt, das Gewissen befreit und der Verstand erleuchtet. 
Unmöglich können diejenigen, die einen Teil des Leibes 
Christi ausmachen, verloren gehen; und der Gläubige ist ein 
Teil dieses Leibes, „von seinem Fleische und von seinen 
Gebeinen" (Eph 5, 30). Jedes Glied des Leibes Christi ist vor 
Grundlegung der Welt in dem Buche des geschlachteten 
Lammes eingetragen worden, und kein Geschöpf besitzt die 
Macht, das auszulöschen, was dort eingeschrieben steht. Man 
höre nur, was der Herr von denen sagt, die Ihm angehören: 
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und 
sie folgen mir, und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie 
gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus 
meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, 
ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand 
meines Vaters rauben" (Joh 10, 27-29). 
In diesen Worten findet das Ausharren bis ans Ende einen 
starken, beredten Ausdruck, und zwar nicht allein das Ausharren der Heiligen, sondern dasjenige des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. In diesem Licht, mein teurer 
193 
Freund, müssen Sie diesen Gegenstand betrachten. Es ist das 
Ausharren der heiligen Dreieinheit bis ans Ende. Es ist das 
Ausharren des Heiligen Geistes, um die Ohren der Schafe zu 
öffnen, das Ausharren des Sohnes, um alle aufzunehmen, 
deren Ohren geöffnet sind, und endlich das Ausharren des 
Vaters, um in Seinem Namen alle zu bewahren, die durch 
das Blut Seines Sohnes freigekauft sind. Das ist, glaube ich, 
sehr deutlich. Wir müssen entweder die trostvolle und kraftgebende Wahrheit bezüglich des Ausharrens bis ans Ende 
annehmen, oder jener gotteslästerlichen Einflüsterung Gehör 
geben, daß der Feind Gottes und der Menschen die Macht 
besitze, bis zum Ende hin, und zwar mit Erfolg, den Streit 
gegen die heilige Dreieinheit aufrechtzuerhalten. „Das Heil 
ist des Herrn" von Anfang bis Ende. Es ist ein unverwelkliches und ewiges Heil. Er sucht den Sünder auf, wo dieser 
sich befindet, in seinem Zustand der Sünde, des Verderbens 
und des Verfalls, um ihn dahin zu versetzen, wo der heilige, 
wahrhaftige und gerechte Gott Seine Wohnstätte hat. Der 
Vater ist die Quelle, der Sohn der Kanal, und der Heilige 
Geist die Macht dieses Heils, wodurch die Seele es empfängt 
und genießt. Alles ist von Gott von Anfang bis Ende, von 
Ewigkeit zu Ewigkeit. Wäre dies nicht der Fall, dann wäre 
es törichte Vermessenheit, von einem Ausharren bis ans 
Ende zu sprechen; aber da es sich also verhält, ist es nichts 
als verwerflicher Unglaube, wenn man anderen Gedanken 
über diesen Punkt Gehör schenkt. 
Ohne Zweifel zeigen sich auf unserem Weg sowohl vor als 
auch nach der Bekehrung unzählige Schwierigkeiten. Wir haben mächtige Feinde, aber gerade um ihretwillen müssen wir 
den Lehrsatz über das Ausharren bis ans Ende ganz frei 
halten von unserem eigenen Ich und von allem, was damit 
in Verbindung steht, und allein in Gott unsere Ruhe suchen. 
Was auch unsere Schwierigkeiten und unsere Feinde sein mögen, der Glaube kann immer triumphierend sagen: „Wenn 
Gott für uns ist, wer wider uns?" und: „Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Drangsal oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 
Wie geschrieben steht: „Um deinetwillen werden wir getötet 
194 
den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind wir gerechnet worden ... " Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin überzeugt, 
daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, 
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgend ein anderes Geschöpf uns 
zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in 
Christo Jesus ist, unserem Herrn" (Rö 8, 35-39). 
Auch hier wird uns das Ausharren bis ans Ende in der deutlichsten und kräftigsten Weise vor Augen gestellt. Kein Geschöpf wird uns zu scheiden vermögen. Weder das eigene 
Ich, in welcher Form es sich auch zeigen mag, noch der Teufel mit all seiner List und seinen boshaften Anschlägen, noch 
die Welt mit all ihren Reizen oder mit ihrer Verachtung 
vermögen uns nach Rö 8, 39 zu scheiden von der Liebe 
Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn. Unleugbar 
gibt es Menschen, die sich selbst und andere betrügen. Es 
können sogar Fälle von Bekehrung vorkommen, die nur 
scheinbar bestehen. Man kann eine Zeitlang den Schein eines 
guten Wandels an sich tragen, und danach das Gegenteil 
zeigen. Es kann sein, daß trotz der schönen prangenden Blüten des Frühlings die reife herrliche Frucht des Herbstes vergeblich auf sich warten läßt. Und nicht allein dies, sondern 
die wahren Gläubigen selbst können in mancher Hinsicht 
traurige Wege einschlagen. Sie können straucheln und in 
ihrer Laufbahn gehemmt werden. Mehr als eine Ursache kann 
für sie vorhanden sein, um sich in bezug auf die Einzelheiten 
ihres praktischen Lebens demütigen und verurteilen zu müssen. Aber wenn wir auch alle diese Dinge in ihrer vollsten 
Bedeutung anerkennen, so bleibt doch die wichtige Frage 
bezüglich des Ausharrens bis ans Ende unerschütterlich fest 
auf ihrem ewigen und göttlichen Fundament stehen. „Ich 
gebe ihnen ewige s (nicht ein zeitliches oder vergängliches) Leben, und si e gehe n nich t verTore n 
ewiglich. " — „Auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht 
überwältigen." Andere mögen sich nach ihren eigenen Gedanken ihr Urteil bilden und ihre Beweise in Beispielen suchen, 
195 
die von Zeit zu Zeit in der Geschichte der Bekenner des 
Christentums in Erscheinung treten; wir aber betrachten diese 
Frage von einem göttlichen Standpunkt und halten uns fest 
an der Wahrheit, daß alle, die zu dem „uns" (Rö 8), zu den 
„Schafen" (Joh 10) und zu der „Versammlung" (Mt 16) gehören, so sicher sind, wie Christus sie sicher machen kann, 
und wir betrachten dies als das Wesen der Lehre über das 
Ausharren bis ans Ende. 
2. 
Ich gehe jetzt, teurer Freund, zum zweiten Teil Ihres Briefes 
über und werde die Fragen, die Sie an mich richten, kurz 
aber auch deutlich zu beantworten suchen. 
Zunächst fragen Sie: Wird der Gläubige errettet werden, 
selbst wenn er in der Sünde lebt und stirbt?" Meine Antwort 
lautet: Ein wahrer Gläubiger wird sicher und gewiß errettet 
werden. Aber ich glaube, daß die Seligkeit nicht nur eine 
vollkommene Erlösung von den zukünftigen Folgen der 
Sünde, sondern selbst auch in der Gegenwart die Erlösung 
von der Macht und dem Tun der Sünde in sich schließt. 
Wenn ich daher mit jemand zusammentreffe, der in der Sünde 
lebt, und sich trotzdem der Gewißheit seiner Seligkeit rühmt, 
dann betrachte ich ihn als einen, der die Gnade Gottes auf 
Mutwillen zieht, und keineswegs als einen, der selig gemacht 
ist. „Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben 
und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die 
Wahrheit" (1. Joh 1, 6). Der Gläubige kann straucheln, aber 
er wird wieder aufgerichtet werden. Er kann sich durch die 
Sünde überwältigen lassen, aber er wird wiederhergestellt 
werden. Er kann irren, aber er wird wieder zurückgeführt 
werden, weil Christus so völlig zu erretten vermag, daß 
selbst nicht der Kleinste unter den Seinigen verloren gehen 
kann (Siehe Mt 18, 24). 
Ihre zweite Frage lautet: „Kann der Heilige Geist in einem 
Herzen wohnen, in dem Bosheit und unreine Gedanken genährt und gepflegt werden?" Meine Antwort ist: Der Leib 
jedes Gläubigen ist der „Tempel des Heiligen Geistes" (1. Kor 
6, 19). Diese wichtige Wahrheit ist das unerschütterliche 
196 
Fundament, auf welchem jede Ermahnung zur Reinheit und 
Heiligkeit des Herzens und des Lebens ruht. Bosheit und 
unreine Gedanken zu pflegen, ist wirklich nicht der Beweis 
eines göttlichen Wandels. Der Christ kann von bösen Gedanken überfallen, bestürmt und betrübt werden, aber in 
diesem Fall braucht er nur auf Christus zu sehen, um den 
Sieg davonzutragen. Der Wandel, der eines Christen würdig 
ist, wird uns in dem ersten Brief des Johannes deutlich beschrieben. In Kap. 5, 18 lesen wir: „Wir wissen, daß jeder, 
der aus Gott geboren ist, nicht sündigt; sondern der aus Gott 
Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an." 
Das ist die göttliche Seite unserer Frage. Wir wissen leider 
wohl, daß es hier auch eine menschliche Seite gibt, aber wir 
beurteilen die menschliche durch die göttliche. Wir dürfen 
die Gedanken Gottes nicht mit den Gedanken der Menschen 
auf die gleiche Höhe stellen, im Gegenteil müssen unsere 
Blicke unverrückt auf die göttliche und nicht auf die menschliche Seite unserer Frage gerichtet sein. Wir dürfen uns mit 
nichts Geringerem begnügen als mit dem, was wir in 1. Joh 
5, 18 lesen. Nur wenn wir uns allezeit das wahre Muster 
und Vorbild vor Augen halten, können wir eine erhabene 
sittliche Höhe erreichen. Die Behauptung, daß man den Heiligen Geist habe, während man der Bosheit und unreinen 
Gedanken freien Raum gestattet, ist nach unserer Meinung 
nichts anderes als eine Lehre der Nikolaiten oder derer, die 
die Gnade auf Mutwillen ziehen (Offb 2, 6-15). 
Ihre dritte Frage lautet: „Wenn sich dies also verhält (nämlich daß die Errettung des Menschen allein ein Werk der 
freien und unumschränkten Gnade Gottes ist), kann man 
dann nicht behaupten, daß jeder leben könne, wie es ihm 
beliebe?" — Nun, wie wünschen denn die Christen zu leben? 
Soviel wie möglich wie Christus, nicht wahr? Wie hätte wohl 
Paulus geantwortet, wenn diese Frage an ihn gerichtet worden wäre? In 2. Kor 5, 14f und in Phil 3, 7-14 finden wir 
seine Antwort. Es ist mit Recht zu furchten, daß alle, die 
solche Fragen stellen, nicht viel von Christus kennen. Ich 
begreife es sehr gut, daß sich jemand in die Netze eines 
theologischen Systems, das die Dinge nur von einer Seite 
197 
betrachtet, verstricken und durch die widersprechendsten 
Lehrsätze der systematischen Gottesgelehrtheit in Verwirrung geraten kann. Aber ich bin auch völlig überzeugt, 
daß jeder, der die freie unumschränkte und ewigdauernde 
Gnade Gottes zu einem Deckmantel gebraucht, um in der 
Sünde zu leben, nichts vom Christentum versteht und weder 
Teil noch Los daran hat, sondern sich vielmehr in einem 
gefährlichen und schrecklichen Zustand befindet. 
Was den Fall des jungen Mannes betrifft, der aus dem Munde 
eines Predigers die Worte hörte: „Wenn man einma l ein 
Kind Gottes ist, so ist man es z u alle n Zeiten" , und 
der daraus die Veranlassung nahm, sich öffentlich ins Sündenleben zu stürzen, so ist dies nur ein Beispiel aus tausendden. Ich glaube, daß der Prediger die Wahrheit gesprochen 
und der Jüngling eine falsche Anwendung von seinen Worten 
gemacht hat. Die Worte des Predigers nach den Werken des 
Mannes beurteilen zu wollen, würde ein grober Irrtum sein. 
Was würde ich wohl von meinem Sohne denken, wenn er 
sagte: „Da ich einmal Sohn bin, bin ich es auch zu allen 
Zeiten, und darum darf ich alle Dinge, die meinem Vater 
gehören, in Stücke zerschlagen und mich allem Bösen überliefern." Ich beurteile das, was der Prediger gesagt hat, nach 
dem Worte Gottes, und dann muß ich bezeugen, daß er die 
Wahrheit gesprochen hat. Ebenso beurteile ich das Betragen 
des Jünglings nach demselben Maßstabe und erkläre es als 
höchst verwerflich. Nichts gibt uns Veranlassung zu glauben, daß der Jüngling jemals wirklich die Gnade Gottes geschmeckt hat, denn wenn dies der Fall gewesen wäre, dann 
hätte er Gott lieb gehabt und hätte der Heiligkeit nachgejagt. Der Christ hat sich der Sünde für tot zu halten, aber 
sich der Sünde für tot zu halten und in der Sünde zu leben, 
geht unmöglich zusammen. Im ersten Fall kann man auf die 
Kraft und die Gnade Gottes rechnen, während man im anderen Fall den Namen Christi lästert, da ein solches Betragen 
Christus zu einem Sündendiener erniedrigt. 
Die Wahrheit Gottes nach den Handlungen der Menschen 
beurteilen zu wollen, ist, wie bereits gesagt, ein grober Irrtum. Alle die das tun, müssen notwendigerweise zu einer 
198 
falschen Schlußfolgerung kommen. Um in der Wahrheit zu 
bleiben, muß man im Gegenteil die Handlungen der Menschen nach der Wahrheit Gottes prüfen. Setze dich zunächst 
in den Besitz dieser Wahrheit und beurteile dann nach ihr 
alle Dinge. Nimm die Richtschnur Gottes zur Hand und miß 
danach alle Dinge ab. Nimm die Waagschale des Heiligtums 
und bestimme danach das Gewicht von allem und jedem. Du 
darfst die Waagschale nicht regeln nach dem Gewicht eines 
jeden, sondern du mußt das Gewicht nach der Waagschale 
beurteilen. Wenn selbst zehntausend Bekenner ihr Bekenntnis verleugnen sollten, um öffentlich in der Sünde zu leben 
und zu sterben, so würde dies keineswegs unser Vertrauen 
zu der Lehre bezüglich des Ausharrens bis ans Ende zum 
Wanken bringen. Dasselbe Wort, das die Wahrheit dieses 
Lehrsatzes beweist, beweist ebenso sehr die Unwahrheit ihrer Bekenner. „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren 
nicht von uns" (1. Joh 2, 19). „Doch der feste Grund Gottes 
steht und hat dieses Siegel: der Herr kennt, die sein sind; 
und: „jeder der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von 
der Ungerechtigkeit" (2. Ti 2, 19). 
