Botschafter des Heils in Christo 1870

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1870
Der Altar Abrahams1
Der Versöhnungstag9
Unsere Rechtfertigung14
David18
"Gott widersteht den Hochmütigen"20
Das zweifache Erscheinen Jesu21
Die drei Männer im Feuerofen25
Wem ,gehörst Du, und wem lebst Du28
"Wir sehen Jesum"32
Was ist ein Bund?38
Vernunft und Offenbarung39
Die Berufung der Braut41
Die Auferstehung Jesu, ein Heilmittel für alle übel50
Das Gesetz der Freiheit57
Demut59
Gesetz und Gnade60
Abraham und Lot61
Balak, Bileam und Israel65
Der Herr als Richter70
Der christliche Wandel76
Kurze Gedanken79
Das Passahlamm und das Rote Meer81
Die Vorsorge Gottes f. d. Bedürfnisse d. Menschen88
"Hast Du Frieden gefunden?"96
Josia und seine Zeit101
Das Manna und das Erzeugnis dies Landes114
Ev. Johannes 19, 31119
Auszug aus einer Betrachtung über 4. Mo 28, 1 -13121
"Was irgend mir Gewinn war" . . . (Phil 3, 7)140
Einige Gedanken über 1. Joh 3, 1-7159
Das Haus Gottes161
Die wahre Abhängigkeit165
Grenzen und Anstöße169
Ihr aber, wert saget ihr, daß ich sei (Mt. 15, 18)?177
Die Verherrlichung Christi auf dem Berge181
Die beiden Throne187
Der Gehorsam Jesu191
Die Fürsorge Jesu für die Seinigen196
Petrus auf dem Meere199


Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1870 
Der Altar Abrahams 
Der Versöhnungstag 
Unsere Rechtfertigung 
David ... . 
„Gott widersteht den Hochmütigen" 
Das zweifache Erscheinen Jesu ... . 
Die drei Männer im Feuerofen ... . 
Wem gehörst Du, und wem lebst Du 
„Wir sehen Jesum" ...... . 
Was ist ein Bund? ...... . 
Vernunft und Offenbarung 
Die Berufung der Braut ..... . 
Die Auferstehung Jesu, ein Heilmittel für alle Übel 
Das Gesetz der Freiheit 
Demut 
Gesetz und Gnade 
Abraham und Lot ...... . 
Balak, Bileam und Israel .... . 
Der Herr als Richter ..... . 
Der christliche Wandel 
Kurze Gedanken 
Das Passahlamm und das Rote Meer . 
Die Vorsorge Gottes f. d. Bedürfnisse d. Menschen 
„Hast Du Frieden gefunden?" ... . 
Josia und seine Zeit ..... . 
Das Manna und das Erzeugnis des Landes . 
Ev. Johannes 19, 31 
Auszug aus einer Betrachtung über 4. Mo 28, 1-13 
„Was irgend mir Gewinn war" . . . (Phil 3, 7) 
Einige Gedanken über 1. Joh 3, 1 - 7 
Das Haus Gottes ... . 
Die wahre Abhängigkeit 
Grenzen und Anstöße 
Ihr aber, wer saget ihr, daß ich sei (Mt. 15, 18)? 
Die Verherrlichung Christi auf dem Berge 
Die beiden Throne .... . 
Der Gehorsam Jesu ... . 
Die Fürsorge Jesu für die Seinigen 
Petrus auf dem Meere ... . 
Die Schriftstellen sind nach der bekannten Übersetzung, 
der „Elberfelder Bibel", angeführt 
Der Altar Abrahams 
Es ist köstlich, im ersten. Buch Mose den. umfangreichen 
Grundsatz und die unerschütterliche Grundlage der Beziehungen Gottes zu den Menschen in voller Frische zu finden, und zwar von Anfang der Schöpfung an bis zur Sünde und der 
Ankündigung des letzten Adam. Wir sehen darin auch, wie Gott Seine Herrschaft ausübte, wie der Mensch zu Fall kam, wie das Gericht der großen Flut die ganze Welt vertilgte und 
welche Verheißungen Abraham empfing; und ebenso finden wir darin die beiden Bündnisse der Hagar und der Sara, und schließlich, in der schönen vorbildlichen Geschichte Josephs, 
das Verhältnis Gottes zu den Juden. Kurz, wir finden im ersten Buch Mose nicht nur Geschichte, sondern auch die herrlichen Grundsätze der Beziehungen Gottes zu den Menschen; und in dieser Hinsicht nimmt Abraham einen besonderen Platz als Verwahrer der Verheißungen Gottes ein. Das, 
was der Apostel zu den Galatern (Kap. 3, 13. 14) sagt, macht uns dies klar, 
Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes erlöst, indem Er für uns zum Fluch gemacht worden ist, denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holze hängt, auf daß 
der Segen Abrahams in Christo Jesu zu den Nationen käme, auf daß wir die Verheißung des Geistes empfingen durch den Glauben". Wir fühlen, welche Bedeutung „der Segen 
Abrahams" für uns hat, und bei näherer Erwägung sehen wir, welche Stellung uns Gott in Seiner Gnade durch die Erfüllung der Verheißungen zuteil werden läßt. Wenn wir jenen Segen als Grundsatz betrachten, können wir als Erben aller Verheißungen die Herrlichkeit Christi verstehen. Zwar 
war das Verhältnis Christi zu Seiner Kirche (außer in Vorbildern) noch verborgen, da dies erst nach Seinem Tode geoffenbart wurde; dennoch nehmen wir schon im ersten Buch 
Mose die verschiedenen Gedanken der Beziehungen Gottes zu den Menschen wahr und entdecken im Keim die Umstände, in denen sie sich kundgeben. 
Im neunten Kapitel, nach der Erzählung der großen Flut, 
finden wir, daß Noah, dem die Herrschaft über die Erde an7 
vertraut worden war, nicht dieser Stellung gemäß wandelte. 
Er berauschte sich. Diesem traurigen Vorfall folgte das Vergehen Harns, der seinen Vater verspottete, und dann die 
Zerstreuung der Nationen nach ihren verschiedenen Sprachen 
in Babel. Im zehnten Kapitel empören sich die Menschen insgesamt wider Gott. Da erscheint Nimrod, der gewaltige Mann, 
auf der Erde, während Gott im Schöße der gesegneten Familie 
Sems besondere Beziehungen zu den Menschen anknüpft. Im 
elften Kapitel sehen wir in Babel sowohl den Ursprung des 
Reiches Nimrods als auch die falsche Herrlichkeit jener Menschen, die sich getrennt von Gott in Babel zusammentun. Die 
Hauptzüge dieser drei Kapitel sind folgende: Noah hatte gefehlt, und danach die Nationen; anstatt Gott unterwürfig zu 
sein, erhoben sie sich gegen Ihn. Sie vereinigten sich, um sich 
einen Namen zu machen, und gerade diese Erhebung wurde 
d
:
e Ursache ihrer Zerstreuung. 
Bevor wir uns jedoch der Geschichte Sems zuwenden, mit der 
Gott Sich besonders beschäftigt hat, müssen wir eine Bemerkung vorausschicken. Ein furchtbarer Grundsatz ist in dieser 
Zeit an den Tag gekommen. Infolge der Zerstreuung erhebt 
sich der Mensch gegen Gott, aber damit nicht genug, wird er 
ein Sklave: er unterwirft sich der Macht Satans, er dient ihm 
und betet ihn an. Weil er Gott verlassen hat, maßt Satan 
sich den Platz Gottes an. Satan beunruhigt das Gewissen, 
nimmt Besitz von Herz und Willen des Menschen, um ihn 
zum Götzendienst zu verleiten. Wir finden diese Tatsache in 
Jos 24, 2. Es ist der Grundsatz der Macht Satans über die 
Erde, der sich der Geschichte des Menschen anschließt. Josua 
berichtet uns die Ereignisse, die nach der Flut stattfanden: 
die Gewalttätigkeit der Menschen, die Zerstreuung der Nationen, und namentlich, daß sogar die Familie Sems, die Kinder Hebers, außer dem wahren Gott auch andere Götter anbeteten. Der Apostel sagt uns, daß ihre Götter böse Geister 
gewesen seien: „Was die Nationen opfern, . . . opfern (sie) 
den Dämonen". 
Das ist der Zustand der Welt. Satan ist Fürst auf der Erde 
geworden, die wir bewohnen. Wir denken oft zu wenig daran. 
In einem Sinne kann Gott uns von dem Joch Satans befreien, 

obwohl es wahr bleibt, daß der Teufel uns durch die Lüste 
dieser Welt versuchen und moralisch unter sein Joch bringen 
kann. Wenn z. B. das Evangelium äußerlich in einem Lande 
aufgenommen wird, so daß das Wort Gottes dort ungehindert gepredigt werden kann, während in einem anderen Land 
eine solche Predigt nicht gestattet wird, so wird es sich deutlich zeigen, daß in dem zuletzt genannten Land die Seelen 
mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und daß das 
Joch derer in dem erst genannten Land weit leichter zu tragen 
ist; und es scheint, als ob Satan über eines dieser Länder 
mehr Macht habe als über das andere. Es ist sehr wichtig, in 
dieser Zeit solche Erscheinungen wohl zu unterscheiden. Die 
einfache Tatsache, daß wir durch unsere eigenen Lüste unter 
das Joch Satans gezogen werden, ist nicht die Macht, von der 
wir sprechen. 
Es ist sicher, daß in Gegenden, wo das Evangelium gepredigt 
werden darf, die Seelen eine größere Verantwortung tragen 
als in Gegenden, wo eine solche Predigt nicht gestattet wird, 
und zwar deshalb, weil sie höhere Vorteile genießen. Doch 
das Joch ist sehr verschieden. Unabhängigkeit von Gott ist 
der Wunsch jedes Menschen. Er will seine eigenen Wege gehen und fällt in die Hand des Feindes. So erging es Abraham, 
so ergeht es der ganzen Menschheit. Doch Gott begegnet 
Abraham inmitten all dieser Übel und offenbart ihm drei 
Dinge: die Auserwählung, die Berufung und die Verheißungen. Er erblickt ihn im Elend und beruft ihn Seiner Wahl 
gemäß, um ihm die Verheißungen zu geben; und Abraham 
empfängt sie. 
Außerdem sehen wir, wie Gott dies ausführte. Er kam hernieder, offenbarte Sich, verkehrte oft sichtbarlich mit einzelnen und redete mit ihnen. Indes, wie verschieden auch die 
Art und Weise sein mag — Er offenbart Sich stets dem Glauben und weckt das Vertrauen. Als z. B. der Herr Jesus Sich 
des Paulus auf dem Wege nach Damaskus offenbarte, tat Er 
es in sichtbarer Herrlichkeit; Er wirkte dabei jedoch auf das 
Gewissen und zog das Herz zu Sich. Paulus sagt selbst: „Habe 
ich nicht Jesum Christum, unseren Herrn, gesehen?" 

