Botschafter des Heils in Christo 1871

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1871 Seite
Gedanken über 1.Samuel 30 5
Die Entmutigung des Propheten Elia 9
Der Antichrist 16
Der Anbeter und der Arbeiter 22
Trost in der Wüste, Gedicht 26
Die beiden Ehemänner in Römer 7 27
Die erste und die zweite Ankunft Christi 46
0 Braut des Lammes schaue auf, Gedicht 50
Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen 51
Allein auf .den unruhigen Gewässern 63
Die Reise durch die Wüste 60
Die Wiederherstellung 78
Drei große Wahrheiten 86
Wir 'sehen jesurn 91
Das Leben des Christen 96
Die Errettung 'des Hauptmanns 'Cornelius 110
Das Lager in der Wüste 119
Das Lager und die Wolke 130
Christus im Schiff 135
Der Sohn Gottes 142
Im Schiff und auf dem See 232
Die 'Glaubensprobe 233
Der Grund der Errettung 234


In bewundernswürdiger Weise wird uns in der Schrift die Liebe Gottes in den Äußerungen Seiner Sorgfalt gegenüber Seinen auf Irrwege geratenen Kindern dargestellt. Die Geschichte 
Israels, von der Berufung Abrahams an bis hin zu Christus, liefert uns hiervon zahlreiche Beispiele. Es scheint mir sehr köstlich und wichtig, in dem Zustand des Verfalls und angesichts unserer eigenen Fehltritte das Licht für den Wandel des Glaubens zu erlangen. 
In den Tagen der durch Samuel dargestellten Regierung Gottes verlangte das Volk Israel einen König. Das war eine Verwerfung Gottes (1. Sam 8, 7). Das Volk wollte durch Schauen und 
nicht durch Glauben wandeln und wurde auch dadurch, daß Saul zur Königswürde erhoben wurde, deshalb gezüchtigt. Aber trotzdem verfolgt Gott die Absichten Seiner Liebe gegen 
Sein Volk, das sich immer undankbarer und widerspenstiger zeigt. Er bereitet ihnen in David, dem Sohne Isais, einen König nach Seinem Herzen. Über eine Begebenheit aus dem Leben 
dieses Königs möchte ich nun gern einige Gedanken darstellen, um den Wandel des Glaubens auf dem Pfade des Christen zu beleuchten. 
David war vor Saul, der ihm nach dem Leben trachtete, geflohen. Durch diese Handlung bewies er seine Schwachheit, aber sie diente auch zu seiner Rettung. In der Lage, in der er sich damals befand, konnte und sollte er nicht anders handeln. 
Auch zeigt uns sein Verkehr mit Jonathan, wie sehr seine Flucht gerechtfertigt war. Wenn er jedoch den Ratschluß Gottes erforscht hätte, dann wäre er sicher sofort in die Wüste und 
nicht zu Achis, dem König von Gath, geführt worden. In einem Zustand des Verfalls, wie er damals in Israel und jetzt in der Kirche herrscht, in einem Zustand der Schwachheit und der 
Furcht angesichts unserer Feinde entgeht man Fehltritten dieser Art nicht leicht; aber dies sind noch nicht die größten Fehler derjenigen Gläubigen, die in 1. Kor 3, 1. 2 als „fleischlich" bezeichnet werden. 

Wir sehen in unserem Kapitel die Folgen eines Falles, der bedeutender ist, als der vorhergehende, durch den David und seine Leute in eine so schwierige Lage gebracht worden waren. Gott hatte David vor Saul, seinem Feinde, der ihm in der Wüste nachjagte, wunderbar bewahrt und beschirmt. David erfuhr in dieser Stellung die Macht Gottes in Seiner steten 
Sorge, ihn zu bewahren und ihn aus der Hand seines Feindes zu befreien. David verherrlichte Gott während seines Wandels durch die Wüste durch sein Vertrauen und unterwarf sich auch 
der Prüfung, die im Blick auf seine Erhöhung auf den für ihn bestimmten Thron am wichtigsten und nützlichsten für ihn war.*) Aber er vermochte nicht bis ans Ende zu gehen; er ermüdete in der Wüste, gab seinem trügerischen Herzen Gehörund vergaß zu gleicher Zeit, den Rat Jehovas zu erfragen. Er machte Rückschritte in seinem Lauf und ging zu Achis, dem König von Gath (Kap. 27, 1. 2), und durch diesen Fall, der einen anderen zur Folge hatte, bereitete er sich viele Prüfungen, die als Züchtigung dienen mußten, um ihn wieder auf den Weg des Gehorsams zurückzuführen, d. h. auf den Weg, wo man den Rat des himmlischen Vaters erforscht, bevor man handelt. Und merken wir es uns, daß von Jesus nie gesagt wird, daß Er nach dem Rate Seines Herzens gehandelt habe; und doch war Er der Heilige! Aber Gott war mit David in seinem Fall und in seinen Schwachheiten, um ihn zu unterweisen, zu bewahren und zu befreien; und es ist gesegnet für uns, in dieser Hinsicht den Wegen Gottes mit Seinen Kindern folgen zu können. 
Die Befreiung Israels durch die gerichtliche Beseitigung des von Gott verworfenen Saul stand nahe bevor, und somit war auch die Prüfung Davids ihrem Ende nahe. Hätte sein Aus-
") Es scheint mir, daß die Fehltritte Davids vor seiner Thronbesteigung ihre 
Quelle in dem Mangel an Ausharren hatten, wodurch er veranlaßt wurde, einem Teil der Prüfung und somit auch der Erfahrung auszuweichen, die Gott für ihn in der Wüste bereitet hatte. Ähnlich verhält es sich mit einem Christen, der sich der Prüfung entzieht und auf dem Wege ermattet, weil ihm das Ausharren fehlt. Ein solcher Christ kann nicht glücklich sein und mit Paulus sagen: „Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß, Überfluß zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Uberfluß zu haben als Mangel zu leiden. Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt" (Phil 4, 12. 13). Auch für uns haben diese Dinge Folgen, die mit der Regierung unseres Herrn Jesus Christus in Verbindung stehen. In den Dingen, wo unsere Verantwortung in Betracht kommt, fehlen wir oft; aber nie fehlt Gott in dem, was Er nach Seinem ewigen Ratschluß in Seinen Kindern erfüllen wird. 

harren ein wenig weiter gereicht, dann wäre er vielem Elend 
entgangen und hätte sich viele Kümmernisse erspart. Wir fallen oft in der Prüfung, wenn diese sich bereits ihrem Ende zuneigt. Wie beschämend ist das für uns, und wieviel Kummer 
bereiten wir uns dadurch! David vergaß seine Pflichten soweit, 
daß er dem König von Gath seine Dienste anbot, um gegen 
Israel zu streiten, dessen wahrer König nach der Wahl Gottes 
er selbst war, — er, der seine Hand nicht an den Gesalbten 
Jehovas legen wollte, als Gott in der Wüste seinen Feind Saul 
in seine Hand gab. Ach, wie schnell weicht das Licht, wenn 
man den Pfad des Glaubensgehorsams verläßt! Vor einem so 
schrecklichen Fall bewahrte Gott David durch den Widerstand, 
den die Fürsten der Philister seinem Vorhaben entgegensetzten. 
Beachten wir hier die große Güte Gottes in der Sorge um Seine 
Kinder; Er schreitet ein, damit sie ihre Pläne nicht ausführen 
können, wenn Er urteilt, daß diese oder jene Lage, die ihre 
Torheit gewählt hat, keine Gelegenheit zur Unterweisung oder 
zur Offenbarung Seiner Macht und Liebe bietet. Gott, Der in 
Seiner Weisheit alle Dinge bemessen kann, versperrt unseren 
Weg ganz und gar, wenn auf ihm nichts Gutes und Nützliches 
für uns zu lernen ist. Dies kann Er tun, und Er tut es für Seine 
Kinder; hierin offenbart sich wieder Seine große und unveränderliche Liebe. 
Als David nach Ziklag zurückkehrte, war alles durch die Feinde 
verbrannt und geplündert. Das waren die Folgen seines Abweichens von dem Wege Gottes. Ein Fall folgt dem anderen, 
und wenn ein solcher bei jemandem vorkommt, der an der 
Spitze steht, dann wird seine ganze Umgebung dadurch bloßgestellt. David befand sich in Gefahr, gesteinigt zu werden. Er 
hatte gefürchtet, in die Hände Sauls zu fallen, der fern von ihm 
war, und hatte deshalb die Wüste verlassen; und jetzt wäre 
er von denen, die ihm in seiner Verwerfung gefolgt waren, in 
Stücke gerissen worden, wenn ihm Gott nicht Schutz und 
Sicherheit gewährt hätte. Welch eine Lehre liegt darin für uns! 
David kann jetzt nicht mehr den Eingebungen seines eigenen 
Herzens folgen, sondern ist gezwungen, sich in dieser äußersten Not in Jehova zu stärken. Es gibt für ihn kein anderes 
Rettungsmittel, und das ist für ihn und für uns alle ein großes 
Glück, — seine Rettung ist in Gott. Jehova, Der über ihn und 

Sein Volk wachte, hatte es erlaubt, daß er in diese verzweifelte 
Lage kam, um ihn von neuem auf den Pfad des Gehorsams zu 
bringen. David bittet Abjathar, den Priester, ihm das Ephod 
zu bringen. Er fragt Jehova, was er tun soll, und jetzt wird er 
von Gottt und nicht durch sein eigenes Herz belehrt und geleitet. Ein armer sterbender Knabe wurde zum Werkzeug, die 
Feinde ausfindig zu machen, die Gott in Davids Hände gegeben hatte. Dies soll uns lehren, auf alles, was Gott auf unseren 
Weg stellt, aufmerksam zu sein. Alles ist zu unserem Nutzen, 
wenn Gott mit uns ist und Er zum Gelingen unserer Rettung 
alles vorbereitet hat. Die Dinge, die dem Anschein nach die 
schwächsten sind, können die notwendigsten werden. Laßt uns 
Sorge tragen, keines von ihnen gering zu achten! Es ist für uns 
eine wichtige Belehrung, daß hier ein armer, von seinem Herrn 
verlassener Knabe David an die Stätte führt, wo seine Feinde 
sich befanden. Das Erbarmen, das seine Leute diesem armen 
Knaben erweisen, ist eine Frucht der Demütigung, zu der Gott 
sie gebracht hatte, — sie, die einst denen, die sie plünderten, 
kein Mitleid und keine Barmherzigkeit erwiesen hatten (Kap 27). 
Wie unser Kapitel zeigt, bleibt ein Teil der Kriegsleute vor 
Müdigkeit zurück. Auch hierin liegt eine Belehrung, die verdient, von uns beachtet zu werden. Diejenigen, die die Beute 
nicht mit den Zurückgebliebenen teilen wollten und als böse 
und lose Leute bezeichnet werden, stellen, wie mir scheint, den 
Grundsatz der Gesetzlichkeit des Fleisches vor unsere Augen. 
Wenn dieser Grundsatz tätig ist, dann sehen wir nichts als 
Selbstsucht und somit einen vollständigen Widerspruch zum 
Grundsatz der Gnade. Wenn wir eine solche Gesinnung offenbaren, dann fehlt uns jedes wahre Licht. David offenbart hier 
die Gesinnung Christi. Durch die Gnade — und nicht durch 
äußere Macht — bahnt er den Weg zur Freude und Segnung, 
die allein für Gott und Sein Volk geziemend ist, nämlich zu 
jenem gemeinsamen Segen, der der Gnade entspricht. Wenn 
einige stärker waren und länger die Last und Hitze des Tages 
ertragen konnten, wem hatten sie es zu verdanken? So sollen 
nun diejenigen, denen Gott diese Gnade verliehen hat, sich 
vielmehr freuen, ein Werkzeug zu sein, wodurch auch andere 
einen Anteil an der Freude der Streiter erlangen, wenn auch 
einige bei dieser oder jener Gelegenheit müde geworden sind, 

was übrigens bei jedem von uns der Fall sein kann. Und wie 
groß ist die Gnade gegen diejenigen, die sich bewährt haben 
und zu denen der Herr sagen kann: „Wohl, du guter und 
treuer Knecht! Gehe ein in die Freude deines Herrn." Dieser 
Anteil an der Freude Jesu, daß wir anderen zum Besitz dieser 
unvergänglichen Schätze mitgeholfen haben, wird auch das 
reiche Teil der treuen Diener sein. Wie groß aber wird die 
Freude sein, die alle gemeinsam genießen und die in allen 
strahlen wird, die an diesem Reichtum der Gnade unseres Gottes 
und Vaters und unseres Herrn Jesus Christus, Dem wir dies 
alles verdanken, teilhaben — es seien die Streiter, die die Feinde 
geschlagen haben, oder diejenigen, die bei dem Gerät geblieben 
sind — alle die erlösten Glieder, diese ganze glückliche Familie 
insgesamt! 
Am Schluß unserer Begebenheit sehen wir noch, daß David 
Geschenke an die Orte sendet, wo er mit den Seinigen gewirkt 
hatte. So werden auch die, die beim Eintritt Jesu in Sein Reich 
Seine Herrlichkeit teilen, Seine Boten zur Mitteilung Seiner 
Segnungen an diejenigen sein, die Er nach Seinem Wohlgefallen segnen und an Seinem Glück teilnehmen lassen will. 
Wenn wir die Dinge betrachten, die zu unserer Belehrung geschrieben sind, so werden wir immer mehr Schätze für den 
Wandel des Glaubens finden, die in unserem Zustand der 
Schwachheit und des Verfalls zu unserem Nutzen sind. Wir 
werden auch immer mehr erfahren, daß der Herr unsere Kraft, 
unsere Errettung, unsere Freude und unser Loblied für die 
Ewigkeit ist! 
Die Entmutigung des Propheten Elia 
Wie schwer fällt es dem menschlichen Herzen, sich auf der 
Höhe der Gedanken Gottes und besonders auf der Höhe der 
Gedanken Seiner Gnade zu halten! 
Elia hatte die gottlose Königin Isebel gegen sich und fühlte sich 
allein und verlassen. — Wenn große Begebenheiten vorüber 
sind und wir ihre Geschichte lesen, so sehen wir, daß das Unsichtbare vom Sichtbaren verdeckt wird, so daß es zwar leicht 

ist, sogar in bezug auf Gott ein Urteil zu fällen, nicht aber den 
Weg selbst zu machen. Scheint es doch zuweilen, als ob Gott 
die Welt gehen lasse und kein Ausweg da sei, während bei 
Gott doch alle Dinge möglich sind. 
Es ist bereits erwähnt worden, daß es schwer ist, auf dem 
Weg des Glaubens auszuharren, denn je weiter man auf diesem 
Wege fortschreitet, desto schwieriger wird er. Wenn auch wir 
selbst nicht vor gewissen Hindernissen zurückweichen, so begegnen wir vielleicht dem Glaubensmangel anderer, so daß wir 
oft gezwungen sind, unseren Weg allein gehen zu müssen. So 
sehen wir, wie Jonathan nicht mit Fleisch und Blut zu Rate geht 
und auf dem Wege des Glaubens weit genug vorangeht, um 
nicht durch den Unglauben und durch den Schwur, den Saul 
dem Volke in fleischlicher Gesinnung auferlegte, behindert zu 
werden. 
Auf dem Wege des Glaubens begegnet man fortwährend Schwierigkeiten. Paulus mußte sagen: „Alle haben mich verlassen/' — Sicher hatten diejenigen, von denen der Apostel dieses sagt, den Herrn nicht gänzlich verlassen, aber sie konnten sich nicht auf der gleichen Höhe halten, auf der Paulus sich befand. Dazu benötigten sie das Maß seines Glaubens, und das fehlte ihnen. 
Selbst Mose und Elia, diese bedeutendsten Männer des Alten 
Testaments, die sich auch mit Jesus auf dem Berge der Verklärung befanden, auch sie haben gefehlt. Denken wir dabei 
daran, daß Mose von Gott Selbst begraben war und Elias in 
den Himmel entrückt worden war. 
Wenn der Mensch erprobt wurde, hat er sich nie bis zur Höhe 
der Gnade erheben können — jener Gnade, die die Probe besteht und Erbarmen übt. Wenn der Glaube fehlt und man die 
Höhe der Gnade nicht erreicht, dann erbittert man sich gegen 
diejenigen, die die Ursache unserer Schwierigkeiten sind. Mose 
sagte zum Volke: „Ihr Widerspenstigen" (4. Mo 20, 10)! Gott 
aber wollte ihr Murren stillen, indem Er Gnade erwies. Es 
nützt uns nicht, daß Gott uns segnet, wenn unser Herz nicht 
in Seiner Nähe ist. — Mose sprach nur ein Wort, und die Erde 
spaltete sich; aber bald darauf, als es an Wasser mangelte, 
fehlte ihm der Glaube. 
10 
Wenden wir uns jetzt zu unserem Kapitel. In Vers 2 lesen 
wir: „Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: 
So sollen mir die Götter tun und so hinzufügen, wenn ich nicht 
morgen um diese Zeit dein Leben dem Leben eines von ihnen 
gleich mache!" — Dies geschah, nachdem Gott ihm auf so 
wunderbare Weise geantwortet hatte, als Elia die Propheten 
Baals versammelt, einen Altar gebaut, Wasser darum gegossen hatte, und Gott Feuer sandte, um alles zu verzehren. Das 
war ein glänzender Sieg des Glaubens gewesen, und Gott hatte 
gezeigt, daß Elia wirklich Sein Prophet war. Elia hatte gebetet: 
„Jehova, antworte mir, damit dieses Volk wisse, daß du, Jehova, Gott bist. . . . Da fiel Feuer Jehovas herab und verzehrte 
das Brandopfer und das Holz und die Steine und die Erde; und 
das Wasser, das im Graben war, leckte es auf" (l.Kö 18,37.38). 
Nach einer solchen Dazwischenkunft Gottes könnte man annehmen, daß Elia nun völlig gestärkt sei. Aber es ist nicht so. 
Isebel wurde zornig, sandte Boten zu Elia und drohte ihn zu 
töten. Wir werden immer die Erfahrung machen, daß nach 
einem Sieg über Satan seine Wut entbrennt und wir uns anderen Feinden gegenüber sehen. Wenn das Auge jetzt auf Gott 
gerichtet ist, und nicht auf den soeben errungenen Sieg, dann 
erlangt man jetzt einen neuen Sieg. Man darf sich nie auf einen 
eben errungenen Sieg stützen, denn dann büßt man einen anderen ein, weil man sich selbst erhoben hat und nicht in der 
Gegenwart Gottes geblieben ist. Dies war bei Elia der Fall. Er 
sagt: „Ich bin nicht besser als meine Väter". Er verläßt die 
Stellung, die ihm Gott und der von Gott geschenkte Glaube 
gebracht hatte; und nach dem Sieg wünscht er sich den Tod. 
Es ist sehr gesegnet für uns, wenn wir lernen, daß wir ohne 
Gott nichts tun können. Man muß im Gefühl der eigenen 
Schwachheit mit Demut umhüllt sein, denn sonst wird man 
vom Feind geschlagen. Bevor Josua den Gibeonitern zu Hilfe 
zog, befand er sich in Gilgal, der Stätte des Gerichts über das 
Fleisch; und er kämpfte siegreich. Danach kehrte er nach Gilgal 
zurück und konnte neue Siege davontragen. 
Wenn die Umstände günstig sind, kann ich sogar, ohne mich 
auf Gott zu stützen, ruhig sein; sind aber die Umstände stärker 
als ich, dann werde ich zornig und verbittert. Ist Gott mit mir, 
dann bin ich unter allen Umständen ruhig, weil Gott handelt; 
11 
es ist Glaube da. Im andern Fall aber wird man verbittert gegen 
diejenigen, die uns Böses tun. Mose zürnte über das Volk 
Gottes. In seinem Urteil über Israel hatte er redit, denn es war 
ein böses Volk; aber Mose konnte sich nicht bis zur Höhe der 
Gnade Gottes erheben. — Als der Herr Jesus vom Berge herabstieg und den Unglauben Seiner Jünger sah, sprach Er: „Bis 
wann soll ich bei euch sein? bis wann soll ich euch ertragen?" 
Aber Er fügt hinzu: „Bringet mir ihn her" (Mt 17, 17). Triftl 
Er eine Obereinkunft mit der Sünde? Gewiß nicht; aber die 
Gnade kennt keine Schranken. — Und wie verhielt es sich mit 
den Siebentausend zur Zeit des Elia? Dienten sie wirklich 
Gott? Keineswegs. Aber die Liebe Gottes war stark genug, 
und Seine Gnade mächtig genug, um sich über alles zu erheben. Wenn man einen Glauben hat, der alles überwinden 
kann, dann sieht und erkennt man viele Seelen: siebentausend 
waren es, von denen Elia nichts wußte. Wenn wir an unsere 
eigene Treue denken, dann sind wir von uns selbst erfüllt. Es 
ist eine traurige Erscheinung, wenn es so oft heißt: „Ich habe 
dieses, ich habe jenes getan!" Je mehr man sich diesem Geiste 
überläßt, desto mehr wünscht man sich den Tod; aber nur, 
um dem Kampf des Glaubens auszuweichen. Wenn man nicht 
den Tod wünscht, um beim Herrn zu sein, dann hat dieser 
Wunsch seinen Grund in der Trägheit. Paulus sagte jedoch: 
„Sei es, daß wir leben, wir leben dem Herrn; sei es daß wir 
sterben, wir sterben dem Herrn" (Rö 14, 8). Möge der Herr 
uns fähig machen, Seine Wahrheit zu verstehen! 
Elia sagte: „Ich bin nicht besser als meine Väter" (V. 4). Er 
hatte das Bewußtsein seiner Stellung verloren, in der Gott ihn 
segnen konnte. Welch eine Gnade erweist uns Gott, wenn Er 
uns in eine Lage bringt, in der Er uns gebrauchen kann! Und 
welch ein Verlust für uns, wenn wir sie verlassen! Ein Beispiel 
hierfür haben wir in der Geschichte des Barnabas, der sich von 
Paulus trennte, um nach Zypern zu gehen, und auch den Markus dorthin mitnahm (Apg 15, 39). Er hatte in Zypern Besitzungen gehabt (Apg 4, 36. 37), und Markus war sein Neffe 
(Kol 4, 10). Barnabas hatte gefehlt, und wir hören nichts weiter 
von ihm. Er blieb in seinen Verbindungen nach dem Fleische, 
und der Segen seiner Berufung als eines Arbeiters im Werke 
des Herrn ging für ihn verloren. Ohne Zweifel war er errettet, 
12 
aber wenn man es in der Offenbarung der Stellung, in der Gott 
uns haben will, an der Treue fehlen läßt, ist man für sich und 
andere nur eine Last. 
„Und er legte sich nieder und schlief ein unter dem Ginsterstrauch. Und siehe da, ein Engel rührte ihn an und sprach zu 
ihm: Stehe auf, iß! Und als er hinblickte, siehe, da lag zu 
seinen Häupten ein Kuchen, auf heißen Steinen gebacken, und 
ein Krug Wasser. Und er aß und trank und legte sich wieder 
hin" (1. Kö 19, 5. 6). — Wir sehen hier nicht mehr die übernatürliche Kraft, kraft derer Mose vierzig Tage lang bei Gott 
weilte, ohne zu essen. — Gott stärkte Seinen Diener Elia; Seine 
Güte beseitigt die Schwierigkeiten, und die rührende Weise, in 
der Gott dies tut, hätte in Elia ein Gefühl für diese Güte erwecken sollen. Aber dies war nicht der Fall: „Und er stand auf 
und aß und trank, und er ging in der Kraft dieser Speise vierzig 
Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes, den Horeb" 
(V. 8). 
Es ist wichtig zu bemerken, daß verhältnismäßig selten von 
den Königen in Juda erwähnt wird, daß sie richtig wandelten. 
Doch hatte Gott dem Hause Davids eine Leuchte bewahrt. Aber 
in Israel finden wir die Geschichte des Abfalls; und Elia, der 
sich inmitten all des Bösen befindet, ist ein Zeugnis von Seiten 
Gottes. In Jerusalem war alles in Ordnung. Dort waren der 
Tempel, die Bundeslade, die Priester, usw. Aber Wunder wurden dort nicht verrichtet. In Israel stand es anders; dort war 
ein Zeugnis, das nur von Gott abhing und das Er durch Wunder bestätigte. 
Elia sprach: „Die Kinder Israel haben . . . deine Altäre niedergerissen und deine Propheten mit dem Schwerte getötet; und 
ich allein bin übriggeblieben, und sie trachten danach, mir das 
Leben zu nehmen" (V. 10). Wenn der Herr Jesus sagt: „O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! .. . bis wann soll ich euch 
ertragen?" (Mt 17, 17), so war es der Unglaube der Jünger, der 
dem Zeugnis entgegenstand, und nicht das Böse, das sie umgab. Wegen des Bösen war der Herr in die Welt gekommen. 
Wenn dagegen Elia sagt: „Sie haben deine Altäre zerstört", 
so verrät dies nur die Schwäche seines Glaubens. Wenn aber 
dasjenige fehlt, wodurch das Zeugnis aufrechterhalten wird, 
dann ist in dieser Beziehung alles zu Ende. Elia wurde zum 
13 
Horeb geführt, und Jehova sprach zu ihm wie zu Adam: „Was 
tust du hier?" — Wenn wir bei Gott sind, ist es nicht nötig, 
daß Er diese Frage an uns stellt und uns zuruft: „Was tust du 
hier? Offenbare dein Herz!" — Wenn es sich darum handelt, 
das Herz des Menschen und nicht das Herz Gottes zu offenbaren, dann zeigt sich, daß das Böse, der Unglaube darin vorhanden ist. „Ich allein bin übriggeblieben!" (V. 10) Dieses 
unglückselige „Ich"! Elia denkt an sich selbst, und das ist nicht 
mehr das Zeugnis Gottes. In Rö 11, 2 sehen wir die Tragweite 
dieser traurigen Worte. Welch ein Unterschied zeigt sich hier 
zwischen Elia und dem Herzen des Apostels Paulus. Jener tritt 
vor Gott auf wider Israel, dieser tritt vor Gott für Israel. Wenn 
das Herz sich gegen den Unglauben empört, wenn es sich so 
sehr erbittert, daß es seine Unzufriedenheit vor Gott äußert, 
so ist das nicht mehr der Glaube. Wohl kann man dem Volk 
seinen Unglauben und die in Gott vorhandenen Hilfsmittel 
vor Augen stellen, nicht aber die Sünde des Volkes in einer 
Weise vor Gott bringen, wie es Elia in Vers 10 tut. Aber Gott 
spricht zu ihm: „Gehe hinaus und stelle dich auf den Berg vor 
Jehova! Und siehe, Jehova ging vorüber, und ein Wind, groß 
und stark, zerriß die Berge und zerschmetterte die Felsen vor 
Jehova her; Jehova war nicht in dem Winde" (V. in). Dies 
waren Zeugnisse Gottes, aber Gott war nicht darin. Es hätte 
Elia gefallen, wenn die Macht Gottes sich im Gericht geoffenbart hätte. Er ist durch Seine Langmut nicht befriedigt, und 
das finden wir im Fleische der hervorragendsten Kinder Gottes. 
Gott kann die Torheit zunichtemachen. Er kann dem Felsen 
gebieten, zu bersten. Aber in all diesem befindet Er Sich nicht. 
Er kann durch solche Mittel den Leichtsinn des Menschen beseitigen, aber das sanfte, stille Säuseln offenbart Ihn, Der 
nicht nötig hat, Sich solcher Mittel zu bedienen. „Was tust du 
hier?" — Elia weiß keine andere Antwort zu geben, als die wir 
bereits aus seinem Munde vernommen haben (V. 14). Es ist 
wirklich traurig, wenn alles, was man Gott zu sagen hat, 
sich auf das eigene Ich bezieht, selbst dann, wenn man treu 
gewesen ist. Jehova gebot ihm, seinen Rückweg anzutreten 
und Elisa an seiner Stelle zum Propheten zu salben. Mit dem 
Zeugnis des Elia war es also zu Ende. Elisa sowie Hasael und 
Jehu, die beiden Könige von Syrien und Israel, sollten fortan 
14 
Sein Werk ausführen. Gott konnte ein in gewisser Hinsicht 
mächtigeres Zeugnis einführen. Dazu braucht Er den Elia nicht 
mehr. Dieser war zum Horeb gekommen, aber nicht in dem 
Gefühl, daß Gott ihm nahe sei, um ihn zu stärken. Jehova 
sprach zu ihm: „Ich habe siebentausend in Israel übriggelassen, 
alle die Kniee, die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben" 
(V. 18). Gott und nicht ein Mensch bestimmte die Zeit der Ausführung Seiner Gerichte. Wenn einem das Bewußtsein der 
wirksamen Gnade Gottes fehlt, glaubt man sich allein, und 
Gott spricht: „Wenn du niemanden gefunden hast als dich 
und dein armes Herz, so habe Ich siebentausend gefunden." 
Dies war niederdrückend und beschämend für Elia, denn mit 
seinem Zeugnis war es für immer zu Ende, obwohl vielleicht 
mit Ausnahme Moses niemand sich als Diener so ausgezeichnet 
hat wie Elia. Er war wirklich ein Mann des Glaubens; sein 
leuchtendes Leben zeugt hiervon. 
So oft wir sagen: „Ich kann nicht mehr!" sind wir unglücklich. 