3. 
Untersuchen wir nun in unserem dritten Abschnitt die verschiedenen Schriftstellen, die, wie Sie in Ihrem Brief sagen, 
gewöhnlich angeführt werden von denen, die die Lehre über 
das Ausharren bis ans Ende bestreiten. Vor allem ist es 
jedoch von großer Bedeutung, einen Grundsatz zu beleuchten, der nach meinem Urteil für die Erklärung der Heiligen 
Schrift im allgemeinen von höchster Bedeutung ist. Dieser 
Grundsatz heißt: „Keine einzige Stelle der Schrift kann mit 
einer anderen im Widerspruch sein." Wenn daher scheinbar 
ein Widerspruch besteht, so hat er nur seinen Grund in dem 
Mangel unseres geistlichen Verständnisses. Wenn z. B. jemand Jak 2, 24 anführen wollte, um die Rechtfertigung aus 
Werken zu beweisen, so wäre es vielleicht möglich, daß ich 
mich außerstande fühle, ihm die richtige Antwort zu geben. 
Es ist sehr wohl möglich, daß Tausende, wie Luther, durch 
diese Stelle in die Enge getrieben worden sind. Ich kann die 
vollkommenste Sicherheit bezüglich meiner Rechtfertigung 
199 
besitzen, ich kann völlig überzeugt sein, daß nicht irgendein 
Werk, das ich getan habe, sondern einfach der Glaube an 
Jesus Christus die Ursache meiner Errettung ist, und kann 
doch vielleicht nicht imstande sein, die Worte des Jakobus: 
„Ihr seht also, daß ein Mensch aus Werken gerechtfertigt 
wird und nicht aus Glauben allein", zu erklären. Vielleicht 
verstehe ich den Apostel Jakobus nicht und finde mich daher 
wegen der scheinbaren Widersprüche, die zwischen Jakobus 
und Paulus bestehen, sehr in Verlegenheit. Was ist zu tun? 
Nichts anderes, als jenen Grundsatz anzuwenden, den ich oben 
angeführt habe: „Keine Schriftstelle kann mit einer anderen 
im Widerspruch sein". Man könnte ebenso gut den Zusammenstoß zweier Himmelskörper, die sich in der ihnen 
vom Schöpfer vorgeschriebenen Bahn bewegen, befürchten, 
als daß zwei durch göttliche Eingebung redende Schriftsteller 
einander widersprechen sollten. Jetzt lese ich in Rö 4, 5 die 
folgenden sehr deutlichen Worte: „Dem aber, der nicht wirkt, 
sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird 
sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet." Hier ist das SelbstWirken, als rechtfertigender Grundsatz, ganz und gar ausgeschlossen, und nur der Glaube wird als solcher anerkannt. 
Ebenso lese ich in Kap. 3, 28: „Denn wir urteilen, daß ein 
Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke". Und auch in Kap. 5, 1: „Da wir nun gerechtfertigt 
worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott 
durch unseren Herrn Jesus Christus". Dasselbe finden wir 
im Brief an die Galater, denn dort lesen wir: „ . . . wissend, 
daß der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt 
wird, sondern nur durch den Glauben an Jesum Christum, 
auch haben wir an Christum Jesum geglaubt, auf daß wir 
aus Glauben an Christum gerechtfertigt würden, und nicht 
aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch 
gerechtfertigt werden wird" (Gal 2, 16). 
In allen diesen und vielen anderen Stellen werden, wie bereits 
erwähnt, die Werke als rechtfertigender Grundsatz gänzlich 
ausgeschlossen und die Sprache dieser Stellen ist so einfach, 
daß jeder Mensch, wie ungebildet er auch sein mag, sie verstehen kann. Wenn wir daher Jak 2, 24 nicht erklären kön200 
nen, müssen wir entweder diese Stelle leugnen oder unsere 
Zuflucht zu dem obengenannten Grundsatz nehmen, daß 
keine Schriftstelle mit einer anderen im Widerspruch sein 
kann. Im letzteren Fall werden wir mit einem unwandelbaren 
Vertrauen und in vollkommener Ruhe unseren Weg weitergehen und mit Freuden festhalten an der Hau.ptlehre des 
Evangeliums, der „Rechtfertigung durch den Glauben ohne 
Gesetzeswerke". 
Da wir indessen nun einmal unsere Aufmerksamkeit auf 
Jak 2, 24 gerichtet haben, ist es wohl am Platze, im Vorübergehen einige Bemerkungen, die zur Förderung eines 
richtigen Verständnisses beitragen können, über diese Stelle 
zu machen. In Vers 14 finden wir ein kleines, unscheinbares 
Wort, das sozusagen der Schlüssel ist zu der Stelle, die wir 
vor uns haben. Dort fragt der Apostel: „Was nützt es, meine 
Brüder, wenn jemand sagt , er habe Glauben, hat aber 
nicht Werke?" Wenn er gefragt hätte: „Was nützt es, wenn 
jemand Glauben hat? " dann wäre die Schwierigkeit unüberwindlich. Aber das Wörtchen „sagt" nimmt alle Schwierigkeit weg und zeigt uns in deutlicher Weise, worüber uns 
der Apostel belehren will. Wir könnten mit demselben Recht 
fragen: „Was nützt es, wenn jemand sagt , daß er hunderttausend Taler besitzt, wenn er sie nicht hat? Es hat sicher 
keinen Nutzen für jemand, wenn er nur sagt , daß er 
Glauben habe, sondern nur dann, wenn er ihn wirklich besitzt, hat er sowohl für die Gegenwart als auch für die Ewigkeit „Nutzen" davon, indem der Glaube ihn mit Christus 
einsmach t und ihn in den vollen und ungeschmälerten 
Besitz alles dessen stellt, was Christus für uns getan hat und 
was Er für uns vor Gott ist. 
Dies gibt mir Veranlassung, den vorliegenden Gegenstand 
noch von einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten, wodurch die scheinbaren Widersprüche zwischen den Briefen 
des Paulus und des Jakobus vollends beseitigt werden. Es 
besteht ein großer Unterschied zwischen den Werke n de s 
Gesetze s und den Werke n de s Glaubens . Paulus schließt die ersten aus, während er die anderen gebietet. 
Doch wir wiederholen mit allem Nachdruck, daß es nur die 
201 
Werke des Gesetzes sind, die Paulus ausschließt, und daß 
Jakobus nur die Werke des Glaubens gebietet. Die Werke 
Werke Abrahams und Rahabs waren keine Gesetzeswerke, 
sondern Werke des Glaubens. Sie waren die natürlichen 
Früchte des Glaubens, ohne die sie jeder rechtfertigenden 
Kraft ermangelt haben würden. Und fragt jemand nach dem 
Unterschied zwischen den Werken des Gesetzes und den Werken des Glaubens, so lautet die Antwort, daß die Werke des 
Gesetzes solche sind, die man verrichtet, um das Lebe n 
z u erlangen , während man in den Werken des Glaubens die natürlichen Früchte des Lebens erblickt, das man 
bereit s besitzt . Und was muß man tun, um das 
Leben zu erlangen? Man muß glauben an den Sohn Gottes. 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und 
glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben" (Joh 
5, 24). Bevor wir das Geringste tun können, müssen wir das 
Leben haben; und nicht dadurch, daß wir sage n : „Ich habe 
Glauben", sondern dadurch, daß wir wirklic h glau -
ben , erlangen wir das Leben. Und wenn wir das Leben 
besitzen, so werden wir auch Früchte des Lebens hervorbringen. 
Nachdem ich nun versucht habe, Ihnen, teurer Freund, meinen 
Grundsatz durch Beispiele klarzumachen, überlasse ich es 
fernerhin Ihrer Sorge, ihn auf die verschiedenen Schwierigkeiten und scheinbaren Widersprüche anzuwenden, die Ihnen 
bei der Betrachtung des Wortes Gottes auffallen mögen, 
während ich mich jetzt mit der Hilfe des Herrn bemühen 
werde, die wichtigen Schriftstellen, die Sie mir angeführt 
haben, zu erklären. 
1. Die erste dieser Schriftstellen finden wir im zweiten 
Petru.sbrief: „Es waren aber auch falsche Propheten unter 
dem Volke, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, 
welche verderbliche Sekten nebeneinführen werden und den 
Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst 
schnelles Verderben zuziehen" (Kap 2, 1). Die Schwierigkeit 
besteht für Sie in den Worten: „Und den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat." Dennoch aber bieten diese Worte 
keine besondere Schwierigkeit. Der Herr hat an allen, die 
202 
unter dem Himmel leben, Männern, Frauen und Kindern, 
ein zweifaches Recht: ein Recht als Schöpfer und als Erlöser. 
Die Worte des Petrus deuten auf das zweite Recht. Die falschen Lehrer verleugneten nicht nur den Herrn, Der sie ge -
schaffen , sondern auch den Gebieter, Der sie erkauft 
hatte. Hierauf das Augenmerk zu richten, ist von großer Wichtigkeit, weil hierdurch mehr als eine Schwierigkeit beseitigt 
wird. Der Herr Jesus hat Sich ein Recht auf die Glieder des 
Menschengeschlechts erworben. Der Vater hat Ihm Gewalt 
gegeben über alle s Fleisch. Daher kommt die Sünde derer, 
die Ihn verleugnen. Es ist Sünde, wenn man Ihn als Schöpfer verleugnet, und es ist eine noch größere Sünde, wenn 
man Ihn als Erlöser verleugnet. Es handelt sich hier keineswegs um die Frage der Wiedergeburt. Der Apostel sagt nicht: 
„Den Gebieter verleugnen, der sie lebendi g gemach t 
hat." Wäre dies der Fall, dann bestünde wirklich eine Schwierigkeit; so aber läßt der Wortlaut der Stelle die Frage bezüglich des Ausharrens bis ans Ende unangetastet. 
2. Die zweite Schriftstelle findet sich am Schluß desselben 
Kapitels (V 20-22): „Denn wenn sie, entflohen den Beflekkungen der Welt durch die Erkenntis des Herrn und Heilandes Jesus Christus, aber wiederum in diese verwickelt, überwältigt werden, so ist ihr Letztes ärger geworden als das 
Erste. Denn es wäre ihnen besser, den Weg der Gerechtigkeit 
nicht erkannt zu haben, als, nachdem sie ihn erkannt haben, 
umzukehren von dem ihnen überlieferten heiligen Gebot. Es 
ist ihnen nach dem wahren Sprichwort gegangen: Der Hund 
kehrte um zu seinem eigenen Gespei, und die gewaschene 
Sau zum Wälzen im Kot." Die Ausbreitung der Schrifterkenntnis und des Lichtes des Evangeliums kann einen wunderbaren Einfluß auf das Betragen und den Charakter eines 
Menschen ausüben, der doch nicht die lebendigmachende, 
erlösende und freimachende Kraft des Evangeliums Christus 
kennengelernt hat. Es wäre fast unmöglich, daß da wo die 
Bibel gelesen und das Evangelium der Gnade gepredigt wird, 
keine deutlichen Folgen zu sehen wären, ohne daß darum 
nun auch eine Wiedergeburt bewirkt sein müßte. Man kann 
durch den Einfluß einer reinen und verständlichen Erkenntnis 
203 
des „Herrn und Heilands Jesus Christus" viele schlechte 
Gewohnheiten ablegen und unsittliche Handlungen unterlassen, während das Herz doch nicht die Seligkeit des Glaubens erfahren hat. Aber man wird stets finden, daß diejenigen, die unter dem Einfluß des Evangeliums gewesen sind 
(d. h. wenn dieser Einfluß sich nur auf das äußere Verhalten 
ausgebreitet hat) sobald sie sich davon freimachen können, 
viel tiefer in den Schlamm der Sünde sinken, und sich zu weit 
größeren Ausschweifungen hinreißen lassen, als ehe sie unter 
diesen Einfluß kamen: „Ihr Letztes (ist) ärger geworden als 
das Erste." Der Teufel findet seine Freude daran, den ehemaligen Bekenner durch einen weit schmutzigeren Schlamm zu 
ziehen als der war, worin er sich früher in den Tagen seiner 
Unwissenheit und sorglosen Torheit gewälzt hat. Wie notwendig ist es daher, daß wir bei allen, mit denen wir irgendwo in Berührung kommen, auf eine völlige Übergabe des 
Herzens an den Herrn Jesus dringen, damit bei ihnen nicht 
nur eine äußere Veränderung hervorgebracht werde, sondern 
damit sie das Leben empfangen — ein Leben, das derjenige, 
der es besitzt, nie verlieren kann. Die oben angeführte 
Schriftstelle enthält durchaus nichts, wodurch die Schafe 
Christi beunruhigt werden könnten, aber sie enthält dagegen 
sehr ernste Ermahnungen für diejenigen, die, wenn sie sich 
auch für eine Zeitlang in Schafskleider gehüllt haben, sich 
dennoch niemals in Wirklichkeit von einem „Hund" oder 
einer „Sau" unterschieden haben. 