In Apg 7, 2 sagt Stephanus die Worte: „Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte". Gott offenbart Sich 
dem Gewissen; dieses fühlt Seine Gegenwart und ein kommendes Gericht, und wie verschieden es sich auch nach außen 
hin zeigen mag, es ist gezwungen, Gott zu begegnen, es muß 
Ihm folgen, wie es ehemals seinen eigenen Willen befriedigte. 
So erging es Saulus von Tarsus. Saulus hatte sich nicht um 
den Willen Gottes bekümmert, aber sobald er die Stimme 
Jesu hört, muß er sich ergeben. Welche Wirkung diese Übergabe in seinem Herzen hervorbrachte, ist aus den Worten zu 
ersehen: „Was willst du, daß ich tun soll?" — Die Mitteilung 
des Lebens findet, wie wir wissen, in der Seele statt. Gott 
redet auch jetzt, wiewohl Er Sich wie bei Saulus den Blicken 
offenbaren könnte. Sein Wort ist hörbar , wiewohl es 
geschrieben ist; und das geschriebene Wort ist ohne Zweifel 
glaubwürdig, wiewohl ein Apostel spricht. Der Herr Selbst 
weist Seine Jünger darauf hin, wenn Er in Lk 16, 19 sagt: 
„Sie haben Moses und die Propheten usw."; und Er stellt das 
was diese gesagt haben, als das Zeugnis Seiner eigenen Worte 
auf. Ich sage „Zeugnis", und das ist mehr als Richtschnur, 
denn ob geschrieben oder durch Seine eigenen Lippen gesprochen — es ist Sein Wort. Die Autorität der Heiligen Schrift 
ist unmittelbar. Er kann Seine Apostel als Boten gebrauchen, 
doch will Er, daß wir das was sie sagen als Sein Wort aufnehmen. Wenn Er es an die Menschen richtet, so muß es aus dem einzigen Grunde aufgenommen werden, weil Er spricht. 
Wenn wir nicht ohne Zögern die Stimme Gottes unterscheiden und uns Ihm unterwerfen können, weil Er es ist, Der 
da redet, so ist das kein Glaube. Im natürlichen Zustand versteht das Herz Seine Stimme nicht. „Abraham glaubte Gott, 
und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet". BevoT die 
Autorität Gottes im Herzen Wurzel gefaßt hat, ist viel Kampf 
darin. 
Täglich erkenne ich die Wichtigkeit dieses Punktes besser. 
Eine Seele, die fühlt, daß Gott Sich ihr geoffenbart hat, und 
deren Gewissen in Tätigkeit ist, weil es die Verantwortung 
vor Ihm erkennt, wird dem Worte völligen Glauben schen10 
ken. Im anderen Fall mag sie einen starken Eindruck empfangen haben, und das Gewissen mag erwacht sein, weil Gott 
Sich Ihm geoffenbart hat, aber sie nimmt das Wort nicht mit 
jenem stillen Glauben auf, durch den sie Ihm völlig und 
ohne Zögern vertraut und in Frieden erfunden wird, weil 
Gott gesprochen hat. In einem solchen Zustand dürfen wir 
nicht verharren. Wenn ich Gott angehöre, kann ich nicht 
länger meinen eigenen Willen tun; darum sagt Gott zu Abraham: „Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft usw." — Das ist weder leicht noch angenehm, aber 
hören wir, was der Herr Jesus sagt: „Jeder . . . der nicht 
allem entsagt . . . , kann nicht mein Jünger sein". 
Das ist ein wichtiger Grundsatz. Gott will ein Volk besitzen, 
das Ihm allein anhängt. Christus hat Sich für uns nicht zum 
Teil, sondern ganz hingegeben. Die Umstände sind verschieden, aber der Grundsatz bleibt derselbe. Wer auch die Freunde und was auch die Gegenstände, die uns zurückhalten wollen, sein mögen, so müssen doch die Worte: „Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft" eine Wahrheit 
bei uns geworden sein. Für das Fleisch ist ein solcher Befehl 
höchst beschwerlich. Selbtverständlich wird hier keine Lieblosigkeit gegen Vater oder Mutter gefordert, aber die Kette, 
die uns festhält, muß zerrissen werden. Das Herz hält uns 
oft zurück. Auch diesem Kampf möchten wir gern entgehen, 
aber mit dem „Ich" muß unbedingt gebrochen werden. Gott, 
Der das Herz kennt, bringt es dahin, sich selbst zu verleugnen, indem Er es die äußeren Bande zur Welt zerreißen läßt. 
„Gehe aus deinem Lande", sagt Er. Ja noch mehr: „Und aus 
deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause". — 
Abraham muß Gott ganz angehören, nachdem Er Sich ihm 
geoffenbart hat. Abraham übergibt sich Ihm, aber nicht ganz. 
Schon zu Anfang handelt er nicht wie er sollte. Zwar verließ 
er gehorsam sein Vaterland und seine Freunde, aber nicht 
völlig seines Vaters Haus, sondern er ging nur bis Haran 
und blieb dort. Er wünscht nicht wie manche alles mitzunehmen; er sagt im Gegenteil vielem ab, aber das genügt nicht 
und ist darum nutzlos. Tarah konnte nicht mit ihm nach 
Kanaan auswandern, weil er nicht berufen war. Wir lesen in 
11 
1. Mo 11, 31: „Und Tarah nahm seinen Sohn Abram, und 
Lot, den Sohn Harans, seines Sohnes Sohn, und Sarai, seine 
Schwiegertochter, das Weib seines Sohnes Abram; und sie 
zogen miteinander aus Ur in Chaldäa, um in das Land Kanaan 
zu gehen; und sie kamen bis Haran und wohnten daselbst". 
Wir sehen also, daß Tarah den Abram führte, der seines 
Vaters Haus nicht verlassen hatte. Daher konnte das von 
Gott gesteckte Ziel nicht erreicht werden. Das finden wir 
klar und deutlich im 11. Kapitel, und Stephanus teilt uns 
diese Begebenheiten in folgenden Worten mit: „Der Gott der 
Herrlichkeit erschien unserem Vater Abram, als er in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte, und sprach zu ihm: 
„Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft, 
und komme in das Land, das ich dir zeigen werde" (Vergl. 
1. Mo 12, 1). Gott sprach zu ihm: „Gehe aus deines Vaters 
Hause", aber Abram ging nicht. So ergeht es jedem Herzen, das noch nicht recht verstanden hat, daß es sich Gott 
gan z übergeben muß. Es verleugnet sich in vielen Stücken, 
aber sein halbes Vorangehen bleibt ohne wahre Frucht. Wenn 
wir uns in der Nachfolge Gottes befinden, aber noch das eine 
oder andere für uns zurückbehalten, dann ist dies, obwohl 
uns wie Abraham Gnade zuteil werden mag, die Ursache, daß 
wir noch so oft mit Zweifel und Ungewißheit zu kämpfen 
haben. 
Jehova hatte gesagt: „Gehe aus . . . und komm in das Land, 
das ich dir zeigen werde". Da Abram anfangs dem Befehl 
Gottes nicht ganz nachgekommen war, hätte er jetzt sagen 
können: „Was soll aus mir werden? Ich bin nicht aus meines 
Vaters Hause gegangen; was wird mir begegnen? Ich habe 
dem Befehl Jehovas nur zur Hälfte Folge geleistet; darum 
muß ich in Haran bald zugrundegehen". Doch Gott dachte 
nicht so. Wir lesen in Kap. 12, 4: „Und Abraham ging hin, 
wie Jehova zu ihm geredet hatte". Jetzt ist alles gut; Lot zieht 
mit ihm. Sie lassen sich nicht in Haran nieder, um dort zu 
wohnen, sondern gehen nach Kanaan. Sobald wir dem Willen 
Gottes nachkommen, geht alles gut; dann sorgt Er für alles. 
Vorher in Haran war Abram nicht gesegnet worden, erst als 
sein Vater gestorben und er nach Kanaan gelangt war, kam 
12 
der Segen. Das finden wir in den vier ersten Versen des 
12. Kapitels. Hier sehen wir, wie Gott Sich Abram darstellt. 
Er wirft ihm nichts vor, sondern beseitigt alle Hindernisse 
und bringt ihn auf den Weg des Glaubens. 
Im 7. Vers erscheint Gott Abram: eine neue Offenbarung. 
Er sagt zu ihm: „Deinem Samen will ich dieses Land geben". 
Er erneuert die Verheißungen mit bestimmten Worten. Er 
hatte ihn bereits so weit gebracht, daß er in Abhängigkeit 
von Ihm leben und wandeln konnte. Jetzt zeigt er ihm das 
Land und wiederholt Seine Verheißungen; ja, Er erklärt ihm 
sogar die Art ihrer Erfüllung. Er verheißt das Land seiner 
Nachkommenschaft. Dies ist für uns der Himmel. Gott will 
auch uns segnen, wenn wir in Abhängigkeit von Ihm leben. 
In Vers 2 hatte Gott gesagt: „Ich will dich zu einer großen 
Nation machen; und du sollst ein Segen sein!" und in Vers 3: 
„Ich will segnen die dich segnen, und wer dir flucht, den 
werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle 
Geschlechter der Erde!" Gott will verherrlicht werden und 
uns segnen. Beides ist sehr köstlich, denn indem Er uns segnet, verherrlicht er Sich. Er ermuntert Abram auf dem Glaubenspfade, indem Er ihn der Segnungen teilhaftig macht. Er 
fordert nur Vertrauen von Abram. „Ich will segnen die dich 
segnen". Wir werden durch Jesus gesegnet; Gott gibt uns 
dieselben Segnungen wie Jesu. Wenn auch Seine Kirche zu 
kämpfen hat, so kann sie doch stets überzeugt sein, daß nur 
Segen für sie daraus erwachsen kann durch Christus. 
Gott führt Abram jetzt nach Kanaan. Was gibt es dort für 
ihn? Durchaus nichts, was er sogleich besitzen könnte. Er 
sieht viele Kanaaniter — lauter Feinde in diesem Lande der 
Verheißung. Es bleibt ihm nach aller Beschwerde nur sein 
Glaube, aber nicht ein Plätzchen, das er sein Eigentum hätte 
nennen können. Stephanus teilt uns dies in Apg 7, 5 mit: 
„Und er gab ihm kein Erbe darin, auch nicht einen Fußbreit; 
und er verhieß es ihm zum Besitztum zu geben und seinem 
Samen nach ihm, als er kein Kind hatte". 
In derselben Lage befindet sich die Kirche. Wir sind Fremdlinge auf der Erde, und sind im verheißenen Lande von Feinden umgeben. Wie Abraham besitzen wir keinen Fußbreit. Es 
13 
ist für das Fleisch sehr schwer, alles zu verlassen und nichts 
zu finden; aber das Land kann noch nicht in Besitz genommen 
werden. Wir gleichen dem jüdischen Volk auf seiner Wanderung. Sie durchschritten eine Wüste und erblickten nichts als 
eine Wüste um sich her. Wir müssen alles opfern, was wir 
lieben, und uns emporschwingen zu der Höhe der Gedanken 
Gottes. Bis zur Vollziehung des Gerichts bleiben wir Fremdlinge im Lande der Verheißung. Wir lesen in Hebr 11, 8: 
„Durch Glauben war Abraham, als er gerufen wurde, gehorsam, auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen 
sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme". 
Das kennzeichnet seinen Glauben. Durch Glauben hielt er 
sich auf in dem Lande der Verheißung, wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben 
derselben Verheißung; denn er erwartete die Stadt, welche 
Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist". 
Auf dem Pfade des Glaubens und der Entsagung zog Gott 
ihn in das Land der Verheißung und gab ihm nichts; aber Er 
wies ihm eine so erhabene Stellung an, daß er die Stadt vor 
sich sah, welche Grundlagen hat. 
So führt Gott auch uns in die Wüste und gibt uns da nichts; 
und wenn wir Ihn um etwas bitten, dann ist Seine Antwort: 
„Es ist nicht gut genug!" Die Jünger hätten gern gehabt, 
daß Jesus immer bei ihnen geblieben wäre, aber Er sagt: 
„Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich 
hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder 
und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch 
ihr seiet". Nur wenn wir dieser Welt gänzlich entsagt haben, 
kann Er uns aufnehmen. Erst als alle irdischen Bande Abrahams zerrissen waren, zeigte Er ihm die Stadt, welche Grundlagen hat. Weil Gott die Kanaaniter (was für uns die geistlichen Mächte der Bosheit sind) noch nicht aus dem Lande 
vertrieben hat, sind wir Fremdlinge auf Erden; doch Gott 
erscheint, weil Abraham da ist. Das ist hier der große, wohl 
zu beherzigende Grundsatz. Es ist gut, uns daran zu erinnern, daß Gott zuerst auf das Gewissen wirkt, und uns erst 
danach fähig macht, Ihn zu genießen; und sobald wir von 
der Welt ausgegangen sind, schenkt Er uns die Freude, mit 
14 
Ihm reden zu dürfen. Wie der Gott der Herrlichkeit dem 
Abram in Ur erschien, so enthüllt Er Sich vielleicht ebenso 
unseren Blicken, um uns anzuziehen. Dann aber wirkt Er 
auf das Gewissen, trennt uns von allem, was das Herz gefesselt hält und will uns als Seine Auserwählten wandeln 
sehen, um dann, wenn wir ausgegangen sind, friedlich mit 
uns zu verkehren. 
Auch jetzt, nachdem Abram in Kanaan ist, kann Gott mit 
ihm reden, aber nicht mehr, um ihn auf den Weg zu schikken, sondern um ihn durch Seine Nähe zu beglücken und 
ihm Seine Gedanken in bezug auf die Erfüllung der Verheißungen mitzuteilen. Die Stellung Abrams ist, daß er mit 
Gott wandelt, obwohl er noch nicht das Erbteil in dem Land 
besitzt, wohin Gott ihn geführt hat, denn die Feinde sind noch 
da. Aber Jehova erscheint dem traurigen Abram; und im 
Genuß dieser Gemeinschaft baut Abram einen Altar für Gott; 
Der ihm erschien. 
Wir haben dieselbe Stellung der Verheißungen, in der wir 
Ihn anbeten können, und Er läßt uns verstehen, auf welche 
Weise Er sein Wort erfüllen wird. Wenn Christus wiederkommt, werden wir mit Ihm in Herrlichkeit erscheinen und 
alles mit Ihm besitzen. Unser gegenwärtiges Teil ist die Gemeinschaft mit Gott und die Einsicht in Seine Ratschlüsse, 
die Er ausführen wird. „Deinem Samen will ich dieses Land 
geben". — „Und er baute daselbst Jehova, der ihm erschienen war, einen Altar". 
Als Jehova Sich zum ersten Mal dem Abram offenbarte, 
konnte er seine Wanderung antreten; dann aber konnte er 
im Genuß Seiner Gemeinschaft und im Bewußtsein der Verheißungen Gott anbeten und zwar in dem Lande, in das Er 
ihn geleitet hatte. Wir sehen Gott im Glauben und wissen, 
daß Er Seine Verheißungen bald erfüllen wird. Er läßt uns 
Jesum, den wahren Samen und Erben aller Dinge, schauen, 
und unsere Seelen erfreuen sich in Ihm. 
Abraham wandelt als Pilger von einem Ort zum anderen: 
er schlägt sein Zelt auf und baut einen Altar. Sonst aber 
besitzt er nichts im Lande. Glücklich und still ruht er in den 
15 
Verheißungen Gottes. Das ist auch unsere Stellung. Im 
schlimmsten Falle müssen wir noch ein Grab kaufen wie 
Abraham (Kap. 23). 
Der Herr gebe uns denselben stillen Glauben, der Abraham 
befähigte, allem zu entsagen! Er begnügt Sich nicht mit einem 
halben Gehorsam. Er will, daß wir in Seinen Wegen wandeln und in Seiner Liebe ruhend einen Altar haben, bis wir 
Ihn schauen, in Dem alle Verheißungen erfüllt werden — 
Ihn, unseren Herrn, in Welchem alle Verheißungen „Ja und 
Amen" sind — , zu r Verherrlichun g Gotte s 
durc h uns ! 
Der Versöhnungstag 
(3. Mose 16) 
Nachdem Gott für Befleckungen, die Sein Volk verunreinigten, die nötigen Vorkehrungen getroffen hatte, offenbarte Sich 
Seine Vorsorge im allgemeinen bezüglich der Reinigung des 
Heiligtums und bezüglich der Sühnung der Sünden des Volkes Gottes Selbst. Zwei große Gedanken treten hier ans 
Licht: 1. Die Versöhnung war von solcher Tragweite., daß 
trotz der Sünden des Volkes sein Verhältnis zu Gott fortbestand, und 2. Die Schwierigkeiten, die Aaron bei seinem 
Eintritt ins Heiligtum begegneten, bezeugten, daß in jener 
Zeit der Weg ins Allerheiligste noch nicht geoffenbart war. 
Es ist wichtig, dieses Kapitel von diesen beiden Gesichtspunkten aus zu betrachten. Es bildet ein Ganzes für sich. An 
keiner anderen Stelle wird erwähnt, was sich an jenem feierlichen Tage zutrug. Durch das Passah wurde das Opfer 
Christi als Erlösung bildlich vorgestellt. Hier handelt es sich 
um das Nahen zu Gott, Der Sich auf Seinem Throne offenbarte, und um die Austilgung der Sünden derer, die nahen 
wollten, und endlich um die Reinigung ihres Gewissens. 
Während uns nun die Mittel dazu vorbildlich vor Augen 
gestellt werden, war in Wirklichkeit das Werk der Erlösung 
noch nicht vollbracht. Der Hohepriester nahte persönlich 
und füllte das Heiligtum mit Rauchwerk; dann nahm er das 
16 
Blut und sprengte es gegen und vor den Gnadenstuhl. Das 
zeigt im allgemeinen die Wirksamkeit des Opfers. Die Sünden waren gemäß den Anforderungen Gottes, der Majestät 
auf dem Thron, gesühnt, so daß die volle Befriedigung Seiner Majestät den Thron der Gerechtigkeit günstig stimmte, die Gnade freie Bahn hatte und der nahende Anbeter das 
Blut als Zeugnis auf dem Throne fand. Die zweite Tätigkeit 
des Hohenpriesters war, daß er die Stiftshütte, den Altar, 
sowie alles, was vorhanden war, reinigte. — Ebenso wird 
Christus, kraft der Besprengung mit Seinem Blut, alle Dinge 
mit Sich versöhnen, nachdem Er durch das Blut Seines Kreuzes Frieden gemacht hat. Es konnte keine Schuld in der 
Stiftshütte sein, darum reinigt Gott sie von allen Befleckungen, damit Er sie nicht mehr sähe. — Die letzte Handlung 
des Hohenpriesters bestand darin, daß er die Missetaten der 
Kinder Israels bekannte, indem er seine Hände auf das Haupt 
des lebendigen Bockes legte, der in die Wüste geschickt wurde 
und alle Sünden mit sich nahm, damit Gott sie nie wiederfinden möge. Hierdurch wird der Begriff der Stellvertretung 
in der deutlichsten Weise ausgedrückt. 
Wir sehen also dreierlei: 1. Das Blut auf dem Gnadenthron, 
2. die Versöhnung aller Dinge, und 3. die Sühnung für unsere Sünde, als bekannt und getragen durch einen anderen . 
Diese Ordnung finden wir auch im ersten Kapitel des Kolosserbriefes. Wir lesen dort von Frieden, Versöhnung aller 
Dinge, und bezüglich der Gläubigen: „Euch . . . hat er aber 
nun versöhnt in dem Leibe seines Fleisches durch den Tod". 
— Es ist klar, daß der lebendige Bock, obgleich lebendig 
fortgeschickt, doch dem Tode eines anderen (bezüglich der 
Wirksamkeit des Werkes) gleichgemacht wurde. Der Gedanke, daß die Sünde auf ewig aus dem Gedächtnis entfernt ist, 
kann sich nur auf die Annahme des Todes gründen. Die 
Herrlichkeit Gottes wurde anerkannt; und Seinem Recht wurde einerseits durch das Blut auf dem Gnadenthron und andererseits durch die Stellvertretung des Bockes Asasel — des 
Herrn Jesus in Seiner köstlichen Gnade in betreff der Schuldigen, deren Sache Er übernommen hatte —, völlig Genüge getan; und weil Er ihre Sünden trug, war ihre Befreiung voll17 
kommen und entschieden. Der erste Bock war das Los Jehovas, Sein Charakter und Seine Majestät erforderten dies. Der 
andere Bock fiel dem Volke zu und war ohne Zweifel ein 
Bild seiner Sünden. Diese beiden Seiten des Todes Jesu müssen in dem vollbrachten Opfer sorgfältig unterschieden werden. Er hat Gott verherrlicht, und Gott handelt gegen alle 
nach dem Wert dieses Blutes. Er hat die Sünden Seines Volkes getragen, und darum ist das Heil des Volkes vollkommen. In gewissem Sinne ist der erste Teil der wichtigere. Die 
Gerechtigkeit Gottes hätte den Sünder vernichten müssen; 
aber wo hätte man dann Seine Liebe, Seinen Gnadenratschluß, Seine Vergebung oder gar Seine ewige Verherrlichung 
finden können? Ich rede hier nicht von den Personen, die 
gerettet werden sollten, sondern von der Herrlichkeit Gottes 
selbst. Aber der Tod Jesu, Sein Blut auf dem Throne Gottes, 
hat alles ans Licht gebracht, was Gott ist: Seine Wahrheit, 
Seine Majestät, Seine Gerechtigkeit gegen die Sünde, und 
Seine unendliche Liebe gegen den Sünder. Gott fand Mittel, 
Seinen Gnadenratschluß zu erfüllen und zugleich die ganze 
Majestät Seiner Gerechtigkeit und göttlichen Würde aufrecht 
zu erhalten. Denn was hätte ihn mehr verherrlichen können, 
als der Tod Jesu? Die Gerechtigkeit Gottes hat darin ihr volles 
Genüge gefunden, und die Gnade kann sich in vollen Strömen ergießen. Der Herr Jesus sagt: „Ich habe eine Taufe, 
womit ich getauft werden muß, und wie bin ich beengt, bis 
sie vollbracht ist! — Sein von Liebe erfülltes Herz wurde in 
der persönlichen Offenbarung dieser Liebe von den Menscher, 
zurückgestoßen, aber durch die Versöhnung konnte sie dem 
Sünder frei und ungehindert in der Erfüllung des Gnadenratschlusses Gottes zufließen; ja, der Herr Jesus hatte gewissermaßen ein Recht auf diese Liebe, und wir sind durch die 
Gnade in dieselbe Stellung gebracht, die nicht ihresgleichen 
hat. „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, 
auf daß ich es wiedernehme". Wir sprechen mit heiliger Ehrfurcht von solchen Dingen; doch es ist gut, davon zu sprechen, 
denn sowohl die Herrlichkeit unseres Gottes als auch die 
Herrlichkeit Dessen, Den Er gesandt hat, findet sich darin 
geoffenbart und festgestellt. Es gibt keine Eigenschaft, keinen 
Zug des göttlichen Charakters, der nicht in aller Vollkom18 
menheit geoffenbart und durch das, was zwischen Gott und 
Jesus vorging, völlig verherrlicht worden wäre. 
Daß wir errettet und erlöst sind, und daß unsere Sünden 
durch Sein Opfer dem Ratschluß Gottes gemäß gesühnt sind, 
ist, wie anbetungswürdig und höchst wichtig diese Resultate 
des Werkes Jesu für uns auch sein mögen, doch nur die untergeordnete Seite dieses glorreichen Werkes. Die Verherrlichung 
Gottes nimmt den ersten Platz ein. 
Nachdem wir nun die großen Grundsätze des Erlösungswerkes in flüchtigen Umrissen gezeichnet haben, wollen wir etwas 
näher auf die besonderen Umstände eingehen. 
Es ist bereits bemerkt worden, daß zwei Opfer da waren, 
das eine für Aaron und seine Familie und das andere für 
das Volk. Aaron und seine Söhne stellen immer die Kirche 
dar, nicht im Sinne eines Leibes, sondern im Sinne einer 
Gesamtheit als Priester. So haben wir selbst am Versöhnungstag den Unterschied zwischen denen, die die Kirche ausmachen und dem irdischen Volke, welches das Lager Gottes auf 
Erden bildet. Die Gläubigen der Jetztzeit haben ihren Platz 
außerhalb des Lagers, wo ihr Haupt als Sündopfer gelitten 
hat; folglich ist ihre Stellung in der Gegenwart Gottes im 
Himmel, wohin ihr Haupt gegangen ist. Die Stellung außerhalb des Lagers hier auf Erden entspricht einem himmlischen 
Teil; dies sind die beiden Stellungen des in Ewigkeit gesegneten Christen. Wenn auch die bekennende Kirche die Stellung 
des Lagers hier auf Erden einnimmt, so ist doch die Stellung 
des Gläubigen stets außerhalb des Lagers. Die Kirche hat in 
der Tat den Platz des Lagers eingenommen und rühmt sich 
dessen sogar; aber es ist eine jüdische Stellung. Israel muß 
sich zuletzt wirklich außerhalb des Lagers erkennen, um 
durch die Gnade gerettet und wieder hereingebracht zu werden, weil der Erlöser, den sie am Tage ihrer Blindheit verachteten, alle ihre Sünden auf Sich genommen hat. Wir nehmen diese Stellung im voraus ein, während Christus im 
Himmel ist. Der Überrest Israels wird, von Herzen gedemütigt, wieder zurückgebracht werden, und dann erst die Größe 
und Tragweite des Opfers verstehen, wenn sie Ihn anschauen 
19 
werden, Welchen sie durchstochen haben. Deshalb wurde ein 
. Tag verordnet, an welchem die Demütigung stattfinden sollte, und jeder der sich weigerte, sollte ausgerottet werden. 
Dem Zustand der Dinge in der Wüste zufolge läßt der Versöhnungstag ferner die Erkenntnis zu, daß das Volk unfähig 
war, sein völlig geoffenbartes Verhältnis zu Gott genießen 
zu können. Gott hatte sie erlöst, hatte mit ihnen geredet. 
Aber die Herzen der Kinder Israel, wie begünstigt sie auch 
als Menschen sein mochten, waren nicht imstande, sich in 
Jehova zu erfreuen. Sie hatten sich ein goldenes Kalb gemacht; Mose verhüllte sein Angesicht, und Nadab und Abihu 
hatten fremdes Feuer auf dem Altar geopfert — Feuer, das 
nicht vom Brandopferaltar genommen worden war. Der Zugang zum Allerheiligsten war ihnen verwehrt, selbst Aaron 
durfte nicht zu allen Zeiten hineingehen, und wenn er hineinging, so geschah es nicht, um Gemeinschaft zu pflegen, 
sondern um die Befleckungen eines Volkes hinwegzutun, in 
dessen Mitte Gott wohnte. Die Vorschrift über den Versöhnungstag wurde eröffnet mit dem Verbot, zu. jeder Zeit in 
das Heiligtum zu gehen, und Aaron opferte in einer Wolke 
von Weihrauch, damit er nicht starb. Sicher war dies alles 
eine gnädige Vorsorge, damit das Volk nicht wegen seiner 
Verunreinigungen zugrunde gehe; aber der Heilige Geist 
macht uns zugleich kund, daß der Weg ins Heiligtum noch 
nicht geoffenbart war. 
Inwiefern ist jetzt unsere Stellung eine andere? — Der Vorhang ist zerrissen, und wir treten als Priester mit Freimütigkeit in das Heiligtum „auf dem neuen und lebendigen Wege, 
welchen Er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das 
ist sein Fleisch" (Hebr 10, 20). Ohne Gewissen von Sünden 
gehen wir hinein, weil der Schlag, der den Vorhang zerriß, 
und der sowohl die ganze Herrlichkeit und Majestät des 
Thrones als auch durch die Heiligkeit des darauf Sitzenden 
erblicken ließ, die Sünde völlig ausgetilgt hat, die uns unfähig 
machte, Ihm nahen oder auch nur ins Heiligtum schauen zu 
können. Wir sind sogar dorthinein versetzt in Christo, unserem Haupte — dem Haupt Seines Leibes, der Versammlung. 
Während dieser Zeit befindet sich Israel draußen. Die Ver20 
Sammlung ist in der Person Christi, dem Hohenpriester, am 
Versöhnungstag deutlich dargestellt, an dem der Hohepriester 
Israels hinter dem Vorhang verborgen war. Der Vorhang, der 
die Bedeutung aller jener Vorbilder verbarg, ist durch Christus 
für uns weggetan, so daß wir durch den Heiligen Geist völlige 
warten nicht auf Versöhnung, bis Er wieder heraustritt. Israel 
liegt noch eine Decke. Er spricht zwar im Heiligtum durch 
das dargebrachte Blut; aber die außerhalb des Vorhangs Stehenden wissen nichts davon, und folglich wird ihr Gewissen 
noch nicht durch das Bewußtsein befreit, daß ihre Sünden 
weggetan sind. Unsere Stellung ist eigentlich (bildlich gesprochen) in der Person Aarons, weil das Blut auf dem Gnadenthron ist. Wir sind nicht nur durch den Bock Asasel gerechtfertigt (dies ist ein für allemal vollbracht, und der Vorhang 
oder die Decke sind nicht mehr zwischen uns und Gott, sondern auf dem Herzen Israels), sondern wir sind auch, eins mit 
dem Hohenpriester, mit Ihm ins Heiligtum gegangen. Wir 
warten nicht auf Versöhnung, bis Er wieder heraustritt. Israel 
wird, obgleich es die gleiche Vergebung hat, diese Dinge erst 
dann empfangen, wenn der wahrhaftige Aaron aus dem Heiligtum herauskommt. Darum wurde das Opfer Aarons und 
seiner Söhne durch das Blut auf dem Gnadenthrone und 
durch den Eingang Aarons in Person charakterisiert. Auch 
unsere Stellung ist innerhalb des Vorhangs kraft des Wertes 
Seines Blutes und der Annahme Seiner Person. 
Wenn ich mich nun als einen auf der Erde verantwortlichen 
Menschen betrachte, so erwarte ich den Herrn zur Befreiung 
aller Dinge, zur Beseitigung aller Leiden und aller Macht des 
Bösen, und mache mich selbst als Knecht darauf gefaßt, bei 
Seinem Erscheinen als Herr das Zeugnis Seiner Anerkennung 
vor der Welt zu empfangen. Wenn ich aber als Glied Seines 
Leibes an meine Vorrechte denke, dann erinnere ich mich 
daran, daß ich eins bin mit Ihm droben, und daß ich mit 
Ihm zurückkehren werde, wenn Er in Seiner Herrlichkeit 
erscheint. Es ist gut, daß wir diesen Unterschied zu machen 
wissen, denn das ist das einzige Mittel, uns vor der Verwirrung in Gedanken oder in der Anwendung der darauf bezüglichen Stellung zu bewahren. Ich darf mich als mit Christus 
21 
vereint und in die himmlischen örte r versetzt betrachten; 
und in diesem Falle sehe ich mich in dem Genuß all der Vorrechte, die Er als Haupt des Leibes vor Gott, Seinem Vater 
genießt. Auch darf ich auf mich blicken, als auf ein armes 
schwaches Geschöpf, das noch in der Wüste pilgert, das Bedürfnisse fühlt und Versuchungen zu überwinden hat; und 
in diesem Falle sehe ich Christus droben, während ich hier 
bin, vor dem Throne Gottes für mich eintreten, und ich bin 
glücklich, Ihn, den Vollkommenen, in der Gegenwart Gottes 
zu wissen. — Ihn, Der durch alle meine Schwierigkeiten gegangen ist, nun aber nicht mehr in den Umständen hier auf 
Erden, sondern droben beim Vater weilt, und zwar für mich. 
Diese letztere Stellung finden wir als Lehre im Hebräerbrief, 
während die erstere — die Einheit der Versammlung mit 
Christo — ganz besonders im Brief an die Epheser gelehrt 
wird. 
Der Herr aber gebe, daß wir in jeder Stellung, die uns durch 
die Gnade zuteilgeworden ist, das mit dieser Stellung verknüpfte Glück, den Frieden und die Freude des Herzens in 
reichem Maße genießen, um in praktischer Weise fähig zu 
sein, hinauszugehen außerhalb des Lagers, um Seine Schmach 
zu tragen. 
Unsere Rechtfertigung 
(Römer 5, 1-2) 
Wenn wir diese und ähnliche Stellen der Schrift betrachten, 
so ist es bezeichnend, daß der Heilige Geist den Worten 
„gerechtfertigt, versöhnt, errettet" mit Sorgfalt den Zusatz 
„durch unseren Herrn Jesus Christus" beifügt. Wenn wir der 
Rechtfertigung bedurften, so setzt das voraus, daß wir schuldig waren; wenn unsere Versöhnung eine Notwendigkeit 
war, so waren wir selbstverständlich unter dem Zorn. Darum 
verbindet die Heilige Schrift die Lehre über unsere Erlösung 
mit der Wahrheit, daß wir von Natur verlorene Sünder sind, 
und daß unser Heil durch Jesus Christus ist. 
22 
Wohl wissen wir alle, die wir durch die Gnade errettet sind, 
daß wir Sünder waren; aber der Wunsch des Herrn ist, daß 
wir, nachdem wir gerrettet sind, uns stets lebendig erinnern, 
woher wir gekommen sind, was wir waren, und was die 
Quelle unseres Heils ist. Gott sei gepriesen, daß wir gerechtfertigt sind; aber je klarer das Bewußtsein unseres früheren 
Zustandes in uns ist, desto größer ist die Freude und die 
Dankbarkeit über unsere Rechtfertigung. Eine Schuld lag auf 
uns, und diese Schuld ist weggenommen; der Zorn Gottes 
ruhte auf uns, wir sind versöhnt mit Gott. Rechtfertigung ist 
weit mehr als Vergebung. Der Herr Jesus, fleckenlos und 
göttlich rein, nahm unsere Stelle ein, und Ihn traf die Strafe 
der Gerechtigkeit. Wir, tot in Sünden und Vergehungen, nahmen durch die Gnade Seinen Platz ein, und sind nicht nur 
gereinigt von allen Sünden, sondern besitzen sogar die Gerechtigkeit Gottes in Ihm. Er, der Gerechte, starb für uns, die 
Gottlosen. Die Gerechtigkeit Gottes ist befriedigt, Sein Zorn 
hat sich in Liebe verwandelt, und Er, in Dessen Gegenwart 
wir uns nie hätten wagen dürfen, hat uns in Christo nahe 
gebracht. Gott Selbst hat uns in Seiner unendlichen Gnade 
in die Stellung von Gerechten gesetzt; Er Selbst ist es, Der 
rechtfertigt, wer könnte jetzt verdammen? — Aber wer waren 
wir, die wir jetzt gerechtfertigt dastehen? Wie groß muß die 
Liebe sein, die uns gesucht und uns einen solchen Platz angewiesen hat! Welch eine Gnade, die sich mit Feinden und 
Gottlosen beschäftigte! Verlangten wir nach einer solchen 
Stellung? War in uns die Spur eines Wunsches, versöhnt zu 
werden? Ach, wir dachten nicht an Ihn, Der solch eine Gnade 
offenbarte, vielmehr wichen wir Seinem Gnadenarm aus. Doch 
gepriesen sei Sein Name! Er dachte an uns und sandte Seinen 
Sohn, Der unserer Übertretungen wegen hingegeben und 
unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. 
Wir sind gerechtfertigt aus Glauben, und nicht aus Werken, 
die wir getan haben, und wir stehen in der Gnade, also auf 
einem Grunde, zu dem wir nichts beigetragen haben und zu 
dem wir nichts beitragen konnten. Wir stehen vollkommen 
gerechtfertigt vor Gott, aber alles ist Sein Werk. Er gab 
Seinen Sohn, und durch Ihn verherrlicht, wirkte Er in unse23 
rem Herzen, schenkte uns den Glauben, rechtfertigte uns und 
stellte uns in Christo auf einen Boden, auf dem das Erbarmen Gottes in freier Gnade immer für uns tätig ist. Wie 
elend waren wir, und welche Zukunft hatten wir, als wir noch 
Sünder waren! Sicher, je klarer unser Verständnis über unseren früheren Zustand ist, desto höher schätzen wir den Reichtum Seiner Gnade, und anbetend werden wir ausrufen: „O 
Gott, wohin hast Du uns geführt, die wir Sünder und Deine 
Feinde waren"! 
Wir haben mittels des Glaubens Zugang zu dieser Gnade. 
Wir sind nicht unter Gnade gestellt, um uns jetzt selbst überlassen zu sein, als ob wir Gott entbehren könnten, sondern 
wir bedürfen der Gnade, die in Gott für uns ist, zu jeder 
Zeit; deshalb hat Gott uns einen freien Zugang zu ihr eröffnet. Ohne diese Gnade könnten wir keinen Schritt auf dem 
Lebenspfad tun. Wir benötigten sie zu unserer Rettung, und 
wir benötigen sie zu unserem Wandel. Wir sind völlig abhängig von ihr. Aber wie zart ist diese Abhängigkeit! Die 
Liebe hat sie geschaffen, die Liebe, die sich immer durch die 
Tat erweist. Es liegt nichts Knechtisches in dieser Abhängigkeit von Gott und Seiner Gnade, sondern bei den Bedürfnissen, die wir haben, und bei der persönlichen Schwachheit, in 
der wir uns befinden, brauchen wir stets Hilfe und Stütze, 
und Gott eröffnet uns einen Weg zu Seiner Gnade, damit wir 
dort alles finden. Obwohl wir einerseits stets das Bewußtsein 
haben sollen, daß nur die Gnade uns erhalten kann, so dürfen wir auf der anderen Seite auch sagen, daß Gott uns stets 
in Liebe empfängt, wenn wir zu Ihm kommen, und daß es 
eine Freude für Ihn ist, uns zu helfen und uns Seine reiche 
Liebe zuteil werden zu lassen. 
Noch wandeln wir in einer Wüste, wo es keinen Ruhepunkt 
und keine Güter für uns gibt, denn alles was uns umgibt, ist 
den Leiden und der Vergänglichkeit unterworfen. Aber wie 
könnte die Liebe, die uns in Christo Jesu aufgesucht hat, uns 
für immer in diesem Zustand lassen! Gott weiß viel besser 
als wir, daß wir, wenn wir ohne Hoffnung wären, die elendesten unter allen Geschöpfen wären. Wie treu hat auch die 
Liebe für uns gesorgt! Wir sind Erben Gottes und Miterben 
24 
Christi. Die Herrlichkeit Gottes ist unser Teil, und dieser 
Herrlichkeit dürfen wir uns rühmen. Als himmlische Menschen haben wir unser Teil im Himmel; die Dinge dieser 
Erde haben keinen Wert und befriedigen nicht das Herz eines 
Himmelsbürgers. Die Herrlichkeit Gottes ist unsere sichere 
Hoffnung und wir rühmen uns in Hoffnung dieser Herrlichkeit Gottes. 
Aber die Trübsale? Ach, sie haben auf der armen Erde ihre 
Heimat. Aber wie nützlich sind sie für die Gläubigen! Sie 
helfen uns, die eigene Ohnmacht und die Macht und Liebe 
Gottes zu erkennen und, gestützt auf diese Liebe und Macht, 
den Weg mit Ausharren zu laufen. Anstatt sie daher zu 
fürchten haben wir im Gegenteil Ursache, uns ihrer als einer 
Sache zu rühmen, die uns den trostlosen Zustand dieser Erde 
erkennen läßt und uns hinweist auf das unverwelkliche, unbefleckte und unverwesliche Erbteil droben im Himmel, so 
daß uns am Ende nichts übrigbleibt, als uns Dessen zu rühmen, Der in Seiner Weisheit, Liebe und Gnade alles so vortrefflich für uns geordnet hat. Ja, „wir rühmen uns auch 
Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch welchen 
wir jetzt die Versöhnung empfangen haben". Wir richten mit 
glücklichem Herzen unseren Blick auf die Gnade, in welcher 
wir stehen, wir rühmen uns ihrer Ergebnisse; aber wir erkennen in Ihm die Quelle aller dieser herrlichen Dinge. In 
Seinem Herzen entsprang der erste Gedanke zu unserem 
Heil. 
Manche Brüder finden es zu gewagt, solche Gefühle der Sicherheit in ihrem Herzen aufkommen zu lassen und den 
Platz einzunehmen, den sie nach den Aussprüchen Gottes in 
Seinem Herzen und unter Seiner Gnade haben. Sie betrachten 
es als Anmaßung, die ganze Tragweite des Werkes Christi 
auf sich anzuwenden; sie sind unzufrieden, wenn jemand die 
von Gott bewirkte vollkommene Versöhnung und Rechtfertigung als den einzigen Grund seines Friedens mit Gott bezeichnet und sich dessen mit dankbarem Herzen erfreut, und 
sie halten es für geziemender und Gott wohlgefällig, stets mit 
den Gefühlen eines armen Sünders zu erscheinen. Ach, solche 
Brüder vergessen, daß wir uns nicht anders betrachten sollen 
25 
als Gott uns betrachtet, und daß es zur Verherrlichung des 
Werkes Christi dient, wenn wir die ganze Tragweite dieses 
Werkes für uns in Anspruch nehmen, ja, daß es ganz nach 
dem Willen Gottes ist, uns völlig dessen zu erfreuen und zu 
rühmen, was unser Herr und Heiland in Seiner unendlichen 
Liebe für uns getan hat. 
Freilich ist nichts verabscheuungswürdiger, als sich dieser 
herrlichen Dinge zu rühmen und dabei im Wandel eine 
Leichtfertigkeit zur Schau zu tragen, die deutlich verrät, 
daß die Erkenntnis dieser Wahrheit nicht in einem demütigen Herzen wurzelt. Ach, solche Seelen haben nicht die 
Worte beachtet: „Jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist". Entweder haben sie 
vergessen oder nie in ihrem Herzen verstanden, was sie von 
Natur sind, und welch einen Preis es gekostet hat, sie fähig 
zu machen und zu sagen: „Da wir nun gerechtfertigt worden 
sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus". Die wahre Erkentnis meiner 
Stellung und die wahre Erkentnis dessen, was mich dem 
Verderben entrissen und in diese glückselige Stellung gebracht hat, wird ohne Zweifel auch einen Wandel hervorbringen, der für eine solche Stellung geziemend ist. Eine tote 
Erkenntnis läßt das Herz leer und ruft weder Anbetung 
und Dank gegen Gott noch den nötigen Ernst in der Seele 
hervor, einen solchen Gott durch einen heiligen Wandel zu 
ehren. In einem solchen Zustand genießt das Herz keinen 
wahren Frieden und ist unfähig, sich in Wahrheit von der 
Welt und der Sünde trennen zu können. 
Geliebte Brüder! Es ist dem Herrn wohlgefällig, den Wunsch 
zu haben, die Wahrheit Gottes kennenzulernen und zu diesem 
Zweck unter Gebet die Heilige Schrift zu erforschen. Er Selbst 
hat uns gerechtfertigt und unter Seine Gnade gestellt, und Er 
will, daß wir diesen Platz durch den Glauben von ganzem 
Herzen einnehmen. Aber unterschätzen wir es nicht, wenn 
der Herr uns in Seinem Wort daran erinnert, daß wir elende, 
verdammungswürdige Sünder waren, daß der Zorn eines gerechten und heiligen Gottes auf uns ruhte, und daß der geliebte Sohn Gottes, der Heilige und Gerechte, diesen Zorn 
26 
für uns tragen mußte, um uns diesen Platz der Ruhe in der 
Gnade geben zu können. Nur dann wird die Erkentnis unserer neuen Stellung mit dem Gefühl der tiefsten Dankbarkeit 
und Anbetung vermischt sein und Früchte tragen zur Ehre 
und Verherrlichung Gottes. 
David 
(1. Buch Samuel) 
Betrachten wir kurz die Geschichte Davids. — Die Einfalt 
seines Glaubens bewahrt ihn an dem Orte, wo die Pflicht 
ihn gefesselt hält, und kein Wunsch regt sich in ihm, ihn zu 
verlassen. Die Gegenwart Gottes genügt ihm. Folglich kann 
er in dieser Stellung auf die Hilfe des Herrn rechnen, weil 
sie ihm völlig zugesichert ist; er handelte in der Kraft Gottes. Der Löwe und der Bär fallen unter seiner jugendlichen 
Hand. Warum auch nicht, da Gott ja mit ihm war? — Er 
folgte Saul mit gleicher Einfalt, kehrt dann zurück und hütet 
seine Schafe mit der gleichen Zufriedenheit. Dort hatte er im 
Geheimen durch den Glauben verstehen gelernt, daß der Herr 
mit Israel war; er hatte den Charakter und die Festigkeit 
dieses Verhältnisses verstanden. Er sieht in dem Zustand Israels etwas, das diesem Zustand nicht entspricht, aber für 
sich selbst ruht er in dem Glauben an die Treue Gottes. — 
Ein unbeschnittener Philister fällt wie der Löwe. David dient 
Saul mit der gleichen Einfalt als Saitenspieler, wie vorher, und 
zeigt sowohl in Sauls Gegenwart als auch, wenn dieser ihn 
als Anführer über tausend aussendet, Mut und Tapferkeit. 
Er gehorcht den königlichen Befehlen. Schließlich verjagt ihn 
der König, aber er bleibt in der Stellung des Glaubens. Jetzt 
hören wir freilich nichts von seinen kriegerischen Taten. Aber 
wir sehen seine Stellung, als die geistige Kraft in ihm, die 
äußere göttliche Autorität aber in den Händen eines anderen 
war. Es war die gleiche Stellung wie die des Herrn Jesus. Die 
Schwierigkeiten, in denen David sich befindet, offenbaren 
nur umso herrlicher alle Schönheit der Gnade Gottes und 
der Früchte des Werkes des Geistes, während sie in beson27 
derer Weise die Zuneigung und das vertraute Verhältnis zu 
Gott enthüllen. Dies gab besonders den Psalmen ihren Ursprung. 
Der Glaube genügt, um David über alle Schwierigkeiten seiner Stellung zu erheben. Und so ist es stets. Weil der Glaube 
in Gott ruht, und mithin über dem Bösen steht, entzieht er 
die Natur der Macht des Bösen, obwohl die Natur selbst keine 
Kraft der Selbstbeherrschung hat. Der Glaube achtet was 
Gott achtet, und urteilt wie Gott urteilt, und er erinnert das 
Herz stets daran, daß Gott allmächtig und daß Er die Liebe 
ist. David erkannte in Saul, in welch traurigem Zustand auch 
dessen Seele sein mochte, stets den Gesalbten Gottes, weil 
Gott ihn als solchen anerkannte. Der Glaube handelt stets 
Gott gemäß und offenbart Ihn in allen Umständen, anstatt 
von diesen Umständen beherrscht zu werden. Seine Erhabenheit über alles was ihn umgibt tritt stets ans Licht. Welch ein 
Vorrecht, im Glauben inmitten des Kotes der armen Welt 
ruhig vorwärtsgehen zu können! 
Aber obwohl der Glaube in der Stellung, die er uns in dieser 
Welt einräumt, in allem völlig genügt, bedienen wir uns 
dieser Schutzwaffe leider zu wenig, weil unsere praktische 
Gemeinschaft bei uns so mangelhaft ist. Anstatt unablässig 
voranzugehen, weil Gott mit uns ist und nachdem wir den 
Löwen und den Bären erlegt haben, auch den Goliath zu töten 
und auf diese Weise den Glauben durch Siege zu stärken, ermüdet die Natur im Kampfe; und wir verlieren die richtige 
Stellung des Glaubens und entehren und erniedrigen uns 
selbst. Welch ein Unterschied ist zwischen der Stellung Davids, 
als er in der Kraft des Glaubens den Riesen Goliath erschlug 
und später durch die Frucht der Gnade dem König Saul Tränen entlockte und — wenigstens für den Augenblick —• dessen Liebe erweckte, und seiner Stellung, als er vor Saul in 
das Land der Philister floh und in Gefahr stand, die Waffe 
gegen sein eigenes Volk erheben zu müssen. 
Geliebte Brüder, laßt uns in der Stellung des Glaubens ausharren. Diese Stellung scheint eine schwierige zu sein, aber 
wir finden Gott darin und Seine wunderbare Gnade, die unsere Herzen durch tausend Bande der Liebe und der Dankbar28 
keit mit Gott verbindet, mit Ihm, Der uns kannte und liebte, 
da wir noch Gottlose und Sünder waren, und Der Sich in 
Christo Jesu herabließ, unserem Elend und den Bedürfnissen 
unseres Herzens entgegenzukommen. Der Glaube gibt Energie und Geduld, und er ruft in unseren Herzen oft die köstlichsten Gefühle wach, die, während der Glaube uns hier in 
Abhängigkeit wandeln läßt, im Himmel selbst Freude verursachen, weil der Herr Jesus der Gegenstand des Glaubens ist 
und Er den Ansprüchen des Glaubens in der Gegenwart Seines Vaters entspricht. Die Natur ist in den Umständen verzagt und ungeduldig, weil wir Gott nicht genug Raum in uns 
geben; und wenn der Unglaube uns beherrscht, ist es unmöglich, den Herrn in irgendeiner Weise zu verherrlichen. 
Doch wie gut ist es, daß, wie schwach unser Glaube auch sein 
mag, der Gegenstand unseres Glaubens stets dieselbe Macht 
und Treue offenbart. Das sehen wir bei David. Wie mangelhaft sich auch sein Glaube zeigte, als er aus Furcht vor Saul 
sein Land verließ und zu. den Philistern floh, so gab Gott ihm 
dennoch das Königreich. Seine Verheißungen sind Ja und 
Amen. Die Gnade Gottes ist größer als alle unsere Mängel. 
Gott muß Sich in Seinem Volk verherrlichen. Gepriesen sei 
Sein Name! 
„Gott widersteht den Hochmütigen, 
den Demütigen aber gibt er Gnade!" 
(1. Petri 5, 5) 
Welch ein Unterschied besteht zwischen diesen beiden Stellungen! Gott muß den Hochmütigen widerstehen, aber wenn 
der Mensch seinen wahren Platz einnimmt, dann findet Gott 
keine Ursache, ihm zu widerstehen; denn weil jede Schranke 
beseitigt ist, kann sich der volle Strom der göttlichen Güte 
in das demütige Herz ergießen. In einem solchen Herzen hat 
Gott Seine Wohnung. Es mag dort große Schwachheit, große 
Armut und nichts Anziehendes vorhanden sein, aber Gott 
wohnt dort, und das ist genug. Er kann Sich sicher nicht vereinigen mit der Hoffart, der Anmaßung und der Selbstüber29 
hebung des Menschen. Wenn wir diese Dinge bei einem 
Menschen entdecken, können wir sicher sein, daß Gott in 
diesem Herzen Seine Wohnung nicht aufgeschlagen hat. Ich 
rede hier nicht von der Errettung, sondern nur von dem kostbaren Vorrecht, in einem Zustand zu sein, der Gott gestattet, 
im Herzen zu wohnen. Dies gibt Sicherheit, Mut und Kraft 
auf unserem Pfade. O, möchte unser Herz gedemütigt sein 
in diesen Tagen menschlicher Anmaßung! Welche Wege voller 
Mühsal und Leiden muß mancher Christ gehen, um sein 
hochmütiges Herz zu erkennen und mit dem Stolz und der 
Anmaßung des eigenen Ich zu brechen! Wahrlich, es ist 
Gnade, daß Gott dem Hochmütigen widersteht. Möchten wir 
uns stets unter Seine mächtige Hand demütigen, damit Er uns 
erhöhe zur rechten Zeit. Jemehr ich mein Nichts erkenne und 
gelöst bin von mir selbst, desto mehr stütze ich mich auf Ihn 
und vertraue Seiner Macht und Seiner Liebe. Und dem Demütigen gibt Er Gnade. Sind wir leer von uns selbst, dann 
bietet sich Seiner Gnade die vollkommene Gelegenheit, uns 
mit Seinen Segnungen zu überschütten. Darum sollen wir 
stillhalten, wenn Er es für gut befindet, uns in einer Weise 
zu begegnen, die unserer Natur nicht zusagt. Er hat stets 
unser Bestes im Auge, und alle Dinge wirken uns zum Guten 
mit. 
Das zwei lache Erscheinen Jesu 
(Hebräer 9, 26-28) 
Der gesegnete Zweck der ersten Erscheinung des Herrn in 
dieser Welt wird uns hier deutlich vor Augen gestellt, denn 
wir lesen: „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der 
Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde 
durch Sein Opfer". Er, Der schon längst vorbildlich durch 
die jüdischen Opfer dargestellt worden war, erschien zur 
festgesetzten Zeit Selbst, um das zu erfüllen, was die vorbildlichen Opfer nicht vermocht hatten, nämlich ein völliges Ende 
mit der Sünde zu machen. Diese Tatsache hat auch in dem am 
Kreuz für Sünder vollbrachten Werk Christi ihre Ausführung 
30 
gefunden. Der Gerechte starb für die Ungerechten. Welche 
Liebe, Gnade und Güte! „Gott aber erweist seine Liebe gegen 
uns darin, daß Christus, da wir noch Sünde r waren, für 
uns gestorben ist" (Rö 5, 8). Auf diese frohe Botschaft antwortet der Glaube: „Das ist für mich; denn ich bin ein Sün -
der . Aber Gott liebt mich, einen Sünder ; denn Christus 
starb für mich, einen Sünder " . Das Wort Gottes sagt 
es, ich glaube es, und darum bin ich errettet, durch den Tod, 
und bin glückselig in der erbarmenden und errettenden Liebe 
Gottes. Das ist gewiß keine Anmaßung, o nein. Als einer, 
der mit unter das Urteil: „Alle haben gesündigt" fällt, habe 
ich ein Anrecht auf das Werk der Gnade für Sünder . 
Anstatt mich daher einer Anmaßung schuldig zu machen, 
ehre ich Gott und erhebe Christus durch meinen Glauben. 
Vielleicht fühlt sich in diesem Augenblick jemand niedergedrückt unter der Last seiner Sünden. Das ist ganz natürlich. Wenn die Seele dahin geführt ist, das Verabscheuungswürdige im Licht und durch die belebende Macht des Heiligen 
Geistes zu sehen und zu erkennen, dann fühlt sie in der 
ersten Zeit die ganze Bitterkeit der Sünde. Es ist in der Tat 
etwas Schreckliches, vom Licht des Herrn durchforscht zu 
werden und zugleich bezüglich dessen, was Gott zur Rettung 
der Sünder getan hat, in völliger Unkenntnis zu sein. Wer 
könnte die Angst einer solchen Seele in diesem Zustand beschreiben, besonders, wenn diese Angst von folternden Selbstanklagen begleitet ist! Ach, wie sehr zeugen die Seufzer und 
die Tränen eines aufgeweckten Gewissens von der Abscheulichkeit der Sünde! 
Sollten diese Zeilen einem solchen in die Hände fallen, der 
wegen des Heils seiner Seele in Unruhe ist, so daß er ängstlich ausrufen möchte: „Wer wird mich reinigen von meinen 
Sünden?" so können wir nur erwidern, daß die vor uns liegende Schriftstelle (und viele andere derselben Art) die wahre 
Antwort auf diese wichtige Frage gibt. Christus hat die Sünde 
am Kreuz für uns weggenommen, und zwar durch Sein Opfer. Dort hat Er für uns die Sünde aus dem Wege geschafft, 
als Sein kostbares Blut vergossen wurde, das von allen Sünden reinigt. Durch Glauben an dieses Blut finden wir Ver31 
gebung und Frieden. „Diesem geben alle Propheten Zeugnis, 
daß jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt 
durch seinen Namen" (Apg 10, 43). In dem Augenblick, wo 
du an Christus als deinen Erlöser glaubst, hast du Vergebung 
der Sünden. „In welchem wir die Erlösung haben durch sein 
Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum 
seiner Gnade" (Eph 1, 7). Für alle, die glauben, trifft das zu. 
Nachdem das Licht Gottes in deine bisher verfinsterte Seele 
eingedrungen ist, erblickst du die Sünde, um derentwillen 
der Herr Jesus am Kreuze starb, und die Er auf Golgatha auf 
Sich genommen und hinweggetan hat. In der Tat, du seufzest unter der Last einer Sache, die in den Augen Gottes keinen Platz findet, da Christus sie durch Sein vollkommenes 
Opfer ein für allemal weggenommen hat. „Denn durch ein 
Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt 
werden". Auf Grund dieses einen Opfers sagt Gott von den 
Glaubenden: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde 
ich nie mehr gedenken" (Hebr 10, 14. 17). Für alle, die an 
Christus glauben, ist die Sünde vergeben und weggetan. Natürlich beschäftigt Sich der Vater mit Seinen Kindern und 
züchtigt und straft sie wegen ihrer Sünden, aber sie können 
nie mehr als Sünder gerichtet werden, weil Christus für sie 
gerichtet worden ist. Die Sünde konnte nur durch den Tod 
beseitigt werden, und der Herr Jesus starb in Seiner großen 
Liebe den Tod des Sünders und machte dadurch ein völliges 
Ende mit der Sünde. Dies erklärt also, daß die Sünde, die 
durch den Tod Jesu zunichte gemacht worden ist, dem Glaubenden nicht zugerechnet werden kann. Die Ursache ihrer 
Beseitigung und Vernichtung ist allein das Werk Christi, Sein 
Opfer. „Nachdem er durch sich selbst die Reinigung der Sünden bewirkt, (hat Er) sich gesetzt . . . zur Rechten der Majestät in der Höhe" (Hebr 1, 3). Der von den Toten auferstandene und gen Himmel aufgefahrene Christus ist das ewige 
Zeugnis, daß die Sünde und die Sünden — Wurzel und 
Zweige — weggetan sind in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Herrlichkeit Gottes und den Bedürfnissen 
des Sünders. Das ist die Antwort Gottes auf jede derartige 
Frage, und sie sollte jedem Gewissen, das durch die Gnade 
32 
erleuchtet und aufgeweckt ist, völlig genügen. Das Werk 
Christi ist vollbracht, die Sünde weggetan. Glaube es und 
übergib dich Jesu mit einem Herzen voll von Dank und Anbetung! 
Jetzt ist der Glaube an das fü r un s vollbrachte Werk 
Christi der einzige Weg, um für ein unter dem Bewußtsein 
der Sünde niedergebeugtes Gewissen Ruhe zu erlangen. Die 
Folge davon ist — gepriesen sei Gott! — ein Werk der 
Gnade i n uns . Aber der einzige, wahre Grund des Friedens ist das am Kreuz fü r un s vollbrachte Werk Christi. 
Dies Werk ist auch der einzige Grund des Werkes der Gnade 
i n uns , denn wie könnte der Geist i n un s wirken, 
wenn nicht Christus fü r un s gestorben wäre? In der Tat, 
der einzige Grund des Werkes Christi i n un s ist das Werk 
Christi fü r uns . Nur durch den Glauben findet das Gewissen Ruhe und Frieden — durch den Glauben an das, was 
Christus für uns ist, und was Er für uns getan hat. Nichts 
als das Werk Christi wird in der Gegenwart Gottes dem 
Gewissen bezüglich der Sünde genügen. Wenn die Seele nebenbei in etwas anderem ihre Ruhe und ihren Frieden sucht, 
wird ihr Zustand immer schwankend sein. Ihre Unruhe wird 
tiefer denn je zuiückkehren, denn das Opfer Christi ist der 
einzig e Grund des Friedens. 
Aber obgleich Christus erschienen ist als der Tilger der Sünde — als Vollbringer des großen Werkes der Gnade und 
Liebe für den Menschen — , so kann doch nicht von Vergebung und Rettung die Rede sein, solange man nicht an den 
Herrn Selbst und an Sein vollbrachtes Werk glaubt. Das Blut 
Christi ist das einzige Heilmittel für die Sünde. Solange dies 
Heilmittel außer Acht gelassen wird, hängen die beiden finsteren Wolken des Todes und des Gerichts drohend über 
dem Haupt des Sünders. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben , danach aber das Gericht" . Furchtbar wird das Los derer sein, an denen Tod und Gericht schonungslos ihre Wut auslassen und über die sie ihr endloses 
Wehe herabschleudern. Wer das in Vers 26 erwähnte Opfer 
verwirft, dessen Bestimmung wird in Vers 27 beschrieben. 
„Der Lohn der Sünder ist der Tod", aber nach dem Tode 
33 
folgt das Gericht. Sollte der Tod bei dem Sünder einkehren 
bevor der Sünder bei dem Erlöser eingekehrt ist, dann erwartet ihn ein noch furchtbarerer Tod, genannt „der zweite 
Tod", die ewige Strafe, fern von der Gegenwart des lebendigen Gottes im Schlünde einer hoffnungslosen. Verzweiflung. Wie anders ist dagegen das Los des Gläubigen! Er ist 
vereinigt mit Christus, Der für ihn den Weg des Todes und 
des Gerichts gegangen ist. Er steht mit Ihm auf dem Felsen 
der Auferstehung in der Kraft des Auferstehungslebens. Tod 
und Gericht sind hinter ihm. In Christo ist er „aus dem Tode 
in das Leben hinübergegangen". Der Glaube erwartet nur, 
daß Christus in Herrlichkeit wiederkommt. Er wird „zum 
zweiten Male denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen 
zur Seligkeit". 
Merke dir, lieber Leser, in diesem Vers den Ausdruck: „Denen, die Ihn erwarten". Zeigt uns diese Stelle nicht in der 
deutlichsten Weise, daß die wahre und eigentliche Stellung 
für den Christen ist, den Herrn Selbst zu erwarten? Der 
Christ hat weder den Tod noch sonst ein auf der Erde angekündigtes Ereignis zu erwarten. Allerdings kann der Tod 
kommen, ehe der Herr erscheint, aber für die Gläubigen ist 
der Tod nicht ein Gegenstand der Erwartung. Christus Selbst 
ist unsere glückselige Hoffnung. Wir sollten nie zulassen, 
daß etwas sich zwischen unser Herz und Ihn drängt. Welch 
eine gesegnete Sicherheit gibt uns dieses Wort: „Er wird . . . 
denen, die ihn erwarten, . . . erscheinen". Ihre Erwartungen 
werden nicht enttäuscht werden. Er wird sicher fü r si e 
kommen, sei es, daß sie „wachen oder schlafen", und wird 
mit ihnen offenbar werden. „Ich komme wieder und werde 
euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet" 
(Joh 14, 3). „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart 
werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart 
werden in Herrlichkeit" (Kol 3, 4). Sein erstes Erscheinen 
war ein Werk vollkommener Gnade. Er kam als der gehorsame Knecht, um den Willen des Vaters zu tun und um das 
große Werk der Erlösung zu vollbringen. Sein zweites Erscheinen wird in göttlicher Majestät stattfinden, und zwar in 
Begleitung aller Seiner Heiligen. Weil Er bei Seinem ersten 
34 
Erscheinen die Sünde beseitigt hat, wird Er bei Seinem zweiten Erscheinen nichts mehr mit ihr zu tun haben. 
Der Heilige Geist zeigt hier den Gegensatz zwischen den 
Erwartungen eines Kindes dieser Welt und eines Kindes 
Gottes. Ein Kind der Welt hat nichts zu erwarten als den 
Tod und das Gericht, ein Kind Gottes erwartet die völlige 
Erlösung Gottes. Zu welcher von beiden Klassen gehörst du, 
mein Leser? Zur Welt oder zu Christus? Welch eine ernste, 
ernste Frage! Erwäge sie im Lichte Gottes mit deiner ganzen 
Aufmerksamkeit. Wenn du noch irgendeine Wolke von Zweifel in deiner Seele entdeckst, dann ruhe nicht, bevor sie völlig 
beseitigt ist. Glaubst du an Jesus, an Sein vergossenes Blut, 
dann gehörst du sicher Ihm an. Ruhst du wirklich auf Seinem 
vollbrachten, von Gott anerkannten Werk? Laß dich nicht 
durch einen bloßen Schein irreführen. Dem äußeren Scheine 
nach magst du zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen keinen großen Unterschied wahrnehmen. Sie wohnen 
vielleicht in demselben Hause, speisen an demselben Tisch, 
unterhalten sich oft über denselben Gegenstand, aber dennoch besteht in Wirklichkeit ein großer Unterschied zwischen 
ihnen, denn beide stehen sich so fern wie Himmel und Erde. 
Und würde der Herr kommen, solange dieser Unterschied 
besteht, dann würde sich die Kluft zwischen beiden bis ins 
Unendliche erweitern, und die Trennung würde unveränderlich und ewig sein. Der eine würde aufgenommen werden, 
um bei und mit dem Herrn eine ewige Herrlichkeit zu genießen, und der andere würde den zerschmetternden Schlag des 
schrecklichen Gerichts empfangen, das sich über die ganze 
Erde ausstrecken wird, wenn die Versammlung aller wahren 
Gläubigen weggenommen ist. Wie überwältigend ist dieser 
Gedanke! Wer kann den Augenblick der zweiten Ankunft 
des Herrn bestimmen? Sein eigenes Wort ist: „Siehe, ich 
komme bald!" O möchte doch der gedankenlos dahinschreitende Sünder dahin geführt werden an diese sich vielleicht 
plötzlich erfüllende Wahrheit zu denken, ehe es zu spät ist! 
Möchte er doch jetz t am „Tage des Heils", in die geöffneten Arme Jesu eilen! Möchte er doch heut e im Glauben 
zu Jesu kommen! Der Herr Jesus ruft in Seiner erbarmenden 
35 
Liebe noch immer jedem, der noch draußen steht, die Worte 
zu: „Komm zu mir, .. . ich will dir Ruhe geben!" und: „Wer 
zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen!" — Darum 
eile zu Ihm, wenn du noch nicht diese Ruhe für deine Seele 
gefunden hast, geliebter Leser! Suche in Ihm deine Rettung! 
Zögere nicht, auf dem neuen und lebendigen Wege in die 
Ruhe Gottes einzutreten! Du bist willkommen, — willkommen dem Schöße Seiner Liebe. Er freut Sich über dich mit 
Jubel und stellt dich in Seine Gegenwart, und zwar bekleidet und mit Kleinodien geschmückt, gemäß der vollkommenen Liebe Seines eigenen Herzens, dem unendlichen Werte 
Christi, der ewigen Wirkung Seines Opfers und der grenzenlosen Herrlichkeit Seiner Gnade. 
Die drei Männer im Feuerofen 
(Auszug aus einer Betrachtung über Daniel 3) 
Die Geschichte dieser drei Männer des Glaubens ist höchst 
lehrreich und ermunternd. Sie zeigt uns nicht nur deutlich 
das Beispiel eines treuen und ausharrenden Glaubens, sondern 
auch, wie sehr es sich lohnt, durch den Ofen des Elends zu 
gehen, wenn es sich um ein reicheres Maß im Genuß der 
Gemeinschaft Christi und des Mitgefühls Seines liebenden 
Herzens handelt. Ist es nicht besser, Christus zu haben und 
mit Ketten belastet zu sein, als ohne Ihn die kostbaren 
Schätze zu besitzen? 
Es ist gut, sich stets daran zu erinnern, daß die Zeit, in der 
wir leben, nicht die der Mach t Christi, sondern die Zeit 
Seines Mitgefühl s ist. Wenn wir die tiefen Wasser 
der Trübsal durchwaten, dann mag das Herz wohl manchmal 
geneigt sein, seufzend auszurufen: „Warum wirkt der Herr 
nicht in Seiner Macht, um mich aus meiner Lage zu befreien?" 
— Aber die einzige richtige Antwort auf diese Frage kann 
nur die sein, daß wir jetzt nicht in der Zeit Seiner Macht 
leben. Sicher hätte Er die Lage, die uns eben niederbeugt, 
verhüten können; nichts hindert Ihn, diese oder jene Schwierigkeit zu beseitigen und dieses oder jenes Unglück abzuwenden. Was könnte Ihn auch hindern, jemand, den wir lieben, 
36 
vor Krankheit oder gar vor dem Tode zu bewahren? Seine 
Hand ist nicht zu kurz. Aber anstatt Seine Macht zu offenbaren, läßt Er den Dingen ihren Lauf und schenkt dem niedergebeugten Herzen Sein zärtliches Mitgefühl, so daß wir 
wegen der Überschwenglichkeit Seines Trostes gedrungen 
werden zu bekennen, daß wir um keinen Preis hätten verschont bleiben mögen von dieser oder jener Prüfung, die wir 
nach Seinem Willen durchzumachen hatten. 
In dieser Weise handelt der Herr Jesus jetzt. Doch die Zeit 
rückt heran, in der Er Seine Macht offenbaren wird. Bald 
wird Er auf dem weißen Pferde erscheinen, Sein Schwert zükken, den Arm Seiner Gerechtigkeit ausstrecken, Sein Volk an 
dessen Feinden rächen und ihm auf immer Recht schaffen. 
Aber jetzt ist Sein Schwert noch in der Scheide und Sein richtender Arm noch nicht ausgestreckt. Jetzt ist für Ihn die Zeit, 
die Tiefe der Liebe Seines Herzens, und nicht die Schärfe Seines Schwertes und die Macht Seines Armes zu zeigen. Bist du 
zufrieden, daß es so ist? Genügt das Mitgefühl Christi deinem Herzen auch in der größten Angst und im tiefsten Kummer? 
Ach, wegen unseres verzagten Herzens, der Ungeduld unseres Geistes und unseres ungebrochenen Willens sind wir immer geneigt, den Prüfungen und Schwierigkeiten unseres Weges durch allerlei Anstrengungen auszuweichen. Aber zum 
Glück lassen sich die Dornen und die Steine nicht von unserem Pfad verbannen, denn wenn es geschähe, würde für uns 
sicher ein unermeßlicher Verlust daraus entstehen. Es ist 
unbedingt nötig, daß wir jede Schulklasse durchlaufen, wenn 
wir gründlich lernen wollen; aber unser Lehrer begleitet uns, 
und das Licht Seines Angesichts, das zärtliche Mitgefühl Seines Herzens, sind unsere Stütze und unsere Kraft, wenn wir 
die mühsamsten Erfahrungen in der Schule des Lebens zu 
machen haben. 
Wie wird der Name des Herrn verherrlicht, wenn Sein Volk 
durch Seine Gnade fähig gemacht wird, siegreich aus der 
Prüfung hervorzugehen! Als Beweis lese man nur die Geschichte der drei Männer im brennenden Ofen. Sie hatten 
sich entschlossen geweigert, das goldene Bild des Königs 
37 
Nebukadnezar anzubeten. Selbst der Anblick des so sehr 
geheizten Ofens, daß die Männer, die sie hineinführten, davon getötet wurden, war nicht imstande, ihren Glauben zu 
schwächen. Und wie verherrlichte Gott Sich an Seinen Knechten! Von Gewissensbissen gequält, eilte der König zur Öffnung des Feuerofens und ruft entsetzt: „Siehe, ich sehe vier 
Männer frei wandeln mitten im Feuer, und keine Verletzung 
ist an ihnen; und das Aussehen des Vierten ist gleich einem 
Sohne der Götter . . . Sadrach, Mesach und Abednego, ihr 
Knechte des höchsten Gottes, gehet heraus und kommet her! 
Da gingen Sadrach, Mesach und Abednego aus dem Feuer 
heraus . . . diese Männer, daß das Feuer keine Macht über 
ihre Leiber gehabt hatte: das Haar ihres Hauptes war nicht 
versengt, und ihre Leibröcke waren nicht verändert, und der 
Geruch des Feuers war nicht an sie gekommen. Nebukadnezar hob an und sprach: Gepriesen sei der Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos, der seinen Engel gesandt und seine 
Knechte errettet hat, die auf ihn vertrauten und das Wort 
des Königs übertraten und ihre Leiber dahingaben, um keinem Gott zu dienen noch ihn anzubeten, als nur ihrem Gott"! 
Wo könnte man reichere und schönere Früchte eines treuen 
Wandels finden? Der König und die Großen seines Reiches, 
die einen Augenblick zuvor in den Zeremonien eines falschen 
Gottesdienstes versunken und von den lärmenden Tönen der 
zur Anbetung des Bildes auffordernden Trompeten berauscht 
waren, sind jetzt ganz von der wunderbaren Tatsache überführt, daß das Feuer, das die starken Kriegsleute getötet hatte, auf die Anbeter des wahren Gottes keine andere Wirkung 
gehabt hatte, als ihre Bande zu verbrennen und sie in den 
Stand zu setzen, in Begleitung des Sohnes Gottes inmitten 
der lodernden Flammen zu wandeln. Welch ein herrliches 
Zeugnis! Es hätte nie entstehen können, wenn der Herr 
durch Seine Macht verhindert hätte, daß Seine treuen Diener 
in den Feuerofen geworfen wurden. Mit einem Wort, der 
Feind war zu schänden geworden, Gott war verherrlicht und 
Seine geliebten Diener ohne irgendwelchen Schaden aus dem 
glühenden Feuerofen herausgezogen worden. Welch köstliche 
Früchte eines treuen, ausharrenden Glaubens! 
38 
„Und Nebukadnezar hob an und sprach: Gepriesen sei der 
Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos". Welch eine Ehre 
genossen hier die drei für Gott abgesonderten Männer! Ihre 
Namen werden mit dem Namen des Gottes Israels in Verbindung gebracht. Der Herr lohnte ihre Treue. Sie hatten 
sich zu Ihm, dem wahrhaftigen Gott, gehalten, als es sich 
um den Verlust ihres Lebens handelte; darum hält sich nun 
auch der wahrhaftige Gott zu ihnen, um sie in eine reichere 
und gesegnetere Stellung zu bringen. Er stellte ihre Füße 
auf einen Felsen, von dem aus ihre Augen sich über ihre 
Feinde erheben konnten. Wie sehr bewahrheitet sich hier das 
Wort: „Ich ehre, die mich ehren!" und ebenso wahr ist es, 
daß „die mich verachten, werden gering geachtet werden" 
(1. Sam 2, 30)! 
Wenn nun Gott alles, was zu unserer Erlösung erforderlich 
war, getan hat, was bleibt dann noch? Nur dies eine: Lebe 
für Christus! Du bist noch für eine kurze Zeit hier auf der 
Erde, um in Seinem Dienst zu stehen und seine Wiederkunft 
zu erwarten. O trachte danach, deinem hochgepriesenen Herrn 
treu zu sein! Laß dich nicht entmutigen durch den Zustand 
der Unordnung und Verwirrung, in dem sich alles was du 
um dich her siehst befindet. — Möchte das Beispiel Daniels 
und seiner Genossen dein Herz anspornen, hier auf der Erde 
einen himmlischen Wandel zu führen! Es ist dein Vorrecht, 
in einem ebenso innigen Verhältnis mit Jesus zu stehen, als 
wenn du in den siegreichen Tagen des apostolischen Bekenntnisses lebtest. ' 
Möchten Leser und Schreiber dieser Zeilen mit dem Geiste 
des Herrn Jesus erfüllt sein, um in Seinen Fußstapfen zu 
wandeln, die Tugenden, die aus Ihm hervorstrahlen, zu verkündigen und Sein Kommen zu erwarten. 
39 
Wem gehörst Du, und wem lebst Du? 
Von dem Augenblick an, wo der Mensch durch die Gnade 
von seinen sündigen Wegen überführt ist, die Liebe ihm begegnet, der Glaube ihn zu Jesus führt, die Gnade ihn aufnimmt und der Heilige Geist ihm als das Unterpfand der 
Herrlichkeit und als der Geist der Sohnschaft gegeben wird, 
gehört er nicht mehr sich selbst an, sondern ist das Eigentum 
eines anderen, nämlich Christi, geworden, und er ist daher 
berufen, nicht mehr seinen eigenen Willen zu tun und nicht 
mehr sich selbst zu leben. Er ist durch Christus um einen 
Preis gekauft, mithin rechtmäßig erworben worden, und gehört daher mit Leib und Seele Ihm. Als Sklave Christi sollte 
er sich stets sagen: „Christ sein heißt: nicht mehr sich selbst 
leben". 
Wenn wir unseren Blick auf den Kaufpreis richten, den der 
Herr Jesus für den Besitz der Seele des Sünders gegeben 
hat, dann wird deutlich, welchen Wert wir in Seinen Augen 
haben und wie wertvoll jede einzelne Seele der so teuer 
Erkauften für Ihn sein muß, Der sie erkauft hat, um sie ganz 
zu besitzen, nach Leib und Seele, mit all ihrem Tun, ihrer 
ganzen Gesinnung, ihrem ganzen Leben. Je tiefer dies erkannt 
wird, desto süßer ist das Bewußtsein, ein Eigentum Jesu zu 
sein, und desto mehr Vertrauen wird das Herz zu Jesus 
fassen, daß Er das, was Er so teuer und so vollständig für 
Sich erworben hat, auch treu bewahren und reichlich versorgen werde. 
Nicht mehr sich selbst leben heißt also: anderen leben! Alles 
was wir tun, hat einen Beweggrund, einen Zweck, eine Richtung; unsere Bemühungen gelten entweder dem Fleisch oder 
dem Herrn, und im Herrn den Brüdern. Der Herr aber sieht 
unsere Pfade, kennt unsere Werke, und Er beurteilt die Beweggründe unseres Herzens bezüglich jedes Werkes. Welch 
ein herrliches Vorbild ist in dieser Beziehung der Apostel 
Paulus! Er arbeitete nicht, um Menschen zu gefallen, er suchte seinen vollen Lohn droben und wollte aus der Hand des 
gerechten Richters seine Krone empfangen. Der Herr beurteilt alles nach Seinem Licht und wägt alles mit seiner Waa40 
ge. Vor Ihm ist alles aufgedeckt, ob unsere Gesinnung, unsere Worte und Werke für das Fleisch oder für Ihn sind. 
Vor Ihm ist alles offenbar. Wie ernst ist dieser Gedanke! 
Wer Ihm nachfolgen will, muß sich selbst verleugnen, seinen 
eigenen Willen preisgeben, und zwar so vollständig, als sei 
er nicht mehr da. Der Herr, Dem wir alles was wir sind und 
haben verdanken, sollte für unser Herz zu wertvoll sein, als 
daß wir Ihm nicht allein leben möchten; aber Ihm gehört auch 
unser Leben, denn wir sind Sein Eigentum, des aus den Toten 
Auferweckten, geworden (Rö 7, 4) und sind Sklaven Gottes, 
um Gott zu leben (Rö 6, 22). Ein Sklave hat kein Recht, 
einen eigenen Willen zu haben, und wenn ein Christ seinem 
eigenen Willen folgt, greift er in die Rechte, die sein Herr 
über ihn hat, ein. „Denn keiner von uns lebt sich selbst, und 
keiner stirbt sich selbst. Denn sei es daß wir leben, wir leben 
dem Herrn; sei es daß wir sterben wir sterben dem Herrn. 
Sei es nun daß wir leben, sei es daß wir sterben, wir sind 
des Herrn. Denn hierzu ist Christus gestorben und wieder 
lebendig geworden, auf daß er herrsche sowohl über Tote als 
über Lebendige" (Rö 14, 7. 8). 
Ach, wie wenig beachten wir oft diese Wahrheit! Wie leichtfertig wandeln wir oft unsere eigenen Wege, ohne daran zu 
denken, wie sehr wir das Herz Dessen betrüben, Der uns 
um einen so hohen Preis erkauft hat. Wie schwach ist in uns 
das Bewußtsein, daß unsere Leiber Tempel des Heiligen Geistes sind! Hat Er doch durch den Heiligen Geist selbst von 
unserem Leibe Besitz genommen, um darin zu wohnen. „Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes 
ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und daß ihr 
nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft 
worden; verherrlichet nun Gott in eurem Leibe" (1. Kor 6,19. 
20). Dieselben Worte wendet der Apostel an, wenn er uns 
erinnern will, daß wir nicht der Menschen Knechte seien. 
„Ihr seid um einen Preis erkauft, werdet nicht der Menschen 
Sklaven" (1. Kor 7, 23). Wir gehören weder uns selbst an, 
um unseren Willen zu tun, noch gehören wir den Menschen, 
um deren Sklaven zu sein. Wohl gibt es viele von den Seinigen, die Knechte anderer in dieser Welt sind; und nach 
41 
der Vorschrift des Wortes Gottes sollen sie ihren leiblichen 
Herren mit aller Unterwürfigkeit, als dem Herrn selbst, dienen. Natürlich ist von einem solchen Verhältnis hier nicht 
die Rede. Aber es gibt eine andere Seite, wo ein Knecht seiner Herrschaft, oder im allgemeinen ein Christ anderen Menschen gegenüber menschengefällig sein kann, wo sein Dienst 
nur aus Ruhmsucht und Eitelkeit vor den Augen der Menschen ausgeübt wird — also nichts als Augendienerei ist — 
und wobei man so weit gehen kann, daß man in den Dingen 
unterwürfig ist, die dem Herrn mißfallen und seinen Namen 
entehren. In einem solchen Zustand hat man vergessen, daß 
weder der eigene Wille, noch der Wille des Menschen, sondern nur der Wille des Herrn die einzige Triebfeder unseres 
Tuns sein darf. Es ist in der Tat die höchste Zierde des 
Christen, den Willen Gottes zu erkennen und ihm unterwürfig zu sein; und in dieser Hinsicht werden wir ermahnt, zu 
prüfen, welches der wohlgefällige Wille Gottes sei (Rö 12,1). 
Gewiß sind wir berufen, bei unserem Wandel Rücksicht auf 
die Menschen zu nehmen, und vor allem auf die Brüder, ihnen zu gefallen zum Guten, zur Erbauung (Rö 15, 2), nicht 
das Unsere zu suchen, sondern was des anderen ist (1. Kor 
10, 24), und alles zu erwägen, was „eine Tugend ist oder eine 
Lob gibt" (Phil 4, 8), aber die Verherrlichung des Namens 
Gottes, und nicht unsere eigene Verherrlichung muß die einzige Triebfeder unseres Tuns und Handelns sein. In diesem 
allen hat unser Herr uns ein Vorbild hinterlassen. Er, der 
Schöpfer aller Dinge, nahm den Platz eines gehorsamen Knechtes auf dieser Erde ein. Wie abhängig von dem Willen des Vaters nahm Er Seinen Lauf, indem Er nicht Seinen Willen tat, 
sondern den Willen Dessen, Der Ihn gesandt hatte (Joh 5, 
30)! Von diesem Pfade einer vollzähligen Unterwürfigkeit 
wich Er nicht um Haaresbreite ab. 
Der Wille des Vaters war, daß Er Sein Leben für Seine 
Feinde hingeben sollte. Wie versuchungsreich, wie dornenvoll, 
wie demütigend, wie schmerzlich und mit wieviel Verleugnung verbunden war der Weg, der zu diesem Ziel führte! Er 
rchtete Sein Angesicht nach Jerusalem im vollen Bewußtsein 
dessen, was dort auf Ihn wartete; und weder die List Satans, 
42 
noch die Bosheit der Menschen, noch die Schwachheit Seiner 
Jünger, noch das Kreuz mit seinen Schrecken und der Stunde 
der Finsternis — nichts war imstande, Seinen Lauf zu hemmen. Er war gekommen, den Willen des Vaters zu tun und 
gehorsam zu sein bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz; 
und er konnte sagen: „Darum liebt mich der Vater, weil 
ich mein Leben lasse . . . Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen" (Joh 10). Den Pfad solcher Leiden, 
deren Größe wir nicht ermessen können, wandelte Er völlig 
dem Willen Seines Vaters unterworfen bis ans Ende. Hätte 
Er auch nur einen Augenblick Sein Joch und Seine Last abgeschüttelt, so wäre das ewige Heil unserer Seele unmöglich 
geworden. Aber gepriesen sei Sein heiliger Name! Er hemmte Seine Schritte nicht, Er erreichte das Ziel Seines dornenvollen Pfades, nahm willig den Kelch aus der Hand Seines 
Vaters und harrte aus unter der Machtentfaltung Satans und 
unter dem Zorn Gottes, bis Er ausrufen konnte: „Es ist vollbracht"! 
Wieviel leichter ist doch unser Weg! Wenn Er, der erniedrigte Heiland, der Stärkung der Engel bedurfte, so ist Er, das 
verherrlichte Haupt der Seinigen, jetzt Selbst unsere Stärke 
und unsere Kraft. Er, Der in eigener Person die Bitterkeiten 
und Schwierigkeiten dieses Lebens durchgemacht und sie daher 
kennengelernt hat, trägt jetzt für uns das innigste Mitgefühl 
in Seinem Herzen und leitet uns mit Seiner mächtigen Hand. 
Er läßt die Versuchungen einen solchen Ausgang finden, daß 
wir sie ertragen können; und während E r einem bis dahin 
unbesiegbaren Feind gegenüber stehen mußte, haben wir es 
mit Feinden zu tun, die schon besiegt worden sind durch die 
Kraft, die in uns ist, d. i. die Kraft Christi. 
Doch kehren wir zurück zu der Wahrheit, daß wir Sein erworbenes Eigentum sind. Ja, Ihm allein gehören wir an, und 
„er ist für alle gestorben, auf daß die, welche leben, nicht 
mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben 
ist und ist auferweckt worden" (2. Kor 5, 15). Wie lohnend 
ist es, sich mit Selbstverleugnung dem Herrn zu übergeben, 
dem Fleisch, der Natur keine Rechte mehr einzuräumen, 
willenlos auf den Wegen Gottes zu wandeln, sich dem alten 
43 
Menschen nach für gekreuzigt und tot zu halten und als ein 
neuer göttlicher Mensch zu. wandeln, und zwar zur Verherrlichung Dessen, der uns mit Seinem Blut erkauft hat! Wahrlich, in dem Herrn Jesus ist uns kein geringes Muster vor 
Augen gestellt. Er hat uns ganz erworben, und ganz sollte 
unser Leben Ihm gewidmet sein. 
Geliebte Brüder! Wenn wir unserem eigenen Willen folgen 
und unsere eigenen Wege gehen, dann zeigen wir, daß das 
Bewußtsein, daß wir nicht mehr uns selbst angehören, nicht 
in unseren Seelen lebendig ist. Wie gesegnet wäre es, mit 
ganzem Herzen diesen Boden zu betreten, wo unser eigener 
Wille durchaus keine Geltung hat und wo nur ein Beweggrund für unseren Wandel Platz findet, nämlich den Willen 
Dessen zu tun, Der uns für Sich erworben hat. Wir wissen 
sehr wohl, daß wir von Natur zu allem Guten unfähig sind 
und daß unser eigener Wille, der Wille unseres Fleisches, 
stets irreführen wird. Laßt uns daher nicht leichtfertig vorangehen, laßt uns nicht den Plänen und Meinungen unseres 
trügerischen Herzens folgen, ohne stillzustehen und zu untersuchen, ob der Weg, den wir einschlagen, dem Willen des 
Herrn wohlgefällig ist! 
Möchte der Herr uns in Seiner Gnade das Verständnis geben, daß es nur einen einzigen gesegneten Platz auf dieser 
Erde für uns gibt, nämlich Seinen Willen zu erkennen und 
zu tun. Dieser Pfad schließt das Fleisch völlig aus. 
„Wir sehen aber Jesum" 
Es ist sehr gesegnet, stets die geeigneten Gedanken und Gefühle in bezug auf die göttlichen Dinge zu haben, aber die 
Frage ist: Wie erlangen und wie bewahren wir sie? Wie wir 
wissen, ist der gesetzliche Geist dazu außerstande; er „gebiert 
zur Knechtschaft". Das Gesetz macht niemanden glücklich, 
denn selbst in dem Fall, daß wir es vollkommen halten können, hätten wir doch nur unsere Pflicht getan; wenn wir es 
aber im Geringsten übertreten, sind wir der Strafe verfallen. 
Eine Seele, die mit ihren Gefühlen beschäftigt ist, befindet 
sich in einer noch übleren Lage, denn sie steht unter der 
44 
Herrschaft ihrer Gefühle, und diese schlagen oft eine verwerfliche Richtung ein, da sie dem Wechsel unterworfen 
sind. 
Aber wie anders ist es, wenn das Herz durch das Werk 
Christi in der Gegenwart Gottes in Freiheit gesetzt ist! Es ist 
dann wirklich frei und steht über der Herrschaft seiner Gefühle; es kostet zum ersten Mal die Süßigkeit eines vollkommenen Friedens, sowie die Freude, die unaussprechlich und 
voll von Herrlichkeit ist. Wenn wir Christus als den Auferstandenen im Himmel anerkennen und unser Auge unverrückt auf Ihm gerichtet ist, dann werden wir Gedanken und 
Gefühle haben, die Seiner Stellung droben entsprechen; und 
diese Gedanken und Gefühle werden in dem Maße beständig 
sein, als das Anschauen Seines Angesichtes von unerer Seite 
nicht unterbrochen oder vernachlässigt wird. Dann werden 
wir sowohl die himmlischen als auch die irdischen Dinge so 
beurteilen, wie Christus Selbst sie beurteilt. Wenn das Auge 
einfältig ist, wird alles in seinem wahren Licht gesehen. 
„Jetzt aber", sagt der Apostel", sehen wir ihm noch nicht 
alles unterworfen. Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, 
mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt" (Hebr 2, 8. 9). 
Hier stellt der Apostel uns zweierlei vor Augen: das was wir 
sehen und das was wir nicht sehen. Wir schauen zur Erde 
und sehen dort noch nicht alles Christo unterworfen; wir 
blicken gen Himmel und sehen Ihn dort in Macht und Herrlichkeit. Aber in der Erkenntnis und dem Genuß Christi, des 
Auferstandenen, betrachtet der Glaube den Schauplatz auf 
der Erde stets in seinem Verhältnis zu Dem, Der droben ist. 
Wenn wir in der unmittelbaren Nähe Jesu sind, dann schärft 
Er unser Auge. Dann betrachten wir Menschen und Dinge 
als für Ihn bestimmt. Nur in dieser Weise beurteilen wir die 
irdischen Dinge richtig. Christus befindet Sich nicht auf den 
glänzendsten Schauplätzen der Erde; dort sieht Ihn das Auge 
nicht. Ich sehe um mich her das geschäftige, emsige Treiben 
der Menschen, die sich ihrer neuen Erfindungen und Entdeckungen rühmen und sich den Vergnügungen der Welt in 
die Arme stürzen; aber alles ist eitel und nichtig. Man mag die 
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Herrlichkeiten aller Nationen, Sprachen und Völker an einem 
Punkt vereinigen, so daß das Auge sie mit einem Mal überschauen kann, aber was ist das alles, wenn wir nicht Jesus 
darin erblicken? Die blendendsten Erscheinungen verblassen 
für das Auge des Glaubens, denn der Gedanke an die Abwesenheit des Herrn dämpft den größten Glanz. 
Aber ach, es ist nicht immer so. Es geschieht leider oft, daß 
Christen sich mit ihrem Herzen soweit von Christus entfernt 
haben, daß sie gänzlich fortgerissen werden von den Beschäftigungen dieses Lebens und daß einige von ihnen sogar 
teilnehmen an den armseligen, nichtigen, mit Flitterwerk gezierten Schaugeprängen der Eitelkeit dieser Welt. Was könnte beklagenswerter sein? Sie haben vergessen, daß alles diesseits der Auferstehung den tief eingegrabenen Stempe l 
d e s Tode s trägt. Ein so trauriges Betragen beweist sicher, daß das Herz sich, schon längst von Christus entfernt 
hat und vielleicht von Sünden verunreinigt ist. Denn ein solcher Zustand tritt nicht plötzlich ein, sondern diesen Höhepunkt eines schlechten Wandels erreicht man Schritt für 
Schritt; und die erste geringste Untreue ist der erste Schritt 
in dieser Richtung. 
Selbst der natürliche Mensch wird anerkennen müssen, daß 
all dieser Glanz menschlicher Eitelkeit und alles, wonach das 
Herz trachtet, nicht imstande ist, ihm ein dauerndes Glück 
zu verschaffen und die fortdauernde Unruhe seiner Seele zu 
stillen. Aber nach dem Urteil des Glaubens ist alles, worin 
Christus nicht zu finden ist, eitel und leer; und es ist doch 
offenbar, daß in allen Herrlichkeiten dieser Welt nirgends 
Seine Hand zu entdecken ist. Denn dies alles ist Ihm noch 
nicht unterworfen und zeigt daher noch nicht den geringsten 
Widerschein Seiner Herrlichkeit. Wir sollten daher bei allem, 
was uns anziehen will, die Frage erheben: Wem ist es unterworfen, und von wessen Herrlichkeit ist es der Widerschein? 
Der Glaube wird dann immer die Antwort bereit haben: Was 
nicht vom Vater ist, ist von der Welt, und was nicht von 
Christus ist, ist von Satan, und was nicht vom Geist ist, das 
ist vom Fleisch. „Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles 
unterworfen". 
46 
Wir brauchen nur noch „ein Kleines" zu warten, und der „zukünftige Erdkreis" wird dem Sohn des Menschen unterworfen sein. Unter dem Ausdruck „zukünftiger Erdkreis" ist 
nicht, wie im allgemeinen angenommen wird, der Himmel 
und die Hölle zu verstehen, sondern vielmehr die zukünftige 
Periode in dieser Welt, oder das tausendjährige Reich. Wir 
können nicht von einem „zukünftigen" Himmel und einer 
„zukünftigen" Hölle sprechen, weil beides jetz t schon besteht. Aber wir wissen alle, daß das tausendjährige Reich — 
jene Zeit, in der Christus über die Himmel und die Erde, die 
in Ihm als unter einem Haupt zusammengefaßt sein werden, 
herrschen wird — zukünftig ist. Dann wird es ganz am 
Platze sein, daß der Gläubige sich an der Welt in all ihrer 
Herrlichkeit erfreut und mit der ganzen Wonne seines Herzens ihre Segnungen genießt. Dann wird der Name des Herrn 
auf der ganzen Erde herrlich, und Seine Majestät über die 
Himmel gesetzt sein (Ps. 8). Bis dahin aber muß er die Welt 
als Pilger und Fremdling durchschreiten. Unser Bürgerrecht 
ist im Himmel; wir können nicht Bürger des Himmels und 
zu gleicher Zeit Bürger der Erde sein. Ehemals waren wir 
Bürger dieser Welt, jetzt aber sind wir Bürger des Himmels 
und sollen solange unsere Füße diese Welt durchschreiten, 
als solche wandeln. Wir gehören nicht mehr der alten Welt 
an, aus welcher uns der Herr auserwählt hat, sondern sind 
Bürger der neuen Welt, in d<e Er uns bringen will. Welch 
ein Zeugnis hat uns der Heilige Geist von den wandernden 
Erzvätern bewahrt, von denen wir lesen: „Und wenn sie an 
jenes (Vaterland) gedacht hätten, von welchem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt zurückzukehren. Jetzt 
aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. 
Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu 
werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet" (Hebr 11, 15. 
16). Welch ein herrliches Zeugnis geben uns diese Pilger! 
Glückselig der Gläubige, wenn der Herr Sich des Platzes 
nicht schämt, den der Gläubige in der Welt — oder vielmehr 
außer ihr — einnimmt! 
Richten wir jetzt unsere Blicke auf den zweiten Gegenstand 
unserer Betrachtung, nämlich auf das wa s wi r sehen . 
47 
„Wir sehen aber Jesum". Das ist wichtiger als das zukünftige 
tausendjährige Reich. 
Er, der unsere Sünden auf dem Kreuze trug, Der um unsertwillen ein wenig unter die Engel erniedrigt wurde, ist mit 
Herrlichkeit und Ehre gekrönt auf dem Throne. Was könnte 
anziehender sein für das Herz, das in dieser Welt nichts findet, was Wert genug besäße, um sich damit zu beschäftigen? 
Könnte ein deutlicherer Beweis geliefert werden für die 
Wahrheit, daß unsere Sünden für ewig weggenommen sind? 
Das sollte für uns die vollständige Antwort auf jede Frage, 
die vollkommene Ruhe des Herzens und die lebendige Triebfeder und Quelle unserer Freude und Anbetung sein. Der 
erste Schimmer von Jesu, des mit Ehre und Herrlichkeit gekrönten Herrn und Heilandes, sollte genügen, um das Herz 
für immer von einer Welt zu trennen, die Ihn verworfen und 
gekreuzigt hat, und es praktisch innig mit dem zu vereinigen, was droben im Himmel ist. Der schwächste Strahl, der 
von dieser Herrlichkeit ausgeht, ist geeignet, die Gedanken 
und Gefühle des Herzens zu verändern und sie auf Den hinzulenken, Der droben ist. Alles was der Liebe würdig ist, ist 
droben — alles was uns anzieht, befindet sich droben. Die 
Beschäftigung mit diesen Dingen ist das einzige Mittel und 
der einzige Weg zu einer himmlischen Gesinnung. Unser 
geistlicher Zustand hängt ganz davon ab, ob wir „Jesus . . . 
mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt" sehen. 
Freilich gibt es vieles, sehr vieles auf der Erde, was wir lieben 
und hochschätzen, und vielleicht mögen viele zarte Bande 
und Verhältnisse da sein, die wir pflegen und unterhalten. 
Aber vergessen wir nicht, daß wir alles im Licht des auferstandenen Jesus zu beurteilen haben. Jeder Gegenstand, der 
mich anzieht, sollte stets die Frage in mir hervorrufen: Geziemen sich solche Neigungen mir, dem mit Jesus Verbundenen? Ach, leider gibt es bei den meisten Gläubigen nichts, 
was weniger verwirklicht wird, als unser Auferste -
hungsleben . 
Stets sollte das lebendige Bewußtsein in unseren Herzen 
wohnen, daß, als Christus starb, auch wir in Ihm gestorben 
sind und daß wir durch Seinen Tod die alte Welt verlassen 
48 
haben. „Ich bin mit Christo gekreuzigt", sagt der Apostel; 
„nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2, 
20). Aber ebenso sollte uns der Gedanke begleiten, daß 
wir in Christo wieder auferstanden und in der Macht des 
Auferstehungslebens in die neue Schöpfung eingetreten sind. 
„Gott aber . . . hat uns mit dem Christus lebendig gemacht 
. . . und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den 
himmlischen örtern in Christo Jesu" (Eph 2, 4-6). Wir sind 
also, wie uns gesagt wird, „in Christo Jesu"; und wenn wir 
in Ihm sind, so müssen wir auch sein wo Er ist. Das natürliche Herz ist unfähig, in das Verständnis solcher Wahrheiten 
e
;
nzudringen, aber der Glaube findet darin kleine Schwierigkeit. Der Glaube betrachtet die Dinge stets so wie Gott sie 
betrachtet. 
Was sehen wir, wenn wir unsere Blicke auf den mit Ehre und 
Herrlichkeit gekrönten Jesus richten? Gar vieles; wir sehen 
dort unseren Platz und unser Bild in Ihm. Wie einfach und 
doch von welcher Tragweite ist das. Hier ist der Platz, an dem 
der Glaube die ihm eigentümliche Macht und Tätigkeit entfaltet. Christus ist der göttliche Ausdruck, die vollkommene 
Erklärung der Stellung jedes Christen in der Gegenwart 
Gottes. Welch eine herrliche Wahrheit ist das, und welche 
Macht übt sie aus, wenn sie mit einem geistlich gesinnten 
Herzen aufgenommen und in Gemeinschaft mit dem Herrn 
genossen wird! Je mehr wir Ihn anschauen, desto fester und 
dauernder richtet sich der Blick auf Ihn, und desto mehr tragen unsere Gedanken und Gefühle einen himmlischen Ausdruck zur Schau. „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht 
die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt 
in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch 
den Herrn, den Geist" (2. Kor 3, 18). Das ist der einzige 
Weg zu einer geistlichen Gesinnung, der einzige Pfad zu 
wahrer Glückseligkeit, der einzige Grund einer dem Himmelsbürger geziemenden Anbetung und die einzige Quelle 
einer fortdauernden Freude im Herrn. 
Hier ist der Ruhepunkt für jede niedergebeugte Seele. Darum 
laßt uns inmitten des Bösen, das uns umgibt und das uns 
laut bezeugt, daß dem Herrn Jesus noch nicht alles unter49 
worfen ist, unverwandt unsere Blicke auf Den richten, Der 
einst ein wenig unter die Engel erniedrigt war, jetzt aber mit 
Herrlichkeit und Ehre gekrönt auf dem Thron zur Rechten 
der Majestät in der Höhe sitzt. Dort droben bei Ihm ist alles 
in Ordnung. Und welch eine wunderbare köstliche Wahrheit, 
daß es mit Ihm nicht anders ist als mit uns, obwohl wir noch 
nicht in Wirklichkeit die glückselige Stätte unserer Heimat 
droben erreicht haben. Aber „wie er ist, so sind auch wir in 
dieser Welt". Sein Titel ist der unsrige. Wenn wir unverwandt unsere Blicke auf Ihn gerichtet haben, dann schreitet 
der Fuß sicher über die dornenreichen Pfade dieser Wüste. 
Dann gibt es kein Schwanken, kein Straucheln; für den Glauben ist der Weg stets gebahnt, und alle Dornen sind niedergetreten, alle Tiefen ausgefüllt, alle Klippen weggeräumt. 
Darum, wie oft auch unser Auge durch das Umherspähen 
nach unwürdigen Gegenständen unser Herz verleitet haben 
mag, so laßt uns doch von jetzt an unsere Blicke unverwandt 
auf das freundliche Angesicht Jesu richten, und unser Herz 
wird mit Freude, Trost und Kraft erfüllt sein. Es bleibt eine 
unumstößliche Wahrheit, daß der Gegenstand, der das Auge 
fesselt, immer seinen Einfluß auf das Herz ausüben wird. 
Ist der Gegenstand unseres Blickes nicht würdig, dann wird 
der kämpfende Arm entkräftet, der pilgernde Fuß gelähmt 
und das Zeugnis ohne Wirkung bleiben. 
„Wie er ist, so sind auch wir in diese Welt". Wie klar bezeichnet dieser Ausdruck unsere Stellung! Und dieses Wort 
bleibt Wahrheit immer und ewiglich, denn es ist das Wort 
Gottes. Könnte unsere ewige und lebendige Vereinigung mit 
Christus deutlicher ausgedrückt werden? Gewiß nicht. Der 
Heilige Geist Selbst versichert uns, daß, gerade so wie Christus ist inmitten der Herrlichkeit und der Segnungen des 
Himmels, auch wir sind in den Augen Gottes, obgleich wir 
noch in großer Schwachheit durch eine Welt pilgern, in der 
Sünde, Tod und Gericht noch nicht aufgehoben sind. Wie 
reich ist doch die Gnade! Und alles ist das Werk Dessen, 
Der ein wenig unter die Engel erniedrigt, nun aber mit Ehre 
und Herrlichkeit gekrönt worden ist. Wie ermutigend sind 
daher die Worte des Apostels, wenn er unbekümmert um 
50 
das was ihn in dieser Welt des Verfalls umgibt, die Worte 
ausruft: „Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die 
Engel erniedrigt war wegen des Leides des Todes, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt"! Ja, wir sehen Jesus, und in Ihm 
unseren Platz und unser Bild. Lassen wir, geliebte Brüder, 
uns doch nicht dieser vom Himmel herabströmenden Segnung 
berauben, wie schwach wir uns auch in uns selbst fühlen, 
und wie vielfachen Versuchungen wir auch ausgesetzt sein 
mögen! 
O möchten wir doch stets mit Ruhe, mit Zuversicht, mit 
Ausharren und einem glücklichen Herzen unseren geliebten 
mit Ehre und Herrlichkeit gekrönten Herrn anschauen! Möchten wir uns doch auch daran erinnern, daß wir, wenn wir Ihn 
in Seiner Herrlichkeit und Schönheit schauen, in gewissem 
Sinne uns selbst sehen"! Wie der Himmlische (ist) so auch 
die Himmlischen (1. Kor 15, 48). Die beiden Stellen, bei 
denen wir verweilt haben, sind in der Tat geeignet und dazu 
bestimmt, unsere Seele zu. stärken und mit Dank und Anbetung zu erfüllen. Christus ist Herrlichkeit für das Auge, und 
das Wort Christi für das Herz. Hätte der auf dem Meere 
wandelnde Petrus sein Auge auf die Person Christi, und sein 
Herz auf das Wort Christi: „Komm!" gerichtet, so würde 
er im Sturm so sicher über die Wellen geschritten sein, wie 
der Herr Jesus Selbst. 
Was ist ein Bund? 
Ein Bund ist eine Feststellung der Beziehungen Gottes zur 
Erde. Er enthält die von Gott bestimmten Bedingungen, unter denen der Mensch mit Gott leben kann. Gott machte 
mit Israel einen Bund; aber genau ausgedrückt gibt es einen 
alten und einen neuen Bund zwischen Gott und Seinem Volk 
Israel. Der alte Bund wurde auf Sinai gestiftet. Auch der neue 
Bund ist mit den beiden Häusern Israels aufgerichtet. Das 
Evangelium dagegen ist kein Bund, sondern die Offenbarung 
des Heiles Gottes. Es verkündigt die große Errettung. Die 
Gläubigen sind daher nicht, wie sie mitunter bezeichnet wer51 
den, ein Bundesvolk. Sie bilden weder den alten noch den 
neuen Bund. Sie erfreuen sich zwar in Wirklichkeit aller wesentlichen Vorteile und Segnungen des neuen Bundes, dessen 
Grundlage von Gott ist, aber sie genießen diese Vorteile im 
Geiste und nicht nach dem Buchstaben. Der neue Bund wird 
förmlich mit Israel errichtet werden, und zwar im tausendjährigen Reich. 
Vernunft und Offenbarung 
In dem Bewußtsein des Ernstes der gegenwärtigen Zeit und 
im Blick auf die Gefahr, die der Pfad des Christen auf allen 
Seiten zeigt, legen wir unseren Lesern die unendliche Bedeutung des Wortes Gottes ans Herz und ermahnen sie, sich 
in allen Dingen seiner heiligen Autorität zu unterwerfen. 
Durch allerlei Schriften ist Satan bemüht, die Grundlagen 
unseres allerheiligsten Glaubens zu erschüttern und dem 
Unglauben, der augenscheinlich bald die ganze zivilisierte 
Welt verfinstern wird, die Wege zu bahnen; und es ist sicher 
ein entsetzlicher Gedanke, daß selbst Lehrer und Prediger in 
der Christenheit oft am stärksten bemüht sind, gottlose 
Hände an die Pfeiler zu legen, auf denen das Christentum 
ruht. Möge der Herr Sich ihrer erbarmen und ihnen die 
Augen öffnen, um ihre Torheit und Sünde zu erkennen und 
ihre Zuflucht zu nehmen zu dem kostbaren Blut, das von 
aller Sünde reinigt. 
Man sät ein Unkraut, das bald schrecklich wuchern wird. Man 
bemüht sich unaufhörlich, alles Göttliche und Heilige auf die 
Waagschale der irrenden und blinden menschlichen Vernunft 
zu legen, die Offenbarung in den Staub herabzuziehen, die 
Vernunft zu erheben und, mit einem Wort, Gott und Sein 
Wort auszuschließen. Ja, geliebter Leser, die Anstrengungen 
des Feindes gehen dahin, Gott auszuschließen und die Offenbarung Gottes beiseite zu setzen, und je mehr ihm dieses 
gelingt, desto mehr ist er imstande, die Menschen nach seinem Willen zu leiten. 
52 
Wir bekennen, daß wir vor diesen Erscheinungen zittern und 
uns fragen, wie dies alles enden wird. Soll man auf Sein 
Wort nicht achten, weil es über das Verständnis der menschlichen Vernunft hinausgeht? Gott sei gepriesen, daß Er das, 
was den Klugen und Weisen verborgen ist, den Unmündigen 
geoffenbart hat, und daß das Kreuz Christi zwar der Vernunft eine Torheit, aber uns, die wir glauben, eine Gotteskraft ist. 
Möge der Herr die Seinigen in diesen schrecklichen, gefährlichen Zeiten bewahren! Möge Er unsere Herzen den Ernst 
des gegenwärtigen Augenblicks fühlen und erkennen lassen, 
und uns eine völlige Unterwürfigkeit unter Sein kostbares 
Blut schenken! Dann, und nur dann werden wir vor jedem 
Einfluß des Feindes bewahrt bleiben. Dann werden wir nicht 
auf die Spöttelei des Zweiflers und auf die Beweise des Ungläubigen achten. Dann werden wir wissen, woher solche Dinge kommen und wohin sie führen. Christus wird unser gesegnetes Teil, Sein Wort unseres Fuße Leuchte, Sein Geist unser 
Führer, und Seine Wiederkunft die Hoffnung unserer Herzen 
sein. 
Es ist in der Tat einer der höchsten Beweise menschlicher 
Anmaßung, das Wort Gottes der Vernunft des Menschen unterbreiten zu wollen. Wer gab die Vernunft, und wer gab 
die Offenbarung? Ist nicht Gott die Quelle von beiden? Die 
menschliche Vernunft hat die Bestimmung, sich in ihrer Tätigkeit durch die göttliche Offenbarung gefangennehmen und 
leiten zu lassen. Hat sie es getan? Nein, die Sünde hat den 
Menschen nicht nur unglücklich gemacht, sondern ihn auch 
verblendet und des Lichtes beraubt, um geistliche Dinge 
geistlich beurteilen zu können. Es bleibt eine unerschütterliche Wahrheit, daß „der natürliche Mensch nicht annimmt, 
was des Geistes Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit und 
er kann es nicht erkennen". Ist es daher nicht ein Zeichen 
großer Anmaßung, die durch die Sünde verderbte und von 
Satan ganz und gar beeinflußte Vernunft als Richterin dessen 
anzuerkennen, was Gott in Seinem Wort geoffenbart hat? 
Begreift die Vernunft die Schöpfung? Keineswegs. „Durch 
den Glauben verstehen wir, daß die Welten durch Gottes 
53 
Wort bereitet sind, so daß das was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist" (Hebr 11, 3). Die menschliche 
Vernunft, vom Unglauben geleitet, kann nur sagen: „Das 
nehme ich nicht an!" aber sie kann nicht mit überzeugender 
Gewißheit sagen: „Die Sache verhält sich so oder so!" Sie 
kann nur die Wahrheit leugnen, aber nichts an ihre Stelle 
setzen. — Begreift sie die Erlösung? Keineswegs. Nur der 
Glaube erkennt in Jesus, dem Gekreuzigten, das wahre Opferlamm. Die Vernunft kann nur dieses Werk leugnen, aber 
nichts an seine Stelle setzen, was dem Herzen Ruhe und Friede geben kann. Wie armselig ist die menschliche Vernunft, 
und wie töricht der Mensch, der unter Hintansetzung der 
göttlichen Offenbarung dem was die Vernunft über göttliche 
Dinge sagt, vertraut! 
Möge der Herr Sich unser erbarmen und uns fähig machen, 
Seine Offenbarung zu verstehen und Seinem Wort unter 
allen Umständen unterwürfig zu sein! 
Die Berufung der Braut 
(1. Mose 24) 
In Abraham, dem Empfänger der den Erzvätern gegebenen 
Verheißungen Gottes, finden wir die Grundprinzipien des 
Gläubigen. Als Abraham seinen Sohn opfert und wieder 
empfängt, gibt er uns das Vorbild der Auferstehung Jesu, 
Der wie Isaak Erbe aller Güter Seines Vaters ist. Rebekka 
ist als Vorbild der Versammlung berufen, die Braut des auferstandenen Isaak zu werden. Später haben wir in Jakob die 
vorbildliche Geschichte des jüdischen Volkes. 
In Sara stellt uns Gott den Grundsatz der Verbindung des 
Menschen mit der unvermischten Gnade ohne Gesetz vor 
Augen, während Hagar als ein Bild des dazwischentretenden 
Gesetzes eingeführt wird. Isaak, im Gleichnis aus den Toten 
auferstanden, zeigt uns Christus als das Haupt, Der Sein 
Werk vollbracht hat und Sich in der Stellung befindet, in der 
Er alle Ergebnisse der göttlichen Ratschlüsse offenbaren kann. 
In dem vorliegenden Kapitel sehen wir, wie Abraham seinen 
54 
Knecht Elieser aussendet, um für Isaak eine Braut zu suchen — ein deutliches Vorbild auf den Heiligen Geist, Der 
vom Vater ausgesandt ist, um für Jesus die Versammlung, 
„die Braut, das Weib des Lammes", zu suchen. Nicht Isaak 
holt sich eine Frau, wie auch Christus nicht noch einmal auf 
die Erde kommen wird, um Sich eine Versammlung zu erwählen. Rebekka muß ihre Heimat verlassen und in das Land 
der Verheißung kommen. Dieses Kapitel zeigt uns also die 
Wirksamkeit des Heiligen Geistes und die Art und Weise, 
wie eine Seele unter seine Leitung kommt und unter ihr geleitet wird. Beides werden wir in Elieser und Rebekka finden. 
„Und Abraham war alt, wohlbetagt, und Jehova hatte Abraham gesegnet in allem. Und Abraham sprach zu seinem 
Knechte, dem ältesten seines Hauses, der alles verwaltete, 
was er hatte: Lege doch deine Hand unter meine Hüfte, und 
ich werde dich schwören lassen bei Jehova, dem Gott des 
Himmels und dem Gott der Erde, daß du meinem Sohne nicht 
ein Weib nehmen wirst von den Töchtern der Kanaaniter, 
in deren Mitte ich wohne, sondern in mein Land und zu, meiner Verwandtschaft sollst du gehen und ein Weib nehmen 
meinem Sohne Isaak" (Verse 1-4). 
Wir sehen hier in Elieser den Verwalter aller Güter seines 
Herrn; aber nicht er, sondern der Sohn ist der Erbe. In gleicher Weise verfügt der Heilige Geist über alles; 6r nimmt 
die Dinge Christi und teilt sie uns, d. i. der Versammlung 
mit (Joh 16, 13-16). 
„Und der Knecht sprach: Vielleicht wird das Weib mir nicht 
in dieses Land folgen wollen; soll ich dann deinen Sohn in 
das Land zurückbringen, aus welchem du weggezogen bist? 
Da sprach Abraham zu ihm: Hüte dich, daß du meinen Sohn 
nicht dorthin zurückbringest!" (V. 5-6). 
Unmöglich kann irgendeine Verbindung zwischen Christus 
und der Welt bestehen. Isaak holte Rebekka nicht; sie muß 
kommen, und zu diesem Zweck gibt Abraham dem Knecht 
seine Befehle. Anstatt weitere Fragen zu stellen, macht sich 
der Diener bereit und begibt sich auf den Weg nach Mesopotamien, nach der Stadt Nahors, ohne weitere Befehle emp55 
fangen zu haben (V. 10 ff). Ebenso müssen auch wir uns 
vor allem durch das Wort Gottes leiten lassen. Der natürliche 
Verstand kann sich bis auf einen gewissen Punkt ein Urteil 
bilden, aber auf diese Weise entfernt die Seele sich aus der 
Gegenwart Gottes, selbst wenn wir Dinge tun, die nach Seinem Willen sind. Wenn wir anfangen zu überlegen, kommt 
Unschlüssigkeit; wir beraten uns mit Fleisch und Blut. Das 
erste was wir zu tun haben ist, uns in die Gegenwar t 
Gotte s zu stellen. Woanders ist weder Weisheit noch 
Kraft. Wenn wir aber auf diesem Segenspfad wandeln, dann 
empfangen wir von Gott die nötige Einsicht. Das beweist 
uns die Reise des Knechtes Abrahams. 
Elieser betet: „Jehova, Gott meines Herrn Abraham" (V. 12)! 
Das ist bemerkenswert. Er sagt nicht: „Mein Gott!" Die Verheißungen waren dem Abraham gegeben, und Gott hatte 
Sich als der Gott Abrahams geoffenbart. Der Knecht zeigt sich 
hier in gänzlicher Abhängigkeit; wir finden ihn auf dem Wege der Verheißungen als einen, der sich nicht erhebt, sondern 
gemäß den Ratschlüssen Gottes in völliger Abhängigkeit 
handelnd, nur da seinen Wanderstab ruhen läßt, wo Gott die 
Segnungen verordnet hatte; denn die Verheißungen waren 
Abraham gegeben worden. — Für uns ist jede Segnung in 
Christo, dort finden wir Antwort auf unsere Bitten. Daher 
wünschen wir nicht anderswo etwas zu erlangen als da wo 
Gott Seine Segnungen verordnet hat, das heißt nuj auf dem 
Wege des Glaubensgehorsams. 
Elieser wendet sich an den Gott Abrahams seines Herrn, und 
bittet Ihn, an seinem Herrn Dankbarkeit zu üben. Er sagt: 
„Jehova, Gott meines Herrn Abraham, laß es mir doch 
heute begegnen, und erweise Güte an meinem Herrn Abraham! Siehe, ich stehe bei der Wasserquelle, und die Töchter 
der Leute der Stadt kommen heraus, um Wasser zu. schöpfen; 
möge es nun geschehen, daß das Mädchen, zu dem ich sagen 
werde: Neige doch deinen Krug, daß ich trinke, und welches 
sagen wird: Trinke, und auch die Kamele will ich tränken, 
diejenige sei, welche du für deinen Knecht, für Isaak, bestimmt hast; und daran werde ich erkennen, daß du. Güte an 
meinem Herrn erwiesen hast" (V. 12-14). 
56 
Elieser läßt Gott handeln, und er will sehen, was Er tut. Ein 
herrliches Beispiel für uns! Gott will handeln, und wir können zusehen. 
„Und es geschah, er hatte noch nicht ausgeredet, siehe, da 
kam Rebekka heraus, die dem Bethuel geboren worden, dem 
Sohne der Milka, des Weibes Nahors, des Bruders Abrahams, 
mit ihrem Kruge auf ihrer Schulter. Und das Mädchen war 
sehr schön von Ansehen, eine Jungfrau, und kein Mann hatte 
sie erkannt; und sie stieg zur Quelle hinab und füllte ihren 
Krug und stieg wieder herauf. Und der Knecht lief ihr entgegen und sprach: Laß mich doch ein wenig Wasser aus deinem 
Kruge schlürfen. Und sie sprach: Trinke, mein Herr. Und 
eilends ließ sie ihren Krug auf ihre Hand hernieder und gab 
ihm zu trinken. Und als sie ihm genug zu trinken gegeben 
hatte, sprach sie: Ich will auch für deine Kamele schöpfen, 
bis sie genug getrunken haben. Und sie eilte und goß ihren 
Krug aus in die Tränke und lief abermals zum Brunnen, um 
zu schöpfen; und sie schöpfte für alle seine Kamele. Und der 
Mann sah ihr staunend zu und schwieg" (V. 15-21). 
Woher kam es, daß Elieser, nachdem sein Gebet eine solche 
Antwort erhalten hatte, schwieg und nicht alsbald sein Vorhaben ausführte? Die Ursache ist für uns alle höchst bemerkenswert. Wie immer die Hand Gottes sich offenbaren mag, 
so gibt es doch im Worte Gottes eine ausdrückliche Regel, 
auf die der Christ immer achten soll und die er auf Grund 
der Schwachheit, das was Gott ist zu unterscheiden, nicht 
vernachlässigen darf. Der Glaube sieht auf die Macht Gottes, 
aber er beurteilt alle Dinge nach dem Wort Gottes, denn 
Gott kann nicht anders als Seinem Worte gemäß handeln, 
und der Knecht, der mit Ihm in Gemeinschaft steht, muß dieselben Pfade einschlagen. Wenn auch Zeichen vorhanden sein 
mögen, darf er doch in nicht s entscheiden, bevor der 
Wille Gottes nach Seinem Wort ins Licht getreten ist. Er muß 
sagen können: „Dies ist wirklich Got t gemäß" . 
„Und es geschah, als die Kamele genug getrunken hatten, da 
nahm der Mann einen goldenen Ring, ein halber Sekel sein 
Gewicht, und zwei Spangen für ihre Arme, zehn Sekel Gold 
ihr Gewicht; und er sprach: Wessen Tochter bist du? sage 
57 
mir's doch an. Ist im Hause deines Vaters Raum für uns zu 
herbergen? Und sie sprach zu ihm: Ich bin die Tachter Bethuels, des Sohnes der Milka, den sie dem Nahor geboren hat. 
Und sie sprach zu ihm: Sowohl Stroh als auch Futter ist bei 
uns in Menge, auch Raum zu herbergen. Da verneigte sich 
der Mann und warf sich nieder vor Jehova" (V. 22-26). 
Gott hatte dem Wunsch Abrahams völlig entsprochen, und 
Elieser ist überzeugt, daß er erhört worden ist. Ehe er aber 
weitergeht, ja, ehe er die Schwelle des Hauses überschreitet, 
beugt er sich zur Erde nieder und betet an; denn er erkennt, 
daß Gott in dieser Sache gewirkt hat. Er sagt: „Gepriesen 
sei Jehova, der Gott meines Herrn Abraham, der von seiner 
Güte und seiner Wahrheit nicht abgelassen hat gegen meinen 
Herrn! Mich hat Jehova geleitet auf den Weg zum Hause 
der Brüder meines Herrn" (V. 27). 
Das gleiche sehen wir bei Daniel. Er betet mit seinen Gefährten, und nachdem er die Offenbarung des Traumes empfangen 
hat, geht er nicht sogleich zum König, wie dieser es befohlen 
hatte, sondern preist zuerst Gott für die Offenbarung des 
Traumes, die der König wissen wollte. So ist es immer, wenn 
wir dem Herrn den Ihm gebührenden Platz in unseren Herzen eingeräumt haben. Wir fühlen dann, daß Er es ist, Der 
wirkt, und wir danken Ihm. 
„Und das Mädchen lief und berichtete die Dinge dem 
Hause ihrer Mutter. Und Rebekka hatte einen Bruder; sein 
Name war Laban; und Laban lief zu dem Manne hinaus, 
zur Quelle. Und es geschah, als er den Ring sah und die 
Spangen an den Armen seiner Schwester, und als er die 
Worte seiner Schwester Rebekka hörte, welche sagte: Also 
hat der Mann zu mir geredet, da kam er zu dem Manne; und 
siehe, er stand bei den Kamelen, an der Quelle. Und er 
sprach: Komm herein, Gesegneter Jehovas! warum stehst du 
draußen? denn ich habe das Haus aufgeräumt, und Raum ist 
für die Kamele" (V. 28-31). 
Nachdem der Knecht Abrahams alle Umstände seiner Reise 
bis zu dem Augenblick seiner Ankunft mitteilte, erkennen 
Laban und Bethuel, daß die Sache von Jehova ausgegangen 
58 
ist, und sie sind gezwungen zu sagen: „Wir können dir nichts 
sagen, weder Böses noch Gutes" (V. 50). So wird es immer 
sein. Wenn wir in den Umständen unseres christlichen Lebens 
in völliger Abhängigkeit von Gott handeln, wird Er unseren 
Weg ebnen, und auf Grund dieser Abhängigkeit von Ihm, in 
der wir leben, wird Er sogar unsere Feinde beschwichtigen. 
„Ich habe Jehova stets vor mich gestellt; weil er zu meiner 
Rechten ist, werde ich nicht wanken" (Ps 16, 8). Wenn ich 
etwas von Gott erbeten habe, dann handle ich mit Zuversicht 
in der Überzeugung, daß ich mich auf dem Wege Seines Willens befinde. Ich bin glücklich und zufrieden. Begegne ich 
einer Schwierigkeit, so hält sie mich nicht auf. Sie ist nur ein 
Hindernis, das der Glaube besiegen muß. Fehlt mir aber diese 
Gewißheit, dann bin ich unentschieden und weiß nicht, was 
ich tun soll. Dies kann eine Prüfung für meinen Glauben sein 
oder auch eine Mahnung, das was ich gerade tun will, zu 
unterlassen. Ich bin unschlüssig; selbst beim Vollbringen des 
Willens Gottes bin ich ungewiß, ob es der Wille Gottes ist, 
und wie könnte ich dabei glücklich sein? Bevor ich daher zu 
handeln beginne, muß ich die Sicherheit haben, daß ich den 
Willen Gottes tue. 
Bemerken wir noch im Vorübergehen, daß Gott alles nach 
den Wünschen Eliesers geschehen ließ. Das wird auch selbstverständlich bei allen der Fall sein, die ihre Freude im Herrn 
finden. Alle Räder der Vorsehung Gottes bewegen sich auf 
dem Wege Seines Willens, den ich zu tun versuche. Durch 
das Wort gibt mir der Heilige Geist den Willen Gottes zu 
erkennen, und das ist alles, was ich brauche. Gott läßt alle 
Dinge zur Erfüllung Seines Willens mitwirken. Wenn wir 
durch göttliches Verständnis geleitet dem Willen Gottes gemäß wandeln, dann hilft Er uns in der Erfüllung Seines Willens und Seiner Absichten. Wir brauchen dieses geistliche Unterscheidungsvermögen und ein beständiges Zunehmen in 
aller Weisheit und geistlichem Verständnis. „Wenn nun dein 
Auge einfältig ist, wird dein ganzer Leib licht sein". Vielleicht 
weiß ich nicht, wohin mich mein Weg führen wird, aber ich 
betrete diesen Weg, auf dem ich berufen bin zu wandeln und 
überlasse Gott das Übrige. So machte es der Knecht Abra59 
hams. Als er den Willen Gottes erkannt hatte, überschritt er 
die Schwelle des Hauses. 
„Und der Mann kam in das Haus; . . . und es wurde ihm zu 
essen vorgesetzt; aber er sprach: Ich will nicht essen, bis ich 
meine Worte geredet habe. Und er sprach: Rede" (V. 32. 33)'. 
Welche Charakterfestigkeit finden wir bei diesem Diener! 
Wie ganz anders ist es bei einem unentschlossenen Menschen! Ein solcher berät sich bald mit dem einen, bald mit 
dem anderen, um zu wissen, wie er handeln soll. Und wenn 
er den Wunsch hat, seinen eigenen Willen zu tun, dann wird 
er diejenigen, die ebenso wenig Glauben haben wie er, um 
Rat fragen. Paulus ging nicht mit Fleisch und Blut zu Rate 
(Gal 1, 15ff). Er wußte, daß Christus ihn berufen hatte und 
ging vorwärts. Von seinem Auftrag erfüllt, nimmt Elieser 
die ihm vorgesetzte Speise nicht an. Er tut, was ihm aufgetragen worden ist. Eines der Geheimnisse im Leben eines 
Christen ist, sobald er den Willen Gottes erkennt, den erhaltenen Auftrag auszuführen und dabei keinen Aufschub 
zu dulden, selbst wenn es sich um die Befriedigung seiner 
leiblichen Bedürfnisse handelt. Das ist die Wirkung und zugleich der Beweis der Wirksamkeit des Heiligen Geistes. 
Elieser will sich seines Auftrages entledigen. 
Und worum handelte es sich? Um das Interesse und die 
Ehre Abrahams, seines Herrn. Abraham hatte ihm die Angelegenheiten seines Sohnes Isaak anvertraut. Ebenso hat Gott 
u n s hier die Verherrlichung Seines Sohnes Jesus anvertraut, und durch den Heiligen Geist, Der uns gegeben worden ist, beschäftigen wir uns mit dieser Verherrlichung, d. h. 
wenn gemäß der Stellung, in die Gott uns versetzt hat, das 
Auge einfältig und geistliches Verständnis vorhanden ist. 
Wenn es so ist, wird sich bei uns keine Unschlüssigkeit, kein 
Schwanken zeigen. Wenn wir uns an unerem Platz befinden, 
dann handeln wir frei und mit freudigem Herzen. Wenn ich 
mich mit meinen Annehmlichkeiten, mit meinen Interessen, 
mit meiner Familie, kurz, mit dem was mich betrifft, beschäftige, dann gehe ich mit Fleisch und Blut zu Rate und 
werde tausenderlei Dinge entdecken, die einem schnellen Ge60 
horsam im Wege stehen. Wenn ich hingegen nach den Interessen Christi frage, ist die Sache bald entschieden. Wenn ich 
an irgendetwas anderes denke, was es auch sein möge, dann 
ist mein Herz sicher nicht mit der Verherrlichung Christi beschäftigt, und ich habe kein Vertrauen zu Dem, Der mich in 
diese Stellung gesetzt hat. 
Elieser denkt immer an Abraham, der alles seinen Händen 
übergeben hatte. Seine Gedanken nehmen dieselbe Richtung 
wenn er mit Rebekka von den Vorrechten und den Reichtümern im Hause seines Herrn spricht. Wenn unsere Herzen 
mit dem Heiligen Geist erfüllt sind, dann wird es auch bei 
uns so sein. Es ist sehr wichtig und notwendig, daß wir uns 
immer daran erinnern, daß Gott uns die Verherrlichung Jesu 
anvertraut hat. Wie können wir das tun? Er wirkt in uns, 
und wir sollen Ihn ungehindert wirken lassen. Es ist Sein 
Wille, Sich in uns durch die Gegenwart des Heiligen Geistes 
zu verherrlichen. Wir sehen dies bei den Knechten, denen 
fünf und zehn Talente anvertraut worden waren. Elieser sagt 
mit Bestimmtheit: „Ich will nicht essen, bis ich meine Worte 
geredet habe". Er ist so sehr mit der Ehre seines Herrn beschäftigt, daß er sich weigert, irgendetwas zu sich zu nehmen, ehe er sich seines Auftrages entledigt hat. Das ist die 
richtige Art, den Willen Gottes zu erfüllen. Elieser teilt Laban 
alles mit und erzählt ihm, wie Jehova ihn geleitet hat. Alles 
geschieht ohne vernünftelnde Überlegung. Er ist der Weisung 
Gottes gefolgt und überläßt Gott den Ausgang der Sache. 
„Da antworteten Laban und Bethuel und sprachen: Von Jehova ist diese Sache ausgegangen" (V. 50). 
Wenn wir, anstatt unsere Zeit mit allen möglichen Überlegungen zu verlieren, einfacher und gehorsamer wären und 
die Dinge so darstellten, wie der Heilige Geist sie uns mitteilt, dann wäre das Ergebnis gewiß ein besseres. Aber leider 
stellen wir oft unsere menschliche Weisheit an die Stelle der 
Gebote Gottes. Die ganz einfach ausgesprochenen Worte haben meistens die größte Wirkung. Petrus sagt im Auftrag 
Gottes zu den Juden: „Den Urheber des Lebens aber habt ihr 
getötet" (Apg 3)! Welche Wirkung hatten diese einfachen 
Worte! 
61 
Wenn wir die Dinge annehmen wie Gott sie sieht, und sie 
den Menschen in ungeschminkten Worten darstellen, dann 
begleitet der Heilige Geist dieses Zeugnis, und die Gewissen 
werden erreicht. Wenn wir uns in solcher Einfachheit mit den 
Dingen Gottes beschäftigen, dann werden wir mit einem jeden sprechen in Übereinstimmung mit dem Zustand, in dem 
er sich vor Gott befindet. Erkenne ich in dem, mit dem ich 
mich unterhalte, einen Verlorenen, dann wird es von Nutzen 
sein, wenn ich ihm dies in der einfachsten Weise sage; und 
meine im Geiste der Sanftmut ausgesprochenen Worte werden 
sicher von dem Segen des Herrn begleitet sein. 
„Und sie aßen und tranken, er und die Männer, die bei ihm 
waren, und übernachteten. Und des Morgens standen sie auf, 
und er sprach: Entlasset mich zu meinem Herrn! Da sprachen 
ihr Bruder und ihre Mutter: Laß das Mädchen einige Tage 
oder zehn bei uns bleiben, danach magst du ziehen. Er aber 
sprach zu ihnen: Haltet mich nicht auf, da Jehova Glück gegeben hat zu meiner Reise; entlasset mich, daß ich zu meinem 
Herrn ziehe" (V. 54-56)! 
Wir sehen, daß Elieser zur Abreise drängt; er muß diese 
Angelegenheit schnell zum Abschluß zu bringen, um Rebekka 
dem Sohne seines Herrn zuzuführen. Sobald sein Auftrag 
vollendet ist, sagt er daher: „Haltet mich nicht auf!" Er kümmert sich nicht um das Haus Labans; er schenkt der Bitte 
des Bruders keine Aufmerksamkeit; die Interessen des Hauses seines Herrn gehen ihm über alles. Die Liebe zu seinem 
Herrn läßt ihn in allem auf dessen Befehl achten. Wie häufig 
fehlen wir in diesem Punkt! Wir schonen das Fleisch und 
vernachlässigen das, was wir Gott schuldig sind. Im Grunde 
wollen wir uns selbst schonen, da wir fürchten, anderen nicht 
zu gefallen. Und doch haben wir so oft gesehen, wie Gott 
solche segnet, die mit Einfachheit und ohne Furcht die Wahrheit verkündigen. 
„Und sie sprachen: Laßt uns das Mädchen rufen und ihren 
Mund befragen. Und sie riefen Rebekka und sprachen zu 
ihr: Willst du mit diesem Manne gehen? Und sie antwortete: 
Ich will gehen" (V. 57. 58). 
62 
Hier gibt es kein Zögern. Welch ein herrliches Bild von der 
Braut des Lammes! Auch sie sagt durch die Wirksamkeit des 
Heiligen Geistes: „Ich will gehen!" Sie entschließt sich sofort 
in der entschiedensten Weise und verläßt alles. „Ich will gehen!" sagt sie. Prüfen wir hier die Lage Rebekkas. Sie besaß 
weder das Haus Labans noch dasjenige Isaaks. So ist es auch 
mit uns Christen. Wir besitzen weder die Erde, auf der wir 
uns befinden, noch den Himmel, wohin wir unterwegs sind. 
Rebekka hat alles verlassen und gesagt: „Ich will gehen!" 
Unterwegs beschäftigt Elieser, das Vorbild des Heiligen Geistes, Rebekka mit dem was im Hause des Vaters Isaaks ist. 
Welch eine köstliche Unterhaltung für die Seele, die durch 
den Anblick dieser Dinge ermuntert werden muß, um die 
Mühen und Schwierigkeiten des Weges ertragen zu können, 
und deren Gedanken nicht zum Vaterhaus oder zum eben 
verlassenen Land zurückschweifen sollen! Rebekka reist wie 
wir durch die Wüste; und Elieser, der treue Knecht und 
Begleiter, bemüht sich, sie zu trösten, mit ihr von den kostbaren Dingen im Vaterhause Isaaks zu reden und tief in 
ihren Sinn einzuprägen, wie groß und mächtig der Vater ist, 
der alles seinem Sohne zum Besitztum gegeben hat (V. 36). 
Wie bereits erwähnt, ist dieser Knecht für uns ein Vorbild 
des Heiligen Geistes, des Trösters, Der uns auf der Reise 
durch diese Wüste mit Kleinodien beschenkt und uns Mitteilungen macht über alles was für die, welche die Braut 
Christi sind, im Vaterhaus vorhanden ist. Er gibt uns Zeugnis 
von Jesus; Er nimmt das was Christi ist und verkündet es 
uns. Er ist es, Der uns in die ganze Wahrheit leitet und uns 
alles lehrt, während wir die Wüste dieser Welt durchreisen. 
Hätte Rebekka gezögert, wäre ihr Herz mit Erinnerungen an 
das soeben verlassene Land erfüllt gewesen, dann wäre sie 
unglücklich gewesen bei dem Gedanken, daß sie jetzt weder 
das Haus Bethuels, ihres Vaters, noch das Haus Isaaks, ihres 
Bräutigams besaß. Da sie alles verlassen hatte und weder 
das eine noch das andere besaß, wäre ihr in der Wüste so 
vereinsamtes Herz in einer unerträglichen Lage gewesen, 
wenn sie sich mit dem Zurückgelassenen beschäftigt hätte. 
Aber sie hat alles aufgegeben, und indem sie sich mit Elieser 
63 
unterhält, beschäftigt sie sich mit dem, was wahre Anziehungskraft auf ihr Herz hat, und sie steht weit höher als 
die Dinge, die sie für immer verlassen hat. Von Frieden erfüllt und getrost zieht sie weiter, der Wohnung ihres Bräutigams entgegen. 
Der Christ, der nicht geistlich sondern weltförmig ist, hat ein 
trauriges Los. Er kann nicht glücklich sein, wenn er die Weit 
sucht. Der Weltmensch hat wenigstens etwas; er kostet die 
schnell dahineilenden Vergnügungen und findet, wie verabscheungswürdig sie auch sein mögen und wie viele neue unbefriedigte Begierden sie auch wecken mögen, einen flüchtigen 
Genuß darin, während der Christ sich unbehaglich und unglücklich darin fühlt, weil Er ein durch den Heiligen Geist 
beschwertes Gewissen hat. Wie könnte er glücklich sein, wenn 
er sein Vergnügen in den Dingen der Erde sucht, sein Herz 
vom Herrn abwendet und aufhört, Ihm zu folgen! Er kann 
sein Gewissen, das ihn anklagt, nicht beruhigen, und weil er 
den Mahnungen des Heiligen Geistes kein Gehör geschenkt 
hat und Wege des Fleisches gegangen ist, gibt es für ihn keine Freude. Die geistlichen Dinge, die sein Glück hätten ausmachen sollen, treten gleichsam wie die Kläger gegen ihn auf, 
sobald er mit ihnen in Berührung kommt. Doch — Gott sei 
gepriesen! — wir sind unter der Gnade Dessen, Der uns 
berufen hat und Der uns, wenn wir geirrt haben, um Seines 
Namens willen wieder auf die ebene Bahn zurückführt. Wenn 
wir gesündigt haben, so haben wir einen Sachwalter bei dem 
Vater, Der für uns bittet; und Gott, Der treu ist, hilft uns 
wieder zurecht, wenn wir uns an Ihn wenden. „Und was 
wirst du für deinen großen Namen tun" (Jos 7, 9)? Zudem 
ist die Herrlichkeit Gottes an unserer Wiederherstellung interessiert, und da ist Gnade. Ja, wir haben einen Heiland, 
Der für uns beim Vater bittet, und Der Sich bemüht, uns zu 
dem Gott aller Gnade zurückzuführen, Der das in uns angefangene Werk vollführen wird bis auf den Tag Jesu Christi, 
in dem Er alles tut, was zu unserem Heil nötig ist. 
Elieser führt Rebekka zu ihrem Bräutigam, und ebenso führt 
uns der Heilige Geist bis ans Ende, bis ans Ziel! Das erste 
64 
was Rebekka erblickt ist Isaak, und Isaak führt seine Frau 
in das Zelt seiner Mutter. Rebekka, im Besitz ihres Bräutigams, kümmert sich um nichts anderes. Sie denkt jetzt nicht 
mehr an die ihr gehörenden Kleinodien und Schätze, sondern 
an den Bräutigam selbst. Es war nicht das Wichigste, die 
Braut den Reichtümern zuzuführen, sondern dem Bräutigam. 
Wenden wir nun das vorliegende Bild auf uns an, so sehen 
wir, wie Gott uns durch den Heiligen Geist in dieser Welt 
gesucht hat. Er hat uns gefunden; Er will, daß wir nicht zögern, Ihm zu folgen, nachdem wir gesagt haben: „Ich will 
gehen", und Er bringt uns in die Gegenwart Jesu.. Der Heilige 
Geist begleitet uns auf dem Wege, um unsere Stütze und 
unser Tröster zu sein, um zu unserer Ermunterung mit uns 
von den Segnungen und der Herrlichkeit, die unser Teil sein 
werden, zu reden, und um uns einzuführen in die Gegenwart 
Jesu, unseres himmlischen Bräutigams. Bald werden wir bei 
Ihm sein und von Ihm ins Vaterhaus geführt werden. 
Die Art und Weise der Wirksamkeit des Heiligen Geistes 
kann aus mancherlei Gründen ganz verschieden sein, aber 
die Wirksamkeit Seiner Macht ist in der Tat vorhanden. Der 
wesentliche Grundsatz unserer Berufung muß sich stets darin 
zeigen, daß wir uns mit Entschiedenheit entschließen, uns 
durch den Heiligen Geist führen zu lassen, und daß wir ohne 
Zögern vorangehen, weil wir wissen, daß wir unter dieser 
Leitung das ersehnte Ziel erreichen und „also allezeit bei dem 
Herrn sein werden". 
Möge der Herr in Seiner Gnade uns allen diese Entschiedenheit schenken, der Leitung des Heiligen Geistes mit willigem 
Herzen zu folgen! 
Die Auferstehung Jesu, 
ein Heilmittel für alle Übel 
Gott begegnet allen Bedürfnissen der Seele, wie tief und 
mannigfaltig sie auch sein mögen, durch den Tod und die 
Auferstehung Jesu Christi. Wenn bezüglich der Sünden Fragen auftauchen und die Seele beunruhigen, dann ist die Auf65 
erstehung der herrliche Beweis, daß die Sünde völlig weggetan ist. Im gleichen Augenblick, in dem ich Jesus zur Rechten 
Gottes sehe, erblicke ich auch das Ende der Sünde, denn ich 
weiß, daß Er nicht dort sein könnte, wenn nicht eine völlige 
Sühnung der Sünden stattgefunden hätte. Er wurde unserer 
Sünden wegen hingegeben. Er nahm als Stellvertreter unseren Platz ein, belud Sich mit unseren Sünden und stieg unter 
ihrem Gewicht ins Grab hinab. Anbetungswürdige Liebe! 
Aber Gott hat Ihn von den Toten auferweckt, und durch 
diese Tatsache drückte Er das Siegel Seiner Anerkennung 
auf das vollbrachte Erlösungswerk. Daher lesen wir: „(Er ist) 
unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden". Wenn es 
sich um die Sünde handelt, begegnet die Auferstehung also 
dem Bedürfnis der Seele. 
Doch das ist nicht alles. Die Auferstehung Jesu ist auch ein 
erprobtes Heilmittel für alle Übel des Lebens, wenn wir den 
versuchungsreichen, mühevollen Pfad des christlichen Zeugnisses betreten haben. Das wird uns deutlich in Joh 20 vor 
Augen gestellt. In früher Morgenstunde begibt Maria Magdalena sich zum Grabe des Herrn. Wie wir bei Markus in 
demselben Bericht lesen, war sie nicht nur traurig über den 
Verlust ihres gnadenreichen Freundes, sondern auch sehr bekümmert wegen der Schwierigkeit, den Stein von der Öffnung der Gruft wegzuwälzen. Da beseitigte die Auferstehung 
plötzlich alle ihre Traue r und Bekümmertheit . 
Dieses herrliche Ereignis füllte die Leere ihres Herzens aus 
und hob die Last von ihrer Schulter, die sie nicht länger tragen konnte. Sie fand den Stein vom Grabe gewälzt, und sie 
fand sogar den geliebten Herrn Selbst, Den der Tod eine 
Zeitlang ihrem Auge entzogen hatte. Solche mächtigen Dinge 
konnte die Auferstehung für eine armselige, trauernde Frau 
bewirken. 
Verhält es sich mit uns nicht ebenso? Sind unsere Herzen 
nicht schon gebrochen und erschüttert worden durch die strenge, rauhe Hand des Todes? Hat sein kalter Hauch nicht schon 
den Strom unserer Zuneigungen erstarren lassen? Wo finden 
wir das Heilmittel? In der Auferstehung; dieser große Wiederhersteller der nicht nur erschlafften, sondern gänzlich 
66 
ruinierten Natur, füllt jede Leere aus, überbrückt alle Risse 
und heilt alle Übel. Wenn das Gewissen durch das Bewußtsein der Sünde aufgerüttelt ist, dann bringt die Auferstehung 
es durch die Versicherung zur Ruhe, daß das Werk des Bürgen völlig anerkannt und angenommen ist. Wenn das Herz 
durch Trauer niedergebeugt ist und der Tod ihm eine schwere 
Wunde geschlagen hat, dann legt die Auferstehung einen 
Verband an, lindert den Schmerz und verbindet die Wunde 
dadurch, daß sie hinweist auf das Auferstehen und die Vereinigung mit denen, die im Herrn entschlafen und uns vorangegangen sind. Sie ruft uns die tröstenden Worte zu: „Wir 
wollen aber nicht, Brüder, daß ihr, was die Entschlafenen 
betrifft, unkundig seid, auf daß ihr euch nicht betrübet wie 
auch die übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir 
glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird 
auch Gott die durch Jesum Entschlafenen mit ihm bringen" 
(1. Thess 4, 13. 14). Man sagt gewöhnlich, daß die Zeit allmählich die Wunden des Herzens heilt, die der Tod geschlagen hat; aber ein geistliches Gemüt kann nie die Zeit mit 
ihren traurigen Veränderungen als ein Ersatzmittel für die 
Auferstehung und ihre unendlichen Freuden betrachten. Das 
arme Kind dieser Welt mag vielleicht in den wechselnden 
Umständen dieses Lebens etwas finden, um damit die vom 
Tod verursachte Lücke ausfüllen zu können, aber nicht der 
Christ. Für ihn ist die Auferstehung das große Ziel, auf das 
seine Gedanken gerichtet sind, als das einzige Mittel, das alle 
seine Verluste zurückerstattet und alle seine Übel heilt. 
Ebenso verhält es sich auch im Blick auf die Schwierigkeiten 
und die auf die gegenwärtigen Umstände zurückgehenden 
Drangsale. Auch in bezug auf sie ist die Auferstehung das 
einzige Heilmittel. Wenn wir das nicht erkennen, müssen wir 
uns von Tag zu Tag abmühen, die Lasten zu tragen und 
uns unter den Mühsalen des gegenwärtigen trübseligen 
Schauplatzes zu beugen. Wir mögen geneigt sein, mit der 
trauernden Maria die Worte auszurufen: „Wer wälzt uns den 
Stein von der Tür der Gruft?" Aber die Antwort lautet stets: 
„Der auferstandene Jesus". Klammere dich fest an die Auferstehung, und du wirst merken, daß du über dem Einfluß 
67 
jeder Bürde und Beschwerde stehst. Damit ist nicht gesagt, 
daß es für den Christen keine Last zu tragen gibt; im Gegenteil werfen die Umstände immer neue Lasten auf unsere 
Schultern, aber diese Lasten werden uns nicht in den Staub 
drücken, weil unsere Füße auf dem unbeweglichen Felsen 
der gesegneten Wahrheit ruhen, daß unser Haupt von den 
Toten auferstanden ist und sich zur Rechten der Majestät in 
der Höhe gesetzt hat, und daß auch unser Platz droben 
bei Ihm ist. Der Glaube führt die Seele stets aufwärts in 
die heilige Ruhe göttlicher Gegenwart, er macht uns fähig, 
unsere Bürden auf den Herrn zu werfen, da Er uns die Verheißung gegeben hat, daß Er sie für uns tragen will. Wie 
oft schaudern wir zurück bei dem Gedanken an irgendeine 
Trübsal, die wie eine Wolke am Horizont in der Ferne erscheint; und dennoch, wenn sie uns erreicht, finden wir „den 
Stein vor der Gruft weggewälzt". Der auferstandene Jesus 
hat ihn durch Seine Macht beseitigt. Er hat die finstere 
Wolke weggetrieben und den ganzen Schauplatz mit dem 
Licht Seines freundlichen Angesichts erfüllt. Maria Magdalena hatte sich dem Grabe mit der Befürchtung genähert, 
einen großen Stein zwischen sich und dem Herrn, den sie 
liebt, zu finden, aber stattdessen fand sie den auferstandenen 
Jesus zwischen sich und der gefürchteten Schwierigkeit. Sie 
war gekommen, um einen Leichnam mit ihren Spezereien zu 
salben, aber als sie ankam, sah sie sich gesegnet und glücklich gemacht durch den auferstandenen Erretter. Das ist der 
Weg Gottes, das ist die Macht und der Wert der Auferstehung. Sünden, Kümmernisse, Bürden — alles ist verschwunden, sobald wir eingetreten sind in die Gegenwart eines lebendigen Herrn. Was richtete Johannes wieder auf, als er auf 
der Insel Patmos wie tot zu Boden stürzte? War es nicht die 
Auferstehung? Die Hand des lebendigen Jesus ruhte auf 
ihm, die Hand Dessen, Der sagte: „Fürchte dich nicht! Ich 
bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war 
tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit" 
(Offb 1, 17. 18). Das ist es, was ihn wieder auf die Füße 
bringt. Die Gemeinschaft mit Ihm, Der Sein Leben der 
schrecklichen Gewalt des Todes entrissen hat, beseitigt alle 
Befürchtungen und verleiht der Seele göttliche Kraft. 
68 
Auch bei den mit anwesenden Jüngern Petrus und Johannes 
zeigt sich ein Beweis von der Macht der Auferstehung. Bei 
ihnen bemerkt man in diesem Augenblick weit weniger die 
Trauer über den Verlust ihres Herrn und Meisters als bei 
Maria. Auch scheinen sie wegen des großen Steines vor der 
Gruft keine Befürchtungen zu haben. Aber augenscheinlich 
werden sie durch alles, was ihren Blicken am Grabe begegnet, 
in Verlegenheit gebracht. Die leinenen Tücher, das an einem 
Orte besonders zusammengelegte Schweißtuch — das alias 
erscheint ihnen unerklärlich. Ihre Verlegenheit hat ihren 
Grund darin, daß „sie .. . die Schrift noch nicht (kannten), 
daß er aus den Toten auferstehen müßte". Nur die Tatsache 
der Auferstehung konnte dieses Rätsel lösen. Wäre die Auferstehung für sie ein bekanntes Ereignis gewesen, dann wären sie bezüglich der zurückgelassenen Grabtücher keinen 
Augenblick in Ungewißheit gewesen; ohne Zweifel hätten sie 
gewußt, daß der Zerstörer des Todes Sein mächtiges Werk 
vollbracht und die Spuren Seines Sieges hinter Sich zurückgelassen hatte. Das war die Bedeutung der Szene am Grabe; 
wenigstens konnte man diese Lehre daraus ziehen. Der Herr 
Jesus hatte mit Ruhe und Umsicht diesen Kampf bestanden. 
Er hatte keine Hast und keine Bestürzung an den Tag gelegt. 
Er hatte Sich Zeit genommen, das Grab zu ordnen und die 
Grabtücher an ihren bestimmten Platz zu legen. Er hatte gezeigt, daß es von Seiner Seite keiner besonderen Anstrengung 
bedurfte, um die Macht des Todes zu beseitigen. Petrus und 
Johannes wußten jedoch dies alles nicht, und daher kehrten 
sie wieder nach Hause zurück. Die Stärke der Zuneigung im 
Herzen der Maria erlaubte ihr nicht, ihnen zu folgen; die Liebe übte einen mächtigeren Einfluß als die Erkenntnis. Obwohl 
ihr Herz zu brechen drohte, verließ sie das Grab doch nicht. 
Sie wollte lieber weinen und wehklagen in der Nähe des 
Ortes, an den der Herr gelegt worden war, als an irgend 
einen anderen Ort zu gehen. Aber die Auferstehung brachte 
alles in Ordnung. Sie füllte die Leere in dem gebrochenen 
Herzen der armen Frau aus und gab Licht über das, was den 
beiden Jüngern Petrus und Johannes unerklärlich war. Sie 
trocknete die Tränen der Weinenden und machte der Bestür69 
zung der Jünger ein Ende. Mit einem Wort, die Auferstehung 
Jesu ist ein Universalmittel für alle Übel, und nichts als 
Glaube ist nötig, um Gebrauch davon zu machen. 
In Vers 19 finden wir eine neue Darstellung des Grundsatzes, 
den wir betrachten. Wir lesen hier die Worte: „Als es nun 
Abend war an jenem Tage, dem ersten der Woche, und die 
Türen, wo die Jünger waren, aus Furcht vor den Juden verschlossen waren, kam Jesus und stand in der Mitte und 
spricht zu ihnen: Friede euch! Und als er dies gesagt hatte, 
zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich 
die Jünger, als sie den Herrn sahen". 
Die verschlossene Tür gibt hier unzweideutig Kunde von der 
Furcht der Jünger. Sie fürchteten sich vor den Juden. Und wo 
war das Heilmittel für diese Furcht? Nur in der Gemeinschaft mit ihrem auferstandenen Herrn. Und Er — gepriesen 
sei Sein Name! — versäumte es nicht, ihnen dieses Heilmittel zu bringen. Er erschien unerwartet und trotz der verschlossenen Tür in ihrer Mitte und sprach Seinen Segen über 
sie aus. Wie tröstend, wie ermutigend klingen Seine Worte: 
„Friede euch!" Ja, sie hatten Ursache, diesen Frieden in ihre 
Herzen dringen zu lassen, nicht weil die verschlossene Tür 
ihnen Sicherheit und Schutz darbot, sondern einfach, weil 
Jesus auferstanden war. Wer konnte ihnen schaden, nachdem 
der mächtige Überwinder des Todes und der Hölle in ihre 
Mitte getreten war? 
Welch einen unaussprechlichen Wert birgt das Wörtchen: 
„Friede euch" — jenes Wort, dessen Sich ein solch mächtiger 
Herr und zwar in einer solchen Zeit bediente! Der Friede, 
der aus dem Umgang mit dem auferstandenen Sohne Gottes 
entspringt, kann weder durch die Veränderungen noch durch 
die Stürme dieser Welt weggerafft werden; es ist der Friede 
des inneren Heiligtums, der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt. Warum sind wir zu gewissen Zeiten oft so 
sehr beunruhigt durch den Zustand der uns umringenden 
Dinge? Warum nehmen wir unsere Zuflucht so oft — wenn 
auch nicht gerade zu einer verschlossenen Tür — zu irgendeinem menschlichen Hilfsmittel? Die Ursache liegt nahe. Wir 
richten unsere Blicke nicht unverwandt auf Ihn, Der da ist 
70 
„der Erste und der Letzte und der Lebendige, und der tot 
war und siehe, er lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit", — darum 
zeigt sich bei uns ein so ungewisses, furchtsames Schwanken. 
Wenn wir uns an den starken Arm Dessen klammern, Dem 
alle Macht im Himmel und auf Erden übergeben ist, wenn 
wir verwirklichten, daß unser Teil in Ihm, ja, daß Er Selbst 
unser Teil ist, dann würden wir nicht so sehr von den Umständen dieser armen Welt berührt werden. Gewiß würden 
die Anschauungen mancher Christen in bezug auf Politik, 
Handel und Ackerbau, kurz, auf alle Dinge, die mit dieser 
Erde in Verbindung stehen, sich ändern, wenn das Bewußtsein ihrer Stellung lebendiger bei ihnen wäre und sie sich 
mehr der Worte erinnerten: „Wir sind gestorben, und unser 
Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott" (Kol 3). Man 
sagt gewöhnlich, daß wir, solange wir uns auf der Erde befinden, ein Interesse an den Umständen, den Aussichten, 
den Vorgängen und den Erwartungen dieser Erde haben 
müßten. Aber welche Bedeutung haben dann die Worte 
des Paulus: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln" (Phil 
3)? Sind wir denn von dieser Welt? Paßt eine irdische Gesinnung für die Bürger des Himmels, für diejenigen, die mit 
Christus gestorben und auferstanden sind? Keineswegs. Alles 
was in uns (ich rede von Gläubigen) irgendeine Verwandtschaft mit dieser Erde haben könnte, alles was als Natur bezeichnet werden kann, ist in Christus mitgestorben und sollte 
stets als tot betrachtet werden. Unser Leben ist im Himmel, 
wo wir uns schon jetzt im Geist und der Stellung nach befinden. Allerdings sollten wir, wenn wir uns als irdische Menschen betrachten, auch mit irdischen Dingen beschäftigt sein; 
betrachten wir uns aber als himmlische Menschen, dann sollten auch himmlische Dinge uns beschäftigen, d. h. bei allem 
was wir auf dieser Erde zu tun haben, sollte uns eine himmlische Gesinnung leiten. „Wenn ihr nun mit dem Christus 
auferweckt worden seid, so suchet was droben ist, wo der 
Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das 
was drobe n ist, nich t auf das was auf der Erd e 
ist" (Kol 3). Das ist sehr einfach. Wir werden ermahnt, das 
zu tun, was „droben" ist, und zwar deshalb, weil wir „mit 
dem Christus auferweckt" sind. Der Unterschied zwischen 
71 
Abraham in seinen Tagen und einem Gläubigen in der heutigen Zeit besteht darin, daß Abraham von der Erde zum 
Himmel ging, während der Gläubige — im Geist und durch 
den Glauben — vom Himmel auf die Erde gekommen ist. 
Abraham war ein Pilger auf der Erde, weil er ein himmlisches Land suchte , während der Gläubige in unseren 
Tagen ein Pilger ist, weil er ein himmlisches Vaterland er -
reich t hat . Darum sollte der Christ sich immer als jemand betrachten, der vom Himmel gekommen ist, um eine 
Zeitlang auf dem Schauplatz der Leiden und Mühen einherzuschreiten. Das würde seinem Charakter und Wandel ein 
himmlisches Gepräge geben. Der Herr gebe, dal? es so bei 
allen sei, die den Namen Jesu anrufen. 
Bemerken wir nun noch zum Schluß, daß der Herr Jesus 
Seine armen Jünger dadurch von ihrer Furcht befreite, daß Er 
in ihre Mitte trat und Sich in ihren Umständen zu. ihnen gesellte. Es handelte sich hier nicht so sehr um eine wirkliche 
Befreiung von dem was ihre Furcht verursachte, als vielmehr 
darum, daß Er ihre Seelen durch die Gemeinschaft mit Ihm 
Selbst über die Umstände erhob. Sie vergaßen die Bosheit 
der Juden, sie vergaßen ihre Furcht, sie vergaßen alles, weil 
ihre Seelen mit ihrem auferstandenen Herrn beschäftigt waren. Das ist oft die Art des Herrn, daß Er die Seinigen in 
der Trübsal läßt, und darin mit ihnen Gemeinschaft hat. 
Paulus, der treue Apostel des Herrn, wünschte von dem Dorn 
im Fleische befreit zu werden, aber die göttliche Antwort 
lautete: „Meine Gnade genügt dir". Es ist sicher eine weit 
größere Barmherzigkeit, die Gnade und Gegenwart Jesu inmitten der Trübsal zu besitzen als davon befreit zu werden. 
Der Herr erlaubte es, daß Sadrach, Mesach und Abednego in 
den Feuerofen geworfen wurden, aber nachdem die Tat vollbracht war, kam Er hernieder und wandelte mit ihnen in den 
Flammen. Das war seinerzeit weit gnadenreicher, und für die 
drei Männer weit ehrenvoller, als wenn Er zu ihren Gunsten 
ins Mittel getreten wäre, ehe sie in den Ofen geworfen wurden. 
Möge es der lebendige Wunsch unserer Herzen sein, während wir diese versuchungsreiche Wüste durchwandern, uns 
72 
stets in der Nähe des auferstandenen Heilandes zu befinden; dann werden wir Frieden haben, wenn auch der Feuerofen der Trübsal oder der Sturm der Verfolgung unser Teil 
ist. Sei es der Verlust einer teueren Person, die Last auf der 
Schulter, die für den Geist unerklärlichen Rätsel, die Furcht 
oder der Unglaube des Herzens — alles findet Heilung in 
der Gegenwart Dessen, Der von den Toten auferstanden ist. 
Das Gesetz der Freiheit 
„Wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner 
nicht würdig". — „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als 
mich, ist meiner nicht würdig". — „Wer sein Leben findet, 
wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden". — „Ihr nun sollt vollkommen sein, 
wie euer himmlischer Vater vollkommen ist". 
Diese und ähnliche Worte des Herrn bezeichnen uns die 
Hauptgrundsätze des christlichen Wandels: Selbstverleugnung 
und Übergabe an Gott. Bevor wir aber fähig sind diese 
Grundsätze auszuführen, muß eine vollkommene Veränderung unseres Zustandes stattfinden. Wir waren von Natur 
Untertanen des Fürsten der Finsternis, Knechte der Sünde, 
Sklaven unserer Lüste und Begierden. Von Gott getrennt 
wandelten wir nach dem Gutdünken unserer eigenen Herzen. 
Wir waren nicht mehr frei, um tun zu können, was wir wollten, denn die Sünde beherrschte uns ganz. Wir waren unabhängig von Gott, aber abhängig von der Sünde. Doch um 
Gott dienen und Ihm das Leben weihen zu können, müssen 
wir frei sein, nicht frei oder unabhängig von Gott — denn 
gerade das ist Sklaverei — sondern frei von der Sünde und 
der Macht Satans. Der Sohn Gottes aber hat uns freigemacht. 
Er zerbrach die Fesseln der Sünde und beseitigte die Macht 
Satans über uns. Durch Ihn sind wir von der Sünde freigemacht und Diener der Gerechtigkeit geworden (Rö 6, 18). 
Nun sind wir frei, Gott dienen zu. können, nichts steht uns 
mehr im Wege. Was uns hinderte, ist weggetan. Wir sind 
jetzt abhängig von Gott, Diener der Gerechtigkeit. Freiwillig 
73 
weihen wir Ihm unser Leben, freiwillig verleugnen wir uns 
selbst. Durch Christus besitzen wir das Leben, das will was 
Gott will, denn das Leben ist aus Gott. Wenn wir nun die 
Worte Jesu oder die Ermahnungen der Apostel lesen, finden 
wir sie in Übereinstimmung mit dem Leben, was wir besitzen. 
Alles was darin ausgedrückt wird, ist eins mit unserem 
Wunsch und Willen. Es ist das Gesetz der Freiheit (Jak 1,15). 
Ebenso wie ein Kind gern das Gebot seines Vaters ausführt, 
wenn dies mit dem Willen des Kindes übereinstimmt, so gehorcht der Christ freudig dem Gebot Gottes, weil dies der 
Ausdruck seines inneren Verlangens ist. Wir sind von Herzen gehorsam geworden dem Bilde der Lehre, welchem wir 
übergeben worden sind (Rö 6, 17). Wenn unsere Herzen diesen Grundsatz erfaßt haben, können wir mit Paulus ausrufen: „Aber was irgend mir Gewinn war, das habe ich um 
Christi willen für Verlust geachtet; ja, wahrlich, ich achte 
auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu meines Herrn, um dessentwillen ich alles 
eingebüßt habe und es für Dreck achte" (Phil 3, 7. 8.). Das 
ist die Sprache einer freiwilligen Hingabe, und auf diesem 
Wege fühlt sich das Herz glücklich. Wenn man nach dem 
Gesetz der Freiheit wandelt, kostet die Selbstverleugnung 
nicht viel Mühe. Folgende Erzählung mag uns dazu den Beweis liefern: 
Die Tränen einer jungen Sklavin, die gerade verkauft werden 
sollte, erregten die Aufmerksamkeit eines Herrn. Während 
sie bei jedem Hammerschlag des Sklavenverkäufers erbebte, 
schienen ihre Leidensgefährten, die auch verkauft werden sollten, sich das nicht sehr zu Herzen zu nehmen. Der freundliche 
Mann näherte sich ihr, um zu, fragen, warum si e allei n 
s o trauri g sei, und er vernahm, daß die anderen bereits 
an derartige Dinge gewöhnt waren, ja, sich sogar freuten, 
einen anderen Herrn zu bekommen, während sie mit großer 
Sorgfalt von einem guten Herrn auferzogen worden war und 
darum bei dem Gedanken an den ihr noch unbekannten Herrn 
mit Furcht und Zittern erfüllt war. 
„Wieviel kostet sie?" fragte der Fremde. Der Preis wurde 
genannt, es war eine bedeutende Summe; aber nach kurzem 
74 
Nachdenken zahlte er sie. Aber auf dem Angesicht der Sklavin zeigte sich nicht eher die Freude, als bis sie aus dem 
Munde des Käufers vernahm, daß sie frei sei. Sie war als 
Sklavin geboren und wußte anfangs nicht, was Freiheit war. 
Ihre Tränen rannen auf den unterschriebenen Freibrief, den 
ihr der Befreier vorzeigte, und sie blickte ihn furchtsam an. 
Schließlich, während er sich anschickte fortzugehen, erklärte 
er ihr noch, was sie jetzt alles tun könne. Aber erst, als er 
sich entfernt hatte, begann sie ihre Freiheit zu verstehen. 
Das erste, was sie sagte, war: „Ich werde ihm folgen und 
ihm mein Leben lang dienen". Und auf jede Einwendung 
antwortete sie: „Er kaufte mich los! Er kaufte mich los! Er 
kaufte mich los!" 
Wenn Fremde, die das Haus dieses Herrn besuchten, die 
liebreichen und treuen Dienste dieses glücklichen Mädchens 
gewahrten und sie fragten, warum sie sich stets so eifrig in 
freiwilligem Dienst erwiese, dann war sie sofort mit der 
Antwort zur Hand: „Er kaufte mich los!" 
Wenn der Jünger des Herrn in diesem Geist wandelt, ist das 
Joch Christi sanft und Seine Last leicht. 
Demut 
1. Vor Gott demütig, oder vor Gott gedemütigt zu. sein, 
sind zwei verschiedene Dinge. Ich bin gedemütigt vor Gott, 
weil ich nicht demütig gewesen bin. Ich werde gedemütigt 
wegen meiner Sünde. Wenn ich demütig gewesen wäre, hätte 
ich durch die Gnade Kraft gehabt, die Ausbrüche der Sünde 
zu verhindern. Denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den 
Demütigen aber gibt er Gnade". 
2. Der einzige Ort der Demut ist die Gegenwart Gottes. 
Verlasse ich diesen Ort, dann bin ich in Gefahr, mich zu erheben. Manche meinen, es sei gefährlich, zu oft auf der Höhe 
dieser glücklichen Gemeinschaft mit Gott zu sein. Aber ich 
bin sicher, daß wir nicht in Gefahr sind, wenn wir uns auf 
dieser Höhe befinden, sondern erst, wenn wir wieder herab75 
steigen. Denn wenn wir die Höhe verlassen, denken wir so 
gerne daran, daß wir droben gewesen sind, und das ist gefährlich. Hier zeigt sich der Hochmut in seinem Keim. Solange Paulus im dritten Himmel war, brauchte er sicher 
keinen Dorn im Fleisch. Erst als er herniedergestiegen war, 
begann für ihn die Gefahr, sich über das Maß zu erheben, bei dem Gedanken, daß er an einem Orte gewesen war, 
den außer ihm noch niemand gesehen hatte. 
3. Meiner Meinung nach ist es sicher keine wahre Demut, 
wenn wir schlecht über uns selbst denken. Die wahre Demut 
besteht nicht darin, daß wir so oder so von uns denken, sondern darin, daß wir gar nicht an uns denken; und dies zu 
erreichen, ist in der Tat keine leichte Aufgabe. Bei uns heißt 
es meistens: Ja, ich, ich; und es bedarf großer Gnade, um 
dieses Ich aus dem Bereich unserer Gedanken zu streichen. 
4. Was für unergründliche Herzen haben wir! „Ich, Jehova, 
prüfe das Herz!" Wer außer Gott kann es erkennen? Alle 
die vorgeben, daß sie ihre Herzen untersuchen, und dabei 
ruhig ihre bösen Wege fortsetzen, kennen sicher nicht das 
Verborgene ihrer Herzen, noch sind sie wahrhaftig demütig. 
Die Folge ist, daß sie immer die Neigung zeigen, vo n sic h 
selbs t z u sprechen , und ihr Hochmut findet gerade 
darin seine Nahrung, daß sie immer mehr davon reden, wie 
schlecht sie sind. 
Möge der Herr uns Licht geben über uns selbst, damit wir 
nicht das als Demut betrachten, was in Wahrheit Hochmut 
und Verblendung ist! 
Gesetz und Gnade 
„Das Gesetz wurde durch Moses gegeben; die Gnade und 
die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden". Die Vermengung von Gesetz und Gnade ist ein Übel, an dem viele 
Christen unserer Tage leiden, und sie beweist, wie wenig 
man den Charakter des Gesetzes und die Tragweite der 
Gnade kennt. 
76 
Das Gesetz stellt Forderungen an den Menschen, reicht ihm 
aber keine Kraft, diesen Forderungen nachkommen zu können. Das Evangelium der Gnade fordert nichts, sondern gibt 
alles, was der Mensch braucht, um in den Wegen Gottes 
wandeln zu können. Das Gesetz wendet sich an den gefallenen Menschen und zeigt, wie er sein sollte, aber nicht ist, 
und es kündigt den Tod, das Gericht und die Verdammnis 
als notwendige Folge der Übertretung an. Die Gnade bietet 
dem gefallenen Menschen eine vollkommene Versöhnung in 
dem Blute Jesu, versetzt ihn in eine neue Stellung, zeigt ihm 
in Christus den Wandel eines himmlischen Menschen und 
leitet ihn durch eine Welt voller Mühsal zu den Pforten der 
himmlischen Herrlichkeit. Das Gesetz sagt: „Tue dies, und du 
wirst leben!" — und diese Worte stellen klar den hoffnungslosen Zustand des Menschen ins Licht. Denn hier soll der für 
tot betrachtete Mensch wirken, um das Leben zu gewinnen, 
während die Gnade sagt: „Lebe und du wirst tun!" Erst 
wenn der in Sünden tote Mensch lebendig gemacht ist, besitzt er die Fähigkeit, das Gute wirken und nach dem Willen 
Gottes leben zu können. Alle Werke vor dem Glauben an 
das vollkommene Opfer Christi sind tote Werke; die Werke 
nach dem Glauben sind die natürlichen Früchte dieses Glaubens. Wer das Gesetz übertritt, zeigt seine Unfähigkeit, in 
den Wegen Gottes wandeln zu können ; wer die Gnade 
verschmäht, zeigt offenbare Abneigung, in den Wegen Gottes 
wandeln zu wollen . Das Gesetz zeigt dem Sünder von 
ferne den in Wolken und Dunkel verhüllten Gott, den unerbittlichen gerechten Richter, Dem zu nahen augenblicklich 
der Tod zur Folge haben mußte. Die Gnade führt den 
Verlorenen aus der Grube des Verderbens in die nächste 
Nähe eines barmherzigen Gottes, Dessen Gerechtigkeit in 
dem Opfer Seines vielgeliebten Sohnes eine völlige Befriedigung gefunden hat. Das Gesetz enthält die unlösbaren Fesseln 
der Sünde, deren Sklave der Mensch ist, sowie das Ende des 
Sünders: die Hölle und die Verdammnis. Die Gnade offenbart in dem auf Golgatha vollbrachten Versöhnungswerk die 
mächtige Hand einer ewigen Befreiung, sowie die lebendige 
Hoffnung des Befreiten: den Himmel und die Herrlichkeit. 
Das Gesetz ist eine unvollkommene Offenbarung dessen, 
77 
was Gott ist und dessen, was der Mensch ist; die Gnade aber 
stellt den Charakter Gottes und den Zustand des Mensdien 
ins klarste Licht. 
Gesetz und Gnade zu vermengen ist daher ebenso wenig 
möglich wie den Tod mit dem Leben zu verschmelzen. 
Abraham und Lot 
(1. Mose 18, 19) 
Die Zerstörung Sodoms und Gomorras ist ein Bild davon, 
was geschehen wird, wenn der Herr kommt. Die Menschen 
handelten in einer Weise, als ob die Welt für immer bestehen 
sollte, und dies ist auch jetzt noch die größte Sünde der Welt 
und ein unwiderlegbarer Beweis ihres Unglaubens (2. Petr 3). 
Die Menschen treffen die verschiedensten Vorkehrungen im 
Blick auf die Zukunft, obwohl die Welt seit dem Tode Jesu 
doch nicht auf einen einzigen Tag zählen kann. Gott wartet, 
bis die Gottlosigkeit auf der Erde ihren Höhepunkt erreicht 
hat, bis sie bloßgestellt und ganz offenbar gemacht worden ist, 
bevor er das Gericht vollzieht. Die Welt aber sieht in dieser 
Langmut Gottes eine Stütze ihres Unglaubens. „Weil das 
Urteil über böse Taten nicht schnell vollzogen wird, darum 
ist das Herz der Menschenkinder in ihnen voll, Böses zu tun" 
(Pred 8, 11). Nach diesem Grundsatz und in dieser Weise 
handelt der Unglaube immer. Das zeigt die Geschichte des 
Menschen vor der Sintflut und diejenige der verfluchten 
Städte der Ebene (Lk 17, 26. 30. 
Die Kirche hat eigentlich nur eine n Gegenstand, nämlich 
den verherrlichten Christus im Himmel. Darum ist der Christ 
berufen, mit dem Herzen von allen Dingen der Erde getrennt 
zu sein. Als Pilger oder Fremdling auf Erden ist Abraham 
ein wahres Vorbild des Gläubigen (Hebr 11). Er sah die 
Verheißungen von ferne, er war von ihnen überzeugt, er ergriff sie und bekannte, daß er ein Fremdling auf der Erde 
sei, und Gott schämt Sich bei solchen Menschen nicht, „ihr 
Gott zu heißen". Er würde Sich schämen, diejenigen als Sein 
78 
Volk anzuerkennen, die die Welt zu ihrer Heimat erwählen. 
Abraham suchte ein Vaterland. „Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von welchem sie ausgegangen waren, so hätten 
sie Zeit gehabt zurückzukehren. Jetzt aber trachten sie nach 
einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott 
ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen 
eine Stadt bereitet" (Hebr 11, 15. 16). Abraham besaß im 
Lande Kanaan nur ein Grab. Da er im allgemeinen Gott 
treu nachfolgte, hatte Gott ein besonderes Interesse an ihm. 
Abraham wird „Freund Gottes" genannt (Jak 3). Seine Schritte verraten keinerlei Ungewißheit. Er geht von Ur in Chaldäa 
aus, und später verließen er und die Seinigen Haran. „Sie 
zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen" (1. Mo 12). 
Wie machte es aber später die Frau Lots? Sie verließ Sodom 
zwar dem Leibe nach, aber nicht mit dem Herzen, und der 
Herr Jesus ruft Seinen Jüngern das Gericht an dieser Frau 
ins Gedächtnis, indem Er sagt: „Gedenket an Lots Weib" 
(Lk 17, 32)! Wem ist die Christenheit zu vergleichen, dem 
Abraham oder der Frau Lots? Wenn das Volk Gottes nicht 
in Tat und Wahrheit dieselbe Sprache führt wie Abraham, 
befindet es sich nicht in der Stellung, in der Gott es anerkennen kann. 
Gott teilt Abraham Seine Gedanken in bezug auf Sodom 
mit, und Abraham beantwortet eine solche Gnade Gottes 
nach der ihm verliehenen Gnade. Er bittet hier nicht um etwas 
für sich selbst wie in Kapitel 15, sondern er tut Fürbitte für 
andere. Es gibt kein lieblicheres Bild als das, mit dem das 18. 
Kapitel beginnt, obwohl der Unglaube dieses Gemälde durch 
seinen elenden Materialismus entweiht und dadurch offenbart, wie er moralisch vollkommen unfähig ist, diese gnadenreiche Herablassung Gottes zu „Seinem Freunde" zu würdigen. „Das hat Abraham nicht getan" (Joh 8, 40). Obwohl 
er an die Wege und Worte Gottes gewöhnt ist und sich der 
göttlichen Gegenwart völlig bewußt ist, wartet er dennoch 
mit aller Zurückhaltung, bis es Jehova gefällt, Sich zu erkennen zu geben. Dieser wahrhaft rührenden, geziemenden 
Ehrfurcht von Seiten Abrahams folgt von Seiten Gottes eine 
Vertraulichkeit, die nicht nur dem Kindeszustande des Men79 
sehen mit Bezug auf die von Gott geoffenbarte Segnung völlig angepaßt war, sondern auch Abraham für herrliche, ihm 
vorbehaltene Vorrechte zubereitete und ihn vor allem für 
jene köstliche Gemeinschaft heranbildete, in der man sich 
des Glückes andere r erfreut und an den Leiden ande -
r e r innigsten Anteil nimmt. Durch diese Vertraulichkeit 
versicherte Gott ihn aufs deutlichste Seines Interesses an ihm 
und des Vertrauens, das Er zu ihm hatte. 
In der Tat befindet Abraham, wie wir dies in Kap 18, 17-19 
sehen, sich in dem Genuß des innigsten Verhältnisses mit 
Jehova, Der ihm Seine Ratschlüsse offenbarte und mit ihm 
nicht nur aufs neue und mit größerer Klarheit von dem verheißenen Samen redet, sondern ihm auch das über Sodom 
verhängte Gericht ankündigt. Jetzt hat Gott andere, reichere 
und geistlichere Mittel geoffenbart, um unsere Herzen Seiner 
Liebe zu versichern, während damals nichts geeigneter war, 
als Seine Wege mit Abraham. Gott erscheint ihm in der 
Ebene von Mamre, Er kommt bis zur Tür seines Zeltes und 
unterhält Sich mit ihm in bewundernswürdiger Herablassung. Gott wollte in praktischer Weise das Herz Abrahams 
befestigen, und wir brauchen nicht zu sagen, daß es Ihm gelang. Die Fürbitte Abrahams beweist es. Für uns hat der 
Herr in Seiner unendlichen Gnade noch etwas Besseres ersehen. Er ist gekommen und hat sich in Jesus geoffenbart, und 
wir haben die Gewißheit, daß wir in Christus jemand besitzen, Der fortwährend für uns bittet. Ja, wir sehen uns selbst 
in Christo Jesu in der Gegenwart Gottes und sind durch den 
Heiligen Geist in ein so inniges Verhältnis zu Gott getreten, 
dessen selbst Abraham sich nicht rühmen konnte, weil die 
Grundlage, auf der allein ein solches Verhältnis ruhen kann, 
noch nicht gelegt war. — Es ist vielleicht möglich, daß wir in 
der Verwirklichung dieses Verhältnisses, in das wir durch 
die Gnade gebracht worden sind, nicht viele Fortschritte gemacht haben, aber dennoch ist dieses Vorrecht, wenn es auch 
nicht handgreiflich und sichtbar ist, ein ewig bestehendes, 
und es ist jetzt, da wir es im Glauben genießen, nicht weniger wirklich als dann, wenn wir es im Schauen genießen 
werden. Die Ratschlüsse Gottes sind uns in Seinem Wort 
80 
geoffenbart und der Heilige Geist ist uns gegeben worden, 
damit wir sie erkennen und genießen. Was uns oft fehlt, ist 
der einfältige und feste Glaube Abrahams. Er fürchtete die 
Gegenwart Gottes nicht; eine solche Furcht ist die Wirkung 
der Sünde. 
Wenn wir die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu geschaut 
haben, ist die Gegenwart Gottes für uns süß und köstlich, 
und wir finden in ihr die nötige Kraft und Zuversicht. Ihn 
zu kennen, ist wirklich das ewige Leben; Seine Gegenwart 
wirkt in uns die größte Freude. Wenn eine Seele sich in diesem Zustand des Vertrauens befindet, dann teilt Gott ihr 
Seine Gedanken mit, sowie Er hier Abraham als Seinen 
Freund behandelte und mit ihm selbst über das, was die Welt 
betrifft, Aufschlüsse gab. Mit einem Freunde sprechen wir 
nicht nur von Geschäften, sondern von dem, was wir auf 
dem Herzen haben. Die Fürbitte ist die Frucht der Offenbarung Gottes und der Gemeinschaft mit Ihm. Von der Welt 
getrennt, ist Abraham mit Jehova auf dem Berge. Das Gericht, das über die zu seinen Füßen liegende Welt hereinbreweit deutlicheren und vollkommeneren Weise ist die Versammlung von der Welt für Gott abgesondert und wird von 
Ihm geliebt. Gott teilt ihr Seine Gedanken mit und zwar nicht 
nur bezüglich dessen, was Er für sie tun will, sondern auch 
chen wird, bildet den Gegenstand der Unterhaltung. In einer 
bezüglich dessen, was die Welt zu erwarten hat. Der Sohn 
des Menschen wird sowohl die Lebendigen als auch die Toten richten. Gott hat es uns gesagt. 
Gott erweist der Welt gegenüber die äußerste Langmut. Er 
wartet mit Geduld. „Der Herr verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten, sondern er ist 
langmütig gegen euch, da er nicht will, daß irgend welche 
verloren gehen, sondern daß alle zur Buße kommen" (2 Petr 
3, 9). Wenn Seine Liebe in uns geistlicher entwickelt wird 
und dasjenige übersteigt, was die Erzväter kannten, dann 
verstehen wir auch Seine Langmut gegenüber der schuldigen 
Welt. Wäre ein Mensch berufen, die Welt zu regieren, er 
wäre nicht eine Stunde lang imstande, ihre Undankbarkeit 
und Verkehrtheit zu ertragen. Gott brachte Seinen Freund 
Sl 
Abraham dahin, bis auf einen gewissen Grad in Seine eigenen Gedanken einzugehen, und Er wirkte sogar, wenn ich 
mich so ausdrücken darf, einen Abdruck von ihnen in ihm. 
Die Engel in menschlicher Gestalt gehen nach Sodom. Abraham aber steht noch vor Jehova. Auch das Teil der Versammlung ist es, vor dem Herrn zu stehen und von Ihm 
Seine Gedanken und Ratschlüsse zu erfahren. Die Versammlung ist von Seiner Liebe zu ihr überzeugt und mit dem Bewußtsein dieser Liebe betraut. Sie bittet für die Welt in der 
Hoffnung, daß ihr noch Erbarmung widerfahren möge. Das 
Herz lebt übe r den Umständen, in denen es sich hier befindet, und rechnet auf die Liebe, die in Gott ist. Wenn wir 
für jemand nicht Fürbitte tun können, ist die Sünde in uns 
stärker als der Glaube. Wenn wir praktisch nahe bei Gott 
sind, dann bittet die Seele, die die Sünde sieht, für den Sünder. Abraham schwieg (V. 32, 33), und „Jehova ging weg, 
als er mit Abraham ausgeredet hatte". Aber Er tat mehr als 
Abraham gebeten hatte; Er trieb Lot aus Sodom und rettete 
ihn. Nichts konnte geschehen, bevor Lot in Sicherheit war 
(Kap 19, 16-22). Das Auge Gottes wachte über ihm. Welch 
ein Segen für den Gerechten, auf die Liebe Gottes rechnen 
zu können! 
Abraham verharrte in seiner Fürbitte, obschon er die Fülle 
der Barmherzigkeit Gottes nicht ergründen konnte. Wir wissen nicht wie Gott, was alles Er tun wird, und dennoch können wir im Glauben Fürbitte tun. Abraham erkühnte sich 
immer mehr zu bitten. Sein Zutrauen wächst, und am Ende 
kennt er Gott besser als zuvor. Die Liebe Gottes bewahrte 
sein Herz. Die Frucht dieser Fürbitte wird uns in Kap. 19, 
27. 28 gezeigt, wo wir Abraham am frühen Morgen an den 
Ort gehen sehen, wo er vor Jehova gestanden hatte, und von 
wo er jetzt in die Ebene schaut, die wie ein Ofen raucht. 
Von ferne und von oben betrachtet er die Wirkung der Zerstörung. Das ist auch unsere Stellung. Von ferne und von 
oben werden wir das Gericht der Gottlosen sehen, jetzt durch 
den Glauben, einst aber in Wirklichkeit. 
Lot und seine beiden Töchter wurden verschont und gerettet 
wie durchs Feuer. Die treue und unergründliche Barmherzig82 
keit Gottes hatte über sie gewacht. Aber wie unterschieden 
sich Lots Umstände von denen Abrahams! Seine Untreue 
hatte ihn nach Sodom geführt, seine Gier nach den angenehmen Dingen dieser Welt hatte ihn getäuscht. Er hatte seine 
Augen aufgehoben und über die ganze Jordanebene, die ehe 
Jehova Sodom und Gomorra zerstörte, ein sehr wasserreiches 
Land war, hingeschaut, „und Lot erwählte sich die ganze 
Ebene des Jordan" (Kap 13). Erst schlug er seine Zelte auf 
„bi s nac h Sodom" ; später „wohnt e e r i n So -
dom " (Kap 14), und am Abend vor der Zerstörung der 
Stadt „sa ß Lo t im Tor e Sodoms " (Kap 19), also 
an einem Ehrenplatz! Ach, welch ein warnendes Beispiel für 
den Gläubigen, der rückwärts geht, weil sein Herz an den 
Dingen dieser Erde hängt. Solche Christen verunehren den 
Herrn und durchbohren sich selbst mit vielen Schmerzen. 
Balak, Bileam und Israel 
(4. Mose 22-24) 
Es ist sehr interessant, den besonderen Charakter dieser 
Prophezeiung ins Auge zu, fassen. Jehova nimmt, ohne daß 
Israel es ahnt, gegen den Feind Partei für Sein Volk. Nicht 
wie in anderen Propehzeiungen finden wir hier einen Ruf 
an das Gewissen des Volkes, begleitet von Verheißungen, die 
den Glauben des Überrestes inmitten seiner Widersacher 
aufrechterhalten sollen. Wie schon gesagt, ahnte das Volk 
nichts von dieser Weissagung. Vielleicht murrte es um dieselbe Zeit in seinen Zelten gegen die Führung Jehovas. Gegen 
den Willen Balaks und Bileams erklärt Gott hier Seine eigenen Gedanken und macht dadurch die Macht des Feindes zunichte. Wiewohl nun freilich diese Weissagung im buchstäblichen Sinn das Volk Israel zum Gegenstand hat, stellt sie im 
weiteren Sinn doch auch uns unser ganzes Teil vor Augen: 
unsere Absonderung, unsere Rechtfertigung und unsere 
Schönheit in den Augen Gottes, und in dem kommenden 
„Stern aus Jakob" die Krone der Herrlichkeit, Christus Selbst 
in Herrlichkeit. 
83 
Israel hat sich in den Gefilden Moabs gelagert; nur der Jordan ist noch zwischen ihm und dem Lande seiner Ruhe. Aber 
hatten die Israeliten ein Recht hineinzugehen? Wenn der 
Feind sie nicht durch Gewalt hindern kann, wird er versuchen, sie unter den Fluch zu bringen. Balak läßt Bileam holen. Die große Frage in dieser ernsten Szene ist: Kann es 
Satan gelingen, das Volk Gottes so zu verfluchen, daß ihm 
der Eintritt in das verheißene Land zur Unmöglichkeit wird? 
Es handelt sich hier nicht um die Befreiung und um das 
Frohlocken darüber beim Beginn ihrer Laufbahn, sondern 
hier handelt es sich um die letzten Schritte auf diesem Weg, 
nachdem trotz ihrer Erkenntnis Jehovas ihre Untreue offenbar 
geworden ist. Kann der Feind unter solchen Umständen den 
Eintritt verwehren? Keineswegs. Freilich mußte Mose in derselben Ebene entrüstet über das Verhalten gegen Gott, die 
Worte ausrufen: „Ein verkehrtes und verdrehtes Geschlecht!" 
und in der Tat waren die Kinder Israel, wir wir wissen, ein 
trotziges und halsstarriges Volk. Aber was sagt Gott durch 
den Mund des sich sträubenden, geldgierigen Bileam? Seine 
Worte sind: „E r erblick t kein e Ungerechtig -
kei t i n Jako b un d sieh t kei n Unrech t i n 
Israe l ! " Welch ein Zeugnis! Welch eine wunderbare 
Gnade! Welch eine Vollkommenheit in den Taten Gottes! 
Gott sieht den wahren Zustand. Er täuscht Sich nicht. Er redet die Wahrheit gemäß Seiner vollkommenen, unendlichen 
Weisheit; Er kann keine Ungerechtigkeit in Seinem erlösten 
Volk erblicken. Wie könnte Er die Ungerechtigkeit auch dulden in denen, die im Blut des Lammes gewaschen sind? Wohl 
beobachtet und richtet Er alles in Seinen Wegen mit dem 
Volk, aber gegen den Kläger macht Er nur Seine Gerechtigkeit geltend, während Er in betreff der Seinen nach Seinem 
Gnadenratschluß nur auf das Lösegeld blickt, das Er gab und 
dadurch die Sünde des Volkes tilgte. Daher ist der Mund des 
Verklägers zu, dem Bekenntnis gezwungen, daß keine Sünde 
mehr da sei und der Feind keine Gewalt gegen Jakob habe. 
O wie tröstlich und segensreich ist es für uns zu sehen, wie 
Gott nach Seinen Gedanken handelt und urteilt! Vom Anfang 
bis zum Ende war Er in Seinen Gedanken für uns beschäftigt 
84 
und vollbrachte das was notwendig war, um alle Seine vollkommenen Eigenschaften mit der ewigen Gerechtigkeit zu 
versöhnen. Der Glaube ergreift diese Gedanken und vertraut 
darauf; daraus entspringt Freude und Frieden. Während die 
Gegenwart Gottes alles richtet, was der göttlichen Heiligkeit 
nicht entspricht, handelt und urteilt Gott allen Feinden zum 
Trotz nach Seinen eigenen Gedanken. 
Bileam verriet einen bedauernswerten Charakter. Während 
er gezwungen gewesen war, aus der Ferne den Segen Gottes 
auf Seinem Volk zu erblicken, eilte er danach in dessen Nähe 
und war, von seinem eigenen Herzen und Willen geleitet, mit 
einem anderen Wege des Verderbens beschäftigt, den er ging, 
um womöglich die Kinder Israel ihres Segens zu berauben, 
weil er dachte, daß der gerechte Gott ein sündhaftes Volk 
nicht segnen könne. Eine größere Bosheit kann man sich 
nicht leicht denken. Wir wollen nun einiges in bezug auf 
Bileams vorbildlichen Charakter erwähnen, indem wir der 
Geschichte folgen. 
Balak suchte ihn auf. Bileam gibt vor, Jehova fragen zu 
müssen, sei es aus unwillkürlicher Furcht, oder um den Eindruck zu erwecken, daß es ihm sehr wichtig sei, im Namen 
Jehovas zu handeln. Und wirklich tritt Jehova auf den Schauplatz und erscheint Bileam zum ersten Mal. Er nimmt Sich 
Seines Volkes an und hält die ungerechte Seele Bileams gegen 
dessen Willen in Seiner Hand, denn Bileam erkennt den Sinn 
Gottes nicht im geringsten. Gott sagt: „Du sollst nicht mit 
ihnen gehen, . . . denn es ist gesegnet", und Bileam ruft den 
Boten Balaks zu: „Jehova hat sich geweigert, mir zu gestatten, 
mit euch zu gehen". Wie gern wäre er ihrem Wunsch nachgekommen! Er verlangte nach den Schätzen Balaks; nur die 
Angst vor Jehova hielt ihn zurück. Er, der weit davon entfernt ist, sich der Segnungen des Volkes und der Fülle der 
Gnade zu erinnern, ahnt nichts von dem, was das gnadenreiche, segenspendende Herz Jehovas mit Wonne erfüllt. 
Sobald sich die Versuchung wiederholt, sagt er mit erheuchelter Gottesfurcht, er dürfe das Wort Jehovas, seines Gottes, nicht umgehen; aber zugleich beredet er die Boten Balaks, 
noch ein wenig zu bleiben und zu hören, was Jehova ferner 
85 
zu ihm sagen werde. Warum wolte er noch Näheres wissen 
im Hinblick auf die Aufforderung, das Volk zu verflu -
chen , das, wie Gott ihm gesagt hatte, gesegne t war? 
Er verriet nicht die geringste Übereinstimmung mit den Gedanken, die das Herz Gottes bezüglich des Volkes beschäftigten; nur die Furcht vor den Folgen seines Weges hemmte 
seine Schritte. Wie hätte er auch sonst nur einen einzigen 
Augenblick dem Gedanken Raum geben können, ein von 
Gott gesegnetes Volk zu verfluchen? 
Dennoch bedient Gott Sich seiner zu einem herrlichen Zeugnis für Sein Volk, obwohl Er zugleich die verkehrten Wege 
des Propheten verurteilt. Bileams Wege waren verkehrt; 
seine Dummheit war, wie Gott ihm zeigte, größer als die der 
Eselin, auf der er ritt. Dennoch läßt Jehova ihn weitergehen. 
Daß Gott ihm auf dem Wege entgegentrat dient nur dazu, 
Bileam durch Furcht zu zwingen, getreulich auszusprechen, was 
Gott ihm zu reden geben würde. Es ist deutlich, daß Bileam 
Zauberei (Kap 24,1) mit dem Bekenntnis des Namens Jehovas 
vermengt hatte, und daß er auf diesem Wege ein Werkzeug 
Satans geworden war, und zwar unter dem Deckmantel der 
Leitung durch den Namen Jehovas. Gott wird einmal alle 
Macht des Feindes aufhören lassen; und hier beschränkt Er 
sie aus Liebe zu Seinem Volk und zwingt Bileam, das auszusprechen, was Er geredet haben will. 
Endlich hat Bileam mit seinen Begleitern die Höhe des Berges 
erreicht. Er schaut von oben auf Israel herab, und seine Lippen öffnen sich zu einer bemerkenswerten Weissagung. Diese 
läßt sich in vier Teile zerlegen. Wie bereits gesagt, bezieht 
sie sich im engeren Sinn auf Israel, ist aber hinsichtlich ihres 
Prinzips auch auf die Versammlung anwendbar. Der erste 
Teil handelt von der Absonderung von der Welt. „Siehe, ein 
Volk, das abgesondert wohnt und unter die Nationen nicht 
gerechnet wird". Der zweite Teil erklärt, daß die Berufungen 
Gottes unbereubar sind. Gott hat die Kinder Israel gesegnet, 
und wird Er dies nicht bestätigen? Sie sind gerechtfertigt und 
wird Er dies nicht bestätigen? Sie sind gerechtfertigt und 
ohne Tadel vor Gott. Er hatte sie aus Ägypten geführt. Das 
Volke hatte „die Stärke des Büffels", und der ihm nachstellende Feind konnte nichts gegen es beginnen. Als Bileam nun 
86 
sieht, daß Gott nur zu segnen geneigt ist, unterwirft er sich 
Seiner Macht und geht nicht mehr auf Wahrsagerei aus; und 
der Geist Gottes kommt über ihn. Da die Rechtfertigung des 
Volkes jetzt offenbar ist, kann der Geist Gottes Sich zu Bileam bekennen, anstatt Sein Zeugnis nur auf die Gedanken 
Gottes zu beschränken. Bileam schaut Israel von oben; im 
Lichte Gottes sieht er das Volk auch nach Dessen Gedanken, 
denn das Auge des Propheten ist geöffnet. Dies ist der dritte 
Teil, und es ist bemerkenswert, daß er das Volk weder im 
Besitz Kanaans noch in seinen festen Wohnungen erblickt. 
Bileam richtet sein Angesicht geradewegs zur Wüste und 
sieht die Kinder Israel, wie sie nach ihren Stämmen gelagert 
sind. Dort erblickt sie der Geist Gottes und schildert die Sicherheit und Ordnung des Volkes in den Augen Gottes. Sie 
waren mit dem Wasser des Lebens versehen und standen wie 
Zelte, die Jehova aufgerichtet hatte. Deshalb werden sie unter den Nationen berühmt sein und eine Quelle der Kraft 
und der Freude sein. Sie trinken aus der Fülle Gottes und 
schöpfen noch für andere reichlich daraus. Gott hatte sie aus 
Ägypten gebracht; sie waren Sein Werk, deshalb mußte Seine Macht mit ihnen sein gegen ihre Feinde. Mit einem Wort, 
er erblickt ihre Schönheit und ihre Macht. Dann redet er 
schließlich — und das ist der vierte Teil — von dem Kommen des Herrn, des Sternes aus Jakob, Der die Herrlichkeit 
des Volkes krönen wird; nur daß Er für Israel zum Gericht 
erscheint, während die Versammung ihn erwartet, um durch 
Ihn in Seine Herrlichkeit aufgenommen und zur Hochzeit des 
Lammes geführt zu werden. 
Kurz, wir finden, wie bereits angedeutet, in dieser Weissagung: 
1. Die Absonderun g des Volkes von der Welt, 
2. seine Rechtfertigung , 
3. seine Schönhei t und Ordnung , und 
4. die Ankunf t Christi . 
Alles was hier von Israel gesagt wird, kann auf die Versammlung angewandt werden. 
Es ist von großer Wichtigkeit, zuweilen die Versammlung 
von oben zu betrachten, die, obwohl sie noch in der Wüste 
87 
ist, im Lichte Gottes eine vollkommene Schönheit besitzt, und 
in den Augen Gottes eine unschätzbare Perle ist. Welch 
ein Murren und Klagen, welche Gleichgültigkeit, welche 
fleischlichen Gedanken würde man inmitten des Lagers 
wahrgenommen haben! Doch von oben betrachtet war alles 
schön für den, der mit den Augen Gottes nach unten schaute. Der Apostel ruft den Galatern zu: „Ich fürchte um euch", 
und kurz nachher: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn". 
Er sah mit Trauer auf den Wandel der damaligen Christen 
und im Vertrauen auf die Treue Gottes fand er Trost. 
Wir müssen den Schritten Jesu folgen, damit wir Seine Gedanken der Gnade verstehen, durch die Er die Schönheit der 
Versammlung durch alles hindurch im Auge behält. Sind 
unsere Augen nur mit den Schäden der Glieder der Versammlung beschäftigt, dann werden wir entweder ganz entmutigt oder wir begnügen uns mit dem Übel. Im Lichte Gottes werden diese beiden Zustände mit einem Male beseitigt. 
Wir sind dann mit den Gedanken und Ratschlüssen Gottes in 
Übereinstimmung, und anstatt uns im Blick auf die Mängel 
und Gebrechen um uns her entmutigen zu lassen, arbeiten wir 
im Vertrauen auf die Güte und Treue des Herrn mit freudigem Geist in unserer Berufung und sind eifrig zu jedem 
guten Werk. 
Der Herr als Richter 
(Offenbarung 1, 12-18) 
Das erste Bedürfnis eines erwachten Gewissens ist, jemanden 
zu finden, der für das was die Seele beunruhigt und zu Boden drückt, Heilung und Befreiung bringt; und dieselbe 
Gnade, die das Gewissen erreichte, ist wirksam und tätig, 
um das Auge des niedergebeugten und zerknirschten Sünders 
auf die durch Jesus vollbrachte Erlösung zu lenken. Welch 
eine Fülle von Freude, Ruhe und Erquickung erwacht in seinem Herzen, wenn durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes der Glaube ihn in die rettenden Arme Jesu führt, Der 
durch Sein Opfer eine ewige Erlösung erfunden hat! Er kann 
88 
dann mit Dank und Anbetung in die Worte einstimmen: 
„O Glück unaussprechlich! Gott zürnet nicht mehr, 
Den feindlichen Sünder begnadigte Er". 
Ja, ein Blick auf das Kreuz, auf das vollkommene Werk 
Christi verscheucht alle finsteren Schatten aus der Seele. Der 
verlorene Sünder klammert sich an den Fels der Errettung, 
und Tod und Gericht sind vorübergegangen und schrecken 
nicht mehr. Er sieht, daß Jesus den Lohn der Sünde getragen 
hat, den Zorn Gottes gestillt, Seine Gerechtigkeit befriedigt, 
die Macht und die Schrecken des Todes vernichtet und die 
Flammen der Hölle ausgelöscht hat. Obwohl sein Fuß nun 
den dornenvollen Pfad des Kreuzes betreten hat und er 
außerhalb des Lagers die Schmach Christi, die Schwierigkeiten 
der Wüste, sowie als Streiter in Kanaan die feurigen Pfeile 
Satans zu, gewärtigen hat, zieht er seine Straße dennoch von 
Kraft zu Kraft, weil Christus, Der seine Sünden trug, nun 
auch als treuer Freund, als guter Hirte an seiner Seite ist 
und ihn nicht nur nicht verläßt oder versäumt, sondern auch 
so völlig in die Umstände und Schwierigkeiten der Seinigen 
eintritt, als ob es Seine eigenen wären. Glückseliges Vorrecht! 
Der Herr Jesus hat uns mit Sich vereinigt, hat in Liebe und 
Güte alle unsere Sorgen auf Sich genommen und trägt uns 
mit einer Geduld und Barmherzigkeit, die jedes Verständnis 
übersteigt, so daß wir anbetend singen können: 
„Du hast uns lieb! Das ist genug, 
Uns ewiglich zu freuen". 
Wir sollten jedoch nie aus den Augen verlieren, daß Er der 
Heilige ist und Sich in allen Seinen Wegen mit uns stets als 
solcher offenbart. Mit Ihm zu wandeln heißt die Sünde ausschließen. Er ist durch den Heiligen Geist stets bemüht, uns 
in der Heiligkeit wachsen zu lassen. Er züchtigt uns, damit 
wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Dennoch hält Er uns 
in Seiner Hand, und Sein eigener Mund hat uns versichert, 
daß niemand uns aus Seiner und des Vaters Hand rauben 
kann. Nicht unsere, sondern Seine Treue ist der einzige 
Grund, wenn wir bis jetzt nicht von Ihm gewichen sind und 
den Weg des Friedens nicht verlassen haben. Kein Feind kann 
uns von Seiner Liebe scheiden, welche List und Bosheit er auch 
89 
anwenden mag. Denn wessen Kraft könnte größer sein als 
die Kraft Dessen, Der in das Haus des Starken eingedrungen 
ist, ihn gebunden und beraubt hat? Und wessen Liebe könnte 
die Liebe Dessen erreichen, Der für Gottlose und Sünder, 
für Seine eigenen Feinde das Leben in den Tod gab? In dieser Wüste voller Versuchungen, Schwierigkeiten und Gefahren erfüllt Er unser Herz mit Frieden und Freude, und macht 
uns fähig, die Dinge dieser Welt auszuschlagen und nach jenen unsichtbaren Dingen zu trachten, die droben sind. Er 
führt uns zu grünen Auen und erquickt uns an stillen Wassern. Er selbst ist während unserer Pilgerreise unsere Speise 
und unser Trank, unser Brot vom Himmel und der wasserreiche Fels. Er wird um Seines Namens willen nicht müde 
werden, uns bis ans Ziel unseres Weges in Liebe zu begleiten, mit Geduld zu tragen, mit Kraft zu stützen und uns 
mit allem zu versorgen, was wir nach Leib und Seele brauchen. Wir werden nicht einen einzigen Augenblick Ursache 
haben, sagen zu müssen: „Er hat uns versäumt!" Nie wird 
Seine Liebe erkalten, nie Seine Treue wanken, nie Seine 
Kraft erlahmen. O glückliches Volk! Gesegneter Pfad! Mag 
die Wüste auch öde, dürre und leer sein und nichts bieten, 
was das Herz befriedigen könnte, so bleibt doch die unerschütterliche Wahrheit: 
„Sein reicher Segen fließt verborgen, 
Und nimmer geh' ich kärglich aus". 
Ja, in der Tat, wir haben Ursache, uns mächtig zu freuen, 
weil wir in allem was uns begegnet, sagen dürfen: „Es ist 
der Herr!" Freude und Leid, Sonnenschein und Sturm, alles 
empfangen wir aus Seiner Hand, und alles muß denen, die 
Gott lieben, zum Guten mitwirken. Und dennoch, wenn wir 
nur in diesem Leben Hoffnung auf Christus hätten, und 
wenn nicht die Auferstehung des Herrn uns die Pforten einer 
glänzenden, ungetrübten Zukunft erschlossen hätte, dann 
wären wir wirklich, wie der Apostel sagt, „die elendesten 
von allen Menschen". Doch wir sind nicht nur Gefäße Seines 
Erbarmens, sondern auch Gegenstände Seiner Liebe, einer 
Liebe, die nicht ruht, bis wir dort sind, wo Er ist, in Seiner 
Freude und Seiner Herrlichkeit. Wir sind auf dem Wege zu 
90 
Ihm; und noch einmal wird Er den Thron des Vaters verlassen, um uns, Seine mit Blut Erkauften, hinaufzunehmen, damit wir Ihm gleich seien und Ihn sehen wir Er ist. Er kennt 
uns jetzt durch und durch, und nichts in und an uns ist Ihm 
verborgen, während unsere Erkenntnis nur Stückwerk ist, 
aber wir eilen dem wunderbaren Augenblick entgegen, wo 
wir Sein Bild tragen und Ihn völlig erkennen werden, wo 
alles Stückwerk weggetan und jedes Herz Ihn nach einer 
vollkommenen Erkenntnis Seiner Wege und Ratschlüsse würdigen, ehren und preisen wird. Dann berührt der Fuß nicht 
mehr den Boden einer öden, dürren Wüste, in der Sünde, 
Kummer und Tränen ihre Heimat haben. Dann durchschreitet er eine Stätte, wo nicht der leiseste Zweifel über Seine 
unendliche Liebe die Freude trüben und das Lob und die 
Anbetung hemmen kann, sondern wo die Seele im Vollgenuß 
Seiner Liebe ihre überschwengliche Freude vollkommen zum 
Ausdruck bringen kann. Satan, die Welt, das Fleisch, diese 
unermüdlichen, wenn auch überwundenen Feinde des Pilgers, 
können dort nie eindringen, wo die Liebe uns eine ewige 
Ruhestätte bereitet hat. Dort werden wir ruhen am Herzen 
unseres teuren Herrn, Der uns für Sich erkauft und uns nach 
hartem Kampf den Sieg gegeben hat. Welch eine Hoffnung! 
Welch eine Zukunft! 
Aber alles was ich bis jetzt gesagt habe, bezieht sich nur auf 
das was der Herr fü r un s getan hat, was Er f ü r un s 
tut, und was Er fü r un s tun wird; und es ist gewiß von 
unschätzbarem Wert, unsere Seelen an den Strahlen dieser 
unendlichen Liebe zu erwärmen. Aber wenn wir uns mit dem 
Erkennen dieser allerdings äußerst köstlichen Dinge begnügten und damit die Geschichte des Erlösungswerkes gleichsam 
als abgeschlossen betrachteten, dann würde das Allerköstlichste für uns ein vergrabener Schatz bleiben. Wenn wir sagen: „Wir sind erkauft, um ein ewiges Glück im Himmel zu 
genießen", so ist das ohne Zweifel eine unumstößliche Wahrheit. Aber ist es die ganz e Wahrheit? Liegt in diesen 
Worten nicht ein reiches Maß von Selbstsucht und Eigenliebe? Ganz sicher. Ich habe nur von m i r geredet und 
mei n Glück, mein e Freude und mein e Ruhe als die 
91 
Triebfeder alles dessen bezeichnet, was der Herr Jesus getan 
hat. Hat Er mich denn nicht auch fü r Sic h erkauft? Allerdings; und das sollte immer den ersten Platz in meinen 
Gedanken einnehmen. Er hat mich erkauft, um mich fü r 
Sic h zu besitzen für Zeit und Ewigkeit. Dieses Bewußtsein 
löst mich von mir selbst, löst meine Gedanken von meinem 
Ich und lenkt mein Auge auf die gesegnete Person Dessen, 
Dem ich alles verdanke und Dessen Eigentum ich bin. Dann 
erkenne ich es als meine Aufgabe, Ihn, Der so erniedrigt, 
so verachtet und gehaßt wurde, zu verherrlichen auf dem 
Schauplatz, auf dem Er so sehr verunehrt wurde. Dann ist es 
meine größte Freude, zu wissen, daß der von der Welt Verworfene zu Seiner Zeit von jedem Geschöpf im Himmel und 
auf der Erde anerkannt, geehrt und verherrlicht werden wird, 
und „daß in dem Namen Jesu jedes Knie sich beugen (wird), 
der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede 
Zunge bekennen (wird), daß Jesus Christus Herr ist, zur 
Verherrlichung Gottes, des Vaters". 
In Offenbarung 1, 12-18 erblickt Johannes Ihn als Den, Dem 
der Vater alle Gewalt gegeben hat, als den Richter der Erde. 
„Seine Augen wie eine Feuerflamme" — welcher Feind könnte Seinen Blick ertragen? „Seine Füße gleich glänzendem 
Kupfer, als glühten sie im Ofen, und Seine Stimme wie das 
Rauschen vieler Wasser" — wer könnte Ihm widerstehen? 
„Und aus seinem Munde ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht war, wie die Sonne 
leuchtet in ihrer Kraft" — wer könnte Seiner Macht trotzen? 
Selbst Johannes sagt: „Als ich ihn sah, fiel ich zu Boden wie 
tot". — Wie völlig verändert wird am Tage des Gerichts die 
Gestalt Dessen sein, Der einst in Knechtsgestalt, „sanftmütig 
und von Herzen demütig", durch eine Welt schritt, deren 
Bewohner die Finsternis mehr liebten als das Licht, weil ihre 
Werke böse waren! Doch — o unaussprechliche Gnade! — 
weder Johannes noch irgendein Gläubiger wird den Herrn als 
Richter erblicken, um zu sterben. Der Herr legte Seine Rechte 
auf Seinen Jünger und rief ihm die ermutigenden Worte zu: 
„Fürchte dich nicht!" Die Seinigen, die durch Sein Blut von 
allem befreit sind, was dem Gericht anheimfallen muß, haben 
92 
nichts zu befürchten. Sie werden „nicht gerichtet, sondern 
(sind) vom Tode in das Leben hinübergegangen". Er, Dem 
der Vater das ganze Gericht gegeben hat, auf daß alle den 
Sohn ehren, wie sie den Vater ehren (Joh 5), ist den Seinigen 
am Kreuz begegnet. Sein Tod ist ihr Tod, Sein Gericht ihr 
Gericht. Gott hat Ihn, Der Sünde nicht kannte, für sie zur 
Sünde gemacht, auf daß sie Gottes Gerechtigkeit würden in 
Ihm (2. Kor 5, 21). „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet 
worden, damit wir Freimütigkeit haben an dem Tage des Gerichts, daß, gleichwie er ist, auch wir sind in dieser Welt" 
(1. Joh 4, 17). Wie könnten wir etwas fürchten, da die unendliche Gnade uns dem Richter gleichförmig gemacht hat? 
Wir sind Sein Werk, — kann Er Sein eigenes Werk richten? 
„Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der 
Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von 
Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und 
des Hades". Ach, wie viele werden bei der Erscheinung 
des Richters den Tod finden. Welchen Schrecken wird Seine 
Stimme, wie das Rauschen vieler Wasser, unter Seine Feinde 
bringen. Die Worte des Herrn: „Ich war tot, und siehe, ich 
bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit" zeigen dem Johannes 
und allen Jüngern des Herrn das Mittel ihrer ewigen Errettung von Tod und Gericht, aber auch, daß Er kommen wird, 
um die Welt, in der Er Seinen Tod gefunden hat, zur Rechenschaft zu ziehen. Nur Er, in Dessen Hand die Schlüssel 
des Todes und des Hades sind, hat dazu die Macht und das 
Recht. Er hat die Macht zu töten, und nichts kann Seinem 
Arm widerstehen. Wo werden alle Seine Feinde bleiben, wenn 
Er sagen kann: „Ich bin . . . der Letzte, . . . und ich bin 
lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit ?" Alle werden zum 
Schemel Seiner Füße gelegt werden; Er wird sie weiden mit 
eiserner Rute. Wenn das Echo dieser Schreckensszene auf 
der Erde erschallt, dann wird der Mund der Spötter für immer verschlossen bleiben, und Töne ewigen Wehs und ununterbrochener Drangsal und schauerliche Ausbrüche der Verzweiflung werden die Räume der Erde durchhallen. Ach, der 
Mensch, der heute noch hohnlächelnd und geringschätzend 
auf jeden herabschaut, der den Namen Jesu bekennt, wird 
93 
dann im Gefühl seiner völligen Nichtigkeit mit Zerknirschung 
vor der Majestät Dessen sich niederbeugen, Dessen Gnade 
und Liebe er einst verworfen hat, und wird zitternd vor dem 
Zorn des Lammes sich in den Höhlen und Felsen zu verbergen 
suchen mit dem Ausruf: „Fallet auf uns und verberget uns 
vor dem Angesicht dessen, der auf dem Throne sitzt, und 
vor dem Zorne des Lammes!" 
Freilich sollte der Gedanke an den Richterstuhl Christi bei 
uns dieselben Gefühle und denselben Eifer erwecken wie dies 
bei dem Apostel Paulus der Fall war. „Da wir nun den 
Schrecken des Herrn kennen", sagt er, „so überreden wir die 
Menschen". Aber dies ist nicht der Zweck, den ich mit diesen 
Zeilen verfolge. Was ich vorzustellen wünsche, ist die Verherrlichung des Herrn. Er ist verworfen worden; Er wird 
verherrlicht werden. Seine Erniedrigung war so tief, daß nie 
ein Mensch Ihm darin gleichgekommen ist. Die Liebe, die 
einen solchen Pfad wandelt, übersteigt alle menschlichen Vorstellungen. Niemand hat je gefühlt, und niemand vermag zu 
fühlen, was der Herr, der Gerechte, gefühlt hat inmitten der 
Sünder, deren Ungerechtigkeit soweit ging, daß sie selbst 
beim Kreuz nicht die geringste Spur von Mitleid zeigten. 
(Ich rede hier nicht von dem, was Er von seiten Gottes zu 
erdulden hatte, als Er mit unseren Sünden beladen und zur 
Sünde gemacht wurde.) Ebenso tief, wie Er herabstieg und 
Sich erniedrigte, und ebenso tief, wie Seine Schmach und 
Verachtung war, so hoch ist jetzt Seine Erhöhung als Mensch, 
Seine Herrlichkeit und Majestät. Einmal wird Er von allen 
Geschöpfen völlig als der Herr der Herren anerkannt werden. 
Jetzt begegnen wir noch Seinen Hassern und Verächtern, aber 
dann nur solchen, die Ihm freiwillig oder gezwungen unterworfen sein werden. Jetzt gibt es eine unzählige Menge von 
solchen, die Ihn nicht kennen, aber in jener Zeit wird es 
niemand geben, dem der Herr unbekannt ist. Jetzt verachtet 
man Ihn noch wie vor neunzehnhundert Jahren, aber dann 
wird der verwegenste Spötter nur mit Zittern Seinen heiligen 
Namen über die Lippen bringen. Jedes Knie wird sich vor 
Ihm beugen, jede Zunge wird Ihn als den Herrn bekennen. 
Ich will hier nicht davon reden, daß wir mit Ihm verherrlicht 
werden, sondern ich möchte nur die Aufmerksamkeit des 
94 
Lesers auf den Gedanken lenken, daß unser geliebter Herr 
einmal den Platz einnehmen wird, der Ihm gebührt. Welche 
Geduld ist doch bei Ihm! Wie lange wartet Er, bevor er diesen Platz einnimmt! Wie lange erträgt Er die Bösen! Wahrlich, Er ist anbetungswürdig in allen Seinen Wegen. Welch 
eine Freude wird es für uns sein, Ihn verherrlicht zu seinen! 
Wie ganz anders werden die Menschen sich dann gegen Ihn 
verhalten. Wie gesegnet, wenn Er den ersten Platz auf dieser 
Erde einnehmen und über Sein Volk Israel, das Ihn kennen, 
Ihn lieben und Ihm dienen wird, und über die ganze, Ihm 
dann unterworfene Erde Sein Szepter schwingen wird! Satan, 
der jetzt der Fürst dieser Welt ist, wird dann vom Schauplatz 
seiner Tätigkeit verbannt sein, und Jesus, der Erste und der 
Letzte, wird herrschen und Ehre empfangen. Nur Sein Wort, 
Sein Wille wird Geltung haben. Wenn wir Ihn lieben, und 
je mehr wir Ihn lieben, desto mehr werden wir uns freuen, 
daß unsere Geschichte nicht mit unserer Entrückung zum 
Abschluß kommt, sondern daß wir dann die Verherrlichung 
Dessen sehen werden, Der würdig ist, von der ganzen Schöpfung gepriesen zu werden. 
„Und jedes Geschöpf, das in dem Himmel und auf der Erde 
und unter der Erde und auf dem Meere ist, und alles, was 
in ihnen ist, hörte ich sagen: Dem der auf dem Throne sitzt, 
und dem Lamme die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Und die 
vier lebendigen Wesen sprachen: Amen! Und die Ältesten 
fielen nieder und beteten an" (Offb 5, 13. 14). 
Der christliche Wandel 
(Epheser 4 und 5) 
Im vierten und fünften Kapitel des Epheserbriefes finden wir 
die Grundlagen des christlichen Wandels, die Höhe der ihn 
bestimmenden Grundsätze und seine sittliche Größe in beachtenswerter Weise vor Augen gestellt. Hierauf möchte ich 
die Aufmerksamkeit des Lesers richten. 
95 
Nachdem der Apostel die christliche Lehre über unsere Verbindung mit dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, — diese Verbindung ist auf diese beiden Namen gegründet — und die Lehre über das Verhältnis der Versammlung zu Christus eingehend beleuchtet und entwickelt hat, beginnt er in Kapitel 4 seine Ermahnungen über den Wandel der 
Christen. Sie sollten nicht wie die Nationen in Eitelkeit 
ihres Sinnes wandeln, denn ein solcher Wandel gehörte zu 
ihrem früheren Zustand gänzlicher Entfremdung von Gott. 
Sie hatten den Christus nicht also gelernt, wenn sie anders in 
Ihm über die Wahrheit belehrt worden waren, daß sie den 
alten Menschen abgelegt und den neuen angezogen hatten, 
der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit 
und Heiligkeit. Denn die Wahrheit in Jesus ist nicht, daß wir 
den alten Menschen ausziehen, sondern daß wir ihn als mit 
Christus Auferstandene ausgezogen und den neuen angezogen haben . 
Das ist die erste Grundlage des christlichen Wandels. Wir 
haben den neuen Menschen angezogen, und sein Wesen besteht darin, nach Gott geschaffen zu sein. Es ist nicht die 
Rede von einem Nichtvorhandensein der Sünde, also von 
einem Zustand, in dem Adam sich vor dem Fall befand. Der 
neue Mensch ist nach Gottes eigenen Gedanken über Gut 
und Böse geschaffen. Welch ein unermeßliches Vorrecht! Der 
neue, aus Gott geborene Mensch ist seiner Natur nach der 
Widerschein der Natur Gottes Selbst. Deshalb sagt der Apostel Johannes: „Er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist". Auch im Brief an die Kolosser finden wir in einer 
ähnlichen Stelle wie im Epheserbrief die Worte: „(Der neue 
Mensch,) der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bilde 
dessen, der ihn erschaffen hat". Zur Ausübung des christlichen Wandels ist also eine Natur erforderlich, die von Gott 
kommt und als der Ausdruck und Widerschein dessen geschaffen ist, was er in Gerechtigkeit und wahrhaftiger Heiligkeit ist. Die^e Natur nun, dieses Leben, ist im Besitz jedes 
wahrhaft Gläubigen. 
Die zweite Grundlage ist die Gegenwart des Heiligen Geistes. 
„Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr 
96 
versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung" (V. 30). 
Gott Selbst wohnt durch Seinen Geist in uns, und bei uns 
soll nichts geschehen, was eines solchen Geistes, der Gegenwart Gottes Selbst, unwürdig ist. Unser Wandel soll das 
offenbaren, was unseren Gott charakterisiert, denn Sein Geist 
wirkt in uns. Deshalb finden wir hier auch die Liebe, nicht 
nur Gerechtigkeit und Heiligkeit. Wir vergeben einander, wie 
Gott uns um Christi willen vergeben hat (V. 32). Weil Christus hinaufgestiegen und also die Gerechtigkeit Gottes befriedigt ist und wir selbst durch das Blut Christi vollkommen 
gereinigt sind, ist der Heilige Geist herabgekommen und hat 
die Leiber der Gläubigen zu Seinem Tempel gemacht. Das ist 
das Siegel Gottes, das Er ihnen aufgedrückt hat, das Pfand 
ihrer völligen Erlösung und ihres Anteils an dem Erbe in 
Herrlichkeit. 
Wie wir sehen, gibt uns das vierte Kapitel des Ephe serbrief es 
die Unterweisung, daß der Wandel des Christen eine Offenbarung der göttlichen Natur und der Wege Gottes in Gnade 
mit uns sein sollte. Das fünfte Kapitel belehrt uns über andere Punkte. Wer war der vollkommene Ausdruck dieser 
göttlichen Natur im Menschen auf der Erde? Es ist klar, daß 
es der Herr Jesus Selbst war, das Bild des unsichtbaren Gottes. In Ihm haben wir daher auch das Muster und Vorbild 
eines wahrhaft christlichen Wandels, das wir nachahmen 
sollen. Im Blick darauf möchte ich die Aufmerksamkeit der 
Leser auf dies lehrreiche Kapitel lenken. 
„Seid nun Nachahmer Gottes!" Ist das nicht Grund genug, 
von der sittlichen Größe und Erhabenheit des christlichen 
Wandels zu sprechen? „Seid . . . Nachahmer Gottes!" Als 
solche, die Seiner Natur teilhaftig und die Wohnung Seines 
Geistes geworden sind, sind wir berufen, Ihn in den Grundsätzen Seines Tuns nachzuahmen. Wie bereits bemerkt, ist 
Christus darin das vollkommenste Beispiel, denn der Heilige 
Geist fügt hinzu: „Und wandelt in Liebe, gleichwie auch der 
Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat 
als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch". Hierdurch wird den Grundsätzen des 
christlichen Wandels ein sehr kostbares Element beigefügt. 
97 
Die Liebe hat hier nicht den Charakter der göttlichen Liebe,, 
die bereit ist, zu vergeben, wenn ihr eine Kränkung widerfährt, weil sie über das Böse erhaben ist, so wie Gott die 
Sünde gegen Ihn um Christi willen vergibt. Hier handelt es 
sich um eine völlige Hingabe an Gott. Es ist nicht mehr das 
Gesetz, das gebietet: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst"; 
auch handelt es sich nicht darum Gott von ganzem Herzen 
zu lieben, wobei vorausgesetzt ist, daß das Böse nicht mehr 
existiert; sondern es ist eine Hingabe, die das Böse als eine 
Notwendigkeit voraussetzt zur Ausübung dieser Liebe, da es 
die Gelegenheit dazu bietet. Man gibt sich für andere hin. 
Der Mensch braucht nun einen Beweggrund, einen Gegenstand der Liebe; und damit diese Liebe vollkommen ist, müssen Beweggrund und Gegenstand vollkommen sein. Wenn 
man sich für einen Menschen aufopfert, so kann das aus 
einem edlen Beweggrund geschehen, aber wenn der Gegenstand unvollkommen ist, dann erhebt die Liebe sich nicht und 
kann sich nicht über ihren Gegenstand erheben. Beides findet 
sich bei Christus. Er hat Sich für uns bedürftige Wesen, Gegenstände Seiner erbarmenden Liebe, hingegeben, aber Er 
hat Sich Gott, dem unendlich vollkommenen Wesen, dargebracht und so einen vollkommenen Gegenstand Seiner Liebe 
erlangt, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn Er Sich nur 
für uns hingegeben hätte. 
So sollen wir in unserem Wandel immer bereit sein/ für unsere Brüder uns aufzuopfern und uns mit Selbstverleugnung 
zu dem Dienst für sie weihen. Das kann jedoch nur geschehen, wenn wir uns selbst Christo darbringen, Dem wir als 
rechtmäßig erworbenes Eigentum angehören. So ist also die 
Regel unseres Betragens und unseres Wandels keine andere 
als die, die wir bei Gott Selbst finden, während Christus in 
Seinem Leben hier auf Erden unser Vorbild ist, damit wir 
zu der Liebe, dem Bande der Vollkommenheit, die Bruderliebe 
hinzufügen. Von uns wird nicht gesagt, daß wir die Liebe 
sind, denn dies ist nur das Vorrecht Gottes. Er ist die Liebe, 
und Er liebt uns ohne irgendwelchen Beweggrund; Er liebt 
uns um deswillen, was Er Selbst ist. Dies könnte bei einem 
Geschöpf nicht der Fall sein. Wir ahmen Ihn nach, wenn uns 
98 
Unrecht geschieht. Die Liebe aber, die aus sich selbst und 
ohne jeden Beweggrund sich zu anderen hinneigt, gehört 
Gott allein an. 
Das Licht ist eine für sich bestehende Eigenschaft — die 
Reinheit, die auch alles offenbar macht. Es ist der zweite 
Name, den Gott Sich gibt, um auszudrücken, was Er ist. So 
war auch Christus auf der Erde das Licht der Welt. Wir waren in Finsternis, jetzt sind wir Licht in dem Herrn. So finden 
wir auch im Brief an die Philipper das, was in jeder Beziehung 
von Christus gesagt werden konnte, auf uns angewandt, 
wenn der Apostel sagt: „Tadellos und lauter . . . unbescholtene Kinder Gottes, inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheint wie Lichter in der 
Welt, darstellend das Wort des Lebens". Insofern wir Christus als Leben in uns haben, haben wir Anteil an dieser 
neuen Natur. Reinheit der Beweggründe und Gedanken gemäß der göttlichen Natur und das, was den wahren Charakter der uns umgebenden Welt offenbar macht, kennzeichnen 
diese neue Natur. Wir sind Licht in dem Herrn. So sind die 
beiden und einzigen Namen, die Gott Sich gibt, um auszudrücken, was Er ist, nämlich Lich t und Liebe , der 
Ausdruck dessen, was der Christ in seinem Wandel sein 
soll. Ja, er ist Licht in dem Herrn. — 
Kurze Gedanken 
(Philipper 3) 
Im dritten Kapitel des Philipperbriefes haben wir in Christus 
den verherrlichten Menschen im Himmel. Das Auge des Apostels ist von Ihm erfüllt. Hierin liegt die wahre Kraft und 
die wahre Energie zum Wirken. 
Wir brauchen nichts als die Beseitigung des Ichs. 
Wenn der Glaube wirksam ist, trüben keine Umstände das 
Herz. 
Es ist kein Opfer, diejenigen Dinge aufzugeben, die wir für 
Dreck zu achten gelernt haben, und es ist nicht schwer, etwas 
aufzugeben, wenn das Auge auf Christus gerichtet ist. Die 
99 
Schwierigkeit aber ist, daß das Auge auf Christus gelichtet 
bleibt. 
Denke ich nur an Christus, wenn ich in der Rennbahn laufe, 
dann werfe ich den Mantel als hinderlich ab. 
Wir sollten an das Selbstgericht denken und auf unsere 
völlige Gleichförmigkeit mit Christus achten. 
Das Ziel der Ermahnung ist einfach das, was Christus ist. 
Der Mensch hat immer in gleicher Weise und bald gefehlt, 
wenn auch Besseres eingeführt wurde. Der Mensch fiel im 
Paradies. — Der Mensch machte das goldene Kalb. — Der 
Mensch kreuzigte Christus, und alle Menschen suchen das 
Ihrige, nicht das, was Christi Jesu ist. Sehe ich den ersten 
Menschen in Verderbtheit und Niedergang, so sehe ich den 
zweiten Menschen in Vollkommenheit und Herrlichkeit. 
Sehe ich das Gesetz gebrochen, dann sehe ich das Werk des 
Gesetzes im Herzen geschrieben. 
Sehe ich die Kirche auf der Erde im Verfall, so sehe ich die 
Kirche im Himmel in vollkommenem Glanz und in vollendeter Schönheit. 
Nichts kann die Kette zerreißen, die der Glaube zwischen uns 
und der Macht Gottes bildet. Der Glaube spricht: „Wenn 
Gott für uns ist, wer wider uns?" 
Das Licht leuchtet am hellsten in dunkler Nacht. So sollte es 
mit unserem Glauben sein, wenn alles ringsum dunkel ist. 
Christi Pfad von der Herrlichkeit bis zu uns herab war eine 
fortgesetzte Erniedrigung, bis zum Tod am Kreuz. Wo war 
auf diesem Pfade das Ich? Nirgends. Und nun sagt der Heilige Geist durch Paulus: „Dies e Gesinnun g sei in 
euch". — In dem Maße, wie das eigene Ich vergessen wird, 
ist Gott da. — In Christus fand das Ich nirgends eine Stätte; 
in uns muß der Tod des eigenen Ichs stattfinden. Wo kein 
Gericht dieses Ichs in der Kraft des Heiligen Geistes stattfindet, da ist es sicher wirksam. 
Christi Pfad war ein göttlicher, indem Er in der Gnade und 
Liebe Gottes durch diese Welt ging. 
100 
Christus gleich zu sein, das ist der göttliche Pfad, den ich zu 
wandeln habe. 
Nichts vermag die Allgenugsamkeit Christi zu schmälern, 
mögen auch die Umstände sein wie sie wollen. 
Christus konnte in dieser Welt keinen Platz einnehmen. Was 
ist dein Wunsch? Ein Platz in dieser Welt, oder Christi Platz? 
Lukas 12, 32 beginnt mit der Ankündigung einer Zeit, in 
der alles offenbar gemacht werden wird. 
So seid denn recht offenbar vor Gott! 
Der Herr nennt den einen Narren, der sich Schätze sammelt in dieser Welt. Ach, wie groß ist die Menge solcher 
Narren in der Welt! 
Alles was wir in dieser Welt finden ist Betrug und Torheit. 
Inwiefern lieben es unsere Herzen, daß alles ins Licht gebracht werde? Wenn wir davor zurückschrecken, so liefert 
dies den Beweis, daß wir in unseren Gewissen nicht rein 
sind; unser Gewissen hat es noch nicht ins Licht gebracht. 
Wir brauchen fortwährend das Licht der Heiligen Schrift, um 
an die wirksame Kraft der Erlösung zu glauben. 
I c h bi n verpflichte t z u glauben , daß Christus 
„durch ein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht hat, die 
geheiligt werden". 
Der Glaube vertraut Gott in allem. 
Wir müssen wissen, daß Christus, Der der Richter sein wird, 
zuerst der Heiland ist. 
„Ich will euch ein Reich geben", sagt Er, -— So gebt nun für 
Christus alles auf! 
Die Wiederkunft des Herrn, um die Seinigen zu Sich zu nehmen, ist den Gläubigen als ihre wahre und eigentliche Hoffnung gegeben. Die Hoffnung ist nicht die Entkleidung (der 
Tod), sondern die Überkleidung. 
Wir sollen die Lenden umgürtet haben und wachen, — das 
ist kein Ausruhen. 
101 
Das Passahlamm und das Rote Meer 
(2. Mose 12 und 14) 
Bei den Befreiungen des Volkes Gottes finden wir stets, daß 
Gott die Welt durch Gerichte heimsucht. Er legt Zeugnis 
gegen sie ab, und Sein strafender Arm kennt dann keine 
Schonung. Das Gesetz macht einen Unterschied zwischen 
den Menschen je nach ihren verschiedenen Handlungen, aber 
der Heilige Geist überführt die Welt von der Sünde, weil sie 
nicht an Den glaubt, Den Gott gesandt hat. Das Evangelium 
beginnt damit, sich mit einer Welt zu beschäftigen, die bereits verurteilt und verdammt ist. Gott hat das menschliche 
Herz auf jede Weise geprüft, und das Evangelium setzt voraus, daß die Probezeit vorüber und die ganze Welt verloren 
ist. Freilich wünscht die Seele oft, sich selbst zu überzeugen, 
wie groß ihre eigene Kraft sei, aber auf diesem Wege macht 
sie nur die Erfahrung, daß sie keine Kraft besitzt. Selbst der 
Gläubige sucht noch oft sich seiner eigenen Kraft vor Gott 
zu rühmen, doch dadurch verunehrt er Jesus und leugnet den 
wahren Zustand seiner Natur, den Gott gerichtet hat. 
In Ägypten genügte es Gott, Sein Gericht durch die Vertilgung aller Erstgeburt zu offenbaren. Pharao wollte nicht 
glauben, daß das Volk Israel in die Wüste wandern und 
Gott dienen würde. Deshalb wirkte Gott Wunder und ließ 
allerlei Plagen über Ägypten kommen, um das Herz Pharaos 
zu brechen und bei ihm eine Anerkennung Seiner Rechte zu 
erzwingen, und dennoch blieb alles ohne Erfolg. Pharao 
beugte sich nicht, sondern verhärtete sein Herz immer mehr, 
bis Gott ihn vollends verhärtete und ihn schließlich zur Warnung aller Menschen als ein Denkmal des Gerichts hinstellte. 
Wie in den Tagen Noahs und Lots wird auch jetzt die Welt 
vor dem herannahenden Gericht gewarnt. Nahe ist die Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel, wenn Er erscheinen 
wird „mit den Engeln seiner Macht in flammendem Feuer, 
wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen und 
denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus 
nicht gehorchen" (2. Thess 1, 8). Inzwischen verlangt Gott 
eine völlige Unterwerfung unter Seinen geoffenbarten Willen. 
102 
Er will, daß die Welt Jesus anerkennt, und alle, die nicht 
wollen, werden bei dem kommenden Gericht dazu gezwungen, und zwar zu ihrer eigenen Schande und ewigem Leid. 
Gott stellte Seinen Sohn in Niedrigkeit dar, um die Welt zu 
erretten; aber alles ist umsonst, wenn sie sich nicht vor Jesus 
beugt, denn dies allein ist es, was Gott fordert und hochschätzt. An den Sohn zu glauben, bedeutet ewiges Leben und 
Heil; Ihn zu verwerfen, bedeutet Gericht. Gott verlangt eine 
völlige Übergabe des Herzens an den Heiland der Sünder — 
eine Übergabe an Seine eigene Gnade in Ihm. Hierdurch wird 
das Herz und alles umgewandelt, aber jede Frage hinsichtlich 
guter Werke beiseitegesetzt. Es dreht sich alles um den 
einen Punkt: ob wir Jesus annehmen oder verwerfen. Gott 
sieht über alles andere hinweg. Zachäus konnte von ihm reden, was er zu tun gewohnt war, aber darum handelte es sich 
nicht. Der Herr Jesus sagt: „Heute ist diesem Hause Heil 
widerfahren". Sobald Jesus aufgenommen ist, kehrt Leben 
ein. Wer Ihn verschmäht, den trifft dereinst die Rache, weil 
er sich nicht vor Ihm gebeugt hat. 
Welch ein Glück für den armen, überführten Sünder, daß er 
nicht gezwungen ist, in sich selbst etwas zu suchen, womit 
er vor Gott erscheinen muß! Wenn das Herz geöffnet ist, 
dann ist Christus die Gnade, die Herrlichkeit und die Vollkommenheit, die Gott fordert, und die sittliche Wirkung wird 
sicher bald folgen. Jetzt redet das Wort noch von der sicheren 
Erscheinung des Gerichts. Satan hat im praktischen Sinn 
Besitz von der Welt genommen, aber Gott hält Seine Rechte 
aufrecht. Die Ungläubigen werden vom Feind betrogen und 
befinden sich ganz in seiner Macht. Satan tut, was in seinen 
Kräften steht, um der Welt vorzuspiegeln, sie könne frei und 
glücklich einhergehen, weil sie gut und rechtschaffen genug 
sei, aber Gott hält Seine Rechte aufrecht. Die Welt will dem 
Evangelium unseres Herrn nicht gehorchen und hofft dennoch, dem Gericht entfliehen zu können. Auch benutzt Satan 
alles, dessen Gott Sich zum Segnen bedienen will, für seine 
Zwecke. Die Unbekehrten in der Christenheit liefern uns 
dafür die Beweise. Ihr natürliches Gewissen schämt sich dessen, was die Heiden tun. Gerade dies benutzt Satan, um ihnen 
103 
vorzuspiegeln, daß sie vor Gott treten könnten und Ihn anbeten dürften, weil bei ihnen nicht solche in die Augen fallenden bösen Dinge geschehen, wie bei den Heiden. Aber 
Gott behauptet Seine Rechte. Nichts ist gültig, wenn nicht 
Jesus im Glauben angenommen wird. 
In Jesus wird dem Gewissen alles dargestellt, was in Gott 
und was in dem Menschen ist. In Ihm erblicken wir die Heiligkeit Gottes, aber nicht um zu verdammen, sondern in vollkommener Gnade. Gott verlangt nur eine völlige Hingabe 
an Seinen Sohn. Jesus weist niemand zurück. Er ist Gott und 
Gott will in aller Güte das Herz an Sich ziehen; Er ist Mensch 
geworden, um Sich dem Menschen in aller Niedrigkeit darzustellen und jeden aufzunehmen, der zu Ihm kommt, denn das 
ist der Wille Dessen, Der Ihn gesandt hat. Wenn Jesus verworfen wird, dann ist das der endgültige Beweis, daß das 
Herz Gott nicht will, in welcher Weise Er Sich auch offenbaren möge; es ist ein unwiderlegbares Zeugnis des Hochmuts und der Verhärtung des menschlichen Herzens, das 
nicht vor dem Gott bestehen kann, Der Sich in Liebe geoffenbart hat. Der Stolz schämt sich Dessen, Der am Kreuze 
hing, die Eitelkeit kann nicht einem Jesus nachfolgen, Der 
verschmäht und verworfen wurde. Gott sucht auch uns auf 
diese Weise zu prüfen, obwohl wir es nicht lieben. Der 
Mensch soll bekennen, daß er ein Sünder ist, er soll sein Gewissen unterwerfen und seinen Willen aufgeben; aber er will 
nicht. Es ist die Freude Gottes, dem Verlorenen zu begegnen, 
aber der menschlichen Natur ist äußerst zuwider, sich in ihrem 
Elend finden zu lassen. Nur die Gnade kann sie dazu, fähig 
machen. Aber aus diesem Grunde haßt sie die Gnade mehr 
als das Gesetz; sie kann es nicht ertragen, ganz blosgestellt 
zu werden. Aber nur dann kann Gott in Wahrheit segnen 
und die Seele erretten, wenn das Herz erforscht ist. Gott handelt Seine m Willen gemäß und nicht nach unseren Gedanken. Wenn der Mensch nicht an Jesus glaubt, muß Gott 
Sich ihm im Gericht offenbaren. 
Ägypten mußte geschlagen werden. Jene aber, die sich Gott 
unterwarfen und dem Blut des Lammes vertrauten, waren in 
völliger Sicherheit. Israel war von dem kommenden Gericht 
104 
überzeugt, und so sollte es auch stets bei den Gläubigen sein, 
daß sie die Wege Gottes betrachten, wenn Er die Welt nach 
Gerechtigkeit richten wird. Wenn aber Gott das Gericht offenbar^ dann gibt Er auch Mitleid und Wege, um diesem zu 
entfliehen. Die Seele, in der die Furcht Gottes eine Stätte gefunden hat, hält sich an Seinem Wort. — Zwischen Gott und 
Israel erhob sich eine wichtige Frage. Konnte Israel bestehen, 
wenn Er zum Gericht kam? Die Ägypter waren Sünder und 
ohne jeden Zweifel dem Gericht verfallen, aber was konnte 
das Los der Kinder Israel sein? Wo waren ihre Sünden? Gott 
allein wußte einen Ausweg. Er befahl Mose, daß sie alle von 
dem Blut des Lammes nehmen und es an die beiden Türpfosten und an die Oberschwelle streichen sollten. „Und das 
Blut soll euch zum Zeichen sein an den Häusern, worin ihr 
seid; und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen; und es wird keine Plage zum Verderben unter euch 
sein, wenn ich das Land Ägypten schlage". — Natürlich muß 
das dem menschlichen Verstand als Torheit erscheinen, aber 
der einfache Glaube ehrt das Wort Gottes und handelt 
demgemäß. Der Engel Jehovas durchzog das Land und 
wenn er dem rechtschaffensten Israeliten begegnet wäre, 
der nicht nach dem Gebot Gottes die Türpfosten mit Blut 
bestrichen hätte, dann hatte er in dessen Haus eintreten 
und töten müssen. Denn Gott richtete die Sünde durch dieses 
Zeichen, und die Sünde macht alles gleich. Wo das Blut nicht 
war, da stand die Sünde in ihrer ganzen Häßlichkeit noch ungesühnt und ungerichtet vor Gott. 
So finden wir auch jetzt entweder Christus und das Heil, 
oder keinen Christus und kein Heil. „Wer an den Sohn 
glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, 
wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt 
auf ihm". Für diejenigen, die sich innerhalb der mit Blut 
besprengten Türen befanden, war die größte Sicherheit, 
während Jehova das Gericht an den Ägyptern durch Seinen 
Engel vollziehen ließ. Gott läßt Sich nicht betrügen, wie auch 
das Gericht ausfallen mag. Beachten wir wohl, es heißt nicht: 
„Wenn ih r das Blut seht", sondern: „Sehe ic h das Blut". 
Viele Seelen ruhen oft, wenn auch nicht auf ihrer eigenen 
105 
Gerechtigkeit, so doch auf den Gefühlen, mit denen sie das 
Blut betrachten. So köstlich es jedoch ist, den Wert dieses 
Blutes zu kennen und seine tiefe Bedeutung im Herzen zu 
tragen, so ist dies doch nicht der Grund des Friedens. Der 
Friede ist ganz und gar davon abhängig, wie Gott das Blut 
betrachtet; Er allein kann es in seinem vollkommenen Wert 
schätzen, und nach Seinen Gedanken sind dadurch alle 
Sünden getilgt. Er ist es, dem die Sünde ein Greuel und 
Dessen Zorn ihretwegen erregt ist, und Er sieht jetzt die 
Kraft dieses Blutes, das von aller Sünde reinigt. Es könnte 
nun die Frage aufgeworfen werden: „Muß ich denn nicht an 
den Wert dieses Blutes glauben?" Auf jeden Fall. Aber du 
glaubst daran, wenn du siehst, daß Gott es für sündentilgend hält. Du darfst seinen Wert nicht nach dem Maß deiner 
Gefühle beurteilen. Der Glaube richtet sich einfach nach den 
Gedanken Gottes. 
Gott sieht das Blut, und das ist hinreichend. In diesem Glauben ist das Gewissen befriedigt, und wir entgehen dem zukünftigen Zorn, weil Gott den Wert dieses Blutes kennt, 
nicht aber, weil wir die ganze Häßlichkeit der Sünde und 
die Kostbarkeit des Blutes des Lammes erkennen. Gott schätzt 
das Blut Seines Sohnes ebenso hoch, wie Er die Sünde in uns 
haßt und verabscheut. Dies fühlen und erkennen wir am 
tiefsten, wenn wir uns diese Wahrheit durch den Glauben 
zu eigen machen und darauf ruhen. Der Glaube erfaßt das 
über die Sünde angekündigte Gericht und fühlt, wie unbedingt notwendig es ist, daß Gott das Blut des Lammes so 
hoch schätzt und auf diesem Wege die Erlösung bewirkt. Dies 
ist die erste große und wichtige Frage — eine Frage, die 
zwischen einem heiligen Gott und einem sündigen Geschlecht 
entschieden werden muß. Gott tritt als Richter auf, aber das 
von Sünden reinigende Blut der Erlösung versperrt Ihm den 
Weg, hält den zum Richten gehobenen Arm zurück und 
schützt den Sünder vollkommen. Das Blut, dessen Wert 
Gott so hoch schätzt, sichert vor den Schrecken des Gerichts. 
Während Gott die Ägypter schonungslos heimsuchte, verzehrten die Kinder Israel das geschlachtete Lamm in Ruhe 
106 
und Sicherheit, denn nach dem Befehl Jehovas sollten sie 
in derselben Nacht das am Feuer gebratene Fleisch und 
ungesäuertes Brot mit bitteren Kräutern essen. Aber warum mit bitteren Kräutern? Es war ein Vorbild davon, 
was der Sünder im Augenblick seiner Errettung in seinem 
Herzen fühlt. Wir fühlen die Bitterkeit und Häßlichkeit der 
Sünde umso tiefer, je mehr wir Christus kennen und von 
Seiner Reinheit genießen. Aber dennoch war Gott mit ihnen, 
und der leiseste Zweifel an dem Worte Gottes in bezug auf 
ihre Befreiung wäre Sünde gewesen. Es ist Sünde, daran zu 
zweifeln, daß das Blut des Sohnes Gottes von aller Sünde 
reinigt. Gott hat es gesagt, und der Zweifler macht Gott 
zum Lügner. 
Die Kinder Israel waren zwar noch in Ägypten, aber nachdem 
sie das Lamm mit den bitteren Kräutern der Reue verzehrt 
hatten, begannen sie, ihre Reise nach Kanaan anzutreten, und 
Gott war mit ihnen. Sie hatten ihre Lenden umgürtet, hatten 
Schuhe an ihren Füßen und Stäbe in ihren Händen. Wie klar 
bezeichnet dieses Vorbild unsere Stellung in dieser Welt, die 
für uns nichts weiter ist als die leere Grabstätte Jesu. Israel 
trat seine Pilgerreise an, nachdem die Frage der Sünde vor 
Gott vollkommen geregelt war, und diese Pilger hatten das 
volle Bewußtsein, daß sie selbst inmitten der Gerichte Gottes 
ganz in Sicherheit waren. Wenn Gott Sich einer Seele offenbart, kann sie selbstverständlich nicht eher Frieden finden, als 
bis sie Seine Gnade ebenso klar erkennt wie Sein Urteil über 
die Sünde. Der Christ weiß, daß sein Gericht auf Christus 
gefallen ist; er fängt an, sich der Gerechtigkeit Gottes zu 
unterwerfen, — einer Gerechtigkeit, die unsere Natur und 
deren Handlungen in ihren Wurzeln und Zweigen völlig 
verdammt, uns aber zugleich auf Den hinweist, Der das Gericht an unserer Statt getragen hat. 
Hast du dich Jesus unterworfen? Es ist der Wille Gottes, daß 
du es tust. Er verlangt weder Werke noch Opfer, Er zeigt 
dir, was du bist, was Jesus getan hat und was Er ist. 
Der größte Sünder wird von Ihm in vollkommener Gnade 
angenommen. „Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit; 
107 
siehe, jetzt ist der Tag des Heils!" — Als Israel auszog, 
überschritt die Wut des Feindes alle Grenzen. Pharao spannte 
alle Wagen Ägyptens an und jagte mit Rossen und Reitern 
und seinem ganzen Heer dem auswandernden Volk nach. 
Noch nie waren die Kinder Israel so niedergeschlagen und 
traurig gewesen als am Abend ihrer Befreiung. Nachdem die 
zwischen Gott und ihnen liegende Sünde beseitigt worden 
war, handelte es sich nur noch um die Frage zwischen Gott 
und dem Feind. Hätten sie dies verstanden, dann wären sie 
ruhig gewesen. 
„Und Mose sprach zu dem Volke: Fürchtet euch nicht! stehet 
und sehet die Rettung Jehovas, die er euch heute schaffen 
wird; denn die Ägypter, die ihr heute sehet, die werdet ihr 
hinfort nicht mehr sehen ewiglich. Jehova wird für euch 
streiten, und ihr werdet stille sein . . . Und die Kinder Israel 
gingen mitten in das Meer hinein auf dem Trockenen, und 
die Wasser waren ihnen eine Mauer zur Rechten und zur 
Linken .. . So rettete Jehova Israel an selbigem Tage aus 
der Hand der Ägypter, und Israel sah die Ägypter tot am 
Ufer des Meeres. Und Israel sah die große Macht, die Jehova 
an den Ägyptern betätigt hatte; und das Volk fürchtete Jehova, und sie glaubten an Jehova und an Mose, seinen 
Knecht" (2. Mo 14, 13. 29-31). 
Es ist nötig, einen Unterschied zu machen zwischen dem Gericht an der Erstgeburt und dem Gericht, das im Roten Meer 
stattfand. Das zweite war eine Folge des ersten, das allein 
den Pharao schon von seiner späteren Verfolgung hätte abschrecken sollen. Das Blut, das das Volk vor dem Gericht 
Gottes schützte, hat in gewissem Sinn eine weit tiefere Bedeutung als das Rote Meer, obwohl auch hier ein Gericht 
vollzogen wurde, und das hier stattfindende Ereignis eine 
herrliche Offenbarung der erhabenen Macht Gottes war, Der 
mit dem Hauch Seines Mundes den Feind vernichtete. Er befreite Sein Volk durch ein verheerendes Gericht. Aber das 
Blut des Lammes bezeichnet das sittliche Gericht Gottes und 
die völlige Befriedigung Seines ganzen Wesens. Das einmal 
von Seiten Gottes als Mittel zur Befreiung vom Gericht aner108 
kannte Blut hinderte Ihn in Seiner Heiligkeit, Gerechtigkeit 
und Wahrheit, jene anzurühren, die unter dem Schutz dieses 
Blutes standen. Seine unendliche Liebe hatte ein passendes 
Mittel gefunden, um Seine Gerechtigkeit nach allen Seiten 
hin völlig zu, befriedigen. Und beim Anblick des Blutes, das 
allem entsprach, was die Vollkommenheit Seines Wesens 
forderte, ging Er mit Seiner Gerechtigkeit und Wahrheit 
vorüber, ohne irgendwelche Ansprüche geltend zu machen. 
Dennoch aber sehen wir Gott selbst im Vorübergehen als 
den Richter. Und aus diesem Grund ist der Friede ungewiß 
und schwankend, so lange die Seele auf diesem Grund stehen 
bleibt. Ihr Weg ist noch in Ägypten, wenn sie auch ohne 
Zweifel wahrhaft bekehrt ist, denn Gott trägt für sie noch 
den Charakter als Richter und der Feind ist noch in der 
Nähe. Die Seele muß durch das Rote Meer gehen und mithin 
Ägpyten, d. h. die Welt, verlassen. Am Roten Meer handelt 
Gott mit Macht der Absicht Seiner Liebe gemäß. Dort wird 
der Feind, der dem ausziehenden Volk auf dem Fuße folgt, 
ohne Rettung vernichtet. Dies wird einmal eine herrliche Erfüllung in den Tagen der großen Drangsal finden, wenn das 
Volk, das — wenigstens für das Auge Gottes — durch das 
Blut geschützt ist, vor seinem Bedränger, dem Antichristen, 
auf der Flucht ist. 
Als sittliches Vorbild stellt uns das Rote Meer den Tod und 
die Auferstehung Christi und Seines Volkes mit Ihm vor 
Augen. Gott ist dort bemüht, die Seinigen aus dem Tode zu 
bringen, in den Er sie mit Christus versetzt hatte, und zugleich entzieht Er sie der Gefahr, von dem Feind, der sie verfolgt, eingeholt zu werden. Schon jetzt haben wir durch den 
Glauben Teil an Jesu. Durch Sein am Kreuz vergossenes 
Blut sind wir vor dem kommenden Gericht geschützt, und 
durch Seine Macht von der Gewalt Satans, des Fürsten dieser 
Welt, befreit. Zuerst schirmte uns das Blut vor dem Gericht, 
und dann befreite uns die Macht Gottes von der ganzen 
Macht und den Anfechtungen des Feindes, der uns bis aufs 
äußerste verfolgte. 
Die Welt, die denselben Weg einschlagen will, wird von den 
Wogen des Meeres verschlungen. Welch eine ernste War109 
nung! Alle/
 die sich Christen nennen, haben sich ihrem Bekenntnis nach auf den Boden des kommenden Gerichts gestellt und damit die Notwendigkeit einer Rechtfertigung anerkannt, ohne irgendwie die Tragweite ihres Bekenntnisses 
und der Gedanken Gottes zu erkennen. Der Gläubige geht 
durchs Rote Meer, d. h. durch die Schrecken, des Gerichts, in 
und mit Jesus, weil er sich getrennt von Ihm hoffnungslos 
verloren sieht. Der nur bekennende Christ geht wie jeder 
Ungläubige diesen Weg in eigener Kraft, und das was dem 
Gläubigen zur Rettung und Befreiung dient, gereicht ihm zum 
Untergang und Verderben. Israel maß das Hindernis, das 
das Rote Meer ihm entgegenstellte, an seiner eigenen Ohnmacht und hielt daher seine Rettung für unmöglich. So erschrickt stets das erwachte Gewissen vor Tod und dem Gericht. Aber Christus ist gestorben und hat für uns das Gericht auf Sich genommen, so daß wir völlig von dem befreit 
sind, was an und für sich mit Recht ein Gegenstand des 
Schreckens für uns war. Der Weltmensch hingegen faßt diese 
Wahrheit mit eigener Kraft auf, als ob keine Gefahr vorhanden sei; in falscher Sicherheit geht er auf seinem Weg weiter und eilt in das ewige Verderben. 
Welch ein Glück für den Gläubigen! Tod und Gericht, frü -
h e r ein Gegenstand der Furcht, sind jetz t für ihn ein 
Gegenstand der Freude. Jetzt, da er den gesegneten Erfolg 
des Todes Christi in der Hand Gottes erblickt, ist seine 
Furcht in Freude verwandelt. „Aus dem Fresser kam Fraß, 
und aus dem Starken kam Süßigkeit" (Ri 14, 14). Ja, Honig 
ist aus dem Leibe des toten Löwen gekommen. Die Auferstehung Christi ist das sichere, ewig gültige Zeugnis, daß das 
Gericht für den Gläubigen vorüber ist, das aber für die Welt 
unaufhaltsam herannahen wird. Christus ist auferstanden; 
und so gewiß wie wir durch Ihn gerechtfertigt sind, wird die 
Welt durch Ihn gerichtet werden. O möchten doch alle sich 
warnen lassen, die an ihrem Herzen noch nicht die erlösende 
Kraft des Blutes erfahren haben! 
110 
Die Vorsorge Gottes 
für die Bedürfnisse des Menschen 
Das dritte Buch Mose zeigt uns deutlich, mit welcher Sorgfalt 
Gott an die Bedürfnisse der Menschen gedacht hat. Wir finden dort ein Opfer, einen Priester und eine Stätte der Anbetung. Alles was der Mensch nötig hat, um Gott nahen zu 
können, ist vorhanden, aber alles ist von Gott angeordnet 
und durch das Gesetz festgelegt. Nichts fehlte, nichts blieb 
für die fruchtbare Einbildungskraft des Menschen übrig, was 
sie durch kluge Einrichtungen hätte ergänzen müssen. „Und 
Aaron und seine Söhne taten alles was Jehova durch Mose 
geboten hatte" (3. Mo 8, 36). Ohne das Wort Jehovas konnte 
weder der Priester noch das Volk einen Schritt auf dem 
rechten Wege tun. So ist es immer. In dieser finsteren Welt 
gibt es nicht einen einzigen Lichtstrahl außer dem hellen 
Schein, den das Wort Gottes hervorstrahlen läßt. „Dein Wort 
ist Leuchte meinem Fuße und Licht für meinen Pfad" (Ps 119, 
105). Es ist in der Tat ein wahres Glück, wenn die Kinder 
Gottes dieses Wort so ehren, daß sie sich in allen Dingen 
dadurch leiten lassen. In bezug auf unsere Anbetung brauchen wir jetz t ebenso sehr die Leitung und Führung des 
Herrn wie es damal s bei den Israeliten der Fall war. „Es 
kommt die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter 
den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch 
der Vater sucht solche als seine Anbeter" (Joh 4, 23). Die Anbetung muß in der Weihe des Geistes und nach der Wahrheit 
Gottes stattfinden. Aber Gott sei gepriesen! wir besitzen 
alles in der Person und dem Werke unseres Herrn Jesus. In 
Ihm haben wir sowohl das Opfer und den Priester als auch 
das Recht, um ins Heiligtum eintreten zu können. O möchte 
doch stets das Bewußtsein uns beleben, daß Er der Grund, 
das Wesen und der liebliche Weihrauch unserer Anbetung 
ist! 
Laßt uns diese drei bereits erwähnten Punkte etwas näher 
beleuchten. 
1. Zunächst müssen wir daran denken, daß da s Opfe r 
d i e Grundlag e de r Anbetun g ist. Eine Gott 
111 
wohlgefällige Anbetung muß ein Gott wohlgefälliges Opfer 
zur festen Grundlage haben. Der in sich selbst schuldige und 
unreine Mensch braucht ein Opfer, um von seiner Schuld 
befreit, von seinen Befleckungen gereinigt und für die heilige 
Gegenwart Gottes passend gemacht zu werden. „Ohne Blutvergießung ist keine Vergebung" (Hebr 9, 22). Ohne Vergebung und ohne ein Bewußtsei n der Vergebung kann 
keine glückliche Anbetung, kein Lob des Herzens und keine 
Danksagung stattfinden. Der Gang zu einem sogenannten „Anbetungsort" und die Anbetung Gottes selbst sind 
zwei ganz verschiedene Dinge. Gott ist heilig, und der 
Mensch, der Ihm naht, muß für Seine heilige Gegenwart 
passend gemacht sein. Bei jener ernsten Gelegenheit, als die 
Söhne Aarons Nadab und Abihu fremdes Feuer vor Jehova 
gebracht hatten, hören wir die feierlichen Worte: „Und Mose 
sprach zu Aaron: Dies ist es, was Jehova geredet hat, indem 
er sprach: In denen, die mir nahen, will ich geheiligt, und 
vor dem ganzen Volke will ich verherrlicht werden" (3. Mo 
10, 3). Nur Jehova konnte die Schritte dessen leiten, der sich 
Ihm nahte. Dies ist der erhabene Gegenstand, den das dritte 
Buch Mose ausführlich behandelt. 
Nur auf der Grundlage eines dargebrachten und angenehmen 
Opfers konnten die Kinder Israel als das anbetende Volk 
Gottes betrachtet werden, und ebenso sind jetz t die an 
Christus Glaubenden auf Grund eines dargebrachten und angenehmen Opfers zu Anbetern gemacht worden. (Man lese 
aufmerksam 3. Mo 16 und Hebr 9, 10.) Die Gläubigen der 
jetzigen Zeit haben betreffs des Opfers, des Priesters und 
des Ortes der Anbetung den Platz Israels eingenommen, 
jedoch in einer weit höheren Ordnung. Der Gegenstand zwischen beiden ist groß/ und er wird in der Heiligen Schrift — 
namentlich im Hebräerbrief — klar ans Licht gestellt. Die 
jüdischen Opfer erreichten nie das Gewissen des Darbringers, 
und der jüdische Priester konnte nie zu ihm sagen: „Du bist 
rein!" Die Gaben und Schlachtopfer, die unter dem Gesetz 
dargebracht wurden, konnten, wie der Apostel sagt, „dem 
Gewissen nach den nicht vollkommen machen . . . , der den 
Gottesdienst übte" (Hebr 9, 9). Das Gewissen ist sozusagen 
112 
der Widerschein des Opfers; es konnte nicht vollkommen 
sein, da das Opfer nicht vollkommen war. „Denn unmöglich 
kann Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnehmen" 
(Hebr 10, 4). Die israelitische Anbetung stand also in Verbindung mit ungenügenden Opfern, mit beschwerlichen Gebräuchen und mit einem ungereinigten Gewissen, mit Dingen 
also, die in dem Anbeter einen Geist der Knechtschaft und 
der Furcht erzeugten. 
Aber welch einen Gegensatz zu all diesem bildet das ein 
für allemal geschehene und angenommene Opfer des Leibes 
Jesu Christi! „Jetzt . . . ist er . . . geoffenbart worden zur 
Abschaffung der Sünde durch sein Opfer" (Hebr 9, 26). Alles 
ist vollbracht. „Nachdem er durch sich selbst die Reinigung 
der Sünden bewirkt, (hat er) sich gesetzt . . . zur Rechten 
der Majestät in der Höhe" (Hebr 1, 3). Wenn der Anbeter 