Dahin kommt es, wenn wir Gott nicht vor Augen haben. Gibt 
es irgend etwas, das Gott nicht tun könnte? Gewiß nicht. — Als 
die Jünger den Dämon nicht austreiben konnten, sagte Jesus: 
„Bringe deinen Sohn her!" — Als das Volk Israel in der Wüste 
murrte und Mose den Felsen schlug, anstatt gemäß dem Auftrage Gottes zu ihm zu reden, gab Gott dennoch Wasser. — 
Als Elia sich allein sah, kannte Gott noch siebentausend, die 
ihre Kniee nicht vor dem Baal gebeugt hatten. — Wir benötigen 
nichts anderes als das einfältige Bewußtsein der Worte, die 
Gott an Paulus richtete: „Meine Gnade genügt dir!" — Nicht 
das Bewußtsein eines errungenen Sieges bewahrt uns, sondern 
dasjenige unserer Schwachheit. „Wenn ich schwach bin, dann 
bin ich stark." — Wenn wir an uns und unsere Siege denken, 
dann liegen wir schon am Boden. Satan kann uns immer zu 
Fall bringen, wenn wir nicht in vollständiger Abhängigkeit von 
Gott und Seiner Macht sind. Diese Macht bewahrt uns vor 
allen Verstandesüberlegungen. Mag die Not groß oder klein 
sein, für Gott spielt das keine Rolle. In Schwierigkeiten und 
Versuchungen ist es das Wichtigste für uns, daß wir Gott 
schauen. Mose sah den Unsichtbaren (Hebr 11, 27). Was 
kümmert mich der Unglaube anderer, wenn ich sehe, daß Gott 
15 
mir zur Seite steht? Ich weiß um die Torheit derer, die Ihn 
nicht kennen, aber die Gnade ist da, die sie tragt. 
Wunderbare Langmut Dessen, mit Dem wir es zu tun haben! 
Wenn wir im Gefühl unserer eigenen Schwachheit, aber im 
Vertrauen auf Seine Kraft unseren Weg fortsetzen, dann werden wir, mit Gnade erfüllt, für das Zeugnis Seiner Liebe, Seiner 
Gnade und Seiner Güte bewahrt bleiben. 
(Aus dem Französischen) 
Der Antichrist 
Es ist zwar nicht sehr erbaulich, sich mit der Gesinnung und 
den bösen Werken des Antichristen zu beschäftigen, aber es 
ist das Wort Gottes, das uns Mitteilungen über ihn macht. Ich 
hoffe daher, daß es keineswegs ohne Nutzen für uns sein 
wird, wenn wir die Stellen der Schrift, in denen besonders von 
diesem „Menschen der Sünde" die Rede ist, etwas näher betrachten. 
„Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten örter vernichten; und er wird darauf sinnen, 
Zeiten und Gesetz zu ändern" (Dan 7, 25). — „Und Streitkräfte von ihm werden dastehen; und sie werden das Heiligtum, die Feste, entweihen, und werden das beständige Opfer 
abschaffen und den verwüstenden Greuel aufstellen. Und diejenigen, welche gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch 
Schmeicheleien zum Abfall verleiten . . . Und der König wird 
nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und 
groß machen über jeden Gott, und wider den Gott der Götter 
wird er Erstaunliches reden . . . Und auf den Gott seiner Väter 
wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Weiber 
noch auf irgendeinen Gott wird er achten; sondern er wird 
sich über alles erheben. . . . Den Gott, den seine Väter nicht 
gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und 
mit Edelsteinen und mit Kleinodien" (Dan 11, 31. 32. 36. 37). 
— „Laßt euch von niemandem auf irgendeine Weise verführen, 
denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, daß zuerst der Abfall komme und geoffenbart worden sei der Mensch der Sünde, 
16 
der Sohn des Verderbens, welcher widersteht und sich selbst 
erhöht über alles, was Gott heißt, oder ein Gegenstand der 
Verehrung ist, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und 
sich selbst darstellt, daß er Gott sei . . . Und dann wird der 
Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren 
wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die 
Erscheinung seiner Ankunft, ihn, dessen Ankunft nach der 
Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen 
und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen" (2. Thess 2, 3. 4. 8—10). — 
„Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen: und es 
hatte zwei Hörner gleich einem Lamme und redete wie ein 
Drache. Und die ganze Gewalt des ersten Tieres übt es vor 
ihm aus, und es macht, daß die Erde und die auf ihr wohnen 
das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde. Und 
es tut große Zeichen, daß es selbst Feuer vom Himmel auf die 
Erde herabkommen läßt vor den Menschen" (Offb 13, 11—13). 
Diese Stellen, denen man noch andere beifügen könnte, werden 
genügen, um durch das Wort Gottes die Überzeugung zu erlangen, daß es mit der Gottlosigkeit der Menschen je länger 
je ärger werden, und das Böse schließlich im Antichristen gipfeln wird. 
Wenn wir an Hand der angeführten Stellen den Antichristen 
betrachten, finden wir zunächst, daß er den Höchsten lästern 
und wider den Gott aller Götter greulich reden wird. Er wird 
sich über alles erheben und Gott gegenüber keine Schranke 
kennen. Aber in diesem Haß gegen Gott liegt gerade seine 
Anerkennung des Daseins Gottes. Ebenso ist es in unseren 
Tagen. Wenn die Menschen gegen Gott eifern, so beweisen sie 
gerade dadurch, daß sie an das Vorhandensein Dessen glauben, 
Den zu leugnen sie sich bemühen. Kein Gottloser eifert gegen 
den Gott Mohammeds oder die heidnischen Götzen, weil man 
weiß, daß diese nicht existieren. Der Antichrist aber wird 
seinen Haß gegen Gott in der schrecklichsten Weise offenbaren. 
Es ist für uns fast unbegreiflich, daß ein Mensch, der ein Gewissen hat, imstande ist, Abscheuliches gegen Gott zu reden 
und Ihn zu lästern. Man sollte meinen, es müsse noch ein 
Gefühl in der Seele sein, das sich gegen diesen höchsten Aus17 
druck der Gottlosigkeit sträubte. Aber wozu ist der gefallene 
Mensch nicht fähig, und besonders in jener Zeit, wenn der 
Geist und die Braut die Erde verlassen haben wird, und diese 
Erde dann der Schauplatz des Wirkens Satans darum in einer 
so außerordentlichen Weise werden wird, weil Satan, aus dem 
Himmel geworfen, weiß, daß er nicht viel Zeit hat und weil 
alle, die verloren gehen, von Gott vollständig der Lüge, dem 
Betrug und der Wirksamkeit Satans preisgegeben sind! 
Sicher gibt es jetzt schon viel Böses auf der Erde, aber Gott 
hält seinen völligen Ausbruch noch zurück. Wenn Er aber die 
Bösen völlig dem Satan überläßt, dann wird die gewaltige Flut 
der Gottlosigkeit jeden hemmenden Damm durchbrechen und 
in gar keinem Vergleich zu dem stehen, was sich in unseren 
Tagen vor unseren Augen ereignet. 
Mit seinem Haß gegen Gott ist der Antichrist naturgemäß 
auch gegen diejenigen, die Gott angehören. So lesen wir, daß 
er die Heiligen der höchsten örte r vernichten wird. Wie könnte 
er auch jemand dulden, der ein Zeugnis für Gott ist? Welche 
Trübsale wird er den Gläubigen jener Tage verursachen! Doch 
der Herr sei dafür gepriesen. Er wird auch ihre Hilfe, ihre Zufluchtsstätte sein, und alles, was sie zu erdulden haben, wird 
Er zu ihrem Guten mitwirken lassen*). Es ist die Absicht des 
Antichristen, Gott zu beseitigen und auf dieser Erde jedes 
Zeugnis Gottes zu vernichten. Welch ein Vorrecht, daß wir in 
jenen Schreckenstagen nicht auf der Erde sein werden, sondern 
im Vaterhaus Gottes ungestörte Ruhe genießen! Es ist der 
wohlgefällige Wille des Herrn, daß wir bewahrt werden sollen 
vor der Stunde der Versuchung, welche über den Erdkreis 
kommen wird. Wir werden nicht nur den kommenden Leiden 
und Drangsalen entrückt und in Sicherheit sein, sondern wir 
werden auch nicht Zeugen der Lästerungen sein, die der 
„Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens" gegen den 
Höchsten, Den wir unseren Gott und Vater nennen, ausstoßen 
wird. 
*) Es ist wohl kaum nötig zu bemerken, daß die Heiligen jener Tage nicht der 
Kirche angehören, sondern hauptsächlich jüdische Gläubige sind, die sich nach 
der Aufnahme der Kirche auf der Erde befinden und die Gerichte durchmachen 
müssen. 
18 
„Er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetze zu ändern." Jede 
Erinnerung an die Anordnungen und Einrichtungen Gottes 
dienen dem Antichristen zum Anstoß und zum Ärgernis. Die 
seit Tausenden von Jahren beobachtete Vorschrift der Feier des 
siebenten Tages muß beseitigt werden. Er wird Gesetze vorschreiben, die nicht von Gott gegeben sind und die sogar den 
Gesetzen der bürgerlichen Gesellschaft widersprechen, und 
in allen seinen Einrichtungen und Neuerungen wird er nirgends 
auch nur die Nennung des Namens Gottes gestatten. 
Auch Jerusalem, jene Stadt, in deren Toren die Füße Jesu 
standen, wird der Antichrist betreten. Er wird sich mit einer 
Kriegsmacht umgeben, um seine gottlosen Pläne auszuführen, 
und mit ihr wird er das Heiligtum entweihen. Die Juden werden zu jener Zeit ihren Tempel wieder aufgerichtet haben und 
ihre Opfer bringen, aber der Böse wird bei seinem Erscheinen 
diese Opfer nicht mehr dulden. Er wird — wer weiß, durch 
welche teuflischen Mittel — den Ort der Anbetung und der 
Opfer entweihen, das Opfer abschaffen und an dessen Stelle 
den Greuel der Verwüstung setzen. Jerusalem, die Stadt, von 
der Gott gesagt hat, daß sie Seine höchste Wonne sein sollte, 
wird dann zu einer Stätte werden, von der Gott mit dem tiefsten Mißfallen Seines Herzens den Blick abwendet. An keinem 
Ort auf dieser Erde hat der Mensch das Maß seiner Sünden so 
voll gemacht wie in Jerusalem. Nicht nur wurde der Herr der 
Herrlichkeit dort gekreuzigt, nein, auch der Name Gottes muß 
dort gelästert, und wenn möglich, ausgerottet werden. 
Aus dem Wort des Herrn, daß Er gekommen sei in Seines 
Vaters Namen, ohne Aufnahme zu finden, daß aber ein anderer (der Antichrist) in seinem eigenen Namen kommen und 
Aufnahme finden werde, geht augenscheinlich hervor, daß der 
Antichrist ein Jude sein, aber nicht den Gott seiner Väter 
achten wird. Ehrfurcht vor den Vätern, die an Gott glaubten, 
kennt er nicht; die Segnungen Gottes für Israel von alters her 
verachtet er. Sein Herz kennt nur ein Ziel: Gott völlig zu beseitigen, so daß wenn möglich, kein Mensch auf der Erde mehr 
den Namen Gottes nennen möchte, und er hat nur einen 
Dienst: den Dienst des Lügners. Wenn wir die Mühe und 
Arbeit dieses Bösen, seinen Eifer und seine Tätigkeit sehen, 
werden wir auf beschämende Weise belehrt, daß der Mensch 
19 
für das Böse weit mehr Anstrengungen macht, als wir, die 
Kinder Gottes, für das Gute. 
Paulus nennt den Antichristen den „Menschen der Sünde". 
Wir alle sind Sünder von Natur, und sowohl die Heilige Schrift 
als auch die Weltgeschichte zeigen uns Menschen, die sich dadurch hervortaten und auszeichneten, daß sie besonders böse 
waren. Aber hier wird uns jemand vor Augen gestellt, der in 
ganz besonderer Weise der „Mensch der Sünde" bezeichnet 
wird. Es ist der Lebenszweck des Antichristen, Sünde zu tun, 
und nicht nur Sünde im allgemeinen, sondern sogar die Sünde, 
Gott zu beseitigen, gegen Gott in einer Weise zu freveln, die 
solange die Erde steht, nicht ihresgleichen hat. — Auch kommt 
er als der „Sohn des Verderbens", um die Werke seines Vaters, 
des Lügners und des Mörders von Anfang, auszuüben; und die 
Menschen folgen den finsteren Wegen dieses Verwüsters. Einst 
ist Einer zu ihnen gekommen. Der die Liebe war und Errettung 
bringen wollte, aber sie haben Ihn nicht aufgenommen. Später 
wird einer kommen, der sie verderben will, und ihn werden sie 
aufnehmen. Weil sie der Wahrheit nicht geglaubt haben, werden sie dahingegeben, der Lüge zu glauben. Ach, wie tief ist 
der Mensch gesunken! Er verwirft die Wahrheit und glaubt der 
Lüge; er verwirft das Licht und liebt die Finsternis, weil seine 
Werke böse sind. 
Aber es genügt dem Antichristen nicht, Gott beiseite zu setzen 
und die Menschen zu verderben, sondern er nimmt auch den 
Platz Gottes ein, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und 
sich darstellt, als sei er Gott. Welche wunderbare Langmut 
offenbart Gott doch darin, daß Er so lange mit dem Gericht 
zögert, bis der Antichrist den Gipfel der Sünde erreicht hat! 
Der Hochmut des „Menschen der Sünde" kann keinen höheren 
Platz einnehmen, als sich an die Stelle Gottes zu setzen. Dabei 
läßt Gott noch zu, daß der Teufel den Rebellen unterstützt, um 
diesen Platz zu behaupten. Satan treibt sein Spiel mit den 
Menschen, die verloren gehen, in einer noch nicht dagewesenen 
Weise, und er wirkt durch den Antichristen in aller Macht, in 
Zeichen und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit, so daß der Antichrist wie Elia Feuer vom Himmel 
vor den Menschen herabkommen läßt, als ob er Verbindung 
zum Himmel habe. 
20 
In der oben angeführten Stelle aus der Offenbarung des Jo 
hannes sehen wir den Antichristen auch in der Gestalt und dem 
Charakter des Lammes auftreten, ein Beweis, daß ihm jedes 
Mittel und jede Täuschung willkommen ist, wenn er nur 
seinen Platz behaupten und die Menschen verderben kann. 
Doch schließlich erreicht die Langmut Gottes bezüglich dieses 
„Menschen der Sünde" ihr Ende. Paulus sagt uns, daß ihn „der 
Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes 
und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft". Wie 
viele werden bis zu diesem Ende die Größe und Macht des 
Antichristen angestaunt haben, welch eine Menge von Huldigungen wird man einem solchen Wundertäter gebracht haben! 
Sicher wird die Höhe, auf die er sich, um große Dinge zu tun, 
ohne Gott emporgeschwungen hat, staunenswert sein, aber in 
dem Augenblick, da er sich selbst verherrlicht und den höchsten 
Platz eingenommen hat, erscheint Christus. Die Erscheinung 
Seiner Ankunft genügt völlig, um den Menschen der Sünde zu 
vernichten; ein Hauch des Mundes Christi verzehrt ihn. 
Wie wunderbar verändert wird in diesem Augenblick dann 
plötzlich der Zustand auf der ganzen Erde sein! Solange ging 
alles Streben der Menschen dahin, sich selbst zu erhöhen und 
Gott auszuschließen. Aber welch ein Entsetzen wird die Menschen dann erfassen, wenn sie Ihn, Den sie beseitigt glaubten, 
als den Richter der ganzen Erde erscheinen sehen! Wie ein 
Spinnengewebe wird sich dann alles erweisen, was die Menschen sind und was sie tun können gegen die Macht Dessen, 
Dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist. 
Und Gott sei gepriesen, daß dann der Hochmut des Menschen 
ein Ende findet, und daß Er, Der auf dieser Erde so erniedrigt 
war, daß man sein Angesicht vor Ihm verbarg, so sehr erhöht 
sein wird, daß jedes Knie sich vor Ihm beugt und jede Zunge 
Ihn als Herrn bekennt! Wir aber, geliebte Brüder, werden 
Zeugen dieser Szene sein (2. Thess 1, 10), wenn wir mit dem 
Herrn vom Himmel zurückkehren. Welch ein glücklicher Augenblick wird dann für ein Herz, das Jesus liebt, anbrechen, 
wenn unser Auge Ihn vor der ganzen Welt verherrlicht sieht! 
Jetzt bewundern wir Seine Geduld, mit der Er das Gericht aufschiebt, denn gerade dieser Langmut Gottes haben wir es zu 
verdanken, daß wir zu der Zahl der Erlösten gehören. Wäre 
21 
Er früher gekommen, und hätte Er uns als Sünder gefunden, 
was wäre unser Los gewesen? — Aber jetzt harren wir Seiner 
Wiederkunft entgegen, wenn Er uns in das Haus des Vaters 
führen wird, um Seine Ruhe zu genießen; und dann werden 
wir mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit. 
Möchten wir es doch jetzt verstehen, uns von einer Welt getrennt zu halten, die nicht nur unseren Herrn Jesus Christus 
gekreuzigt hat, sondern die auch einem Menschen huldigen wird, 
der sich anmaßt, Gott zu beseitigen und Seinen Platz einzunehmen. Je mehr man versteht, was diese blinde Welt ist, je 
mehr man ihren Haß gegen Gott und ihr Streben, ohne Gott in 
dieser Welt zu sein, und endlich ihren Hochmut, den höchsten 
Platz einzunehmen, erkannt hat, desto deutlicher wird der Unterschied zwischen den Kindern dieser Welt und uns, den Kindern Gottes. Wir dürfen jetzt schon Gott kennen, und sind berufen, Ihn zu lieben, Ihn durch einen treuen, demütigen Wandel zu ehren und den Augenblick herbeizuwünschen, in dem der 
Herr kommen wird, um uns aus einer so bösen Welt herauszunehmen und uns zu einer Stätte zu führen, wo unser Ohr nicht 
mehr die Stimme derer, die Gott hassen, hört, und unser Auge 
nicht mehr die Werke derer sieht, die Gott entfremdet in Hochmut, Verblendung und Sünde einhergehen. Hier seufzen wir inmitten der gefallenen Schöpfung, dort aber werden wir frohlocken inmitten der herrlichsten Segnungen. Der Name des 
Herrn sei ewig dafür gepriesen! 
Der Anbeter und der Arbeiter 
Nichts ist schädlicher für die Seele, als eine Verwechslung der 
Wahrheiten des Wortes Gottes. Die Seele kommt dadurch in 
Verwirrung und gerät dann in Gefahr, auf Abwege zu geraten. 
So kommen z. B. in 2. Tim 2 Ausdrücke vor, die nur auf solche 
angewendet werden dürfen, die bereits aus dem Tode ins 
Leben hinübergegangen sind. Es ist dort von einem „Arbeiter", 
von einem „guten Kriegsmann" und von einem „geheiligten 
Gefäß" die Rede. Wenn man diese Ausdrücke auf eine Seele 
anwenden wollte, die noch keine Ruhe im Opfer des Kreuzes 
22 
gefunden hat, würde man sicher in hoffnungslose Verwirrung 
kommen. Eine solche Seele verlangt nach Ruhe; sie seufzt unter 
der Last ihrer Sünden. Wie töricht würde es nun sein, wenn 
man ihr die Pflichten des Gläubigen vorhalten würde, anstatt 
sie zu Jesus zu führen. Ein solches Vorgehen würde ihre Last 
noch vermehren, und das schon lange nach Frieden dürstende 
Herz würde zu Boden gedrückt und in hoffnungslose Traurigkeit gestürzt werden. Alles dies wäre das Resultat einer Verwechslung von Ursache und Folge. Wie könnte jemand ein 
Arbeiter sein, ehe er ein Anbeter geworden ist! 
Es ist wichtig, daß man diese beiden Dinge gut von einander 
unterscheidet. Man kann unmöglich einen wahren, unveränderlichen Frieden genießen oder Gott in Geist und Wahrheit anbeten, solange das Gewissen nicht durch das Blut 
des Kreuzes gereinigt ist. Bevor wir frei atmen, in Frieden 
wandeln und Gott innerhalb des Vorhangs anbeten können, 
müssen wir das Bewußtsein haben, daß nicht nur allen Forderungen unseres Gewissens, sondern auch allen Forderungen 
der Gerechtigkeit Gottes völlig Genüge geschehen ist. Und wie 
können wir das wissen? Allein durch den Glauben an das auf 
Golgatha am Kreuz vollbrachte Werk. Von uns selbst ist nichts 
Gutes zu erwarten. Man mag noch so große Anstrengungen 
machen, um Gott zu dienen und Seinen Namen zu verherrlichen, — man wird sich immer getäuscht sehen. 
Wie könnten wir nun für Gott arbeiten, ehe wir in Seine Gemeinschaft gebracht sind? In diese Gemeinschaft können wir 
auch nur durch Jesus gebracht werden. Gott kann die Sünde 
nicht sehen, und darum kann Er uns nicht in Seiner Gegenwart 
dulden, solange wir nicht von allen Sünden gereinigt sind. Nur 
durch das einmal vollbrachte Opfer Jesu können unsere Sünden weggenommen werden. Unser erstes Bedürfnis ist, Anteil 
zu haben an dem Opfer des Kreuzes. Und wer hat teil daran? 
Jeder, der an den Sohn Gottes glaubt. Wer sich als armer, verlorener Sünder dem Herrn übergibt und ganz und gar sein 
Vertrauen darauf setzt, was Er vollbracht hat, der hat Frieden 
mit Gott und Freimütigkeit, um zu Gott zu gehen. 
Geliebter Leser, hast du diesen Frieden gefunden? Wenn nicht, 
dann richte Deine Blicke von dir selbst weg und suche nicht 
länger deine eigene Gerechtigkeit, sondern richte deinen Blick 
23 
unverwandt auf das, was Jesus für Sünder getan hat! Vertraue 
dich dem Herrn an. Du mußt aus Gnaden errettet werden. Der 
Grund unseres Friedens darf nicht unser Gefühl oder die 
Veränderung unseres Zustandes sein, sondern das, was Gott 
in Christus für uns getan hat. Wenn wir darauf allein vertrauen, dann hat unser Herz Ruhe und Frieden. Dann können 
wir als gereinigte und glückselige Anbeter in der Gegenwart 
Gottes erscheinen und uns der süßen Gemeinschaft mit Ihm 
erfreuen. 
Erst von dem Augenblick an, da du ein „Anbeter" geworden 
bist, kannst du ein „Arbeiter" des Herrn werden, der berufen 
ist, sich zu reinigen, um ein Gefäß zur Ehre zu sein, „geheiligt, 
nützlich dem Hausherrn, zujedem guten Werk bereitet" (V. 21). 
Ein Arbeiter sein zu wollen, bevor man ein Anbeter geworden 
ist, hieße die Ordnung der Dinge umkehren. In diesem Fall 
genießt man weder die Glückseligkeit des einen, noch die Segnung des anderen. Man muß jedem Ding den Platz lassen, den 
Gott ihm angewiesen hat. Erst nachdem der Aussätzige rein 
erklärt worden war, begann er seine Kleider zu waschen (3. Mo 
14, 7. 8). Hätte er dies früher tun wollen, dann hätte er, anstatt 
sich selber zu reinigen, das Wasser verunreinigt. 
„Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so laßt uns 
uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des 
Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht 
Gottes" (2. Kor 7, 1). In dieser Stelle wird uns das wahre 
Mittel gezeigt, urn ein guter Arbeiter, ein geheiligtes Gefäß, ein 
nützlicher Knecht zu sein. „Wenn sich nun jemand von diesen 
reinigt", sagt Paulus zu seinem geliebten Timotheus im Blick 
auf die Gefäße zur Unehre in dem großen Hause, „so wird 
er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn", 
ein Werkzeug, das „zu jedem guten Werke", das der Herr ihm 
zu tun aufträgt, „bereitet" ist (V. 21). Gereinigt zu sein durch 
das Blut Jesu ist die erste Notwendigkeit, mich zu reinigen von 
aller mich befleckenden Ungerechtigkeit durch die Kraft des 
göttlichen Lebens ist eine zweite Sache. Beides darf nicht miteinander vermengt werden, denn jedes hat seinen bestimmten 
Platz. Sobald man diese Dinge miteinander vermischt, vernichtet man das Wesen des Christentums und beraubt die 
Seelen ihres Friedens. 
24 
Der Christ ist zu einem fortdauernden, ununterbrochenen 
Kampf berufen. Dieser Kampf nimmt seinen Anfang in dem 
Augenblick, da die Seele Ruhe und Frieden in Jesus findet. 
Wenn die Verkündigung des auf Golgatha errungenen Sieges 
deutlich und verständlich in das Herz eindringt und jede Frage 
göttlich beantwortet ist, dann beginnen die Kämpfe. Für den 
natürlichen Verstand mag eine solche Behauptung unverständlich sein. Nur der Glaube begreift sie. Ich muß das Bewußtsein 
haben, daß Sünde, Tod und Teufel, diese unerbittlichen Feinde 
des Menschen, durch den Tod Christi für mich überwunden 
sind, ehe ich die Waffe gegen sie erheben kann. Der Christ ist 
zugleich ein Überwinder und ein Streiter. Er setzt seinen Fuß 
auf den unerschütterlichen und „festen Grund Gottes", der 
durch keine Macht der Welt oder der Hölle ins Wanken gebracht werden kann, und dann, im Genuß des Friedens, den 
dieser feste Grund ihm schenkt, und nicht im Geist der Knechtschaft oder in Furcht und Zweifel, „steht er ab von der Ungerechtigkeit" (V. 19). Warum aber steht er von der Ungerechtigkeit ab? warum reinigt er sich selbst? — Etwa darum, um ein 
Anbeter zu werden? Keineswegs. Er muß bereits ein Anbeter 
sein, bevor der Streit beginnt. Warum denn?Um ein gereinigter 
Arbeiter, ein geheiligtes Gefäß, ein nützliches Werkzeug zu 
sein, damit er dem Hausherrn behilflich ist, Seine Segnungen 
anderen zuführen zu können. 
Lieber teurer Leser, der du die Wirklichkeit eines gereinigten 
Gewissens gekostet hast, rufst du den Herrn an „aus reinem 
Herzen"? Kämpfst du mit Aufrichtigkeit, die „jugendlichen 
Lüste zu fliehen", und nach „Gerechtigkeit, Glauben, Liebe 
und Frieden zu streben mit denen, die den Herrn anrufen aus 
reinem Herzen" (V. 22)? 
Du bist vielleicht geneigt zu antworten: „Ich sehe um mich 
her solch eine hoffnungslose Verwirrung und solch eine beklagenswerte Zersplitterung, daß ich wirklich nicht weiß, mit 
wem ich mich vereinigen, oder wo ich einen Pfad für meinen 
Fuß finden soll." — Das mag wahr sein, aber bedenke, daß, 
wenn die bekennende Kirche noch mehr zerstückelt wäre als 
sie es bereits ist, und wenn die allgemeine Verwirrung sich wie 
eine verwüstende Flut über die ganze Christenheit verbreitete, 
jeder Christ dennoch verpflichtet wäre, von der Ungerechtigkeit abzustehen, sobald er sie erkennt. Der Christ ist berufen, 
25 
sich allezeit zu reinigen von den Gefäßen der Unehre. In dem 
Maße wie er treu ist, sich absondert und reinigt, wird er ein 
nützliches Gefäß für den Hausherrn (V. 20, 21). 
Wo du dich auch befinden magst, lieber gläubiger Leser, überall wirst du zu diesem ernsten Kampf, zu diesem edlen Werk 
berufen. Der Herr will, daß du, gereinigt durch Sein Blut, ein 
treuer Dienstknecht bist, von aller Ungerechtigkeit abstehst 
und dich von den Gefäßen zur Unehre reinigst. Wie erwiderst 
du diesen Mahnruf? Trachtest du nach einer engeren Gemeinschaft mit Gott und nach einer größeren Gleichförmigkeit mit 
Jesus? Fühlst du dich nicht höchst unangenehm berührt bei 
dem Anblick des kalten und leblosen Bekenntnisses unserer 
Tage und beim Anschauen des kraftlosen Formenwesens, das 
mehr und mehr sich geltend macht? — Nun, der Herr zeigt dir 
den Weg. Du bist ein Anbeter, aber du bist auch ein Arbeiter, 
ein Knecht Jesu Christi. Tue das was Er so gern sieht. Rufe 
den Herrn an um ein reines Herz. Reinige dich von den Gefäßen zur Unehre. „Strebe . . . nach Gerechtigkeit, Glauben, 
Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem 
Herzen." — 
Trost in der Wüste 
Es heult der Sturm, und es treiben die Wellen, 
es dröhnt das Schifflein, als woll't es zerschellen; 
doch siehe! am Steuer mit mächtiger Hand 
sitzt Jesus und führt das Schifflein ans Land. 
Es schreitet der Pilger mit wankendem Schritt, 
es zeigt die Gefahr sich bei jeglichem Tritt; 
doch siehe! der Heiland, Er schreitet voran, 
tritt nieder die Dornen, macht eben die Bahn. 
Es stöhnt der Kämpfer auf mühsamen Wegen, 
es stürzt sich der Feind voller Wut ihm entgegen; 
doch siehe! der Sieger, der göttliche Held, 
hat völlig am Kreuze zur Schau ihn gestellt. 