3. Dieselbe ernste Wahrheit wird uns in Hebr 6 vor die 
Seele gestellt, denn dort lesen wir: „Denn es ist unmöglich, 
diejenigen, welche einmal erleuchtet waren und geschmeckt 
haben die himmlische Gabe, und teilhaftig geworden sind 
des Heiligen Geistes, und geschmeckt haben das gute Wort 
Gottes und die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters, 
und abgefallen sind, wiederum zur Buße zu erneuern, indem 
sie den Sohn Gottes für sich selbst kreuzigen und ihn zur 
Schau stellen." Diese Worte haben bereits manche in Verlegenheit gebracht. Dennoch ist ihre Erklärung einfach, sobald man nur an zwei Personen in der Heiligen Schrift 
denkt, die in einem solchen Zustand gewesen sind. Wir mei204 
nen den Saul und den Judas. Beide sind erleuchtet gewesen, 
beide haben geschmeckt die himmlische Gabe, beide sind des 
Heiligen Geistes (als Gabe) teilhaftig geworden. Saul weissagte durch den Heiligen Geist; Judas verkündigte das Evangelium, verrichtete Wunder und trieb Teufel aus. Doch war 
keiner von beiden wiedergeboren, und darum gingen sie verloren, als sie abtrünnig geworden waren. Ebenso können auch 
Personen in der christlichen Gemeinde sein, die ihnen ähneln, 
und die wie sie abtrünnig werden oder abfallen und verloren gehen. Es tritt dann zum Schluß an den Tag, daß sie 
nicht wiedergeboren waren, wieviel Licht und wie viele Gaben sie auch gehabt haben mögen. Ein Wiedergeborener 
kann in diesem Sinne nicht abtrünnig werden oder abfallen, 
sondern wird bis zum Ende hin bewahrt durch die Macht 
Gottes (1. Petr 1, 5). 
4. In Joh 15, 2 sagt der Herr: „Jede Rebe an mir, die nicht 
Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, 
die reinigt er, auf daß sie mehr Frucht bringe" (V. 6): „Wenn 
jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie 
die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie 
ins Feuer, und sie verbrennen." Zur Erklärung dieser Worte 
ist es nötig, auf den Unterschied hinzuweisen, der zwischen 
den Rehen des Weinstocks und den Gliedern des Leibes 
Christi besteht. Niemand kann ein Glied des Leibes Christi 
sein, wenn er nicht wiedergeboren ist. Man muß mit Christus 
gestorben und auferstanden sein, um ein Glied Seines Leibes 
sein zu können. Eine Rebe am Weinstock ist hingegen jeder, 
der zu Christus in irgendeiner Beziehung steht, und wenn 
dies auch nur durch ein äußerliches Bekenntnis der Fall ist. 
Behält man diesen Umstand im Auge, dann ist die Erklärung 
der Worte Jesu nicht schwierig, denn dann geht klar daraus 
hervor, daß alle, die nur durch ein äußeres Bekenntnis zu 
Christus in Beziehung getreten sind, und darum natürlich 
keine Früchte hervorbringen, von dem Weinstock abgeschnitten werden. Man vergleidie hiermit das, was Paulus in Rö 11 
über den Ölbaum sagt. 
5. In Mt 12, 45 lesen wir: „Dann geht er hin und nimmt 
sieben andere Geister mit sich, böser als er selbst, und sie 
205 
gehen hinein und wohnen daselbst; und das Letzte jenes 
Menschen wird ärger als das Erste. Also wird es auch diesem 
bösen Geschlecht ergehen." Der letzte Satz dieser Stelle erklärt das Ganze. Der Herr schildert den sittlichen Zustand 
des jüdischen Volkes. Der Geist der Abgötterei hat die Israeliten eine Zeitlang verlassen, aber nur, um später mit siebenfacher Heftigkeit und Gewalt zurückzukehren, so daß ihr 
letzter Zustand bedeutend ärger sein wird, als alles was bis 
dahin in ihrer Geschichte bekannt geworden ist. Es ist klar 
und deutlich, daß hier nicht im mindesten die Rede ist von 
den Gläubigen, die abfallen. 
6. Endlich finden wir in Offb 3, 11 die Worte: „Ich komme 
bald; halte fest was du hast, daß niemand deine Krone nehme." In dieser Stelle müssen wir auf zwei Dinge unser Auge 
richten: zunächst, daß es sich hier um eine Ermahnung handelt, die an eine Versammlung gerichtet ist; und dann: daß 
wir in dieser Stelle nicht lesen: „Auf daß niemand dein 
Lebe n nehme." Ein Knech t kann seine Belohnung 
verlieren, aber ein Kin d Gotte s kann nie das ewige 
Leben verlieren. Man würde viele Schwierigkeiten beseitigen, 
wenn man auf diesen Punkt sein Augenmerk richtete. Die 
Beziehung eines Kindes ist ganz verschieden von der eines 
Jüngers. Die Sicherheit i n Christus ist etwas ganz anderes 
als das Zeugnis fü r Christus. Wenn unsere Sicherheit von 
unserem Zeugnis, oder unsere Kindschaft von unserer Treue 
als Jünger abhängig wäre, wo würde es dann mit uns enden? 
Es ist sicher wahr, daß ich mein Verhältnis als Kind um so 
mehr genieße und daß mein Zeugnis als Jünger um so kräftiger und treuer sein wird, je mehr ich meine Sicherheit verstehe. Dennoch aber dürfen wir diese beiden Dinge nicht 
miteinander vermengen. 
Teurer Freund, Sie sagen am Schluß Ihres Briefes: „Alle 
Stellen, die von einem Ausharren bis ans Ende und von 
einem Überwinden sprechen, scheinen anzudeuten, daß, da 
die Möglichkeit eines Nicht-Ausharrens und eines NichtÜberwindens vorhanden ist, also auch die Möglichkeit besteht, daß man am Schluß nicht selig wird." Hierauf kann ich 
Ihnen nur die Antwort geben, daß ich es mir immer als ein 
206 
Glück anrechnen werde, alle Stellen, die Sie meinen, mit 
Ihnen zu untersuchen, um Ihnen durch die Gnade Gottes zu 
beweisen, daß keine von all diesen Schriftstellen mit der 
wichtigen Frage bezüglich des Ausharrens bis ans Ende im 
Widerspruch steht, sondern daß im Gegenteil jede Stelle an 
und für sich oder in dem Zusammenhang, in dem sie steht, 
den Beweis liefert, daß sie sich in vollkommener Übereinstimmung befindet mit der Wahrheit der ewigen Sicherheit 
auch des schwächsten Lammes, das der Herde Christi angehört. 
Möge der Herr unsere Seelen mehr und mehr in Seiner 
Wahrheit befestigen und uns bewahren zur Verherrlichung 
Seines Namens! 
Die silbernen Trompeten 
(4. Mose 10) 
„Und Jehova redete zu Mose und sprach: Mache dir zwei 
Trompeten von Silber; in getriebener Arbeit sollst du sie machen; und sie sollen dir dienen zur Berufung der Gemeinde 
und zum Aufbruch der Lager. Und stößt man in dieselben, 
so soll sich die ganze Gemeinde zu dir versammeln an den 
Eingang des Zeltes der Zusammenkunft. Und wenn man in 
eine stößt, so sollen sich die Fürsten zu dir versammeln, die 
Häupter der Tausende Israels. Und blaset ihr Lärm, so sollen 
die Lager aufbrechen, die gegen Osten lagern; und blaset ihr 
Lärm zum zweiten Male, so sollen die Lager aufbrechen, die 
gegen Süden lagern: zu ihrem Aufbruch sollen sie Lärm 
blasen. Aber um die Versammlung zu versammeln, sollt ihr 
hineinstoßen und nicht Lärm blasen. Und die Söhne Aarons, 
die Priester, sollen in die Trompeten stoßen. Und sie sollen 
euch zu einer ewigen Satzung sein bei euren Geschlechtern. 
Und wenn ihr in eurem Lande in den Streit ziehet wider den 
Bedränger, der euch bedrängt, so sollt ihr mit den Trompeten 
Lärm blasen; und es wird euer gedacht werden vor Jehova, 
eurem Gott, und ihr werdet gerettet werden von euren 
207 
Feinden. Und an euren Freudentagen und an euren Festen 
und an euren Neumonden, da sollt ihr in die Trompeten 
stoßen bei euren Brandopfern und bei euren Friedensopfern; 
und sie sollen euch zum Gedächtnis sein vor eurem Gott. Ich 
bin Jehova, euer Gott" (V. 1-10). 
Wir haben hier dem Leser die ganze interessante Stelle vorgeführt, damit er in der Sprache göttlicher Eingebung die bemerkenswerte Anordnung der „silbernen Trompeten" vor 
Augen habe. Der Gebrauch dieser Instrumente entspricht ganz 
und gar den Anordnungen, die Gott bezüglich der Wolke 
getroffen hat und steht eng mit der ganzen — sowohl vergangenen als auch künftigen — Geschichte Israels in Verbindung. Jedes Ohr in Israel war mit dem Ton der Trompete 
vertraut. Dieser Ton verkündigte den Willen Gottes in bestimmter und für jedes Glied der Versammlung verständlicher Weise, wie weit auch jemand von dem Ort, von wo 
das Zeugnis ausging, entfernt sein mochte. Gott trug Sorge, 
daß jeder in der großen Versammlung, wie fern er auch stehen mochte, die Töne der silbernen Trompete des Zeugnisses 
hören konnte. 
Die beiden Trompeten waren aus einem Stück gemacht und 
erfüllten einen doppelten Zweck. Der Ursprung des Zeugnisses war, mit anderen Worten, ein und derselbe, wie verschieden auch der Zweck und die Wirkung sein mochte. Jede 
Bewegung im Lager war von dem Ton der Trompete abhängig. Sollte das Volk zur Freude des Festes und zur Anbetung 
versammelt werden — der Ton der Trompete gab das Zeichen 
dazu; sollten die Stämme zu einem Zug gegen die Feinde 
versammelt werden — der Ton der Trompete verkündigte 
es. Mit einem Wort: feierliche Zusammenkünfte und Kriegszüge, Friedensju.be! und Kriegslärm, alles wurde geregelt 
durch den Ton der silbernen Trompete. Jede Bewegung, 
mochte sie festlicher, religiöser oder kriegerischer Natur sein, 
war, wenn sie nicht durch diesen allbekannten Klang hervorgerufen war, nur die Frucht eines ruhelosen, nicht unterworfenen Eigenwillens, dem Jehova Seinen Segen nicht verleihen 
konnte. Die in der Wüste wandernde Schar war ebenso abhängig von dem Ton der Trompete, wie von der Bewegung 
208 
der Wolke. Das in dieser bestimmten Weise mitgeteilte Zeugnis Gottes sollte jede Bewegung der vielen Tausende in Israel leiten. 
Überdies geziemte es den Söhnen Aarons, den Priestern, 
auf den Trompeten zu blasen, denn der Wille Gottes kann 
nur in priesterlicher Nähe und Gemeinschaft erkannt und 
mitgeteilt werden. Es war das hohe und heilige Vorrecht der 
Priester, sich um das Heiligtum Gottes zu versammeln, um 
dort zuerst die Bewegung der Wolke wahrzunehmen und 
dieses dann bis in die entferntesten Teile des Lagers zu verkündigen. Sie hatten die Verantwortung, einen bestimmten 
Ton hervorzurufen, und jedes Glied des kämpfenden Heeres 
war in gleicher Weise zu einem bereitwilligen, unbedingten 
Gehorsam verpflichtet. Es hätte als Zeichen vollständigen 
Aufruhrs gegen Gott gegolten, wenn jemand versucht hätte, 
sich, ohne den Befehl dazu erhalten zu haben, in Bewegung 
zu setzen, oder wenn er sich geweigert hätte, aufzubrechen, 
falls der Befehl dazu gegeben wurde. Alle mußten auf das 
göttliche Zeugnis warten und genau in dem Augenblick, wenn 
es gegeben wurde, im Licht dieses Zeugnisses wandeln. Den 
Marsch ohne göttlichen Befehl fortzusetzen, war ein Wandeln 
in der Finsternis; den Aufbruch zu verweigern, wenn der Befehl dazu gegeben wurde, war nichts anderes als ein Bleiben 
in der Finsternis. 
Dies ist höchst einfach und in praktischer Beziehung von 
großer Bedeutung. Es wird uns nicht schwierig sein, davon 
eine Anwendung auf die Versammlung in der Wüste zu machen. Aber wir dürfen dabei nicht aus den Augen verlieren, 
daß alles dies ein Vorbild ist, und daher zu unserer Belehrung geschrieben ist. Wir sind daher verpflichtet, die großen 
praktischen Lehren, die für uns in dieser einfachen und 
schönen Anordnung der silbernen Trompete enthalten sind, 
für uns selbst auszuwerten und auf uns anzuwenden. Für 
die gegenwärtige Zeit ist wirklich nichts passender und von 
größerer Wichtigkeit. Wir finden darin eine Unterweisung, 
der der Leser seine ganze Aufmerksamkeit schenken sollte. 
In deutlicher Weise wird uns hier gezeigt, daß das Volk 
Gottes in all seinen Handlungen von dem göttlichen Zeug209 
nis abhängig sein und sich ihm unterwerfen sollte. Ein 
Kind kann das aus dem Vorbild, das wir betrachten, herauslesen. Das Volk Israel in der Wüste durfte sich zu keinem 
Fest und zu keiner religiösen Feierlichkeit versammeln, bevor 
es nicht den Ton der Trompete vernommen hatte, und ebenso durften die Kriegsleute erst dann ihre Rüstung anlegen, 
wenn sie durch das Lärmsignal berufen wurden, gegen die 
Unbeschnittenen in den Kampf zu ziehen. Dem Ton der 
Trompete gehorchend beteten und kämpften, wanderten und 
ruhten sie. Es handelte sich dabei keineswegs um das, was 
sie gern oder ungern taten. Weder ihre Gedanken, noch ihre 
Wünsche, noch ihr Urteil spielte dabei eine Rolle; es gab hier 
nur unbedingten Gehorsam. Alle ihre Handlungen waren abhängig von dem Zeugnis Gottes, das von den Priestern aus 
dem Heiligtum gegeben wurde. Der Gesang der Anbeter, 
der Schlachtruf der Kämpfer, beides war die einfache Frucht 
des Gehorsams gegenüber dem Zeugnis Gottes. 
Wie lieblich, wie treffend, wie belehrend und von welch 
hohem praktischen Interesse ist dies alles! Warum hebe ich 
dies mit solchem Nachdruck hervor? Weil ich hierin für die 
Zeit, in der wir leben, eine höchst wichtige und beachtenswerte Unterweisung zu finden glaube. Wenn es einen Zug 
gibt, der für die Gegenwart charakteristisch ist, so sehe ich 
ihn vor allem in dem Ungehorsam gegen die göttliche Autorität, in dem positiven Widerstand gegen die Wahrheit, wenn 
diese unbedingten Gehorsam und Unterwürfigkeit verlangt. 