auf der Grundlage dieses Opfers vor Gott tritt, findet er, 
daß es hier für ihn nichts anderes zu tun gibt, als daß er 
als Priester sein Lob erhebt zu Dem „der (uns) berufen hat 
aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht". Selbst 
Christus hat nichts mehr bezüglich unserer Rechtfertigung 
und unserer Annahme zu tun. „Denn mit einem Opfer hat 
er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden" 
(Hebr 10, 14). Der Israelit war in Verbindung mit seinem 
Opfer nur de r For m nac h rein, und zwar gleichsam 
nur für den Augenblick, aber der Christ ist kraft des Opfers 
Christi i n Wirklichkei t rein, und zwar für immer 
und ewig. Wie süß ist das Wort: „Auf immerdar"! Es ist 
das allgemeine Vorrecht aller Gläubigen, als Anbeter Gottes 
„durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes 
Jesu Christi" vollkommen gemacht zu sein. Diese äußerst 
wichtige Tatsache ist in den Zeugnissen der Heiligen Schrift 
in ihrer ganzen Fülle und in der klarsten Weise ans Licht 
gestellt. Denn die einmal gereinigten Anbeter sollen „kei n 
Gewisse n meh r vo n Sünde n haben " (Hebr 
10, 2). „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von 
aller Sünde" (1. Joh 1, 7). „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken" (Hebr 10, 17). Durch 
das fü r un s vollbrachte Werk Christi sind alle unsere 
113 
Sünden weggetan. Wir wissen jetzt durch den Glauben an 
das Wort Gottes, daß sie alle vergeben und vergessen sind. 
Aus diesem Grund können wir Gott nahen und in Seine heilige Gegenwart treten mit der glückseligen Gewißheit, daß 
Gott weder eine Sünde noch einen Flecken auf uns sieht. 
Unser großer Hoherpriester hat, nachdem Er uns durch das 
Blut Seines Kreuzes von allen Sünden gereinigt hat, zu uns 
gesagt: „Ihr seid ganz rein" (Vgl. Joh 13)! Indem wir Seinen 
Worten glauben, ist das Bewußtsein von Schuld hingweggetan; wir haben „kei n Gewisse n meh r vo n Sün -
den" . 
Wir müssen jedoch wohl verstehen, daß diese tiefe und kostbare Wahrheit nicht etwa die Bedeutung hat, als ob wir kein 
Bewußtsei n mehr von Sünden hätten. Weit davon entfernt; im Gegenteil wissen wir, daß wir aus Mangel an 
Wachsamkeit und durch einen nachlässigen Wandel ein 
schlechtes Gewissen bekommen können, und daß wir uns wie 
der Apostel üben sollen, „allezeit ein Gewissen ohne Anstoß 
zu haben vor Gott und den Menschen" (Apg 24, 16). Jene 
Schriftstelle will nur sagen, daß Christus durch das eine vollkommene vollbrachte Opfer Seiner Selbst alle unsere Sünden 
mit Wurzel und Zweig weggenommen hat. Und wenn wir 
durch die Gnade geleitet worden sind, diese köstliche Wahrheit zu erkennen und zu glauben, wie können dann noch 
Sünden auf dem Gewissen sein? Christus hat sie alle getragen und weggenommen. Das kostbare Blut unseres einmal 
dargebrachten und angenommenen Opfers hat uns von jedem 
Makel und jedem Flecken der Sünde gereinigt. Es kann das 
tiefste Gefühl über die in uns wohnende Sünde und über 
die vielen Sünden und Vergehungen unseres täglichen Lebens bei uns vorhanden sein, — ein Gefühl, das uns stets 
zwingen sollte, mit einem reumütigen Bekenntnis vor Gott zu 
treten — so bleibt doch das lebendige Bewußtsein, daß Christus für unsere Sünden gestorben ist und sie alle so völlig 
weggenommen hat, daß keine von ihnen uns je zur Last gelegt werden kann. Das ist in der Tat eine höchst bewundernswürdige Wahrheit, deren Fülle für das Verständnis des Anbeters unumgänglich ist. Wie könnten wir in der Gegenwart 
114 
Gottes stehen, wo alles rein und vollkommen ist, wenn wir 
nicht so rein wären, wie Er uns haben will? Wir müssen so 
rein sein, daß nicht wir und nicht andere Menschen, sondern 
daß der unendlich heilige Gott mit uns zufrieden ist und Sein 
alles durchdringendes Auge nicht einen Flecken, nicht eine 
Spur von Sünde an uns entdeckt. Wir sagen nicht: „Wir haben keine Sünde!" denn dann betrögen wir uns selbst und 
die Wahrheit wäre nicht in uns (1. Joh 1, 8); aber wir dürfen 
im Vertrauen auf das Wort Gottes sagen: „Gott hat vergeben, Gott hat zugedeckt" Gott hat gereinigt, Gott rechtfertigt, 
Gott sieht keine Sünde mehr, weil Er das Blut sieht, das uns 
reinigt von aller Sünde". Und gepriesen sei Gott! alle, die an 
Jesus glauben und in Seinem auf Golgatha vollbrachten Erlösungswerk Ruhe gefunden haben, haben Vergebung der 
Sünden und sind gerechtfertigt. Sie besitzen ewiges Leben, 
Gerechtigkeit und Frieden, weil sie in Jesus sind. Der erste 
Notschrei um Erbarmen, der von den Lippen eines von seiner Schuld überzeugten Sünders kommt, findet eine genügende Antwort in dem Blut des Opfers. Dieses Blut dringt ein 
in die tiefste Tiefe seiner Bedürfnisse, es erhebt ihn zu den 
höchsten Höhen der Himmel, und befähigt ihn, dort ein 
glückseliger Anbeter in der unmittelbaren Gegenwart des 
Thrones Gottes zu sein. „Denn es hat ja Christus einmal für 
Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß 
er uns zu Gott führe" (1. Petr 3, 18). „Denn wenn das Blut 
von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf 
die Unreinen gesprengt, zur Reinigkeit des Fleisches heiligt, 
wieviel mehr wird das Blut des Christus, der durch den 
ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, 
euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen" (Hebr 9, 13. 14)! Ja, das Opfer ist vollkommen, darum ist auch seine Wirkung auf die Gewissen 
vollkommen. 
2. Weiter finden wir in der reichen Vorsorge der Gnade 
Gottes de n Herr n Jesu s Christu s al s unse -
r e n große n Hohenprieste r i n de r Gegen -
war t Gotte s fü r uns . Dort steht Er für uns im 
Dienst. „Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich 
115 
gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den 
Himmeln, ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen 
Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch" (Hebr 
8, 1. 2.). Nachdem Er das Erlösungswerk vollendet hat, hat 
Er Sich für immerdar zur Rechten Gottes gesetzt. Aaron wird 
stets in einer stehenden Stellung dargestellt. Sein Werk war 
nie zu Ende. Er stan d „täglich da, den Dienst verrichtend 
und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals 
Sünden hinwegnehmen können. Er aber, nachdem er ein 
Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich auf immerdar 
gesetzt zur Rechten Gottes" (Hebr 10, 11. 12). Sobald das 
Gesetz über das Opfern gegeben worden war, wurde das 
Priestertum eingesetzt. Die Heiligen finden jetzt beides in 
Christus. Er ist unser Opfer und unser Priester. Einmal erschien Er am Kreuze fü r uns ; jetzt erscheint Er im Himmel fü r uns , und bald wird Er mi t un s in Herrlichkeit erscheinen. Die Erkenntnis dessen, was Er am Kreuz 
vollbracht hat und was Er jetzt im Heiligtum droben tut, 
nährt in unseren Herzen die Hoffnung Seiner baldigen Wiederkehr und leitet uns, auf Seine Erscheinung in Herrlichkeit 
zu warten. 
Im Neuen Testament lesen wir nur von zwei Priesterarten, 
nämlich von Christus als dem großen Hohenpriester im Himmel, und von dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen 
auf der Erde. „Auch ihr selbst, als lebende Steine, werdet 
aufgebaut, ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um 
darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich 
durch Jesum Christum" (1. Petr 2, 5). Und wiederum: „Dem, 
der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in 
seinem Blut, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu 
Priestern seinem Gott und Vater" (Offb 1, 5. 6). Diese Stellen zeigen klar die allgemeine Stellung aller Gläubigen als 
Priester von Gott. Das Neue Testament spricht an keiner 
Stelle vor einer besonderen Klasse oder von einzelnen dazu 
verordneten Personen, die im Unterschied zu anderen Christen den Dienst eines Priesters zu versehen haben. Christus 
ist der große Priester über das Haus Gottes, und kraft der 
Verbindung mit Ihm sind alle Gläubigen Priester und genie116 
ßen das Vorrecht, als gereinigte Anbeter in das Allerheiligste 
eintreten zu dürfen. Selbst die Apostel nahmen nie den Platz 
von Priestern ein, als ob sie sich von dem geringsten Kinde 
Gottes in irgendeiner Weise unterschieden. Sie mochten ihre 
Vorrechte viel besser als viele andere kennen und sich mehr 
daran erfreuen, aber obgleich ihre Gaben und Berufungen 
hinsichtlich des Dienstes am Wort sich von anderen unterschieden, so standen sie doch als Anbeter mit allen auf demselben Boden und beteten mit ihnen gemeinsam zu Gott 
durch Jesus Christus, den großen Priester Seines ganzen Volkes. 
In dem priesterlichen Dienst unseres hochgelobten Herrn gibt 
es viele Punkte von besonderem Interesse, jedoch wollten wir 
nur bei zweien davon einen Augenblick verweilen. 
Der erste Punkt ist, daß unser großer Hoherpriester uns im 
Heiligtum droben vertritt. Welch ein erhabener Repräsentant 
ist Er! Er ist der geliebte Sohn Gottes, der verherrlichte 
Mensch, dessen Name über alle Namen ist. „Denn der Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu 
erscheinen" (Hebr 9, 24). Welch ein würdiger Platz. In wie 
naher Verbindung stehen wir mit Gott! O möchten unsere 
Herzen es doch höher schätzen! Wenn Aaron vor Jehova erschien in seinen herrlichen und schönen Gewändern, so vertrat er die Kinder Israel. Ihre Namen waren auf seinem 
schönen Brustschilde in kostbare Steine eingegraben. Welch 
ein gesegnetes Vorbild unseres wirklichen und ewigen Platzes in dem Herzen Christi, Der nicht wie Aaron nur ein -
m a l jährlich , sondern beständi g fü r uns in der 
Gegenwart Gottes erscheint. Der Name jedes Gläubigen ist 
beständig vor dem Auge Gottes und zwar in der ganzen 
Herrlichkeit und Schönheit Christi, Seines vielgeliebten Sohnes. Wir stehen dort in Seiner Gerechtigkeit, besitzen Sein 
Leben, genießen Seinen Frieden, sind erfüllt mit Seiner Freude und bestrahlt von Seiner Herrlichkeit. Obwohl wir aus 
uns selbst kein Anrecht und kein Vorrecht besitzen, haben 
wir doch alles in Ihm. Er nimmt dort unsere Stelle ein. Ge117 
priesen sei Sein Name! Nur Seiner beständigen Fürbitte im 
Himmel verdanken es die Heiligen auf der Erde, daß sie auf 
ihrer Wüstenreise Hilfe und Unterstützung finden und zugleich als Anbeter innerhalb des Vorhangs in all dem lieblichen Wohlgeruch Seiner eigenen göttlichen Vortrefflichkeit 
aufrechterhalten werden. Weder ihre Unwissenheit noch ihr 
geringer Genuß dieser Dinge verändert oder entkräftet diese 
ihre gesegnete, herrliche und ewige Stellung, „indem er immerdar lebt, um sich für sie zu verwenden" (Hebr 7, 25). 
Der zweite Punkt ist, daß Er als unser großer Hoherpriester 
die Gaben und Opfer Seines anbetenden Volkes vor Gott 
darbringt. Unter dem Gesetz brachte der Anbeter dem Priester seine Opfergabe, und durch den Priester wurde das Opfer zu Gott auf Seinem eigenen Altar dargebracht. Alles wurde dem Worte Jehovas gemäß durch den Priester angeordnet. 
Wie vollkommen ist dies jetzt alles für den Anbeter durch 
den großen Priester im Himmel geschehen! Unsere Gebete, 
unsere Danksagung, unser Lobgesang, alles geht durch Seine 
Hände, bevor es den Thron Gottes erreicht. Welch eine wunderbare Gnade ist dies, wenn wir daran denken, daß so vieles, was vom Fleische ist, sich mit dem, was vom Geiste ist, 
vermengt! Aber der Herr Jesus weiß mit göttlicher Weisheit 
alles Böse auszuscheiden und vom Guten zu. trennen. Das 
was vom Fleisch ist, muß als Holz, Stroh oder Stoppel verworfen und vernichtet werden, während das was vom Geiste 
ist, aufbewahrt und in dem Wert und dem lieblichen Duft 
Seines vollkommenen Opfers vor Gott gebracht wird. „Durch 
ihn laßt uns nun Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, 
das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen" 
(Hebr 13, 15). Die dem Paulus erwiesene Güte der Philipper 
war „ein duftender Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott 
wohlgefällig" (Phil 4, 18). Daher die Wichtigkeit der Ermahnung : „Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, 
alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem 
Vater, durch ihn" (Kol 3, 17). 
3. Schließlich finden wir, daß di e einzig e Anbe -
tungsstätt e de s Christe n innerhal b de s 
Vorhang s ist. Außerhalb des Lagers hat er seinen Platz 
118 
als Zeuge, innerhalb des Vorhangs seinen Platz als Anbeter. 
In beiden Stellungen ist Christus mit ihm. „Deshalb laßt uns 
zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach 
tragend" (Hebr 13, 13). „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit 
haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu 
usw." (Hebr 10, 19). Es ist sehr segensreich, diese beiden 
Stellungen in Gemeinschaft mit Christus Selbst zu kennen. 
Die Kirche hat keinen göttlich-geweihten Anbetungsplatz auf 
der Erde. Unser Platz ist im Himmel kraft des Opfers und 
des dort für uns bestehenden Priestertums. Was immer der 
Charakter des Gebäudes sein mag, in dem die Christen sich 
im Namen des Herrn Jesus versammeln, ihre wahre und 
einzige Anbetungsstätte ist doch stets im himmlischen Heiligtum. Durch den Glauben an das Wort Gottes und durch 
die Kraft des Heiligen Geistes beten sie Ihn an in der „wahrhaftigen Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der 
Mensch". 
Israel hatte ein „weltliches Heiligtum", und folglich war auch 
der Charakter ihrer Anbetung weltlich und lieferte den Beweis, „daß der Weg zum Heiligtum noch nicht geoffenbart 
ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat" (Hebr 9, 8). 
Aber der Weg ist durch das Blut Jesu geöffnet worden. Derselbe Schlag, der das Haupt des Lammes traf, zerriß auch den 
Vorhang von oben bis unten. Der Weg ins Allerheiligste ist 
geebnet, und Christus ist mit den durch Blut gewaschenen 
Seinigen ohne Vorhang in die unmittelbare Gegenwart Gottes eingetreten. Dort gibt es nicht wie unter dem Gesetz einen 
Vorhof und einen Tempel für die Anbetung der Priester. Diese Unterschiede sind in der Kirche des lebendigen Gottes unbekannt. Überall ist jetzt eine priesterliche Anbetung im 
Tempel. Alle stehen gleich nahe, alle haben gleiche Freiheit, 
alle sind gleich angenehm, um der Gegenwart und Fürbitte 
des großen Hohenpriesters Seines Volkes willen. Dasselbe 
kostbare Blut, das uns von aller Sünde reinigt, hat uns als 
Kinder und als anbetende Priester in die Nähe Gottes gebracht. Und wenn wir wirklich die wunderbare Wirkung und 
Kraft dieses Blutes in den himmlischen örtern kennen, dann 
werden wir uns dort zu Hause fühlen und glücklich sein in 
119 
der Freiheit und Würde der Sohnschaft und in der innigen 
Vertraulichkeit eines ein für allemal gereinigten Anbeters im 
Allerheiligsten. 
O möchten unsere Herzen sich stets der reichen Vorsorge der 
Gnade Gottes für alle unsere Bedürfnisse erinnern! Möchten 
sie nie das Blut am Gnadenthron, den Diener im Heiligtum 
und unseren heiligen, himmlischen und ewigen Anbetungsplatz aus dem Auge verlieren! 
Hast Du Frieden gefunden? 
„Hast Du Frieden gefunden?" Das ist eine Frage, die in unseren Tagen nicht selten an den einen oder anderen gerichtet 
wird, und es mag auch nicht selten der Fall sein, daß viele 
diese Frage nicht richtig auffassen und darum keine passende 
Antwort zu geben wissen. Sie betrachten den „Frieden" als 
ein gewisses Gefühl der Ruhe im Gemüt, und da sie dieses 
Gefühl in sich nicht entdecken, kommen sie zu dem Schluß, 
daß sie noch keinen Frieden gefunden haben, daß sie überhaupt keine Christen seien und durchaus „weder Teil noch 
Los an dieser Sache" haben. — Andere sind der Meinung, 
daß sie, einmal im Besitz des Friedens, nie wieder die inneren Wirkungen des Bösen zu beklagen hätten. Sie bilden sich 
ein, daß der wahre, im Evangelium angekündigte Friede und 
die innewohnende Sünde zwei einander ausschließende Dinge 
seien; und da sie sich leider schmerzlich bewußt sind, daß 
das Böse noch in ihnen wohnt, schließen sie daraus, daß sie 
den Genuß des Friedens zu erwarten haben. Diese falschen 
Vorstellungen darüber, was der Friede ist, sind Ursache der 
verschiedensten Beunruhigungen. 
Zunächst muß mit allem Nachdruck und in der bestimmtesten 
Weise hervorgehoben werden, daß der Friede des Evangeliums nicht ein bloßes Gefühl der Gemütsruhe ist. Nein, dieser 
Friede hat einen weit festeren Grund. Er bezeichnet einen 
Zustand, in den der Gläubige durch das am Kreuz vollbrachte 
Versöhnungswerk Christi eingeführt worden ist. Das zeigt 
uns deutlich die folgende Schriftstelle: „Da wir nun gerecht120 
fertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit 
Gott durch unseren Herrn Jesus Christus" (Rö 5,1). Ist dies 
ein bloßes Gefühl im Gemüt? Keineswegs. Es ist ein gesegneter Zustand, in den die Seele durch den Tod und die Auferstehung Christi eingeführt worden ist. Ohne Zweifel wird sich 
ein Herz glücklich fühlen in dem einfältigen Glauben an jene 
große Wahrheit, daß all e Sünden vergeben sind und daß 
die Seele so völlig gerechtfertigt ist, wie Christus es vermag — ja so gerechtfertigt wie Christus Selbst. Aber der 
Apostel sagt nicht: „Da wir nun gerechtfertigt sind aus Glauben, so haben wir das Gefühl des Friedens in unserem Gemüt"! Das wäre nicht der Fall. Unsere Gefühle sind schwankend und veränderlich wie der Wind. Der Friede aber, von 
dem diese Stelle spricht, ist so fest wie der Thron Gottes 
selbst. Und was bedeuten die Worte: „Frieden verkündigend 
durch Jesum Christum" (Apg 10, 36)? Ist das die Verkündigung eines bestimmten Gefühls im Gemüt? Gewiß nicht. 
Vielmehr ist es die glorreiche Friedensankündigung zwischen 
Gott und dem Menschen, gegründet auf das vollbrachte Werk 
Christi, Der, nachdem Er Frieden gemacht hat durch das 
Blut Seines Kreuzes, Selbst unser Friede in der Gegenwart 
Gottes ist. Es wäre daher ein großer Irrtum, wenn man voraussetzen wollte, daß der in dieser Schriftstelle erwähnte 
Friede nichts anderes sei als eine behagliche Gemütsruhe. 
Hier ist nicht die Rede von einem Gefühl des Friedens, sondern von einem Frieden, zu dem Gott Selbst den Grund gelegt hat. Das ist ein großer Unterschied. Wir dürfen unsere 
Gefühle über einen Gegenstand nicht mit dem Gegenstand 
selbst verwechseln, und ebensowenig eine vollendete Tatsache mit der Wirkung, die diese auf uns hat, wenn wir sie 
erkannt haben. 
Wir wollen zur Erläuterung ein Beispiel nehmen. Wenn nach 
einem längeren Krieg zwischen zwei Ländern der Friede 
proklamiert würde, wäre das ein bloßes Gefühl im Gemüt 
von Angehörigen der beiden Länder? Weit mehr; es wäre 
ein bestimmter Zustand, in den diese beiden Nationen durch 
Unterzeichnung eines Friedensvertrages treten würden. Ohne 
Zweifel würde jeder, der diese Proklamation vernimmt und 
121 
ihr Glauben schenkt, jenes behagliche Gefühl genießen, das 
eine solche Friedensverkündigung erzeugen kann. Aber wer 
sieht nicht den Unterschied zwischen solchen Gefühlen und 
der Tatsache, durch die sie erzeugt werden? 
Ein anderes Beispiel. Wenn für die Loskaufung eines Sklaven 
eine bestimmte Summe verwendet und seine Befreiung bewirkt 
wird, ist dann diese Tatsache ein bloßes Gefühl in dem Gemüt dieses Sklaven? Weit mehr; es ist ein bestimmter Zustand, in den der Sklave durch die Loskaufung eintritt. Sicher 
wird er, wenn diese Nachricht sein Ohr erreicht und er sie 
glaubt, das glückliche Gefühl der Freiheit genießen. Er wird 
nicht länger seine Ketten und die Peitschenhiebe seines grausamen Aufsehers fühlen. Aber besteht nicht ein Unterschied 
zwischen einem Gefühl der Freiheit und der Grundlage, auf 
der das Gefühl ruht? 
Ich gebe zu, daß dies nur menschliche und daher unvollkommene Erklärungen des göttlichen Gedankens sind, mit dem 
wir uns hier beschäftigen, aber doch stellen sie den Unterschied zwischen einem Gefühl und einem Zustand, zwischen 
einer Tatsache und deren Ergebnis klar heraus. Im Evangelium sehe ich eine göttliche Wahrheit, die göttliche Wirkungen 
erzeugt, wenn sie in göttlicher Weise aufgenommen wird. Ein 
armer verurteilter Rebell, ein Sklave, ein Feind, empfängt aus 
Gnaden Vergebung, Freiheit und Versöhnung von Gott durch 
das kostbare Opfer am Kreuz. Wird ein solcher nicht glückliche Gefühle haben? Gewiß. Aber diese Gefühle dürfen nie 
als die gesegnete Wahrheit selbst, aus der diese Gefühle 
entspringen, betrachtet werden. Der Friede ist eine göttliche, 
unabhängige, unwiderrufliche Wirklichkeit, gegründet auf das 
Blut Christi, verkündigt mit der Autorität des Wortes Gottes 
und empfangen aus Glauben durch die Kraft des Heiligen 
Geistes. 
Würde ich nun bei der Frage: „Hast Du Frieden"? in mich 
hineinblicken und nach dem was ich hier finde, antworten 
müssen? Nein. — Was müßte ich dann tun? Ich würde sagen: „Ja, Gott sei Dank! ich habe Frieden, und zwar einen 
so vollkommenen Frieden, wie Christus ihn machen und Gott 
ihn geben kann". Nichts kann mir diesen meinen Frieden 
122 
stören, weil Gott ihn mir verkündigt hat „durch Jesum Chrisrum, dieser ist aller Herr". Wenn eine solche Störung möglich wäre, dann wäre Christus nicht „aller Herr", und der 
Gedanke, daß Er durch irgendetwas übertroffen werden könnte, wäre Gotteslästerung. Meine Gefühle können leicht gestört werden, aber niemals kann der von Gott gelegte Grund 
erschüttert werden. 
Wie töricht ist es, wenn jemand, der diese innerlichen Gefühle der Ruhe nicht bei sich entdeckt, daraus den Schluß 
zieht, er sei kein Christ! Weder die Schrift noch die christlichen Erfahrungen liefern für eine solche Vorstellung einen 
Grund. Solche Zweifel sind sicher nicht zu rechtfertigen; sie 
zeigen, wie wenig das Herz befestigt ist, und sie entehren 
ebenso den Herrn wie sie die Ruhe des Gemüts stören. Sie 
entspringen in den meisten Fällen aus der falschen Vorstellung, die man über die Art des Friedens hat, und daraus, 
daß man sich selbst ansieht, statt den Blick auf Christus 
zu richten, und daß man untersucht, wie man zu Gott steht, 
anstatt zu betrachten, wie Gott zu einem steht. Aber was 
auch die Quelle dieser Zweifel sein mag, wir sollen sie verurteilen und verwerfen wie jeden anderen bösen Gedanken, 
der in unserem Herzen auftaucht. 
Aber wenn es überhaupt verwerflich ist, an Gottes Wort zu 
zweifeln und der Furcht Raum zu geben, obwohl Christus 
Frieden gemacht hat, so ist es noch weit verwerflicher, unser 
persönliches Teil in Christo in Frage zu stellen, weil wir uns 
nicht so glücklich fühlen, wie wir sein möchten oder sollten. 
Dadurch öffnen wir Satan Tür und Tor. Zweifle ich an meinem natürlichen Dasein, weil ich an Kopfweh leide? Gewiß 
nicht. Und warum zweifle ich dann an meinem geistlichen 
Dasein, meinem Leben in Christo, wenn mein Herz nicht so 
glücklich ist wie ich möchte? Warum gehen so viele Christen 
von Furcht und Zweifeln erfüllt durchs Leben? Sie müssen 
lernen, von sich wegzusehen und ihren Blick auf Christus 
zu richten. Wohl können wir unseren verlorenen Zustand 
nicht tief genug erkennen — und je mehr dies der Fall ist, 
desto höher schätzen wir das Werk Christi — ; wir können 
hinsichtlich unseres Wandels nicht wachsam genug sein und 
123 
es nicht tief genug fühlen, wenn wir uns vergessen haben; 
aber je mehr wir unsere Schwachheit sehen, desto näher 
drängen wir uns an die gesegnete Person unseres Herrn, 
Dessen Händen uns niemand zu entreißen vermag. 
Zum Schluß noch ein Wort für diejenigen, die den Genuß 
eines sicheren Friedens unvereinbar mit der in uns wohnenden Sünde finden. Sicher ist eine solche Meinung ein großer 
Irrtum und muß Dunkelheit und Trübsinn in der Seele erzeugen. Auch der „fortgeschrittenste" Christ kennt die in 
ihm wohnende Sünde. „In mir wohnt nichts Gutes", sagt 
Paulus, und: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, 
so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in 
uns", sagt Johannes (1. Joh 1, 8). Gott kennt das Schlechteste 
in uns, aber dennoch liebt Er uns und hat Vorsorge getroffen, 
daß das Böse in uns unseren Frieden nicht im geringsten 
stört. Wenn wir dem Bösen in uns gestatten, zu wirken und 
sich zu zeigen, dann wird der Genuß unseres Friedens allerdings sicher unterbrochen, so daß wir genötigt werden, vor 
Gott im Bekenntnis und im Selbstgericht zu erscheinen. Der 
Heilige Geist, Der in uns wohnt, kann nicht einen einzigen 
Gedanken des erlaubten Bösen gutheißen. Alles muß gerichtet werden. Aber der Kampf wird fortdauern. „Das Fleisch 
gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch" 
(Gal 5, 17). Dieser Streit wird im Gläubigen nie aufhören, 
bis der Leib der Verwesung ins Grab sinkt. Wenn daher die 
in uns wohnende Sünde unseren Frieden stören könnte, würde 
kein Glied der Familie Gottes während eines einzigen Augenblicks im Genuß des Friedens sein. Doch Gott sei Dank, daß 
es nicht so ist! Unser Friede ruht nicht auf einem sündlosen 
Fleisch, sondern auf einem vollkommenen Opfer, so wie er 
auch nicht auf unseren schwachen und schwankenden Gefühlen ruht, sondern allein auf dem vollbrachten Werk Christi, 
auf dem unwandelbaren Wort Gottes und auf dem untrüglichen Zeugnis des Heiligen Geistes. Möchten wir dies nie 
vergessen! 
124 
Josia und seine Zeit 
2. Chronika 34 und 35 
Viele Jahrhunderte sind vergangen, seit der König Josia lebte 
und regierte, aber seine Geschichte ist voll von Belehrung, 
die nie ihre Frische und ihren Ernst verliert. Der Zeitpunkt 
seiner Thronbesteigung war besonders düster und schwierig. 
Die immer größer gewordene Verderbnis hatte ihren Höhepunkt erreicht, und das lange in göttlicher Geduld und 
Langmut zurückgehaltene Gericht stand im Begriff, mit 
schrecklicher Strenge über die Stadt Davids hereinzubrechen. 
Auf Hiskias herrliche Regierung war ein langer und furchtbarer Zeitraum von 55 Jahren unter der Herrschaft seines 
Sohnes Manasse gefolgt. Bei ihm konnte die Zucht Buße und 
Besserung bewirken, aber kaum hatte er das Szepter aus der 
Hand gelegt, als sein gottloser und unbußfertiger Sohn Amon 
tat, „was böse war in den Augen Jehovas, wie sein Vater 
Manasse getan hatte; und Amon opferte allen geschnitzten 
Bildern, welche sein Vater Manasse gemacht hatte, und diente 
ihnen. Und er demütigte sich nicht vor Jehova, wie sein Vater 
Manasse sich gedemütigt hatte; sondern er, Amon, häufte die 
Schuld. Und seine Knechte machten eine Verschwörung wider 
ihn und töteten ihn in seinem Hause . . . Und das Volk des 
Landes machte Josia, seinen Sohn, zum König an seiner Statt" 
(2. Chro 33, 22-25). 
So befand sich also Josia, ein Kind von acht Jahren, auf dem 
Throne Davids, und zwar umgeben von dem angehäuften 
Übel und den Verirrungen seines Vaters und Großvaters, 
ja selbst von den Formen des Verderbens, das von keiner 
geringeren Person als Salomo selbst eingeführt worden war. 
Wenn der Leser für einen Augenblick 2. Kö 23 nachschlagen 
will, wird er ein auffallendes Gemälde von dem Zustand der 
Dinge zu Beginn der Geschichte Josias finden. Dort sehen 
wir Götzenpriester, „welche die Könige von Juda eingesetzt 
hatten, und die auf den Höhen, in den Städten von Juda und 
in der Umgebung von Jerusalem geräuchert hatten; und die, 
welche dem Baal, der Sonne und dem Monde und dem Tierkreise und dem ganzen Heere des Himmels räucherten". 
125 
Erwäge dies, mein Leser! Bedenke, daß Judas Könige Priester 
einführten, um dem Baal zu räuchern, und erinnere dich zugleich, daß jeder dieser Könige die Verpflichtung hatte, „sich 
eine Abschrift dieses Gesetzes in ein Buch (zu) schreiben, 
. . . Und es soll bei ihm sein, und er soll alle Tage seines 
Lebens darin lesen, auf daß er Jehova, seinen Gott, fürchten 
lerne, um zu beobachten alle Worte dieses Gesetzes und diese 
Satzungen, sie zu tun" (5. Mo 17, 18. 19). Aber es waren 
ferner auch Rosse da, „welche die Könige von Juda der Sonne gesetzt hatten am Eingang des Hauses Jehovas", und Wagen der Sonne, ferner Höhen, „welche Salomo, der König von 
Israel, der Astoreth, dem Scheusal der Zidonier, und Kamos, 
dem Scheusal Moabs, und Milkom, dem Scheusal der Kinder 
Ammon, gebaut hatte" (2. Kö 23, 11. 13). 
Alles dies ist sehr ernst, und es ist wert, daß der christliche 
Leser darüber nachdenkt. Wir sollten nicht darüber hinweggehen wie über ein bloßes Bruchstück der alten Geschichte, 
oder als läsen wir die geschichtlichen Berichte von Babylon, 
Persien, Griechenland oder Rom. Es verwundert uns nicht, 
daß die Könige dieser Reiche dem Baal räucherten, Götzenpriester einsetzten und das Heer des Himmels anbeteten. 
Aber wenn wir die Könige von Juda, die Söhne und Nachfolger Davids, die Kinder Abrahams, denen das Gesetzbuch 
Gottes zugänglich war und die die Pflicht hatten, dieses Buch 
zum Gegenstand ihres gründlichen und ständigen Forschens 
zu machen, — wenn wir solche Männer unter die Macht des 
finsteren und herabwürdigenden Aberglaubens sinken sehen, dann ist das auch für uns eine Warnung, die wir nicht 
ungestraft abweisen können. Wir sollten uns dabei stets erinnern, daß alle diese Dinge zu unserer Belehrung geschrieben 
sind. Wenn auch gesagt werden kann, daß wir nicht in 
die Lage kommen, dem Baal zu räuchern oder das Heer des 
Himmels anzubeten, so dürfen wir doch versichert sein, daß 
wir nötig haben, die Ermahnungen und Warnungen zu beachten, die der Heilige Geist in der Geschichte des Volkes Israel 
an uns richtet. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als 
Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist" 
126 
1. Kor 10,11). Obwohl diese Worte des inspirierten Schreibers unmittelbar auf die Geschichte Israels in der Wüste Bezug 
haben, mögen sie dennoch ihre Anwendung auf die ganze 
Geschichte dieses Volkes finden und von Anfang bis Ende 
ein geschichtlicher Schatz voll tiefster Belehrung sein. 
Aber als was müssen wir alle diese großen und schrecklichen 
Übel ansehen, in die Salomo und seine Nachfolger gezogen 
wurden? Was war ihr Ursprung? Vernachlässigun g 
d e s Worte s Gottes . Das war die Quelle alles Unheils und aller Sorge. Möchte die ganze Kirche sich das merken! Die Vernachlässigung der Heiligen Schrift war die entsetzliche Quelle aller jener Verirrungen und Verderbnisse, die 
die Blätter der Geschichte Israels beflecken und um derentwillen Jehova in Seiner Regierung oft so schwere Zucht ausüben mußte. „Was das Tun des Menschen anlangt, so habe 
ich mich durch das Wort deiner Lippen bewahrt vor den 
Wegen des Gewalttätigen" (Ps 17, 4). „Weil du von Kind 
auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich 
weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in 
Christo Jesu ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und 
nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur 
Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt" 
(2. Tim 3, 15-17). Bei diesen beiden angeführten Stellen 
haben wir das Wort Gottes in seiner zwiefältigen Kraft dargestellt: es bewahrt uns nicht nur vollkommen vor allem 
Bösen, sondern es bereitet uns auch zu allem Guten vollkommen zu; es bewahrt uns vor den Wegen des Gewalttätigen und leitet uns in den Wegen Gottes. 
Wie wichtig ist daher das fleißige, ernste und andächtige 
Forschen in der Heiligen Schrift! Mit welch einem Ernst wird 
dies dem alten Volke Gottes eingeprägt! Wie oft dringen 
die Worte an sein Ohr: „Und nun, Israel, höre auf die Satzungen und auf die Rechte, die ich euch lehre zu tun, auf 
daß ihr lebet und hineinkommet und das Land in Besitz 
nehmet, welches Jehova, der Gott eurer Väter, euch gibt. Ihr 
sollt nichts hinzutun zu dem Worte, das ich euch gebiete, und 
sollt nichts davon tun, damit ihr beobachtet die Gebote Jeho127 
vas, eures Gottes, die ich euch gebiete. Eure Augen haben 
gesehen, was Jehova wegen des Baal Peor getan hat; denn 
alle Männer, welche dem Baal Peor nachgegangen sind, hat 
Jehova, dein Gott, aus deiner Mitte vertilgt; ihr aber, die ihr 
Jehova, eurem Gott, anhinget, seid heute alle am Leben. Siehe, ich habe euch Satzungen und Rechte gelehrt, so wie Jehova, mein Gott, mir geboten hat, damit ihr also tuet inmitten 
des Landes, wohin ihr kommet, um es in Besitz zu nehmen. 
Und so beobachtet und tut sie! denn das wird eure Weisheit 
und euer Verstand sein vor den Augen der Völker, welche 
alle diese Satzungen hören und sagen werden: Diese große 
Nation ist ein wahrhaft weises und verständiges Volk. Denn 
welche große Nation gibt es, die Götter hätte, welche ihr so 
nahe wären, wie Jehova, unser Gott, in allem, worin wir zu 
ihm rufen? Und welche große Nation gibt es, die so gerechte 
Satzungen und Rechte hätte, wie dieses ganze Gesetz, das ich 
euch heute vorlege? Nur hüte dich und hüte deine Seele 
sehr, daß du die Dinge nicht vergessest, die deine Augen gesehen haben, und daß sie nicht aus deinem Herzen weichen 
alle Tage deines Lebens! und tue sie kund deinen Kindern 
und deinen Kindeskindern" (5. Mo 4, 1-9). 
Man beachte wohl, daß „Weisheit und Verstand" einfach 
darin besteht, die Gebote Gottes wohl im Herzen zu bewahren! Dies sollte die Grundlage der sittlichen Größe Israels 
angesichts der sie umgebenden Völker sein. Das war keine 
Lehre der Schulen Ägyptens oder der Chaldäer, sondern die 
Kenntnis des Wortes Gottes und das Aufmerken darauf, der 
Geist des unbedingten Gehorsams in allen Dingen unter die 
heiligen Gebote und Satzungen Jehovas, ihres Gottes. Das 
war Israels Weisheit, das ihre wahre Größe, das ihr unüberwindliches Bollwerk gegen jeden Feind und ihre sittliche Sicherheit gegen jedes Volk. 
Und ist in der Gegenwart nicht dasselbe heilsam für das 
Volk Gottes? Ist nicht der Gehorsam gegen das Wort Gottes 
unsere Weisheit, unser Schirm und der Grund aller wahren 
sittlichen Größe? Ganz gewiß. Unsere Weisheit ist zu ge -
horchen . Die gehorsame Seele ist weise, sicher, glücklich 
und fruchtbringend. Wie es einst war, so ist es heute. Wenn 
128 
wir die Geschichte Davids und seiner Nachfolger erforschen, 
so werden wir ohne Ausnahme finden, daß diejenigen, die 
den Geboten Gottes gehorchten, sicher, glücklich, wohlhabend 
und einflußreich waren. Und so wird es immer sein. Der 
Gehorsam wird stets seine köstlichen duftenden Früchte tragen, wenn auch diese Früchte nie der Beweggrund zum Gehorsam sein dürfen. 
Nun ist es klar, daß wir, um dem Worte Gottes gehorsam 
zu sein, mit ihm bekannt sein müssen, und daß, um diese 
Bekanntschaft zu erlangen, unbedingt ein sorgfältiges Forschen nötig ist. Wie sollen wir nun darin forschen? Mit dem 
ernsten Verlangen, den Inhalt des Wortes zu verstehen, mit 
einer tiefen Ehrfurcht vor seiner Autorität und mit der aufrichtigen Absicht, seinen Vorschriften — koste es was es 
wolle — zu gehorchen. Wenn wir die Gnade haben, auch nur 
in geringem Maße in dieser Weise zu forschen, so werden 
wir ein Wachsen und Zunehmen in Erkenntnis und Weisheit 
erwarten dürfen. 
Aber welch ein schreckliches Maß von Unwissenheit über das 
Wort Gottes zeigt sich in der Christenheit! Wir sind von 
diesem Gefühl tief durchdrungen, und es ist der Hauptzweck 
dieser Zeilen, in der Seele des Lesers ein lebhaftes Verlangen 
nach einer näheren Bekanntschaft mit Gottes heiligem Wort 
und eine völlige Unterwerfung seines ganzen Wesens unter 
dieses vollkommene Panier hervorzurufen. Wir entledigen uns 
dieser heiligen Pflicht gegenüber den Seelen unserer Leser 
und gegenüber der Wahrheit Gottes in dem Bewußtsein der 
Wichtigkeit dieses Gegenstandes. Die Macht der Finsternis 
ist verbreitet, dem Feinde ist es im schrecklichen Umfange 
gelungen, die Herzen in verschiedene Formen von Irrtum und 
Bösem zu verstricken, Staub in die Augen der Kinder Gottes 
zu streuen und die Sinne der Menschen zu verblenden. Zwar 
haben wir keine Astaroth, Kamos und Milkoms, aber wir 
haben Formen ohne Kraft und entschiedenen Unglauben. 
Wir haben nicht zu eifern gegen das Räuchern für Baal und 
gegen die Anbetung des Heeres des Himmels, aber wir haben weit Verlockenderes und Gefährlicheres. Wir haben das 
Formwesen mit seinen sinnberauschenden und anziehenden 
129 
Gebräuchen und Zeremonien; wir haben die Rationalisten 
mit ihren gelehrt erscheinenden Argumenten, und wir haben 
so viele Arten von Geistersehern, die sich eines Verkehrs 
mit den Geistern von Verstorbenen rühmen. 
Es ist schmerzlich, die Bemühungen zu bemerken, die von 
verschiedenen Seiten geschehen, um auf die Massen zu. wirken 
und sie zusammenzuhalten. Dem nachdenkenden Christen ist 
es klar, daß alle, die derartige Anstrengungen machen, einen 
sehr traurigen Mangel an Glauben an die Macht des Wortes 
Gottes und des Kreuzes Christi zeigen; und es ist sicher die 
stetige Anstrengung Satans, die Seelen in Unwissenheit 
über göttliche Offenbarungen zu halten und ihnen die Herrlichkeit des Kreuzes und der Person Christi zu verbergen. 
Zu diesem Zweck bedient er sich des Formwesens, des Unglaubens und des Geistersehens in unseren Tagen ebenso wie 
er sich in den Tagen Josias der Astaroth, Kamos und Milkoms bediente. „Nichts Neues unter der Sonne". Der Teufel 
hat immer die Wahrheit Gottes gehaßt, und er wird daher 
kein Mittel ungenutzt lassen, um auf das Herz des Menschen 
zu wirken. Daher hat er für den einen Formen und Zeremonien, für den anderen Vernunftschlüsse; und wenn beides 
den Menschen nicht mehr befriedigt, greift er zu einem noch 
berauschenderen Mittel, nämlich zu dem Verkehr und der 
Gemeinschaft mit den Geistern der Verstorbenen, um durch 
alle diese Dinge die Seelen von der Heiligen Schrift und dem 
Herrn abzuhalten, Der darin geoffenbart wird. 
Es ist in der Tat erschütternd, an alles dies zu denken und 
dabei die Schläfrigkeit und Gleichgültigkeit derer zu sehen, 
die bekennen, die Wahrheit zu besitzen. Es ist hier nicht der 
Ort, zu untersuchen, was diesen schläfrigen Zustand mancher 
Bekenner fördert. Aber wir wünschen durch die Gnade Gottes, sie völlig daraus aufgeweckt zu sehen; deshalb lenken 
wir ihre Aufmerksamkeit auf diese verschiedenen Einflüsse 
und auf den einzigen göttlichen Schutz gegen sie. Wir denken 
mit wehmütigem Ernst an unsere heranwachsenden Kinder, 
die sich in einer solchen Atmosphäre, wie die uns umgebende, bewegen müssen, die immer dunkler und dunkler wird. 
Wir möchten auf der Seite der Christen mehr Ernst sehen 
und die Herzen der Jugend mit der kostbaren und seelener130 
rettenden Kenntnis des Wortes Gottes versehen. Das Kind 
Josia und das Kind Timotheus sollten uns zu größerem Fleiß 
in der Unterweisung junger Seelen anspornen, sowohl im 
Schoß der Familie als auch in den Sonntagsschulen oder auf 
welchem Wege wir sie auch erreichen können. Es wird uns 
nichts nützen, unsere Arme übereinander zu legen und zu 
sagen: „Wenn es für Gott Zeit ist, werden unsere Kinder 
belehrt werden und bis dahin sind unsere Bemühungen vergeblich". Das ist ein trauriger Fehler. „Gott .. . ist denen, 
die ihn suchen, ein Belohner" (Hebr 11). Er segnet unsere 
mit Gebet begleiteten Bemühungen, unsere Kinder zu unterweisen. Und wer könnte den Segen schätzen, der damit verbunden ist, daß man früh den rechten Weg geführt worden 
ist, daß der Charakter unter heiligen Einflüssen gebildet und 
das Herz mit dem was wahr, rein und lieblich ist, erfüllt worden ist? Wer möchte andererseits die traurigen Folgen schildern, wenn wir erlauben, daß unsere Kinder in Unwissenheit 
über göttliche Dinge aufwachsen? Wohin wird eine befleckte 
Einbildungskraft, ein von Eitelkeit, Torheit und Falschheit erfülltes Herz führen, das von Kindheit an mit Anblicken 
der traurigsten Versunkenheit vertraut ist? Wir gestehen, 
daß Christen eine schwere und schreckliche Verantwortung 
auf sich laden, wenn sie dem Feind gestatten, die Herzen der 
Kinder gerade in der Zeit einzunehmen, wenn sie noch bildsam und empfänglich sind. 
Zwar darf die belebende Macht des Heiligen Geistes dabei 
nicht fehlen; auch Kinder von Christen müssen wie alle anderen von neuem geboren werden. Aber hebt diese Tatsache 
unsere Verantwortung über unsere Kinder auf? Lähmt sie 
unsere Anstrengungen oder hindert sie unsere Bemühungen? 
Keineswegs. Wir sind aus jedem göttlichen und menschlichen 
Grund berufen, unsere teueren Kleinen vor jedem bösen 
Einfluß zu schützen und sie in dem, was heilig und gut ist, 
zu erziehen. Nicht nur bezüglich unserer eigenen Kinder 
sollten wir so handeln, sondern auch im Hinblick auf die 
Tausende um uns her, die Schafen gleichen, die keinen Hirten haben und deren jedes sagen kann: „Niemand kümmert 
sich um meine Seele". 
131 
Möchten diese Bemerkungen vom Geist Gottes benutzt werden, um mächtig auf die Herzen aller derer zu wirken, die sie 
lesen, damit auf diese Weise ein wirkliches Erwachen zu 
einem Bewußtsein unserer hohen und heiligen Verantwortung für die Seelen um uns her bewirkt würde und sie aufgerüttelt würden aus der schrecklichen Erstarrung und Kälte, 
über die wir alle zu trauern haben. 
Die Betrachtung der Geschichte Josias und seiner Zeit zeigt 
uns zu unserer Belehrung den Wer t und die Autoritä t 
d e s Worte s Gottes . Diese Unterweisung ist von der 
größten Bedeutung für jedes Alter, für jede Zeit, für jede 
Lage, für den einzelnen Christen und für die ganze Versammlung Gottes. Jedem Herzen sollte die oberste Autoriät 
der Heiligen Schrift tief eingeprägt sein. Sie ist der einzige 
Schutz gegen die vielen Formen des Irrtums und des Bösen, 
die allerwärts überhandnehmen. Menschliche Schriften haben 
ohne Zweifel ihren Wert, aber als Autorität sind sie völlig 
wertlos. Daran müssen wir uns immer wieder erinnern. Das 
menschliche Herz hat eine starke Neigung, sich auf menschliche Autorität zu stützen. So konnte es geschehen, daß Millionen in der bekennenden Kirche der Heiligen Schrift beraubt werden konnten, weil sie in der Täuschung lebten und 
starben, daß sie das Wort Gottes ohne eine menschliche 
Autorität nicht verstehen könnten. Das bedeutet aber in 
Wirklichkeit, das Wort Gottes beiseitewerfen. Wenn dieses 
Wort ohne die Autoriät des Menschen nutzlos ist, dann erklären wir, daß es überhaupt das Wort Gottes nicht ist. Man 
sagt damit mit anderen Woren, daß Gottes Wort nicht ausreichend sei, wenn nicht etwas vom Menschen Herrührendes 
die Gewißheit verleihe, daß Gott es sei, Der da spricht. 
Das ist ein sehr gefährlicher Irrtum, und seine Wurzel liegt 
viel tiefer im Herzen als viele von uns meinen. Oft, wenn wir 
Stellen aus dem Worte Gottes anführen, wird uns gesagt: 
„Woher wissen Sie, daß dies Gottes Wort ist"? — Was bedeutet eine solche Frage? Man will damit offenkundig die 
Bedeutung des Wortes Gottes zunichtemachen. Das Herz, das 
eine solche Frage erhebt, hat sicher kein Bedürfnis, vom Worte 
Gottes geleitet zu werden. Der Wille ist dabei im Spiel. Hier332 
in liegt das tiefe Geheimnis. Es ist das Bewußtsein, daß das 
Wort etwas verurteilt, was das Herz festhalten und wertschätzen will, und deshalb bemüht man sich, das Wort Gottes ganz beiseitezulegen. 
Aber wie können wir wissen, daß das Buch, das die Bibel 
genannt wird, das Wort Gottes ist? Darauf antworten wir, 
daß es seine eigene Beglaubigung bei sich führt. Auf jeder 
Seite, in jedem Vers und in jeder Zeile führt es diesen Beweis. Zwar kann nur durch die Belehrung des Heiligen Geistes, des Verfassers dieses Buches, dieses Zeugnis erwogen 
und seine Beglaubigung recht erkannt werden. Aber wir benötigen zur Beglaubigung dieses Buches Gottes nicht das 
Siegel eines Menschen; und wenn wir uns nach einem solchen 
Siegel umsehen, befinden wir uns hinsichtlich der göttlichen 
Offenbarung auf dem Boden des Unglaubens. Wenn Gott 
nicht direkt zum Herzen sprechen kann, wenn Er nicht die 
Gewißheit geben kann, daß Er Selbst es ist, der spricht, wo 
sind wir dann? Wohin sollen wir uns dann wenden? Wenn 
Gott Selbst Sich nicht hörbar und erkennbar machen kann, 
vermag es der Mensch dann besser? Kann uns die Stimme 
des Menschen mehr Gewißheit geben als Gott? Benötigen 
wir die Autorität der Kirche, die Beschlüsse der Konzilien, 
die Ansicht der Kirchenväter und die Meinung der Gelehrten, um eine Gewißheit zu erlangen, die Gott nicht geben 
könnte? Wenn es so ist, stehen wir völlig hilflos da, und 
befinden uns in so tiefer Finsternis, als ob Gott gar nicht 
gesprochen hätte. Wenn Gott nicht geredet hat, sind wir natürlich ganz im Finstern; wenn Er aber geredet hat, wir 
aber Seine Stimme ohne die Autoriät oder Beglaubigung der 
Menschen nicht verstehen können, wo ist dann der Unterschied? Es ist klar, daß wenn Gott in Seiner großen Gnade 
uns eine Offenbarung gegeben hat, diese in sich selbst hinreichend sein muß und daß andererseits jede Offenbarung, 
die in sich selbst nicht hinreichend ist, unmöglich göttlichen 
Ursprungs sein kann. Ist es nicht ebenso klar, daß, wenn wir 
nicht dem Worte Gottes aus dem einfachen Grunde, weil es 
Gottes Wort ist, glauben können, wir auch keinen sicheren 
Grund dafür haben, wenn der Mensch sich anmaßt, sein beglaubigendes Siegel hinzufügen? 
133 
Man möge uns jedoch nicht mißverstehen. Wir bestehen nur 
darauf, daß die göttliche Offenbarung völlig ausreichend und 
über alle menschlichen alten, mittelalterlichen und neueren 
Schriften erhaben ist. Wir schätzen menschliche Schriften, 
gesunde Beurteilungen, tiefe und gründliche Gelehrsamkeit, 
das Licht wahrer Wissenschaft und Philosophie, das Zeugnis 
frommer Reisender, die versucht haben, über den Text der 
Schrift Licht zu geben, wir schätzen alle jene Schriften, die 
uns die Schätze des biblischen Altertums öffnen, —• kurz, wir 
schätzen alles, was uns beim Erforschen der Heiligen Schrift 
unterstützt, aber nach all diesem kehren wir mit desto stärkerem Nachdruck zu unserer Behauptung zurück, daß das 
Wort Gottes vollkommen hinreichend und die oberste Autorität ist. Dieses Wort muß auf seine eigentliche göttliche 
Autorität, ja, ohne irgendeine menschliche Empfehlung aufgenommen werden, sonst ist es für uns nicht das Wort Gottes. Wir glauben, daß Gott Selbst unseren Seelen die Gewißheit geben kann, daß die Heilige Schrift wirklich Sein 
eigenes Wort ist. Wenn Er diese Gewißheit nicht gibt, dann 
kann es auch kein Mensch, und wenn Er es tut, dann bedürfen wir keines Menschen. Der inspirierte Apostel schreibt 
seinem Sohn Timotheus: „Du aber bleibe in dem, was du 
gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du 
weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf 
die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise 
zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo 
Jesu ist" (2. Tim 3, 14. 15). 
Wie wußte Timotheus, daß die Heilige Schrift Gottes Wort 
war? — Er wußte es durch die göttliche Offenbarung. Er 
wußte, von W e m er gelernt hatte, — hierin lag das Geheimnis. Es war ein lebendiges Band zwischen seiner Seele und 
Gott, und er erkannte in der Schrift die wahre Stimme Gottes. So muß es immer sein. Es genügt nicht, nur im Verstand 
durch menschliche Beweise, menschliches Zeugnis und menschliche Empfehlungen überzeugt zu sein, daß die Bibel Gottes 
Wort ist, sondern wir müssen durch göttliche Unterweisung 
seine Kraft an Herz und Gewissen kennenlernen. Wenn dies 
der Fall ist, dann benötigen wir ebenso wenig menschliche 
134 
Beweise für die Göttlichkeit des Buches, wie wir am Mittag 
eine Lampe brauchen, um zu beweisen, daß die Sonne scheint. 
Wir werden glauben, was Gott sagt, weil Er es sagt, und 
nicht weil ein Mensch es bestätigt oder weil wir es fühlen. 
„Abraham glaubte Gott und es wurde ihm zur Gerechtigkeit 
gerechnet". Er hielt es nicht für nötig, zu den Chaldäern oder 
Ägyptern zu gehen, um von ihnen zu erfahren, ob das, was 
er gehört hatte in Wirklichkeit Gottes Wort sei. Er wußte, 
W e m er geglaubt hatte, und das gab ihm eine heilige Gewißheit. Er konnte auf alle Fragen sagen: „Gott hat durch 
Sein Wort ein Band zwischen meiner Seele und Ihm Selbst 
hergestellt, das keine Macht der Erde oder der Hölle zerreißen kann"! — Das ist der wahre Grund für jeden Gläubigen, 
für Mann, Frau und Kind, in jedem Alter und in allen Umständen. Das war der Grund für Abraham und Josia, für 
Jakob und Theophilus, für Paulus und Timotheus, und es 
muß auch der Grund sein für den Schreiber und Leser dieser 
Zeilen, denn sonst werden wir niemals gegen die steigende 
Flut des Unglaubens standhalten können, die gerade die 
Grundlagen hinwegschwemmt, auf denen Tausende von Bekennern ruhen. 
Wir dürfen jedoch wohl fragen: Kann ein nur allgemeines 
Bekenntnis, ein ererbter Glaube, ein durch Erziehung erlangtes Glaubensbekenntnis die Seele aufrechterhalten vor einer 
kühnen Zweifelsucht, die alles mit dem Verstand begreifen 
will und nichts glaubt? Unmöglich! Wir müssen vor dem 
Zweifler, dem Rationalisten und dem Ungläubigen stehen 
und mit der Ruhe und Würde eines von Gott gewirkten 
Glaubens sagen können: „Ic h weiß , we m ic h ge -
glaub t habe! " Dann werden uns solche Menschen und 
ihre Schriften wie Mücken im Sonnenschein erscheinen und 
nicht imstande sein, unseren Seelen die himmlischen Strahlen 
der Offenbarung unseres Vaters zu verbergen. Gott hat geredet, und Seine Stimme erreicht das Herz. Sie macht sich 
hörbar über dem Lärm und der Verwirrung dieser Welt und 
über dem Zanken und Disputieren der bekennenden Christen. 
Sie gibt Ruhe und Frieden, Kraft und Beharrlichkeit dem 
glaubenden Herzen. Die Meinungen der Menschen können 
135 
wechseln, irren und verwirren, sie befähigen uns nicht, unseren Weg durch die Irrgänge der menschlichen Systeme der 
Theologie zu finden, aber die Stimme Gottes redet in der 
Heiligen Schrift, sie redet zum Herzen, sie redet zu mir . 
Das ist Leben und Frieden, das ist alles, was ich brauche. 
Menschliche Schriften können nur nach ihrem wahren Wert 
geschätzt werden, wenn ich sehe, daß ich alles, was ich brauche, in der immer fließenden Quelle der göttlichen Inspiration, in dem unvergleichlich köstlichen Buch meines Gottes 
besitze. 
Wenden wir uns nun zu Josia zurück, und wir werden sehen, 
wie alles was wir soeben betrachtet haben, seine Erläuterung 
in dem Leben und in der Zeit dieses Mannes findet. 
„Acht Jahre war Josia alt, als er König wurde" (2. Chron 
34, 1). Dies liefert uns eine Geschichte des Zustandes und 
der Wege des Volkes Gottes. Josias Vater war nach einer 
zweijährigen schlechten Regierung in seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr von seinen eigenen Knechten ermordet 
worden. Solche Dinge hätten nicht vorkommen sollen. Sie 
waren die traurige Frucht der Torheit und der Sünde, die 
demütigen Beweise des Abfalls Judas von Jehova. Aber Gott 
war über allem, und obwohl wir nicht erwarten würden, ein 
achtjähriges Kind auf dem Throne Davids zu sehen, konnte 
doch dieses Kind seine sicheren Hilfsquellen in dem Gott 
seiner Väter finden, so daß, wie in allen anderen Fällen, so 
auch in diesem Falle, „wo die Sünde überströmend geworden, 
die Gnade noch überschwenglicher geworden ist". Gerade die 
Jugend und Unerfahrenheit Josias liefert eine Gelegenheit für 
die Entfaltung deT göttlichen Gnade und für das Hervortreten 
des Wertes und der Macht des Wortes Gottes. Dieser fromme Knabe befand sich in einer besonders schwierigen und 
versuchungsreichen Stellung. Er war umgeben von Irrtum 
in den verschiedensten, lange eingebürgerten Formen, aber 
„er tat was recht war in den Augen Jehovas; und er wandelte 
auf den Wegen seines Vaters David und wich nicht zur Rechten noch zur Linken. Und im achten Jahre seiner Regierung, 
als er noch ein Knabe war, fing er an, den Gott seines Vaters 
David zu suchen; und im zwölften Jahre fing er an, Juda 
136 
und Jerusalem von den Höhen und den Ascherim und den 
geschnitzten Bildern zu reinigen" (V. 2. 3). 
Das war ein guter Anfang. Es ist etwas Großes, das Herz, 
wenn es noch zart ist, mit der Furcht des Herrn erfüllt zu 
sehen. Dadurch wird es von einem Heer von bösen Dingen 
und Irrtümern bewahrt. „Die Furcht Jehovas ist der Weisheit 
Anfang". Diese Weisheit lehrte den frommen Jüngling erkennen, was „Recht ist", und ließ ihn anfangen mit beharrlicher Zielstrebigkeit. Es liegt eine große Kraft und ein großer Wert in dem Ausdruck: „Er tat, was recht war i n de n 
Auge n Jehovas" . Es war nicht das, was in seinen 
eigenen Augen oder in den Augen seines Volkes oder in den 
Augen seiner Vorfahren recht war, sondern einfach, was in 
den Augen Gottes recht war. Das ist der unerschütterliche 
Grund jeder richtigen Handlung. Ehe die Furcht des Herrn 
ihren wahren Platz im Herzen eingenommen hat, kann nichts 
recht, nichts weise, nichts heilig sein. Wie könnte es auch 
möglich sein, wenn in der Tat die Furcht Gottes der Weisheit 
Anfan g ist? Wir können vieles durch die Furcht vor Menschen, durch die Macht der Gewohnheit und durch den uns 
umgebenden Einfluß tun, aber nie können wir das tun, was 
wirklich in den Augen Gottes recht ist, wenn nicht unsere 
Herzen dahin gebracht sind, die Furcht Seines heiligen Namens zu verstehen. Das ist der große Grundsatz. Diese 
Furcht gibt Ernst, Eifer und Aufrichtigkeit und verleiht seltene und bewundernswürdige Eigenschaften. Sie ist ein wirksamer Schutz gegen Leichtfertigkeit und Eitelkeit. Ein Mann, 
der gewohnheitsmäßig in der Furcht Gottes wandelt, ist immer emst und aufrichtig, immer frei von Tändelei und Ziererei, vor; Anmaßung und Auflehnung. Das Leben hat für ihn 
einen Zweck, das Herz einen Gegenstand: und dies verleiht 
dem ganzen Wandel und Charakter seine Richtung. 
Aber wir lesen ferner von Josia, daß „er wandelte auf den 
Wegen seines Vaters David und wic h nich t zu r 
Rechte n noc h zu r Linken" . Welch ein Zeugnis 
des Heiligen Geistes für den jungen König! Wie kostbar ist 
ein solches Urteil zu allen Zeiten, besonders aber zu einer 
137 
Zeit der Schlaffheit und des Verderbens, der falschen Freisinnigke't und der unechten Liebe, wie in der heutigen Zeit! 
Ein solches Zeugnis verleiht dem Herzen großen Frieden. Ein 
schwankender Mensch hat diesen Frieden nicht, er wird hin 
und her geworfen. „Ein wankelmütiger Mann (ist) unstet in 
allen seinen Wegen". Er bemüht sich, jedem zu gefallen und 
gefällt schließlich niemandem. Ein entschiedener, aufrichtiger 
Mann fühlt, daß er nur Einem zu gefallen hat. Das verleiht 
dem Leben Einheit und Festigkeit. Es ist ein unendlicher 
Trost, ganz mit Menschengefälligkeit und Augendienerei gebrochen zu haben und fähig zu sein, das Auge allein auf 
den Herrn gerichtet zu halten und mit Ihm durch gute und 
böse Gerüchte voranzugehen. Wir können freilich mißverstanden und verkannt werden, aber das ist wahrlich etwas 
Geringes. Unsere Hauptaufgabe ist, in dem von Gott vorgezeichneten Pfade zu wandeln und weder „zur Rechten noch 
zur Linken" abzuweichen. Wir sind überzeugt, daß feste 
Entschiedenheit gegenwärtig für den Diener Christi das einzige ist, was ihn aufrechterhalten kann, denn sobald uns der 
Feind wankend findet, wird er jeden Kunstgriff anwenden, 
um uns völlig von dem ebenen und schmalen Weg wegzutreiben. Möchte der Geist Gottes mächtiger in unseren Herzen wirken und uns mehr befähigen zu sagen: „Befestigt ist 
mein Herz, o Gott, befestigt ist mein Herz! Ich will singen 
und Psalmen singen". 
Wir wollen nun weiter das große Werk betrachten, zu dessen Ausführung Josia berufen war. Aber bevor wir damit 
beginnen, müssen wir den Leser bitten, besonders auf die 
bereits erwähnten Worte zu. achten: „Im achten Jahre seiner 
Regierung, als er noch ein Knabe war, fing er an, de n Got t 
seine s Vater s Davi d z u suchen" . Wir können 
versichert sein, daß hierin das wahre Fundament des ganzen, 
so großen Dienstes Josias lag. Er fing an, Gott zu suchen. 
Möchten dies alle unsere jungen Christen erwägen! Wir 
fürchten, daß Hunderte durch vorzeitiges Eilen Schiffbruch 
erlitten haben. Sie waren mit ihrem Herzen beschäftigt und 
darin verwickelt, noch ehe das Herz wahrhaft in der Furcht 
und Liebe Gottes befestigt war. Das ist in der Tat ein sehr 
138 
ernster Fehler, in den schon viele verfallen sind. Wir dürfen 
n'cht aus dem Auge verlieren, daß Gott diejenigen, die Er in 
der Öffentlichkeit gebraucht, im Geheimen erzieht, und daß 
alle Seine bevorzugten Diener mehr mit ihrem Herrn als mit 
ihrem Werk beschäftigt gewesen sind. Wir unterschätzen das 
Werk keineswegs, aber wir finden, daß alle diejenigen, die 
besonders von Gott anerkannt waren und eine lange und 
ununterbrochene Laufbahn des Dienstes und des christlichen 
Zeugnisses hatten, mit einer viel gründlicheren, ernsten Herzensarbeit im Verborgenen der Gegenwart Gottes begonnen 
haben. Andererseits haben wir bemerkt, daß jemand, der 
vorzeitig in das öffentliche Werk geeilt war und angefangen 
hatte zu lehren, ehe er zu lernen begonnen hatte, schnell 
zusammengebrochen und zurückgegangen ist. 
Es ist gut, dies zu beachten. Gottes Pflanzen sind tief gewurzelt und wachsen oft langsam. Josia fing an, „Gott zu su -
chen" . Die vier Jahre, ehe er seine öffentliche Wirksamkeit begann, bildeten ein solides Fundament von echter persönlicher Frömmigkeit, auf dem der Oberbau des tätigen 
Dienstes errichtet werden konnte. Das war sehr nötig, denn 
er hatte ein großes Werk zu tun. Höhen und Ascherim, geschnitzte und gegossene Bilder nahmen allerwärts überhand 
und erforderten ein großes Maß an Treue und Entschiedenheit zu ihrer Bekämpfung. Wo war dies zu finden? In der 
göttlichen Schatzkammer, und nur dort allein. Josia war nur 
ein Knabe, und viele von denen, die den falschen Gottesdienst eingeführt hatten, waren Männer von Alter und Erfahrung. Aber er begann Jehova zu suchen. Er fand seine 
Hifsquellen bei dem Gott seines Vaters David. Er begab sich 
selbst zur Urquelle aller Weisheit und Macht und umgürtete 
sich dort mit Kraft für das vor ihm liegende Werk. 
Wir wiederholen, daß dieser erste Schritt sehr nötig, ja, unerläßlich war. Der aufgehäufte Schmutz von Jahrhunderten 
und Generationen lag vor seinen Füßen. Unter seinen Vorgängern hatte einer um den anderen den Haufen vergrößert, 
und trotz der in den Tagen Hiskias bewirkten Reformation 
wollte es doch scheinen, als ob alles noch einmal geschehen 
müsse. Man höre, wie schrecklich das Böse und die Verir139 
rungen waren, die uns in der Schrift überliefert sind: „Im 
zwölften Jahre fing er an, Juda und Jerusalem von den Höhen und den Ascherim und den geschnitzten und gegossenen 
Bildern zu reinigen. Und man riß die Altäre der Baalim vor 
ihm nieder; und die Sonnensäulen, welche oben auf denselben waren, hieb er um; und die Ascherim und die geschnitzten und die gegossenen Bilder zerschlug und zermalmte er, und streute sie auf die Gräber derer, welche ihnen 
geopfert hatten; und die Gebeine der Priester verbrannte er 
auf ihren Altären. Und so reinigte er Juda und Jerusalem. 
Und in den Städten von Manasse und Ephraim und Simeon, 
und bis nach Naphtali hin, in ihren Trümmern ringsum, riß 
er die Altäre nieder; und die Ascherim und die geschnitzten 
Bilder zertrümmerte er, indem er sie zermalmte ; und 
alle Sonnensäulen hieb er um i m ganze n Land e Is -
rael . Und er kehrte nach Jerusalem zurück" (Verse 3-8). 
In 2. Kö finden wir ein noch viel ausführlicheres Verzeichnis 
der Greuel, mit denen dieser ergebene Diener Gottes zu 
kämpfen hatte. Wir wollen jedoch nichts weiter daraus anführen, denn das bereits Erwähnte genügt, um uns zu zeigen, 
wie sehr sich selbst das Volk Gottes verirren kann, wenn es 
sich einmal auch nur im geringsten Maße von der Autorität 
der Heiligen Schrift abwendet. Wir fühlen, daß es eine ganz 
besondere Unterweisung ist, die uns die höchst interessante Geschichte dieses besten der Könige von Juda liefert. 
Es ist in der Tat eine ernste Unterweisung. Von dem Augenblick, da jemand um Haaresbreite von der Schrift abweicht, 
lassen sich die großen Fehltritte, die er begehen kann, nicht 
ausdenken. Wir mögen erstaunt sein, daß ein Mann wie Salomo dahin kommen konnte, der Astoreth, der Gottheit der 
Zidonier, dem Milkom, dem Greuel der Ammoniter, und 
dem Kamos, dem Greuel der Moabiter, nachzuwandeln und 
ihnen Stätten zu errichten. Aber wenn wir bedenken, daß er 
zuerst gegen das Wort Jehovas Frauen aus den Nationen 
nahm, so kann es uns nicht befremden, daß er auch in den 
größeren Irrtum fiel, deren Gottesdienst anzunehmen. 
Ja, mein christlicher Leser, laßt uns nicht aus den Augen verlieren, daß alle diese Verfehlungen, diese ganze Verderbtheit 
140 
und Verwirrung, diese Schmach und Entehrung ihren Ursprung 
in der Vernachlässigung des Wortes Gottes hatten. Das ist 
eine ernste Tatsache, die beachtet werden muß. Es war immer die besondere Absicht Satans, das Volk Gottes von der 
Schrift abzulenken. Zu diesem Zweck benutzte er alles: die 
Überlieferung, die sogenannte Kirche, die Zweckmäßigkeit, 
die menschliche Vernunft, die öffentliche Meinung, den Ruf, 
den Charakter, den Einfluß und die Stellung eines Menschen. 
Alles dies gebraucht er, um Herzen und Gewissen von dem 
wahrhaft göttlichen Wahlspruch: „Es steht geschrieben!" abzulenken. Die ungeheure Menge der Irrtümer, die der junge 
fromme König zu zermalmen vermochte, hatte seinen Ursprung in der Vernachlässigung des göttlichen Buches. Es 
kümmerte Josia wenig, daß alle diese Dinge sich des Alters 
sowie der Autorität der Väter des jüdischen Volkes rühmen 
konnten, und er war auch ebenso wenig durch den Gedanken 
bewegt, diese Altäre und Höhen, diese Ascherim und Bilder 
als Beweise der Weitherzigkeit und Freisinnigkeit gegenüber 
der Beschränktheit, Frömmelei und Unduldsamkeit zu betrachten und in ihnen die Spender des Fortschrittes zu. sehen, 
die nicht in die engen Grenzen jüdischer Vorurteile eingeschlossen sein sollten, sondern durch die weite Welt reisen 
und alles in den Kreis der Liebe und der Brüderschaft einschließen konnten. Nichts beeinflußte ihn. Alles, was nicht 
in dem „So spricht der Herr!" seine Grundlage hatte, das 
zermalmte er. 
Die verschiedenen Abschnitte im Leben Josias sind scharf 
bezeichnet. „Im achten Jahre seiner Regierung, . . . fing er 
an, den Gott seines Vaters David zu suchen". — „Im zwölften 
Jahre fing er an, Juda und Jerusalem von den Höhen usw. 
. . . zu reinigen". — „Und im achtzehnten Jahre seiner Regierung, während er das Land und das Haus reinigte, sandte 
er Schaphan, den Sohn Azaljas, und Maaseja, den Obersten 
der Stadt, und Joach, den Sohn Joachas', den Geschichtschreiber, um das Haus Haus Jehovas, seines Gottes, auszubessern". 
Aus diesem allem können wir nun jenen Fortschritt wahrnehmen, der immer auf eine wirkliche Herzensabsicht, dem 
141 
Herrn zu dienen, folgt. „Der Pfad der Gerechten ist wie das 
glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe". Solch ein Pfad war der Weg Josias, und so kann 
auch der Pfad des Lesers sein, wenn er denselben Herzensentschluß hat. Es spielt keine Rolle, wie die Umstände beschaffen sind. Wir können von den feindseligsten Einflüssen 
umgeben ein, wie es Josia in seiner Zeit war, aber ein Herz 
voll Hingabe, ein ernstlicher Wille und Entschlossenheit werden uns durch die Gnade über alles erheben und uns befähigen, von Stufe zu Stufe auf dem Pfad der Jüngerschaft 
vorwärtszukommen. 
Wenn wir die ersten zwölf Kapitel des Buches Jeremia durchgehen, können wir uns eine Vorstellung von dem Zustand in 
den Tagen Josias machen. Dort lesen wir: „Ich werde meine 
Gerichte über sie sprechen wegen all ihrer Bosheit, daß sie 
mich verlassen und anderen Göttern geräuchert und vor den 
Werken ihrer Hände sich niedergebeugt haben. Du aber gürte 
deine Lenden und mache dich auf, und rede zu ihnen alles 
was ich dir gebieten werde; verzage nicht vor ihnen, damit 
ich dich nicht vor ihnen verzagt mache". — „Darum werde 
ich weiter mit euch rechten, spricht Jehova; und mit euren 
Kindeskindern werde ich rechten. Denn gehet hinüber zu den 
Inseln der Kittäer und sehet, und sendet nach Kedar und 
merket auf; und sehet, ob dergleichen geschehen ist! Hat irgend eine Nation die Götter vertauscht? Und doch sind sie 
nicht Götter; aber mein Volk hat seine Herrlichkeit vertauscht 
gegen das was nichts nützt". — So finden wir auch zu Beginn des dritten Kapitels ein schreckliches Bild gebraucht, um 
den bösen Wandel des abtrünnigen Israel und des verstockten Juda darzustellen, und im vierten Kapitel lesen wir die 
Worte: „Dein Weg und deine Handlungen haben dir solches 
bewirkt; dies ist deine Bosheit; ja, es ist bitter, ja, es dringt 
bis an dein Herz. Meine Eingeweide, meine Eingeweide! Mir 
ist angst! Die Wände meines Herzens! Es tobt in mir mein 
Herz! Ich kann nicht schweigen! Denn du, meine Seele, hörst 
den Schall der Posaune, Kriegsgeschrei: Zerstörung über Zerstörung wird ausgerufen. Denn das ganze Land ist verwüstet; plötzlich sind meine Zelte zerstört, meine Zeltbehänge 
142 
in einem Augenblick. Wie lange soll ich das Panier sehen, 
den Schall der Posaune hören? — Denn mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht; törichte Kinder sind sie und 
unverständig. Weise sind sie, Böses zu tun; aber Gutes zu 
tun verstehen sie nicht. — Ich schaue die Erde an, und siehe, 
sie ist wüst und leer; und den Himmel, und sein Licht ist 
nicht da. Ich schaue die Berge an, und siehe, sie beben; und 
alle Hügel schwanken. Ich schaue, und siehe, kein Mensch 
ist da, der Karmel ist eine Wüste; und alle seine Städte sind 
niedergerissen vor Jehova, vor der Glut seines Zornes". 
Welch eine lebendige Sprache! Für den Blick des Propheten 
ist der ganze Schauplatz in den ursprünglichen chaotischen 
Zustand und die Finsternis zurückgefallen. Nichts konnte 
trüber sein als der hier geschilderte Anblick. Alle diese Kapitel müssen sorgfältig betrachtet werden, wenn wir ein richtiges Urteil über die Zeit Josias erhalten wollen. Es war offenkundig eine Zeit tiefsitzender und allgemein verbreiteter 
Verderbnisse jeder Art. Hohe und Niedrige, Reiche und Arme, Gelehrte und Ungelehrte, Propheten, Priester und Volk, 
alle stellten ein abschreckendes Bild von Falschheit, Betrug 
und herzloser Bosheit dar, das nur von einer inspirierten 
Feder treu dargestellt werden konnte. 
Warum verweilen wir hierbei? Warum führen wir Beweise 
an von dem sittlichen Zustand Israels und Judas in den Tagen des Königs Josia? Hauptsächlich, um zu zeigen, daß wir 
persönlich dem Herrn dienen können, wenn nur das Herz 
die Absicht hat, es zu tun; denn in den dunkelsten Zeiten 
strahlt das Licht treuer Hingebung am hellsten, es sticht von 
der Dunkelheit ringsumher umso mehr ab. Gerade die Umstände, die Gleichgültigkeit und Untreue als Vorwand für 
die Nachgiebigkeit, dem Strome zu folgen, gebrauchen wollen, liefern einem ergebenen Herzen einen Grund, sich dagegen zu stemmen. Wenn Josia um sich schaut, was sah 
er? Verrat, Betrug, Verderbtheit und Gewalttat. So war 
der Zustand der öffentlichen Moral. Und wie stand es 
um die Religion? Verkehrtes und Böses in jeder nur denkbaren Form. Einiges davon stammte aus sehr alter Zeit. 
Es wurde von Salomo eingeführt, und selbst Hiskia hatte 
143 
es bestehen lassen. Der Grund dazu wurde schon in der 
glänzenden Regierung des weisesten und reichsten Königs 
von Israel gelegt, und der frömmste und der ergebenste unter 
den Vorfahren Josias hatte es bestehen lassen, wo er es vorfand. 
Wer war denn Josia, daß er sich anmaßte, so ehrwürdige 
Einrichtungen umzustoßen? Welches Recht hatte er, der noch 
so junge, unerfahrene Mann, sich in Widerspruch zu setzen 
mit Männern, die ihn an Weisheit, Einsicht und reifem Urteil 
weit übertrafen? Warum ließ er die Dinge nicht, wie er sie 
fand? Warum erlaubte er dem Strome nicht, ruhig in dem 
Bett weiterzufließen, das ihm seit Generationen gegeben 
worden war? Eingriffe sind gewagt; es ist ein großes Wagnis, allen Vorurteilen entgegenzutreten. Diese und tausend 
ähnliche Fragen hätten das Herz Josias bewegen können, aber 
die Antwort war einfach, klar und entschieden. Es war nicht 
das Urteil Josias gegenüber dem Urteil seiner Vorfahren, 
sondern das Urteil Gottes gegen alles. Das ist ein sehr 
wichtiger Grundsatz für jedes Kind Gottes und für jeden 
Diener Christi. Ohne ihn können wir uns nie dem Strome 
des Bösen, der um uns herfließt, entgegenstellen. Dieser 
Grundsatz hielt Luther aufrecht in dem harten Kampf, den 
er mit der ganzen Christenheit zu führen hatte. Auch er 
mußte, wie Josia, die Axt an die Wurzel alter Vorurteile 
legen und gerade an der Grundlage der Meinungen und 
Lehren rütteln, die seit mehr als tausend Jahren allgemeine 
Geltung in der Kirche hatten. Wie konnte das geschehen? 
Etwa dadurch, daß man das Urteil Martin Luthers gegen das 
Urteil der Päpste und Kardinäle, der Konzilien, Bischöfe und 
Lehrer stellte? Gewiß nicht; das hätte die Reformation sicher 
nicht herbeigeführt. Es war nicht Luther gegen die Christenheit, sondern die Heilige Schrift gegen den Irrtum. 
Möchten wir das wohl bedenken! Dies ist für unsere Zeit 
eine ebenso wichtige Lektion wie für die Tage Luthers und 
Josias. Wir fordern die Oberherrschaft der Heiligen Schrift, 
die oberste Autorität des Wortes Gottes, die unumschränkte 
Herrschaft der göttlichen Offenbarung, ehrfurchtsvoll von 
der Kirche Gottes in ihrer ganzen Ausdehnung anerkannt. 
144 
Wir sind überzeugt, daß man allerorts und durch alle Mittel fleißig bestrebt ist, die Autorität des Wortes zu untergraben und seinen Einfluß auf das menschliche Gewissen 
zu schwächen. Und weil wir dies fühlen, suchen wir immer 
wieder den Ruf einer ernsten Warnung zu erheben und nach 
unserer Fähigkeit hervorzuheben, wie wichtig es ist, sich in 
allen Dingen der inspirierten Schrift zu unterwerfen, der 
Stimme Gottes in der Schrift. Es ist notwendig, daß wir in 
allen Dingen unbedingt von der Autorität der Schrift begleitet werden. — nicht von der Auslegung der Schrift durch 
sterbliche Männer, sondern von der Schrift selbst. Es ist notwendig, daß wir der Lehre des Wortes Gottes zu allen Zeiten 
und in jeder Lage den ersten und letzten Platz einräumen. 
Dies finden wir in sehr lebendiger Weise dargestellt im Leben und in den Zeiten Josias, und besonders in den Vorgängen des achtzehnten Jahres seiner Regierung, auf die wir jetzt 
die Aufmerksamkeit des Lesers richten wollen. Dies Jahr war 
eines der denkwürdigsten, nicht nur in der Geschichte Josias, 
sondern auch in den Annalen Israels. Es zeichnete sich durch 
zwei große Tatsachen aus: die Entdeckung des Gesetzbuches 
und die Feier des Passah. Wunderbare Ereignisse! Ereignisse, 
die ihren Eindruck auf diesem sehr wichtigen Zeitabschnitt 
hinterlassen haben und ihn in bezug auf die Belehrung für 
das Volk Gottes zu allen Zeiten überaus fruchtbar gemacht 
haben. 
Es ist erwähnenswert, daß die Entdeckung des Gesetzbuches 
gerade in der Zeit gemacht wurde, als die reformatorischen 
Maßnahmen Josias ihren Fortgang nahmen. Dies liefert 
einen der Tausende von Beweisen des großen praktischen 
Grundsatzes, daß „jedem, der da hat, wird gegeben werden, 
und er wird Überfluß haben". — Und: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob 
sie aus Gott ist". 
„Im achtzehnten Jahre seiner Regierung, während er das 
Land und das Haus reinigte, sandte er Schaphan, den Sohn 
Azaljas, und Masseja, den Obersten der Stadt, und Joach, 
den Sohn Joachas', den Geschichtsschreiber um das Haus 
Jehovas, seines Gottes, auszubessern. Und sie kamen zu 
145 
Hilkija, dem Hohenpriester, und gaben das Geld, welches 
in das Haus Gottes gebracht worden war . . . Und als sie 
das Geld herausnahmen, welches in das Haus Jehovas gebracht worden war, fand der Priester Hilkija das Buch des 
Gesetzes Jehovas durch Mose. Da hob Hilkija an und sprach 
zu Schaphan, dem Schreiber: Ich habe das Buch des Gesetzes 
im Hause Jehovas gefunden. Und Hilkija gab das Buch Schaphan. Und Schaphan brachte das Buch zu dem König; Und 
Schaphan las darin vor dem König. Und es geschah, als der 
König die Worte des Gesetzes hörte, da zerriß er seine Kleider" (2. Chron 34, 8-19). 
Hier haben wir ein zartes Gewissen, das sich unter die Wirkung des Wortes Gottes beugt. Das war ein besonderer Zug 
im Charakter Josias. Er war in der Tat ein Mann mit einem 
demütigen und zerschlagenen Geist, der bei dem Wort Gottes 
zitterte. Möchten wir alle mehr davon kennen! Es ist ein 
sehr beachtenswerter Zug des christlichen Charakters. Wir 
haben sicher nötig, das Gewicht, die Autorität und den Ernst 
der Schrift weit tiefer zu fühlen. Josia hatte in seinem Herzen keine Frage über die Echtheit und Glaubwürdigkeit der 
Worte, die Schaphan ihm vorgelesen hatte. Wir lesen nicht, 
daß er gesagt hat: „Wie kann ich wissen, daß dies das Wort 
Gottes ist"? Nein, er zitterte davor. Er beugte sich vor ihm. 
Er wurde dadurch niedergeschlagen. Er zerriß seine Kleider. 
Er maßte sich nicht an, über das Wort Gottes zu Gericht zu 
sitzen, sondern er ließ zu, daß das Wort Gottes ihn richtete, 
wie es geziemend und recht war. 
So sollte es stets sein. Wenn der Mensch die Schrift beurteilen kann, dann ist die Schrift keineswegs das Wort Gottes. 
Aber wenn die Schrift in Wahrheit Gottes Wort ist, dann 
muß sie den Menschen beurteilen. Und das tut sie. Die 
Schrift ist das Wort Gottes und beurteilt den Menschen 
gründlich. Sie legt die Wurzeln seiner Natur bloß, sie 
schließt die Grundlagen seines sittlichen Wandels auf, sie 
hält ihm den einzigen wahren Spiegel vor, in dem er sich in 
seiner wirklichen Gestalt sehen kann. Das ist der Grund, 
warum der Mensch die Schrift nicht liebt, sie nicht ertragen 
kann, sie beiseite setzen will, seine Freude darin findet, sie 
146 
mit Geringschätzung zu betrachten, und es wagt, über sie 
zu Gericht zu sitzen. Er macht es nicht so mit anderen Büchern. Aber das ist erklärlich. Denn die Schrift beurteilt ihn, 
richtet seine Wege, seine Lüste. Daher kommt die Feindschaft des natürlichen Herzens gegen dies so kostbare und 
wunderbare Buch, das, wie wir bereits bemerkt haben, für 
jedes göttlich zubereitete Herz seine eigene Beglaubigung 
bei sich führt. Es ist eine Macht in der Schrift, die alles vor 
ihr niederdrücken muß. Alles muß sich früher oder später 
vor ihr beugen. „Denn das Wort Gottes ist lebendig und 
wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und 
durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl 
der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der 
Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf 
ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor 
den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben" (Hebr 4, 
12. 13). 
Josia fand, daß es gerade so sein müsse. Das Wort Gottes 
durchbohrte ihn durch und durch. „Und es geschah, als der 
König die Worte des Gesetzes hörte, da zerriß er seine Kleider. Und der König gebot Hilkija und Achikam, dem Sohne 
Schaphans, und Abdon, dem Sohne Michas, und Schaphan, 
dem Schreiber, und Asaja, dem Knechte des Königs, und 
sprach: Gehet hin, befraget Jehova für mich und für die Übriggebliebenen in Israel und in Juda wegen der Worte des 
aufgefundenen Buches. Denn groß ist der Grimm Jehovas, 
der sich über uns ergossen hat, darum daß unsere Väter das 
Wort Jehovas nicht beachtet haben, um nach allem zu tun, 
was in diesem Buche geschrieben steht" (V. 19-21). — Welch 
ein auffallender Gegensatz zwischen Josia, der mit betrübtem Herzen, erwachtem Gewissen und zerrissenen Kleidern 
sich unter die gewaltige Wirkung des Wortes Gottes niederbeugte, und unseren Zweiflern und Ungläubigen, die mit erschreckender Kühnheit es wagen, über dasselbe Wort zu Gericht zu sitzen. O daß die Menschen doch beizeiten weise sein 
und ihre Herzen und Gewissen in ehrfurditsvoller Unterwerfung unter das Wort des lebendigen Gottes bringen möchten, 
ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt, an dem 
147 
sie unter Weinen, Wehklagen und Zähneknirschen genötigt 
sein werden, sich unter das Wort Gottes zu beugen! 
Das Wort Gottes wird immer bestehen bleiben, und es hilft 
dem Menschen nicht, sich ihm zu widersetzen oder durch 
seine überlegenen und zweifelnden Spekulationen Irrtümer 
und Widersprüche darin ausfindig machen zu wollen. „In 
Ewigkeit, Jehova, steht dein Wort fest in den Himmeln". — 
„Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte 
aber sollen nicht vergehen". — „Das Wort des Herrn bleibt 
in Ewigkeit". — Was kann es daher dem Menschen nützen, 
dem Worte Gottes zu widerstehen? Er kann nichts gewinnen; aber ach, wie vieles kann er verlieren! Wenn ein Mensch 
die Unechtheit der Bibel beweisen könnte, was hätte er dabei 
gewonnen? Aber wenn sie doch wahr ist, was verliert er? 
Welch eine ernste Wahrheit! Möchte ihr Ernst doch von 
jedem gefühlt werden, dessen Herz unter dem Einfluß von 
Schlußfolgerungen oder ungläubiger Einwendungen steht! 
Fahren wir jedoch in unserer Geschichte fort. 
„Da gingen Hilkija und diejenigen, welche der König entboten hatte, zu der Prophetin Hulda, dem Weibe Schallums, 
des Sohnes Tokhaths, des Sohnes Hasras, des Hüters der 
Kleider; sie wohnte aber zu Jerusalem im zweiten Stadtteile; 
und sie redeten auf diese Weise zu ihr" (V. 22). — Beim 
Beginn unserer Betrachtung bemerkten wir die Tatsache, daß 
als Kennzeichen des Zustandes im Volk Gottes ein achtjähriges Kind auf dem Thron Davids saß. Hier stehen wir vor 
der Tatsache, daß der prophetische Dienst von einer Frau 
ausgeübt wird. Sicher soll damit etwas gesagt werden. Der 
Zustand des Volkes hatte einen Tiefpunkt erreicht, aber die 
Gnade Gottes war unerschöpflich und überströmend, und 
Josia war so völlig gebrochen, daß er bereit war, die Mitteilung des Herzens Gottes anzunehmen, durch welchen Mund 
sie auch zu ihm gelangen mochte. Das ist in der Tat beachtenswert. Nach Ansicht der Natur mag es für den König Judas sehr demütigend gewesen sein, zu den Ratschlägen einer 
Frau seine Zuflucht nehmen zu müssen. Aber damals war 
diese Frau die Verwalterin der Geheimnisse des Herzens 
Gottes, und dies war völlig genug für einen zerschlagenen 
148 
und betrübten Geist. Er hatte bis dahin den Beweis abgelegt, 
daß sein größtes Verlangen darin bestand, den Willen Gottes 
zu erkennen und zu tun; und daher bekümmerte es ihn 
nicht, durch welches Mittel dieser Wille an sein Ohr drang. 
Er war bereit zu hören, und zu gehorchen. 
Hierin liegt zu allen Zeiten das wahre Geheimnis einer göttlichen Leitung. „Er leitet die Sanftmütigen im Recht, und 
lehrt die Sanftmütigen seinen Weg" (Ps 25, 9). Wäre diese 
gesegnete Gesinnung der Demut mehr unter uns vorhanden, 
dann würde weniger Verwirrung und Widerspruch, weniger 
Streit und Hader um Worte sein, die keinen Nutzen schaffen. Wenn wir alle demütig wären, würden wir alle göttlich 
geleitet und göttlich belehrt werden, eines Sinnes zu sein, 
ein und dasselbe zu reden und die Zersplitterungen und gegenseitigen Anfeindungen entschieden zu vermeiden. 
Welch eine deutliche Antwort empfängt der demütige und 
betrübte König aus dem Mund der Prophetin Hulda — sowohl für sein Volk als auch für sich selbst. „Und sie sprach 
zu ihnen: So spricht Jehova, der Gott Israels: Saget dem 
Manne, der euch zu mir gesandt hat: So spricht Jehova: 
Siehe, ich will Unglück bringen über diesen Ort und über 
seine Bewohner: alle die Flüche, welche in dem Buche geschrieben sind, das man vor dem König von Juda gelesen 
hat. Darum daß sie mich verlassen und anderen Göttern geräuchert haben, um mich zu reizen mit all den Machwerken 
ihrer Hände, so hat sich mein Grimm über diesen Ort ergossen, und er wird nicht erlöschen" (V. 23-25). Dies alles 
war nur die feierliche Wiederholung dessen, was das offene 
und aufmerksame Ohr des Königs schon gehört hatte, aber 
es kam mit Gewalt, Nachdruck und Gewicht, frisch und als 
eine direkt und persönlich an ihn gerichtete Mitteilung. Es 
kam verstärkt und gesteigert durch den ernsten Ausspruch: 
„Saget dem Manne, der euch zu mir gesandt hat". 
Aber hier fand sich noch mehr. Auch eine Gnadenbotschaft, 
die Josia selbst betraf, war noch vorhanden. „Zu dem König 
von Juda aber, der euch gesandt hat, um Jehova zu befragen, zu ihm sollt ihr also sprechen: So spricht Jehova, der 
Gott Israels: Die Worte anlangend, die du gehört hast, — 
149 
weil dein Herz weich geworden, und du dich vor Gott gedemütigt hast, als du seine Worte über diesen Ort und über 
seine Bewohner hörtest, und dich vor mir gedemütigt und 
deine Kleider zerrissen und vor mir geweint hast, so habe ich 
es auch gehört, spricht Jehova. Siehe, ich werde dich zu. deinen Vätern versammeln, und du wirst zu deinen Gräbern 
versammelt werden in Frieden; und deine Augen sollen all 
das Unglück nicht ansehen, das ich über diesen Ort und über 
seine Bewohner bringen werde. Und sie brachten dem König 
Antwort" (V. 26-28). 
Dies alles ist voll Belehrung und Ermutigung für uns in 
diesen dunklen und bösen Tagen. Wir lernen hier den Wert 
einer tiefen persönlichen Betrübnis des Herzens nach göttlicher Wertschätzung kennen. Josia hätte den Fall als hoffnungslos betrachten und denken können, daß nichts den gewaltigen Strom des Zornes und des Gerichts, der über die 
Stadt Jerusalem und das Land Israel herabstürzen würde, 
aufhalten könnte, daß jede Anstrengung, ihn aufzuhalten, 
sich als vollkommen nutzlos erweisen würde, daß es der 
Vorsatz Gottes sei, das Gericht auszuführen, — kurz, daß er 
nur dabeizustehen und den Dingen ihren Lauf zu lassen habe. Aber Josia urteilte nicht so. Er beugte sich vor dem göttlichen Zeugnis. Er demütigte sich, zerriß seine Kleider und 
weinte. Gott nahm Kenntnis davon. Josias Bußetränen waren 
köstlich für Jehova, und obwohl das schreckliche Gericht seinen Lauf nehmen mußte, so entkam doch der Bußfertige. 
Und nicht nur entkam er selbst, sondern er wurde in der 
Hand Jehovas zu einem gesegneten Werkzeug, um auch andere zu retten. Er überließ sich nicht dem Einfluß eines gefährlichen Verhängnis-Glaubens, sondern er warf sich mit 
gebrochenem Geist und zerknirschtem Herzen vor Gott, indem 
er seine eigene Sünde und die Sünde des Volkes bekannte. 
Und als er von seiner eigenen Rettung überzeugt war, suchte 
er auch die Rettung seiner Brüder zu bewirken. Das ist eine 
herrliche Belehrung für das Herz. 
Es ist sehr anziehend und belehrend, die Handlungen Josias 
zu betrachten, als sein Herz und Gewissen unter den mächtigen Einfluß des Wortes Gottes gebracht waren. Er beugte 
150 
nicht nur sich selbst unter dieses Wort, sondern versuchte 
auch andere dahin zu bringen. Das wird immer der Fall 
sein, wenn das Werk echt ist. Es ist unmöglich, daß jemand 
das Gewicht und die Erhabenheit der Wahrheit fühlt, ohne 
sich zugleich auch angeregt zu fühlen, andere unter ihre 
Wirkung zu bringen. Allerdings kann ein Teil der Wahrheit 
vom Verstand, oberflächlich und in einer nur spekulativen, 
eingebildeten Weise festgehalten werden, aber dies wird keine 
praktische Wirkung haben. Es sagt dem Herzen und Gewissen nichts, es berührt nicht das Leben und den Charakter. 
Wenn aber die Wahrheit nicht unsere eigenen Seelen berührt 
hat, wird es, wenn wir sie darstellen wollen, keinen Einfluß 
auf andere ausüben. Zwar ist Gott unumschränkt, und Er 
kann Sein Wort gebrauchen, selbst wenn es von jemand vorgetragen wird, der nie wirklich seinen Einfluß gefühlt hat, 
aber wir dürfen versichert sein, daß wir die Wahrheit selbst 
tief fühlen müssen, wenn wir in anderen ein tiefes Gefühl 
davon hervorbringen wollen. 
Nehmen wir als Beispiel irgendeine Wahrheit, z. B. die vom 
Kommen des Herrn. Wie kann jemand seine Zuhörer durch 
ihre Darstellung einnehmen? Ohne Zweifel doch nur dann, 
wenn er selbst tief von ihr eingenommen ist. Wenn das Herz 
unter der Gewalt des ernsten Wortes „Der Herr ist nahe"! 
steht, wenn diese Wahrheit in ihrem ganzen Ernst angesichts 
der Welt verwirklicht und von den einzelnen Gläubigen wie 
von der insgesamt in ihrer süßen Anziehungskraft gefühlt 
wird, dann wird sie sicher in einer Weise geoffenbart werden, 
die imstande ist, die Herzen der Zuhörer zu berühren. Es 
mag eine sehr klare und kunstvolle Darstellung der Lehre 
von der zweiten Ankunft des Herrn und aller damit zusammenhängenden Wahrheiten sein, aber wenn sie kalt und 
herzlos ist, wird sie ohne Eindruck bei den Zuhörern bleiben. 
Um zum Herzen des Hörenden zu reden, muß das Herz des 
Sprechenden fühlen. 
Wir wollen indes durchaus nicht sagen, daß die Art der Darstellung der Wahrheit an und für sich eine Seele bekehren 
kann. Selbst die Tränen eines Predigers können nicht lebendig machen. Sein tiefster Ernst kann keine Wiedergeburt 
151 
bewirken. Es ist „nicht durch Macht und nicht durch Kraft, 
sondern durch meinen Geist, spricht Jehova". Nur durch die 
mächtige Wirkung des Wortes und des Geistes Gottes kann 
eine Seele wiedergeboren werden. Das ist eine unumstößliche 
Wahrheit. Aber wir sind ebenso fest überzeugt, daß Gott 
eine ernste Predigt segnet, und daß Seelen durch sie in Bewegung gebracht werden. Wir brauchen daher mehr Ernst, 
mehr Tiefe des Gefühls, mehr Innigkeit, mehr herzliches 
Erbarmen, um im Blick auf das Gericht Gottes über den unbußfertigen Sünder über die Seelen der Menschen zu weinen, und vor allem brauchen wir ein lebendigeres Gefühl 
über den Wert einer unsterblichen Seele in den Augen Gottes. 
Ja, wir sind überzeugt, daß ernstes, treues Predigen eines 
der besonderen Bedürfnisse unserer Zeit ist. Es gibt hier und 
da etliche, die — Gott sei Dank — zu fühlen scheinen, daß 
sie vor ihren Zuhörern als Kanäle zur Mitteilung zwischen 
Gott und ihren Mitmenschen stehen und sich dem Werk des 
Herrn, der Errettung und Segnung der Seelen mit Aufrichtigkeit widmen. Die große Arbeit des Evangelisten ist, die Seele 
mit Christus zusammenzubringen; die Arbeit des Lehrers 
und Hirten aber erstreckt sich dahin, daß die Seele mit Christus in Gemeinschaft bleibt. Es ist sehr gesegnet und wahr, 
daß durch die Enthüllung der Wahrheit — mögen die Menschen sie hören oder nicht — Gott verherrlicht und Jesus 
Christus hoch erhoben wird. Aber wenn der Arbeiter des 
Herrn keine Erfolge sieht, wird er damit zufrieden sein? 
Nein, er wird ohne Ergebnisse ebenso wenig vorangehen 
wollen, wie ein Weingärtner jahraus jahrein ohne eine Ernte 
arbeiten möchte. Unsere Sache ist es, im Gebet für die Seelen 
zu ringen, alle unsere Energie auf das Werk zu richten und 
zu arbeiten, als ob die ganze Sache auf uns liege, obwohl wir 
ja wissen, daß wir gar nichts tun können, und daß unsere 
Worte sich wie Morgennebel erweisen, wenn sie nicht vom 
Herrn der Versammlungen wie ein Nagel an einem bestimmten Ort befestigt werden. Wir sind überzeugt, daß in der 
göttlichen Ordnung der ernste Arbeiter die Frucht seiner 
Arbeit haben muß, und daß er in seinem von Gott bezeichneten Wirkungskreis früher oder später diese Frucht ernten 
wird. 
152 
Zu diesen Gedanken kamen wir durch die Betrachtung der 
interessanten Szene im Leben Josias/
 die uns am Schluß 
von 2. Chron 34 vorgestellt wird. Es wird uns nützlich sein, 
noch ein wenig dabei zu verweilen. Josia war ein durchaus 
ernster Mann. Er fühlte die Macht der Wahrheit in seiner 
eigenen Seele, und er begnügte sich nicht eher, als bis er das 
Volk um sich versammelt hatte, damit das ihm zuteilgewordene Licht auch auf sie scheinen möge. Er wollte und konnte 
nicht bei der Tatsache stehen bleiben, daß er im Frieden zu 
seinen Vätern versammelt werden sollte, ohne jenes Böse 
zu sehen, das sich in Kürze über Jerusalem und über das 
Land ergießen würde. Nein, er dachte an andere, er fühlte 
für das Volk, das ihn umgab; und insoweit seine persönliche 
Errettung auf seine wahre Buße und Demütigung unter die 
mächtige Hand Gottes gegründet war, suchte er durch die 
Wirksamkeit des Wortes, das so mächtig in seinem Herzen 
gewirkt hatte, auch andere zu ähnlicher Buße und Demütigung zu führen. 
„Und der König stand auf seinem Standorte und machte den 
Bund vor Jehova, Jehova nachzuwandeln und seine Gebote 
und seine Zeugnisse und seine Satzungen zu beobachten 
mit seinem ganzen Herzen und mit seiner ganzen Seele, um 
die Worte des Bundes zu tun, welche in diesem Buche geschrieben sind. Und er ließ alle in den Bund treten, welche 
sich in Jerusalem und in Benjamin befanden. Und die Bewohner von Jerusalem taten nach dem Bunde Gottes, des 
Gottes ihrer Väter. Und Josia tat alle Greuel hinweg aus 
allen Ländern, welche den Kindern Israel gehörten; und er 
hielt alle an, die sich in Israel befanden, Jehova, ihrem Gott 
zu dienen. Alle seine Tage wichen sie nicht ab von Jehova, 
dem Gott ihrer Väter" (V. 31-33). 
Welch eine herrliche Unterweisung finden wir hier für uns! 
Was uns aber vor allem bei dieser Betrachtung auffällt, ist 
die Tatsache, daß Josia seine Verantwortung für alle um ihn 
her fühlte. Er stellte sein Licht nicht unter einen Scheffel, 
sondern ließ es zum Nutzen anderer leuchten. Dies alles ist 
umso auffallender, als die große praktische Wahrheit von der 
Einheit aller Gläubigen in einem Leibe dem jungen König 
153 
nicht bekannt war, da Gott sie noch nicht geoffenbart hatte. 
Die Lehre: „Ein Leib und ein Geist" trat erst lange nach den 
Zeiten Josias ans Licht, und zwar wie wir wissen, erst nachdem Christus, das auferstandene Haupt, Seinen Sitz zur 
Rechten der Majestät in der Höhe eingenommen hatte. Aber 
obwohl diese Wahrheit noch in Gott verborgen war, zeigte 
sich doch hier die Einheit des Volkes Israel, und diese Einheit 
wurde stets von den Gläubigen jener Tage anerkannt welches 
der äußere Zustand des Volkes auch sein mochte. Die zwölf 
Brote auf dem Schaubrottisch im Heiligtum waren das göttliche Vorbild der vollkommenen Einheit, wenn auch zugleich 
der vollkommenen Unterscheidung der zwölf Stämme (3. Mo 
24). Jeder Schriftforscher und jeder Freund der Wege Gottes 
sollte sich stets dessen bewußt sein. Während der düsteren 
und stillen Nachtwachen strahlten die sieben Lampen des goldenen Leuchters ihr Licht auf die zwölf Brote, die von der 
Hand des Hohenpriesters nach dem Gebot auf den reinen 
Tisch gelegt wurden. Hier sehen wir also die unauflösliche 
Einheit der zwölf Stämme Israels in der lebendigsten Weise 
dargestellt, eine Wahrheit, die Gott geoffenbart und aufrechterhalten hatte, und die der Glaube Seines Volkes stets anerkannt hatte und darum auch demgemäß handelte. 
Gestützt auf diese Wahrheit handelte Elia, der Tisbiter, als 
er auf dem Berge Karmel einen Altar aus zwölf Steinen nach 
der Zahl der zwölf Stämme der Söhne Jakobs baute, zu welchem das Wort Jehovas kam und sprach: „Israel soll dein 
Name sein" (1. Kö 18)! Auf dieselbe Wahrheit achtete Hiskia, als er befahl, daß das Brand- und Sündopfer für ganz 
Israel geschehen sollte (2. Chron 29, 24). Paulus nahm zu 
seiner Zeit Bezug auf diese kostbare Wahrheit, als er vor 
dem König Agrippa stand und „unser zwölfstämmiges Volk, 
unablässig Nacht und Tag Gott dienend", erwähnte (Apg 
26, 7). 
Wenn nun einer dieser Glaubensmänner gefragt worden 
wäre: „Wo sind die zwölf Stämme"? — hätte er eine Antwort geben, hätte er sie ausfindig machen können? Gewiß, 
aber nicht sichtbar, nicht für das Auge des Menschen, denn 
das Volk war getrennt, seine Einheit war gebrochen. In den 
154 
Tagen Elias und Hiskias gab es zehn und zwei Stämme, und 
in den Tagen des Paulus waren die zehn Stämme zerstreut 
und nur ein- Überrest der zwei Stämme fand sich im Lande. 
Was nun? Wurde die Wahrheit Gottes durch Israels äußere 
Lage zunichtegemacht? Weit gefehlt! „Unser zwölf stämmiges 
Volk" darf nie aufgegeben werden. Die Einheit des Volkes 
ist für den Glauben eine große Wirklichkeit. Sie ist in diesem 
Augenblick so wahr wie damals, als josua die zwölf Steine 
zu Gilgal aufrichtete. Das Wort unseres Gottes wird immer 
bestehen. Nicht ein Strichlein von dem, was er geredet hat, 
wird je vergehen. Wechsel und Verfall mag die Geschichte 
menschlicher Angelegenheiten kennzeichnen, Tod und Verwüstung mögen wie ein austrocknender Wind über den schönsten Samen der Erde hinweggehen, aber Jehova wird jedes 
Seiner Worte wahrmachen, und Israels zwölf Stämme werden sich noch einmal des verheißenen Landes erfreuen in 
seiner ganzen Länge, Breite und Fülle. Keine Macht der Erde 
oder der Hölle wird diese gesegnete Erfüllung verhindern 
können. Warum? — Weil der Mund Jehovas geredet hat. 
Es ist von großer Bedeutung, sich über diese Wahrheit im 
klaren zu sein. Nicht nur wegen ihrer besonderen Beziehung 
auf Israel und das Land Kanaan, sondern vor allem, weil 
Gott es ist, Der Israel als ein Ganzes bezeichnet. Es gibt eine 
leichtfertige Art und Weise, mit dem Wort Gottes umzugehen, die sowohl Ihn entehrt, als auch uns schadet. Stellen, 
die besonders ausschließlich Jerusalem und Israel angehen, 
werden auf die Verbreitung des Evangeliums und die Ausdehnung der Christlichen Kirche angewendet. Das ist gelinde 
gesagt eine unverantwortliche Freiheit gegenüber der heiligen Offenbarung. Unser Gott kann gewiß sagen, was Er 
meint, und ganz gewiß meint Er, was Er sagt. Wenn Er daher 
von Israel und Jerusalem spricht, so meint Er nicht die Kirche; und wenn Er von der Kirche spricht, so meint Er nicht 
Israel und Jerusalem. Wenn wir uns erlauben, leichtfertig 
und sorglos hinsichtlich eines Teiles der Schriften zu sein, 
dann werden wir es auch hinsichtlich jedes anderen sein, und 
auf diese Weise wird unser Gefühl von der Autorität der 
Schrift mehr und mehr untergraben. 
155 
Doch wir wollen zu Josia zurückkehren und sehen, wie er 
nach seinem Maß den großen Grundsatz anerkannte, bei dem 
wir stehengeblieben sind. Er machte in der Tat keine Ausnahme von der allgemeinen Regel, sondern trat in die Fußstapfen aller gottesfürchtigen Könige von Juda, die stets auf 
die Einheit des Volkes Israel blickten und nie zugaben, daß 
ihre Gedanken, ihre Sympathien und ihre Handlungen von 
einem engeren Rahmen als dem des zwölfstämmigen Volkes 
begrenzt wurden. Die zwölf Brote auf dem Schaubrottisch 
waren stets vor Gottes Augen und den Augen des Glaubens. 
Auch war dies keine bloße Anschauung, kein leeres Dogma, 
kein toter Buchstabe, sondern es war in jedem Falle eine 
große, praktische und einflußreiche Wahrheit. „Josia tat alle 
Greuel hinweg aus allen Ländern, welche den Kindern Israel 
gehörten". Das war eine Tat, die in Übereinstimmung war 
mit seinem Vorfahren Hiskia, der einst befohlen hatte, daß 
das Brandopfer und Sündopfer für ganz Israel dargebracht 
werden sollte. 
Und nun, mein christlicher Leser, achte auf die Anwendung 
von all diesem auf unsere eigenen Seelen in der heutigen 
Zeit. Glaubst du auf die göttliche Autorität hin von Herzen 
an die Einheit des Leibes Christi? Glaubst du, daß sich hier 
auf dieser Erde ein solcher Leib befindet, und zwar durch 
den Heiligen Geist mit seinem göttlichen, lebendigen Haupt 
im Himmel vereinigt? Glaubst du diese göttliche, in der Heiligen Schrift mitgeteilte Wahrheit? Mit einem Worte: Hältst 
du fest an der unauflöslichen Einheit der Versammlung Gottes, als an einer Grundwahrheit des Neuen Testaments? Frage nicht: „Wo ist sie zu sehen"? Dies ist eine Frage, die der 
Unglaube stets stellen muß, weil sein Auge auf die zahllosen 
Sekten und Parte'en der Christenheit gerichtet ist, während 
der Glaube hinblickt auf den unvergänglichen Ausspruch: 
„Da ist ein Leib und ein Geist". Achte auf die Worte: „Da 
ist" und nicht: „Da war" oder: „Da wird sein". Auch lesen 
wir nicht, daß so etwas im Himmel besteht, sondern „da ist 
ein Leib und ein Geist" jetzt auf dieser Erde. Kann diese 
Wahrheit durch den Zustand in der bekennenden Kirche angetastet werden? Hat Gottes Wort aufgehört, wahr zu sein, 
156 
weil der Mensch aufgehört hat, treu zu sein? Wagt jemand 
zu behaupten, die Einheit des Leibes sei nur eine Wahrheit 
für die apostolische Zeit gewesen und habe keine Anwendung mehr auf die Gegenwart, weil ihre Verwirklichung 
fehle? Hüte dich, mein teurer Leser, dein Herz einer solchen 
ungläubigen Gesinnung zu öffnen! Du kannst versichert 
sein, daß sie die Frucht wirklichen Unglaubens in bezug auf 
das Wort Gottes ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der 
Schein gegen diese Wahrheit ist. Aber baut der Glaube auf 
das, was das Auge sieht? Baute Elia auf das Sichtbare, als er 
seinen Altar nach der Zahl der zwölf Stämme aus zwölf 
Steinen aufrichtete? Baute der König Hiskia auf das Sichtbare, als er jenes schöne Gebot erließ, daß das Brandopfer 
und das Sündopfer für ganz Israel gebracht werden sollte? 
Baute Josia auf das Sichtbare, als er seine reformatorischen 
Bestrebungen in allen Ländern, die den Kindern Israel gehörten, durchsetzte? Keineswegs. Sie alle bauten auf das 
wahre Wort des Gottes Israels. Dieses Wort war wahr, 
mochten Israels Stämme nun zerstreut oder vereinigt sein. 
Wenn die Wahrheit Gottes durch äußeren Schein oder durch 
die Wirksamkeit der Menschen angetastet werden kann, wo 
befinden wir uns dann? Und was haben wir zu glauben? 
Es ist eine Tatsache, daß es in der ganzen göttlichen Offenbarung kaum eine Wahrheit gibt, der wir mit ruhigem Vertrauen unsere Seele übergeben können, wenn wir zugeben, 
daß etwas durch den äußeren Anschein angetastet werden 
kann. 
Nein, mein Leser, der einzige Grund, auf dem unser Glaube 
ruhen kann, ist der eine ewige Ausspruch: „Es steht geschrieben"! Gibst du das zu? Beugt sich deine Seele darunter? Glaubst du nicht, daß dies ein ganz lebendiger Grundsatz ist? Wir sind der Meinung, daß du ihn als Christ anerkennen mußt. Nun denn, e s steh t geschrieben : 
„Da ist ein Leib und ein Geist" (Eph 4). Das offenbart uns 
die Schrift ebenso klar wie das Wort: „Wir sind gerechtfertigt worden aus Glauben", oder wie jede andere Wahrheit. 
Wird die rettende Gnmdlehre von der Rechtfertigung aus 
Glauben durch äußeren Anschein erschüttert? Haben wir 
157 
diese kostbare Wahrheit in Frage zu stellen, weil so wenig 
Verwirklichung ihrer reinigenden Kraft in dem Leben der 
Gläubigen zu finden ist? Wer möchte einen so verderblichen 
Grundsatz aufstellen? Welch einen vollständigen Umsturz 
aller Grundlagen unseres Glaubens würde das bewirken! Wir 
glauben, weil es im Wort geschrieben steht, nicht, weil es in 
der Welt verwirklicht wird. Allerdings sollte es verwirklicht 
werden, und es ist unsere Sünde und Schande, daß es nicht 
geschieht. Auf dieses werden wir später noch zurückkommen, aber wir müssen auf dem eigentlichen Grund des Glaubens beharren, d. h. auf dem Boden der göttlichen Offenbarung. Wenn dies klar geschehen und völlig anerkannt ist, 
findet es seine Anwendung ebenso sicher auf die Einheit des 
Glaubens wie auf die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben. 
Es ist von größter Wichtigkeit, auf diesem Vorsatz zu beharren, weil dies der einzige Grund ist, auf den unser Glaube 
bezüglich jeder im Worte Gottes geoffenbarten Lehre sich 
stützen kann. Auf diese Weise glauben wir alle die erhabenen Wahrheiten des Christenglaubens. Wir wissen nichts und 
können nichts Geistliches, Himmlisches und Göttliches glauben, wenn wir es nicht im Worte Gottes geoffenbart finden. 
Woher weiß ich, daß ich ein Sünder bin? Weil die Schrift 
erklärt hat, daß wir alle gesündigt haben. Ohne Zweifel fühle 
ich, daß ich ein Sünder bin, aber ich glaube es nicht, weil ich 
es fühle, sondern ich fühle es, weil ich es glaube; und ich 
glaube es, weil Gott es gesagt hat. Der Glaube ruht auf göttlicher Offenbarung, nicht auf menschlichen Gefühlen oder 
Schlußfolgerungen. „Es steht geschrieben" — das ist völlig 
ausreichend für den Glauben. Nichts weniger genügt, und 
nichts mehr ist notwendig. Gott spricht es und der Gläubige 
glaubt es; er glaubt einfach, weil Gott spricht. Er beurteilt 
das Wort Gottes nicht nach dem äußeren Anschein, sondern 
er beurteilt den äußeren Anschein nach dem Worte Gottes. 
So ist es mit allen Hauptwahrheiten des Christentums, sei es 
die Lehre von der Dreieinheit, der Gottheit unseres Herrn 
Jesus Christus, Seines Versöhnungswerkes, Seines Priestertums, Seiner Wiederkunft, oder die Lehre von dem Sünden158 
fall des Menschen, von der Rechtfertigung, dem künftigen 
Gericht, der ewigen Verdammnis. Wir glauben diese erhabenen und ernsten Wahrheiten nicht auf Grund des Gefühls, 
sondern einfach auf Grund der göttlichen Offenbarung. 
Wenn nun gefragt wird, auf welchem Grund unser Glaube 
an die Lehre von der Einheit des Leibes ruht, so weisen wir 
auf denselben Grund hin, auf dem unser Glaube an die 
Lehre von der Dreieinheit, der Gottheit Christi und der 
Versöhnung ruht. Wir glauben diese Wahrheit, weil sie an 
mehreren Stellen des Neuen Testaments geoffenbart ist. So 
z. B. im 12. Kapitel des ersten Korintherbriefes, wo wir lesen: „Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, 
alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: 
also auch der Christus, denn auch in einem Geiste sind wir 
alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder 
Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit 
einem Geiste getränkt worden". Ferner: „Gott hat den Leib 
zusammengefügt, indem er dem Mangelhafteren reichlichere 
Ehre gegeben hat, auf daß keine Spaltung in dem Leibe sei 
. . . Ihr aber seid Christi Leib und Glieder insonderheit". 
Hier haben wir die vollkommene und unauflösliche Einheit 
der Kirche genau dargestellt, und zwar durch dieselbe Autorität wie jede andere Wahrheit, die wir alle glauben, so daß 
ebenso viel Grund vorhanden ist, die Gottheit Christi in 
Frage zu stellen, wie die Einheit des Leibes zu beanstanden. 
Das eine ist so wahr wie das andere, und beides ist göttlich 
wahr, weil es göttlich geoffenbart ist. Wir glauben, daß Jesus Christus Gott über alles ist, gepriesen in Ewigkeit, weil 
die Schrift es uns sagt, und wir glauben, daß ei n Lei b 
besteht, ebenfalls weil die Schrift es uns sagt. Wir schalten 
im ersten Fall nicht unseren Verstand ein, sondern glauben 
und beugen uns, und wir sollen auch im anderen Fall nicht 
unseren Verstand einschalten, sondern glauben und uns beugen". „Da ist ei n Leib und ei n Geist". 
Beachten wir nun aber, daß diese Einheit des Leibes nicht ein 
abstrakter Gegenstand, eine nutzlose Ansicht oder ein kraftloser Glaubenssatz ist. Es ist eine praktische, wesentliche, einflußreiche Wahrheit, in deren Licht wir zu wandeln berufen 
159 
sind und nach der wir uns und alles um uns her zu richten 
haben. So war es bei den Gläubigen in Israel. Die Einheit des 
Volkes war ihnen etwas Wesentliches, und nicht nur eine 
Lehre, die man nach Belieben annehmen oder verwerfen 
kann. Es war eine erhabene, wichtige, kraftvolle Wahrheit. 
In den Gedanken Gottes war das Volk eins, und wenn diese 
Einheit nicht verwirklicht wurde, dann hatten die Gläubigen 
nur den Platz des Selbstgerichts, des zerschlagenen und betrübten Herzens einzunehmen. Wir sehen dies bei Hiskia, 
Josia, Daniel, Esra und Nehemia. Es fiel diesen Gläubigen 
nicht ein, die Wahrheit von der Einheit Israels aufzugeben, 
weil Israel im Festhalten daran gefehlt hatte. Sie maßen die 
Wahrheit Gottes nicht an den Handlungen der Menschen, 
sondern sie beurteilten die Taten der Menschen und sich 
selbst an Hand der Wahrheit Gottes. Das war der einzig 
richtige Weg. Wenn die verwirklichte Einheit Israels durch 
die Sünde und Torheit des Menschen zerstört war, dann bekannten die wahrhaftigen Glieder des Volkes Gottes die 
Sünde und trugen Leid darüber; sie bekannten sie als ihre 
eigene Sünde und blickten auf Gott. Zudem aber fühlten 
sie ihre Verantwortung, nach der Wahrheit Gottes zu handeln, was auch der äußere Zustand sein mochte. 
Wir wiederholen, daß dieses die Bedeutung des aus zwölf 
Steinen errichteten Altars Elias war, angesichts der vierhundert und fünfzig falschen Propheten der Isebel und trotz der 
Trennung des Volkes nach menschlicher Anschauung (1. Kö 
18). Das war auch die Bedeutung der Briefe, die Hiskia an 
das ganze Volk Israel sandte, um sie einzuladen, „um Jehova, dem Gott Israels, Passah zu feiern in Jerusalem". Nichts 
ist rührender als der Inhalt dieser Briefe. „K inde r Isra -
e 1 ! kehret um zu Jehova, dem Gott Abrahams, Isaaks und 
Israels; so wird er umkehren zu den Entronnenen, die euch 
aus der Hand der Könige von Assyrien übriggeblieben sind. 
Und seid nicht wie eure Väter und wie eure Brüder, die 
treulos gehandelt haben gegen Jehova, den Gott ihrer Väter, 
so daß er sie der Verwüstung hingegeben hat, wie ihr sehet. 
N u n verhärte t eure n Nacke n nicht , wie eure 
Väter; gebe t Jehov a die Hand und kommet zu seinem 
160 
Heiligtum, das e r geheilig t ha t au f ewig , und 
dienet Jehova, eurem Gott, damit die Glut seines Zornes sich 
von euch wende. Denn wen n ih r z u Jehov a um -
kehret , s o werde n eur e Brüde r un d eur e 
Kinde r Barmherzigkei t finde n vor denen, die 
sie gefangen weggeführt haben, und in dieses Land zurückkehren. Denn gnädig und barmherzig ist Jehova, euer Gott, 
und er wird das Angesicht nicht von euch abwenden, wenn ihr 
zu ihm umkehret" (2. Chron 30, 6-9). 
Hier handelt der Glaube gemäß der großen, ewigen, unveränderlichen Wahrheit der Einheit des Volkes Israel. Das Volk 
war nach dem Vorsatz Gottes eins, und Hiskia blickte, wie 
es der Glaube immer tut, auf das Volk von diesem göttlichen 
Gesichtspunkt aus, und er handelte dementsprechend. „Und 
die Läufer zogen von Stadt zu Stadt durch das Land Ephraim und Manasse, und bis nach Sebulon; aber man verlachte 
und verspottete sie". Wie traurig, und dennoch haben wir 
nichts anderes zu erwarten. Es ist sicher, daß die Handlungen 
des Glaubens den Spott und die Verachtung derer herausfordern, die nicht auf dem Standpunkt der Gedanken Gottes 
stehen. Ohne Zweifel betrachteten die Männer von Ephraim 
und Manasse die Botschaft Hiskias als Anmaßung oder eitle 
Schwärmerei. Vielleicht war die große Wahrheit, die mit solcher Kraft auf seine Seele wirkte, seinen Charakter formte 
und sein Verhalten regelte, nach ihrer Ansicht eine Fabel, 
eine wertlose Lehre, ein Rest aus der Vergangenheit, eine 
Einrichtung früherer Zeiten, die auf die Gegenwart keine 
Anwendung fände. Aber der Glaube wird immer durch die 
Gedanken der Menschen in Tätigkeit gesetzt, und darum 
fuhr Hiskia mit seinem Werk fort, und Gott bekannte Sich 
zu ihm und segnete ihn. Es mochte wohl ein Grund zum 
Spott sein, als man sah, daß einige Männer von Äser und 
Manasse und von Sebulon sich demütigten und nach Jerusalem kamen". Aber Hiskia und alle, die sich so unter die 
mächtige Hand Gottes demütigten, ernteten eine reiche Segensernte, während die Spötter und Verächter in der Unfruchtbarkeit und Erstarrung gelassen wurden, in die ihr 
eigener Unglaube sie versetzt hatte. Man achte auf die Kraft 
161 
der Worte Hiskias: „Wenn ihr zu Jehova umkehret, so werden eure Brüder und eure Kinder Barmherzigkeit finden vor 
denen, die sie gefangen weggeführt haben". — Wie nahe 
kommt dies der Wahrheit des Neuen Testaments! Wir sind 
Glieder voneinander, und das Verhalten eines Gliedes berührt 
alle übrigen. Der Unglaube fragt, wie dies möglich sei, und 
wie das Verhalten des einen auf entfernt wohnende andere 
Einfluß haben könne. Aber wie einst in Israel, so ist es jetzt 
in der Versammlung Gottes. Siehe den Fall Achans in Josua 
7. Dort sündigt ein Mann, während die ganze Versammlung, 
wie uns das Wort sagt, nichts von dem Vorgang wußte; und 
dennoch lesen wir: „Und die Kinder Israel begingen Untreue 
an dem Verbannten" und: „Israel hat gesündigt". Wie war 
dies möglich? Einfach, weil das Volk eins war, und Gott in 
seiner Mitte wohnte. Das war offenbar der Grund einer doppelten Verantwortung, gegen Gott und gegen die Versammlung als Ganzes und gegen jedes Glied insbesondere. Kein 
Glied dieses Volkes konnte diese hohe und heilige Verantwortung der Versammlung von sich abschütteln. Ein in Dan 
wohnender Mann hätte fragen können, inwiefern sein Verhalten eine in Beerseba lebende Person berühren könnte. 
Dennoch war es so, und der Grund dafür lag in der ewigen 
Wahrheit der unauflöslichen Einheit Israels und des Wohnens 
Jehovas in der Mitte Seiner erlösten Versammlung (siehe 2. 
Mo 15, 2 und die vielen Stellen, die von dem Wohnen Jehovas in der Mitte Israels reden). 
Wir wollen indes bei den zahllosen Schriftstellen, die von 
der Gegenwart Gottes in der Versammlung Israels, von Seiner Wohnung in ihrer Mitte reden, nicht länger verweilen. 
Wir lenken nur die Aufmerksamkeit des Lesers auf die 
wichtige Tatsache, daß die Reihe dieser Schriftstellen mit 
2. Mo 15 beginnt. Als Israel als ein völlig erlöstes Volk auf 
der kanaanitischen Seite des Roten Meeres stand, war es erst 
fähig zu sagen: „Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, 
denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, 
und ich will ihm eine Wohnung machen". Die Erlösung 
*) Siehe die Anmerkung zn 2. Mo 15, 2 in der Elberfelder Übersetzung. 
162 
bildete den Grund für das Wohnen Gottes unter Seinem 
Volke und sicherte ihre vollkommene Einheit. Daher konnte 
kein einziges Glied dieser Versammlung sich als einen einzelnen, unabhängigen Teil betrachten. Jeder war berufen, 
sich als einen Teil des Ganzen zu betrachten und sein Verhalten mit Rücksicht auf alle, die wie er einen solchen Teil 
bildeten, passend einzurichten. 
Wie hätte die Vernunft eine solche Wahrheit fassen können, 
die ganz außerhalb des Bereichs aller menschlichen Erkenntnis lag! Nur der Glaube konnte sie annehmen und danach 
handeln. Der Gläubige in Israel erkannte sie und handelte 
danach. Warum sandte Hiskia Briefe an ganz Israel? Warum 
befahl er, ohne sich um den Spott des Unglaubens zu kümmern, daß das Brand- und Sündopfer für ganz Israel dargebracht werde? Warum dehnte Josia seine reformatorischen 
Bestrebungen über alle Länder der Kinder Israel aus? Weil 
diese Männer Gottes die göttliche Wahrheit von der Einheit 
Israels anerkannten und sie nicht darum unbeachtet ließen, 
weil sie so wenig verwirklicht war. „Das Volk wird allein 
wohnen", und „ich, Jehova, will unter den Kindern Israels 
wohnen". — Diese Wahrheit leuchtet wie kostbare Edelsteine 
vom himmlischen Glanz aus den Blättern des Alten Testaments, und wir finden immer, daß je mehr jemand in der 
Nähe Gottes, in der Nähe der lebendigen und immer strömenden Quelle lebte, er auch in die Gedanken, Ratschlüsse, 
Gefühle und Absichten Gottes einging, sie kennenlernte und 
das auszuführen versuchte, was Gott von Seinem Volke gesagt hatte, wie untreu dieses sich auch gegen Ihn erweisen 
mochte. 
Erkennst du, mein Leser, in der Einheit des israelitischen 
Volkes nicht das Vorbild einer höheren Einheit in dem 
einen Leibe, von dem Christus das Haupt ist? Wir setzen es 
voraus. Wir hoffen von Herzen, daß dein ganzes sittliches 
Wesen sich in ehrfurchtsvoller Unterwerfung unter die mächtige Wahrheit beugen möchte: „Da ist ein Leib". Du wirst 
allerdings erstaunt sein, daß sich in der bekennenden Kirche 
nirgends ein Ausdruck dieser Einheit zeigt. Du siehst die 
Christen zertreut und getrennt, du siehst unzählige Sekten 
163 
und Parteien, ja, du siehst vielleicht sogar unter denen, die 
bekennen, die Wahrheit von der Einheit des Leibes zu 
glauben nicht das wahre Bild dieser Einheit. Sicher ist 
alles dies sehr verwirrend für jemand, der es vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet. Dennoch aber steht der 
Grund Gottes unbeweglich fest. Seine Wahrheit ist unzerstörbar. Und wenn wir mit Bewunderung auf ein vergangenes 
Zeitalter blicken, das die Einheit Israels zu einer Zeit, in der 
das menschliche Auge keine Spur dieser Einheit entdeckte, 
glaubte und bekannte, warum sollten wir nicht die höhere 
Einheit des einen Leibes von Herzen glauben und verwirklichen? „Da ist ei n Leib und e i n Geist" — darin liegt 
das Fundament unserer Verantwortung gegeneinander und 
gegen Gott. Wollen wir diese Einheit aufgeben, weil die 
Christen zerstreut und getrennt sind? Gott verhüte es. Sie 
ist so wahr und kostbar wie eh und je, und sie sollte verwirklicht werden und einen Einfluß ausüben. Wir haben 
nach der Wahrheit Gottes zu handeln, ohne auf das Sichtbare 
Rücksicht zu nehmen. Wir sollen nicht wie viele sagen: „Es 
ist unmöglich, die Wahrheit Gottes in dem uns umgebenden 
Verfall auszuführen; diese Einheit mag eine Sache der Vergangenheit gewesen sein, sie mag in der Zukunft ausgeführt 
werden können, aber unmöglich kann sie eine Sache der 
Gegenwart sein und angesichts der vielen Sekten und Parteien aufrechterhalten werden. Jetzt bleibt für den einzelnen 
nichts übrig, als für sich selbst auf den Herrn zu blicken und 
seinen persönlichen Wirkungskreis nach den Eingebungen 
seines Gewissens und Urteils einzurichten". 
Das ist im Wesentlichen die Sprache von Hunderten unter 
dem Volke Gottes, und wie ihre Sprache ist, so ist ihr Verhalten. Aber diese Sprache verrät den Unglauben an jene große 
Hauptwahrheit von der Einheit des Leibes Christi. Wir haben 
sicher ebenso viel Recht, die kostbare Lehre von der Gottheit 
Christi, Seiner vollkommenen Menschheit, oder Seines stellvertretenden Opfers zu verwerfen, wie die Wahrheit von der 
vollkommenen Einheit Seines Leibes in Frage zu stellen; denn 
alle diese Wahrheiten ruhen auf dem Grund der ewigen, in 
der Heiligen Schrift dargestellten Wahrheit Gottes. Dürfen 
164 
wir irgendeine Wahrheit göttlicher Offenbarung beiseitesetzen? Dürfen wir einer von ihnen ihre Anwendung versagen? 
Sind wir nicht vielmehr verpflichtet, jede Wahrheit anzunehmen und unsere Seelen ihrer Macht zu unterwerfen? Es ist 
äußerst gefährlich, auch nur für einen Augenblick der Meinung Raum zu geben, irgendeine Wahrheit Gottes beiseitesetzen zu dürfen, unter dem Vorwand, daß sie nicht verwirklicht werden könne. Die Heilige Schrift hat sie geoffenbart; das ist genug, und wir haben zu glauben und 
zu gehorchen. Wir sind verpflichtet, jede Wahrheit um jeden 
Preis festzuhalten, aus Gehorsam, den wir Christus, dem 
Haupt schulden, praktisch gegen alles zu zeugen, was gegen 
die Wahrheit der unauflöslichen Einheit der Versammlung 
Gottes ist, und ernstlich und beständig eine treue Verwirklichung dieser Einheit zu suchen.. Geschieht dies mit einem 
demütigen Herzen, dann wird der Herr uns auf diesem Pfade 
aufrechterhalten, wie groß auch die Schwierigkeiten sein 
mögen. Sicher gibt es auf diesem Wege ernste Schwierigkeiten, mit denen wir in eigener Kraft nicht kämpfen können. Schon die Mahnung: „euch befleißigend, die Einheit des 
Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens", erinnert 
uns an diese Schwierigkeiten; aber die Gnade unseres Herrn 
Jesus Christus reicht für alle Anforderungen völlig aus, die 
an uns gestellt werden können, wenn wir nach dieser kostbaren Wahrheit zu handeln suchen. 
Wenn wir den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche betrachten, dann können wir zwei sehr verschiedene 
Klassen unterscheiden. In der einen befinden sich diejenigen, 
die die Einheit auf falschen Grundlagen suchen, in der anderen 
diejenigen, die sie auf dem im Neuen Testament niedergelegten Grund suchen. Die letztere Einheit ist geistlich lebendig, göttlich, und steht in entscheidendem Gegensatz zu allen 
Formen der Einheit, die der Mensch auf nationalem, kirchlichem, zeremoniellem oder dogmatischem Wege versucht hat. 
Kirche Gottes ist kein nationales, kirchliches oder politisches 
System. Sie ist ein durch die Gegenwart des Heiligen Geistes 
für ihr Haupt im Himmel gereinigter Leib. So war es und so 
ist es. „Da ist ei n Leib und e i n Geist". Das bleibt unver165 
änderlich wahr. Diese Wahrheit zu schwächen und zu verwirren, ist ein Werk des Feindes, und wir sind verpflichtet, 
dagegen Zeugnis abzulegen. Der Versuch, die Christen auf 
einem anderen Grund als dem der Einheit des Leibes zu vereinigen, ist ein Handeln gegen den uns geoffenbarten Willen 
Gottes. Es mag sehr anziehend, sehr wünschenswert, sehr 
vernünftig und sehr zweckmäßig erscheinen, aber es ist Gott 
zuwider, und das sollte uns genügen, Gottes Wort spricht 
nur von der Einheit des Leibes und von der Einheit des 
Geistes. Es erkennt keine andere Einheit an, daher sollen auch 
wir es nicht tun. 
Obwohl die Versammlung Gottes aus vielen Gliedern besteht, ist sie eins; sie bildet ein e Körperschaft. Alle Glieder haben doppelte Verantwortung; sie sind dem Haupt verantwortlich. Diese Verantwortung beiseitezuschieben, ist unmöglich. Die Menschen mögen sie leugnen, sie mögen ihre 
persönlichen Rechte behaupten und nach ihrer eigenen Vernunft, nach ihrem eigenen Urteil und Willen handeln, aber 
sie können sich nicht der Verantwortung entziehen, die sich 
auf die Tatsache des einen zusammengehörenden Leibes 
gründet. Sie haben es mit dem Haupt im Himmel und mit 
den Gliedern auf der Erde zu tun. Sie befinden sich in dieser 
doppelten Beziehung und sind ihr durch den Heiligen Geist 
einverleibt worden. Hier gibt es keine Unabhängigkeit: Christen können sich nicht als bloße Personen, als vereinzelt 
stehende Wesen betrachten. „Wir sind Glieder voneinander". Das ist ebenso wahr wie wir aus Glauben gerechtfertigt sind. Allerdings stehen wir in einem Sinne als Personen 
da: wir sind Einzelwesen im Hinblick auf unsere Buße, unseren Glauben, unsere Rechtfertigung, unseren Wandel mit 
Gott, unseren Dienst und unsere Belohnung für den treuen 
Dienst; denn jeder einzelne wird einen weißen Stein mit 
einem neuen Namen darauf erhalten, der nur ihm allein bekannt ist. Dies alles ist wahr, aber es berührt in keiner Weise 
die andere große praktische Wahrheit unserer Vereinigung 
mit dem Haupte droben und mit den Gliedern auf der Erde. 
Beachten wir hier jedoch zwei ganz verschiedene Punkte der 
Wahrheit, die aus zwei verschiedenen Titeln unseres hoch166 
gelobten Herrn hervorgehen. Er ist das Haupt, und Er ist der 
Herr. Er ist das Haupt Seines Leibes, der Versammlung, und 
Er ist aller Herr, der Herr jedes einzelnen. Wenn wir nun an 
Christus als den Herrn denken, werden wir an unsere persönliche Verantwortung gegen Ihn erinnert, und zwar in 
dem ganzen Umfang des Dienstes, zu dem Er uns in Seiner 
Autorität gnädig berufen hat. Unsere Ehrfurcht gebührt Ihm 
in allen Dingen. Alle unsere Handlungen, alle unsere Ermahnungen müssen unter den gebietenden Einfluß des gewichtigen, leider oft leichtfertig ausgesprochenen Wortes: Sode r 
Her r will " gestellt werden. Zudem hat niemand das 
Recht, sich zwischen das Gewissen eines Dieners und das 
Gebot seines Herrn zu werfen. Dies alles ist göttlich wahr 
und von großer Bedeutung. Die Herrschaft Christi ist eine 
Wahrheit, deren Wert unmöglich überschätzt werden kann. 
— Aber wir dürfen nicht vergessen, daß Christus sowohl das 
Haup t als der Her r ist. Er ist sowohl das Haupt Seines 
Leibes als der Herr der einzelnen Personen. Diese Dinge 
dürfen nicht vermengt werden. Wir dürfen die Wahrheit 
von der Herrschaft Christi nicht auf eine solche Art festhalten, daß sie mit der Wahrheit von Seinem Titel als Haupt 
vermengt wird. Wenn wir nur an Christus als den Herrn, 
und an uns als Ihm persönlich verantwortlich denken, dann 
werden unsere Gedanken nicht auf Seine Stellung als Haupt 
gerichtet sein, und wir verlieren unsere Verantwortung gegen 
jedes Glied, dessen Haupt Er ist, aus dem Auge. Wir müssen 
sehr dagegen wachen. Wir dürfen uns nicht als einzelne, unabhängige Wesen betrachten; wenn wir an Christus als 
Haupt denken, dann müssen unsere Gedanken alle Seine 
Glieder umfassen, und dies öffnet uns einen weiten Kreis 
praktischer Wahrheit. Wir haben heilige Pflichten gegenüber 
unseren Mit-Gliedern zu erfüllen, sowie auch gegenüber 
unserem Herrn und Meister. Sicher wird niemand, der in 
Gemeinschaft mit Christus wandelt, die Beziehung zu jedem 
Gliede Seines Leibes je aus den Augen verlieren, sondern 
stets daran denken, daß sein Wandel und seine Wege einen 
Einfluß auf die Christen ausüben werden. Es ist ein wunderbares, aber göttlich wahres Geheimnis: „Wenn ei n Glied 
167 
leidet, so leiden all e Glieder mit" (1. Kor 12, 26). Man 
kann den Leib Christi nicht zu einer örtlich begrenzten Sache 
herabwürdigen. Der Leib ist einer, und wir sind berufen, 
dies praktisch auf jede mögliche Weise festzuhalten, und ein 
entschiedenes Zeugnis gegen alles abzulegen, was die Verantwortung der vollkommenen Einheit des Leibes beeinträchtigen könnte. Der Feind sucht die Christen auf einem 
falschen Boden zu vereinigen und sie um einen falschen 
Mittelpunkt zu versammeln. Der einzige Schutz gegen diese 
Gefahr ist der göttlich gewirkte Glaube an die große Grundwahrheit der Einheit des Leibes Christi. 
Es besteht also wirklich e i n Leib auf der Erde, der durch 
den eine n Geist gebildet und mit dem lebendigen Haupt 
im Himmel vereinigt ist. Diese Wahrheit kann nicht geleugnet werden. Viele Christen mögen der Meinung sein, daß 
diese Einheit angesichts des gegenwärtigen Zustandes nicht 
verwirklicht werden könne, aber dennoch bleibt es eine göttlich festgesetzte Wahrheit, daß e i n Leib da ist; und für 
uns gibt es nur die Frage: „Wie werden wir persönlich von 
dieser Wahrheit berührt"? Wir können ebenso wenig die 
hiermit verbundene Verantwortung abschütteln wie die Wahrheit selbst beiseitesetzen. Als Glieder dieses einen Leibes 
sind wir sowohl mit dem Haupt im Himmel als auch mit 
den Gliedern auf der Erde in eine Beziehung getreten, und 
wie jedes andere, hat auch dieses Verhältnis seine Vorrechte 
und seine Verantwortung. 
Es handelt sich hier jedoch nicht um eine Vereinigung mit 
einer besonderen Gruppe von Christen, sondern mit dem 
ganzen Leibe Christi auf der Erde. Jedenfalls sollte jede 
Gruppe von Christen, wo sie sich auch versammeln mögen, 
mir eine örtliche Verwirklichung des ganzen Leibes sein. Man 
sollte sich auf Grund des Wortes Gottes und durch die Macht 
des Heiligen Geistes immer in einer Weise versammeln, daß 
alle Glieder Christi, die in Wahrheit und Heiligkeit wandeln, 
mit einem glücklichen Herzen dort Platz nehmen können. 
Ist eine Versammlung nicht in dieser Weise versammelt und 
geordnet, dann befindet sie sich überhaupt nicht auf dem 
Boden der Einheit des Leibes. Wir sollten immer so zusam168 
menkommen, daß alle Glieder des Leibes einfach als solche 
sich mit uns niedersetzen und jede Gabe, die das Haupt der 
Versammlung ihnen gegeben hat, ausüben können. Der Leib 
ist einer. Seine Glieder sind auf der ganzen Erde zerstreut. 
Entfernung ist nichts, örtlichkeit ist nichts. Man mag in 
Berlin, in Paris, in London oder in Neuseeland wohnen, die 
Sache ändert sich dadurch nicht. Ein Glied des Leibes an 
einem Ort ist überall ein Glied des Leibes, denn es gibt nur 
eine n Leib und eine n Geist. Der Geis t bildet den 
Leib und verbindet die Glieder mit dem Haupt und miteinander. 
Das ist die in 1. Kor 12, 14, in Eph 2, 4 und in Rö 12, 5 
beschriebene göttliche Ordnung. Wir können das Neue 
Testament nicht untersuchen, ohne diese gesegnete Wahrheit 
zu finden. Wir erblicken in verschiedenen Orten und Städten 
Heilige, die durch den Heiligen Geist im Namen unseres 
Herrn Jesus Christus versammelt sind, z. B. in Rom, Korinth, 
Ephesus, Philippi, Kolossä und Thessalonich. Das waren nicht 
unabhängige, vereinzelte, selbständige Versammlungen, sondern Teile des einen Leibes, so daß ein Glied der Versammlung an einem Orte zugleich ein Glied der Versammlung überall war. Freilich handelte jede einzelne Versammlung, da sie 
sich unter einem Herrn befand und durch den einen Geist 
geleitet wurde, in allen örtlichen Angelegenheiten selbständig, wie z. B. bei der Aufnahme in die Gemeinschaft, oder 
beim Ausschluß des Bösen aus ihrer Mitte, oder bei der 
Fürsorge für die Bedürfnisse der Armen oder dergleichen; 
aber wir können versichert sein, daß der Beschluß irgendeiner Versammlung von allen übrigen Versammlungen anerkannt wurde, mochte es sich um eine Aufnahme oder um 
einen Ausscbluß handeln. Im anderen Fall wäre es eine 
Leugnung der Einheit des Leibes gewesen. Wir haben keinen 
Grund, anzunehmen, daß die Versammlung zu Korinth mit 
irgendeiner anderen Versammlung vorher über den Ausschluß 
des „Bösen" (1. Kor 5) verhandelt und beraten habe, aber 
wir sind überzeugt, daß dieser Ausschluß von jeder Versammlung auf der Erde anerkannt und respektiert wurde. 
Wenn nicht, so wäre die Einheit des Leibes Christi praktisch 
geleugnet worden. 
169 
Wir glauben, daß dies eine bestimmte, in den neutestamentlichen Schriften dargestellte Lehre ist, die jeder einfältige, 
aufrichtige Forscher der Heiligen Schrift entdecken muß. Daß 
die Kirche in der Verwirklichung dieser kostbaren Wahrheit 
gefehlt hat, und wir alle Schuld an diesem Fehltritt tragen, 
ist leider wahr. Der Gedanke daran sollte uns tief vor 
Gott demütigen. Niemand kann einen Stein auf den anderen werfen, denn wir sind alle in dieser Sache schuldig. 
Wir glauben, daß dies eine sehr eindringliche Mahnung an 
das ganze Volk Gottes ist, sich tief zu demütigen wegen 
unseres traurigen Abweichens von einer im Worte Gottes 
so klar dargestellten Wahrheit. 
So war es bei dem frommen, ergebenen König Josia, dessen 
Leben und Zeiten diese Gedankenreihe hervorgerufen haben. 
Er fand das Gesetzbuch und entdeckte darin den traurigen 
Zustand um ihn her. Wie handelte er nun? Begnügte er sich 
mit dem Ausruf: „Der Fall ist hoffnungslos; das Volk hat 
sich zu weit entfernt; der Verfall ist da; es hat keinen Sinn, 
daran zu denken, sich nach der göttlichen Vorschrift zu richten, darum müssen wir die Dinge so lassen und tun was 
sich tun läßt"? — Nein, das war nicht die Sprache und Handelsweise Josias, sondern er demütigte sich vor Gott und 
forderte die anderen auf, dasselbe zu tun. Dann aber suchte 
er auch die Wahrheit Gottes zu verwirklichen; und die Folge 
davon war, daß „kein solches Passah in Israel gefeiert worden (war) wie dieses, seit den Tagen Samuels, des Propheten; 
und alle Könige von Israel hatten kein Passah gefeiert wie 
dasjenige, welches Josia feierte" (2. Chron 35, 18). 
Das war das Ergebeis der gläubigen Unterwerfung aus Ehrfurcht unter das Wort Gottes. So wird es immer sein, denn 
„Gott ist denen, die ihn suchen, ein Belohner". Wie handelte 
der Überrest, der von Babylon in den Tagen Esras und Nehemias zurückkehrte? Sie richteten den Altar Gottes auf, sie 
bauten den Tempel und besserten die Mauern- Jerusalems 
aus. Mit einem Wort, sie beschäftigten sich mit der wahren 
Anbetung des Gottes Israels und mit dem großen Mittelund Sammlungspunkt Seines Volkes. Es war das, was der 
Glaube, ohne sich um die Umstände zu kümmern, immer 
170 
tut. Hätte der Überrest auf die Umstände geblickt, dann 
wäre er unfähig gewesen, zu handeln. Er war ein armes, verachtetes Häuflein unter der Herrschaft der unbeschnittenen 
Heiden. Er war von allen Seiten von aktiven Feinden umgeben, die, angestachelt vom Feind Gottes, vom Feind der 
Stadt und des Volkes Gottes, nichts unversucht ließen, ihn 
bei seinem gesegneten Werk zu behindern, indem sie spottend ausriefen: „Was machen die ohnmächtigen Juden? Wird 
man es ihnen zulassen? werden sie opfern? werden sie an 
d
;
esem Tage vollenden? werden sie die Steine aus dem 
Schutthaufen wieder beleben, da sie doch verbrannt sind"? — 
Auch hatten sie nicht nur mit äußeren Feinden zu kämpfen, 
sondern es war auch innere Schwäche da, denn „Juda sprach: 
Die Kraft der Lastträger sinkt, und des Schuttes ist viel, und 
so vermögen wir nicht mehr an der Mauer zu bauen". — 
Alles dies war sehr niederbeugend. Wie anders war es in 
den glänzenden und herrlichen Tagen Salomos! Seine Lastträger waren zahlreich und stark, und kein Schutt bedeckte 
die großen und kostbaren Steine, aus denen er das Haus 
Gottes baute, auch gab es keinen Feind, der sein Werk verspottete. Aber das läßt uns bei Esra und Nehemia Züge entdecken, die in den Tagen Salomos nicht gefunden wurden. 
Gerade ihre Schwachheit, die Schutthaufen, die stolzen und 
schmähenden Feinde, — alles dies wirkte zusammen, um 
ihrem Werk einen eigentümlichen Glanz von Herrlichkeit zu 
verleihen. Sie bauten und es gelang ihnen; Gott wurde verherrlicht, und Er sprach zu ihnen die lieblichen Worte: „Die 
letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die 
erste, spricht Jehova der Heerscharen; und an diesem Orte 
will ich Frieden geben, spricht Jehova der Heerscharen" (Hag 
2, 9). 
Die Bücher Esra, Nehemia, Haggai und Sacharja sind in Bezug 
auf den erwähnten Gegenstand voll von der gesegnetsten Belehrung, des Trostes und der Ermutigung in einer Zeit wie der 
gegenwärtigen. Es gibt heute vielleicht manche, die geneigt 
sind, über einen Gegenstand wie die Einheit des Leibes zu 
lächeln. Es ist das Spötteln des Unglaubens. Satan haßt 
die Lehre dieser Einheit, wie er jede andere Lehre der 
171 
göttlichen Offenbarung haßt. Er wird jedes Bestreben zur 
Verwirklichung dieser Wahrheit zu verhindern suchen, wie 
er den Wiederaufbau Jerusalems in den Tagen Nehemias 
zu verhindern suchte. Aber laßt uns nicht entmutigt werden. 
Es genügt, daß wir im Worte Gottes die kostbare Wahrheit 
von dem einen Leibe finden. Bringen wir dieses Licht, damit 
es den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche beleuchte! Was wird es unseren Augen offenbaren? Es wird 
uns vor unserem Gott in den Staub beugen wegen unserer 
Wege, aber zugleich wird es unsere Herzen erheben zur Betrachtung des göttlichen Standpunktes. Es ist unmöglich, daß 
jemand die Wahrheit von der Einheit des Leibes in seiner 
Seele aufnehmen und mit etwas, das der praktischen Anerkennung dieser Wahrheit nicht entspricht, zufrieden sein 
kann. Allerdings muß er sich gegen den Widerstand des 
Volkes rüsten. Er wird hier einen Sanballat und dort einen 
Rechum finden, aber der Glaube wird überwinden. 
Im Worte Gottes finden unsere Seelen eine hinreichende 
Ermutigung. Wenn wir kurz vo r de r Gefangen -
schaf t auf Josia sehen, was erblicken wir? Einen Mann, 
der einfach das Wort zu seinem Führer nimmt, sich selbst 
und alles in dessen Licht betrachtet, alles, was ihm widerspricht, verwirft und mit ernstem Herzensvorsatz auszuführen sucht, was er darin geschrieben findet. Und was war 
das Ergebnis? Das gesegnetste Passah, das je seit den Tagen 
Samuels gefeiert worden war. 
Wenn wir dann währen d de r Gefangenschaf t 
auf Daniel blicken, was sehen wir? Einen Mann, der einfach 
nach der Wahrheit Gottes handelt und im Gebet sein Angesicht nach Jerusalem richtet, obwohl er als Folge dieses Gebets 
den Tod zu gewärtigen hat. Was war das Ergebnis? Ein herrliches Zeugnis für den Gott Israels und die Vernichtung der 
Feinde Daniels. 
Wenn wir schließlich nac h der' Gefangenschaf t 
auf den Überrest schauen, was sehen wir? Männer, die angesichts niederdrückender Schwierigkeiten die Stadt wieder 
aufbauen, die der Mittelpunkt Gottes auf der Erde war und 
sein wird. Und was war das Ergebnis? Die fröhliche Feier 
172 
des Laubhüttenfestes, wie es seit den Tagen Josuas, des 
Sohnes Nuns, nicht gefeiert -worden war. 
Was bewirkte in diesen Fällen der Blick jener Männer auf 
die Umstände? Denken wir z. B. an Daniel. Warum öffnete 
er sein Fenster gegen Jerusalem? Warum schaute er nach 
einer zerstörten Stadt? Warum widmete er seine Aufmerksamkeit einem Ort, der nur an die Sünde und Schande Israels erinnerte? Wäre es nicht besser gewesen, den Namen 
Jerusalems in Vergessenheit geraten zu lassen? Die Antwort 
Daniels ist leicht zu erraten. Die Menschen mochten über ihn 
lächeln und ihn für einen Träumer oder Schwärmer halten. Er 
wußte, was er tat. Sein Herz war mit dem Mittelpunkt Gottes, der Stadt Davids, dem großen Versammlungspunkt der 
zwölf Stämme Israels beschäftigt. Sollte er Gottes Wahrheit 
um äußerer Umstände willen aufgeben? Keineswegs. Unmöglich konnte er einen Standpunkt einnehmen, der auch 
nur um Haaresbreite niedriger war. Er konnte weinen, beten, 
fasten und seine Seele vor Gott demütigen, aber nie konnte 
er einen niederen Standpunkt einnehmen. Sollte er die Gedanken Gottes fahren lassen, weil Israel sich untreu erwiesen hatte? Unmöglich. Er kannte besseres als dieses. Sein 
Auge ruhte auf der ewigen Wahrheit Gottes, und deshalb 
wehte das göttliche Panier in unendlicher Herrlichkeit über 
seinem Haupte, obwohl er wegen seiner und seines Volkes 
Sünde im Staube lag. 
Ebenso, mein teurer christlicher Leser, sind wir berufen, den 
Blick des Glaubens auf die unvergängliche Wahrheit des 
einen Leibes zu richten und sie in unserem schwachen Maße 
zu verwirklichen. Wir haben nicht zu fragen: „Wie kann das 
geschehen"? Der Glaube hat nie eine solche Frage in der 
Gegenwart göttlicher Offenbarung. Er glaubt und handelt. 
Wir dürfen die Wahrheit Gottes nicht unter dem Vorwand 
aufgeben, daß wir sie nicht verwirklichen können. Die Wahrheit ist geoffenbart, und wir sind berufen, uns unter sie zu 
beugen. Wir sind nicht berufen, die Einheit des Leibes zu 
bilden . Dies tun zu. wollen, wäre ein Mißverständnis. Die 
Einheit besteht schon. Sie ist das Ergebnis der Gegenwart 
des Heiligen Geistes in dem Leibe, und wir haben sie anzuerkennen und in ihrem Licht zu wandeln. Dies wird unserem 
173 
Wandel eine große Sicherheit geben. Es ist immer wichtig, 
einen besonderen Gegenstand vor dem Herzen zu haben und 
in unmittelbarer Beziehung zu ihm zu handeln. Denken wir 
an Paulus, diesen ergebenen Arbeiter. Was war sein Ziel? 
Wofür arbeitete er? Er selbst gibt die Antwort durch die 
Worte: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und 
ergänze in meinem Fleische, was noch rückständig ist von 
den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die 
Versammlung, deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um 
das Wort Gottes zu vollenden: das Geheimnis, welches von 
den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, 
jetzt aber seinen Heiligen geoffenbart worden ist, denen Gott 
kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses 
Geheimnisses sei unter den Nationen, welches ist Christus 
in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit; den wir verkündigen 
indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen 
lehren in aller Weisheit, auf daß wir jeden Menschen vollkommen in Christo darstellen; wozu ich mich auch bemühe, 
indem ich kämpfend ringe gemäß seiner Wirksamkeit, die 
in mir wirkt in Kraft" (Kol 1, 24-29). 
Das war viel mehr als bloße Bekehrung der Seelen, wie 
kostbar dies auch ist. Paulus predigte das Evangelium mit 
einem direkten Blick auf den Leib Christi, und das ist das 
Vorbild für alle Evangelisten. Auch wir sollten bei der Predigt des Evangeliums stets die Einverleibung der Seelen in 
den einen Leib durch den einen Geist vor Augen haben. Wir 
sollten nicht verschiedene Kirchen, sondern nur den einen 
Le'b kennen, weil wir im Neuen Testament nichts anderes 
finden. Jemand mag zur Bekehrung von Hunderten gebraucht 
werden (was gewiß ein sehr kostbares Werk ist), aber wenn 
er nicht die Einheit des Leibes kennt, muß er wegen ihres 
weiteren Loses in Ungewißheit sein. Dies ist für be'de Teile 
sehr wichtig — für ihn selbst, wie für sie, und auch für das 
Zeugnis für Christus. 
Es ist indes wunderbar, daß gerade am Schluß der Gesch'chte Israels ein so glänzender Augenblick, wie Israel ihn 
kaum je gekannt hatte, erschien. Was lehrt uns dies? Es. lehrt 
174 
uns, daß es offenbar das Vorrecht gläubiger Seelen ist, in den 
dunkelsten Zeiten nach dem Grundsatz Gottes zu handeln 
und göttliche Segnungen zu genießen. Das ist eine wichtige 
Tatsache für alle Zeiten, besonders wichtig aber in der heutigen Zeit. Wenn Josia durch den Geist und die Grundsätze 
unserer Tage beeinflußt worden wäre, hätte er sicher nicht 
versucht, das Passah zu feiern. Er hätte die Hände in den 
Schoß gelegt und gesagt: „es ist nutzlos, daran zu denken, 
unsere großen nationalen Einrichtungen noch länger festzuhalten. Es kann nur als eine Art Anmaßung betrachtet werden, das Fest feiern zu wollen, das bestimmt war, die Erlösung Israels vom Gericht durch das Blut des Lammes darzustellen, weil Israels Einheit verloren gegangen und seine 
nat'onale Herrlichkeit verschwunden ist". — Doch Josia urteilte nicht so. Er handelte einfach nach der Wahrheit Gottes. 
Er forschte in der Schrift, verwarf was falsch war und tat 
was recht war. „Und Josia feierte dem Jehova Passah zu Jerusalem; und man schlachtete das Passah am vierzehnten des 
erste n Monats" (2. Chron 35, 1). Das war ein höherer 
Platz als der, den Hiskia eingenommen hatte, als er sein 
Passah am vierzehnten Tage des zweite n Monats hielt 
(2. Chron 30, 15). Wir wissen, daß Hiskia damit von der 
Vorsorge Gebrauch machte, die die Gnade für Fälle der Verunreinigung getroffen hatte (4. Mo 9, 9-11). Gott hatte jedoch den erste n Monat als den geeigneten Zeitpunkt bestimmt, und Tosia wurde befähigt, sich nach dieser Ordnung 
zu richten. Er nahm die höchste Stufe ein, der Wahrheit 
Gottes gemäß, während er tief unter dem niederbeugenden 
Gefühl persönlicher nationaler Übertretung lag. Das ist immer der Weg des Glaubens. 
„Und er stellte die Priester in ihre Ämter und ermutigte sie 
zum Dienste des Hauses Jehovas. Und er sprach zu den 
Leviten, welche ganz Israel unterwiesen, die Jehova geheiligt 
waren: Setzet die heilige Lade in das Haus, welches Salomo, 
der Sohn Davids, der König von Israel, gebaut hat; ihr habt 
sie nicht mehr auf der Schulter zu tragen. Dienet nunmehr 
Jehova, eurem Gott, und seinem Volke Israel; und bereitet 
euch nach euren Vaterhäusern, in euren Abteilungen, nach 
175 
der Schrift Davids, des Königs von Israel, und nach der 
Schrift seines Sohnes Salomo; und stellt euch im Heiligtum 
auf nach den Klassen der Vaterhäuser eurer Brüder, der 
Kinder des Volkes, und zwar eine Abteilung eines Vaterhauses der Leviten; und schlachtet das Passah, und heiliget 
euch und bereitet es für eure Brüder, da ß ih r tue t 
nac h de m Wort e Jehova s durc h Mose " (2. 
Chron 35, 2-6). 
Hier sehen wir, wie Josia nach der höchsten Autorität handelt. Alles hat Bezug auf ganz Israel, und wie kraftvoll ist 
der Ausdruck: „Daß ihr tuet nach dem Worte Jehovas durch 
Mose". — Mögen diese Worte unser Herz erreichen! Josia 
fühlte, daß es sein hohes und heiliges Recht war, sich nach 
dem göttlichen Gebot zu richten, ungeachtet aller Verirrungen 
und alles Bösen, das sich nach und nach eingeschlichen hatte. 
Die Wahrheit Gottes muß immer stehen bleiben. Der Glaube 
erkennt diese Tatsache an und handelt danach. Welch eine 
liebliche Szene! Wir können Josias treues Hangen an dem 
Wort Jehovas nicht mehr bewundern als seine weitherzige 
Hingabe und Freigebigkeit. „Und Josia schenkte den Kindern 
des Volkes an Kleinvieh: Lämmer und Ziegenböcklein — 
alles zu den Passahopfern für alle, die sich vorfanden —, 
dreißigtausend an der Zahl, und dreitausend Rinder; das 
war von der Habe des Königs. Und seine Obersten schenkten freiwillig für das Volk, für die Priester und für die 
Leviten . . . Und der Dienst wurde eingerichtet; und die 
Priester standen an ihrer Stelle und die Leviten in ihren 
Abteilungen, nach dem Gebote des Königs . . . Und die 
Sänger, die Söhne Asaphs, waren an ihrer Stelle, . . . und 
die Torhüter waren an jedem Tore: sie hatten nicht nötig, 
von ihrem Dienste zu weichen, weil ihre Brüder, die Leviten, für sie bereiteten. Und so wurde der ganze Dienst Jehovas an jenem Tage eingerichtet, um das Passah zu feiern 
und die Brandopfer auf dem Altar Jehovas zu opfern, nach 
dem Gebote des Königs Josia. Und die Kinde r Israel , 
die sich vorfanden, feierten das Passah zu selbiger Zeit, und 
das Fest der ungesäuerten Brote sieben Tage lang. Und es 
war kein solches Passah in Israel gefeiert worden wie dieses, 
176 
seit den Tagen Samuels, des Propheten; und alle Könige von 
Israel hatten kein Passah gefeiert wie das, welches Josia 
feierte und die Priester und die Leviten und ganz Juda und 
Israel, das sich vorfand, und die Bewohner von Jerusalem. Im achtzehnten Jahre der Regierung Josias ist dieses 
Passah gefeiert worden" (2. Chron 35, 7-19). 
Welch ein Bild! Der König, die Obersten, Priester, Leviten, 
Sänger, Torhüter, ganz Israel, Juda und die Einwohner von 
Jerusalem, alle waren vereinigt, alle an ihrem rechten Orte 
und an dem ihnen zugewiesenen Werke, und zwar im achtzehnten Jahre der Regierung Josias, als der jüdische Staat 
kurz vor seiner Auflösung stand. Wir sehen also, daß keine 
Zeit, keine Umstände, keine Einflüsse jemals die Wahrheit 
Gottes ändern oder das Glaubensauge verdunkeln- können. 
„Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit", und der Glaube 
erfaßt dieses Wort und hält es fest. Es ist das Vorrecht des 
Gläubigen, daß er es mit Gott und Seiner ewigen Wahrheit 
zu tun hat, und darum hat er die Pflicht, den höchsten Standpunkt einzunehmen. Der Unglaube hingegen nimmt die Umstände zum Vorwand, im Laufen schlaff zu werden und die 
Stimme zu senken. Laßt uns mit Beschämung und Schmerz 
wegen unserer Sünde und unserer Fehltritte uns niederbeugen, aber laßt uns auch durch den Glauben unsere hohe Stellung einnehmen. Die Fehltritte sind auf unserer, die Stellung 
auf Gottes Seite. Josia weinte und zerriß seine Kleider, aber 
er gab die Wahrheit Gottes nicht auf. Er fühlte, daß er, seine 
Väter und Brüder gesündigt hatten, aber warum sollte er 
nicht das Passah nach göttlicher Anordnung feiern? 
Hiermit schließen wir unsere Betrachtung. Die Zeiten Josias 
liefern uns ein treffendes Bild auch von unserer heutigen 
Zeit. Möchten wir daraus lernen, unter allen Umständen und 
selbst in den dunkelsten Zeiten an der Wahrheit in der 
Heiligen Schrift festzuhalten. Nur wenn dieser göttliche Boden unter unseren Füßen ist, werden wir mit festem Schritt 
unseren Weg gehen und gesegnet werden, wie sehr auch alles 
gegen uns sein mag. Vor allem aber ist es unser Wunsch 
und Gebet, daß der Herr diese Zeilen an den Herzen vieler 
Christen segnen und allen die Wahrheit köstlich machen 
möge: „D a is t ei n Lei b un d ei n Geist" . 
177 
Das Manna und das Erzeugnis des Landes 
(Josua 5, 9-15) 
Die Berufung und die Auserwählung des Christen sind Wahrheiten von großer Bedeutung. Ich denke hierbei nicht nur 
an die Herrlichkeit des Herrn, sondern auch daran, daß wir 
berufen sind, Christus ähnlich und Seiner Natur teilhaftig 
zu sein. Geistlicherweise werden wir Ihm ähnlich, und darum sagt der Apostel Paulus zu den Ephesern (Kap 5, 25), 
daß „Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für 
sie hingegeben hat, auf daß er sie heiligte, sie reinigend 
durch die Waschung mit Wasser durch das Wort". Das Wort 
verherrlicht die Versammlung nicht, sondern es heiligt sie; 
ihre Verherrlichung ist die Folge der Gemeinschaft mit Jesus 
in der Herrlichkeit, und durch den Genuß dessen was Er ist, 
sind wir Seiner Herrlichkeit teilhaftig. Aus Eph 4 ersieht man, 
daß wir dem gleichförmig sind, was wir erkennen. Der 
Apostel meint: „Ihr habt erkannt, was Gott in der Vergebung 
und in der Herrlichkeit ist, ihr habt dies erfaßt; nun, so 
verwirklicht es in eurem Wandel". Was geistlich von Herzen 
erkannt wird, wird verwirklicht, darum steht geschrieben: 
„Seid vollkommen usw." — Gott hat euch geliebt, als ihr 
Seine Feinde wäret; tut desgleichen, liebet eure Feinde! 
Ich rede jetzt nicht von unserer Vollkommenheit in Christo, 
denn diese ist schon vollendet, — sondern es handelt sich um 
die auf der Erde stattfindende Verwirklichung dessen, was 
wir erkennen. Johannes sagt: „Was von Anfang war, was 
wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir 
angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das 
Wort des Lebens usw." Da Christus unser Leben ist, verwirklicht sich das in uns, was wir in Christus sehen. Das 
Maß meiner Verwirklichung hängt ab von dem Maß meines 
Genusses. Wenn ich das was Christus ist, verwirkliche, dann 
ist es die Freude meines Herzens. Das richtet zwar mein 
Fleisch, denn wenn Christus da ist, wird alles, was Ihm widerspricht, ans Licht gebracht. 
Laßt uns nun ein wenig betrachten, in welcher Weise Christus 
uns nährt, und wie wir in unserem täglichen Leben von Ihm 
178 
unterstützt werden, damit der Genuß Christi in all den 
Schwierigkeiten, die uns so leicht zerstreuen und beunruhigen, sobald wir den Blick nicht auf Ihn gerichtet halten, nicht 
geschwächt wird. Wenn unsere Gedanken zerstreut und von 
Christus abgelenkt sind, dann finden wir, daß unser Herz 
erkaltet ist, wenn wir zu Ihm zurückkehren wollen, weil es 
das Bewußtsein Seiner Liebe mehr oder weniger verloren 
hat. Wir können im Christen drei verschiedene Kennzeichen 
unterscheiden. 1. Er ist ein erlöster Sünder, ein Gegenstand 
der Gnade der Erlösung, und man sieht in ihm zwei Gegensätze zusammengerückt: Gott und den Sünder. 2. Man hat 
nie dergleichen in einem Engel gesehen, noch wird man so 
etwas je sehen können. Er hat mit Christus teil an der Herrlichkeit. 3. Er ist ein Pilger in der Wüste. — Dieser dritte 
Charakterzug bezieht sich, wie wir später sehen werden, auf 
Christus als das Manna, das ein Kennzeichen der Bedürfnisse in der Wüste ist und vorübergeht, während die anderen beiden Kennzeichen ewig bleiben. 
Als Gott Sein Volk in Ägypten heimsuchte, redete Er mit 
ihm nicht von der Wüste, die es zu durchwandern hatte, 
sondern von Kanaan; und in ähnlicher Weise handelt Gott 
mit uns. Wenn Er uns durch die Erkenntnis Jesu aus der 
Welt befreit hat, so redet Er mit uns vom Himmel und stellt 
die Herrlichkeit vor unsere Augen. Wir bleiben oft bei unseren Verhältnissen in der Wüste stehen, wenn aber der Geist in 
uns wirksam ist, richten wir unsere Blicke auf das Ziel. Paulus lebte nicht in den sichtbaren Dingen, denn sie sind nur 
zeitlich und daher wertlos; sein Herz war mit himmlischen 
Dingen erfüllt. Die erste Bedingung nun, um die Welt als 
Nichts betrachten zu können, ist das Bewußtsein, daß man 
ihr nicht angehört, denn Gott hat uns in der Sünde, Ihm 
ganz entfremdet, gefunden, und Er hat getan, was nötig war, 
um uns in die Herrlichkeit zu versetzen. Durch dieselbe 
Macht, durch die Er Christus aus dem Grabe auferweckt und 
Ihn zu Seiner Rechten in den Himmel gesetzt hat, hat Er 
auch uns aus unseren Sünden gezogen, um uns in den Himmel zu versetzen. 
In dem oben angeführten Kapitel (Jos 5, 9-15) finden wir 
179 
zweierlei: das Passah und das Erzeugnis des Landes. Alles 
übrige ist beiseitegelassen. Wenn es sich um den Himmel 
handelt, dann ist vom Manna nicht mehr die Rede. Das will 
viel sagen, aber wir werden sehen, wie man nicht nur vor 
dem Gericht geborgen, sondern auch im Himmel sein kann. 
Israel war nicht mehr in Ägypten, aber es aß in der Wüste 
nicht vom Erzeugnis des Landes Kanaan. Pharao war nicht 
anwesend, denn Israel war von der Knechtschaft Ägyptens 
befreit, und dennoch war das Erzeugnis des Landes nicht 
seine Speise. Ähnlich verhält es sich mit dem Christen, der 
nur das Heil kennt, das er in Christus besitzt. Er ist nicht 
mehr unter der Verdammnis, aber er kann Gott nicht verherrlichen; er ist vor dem Gericht geborgen, aber er kennt 
nicht die Wirksamkeit des Werkes Christi für die Herrlichkeit. Jeder Kampf und jede Furcht bezüglich des Heils muß 
gänzlich aufgehört haben, und wir müssen wie Israel fern 
von Ägypten und der Macht Pharaos Gott als unseren Erretter kennen und von jeder Furcht in dieser Hinsicht völlig 
befreit sein. Ein Christ ist jeder, der sagen kann: „Christus 
hat alles für meine Rettung getan, Er hat mich für immer 
der Gewalt Satans entrissen"! — wie Israel sagen konnte: 
„Ich fürchte Pharao nicht mehr, er ist in der Tiefe des Meeres"! Satan war überwunden, sobald Jesus sagte: „Den 
Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht 
trinken"? Die Erlösung ist vollständig, denn Gott hat sich 
als unser Retter geoffenbart, so daß wir mit dem Apostel 
sagen dürfen: „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns"? 
Wenn auch Satan oder die Wüste noch da sind, lasse ich 
doch alles beiseite, weil ich weiß, daß Gott für mich ist. Aber 
es gibt noch eine andere Wahrheit, die ich ebenfalls verstehen sollte. Der Jordan ist da, und er hat eine andere 
Bedeutung. Christus ist fü r mic h gestorben und auferstanden, das sagt mir das Kreuz; der Jordan aber sagt mir, 
daß ic h mi t Christu s gestorben und auferstanden 
bin. Es ist die Erkenntnis und der Genuß meiner Vereinigung mit Christus, und hier erst fängt man an, vom Gewächs des Landes zu essen: man ist im Himmel. 
Wenn man in das Land eingeführt ist, beginnt der Kampf 
mit den darin befindlichen Feinden, aber man ißt von dem 
180 
Erzeugnis des Landes. Man befindet sich in Gilgal, wo die 
Beschneidung geschieht. Das bedeutet, daß man alles nach 
der Regel des Himmels beurteilt, wenn man das Bewußtsein 
hat, im Himmel zu sein. Wenn ich droben bin, so sage ich 
von allem was ich in der Welt sehe: „Das ist nicht vom 
Himmel, und ich will nichts davon". Es ist notwendig für 
uns, in Gilgal zu bleiben, d. h. das Fleisch in der Gegenwart 
Gottes zu richten. 
Ich komme jetzt auf die Art und Weise zurück, wie man sich 
von Christus nähren kann. Als Israel vom Erzeugnis des 
Landes zu essen begann, hörte das Manna auf, und das bedeutet für uns, daß man die Erlösung in ganz neuer Weise 
zu genießen anfängt. Welches ist nun der Unterschied zwischen dem Genuß des Erzeugnisses des Landes und dem 
Essen des Manna? Anfangs denkt man an seine Sünden und 
an Christus, und dies ist auch die Tür, durch die man eingehen muß. Man muß als armer Sünder gedemütigt 
sein, um durch Christus eingehen zu können. Hernach aber, 
wenn man weiß, daß Gott uns so liebt, wie Er Jesus 
liebt, und daß Sein Wohlgefallen auf uns ruht, wenn man 
die ganze Tragweite der durch Jesus vollbrachten Erlösung 
versteht, fängt man an, das Werk Christi zu schätzen, wie 
Gott es schätzt, und mit den Gedanken Gottes in dieser 
Beziehung in Übereinstimmung zu sein. Man sieht Christus 
ganz anders als früher, und man nährt sich auf eine ganz 
andere Weise von Ihm. Für mich handelt es sich dann nicht 
nur darum, gerettet zu sein, denn in Christus gehöre ich Gott 
selbst an, und ich bewundere die ganze Vollkommenheit des 
Lammes, das im Himmel ist. Und wenn ich dann daran 
denke, welcher Erniedrigung Er Sich unterworfen, und wie 
Er Sich Selbst zu nichts gemacht hat, um den Charakter Gottes aufrechtzuerhalten, der ohne den Strom Seiner Liebe zu 
hemmen, in Gerechtigkeit handeln, und ohne Seiner Gerechtigkeit Eintrag zu tun, Liebe üben konnte, dann bete ich 
Christus an. Der Sohn des Menschen ist verherrlicht, weil 
Gott durch Ihn verherrlicht worden ist. Er hat Sich freiwillig 
ganz erniedrigt, damit Sein Vater verherrlicht werde; Er hat 
allem entsagt und ein unumschränktes Vertrauen auf Seinen 
181 
Vater gesetzt; Er ist bis ans Ziel gegangen und hat den 
Kelch getrunken, damit der Vater verherrlicht und unsere 
Rettung vollbracht wurde. Dies alles dient zu meiner Nahrung. Nicht nur bin ich errettet, sondern ich bete an. Wer 
in seinen Sünden ist, beschäftigt sich mit seiner Errettung; 
wer aber im Himmel ist, nährt sich von Christus. Er bewundert Ihn und betet Ihn an, und es ist sein Genuß, mit Christus in den himmlischen örtern zu sitzen. Je geistlicher wir 
sind, desto besser verstehen wir die Herrlichkeit, die Christus 
mit uns teilen will. Alles was er von Ewigkeit her war, und 
alles was Er durch Seinen Gehorsam erworben hat, ist uns 
gegeben, und wir werden Ihm gleich sein. Ist Christus nicht 
ein Gegenstand der Liebe für mich? Freue ich mich nicht, 
Ihn dort zu sehen? Er sagt zu Seinen Jüngern: „Wenn ihr 
mich liebtet, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater 
gehe". Wenn ich daran denke, wie Jesus von dieser Welt 
verhöhnt und verworfen worden ist, freue ich mich, Ihn im 
Himmel zu sehen. 
Er ist das „Erzeugnis des Landes", denn Er ist aus dem 
Himmel und darum auch die Nahrung, die für uns passend 
ist. Der Christ ist vom Himmel und hat dort sein Bürgertum, 
und er soll sich von Christus als dem Lamme nähren. Wenn 
ich sage, daß wir in Kanaan wohnen sollen, so spreche ich 
von einem Kanaan, wo Kämpfe sind. In den von Kanaan 
dargestellten himmlischen örtern ist beständiger Kampf. 
Sind wir aber in Wirklichkeit einmal im Himmel, ist vollkommene Ruhe unser Teil. Als Sünder ist der Mensch in 
Ägypten, als Christ ist er in Kanaan, aber er durchwandert 
die Wüste und befindet sich leider oft noch in Ägypten, 
weil er der Wüste überdrüssig ist und sein Herz nach 
Ägypten zurückkehrt. Und doch sollte die Welt für ihn, wie 
sie es für den Herrn Jesus war, nur ein dürres, trockenes 
und wasserloses Land sein. Hier gibt es für uns nur eine 
Wüste mit feurigen Schlangen, aber mit Gott müssen wir 
hindurch; und wenn unser Herz fähig ist, sich von Christus 
zu nähren, dann werden wir alles überwinden können. Ich 
frage mich: „Warum ist es nicht so, da Jesus doch mein 
Heiland ist"? Der Grund liegt wohl darin, daß man sich nicht 
182 
von Christus als dem Gewächs des Landes nährt, oder mit 
anderen Worten, daß man nicht in Seiner Gemeinschaft 
bleibt. Das Manna ist für die Wüste, das Gewächs des Landes aber für Kanaan. 
Das andere Kennzeichen, das ich angedeutet habe, und das 
man unterscheiden muß, ist Christus als Manna für die Bedürfnisse des Wandels in der Wüste. Jesus spricht davon, 
wenn Er zu den Juden sagt: „Mein Vater gibt euch das wahrhaftige Brot aus dem Himmel". Wenn der Christ es vernachlässigt, sich in dieser Weise von Christus zu nähren, dann 
fehlt ihm die nötige Kraft, um in seinem Wandel auf der 
Erde Christus anzuziehen. 
Als Christus auf den Berg ging, fand die Verklärung statt. 
Das war für Ihn das Gewächs des Landes. Er nährte Sich 
von der Herrlichkeit. Aber als Er vom Berge herabstieg, fand 
Er die Macht Satans, aber in allen Verhältnissen verwirklichte 
Er das Leben Seines Vaters. So sollen auch wir uns von Jesus nähren. Da wo wir dem Feind begegnen, ist Er als Manna unsere Nahrung. Jesus konnte stets sagen: „Gleichwie der 
lebendige Vater mich gesandt hat und ich lebe des Vaters 
wegen, so auch, wer mich ißt, der wird auch leben meinetwegen". Wie Christus Selbst durch diese Wüste gegangen 
ist und im Glauben gewandelt hat, so sind auch wir berufen, es zu tun. In jeder Lage betete Er, und wenn die Schwierigkeiten sich steigerten, dann betete Er heftiger. Er befand 
Sich als Mensch darin und ging mit Hilfe Seines Vaters 
durch alles hindurch. Der Christ nährt sich von einem Christus, Der versucht und erniedrigt worden ist, und er soll 
mit soviel Gnade durch diese Welt gehen, daß man seinen 
Herrn und Meister in ihm erkennen kann. Wenn er in Ihm 
wandelt, wird man an ihm alle Gütigkeit, Langmut, Sanftmut erblicken. Die Versuchungen übten auf Jesus die Wirkung aus, daß Seine Gnade mehr ausstrahlte. Bin ich bei 
Ihm, so ertrage ich es, wenn man mich schmäht, und ich werde 
nicht aufhören, sanftmütig zu sein, weil Er, Der Sich so 
geoffenbart hat, meine Nahrung ist. Mein Charakter als 
Christ macht es nicht notwendig, daß ich in so schwierige 
Umstände komme, aber ich besitze, was notwendig ist, um 
183 
hindurchzukommen, und ich vergesse diese Umstände, weil 
ich nicht von dieser Welt, sondern vom Himmel bin. Wenn 
ich wandle als jemand, der Christus in sich hat, dann esse 
ich das Manna in der Wüste, nähre mich aber auch vom Erzeugnis des Landes Kanaan. Täglich kann ich beides tun. Es 
mußte von Israel jeden Tag gesammelt werden, denn es verdarb vom Abend bis an den Morgen. Um aber Gott zu verherrlichen und in allen Lagen, sei es als Mann oder Frau, 
als Herr oder Knecht, den Charakter Jesu zu offenbaren, 
muß man sich von Christus als dem Erzeugnis des Landes 
nähren. Wenn wir die himmlische Freude genießen wollen, 
müssen wir uns von Jesus als dem Manna nähren, das vom 
Himmel herniedergekommen ist und alles für uns enthält, 
was wir in allen Lagen benötigen. Dann werden wir Ihn 
genießen und die Herrlichkeit als unser ewiges Teil. 
Johannes 19, 31 
„Die Juden nun baten den Pilatus, damit die Leiber nicht 
am Sabbath am Kreuze blieben, weil es Rüsttag war( denn 
der Tag jenes Sabbaths war groß), daß ihre Beine gebrochen 
und sie abgenommen werden möchten". 
Diese Stelle zeigt, wie blind der Mensch ist, und stellt vor 
allem einen Charakterzug des gefallenen Menschen dar, 
nämlich den, daß er bemüht ist, durch seine Werke sich Gott 
angenehm zu machen. 
Israel war unter das Gesetz gestellt und hatte es übertreten. 
Der Ausspruch Gottes, daß derjenige, der in einem fehle, 
des ganzen Gesetzes schuldig sei, machte jede Tätigkeit des 
Menschen unnütz. Auch wenn Israel in der Folge das Gesetz 
hätte erfüllen können, wäre es schon mit Rücksicht auf die 
Vergangenheit verloren gewesen. Dennoch eiferten die Juden 
für das Gesetz, als ob es möglich wäre, etwas damit zu erreichen, ebenso wie es heute Tausende tun, die ohne zu untersuchen der Meinung sind, daß das Beobachten religiöser 
Vorschriften vor Gott Wert habe. Es ist für die menschliche 
184 
Gesellschaft sicher angenehmer, mit einem nüchternen Mann 
umzugehen, als mit einem Trunkenbold, und in Bezug auf 
diese Welt ist es weit lieblicher, einen ehrbaren Mann zu 
sehen als einen Dieb; aber welchen Wert dies auch an und 
für sich haben mag, so sind doch ohne Unterschied alle Menschen, gemessen an den von Gott gestellten Forderungen, 
nichts als Sünder und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes. 
Ja, mehr noch: der religiöse Mensch ist gerade durch seine 
vermeintlich guten Werke so verblendet, daß er eine viel 
größere Gnade braucht, um sich zu, erkennen und die an die 
religiösen Pharisäer gerichteten Worte des Herrn zu verstehen: „Wahrlich, ich sage euch, daß die Zöllner und die Huren euch vorangehen in das Reich Gottes". Ja, es ist sogar 
eine ganz gewöhnliche Erscheinung, daß die Feindschaft des 
natürlich frommen Menschen gegen den einzig wahren Weg 
des Heils so groß ist, daß er in seinem blinden Gesetzeseifer 
gerade gegen Gott handelt. So sehen wir, daß der nach der 
Gerechtigkeit im Gesetz tadellose Paulus ein Verfolger Jesu 
war. 
Dasselbe finden wir in der angeführten Schriftstelle. Die 
Juden wollten den Sabbath halten. Den Gekreuzigten während des Sabbaths am Kreuz hängen zu lassen, verstieß gegen 
das Gesetz, und in ihrem Gesetzeseifer wollten sie lieber die 
Beine Jesu als den Sabbath brechen. Welche Blindheit! Durch 
ihre Feindschaft gegen Gott hing Er am Kreuz, Der der Herr 
des Sabbaths war, Der das arme Volk besuchte, um ihnen 
Heil zu bringen, Der Mensch geworden war, um für Sünder 
zu sterben, und Der, während das Gesetz den Menschen verfluchte, es erfüllte und aus Gnaden den Weg zur Gerechtigkeit öffnete. Durch ihre Feindschaft gegen Gott wollten 
sie Ihn so schnell wie möglich zu Tode bringen, um das Gesetz nicht zu brechen. 
Das ist der gefallene Mensch ohne das Licht von oben. Er 
tötet voll Haß Den, Der das Gesetz gegeben hat, und um 
nicht das Gesetz zu brechen, bricht er lieber die Beine Dessen, Der das Gesetz gegeben und erfüllt hat. Wenn es je 
einen Beweis von der Blindheit und Bosheit des Menschen 
gegeben hat, so ist es der, daß Gott in der Person Christi in 
185 
die Welt kam, aber der Mensch voll Frevel Ihn von sich 
stieß. Der gefallene Mensch fühlt sich nicht wohl in der 
Gegenwart Gottes. Wohl läßt er sich in der Not und der 
Krankheit Hilfe gefallen, aber schließlich schreien die Hosianna-Rufer doch: „Kreuzige, kreuzige Ihn"! Adam verbarg 
sich, sobald er gesündigt hatte. Die Heiligkeit Gottes erlaubt 
dem Sünder nicht, ruhig zu bleiben in der Gegenwart Gottes. 
Glückselig jeder, der dies erkennt und sich durch Jesus zum 
Vater ziehen läßt! Denn niemand kann zu Ihm kommen, es 
sei denn, daß der Vater, Der Ihn gesandt hat. ihn ziehe! 
Wie schrecklich aber wird der Augenblick für alle sein, die 
diese Gnadenzeit versäumen, und wie groß die Enttäuschung 
für solche, die sich einbilden, auf Grund ihrer Werke Gott 
nahen zu können, wenn sie dereinst Jesus als dem Richter 
begegnen! 
Auszug aus einer Betrachtung 
Ober 4. Mose 20, 1-13 
Es ist für den Menschen — sei es als Geschöpf oder als 
Sünder — nichts schwieriger, als Gott wirklich zu erkennen; 
und dennoch ist es das ewige Leben, „dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, (zu) 
erkennen" (Joh 17, 3). Diese Erkenntnis Gottes, die das ewige 
Leben ist, fehlt dem natürlichen Menschen ganz und gar; 
sie kann sich auch nicht in ihm finden, weil sie nicht aus dem 
menschlichen Verstand hervorgehen kann; denn sonst wäre 
Gott nicht Gott. Wenn mein Verstand über irgendetwas ein 
Urteil fällt, so steht er höher als die Sache, die ich beurteile, 
und diese Sache kann nicht Gott sein, denn sonst wäre ich 
Gott überlegen. Der Mensch kann die Gedanken Gottes nicht 
erfassen. Könnte er dies, dann wäre diese Erkenntnis für ihn, 
der in der Sünde ist, sein Verderben. Der Mensch kann nicht 
Gott sehen und leben (2. Mo 33, 18-23). 
Wenn aber Gott wirkt, wenn Er alle Seine Güte vor Mose 
vorübergehen läßt, wenn Er begnadigt und Sein Erbarmen 
bewiesen hat, wenn Er ihn auf den Felsen gestellt und ihn 
186 
mit Seiner eigenen Hand bedeckt hat, während Seine Herrlichkeit vorübergeht, dann kann Jehova von hinten gesehen 
werden, nicht aber von Angesicht. Wenn all Seine Güte vorübergegangen ist, kann man Ihn erkennen. Ohne dies wäre 
der Anblick Gottes das ewige Verderben. 
Wenn Gott einmal wirklich erkannt worden ist, dann versteht man völlig, daß Gott kennen die Liebe kennen heißt. 
Durch alles was Gott für uns getan hat, versteht man dies, 
und die Gnade, durch die man es versteht, findet ihre Anwendung auf den armen Sünder in seiner Gnade. In der 
Erkenntnis Gottes wandeln — und dies ist die wahre Heiligkeit — bedeutet, in der Erkenntnis Seiner Liebe wandeln. 
Gott ist für uns stets das was Er im Tode Seines Sohnes 
war; und jeder, der Gott in dieser Weise kennt, rechnet auf 
diese Liebe. Was das innere Leben kräftigt, was Einsicht gibt 
und sie entwickelt, ist die fortwährende Abhängigkeit von 
dieser Liebe; und der Fortschritt besteht in einem immer 
tieferen und beständigeren Gefühl Seiner Liebe (oder der 
Abhängigkeit von dieser Liebe), während die Ursache und 
Folge des inneren Rückganges ist, daß Gott weniger erkannt 
wird und man sich nicht auf Seine Gnade stützt, wie es Seiner Liebe angemessen ist. Von diesem Augenblick an bewegt 
sich der Mensch in seiner eigenen Fähigkeit und fällt; der 
Strom versiegt, weil er nicht mehr in gehöriger Verbindung 
mit der Gnade steht. Der Schlüssel zu aller Abnahme geistlichen Lebens ist, daß wir nicht in dem Maße auf die Gnade 
Gottes zählen, wie sie zu unserer Verfügung steht. Das Gewissen übt dann Gewalt über das Herz aus, und weil das 
Herz zuviel Böses sieht, hat es kein Vertrauen mehr, um auf 
Gott zu rechnen. 
Das Christentum ist dadurch gekennzeichnet, daß wir durch 
einen Mittler mit Gott verkehren können. In Eden genoß 
der Mensch den persönlichen Umgang mit Gott; wir genießen 
ihn mit Hilfe eines Mittlers. Die Gnade Gottes offenbart sich 
in Jesu in Bezug auf alle Bedürfnisse und Mängel der Kinder 
Gottes. Gott hat uns errettet und berufen, und Er wird in 
unseren Herzen nicht verherrlicht, wenn wir nicht verstehen, 
daß Er uns errettet hat. Eine wirklich erweckte Seele kann 
sich mit nichts weniger als dem Heil begnügen, und Gott in 
187 
Seiner Offenbarung mit Jesu wird dem Herzen ungemein 
kostbar. 
Auf diese Weise sollte Israel in der Wüste Gott kennenlernen. Israel ist von Ägypten ausgegangen und hat alles verlassen, um in ein unbesätes Land zu kommen. Dies war die 
Liebe des Brautstandes: Israel war Jehova geheiligt. Es gab 
in der Wüste nichts, was das Herz hätte anziehen oder ihm 
einen Beweggrund hätte geben können, als allein die Nachfolge Gottes; und wir folgen Ihm glücklich und mit Freuden 
ohne irgendwelche Sorge, weil der Gott, Der uns errettet hat, 
uns auch vorangeht. Gott genügt dem Herzen, und dies ist die 
Liebe des Brautstandes. Wenn Gott weniger der Gegenstand 
unserer Liebe ist, so erkaltet sie; man beschäftigt sich weniger mit Gott, das Herz wendet sich anderen Dingen zu, und 
siehe da, der Glaube sinkt, das Elend oder ein öffentlicher 
Fall sind die Folgen. Es ist dann die Wüste, die als solche 
das Herz beschäftigt, und einem solchen Herzen genügt Gott 
nicht mehr. 
Gott aber weiß wohl, daß Er uns in die Wüste geführt hat, 
und was tut Er? Er geht vor den Israeliten her und sucht 
ihnen eine Lagerstätte, einen Ort, wo sie ruhen können (4. Mo 
10, 33; 5. Mo 1, 33), obwohl betreffs der Ordnung der 
Stämme die Bundeslade in ihrer Mitt e sein sollte. Was 
Gott für uns in der Wüste tut, ist dieses: Er sucht Ruhe für 
uns und geht deshalb vor uns her, läßt uns Erquickungen 
und Stärkungen finden, und so gehen wir von Kraft zu 
Kraft. Wenn sich die Wolke erhebt, dann brechen wir wieder auf. Aber Israel genügte das nicht; das Volk beklagte 
sich über Müdigkeit (4. Mo 11, 1) und schritt von Empörung 
zu Empörung. Hier haben wir die Geschichte unserer Herzen; aber Gott öffnet die überschwenglich reichen Hilfsquellen Seiner Gnade. Nach dem Aufruhr Korahs hat Gott die 
Gedanken Seiner Gnade gegen Sein Volk nicht aufgegeben; 
Er läßt den Stab Aarons blühen. Dazu hatte Mose nichts 
beigetragen, und es ist wichtig zu verstehen, welche Bedeutung dieser Stab für uns hat. Die Erde hatte Korah, Dathan 
und Abiram verschlungen (4. Mo 16, 33), aber dadurch wurde 
das Volk nicht durch die Wüste geführt. Gott wollte das 
188 
Murren der Kinder Israel zum Schweigen bringen (4. Mo 17, 
5), und deshalb befahl Er, daß die Stäbe vor die Bundeslade 
in das Zelt gebracht würden, und der Stab, der sproßte, war 
derjenige des Priesters. Im Charakter eines Priesters wird 
Gott der Heerführer Seines Volkes. 
Allein das Priestertum Jesu kann uns führen. Es ist eine 
Autorität, die unseren Bedürfnissen angepaßt ist und Kenntnis von ihnen nimmt, um sie vor Gott zu bringen, damit 
Seine Gnade ihnen entgegenkomme. Das Priestertum ist nicht 
nur aufgerichtet, um uns die Vergebung, die Barmherzigkeit 
und die Gnade zu verschaffen (Hebr 9, 16), sondern es teilt 
uns auch die zur Erneuerung unserer Kräfte notwendige 
Gnade mit. Wir werden sehen, welchen Gebrauch man von 
dem Stabe Aarons machen soll, und wie groß die vollkommene Güte Gottes gegen uns ist. Die rote Kuh, von der in 
Kap. 19 gesprochen wird, und das Wasser der Reinigung 
wenden im Vorbild die Leiden Christi auf das Herz an und 
zeigen den Abscheu, den Gott vor der Sünde hat. Aber wir 
haben auch noch Bedürfnisse; das Herz dürstet und braucht 
Erquickung auf dem Wege nach dem Land der Verheißung. 
Das Volk murrt, weil es kein Wasser hat, und wünscht sogar 
den Tod. Die Schwierigkeiten führen zur Entmutigung, und 
in seiner Torheit wünscht das Volk, von Jehova ausgerottet 
zu werden, als Gott Jehova die Sünde richtet. Sie wünschen 
lieber, in Ägypten geblieben zu sein, obwohl sie das Gericht 
Gottes über jenes Land gesehen hatten. Sie hatten die Freude 
des Brautstandes vergessen, und in ihren Augen war die 
Wüste nur noch ein böser Ort, nicht ein Ort für Aussaat 
und Feigenbäume, für Weinstöcke und Granatbäume; und 
kein Trinkwasser war vorhanden (4. Mo 20, 5). Wie oft 
sagen unsere Herzen: „Dieser böse Ort"! Unsere Lippen 
würden das nicht auszusprechen wagen; unser Gewissen 
hindert uns, es zu sagen und diesen Gedanken gutzuheißen. 
Wie viele Herzen — und ich zweifle nicht, auch unter den 
Lesern — sagen oft: „Welch ein böser Ort"! Die Israeliten 
richteten ihren Blick auf die Wüste. Sie hatten nicht das 
Bewußtsein, daß Gott unter ihnen war, weil ihr Herz etwas 
anderes suchte. 
189 
Gott will, daß wir Seine Gedanken kennen. Er sagt hier 
nicht wie nach der Sünde mit dem goldenen Kalb (2. Mo 32, 
10), nach der Weigerung des Volkes, nach Kanaan zu ziehen 
(4. Mo 14, 12), und nach dem Aufstand Korahs (4. Mo 16, 
21), daß Er das Volk vertilgen und Mose zu einer großen 
Nation machen wolle. Dieses Mal ist es nicht die Fürbitte 
Moses, die das Gericht abwendet. Das Herz und die Gedanken 
Gottes sind nach einer ganz anderen Seite hin gerichtet. Er 
erinnert sich des Stabes Aarons, den Er erwählt hat, um das 
Murren des Volkes zu stillen. Das Priestertum bringt die 
Gnade hervor, die unseren Bedürfnissen gemäß auf unseren 
Zustand angewendet wird. In Israel waren Bedürfnisse und 
mancherlei Elend, aber Gott wollte in Gnade handeln und 
in dieser Wüste Wasser hervorquellen lassen. „Redet vor 
ihren Augen zu den Felsen, so wird er sein Waser geben" 
(Vers 8). Gott befiehlt, den Stab zu nehmen, diesen wohlbekannten Stab, der vor Ihm im Zelt war. Mose aber 
handelt anders. Er befolgte zwar die Befehle Gottes bis zum 
Felsen hin. Er nimmt den Stab und versammelt die ganze 
Gemeinde. Aber während er von Gott als Werkzeug gebraucht wird, findet der Gedanke an sich selbst Eingang in 
seinem Herzen, und er gebraucht die Autorität Gottes, um 
sich selbst zu verherrlichen. 
Wir finden im Worte Gottes mit Ausnahme des Herrn Jesus 
wohl kaum einen schöneren Charakter als denjenigen Moses. 
Es ist immer etwas sehr Ernstes, wenn wir der Sünde in 
einem Mann Gottes begegnen. Es bewirkt ein peinliches, 
demütigendes Gefühl. Aber Gott spricht sein Urteil. Wegen 
dieser Sünde darf Mose das Volk nicht in Kanaan einführen. Später flehte er deshalb zu Gott, aber Gott wollte Sein 
Wort nicht zurücknehmen. „Laß es genug sein", sagt Er zu 
Mose, „rede mir fortan nicht mehr von dieser Sache" (5. Mo 
3, 26). Mose sagt zu dem Volk: „Höret doch, ihr Widerspenstigen"! Er hatte die Gottlosigkeit des Volkes in ganz 
richtiger Weise beurteilt, aber „sie reizten seinen Geist, so 
daß er unbedacht redete mit seinen Lippen" (Ps 106, 33). 
Gott geht hier über Seine gewöhnlichen Wege hinaus. Mose 
war treu in seinem Hause; hier ist Gott aber nicht nur 
190 
treu , sondern Er handel t i n Gnade , und Mose 
kann sich nicht mehr zur Höhe der Gedanken Gottes erheben. Während er die Widerspenstigkeit sieht, denkt Gott an 
den Stab Aarons, und dieser Stab war nicht dazu bestimmt, 
die Widerspenstigen zu schlagen. 
Gott hat einen abgestorbenen Stab sprossen lassen. Das ist 
ein neues Lebensprinzip, das dem was tot ist mitgeteilt wird. 
Knospen, Blüten und Mandeln auf einem abgestorbenen 
Stab! Das sind Wirkungen, deren Urheber nur Gott sein 
kann. Mose beschäftigte sich mit den Widerspenstigen und 
versteht Gott in diesem Augenblick nicht. Er sagt zum Volk: 
„Werden wir euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen"? 
— Werden wir ? — Er schreibt sic h die Sache zu und 
schlägt den Felsen mit seine m Stabe. Er hat sich nicht 
bis zur Höhe der Gnade erheben können, die aus eigenem 
Antrieb durch das Priestertum zur Segnung des Volkes tätig 
ist. Das Priestertum tritt dazwischen. Jesus wirkt in Seiner 
vollkommenen Gnade in den armen Sündern und zwar als 
Gott, Der in ihrer Mitte wandelt, um durch das Priestertum 
von ihrem Zustand Kenntnis zu nehmen und sich in ihrer 
Gegenwart zu heiligen, d. h. den Platz einnehmen, der Ihm 
gebührt. 
Wenn Bedürfnisse vorhanden sind, wenn Dürre, wenn Durst, 
wenn kein Wasser da ist am Ende der Wanderung durch die 
Wüste, was ist dann zu tun? Das Priestertum ist da; man 
muß nur Gebrauch machen von dem ewigen Grün, das aus 
dem Tode hervorgegangen ist, und das Wasser wird daraus 
hervorquellen. Das erste Mal, als es Israel an Wasser fehlte, 
mußte der Fels geschlagen werden (2. Mo 17, 6). Damit der 
Sünder das Leben vor Gott finden konnte, mußte Christus 
für ihn geschlagen werden: dieses ein e Mal genügte. Wäre 
es möglich gewesen, daß Christus zum zweiten Male litt, 
dann würde damit die Wirkung aller Seiner Leiden geleugnet 
werden. Als der Fels zum ersten Mal geschlagen wurde, gab 
er sein Wasser für das Volk. Jetzt hätte ohne zu schlagen 
ein Wort genügt, und der Fels hätte sein Wasser gegeben. 
Christus, Der die Blüten und Früchte getragen hat und vor 
Gott der ewige Beweis der Gültigkeit Seines Werkes ist, 
191 
erscheint vor Ihm für alle unsere Bedürfnisse und Nöte hier 
auf der Erde. Wir brauchen sie nur gestützt auf das Priestertum vor Gott zu bringen, und das Wasser ist da. Das ist so 
einfach, daß man wie Naaman (2. Kö 5) Mühe hat, es zii 
glauben. Es wäre eine eitle Hoffnung gewesen, ein solches 
Volk ohne diese wirksame Gnade ans Ziel führen zu wollen. Wenn die Wüste eine Wüste und der Mensch ein Mensch 
ist, dann hält ihn nichts aufrecht als diese beständige, stets 
hilfsbereite Gnade. Die Einfalt des Herzens ist hiervon überzeugt. Er stützt sich auf das Priestertum Jesu, das sie stets 
benötigt. Je mehr wir uns unserer Abhängigkeit bewußt 
sind, desto mehr zählen wir in den Schwierigkeiten auf einen 
Freund. Mose kann das Volk nicht in das Land Kanaan einführen — dies ist das Haderwasser (V. 13). Die Kinder 
Israel murrten wider Jehova, und Gott heiligt Sich, indem 
Er ihnen trotz des Fehltrittes Moses Wasser gibt. Gott wollte 
nicht von der Höhe Seiner Gnade herabsteigen. Er hat Mose 
gestraft und Seine Gnade Seinem Volk gegenüber bewiesen 
— eine Gnade, von der dieses keinen Gebrauch machen will, 
wenn sie vorhanden ist. Wie oft ist dies bei uns der Fall! 
Gott möge uns unterweisen, in das Verständnis Seiner Gnade 
einzugehen, uns Ih m zu nahen in dem Bewußtsein, daß 
Jesus da ist, und in einfältiger und kindlicher Zuversicht von 
dem Priestertum Jesu Gebrauch zu machen. Man darf wohl 
wünschen, daß das Volk Gottes Seine Gnade in dieser Weise 
verstehen lerne. Glücklicherweise wissen wir jedoch, daß wenn 
wir auch nicht vermögen, Gott zu heiligen, Er Selbst Sich 
heiligt. Allerdings entsteht hierdurch ein Verlust für uns. 
Immerhin aber muß Er es tun und den Platz in unseren Herzen einnehmen, der Ihm gebührt. Es ist eine Freude für Gott, 
das Wohl Seiner Auserwählten zu. sehen und Seine eigene 
Verherrlichung in ihnen. (Nach J. N. D.) 
192 
„Was irgend mir Gewinn war, das habe ich 
um Christi willen für Verlust geachtet" 
(Philipper 3, 7) 
Welch ein wunderbarer Wechsel! Saulus hatte viel gewinnreiche Quellen. Er hatte mancherlei Ehren um seinen Namen 
gesammelt. Er hatte Fortschritte im Judentum gemacht und 
viele von seinesgleichen darin übertroffen. Er hatte eine Gerechtigkeit nach dem Gesetz erlangt, an der niemand einen 
Flecken finden konnte. Sein Eifer, seine Erkenntnis und seine 
Moral — alles war ausgezeichnet. Aber von dem Augenblick 
an, als Christus ihm geoffenbart wurde, zeigte sich seine 
vollkommene Umwandlung. Alles war verändert. Alles was 
für Saulu s Gewinn war, wurde wie Kot für P a u. 1 u s . 
Er spricht nicht von offenbaren Sünden, sondern von solchen 
Dingen, die fü r ih n als Gewinn betrachtet werden konnten. Die Offenbarung der Herrlichkeit Christi hatte den ganzen Lauf seiner Gedanken so gänzlich umgewandelt, daß er 
die Dinge, die er einst als wirklichen Gewinn betrachtet hatte, 
jetzt als wirklichen Verlust betrachtete. 
Und warum? Einfach, weil er sein alles in Christus gefunden 
hatte. Diese gesegnete Person hatte alles andere im Herzen 
des Paulus verdrängt. Alles, was ihm einst angehörte, war 
durch Christus ersetzt, und dadurch hätte der Besitz der 
eigenen Gerechtigkeit und Weisheit, nachdem er dies alles 
in göttlicher Vollkommenheit in Christus Jesus empfangen 
hatte, einen wirklichen Verlust für ihn bedeutet. Wenn 
Christus mir von Gott zur Gerechtigkeit gemacht worden 
ist, ist es dann nicht ein Verlust für mich, irgendwie eigene 
Gerechtigkeit zu haben? Ganz gewiß. Wenn ich das erlangt 
habe, was göttlich ist, brauche ich dann noch das was menschlich ist? Keineswegs. Je vollständiger ich befreit und geleert 
bin von dem, wodurch i c h verherrlicht wurde und was 
m i r Gewinn brachte, je besser, weil ich dann i n Chri -
stu s alles finde, was vor Gott Wert hat. Alles was geeignet 
ist, mein Ich zu erheben, sei es Gerechtigkeit, Sittlichkeit, 
Wohlstand, Ehre, persönliche Güte, sogenannte Menschenfreundlichkeit — alles ist ein wirkliches Hindernis für den 
Genuß Christi. 
193 
Möge der Geist Gottes uns die Person Christi immer köstlicher machen, um wie Paulus zu vergessen, was dahinten 
ist, und uns auszustrecken nach dem was vorn ist. — 
Einige Gedanken über Johannes 3,1-3 
Es gibt hier drei Dinge: 1. Der Mensch und seine Verantwortung, 2. Das Verhältnis des Kindes Gottes, 3. Der Wandel, der daraus hervorgeht. 
Der Mensch muß wissen, was er ist und was er getan hat. 
Das was Gott in Liebe tut, ist die Wirkung der Gnade. Der 
Mensch kann nicht zu Gott kommen; Gott kommt zum 
Menschen. Wenn Gott uns gerettet hat, so hat das nichts 
mit dem Kommen zu unserem Gericht zu tun. Wenn wir 
das was wir sind, mit dem was Gott für uns getan hat vermischen, dann entsteht daraus kein Heil. Wenn man erkannt 
hat, daß man nichts Gutes in sich hat, ergibt man sich ganz 
der Gnade. 
Was unsere Taten betrifft, so hat Christus unsere Sünden 
an Seinem Leibe auf dem Holze getragen. Was unsere Natur 
betrifft, sind wir mit Christus gestorben. Ich bin gestorben, 
ich habe das Recht, zu meinem Fleisch zu sagen: Ich kenne 
dich nicht mehr, ich bin dir nichts mehr schuldig. Christus 
hat mich verstehen lassen, wie Er mich ganz für Sich erworben hat. 
Es war der Ratschluß Gottes, uns Jesu ähnlich zu machen! 
Wir sind Kinder Gottes in dem letzten Adam. Durch den 
Glauben bin ich nicht mehr ein Kind Adams, sondern Gottes. 
Christus sagt: Ich gehe zu meinem Vater und zu eurem 
Vater; ihr seid bei mir und wie ich vor Gott, — nämlich wie 
ich als Mensch. 
Wir haben den Geist. Wir müssen das Bewußtsein haben, 
daß Christus in uns ist, und daß wir in Ihm sind. 
Außerdem gibt es noch ein Zweites. Er wird erscheinen und 
wir werden Ihm ähnlich sein. Aber wir sind uns unserer 
Stellung durch den Heiligen Geist bewußt. Es ist nicht nur, 
was wir sein werden, sondern auch was wir sind. 
194 
In Bezug auf das was wir sind lesen wir: „Jeder der diese 
Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst". Wir haben als 
Kinder Gottes eine neue Verantwortung. Jede Verantwortung rührt von der Stellung oder dem Verhältnis her, die 
man hat; man muß in einem bestimmten Verhältnis stehen, 
um eine Verpflichtung zu haben. Ich bin ein Kind Gottes; 
mein Wandel muß deshalb der eines Kindes sein, das ist das 
Maß meiner Verantwortung. Christus ist das Muster eines 
Menschen, der ein Kind Gottes ist. Wenn wir in Christus 
sind und Christus in uns ist, dann müssen wir dies auch 
beweisen und Christus in unserem ganzen Leben offenbaren. 
Wir haben jetzt das Bewußtsein unseres Verhältnisses, aber 
sein wirklicher Besitz ist erst in der Zukunft unser Teil! 
Wir werden Christus gleich sein, deshalb sollten wir Ihm 
auch jetzt soviel wie möglich gleichen. Wenn ich mit Christus 
gestorben bin, dann ist dadurch jede Verbindung mit der 
Welt abgeschnitten. Was soll ich in dieser Welt tun, wenn 
ich gestorben bin? 
Laßt uns daher diese kostbaren Worte wohl zu Herzen 
nehmen: „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben 
hat, daß wir Kinder Gottes heißen sollen! Deswegen erkennt 
uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Geliebte, 
jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar 
geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es 
offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn 
wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist". 
Das Haus Gottes 
In der Heiligen Schrift sehen wir, wie Gott in dem Haus 
einkehrt, das der Glaube und der Dienst Seiner Heiligen 
für Ihn errichtet; und Er tut dies, wie Er Selbst sagt, „mit 
(Seinem) ganzen Herzen und mit (Seiner) ganzen Seele" 
(Jer 32, 41). 
Wir finden dies zunächst in der Wüste. Das Volk Israel 
erbaute die Stiftshütte und richtete sie im Glaubensgehorsam 
195 
ein. Mose bezeichnete das Werk der Erbauer als vollkommen Gott gemäß, denn wir lesen: „Und Mose sah das ganze 
Werk, und siehe, sie hatten es gemacht; so wie Jehova geboten hatte, also hatten sie es gemacht; und Mose segnete sie" 
(2. Mo 39, 43). Dann füllte die Herrlichkeit Jehovas die 
Wohnung so völlig, daß für eine Zeit niemand, selbst Mose 
nicht, Platz darin finden konnte. 
Das gleiche finden wir in der Zeit des Königreichs, nachdem 
das Haus von behauenem Stein und Zedernholz durch den 
König Salomo erbaut worden war. Die Herrlichkeit füllte 
den Tempel, wie sie einst die Stiftshütte erfüllt hatte; sie 
befand sich jetzt bei Israel im Lande , wie sie einst bei 
Israel in der Wüste gewesen war. Dort zeigte sich kein 
Widerstreben und keine Abneigung, sondern ganz und gar 
das Gegenteil. Der Gott des Himmels, Dessen Macht und 
Herrschaft keine Grenzen hat, tritt in Sein Haus inmitten 
der Menschenkinder, inmitten des Verfalls der Erde, und 
zwar in einer Weise, die Er in den Worten ausdrückt: „Hier 
will ich wohnen, denn ich habe es begehrt". 
Es ist sehr lehrreich, diese gnadenreiche Herabneigung Gottes 
zu den Menschen zu sehen. Wir besitzen jedoch in dieser 
Beziehung noch andere Zeugnisse im Neuen Testament. 
Nachdem, wie wir in Apg 2 sehen, der lebendige Tempel 
aufgerichtet ist, zieht auch die Herrlichkeit wieder ein. Der 
Heilige Geist nimmt Wohnung in der Versammlung der 
Heiligen, in dem lebendigen Tempel des Neuen Testaments, 
mit einem Brausen aus dem Himmel, „wie von einem daherfahrenden, gewaltigen Winde", während zerteilte Zungen wie 
von Feuer sich auf einen jeden von ihnen setzten. Das war 
jene das Zelt bedeckende Wolke und jene die Wohnung 
füllende Herrlichkeit (2. Mo 40), ein sicheres Zeugnis, daß 
der Herr von ganzem Herzen und von ganzer Seele Besitz 
genommen hatte von einem Ort, den der Glaube Ihm bereitet hatte. 
So ist es in der Tat. Ebenso finden wir es in Offb 21: „Siehe, 
die Hütte Gottes bei den Menschen" (V. 3)! Gott ist im 
Begriff, bei ihnen zu wohnen, nicht nur hin und wieder, wie 
in den Tagen der Patriarchen, z. B. im Zelt Abrahams zu 
196 
Mamre, sie zu besuchen , oder die Tür der Arche hinter Noah zu verschließen. Auch will Er nicht nur, wie einst 
in den Tagen der Wüstenreise, Sein Zel t unter ihnen 
aufschlagen , sondern bei ihnen bl e i b e n , Sich bei 
ihnen niederlassen und hier Seine Wohnstätte haben. Dies 
wird, wie es immer geschehen ist, nach dem Wunsch Seines 
Herzens ausgeführt werden, denn „eine laute Stimme aus 
dem Himmel kündigt frohlockend dieses große Ereignis an 
(Offb 21, 2-4). 
Es ist indes der Glaube, der dieses Sein Haus entdeckt, wo 
es auch sein mag, denn der Glaube, und nur der Glaube, 
kennt Ihn. Wenn Er nicht gekannt wird, so kann auch Sein 
Haus nicht entdeckt werden. 
Auf diese Weise entdeckte in den Tagen der Patriarchen 
Jakob das Haus Gottes. Er war in jenem Augenblick der 
Vertreter einer Generation, die sich verderbt hatte — er war 
ein Sünder. Wenigstens für die Gegenwart war er ein ruinierter Mann, und dieser Zustand war die Frucht seiner 
eigenen Handlungen, das Ende des von ihm eingeschlagenen 
Weges. Anstatt als der Erbe des Landes und der Segnung 
in der Heimat in seinem Vaterhaus zu bleiben, irrte er ohne 
Freund und Begleiter umher und wurde dann ein Tagelöhner, abhängig von der Gunst eines ungerechten Herrn. Aber 
der Gott aller Gnade war ihm erschienen. Wie niederdrükkend seine Erfahrungen im fremden Land auch sein mochten, 
die Hand Gottes war doch weit gegen ihn geöffnet, und die 
Heere des Himmels hatten ihm die Sorge der Vorsehung 
zugesichert. Um diese zugunsten des Sünders geschehene 
Gr.adenoffenbarung zu krönen, gab die Stimme Jehovas die 
Zusage, ihn samt allen zu erwartenden Segnungen schließlich 
wiederherstellen zu wollen. 
Das war ein vollkommenes und reiches Zeugnis von dem 
was Gott ist. Das war eine Gnade, die das Gericht weit 
übertraf, dem der Mensch, der Sünder, verfallen war. Es 
war das Evangelium, und das Evangelium ist die Offenbarung Gottes. Es war daher Gott Selbst. 
Jakob entdeckte dies alles. Er schaute den geheimnisvollen 
Ort; er schaute ihn vollkommen. „Dies ist nichts anderes als 
197 
das Haus Gottes"! rief er aus. Gott war ihm geoffenbart 
worden, und der Glaube verstand diese Offenbarung, wie 
es immer ist. Für das Auge des Glaubens ist die öde Stätte, 
genannt Lus, ein Bethel geworden. Wie dürre und wüst sie 
auch an und für sich sein mochte, so war sie doch das Haus 
Gottes; denn gerade dort hatte Gott Seinen Namen verkündigt. 
Es ist schön zu sehen, wie der Glaube Gott entdeckt, selbst 
wenn zu gleicher Zeit menschliche Schwachheiten das Herz 
bestürmen, wie es sicher bei Jakob der Fall war. Er nannte 
die Stätte das „Haus Gottes", die „Pforte des Himmels". Die 
Einfachheit und Bestimmtheit, womit dies geschieht, ist bewundernswürdig. Wenn wir, selbst inmitten des menschlichen 
Verfalls, im Hause Gottes sind, wenn wir das Anrecht auf 
Seinen in einer Welt voll von Sündern geoffenbarten Namen 
empfangen haben, dann stehen wir an der Pforte des Himmels. Befinden wir uns im Reich des vielgeliebten Sohnes, 
dann sind wir an den Grenzen des Erbteils der Heiligen im 
Lichte (Kol 1). Wenn wir gerechtfertigt sind, dann sind wir 
auch verherrlicht (Rö 8). Dasselbe zeigte sich auch im Glauben des Patriarchen. Nachdem Jakob entdeckt hatte, daß er 
im Hause Gottes war, wußte er auch, daß er an der Pforte 
des Himmels stand. In dem Augenblick, wo er die Gnade 
erkannt hatte, war er auch „passend" für die Herrlichkeit. 
Gott hatte ihm Errettung, Vergebung und Frieden zugesichert, und das war für ihn genug, um versichert zu sein, 
daß er sich für immer bei Ihm zuhause, in Seinem eigenen 
Himmel befinden würde. 
Viele Jahre nach den patriarchalischen Tagen Jakobs finden 
wir das gleiche. Ich meine bei David und in den Tagen des 
Königreichs Israel. 
Die Sünde war überschwenglich, aber die Gnade zeigte sich 
weit überströmender. David hatte sich, wie Jakob, selbst verderbt, aber Gott war mit Seiner Rettung dazwischengetreten. Die Dreschtenne des Jebusiters (1. Chron 21) bezeugte 
das jetzt, wie einst die Wüste und die Stätte Lus es bezeugt 
hatten. Gott hatte wieder Sein Haus angekündigt, und es ist 
immer dasselbe Haus. Die Zeit hatte daran nichts geändert, 
198 
denn Er ist Derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Gott 
war geoffenbart worden, so wie Er stets war und wie Er 
stets sein wird, und David zögerte nicht einen Augenblick. 
„Dieses hier soll das Haus Jehovas Gottes sein" (1. Chron 
22, 1), sagte er im Geist des Patriarchen. Er hatte die gleiche 
Offenbarung Gottes empfangen wie einst der Patriarch, und 
obwohl Jahrhunderte zwischen beiden Ereignissen vergangen 
waren, handelte der Glaube doch mit dieser Offenbarung 
in dem gleichen Vertrauen. 
Dies ist einfach und segensreich. Auch ist es lieblich zu sehen, mit welch einem eifrigen, sorgfältigen und ungeteilten 
Herzen David sich dieser Stätte zuneigt. Er scheute sich, sie 
zu verlassen — und das ist eine gute Belehrung für uns alle. 
Andere Orte hatten ihre Berechtigung und ihre Reize. Der 
höchste Ort war Gibeon, wo die Stiftshütte und ihr Altar 
standen, und das Zelt, das David auf dem Berge Zion errichtet hatte, war damals die Wohnstätte der Lade des 
Zeugnisses. Aber da, wo Gott dem Zustand eines verlorenen 
Sünders in Gnade begegnet, wo das Schwert des Gerichts 
zurückgezogen und das Opfer durch das Feuer des Himmels 
angenommen worden war, da mußte David bleiben. Gott 
setzte in betreff des Ortes genannt Golgatha, des Berges 
Morija, wo Er Sich Selbst ein Lamm ausersehen hatte, die 
Offenbarung Seiner Selbst fort, und der Glaube folgte Ihm. 
Der Glaube muß mit der Offenbarung Schritt halten. „Dieses 
hier soll das Haus Jehovas Gottes sein, und dies der Altar 
zum Brandopfer für Israel"! rief David mit Bestimmtheit. 
Auf der Tenne Omans mußte er sein Eben-Eser errichten. 
Die Priester der Stiftshütte hätten sagen können, daß ihnen 
ein solcher Ort nicht bekannt sei, aber Gott kannte ihn, und 
der Glaube mußte ihn anerkennen. 
Fügen wir jetzt hinzu, daß es sich mit uns ebenso verhält. 
Wir haben das Haus Gottes entdeckt, denn Gott Selbst hat 
es uns geoffenbart. Er hat (und zwar für immer) auf der 
Dreschtenne des Jebusiters, auf dem Berge Morija, d. h. auf 
jener „Stätte genannt Golgatha", Seinen Namen geoffenbart, 
denn dort erscheint Er als der gerechte Gott, aber auch als 
de ' Heiland, als der Gott des Friedens, Der Sich dort für 
199 
Seinen Altar ein Lamm ausersehen und das Opfer angenommen hat, indem Er den Vorhang zerriß und Ihn, Der 
von Sünden reinigte, in die höchsten Himmel setzte. Der 
Glaube sitzt, wenn die vollbrachte Rettung gefeiert wird, an 
der Tafel im Hause Gottes und sagt mit den Patriarchen und 
mit dem König Israels: „Dies ist das Haus Gottes, dies ist 
die Pforte des Himmels, dies ist der Altar zum Brandopfer 
für Israel". Der Glaube hat bis zu dieser Stunde den Tod 
des Lammes verkündigt, hat ihn mit einem Opfer des Lobes 
verkündigt, und wird ihn verkündigen, „bis Er kommt", indem er mit Bewußtsein an der Pforte des Himmels, oder an 
den Grenzen der Herrlichkeit steht (1. Kor 11).* 
Die wahre Abhängigkeit 
Wir befinden uns in einer bösen Welt, und wir sind darin 
ohne eigene Kraft. Es ist nötig und sehr gesegnet, über 
beides ein klares Verständnis zu haben, um einerseits die 
Befleckungen einer bösen Welt zu fürchten, und andererseits 
die Kraft zu einem gottseligen Wandel zu suchen, wo sie 
zu finden ist — in Christus. 
Wir haben hier auf Erden eine zweifache Stellung: Wir sind 
Kinder Gottes, und wir sind Knechte Jesu Christi. Als Kinder befinden wir uns unter dem Schutze und der Fürsorge 
eines uns göttlich liebenden Vaters, Der uns nicht versäumt, 
nicht vergißt. Als Knechte aber stehen wir im Dienst, wo 
von unserer Seite eine Tätigkeit gefordert wird, die wir unter 
dem Schutz unseres Vaters ausüben können. Indes sind wir 
sehr geneigt, weit mehr an unser Kindesverhältnis und an 
die Beschirmung und Hilfe unseres himmlischen Vaters zu 
denken, als daß wir als Knechte Christi unsere dienende 
Stellung in uns zu einem klaren Bewußtsein werden lassen. 
Ganz natürlich. Zu ersterem ist von unserer Seite nichts 
nötig, Gott hat unseretwegen jede Tätigkeit auf Sich genom-
*) Erinnern wir uns, daß der Berg Morija, die Tenne Omans und der Hügel, genannt Golgatha dieselben Dinge sind. 
200 
men, während der Dienst von unserer Seite eine Tätigkeit 
erfordert. 
Allerdings ist es wahr, daß nur ein in Abhängigkeit von 
Gott lebender Christ imstande ist, durch den Glauben völlig 
in allen Lagen auf den Herrn zu vertrauen, in Leiden und 
Schwierigkeiten geduldig auszuharren und den ihm aufgetragenen Dienst auszuüben und daß unsere Unruhe, Verzagtheit 
und Mutlosigkeit nur Zeugnisse davon sind, daß wir uns 
nicht verbunden fühlen mit einem Gott, Den wir zwar Vater 
nennen, aber Dessen unendliche Liebe, Treue, Sorgfalt und 
Mühe um Seine Kinder wir in Wirklichkeit nur wenig kennen. Er, Der die Sperlinge ernährt, die Raben versorgt, die 
Lilien kleidet und das Haar unseres Hauptes gezählt hat, 
sollte Er Seine Kinder vergessen? Er, Der Seinen Sohn gegeben hat, um uns durch Ihn Seinem Vaterherzen nahezubringen, 
Er, Der Seine Liebe in unsere Herzen ausgegossen hat, um uns 
fühlen zu lassen, was Er für uns ist, sollte Er Sein Herz verschließen können, während unser Weg durch eine Welt geht, 
die nichts als Haß und Feindschaft gegen Gott offenbart? 
Sollte Er kein Auge für unsere Umstände, kein Ohr für 
unsere Seufzer haben? 
Und dennoch ist es wahr, daß nur die abhängige Seele in 
dieser Liebe ruht, sie genießt und ihr vertraut. Im Bewußtsein der eigenen Ohnmacht ist es kostbar, auf Seine Kraft 
zu vertrauen, und in unserer Schwachheit zeigt sich Seine 
Kraft. Er sagt in Seinem Wort: „Meine Kraft wird in 
Schwachheit vollbracht", und der Apostel Paulus, dessen 
Verständnis für diese Wahrheit geöffnet wurde, fügt hinzu: 
„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark". Fühlen wir 
uns in Seiner Gemeinschaft und mit Ihm verbunden, dann 
ist das Herz von Ihm erfüllt; wir ruhen in Seiner Liebe, wir 
lassen Ihn sorgen, wir sind von Seiner Treue überzeugt, wir 
schauen Ihn durch den Glauben, wir fühlen Seine Nähe, und 
stets werden wir unser Vertrauen belohnt sehen. Nur im 
Gefühl unserer eigenen gänzlichen Abhängigkeit von Ihm 
und unseres völligen Vertrauens auf Ihn können wir in 
Seinen Wegen wandeln und ein Zeugnis ablegen für Seinen 
heiligen Namen. Wenn wir verstehen, als Kinde r Got -
201 
t e s am Herzen unseres Vaters zu ruhen, werden wir als 
Knecht e Christ i eifrig sein in guten Werken. 
Es gibt jedoch noch zwei andere Seiten der Abhängigkeit von 
Gott. Zunächst sind wir abhängig in Bezug auf die Kraft , 
das Gute zu tun, und dann sind wir abhängig von Seinem 
Willen , indem wir den eigenen Willen zu verleugnen 
haben. Kein Christ leugnet, daß er in sich selbst keine Kraft 
besitzt, und daß er der Kraft von oben bedarf, um das Gute 
tun zu können. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß jeder 
Christ in diesem Verhältnis der Abhängigkeit von Gott 
wandelt. Zwischen dem Geständnis, daß wir keine Kraft 
haben, und dem lebendigen Bewußtsein der Seele, daß wir 
ohne Kraft sind, ist ein großer Unterschied. Es ist in der Tat 
eine Gnade Gottes, wenn Er unsere Herzen von unserer 
Kraftlosigkeit überzeugt und uns befähigt, stets in diesem 
Bewußtsein zu wandeln. Nicht nur werden wir dann verstehen, daß wir nichts nach dem wohlgefälligen Willen Jesu 
tun können, wenn wir nicht in Ihm bleiben, sondern wir 
werden dann wirklich auch praktisch in Ihm bleiben, und 
die von Ihm, dem Weinstock, ausströmende Kraft wird sich 
in uns, den Reben, zeigen. Wie oft begegnet man neben dem 
Bekenntnis, daß wir nichts aus uns selbst vermögen, dennoch dem eigenen Bemühen, als könnten wir alles! Wie oft 
hören wir sagen, daß Christus unsere Kraft sei, und finden 
daneben ein kraftloses, dürres Leben, ohne daß der Weinstock seine Säfte der Seele zuführt! Die Unruhe der Seele 
liefert deutlich den Beweis, daß man nicht praktisch in 
Christo bleibt; und nur der in Ihm bleibt, wird viel Frucht 
bringen. 
Folgenschwerer ist es wenn wir die zweite Art von xA.bhä/igigkeit nicht verwirklichen, indem wir uns nicht dem Willen 
des Herrn unterwerfen, sondern unserem eigenen Willen 
folgen. Es ist freilich wahr, daß wir, wenn wir in Ausübung 
des Guten nicht in der Abhängigkeit des Herrn wandeln, 
die Zeit nicht auskaufen, sogar vergeblich arbeiten und unseren Lohn verlieren. Aber wenn wir in Bezug auf den Willen des Herrn unsere Abhängigkeit von Ihm aus dem Auge 
verlieren, dann tun wir unseren eigenen Willen, folgen den 
202 
Neigungen unseres trügerischen Herzens, und verleben nicht 
nur eine verlorene Zeit, sondern betrüben auch den Herrn, 
handeln gegen Seinen wohlgefälligen Willen, vergessen, daß 
wir teuer erkauft sind, um uns jetzt nicht mehr selbst anzugehören und greifen in die Rechte des Herrn ein, Dessen 
Sklaven wir sind, und Dessen Willen wir tun sollen. Wenn 
wir nun sagen wollten, daß es doch nicht unsere Absicht sei, 
das Böse zu tun, dann vergessen wir, daß es schon böse ist, 
dem eigenen Willen zu folgen, da wir die Sklaven eine? 
anderen, nämlich Christi, sind. Nichts ist betrübender für 
den Herrn, als wenn wir uns unabhängig von Ihm machen 
und unseren eigenen Willen tun, und nichts ist gefährlicher 
für uns, als wenn wir unsere eigenen Wege gehen, denn 
unsere Wege sind nicht Seine Wege. Auf unseren Wegen 
wandeln wir nicht in Seiner Gemeinschaft, und darum werden wir keine Frucht bringen. Auf den Wegen unseres eigenen Willens ist Gott nicht mit uns, wir können dabei nicht 
auf Seine Hilfe rechnen, und es ist in der Tat noch eine 
Gnade zu nennen, wenn Er uns auf diesen Wegen zuschanden werden läßt, damit wir zurückkehren und uns in die 
Abhängigkeit von Ihm stellen. 
Jeder Christ sollte sich in seiner Seele stets aufrichtig prüfen, was in jeder Lage und in allen Umständen der wohlgefällige Wille Gottes ist. Unsere Herzen sollten stets von 
dem Bewußtsein durchdrungen sein, daß wir nicht mehr uns 
selbst angehören, und daß wir daher nicht das geringste 
Recht haben, unseren Willen zu tun. 
Immer ist es das Fleisch, das seinen eigenen Willen gehen 
will und mit Leichtfertigkeit entweder sagt, daß es den Willen Gottes nicht entdecken könne oder daß es hoffe, nicht 
dem Willen Gottes entgegen zu handeln, oder sogar, daß es 
von Seiten des Herrn auf seinem Wege behindert werden 
möchte, wenn dieser Weg nicht nach Seinem Willen sei. 
Aber bedenken wir wohl, es ist das Fleisch, das eine solche 
Sprache führt. Der Geist ist in Übereinstimmung mit Gott. 
Wenn wir nach dem Geiste wandeln, werden wir nie über 
den Willen Gottes im Unklaren sein. Und sollte der Herr 
zögern, uns Seinen Willen in irgendeiner Sache zu offen203 
baren, dann werden wir geduldig warten, bis er uns die 
Weise und die Absichten Seines Handelns anzeigt. In diesem 
Falle wird man nicht zu der Ausrede greifen müssen, daß 
man hoffe, nicht dem Willen Gottes entgegen zu handeln, 
weil man nicht eher handelt, als bis Gott Seinen Willen 
geoffenbart hat. Der Herr aber wird dann nicht gezwungen 
sein, unseren Wegen entgegenzutreten, weil es die Wege 
Seines Willens sind und wir das tun, was vor Ihm wohlgefällig ist. 
Möge der Herr uns die Gnade verleihen, immer in völliger 
Abhängigkeit von Ihm zu wandeln, denn nur dann werden 
wir sichere und gesegnete Wege gehen. Es gibt für Herren 
oder Knechte, Frauen oder Mägde viele kleine und große 
Dinge in unserem Leben, die wir nach unserem Verstand zu 
erledigen pflegen. Es fällt uns sehr oft gar nicht dabei ein, 
daß wir in jeder Sache im Dienst des Herrn stehen. Wir 
stellen sehr oft erst dann eine kleine Prüfung an, wenn es 
sich um außergewöhnliche Fälle handelt, während wir im 
Alltagsleben tausend Dinge tun, die das Ergebnis unserer 
Gewohnheiten oder unseres Verstandes sind, die aber in vielen Fällen als gegen Seinen Willen bezeichnet werden müssen, 
wenn sie im Licht und nach dem Urteil Gottes geprüft werden. Nach dem Wort Gottes aber sollen die gewöhnlichsten 
Dinge, wie Essen und Trinken, mit der Ehre Gottes in 
Verbindung gebracht werden. 
Doch wenn wir auch bekennen müssen, daß große Schwachheit und vor allem ein bedauerlicher Mangel an Abhängigkeit von Gott sich unter uns vorfindet (und wir bekennen 
dies von ganzem Herzen), ist es doch gesegnet, uns vor 
Augen zu halten, daß der Herr nur zu unserem eigenen 
Besten eine völlige Abhängigkeit in jeder Beziehung von 
uns fordert. Ohne Kraft, abhängig von Seiner Kraft, sind 
wir stark. Welch ein Tausch für unsere Schwachheit! Statt 
unserer Ohnmacht Seine Kraft, um statt unseres bösen 
Willens Seinen gesegneten Willen tun zu können. Möchten 
wir doch daher für das elende Vertrauen zu uns selbst ein 
völliges Vertrauen zu dem Gott eintauschen, Der uns schirmt 
und schützt. Sicher wird ein solches Vertrauen von jener 
204 
Ruhe begleitet sein, die für die Seele aus einem so gesegneten Verhältnis entspringt, und sicher wird unser Herz 
von jener Freude erfüllt werden, die Verheißung darreicht, 
daß der Gott des Friedens mit uns sein wird. 
Der Herr gebe uns allen das tiefe Verlangen, in wahrer, steter 
und völliger Abhängigkeit von Ihm unseren Pfad zu wandeln! 
Grenzen und Anstöße 
„Du sollst nicht die Grenze deines Nächsten verrükken, welche die Vorfahren in deinem Erbteil gesetzt 
haben" (5. Mose 19, 14). 
„Hebet aus dem Wege meines Volkes jeden Anstoß 
hinweg" (Jesaja 57, 14). 
I. 
Welch eine zarte Sorgfalt, welch eine gnadenreiche Umsicht 
verraten diese beiden Schriftstellen! Die alten Grenzen sollten nicht verrückt werden, aber die Anstöße sollten entfernt 
werden. Das Erbteil des Volkes Gottes sollte sich in seiner 
Länge und Breite zeigen, während die Anstöße aus dem 
Weg geschafft werden sollten. Das war die Gnade des Gottes 
Israel. Das war Seine Sorgfalt für Sein Volk. Das Teil, das 
Gott einem jeden gegeben hatte, war geeignet, Freude zu 
bewirken, während zu gleicher Zeit der Pfad, auf dem ein 
jeder zu wandeln berufen war, von jeder Art von Anstoß 
befreit wurde. 
Dies ist in unseren Tagen sehr wichtig. Der Schreiber dieser 
Zeilen hat oft Gelegenheit gehabt, mit Seelen zu verkehren, 
die ihm vertrauensvoll ihre Zweifel und Befürchtungen, ihre 
Schwierigkeiten und Gefahren, ihre Kämpfe und Versuchungen mitteilten, und es ist sein ernster Wunsch, von Gott 
gebraucht zu werden, um zum Nutzen des Lesers die Grenzen, die Gott durch Seinen Geist aufgerichtet hat, genau zu 
bezeichnen, sowie die Anstöße, die der Teufel so fleißig auf 
den Pfad der Gläubigen legt, wegzuräumen. 
205 
So ist unter anderem die Lehre von der Erwählung schon 
bei manchem ein Gegenstand des Anstoßes geworden. Dennoch wird diese Lehre an ihrem rechten Platz, anstatt ein 
Anstoß auf dem Pfade ängstlicher Forscher zu sein, als ein 
Grenzstein erkannt werden, der von alters her gesetzt wurde 
durch die inspirierten Apostel unseres Herrn Jesus Christus in 
dem Erbteil des Israel Gottes. Aber wir wissen, daß eine an 
einen falschen Platz gestellte Wahrheit bei weitem gefährlicher ist, als ein wirklicher Irrtum. Wenn jemand sich erheben und mit Unverschämtheit die Lehre von der Auserwählung als Irrtum bezeichnen würde, dann würden wir ohne 
Zögern seine Behauptung bestreiten und widerlegen. Aber 
wir wären vielleicht nicht ganz so gut vorbereitet, jemandem 
zu begegnen, der, während er diese Lehre als wahr und 
richtig anerkennt, ihr nicht den von Gott bestimmten Platz 
anweist. Dennoch geschieht dies oft, zur Schädigung der 
Wahrheit Gottes und zur Verfinsterung der Seelen der Menschen. 
Welches ist dann der wahre Platz für die Lehre von der 
Auserwählung? — Ihr wahrer, göttlich bestimmter Platz ist 
im Inner n des Hauses, in der Hand des Lehrers , als 
geeignet für das Ohr wahrer Gläubiger ; aber stattdessen hat der Feind ihr außerhal b des Hauses in der Hand 
des Evangeliste n einen Platz angewiesen, und zwar 
zum Anstoß ängstlich suchender Seelen. Darum hört man so 
oft die Worte ängstlicher Gemüter: „Wenn ich nur wüßte, ob 
ich einer der Erwählten sei, dann wollte ich schon ganz 
glücklich sein; denn ich könnte dann die Segnungen des 
Todes Christi auf mich anwenden". 
Sicher würde dies, wenn sie nur die Gefühle ihrer Herzen 
sprechen ließen, die Sprache vieler sein. Sie machen einen 
schlechten Gebrauch von der Lehre von der Erwählung, die, 
wahr und gesegnet in sich selbst, eine höchst wertvolle Grenze, aber auch ein höchst gefährlicher Anstoß ist. Es ist sehr 
nützlich für den ängstlich Suchenden, wenn er es stets in 
seinem Geiste festhält, daß er als ein verlorener Sünder und 
nicht als ein Auserwählter die Segnungen des Todes Christi 
auf sich anwenden kann. Der geeignete Standpunkt, von wo 
206 
aus man eine Rettungsaussicht auf den Tod Christi genießen 
kann, ist nicht die Auserwählung, sondern das erkannte 
Verderben. Zu erkennen, daß man ein verlorener Sünder 
ist, ist daher eine unaussprechliche Gnade; aber ich erkenne 
mich nicht eher als einen Auserwählten, als bis ich durch das 
Zeugnis und die Unterweisung des Heiligen Geistes die 
frohe Botschaft von der Errettung durch das Blut des Lammes empfangen habe. Die Errettung — klar wie der Sonnenstrahl, voll wie der Ozean, fest wie der Thron des ewigen 
Gottes — ist mir nicht als einem Auserwählten, sondern 
als einem äußerst verlorenen, verdammungswürdigen Sünder 
gepredigt worden; und als ich meiner Rettung durch den 
Glauben gewiß wurde, da hatte ich den entscheidenden Beweis meiner Auserwählung. „Wissend, von Gott geliebte 
Brüder, eure Auserwählung. Denn unser Evangelium war 
nicht bei euch im Worte allein, sondern auch in Kraft und 
im Heiligen Geiste und in großer Gewißheit" (1. Thess 1, 
4. 5). Die Auserwählung ist nicht die Bürgschaft für meine 
Errettung, sondern der Empfang meiner Errettung ist der 
Beweis meiner Auserwählung. Wie könnte auch ein Sünder 
wissen, daß er einer der Auserwählten sei? Wo ist dies zu 
finden? Es muß eine Sache göttlicher Offenbarung sein, denn 
sonst kann es nie eine Sache des Glaubens sein. Aber wo 
finden wir diese Offenbarung? Wo wird die Kenntnis der 
Erwählung als eine unumgänglich notwendige und wesentliche Vorbedingung zur Annahme des Heils genannt? Nirgends im Worte Gottes. Mein einziges Anrecht auf Rettung 
ist, daß ich ein armer, schuldbeladener, verlorener und verdammungswürdiger Sünder bin. Wenn ich auf ein anderes 
Anrecht warte, so bin ich im Begriff, die so sehr wertvolle 
Grenze von dem ihr bestimmten Platz wegzurücken und 
einen Anstoß in meinen Weg zu legen. Das aber ist unklug, 
gelinde ausgedrückt. 
Doch es ist mehr als unklug. Es ist ein deutlicher Widerstand 
gegen das Wort Gottes, und zwar nicht nur gegen die oben 
angeführten Stellen, sondern gegen den Geist und gegen die 
Belehrung der ganzen Heiligen Schrift. Wie lautet der Auftrag, den der auferstandene Heiland an Seine ersten Boten 
207 
richtete? „Gehet hin in die ganze Welt und prediget das 
Evangelium der ganzen Schöpfung" (Mk 16, 15). Zeigt sich 
in diesen Worten auch nur ein schwacher Grund, auf den sich 
eine Frage bezüglich der Erwählung stützen könnte? Wird 
jemand, dem dieses herrliche Evangelium gepredigt wird, 
berufen, sich zunächst und vor allem mit dieser Frage der 
Erwählung zu beschäftigen? Gewiß nicht. Die „ganze Welt" 
und die „ganze Schöpfung", das sind Ausdrücke, die jede 
Schwierigkeit beiseitesetzen und die Frage der Errettung auf 
das ganze Menschengeschlecht ausdehnen. Wir lesen nicht: 
„Gehet hin in einen bestimmten Teil der Welt und predigt 
das Evangelium einer gewissen Zahl". Nein, das würde sich 
nicht mit der Gnade vereinbaren lassen, die in der ganzen 
weiten Welt verkündigt werden sollte. Wenn es sich um das 
Gesetz handelte, so war es allerdings nur an eine gewisse 
Zahl in einem bestimmten Teil der Schöpfung gerichtet; aber 
als das Evangelium verkündigt werden sollte, wurde ihm 
die „ganze Welt" als sein Wirkungskreis, und die „ganze 
Schöpfung" als sein Gegenstand angewiesen. 
Und wie lauten die Worte, die der Heilige Geist durch den 
Mund des Apostels Paulus sagt? „Das Wort ist gewiß und 
aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünde r zu erretten" (1. Tim 1, 15). Bieten diese 
Worte irgendwelchen Raum für die Annahme, daß jemand 
ein besonderes Anrecht auf die Errettung habe? Keineswegs. 
Wenn Christus zur Rettung der Sünder in die Welt gekommen ist und ich ein Sünder bin, dann bin ich auch berechtigt, 
die Segnungen Seines kostbaren Opfers auf meine eigene 
Seele anzuwenden. Bevor ich mich in irgendeiner Weise davon 
ausschließen kann, muß ich etwas anderes sein als ein Sünder. Wenn allerdings die Heilige Schrift irgendwie erklären 
würde, daß Christus Jesus zur Rettung der Auserwählten 
in die Welt gekommen sei, dann wäre ich selbstverständlich 
gezwungen, beweisen zu können, daß ich zu dieser Zahl 
gehöre, bevor ich die Segnungen Seines Todes mir zu eigen 
machen könnte. Aber Gott sei gepriesen! im ganzen Evangelium finden wir nicht ein Wort, was eine solche Annahme 
stützen könnte. „Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu 
208 
suchen und zu erretten was verlore n ist" (Lk 19, 10). 
Ist das nicht mein natürlicher Zustand? Ja, in der Tat. Nun, 
ist es dann nicht der Standpunkt eines Verlorenen, von dem 
aus ich den Tod Christi erblicken kann? Ohne Zweifel. Und 
darf ich, von dort aus das kostbare Geheimnis der Erlösung 
betrachtend, nicht im Glauben die Worte sagen: „Er hat mich 
geliebt und sich selbst für mich hingegeben"? Ja, ich darf 
es, und zwar so rückhaltlos und unbedingt, als ob ich der 
einzige Sünder auf dem Erdboden wäre. 
Nichts kann den Geist einer ängstlich suchenden Seele mehr 
beruhigen und erquicken, als wenn sie erkennt, daß die 
Kettung ihr gerade in dem Zustand, in dem sie sich jetzt 
befindet, und gerade auf dem Grund, auf dem sie eben steht, 
gebracht wird. Es zeigt sich nicht der geringtse Anstoß auf 
dem ganzen Wege, der zu dem Erbteil der Heiligen führt — 
zu einem Erbteil, das durch Grenzen festgestellt ist, die weder 
durch Menschen noch durch Teufel verrückt werden können. 
Der Gott aller Gnade hat alles gesagt und alles getan, was 
der Seele Ruhe, Gewißheit und volles Genüge geben kann. 
Er hat den Zustand und den Charakter derer, für die Christus 
starb, in solchen Grenzen gezeigt, daß kein Raum für Zweifel oder Ungewißheit übrig bleibt. Sein kostbares Wort ruft 
uns die Worte zu: „Denn Christus ist, da wir noch kraft -
1 o s waren, zur bestimmten Zeit für Gottlos e gestorben". — 
„Gott aber erweist seine Liebe gegen uns darin, daß Christus, 
da wir noch Sünde r waren, für uns gestorben ist". — 
„Denn wenn wir, die wir Feind e waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, vielmehr werden 
wir, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden" 
(Rö 5, 6. 8. 10). 
Bedarf es noch größerer Klarheit, als wie sie diese kostbaren 
Stellen liefern? Wird hier ein Ausdruck gebraucht, der möglicherweise im Herzen eines Sünders sein völliges und unbestreitbares Recht auf die Segnungen des Todes Christi in 
Frage stellen könnte? Keineswegs. Bin ich ein „Gottloser"? 
Nun, für einen solchen starb Christus. Bin ich ein Sünder? 
Gegen einen solchen erweist Gott Seine Liebe. Bin ich ein 
209 
„Feind"? Einen solchen versöhnt Gott durch den Tod Seines 
Sohnes. Also alles ist so klar wie das Sonnenlicht, und der 
Anstoß, den die an einen falschen Platz gestellte Lehre von 
der Auserwählung hervorgerufen hat, ist aus dem Wege geräumt. Als Sünder erlange ich die Wohltaten des Todes 
Christi. Als Verlorener erlange ich eine Errettung, die frei 
und unerschütterlich ist. Alles was ich brauche, um den Wert 
des Todes Christi auf mich anzuwenden, besteht einfach darin, daß ich mich als schuldbeladenen Sünder erkenne. Es 
würde mir in dieser Hinsicht nichts nützen, wenn man mir 
sagte, daß ich ein Auserwählter sei, denn Gott wendet Sich 
im Evangelium nicht in diesem Charakter an mich, sondern 
Er begegnet mir als einem verlorenen Sünder. 
Nun könnte sich jemand zu der Frage veranlaßt fühlen: 
„Willst du denn die Lehre von der Auserwählung beiseitesetzen"? — Gott verhüte es. Wir wollen nur diese wichtige 
Lehre an ihren rechten Platz stellen. Wir wünschen sie als 
eine Grenze, nicht aber als einen Anstoß. Wir glauben, daß 
es nicht die Aufgabe des Evangeliste n ist, die Erwählung zu predigen. Dies ist die Sache des Lehrer s in 
der Versammlung der Gläubigen. Paulus predigt e den 
Sündern Christus, aber er belehrt e die Gläubigen über 
die Auserwählung. Das ist der ganze Unterschied. Wir glauben, daß jemand, der durch die Lehre der an einen falschen 
Platz gestellten Auserwählung in irgendeiner Weise beunruhigt ist, kein geeigneter Evangelist sein kann. Wenn ein Evangelist statt Christus die Erwählung predigt, dann werden 
gleichgültige Sünder nur noch gleichgültiger gemacht, während 
ängstliche Seelen nutzlos in noch größere Ängste gestürzt 
werden. Sicher werden dies die Folgen sein, und sie sollten 
genügen, um ernste Gedanken in den Herzen derer zu erwecken, die brauchbare Prediger der freien und vollkommenen Errettung sein wollen, die aus dem Evangelium des 
Christus hervorstrahlt und allen, die es hören, jede Entschuldigung nimmt. Die erhabene Tätigkeit eines Evangelisten 
besteht darin, daß er die vollkommene Liebe Gottes, die 
Wirkung des Blutes Christi und das Zeugnis des Heiligen 
Geistes in seiner Predigt darstellt. Sein Geist muß ganz 
210 
ohne Fesseln und sein Evangelium ohne Unklarheiten sein. 
Er muß eine gegenwärtige Errettung verkündigen, die völlig frei und so unerschütterlich ist, wie der Thron Gottes 
selbst. Das Evangelium ist nicht mehr und nicht weniger als die Offenbarung des Herzens Gottes, gleichsam 
dargestellt in dem Tode Seines Sohnes und in dem unvergänglichen Zeugnis des Heiligen Geistes. 
Würde dies mit größerer Sorgfalt beachtet, dann wäre auch 
mehr Kraft vorhanden, um einerseits den immer wieder auftauchenden Einwendungen gleichgültiger Menschen, andererseits den tiefen Ängsten der wahrheitssuchenden Seelen begegnen zu können. Die einen würden dann keinen Grund 
zu Einwendungen und die anderen keinen Grund zur Furcht 
haben. Wenn jemand das Evangelium verwirft, indem er sich 
auf ewige Ratschlüsse Gottes beruft, dann verwirft er das, 
was geoffenbar t ist um dessentwillen, was ver -
borge n ist. Was kann er über die Ratschlüsse Gottes 
wissen? Gar nichts. Wie kann das, was ein Geheimnis ist, 
als Grund zur Verwerfung dessen was geoffenbart ist, genommen werden? Warum dasjenige verweigern, wa s er -
kann t werde n kann , um deswillen, was nich t 
erkann t werde n kann ? Es ist klar, daß Menschen 
in Fällen, wo sie eine Sache glauben wollen, nicht so handeln. Wenn wir sehen, daß jemand bereit ist, irgendetwas 
zu glauben, dann werden wir sicher nicht finden, daß er sich 
eifrig nach einem Einwand oder Gegenargument umsieht. 
Aber ach, die Menschen haben kein Bedürfnis, Gott zu 
glauben. Sie verwerfen Sein kostbares Zeugnis, das so klar 
ist wie die helle Sonne, und berufen sich, um ein solches Tun 
zu rechtfertigen, auf Seine Ratschlüsse, die in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt sind. Welche Torheit! Welche 
Blindheit! Welche Missetat! 
Was nun jene ängstlich suchenden Seelen betrifft, die sich 
mit Fragen über die Erwählung quälen, so wünschen wir von 
Herzen, ihnen zu zeigen, daß es nicht in Übereinstimmung 
mit dem Geiste Gottes ist, daß sie sich mit solchen Schwierigkeiten beschäftigen. Gott wendet Sich an sie gerade indem Zustand, in dem Er sie sieht, und in dem sie selbst 
211 
sich sehen können. Er wendet Sich an sie als an Sünder, und 
dies ist genau das, was sie sind. Es gibt nur Rettung für 
einen Sünder , und zwar in dem Augenblick, wo er seinen wahren Platz als Sünder einnimmt. Das ist einfach genug für eine einfältige Seele. Fragen bezüglich der Auserwählung zu erheben, ist purer Unglaube. Es ist anders gesagt eine Verwerfung dessen was geoffenbart ist, auf Grund 
dessen was verborgen ist. Es ist eine Ablehnung dessen 
was ich erkennen kann, auf Grund dessen was ich nicht 
erkennen kann. Gott hat Sich in Jesu Christo geoffenbart, 
so daß wir Ihn erkennen und Ihm vertrauen können. Außerdem hat Er in der Versöhnung am Kreuz eine vollkommene 
Vorsorge für alle unsere Bedürfnisse und für unsere ganze 
Schuld getroffen. Anstatt mich daher mit der Frage zu quälen: „Bin ich einer von den Auserwählten"? ist es mein 
glückseliges Vorrecht, in der vollkommenen Liebe Gottes, in 
der Allgenugsamkeit Christi und in dem treuen Zeugnis des 
Heiligen Geistes zu ruhen. 
II. 
Es gibt jedoch noch andere Anstöße, die wir aus dem Wege 
des Volkes Gottes gerückt zu sehen wünschen, und ebenso 
auch noch andere Grenzen, die dem Blickfeld mancher Christen entschwunden zu sein scheinen. 
So haben wir in vielen Fällen gefunden, daß die Aneig -
nun g der aus dem Erlösungswerk hervorgehenden Segnungen den Seelen oft zu einem Anstoß gedient hat. Obwohl 
wir uns stets bemüht haben, uns in diesem Punkt klar auszudrücken, erachten wir es dennoch als notwendig, auch hier 
in Kürze dem Leser zu zeigen, daß die Frage der Aneignung, 
anstatt ein Anstoß auf seinem Wege zu sein, vielmehr eine 
Grenze in seinem geistlichen Erbteil ist. 
Wenn wir die Art, in der viele zu der persönlichen Annahme 
des Werkes Christi stehen, näher betrachten, so will es uns 
scheinen, als meinten sie, sie müßten etwas tun, bevor sie 
die Segnungen des Todes Christi für sich in Anspruch nehmen könnten. Das ist aber ein großer Irrtum. Der Tod 
Christi wendet sich in seiner ganzen Versöhnungswirksam212 
keit an den Sünder, und zwar in dem Augenblick, wo dieser 
seinen Platz als Sünder einnimmt. Die Anwendung dieser 
Wahrheit bietet keine Schwierigkeit, es ist vielmehr eine 
Schwierigkeit, ja, eine Unmöglichkeit, die Anwendung abzuweisen. Das Blut Jesu Christi ist für den Sünder als solchen 
da. Deshalb hat jeder, der weiß und fühlt, daß er ein verlorener Sünder ist, das Vorrecht, einfach in diesem kostbaren 
Blut Ruhe zu finden. Das Werk der Versöhnung ist vollbracht. Die Sünde ist weggetan. Alles ist vollbracht, vollbracht 
durch Gottes eigene Hand. Muß ich nun noch auf etwas anderes warten? Muß ich noch etwas anderes tun, dem vollbrachten Werke Christi etwas hinzufügen? Gewiß nicht. Ich 
bin einfach berufen, durch Glauben in dem zu ruhen, was 
Christus für mich getan hat; und ich weiß, daß alle meine 
Sünden weggetan sind, und daß mein Gewissen so rein ist, 
wie das Blut Jesu. Christi reinigen kann. 
Das ist die wahre Anwendung. Ich nehme Gott bei Seinem 
Wort und drückte mein Siegel auf das was wahr ist. Es ist 
nicht irgendein nicht näher zu beschreibendes Werk von meiner Seite, sondern ein Ruhen in dem Werk Christi. Es ist 
nicht ein Warten auf etwas, das vo n mi r noc h ge -
schehe n muß , sondern ein Vertrauen auf das, was 
bereits durc h Christu s geschehe n ist . Das ist 
der große Unterschied. Diese Anwendung ist in der Tat eine 
Grenze und kein Anstoß. Nur weil sie mißverstanden wird, 
straucheln so viele darüber. Nicht selten blicken manche mit 
Zögern und Unsicherheit dorthin, während sie bereits in 
ihrem Besitz sind. Wenn ich von ganzem Herzen glaube, 
daß Jesus gestorben und wieder auferstanden ist, dann habe 
ich das Vorrecht, in die kostbaren Worte des Apostels einzustimmen und zu sagen: „der (Herr Jesus) mich geliebt 
und sich selbst für mich hingegeben hat". Das ist in der Tat 
die Sprache dessen, der den ganzen Segen dieses Werkes 
auf sich anwendet, — aber am rechten Ort, d. h. als Grenze 
und nicht als Anstoß. Wer sie als Anstoß nimmt, wird so 
reden: „Ich weiß wohl, daß Christus fü r mic h starb, 
aber ich kann die gesegneten Folgen des Todes Christi mir 
nicht aneignen". Das ist in Wahrheit ein beklagenswerter 
213 
Irrtum, der in verhüllter Weise feststellt, daß der Tod 
Christi ohne ein gewisses Werk von Seiten des Sünders 
keinen Nutzen habe, während die Heilige Schrift uns doch 
belehrt, daß von dem Augenblick an, wo ein verlorener 
Sünder seinen wahren Platz einnimmt, der Tod Christi eine 
so vollständige und wahre Anwendung auf ihn findet, als 
ob er der einzige Sünder in der ganzen Welt wäre, und daß 
er überdies gerechtfertigt ist durch Glauben und nicht durch 
Werke, welcher Art sie auch sein mögen. 
Es ist wirklich wunderbar, die verschiedenen Methoden zu 
beobachten, deren sich der Feind bedient, um die Seelen zum 
Straucheln zu bringen und zu verwirren. Wenn er sie nicht 
veranlassen kann, sich auf gesetzliche Anstrengungen und 
zeremonielle Gebräuche zu stützen, dann wird er sie sicher 
zu Fragen bezüglich der Auserwählung, der Aneignung 
der Segnungen des Werkes Christi, der Verwirklichung, der 
Gefühle und Erfahrungen drängen. Anstatt in dem vollkommenen Werke Christi zu ruhen, gehen sie bekümmert 
umher, weil sie durch alle diese Fragen zu Boden gedrückt 
sind. Gewiß wollen wir diese Dinge nicht unterschätzen. Im 
Gegenteil, wir schätzen sie als Grenzen, aber wir verabscheuen sie als Anstöße. Der wahre Grund des Friedens für 
einen Gläubigen ist nicht die Auserwählung oder die Aneignung oder die Verwirklichung, sondern- Christus. Der Friede 
ruht auf der ewigen Wahrheit, daß Gott mit Christus am 
Kreuz über alle unsere Sünden abgerechnet hat, daß dort 
die ganze Frage für immer und ewig geordnet und beseitigt 
ist. Ich glaube das, — und das ist die persönliche Aneignung. Im Glauben bleiben — das ist die Verwirklichung. 
Möge der Heilige Geist den ängstlich gewordenen Leser leiten, diese Dinge zu verstehen! Es ist der Wunsch unseres 
Herzens und unser Flehen zu Gott, daß jede niedergebeugte 
Seele sich befreit fühlen möge durch die Erkenntnis einer 
vollkommenen und freien Errettung, die keinen Anlaß gibt 
zu all jenen Fragen, die so oft zur Schädigung der Wahrheit 
Gottes und zur Verfinsterung der Seelen erhoben werden. 
Die Auserwählung ist eine kostbare Wahrheit, die persönliche Aneignung eine Tatsache, und die Verwirklichung eine 
214 
Wirklichkeit. Aber laßt uns ein für allemal feststellen, daß 
diese Wahrheiten nicht als Anstöße auf den Pfad des Sünders gelegt sind, sondern daß Gott sie zu kostbaren Grenzen 
im Erbteil der Heiligen aufgerichtet hat. 
Wir müssen hier schließen, obwohl es noch viele Anstöße 
gibt, die wir aus dem Wege des Gläubigen weggerückt zu 
sehen wünschen, und noch viele Grenzen im Erbteil des 
Volkes Gottes, die oft so wenig Beachtung finden. Möge der 
Leser alle diese Dinge im Lichte Gottes betrachten! 
„Ihr aber, wer saget ihr, daß ich sei"? 
(Matthäus 16, 18) 
Eine merkwürdige Frage des Herrn — eine Frage von der 
allergrößten Tragweite! Der Herr hatte vorher gefragt: „Wer 
sagen die Menschen, daß ich, der Sohn des Menschen, sei"7