Es dringen die Seufzer aus blutendem Herzen, 
es fließen die Tränen als Zeugen der Schmerzen; 
doch siehe! das freundliche Auge des Herrn 
schaut mitleidsvoll nieder, Er tröstet so gern. 
26 
Die beiden Ehemänner 
in Römer 7 
Dieses Kapitel kann als die Grundlage des apostolischen Beweises für die Rechtfertigung und das Fruchttragen betrachtet 
werden, und nichts könnte zeitgemäßer sein als eine Erläuterung des Bildes der beiden Ehemänner. Daß der inspirierte 
Beweis unwiderlegbar ist, brauche ich kaum hinzuzufügen. 
Es ist bedeutungsvoll, daß wir auf die wenigen in Klammern 
gesetzten Worte: „Denn ich rede zu denen, die Gesetz kennen" 
(V. 1) achten. Hier zeigt sich, daß der Apostel sich in diesem 
Kapitel insbesondere an die Gläubigen aus dem Judentum 
wandte. „Wisset ihr nicht, Brüder, . . . daß das Gesetz über 
den Menschen herrscht, so lange er lebt? Denn das verheiratete 
Weib ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er 
lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht 
von dem Gesetz des Mannes. So wird sie denn, während der 
Mann lebt, eine Ehebrecherin geheißen, wenn sie eines anderen 
Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei 
von dem Gesetz, so daß sie nicht eine Ehebrecherin ist, wenn 
sie eines anderen Mannes wird. Also seid auch ihr, meine 
Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, auf daß wir Gott Frucht brächten. Denn als wir im 
Fleische waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die 
durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tode 
Frucht zu bringen. Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten 
wurden, so daß wir dienen in dem Neuen des Geistes und nicht 
in dem Alten des Buchstabens" (V. x—6). — Hier haben wir 
also die beiden „Ehemänner". Mit dem alten Ehemann, dem 
Gesetz, waren die Juden verbunden, während der Christ mit 
dem neuen Manne, dem auferstandenen Christus, in eine eheliche Verbindung getreten ist. Und wie eine Frau nicht gesetzmäßig zu gleicher Zeit mit zwei Ehemännern verheiratet sein 
kann, so ist auch, wie hier gezeigt wird, eine gleichzeitige Verbindung des Gläubigen mit Christus und dem Gesetz eine 
Unmöglichkeit. 
27 
In den Versen 5 und 7—24 gibt der Apostel eine Beschreibung 
des Eheverhältnisses mit dem alten Ehemann. Stellen wir uns 
nun ein Ehepaar vor, dessen Gesinnung einander so vollkommen entgegengesetzt sind, daß die arme Frau, je mehr sie versucht, ihr Möglichstes zu tun, desto mehr Scheltworte und 
Schläge empfängt, bis schließlich ihr Leben so elend wird, daß 
sie sich aus diesem jammervollen Streit heraussehnt, — dann 
haben wir ein treues Bild des elenden Zustandes derer, die mit 
dem Gesetz verbunden waren, vor uns. Damit soll jedoch nicht 
gesagt werden, daß das Gesetz ein so schlechter Ehemann gewesen sei; o nein, es war „heilig und gerecht und gut". Aber 
die Natur des Menschen war so vollständig verdorben, so vollkommen fleischlich, unter die Sünde verkauft. Das hatten Paulus und die jüdischen Gläubigen erfahren, als sie im Fleische, 
unter dem Gesetz waren. „Denn als wir im Fleische waren, 
wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz 
sind, in unseren Gliedern, um dem Tode Frucht zu bringen" 
(V. 5). Kein Ehepaar in dieser Welt hätte je gegensätzlichere 
Gesinnungen haben können als in der menschlichen Natur und 
dem heiligen Gesetz Gottes gefunden werden. Der Apostel 
beschreibt diesen Zustand des Menschen im Fleische und verbunden mit jenem alten Ehemann, dem Gesetz, folgendermaßen: „Denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist, ich aber 
bin fleischlich, unter die Sünde verkauft; denn was ich vollbringe erkenne ich nicht: denn nicht was ich will, das tue ich, 
sondern was ich hasse, das übe ich aus" (V. 34, J5). So mächtig 
ist die in ihm wohnende Sünde, daß, obwohl er dem Gesetz 
völlig beistimmt, daß es gut sei, und ernstlich das Rechte zu 
tun begehrt, er doch keine Kraft dazu hat. „Das Vollbringen 
dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn das Gute, das ich 
will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, 
dieses tue ich" (V. 18. 19). Er findet, daß Sünde in ihm wohnt, 
ja sogar, daß ihre Kraft als ein festes Gesetz in seiner Natur 
besteht. „Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Rechte 
ausüben will, daß das Böse bei mir vorhanden ist" (V. 21). Er 
ist eine lebendige Seele und ist vielleicht sich auch der Kindschaft 
bewußt, aber er steht unter dem Gesetz, und obwohl der innere 
Mensch das Gesetz halten möchte, ist doch die sündige Natur 
viel zu stark. Daher der Ausdruck des tiefen Elends: „Denn ich 
habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren 
28 
Menschen; aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in 
Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist" (V. 22 .23). 
Dies ist also das Bild, das der Apostel von dem Eheleben mit 
dem alten Manne entwirft. Wie eine arme Frau, die sich lange 
vergeblich abgemüht hat, ihrem Mann zu gefallen und endlich, 
anstatt sich nach Hilfsmitteln umzusehen, um seine Gunst zu 
erlangen, den Schrei ausstößt: „O ich elende Frau! wer wird 
mich erlösen?" — ebenso fleht auch der unter dem Gesetz 
Lebende nicht um Hilfe, um dem alten Ehemann zu gefallen, 
sondern er ruft: „Ich elender Mensch! wer wird mich retten von 
diesem Leibe des Todes?" — Der folgende Vers führt den neuen 
Ehemann ein: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, unseren 
Herrn" (V. 25)! Wir werden nun den Ehestand mit dem neuen 
Mann ebenso gesegnet finden, wie jener unter dem alten 
elend und beklagenswert war. In Kapitel 8 wird dieses gesegnete Verhältnis besonders durch zwei Dinge gekennzeichnet. 
Verbunden mit Christus gibt es weder eine Verdammnis (V. 1) 
noch eine Scheidung (V. 35—39). Kehren wir daher zu der 
Untersuchung zurück, wie diese Verbindung zustande kam. 
Der Apostel stellt hier bei denen, die unter dem alten Ehemann 
gewesen waren, seine Untersuchungen an; und wenn wir die 
heiligen Aussprüche Gottes sorgfältig prüfen, werden wir finden, daß die Israeliten 1500 Jahre lang unter dem Gesetz — 
oder mit dem alten Ehemann verbunden — waren. Es ist höchst 
befremdend, daß es viele Christen gibt, die es nicht beachten, 
daß das Gesetz während eines Zeitraums von 2300 Jahren — 
die Jahre von Adam bis auf Mose — gar nicht existierte. Wäre 
nicht überhaupt eine Untersuchung der Heiligen Schrift in 
bezug auf die Richtigkeit dieser Dinge weit besser als jedes aufgeregte Hin- und Herreden? Wurde nicht Adam durch ein gegebenes Gesetz geprüft als er im Zustand der Unschuld war? 
Fiel er nicht durch Übertretung? Fiel nicht auch sein ganze 
Nachkommenschaft in ihm, so daß der Tod zu allen Menschen 
durchgedrungen ist? „Darum, gleichwie durch einen Menschen 
die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde der 
Tod, und also derTod zu allen Menschen durchgedrungen ist... " 
(Röm 5, 12). Es ist ganz klar, daß das ganze Menschenge29 
schlecht auf diese Weise unter die Sünde und den Tod gebracht 
worden ist. Kann nun aber der Leser auch nur eine einzige 
Schriftstelle anführen, um zu beweisen, daß während des ganzen Zeitraums zwischen dem Fall Adams und der Gesetzgebung 
auf dem Berge Sinai — eine Zeit von 2500 Jahren — ein Gesetz 
oder eine Übertretung vorhanden war? „Denn . . . wo kein 
Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung" (Röm 4, 15). Von 
Adam bis auf Mose gab es kein Gesetz, und deshalb konnte es 
keine Übertretung geben. Aber einige, die weder die Heilige 
Schrift noch den Unterschied zwischen Sünde und Übertretung 
kennen, ziehen hieraus den Schluß, daß, wenn kein Gesetz ist, 
auch keine Sünde und folglich keine Notwendigkeit des Versöhnungstodes Christi da sei. Aber die Heilige Schrift 
sagt ausdrücklich, daß, obwohl keine Übertretung da war 
(Röm 5, 13. 14), weil das Gesetz noch nicht existierte, dennoch 
die Sünde da war. „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, 
werden auch ohne Gesetz verloren gehen" (Röm 2, 12). Diese 
und viele andere Schriftstellen beweisen unwiderlegbar, daß 
das Gesetz nicht allen Menschen gegeben wurde, denn wie 
hätte sonst jemand ohne Gesetz sündigen können? Wo sind 
die „Nationen, die kein Gesetz haben" (Röm 2, 14), wenn das 
Gesetz allen Menschen gegeben worden ist, und alle sich unter 
dem Gesetz befinden, wie etliche lehren? Es ist außerordentlich 
wichtig, über diesen Punkt klar zu sehen. Stellen wir uns einen 
Lehrer mit einer Anzahl zügelloser Kinder vor. Er kennt die 
Widersetzlichkeit und Feindseligkeit seiner Schüler sehr gut, 
hat aber bisher noch kein bestimmtes Verbot (Gesetz) gegeben. 
Eines Tages nun verbietet er ausdrücklich, die Wände zu bekritzeln. Es mag sich vorher schon allerlei Gekritzel an der 
Wand befunden haben, aber ich bin sicher (wenn ich die 
menschliche Natur auch nur annähernd kenne), daß, sobald der 
Lehrer den Rücken wendet, dort zehnmal mehr gekritzelt wird 
als vorher. Die Sünde, an die Wände zu schmieren, war schon 
vorher da; aber jetzt, nachdem das Verbot gegeben worden ist, 
wird die Sünde zur Übertretung. Das Gewissen wird den Kindern schon oft gesagt haben, daß es Unrecht sei, die Wand zu 
beschmieren, aber nach dem Verbot vermehren sich die Kritzeleien, und das ist Übertretung. Zu diesem gleichen Zweck kam 
„das Gesetz . . . daneben ein, auf daß die Übertretung überströmend würde" (Röm 5, 20). „Es wurde der Übertretungen 
30 
wegen hinzugefügt, (bis der Same käme . . .) " (Gal 3, 19). Man 
möge den Zusammenhang, in dem diese Stelle steht, sorgfältig 
prüfen. Ich glaube kaum, daß irgendeine Wahrheit in der Schrift 
klarer dargestellt ist als diese, daß es weder Gesetz noch Gesetzesübertretung gab, bis Gott ein einziges Volk unter das 
Gesetz stellte, und zwar zu dem besonderen Zweck, die sündige 
Natur des Menschen in offenbarer Übertretung zu beweisen, 
„auf daß jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem 
Gericht Gottes verfallen sei" (Röm 3, ig). Auf diese Weise 
war das Bedürfnis des Menschen nach jener großen und wunderbaren Gabe des Erlösers Jesus Christus, unseres Herrn, 
völlig erwiesen. 
Es ist erstaunlich, welche Unwissenheit in bezug auf diese 
Wahrheit herrscht. Vor einigen Tagen stellte ich einem Bruder 
in Jesu die Frage, ob er für die von ihm verfochtene Meinung, 
daß alle Menschen unter dem Gesetz seien, irgendeinen Grund 
anführen könne. Die Antwort war: „Weil wir alle Kinder 
Moses sind." Ich muß gestehen, daß ich über diesen angeführten Grund einigermaßen erschrocken war, aber ich weiß nicht, 
ob ich je einen besseren hörte. „Was wollen Sie damit sagen, 
daß wir alle Kinder Moses sind?" forschte ich weiter. „Nun, 
haben wir denn nicht alle die Religion Moses?" war seine Erwiderung. Ich fühlte mit tiefem Schmerz, daß in diesen seinen 
Worten nur zu viel Wahrheit steckte. Ich bemühte mich, ihm 
zu zeigen, wie die Schrift deutlich lehrt, daß wir, die Glaubenden, im Besitz der Religion seien, die Abraham hatte. Aber 
offenbar hatte er nie gehört oder gelesen, daß das Gesetz gar 
nicht dem Abraham, sondern erst 430 Jahre nach ihm gegeben 
worden war. In Gal 3, 16. 17 wird dies klar zum Ausdruck 
gebracht. Wenn aber das Gesetz weder Abraham noch irgendeiner Nation in seinen Tagen, noch überhaupt während der 
2000 Jahre vor ihm oder der 500 Jahre nach ihm gegeben worden ist, wie könnte dann bewiesen werden, daß es allen Menschen gegeben sein soll? Teurer Leser, eine solche Behauptung 
verrät großen Mangel an Schriftkenntnis über diesen Punkt. 
Laßt uns aber auch mit aller Entschiedenheit den Irrtum bekämpfen, als ob das Nichtvorhandensein des Gesetzes und folglich der Übertretung beweise, daß darum auch die Sünde und 
somit die Notwendigkeit des Versöhnungstodes Christi nicht 
31 
vorhanden sei. Der Tod Christi für die Menschen war von 
Adam bis zu Mose hin ein ebenso großes Bedürfnis wie in 
jedem anderen Zeitraum. „Denn bis zu dem Gesetz war Sünde 
in der Welt" (Röm 5, 13). Und obwohl hier die Sünde nicht 
wie diejenige Adams als Übertretung eines bestimmten Gebots 
betrachtet und zugerechnet werden konnte, herrschte dennoch 
der Tod von Adam bis auf Mose. So erwies sich die Notwendigkeit dessen, was der Lage des Menschen entsprach, — die Notwendigkeit des Todes Christi, des Stellvertreters. Zwar stellte 
das schwarze Verzeichnis der zu offenbaren Übertretungen gewordenen Vergehungen den Zustand des Menschen um so mehr 
ins Licht, als am Berge Sinai dem Volk, das sich selbst vertraute, das Gesetz gegeben worden war. Aber die Gnade war 
überströmend, als diese Nation, die sich des Gesetzes rühmte, 
den Sohn Gottes verstoßen und ermordet hatte, denn gerade 
ihr verkündigt die Gnade Vergebung der Sünden in Seinem 
Namen. Diejenigen, die sich rühmen das Gesetz zu halten, 
haben von jeher — wie auch in unseren Tagen — die Kinder der 
Gnade gehaßt und verleumdet. Möge der gnädige Gott uns 
bewahren, daß wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern ihnen vielmehr jene Gnade erweisen, die zuerst in Jerusalem kundgemacht wurde. 
Wir möchten jedoch auf jeden Fall Mißverständnisse vermeiden. 
Wenn wir von der Gerechtigkeit und der Stellung des Menschen 
vor Gott sprechen, darf man keinesfalls annehmen, daß wir d;

gerechten Grundsätze der Regierung Gottes sowohl vor als 
auch während der Zeit des Gesetzes auch nur einen Augenblick 
in Frage stellten. Werfen wir einen Blick auf das Buch Hiob 
oder auf das erste Buch Mose. Das Gesetz bestand damals noch 
nicht und wird in keinem dieser beiden Bücher erwähnt. Dennoch sehen wir deutlich die Grundsätze von Recht und Unrecht 
in die Gewissen eingeschrieben, obwohl das Gesetz noch nicht 
gegeben worden war und — wie es oft unrichtig bezeichnet 
wird — weder als der Grundsatz, noch als die Kraft der Gerechtigkeit, noch als Richtschnur des Lebens betrachtet werden 
konnte. 
Die Heilige Schrift zeig": deutlich, daß in der Geschichte 
dieser Welt während eines Zeitraums von 2500 Jahren — vom 
Falle Adams bis zur Gesetzgebung am Sinai — das Gesetz noch 
32 
nicht gegeben war, daß aber dennoch die Sünde da war, obwohl 
während dieser Zeit kein Gesetz existierte und daher auch keine 
Übertretung „in der Gleichheit der Übertretung Adams" stattfinden konnte. „Der Tod (ist) zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben." Von den Tagen Abels 
an bezeichnet die Schrift es als unmöglich, Gott zu nahen, es 
sei denn auf Grund des Todes eines Stellvertreters. Dann aber 
wurde während eines Zeitabschnittes von 1500 Jahren einem 
Volk das Gesetz gegeben, um den Zustand des Menschen in 
offenbarer Übertretung klar darzustellen. Alle sind Sünder, die 
Juden sind Übertreter. Von dem Augenblick an, da das Gesetzgegeben war, wurde die Sünde zur Übertretung. 
Dies könnte nun zu folgender Überlegung Veranlassung geben: 
Wenn das Gesetz während jener 2500 Jahre nicht vorhanden 
war, dann aber 1500 Jahre hindurch dem Volke Israel gegeben 
wurde, wie war es dann bezüglich der 1800 Jahre nachher? 
Lehrt uns die Schrift, daß alle Menschen durch Christus oder 
durch den Heiligen Geist unter das Gesetz gebracht worden 
sind, nachdem Christus aus den Toten auferstanden ist? oder 
lehrt sie uns, daß das Gesetz für die Gläubigen, die unter dem 
Gesetz gewesen sind, abgeschafft ist? Eine höchst ernste und 
wichtige Frage. Möge der Herr dem Schreiber und dem Leser 
dieser Zeilen völlige Unterwürfigkeit unter Sein Wort schenken. Dies wird aber nicht der Fall sein, wenn wir diesen Gegenstand in einem nur streitsüchtigen Geist zu erörtern suchen. 
Laßt uns daher im Gebet auf den Herrn warten, damit der 
Heilige Geist das klare Licht der Heiligen Schrift vor unsere 
Seele bringen möge! 
Der Herr Jesus wurde in jenem Volk, das unter dem Gesetz 
war, geboren, und jedes Pünktchen und jeder Buchstabe des 
Gesetzes fand in Ihm und durch Ihn seine vollständige Erfüllung. Für die, die unter dem Fluch eines gebrochenen Gesetzes 
waren, wurde Er zum Fluche gemacht, — aber nicht während 
Seines fleckenlosen Lebens, sondern nur, als Er am Kreuz hing. 
Denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holze 
hängt"(Gal 3, 13; 5. Mo 21, 23)! Aber Er trug dort nicht nur 
den Fluch des Volkes Israel, sondern er wurde auch „für uns 
zur Sünde gemacht". Welche Liebe und welche Gerechtigkeit 
sehen wir hier! Der Sohn Gottes, der Heilige, der Schöpfer und 
33 
Erhalter aller Dinge hing am Holz! Verworfen von den Menschen und ach! für meine Sünden verflucht, verworfen, verlassen von Gott! O mein Heiland, gab es je eine so unbegrenzte 
Liebe wie die Deinige? Mein fleckenloser Stellvertreter, anbetend preise und verehre ich Dich für immer! 
Es ist für uns von großem Nutzen, in den Briefen die Anwendung des Versöhnungstodes Christi zu erforschen, sei es in 
bezug auf die Juden als unter dem Gesetz oder in bezug auf 
die Nationen als tot in Sünden ohne Gesetz. Zwei Schriftstellen 
mögen genügen, diese Punkte klarzustellen, obwohl viele andere ebenso deutlich und bestimmt sind. Im Blick auf die Nationen sagt der Apostel: „Und euch, als ihr tot wäret in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig 
gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat." 
Und zu den gläubigen Juden sprechend fährt er fort: „Als er 
ausgetilgt die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, 
die wider uns war, hat er sie auch aus der Mitte weggenommen, 
indem er sie an das Kreuz nagelte" (Kol 2, 13. 14). An einer 
anderen Stelle sagte er zu den gläubigen Juden: „Christus hat 
uns losgekauft von dem Fluche des Gesetzes, indem er ein 
Fluch für uns geworden ist;" und zu den Nationen gewendet 
setzt er hinzu: „Auf daß der Segen Abrahams in Christo Jesu 
zu den Nationen käme" (Gal 3,13.14). 
Kehren wir jedoch zu unserer Frage bezüglich der seit dem 
Tode und der Auferstehung Christi verflossenen 1800 Jahre 
zurück. Stehen wir als Gläubige unter dem Dienst des in steinerne Tafeln eingegrabenen Gesetzes, oder ist das Gesetz sogar 
für die abgeschafft, die sich früher darunter befanden? Der 
Apostel bezeichnet das Gesetz als den „Dienst des Todes, mit 
Buchstaben in Steine eingegraben", und erklärt es als etwas, 
„was hinweggetan werden sollte", während der Mensch es als 
Regel und Richtschnur des Lebens bezeichnet und uns einen 
Platz unter ihm anweist. Soll ich nun Gott oder den Menschen 
glauben? (Siehe 2. Kor 3) Ich möchte jedoch mit aller Vorsicht 
hinzufügen, daß diese Bemerkungen nur auf die Gläubigen in 
Christo angewendet werden können, denn nur sie sind vom 
Geist geleitet und darum nicht unter dem Gesetz. Als Ausdruck 
der gerechten Regierung Gottes ist das Gesetz sicherlich nicht 
weggetan. Die Ansprüche Gottes als Schöpfer bleiben stets 
34 
dieselben, und deshalb ist das Gesetz für den Gottlosen und 
Sünder ohne Christus immer noch wirksam (siehe 1. Tim i, 9). 
Unser Kapitel (Röm 7) enthält, wie bereits zu Anfang dieser 
Zeilen bemerkt, die Grundlage für die Beweisgründe des Apostels. Durch das Bild der beiden Ehemänner zeigt er uns, daß der 
Gläubige, der mit Christus verbunden ist, unmöglich unter 
dem Gesetz sein kann. Das ist um so bemerkenswerter, weil 
der Apostel, indem er dies schreibt, eine der größten Irrlehren 
seiner Zeit bekämpft, nämlich die, daß es nicht genüge, durch 
Christus gerechtfertigt zu sein, sondern daß es außerdem unbedingt erforderlich sei, das Gesetz in allen seinen Vorschriften 
zu halten. Ich brauche kaum zu bemerken, daß diese Behauptung noch immer einer der größten Irrtümer der heutigen Zeit 
ist. Der Apostel zeigt die Unmöglichkeit einer solchen Doppelstellung und stellt dies den Juden, die das Gesetz kannten, vor 
Augen. Unter dem Gesetz konnte eine Frau unmöglich zu 
gleicher Zeit mit zwei Männern verheiratet sein. „So wird sie 
denn, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin geheißen, 
wenn sie eines anderen Mannes wird". Es ist eine 
ernste Tatsache, daß der Mensch, wenn er sich noch 
als lebend im Fleische und unter dem Gesetz 
betrachtet, nicht mit Christus verbunden sein kann. Das wäre 
ebenso verwerflich wie Ehebruch. Der Apostel hatte daher 
wohl Grund, mit solchem Ernst gegen diese Lehre aufzutreten. 
Die beiden Zustände sind so sehr voneinander verschieden, 
daß es unmöglich ist, sich zu gleicher Zeit in einem und in dem 
anderen zu befinden. Der Jude, der einst als lebend im Fleische 
betrachtet worden war, wurde jetzt als tot durch den Tod 
Christi gesehen — tot gegenüber dem alten Ehemann —, während die Nationen, einst tot in den Sünden und Vergehungen, 
aus diesem Zustand auferweckt und mit dem auferstandenen 
Christus verbunden waren (Eph 2 und 5). Hierauf gehe ich 
hier nicht näher ein. Zu den Juden sagt der Apostel: „Also 
seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch 
den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus 
den Toten Auferweckten, auf daß wir Gott Frucht brächten" 
(Rö 7, 4). Es ist daher klar und unzweideutig, daß die folgenden Verse, statt eine wirkliche Erfahrung des Christen zu 
sein, geradezu die stärksten Gegensätze bilden. Bezieht sich 
35 
der Apostel bei den Worten: „Denn als wir im Fleische waren" 
nicht auf die Erfahrungen der Juden unter dem ersten Ehemann, dem Gesetz, also auf einen der Vergangenheit angehörenden Zustand? „Denn als wir im Fleische waren, wirkten 
die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in 
unseren Gliedern, um dem Tode Frucht zu bringen", und daher 
all das Elend des armen alten Ich, das noch im Fleische unter 
dem Gesetz war. Zeigt der Apostel aber nicht ganz deutlich, 
daß die, die sich einst in diesem jammervollen Zustand befanden, danach von ihm befreit waren? Ohne Zweifel. Dies bestätigt er auch im folgenden Vers und beschreibt zugleich die 
Art und Weise, in der diese Befreiung stattgefunden hat, indem 
er sagt: „Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da 
wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten wurden 
usw." Sie waren also dem Gesetz gestorben durch den Leib 
des Christus und mit einem anderen, dem auferstandenen 
Christus, verbunden worden. Das war wirklich eine vollständige Befreiung. Wären sie unter dem ersten Ehemann belassen 
worden, dann hätten sie unmöglich jemals einen Teil des Leibes 
Christi bilden können. Wie hartnäckig ist die Blindheit des 
menschlichen Herzens! Welch ein betrübender Gedanke, daß 
nach dieser wundervollen Befreiung derer, die einst unter dem 
Gesetz waren, Satan jetzt den größten Teil der Christenheit 
wieder soweit verblenden konnte, daß der Irrtum Eingang fand, 
als ob der Gläubige sich noch in diesen elenden Banden befinde. 
In welchem Zustand befindest du dich, mein teurer Leser? Hat 
dieser allgemeine Irrtum auch dein Herz erfaßt? Dann gleicht 
dein Zustand dem Zustand einer armen Frau, die mit einem 
Manne verbunden ist, dem sie nichts recht machen kann. Je 
mehr du dich anstrengst, das Gesetz zu halten, desto mehr 
siehst du, daß du gefehlt und von Tag zu Tag vergeblich gehofft hast, es möchte einmal besser mit dir werden. Je mehr du 
auf dich siehst, desto mehr fleischliche Gesinnung und Sünde 
steht vor deinem Auge. Nun aber erhebt sich die Frage: Hast 
du dich als lebend oder als tot zu betrachten? Ich rede hier 
von deinem alten, sündigen Ich. Was sagt das Wort Gottes? 
„Haltet euch für tot", tot der Sünde, tot dem Gesetz! Was aber 
kann das Gesetz einem toten Menschen nützen? Kann es für 
ihn Richtschnur seines Lebens sein? — Dies ist noch nicht alles, 
36 
meine Brüder. — Du bist mit Christus auferstanden und mit 
einem aus den Toten auferstandenen Christus verbunden. 
Diese Vereinigung fand nicht während Seines Lebens statt; das 
war unmöglich. Er mußte sterben, denn sonst blieb Er allein 
(Joh 12, 24). 
Genau genommen beginnt die christliche Zeitrechnung nicht 
mit der Geburt des Herrn, sondern mit dem glorreichen Augenblick, da Christus aus den Toten auferstand. Zuerst hatte Er 
uns mit Seinem kostbaren Blut völlig von unseren Sünden losgekauft und - was noch mehr war - Er hatte Gott in Seinem gerechten Gericht, das Ihn unserer Sünden wegen in seiner ganzen 
Schwere traf, vollkommen gerechtfertigt. Das Erlösungswerk 
wurde vollbracht, bevor das Christentum seinen Anfang nehmen konnte. Möge Gott dem Leser Verständnis für diese große 
und wichtige Tatsache geben! In dem Heil Gottes gibt es keine 
Unordnung. Die zuvorbestimmte Braut Christi lag tot in Sünden unter dem Urteilsspruch des Zornes Gottes. Und als Er, 
Der im Anfang bei Gott war, Der Selbst Gott war, Mensch 
wurde, kannte Er die ganze Tragweite der Gerechtigkeit Gottes 
in dem über die Sünden der Menschen gefällten Urteil. Aber 
alles mußte in Ordnung gebracht sein, bevor eine einzige Seele 
mit dem auferstandenen Christus verbunden werden konnte. 
Wie tief ist die Bedeutung der Worte: „Es ist vollbracht!" Der 
Kelch war getrunken, der Zorn in unendlicher Liebe getragen. 
Unsere Sünden waren zunichte gemacht —mehr noch als alles. Er 
war für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit 
würden in Ihm. Wir können nicht fest genug an der Fundamentalwahrheit festhalten, daß vor Gott nur Er in Seinem eigenen 
Leibe an dem Holze das ganze Gericht Gottes über unsere 
Sünden trug, und zwar bevor Er aus den Toten auferstand 
und bevor also das Christentum seinen Anfang nahm. Es war 
ein vollkommenes Werk, das nie wiederholt zu werden braucht. 
Wir sind nicht in der Weise mit Christus verbunden, daß die 
Sündenfrage immer wieder aufs neue geordnet werden muß. 
Nein, diese Frage ist vorher geordnet worden, und danach 
wurden wir mit Christus einsgemacht in der Auferstehung. 
Wenn wir daher ein richtiges Verhältnis über das Christentum 
besitzen, wenn wir die Wahrheit, mit Christus verbunden zu 
sein, wirklich verstanden haben, dann wird es uns auch klar 
37 
sein, daß die Sündenfrage nie wieder vor Gott gebracht werden 
kann. Wenn wir einmal durch das ein für allemal geschehene 
Opfer des Leibes Christi geheiligt sind, dann ist unser Vollkommensein auf ewig das sichere Resultat (Hebr 10, 14). Ja, 
das vollbrachte Werk Christi ist so vollkommen, daß die Sünden des Gläubigen nie wieder in Erinnerung gebracht werden 
können. „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in 
Christo Jesu sind" (Rö 8, 1). Für die mit dem ersten Ehemann 
verbundenen Juden gab es nichts anderes als Verdammnis; für 
die mit dem zweiten Ehemann verbundenen Christen gibt es 
keine Verdammnis. 