Alles geht gut, solange die Wahrheit unserer Errettung, unserer Annahme, unseres Lebens, unserer Rechtfertigung und 
unserer Sicherheit in Christo mit göttlicher Fülle und Klarheit 
verkündigt wird. Wir lauschen diesen Wahrheiten und erfreuen uns daran. Sobald es sich aber um die Gebote und 
die Autorität Dessen handelt, Der Sein Leben hingegeben 
hat, um uns vor den Qualen der Verdammnis zu retten und 
uns in die ewigen Freuden des Himmels einzuführen, dann 
tauchen Schwierigkeiten aller Art auf. Die verschiedensten 
Fragen und Vernunftschlüsse werden geteilt, ganze Wolken von Vorurteilen sammeln sich um die Seele und verfinstern das Verständnis, die scharfe Schneide der Wahrheit 
210 
wird abgestumpft, und auf alle mögliche Weise sucht man 
einen Weg, um auszuweichen. Man wartet nicht auf den Ton 
der Trompete, und wenn sie auch so hell und klar erklingt, 
wie nur Gott Selbst sie erschallen lassen kann, so schenkt 
man dieser Aufforderung doch kein williges Ohr. Wir wandern, wenn wir ruhen, und ruhen, wenn wir wandern sollen. 
Was ist aber die Folge eines solchen Verhaltens, geliebter 
Leser? Entweder werden wir gar keine Fortschritte machen, 
oder, was noch weit schlimmer ist, wir machen Fortschritte 
in einer ganz falschen Richtung. Es ist ganz unmöglich, daß 
wir im göttlichen Leben zunehmen, wenn wir uns nicht völlig 
dem Worte Gottes unterwerfen. Wir mögen durch den überschwenglichen Reichtum der göttlichen Gnade und durch die 
versöhnende Kraft des Blutes Christi gerettet sein, aber sollten wir uns damit begnügen, durch Ihn gerettet zu sein, und 
nicht danach trachten, mit Ihm zu wandeln und für Ihn zu 
leben, wenn auch in Schwachheit? Sollen wir die Erlösung 
durch das von Ihm vollbrachte Werk annehmen und nicht 
danach verlangen, mit Ihm in innigem Umgang zu sein? Wie 
wäre es den Israeliten in der Wüste ergangen, wenn sie sich 
geweigert hätten, auf den Ton der Trompete zu achten? Die 
Antwort ist nicht schwierig. Hätten sie sich z. B. vorgenommen, sich an irgendeinem Tage zu einem Fest oder zu einer 
religiösen Feierlichkeit zu versammeln, ohne durch die göttlichen Töne dazu aufgefordert zu sein, was wäre die Folge 
gewesen? Oder wenn sie es gewagt hätten, aus eigenem 
Antrieb ihren Marsch fortzusetzen oder in den Krieg zu ziehen, bevor die Trompete erscholl, was wäre daraus geworden? Oder schließlich, wenn sie sich beim Ertönen der Trompete geweigert hätten, sich zu einem Fest zu versammeln 
oder ihre Reise fortzusetzen oder in den Krieg zu ziehen, — 
wie wäre es ihnen ergangen? 
Die Antwort auf diese Fragen liegt auf der Hand. Laßt uns 
sie tief in unsere Herzen einprägen und sie zu unserem Nutzen verwerten, denn, wie bereits gesagt, diese göttlichen Anordnungen enthalten eine beachtenswerte Unterweisung für 
uns. Die silberne Trompete veranlaßte und leitete jede Bewe211 
gung des Volkes Israel und ebenso sollte auch jetzt das 
Zeugnis Gottes in der Kirdie oder Versammlung alles bestimmen und regeln. Die silbernen Trompeten wurden von 
den Priestern des alten Bundes geblasen, und auch jetzt wird 
das Zeugnis Gottes nur in einer priesterlichen Gemeinschaft 
mit Ihm erkannt. Ein Christ hat kein Recht, sich zu bewegen 
und zu handeln, wenn nicht das Zeugnis Gottes ihn dazu 
auffordert. Er muß auf das Wort seines Herrn warten und 
so lange stehen bleiben, bis dieses Wort an ihn gerichtet 
wird. Wenn es aber an sein Ohr dringt, dann muß er vorwärts gehen. Gott kann und wird Seiner Kirche Seinen Willen mitteilen, und zwar ebenso bestimmt und genau, wie 
Er ihn Seinem Volke Israel kundtat. Das geschieht jetzt natürlich nicht durch den Ton einer Trompete oder durch die 
Bewegung einer Wolke, sondern durch Sein Wort und durch 
Seinen Geist. Unser Vater leitet uns nicht durch etwas, das 
auf unsere äußeren Sinne Einfluß hat, sondern durch etwas, 
das auf das Gewissen, das Herz und das Verständnis wirkt. 
Nicht auf natürlichem, sondern auf geistlichem Wege teilt Er 
uns Seinen Willen mit. 
Aber wir können überzeugt sein, daß unser Gott unsere Herzen über das, was wir tun und lassen, wohin wir gehen und 
nicht gehen sollen, ganz gewiß nicht im Unklaren lassen 
kann und wird. Das sollte jeder Christ wissen, und es ist 
höchst sonderbar, daß dies von vielen bezweifelt oder gar 
geleugnet wird. Ja, wie oft befinden wir uns in Zweifel oder 
Verwirrung. Und leider kennen wir Christen, die rundheraus 
leugnen, daß wir in den Dingen des täglichen Lebens und 
Handelns immer den Willen Gottes bestimmt erkennen können. Welch ein Irrtum! Kann nicht ein irdischer Vater seinem Kind auch in den kleinsten und unbedeutendsten Dingen 
seinen Willen verständlich machen? Wer wird dies leugnen? 
Sollte nun unser himmlischer Vater uns nicht in allen unseren 
Wegen von Tag zu Tag Seinen Willen mitteilen können? 
Ja, ohne Zweifel kann Er es. Darum sollte sich kein Christ 
das Vorrecht, den Willen seines Vaters in allen Umständen 
des täglichen Lebens zu, erkennen, rauben lassen. 
212 
Dürfen wir einen Augenblick dem Gedanken Raum geben, 
daß die Kirche Gottes in bezug auf ihre Führung und Leitung 
von oben den Kindern Israel in der Wüste nachstehe? Unmöglich. Woher kommt es denn, daß man so viele Christen 
findet, die über ihr Tun und Lassen in Ungewißheit sind? 
Die Ursache ist, daß man keine „beschnittenen" Ohren hat, 
so daß man den Ton der Trompete nicht hört. Ebenso ist ein 
völlig unterworfener Wille erforderlich, um diesem Ton zu 
folgen. Freilich sind wir nicht berufen, eine Stimme aus dem 
Himmel zu erwarten, die uns sagt, dieses oder jenes zu tun, 
hierhin oder dorthin zu gehen, oder eine Schriftstelle ausfindig zu machen, die uns buchstäbliche Anweisungen für unser 
Verhalten in den kleinen Umständen des täglichen Lebens 
gibt. Wie könnte z. B. jemand erfahren, ob es der Wille des 
Herrn sei, in diese oder jene Stadt zu gehen und dort eine 
Zeitlang zu bleiben? Wir antworten: Wenn dein Ohr beschnitten ist, wirst du sicher den Ton der silbernen Trompete hören. Halte dich ganz ruhig, bis sie ertönt, aber sobald 
du den Ton vernimmst, dann zögere nicht länger. Ein solches 
Verhalten wird alles klar, einfach und sicher machen. Es ist 
das beste Mittel gegen Zweifel, gegen Zögern und Schwanken. Es wird uns der Mühe entheben, bei diesem oder jenem 
Bruder Rat über unser Tun und Lassen einzuholen. Überdies 
lernen wir hieraus, daß es nicht unsere Aufgabe ist, die 
Handlungen und Bewegungen anderer zu verhindern. Wenn 
jeder ein offenes Ohr und ein unterwürfiges Herz hat, dann 
wird er von Tag zu Tag in allem, was er tut, eine so völlige 
Gewißheit haben, wie nur Gott sie geben kann. Unser gütiger 
und gnädiger Herr kann in allen Dingen Klarheit und Sicherheit geben. Wenn Er es nicht tut, dann kann es niemand. 
Wenn Er es tut, dann brauchen wir den Rat eines anderen 
nicht mehr. 
Soviel über die herrliche Anordnung über die silbernen Trompeten, die wir hier nicht weiter verfolgen wollen, obwohl sie 
in ihrer Anwendung nicht auf Israel in der Wüste beschränkt 
werden darf, sondern mit der ganzen Geschichte dieses Volkes innig verbunden ist. Es ist die Rede von dem Fest der 
Trompeten, von der Trompete des Jubels, von dem Blasen 
213 
der Trompete beim Opfer. Auf alles dieses können wir jetzt 
nicht näher eingehen, da wir es hier als unsere einzige Aufgabe betrachten, dem Leser behilflich zu sein, den großen 
und herrlichen Gedanken zu erfassen, der in dem vorliegenden Kapitel enthalten ist. Möge der Heilige Geist die köstliche und für alle beachtenswerte Lehre der „silbernen Trompete" tief in unsere Herzen einprägen! 
O Ton, so schön und herrlich, 
Wie klingst du klar und laut 
Dem Ohre jedes Gläub'gen, 
Der auf den Herrn vertraut! 
Du rufst ihn zum Gebete, 
Zum Feste hin, zur Freud', 
Stärkst ihn auf schweren Wegen, 
Ermunterst ihn im Streit. 
Du wirst auch einmal tönen, 
Wenn alles ist vollbracht, 
Wenn vor dem Morgensterne 
Entflieht die finst're Nacht. 
Dann wird der Kummer enden, 
Verscheucht sein jeder Schmerz; 
Wir werden selig ruhen 
An Gottes Vaterherz. 
Alisheimisch vom Leibe 
Wir sind oft geneigt, uns darüber zu verwundern, daß im 
Neuen Testament so wenig die Rede ist von dem Zustand 
des Geistes von dem Augenblick an, wo er bis zum Auferstehungstag den Leib verläßt. Doch bei näherer Prüfung dieses Gegenstandes muß es auffallen, daß gar manches darüber 
gesagt wird. Allerdings finden wir nur vier Stellen im Neuen 
Testament, die auf dieses äußerst wichtige Verhältnis Bezug 
haben, aber welch ein Schatz von Unterweisung liegt in jeder 
dieser Stellen verborgen! Wenn unsere Leser einige Augenblicke mit uns bei diesen Stellen verweilen wollen, dann 
werden sie sehen, daß dieser Gegenstand uns in seiner An214 
wendung auf die vier verschiedenen Zustände des christlichen Lebens vor Augen gestellt wird. Wir werden den erlösten Geist aus vier verschiedenen Zuständen in die Gegenwart Christi übergehen sehen. Wir werden einem begegnen, 
der einfach als ein durch Gnade geretteter Sünder, und einem 
anderen, der als Märtyrer diese Welt verläßt. Wir werden 
dann die Seufzer eines beschwerten Gemüts vernehmen, das 
verlangt, „ausheimisch vom Leibe und einheimisch beim 
Herrn" zu sein, und schließlich werden wir auf die heiße 
Sehnsucht eines Arbeiters im Weinberg des Herrn, der auf 
ewig in der Gegenwart seines Herrn und Meisters ruhen 
möchte, stoßen. 
1. Wir wenden uns zunächst zu der ersten Stelle in Lk 23, 
wo wir lesen: „Einer der gehenkten Übeltäter lästerte ihn 
und sagte: Bist d u nicht der Christus? Rette dich selbst und 
uns! Der andere aber antwortete und strafte ihn und sprach: 
Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht 
bist? und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes 
getan. Und er sprach zu Jesu: Gedenke meiner, Herr, wenn 
du in deinem Reiche kommst! Und Jesus sprach zu ihm: 
Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese 
sein" (V. 39-43). 
Es ist nicht meine Absicht, bei dieser lieblichen Geschichte 
stehen zu bleiben und die Einzelheiten in ihrer evangelistischen Unterweisung zu entfalten. Ich habe diese Stelle nur angeführt, um dem Leser ein deutliches Zeugnis der Schrift vor 
Augen zu stellen. Wir begegnen hier jemandem, der in dem 
einfachen Charakter eines aus Gnaden geretteten Sünders 
ins Paradies ging. Am frühen Morgen war er ein verurteilter 
Verbrecher, im Laufe des Tages ein Lästerer Jesu (Mt 27, 44), 
aber ehe der Abend anbrach, war seine erlöste Seele im 
Himmel: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein." Als 
ein zu Recht verurteilter Sünder hatte er sich Jesu übergeben 
und anvertraut, und als ein mit Blut erkaufter Heiliger ging 
er mit Jesus ins Paradies. Er war nicht berufen, die Krone 
eines Märtyrers zu tragen. Es wurde ihm nicht gestattet, für 
seinen Herrn und Meister zu arbeiten. Er hatte als Christ 
215 
keine lange, gefahrvolle Laufbahn zu durchwandern. Aber 
er war ein Sünder, der durch die Gnade errettet war. Überdies wurde er durch die Gnade fähig gemacht, ein Zeugnis 
abzulegen von der sündlosen Menschheit unseres gesegneten 
Herrn, und zwar in dem Augenblick, wo die religiösen Führer des jüdischen Volkes den Herrn als einen Missetäter der 
weltlichen Obrigkeit überliefert hatten. Ja, er bekannte Ihn 
als seinen Herrn und sprach von Seinem künftigen Königreich in einem Augenblick, wo das menschliche Auge keine 
Andeutung von diesem Königreich erkennen konnte. Das 
waren gute Werke. Christus zu bekennen und der Welt, die 
Christus verwirft, zu widersprechen — das sind Werke der 
erhabensten Art, Werke, die den herrlichsten Wohlgeruch 
verbreiten und im vollsten Glanz strahlen. Der Mörder am 
Kreuz zeugte von Jesus, als die feindliche Welt Ihn verwarf 
und die erschreckten und verzagten Jünger Ihn verlassen 
hatten. „Gedenke meiner, Herr", sagt er, „wenn du in deinem Reiche kommst." Liebliche Worte für den sterbenden 
Erlöser! Aber noch lieblicher ist die Antwort, die der sterbende Mörder empfing: „Heute wirst du mit mir im Paradiese 
sein." Das übertraf seine kühnsten Erwartungen. Der sterbende Jesus gab über Bitten und Verstehen; an eine solche 
Erfüllung seines Wunsches hatte der Mörder nicht gedacht. 