und die Antwort der Jünger war, daß etliche Ihn für Johannes den Täufer, andere für Elias, wieder andere für Jeremias oder für einen anderen der Propheten hielten. Sie alle 
wiesen Jesus einen hohen Platz an, aber nicht den, der Ihm 
gebührte. Sie kannten Ihn nicht. 
Johannes war unter ihnen gewesen, aber welchen Nutzen 
hatten sie von ihm, wenn nicht den, daß er auf Jesus hinwies. Sie kannten Elias aus der Schrift und hatten sicher die 
Bücher Jeremias und der anderen Propheten gelesen, aber 
was nützte ihnen alles, wenn sie sich dadurch nicht zu dem 
wahren König Israels, dem Sohne Gottes führen ließen? Alle 
diese heiligen Männer konnten den gefallenen Menschen 
nicht aufrichten und glücklich machen. Nur Einer konnte es, 
und das war der in diese Welt gekommene Sohn Gottes. 
Seine Erscheinung war etwas ganz anderes als die Erscheinung des Johannes, des Elias oder der Propheten. Hätten wir 
Jesus nicht, was sollten Johannes und Elias, was könnten 
die Propheten für uns tun? Seit Seiner Erscheinung gilt für 
jeden Menschen, der von Christus hört, die große Frage: 
„Was denkst du von Christus"? Von der Beantwortung 
dieser Frage hängt alles ab. Jeder gibt Jesus einen Platz. 
Dem einen ist Er ein weiser Lehrer, dem anderen der Stifter 
215 
der christlichen Religion, der dritte legt Ihm diesen, der vierte 
jenen Charakter bei; aber Christus ist für sie nicht mehr, 
als was auch irgendeine andere Person für sie sein könnte, 
und es gibt nur eine verhältnismäßig geringe Zahl derer, die 
in Ihm den Sohn Gottes erkennen. Und warum? Weil zu 
dieser Kenntnis nur die Offenbarung des Vaters führen 
kann. 
Als Petrus dem Herrn die Antwort gab: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes", gab ihm der Herr 
die beachtenwerte Erklärung zurück: „Glückselig bist du., 
Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht 
geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist". 
— Ja, es ist eine Glückseligkeit, Jesus als den vom Himmel 
gekommenen Sohn Gottes zu erkennen. Nur die Offenbarung 
des Vaters ist die einzige Quelle dieser Erkenntnis. „Niemand 
kennt den Sohn als nur der Vater". — „Dies aber ist das 
ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den 
du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen". 
Mit Gott hatten wir es zu tun. Wir waren Sünder, und Sein 
Zorn ruhte auf uns. Er war unser Richter, ein gerechter 
Richter; aber Christus kam, um dieses schreckliche Gericht 
auf Sich zu nehmen. Seine Sendung war der große Beweis 
der Liebe Gottes gegen den armen, verlorenen Sünder, aber 
auch ein redendes Zeugnis der Gerechtigkeit und Heiligkeit 
Gottes. Niemand konnte Gott zufriedenstellen als nur Sein 
geliebter Sohn, Der um unserer Sünden willen Sein Leben 
hingab. Die Liebe Gottes fand den einzigen Weg zu unserer 
Rettung in der Sendung und der Dahingabe Seines Sohnes, 
so daß Seine Gerechtigkeit für Ihn kein Hindernis mehr war, 
Sich in Gnade des Sünders anzunehmen. 
In der Person Seines eingeborenen Sohnes trat Gott in die 
unmittelbare Nähe des Menschen. Er erschien in Christus 
als der versöhnende Gott in Gnade und Wahrheit. Wer 
Christus kennt, der kennt auch den Vater, und, was so kostbar ist, Gott Selbst offenbart uns Seinen Sohn. Er Selbst ist 
bemüht, dem armen, gefallenen Geschöpf einen Gegenstand 
zu zeigen, in Dem Vergebung, Leben, Gerechtigkeit und eine 
216 
Fülle von Segnungen ist. Er ist auch bemüht, das Herz des 
Menschen fähig zu machen, diese Fülle zu erkennen und zu 
genießen. Ja, glückselig der Mensch, der Jesus kennt, und 
in Ihm das erblickt, was Er ist, und mit voller Gewißheit 
sein Vertrauen auf Ihn setzt. 
Freilich ist unsere Erkenntnis von Ihm jetzt nur Stückwerk, 
und daher ist der damit verbundene Genuß unvollkommen. 
Dazu haben wir von Natur ein Herz, das sich immer wieder 
zu anderen Dingen hinneigt und uns nötigt, immer auf unserer Hut zu sein. Obwohl wir wissen, daß wir unserem Herzen nicht vertrauen dürfen und darin schon so oft getäuscht 
und betrogen worden sind, sind wir dennoch töricht, ihm 
immer wieder zu vertrauen oder wenigstens seine eitlen 
Wünsche und Neigungen nicht ernst und aufrichtig niederzuhalten. 
Das ist aber nicht alles. Das menschliche Herz ist so trügerisch, daß wir nicht nur die offenbar bösen Neigungen darin 
unterdrücken müssen, sondern oft sogar solche, die an und 
für sich gut zu sein scheinen. Was das menschliche Herz ist, 
dafür liefert uns der Apostel Paulus ein lebendiges Beispiel. 
In der vorliegenden Stelle gibt der Herr Jesus dem Petrus 
das Zeugnis, daß der Vater ihm die Erkenntnis des Sohnes 
Gottes geoffenbart habe, und wenn wir etwas weiter lesen, 
finden wir in demselben Kapitel, daß der Herr gezwungen 
ist, den Jünger Petrus ernst zurechtzuweisen und ihm das 
strafende Wort zurufen muß: „Geh hinter mich, Satan; du 
bist mir ein Ärgernis, denn du sinnest nicht auf das, was 
Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist". — Welche 
niederschmetternden Worte! Der Herr hatte von Leiden gesprochen, und Petrus wollte nicht, daß Er sie erdulden sollte. 
Das erste Mal antwortet Petrus unter der Leitung des Vaters, 
das zweite Mal unter der Leitung seines Herzens, das scheinbar voll Mitgefühl für den Herrn war, aber unter dem Einfluß des Fürsten dieses Zeitlaufs steht. Selbst unser innigstes 
Mitgefühl und Wohlwollen ist wertlos, wenn es nicht Gott 
zur Quelle hat. Die Wahrheit kommt von oben, vom Vater. 
Nur was der Vater uns offenbart, hat unendlichen Wert und 
macht das Herz glücklich. 
217 
Unsere Aufgabe ist, in der Erkenntnis, die von oben kommt, 
zu wachsen; sie erhöht den Genuß der Glückseligkeit. Wenn 
wir Jesus als unseren Erretter kennen, dann können wir Ihn 
jeden Tag besser kennenlernen als unseren Freund und als 
den guten Hirten. Aber wie sehr ist unser Wachstum abhängig von einem steten Wandel in der Gegenwart Gottes! Die Geschichte des Petrus zeigt uns, wie nahe oft die 
verschiedenartigsten Erfahrungen zusammenliegen, wenn wir 
uns in einem Augenblick durch das was von oben kommt, 
und im anderen durch unser eigenes Herz leiten lassen. Wie 
nötig ist es daher, nüchtern zu sein und in der Abhängigkeit 
vom Herrn zu bleiben, uns immer zu fürchten, daß wir unseren eigenen Eindrücken folgen möchten, wobei wir — und 
das ist beachtenswert — selbst wenn wir von einer scheinbar 
guten Meinung geleitet sind, den Platz Satans einnehmen 
können! Wir denken oft nicht an die Tragweite einzelner 
Worte, und auch der arme Petrus hatte sicher keine Ahnung 
davon, daß, wenn sein Wunsch: „Gott behüte dich, Herr! 
dies wird dir nicht widerfahren." erfüllt worden wäre, Satan 
triumphiert hätte und an keine Erlösung zu denken gewesen wäre. Nie hätte dann die Gnade durch die Gerechtigkeit 
herrschen und nie ein elender Sünder Frieden mit Gott finden können! Unser Tun, unser Reden und unser Denken 
wird stets die Offenbarung dessen sein, was uns leitet. Das 
Herz steht immer unter irgendeinem Einfluß, und das ist 
sehr beachtenswert. Entweder sind es die Offenbarungen 
des Vaters, die uns leiten, oder es sind die Einflüsterungen 
Satans, der Welt und unserer eigenen Natur, die unsere 
Schritte lenken. Welch ein Unterschied besteht zwischen den 
Worten des Herrn: „Glückselig bist du, Simon!" und „Gehe 
hinter mich, Satan!" — und doch waren sie an die gleiche 
Person gerichtet, über deren Lippen die Worte kamen: „Du 
bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" und 
„Gott behüte dich, Herr!" — „Aus demselben Munde geht 
Segen und Fluch hervor. Dies, meine Brüder, sollte nicht 
also sein" (Jak 3, 10). 
Erinnern wir uns stets daran, geliebte Brüder, daß der Weg 
eines Jüngers Jesu schmal ist, und daß es der steten mich218 
ternen Abhängigkeit vom Vater, des steten Umgangs mit 
Jesus und der steten Leitung des Heiligen Geistes bedarf, 
um sicher gehen zu können. Aber Gott sei gepriesen! der 
schmale Weg ist breit genug für ein demütiges Herz, das 
von oben geleitet werden will, und die Gnade hat Mittel 
und Wege genug, um ein solches Herz zu bewahren, damit 
der Fuß nicht abgleitet und der Mund keine Torheiten redet. 
Die Verherrlichung Christi auf dem Berge 
(Matthäus 16, 28-17 , 8; Markus 9, 1 - 8; Lukas 9, 27-36) 
Die drei Evangelisten, die uns dieses erhabene Ereignis mitteilen, lassen unmittelbar die Worte Jesu vorangehen: „Wahrlich, ich sage euch: Es sind etliche von denen, die hier stehen, welche den Tod nicht schmecken werden, bis sie den 
Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reiche". 
Dann lesen wir weiter: „Und nach sechs Tagen nimmt Jesus 
den Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, mit 
und führt sie auf einen hohen Berg besonders". Hieraus ersieht der einfältige Leser sofort, daß die Verherrlichung auf 
dem Berge die Erfüllung der Verheißung Jesu war. Petrus, 
Jakobus und Johannes waren die „etlichen", die den Tod 
nicht schmecken sollten, bevor sie den Sohn des Menschen 
in Seinem Reiche gesehen hatten. Auf dem Berge nun sahen 
sie den Herrn in Seiner königlichen Herrlichkeit. Petrus 
selbst sagt uns dies in seinem zweiten Briefe. „ . . . Augenzeugen seiner herrlichen Größe . . . Denn er empfing von 
Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: „Dieser 
ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe". Und diese Stimme hörten wir vom Himmel 
her erlassen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berge waren" 
(2. Petr 1, 16-18). Diese Verherrlichung auf dem Berge ist 
daher ein Vorbild der Herrlichkeit Christi in Seinem Königreich. 
Das was uns nun ganz besonders in die Augen fallen muß, 
ist, daß Mose und Elia in derselbe n Herrlichkeit mit 
219 
Jesus gesehen werden. Vom Herrn lesen wir: „Und er wurde 
vor ihnen umgestaltet; und seine Kleider wurden glänzend, 
sehr weiß wie Schnee, wie kein Walker auf der Erde weiß 
machen kann" (Mk 9, 3). In Lk 9, 31 lesen wir, daß Mose 
und Elia i n derselbe n Herrlichkei t mi t Ih m 
gesehen wurden, während die drei Jünger, die zugegen waren, zwar die Herrlichkeit sahen, sie aber nicht teilten. Wir 
finden hier also eine Darstellung dessen, was einmal im 
Reiche Christi stattfinden wird. Mose ist das Vorbild aller 
Gläubigen, die vor der Ankunft Jesu gestorben sein werden, 
Elia hingegen das Vorbild jener Gläubigen, die ohne zu 
sterben in den Himmel aufgenommen werden, während die 
Jünger diejenigen Gläubigen vorstellen, die während der 
Regierung Christi im Tausendjährigen Reich auf der Erde 
wohnen, und wohl die Herrlichkeit Christi und der verherrlichten Heiligen sehen, aber nicht teilen werden. Die 
verherrlichten Heiligen werden mit dem Herrn derselben 
Herrlichkeit teilhaftig sein. Ihr Leib wird Seinem verherrlichten Leibe gleichförmig sein (Phil 3, 21). Wenn Er geoffenbart wird, werden wir mit Ihm geoffenbart werden in 
Herrlichkeit (Kol 3, 4). Christus ist der Erbe aller Dinge, 
der Vater hat Ihm alles unterworfen, und wir sind Seine 
Miterben (Rö 8, 17). Wir werden mit Ihm als Könige auf 
der Erde herrschen (Offb 1, 6; 5, 10), ja, wir werden selbst 
die Engel richten (1. Kor 6, 3). Kein Unterschied wird zwischen Jesu und den Seinigen sein. Ich spreche hier natürlich 
nicht von Seiner Gottheit, denn in dieser Beziehung kann 
niemand Ihm gleich sein, sondern es handelt sich um die 
Herrlichkeit, die Er als Sohn vom Vater empfangen hat. Was 
unsere Stellung vor Gott betrifft, sind wir schon jetzt in der 
Welt, wie Er ist (1. Jh 4, 17), und wenn Er geoffenbart 
wird, werden wir Ihm gleich sein, dann werden wir Ihn 
sehen, wie Er ist (1. Jh 3, 2). Welch eine unaussprechliche 
Gnade! Wir, die wir von Natur verlorene Sünder, Feinde 
Gottes waren, sollen in derselben Herrlichkeit mit dem 
Sohn Gottes geoffenbart werden. 
Doch es gibt noch etwas Herrlicheres als dieses. In Lukas 
lesen wir nicht nur, daß Mose und Elia mit Jesus in Herr220 
lichkeit erschienen, sondern daß sie auch in der unmittelbaren Gegenwart Gottes waren. Es kam nämlich eine Wolke, 
die sie überschattete, und die Jünger wurden mit Furcht erfüllt, als sie sahen, daß jene in die Wolke eintraten (Lk 9, 
34). Diese Wolke ist die Wohnung Gottes, wie uns dies im 
Alten Testament gesagt wird. Als die Kinder Israel durchs 
Rote Meer zogen, ging die Wolke hinter ihnen her und 
machte eine Scheidung zwischen ihnen und den Ägyptern, 
so daß diese sie nicht erreichen konnten. Auf ihrer Reise 
durch die Wüste ging die Wolke vor ihrem Angesicht her, 
um ihnen den Weg zu zeigen. Aus dieser Wolke sprach 
Jehova mit Mose; sie stand über dem Eingang der Stiftshütte, 
und Jehova sprach mit Mose aus ihr. In gleicher Weise kam 
auch hier aus der Wolke die Stimme des Vaters: „Dieser ist 
mein geliebter Sohn; ihn höret". Gott, der Vater, war also 
in der Wolke. Und Mose und Elia gingen in sie hinein. Sie 
gingen in die Wohnung Gottes, in das Haus des Vaters. 
Dies ist das Teil der Gläubigen. „In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen", sagt der Herr Jesus zu Seinen 
Jüngern, „ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten". Wenn 
Er nun wiederkommt, wird Er uns in das Haus des Vaters 
führen. Dies ist unendlich mehr als die Erscheinung in der 
Herrlichkeit Jesu. Die Herrlichkeit, die die Jünger sahen, 
weckte keine Furcht in ihnen; aber als sie sahen, daß Mose 
und Elia in die Wolke hineingingen, da fürchteten sie sich. 
Sie wußten sehr wohl, daß die Wolke die Wohnung Gottes 
war, aber noch nie hatten die Gläubigen die Schwelle dieser 
Wohnung überschritten. Wohl hatte Mose mit Gott, Der 
in der Wolke war, gesprochen, aber er war nicht in sie hineingegangen. Dies war etwas ganz Neues. Und in der Tat 
ist dies das Herrlichste, das es geben kann. Das Haus des 
Vaters, die Wohnung Gottes, ist der beste und höchste Platz, 
den es gibt. Dort soll nun unsere ewige Wohnung sein. Es 
ist eine unaussprechliche Gnade, dieselbe Herrlichkeit mit 
Christus zu teilen und darin mit Ihm offenbar zu werden, 
aber es ist unendlich herrlicher, in dem Hause des Vaters 
zu sein, dort mit Jesus zu verkehren und vertraulich mit Ihm 
umzugehen und zu sprechen. 
221 
Und dies ist es, was wir hier finden. Mose und Elia unterhielten sich mit Jesus, und zwar, wie Lukas erzählt, über 
den Ausgang, den Jesus in Jerusalem erfüllen sollte. Sie 
sprachen also in vertraulicher Weise mit Ihm über Sein 
Leiden und Sterben, über das, was das Herz Jesu in diesem 
Augenblick am meisten erfüllen mußte und wozu Er in die 
Welt gekommen war. So wird es mit uns sein, wenn wir 
mit Jesus im Hause des Vaters wohnen werden. Dies muß 
vor allem die Wonne unserer Herzen sein. Der Genuß der 
Herrlichkeit ist köstlich, aber weit köstlicher ist der vertrauliche Umgang mit Jesus. Eine Krone ist herrlich, aber Gemeinschaft mit Jesus ist herrlicher. Sicher ist es die Freude 
einer Gattin, die Ehre und Herrlichkeit ihres Gatten teilen 
zu können, aber wäre es nicht traurig, wenn sie sich mehr 
über den Mitgenuß dieser Ehre erfreute, als über den Umgang mit ihrem Gatten? Sollte die Gemeinschaft mit Jesus 
im Vaterhaus nicht einen größeren Wert für uns haben, als 
selbst die Herrlichkeit, die wir mit Ihm teilen werden? Sollten wir nicht schon jetzt im Geiste Gemeinschaft mit Jesus 
haben, die wir einst in Wirklichkeit genießen werden? Ohne 
Zweifel. Kaum war der Herr vom Berge herabgestiegen, als 
Er auch schon in derselben vertraulichen Weise mit Seinen 
Jüngern über Sein Leiden und Sterben zu sprechen begann, 
wie Er es auf dem Berge in der Herrlichkeit mit Mose und 
Elia getan hatte. Wie herrlich! Der Gegenstand der Unterhaltung Jesu mit den Seinigen unten am Fuße des Berges 
war derselbe wie oben auf dem Berge, — derselbe in der 
Erniedrigung wie in der Herrlichkeit. Ja, obwohl der Herr 
jetzt verherrlicht im Himmel ist und wir noch auf der Erde 
pilgern, können wir doch jene innige Gemeinschaft und 
jenen vertraulichen Umgang mit Ihm genießen, den Mose 
und Elia auf dem Berge, und die Jünger Jesu in den Tagen 
Seines Wandels auf Erden genossen. 
Merkwürdig ist in dieser Beziehung, was wir nach der Bekehrung des Saulus auf dem Weg nach Damaskus sehen. 
Der Herr sagt zu Ananias: „Stehe auf und geh in die Straße, 
welche die gerade genannt wird, und frage im Hause des 
Judas nach einem, mit Namen Saulus, von Tarsus, denn 
222 
siehe, er betet" (Apg 9, 11). Der Herr bezeichnet also genau 
die Straße, in der Saulus wohnte. „Ananias aber antwortete: 
Herr, ich habe von vielen von diesem Manne gehört, wie 
viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem getan hat. Und 
hier hat er Gewalt von den Hohenpriestern, alle zu binden, 
die deinen Namen anrufen" (V. 13. 14). Ananias bringt also 
in der freimütigsten und vertraulichsten Weise seine Besorgnisse vor den Herrn. „Der Herr aber sprach zu ihm: Gehe 
hin; denn dieser ist mir ein auserwähltes Gefäß" (V. 15). 
Mit diesen Worten verscheucht der Herr alle Besorgnisse 
Seines Dieners, der jetzt in freudigem Gehorsam den ihm 
gegebenen Auftrag ausführt. Welch ein unaussprechlich herrliches Vorrecht! So nahe sind wir zu Jesus gebracht, und so 
nahe ist Er zu uns gekommen, daß wir mit Ihm sprechen 
können, wie ein Freund mit seinem Freunde spricht. Möchten 
wir diesen gesegneten Umgang doch in reicherem Maß genießen. 
Doch wir finden hier noch mehr. Als Mose und Elia in die 
Wolke hineingegangen waren, kam eine Stimme aus der 
Wolke, die sagte: „Dieser ist mein geliebter Sohn; ihn höret"! Hier wird uns kein Gebot gegeben, den Sohn zu 
lieben und uns Seiner zu erfreuen, sondern etwas ganz anderes, weit herrlicheres. Der Vater gibt Zeugnis über Seinen 
Sohn; Er teilt uns Seine Gedanken über Ihn mit. „Dieser 
ist mein geliebter Sohn". Der arme, erniedrigte Mensch, der 
keinen Platz hatte, wo Er Sein Haupt niederlegen konnte, 
Der von allen gehaßt und verfolgt wurde, Dieser war Sein 
geliebter Sohn, Den sie hören sollten. Welch eine Gnade! 
Wie uns der Herr Jesus in Joh 17 hören läßt, was Er mit 
dem Vater redet und welche Gemeinschaft Er mit Ihm hat, 
so läßt uns hier der Vater hören, welch einen Wert Sein 
Sohn für Ihn und für uns hat. Das ist wahre Gemeinschaft. 
Was anders ist die Gemeinschaft als dieselben Gefühle, dieselben Gedanken, dieselbe Freude zu haben? Wenn ich von 
Gemeinschaft mit den Brüdern rede, so muß ich dieselbe 
Freude, dieselben Gedanken und denselben Gegenstand der 
Betrachtung haben. Nun, der Vater sagt vor unseren Ohren: 
„Dieser ist mein geliebter Sohn"! und fügt dann hinzu: 
223 
„Ihn höret"! Der Gegenstand der Liebe und des Wohlgefallens Gottes ist also der Gegenstand unserer Betrachtung 
und unserer Freude. Wahrlich, Gott konnte uns kein größeres Vorrecht und keine herrlichere Gnade verleihen! 
Noch eine andere wichtige Wahrheit wird uns hier vor 
Augen gestellt. Mose und Elia stellen das Gesetz und die 
Propheten vor. Mose wurde von den Juden fast wie ein 
Gott verehrt, und Petrus hielt es für eine große Ehre für 
seinen Meister, mit Mose und Elia in Gemeinschaft zu sein, 
und deshalb wollte er drei Hütten bauen, damit sie dort 
beieinander bleiben konnten. Doch was geschah? Kaum hatte 
er diese Worte gesprochen, da kam eine Wolke und nahm 
Mose und Elia vor ihren Augen hinweg, während Jesus 
allein zurückblieb, und die Stimme aus der Wolke die Worte 
hören ließ: „Dieser ist mein geliebter Sohn; ihn höret"! 
Mose und Elia mußten verschwinden und Jesus allein übrigbleiben. Das Gesetz und die Propheten schwinden, und nur 
Jesus bleibt; und nur Ihn sollen wir hören. Nicht als ob 
das Gesetz und die Propheten keinen Wert für uns hätten, 
oder als ob sie nicht von Gott gegeben wären; nein, vielmehr 
zeugen sie von Christus und der zukünftigen Herrlichkeit. 
Das ganze Alte Testament ist uns gegeben als das Wort 
Gottes und ist „nütze zur Lehre, zur Überführung, zur 
Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit" 
(2. Tim 3, 16). Der Herr Jesus Selbst gebrauchte Mose und 
die Propheten, um den Teufel zu widerlegen und den Pharisäern den Mund zu stopfen. Aber vor Christus müssen 
Gesetz und Propheten verschwinden. Ihn allein müssen wir 
hören. „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise 
ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat 
er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohne" (Hebr 1,1). 
Das Gesetz ist gut, wenn jemand es gesetzmäßig gebraucht, 
aber es kann uns nichts geben. Es kann fordern, und weil 
wir seinen Forderungen nicht entsprechen, verdammen, aber 
es kann uns nichts geben. Jesus allein kann uns alles geben, 
was wir für das zeitliche und das ewige Leben brauchen. Er 
ist der einzige Gegenstand unseres Glaubens und unserer 
Betrachtung. Alles verschwindet, selbst der von Gott dem 
224 
Volk Israel gegebene Gottesdienst. Jesus allein bleibt übrig, 
und der Vater im Himmel sagt uns, daß wir Ihn allein hören 
sollen. Wie sehr sind wir geneigt, uns an dem festzuklammern, was alt und ehrwürdig in unseren Augen ist! Wie 
schwer war es für die Apostel und für die ersten Christen, 
den jüdischen Gottesdienst fahren zu kssen, und wie schwer 
wird es heutzutage Tausenden von Christen, die menschlichen Satzungen zu, verlassen und sich allein an Jesus und die 
durch Ihn geoffenbarte Wahrheit zu klammern! Wie viele 
kehren zu Mose und den Propheten zurück, während sie sich 
allein in Jesus erfreuen sollen und können! O möge der Herr 
unsere Augen öffnen, damit wir verstehen lernen, daß Mose 
und Elia, Gesetz und Propheten, irdischer Gottesdienst und 
menschliche Einrichtungen verschwinden, und daß Jesus allein 
bleibt, für Dessen Unterweisung wir ein geöffnetes Ohr haben sollen! 
Verweilen wir nun noch einen Augenblick bei den Jüngern. 
Lukas teilt uns mit, daß Jesus den Petrus, Johannes und Jakobus zu Sich nahm und auf den Berg stieg, um zu beten. 
Der Herr Jesus wünschte, wie Er es oft tat, die Nacht im 
Gebet zu verbringen; und während Er betete, veränderte sich 
die Gestalt Seines Angesichts. Und was taten die drei Jünger 
während dieser Zeit? Sie schliefen. Wir lesen: „Petrus aber 
und die mit ihm waren, waren beschwert vom Schlaf; als sie 
aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit 
und die zwei Männer, welche bei ihm standen." Wie in Gethsemane konnten sie auch hier nicht mit Ihm wachen. Es ist 
bemerkenswert, daß Jesus diese Jünger bei zwei Gelegenheiten zu Sich nahm, um mit Ihm zu. wachen und zu beten, und 
daß sie bei beiden Gelegenheiten vom Schlaf überwältigt wurden: auf dem Berge, während Er verherrlicht wurde, und in 
Gethsemane, als Er Sich in ringendem Kampfe befand. Da 
sehen wir, was der Mensch ist. Er kann weder in der Herrlichkeit noch in den Leiden Gemeinschaft mit Jesus haben. 
Wohl kann der Heilige Geist uns dazu in den Stand setzen, 
aber der Mensch an sich ist dazu unfähig. „Der Geist zwar 
ist willig, das Fleisch aber schwach," sagte der Herr in Gethsemane. Ach, wie oft gleichen wir diesen Jüngern! Wie oft 
225 
schlafen wir, wenn, der Herr Jesus uns Seine Herrlichkeit offenbaren oder an Seinen Leiden teilnehmen lassen will! Und 
wieviel verlieren wir! Zwar sahen die Jünger die Herrlichkeit 
und erfreuten sich so sehr daran, daß sie Hütten bauen 
wollten, um dort bleiben zu können, aber sie vernahmen 
nichts von der Unterhaltung, die Jesus mit Mose und Elia 
hatte. Ebenso geht es uns. Wieviel mehr würden wir genießen, wenn wir immer nüchtern und wachsam wären! Der 
Herr will uns so gern Seine Herrlichkeit offenbaren und uns 
Seine Gedanken mitteilen. Es ist Seine Freude, uns die herrlichen Vorrechte und Segnungen genießen zu lassen, die Er 
für uns erworben hat. Möchten wir doch immer ein lebendiges Verlangen haben, um Seine glückselige Gemeinschaft zu 
genießen! 
Die beiden Throne 
Wir möchten die Aufmerksamkeit unserer Leser auf zwei 
Throne richten, die uns in der Heiligen Schrift vorgestellt 
werden. Den einen finden wir im sechsten Kapitel des Buches 
Jesaja und den anderen im zwanzigsten Kapitel der Offenbarung. Der Herr möge die Lehre, die wir daraus ziehen, 
unsere Herzen und Gewissen treffen lassen und uns die 
Wahrheit verstehen lassen, damit sie uns frei mache. 
1. „Im Todesjahr des Königs Ussija, da sah ich den Herrn 
sitzen auf hohem und erhabenem Throne, und seine Schleppen erfüllten den Tempel. Seraphim standen über ihm; ein 
jeder von ihnen hatte sechs Flügel: mit zweien bedeckte er 
sein Angesicht, und mit zweien bedeckte er seine Füße, und 
mit zweien flog er. Und einer rief dem anderen zu und 
sprach: Heilig, heilig, heilig ist Jehova der Heerscharen, die 
ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit! Und es erbebten die 
Grundfesten der Schwellen von der Stimme der Rufenden, 
und das Haus wurde mit Rauch erfüllt. — Und ich sprach: 
Wehe mir! denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann 
von unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes von unrei226 
nen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, 
Jehova der Heerscharen., gesehen." 
Welch eine ernste und gewichtige Szene! Der Thron des heiligen Gottes steht hier vor uns, und wir sehen, welch eine 
Wirkung das Anschauen dieses Thrones auf das Herz eines 
Menschen ausübt, der sich in dessen Nähe sieht. Es ist eine 
ernste Sache, in der Gegenwart Gottes zu sein, uns selbst in 
dem Lichte Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit zu betrachten 
und eine Stimme zu hören, die die Grundfesten der Schwellen 
erbeben läßt. Wo dies der Fall ist, da ist sicher ein Werk des 
Heiligen Geistes vorhanden. Der Mensch sieht sich dann in 
seinem wahren Zustand. Die geheimen Triebfedern seines 
Herzens werden bloßgelegt. Er sieht nicht nur seine Taten, 
sondern auch seine Natur, nicht nur das was er getan hat, 
sondern auch das, was er ist. Er bleibt nicht mehr stehen bei 
dem was er nicht ist, sondern er erblickt sich in seiner wahren Gestalt. Der verlorene, gänzlich verderbte Zustand des 
Menschen wird dann von ihm gesehen und erkannt. Er fühlt, 
daß er durch und durch schlecht ist und in der Gegenwart 
Gottes nicht bestehen kann. 
So war es mit Jesaja, als er sich im Licht der Heiligkeit Gottes betrachtete. Er sah sich, wie er war. Und was war die 
Folge? Er rief aus: „Wehe mir, denn ich bin verloren; denn 
ich bin ein Mann von unreinen Lippen". Auch fügt er merkwürdigerweise hinzu: „Denn meine Augen haben den König, 
Jehova der Heerscharen, gesehen," Dies war die Ursache, daß 
er ausrief: „Wehe mir! denn ich bin verloren!" Der Anblick 
der Heiligkeit Gottes deckt uns unseren Zustand auf. In der 
Gegenwart Seiner Herrlichkeit kann keine Eigengerechtigkeit 
bestehen. Das Licht Gottes bestrahlt die düsteren Schlupfwinkel des menschlichen Herzens. Selbst was verborgen oder 
schon längst vergessen war wird dort offenbar. Das Gewissen ist erwacht, das Herz aufgedeckt. Der Heilige Geist lüftet den Schleier, und man schreckt vor sich selber zurück. 
Kein Wunder, daß man ausruft: „Wehe mir! denn ich bin 
verloren!" Man kann nicht anders. Das Anschauen des Heiligen Gottes zwingt uns dazu. Als Petrus den Herrn Jesus in 
Seiner Macht sah, rief er aus: „Gehe von mir hinaus, denn 
227 
ich bin ein sündiger Mensch!" Als Johannes auf Patmos den 
Herrn in Seiner Herrlichkeit als Richter der ganzen Erde sah, 
fiel er wie tot zu Seinen Füßen. 
Teure Leser! Früher oder später müßt ihr alle zu dieser Entdeckung kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Es mögen 
Tage, Monate und Jahre dahingehen, der Augenblick kommt 
sicher einmal, wo ihr die Wirklichkeit eures wahren Zustandes erkennen werdet und euch zu dem Ausruf gezwungen 
fühlt: „Wehe mir! denn ich bin verloren!" Wie entsetzlich ist 
es jedoch, wenn ihr diese Entdeckung zu spät macht! Wie 
schrecklich, zu entdecken, daß ihr für ewig verloren seid! 
Dennoch wird dies mit allen der Fall sein, die sich hier nicht 
der Gerechtigkeit Gottes unterwerfen wollen. Alle Menschen 
müssen sich einmal in dem Licht der Heiligkeit Gottes betrachten, es sei hier oder vor dem Richterstuhl Christi. Welch 
ein schrecklicher Gedanke, einmal als ein armer, verlorener 
Sünder vor dem Richterstuhl des heiligen und gerechten Gottes stehen zu müssen, ohne einen Erlöser, ohne jemanden, 
der die Strafe an unserer Stelle getragen hat! 
Doch dies ist nicht nötig. Nein, Gott sei Dank, es ist ein 
Erlöser, ein Stellvertreter da. Der Thron, den Jesaja sah, hatte 
einen besonderen Charakter. Es stand ein Altar vor diesem 
Thron. Hören wir die folgenden Worte: „Und einer der Seraphim flog zu mir; und in seiner Hand war eine glühende 
Kohle, die er mit der Zange vom Altar genommen hatte. Und 
er berührte meinen Mund damit und sprach: Siehe, dieses 
hat deine Lippen berührt; und so ist deine Ungerechtigkeit 
gewichen und deine Sünde gesühnt" (Jes 6, 6. 7). Sobald 
Jesaja sich der Gerechtigkeit Gottes mit dem Rufe: „Wehe 
mir! denn ich bin verloren!" unterworfen hatte, wurde er 
in Verbindung mit dem Altar gebracht, seine Ungerechtigkeit wurde von ihm genommen und seine Sünde gesühnt. 
Wie unaussprechlich herrlich! Ohne Blutvergießung gibt es 
keine Vergebung, sagt die Schrift. Aber Gott hat in Seiner 
Gnade einen Altar gegeben und ein Opfer bereitet. Richte 
deinen Blick auf Golgatha, mein teurer Leser! Dort siehst du 
den Altar und das Opfer. Jesus ist das von Gott auserwählte 
Opferlamm. Er wurde am Kreuz zur Sünde gemacht. Er trug 
228 
unsere Sünden an Seinem Leibe auf dem Holze, und darum 
traf ihn die Gerechtigkeit Gottes. Er wurde von Gott verlassen, Er starb. Das Werk der Versöhnung und Erlösung ist 
vollbracht, und Sein Blut reinigt von allen Sünden. Jeder der 
sich bußfertig und mit dem Rufe: „Wehe mir! denn ich bin 
verloren!" der Gerechtigkeit Gottes unterwirft, und sich als 
ein Mensch von unreinen Lippen in der Gegenwart des Herrn 
der Heerscharen erkennt, wird in Verbindung mit Jesus gebracht und empfängt Teil an dem von Ihm vollbrachten Versöhnungswerk. Die Ungerechtigkeit ist dann weggenommen 
und die Sünde gesühnt. Die im Licht des Thrones geoffenbarte Schuld wird durch die Gnade des Altars beseitigt. Im 
Lichte der Heiligkeit Gottes erkannte Jesaja, wie er war, und 
der Seraph sagte jetzt zu ihm: „So ist deine Ungerechtigkeit 
gewichen und deine Sünde gesühnt." Und es ist beachtenswert, daß gerade einer der Seraphim, die gerufen hatten: 
„Heilig, heilig, heilig ist Jehova der Heerscharen!", zu Jesaja 
gesandt wurde, um ihm die Botschaft der Gnade zu bringen. 
„Also herrsche auch die Gnade duxch Gerechtigkeit zu ewigem 
Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn" (Rö 5, 21). 
Durch die Verbindung mit dem Altar können wir vor dem 
Thron des heiligen Gottes stehen. Wo die Ungerechtigkeit 
gewichen und die Sünde gesühnt ist, können wir das Licht 
der Heiligkeit Gottes ertragen. Welch eine herrliche Gnade! 
O möchten unsere Herzen diese Wahrheit vollkommen verstehen, möchten wir darin ruhen, damit wir ohne Furcht 
nicht nur an unsere Sünden, sondern auch an das Offenbarwerden vor dem Richter stuhl Christi denken können! 
2. Richten wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf einen anderen Thron, von dem wir in Offb 20 lesen: „Und ich sah einen 
großen weißen Thron und den, der darauf saß, vor dessen 
Angesicht die Erde entfloh und der Himmel, und keine Stätte 
wurde für sie gefunden. Und ich sah die Toten, die Großen 
und die Kleinen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden 
auf getan; und ein anderes Buch ward auf getan, welches das 
des Lebens ist. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, 
was in den Büchern geschrieben war, nach ihren Werken. 
Und das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod 
229 
und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie 
wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken. Und der 
Tod und der Hades wurden in den Feuersee geworfen. Dies 
ist der zweite Tod, der Feuersee. Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde 
er in den Feuersee geworfen." 
Dies ist der Thron des Gerichts. Hier finden wir keine 
Gnade, kein Erbarmen. Vergeblich suchen wir nach einem 
Altar in der Nähe dieses Thrones. Nichts als das Gericht ist 
hier zu finden. „Büche r wurden aufgetan." Es sind jene 
ernsten Zeugen des Lebens und des Betragens jedes einzelnen Menschen. Nichts bleibt im Verborgenen. Alles kommt 
ans Licht des Thrones des lebendigen Gottes. Niemand wird 
entrinnen. Das Gericht ist individuell: ein jeder empfängt 
„nac h seine n Werken" . Das ist der ernste Charakter dieses Gerichts. Es ist Torheit, zu denken, daß der Mensch 
nur wegen seiner Verwerfung des Evangeliums gerichtet werde. Sicher wird die Verwerfung des Evangeliums, wo immer 
es gehört worden ist, das Urteil Gottes verschärfen und die 
Verantwortung des Menschen vermehren; aber ebenso sicher 
ist es, daß der Mensch gerichtet wird nach seinen Werken. 
Der Apostel belehrt uns ausdrücklich in Eph 5, 3-6 und in 
Kol 3, 5.6, daß der Zorn Gottes kommt über die Kinder des 
Ungehorsams wegen bestimmter Sünden, die er auch näher 
bezeichnet. Die Schrift sagt also deutlich, daß alle, „die Kleinen und die Großen", nach ihren Werken gerichtet werden. 
Welch eine ernste Wahrheit! Jeder, der unbußfertig, unbekehrt und ungläubig in seinen Sünden stirbt, wird Rechenschaft von allen seinen Taten ablegen müssen. Alle seine 
Taten werden mit Flammenschrift auf den Tafeln seines Gewissens geschrieben stehen; alle werden gesehen werden in 
dem Licht des Thrones, vor dem nichts verborgen ist und 
dem niemand entrinnen kann. 
Wie entsetzlich, vor dem Thron des Gerichts zu stehen. Wie 
viele werden dort ausrufen: „Wehe mir! denn ich bin verloren!" Aber dort wird kein Altar sein, kein fliegender Seraph, 
keine glühende Kohle, keine Vergebung, keine Gnade! Was 
aber wird dort sein? — Der „Feuersee". Unmöglich kann es 
230 
anders sein, denn das Gericht beschäftigt sich mit den Werken eines jeden. Das unauslöschliche Feuer und der Wurm, 
der nicht stirbt, müssen notwendigerweise das Urteil aller 
derer sein, die vor dem großen weißen Thron stehen. Mag 
der Mensch diese Wahrheit leugnen, mag er jeden Gedanken 
daran von sich weisen, mag er darüber seine besonderen Ansichten vertreten, alle seine Meinungen und alle seine Vernunftsargumente können das ernste und unzweideutige Zeugnis der Heiligen Schrift nicht auslöschen. Dies Zeugnis beweist unbestreitbar, daß diejenigen, deren Namen im Buch des 
Lebens geschrieben stehen, nicht in das Gericht kommen 
werden, weil Christus an ihrer Statt gerichtet worden ist, 
aber auch, daß diejenigen, deren Namen nicht im Buch des 
Lebens geschrieben stehen, nach ihren Werken gerichtet und 
in den „Feuersee" geworfen werden. Mein teurer Leser! 
nimm — wenn du es noch nicht getan hast — deine Zuflucht 
zum Thron der Gnade, um dem kommenden Zorn zu entfliehen! 
Der Gehorsam Jesu 
In der Heiligen Schrift gibt es ein Wort, auf das ich die Aufmerksamkeit des Lesers richten möchte. Wir finden es in 
Hebr 5, 8: „De r . . . obwoh l e r Soh n war , a n 
d e m wa s e r litt , de n Gehorsa m lernte. " 
Es ist sicher nichts Neues, von Jesus zu hören, daß Er ein 
gehorsamer Mensch war, und dennoch ist es etwas Wunderbares, daß Er diesen Platz eingenommen hat. Dies ist ein so 
großes Wunder, daß die Engel sich in Anbetung niederbeugen und begehren, das große Geheimnis zu verstehen. „De r 
...obwoh l e r Soh n war,.. . de n Gehorsa m 
lernte. " Was wollen uns diese Worte sagen? 
Lieber Leser! Zeigen uns diese Worte nicht den unendlichen 
und unermeßlichen Unterschied zwischen Christus und uns? 
Wir sind Gehorsam schuldig. Wenn wir nicht gehorsam sind, 
dann versäumen wir unsere Pflichten gegenüber denen, die 
über uns gestellt sind und das Recht haben, Vorschriften und 
Befehle zu geben, die zu befolgen wir verpflichtet sind. Wenn 
231 
ein Vater seinem Kind einen Auftrag erteilt, ist es dann in 
deinen Augen etwas Seltsames oder Wunderbares, wenn das 
Kind gehorsam ist? Keineswegs. Das Kind tut, was es tun 
muß; man erwartet nichts anderes. Würde es aber dem Befehl des Vaters nicht nachkommen, dann wäre das nur ein 
Beweis von dem Geist des Ungehorsams, der leider bei den 
Menschen so natürlich ist. Es ist ganz ordnungsgemäß, daß 
ein Vater gebietet und das Kind gehorcht. Ebenso wenn eine 
Frau ihier Magd Befehle erteilt und ihr die tägliche Arbeit 
vorschreibt, dann würden wir es doch sicher tadelnswert und 
unstatthaft finden, wenn die Magd nicht gehorchte. Es ist 
ihre Pflicht, gehorsam zu sein. Wie es sich nun mit den Kindern gegenüber den Eltern und mit den Dienstboten gegenüber ihren Herren verhält, so verhält es sich mit allen Menschen Gott gegenüber. „Ein Sohn soll den Vater ehren, und 
ein Knecht seinen Herrn. Wenn ich denn Vater bin, wo ist 
meine Ehre? und wenn ich Herr bin, wo ist meine Furcht? 
spricht Jehova der Heerscharen" (Mal 1, 6). Es liegt in der 
Natur der Sache, daß Gott gebietet und die Menschen gehorchen. 
Welch ein Unterschied besteht nun zwischen Christus und 
uns? Die soeben angeführten Worte reden zu uns von Ihm, 
Dessen Stellung es war, über alles zu herrschen. Er war kein 
Knecht, nein, Er war der Herrscher über alles. Er brauchte 
nicht zu gehorchen, denn Er war der Gebieter über alle, sowohl über die Engel als auch über die Menschen. Er ist der 
eingeborene Sohn Gottes, „der Abglanz seiner Herrlichkeit 
und der Abdruck seines Wesens". Er ist der Schöpfer aller 
Dinge und trägt „alle Dinge durch das Wort seiner Macht". 
Er sprach: „Es werde Licht! Und es ward Licht." Er ist aller 
Herr, und von Ihm wird gesagt, daß alle Engel Gottes Ihn 
anbeten werden. Statt daß Er zum Gehorsam verpflichtet war, 
waren alle verpflichtet, Ihm zu gehorchen. Dennoch erniedrigte Er Sich, ein Kind, ein Jüngling und ein Mann zu werden. Der Gebieter wurde Knecht und lernte aus Erfahrung, 
was Gehorsam ist. Obwoh l Er Sohn war, lernte Er an 
dem, was Er litt, den Gehorsam! Unbegreifliche Erniedrigung! 
Wunderbare Gnade! 
232 
Wir dürfen diese Worte jedoch nicht in der Weise auffassen, 
als ob der Herr Jesus wie wir, die wir von Natur ungehorsam sind, den Gehorsam lernen mußte. Als Er auf der Erde 
war, war Er stets der gehorsame Mensch. Er konnte nicht 
anders als gehorsam sein. Allerdings mußte Er den Gehorsam lernen , weil für Ihn, Der nur zu gebieten hatte, der 
Gehorsam etwas Neues war. Aber nachdem Er Sich Selbst 
erniedrigt hatte und Mensch und ein Knecht geworden war, 
war Er in diesem. Zustand ebenso vollkommen, wie Er zur 
Zeit Seiner Herrschaft über alles auf dem Thron des Vaters 
vollkommen gewesen war. Freiwillig hatte Er Sich erniedrigt, 
freiwillig hatte Er Knechtsgestalt angenommen und freiwillig 
hatte Er es auf Sich genommen, zu gehorchen anstatt zu gebieten. Wie treffend wird uns dies in Phil 2 gesagt, wo wir 
lesen: „Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo 
Jesu war, welcher, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für 
einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst 
zu nichts machte, und Knechtsgestalt annahm, indem er in 
Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt 
wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er 
gehorsam ward bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze." — 
Er verließ die Herrlichkeit, die Er vor Grundlegung der Welt 
beim Vater hatte, um hier auf der Erde zu offenbaren, was 
Gehorsam ist, — ein Gehorsam, der bis zum Tode, ja zum 
Tode am Kreuze führte, weil es der Wille Gottes war, durch 
Seinen Tod verlorene Sünder zu retten. 
Es steht geschrieben, daß Jesus a n de m wa s Er litt , 
den Gehorsam lernte. Wie konnte Er in allem gehorsam sein, 
ohne Sich dem Haß der Welt auszusetzen? Alle, die Ihn umringten, taten ihren eigenen Willen und lebten nach dem 
Gutdünken ihres eigenen Herzens. Er war der einzige gehorsame Mensch. Die natürliche Folge davon war, daß Er 
gehaßt, verfolgt und mißhandelt wurde. Ein treuer Untertan, 
der in der Mitte von Verrätern und Aufrührern- lebt, wird 
sicherlich ihrem Haß ausgesetzt sein, und wie sehr würde 
sich dieser Haß steigern, wenn man die Entdeckung machte, 
daß dieser der Sohn des Königs und von ihm hergesandt 
sei? So verhielt es sich mit Jesus. Er, der Sohn des Vaters, 
233 
wurde von den Weingärtnern ergriffen, aus dem Weinberge 
gestoßen und getötet, damit sie, wie sie dachten, das Erbe 
in Besitz nehmen könnten. Und was tat der Herr inmitten 
dieser Umstände? Er wandelte ununterbrochen auf dem Pfad 
des Gehorsams. Er ließ Sich durch keine Feindschaft oder 
Verfolgung in Seinem Lauf aufhalten. Gingen andere ihren 
Weg, Er ging Seinen Weg; hatten andere ihre Speise, Er hatte 
die Seinige. Dieser Weg und diese Speise waren, den Willen 
des Vaters, Der in den Himmeln ist, zu tun. Getrieben von 
Seiner Liebe zu Sündern, verließ Er den Himmel und die 
Herrlichkeit, und von derselben Liebe getrieben ging Er inmitten der Schmach und Verfolgung, der Leiden und Schmerzen den Weg des Gehorsams bis zum Tode am Kreuze. 
Ein in dieser Hinsicht treffendes Wort finden wir in Jes 50, 
wo der Heilige Geist den Herrn sprechen läßt: „Warum bin 
ich gekommen, und kein Mensch war da? habe gerufen, und 
niemand antwortete? Ist meine Hand etwa zu kurz zur Erlösung? oder ist in mir keine Kraft, um zu erretten? Siehe, 
durch mein Schelten trockne ich das Meer aus, mache Ströme 
zu einer Wüste: es stinken ihre Fische, weil kein Wasser da 
ist, und sie sterben vor Durst. Ich kleide die Himmel in 
Schwarz und mache Sacktuch zu ihrer Decke." — Hier spricht 
Christus von Seiner Macht und Herrlichkeit, jedoch fügt Er, 
vor dem die ganze Schöpfung sich neigt, die Worte hinzu: 
„Der Herr, Jehova, hat mir eine Zunge der Belehrten gegeben, damit ich wisse, den Müden durch ein Wort aufzurichten. Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich 
höre gleich solchen, die belehrt werden." — Der Allmächtige 
ist Mensch geworden, und dieser Mensch ist demütiger und 
gehorsamer als das gehorsamste Kind, das jeden Morgen von 
seinem Vater geweckt wird, um zu hören, was es an jedem 
Tag zu lernen hat. Wer vermag dieses Wunder zu fassen? 
Gott ist geoffenbart im Fleisch. Der Schöpfer des Himmels 
und der Erde ein kleines, hilfloses, in der Krippe liegendes 
Kind, ein verachteter Mensch auf der Erde inmitten der 
Feindschaft der Menschen! O Herr! laß uns Deine unbegreifliche Liebe mehr verstehen! 
234 
Hat der Herr Jesus Sich je geweigert oder auch nur gezögert, 
das zu tun, was Ihm der Vater geboten hatte? Nein, niemals. 
Hören wir Seine Worte: „Der Herr, Jehova, hat mir das Ohr 
geöffnet, und ich, ich bin nicht widerspenstig gewesen, bin 
nicht zurückgewichen" (Jes 50, 2-5). Nie war Er ungehorsam. 
Von der Krippe bis zum Kreuz war Er stets der vollkommen 
gehorsame Mensch. Welche herrlichen Beweise haben wir davon in Seiner Geschichte! „Das Kindlein aber," so lesen wir, 
„wuchs und erstarkte, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade 
war auf ihm" (Lk 2, 40). Welch ein liebliches Bild zeigt uns 
der zwölfjährige Jesus! Wie vollkommen war die Vereinigung 
Seines Gehorsams gegen Gott und gegen Seine Eltern! Als 
Seine Eltern Ihn suchten, war Er in dem Werke tätig, das 
Gott, Sein Vater, Ihm aufgetragen hatte. „Was ist es, daß ihr 
mich gesucht habt?" fragt Er in demütigem Ton. „Wußtet 
ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?" 
(V. 49). Doch anstatt Sich hiermit zu brüsten und Sich Selbst 
in den Vordergrund zu stellen, wie es junge Leute so gern 
tun, „ging er mit ihnen hinab und kam nach Nazareth, und 
er war ihnen Untertan" (V. 51). — Welch ein Beispiel von 
Gehorsam war Sein Leben vor seinem öffentlichen Auftreten 
als Lehrer! Der Sohn Gottes, der Schöpfer und Erhalter des 
ganzen Weltalls wohnte dreißig Jahre lang unbekannt und 
unbemerkt in dem verachteten Nazareth und verdiente als 
Zimmermann Sein Brot. Welch eine Erniedrigung! Aber zugleich welch eine unendliche Gnade! „Er ist in allem versucht 
worden in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde." 
Aber dies alles ist nichts im Vergleich zu dem, was der Herr 
Jesus während der drei Jahre Seines öffentlichen Dienstes in 
Israel erfuhr. Welch ein Weg der Erniedrigung, der Leiden 
und des Schmerzes! Er wurde in allem versucht. Er stand 
dem Teufel, den gottlosen Pharisäern, dem blinden Volk und 
Seinen schwachen, kleingläubigen Jüngern gegenüber. Und in 
allem zeigte Er Seine Vollkommenheit: Er war immer gehorsam. Jeder Tag brachte neue Leiden, jeder Tag neue Mühsale und Beschwerden; an jedem Tage lernte Er den Gehorsam an dem was Er litt. Wie anbetungsbedürftig ist es, den 
Mann der Schmerzen in Seinem vollkommenen Gehorsam, in 
235 
Seiner völligen Hingabe und Unterwürfigkeit unter den Willen des Vaters zu betrachten! Soll ich einige Beispiele geben? 
Betrachte Ihn in der Wüste, wo Er vom Teufel versucht wird. 
Vierzig Tage und vierzig Nächte ist Er ohne Speise, und es 
hungert Ihn. Der Teufel kommt und fordert Ihn auf, aus 
Steinen Brot zu machen. Ja, der Herr Jesus brauchte nur e i n 
Wort zu sprechen, und die Steine wären in Brot verwandelt 
worden; Er war der Allmächtige. Aber nein. Er will hier nicht 
Seine Allmacht, sondern Seinen Gehorsam offenbaren. „Nicht 
von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem 
Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht." — Betrachtet 
Ihn am Jakobsbrunnen. Ermüdet von den Anstrengungen der 
Reise, hungrig und durstig, hat der Herr Jesus Platz genommen. Nur e i n Wort brauchte Er zu sprechen, und Speise 
und Trank wären im Überfluß vorhanden gewesen. Aber 
nein. Auf diesem Wege stillt Er Seinen Hunger nicht. Er sendet Seine Jünger zur Stadt, um Speise zu kaufen, und Er 
Selbst bittet um einen Trunk Wasser. Ja, der Schöpfer aller 
Wasserquellen bittet ein armes, ehebrecherisches Weib: „Gib 
mir zu trinken!" Welch eine Erniedrigung! Welch ein Gehorsam! — Lest die Geschichte vom Tod und von der Auf erweckung des Lazarus. Die Botschaft kommt zu Jesus: „Herr, 
siehe, der, den du lieb hast, ist krank." Jesus liebte Lazarus 
und seine Schwestern Maria und Martha. Er war ihr Hausfreund. Er weinte am Grabe des Lazarus. Sicher würden wir 
meinen, daß Er nach Empfang jener Botschaft sofort nach 
Bethanien gehen und Seinen kranken Freund wieder gesund 
machen würde. Doch Er bleibt noch zwei Tage an dem Ort, 
wo Er war. Er war der völlig gehorsame Mensch. „Meine 
Speise ist, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesandt 
hat." — Noch ein anderes Beispiel. Der Herr Jesus war allwissend. Er kannte Judas und Er kannte auch dessen Pläne. 
Nur ein einziges Wort hätte es Ihn gekostet, und alle Pläne 
des Verräters waren vereitelt gewesen. Aber nein. Er läßt 
den Sohn des Verderbens seinen Weg gehen. — Jesus ist 
allmächtig. Er beweist dies sogar in Gethsemane. Auf Sein 
Wort stürzen die Kriegsknechte zu Boden. Er hätte sie alle 
vernichten können; Er hätte die Hohenpriester und die Schrift236 
gelehrten, Pilatus und Herodes töten können; mehr als zwölf 
Legionen Engel hätten Ihm zu Gebote stehen können. Aber 
nein. Er bedient Sich Seiner Macht nicht: Er läßt sie alle ihre 
Wege gehen; Er übergibt Sich ihnen freiwillig. Wie ein Schaf 
wird Er zur Schlachtbank geführt, wie ein Lamm, das stumm 
ist vor seinem Scherer. „Ich bot meinen Rücken den Schlagenden und meine Wangen den Raufenden, mein Angesicht 
verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel" (Jes 50, 6). 
Geliebte Brüder! Es war Seine Liebe zu uns, die Ihn in diesen Zustand des Leidens und des Gehorsams brachte. Sein 
Gehorsam bis zum Tode ist die Grundlage unserer Errettung. 
„Der . . . obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam, lernte; und, vollendet worden, ist er allen, die ihm 
gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden." — Wollen 
wir, die wir durch Sein Leiden und durch Seinen Gehorsam 
errettet sind, Ihm nicht gehorchen? Welch einen Wert hat der 
Sohn Gottes dem Gehorsam beigemessen! Wie lieblich muß 
es daher in Seinen Augen sein, wenn wir denselben Gehorsam offenbaren! Treten wir daher in Seine Fußstapfen. Wenn 
wir auf Grund unseres Gehorsams zu leiden haben, nun, 
dann möge es uns nicht befremden, und mögen wir uns nicht 
von dem schmalen Pfade der Gerechtigkeit abdrängen lassen, 
um dem Kreuz zu entfliehen! Denken wir an Ihn, Der so 
großen Widerspruch von Sündern gegen Sich erduldet hat, 
auf daß wir nicht ermüden, indem wir in unseren Seelen ermatten. Folgen wir Jesu, Der, „obwohl er Sohn war, an dem, 
was er litt, den Gehorsam lernte." 
Die Fürsorge Jesu für die Seinigen 
(Johannes 16) 
Der Herr Jesus stand im Begriff, dem Kreuzestod entgegenzugehen. Seine Stunde -war gekommen. Die Nacht, in der Er 
verraten wurde, war angebrochen. Aber gerade in diesen 
ernsten Augenblicken beschäftigte Er Sich, wie uns das Johannesevangelium so ausführlich mitteilt, mit Seinen Jüngern. 
Er wußte genau, was Ihm bevorstand. Er konnte an Judas 
die Worte richten: „Was du tust, tu schnell", und dennoch 
237 
hatte Er Ruhe und Zeit, Seine Jünger zu unterweisen, zu 
trösten und ihnen Sein Mitgefühl in der zartesten Weise zu 
offenbaren. Er, Der Selbst den größten Leiden entgegenging, 
wollte, daß Seine Jünger nicht bestürzt seien, sondern sich 
freuen sollten. Er lud alle Schmerzen auf Sich, damit ihre 
Freude völlig sein könnte. Dieses Kennzeichen leuchtet uns 
aus allen Seinen Handlungen in den letzten Augenblicken 
Seines Lebens in so besonders lieblicher Weise entgegen. Sein 
ganzes Tun zeigte, daß Er in die Welt gekommen war, um 
alles für uns zu tun, auf daß ewige Freude unser Teil sein 
möchte. 
Die Stunde der Trennung war gekommen. Die kalte Hand 
des Todes sollte bald das zarte Band zwischen dem Herrn 
und Seinen Jüngern zerreißen, aber nur um ein festeres, unauflösliches, ewiges Band herzustellen; und es war eine Freude 
für Sein Herz, ihnen sagen zu können, daß sie Ihn über ein 
Kleines wiedersehen würden. Ja, es ist das Bedürfnis Seines 
Herzens, jede Wolke der Trauer zu zerstreuen und unsere 
Herzen für den Genuß Seiner Liebe zu öffnen. Er tröstet sie 
mit Seiner baldigen Wiederkehr; und wie eine Frau nach der 
Geburt ihres Kindes sich freut und alle ihre Schmerzen vergißt, so würden auch ihre Herzen frohlocken, wenn Er nach 
kurzer Abwesenheit in ihre Mitte zurückkehren werde, so 
versichert Er ihnen. Ihre Traurigkeit sollte in Freude verwandelt werden. Ja, welche Freude bringt doch die Traurigkeit 
hervor! Nie hatten die Jünger einen solchen Augenblick der 
Freude erlebt, der dem gleichkam, als Jesus nach Seiner Auferstehung wieder in ihre Mitte trat. Das Wiedersehen ließ 
sie frohlocken, aber sicher hätten sie diese Freude nicht erlebt, wenn nicht der traurige Augenblick der Trennung vorangegangen wäre. 
In gewissem Sinne sind die Wege Gottes immer schmerzlich, 
aber gut und gesegnet für uns. So war es auch bei dem Heimgang des Herrn zum Vater. Trauer erfüllte das Herz der Jünger, aber der Herr konnte sagen: „Es ist euch nützlich, daß 
ich weggehe." Er weiß, was gut ist, und Seine Weisheit läßt 
uns Wege der Trübsal gehen, um dann die Freude zu finden, 
die uns niemand rauben kann. 
238 
Die Freude ist und bleibt unser Teil. Es ist Sei n Wille, daß 
die Freude, die E r gibt, nicht von uns genommen werde. 
Jetzt schon ist die himmlische Freude unser Teil. So wie die 
Jünger sich freuten, als sie den Herrn wiedersahen, als sie 
erfuhren, daß weder Tod noch Grab ihren Herrn halten konnten, und als die Hoffnung in ihren Herzen erwachte, daß 
nichts im Himmel und auf Erden sie von Ihm scheiden könne, 
ebenso freuen auch wir uns, daß Er unser Teil ist, daß kein 
Feind Ihn uns nehmen kann, und daß nichts imstande ist, 
uns von Seiner Liebe zu scheiden. 
Was wird es sein, wenn wir Ihn sehen, wie Er ist! Die Jünger 
frohlockten, als sie den Herrn wiedersahen, und wieviel größer wird unsere Freude sein, wenn wir Ihn schauen, an Den 
wir geglaubt haben, ohne Ihn gesehen zu haben. Die Jünger 
mußten, als Er zum Vater ging, noch einmal die Stunde der 
Trennung durchmachen. Aber wenn wir Ihn sehen, wie Er 
ist, werden wir uns nie mehr von Ihm trennen. Wie glücklich sind doch alle, die Jesu angehören! Eine ewige Freude 
soll nach dem Willen des Herrn ihr Teil sein. Jetzt schon bereitet der Herr inmitten der Trübsale und sogar mittels der 
Trübsale eine himmlische Freude in unseren Herzen; wie aber 
wird es sein, wenn Er droben uns ohne jede Trübsal teilnehmen läßt an dem vollen Genuß einer ewigen Freude! Jetzt 
schon kann niemand unsere Freude von uns nehmen. Man 
kann uns hassen, aber das vermehrt nur unsere Freude an 
Ihm, Der uns liebt. Man kann uns Böses tun, aber es wird 
nur zur Folge haben, daß wir uns näher an Jesus klammern, 
Der nur Liebe und Güte für uns in Seinem Herzen birgt. 
Man kann uns sogar töten, aber dann tut man im Grunde 
nichts anderes, als daß man uns dahin bringt, wo die Freude 
ohne Störung unser Teil ist. Die Welt mag tun, was sie will; 
aber das Wort bleibt unveränderlich: „Eure Freude nimmt 
niemand von euch". 
Wenn unsere Herzen Ihn kennen, dann gibt es keinen Zweifel, keine Frage mehr. Alle Zweifel sind behoben, alle Fragen 
sind in Ihm beantwortet. Hat das Herz verstanden, sich auf 
Ihn zu stützen, dann ist alle Furcht beseitigt. Ich vertraue 
mich Ihm an, ich stütze mich auf Ihn, ich weiß, daß Er für 
239 
alles sorgen wird. Der, Dessen Wille es ist, daß niemand 
meine Freude von mir nimmt, ist auch mir genug für alles, 
was mir in dieser Welt begegnen kann. 
Doch dem Herrn ist es nicht genug, daß wir mit Ihm in 
einem so gesegneten Verhältnis sind. Durch Ihn treten wir 
auch in ein neues Verhältnis zum Vater. Seine erste Botschaft 
die Er nach Seiner Auferstehung an Seine Jünger richten ließ, 
war: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und 
zu meinem Gott und eurem Gott." Er hatte den Weg zum 
Vaterherzen Gottes geöffnet, und schon in unserem Kapitel 
ermuntert Er die Jünger, in Seinem Namen zum Vater zu 
beten. Bis dahin hatten sie noch nicht im Namen Jesu gebetet. Der Herr hatte sie gelehrt, wie sie beten sollten. Jetzt 
gab er ihnen eine neue Unterweisung bezüglich des Gebets. 
Er hatte vom Heiligen Geist gesprochen, Der sie in die ganze 
Wahrheit leiten würde, und jetzt gab Er ihnen das Recht, in 
Seinem Namen, d. h. in Seinem Auftrage sich mit ihren Bitten an den Vater zu wenden. 
Es ist bemerkenswert, daß der Herr hier hinzufügt: „Ich sage 
euch nicht, daß i c h den Vater für euch bitten werde." Ohne 
Zweifel wollte Er die Jünger hindern, von Ihm eine Fürbitte 
beim Vater zu wünschen, denn das hätte ihre Herzen mehr 
oder weniger in eine gewisse Entfernung von Gott gebracht. 
Wohl bittet der Herr Jesus stets für uns, aber wir haben 
freien Zugang zum Vaterherzen Gottes, und es ist der Wille 
des Herrn, daß wir diesen Weg freimütig in Seinem Namen 
betreten, wobei Er uns Mut macht durch die Worte: „Denn 
der Vater selbst hat euch lieb". 
Welche stille, glückliche Freude liegt darin, dem Vater nahen 
zu können, während wir eine böse Welt durchschreiten, und 
zwar in dem Bewußtsein, daß Er uns lieb hat! Welch eine 
Freude, Ihm alles sagen zu können, und zwar im Namen 
Jesu, gleichsam in Seinem Auftrag, nach Seinem Wunsch. 
Der Herr wollte, daß die Jünger das Vaterherz selbst kennenlernen sollten; Er zog Sich deshalb sozusagen in den Hintergrund zurück, um ihnen — freilich durch Sich Selbst — 
den Weg zum Vater zu Öffnen. Welch eine Fürsorge! Möchten 
doch unsere Herzen stets mit Freude erfüllt sein, und mit 
Vertrauen zu Jesus und dem Vaterherzen Gottes! 
240 
Petrus auf dem Meere 
Wie treffend ist diese Geschichte in Mt 14, 24-32! Jesus war 
allein auf dem Berge, um zu beten, und die Jünger waren 
auf dem See und litten Not von den Wellen. In der Mitte 
der Nacht kam der Herr, auf dem See wandelnd, um Seinen 
notleidenden Jüngern zu. helfen und den Sturm zum Schweigen zu bringen. Obwohl sie dem Wind und den Meereswellen preisgegeben waren, brachte doch das Gebet und die 
Hilfe Jesu sie in völlige Sicherheit. So befindet der Herr Sich 
jetzt im Himmel, während wir auf den Wogen des Weltenmeeres oft in Gefahr sind, zu sinken; doch Er betet für uns 
und kommt uns in unserer Not zu Hilfe. Die Stürme schweigen und wir landen schließlich in einem sicheren Hafen. 
Sehr treffend ist auch das was wir von Petrus lesen. „Petrus 
aber . . . sprach: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu 
dir zu kommen auf den Wassern. Er aber sprach: Komm! 
Und Petrus stieg aus dem Schiffe und wandelte auf den Wassern, um zu Jesu zu kommen." Petrus vertraute völlig auf 
die Macht Jesu. Sobald der Herr sagte: „Komm!" kam er 
sofort. Keine Welle, kein Sturm hinderte ihn. Der Herr hatte 
gesprochen, und voll Vertrauen auf Sein Wort setzte er 
trotz aller Gefahren den Fuß auf das Wasser und wandelte 
wie Jesus auf dem See. Und wahrlich, er handelte recht. Wenn 
Jesus sagt: „Komm!" dann gibt es keine Gefahr. Dann können wir Ihm vertrauen und Mut fassen, mag die Sache auch 
noch so schwierig und gefährlich scheinen. Wenn Er uns irgendeinen Auftrag gibt, dann können wir völlig sicher sein, 
daß Er uns nicht verlassen wird. Sind wir völlig davon überzeugt, daß der Herr uns befohlen hat, diesen oder jenen 
Weg zu gehen, dann können wir mutig vorwärts schreiten, 
ohne auf Menschen oder Umstände zu sehen. Wie groß die 
Gefahren auch sein mögen, Jesus steht über allem. Ein Wort 
von Ihm, und wir wandeln auf dem See, — ein Wort von 
Ihm, und der Wind legt sich. 
Voll Mut und Vertrauen setzt Petrus den Fuß auf das Wasser und wandelt auf dem Meer. Aber ach, es dauerte nicht 
lange. Noch war er nicht bei Jesus, da richtete er schon sei241 
nen Blick auf den Wind und die Wellen. Er fühlte sich beängstigt und begann zu sinken mit dem Ausruf: „Herr, rette 
mich!" Es genügt nicht, auf das Wort des Herrn voll Mut 
und Vertrauen den Weg zu betreten, sondern es ist auch 
Glaube nötig für jeden Schritt. Wir haben nur Kraft, solange 
wir uns am Herrn festhalten. Ein Blick auf die Umstände, 
und die Schwierigkeiten erheben sich bergehoch vor unseren 
Augen. In dem einen Augenblick können wir noch vollständig sicher sein und im anderen nahezu untergehen. „Außer 
mir könnt ihr nichts tun." Dies Wort des Herrn muß immer 
unsere Lebensregel sein, wenn wir ohne die Gefahr, unterzugehen, auf den Wogen dieser Welt vorwärtsgehen wollen. 
Doch wie gut ist es, daß der Herr stets nahe ist, selbst wenn 
wir unterzugehen drohen. Petrus rief: „Herr, rette mich!" 
und der Herr Jesus streckte alsbal d Seine Hand aus, um 
ihn zu retten. Wohl straft Er ihn, indem Er sagt: „Kleingläubiger, warum zweifelst du?" aber dennoch war Seine 
rettende Hand ausgestreckt. Welch ein Trost für uns! Wenn 
wir uns haben überwinden oder einschüchtern lassen, weil 
wir auf die Umstände geblickt haben, wenn Satan Macht 
über uns erlangt hat, und wir rufen: „Herr, rette mich!" 
dann streckt der Herr uns alsbal d Seine Hand entgegen 
und zieht uns empor. Welch ein Glück, solch einen Heiland 
zu haben und sich Ihm so völlig anvertrauen zu können! 
242 