Ist es nicht ganz verwerflich, diese beiden Zustände miteinander zu vermengen, wie dies leider von vielen Christen geschieht? Wenn man mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, verbunden ist, dann ist alles neu geworden, eine 
neue Schöpfung. Sünde, Gesetz, Tod und Verdammnis haben 
nichts mit der neuen Schöpfung zu tun, sie haben damit keine 
Verbindung und gehören nicht dazu. Sie sind vergangen. 
„Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung; das 
Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden" (2. Kor 5, 
iy). Welch ein Zustand! Eins mit Christus! Welch eine Rechtfertigung! Keine Verdammnis! Und welch ein Bild gebraucht 
der Heilige Geist, um diese innige Verbindung zu beschreiben! 
Nichts auf Erden drückt den Charakter der Einheit so deutlich 
aus, wie das Verhältnis der Ehe. „Und der Mensch sprach: 
Diese ist einmal Gebein von meinen Gebeinen, und Fleisch 
von meinem Fleische" (1. Mo 2, 23). Auch wendet der Heilige 
Geist diese Worte auf uns an, indem Er sagt: „Denn wir sind 
Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinen Gebeinen" (Eph 5, 30). Wir wissen nun, wenn eine Person in 
den Brautstand tritt, geht sie in ein neues Verhältnis; das alte 
vergeht. Am Tage ihrer Verbindung zeichnet sie zum letzten 
Mal mit ihrem Namen, und dann hört selbst dieser auf zu 
existieren. Allerdings ist sie noch dieselbe Person, aber sie 
befindet sich in einer ganz neuen Stellung, und zwar in einem 
so dauerhaften und unveränderlichen Verhältnis, daß nur de* 
Tod diese Verbindung lösen kann. 
Wenn wir nun bedenken, daß dies alles auf den Gläubigen, der 
mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, verbunden 
38 
ist, angewendet wird, wie sehen wir dann, daß dies eine ganz 
neue Stellung ist! Das ist nicht das Werk eines Menschen, 
sondern ganz und gar das Werk Gottes. Gott hat unseren 
Herrn und uns mit Ihm auferweckt und uns mitsitzen lassen 
in Ihm in den himmlischen örtern. Hätte der Mensch sich 
selbst aus dem Zustand des Totseins in Sünden zu einer so 
erhabenen Stellung auferwecken können? Vergessen wir nicht, 
daß der Apostel uns deutlich zeigt, wie unmöglich es selbst 
für die Juden war, zu gleicher Zeit in dem alten und in dem 
neuen Zustand zu sein. Durch den Tod Christi ist der alte 
Zustand völlig vorbei. Zu ihm, d. h. unter das Gesetz zurückzukehren, heißt den Tod Christi wirkungslos machen. Wie die 
verheiratete Frau ihren Namen verliert, so hört auch der Jude 
auf, ein Jude zu sein, und der Heide hört auf, ein Heide zu 
sein. Beide werden eins, verbunden mit Christus in der Auferstehung. Und wie dauerhaft ist dies gesegnete Verhältnis! 
Selbst der Tod kann dieses feste Band nicht lösen. Wird der 
aus den Toten auferstandene Christus je wieder sterben? Nein, 
denn „wir wissen, daß Christus, aus den Toten auferweckt, 
nicht mehr stirbt" (Rö 6, 9). Wir, die mit Ihm auferstanden 
sind, teilen mit Ihm das Auferstehungsleben. Das ewige 
Leben kann nie zerstört werden. Unser Leben ist so unvergänglich wie das Seinige, ja, es ist dasselbe Leben. Ich spreche 
nicht von dem, was Er ist als Gott, sondern was Er ist als 
auferstandener Mensch, und ich frage: Kann Christus je wieder 
sterben? Ebenso wenig können auch die sterben, die mit Ihm 
gestorben, mit Ihm auferweckt und eins mit Ihm geworden 
sind; und ich füge kühn und mit größter Freimütigkeit hinzu, 
daß, wenn wir einmal mit Christus vereinigt sind, keine Macht 
dies gesegnete und ewig dauernde Band zu zerreißen vermag. 
Möchte die Festigkeit dieses immerwährenden Verhältnisses 
doch besser erkannt werden! O mein Bruder, öffne dein Herz 
dieser bewunderungswürdigen Wahrheit! Du bist nicht nur für 
wenige Tage mit Christus verbunden, um dann wieder von Ihm 
aufgegeben zu werden. Wohl kannte Er deine ganze Unwürdigkeit und alle deine Sünden. Aber alles ist bereits auf dem 
Kreuze getragen, und jetzt vermag nichts dich von dem auferstandenen Christus zu scheiden. Es ist eine der unaussprechlichen Segnungen dieser Verbindung, daß sie keine Trennung 
zuläßt. Welch eine Vereinigung! Welch eine vollkommene Ein39 
heit. Die Liebe Christi, die sich hier offenbart, können Worte 
nicht beschreiben. „Christus (hat) die Versammlung geliebt 
und sich selbst für sie hingegeben .. . Wer sein Weib liebt, 
liebt sich selbst . . . gleichwie auch der Christus die Versammlung" (Eph 5, 25. 28. 29). Bist du je in diese Gedanken eingedrungen, daß Christus die Kirche liebt, wie Er Sich selbst 
liebt? Kannst du, auf diese Worte gestützt, ausrufen: „Teurer, 
auferstandener Herr! Du liebst mich, wie Du Dich Selbst 
liebst"? Welcher Friede, welche Freude, an diese unveränderliche, nie endende Liebe Christi zu denken! 
Durch diesen Gegenstand werden zwei andere Punkte sehr 
deutlich ins Licht gerückt. In einer Hinsicht sind Rechtfertigung 
und Gerechtigkeit ein und dasselbe. Nachdem der Apostel die 
vollständige Befreiung von dem elenden Eheverhältnis unter 
dem ersten Ehemann, dem Gesetz, dargestellt hat, und zwar 
nls Folge des Gestorbenseins mit Ihm, dem aus den Toten 
Auferweckten, fährt er fort: „Also ist jetzt keine Verdammnis 
für die, welche in Christo Jesu sind." Weiter lesen wir in demselben Kapitel: „Gott ist es, welcher rechtfertigt," und der 
Apostel fügt hinzu: „Wer ist, der verdamme" (Rö 8)? 
Ich danke Gott für jeden Widerspruch und jede Streitfrage in 
der letzten Zeit, denn alles hat in mir die Wirkung hervorgebracht, jeden Gegenstand vor Gott zu bringen und meine 
Seele in beziig auf solche Gegenstände mit Seinem Charakter 
zu beschäftigen. Und darum wollen wir auch diese Frage in 
bezug auf Gott näher betrachten. 
Angenommen, der Sohn einer Familie schließt mit irgendeiner 
Person die Ehe. Wenn nun der Vater diese Ehe billigt, oder 
rechtfertigt, so bezieht sich das sowohl auf den Sohn als auch 
auf dessen Braut. Er wird beide in seinem Hause aufnehmen. 
Wie groß auch der Reichtum des Sohnes und wie groß auch 
die Armut der jungen Frau vor der Heirat gewesen sein möchte, 
wird der Vater der Braut doch nie ihre frühere Armut vorwerfen, wenn er die Heirat gutgeheißen hat. Beide sind ein 
Fleisch. Wenn der Sohn reich ist, kann dann die Frau arm 
sein? Und wenn der Vater sie unter seinen Schutz nimmt, wer 
kann dann Klage gegen sie erheben? Es wird kaum nötig sein, 
ausführlicher zu werden. Gott war es, Der Seinen Sohn sandte, 
und dadurch daß der Sohn uns für Sich erwarb, tat Erden Willen 
40 
des Vaters. Darum liebte Ihn der Vater, weil Er Sein Leben 
ließ für die Schafe (Joh 10). Wo sind nun meine Sünden? 
Gott hat sie auf Ihn gelegt. Wie bin ich nun von meinen Sünden gerechtfertigt? „Christus ist es, der gestorben, ja noch 
mehr, der auch auferweckt ist." Welches ist nun der vollkommenste, deutlichste und sicherste Beweis für meine Rechtfertigung? „Der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns 
verwendet." Ich wiederhole es, daß Gott es ist, Der uns mit 
Christus auferweckt hat. Ja, Gott hält die Verbindung aufrecht, Gott rechtfertigt sie. Der Mensch mag verachten und 
verwerfen, er mag töten und kreuzigen; aber hat nicht Gott 
diese Verbindung gebilligt? Ist Er es nicht, Der sie gutheißt 
und rechtfertigt? Daher wissen wir: „Also ist jetzt keine Verdammnis mehr." Christus hat uns geliebt und Sich Selbst für 
uns hingegeben. Er nahm auf Sich unsere Sünden und unsere 
Schuld. Er trug unser Gericht. Gott hat Seine Zustimmung gegeben, indem Er Ihn „aus den Toten auferweckt hat, welcher 
unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer 
Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist" (Rö 4, 25). 
„Gott ist es, welcher rechtfertigt." Nun sind wir im Auferstehungsleben verbunden mit Ihm, Der aus den Toten auferweckt ist, und sind eins mit Ihm. Gott hat diese Verbindung 
gebilligt. Und die Gerechtigkeit Gottes? Sie ist in ihrer ganzen 
Tragweite aufrechterhalten worden, sowohl hinsichtlich unserer 
Sünden, die durch das Blut Christi abgewaschen sind, als auch 
hinsichtlich unseres gegenwärtigen und zukünftigen Lebens 
als solche, die eins sind mit Christus. Denn unsere neue Schöpfung in Christo Jesu ist in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit. Welch ein herrlicher Gedanke! Wir sind eins mit Christus. 
Er ist unsere Gerechtigkeit, unser Friede, unsere Herrlichkeit. Er 
ist uns geworden Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und 
Heiligkeit und Erlösung (1. Kor 1, 30). 
Ja, mein teurer Bruder in Christo, wir sind vollkommen eins 
mit Christus. Wir sind auf der Hochzeitsreise und gehen 
unserem gesegneten Herrn entgegen. Wir haben die Erlösung 
durch Sein Blut, das ist die Vergebung der Sünden, nach dem 
Reichtum Seiner Gnade. Wir sind freigesprochen von unseren 
Sünden und von allem, was mit unserer alten Natur und Stellung in Zusammenhang stand; ja, wir sind mit Ihm auferweckt 
41 
und in einen ganz neuen Zustand versetzt worden. Es hat keine 
Verbesserung der alten Natur stattgefunden, sondern wir 
haben eine ganz neue erhalten. Wir sind eine neue Schöpfung 
und in diesem neuen Zustand eins mit Christus. Wir haben 
unser altes Leben völlig verloren, aber wir besitzen ein neues 
Leben — das Auferstehungsleben. Als Auferweckte und als Besitzer dieses neuen Lebens sind wir vor Gott gerechtfertigt. „Wenn 
Gott für uns ist, wer wider uns?" Alles ist aus Gott. Was 
könnte mehr Frieden geben als dieses? Sollen wir nun alle 
diese herrlichen Vorrechte und Segnungen aufgeben und zurückkehren zu dem alten Ehemann, dem Gesetz? Bedenke wohl, 
wir können nicht mit beiden verbunden sein. Wenn wir unter 
dem Gesetz sind, dann sind wir nicht mit Christus verbunden. 
Wenn wir mit Christus verbunden sind, dann sind wir nicht 
unter Gesetz. Wie klar macht dies den ganzen Gegenstand! 
Du wirst nun vielleicht fragen: Was ist nun aber Regel und 
Richtschnur des christlichen Lebens und Wandels? Christus 
allein. — „Ihr Weiber, gehorchet euren Männern!" Ist das 
nicht der Grundsatz des Gehorsams gegen Christus, der Grundsatz der Liebe und nicht des Gesetzes, und dennoch das Gesetz 
der Liebe? Erkenne ich Christus in dieser bewunderungswürdigen, unwandelbaren Beziehung? Bin ich mir Seiner beständigen, unveränderlichen Liebe bewußt? Dieser Grundsatz läßt 
mich die ganze Bibel verstehen, und je mehr ich Seine Liebe 
kenne, desto mehr wird es meine Freude sein, Seinen Willen 
angedeutet zu finden. 
Wenn wir nun davon sprechen, daß wir vom Gesetz befreit 
sind, möge niemand darunter verstehen, daß wir damit Gesetzlosigkeit, die ja das wahre Wesen der Sünde ist, meinen. Was 
wir meinen, ist Folgendes: Wir werden nicht geprüft hinsichtlich des Grundsatzes: „Tue dies, so wirst du leben." Das Gesetz 
ist nicht länger der Prüfstein für den Menschen. Es heißt nicht 
mehr: „Du sollst Jehova, deinen Gott, lieben mit deinem 
ganzen Herzen." Alles ist Gnade. Gott hat mich geliebt mit 
Seinem ganzen Herzen, als ich noch verloren und schuldig war, 
und nichts kann mich von Seiner Liebe scheiden. Ich liebe Ihn 
nun, weil Er mich zuerst geliebt hat, und die Liebe freut sich, 
den Willen Gottes zu tun. 
Wie steht es aber hinsichtlich der Kraft? 
42 
Wir haben bereits gesehen, daß der Mensch unter dem Gesetz 
keine Kraft hat, der Sünde zu widerstehen, sondern daß das 
Gesetz die Sünde in vielen verschiedenartigen Übertretungen 
zum Vorschein bringt. Unter dem Gesetz herrscht die Sünde, 
und deshalb ist es zu allen Zeiten das unablässige Streben 
Satans, die Christen unter das Gesetz zu stellen. Die Gnade 
ist jedoch gerade das Gegenteil, sogar in bezug auf die Sünde 
und den Wandel. „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade" 
(Rö 6, 14). Aber noch mehr: wir sind mit Ihm, Der aus den 
Toten auferstanden ist, verbunden, auf daß wir Gott Frucht 
bringen (Rö 7, 4). „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens 
in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde 
und des Todes. Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es 
durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen 
eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und (als 
Opfer) für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte, auf daß das Recht des Gesetzes erfüllt würde in uns, 
die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln" 
(Rö 3, 2—4). Wir mögen fehlen, und das Böse mag hervorbrechen, aber wenn wir unter der Gnade sind, wird die Sünde 
keine Herrschaft über uns haben. Es mögen harte Kämpfe, 
böse Lüste zu Zeiten aufkommen, aber der Geist gelüstet 
wider das Fleisch, auf daß wir nicht das tun, was wir sonst 
gerne getan hätten (siehe Gal 5, 17). 
Wenn wir daher mit Christus verbunden sind, ist es nicht nur 
unsere Freude, Seinen Willen zu tun, sondern es ist auch Kraft 
dazu vorhanden, die Kraft des Geistes des Lebens in Christo 
Jesu, so daß wir das Gesetz nicht nur nicht übertreten, sondern 
auch die Gerechtigkeit des Gesetzes in uns, die wir nicht unter 
Gesetz sind, erfüllt wird. 
Unter dem ersten Ehemann war nichts vollkommen, alles war 
Elend und Knechtschaft. Sind wir hingegen mit Christus verbunden, dann ist alles göttlich vollkommen. Von welcher Seite 
wir diese gesegnete Einheit auch betrachten mögen, ob hinsichtlich der Rechtfertigung oder des Wandels, überall zeigt 
sich göttliche Vollkommenheit: vollkommene Rechtfertigung, 
keine Verdammnis mehr. Das vollkommene Vorbild und die 
43 
vollkommene Richtschnur des Lebens erblicken wir in Christus, 
— die vollkommene Kraft für den Wandel im Geiste des Lebens. 
Möchten unsere Herzen doch mehr in diese Dinge eindringen! 
Was bedeutet der Reichtum dieser Welt für uns, die wir auf 
der Hochzeitsreise sind? Was haben wir mit der Welt zu tun? 
Was sind ihre Ehren für uns? Was kümmert uns ihre Politik? 
Und was — so können wir hinzufügen — kümmert uns ihre 
Religion? Wenn wir mit Christus gestorben sind, warum trachten wir dann noch nach Dingen, die zur Zerstörung bestimmt 
sind durch den Gebrauch (Kol 2, 22)? Und wenn wir mit 
Christus auferweckt sind, sollten wir dann nicht suchen, was 
droben ist? Laßt uns doch unseren „Ehevertrag" im Epheserbrief, und die Richtlinien unseres „Ehelebens" im Kolosserbrief 
betrachten! Wir können hier nicht näher darauf eingehen. 
Aber betrachte für dich, mein Leser, unter Gebet den kostbaren 
Brief an die Epheser. Dann wirst du klar erkennen, wozu Gott 
uns in Christus gemacht hat, wie Er uns auserwählt hat in 
Ihm, wie Er uns zuvorerkannt hat in Ihm, und wie Er uns angenommen hat in Ihm. Welch eine Erlösung und Vergebung 
der Sünden! Welch eine Herrlichkeit und Ehre! Welch eine 
Weisheit und Gerechtigkeit! Welch ein Reichtum Seiner Gnade! 
Welch ein Siegel und Unterpfand unseres Erbes! Aber lie*, 
weiter und erkenne, welche Sicherheit Gott uns gab, als Er 
Christus aus den Toten auferweckte. Laßt uns durch den 
Glauben Ihm folgen, Der hoch erhoben ist über alle Fürstentümer und Gewalten und über jeglichen Namen, und dies 
alles für uns, die Kirche, die Sein Leib ist, die Fülle Dessen, 
Der alles in allem erfüllt. Das zweite Kapitel dieses Briefes zeigt 
uns, was wir waren und was wir jetzt sind, und zwar alles 
aus Gnaden, alles aus Gott. Im dritten Kapitel finden wir 
jenes Geheimnis, das seit den Zeitaltern verborgen, und — 
wir müssen es leider sagen — für Jahrhunderte wiederum verloren gegangen war. Das vierte Kapitel gibt uns beachtenswerte Belehrungen bezüglich unseres Betragens in dieser Verbindung mit Ihm, und schließlich offenbart uns das fünfte 
Kapitel die wunderbare Liebe Christi zur Kirche, Seiner Braut. 
Wie es mit unserer Erlösung ist, so verhält es sich auch mit 
unserer Vereinigung. Wir haben die Erlösung, und dennoch 
erwarten wir sie noch, d. h. ihre vollständige Erfüllung. Wir 
44 
sind mit Christus vereinigt, und doch eilen wir der Hochzeit 
des Lammes entgegen. Wie unzählig wird die Zahl, und wie 
groß die Freude derer sein, die, wenn die Hochzeit des Lammes 
gekommen ist, mit lauter Stimme rufen werden: „Halleluja! 
denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft 
angetreten. Laßt uns fröhlich sein und frohlocken und ihm 
Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und 
sein Weib hat sich bereitet. Und es ward ihr gegeben, daß sie 
sich kleide in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die 
feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen" (Offb 
19, 6-8). 
Welch ein Tag ungetrübter Freude wird das sein! Und er wird 
mit Sicherheit anbrechen. Für diese Freude erduldete der Herr 
das Kreuz, indem Er der Schande nicht achtete, und Er hat Sich 
gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes (Hebr 12, 2). Sollen wir 
nicht auf Seine Wiederkunft warten? Können wir nicht sagen: 
„Komm, Herr Jesus"? Wie wird uns sein, wenn wir Ihn von 
Angesicht zu Angesicht schauen! Kein Wort kann diese Willkommensfreude ausdrücken. Welch ein herrlicher Triumph der 
unaussprechlichen Gnade und der unendlichen Liebe! Es ist 
Gnade von Anfang bis Ende, Liebe, die nimmer ausgelöscht 
werden kann. Und welch ein Glück, immer beim Herrn zu sein, 
wo fern von dem Streit und der Zwietracht einer bösen Well 
alles in ruhigen, ewigen Frieden verwandelt ist! Dort begegnen 
wir keiner Spur von Sünde, keiner Runzel der Unvollkommenheit, keinem unheiligen Gedanken. Seele, betrachte und bewundere diese Szene reinsten, ungetrübten Segens! Alles ist 
dein. Ja, Er Selbst, der Mittelpunkt und die Quelle von allem, 
ist dein, und du bist Sein. Was könnte dir noch fehlen? 
Hochgelobter Herr! Laß Deine Braut aufwachen! Lenke unsere 
Herzen von allem Sichtbaren ab und erfülle sie mit Dir! „O 
Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes" (Rö 11, 33)! Ihm sei Ehre und Herrlichkeit 
in der Versammlung durch Jesus Christus in alle Ewigkeit! 
Amen. (Nach dem Englischen von C. J.) 
45 
Die erste 
und die zweite Ankunft Christi 
Der herrliche Zweck der ersten Ankunft Christi auf Erden wird 
uns in Hebr g, 26 deutlich vor Augen gestellt, und zwar mit 
den Worten: „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der 
Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch 
sein Opfer". Er, Der bereits lange zuvor in den israelitischen 
Opfern Sein Vorbild gefunden hatte, erschien Selbst zur bestimmten Zeit, um alles zu erfüllen, was die Opfer des Alten 
Testaments nicht hatten erfüllen können, nämlich die Sünde 
hinwegzutun. Wohl konnten die Opfer zur Reinigung des 
Fleisches dienen, aber unmöglich konnten sie das Gewissen 
von bösen Werken reinigen. Das Blut des Sohnes Gottes hat 
sie weggenommen. Er hat an Seinem eigenen Leibe unsere 
Sünden auf dem Holze getragen. Alle unsere Sünden lagen auf 
Ihm, und darum traf Ihn auch die Strafe, die wir verdient 
hatten. Durch Sein Opfer hat Er die Sünde zunichte gemacht. 
Auf Grund dieses Opfers kann Gott nun zu allen, die an Jesus 
glauben, sagen: Eurer Sünden und eurer Gesetzlosigkeiten 
werde ich nie mehr gedenken (vgl. Hebr 10, 17). In Christus 
haben wir „die Erlösung . . . durch sein Blut, die Vergebung 
der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade" (Eph 1, 7). 
Aber Christus hat nicht nur dies getan. Er hat nicht nur unsere 
Sünden vergeben und unsere Missetaten durch Sein Blut ausgelöscht, sondern hat auch die Sünde zunichte gemacht. Wir 
hatten nicht nur gesündigt, sondern wir befanden uns auch 
unter der Macht der Sünde. Die Sünden, die wir getan haben, 
sind die Frucht des Zustandes, in dem wir uns von Natur 
befanden. Diesem Zustand nun hat Christus ein Ende gemacht. 
Er hat nicht nur an Seinem Leibe unsere Sünden auf dem 
Holze getragen, sondern Er wurde auch von Gott für uns zur 
Sünde gemacht. Am Kreuz trug Er unsere Sünden, und am 
Kreuz wurde Er behandelt, als wäre Er in dem Zustand, in 
dem wir uns von Natur befanden. In Sich Selbst war Er rein 
und heilig, aber Er wurde unser Stellvertreter, und als solchen 
machte Gott Ihn zur Sünde und belud Ihn mit unseren Sünden. 
46 
Darum befand Er Sich drei Stunden lang in der Finsternis 
und war von Gott verlassen. Darum starb Er, der Gerechte, 
für die Ungerechten. In Seiner unendlichen Liebe starb Er den 
Tod des Sünders und machte dadurch die Sünde vollkommen 
zunichte. Er wurde an unserer Statt gestraft, von Gott verlassen und getötet, und darum sind wir, die an Christus 
glauben, vollkommen frei. „Denn durch ein Opfer hat er auf 
immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden." Es 
kann keine Rede mehr davon sein, daß Gott uns unsere Sünden zurechnet, denn Christus hat sie alle durch Seinen Tod am 
Kreuz vernichtet und ebenso wenig kann für uns vom Gericht 
die Rede sein, denn Christus war an unserer Statt gestraft und 
gerichtet. Die Sünde, die in uns wohnt, das Fleisch, unsere 
alte Natur, hat Er weggetan. Gott sieht uns in Christo nicht 
nur als von der Sünde befreit, sondern auch als ganz der 
Macht der Sünde entrückt. Zwar wohnt die Sünde in unserem 
Fleisch, solange wir auf der Erde leben, aber die Sünde im 
Fleisch steht nicht mehr zwischen uns und Gott. Sie ist mit 
Christus am Kreuz gerichtet und durch das Opfer Seiner Selbst 
weggetan. Gott sieht uns jetzt vom Fleisch und der Sünde so 
weit getrennt, wie Christus davon getrennt ist. Und wie weit 
ist Christus davon getrennt? So weit der Himmel von der 
Erde ist. Er ist in der Fülle der Zeiten geoffenbart worden, um 
durch Sein Opfer die Sünden wegzutun, und „nachdem er 
durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht, (hat er) 
sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe" (Hebr i, 3). 
Christus, Der aus den Toten auferstanden und gen Himmel 
aufgefahren ist, ist das ewige Zeugnis, daß die Sünde und die 
Sünden, die Wurzel und die Zweige, für immer in Übereinstimmung mit den Forderungen der Heiligkeit Gottes und den 
Bedürfnissen des Sünders hinweggetan sind. Er, Der unsere 
Sünden auf dem Holze trug, Der für uns zur Sünde gemacht 
und darum von Gott verlassen wurde, ist von Gott aus den 
Toten auferweckt und zu Seiner Rechten gesetzt worden. Er, 
Der unser Stellvertreter am Kreuze war und an unserer Statt 
gestraft und gerichtet wurde, ist jetzt im Himmel mit Ehre 
und Herrlichkeit gekrönt. Wo sind nun die Sünden, die Er trug? 
Sie sind für immer weggetan. Wo ist die Sünde, unter deren 
Macht wir waren? Sie ist völlig zunichtegemacht. Und wo befindet sich der Gläubige jetzt? Er sitzt in Christo zur Rechten 
47 
Gottes. Darum können wir sagen: So weit der Himmel von 
der Erde ist, so weit bin ich von der Sünde entfernt, denn ich 
bin in Christo, und Christus ist zur Rechten der Majestät 
Gottes in den höchsten Himmeln mit Ehre und Herrlichkeit 
gekrönt. 
Was fehlt uns nun noch? Nichts mehr als Jesus zu sehen, wie Er 
ist, und Ihm gleich zu sein (1. Joh 3). Wir sind mit Dem vereinigt, Der für uns den Weg des Todes und des Gerichts gegangen ist. Wir stehen mit Ihm auf dem Felsen der Auferstehung; 
Tod und Gericht sind hinter uns. In Christus sind wir aus dem 
Tode in das Leben hinübergegangen. Nun erwarten wir nichts 
anderes als Christus, und zwar als kommend in Herrlichkeit. 
Nachdem der Apostel uns den Zweck der ersten Ankunft Jesu 
vor Augen gestellt hat, sagt er uns, daß Er „zum zweiten Male 
denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen (wird) zur 
Seligkeit" (Hebr 9, 28). Ohne Sünde — denn Er hat bei Seiner 
ersten Ankunft die Sünde zunichtegemacht. Richten wir daher 
unseren Blick auf das Kreuz; dort sehen wir Christus, beladen 
mit unseren Sünden, für uns zur Sünde gemacht und niedergebeugt unter dem Gewicht des Zornes Gottes. Richten wir 
dann unseren Blick auf Jesus, sitzend zur Rechten Gottes, wo 
Er mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt ist. Bald kommt Er 
wieder. Wir werden Ihn getrennt von der Sünde sehen, und 
dann wird Er uns aufnehmen in Seine Herrlichkeit. Alles was 
nötig war, um uns für die Herrlichkeit und die Gegenwart 
Gottes passend zu machen, hat Er vollbracht, als Er zum ersten 
Mal hier auf der Erde war. Nun fehlt uns nichts, als die Herrlichkeit zu schauen und sie mit Ihm zu teilen. O wie glücklich 
sind unsere Herzen, wenn wir diese herrlichen Wahrheiten 
verstehen! Unruhe und Angst sind dann verschwunden. Friede 
und Seligkeit erfüllt unser Herz, und mit Freuden erwarten wir 
die Wiederkunft Jesu. 
Die Wiederkunft Jesu ist daher die Erwartung der Gläubigen. 
Er wird denen, die Ihn erwarten, erscheinen zur Seligkeit. 
Ist das nicht Grund genug, den Herrn zu erwarten? Der Gläubige hat weder den Tod, noch sonst ein Ereignis zu erwarten. 
Zwar kann er sterben, ehe der Herr kommt, aber für ihn ist 
der Tod keineswegs ein Gegenstand der Erwartung. Christus 
Selbst ist seine glückselige Hoffnung. Welch eine herrliche 
43 
Sicherheit liegt in den Worten: „Er wird denen, die ihn erwarten, . . . erscheinen." Sie sollen in ihrer Erwartung nicht 
getäuscht werden. „Ich komme wieder und werde euch zu mir 
nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet" (Joh 14). Und 
wiederum: „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart wird, 
dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit" (Kol 3, 4). Ja, der Herr wird bald zum zweiten Mal erscheinen. Das erste Mal kam Er, um uns zu erlösen und die 
Sünde zunichtezumachen. Das zweite Mal kommt Er, um uns 
in Seine Herrlichkeit, in das Haus des Vaters zu bringen. Die 
erste Ankunft war ein Werk vollkommener Gnade. Er kam 
als der gehorsame Diener, um den Willen des Vaters zu tun 
und das große Erlösungswerk zu vollbringen. Seine zweite 
Ankunft wird in göttlicher Majestät und prachtvoller Herrlichkeit stattfinden. 