Er hatte nur gebeten, daß der Herr seiner gedenken möge, 
wenn Er Sein Königreich aufrichten würde. Aber der Herr 
sagte: „Heut e wirst du mit mir im Paradiese sein." Und 
darum, als die römischen Kriegsknechte kamen, um das 
fürchterliche Werk des Beinbrechens an dem sterbenden 
Manne zu verrichten, konnte er voll Freude sagen: „Diese 
Männer kommen, um mich geradewegs in den Himmel zu 
senden." 
Ja, teurer Leser, der Mörder ging in den Himmel, um dort 
bei Ihm zu sein, Der an seiner Seite an dem Fluchholz gehangen, und Der so herrliche Worte gesprochen hatte, um 
sein Herz zu trösten. Das stand für ihn unwiderruflich fest. 
Nie war er einem solchen Freund begegnet, wie Jesus es war. 
Niemand als Jesus hatte ihn so sehr geliebt, niemand sein 
Herz so getröstet. Die Gnade Jesu hatte einen Strom himm216 
lischen Lichtes ausgegossen über das fürchterliche Kreuz, an 
das der Mörder zur Strafe für seine Verbrechen gehängt 
worden war, und nun ging er ins Paradies, um für ewig bei 
Jesus zu sein. Das Paradies würde kein fremder Ort für ihn 
sein, denn dort würde er Jesus sehen. Wie kostbar ist das 
für unser Herz! Wie erquickend ist der Gedanke daran! Der 
Himmel ist uns weit näher, als wir oft denken. Er ist die 
Wohnstätte jener Liebe, die ihre glänzenden und gesegneten 
Strahlen über die dürre Wüste sendet, durch die wir zu pilgern haben. Bei Jesus zu sein, ist das allerbeste, das macht 
das Herz jetzt schon glücklich. In der Gesellschaft Dessen zu 
sein, Der mich so unaussprechlich liebt, daß Er Sich Selbst 
für mich hingab, was könnte es Köstlicheres geben? Im Himmel werden wir uns ganz zu Hause fühlen. Wir brauchen 
nicht zu fragen: „Wo ist der Himmel? Wie ist diese Wohnstätte beschaffen? Was werden wir dort tun?" Wir werden 
bei Jesus sein; diese Tatsache beantwortet alle Fragen dieser 
Art. Dort, wo die zärtlichsten Zuneigungen eines Vaterherzens uns in göttlicher Reinheit und unwandelbarer Kraft 
entgegenströmen, wo die Liebe des Bräutigams in ungestörtem Genuß unser Teil sein wird, wo die Gemeinschaft eines 
Herzens, das sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen, sowie 
auch die Sympathie eines Freundes in all ihrer göttlichen 
Frische und Kraft geschmeckt wird, — dort ist der Himmel. 
Dorthin ging der am Kreuz hängende Mörder. „Heute wirst 
du mit mir im Paradiese sein!" — Da können wir wohl ausrufen : 
Was wird's sein, was wird's sein, 
Führest du mich droben ein! 
Wo nicht Sund' und Welt mehr störet, 
Nie ein Seufzer wird gehöret, — 
Ewig werd' ich bei Dir sein! 
Freilich mußte der Mörder seinen Leib zurücklassen, bis der 
herrliche Augenblick der Auferstehung anbrechen und der 
Leib in Unverderblichkeit, in Unsterblichkeit, in Herrlichkeit 
und Kraft auferweckt werden würde. Er wartet jetzt mit 
allen, die in Jesu entschlafen sind, auf diesen glückseligen 
Augenblick. Aber ebenso gewiß ist es, daß der Herr Jesus 
217 
zu ihm sagte: „Heut e wirst du mit mir im Paradiese 
sein." Welch ein Gedanke! Vom Kreuz, dem schändlichen 
Kreuz eines Verbrechers, in das Paradies Gottes; von einem 
Schauplatz der Lästerung, der Verhöhnung, der Grausamkeit 
in die Gegenwart Jesu einzugehen, das war das herrliche Los 
des sterbenden Übeltäters, und zwar nicht aus eigenem Verdienst, sondern auf Grund des kostbaren Opfers Christi, Der 
ins Heiligtum einging mit Seinem eigenen Blut. 
2. Betrachten wir jetzt die zweite Stelle, die über unseren 
Gegenstand handelt. Wir finden sie in Apg 7, 59 und 60. 
„Und sie steinigten den Stephanus, welcher betete und sprach: 
Herr Jesus, nimmt meinen Geist auf! Und niederknieend 
rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde 
nicht zu ! Und als er dies gesagt hatte, entschlief er." 
Hier sehen wir das Ende eines Märtyrers, des ersten aus der 
großen Schar, die ihr Leben für den Namen Jesus hingegeben 
haben. Stephanus war nicht nur ein aus Gnaden geretteter 
Sünder, sondern litt auch um des Namens und um der Sache 
des Herrn willen. Er litt bis in den Tod. Er verließ die Mordstätte der Steinigung, um in die Gegenwart seines Herrn zu 
gehen, Der ihm erst vor kurzem vorangegangen war und nun 
bereit war, den Geist Seines Knechtes aufzunehmen. Welch 
eine Veränderung! Welch ein Gegensatz! Und laßt uns daran 
denken, daß es Stephanus gestattet wurde, einen klaren Blick 
werfen zu dürfen in den Bereich, in den er so bald eintreten 
sollte. „Als er aber, voll Heiligen Geistes, unverwandt gen 
Himmel schaute, sah er die Herrlichkeit Gottes, und Jesum 
zur Rechten Gottes stehen; und er sprach: Siehe, ich sehe 
die Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen" (V. 55f)! Wunderbarer Aufblick! Der 
Himmel sollte kein fremder Wohnort für Stephanus sein. 
„Der Sohn des Menschen" war dort, so daß er sich in jener 
Stätte ganz zu Hause fühlen konnte. Er sah nicht, wie der 
Mörder am Kreuz, Jesus an seiner Seite hängen, aber er sah 
Ihn vor sich im Himmel. Er sah nicht wie der Mörder einen 
sterbenden Heiland, sondern er sah Ihn auferstanden und 
verherrlicht, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, zur Rediten 
der Majestät in der Höhe. 
218 
Konnte daher der Mörder an den Himmel denken als an die 
Wohnstätte jenes Gesegneten, Der ans Kreuz genagelt war, 
so konnte Stephanus den Himmel als die Wohnung Dessen 
anschauen, Der bereits in die Herrlichkeit eingegangen war. 
Es war derselbe Himmel und derselbe Jesus für den einen 
wie für den anderen. Für beide war es kein fremdes, unbekanntes Land, sondern es war die glückselige Wohnung des 
gekreuzigten, auferstandenen und verherrlichten Jesus. Allerdings mußte der Märtyrer ebenso gut wie der Übeltäter 
seinen Leib zurücklassen, damit er im Schoß der Erde schliefe 
bis zur Auferstehung. Allerdings mußte auch er diesen ersehnten Augenblick erwarten, aber sein Geist war von dem 
Augenblick seines Abscheidens von dieser Erde bei Jesus. 
Ja, sowohl der Märtyrer als auch der Übeltäter, beide sind 
jetzt bereits seit neunzehn Jahrhunderten bei ihrem Herrn. 
Welche glückseligen Augenblicke mögen sie in diesen Jahrhunderten gehabt haben! Nicht die geringste Störung hat ihren Genuß der herrlichen Gemeinschaft zu schmälern vermocht. Ihre Stellung ist zwar eine abwartende Stellung, aber 
dennoch ist vollkommene Ruhe ihr Teil. Kein Kampf, kein 
Schmerz, keine Veränderung! Dies alles ist für sie auf immer 
vorbei. Immer sind sie glücklich, immer getrennt von Sünde 
und Schwachheit, immer befreit von den Versuchungen einer 
feindseligen Welt und den Listen des Teufels. O wie herrlich 
ist es, dort zu sein! Erblicken wir darin auch noch nicht unsere 
Vollendung, und mag auch unsere Freude noch größer sein, 
wenn wir mit unserem neuen Leib bekleidet von Jesus in 
die Wohnungen des Vaterhauses eingeführt werden, so wird 
doch die Freude, mit dem Herrn im Paradiese zu sein, alle 
unsere Vorstellungen übertreffen. 
3. Dies führt uns zu unserer dritten Stelle, die wir in dem 
zweiten Brief an die Korinther finden. „Denn wir freilich, 
die in der Hütte sind, seufzen beschwert, wiewohl wir nicht 
entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das 
Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. Der uns aber 
eben hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns auch das Unterpfand des Geistes gegeben hat. So sind wir nun allezeit 
gutes Mutes und wissen, daß, während einheimisch in dem 
219 
Leibe, wir von dem Herrn ausheimisch sind (denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen); wir sind aber 
gutes Mutes und möchten lieber ausheimisch von dem Leibe 
und einheimisch bei dem Herrn sein" (Kap. 5, 4-8). 
Aus diesen Worten des Apostels sehen wir deutlich, daß 
nicht, entkleide t sein , sondern überkleide t z u 
werde n die eigentliche Hoffnung der Christen ist. Der 
Gläubige wartet auf den Augenblick, wo er mit einem verherrlichten Leibe bekleidet werden wird, und zwar gleichförmig dem Leibe Jesu.. Mit anderen Worten, er wartet auf 
die glückselige Erscheinung des Sohnes Gottes, Der kommen 
wird, um Seine teure Braut in Seine Herrlichkeit aufzunehmen. Die Worte: „Wiewohl wir nicht entkleidet, sondern 
überkleidet werden möchten" wollen nichts anderes sagen 
als: „Wiewohl wir nicht zu sterben, sondern ohne zu sterben den neuen, verherrlichten Leib zu empfangen wünschen." 
Wenn der Herr Jesus in der Luft erscheint (1. Thess 4), um 
Seine Versammlung aufzunehmen, dann werden die entschlafenen Heiligen auferweckt und die übriggebliebenen Lebenden verwandelt werden. Es war nun das große Verlangen 
des Apostels, die Zahl der übrigbleibenden Lebenden anzugehören, und das ist die wahre Hoffnung aller wahren Glieder der Versammlung. Dennoch aber ist es stets sein Wunsch, 
den Leib der Sterblichkeit ablegen zu können, um bei dem 
Herrn zu sein. Es ist weit besser, bei dem Herrn zu wohnen als in dieser finsteren, öden Welt. Darum sagt der Apostel: „Wir . . . möchten lieber ausheimisch von dem Leibe 
und einheimisch bei dem Herrn sein." Stellt er das Sterben 
dem Verwandeltwerden gegenüber, dann wählt er das Letztere, aber wenn er das Sterben dem Bleiben auf dieser Erde 
gegenüberstellt, dann will er lieber sterben und bei dem 
Herrn sein (Phil 1, 22f). Dieser Augenblick, der für den 
unbekehrten Menschen der Tod, der König des Schreckens 
ist, ist für den Gläubigen nichts anderes als einfach ein Ablegen alles dessen, was ihn hindert, mit Jesus in einer ungestörten Gemeinschaft sein zu können. Welch ein Unterschied 
bestand zwischen jenen beiden Übeltätern, die unter den 
Händen römischer Soldaten ihr Leben beendeten! Der eine 
220 
ging hin, um für immer bei Jesus zu sein, der andere eilte 
jenem Ort zu, wo jede Hoffnung ausgeschlossen ist. Wie 
herrlich für uns zu wissen, daß ausheimisch vom Leibe zu 
sein, für uns nichts anderes ist, als einheimisch bei dem 
Herrn! Aber wie schrecklich, wie unaussprechlich entsetzlich ist der Zustand derer, die, wenn sie „ausheimisch von 
dem Leibe" sind, einheimisch sind beim Teufel und seinen 
Engeln. 
4. Wir wollen jetzt einige Augenblicke bei unserer vierten 
Stelle verweilen, die wir im schönen Brief an die Philipper 
finden. „Ich werde aber von beidem bedrängt, indem ich Lust 
habe, abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn es ist weit 
besser" (Kap. 1, 23). 
Hier sehnt sich ein Arbeiter im Werke des Herrn mit brennendem Verlangen nach dem Augenblick, wo er in der Gegenwart seines Herrn sein wird. Er ist im Kampf mit sich 
selbst. Seine Seele verlangt abzuscheiden, doch sein Blick ist 
auf die gerichtet, die über den Verlust seiner Person betrübt 
sein würden, und der Gedanke hieran bringt ihn in Verlegenheit. Für ihn war es besser, „abzuscheiden und bei Christo zu 
sein", für die geliebten Philipper aber war sein Bleiben besser. „Das Bleiben im Fleische aber ist nötiger um euretwillen" 
(V. 24). Was sollte er wünschen? Sollte er das Abscheiden 
wählen? Nein! „In dieser Zuversicht weiß ich, daß ich bleiben 
und mit und bei euch bleiben werde zu eurer Förderung und 
Freude im Glauben" (V. 25). Welch eine Selbstverleugnung! 
Welch eine aufopfernde Liebe gegen die Philipper strahlt uns 
hier entgegen! Er verlangte danach, im Himmel zu sein, aber 
da er noch auf der Erde nötig war, erklärte er sich bereit zu 
bleiben. Für ihn war es „weit besser", abzuscheiden, aber 
das Bleiben war um ihretwillen nötiger, und darum war er, 
erfüllt mit dem Geiste Christi, sogleich bereit, seinen eigenen 
Vorteil und seinen eigenen Genuß ihnen zum Opfer zu 
bringen. Welch ein treuer Knecht war Paulus! Möchten wir 
ihm gleichen und in seinen Fußstapfen wandeln! 