Botschafter des Heils in Christo 1871

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1871 Seite
Gedanken über 1.Samuel 30 5
Die Entmutigung des Propheten Elia 9
Der Antichrist 16
Der Anbeter und der Arbeiter 22
Trost in der Wüste, Gedicht 26
Die beiden Ehemänner in Römer 7 27
Die erste und die zweite Ankunft Christi 46
0 Braut des Lammes schaue auf, Gedicht 50
Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen 51
Allein auf .den unruhigen Gewässern 63
Die Reise durch die Wüste 60
Die Wiederherstellung 78
Drei große Wahrheiten 86
Wir 'sehen jesurn 91
Das Leben des Christen 96
Die Errettung 'des Hauptmanns 'Cornelius 110
Das Lager in der Wüste 119
Das Lager und die Wolke 130
Christus im Schiff 135
Der Sohn Gottes 142
Im Schiff und auf dem See 232
Die 'Glaubensprobe 233
Der Grund der Errettung 234


In bewundernswürdiger Weise wird uns in der Schrift die Liebe Gottes in den Äußerungen Seiner Sorgfalt gegenüber Seinen auf Irrwege geratenen Kindern dargestellt. Die Geschichte 
Israels, von der Berufung Abrahams an bis hin zu Christus, liefert uns hiervon zahlreiche Beispiele. Es scheint mir sehr köstlich und wichtig, in dem Zustand des Verfalls und angesichts unserer eigenen Fehltritte das Licht für den Wandel des Glaubens zu erlangen. 
In den Tagen der durch Samuel dargestellten Regierung Gottes verlangte das Volk Israel einen König. Das war eine Verwerfung Gottes (1. Sam 8, 7). Das Volk wollte durch Schauen und 
nicht durch Glauben wandeln und wurde auch dadurch, daß Saul zur Königswürde erhoben wurde, deshalb gezüchtigt. Aber trotzdem verfolgt Gott die Absichten Seiner Liebe gegen 
Sein Volk, das sich immer undankbarer und widerspenstiger zeigt. Er bereitet ihnen in David, dem Sohne Isais, einen König nach Seinem Herzen. Über eine Begebenheit aus dem Leben 
dieses Königs möchte ich nun gern einige Gedanken darstellen, um den Wandel des Glaubens auf dem Pfade des Christen zu beleuchten. 
David war vor Saul, der ihm nach dem Leben trachtete, geflohen. Durch diese Handlung bewies er seine Schwachheit, aber sie diente auch zu seiner Rettung. In der Lage, in der er sich damals befand, konnte und sollte er nicht anders handeln. 
Auch zeigt uns sein Verkehr mit Jonathan, wie sehr seine Flucht gerechtfertigt war. Wenn er jedoch den Ratschluß Gottes erforscht hätte, dann wäre er sicher sofort in die Wüste und 
nicht zu Achis, dem König von Gath, geführt worden. In einem Zustand des Verfalls, wie er damals in Israel und jetzt in der Kirche herrscht, in einem Zustand der Schwachheit und der 
Furcht angesichts unserer Feinde entgeht man Fehltritten dieser Art nicht leicht; aber dies sind noch nicht die größten Fehler derjenigen Gläubigen, die in 1. Kor 3, 1. 2 als „fleischlich" bezeichnet werden. 