Anmerkung des Bearbeiters: Es ist vielleicht gut, hier eine 
kurze Erklärung zu geben, um Verwirrung zu vermeiden. 
Nachdem der Herr einmal in der Fülle der Zeit geoffenbart 
worden ist und nach Seiner Auferstehung von der Welt nicht 
mehr gesehen wurde, wird Er auch für die Welt, die nicht an 
Ihn glaubt, nur in Herrlichkeit zum Gericht erscheinen (Kol 3, 
4; 2. Thess 1, y—10; 2, 8 usw.) Vorher wird Er jedoch für die 
Seinen erscheinen, um sie von dieser Welt zu Sich ins Vaterhaus zu nehmen (Joh 14, 3; 1. Kor 15, 5iff.; 1. Thess 4, ~L4.1l.; 
Hebr 9, 28). Bei diesem — für die Welt unsichtbaren — Kommen 
des Herrn für die Seinigen werden sie in die Herrlichkeit aufgenommen. Wenn der Herr dann danach für die Welt, die Ihn 
seit der Kreuzigung nicht mehr gesehen hat, in Herrlichkeit 
zum Gericht erscheinen wird, werden wir, die Gläubigen, Ihn 
begleiten und mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit 
(Kol 3, 4)-
Lieber Leser! Gehörst du auch zu denen, die Ihn erwarten zur 
Seligkeit? Verlangt dein Herz nach Seiner Ankunft? Nichts 
steht Seinem Kommen im Wege. Sobald alle die Seinigen aus 
der Welt erlöst sind, kommt Er, um uns in Seines Vaters Haus 
einzuführen. Wenn Er heute kommt, dann werden wir noch 
heute in einem Augenblick, in einem Nu verwandelt werden; 
unser sterblicher Leib wird Unsterblichkeit anziehen, und 
plötzlich werden wir von dieser sündigen Erde weggenommen 
49 
und in die unmittelbare Gegenwart Gottes gebracht werden, 
wo wir ewig bei Jesus sein und Seiner Herrlichkeit teilhaftig 
sein werden. Welch eine glückselige Hoffnung! Durch Jesus 
von den Sünden befreit und auf ewig erlöst und vollendet, 
wartet auf uns eine ewige Herrlichkeit, wo wir ungestört und 
in vollem Maße genießen, was schon jetzt durch den Glauben 
unsere Herzen glücklich macht. — O Herr, erfülle unsere Herzen mit Lob und Anbetung für Deine unendliche Liebe, und 
richte unsere Blicke unverwandt auf Deine baldige Ankunft! 

50 
Wie der Himmlische ist, 
so sind auch die Himmlischen 
(l. Korinther 15, 48) 
Die Heilige Schrift stellt uns zwei Dinge vor Augen, die zur 
Erlösung unbedingt nötig sind. Das erste von ihnen ist die 
völlige Offenbarung des in Gnade gegen uns handelnden, moralischen Charakters Gottes. In der Versöhnung wird dieser 
Charakter nicht nur geoffenbart, sondern Gott Selbst wird 
auch in ihr verherrlicht, denn sowohl die Gerechtigkeit Gottes 
gegen die Sünde, als auch Seine Liebe gegen den Sünder tritt 
dadurch in das hellste Licht. Das zweite von ihnen, das von 
dem ersten ganz verschieden ist, ist die Dazwischenkunft 
der Kraft Gottes, die uns aus dem Zustand des Elends und der 
Gottlosigkeit, den Folgen der Sünde, herausreißt und uns in 
eine ganz neue Stellung versetzt. 
Wenn Sünder zu Gott gebracht werden sollten, war das erstere 
eine unbedingte Notwendigkeit, denn, um uns zu Gott zu bringen, mußte die Versöhnung stattfinden. Wenn Gott uns zu 
Sich gebracht hätte, ohne daß zuvor Seine Gerechtigkeit 
unzweideutig erwiesen worden wäre, so hätte man in Ihm 
nicht den Heiligen und Vollkommenen erblicken können, der 
Er in Wirklichkeit ist. Aber alles, was Gott ist, ist am Kreuz 
völlig erwiesen und ans Licht gestellt worden. Nur auf dem 
Kreuz konnte dies vollkommen geschehen. Hätte Gott nur 
in Barmherzigkeit gegen den Menschen gehandelt und ihm 
seine Schuld ohne weiteres erlassen, so wäre dies in Wirklichkeit keine Liebe, sondern Gleichgültigkeit gegen die Sünde gewesen. Wenn zum Beispiel eines meiner Kinder sich schlecht 
benimmt und ich es dennoch wie meine anderen Kinder behandele, so ist das sicher keine Liebe. Man besitzt nicht die wahre 
Liebe, wenn nicht nach der Wahrheit des heiligen Namens 
Gottes die Gerechtigkeit im vollen Maß gehandhabt wird. 
Allein die Ausübung dieser Gerechtigkeit würde ohne das Kreuz, 
ohne den Tod Christi, Der Sich der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes übergab, nicht stattgefunden haben; denn das 
Kreuz zeigt uns sowohl die Heiligkeit Gottes, Seinen Haß 
51 
gegen die Sünde, als auch Seine Liebe gegen den Sünder. Das 
Kreuz Christi ist für uns die Offenbarung und der unwiderlegbare Beweis von allem, was Gott nicht nur in Liebe, sondern 
auch in Heiligkeit ist. Hierin liegt ein großer Segen. Wir kommen zu Gott als verlorene Sünder und finden dort den Versöhnungsdeckel und das darauf gesprengte kostbare Blut. Aber 
wenn ich im vollen Genuß des Friedens auf das Kreuz blicke, 
so sehe ich, in welch einer vollkommenen Weise Gott durch das 
Kreuz verherrlicht worden ist. Und je mehr das Kreuz mir die 
Heiligkeit Gottes zeigt, desto mehr wird mir deutlich, wie 
wunderbar es ist. Es gibt weder im Himmel noch auf Erden 
etwas, das ihm zur Seite gestellt werden könnte. Zwar offenbart uns die Schöpfung die Macht Gottes in reichem Maße, aber 
sie stellt nicht die Liebe und die Wahrheit Gottes in dem Maße 
ans Licht, wie das Kreuz es tut. Daher bleibt für alle Ewigkeiten 
das Kreuz die gesegnete Stätte, wo man lernen kann, was der 
wahre Charakter und das Wesen Gottes ist. 
Aber es gibt noch eine andere Seite der Wahrheit, die wir 
kennen müssen, nämlich die Tatsache, daß der Erlöser gekommen ist, um uns aus einem Zustand zu befreien, in dem wir 
uns Von Natur befinden; denn wir waren arme, elende Wesen, 
die sich vergeblich bemühten, aus dem Schlamm der Sünde 
herauszukommen. Wenn es auch eine unumstößliche Wahrheit 
ist, daß Gott in dem Kreuz Christi gerechtfertigt und verherrlicht worden ist, so folgt daraus jedoch noch nicht, daß wir auch 
aus dem Zustand, in dem wir uns befanden, herausgezogen 
sind. In bezug hierauf war es nötig, daß Gott zu uns herabstieg, uns aus dem Zustand des Elends und der Sünde herauszog und uns in eine ganz neue Stellung versetzte. Hierzu bedurfte es der Dazwischenkunft der göttlichen Macht. 
Die Erlösung ist eine durch göttliche Kraft zuwege gebrachte 
Befreiung, eine Macht, durch die wir dem einen Zustand entrissen und in einen anderen versetzt worden sind. Zwar sind 
wir moralisch verändert, aber — obwohl jeder, von dem dies 
gesagt werden kann, auch sicher alles übrige erlangen wird — 
wir bedürfen mehr als dies. Vorausgesetzt, daß ich die neue 
Natur besitze mit dem Verlangen nach Heiligkeit, was hat dies 
zur Folge? Daß ich das Bewußtsein von der in mir wohnenden 
Sünde habe. Ich begehre, heilig zu sein, aber ich sehe, daß ich 
52 
es nicht bin; und gebeugt gehe ich unter der Macht der Sünde 
einher, deren elender Sklave ich bin, und ich habe die Erkenntnis einer Heiligkeit, nach der ich zwar verlange, die ich aber 
nicht besitze. Ich sage: Was nützt es, die Heiligkeit zu kennen, 
da ich sie doch nicht habe? Dies gibt mir durchaus keinen Trost. 
Wir haben soeben von der Gerechtigkeit Gottes gesprochen, 
aber ich finde, daß ich diese Gerechtigkeit nicht besitze. Kann 
ich in einem solchen Zustand Ruhe für meine Seele finden? Das 
ist unmöglich; ja, es ist sogar eine Folge des Besitzes dieser 
neuen Natur samt ihren heiligen Neigungen und Wünschen 
für Christus, daß ich zu der Entdeckung gebracht werde, daß 
mir gerade das fehlt, was diese neue Natur aus sich selber 
mir nicht mitteilen kann. In mir habe ich das brennende Verlangen der neuen Natur, alle ihre heiligen und gerechten Wünsche; aber den Gegenstand meines Verlangens besitze ich nicht. 
Ich sage: „O, wie gern möchte ich gerecht sein!" Aber ich bin 
es nicht. Auf diesem Wege kommt Gott uns nun mit einer vollkommenen Erlösung entgegen. Zunächst macht Er uns lebendig, 
um ein Bedürfnis nach Heiligkeit in uns wachzurufen. Zugleich 
gibt Er uns eine neue Natur, um diese genießen zu können. 
Aber das ist doch nicht alles. Wenn ich diese neue Natur habe, 
besitze ich dann den Gegenstand, nach dem ich begehre? Keineswegs. Ich mache die größten Anstrengungen, um die mir 
fehlende Heiligkeit zu erlangen, aber alles ist nutzlos. Ich hasse 
die Sünde. Aber die Sünde, die ich hasse, ist vorhanden. Ich 
habe das lebendige Verlangen, mit Gott zu wandeln, um stets 
das Licht Seines Angesichtes zu schauen. Aber ich sehe, daß 
ich die Sünde in mir habe, und ich weiß, daß das Licht Seines 
Angesichtes nicht auf meine Sünde scheinen kann. Ich benötige 
eine Gerechtigkeit, die für die Gegenwart Gottes passend ist; 
und ich besitze sie nicht. In diesem Zustand begegnet uns nun 
Gott im Kreuz. Er gibt uns nicht nur die Natur, die wir brauchen, sondern auch die Sache, die wir nötig haben, nämlich die 
Gerechtigkeit. Ja, in Christus gibt Er uns sowohl den vollkommenen Gegenstand, als auch die Natur, um davon zu genießen, und zwar alles in Kraft durch die Gabe des Heiligen 
Geistes. 
In 1. Kor 15 finden wir einen merkwürdigen Ausdruck bezüglich der Wahrheit, von welcher wir sprechen. „Wie der von 
53 
Staub ist, so sind auch die, welche von Staub sind; und wie der 
Himmlische, so sind auch die Himmlischen". Hier ist keine 
Rede davon, was wir sind, wenn wir in die Herrlichkeit eingehen werden, denn es folgen die Worte: „Und wie wir das 
Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das 
Bild des Himmlischen tragen". Wir haben das Bild des ersten 
Adam getragen in allen Folgen seiner Sünde und seines Falles. 
Ebenso werden wir auch das Bild des letzten Adam tragen. 
Zunächst aber wird uns die große Wahrheit vorgestellt. „Wie 
der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen". Das ist 
unser jetziger Zustand. Hier finde ich das, was mein durch Gott 
lebendig gemachtes Herz benötigt, und ich lerne verstehen, 
welch ein Segen in Christus ist, in Dem Gott uns dies geoffenbart hat. Gott hat uns eine vollkommene Gerechtigkeit gegeben 
in Christus, Der Der in der Gegenwart Gottes angenommene, 
verherrlichte Mensch ist, Der Der einzige ist, zu Dem Gott sagen 
konnte: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße". Durch den Menschen bist Du 
zwar verworfen, aber auf Dir ruht meine ganze Wonne. —„Wie 
der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen." Dies ist es, 
was Gott uns bezeugt. Er stellt uns in Christus vor Sich hin in 
einem ganz neuen Zustand und läßt uns dann verurteilen, was 
mit diesem Zustand nicht übereinstimmt. Zudem wird uns 
auch Kraft verliehen — nicht nur eine neue Natur mit brennendem Verlangen nach einer Stellung, in der wir uns nicht befinden —, um dem Zustand gemäß, in dem wir uns befinden, 
alles zu richten und zu verurteilen, was mit dieser neuen Stellung nicht im Einklang steht. Sollten jedoch wirklich Dinge 
vorhanden sein, die ich zu verurteilen habe, so geschieht dies 
in dem vollen Bewußtsein dessen, was Gott mir in Christus 
Jesus gegeben hat. In Christus finde ich den Maßstab von dem, 
was Gott durch die Dazwischenkunft Seiner Macht aus mir 
gemacht hat. 
„Wie der von Staub ist . . . wie der Himmlische ist usw." — 
Hier sehen wir sozusagen die beiden Menschen, den ersten 
Adam von Staub nebst allen, die ihm angehören, und 
dann den zweiten Menschen, „den Herrn vom Himmel". Ich 
finde in jedem dieser beiden Menschen das Vorbild aller anderen Menschen, die ihrem Bilde gleich sind. Ich finde in dem 
54 
ersten Adam den gefallenen, elenden und verdorbenen Menschen, während ich im geistlichen Sinn in dem letzten Adam 
das Haupt eines neuen Geschlechts erblicke, nachdem Er nach 
den Ratschlüssen Gottes diesen Platz in Herrlichkeit eingenommen hat. 
Daher ist es nicht nur wahr, daß in bezug auf das, was wir als 
Kinder des ersten Adam waren, eine Versöhnung für uns geschehen ist, sondern Gott Selbst ist in Betreff unserer Sünden 
verherrlicht worden. Je mehr wir daher die Gegenwart Gottes 
genießen, desto mehr erkennen wir den Wert des Kreuzes. 
Aber in 1. Kor 15, wo der Apostel die Frage der Auferstehung 
behandelt, spricht er über die Dazwischenkunft der Macht Gottes. Wir sehen hier, wie Gott in bezug auf Christus in der 
Kraft der Auferstehung handelt, und zugleich, wie wir die 
Gegenstände dieser Kraft sind. 
Wenn wir Christus anschauen, wie Er auf dieser Erde wandelte, 
dann fällt uns in Seiner Beschäftigung mit den Menschen Seine 
vollkommene Güte auf, eine Güte, die dem Menschen in all 
seinen Bedürfnissen entgegenkommt. Unser Herz wird dadurch 
ermutigt und getröstet. Er speist die Hungrigen, heilt die Kranken und treibt die Teufel aus. Dort war Kraft, aber nicht in 
denen, mit denen Er zu tun hatte. Es war die Kraft Gottes. Er 
kam den Menschen in all ihren Bedürfnissen zu Hilfe. Die 
Güte Gottes in Christus Jesus war der Gottlosigkeit und dem 
Elend, worin sich der Mensch befand, völlig angemessen. Ich 
bin überzeugt, daß unsere Predigt von größter Kraft begleitet 
sein würde, wenn wir mehr die Taten des Herrn in Seinem 
Leben auf der Erde hervorheben würden. 
Wenn ich Christus in Seinem Wandel hier auf der Erde betrachte, dann finde ich Gott in diesem sanftmütigen Menschen. 
Es ist daher nötig, in einer Welt voller Mühsal, Elend und Gottlosigkeit immer den Blick auf die einfache Tatsache gerichtet zu 
halten, daß Gott gekommen ist und ich Ihn gefunden habe. 
Ich bin mit Ihm durch den Glauben zusammengetroffen; Gott 
war da, und ich bin Ihm begegnet. Ich weiß, wer Er ist und 
was Er für mich ist. Ich war nichts als ein Sünder, wie andere 
Menschen; aber Gott war da, und Er war nur Güte gegen mich. 
Christus kam um meinetwillen vom Himmel auf die Erde. In 
Ihm begegne ich Gott, und folglich kenne ich Gott. Ich habe 
55 
Seine Gnade kennengelernt und Seine Güte erfahren. Und darum weiß ich auch, was Er am Tage des Gerichts für mich sein 
wird. Ich war ein elendes, verächtliches Geschöpf, das nach den 
Vergnügungen und Schätzen dieser Welt trachtete. Aber jetzt 
bin ich Ihm begegnet und weiß, wer Er ist. Wenn die Seele 
dieses Bewußtsein hat, dann besitzt sie den Schlüssel, der alle 
Pforten der Ewigkeit öffnet. Ich habe Gott gefunden, und ich 
habe erfahren, daß Er Licht ist. Ohne Zweifel werde ich, gerade 
weil Er Licht ist, in mir selber Mängel und Gebrechen entdecken und mich zu richten und zu verurteilen gezwungen sein. 
Dennoch aber weiß ich, wer Er ist und was Er für midi ist. Und 
so findet meine Seele einen Ruheplatz und lernt den Gott, mit 
dem ich es zu tun habe, in Wahrheit kennen. Ich sehe, daß 
„Gott in Christo war, die Welt mit sich selbst versöhnend". — 
Aber nun tritt mir eine andere Schwierigkeit in den Weg: Ich 
fühle mich nicht fähig, mit Ihm im Himmel zu sein. Ich sehe 
die Sünde in mir, und die Sünde kann nicht geduldet werden. 
Das ist wahr. Aber ich finde vollkommene Ruhe im Hinschauen 
auf den gelobten Heiland, Der der Ausdruck einer Gnade ist, 
von deren Vollkommenheit ich mir kaum eine Vorstellung 
machen kann. Er kam herab und trat ein in den Zustand, in 
dem ich mich befand. Ich sehe Ihn, Der für mich zur Sünde gemacht wurde, als den Träger meiner Sünden durch den Tod 
und das Gericht gehen, um mich davon zu befreien. Ich finde 
nicht nur, daß Christus auf der Erde lebte und Mitleid mit 
meinem Elend hat und voll Güte gegen mich ist, sondern ich 
finde Ihn auch als Den, Der meinen Platz einnimmt, um für 
mich den Zorn und das Gericht Gottes zu tragen. Am Kreuze 
leidet Er allein. Sein Leiden während Seines Wandels auf dieser 
Erde war ein Leiden, an dem ich teilhaben kann. Er litt unter 
der Hand der Menschen um der Gerechtigkeit willen; und auch 
wir können, wenn auch in geringem Maße, in ähnlicher Weise 
leiden. Er hat die Leiden in dieser Welt kennengelernt, um uns 
zu trösten und Mitleid mit uns haben zu können. Aber wenn 
ich den Herrn am Kreuz leiden sehe, finde ich Ihn dort ganz 
allein. Dort ist die Sündenfrage zwischen Ihm und Gott vollkommen und für immer in Ordnung gebracht worden. An diesem Leiden kann ich nie teilnehmen. Ich konnte nicht dort sein, 
wo Christus war; denn Er nahm dort meinen Platz ein, indem 
Er den Zorn Gottes trug und jenen Todeskelch trank, dessen 
56 
kleinster Tropfen mir den ewigen Tod gebracht hätte. Dort 
sehe ich den Herrn auf den Platz meines tiefsten Elends herabsteigen und niedergebeugt unter der schweren Hand der 
Gerechtigkeit Gottes. Er hat meinen Platz in Gnade eingenommen. Dort, wohin die Sünde mich gebracht hatte, dahin hat die 
Gnade Ihn gebracht. 
Nachdem die Versöhnung vollbracht und Gott durch den Tod 
Christi vollkommen verherrlicht war, trat die Macht Gottes auf 
den Plan und stellte Ihn, durch den das Werk der Erlösung geschehen war, zur Rechten Gottes. Daher sehe ich nicht nur die 
Verherrlichung Gottes im Kreuze Christi, sondern ich sehe auch 
die Macht Gottes wirksam, um denselben Christus, Der bis in 
die Tiefe des Todes hinabgestiegen war, aufzunehmen und Ihn 
zur Rechten Gottes in den Himmel zu setzen. Hier finde ich 
also eine vollkommene Erlösung, und zwar in einer so großen 
Tragweite, daß Christus in Vereinigung mit anderen den 
Namen Gottes preisen kann, indem Er sagt: „Ich will 
deinen Namen kundtun meinen Brüdern; inmitten der 
Versammlung will ich dir lobsingen". Er kann diesem Namen 
lobsingen, weil Er ihn kennt, da Er am Ende Seiner Laufbahn, 
nachdem Er all unsere Sünden für immer getilgt hatte, in die 
Gegenwart Gottes, Seines Vaters, eingeführt worden ist und 
dort das volle Licht Seines Angesichtes genießt. Die Kraft Gottes war auf den Plan getreten, so wie wir in Psalm 16 lesen: 
„Du wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die Verwesung 
sehe". Zwar mußte Christus auf dem Kreuz ausrufen: „Mein 
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", aber auch 
dort sehen wir, daß Er Sich ganz den Händen Gottes, Seines 
Vaters, übergibt (Lk 23, 46); und Gott drückt Sein Siegel auf 
Ihn, indem Er Ihn aus den Toten auferweckt. In der Auferstehung Christi finde ich das Eintreten der Macht Gottes, und 
ich sehe den Menschen Christus Jesus in den Himmel versetzt, 
nachdem die Versöhnung vollbracht und die Sündenfrage durch 
das Werk, durch das Er Gott verherrlicht hat, ganz in Ordnung 
gebracht worden ist. Ich sehe Ihn dort, wo die Kraft ihren Sitz 
hat als den Gegenstand der Ratschlüsse Gottes. Denn Christus 
ist es, in dem alle Dinge unter ein Haupt zusammengebracht 
werden sollen. Schon jetzt hat Gott Ihn „als Haupt über alles 
der Versammlung gegeben". 
57 
In der Auferstehung Christi ist also die Frage der Sünden gänzlich geklärt. „Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist 
euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren Sünden". Da Er nun 
aber wirklich auferweckt worden ist, sind wir nicht mehr in 
unseren Sünden. So finde ich also jenen himmlischen Menschen, Der auf Erden gewesen ist und Der in der Kraft der Auferstehung meine Sünden getragen hat, in der Gegenwart Gottes. Er ist der Herr vom Himmel. Beachten wir es wohl. Später 
sagt der Apostel in dem Brief an die Epheser, daß dieselbe 
Kraft, die in Christus, als Gott Ihn aus den Toten auferweckte, 
gewirkt hat, auch in den Glaubenden wirkt. Er wünscht, daß 
sie es wissen, welches da sei „die überschwengliche Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der 
Macht seiner Stärke, in welcher er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte, und er setzte 
ihn zu seiner Rechten in den himmlischen örtern". Die Macht, 
die tätig war, als Gott Christus aus den Toten auferweckte 
und Ihn zu Seiner Rechten setzte, ist dieselbe, die bereits in dir, dem Glaubenden, gewirkt hat. Du hast in Ihm 
droben einen Platz, und deshalb heißt es: „Wie der vom Staub 
ist, so sind auch die, welche von Staub sind, und wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen". In Christus befinden 
wir uns in der Gegenwart Gottes, und ich habe eine Antwort auf 
dieses Verlangen. Ich habe nicht nur eine neue Natur, sondern 
ich habe auch das, wonach die neue Natur verlangt, weil ich 
Christus habe. Ich habe nicht nur brennendes Verlangen nach 
etwas, sondern ich besitze die so sehr ersehnte Sache selbst. 
Ich bedarf der Gerechtigkeit und der Heiligkeit; und ich besitze 
sie auch, weil ich in Christo bin. Mit einem Wort, ich bin im 
Besitz der Erlösung nach ihrer ganzen Tragweite, nicht nur 
einer neuen Natur, sondern der Erlösung. Gott ist zu mir gekommen und hat mich befreit. Er ist gekommen und hat mich 
Selbst aus dem Zustand herausgezogen, in dem ich mich befand, 
nämlich aus dem hoffnungslosen Zustand des Elends und der 
Bosheit in dem ersten Adam. Er hat mich nun in dem letzten 
Adam in Seine eigene Gegenwart versetzt, ohne daß eine einzige meiner Sünden auf mir geblieben ist, denn alle Sünden 
sind hinweggenommen, da alles in der Person Christi gerichtet 
worden ist. Das ist der Zustand, in welchen Christus uns gebracht hat. 
58 
Nach dem Fall des ersten Menschen und nachdem Gott den 
Menschen auf verschiedene Weise — ohne Gesetz und unter 
Gesetz — auf die Probe gestellt hatte, kommt Er in vollkommener Gnade zum Menschen und sendet Seinen vielgeliebten 
Sohn. Es ist, als hätte Er sagen wollen: Dies ist der letzte Prüfstein, den ich an den Menschen lege. Doch der Mensch tritt 
dem herabgesandten Heiland mit den Worten entgegen: „Dieser ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten und sein Erbe in 
Besitz nehmen". Der Mensch ist ganz auf die Probe gestellt 
und als ganz verwerflich befunden worden. Es gibt kein Mittel, 
ihn zu verbessern. Aber was finde ich in Christus? Er hat für 
uns hier den Platz des ersten Adam eingenommen. Er starb am 
Kreuz; dadurch ist für alle diejenigen, die an Ihn glauben, 
dieser Zustand ein für allemal beendet worden. Ich halte mich 
jetzt der Sünde für tot, weil Christus gestorben ist. Er wurde 
als mein Stellvertreter behandelt und empfing den Tod. Hierdurch ist diese Sache zu Ende gebracht, und zwar durch das 
Gericht, das Er erduldet hat. Als Gläubiger werde ich die Regungen der alten Natur noch feststellen, und ich muß sie verurteilen. Aber ich schaue auf Christus, Der, nachdem Er am 
Kreuz für mich zur Sünde gemacht, gerichtet und getötet wurde, 
aus den Toten auferweckt worden ist und in Ewigkeit lebt. Der 
alten Natur, auf die Sünde und Gericht bezug hatten, ist also 
ein Ende gemacht worden. Damit verhält es sich ebenso wie 
mit jemand, der in Erwartung seiner Strafe im Gefängnis sitzt 
und dort stirbt. Das Leben, auf das die Strafe ihre Anwendung 
hätte finden müssen, ist dann nicht mehr vorhanden. Unmöglich 
kann noch von einer Strafe für die Sünde die Rede sein, da das 
Leben, für das diese Strafe galt, nicht mehr besteht. Dasselbe 
trifft für uns zu, die wir in Christo sind. Daher wendet sich der 
Apostel immer an die Gläubigen als solche, die der Sünde gestorben sind. Er sagt zu ihnen: „Ihr seid gestorben", und: 
„Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend 
in Christo Jesu" (Röm 6, 11). Es steht nirgends in der Schrift, 
daß wir der Sünde sterben müssen; denn in diesem Fall würden wir selbst sterben müssen; und dann wäre es ganz und 
gar mit uns aus. Die Schrift sagt, daß wir in Christus der Sünde 
gestorben sind. Nun, da Christus „ein für allemal der Sünde 
gestorben" ist, darf ich mich selbst betrachten als tot für die 
Sünde und lebend für Gott in Christus Jesus. Dies wird mir 
59 
als der Grundsatz der Stellung eines Christen vorgestellt. Obwohl ich noch hier auf der Erde lebe, ist doch der alte Mensch, 
mit dem sich Gott beschäftigt hat, für immer zunichte gemacht, 
weil Christus gestorben ist. Nun ist die Kraft Gottes gekommen, die mich mit Christus auferweckt hat. Die alte Natur, 
gegen die gehandelt werden mußte, wird als gerichtet und gestorben betrachtet; und so befinde ich mich jetzt in der Stellung, 
in der Christus ist, nämlich auferweckt und in der Gegenwart 
Gottes. Wenn Christus erscheinen wird, dann werden wir Ihm 
gleich sein; aber was unsere wirkliche Stellung vor Gott betrifft, so dürfen wir schon jetzt mitsitzen „in den himmlischen 
örtern in Christo Jesu" (Eph 2). Die göttliche Liebe ist bis zu 
dem Platz der Sünde und des Todes, wo wir uns befanden, 
herabgestiegen; und die göttliche Gerechtigkeit hat uns aufgenommen und uns in die Stätte des Lichtes versetzt, wo Jesus 
Christus Selbst Seine Wohnung hat; denn ein Zwischending 
existiert nicht. Wenn ich weiß, was die Sünde ist, so weiß ich 
auch, daß sie die Verdammnis verdient. Sicher wäre es keine 
Barmherzigkeit, wenn Gott Sich nicht mit der Sünde nach 
Seiner Gerechtigkeit beschäftigt hätte. Sie mußte unbedingt 
aus dem Wege geschafft werden. Aber in welcher Weise? Sie 
mußte zunichte gemacht werden durch den Tod, weil sie nichts 
als die Verdammnis verdient. Wenn Gott mit Bezug auf die 
Sünde handelt, so muß aufgrund meines Verhaltens als Sünder gegen Ihn der Tod unmittelbar eintreten. Es gibt keine 
Vergebung für den Sünder als nur durch ein Werk, welches der 
göttlichen Gerechtigkeit angemessen ist. Dieses Werk erblicken 
wir am Kreuz. „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der 
Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch 
sein Opfer" (Hebr 9, 26). Aber dies ist noch nicht alles. Dadurch, daß Er so die Sünde weggetan hat, hat Er auch den alten 
Zustand der Dinge beiseitegesetzt und ist dadurch, daß Er die 
Natur, in der Er verantwortlich war und in der Er für die 
Sünde gelitten hat, hinter Sich zurückließ, in einen ganz neuen 
Zustand eingetreten. Nun ist Er der himmlische Mensch in der 
Gegenwart Gottes, und in Ihm sind auch wir dorthin versetzt. 
„Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen." Darum finden wir auch in dem 1. Brief des Johannes dieselbe 
Wahrheit dargestellt. Dort lesen wir die Worte: „Hierin ist die 
Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, daß Gott seinen ein60 
geborenen Sohn in die Welt gesandt hat, auf daß wir durch ihn 
leben möchten" (Kap 4, 9). Hier sehe ich die göttliche Liebe, 
die in diese Welt gekommen ist, in der Person des Sohnes Gottes. Zwei Dinge waren notwendig. Zunächst mußte Sühnung 
geschehen für unsere Sünden, weil wir schuldig waren; aber 
dann fährt Johannes fort und sagt: „Hierin ist die Liebe mit 
uns vollendet worden, auf daß wir Freimütigkeit haben an dem 
Tage des Gerichtes, daß, gleichwie er ist, auch wir sind in 
dieser Welt" (Vers 17). 
Warum kann ich Freimütigkeit haben am Tage des Gerichts? 
Weil ich meinem Richter gleich bin, und zwar jetzt schon in 
dieser Welt. „Gleichwie er ist, sind auch wir in dieser Welt". 
Das ist es, was ich auch in den Worten finde: „Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen." Es ist dieselbe Wahrheit. Wie unaussprechlich köstlich! Welch eine Erlösung! Hier 
ist nicht nur Barmherzigkeit, die Sünden vergibt. Nein, es ist 
eine vollkommene Erlösung; eine Erlösung, die uns, die wir in 
Christo sind, aus dem Zustand, in dem wir uns befanden, herausgerissen und hinübergebracht hat in einen ganz neuen Zustand, und zwar in Christo Jesu. Zwar werden wir alle vor dem 
Richterstuhl Christi offenbar werden müssen, und dort wird 
alles ans Licht gebracht werden. Aber ebenso wahr ist es, daß 
ich bin, wie Er ist. Wie wird Er mich beurteilen? Wie werde ich 
dort erscheinen? Ich werde Ihm gleich sein. Er hat zu Seinen 
Jüngern gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. 
Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme 
ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, 
auch ihr seiet" (Joh 14). Wenn ich nun vor dem Richterstuhl 
Christi erscheinen werde, so geschieht dies, weil Seine Liebe 
zu mir so unendlich groß ist, daß Er mich Selbst abholen und 
mich vor Seinen Richterstuhl bringen will. In welchem Zustand 
wird dies geschehen? Ich bin schon verherrlicht, bevor ich 
vor diesen Richterstuhl trete. Alles wird dort ans Licht 
gebracht werden, aber dies wird für uns nur Gewinn sein. Wir 
werden dann das Gute und das Böse so vollkommen kennen, 
wie wir gekannt sind. Wir werden geoffenbart werden, aber 
geoffenbart vor Ihm. Der als der Bürge unserer Errettung in der 
Gegenwart Gottes ist. Wir werden das Bild Christi nicht vollkommen zur Schau tragen, solange der Tag der Herrlichkeit 
61 
nicht gekommen ist. Aber bezüglich unserer Stellung vor Gott 
ist es bereits jetzt wahr, daß „wie der Himmlische, so auch die 
Himmlischen sind". Was nun unsere Seele und unser ewiges 
Leben betrifft, so ist Gott gekommen und hat uns, indem Er 
Christus zu unserem Leben machte und Ihn als unsere Gerechtigkeit und Hoffnung uns schenkte, in diese Stellung bereits 
versetzt. Er hat uns durch den Glauben in sie eingeführt. Die 
Verwirklichung dieser Stellung ist etwas ganz anderes, und 
dabei können unsere Schwächen und Fehler ein großes Hindernis sein. Vielleicht beginnt der Leser sich selbst zu untersuchen 
und findet in sich diesen und jenen Gedanken, der mit Christus 
nicht im Einklang steht. Eine solche Prüfung ist an und für sich 
gut und nützlich, und wir werden immer etwas zu verurteilen 
finden. Wenn wir aber nur auf uns selbst sehen, so ist es sicher, 
daß wir in uns keine Gerechtigkeit vor Gott finden werden und 
daß wir keinen Augenblick vor dem Angesicht Gottes bestehen 
können. Ich muß auf Christus sehen, um zu erkennen, was ich 
vor Gott bin; und von diesem Standpunkt aus kann ich immer 
sagen: „Wie der Himmlische ist, so sind auch die Himmlischen". Das ist meine Stellung in der Gegenwart Gottes. Es 
gibt keinen Vorhang mehr (Mt 1.7, 51). Wir müssen im Licht 
wandeln, wie Er im Licht ist. 
Nun beurteile ich sowohl meine Sünden als auch die in mir 
wohnende Sünde nach dieser Liebe und Gnade. Sobald ich mit 
Paulus sagen kann: „Ich kenne einen Menschen in Christo", 
so beurteile ich alles nach dem, was ich in Christo bin. Paulus 
hatte von sich selbst nichts zu rühmen. Er nannte es eine Torheit, weil er seine Schwächen und Gebrechen kannte. Er sagt: 
„Ich kenne einen Menschen in Christo . . ., über einen solchen 
werde ich mich rühmen; über mich selbst aber werde ich mich 
nicht rühmen, es sei denn meiner Schwachheiten" (2. Kor 12). 
Hier finde ich meine wahre Stellung. Obwohl ich in mir selbst 
ein armes, schwaches Geschöpf bin, hat Gott mir in Christo 
einen Platz angewiesen; und danach muß jetzt alles, was meine 
Seele betrifft, beurteilt werden. „Wer da sagt, daß er in ihm 
bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt 
hat" (1. Joh 2, 6). Es mag sein, daß ich diese Höhe nicht erreiche, aber doch ist es der einzige Maßstab. Paulus sagt: „Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf daß die Kraft des Christus über mir 
62 
wohne". Paulus blieb nicht immer im dritten Himmel, so wie 
wir auch nicht stets die gesegneten Früchte unserer Stellung genießen. Aber es bleibt für immer wahr, daß Christus, in dem 
wir sind, im Himmel ist. Er ist nicht persönlich hier auf der 
Erde, Er ist in der Gegenwart Gottes, und dort sind wir in 
Ihm. Und es mag sein, daß wir nicht immer unsere Stellung in 
Christus verwirklichen; aber es ist unser Glück, daß Christus 
immer Derselbe bleibt in dieser Gegenwart, und Er wohnt in 
mir. Hier finde ich die vollkommene Lebensregel, die ich brauche. Die Kraft Christi wohnt in mir, selbst während ich auf der 
Erde bin. Und da auch Christus hier auf der Erde gewandelt 
hat, haben wir in Seinem Wandel einen vollkommenen Maßstab von dem, was einem himmlischen Menschen geziemt. In 
Ihm finden wir den vollkommenen Ausdruck der Liebe, der 
Gnade und der Heiligkeit, die für das Haus des Vaters passend 
sind. 
Ich muß für meine Seele die Gewißheit haben, daß in Christus 
mein Platz vor Gott ist, um wie Christus zu wandeln und Ihm 
nachfolgen zu können. „Ich heilige mich selbst für sie, auf daß 
auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit". Er ist im Himmel für 
Gott als unser Vorbild abgesondert. Ich sehe in Ihm die Richtschnur meines Wandeins. Ich werde in der Liebe wandeln, weil 
Christus uns geliebt und Sich Selbst für uns hingegeben hat. 
Ich lese: „So seid nun Nachahmer Gottes als geliebte Kinder"! 
Und wiederum: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer 
himmlischer Vater vollkommen ist". Der Herr stellt die Güte 
Gottes selbst Seinen Feinden gegenüber vor unsere Augen als 
etwas, das sie nachahmen sollen. Aber die Quellen in dieser 
Lebensregel ist der Platz oder die Stellung, in der ich mich 
schon in Christus befinde. 
Seitdem der Mensch gefallen und durch die Sünde in seinem 
Urteil verblendet ist, denkt er stets an seine Pflichten als an 
ein Mittel, wodurch er sich das ewige Leben zu verdienen hofft. 
Viele meinen sogar, daß wenn die Ungewißheit, die die Verantwortung, das Leben zu erlangen, stets begleitet, nicht mehr 
vorhanden sei, Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit die unausbleiblichen Folgen sein würden. Aber stellen wir uns ein Kindesverhältnis vor. Hört das Kind eines Vaters unter Umständen auf, sein Kind zu sein? Keineswegs. Aber wird dies die 
Verantwortung des Kindes wegnehmen? Durchaus nicht. Im 
63 
Gegenteil bildet das Verhältnis, worin das Kind steht, seine 
Verantwortlichkeit. Es würde dem Vater nicht gehorchen und 
nicht mit Ehrerbietung begegnen, wenn es nicht das Bewußtsein 
hätte, das Kind dieses Vaters zu sein. Hierin besteht also auch 
unsere wahre Verantwortung vor Gott. Ich muß wandeln in 
einer Weise, die der Stellung, in die Er mich versetzt hat, angemessen ist. Die christliche Verantwortung ist nicht für jemand, 
der ein Christ zu werden hofft, sondern für den, der bereits 
ein Christ ist. Nicht die Unsicherheit bezüglich meiner Stellung 
verleiht mir Kraft, um vor Gott zu wandeln. Im Gegenteil, 
wenn mein Herz voll von Christus ist, wenn ich in Ihm meine 
Stellung völlig gesichert weiß, dann haben die Dinge, die mit 
Ihm im Widerspruch stehen, keinen Reiz für mich. Gerade in 
Seiner Gegenwart werde ich meine Fehler am klarsten erkennen. Aber auf meiner Seite ist dann auch die Kraft Dessen, Der 
mir in Christus einen herrlichen Platz gegeben hat. 
In bezug auf den alten Menschen hat unser Verhältnis zu Gott 
auf dem Kreuz aufgehört zu bestehen. Ein ganz neues Verhältnis hat begonnen, ein höchst gesegnetes Verhältnis in der 
Kraft der Erlösung, durch die wir in Christus einen Platz gefunden haben. Am Kreuz nahm dies neue Verhältnis seinen 
Anfang, denn dort ist meine alte Natur gerichtet und beiseitegesetzt worden. Darum kann der Apostel sagen: „Als wir im 
Fleische waren". Es gibt viele Gläubige, die sagen: „Was sind 
wir anders als Menschen im Fleisch?" Aber der Apostel sagt: 
„Als wir im Fleische waren", und gibt dadurch deutlich zu verstehen, daß wir jetzt nicht mehr im Fleische sind. Dies war 
unser Zustand im ersten Adam. Aber jetzt befinden wir uns 
in dem letzten Adam — in Christo. Das uns zur Nachfolge dargestellte Vorbild hat uns, sobald wir erkennen, daß wir vor 
Gott nicht mehr im Fleisch, sondern in Christo sind, zugleich 
die Kraft zur Nachfolge dargereicht. Wir befinden uns in diesem gesegneten Verhältnis in dem Licht in Christo nach der 
Vollkommenheit der Gnade Gottes, die uns dort hineingebracht 
hat. Wir müssen stets im Genuß des vollen Friedens mit Gott 
auftreten können, um der Welt zu sagen: Das, worüber wir 
sprechen, ist eine vollkommene Erlösung, die wir wirklich besitzen. Ich habe Gott gefunden und verkündige euch ein Heil, 
das aufgrund der erlösenden Macht Gottes in meinem Besitz 
ist. 
64 
Allein auf den unruhigen Gewässern 
Wie reich ist die Heilige Schrift an Bildern, die uns die Fürsorge und treue Wachsamkeit des von der Welt verworfenen 
Herrn über Sein Volk vor Augen stellen! (Siehe Mt 14, 22—36; 
Mk 6; Joh 6). „Und alsbald nötigte er die Jünger, in das Schiff 
zu steigen und ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren, bis 
er die Volksmenge entlassen habe". — Das Schiff segelte hinaus in die dunkle, stürmische Nacht; und nach menschlichem 
Ermessen waren die Jünger inmitten tobender Wellen allein 
gelassen. „Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und 
litt Not von den Wellen, denn der Wind war ihnen entgegen". 
Jesus war nicht in dem Schiff bei ihnen — kein tröstender Herr, 
um ihre ängstlichen Gemüter zu beruhigen oder ihre ermatteten Herzen aufzurichten. „Und es war schon finster geworden, 
und Jesus war noch nicht zu ihnen gekommen". — Wäre die 
Nacht klar und ruhig gewesen, so würden sie auf demselben 
Wege Seine Abwesenheit nicht so sehr verspürt haben. Der 
unruhige See, der stürmische Wind, die Dunkelheit der Nacht, 
die Schwierigkeit des Ruderns, die Abwesenheit des Herrn — 
alles dies machte sie bestürzt und ängstlich. Kein Wunder, daß 
allmählich in ihren Herzen der Gedanke aufkam, daß nicht nur 
ihr Herr und Meister sie verlassen, sondern auch daß die Wut 
der Elemente sich gegen sie verschworen habe. 
Aber wo ist der Herr während dieser ganzen Zeit und wohin 
ist Er gegangen? Hat Er aufgehört, für Seine Jünger zu sorgen, 
oder weiß Er nichts von ihrer Gefahr und von ihrem Jammer? 
Im Gegenteil. Er ist zum Ort der Macht gegangen. Diese Macht 
verwertet Er zu ihren Gunsten. Von jenem Berge herab, den Er 
Sich zu Seiner Gebetsstätte auserkoren hat, folgt ihnen Sein 
allsehendes Auge ohne Unterlaß. Keine Welle berührt das 
Schiff, ohne von Seiner Hand gemessen zu sein, kein einziger 
Windhauch, den Er nicht aus Seinen Kammern gesandt hat. 
Wir dürfen kühn sagen, daß Er sowohl das Schiff als auch den 
Wind und die Wellen lenkt. Seine Hand erfaßt alles — Er 
herrscht über alles. Nie ist Er Seinem Volk näher und nie sind 
die Seinigen Ihm teurer, als wenn sie anscheinend allein durch 
Sturm und Unwetter pilgern müssen. 
65 
Diese ganze Szene ist ein lebendiges Bild voll reicher Belehrung 
und süßen Trostes, ein Bild dessen, was gegenwärtig stattfindet. Persönlich waren natürlich der Herr und die Seinigen 
getrennt; aber im Geiste und in Macht war Er bei ihnen gegenwärtig. Zur Prüfung ihres Glaubens erlaubte Er dem Sturm, 
sich während Seiner Abwesenheit zu erheben. Wer fände das 
Rudern gegen einen starken Wind nicht schwierig? Aber so ist 
es mit dem Volk Gottes in der gegenwärtigen Zeit. Die Welt 
hat den Herrn gekreuzigt, und die Jünger durchfahren allein 
den unruhigen wogenden See. Die Kirche gleicht einer Witwe 
oder einer Verlassenen, die die Erinnerung an den Tod ihres 
Herrn und ihre Einsmachung mit ihm nach dem Willen des 
Herrn aufrechterhält, bis Er kommt. Solange sie hier weilt, 
wird sie stets das Bild der Verwerfung ihres Herrn an ihrer 
Stirn tragen. 
Aber kehren wir jetzt zu der wunderbaren Szene zurück. Am 
Ende jenes denkwürdigen Tages, den der Herr in der Wüste 
zugebracht hatte, war die alte Prophezeiung: „Seine Speise 
will ich reichlich segnen, seine Armen mit Brot sättigen" Ps 132, 
15), in Erfüllung gegangen. Tausende von Menschen aus dem 
Volk waren auf wunderbare Weise gespeist worden, und wie 
wir in Joh 6 lesen, will man Ihn mit Gewalt zum König machen. 
Aber als Jesus dies bemerkte, „entwich er wieder auf den 
Berg, er selbst allein". Die Stunde war noch nicht gekommen, 
in der die Krone Davids das Haupt Seines Sohnes und Herrn 
schmücken sollte. Das Volk befand sich im Unglauben; und 
Er wollte nicht zum König gemacht werden, um ihre weltlichen Wünsche zu befriedigen. Er entwich aus ihrer Mitte und 
ging auf einen Berg allein, um zu beten. Er weigerte Sich, die 
Krone aus der Hand des Menschen anzunehmen. Aber Er 
nimmt den Platz als Priester vor Gott ein. Gesegnete Frucht 
Seiner Verwerfung! 
Aber hier, meine Seele, beachte die Hand des Herrn, die uns 
dieses kostbare Bild vor Augen stellt! Bevor Er auf die Höhe 
steigt, entläßt Er die Volksmenge oder die ungläubige Nation. 
Dann sammelt Er Seine Jünger oder den gläubigen Überrest 
in einem Schiff und läßt es dann, während ein heftiger Orkan 
den See aufzuwühlen beginnt, abfahren, ohne selbst miteinzusteigen. Er Selbst steigt auf den Berg — und warum? —, um 
66 
Fürbitte für sie einzulegen. Wir lesen: „Und als er sie verabschiedet hatte, ging er hin auf den Berg, um zu beten. Und als 
es Abend geworden war, war das Schiff mitten auf dem See, 
und er allein auf dem Lande". — Während der langen dunklen 
Nacht Seiner Abwesenheit folgt Sein nie ruhendes Auge voll 
Liebe und Güte den Jüngern auf allen Wegen durch die Tiefe, 
wie sehr sie auch hin und her geschleudert werden und den 
äußersten Gefahren preisgegeben sind. O, teurer Herr, welch 
eine Nacht war das für Dich! Gewiß hat Dein Auge den ganzen 
Zeitraum der folgenden 18 Jahrhunderte durchschaut und all 
die Gefahren und Versuchungen gesehen, die das Teil der Deinigen sein sollten. Wieviele Stürme haben Deine Geliebten 
während der langen finsteren Nacht Deiner Abwesenheit zu 
bestehen gehabt! Wievielen Strömungen mußten sie in diesem 
bösen Zeitalter begegnen, wieviele Kämpfe und Leiden durchmachen! Doch die angebrochene Morgendämmerung bringt Erleichterung. Diese traurige finstere Nacht mit ihren Mühen und 
Plagen wird bald vorüber sein. „Siehe, ich komme bald \" Das 
sind die Worte unseres geliebten Herrn, und der Geist spricht, 
als ob wir zwischen uns und dem Kommen des Herrn nur 
noch Augenblicke zu zählen hätten. 
„Aber in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, wandelnd 
auf dem See. Und als die Jünger ihn auf dem See wandeln 
sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein 
Gespenst! Und sie schrieen vor Furcht. Alsbald aber redete 
Jesus zu ihnen und sprach: Seid gutes Mutes, ich bin's; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, 
wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem 
Gewässer. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem 
Schiff und wandelte auf dem Gewässer, um zu Jesu zu kommen. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und 
als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich! 
Alsbald aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und 
spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum zweifeltest du? Und als 
sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind. Die 
aber in dem Schiffe waren, kamen und huldigten ihm und 
sprachen: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!" 
Petrus mag hier die Kirche vorstellen. Er verläßt den Platz des 
jüdischen Überrestes und geht im Glauben dem Herrn ent67 
gegen, und zwar ohne Hilfe der Natur. Aber er fällt, wie die 
Kirche gefallen ist; er fällt, weil er nicht festhält an Christus 
und Seinem Wort. Er blickt auf die Wogen, d. h. auf die Umstände, anstatt auf den Herrn zu blicken. Solange sein Auge 
auf Christus gerichtet blieb, ahmte er Ihn nach und wandelte 
wie Er auf dem See. Aber sobald sich sein Auge von Christus 
ab und auf die Wogen wandte, begann er zu sinken. Der Glaube kann ruhig und sicher über wild tosende Wasser gehen, 
wenn nur das Auge auf Jesus gerichtet bleibt. Der Herr hatte 
zu Petrus gesagt: Komm! — und das war genug. Er, Der die 
Elemente geschaffen hatte, konnte den See zum Weg für Seinen 
Diener machen. Wenn wir Christus und Sein Wort in unseren 
Seelen festhalten, können wir auf dem stürmischen See des 
Lebens so sicher wandeln wie auf stillen Wassern, ja sogar wie 
auf ebenen Pfaden. 
Zwar ist der gnädige Herr bereit, auf den Schrei des Kleinglaubens ebenso wie auf die Stimme des Glaubens zu antworten. Aber im ersten Falle ist die ehrenvolle Anerkennung, die 
den Pfad des Glaubens krönt, verloren. „Alsbald aber streckte 
Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum zweifeltest du? Und als sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind." Der Herr, begleitet von 
Petrus, vereinigte sich mit den Jüngern im Schiff; und augenblicklich legten sich die brausenden Wogen. Wenn der Herr mit 
Seiner himmlischen Braut — der Kirche — zu Israel zurückkehren wird, so werden alle Widerwärtigkeiten und alle Versuchungen dieses Volkes ein Ende nehmen. Er wird dann anerkannt und angebetet werden als der wahre Messias, der König 
Israels, der Sohn Gottes. „Die aber in dem Schiffe waren, 
kamen und huldigten ihm und sprachen: Wahrhaftig, du bist 
Gottes Sohn!" 
Doch der Segen ergießt sich dann über die ganze Erde. „Und 
als sie hinübergefahren waren, kamen sie in das Land Genezareth. Und als ihn die Männer jenes Ortes erkannten, schickten sie in jene ganze Umgegend und brachten alle Leidenden zu 
ihm; und sie baten ihn, daß sie nur die Quaste seines Kleides 
anrühren dürften: und soviele ihn anrührten, wurden völlig 
geheilt". Hier haben wir eine glänzende Szene des Tausendjährigen Reiches. Der Herr wird freudig empfangen. Die Stätte 
68 
Seiner früheren Erniedrigung und Verwerfung ist jetzt der 
Schauplatz Seiner Macht und Seines Ruhmes. Er ist dann herabgestiegen von dem Platz Seiner Fürbitte. Sein altes Volk, das 
in tiefen Wassern war, bringt Er an die friedliche Küste. In der 
Welt, die mit den Werken Satans erfüllt ist, übt Er Seine 
Macht aus in Heiligung und Segen. Er kommt einer elenden 
seufzenden Schöpfung zu Hilfe. Die Verführung der Schlange 
schwindet, und Freude und Glückseligkeit, Gesundheit und 
Schönheit füllen alle Länder. O, Herr, beschleunige in deiner 
Zeit diesen verheißenen, kommenden, glückseligen Tag! 
In der Zwischenzeit aber mögen alle, die jetzt noch durch tiefe 
Wasser und wogende Wellen ihr Schifflein lenken, ihre Seelen 
in Geduld und Ausharren bewahren. Wir kennen den Herrn 
ja besser, als Seine alten Jünger Ihn kannten. Seine Liebe ist 
völlig geoffenbart worden. Wir kennen Seine unaufhörliche Fürbitte, die Er für uns zur Rechten Gottes im Himmel einlegt. 
Mag die Nacht auch finster und stürmisch sein, mögen die 
Winde wehen und die Wogen hochgehen, mögen die Wolken 
der Umstände auch einen düsteren Schatten auf die Gegenwart 
werfen, so ruft uns die Heilige Schrift doch stets das Trostwort 
zu: „Die Nacht ist weit vorgerückt; der Tag ist nahe"; und 
wiederum: „Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen". — Das sturmumtobte Schiff wird bald den Hafen ewiger Ruhe erreichen und 
mit Jubel empfangen werden von allen, die schon früher dort 
sicher gelandet sind. 
Möchten unsere Hände bis dahin kräftig die Ruder umfassen 
und möchten unsere Herzen auf Dich, unseren Herrn, vertrauen, während wir mit Wachsamkeit warten auf den ersten 
Strahl des Morgensterns. 
Die Reise durch die Wüste 
(5. Mose 8) 
Die Geschichte Israels von seinem Auszug aus Ägypten bis zu 
seiner Ankunft in Kanaan ist ein Bild des Zustandes der Gläubigen in Christus und ihrer Stellung in dieser Welt. Israel war 
69 
in jener Schreckensnacht durch das an die Türpfosten gestrichene Blut von der Tötung seiner Erstgeburt errettet worden. 
Während alle Erstgeborenen der Ägypter starben/
 ging überall, wo Gott das Blut sah, der Würgeengel vorüber. Geschützt 
durch das Blut konnte man das Passah feiern. Danach verließen 
die Israeliten Ägypten. Ebenso ist der Gläubige durch das Blut 
Christi, des Lammes Gottes, in vollkommener Sicherheit. Alle 
seine Sünden sind für ewig ausgetilgt; und er hat Ägypten, die 
Welt, verlassen. Gott sieht das Blut Christi, und darum ist der 
Gläubige sicher. Ebenso sicher, wie der durch das Blut sichergestellte Israelit in seiner Wohnung das Passah feiern konnte, 
können auch wir im Vertrauen auf das Blut Christi frohlocken 
und uns freuen. Die Frage ist nicht, ob wir, sondern ob Goff 
befriedigt ist. Und Er ist es durch das Blut Christi. 
Auf der Reise gab es bald eine neue Schwierigkeit. Gott führte 
die Kinder Israel ans Rote Meer; und Pharao jagte hinter ihnen 
her. Sie standen zwischen den Fluten des Roten Meeres und 
dem feindlichen Lager. Vor und hinter ihnen lauerte der Tod. 
Hier drohte das Meer, sie zu verschlingen, dort Pharao, sie zu 
vernichten. Was sollten sie beginnen? Gott bahnte ihnen einen 
Weg durch das Rote Meer. Trockenen Fußes gingen sie hindurch, während Pharao mit seinem Heer im Meer den Tod 
fand. Am jenseitigen Ufer waren sie nicht nur von den Ägyptern getrennt, sondern auch von der Macht Pharaos befreit. Sie 
befanden sich in einem neuen Zustand. Ebenso ist es mit uns. 
Wir haben nicht nur, von unseren Sünden gereinigt, die Welt 
verlassen, sondern wir sind auch der Macht Satans entrückt 
und in einen ganz neuen Zustand versetzt, und zwar durch den 
Tod und die Auferstehung Christi. Am Kreuz hat Christus die 
Fürstentümer und Gewalten ausgezogen und einen Triumph 
über sie gehalten. Wir 9ind mit Christus gestorben und auferstanden. Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden. Am Kreuz ist unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt, 
und als eine neue Schöpfung haben wir mit Christus das Grab 
verlassen. Wir sind also vor Gott eine neue Schöpfung, über 
die der Teufel keine Macht mehr hat. Wie die Israeliten am 
jenseitigen Ufer des Roten Meeres, können auch wir den Lobgesang unserer Befreiung anstimmen. Alle Unruhe der Christen hat ihren Grund darin, daß sie sich durch die Wasser des 
Roten Meeres nicht vom Teufel und der Sünde geschieden 
70 
sehen, daß sie mit anderen Worten im Tod und der Auferstehung Christi nicht ihre Befreiung vom ewigen Gericht und von 
der Macht Satans und der Sünde sehen. Nach ihren Gedanken 
und nach ihrem Gefühl befinden sie sich noch immer zwischen 
dem Roten Meer und Ägypten. Dabei kann das Herz unmöglich glücklich sein. Wenn du, mein Leser, noch in diesem Zustand bist, so laß dich durch die Wahrheit frei machen. Gehe 
noch einen Schritt weiter und glaube, daß du mit Christus gestorben und auferstanden bist und daß du in Ihm als eine neue 
Schöpfung vor Gott stehst. Der Weg durch das Rote Meer ist 
gebahnt; du kannst trockenen Fußes hindurchgehen. Christus 
ist dieser Weg; alle Feinde sind hinter uns. 
Nach dem Roten Meer folgte für die nach Kanaan reisenden 
Israeliten die Wüste. So sind auch wir, die Erlösten in Christus, 
in der Wüste der Welt auf der Reise nach dem himmlischen 
Kanaan. Früher war die Welt mit ihren Vergnügungen und 
Genüssen unsere Heimat. Nun ist diese Welt eine Wüste für 
uns. Wir sind nicht von der Welt. Sie bietet nichts, was unser 
Herz befriedigen oder glücklich machen könnte. Sie hat nur 
Mühsal und Leiden, Gefahren und Sünde für uns. Unser Herz 
sehnt sich nach dem Lande himmlischer Ruhe. Freilich zeigen 
leider viele Christen eine weltliche Gesinung und verraten 
dadurch, wie wenig sie ihre Stellung kennen und genießen. Für 
den geistlichen Christen aber ist die Welt eine Wüste, wie sie 
es für den Herrn Jesus war. 
In 5. Mose 8 finden wir die Kinder Israel am Ende ihrer 40-
jährigen Reise durch die Wüste. Sie sind im Begriff, das verheißene Land zu betreten. Ebenso verhält es sich mit uns. Wie? 
stehen wir denn auf dem Punkt, in den Himmel zu gehen? 
Könnte es denn nicht der Fall sein, daß wir noch etliche Jahre 
hier auf der Erde bleiben müßten? — Ja, freilich, und dennoch 
haben wir kein Recht, einen Raum zuzulassen zwischen dem 
gegenwärtigen Augenblick und der Ankunft Christi, um uns 
aufzunehmen. „Siehe, ich komme bald", hat der Herr gesagt. 