Wenn wir nun das, was uns diese vier Stellen gezeigt haben, 
zusammenfassen, dann haben wir alles für uns, was im Neuen Testament über die Seelen derer gesagt wird, die im Glau221 
ben an Christus entschlafen sind, und dann wird es uns zu 
gleicher Zeit deutlich, daß der Heilige Geist uns diesen Gegenstand unter vier verschiedenen Gesichtspunkten vor Augen 
stellt. In Lk 23 sehen wir, wie ein soeben geretteter Sünder 
mit Jesus im Paradies aufgenommen wird. In Apg 7 bemerken wir einen Gläubigen, der um des Namens Jesu willen den 
Märtyrertod erduldet. In 2. Kor 5 hören wir einen seufzenden und beschwerten Christen das Verlangen aussprechen, 
seinen Leib ablegen und bei dem Herrn sein zu können. In 
Phil 1 schließlich sehen wir einen Arbeiter des Herrn, der an 
dem Herzen seines geliebten Meisters auszuruhen wünscht. 
Wir haben also wohl Ursache zu sagen, daß der Herr uns, 
wenn auch nur in einzelnen Stellen, vieles über den Zustand 
der Seelen nach dem Tode gesagt hat. Wir können vollkommen ruhig sein, denn die entschlafenen Heiligen sind mit 
Jesus im Paradies, und bei Jesus ist ist es gut, bei Ihm ist es 
besser als hier, bei Ihm ist man vollkommen glücklich. Es 
gibt deshalb keinen Grund, wie einige zu glauben, daß die 
Seele, solange der Leib im Grab ruht, sich in einem Zustand 
des Schlafens befindet. Selbst wenn wir nicht so viele Schriftstellen besäßen, die eine solche Auffassung als völlig unbegründet hinstellen, würde diese seltsame Vorstellung sich sozusagen selbst widerlegen. Wer kann sich wohl einen schla -
fende n Geist vorstellen? Der Herr Jesus sagte auch nicht 
zu dem Mörder: „Heute wirst du schlafen", sondern: „Heute 
wirst du mit mir im Paradiese sein." Es wäre wirklich keine 
herrliche Aussicht für die Seele dieses Mannes gewesen, wenn 
er im Paradiese hätte schlafen sollen. Was hätte er dann an 
Jesus gehabt? Paulus hätte dann wirklich nicht sagen können: 
„Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn 
es ist weit besser". Ach nein, wenn wir nach unserem Abscheiden schlafen sollen, dann ist es weit besser, hier auf der 
Erde zu bleiben, denn so lange wir hier sind, können wir 
wenigstens Gemeinschaft mit Jesus haben und Seine Liebe 
genießen, wie mangelhaft dies auch sein mag; das wäre im 
Paradies unmöglich, wenn wir dort schliefen! Es ist daher 
unbegreiflich, wie jemand einer solchen Vorstellung Raum 
geben kann. Der Herr sei gepriesen, daß uns Sein Wort in 
222 
deutlicher Weise lehrt, daß, wenn es der heilige Wille Gottes ist, uns vor der Wiederkunft unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus von dieser Erde abzurufen, unser Platz 
bei Ihm droben in der herrlichen Welt sein wird, wo Sünde 
und Trauer keine Stätte finden, um dort die ungestörte Gemeinschaft Dessen zu genießen, Der uns geliebt und uns 
durch Sein Blut von unseren Sünden gewaschen hat, und auf 
den glückseligen Augenblick zu warten, wo beim Klang der 
Posaune die Toten unverweslich auferweckt und die übriggebliebenen Lebenden verwandelt werden. 
Die Liebe untereinander 
(Johannes 13, 35) 
Es ist leider offenbar, daß der gegenwärtige Zustand der 
Kirche oder Versammlung Christi die Betrachtung der brüderlichen Liebe sehr erschwert, und daß das Zeugnis in 
dieser Hinsicht sehr mangelhaft ist. Dennoch besteht die 
Pflicht, Liebe untereinander zu haben, ungeschwächt weiter. 
Die erschwerenden Umstände können weder diese Pflicht beiseitestellen noch die Forderungen des Wortes Gottes aufheben. Der Herr Jesus Selbst sagt: „Dies ist mein Gebot, daß 
ihr einander liebet, gleichwie ich euch geliebt habe (Joh 15, 
12)." Es ist daher eine unabweisliche Notwendigkeit, daß wir 
uns immer wieder ermahnen, Liebe untereinander zu haben. 
„Jeder, der den liebt, welcher geboren hat, liebt auch den, der 
aus ihm geboren ist" (1. Joh 5, 1). Das ist eine sehr wichtige 
Erklärung für die Bruderliebe. Hier wird nicht von irgendeinem Gebot geredet oder von irgendeiner Ermahnung, sondern 
hier wird eine Tatsache bestätigt, daß derjenige, der Gott 
liebt, auch die Brüder liebt. Mit anderen Worten, wenn die 
Liebe Gottes im Herzen wohnt, wird da unfehlbar auch Bruderliebe zu finden sein. Wenn ich aus Gott geboren bin, habe 
ich nicht nur Den lieb, Der mich geboren hat, sondern ich 
liebe auch diejenigen, die aus Ihm geboren sind. Liebe ist die 
Natur des Lebens, das ich empfangen habe. Bei einer solchen 
Erklärung ist es unmöglich, zuzugeben, daß diejenigen, die 
223 
aus Gott geboren sind, keine Liebe zueinander haben. Das 
göttliche Leben mag unscheinbar, schwach und elend sein und 
in einem solchen Fall wird die Bruderliebe sich mangelhaft 
und armselig erweisen, aber dennoch bleibt es wahr, daß 
überall, wo Leben aus Gott vorhanden ist, auch die Liebe zu 
den Brüdern gefunden wird. Von einem Kind im zartesten 
Alter kann ich sagen: „Es ist ein Sünder, die Sünde wohnt in 
der Natur dieses Kindes; und wenn es am Leben bleibt, wird 
sich auch ohne Zweifel die Sünde offenbaren". Mit derselben 
Sicherheit kann ich von einem, der aus Gott geboren ist, sagen: „Das ist jemand, der liebt. Sicher wird die Bruderliebe 
bei ihm zutagetreten, sie wird sich in geringerem oder größeren Maß gewiß in irgendeiner Weise offenbaren". Der Teufel kann dem Leben, das wir von Gott empfangen haben, 
nichts anhaben, er kann es nicht vernichten, denn das, was 
uns befähigt zu lieben, bleibt unangetastet. Der Teufel versucht der Entwicklung des Lebens entgegenzuarbeiten, um 
dessen Offenbarung zu verhindern und dessen Früchte zu 
vernichten. Er versuchte es bei Christus und wird es auch bei 
uns versuchen, und leider sind seine Bemühungen bei uns 
nicht immer fruchtlos. 
Das ist, glaube ich, die Ursache, warum die Schrift uns bezüglich der Liebe untereinander so viele Ermahnungen gibt, um 
uns die Notwendigkeit fühlen zu lassen, „von Gott gelehrt 
(zu sein), einander zu. lieben" (1. Thess 4, 9). „Vor allen 
Dingen aber habt untereinander eine inbrünstige Liebe" 
(1. Petr 4, 8). „Geliebte, wenn Gott uns also geliebt hat, so 
sind auch wir schuldig, einander zu lieben . . . Und dieses Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebt, auch seinen Bruder liebe" (1. Joh 4). „Die Bruderliebe bleibe" (Hebr 13, 1). 
Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf diese Ermahnung 
richten und „aufeinander achthaben zur Anreizung zur Liebe,, 
(Hebr 10, 24). Und ach, wie viele Dinge sind geeignet, unsere 
Liebe zu schwächen und zu verringern! Laßt uns daher acht 
haben auf uns selbst und einander ermahnen und anreizen 
zur Liebe! Möge Gott Selbst uns lehren, einander zu lieben! 
Der Herr sagt: Dies ist mein Gebot, „daß ihr einander liebet, 
gleichwie ich euch geliebt habe" (Joh 15, 12). — Wenn 
224 
wir also etwas von der Bruderliebe verstehen wollen, müssen 
wir zuerst die Liebe Jesu zu uns kennen, denn diese Liebe ist 
der Maßstab und das Muster unserer Liebe. Das Erste, was 
man von dieser Liebe Christi sagen kann und muß, ist, daß 
sie die Erkenntnis übersteigt (Eph 3, 19). Je mehr man sie 
betrachtet, desto größer erscheint sie uns; wir werden nie 
ihren Boden oder ihre Grenze entdecken, denn sie ist ohne 
Boden und ohne Grenze. Sie ist unendlich, wie Gott unendlich 
ist, sie „übersteigt die Erkenntnis". Wir werden sie deshalb 
nur unvollkommen verstehen. Das darf jedoch kein Grund 
sein, uns wenig mit ihr zu beschäftigen, sondern im Gegenteil 
müssen wir umso mehr dadurch angespornt werden, sie stets 
zum Gegenstand unserer Beschäftigung zu machen. Es dient 
zu unserer Sicherheit, und es ist ja der Wunsch Jesu: „Bleibet 
in meiner Liebe." 
Ich will mich darauf beschränken, drei Charakterzüge der Liebe 
Jesu zu uns zu nennen, die in bezug auf den Gegenstand, der 
uns beschäftigt, ganz besonders wichtig sind. Der erste dieser 
Züge ist, daß Er uns zuers t gelieb t hat. „Gott aber 
erweist seine Liebe gegen uns darin, daß Christus, d a wi r 
noc h Sünde r waren , für uns gestorben ist" (Rö 5,8). 
Er hat uns nicht nur geliebt, als nichts Liebenswürdiges an uns 
zu finden war, sondern sogar, als wir uns in einem hassenswürdigen Zustand befanden, als wir nichts als verderbte, widerspenstige Sünder waren. Dieser Tatsache, die uns so deutlich in der Heiligen Schrift vor Augen gestellt wird, können 
wir die an die Jünger gerichtete Unterweisung des Herrn beifügen: „Liebet eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; 
. . . Und wenn ihr liebet, die euch lieben, was für Dank ist 
euch? denn auch die Sünder lieben, die sie lieben . . . Und ihr 
werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen 
die Undankbaren und Bösen" (Lk 6, 27-35). 
Die Unterweisung und das Beispiel des Herrn sind für uns 
eine Aufforderung, zu lieben, wie Er geliebt hat, zuerst zu 
lieben, und die zu lieben, an denen nichts Liebenswürdiges 
ist, — selbst die Undankbaren und die Bösen. Wenn man 
daher unter den Brüdern solche findet, die wenig liebenswürdig, die arm, schwach, elend und verachtet sind, dann fordert 
225 
uns der Herr Jesus auf, gerade an ihnen zuerst unsere Liebe 
zu betätigen (Siehe Mt 18, 10-14). Diejenigen zu lieben, die 
uns lieben, ist nichts anderes als was auch die Sünder tun, 
und vielleicht gleichen wir in dieser Hinsicht noch ein wenig 
den Sündern. Die Neigung, die zu lieben, die uns lieben, 
ist ganz natürlich und oft so stark, daß man wohl zehnmal 
Gelegenheit finden wird, diejenigen, die uns lieben, zu besuchen und ihnen wohlzutun, während wir kaum einmal Gelegenheit finden, so gegen die zu handeln, die uns nicht so 
lieben, oder die weniger liebenswürdig und anziehend sind. 
Wie es jedoch auch sei, das Beispiel und die Unterweisung des 
Herrn zeigen uns, wie Er uns geliebt hat, und wie wir einander lieben sollen. „Dies ist mein Gebot, daß ihr einander 
liebet, gleichwie ich euch geliebt habe". 
Der zweite Charakterzug der Liebe Jesu, zu uns besteht darin, 
daß sie immer mit der Wahrheit vereinigt ist. „Die Gnade und 
die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden" (Joh 1,17). 
Die göttliche Liebe ist hierin so wunderbar, daß sie sich weder 
auf Kosten der Heiligkeit noch auf Kosten der Wahrheit 
geoffenbart hat. Wie groß die Liebe auch sein mag, die Jesus 
den Sündern entgegengebracht hat, so hat man doch nie von 
Ihm sagen können: „Das ist Einer, Der das Böse zuläßt und 
auf Kosten der Wahrheit Liebe ausübt, oder der den Menschen 
schmeichelt und ihre Fehler vor ihnen verbirgt, um sie an sich 
zu ziehen." — Nein, Christus, „der treue und wahrhaftige 
Zeuge", hat die Ungerechtigkeit des Menschen ebenso treu 
ans Licht gestellt, wie die Barmherzigkeit Gottes. Er hat die 
Fehler des Menschen nie verdeckt. Er hat sie auch nicht übertrieben, sondern in dieser und jeder anderen Beziehung hat 
Er stets die Wahrheit gesagt. Als Seine Feinde das im Ehebruch ergriffene Weib zu Ihm führten, wollten sie Ihn zwingen, die Gnade auf Kosten der Wahrheit zu verkündigen. 
Doch auch hier verließ Er den Boden der Wahrheit nicht, sondern sagte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den 
Stein auf sie" (Joh 8, 7). Und zu gleicher Zeit offenbart Er die 
Liebe, indem Er sagt: „So verurteile auch ich dich nicht; gehe 
hin und sündige nicht mehr" (V. 11). In derselben Weise handelt Jesus gegenüber dem kananäischen Weibe. Er ließ sie 
226 
Seine Liebe erfahren und sagt ihr zugleich die Wahrheit in 
bezug auf ihren Zustand, sogar in scheinbarer Härte. Ebenso 
wirft Er in die Seele der Samariterin ein helles Licht über 
ihren Zustand, indem Er die Worte an sie richtet: „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein 
Mann" (Joh 4, 18). Aber auch die Liebe strömt hier in ihrer 
ganzen Fülle aus. Das gleiche finden wir im Hause Simons gegenüber der Sünderin, sowie in dem Gleichnis vom verlorenen 
Sohn; überall verbinden sich Wahrheit und Liebe. 