Wir sehen in unserem Kapitel die Folgen eines Falles, der bedeutender ist, als der vorhergehende, durch den David und seine Leute in eine so schwierige Lage gebracht worden waren. Gott hatte David vor Saul, seinem Feinde, der ihm in der Wüste nachjagte, wunderbar bewahrt und beschirmt. David erfuhr in dieser Stellung die Macht Gottes in Seiner steten 
Sorge, ihn zu bewahren und ihn aus der Hand seines Feindes zu befreien. David verherrlichte Gott während seines Wandels durch die Wüste durch sein Vertrauen und unterwarf sich auch 
der Prüfung, die im Blick auf seine Erhöhung auf den für ihn bestimmten Thron am wichtigsten und nützlichsten für ihn war.*) Aber er vermochte nicht bis ans Ende zu gehen; er ermüdete in der Wüste, gab seinem trügerischen Herzen Gehörund vergaß zu gleicher Zeit, den Rat Jehovas zu erfragen. Er machte Rückschritte in seinem Lauf und ging zu Achis, dem König von Gath (Kap. 27, 1. 2), und durch diesen Fall, der einen anderen zur Folge hatte, bereitete er sich viele Prüfungen, die als Züchtigung dienen mußten, um ihn wieder auf den Weg des Gehorsams zurückzuführen, d. h. auf den Weg, wo man den Rat des himmlischen Vaters erforscht, bevor man handelt. Und merken wir es uns, daß von Jesus nie gesagt wird, daß Er nach dem Rate Seines Herzens gehandelt habe; und doch war Er der Heilige! Aber Gott war mit David in seinem Fall und in seinen Schwachheiten, um ihn zu unterweisen, zu bewahren und zu befreien; und es ist gesegnet für uns, in dieser Hinsicht den Wegen Gottes mit Seinen Kindern folgen zu können. 
Die Befreiung Israels durch die gerichtliche Beseitigung des von Gott verworfenen Saul stand nahe bevor, und somit war auch die Prüfung Davids ihrem Ende nahe. Hätte sein Aus-
") Es scheint mir, daß die Fehltritte Davids vor seiner Thronbesteigung ihre 
Quelle in dem Mangel an Ausharren hatten, wodurch er veranlaßt wurde, einem Teil der Prüfung und somit auch der Erfahrung auszuweichen, die Gott für ihn in der Wüste bereitet hatte. Ähnlich verhält es sich mit einem Christen, der sich der Prüfung entzieht und auf dem Wege ermattet, weil ihm das Ausharren fehlt. Ein solcher Christ kann nicht glücklich sein und mit Paulus sagen: „Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß, Überfluß zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Uberfluß zu haben als Mangel zu leiden. Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt" (Phil 4, 12. 13). Auch für uns haben diese Dinge Folgen, die mit der Regierung unseres Herrn Jesus Christus in Verbindung stehen. In den Dingen, wo unsere Verantwortung in Betracht kommt, fehlen wir oft; aber nie fehlt Gott in dem, was Er nach Seinem ewigen Ratschluß in Seinen Kindern erfüllen wird. 

harren ein wenig weiter gereicht, dann wäre er vielem Elend 
entgangen und hätte sich viele Kümmernisse erspart. Wir fallen oft in der Prüfung, wenn diese sich bereits ihrem Ende zuneigt. Wie beschämend ist das für uns, und wieviel Kummer 
bereiten wir uns dadurch! David vergaß seine Pflichten soweit, 
daß er dem König von Gath seine Dienste anbot, um gegen 
Israel zu streiten, dessen wahrer König nach der Wahl Gottes 
er selbst war, — er, der seine Hand nicht an den Gesalbten 
Jehovas legen wollte, als Gott in der Wüste seinen Feind Saul 
in seine Hand gab. Ach, wie schnell weicht das Licht, wenn 
man den Pfad des Glaubensgehorsams verläßt! Vor einem so 
schrecklichen Fall bewahrte Gott David durch den Widerstand, 
den die Fürsten der Philister seinem Vorhaben entgegensetzten. 
Beachten wir hier die große Güte Gottes in der Sorge um Seine 
Kinder; Er schreitet ein, damit sie ihre Pläne nicht ausführen 
können, wenn Er urteilt, daß diese oder jene Lage, die ihre 
Torheit gewählt hat, keine Gelegenheit zur Unterweisung oder 
zur Offenbarung Seiner Macht und Liebe bietet. Gott, Der in 
Seiner Weisheit alle Dinge bemessen kann, versperrt unseren 
Weg ganz und gar, wenn auf ihm nichts Gutes und Nützliches 
für uns zu lernen ist. Dies kann Er tun, und Er tut es für Seine 
Kinder; hierin offenbart sich wieder Seine große und unveränderliche Liebe. 
Als David nach Ziklag zurückkehrte, war alles durch die Feinde 
verbrannt und geplündert. Das waren die Folgen seines Abweichens von dem Wege Gottes. Ein Fall folgt dem anderen, 
und wenn ein solcher bei jemandem vorkommt, der an der 
Spitze steht, dann wird seine ganze Umgebung dadurch bloßgestellt. David befand sich in Gefahr, gesteinigt zu werden. Er 
hatte gefürchtet, in die Hände Sauls zu fallen, der fern von ihm 
war, und hatte deshalb die Wüste verlassen; und jetzt wäre 
er von denen, die ihm in seiner Verwerfung gefolgt waren, in 
Stücke gerissen worden, wenn ihm Gott nicht Schutz und 
Sicherheit gewährt hätte. Welch eine Lehre liegt darin für uns! 
David kann jetzt nicht mehr den Eingebungen seines eigenen 
Herzens folgen, sondern ist gezwungen, sich in dieser äußersten Not in Jehova zu stärken. Es gibt für ihn kein anderes 
Rettungsmittel, und das ist für ihn und für uns alle ein großes 
Glück, — seine Rettung ist in Gott. Jehova, Der über ihn und 

Sein Volk wachte, hatte es erlaubt, daß er in diese verzweifelte 
Lage kam, um ihn von neuem auf den Pfad des Gehorsams zu 
bringen. David bittet Abjathar, den Priester, ihm das Ephod 
zu bringen. Er fragt Jehova, was er tun soll, und jetzt wird er 
von Gottt und nicht durch sein eigenes Herz belehrt und geleitet. Ein armer sterbender Knabe wurde zum Werkzeug, die 
Feinde ausfindig zu machen, die Gott in Davids Hände gegeben hatte. Dies soll uns lehren, auf alles, was Gott auf unseren 
Weg stellt, aufmerksam zu sein. Alles ist zu unserem Nutzen, 
wenn Gott mit uns ist und Er zum Gelingen unserer Rettung 
alles vorbereitet hat. Die Dinge, die dem Anschein nach die 
schwächsten sind, können die notwendigsten werden. Laßt uns 
Sorge tragen, keines von ihnen gering zu achten! Es ist für uns 
eine wichtige Belehrung, daß hier ein armer, von seinem Herrn 
verlassener Knabe David an die Stätte führt, wo seine Feinde 
sich befanden. Das Erbarmen, das seine Leute diesem armen 
Knaben erweisen, ist eine Frucht der Demütigung, zu der Gott 
sie gebracht hatte, — sie, die einst denen, die sie plünderten, 
kein Mitleid und keine Barmherzigkeit erwiesen hatten (Kap 27). 
Wie unser Kapitel zeigt, bleibt ein Teil der Kriegsleute vor 
Müdigkeit zurück. Auch hierin liegt eine Belehrung, die verdient, von uns beachtet zu werden. Diejenigen, die die Beute 
nicht mit den Zurückgebliebenen teilen wollten und als böse 
und lose Leute bezeichnet werden, stellen, wie mir scheint, den 
Grundsatz der Gesetzlichkeit des Fleisches vor unsere Augen. 
Wenn dieser Grundsatz tätig ist, dann sehen wir nichts als 
Selbstsucht und somit einen vollständigen Widerspruch zum 
Grundsatz der Gnade. Wenn wir eine solche Gesinnung offenbaren, dann fehlt uns jedes wahre Licht. David offenbart hier 
die Gesinnung Christi. Durch die Gnade — und nicht durch 
äußere Macht — bahnt er den Weg zur Freude und Segnung, 
die allein für Gott und Sein Volk geziemend ist, nämlich zu 
jenem gemeinsamen Segen, der der Gnade entspricht. Wenn 
einige stärker waren und länger die Last und Hitze des Tages 
ertragen konnten, wem hatten sie es zu verdanken? So sollen 
nun diejenigen, denen Gott diese Gnade verliehen hat, sich 
vielmehr freuen, ein Werkzeug zu sein, wodurch auch andere 
einen Anteil an der Freude der Streiter erlangen, wenn auch 
einige bei dieser oder jener Gelegenheit müde geworden sind, 

was übrigens bei jedem von uns der Fall sein kann. Und wie 
groß ist die Gnade gegen diejenigen, die sich bewährt haben 
und zu denen der Herr sagen kann: „Wohl, du guter und 
treuer Knecht! Gehe ein in die Freude deines Herrn." Dieser 
Anteil an der Freude Jesu, daß wir anderen zum Besitz dieser 
unvergänglichen Schätze mitgeholfen haben, wird auch das 
reiche Teil der treuen Diener sein. Wie groß aber wird die 
Freude sein, die alle gemeinsam genießen und die in allen 
strahlen wird, die an diesem Reichtum der Gnade unseres Gottes 
und Vaters und unseres Herrn Jesus Christus, Dem wir dies 
alles verdanken, teilhaben — es seien die Streiter, die die Feinde 
geschlagen haben, oder diejenigen, die bei dem Gerät geblieben 
sind — alle die erlösten Glieder, diese ganze glückliche Familie 
insgesamt! 
Am Schluß unserer Begebenheit sehen wir noch, daß David 
Geschenke an die Orte sendet, wo er mit den Seinigen gewirkt 
hatte. So werden auch die, die beim Eintritt Jesu in Sein Reich 
Seine Herrlichkeit teilen, Seine Boten zur Mitteilung Seiner 
Segnungen an diejenigen sein, die Er nach Seinem Wohlgefallen segnen und an Seinem Glück teilnehmen lassen will. 
Wenn wir die Dinge betrachten, die zu unserer Belehrung geschrieben sind, so werden wir immer mehr Schätze für den 
Wandel des Glaubens finden, die in unserem Zustand der 
Schwachheit und des Verfalls zu unserem Nutzen sind. Wir 
werden auch immer mehr erfahren, daß der Herr unsere Kraft, 
unsere Errettung, unsere Freude und unser Loblied für die 
Ewigkeit ist! 
Die Entmutigung des Propheten Elia 
Wie schwer fällt es dem menschlichen Herzen, sich auf der 
Höhe der Gedanken Gottes und besonders auf der Höhe der 
Gedanken Seiner Gnade zu halten! 
Elia hatte die gottlose Königin Isebel gegen sich und fühlte sich 
allein und verlassen. — Wenn große Begebenheiten vorüber 
sind und wir ihre Geschichte lesen, so sehen wir, daß das Unsichtbare vom Sichtbaren verdeckt wird, so daß es zwar leicht 

ist, sogar in bezug auf Gott ein Urteil zu fällen, nicht aber den 
Weg selbst zu machen. Scheint es doch zuweilen, als ob Gott 
die Welt gehen lasse und kein Ausweg da sei, während bei 
Gott doch alle Dinge möglich sind. 
Es ist bereits erwähnt worden, daß es schwer ist, auf dem 
Weg des Glaubens auszuharren, denn je weiter man auf diesem 
Wege fortschreitet, desto schwieriger wird er. Wenn auch wir 
selbst nicht vor gewissen Hindernissen zurückweichen, so begegnen wir vielleicht dem Glaubensmangel anderer, so daß wir 
oft gezwungen sind, unseren Weg allein gehen zu müssen. So 
sehen wir, wie Jonathan nicht mit Fleisch und Blut zu Rate geht 
und auf dem Wege des Glaubens weit genug vorangeht, um 
nicht durch den Unglauben und durch den Schwur, den Saul 
dem Volke in fleischlicher Gesinnung auferlegte, behindert zu 
werden. 
Auf dem Wege des Glaubens begegnet man fortwährend Schwierigkeiten. Paulus mußte sagen: „Alle haben mich verlassen/' — Sicher hatten diejenigen, von denen der Apostel dieses sagt, den Herrn nicht gänzlich verlassen, aber sie konnten sich nicht auf der gleichen Höhe halten, auf der Paulus sich befand. Dazu benötigten sie das Maß seines Glaubens, und das fehlte ihnen. 
Selbst Mose und Elia, diese bedeutendsten Männer des Alten 
Testaments, die sich auch mit Jesus auf dem Berge der Verklärung befanden, auch sie haben gefehlt. Denken wir dabei 
daran, daß Mose von Gott Selbst begraben war und Elias in 
den Himmel entrückt worden war. 
Wenn der Mensch erprobt wurde, hat er sich nie bis zur Höhe 
der Gnade erheben können — jener Gnade, die die Probe besteht und Erbarmen übt. Wenn der Glaube fehlt und man die 
Höhe der Gnade nicht erreicht, dann erbittert man sich gegen 
diejenigen, die die Ursache unserer Schwierigkeiten sind. Mose 
sagte zum Volke: „Ihr Widerspenstigen" (4. Mo 20, 10)! Gott 
aber wollte ihr Murren stillen, indem Er Gnade erwies. Es 
nützt uns nicht, daß Gott uns segnet, wenn unser Herz nicht 
in Seiner Nähe ist. — Mose sprach nur ein Wort, und die Erde 
spaltete sich; aber bald darauf, als es an Wasser mangelte, 
fehlte ihm der Glaube. 
10 
Wenden wir uns jetzt zu unserem Kapitel. In Vers 2 lesen 
wir: „Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: 
So sollen mir die Götter tun und so hinzufügen, wenn ich nicht 
morgen um diese Zeit dein Leben dem Leben eines von ihnen 
gleich mache!" — Dies geschah, nachdem Gott ihm auf so 
wunderbare Weise geantwortet hatte, als Elia die Propheten 
Baals versammelt, einen Altar gebaut, Wasser darum gegossen hatte, und Gott Feuer sandte, um alles zu verzehren. Das 
war ein glänzender Sieg des Glaubens gewesen, und Gott hatte 
gezeigt, daß Elia wirklich Sein Prophet war. Elia hatte gebetet: 
„Jehova, antworte mir, damit dieses Volk wisse, daß du, Jehova, Gott bist. . . . Da fiel Feuer Jehovas herab und verzehrte 
das Brandopfer und das Holz und die Steine und die Erde; und 
das Wasser, das im Graben war, leckte es auf" (l.Kö 18,37.38). 
Nach einer solchen Dazwischenkunft Gottes könnte man annehmen, daß Elia nun völlig gestärkt sei. Aber es ist nicht so. 
Isebel wurde zornig, sandte Boten zu Elia und drohte ihn zu 
töten. Wir werden immer die Erfahrung machen, daß nach 
einem Sieg über Satan seine Wut entbrennt und wir uns anderen Feinden gegenüber sehen. Wenn das Auge jetzt auf Gott 
gerichtet ist, und nicht auf den soeben errungenen Sieg, dann 
erlangt man jetzt einen neuen Sieg. Man darf sich nie auf einen 
eben errungenen Sieg stützen, denn dann büßt man einen anderen ein, weil man sich selbst erhoben hat und nicht in der 
Gegenwart Gottes geblieben ist. Dies war bei Elia der Fall. Er 
sagt: „Ich bin nicht besser als meine Väter". Er verläßt die 
Stellung, die ihm Gott und der von Gott geschenkte Glaube 
gebracht hatte; und nach dem Sieg wünscht er sich den Tod. 
Es ist sehr gesegnet für uns, wenn wir lernen, daß wir ohne 
Gott nichts tun können. Man muß im Gefühl der eigenen 
Schwachheit mit Demut umhüllt sein, denn sonst wird man 
vom Feind geschlagen. Bevor Josua den Gibeonitern zu Hilfe 
zog, befand er sich in Gilgal, der Stätte des Gerichts über das 
Fleisch; und er kämpfte siegreich. Danach kehrte er nach Gilgal 
zurück und konnte neue Siege davontragen. 
Wenn die Umstände günstig sind, kann ich sogar, ohne mich 
auf Gott zu stützen, ruhig sein; sind aber die Umstände stärker 
als ich, dann werde ich zornig und verbittert. Ist Gott mit mir, 
dann bin ich unter allen Umständen ruhig, weil Gott handelt; 
11 
es ist Glaube da. Im andern Fall aber wird man verbittert gegen 
diejenigen, die uns Böses tun. Mose zürnte über das Volk 
Gottes. In seinem Urteil über Israel hatte er redit, denn es war 
ein böses Volk; aber Mose konnte sich nicht bis zur Höhe der 
Gnade Gottes erheben. — Als der Herr Jesus vom Berge herabstieg und den Unglauben Seiner Jünger sah, sprach Er: „Bis 
wann soll ich bei euch sein? bis wann soll ich euch ertragen?" 
Aber Er fügt hinzu: „Bringet mir ihn her" (Mt 17, 17). Triftl 
Er eine Obereinkunft mit der Sünde? Gewiß nicht; aber die 
Gnade kennt keine Schranken. — Und wie verhielt es sich mit 
den Siebentausend zur Zeit des Elia? Dienten sie wirklich 
Gott? Keineswegs. Aber die Liebe Gottes war stark genug, 
und Seine Gnade mächtig genug, um sich über alles zu erheben. Wenn man einen Glauben hat, der alles überwinden 
kann, dann sieht und erkennt man viele Seelen: siebentausend 
waren es, von denen Elia nichts wußte. Wenn wir an unsere 
eigene Treue denken, dann sind wir von uns selbst erfüllt. Es 
ist eine traurige Erscheinung, wenn es so oft heißt: „Ich habe 
dieses, ich habe jenes getan!" Je mehr man sich diesem Geiste 
überläßt, desto mehr wünscht man sich den Tod; aber nur, 
um dem Kampf des Glaubens auszuweichen. Wenn man nicht 
den Tod wünscht, um beim Herrn zu sein, dann hat dieser 
Wunsch seinen Grund in der Trägheit. Paulus sagte jedoch: 
„Sei es, daß wir leben, wir leben dem Herrn; sei es daß wir 
sterben, wir sterben dem Herrn" (Rö 14, 8). Möge der Herr 
uns fähig machen, Seine Wahrheit zu verstehen! 
Elia sagte: „Ich bin nicht besser als meine Väter" (V. 4). Er 
hatte das Bewußtsein seiner Stellung verloren, in der Gott ihn 
segnen konnte. Welch eine Gnade erweist uns Gott, wenn Er 
uns in eine Lage bringt, in der Er uns gebrauchen kann! Und 
welch ein Verlust für uns, wenn wir sie verlassen! Ein Beispiel 
hierfür haben wir in der Geschichte des Barnabas, der sich von 
Paulus trennte, um nach Zypern zu gehen, und auch den Markus dorthin mitnahm (Apg 15, 39). Er hatte in Zypern Besitzungen gehabt (Apg 4, 36. 37), und Markus war sein Neffe 
(Kol 4, 10). Barnabas hatte gefehlt, und wir hören nichts weiter 
von ihm. Er blieb in seinen Verbindungen nach dem Fleische, 
und der Segen seiner Berufung als eines Arbeiters im Werke 
des Herrn ging für ihn verloren. Ohne Zweifel war er errettet, 
12 
aber wenn man es in der Offenbarung der Stellung, in der Gott 
uns haben will, an der Treue fehlen läßt, ist man für sich und 
andere nur eine Last. 
„Und er legte sich nieder und schlief ein unter dem Ginsterstrauch. Und siehe da, ein Engel rührte ihn an und sprach zu 
ihm: Stehe auf, iß! Und als er hinblickte, siehe, da lag zu 
seinen Häupten ein Kuchen, auf heißen Steinen gebacken, und 
ein Krug Wasser. Und er aß und trank und legte sich wieder 
hin" (1. Kö 19, 5. 6). — Wir sehen hier nicht mehr die übernatürliche Kraft, kraft derer Mose vierzig Tage lang bei Gott 
weilte, ohne zu essen. — Gott stärkte Seinen Diener Elia; Seine 
Güte beseitigt die Schwierigkeiten, und die rührende Weise, in 
der Gott dies tut, hätte in Elia ein Gefühl für diese Güte erwecken sollen. Aber dies war nicht der Fall: „Und er stand auf 
und aß und trank, und er ging in der Kraft dieser Speise vierzig 
Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes, den Horeb" 
(V. 8). 
Es ist wichtig zu bemerken, daß verhältnismäßig selten von 
den Königen in Juda erwähnt wird, daß sie richtig wandelten. 
Doch hatte Gott dem Hause Davids eine Leuchte bewahrt. Aber 
in Israel finden wir die Geschichte des Abfalls; und Elia, der 
sich inmitten all des Bösen befindet, ist ein Zeugnis von Seiten 
Gottes. In Jerusalem war alles in Ordnung. Dort waren der 
Tempel, die Bundeslade, die Priester, usw. Aber Wunder wurden dort nicht verrichtet. In Israel stand es anders; dort war 
ein Zeugnis, das nur von Gott abhing und das Er durch Wunder bestätigte. 
Elia sprach: „Die Kinder Israel haben . . . deine Altäre niedergerissen und deine Propheten mit dem Schwerte getötet; und 
ich allein bin übriggeblieben, und sie trachten danach, mir das 
Leben zu nehmen" (V. 10). Wenn der Herr Jesus sagt: „O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! .. . bis wann soll ich euch 
ertragen?" (Mt 17, 17), so war es der Unglaube der Jünger, der 
dem Zeugnis entgegenstand, und nicht das Böse, das sie umgab. Wegen des Bösen war der Herr in die Welt gekommen. 
Wenn dagegen Elia sagt: „Sie haben deine Altäre zerstört", 
so verrät dies nur die Schwäche seines Glaubens. Wenn aber 
dasjenige fehlt, wodurch das Zeugnis aufrechterhalten wird, 
dann ist in dieser Beziehung alles zu Ende. Elia wurde zum 
13 
Horeb geführt, und Jehova sprach zu ihm wie zu Adam: „Was 
tust du hier?" — Wenn wir bei Gott sind, ist es nicht nötig, 
daß Er diese Frage an uns stellt und uns zuruft: „Was tust du 
hier? Offenbare dein Herz!" — Wenn es sich darum handelt, 
das Herz des Menschen und nicht das Herz Gottes zu offenbaren, dann zeigt sich, daß das Böse, der Unglaube darin vorhanden ist. „Ich allein bin übriggeblieben!" (V. 10) Dieses 
unglückselige „Ich"! Elia denkt an sich selbst, und das ist nicht 
mehr das Zeugnis Gottes. In Rö 11, 2 sehen wir die Tragweite 
dieser traurigen Worte. Welch ein Unterschied zeigt sich hier 
zwischen Elia und dem Herzen des Apostels Paulus. Jener tritt 
vor Gott auf wider Israel, dieser tritt vor Gott für Israel. Wenn 
das Herz sich gegen den Unglauben empört, wenn es sich so 
sehr erbittert, daß es seine Unzufriedenheit vor Gott äußert, 
so ist das nicht mehr der Glaube. Wohl kann man dem Volk 
seinen Unglauben und die in Gott vorhandenen Hilfsmittel 
vor Augen stellen, nicht aber die Sünde des Volkes in einer 
Weise vor Gott bringen, wie es Elia in Vers 10 tut. Aber Gott 
spricht zu ihm: „Gehe hinaus und stelle dich auf den Berg vor 
Jehova! Und siehe, Jehova ging vorüber, und ein Wind, groß 
und stark, zerriß die Berge und zerschmetterte die Felsen vor 
Jehova her; Jehova war nicht in dem Winde" (V. in). Dies 
waren Zeugnisse Gottes, aber Gott war nicht darin. Es hätte 
Elia gefallen, wenn die Macht Gottes sich im Gericht geoffenbart hätte. Er ist durch Seine Langmut nicht befriedigt, und 
das finden wir im Fleische der hervorragendsten Kinder Gottes. 
Gott kann die Torheit zunichtemachen. Er kann dem Felsen 
gebieten, zu bersten. Aber in all diesem befindet Er Sich nicht. 
Er kann durch solche Mittel den Leichtsinn des Menschen beseitigen, aber das sanfte, stille Säuseln offenbart Ihn, Der 
nicht nötig hat, Sich solcher Mittel zu bedienen. „Was tust du 
hier?" — Elia weiß keine andere Antwort zu geben, als die wir 
bereits aus seinem Munde vernommen haben (V. 14). Es ist 
wirklich traurig, wenn alles, was man Gott zu sagen hat, 
sich auf das eigene Ich bezieht, selbst dann, wenn man treu 
gewesen ist. Jehova gebot ihm, seinen Rückweg anzutreten 
und Elisa an seiner Stelle zum Propheten zu salben. Mit dem 
Zeugnis des Elia war es also zu Ende. Elisa sowie Hasael und 
Jehu, die beiden Könige von Syrien und Israel, sollten fortan 
14 
Sein Werk ausführen. Gott konnte ein in gewisser Hinsicht 
mächtigeres Zeugnis einführen. Dazu braucht Er den Elia nicht 
mehr. Dieser war zum Horeb gekommen, aber nicht in dem 
Gefühl, daß Gott ihm nahe sei, um ihn zu stärken. Jehova 
sprach zu ihm: „Ich habe siebentausend in Israel übriggelassen, 
alle die Kniee, die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben" 
(V. 18). Gott und nicht ein Mensch bestimmte die Zeit der Ausführung Seiner Gerichte. Wenn einem das Bewußtsein der 
wirksamen Gnade Gottes fehlt, glaubt man sich allein, und 
Gott spricht: „Wenn du niemanden gefunden hast als dich 
und dein armes Herz, so habe Ich siebentausend gefunden." 
Dies war niederdrückend und beschämend für Elia, denn mit 
seinem Zeugnis war es für immer zu Ende, obwohl vielleicht 
mit Ausnahme Moses niemand sich als Diener so ausgezeichnet 
hat wie Elia. Er war wirklich ein Mann des Glaubens; sein 
leuchtendes Leben zeugt hiervon. 
So oft wir sagen: „Ich kann nicht mehr!" sind wir unglücklich. 
Dahin kommt es, wenn wir Gott nicht vor Augen haben. Gibt 
es irgend etwas, das Gott nicht tun könnte? Gewiß nicht. — Als 
die Jünger den Dämon nicht austreiben konnten, sagte Jesus: 
„Bringe deinen Sohn her!" — Als das Volk Israel in der Wüste 
murrte und Mose den Felsen schlug, anstatt gemäß dem Auftrage Gottes zu ihm zu reden, gab Gott dennoch Wasser. — 
Als Elia sich allein sah, kannte Gott noch siebentausend, die 
ihre Kniee nicht vor dem Baal gebeugt hatten. — Wir benötigen 
nichts anderes als das einfältige Bewußtsein der Worte, die 
Gott an Paulus richtete: „Meine Gnade genügt dir!" — Nicht 
das Bewußtsein eines errungenen Sieges bewahrt uns, sondern 
dasjenige unserer Schwachheit. „Wenn ich schwach bin, dann 
bin ich stark." — Wenn wir an uns und unsere Siege denken, 
dann liegen wir schon am Boden. Satan kann uns immer zu 
Fall bringen, wenn wir nicht in vollständiger Abhängigkeit von 
Gott und Seiner Macht sind. Diese Macht bewahrt uns vor 
allen Verstandesüberlegungen. Mag die Not groß oder klein 
sein, für Gott spielt das keine Rolle. In Schwierigkeiten und 
Versuchungen ist es das Wichtigste für uns, daß wir Gott 
schauen. Mose sah den Unsichtbaren (Hebr 11, 27). Was 
kümmert mich der Unglaube anderer, wenn ich sehe, daß Gott 
15 
mir zur Seite steht? Ich weiß um die Torheit derer, die Ihn 
nicht kennen, aber die Gnade ist da, die sie tragt. 
Wunderbare Langmut Dessen, mit Dem wir es zu tun haben! 
Wenn wir im Gefühl unserer eigenen Schwachheit, aber im 
Vertrauen auf Seine Kraft unseren Weg fortsetzen, dann werden wir, mit Gnade erfüllt, für das Zeugnis Seiner Liebe, Seiner 
Gnade und Seiner Güte bewahrt bleiben. 
(Aus dem Französischen) 
Der Antichrist 
Es ist zwar nicht sehr erbaulich, sich mit der Gesinnung und 
den bösen Werken des Antichristen zu beschäftigen, aber es 
ist das Wort Gottes, das uns Mitteilungen über ihn macht. Ich 
hoffe daher, daß es keineswegs ohne Nutzen für uns sein 
wird, wenn wir die Stellen der Schrift, in denen besonders von 
diesem „Menschen der Sünde" die Rede ist, etwas näher betrachten. 
„Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten örter vernichten; und er wird darauf sinnen, 
Zeiten und Gesetz zu ändern" (Dan 7, 25). — „Und Streitkräfte von ihm werden dastehen; und sie werden das Heiligtum, die Feste, entweihen, und werden das beständige Opfer 
abschaffen und den verwüstenden Greuel aufstellen. Und diejenigen, welche gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch 
Schmeicheleien zum Abfall verleiten . . . Und der König wird 
nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und 
groß machen über jeden Gott, und wider den Gott der Götter 
wird er Erstaunliches reden . . . Und auf den Gott seiner Väter 
wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Weiber 
noch auf irgendeinen Gott wird er achten; sondern er wird 
sich über alles erheben. . . . Den Gott, den seine Väter nicht 
gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und 
mit Edelsteinen und mit Kleinodien" (Dan 11, 31. 32. 36. 37). 
— „Laßt euch von niemandem auf irgendeine Weise verführen, 
denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, daß zuerst der Abfall komme und geoffenbart worden sei der Mensch der Sünde, 
16 
der Sohn des Verderbens, welcher widersteht und sich selbst 
erhöht über alles, was Gott heißt, oder ein Gegenstand der 
Verehrung ist, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und 
sich selbst darstellt, daß er Gott sei . . . Und dann wird der 
Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren 
wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die 
Erscheinung seiner Ankunft, ihn, dessen Ankunft nach der 
Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen 
und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen" (2. Thess 2, 3. 4. 8—10). — 
„Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen: und es 
hatte zwei Hörner gleich einem Lamme und redete wie ein 
Drache. Und die ganze Gewalt des ersten Tieres übt es vor 
ihm aus, und es macht, daß die Erde und die auf ihr wohnen 
das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde. Und 
es tut große Zeichen, daß es selbst Feuer vom Himmel auf die 
Erde herabkommen läßt vor den Menschen" (Offb 13, 11—13). 
Diese Stellen, denen man noch andere beifügen könnte, werden 
genügen, um durch das Wort Gottes die Überzeugung zu erlangen, daß es mit der Gottlosigkeit der Menschen je länger 
je ärger werden, und das Böse schließlich im Antichristen gipfeln wird. 
Wenn wir an Hand der angeführten Stellen den Antichristen 
betrachten, finden wir zunächst, daß er den Höchsten lästern 
und wider den Gott aller Götter greulich reden wird. Er wird 
sich über alles erheben und Gott gegenüber keine Schranke 
kennen. Aber in diesem Haß gegen Gott liegt gerade seine 
Anerkennung des Daseins Gottes. Ebenso ist es in unseren 
Tagen. Wenn die Menschen gegen Gott eifern, so beweisen sie 
gerade dadurch, daß sie an das Vorhandensein Dessen glauben, 
Den zu leugnen sie sich bemühen. Kein Gottloser eifert gegen 
den Gott Mohammeds oder die heidnischen Götzen, weil man 
weiß, daß diese nicht existieren. Der Antichrist aber wird 
seinen Haß gegen Gott in der schrecklichsten Weise offenbaren. 
Es ist für uns fast unbegreiflich, daß ein Mensch, der ein Gewissen hat, imstande ist, Abscheuliches gegen Gott zu reden 
und Ihn zu lästern. Man sollte meinen, es müsse noch ein 
Gefühl in der Seele sein, das sich gegen diesen höchsten Aus17 
druck der Gottlosigkeit sträubte. Aber wozu ist der gefallene 
Mensch nicht fähig, und besonders in jener Zeit, wenn der 
Geist und die Braut die Erde verlassen haben wird, und diese 
Erde dann der Schauplatz des Wirkens Satans darum in einer 
so außerordentlichen Weise werden wird, weil Satan, aus dem 
Himmel geworfen, weiß, daß er nicht viel Zeit hat und weil 
alle, die verloren gehen, von Gott vollständig der Lüge, dem 
Betrug und der Wirksamkeit Satans preisgegeben sind! 
Sicher gibt es jetzt schon viel Böses auf der Erde, aber Gott 
hält seinen völligen Ausbruch noch zurück. Wenn Er aber die 
Bösen völlig dem Satan überläßt, dann wird die gewaltige Flut 
der Gottlosigkeit jeden hemmenden Damm durchbrechen und 
in gar keinem Vergleich zu dem stehen, was sich in unseren 
Tagen vor unseren Augen ereignet. 
Mit seinem Haß gegen Gott ist der Antichrist naturgemäß 
auch gegen diejenigen, die Gott angehören. So lesen wir, daß 
er die Heiligen der höchsten örte r vernichten wird. Wie könnte 
er auch jemand dulden, der ein Zeugnis für Gott ist? Welche 
Trübsale wird er den Gläubigen jener Tage verursachen! Doch 
der Herr sei dafür gepriesen. Er wird auch ihre Hilfe, ihre Zufluchtsstätte sein, und alles, was sie zu erdulden haben, wird 
Er zu ihrem Guten mitwirken lassen*). Es ist die Absicht des 
Antichristen, Gott zu beseitigen und auf dieser Erde jedes 
Zeugnis Gottes zu vernichten. Welch ein Vorrecht, daß wir in 
jenen Schreckenstagen nicht auf der Erde sein werden, sondern 
im Vaterhaus Gottes ungestörte Ruhe genießen! Es ist der 
wohlgefällige Wille des Herrn, daß wir bewahrt werden sollen 
vor der Stunde der Versuchung, welche über den Erdkreis 
kommen wird. Wir werden nicht nur den kommenden Leiden 
und Drangsalen entrückt und in Sicherheit sein, sondern wir 
werden auch nicht Zeugen der Lästerungen sein, die der 
„Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens" gegen den 
Höchsten, Den wir unseren Gott und Vater nennen, ausstoßen 
wird. 
*) Es ist wohl kaum nötig zu bemerken, daß die Heiligen jener Tage nicht der 
Kirche angehören, sondern hauptsächlich jüdische Gläubige sind, die sich nach 
der Aufnahme der Kirche auf der Erde befinden und die Gerichte durchmachen 
müssen. 
18 
„Er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetze zu ändern." Jede 
Erinnerung an die Anordnungen und Einrichtungen Gottes 
dienen dem Antichristen zum Anstoß und zum Ärgernis. Die 
seit Tausenden von Jahren beobachtete Vorschrift der Feier des 
siebenten Tages muß beseitigt werden. Er wird Gesetze vorschreiben, die nicht von Gott gegeben sind und die sogar den 
Gesetzen der bürgerlichen Gesellschaft widersprechen, und 
in allen seinen Einrichtungen und Neuerungen wird er nirgends 
auch nur die Nennung des Namens Gottes gestatten. 
Auch Jerusalem, jene Stadt, in deren Toren die Füße Jesu 
standen, wird der Antichrist betreten. Er wird sich mit einer 
Kriegsmacht umgeben, um seine gottlosen Pläne auszuführen, 
und mit ihr wird er das Heiligtum entweihen. Die Juden werden zu jener Zeit ihren Tempel wieder aufgerichtet haben und 
ihre Opfer bringen, aber der Böse wird bei seinem Erscheinen 
diese Opfer nicht mehr dulden. Er wird — wer weiß, durch 
welche teuflischen Mittel — den Ort der Anbetung und der 
Opfer entweihen, das Opfer abschaffen und an dessen Stelle 
den Greuel der Verwüstung setzen. Jerusalem, die Stadt, von 
der Gott gesagt hat, daß sie Seine höchste Wonne sein sollte, 
wird dann zu einer Stätte werden, von der Gott mit dem tiefsten Mißfallen Seines Herzens den Blick abwendet. An keinem 
Ort auf dieser Erde hat der Mensch das Maß seiner Sünden so 
voll gemacht wie in Jerusalem. Nicht nur wurde der Herr der 
Herrlichkeit dort gekreuzigt, nein, auch der Name Gottes muß 
dort gelästert, und wenn möglich, ausgerottet werden. 
Aus dem Wort des Herrn, daß Er gekommen sei in Seines 
Vaters Namen, ohne Aufnahme zu finden, daß aber ein anderer (der Antichrist) in seinem eigenen Namen kommen und 
Aufnahme finden werde, geht augenscheinlich hervor, daß der 
Antichrist ein Jude sein, aber nicht den Gott seiner Väter 
achten wird. Ehrfurcht vor den Vätern, die an Gott glaubten, 
kennt er nicht; die Segnungen Gottes für Israel von alters her 
verachtet er. Sein Herz kennt nur ein Ziel: Gott völlig zu beseitigen, so daß wenn möglich, kein Mensch auf der Erde mehr 
den Namen Gottes nennen möchte, und er hat nur einen 
Dienst: den Dienst des Lügners. Wenn wir die Mühe und 
Arbeit dieses Bösen, seinen Eifer und seine Tätigkeit sehen, 
werden wir auf beschämende Weise belehrt, daß der Mensch 
19 
für das Böse weit mehr Anstrengungen macht, als wir, die 
Kinder Gottes, für das Gute. 
Paulus nennt den Antichristen den „Menschen der Sünde". 
Wir alle sind Sünder von Natur, und sowohl die Heilige Schrift 
als auch die Weltgeschichte zeigen uns Menschen, die sich dadurch hervortaten und auszeichneten, daß sie besonders böse 
waren. Aber hier wird uns jemand vor Augen gestellt, der in 
ganz besonderer Weise der „Mensch der Sünde" bezeichnet 
wird. Es ist der Lebenszweck des Antichristen, Sünde zu tun, 
und nicht nur Sünde im allgemeinen, sondern sogar die Sünde, 
Gott zu beseitigen, gegen Gott in einer Weise zu freveln, die 
solange die Erde steht, nicht ihresgleichen hat. — Auch kommt 
er als der „Sohn des Verderbens", um die Werke seines Vaters, 
des Lügners und des Mörders von Anfang, auszuüben; und die 
Menschen folgen den finsteren Wegen dieses Verwüsters. Einst 
ist Einer zu ihnen gekommen. Der die Liebe war und Errettung 
bringen wollte, aber sie haben Ihn nicht aufgenommen. Später 
wird einer kommen, der sie verderben will, und ihn werden sie 
aufnehmen. Weil sie der Wahrheit nicht geglaubt haben, werden sie dahingegeben, der Lüge zu glauben. Ach, wie tief ist 
der Mensch gesunken! Er verwirft die Wahrheit und glaubt der 
Lüge; er verwirft das Licht und liebt die Finsternis, weil seine 
Werke böse sind. 
Aber es genügt dem Antichristen nicht, Gott beiseite zu setzen 
und die Menschen zu verderben, sondern er nimmt auch den 
Platz Gottes ein, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und 
sich darstellt, als sei er Gott. Welche wunderbare Langmut 
offenbart Gott doch darin, daß Er so lange mit dem Gericht 
zögert, bis der Antichrist den Gipfel der Sünde erreicht hat! 
Der Hochmut des „Menschen der Sünde" kann keinen höheren 
Platz einnehmen, als sich an die Stelle Gottes zu setzen. Dabei 
läßt Gott noch zu, daß der Teufel den Rebellen unterstützt, um 
diesen Platz zu behaupten. Satan treibt sein Spiel mit den 
Menschen, die verloren gehen, in einer noch nicht dagewesenen 
Weise, und er wirkt durch den Antichristen in aller Macht, in 
Zeichen und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit, so daß der Antichrist wie Elia Feuer vom Himmel 
vor den Menschen herabkommen läßt, als ob er Verbindung 
zum Himmel habe. 
20 
In der oben angeführten Stelle aus der Offenbarung des Jo 
hannes sehen wir den Antichristen auch in der Gestalt und dem 
Charakter des Lammes auftreten, ein Beweis, daß ihm jedes 
Mittel und jede Täuschung willkommen ist, wenn er nur 
seinen Platz behaupten und die Menschen verderben kann. 
Doch schließlich erreicht die Langmut Gottes bezüglich dieses 
„Menschen der Sünde" ihr Ende. Paulus sagt uns, daß ihn „der 
Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes 
und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft". Wie 
viele werden bis zu diesem Ende die Größe und Macht des 
Antichristen angestaunt haben, welch eine Menge von Huldigungen wird man einem solchen Wundertäter gebracht haben! 
Sicher wird die Höhe, auf die er sich, um große Dinge zu tun, 
ohne Gott emporgeschwungen hat, staunenswert sein, aber in 
dem Augenblick, da er sich selbst verherrlicht und den höchsten 
Platz eingenommen hat, erscheint Christus. Die Erscheinung 
Seiner Ankunft genügt völlig, um den Menschen der Sünde zu 
vernichten; ein Hauch des Mundes Christi verzehrt ihn. 
Wie wunderbar verändert wird in diesem Augenblick dann 
plötzlich der Zustand auf der ganzen Erde sein! Solange ging 
alles Streben der Menschen dahin, sich selbst zu erhöhen und 
Gott auszuschließen. Aber welch ein Entsetzen wird die Menschen dann erfassen, wenn sie Ihn, Den sie beseitigt glaubten, 
als den Richter der ganzen Erde erscheinen sehen! Wie ein 
Spinnengewebe wird sich dann alles erweisen, was die Menschen sind und was sie tun können gegen die Macht Dessen, 
Dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist. 
Und Gott sei gepriesen, daß dann der Hochmut des Menschen 
ein Ende findet, und daß Er, Der auf dieser Erde so erniedrigt 
war, daß man sein Angesicht vor Ihm verbarg, so sehr erhöht 
sein wird, daß jedes Knie sich vor Ihm beugt und jede Zunge 
Ihn als Herrn bekennt! Wir aber, geliebte Brüder, werden 
Zeugen dieser Szene sein (2. Thess 1, 10), wenn wir mit dem 
Herrn vom Himmel zurückkehren. Welch ein glücklicher Augenblick wird dann für ein Herz, das Jesus liebt, anbrechen, 
wenn unser Auge Ihn vor der ganzen Welt verherrlicht sieht! 
Jetzt bewundern wir Seine Geduld, mit der Er das Gericht aufschiebt, denn gerade dieser Langmut Gottes haben wir es zu 
verdanken, daß wir zu der Zahl der Erlösten gehören. Wäre 
21 
Er früher gekommen, und hätte Er uns als Sünder gefunden, 
was wäre unser Los gewesen? — Aber jetzt harren wir Seiner 
Wiederkunft entgegen, wenn Er uns in das Haus des Vaters 
führen wird, um Seine Ruhe zu genießen; und dann werden 
wir mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit. 
Möchten wir es doch jetzt verstehen, uns von einer Welt getrennt zu halten, die nicht nur unseren Herrn Jesus Christus 
gekreuzigt hat, sondern die auch einem Menschen huldigen wird, 
der sich anmaßt, Gott zu beseitigen und Seinen Platz einzunehmen. Je mehr man versteht, was diese blinde Welt ist, je 
mehr man ihren Haß gegen Gott und ihr Streben, ohne Gott in 
dieser Welt zu sein, und endlich ihren Hochmut, den höchsten 
Platz einzunehmen, erkannt hat, desto deutlicher wird der Unterschied zwischen den Kindern dieser Welt und uns, den Kindern Gottes. Wir dürfen jetzt schon Gott kennen, und sind berufen, Ihn zu lieben, Ihn durch einen treuen, demütigen Wandel zu ehren und den Augenblick herbeizuwünschen, in dem der 
Herr kommen wird, um uns aus einer so bösen Welt herauszunehmen und uns zu einer Stätte zu führen, wo unser Ohr nicht 
mehr die Stimme derer, die Gott hassen, hört, und unser Auge 
nicht mehr die Werke derer sieht, die Gott entfremdet in Hochmut, Verblendung und Sünde einhergehen. Hier seufzen wir inmitten der gefallenen Schöpfung, dort aber werden wir frohlocken inmitten der herrlichsten Segnungen. Der Name des 
Herrn sei ewig dafür gepriesen! 
Der Anbeter und der Arbeiter 
Nichts ist schädlicher für die Seele, als eine Verwechslung der 
Wahrheiten des Wortes Gottes. Die Seele kommt dadurch in 
Verwirrung und gerät dann in Gefahr, auf Abwege zu geraten. 
So kommen z. B. in 2. Tim 2 Ausdrücke vor, die nur auf solche 
angewendet werden dürfen, die bereits aus dem Tode ins 
Leben hinübergegangen sind. Es ist dort von einem „Arbeiter", 
von einem „guten Kriegsmann" und von einem „geheiligten 
Gefäß" die Rede. Wenn man diese Ausdrücke auf eine Seele 
anwenden wollte, die noch keine Ruhe im Opfer des Kreuzes 
22 
gefunden hat, würde man sicher in hoffnungslose Verwirrung 
kommen. Eine solche Seele verlangt nach Ruhe; sie seufzt unter 
der Last ihrer Sünden. Wie töricht würde es nun sein, wenn 
man ihr die Pflichten des Gläubigen vorhalten würde, anstatt 
sie zu Jesus zu führen. Ein solches Vorgehen würde ihre Last 
noch vermehren, und das schon lange nach Frieden dürstende 
Herz würde zu Boden gedrückt und in hoffnungslose Traurigkeit gestürzt werden. Alles dies wäre das Resultat einer Verwechslung von Ursache und Folge. Wie könnte jemand ein 
Arbeiter sein, ehe er ein Anbeter geworden ist! 
Es ist wichtig, daß man diese beiden Dinge gut von einander 
unterscheidet. Man kann unmöglich einen wahren, unveränderlichen Frieden genießen oder Gott in Geist und Wahrheit anbeten, solange das Gewissen nicht durch das Blut 
des Kreuzes gereinigt ist. Bevor wir frei atmen, in Frieden 
wandeln und Gott innerhalb des Vorhangs anbeten können, 
müssen wir das Bewußtsein haben, daß nicht nur allen Forderungen unseres Gewissens, sondern auch allen Forderungen 
der Gerechtigkeit Gottes völlig Genüge geschehen ist. Und wie 
können wir das wissen? Allein durch den Glauben an das auf 
Golgatha am Kreuz vollbrachte Werk. Von uns selbst ist nichts 
Gutes zu erwarten. Man mag noch so große Anstrengungen 
machen, um Gott zu dienen und Seinen Namen zu verherrlichen, — man wird sich immer getäuscht sehen. 
Wie könnten wir nun für Gott arbeiten, ehe wir in Seine Gemeinschaft gebracht sind? In diese Gemeinschaft können wir 
auch nur durch Jesus gebracht werden. Gott kann die Sünde 
nicht sehen, und darum kann Er uns nicht in Seiner Gegenwart 
dulden, solange wir nicht von allen Sünden gereinigt sind. Nur 
durch das einmal vollbrachte Opfer Jesu können unsere Sünden weggenommen werden. Unser erstes Bedürfnis ist, Anteil 
zu haben an dem Opfer des Kreuzes. Und wer hat teil daran? 
Jeder, der an den Sohn Gottes glaubt. Wer sich als armer, verlorener Sünder dem Herrn übergibt und ganz und gar sein 
Vertrauen darauf setzt, was Er vollbracht hat, der hat Frieden 
mit Gott und Freimütigkeit, um zu Gott zu gehen. 
Geliebter Leser, hast du diesen Frieden gefunden? Wenn nicht, 
dann richte Deine Blicke von dir selbst weg und suche nicht 
länger deine eigene Gerechtigkeit, sondern richte deinen Blick 
23 
unverwandt auf das, was Jesus für Sünder getan hat! Vertraue 
dich dem Herrn an. Du mußt aus Gnaden errettet werden. Der 
Grund unseres Friedens darf nicht unser Gefühl oder die 
Veränderung unseres Zustandes sein, sondern das, was Gott 
in Christus für uns getan hat. Wenn wir darauf allein vertrauen, dann hat unser Herz Ruhe und Frieden. Dann können 
wir als gereinigte und glückselige Anbeter in der Gegenwart 
Gottes erscheinen und uns der süßen Gemeinschaft mit Ihm 
erfreuen. 
Erst von dem Augenblick an, da du ein „Anbeter" geworden 
bist, kannst du ein „Arbeiter" des Herrn werden, der berufen 
ist, sich zu reinigen, um ein Gefäß zur Ehre zu sein, „geheiligt, 
nützlich dem Hausherrn, zujedem guten Werk bereitet" (V. 21). 
Ein Arbeiter sein zu wollen, bevor man ein Anbeter geworden 
ist, hieße die Ordnung der Dinge umkehren. In diesem Fall 
genießt man weder die Glückseligkeit des einen, noch die Segnung des anderen. Man muß jedem Ding den Platz lassen, den 
Gott ihm angewiesen hat. Erst nachdem der Aussätzige rein 
erklärt worden war, begann er seine Kleider zu waschen (3. Mo 
14, 7. 8). Hätte er dies früher tun wollen, dann hätte er, anstatt 
sich selber zu reinigen, das Wasser verunreinigt. 
„Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so laßt uns 
uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des 
Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht 
Gottes" (2. Kor 7, 1). In dieser Stelle wird uns das wahre 
Mittel gezeigt, urn ein guter Arbeiter, ein geheiligtes Gefäß, ein 
nützlicher Knecht zu sein. „Wenn sich nun jemand von diesen 
reinigt", sagt Paulus zu seinem geliebten Timotheus im Blick 
auf die Gefäße zur Unehre in dem großen Hause, „so wird 
er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn", 
ein Werkzeug, das „zu jedem guten Werke", das der Herr ihm 
zu tun aufträgt, „bereitet" ist (V. 21). Gereinigt zu sein durch 
das Blut Jesu ist die erste Notwendigkeit, mich zu reinigen von 
aller mich befleckenden Ungerechtigkeit durch die Kraft des 
göttlichen Lebens ist eine zweite Sache. Beides darf nicht miteinander vermengt werden, denn jedes hat seinen bestimmten 
Platz. Sobald man diese Dinge miteinander vermischt, vernichtet man das Wesen des Christentums und beraubt die 
Seelen ihres Friedens. 
24 
Der Christ ist zu einem fortdauernden, ununterbrochenen 
Kampf berufen. Dieser Kampf nimmt seinen Anfang in dem 
Augenblick, da die Seele Ruhe und Frieden in Jesus findet. 
Wenn die Verkündigung des auf Golgatha errungenen Sieges 
deutlich und verständlich in das Herz eindringt und jede Frage 
göttlich beantwortet ist, dann beginnen die Kämpfe. Für den 
natürlichen Verstand mag eine solche Behauptung unverständlich sein. Nur der Glaube begreift sie. Ich muß das Bewußtsein 
haben, daß Sünde, Tod und Teufel, diese unerbittlichen Feinde 
des Menschen, durch den Tod Christi für mich überwunden 
sind, ehe ich die Waffe gegen sie erheben kann. Der Christ ist 
zugleich ein Überwinder und ein Streiter. Er setzt seinen Fuß 
auf den unerschütterlichen und „festen Grund Gottes", der 
durch keine Macht der Welt oder der Hölle ins Wanken gebracht werden kann, und dann, im Genuß des Friedens, den 
dieser feste Grund ihm schenkt, und nicht im Geist der Knechtschaft oder in Furcht und Zweifel, „steht er ab von der Ungerechtigkeit" (V. 19). Warum aber steht er von der Ungerechtigkeit ab? warum reinigt er sich selbst? — Etwa darum, um ein 
Anbeter zu werden? Keineswegs. Er muß bereits ein Anbeter 
sein, bevor der Streit beginnt. Warum denn?Um ein gereinigter 
Arbeiter, ein geheiligtes Gefäß, ein nützliches Werkzeug zu 
sein, damit er dem Hausherrn behilflich ist, Seine Segnungen 
anderen zuführen zu können. 
Lieber teurer Leser, der du die Wirklichkeit eines gereinigten 
Gewissens gekostet hast, rufst du den Herrn an „aus reinem 
Herzen"? Kämpfst du mit Aufrichtigkeit, die „jugendlichen 
Lüste zu fliehen", und nach „Gerechtigkeit, Glauben, Liebe 
und Frieden zu streben mit denen, die den Herrn anrufen aus 
reinem Herzen" (V. 22)? 
Du bist vielleicht geneigt zu antworten: „Ich sehe um mich 
her solch eine hoffnungslose Verwirrung und solch eine beklagenswerte Zersplitterung, daß ich wirklich nicht weiß, mit 
wem ich mich vereinigen, oder wo ich einen Pfad für meinen 
Fuß finden soll." — Das mag wahr sein, aber bedenke, daß, 
wenn die bekennende Kirche noch mehr zerstückelt wäre als 
sie es bereits ist, und wenn die allgemeine Verwirrung sich wie 
eine verwüstende Flut über die ganze Christenheit verbreitete, 
jeder Christ dennoch verpflichtet wäre, von der Ungerechtigkeit abzustehen, sobald er sie erkennt. Der Christ ist berufen, 
25 
sich allezeit zu reinigen von den Gefäßen der Unehre. In dem 
Maße wie er treu ist, sich absondert und reinigt, wird er ein 
nützliches Gefäß für den Hausherrn (V. 20, 21). 
Wo du dich auch befinden magst, lieber gläubiger Leser, überall wirst du zu diesem ernsten Kampf, zu diesem edlen Werk 
berufen. Der Herr will, daß du, gereinigt durch Sein Blut, ein 
treuer Dienstknecht bist, von aller Ungerechtigkeit abstehst 
und dich von den Gefäßen zur Unehre reinigst. Wie erwiderst 
du diesen Mahnruf? Trachtest du nach einer engeren Gemeinschaft mit Gott und nach einer größeren Gleichförmigkeit mit 
Jesus? Fühlst du dich nicht höchst unangenehm berührt bei 
dem Anblick des kalten und leblosen Bekenntnisses unserer 
Tage und beim Anschauen des kraftlosen Formenwesens, das 
mehr und mehr sich geltend macht? — Nun, der Herr zeigt dir 
den Weg. Du bist ein Anbeter, aber du bist auch ein Arbeiter, 
ein Knecht Jesu Christi. Tue das was Er so gern sieht. Rufe 
den Herrn an um ein reines Herz. Reinige dich von den Gefäßen zur Unehre. „Strebe . . . nach Gerechtigkeit, Glauben, 
Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem 
Herzen." — 
Trost in der Wüste 
Es heult der Sturm, und es treiben die Wellen, 
es dröhnt das Schifflein, als woll't es zerschellen; 
doch siehe! am Steuer mit mächtiger Hand 
sitzt Jesus und führt das Schifflein ans Land. 
Es schreitet der Pilger mit wankendem Schritt, 
es zeigt die Gefahr sich bei jeglichem Tritt; 
doch siehe! der Heiland, Er schreitet voran, 
tritt nieder die Dornen, macht eben die Bahn. 
Es stöhnt der Kämpfer auf mühsamen Wegen, 
es stürzt sich der Feind voller Wut ihm entgegen; 
doch siehe! der Sieger, der göttliche Held, 
hat völlig am Kreuze zur Schau ihn gestellt. 
Es dringen die Seufzer aus blutendem Herzen, 
es fließen die Tränen als Zeugen der Schmerzen; 
doch siehe! das freundliche Auge des Herrn 
schaut mitleidsvoll nieder, Er tröstet so gern. 
26 
Die beiden Ehemänner 
in Römer 7 
Dieses Kapitel kann als die Grundlage des apostolischen Beweises für die Rechtfertigung und das Fruchttragen betrachtet 
werden, und nichts könnte zeitgemäßer sein als eine Erläuterung des Bildes der beiden Ehemänner. Daß der inspirierte 
Beweis unwiderlegbar ist, brauche ich kaum hinzuzufügen. 
Es ist bedeutungsvoll, daß wir auf die wenigen in Klammern 
gesetzten Worte: „Denn ich rede zu denen, die Gesetz kennen" 
(V. 1) achten. Hier zeigt sich, daß der Apostel sich in diesem 
Kapitel insbesondere an die Gläubigen aus dem Judentum 
wandte. „Wisset ihr nicht, Brüder, . . . daß das Gesetz über 
den Menschen herrscht, so lange er lebt? Denn das verheiratete 
Weib ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er 
lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht 
von dem Gesetz des Mannes. So wird sie denn, während der 
Mann lebt, eine Ehebrecherin geheißen, wenn sie eines anderen 
Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei 
von dem Gesetz, so daß sie nicht eine Ehebrecherin ist, wenn 
sie eines anderen Mannes wird. Also seid auch ihr, meine 
Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, auf daß wir Gott Frucht brächten. Denn als wir im 
Fleische waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die 
durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tode 
Frucht zu bringen. Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten 
wurden, so daß wir dienen in dem Neuen des Geistes und nicht 
in dem Alten des Buchstabens" (V. x—6). — Hier haben wir 
also die beiden „Ehemänner". Mit dem alten Ehemann, dem 
Gesetz, waren die Juden verbunden, während der Christ mit 
dem neuen Manne, dem auferstandenen Christus, in eine eheliche Verbindung getreten ist. Und wie eine Frau nicht gesetzmäßig zu gleicher Zeit mit zwei Ehemännern verheiratet sein 
kann, so ist auch, wie hier gezeigt wird, eine gleichzeitige Verbindung des Gläubigen mit Christus und dem Gesetz eine 
Unmöglichkeit. 
27 
In den Versen 5 und 7—24 gibt der Apostel eine Beschreibung 
des Eheverhältnisses mit dem alten Ehemann. Stellen wir uns 
nun ein Ehepaar vor, dessen Gesinnung einander so vollkommen entgegengesetzt sind, daß die arme Frau, je mehr sie versucht, ihr Möglichstes zu tun, desto mehr Scheltworte und 
Schläge empfängt, bis schließlich ihr Leben so elend wird, daß 
sie sich aus diesem jammervollen Streit heraussehnt, — dann 
haben wir ein treues Bild des elenden Zustandes derer, die mit 
dem Gesetz verbunden waren, vor uns. Damit soll jedoch nicht 
gesagt werden, daß das Gesetz ein so schlechter Ehemann gewesen sei; o nein, es war „heilig und gerecht und gut". Aber 
die Natur des Menschen war so vollständig verdorben, so vollkommen fleischlich, unter die Sünde verkauft. Das hatten Paulus und die jüdischen Gläubigen erfahren, als sie im Fleische, 
unter dem Gesetz waren. „Denn als wir im Fleische waren, 
wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz 
sind, in unseren Gliedern, um dem Tode Frucht zu bringen" 
(V. 5). Kein Ehepaar in dieser Welt hätte je gegensätzlichere 
Gesinnungen haben können als in der menschlichen Natur und 
dem heiligen Gesetz Gottes gefunden werden. Der Apostel 
beschreibt diesen Zustand des Menschen im Fleische und verbunden mit jenem alten Ehemann, dem Gesetz, folgendermaßen: „Denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist, ich aber 
bin fleischlich, unter die Sünde verkauft; denn was ich vollbringe erkenne ich nicht: denn nicht was ich will, das tue ich, 
sondern was ich hasse, das übe ich aus" (V. 34, J5). So mächtig 
ist die in ihm wohnende Sünde, daß, obwohl er dem Gesetz 
völlig beistimmt, daß es gut sei, und ernstlich das Rechte zu 
tun begehrt, er doch keine Kraft dazu hat. „Das Vollbringen 
dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn das Gute, das ich 
will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, 
dieses tue ich" (V. 18. 19). Er findet, daß Sünde in ihm wohnt, 
ja sogar, daß ihre Kraft als ein festes Gesetz in seiner Natur 
besteht. „Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Rechte 
ausüben will, daß das Böse bei mir vorhanden ist" (V. 21). Er 
ist eine lebendige Seele und ist vielleicht sich auch der Kindschaft 
bewußt, aber er steht unter dem Gesetz, und obwohl der innere 
Mensch das Gesetz halten möchte, ist doch die sündige Natur 
viel zu stark. Daher der Ausdruck des tiefen Elends: „Denn ich 
habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren 
28 
Menschen; aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in 
Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist" (V. 22 .23). 
Dies ist also das Bild, das der Apostel von dem Eheleben mit 
dem alten Manne entwirft. Wie eine arme Frau, die sich lange 
vergeblich abgemüht hat, ihrem Mann zu gefallen und endlich, 
anstatt sich nach Hilfsmitteln umzusehen, um seine Gunst zu 
erlangen, den Schrei ausstößt: „O ich elende Frau! wer wird 
mich erlösen?" — ebenso fleht auch der unter dem Gesetz 
Lebende nicht um Hilfe, um dem alten Ehemann zu gefallen, 
sondern er ruft: „Ich elender Mensch! wer wird mich retten von 
diesem Leibe des Todes?" — Der folgende Vers führt den neuen 
Ehemann ein: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, unseren 
Herrn" (V. 25)! Wir werden nun den Ehestand mit dem neuen 
Mann ebenso gesegnet finden, wie jener unter dem alten 
elend und beklagenswert war. In Kapitel 8 wird dieses gesegnete Verhältnis besonders durch zwei Dinge gekennzeichnet. 
Verbunden mit Christus gibt es weder eine Verdammnis (V. 1) 
noch eine Scheidung (V. 35—39). Kehren wir daher zu der 
Untersuchung zurück, wie diese Verbindung zustande kam. 
Der Apostel stellt hier bei denen, die unter dem alten Ehemann 
gewesen waren, seine Untersuchungen an; und wenn wir die 
heiligen Aussprüche Gottes sorgfältig prüfen, werden wir finden, daß die Israeliten 1500 Jahre lang unter dem Gesetz — 
oder mit dem alten Ehemann verbunden — waren. Es ist höchst 
befremdend, daß es viele Christen gibt, die es nicht beachten, 
daß das Gesetz während eines Zeitraums von 2300 Jahren — 
die Jahre von Adam bis auf Mose — gar nicht existierte. Wäre 
nicht überhaupt eine Untersuchung der Heiligen Schrift in 
bezug auf die Richtigkeit dieser Dinge weit besser als jedes aufgeregte Hin- und Herreden? Wurde nicht Adam durch ein gegebenes Gesetz geprüft als er im Zustand der Unschuld war? 
Fiel er nicht durch Übertretung? Fiel nicht auch sein ganze 
Nachkommenschaft in ihm, so daß der Tod zu allen Menschen 
durchgedrungen ist? „Darum, gleichwie durch einen Menschen 
die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde der 
Tod, und also derTod zu allen Menschen durchgedrungen ist... " 
(Röm 5, 12). Es ist ganz klar, daß das ganze Menschenge29 
schlecht auf diese Weise unter die Sünde und den Tod gebracht 
worden ist. Kann nun aber der Leser auch nur eine einzige 
Schriftstelle anführen, um zu beweisen, daß während des ganzen Zeitraums zwischen dem Fall Adams und der Gesetzgebung 
auf dem Berge Sinai — eine Zeit von 2500 Jahren — ein Gesetz 
oder eine Übertretung vorhanden war? „Denn . . . wo kein 
Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung" (Röm 4, 15). Von 
Adam bis auf Mose gab es kein Gesetz, und deshalb konnte es 
keine Übertretung geben. Aber einige, die weder die Heilige 
Schrift noch den Unterschied zwischen Sünde und Übertretung 
kennen, ziehen hieraus den Schluß, daß, wenn kein Gesetz ist, 
auch keine Sünde und folglich keine Notwendigkeit des Versöhnungstodes Christi da sei. Aber die Heilige Schrift 
sagt ausdrücklich, daß, obwohl keine Übertretung da war 
(Röm 5, 13. 14), weil das Gesetz noch nicht existierte, dennoch 
die Sünde da war. „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, 
werden auch ohne Gesetz verloren gehen" (Röm 2, 12). Diese 
und viele andere Schriftstellen beweisen unwiderlegbar, daß 
das Gesetz nicht allen Menschen gegeben wurde, denn wie 
hätte sonst jemand ohne Gesetz sündigen können? Wo sind 
die „Nationen, die kein Gesetz haben" (Röm 2, 14), wenn das 
Gesetz allen Menschen gegeben worden ist, und alle sich unter 
dem Gesetz befinden, wie etliche lehren? Es ist außerordentlich 
wichtig, über diesen Punkt klar zu sehen. Stellen wir uns einen 
Lehrer mit einer Anzahl zügelloser Kinder vor. Er kennt die 
Widersetzlichkeit und Feindseligkeit seiner Schüler sehr gut, 
hat aber bisher noch kein bestimmtes Verbot (Gesetz) gegeben. 
Eines Tages nun verbietet er ausdrücklich, die Wände zu bekritzeln. Es mag sich vorher schon allerlei Gekritzel an der 
Wand befunden haben, aber ich bin sicher (wenn ich die 
menschliche Natur auch nur annähernd kenne), daß, sobald der 
Lehrer den Rücken wendet, dort zehnmal mehr gekritzelt wird 
als vorher. Die Sünde, an die Wände zu schmieren, war schon 
vorher da; aber jetzt, nachdem das Verbot gegeben worden ist, 
wird die Sünde zur Übertretung. Das Gewissen wird den Kindern schon oft gesagt haben, daß es Unrecht sei, die Wand zu 
beschmieren, aber nach dem Verbot vermehren sich die Kritzeleien, und das ist Übertretung. Zu diesem gleichen Zweck kam 
„das Gesetz . . . daneben ein, auf daß die Übertretung überströmend würde" (Röm 5, 20). „Es wurde der Übertretungen 
30 
wegen hinzugefügt, (bis der Same käme . . .) " (Gal 3, 19). Man 
möge den Zusammenhang, in dem diese Stelle steht, sorgfältig 
prüfen. Ich glaube kaum, daß irgendeine Wahrheit in der Schrift 
klarer dargestellt ist als diese, daß es weder Gesetz noch Gesetzesübertretung gab, bis Gott ein einziges Volk unter das 
Gesetz stellte, und zwar zu dem besonderen Zweck, die sündige 
Natur des Menschen in offenbarer Übertretung zu beweisen, 
„auf daß jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem 
Gericht Gottes verfallen sei" (Röm 3, ig). Auf diese Weise 
war das Bedürfnis des Menschen nach jener großen und wunderbaren Gabe des Erlösers Jesus Christus, unseres Herrn, 
völlig erwiesen. 
Es ist erstaunlich, welche Unwissenheit in bezug auf diese 
Wahrheit herrscht. Vor einigen Tagen stellte ich einem Bruder 
in Jesu die Frage, ob er für die von ihm verfochtene Meinung, 
daß alle Menschen unter dem Gesetz seien, irgendeinen Grund 
anführen könne. Die Antwort war: „Weil wir alle Kinder 
Moses sind." Ich muß gestehen, daß ich über diesen angeführten Grund einigermaßen erschrocken war, aber ich weiß nicht, 
ob ich je einen besseren hörte. „Was wollen Sie damit sagen, 
daß wir alle Kinder Moses sind?" forschte ich weiter. „Nun, 
haben wir denn nicht alle die Religion Moses?" war seine Erwiderung. Ich fühlte mit tiefem Schmerz, daß in diesen seinen 
Worten nur zu viel Wahrheit steckte. Ich bemühte mich, ihm 
zu zeigen, wie die Schrift deutlich lehrt, daß wir, die Glaubenden, im Besitz der Religion seien, die Abraham hatte. Aber 
offenbar hatte er nie gehört oder gelesen, daß das Gesetz gar 
nicht dem Abraham, sondern erst 430 Jahre nach ihm gegeben 
worden war. In Gal 3, 16. 17 wird dies klar zum Ausdruck 
gebracht. Wenn aber das Gesetz weder Abraham noch irgendeiner Nation in seinen Tagen, noch überhaupt während der 
2000 Jahre vor ihm oder der 500 Jahre nach ihm gegeben worden ist, wie könnte dann bewiesen werden, daß es allen Menschen gegeben sein soll? Teurer Leser, eine solche Behauptung 
verrät großen Mangel an Schriftkenntnis über diesen Punkt. 
Laßt uns aber auch mit aller Entschiedenheit den Irrtum bekämpfen, als ob das Nichtvorhandensein des Gesetzes und folglich der Übertretung beweise, daß darum auch die Sünde und 
somit die Notwendigkeit des Versöhnungstodes Christi nicht 
31 
vorhanden sei. Der Tod Christi für die Menschen war von 
Adam bis zu Mose hin ein ebenso großes Bedürfnis wie in 
jedem anderen Zeitraum. „Denn bis zu dem Gesetz war Sünde 
in der Welt" (Röm 5, 13). Und obwohl hier die Sünde nicht 
wie diejenige Adams als Übertretung eines bestimmten Gebots 
betrachtet und zugerechnet werden konnte, herrschte dennoch 
der Tod von Adam bis auf Mose. So erwies sich die Notwendigkeit dessen, was der Lage des Menschen entsprach, — die Notwendigkeit des Todes Christi, des Stellvertreters. Zwar stellte 
das schwarze Verzeichnis der zu offenbaren Übertretungen gewordenen Vergehungen den Zustand des Menschen um so mehr 
ins Licht, als am Berge Sinai dem Volk, das sich selbst vertraute, das Gesetz gegeben worden war. Aber die Gnade war 
überströmend, als diese Nation, die sich des Gesetzes rühmte, 
den Sohn Gottes verstoßen und ermordet hatte, denn gerade 
ihr verkündigt die Gnade Vergebung der Sünden in Seinem 
Namen. Diejenigen, die sich rühmen das Gesetz zu halten, 
haben von jeher — wie auch in unseren Tagen — die Kinder der 
Gnade gehaßt und verleumdet. Möge der gnädige Gott uns 
bewahren, daß wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern ihnen vielmehr jene Gnade erweisen, die zuerst in Jerusalem kundgemacht wurde. 
Wir möchten jedoch auf jeden Fall Mißverständnisse vermeiden. 
Wenn wir von der Gerechtigkeit und der Stellung des Menschen 
vor Gott sprechen, darf man keinesfalls annehmen, daß wir d;

gerechten Grundsätze der Regierung Gottes sowohl vor als 
auch während der Zeit des Gesetzes auch nur einen Augenblick 
in Frage stellten. Werfen wir einen Blick auf das Buch Hiob 
oder auf das erste Buch Mose. Das Gesetz bestand damals noch 
nicht und wird in keinem dieser beiden Bücher erwähnt. Dennoch sehen wir deutlich die Grundsätze von Recht und Unrecht 
in die Gewissen eingeschrieben, obwohl das Gesetz noch nicht 
gegeben worden war und — wie es oft unrichtig bezeichnet 
wird — weder als der Grundsatz, noch als die Kraft der Gerechtigkeit, noch als Richtschnur des Lebens betrachtet werden 
konnte. 
Die Heilige Schrift zeig": deutlich, daß in der Geschichte 
dieser Welt während eines Zeitraums von 2500 Jahren — vom 
Falle Adams bis zur Gesetzgebung am Sinai — das Gesetz noch 
32 
nicht gegeben war, daß aber dennoch die Sünde da war, obwohl 
während dieser Zeit kein Gesetz existierte und daher auch keine 
Übertretung „in der Gleichheit der Übertretung Adams" stattfinden konnte. „Der Tod (ist) zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben." Von den Tagen Abels 
an bezeichnet die Schrift es als unmöglich, Gott zu nahen, es 
sei denn auf Grund des Todes eines Stellvertreters. Dann aber 
wurde während eines Zeitabschnittes von 1500 Jahren einem 
Volk das Gesetz gegeben, um den Zustand des Menschen in 
offenbarer Übertretung klar darzustellen. Alle sind Sünder, die 
Juden sind Übertreter. Von dem Augenblick an, da das Gesetzgegeben war, wurde die Sünde zur Übertretung. 
Dies könnte nun zu folgender Überlegung Veranlassung geben: 
Wenn das Gesetz während jener 2500 Jahre nicht vorhanden 
war, dann aber 1500 Jahre hindurch dem Volke Israel gegeben 
wurde, wie war es dann bezüglich der 1800 Jahre nachher? 
Lehrt uns die Schrift, daß alle Menschen durch Christus oder 
durch den Heiligen Geist unter das Gesetz gebracht worden 
sind, nachdem Christus aus den Toten auferstanden ist? oder 
lehrt sie uns, daß das Gesetz für die Gläubigen, die unter dem 
Gesetz gewesen sind, abgeschafft ist? Eine höchst ernste und 
wichtige Frage. Möge der Herr dem Schreiber und dem Leser 
dieser Zeilen völlige Unterwürfigkeit unter Sein Wort schenken. Dies wird aber nicht der Fall sein, wenn wir diesen Gegenstand in einem nur streitsüchtigen Geist zu erörtern suchen. 
Laßt uns daher im Gebet auf den Herrn warten, damit der 
Heilige Geist das klare Licht der Heiligen Schrift vor unsere 
Seele bringen möge! 
Der Herr Jesus wurde in jenem Volk, das unter dem Gesetz 
war, geboren, und jedes Pünktchen und jeder Buchstabe des 
Gesetzes fand in Ihm und durch Ihn seine vollständige Erfüllung. Für die, die unter dem Fluch eines gebrochenen Gesetzes 
waren, wurde Er zum Fluche gemacht, — aber nicht während 
Seines fleckenlosen Lebens, sondern nur, als Er am Kreuz hing. 
Denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holze 
hängt"(Gal 3, 13; 5. Mo 21, 23)! Aber Er trug dort nicht nur 
den Fluch des Volkes Israel, sondern er wurde auch „für uns 
zur Sünde gemacht". Welche Liebe und welche Gerechtigkeit 
sehen wir hier! Der Sohn Gottes, der Heilige, der Schöpfer und 
33 
Erhalter aller Dinge hing am Holz! Verworfen von den Menschen und ach! für meine Sünden verflucht, verworfen, verlassen von Gott! O mein Heiland, gab es je eine so unbegrenzte 
Liebe wie die Deinige? Mein fleckenloser Stellvertreter, anbetend preise und verehre ich Dich für immer! 
Es ist für uns von großem Nutzen, in den Briefen die Anwendung des Versöhnungstodes Christi zu erforschen, sei es in 
bezug auf die Juden als unter dem Gesetz oder in bezug auf 
die Nationen als tot in Sünden ohne Gesetz. Zwei Schriftstellen 
mögen genügen, diese Punkte klarzustellen, obwohl viele andere ebenso deutlich und bestimmt sind. Im Blick auf die Nationen sagt der Apostel: „Und euch, als ihr tot wäret in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig 
gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat." 
Und zu den gläubigen Juden sprechend fährt er fort: „Als er 
ausgetilgt die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, 
die wider uns war, hat er sie auch aus der Mitte weggenommen, 
indem er sie an das Kreuz nagelte" (Kol 2, 13. 14). An einer 
anderen Stelle sagte er zu den gläubigen Juden: „Christus hat 
uns losgekauft von dem Fluche des Gesetzes, indem er ein 
Fluch für uns geworden ist;" und zu den Nationen gewendet 
setzt er hinzu: „Auf daß der Segen Abrahams in Christo Jesu 
zu den Nationen käme" (Gal 3,13.14). 
Kehren wir jedoch zu unserer Frage bezüglich der seit dem 
Tode und der Auferstehung Christi verflossenen 1800 Jahre 
zurück. Stehen wir als Gläubige unter dem Dienst des in steinerne Tafeln eingegrabenen Gesetzes, oder ist das Gesetz sogar 
für die abgeschafft, die sich früher darunter befanden? Der 
Apostel bezeichnet das Gesetz als den „Dienst des Todes, mit 
Buchstaben in Steine eingegraben", und erklärt es als etwas, 
„was hinweggetan werden sollte", während der Mensch es als 
Regel und Richtschnur des Lebens bezeichnet und uns einen 
Platz unter ihm anweist. Soll ich nun Gott oder den Menschen 
glauben? (Siehe 2. Kor 3) Ich möchte jedoch mit aller Vorsicht 
hinzufügen, daß diese Bemerkungen nur auf die Gläubigen in 
Christo angewendet werden können, denn nur sie sind vom 
Geist geleitet und darum nicht unter dem Gesetz. Als Ausdruck 
der gerechten Regierung Gottes ist das Gesetz sicherlich nicht 
weggetan. Die Ansprüche Gottes als Schöpfer bleiben stets 
34 
dieselben, und deshalb ist das Gesetz für den Gottlosen und 
Sünder ohne Christus immer noch wirksam (siehe 1. Tim i, 9). 
Unser Kapitel (Röm 7) enthält, wie bereits zu Anfang dieser 
Zeilen bemerkt, die Grundlage für die Beweisgründe des Apostels. Durch das Bild der beiden Ehemänner zeigt er uns, daß der 
Gläubige, der mit Christus verbunden ist, unmöglich unter 
dem Gesetz sein kann. Das ist um so bemerkenswerter, weil 
der Apostel, indem er dies schreibt, eine der größten Irrlehren 
seiner Zeit bekämpft, nämlich die, daß es nicht genüge, durch 
Christus gerechtfertigt zu sein, sondern daß es außerdem unbedingt erforderlich sei, das Gesetz in allen seinen Vorschriften 
zu halten. Ich brauche kaum zu bemerken, daß diese Behauptung noch immer einer der größten Irrtümer der heutigen Zeit 
ist. Der Apostel zeigt die Unmöglichkeit einer solchen Doppelstellung und stellt dies den Juden, die das Gesetz kannten, vor 
Augen. Unter dem Gesetz konnte eine Frau unmöglich zu 
gleicher Zeit mit zwei Männern verheiratet sein. „So wird sie 
denn, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin geheißen, 
wenn sie eines anderen Mannes wird". Es ist eine 
ernste Tatsache, daß der Mensch, wenn er sich noch 
als lebend im Fleische und unter dem Gesetz 
betrachtet, nicht mit Christus verbunden sein kann. Das wäre 
ebenso verwerflich wie Ehebruch. Der Apostel hatte daher 
wohl Grund, mit solchem Ernst gegen diese Lehre aufzutreten. 
Die beiden Zustände sind so sehr voneinander verschieden, 
daß es unmöglich ist, sich zu gleicher Zeit in einem und in dem 
anderen zu befinden. Der Jude, der einst als lebend im Fleische 
betrachtet worden war, wurde jetzt als tot durch den Tod 
Christi gesehen — tot gegenüber dem alten Ehemann —, während die Nationen, einst tot in den Sünden und Vergehungen, 
aus diesem Zustand auferweckt und mit dem auferstandenen 
Christus verbunden waren (Eph 2 und 5). Hierauf gehe ich 
hier nicht näher ein. Zu den Juden sagt der Apostel: „Also 
seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch 
den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus 
den Toten Auferweckten, auf daß wir Gott Frucht brächten" 
(Rö 7, 4). Es ist daher klar und unzweideutig, daß die folgenden Verse, statt eine wirkliche Erfahrung des Christen zu 
sein, geradezu die stärksten Gegensätze bilden. Bezieht sich 
35 
der Apostel bei den Worten: „Denn als wir im Fleische waren" 
nicht auf die Erfahrungen der Juden unter dem ersten Ehemann, dem Gesetz, also auf einen der Vergangenheit angehörenden Zustand? „Denn als wir im Fleische waren, wirkten 
die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in 
unseren Gliedern, um dem Tode Frucht zu bringen", und daher 
all das Elend des armen alten Ich, das noch im Fleische unter 
dem Gesetz war. Zeigt der Apostel aber nicht ganz deutlich, 
daß die, die sich einst in diesem jammervollen Zustand befanden, danach von ihm befreit waren? Ohne Zweifel. Dies bestätigt er auch im folgenden Vers und beschreibt zugleich die 
Art und Weise, in der diese Befreiung stattgefunden hat, indem 
er sagt: „Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da 
wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten wurden 
usw." Sie waren also dem Gesetz gestorben durch den Leib 
des Christus und mit einem anderen, dem auferstandenen 
Christus, verbunden worden. Das war wirklich eine vollständige Befreiung. Wären sie unter dem ersten Ehemann belassen 
worden, dann hätten sie unmöglich jemals einen Teil des Leibes 
Christi bilden können. Wie hartnäckig ist die Blindheit des 
menschlichen Herzens! Welch ein betrübender Gedanke, daß 
nach dieser wundervollen Befreiung derer, die einst unter dem 
Gesetz waren, Satan jetzt den größten Teil der Christenheit 
wieder soweit verblenden konnte, daß der Irrtum Eingang fand, 
als ob der Gläubige sich noch in diesen elenden Banden befinde. 
In welchem Zustand befindest du dich, mein teurer Leser? Hat 
dieser allgemeine Irrtum auch dein Herz erfaßt? Dann gleicht 
dein Zustand dem Zustand einer armen Frau, die mit einem 
Manne verbunden ist, dem sie nichts recht machen kann. Je 
mehr du dich anstrengst, das Gesetz zu halten, desto mehr 
siehst du, daß du gefehlt und von Tag zu Tag vergeblich gehofft hast, es möchte einmal besser mit dir werden. Je mehr du 
auf dich siehst, desto mehr fleischliche Gesinnung und Sünde 
steht vor deinem Auge. Nun aber erhebt sich die Frage: Hast 
du dich als lebend oder als tot zu betrachten? Ich rede hier 
von deinem alten, sündigen Ich. Was sagt das Wort Gottes? 
„Haltet euch für tot", tot der Sünde, tot dem Gesetz! Was aber 
kann das Gesetz einem toten Menschen nützen? Kann es für 
ihn Richtschnur seines Lebens sein? — Dies ist noch nicht alles, 
36 
meine Brüder. — Du bist mit Christus auferstanden und mit 
einem aus den Toten auferstandenen Christus verbunden. 
Diese Vereinigung fand nicht während Seines Lebens statt; das 
war unmöglich. Er mußte sterben, denn sonst blieb Er allein 
(Joh 12, 24). 
Genau genommen beginnt die christliche Zeitrechnung nicht 
mit der Geburt des Herrn, sondern mit dem glorreichen Augenblick, da Christus aus den Toten auferstand. Zuerst hatte Er 
uns mit Seinem kostbaren Blut völlig von unseren Sünden losgekauft und - was noch mehr war - Er hatte Gott in Seinem gerechten Gericht, das Ihn unserer Sünden wegen in seiner ganzen 
Schwere traf, vollkommen gerechtfertigt. Das Erlösungswerk 
wurde vollbracht, bevor das Christentum seinen Anfang nehmen konnte. Möge Gott dem Leser Verständnis für diese große 
und wichtige Tatsache geben! In dem Heil Gottes gibt es keine 
Unordnung. Die zuvorbestimmte Braut Christi lag tot in Sünden unter dem Urteilsspruch des Zornes Gottes. Und als Er, 
Der im Anfang bei Gott war, Der Selbst Gott war, Mensch 
wurde, kannte Er die ganze Tragweite der Gerechtigkeit Gottes 
in dem über die Sünden der Menschen gefällten Urteil. Aber 
alles mußte in Ordnung gebracht sein, bevor eine einzige Seele 
mit dem auferstandenen Christus verbunden werden konnte. 
Wie tief ist die Bedeutung der Worte: „Es ist vollbracht!" Der 
Kelch war getrunken, der Zorn in unendlicher Liebe getragen. 
Unsere Sünden waren zunichte gemacht —mehr noch als alles. Er 
war für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit 
würden in Ihm. Wir können nicht fest genug an der Fundamentalwahrheit festhalten, daß vor Gott nur Er in Seinem eigenen 
Leibe an dem Holze das ganze Gericht Gottes über unsere 
Sünden trug, und zwar bevor Er aus den Toten auferstand 
und bevor also das Christentum seinen Anfang nahm. Es war 
ein vollkommenes Werk, das nie wiederholt zu werden braucht. 
Wir sind nicht in der Weise mit Christus verbunden, daß die 
Sündenfrage immer wieder aufs neue geordnet werden muß. 
Nein, diese Frage ist vorher geordnet worden, und danach 
wurden wir mit Christus einsgemacht in der Auferstehung. 
Wenn wir daher ein richtiges Verhältnis über das Christentum 
besitzen, wenn wir die Wahrheit, mit Christus verbunden zu 
sein, wirklich verstanden haben, dann wird es uns auch klar 
37 
sein, daß die Sündenfrage nie wieder vor Gott gebracht werden 
kann. Wenn wir einmal durch das ein für allemal geschehene 
Opfer des Leibes Christi geheiligt sind, dann ist unser Vollkommensein auf ewig das sichere Resultat (Hebr 10, 14). Ja, 
das vollbrachte Werk Christi ist so vollkommen, daß die Sünden des Gläubigen nie wieder in Erinnerung gebracht werden 
können. „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in 
Christo Jesu sind" (Rö 8, 1). Für die mit dem ersten Ehemann 
verbundenen Juden gab es nichts anderes als Verdammnis; für 
die mit dem zweiten Ehemann verbundenen Christen gibt es 
keine Verdammnis. 
Ist es nicht ganz verwerflich, diese beiden Zustände miteinander zu vermengen, wie dies leider von vielen Christen geschieht? Wenn man mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, verbunden ist, dann ist alles neu geworden, eine 
neue Schöpfung. Sünde, Gesetz, Tod und Verdammnis haben 
nichts mit der neuen Schöpfung zu tun, sie haben damit keine 
Verbindung und gehören nicht dazu. Sie sind vergangen. 
„Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung; das 
Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden" (2. Kor 5, 
iy). Welch ein Zustand! Eins mit Christus! Welch eine Rechtfertigung! Keine Verdammnis! Und welch ein Bild gebraucht 
der Heilige Geist, um diese innige Verbindung zu beschreiben! 
Nichts auf Erden drückt den Charakter der Einheit so deutlich 
aus, wie das Verhältnis der Ehe. „Und der Mensch sprach: 
Diese ist einmal Gebein von meinen Gebeinen, und Fleisch 
von meinem Fleische" (1. Mo 2, 23). Auch wendet der Heilige 
Geist diese Worte auf uns an, indem Er sagt: „Denn wir sind 
Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinen Gebeinen" (Eph 5, 30). Wir wissen nun, wenn eine Person in 
den Brautstand tritt, geht sie in ein neues Verhältnis; das alte 
vergeht. Am Tage ihrer Verbindung zeichnet sie zum letzten 
Mal mit ihrem Namen, und dann hört selbst dieser auf zu 
existieren. Allerdings ist sie noch dieselbe Person, aber sie 
befindet sich in einer ganz neuen Stellung, und zwar in einem 
so dauerhaften und unveränderlichen Verhältnis, daß nur de* 
Tod diese Verbindung lösen kann. 
Wenn wir nun bedenken, daß dies alles auf den Gläubigen, der 
mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, verbunden 
38 
ist, angewendet wird, wie sehen wir dann, daß dies eine ganz 
neue Stellung ist! Das ist nicht das Werk eines Menschen, 
sondern ganz und gar das Werk Gottes. Gott hat unseren 
Herrn und uns mit Ihm auferweckt und uns mitsitzen lassen 
in Ihm in den himmlischen örtern. Hätte der Mensch sich 
selbst aus dem Zustand des Totseins in Sünden zu einer so 
erhabenen Stellung auferwecken können? Vergessen wir nicht, 
daß der Apostel uns deutlich zeigt, wie unmöglich es selbst 
für die Juden war, zu gleicher Zeit in dem alten und in dem 
neuen Zustand zu sein. Durch den Tod Christi ist der alte 
Zustand völlig vorbei. Zu ihm, d. h. unter das Gesetz zurückzukehren, heißt den Tod Christi wirkungslos machen. Wie die 
verheiratete Frau ihren Namen verliert, so hört auch der Jude 
auf, ein Jude zu sein, und der Heide hört auf, ein Heide zu 
sein. Beide werden eins, verbunden mit Christus in der Auferstehung. Und wie dauerhaft ist dies gesegnete Verhältnis! 
Selbst der Tod kann dieses feste Band nicht lösen. Wird der 
aus den Toten auferstandene Christus je wieder sterben? Nein, 
denn „wir wissen, daß Christus, aus den Toten auferweckt, 
nicht mehr stirbt" (Rö 6, 9). Wir, die mit Ihm auferstanden 
sind, teilen mit Ihm das Auferstehungsleben. Das ewige 
Leben kann nie zerstört werden. Unser Leben ist so unvergänglich wie das Seinige, ja, es ist dasselbe Leben. Ich spreche 
nicht von dem, was Er ist als Gott, sondern was Er ist als 
auferstandener Mensch, und ich frage: Kann Christus je wieder 
sterben? Ebenso wenig können auch die sterben, die mit Ihm 
gestorben, mit Ihm auferweckt und eins mit Ihm geworden 
sind; und ich füge kühn und mit größter Freimütigkeit hinzu, 
daß, wenn wir einmal mit Christus vereinigt sind, keine Macht 
dies gesegnete und ewig dauernde Band zu zerreißen vermag. 
Möchte die Festigkeit dieses immerwährenden Verhältnisses 
doch besser erkannt werden! O mein Bruder, öffne dein Herz 
dieser bewunderungswürdigen Wahrheit! Du bist nicht nur für 
wenige Tage mit Christus verbunden, um dann wieder von Ihm 
aufgegeben zu werden. Wohl kannte Er deine ganze Unwürdigkeit und alle deine Sünden. Aber alles ist bereits auf dem 
Kreuze getragen, und jetzt vermag nichts dich von dem auferstandenen Christus zu scheiden. Es ist eine der unaussprechlichen Segnungen dieser Verbindung, daß sie keine Trennung 
zuläßt. Welch eine Vereinigung! Welch eine vollkommene Ein39 
heit. Die Liebe Christi, die sich hier offenbart, können Worte 
nicht beschreiben. „Christus (hat) die Versammlung geliebt 
und sich selbst für sie hingegeben .. . Wer sein Weib liebt, 
liebt sich selbst . . . gleichwie auch der Christus die Versammlung" (Eph 5, 25. 28. 29). Bist du je in diese Gedanken eingedrungen, daß Christus die Kirche liebt, wie Er Sich selbst 
liebt? Kannst du, auf diese Worte gestützt, ausrufen: „Teurer, 
auferstandener Herr! Du liebst mich, wie Du Dich Selbst 
liebst"? Welcher Friede, welche Freude, an diese unveränderliche, nie endende Liebe Christi zu denken! 
Durch diesen Gegenstand werden zwei andere Punkte sehr 
deutlich ins Licht gerückt. In einer Hinsicht sind Rechtfertigung 
und Gerechtigkeit ein und dasselbe. Nachdem der Apostel die 
vollständige Befreiung von dem elenden Eheverhältnis unter 
dem ersten Ehemann, dem Gesetz, dargestellt hat, und zwar 
nls Folge des Gestorbenseins mit Ihm, dem aus den Toten 
Auferweckten, fährt er fort: „Also ist jetzt keine Verdammnis 
für die, welche in Christo Jesu sind." Weiter lesen wir in demselben Kapitel: „Gott ist es, welcher rechtfertigt," und der 
Apostel fügt hinzu: „Wer ist, der verdamme" (Rö 8)? 
Ich danke Gott für jeden Widerspruch und jede Streitfrage in 
der letzten Zeit, denn alles hat in mir die Wirkung hervorgebracht, jeden Gegenstand vor Gott zu bringen und meine 
Seele in beziig auf solche Gegenstände mit Seinem Charakter 
zu beschäftigen. Und darum wollen wir auch diese Frage in 
bezug auf Gott näher betrachten. 
Angenommen, der Sohn einer Familie schließt mit irgendeiner 
Person die Ehe. Wenn nun der Vater diese Ehe billigt, oder 
rechtfertigt, so bezieht sich das sowohl auf den Sohn als auch 
auf dessen Braut. Er wird beide in seinem Hause aufnehmen. 
Wie groß auch der Reichtum des Sohnes und wie groß auch 
die Armut der jungen Frau vor der Heirat gewesen sein möchte, 
wird der Vater der Braut doch nie ihre frühere Armut vorwerfen, wenn er die Heirat gutgeheißen hat. Beide sind ein 
Fleisch. Wenn der Sohn reich ist, kann dann die Frau arm 
sein? Und wenn der Vater sie unter seinen Schutz nimmt, wer 
kann dann Klage gegen sie erheben? Es wird kaum nötig sein, 
ausführlicher zu werden. Gott war es, Der Seinen Sohn sandte, 
und dadurch daß der Sohn uns für Sich erwarb, tat Erden Willen 
40 
des Vaters. Darum liebte Ihn der Vater, weil Er Sein Leben 
ließ für die Schafe (Joh 10). Wo sind nun meine Sünden? 
Gott hat sie auf Ihn gelegt. Wie bin ich nun von meinen Sünden gerechtfertigt? „Christus ist es, der gestorben, ja noch 
mehr, der auch auferweckt ist." Welches ist nun der vollkommenste, deutlichste und sicherste Beweis für meine Rechtfertigung? „Der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns 
verwendet." Ich wiederhole es, daß Gott es ist, Der uns mit 
Christus auferweckt hat. Ja, Gott hält die Verbindung aufrecht, Gott rechtfertigt sie. Der Mensch mag verachten und 
verwerfen, er mag töten und kreuzigen; aber hat nicht Gott 
diese Verbindung gebilligt? Ist Er es nicht, Der sie gutheißt 
und rechtfertigt? Daher wissen wir: „Also ist jetzt keine Verdammnis mehr." Christus hat uns geliebt und Sich Selbst für 
uns hingegeben. Er nahm auf Sich unsere Sünden und unsere 
Schuld. Er trug unser Gericht. Gott hat Seine Zustimmung gegeben, indem Er Ihn „aus den Toten auferweckt hat, welcher 
unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer 
Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist" (Rö 4, 25). 
„Gott ist es, welcher rechtfertigt." Nun sind wir im Auferstehungsleben verbunden mit Ihm, Der aus den Toten auferweckt ist, und sind eins mit Ihm. Gott hat diese Verbindung 
gebilligt. Und die Gerechtigkeit Gottes? Sie ist in ihrer ganzen 
Tragweite aufrechterhalten worden, sowohl hinsichtlich unserer 
Sünden, die durch das Blut Christi abgewaschen sind, als auch 
hinsichtlich unseres gegenwärtigen und zukünftigen Lebens 
als solche, die eins sind mit Christus. Denn unsere neue Schöpfung in Christo Jesu ist in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit. Welch ein herrlicher Gedanke! Wir sind eins mit Christus. 
Er ist unsere Gerechtigkeit, unser Friede, unsere Herrlichkeit. Er 
ist uns geworden Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und 
Heiligkeit und Erlösung (1. Kor 1, 30). 
Ja, mein teurer Bruder in Christo, wir sind vollkommen eins 
mit Christus. Wir sind auf der Hochzeitsreise und gehen 
unserem gesegneten Herrn entgegen. Wir haben die Erlösung 
durch Sein Blut, das ist die Vergebung der Sünden, nach dem 
Reichtum Seiner Gnade. Wir sind freigesprochen von unseren 
Sünden und von allem, was mit unserer alten Natur und Stellung in Zusammenhang stand; ja, wir sind mit Ihm auferweckt 
41 
und in einen ganz neuen Zustand versetzt worden. Es hat keine 
Verbesserung der alten Natur stattgefunden, sondern wir 
haben eine ganz neue erhalten. Wir sind eine neue Schöpfung 
und in diesem neuen Zustand eins mit Christus. Wir haben 
unser altes Leben völlig verloren, aber wir besitzen ein neues 
Leben — das Auferstehungsleben. Als Auferweckte und als Besitzer dieses neuen Lebens sind wir vor Gott gerechtfertigt. „Wenn 
Gott für uns ist, wer wider uns?" Alles ist aus Gott. Was 
könnte mehr Frieden geben als dieses? Sollen wir nun alle 
diese herrlichen Vorrechte und Segnungen aufgeben und zurückkehren zu dem alten Ehemann, dem Gesetz? Bedenke wohl, 
wir können nicht mit beiden verbunden sein. Wenn wir unter 
dem Gesetz sind, dann sind wir nicht mit Christus verbunden. 
Wenn wir mit Christus verbunden sind, dann sind wir nicht 
unter Gesetz. Wie klar macht dies den ganzen Gegenstand! 
Du wirst nun vielleicht fragen: Was ist nun aber Regel und 
Richtschnur des christlichen Lebens und Wandels? Christus 
allein. — „Ihr Weiber, gehorchet euren Männern!" Ist das 
nicht der Grundsatz des Gehorsams gegen Christus, der Grundsatz der Liebe und nicht des Gesetzes, und dennoch das Gesetz 
der Liebe? Erkenne ich Christus in dieser bewunderungswürdigen, unwandelbaren Beziehung? Bin ich mir Seiner beständigen, unveränderlichen Liebe bewußt? Dieser Grundsatz läßt 
mich die ganze Bibel verstehen, und je mehr ich Seine Liebe 
kenne, desto mehr wird es meine Freude sein, Seinen Willen 
angedeutet zu finden. 
Wenn wir nun davon sprechen, daß wir vom Gesetz befreit 
sind, möge niemand darunter verstehen, daß wir damit Gesetzlosigkeit, die ja das wahre Wesen der Sünde ist, meinen. Was 
wir meinen, ist Folgendes: Wir werden nicht geprüft hinsichtlich des Grundsatzes: „Tue dies, so wirst du leben." Das Gesetz 
ist nicht länger der Prüfstein für den Menschen. Es heißt nicht 
mehr: „Du sollst Jehova, deinen Gott, lieben mit deinem 
ganzen Herzen." Alles ist Gnade. Gott hat mich geliebt mit 
Seinem ganzen Herzen, als ich noch verloren und schuldig war, 
und nichts kann mich von Seiner Liebe scheiden. Ich liebe Ihn 
nun, weil Er mich zuerst geliebt hat, und die Liebe freut sich, 
den Willen Gottes zu tun. 
Wie steht es aber hinsichtlich der Kraft? 
42 
Wir haben bereits gesehen, daß der Mensch unter dem Gesetz 
keine Kraft hat, der Sünde zu widerstehen, sondern daß das 
Gesetz die Sünde in vielen verschiedenartigen Übertretungen 
zum Vorschein bringt. Unter dem Gesetz herrscht die Sünde, 
und deshalb ist es zu allen Zeiten das unablässige Streben 
Satans, die Christen unter das Gesetz zu stellen. Die Gnade 
ist jedoch gerade das Gegenteil, sogar in bezug auf die Sünde 
und den Wandel. „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade" 
(Rö 6, 14). Aber noch mehr: wir sind mit Ihm, Der aus den 
Toten auferstanden ist, verbunden, auf daß wir Gott Frucht 
bringen (Rö 7, 4). „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens 
in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde 
und des Todes. Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es 
durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen 
eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und (als 
Opfer) für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte, auf daß das Recht des Gesetzes erfüllt würde in uns, 
die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln" 
(Rö 3, 2—4). Wir mögen fehlen, und das Böse mag hervorbrechen, aber wenn wir unter der Gnade sind, wird die Sünde 
keine Herrschaft über uns haben. Es mögen harte Kämpfe, 
böse Lüste zu Zeiten aufkommen, aber der Geist gelüstet 
wider das Fleisch, auf daß wir nicht das tun, was wir sonst 
gerne getan hätten (siehe Gal 5, 17). 
Wenn wir daher mit Christus verbunden sind, ist es nicht nur 
unsere Freude, Seinen Willen zu tun, sondern es ist auch Kraft 
dazu vorhanden, die Kraft des Geistes des Lebens in Christo 
Jesu, so daß wir das Gesetz nicht nur nicht übertreten, sondern 
auch die Gerechtigkeit des Gesetzes in uns, die wir nicht unter 
Gesetz sind, erfüllt wird. 
Unter dem ersten Ehemann war nichts vollkommen, alles war 
Elend und Knechtschaft. Sind wir hingegen mit Christus verbunden, dann ist alles göttlich vollkommen. Von welcher Seite 
wir diese gesegnete Einheit auch betrachten mögen, ob hinsichtlich der Rechtfertigung oder des Wandels, überall zeigt 
sich göttliche Vollkommenheit: vollkommene Rechtfertigung, 
keine Verdammnis mehr. Das vollkommene Vorbild und die 
43 
vollkommene Richtschnur des Lebens erblicken wir in Christus, 
— die vollkommene Kraft für den Wandel im Geiste des Lebens. 
Möchten unsere Herzen doch mehr in diese Dinge eindringen! 
Was bedeutet der Reichtum dieser Welt für uns, die wir auf 
der Hochzeitsreise sind? Was haben wir mit der Welt zu tun? 
Was sind ihre Ehren für uns? Was kümmert uns ihre Politik? 
Und was — so können wir hinzufügen — kümmert uns ihre 
Religion? Wenn wir mit Christus gestorben sind, warum trachten wir dann noch nach Dingen, die zur Zerstörung bestimmt 
sind durch den Gebrauch (Kol 2, 22)? Und wenn wir mit 
Christus auferweckt sind, sollten wir dann nicht suchen, was 
droben ist? Laßt uns doch unseren „Ehevertrag" im Epheserbrief, und die Richtlinien unseres „Ehelebens" im Kolosserbrief 
betrachten! Wir können hier nicht näher darauf eingehen. 
Aber betrachte für dich, mein Leser, unter Gebet den kostbaren 
Brief an die Epheser. Dann wirst du klar erkennen, wozu Gott 
uns in Christus gemacht hat, wie Er uns auserwählt hat in 
Ihm, wie Er uns zuvorerkannt hat in Ihm, und wie Er uns angenommen hat in Ihm. Welch eine Erlösung und Vergebung 
der Sünden! Welch eine Herrlichkeit und Ehre! Welch eine 
Weisheit und Gerechtigkeit! Welch ein Reichtum Seiner Gnade! 
Welch ein Siegel und Unterpfand unseres Erbes! Aber lie*, 
weiter und erkenne, welche Sicherheit Gott uns gab, als Er 
Christus aus den Toten auferweckte. Laßt uns durch den 
Glauben Ihm folgen, Der hoch erhoben ist über alle Fürstentümer und Gewalten und über jeglichen Namen, und dies 
alles für uns, die Kirche, die Sein Leib ist, die Fülle Dessen, 
Der alles in allem erfüllt. Das zweite Kapitel dieses Briefes zeigt 
uns, was wir waren und was wir jetzt sind, und zwar alles 
aus Gnaden, alles aus Gott. Im dritten Kapitel finden wir 
jenes Geheimnis, das seit den Zeitaltern verborgen, und — 
wir müssen es leider sagen — für Jahrhunderte wiederum verloren gegangen war. Das vierte Kapitel gibt uns beachtenswerte Belehrungen bezüglich unseres Betragens in dieser Verbindung mit Ihm, und schließlich offenbart uns das fünfte 
Kapitel die wunderbare Liebe Christi zur Kirche, Seiner Braut. 
Wie es mit unserer Erlösung ist, so verhält es sich auch mit 
unserer Vereinigung. Wir haben die Erlösung, und dennoch 
erwarten wir sie noch, d. h. ihre vollständige Erfüllung. Wir 
44 
sind mit Christus vereinigt, und doch eilen wir der Hochzeit 
des Lammes entgegen. Wie unzählig wird die Zahl, und wie 
groß die Freude derer sein, die, wenn die Hochzeit des Lammes 
gekommen ist, mit lauter Stimme rufen werden: „Halleluja! 
denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft 
angetreten. Laßt uns fröhlich sein und frohlocken und ihm 
Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und 
sein Weib hat sich bereitet. Und es ward ihr gegeben, daß sie 
sich kleide in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die 
feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen" (Offb 
19, 6-8). 
Welch ein Tag ungetrübter Freude wird das sein! Und er wird 
mit Sicherheit anbrechen. Für diese Freude erduldete der Herr 
das Kreuz, indem Er der Schande nicht achtete, und Er hat Sich 
gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes (Hebr 12, 2). Sollen wir 
nicht auf Seine Wiederkunft warten? Können wir nicht sagen: 
„Komm, Herr Jesus"? Wie wird uns sein, wenn wir Ihn von 
Angesicht zu Angesicht schauen! Kein Wort kann diese Willkommensfreude ausdrücken. Welch ein herrlicher Triumph der 
unaussprechlichen Gnade und der unendlichen Liebe! Es ist 
Gnade von Anfang bis Ende, Liebe, die nimmer ausgelöscht 
werden kann. Und welch ein Glück, immer beim Herrn zu sein, 
wo fern von dem Streit und der Zwietracht einer bösen Well 
alles in ruhigen, ewigen Frieden verwandelt ist! Dort begegnen 
wir keiner Spur von Sünde, keiner Runzel der Unvollkommenheit, keinem unheiligen Gedanken. Seele, betrachte und bewundere diese Szene reinsten, ungetrübten Segens! Alles ist 
dein. Ja, Er Selbst, der Mittelpunkt und die Quelle von allem, 
ist dein, und du bist Sein. Was könnte dir noch fehlen? 
Hochgelobter Herr! Laß Deine Braut aufwachen! Lenke unsere 
Herzen von allem Sichtbaren ab und erfülle sie mit Dir! „O 
Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes" (Rö 11, 33)! Ihm sei Ehre und Herrlichkeit 
in der Versammlung durch Jesus Christus in alle Ewigkeit! 
Amen. (Nach dem Englischen von C. J.) 
45 
Die erste 
und die zweite Ankunft Christi 
Der herrliche Zweck der ersten Ankunft Christi auf Erden wird 
uns in Hebr g, 26 deutlich vor Augen gestellt, und zwar mit 
den Worten: „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der 
Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch 
sein Opfer". Er, Der bereits lange zuvor in den israelitischen 
Opfern Sein Vorbild gefunden hatte, erschien Selbst zur bestimmten Zeit, um alles zu erfüllen, was die Opfer des Alten 
Testaments nicht hatten erfüllen können, nämlich die Sünde 
hinwegzutun. Wohl konnten die Opfer zur Reinigung des 
Fleisches dienen, aber unmöglich konnten sie das Gewissen 
von bösen Werken reinigen. Das Blut des Sohnes Gottes hat 
sie weggenommen. Er hat an Seinem eigenen Leibe unsere 
Sünden auf dem Holze getragen. Alle unsere Sünden lagen auf 
Ihm, und darum traf Ihn auch die Strafe, die wir verdient 
hatten. Durch Sein Opfer hat Er die Sünde zunichte gemacht. 
Auf Grund dieses Opfers kann Gott nun zu allen, die an Jesus 
glauben, sagen: Eurer Sünden und eurer Gesetzlosigkeiten 
werde ich nie mehr gedenken (vgl. Hebr 10, 17). In Christus 
haben wir „die Erlösung . . . durch sein Blut, die Vergebung 
der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade" (Eph 1, 7). 
Aber Christus hat nicht nur dies getan. Er hat nicht nur unsere 
Sünden vergeben und unsere Missetaten durch Sein Blut ausgelöscht, sondern hat auch die Sünde zunichte gemacht. Wir 
hatten nicht nur gesündigt, sondern wir befanden uns auch 
unter der Macht der Sünde. Die Sünden, die wir getan haben, 
sind die Frucht des Zustandes, in dem wir uns von Natur 
befanden. Diesem Zustand nun hat Christus ein Ende gemacht. 
Er hat nicht nur an Seinem Leibe unsere Sünden auf dem 
Holze getragen, sondern Er wurde auch von Gott für uns zur 
Sünde gemacht. Am Kreuz trug Er unsere Sünden, und am 
Kreuz wurde Er behandelt, als wäre Er in dem Zustand, in 
dem wir uns von Natur befanden. In Sich Selbst war Er rein 
und heilig, aber Er wurde unser Stellvertreter, und als solchen 
machte Gott Ihn zur Sünde und belud Ihn mit unseren Sünden. 
46 
Darum befand Er Sich drei Stunden lang in der Finsternis 
und war von Gott verlassen. Darum starb Er, der Gerechte, 
für die Ungerechten. In Seiner unendlichen Liebe starb Er den 
Tod des Sünders und machte dadurch die Sünde vollkommen 
zunichte. Er wurde an unserer Statt gestraft, von Gott verlassen und getötet, und darum sind wir, die an Christus 
glauben, vollkommen frei. „Denn durch ein Opfer hat er auf 
immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden." Es 
kann keine Rede mehr davon sein, daß Gott uns unsere Sünden zurechnet, denn Christus hat sie alle durch Seinen Tod am 
Kreuz vernichtet und ebenso wenig kann für uns vom Gericht 
die Rede sein, denn Christus war an unserer Statt gestraft und 
gerichtet. Die Sünde, die in uns wohnt, das Fleisch, unsere 
alte Natur, hat Er weggetan. Gott sieht uns in Christo nicht 
nur als von der Sünde befreit, sondern auch als ganz der 
Macht der Sünde entrückt. Zwar wohnt die Sünde in unserem 
Fleisch, solange wir auf der Erde leben, aber die Sünde im 
Fleisch steht nicht mehr zwischen uns und Gott. Sie ist mit 
Christus am Kreuz gerichtet und durch das Opfer Seiner Selbst 
weggetan. Gott sieht uns jetzt vom Fleisch und der Sünde so 
weit getrennt, wie Christus davon getrennt ist. Und wie weit 
ist Christus davon getrennt? So weit der Himmel von der 
Erde ist. Er ist in der Fülle der Zeiten geoffenbart worden, um 
durch Sein Opfer die Sünden wegzutun, und „nachdem er 
durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht, (hat er) 
sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe" (Hebr i, 3). 
Christus, Der aus den Toten auferstanden und gen Himmel 
aufgefahren ist, ist das ewige Zeugnis, daß die Sünde und die 
Sünden, die Wurzel und die Zweige, für immer in Übereinstimmung mit den Forderungen der Heiligkeit Gottes und den 
Bedürfnissen des Sünders hinweggetan sind. Er, Der unsere 
Sünden auf dem Holze trug, Der für uns zur Sünde gemacht 
und darum von Gott verlassen wurde, ist von Gott aus den 
Toten auferweckt und zu Seiner Rechten gesetzt worden. Er, 
Der unser Stellvertreter am Kreuze war und an unserer Statt 
gestraft und gerichtet wurde, ist jetzt im Himmel mit Ehre 
und Herrlichkeit gekrönt. Wo sind nun die Sünden, die Er trug? 
Sie sind für immer weggetan. Wo ist die Sünde, unter deren 
Macht wir waren? Sie ist völlig zunichtegemacht. Und wo befindet sich der Gläubige jetzt? Er sitzt in Christo zur Rechten 
47 
Gottes. Darum können wir sagen: So weit der Himmel von 
der Erde ist, so weit bin ich von der Sünde entfernt, denn ich 
bin in Christo, und Christus ist zur Rechten der Majestät 
Gottes in den höchsten Himmeln mit Ehre und Herrlichkeit 
gekrönt. 
Was fehlt uns nun noch? Nichts mehr als Jesus zu sehen, wie Er 
ist, und Ihm gleich zu sein (1. Joh 3). Wir sind mit Dem vereinigt, Der für uns den Weg des Todes und des Gerichts gegangen ist. Wir stehen mit Ihm auf dem Felsen der Auferstehung; 
Tod und Gericht sind hinter uns. In Christus sind wir aus dem 
Tode in das Leben hinübergegangen. Nun erwarten wir nichts 
anderes als Christus, und zwar als kommend in Herrlichkeit. 
Nachdem der Apostel uns den Zweck der ersten Ankunft Jesu 
vor Augen gestellt hat, sagt er uns, daß Er „zum zweiten Male 
denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen (wird) zur 
Seligkeit" (Hebr 9, 28). Ohne Sünde — denn Er hat bei Seiner 
ersten Ankunft die Sünde zunichtegemacht. Richten wir daher 
unseren Blick auf das Kreuz; dort sehen wir Christus, beladen 
mit unseren Sünden, für uns zur Sünde gemacht und niedergebeugt unter dem Gewicht des Zornes Gottes. Richten wir 
dann unseren Blick auf Jesus, sitzend zur Rechten Gottes, wo 
Er mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt ist. Bald kommt Er 
wieder. Wir werden Ihn getrennt von der Sünde sehen, und 
dann wird Er uns aufnehmen in Seine Herrlichkeit. Alles was 
nötig war, um uns für die Herrlichkeit und die Gegenwart 
Gottes passend zu machen, hat Er vollbracht, als Er zum ersten 
Mal hier auf der Erde war. Nun fehlt uns nichts, als die Herrlichkeit zu schauen und sie mit Ihm zu teilen. O wie glücklich 
sind unsere Herzen, wenn wir diese herrlichen Wahrheiten 
verstehen! Unruhe und Angst sind dann verschwunden. Friede 
und Seligkeit erfüllt unser Herz, und mit Freuden erwarten wir 
die Wiederkunft Jesu. 
Die Wiederkunft Jesu ist daher die Erwartung der Gläubigen. 
Er wird denen, die Ihn erwarten, erscheinen zur Seligkeit. 
Ist das nicht Grund genug, den Herrn zu erwarten? Der Gläubige hat weder den Tod, noch sonst ein Ereignis zu erwarten. 
Zwar kann er sterben, ehe der Herr kommt, aber für ihn ist 
der Tod keineswegs ein Gegenstand der Erwartung. Christus 
Selbst ist seine glückselige Hoffnung. Welch eine herrliche 
43 
Sicherheit liegt in den Worten: „Er wird denen, die ihn erwarten, . . . erscheinen." Sie sollen in ihrer Erwartung nicht 
getäuscht werden. „Ich komme wieder und werde euch zu mir 
nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet" (Joh 14). Und 
wiederum: „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart wird, 
dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit" (Kol 3, 4). Ja, der Herr wird bald zum zweiten Mal erscheinen. Das erste Mal kam Er, um uns zu erlösen und die 
Sünde zunichtezumachen. Das zweite Mal kommt Er, um uns 
in Seine Herrlichkeit, in das Haus des Vaters zu bringen. Die 
erste Ankunft war ein Werk vollkommener Gnade. Er kam 
als der gehorsame Diener, um den Willen des Vaters zu tun 
und das große Erlösungswerk zu vollbringen. Seine zweite 
Ankunft wird in göttlicher Majestät und prachtvoller Herrlichkeit stattfinden. 
Anmerkung des Bearbeiters: Es ist vielleicht gut, hier eine 
kurze Erklärung zu geben, um Verwirrung zu vermeiden. 
Nachdem der Herr einmal in der Fülle der Zeit geoffenbart 
worden ist und nach Seiner Auferstehung von der Welt nicht 
mehr gesehen wurde, wird Er auch für die Welt, die nicht an 
Ihn glaubt, nur in Herrlichkeit zum Gericht erscheinen (Kol 3, 
4; 2. Thess 1, y—10; 2, 8 usw.) Vorher wird Er jedoch für die 
Seinen erscheinen, um sie von dieser Welt zu Sich ins Vaterhaus zu nehmen (Joh 14, 3; 1. Kor 15, 5iff.; 1. Thess 4, ~L4.1l.; 
Hebr 9, 28). Bei diesem — für die Welt unsichtbaren — Kommen 
des Herrn für die Seinigen werden sie in die Herrlichkeit aufgenommen. Wenn der Herr dann danach für die Welt, die Ihn 
seit der Kreuzigung nicht mehr gesehen hat, in Herrlichkeit 
zum Gericht erscheinen wird, werden wir, die Gläubigen, Ihn 
begleiten und mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit 
(Kol 3, 4)-
Lieber Leser! Gehörst du auch zu denen, die Ihn erwarten zur 
Seligkeit? Verlangt dein Herz nach Seiner Ankunft? Nichts 
steht Seinem Kommen im Wege. Sobald alle die Seinigen aus 
der Welt erlöst sind, kommt Er, um uns in Seines Vaters Haus 
einzuführen. Wenn Er heute kommt, dann werden wir noch 
heute in einem Augenblick, in einem Nu verwandelt werden; 
unser sterblicher Leib wird Unsterblichkeit anziehen, und 
plötzlich werden wir von dieser sündigen Erde weggenommen 
49 
und in die unmittelbare Gegenwart Gottes gebracht werden, 
wo wir ewig bei Jesus sein und Seiner Herrlichkeit teilhaftig 
sein werden. Welch eine glückselige Hoffnung! Durch Jesus 
von den Sünden befreit und auf ewig erlöst und vollendet, 
wartet auf uns eine ewige Herrlichkeit, wo wir ungestört und 
in vollem Maße genießen, was schon jetzt durch den Glauben 
unsere Herzen glücklich macht. — O Herr, erfülle unsere Herzen mit Lob und Anbetung für Deine unendliche Liebe, und 
richte unsere Blicke unverwandt auf Deine baldige Ankunft! 