Nichts steht Seinem Kommen zur Aufnahme Seiner Kirche im 
Wege. Alle prophetischen Ankündigungen mit Bezug auf die 
letzten Tage werden nach dieser Aufnahme ihre Erfüllung finden. Wir haben weder die Rückkehr Israels in ihr Land, noch 
die Wiederherstellung des römischen Reiches, noch die mit 
71 
diesen Ereignissen verbundenen Gerichte zu erwarten, sondern 
wir erwarten die Ankunft Jesu zur Heimholung der Seinigen. 
Für Paulus gab es keinen Raum zwischen dem Augenblick, in 
dem er lebte, und der Ankunft des Herrn. Er hoffte, unter der 
Zahl derer zu sein, die bis zu dieser herrlichen Ankunft übrig 
blieben. Von Tag zu Tag erwartete er diese Erscheinung. In der 
Tat ist die Ankunft des Herrn die einzige Hoffnung und Erwartung des Christen. Er kann ebenso gut heute wie morgen 
kommen. Kein Zwischenraum darf gestattet werden. Darum 
stehen wir jeden Tag im Begriff, in den Himmel zu gehen. Wie 
glücklich ist unser Herz selbst inmitten der Schwierigkeiten 
dieser Wüste, wenn das Auge auf die herannahende Herrlichkeit gerichtet ist! Noch wenige Augenblicke, und wir schütteln 
den Staub von unseren Füßen, um für immer bei Jesus von 
allen Kämpfen auszuruhen. 
Als sie an der Grenze Kanaans, des Landes der irdischen Ruhe, 
angekommen waren, forderte Gott durch den Mund Moses das 
Volk auf, zurückzuschauen auf die Reise durch die Wüste und 
an alles das zu denken, was geschehen war. Ebenso werden 
auch wir, wenn wir an der Grenze des himmlischen Kanaans 
stehen, aufgefordert, unseren Blick auf die zurückgelegte Reise 
durch die Wüste der Welt zu richten. Der Herr sagte: „Und du 
sollst gedenken des ganzen Weges, den Jehova, dein Gott, 
dich hat wandern lassen .. . in der großen und schrecklichen 
Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpionen sind und Dürre, 
wo kein Wasser ist''. Aber der Herr war ihr Führer und Begleiter. Auch unsere Wüste ist groß und furchtbar. Hier gibt 
es nicht nur Schlangen, Skorpionen und dürre Sandflächen, 
sondern Satan selbst mit seinem ganzen Heer ist da (Eph 6). 
Kein Labsal für die Seele ist zu finden. Aber getrost, der Herr, 
unser Gott, ist unser Führer und Leiter. Und dieser Gott — 
das konnte Israel nicht sagen — ist unser Vater. Ja, in Christus 
ist Gott unser Vater. Welch ein Trost für unser Herz! Und mit 
welcher väterlichen Liebe und Treue hat Er uns durch alle Schwierigkeiten bisher hindurchgeholfen! Dieser unser Gott und Vater 
aber wird uns sicher auch weiterhin nicht verlassen noch versäumen. Wir dürfen stets auf Seine gnadenreiche Führung 
rechnen. Mag die Wüste auch groß und furchtbar sein, Gott 
ist doch größer. Mag auch der Feind mit seinem ganzen Heer 
uns umgeben, Gott hat doch alles in Seiner Macht. Mag es auch 
71 
an Entbehrungen nicht fehlen, Gott läßt uns doch keinen Mangel leiden. 
Doch der Herr hat uns noch mehr zu sagen. Warum läßt Er uns 
in der Wüste? Warum nimmt Er uns nicht gleich nach unserer 
Bekehrung in den Himmel? — Aus demselben Grunde, aus dem 
Er auch die Israeliten 40 Jahre lang in der Wüste ließ. „Und 
du sollst gedenken des ganzen Weges, den Jehova, dein Gott, 
dich hat wandern lassen diese 40 Jahre in der Wüste, um dich 
zu demütigen, um dich zu versuchen, um zu erkennen, was in 
deinem Herzen ist, ob du seine Gebote beobachten würdest 
oder nicht". Das ist also die Ursache, um deretwillen Er uns in 
der Wüste läßt. Freilich gibt es noch einen anderen Grund. Wir 
sind in der Wüste, um die Zeugen Jesu zu sein. Jesus sagt 
bezüglich Seiner Jünger zu Seinem Vater: „Gleichwie du mich 
in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt" 
(Joh 17). Doch davon ist hier nicht die Rede. Unser Bleiben in 
der Wüste hier hat den Zweck, daß Gott uns demütigt und das 
Innere unserer Herzen prüft. Diese beiden Dinge sind eng miteinander verbünden. Der Herr will uns demütigen und zugleich 
ans Licht bringen, was in unseren Herzen ist. Das erste geschieht durch das letzte. Durch die Offenbarung dessen, was 
in unseren Herzen ist, werden wir gedemütigt. Welch eine hohe 
Meinung haben wir oft von uns! Wie fühlt sich besonders der 
noch kurz Bekehrte oft so stark gegenüber der Sünde und der 
Welt! Doch bald kommen Schwierigkeiten und Versuchungen 
aller Art; und wieviel Schwachheiten, die man für unmöglich 
hielt, offenbaren sich dann oft! Das ist demütigend. Wie oft 
entdeckt man bei anderen traurige Dinge, die zu tun man sich 
selbst kaum für fähig hält! Später entdecken wir dann dasselbe 
bei uns. Ja, das beugt uns nieder. Aber das ist es, was Gott 
will. Er will nicht, daß wir sündigen, denn Er hat uns freigemacht von der Macht der Sünde. Aber Er will uns demütigen 
und klein machen in unseren Augen und das Gefühl in uns 
wecken, daß wir nichts sind und nichts vermögen. Ist dieses 
Gefühl vorhanden, dann vertrauen wir nicht mehr auf unsere 
eigene Kraft, sondern nehmen zu Ihm, ohne den wir nichts 
vermögen, unsere Zuflucht. Dann geben wir bei all unserem 
Tun Ihm die Ehre. Dann sagen wir mit Paulus: „Wenn ich 
schwach bin, dann bin ich stark!" Und: „Alles vermag ich durch 
den, der mich kräftigt". 
73 
Die Umstände, durch welche Gott uns gehen läßt, machen stets 
offenbar, was in unseren Herzen ist. Als es den Israeliten an 
Wasser fehlte, murrten sie; als ihnen Speise fehlte, erhoben 
sie sich gegen Mose; als ihnen an der Grenze Kanaans die 
Kunde von den Riesen und den mächtigen Städten zu Ohren 
kam, wollten sie nicht hineingehen; und so offenbarten sie bei 
jeder Schwierigkeit auf ihrem Weg, was in ihren Herzen war. 
Ebenso ist es bei uns. Die Umstände offenbaren, wie unser 
Herz zu Gott steht, ob wir Ihm vertrauen oder nicht. Und nicht 
allein die bösen, sondern auch die guten Tage stellen den Zustand des Herzens ans Licht. Als das Brot fehlte, murrten die 
Kinder Israel. Als der Herr eine große Menge Wachteln sandte, 
zeigten sie eine Gier, die den Tod zufolge hatte. Darum sagt 
Paulus nicht nur: „Ich habe gelernt, Hunger zu leiden", sondern auch: „Ich habe gelernt, Überfluß zu haben". — Wir 
müssen in allem unterwiesen werden. Wir können aus uns 
selbst weder das eine noch das andere. In den Tagen des Mangels können wir murren und uns gegen Gott empören, und in 
den Tagen des Überflusses können wir verschwenderisch leben 
und Gott vergessen. Darum will der Herr uns unterweisen; 
und Er benutzt daher alle Umstände, um uns den Zustand 
unserer Herzen aufzudecken. Möchten wir doch aufmerksame 
Schüler sein! Im Gefühl unserer Abhängigkeit werden wir in 
Seiner Kraft wandeln und in allen Lagen auf Ihn vertrauen. 
Wie gesegnet kann also unser Leben in der Wüste sein! Der 
Herr will uns unterweisen, um uns Seiner Heiligkeit teilhaftig 
zu machen. Er benutzt dazu die Verfolgungen der Menschen 
und die Versuchungen des Teufels. Nehmen wir doch alles aus 
Seiner Hand an! Kein Haar fällt von unserem Haupte ohne 
Seinen Willen. Alle Dinge müssen bei denen, die Gott lieben, 
zum Guten mitwirken. Hiob sagte: „Jehova hat gegeben, und 
Jehova hat genommen, der Name Jehovas sei gepriesen!" — 
Und doch war es der Mensch, der ihm alles nahm, und der 
Teufel, der ihn plagte. Welch eine Ruhe für unser Herz! Der 
Herr kennt und liebt uns. Er züchtigt uns zu unserem Nutzen. 
„Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein 
Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, 
die durch sie geübt sind". 
74 
„Er demütigte dich und ließ dich hungern; er speiste dich mit 
dem Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht 
kannten, um dir kundzutun, daß der Mensch nicht von Brot 
allein lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was aus 
dem Munde Jehovas hervorgeht". Wunderbare Worte! Jehova 
speiste das hungernde Volk mit Man, damit es verstand, daß 
der Mensch nicht nur von Brot, sondern von allem lebt, was 
aus dem Munde Jehovas hervorgeht. Konnte Er nicht Korn 
wachsen lassen, um das Volk zu sättigen? Gewiß. Es wäre kein 
größeres Wunder gewesen, als daß Er Brot vom Himmel regnen ließ. Aber Er tat es nicht, damit Israel erfahren sollte, daß 
der Mensch von allem lebt, was aus dem Munde Jehovas hervorgeht. Wenn Er in der Wüste Korn hätte wachsen lassen, 
dann hätten die Pilger es in ihren Zelten aufgespeichert, und 
solange der Vorrat aushielt, wären sie ruhig und zufrieden gewesen. Ihr Vertrauen wäre auf das Korn, und nicht auf den 
Herrn gerichtet gewesen, während sie beim Manna stets ihre 
Abhängigkeit von der Güte Gottes fühlen mußten. Jeden Morgen mußte der Herr aufs neue Seinen Mund öffnen, um Israel 
zu speisen; und Israel mußte jeden Morgen seine Speise holen. 
Nach Sonnenaufgang begann das Manna zu schmelzen; und 
wenn man es bis zu dem folgenden Tag aufbewahren wollte, 
verdarb es. Auf Gott allein mußte daher das Vertrauen gerichtet bleiben. Hörten Seine Gaben auf, dann mußte das Volk 
hungern. Man war abhängig von dem, was täglich aus dem 
Munde Jehovas hervorging. 
Ebenso verhält es sich mit uns. Hier in der Wüste findet sich 
für uns nichts. Die Wüste ist dürre und leer und zeigt keine 
erfrischende Quelle. Unsere Seele kann hier keine Erquickung 
finden. Alles, was wir brauchen, muß von oben kommen. Gott 
allein vermag die Bedürfnisse unserer Seele zu stillen. Und täglich zeigt Er in dieser Beziehung Seine Treue und Sorgfalt. 
Aber Er reicht uns nicht mehr dar, als wir für jeden Tag nötig 
haben. Nie öffnet Er in uns einen Brunnen, aus dem wir schöpfen können. Er Selbst ist die Quelle aller Genüsse und aller 
Kraft. Von Ihm sind wir ganz abhängig. Sein Wort muß unsere 
tägliche Speise sein. Nicht nur müssen wir es täglich lesen, 
sondern es muß auch durch den Heiligen Geist auf unser Herz 
und unser Leben angewandt werden, so daß es wirklich eine 
75 
Speise für uns ist, und wir in allem den wohlgefälligen Willen 
Gottes verstehen lernen. Der Herr Jesus ist auch hierin unser 
Vorbild. Wie wir wissen, hat Er die Worte Moses dem Teufel 
gegenüber angeführt. Als Ihn hungerte und der Teufel Ihn 
versuchte, aus Steinen Brot zu machen, war Seine Antwort: „Es 
steht geschrieben- Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, 
sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht". — Es wäre sicher leicht für den Herrn gewesen, aus 
Steinen Brot zu machen. Aber Er hatte kein Gebot von Gott, 
dieses zu tun; und darum wollte Er lieber von jedem aus dem 
Mund Gottes ausgehenden Wort leben, als Seine leiblichen Bedürfnisse in eigenmächtiger Weise zu stillen. Welch eine ernste 
Lehre für uns! Wie gesegnet, wenn wir alles von Gott erwarten 
und keinen Schritt tun, ohne zu wissen, daß unser Tun mit 
Seinem Willen in Einklang steht. Alles muß für uns von oben 
kommen. Die Wüste bietet uns nichts. Wir müssen jeden Tag 
leben von dem, was aus dem Munde Gottes ausgeht. Laßt uns 
daher täglich das himmlische Manna suchen! Es ist stets in 
reicher Fülle vorhanden. Wir können so viel bekommen, daß 
wir selbst noch für andere etwas übrig haben. Der Herr stillt 
reichlich alle unsere Bedürfnisse, wenn wir nur kommen, um 
zu nehmen. 
Dies hat Israel in der Wüste in vollkommener Weise erfahren. 
Was konnte Mose am Ende ihrer 40 jährigen Reise zu ihnen 
sagen? „Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist 
nicht geschwollen diese 40 Jahre." — 40 Jahre lang waren sie 
der sengenden Hitze der Wüste bloßgestellt gewesen. Dennoch 
waren ihre Kleider nicht veraltet. Mit denselben Kleidern, mit 
denen sie Ägypten verlassen hatten, sollten sie in Kanaan einziehen. 40 Jahre hindurch hatten ihre Füße den heißen Sand 
der Wüste durchschritten, und dennoch waren sie nicht geschwollen. Welch eine Macht und welch eine Fürsorge Gottes! 
Viel Mühsalen waren sie auf ihrem Wege begegnet. Feurige 
Schlangen und Skorpione hatten die Pilger geplagt. Allerlei 
Versuchungen und Prüfungen waren über sie gekommen. Aber 
nie hatte Gott sie verlassen. Er hatte sie so herrlich geleitet, daß 
sie nach einer 40 jährigen Reise durch die große und schreckliche Wüste unversehrt an den Grenzen des verheißenen Landes standen und bekennen mußten: „Uns hat nichts gefehlt!" 
76 
— Wie herrlich ist es, geliebte Brüder! Ja, der Herr führt uns in 
mancherlei Mühsale und Versuchungen, um uns zu demütigen 
und ans Licht zu stellen, was in uns ist. Aber Er verläßt uns 
nie. Er läßt Leiden, Krankheiten und andere Prüfungen über 
uns kommen, damit wir Seine Gnade besser kennenlernen, aber 
nie ermüdet Er in Seiner Sorge für uns. Sein Auge wendet Sich 
nie von dem Gerechten ab. Inmitten unserer Mühsale sorgt Er 
für uns und segnet uns. Welch ein Trost! Wenn wir Leiden zu 
erdulden haben, dann denken wir oft, der Herr habe uns vergessen. Aber das ist ein verwerflicher Gedanke. Machen wir 
doch einen Augenblick halt und schauen wir auf den Weg zurück, auf dem uns der Herr, unser Gott, durch die Wüste der 
Welt geleitet hat! Haben wir je Mangel gehabt? O, nein. Im 
Gegenteil werden wir sagen müssen: Der Herr hat alles wohl 
gemacht. Und wenn wir noch länger auf dieser Erde bleiben 
müssen und nach einiger Zeit noch einmal den Blick auf den 
Weg, der hinter uns liegt, zurückwerfen, dann werden wir dasselbe bezeugen müssen. Der Herr bleibt stets und unverändert 
Derselbe. Darum laßt uns mit dem Mut des Glaubens unseren 
Weg fortsetzen, indem wir unverwandt das Auge auf die kommende Ruhe in der ewigen Herrlichkeit gerichtet halten. Bald 
werden wir bei Jesus sein. Zu den Kindern Israel sagte Mose: 
„Denn Jehova, dein Gott, bringt dich in ein gutes Land, ein 
Land von Wasserbächen, Quellen und Gewässern, die in der 
Niederung und im Gebirge entspringen; ein Land von Weizen 
und Gerste und Weinstöcken und Feigenbäumen und Granatbäumen; ein Land von ölreichen Olivenbäumen und Honig; ein 
Land, in welchem du nicht in Dürftigkeit Brot essen wirst, in 
welchem es dir an nichts mangeln wird; ein Land, dessen Steine 
Eisen sind, und aus dessen Bergen du Erz hauen wirst". Aber 
was ist dieses alles im Vergleich mit der Herrlichkeit, die unser 
Teil sein wird? Kein irdischer Genuß, kein irdischer Glanz, sondern ein himmlischer Genuß, eine himmlische Herrlichkeit warten auf uns. Das Haus des Vaters wird unsere Wohnung sein. 
Für immer werden wir bei Jesus sein. Seine Herrlichkeit wird 
die unsrige sein. In Seiner Liebe werden wir uns vollkommen 
und für ewig ergötzen. Die Herrlichkeit Kanaans hatte ihre 
Grenzen; die unsrige wird unendlich, grenzenlos sein. Vorwärts, geliebte Brüder! Wie mühevoll der Weg auch sein mag, 
und wie viele Versuchungen und Gefahren uns auch umringen 
77 
mögen, wir werden bald in das himmlische Kanaan eingehen. 
Die Reise ist bald zu Ende. Noch wenige Augenblicke,, und wir 
stehen am Ziele und werden von allem Leid und Kampf für 
immer erlöst sein. 
Ermüdend ist die Wüste, 
doch land' ich bald an jener Himmelsküste, 
wo Jesus wohnt, wo meine Heimat ist. 
Ja, der Herr ist nahe. Auch uns ruft Er zu: „Siehe, ich komme 
bald!" — O, welch ein seliger Augenblick wird es sein, wenn 
wir Ihm gleich sein und Ihn sehen werden, wie Er ist. Ja, 
Herr Jesus, unser Herz verlangt nach diesem Augenblick. Schon 
schauen wir die Küste von ferne, wo unser Schiff landen wird. 
Amen. Ja, komm, Herr Jesus! 
Die Wiederherstellung 
(Johannes 21, 1—10) 
Eine sorgfältige Betrachtung dieser Verse kann uns zeigen, daß 
darin von drei verschiedenen Wiederherstellungsarten die Rede 
ist, nämlich von einer Wiederherstellung des Gewissens, von 
einer Wiederherstellung des Herzens und einer Wiederherstellung der Stellung. 
1. Die Wiederherstellung des Gewissens ist von höchster Wichtigkeit. Der Wert eines guten, reinen und fleckenlosen Gewissens kann gar nicht genug geschätzt werden. Ein Christ kann 
nicht weiterkommen, solange noch ein einziger Flecken auf seinem Gewissen haftet. Er muß vor Gott mit einem reinen Gewissen wandeln — mit einem Gewissen ohne Flecken und Runzeln. Welch ein kostbarer Schatz! Möge der Leser sich stets 
dessen erfreuen! 
Es ist völlig einleuchtend, daß Petrus in der rührenden Szene 
am See Tiberias ein solch gutes Gewissen besaß. Und dennoch 
war er kurze Zeit vorher in eine schreckliche, schändliche Sünde gefallen. Er hatte seinen Herrn mit einem Eide verleugnet. 
Aber er war wiederhergestellt. Ein Blick von Seiten Jesu hatte 
78 
die tiefen Quellen Seines Herzens aufgebrochen und seinen 
Augen eine Flut von Tränen entlockt. Und dennoch waren es 
nicht die Tränen, sondern die Liebe, die diese Tränen hervorlockte, die den Grund zur gänzlichen Wiederherstellung seines 
Gewissens bildete. Es war die unwandelbare, unendliche Liebe 
des Herzens Jesu, sowie die göttliche Kraft des Blutes Jesu und 
die allesvermögende Macht Seiner Fürbitte, die dem Gewissen 
des gefallenen Jüngers die Kühnheit und Freimütigkeit verlieh, 
die uns in der vorliegenden, denkwürdigen Geschichte so schön 
vor Augen gestellt wird. 
Hier in dem letzten Kapitel des Evangeliums nach Johannes 
sehen wir den auferstandenen Herrn, wie Er über Seine armen, 
törichten, schwachen und elenden Jünger wacht, wie Er gleichsam ihren Pfad umschwebt, wie Er Sich ihnen in der mannigfachsten Weise darstellt, wie Er eine Gelegenheit sucht, um ihre 
Bedürfnisse zu stillen, und wie Er Sich ihren Herzen in vollkommener Gnade zu erkennen gibt. Gab es dort eine Träne zu 
trocknen, eine Schwierigkeit zu beseitigen, eine Furcht zu stillen, ein beunruhigtes Herz zu besänftigen, ein durch Unglauben verzagtes Gemüt wiederherzustellen? Der Herr Jesus war 
gegenwärtig, um in der ganzen Fülle und Mannigfaltigkeit 
Seiner Gnade all diesen Dingen zu begegnen. Auch in diesem 
Augenblick, als die Jünger unter der Führung des Petrus eine 
ganze Nacht in fruchtloser Arbeit zugebracht hatten, ruhte Sein 
Auge auf ihnen. Er wußte alles über die Finsternis, die Arbeit 
und das leere Netz; und Er stand am Ufer, um ein Feuer für sie 
anzuzünden und für sie ein Mahl zuzubereiten. Ja, derselbe 
Jesus, Der am Kreuze gestorben war, um ihre Sünden wegzunehmen, stand jetzt am Ufer, um sie nach ihrer mühevollen 
Arbeit zu erfrischen, sie um Sich zu versammeln und alle ihre 
Bedürfnisse zu stillen. Kindlein, habt ihr etwas zu essen?" Diese Frage enthüllte die ganze Fruchtlosigkeit ihrer nächtlichen 
Arbeit. „Kommet her, frühstücket!" Das war der rührende Ausdruck der zärtlichen, für alles sorgenden Liebe des auferstandenen Heilandes. 
Aber verweilen wir einen Augenblick bei dem Anschauen eines 
gänzlich wiederhergestellten, gereinigten Gewissens, das uns 
in Petrus vor Augen gestellt wird. „Da sagte jener Jünger, 
welchen Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr. Simon Petrus 
79 
nun, als er hörte, daß es der Herr sei, gürtete das Oberkleid 
um (denn er war nackt) und warf sich in den See." — Unmöglich konnte er warten, bis das Schiff am Ufer war. Ein brennendes Verlangen zog ihn zu den Füßen seines auferstandenen 
Herrn. Anstatt zu Johannes und den anderen Jüngern zu sagen: 
„Ihr wißt, wie schändlich ich gefallen bin, und obgleich ich seit 
jener Zeit den Herrn gesehen und aus seinem Munde die 
Worte: ,Friede euch!' vernommen habe, so fühle ich doch, daß 
es für einen, der so tief gefallen ist, geziemend ist, sich zurückzuhalten und nachzufolgen," — stürzt er sich mutig in den See, 
als wollte er sagen: „Ich muß zuerst zu den Füßen meines auferstandenen Herrn liegen, denn niemand hat solch einen Anspruch auf Ihn wie ich armer, gestrauchelter und gefallener 
Petrus". 
Nicht wahr? Das war ein völlig wiederhergestelltes Gewissen — 
ein Gewissen ohne einen einzigen Flecken — ein Gewissen, das 
sich wärmte in den Strahlen einer unveränderlichen Liebe. Das 
auf Christus gesetzte Vertrauen war unbewölkt, und wir dürfen kühn behaupten, daß das dem Herzen Jesu angenehm war. 
Die Liebe liebt es, wenn man ihr vertraut. Mögen wir stets 
daran denken. Man möge sich nicht einbilden, daß man Jesus 
ehrt, wenn man fern auf dem Grunde der Unwürdigkeit seinen 
Standpunkt einnimmt, und dennoch ist es so schwer für jemand, der gefallen oder abtrünnig geworden ist, das Vertrauen 
zu der Liebe Christi wieder zu erlangen. Ein solcher kann deutlich erkennen, daß ein Sünder, wie groß und mannigfaltig seine 
Sünden auch sein mögen, stets dem Herrn Jesus willkommen 
ist. Aber er denkt, daß die Sache eines abtrünnigen oder strauchelnden Christen ganz anders sei. Sollten jedoch diese Zeilen 
von jemand gelesen werden, der abtrünnig geworden oder gefallen ist, so können wir ihm die unmittelbare Rückkehr zu 
Jesus nicht ernst genug ans Herz legen. „Kehret um, ihr abtrünnigen Kinder; ich will eure Abtrünnigkeiten heilen". — 
Und was ist die Antwort auf diesen feierlichen Zuruf? „Hier 
sind wir, wir kommen zu dir; denn du bist Jehova, unser 
Gott". — „Wenn du umkehrst, Israel, spricht Jehova, zu mir 
umkehrst, . . ." (Jer 3, 22; 4, 1) — Die Liebe des Herzens Jesu 
kennt keine Veränderung. Wir verändern uns oft; aber Er ist 
„Derselbe gestern und heute und in Ewigkeit". Wir ehren Ihn 
80 
durch unser Vertrauen. Das Vertrauen des Herzens des Petrus 
war ein reicher Genuß für das Herz Jesu. Es ist sicher sehr 
traurig zu fallen, zu irren und abtrünnig zu werden. Aber noch 
trauriger ist es, wenn wir, nachdem wir gefallen sind, Seiner 
Liebe mißtrauen und Seine gnadenreiche Bereitwilligkeit leugnen, mit der Er uns wieder an Sein Herz ziehen will. 
Lieber Leser! Bist du gefallen? Bist du auf Irrwege geraten? 
Bist du abtrünnig geworden? Hast du das süße Gefühl des göttlichen Wohlgefallens, das glückliche Bewußtsein der Annahme 
von Seiten Gottes, verloren? Wenn dies der Fall ist, was hast 
du dann zu tun? Was sonst, als einfach zurückzukehren? Es 
ist das Wort Gottes, das sich speziell an den Abtrünnigen richtet. Es fordert die Rückkehr zum Selbstgericht und zu dem 
glückseligen Vertrauen in die grenzenlose, unwandelbare Liebe 
des Herzens Christi. Laß dich nicht durch deinen eigenen Unglauben in der Ferne zurückhalten. Du darfst das Herz Jesu 
nicht nach deinem eigenen Herzen ermessen. Laß Ihn Selbst es 
dir sagen, was Sein Herz gegen dich fühlt. Du hast gesündigt, 
du hast gefehlt, du hast dich abgewandt. Du fühlst die Schande 
und wagst es kaum, deinen Blick zu Ihm emporzuheben, den 
du so sehr betrübt und verunehrt hast. Auch wird Satan dir die 
finstersten Gedanken eingeben, denn er möchte dich gern zurückhalten von dem gepriesenen Heilande, Der dich mit einer 
ewigen Liebe liebt. Aber richte deinen Blick auf das Blut, auf 
die Fürbitte und auf das Herz Jesu, um eine triumphierende 
Antwort auf alle schrecklichen Einflüsterungen des Feindes und 
auf alle ungläubigen Bemerkungen deines eigenen Herzens 
zu erhalten. Laß daher nicht eine Stunde vergehen, ohne jede 
Frage zwischen deiner Seele und Christus ganz in Ordnung 
gebracht zu haben. „Kehret um, ihr abtrünnigen Kinder!" — 
„Kehret um zu mirl", spricht der Herr. 
2. Jedoch das Herz muß ebenso wiederhergestellt werden wie 
das Gewissen. Möchten wir dies nie außer acht lassen. Oft ist 
es in der Geschichte der Seelen der Fall, daß bezüglich gewisser 
Handlungen, deren wir uns schuldig gemacht haben, unser Gewissen vollkommen rein ist, daß aber die Wurzeln, aus denen 
diese Handlungen hervorgingen, durchaus nicht erreicht sind. 
Die Handlungen erscheinen auf der Oberfläche des täglichen 
Lebens, aber die Wurzeln sind in der Tiefe des Herzens ver81 
borgen, vielleicht uns selbst und anderen unbekannt, aber vollkommen offen vor dem Auge Dessen, mit Dem wir es zu tun 
haben. 
Diese Wurzeln aber müssen unbedingt erreicht, bloßgestellt 
und gerichtet werden, bevor unser Herz in einem richtigen Zustand vor dem Angesicht Gottes ist. Blicken wir auf Abraham. 
Er setzte seinen Weg fort mit einer gewissen Wurzel im Herzen — einer Wurzel ungläubiger Sorge bezüglich seiner Frau 
Sara. Das verleitete ihn bei seinem Zug nach Ägypten zu einer 
Lüge, und obwohl sein Gewissen wiederhergestellt war und 
er zu seinem Altar in Bethel zurückkehrte, wurde die Wurzel 
doch erst nach Jahren bei seinem Zusammentreffen mit Abimelech, dem König von Gerar, erreicht. 