Die Welt kann von ihrer Liebe sagen, daß sie blind ist, aber 
die göttliche Liebe ist hellsehend und wahrheitsliebend: „die 
Wahrheit festhaltend in Liebe" (Eph 4, 15; siehe auch die Anmerkung). „Sie (die Liebe) freut sich mit der Wahrheit" 
(1. Kor 13, 6). Die Bruderliebe wird sich daher nie darin erweisen, daß wir unsere Augen schließen vor unseren gegenseitigen 
Fehlern; sie erlaubt uns nie, zu dem Bruder zu sagen: „Kümmere dich nicht um meine Fehler, und ich will mich nicht um 
die deinigen kümmern." Denn niemand liebt uns mehr, als 
derjenige, der uns unseren Zustand nicht verbirgt, sondern 
uns die Wahrheit sagt. Setzen wir einmal den Fall, daß ich 
Torheiten begehe, die eines Christen unwürdig sind, und auf 
einem Wege wandle, wodurch ich mir ein Gericht zuziehe, und 
mein Bruder, der dies sieht, würde dazu schweigen. Wird so 
die Liebe handeln? Nein, sicher nicht! Die Liebe tadelt, die 
Liebe straft, die Liebe sagt die Wahrheit. Wenn sie eine Wunde auswäscht und verbindet, wird vielleicht der Verwundete 
schreien und im Zorn die Hand der Liebe abweisen, aber die 
Liebe wacht, setzt ihre Pflege fort, bis die Wunde gereinigt 
und verbunden ist; erst dann hat sie ihren Zweck erreicht. 
„Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, ein 
jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander" (Eph 4, 25). 
Der Anfang des sechsten Kapitels des Briefes an die Galater 
zeigt uns, in welchem Geist die Liebe untereinander geübt 
werden muß, besonders wenn sie es sich zum Ziel setzt, dem 
Bösen entgegenzutreten und den Irrenden zurechtzuweisen. 
Wo der Geist der Sanfmut und das Auf-sich-selbst-sehen fehlt, 
fehlt die Liebe. Denn wenn die Liebe die Wahrheit sagt, dann 
227 
ist sie, wie schneidend und verletzend auch die Wahrheit sein 
mag, immer „langmütig, ist gütig; die Liebe neidet nicht; die 
Lieb tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, sie gebärdet sich 
nicht unanständig, sie rechnet Böses nicht zu, sie freut sich 
nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit 
der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, 
sie erduldet alles" (1. Kor 13). Wir wissen alle, daß es nicht 
nur eine unangenehme Sache ist, sich mit dem Bösen beschäftigen zu müssen, sondern sogar eine höchst mühevolle Sache. 
Die Dinge werden jedoch bedeutend vereinfacht, wenn die 
Liebe uns leitet und das Herz, auf sich selbst sehend, frei ist 
von aller Bitterkeit. In diesem Fall wird das Böse gänzlich 
durch die Wahrhei t ans Licht gebracht werden, während 
die Lieb e da ist, um die Wunde zu pflegen und zu verbinden. Im anderen Fall aber, wenn die Liebe fehlt, wird das 
Böse nur noch mehr aufgeweckt, das Übel ärger gemacht und 
die Wunde vergrößert. Liebe und Wahrheit dürfen nie getrennt gehen. 
Aber dem Herrn sei Dank! Die Liebe hat sich nicht allein mit 
dem Bösen zu beschäftigen. Es gibt auch Unwissende zu unterweisen, Traurige zu trösten, Kranke zu pflegen, Arme zu 
speisen und zu kleiden. Die Liebe hat immer Arbeit genug, 
nie wird es ihr an Gelegenheit fehlen, wohltun zu können. 
Sie braucht sich nur umzusehen und wird Arbeit in Überfluß 
finden. „Kinder, laßt uns nicht lieben mit Worten, noch mit 
der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit" (1. Joh 3, 18). 
„Wenn aber ein Bruder oder eine Schwester nackt ist, und der 
täglichen Nahrung entbehrt, und jemand unter euch spricht zu 
ihnen: Gehet hin in Frieden, wärmet euch und sättiget euch! 
ihr gebet ihnen aber nicht die Notdurft des Leibes, was nützt 
es" (Jak 2, 15. 16)? 
228 
„Das Leben ist für mich Christus 
und das Sterben Gewinn" 
(Philipper 1, 21) 
Paulus wußte aus allem Nutzen zu ziehen, mochte es das 
Leben oder der Tod sein. Völlig ergeben in die Wege Gottes, 
konnte von ihm gesagt werden, daß er sich stets und in allem 
vom Herrn leiten ließ. Welch ein Mann, weise zum Guten! 
War es der Wille seines Herrn, ihn noch in dieser Welt zu 
lassen, dann war es für ihn der Mühe wert, denn das Leben 
war für ihn Christus. 
Wenn Paulus dies durch den Heiligen Geist sagt, dann wissen 
wir, daß es die Wahrheit ist. Wir sagen vielleicht: „O wie 
sehr wünsche ich, das ist auch mein ganzes Flehen zu Ihm, 
daß Er mich befähige, ganz für Ihn zu leben". Aber der Apostel konnte sagen, daß es bei Ihm wirklich so war, daß er auf 
dem Pilgerweg nur Christus als den einzigen Gegenstand vor 
sich hatte, daß auf seinem Pfade alles bei ihm sich um Christus als seinen Mittelpunkt drehte. Ja, Christus war in der 
Tat der Mittelpunkt seiner Gedanken, Worte und Werke, 
Christus war seine Freude, sein Leben, sein Alles. 
Und dieser Christus war für sein Herz; so kostbar, daß er 
Lust hatte, abzuscheiden, um bei Ihm zu sein. Der Tod war 
für ihn Gewinn. Ach, sähen wir doch auch wie Paulus unser 
Bestes im Leben und unser Bestes im Tod! Wie wird er sich 
an dem Genuß Christi erfreut haben in einem solchen Leben 
für den Herrn! Und wie glücklich wird für ihn der Augenblick 
seines Abscheidens gewesen sein! Ja, das Herz muß gelöst 
sein von allem Sichtbaren, wenn man sagen will: „Sterben ist 
Gewinn". Man verliert dann nichts, weil man nichts hat in 
dieser Welt, sondern man gewinnt, weil man bei Christus etwas findet, was in der ganzen Welt nicht zu finden ist. 
O möchte es doch bei uns nicht nur ein leerer Wunsch, sondern 
der wirkliche Zustand unserer Herzen sein, sagen zu können: 
„Das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn". 
229 
,Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der 
Geist aber wider das Fleisch; diese aber sind 
einander entgegengesetzt, auf daß ihr nicht 
das tuet was ihr wollt" 
(Galater 5, 17) 
Was diese Stelle sagt, bestätigen unsere Erfahrungen, nämlich, daß das Fleisch und der Geist einander völlig entgegengesetzt sind. Im Fleisch wohnt nichts Gutes, und der Geist 
von oben ist rein. Es gibt keine Harmonie bei diesen beiden. 
Bei einem gesegneten, dem Herrn wohlgefälligen Wandel 
bleibt nichts übrig, als die Regungen des Fleisches zu töten 
(Rö 8, 13). Was man vom Fleische leben läßt, ist böse, denn 
das Fleisch ist Feindschaft wider Gott. Darum finden wir 
auch in der Schrift die bestimmte Aufforderung, uns der 
Sünde für tot zu halten, uns als mit Christus gestorben zu 
betrachten, und die Glieder, die auf der Erde sind, zu töten, 
— ein Beweis, daß vom Fleische nichts bestehen bleiben darf, 
während wir andererseits in der Schrift der Lehre begegnen, 
uns vom Geist leiten zu lassen, nach dem Geist zu wandeln, 
usw. 
Wie einfach und klar ist diese Wahrheit und wie gesegnet für 
uns, wenn wir sie besitzen! Aber wie schwach zeigt sich oft 
ihre Verwirklichung bei uns, die wir schuldig sind, nicht nach 
dem Fleisch zu wandeln (Rö 8, 12)! Das Fleisch macht uns 
immer unglücklich, wenn wir ihm folgen, während wir glücklich sind, wenn wir uns vom Geist leiten lassen. Das Fleisch 
entfernt uns aus der praktischen Gemeinschaft mit Gott, der 
Geist hingegen führt uns inniger in die Gemeinschaft hinein. 
Das Fleisch zieht uns herab in die armseligen Dinge dieser 
Welt, der Geist erhebt uns zu seligem Schauen der ewigen, 
unvergänglichen Dinge. Das Fleisch macht uns unfähig zu 
allem Guten, während der Geist uns Kraft dazu verleiht. 
Wenn wir nach dem Fleisch wandeln, wird das Bewußtsein 
der Kindschaft geschwächt. Wandeln wir nach dem Geist, bestätigt der Geist uns dieses Zeugnis in unserem Herzen. Das 
230 
Fleisch macht uns träge und unfähig zum Gebet, während 
der Geist uns befähigt, Abba, Vater! sagen zu können. Ach, 
welch ein Verlust, wenn man dem Fleische Raum gibt, und 
welch ein Gewinn, wenn man sich durch den Geist leiten 
läßt! Möchten wir dieses doch beherzigen! 
Ich rede hier nicht von einem völligen Wandel nach dem 
Fleisch; aber schon wenn man nicht mit Entschiedenheit das 
Fleisch unterworfen hält, verliert man die Kraft zum Guten, 
und das Fleisch wird stark. In diesem Fall will man zwar das 
Gute, man betet, man sagt hundertmal zum Fleisch: „Nein", 
aber das Fleisch sagt immer „Ja" und trägt schließlich den Sieg 
davon. Wenn man den Neigungen des Fleisches Gehör 
schenkt, oder auch nur einen Kampf mit ihm eingeht, so erkennt man etwas als lebend an, das man für tot halten sollte. 
Auf die Regungen des Fleisches keine Antwort geben, ist der 
wahre Kampf und führt stets zum Sieg. Der Geist wird uns 
dazu die rechten Wege zeigen. 
Gepriesen sei Gott, Der uns den Geist und mithin Kraft gegeben hat, um das Böse zu überwinden, so daß wir nicht nötig 
haben, in Sklaverei der Sünde zu wandeln. Der Geist ist 
dem Fleisch entgegengesetzt, damit wir das Böse, was das 
Fleisch will, nicht ausüben. Welch ein Glück, nicht mehr Sklaven der Sünde zu sein! „Freigemacht aber von der Sünde, seid 
ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden" (Rö 6,18). Wenn wir 
nicht fähig wären, das Böse zu. meiden und das Gute zu tun, 
wenn wir den wohlgefälligen Willen Gottes kannten und uns 
ihm nicht unterwerfen könnten, wenn wir die Köstlichkeit der 
Gemeinschaft mit Gott verständen und ihren Genuß entbehren müßten, wie unglücklich wären wir dann! Aber da wir 
fähig gemacht sind durch die Gnade und die Kraft des Geistes, 
das Böse abweisen, die Glieder zu töten und das Vorrecht der 
Gemeinschaft mit Gott genießen zu können, ist es jetzt unsere 
Sache, Gebrauch zu machen von der Kraft des Geistes, nach 
dem Geiste zu wandeln, und die köstlichen Früchte des Geistes, 
Liebe, Friede, Freude usw. zu genießen. Warum sind wir doch 
so wenig treu, so wenig entschieden? 
231 
Kurze Bemerkungen über Philipper 4 
Bei der Betrachtung des Briefes an die Philipper ist es lehrreich, in Verbindung damit die persönliche Geschichte des 
Apostels im Auge zu halten. Er schrieb diesen Brief im Gefängnis zu Rom. Abgeschnitten von seinem Dienst, mußte er 
sagen: „Alle, die in Asien sind, haben sich von mir abgewandt". — „Alle suchen das Ihrige, nicht das, was Jesu Christi 
ist". Dennoch gab es etwas, das sein Herz über alles andere 
erhob. Nicht als ob er sich gleichgültig über alles hinwegsetzte/ 
aber er kannte eine höhere Kraft. Der Aufblick zu. Christus, 
weg von den Umständen, war die Ursache seiner Freude. 
In Gal 4 sagt der Apostel: „Ich fürchte um euch", und im 
nächsten Kapitel lesen wir: „Ich habe Vertrauen zu euch im 
Herrn" . 
Der Weg des Herrn war stets derselbe. Überall begegnete Er 
der Trübsal und dem Elend, und dennoch betete Er für Seine 
Jünger, daß sie Seine Freude völlig in sich haben möchten. Er 
lebte in einer Kraft, die über das Böse erhaben war, und wenn 
wir nicht in dieser Kraft leben, werden wir vom Strom des 
Bösen in uns und um uns her niedergedrückt werden, anstatt 
uns allezeit zu erfreuen. Um sich immer freuen zu können, 
ist es nötig, daß unser Herz sich bei Ihm befindet, Der schon 
überwunden und Sich zur Rechten Gottes gesetzt hat. Das 
erste Merkmal der Kraft ist die Geduld. Wir sehen dies an 
dem Apostel. Nichts störte den Frieden seiner Seele, so daß er 
sich frei genug fühlte, an andere zu denken, wie z. B. an 
Evodia und andere, oder sich wegen eines davongelaufenen 
Sklaven Mühe zu machen. Er ging durch das Tränental und 
machte es zu einem Quellenort. Es ist weit gesegneter, 
Trübsal e zu einer Ursache des Dankes zu machen, als 
unsere Segnungen" . Jehova will ich preisen allezeit, 
beständig soll sein Lob in meinem Munde sein" (Ps 34). 
In allen seinen vielen widrigen Umständen durfte er erfahren, daß der Herr genu g war. Er besaß jenes innere 
Glück, das ihn, als er vor Festus stand, befähigte zu sagen: 
„Ich wollte zu Gott, daß . . . alle . . . solche würden, wie 
auch ich bin" (Apg 26, 29). 
232 
Bist auch du so glücklich in deiner Seele, eine solche Sprache 
führen zu können? Der junge Christ ist meistens nur glücklich bei dem Gedanken an seine Errettung, an seine Freude, 
an seinen Frieden, kurz, an das, was er besitzt. Der alte 
Christ hingegen freut sich mehr in Christus . Der junge 
Christ sagt: „Ich habe dieses, ich habe jenes", während der 
alte Christ sagt: „Christus ist dieses, Christus ist jenes". 