50 
Wie der Himmlische ist, 
so sind auch die Himmlischen 
(l. Korinther 15, 48) 
Die Heilige Schrift stellt uns zwei Dinge vor Augen, die zur 
Erlösung unbedingt nötig sind. Das erste von ihnen ist die 
völlige Offenbarung des in Gnade gegen uns handelnden, moralischen Charakters Gottes. In der Versöhnung wird dieser 
Charakter nicht nur geoffenbart, sondern Gott Selbst wird 
auch in ihr verherrlicht, denn sowohl die Gerechtigkeit Gottes 
gegen die Sünde, als auch Seine Liebe gegen den Sünder tritt 
dadurch in das hellste Licht. Das zweite von ihnen, das von 
dem ersten ganz verschieden ist, ist die Dazwischenkunft 
der Kraft Gottes, die uns aus dem Zustand des Elends und der 
Gottlosigkeit, den Folgen der Sünde, herausreißt und uns in 
eine ganz neue Stellung versetzt. 
Wenn Sünder zu Gott gebracht werden sollten, war das erstere 
eine unbedingte Notwendigkeit, denn, um uns zu Gott zu bringen, mußte die Versöhnung stattfinden. Wenn Gott uns zu 
Sich gebracht hätte, ohne daß zuvor Seine Gerechtigkeit 
unzweideutig erwiesen worden wäre, so hätte man in Ihm 
nicht den Heiligen und Vollkommenen erblicken können, der 
Er in Wirklichkeit ist. Aber alles, was Gott ist, ist am Kreuz 
völlig erwiesen und ans Licht gestellt worden. Nur auf dem 
Kreuz konnte dies vollkommen geschehen. Hätte Gott nur 
in Barmherzigkeit gegen den Menschen gehandelt und ihm 
seine Schuld ohne weiteres erlassen, so wäre dies in Wirklichkeit keine Liebe, sondern Gleichgültigkeit gegen die Sünde gewesen. Wenn zum Beispiel eines meiner Kinder sich schlecht 
benimmt und ich es dennoch wie meine anderen Kinder behandele, so ist das sicher keine Liebe. Man besitzt nicht die wahre 
Liebe, wenn nicht nach der Wahrheit des heiligen Namens 
Gottes die Gerechtigkeit im vollen Maß gehandhabt wird. 
Allein die Ausübung dieser Gerechtigkeit würde ohne das Kreuz, 
ohne den Tod Christi, Der Sich der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes übergab, nicht stattgefunden haben; denn das 
Kreuz zeigt uns sowohl die Heiligkeit Gottes, Seinen Haß 
51 
gegen die Sünde, als auch Seine Liebe gegen den Sünder. Das 
Kreuz Christi ist für uns die Offenbarung und der unwiderlegbare Beweis von allem, was Gott nicht nur in Liebe, sondern 
auch in Heiligkeit ist. Hierin liegt ein großer Segen. Wir kommen zu Gott als verlorene Sünder und finden dort den Versöhnungsdeckel und das darauf gesprengte kostbare Blut. Aber 
wenn ich im vollen Genuß des Friedens auf das Kreuz blicke, 
so sehe ich, in welch einer vollkommenen Weise Gott durch das 
Kreuz verherrlicht worden ist. Und je mehr das Kreuz mir die 
Heiligkeit Gottes zeigt, desto mehr wird mir deutlich, wie 
wunderbar es ist. Es gibt weder im Himmel noch auf Erden 
etwas, das ihm zur Seite gestellt werden könnte. Zwar offenbart uns die Schöpfung die Macht Gottes in reichem Maße, aber 
sie stellt nicht die Liebe und die Wahrheit Gottes in dem Maße 
ans Licht, wie das Kreuz es tut. Daher bleibt für alle Ewigkeiten 
das Kreuz die gesegnete Stätte, wo man lernen kann, was der 
wahre Charakter und das Wesen Gottes ist. 
Aber es gibt noch eine andere Seite der Wahrheit, die wir 
kennen müssen, nämlich die Tatsache, daß der Erlöser gekommen ist, um uns aus einem Zustand zu befreien, in dem wir 
uns Von Natur befinden; denn wir waren arme, elende Wesen, 
die sich vergeblich bemühten, aus dem Schlamm der Sünde 
herauszukommen. Wenn es auch eine unumstößliche Wahrheit 
ist, daß Gott in dem Kreuz Christi gerechtfertigt und verherrlicht worden ist, so folgt daraus jedoch noch nicht, daß wir auch 
aus dem Zustand, in dem wir uns befanden, herausgezogen 
sind. In bezug hierauf war es nötig, daß Gott zu uns herabstieg, uns aus dem Zustand des Elends und der Sünde herauszog und uns in eine ganz neue Stellung versetzte. Hierzu bedurfte es der Dazwischenkunft der göttlichen Macht. 
Die Erlösung ist eine durch göttliche Kraft zuwege gebrachte 
Befreiung, eine Macht, durch die wir dem einen Zustand entrissen und in einen anderen versetzt worden sind. Zwar sind 
wir moralisch verändert, aber — obwohl jeder, von dem dies 
gesagt werden kann, auch sicher alles übrige erlangen wird — 
wir bedürfen mehr als dies. Vorausgesetzt, daß ich die neue 
Natur besitze mit dem Verlangen nach Heiligkeit, was hat dies 
zur Folge? Daß ich das Bewußtsein von der in mir wohnenden 
Sünde habe. Ich begehre, heilig zu sein, aber ich sehe, daß ich 
52 
es nicht bin; und gebeugt gehe ich unter der Macht der Sünde 
einher, deren elender Sklave ich bin, und ich habe die Erkenntnis einer Heiligkeit, nach der ich zwar verlange, die ich aber 
nicht besitze. Ich sage: Was nützt es, die Heiligkeit zu kennen, 
da ich sie doch nicht habe? Dies gibt mir durchaus keinen Trost. 
Wir haben soeben von der Gerechtigkeit Gottes gesprochen, 
aber ich finde, daß ich diese Gerechtigkeit nicht besitze. Kann 
ich in einem solchen Zustand Ruhe für meine Seele finden? Das 
ist unmöglich; ja, es ist sogar eine Folge des Besitzes dieser 
neuen Natur samt ihren heiligen Neigungen und Wünschen 
für Christus, daß ich zu der Entdeckung gebracht werde, daß 
mir gerade das fehlt, was diese neue Natur aus sich selber 
mir nicht mitteilen kann. In mir habe ich das brennende Verlangen der neuen Natur, alle ihre heiligen und gerechten Wünsche; aber den Gegenstand meines Verlangens besitze ich nicht. 
Ich sage: „O, wie gern möchte ich gerecht sein!" Aber ich bin 
es nicht. Auf diesem Wege kommt Gott uns nun mit einer vollkommenen Erlösung entgegen. Zunächst macht Er uns lebendig, 
um ein Bedürfnis nach Heiligkeit in uns wachzurufen. Zugleich 
gibt Er uns eine neue Natur, um diese genießen zu können. 
Aber das ist doch nicht alles. Wenn ich diese neue Natur habe, 
besitze ich dann den Gegenstand, nach dem ich begehre? Keineswegs. Ich mache die größten Anstrengungen, um die mir 
fehlende Heiligkeit zu erlangen, aber alles ist nutzlos. Ich hasse 
die Sünde. Aber die Sünde, die ich hasse, ist vorhanden. Ich 
habe das lebendige Verlangen, mit Gott zu wandeln, um stets 
das Licht Seines Angesichtes zu schauen. Aber ich sehe, daß 
ich die Sünde in mir habe, und ich weiß, daß das Licht Seines 
Angesichtes nicht auf meine Sünde scheinen kann. Ich benötige 
eine Gerechtigkeit, die für die Gegenwart Gottes passend ist; 
und ich besitze sie nicht. In diesem Zustand begegnet uns nun 
Gott im Kreuz. Er gibt uns nicht nur die Natur, die wir brauchen, sondern auch die Sache, die wir nötig haben, nämlich die 
Gerechtigkeit. Ja, in Christus gibt Er uns sowohl den vollkommenen Gegenstand, als auch die Natur, um davon zu genießen, und zwar alles in Kraft durch die Gabe des Heiligen 
Geistes. 
In 1. Kor 15 finden wir einen merkwürdigen Ausdruck bezüglich der Wahrheit, von welcher wir sprechen. „Wie der von 
53 
Staub ist, so sind auch die, welche von Staub sind; und wie der 
Himmlische, so sind auch die Himmlischen". Hier ist keine 
Rede davon, was wir sind, wenn wir in die Herrlichkeit eingehen werden, denn es folgen die Worte: „Und wie wir das 
Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das 
Bild des Himmlischen tragen". Wir haben das Bild des ersten 
Adam getragen in allen Folgen seiner Sünde und seines Falles. 
Ebenso werden wir auch das Bild des letzten Adam tragen. 
Zunächst aber wird uns die große Wahrheit vorgestellt. „Wie 
der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen". Das ist 
unser jetziger Zustand. Hier finde ich das, was mein durch Gott 
lebendig gemachtes Herz benötigt, und ich lerne verstehen, 
welch ein Segen in Christus ist, in Dem Gott uns dies geoffenbart hat. Gott hat uns eine vollkommene Gerechtigkeit gegeben 
in Christus, Der Der in der Gegenwart Gottes angenommene, 
verherrlichte Mensch ist, Der Der einzige ist, zu Dem Gott sagen 
konnte: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße". Durch den Menschen bist Du 
zwar verworfen, aber auf Dir ruht meine ganze Wonne. —„Wie 
der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen." Dies ist es, 
was Gott uns bezeugt. Er stellt uns in Christus vor Sich hin in 
einem ganz neuen Zustand und läßt uns dann verurteilen, was 
mit diesem Zustand nicht übereinstimmt. Zudem wird uns 
auch Kraft verliehen — nicht nur eine neue Natur mit brennendem Verlangen nach einer Stellung, in der wir uns nicht befinden —, um dem Zustand gemäß, in dem wir uns befinden, 
alles zu richten und zu verurteilen, was mit dieser neuen Stellung nicht im Einklang steht. Sollten jedoch wirklich Dinge 
vorhanden sein, die ich zu verurteilen habe, so geschieht dies 
in dem vollen Bewußtsein dessen, was Gott mir in Christus 
Jesus gegeben hat. In Christus finde ich den Maßstab von dem, 
was Gott durch die Dazwischenkunft Seiner Macht aus mir 
gemacht hat. 
„Wie der von Staub ist . . . wie der Himmlische ist usw." — 
Hier sehen wir sozusagen die beiden Menschen, den ersten 
Adam von Staub nebst allen, die ihm angehören, und 
dann den zweiten Menschen, „den Herrn vom Himmel". Ich 
finde in jedem dieser beiden Menschen das Vorbild aller anderen Menschen, die ihrem Bilde gleich sind. Ich finde in dem 
54 
ersten Adam den gefallenen, elenden und verdorbenen Menschen, während ich im geistlichen Sinn in dem letzten Adam 
das Haupt eines neuen Geschlechts erblicke, nachdem Er nach 
den Ratschlüssen Gottes diesen Platz in Herrlichkeit eingenommen hat. 
Daher ist es nicht nur wahr, daß in bezug auf das, was wir als 
Kinder des ersten Adam waren, eine Versöhnung für uns geschehen ist, sondern Gott Selbst ist in Betreff unserer Sünden 
verherrlicht worden. Je mehr wir daher die Gegenwart Gottes 
genießen, desto mehr erkennen wir den Wert des Kreuzes. 
Aber in 1. Kor 15, wo der Apostel die Frage der Auferstehung 
behandelt, spricht er über die Dazwischenkunft der Macht Gottes. Wir sehen hier, wie Gott in bezug auf Christus in der 
Kraft der Auferstehung handelt, und zugleich, wie wir die 
Gegenstände dieser Kraft sind. 
Wenn wir Christus anschauen, wie Er auf dieser Erde wandelte, 
dann fällt uns in Seiner Beschäftigung mit den Menschen Seine 
vollkommene Güte auf, eine Güte, die dem Menschen in all 
seinen Bedürfnissen entgegenkommt. Unser Herz wird dadurch 
ermutigt und getröstet. Er speist die Hungrigen, heilt die Kranken und treibt die Teufel aus. Dort war Kraft, aber nicht in 
denen, mit denen Er zu tun hatte. Es war die Kraft Gottes. Er 
kam den Menschen in all ihren Bedürfnissen zu Hilfe. Die 
Güte Gottes in Christus Jesus war der Gottlosigkeit und dem 
Elend, worin sich der Mensch befand, völlig angemessen. Ich 
bin überzeugt, daß unsere Predigt von größter Kraft begleitet 
sein würde, wenn wir mehr die Taten des Herrn in Seinem 
Leben auf der Erde hervorheben würden. 
Wenn ich Christus in Seinem Wandel hier auf der Erde betrachte, dann finde ich Gott in diesem sanftmütigen Menschen. 
Es ist daher nötig, in einer Welt voller Mühsal, Elend und Gottlosigkeit immer den Blick auf die einfache Tatsache gerichtet zu 
halten, daß Gott gekommen ist und ich Ihn gefunden habe. 
Ich bin mit Ihm durch den Glauben zusammengetroffen; Gott 
war da, und ich bin Ihm begegnet. Ich weiß, wer Er ist und 
was Er für mich ist. Ich war nichts als ein Sünder, wie andere 
Menschen; aber Gott war da, und Er war nur Güte gegen mich. 
Christus kam um meinetwillen vom Himmel auf die Erde. In 
Ihm begegne ich Gott, und folglich kenne ich Gott. Ich habe 
55 
Seine Gnade kennengelernt und Seine Güte erfahren. Und darum weiß ich auch, was Er am Tage des Gerichts für mich sein 
wird. Ich war ein elendes, verächtliches Geschöpf, das nach den 
Vergnügungen und Schätzen dieser Welt trachtete. Aber jetzt 
bin ich Ihm begegnet und weiß, wer Er ist. Wenn die Seele 
dieses Bewußtsein hat, dann besitzt sie den Schlüssel, der alle 
Pforten der Ewigkeit öffnet. Ich habe Gott gefunden, und ich 
habe erfahren, daß Er Licht ist. Ohne Zweifel werde ich, gerade 
weil Er Licht ist, in mir selber Mängel und Gebrechen entdecken und mich zu richten und zu verurteilen gezwungen sein. 
Dennoch aber weiß ich, wer Er ist und was Er für midi ist. Und 
so findet meine Seele einen Ruheplatz und lernt den Gott, mit 
dem ich es zu tun habe, in Wahrheit kennen. Ich sehe, daß 
„Gott in Christo war, die Welt mit sich selbst versöhnend". — 
Aber nun tritt mir eine andere Schwierigkeit in den Weg: Ich 
fühle mich nicht fähig, mit Ihm im Himmel zu sein. Ich sehe 
die Sünde in mir, und die Sünde kann nicht geduldet werden. 
Das ist wahr. Aber ich finde vollkommene Ruhe im Hinschauen 
auf den gelobten Heiland, Der der Ausdruck einer Gnade ist, 
von deren Vollkommenheit ich mir kaum eine Vorstellung 
machen kann. Er kam herab und trat ein in den Zustand, in 
dem ich mich befand. Ich sehe Ihn, Der für mich zur Sünde gemacht wurde, als den Träger meiner Sünden durch den Tod 
und das Gericht gehen, um mich davon zu befreien. Ich finde 
nicht nur, daß Christus auf der Erde lebte und Mitleid mit 
meinem Elend hat und voll Güte gegen mich ist, sondern ich 
finde Ihn auch als Den, Der meinen Platz einnimmt, um für 
mich den Zorn und das Gericht Gottes zu tragen. Am Kreuze 
leidet Er allein. Sein Leiden während Seines Wandels auf dieser 
Erde war ein Leiden, an dem ich teilhaben kann. Er litt unter 
der Hand der Menschen um der Gerechtigkeit willen; und auch 
wir können, wenn auch in geringem Maße, in ähnlicher Weise 
leiden. Er hat die Leiden in dieser Welt kennengelernt, um uns 
zu trösten und Mitleid mit uns haben zu können. Aber wenn 
ich den Herrn am Kreuz leiden sehe, finde ich Ihn dort ganz 
allein. Dort ist die Sündenfrage zwischen Ihm und Gott vollkommen und für immer in Ordnung gebracht worden. An diesem Leiden kann ich nie teilnehmen. Ich konnte nicht dort sein, 
wo Christus war; denn Er nahm dort meinen Platz ein, indem 
Er den Zorn Gottes trug und jenen Todeskelch trank, dessen 
56 
kleinster Tropfen mir den ewigen Tod gebracht hätte. Dort 
sehe ich den Herrn auf den Platz meines tiefsten Elends herabsteigen und niedergebeugt unter der schweren Hand der 
Gerechtigkeit Gottes. Er hat meinen Platz in Gnade eingenommen. Dort, wohin die Sünde mich gebracht hatte, dahin hat die 
Gnade Ihn gebracht. 
Nachdem die Versöhnung vollbracht und Gott durch den Tod 
Christi vollkommen verherrlicht war, trat die Macht Gottes auf 
den Plan und stellte Ihn, durch den das Werk der Erlösung geschehen war, zur Rechten Gottes. Daher sehe ich nicht nur die 
Verherrlichung Gottes im Kreuze Christi, sondern ich sehe auch 
die Macht Gottes wirksam, um denselben Christus, Der bis in 
die Tiefe des Todes hinabgestiegen war, aufzunehmen und Ihn 
zur Rechten Gottes in den Himmel zu setzen. Hier finde ich 
also eine vollkommene Erlösung, und zwar in einer so großen 
Tragweite, daß Christus in Vereinigung mit anderen den 
Namen Gottes preisen kann, indem Er sagt: „Ich will 
deinen Namen kundtun meinen Brüdern; inmitten der 
Versammlung will ich dir lobsingen". Er kann diesem Namen 
lobsingen, weil Er ihn kennt, da Er am Ende Seiner Laufbahn, 
nachdem Er all unsere Sünden für immer getilgt hatte, in die 
Gegenwart Gottes, Seines Vaters, eingeführt worden ist und 
dort das volle Licht Seines Angesichtes genießt. Die Kraft Gottes war auf den Plan getreten, so wie wir in Psalm 16 lesen: 
„Du wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die Verwesung 
sehe". Zwar mußte Christus auf dem Kreuz ausrufen: „Mein 
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", aber auch 
dort sehen wir, daß Er Sich ganz den Händen Gottes, Seines 
Vaters, übergibt (Lk 23, 46); und Gott drückt Sein Siegel auf 
Ihn, indem Er Ihn aus den Toten auferweckt. In der Auferstehung Christi finde ich das Eintreten der Macht Gottes, und 
ich sehe den Menschen Christus Jesus in den Himmel versetzt, 
nachdem die Versöhnung vollbracht und die Sündenfrage durch 
das Werk, durch das Er Gott verherrlicht hat, ganz in Ordnung 
gebracht worden ist. Ich sehe Ihn dort, wo die Kraft ihren Sitz 
hat als den Gegenstand der Ratschlüsse Gottes. Denn Christus 
ist es, in dem alle Dinge unter ein Haupt zusammengebracht 
werden sollen. Schon jetzt hat Gott Ihn „als Haupt über alles 
der Versammlung gegeben". 
57 
In der Auferstehung Christi ist also die Frage der Sünden gänzlich geklärt. „Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist 
euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren Sünden". Da Er nun 
aber wirklich auferweckt worden ist, sind wir nicht mehr in 
unseren Sünden. So finde ich also jenen himmlischen Menschen, Der auf Erden gewesen ist und Der in der Kraft der Auferstehung meine Sünden getragen hat, in der Gegenwart Gottes. Er ist der Herr vom Himmel. Beachten wir es wohl. Später 
sagt der Apostel in dem Brief an die Epheser, daß dieselbe 
Kraft, die in Christus, als Gott Ihn aus den Toten auferweckte, 
gewirkt hat, auch in den Glaubenden wirkt. Er wünscht, daß 
sie es wissen, welches da sei „die überschwengliche Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der 
Macht seiner Stärke, in welcher er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte, und er setzte 
ihn zu seiner Rechten in den himmlischen örtern". Die Macht, 
die tätig war, als Gott Christus aus den Toten auferweckte 
und Ihn zu Seiner Rechten setzte, ist dieselbe, die bereits in dir, dem Glaubenden, gewirkt hat. Du hast in Ihm 
droben einen Platz, und deshalb heißt es: „Wie der vom Staub 
ist, so sind auch die, welche von Staub sind, und wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen". In Christus befinden 
wir uns in der Gegenwart Gottes, und ich habe eine Antwort auf 
dieses Verlangen. Ich habe nicht nur eine neue Natur, sondern 
ich habe auch das, wonach die neue Natur verlangt, weil ich 
Christus habe. Ich habe nicht nur brennendes Verlangen nach 
etwas, sondern ich besitze die so sehr ersehnte Sache selbst. 
Ich bedarf der Gerechtigkeit und der Heiligkeit; und ich besitze 
sie auch, weil ich in Christo bin. Mit einem Wort, ich bin im 
Besitz der Erlösung nach ihrer ganzen Tragweite, nicht nur 
einer neuen Natur, sondern der Erlösung. Gott ist zu mir gekommen und hat mich befreit. Er ist gekommen und hat mich 
Selbst aus dem Zustand herausgezogen, in dem ich mich befand, 
nämlich aus dem hoffnungslosen Zustand des Elends und der 
Bosheit in dem ersten Adam. Er hat mich nun in dem letzten 
Adam in Seine eigene Gegenwart versetzt, ohne daß eine einzige meiner Sünden auf mir geblieben ist, denn alle Sünden 
sind hinweggenommen, da alles in der Person Christi gerichtet 
worden ist. Das ist der Zustand, in welchen Christus uns gebracht hat. 
58 
Nach dem Fall des ersten Menschen und nachdem Gott den 
Menschen auf verschiedene Weise — ohne Gesetz und unter 
Gesetz — auf die Probe gestellt hatte, kommt Er in vollkommener Gnade zum Menschen und sendet Seinen vielgeliebten 
Sohn. Es ist, als hätte Er sagen wollen: Dies ist der letzte Prüfstein, den ich an den Menschen lege. Doch der Mensch tritt 
dem herabgesandten Heiland mit den Worten entgegen: „Dieser ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten und sein Erbe in 
Besitz nehmen". Der Mensch ist ganz auf die Probe gestellt 
und als ganz verwerflich befunden worden. Es gibt kein Mittel, 
ihn zu verbessern. Aber was finde ich in Christus? Er hat für 
uns hier den Platz des ersten Adam eingenommen. Er starb am 
Kreuz; dadurch ist für alle diejenigen, die an Ihn glauben, 
dieser Zustand ein für allemal beendet worden. Ich halte mich 
jetzt der Sünde für tot, weil Christus gestorben ist. Er wurde 
als mein Stellvertreter behandelt und empfing den Tod. Hierdurch ist diese Sache zu Ende gebracht, und zwar durch das 
Gericht, das Er erduldet hat. Als Gläubiger werde ich die Regungen der alten Natur noch feststellen, und ich muß sie verurteilen. Aber ich schaue auf Christus, Der, nachdem Er am 
Kreuz für mich zur Sünde gemacht, gerichtet und getötet wurde, 
aus den Toten auferweckt worden ist und in Ewigkeit lebt. Der 
alten Natur, auf die Sünde und Gericht bezug hatten, ist also 
ein Ende gemacht worden. Damit verhält es sich ebenso wie 
mit jemand, der in Erwartung seiner Strafe im Gefängnis sitzt 
und dort stirbt. Das Leben, auf das die Strafe ihre Anwendung 
hätte finden müssen, ist dann nicht mehr vorhanden. Unmöglich 
kann noch von einer Strafe für die Sünde die Rede sein, da das 
Leben, für das diese Strafe galt, nicht mehr besteht. Dasselbe 
trifft für uns zu, die wir in Christo sind. Daher wendet sich der 
Apostel immer an die Gläubigen als solche, die der Sünde gestorben sind. Er sagt zu ihnen: „Ihr seid gestorben", und: 
„Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend 
in Christo Jesu" (Röm 6, 11). Es steht nirgends in der Schrift, 
daß wir der Sünde sterben müssen; denn in diesem Fall würden wir selbst sterben müssen; und dann wäre es ganz und 
gar mit uns aus. Die Schrift sagt, daß wir in Christus der Sünde 
gestorben sind. Nun, da Christus „ein für allemal der Sünde 
gestorben" ist, darf ich mich selbst betrachten als tot für die 
Sünde und lebend für Gott in Christus Jesus. Dies wird mir 
59 
als der Grundsatz der Stellung eines Christen vorgestellt. Obwohl ich noch hier auf der Erde lebe, ist doch der alte Mensch, 
mit dem sich Gott beschäftigt hat, für immer zunichte gemacht, 
weil Christus gestorben ist. Nun ist die Kraft Gottes gekommen, die mich mit Christus auferweckt hat. Die alte Natur, 
gegen die gehandelt werden mußte, wird als gerichtet und gestorben betrachtet; und so befinde ich mich jetzt in der Stellung, 
in der Christus ist, nämlich auferweckt und in der Gegenwart 
Gottes. Wenn Christus erscheinen wird, dann werden wir Ihm 
gleich sein; aber was unsere wirkliche Stellung vor Gott betrifft, so dürfen wir schon jetzt mitsitzen „in den himmlischen 
örtern in Christo Jesu" (Eph 2). Die göttliche Liebe ist bis zu 
dem Platz der Sünde und des Todes, wo wir uns befanden, 
herabgestiegen; und die göttliche Gerechtigkeit hat uns aufgenommen und uns in die Stätte des Lichtes versetzt, wo Jesus 
Christus Selbst Seine Wohnung hat; denn ein Zwischending 
existiert nicht. Wenn ich weiß, was die Sünde ist, so weiß ich 
auch, daß sie die Verdammnis verdient. Sicher wäre es keine 
Barmherzigkeit, wenn Gott Sich nicht mit der Sünde nach 
Seiner Gerechtigkeit beschäftigt hätte. Sie mußte unbedingt 
aus dem Wege geschafft werden. Aber in welcher Weise? Sie 
mußte zunichte gemacht werden durch den Tod, weil sie nichts 
als die Verdammnis verdient. Wenn Gott mit Bezug auf die 
Sünde handelt, so muß aufgrund meines Verhaltens als Sünder gegen Ihn der Tod unmittelbar eintreten. Es gibt keine 
Vergebung für den Sünder als nur durch ein Werk, welches der 
göttlichen Gerechtigkeit angemessen ist. Dieses Werk erblicken 
wir am Kreuz. „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der 
Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch 
sein Opfer" (Hebr 9, 26). Aber dies ist noch nicht alles. Dadurch, daß Er so die Sünde weggetan hat, hat Er auch den alten 
Zustand der Dinge beiseitegesetzt und ist dadurch, daß Er die 
Natur, in der Er verantwortlich war und in der Er für die 
Sünde gelitten hat, hinter Sich zurückließ, in einen ganz neuen 
Zustand eingetreten. Nun ist Er der himmlische Mensch in der 
Gegenwart Gottes, und in Ihm sind auch wir dorthin versetzt. 
„Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen." Darum finden wir auch in dem 1. Brief des Johannes dieselbe 
Wahrheit dargestellt. Dort lesen wir die Worte: „Hierin ist die 
Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, daß Gott seinen ein60 
geborenen Sohn in die Welt gesandt hat, auf daß wir durch ihn 
leben möchten" (Kap 4, 9). Hier sehe ich die göttliche Liebe, 
die in diese Welt gekommen ist, in der Person des Sohnes Gottes. Zwei Dinge waren notwendig. Zunächst mußte Sühnung 
geschehen für unsere Sünden, weil wir schuldig waren; aber 
dann fährt Johannes fort und sagt: „Hierin ist die Liebe mit 
uns vollendet worden, auf daß wir Freimütigkeit haben an dem 
Tage des Gerichtes, daß, gleichwie er ist, auch wir sind in 
dieser Welt" (Vers 17). 
Warum kann ich Freimütigkeit haben am Tage des Gerichts? 
Weil ich meinem Richter gleich bin, und zwar jetzt schon in 
dieser Welt. „Gleichwie er ist, sind auch wir in dieser Welt". 
Das ist es, was ich auch in den Worten finde: „Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen." Es ist dieselbe Wahrheit. Wie unaussprechlich köstlich! Welch eine Erlösung! Hier 
ist nicht nur Barmherzigkeit, die Sünden vergibt. Nein, es ist 
eine vollkommene Erlösung; eine Erlösung, die uns, die wir in 
Christo sind, aus dem Zustand, in dem wir uns befanden, herausgerissen und hinübergebracht hat in einen ganz neuen Zustand, und zwar in Christo Jesu. Zwar werden wir alle vor dem 
Richterstuhl Christi offenbar werden müssen, und dort wird 
alles ans Licht gebracht werden. Aber ebenso wahr ist es, daß 
ich bin, wie Er ist. Wie wird Er mich beurteilen? Wie werde ich 
dort erscheinen? Ich werde Ihm gleich sein. Er hat zu Seinen 
Jüngern gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. 
Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme 
ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, 
auch ihr seiet" (Joh 14). Wenn ich nun vor dem Richterstuhl 
Christi erscheinen werde, so geschieht dies, weil Seine Liebe 
zu mir so unendlich groß ist, daß Er mich Selbst abholen und 
mich vor Seinen Richterstuhl bringen will. In welchem Zustand 
wird dies geschehen? Ich bin schon verherrlicht, bevor ich 
vor diesen Richterstuhl trete. Alles wird dort ans Licht 
gebracht werden, aber dies wird für uns nur Gewinn sein. Wir 
werden dann das Gute und das Böse so vollkommen kennen, 
wie wir gekannt sind. Wir werden geoffenbart werden, aber 
geoffenbart vor Ihm. Der als der Bürge unserer Errettung in der 
Gegenwart Gottes ist. Wir werden das Bild Christi nicht vollkommen zur Schau tragen, solange der Tag der Herrlichkeit 
61 
nicht gekommen ist. Aber bezüglich unserer Stellung vor Gott 
ist es bereits jetzt wahr, daß „wie der Himmlische, so auch die 
Himmlischen sind". Was nun unsere Seele und unser ewiges 
Leben betrifft, so ist Gott gekommen und hat uns, indem Er 
Christus zu unserem Leben machte und Ihn als unsere Gerechtigkeit und Hoffnung uns schenkte, in diese Stellung bereits 
versetzt. Er hat uns durch den Glauben in sie eingeführt. Die 
Verwirklichung dieser Stellung ist etwas ganz anderes, und 
dabei können unsere Schwächen und Fehler ein großes Hindernis sein. Vielleicht beginnt der Leser sich selbst zu untersuchen 
und findet in sich diesen und jenen Gedanken, der mit Christus 
nicht im Einklang steht. Eine solche Prüfung ist an und für sich 
gut und nützlich, und wir werden immer etwas zu verurteilen 
finden. Wenn wir aber nur auf uns selbst sehen, so ist es sicher, 
daß wir in uns keine Gerechtigkeit vor Gott finden werden und 
daß wir keinen Augenblick vor dem Angesicht Gottes bestehen 
können. Ich muß auf Christus sehen, um zu erkennen, was ich 
vor Gott bin; und von diesem Standpunkt aus kann ich immer 
sagen: „Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen". Das ist meine Stellung in der Gegenwart Gottes. Es 
gibt keinen Vorhang mehr (Mt 1.7, 51). Wir müssen im Licht 
wandeln, wie Er im Licht ist. 
Nun beurteile ich sowohl meine Sünden als auch die in mir 
wohnende Sünde nach dieser Liebe und Gnade. Sobald ich mit 
Paulus sagen kann: „Ich kenne einen Menschen in Christo", 
so beurteile ich alles nach dem, was ich in Christo bin. Paulus 
hatte von sich selbst nichts zu rühmen. Er nannte es eine Torheit, weil er seine Schwächen und Gebrechen kannte. Er sagt: 
„Ich kenne einen Menschen in Christo . . ., über einen solchen 
werde ich mich rühmen; über mich selbst aber werde ich mich 
nicht rühmen, es sei denn meiner Schwachheiten" (2. Kor 12). 
Hier finde ich meine wahre Stellung. Obwohl ich in mir selbst 
ein armes, schwaches Geschöpf bin, hat Gott mir in Christo 
einen Platz angewiesen; und danach muß jetzt alles, was meine 
Seele betrifft, beurteilt werden. „Wer da sagt, daß er in ihm 
bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt 
hat" (1. Joh 2, 6). Es mag sein, daß ich diese Höhe nicht erreiche, aber doch ist es der einzige Maßstab. Paulus sagt: „Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf daß die Kraft des Christus über mir 
62 
wohne". Paulus blieb nicht immer im dritten Himmel, so wie 
wir auch nicht stets die gesegneten Früchte unserer Stellung genießen. Aber es bleibt für immer wahr, daß Christus, in dem 
wir sind, im Himmel ist. Er ist nicht persönlich hier auf der 
Erde, Er ist in der Gegenwart Gottes, und dort sind wir in 
Ihm. Und es mag sein, daß wir nicht immer unsere Stellung in 
Christus verwirklichen; aber es ist unser Glück, daß Christus 
immer Derselbe bleibt in dieser Gegenwart, und Er wohnt in 
mir. Hier finde ich die vollkommene Lebensregel, die ich brauche. Die Kraft Christi wohnt in mir, selbst während ich auf der 
Erde bin. Und da auch Christus hier auf der Erde gewandelt 
hat, haben wir in Seinem Wandel einen vollkommenen Maßstab von dem, was einem himmlischen Menschen geziemt. In 
Ihm finden wir den vollkommenen Ausdruck der Liebe, der 
Gnade und der Heiligkeit, die für das Haus des Vaters passend 
sind. 
Ich muß für meine Seele die Gewißheit haben, daß in Christus 
mein Platz vor Gott ist, um wie Christus zu wandeln und Ihm 
nachfolgen zu können. „Ich heilige mich selbst für sie, auf daß 
auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit". Er ist im Himmel für 
Gott als unser Vorbild abgesondert. Ich sehe in Ihm die Richtschnur meines Wandeins. Ich werde in der Liebe wandeln, weil 
Christus uns geliebt und Sich Selbst für uns hingegeben hat. 
Ich lese: „So seid nun Nachahmer Gottes als geliebte Kinder"! 
Und wiederum: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer 
himmlischer Vater vollkommen ist". Der Herr stellt die Güte 
Gottes selbst Seinen Feinden gegenüber vor unsere Augen als 
etwas, das sie nachahmen sollen. Aber die Quellen in dieser 
Lebensregel ist der Platz oder die Stellung, in der ich mich 
schon in Christus befinde. 
Seitdem der Mensch gefallen und durch die Sünde in seinem 
Urteil verblendet ist, denkt er stets an seine Pflichten als an 
ein Mittel, wodurch er sich das ewige Leben zu verdienen hofft. 
Viele meinen sogar, daß wenn die Ungewißheit, die die Verantwortung, das Leben zu erlangen, stets begleitet, nicht mehr 
vorhanden sei, Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit die unausbleiblichen Folgen sein würden. Aber stellen wir uns ein Kindesverhältnis vor. Hört das Kind eines Vaters unter Umständen auf, sein Kind zu sein? Keineswegs. Aber wird dies die 
Verantwortung des Kindes wegnehmen? Durchaus nicht. Im 
63 
Gegenteil bildet das Verhältnis, worin das Kind steht, seine 
Verantwortlichkeit. Es würde dem Vater nicht gehorchen und 
nicht mit Ehrerbietung begegnen, wenn es nicht das Bewußtsein 
hätte, das Kind dieses Vaters zu sein. Hierin besteht also auch 
unsere wahre Verantwortung vor Gott. Ich muß wandeln in 
einer Weise, die der Stellung, in die Er mich versetzt hat, angemessen ist. Die christliche Verantwortung ist nicht für jemand, 
der ein Christ zu werden hofft, sondern für den, der bereits 
ein Christ ist. Nicht die Unsicherheit bezüglich meiner Stellung 
verleiht mir Kraft, um vor Gott zu wandeln. Im Gegenteil, 
wenn mein Herz voll von Christus ist, wenn ich in Ihm meine 
Stellung völlig gesichert weiß, dann haben die Dinge, die mit 
Ihm im Widerspruch stehen, keinen Reiz für mich. Gerade in 
Seiner Gegenwart werde ich meine Fehler am klarsten erkennen. Aber auf meiner Seite ist dann auch die Kraft Dessen, Der 
mir in Christus einen herrlichen Platz gegeben hat. 
In bezug auf den alten Menschen hat unser Verhältnis zu Gott 
auf dem Kreuz aufgehört zu bestehen. Ein ganz neues Verhältnis hat begonnen, ein höchst gesegnetes Verhältnis in der 
Kraft der Erlösung, durch die wir in Christus einen Platz gefunden haben. Am Kreuz nahm dies neue Verhältnis seinen 
Anfang, denn dort ist meine alte Natur gerichtet und beiseitegesetzt worden. Darum kann der Apostel sagen: „Als wir im 
Fleische waren". Es gibt viele Gläubige, die sagen: „Was sind 
wir anders als Menschen im Fleisch?" Aber der Apostel sagt: 
„Als wir im Fleische waren", und gibt dadurch deutlich zu verstehen, daß wir jetzt nicht mehr im Fleische sind. Dies war 
unser Zustand im ersten Adam. Aber jetzt befinden wir uns 
in dem letzten Adam — in Christo. Das uns zur Nachfolge dargestellte Vorbild hat uns, sobald wir erkennen, daß wir vor 
Gott nicht mehr im Fleisch, sondern in Christo sind, zugleich 
die Kraft zur Nachfolge dargereicht. Wir befinden uns in diesem gesegneten Verhältnis in dem Licht in Christo nach der 
Vollkommenheit der Gnade Gottes, die uns dort hineingebracht 
hat. Wir müssen stets im Genuß des vollen Friedens mit Gott 
auftreten können, um der Welt zu sagen: Das, worüber wir 
sprechen, ist eine vollkommene Erlösung, die wir wirklich besitzen. Ich habe Gott gefunden und verkündige euch ein Heil, 
das aufgrund der erlösenden Macht Gottes in meinem Besitz 
ist. 
64 
Allein auf den unruhigen Gewässern 
Wie reich ist die Heilige Schrift an Bildern, die uns die Fürsorge und treue Wachsamkeit des von der Welt verworfenen 
Herrn über Sein Volk vor Augen stellen! (Siehe Mt 14, 22—36; 
Mk 6; Joh 6). „Und alsbald nötigte er die Jünger, in das Schiff 
zu steigen und ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren, bis 
er die Volksmenge entlassen habe". — Das Schiff segelte hinaus in die dunkle, stürmische Nacht; und nach menschlichem 
Ermessen waren die Jünger inmitten tobender Wellen allein 
gelassen. „Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und 
litt Not von den Wellen, denn der Wind war ihnen entgegen". 
Jesus war nicht in dem Schiff bei ihnen — kein tröstender Herr, 
um ihre ängstlichen Gemüter zu beruhigen oder ihre ermatteten Herzen aufzurichten. „Und es war schon finster geworden, 
und Jesus war noch nicht zu ihnen gekommen". — Wäre die 
Nacht klar und ruhig gewesen, so würden sie auf demselben 
Wege Seine Abwesenheit nicht so sehr verspürt haben. Der 
unruhige See, der stürmische Wind, die Dunkelheit der Nacht, 
die Schwierigkeit des Ruderns, die Abwesenheit des Herrn — 
alles dies machte sie bestürzt und ängstlich. Kein Wunder, daß 
allmählich in ihren Herzen der Gedanke aufkam, daß nicht nur 
ihr Herr und Meister sie verlassen, sondern auch daß die Wut 
der Elemente sich gegen sie verschworen habe. 
Aber wo ist der Herr während dieser ganzen Zeit und wohin 
ist Er gegangen? Hat Er aufgehört, für Seine Jünger zu sorgen, 
oder weiß Er nichts von ihrer Gefahr und von ihrem Jammer? 
Im Gegenteil. Er ist zum Ort der Macht gegangen. Diese Macht 
verwertet Er zu ihren Gunsten. Von jenem Berge herab, den Er 
Sich zu Seiner Gebetsstätte auserkoren hat, folgt ihnen Sein 
allsehendes Auge ohne Unterlaß. Keine Welle berührt das 
Schiff, ohne von Seiner Hand gemessen zu sein, kein einziger 
Windhauch, den Er nicht aus Seinen Kammern gesandt hat. 
Wir dürfen kühn sagen, daß Er sowohl das Schiff als auch den 
Wind und die Wellen lenkt. Seine Hand erfaßt alles — Er 
herrscht über alles. Nie ist Er Seinem Volk näher und nie sind 
die Seinigen Ihm teurer, als wenn sie anscheinend allein durch 
Sturm und Unwetter pilgern müssen. 
65 
Diese ganze Szene ist ein lebendiges Bild voll reicher Belehrung 
und süßen Trostes, ein Bild dessen, was gegenwärtig stattfindet. Persönlich waren natürlich der Herr und die Seinigen 
getrennt; aber im Geiste und in Macht war Er bei ihnen gegenwärtig. Zur Prüfung ihres Glaubens erlaubte Er dem Sturm, 
sich während Seiner Abwesenheit zu erheben. Wer fände das 
Rudern gegen einen starken Wind nicht schwierig? Aber so ist 
es mit dem Volk Gottes in der gegenwärtigen Zeit. Die Welt 
hat den Herrn gekreuzigt, und die Jünger durchfahren allein 
den unruhigen wogenden See. Die Kirche gleicht einer Witwe 
oder einer Verlassenen, die die Erinnerung an den Tod ihres 
Herrn und ihre Einsmachung mit ihm nach dem Willen des 
Herrn aufrechterhält, bis Er kommt. Solange sie hier weilt, 
wird sie stets das Bild der Verwerfung ihres Herrn an ihrer 
Stirn tragen. 
Aber kehren wir jetzt zu der wunderbaren Szene zurück. Am 
Ende jenes denkwürdigen Tages, den der Herr in der Wüste 
zugebracht hatte, war die alte Prophezeiung: „Seine Speise 
will ich reichlich segnen, seine Armen mit Brot sättigen" Ps 132, 
15), in Erfüllung gegangen. Tausende von Menschen aus dem 
Volk waren auf wunderbare Weise gespeist worden, und wie 
wir in Joh 6 lesen, will man Ihn mit Gewalt zum König machen. 
Aber als Jesus dies bemerkte, „entwich er wieder auf den 
Berg, er selbst allein". Die Stunde war noch nicht gekommen, 
in der die Krone Davids das Haupt Seines Sohnes und Herrn 
schmücken sollte. Das Volk befand sich im Unglauben; und 
Er wollte nicht zum König gemacht werden, um ihre weltlichen Wünsche zu befriedigen. Er entwich aus ihrer Mitte und 
ging auf einen Berg allein, um zu beten. Er weigerte Sich, die 
Krone aus der Hand des Menschen anzunehmen. Aber Er 
nimmt den Platz als Priester vor Gott ein. Gesegnete Frucht 
Seiner Verwerfung! 
Aber hier, meine Seele, beachte die Hand des Herrn, die uns 
dieses kostbare Bild vor Augen stellt! Bevor Er auf die Höhe 
steigt, entläßt Er die Volksmenge oder die ungläubige Nation. 
Dann sammelt Er Seine Jünger oder den gläubigen Überrest 
in einem Schiff und läßt es dann, während ein heftiger Orkan 
den See aufzuwühlen beginnt, abfahren, ohne selbst miteinzusteigen. Er Selbst steigt auf den Berg — und warum? —, um 
66 
Fürbitte für sie einzulegen. Wir lesen: „Und als er sie verabschiedet hatte, ging er hin auf den Berg, um zu beten. Und als 
es Abend geworden war, war das Schiff mitten auf dem See, 
und er allein auf dem Lande". — Während der langen dunklen 
Nacht Seiner Abwesenheit folgt Sein nie ruhendes Auge voll 
Liebe und Güte den Jüngern auf allen Wegen durch die Tiefe, 
wie sehr sie auch hin und her geschleudert werden und den 
äußersten Gefahren preisgegeben sind. O, teurer Herr, welch 
eine Nacht war das für Dich! Gewiß hat Dein Auge den ganzen 
Zeitraum der folgenden 18 Jahrhunderte durchschaut und all 
die Gefahren und Versuchungen gesehen, die das Teil der Deinigen sein sollten. Wieviele Stürme haben Deine Geliebten 
während der langen finsteren Nacht Deiner Abwesenheit zu 
bestehen gehabt! Wievielen Strömungen mußten sie in diesem 
bösen Zeitalter begegnen, wieviele Kämpfe und Leiden durchmachen! Doch die angebrochene Morgendämmerung bringt Erleichterung. Diese traurige finstere Nacht mit ihren Mühen und 
Plagen wird bald vorüber sein. „Siehe, ich komme bald \" Das 
sind die Worte unseres geliebten Herrn, und der Geist spricht, 
als ob wir zwischen uns und dem Kommen des Herrn nur 
noch Augenblicke zu zählen hätten. 
„Aber in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, wandelnd 
auf dem See. Und als die Jünger ihn auf dem See wandeln 
sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein 
Gespenst! Und sie schrieen vor Furcht. Alsbald aber redete 
Jesus zu ihnen und sprach: Seid gutes Mutes, ich bin's; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, 
wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem 
Gewässer. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem 
Schiff und wandelte auf dem Gewässer, um zu Jesu zu kommen. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und 
als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich! 
Alsbald aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und 
spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum zweifeltest du? Und als 
sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind. Die 
aber in dem Schiffe waren, kamen und huldigten ihm und 
sprachen: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!" 
Petrus mag hier die Kirche vorstellen. Er verläßt den Platz des 
jüdischen Überrestes und geht im Glauben dem Herrn ent67 
gegen, und zwar ohne Hilfe der Natur. Aber er fällt, wie die 
Kirche gefallen ist; er fällt, weil er nicht festhält an Christus 
und Seinem Wort. Er blickt auf die Wogen, d. h. auf die Umstände, anstatt auf den Herrn zu blicken. Solange sein Auge 
auf Christus gerichtet blieb, ahmte er Ihn nach und wandelte 
wie Er auf dem See. Aber sobald sich sein Auge von Christus 
ab und auf die Wogen wandte, begann er zu sinken. Der Glaube kann ruhig und sicher über wild tosende Wasser gehen, 
wenn nur das Auge auf Jesus gerichtet bleibt. Der Herr hatte 
zu Petrus gesagt: Komm! — und das war genug. Er, Der die 
Elemente geschaffen hatte, konnte den See zum Weg für Seinen 
Diener machen. Wenn wir Christus und Sein Wort in unseren 
Seelen festhalten, können wir auf dem stürmischen See des 
Lebens so sicher wandeln wie auf stillen Wassern, ja sogar wie 
auf ebenen Pfaden. 
Zwar ist der gnädige Herr bereit, auf den Schrei des Kleinglaubens ebenso wie auf die Stimme des Glaubens zu antworten. Aber im ersten Falle ist die ehrenvolle Anerkennung, die 
den Pfad des Glaubens krönt, verloren. „Alsbald aber streckte 
Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum zweifeltest du? Und als sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind." Der Herr, begleitet von 
Petrus, vereinigte sich mit den Jüngern im Schiff; und augenblicklich legten sich die brausenden Wogen. Wenn der Herr mit 
Seiner himmlischen Braut — der Kirche — zu Israel zurückkehren wird, so werden alle Widerwärtigkeiten und alle Versuchungen dieses Volkes ein Ende nehmen. Er wird dann anerkannt und angebetet werden als der wahre Messias, der König 
Israels, der Sohn Gottes. „Die aber in dem Schiffe waren, 
kamen und huldigten ihm und sprachen: Wahrhaftig, du bist 
Gottes Sohn!" 
Doch der Segen ergießt sich dann über die ganze Erde. „Und 
als sie hinübergefahren waren, kamen sie in das Land Genezareth. Und als ihn die Männer jenes Ortes erkannten, schickten sie in jene ganze Umgegend und brachten alle Leidenden zu 
ihm; und sie baten ihn, daß sie nur die Quaste seines Kleides 
anrühren dürften: und soviele ihn anrührten, wurden völlig 
geheilt". Hier haben wir eine glänzende Szene des Tausendjährigen Reiches. Der Herr wird freudig empfangen. Die Stätte 
68 
Seiner früheren Erniedrigung und Verwerfung ist jetzt der 
Schauplatz Seiner Macht und Seines Ruhmes. Er ist dann herabgestiegen von dem Platz Seiner Fürbitte. Sein altes Volk, das 
in tiefen Wassern war, bringt Er an die friedliche Küste. In der 
Welt, die mit den Werken Satans erfüllt ist, übt Er Seine 
Macht aus in Heiligung und Segen. Er kommt einer elenden 
seufzenden Schöpfung zu Hilfe. Die Verführung der Schlange 
schwindet, und Freude und Glückseligkeit, Gesundheit und 
Schönheit füllen alle Länder. O, Herr, beschleunige in deiner 
Zeit diesen verheißenen, kommenden, glückseligen Tag! 
In der Zwischenzeit aber mögen alle, die jetzt noch durch tiefe 
Wasser und wogende Wellen ihr Schifflein lenken, ihre Seelen 
in Geduld und Ausharren bewahren. Wir kennen den Herrn 
ja besser, als Seine alten Jünger Ihn kannten. Seine Liebe ist 
völlig geoffenbart worden. Wir kennen Seine unaufhörliche Fürbitte, die Er für uns zur Rechten Gottes im Himmel einlegt. 
Mag die Nacht auch finster und stürmisch sein, mögen die 
Winde wehen und die Wogen hochgehen, mögen die Wolken 
der Umstände auch einen düsteren Schatten auf die Gegenwart 
werfen, so ruft uns die Heilige Schrift doch stets das Trostwort 
zu: „Die Nacht ist weit vorgerückt; der Tag ist nahe"; und 
wiederum: „Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen". — Das sturmumtobte Schiff wird bald den Hafen ewiger Ruhe erreichen und 
mit Jubel empfangen werden von allen, die schon früher dort 
sicher gelandet sind. 
Möchten unsere Hände bis dahin kräftig die Ruder umfassen 
und möchten unsere Herzen auf Dich, unseren Herrn, vertrauen, während wir mit Wachsamkeit warten auf den ersten 
Strahl des Morgensterns. 
Die Reise durch die Wüste 
(5. Mose 8) 
Die Geschichte Israels von seinem Auszug aus Ägypten bis zu 
seiner Ankunft in Kanaan ist ein Bild des Zustandes der Gläubigen in Christus und ihrer Stellung in dieser Welt. Israel war 
69 
in jener Schreckensnacht durch das an die Türpfosten gestrichene Blut von der Tötung seiner Erstgeburt errettet worden. 
Während alle Erstgeborenen der Ägypter starben/
 ging überall, wo Gott das Blut sah, der Würgeengel vorüber. Geschützt 
durch das Blut konnte man das Passah feiern. Danach verließen 
die Israeliten Ägypten. Ebenso ist der Gläubige durch das Blut 
Christi, des Lammes Gottes, in vollkommener Sicherheit. Alle 
seine Sünden sind für ewig ausgetilgt; und er hat Ägypten, die 
Welt, verlassen. Gott sieht das Blut Christi, und darum ist der 
Gläubige sicher. Ebenso sicher, wie der durch das Blut sichergestellte Israelit in seiner Wohnung das Passah feiern konnte, 
können auch wir im Vertrauen auf das Blut Christi frohlocken 
und uns freuen. Die Frage ist nicht, ob wir, sondern ob Goff 
befriedigt ist. Und Er ist es durch das Blut Christi. 
Auf der Reise gab es bald eine neue Schwierigkeit. Gott führte 
die Kinder Israel ans Rote Meer; und Pharao jagte hinter ihnen 
her. Sie standen zwischen den Fluten des Roten Meeres und 
dem feindlichen Lager. Vor und hinter ihnen lauerte der Tod. 
Hier drohte das Meer, sie zu verschlingen, dort Pharao, sie zu 
vernichten. Was sollten sie beginnen? Gott bahnte ihnen einen 
Weg durch das Rote Meer. Trockenen Fußes gingen sie hindurch, während Pharao mit seinem Heer im Meer den Tod 
fand. Am jenseitigen Ufer waren sie nicht nur von den Ägyptern getrennt, sondern auch von der Macht Pharaos befreit. Sie 
befanden sich in einem neuen Zustand. Ebenso ist es mit uns. 
Wir haben nicht nur, von unseren Sünden gereinigt, die Welt 
verlassen, sondern wir sind auch der Macht Satans entrückt 
und in einen ganz neuen Zustand versetzt, und zwar durch den 
Tod und die Auferstehung Christi. Am Kreuz hat Christus die 
Fürstentümer und Gewalten ausgezogen und einen Triumph 
über sie gehalten. Wir 9ind mit Christus gestorben und auferstanden. Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden. Am Kreuz ist unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt, 
und als eine neue Schöpfung haben wir mit Christus das Grab 
verlassen. Wir sind also vor Gott eine neue Schöpfung, über 
die der Teufel keine Macht mehr hat. Wie die Israeliten am 
jenseitigen Ufer des Roten Meeres, können auch wir den Lobgesang unserer Befreiung anstimmen. Alle Unruhe der Christen hat ihren Grund darin, daß sie sich durch die Wasser des 
Roten Meeres nicht vom Teufel und der Sünde geschieden 
70 
sehen, daß sie mit anderen Worten im Tod und der Auferstehung Christi nicht ihre Befreiung vom ewigen Gericht und von 
der Macht Satans und der Sünde sehen. Nach ihren Gedanken 
und nach ihrem Gefühl befinden sie sich noch immer zwischen 
dem Roten Meer und Ägypten. Dabei kann das Herz unmöglich glücklich sein. Wenn du, mein Leser, noch in diesem Zustand bist, so laß dich durch die Wahrheit frei machen. Gehe 
noch einen Schritt weiter und glaube, daß du mit Christus gestorben und auferstanden bist und daß du in Ihm als eine neue 
Schöpfung vor Gott stehst. Der Weg durch das Rote Meer ist 
gebahnt; du kannst trockenen Fußes hindurchgehen. Christus 
ist dieser Weg; alle Feinde sind hinter uns. 
Nach dem Roten Meer folgte für die nach Kanaan reisenden 
Israeliten die Wüste. So sind auch wir, die Erlösten in Christus, 
in der Wüste der Welt auf der Reise nach dem himmlischen 
Kanaan. Früher war die Welt mit ihren Vergnügungen und 
Genüssen unsere Heimat. Nun ist diese Welt eine Wüste für 
uns. Wir sind nicht von der Welt. Sie bietet nichts, was unser 
Herz befriedigen oder glücklich machen könnte. Sie hat nur 
Mühsal und Leiden, Gefahren und Sünde für uns. Unser Herz 
sehnt sich nach dem Lande himmlischer Ruhe. Freilich zeigen 
leider viele Christen eine weltliche Gesinung und verraten 
dadurch, wie wenig sie ihre Stellung kennen und genießen. Für 
den geistlichen Christen aber ist die Welt eine Wüste, wie sie 
es für den Herrn Jesus war. 
In 5. Mose 8 finden wir die Kinder Israel am Ende ihrer 40-
jährigen Reise durch die Wüste. Sie sind im Begriff, das verheißene Land zu betreten. Ebenso verhält es sich mit uns. Wie? 
stehen wir denn auf dem Punkt, in den Himmel zu gehen? 
Könnte es denn nicht der Fall sein, daß wir noch etliche Jahre 
hier auf der Erde bleiben müßten? — Ja, freilich, und dennoch 
haben wir kein Recht, einen Raum zuzulassen zwischen dem 
gegenwärtigen Augenblick und der Ankunft Christi, um uns 
aufzunehmen. „Siehe, ich komme bald", hat der Herr gesagt. 
Nichts steht Seinem Kommen zur Aufnahme Seiner Kirche im 
Wege. Alle prophetischen Ankündigungen mit Bezug auf die 
letzten Tage werden nach dieser Aufnahme ihre Erfüllung finden. Wir haben weder die Rückkehr Israels in ihr Land, noch 
die Wiederherstellung des römischen Reiches, noch die mit 
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diesen Ereignissen verbundenen Gerichte zu erwarten, sondern 
wir erwarten die Ankunft Jesu zur Heimholung der Seinigen. 
Für Paulus gab es keinen Raum zwischen dem Augenblick, in 
dem er lebte, und der Ankunft des Herrn. Er hoffte, unter der 
Zahl derer zu sein, die bis zu dieser herrlichen Ankunft übrig 
blieben. Von Tag zu Tag erwartete er diese Erscheinung. In der 
Tat ist die Ankunft des Herrn die einzige Hoffnung und Erwartung des Christen. Er kann ebenso gut heute wie morgen 
kommen. Kein Zwischenraum darf gestattet werden. Darum 
stehen wir jeden Tag im Begriff, in den Himmel zu gehen. Wie 
glücklich ist unser Herz selbst inmitten der Schwierigkeiten 
dieser Wüste, wenn das Auge auf die herannahende Herrlichkeit gerichtet ist! Noch wenige Augenblicke, und wir schütteln 
den Staub von unseren Füßen, um für immer bei Jesus von 
allen Kämpfen auszuruhen. 
Als sie an der Grenze Kanaans, des Landes der irdischen Ruhe, 
angekommen waren, forderte Gott durch den Mund Moses das 
Volk auf, zurückzuschauen auf die Reise durch die Wüste und 
an alles das zu denken, was geschehen war. Ebenso werden 
auch wir, wenn wir an der Grenze des himmlischen Kanaans 
stehen, aufgefordert, unseren Blick auf die zurückgelegte Reise 
durch die Wüste der Welt zu richten. Der Herr sagte: „Und du 
sollst gedenken des ganzen Weges, den Jehova, dein Gott, 
dich hat wandern lassen .. . in der großen und schrecklichen 
Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpionen sind und Dürre, 
wo kein Wasser ist''. Aber der Herr war ihr Führer und Begleiter. Auch unsere Wüste ist groß und furchtbar. Hier gibt 
es nicht nur Schlangen, Skorpionen und dürre Sandflächen, 
sondern Satan selbst mit seinem ganzen Heer ist da (Eph 6). 
Kein Labsal für die Seele ist zu finden. Aber getrost, der Herr, 
unser Gott, ist unser Führer und Leiter. Und dieser Gott — 
das konnte Israel nicht sagen — ist unser Vater. Ja, in Christus 
ist Gott unser Vater. Welch ein Trost für unser Herz! Und mit 
welcher väterlichen Liebe und Treue hat Er uns durch alle Schwierigkeiten bisher hindurchgeholfen! Dieser unser Gott und Vater 
aber wird uns sicher auch weiterhin nicht verlassen noch versäumen. Wir dürfen stets auf Seine gnadenreiche Führung 
rechnen. Mag die Wüste auch groß und furchtbar sein, Gott 
ist doch größer. Mag auch der Feind mit seinem ganzen Heer 
uns umgeben, Gott hat doch alles in Seiner Macht. Mag es auch 
71 
an Entbehrungen nicht fehlen, Gott läßt uns doch keinen Mangel leiden. 
Doch der Herr hat uns noch mehr zu sagen. Warum läßt Er uns 
in der Wüste? Warum nimmt Er uns nicht gleich nach unserer 
Bekehrung in den Himmel? — Aus demselben Grunde, aus dem 
Er auch die Israeliten 40 Jahre lang in der Wüste ließ. „Und 
du sollst gedenken des ganzen Weges, den Jehova, dein Gott, 
dich hat wandern lassen diese 40 Jahre in der Wüste, um dich 
zu demütigen, um dich zu versuchen, um zu erkennen, was in 
deinem Herzen ist, ob du seine Gebote beobachten würdest 
oder nicht". Das ist also die Ursache, um deretwillen Er uns in 
der Wüste läßt. Freilich gibt es noch einen anderen Grund. Wir 
sind in der Wüste, um die Zeugen Jesu zu sein. Jesus sagt 
bezüglich Seiner Jünger zu Seinem Vater: „Gleichwie du mich 
in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt" 
(Joh 17). Doch davon ist hier nicht die Rede. Unser Bleiben in 
der Wüste hier hat den Zweck, daß Gott uns demütigt und das 
Innere unserer Herzen prüft. Diese beiden Dinge sind eng miteinander verbünden. Der Herr will uns demütigen und zugleich 
ans Licht bringen, was in unseren Herzen ist. Das erste geschieht durch das letzte. Durch die Offenbarung dessen, was 
in unseren Herzen ist, werden wir gedemütigt. Welch eine hohe 
Meinung haben wir oft von uns! Wie fühlt sich besonders der 
noch kurz Bekehrte oft so stark gegenüber der Sünde und der 
Welt! Doch bald kommen Schwierigkeiten und Versuchungen 
aller Art; und wieviel Schwachheiten, die man für unmöglich 
hielt, offenbaren sich dann oft! Das ist demütigend. Wie oft 
entdeckt man bei anderen traurige Dinge, die zu tun man sich 
selbst kaum für fähig hält! Später entdecken wir dann dasselbe 
bei uns. Ja, das beugt uns nieder. Aber das ist es, was Gott 
will. Er will nicht, daß wir sündigen, denn Er hat uns freigemacht von der Macht der Sünde. Aber Er will uns demütigen 
und klein machen in unseren Augen und das Gefühl in uns 
wecken, daß wir nichts sind und nichts vermögen. Ist dieses 
Gefühl vorhanden, dann vertrauen wir nicht mehr auf unsere 
eigene Kraft, sondern nehmen zu Ihm, ohne den wir nichts 
vermögen, unsere Zuflucht. Dann geben wir bei all unserem 
Tun Ihm die Ehre. Dann sagen wir mit Paulus: „Wenn ich 
schwach bin, dann bin ich stark!" Und: „Alles vermag ich durch 
den, der mich kräftigt". 
73 
Die Umstände, durch welche Gott uns gehen läßt, machen stets 
offenbar, was in unseren Herzen ist. Als es den Israeliten an 
Wasser fehlte, murrten sie; als ihnen Speise fehlte, erhoben 
sie sich gegen Mose; als ihnen an der Grenze Kanaans die 
Kunde von den Riesen und den mächtigen Städten zu Ohren 
kam, wollten sie nicht hineingehen; und so offenbarten sie bei 
jeder Schwierigkeit auf ihrem Weg, was in ihren Herzen war. 
Ebenso ist es bei uns. Die Umstände offenbaren, wie unser 
Herz zu Gott steht, ob wir Ihm vertrauen oder nicht. Und nicht 
allein die bösen, sondern auch die guten Tage stellen den Zustand des Herzens ans Licht. Als das Brot fehlte, murrten die 
Kinder Israel. Als der Herr eine große Menge Wachteln sandte, 
zeigten sie eine Gier, die den Tod zufolge hatte. Darum sagt 
Paulus nicht nur: „Ich habe gelernt, Hunger zu leiden", sondern auch: „Ich habe gelernt, Überfluß zu haben". — Wir 
müssen in allem unterwiesen werden. Wir können aus uns 
selbst weder das eine noch das andere. In den Tagen des Mangels können wir murren und uns gegen Gott empören, und in 
den Tagen des Überflusses können wir verschwenderisch leben 
und Gott vergessen. Darum will der Herr uns unterweisen; 
und Er benutzt daher alle Umstände, um uns den Zustand 
unserer Herzen aufzudecken. Möchten wir doch aufmerksame 
Schüler sein! Im Gefühl unserer Abhängigkeit werden wir in 
Seiner Kraft wandeln und in allen Lagen auf Ihn vertrauen. 
Wie gesegnet kann also unser Leben in der Wüste sein! Der 
Herr will uns unterweisen, um uns Seiner Heiligkeit teilhaftig 
zu machen. Er benutzt dazu die Verfolgungen der Menschen 
und die Versuchungen des Teufels. Nehmen wir doch alles aus 
Seiner Hand an! Kein Haar fällt von unserem Haupte ohne 
Seinen Willen. Alle Dinge müssen bei denen, die Gott lieben, 
zum Guten mitwirken. Hiob sagte: „Jehova hat gegeben, und 
Jehova hat genommen, der Name Jehovas sei gepriesen!" — 
Und doch war es der Mensch, der ihm alles nahm, und der 
Teufel, der ihn plagte. Welch eine Ruhe für unser Herz! Der 
Herr kennt und liebt uns. Er züchtigt uns zu unserem Nutzen. 
„Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein 
Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, 
die durch sie geübt sind". 
74 
„Er demütigte dich und ließ dich hungern; er speiste dich mit 
dem Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht 
kannten, um dir kundzutun, daß der Mensch nicht von Brot 
allein lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was aus 
dem Munde Jehovas hervorgeht". Wunderbare Worte! Jehova 
speiste das hungernde Volk mit Man, damit es verstand, daß 
der Mensch nicht nur von Brot, sondern von allem lebt, was 
aus dem Munde Jehovas hervorgeht. Konnte Er nicht Korn 
wachsen lassen, um das Volk zu sättigen? Gewiß. Es wäre kein 
größeres Wunder gewesen, als daß Er Brot vom Himmel regnen ließ. Aber Er tat es nicht, damit Israel erfahren sollte, daß 
der Mensch von allem lebt, was aus dem Munde Jehovas hervorgeht. Wenn Er in der Wüste Korn hätte wachsen lassen, 
dann hätten die Pilger es in ihren Zelten aufgespeichert, und 
solange der Vorrat aushielt, wären sie ruhig und zufrieden gewesen. Ihr Vertrauen wäre auf das Korn, und nicht auf den 
Herrn gerichtet gewesen, während sie beim Manna stets ihre 
Abhängigkeit von der Güte Gottes fühlen mußten. Jeden Morgen mußte der Herr aufs neue Seinen Mund öffnen, um Israel 
zu speisen; und Israel mußte jeden Morgen seine Speise holen. 
Nach Sonnenaufgang begann das Manna zu schmelzen; und 
wenn man es bis zu dem folgenden Tag aufbewahren wollte, 
verdarb es. Auf Gott allein mußte daher das Vertrauen gerichtet bleiben. Hörten Seine Gaben auf, dann mußte das Volk 
hungern. Man war abhängig von dem, was täglich aus dem 
Munde Jehovas hervorging. 
Ebenso verhält es sich mit uns. Hier in der Wüste findet sich 
für uns nichts. Die Wüste ist dürre und leer und zeigt keine 
erfrischende Quelle. Unsere Seele kann hier keine Erquickung 
finden. Alles, was wir brauchen, muß von oben kommen. Gott 
allein vermag die Bedürfnisse unserer Seele zu stillen. Und täglich zeigt Er in dieser Beziehung Seine Treue und Sorgfalt. 
Aber Er reicht uns nicht mehr dar, als wir für jeden Tag nötig 
haben. Nie öffnet Er in uns einen Brunnen, aus dem wir schöpfen können. Er Selbst ist die Quelle aller Genüsse und aller 
Kraft. Von Ihm sind wir ganz abhängig. Sein Wort muß unsere 
tägliche Speise sein. Nicht nur müssen wir es täglich lesen, 
sondern es muß auch durch den Heiligen Geist auf unser Herz 
und unser Leben angewandt werden, so daß es wirklich eine 
75 
Speise für uns ist, und wir in allem den wohlgefälligen Willen 
Gottes verstehen lernen. Der Herr Jesus ist auch hierin unser 
Vorbild. Wie wir wissen, hat Er die Worte Moses dem Teufel 
gegenüber angeführt. Als Ihn hungerte und der Teufel Ihn 
versuchte, aus Steinen Brot zu machen, war Seine Antwort: „Es 
steht geschrieben- Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, 
sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht". — Es wäre sicher leicht für den Herrn gewesen, aus 
Steinen Brot zu machen. Aber Er hatte kein Gebot von Gott, 
dieses zu tun; und darum wollte Er lieber von jedem aus dem 
Mund Gottes ausgehenden Wort leben, als Seine leiblichen Bedürfnisse in eigenmächtiger Weise zu stillen. Welch eine ernste 
Lehre für uns! Wie gesegnet, wenn wir alles von Gott erwarten 
und keinen Schritt tun, ohne zu wissen, daß unser Tun mit 
Seinem Willen in Einklang steht. Alles muß für uns von oben 
kommen. Die Wüste bietet uns nichts. Wir müssen jeden Tag 
leben von dem, was aus dem Munde Gottes ausgeht. Laßt uns 
daher täglich das himmlische Manna suchen! Es ist stets in 
reicher Fülle vorhanden. Wir können so viel bekommen, daß 
wir selbst noch für andere etwas übrig haben. Der Herr stillt 
reichlich alle unsere Bedürfnisse, wenn wir nur kommen, um 
zu nehmen. 
Dies hat Israel in der Wüste in vollkommener Weise erfahren. 
Was konnte Mose am Ende ihrer 40 jährigen Reise zu ihnen 
sagen? „Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist 
nicht geschwollen diese 40 Jahre." — 40 Jahre lang waren sie 
der sengenden Hitze der Wüste bloßgestellt gewesen. Dennoch 
waren ihre Kleider nicht veraltet. Mit denselben Kleidern, mit 
denen sie Ägypten verlassen hatten, sollten sie in Kanaan einziehen. 40 Jahre hindurch hatten ihre Füße den heißen Sand 
der Wüste durchschritten, und dennoch waren sie nicht geschwollen. Welch eine Macht und welch eine Fürsorge Gottes! 
Viel Mühsalen waren sie auf ihrem Wege begegnet. Feurige 
Schlangen und Skorpione hatten die Pilger geplagt. Allerlei 
Versuchungen und Prüfungen waren über sie gekommen. Aber 
nie hatte Gott sie verlassen. Er hatte sie so herrlich geleitet, daß 
sie nach einer 40 jährigen Reise durch die große und schreckliche Wüste unversehrt an den Grenzen des verheißenen Landes standen und bekennen mußten: „Uns hat nichts gefehlt!" 
76 
— Wie herrlich ist es, geliebte Brüder! Ja, der Herr führt uns in 
mancherlei Mühsale und Versuchungen, um uns zu demütigen 
und ans Licht zu stellen, was in uns ist. Aber Er verläßt uns 
nie. Er läßt Leiden, Krankheiten und andere Prüfungen über 
uns kommen, damit wir Seine Gnade besser kennenlernen, aber 
nie ermüdet Er in Seiner Sorge für uns. Sein Auge wendet Sich 
nie von dem Gerechten ab. Inmitten unserer Mühsale sorgt Er 
für uns und segnet uns. Welch ein Trost! Wenn wir Leiden zu 
erdulden haben, dann denken wir oft, der Herr habe uns vergessen. Aber das ist ein verwerflicher Gedanke. Machen wir 
doch einen Augenblick halt und schauen wir auf den Weg zurück, auf dem uns der Herr, unser Gott, durch die Wüste der 
Welt geleitet hat! Haben wir je Mangel gehabt? O, nein. Im 
Gegenteil werden wir sagen müssen: Der Herr hat alles wohl 
gemacht. Und wenn wir noch länger auf dieser Erde bleiben 
müssen und nach einiger Zeit noch einmal den Blick auf den 
Weg, der hinter uns liegt, zurückwerfen, dann werden wir dasselbe bezeugen müssen. Der Herr bleibt stets und unverändert 
Derselbe. Darum laßt uns mit dem Mut des Glaubens unseren 
Weg fortsetzen, indem wir unverwandt das Auge auf die kommende Ruhe in der ewigen Herrlichkeit gerichtet halten. Bald 
werden wir bei Jesus sein. Zu den Kindern Israel sagte Mose: 
„Denn Jehova, dein Gott, bringt dich in ein gutes Land, ein 
Land von Wasserbächen, Quellen und Gewässern, die in der 
Niederung und im Gebirge entspringen; ein Land von Weizen 
und Gerste und Weinstöcken und Feigenbäumen und Granatbäumen; ein Land von ölreichen Olivenbäumen und Honig; ein 
Land, in welchem du nicht in Dürftigkeit Brot essen wirst, in 
welchem es dir an nichts mangeln wird; ein Land, dessen Steine 
Eisen sind, und aus dessen Bergen du Erz hauen wirst". Aber 
was ist dieses alles im Vergleich mit der Herrlichkeit, die unser 
Teil sein wird? Kein irdischer Genuß, kein irdischer Glanz, sondern ein himmlischer Genuß, eine himmlische Herrlichkeit warten auf uns. Das Haus des Vaters wird unsere Wohnung sein. 
Für immer werden wir bei Jesus sein. Seine Herrlichkeit wird 
die unsrige sein. In Seiner Liebe werden wir uns vollkommen 
und für ewig ergötzen. Die Herrlichkeit Kanaans hatte ihre 
Grenzen; die unsrige wird unendlich, grenzenlos sein. Vorwärts, geliebte Brüder! Wie mühevoll der Weg auch sein mag, 
und wie viele Versuchungen und Gefahren uns auch umringen 
77 
mögen, wir werden bald in das himmlische Kanaan eingehen. 
Die Reise ist bald zu Ende. Noch wenige Augenblicke,, und wir 
stehen am Ziele und werden von allem Leid und Kampf für 
immer erlöst sein. 
Ermüdend ist die Wüste, 
doch land' ich bald an jener Himmelsküste, 
wo Jesus wohnt, wo meine Heimat ist. 
Ja, der Herr ist nahe. Auch uns ruft Er zu: „Siehe, ich komme 
bald!" — O, welch ein seliger Augenblick wird es sein, wenn 
wir Ihm gleich sein und Ihn sehen werden, wie Er ist. Ja, 
Herr Jesus, unser Herz verlangt nach diesem Augenblick. Schon 
schauen wir die Küste von ferne, wo unser Schiff landen wird. 
Amen. Ja, komm, Herr Jesus! 
Die Wiederherstellung 
(Johannes 21, 1—10) 
Eine sorgfältige Betrachtung dieser Verse kann uns zeigen, daß 
darin von drei verschiedenen Wiederherstellungsarten die Rede 
ist, nämlich von einer Wiederherstellung des Gewissens, von 
einer Wiederherstellung des Herzens und einer Wiederherstellung der Stellung. 
1. Die Wiederherstellung des Gewissens ist von höchster Wichtigkeit. Der Wert eines guten, reinen und fleckenlosen Gewissens kann gar nicht genug geschätzt werden. Ein Christ kann 
nicht weiterkommen, solange noch ein einziger Flecken auf seinem Gewissen haftet. Er muß vor Gott mit einem reinen Gewissen wandeln — mit einem Gewissen ohne Flecken und Runzeln. Welch ein kostbarer Schatz! Möge der Leser sich stets 
dessen erfreuen! 
Es ist völlig einleuchtend, daß Petrus in der rührenden Szene 
am See Tiberias ein solch gutes Gewissen besaß. Und dennoch 
war er kurze Zeit vorher in eine schreckliche, schändliche Sünde gefallen. Er hatte seinen Herrn mit einem Eide verleugnet. 
Aber er war wiederhergestellt. Ein Blick von Seiten Jesu hatte 
78 
die tiefen Quellen Seines Herzens aufgebrochen und seinen 
Augen eine Flut von Tränen entlockt. Und dennoch waren es 
nicht die Tränen, sondern die Liebe, die diese Tränen hervorlockte, die den Grund zur gänzlichen Wiederherstellung seines 
Gewissens bildete. Es war die unwandelbare, unendliche Liebe 
des Herzens Jesu, sowie die göttliche Kraft des Blutes Jesu und 
die allesvermögende Macht Seiner Fürbitte, die dem Gewissen 
des gefallenen Jüngers die Kühnheit und Freimütigkeit verlieh, 
die uns in der vorliegenden, denkwürdigen Geschichte so schön 
vor Augen gestellt wird. 
Hier in dem letzten Kapitel des Evangeliums nach Johannes 
sehen wir den auferstandenen Herrn, wie Er über Seine armen, 
törichten, schwachen und elenden Jünger wacht, wie Er gleichsam ihren Pfad umschwebt, wie Er Sich ihnen in der mannigfachsten Weise darstellt, wie Er eine Gelegenheit sucht, um ihre 
Bedürfnisse zu stillen, und wie Er Sich ihren Herzen in vollkommener Gnade zu erkennen gibt. Gab es dort eine Träne zu 
trocknen, eine Schwierigkeit zu beseitigen, eine Furcht zu stillen, ein beunruhigtes Herz zu besänftigen, ein durch Unglauben verzagtes Gemüt wiederherzustellen? Der Herr Jesus war 
gegenwärtig, um in der ganzen Fülle und Mannigfaltigkeit 
Seiner Gnade all diesen Dingen zu begegnen. Auch in diesem 
Augenblick, als die Jünger unter der Führung des Petrus eine 
ganze Nacht in fruchtloser Arbeit zugebracht hatten, ruhte Sein 
Auge auf ihnen. Er wußte alles über die Finsternis, die Arbeit 
und das leere Netz; und Er stand am Ufer, um ein Feuer für sie 
anzuzünden und für sie ein Mahl zuzubereiten. Ja, derselbe 
Jesus, Der am Kreuze gestorben war, um ihre Sünden wegzunehmen, stand jetzt am Ufer, um sie nach ihrer mühevollen 
Arbeit zu erfrischen, sie um Sich zu versammeln und alle ihre 
Bedürfnisse zu stillen. Kindlein, habt ihr etwas zu essen?" Diese Frage enthüllte die ganze Fruchtlosigkeit ihrer nächtlichen 
Arbeit. „Kommet her, frühstücket!" Das war der rührende Ausdruck der zärtlichen, für alles sorgenden Liebe des auferstandenen Heilandes. 
Aber verweilen wir einen Augenblick bei dem Anschauen eines 
gänzlich wiederhergestellten, gereinigten Gewissens, das uns 
in Petrus vor Augen gestellt wird. „Da sagte jener Jünger, 
welchen Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr. Simon Petrus 
79 
nun, als er hörte, daß es der Herr sei, gürtete das Oberkleid 
um (denn er war nackt) und warf sich in den See." — Unmöglich konnte er warten, bis das Schiff am Ufer war. Ein brennendes Verlangen zog ihn zu den Füßen seines auferstandenen 
Herrn. Anstatt zu Johannes und den anderen Jüngern zu sagen: 
„Ihr wißt, wie schändlich ich gefallen bin, und obgleich ich seit 
jener Zeit den Herrn gesehen und aus seinem Munde die 
Worte: ,Friede euch!' vernommen habe, so fühle ich doch, daß 
es für einen, der so tief gefallen ist, geziemend ist, sich zurückzuhalten und nachzufolgen," — stürzt er sich mutig in den See, 
als wollte er sagen: „Ich muß zuerst zu den Füßen meines auferstandenen Herrn liegen, denn niemand hat solch einen Anspruch auf Ihn wie ich armer, gestrauchelter und gefallener 
Petrus". 
Nicht wahr? Das war ein völlig wiederhergestelltes Gewissen — 
ein Gewissen ohne einen einzigen Flecken — ein Gewissen, das 
sich wärmte in den Strahlen einer unveränderlichen Liebe. Das 
auf Christus gesetzte Vertrauen war unbewölkt, und wir dürfen kühn behaupten, daß das dem Herzen Jesu angenehm war. 
Die Liebe liebt es, wenn man ihr vertraut. Mögen wir stets 
daran denken. Man möge sich nicht einbilden, daß man Jesus 
ehrt, wenn man fern auf dem Grunde der Unwürdigkeit seinen 
Standpunkt einnimmt, und dennoch ist es so schwer für jemand, der gefallen oder abtrünnig geworden ist, das Vertrauen 
zu der Liebe Christi wieder zu erlangen. Ein solcher kann deutlich erkennen, daß ein Sünder, wie groß und mannigfaltig seine 
Sünden auch sein mögen, stets dem Herrn Jesus willkommen 
ist. Aber er denkt, daß die Sache eines abtrünnigen oder strauchelnden Christen ganz anders sei. Sollten jedoch diese Zeilen 
von jemand gelesen werden, der abtrünnig geworden oder gefallen ist, so können wir ihm die unmittelbare Rückkehr zu 
Jesus nicht ernst genug ans Herz legen. „Kehret um, ihr abtrünnigen Kinder; ich will eure Abtrünnigkeiten heilen". — 
Und was ist die Antwort auf diesen feierlichen Zuruf? „Hier 
sind wir, wir kommen zu dir; denn du bist Jehova, unser 
Gott". — „Wenn du umkehrst, Israel, spricht Jehova, zu mir 
umkehrst, . . ." (Jer 3, 22; 4, 1) — Die Liebe des Herzens Jesu 
kennt keine Veränderung. Wir verändern uns oft; aber Er ist 
„Derselbe gestern und heute und in Ewigkeit". Wir ehren Ihn 
80 
durch unser Vertrauen. Das Vertrauen des Herzens des Petrus 
war ein reicher Genuß für das Herz Jesu. Es ist sicher sehr 
traurig zu fallen, zu irren und abtrünnig zu werden. Aber noch 
trauriger ist es, wenn wir, nachdem wir gefallen sind, Seiner 
Liebe mißtrauen und Seine gnadenreiche Bereitwilligkeit leugnen, mit der Er uns wieder an Sein Herz ziehen will. 
Lieber Leser! Bist du gefallen? Bist du auf Irrwege geraten? 
Bist du abtrünnig geworden? Hast du das süße Gefühl des göttlichen Wohlgefallens, das glückliche Bewußtsein der Annahme 
von Seiten Gottes, verloren? Wenn dies der Fall ist, was hast 
du dann zu tun? Was sonst, als einfach zurückzukehren? Es 
ist das Wort Gottes, das sich speziell an den Abtrünnigen richtet. Es fordert die Rückkehr zum Selbstgericht und zu dem 
glückseligen Vertrauen in die grenzenlose, unwandelbare Liebe 
des Herzens Christi. Laß dich nicht durch deinen eigenen Unglauben in der Ferne zurückhalten. Du darfst das Herz Jesu 
nicht nach deinem eigenen Herzen ermessen. Laß Ihn Selbst es 
dir sagen, was Sein Herz gegen dich fühlt. Du hast gesündigt, 
du hast gefehlt, du hast dich abgewandt. Du fühlst die Schande 
und wagst es kaum, deinen Blick zu Ihm emporzuheben, den 
du so sehr betrübt und verunehrt hast. Auch wird Satan dir die 
finstersten Gedanken eingeben, denn er möchte dich gern zurückhalten von dem gepriesenen Heilande, Der dich mit einer 
ewigen Liebe liebt. Aber richte deinen Blick auf das Blut, auf 
die Fürbitte und auf das Herz Jesu, um eine triumphierende 
Antwort auf alle schrecklichen Einflüsterungen des Feindes und 
auf alle ungläubigen Bemerkungen deines eigenen Herzens 
zu erhalten. Laß daher nicht eine Stunde vergehen, ohne jede 
Frage zwischen deiner Seele und Christus ganz in Ordnung 
gebracht zu haben. „Kehret um, ihr abtrünnigen Kinder!" — 
„Kehret um zu mirl", spricht der Herr. 
2. Jedoch das Herz muß ebenso wiederhergestellt werden wie 
das Gewissen. Möchten wir dies nie außer acht lassen. Oft ist 
es in der Geschichte der Seelen der Fall, daß bezüglich gewisser 
Handlungen, deren wir uns schuldig gemacht haben, unser Gewissen vollkommen rein ist, daß aber die Wurzeln, aus denen 
diese Handlungen hervorgingen, durchaus nicht erreicht sind. 
Die Handlungen erscheinen auf der Oberfläche des täglichen 
Lebens, aber die Wurzeln sind in der Tiefe des Herzens ver81 
borgen, vielleicht uns selbst und anderen unbekannt, aber vollkommen offen vor dem Auge Dessen, mit Dem wir es zu tun 
haben. 
Diese Wurzeln aber müssen unbedingt erreicht, bloßgestellt 
und gerichtet werden, bevor unser Herz in einem richtigen Zustand vor dem Angesicht Gottes ist. Blicken wir auf Abraham. 
Er setzte seinen Weg fort mit einer gewissen Wurzel im Herzen — einer Wurzel ungläubiger Sorge bezüglich seiner Frau 
Sara. Das verleitete ihn bei seinem Zug nach Ägypten zu einer 
Lüge, und obwohl sein Gewissen wiederhergestellt war und 
er zu seinem Altar in Bethel zurückkehrte, wurde die Wurzel 
doch erst nach Jahren bei seinem Zusammentreffen mit Abimelech, dem König von Gerar, erreicht. 
Alles dies ist sehr ernst und von praktischer Wichtigkeit. Wir 
sehen das sowohl bei Petrus als auch bei Abraham. Aber in 
welch einer außergewöhnlich zarten Weise sucht der Herr Jesus 
die Wurzeln in dem Herzen Seines teuren und geehrten Dieners 
zu erreichen. Die Worte: „Als sie nun gefrühstückt hatten" 
zeigen uns, daß der Herr bis zu diesem Augenblick in keiner 
Weise auf das Vergangene angespielt und nichts gesagt hatte, 
was das Herz des Petrus hätte verwunden oder eine Wolke über 
seinen Geist bringen können, während er mit einem wiederhergestellten Gewissen mit einer Liebe bei der Mahlzeit saß, die keinen Wechsel kennt. Das kennzeichnet die Handlungen Gottes 
mit allen Seinen Heiligen. Das Gewissen ist in der Gegenwart der 
unendlichen, ewigen Liebe in Ordnung gebracht, bevor die entfernteste Anspielung auf die Wurzeln der Dinge im Herzen 
gemacht wird. Als sich Petrus in dem völligen Vertrauen eines 
wiederhergestellten Gewissens zu den Füßen Jesu niederwarf, 
war er berufen, auf die gnädige Einladung zu lauschen: „Kommet her, frühstücket!" Aber „als sie nun gefrühstückt hatten", 
nahm Jesus sozusagen den Petrus besonders zu Sich, um das 
Licht der Wahrheit in seine Seele strömen zu lassen, damit er 
in diesem Licht die Wurzel erkennen könne, aus der sein Fall 
entsprungen war. Diese Wurzel war das Selbstvertrauen, das 
ihn verleitet hatte, sich über seine Mitjünger zu erheben, indem 
er sagte: „Wenn sich alle an dir ärgern werden, ich werde mich 
niemals ärgern". — 
82 
Diese Wurzel mußte ans Licht gebracht werden. Daher lesen 
wir: „Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon 
Petrus: Simon, Sohn Jonas', liebst du mich mehr als diese?" 
— Das war eine durchdringende und schmerzhafte Frage. Sie 
drang geradewegs in das Innere des Herzens Petrus. Dreimal 
hatte Petrus seinen Herrn verleugnet, und dreimal zieht der 
Herr das Herz des Petrus zur Rechenschaft, denn die Wurzel 
seiner bösen Handlung muß erreicht werden. Es genügt nicht, 
daß das Gewissen von den Wirkungen gereinigt ist, die im 
praktischen Leben hervorgerufen werden. Es muß auch ein 
inneres Gericht über das stattfinden, was diese Wirkungen hervorgerufen hat. Das wird oft nicht genügend verstanden und 
beachtet. Die Folge davon ist, daß die Wurzel immer wieder 
hervorschießt, ihre Früchte erzeugt und ihren Samen tausendfach um uns her verstreut, und daß dadurch für uns die trostlosesten und bittersten Mühen bereitet werden, die sämtlich 
vermieden worden wären, wenn die Wurzel wirklich verurteilt 
und ausgerottet worden wäre. 
Lieber Leser! Der Zweck dieser Zeilen ist von höchst praktischer Bedeutung. Lassen wir uns daher ermahnen, die bösen 
Wurzeln, die in uns sind, welcher Art sie auch sein mögen, mit 
Ernst zu verurteilen. Kennen wir diese Wurzeln in uns? Es ist 
auf jeden Fall sehr schwierig, sie zu erkennen. Sie liegen in der 
Tiefe und sind mannigfaltig. Stolz, persönliche Eitelkeit, Habsucht, Reizbarkeit, Ehrgeiz, — das sind einige von den natürlichen Wurzeln und Triebfedern unserer Handlungen, über die 
ein strenges Gericht ausgeübt werden muß. Unsere Natur muß 
fühlen, daß sie einem ständigen Selbstgericht unterworfen ist. 
Wir müssen diesen Kampf ununterbrochen fortsetzen. 
[Anm. d. Bearb.: Allerdings spricht das Wort Gottes in diesem 
Sinn nie von einem Kampf, sondern immer von einem Gestorbensein und im-Tode-Halten (Röm 6, Kol 3, 6ff), wobei natürlich das Selbstgericht immer vorhanden ist (1. Kor 11, 31).] 
Mögen wir auch diesen oder jenen Fehltritt zu beklagen haben, 
so müssen wir doch den Kampf aufrechterhalten, denn Kampf 
verrät Leben. Möge der Heilige Geist uns stärken in unserem 
unaufhörlichen Streit! 
3. Wir schließen diese Zeilen mit einem kurzen Hinweis auf 
eine Wiederherstellung bezüglich der Stellung oder des Pfades 
83 
der Seele. Wenn das Gewissen völlig gereinigt und das Herz 
mit seinen verschiedenen Wurzeln gerichtet ist, gibt es noch 
eine moralische Zubereitung für unseren eigenen Pfad. Die 
vollkommene Liebe Jesu hat alle Furcht aus dem Gewissen des 
Petrus ausgetrieben. Seine dreifache Frage hat die Wurzeln in 
dem Herzen des Jüngers bloßgelegt, und jetzt sagt Er zu ihm: 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn 
du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, 
und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du 
nicht willst. Dies aber sagte er, andeutend, mit welchem Tode 
er Gott verherrlichen sollte. Und als er dies gesagt hatte, 
spricht er zu ihm: Folge mir nach." — 
Hier haben wir also in drei Worten den Pfad des Dieners 
Christi. „Folge mir nach!" Der Herr hat Petrus soeben die kostbarsten Pfänder Seiner Liebe und Seines Vertrauens gegeben. 
Fr hat ihm trotz des früheren Fehltritts die Pflege alles dessen 
anvertraut, was Seinem liebenden Herzen in dieser Welt teuer 
w<ir, ja sogar die Schafe und Lämmer Seiner Herde. Er hatte 
zu ihm gesagt: „Wenn du mich lieb hast, so hüte meine 
Schafe". Jetzt öffnet Er ihm mit kurzen, aber deutlichen Worten seinen eigenen Pfad. „Folge mir nach"! Das ist genug. Es 
schließt alles in sich. Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, müssen wir das Auge unverwandt auf Ihn richten. Wir müssen auf 
Seine Fußtapfen achten und darin wandeln. Wenn wir, wie 
Petrus, versucht sind, uns umzuwenden, um zu sehen, was 
dieser oder jener zu tun hat oder wie er es tut, dann möchte 
unser Ohr die zurechtweisenden Worte hören: „Was geht es 
dich an? Folge du mir nach!" — Dies muß unter allen Umständen unsere einzige Tätigkeit sein. Gewiß werden sich tausenderlei Dinge erheben, um uns abzulenken und zu behindern. 
Der Teufel wird uns versuchen, hierin und dorthin zu blicken, 
oder uns um diesen oder jenen zu bekümmern, oder uns einzubilden, daß wir uns besser hier als dort, oder dort als hier beschäftigen könnten, oder auch beschäftigt zu sein mit dem 
Werk eines Mitjüngers. Diesem allen begegnen die klaren 
Worte: „Folge mir nach!" 
Es zeigt sich in unseren Tagen große Gefahr, daß wir den 
Schritten anderer folgen und daß wir gewisse Dinge tun, wie 
84 
und weil andere sie auch tun. Das alles erfordert eine sorgfältige Wachsamkeit, sonst wird sicher nichts gelingen. Wir 
benötigen einen gebrochenen Willen — die wahre Gesinnung 
eines Dieners, der auf seinen Herrn wartet, um Dessen Willen 
zu erfahren. Der Dienst besteht nicht darin, daß man dies oder 
jenes tut, oder hierhin und dorthin läuft, sondern einfach darin, 
daß man den Willen des Herrn tut, welcher Art dieser auch 
sein mag. Es ist leichter, tätig als ruhig zu sein. Als Petrus 
noch „jünger" war, ging er wohin er wollte; nachdem er „alt" 
geworden war, ging er wohin er nicht wollte. Welch ein Gegensatz zwischen dem jungen, ruhelosen, feurigen und energischen 
Petrus, der ging wohin er wollte, und dem alten, gereiften, 
unterwürfigen und erfahrenen Petrus, der ging wohin er nicht 
wollte! Welch ein Glück, einen gebrochenen Willen zu haben 
und imstande zu sein, von Herzen zu sagen: „Was Du willst — 
wie Du willst — wo Du willst — wann Du willst! — Herr, nicht 
mein Wille, sondern der Deinige geschehe!" — 
„Folge mir nach!" Kostbare Worte! O möchten sie doch tief 
in unsere Herzen eingegraben sein, lieber Leser! Dann wird 
unser Schritt fest und unser Dienst gesegnet sein. Dann werden 
wir nicht zerstreut oder verhindert werden durch die Gedanken 
und Meinungen der Menschen. Vielleidit werden uns dann 
wenige verstehen und mit uns fühlen. Vielleicht werden wenige 
unser Tun billigen und schätzen. Aber was schadet dies? Der 
Herr sieht und kennt alles, wenn loir nur Seinen Willen kennen 
und danach tun. Wenn ein Herr einem seiner Diener gebietet 
auszugehen oder irgend etwas zu tun, oder irgendeinen Auftrag 
zu besorgen, so ist es die Pflicht des Dieners, dem Befehle treu 
nachzukommen, ohne sich darum zu bekümmern, was seine 
Mitknechte darüber denken mögen. Sie mögen ihn auffordern, 
einen anderen Weg einzuschlagen, oder etwas anderes zu tun, 
aber als treuer Diener wird er nicht darauf achten, weil er den 
Willen seines Herrn kennt und dessen Aufträge auszuführen 
hat. 
Möchte es so doch bei allen Dienern des Herrn sein! Möchte es 
mehr der Wunsch und das Verlangen aller sein, Seinen Willen 
zu erforschen und zu tun! Petrus hatte seinen Weg, und Johannes hatte seinen Weg. Jeder hat sein eigenes Werk zu verrichten. Keiner darf dem anderen im Wege stehen. Die Stifts85 
hütte wurde von einem Ort zum andern getragen und aufgerichtet, und jeder Arbeiter hatte seine bestimmte Arbeit dabei 
zu verrichten. Ebenso ist es auch in unseren Tagen. Gott hat 
verschiedene Arbeiter in Seinem Hause und in Seinem Weinberg. Er hat Steinbrecher, Steinhauer, Maurer und Verzierer. 
Sind alle Steinbrecher? Gewiß nicht, sondern jeder hat sein 
Werk zu tun, und der Bau geht seiner Vollendung entgegen, 
indem ein jeder die ihm zugewiesene Arbeit verrichtet. Darf 
der Steinbrecher den Verzierer verachten? Darf der Verzierer 
mit Geringschätzung auf den Steinbrecher herabblicken? Keineswegs. Der Meister hat sie beide nötig, und wo irgendeiner 
dem anderen im Wege steht, wie es leider unter uns so oft 
geschieht, da wird auch sicher das zurechtweisende Wort vernommen werden: „I-Vas geht es dich an? Folge du mir nach!" — 
Drei große Wahrheiten 
(Psalm 32) 
In diesem lehrreichen Psalm wird Gott uns in dreifacher Weise 
vor Augen gestellt. Zuerst haben wir Ihn als unseren Rechtfertiger, dann als unseren Bergungsort und schließlich als unseren Führer. Das sind sicherlich drei große Wahrheiten. Nicht 
nur trägt Gott, wie reich und überschwenglich diese Güte und 
Gnade auch sein würde, für unsere Rechtfertigung, Sicherheit 
und Leitung Sorge, sondern Er ist Selbst gekommen, um unser 
Rechtfertiger, unsere Zufluchtsstätte und unser Führer zu sein. 
Welch eine wunderbare Vorsorge! Das ist die große Tragweite 
der Erlösung, das ist die Weise in der der Gott aller Gnade 
allen unseren Bedürfnissen begegnet ist. Wenn Gott Selbst 
mein Rechtfertiger ist, muß ich vollkommen gerechtfertigt sein; 
wenn Er mein Bergungsort ist, muß ich vollkommen geborgen 
sein; wenn Er mein Führer ist, muß ich vollkommen richtig 
geleitet werden. 
1. Gott unser Rechtfertiger 
„Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde 
zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem Jehova die Unge86 
rechtigkeit nicht zurechnet, und in dessen Geist kein Trug ist" 
(V. 1. 2)! Welch eine Glückseligkeit! Die Übertretung ist vergeben, die Sünde bedeckt. In dem religiösen Gemüt jedes Menschen ist der Gedanke tief eingegraben, daß er Gott als Richter 
begegnen wird, daß er als Sünder in der einen oder anderen 
Weise den Forderungen eines gerechten Richters begegnen muß 
— eines Richters, der mit ihm nach seinen Sünden handeln und 
den letzten Heller eintreiben wird. Wie viele Sterbende haben, 
als sie sich an der Pforte der Ewigkeit sahen, die Worte ausgerufen: „Wie, muß ich vor den Richter treten, während noch alle 
meine Sünden auf mir lasten?" — Es ist wirklich ein schreckliches Bewußtsein, beladen mit Sünden vor das prüfende, alles 
durchdringende Auge Gottes treten zu müssen. Wenn ich Gott 
als Richter begegnen muß, dann ist es aus mit mir. „Gehe nicht 
ins Gericht mit deinem Knechte! denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht" (Ps 143, 2). Daher muß jede Seele, die Gott als 
ihren Richter sieht, mit Furcht und Angst erfüllt sein, weil sie 
nicht eines auf tausend zu antworten vermag. „Womit soll ich 
vor Jehova treten, mich beugen vor dem Gott der Höhe? Soll 
ich vor ihn treten mit Brandopfern, mit einjährigen Kälbern? 
Wird Jehova Wohlgefallen haben an Tausenden von Widdern, 
an Zehntausenden von Strömen Öls? Soll ich meinen Erstgeborenen geben für meine Übertretung, die Frucht meines 
Leibes für die Sünde meiner Seele" (Micha 6, 6. 7)? Der Mensch 
kann Gott als einem Richter nicht begegnen. Das Ergebnis 
einer Begegnung zwischen einem gerechten Richter und einem 
schuldigen Sünder wird ewige Verdammnis sein. 
Aber Gott sei gepriesen! Er trägt jetzt einen anderen Charakter. Er ist ein gerechter Rechtfertiger, ja, ein Rechtfertiger oder 
Freisprecher derer, die Ihm als einem Richter nicht begegnen 
können. In jeder Sphäre, wo Gott Sich entfaltet, muß Er gerecht sein. Er muß gerecht sein, sei es als Richter oder Rechtfertiger. Aber in diesen Tagen der Gnade, während der angenehmen Zeit, am Tage des Heils, offenbart Er Sich als ein „gerechter Gott und als ein Heiland". Welch ein Charakter! Welch 
ein bewunderungswürdiger Triumph der erlösenden Liebe. 
Welch eine Antwort auf die Anmaßungen Satans! Welch ein 
Balsam für ein überführtes Gewissen und ein zerknirschtes 
Herz! Ein Heiland-Gott! Das ist gerade der Titel, der für den 
87 
verlorenen Sünder passend ist. Dieser Titel bringt Gott in 
meine Nähe, und zwar in dem Zustand und Charakter, in denen 
ich mich befinde. Wenn Gott ein Heiland ist, so finde ich in 
Ihm gerade Den, Dessen ich als Verlorener bedarf. Wenn Er 
ein Rechtfertiger ist, so ist Er gerade das, was ich als ein Schuldiger nötig habe. Nur ein verlorener Sünder kann mit einem 
Heiland zu tun haben. Nur ein schuldiger Sünder bedarf eines 
Gottes, Der ein Rechtfertiger ist. Nichts könnte einleuchtender 
sein. Dies stellt die Errettung und Rechtfertigung auf einen 
ebenso einfachen wie festen Boden. Gott offenbart Sich als 
Erretter, der glaubende Sünder tritt in das Licht dieser Offenbarung und ist errettet. Gott offenbart Sich als Rechtfertiger, 
der glaubende Sünder tritt in das Licht dieser Offenbarung und 
ist gerechtfertigt. Er ist gerettet und gerechtfertigt nach dem 
vollkommenen Maßstab der Offenbarung Gottes Selbst. Es ist 
unmöglich, auf einem festeren Boden zu stehen und eine sicherere Stellung einzunehmen. Die Rettung und Rechtfertigung 
des Gläubigen antasten zu wollen, wäre eine Leugnung der 
Lauterkeit der Offenbarung Gottes. 
Möge der Leser sich stets erinnern, wer diejenigen sind, die 
Gott rechtfertigt. Sind es gute Menschen? Sind es solche, die 
ihre Pflicht getan haben? Gibt es solche überhaupt? Sind es 
solche, die das Gesetz erfüllt haben? Solche Menschen hätten 
gewiß keine Rechtfertigung nötig, weil sie sich sagen könnten, 
daß „der Mensch, der diese Dinge tut, durch sie leben wird". 
Wenn daher jemand das Gesetz erfüllen könnte, dann hätte 
er keine Übertretung, die vergeben, und keine Sünde, die bedeckt werden müßte, und ein solcher benötigt keinen HeilandGott, keinen gerechten Rechtfertiger. Das ist einleuchtend. Ein 
Mensch, der sich eine gesetzliche Gerechtigkeit erworben hat, 
verlangt nach keiner Gerechtigkeit aus dem Evangelium. „Wenn 
Gerechtigkeit durch Gesetz kommt, dann ist Christus umsonst 
gestorben". Welchen Nutzen konnte Sein Sterben haben, wenn 
unsere Gerechtigkeit auf einem anderen Weg hätte erlangt 
werden können? 
Wer sind nun diejenigen, die Gott rechtfertigt? Höre es, 
ängstlicher Leser! Er rechtfertigt die Gottlosen. Ja, das ist die 
wahre Sprache des Heiligen Geistes. „Dem aber, der wirkt, 
wird der Lohn nicht nach Gnade zugerechnet, sondern nach 
88 
Schuldigkeit. Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, 
der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. Gleichwie auch David die Glückseligkeit des 
Menschen ausspricht, welchem Gott Gerechtigkeit ohne Werke 
zurechnet: ,Glückselig die, deren Gesetzlosigkeiten vergeben und deren Sünden bedeckt sind! Glückselig der Mann, dem 
der Herr Sünde nicht zurechnet''' (Röm 4, 4—8)! 
Hier erlangen wir also unsere klare, volle, bestimmte und entscheidende Antwort. Zwei Charaktere werden hier einander 
gegenübergestellt, nämlich „der, welcher wirkt", und „der, 
welcher nicht wirkt"; und dieser vollkommene Gegensatz wirft 
alle Gedanken des Menschen über den Haufen. Es war für den 
Geist des Menschen unfaßbar, eine Gerechtigkeit zu erlangen, 
ohne dafür zu wirken. Es überstieg jedes Verständnis, daß Gott 
den Gottlosen rechtfertigt. Und dennoch ist dies die wahre 
Lehre der Schrift. Wenn der Mensch die Gerechtigkeit durch 
eigenes Wirken erlangen könnte, dann wäre es selbstverständlich keine göttliche Gerechtigkeit, und zwar aus dem einfachen 
Grunde, weil diese eine Gerechtigkeit ist für den, „welcher 
nicht wirkt". Wenn Gott Sich als Rechtfertiger der Gottlosen 
offenbart, dann ist es eine gänzliche Verleugnung dieser Offenbarung für die Menschen, wenn man in einem anderen Charakter vor Ihm zu erscheinen versucht. Wenn ich als Sünder 
meine Pflichten vor Gott bringe, dann muß ich Ihm als meinem 
Richter begegnen, denn dann muß Er meine Pflichten untersuchen und sehen, ob sie alle in Ordnung sind. Aber wenn ich 
meine Sünden vor Ihn bringe, so begegnet Er mir als Rechtfertiger mit einer völligen und freien Vergebung und mit einer 
ewigen Gerechtigkeit. Es ist die besondere Herrlichkeit des 
Evangeliums, daß Gott darin geoffenbart wird als der gerechte 
Rechtfertiger des armen, verlorenen Sünders. 
Das ist eine bewunderungswürdige Wahrheit. Und wenn, wie 
es ganz natürlich ist, ein in Tätigkeit gebrachtes Gewissen nach 
dem Grunde dieser erhabenen Wahrheit fragt, dann ist die 
Antwort so klar und vollständig, wie es selbst die ängstlichsten 
Seelen nur wünschen können. Ja, nichts könnte klarer sein. Gott 
als Richter handelte mit mir bezüglich meiner Sünden am 
Kreuz, damit Er als Rechtfertiger Sich mit mir auf der „Himmelsseite" des leeren Grabes Jesu beschäftigen könnte. Der 
89 
Tod Christi ist daher der Grund, auf dem Gott in gerechter 
Weise den Gottlosen rechtfertigen kann. Ein gerechter Richter 
verurteilte und verdammte die Sünde am Kreuze, damit ein 
gerechter Rechtfertiger in der Lage wäre, dem Schuldigen zu 
vergeben und ihn zu rechtfertigen. Welch ein tiefes Geheimnis! 
Kein Wunder, daß Engel hineinzuschauen begehren; kein Wunder, daß Sünder, die an dieser Segnung teilhaben, niedersinken 
zum Preise und zur Anbetung Dessen, Der solche Ratschlüsse 
faßte und offenbarte und alles zu ihren Gunsten wirkte durch 
die vollkommene Sühnung Christi. 
Hier wollen wir einen Augenblick verweilen, um eine klare und 
entscheidende Frage an den Leser zu richten. Mein teurer 
Freund! Kennst du Gott als deinen Rechtfertiger? Oder lebst 
du noch in dem Gedanken, Ihm als Deinem Richter begegnen 
zu müssen? Blickst du zum Richterstuhl als der Stätte empor, 
wo die Frage deiner Rechtfertigung noch in Ordnung gebracht 
werden muß? Wenn das der Fall ist, dann wirst du dich elend 
fühlen. Du kannst dich nicht eher eines wahren Friedens erfreuen, als bis du erkennst und glaubst, daß Gott als Richter 
nichts gegen dich als einen Sünder hat, ja, daß Er sogar Selbst 
dein Rechtfertiger ist, — daß Er Sich dir, einem gottlosen Sünder, in dem Tod und der Auferstehung Christi als ein gerechter Gott und Heiland geoffenbart hat. Dies ist der feste und 
unerschütterliche Grund des Friedens, und es sollte unser ernstes Gebet sein, immer tiefer in dieses große Geheimnis einzudringen. Wenn du wirklich in bezug auf die Rettung deiner 
Seele beunruhigt bist, so solltest du diese Zeilen nicht aus der 
Hand legen, ehe du die göttliche Gewißheit besitzest, daß du 
gerechtfertigt bist, und daß Gott dein Rechtfertiger ist. Welch 
eine gesegnete Gewißheit! Möchtest du sie erkennen durch den 
einfachen Glauben an Den, Der den Gottlosen rechtfertigt, und 
dann wirst du fähig sein, uns mit Verständnis und wahrer 
Freude zu folgen, wenn wir jetzt bei dem zweiten Teil unserer 
Betrachtung ein wenig verweilen. 
2. Gott unser Bergungsort 
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß, so lange der Sünder 
in Feindschaft wider Gott ist, er mit sich selbst, mit der Welt 
und mit dem Teufel in Frieden ist. Aber von dem Augenblick 
90 
an, da er durch die Gnade in den vollen Frieden mit Gott gebracht ist, beginnt auch der Kampf mit sich selbst, mit der 
Welt und dem Teufel. Ja, kaum ist der glückliche Moment angebrochen, da ich mit Gott als meinem Rechtfertiger bekannt 
geworden bin, beginnt auch schon der Kampf mit einem Heer 
geistlicher Feinde in meinem Inneren und um mich her. Dies 
weckt in mir ein neues Bedürfnis. Ich verlange nach einem 
Bergungsort, zu dem ich mich zu allen Zeiten zurückziehen 
kann, und aus dem ich nicht hervorzutreten wage. Dieser Bergungsort ist Gott. „Du bist ein Bergungsort für mich; vor 
Bedrängnis behütest du mich; du umgibst mich mit Rettungsjubel" (V. 7). Welch ein Unterschied zwischen dem Zustand 
der Seele hier und demjenigen im dritten und vierten Vers: 
„Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein 
Gestöhn den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht lastete auf mir 
deine Hand; verwandelt ward mein Saft in Sommerdürre. 
(Sela)". Welch ein Gegensatz zwischen dem „Gestöhn" eines 
mit Sünden beladenen, das Gericht fürchtenden Menschen, und 
dem „Rettungsjubel einer gerechtfertigten, in Gott ruhenden 
Seele"! Dennoch ist es weit besser, in der Zerknirschung des 
Geistes zu stöhnen als zu rufen: „Friede, Friede!" wo kein 
Friede ist. Wahre Angst ist sicher einem falschen Frieden vorzuziehen. Aber der Gläubige hat weder das eine noch das 
andere. Seine Furcht ist in wahre Ruhe umgewandelt durch 
die Erkenntnis Gottes als seines Rechtfertigers und seines Bergungsortes. Daher kann er statt desSeufzens der Zerknirschung 
seine Stimme zu einem Rettungsjubel erheben. Welch ein gesegneter Wechsel! Anstatt ausrufen zu müssen: „O welch ein 
Elend!" kann er jauchzen: „O welch eine Glückseligkeit!" —„Du 
umgibst mich mit Rettungsjubel!" — „Wenn Gott für uns ist, 
wer wider uns?" — „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt 
durch unseren Herrn Jesus Christus!" — „Gott aber sei Dank, 
der uns allezeit im Triumphzuge umherführt in Christo und 
den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Orte durch uns offenbart !" -
Das sind einige Klänge jenes Rettungsjubels, mit dem der 
Heiland-Gott Seine gerechtfertigten und geborgenen Gläubigen 
umgibt. Möchten unsere Herzen mehr davon erfüllt sein! Leider 
hört man unter den Gläubigen oft mehr ein vielseitiges Murren 
91 
und Klagen als die Klänge des Rettungsjubels. Wenn die uns 
zuteilgewordenen Gnadenerweisungen und Segnungen mehr in 
unserer Erinnerung lebten, würden gewiß unsere Lippen auch 
mehr geöffnet sein zum Rettungsjubel. Wer anders hätte denn 
eine Ursache, sich zu freuen und fröhlich zu sein, als diejenigen, 
die durch Gott gerechtfertigt und in Ihm geborgen sind? 
Wir müssen indessen zum Schluß eilen, und dem dritten Punkt 
unseres kostbaren Psalms noch eine kurze Betrachtung widmen. 
3. Gott unser Führer 
Dies ist wirklich eine große Wahrheit. Ja, wir brauchen einen 
Führer, so lange wir durch die Labyrinthe dieser finsteren, gefahrvollen Welt gehen. In diesen Tagen der Unruhe und der 
Verwirrung brauchen wir einen Führer, und Gott sei gepriesen, 
daß Er Selbst diesen Dienst für uns übernommen hat . . . „Ich 
will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten" 
(V. 8). Welch eine kostbare Gnade! Welche Mühe gibt Gott 
Sich, um uns auf jeder Station unserer Laufbahn zu begegnen 
und Sich uns stets in dem Charakter zu offenbaren, in dem 
wir Ihn brauchen. Als wir niedergebeugt waren unter der schweren Last unserer Sünde und Schuld, als wir seufzten unter der 
Qual der Gewissensangst, als unsere Gebeine sich verzehrten 
und unser Saft verwandelt wurde in Sommerdürre, — da erschien Er vor uns als unser Rechtfertiger, als unser HeilandGott, Der uns unsere Übertretung und unsere Sünde bedeckte. 
Wenn wir von einem Heer geistlicher Feinde umringt sind, die 
uns, wenn möglich, in einem Nu zermalmen würden, dann 
öffnet Er uns Seinen Busen und lädt uns ein, in Ihm eine Zufluchtsstätte und einen Bergungsort zu finden, so daß wir, anstatt von Feinden umgeben zu sein, mit Rettungsjubel umgeben 
sind. Und endlich, wenn wir berufen sind, einen Schauplatz der 
Verwirrung und der Unruhe zu durchschreiten, dann steht Er 
in Seiner unendlichen Gnade vor uns und sagt: „Mein Auge 
auf dich richtend, will ich dir raten". Welche Gnade! Welche 
Nähe! Welche Innigkeit! 
Wie bemerkenswert ist auch die Weise, wie Er uns leitet! „Mein 
Auge auf dich richtend, will ich dir raten". Das ist, wie wir 
wissen, die zärtlichste, lieblichste und wohlwollendste Art der 
92 
Leitung. Wir müssen mit einer Person sehr vertraut sein und 
ihr sehr nahe stehen, um von ihr durch den Wink ihrer Augen 
geleitet werden zu können. Es ist dies eine weit zartere und 
vortrefflichere Art der Leitung als durch den Wink der Hand 
oder durch den Klang der Stimme. Ich muß meinen Blick auf das 
Antlitz einer Person gerichtet haben, um den Wink ihrer Augen aufzufangen; und ich muß sehr vertraut mit ihrem Willen 
und Wunsch sein, um mir diesen Wink zu erklären und demgemäß zu handeln. 
O möchte unser Herz in diese kostbare Wahrheit tiefer eindringen! Wäre dies der Fall, dann würde der Blick des Auges 
unseres Vaters völlig genügen, unsere Wege zu bereiten; ja 
dann könnten wir ruhig unsere Hand in die Seinige legen und, 
in Sein Antlitz schauend, sicher geleitet werden durch den Wink 
Seines Auges. Dann wäre unser Pfad stets hell und sicher, einfach und gesegnet. Wir hätten dann nicht wie die unbändigen 
„Rosse" und die widerspenstigen „Maultiere" den Zaum und 
Zügel der Umstände nötig, sondern durch Gemeinschaft mit 
Seinem Geiste würden wir Seinen Willen kennen. Wie oft 
verlieren wir uns in den Umständen auf unserem Pfad! Wie 
oft befinden wir uns in den mißlichsten Verhältnissen! Und 
warum? Weil wir uns nicht durch das Auge Gottes leiten lassen. Wir bitten Gott um Seine Leitung in solchen Dingen, die 
wir nicht tun sollten, und auf solchen Pfaden, die wir nicht 
wandeln sollten. — „Ich weiß nicht, welchen Weg ich einschlagen soll", sagte jemand zu einem christlichen Freund. — Wie 
lautete die Antwort? Sie war sehr einfach. „Du tust am besten, 
wenn du keinen Weg einschlägst", erwiderte der Ratgeber. So 
sollte es stets sein. Wenn wir uns nicht im klaren sind, ob der 
Weg, den wir wandeln wollen, der richtige ist, so sollten wir 
still stehen. 
Möchten doch alle Jünger des Herrn durch den Heiligen 
Geist befähigt sein, als Gerechtfertigte zu wandeln, in ihrem 
Bergungsort zu bleiben und ihrem Führer zu folgen. — 
93 
Wir sehen Jesum 
„Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen 
des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und 
Ehre gekrönt — so daß er durch Gottes Gnade für alles den 
Tod schmeckte. Denn es geziemte ihm, um deswillen alle Dinge 
und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen. Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch 
die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher 
Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen" 
(Hebr 2, 9—11). 
In diesen Worten wird uns der Herr Jesus dargestellt als Derjenige, Der den Tod geschmeckt hat, durch Leiden vollkommen 
gemacht wurde und Der der Erstgeborene vieler Brüder ist. 
1. Jesus schmeckte den Tod für alles. In diesem Charakter 
sehen wir Ihn mit Herrlichkeit gekrönt; und Seine Krone liefert 
den Beweis, daß die Sünde, der Stachel des Todes, beseitigt ist. 
Nie wurde vorher ein verherrlichter Mensch im Himmel gesehen. Wir sehen nicht einen unschuldigen Mann in Eden, nicht 
einen wiederhergestellten Menschen auf Erden, nicht einen 
Menschen auf dem Thron Israels; nein, es ist ein mit Herrlichkeit und Ehre gekrönter Mensch. Da nun Jesus aufgrund des 
für mich vollbrachten Werkes gekrönt ist, bleibt für mich nichts 
anderes übrig, als in der Gewißheit zu wandeln, daß alle meine 
Sünde für ewig beseitigt ist. Jeder Zweifel von meiner Seite 
würde eine Leugnung Seines Rechtes sein, eine Krone zu tragen. Ist der Sündenträger gekrönt, dann ist die Sünde weggetan; ist Er, Der den Tod schmeckte, mit Herrlichkeit und Ehre 
bekleidet, dann ist der Stachel des Todes beseitigt. Das ist der 
Gedanke Gottes, und das muß auch stets der Gedanke der 
Gläubigen sein. 
2. Auch ist Jesus der Anführer unserer Errettung, und als solcher durch Leiden zur Vollkommenheit gebracht. In Sich Selbst, 
als Gott und Mensch, war Er vollkommen. Aber durch Leiden 
wurde Er vollkommen gemacht, um der Urheber unserer Errettung zu sein. Gott wollte viele Kinder zur Herrlichkeit brin94 
gen, darum mußte der Urheber ihrer Errettung um ihretwillen 
durch Leiden und Tod gehen. Wir sehen daher im Himmel nicht 
nur unseren Sündenträger, sondern auch den Urheber unserer 
Errettung, Der uns in die Herrlichkeit einführen kann. Er, Der 
die Sünde weggenommen, den Teufel überwunden, den Tod 
zunichtegemacht hat, ist der Urheber unserer Errettung. Darum 
kann keine Macht der Welt und der Hölle uns Seiner Hand 
entreißen; Er, Der mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist, ist 
der Urheber unserer Errettung. 
3. Auch ist Er der Erstgeborene vieler Brüder. Dies konnte nur 
durch den Tod und die Auferstehung bewerkstelligt werden. 
Auf diesem Grunde ruht unser Einssein mit Christus. „Wenn 
das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es 
allein". Jesus mußte sterben, um uns mit Sich vereinigen und 
uns „Brüder" nennen zu können. Das ist wichtig. Christus vereinigte die gefallene Menschheit nicht bei Seiner Menschwerdung. Das ist unmöglich. Nur aufgrund Seines Todes konnte 
eine Vereinigung stattfinden, denn sonst wäre Sein Versöhnungstod unnötig gewesen. Der Tod Christi ist das Fundament 
aller Dinge. Über dies große Geheimnis muß Klarheit vorhanden sein. Dem Tode Christi verdanken wir alles: Einheit, Leben, Gerechtigkeit, Frieden und Herrlichkeit. Ohne diesen Tod 
haben wir nichts. Wäre der Herr Jesus nicht gestorben, wäre Er 
allein geblieben und wir wären ewig verloren. Seine Menschwerdung konnte uns nicht retten. Die Wirkung des Lebens 
Christi hienieden war die Offenbarung unseres verlorenen Zustandes. Sein Leben war der Prüfstein für den Menschen und 
brachte den unverbesserlich schlechten Zustand des Menschen 
ans Licht. In dem Tode sehen wir das Fundament der Ratschlüsse Gottes, sowohl in bezug auf die Kirche als auch in 
bezug auf Israel und die ganze Welt. Alles ist auf diesen Tod 
gegründet. Jesus ging für uns in den Tod, und als Auferstandener vereinigt Er als der Erstgeborene aus den Toten die 
Gläubigen mit Sich und nennt sie Brüder. Nach Seiner Auferstehung sagte Er: „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und 
sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem 
Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh 20). Welch 
eine herrliche Stellung! Der Herr Jesus gab uns Sein Leben — 
das Auferstehungsleben; Er machte uns zu Gliedern Seines 
95 
Leibes und Er schämt Sich nicht, uns Brüder zu nennen. Das 
ist ein unauflösliches Band. Er tritt vor den Vater hin mit den 
Worten: „Siehe, ich und die Kinder, die du mir gegeben hast". 
Möchten wir Seine Liebe und Seine herrlichen Gedanken doch 
besser verstehen lernen! — 
Das Leben des Christen 
Die Frage, die wir in diesem Abschnitt zu betrachten gedenken, 
ist eine der lehrreichsten und wichtigsten, die uns je beschäftigen kann. Was ist das Leben, das wir als Christen besitzen? 
Was ist seine Quelle? Welches sind seine Eigenschaften? Was 
ist sein Ausgang? 
Das Wort Gottes spricht von zwei verschiedenen Häuptern oder 
Quellen. Wir lesen dort von einem ersten und einem zweiten 
Menschen. Schon im ersten Buch Mose lesen wir die Worte: 
„Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen in unserem 
Bilde, nach unserem Gleichnis; . . . Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn; Mann und 
Weib schuf er sie" (Kap 1, 26. 27). — „An dem Tage da Gott 
Adam schuf, machte er ihn im Gleichnis Gottes . . . Und Adam 
lebte hundert und dreißig Jahre und zeugte einen Sohn in 
seinem Gleichnis, nach seinem Bilde" (Kap 5, 1. 3). 
Aber zwischen der Erschaffung Adams nach dem Bilde Gottes 
und der Geburt eines Sohnes, der dem Bilde Adams ähnlich 
war, hatte eine große Veränderung stattgefunden. Die Sünde 
hatte sich eingeschlichen. Der Zustand der Unschuld war vorbei. Adam war ein gefallener, ruinierter, ausgestoßener Mensch 
geworden. Diesen Sachverhalt darf man keinesfalls aus dem 
Auge verlieren. Es ist eine wichtige, folgenschwere Tatsache, 
die uns einen Blick in das Geheimnis des Lebens gestattet, das 
wir als Söhne Adams besitzen. Ein schuldiges, verderbtes und 
ausgestoßenes Haupt bildet diese Quelle. Nicht im Zustand der 
Unschuld wurde Adam zum Haupt des Menschengeschlechts. 
96 
Nicht innerhalb der Grenzen des Paradieses, sondern außerhalb, in einer verderbten, verfluchten Welt wurde Kain geboren, 
und diese Geburt war nicht nach dem Bilde Gottes, sondern 
nach dem Bilde eines gefallenen Vaters. 
Wir zweifeln nicht daran, daß Adam persönlich ein Gegenstand 
der göttlichen Gnade war, und daß er durch Glauben an den 
verheißenen Samen des Weibes Rettung gefunden hat. Betrachten wir ihn jedoch als das Haupt des Menschengeschlechts, 
dann sehen wir ihn nur als einen gefallenen, ruinierten und 
ausgestoßenen Menschen, und jeder seiner Nachkommen ist 
in demselben Zustand geboren. Wie das Haupt ist, so sind 
auch die Glieder — alle Glieder insgesamt, und jedes Glied insbesondere. Der Sohn trägt das Bild seines gefallenen Vaters 
und ist der Erbe seiner Natur. „Was aus dem Fleische geboren 
ist, ist Fleisch". Man mag das „Fleisch" nach Belieben erziehen, 
veredeln, erheben, doch es wird sich nie in „Geist" umwandeln 
lassen. Diese beiden Dinge sind einander ganz entgegengesetzt. 
Das erstere ist der Ausdruck alles dessen, was wir sind als in 
dieser Welt geborene Sprößlinge des ersten Adam, während 
das letztere das ausdrückt, was wir als Wiedergeborene und 
mit dem letzten Adam Vereinigte sind. 
Die „Veredlung" des von dem ersten Adam abstammenden 
Menschen ist eine Arbeit, an der sich seit Jahrtausenden alle 
Weisen der Erde vergeblich abgemüht haben. Der Stand des 
Wassers kann nie seine Höhe überschreiten, und ebenso wenig 
können die Söhne des gefallenen Adam das Höhenmaß ihres gefallenen Vaters übersteigen. Man kann mit ihnen machen was 
man will, nie werden sie, selbst beider sorgfältigsten Erziehung, 
die Natur ihres verworfenen Hauptes verleugnen. Der Mensch 
kann nicht über die Natur, die ihm angeboren ist, hinauswachsen. Er kann hinein—, aber nicht hinauswachsen. Wenn man nach 
der Quelle des Stromes der gefallenen Menschheit sucht, wird 
man als Quelle einen gefallenen, ruinierten und ausgestoßenen 
Menschen entdecken. Diese einfache Wahrheit trifft die Wurzel 
jedes menschlichen Stolzes auf seine Geburt. Wir sind alle 
einem gemeinschaftlichem Stamm, einem Haupt, einer Quelle 
entsprossen. Wir sind alle gezeugt nach einem Bild, und zwar 
nach dem Bild eines verworfenen Menschen. Das Haupt des 
Geschlechts, wie auch das Geschlecht selbst, sind beide in ein 
97 
gemeinsames Verderben verwickelt. Vom gesellschaftlichen 
Standpunkte aus betrachtet mögen Unterschiede vorhanden 
sein, aber vom göttlichen Standpunkt aus gibt es keine. Wenn 
man sich eine wahre Vorstellung von dem Zustand der Glieder 
des Menschengeschlechtes machen will, muß man den Zustand 
des Hauptes betrachten. Man muß bis zum dritten Kapitel des 
ersten Buches Mose zurückkehren und dort die Worte lesen: 
„Und er trieb den Menschen aus". Hier ist die Wurzel der 
ganzen Sache. Hier ist die Quelle jenes Stromes, aus dem seit 
fast sechstausend Jahren die Millionen von Nachkommen 
Adams all ihr Elend geschöpft haben. Die Sünde ist eingetreten 
und hat das Band gesprengt, das Bild Gottes verunstaltet, die 
Quelle des Lebens verderbt, den Tod eingeführt und dem Satan 
die Macht des Todes verliehen. So verhält es sich sowohl in 
bezug auf das Geschlecht Adams als ganzes gesehen als auch 
in bezug auf jedes einzelne Glied. Sie alle sind mit eingeschlossen in Sünde und Verderben. Sie alle sind dem Tode und dem 
Gericht verfallen. Es gibt keine Ausnahme. „Darum, gleichwie 
durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen, und 
durch die Sünde der Tod, und also der Tod zu allen Menschen 
durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben" (Röm 5,12). 
— „In dem Adam sterben alle" (1. Kor 15, 22). Zwei traurige 
und ernste Tatsachen: Sünde und Tod sind hier miteinander 
verbunden. 
Doch Gott sei gepriesen! Ein zweiter Mensch hat den Schauplatz betreten, und diese große Tatsache beweist klar und unwiderlegbar, daß der erste Mensch völlig beiseite gesetzt ist, 
während sie die wunderbare Gnade Gottes gegen den ersten 
Menschen und seine Nachkommenschaft ins Licht stellt. Wäre 
der erste Mensch fehlerlos gewesen, dann wäre für den zweiten 
kein Platz gesucht worden. Ja, wenn ein einziger Hoffnungsschimmer für den ersten Adam vorhanden gewesen wäre, dann 
hätte es für das Erscheinen des letzten Adam keine Veranlassung gegeben. 
Aber Gott sandte Seinen Sohn in diese Welt. Er war der „Same 
des Weibes". Möchte diese Tatsache in unseren Herzen stets 
tief eingeprägt sein! Matthäus leitet Seine gesetzliche Abstammung von Abraham und David her. Er war „aus dem Samen 
Davids", wie Paulus in 2. Tim 2 sagt. Lukas hingegen verfolgt 
98 
Sein Geschlechtsregister bis zu Adam hin. Aber hier finden wir 
auch die Ankündigung des Engels bezüglich des Geheimnisses 
Seiner Empfängnis. „Und der Engel antwortete und sprach zu 
ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Kraft des 
Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, 
das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden" 
(Lk i, 35). 
Hier haben wir also einen wahrhaftigen Menschen, jedoch ohne 
den geringsten Flecken von Sünde und ohne die geringste Spur 
von Sterblichkeit. Er wurde geboren von einem Weibe, war 
also unter allen Umständen Mensch, wie wir Menschen sind, 
jedoch ganz ohne Sünde und frei von jeder Verbindung, die 
dem Tode und der Sünde irgendwie ein Anrecht auf Ihn hätte 
geben können. Wäre der gepriesene Herr jedoch mit Adam, 
dem Haupt des Menschengeschlechts, in irgendeiner Verbindung gewesen, dann könnte Er nicht der zweite Mensch genannt werden, sondern wäre wie andere Menschen ein Nachkomme Adams und sogar in Seiner eigenen Person dem Tode 
unterworfen gewesen. Eine solche Behauptung oder Unterstellung aber wäre eine Lästerung. 
Er war — gepriesen in Ewigkeit sei Sein unvergleichlicher 
Name! — der reine heilige, fleckenlose Mensch Gottes. Er war 
ohnegleichen, Er stand allein als das einzige reine, fleckenlose 
Weizenkorn des menschlichen Samens, das die Erde je gesehen 
hat. Er kam in diese Welt der Sünde und des Todes als der 
Sündenlose und als der Geber des Lebens. In Ihm und nur in 
Ihm war das Leben. Außerhalb von Ihm herrschte der Tod und 
die Finsternis. Außerhalb von Ihm war kein Pulsschlag geist= 
liehen Lebens, kein Schimmer göttlichen Lichtes vorhanden. Die 
ganze Nachkommenschaft des ersten Adam lag unter der 
Sünde, unter der Macht des Todes und war dem ewigen Gericht verfallen. Er konnte sagen: „Ich bin das Licht der Welt". 
Außerhalb von Ihm herrschte sittliche Finsternis und geistlicher 
Tod. In Adam sterben alle; in Christo werden alle lebendig 
gemacht. Wie geschieht dies nun? 
Kaum hatte der zweite Mensch den Schauplatz betreten, da erschien auch Satan, um Ihm jeden Fußtritt streitig zu machen. 
Der Mensch Christus Jesus hatte sowohl das große Werk der 
Verherrlichung Gottes, als auch die Zerstörung der Werke des 
99 
Teufels und die Erlösung Seines Volkes auf dieser Erde unternommen. Welch ein erhabenes Werk! Wir dürfen kühn sagen, 
daß es ein Werk war, das nur der Mensch Gottes ausführen 
konnte. Jesus mußte der ganzen List und Macht Satans begegnen. Er mußte mit ihm als der Schlange und dem Löwen zusammentreffen. Daher wurde Er zu Beginn Seiner gesegneten 
Laufbahn als der getaufte und gesalbte Mensch in die Wüste 
geführt, um den Versuchungen Satans standzuhalten. 
Bei dieser Gelegenheit machen wir im Vorbeigehen auf die 
Gegensätze zwischen dem ersten und dem zweiten Menschen 
aufmerksam. Der erste Mensch befand sich in einem Gurten 
voll der reichsten Genüsse, die geeignet waren, für Gott und 
gegen den Versucher zu reden, während der zweite Mensch 
Sich in einer Wüste voller Entbehrungen befand, die augenscheinlich ganz dazu angetan waren, gegen Gott und für Satan 
das Wort zu erheben. Satan benutzte bei dem zweiten Menschen genau dieselben Waffen, die sich bei der Versuchung des 
ersten so siegreich erwiesen hatten. Es war „die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens" (vgl 
i. Mo 3, 6; Mt 4, 1—g; Lk 4, 1—12; 1. Joh 2, 16). 
Aber der zweite Mensch überwand den Versucher mit einer 
einfachen Waffe: mit dem Worte, „Es steht geschrieben . . ." 
Das war die einzige, unveränderliche Antwort des abhängigen 
und gehorsamen Menschen. Keine Bedenken, kein Zögern -
nichts derartiges zeigte sich. Das Wort des lebendigen Gottes 
war eine achtunggebietende Autorität für den vollkommenen 
Menschen. Gepriesen sei ewig Sein Name! Ihm gebührt die 
Unterwerfung des ganzen Weltalls in alle Ewigkeit. Amen, 
Amen. 
Wir können hierbei jedoch nicht länger verweilen, und kehren 
daher zu unserem eigentlichen Thema zurück. Es ist unser 
Wunsch, dem Leser im Licht der Heiligen Schrift zu zeigen, wie 
der letzte Adam Seinen Gliedern das Leben mitteilt. 
Durch den Sieg in der Wüste war der Starke „gebunden", aber 
nicht zugrunde gerichtet. Daher sehen wir, daß ihm am Ende 
des Weges unseres Herrn noch einmal gestattet wird, sich Ihm 
entgegenzustellen. Nachdem er sich „eine Zeitlang" entfernl 
hatte, kehrte er in einem anderen Charakter zurück, und zwar 
als derjenige, der zum Schrecken der Seele des Menschen die 
100 
Macht des Todes hatte. Welch ein entsetzlicher Gedanke! Mit dieser Macht erschien er im Garten Gethsemane, um mit ihrer schrecklichen Größe auf den 
Geist Christi einzudringen. Wir können diese Szene 
nicht betrachten, ohne zu fühlen, daß unser Herr und 
Heiland hier etwas durchschreiten mußte, was Er nie zuvor 
erfahren hatte. Es ist offenbar, daß hier dem Versucher gestattet wurde, in einer ganz besonderen Weise aufzutreten und 
eine ganz besondere Macht zu entfalten, um wenn möglich, 
den Herrn auf Seinem Wege abzuschrecken. Wir hören den 
Herrn daher in Joh 14, 30 die Worte sagen: „Der Fürst dieser 
Welt kommt und hat nichts in mir;" — und ebenso sagt Er in 
Lk 22, 52L zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels: „Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber, mit Schwertern und Stöcken? Als ich täglich bei euch im Tempel war, habt 
ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt; aber dies ist eure 
Stunde und die Gewalt der Finsternis". 
Es wird also deutlich, daß die Zeit zwischen dem letzten Abendessen bis zum Kreuze durch Züge gekennzeichnet ist, die von 
jeder vorhergehenden Leidensstufe in der wundervollen Geschichte unseres Herrn gänzlich unterschieden sind. „Dies ist 
eure Stunde", und weiter: „die Gewalt der Finsternis". Der 
Fürst dieser Welt trat dem zweiten Menschen mit jener ganzen 
Macht entgegen, mit der die Sünde des ersten Menschen ihn 
bekleidet hatte. Er schleuderte auf Seinen Geist das Gewicht 
der ganzen Macht und aller Schrecken des Todes, als des gerechten Gerichts Gottes; und Jesus fühlte diese Macht und diese 
Schrecken in ihrer furchtbarsten Größe. Dies erklärt uns Seinen 
Ausruf: „Meine Seele ist bestürzt bis zum Tode", sowie Seine 
Angst, wenn wir lesen: „Und als er in ringendem Kampfe war, 
betete er heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen". 
Mit einem Wort, Er, Der es unternahm, Sein Volk zu erlösen, 
Seinen Gliedern ewiges Leben zu geben und den Willen und 
die Ratschlüsse Gottes zu erfüllen, mußte alle Folgen des Zustandes ertragen, in dem der Mensch sich befand. Er konnte 
ihnen nicht entrinnen. Er durchschritt sie alle, und Er durchschritt sie allein, denn wer außer Ihm hätte es tun können? ER, 
die wahre Arche, war allein imstande, die finsteren und schreck101 
liehen Fluten des Todes zu durchschreiten, um Bahn zu machen, 
damit Sein Volk Ihm trockenen Fußes nachfolgen könne. Er 
war allein in der schrecklichen Grube und im kotigen Schlamm, 
damit wir mit Ihm auf dem Felsen sein möchten. 
Aber Er begegnete nicht nur der ganzen Macht Satans, des 
Fürsten dieser Welt, sowie der ganzen Macht des Todes als des 
gerechten Gerichts Gottes, und endlich der ganzen Heftigkeit 
und bitteren Feindschaft des gefallenen Menschen, — o nein, 
es gab noch etwas unvergleichlich Schrecklicheres. Nachdem 
Mensch und Satan, Erde und Hölle ihr Äußerstes getan hatten, 
um ihrem Haß Befriedigung zu verschaffen, gab es für den 
Geist unseres hochgelobten Herrn noch eine Region des Dunkels und der undurchdringlichsten Finsternis zu durchschreiten 
— eine Region, in die der menschliche Gedanke nie einzudringen vermag. Wir können nur an ihren Grenzen stehen und 
mit gesenktem Haupt und in dem tiefen Schweigen unaussprechlicher Anbetung auf den lauten und bitteren Schrei lauschen, der uns von dort entgegendringt, begleitet von den 
Worten: „Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?" — Worte, deren tiefe Bedeutung zu enthüllen selbst die 
Ewigkeit nicht hinreichen wird. Ach, welch ein Weg, um uns zu 
erretten und lebendig zu machen! Mögen unsere Herzen Ihn 
anbeten! Mögen unsere Lippen Ihn loben und preisen! Möge 
unser Leben Ihn verherrlichen! Möge Seine Liebe uns drängen, 
nicht mehr uns selbst zu leben, sondern Ihm, Der für uns gestorben und auferstanden ist und uns Leben in der Auferstehung gegeben hat. 
Die Wichtigkeit und der Wert jener erhabenen Wahrheit, daß 
ein auferstandener und siegreicher Christus die Quelle des 
Lebens ist, das wir als Christen besitzen, kann gar nicht hoch 
genug eingeschätzt werden. Als der aus den Toten Auferstandene ist der zweite Mensch das Haupt eines neuen Geschlechts, 
das Haupt der Kirche, Seines Leibes geworden. Das Leben, das 
der Gläubige jetzt besitzt, ist ein Leben, das in jeder nur möglichen Weise geprüft und erprobt worden ist und folglich nie 
ins Gericht kommen kann. Es ist ein Leben, das durch Tod und 
Gericht gegangen ist und darum nicht sterben und nicht gerichtet werden kann. Christus, unser lebendiges Haupt, hat den 
Tod zunichte gemacht und durch das Evangelium Leben und 
102 
Unverweslichkeit ans Licht gebracht. Er ist dem Tode in seiner 
ganzen Wirklichkeit begegnet, damit wir ihm nie begegnen 
sollten. Er starb, damit wir nie sterben sollten. Er hat in Seiner 
wunderbaren Liebe so für uns gewirkt, daß wir selbst den Tod 
als einen Teil unseres Eigentums betrachten können (1. Kor 3, 
22). 
In der alten Schöpfung gehört der Mensch dem Tode an. Von 
dem Augenblick an, wo er zu leben beginnt, beginnt er, wie 
jemand gesagt hat, auch zu sterben. Welch ein ernster Gedanke! 
Der Mensch kann dem Tode nicht entrinnen. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht." 
Nicht das Geringste, was der Mensch in der alten Schöpfung 
besitzt, kann dem Griff der unbarmherzigen Hand des Todes 
entrinnen. Der Tod beraubt den Menschen aller Dinge, verwandelt seinen Leib in Staub, und sendet seine Seele ins Gericht. Seine Häuser und Äcker, sein Wohlstand und seine Stellung, sein Ruf und sein Einfluß, alles flieht, sobald der letzte 
Feind sich nähert. Besäße ein Mensch auch die Reichtümer der 
ganzen Welt, so könnte er sich dennoch nicht für einen einzigen 
Moment Aufschub erkaufen. Der Tod nimmt ihm alles und 
bringt ihn ins Gericht. Der König und der Bettler, der Edelmann und der Bauer, der gelehrte Philosoph und der unwissende Tagelöhner, der Zivilisierte und der Wilde — der Tod 
macht keinen Unterschied, sondern ergreift alle, die sich innerhalb der Grenzen der alten Schöpfung befinden. Das Grab ist 
der Schlußstein der irdischen Geschichte des Menschen, und 
jenseits des Grabes erhebt sich der Richterstuhl, und der Feuersee breitet dort seine schauerlichen Fluten aus. 
In der neuen Schöpfung gehört der Tod dem Menschen an. 
Nicht das Geringste, was sich im Besitz des Christen befindet, 
ist dem Tode unterworfen. Ja, er verdankt sogar alles dem Tode. 
Er besitzt Leben, Vergebung, Gerechtigkeit, Frieden, Sohnschaft, Herrlichkeit; und alles hat er dem Tode, dem Tode 
Christi, zu verdanken. Mit einem Wort, das ganze Wesen des 
Todes ist vollständig verändert. Satan kann ihn nicht mehr als 
das Gericht Gottes über die Sünde auf die Seele des Gläubigen 
werfen. Gott bedient Sich zwar des Todes zur Züchtigung, 
wenn es sich um Seine Regierung bezüglich Seines Volkes 
handelt (siehe Apg 5; 1. Kor 11, 30; 1. Joh 3, 16); aber Satan 
103 
als derjenige, der die Macht des Todes hatte, ist zunichte gemacht. Unser Herr Jesus hat ihm seine Macht genommen und 
hält jetzt die Schlüssel des Todes und des Grabes in Seiner 
allmächtigen Hand. Der Tod hat seinen Stachel und das Grab 
seine Beute verloren. Wenn jetzt der Tod vor den Gläubigen 
tritt, erscheint er nicht als Gebieter, sondern als Diener. Er 
kommt nicht wie ein Gerichtsdiener, um die Seele auf ewig in 
ihr Gefängnis abzuführen, sondern er kommt wie eine freundliche Hand, die die Tür des Käfigs öffnet und den Geist zu 
seiner Geburlsstätte in den Himmeln hinauffliegen läßt. 
Alles dies macht einen wesentlichen Unterschied. Beseitigt ist 
jetzt jede Furcht vor dem Tode, die immer in dem Gläubigen 
unter dem Gesetz wohnte. Sie ist jetzt vollkommen unvereinbar mit der Stellung und den Vorrechten derer, die vereinigt 
sind mit Dem, Der aus den Toten auferweckt ist. Aber das ist 
noch nicht alles. Das ganze Leben und der Charakter des Christen muß der Quelle gleichen, von der dieses Leben ausgeflossen ist. „Wenn ihr nun mit dem Christus au]erweckt worden 
seid, so suchet was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur 
Rechten Gottes. Sinnet auf das was droben ist, nicht auf das 
was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben 
ist verborgen mit dem Christus in Gott" (Kol 3, 1—3). 
Möge jedoch niemand die Wichtigkeit dieser Wahrheit verkennen und sie etwa nur für eine Streitfrage menschlichen Verstandes halten. Weit gefehlt; sie ist eine Wahrheit von großer 
praktischer Tragweite, die der Apostel Paulus beständig darstellte, und auf der er unter allen Umständen beharrte, — eine 
Wahrheit, die er als Evangelist predigte, als Lehrer lehrte und 
entwickelte, und deren Wirkungen er als treuer, sorgsamer 
Hirte stets pflegte und überwachte. Die große Wahrheit von 
der Auferstehung nahm in der Predigt des Apostels einen so 
hervorragenden Platz ein, daß sogar einige der Philosophen 
Athens von ihm sagten: „Er scheint ein Verkündiger fremder 
Götter zu sein, weil er ihnen das Evangelium von Jesu und der 
Auferstehung verkündigte" (Apg 17,18). Der Leser merke sich 
diese Verbindung: „Jesus und die Auferstehung". Warum war 
es nicht „Jesus und die Fleischwerdung"? Warum nicht „Jesus 
und die Kreuzigung"? Fanden diese tiefen und unschätzbaren 
Geheimnisse denn keinen Platz in der Predigt und Lehre des 
104 
Apostels? Man lese 1. Tim 3, 16, wenn man die Antwort erhalten möchte. „Anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den 
Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". 
Man lese auch Gal 4, 4. 5: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, 
geboren unter Gesetz, auf daß er die, welche unter Gesetz 
waren, loskaufte". 
Diese Stellen geben der Frage bezüglich der Grundlehren der 
Fleischvverdung und der Kreuzigung ihren bestimmten Platz. 
Aber dennoch predigte und lehrte der Apostel die Auferstehung mit unbeugsamer Beharrlichkeit. Er selbst war zu einem 
auferstandenen und verherrlichten Christus bekehrt worden. 
Schon der erste Lichtblick auf die Person Jesu von Nazareth 
zeigte ihm einen auferstandenen Menschen in Herrlichkeit. Nur 
als solchen kannte er Ihn, wie er uns in 2. Kor 5 erzählt. „Daher kennen wir von nun an niemand nach dem Fleische; wenn 
wir aber auch Christum nach dem Fleische gekannt haben, so 
kennen wir ihn doch jetzt rieht mehr also." Paulus predigte ein 
Evangelium der Auferstehung. Es war sein Bestreben, jeden 
Menschen in dem auferstandenen und verherrlichten Christus 
vollkommen darzustellen. Er ging weit hinaus über die bloße 
Frage der Sündenvergebung oder der Errettung von ewiger 
Verdammnis, wie überaus kostbar diese Früchte des Versöhnungstodes Christi auch an und für sich sein mochten. Er 
streckte sich aus nach dem herrlichen Endziel der ewigen Einsmachung der Seele mit Christo. „Wie ihr nun den Christus 
Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm, gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt in dem Glauben, so 
wie ihr gelehrt worden seid, überströmend in demselben mit 
Danksagung". — „Ihr seid vollendet in ihm . . . mit ihm begraben in der Taufe, in welcher ihr auch mitauferweckt worden 
seid . . . Und euch . . . hat er mitlebendig gemacht mit ihm" 
(K0I2). 
Das war die Predigt und die Lehre des Paulus. Das war sein 
Evangelium. Das ist wahres Christentum im Gegensatz zu 
allen Formen menschlicher Religiosität und fleischlicher Frömmigkeit unter der Sonne. Das Leben in einem auferstandenen 
105 
Christus war das große Thema des Apostels. Es war nicht nur 
die Vergebung und Errettung durch Christus, sondern das Einssein mit Christus. Das Evangelium des Paulus verpflanzte die 
Seele in einen auferstandenen und verherrlichten Christus, wobei die Erlösung und Sündenvergebung als natürliche Folge 
vorausgesetzt wurde. Das war das herrliche Evangelium Gottes, 
mit dem Gott den Apostel betraut hatte. 
Wir würden gern noch länger bei der gesegneten Betrachtung 
der Quelle des christlichen Lebens verweilen. Aber wir müssen 
zu den übrigen Punkten unseres Gegenstandes übergehen und 
werden daher kurz den zweiten Punkt, die Eigenschaften oder 
sittlichen Züge des Lebens erwähnen, das wir als Christen besitzen. Hierbei wäre es am Platze, das kostbare Geheimnis des 
Lebens Christi als eines Menschen auf dieser Erde zu ergründen, Seine Wege zu verfolgen, und die Weise und Gesinnung, 
mit der Er durch alle Stationen und Umstände Seiner Laufbahn 
auf der Erde schritt, zu kennzeichnen. Wir sollten Ihn als ein 
Seinen Eltern unterworfenes Kind betrachten, das aufwuchs 
unter dem Auge Gottes, das von Tag zu Tag an Weisheit und 
Größe zunahm und das alles zur Schau trug, was lieblich war 
in den Augen Gottes und der Menschen. Wir sollten Seinen 
Pfad verfolgen als eines in allen Dingen treuen Dieners, —einen 
Pfad, der die Spuren ununterbrochener Mühe und Beschwerde zeigte. Wir sollten über Ihn, den niedriggesinnten, demütigen und gehorsamen Menschen nachsinnen, Der in völliger 
Unterwürfigkeit und Abhängigkeit Sich Selbst zu nichts machte 
und, ohne in irgendeiner Weise Sein eigenes Interesse zu 
suchen, Sich zur Verherrlichung Gottes und zum Wohl der 
Menschen vollkommen hingab. Wir sollten Ihn anschauen als 
den gnadenreichen, liebenden, teilnehmenden Freund, Der voll 
Mitgefühl immer bereit ist, jedem trauernden Kind den Kelch 
des Trostes darzureichen, Der nie versäumt, die Tränen der 
Witwe zu trocknen, den Schrei des Unterdrückten zu hören, 
den Hungrigen zu speisen, den Aussätzigen zu reinigen und alle 
Arten von Krankheiten zu heilen. Mit einem Wort, wir sollten 
alle die unzählbaren Strahlen der sittlichen Herrlichkeit auffangen, die in dem kostbaren und vollkommenen Leben Dessen 
zum Vorschein kommen, Der Gutes tuend umherging. 
Aber wer ist fähig, alle diese herrlichen Dinge ans Licht zu 
bringen? Wir können dem christlichen Leser nur sagen: Gehe 
106 
hin, erforsche selbst Dein großes Vorbild! Richte den Blick 
unverwandt auf dein erhabenes Vorbild! Wenn ein auferstandener Christus die Quelle deines Lebens ist, so ist auch der auf 
der Erde lebende Christus dein Vorbild. Die Züge deines Lebens seien dieselben Züge, die in Ihm als einem auf Erden 
wandelnden Menschen zum Vorschein kamen. Durch den Tod 
hat Er bewirkt, daß Sein Leben auch dein Leben geworden ist. 
Er hat dich mit Sich Selbst durch ein Band vereinigt, das nie 
zerrissen werden kann. Jetzt bist du berechtigt, hinzugehen 
und die Geschichten des Evangeliums zu studieren, um zu 
sehen, wie Er gewandelt hat, damit durch die Gnade des Heiligen Geistes dein Wandel dem Seinigen gleich sei. 
Es ist eine sehr gesegnete, aber auch eine höchst ernste Wahrheit, daß nichts in den Augen Gottes irgendeinen Wert hat, als 
nur der Ausfluß des Lebens Christi in Seinen Gliedern hienieden. Alles was nicht eine unmittelbare Frucht dieses Lebens 
ist, ist in der Beurteilung Gottes vollkommen wertlos. Die Tätigkeiten der alten Natur sind indessen nicht nur ohne Wert, 
sondern auch sündig. Es gibt gewisse natürliche Verhältnisse, 
in denen wir uns befinden, die durch Gott geheiligt sind, und 
in denen Christus unser Vorbild ist, z. B.: „Ihr Männer, liebet 
eure Weiber, gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt hat". Wir werden anerkannt als Eltern und Kinder, als 
Herren und Diener, und sind in bezug auf unser Verhalten in 
diesen Verhältnissen unterwiesen; aber dies alles auf dem 
Boden des Auferstehungslebens in Christus (siehe Kol 3; Eph 
5, 22). Der alte Mensch wird durchaus nicht anerkannt. Er wird 
als gekreuzigt, gestorben und begraben betrachtet. Wir werden 
aufgefordert, ihn für tot zu halten, unsere Glieder, die auf der 
Erde sind, zu töten und zu wandeln wie Christus gewandelt 
hat. Das ist praktisches Christentum. O würden wir doch in 
diese Gedanken tiefer eindringen! Möchten wir uns doch stets 
erinnern, daß in den Augen Gottes alles ohne Wert ist, was 
nicht das Leben Christi zur Quelle hat und als solches durch die 
Kraft des Heiligen Geistes in den Gläubigen zutage tritt. Der 
schwächste Ausdruck dieses Lebens ist ein süßer Wohlgeruch 
vor Gott, während die mächtigste Wirkung des nur religiösen 
Fleisches, die kostbarsten Opfer, die schönsten Gebräuche und 
Zeremonien in Seinen Augen nichts als „tote Werke" sind. Ja, 
das wahre Christentum ist etwas ganz anderes als Religiosität. 
107 
Und jetzt noch ein Wort über den Ausgang dieses Lebens, das 
wir als Christen besitzen. Wir dürfen in Wahrheit sagen: e i n 
Wort, denn dieses eine Wort heißt „Herrlichkeit". Das ist dei 
einzige Ausgang des christlichen Lebens. „Wenn der Christus, 
unser Leben, geoffenbart werden wird, dann werdet auch ihr 
mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit". Jesus wartet auf 
den Augenblick der Offenbarung Seiner Herrlichkeit, und wir 
warten in und mit Ihm. Er hat Sich gesetzt und wartet, und wir 
haben uns gesetzt und warten ebenfalls. „Wie er ist, sind auch 
wir in dieser Welt" (r. Joh 4, 17). Tod und Gericht liegen 
hinter uns, und nichts als die Herrlichkeit steht vor uns. Unser 
„Gestern" ist, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, das Kreuz, 
unser „Heute" ist ein auferstandener Christus, und unser 
„Morgen" die Herrlichkeit. So steht es mit den wahren Gläubigen. Es verhält sich mit ihnen wie mit ihrem lebenden und 
erhöhten Haupt. Wie das Haupt ist, so sind die Glieder. Sie 
können in keiner Weise auch nur einen Augenblick von Ihm 
getrennt sein. Sie sind unauflöslich miteinander vereinigt in 
der Kraft einer Einheit, die durch keine Macht der Erde oder 
der Hölle zerstört werden kann. Das Haupt und die Glieder 
sind auf ewig eins. Das Haupt hat den Tod und das Gericht 
durchgemacht, und ebenso die Glieder. Das Haupt hat Sich 
in die Gegenwart Gottes gesetzt, und ebenso die Glieder. Sie 
sind mitlebendig gemacht, miterhöht und mitversetzt in dem 
Haupt in Herrlichkeit. 
Das ist christliches Leben. Sinne darüber nach. Erwäge es 
gründlich in deinem Herzen. Prüfe es im Licht des Neuen Testaments. Die Quelle dieses Lebens ist ein auferstandener Christus; seine Eigenschaften sind die Züge des auf der Erde geschauten Christus; sein Ausgang ist eine wolkenlose ewige 
Herrlichkeit. Wie anders ist dies Leben als das, was wir als 
Söhne und Töchter Adams besitzen! Die Quelle dieses Lebens 
ist ein gefallener, ruinierter und hinausgestoßener Mensch; die 
Eigenschaften dieses Lebens sind die tausend Formen der 
Selbstsucht, mit denen die Menschheit sich selbst geschmückt 
hat; sein Ausgang ist der Feuersee! Das ist — wenn wir uns 
von der Schrift leiten lassen — die einfache Wahrheit über das 
Leben des ersten Adam und seiner Nachkommen und über das 
Leben des letzten Adam und Seiner Gläubigen. 
108 
Zum Schluß laßt uns über das Leben, das die Christen besitzen, 
noch bemerken, daß im Worte Gottes nie von einem sogenannten „höheren christlichen Leben" die Rede ist. Wenn jemand 
sich dieser Ausdrucksweise bedient, mag er wohl das in der 
Schrift bezeichnete Leben des Christen darunter verstehen, aber 
die Form ist unrichtig. Es gibt nur ein Leben, und dieses Leben 
ist Christus. Ohne Zweifel gibt es verschiedene Grade in dem 
Genuß und in der Darstellung oder Verwirklichung dieses Lebens; aber wie verschieden das Maß auch sein mag, es gibt 
doch nur ein Leben. Es mögen sich darin höhere und niedrigere 
Stufen zeigen, aber es gibt nur ein Leben. Der hervorragendste 
Christ auf Erden und das schwächste Kind im Glauben — sie 
besitzen ein und dasselbe Leben, denn Christus ist das Leben 
des Einzelnen, das Leben beider, das Leben aller Gläubigen. 
Alles dies ist sehr einfach, und wir wünschen, daß der Leser es 
sorgfältig überdenken möge. Wir sind völlig überzeugt, daß 
die klare Entfaltung und treue Verkündigung dieses Evangeliums der Auferstehung eine dringende Notwendigkeit ist. 
Viele bleiben stehen bei der Fleischwerdung, andere gehen bis 
zur Kreuzigung. Wir aber wünschen ein Evangelium, das alles 
enthält, sowohl die Fleischwerdung und Kreuzigung als auch 
die Auferstehung. Ein solches Evangelium besitzt die wahre 
sittliche Kraft und ist der mächtige Hebel, der die Seele von 
jeder irdischen Verbindung lösen und in Freiheit setzen kann, 
damit sie in der Kraft des Auferstehungslebens in Christo mit 
Gott wandeln kann. Wenn dieses Evangelium doch nach allen 
Seiten hin in der bekennenden Kirche mit lebendiger Kraft gepredigt würde, denn hier gibt es Hunderte und Tausende aus 
dem Volke Gottes, die es zu kennen nötig haben! Ach, wie 
viele Seelen werden durch Zweifel und Fragen gefoltert, die 
durch die einfache Annahme der gesegneten Wahrheit von 
dem Leben in einem auferstandenen Christus beseitigt werden 
würden. Das wahre Christentum schließt alle Zweifel und Befürchtungen aus, obwohl sich leider viele Christen damit herumschleppen. O möchte doch das klare Licht des von Paulus 
gepredigten Evangeliums in die Seelen aller Heiligen Gottes 
strömen und die sie einhüllenden Nebel und Wolken zerstreuen, damit sie in Wirklichkeit in jene Freiheit eintreten 
können, zu der Christus Sein Volk gebracht hat! 
109 
Die Errettung 
des Hauptmanns Kornelius 
(Apostelgeschichte 10) 
Wie einfach und lieblich ist die Geschichte jeder zu Christus 
geführten Seele! Mögen die Umstände, unter denen diese Führung geschah, auch noch so verschieden sein, so gewahrt man 
doch bei jeder Bekehrung die Tätigkeit derselben Gnade, desselben Lichtes und desselben Geistes. Nur ein Name ist dem 
Menschen zur Errettung gegeben, nur ein Werk der Versöhnung ist vorhanden, nur eine Grundlage des Friedens existiert, 
nur ein Ziel ist in Aussicht. Von den Tagen der Apostel bis zu 
diesem Augenblick gilt nur die eine Wahrheit, daß der Mensch 
ein verlorener Sünder ist und daß Gott in Christus eine vollkommene Gnade anbietet. Wie einst, so wohnt auch jetzt nichts 
als Feindschaft gegen Gott im Herzen des natürlichen Menschen; aber wie einst, so richtet auch jetzt das Wort die Mahnung an die Sünder: „Laßt euch versöhnen mit Gott! Den, der 
Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf daß 
wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm" (2. Kor 5, 20. 21). 
„Ein gewisser Mann aber in Cäsarea, mit Namen Kornelius, — 
ein Hauptmann von der sogenannten italischen Schar, fromm 
und gottesfürchtig mit seinem ganzen Hause, der dem Volke 
viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete ... " (Apg 10, 
1. 2). Diese Worte zeigen uns den Hauptmann in seiner äußeren Stellung, die scheinbar gar nicht geeignet war, ein Fragen 
nach den Dingen des Reiches Gottes im Herzen wachzurufen. 
Er war nicht nur ein Kriegsmann, der wie in unseren Tagen 
für eine bestimmte Zeit zu einem solchen Dienst gesetzlich verpflichtet ist, sondern Er hatte sich zu dieser Stellung als zu einem Beruf freiwillig anwerben lassen. Es ist einleuchtend, daß 
ein solcher Beruf weit eher dazu angetan sein mußte, sein Herz 
mit Stolz, Übermut und Kriegsliebe zu erfüllen, als demütig und 
friedliebend zu machen. Dazu war er ein Heide, also in natürlicher Verbindung mit denen, die „wandeln in Eitelkeit ihres 
Sinnes, verfinstert am Verstände, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Ver110 
Stockung ihres Herzens, welche, da sie alle Empfindung verloren, sich selbst der Ausschweifung hingegeben haben, alle 
Unreinigkeit mit Gier auszuüben" (Eph 4, 17—19). Ja, er war 
ein Heide, aufgewachsen unter Menschen, die den lebendigen 
Gott weder kannten noch liebten noch Ihm dienten, und die in 
Unwissenheit, Irrtum und Aberglauben lebend, ohne Anrecht 
und Hoffnung auf irgendwelche Segnungen Gottes, „den Willen des Fleisches und der Gedanken" ausübten. Sowohl seine 
äußere Stellung als auch sein religiöser Standpunkt bildeten in 
seinem natürlichen Herzen einen Boden, auf dem keine Frucht 
für Gott hervorsprießen konnte. 
Aber dennoch hatte die freie und unumschränkt wirkende 
Gnade einen hellen Lichtstrahl in das tiefe Dunkel der Seele 
dieses Heiden geworfen und Bedürfnisse in seinem Herzen geweckt, die nur in dem Wort vom Kreuz völlige Befriedigung 
finden konnten. Wir finden diesen Soldaten in einem Zustand, 
der selbst manchem Christen die Schamröte ins Gesicht treiben 
sollte. Es wird daher nicht ohne Segen sein, etwas näher darauf 
einzugehen, und die Herzensstellung des Hauptmanns im 
Lichte Gottes zu betrachten. 
Wie das Wort sagt, war er „fromm und gottesfürchtig mit 
seinem ganzen Hause". Welch ein herrliches Zeugnis aus dem 
Munde des Heiligen Geistes! Hier ist nicht von einer pharisäischen Frömmigkeit die Rede, wie man sie damals bei dem 
Volk Israel so häufig finden konnte, und wie man heute in der 
bekennenden Kirche sie in den verschiedensten Formen finden 
kann. Nein, das Auge Gottes, das die verborgensten Winkel 
des Herzens durchdringen kann, ruhte mit Wohlgefallen auf 
dieser aufrichtigen Frömmigkeit. Gott Selbst sagt: Er war 
fromm und gottesfürchtig. Selbst unter den Gläubigen des 
Alten Bundes, die Propheten mit eingerechnet, gab es nur eine 
geringe Zahl solcher, die sich eines derartigen Zeugnisses von 
Seiten Gottes erfreuen konnten. Wie verschwindend klein mag 
in unseren Tagen die Zahl der Christen sein, deren Wandel 
nach dem Zeugnis Gottes durch Frömmigkeit und wahre Gottesfurcht geziert ist? Was würde der Herr von uns sagen? 
Möchten wir doch immer unser Urteil in dieser Sache nach dem 
untrüglichen Wort der Wahrheit bilden! 
111 
hr war „fromm und gottesfürchtig". Frömmigkeit und Gottesfurcht sind unzertrennlich miteinander verbunden. Die eine entspringt aus der anderen, und beide sind Früchte des Glaubens 
an Gott. Wer in Wahrheit an den allmächtigen, allwissenden 
und gerechten Gott glaubt, der fürchtet Gott; und ein gottesfürchtiger Mensch scheut das Böse und sucht es zu meiden. 
Diese heilige Scheu weckt in ihm die Frage: Was kann ich 
Gutes tun? — und es ist das Verlangen seines Herzens, durch 
wahren Gehorsam gegen Gott, durch die Ausübung dessen, 
was Gott wohlgefällt, die Gunst Gottes zu erlangen. So war es 
bei Kornelius. Er glaubte an den Allmächtigen, und seine Frömmigkeit und Gottesfurcht waren die Früchte dieses Glaubens. 
Was war nun die nächste gesegnete Wirkung eines solchen Betragens? Frömmigkeit und Gottesfurcht übten ihre Herrschaft 
über sein ganzes Haus aus. Er war „fromm und gottesfürchtig 
mit seinem ganzen Hause". Welch ein I-amiliensegen! Der 
himmlische Ton, der so klar, bestimmt und unvermischt aus 
dem Herzen des frommen und gottesfürchtigen Soldaten hervorklang, hatte einen Widerhall in den Herzen seiner Angehörigen gefunden. Alle stimmten mit in denselben Ton ein, und 
der gemeinschaftliche Klang stieg hinauf „zum Gedächtnis vor 
Gott". Kornelius übte durch die Aufrichtigkeit und Gründlichkeit seiner Frömmigkeit und Gottesfurcht einen so gesegneten 
Einfluß aus, daß nicht nur sein Gesinde, sondern sogar Kriegsknechte (V. 7) von dieser Macht erfaßt wurden und der Frömmigkeit und Gottesfurcht einen Platz in ihrem Herzen einräumten. Er war wie eine Quelle in der Wüste, die durch das 
beständige Fließen ihres erfrischenden Wassers den sie umgebenden dürren, unfruchtbaren Sandboden zu einer fruchtbaren Oase umwandelt. Seine Worte und seine Werke wurden 
zu einem hellstrahlenden Licht, das die dunklen Schatten in 
seiner Umgebung verscheuchte, das Böse offenbar machte, 
strafte und verdrängte, und die Herzen zum Guten erwärmte 
und belebte. Welch eine gesegnete Macht ist doch die wahre 
Frömmigkeit und Gottesfurcht eines Familienhauptes! Aber 
wie ernst und groß ist auch seine Verantwortung in dieser 
seiner Stellung! Sein Einfluß erstreckt sich über sein ganzes 
Haus, über Frau und Kind und Gesinde, — mag dieser Einfluß 
ein guter oder böser sein. Möchten wir doch alle, die wir einen 
112 
solchen Platz einnehmen, immer die ganze Größe dieser Verantwortung fühlen! Ach, wie groß mag in unseren Tagen die 
Zahl christlicher Hausväter sein, die, beschämt über ihr nachlässiges Verhalten in ihren Häusern, zu den Füßen dieses frommen und gottesfürchtigen Heiden sitzen und von ihm lernen 
mußten, wie sie ihrem eigenen Hause vorstehen sollen! Wie 
gering und unbedeutend ist oft der Einfluß der Väter auf ihre 
Kinder! Vielleicht ermahnen und strafen sie viel; vielleicht lassen sie es nicht an Vorschriften und Drohungen fehlen. Aber 
nirgends zeigt sich ein guter Erfolg, nirgends eine gesegnete 
Frucht. Das Böse keimt und sprießt in den jungen Herzen immer mehr empor, und immer kühner legen Satan und die Welt 
ihre Stricke, bis der Einfluß des Elternhauses völlig gelähmt 
und das Verderben zu schreckenerregender Größe gewachsen 
ist. Und warum dieses alles? Weil das Familienhaupt kein Vorbild ist, zu dessen Nachahmung man sich gedrungen fühlt. Es 
fehlt der lautere, treue und entschiedene Wandel, der den 
Christen ziert. Ist es daher ein Wunder, wenn das Haus nicht 
zu Gott gebracht wird, und das Böse bis zum Gericht fortwuchert? O möchten doch alle das Wort beachten: „Denn wer 
für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleische Verderben 
ernten"! 
Doch Gott sei Dank, daß es auch in unseren Tagen noch Väter 
gibt, — wie gering ihre Zahl auch sein mag, — die 
die Notwendigkeit eines treuen Wandels anerkennen, wenn sie 
gesegnete Erfolge durch die Zucht und Ermahnung ihrer Angehörigen erzielen wollen, und daß sie daher in Treue und 
Entschiedenheit, aber auch in der Unterwürfigkeit und Abhängigkeit ihres Gottes ihren Weg gehen, und dabei beständig 
flehen, daß der Herr ihr ganzes Haus mit Seinem Segen überschütten möge. Wie steht es in dieser Beziehung mit dir, mein 
teurer Leser? Bist du ein Familienvater oder wenigstens in 
einer Stellung, wo du Einfluß ausüben kannst? Welch ein Zeugnis wird der Heilige Geist über dich aussprechen? Welch einen 
Einfluß übst du auf deine Familie oder auf deine nächste Umgebung aus? Erfreust du dich mit Dank gegen den Herrn solcher Erfolge, deren sich Kornelius im Blick auf sein ganzes 
Haus erfreuen konnte? Bist du „fromm und gottesfürchtig mit 
deinem ganzen Hause"! Oder sind deine Kinder ungehorsam, 
113 
weltlich, prunksüchtig und gegenüber der Wahrheit feindselig 
eingestellt? Blicke auf Kornelius — und blicke auf Eli! Der eine 
wandelte treu, fromm und gottesfürchtig, und sein ganzes Haus 
folgte seinem Beispiel. Der andere kannte die Missetaten seiner 
Söhne, und hatte ihnen nicht gewehrt (1. Sam 3, 13). Er fand 
wie sie ein trauriges Ende! Welch eine ernste Tatsache! 
Weiter lesen wir in unserem Abschnitt, daß Kornelius auch 
„dem Volke viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete". 
Wie lieblich und beachtenswert ist auch dieses von Gott Selbst 
ausgestellte Zeugnis, — ein Zeugnis, das leider nicht allen Christen gegeben werden kann! Ein Herz, das in Gott alle Bedürfnisse befriedigt sieht und mit wahrhaftiger Liebe von Gott 
und Seinem Werke eingenommen ist, teilt gern die ihm anvertrauten Gaben auch anderen mit und zeigt sich überhaupt stets 
bereit, das vor Gott Wohlgefällige zu tun. „Einen fröhlichen 
Geber liebt Gott". Sicher gehörte Kornelius nicht in die Reihen 
derer, die mit pharisäischem Dünkel ihre Gaben spenden, um 
von den Leuten gesehen zu werden. In diesem Falle wäre sein 
Lohn dahin gewesen. Aber im Gegenteil sandte ihm Gott, Der 
jede Triebfeder und jede Handlung mit göttlicher Waagschale 
abwägt, durch Seinen Engel die Botschaft: „Deine Gebete und 
deine Almosen sind hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott" 
(V. 4). Was jedoch seinen Gaben die wirkliche Weihe verlieh, 
und was ihnen den Stempel des Glaubens — ohne den es unmöglich ist, Gott wohlzugefallen — aufdrückte, war, daß er 
seine Almosen „dem Volke" gab. Diese Handlung bezeugte 
nämlich, daß er, der Heide, das Volk Israel als das Volk des 
lebendigen Gottes anerkannte, dem er mit seinen Gaben diente. 
Dies ist wohl auch hauptsächlich der Grund, daß seiner Almosen „vor Gott" gedacht wurde, und zwar als eine von Gott 
gegebene Antwort auf den Glauben, den er durch seine Gaben 
an den Tag legte. Seine Gaben und sein Gebet, beides hatte 
seine Quelle in Gott und stieg empor zu Gott. Taten und Worte 
standen miteinander in Einklang. Er betete „allezeit". Nachahmungswürdiges Beispiel! Die gefüllte Hand streute reichlich 
aus, aber das Herz beschäftigte sich mit Gott, Der diese Hand 
gefüllt hatte. Ist das auch unsere Weise? Ach, wie oft schaut 
unser Herz mit Selbstgefälligkeit auf das, was wir tun, anstatt 
im Gebet mit Gott zu verkehren! Soll aber die Linke nicht 
114 
wissen, was die Rechte tut, dann müssen wir das Beispiel dieses frommen und gottesfürchtigen Soldaten nachahmen: er 
betete „allezeit". 
Wie sehr beschämt dieser Heide die gedankenlose Menge der 
Christenheit! Bald begegnet man einer erschreckenden, immer 
mehr zunehmenden Zahl offenbarer Spötter und Verächter des 
Gebets, bald einer unabsehbaren Schar, die nach vorgeschriebenen Regeln und Formen Gebete hersagt, die nie „zum Gedächtnis vor Gott" emporsteigen. Der Unglaube und der Aberglaube erheben in unseren Tagen mächtig ihre Riesenhäupter, 
um bis zum Gericht ihren Wettlauf fortzusetzen. Kornelius 
dagegen betete allezeit, und seine Gebete erreichten das Ohr 
des allmächtigen Gottes. Sie drangen aus einem aufrichtigen 
Herzen und stiegen empor zu Gott. Welch eine unendliche 
Gnade, daß es dem Menschen zu jeder Zeit und in jeder Lage 
gestattet ist, Gott anzurufen und auf Seine Hilfe zu rechnen! 
Er ermahnt den Hilfsbedürftigen, indem Er sagt: „Rufe mich 
an an dem Tage der Bedrängnis: ich will dich erretten, und du 
wirst mich verherrlichen!" Er verweigert nie Seine Hilfe, Seinen 
Rat, seine Gnade, Sein Erbarmen. Wie wenig wird dies erkannt 
und geschätzt! Wie sehr fühlt sich der Mensch geehrt, wenn er 
bei einem König Zutritt hat und ihm seine Angelegenheit vortragen darf! Und wie wenig schätzt er es, daß ihm in Christus 
eine Tür bei Gott, dem König aller Könige, geöffnet ist, damit 
er dort Rat, Trost und Hilfe holen kann. Kornelius, obgleich 
ein Heide, machte Gebrauch von dieser Gnade, dem Thron 
Gottes zu nahen. „Er betete allezeit". Und du, mein teurer 
Leser? Hast du Gott gesucht als ein mühseliger, beladener Sünder? Dann hast du auch gewiß den Reichtum Seiner in Christus geoffenbarten Gnade kennengelernt und die Kraft der versöhnenden Liebe erfahren, ja, du wirst Gott Selbst als deinen 
Vater gefunden haben. Aber wie machst du es jetzt nach solch 
herrlichen Erfahrungen. Eilst du in deinen Sorgen und Mühen, in 
deinen Leiden und Kümmernissen stets zu Ihm, Der dein Vater 
ist? Betest du allezeit, wie Kornelius? Ach, wie wenig ist oft 
unter den Kindern Gottes dieses anhaltende Gebet zu finden! 
Hast du dich in dieser Beziehung nicht anzuklagen? Vielleicht 
versäumst du es nie, dich bei Tisch täglich im Gebet zum Herrn 
zu wenden; aber bist du auch häufig allein in deinem Bet115 
kämmeriein beschäftigt, dein Herz vor dem Herrn Jesus auszuschütten? Wenn dies fehlt, dann vernachlässigst du sicher 
die Ausübung eines großen Vorrechts, das dir in dem Gebet 
verliehen ist, und zeigst Trägheit und Gleichgültigkeit gegen 
Ihn, Der dich liebt. Auf die uns umringenden Gefahren sehend, 
ruft Er uns in Seinem Worte zu: „Betet unablässig!" und 
„Haltet an am Gebet!" Was ist aber die Ursache einer sol= 
chen Gleichgültigkeit? O, es ist klar, daß die Welt und die 
Dinge dieser Welt das Herz erfüllen und beschäftigen; daher 
gibt es keinen Platz mehr für andere Bedürfnisse. Möchten wir 
doch einen solchen Zustand mit Entschiedenheit richten! Kornelius betete allezeit. Und mit welch einem Ernst! Sein Verhalten muß manchen Christen beschämen! 
Aber wenn seine Gebete und Almosen auch bei Gott eine 
durchaus gnadenreiche Beurteilung und sogar eine völlige Anerkennung fanden, waren sie doch nicht das Mittel, wodurch 
er Versöhnung, Frieden, Leben und Gerechtigkeit — kurz, alles 
das erlangen konnte, was er brauchte, um als ein geretteter 
Sünder in die Herrlichkeit einzugehen. Weder seine von Gott 
anerkannte Frömmigkeit und Gottesfurcht, noch sein Glaube 
an den Allmächtigen, noch seine Almosen, noch sein Beten und 
Fasten, noch seine gesegnete Wirksamkeit in seinem Hause 
— nichts von all diesem, wie wertvoll und wohlgefällig 
es auch an und für sich vor Gott war, konnte ihn vom ewigen 
Verderben erretten. Anstatt für seine Seele ein Ruheplatz zu 
werden, weckten seine Gebete neue Bedürfnisse, — Bedürfnisse nach einer vollkommenen Erlösung von allen Sünden und 
nach einem Frieden, den ihm seine Frömmigkeit, seine Gebete 
und Handlungen nie verschafft hätten. Wie manche nach Frieden verlangende Seele mag schon gedacht haben: Ach wäre ich 
doch auch so fromm und mildtätig, so gottesfürchtig und gebetseifrig wie dieser Kornelius, dann würde ich nicht länger 
äD.JI1
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JLSeligkeit zweifeln! — Doch Kornelius nährte nicht 
ipjche Gedanken in seinem Herzen. Sein beständiges Beten, 
obwohl es sicher durch die Gnade gewirkt war, verriet nur zu 
deutlich, daß in seiner Seele ein Sehnen und Verlangen erwacht 
war, worüber er sich vielleicht selbst keine Rechenschaft zu 
geben vermochte. Selbst die Erscheinung eines Engels stillte 
diese Sehnsucht nicht. Der durch den Geist Gottes wachgeru116 
fene Sturm konnte auch nur durch den Geist Gottes Selbst zum 
Schweigen gebracht werden. 
Wie viele Seelen gibt es selbst noch in unseren Tagen, die, anstatt mit einfältigem Herzen den Aussprüchen Gottes zu 
glauben, eine große Neigung verraten, ihre Errettung auf etwas 
was sie gesehen oder gehört haben wollen, d. h. auf Erscheinungen zu gründen, die nüchtern beurteilt nichts sind als leere 
Trugbilder einer aufgeregten Phantasie und darum sicher der 
Seele keinen wahren dauernden Frieden geben können! Ach, 
solche Seelen bedenken nicht, daß sie das Werk Christi als die 
einzige Grundlage unserer Errettung durch ihre vorgefaßten 
Meinungen von seinem wahren Boden rücken, und daß es schon 
ein trauriger Beweis von Unsicherheit ist, wenn jemand bis zu 
den ersten Anregungen der Gnade zurückgehen muß, um seine 
Bekehrung zu beweisen. Ein treuer Jünger des Herrn hat stets 
das Zeugnis des Heiligen Geistes in sich. Er ruht auf dem Werk 
Christi, und sein praktischer Wandel ist der Beweis seiner Bekehrung. 
Die Erscheinung des Engels war jedoch kein Trugbild, sondern 
eine Wirklichkeit. Der Engel war der Überbringer einer göttlichen Antwort auf das Gebet des Hauptmanns. Aber sicher 
war diese wunderbare Tatsache nicht der Grund, auf den Kornelius später seine Bekehrung gestützt haben wird. Was war 
dann der wahre Grund? — Kornelius empfängt von Gott die 
Weisung: „Sende Männer nach Joppe und laß Simon holen, 
der Petrus zubenamt ist" (V. 5), und nicht lange nachher finden wir die nach Joppe gesandten Männer vor dem Apostel 
stehen und wir hören die Worte: „Kornelius . . . ist . . . göttlich 
gewiesen worden, dich in sein Haus holen zu lassen und Worte 
von dir zu hören" (V. 22). Welch eine gnadenreiche Fürsorge 
von seiten Gottes! Eine nach Heil dürstende Seele wird zu den 
erquickenden Wassern einer ewigen Heilsquelle, zu jenem 
Worte geleitet, das von Christus und Seinem Erlösungswerk 
zeugt. Kein anderer Name ist dem Menschen zur Errettung 
gegeben worden, als der Name Jesus Christus; kein anderer 
Grund kann gelegt werden, als jener unerschütterliche, auf Golgatha gelegte Grund. Als Petrus, ebenfalls göttlich gewiesen, 
die Schwelle des Hauses eines Heiden überschritten hatte und 
vor Kornelius stand, „tat (er) den Mund auf und sprach: . . . 
117 
Das Wort, welches er den Söhnen Israels gesandt hat, Frieden 
verkündigend durch Jesum Christum, . . . kennet ihr: das 
Zeugnis (über) Jesum, den von Nazareth . . . Diesem geben 
alle Propheten Zeugnis, daß jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen" (V. 34—43). 
Das war etwas ganz Neues. Dem frommen und gottesfürchtigen Mann, der dem Volke reichliche Almosen spendete und 
allezeit betete, wird die Vergebung seiner Sünden angeboten, 
ein Beweis, daß auch er vor Gott ein Sünder war und daher die 
Errettung brauchte. Zugleich aber ertönt von den Lippen des 
Petrus jener Name, von dem allein das Heil und die Rettung 
des Sünders abhängt, jener köstliche und gesegnete Name, 
dessen Bedeutung eine für den Menschen unerforschliche Höhe 
und Tiefe hat. Es ist der Name unseres hochgelobten Herrn und 
Heilandes, Den Gott als das ewige Fundament unserer Errettung, als den Fels des Heils, als die Gerechtigkeit, Heiligkeit 
und Erlösung gegeben hat, und auf Dem das ganze Wohlgefallen Gottes ruht. Ja, Petrus, das Werkzeug des Heiligen Geistes, predigt Jesum, den Heiland der Sünder, und offenbart, wer 
Er ist und was Er getan hat. Die begierigen Herzen des Hauptmanns und seiner Angehörigen lauschen auf die holdseligen 
Worte des von Gott gesandten Fremdlings, der in der Kraft des 
Heiligen Geistes die in Christus verborgenen Schätze der unendlichen Liebe Gottes aufschließt und die dürstenden Seelen 
erquickt an der unerschöpflichen, nie versiegenden Quelle des 
Lebens. 
Und was war die Wirkung? Kornelius glaubte den Worten des 
kostbaren Evangeliums, und „der Heilige Geist (fiel) auf alle, 
die das Wort hörten" (V. 44), und zwar zur Bestätigung des 
Zeugnisses, daß Christus Jesus am Fluchholze alle seine Sünden 
getragen und für immer weggetan habe. Zwei wichtige Tatsachen treten hier vor unsere Blicke. Kornelius glaubte den 
Worten, die Petrus von Jesus zu ihm redete, und Christus Jesus 
ist kraft des auf Golgatha vollbrachten Versöhnungswerkes der 
Grund seiner Errettung. Der Heilige Geist, Der Seine Wohnung 
in ihm genommen hat, ist das Zeugnis und der Beweis dieser 
seiner Errettung. 
Wie einfach ist der Weg der Errettung eines Sünders! O möchten doch alle heilsverlangenden Seelen ihre Krücken und fal118 
sehen Stützen fallen lassen und allein zu Ihm eilen, Der eine 
ewige Erlösung durch Seinen Kreuzestod zuwegegebracht hat, 
und Dessen Blut reinigt von allen Sünden! Wie groß wird die 
Freude des geretteten Hauptmanns und seines Hauses gewesen 
sein, als die Sonnenstrahlen eines ewigen Friedens die finsteren 
Schatten des Todes und der Sünde für immer verdrängt hatten! 
Das Ende unseres Kapitels zeigt uns etwas davon: „Dann 
baten sie ihn, etliche Tage zu bleiben" (V. 48). Ein Herz, das 
Jesus kennengelernt und die Kostbarkeit Seines Gnadenwerkes 
geschmeckt hat, ist immer begierig, noch tiefer in die Geheimnisse solch einer unendlichen, grenzenlosen Liebe einzudringen. 
O möchten doch auch wir alle immer tiefer einzudringen begehren in das, was Er für uns getan hat und was Er für uns ist! 
Das Lager in der Wüste 
Welch ein bewunderungswürdiger Anblick war das Lager Israels in jener öden, schrecklichen Wildnis! Welch ein Schauspiel 
vor den Blicken der Engel, der Menschen und der Teufel! Stets 
ruhte das Auge Gottes darauf, dort war Seine Gegenwart. Gott 
wohnte inmitten Seines kämpfenden Volkes. Dort befand sich 
Seine Behausung. Er schlug Seine Wohnstätte nicht inmitten 
der Pracht Ägyptens, Babylons oder Assyriens auf. Das war 
unmöglich. Ohne Zweifel boten diese Nationen gar manches, 
was das natürliche Auge anzog. Bei ihnen wurden die Künste 
und Wissenschaften mit großem Eifer gepflegt, und die Zivilisation hatte unter ihnen einen Höhepunkt erreicht, dem selbst 
die jetzige Generation ihre Bewunderung nicht versagen kann, 
Aber unter diesen Völkern des Altertums wurde Jehova nicht 
erkannt. Sein Name war ihnen nie geoffenbart worden. Er 
wohnte nicht in ihrer Mitte. Freilich befanden sich dort tausende von Zeugnissen Seiner Schöpfermacht, und die allwaltende Vorsehung lenkte ihr Schicksal. Er gab ihnen Regen und 
fruchtbare Zeiten und erfüllte ihre Herzen mit Speise und 
Freude. Die Segnungen und Wohltaten Seiner freigebigen 
Hand ergossen sich Tag für Tag und Jahr für Jahr über sie. 
119 
Seine Regengüsse befruchteten ihre Felder, Seine Sonnenstrahlen erfreuten ihre Herzen. Aber sie kannten Ihn nicht und 
kümmerten sich nicht um Ihn. Seine Wohnstätte war nicht 
dort. Nicht eine dieser Nationen konnte sagen: „Meine Stärke 
und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben" (2. Mo 15, 2). 
Jehova fand Seine Wohnstätte inmitten Seines erlösten Volkes 
und sonst nirgendwo. Die Erlösung war die notwendige Grundlage der bei den Israeliten errichteten Wohnung Gottes. Außerhalb der Erlösung konnte die Gegenwart Gottes nur die 
völlige Verdorbenheit des Menschen bestätigen, aber auf dem 
Grunde der Erlösung stellt Seine Gegenwart das höchste Vorrecht und die glänzendste Herrlichkeit des Menschen fest. 
Gott wohnte inmitten Seines Volkes Israel. Er kam nicht nur 
vom Himmel hernieder, um sie aus dem Lande Ägypten zu 
erlösen, sondern auch, um ihr Reisegefährte in der Wüste zu 
sein. Welch ein Gedanke! Um in der Mitte Seiner erlösten Versammlung zu sein, richtet der höchste Gott Seine Wohnung irn 
Sande der Wüste auf. In der ganzen weiten Welt war nichts 
Ähnliches zu finden. Dort in einer öden Wüste, wo kein Grashalm, kein Wassertropfen, und kein sichtbares Mittel zum 
Unterhalt zu finden war, sah man ein Heer von sechshunderttausend Mann, ohne Frauen und Kinder. Wie wurden sie ernährt? Gott war da. Wie wurde die Ordnung bei ihnen aufrechterhalten? Gott war da. Wie konnten sie durch eine unfruchtbare Wüste wandern, in der sich kein Pfad zeigte? Gott 
war da. 
Mit einem Wort, die Gegenwart Gottes brachte alles in Ordnung. Die Natur mochte die Achseln zucken und zweifelnd und 
argwöhnisch den Kopf schütteln. Der Unglaube mochte sagen: 
Wie, leben drei Millionen Menschen von Luft? Wer hat die 
Verwaltung in Händen? Wo sind die Kriegsvorräte? Wo ist 
das Reisegepäck? Wer sorgt für die Bekleidung? — Nur der 
Glaube konnte antworten, und seine Antwort ist einfach, kurz 
und bestimmt: Gott war da. Das genügte vollkommen. Was 
waren sechshundertausend Pilger für den allmächtigen Gott'' 
Konnte Er etwa die Bedürfnisse ihrer Frauen und Kinder nicht 
120 
stillen? Nach menschlicher Berechnung mochten diese Vorgänge 
überwältigend sein. Man denke nur an die Kosten und die 
Mühe, die für den Unterhalt der kürzlich nach Frankreich gesandten Soldaten erforderlich waren*). Wie viele Eisenbahnzüge waren notwendig, um die Truppen mit allem zu versehen.. 
was sie täglich brauchten! Hier aber sehen wir sechshunderttausend Pilger mit Frauen und Kindern auf einem vierzigjährigen Marsch durch eine „große und schreckliche Wüste", in 
der weder Korn, noch Gras noch eine Wasserquelle waren. Wie 
konnten sie versorgt werden? Da gab es keine Lieferungen, 
keine Vereinbarung mit befreundeten Völkern bezüglich der 
Versorgungen waren getroffen worden, keine Transporte wurden befördert, um den Pilgern an verschiedenen Stationen ihres 
Marsches entgegenzukommen, — kurz, nicht eine einzige sichtbare Spur von Unterstützung, nichts von allem, was die Natur 
als nützlich betrachten würde, war zu entdecken. 
Alles dieses ist der Betrachtung wert. Aber wir müssen es in 
der Gegenwart Gottes betrachten. Es ist für die menschliche 
Vernunft nutzlos, sich niederzusetzen, um diese gewaltige 
Aufgabe durch allerlei logische Schlüsse lösen zu wollen. Nein, 
mein Leser, es ist nur der Glaube, der sie lösen kann, und zwar 
im Hinschauen auf den lebendigen Gott. Hier liegt die kostbare 
Lösung. Gott allein gibt die Antwort. Gott war in der Mitte 
Seines Volkes. Er war dort in der ganzen Fülle Seiner Gnade 
und Barmherzigkeit, in der vollkommensten Erkenntnis der Bedürfnisse Seines Volkes und der Schwierigkeiten des Weges. Er 
war dort in Seiner allvermögenden Macht und mit Seinen nie 
versiegenden Hilfsquellen, um diese Bedürfnisse zu stillen und 
diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Er trat so völlig in diese 
Umstände ein, daß Er am Ende der vierzigjährigen Wanderung 
sich mit den rührenden Worten an ihre Herzen wenden konnte: 
„Denn Jehova, dein Gott, hat dich gesegnet in allem Werke deiner Hand. Er kannte dein Ziehen durch diese große Wüste: diese vierzig Jahre ist Jehova, dein Gott mit dir gewesen; es hat 
dir an nichts gemangelt", und: „Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre" 
(5. Mo 2, 7 und 8, 4). 
*) Ein Jahr vor Erscheinen dieses „Botschafters", am 19. Juli 1870, war der 
deutsch=französische Krieg ausgebrochen (Anm. d. Bearb.). 
121 
In all diesen Dingen war das Lager Israels ein treffendes Vorbild auf die durch diese Welt wandernde Kirche Gottes. Das 
Zeugnis der Schrift ist in diesem Punkt so bestimmt, daß für 
die Tätigkeit der Einbildungskraft kein Raum besteht und keine 
Frage möglich ist. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen 
als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist" (1. Kor 
10, 11). Wir dürfen daher nähertreten und mit vollem Interesse dieses wunderbare Schauspiel betrachten und die kostbaren Lehren sammeln, die so offensichtlich zu unserer Belehrung gedacht sind. Wer könnte diese Lehren gebührend 
schätzen? Betrachten wir dieses geheimnisvolle Lager, das aus 
Kriegsleuten, Arbeitern und Anbetern bestand! Welch eine 
vollständige Trennung von ailen anderen Völkern der Welt! 
Welche äußerste Hilflosigkeit! Welche gefahrvolle Lage! 
Welch eine gänzliche Abhängigkeit von Gott! Sie besaßen 
nichts, sie konnten nichts tun, sie konnten nichts wissen. Sie 
hatten weder ein Stück Brot noch einen Trunk Wasser, aber 
Tag für Tag empfingen sie beides gleichsam aus der Hand Gottes. Wenn sie abends ihr Lager aufsuchten, besaßen sie nicht 
den geringsten Vorrat für den nächsten Tag. Es gab weder ein 
Magazin noch eine Speisekammer, noch irgendeine andere 
sichtbare Hilfsquelle. Nichts war da, worauf die Natur hätte 
rechnen können. 
Aber Gott war da, und das war nach dem Urteil des Glaubens 
genug. Die Kinder Israel waren auf Gott geworfen. Welch eine 
große Wahrheit! Außer dem wahrhaftigen, lebendigen und 
ewigen Gott gibt es für den Glauben nichts Wesentlicheres, 
nichts Wahres, nichts Bleibendes. Die Natur möchte verlangende Blicke nach den Speichern Ägyptens werfen und nach 
Dingen schauen, die mit den Sinnen wahrnehmbar sind, aber 
der Glaube schaut empor zum Himmel und findet dort seine 
Quellen. 
So verhielt es sich mit dem Lager in der Wüste, und ebenso 
steht es mit der Kirche in der Welt. Dort gab es kein einziges 
Vorkommnis, nichts, wofür die göttliche Gegenwart nicht stets 
die allgenügende Antwort gewesen wäre. Die unbeschnittenen 
Völker ringsum mochten staunend ihre Blicke erheben; sie 
mochten in der Blindheit ihres Unglaubens die Frage erheben, 
122 
wie es möglich sei, ein solches Heer zu ernähren, zu kleiden 
und zu leiten. Aber sie besaßen auch nicht die Fähigkeit zu 
sehen, wie dies möglich war. Sie kannten Jehova nicht, den 
Herrn, den Gott der Hebräer, und daher mußte ihnen alles., was 
Er für diese große Versammlung zu tun verheißen hatte, wie 
ein Märchen erscheinen. 
In der gleichen Lage befindet sich jetzt das geistliche Lager — 
die Versammlung Gottes in dieser moralischen Wüste. Von 
dem Standpunkt Gottes aus betrachtet ist diese Versammlung 
nicht von dieser Welt, sondern vollständig von ihr abgesondert. 
Sie ist ebenso vollständig von der Welt getrennt, wie Israel von 
Ägypten getrennt war. Das Wasser des Roten Meeres floß 
zwischen dem Lager und Ägypten, und die tieferen und finsteren Wasser des Todes Christi fließen zwischen der Kirche 
Gottes und der gegenwärtigen bösen Welt. Es ist unmöglich, 
völliger getrennt zu sein. Der Herr Jesus Selbst sagt: „Sie sind 
nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin" 
(Joh 17). 
Was könnte auch hilfloser sein als die Kirche Gottes in dieser 
Welt? Von sich und in sich selbst besitzt sie nichts. Siehat ihren 
Platz in einer moralischen Wüste, in einer furchtbar öden und 
höchst gefahrvollen Wildnis, in der es buchstäblich nichts gibt, 
wovon sie sich nähren kann. Nein, auf dieser ganzen Welt findet sich kein Tropfen Wasser und keine der Kirche Gottes angemessene Speise. — Wie vielen Arten feindlicher Einflüsse ist 
die Kirche auch bloßgestellt! Alles steht ihr entgegen. Sie 
gleicht in dieser Welt einer ausländischen Pflanze, die einem 
fremden Klima angehört und in eine Gegend gebracht worden 
ist, wo weder die Luft noch der Boden geeignet für sie ist. Ja, 
die Kirche Gottes in dieser Welt ist getrennt, hilflos, den Gefahren ausgesetzt, wehrlos und gänzlich abhängig von dem 
lebendigen Gott. Unsere Gedanken über die Kirche werden an 
Klarheit und Kraft gewinnen, wenn wir in ihr das Gegenbild 
des Lagers in der Wüste sehen. In 1. Kor 10 sehen wir, daß 
eine solche Betrachtungsweise keineswegs seltsam oder weit 
hergeholt ist. Wir sind völlig berechtigt zu sagen, daß das, was 
das Lager Israels in buchstäblichem Sinne war, die Kirche in 
moralischer und geistlicher Beziehung ist, und daß das, was 
die Wüste für Israel in buchstäblichem Sinn war, die Welt für 
123 
die Kirche Gottes in moralischer und geistlicher Hinsicht ist. 
Die Wüste war für Israel die Stätte der Mühsal und Gefahr, 
nicht aber ein Ort der Erquickung und des Genusses, und in 
demselben Verhältnis steht die Welt zur Kirche. 
Es ist notwendig, diese Tatsache in ihrer ganzen moralischen 
Tragweite zu verstehen. Die Versammlung Gottes in der Welt 
ist wie die „Versammlung in der Wüste" ganz auf den lebendigen Gott geworfen. Natürlich betrachten wir hier die Kirche 
vom göttlichen Standpunkt aus; wir betrachten sie, wie sie in 
den Augen Gottes ist. Betrachten wir sie von einem menschlichen Standpunkt aus, in ihrem tatsächlichen praktischen Zustand, ach, dann erblicken wir etwas ganz anderes. Es handelt 
sich hier um den normalen, wahren und göttlichen Begriff von 
der Versammlung Gottes in dieser Welt. Verlieren wir daher 
nicht aus dem Auge, daß ebenso wie sich damals ein Lager in 
der Wüste befand, sich jetzt die Kirche Gottes, der Leib Christi, 
in der Welt befindet. Ohne Zweifel kannten die Nationen der 
Welt die Versammlung des Alten Testaments wenig und kümmerten sich noch weniger um sie, aber das berührte die große 
Tatsache nicht im geringsten. Ebenso kennen die Menschen der 
Welt die Versammlung Gottes, den Leib Christi, wenig und 
kümmern sich noch weniger darum, aber das berührt keineswegs die Tatsache, daß wirklich ein solches Gebilde seit der 
Ausgießung des LIeiligen Geistes am Tage der Pfingsten auf 
der Erde besteht. Sicher hatte die Versammlung des Alten 
Testaments ihre Prüfungen, ihre Kämpfe, ihre Trübsale, ihre 
Versuchungen, ihre Widersprüche, ihre Streitfragen, ihre inneren Bewegungen, ihre zahllosen und namenlosen Schwierigkeiten und andere Erscheinungen, die die verschiedenen Hilfsquellen erforderten, die in Gott waren. Aber trotz dieser Dinge, die wir aufgezählt haben, trotz der Schwachheit, Mängel, 
Sünden, Empörungen und Kämpfe steht die Tatsache fest, daß 
Engel, Menschen und Teufel von dieser großen, (nach der gewöhnlichen Art der Berechnung) drei Millionen Menschen zählenden Versammlung Kenntnis nahmen, denn auf einen unsichtbaren Arm gestützt, wurde sie geleitet und versorgt durch den 
ewigen Gott, Dessen Augen auch nicht während eines einzigen 
Augenblicks von diesem geheimnisvollen vorbildlichen Heer 
abgewandt waren, und Der sogar in ihrer Mitte wohnte und 
124 
sie bei all ihrem Unglauben, ihrer Vergeßlichkeit, Undankbarkeit und Widersetzlichkeit nie versäumte. Gott war da, um sie 
Tag und Nacht zu stützen und zu leiten, zu bewachen und zu 
erhalten. Er speiste sie mit dem Brot, das vom Himmel kam, 
und Er öffnete den Felsen zu einer sprudelnden Quelle. Er 
hatte eine Versammlung in der Wüste, die, getrennt von allen 
Völkern ringsum, ganz auf Ihn geworfen war. Sicher bot die 
Wüste nichts für ihren Unterhalt und ihre Erquickung. Es gab 
Schlangen und Skorpionen, Fallstricke und Gefahren; überall 
herrschte Dürre, Unfruchtbarkeit und Verlassenheit. Aber dennoch befand sich hier jene wunderbare Versammlung, die in 
einer Weise erhalten wurde, die den menschlichen Verstand 
verwirrt und zuschanden macht. 
Welch ein Glück, nun sagen zu dürfen, daß das Lager in der 
Wüste ein Vorbild von der Kirche Gottes in dieser Welt ist, 
jener Kirche, die bereits über achtzehn Jahrhunderte besteht 
und ihren Platz bis zu dem Augenblick behaupten wird, wenn 
der Herr Jesus Seine gegenwärtige Stellung verlassen und zu 
ihrer Entrückung in die Luft herniederkommen wird. Wie wichtig ist es, diese Tatsache, die man so lange aus den Augen verloren hatte, zu erkennen! Wie wenig wird sie auch jetzt noch 
erkannt! Es sollte das feierliche Bekenntnis jedes Christen sein, 
daß sich jetzt in diesem Augenblick etwas auf der Erde befindet, was dem Lager in der Wüste entspricht. Ja, die Kirche 
befindet sich in einer Wüste. Die Versammlung durchschreitet 
eine Welt, wie Israel einst eine Wüste durchschritt. Was für 
Israel buchstäblich und praktisch die Wüste war, das ist für 
die Kirche moralisch und geistlich die Welt. Wie Israel keine 
Quellen in der Wüste fand, so wird auch die Kirche Gottes 
keine Quellen in der Welt finden. Wenn sie es tut, so nimmt 
sie nicht ihre wahre Stellung vor dem Herrn ein. Wie Israel 
nicht der Wüste angehörte, sondern sie nur durchschritt, so ist 
auch die Kirche Gottes nicht von der Welt, sondern sie durchschreitet sie nur. 
Wenn der Leserin diese Gedanken sich vertieft hat, dann werden sie ihm die abgesonderte Stellung der Kirche als Ganzes 
und ihrer einzelnen Glieder im Besonderen zeigen. Gott bezeichnet sie als ebenso von dieser Welt getrennt, wie Er das 
Lager Israels als getrennt von der sie umgebenden Wüste be125 
zeichnete. Zwischen der Kirche und der Welt besteht ebenso 
wenig Gemeinschaft wie zwischen dem Lager und dem Sand 
der Wüste. Die herrlichsten Schönheiten, die größten Reize der 
Welt sind für die Kirche Gottes, was die Schlangen, die Skorpione und die tausenderlei Gefahren für Israel waren. Natürlich betrachten wir die Kirche, wie Gott sie betrachtet, und nicht 
wie die Menschen sie verunstaltet haben. Es ist unbedingt 
nötig, daß wir uns durch Glauben auf den Standpunkt Gottes 
stellen, um so die Kirche zu sehen. Nur in diesem Fall können 
wir einen richtigen Eindruck von dem haben, was die Kirche ist, 
sowie von unserer eigenen persönlichen Verantwortung als 
Glieder dieser Kirche. Gott hat in dieser Welt eine Kirche, die 
durch den Heiligen Geist bewohnt und mit Christus, dem 
Haupt, vereinigt ist. Diese Kirche, die der Leib ist, ist zusammengesetzt aus allen, die in Wahrheit an den Sohn Gottes 
glauben, und die durch die große Tatsache der Gegenwart des 
Heiligen Geistes vereinigt sind. 
Dies ist nicht nur eine bloße Meinung oder eine Lieblingsidee, 
die wir unseren Lesern vorhalten. Nein, es ist eine göttliche 
Tatsache. Die Kirche ist ein wirklich existierendes Gebilde, und 
wir — wenn wir wahrhaft gläubig sind — sind leibhaftige Glieder an ihr, und zwar durch den Heiligen Geist dazu berufen. 
Dies ist etwas ebenso Bestimmtes und Wirkliches, wie die 
Geburt eines Kindes in einer Familie. Die Geburt hat statt= 
gefunden, das Verhältnis ist gebildet, und wir haben es nur 
anzuerkennen und demgemäß von Tag zu Tag zu wandeln. 
Von dem Augenblick an, da eine Seele wiedergeboren und mit 
dem Heiligen Geist versiegelt ist, ist sie auch dem Leibe Christi einverleibt. Eine solche Seele kann sich nicht länger als ein 
einzelnes Individuum, als eine unabhängige Person, als ein 
isoliertes Wesen betrachten; sie ist das Glied eines Leibes, 
wie die Hand und der Fuß Glieder des menschlichen Leibes 
sind. Sie ist ein Glied des Leibes Christi und kann daher selbstverständlich nicht ein Glied von etwas anderem sein. Wie 
könnte mein Arm das Glied eines anderen Leibes sein? Ebenso kann das Glied des Leibes Christi nicht zugleich das Glied 
eines anderen Leibes sein. 
Wie herrlich ist diese Wahrheit bezüglich der Kirche Gottes als 
des Gegenbildes des Lagers in der Wüste! Diese Kirche ist 
126 
wirklich vorhanden inmitten des Verderbens und des Abfalls, 
inmitten des Widerspruchs und des Zwiespalts, inmitten der 
Verwirrung und Uneinigkeit, der Sekten und Parteien. Das ist 
in der Tat eine kostbare Wahrheit! Wir sind ebenso verpflichtet durch Glauben diese Kirche in der Welt anzuerkennen, wie 
die Israeliten verpflichtet waren, durch Schauen das Lager in 
der Wüste anzuerkennen. Der Israelit dachte nicht im entferntesten an ein anderes Lager, an eine andere Versammlung; und 
die Christen sollten durchaus nicht an eine andere Kirche, an 
einen anderen Leib denken. Dort war ein Lager, eine Versammlung, und der Israelit gehörte dazu; hier ist eine Kirche, 
ein Leib, und der wahre Christ gehört dazu. 
Aber wie ist dieser Leib gebildet? Durch den Heiligen Geist, 
wie geschrieben steht: „Denn auch in einem Geiste sind wir 
alle zu einem Leibe getauft worden" (l. Kor 12, 13). Wie wird 
er unterhalten? Durch sein lebendiges Haupt mittels des Heiligen Geistes, und durch das Wort, wie geschrieben steht: „Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt 
und pflegt es, gleichwie auch der Christus die Versammlung" 
(Eph 5, 29). Ist das nicht hinreichend? Ist der Herr Jesus nicht 
genügend? Genügt der Heilige Geist nicht völlig? Verlangen 
wir mehr als die mannigfaltigen Kräfte, die in dem Namen 
Jesu verborgen sind? Sind die Gnadengaben des ewigen Geistes nicht völlig hinreichend für das Wachstum und die Erhaltung der Kirche Gottes? Sichert uns die göttliche Gegenwart in 
der Kirche nicht alles zu, was die Kirche benötigt? Der Glaube 
bejaht es mit Bestimmtheit und Nachdruck, der Unglaube, die 
menschliche Vernunft, sagt: Nein, wir brauchen noch viele 
andere Dinge. Unsere Antwort aber sollte dann immer sein: 
Wenn Gott nicht genügend ist, dann wissen wir nicht, wohin 
wir uns wenden sollen. Wenn der Name Jesu nicht genügt, 
dann wissen wir nicht, was wir beginnen sollen. Wenn der 
Heilige Geist in der Gemeinschaft, im Dienst und in der Anbetung nicht all unseren Bedürfnissen begegnen kann, dann 
wissen wir nicht, was wir sagen sollen. — 
Man könnte jedoch einwenden: Die Dinge sind aber nicht mehr 
in dem Zustand, in dem sie zur Zeit der Apostel waren. Die 
Kirche hat gefehlt, die Pfingstgaben sind nicht mehr zu entdecken, die blühenden Tage der ersten Liebe der Kirche sind 
127 
verschwunden, und darum müssen wir die besten Mittel, die 
uns zur Verfügung stehen, anwenden, um unsere Kirchen einzurichten und zu unterhalten. — Auf dies alles aber antworten 
wir: Gott hat nicht gefehlt, Christus, das Haupt der Kirche, 
hat nicht gefehlt, der Heilige Geist hat nicht gefehlt. — Das ist 
der unerschütterliche Grund des Glaubens. „Jesus Christus ist 
derselbe gestern und heute und in Ewigkeit". Er hat gesagt: 
„Siehe, ich bin bei euch" — wie lange? Etwa nur während der 
Tage der ersten Liebe? oder während der Zeit der Apostel? 
oder so lange, wie die Kirche treu bleiben wird? — Nein. „Ich 
bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters" (Mt 
28, 20). Selbst damals, als zum ersten Mal in der Schrift die 
Versammlung erwähnt wird, lesen wir die denkwürdigen Worte: „Auf diesen Felsen (den Sohn des lebendigen Gottes) will 
ich meine Versammlung bauen, und des Hades Pforten werden 
sie nicht überwältigen" (Mt 16). 
letzt handelt es sich um die Frage: Ist diese Kirche oder Versammlung im gegenwärtigen Augenblick auf der Erde? — Ganz 
gewiß. Es ist ebenso wahr, daß es jetzt eine Kirche auf Erden 
gibt, wie es einst ein Lager in der Wüste gab; und ebenso wie 
Gott Sich im Lager befand, um jedem Bedürfnis zu begegnen, 
ist Er auch jetzt in der Kirche, um alles zu ordnen und zu leiten, 
wie geschrieben steht: „Ihr (werdet) mit aufgebaut zu einer 
Behausung Gottes im Geiste" (Eph 2). Das ist völlig genügend. 
Unsere Sache ist es jetzt, durch einfachen Glauben diese große 
Wahrheit zu ergreifen. Der Name Jesu ist ebenso genügend 
für alle Erfordernisse der Kirche Gottes wie für die Errettung 
der Seele. Das eine ist so wahr wie das andere. „Denn wo zwei 
oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in 
ihrer Mitte" (Mt 18). Hat dies aufgehört, wahr zu sein? Keineswegs. Nun, dann ist die Gegenwart Christi auch für Seine 
Kirche völlig hinreichend, und wir haben nicht nötig, über 
kirchliche Angelegenheiten Pläne zu machen und auszuführen. 
Sicher können wir dabei ebenso wenig tun wie bei der Errettung einer Seele. Was sagen wir dem Sünder? Vertraue auf 
Christus. Was sagen wir dem Gläubigen? Vertraue auf Christus! Was sagen wir einer Versammlung von wenigen oder 
vielen Gläubigen? Vertraut auf Christus! Gibt es irgend etwas, 
das Er nicht tun kann? Gibt es etwas, das für Ihn zu schwierig 
128 
ist? Ist die Schatzkammer Seiner Gaben und Gnade je erschöpft 
worden. Ist Er nicht fähig, Gaben zum Dienst zu verleihen? 
Kann Er nicht Evangelisten, Hirten und Lehrer berufen? Kann 
Er nicht den verschiedenen Bedürfnissen Seiner Kirche in der 
Wüste begegnen? Wenn nicht, ach, wo befinden wir uns dann? 
Was sollen wir tun? Wohin sollen wir uns wenden? Was hatte 
das Lager, die Versammlung des Alten Testaments, zu tun? 
Nichts anderes als auf Jehova zu schauen. Er allein konnte für 
Brot, Wasser, Kleidung, Leitung, Schutz — kurz für alles sorgen. Alle ihre Quellen waren in Ihm. Müssen wir uns nun zu 
einer anderen Stelle wenden? Gewiß nicht; unser Herr Jesus ist 
völlig genügend trotz aller unserer Mängel und Fehler, trotz 
unserer Sünde und Untreue. Darum laßt uns auf Ihn vertrauen, 
laßt uns Ihm Raum geben, um zu handeln. Laßt uns alle unsere 
Sorgen bezüglich der Versammlung auf Ihn werfen, wie wir es 
auch taten, als es sich um die Errettung unserer Seele handelte. 
Wir sind völlig überzeugt, daß hierin das ganze Geheimnis der 
Kraft und des Segens liegt. Leugnen wir den Verfall der Kirche? Ach, das Verderben steht als eine zu greifbare und zu 
offenkundige Tatsache vor uns; daher kann man es unmöglich 
leugnen. Versuchen wir unsere Mitschuld an dem Verfall, 
unsere Torheit und Sünde zu leugnen? Wollte Gott, wir fühlten unsere Mitschuld tiefer! Aber wollen wir unsere Sünde 
noch dadurch vergrößern, daß wir die Gnade und Macht unseres Herrn, uns in unserer Torheit zu begegnen, leugnen? Wollen wir die Quelle lebendigen Wassers verlassen und uns 
löcherige Zisternen aushauen, die kein Wasser halten? Wollen 
wir uns abwenden von dem Fels der Ewigkeiten und uns stützen auf die zerbrechlichen Rohrhalme unserer Pläne? Der Herr 
verhüte es! Der Name Jesu ist die einzige wahre Stütze unseres 
Herzens. 
Jesus-Name! Rettungsquelle, 
Ruh' in Mühsal, Trost im Schmerz; 
Bist ein Fels in Sturm und Welle, 
Heilung für ein wundes Herz. 
Der Leser möge jedoch keineswegs dem Gedanken Raum 
geben, als wollten wir mit Anmaßung über den Verfall der 
Kirche reden. Nein, wir fühlen, daß wir mitschuldig sind. Wir 
können sicher keinen zu niedrigen Platz einnehmen. Im Blick 
129 
auf unsere gemeinschaftliche Sünde und Schande gebührt uns 
ein niedriger Platz und eine demütige Gesinnung. Aber mit 
allem Nachdruck möchten wir hervorheben, daß der Name Jesu 
für die Bedürfnisse der Kirche Gottes zu allen Zeiten und unter 
allen Umständen völlig genügt. Wenn zur Zeit der Apostel in 
diesem Namen alle Macht verborgen lag, warum dann nicht 
auch in unserer Zeit? Hat dieser herrliche Name irgendeine 
Veränderung erfahren? Nein — Gott sei dafür gepriesen! Nun, 
dann ist er auch in diesem Augenblick für uns völlig genügend. Wir wünschen daher, diesem unvergleichlich kostbaren 
Namen — und nichts anderem — völlig zu vertrauen und mit 
kühnem Mut alle unsere Hoffnung darauf zu setzen. Der Herr 
ist in jeder Versammlung, wie klein die Zahl ihrer Glieder 
auch sein mag. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem 
Namen, da bin ich in ihrer Mitte". Hat diese Verheißung ihre 
Kraft verloren? Hat Er sie widerrufen? 
Nun, mein teurer Leser, wir schließen diese Zeilen mit dem 
innigen Wunsch, dein Herz möchte sich weit für die kostbare 
Wahrheit öffnen, daß der Name Jesu für die Versammlung 
Gottes zu allen Zeiten, in allen Umständen, in denen sie sich 
befinden mag, völlig genügend ist. Wir bitten dich, dies nicht 
nur theoretisch für eine Wahrheit zu halten, sondern auch 
praktisch darin zu leben; denn nur dann wirst du den reichen 
Segen der Gegenwart Jesu erfahren und genießen. 
Das Lager und die Wolke 
(4. Mos e 9, 15—18) 
„Und an dem Tage da die Wohnung aufgerichtet wurde, bedeckte die Wolke die Wohnung des Zeltes des Zeugnisses; 
und am Abend war es über der Wohnung wie das Ansehen eines 
Feuers bis an den Morgen. So war es beständig: die Wolke 
bedeckte sie, und des Nachts war es wie das Ansehen eines 
Feuers. Und so wie die Wolke sich von dem Zelte erhob, brachen danach die Kinder Israel auf; und an dem Orte, wo die 
Wolke sich niederließ, daselbst lagerten sich die Kinder Israel. 
Nach dem Befehl Jehovas brachen die Kinder Israel auf, und 
130 
nach dem Befehl Jehovas lagerten sie sich; alle die Tage, da 
die Wolke auf der Wohnung ruhte, lagerten sie". 
Ein liebliches Bild völliger Abhängigkeit und Unterwürfigkeit! 
In der „großen und schrecklichen Wüste" zeigte sich keine Fußspur, kein Grenzstein. Die Pilger waren bei jedem Schritt auf 
dem Wege auf Gott geworfen und befanden sich also immer 
in einem Zustand beständigen Wartens auf Ihn. Das wäre für 
ein nicht unterworfenes Herz, für einen ungebrochenen Willen 
unerträglich, aber für eine Seele, die Gott kennt und liebt, die 
Ihm vertraut und sich in Ihm erfreut, kann nichts gesegneter 
sein. 
Hier liegt der wahre Grund der ganzen Sache. Ist wirkliche Erkenntnis Gottes sowie Liebe und Vertrauen in der Seele, dann 
erfreut sich das Herz in der vollständigsten Abhängigkeit von 
Ihm. Sonst ist diese Abhängigkeit durchaus unerträglich. Der 
nicht wiedergeborene Mensch liebt es, sich als unabhängig und 
frei zu betrachten und zu glauben, daß er tun und reden könne, 
was ihm beliebt. Welch ein Irrtum! Der Mensch ist nicht frei, 
Er ist ein Sklave Satans. Schon vor sechstausend Jahren hat er 
sich diesem großen geistlichen Sklavenhalter verkauft und 
schmachtet bis zu diesem Augenblick in dessen Fesseln. Ja, 
Satan hält den unbekehrten, unbußfertigen Menschen in seiner 
Gewalt. Er hat ihm Hände und Füße mit Ketten gebunden, die 
in ihrem wahren Charakter nicht gesehen werden können, weil 
er sie scheinbar vergoldet hat. Die Lüste, die Leidenschaften 
und Vergnügungen — das sind die Mittel, mit denen Satan die 
Menschen beherrscht. Er weckt die Lüste im Herzen und befriedigt sie durch die Dinge, die in der Welt sind; und der Mensch 
bildet sich ein, frei zu sein, weil er seine Wünsche befriedigen 
kann. Aber es ist ein schmerzlicher Betrug, wie er früher oder 
später erkennen wird. Es gibt in der Tat keine Freiheit als die, 
mit der Christus Sein Volk frei macht. Er sagt: „Ihr werdet die 
Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." 
Und wiederum: „Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, 
so werdet ihr wirklich frei sein" (Joh 8). 
Hier ist wahre Freiheit. Es ist die Freiheit, die die neue Natur 
findet, wenn sie im Geist wandelt und das tut, was vor Gott 
wohlgefällig ist. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit". 
Ein Dienst im Geiste aber schließt in allen seinen Teilen eine 
131 
völlige Abhängigkeit von dem lebendigen Gott in sich. So war 
es bei Jesus, dem einzigen treuen und vollkommenen Diener, 
der je diese Erde betrat. Er war immer abhängig. Jede Bewegung, jede Handlung, jedes Wort — alles was Er tat und ließ 
war eine Frucht völliger Abhängigkeit und Unterwürfigkeit 
unter Gott. Er ging und stand, Er sprach und schwieg, je nachdem Gott Ihm das eine oder das andere gebot. Und wir als 
Teilhaber Seiner Natur und Seines Lebens und als solche, in 
denen Sein Geist wohnt, sind berufen, in Seinen Fußtapfen 
zu wandeln und Tag und Nacht in Abhängigkeit von Gott zu 
leben. Der Israel Gottes — das Lager in der Wüste, jenes wandernde Heer — folgte der Bewegung der Wolke. Wenn die 
Pilger durch sie geführt werden wollten, mußten sie ihren 
Blick erheben. Das ist die Aufgabe, die der Mensch hat. Er ist 
geschaffen, um den Blick aufwärts zu richten, während das 
Tier mit einem nach unten gerichteten Blick geschaffen ist. Die 
Israeliten konnten keine Pläne machen. Sie konnten nie sagen: 
„Morgen gehen wir da oder dorthin". Sie waren ganz von der 
Bewegung der Wolke abhängig. 
So war es bei Israel und so sollte es bei uns sein. Moralisch betrachtet, durchschreiten wir eine pfadlose Wüste. Nirgends 
findet sich eine Straße. Wohin sollten wir unsere Schritte lenken, wenn nicht der geliebte Herr gesagt hätte: „Ich hin der 
Weg"? Das ist die göttliche, unfehlbare Führung. Wir haben 
Ihm zu folgen. „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, 
wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht 
des Lebens haben" (Joh 8). Wir haben nicht nach irgendwelchen Regeln und Vorschriften zu wandeln, sondern einem 
lebendigen Christus zu folgen. Wir haben zu wandeln, wie Er 
gewandelt, zu tun, wie Er getan, und Seinem Beispiel in allen 
Dingen zu folgen. Natürlich kann das nur unter Aufopferung 
unseres eigenen Willens geschehen. Wir müssen der Wolke folgen, d. h. immer auf Gott warten. Auch wir können nicht 
sagen: „Wir wollen da oder dorthin gehen; wir wollen morgen 
oder in der nächsten Woche dies oder jenes tun". Alle unsere 
Bewegungen müssen unter die ordnende Macht jenes leider oft 
leichtsinnig gebrauchten Wortes gestellt werden: „Wenn der 
Herr will"! 
O möchten wir dies besser verstehen! Nur dann erkennen wir 
die Bedeutung der göttlichen Führung. Wie oft bilden wir uns 
132 
ein, die Wolke nach dieser oder nach jener Richtung hin ziehen 
zu sehen, weil das gerade zu unseren Wünschen paßt! Wir 
möchten einen bestimmten Flan ausführen oder einen bestimmten Weg einschlagen, und hastig reden wir uns ein, daß unser 
Wille der Wille Gottes sei. Anstatt uns leiten zu lassen, sind 
wir selbst die Führer. Unser Wille ist ungebrochen, und darum 
können wir nicht richtig geleitet werden; denn ein vollständig 
gebrochener Wille ist die erste Bedingung für eine richtige Leitung von Seiten Gottes. „Er leitet die Sanftmütigen im Recht, 
und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg". — „Mein Auge auf 
dich richtend will ich dir raten". 
Doch laßt uns die Warnung wohl beachten: „Seid nicht wie 
ein Roß, wie ein Maultier, das keinen Verstand hat; mit Zaum 
und Zügel, ihrem Schmucke, mußt du sie bändigen, sonst 
nahen sie dir nicht" (Ps 32). Wenn unser Blick aufwärts gerichtet ist, um dem Wink des göttlichen Auges zu begegnen, 
dann benötigen wir „Zaum und Zügel" nicht. Aber gerade 
hierin straucheln wir so oft. Wir befinden uns nicht nahe genug 
bei Gott um den Wink Seiner Augen zu erkennen, und der 
eigene Wille ist in Tätigkeit. Wir möchten unsere eigenen 
Wege gehen, und darum werden wir preisgegeben, um die bittere Frucht davon zu ernten. So verhielt es sich auch bei Jona. 
Er hatte den Auftrag, nach Ninive zu gehen, aber er versuchte, 
nach Tarsis zu entfliehen, und die Umstände schienen dies zu 
begünstigen. Aber Jona mußte sich im Bauche eines großen 
Fisches, ja „im Schöße des Scheols" selbst wiederfinden, wo 
ihn die „Wasser umfingen". Hier in der Tiefe des Meeres 
lernte er die bittere Frucht der eigenen Wege kennen und die 
Bedeutung von „Zaum und Zügel", weil er der sanfteren Führung des Auges nicht folgen wollte. 
Aber wie gnädig und langmütig ist unser Gott! Er will Seine 
armen schwachen und irrenden Kinder belehren und leiten. 
Ohne zu ermüden, beschäftigt Er Sich stets mit uns, um uns 
von unseren eigenen, dornenvollen Pfaden fernzuhalten und 
uns in Seinen Wegen der Glückseligkeit und des Friedens wandeln zu lassen. Nichts ist gesegneter, als in der Abhängigkeit 
von Gott zu wandeln, an Ihm zu hangen, auf Ihn zu warten 
und alle Quellen in Ihm zu haben. Wenn die Seele sagen kann: 
„Alle meine Quellen sind in dir", dann hat sie sich erhoben 
133 
über alle menschlichen Hoffnungen und irdischen Erwartungen. Wohl bedient Gott Sich der äußeren Dinge zu unserem 
Nutzen, aber wir sollen uns nicht darauf stützen, denn sonst 
werden wir bald eine Dürre in unseren Seelen verspüren. Wenn 
Gott Sich ihrer zu unserem Nutzen bedient, dann werden wir 
gesegnet und Er wird verherrlicht. Machen wir sie aber zu 
unserer Stütze, dann betrügen wir uns und verunehren Ihn. 
Ach, wie oft täuschen wir uns in dieser Beziehung! Wir glauben oft, uns auf Gott zu stützen, aber eine Prüfung im Lichte 
der Gegenwart Gottes würde zeigen, daß wir in den meisten 
Fällen unser Vertrauen auf das Geschöpf gesetzt haben. Wir 
reden oft von einem Leben aus Glauben, von Zuversicht und 
Gottvertrauen, und doch würde uns ein einziger Blick in die 
Tiefe unserer Herzen oft überzeugen, daß wir uns in erster 
Linie von den Umständen leiten lassen. 
Darum, teure Brüder, laßt uns unsere Blicke unverwandt auf 
den lebendigen Gott und nicht auf den Menschen richten! Laßt 
uns mit Geduld und Ausharren auf Seine Güte hoffen! Wenn 
wir nicht wissen, welche Wege wir einschlagen sollen, dann laßt 
uns einfach Ihm folgen, Der gesagt hat: „Ich bin der Weg". 
Er wird alles klar und sicher machen. Bei Ihm ist keine Unklarheit, keine Verlegenheit, keine Ungewißheit, und Er sagt: „Wer 
mir nachfolgt, wird nicht in Finsternis wandeln". Wenn wir 
daher in Finsternis sind, dann hat das seinen Grund darin, daß 
wir Ihm nicht nachfolgen. Folgen wir der Wolke, dann ist der 
Weg so hell und klar, wie Gott ihn nur machen kann. Hier liegt 
die Wurzel der ganzen Sache. Unruhe oder Ungewißheit ist 
nicht selten die Frucht der Tätigkeit des eigenen Willens. Wir 
sind geneigt, etwas auszuführen, was Gott nicht will, daß wir 
es tun. Wir beten deshalb, empfangen aber keine Antwort. 
Warum? Weil Gott will, daß wir ruhig sind und nicht handeln 
sollen. O möchten wir doch mehr auf Gott warten und ruhig 
und still sein, anstatt uns den Kopf zu zerbrechen und die 
Seele zu beunruhigen! 
Das ist das wahre Geheimnis des Friedens. Wenn ein Israelit 
in der Wüste unabhängig von Gott die Leitung der Wolke in 
seine Hand genommen hätte, — wenn er die stehende Wolke 
hätte bewegen oder die sich bewegende Wolke hätte aufhalten 
wollen, welche seltsamen Ergebnisse wären dann erzielt wor134 
den! Ebenso wird es auch bei uns sein. Wenn wir gehen, während wir ruhen sollen oder umgekehrt, wie könnte dann die 
Gegenwart Gottes mit uns sein? „Nach dem Befehl Jehovas 
brachen die Kinder Israel auf, und nach dem Befehl Jehovas 
lagerten sie sich". Sie mußten ständig auf Gott warten. Das ist 
die gesegnetste Stellung, die man einnehmen kann; aber man 
muß sie einnehmen, bevor man des Segens teilhaftig werden 
kann. Gebe der Herr uns die Gnade, stets auf Ihn zu warten 
und uns durch Sein Auge raten zu lassen! — 
Christus im Schiff 
(Markus 4, 35—41) 
Die Not des Menschen bietet Gott Gelegenheit zur Hilfe. Das 
ist eine Wahrheit, an der wir alle gewiß nicht zweifeln. Und 
doch sind wir oft, wenn wir in Trübsal und Not kommen, so 
wenig vorbereitet, auf die Hilfe Gottes zu rechnen. Eine Wahrheit auszusprechen oder zu hören ist etwas ganz anderes als 
die Macht dieser Wahrheit zu verwirklichen. Bei ruhiger See 
darüber zu sprechen, daß Gott mächtig ist, uns in einem Sturm 
zu bewahren, ist ganz etwas anderes, als den Glauben an diese 
Macht zu zeigen, wenn ein entfesselter Sturm um uns wütet. 
Und doch ist Gott immer Derselbe, Derselbe im Sturm und bei 
Windstille, in Krankheit und Gesundheit, in Beschwerden und 
Ruhe, in Armut und Überfluß — „derselbe gestern und heute 
und in Ewigkeit" — Derselbe, an Den der Glaube sich unter 
allen Umständen und zu allen Zeiten anlehnen und klammern 
und auf Den er sich stützen kann. 
Aber ach, wir befinden uns oft im Unglauben. Darin liegt die 
Ursache für unsere Schwachheit und unser Versagen. Wir sind 
bestürzt und erregt, wenn wir ruhig und voll Vertrauen sein 
sollten; wir blicken auf die Umstände, wenn wir auf Gott 
blicken sollen; wir „winken unseren Genossen", wenn wir 
„auf Jesus blicken" sollten. So verlieren wir unendlich viel und 
verunehren den Herrn auf unseren Wegen. Ohne Zweifel gibt 
es nur wenig, worüber wir uns tiefer zu demütigen haben als 
135 
über unsere Neigung, dem Herrn zu mißtrauen, wenn wir 
Schwierigkeiten und Versuchungen begegnen. Durch dieses 
Mißtrauen gegen den Herrn Jesus betrüben wir Sein Herz; 
denn Mißtrauen muß ein liebendes Herz stets verwunden. 
Denken wir zum Beispiel an die Szene zwischen Joseph und 
seinenBrüdern in T.MO 50,15—18: „Und als die Brüder Josephs 
sahen, daß ihr Vater gestorben war, da sprachen sie: Wenn 
nun Joseph uns anfeindete und uns gar all das Böse vergelten 
würde, das wir ihm angetan haben! Und sie entboten dem 
Joseph und sprachen: Dein Vater hat vor seinem Tode befohlen und gesagt: So sollt ihr zu Joseph sprechen: Ach, vergib 
doch die Übertretung deiner Brüder und ihre Sünde! denn sie 
haben dir Böses angetan. Und nun vergib doch die Übertretung der Knechte des Gottes deines Vaters! Und Joseph weinte, 
als sie zu ihm redeten". — Das war eine traurige Vergeltung für 
all die Liebe und Gnade und zärtliche Sorge, die der beleidigte 
Joseph gegen sie geübt hatte. Wie konnten sie voraussetzen, 
daß der, welcher ihnen so freiwillig und völlig vergeben und 
ihr Leben geschont hatte, als sie ganz in seiner Macht waren, 
nach so vielen Jahren der Güte sich rachsüchtig gegen sie erweisen würde? Es war ein schmerzliches Unrecht, und es war 
daher kein Wunder, daß „Joseph weinte, als sie zu ihm redeten 
. . ." Welch eine Antwort auf ihre Furcht und ihren unwürdigen Verdacht! Eine Flut von Tränen —, doch so ist die Liebe. 
„Da sprach Joseph zu ihnen: Fürchtet euch nicht! denn bin ich 
an Gottes Statt? Ihr zwar, ihr hattet Böses wider mich im Sinne, 
Gott aber hatte im Sinne, es gut zu machen, auf daß er täte, 
wie es an diesem Tage ist, um ein großes Volk am Leben zu 
erhalten. Und nun, fürchtet euch nicht; ich werde euch und 
eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete zu ihrem 
ITerzen" (V. ig—21). 
So war es mit den Jüngern, wie wir sehen werden. 
„Und an jenem Tage, als es Abend geworden war, spricht er zu 
ihnen: Laßt uns übersetzen an das jenseitige Ufer. Und als er 
die Volksmenge entlassen hatte, nehmen sie ihn, wie er war, 
in dem Schiffe mit. Aber auch andere Schiffe waren mit ihm. 
Und es erhebt sich ein heftiger Sturmwind, und die Wellen 
schlugen in das Schiff, so daß es sich schon füllte. Und er war 
im Hinterteil des Schiffes und schlief auf einem Kopfkissen" 
(Mk 4, 35-38)-
136 
Hier haben wir eine sehr anziehende Szene. Die armen Jünger 
sind in äußerste Not geraten. Ihr Verstand weiß nicht mehr 
aus noch ein. Ein heftiger Sturm, — das Schiff voll Wasser, — 
der Herr eingeschlafen. Das war in der Tat ein Augenblick, 
der sie auf die Probe stellte, und wenn wir uns selbst sehen, 
brauchen wir uns über die Furcht und Unruhe der Jünger nicht 
zu verwundern. Es ist nicht anzunehmen, daß wir es an ihrer 
Stelle besser gemacht hätten. Dennoch können wir sehen, wo 
es bei ihnen fehlte. Die Geschichte ist zu unserer Belehrung 
niedergeschrieben worden, und wir müssen sie studieren, um 
das zu finden, was darin für uns enthalten ist. 
in Ruhe betrachtet, ist nichts ungereimter und unvernünftiger 
als Unglauben. In der Szene, die wir hier betrachten, ist diese 
Ungereimtheit augenscheinlich; denn was war unvernünftiger, 
als zu glauben, das Schiff könne womöglich mit dem Sohn 
Gottes an Bord sinken? Dennoch war es gerade das, was sie 
fürchteten. Vielleicht dachten sie in diesem Augenblick nicht 
an den Sohn Gottes. Sie dachten an den Sturm, die Wogen, 
das gefüllte Schiff, und nach menschlichem Ermessen waren 
sie hoffnungslos verloren. So ist das ungläubige Herz, das immer nach Vernunftschlüssen sucht. Es blickt immer auf die 
Umstände und schließt Gott aus. Der Glaube dagegen sieht 
nur auf Gott und schließt die Umstände aus. 
Welch ein Unterschied! Der Glaube ist auch in der größten 
Not glücklich, und zwar einfach deshalb, weil er weiß, daß Gott 
eine solche Gelegenheit benutzt, um zu trösten und zu helfen. 
Es ist seine Wonne, stille zu sein in Gott, und er freut sich, daß 
Gott Gelegenheit findet Seine Herrlichkeit entfalten zu können. 
So ist der Glaube. Wir können ruhig sagen, daß er die Jünger 
fähig gemacht hätte, sich mitten im Sturm neben den Herrn 
zu legen und zu schlafen. Der Unglaube machte sie dagegen 
unruhig; sie konnten nicht ruhen und weckten wegen ihrer 
ungläubigen Befürchtungen sogar den gesegneten Herrn aus 
Seinem Schlafe auf! Ermüdet von unaufhörlicher Arbeit, hatte 
Er, als das Schiff den See überquerte, wenige Augenblicke, 
um auszuruhen. Er wußte, was Müdigkeit war; Er war herabgekommen in alle unsere Umstände. Er lernte unsere Gefühle 
und alle unsere Schwachheiten kennen. Er, „der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die 
137 
Sünde", wurde in jeder Hinsicht als Mensch erfunden, und als 
solcher schlief er auf einem Kopfkissen und wurde von den 
Wellen des Sees geschüttelt. Der Sturm peitschte das Schiff 
und die Wogen rollten darüberhin, obgleich der Schöpfer in 
der Person jenes müden und schlafenden Menschen an Bord 
war. 
Tiefes Geheimnis! Er, Der den See gemacht und die Winde in 
Seiner allmächtigen Hand halten konnte, lag schlafend im Hinterteil des Schiffes und erlaubte dem See und dem Wind, Ihn 
so rauh zu behandeln, als wenn Er nur ein gewöhnlicher Mensch 
gewesen wäre. Das war die Verwirklichung der menschlichen 
Natur unseres gesegneten Herrn. Er war müde, Er schlief, und 
Er wurde hin- und hergeworfen auf den Wellen des Sees, den 
Seine Hände gemacht hatten. O teurer Leser, bleibe stehen und 
denke über diese wunderbare Tatsache nach! Keine Sprache, 
keine Feder kann eine solche Szene richtig wiedergeben. Wir 
können sie nicht genügend erklären; wir können nur staunen 
und anbeten. 
Aber wie gesagt, der Unglaube weckte den gesegneten Herrn 
aus Seinem Schlafe auf. „Und sie wecken ihn auf und sprechen 
zu ihm: Lehrer, liegt dir nichts daran, daß wir umkommen?" 
Welch eine Frage? „Liegt dir nichts daran?" Wie muß dies das 
gefühlvolle Herz des Herrn Jesus verwundet haben? Wie konnten sie nur denken, daß Er bei ihrer Unruhe und Gefahr gleichgültig blieb? Wie vollständig hatten sie Seine Liebe — von 
Seiner Macht ganz zu schweigen — aus dem Auge verloren, 
wenn sie sagen konnten: „Liegt dir nichts daran?" 
Und doch, teurer Leser, sehen wir darin nicht unser eigenes 
Spiegelbild? — Wie oft seufzen unsere Herzen in Augenblicken 
der Bedrückung und der Trübsal, wenn unsere Lippen auch 
nicht aussprechen: „Liegt dir nichts daran?" Vielleicht sind wir 
durch Krankheit und Schmerzen ans Bett gefesselt und wissen, 
daß ein Wort von dem Gott der Macht uns vollständig gesund 
machen kann, — und doch wird dieses Wort nicht ausgesprochen. Oder wir sind vielleicht in Not wegen der täglichen Nahrung und wissen, daß Silber und Gold und alles Vieh auf der 
Erde Gott gehört — ja, daß die Schätze des Weltalls in Seiner 
Hand sind, — und doch geht ein Tag nach dem anderen dahin, 
ohne daß unsere Not behoben wird. Mit anderen Worten, wir 
138 
fahren hier über tiefe Wasser, der Sturm wütet, Woge auf 
Woge rollt über unser winziges Schiff, wir sind in äußerste 
Not geraten, unser Wissen reicht nicht aus zu helfen und unsere Herzen sind oft bereit, die schreckliche Frage zu stellen: 
„Liegt dir nichts daran?" Dieser Gedanke ist sehr demütigend. 
Der Gedanke, daß wir so oft das liebende Herz Jesu durch 
unseren Unglauben und unser mangelndes Vertrauen kränken, 
sollte uns mit der tiefsten Zerknirschung erfüllen. 
Und dann das Unvernünftige des Unglaubens! Wie könnte Er, 
Der Sein Leben für uns gab, Der Seine Herrlichkeit verließ und 
herabkam in diese Welt voll Mühsal und Elend und den 
schimpflichen Tod am Kreuz starb, um uns vom ewigen Zorn 
zu befreien, je versäumen, für uns zu sorgen? Und doch neigen 
wir dazu, zu zweifeln und werden so leicht ungeduldig bei 
einer kleinen Trübsal, wobei wir vergessen, daß die wahre 
Trübsal, vor der wir so zurückschrecken und unter der wir so 
seufzen, weit kostbarer ist als Gold. Je mehr der wahre Glaube 
erprobt wird, desto heller leuchtet er, und folglich ist die Versuchung, wenn auch hart, doch sehr geeignet, ihn in Lob und 
Preis ausbrechen zu lassen gegen Den, Der nicht nur den Glauben einpflanzt, sondern ihn auch durch den Schmelzofen der 
Trübsal gehen läßt, in dem Er ihn unaufhörlich und unermüdlich bewacht. 
Aber die armen Jünger versagten in diesem Augenblick der 
Versuchung. Ihr Vertrauen war fort, und sie weckten ihren 
Herrn mit der unwürdigen Frage: „Liegt dir nichts daran, daß 
wir umkommen?" Ach, was für Geschöpfe sind wir Menschen! 
Wir sind geneigt, bei einer einzigen Schwierigkeit, die sich uns 
entgegenstellt, zehntausend Liebesbezeigungen zu vergessen 
David sagte: „Nun werde ich eines Tages durch die Hand 
Sauls umkommen", und doch, wie ganz anders ging es aus! 
Saul fiel auf dem Berge Gilboa, und David wurde auf den 
Thron Israels erhoben. — Elia floh vor den Anschlägen Isebels, 
und was geschah? Isebel wurde auf dem Steinpflaster in Stücke 
zerschmettert, und Elia wurde in einem feurigen Wagen in den 
Himmel aufgenommen. So auch hier, — die Jünger glaubten 
verloren zu sein mit dem Sohn Gottes an Bord, und was war 
das Ergebnis? Der Sturm verstummte, und der See wurde 
ruhig durch die Stimme, die im Anfang die Wellen hervorge139 
rufen hatte. „Und er wachte auf. bedrohte den Wind und 
sprach zu dem See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte 
sich, und es ward eine große Stille". 
Welch eine Fülle von Gnade und Majestät! Anstatt diejenigen 
zu bedrohen, die Ihn in Seiner Ruhe gestört hatten, bedrohte 
Er den Wind und den See, die sie erschreckt hatten. So beantwortete Er ihre Frage: „Liegt dir nichts daran?" Gesegneter 
Herr! Wer wollte Dir nicht trauen? Wer wollte Dich nicht anbeten für Deine langmütige Gnade und Deine nie tadelnde 
Liebe? 
Es liegt etwas vollkommen Schönes in der Art, wie unser Herr 
ohne eine Anstrengung aus der Ruhe der vollkommenen 
Menschheit in die Tätigkeit der wahren Gottheit übertritt. Als 
Mensch schlief Er ermüdet von der Arbeit auf einem Kopfkissen ein. und als Gott erhebt Er Sich und stillt mit Seiner allmächtigen Stimme den Sturm und beruhigt den See. 
So war Jesus wahrhaftig Gott und wahrhaftig Mensch, und 
so ist Er noch jetzt immer bereit, die Not Seines Volkes zu 
lindern, die Niedergeschlagenen aufzurichten und die Furchtsamen zu trösten. Möchten wir Ihm nur immer einfach und 
kindlich vertrauen. Wir haben kaum eine Ahnung davon, wieviel wir verlieren, wenn wir uns nicht täglich auf den Arm Jesu 
stützen und nicht bei Ihm Rat und Hilfe holen. — Wir sind so 
leicht erschreckt. Jeder Windstoß, jede Woge, jede Wolke beunruhigt und beängstigt uns. Anstatt uns ruhig niederzulegen 
und neben unserem Herrn zu ruhen, sind wir voll Schrecken 
und Bestürzung. Anstatt den Sturm als eine Gelegenheit zu 
benutzen, unser Vertrauen gegen Ihn zu zeigen, nehmen wir 
ihn zum Anlaß, Ihn durch unsere Zweifel zu betrüben. Sobald 
irgendeine unbedeutende Schwierigkeit sich zeigt, fürchten wir 
umzukommen, obgleich Er uns versichert hat, daß ohne Seinen 
Willen kein Haar auf unserem Haupt gekrümmt werden solle. 
Auch zu uns kann Er sagen, wie Er zu den Jüngern gesagt hat: 
„Was seid ihr so furchtsam? Wie, habt ihr keinen Glauben?" 
Manchmal scheint es wirklich, als ob wir keinen Glauben hätten. Aber dennoch ist Er immer bereit, uns zu bewahren und 
zu helfen, während wir so leicht zweifeln. Welch eine zärtliche 
Liebe! Er verfährt nicht mit uns nach unseren niedrigen Gedanken über Ihn, sondern gemäß Seiner eigenen vollkomme140 
nen Liebe gegen uns. Das ist der Trost und die Stütze unserer 
Seele auf dem Wege durch den stürmischen Ozean zur ewigen 
Ruhe. Christus ist im Schiff. Möge uns das genug sein! Laßt 
uns ruhig auf Ihn vertrauen. Möge in unseren Herzen immer 
jene tiefe Ruhe sein, die aus dem wahren Glauben an Jesus 
entspringt. Dann werden wir, wenn auch der Sturm wütet und 
die Wasser des Sees sich bergehoch auftürmen, nicht versucht 
sein zu fragen: „Liegt dir nichts daran, daß wir umkommen? 
Wir können unmöglich umkommen mit Christus an Bord, auch 
können wir nicht so denken mit Christus in unserem Herzen. 
Möge der Heilige Geist uns lehren, einen völligen und freien 
Gebrauch von Christus zu machen. Christus muß durch den 
Glauben ergriffen und im Herzen genossen werden. Möchte 
es doch so sein zu Seinem Preise und zum bleibenden Frieden 
und Genuß für uns! 
Wir möchten zum Schluß noch hinzufügen, daß die Jünger die 
größte Furcht zeigten, anstatt die Ruhe und Macht Dessen zu 
verherrlichen, Dessen Glaube den Sturm und den See beschwichtigt hatte. „Und sie fürchteten sich mit großer Furcht 
und sprachen zueinander: Wer ist denn dieser, daß auch der 
Wind und der See ihm gehorchen?" Gewiß, sie hätten Ihn besser kennen sollen. Das sollten auch wir, teurer Leser, — Ihn, 
Der uns, nachdem Er Sein Leben für uns gelassen hat, als wir 
noch Feinde und Gottlose waren, Der tausendfache BeweiseSeiner Güte, Liebe und Macht gegeben hat — Ihn, Der uns nie 
vergessen noch versäumen kann, weil wir Seinem Herzen unendlich teuer und kostbar sind. 
141 
Der Sohn Gottes*) 
„Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist" (Joh 1,18). 
Ich fürchte nichts so sehr wie Vemunftschlüsse, wo Zuneigungen uns beseelen sollten, oder daß wir von der Stätte lebendiger Kraft herabgezogen werden in den Kreis menschlicher 
Meinungen und Ansichten. Doch die Geheimnisse Gottes haben 
alle den höchsten Wert für das praktische Leben, denn sie verleihen uns entweder Kraft zum Dienst und reichen Trost in 
Trübsal oder sie fördern die Gemeinschaft der Seele. 
Der Apostel Paulus spricht von sich und anderen als von „Dienern Christi" und zugleich als von „Verwaltern der Geheimnisse Gottes" (1. Kor 4, 1). So sollen auch wir in unserem 
Maße „Diener", d. h. Knechte sein, in aller praktischen, persönlichen Bereitwilligkeit und Hingabe: geduldig, eifrig und 
dienstfertig, wobei wir sehr wohl fühlen mögen, wie klein wir 
sind im Vergleich zu anderen. Zugleich aber sollen wir „Verwalter" sein, und zwar „Verwalter von Geheimnissen", indem 
wir die Einzelheiten der göttlichen Offenbarung unverfälscht 
und unverletzt bewahren. Vernunftmenschen, die meinen, 
alles mit ihrem Verstand ergründen zu können, nehmen diese 
Geheimnisse allerdings nicht an. Ihnen war das Kreuz von 
jeher eine Torheit; und die „Fürsten dieses Zeitlaufs", die 
Männer der Philosophie, die sich selbst für Weise ausgaben, 
haben „die Weisheit Gottes in einem Geheimnis" nicht erkannt. Dies Geheimnis darf ihnen auch auf keinen Fall preisgegeben werden. Darin besteht unsere Verwaltung, und „man 
sucht an den Verwaltern, daß einer treu erfunden werde". 
Die Wahrung und Bezeugung der persönlichen Herrlichkeit des 
Sohnes Gottes bildet den wichtigsten Teil unserer hohen und 
heiligen Verwaltung. Johannes wachte über diese Herrlichkeit 
mit außergewöhnlicher Eifersucht. An anderen Stellen der 
Schrift werden Vorschriften und Maßregeln anempfohlen, wie 