Das soll nicht heißen, daß der junge Christ ein Unrecht begeht, wenn er so redet, denn er kann in diesem Sinn kein 
alter Christ sein, und wenn er mit Gott wandelt, wird er 
auch schnell heranreifen. „Ich habe euch, Väter, geschrieben, 
weil ihr den erkannt habt, der von Anfang ist" (1. Joh 2,14). 
Während der Apostel in bezug auf die „Jünglinge" ins einzelne geht, wiederholt er an die Väter nur das, was er ihnen 
schon einmal gesagt hat. 
Es gibt beständigen Kampf mit Amalek, aber wir dürfen mit 
der Zuversicht kämpfen, daß er schon gewonnen ist. „In der 
Welt habt ihr Drangsal; aber seid gutes Mutes, ich habe die 
Welt überwunden" (Joh 16, 33). „Laßt auch uns . . . mit 
Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, 
welcher . . . sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes" 
(Hebr 12, 1-2). Lassen wir uns durch keine Macht des Bösen 
oder der Umstände verhindern, uns immer im Herrn zu freuen, was allerdings nur in Seiner Gegenwart geschehen kann. 
„Laßt eure Gelindigkeit kundwerden allen Menschen" (Phil 
4, 5). Meiner Natur nach will ich auf meinem Recht in der 
Welt bestehen, und es verwundet mich tief, wenn ich sehe, 
daß mir Unrecht geschieht. Die Gelindigkeit legt einen Hemmschuh vor unseren eigenen Willen und ist mit dem zufrieden, 
was sich in der gegenwärtigen Zeit findet. „Der Herr ist 
nahe". Als der Herr Sein Angesicht nach Jerusalem richtete 
und die Samariter Ihn nicht aufnahmen, wollten die Jünger 
Feuer auf sie fallen lassen (Lk 9). Wenn du dein Angesicht 
feststellst, um nach Jerusalem zu gehen, dann werden die 
Lauen (Halbherzigen) dich auch nicht aufnehmen. „Der Herr 
ist nahe". Glaubst du das? Wenn du es glaubst, so wird der 
Charakter deines ganzen Lebens dadurch bestimmt werden. 
233 
Du sagst vielleicht: „Ich habe Schwierigkeiten in meiner Familie", oder: „Es steht schlecht in der Versammlung". — 
„Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott 
kundwerden". Was brauchst du? Gehe und bitte Ihn darum. 
Anstatt dich abzuquälen, bringe dein Anliegen zu. Gott. Obwohl nicht gesagt wird, daß Er dir gerade das geben wird, 
um was du Ihn bittest, weil das vielleicht nicht zu deinem 
Besten dienen könnte, so gibt Er dir doch Seine n Frie -
den . Lege deine Sorgen in Sein Herz, und Er wird Seinen 
Frieden in dein Herz legen. Kann etwas, das dich beunruhigt, 
den Frieden Gottes stören? „Lasset . . . mit Danksagung eure 
Anliegen vor Gott kundwerden". Wenn ich meine Angelegenheiten in die Hand eines anderen lege und ihn bitte, sie für 
mich zu besorgen, dann bedanke ich mich für seine Mühe 
im voraus, obgleich er bis jetzt noch nichts dafür getan hat. 
In diesem Seelenzustand ist das Herz frei, die Gunst zu genießen, die ich bei einem anderen entdecke. Es ist eine starke 
Neigung in uns, in den Dingen dieser Welt zu leben, wo aber 
das Herz Christi nicht bei uns sein kann. „Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, 
dieses tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein" 
(V 9). Die Freude ist etwas Veränderliches, während der Friede etwas Beständiges und Bleibendes ist. Gott wird nie der 
Gott der Freude, aber oft der Gott des Friedens genannt. Solange Christus vor Seinem Tod bei Seinen Jüngern war, sagte 
Er nie zu ihnen: „Friede euch!" wohl aber: „Fürchtet euch 
nicht". Nachdem Er aber aus den Toten auferstanden war, 
sprach Er zu ihnen: „Friede euch"! Christus hat durch das 
Blut Seines Kreuzes auf eine solche Art Frieden gemacht, daß 
Gott nichts sieht, was Seinen Frieden stören könnte. Ich bin 
im Licht, wie er im Licht ist, und wenn ich mit Gott Frieden 
habe, werde ich Ruhe haben, obgleich ich Kampf mit der 
Welt, dem Fleisch und Satan habe. Der wahre Seelenzustand 
eines Menschen kann durch seine täglichen Lebensgewohnheiten beurteilt werden. Der Apostel sagt: „Ich habe gelernt, 
worin ich bin, mich zu begnügen". Er hatte es gelernt und 
nicht nur gesagt. Überfluß zu. haben, ist gefährlicher als erniedrigt zu sein; aber Christus war ihm genug. Ich bekomme 
234 
nicht nur Frieden i n den Umständen, sondern auch Kraft, um 
mich übe r sie zu erheben. Wenn er sagt: „Mein Gott", so 
will er damit gleichsam sagen: „Ich kenne Ihn gut; ich stehe 
dafür ein, daß Er alle eure Notdurft erfüllen wird nach Seinem Reichtum in Herrlichkeit in Jesu Christo". Welch eine 
Wirklichkeit ist doch das Leben des Glaubens! Der Herr mag 
uns durch Trübsale führen, weil es gut für uns ist, aber Er 
wird in allen Trübsalen bei uns sein. 
Die Stellung der Gläubigen in Christo 
Wie können wir das kennen, was uns von Gott gegeben ist? 
— Er hat es uns in Seinem Wort geoffenbart. Nur hier können wir es kennenlernen. Daher ist es von hoher Wichtigkeit, das Wort wirklich zu erforschen, damit wir nichts von 
dem Segen einbüßen, mit dem Gott uns in Christus gesegnet 
hat. Wenn du Grund hättest zu glauben, daß dir eine Erbschaft hinterlassen worden sei, dann würdest du sicher alle 
Erkundigungen einziehen, um festzustellen, ob das wahr ist. 
Der Gläubige ist ein Erbe Gottes, ein Miterbe Christi (Rö 
8, 17; Gal 4, 7). Was soll er erben? Ist das nicht der Erforschung wert? Woher hat er die Berechtigung? — Christus ist 
seine Berechtigung. Die Sache ist sehr einfach. Als Abkömmlinge Adams waren wir von Natur Sünder, unfähig, in Gottes 
Gegenwart zu stehen; ja, wir waren Kinder des Zorns. Es 
hat Gott gefallen, im Bilde des Aussätzigen unseren Zustand 
uns vor Augen zu. stellen. Verderbt, unrein, unfähig, Gott als 
Anbeter zu nahen, durfte der Aussätzige erst dann nahen, 
wenn er vom Priester für rein erklärt worden war. Obwohl 
nur Gott dem Menschen in diesem Zustand Seine Barmherzigkeit und Liebe erweisen konnte, und, nachdem Er ein 
Heilmittel gefunden hatte, es auch getan hat, so konnte Er 
doch nie die Sünde übergehen, als wenn sie keine Gerechtigkeit von Seiner Seite erforderte. Er mußte Seinen Charakter 
als Der, Welcher mit der Sünde nichts zu tun haben kann, 
aufrechterhalten. Daher gab es nur einen Weg: das Gericht 
über die Sünde. Wenn dies Gericht den Sünder traf, war er 
235 
für immer verloren. Doch die Liebe Gottes fand einen Ausweg. Er gab Seinen Sohn, damit Dieser die Strafe trage. Die 
Worte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" zeigen den Platz, den Christus als Sündenträger einnahm. Er wurde „zur Sünde gemacht", und so von Gott behandelt. Er trug den Fluch der Sünde vollkommen und leerte 
den Kelch so vollständig, daß nicht ein Tropfen für die übrig 
blieb, an deren Stelle Er litt. Er hat „den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht 
. . . durch das Evangelium" (2. Tim. 1, 10). „Einer (ist) für 
alle gestorben . . . und somit (sind) alle gestorben" (2. Kor 
5, 14). Durch dieses eine Opfer hat Er die Sünde hinweggetan. Die Gerechtigkeit Gottes erforderte jetzt nichts mehr, 
sondern die Liebe Gottes konnte ungehindert durch den von 
Ihm Selbst geöffneten Kanal fließen. 
Zwar war die Liebe Gottes von jeher da, aber die Sünde im 
Menschen war das Hindernis, das ihren freien Ausfluß zu 
den Menschen hemmte. „Also hat Gott die Welt geliebt, 
daß er seinen eingeborenen Sohn gab", um dieses Hindernis 
wegzuräumen. Und am Kreuz ertrug Jesus als Sündenträger 
in Seiner Person, was uns hätte treffen müssen, nämlich 
das Gericht Gottes. „Getötet nach dem Fleische" legte Er 
Sein Leben nieder und verließ das Grab, befreit und losgesprochen von der Sünde. „Zum zweiten Male (wird er) denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit" 
(Hebr 9, 28; Rö 6, 10). Die Gerechtigkeit Gottes wurde vollkommen befriedigt. Nichts hindert nun die Gnade, durch 
Gerechtigkeit zu herrschen. Gott kann jetzt „gerecht sei(n) 
und den rechtfertige^), der des Glaubens an Jesum ist" (Rö 
3, 26; 4, 5). Er kann jetzt den Gottlosen rechtfertigen. Hätte 
Er es früher getan, dann wäre Er nicht gerecht gewesen, aber 
nun ist eine größere Versöhnung zustandegekommen als je 
durch einen Menschen hätte geschehen können, und Gott 
ist vollkommen verherrlicht worden. 
Sollte nun aber der Mensch die frühere Stellung der Verantwortlichkeit, in der er sich als völlig verloren erwiesen hatte, 
wieder einnehmen? Wozu dann das Gericht? Wenn der 
Mensch nicht dem Tode verfallen war, warum mußte dann 
236 
Einer für ihn sterben? Nein, jene Stellung des Menschen war 
für immer gerichtet. Derselbe Tod, der die Sünde hinwegtat, 
war das Gericht über den Menschen im Fleisch, den Menschen in der Natur Adams. Diese war vor Gott auf immer 
vorbei. Gott hat mit ihr keine Beziehungen mehr, als daß Er 
dem Menschen in jenem Zustand Barmherzigkeit anbietet. 
Von dort erwartet Gott nichts Gutes. Die Ursache, warum 
viele Seelen keinen Frieden haben, ist eben, weil sie noch 
etwas Gutes in dem suchen, was Gott als von Grund auf 
schlecht aufgegeben hat. Nein, hier ist weder Liebe und 
Dankbarkeit noch das geringste Verlangen nach Gott zu finden. Warum wäre sonst Christus gestorben? Nicht in dir, 
sondern in Gott ist das Heilmittel. Christus ist uns Gerechtigkeit geworden. Es ist die Gerechtigkeit Gottes und nicht 
des Menschen. Wir werden Gottes Gerechtigkeit, wenn wir 
glauben. Später werden natürlich die Früchte der Gerechtigkeit folgen, aber die Früchte der Gerechtigkeit sind nicht die 
Gerechtigkeit selbst. Aber wie ein Kranker nicht die Beweise 
der Genesung erwartet, bevor er genesen ist, so werden auch 
die Früchte der Gerechtigkeit erst dann erscheinen, wenn die 
Krankheit der Sünde beseitigt ist. Aber wo ist der Beweis, 
daß die Sünde hinweggetan ist? Christus ist auferstanden, 
und Gott wird allen, die glauben, Gerechtigkeit zurechnen. 
„Dem aber, der .. . an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet". — 
„Christus Jesus (ist) uns geworden . . . Gerechtigkeit" (Rö 
4, 5; 1. Kor 1, 30). 
Welch ein Ausgangspunkt! Gerechtigkeit Gottes! Können wir 
höher steigen? Du sagst: „Es ist zu hoch"! Gewiß, wenn du 
den Menschen hineinbringst. Aber nur in Christus, Der von 
Gott für uns zur Sünde gemacht wurde, sind wir gerecht. 
Du kannst nur in Christus daran teilhaben, und zwar unter 
der Vorausstezung, daß die Sünde am Kreuz hinweggetan 
ist. Er hat sie beseitigt, und nun hat der Gläubige mit Ihm 
teil an Seiner Auferstehung. Durch das Kreuz Christi und in 
Christus, dem Auferstandenen hat der Gläubige Gerechtigkeit erlangt. „Gleichwie Er ist, (sind) auch wir in dieser Welt" 
(1. Joh 4, 17). 
237 
Ja, noch mehr, der auferstandene Christus ist unser Leben. 
Mit dem alten Leben hat Gott nichts mehr zu schaffen. Wir 
haben kein Leben mehr unter dem Gericht oder der Erprobung. Die Probezeit ist vorbei, und auch das Gericht! Christus, Der siegreich aus dem Gericht hervorgegangen ist, ist 
unser Leben. Und Christus, unser Leben, ist aufgefahren 
und sitzt in den himmlischen örtern (Eph 1, 20; 2, 6). 
Das Leben aus Adam und aus Christus darf nicht miteinander 
vermengt werden. Für das eine Leben ist das Kreuz, für das 
andere die Gerechtigkeit und die Herrlichkeit der Auferstehung. Du kannst nicht beides zugleich haben „Er . . . hat uns 
mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen örtern". 
Aber das Erbe ist auch da. Wir sind Miterben Christi. Auch 
die Herrlichkeit ist unser. „Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben". Wir haben teil an allem, 
was Er als Sohn des Menschen empfangen hat. Wunderbar! 
Aber wir ehren Gott nicht, wenn wir die Größe Seiner Gnade 
in Zweifel ziehen. Wenn du nur einmal dich selbst losgeworden bist, indem du dich nun am Kreuz gerichtet siehst, 
dann wirst du einsehen, daß nichts mehr vorhanden ist, was 
Gott hindert, das Wohlgefallen Seines Willens auszuführen, 
so daß die Gnade durch Gerechtigkeit herrscht. 
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