*) Dieser aus mehreren Teilen bestehende Aufsatz ist von dem Verfasser: 
„Die Herrlichkeit Jesu Christi, unseres Herrn, in Seiner Menschheit". Möge der 
Herr den köstlichen Inhalt an unseren Herzen segnen, damit wir unseren teuren 
Herrn und Heiland mehr und mehr kennenlernen und unsere Gemeinschaft mit 
Ihm immer inniger werde. 
142 
wir das Böse behandeln sollen, das aus der Hinneigung zum 
Judentum oder aus anderen Quellen hervorkommt. Im Brief 
an die Galater, in dem die Einfalt des Evangeliums verteidigt 
wird, begegnen wir eingehenden Erörterungen, verbunden mit 
einer eindringlichen und schlagenden Beweisführung. Aber in 
den Briefen des Johannes ist alles bestimmt und unbedingt. Da 
wird summarisch alles abgewiesen und ferngehalten, was nicht 
aus jener „Salbung von dem Heiligen" ist, die sowohl den 
Sohn als auch den Vater lehrt, die nicht zugibt, daß eine Lüge 
aus der Wahrheit sei, sondern ausdrücklich sagt: „Jeder, der 
den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht" (1. Joh 2, 23). 
Diese Unterschiede in der Darstellungsweise, die die Weisheit 
des Heiligen Geistes zugelassen hat, sind von großem Wert, 
und wir sollten sie nicht übersehen. Das Beobachten von Tagen 
oder das Nichtessen von Fleisch sind Dinge, die die volle Herr= 
lichkeit und Freiheit des Evangeliums zwar schmälern, aber als 
Schwachheiten zu tragen sind (Rö 14). Eine Herabsetzung der 
Person des Sohnes Gottes jedoch, eine Schmälerung Seiner 
Herrlichkeit, darf niemals ertragen werden. Hier steht eine 
Nachgiebigkeit, wie sie in jenem Falle angebracht sein mag, 
völlig außer Frage. 
Eine Reise von Ägypten nach Kanaan war an und für sich noch 
keine wirkliche Pilgerfahrt. Mancher hatte denselben Weg zu= 
rückgelegt, ohne ein Fremdling und Pilger mit Gott zu sein. 
Wäre die Reise auch von allen Schwierigkeiten und Mühsalen 
begleitet gewesen, die einer so dürren und pfadlosen Wüste 
eigen sind, dann wäre sie doch darum noch keine göttliche und 
himmlische Wanderung gewesen. Ein Leben voller Selbstverleugnung und Entbehrung, selbst wenn es mit jenem moralischen Mut ertragen wird, der den Fremdlingen Gottes auf der 
Erde geziemt, genügt nicht. Um die Reise zu einer Pilgerfahrt 
des Israels Gottes zu machen, mußte die Bundeslade in der 
Mitte Israels sein, und zwar getragen von einem Volk, das 
durch Blut aus Ägypten erkauft war und nun im Glauben an 
die Verheißung nach Kanaan zog. 
Das war die Aufgabe der Kinder Israel in der Wüste: sie mußten die Bundeslade tragen, sie begleiten und heiligen. In man= 
eher Hinsicht und bei vielen Gelegenheiten mochten sich ihre 
143 
Schwachheiten offenbaren und Strafe und Zucht über sie brin= 
gen; sobald aber ihre eigentliche Aufgabe, die Bewachung der 
Bundeslade, vernachlässigt wurde, war alles verloren. Und da= 
hin ist es gekommen: sie nahmen die Hütte des Moloch auf 
und das Gestirn des Gottes Remphan. Das war eine Verach= 
tung der Bundeslade Jehovas, und darum wandte sich der Weg 
des Volkes Israel von Kanaan hinweg nach Babylon oder Da= 
maskus (Am 5; Apg 7). 
Und welche Bundeslade befindet sich jetzt in der Mitte der 
Heiligen, damit sie sicher, heilig und ehrerbietig durch die 
Wüste dieser Welt geleitet wird? Ist es nicht der Name des 
Sohnes Gottes? Welches Geheimnis ist unserer Verwaltung und 
unserem Zeugnis anvertraut, wenn nicht dieses? „Jeder, der 
weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott 
nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als 
auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre 
nicht bringt, so nehmet ihn nicht ins Haus auf und grüßet ihn 
nicht" (2. Joh 9. 10). Von den Heiligen selbst muß die Tren= 
nungswand zwischen ihnen und denen, die Christus veruneh= 
ren, aufgerichtet werden. 
Es ist meine Absicht, den Herrn Jesus in Seinem Charakter als 
Sohn Gottes zu betrachten; und mit Seiner Hilfe wird uns die= 
ser Gegenstand gewiß zum Segen sein. 
Wir sind getauft „auf den Namen des Vaters und des Sohnes 
und des Heiligen Geistes" (Mt 28, 19). Diese Worte enthalten 
die förmliche Erklärung des Geheimnisses der Gottheit. Demzufolge ist der Sohn eine göttliche Person, wie es der Vater und 
der Heilige Geist ist. Andere Stellen der Schrift offenbaren uns 
dasselbe Geheimnis (daß der Vater, der Sohn und der Heilige 
Geist drei Personen in der einen göttlichen Herrlichkeit oder 
Gottheit sind), auf eine andere, mehr moralische oder innerliche 
Weise, indem sie uns das Geheimnis in seiner Gnade und Kraft, 
sowie in seiner Anwendung auf unsere Bedürfnisse, unser 
Leben und unsere Auferbauung darstellen. Dies ist vor allem 
im Evangelium nach Johannes der Fall, wo das Geheimnis der 
Gottheit wie es im Taufbefehl zum Ausdruck kommt, entwik= 
kelt und uns, den Heiligen, für unser Verständnis, unser Herz 
und unser Gewissen gegeben wird, damit wir es uns im Glau= 
ben und in der Ausübung der Gemeinschaft aneignen können. 
144 
In diesem Zusammenhang möchte ich bemerken, daß in Joh 1, 
14 die Heiligen eingeführt werden, und zwar so, als ob sie die 
Darstellung der Herrlichkeiten Jesu unterbrächen und die große 
Wahrheit: „Das Wort ward Fleisch" durch ihr Zeugnis besie= 
geln. Sie sind so begeistert, daß sie den begonnenen Satz nicht 
beenden können, sondern in einem Zwischensatz Seine persönliche Herrlichkeit verkünden, die sie, wie sie sagen, angeschaut haben — „eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom 
Vater". Von diesem Eingeborenen vom Vater wird gleich dar= 
auf gesagt (V. 18), daß Er „in des Vaters Schoß" sei — ein 
Wort, das sich tief in unsere Herzen senken sollte*). 
Ohne Zweifel wird der Herr in verschiedener Hinsicht der 
„Sohn Gottes" genannt. Er trägt diesen Namen als geboren von 
der Jungfrau (Lk 1, 35). Er ist es nach göttlichem Beschluß (Ps 
2, 7). Dies ist und bleibt wahr, wiewohl uns bezüglich Seiner 
göttlichen Sohnschaft noch mehr geoffenbart worden ist. Er ist 
der Sohn, und dennoch hat Er den Namen „Sohn" empfangen 
(Hebr 1, 1—4). Matthäus und Markus reden von Ihm als „Sohn 
Gottes" zuerst bei Seiner Taufe; Lukas beginnt früher, er er= 
wähnt Seine Sohnschaft schon bei Seiner Geburt. Doch Johan= 
nes geht noch weiter zurück bis zu den unermeßlichen, unnenn= 
baren Fernen der Ewigkeit und verkündet Seine Sohnschaft „im 
Schöße des Vaters". 
Jedenfalls stand die Einsicht in bezug auf Jesus nicht überall 
auf derselben Höhe, und es gab ein verschiedenes Maß des 
Glaubens bezüglich Seiner Person bei denen, die mit Ihm in Be= 
riihrung kamen. Er Selbst bezeugt z. B., daß der Glaube des 
Hauptmanns im Verständnis der Herrlichkeit Seiner Person 
weit über das hinausging, was Er in Israel gefunden hatte. 
Doch das schwächt in keiner Weise die große Tatsache ab, daß 
Er, wie wir von Ihm lesen, der Sohn „im Schöße des Vaters" 
war, oder „das ewige Leben, welches bei dem Vater war und 
uns geoffenbart worden ist" (1. Joh 1). 
Wir dürfen dieses kostbare Geheimnis nicht antasten, Geliebte. 
Wir sollen uns fürchten, das Licht jener Liebe zu dämpfen, in 
") Er ist der Erstgeborene in verschiedenem Sinne, und wir haben Gemein= 
bchaft mit Ihm, dem Erstgeborenen unter vielen Brüdern. Aber Er ist auch der 
Eingeborene, und als solcher steht Er allein. 
145 
deren Strahlen wir berufen sind, unseren Weg zum Himmel zu 
wandeln. Wir sollen uns fürchten, irgendein Bekenntnis des 
Glaubens (oder besser gesagt des Unglaubens) zuzulassen, wodurch der Schoß des Vaters Seines ewigen, unaussprechlichen 
Wohlgefallens beraubt und wodurch gesagt würde, daß unser 
Gott nicht die Freude eines Vaters, oder daß unser Herr nicht 
die Freude eines Sohnes gekannt habe, als Er von Ewigkeit her 
im Schoß des Vaters war. Mit solchen Gedanken kann ich mich 
nicht vereinigen. Wenn es Personen in der Gottheit gibt, was 
wir ja bestimmt wissen, sollten wir dann nicht auch wissen, daß 
Beziehungen zwischen ihnen bestehen? Können wir eine solche 
Vorstellung überhaupt entbehren? Ist dem Glauben nicht der 
Vater, der Sohn und der Heilige Geist geoffenbart? Ganz ge= 
wiß. Die Personen in jener Herrlichkeit sind nicht voneinander 
unabhängig, sondern stehen in inniger, wechselseitiger Beziehung zueinander. Auch gehen wir wohl nicht zu weit, wenn 
wir sagen, daß in diesen Beziehungen das große Urbild der 
Liebe, das gesegnete Vorbild aller gegenseitigen Beziehungen 
gefunden wird. 
Kann ich mich mit der ungläubigen Vorstellung begnügen, daß 
es keine Personen in der Gottheit gebe, und daß der Vater, 
Sohn und Geist nur verschiedene Namen seien, die auf eine 
verschiedenartige Betrachtung ein und derselben Person zurückgehen? Das Wesen, der Kern des Evangeliums würde 
durch einen solchen Gedanken zerstört werden. Oder kann ich 
durch den ungläubigen Gedanken befriedigt werden, daß diese 
Personen nicht zueinander in Beziehung stehen? Die im Evan= 
gelium geoffenbarte Liebe würde durch eine solche Vorstellung 
verdunkelt werden. 
Es wurde einmal die Frage an mich gerichtet, ob Gott nicht 
Vater gewesen sei, bevor das Kindlein in Bethlehem geboren 
wurde. Ja, gewiß, Er war es von Ewigkeit her. Von Ewigkeit 
her war der Schoß des Vaters ein Heiligtum, in dem der Sohn 
zur unbeschreiblichen Wonne des Vaters wohnte, der Zu= 
fluchtsort jener „unaussprechlichen Liebe, die" — wie einmal 
jemand gesagt hat — „die Herrlichkeit überstrahlt, denn die 
Herrlichkeit kann geoffenbart werden, nicht aber die Liebe". 
Viele Herzen mögen sich mit Gedanken dieser Art nie beschäf= 
tigt haben, aber dennoch dürfen die Gläubigen nicht zugeben, 
146 
daß diese Wahrheit angetastet wird. Nie dürfen sie ein solches 
Geheimnis der menschlichen Einbildungskraft preisgeben, son= 
dem sie müssen es mit der Waffe des Glaubens gegen jeden 
Angriff der „Philosophie und des eitlen Betruges" verteidigen. 
Als der Herr Jesus bezeugte, daß Er „Gottes Sohn" sei, fühlten 
selbst die Juden sogleich, daß Er Sich dadurch „Gott gleich 
machte", so daß der Sohnesname, anstatt eine untergeordnete 
und geringere Person darzustellen, vielmehr eine Gleichheit 
beanspruchte. Ebenso behandelten sie Jesus bei einer anderen 
Gelegenheit als Gotteslästerer, weil Er in einem Gespräch, in 
dem Er das Verhältnis des Sohnes zu Seinem Vater erklärte, 
Sich Selbst zu Gott machte (Joh 5 und 10). Selbst die Juden 
verurteilten also diesen durch die törichte Philosophie der 
Menschen hervorgerufenen, unheilvollen Gedanken des Unglaubens. 
Die Worte: „Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater" 
genügen vollkommen, um jede menschliche Überlegung zum 
Schweigen zu bringen. Die Mitteilung, daß uns das ewige Le= 
ben geoffenbart ist, damit wir Gemeinschaft mit dem Vater und 
dem Sohn hätten (1. Joh 1, 1. 2), spricht ganz klar das un= 
schätzbare Geheimnis aus, daß der Sohn Gott ist und das ewige 
Leben mit dem Vater hat. Auch wissen wir, daß geschrieben 
steht: „Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der 
hat ihn kundgemacht". Ich frage: Kann jemand Gott kundmachen, außer Gott Selbst? In gewissem Sinn kann Gott beschrieben werden. Doch die Seele des Gläubigen kann sich nicht 
mit solchen Beschreibungen begnügen, obwohl die Weisheit 
der Welt nichts anderes kennt. Sie verlangt keine Kundma= 
chung oder Offenbarung über Sich Selbst, die nur Er Selbst 
geben kann. Daher frage ich nochmals: Ist der Sohn, Der im 
Schoß des Vaters ist, keine göttliche Person? 
Nur der Glaube kann verstehen, was die Schrift uns über dies 
Geheimnis mitteilt, daß der Vater und der Sohn in der Herr= 
lichkeit der Gottheit sind und — obwohl an Herrlichkeit ein= 
ander gleich — zueinander in Beziehung stehen. Er, Der im An= 
fang bei Gott und Gott Selbst war, war zugleich der „Sohn 
Gottes". Gott erlaubt, wie jemand einmal gesagt hat, daß viele 
Dinge Geheimnisse bleiben, vielleicht aus dem Grunde, um auf 
diese Weise den Gehorsam des Verstandes auf die Probe zu 
147 
stellen, denn Er fordert von uns ebensowohl einen Gehorsam 
des Verstandes wie einen praktischen Gehorsam des Lebens. 
Diese Unterwerfung des Verstandes unter Gott bildet 
einen Teil unserer Heiligung, und sie ist etwas, was 
nur der Geist schenken kann. Er allein ist imstande, 
die innere Auflehnung unseres Geistes, der sich anmaßt, 
die Dinge Gottes zu beurteilen und sich weigert, etwas 
anzunehmen, was er nicht begreift (ein Ungehorsam und Hoch= 
mut, der nur im Ungehorsam und Hochmut Satans seines» 
gleichen findet) zur Ruhe zu bringen und in den Staub zu 
beugen. — Das ist wirklich eine heilige und passende Warnung 
für unsere Herzen! Der Apostel sagt: „Wer ist der Lügner, 
wenn nicht der, der da leugnet, daß Jesus der Christus ist"? — 
Und unmittelbar darauf fügt er hinzu: „Dieser ist der Anti= 
christ, der den Vater und den Sohn leugnet". Und weiter: 
„Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht"! — 
Das sind sehr ernste Ausdrücke des Heiligen Geistes. Wie 
könnte es auch eine Erkenntnis des Vaters geben als nur in 
dem Sohn und durch den Sohn? Wie anders könnte der Vater 
erkannt werden? Darum steht geschrieben: „Jeder, der den 
Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht". Ich mag durch den 
Geist der Sohnschaft sagen: „Abba Vater"! — und ein Dichter 
mag gesagt haben: „Denn wir sind auch sein Geschlecht", aber 
Gott wird nicht als der Vater erkannt, wenn nicht der Sohn in 
der Herrlichkeit der Gottheit erkannt worden ist. Wenn wir 
uns auf die göttliche Autorität stützen, können wir völlig überzeugt sein, daß, wenn die Salbung, die wir von Ihm empfangen 
haben, in uns bleibt, wir auch in dem Sohne und in dem Vater 
bleiben werden. 
Kann der Sohn so geehrt werden wie der Vater (Joh 5, 23), 
wenn Er nicht in Seiner Gottheit erkannt worden ist? Der 
Glaube an Ihn besteht nicht darin, zu glauben, daß Er ein Sohn 
Gottes, Der von der Jungfrau geborene oder aus den Toten auferweckte Sohn Gottes ist, wiewohl dies ohne Zweifel heilige 
Wahrheiten über Seine Person sind. Nein, der Glaube an Ihn 
besteht darin, an Seine eigene Person zu glauben. Ich weiß 
nicht, wie ich Jesus anders den „Sohn Gottes" nennen, könnte, 
als in dem Glauben an Seine göttliche Sohnschaft. Das uns gegebene Verständnis ist uns geschenkt worden, damit wir den 
148 
„Wahrhaftigen" kennen möchten, indem wir „in dem Wahr= 
haftigen sind, in seinem Sohne Jesus Christus"; und diesen 
Worten wird dann hinzugefügt: „Dieser ist der wahrhaftige 
Gott und das ewige Leben". 
Ist nicht die „Wahrheit", von der im zweiten Brief des Johan= 
nes die Rede ist, die „Lehre des Christus" oder die Unterwei= 
sung, die wir durch den Heiligen Geist über die Person des 
Christus besitzen? Ist in dieser Unterweisung nicht die Wahrheit von der Sohnschaft in der Gottheit enthalten? Denn was 
wird uns dort gesagt? „Wer in der Lehre des Christus bleibt, 
dieser hat soioohl den Vater als auch den Sohn". Vor jedem 
aber, der diese Lehre nicht bringt, muß unsere Tür verschlossen 
bleiben. 
Derselbe Brief spricht auch von Ihm als dem Sohn des Vaters, 
— Worte, die nicht auf Ihn bezogen werden können, als von 
der Jungfrau durch Überschattung des Heiligen Geistes gebo= 
ren. 
Doch ich gehe weiter und frage: Kann die Liebe Gottes, wie sie 
in der Schrift geoffenbart ist, verstanden werden, wenn die 
Sohnschaft nicht anerkannt wird? Verleiht nicht die Liebe die= 
ser Lehre ihren Charakter? Wird nicht auf diesem Grunde der 
Aufruf an unsere Herzen gerichtet? „Denn also hat Gott die 
Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß 
jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges 
Leben habe". Auch lesen wir: „Hierin ist die Liebe: nicht daß 
wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen 
Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden".— „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, daß Gott 
seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, auf daß wir 
durch ihn leben möchten" — „Wir haben gesehen und bezeu= 
gen, daß der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt". 
Verliert diese Liebe nicht vollständig ihre unvergleichliche Herr= 
lichkeit, wenn diese Wahrheit bezweifelt wird? Was würden 
wir einem Menschen zur Antwort geben, der behauptete, daß 
Er, Den Gott nicht schonte, sondern für uns alle dahingab, nicht 
Sein eigener Sohn sei? Wie würden unsere Herzen erschrecken, 
wenn wir hörten, daß unser Herr nur der Sohn Gottes sei, weil 
Er von der Jungfrau Maria geboren sei und daß die Worte: 
149 
„Der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont hat" in mensch= 
lichem und nicht in göttlichem Sinne aufzufassen seien! 
Wir müssen Sorge tragen, das teure Wort Gottes nicht nach 
menschlichen Vorurteilen abzuändern. Ging Abraham mit ei= 
nem Knecht, oder mit einem Fremdling, oder mit jemand, der 
nur in seinem Hause geboren war, zu dem Berg im Lande 
Morija? Trat er diesen Weg mit einem angenommenen Sohn an, 
den er so sehr liebte? — Wir wissen es alle! Und ich weiß nicht, 
wie ich von dem Sohne sprechen könnte, Der mich geliebt und 
Sich Selbst für mich hingegeben hat (Gal 2, 20), wenn ich Ihn 
nicht durch den Glauben als den Sohn, Der in des Vaters Schoß 
war, als den Sohn in der Herrlichkeit der Gottheit annehmen 
darf. — Der Sohn ist der Christus. Gott hat in der Person des 
Sohnes das ganze Werk vollbracht, das für uns getan werden 
mußte. Alles dies hat Er getan in der Person Jesu. Darum sagen 
wir: „Jesus Christus, der Sohn Gottes". Der Eingeborene, der 
Christus, Jesus von Nazareth ist Ein und Derselbe. Unter die= 
sen verschiedenen Namen nennen wir Ihn in der Herrlichkeit 
Seiner Person, in Seinem Dienst und in Seiner angenommenen 
Menschheit. 
Wenn wir die Spuren des wundervollen Lebens Jesu von dem 
Schoß des Vaters bis zu dem Augenblick verfolgen, wo wir Ihn 
als den „Erben aller Dinge" sehen, welche Entdeckungen machen 
wir dann bezüglich Seiner Person, Geliebte! Man lese in diesem 
Zusammenhang Spr 8, 22. 31; Eph 1,10; Kol 1, 13. 20; Hebr 1, 
1. 3; 1. Joh 1, 2; Offb 3, 14, — und sinne dann über Ihn nach, 
wie Er uns in diesen herrlichen Schriftstellen dargestellt wird. 
Man betrachte im Lichte dieser verschiedenen Stellen den 
Einen, auf Den wir vertrauen, Der alles für uns hingab, Der 
einen solchen Pfad wandelte und noch wandelt, und dann möge 
man sagen: Können wir uns von Ihm oder von Seinem Pfade 
trennen? Er war im Schoß des Vaters, das ewige Leben bei dem 
Vater, Gott Selbst und doch bei Gott. Im Ratschluß Gottes war 
Er dort „eingesetzt vor den Uranfängen der Erde, vor dem Be= 
ginn der Schollen des Erdkreises". Dann war Er der Schöpfer 
aller Dinge in ihrer ersten Ordnung und Schönheit; hernach der 
Versöhner aller Dinge in ihrem Zustand der Sünde und des 
Verderbens, und schließlich wird Er bei ihrer Wiederherstel= 
lung der Erbe aller Dinge sein. So sehen wir Ihn durch den 
150 
Glauben, und so reden wir von Ihm. Wir sagen: Er war in den 
ewigen Ratschlüssen Gottes, in dem Mutterleibe der Jungfrau, 
in den Leiden dieser Welt, in der Auferstehung aus den Toten; 
Er ist im Himmel mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und mit 
Macht und Ruhm bekleidet als der Erbe und das Haupt aller 
Dinge. Beraube Ihn des Platzes, den Er von Ewigkeit her im 
Schoß des Vaters eingenommen hat, und dann frage dich, ob 
du nichts von deiner Wertschätzung und Freude an diesem 
kostbaren Geheimnis verloren hast, das in jener Weise von 
Ewigkeit zu Ewigkeit entfaltet worden ist. Ich kann nicht ver= 
stehen, wie ein Gläubiger so etwas verteidigen kann, noch mich 
mit einem Glaubensbekenntnis vereinigen, das von meinem 
himmlischen Vater sagt, daß es nicht Sein Eigener Sohn gewesen sei, Den Er für mich hingegeben habe. 
Wie lieblich und gesegnet ist es, — ach, wenn wir nur fähiger 
dazu wären! — den Herrn auf Seinem ganzen Wege bis zu dem 
Thron der Herrlichkeit zu betrachten! Auf jeder Station dieses 
Weges erblicken wir Ihn als Den, Der stets dasselbe vollkommene Wohlgefallen Gottes hervorrief, gleich sehr am Anfang 
wie am Ende Seiner Laufbahn, nur mit dem Ihm eigenen Vor= 
recht, daß Er es in der gesegnetsten und wundervollsten Verschiedenheit hervorrief. 
Die Schrift ermöglicht es uns, dies alles zu verfolgen. Von der 
Freude, die Er genoß, als Er Sich vor Grundlegung der Welt im 
Schoß des Vaters befand, brauchen wir nicht zu reden, denn 
wir vermögen es nicht. Jener Schoß war der „Bergungsort der 
Liebe"; und die Freude, die mit dieser Liebe verbunden war, ist 
ebensowenig in Worten auszudrücken wie die Liebe selbst. 
Aber auch als Mittelpunkt aller göttlichen Tätigkeit und als 
Grundlage aller Ratschlüsse Gottes war der Geliebte ebenso die 
Wonne Gottes. In dieser Stellung und in diesem Charakter 
sehen wir Ihn in Spr 8, 22—31. In dieser wunderbaren Schrift= 
stelle wird die Weisheit oder der Sohn dargestellt als der große 
Ursprung, der Schöpfer und Erhalter aller Werke und Vorsätze 
Gottes, die in dem göttlichen Ratschluß vor Grundlegung der 
Welt festgesetzt waren. In ähnlicher Weise wird Er in verschie= 
denen Stellen des Neuen Testaments betrachtet (siehe Joh 1, 3; 
Eph 1, 9. 10; Kol 1, 15—17). In all diesem kann Er von Sich 
sagen: „Da war ich Schoßkind bei ihm, und war Tag für Tag 
151 
seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit" (Spr 8, 30; Joh 
17, 5). 
Als die Fülle der Zeit gekommen war, lag der Sohn Gottes im 
Schoß der Jungfrau. Wer kann dieses Geheimnis ergründen? 
Und doch ist es so. Aber es war nur eine neue Veranlassung 
zur Freude. Engel kamen, um dieser Freude Ausdruck zu geben 
und sie den Hirten auf Bethlehems Fluren zu verkündigen. 
Der Sohn der Liebe Gottes mußte jetzt in einer neuen Gestalt 
eine andere Laufbahn betreten. Unter Leiden und im Dienste 
als Sohn des Menschen erblicken wir Ihn auf der Erde. Doch 
überall, und ebenso unvermischt wie in den verborgenen Zeit= 
altern der Ewigkeit, rief Er auch hier das unaussprechliche 
Wohlgefallen Gottes hervor. „Dieser ist mein geliebter Sohn, 
an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe". — „Siehe, mein 
Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an welchem meine 
Seele Wohlgefallen hat". Das sind Aussprüche des Vaters, die 
von Seiner unveränderten Freude zeugen, während Er den Pfad 
Jesu über diese sündenbefleckte Erde hin verfolgt. 
Und dieselbe Stimme ertönt zum zweiten Male: „Dieser ist mein 
geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe". 
Sie wird vernommen auf dem heiligen Berge wie am Ufer des 
Jordan, am Tage der Verklärung wie bei der Taufe (Mt 17). Die 
Verklärung war das Unterpfand und das Vorbild des Reiches, 
wie die Taufe den Eintritt in Seinen Dienst und Sein Zeugnis 
darstellte. So wurde in dem Schöße des Vaters, wo der Sohn 
Sich befand, stets dasselbe Wohlgefallen hervorgerufen, ob 
das Auge Gottes Ihn auf dem einsamen Pfade des Dieners in 
einer unreinen verderbten Welt verfolgte, oder Ihn auf der 
Höhe des Königs der Herrlichkeit im tausendjährigen Reich er= 
blickte. Auf Seinem ganzen Wege von Ewigkeit zu Ewigkeit 
fand Gott stets dasselbe vollkommene Wohlgefallen an Ihm. 
Nirgends zeigt sich eine Unterbrechung, nirgends ein Stillstand 
in der Freude Gottes an Ihm, obwohl diese Freude mannig= 
faltig und verschiedenartig war; sie bleibt stets dieselbe an 
Fülle und Tiefe, mögen die Umstände und die Veranlassungen 
auch wechseln. Er, Der diese Freude hervorruft, bleibt immer 
Derselbe, und deshalb auch die Freude selbst; in ihrem Maße 
konnte sie nie verschieden sein, obwohl ihre Ursachen sich 
verändern mochten. — Und dieser Eine war während Seines 
152 
ganzen Pfades von Ewigkeit zu Ewigkeit gleich unbefleckt, • -
so heilig im Mutterleibe der Jungfrau wie im Schöße des Vaters, 
so rein am Ende wie zu Beginn Seiner Laufbahn, so vol!kom= 
men als Knecht wie als König; unbegrenzte Vollkommenheit 
kennzeichnete alles, und dasselbe Wohlgefallen ruhte auf allem. 
Wenn die Seele nur immer von dem Gedanken durchdrungen 
wäre, daß dieser hochgelobte Herr (wo und wie Er auch be= 
trachtet werden mag) Derselbe war, Der von Ewigkeit her im 
Schöße des Vaters war, — wenn dieser Gedanke durch den Hei= 
ligen Geist in der Seele lebendig erhalten würde, dann würde 
manche Neigung, die jetzt vielleicht die Seele verunreinigt, in 
Schranken gehalten werden. Er, Der im Mutterleibe der Jung= 
frau lag, ist Derselbe, Der im Schoß des Vaters war! Welch ein 
Gedanke! Der majestätische Jehova des Alten Testaments, Den 
die geflügelten Seraphim anbeteten, war Jesus von Galiläa! 
Welch ein Gedanke! So fleckenlos als Mensch, wie Er als Gofl 
war; so rein im menschlichen Leibe wie im Schöße des Ewigen; 
so makellos inmitten der Verunreinigungen der Welt, wie da= 
mals, als Er die Wonne des Vaters war, noch vor Grundlegung 
der Welt! 
Wahrlich, wenn die Seele von diesem Geheimnis durchdrungen 
ist, wird mancher Gedanke, der im Herzen aufsteigen will, so= 
fort seine Beantwortung finden. Wer möchte angesichts eines 
solchen Geheimnisses reden, wie manche geredet haben? Wenn 
nur diese Herrlichkeit vor der Seele steht, dann werden die Flü= 
gel wieder das Angesicht bedecken und die Schuhe von den 
Füßen gezogen werden (Jes 6, 2; 2. Mo 3, 5). 
Ich glaube, daß die göttlichen Belehrungen im ersten Johannes» 
brief uns erkennen lassen, daß die Gemeinschaft der Seele be= 
einflußt wird von der Art und Weise, wie wir den Sohn Gottes 
betrachten. Denn in diesem Briefe wird die Liebe in der Gabe 
des Sohnes geoffenbart; und die Liebe ist gleichsam unsere 
Wohnstätte, der Bereich, in dem wir daheim sind. Wenn ich 
deshalb meine, daß der Vater in der Gabe des Sohnes uns nur 
den Samen des Weibes geschenkt habe, dann wird der Bereich, 
in dem ich mich bewege, ein niedrigerer. Erkenne ich dagegen 
in dieser Gabe die Gabe des Sohnes, Der von Ewigkeit her in 
des Vaters Schoß lag, dann steigt meine Vorstellung von dieser 
Liebe, und damit nimmt dann auch der Platz, den ich einnehme, 
153 
einen höheren Charakter an. Die Gemeinschaft der Seele wird 
dadurch beeinflußt. 
Ich weiß allerdings durch den Umgang mit anderen Gläubigen, 
daß manche Seelen infolge ihrer Glaubenseinfalt sich an einem 
geringeren Maße von Wahrheit weit mehr erfreuen, als andere 
an einem höheren Maße. Doch das berührt nicht die Gedanken 
und Betrachtungen des Geistes in jenem Briefe. Es bleibt im= 
mer wahr, daß die Liebe unsere Wohnstätte ist, und daß des 
halb der Charakter unserer Gemeinschaft von dem Verständnis 
der Liebe abhängig ist. Warum sollten wir auch die Kraft der 
Gemeinschaft zu verringern suchen und dadurch unsere Freude 
in Gott aufs Spiel setzen? Der Fehler liegt darin, daß wir oft 
so wenig die herrlichen Dinge zu schätzen wissen, die wir in 
Ihm besitzen. 
Der Sohn, der eingeborene Sohn, der Sohn des Vaters, ernie= 
drigte Sich Selbst, um den wohlgefälligen Willen Gottes zum 
Heil verlorener Sünder zu tun. Aber wird der Vater zulassen, 
daß Sünder, um deretwillen diese ganze Erniedrigung erduldet 
wurde, dieselbe zum Anlaß nehmen, den Sohn herabzuwür= 
digen? Unmöglich! Vergleichen wir nur Joh 5, 23. Jesus hatte 
erklärt, daß Gott Sein Vater sei, und machte Sich so Gott gleich. 
Die Frage ist: Wird Gott dieses Wort des Herrn bestätigen? Ja, 
der Vater will keine Ehre für Sich annehmen, es sei denn, daß 
sie dem Sohne dargebracht werde, wie wir lesen: „Wer den 
Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat". 
Werfen wir nochmals einen Blick auf den ersten Brief des Jo= 
hannes. Der Apostel wendet sich dort an „Väter", „Jünglinge" 
und „Kindlein" (Kap 2), und unterscheidet sie in folgender 
Weise: 
l. Die „Väter" sind solche, die „den erkannt haben, der von 
Anfang ist". Sie bleiben „in der Lehre des Christus", indem 
sie „sowohl den Vater als auch den Sohn" haben. Die Salbung 
ist mächtig in ihnen, wenn ich mich so ausdrücken darf. Sie 
haben gleichsam mit gespannter Aufmerksamkeit der Seele auf 
die Offenbarung des Vaters durch den Sohn gelauscht (Joh 1, 
18). Indem sie den Sohn sahen, sahen sie auch den Vater (Joh 
14, 7—11). Sie bewahren die Worte des Sohnes und des Vaters 
(Joh 14, 21—23). Sie wissen, daß der Sohn in dem Vater ist, 
154 
daß sie in dem Sohne sind und der Sohn in ihnen. Sie sind 
keine Waisen (Joh 14, 18-20). 
2. Die „Jünglinge" sind solche, die „den Bösen überwunden 
haben" — jenen Bösen, der die Welt zur Leugnung des Ge= 
heimnisses des Christus antreibt (1. Joh 4, 1—6). Jedoch stehen 
sie nicht in der vollen, ausgereiften Kraft jenes Geheimnisses, 
wie die „Väter", und bedürfen deshalb der Ermahnung, Der 
Apostel warnt sie vor allem was der Welt angehört, gleichwie 
sie gegenüber jenem Geist in ihr, der Christus leugnete, bereits 
als Sieger dastanden. 
3. Die „Kindlein" sind solche, die „den Vater erkannt haben". 
Doch sie sind noch „Kindlein" und bedürfen der Warnung, Be= 
lehrung und Ermahnung. Ihre Erkenntnis des Vaters ist noch 
unvollkommen und nicht so verbunden mit der Erkenntnis des 
Sohnes, „der von Anfang ist", wie dies bei den „Vätern" der 
Fall war. Darum warnt sie Johannes vor Antichristen, die er 
als solche schildert, die der „Wahrheit" oder der „Lehre des 
Christus" widerstehen. Er belehrt sie darüber, daß jeder, der 
den Sohn leugnet, auch den Vater nicht hat; daß sie, wenn die 
Salbung, die sie empfangen hatten, in ihnen bliebe, sie sicherlich 
auch in dem Sohne und in dem Vater bleiben würden, und 
ferner, daß das Haus Gottes einen solchen Charakter trägt, daß 
niemand darin bleiben kann, der nicht den Wohlgeruch dieser 
Salbung trägt. Er erinnert sie daran, daß die Verheißung, die 
der Sohn gegeben hat, das ewige Leben sei. Schließlich ermahnt er sie, in dem, was die Salbung lehrt, zu bleiben, damit 
sie (die Apostel) am Tage der Erscheinung des Sohnes nicht 
beschämt werden möchten. 
Diese Schriftstellen handeln also ausschließlich von der Person 
des Sohnes oder von der „Lehre des Christus"; und was die 
Väter, Jünglinge und Kindlein unterscheidet, ist nicht ihr all= 
gemeiner christlicher Charakter, sondern das Maß ihres Ein= 
dringens in diese Wahrheit und ihre Beziehung zu ihr. Der 
Apostel behält in diesen Anreden den Hauptgegenstand seines 
ganzen Briefes eifersüchtig im Auge; und dieser Gegenstand 
ist der Sohn Gottes. Es ist das Blut des Sohnes, das reinigt. Wir 
haben einen Sachwalter bei dem Vater, wodurch angedeutet 
wird, daß der Sachwalter der Sofm ist. Es ist der Sohn, in Dem 
155 
wir durch die Salbung bleiben. Der Sohn ist geoffenbart worden, um die Werke des Teufels zu zerstören. Wir werden auf= 
gefordert, an den Namen des Sohnes zu glauben. Der Sohn ist 
gesandt worden, um kundzumachen, was Liebe ist. Der Glaube 
an den Solin gibt uns den Sieg über die Welt. Gott gibt Zeugnis betreffs Seines Sohnes. In dem Sohn haben wir das Leben. 
Der Sohn ist gekommen, um uns ein Verständnis zu geben. 
Wir sind in dem Sohne. Der Solm ist der wahrhaftige Gott und 
das ewige Leben. 
Alles das wird uns im ersten Brief des Johannes über den Sohn 
Gottes mitgeteilt. Der Sohn ist also der große Gegenstand 
dieses Briefes, und die Väter, Jünglinge und Kindlein werden 
aufgrund ihrer Beziehungen zu diesem Gegenstand vonein= 
ander unterschieden, und zwar, wie ich glaube, nach dem 
Maße, in dem sie diesen Gegenstand in ihren Herzen verstanden und erfaßt haben. 
In demselben Brief spricht Johannes auch viel über Liehe und 
Gerechtigkeit als die notwendigen Bestandteile oder Beweise 
unseres Geborenseins aus Gott. Aber zugleich mit dieser Lehre 
redet er von wahrem und falschem Bekennen Christi. Behandelt er etwa das erste als einen lebendigen, praktischen Gegenstand und das zweite nur als einen theoretischen? Durchaus nicht. Er behandelt vielmehr alle als solche, die den gleichen 
Charakter tragen, und sagt uns, daß die Ausübung der Liebe 
und der praktischen Gerechtigkeit ohne die Erkenntnis und 
das Bekenntnis des Sohnes kein vollgültiges Zeugnis dafür sein 
würde, daß eine Seele aus Gott geboren sei. 
Wenn das erleuchtete Auge des Propheten Jesaja Jesus hätte 
folgen können, wie Er durch die Städte und Dörfer des jüdi= 
sehen Landes wanderte, dann wäre er wohl zu ununterbro= 
chener Anbetung hingerissen worden! In einem Gesicht war 
ihm Seine Herrlichkeit gezeigt worden. Er hatte den Herrn auf 
hohem und erhabenem Throne gesehen. Seine Schleppen er= 
füllten den Tempel, und die geflügelten Seraphim bedeckten 
ihre Angesichter, indem sie die Herrlichkeit der Gottheit in 
Jesus anerkannten. Jesaja sah Seine Herrlichkeit und redete 
von Ihm (Jes 6; Joh 12, 41). Auch wir bedürfen eines solchen 
Anblickes durch den Glauben an den Sohn, an Jesus, — durch 
156 
den Glauben an Seinen Namen, durch das Anschauen Seiner 
Person, durch das Verständnis für die Herrlichkeit, die 
unter der Hülle des demütigen und von der Welt verworfenen 
Galiläers verborgen war. 
Schließlich möchte ich noch an das erinnern, was der Herr über 
die rechtzeitige Austeilung der Speise an das Gesinde (Mt 24; 
Lk 12) sagt. Wir müssen uns sorgfältig hüten, diese Speise zu 
verderben. „Habet nun acht auf euch selbst und auf die ganze 
Herde, in welcher euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt 
hat, die Versammlung Gottes zu hüten, welche er sich erwor= 
ben hat durch das Blut seines Eigenen", sagt Paulus. „Hütet die 
Herde Gottes, die unter euch ist", sagt Petrus. Die Versamm= 
Iung Gottes oder die Herde Gottes muß mit dem „Wachstum 
Gottes" wachsen. Wunderbare Worte! 
Geliebte, laßt uns wachsam sein gegenüber den Anstrengungen 
des Feindes, die Speise für das Gesinde zu verderben. Die Be= 
lehrungen des Apostels Johannes über den Sohn Gottes und 
diejenigen des Paulus über die Kirche oder Versammlung 
Gottes sind gerade in unseren Tagen Speise zur rechten Zeit; 
und hüten wir uns, die von Gott für Seine Heiligen bereitete 
Nahrung dem Geschmack und den Vernunftschlüssen des 
Menschen anzupassen! Das Manna muß so gesammelt werden, 
wie es aus dem Himmel kommt, und muß heimgetragen wer= 
den, um das pilgernde Heer mit der „Speise der Starken" zu 
nähren. 
„Und nun", sagt Paulus durch den Heiligen Geist, „befehle ich 
euch Gott und dem Worte Seiner Gnade, welches vermag auf= 
zuerbauen und euch ein Erbe zu geben unter allen Geheiligten" 
(Apg 20, 32). 
2 . 
„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns" (Joh 1, 14) 
Aus der Geschichte von „Fleisch und Blut", wie wir sie in der 
Schrift aufgezeichnet finden, lernen wir, daß durch die Sünde 
der Tod kam. Für alle, deren Haupt oder Repräsentant Adam 
war, galt das Wort: „Welches Tages du davon issest, wirst du 
des Todes sterben". Was aber den verheißenen Samen des 
Weibes betrifft, der nicht durch Adam repräsentiert wurde, war 
157 
zu der Schlange gesagt worden: „Du wirst ihm die Ferse zer= 
malmen". Der Tod dieses Samens sollte also ebenso außerge= 
wohnlich sein wie Seine Geburt. In Seiner Geburt sollte Er 
der Same des Weibes sein; in Seinem Tod sollte Ihm die Ferse 
zermalmt werden. Als die Fülle der Zeit gekommen war, wurde 
dieser Verheißene „geboren von einem Weibe". Der Sohn 
Gottes, „der, welcher heiligt" (Hebr 2, 11), nahm teil an Fleisch 
und Blut; Er wurde „das Heilige" (Lk 1, 35). 
Hatte der Tod irgendeinen Anspruch auf Ihn? Nicht den ge= 
ringsten. Wenn ich so sagen darf, besaß Er, der Gesegnete, die 
Fähigkeit, dem göttlichen Beschluß, daß Seine Ferse zermalmt 
werden sollte, zu entsprechen; dennoch war Er in keiner Weise 
dem Tode unterworfen. 
In Übereinstimmung mit diesem Vorsatz hat Er Sich nach Sei= 
nem eigenen göttlichen Wohlgefallen mit den Worten hinge= 
geben: „Siehe, ich komme". Um Gott zu verherrlichen und dem 
Sünder Frieden zu bringen, hat Er „Knechtsgestalt angenom= 
men". Dementsprechend ist Er zur bestimmten Zeit „in 
Gleichheit der Menschen geworden", und während Er „in seiner 
Gestalt wie ein Mensch erfunden" wurde, ist Er von Erniedri= 
gung zu Erniedrigung geschritten, „ja, bis zum Tode am 
Kreuze" (Phil 2)*). 
Auf diesem Wege sehen wir Jesus während Seines ganzen 
Lebens. Er verbarg Seine Herrlichkeit, „die Gestalt Gottes", 
unter dieser „Knechtsgestalt"; Er suchte keine Ehre von Men= 
sehen. Er ehrte den Vater, Der Ihn gesandt hatte, und nicht 
Sich Selbst. Er wollte Sich nicht zu erkennen geben, Sich nicht 
der Welt zeigen, wie das Wort uns mitteilt. Alles dies gehörte 
zu der „Gestalt", die Er angenommen hatte, und findet seine 
vollkommene Darstellung in den Berichten der Evangelien. 
Unter der Gestalt eines steuerpflichtigen Untertanen verhüllte 
Er die Gestalt Dessen, Der über die Fülle der Erde und des 
*) Wäre Jesus nicht Gott gleich gewesen, hätte Er dies nicht tun können; 
denn jedes Geschöpf, jeder, der geringer ist als Gott, ist schon ein Knecht seines 
Schöpfers. Ein Jude konnte freiwillig der Knecht eines anderen Juden werden, 
ein Knecht mit einem durchbohrten Ohr (2. Mo 21); aber kein Geschöpf könnte 
freiwillig ein Knecht Gottes werden, aus dem einfachen Grunde, weil alle Ge= 
schöpfe schon durch ihr Verhältnis zum Schöpfer Seine Knechte sind. 
158 
Meeres gebot. Man forderte Steuer von Ihm; wenigstens wur= 
de Petrus gefragt, ob sein Herr sie nicht zahle. Der Herr er= 
klärt, daß Er frei davon sei; doch um kein Ärgernis zu geben, 
bezahlt Er die Steuer für Petrus und Sich. Und doch war Er 
während der ganzen Zeit kein Geringerer als Der, von Dem 
geschrieben stand: „Die Erde ist des Herrn und ihre Fülle". 
Denn Er gebietet einem Fisch im Meer, Ihm gerade das erfor= 
derliche Geldstück zu bringen, das Er dann den Steuereinneh= 
mern überreicht (Mt 17). 
Welch ein Beispiel jenes kostbaren Geheimnisses, daß Er, Der 
„in Gestalt Gottes" war, und es „nicht für einen Raub achtete, 
Gott gleich zu sein", so daß Er über die Schätze der Tiefe verfügen und den Geschöpfen der Hand Gottes als Seinen eigenen 
gebieten konnte, — daß Er Knechtsgestalt annahm! Welch eine 
Herrlichkeit bricht bei diesem vorübergehenden, unscheinbaren 
Ereignis durch die Wolken! Alles ereignete sich zwischen dem 
Herrn und Petrus; aber es war eine Offenbarung der „Gestalt 
Gottes", die aus der Gestalt eines Knechtes oder eines der 
Obrigkeit Unterworfenen (Rö 13, 1) hervorstrahlte. Die Fülle 
der Erde war Ihm in demselben Augenblick tributpflichtig, als 
Er bereit war, anderen Tribut zu zahlen. Wie bei einer anderen 
Gelegenheit der unbeachtete Gast die Freude des Hochzeits= 
festes erhöhte, nicht nur als wäre Er Selbst der Bräutigam, son= 
dem als der Schöpfer von allem, wodurch das Fest herrlich ge= 
macht wurde. Auch dort offenbarte Er Seine Herrlichkeit, und 
Seine Jünger glaubten an Ihn (Joh 2). 
Weiter lesen wir von Ihm: „Er wird nicht streiten noch schreien, 
noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören". Er 
wollte ein geknicktes Rohr nicht zerbrechen, sondern Sich lieber 
zurückziehen; und das alles, weil Er „Knechtsgestalt" ange= 
nommen hatte. Darum wird auch bei dieser Gelegenheit die 
Stelle angeführt: „Siehe, mein Knecht, den ich erwählt habe" 
(Mt 12). 
Die Forderung der Pharisäer, Er möge ihnen ein Zeichen aus 
dem Himmel geben, war eine weitere Versuchung für Ihn, Sich 
Selbst zu erhöhen (Mt 16). Die Pharisäer versuchten Ihn in 
ähnlicher Weise, wie der Teufel es getan hatte, als er Ihn auf= 
forderte, Sich von der Zinne des Tempels hinabzustürzen, oder 
159 
wie Seine Brüder es taten, als sie sagten: „Zeige dich der Welt" 
(Joh 7). Doch was erwiderte der vollkommene Knecht? Kein 
Zeichen würde ihnen gegeben werden, sagte Er, als nur das 
Zeichen Jonas — ein Zeichen der Erniedrigung, ein Zeichen, daß 
der Fürst dieser Welt für den Augenblick die Oberhand über 
Ihn haben sollte, anstatt eines Zeichens, das die Welt dahin 
gebracht haben würde, sich Ihm in schweigender Ehrfurcht zu 
unterwerfen. 
Wahrlich, wunderbar und herrlich sind diese Fußtapfen des 
vollkommenen Knechtes Gottes! David und Paulus, gleichsam 
zu beiden Seiten von Ihm stehend, wie Mose und Elia auf dem 
heiligen Berge, strahlen in etwa den Glanz dieses Sich Selbst 
verbergenden Knechtes zurück. David erschlug den Löwen und 
den Bären, und Paulus wurde in den dritten Himmel entrückt; 
aber keiner von ihnen sprach von diesen Dingen. Eine solche 
Handlungsweise war ein lieblicher Widerschein der Herrlichkeit 
des vollkommenen Knechtes. Und doch sind sie und alle ihnen 
ähnlichen Männer, die wir in der Schrift oder in den Reihen der 
Gläubigen finden, weiter von dem großen Urbild entfernt als 
wir zu ermessen vermöchten. Er verbarg die „Gestalt Gottes" 
unter der „Knechtsgestalt". Jesus war Davids Kraft, als dieser 
den Löwen und den Bären erschlug, und Er war der Herr des 
Himmels, in den Paulus entrückt wurde; und doch ging Er um= 
her in der Gestalt eines Menschen, der „nicht hatte, wohin er 
sein Haupt legen sollte". 
Dasselbe sehen wir auf dem Gipfel und am Fuße des heiligen 
Berges. Auf dem Gipfel war Er angesichts Seiner Auserwählten 
für einen kurzen Augenblick „der Herr der Herrlichkeit"; am 
Fuße des Berges war Er „Jesus allein", Der ihnen gebot, nie= 
mandem von dem Gesicht zu sagen, bis der Sohn des Men= 
sehen aus den Toten auferstanden sein würde (Mt 17). 
Betrachten wir Ihn nun, als Er während des Sturmes im Schiffe 
auf dem See war. Er lag dort als ein ermüdeter Arbeiter im 
sanften Schlaf. Das war Seine sichtbare Gestalt, doch darunter 
war die „Gestalt Gottes" verborgen. Er erhob Sich, und als der 
Herr, der „den Wind in seine Fäuste sammelt" und die „Wasser 
in ein Tuch bindet" (Spr 30, 4), bedrohte Er den Wind und be= 
ruhigte den See (Mk 4). 
160 
Zuweilen steht Jesus in der vollen und vielseitigen Herrlichkeit 
des Jehovas Israels vor unseren Augen. In früheren Tagen 
hatte der Gott Israels den Geschöpfen der großen Tiefe ge= 
boten; Er bestellte einen großen Fisch, um Jona zu verschlingen 
und ihm für eine bestimmte Zeit zum Grabe zu dienen. Ebenso 
erwies Jesus Sich zu Seiner Zeit als der Herr der Fülle „dieses 
Meeres, groß und ausgedehnt nach allen Seiten hin" (Ps 104), 
indem Er „eine große Menge Fische" in das Netz des Petrus 
gehen ließ (Lk 5). Wir sehen also, daß sowohl die kleinen als 
auch die großen Tiere, die sich im Meer tummeln, in früheren 
wie in späteren Tagen den Worten des Jehova=Jesus gehorch--
ten. 
Der Gott Israels bediente Sich einst als der Herr der Fülle der 
Erde und des Meeres eines stummen Esels, um die Torheit des 
Propheten zu bestrafen. In noch charakteristischerer Weise gebot Er der Natur, als die Bundeslade aus dem Lande der Philister 
zurückgeholt werden sollte, indem Er die Kühe, die den Wagen 
zogen, auf dem die Bundeslade stand, zwang, den richtigen und 
nächsten Weg nach Beth=Semes einzuschlagen, obwohl ihr 
Naturtrieb sich diesem Wege auf das Heftigste widersetzte 
(1. Sam 6). In derselben Herrlichkeit und Macht des Gottes 
Israels handelte auch der Herr Jesus. Denn zu Seiner Zeit 
mußte auch Er, die wahre Bundeslade, heimwärts getragen 
werden. Gegen das Ende Seiner Laufbahn kam der Augenblick, 
wo Er Jerusalem in Seiner Herrlichkeit besuchen sollte. Es war 
notwendig, daß Er als König von Zion in die königliche Stadt 
einzog, und die Eselin mit ihrem Füllen steht zum Dienst für 
Ihn bereit. Er verfügt über sie und hält Seinen Einzug in der 
ganzen Würde und in den Rechten des Herrn der Fülle der 
Erde. Die Besitzer der Eselin hatten der Forderung: „Der Herr 
bedarf ihrer", zu gehorchen, und entgegen ihren natürlichen 
Ansprüchen sandten sie sie Ihm „alsbald" (Mk 11; Lk 19). 
So erstrahlt der Herr hier wiederum in der charakteristischen 
Herrlichkeit des Gottes Israels. Es war der verachtete Jesus von 
Nazareth, der Zimmermann, der Sohn des Zimmermanns, der 
jene Forderung stellte (Mt 13, 55; Mk 6, 3). Aber wie dicht 
auch der verhüllende Schleier sein mochte, die darunter liegende 
Herrlichkeit war unendlich. Es war die volle Herrlichkeit Jehovas; und kein Strahl des ganzen göttlichen 
167 
Glanzes weigerte sich, diesem Ausdruck zu geben. „Er achtete 
es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein", obwohl Er „sich 
selbst zu nichts machte". Der Glaube erkennt diese verschlei= 
erte Herrlichkeit, und die Liebe umgibt sie schirmend wie mit 
einer feurigen Mauer. „Wer ist hinaufgestiegen gen Himmel 
und herniedergefahren? wer hat den Wind in seine Fäuste ge= 
sammelt? wer die Wasser in ein Tuch gebunden? wer hat auf= 
gerichtet alle Enden der Erde? Was ist sein Name und was 
der Name seines Sohnes, wenn du es weißt" (Spr 30, 4)? 
Wir wollen uns nicht anmaßen, es auszusprechen; aber wie 
Mose, als Jehova an ihm vorüberging, wollen wir lernen, unser 
Haupt zur Erde zu neigen und anzubeten (2. Mo 34). 
Welch schöne Beispiele sind dies, an denen die Schrift uns lehrt, 
wie Jesus unter der „Knechtsgestalt" die „Gestalt Gottes" ver= 
hüllte! Und ich möchte behaupten, daß auch jene Fälle, wo Er 
Sich vor Gefahr zu schützen oder Sein Leben zu sichern scheint, 
von gleichem Charakter und gleicher Bedeutung sind. Es wäre 
sicherlich eine kostbare Aufgabe für die Seele, so Seine Schön= 
heit und Herrlichkeit, die dem menschlichen Auge verborgen 
bleiben, aufzudecken. Aber obwohl wir diese Herrlichkeit um 
keinen Preis antasten möchten, sind wir doch vielleicht oft 
außerstande, sie zu erfassen, und mißverstehen ihre Art oder 
die Form, die sie annimmt. 
Der Sohn Gottes kam in die Welt als das vollkommenste Ge= 
genteil zu dem, der noch kommen wird und über den sich die 
ganze Welt verwundern wird. Wie Er Selbst sagt: „Ich bin in 
dem Namen meines Vaters gekommen und ihr nehmet mich 
nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, 
den werdet ihr aufnehmen" (Joh 5, 43). Und im Einklang hier= 
mit wird Er, wenn Sein Leben bedroht wird, nicht gleich ein 
Wunder in den Augen der Welt, sondern gerade das Gegenteil. 
„Er machte sich selbst zu nichts". Er wollte nichts und niemand 
sein. Er schlug es ein für allemal aus, ein Wunder in den Augen 
der Menschen zu sein — in herrlichem und erhabenem Gegen= 
satz zu dem, „der sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt 
oder ein Gegenstand der Verehrung ist, daß er sich in den 
Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei"; 
der da „macht, daß die Erde und die auf ihr wohnen das erste 
Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde — und daß 
162 
alle, die Kleinen und die Großen, . . . sich ein Malzeichen geben 
an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn, und daß niemand 
kaufen oder verkaufen kann, als nur der, welcher das Mal= 
zeichen hat, den Namen des Tieres oder die Zahl seines Na= 
mens" (2. Thess 2; Offb 13). 
Der Sohn Gottes bildete den vollkommensten Gegensatz zu all 
diesem. Er kam in Seines Vaters Namen und nicht in Seinem 
Eigenen. Er hatte Leben in Sich Selbst. Er war Dem gleich, von 
Dem geschrieben steht: „Der allein Unsterblichkeit hat", aber 
Er verbarg diesen Glanz der göttlichen Herrlichkeit unter der 
Gestalt eines Menschen, der sein Leben mit den gewöhnlich= 
sten Mitteln zu schützen suchte. Wie wunderbar ist das: O 
hätten wir nur Herzen, die mehr mit Anbetung erfüllt wären! 
Der andere, der „in seinem eigenen Namen" kommen wird, 
mag Zeichen und Wunder tun, so daß er selbst Feuer vom 
Himmel herabkommen läßt vor den Menschen, ja, er mag zur 
Verwunderung aller die ganze Gewalt des ersten Tieres aus= 
üben; aber der Sohn Gottes flieht nach Ägypten! 
Ist unser geistliches Verständnis so schwach, daß wir dies nicht 
erkennen können? Miiß die Betrachtung der so verhüllten 
Herrlichkeit uns geradezu aufgedrängt werden? Wenn es so 
ist, dann läßt der Herr Sich in Gnaden auch dazu herab. Denn 
unter diesem Schleier lag eine Herrlichkeit verborgen, die, 
wenn es ihr gefallen hätte, die Feinde sofort, gleich den Flam= 
men des chaldäischen Ofens, vernichtet hätte. Denn zuletzt, als 
die Stunde gekommen war, und die Mächte der Finsternis 
„ihre Stunde" haben sollten, wichen die Diener dieser Mächte 
angesichts jener Herrlichkeit zurück und fielen zu Boden. Das 
zeigt uns, daß Jesus ein durchaus freiwilliger Gefangener war, 
wie Er später ein freiwilliges Opfer wurde*). 
*) Wenn ich bedenke, wer Er war; der Same des Weibes, der Sohn Gottes, 
geoffenbart im Fleische; wenn ich ferner bedenke, daß der Tod, in welcher Ge= 
stalt er auch an Ihn herantreten mochte, keinen Anspruch an Ihn hatte, so kann 
ich keinem anderen Gedanken Raum geben. Betrachtet in dem von Ihm ange= 
nommenen Fleisch und Blut, hatte der Tod kein Anrecht an Ihn, weil keine 
Sünde in Ihm war; betrachtet in Seiner vollen Person, konnte der Tod Ihn nicht 
antasten, es sei denn, daß Er Sich ihm unter dem ewigen Bunde freiwillig unter= 
warf. Die Seele weist deshalb den Gedanken, daß Er in dem gewöhnlichen Sinn 
des Wortes Sein Leben gerettet habe, entschieden zurück. 
163 
Werfen wir in Verbindung hiermit einen Blick auf Ihn bei der 
Gelegenheit in Mt 12, die ich bereits erwähnt habe. Fürchtete 
der Herr etwa in jenem Augenblick den Zorn der Pharisäer, und 
fühlte Er Sich wie jemand, der für die Sicherheit seines eigenen 
Lebens Sorge tragen muß? Sicherlich nicht. Er verfolgte ohne 
Zögern Seinen schönen und köstlichen Pfad als Diener, nicht 
um Sich in der Welt einen ehrenvollen Namen zu machen, son= 
dem um durch seine Erniedrigung und Seinen Tod einen Na= 
men zu empfangen, dem die Heiden vertrauen und, an welchen 
glaubend, Sünder errettet werden können (Phil 2). 
Betrachten wir Ihn bei einer anderen Gelegenheit, als das 
Schwert des Herodes Ihn ein zweites Mal bedrohte (Lk 13). Mit 
welch einer Würde nahm der Herr diese Drohung auf! Mochte 
der König noch so listig sein, mochte er die Macht eines Tyran= 
nen mit der Schlauheit eines Fuchses vereinigen, Er Selbst 
mußte und wollte Seinen vorgenommenen Weg gehen, das 
Ihm übertragene Werk tun und dann „vollendet werden"; 
und diese Seine Vollendung, von der Er hier spricht, sollte, wie 
wir wissen, nicht dadurch erreicht werden, daß Herodes oder 
die Juden die Oberhand über Ihn gewannen, sondern durch die 
Dahingabe Seiner Selbst, um als Anführer unserer Errettung 
durch Leiden vollkommen gemacht zu werden. Bei derselben 
Gelegenheit erklärt Er, daß, wenn Er auch als Prophet in Jeru= 
salem sterben müsse, dies doch deshalb geschehe, damit Jeru= 
salem das Maß seiner Sünden voll mache. War Er doch die 
ganze Zeit Jerusalems Gott, Der die Stadt Jahrhunderte lang in 
geduldiger Liebe getragen und Sich mit ihr beschäftigt hatte 
und sie nun bald dem Gericht der Verwüstung übergeben würde 
(V. 31-35). 
Ich wiederhole noch einmal: Welche Herrlichkeiten liegen hier 
unter der niedrigen Gestalt Dessen verborgen, Der mit dem 
Zorn eines Königs bedroht war und zugleich den Spott und die 
Feindschaft Seines Volkes erfahren mußte! 
Ich möchte indes noch bei einigen Fällen verweilen, die noch 
bemerkenswerter sind. Betrachten wir Jesus in der ersten Zeit 
Seiner Wirksamkeit in Seiner eigenen Stadt. Derselbe erhabene 
Grundsatz tritt hier vor unsere Augen; denn meines Erachtens 
164 
war der Berg, auf dem Nazareth erbaut war, kein dem Leben 
Jesu gefährlicher Ort, sondern bedeutete für Ihn genau das= 
selbe wie die Zinne des Tempels in Jerusalem (Lk 4, 9. 29). Der 
Teufel dachte gar nicht daran, daß der Herr, wenn Er Sich von 
jener Zinne hinabstürzte, sterben würde; durchaus nicht. Er 
versuchte Ihn (wie er das Weib im Garten versucht hatte), Sich 
Selbst zu verherrlichen und Sich, wenn ich es so nennen darf, 
und wie der Teufel zu Eva gesagt hatte, Gott gleich zu machen. 
Er trachtete, die Quellen in Christus zu verderben, wie er sie 
in Adam verdorben hatte, und suchte den „Hochmut des Le= 
bens" als eine der Hauptriebfedern Seines Handelns in Ihn zu 
pflanzen. Aber Jesus bewahrte die „Knechtsgestalt". Er wollte 
Sich nicht hinabstürzen, sondern erinnerte Sich im Gehorsam 
an das Wort: „Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen". 
Gerade so war es auf dem Berge von Nazareth. Der Berg war 
nicht höher als die Zinne des Tempels. Jesus war an dem einen 
Ort nicht mehr in Gefahr als an dem anderen. Er wäre am Fuß 
des Berges ebenso unverletzt angekommen wie am Fuße des 
Tempels. Aber wie wäre dann die Schrift erfüllt worden, daß 
Er nicht gekommen sei, Seine Eigene Ehre zu suchen? Darum, 
„durch ihre Mitte hindurchgehend, ging er hinweg". Er zog 
Sich unbeachtet und unerkannt zurück, blieb Seiner Knechts= 
gestalt treu und offenbarte Seine Gnade. 
Es wäre sicher eine Vermessenheit, zu behaupten, daß Er dies 
getan habe, um Sein Leben zu retten. Der Gedanke steht in 
unmittelbarem Widerspruch zu der Herrlichkeit Seiner Person 
als „Gott, geoffenbart im Fleische". Jesus wurde in den Tagen 
Seines Fleisches wieder und wieder erquickt, wenn der Glaube 
Seine Herrlichkeit unter dem sie verhüllenden Schleier entdek= 
ken konnte. Wenn der Sohn Davids, der Sohn Gottes, der 
Jehova Israels, der Schöpfer der Welt in der niedrigen Gestalt 
des Jesus von Nazareth durch Glauben erkannt wurde, dann 
frohlockte Jesus im Geiste. Und so dürfen wir audi heute 
sagen, wo die Knechtsgestalt sich wiederum unseren Gedanken 
darstellt, daß es Sein Herz erfreut, wenn die Heiligen Seine 
hinter der Wolke verborgene Herrlichkeit entdecken. 
165 
Die „Flucht" nach Ägypten in den frühen Tagen des „Kindleins" von Bethlehem ist eine sehr beachtenswerte und schöne 
Begebenheit. Wir erinnern uns, daß zur Zeit des Mose Israel 
in jenem Lande einem in Flammen stehenden Dornbusch glich, 
daß aber infolge des Mitgefühls und der Gegenwart des Gottes 
ihrer Väter der Busch nicht verzehrt wurde. Jehova stand über 
dem Pharao; und wenn der Pharao das Volk vernichten wollte, 
so erhielt Jehova es und ließ es sich mehren mitten in dem 
Lande des Pharao. Dies geschah nicht „durch die Macht und 
nicht durch die Kraft", denn Israel war damals nicht mehr als 
ein Dornbusch, der durch einen Funken hätte verzehrt werden 
können. Aber der Sohn Gottes war in dem Busch; das war das 
Geheimnis. Er war mit Israel in Ägypten, wie Er später mit 
Sadrach, Mesach und Abednego im Feuerofen war; und obgleich der Busch brannte und der Ofen siebenmal mehr geheizt 
wurde als gewöhnlich, kam doch der Geruch des Feuers nicht 
an sie. 
Es war wirklich ein „großes Gesicht", so daß Mose hinzutrat, 
um es anzusehen. Auch wir können heute im Geiste Mose uns 
nahen und denselben Ort betreten. Wir können 2. Mo 1—15 
lesen und dann einen Blick auf jenes wunderbare Gesicht zurückwerfen und uns fragen, warum der Busch brannte und doch 
nicht verzehrt wurde; ja, wir können uns überzeugen, daß der 
arme Dornbusch Israel inmitten des ägyptischen Feuerofens 
unversehrt blieb, weil der Sohn Gottes gegenwärtig war. Mag 
auch das Feuer heißer und heißer gemacht werden, es wird nie 
die Oberhand gewinnen. In welcher Weise verließ Israel schließlich Ägypten? Ebenso wie in späteren Tagen die drei Jünglinge 
den Feuerofen Nebukadnezars verließen: Im Triumph. Nichts 
war verbrannt, als nur die Bande, mit denen man sie gebunden 
hatte. Der Pharao mit dem ganzen Heer der Ägypter kam um 
im Roten Meer; aber Israel zog aus unter dem Banner des 
Herrn. 
„Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen", war wahr in 
bezug auf Jesus und auf Israel. Sowohl Jesus als auch Israel 
waren zu ihrer Zeit brennende, aber nicht verzehrte Büsche; dem 
Anschein und dem menschlichen Urteil nach schwach, aber 
dennoch unantastbar. Beide erfuhren in dieser ägyptischen 
Welt Kummer und Schmerz, aber das Leben beider konnte 
166 
nicht angetastet werden, und zwar deshalb nicht, weil Israel das 
Mitgefühl des Sohnes Gottes genoß, und weil Jesus die Person war, die Er war: Gott, geoffenbart im Fleische. 
Geschah denn die Flucht nach Ägypten, um das Leben des 
„Kindleins" zu retten? Verließ Israel Ägypten, um sein Leben 
zu retten? Gingen Sadrach und seine Genossen aus dem chaldäischen Ofen, um ihr Leben zu retten? Israels Leben war in 
Ägypten ebenso sicher wie außerhalb des Landes. Die jüdischen 
Jünglinge waren in dem Ofen ebensowenig dem Verbrennen 
ausgesetzt wie draußen. Israel verließ Ägypten, um die Herrlichkeit Jehovas, ihres Erlösers, anzuschauen, und ebenso war 
es mit den drei israelitischen Jünglingen, und in derselben 
Weise und zu dem gleichen Zweck wurde das „Kindlein" dem 
Zorn des Königs Herodes entrissen und aus Judäa weggebracht. 
Der Sohn Gottes hatte Knechtsgestalt angenommen. Er war 
nicht in Seinem Eigenen Namen, sondern im Namen Seines 
Vaters gekommen. Er hatte Sich Seiner Herrlichkeit entäußert 
und Sich Selbst zu nichts gemacht, und dann begann Er, in der 
Verwirklichung dieser Knechtsgestalt, Seine Laufbahn, während Er noch ein „Kindlein" war. In allen Erniedrigungen war 
Er gehorsam, selbst bis zur Flucht nach Ägypten, die scheinbar 
unternommen wurde, um Sein Leben vor der Rache des Königs 
in Sicherheit zu bringen, in Wirklichkeit aber zur Verherrlichung Dessen, Der Ihn gesandt hatte. 
Wir müssen wirklich darüber wachen, daß wir diese Beispiele 
von Seiner vollkommenen Knechtsgestalt nicht zur Herabsetzung Seiner Person mißbrauchen. Er war unantastbar. Ehe 
Seine Stunde gekommen und Er bereit war, Sich hinzugeben, 
mochten Oberste mit ihren Fünfzig Ihn immer wieder zu greifen suchen; aber alles war umsonst. Er entging ihrer Hand und 
„erniedrigte sich selbst", indem Er bei einer Gelegenheit nach 
„Ägypten", bei einer anderen „in eine andere Stadt" ging, Er, 
der verachtete, verworfene Menschensohn. — Sollten wir dieses 
Geheimnis der Unterwürfigkeit, der freiwilligen Unterwürfigkeit des Sohnes Gottes in leichtfertiger Weise behandeln, Geliebte? Dürfen wir den Schleier unehrerbietig lüften? Und doch, 
wenn die eben angeführten Beispiele nebst anderen ähnlichen 
dazu benutzt werden, die Sterblichkeit des Fleisches und Blutes, 
167 
das der Herr annahm, zu beweisen, dann ziehen wir den Schleier mit unehrerbietiger und rauher Hand fort. Ja, mehr noch, 
wir begehen ein doppeltes Unrecht an Ihm. Wir würdigen Seine 
Person herab aufgrund von Tatsachen, die gerade Seine schrankenlose Gnade und Liebe zu uns und Seine hingebende Unterwerfung unter Gott offenbaren. 
Ach, man behauptet heute, daß die Natur oder irgendeine Gewalttätigkeit oder etwas anderes den Sieg über Fleisch und Blut 
des Herrn hätte davon tragen können, um ebenso wie bei uns 
Seinen Tod zu verursachen. Aber, möchte ich fragen, verbindet 
nicht ein solcher Gedanke den Herrn Jesus Christus mit der 
Sünde? Man mag dagegen einwenden, so sei es nicht gemeint. 
Vielleicht nicht, aber in Wirklichkeit ist es doch so. Denn in der 
göttlich inspirierten Geschichte von Fleisch und Blut — und nur 
nach dieser können wir uns richten — kam der Tod nur infolge 
der Sünde in die Welt. Wenn das Fleisch und Blut in der Person 
unseres Herrn aus irgendeinem anderen Grund als der freiwilligen Hingabe Seiner Selbst dem Tode unterworfen oder 
zufolge ihrer Natur und ihres Zustandes zu sterben fähig gewesen wäre, hätten sie dadurch doch nur ihre Verbindung mit 
der Sünde kundgegeben. Und wenn das so ist, kann dann Christus in Seiner Fülle vor der Seele stehen? Diese Behauptung 
behandelt Ihn, als ob Er dem Tode ausgesetzt gewesen wäre. 
Demnach wäre Er in einer Weise dem Tode unterworfen gewesen, wie Er es nie hätte auf Sich nehmen können, als Er die 
Gestalt eines Knechtes annahm. Aber gottlob! Er war nichts 
anderem unterworfen, als was Er, diesem Charakter gemäß, 
freiwillig auf Sich nahm. 
Solche Behauptungen geben Anlaß zu der Befürchtung, daß 
die „Pforten des Hades" sich wieder gegen den „Felsen" der 
Versammlung, den Sohn Gottes erheben. Wenn solche Behauptungen unter dem Vorwand aufgestellt werden, daß sie nur 
dazu dienen sollen, die wahrhaftige Menschheit des Herrn 
deutlicher hervorzuheben, dann gibt gerade diese Behauptung 
Anlaß zu noch stärkerem Verdacht. Denn ich frage: Ist es nur 
die Menschheit, die uns in der Person Christi entgegentritt? 
Gibt es hier nicht unermeßlich viel mehr? Sehen wir nicht Gott 
Selbst „geoffenbart im Fleisch"? Christus könnte für mich, 
168 
einen Sünder, kein Heiland sein, wenn Er nicht der Genosse 
Jehovas gewesen wäre (Sach 13, 7). Jedes Geschöpf ist alles 
das, was es darzubringen vermag, schuldig. Nur der Eine, Der 
es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, konnte 
Knechtsgestalt annehmen, denn jeder andere ist schon Knecht, 
wie ich bereits gesagt habe. Kein Geschöpf kann mehr tun, als 
es zu tun schuldig ist; denn jeder ist bereits für sich selbst 
Gehorsam schuldig. Niemand ist fähig, für den Menschen 
Bürge zu sein, außer Ihm, Der ohne Anmaßung auf Gleichheit 
mit Gott Anspruch erheben kann und demzufolge unabhängig 
ist. 
Die Menschheit als solche war fähig zu sündigen. Adam hat 
es bewiesen; denn er sündigte. Wir können mit mehr Gewißheit sagen, daß er zu sündigen, als daß er zu sterben fähig war. 
Die Geschichte zeigt uns das Erstere, verbietet uns aber das 
Zweite festzustellen, indem sie uns mitteilt, daß der Tod allein 
durch die Sünde in die Welt gekommen ist. Von Natur gab es 
eine Möglichkeit zu sündigen; aber in betreff der Möglichkeit 
des Sterbens wird uns nichts gesagt. 
Wenn in diesem Augenblick jemand unter dem Vorwande, die 
wahrhaftige Menschheit Christi deutlich machen zu wollen, 
betreffs Jesu die Möglichkeit oder Fähigkeit des Sündigens 
feststellte, was würde das Herz einem solchen erwidern? Wir 
wollen jedem, der Jesum kennt, die Antwort selber überlassen. 
Doch von einer Sache können wir überzeugt sein, nämlich daß 
der Teufel sich hinter allen Bestrebungen verbirgt, welche gegen den Felsen der Versammlung, gegen die Person des Sohnes 
Gottes unternommen werden (Mt 16, 18). Denn Sein Werk, 
Sein Zeugnis, Sein Leiden, ja selbst Sein Tod würde uns durchaus nichts nützen, wenn Er nicht Gott wäre. Seine Person ist die 
Kraft Seines Opfers; und in diesem Sinne ist Seine Person 
unser Felsen. Es war jenes die Gottheit Seiner Person betreffende Bekenntnis, welches, abgelegt durch jemanden, der mit 
Seinem Werke und Seinem Opfer noch unbekannt war, dem 
Sohne Gottes Anleitung gab, den Felsen erkennen zu lassen, 
auf welchen die Versammlung gebaut werden sollte, und zugleich die Wahrheit jenes Geheimnisses ans Licht zu stellen, 
gegen welches die Pforten der Hölle, die Macht und List des 
Teufels ihre äußersten Anstrengungen unternehmen werden. 
169 
Der Teufel trachtet allezeit, die Herrlichkeit des Sohnes Gottes 
zu verringern. Und über nichts wacht der Vater mit solcher 
Eifersucht, wie über die Ehre Seines Sohnes. Er widersteht 
allem, was den Wert der Person desselben vermindern könnte. 
Wenn wir in Joh 5 auf die an die Juden gerichteten Worte des 
Herrn lauschen, so entdecken wir alsbald das Geheimnis, daß, 
wiewohl der Sohn Sich Selbst erniedrigt hat und, wie Er sagt, 
„nichts aus sich selber tun kann", der Vater dennoch darüber 
wacht, daß Derselbe dadurch nicht entehrt oder in irgendeiner 
Weise geringgeschätzt werde. Er wacht über die Rechte, die 
vollen göttlichen Rechte des Sohnes, indem wir die feierlichen 
Aussprüche hören: „Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt den 
Vater nicht, der ihn gesandt hat". 
Sicher müssen wir bei unsern Unterweisungen mit den Unwissenden Geduld haben; das ist der göttliche Weg, der Weg des 
Geistes der Gnade. Welche Geduld und Sanftmut zeigte der 
Herr! „So lange bin ich bei euch, und ihr habt mich nicht erkannt, Philippus?" Aber nimmer dürfen wir zugeben, daß die 
Person Christi selbst in der unscheinbarsten Weise geringgeschätzt wird; denn das ist keineswegs der Weg Gottes. Die 
Schriften des Johannes beweisen uns dieses; sie bilden die am 
meisten ehrfurchtgebietenden und zugleich die lieblichsten Teile 
der Heiligen Schrift, weil sie sich mit der Herrlichkeit der Person 
des Sohnes beschäftigen. In meinem Auge aber zeigen sie 
wenig oder gar keine Barmherzigkeit gegenüber denen, die 
Seine Ehre zu besudeln trachten oder treulos darüber wachen. 
Man lasse mich hier noch hinzufügen, daß andere in der Geschichte unsers geliebten Herrn aufgezeichnete Erscheinungen, 
wie z. B. Hunger, Durst, Müdigkeit usw. uns zu dem Gedanken 
an die Sterblichkeit Seines Fleisches und Blutes durchaus keinen 
Anlaß bieten. Jesus war hungrig und müde bei dem Brunnen 
Samarias. Er schlief im Schiff nach einem Tage anstrengender 
Arbeit. Doch mochte Er auch die Dornen und Disteln, den 
Schmerz und den Schweiß des Angesichts dieser Erde kennen, 
so kannte Er doch nur alles, weil Er alles auf Sich nahm als Der, 
Der in unaussprechlicher Gnade „Knechtsgestalt" angenommen 
hatte. Mochte bei einer gewissen Gelegenheit der „Mann der 
Schmerzen" in dem Alter eines Fünfzigers betrachtet werden 
(Joh 8, 57), so zeigt mir dieses, in welcher Weise Er zu unserm 
170 
Segen und zur Ehre Seines Vaters die Schmerzen und die 
Mühen des Dienstes ertrug; und aus diesen Zügen erkenne ich 
Ihn, Dessen „Aussehen mehr als irgendeines Mannes entstellt 
war" (Jes 52, 14), weil Er um unsertwillen litt und den Widerspruch der Sünder wider Sich erduldete, keineswegs aber weil 
die dem Alter eigentümliche Neigung zur Schwäche die Spuren 
der Schmerzen und der Erschöpfung zur Schau stellte, als ob 
möglicherweise eine solche Neigung Ihm hätte ankleben können. 
Die Juden werden beständig beschuldigt, Seine Mörder gewesen zu sein, und zwar mit dem vollsten Rechte (Apg 2, 36; 3, 
-15; 7, 52). Wir alle befinden uns unter demselben Urteil. Das 
Verbrechen des Mordes liegt auch vor unserer Tür. Im vollen 
richterlichen Sinne waren sie Seine „Überlieferer und Mörder". 
Es mag dem Verstände seltsam erscheinen; aber was wir in 
dieser Beziehung lesen, ist für den Glauben vollkommen wahr. 
Der Verstand erblickt nichts als Widersprüche in den Worten: 
„Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, auf 
daß ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern 
ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt es zu lassen, und 
habe Gewalt, es wieder zu nehmen. Dieses Gebot habe ich 
von meinem Vater empfangen" (Joh 10, 17. 18). Der Herr war 
frei und dennoch unter einem Gebot, Das ist sicher höchst 
wunderlich für den Verstand und den Unglauben, aber völlig 
klar für das Urteil des Glaubens. 
Der Sohn Gottes starb an dem Holz, woran die Hand der gottlosen Menschen Ihn genagelt, und zwar in der Weise, wie Gott 
in Seiner Gnade und Seinem ewigen Ratschlüsse über Ihn verfügt hatte. Dort starb Er; und Er starb, weil Er Sich dort befand. 
Das Lamm ward geschlachtet. Wer möchte es wagen, diesen 
Worten zu widersprechen? Böse Menschen haben Ihn getötet; 
und Gott bestimmte Ihn zu Seinem eigenen Lamme für den 
Altar. Wer könnte ein solch notwendiges und kostbares Geheimnis antasten wollen? Und dennoch läßt das Lamm Sein 
Leben von Sich Selbst. Sein Tod war nicht eine Folge der Erschöpfung und des Hinsiechens unter den furchtbaren Leiden 
des Kreuzes; Er gab Sein Leben freiwillig hin. Zum Beweise, 
daß Er Sich in dem vollen Besitze dessen befand, was Er übergab, „rief Jesus mit starker Stimme", und „übergab den Geist". 
171 
Die Geschichte dieses Augenblicks gibt keiner andern Meinung 
Raum, und ebensowenig, wie ich beifügen möchte, die anbetende Liebe der Heiligen. Pilatus verwunderte sich, daß Er 
bereits gestorben war; er glaubte es nicht und mußte davon 
überzeugt werden. Unmöglich konnte das Leben in solch' kurzer Zeit am Kreuze vernichtet sein; und darum mußten die 
Beine der beiden Schacher gebrochen werden. Doch Jesus war 
bereits gestorben, welshalb Pilatus einen Zeugen herbeirief, 
bevor er dieser Sache Glauben schenkte. Die von uns hervorgehobene Wahrheit findet also in der buchstäblichen Geschichte 
dieser Tatsache selbst ihre deutliche Erklärung. Und unsere 
Herzen, wenn anders geleitet durch die Gnade, werden Gott 
preisen für solch ein Gemälde in betreff Seines Lammes und 
unsers sterbenden, gekreuzigten und getöteten Heilandes. Vernichten wir die Erklärung, daß Er das geschlachtete Lamm war, 
oder bringen wir das Lied im Himmel, welches dieses Geheimnis meldet, zum Schweigen, wenn wir sagen, daß das geschlachtete Lamm Sein Leben von Sich Selbst gab? Die durch den Heiligen Geist aufgezeichnete Geschichte von Golgatha predigt uns 
diese Wahrheit. Jesus war frei und dennoch unterworfen. Der 
Glaube begreift dieses. Als die Stunde gekommen war, lesen 
wir in Übereinstimmung mit diesem Geheimnis die Worte: 
„Jesus neigte das Haupt und übergab den Geist". Er kannte 
das empfangene Gebot; und dennoch gab er Sein Leben von 
Sich Selbst. Er war gehorsam bis zum Tode, und dennoch gab Er 
Sein Leben freiwillig hin. Der Glaube erkennt, daß darin allein 
das wahrhaftige und vollkommene Geheimnis liegt. Jesus starb 
nach dem Rate des göttlichen Bundes, wozu Er als der „Genosse" des Gottes der Heerscharen, Sich freiwillig übergab. 
Jedoch verbarg der Sohn Gottes, wie wir es bereits zur Ehre 
Seines Namens anmerkten, auf Erden stets Seine Majestät — 
die „Gestalt Gottes" unter der „Knechtsgestalt". Seine Herrlichkeit war in allen Teilen der Herrschaft Gottes anerkannt 
worden. Der Teufel bekannte Seine Macht, die Leiber und die 
Seelen der Menschen taten es; Tod und Grab erkannte diese 
Macht, und ebenso die Tiere des Feldes, die Fische im Meere, 
der Wind und die Wellen, das Korn und der Wein. Ich darf 
sagen, daß Jesus Selbst der Einzige war, Der Seine Macht und 
Herrlichkeit nicht zu Seinen Gunsten gebrauchte; denn es lag 
172 
in Seinem Wege, sie zu verhüllen. Er war der „Herr der Ernte"; 
jedoch trat Er auf als einer der Arbeiter. Er war der Gott des 
Tempels, der Herr des Sabbaths; aber Er unterwarf sich den 
Herausforderungen und Anfällen einer ungläubigen Welt (Mt 
9, 12). In dieser Weise verbarg Er immer wieder Seine Majestät hinter dem Schleier, oder hinter der Wolke und handelte 
demgemäß, wie bereits bemerkt, in jenen Umständen, wenn 
Sein Leben bedroht war. Ja, man kann sagen, daß Er Seine 
Majestät beständig unter den geringsten Formen verbarg. Oft 
wird Er durch die Gunst des gemeinen Volkes beschirmt (Mk 
n , 32; 12, 12; Lk 20, X9). Oft zieht Er Sich zurück, teils in 
gewöhnlicher, teils in wunderbarer Weise (Lk 4, 30; Joh 8, 59; 
M}, 39). Oft wird der Feind zurückgehalten, die Hand an Ihn 
zu legen, weil Seine Stunde noch nicht gekommen war (Joh 7, 
30; 8, 20). Und bei einer besondern, bereits erwähnten Gelegenheit, entzieht eine Flucht nach Ägypten Ihn der Rache eines 
Königs, der nach Seinem Leben trachtete. 
In diesem allen sehe ich von Anfang bis zu Ende die Tatsache, 
daß der Herr der Herrlichkeit sich gleich jemandem verbirgt, 
der nicht in seinem eigenen, sondern in dem Namen eines 
andern gekommen war. Und dennoch war Er der „Herr der 
Herrlichkeit" und der „Fürst des Lebens". Er war, wie bereits 
bemerkt, freiwillig ein Gefangener, und ebenso war Er auch 
schließlich ein freiwilliges Opfer. „Er gab Seine Seele zum 
Lösegeld für viele". 
In früheren Zeiten war die Bundeslade des Herrn in der Hand 
des Feindes; sie war durch die Philister in der Schlacht bei 
Ebeneser in Besitz genommen worden. Damals „gab er in die 
Gefangenschaft seine Kraft, und seine Herrlichkeit in die 
Hand des Bedrängers" (Ps 78, 61). Dennoch aber war sie unantastbar. Dem Scheine nach war sie ein schwaches, aus Gold 
und Holz verfertigtes Ding. Aber ihre Gegenwart beunruhigte 
die Unbeschnittenen — ihre Götzen, ihre Leute, ihr Land. Sie 
befand sich unbeschirmt und allein in der Mitte der Feinde, 
und zwar während der ersten Glut und dem Übermut des 
Sieges. Warum zertrümmerte man sie nicht? Hätte man sie 
gegen den Felsen gerannt, so wäre sie in Stücke zersprungen. 
Sie schien gänzlich der Willkür der Feinde preisgegeben zu sein. 
173 
Warum entledigten sich diese ihrer nicht? Einfach, weil sie es 
nicht vermochten. Das ist die Antwort. Die Bundeslade inmitten der Philister war gleich jenem brennenden, aber unverzehrbaren Dornbusch. Mochte sie dem Anscheine nach von 
dem Willen der Unbeschnittenen abhängig sein; aber in Wirklichkeit durfte sie nicht angerührt werden. Die Philister konnten sie von Asdod nach Gath und von Gath nach Ekron senden, 
aber keine Hand durfte sie anrühren oder verderben (Siehe 
1. Sam 4—6). 
Ebenso konnte die wahre Arche oder Bundeslade, der Sohn 
Gottes im Fleische, für kurze Zeit den Unbeschnittenen zum 
Spielballe dienen. Annas mochte Ihn zu Kajaphas, Pilatus zu 
Herodes senden. Die Menge mochte Ihn dem Pilatus vorführen, 
und Pilatus Ihn wieder der Menge überliefern; dennoch war 
Sein Leben außer ihrem Bereich. Er war der Sohn Gottes und, 
ob auch im Fleische geoffenbart, dennoch der Sohn von Ewigkeit her. Welche Leiden Er auch erduldet, welchen Grad von 
Müdigkeit, Hunger und Durst Er auch ertragen hat, so diente 
doch alles nur zur Darstellung der „Knechtsgestalt", die Er 
angenommen hatte. Aber Er war und blieb der Sohn, der das 
„Leben in sich selber hatte", die unantastbare Bundeslade, der 
Dornbusch, Der selbst inmitten der wütenden Flammen des 
ganzen Hasses der Welt unverzehrt blieb. Hierin besteht ohne 
Zweifel das Geheimnis. 
Doch während ich dieses niederschreibe, während ich diese 
Dinge mit inniger Herzensbegierde und, wie ich hoffe, mit 
einigem Nutzen erwäge, wünsche ich mit großem Verlangen das 
zu fühlen, was ein wahrer Israelit an jenem Tage gefühlt haben 
mag, als die Bundeslade Gottes wieder aus dem Lande der 
Philister nach Hause gebracht wurde. Sicher wird er mit Anbetung sich gefreut und wenn er auch in einiger Entfernung 
von dem Schauplatze lebte, mit Sorgfalt sich überzeugt haben, 
ob das große Ereignis denn wirklich stattgefunden habe. Als 
Israelit mußte es ihm, welchem Stamme er auch angehören 
mochte, von äußerster Wichtigkeit sein, daß die Bundeslade in 
Sicherheit war, daß die Unbeschnittenen sie nicht mehr im Besitz hatten und sie nicht mehr hierhin und dorthin in ihren 
Städten umhersenden konnten. Doch war er in dieser Hinsicht 
174 
befriedigt, dann hatte er zu wachen, daß er selbst die Bundeslade nicht unehrerbietig anrühre oder beschaue, und sich nicht 
gegen sie versündige gleich jenen Beth-Semitern, selbst nachdem die Lade von den Philistern zurückgekehrt war. 
Ich bin davon überzeugt, daß wir wohl daran tun werden, daß 
wir keinen Gedanken der oben bezeichneten Art über den 
sterblichen Zustand des Leibes unsers Herrn Raum geben. 
Solche Vernünfteleien stehen auf gleichem Boden mit der Behauptung, die der Bundeslade unter den Unbeschnittenen oder 
Philistern zu Teil wurde. Wir müssen den Irrtum solcher Gedanken ebensowohl als den darin kundgegebenen Mangel an 
Ehrfurcht anerkennen. Spekulationen des menschlichen Verstandes sind nicht nach dem Geiste oder der Weisheit Gottes. 
Der Leib des Herrn war ein Tempel, und es steht geschrieben: 
„Mein Heiligtum sollt ihr fürchten: Ich bin der Herr!" 
3 . 
„Ich werde mein Vertrauen auf Ihn setzen". 
Welch' ein feierlicher Moment mag es für die Umstehenden gewesen sein, als der Herr Jesus auf dem See Genezareth den 
Wind und die Wellen zum Schweigen brachte! Mit welchem 
Staunen werden sie dieses Wunder Seiner Allmacht angeschaut 
haben? Und so wird es auch jetzt noch sein, wenn wir anders 
Herzen besitzen, welche fähig sind, sich der Herrlichkeit Christi 
erfreuen zu können. Der Mensch mag über die Gesetze der 
Natur und über den gewöhnlichen Lauf der Dinge viele Worte 
machen; aber sicher ist es das erste Gesetz der Natur, daß sie 
ihrem Schöpfer Gehorsam leistet. Und hier in Mk 4 erfuhr das 
galiläische Meer in einem Nu die Gegenwart Dessen, Der nach 
Seinem Wohlgefallen den Lauf der Natur verändert, und Dessen mächtiger Stimme die Natur gehorcht. 
Das war Jesus-Jehova. Das war der Gott, Dem in früheren 
Tagen das Rote Meer und der Jordan gehorchten. „Was war 
dir, du Meer, daß du flohest? du Jordan, daß du dich zurückwandtest? ihr Berge, daß ihr hüpftet, wie die Widder ?ihr Hügel, 
wie junge Schafe? Erbebe vor dem Herrn, o Erde, vor dem Gott 
Jakobs" (Ps 114, 5—7)! Das ist die Antwort, mögen wir lauschen auf die Stimme des Roten Meeres in den Tagen Moses, 
175 
oder auf die Stimme des galiläischen Meeres in den Tagen des 
Evangeliums. Die Gegenwart Gottes offenbart uns das Geheimnis. „Er sprach's, und es war; er befahl, und es stand" 
(Ps 33,9)-' 
Als die Sonne und der Mond am Himmel stillstanden, hörte 
der Herr, wie wir lesen, auf die Stimme eines Menschen. Josua 
redete damals mit dem Herrn; und der Herr stritt für Israel. 
Sicher war dieses Ereignis ein großes Wunder. Der Heilige 
Geist, Der es aufgezeichnet hat, verleiht ihm diesen Charakter, 
indem Er sagt: „Ist dieses nicht geschrieben im Buche Jaschar? 
Und die Sonne blieb stehen mitten am Himmel und eilte nicht 
zum Untergänge beinahe einen vollen Tag. Und es war kein 
Tag vor ihm und nach ihm, daß Jehova hörte auf die Stimme 
eines Menschen; denn Jehova stritt für Israel" (Jos 10, 15—14). 
Jesus handelt indes unmittelbar und in eigener Kraft, und es 
wird nicht viel Aufhebens davon gemacht. Die Überraschung, 
die sich der Jünger bemächtigte, war die Frucht ihrer unvorbereiteten und ungläubigen Herzen, welche die Herrlichkeit des 
Gottes Israels nicht kannten. Aber durch die Unterweisung des 
Heiligen Geistes, Der von dem, was Christi ist, empfängt, um 
es uns zu verkündigen, sind wir in den Stand gesetzt, sowohl 
bei dem gespaltenen Roten Meere, dessen Wasser zurückwichen, als auch bei dem gestillten See Genezareth die Herrlichkeit besser verstehen zu können. 
Jedoch gibt es am Roten Meere betreffs Jesu noch mehr anzuschauen, als die Zerteilung der Wasser. Die Wolke, die den 
Kindern Israel erschien, sobald sie durch das Blut aus Ägypten 
erlöst waren, und die ihnen durch die Wüste das Geleit gab, 
wurde die Führerin des pilgernden Heeres. Doch zugleich war 
sie der Schleier oder der Vorhang der Majestät. In solcher 
Weise befand sich das herrliche Geheimnis in der Mitte Israels. 
Gewöhnlich war die Herrlichkeit verhüllt; zuweilen wurde sie 
geoffenbart; jedoch stets war sie anwesend. Die Wolke war die 
Führerin und Genossin Israels; und in der Wolke war ihr Gott. 
Er, der zwischen den Cherubim wohnte, zog vor Ephraim, 
Manasse und Benjamin her durch die Wüste (Ps 80). Die Herrlichkeit Gottes wir in der Wolke zugunsten Israels und auch 
befand sie sich an heiliger Stätte; und während sie auf diese 
176 
Weise in ihrer verhüllten und unscheinbaren Gestalt das Heer 
geleitete, empfing sie die göttliche Ehre des Heiligtums. 
Ebenso war es mit Jesu, Gott geoffenbart im Fleische. Gewöhnlich unter Knechtsgestalt verborgen, und nur zuweilen in göttlicher Macht und Gnade ins Licht tretend, war Er für den Glauben und die Anbetung der Heiligen allezeit Gott gleich. — 
Als sich die Israeliten dem Roten Meere näherten, bedurften sie 
der Beschirmung. Die Wolkensäule verlieh ihnen dieselbe in 
Gnade. Sie nahm ihren Platz zwischen den Ägyptern und dem 
fliehenden Heere ein; sie war Finsternis für die einen und Licht 
für die andern, so daß sie während der ganzen Nacht sich einander nicht nähern konnten; und am folgenden Morgen 
schaute der Herr aus der Wolkensäule auf das ägyptische Heer 
und erschreckte es. Auf ähnliche Weise handelte der Herr Jesus 
bei einer gewissen Gelegenheit. Er stellte sich zwischen Seine 
Jünger und ihre Verfolger, indem Er sagte: „Suchet ihr mich, 
so lasset diese gehen". Er beschirmte sie durch Seine Gegenwart. Und zugleich strahlte Seine Herrlichkeit durch die Wolke 
zum Erschrecken der Schar der Feinde. „Jesus sagte zu ihnen: 
Ich bins! Als Er nun zu ihnen sagte: Ich bin's! traten sie zurück 
und fielen zu Boden". — Der Gott Israels handelte am Roten 
Meere mit derselben Ruhe und Autorität, wie Jesus in dem 
Garten Gethsemane (2. Mo 14; Joh 18). Die Götter der Ägypter beugten sich vor Ihm am Roten Meere; die Götter der Römer verehrten Ihn in Gethsemane; und „wiederum, wenn er 
den Erstgeborenen in den Erdkreis einführt, sagt er: Und alle 
Engel Gottes sollen ihn anbeten". 
Doch wir gehen weiter. Im Laufe ihrer Geschichte mußten die 
Kinder Israel ebensowohl gestraft, als sichergestellt, und ebensowohl gezüchtigt, als erlöst werden. Wir sehen dieses, sobald 
wir das Rote Meer verlassen und die Wüste betreten; und dieselbe Herrlichkeit, die in der Wolkensäule verborgen ist, wird 
diese göttliche Arbeit für sie verrichten. Zur Zeit des Manna, 
zur Zeit der Kundschafter, in den Angelegenheiten Korahs, an 
den Wassern von Meriba und bei andern Gelegenheiten reizte 
Israel die Herrlichkeit des Herrn; und die Herrlichkeit wird als 
ein Zeugnis des Zornes Gottes in der Wolke geschaut (Siehe 
2. Mo 16; 4. Mo 14, 16. 20). Dasselbe finden wir in betreff 
177 
Jesu. Betrübt (gleich der Herrlichkeit in der Wolke) über die 
Herzenshärtigkeit oder den Unglauben Seiner Jünger, gibt Er 
ein Zeichen, ein Merkmal Seiner göttlichen Macht mit strafenden Worten. Man denke nur an den bereits oben erwähnten 
Vorfall auf dem See Genezareth. Dort sagt Er zu Seinen Jüngern: „Warum seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen?" wie 
Er noch soeben zu dem Winde und den Wellen gesagt hatte: 
„Schweig, verstumme!" Und so macht Er es jedesmal, wenn 
die Jünger unverständige und ungläubige Gedanken über Ihn 
verraten. So sagt Er z. B. einmal zu Philippus in dem Schmerze 
und dem Zorne der Wolke: „So lange bin ich bei euch, und 
du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen, der 
hat den Vater gesehen; und wie sagst du: Zeige uns den 
Vater?" -
Wir sehen hier dasselbe Geheimnis. Oder leuchtete der Herr 
nicht auch hier durch den Schleier zur Beschämung des Ungehorsams und des Unglaubens Israels? Hier zeigte sich dieselbe 
Herrlichkeit wie jene, die in der Wolke zur Zeit des Manna und 
bei andern Umständen gesehen wurde. Diese Offenbarungen 
göttlicher Macht stehen zueinander in genauer Übereinstimmung. Die Wolke war die gewöhnliche Erscheinung; die darin 
verborgene Herrlichkeit wurde dann und wann geoffenbart, 
jedoch stets war sie anwesend. Der Führer und Gefährte des 
Heeres war zugleich der Herr desselben. Und ist Jesus nicht 
dieses alles? Die Herrlichkeit war der Gott Israels (Siehe Hes 
43, 4; 44, 2); und Jesus von Nazareth war der Gott Israels 
oder die Herrlichkeit (siehe Jes 6, 1; Joh 12, 41). Der Nazaräer 
verbarg und offenbarte eine Herrlichkeit, die in ihrer wesentlichen Fülle ein „unvergängliches Licht" genannt wurde. 
Moses verweigerte die Annahme der Herrlichkeit; doch Jesus 
verbarg Seine Herrlichkeit. „Durch den Glauben weigerte sich 
Moses, als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharao's 
zu heißen". Sicher war dieses ein herrlicher Sieg über die Welt. 
Wir lassen uns gern ehren; wir brüsten uns gern mit dem, was 
wir sind; wir nehmen sogar gern mehr Ehre an, als wir berechtigt sind, wenn die Menschen sich darin täuschen lassen wollen. 
Doch Moses erniedrigte sich am ägyptischen Hofe, und das war 
ein glänzender Sieg des Glaubens über den Geist der Welt. 
178 
Aber Jesus tat mehr. Freilich hatte Er keine bei Hof im Dienste 
stehende Personen in Seiner Umgebung, denn in Palästen war 
Er ein Fremdling. Doch die Bewohner von Nazareth nahmen Ihn 
an als „den Sohn des Zimmermanns"; und Er wollte es so. Die 
Herrlichkeit der Herrlichkeiten, der Herr der Engel, der Schöpfer der Enden der Erde, der Gott des Himmels war unter dieser 
niedrigen Gestalt verborgen und ließ Sich dieses alles Wohlgefallen. 
In Hebr 2 öffnet uns der Heilige Geist die Quelle dieses großen 
Geheimnisses. Die Gnade Gottes wollte sich offenbaren zur 
Verherrlichung Dessen, „um deswillen alle Dinge, und durch 
den alle Dinge sind". Dort wird uns das unaussprechliche Geheimnis der Erlösung vermittelst der Erniedrigung des Sohnes 
Gottes vor Augen gestellt. Die göttliche Gnade sucht sich zu 
befriedigen; und die göttliche Herrlichkeit muß in ihrer ganzen 
Fülle zur Schau gestellt werden. Hieraus entspringt alles. Fleisch 
und Blut wurden durch Ihn angenommen, „der da heiligt". Er 
unterwarf sich dem Tode; Er ward, die Sünde ausgenommen, 
in allem versucht, gleich den „Brüdern"; Er war abhängig von 
Gott, voll Mitgefühl für die Heiligen; Sein Leben hier auf 
Erden war ein Leben des Glaubens mit Gebet und Tränen zu 
Dem, der mächtig war, Ihn vom Tode zu erlösen; Er ist jetzt 
im Himmel, um für uns zu beten; Er ist ebensowohl ein vollkommenes Opfer, wie ein barmherziger Hoherpriester; Er ist 
fähig, uns zu helfen und würdig, uns zu reinigen; Er ist, weil 
auferstanden aus den Toten und aufgefahren gen Himmel, unsere Erwartung für die Gegenwart, und unsere Hoffnung für 
die herrliche Zukunft. 
In Verbindung mit diesem allen nahm der Herr Seinen Platz 
hier auf Erden ein. Er war abhängig und gehorsam. Er glaubte 
und hoffte, war betrübt und leidend; Er ward verachtet, gekreuzigt, begraben; Er unterwarf Sich allem, was der ewige 
Ratschluß für Ihn notwendig gemacht hatte. Er machte sich 
Selbst zu nichts; doch alles, was Er tat, war Seiner würdig. 
Das Wort im Anfange: „Es werde Licht! und es ward Licht", 
war Seiner nicht würdiger, als Sein „Bitten und Flehen mit 
starkem Geschrei und Tränen in den Tagen seines Fleisches". 
Er konnte Sich unmöglich mit etwas vereinigen, das der Gottheit unwürdig war, obwohl Er Sich auf Kosten alles dessen, was 
179 
Er besaß, in den trostlosesten Umständen befand, worin unsere 
Schuld und Seine Gnade zur Wegnahme dieser Schuld Ihn 
gebracht hatte. 
Wir sehen dieselbe Person in der Krippe wie am Kreuze. Es war 
Gott geoffenbart im Fleische. Nur wenn wir der ausgedehntesten Idee dieser Herrlichkeit ihren Platz ungeschmälert lassen, 
dürfen wir von Seiner Erniedrigung sprechen, die wir vom 
ersten bis zum letzen Augenblick Seiner bewunderungswürdigen Laufbahn an entdecken. Er wurde in der Krippe angebetet. Die von Gott geleiteten Weisen des Morgenlandes huldigten Ihm. Simeon tat dasselbe im Tempel; und zu unserer 
Befremdung sehen wir, daß er die Mutter, nicht aber das Kind 
segnete. Er hatte letzteres in seinen Armen; und nichts wäre 
bei dieser Gelegenheit natürlicher gewesen, als dasselbe zu 
segnen; dennoch geschah es nicht. Warum nicht? Weil er, erleuchtet durch das Licht des Heiligen Geistes, das Bewußtsein 
hatte, daß er das Kind nicht als ein schwaches, hilfloses Geschöpf, Das der Sorge Gottes anbefohlen werden mußte, 
sondern als das Heil Gottes in seinen Armen trug. In diesem 
Charakter nahm er das Kind, in dem Augenblick der größtmöglich natürlichen Schwäche Desselben, in seine Arme und 
erfreute sich in Ihm. Mochte er, ohne irgendein Unrecht zu 
begehen, die Mutter dieses Kindes segnen, so stand es ihm 
doch nicht zu, Jesum zu segnen. „Ohne allen Widerspruch wird 
das Geheimnis von dem Bessern gesegnet" (Hebr 7, 7). 
Auch Hanna, die Prophetin, empfing Jesum in demselben 
Geiste. Und noch früher, ja noch vor Seiner Geburt wurde Ihm, 
als beim Gruße Marias das Kind im Leibe der Elisabeth vor 
Freude hüpfte, Anbetung dargebracht. Ebenso erkennt der 
Engel Gabriel Ihn, noch ehe Er empfangen war, als den Gott 
Israels, vor Dessen Angesicht der Sohn des Zacharias vorangehen mußte. Und Zacharias selbst erfüllt mit dem Heiligen 
Geiste, erkennt Ihn als den Herrn, Dessen Volk Israel war, und 
als den „Aufgang aus der Höhe" (Siehe Lk 1, 76. 78). 
Wir sehen daher in jedem Zustand und in jeder Handlung Jesu 
einen Gehorsam mit gänzlicher Selbstverleugnung und eine 
Unterwürfigkeit der seltensten Art. Und was war der Dienst 
nach der Beurteilung Dessen, vor Dem derselbe ausgeübt 
180 
wurde? Als der zu Bethlehem Geborene, der Beschnittene, der 
Getaufte und der Gesalbte, als der Dienende, der Leidende, 
der Gekreuzigte, und schließlich als der Auferstandene hat Er 
hier auf Erden vor den Augen Gottes gewandelt. In dem 
Schöße der Jungfrau, in der Stille von Nazareth, im dem Opfer 
Seiner Selbst am Kreuze, sowie in dem Glänze der Auferstehung — kurz in allen Umständen war Er, Dessen Name „Wunder" ist, unter der Sorge Gottes und war fortdauernd das 
Wohlgefallen Gottes, In allem vollkommen und fleckenlos erneuerte Er die Wonne Gottes an dem Menschen zu einem weit 
höhern Grade, als sie damals gewesen, wo der Mensch zuerst 
nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde. 
Die Majestät der Person Jesu verlieh Seinem ganzen Leben des 
völligsten Gehorsams eine Herrlichkeit, die dasselbe unbe 
schreiblich wertvoll machte. Diese Herrlichkeit bestand nicht 
nur darin, daß Sein Gehorsam und Sein Dienst freiwillig waren, 
sondern vornehmlich in der Majestät Seiner Person, die durch 
den Herrn der Heerscharen als „Sein Genosse" bezeichnet wird. 
Und wer ist imstande, die Größe dieser Majestät zu ermessen? 
Wir werden dieses in etwa aus eigener Erfahrung verstehen. Je 
höher der Rang dessen ist, der uns einen Dienst erweist, desto 
höher wird der Wert dieses Dienstes in unsern Gedanken steigen. Und mit allem Recht; denn ein solcher hat sich, um unser 
Diener zu sein, weit mehr verleugnen müssen, als ein anderer 
von geringem Stande. Unser Herz fühlt dann auch, daß nicht 
sein eigenes Interesse, sondern unser Vorteil durch ihn gesucht 
wird; und er bemüht ist, unsern Wünschen und Bedürfnissen 
zu dienen. Wir können nimmer den Wert der Person von 
ihrem Dienst trennen. Und so verhält es sich auch mit dem Geheimnis, welches uns jetzt beschäftigt. Der Gehorsam Jesu war 
vollkommen und aller Annahme wert. Doch über dem Charakter 
Seiner Handlungen steht die Würdigkeit der Person, Die 
diese Handlungen vollbrachte und welche dieselben in tausendfältiger Weise verherrlichte. 
Ebenso war es in bezug auf Seinen Tod. Es war Seine Person 
Selbst, die Seinem Opfer oder Seinem Tode alle Kraft verlieh; 
und es war Seine Person, welche allem, was Er in Seinem Leben 
des selbstverleugnenden Gehorsams verrichtete, eine ganz besondere Herrlichkeit beifügte Das Sinnbild des zerrissenen 
181 
Vorhangs zeigt dem Glauben das vollkommene Wohlgefallen 
Gottes an jeder Handlung des Lebens Jesu. Möchte Gott, indem 
wir den Pfad Jesu von der Krippe bis zum Kreuze verfolgen, 
uns Augen geben, um zu sehen, und Ohren, um zu hören! Das 
Auge Gottes ruhte während Seines ganzen Erdenlebens voller 
Gehorsam, mit unbeschreiblicher Wonne auf allem, was Er tat, 
und auf allem, was Er war. 
Die „Knechtsgestalt" war in Jesu ebensosehr eine Wirklichkeit 
wie die „Gestalt Gottes". Erstere war nur eine angenommene, 
die andere hingegen eine Ihm von Ewigkeit her ganz angehörende. Dieses vorausgesetzt waren Seine Handlungen diejenigen eines Dieners, Seine Herrlichkeiten und Vorrechte diejenigen Gottes. Er betete. Er verharrte die ganze Nacht im Gebet. Er lebte durch den Glauben als das vollkommenste Vorbild 
für den Gläubigen, sowie Er genannt wird: „Der Anfänger und 
Vollender des Glaubens". In den Leiden nahm Er zu Gott Seine 
Zuflucht. In Gegenwart Seiner Feinde übergab Er Sich Dem, 
Der recht richtet. Er tat nie Seinen eigenen Willen, wie vollkommen dieser Wille auch war, sondern den Willen Dessen, 
Der Ihn gesandt hatte. In diesen und allen ähnlichen Wegen 
zeigt sich die „Knechtsgestalt" in Jesu in ihrer ganzen Fülle. Es 
war eine erhabene und lebendige Wirklichkeit. Von Anfang bis 
zu Ende war das Leben dieses Dieners ein Leben des Glaubens. 
In dem Briefe an die Hebräer wird Jesus uns als der „Apostel 
und Hohepriester des Glaubens" vor Augen gestellt (Kap 3, 1; 
12, 2. 3). Als Hoherpriester steht Er vor uns, um unsere beunruhigten Gewissen zu erleichtern, und um uns in unsern verschiedenen Versuchungen zu Hilfe zu kommen; als Anfänger 
und Vollender des Glaubens ermutigt Er unsere Herzen zu 
dem Leben des Glaubens in Seiner Nachfolge. Im ersten Falle 
steht Er allein; im zweiten ist Er mit einer großen Wolke von 
Zeugen in Verbindung. Im ersten Falle handelt Er für uns; im 
zweiten steht Er als Vorbild vor unsern Augen. Doch selbst in 
dieser Beziehung besteht zwischen Ihm und andern Gläubigen 
ein großer Unterschied; denn der Heilige Geist fordert uns auf, 
„auf Jesum zu sehen", und nicht auf die Wolke von Zeugen, 
von denen wir rings umgeben sind. 
182 
Ferner hat das „Erdulden des Widerspruchs der Sünder gegen 
sich" (Kap 12, 3) das Leben Jesu zu einem Leben der Prüfung 
und des Glaubens gemacht. Diese Worte sind bemerkenswert. 
Eine große Zahl von Heiligen, die, gleich Ihm, zu dem guten 
Kampfe des Glaubens berufen waren, hatten Spott und Hohn, 
Geißelungen und des Schwertes Schärfe erduldet; sie waren in 
den Höhlen der Erde umhergeirrt und in Unterdrückung, in 
Banden und Gefängnissen gewesen; doch von ihrem Kampfe 
inmitten dieser Dinge, von dem „Erdulden des Widerspruchs 
der Sünder gegen sich" wird nichts gesagt. Diese Worte besitzen eine Kraft und Erhabenheit, die allein auf das Glaubensleben Jesu eine Anwendung finden, wovon der Heilige Geist in 
Ps 16 eine Beschreibung liefert. Dort wird uns der Sohn Gottes 
als Der vorgestellt, für Den „der Glaube eine Verwirklichung 
dessen ist, was man hoffte, eine Überzeugung dessen, was man 
nicht sieht" (Kap 11, 1). Er genießt das priesterliche Teil und 
Los. Er stellt den Herrn beständig vor Sich. Er weiß, daß Er 
nicht wanken wird, weil der Herr zu Seiner Rechten ist. Er 
richtet Seinen Blick auf die Lieblichkeiten, die zur Rechten 
Gottes sind, und auf die Fülle der Freude, die vor dem Angesicht Gottes ist. 
Der Ps 116 beschreibt das Ende Seines Glaubenslebens in der 
Auferstehung unter „Lob und Anbetung", und der Apostel 
Paulus kann in „demselben Geiste des Glaubens" von dem 
Anteil reden, den er mit seinem Anführer und Herrn an der 
Auferstehungsfreude hatte (2. Kor 4, 13. 14). 
„Ich werde mein Vertrauen auf ihn setzen". Das ist die Sprache 
Jesu während Seines ganzen Lebens. Aber Sein Glaube war 
Gold, reines Gold; durch das Feuer erprobt, kam derselbe ebenso rein aus dem Schmelztiegel wieder hervor, wie er hineingegangen war, und nirgends zeigten sich Schlacken. Es ist nötig, 
daß die Gläubigen durch die Feuerprobe geläutert werden. Ihre 
Ungeduld, ihre Eigenliebe, ihr Murren etc., alles muß vernichtet und zum Schweigen gebracht werden (siehe Ps 72 und JJ). 
Hiob unterlag der Prüfung, wiewohl er selbst oft die schwachen 
Arme gestärkt und die Strauchelnden durch Seine Worte aufgerichtet hatte. Der Stärkste fällt oft zuerst. Petrus schläft in 
Gethsemane; er spricht Lügen und Flüche aus in der Nähe des 
Gerichtshofes. Doch ein Mensch hat hier auf Erden gelebt, bei 
183 
welchem der siebenfältig erhitzte Ofen nur um so mehr Seine 
unaussprechliche Würdigkeit ins Licht stellte. 
Man lese Lk 23 und man betrachte dort Jesum in dem Feuer 
der Glaubensprüfung. Zuerst sehen wir Ihn gegenüber den 
Leiden, die Seiner harrten; danach ist er mit Seinen Jüngern, 
dann mit Seinem Vater, und endlich mit Seinen Feinden beschäftigt. Wie unbeschreiblich vollkommen war dieser Glaube, 
als er durch das Feuer erprobt wurde, in stets unverfälschter 
Reinheit! Das ganze Leben Jesu war das Leben und der Gehorsam des Glaubens. Von der einen Seite betrachtet, war es 
sicher das Leben des Sohnes Gottes, Der in „Knechtsgestalt" 
Sich Selbst bis zum Tode erniedrigte, wiewohl Er in der Gestalt 
Gottes war und „es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu 
sein"; doch andrerseits hat Jesus wahrlich das Leben des Glaubens gekannt, wenn er sagt: „Ich werde mein Vertrauen auf 
ihn setzen". „Ich habe Jehova stets vor mich gestellt, weil er 
zu meiner Rechten ist, werde ich nicht wanken". Das waren 
Seine Gedanken; und wir beten Ihn an in diesem Glauhensleben. Ja, voll Bewunderung heben wir unsere Blicke zu Ihm 
empor und preisen Seine unaussprechliche Liebe. Und dieses 
kostbare Glaubensleben fand in der Sorge und Bewahrung 
Gottes seine Antwort. „Wer im Schirm des Höchsten sitzt, wird 
bleiben im Schatten des Allmächtigen" (Ps 91). Der Glaube des 
Knechtes auf Erden war ebenso vollkommen, wie die Antwort 
Dessen, Der im Himmel wohnt. 
Von dem Schöße seiner Mutter an bis in Sein Grab war die 
Sorge, die über Jesum wachte, ununterbrochen. Sein Geist hat 
dieses bereits durch den Mund Seiner Propheten verkündigt. 
„Du ließest mich vertrauen an meiner Mutter Brüsten. Auf 
dich bin ich geworfen von Mutterschoße an; von meiner 
Mutter Leibe an bist du mein Gott" (Ps 22, 9. 10). — Es war 
eine unermüdliche Sorge. „Du erhältst mein Los". „Mein Fleisch 
wird in Sicherheit ruhen. Denn meine Seele wirst du dem 
Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die 
Verwesung sehe" (Ps 16). Die Hilfe, die Sorge, die Wachsamkeit des Vaters über den Sohn — alles war für Ihn. Gott wachte 
über Ihn in jener Nacht, als Joseph durch den Engel gewarnt 
und aufgefordert wurde, nach Ägypten zu entfliehen. Es war 
184 
des Vaters unaussprechliche Freude, in dieser Stunde über den 
geliebten Sohn Wache zu halten. Der Wächter Israels konnte 
auch damals nicht schlummern. 
Doch weit entfernt, den göttlichen Rechten Jesu Abbruch zu 
tun, erhalten diese Umstände vielmehr gerade dadurch ihre 
Bedeutung. Die Herrlichkeit des Verhältnisses zwischen Vater 
und Sohn, sowie die damit verbundene Freude und Wonne sind 
verloren, wenn die Herrlichkeit der Person Jesu nicht im Auge 
behalten und verehrt wird. Zur Zeit der Flucht nach Ägypten 
in den Armen Seiner Mutter war Er ebensowohl „Gott geoffenbart im Fleische", als während des Augenblicks im Garten 
Gethsemane, wo die Feinde angesichts Seiner Macht und Hoheit zu Boden stürzten. Er war als Kind zu Bethlehem ebensowohl Immanuel, wie Er es jetzt ist zur Rechten der Majestät 
in der Höhe*). Der ganze Weg von dem Schöße Seiner Mutter 
bis zum Kreuze war ein Weg der Selbsterniedrigung. Wenn 
man hieran zweifelt, dann vergißt man, wer Er war. Betrachten wir aber dieses herrliche Geheimnis aus einem andern 
Gesichtspunkte, dann sehen wir seine Abhängigkeit vom Vater, 
sowie die zärtliche und vollkommene Sorge, welche der Vater 
unaufhörlich zur Schau trägt. 
In den vier Evangelien wird uns die Person des Herrn auf verschiedene Weise und in einem verschiedenen Charakter dargestellt. Er war der Gegenstand der fortdauernden Sorge des 
Vaters und zugleich der Genosse Jehovas. Und es wird uns 
erlaubt, unsern Blick auf den Pfad zu richten, auf welchem Er 
durch göttliche Sorge und Wachsamkeit Beschirmung fand, 
und voll Bewunderung das helle Licht und die vortreffliche 
Herrlichkeit anzuschauen, wo Seine Rechte und Ehren als Sohn 
Gottes vor unserem Auge enthüllt werden. 
Jesus konnte sagen: „Brechet diesen Tempel ab, und in drei 
Tagen werde ich ihn wieder aufbauen"; und zugleich konnte 
der Heilige Geist erklären, daß „der Gott des Friedens den 
großen Hirten der Schafe aus den Toten wiederbrachte". 
Die Feinde, die Sein Leben suchten, stürzten zu Boden, als sie 
*) Ich will hierdurch nicht behaupten, daß bei Gelegenheit der Flucht nach 
Ägypten das „Kindlein" selbst irgendeinen Willen betätigte. Eine solche Behauptung würde über die Schrift hinausgehen. Aber diese Handlung, wie alles von 
Bethlehem bis nach Golgatha hin. trägt den Charakter eines Sich Selbst verleugnenden Gehorsams. 
185 
Seine Stimme hörten; und nichtsdestoweniger erkannte Sein 
völliger Glaube so vollkommen die Sorge und Obhut Gottes 
an, daß Er sagte: „Meinest du, daß ich nicht jetzt meinen 
Vater bitten könne, und er mir mehr als zwölf Legionen Engeln 
stellen werde?" Durch eine Berührung des Ohres heilte Er den 
Diener des Hohenpriesters, während Er etliche Augenblicke 
später zuließ, daß Sein eigenes Haupt unter der Dornenkrone 
blutete. In der Vollkommenheit Seines Zustandes als Der, Welcher Sich Selbst erniedrigt hatte, konnte Er das Mitgefühl der 
Seinigen fordern und sagen: „Könnt ihr nicht eine Stunde mit 
mir wachen?" — und etliche Stunden später, und zwar in gewissem Sinne in einem Augenblick von größerem Schmerze, konnte 
Er das Mitleiden der Töchter Jerusalems von sich weisen und 
den Glauben eines sterbenden Missetäters dadurch krönen, daß 
Er ihm das Paradies verhieß. Dann selbst in der Stunde der 
tiefsten Erniedrigung strahlt uns Seine Herrlichkeit entgegen; 
und Er läßt die Sünder verstehen, daß Sein Kreuz nicht das 
Mitleiden der Menschen, sondern ihren Glauben erfordert, und 
daß Er kein bloßes Gefühl aufzuwecken wünscht, sondern sie 
durch den Glauben an das Kreuz mit dem vollen Frieden des 
Gewissens segnen will. Er will nicht, daß man Sein Kreuz 
beklage, sondern daß man sich darauf stütze und wisse, daß 
dasselbe, wiewohl in Schwachheit vollbracht, dennoch ein Strebepfeiler ist, worauf die Schöpfung Gottes in Ewigkeit ruht. 
In verschiedenen und dennoch harmonischen Zügen finden wir 
das Leben Gottes im Fleische. Weil Seine göttliche Natur wahr 
ist, ist deshalb Seine menschliche Natur weniger wahr? Die 
Tränen Jesu über Jerusalem waren so wirklich, als ob nichts 
anders in Seinem Herzen sei, als der Schmerz über ein widerstrebendes, ungläubiges Volk, das seinen Messias und Heiland 
verwarf. Und dennoch war in demselben Augenblicke Seine 
Freude an dem Vorsatz der göttlichen Weisheit und Gnade 
ebenso ungeteilt. Das „Wehe dir, Chorazin"! war ebensosehr 
der Ausdruck der lebendigen und wahrhaftigen Liebe in der 
Seele Jesu, wie Seine kurz nachher gesprochenen Worte: „Ich 
danke dir, Vater!" So wurden durch die „Knechtsgestalt" in all 
ihren Vollkommenheiten sowie durch die „Gestalt Gottes" in 
der ganzen ihr eigentümlichen Herrlichkeit, in einer und derselben Person so wahrhaftige und lebendige Geheimnisse geoffenbart. 
186 
Sollten wir nicht oft bei der herrlichen Person Jesu verweilen 
und die verschiedenen Handlungen Seines Lebens oder das Geheimnis Seiner Liebe und Wahrheit betrachten? „Die Furcht 
des Herrn ist rein"; aber es gibt auch eine unreine Furcht, die 
einen Geist des Unglaubens und der Gesetzlichkeit in sich birgt 
und uns hindert, in solche Wunder einzudringen. Wahrlich, das 
Geheimnis ist „groß". Doch dasselbe konnte man auch von 
jenem wunderbaren Schauspiel sagen, zu welchem Moses sich 
mit unbeschuhten Füßen nahte, um es zu betrachten. Hätte 
er dieses nicht getan, dann wäre er ungesegnet geblieben. Aber 
nein, er lauschte bis er entdeckte, daß der große „Ich bin, der 
ich bin", der Gott Abrahams, in dem Dornbusch war. Wie seltsam die Weise auch war, in welcher eine Majestät Sich verbarg, 
so war dennoch der Herr, Gott, der Allmächtige in dem brennenden Dornbusche. 
Und wenn wir auf Golgatha den „geschlagenen Hirten" anschauen, wer anders könnte es sein, als „der Mann, der der 
Genosse des Jehovas der Heerscharen" ist (Sach 13)? Und jener 
verspottete, angespieene, mißhandelte Mensch inmitten des den 
Gerichtshof des Pilatus umringenden Volkes — wer anders 
könnte es sein als Er, Der in den vorigen Tagen das Rote Meer 
trocken machte und Ägypten mit Finsternis schlug. 
Der Heilige Geist liefert in dem Briefe an die Hebräer außer 
vielem andern den Beweis, daß die Kraft des Priestertums Christi ganz und gar von der Majestät Seiner Person abhängt. Man 
lese die sieben ersten Kapitel. 
In unserm Hohenpriester müssen wir einem Menschen begegnen, einem, Der fähig ist, den Brüdern Hilfe zu bringen, 
weil Er, gleichwie wir, in allem versucht worden ist. Wir müssen unsern Hohenpriester aus den Schmerzen und Leiden dieser 
Erde in den Himmel eingehen sehen. Aber ebenso notwendig 
ist es, daß wir in unserm Hohenpriester den Sohn finden, weil 
kein anderer, welcher an Fleisch und Blut teil hat, die „Kraft 
des unvergänglichen Lebens" besaß. In Übereinstimmung hiermit repräsentiert Melchisedek sowohl die Person, als auch die 
Tugenden, die Hoheit, die Rechte und das Ansehen des wahren 
Priesters Gottes (siehe Hebr 7, 1—3); indem wir lesen: „Ohne 
Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, weder Anfang 
187 
der Tage, noch Ende des Lebens habend; aber dem Sohne 
Gottes verglichen, bleibt (er) Priester auf immerdar". Welche Einsicht verleiht uns dieses bezüglich des „großen Hohenpriesters 
Linsers Bekenntnisses". Er kam aus dem Himmel hernieder in 
der vollen persönlichen Herrlichkeit des Sohnes; und Er kehrte 
in den Himmel zurück, mit sich führend die Kraft Seines 
Opfers für die Sünde, sowie jenes unendliche Mitleiden, wodurch Er den Heiligen auf Erden zu Hilfe kommt. 
Der Glaube nimmt Kenntnis von Jesu in allen Seinen Wegen. 
Er erkannte in Ihm den Sohn, während Er im Fleische unter uns 
wohnte und als Sein Leben der Erniedrigung und der Leiden 
hienieden ein Ende genommen, erblickte der Glaube den einmal verworfenen und gekreuzigten Menschen verherrlicht im 
Himmel. Er ist eine und dieselbe Person: Gott geoffenbart im 
Fleische hier auf der Erde, und der Mensch in der Herrlichkeil 
droben. Das Wort sagt von Ihm und Seiner bewunderungswürdigen Laufbahn: „Gott ist geoffenbart worden im Fleische, 
gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt 
unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in 
Herrlichkeit". 
In der Gestalt Gottes war Er wahrlich Gott; in der Knechtsgestalt war Er wirklich ein Knecht. Er hat es nicht für einen 
Raub gehalten, „Gott gleich zu sein", sondern übte alle göttlichen Rechte aus und bediente sich aller göttlichen Schätze und 
Hilfsquellen mit völligster Autorität; und ebenso hat Er „sich 
selbst erniedrigt" und ist gehorsam geworden. Dies ist das 
Geheimnis. Alles, was wir in der Geschichte Jesu finden, wird 
durch dieses Geheimnis erklärt. So verhielt es sich mit der Herrlichkeit in der Wolke. Der Gefährte der Pilger, Der alle ihre 
Verlegenheiten teilte, war zu gleicher Zeit der Herr des Heeres. 
Die Herrlichkeit, welche während der Streifzüge Israels die 
Wüste durchzog, war zugleich die Herrlichkeit, welche zwischen 
den Cherubim im Allerheiligsten wohnte. 
Verweilen wir indes noch einen Augenblick bei Phil 2, 5—11, 
wo wir die Worte lesen: „Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben". Hier wird aufs Neue unsere Bewunderung wachgerufen. Denn was konnte Jesum noch mehr erhöhen? Bevor Er 
eintrat in Sein Leben des Leidens und der Herrlichkeit, war Er 
188 
schon in sich selbst unendlich groß und erhaben. Nichts war imstande, Ihn persönlich zu erhöhen, weil Er der „Sohn" war 
und die unendliche und unermeßliche Herrlichkeit Gottes bereits besaß. Keine andere Ehre hätte je Seine persönliche Herrlichkeit vergrößern können. Und dennoch sehen wir Ihn einen 
Pfad betreten, der Ihn zu einer noch höheren und — in gewissem Sinne — noch kostbareren Majestät und Herrlichkeit 
führt. Welch ein wunderbares Geheimnis! 
Da die Schrift uns erlaubt, göttliche Dinge durch Gleichnisse 
zu erklären, so wollen wir uns diese Gedanken auf diesem 
Wege zu verdeutlichen suchen. Ein Königssohn zieht aus, um 
durch eigenes Verdienst den Rang und die Würde zu erlangen, 
die ihm bereits zufolge seiner Geburt zukommt. Diese erworbene Größe wird, wiewohl sie ihn persönlich nicht zu erhöhen 
vermag, dennoch einen großen Wert für ihn haben und zugleich der Achtung und Anerkennung seines Volkes den schönsten Stoff bieten. Dieser Vergleich mag einiges Licht werfen 
auf das bewunderungswürdige Geheimnis des Sohnes Gottes. 
Nach ewigem Ratschlüsse hat Er Sich zum Streit gegürtet; und 
die Ehre, die Er Sich erworben, sowie die Siege, die Er erlangt 
hat und noch erlangen wird, werden für ewig Seine Wonne 
ausmachen. Er wird in dem Lichte und in dem Charakter dieser 
Tatsachen erkannt und für immer gerühmt werden, wiewohl 
Er, was Sein Wesen betrifft, ein für den Menschen unzugängliches Licht bewohnt. 
In 2. Mo 3 teilt Er, redend aus dem Dornbusche, Seinem Knechte Moses den Namen mit, den Er allein besitzt: „Ich bin, der 
ich bin". Doch zugleich läßt Er den Namen erkennen, den Er 
Sich erworben hat, indem Er Sich als „den Gott Abrahams, den 
Gott Isaaks und den Gott Jakobs" bezeichnet; und diesem 
zweiten, dem erworbenen Namen fügt Er die Worte hinzu: 
„Das ist mein Name ewiglich, und das ist mein Gedächtnis von 
Geschlecht zu Geschlecht". Diese Worte verkündigen uns den 
Wert, den Er auf die Herrlichkeit setzt, welche Sein — zugunsten armer Sünder — vollbrachtes Werk Ihm erworben hatte. 
Ebenso war es auch bezüglich der Stiftshütte oder des Tempels; 
nicht der Name, der Seinem Wesen eigentümlich ist, sondern 
derjenige, welchen Er Sich erworben hatte, war dort zu lesen 
189 
und aufgezeichnet. Die Geheimnisse des Heiligtums reden nicht 
von der Allmacht, der Allwissenheit, der Ewigkeit oder von 
übrigen Herrlichkeiten Seines Wesens, sondern von Einem, bei 
welchem „Barmherzigkeit sich wider das Gericht gerühmt", 
und der einen Weg gefunden hat, auf welchem Er Seine Verbannten zu Sich heimbringt. — Wahrlich, das sind Zeugnisse 
von dem Werte, welchen Jesus auf den Namen setzt, den Er 
dadurch erwarb, daß Er Sich uns weihte. Doch „Gott ist Liebe"; 
dieses ist die Ursache von allem; und dieses ist die Erklärung 
des Geheimnisses. Wie vortrefflich und bewunderungswürdig 
die Offenbarungen auch sein mögen, so lassen sie doch nur 
die verborgenen Quellen erkennen, die in Ihm Selbst geöffnet 
sind. 
Es geziemt uns ebensosehr, daß wir Jesum als „geboren unter 
Gesetz" kennen, wie wir Ihn kennen in Seiner persönlichen 
Herrlichkeit, als weit über jedes Gesetz erhaben. Sein ganzes 
Leben war das eines gehorsamen Knechtes. Wiewohl Er Gott 
über alles, der Jehova Israels und der Schöpfer der Enden der 
Erde war, so war Er doch zugleich der Mensch Christus Jesus. 
Er war Jesus von Nazareth, Der gesalbt mit dem Heiligen 
Geiste, Gutes tuend, sowie Kranke und Besessene heilend, das 
Land durchzog; denn Gott war mit Ihm. In dem Lichte dieser 
Wahrheiten schauen wir Ihn, und in diesem verschiedenen 
Lichte lesen wir Seine Geschichte. Er teilte den Heiligen Geist 
mit; und war dennoch Selbst mit dem Heiligen Geiste gesalbt. 
Der Sohn kam, um Teil an Fleisch und Blut zu haben. Also 
hatte es der Weg und die Gnade des ewigen Ratschlusses Gottes gewollt — und also hatten es unsere Bedürfnisse notwendig 
gemacht. „Er ist in Seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden", 
ward erprobt in einem Leben gänzlicher Abhängigkeit von 
Gott, und vollbrachte ein Sterben, welches, nebst andern großen Zwecken, in vollkommener Unterwerfung unter Gott ins 
Werk gestellt wurde. Das war der Zustand, den Er zufolge des 
ewigen Bundes auf sich nahm. Und in diesem Zustande war Er 
vollkommen im Wirken, im Leiden, im Dienen, vollkommen in 
den Schmerzen, den Seufzern, den Tränen, der Arbeit und der 
Mühe des Sohnes des Menschen auf Erden. Und noch mehr. 
Selbst jetzt, während Er im Himmel ist, hat Er Sich in einem 
gewissen Sinne nicht ganz von diesem Zustande getrennt. Er 
190 
erwartet dort eine Verheißung des Vaters; und nachdem Er 
diese Verheißung empfangen, lebt Er darin bis auf diesen Tag. 
„Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum 
Schemel deiner Füße". Dieses ward zu Jesu bei Seiner Himmelfahrt gesagt; und im Glauben an dieses Wort und in der 
Hoffnung desselben nahm Er Seinen Platz im Himmel ein und 
„hat sich für immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan 
wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner 
Füße". Hier ist die Hoffnung als Antwort auf die Verheißung; 
Lind diese wurde im Herzen Jesu sowohl dann gefunden, als Er 
hier auf Erden der glaubende, hoffende und gehorsame Sohn 
war, als auch dann, wo Er gen Himmel fuhr und Sich zur Rechten Gottes niedersetzte. Und wenn wir den Kreis noch weiter 
bis zu Seiner künftigen Herrlichkeit ausdehnen, so sehen wir 
Ihn auch dann noch unterwürfig. „Jede Zunge soll bekennen, daß 
Jesus Christus der Herr ist", doch es wird „zur Herrlichkeit des 
Vaters" sein. Wenn das Reich übergeben werden wird, so lesen 
»vir: „Dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, 
der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles in allem sei". 
Und auch in dieser Stellung des Unterworfenseins wird es in 
den zukünftigen Kreisen der Herrlichkeit Seine Wonne sein, 
den Heiligen zu dienen, sowie wir lesen: „Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen, und wird hinzutreten 
und sie bedienen". Und wiederum: „Der auf dem Throne sitzt, 
wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr hungern, auch 
nicht mehr dürsten, noch wird die Sonne auf sie fallen, noch 
irgendeine Glut; denn das Lamm in der Mitte des Thrones 
wird sie weiden, und wird sie leiten zu Brunnen der Wasser des 
Lebens, und Gott wird abwischen jede Träne von ihren Augen" (Lk 12, 37; Offb 7, 16. 17). 
4. 
„Aufgenommen in Herrlichkeit" (1. Tim 3, 16). 
Die Schrift sagt uns, daß die Engel in die Dinge des Christus 
hineinzuschauen begehren (1. Petr 1, 12). Am Tage der Offenbarung und Erfüllung dieser Dinge ist ihr Verlangen befriedigt 
worden; denn in der uns durch die Evangelisten mitgeteilten 
Geschichte sehen wir die Engel als Augenzeugen dessen, was 
191 
sie zu sehen gewünscht hatten. Sie haben das Vorrecht, teilzunehmen und Genuß zu finden an dem Leben Christi auf Erden 
— an „dem Geheimnis der Gottseligkeit", und zwar in der 
Weise, wie sie im Alten Testament an dem Heiligtum Gottes 
ihre Freude fanden. Im Heiligtum war alles vorhanden, was 
zum Nutzen und Segen der Sünder nötig war. Die Altäre, das 
Waschbecken, der Versöhnungsdeckel — kurz alles hatte um 
ihretwillen seine Stätte gefunden. Doch ob auch das Werk und 
die Gnade des Hauses Gottes nur für Sünder vorhanden war, 
so betrachteten die Cherubim doch alles mit großer Bewunderung. Sie befanden sich im Hause, um die Geheimnisse anzuschauen. In eben demselben Zustande finden wir sie an jenem 
Tage, als die himmlischen Dinge selbst: „Gott geoffenbart im 
Fleische", gesehen wurden. Auch damals diente alles zum Dienste und zum Heile für uns, die Sünder, auf daß Der so geoffenbarte Gott „gepredigt unter den Nationen und geglaubt in der 
Welt" werden möchte. Doch geschah sicher alles auch deshalb, 
damit Er „von den Engeln gesehen werden würde". 
Sie nahmen daher im Heiligtum sowie in dem großen Geheimnis selber einen und denselben Platz ein. Sie schauten an — sie 
waren Augenzeugen. Ihr Anschauen des Geheimnisses trug 
denselben Charakter eines großen Interesses, wie die Darstellung der Cherubim im Allerheiligsten. Und die Cherubim breiteten die Flügel aus nach oben, den Deckel mit ihren Flügeln 
überdeckend, und ihre Angesichter waren einander gegenüber, 
die Angesichter der Cherubim waren gegen den Deckel gerichtet" (2. Mo 57, 9). In derselben Weise werden sie in der Geschichte des Christus, der wahren Bundeslade, gesehen. 
Der Engel des Herrn kommt mit dem Auftrage aus dem Himmel, 
den Hirten zu Bethlehem die Geburt Jesu anzukündigen. Doch 
kaum hatte er seinen Dienst erfüllt, so „war bei dem Engel 
eine Menge der himmlischen Heerscharen, die Gott lobten und 
sagten: Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf der Erde, 
an den Menschen ein Wohlgefallen". Und als später ein anderes großes Ereignis stattfand und „Gott geoffenbart im Fleische" aus den Toten auferweckt wurde, um bald in Herrlichkeit 
aufgenommen zu werden, waren auch die Engel wiederum mit 
derselben gespannten und teilnehmenden Freude anwesend. 
192 
Als Maria Magdalene sich niederbeugte, um in die Gruft zu 
sehen, „sah sie zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu 
dem Haupte und einen zu den Füßen, wo der Leib Jesu gelegen 
hatte". Und ebenso erblicken wir sie in dem feierlichen Moment der Himmelfahrt, um den Männern von Galiläa Kunde 
zu geben über die ferneren Wege Dessen, Der eben jetzt gen 
Himmel aufgefahren war. 
Dieses alles ist eine Erklärung des Gebücktseins über den Versöhnungsdeckel, und zugleich ein neues Anschauen der Cherubim. Der Lobgesang der himmlischen Heerscharen auf Bethlehems Fluren bildete keinen Teil ihres zugunsten der Menschen 
aufgetragenen Dienstes, sondern war eine Handlung der Gottesverehrung. Sie gaben keine Oberweisung den Hirten, ja, 
sie sprachen eigentlich nicht zu ihnen, sondern sie gaben bei 
dem Gedanken an Ihn, der damals geboren, der Entzückung, 
wovon sie erfüllt waren, lebhaften Ausdruck. Dieselbe Haltung 
beobachteten sie in der Gruft. Als Maria kommt, haben sie 
für sie allerdings ein Wort des Mitgefühls; jedoch waren sie 
bereits vor deren Ankunft in der Gruft und wären also dort 
gewesen, auch wenn das weinende Weib nicht gekommen wäre. 
Sowie die Cherubim zu beiden Seiten der Bundeslade über dem 
Versöhnungsdeckel standen, so saßen die Engel an der Stätte, 
wo der Leib Jesu gelegen hatte, einer zu dem Haupte und einer 
zu den Füßen. 
Welch eine Weise, um Jesum anzuschauen! Ja, „Gott geoffenbart im Fleische — gesehen von den Engeln". O möchten auch 
wir die Gnade empfangen, um Ihn also zu verehren und also 
anzuschauen! Wir haben sicher große Ursache, über die Kälte 
unserer Herzen zu trauern, die hierin so weit zurückbleiben. 
Viele unter uns werden erkennen, daß sie durch diese Dinge 
mehr angezogen werden müssen. Wie selten wärmen sich 
unsere Herzen an der Glut dieser Geheimnisse, welche Bethlehem, Gethsemane und der ölberg den entzückten Engeln offenbarten ! Doch welche Nachteile birgt dieses in sich, und wie sehr 
ermangeln wir der Gemeinschaft mit Jesu! Darum ist es mein 
Verlangen, die Aufmerksamkeit zu richten auf die herrliche Erscheinung: „Gott geoffenbart im Fleische" und Ihm von der 
Krippe bis zum Kreuze, vom Kreuze durch das Grab bis zur 
193 
Auferstehung und von dort bis in den Himmel und bis in alle 
Ewigkeit durch den Glauben zu folgen. 
Das Evangelium des Matthäus gibt nur im allgemeinen Zeugnis 
von der Auferstehung. Der Engel bekundet dieses feierliche Ereignis; die nach der Stadt zurückkehrenden Weiber umfassen 
die Füße des auferstandenen Heilandes und huldigen Ihm; und 
die Jünger begegnen Ihm am Berge in Galiläa. 
Markus teilt mit, wie der Herr nach Seiner Auferstehung den 
Seinigen, der Maria Magdalene, den beiden Jüngern, die aufs 
Land gingen, und den „zu Tische liegenden" Elfen erschienen 
sei. 
Lukas stellt mehr die Beweise ins Licht, wodurch Er Seine Jünger zu überzeugen sucht, daß Er und kein anderer wieder in 
ihrer Mitte stand. Er ißt vor ihren Augen; Er zeigt ihnen Seine 
Hände und Seine Seite; Er sagt ihnen, daß ein Geist nicht 
Fleisch und Bein habe, wie sie sahen, daß Er hatte; Er beweist 
ihnen aus den Psalmen und den Propheten, daß alles also geschehen mußte. 
Johannes redet in der ihm eigentümlichen Weise über die Auferstehung. In seinem Evangelium wird Jesus stets in Kraft und 
als Überwinder dargestellt; und also geschieht es auch am 
Grabe. Die herbeigeeilten Jünger sehen dort die Leintücher 
liegen, während sie das Schweißtuch, welches um das Haupt des 
Herrn gewesen war, besonders an einem Orte eingewickelt finden. Nirgends zeigte sich Verwirrung, nirgends eine Spur von 
Kampf und Mühe, nirgends ein Merkmal, als ob etwas Außergewöhnliches geschehen sei. Alles zeugte weit eher von Triumph und Sieg, als von Arbeit und Kampf. „Preis und Ehre 
dem Überwinder, der getötet war!" — das ist die Stimme, die 
uns aus dem von Johannes beschriebenen Grabe entgegentönt. 
In derselben Weise wird der Herr Selbst uns dargestellt. Nicht 
wie bei Lukas liefert Er hier Beweise von der Wirklichkeit 
Seiner Auferstehung. Er gibt Seinen Jüngern kein tastbares 
Zeichen, um sie von Seinem Dasein zu überzeugen. Er ißt und 
trinkt auch nicht mit ihnen, wie wir dieses in Lukas finden. In 
dem Evangelium Johannes wird die Wahrheit der Auferstehung Jesu in einer erhabenen Weise dargestellt. Er überzeugt 
die Herzen und Gewissen Seiner Jünger. Bei Maria bedurfte es 
194 
nur eines einzigen Wortes, um ihr zu sagen, wer Er war, weil 
ihr Herz mit Ihm im Einklang war. Seine durchbohrten Hände 
sowie Seine durchbohrte Seite wurden gezeigt, damit sie den 
Gewissen der versammelten Jünger in der Gewißheit des angenommenen Opfers Frieden verkündigen möchten; und selbst 
das Herz des Thomas war so vollkommen überzeugt, daß er 
wie in Entzückung ausrief: „Mein Herr und mein Gott!" 
Auch bezüglich der Himmelfahrt Christi finden wir in den 
Mitteilungen der Evangelisten eine große Verschiedenheit. Weder Matthäus noch Johannes erwähnen dieses Ereignis. Am 
Schlüsse des Evangeliums nach Matthäus sehen wir den Herrn 
noch auf dem Berge in Galiläa. Auch Johannes führt uns nicht 
nach dem Ölberge oder nach Bethanien. Zwar stellt Er, wie es 
mir scheint, durch eine sinnbildliche Handlung am See Tiberias 
Seinen Hingang in das Haus des Vaters, sowie das Nachfolgen 
Seiner Jünger dar; aber es ist nicht die Himmelfahrt selber — 
nicht die feierliche Szene in Bethanien — nicht die Aufnahme 
des Herrn von der Erde in den Himmel. 
Markus hingegen teilt uns dieses Ereignis in den Worten mit: 
„Der Herr nun, nachdem er zu ihnen geredet hatte, ward in 
den Himmel aufgenommen, und setzte sich zur Rechten Gottes". Hier wird also der Moment der Himmelfahrt gemeldet; 
aber das ist auch alles. Es ist einfach das Auffahren Dessen, 
Dem alle Ehre und alle Rechte angehörten, die Seiner im 
Himmel harren. Aber wir erfahren hier durchaus nicht, welchen 
Anteil die Jünger an diesem Ereignis nahmen, und selbst nicht, 
ob sie überhaupt Augenzeuge desselben waren. 
Lukas geht einen Schritt weiter. In seinem Evangelium wird 
die Himmelfahrt des Herrn durch Menschen angeschaut, welche 
fühlten, daß dieses Ereignis für sie persönlich von großer 
Wichtigkeit sei. „Er führte sie aber hinaus bis gen Bethanien 
und hob seine Hände auf und segnete sie. Und es geschah, 
indem er sie segnete, schied er von ihnen, und ward hinaufgetragen in den Himmel. Und sie huldigten ihm und kehrten 
zurück nach Jerusalem mit großer Freude. Und sie waren allezeit im Tempel, Gott lobend und preisend" (Kap 24, 50—53). 
Also fährt Jesus, als der auferstandene Mensch, auf gen Himmel, indem Er eine Schar hinter Sich zurückläßt, die bezeugen konnte, daß Er wirklich ihr Jesus war. Und wiewohl 
195 
eine Wolke Ihn aus ihrem Blickfeld hinwegnahm, so erkannten 
sie doch in Ihm, Der in die höchsten Himmel eingegangen, Denselben Jesus, Dem sie auf Erden nachgefolgt waren. Jesus, Der 
vor Seiner Auferstehung mit ihnen gegessen hatte, hatte auch 
nach Seiner Auferstehung mit ihnen gegessen. Jesus, Der ihnen 
während Seines Umherwandelns auf der Erde einen großen 
Fischfang verschaffte, hatte ihnen auch nach Seiner Auferstehung eine großen Fang zukommen lassen. Jesus, Der früher 
die Speise gesegnet und sie ihnen dargereicht hatte, hatte dieses 
auch jetzt wieder getan. Und dieser Jesus war Derselbe, Der 
nun vor ihren Augen gen Himmel aufgefahren war. 
Wie treffend und herrlich stellt der Heilige Geist uns die verschiedenen Einzelheiten der wunderbaren Laufbahn Jesu vor 
Augen! In Bethlehem, im Auferstehungsgarten und auf dem 
Berge der Himmelfahrt —überall erblicken wir Denselben Jesus. 
Im Fleische geoffenbart, pilgert der Sohn Gottes von Bethlehem 
nach Golgatha. Auferstanden aus den Toten, ißt und trinkt Er 
vierzig Tage hindurch mit Seinen Jüngern; und mit durchbohrten Händen und durchstochener Seite, so wie sie Ihn hienieden 
gesehen, fährt Er auch gen Himmel. Er belehrte Seine Jünger 
nach Seiner Auferstehung, wie Er es auch vorher getan hatte. 
Wie früher, so gab Er ihnen auch jetzt Seine Befehle und vertraute ihnen einen Dienst an. Er kannte sie und nannte sie bei 
Namen, wie dieses auch ehedem geschehen war. Und endlich, 
da bei der Himmelfahrt ihre Blicke, als hätten sie Ihn für immer 
verloren, Ihn verfolgten, erscheint ein Engel, um ihnen zu sagen, 
daß derselbe Jesus noch mehr für sie zu vollbringen habe. 
„Ihr Männer von Galiläa! was steht ihr und schauet hinauf gen 
Himmel? Dieser Jesus, der von euch in den Himmel aufgenommen ist, wird also wiederkommen, wie ihr ihn gen Himmel 
habt auffahren sehen" (Apg i, 11). 
Dieses ist das Geheimnis des Grundsatzes jedes wahren Gottesdienstes. Es ist „das Geheimnis der Gottseligkeit". Nichts 
führt den Menschen zur Erkenntnis und zur Anbetung Gottes, 
als das durch den Heiligen Geist gewirkte und mit Glauben 
verbundene Verständnis dieses Geheimnisses. Es enthält die 
Wahrheit, welche das Haus Gottes bildet und füllt. „Gott ist 
geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt 
in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". 
196 
Haben wir, Geliebte, die Person Jesu Christi lebendig und anhaltend vor unsern Augen? Er war, wie bereits zu wiederholten 
Malen erwähnt, von aller Ewigkeit her in dem Schöße des 
Vaters, und als geoffenbart im Fleische lag Er in der Krippe zu 
Bethlehem. Er wandelte inmitten der Mühen und Leiden des 
Erdenlebens; Er starb am Kreuze, verließ den Bauch der Erde 
und stieg empor zu dem höchsten Platze im Himmel. Die Fäden, die diese Ereignisse miteinander verknüpfen, können, 
wiewohl sie das Erhabenste mit dem Niedrigsten verbinden, 
nimmer zerrissen werden. Der Heilige Geist stellt sie uns vor 
Augen, sowie Er sie miteinander verbunden hat, und läßt uns 
zuweilen dieses Band mit göttlicher Wonne anschauen. Wir 
finden dieses z. B. in der treffendsten Weise in den Psalmen 
23 und 24. Der inspirierte Dichter-Prophet stellt uns Jesum in 
dem niedrigen Leben des Glaubens, der Abhängigkeit und der 
Hoffnung hier auf Erden dar und schildert dann Seinen Eingang als „Jehova, mächtig im Kampf", als „Jehova der Heerscharen" und als „König der Herrlichkeit", durch „die ewigen 
Pforten" Jerusalems im tausendjährigen Reiche. 
Verweilen wir im Geist auf diesem Wege bei Ihm? Und nehmen wir wirklich den Platz ein, den auch Er in dieser Welt eingenommen hat? Denn noch ist Er in der Welt ein verworfener 
Christus. Inwiefern sind wir eins mit Ihm, als einem Verworfenen? Betrachten wir nur diesen Jesus, oder harren wir mit 
Ihm aus in Seinen Versuchungen (Ps 41,1; Lk22,28)? „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen! wisset ihr nicht, daß die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist" (Jak 4, 4)? Jesus 
genoß nach Seiner Auferstehung ebensowenig die Achtung der 
Welt, wie vor dieser Zeit. Die Auferstehung verändert nichts 
in dieser Beziehung. Die Welt war damals für Ihn nicht mehr, 
als in den vorigen Tagen, wovon wir wissen, daß Er nicht hatte, 
wohin Er Sein Haupt legen konnte. Er verließ die Erde für den 
Himmel, sowie Er sie früher für Golgatha verlassen hatte. Bei 
Seiner Geburt nahm die Krippe zu Bethlehem Jesum auf; und 
nach Seiner Auferstehung ward der Himmel geöffnet, um Ihn 
zu empfangen. Geoffenbart im Fleische stellte Er Sich dem 
Glauben und der Annahme Israels dar; doch Israel verwarf 
Ihn. Als Auferstandener ließ Er Sich Israel durch den Mund der 
Apostel aufs Neue ankündigen; doch nochmals wurde das 
197 
Zeugnis verworfen, und noch immer ist Jesus ein Fremdling 
auf Erden. Auch in unserm Jahrhundert dauert Seine Verwerfung fort. Als der auferstandene Mensch war Er einsam auf 
dem Wege von Jerusalem nach Emmaus, wie Er es ehedem auf 
dem Wege von Bethlehem nach Golgatha gewesen war. Geliebte! haben wir uns mit Jesu in dem Charakter eines „Verworfenen", eines „Einsamen" auf dem Wege vereinigt? 
Mancher Gedanke würde über unser Verständnis hinausgehen, 
wenn wir nicht durch die göttliche Weisheit selber unterwiesen 
wären. „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es 
jetzt nicht tragen", sagt der göttliche Lehrer zu Seinen Jüngern. 
Doch wir sind fähiggemacht, größere Mitteilungen betreffs 
Seiner zu verstehen. Er kann Entfernungen zu nichts machen, 
so wie Er den Widerstand bezähmen kann. Im See Genezareth 
wandelte Er auf dem Wasser; doch als Er in das Schiff gekommen war, „kam das Schiff alsbald an das Land, wo sie hinfuhren". 
O wenn die Strahlen dieser verborgenen Herrlichkeit durchbrechen und in unsere Herzen scheinen, wie willkommen sind 
sie dann! Wie sehr geziemt es uns daher, das ganze Herz zu 
öffnen, damit Jesus hinein komme! Der Glaube lauscht. Der 
Herr wollte das samaritische Weib von Anfang bis zu Ende 
einfach zu einer Zuhörerin machen. Sie durfte sprechen, und 
sie tat es; aber was zeugen ihre Worte anders, als daß ihr Verstand, ihr Gewissen und ihr Herz für Jesum geöffnet war. Und 
sobald ihre Seele dazu bereit ist, kommt Er Selber, um mit 
Seiner Fülle darin zu wohnen. Diese lauschende Stimme des 
Glaubens ist es, die wir mehr zu verwirklichen suchen müssen, 
und dieses besonders bei Betrachtung dieser bedeutungsvollen 
und heiligen Gegenstände. 
Wir haben nun in Kürze mit den Evangelisten das gegenseitige 
Band zwischen den verschiedenen Teilen dieses großen Geheimnisses in dem Leben unsers Herrn Jesu Christi, des Sohnes 
Gottes, betrachtet; oder wir sind, mit andern Worten, mit den 
Engeln und den Jüngern zu Bethlehem, am Grabe und auf dem 
ölberge gewesen. Und indem wir nun einen Blick in die Apostelgeschichte werfen, wird es uns klar werden, daß die Herzen 
der Apostel mit der Tatsache, daß Jesus von Nazareth, Der 
198 
verachtete und gekreuzigte Mensch auf Erden, nun im Himmel 
ist, erfüllt sind, und daß ihre Predigt stets von diesem Gegenstand ausgeht. Vor allem verbindet Petrus die ganze Kraft und 
Gnade, die damals dem jüdischen Volke aus dem Himmel geoffenbart wurde, mit dem großen Ereignis: „Die Himmelfahrt 
Jesu von Nazareth". 
Bei der Ausgießung des Heiligen Geistes führt Petrus in seiner 
Predigt die Prophezeiung Joels an. Aber die Art und Weise, in 
welcher er darüber spricht, zeigt, daß er Jesum von Nazareth, 
den Gekreuzigten, darin erblickt. Er erklärt, daß der Mensch, 
Der sich durch Zeichen und Wunder Gottes in ihrer Mitte 
geoffenbart habe, jetzt im Himmel sei und als der Gott, von 
Dem der Prophet spricht, nun den verheißenen Heiligen 
Geist ausgegossen habe. Außerdem sagt er noch, daß dieser 
Mensch der Herr sei, in Dessen Warnen nun das Heil verkündigt 
und Dessen Tag einmal zum Gericht anbrechen werde. So wie 
Johannes in Jesu auf Erden den Sohn aus dem Schöße des 
Vaters in Seiner vollkommenen, unbefleckten Herrlichkeit anschaut, so sieht Petrus den Sohn des Menschen, den Nazaräer, 
Der auf Erden verachtet und verworfen worden war, im Himmel 
sitzen, um Gnade, Kraft und Seligkeit mitzuteilen. 
So finden wir auch in dem folgenden Kapitel, daß Petrus im 
Namen Jesu von Nazareth, Der von den Menschen verworfen, 
aber im Himmel verherrlicht war, den lahmen Bettler an der 
schönen Pforte des Tempels durch den Glauben an diesen Namen heilt; und bei dieser Gelegenheit erklärt der Apostel, daß 
der Himmel Diesen Jesus bis zu dem Augenblicke empfangen 
hatte, wo Seine erneuerte Gegenwart Zeiten der Erquickung 
and Wiederherstellung mit sich bringen werde. Und vorgeladen 
vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, bezeichnet Petrus 
in Diesem verschmähten Jesus von Nazareth den Stein, Der 
durch die Bauleute verworfen, im Himmel zu „einem Eckstein" 
geworden sei. 
Dieses ist der Name und das Zeugnis, wovon die Apostel, 
mögen wir sie gegenüber den Mächten der Erde erscheinen oder 
inmitten der Leiden der Menschheit handeln sehen, stets erfüllt sind. Darin lag ihre Weisheit, ihre Bewährung, ihre Kraft. 
In Diesem Jesus ist der einzige Grund ihres Vertrauens in der 
199 
Gegenwart Gottes. Er, Der in den Augen der Menschen schwach 
und verachtet war, „der heilige Knecht Jesus", gegen Den 
Israel und die Heiden, Herodes und Pilatus, die Hohenpriester 
und die Könige der Erde Widerstand erhoben, ist der Gegenstand ihres Glaubens und der Grund ihrer Hoffnung vor Gott. 
Sie kennen Ihn jetzt im Heiligtum, wie sie Ihn vorher in der 
Mitte der Menschen gekannt haben. Und aus welch' verschiedenen Gründen bedienten sie sich dieses Namens! Mit voller 
Sicherheit stüzten sie sich darauf zugunsten der Hilfsbedürftigen; mit Unerschrockenheit verteidigen sie diesen Namen vor 
der Welt, und mit großem Zartgefühl berufen sie sich in ihrem 
Gebet auf diesen Namen „Deines heiligen Knechtes Jesu" vor 
Gott. Und es bewegt sich die Stätte, wo sie diesen Namen vor 
Gott nennen, und sie sind erfüllt mit dem Heiligen Geiste 
(Apg 4, 23—31). Jetzt wird alle Kraft im Himmel diesem Namen zuerkannt, sowie ehedem auf Erden alle Kraft aus demselben hervorströmte. Der Bettler an der Pforte des Tempels 
wurde durch denselben geheilt; die Nennung dieses Namens 
bewegte die Gebetsstätte, ja, was noch mehr ist, die Welt und 
die Hölle werden dadurch erschüttert; denn die Hohenpriester 
und Sadducäer waren mit Wut erfüllt und warfen die Zeugen 
dieses Namens ins Gefängnis. 
Doch alles dieses hindert den Apostel nicht, auch die tiefe Erniedrigung Dieses Jesus ans Licht zu stellen. Dessen Erhöhung 
in den Himmel er zugleich aufs Neue verkündigt. Dieses geschieht sehr treffend in seinen ersten Predigten; Jesus war verworfen, überliefert, verleugnet, verschmäht, gekreuzigt, getötet worden. Er scheut sich nicht, alles dieses hervorzuheben. 
Doch zugleich rühmt er den verachteten Namen des „Jesus von 
Nazareth", und beständig hat er ihn auf seinen Lippen. All die 
Leiden und die Schmach, die, unter welcher Form es auch sein 
mochte, der „Fürst des Lebens", der „Heilige und Gerechte", in 
Seinem Herzen, an Seinem Leibe oder in Seinen Umständen 
hienieden ertrug, werden von dem Apostel durchlaufen und in 
seinem lebendigen, kräftigen und von der Salbung des Heiligen 
Geistes durchdrungenem Stil an den Tag gebracht (Siehe Kap 
2 und 6). Er rühmt sich des Namens Jesu und bezeichnet Ihn, 
Den sie verworfen hatten, nach dem Ratschlüsse Gottes 
als „den Herrn und Christus". Daß ein Mensch im Himmel 
200 
Davids Herr und dem Samen Abrahams zu einem Segen geschenkt war, daß der verheißene Prophet, Der Moses gleich sein 
sollte, nun gen Himmel aufgefahren war — dieses alles verkündigte er mit Freimütigkeit. 
Und sowie die Salbung des Heiligen Geistes den Apostel zu 
einem solchen Zeugnis befähigt, so besitzt auch Stephanus, 
dieser Mann „voll Heiligen Geistes", dieselbe Kraft (siehe Kap 
7). Spriclit Petrus von Jesu im Himmel, — Stephanus schaut 
Ihn dort. Der Prediger verkündigt Ihn ohne Furcht, der Märtyrer schaut ihn ohne Hülle. „Als er aber, voll Heiligen Geistes, 
unverwandt gen Himmel schaute, sah er die Herrlichkeit Gottes, 
und Jesum zur Rechten Gottes stehen, und sprach: Siehe, ich 
sehe den Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen zur 
Rechten Gottes stehen". 
Welch eine ausgedehnte, anbetungswürdige Szene ist daher für 
das Glaubensauge geöffnet! Wir schauen das Band zwischen 
Himmel und Erde, zwischen Gott und den Sündern, zwischen 
dem Schöße des Vaters und der Krippe zu Bethlehem, zwischen 
dem Kreuz auf Golgatha und dem Thron der Majestät im Himmel. Hätte der menschliche Verstand sich je solche Dinge vorzustellen vermocht? Und dennoch ist dieses Geheimnis eine 
lebendige, ewige Wirklichkeit. „Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als daß er auch hinabgestiegen ist in 
die untern Teile der Erde. Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, 
der hinaufgestiegen ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte" (Eph 4, 9. 10). Der Heilige Geist hatte den Gott der 
Herrlichkeit in dem Kinde zu Bethlehem geoffenbart; undi nun 
bezeugt Er, daß alle Macht und Gnade in dem verherrlichten 
Menschen im Himmel gefunden wird und von Ihm herniederkommt. Welch göttliche Geheimnisse! Sicher, sie übersteigen 
alle menschlichen Begriffe. „Wer sagen die Menschen, daß ich, 
der Sohn des Menschen, sei?" Das war die Frage des Herrn in 
den Tagen Seiner Erniedrigung; und die einzig passende Antwort war: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen 
Gottes". Und später, als den Aposteln bei ihrer Predigt die 
Frage vorgelegt wurde: „In welcher Macht oder in welchem 
Namen habt ihr dieses getan?" konnte die göttliche Antwort 
nur sein: „Durch den Namen Jesu Christi, des Nazaräers, den 
ihr gekreuzigt, den Gott auferweckt hat aus den Toten, in ihm 
steht dieser gesund vor euch". 
201 
Das ist Jesus, allezeit Derselbe Jesus — „in den untern Teilen 
der Erde" und „über alle Himmel"! Er erfüllt alle Dinge. Gott 
ist auf der Erde offenbart worden, der Mensch ist-im Himmel. 
Daß Gott hier auf Erden in Seiner vollen Herrlichkeit gewesen 
ist, daß der Sohn aus dem Schöße des Vaters Sich unter den 
Kindern der Menschen befand, hat der Glaube in früheren 
Tagen verstanden. Daß der Mensch jetzt im Himmel, daß Er 
aus aller Verschmähung, Verachtung und Erniedrigung des 
irdischen Schauplatzes dorthin gegangen ist, ist dem Glauben 
in diesen Tagen geoffenbart. Der Glaube erfaßt das Geheimnis, 
daß Er, Der hinabgestiegen und Der aufgefahren, Derselbe 
Jesus ist. 
Die Vollkommenheit Jesu in betreff Seiner Berufung und Seiner Werke als Mittler findet ihre Erklärung in der Vereinigung 
Seiner zwei Naturen in einer und derselben Person. Er, Der von 
Maria empfangen und geboren wurde, war Immanuel, das ist 
„Gott mit uns". „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns 
gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man 
nennt seinen Namen: Wunderbarer Berater, starker Gott, 
Vater der Ewigkeit, Friedefürst". Er, Der zu den Juden sprach 
und als Mensch kaum über dreißig Jahre zählte, war „ehe 
Abraham ward" (Joh 8). Die Vollkommenheit Christi in jeder 
Handlung Seines Dienstes, in allem, was Er litt und tat, und 
in allem, was Er noch tut, ist das Werk Seiner ganzen Person. 
Dies ist das Geheimnis. Der Glaube nimmt es an mit voller 
Gewißheit des Herzens. Und der Glaube versteht noch mehr 
von diesem Geheimnis und lauscht mit Verständnis und Freude 
auf die Worte: „Gerechtfertigt im Geiste, gepredigt unter den 
Nationen, und geglaubt in der Welt". — Wiewohl Gott im 
Fleische geoffenbart ist, so ist Er doch gerechtfertigt im Geiste. 
Alles in Ihm zeigte eine völlig moralische Schönheit; alles war 
nach dem Herzen Gottes und in der unendlichsten, unbeschreiblichsten Weise Gottes würdig. Was uns betrifft, so bedürfen 
wir einer Rechtfertigung außer uns; denn in uns selbst ist nicht 
eine Spur von Gerechtigkeit. In Jesu war alles gerecht; jedes 
Wort, jeder Gedanke, jede Bewegung, kurz alles war ein Gott 
wohlgefälliges Opfer, ein duftender Wohlgeruch. Er war ebenso heilig unter dem Herzen der Jungfrau, wie Er es im Schöße 
202 
des Vaters war; Er war als Mensch ebenso unbefleckt wie als 
Gott; Er war ebenso rein inmitten des Schmutzes der Welt, wie 
ehedem, als Er vor Beginn der Welt stets die Wonne des Vaters 
war. Der Glaube erkennt und erfaßt es daher, daß die Arbeit 
und das Leiden, der Tod und die Auferstehung Dieses gesegneten Erlösers — Des im Fleisch geoffenbarten und im Geist 
gerechtfertigten Gottes — nicht Seinetwegen, als ob Er dergleichen bedürfe, sondern nur für Sünder stattgefunden haben, 
auf daß Er den „Nationen gepredigt und in der Welt geglaubt 
werden möchte". In dem Opfer, welches Er vollbrachte, in der 
Gerechtigkeit, die Er bewirkte und befriedigte, wird Jesus den 
Sündern — seien es Juden oder Heiden — vorgestellt, auf daß 
sie auf Ihn ihr Vertrauen stellen und durch Ihn ihrer Rechtfertigung versichert sein möchten. 
Es würde uns zu weit führen, wenn wir bezüglich dieses Geheimnisses jedes einzelne Buch des Wortes Gottes erforschen 
wollten; aber nächst der Apostelgeschichte gibt uns der Hebräerbrief in dieser Beziehung die meiste Unterweisung. „Aufgenommen in Herrlichkeit" — das ist es, was wir von Anfang 
bis zu Ende in dieser göttlichen Offenbarung finden. Jedes 
Kapitel in dieser bewunderungswürdigen Schrift, jeder Punkt 
der Betrachtung läßt uns Den aufgefahrenen Jesus erblicken. 
Der Brief nimmt alsbald damit seinen Anfang. Der Sohn, „der 
Abglanz seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens", 
wird uns, „nachdem er durch sich selbst die Reinigung unserer 
Sünden gemacht", als „sitzend zur Rechten der Majestät in der 
Höhe" dargestellt, und zwar als Besitzer eines „vorzüglicheren 
Namens", als der der Engel, und als der Erbe eines in Ewigkeit 
bestehenden Thrones, auf welchem Platze der höchsten Gewalt 
Er fortan wartet, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße 
gelegt sind. 
Das zweite Kapitel läßt uns denselben Gegenstand von einem 
andern Gesichtspunkte aus betrachten. Er, Der heiligt und Sich 
erniedrigt hat, um Sich des Samens Abrahams anzunehmen 
und den Platz eines Bruders bei ihnen auszufüllen, ist in Seiner 
angenommenen Menschheit in den Himmel zurückgekehrt, um 
dort für uns als ein barmherziger und treuer Hoherpriester zu 
erscheinen. Ja, der Brief ist mit diesem Gedanken so ganz er203 
füllt, daß in diesem Kapitel uns Jesus zum zweiten Mal dargestellt wird, und zwar, nach Psalm 8, als Der, Der „ein 
wenig unter die Engel erniedrigt", doch jetzt „mit Ehre und 
Herrlichkeit gekrönt" ist. 
Die Kapitel 3 und 4 bilden einen auf das Vorhergehende sich 
beziehenden Zwischensatz; doch auch hier wird uns Christus 
in derselben Weise dargestellt. In Seiner Menschheit hier auf 
Erden ist er in allem, gleichwie wir, versucht worden, ausgenommen die Sünde; doch nun ist Er, der Sohn Gottes, durch die 
Himmel gegangen, um uns aus dem Heiligtum Barmherzigkeit 
und Gnade zur rechtzeitigen Hilfe zu schenken. 
In den folgenden drei Kapiteln, die über das Priestertum handeln, finden wir dasselbe. Der Sohn wird als Priester bezeichnet, Der höher ist, als die Himmel. Er war gekommen, um auf 
Erden aus dem Stamme Juda geboren zu werden und Sich in 
den Tagen Seines Fleisches zu heiligen; doch nun ist Er aufgefahren gen Himmel, um „allen, die ihm gehorchen, der Urheber 
ewigen Heils zu werden". Ebenso ist es in den Kapiteln 8 und 
9, welche über die Bündnisse handeln. Wir sehen Jesum in der 
Stiftshütte im Himmel — in „der wahrhaftigen Hütte, welche 
der Herr errichtet hat, nicht der Mensch". 
In Kapitel 10, wo das Schlachtopfer der Hauptgedanke ist, wird 
uns wiederum Der gen Himmel aufgefahrene Jesus vor die 
Augen gestellt. Er, Der sagen konnte: „Siehe, ich komme"! 
ist, nachdem Er Sünder in Seinem, Ihm zubereiteten Leibe geheiligt hat, wieder gen Himmel aufgefahren, und hat einen 
Weg für uns geöffnet, auf welchem wir mit aller Freimütigkeit 
in das Heiligtum durch das Blut Jesu hineingehen können. 
Hiermit endet nun zwar der diese Lehre behandelnde Teil 
unsers Briefes; aber nichtsdestoweniger hören wir alsbald wieder über Christus und den Himmel reden. In den jetzt folgenden Ermahnungen finden wir Jesum wiederum dargestellt als 
den „Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher der 
Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das 
Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones 
Gottes". In diesem neuen Charakter ist Er also im Himmel erschienen. Sowohl das Leben des Glaubens, als auch alles, was 
Er für uns in göttlicher Gnade litt und wirkte, hat Ihn dorthin 
204 
gebracht. Im Himmel erscheint Jesus dem Auge des Glaubens. 
Hätten wir nur das rechte Verständnis, um solch eine Herrlichkeit 
zu erkennen, und ein Herz, um davon zu genießen, dann würden wir erkennen, daß der Himmel mit einem ganz neuen und 
früher unbekannten Glänze geziert ist, seit der Herr Jesus dort 
mit allen Rechten und allen Eigenschaften, die Er Sich auf 
Erden, und zwar für uns Sünder erwarb, Platz genommen hat. 
Die Annahme des Fleisches und Blutes durch den Sohn, wodurch Er der Befreier des Samens Abrahams geworden ist, und 
dann die Himmelfahrt Dieser gesegneten Person, — das sind die 
beiden Lichtpunkte des großen Geheimnisses. „Gott ist geoffenbart worden im Fleische — er ist aufgenommen in Herrlichkeit". Der Heilige Geist stellt uns diese herrlichen Wahrheiten 
vor die Augen, wie Er dieselben nach Gottes ewigem Ratschluß 
für das Wohlgefallen und die Herrlichkeit Gottes gebildet hat. 
Das „fleischgewordene Wort", wovon Johannes spricht, ist das 
„Gute, welches aus Nazareth gekommen ist" (Joh 1). In dem 
in Matthäus uns vorgeführten Immanuel und dem Kinde, Welches zur Anbetung in der Krippe zu Bethlehem lag, finden wir 
ein und dieselbe Person (Mt 1 und 2). Inmitten des Thrones 
sieht man ein Lamm stehen wie geschlachtet (Offb 5). In Ihm, 
von Dessen Lippen Weisheit sprudelte und Der für die gewöhnlichsten Dinge des tagtäglichen Lebens befähigt war, war Der 
zu finden, Der in den Geheimnissen des göttlichen Wesens das 
Fundament aller Ratschlüsse Gottes war (Spr 8). In dem Dornbusch am Horeb befand sich der Gott Abrahams; in der Wolkensäule der Wüste war die Herrlichkeit; in dem Gewappneten 
bei Jericho erkannte man den Obersten der Heerscharen Jehovas; in dem Fremdling, der den Gideon auf seiner Dreschtenne und Den Manoah auf seinem Acker besuchte, zeigte Sich 
der Gott, Dem allein die Anbetung der ganzen Schöpfung gebührt. Dieses sind einzelne Beweise, die in Gnade und zur Verherrlichung Gottes bezeugen, daß das Höchste mit dem Niedrigsten eng verbunden ist. „Niemand ist hinaufgestiegen in 
den Himmel, als nur der aus dem Himmel herabgestiegen ist, 
der Sohn des Menschen, der im Himmel ist". 
Wie schön finden wir diesen Gedanken im Epheserbriefe wieder. „Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als 
daß er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde". 
205 
Die Würde Dessen, Der gen Himmel aufgefahren ist, der Platz, 
den Er einnimmt, der Dienst, den Er erfüllt — alles trägt einen 
solch hervorragenden Charakter, daß es uns deutlich wird, daß 
Er, Der herniedergestiegen ist, bereits im Himmel „über 
allem" war, wie geschrieben steht: „Der von oben kommt, ist 
über alles". Doch bevor Er gen Himmel auffuhr, hat Er durch 
Sich Selbst die Reinigung unserer Sünden zuwegegebracht, hat 
den zunichtegemacht, der des Todes Gewalt hatte, und hat 
alle die erlöst, die dem Teufel unterworfen waren. In diesen 
Eigenschaften ging Jesus gen Himmel, und hier erfüllt Er die 
wahrhaftige Hütte, das Heiligtum im Himmel, welches Gott 
und kein Mensch aufgerichtet hat, um uns dort ein ewiges Erbteil zu sichern und die himmlischen Dinge zu reinigen (Hebr 8 
und 9). 
Wer vermochte in solcher Herrlichkeit und Macht aufzufahren 
außer Ihm, Der bereits im Himmel „über allem" gewesen war. 
„Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als daß 
er auch hinabgestiegen ist". Das durch Jesus vollbrachte Werk 
sagt uns, wer Er ist. Selbst Sein Leiden in Schwachheit und Erniedrigung verkündigt uns die göttliche Herrlichkeit Seiner 
Person. — Hierauf folgt: „Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, 
der hinaufgestiegen ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte". Diese Worte zeugen von der Unermeßlichkeit Seiner 
Souveränität, so wie die anderen die Größe Seiner Person offenbaren. In Seinem Werke, in Seinem Umherwandeln auf Erden 
und in Seinen Überwindungen hat Jesus die höchsten und niedrigsten örter besucht. Er ist auf der Erde und in den unteren 
Teilen der Erde gewesen. Er war im Grabe, dem Sitze der 
Macht des Todes; jetzt ist Er in den höchsten Himmeln, erhaben über alle Obrigkeit und Macht. In dieser Weise wird 
Sein Reich und Seine Herrschaft vor dem Glaubensauge zur 
Schau gestellt. 
Es ist Derselbe Jesus, Immanuel, der Sohn, und doch unser 
Bruder aus dem Samen Abrahams. Wir dürfen die beiden 
Naturen in dem Herrlichen und Vollkommenen nicht miteinander vermengen. Im Glauben beuge ich mich vor der Wahrheit, daß Er, Der heiligt, an Fleisch und Blut teilgenommen 
hat. Ich erkenne von ganzem Herzen die wahrhaftige Mensch206 
lieit in Seiner Person; jedoch war es keine unvollkommene 
Menschheit, die in irgendeiner Weise in dem Zustande oder 
unter den Folgen der Sünde lag. Ich erquicke mich an der 
Sprache des Heiligen Geistes, Der von dem „Menschen Christus 
Jesus" spricht. Der Mensch, Der gehorsam war, ist uns als 
Grund und Gegenstand der Gerechtigkeit geschenkt 
(Röm 5, 15). Der auferstandene Mensch ist das 
Unterpfand unserer Auferstehung (1. Kor 15, 20). Der gen 
Himmel aufgefahrene Mensch ist die Bürgschaft, daß unsere 
Interessen jeden Augenblick vor Gott im Himmel gewahrt 
werden (1. Tim 2, 5). Der Mensch, Der bald aus dem Himmel herniederkommen wird, macht die Festigkeit und Freude 
des zukünftigen Königreichs aus (Ps 8). Doch ich wiederhole 
es: Die Person Christi muß in ihrer unzerteilbaren Einheit im 
Auge behalten werden. Das vollkommene Werk Christi in 
jeder Handlung Seines Dienstes, in allem, was Er tat und litt, 
und in allem, was Er noch tut, ist das Werk Seiner ganzen Person. Diese Person in all ihren Beziehungen hing am Kreuze, 
der Sohn — „Gott über alles, gepriesen in die Zeitalter". — Er 
übergab den Geist, wiewohl Er starb unter dem Gericht Gottes 
über die Sünde, und wiewohl Er durch die Hände böser Menschen gekreuzigt und getötet ist. Und dieses ist eine unendliche 
Barmherzigkeit. 
Ja, Geliebte, es war Jesus von Anfang bis zu Ende. Er betrat 
den verborgenen Pfad allein und ohne jemandes Hilfe. Niemand als Er — „Gott geoffenbart im Fleische" — vermochte 
diesen Pfad zu wandeln. Der Sohn aus dem Schöße des Vaters 
wurde hienieden das Lamm für den Altar; und darnach erreichte das geschlachtete Lamm den Platz der Herrlichkeit über 
alle Himmel. Es ist Seine Person, die allem Bedeutung und 
Kraft verleiht. Weder Sein Dienen, Leiden und Sterben, noch 
Seine Auferstehung und Himmelfahrt wären von Nutzen gewesen, wenn Jesus nicht Der gewesen wäre, der Er ist. Seine 
Person ist der Felsen; und darum ist Sein Werk vollkommen. 
Es ist das Geheimnis der Geheimnisse. Doch bedenken wir, daß 
]esus uns nur als ein Gegenstand des Glaubens, der Liebe, des 
Vertrauens und der Anbetung vorgestellt wird. 
Gott und Mensch, Himmel und Erde werden in diesem Geheimnis gleicherweise dem Glauben dargeboten. Gott war hie207 
nieden auf der Erde, und zwar geoffenbart im Fleische; und 
jetzt ist der verherrlichte Mensch droben im Himmel. Das 
Band dieser erhabenen Wahrheiten habe ich in einzelnen Zügen 
dem Leser zur Betrachtung vorzuführen gesucht; und eine solche 
Betrachtung ist sicher geeignet, die himmlischen und die ewigen 
Dinge uns näher zu bringen und für unsere Herzen wesentlicher zu machen. Das Fleisch mit seinen Begierden und seiner 
weltlichen Gesinnung verhindert uns oft, ihre Herrlichkeit zu 
genießen; aber die Entfernung selbst ist verschwunden; wir 
sind Ihm nahegebracht. Nachdem Jesus gen Himmel aufgefahren war, zeigt Er Sich dem Stephanus außerhalb der Stadt 
der Juden, und erscheint dem Saulus von Tarsus auf dem 
Wege zwischen Jerusalem und Damaskus; und obwohl uns 
nicht solch ein Anblick von Herrlichkeit geschenkt wird, so 
gewinnt doch die Nähe und die Wirklichkeit dieser Herrlichkeit 
an Frische und Kraft durch die Betrachtung dieser großen Geheimnisse. 
Und wird nicht das Königreich Christi auf Erden die Verwirklichung dieser wundervollen Vereinigung Gottes und des Menschen, des Himmels und der Erde sein? Sicher; denn Himmel 
und Erde werden in ihrer verschiedenen Weise Zeugen und 
Verkündiger dieses Geheimnisses sein. „Laß sich freuen die 
Himmel und frohlocken die Erde" (Ps 96, 11)! Die Versammlung, vereinigt mit dem erhöhten und verherrlichten Menschen 
im Himmel, wird über alle Hoheiten und Gewalten erhaben 
sein. Die von Jakob geschaute Leiter wird aufgerichtet stehen; 
und der Sohn des Menschen wird sowohl der Mittelpunkt, als 
auch der Stützpunkt aller irdischen und himmlischen Herrlichkeit sein. Die Offenbarung der Kinder Gottes wird die ganze 
Schöpfung von der Knechtschaft des Verderbnisses zur Freiheit der Herrlichkeit freimachen. Die himmlische Stadt — die 
Braut, das Weib des Lammes — wird aus dem Himmel herniederkommen, und die Könige der Erde werden ihre Herrlichkeit zu ihr bringen, während sie der Erde unter ihren Füßen 
die Wasser ihres Stromes, die Blätter ihres Baumes und das 
Licht ihrer Herrlichkeit geben wird. Engel rings um den Thron 
werden rufen: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist". 
Und alle Kreaturen, die im Himmel, auf der Erde und im Meere 
ist, wird Ihm, Der auf dem Throne sitzt und dem Lamme 
Danksagung, Ehre und Herrlichkeit darbringen. Das Holz Judas 
208 
und das Holz Ephraims werden zusammengefügt werden, und 
sie werden einen einzigen König haben (Hes 37). „Und es wird 
geschehen an selbigem Tage, da will ich erhören, spricht Jehova; ich will den Himmel erhören, und er wird die Erde erhören, und die Erde wird erhören das Korn und den Most und 
das öl, und sie werden Israel erhören" (Hos 2, 21. 22). Was 
sind dies anders als die gesegneten Früchte, die in dem zukünftigen Königreiche von der Vereinigung Gottes mit dem Menschen, deren wir uns jetzt schon erfreuen dürfen, geerntet werden sollen. Der Grund dieser Offenbarung im Himmel und auf 
Erden, unter Engeln und Menschen, ja, in der Schöpfung selbst 
wird in Bethlehem, in dem Garten Josephs von Arimathia und 
auf dem Ölberge gefunden. 
Möchte unser Herz diese Unterweisung des Geistes verstehen! 
Möchten wir diese herrlichen Geheimnisse mit heiliger Andacht 
betrachten, wie einst die Engel in den Fluren Bethlehems und 
am Grahe Jesu; möchten wir mehr eintreten in die Gedanken 
der Jünger am ölberge, als sie ihre Blicke gen Himmel richteten, um ihrem gen Himmel aufgefahrenen Lehrer nachzuschauen (siehe Lk 24, 44—52). Sie feierten damals, wie Israel 
in 3. Mo 23, 9—14, das Fest der „Erstlingsgarbe". Jesus, der 
wahre Erstling war jetzt eingesammelt worden. Als ihr göttlicher Lehrer hatte Er ihnen über den geheimen Sinn dieser 
Garbe der ersten Früchte, d. h. über die Bedeutung Seiner Auferstehung, eine Erklärung gegeben. Sie sehen ihren auferstandenen Herrn gen Himmel auffahren und halten Festfeier, als 
wäre es ein Brandopfer. „Und sie huldigten ihm und kehrten 
zurück nach Jerusalem mit großer Freude". Wahrlich, wir 
haben Ursache zu sagen: „Anerkannt groß ist das Geheimnis 
der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter 
den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". 
Der Herr Jesus trat, als Er in Herrlichkeit aufgenommen wurde, 
in das Licht der höchsten Himmel; aber wir sehen Ihn dort in 
dem Glänze, der Ihm eigen war; wir sehen Ihn mit einem 
herrlichen Leibe sowie auch wir dereinst einen herrlichen Leib 
haben werden. Jesus ist im Himmel mit demselben Leibe, in 
welchem Er hier auf Erden wandelte. Es ist das „Heilige", Wel209 
ches durch den Heiligen Geist im Schöße der Jungfrau gebildet 
ist; es ist der „Heilige", Der im Grabe keine Verwesung gesehen; es ist der „Leib", Der für uns geopfert ist, und wohin Er 
unsere Sünden auf dem Holze getragen hat. Dieselbe Natur, 
worin Er Schmach, Verachtung und Leiden erduldet hat, befindet Sich jetzt verherrlicht im Himmel. Es ist der durchbohrte 
Leib, den jedes Auge sehen wird. Diese Hülle wird nimmer beiseite gesetzt werden. Die Person Christi, welche auch Seine 
menschliche Natur in Sich schließt, wird ewiglich der Gegenstand göttlicher Verehrung und Anbetung sein. 
Der gegenwärtige Zustand Jesu ist derjenige der höchsten Herrlichkeit, und zwar weit erhaben über die ganze Schöpfung Gottes, und über jeglichen Namen, der genannt werden kann. 
Er wurde mit unaussprechlicher Liebe und mit unendlicher 
Wonne von Seiten Gottes des Vaters aufgenommen, nachdem 
Er den Vorsatz der Gnade Gottes bezüglich der Erlösung der 
Sünder vollkommen zur Ausführung gebracht hatte. 
Er wurde im Triumph aufgenommen, nachdem Er die Gefangenschaft gefangen geführt und die Fürstentümer und Gewalten ausgezogen hatte; und bekleidet mit aller Macht, die Ihm 
im Himmel und auf Erden gegeben war, nahm Er dort Platz 
zur Rechten der Majestät in der Höhe. 
Er wurde aufgenommen als das Haupt Seines Leibes, der Versammlung, so daß diese aus der Fülle der Gottheit, die leibhaftig 
in Ihm wohnt, hervorwächst mit göttlichem Wachstum durch 
den Heiligen Geist, Der uns gegeben ist. 
Er wurde aufgenommen wie in einen Tempel, um dort in der 
Gegenwart Gottes für uns zu erscheinen, um dort als der Diener des wahren Heiligtums und als unser Sachwalter Seinen 
Platz zu nehmen, und in dieser oder jener Weise der Gnade 
uns vor dem Throne zu dienen. 
Er wurde als unser Erlöser in dem Hause des Vaters aufgenommen, um den Kindern, die Gott Ihm gegeben hat, Wohnungen zu bereiten, auf daß auch sie seien, wo Er ist. 
Fortan im Himmel sitzend, harrt Er dem Augenblick Seiner 
Erscheinung entgegen, um Seinen Heiligen in der Luft zu begegnen, damit sie für immer bei Ihm seien. Er wartet auf den 
210 
Augenblick, wo Er aufs Neue gesandt werden wird, um der 
Erde durch Seine Gegenwart Zeiten der Erquickung zu bringen; 
und Er wartet, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße 
gelegt sind. 
Unsere Liebe ist schwach, unsere Kraft ist klein; aber als Grundsatz kenne ich nichts, was auf eine würdigere Weise solche 
Blicke des Glaubens beantworten könnte, als den Geist der 
Hingabe, welche uns mit Paulus sagen läßt: „Ich weiß sowohl 
niedrig zu sein, als ich weiß Überfluß zu haben", — und in 
diesem Geiste rufen wir mit Sehnsucht: „Komm, Herr Jesus! Ja, 
komme bald!" 
Geliebte! Auf diese Weise hat unser Gott und Heiland durch 
unauflösliche Bande Seine Menschheit mit Seiner Gottheit verknüpft. Sowohl Seine Wonne und Herrlichkeit, als auch Sein 
Ratschluß und Seine Stärke bestätigen uns die Beständigkeit 
derselben. Gott — Mensch — wie unerklärbar diese Vereinigung 
auch sein mag, so hat Er sie doch in Sich Selbst dargestellt. Der 
Glaube erkennt sie an; und der verlorene Sünder ruht in Frieden und Sicherheit auf dem Felsen der Zeitalter. 
5. 
Alles hast Du Seinen Füßen unterworfen (Hebr 2, 8). 
Wenn wir auf das Evangelium des Lukas unsern Blick richten, 
so entdecken wir sofort die innige und enge Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Mängel und Gebrechen der Menschen öffnen die Tür des Himmels, die, einmal geöffnet, sich 
nicht wieder schließt. 
Zacharias und Elisabeth waren beide vor Gott gerecht, indem 
sie in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig wandelten. Sie waren aus priesterlichem Geschlecht, aus dem Samen 
Aarons. Doch nicht wegen ihrer Gerechtigkeit, sondern wegen 
ihrer Mängel und Gebrechen öffnete sich der Himmel. Elisabeth 
war unfruchtbar, und beide waren in ihren Tagen weit vorgerückt; aber gerade in ihrem Kummer und in ihrer Schwachheit lag ihr eigentlicher Segen. Denn zu dem unfruchtbaren 
Weibe und zu dem kinderlosen Manne kommt der Engel Gabriel mit einer Verheißung aus dem Himmel. Der Himmel ist 
211 
geöffnet und alsbald zeigen sich die Engel in voller Tätigkeit 
und Freude. Ob es im Tempel, ob es in der Königsstadt, oder 
ob es in einem abgelegenen Dorfe des verachteten Galiläa ist, 
macht keinen Unterschied. Gabriel besucht alle diese Plätze mit 
derselben Bereitwilligkeit. Die Herrlichkeit Gottes erfüllt die 
Fluren Bethlehems ebensowohl, als die Heerscharen der Engel. 
Der Heilige Geist erfüllt mit göttlichem Lichte und göttlicher 
Kraft Seine auserwählten Gefäße; und der Sohn selbst nimmt 
Fleisch und Blut an. Himmel und Erde sind also einander sehr 
nahegebracht. Die Tätigkeit und Freude, die dort oben ihren 
Anfang genommen, werden auf Erden gefühlt und beantwortet. Die Hirten, die bevorzugten Weiber, der alte Priester und 
das noch nicht geborene Kind nehmen gemeinschaftlichen Anteil an der heiligen Entzückung des Augenblicks. Und wie innig 
ist die Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde! Der Engel 
nennt den Zacharias und die Maria bei Namen und redet mit 
ihnen über Elisabeth. Das Herz versteht diese Sprache; und 
sicher würden wir dem Herrn für dieses alles danken, wenn wir 
einfältiger und in lebendigerem Glauben in dem Bewußtsein 
der Wirklichkeit und der Nähe des Himmels wandelten. 
Jakob sah einst den geöffneten Himmel. Eine Leiter zeigte sich 
seinem Auge, deren Spitze in den Himmel reichte, während 
deren anderes Ende auf dem Platze stand, wo er am Boden lag. 
Es war ein elender, unheiliger Platz, der Zeuge seiner Sünde 
und seines Unglücks; aber die Leiter stand an diesem Platze, 
und die Stimme des Herrn, Der dort oben in Seiner Herrlichkeit stand, redete mit Jakob von Segnungen, von Sicherheit, 
von Führung und von dem Erbteil, das seiner wartete. 
Ebenso sah Stephamis den Himmel geöffnet und die Herrlichkeit geoffenbart; jedoch sah er auch den Sohn des Menschen 
stehend zur Rechten Gottes. Was einst die Leiter dem Erzvater 
ankündigte, das ward dem Märtyrer durch diese Erscheinung 
gezeigt, nämlich, daß er und die Umstände, in denen er sich 
befand, in demselben Augenblicke erkannt und mit Teilnahme 
im Himmel betrachtet wurden. Und so ist es auch jetzt. Die 
Zeit macht keinen Unterschied. Der Glaube schaut jetzt denselben geöffneten Himmel an und erkennt, daß zwischen dem 
Himmel und unsern Umständen Gemeinschaft ist. Für das 
Glaubensauge gibt es eine Leiter, und der Himmel ist offen. 
212 
Der „Mensch Christus Jesus", der Mittler des neuen Bundes, 
der Hohepriester, der Sachwalter bei dem Vater, Er, der Mitleiden hat und bis in die Räume der Herrlichkeit uns vorangegangen ist, wird auf ihrer Spitze geschaut. 
Doch dieses ist noch nicht alles. Der Glaube beugt sich noch vor 
einem andern Geheimnis im Himmel. Er weiß, daß der Herr, 
indem Er Seinen Platz im Himmel in solch einem gnadenreichen 
Charakter eingenommen hat, dieses auch als Der tut, Der 
von den Menschen verachtet und verworfen wurde. Sicher 
starb der Herr Jesus unter der Hand Gottes; Seine Seele ist zu 
einem Opfer für die Sünde gemacht. „Es gefiel Jehova, ihn zu 
zerschlagen". Seine Auferstehung aber zeugte von der Annahme Seines Opfers; und in diesem Charakter fuhr Er gen 
Himmel, um dort dem Vorsatz, der mit solch einem Sterben 
und Auferstehen verbundenen Gnade weiter dienstbar zu sein. 
— Doch starb der Herr auch unter der Hand der Menschen, das 
will sagen: die Bosheit der Menschen hat ebenso Anteil an 
Seinem Tode als die Gnade Gottes. Er ist von den Ackerbauern 
hinweggeschickt, von der Welt gehaßt und verworfen, gekreuzigt und getötet. Ebenso ist auch Seine Auferstehung der Beweis von dem Gerichte dieser Welt (Apg 17, 31); und Seine 
Himmelfahrt bringt Ihn zu der Erwartung des einen Tages, wo 
„seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden sollen" 
(Hebr 1, 13). Der Glaube schaut daher Den gen Himmel aufgefahrenen Jesus als den Hohenpriester, Der im Himmel in Gnaden unser Fürsprecher ist, und der zu gleicher Zeit auf das Gericht seiner Feinde wartet. 
Bei der Predigt des Evangeliums tritt das erste dieser Geheimnisse in den Vordergrund. Obwohl zwar stets erwähnt wird, 
daß der Mensch den Herrn der Herrlichkeit getötet hat, so ist 
doch der Tod des Herrn als des Lammes Gottes der Grund der 
Gnade, welcher in der Predigt hervorgehoben wird, während 
das, was die Mörderhände des Menschen vollbracht haben, 
kaum berührt wird. So sehr wir indes Ursache haben, uns der 
ersten Wahrheit zu rühmen, so ist es doch ein beklagenswerter 
Mangel in den Seelen der Heiligen und in dem Zeugnis der 
Versammlung, wenn die Tatsache, daß der Herr durch Menschenhände getötet ist, nicht in ihrer Tragweite erkannt und 
behandelt wird. Im Himmel wird sie nicht vergessen werden. 
213 
Das, was dort gegenwärtig geschieht, ist allerdings die Folge 
des Todes Jesu als des Opfers für die Sünde, sowie die Folge 
Seiner Fürbitte als des Priesters; doch bald wird der durch 
Menschenhände bewirkte Tod des göttlichen Märtyrers, des 
Sohnes Gottes, den Handlungen des Himmels einen neuen 
Charakter verleihen. 
Dieser Unterschied wird in der Schrift stets festgehalten. Der 
in Offb 4 geöffnete Himmel trägt ganz andere Grundsätze und 
Tätigkeiten zur Schau, als der Himmel, welchen wir im Hebräerbriefe geöffnet sehen. Sie sind ebensosehr voneinander 
unterschieden, wie die beiden Gesichtspunkte, unter denen wilden Tod betrachten müssen, nämlich entweder als geschehen 
durch Menschenhand, d. h. durch uns, oder durch Gottes Hand, 
d. h. für uns. Sowohl im Hebräerbrief als auch in der Offenbarung sehen wir einen Thron und einen Tempel im Himmel. 
Doch der Unterschied ist in die Augen fallend. Im Hebräerbriefe ist es der Thron der Gnade, in welchem alle unsere gegenwärtigen Bedürfnisse ihre Befriedigung finden; in der Offenbarung aber ist es der Thron des Gerichts, und zwar umringt von den Werkzeugen und Vollstreckern des Zornes und 
Grimmes Gottes. Im Hebräerbriefe ist das Heiligtum oder der 
Tempel durch den Hohenpriester unsers Bekenntnisses in Besitz genommen, Der dort als Mittler eines bessern Bundes 
in der Kraft Seines eigenen kostbaren Blutes dient, während 
aus dem Tempel der Offenbarung schreckliche Stimmen zur 
Vorbereitung des Urteils hervorgehen, und Blitze, Donner und 
Erdbeben vernommen werden. Dieser Tempel ist gleich jenem, 
den Jesaja gesehen, mit Rauch angefüllt, so daß die Türschwellen bebten zum Beweis, daß der Gott, Dessen die Rache 
ist, Sich dort in Seiner Herrlichkeit offenbarte (Jes 6). 
Das in der Offenbarung in betreff des Himmels dargestellte 
Bild ist höchst feierlich. Der Himmel ist hier der Platz der 
Macht, welche sich zum Gericht bereitet. Die Siegel werden geöffnet, die Posaunen geblasen, die Schalen geleert; alles birgt 
eine schreckenerregende Heimsuchung der Erde in sich. Der 
dort stehende Altar ist nicht der Altar des Hebräerbriefes, wo 
das himmlische Priestertum von dem Brote des Lebens ißt, 
sondern ein Altar, welcher Feuer für die Erde liefert. Auch 
wütet dort ein Krieg, bis schließlich sich der Himmel für Ihn 
214 
öffnet, dessen Name das „Wort Gottes", dessen Gewand in 
Blut getaucht ist, und Der ein Schwert in Seinem Munde trägt, 
um damit die Völker zu schlagen. 
Wahrlich, das ist der Himmel in einem ganz neuen Charakter. 
Die Gegenüberstellung ist sehr treffend. Es ist nicht der Himmel, der jetzt durch den Glauben angeschaut wird — ein Heiligtum des Friedens, versehen mit allen Zeugnissen und Mitteln 
der Gnade, sondern ein Himmel, welcher uns erklärt, daß das 
Gericht zu seiner Zeit von dem Herrn, Der jetzt in Gnade handelt, ausgeführt werden wird. Der Himmel ist jetzt der Platz 
der Gnade; am Tage der Offb 4 wird er der Platz des Gerichts 
sein, bis wir am Schluß der Handlungen des ganzen Buches, 
in den Kapiteln 21 und 22, in den Himmel der Herrlichkeit 
gebracht werden. 
Die Seele muß sich mit der ersten Wahrheit vertraut machen, 
daß das Gericht der Herrlichkeit vorangeht. Ich rede hiervon 
unter Bezugnahme auf die Geschichte Gottes mit der Welt. Der 
Gläubige ist vom Tode zum Leben hinübergegangen. Für ihn 
gibt es kein Gericht. Aber er muß wissen, daß bezüglich der 
Regierung Gottes über die Erde oder die Welt das Gericht der 
Herrlichkeit vorangeht. Das Königreich wird kommen mit dem 
Schwert oder der „eisernen Rute", bevor es mit dem Szepter 
erscheint. Wenn der Sohn die Nationen als Untertanen annimmt, wird Er sie zuerst als Töpfergefäß zerschmettern. Der 
Alte an Tagen sitzt auf dem von Feuerflammen umringten 
Throne, und die Bücher sind vor ihm geöffnet, bevor der Sohn 
des Menschen Sich zu Ihm naht in den Wolken des Himmels, 
um Macht und Ansehen zu empfangen (Ps 2; Dan 6). 
Dieses alles wird uns in der Schrift deutlich vor Augen geführt. 
In Offb 4 beschäftigt sich der Himmel — wenn ich mich so 
ausdrücken darf — mit einem neuen Gedanken, mit einem 
neuen Gegenstand. Es ist Christus als verworfen durch die 
Menschen, und nicht Christus als durch Gott zur Erlösung der 
Sünder aufgenommen. Darum werden Vorbereitungen getroffen, um das Böse, welches Jesus auf Erden erduldet hat, zu 
rächen und Seine Rechte auf Erden zu verteidigen; mit andern 
Worten: Gott beginnt dort, jene Handlungen und Taten zur 
Ausführung zu bringen, die Jesum, nach dem Gericht über 
Seine Feinde, in Sein Königreich einführen werden. 
215 
Der Herr Jesus beeilt sich indes nicht, in dieser zweiten Eigenschaft, als der durch die Welt Verachtete und Verworfene handelnd aufzutreten; Er hemmt sozusagen Seine Schritte, bevor 
Er in dem Charakter der Offenbarung erscheint. Und in diesem 
Aufschieben der Gerichte und in diesem Verweilen auf dem 
Platze der Gnade erblicken wir wieder einen lieblichen Zug des 
Jesus, Den wir durch den Glauben kennen. Wie langsam bewegte Er Seine Schritte, als Er hienieden Sein Urteil über Jerusalem aussprechen sollte! Ehe über Seine Lippen die Worte 
kamen: „Dein Haus wird wüste gelassen werden", hörte man 
Ihn sagen: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, 
wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel"! 
Er verweilte in den Ebenen hienieden, indem Er jede Stadt oder 
jedes Dorf in der Gegend in dienender Gnade besuchte, bevor 
Er auf dem Olberge Platz nahm und die Gerichte und Verwüstungen aussprach, die über Zion kommen sollten (Mt 24, 1). 
Von Ihm nun, Der auf diese Weise so zögernd zur Gerichtsstätte schritt, steht geschrieben: „Er ist langmütig gegen uns, 
weil er nicht will, daß irgendwelche umkommen, sondern daß 
alle zur Buße kommen" (2. Petr 3). 
Er ist derselbe Jesus hier auf Erden und dort im Himmel, wiewohl die Zustände verändert sind. Die Gnade, die während 
Seiner irdischen Laufbahn in Ihm war, ist dieselbe, die nun im 
Himmel in Ihm ist. Wie trostreich und herrlich! Welch ein 
Glück, wenn wir in Wahrheit sagen können: „Wir kennen 
Ihn"! Der Glaube erkennt in Jesu im Himmel Denselben, Den 
er hienieden gekannt hat. Er, der Diener und Zeuge der Gnade 
Gottes bezüglich der Menschen, ist Der, Der einst der Träger der Feindschaft der Menschen gegen Gott war, und Der Sich 
zugleich als der Gott der Rache offenbaren wird. 
Aber wir entdecken noch mehr in diesem Jesus, und zwar in 
unmittelbarer Beziehung zu unserer gegenwärtigen Betrachtung. Als Er auf Erden war, sah Er Sich nach Seinem Königreiche um. Er zeigte Sich der Tochter Zion als ihr König, der 
Sohn Davids. Er erschien als Der, Der von altersher durch die 
Propheten verheißen war und kam „sanftmütig und auf 
einer Eselin reitend" in die Stadt. Schon zu Anfang war Sein 
Stern, der Stern des königlichen Bethlehemiten im Morgenlande erschienen, um die Heiden zum Throne Davids zu rufen, 
216 
der in der Stadt Davids geboren war. Doch was Er damals 
suchte, hat Er nicht gefunden; „die Seinigen nahmen ihn nicht 
auf". Nichtsdestoweniger hat Er im Himmel dasselbe Verlangen nach Seinem Königreiche. „Ein gewisser Edelmann ging hin 
in ein fernes Land, um ein Reich für sich zu empfangen" (Lk 
ig). Obwohl auf dem Throne des Vaters, denkt Jesus an Sein 
Reich, sowie Er hier auf Erden daran dachte. Auch in diesem 
Charakter sind wir mit Demselben Jesus in Gemeinschaft. Auf 
Erden war Jesus der König Israels und hatte großes Verlangen 
nach Seinem Reiche; doch durch Seine Mitbürger verworfen, 
hat Er Sein Königreich im Himmel empfangen. Zu seiner Zeit 
wird Er wiederkehren, um in der Wonne Seines Herzens da zu 
herrschen, wo Er zu Anfang vergeblich Sein Reich zu gründen 
gesucht hat. „Ich sah in diesem Gesicht des Nachts, und siehe, 
es kam einer in des Himmels Wolken, wie eines Menschen 
Sohn, bis zu dem Alten an Tagen, und ward vor denselben gebracht. Der gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle 
Völker, Nationen und Zungen dienen sollten. Seine Gewalt ist 
ewig, die nicht vergeht, und sein Königreich hat kein Ende" 
(Dan 7, 13. 14). 
Doch wir entdecken noch mehr. Hier auf Erden war es der 
Wunsch Jesu, von Seinen Jüngern gekannt zu sein. Er verlangte, daß sie, die armen Sünder, den Schleier, der Seine Herrlichkeit verhüllte, mit ihren Blicken durchdringen sollten. Auch 
war es Seine Wonne, Sich in Seiner Gnade dem Glauben offenbaren zu können. Der Glaube, der, gestützt auf die Person 
Jesu, in seinen Erwartungen keine Grenzen kannte und Ihm 
mit Freimütigkeit nahte, war Ihm köstlich. Der Sünder, der sich 
inmitten der Verachtung der Welt an Ihn klammerte und sich 
Ihm, ohne Vermittlung eines anderen, allein anvertraute, war 
Ihm stets willkommen. Die Seele, die mit Freimütigkeit Seine 
Gegenwart und Gemeinschaft suchte, konnte stets der Erhörung versichert sein. 
Jesus verlangte mit Seinen Auserwählten eins zu sein — Er 
verlangte ein vollkommenes, persönliches und bleibendes Einssein. Er wollte bei dem Vater mit ihnen sowohl Seinen Namen 
und die Liebe, in welcher Er stand, teilen, als auch die Herrlichkeit, deren Erbe Er war. Er suchte völlige Übereinstimmung. 
217 
Er hatte das Bedürfnis nach Gemeinschaft, sowohl bezüglich 
Seiner Freude, als auch Seiner Leiden; und unmöglich können 
wir es ermessen, wie schmerzlich die Enttäuschung für Sein Herz 
war, als Er dieses Bedürfnis nicht befriedigen konnte; ja 
schmerzlicher noch, als jene Enttäuschung, wo Er kam, um ein 
Königreich zu fordern, und es nicht empfing. „Könnt ihr nicht 
eine Stunde mit mir wachen?" — das war die Sprache eines 
alleingelassenen, getäuschten Herzens. 
Jesus begehrte, als Er auf Erden war, Seinen Thron mit den 
Seinigen zu teilen. Er wollte nicht allein bleiben. Er wünschte 
Seine Ehre und Herrschaft mit Seinen Auserwählten zu teilen, 
sowie Er verlangte, daß sie an Seiner Freude und an Seiner 
Traurigkeit teilnehmen sollten. 
Wohlan, dieses alles findet Er in der Versammlung. Die Versammlung ist berufen, den oben angedeuteten Wünschen zu 
entsprechen und alles für Ihn zu sein, sei es jetzt im Heiligen 
Geiste, oder später im Königreiche; sie ist berufen, jetzt durch 
den Geist in Seine Gedanken, in Seine Liebe, in Seine Freude 
und in Seine Leiden einzutreten, und hernach in Seiner Herrlichkeit zu erscheinen und auf Seinem Throne zu sitzen. 
Welch ein Geheimnis! Daß die Versammlung jetzt mit dem 
innewohnenden Geiste beschenkt, und daß sie bestimmt ist, 
verherrlicht das Erbe Seiner Herrschaft mit Ihm zu teilen, das 
ist die Erfüllung des innigen Wunsches des Herzens Jesu, des 
Sohnes Gottes. Er kam hier auf die Erde, um ein Königreich zu 
empfangen, und Er suchte die Sympathie der Seinigen; aber 
Sein Volk war nicht bereit, Seine Herrschaft anzuerkennen, und 
Seine Jünger waren nicht fähig, jene Gemeinschaft mit Ihm 
zu verwirklichen. Doch jetzt empfängt Jesus ein Königreich im 
Himmel und später kommt Er auf die Erde, um die Herrschaft 
zu übernehmen. Jetzt hat Er bereits Gemeinschaft mit den 
Seinigen durch den Heiligen Geist, Der in ihnen wohnt; und am 
Tage ihrer Vollendung wird ihr Lob vollkommen sein. Das 
Königreich wird Seine Herrlichkeit und Freude ausmachen. Dasselbe wird genannt „die Freude des Herrn"; denn zu ihnen, die 
es mit Ihm teilen, wird gesagt werden: „Geht ein in die Freude 
des Herrn!" Doch die Einheit, in welcher die Versammlung sich 
mit Ihm befindet, wird noch köstlicher sein; sie war hier Sein 
höchster Wunsch und wird später Sein reichster Genuß sein. 
218 
Eva war für Adam ein größerer Schatz als alle seine andern 
Besitzungen. 
Jesus hat ein Anrecht auf Sein Königreich, und zwar zunächst 
wegen des Bundes oder des vor Grundlegung der Welt gefaßten Ratschlusses Gottes, und dann weil es Ihm persönlich von 
rechtswegen gehört. Er ist der vollkommene Mensch und darum 
hat Er ein Anrecht auf die ganze Schöpfung. „Und Gott sprach: 
Lasset uns Menschen machen in unserm Bilde, nach unserm 
Gleichnis; und daß sie herrschen über die Fische des Meeres 
und über das Gevögel des Himmels, und über das Vieh und 
über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf der Erde 
kriecht" (i. Mo 1, 26). — Ferner wird Er das Reich in Besitz 
nehmen, weil Er in allem gehorsam gewesen ist, sowie wir 
lesen: „Und in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, hat er 
sich selbst erniedrigt und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum 
Tode am Kreuz. Darum hat ihn Gott auch hoch erhoben, und 
ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist, auf dafe 
in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen 
und Irdischen und Unterirdischen". Auch wird Er als Folge des 
Anrechts, den Sein Tod Ihm verleiht, das Königreich übernehmen; denn wir lesen: „Und durch ihn alle Dinge mit sich zu 
versöhnen — indem er Frieden gemacht hat durch das Blut 
seines Kreuzes — durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde, 
oder die Dinge in den Himmeln". Und oben am Kreuze, auf 
welchem Er Seinen Tod vollbrachte, standen die in den meist 
bekannten Sprachen der Welt geschriebenen und von der starken Hand Gottes unauslöschbar gemachten Worte: „Dieser ist 
Jesus, der König der Juden!" 
Die Herrschaft über alle Dinge gehört also von rechtswegen 
dem Sohne des Menschen kraft des ewigen Bundes, kraft Seines persönlichen Anrechts, kraft der Rechte, die Sein Werk, 
Sein Gehorsam und Sein Tod Ihm verliehen und — möchte ich 
hinzufügen — kraft des Rechtes der Überwindung; denn die 
Gerichte, die Seinen Weg bis zum Throne bahnen und die alle 
Ärgernisse aus dem Königreiche entfernen müssen, werden 
durch Seine eigene Hand zur Ausführung gebracht. „Erhebet, 
ihr Tore, eure Häupter, und erhebet euch, ewige Pforten, daß 
einziehe der König der Herrlichkeit! Wer ist dieser König der 
Herrlichkeit? Jehova, stark und mächtig! Jehova, mächtig im 
Kampf!" 
219 
Welch starke Grundlagen sind also für die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen gelegt! Jeder Anspruch erhöht die Herrlichkeit Seines Namens. Wir sehen dieses in der Offenbarung. 
Niemand im Himmel oder auf Erden kann das Buch öffnen 
außer dem Lamme, das geschlachtet ist — der Löwe aus Juda. 
Er, Der auf dem Throne sitzt, überreicht es Ihm sofort. Und 
die Versammlung in Herrlichkeit, die Engel und alle Kreatur 
in allen Teilen des großen Gebietes des Lammes Gottes rühmen 
Seine Rechte und Seine Hoheit. Und da Seine Rechte, erwiesen 
durch tausende von Zeugnissen und Wundern, so sicher sind, 
so wird dieses auch bezüglich der Macht und des Reiches, worauf sie sich gründen, der Fall sein. In Jesu Christo, dem Sohne 
Gottes, sind — mögen wir Ihn als den „Herrn des Himmels", 
oder als den „Sohn des Menschen" betrachten — alle Absichten 
Gottes betreffs der Herrschaft über alle Dinge wiederhergestellt und bestätigt. Wir können bezeugen, daß, sowie „alle 
Verheißungen Gottes in Ihm Ja und Amen sind", dieses auch 
bezüglich der Bestimmung der Menschen unter der Regierung 
Gottes seine volle Anwendung findet. 
Dem Adam war die Herrschaft, dem Noah die Regierung, 
dem Abraham die Vaterschaft über die Gläubigen geschenkt. 
David hatte Urteile zu vollstrecken; Salomo repräsentierte das 
Königtum. In Christo werden alle diese Herrlichkeiten sich vereinigen und ausstrahlen. In und unter Ihm wird die „Wiederherstellung aller Dinge" stattfinden. Viele Kronen und viele 
Namen wird Er tragen. Sein Name „Herr" in Ps 8 und Sein 
Name „König" in Ps 72 sind in ihrer Bedeutung verschieden. 
Jeder derselben bezeichnet eine besondere Herrlichkeit. Die 
Kronen sind verschieden, doch Ihm gehören sie. In Jes 9 wird 
Jesus auch „Ewig-Vater" genannt. Er ist König und zugleich 
Vater — Er ist der Salomo und der Abraham Gottes. In Ihm 
werden alle gesegnet sein; und vor Ihm wird sich jedes Knie 
beugen. Sowohl das Schwert oder die „eiserne Rute", als auch 
das „Szepter der Gerechtigkeit" wird in Seinen Händen sein. 
Er wird richten mit David und herrschen mit Salomo. 
Als Sohn Davids übernimmt Jesus die Macht, um dieselbe in 
einem Ihm gegebenen Gebiete der Herrlichkeit auszuüben. Als 
Sohn des Menschen handhabt Er diese Macht in einem ausgedehnteren Kreise. Er kommt in Seiner eigenen Herrlichkeit, in 
220 
der Herrlichkeit des Vaters und in derjenigen der heiligen 
Engel. Auch als der auferstandene Mensch nimmt Er die Macht 
in Seine Hand. Dieses wird uns in 1. Kor 15, 23—27 gezeigt, 
und in dieser Eigenschaft hat Jesus auch Seine besondere Ehre. 
Er wirft den Tod als letzten Feind unter Seine Füße. Der auferstandene Mensch muß auch den Tod vernichten. 
Die Herrlichkeit wird Christum unter verschiedenen Formen 
umringen und Ihm unter verschiedenen Charakteren eigen sein. 
Das Königreich selbst wird in seinem ganzen Wesen voll der 
Herrlichkeiten Christi sein, die, wenn auch in ihrer Art verschieden, in vollkommener Harmonie zueinander sein werden. Bereits hat das Kreuz ein Beispiel dieses vollkommenen 
Werkes zur Schau gestellt. Gnade und Wahrheit haben sich 
dort einander die Hand gereicht. Gott war dort „gerecht" und 
„rechtfertigte dennoch den Gottlosen"; und dieses wird sich 
in den kommenden Tagen in voller Kraft erweisen. Sowie 
Gnade und Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden einander begegnet sind, so wird auch dereinst Autorität und Gehorsam, 
Segen und dennoch Herrschaft, ein Name von Majestät und 
aller Kraft, und zugleich ein Name, der wie „ein Regen auf 
das Gras" niederfallen wird, zusammen erkannt und gewürdigt 
werden. Sowohl die allgemeine Herrschaft des Menschen über 
den ganzen ausgedehnten Kreis der Werke Gottes, und die 
Ehre des Königtums betreffs der Herrschaft über alle Nationen, 
als auch die Gegenwart des „Ewig-Vaters", um Segnungen 
auszustreuen, wird dann vorhanden sein. „Er heißt Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst". 
Alles findet in dieser herrlichen und gesegneten Herrschaft des 
Sohnes Gottes seinen Zielpunkt, wiewohl der Weg dorthin 
durch ein Meer voller Bedrängnisse und selbst durch die Gerichte über die gegenwärtige böse Welt gehen wird. Gott Selbst 
wird alles in Ordnung bringen. Die Menschen werden es nicht 
verhindern können, auch wenn sie sich anzuerkennen weigern, 
daß die Erde mit ihren Bewohnern der Eitelkeit unterworfen 
ist und Christus allein ihre Grundfeste stützt. Mit sicheren 
Schritten nahen jene Tage heran, wo die Ereignisse es denen, 
die es nicht glauben wollen, ans Licht stellen werden, daß 
alles, was nicht in dem „Bündel der Lebendigen" (1. bam 25, 
29) mit eingeschlossen ist, erschüttert werden wird. 
221 
Das Schwert und das Szepter dieses kommenden Tages sind 
gänzlich eins in ihrer Herrlichkeit. Denn das Schwert ist „trunken geworden im Himmel" (Jes 34, 5). Welch ein Ausdruck! 
Die Sonne wird verwandelt werden in Finsternis, und der 
Mond in Blut; die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden; Finsternis wird unter Seinen Füßen sein, und dicke Wolken werden Ihn begleiten am Schlachttage. Und die Macht 
davon wird sich zeigen in dem Keltertreten des Grimmes 
Gottes. Alles, was hoch und erhaben ist, die Fürsten und Gewaltigen, die Beherrscher der Finsternis, das Tier und der 
falsche Prophet, sowohl die Könige und Reichen der Erde, als 
auch der Drache, die alte Schlange, welche ist der Teufel und 
Satan — alle befinden sich dann unter den Feinden, an denen 
sich die Kraft der Gerichte erweisen wird. 
Zeigt dieses Schwert nicht Seine Herrlichkeit? Würde das 
Schwert Josuas oder Davids solche Siege davongetragen haben? 
Würden sich die Fürsten der Finsternis damit haben besiegen 
lassen? Würden „Tod und Hölle" sich unterworfen haben? 
„Ziehst du denLeviathan mit der Angel herbei?" Und in wessen 
Hand muß das Schwert sein, welches solche Heere zu vernichten 
vermag? Das Werk in jenen Tagen der Rache zeigt deutlich, 
Wer der Überwinder ist. In allem — sowohl in Seinen Handlungen, als auch in Seinen Leiden — strahlt Seine Herrlichkeit 
uns entgegen. Die Überwindungen dieses Gottes der Heerscharen haben von altersher stets denselben erhabenen Charakter gezeigt. Seine Krieger stellten die Herrlichkeit Seiner 
Person zur Schau: und dieses werden sie stets tun. Darum steht 
von Ihm geschrieben: „Jehova ist ein Kriegsmann; Jehova 
Sein Name!" Diese Ausdrucksweise zeigt uns, daß die Kriegsführung des Herrn Seine Souveränität, Seinen Namen, Seine 
Herrlichkeit und Seine Person offenbaren. In Ägypten erfuhren 
die Götzen Seine mächtige Hand, sowie sie dieselbe später 
unter den Philistern und in Babel fühlten. Dagon fiel vor der 
Bundeslade: Bei und Nebo wurden durch dieselbe Macht zu 
Boden geworfen. 
Und wie das Schwert des Herrn, so hat auch das Szepter seine 
volle Herrlichkeit. Salomo war nur ein Vorbild. Die Regierung 
Noahs und die Oberherrschaft Adams verschwinden gegenüber 
222 
der Regierung und Herrschaft Jesu. Das ganze Weltall wird 
Ihm unterworfen sein, sowohl die Schöpfung, als alle Nationen. „Singet Jehova ein neues Lied, singet Jehova, o ganze 
Erde! Singet Jehova, preiset seinen Namen; verkündet seine 
Rettung von Tag zu Tag! Erzählet unter den Nationen seine 
Herrlichkeit, und seine Wunderwerke unter allen Völkern"! 
Die unterwürfigen und gerechtfertigten Nationen von dem 
jinen Ende des Himmels bis zum andern werden unter dem 
Schatten dieses Szepters und in dem Lichte dieses Thrones der 
Majestät wandeln. Es wird ein Bund sein zwischen den Menschen und den Tieren des Feldes. Die Wüste wird sich erfreuen, 
die Lämmer werden hüpfen wie Hirsche; der Mund der Stummen wird sich zum Lobe öffnen. Die Sonne wird in diesem 
Reiche nicht untergehen, noch der Mond sich zurückziehen; 
denn der Herr wird dort ein ewig leuchtendes Licht sein. Nichts 
auf dem heiligen Berge wird geschädigt oder verderbt werden; 
denn die Erde wird voll sein von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn. 
Israel wird wieder aufwachen; seine Totengebeine werden 
lebendig werden. Die beiden Stücke von Juda und Ephraim 
werden wieder miteinander vereinigt sein. Von der Stadt wird 
gesagt werden: „Der Herr ist dort!"; von dem Lande wird 
man sagen: „Dieses Land, das verwüstet war, ist wie ein Garten Eden geworden"; und es wird begrüßt werden mit den 
Worten: „der Herr segne dich, du Wohnung der Gerechtigkeit, 
du Berg der Heiligkeit!" 
Die Heiden werden zu einem richtigen Verständnis gebracht 
werden. Die unverständige Welt hat Ihn, ihren Schöpfer, nicht 
erkannt. Die Fürsten und Könige der Erde haben sich wider 
den Gesalbten Gottes erhoben; sie haben das Band zerrissen 
und ihre Torheit zur Schau gestellt. Aber ihr Verstand wird 
erleuchtet werden. Die Geschichte Nebukadnezars ist hiervon 
ein Beispiel. Die Vernunft dieses goldenen Hauptes — des großen Hauptes heidnischer Macht — kehrte zu ihm zurück, nachdem er zum Gericht während eines Zeitraums derselben beraubt gewesen war. Und von da an erkannte und verstand er 
die Herrschaft Gottes des Himmels. 
223 
Also wird auch bald die Welt nicht länger Sein Szepter verkennen, sondern im Gegenteil Ihn, Den sie einst so schändlich 
verworfen hat, anbeten und bekennen. Denn „über ihn werden 
Könige ihren Mund verschließen" (Jes 52, 15). Das tierische 
Herz wird von ihnen genommen und ein Menschenherz ihnen 
geschenkt werden. Nicht länger sollen sie durch den Ochsen, 
der seinen Herrn kennt, sowie durch den Kranich, die Turteltaube und die Schwalbe, die ihre Zeit merken, beschämt werden, sondern sie werden dann wie „Tauben zu ihren Fenstern 
fliegen". — Ja, die ganze Schöpfung wird sich, gleich den Juden 
und Heiden, unter diesem göttlichen Szepter ergötzen. „Die 
Wölfe werden bei den Lämmern wohnen, und der Pardel bei 
dem Böcklein ruhen". Selbst das Land wird wieder den Segen 
des Früh- und Spätregens und die Arbeit des göttlichen Landmannes erkennen. „Du besuchest die Erde, gewährst ihr Überfluß, du bereicherst sie viel; Gottes Bach ist voll Wassers; du 
bereitest ihr Getreide, wenn du sie also bereitest". 
Welch ein Szepter! Ist seine Herrlichkeit nicht gleich der Herrlichkeit des Schwertes? Kann jemand anders als Christus eine 
solche Macht in Händen haben? Das, was Adam durch seinen 
Fall einbüßte; das, was Israel im Lande der Verheißung verloren hat; das, was Abraham in seiner empörerischen und verworfenen Nachkommenschaft einbüßte; das, wessen sich das 
Haus Davids bezüglich des Thrones beraubt sah; das, was die 
Schöpfung selbst durch Den verloren, Der sie der „Knechtschaft 
des Verderbnisses unterworfen hat, — ja, alles wird wieder 
hergestellt, aufgerichtet und offenbar werden am Tage des 
Sohnes des Menschen. 
Nur „der Sohn" kann solch ein Reich in Besitz nehmen. Bereits 
in dem ersten Teile unserer Betrachtung haben wir gesehen, 
daß die Kraft des vollbrachten Opfers in der Person des 
Schlachtopfers ruht. Der freie Zugang zum Heiligtum, welches 
damals völlig geöffnet wurde, gründet sich allein auf die Person des Hohenpriesters und Mittlers, der Sich dort befindet. 
Also können die Herrlichkeiten und Kräfte des zukünftigen 
Königreichs auch nur durch Dieselbe Person ausgeübt, bedient 
und zur Schau gestellt werden. Der Sohn Gottes dient sowohl in 
den höchsten, wie in den niedrigsten Umständen — in Reichtum wie in Armut, in Ehre wie in Unehre, als Nazaräer wie 
224 
als Bethlehemit, auf Erden wie im Himmel, in einer Welt irdischer wie himmlischer Herrlichkeiten. Doch von Anfang bis 
zu Ende verkünden uns die verschiedensten Seiten und Veränderungen dieses großen Geheimnisses, Wer Er ist. Der Glaube kümmert sich nicht darum, wo er Ihn schaut, und wo er 
Ihm folgt, sondern hat nur diesen einen glänzenden und unaussprechlichen Gegenstand vor Augen und fühlt tief jedes 
Wort, welches, selbst aus Unverstand, einen Flecken auf Ihn 
werfen könnte. 
Doch wir müssen noch bei andern Herrlichkeiten des kommenden Königreichs Jesu einen Augenblick verweilen. 
„Der zweite Mensch ist der Herr vom Himmel"; und Seine Erscheinung wird von einer Majestät begleitet sein, vor Der 
jeder Glanz des Thrones Salomo erbleichen muß. Ja wahrlich, 
in Seiner Gegenwart wird jeder Glanz verschwinden. „Und der 
Mond wird schamrot und die Sonne beschämt werden, wenn 
Jehova der Heerscharen regieren wird auf dem Berge Zion, und 
in Jerusalem und vor seinen Ältesten — Herrlichkeit" (Jes 24, 
23). Sowohl himmlische, als auch wiederhergestellte irdische 
Dinge werden in Seinem Reiche sein. Adam besaß den Garten 
Eden samt der anziehenden Schönheit der Fruchtbarkeit desselben; doch — was mehr als alles war — Gott, der Herr, wandelte mit ihm in dem Garten. Noah, Abraham und andere besaßen eine große Menge von Vieh; und dem Noah gab Gott 
die Herrschaft über die Erde; doch — was mehr war — sie empfingen Besuche von Engeln, ja sogar Gesichte und Besuche von 
dem Herrn der Engel. Das Land Kanaan war ein vortreffliches 
Land — ein Land, wo Milch und Honig floß; doch — was mehr 
als dieses war — die Herrlichkeit befand sich dort, und das 
Zeugnis der göttlichen Gegenwart war zwischen den Cherubim. 
Also wird es sein am Tage der Offenbarung der Macht des 
Sohnes Gottes. Der Himmel wird den Schauplatz irdischer 
Schönheit ebenso gewiß mit einer neuen und ganz besonderen 
Herrlichkeit umstrahlen, wie Gott, der Herr, im Garten Eden 
wandelte, und wie die Engel vor dem Auge der Erzväter auf 
und nieder stiegen und selbst die göttliche Gegenwart im Heiligtum zu Jerusalem, in dem Lande der Verheißung, geschaut 
wurde. Und nicht nur werden dann himmlische Besuche statt225 
finden, und nicht nur wird die Herrlichkeit vom Himmel geoffenbart werden, sondern alles wird einen neuen und äußerst 
schönen Charakter tragen. Die Erde wird Zeuge jenes wunderbaren, alles übertreffenden Geheimnisses sein, daß sie selbst 
aus ihrem Staube und ihrer Sklaverei eine Familie für den 
Himmel bereitet hat, welche in Herrlichkeit zu ihr zurückkehren wird und berufen ist, die derselben zuerkannte Macht 
und Autorität zu ihrem Segen auszuüben. „Denn nicht Engeln 
hat er unterworfen den zukünftigen Erdkreis, von welchem wir 
reden. Es hat aber irgendwo jemand bezeugt und gesagt: Was 
ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, oder das Menschen 
Sohn, daß du auf ihn siehst" (Hebr 2, 5. 6)? 
Welch ein Band zwischen den höchsten und niedrigsten Dingen! „Der zweite Mensch ist der Herr vom Himmel". Die heilige Stadt wird, tragend die himmlische Herrlichkeit, aus dem 
Himmel herniedersteigen, und vor ihren Blicken wird die Regierung des Königreichs der Macht über die Erde ausgeübt 
werden. Und sicher wird dieses die Souveränität Adams und 
die Herrlichkeit Salomos weit überstrahlen. 
Bei der Szene auf dem heiligen Berge in Mt 17, sowie bei dem 
königlichen Einzüge in Jerusalem (Mt 21) wird diese Zukunft 
des Sohnes und „die zukünftige Welt", sowohl im Himmel als 
auch auf der Erde, sinnbildlich dargestellt. Die himmlische 
Herrlichkeit strahlt auf den Berg hinab. Die Gestalt Jesu ist 
verändert. Sein Antlitz leuchtet wie die Sonne; Seine Kleider 
sind weiß wie das Licht; und Moses und Elias erscheinen mit 
Ihm in Herrlichkeit. Ebenso nimmt der demütige Jesus bei Gelegenheit Seines Einzugs in die heilige Stadt einen Charakter 
von Majestät an. Er zeigt sich als der Herr der Erde und ihrer 
Fülle, und zugleich als der Sohn Davids im Triumph. Er wird 
während eines Augenblicks auf dem Wege gesehen, welcher 
von Jericho nach Jerusalem führt, und zwar bekleidet mit Seinen irdischen Rechten und Würden, sowie Er in einem andern 
Augenblicke auf einem hohen Berge nur in Seiner persönlichen, 
himmlischen Herrlichkeit erschienen war. Obwohl die Herrlichkeit der Himmlischen von derjenigen der Irdischen getrennt ist, 
so ist doch Jesus bei beiden feierlichen Gelegenheiten verherrlicht, und ist für etliche Augenblicke von dem niedrigen Pfade 
226 
als der verworfene, verachtete Jesus, abgetreten. Diese Szenen 
waren vorübergehend, aber dasjenige, wovon sie das Unterpfand waren und was sie repräsentierten, wird in Kraft und 
Glanz an dem kommenden Tage der Herrlichkeit bleibend sein. 
Denn an diesem Tage wird die Erde voll sein der Herrlichkeit 
des Sohnes Gottes. Ja, diese Fülle ist es, welche ihr den Glanz 
und die Größe verleihen wird. Sowie Er die Sonne der himmlischen Herrlichkeit, so wird Er auch der Herr der Erde und 
ihrer Fülle sein; und zugleich der König Israels und der Völker. 
In der wunderbarsten Weise werden dann alle Sphären der 
Herrlichkeit ineinander schmelzen: die untersten Teile der 
Erde und das, was weit über allen Himmeln ist. „Gott geoffenbart im Fleische — aufgenommen in Herrlichkeit". Der zweite 
Mensch ist niemand anders, als „der Herr vom Himmel". 
Welche Geheimnisse, welche Ratschlüsse Gottes! Es sind Ratschlüsse, die in den verborgenen Jahrtausenden vor Grundlegung der Welt von Gott gefaßt sind. Möchten doch die Liebe 
und die Anbetung unserer Herzen den Betrachtungen unserer 
Seele folgen! Ja, der Sohn, Der von Ewigkeit her im Schöße des 
Vaters war, nahm Fleisch und Blut an und war im Schöße der 
Jungfrau. Als Sohn des Menschen — Gott geoffenbart im 
Fleische — wandelte Er inmitten der schwierigsten Pfade dieses 
Lebens — Pfade, die im Tode am Kreuze ihren Ausgang hatten. 
Er verließ das Grab für die Herrlichkeit, die untersten örter 
der Erde für den höchsten Platz im Himmel. Aber als die 
Sonne der Gerechtigkeit wird Er über der Erde aufgehen, und 
zwar bekleidet mit Glanz und Herrlichkeit, mit Ehre und Hoheit, um die zukünftige Welt zu erleuchten. 
Jedoch gibt es noch ein anderes Geheimnis, das erfüllt werden 
muß, bevor der Schauplatz der Herrlichkeit, „die zukünftige 
Welt", vorhanden sein wird. Die Versammlung muß im Himmel sein, wie ihr Herr bereits dort ist. 
Der Weg der Versammlung ist derjenige eines unbeachteten 
Fremdlings. „Darum kennt uns die Welt nicht, weil sie ihn 
nicht erkannt hat". Und wie ihr Pfad inmitten dieser Welt, so 
wird auch der Weg unbekannt sein, auf welchem sie von hier 
hinweggeführt werden wird. Alles, was sich auf die Versammlung bezieht, trägt den Charakter der Fremdlingsschaft hienieden. Die Welt wird die Aufnahme der Versammlung in der 
227 
Luft nicht wahrnehmen, so wie diese selbst die Zeit ihrer Aufnahme nicht kennt. Doch wissen wir, daß das neue Band, welches uns mit dem Himmel verbindet, geknüpft werden soll, ehe 
das Königreich oder „die zukünftige Welt" geoffenbart werden 
wird. Die Heiligen werden den König begleiten, wenn Er mil 
dem Schwerte des Gerichts in Seinem Reiche erscheint, um die 
Erde zu reinigen, damit Er mit dem Szepter des Friedens und 
der Gerechtigkeit regieren könne, wie Er verheißen hat. „Wer 
überwindet und meine Werke hält bis ans Ende, dem werde ich 
Gewalt geben über die Nationen, und er wird sie weiden mil 
eiserner Rute" (Offb 2, 26. 27). 
„Und ich werde ihm den Morgenstern geben". Diese Worte 
schließen etwas ganz besonderes in sich. Die Sonne ist das 
Licht am Himmel, welches am meisten mit der Erde, mit den 
Werken und den Interessen der Menschen in Verbindung steht. 
Die Sonne beherrscht den Tag; der Mond und die Sterne herrschen über Nacht; aber der Morgenstern hat keinen Platz in 
diesem System. „Er hat den Mond gemacht zur Bestimmung 
der Zeiten; die Sonne weiß ihren Untergang. Du machtest Finsternis, und es wird Nacht; in ihr regen sich alle Tiere des Waldes: die jungen Löwen, die da brüllen nach ihrer Beute, und um 
von Gott zu suchen ihre Speise. Die Sonne geht auf — sie 
heben sich davon und lagern sich in ihre Höhlen. Der Mensch 
geht aus an sein Werk und an seine Arbeit bis an den Abend" 
(Ps 104, ig—23). In allen diesen Bestimmungen wird des Morgensterns nicht mit einem einzigen Worte gedacht. Schön und 
glänzend ist er, doch leuchtet er nur in einer einsamen Stunde. 
Die Kinder der Menschen haben sich niedergelegt; der Schlaf 
ist ihnen durch Gottes Gnade noch süß, während der Morgenstern bereits in der Luft blinkt. 
Die Zeit, in welcher die Sonne scheint, ist die unsrige, oder mit 
andern Worten! die Sonne ist die Freundin und Gefährtin der 
Menschen. Aber der Morgenstern ruft nicht also den Menschen an seine Arbeit. Er scheint in seiner eigenen Zeit — es 
ist weder Tag, noch Nacht. Das Kind, welches vor dem Anbrechen der Morgenstunde erwacht; der Mann, welcher vor 
der Sonne sein Lager verläßt; der Wächter, der die Nacht 
durchwacht hat, — diesen leuchtet der Morgenstern, sonst niemandem. 
228 
In der Sprache der Schrift bezeichnet die Sonne das Königreich. Wir lesen: „Der Herrscher unter den Menschen, der Gerechte, der Herrscher in Gottesfurcht; und er wird sein wie das 
Licht des Morgens, wie der Aufgang der Sonne, ein Morgen 
ohne Wolken" (2. Sam 23, 3. 4; Mt 13, 43; 17, 4. 5). 
Haben wir daher nicht ein Licht zu erwarten vor dem Lichte des 
Königreichs? Sind diese Zeichen am Himmel nicht für die bestimmten Zeiten gestellt worden? Gibt es keine Stimmen in 
diesen Sphären? Liegt nicht ebensowohl ein Geheimnis in dem 
Morgenstern, in der Stunde seines einsamen Scheinens, also auch 
in der Sonne, wenn sie über der Erde in ihrer Kraft aufgeht? 
Ist dieser Morgenstern nicht das Zeichen am Himmel von Ihm, 
dessen erstes Erscheinen nicht für die Welt, sondern für ein 
Volk sein wird, welches wartet auf die Ankunft eines Herrn 
vom Himmel? Die Hoffnung Israels, des irdischen Volkes, begrüßt „den Aufgang aus der Höhe" (Lk 1, 78). Aber die Versammlung bewillkommt den Morgenstern. „Ich bin die Wurzel 
und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern". „Und 
der Geist und die Braut rufen: Komm!" Alles ist unser; und 
unter dieses alles gehört auch der Morgenstern unserer Verwandlung, um Jesu gleichförmig zu sein, sowie die aufgehende 
Sonne für den Tag unserer Kraft in Verbindung mit Jesu. 
Und nachdem der Morgenstern für einen kurzen Augenblick 
geschienen hat, wird die Sonne zu ihrer bestimmten Zeit ihren 
Platz einnehmen. „Dann werden die Gerechten glänzen wie die 
Sonne in dem Reiche des Vaters". „Und er wird sein wie das 
Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ein Morgen ohne 
Wolken: von ihrem Glanz nach dem Regen sproßt das Grün 
aus der Erde". „Laß sich freuen die Himmel und frohlocken 
die Erde! es brause das Meer und seine Fülle! Es juble das 
Gefilde und alles, was darauf ist! Dann werden jauchzen alle 
Bäume des Waldes vor Jehova; denn er kommt, denn er 
kommt, zu richten die Erde" (Ps 96, 11—13). 
Es hat jemand gesagt: „Der Glaube hat eine Welt für sich 
selbst". O möchten wir doch mehr in der Kraft dieses Glaubens 
wandeln! Und diese Kraft liegt in dem Ernst und der Wärme, 
welche auch die Einfalt und Wirklichkeit des Glaubens zur 
Schau tragen. David und Abigail wandelten, als sie sich ein229 
ander in der Wüste Paran begegneten, in jener Welt, die der 
Glaube für sich hat. Nach dem Augenschein und nach aller 
menschlichen Beurteilung war David damals ein Spielzeug in 
der Hand der Bösen. Er mußte sich in den Höhlen und Schlupfwinkeln der Erde verbergen; seine Speise verdankte er einem 
reichen Manne. Aber der Glaube erblickte etwas anderes in 
David. Der hilfsbedürftige, verfolgte Flüchtling war in seinen 
eigenen Augen und in den Augen Abigails der künftige Herr 
des Königreichs und der Gesalbte des Gottes von Israel. Abigail beugte sich vor ihm nieder, als vor ihrem Könige; und er 
nahm mit königlichem Wohlwollen „ihr Angesicht an". Der 
Vorrat, den sie brachte, ihr Brot und Wein, ihre Trauben und 
Feigen waren nicht ein Beweis ihrer dem bedürftigen David erwiesenen Wohltätigkeit, sondern die dem König David dargebrachte Steuer eines willigen Untertans. Sie fand sich glücklich und geehrt, wenn sie auch nur seine Knechte bedienen 
konnte. Also kam sie bei dieser schönen Gelegenheit in eine 
andere Welt — das Zeugnis ablegend, daß der Glaube wirklich 
eine ihm gehörende Welt hat. Und diese Welt war für das 
Herz Abigails wichtiger als alle Schätze des Hauses Nabais. 
Die Wüste hatte für sie einen größeren Wert, als die Herden 
und Felder des Berges Karmel; denn dort genoß sie im Geiste 
jene herrlichen Dinge, die der Glaube vor ihr Auge brachte. 
Glückselig ist es, geliebte Brüder, wenn auch wir, geleitet durch 
den Glauben, in unsere eigene Welt eintreten und darin wandeln! Besaß nicht Noah solch einen Glauben, als er das Schiff 
baute, welches mehr für das Land als für das Wasser berechnet zu sein schien? Hatte Abraham nicht solch eine Welt im 
Auge, als er sein Land, seine Familie, sein Vaterhaus verließ? 
Und ruhten nicht auch die Blicke des Paulus auf einer solchen 
Welt, als er sagte: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von 
woher wir auch den Herrn Jesum Christum als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur 
Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit?" Und besitzen nicht auch wir bereits diese Welt, wenn unsere Seelen 
durch den Glauben Zugang haben „zu der Gnade, in welcher 
wir stehen?" Diese Gnade ist jetzt der gegenwärtige, erquikkende Ruheplatz des gereinigten und mit Blut besprengten 
Gewissens, sowie die glänzende Wohnstätte der Hoffnung, von 
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wo aus diese hinausschaut nach der „Herrlichkeit Gottes" (Röm 
5, i. 2). Wenig wird dieser Glaube noch genossen; aber dennoch ist er der unsrige; und inmitten unserer Schwachheit hat 
der Glaube nur den Sohn Gottes zu verherrlichen; denn inniger 
von Ihm zu genießen, ist geistlicher Fortschritt. 
Am Schlüsse dieser Betrachtung, worin wir die „zukünftige 
Welt" vor unser Auge führten, wünschte ich noch hinzuzufügen, daß uns in dieser Zeit wenige Dinge so sehr auf dem 
Herzen liegen sollten wie die Verwerfung Christi. Es ist sicher 
am Platze, dieses hier zu sagen; denn ist Christus, wie wir behaupten, in der „zukünftigen Welt" herrlich, so ist Er der Verworfene in „dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf". Doch dieses 
wird so leicht vergessen; und das ist der Wunsch des Fürsten 
dieses Zeitlaufs. Die Menschen richten unausgesetzt ihr Streben 
dahin, alle gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Zustände zu verbessern; und dieses alles dient nur dazu, um 
einen Christus, der nicht von dieser Welt ist, aus dem Auge zu 
verlieren. Nur der Glaube schaut einen verworfenen Christus 
und eine verurteilte Welt. Der Glaube erkennt, daß, wenn das 
Haus auch mit dem Besen gekehrt und geschmückt worden, es 
doch nicht durch den Hausherrn oder Besitzer verändert ist. 
Es ist ein höchst bedenklicher Irrtum, geliebte Brüder, wenn 
man Hand ans Werk legt, um die Welt zu verbessern und sie 
für Christum zuzubereiten. War David einmal, als es sich um 
das Tragen der Bundeslade handelte, in betreff der Gedanken 
Gottes leichtfertig, so zeigte er hinsichtlich dieser Gedanken bei 
einer andern Gelegenheit große Unwissenheit, als das Bauen 
eines Cedernhauses für die Bundeslade in Frage kam. Er trachtete, dem Herrn eine feste Wohnstätte in einem verunreinigten, 
unbeschnittenen Lande zu geben. Er irrte daher zum größten 
Teil deshalb, weil er die Reinheit der Herrlichkeit Gottes nichl 
kannte. Ebenso verhält es sich mit denen, die den Namen des 
Herrn Jesus Christus, des Sohnes Gottes, mit der Erde, sowie 
sie jetzt ist, und mit ihren Königreichen verbinden wollen. Wie 
aufrichtig das Verlangen ihres Herzens in diesem Punkte auch 
sein mag, wie dieses auch bei David der Fall war, so irren sie 
doch größtenteils deshalb, weil sie die Heiligkeit der Herrlichkeit des Herrn nicht kennen. Dieses ist eine Unterweisung, 
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deren wir stets bedürfen. Noch ist der Sohn Gottes ein Fremdling auf Erden; Er sucht nicht die Welt, sondern ein von der 
Welt auserwähltes Volk, das noch eine Zeitlang mit Ihm die 
Fremdlingschaft hienieden teilen soll, und zwar inmitten all 
der Eitelkeit und Ehrfurcht, wodurch jetzt die Geschichte der 
Welt gekennzeichnet wird. 
„Ihr aber seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen; und ich verordne euch, gleichwie mir mein Vater 
verordnet hat, ein Reich". 
Schaut Ihn! Der unter uns gewohnt, 
Der Schmach und Hohn getragen, 
Schaut Ihn! Der droben herrlich thront, 
Wird Schwert und Szepter tragen! 
Im Schiffe und auf dem See.' 
Wie leicht ist es den Glauben an die Macht und Güte des Herrn 
zu verwirklichen, wenn alles gut geht und keine Schwierigkeiten drohen! Wie oft hält dann das arme Herz Selbstvertrauen für geistliche Gesinnung und glaubt, alles tun zu können. Daß der Herr alles in Seiner Hand hat, ist eine von jedem 
Gläubigen erkannte Wahrheit; aber das „Erkennen einer 
Wahrheit" für die Kraft zu halten, sich in der Stunde der Gefahr auf sie zu stützen, ist Selbstgefälligkeit und kein Glaube. 
Solange Petrus im Schiffe stand und Jesus auf dem Meer wandeln sah, schien ihm dies sehr leicht zu sein. Aber sobald er auf 
dem See war, welch ein Unterschied. Im Schiff war er voll 
Vertrauen, auf dem See von Schrecken erfüllt. Im Schiff war 
er überzeugt, daß der Herr Macht genug habe, ihn zu bewahren, auf dem See schrie er: Ich komme um! Auf dem Schiff rief 
er: Befiehl mir zu kommen, auf dem See: Herr rette mich! Im 
Schiff war sein Auge auf den Herrn gerichtet, auf dem See sah 
er nur Wind und Wellen. Auf dem Schiff war er voll Selbstvertrauen, daher fing er auf dem See an zu sinken. „Darum: 
wer zu stehen sich dünkt, sehe zu, daß er nicht falle". 
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Die Glaubensprobe 
(Mt 14, 12) 
In der gleichlautenden Stelle in Mk 6, 30 lesen wir, daß sich 
„die Apostel wieder zu Jesu versammelten und ihm alles erzählten, sowohl was sie getan, als auch was sie gelehrt hatten". 
Und hier in Mt 14 lesen wir, daß die Jünger Johannes' de? 
Täufers, nachdem sie den Leib ihres Meisters begraben hatten, 
„kamen und es Jesu berichteten". Das Heilmittel sowohl gegen 
Selbsterhebung, als gegen Traurigkeit ist stets in Seiner unmittelbaren Gegenwart zu finden. Er sagte zu Seinen aus ihrem 
Arbeitsfelde zurückkehrenden Jüngern: „Kommet ihr selbst 
her an einen wüsten Ort besonders und ruhet ein wenig aus" 
(Mk 6). Welche zärtliche Fürsorge zeigt hier der Herr den Seinigen, während Er Sich kaum Selbst Ruhe gönnte, und Er überall, sei es in der Wüste, oder im Schiff, übermäßige Arbeit 
fand! Doch als ihre Füße den wüsten Ort betreten hatten, fand 
Er es für nötig, den Glauben der Jünger auf die Probe zu stellen. Eine große Volksmenge hatte sich versammelt. Die Schar 
war groß; und der Vorrat an Lebensmitteln bestand nur aus 
fünf Broten und zwei Fischen. Das Herz Jesu war bewegt beim 
Anblick der Menge; Er beschäftigte Sich alsbald mit ihren Bedürfnissen. Wie am Jakobsbrunnen bei der Samariterin, so 
vergaß Er auch hier Sich Selbst und dachte nur an andere. Nicht 
so die Jünger. In ihren selbstsüchtigen Herzen mochten sich 
etwa folgende Gedanken regen: „Der Vorrat reicht gerade für 
uns selbst hin; aber was wir haben, müssen wir auch für uns 
selbst brauchen"! Und aus solchen Herzen kamen die Worte: 
„Der Ort ist wüst, und es ist schon spät an der Zeit. Entlaß sie, 
damit sie hingehen auf die Felder und Dörfer ringsum und sich 
Brote kaufen; denn sie haben nichts zu essen. Doch der Herr 
sagt zu ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen". — Wie selbstsüchtig 
zeigt sich hier das Herz, wie schwach über das, was „sie getan 
und was sie gelehrt hatten"! Sicher bot das Verfahren des 
Herrn ein geeignetes Mittel dar, um die Stimmen der Selbsterhebung zum Schweigen zu bringen, und dann zeigt der Herr 
Seine Macht gegenüber ihrer Schwachheit. Er speist die Schar, 
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und jeder Jünger behielt noch einen vollen Korb für sich übrig. 
Wie beschämend für sie! 
Im Lichte Seiner Gegenwart entdecken wir unsere Schwachheit 
und unsere Selbstsucht, aber auch Seine Macht und Seine Liebe. 
O möchte in dieser Seiner Gegenwart stets unser Platz sein! 
Dort machen wir die Probe über das, was wir sind, und was 
Er ist. 
Der Grund der Errettung 
Der einzige große Unterschied vor Gott bezüglich des künftigen Schicksals eines Menschen ist der Glaube an die Wahrheit, oder die Verwerfung derselben. Wer glaubt, ist gerettet; 
wer im Unglauben lebt und stirbt, ist zu hoffnungs- und endloser Verdammnis versiegelt. In dem Worte Gottes sind der 
wahre Glaube und die sichere Errettung, sowie fortgesetzer 
Unglaube und ewiges Elend unzertrennlich miteinander verbunden. Unsere Errettung ist nicht die Folge der Wirkung 
irgendeines Sakraments oder einer priesterlichen Absolution, 
nicht die Folge einer menschlichen Anstrengung oder Selbstbeschränkung, nicht die Frucht unsers eigenen Verdienstes oder 
unserer eigenen Bemühungen, und sicher auch nicht die Frucht 
der Verdienste und Bestrebungen unserer Mitmenschen; — wir 
sind aus Gnaden mittels des Glaubens errettet. „Wenn du mit 
deinem Munde den Herrn Jesum bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den Toten auf erweckt hat, 
wirst du errettet werden. Denn die Schrift sagt: Jeder, der an 
ihn glaubt, wird nicht beschämt werden" (Röm 10).