Alles dies ist sehr ernst und von praktischer Wichtigkeit. Wir 
sehen das sowohl bei Petrus als auch bei Abraham. Aber in 
welch einer außergewöhnlich zarten Weise sucht der Herr Jesus 
die Wurzeln in dem Herzen Seines teuren und geehrten Dieners 
zu erreichen. Die Worte: „Als sie nun gefrühstückt hatten" 
zeigen uns, daß der Herr bis zu diesem Augenblick in keiner 
Weise auf das Vergangene angespielt und nichts gesagt hatte, 
was das Herz des Petrus hätte verwunden oder eine Wolke über 
seinen Geist bringen können, während er mit einem wiederhergestellten Gewissen mit einer Liebe bei der Mahlzeit saß, die keinen Wechsel kennt. Das kennzeichnet die Handlungen Gottes 
mit allen Seinen Heiligen. Das Gewissen ist in der Gegenwart der 
unendlichen, ewigen Liebe in Ordnung gebracht, bevor die entfernteste Anspielung auf die Wurzeln der Dinge im Herzen 
gemacht wird. Als sich Petrus in dem völligen Vertrauen eines 
wiederhergestellten Gewissens zu den Füßen Jesu niederwarf, 
war er berufen, auf die gnädige Einladung zu lauschen: „Kommet her, frühstücket!" Aber „als sie nun gefrühstückt hatten", 
nahm Jesus sozusagen den Petrus besonders zu Sich, um das 
Licht der Wahrheit in seine Seele strömen zu lassen, damit er 
in diesem Licht die Wurzel erkennen könne, aus der sein Fall 
entsprungen war. Diese Wurzel war das Selbstvertrauen, das 
ihn verleitet hatte, sich über seine Mitjünger zu erheben, indem 
er sagte: „Wenn sich alle an dir ärgern werden, ich werde mich 
niemals ärgern". — 
82 
Diese Wurzel mußte ans Licht gebracht werden. Daher lesen 
wir: „Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon 
Petrus: Simon, Sohn Jonas', liebst du mich mehr als diese?" 
— Das war eine durchdringende und schmerzhafte Frage. Sie 
drang geradewegs in das Innere des Herzens Petrus. Dreimal 
hatte Petrus seinen Herrn verleugnet, und dreimal zieht der 
Herr das Herz des Petrus zur Rechenschaft, denn die Wurzel 
seiner bösen Handlung muß erreicht werden. Es genügt nicht, 
daß das Gewissen von den Wirkungen gereinigt ist, die im 
praktischen Leben hervorgerufen werden. Es muß auch ein 
inneres Gericht über das stattfinden, was diese Wirkungen hervorgerufen hat. Das wird oft nicht genügend verstanden und 
beachtet. Die Folge davon ist, daß die Wurzel immer wieder 
hervorschießt, ihre Früchte erzeugt und ihren Samen tausendfach um uns her verstreut, und daß dadurch für uns die trostlosesten und bittersten Mühen bereitet werden, die sämtlich 
vermieden worden wären, wenn die Wurzel wirklich verurteilt 
und ausgerottet worden wäre. 
Lieber Leser! Der Zweck dieser Zeilen ist von höchst praktischer Bedeutung. Lassen wir uns daher ermahnen, die bösen 
Wurzeln, die in uns sind, welcher Art sie auch sein mögen, mit 
Ernst zu verurteilen. Kennen wir diese Wurzeln in uns? Es ist 
auf jeden Fall sehr schwierig, sie zu erkennen. Sie liegen in der 
Tiefe und sind mannigfaltig. Stolz, persönliche Eitelkeit, Habsucht, Reizbarkeit, Ehrgeiz, — das sind einige von den natürlichen Wurzeln und Triebfedern unserer Handlungen, über die 
ein strenges Gericht ausgeübt werden muß. Unsere Natur muß 
fühlen, daß sie einem ständigen Selbstgericht unterworfen ist. 
Wir müssen diesen Kampf ununterbrochen fortsetzen. 
[Anm. d. Bearb.: Allerdings spricht das Wort Gottes in diesem 
Sinn nie von einem Kampf, sondern immer von einem Gestorbensein und im-Tode-Halten (Röm 6, Kol 3, 6ff), wobei natürlich das Selbstgericht immer vorhanden ist (1. Kor 11, 31).] 
Mögen wir auch diesen oder jenen Fehltritt zu beklagen haben, 
so müssen wir doch den Kampf aufrechterhalten, denn Kampf 
verrät Leben. Möge der Heilige Geist uns stärken in unserem 
unaufhörlichen Streit! 
3. Wir schließen diese Zeilen mit einem kurzen Hinweis auf 
eine Wiederherstellung bezüglich der Stellung oder des Pfades 
83 
der Seele. Wenn das Gewissen völlig gereinigt und das Herz 
mit seinen verschiedenen Wurzeln gerichtet ist, gibt es noch 
eine moralische Zubereitung für unseren eigenen Pfad. Die 
vollkommene Liebe Jesu hat alle Furcht aus dem Gewissen des 
Petrus ausgetrieben. Seine dreifache Frage hat die Wurzeln in 
dem Herzen des Jüngers bloßgelegt, und jetzt sagt Er zu ihm: 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn 
du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, 
und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du 
nicht willst. Dies aber sagte er, andeutend, mit welchem Tode 
er Gott verherrlichen sollte. Und als er dies gesagt hatte, 
spricht er zu ihm: Folge mir nach." — 
Hier haben wir also in drei Worten den Pfad des Dieners 
Christi. „Folge mir nach!" Der Herr hat Petrus soeben die kostbarsten Pfänder Seiner Liebe und Seines Vertrauens gegeben. 
Fr hat ihm trotz des früheren Fehltritts die Pflege alles dessen 
anvertraut, was Seinem liebenden Herzen in dieser Welt teuer 
w<ir, ja sogar die Schafe und Lämmer Seiner Herde. Er hatte 
zu ihm gesagt: „Wenn du mich lieb hast, so hüte meine 
Schafe". Jetzt öffnet Er ihm mit kurzen, aber deutlichen Worten seinen eigenen Pfad. „Folge mir nach"! Das ist genug. Es 
schließt alles in sich. Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, müssen wir das Auge unverwandt auf Ihn richten. Wir müssen auf 
Seine Fußtapfen achten und darin wandeln. Wenn wir, wie 
Petrus, versucht sind, uns umzuwenden, um zu sehen, was 
dieser oder jener zu tun hat oder wie er es tut, dann möchte 
unser Ohr die zurechtweisenden Worte hören: „Was geht es 
dich an? Folge du mir nach!" — Dies muß unter allen Umständen unsere einzige Tätigkeit sein. Gewiß werden sich tausenderlei Dinge erheben, um uns abzulenken und zu behindern. 
Der Teufel wird uns versuchen, hierin und dorthin zu blicken, 
oder uns um diesen oder jenen zu bekümmern, oder uns einzubilden, daß wir uns besser hier als dort, oder dort als hier beschäftigen könnten, oder auch beschäftigt zu sein mit dem 
Werk eines Mitjüngers. Diesem allen begegnen die klaren 
Worte: „Folge mir nach!" 
Es zeigt sich in unseren Tagen große Gefahr, daß wir den 
Schritten anderer folgen und daß wir gewisse Dinge tun, wie 
84 
und weil andere sie auch tun. Das alles erfordert eine sorgfältige Wachsamkeit, sonst wird sicher nichts gelingen. Wir 
benötigen einen gebrochenen Willen — die wahre Gesinnung 
eines Dieners, der auf seinen Herrn wartet, um Dessen Willen 
zu erfahren. Der Dienst besteht nicht darin, daß man dies oder 
jenes tut, oder hierhin und dorthin läuft, sondern einfach darin, 
daß man den Willen des Herrn tut, welcher Art dieser auch 
sein mag. Es ist leichter, tätig als ruhig zu sein. Als Petrus 
noch „jünger" war, ging er wohin er wollte; nachdem er „alt" 
geworden war, ging er wohin er nicht wollte. Welch ein Gegensatz zwischen dem jungen, ruhelosen, feurigen und energischen 
Petrus, der ging wohin er wollte, und dem alten, gereiften, 
unterwürfigen und erfahrenen Petrus, der ging wohin er nicht 
wollte! Welch ein Glück, einen gebrochenen Willen zu haben 
und imstande zu sein, von Herzen zu sagen: „Was Du willst — 
wie Du willst — wo Du willst — wann Du willst! — Herr, nicht 
mein Wille, sondern der Deinige geschehe!" — 
„Folge mir nach!" Kostbare Worte! O möchten sie doch tief 
in unsere Herzen eingegraben sein, lieber Leser! Dann wird 
unser Schritt fest und unser Dienst gesegnet sein. Dann werden 
wir nicht zerstreut oder verhindert werden durch die Gedanken 
und Meinungen der Menschen. Vielleidit werden uns dann 
wenige verstehen und mit uns fühlen. Vielleicht werden wenige 
unser Tun billigen und schätzen. Aber was schadet dies? Der 
Herr sieht und kennt alles, wenn loir nur Seinen Willen kennen 
und danach tun. Wenn ein Herr einem seiner Diener gebietet 
auszugehen oder irgend etwas zu tun, oder irgendeinen Auftrag 
zu besorgen, so ist es die Pflicht des Dieners, dem Befehle treu 
nachzukommen, ohne sich darum zu bekümmern, was seine 
Mitknechte darüber denken mögen. Sie mögen ihn auffordern, 
einen anderen Weg einzuschlagen, oder etwas anderes zu tun, 
aber als treuer Diener wird er nicht darauf achten, weil er den 
Willen seines Herrn kennt und dessen Aufträge auszuführen 
hat. 
Möchte es so doch bei allen Dienern des Herrn sein! Möchte es 
mehr der Wunsch und das Verlangen aller sein, Seinen Willen 
zu erforschen und zu tun! Petrus hatte seinen Weg, und Johannes hatte seinen Weg. Jeder hat sein eigenes Werk zu verrichten. Keiner darf dem anderen im Wege stehen. Die Stifts85 
hütte wurde von einem Ort zum andern getragen und aufgerichtet, und jeder Arbeiter hatte seine bestimmte Arbeit dabei 
zu verrichten. Ebenso ist es auch in unseren Tagen. Gott hat 
verschiedene Arbeiter in Seinem Hause und in Seinem Weinberg. Er hat Steinbrecher, Steinhauer, Maurer und Verzierer. 
Sind alle Steinbrecher? Gewiß nicht, sondern jeder hat sein 
Werk zu tun, und der Bau geht seiner Vollendung entgegen, 
indem ein jeder die ihm zugewiesene Arbeit verrichtet. Darf 
der Steinbrecher den Verzierer verachten? Darf der Verzierer 
mit Geringschätzung auf den Steinbrecher herabblicken? Keineswegs. Der Meister hat sie beide nötig, und wo irgendeiner 
dem anderen im Wege steht, wie es leider unter uns so oft 
geschieht, da wird auch sicher das zurechtweisende Wort vernommen werden: „I-Vas geht es dich an? Folge du mir nach!" — 
Drei große Wahrheiten 
(Psalm 32) 
In diesem lehrreichen Psalm wird Gott uns in dreifacher Weise 
vor Augen gestellt. Zuerst haben wir Ihn als unseren Rechtfertiger, dann als unseren Bergungsort und schließlich als unseren Führer. Das sind sicherlich drei große Wahrheiten. Nicht 
nur trägt Gott, wie reich und überschwenglich diese Güte und 
Gnade auch sein würde, für unsere Rechtfertigung, Sicherheit 
und Leitung Sorge, sondern Er ist Selbst gekommen, um unser 
Rechtfertiger, unsere Zufluchtsstätte und unser Führer zu sein. 
Welch eine wunderbare Vorsorge! Das ist die große Tragweite 
der Erlösung, das ist die Weise in der der Gott aller Gnade 
allen unseren Bedürfnissen begegnet ist. Wenn Gott Selbst 
mein Rechtfertiger ist, muß ich vollkommen gerechtfertigt sein; 
wenn Er mein Bergungsort ist, muß ich vollkommen geborgen 
sein; wenn Er mein Führer ist, muß ich vollkommen richtig 
geleitet werden. 
1. Gott unser Rechtfertiger 
„Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde 
zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem Jehova die Unge86 
rechtigkeit nicht zurechnet, und in dessen Geist kein Trug ist" 
(V. 1. 2)! Welch eine Glückseligkeit! Die Übertretung ist vergeben, die Sünde bedeckt. In dem religiösen Gemüt jedes Menschen ist der Gedanke tief eingegraben, daß er Gott als Richter 
begegnen wird, daß er als Sünder in der einen oder anderen 
Weise den Forderungen eines gerechten Richters begegnen muß 
— eines Richters, der mit ihm nach seinen Sünden handeln und 
den letzten Heller eintreiben wird. Wie viele Sterbende haben, 
als sie sich an der Pforte der Ewigkeit sahen, die Worte ausgerufen: „Wie, muß ich vor den Richter treten, während noch alle 
meine Sünden auf mir lasten?" — Es ist wirklich ein schreckliches Bewußtsein, beladen mit Sünden vor das prüfende, alles 
durchdringende Auge Gottes treten zu müssen. Wenn ich Gott 
als Richter begegnen muß, dann ist es aus mit mir. „Gehe nicht 
ins Gericht mit deinem Knechte! denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht" (Ps 143, 2). Daher muß jede Seele, die Gott als 
ihren Richter sieht, mit Furcht und Angst erfüllt sein, weil sie 
nicht eines auf tausend zu antworten vermag. „Womit soll ich 
vor Jehova treten, mich beugen vor dem Gott der Höhe? Soll 
ich vor ihn treten mit Brandopfern, mit einjährigen Kälbern? 
Wird Jehova Wohlgefallen haben an Tausenden von Widdern, 
an Zehntausenden von Strömen Öls? Soll ich meinen Erstgeborenen geben für meine Übertretung, die Frucht meines 
Leibes für die Sünde meiner Seele" (Micha 6, 6. 7)? Der Mensch 
kann Gott als einem Richter nicht begegnen. Das Ergebnis 
einer Begegnung zwischen einem gerechten Richter und einem 
schuldigen Sünder wird ewige Verdammnis sein. 
Aber Gott sei gepriesen! Er trägt jetzt einen anderen Charakter. Er ist ein gerechter Rechtfertiger, ja, ein Rechtfertiger oder 
Freisprecher derer, die Ihm als einem Richter nicht begegnen 
können. In jeder Sphäre, wo Gott Sich entfaltet, muß Er gerecht sein. Er muß gerecht sein, sei es als Richter oder Rechtfertiger. Aber in diesen Tagen der Gnade, während der angenehmen Zeit, am Tage des Heils, offenbart Er Sich als ein „gerechter Gott und als ein Heiland". Welch ein Charakter! Welch 
ein bewunderungswürdiger Triumph der erlösenden Liebe. 
Welch eine Antwort auf die Anmaßungen Satans! Welch ein 
Balsam für ein überführtes Gewissen und ein zerknirschtes 
Herz! Ein Heiland-Gott! Das ist gerade der Titel, der für den 
87 
verlorenen Sünder passend ist. Dieser Titel bringt Gott in 
meine Nähe, und zwar in dem Zustand und Charakter, in denen 
ich mich befinde. Wenn Gott ein Heiland ist, so finde ich in 
Ihm gerade Den, Dessen ich als Verlorener bedarf. Wenn Er 
ein Rechtfertiger ist, so ist Er gerade das, was ich als ein Schuldiger nötig habe. Nur ein verlorener Sünder kann mit einem 
Heiland zu tun haben. Nur ein schuldiger Sünder bedarf eines 
Gottes, Der ein Rechtfertiger ist. Nichts könnte einleuchtender 
sein. Dies stellt die Errettung und Rechtfertigung auf einen 
ebenso einfachen wie festen Boden. Gott offenbart Sich als 
Erretter, der glaubende Sünder tritt in das Licht dieser Offenbarung und ist errettet. Gott offenbart Sich als Rechtfertiger, 
der glaubende Sünder tritt in das Licht dieser Offenbarung und 
ist gerechtfertigt. Er ist gerettet und gerechtfertigt nach dem 
vollkommenen Maßstab der Offenbarung Gottes Selbst. Es ist 
unmöglich, auf einem festeren Boden zu stehen und eine sicherere Stellung einzunehmen. Die Rettung und Rechtfertigung 
des Gläubigen antasten zu wollen, wäre eine Leugnung der 
Lauterkeit der Offenbarung Gottes. 
Möge der Leser sich stets erinnern, wer diejenigen sind, die 
Gott rechtfertigt. Sind es gute Menschen? Sind es solche, die 
ihre Pflicht getan haben? Gibt es solche überhaupt? Sind es 
solche, die das Gesetz erfüllt haben? Solche Menschen hätten 
gewiß keine Rechtfertigung nötig, weil sie sich sagen könnten, 
daß „der Mensch, der diese Dinge tut, durch sie leben wird". 
Wenn daher jemand das Gesetz erfüllen könnte, dann hätte 
er keine Übertretung, die vergeben, und keine Sünde, die bedeckt werden müßte, und ein solcher benötigt keinen HeilandGott, keinen gerechten Rechtfertiger. Das ist einleuchtend. Ein 
Mensch, der sich eine gesetzliche Gerechtigkeit erworben hat, 
verlangt nach keiner Gerechtigkeit aus dem Evangelium. „Wenn 
Gerechtigkeit durch Gesetz kommt, dann ist Christus umsonst 
gestorben". Welchen Nutzen konnte Sein Sterben haben, wenn 
unsere Gerechtigkeit auf einem anderen Weg hätte erlangt 
werden können? 
Wer sind nun diejenigen, die Gott rechtfertigt? Höre es, 
ängstlicher Leser! Er rechtfertigt die Gottlosen. Ja, das ist die 
wahre Sprache des Heiligen Geistes. „Dem aber, der wirkt, 
wird der Lohn nicht nach Gnade zugerechnet, sondern nach 
88 
Schuldigkeit. Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, 
der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. Gleichwie auch David die Glückseligkeit des 
Menschen ausspricht, welchem Gott Gerechtigkeit ohne Werke 
zurechnet: ,Glückselig die, deren Gesetzlosigkeiten vergeben und deren Sünden bedeckt sind! Glückselig der Mann, dem 
der Herr Sünde nicht zurechnet''' (Röm 4, 4—8)! 
Hier erlangen wir also unsere klare, volle, bestimmte und entscheidende Antwort. Zwei Charaktere werden hier einander 
gegenübergestellt, nämlich „der, welcher wirkt", und „der, 
welcher nicht wirkt"; und dieser vollkommene Gegensatz wirft 
alle Gedanken des Menschen über den Haufen. Es war für den 
Geist des Menschen unfaßbar, eine Gerechtigkeit zu erlangen, 
ohne dafür zu wirken. Es überstieg jedes Verständnis, daß Gott 
den Gottlosen rechtfertigt. Und dennoch ist dies die wahre 
Lehre der Schrift. Wenn der Mensch die Gerechtigkeit durch 
eigenes Wirken erlangen könnte, dann wäre es selbstverständlich keine göttliche Gerechtigkeit, und zwar aus dem einfachen 
Grunde, weil diese eine Gerechtigkeit ist für den, „welcher 
nicht wirkt". Wenn Gott Sich als Rechtfertiger der Gottlosen 
offenbart, dann ist es eine gänzliche Verleugnung dieser Offenbarung für die Menschen, wenn man in einem anderen Charakter vor Ihm zu erscheinen versucht. Wenn ich als Sünder 
meine Pflichten vor Gott bringe, dann muß ich Ihm als meinem 
Richter begegnen, denn dann muß Er meine Pflichten untersuchen und sehen, ob sie alle in Ordnung sind. Aber wenn ich 
meine Sünden vor Ihn bringe, so begegnet Er mir als Rechtfertiger mit einer völligen und freien Vergebung und mit einer 
ewigen Gerechtigkeit. Es ist die besondere Herrlichkeit des 
Evangeliums, daß Gott darin geoffenbart wird als der gerechte 
Rechtfertiger des armen, verlorenen Sünders. 
Das ist eine bewunderungswürdige Wahrheit. Und wenn, wie 
es ganz natürlich ist, ein in Tätigkeit gebrachtes Gewissen nach 
dem Grunde dieser erhabenen Wahrheit fragt, dann ist die 
Antwort so klar und vollständig, wie es selbst die ängstlichsten 
Seelen nur wünschen können. Ja, nichts könnte klarer sein. Gott 
als Richter handelte mit mir bezüglich meiner Sünden am 
Kreuz, damit Er als Rechtfertiger Sich mit mir auf der „Himmelsseite" des leeren Grabes Jesu beschäftigen könnte. Der 
89 
Tod Christi ist daher der Grund, auf dem Gott in gerechter 
Weise den Gottlosen rechtfertigen kann. Ein gerechter Richter 
verurteilte und verdammte die Sünde am Kreuze, damit ein 
gerechter Rechtfertiger in der Lage wäre, dem Schuldigen zu 
vergeben und ihn zu rechtfertigen. Welch ein tiefes Geheimnis! 
Kein Wunder, daß Engel hineinzuschauen begehren; kein Wunder, daß Sünder, die an dieser Segnung teilhaben, niedersinken 
zum Preise und zur Anbetung Dessen, Der solche Ratschlüsse 
faßte und offenbarte und alles zu ihren Gunsten wirkte durch 
die vollkommene Sühnung Christi. 
Hier wollen wir einen Augenblick verweilen, um eine klare und 
entscheidende Frage an den Leser zu richten. Mein teurer 
Freund! Kennst du Gott als deinen Rechtfertiger? Oder lebst 
du noch in dem Gedanken, Ihm als Deinem Richter begegnen 
zu müssen? Blickst du zum Richterstuhl als der Stätte empor, 
wo die Frage deiner Rechtfertigung noch in Ordnung gebracht 
werden muß? Wenn das der Fall ist, dann wirst du dich elend 
fühlen. Du kannst dich nicht eher eines wahren Friedens erfreuen, als bis du erkennst und glaubst, daß Gott als Richter 
nichts gegen dich als einen Sünder hat, ja, daß Er sogar Selbst 
dein Rechtfertiger ist, — daß Er Sich dir, einem gottlosen Sünder, in dem Tod und der Auferstehung Christi als ein gerechter Gott und Heiland geoffenbart hat. Dies ist der feste und 
unerschütterliche Grund des Friedens, und es sollte unser ernstes Gebet sein, immer tiefer in dieses große Geheimnis einzudringen. Wenn du wirklich in bezug auf die Rettung deiner 
Seele beunruhigt bist, so solltest du diese Zeilen nicht aus der 
Hand legen, ehe du die göttliche Gewißheit besitzest, daß du 
gerechtfertigt bist, und daß Gott dein Rechtfertiger ist. Welch 
eine gesegnete Gewißheit! Möchtest du sie erkennen durch den 
einfachen Glauben an Den, Der den Gottlosen rechtfertigt, und 
dann wirst du fähig sein, uns mit Verständnis und wahrer 
Freude zu folgen, wenn wir jetzt bei dem zweiten Teil unserer 
Betrachtung ein wenig verweilen. 
2. Gott unser Bergungsort 
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß, so lange der Sünder 
in Feindschaft wider Gott ist, er mit sich selbst, mit der Welt 
und mit dem Teufel in Frieden ist. Aber von dem Augenblick 
90 
an, da er durch die Gnade in den vollen Frieden mit Gott gebracht ist, beginnt auch der Kampf mit sich selbst, mit der 
Welt und dem Teufel. Ja, kaum ist der glückliche Moment angebrochen, da ich mit Gott als meinem Rechtfertiger bekannt 
geworden bin, beginnt auch schon der Kampf mit einem Heer 
geistlicher Feinde in meinem Inneren und um mich her. Dies 
weckt in mir ein neues Bedürfnis. Ich verlange nach einem 
Bergungsort, zu dem ich mich zu allen Zeiten zurückziehen 
kann, und aus dem ich nicht hervorzutreten wage. Dieser Bergungsort ist Gott. „Du bist ein Bergungsort für mich; vor 
Bedrängnis behütest du mich; du umgibst mich mit Rettungsjubel" (V. 7). Welch ein Unterschied zwischen dem Zustand 
der Seele hier und demjenigen im dritten und vierten Vers: 
„Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein 
Gestöhn den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht lastete auf mir 
deine Hand; verwandelt ward mein Saft in Sommerdürre. 
(Sela)". Welch ein Gegensatz zwischen dem „Gestöhn" eines 
mit Sünden beladenen, das Gericht fürchtenden Menschen, und 
dem „Rettungsjubel einer gerechtfertigten, in Gott ruhenden 
Seele"! Dennoch ist es weit besser, in der Zerknirschung des 
Geistes zu stöhnen als zu rufen: „Friede, Friede!" wo kein 
Friede ist. Wahre Angst ist sicher einem falschen Frieden vorzuziehen. Aber der Gläubige hat weder das eine noch das 
andere. Seine Furcht ist in wahre Ruhe umgewandelt durch 
die Erkenntnis Gottes als seines Rechtfertigers und seines Bergungsortes. Daher kann er statt desSeufzens der Zerknirschung 
seine Stimme zu einem Rettungsjubel erheben. Welch ein gesegneter Wechsel! Anstatt ausrufen zu müssen: „O welch ein 
Elend!" kann er jauchzen: „O welch eine Glückseligkeit!" —„Du 
umgibst mich mit Rettungsjubel!" — „Wenn Gott für uns ist, 
wer wider uns?" — „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt 
durch unseren Herrn Jesus Christus!" — „Gott aber sei Dank, 
der uns allezeit im Triumphzuge umherführt in Christo und 
den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Orte durch uns offenbart !" -
Das sind einige Klänge jenes Rettungsjubels, mit dem der 
Heiland-Gott Seine gerechtfertigten und geborgenen Gläubigen 
umgibt. Möchten unsere Herzen mehr davon erfüllt sein! Leider 
hört man unter den Gläubigen oft mehr ein vielseitiges Murren 
91 
und Klagen als die Klänge des Rettungsjubels. Wenn die uns 
zuteilgewordenen Gnadenerweisungen und Segnungen mehr in 
unserer Erinnerung lebten, würden gewiß unsere Lippen auch 
mehr geöffnet sein zum Rettungsjubel. Wer anders hätte denn 
eine Ursache, sich zu freuen und fröhlich zu sein, als diejenigen, 
die durch Gott gerechtfertigt und in Ihm geborgen sind? 
Wir müssen indessen zum Schluß eilen, und dem dritten Punkt 
unseres kostbaren Psalms noch eine kurze Betrachtung widmen. 
3. Gott unser Führer 
Dies ist wirklich eine große Wahrheit. Ja, wir brauchen einen 
Führer, so lange wir durch die Labyrinthe dieser finsteren, gefahrvollen Welt gehen. In diesen Tagen der Unruhe und der 
Verwirrung brauchen wir einen Führer, und Gott sei gepriesen, 
daß Er Selbst diesen Dienst für uns übernommen hat . . . „Ich 
will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten" 
(V. 8). Welch eine kostbare Gnade! Welche Mühe gibt Gott 
Sich, um uns auf jeder Station unserer Laufbahn zu begegnen 
und Sich uns stets in dem Charakter zu offenbaren, in dem 
wir Ihn brauchen. Als wir niedergebeugt waren unter der schweren Last unserer Sünde und Schuld, als wir seufzten unter der 
Qual der Gewissensangst, als unsere Gebeine sich verzehrten 
und unser Saft verwandelt wurde in Sommerdürre, — da erschien Er vor uns als unser Rechtfertiger, als unser HeilandGott, Der uns unsere Übertretung und unsere Sünde bedeckte. 
Wenn wir von einem Heer geistlicher Feinde umringt sind, die 
uns, wenn möglich, in einem Nu zermalmen würden, dann 
öffnet Er uns Seinen Busen und lädt uns ein, in Ihm eine Zufluchtsstätte und einen Bergungsort zu finden, so daß wir, anstatt von Feinden umgeben zu sein, mit Rettungsjubel umgeben 
sind. Und endlich, wenn wir berufen sind, einen Schauplatz der 
Verwirrung und der Unruhe zu durchschreiten, dann steht Er 
in Seiner unendlichen Gnade vor uns und sagt: „Mein Auge 
auf dich richtend, will ich dir raten". Welche Gnade! Welche 
Nähe! Welche Innigkeit! 
Wie bemerkenswert ist auch die Weise, wie Er uns leitet! „Mein 
Auge auf dich richtend, will ich dir raten". Das ist, wie wir 
wissen, die zärtlichste, lieblichste und wohlwollendste Art der 
92 
Leitung. Wir müssen mit einer Person sehr vertraut sein und 
ihr sehr nahe stehen, um von ihr durch den Wink ihrer Augen 
geleitet werden zu können. Es ist dies eine weit zartere und 
vortrefflichere Art der Leitung als durch den Wink der Hand 
oder durch den Klang der Stimme. Ich muß meinen Blick auf das 
Antlitz einer Person gerichtet haben, um den Wink ihrer Augen aufzufangen; und ich muß sehr vertraut mit ihrem Willen 
und Wunsch sein, um mir diesen Wink zu erklären und demgemäß zu handeln. 
O möchte unser Herz in diese kostbare Wahrheit tiefer eindringen! Wäre dies der Fall, dann würde der Blick des Auges 
unseres Vaters völlig genügen, unsere Wege zu bereiten; ja 
dann könnten wir ruhig unsere Hand in die Seinige legen und, 
in Sein Antlitz schauend, sicher geleitet werden durch den Wink 
Seines Auges. Dann wäre unser Pfad stets hell und sicher, einfach und gesegnet. Wir hätten dann nicht wie die unbändigen 
„Rosse" und die widerspenstigen „Maultiere" den Zaum und 
Zügel der Umstände nötig, sondern durch Gemeinschaft mit 
Seinem Geiste würden wir Seinen Willen kennen. Wie oft 
verlieren wir uns in den Umständen auf unserem Pfad! Wie 
oft befinden wir uns in den mißlichsten Verhältnissen! Und 
warum? Weil wir uns nicht durch das Auge Gottes leiten lassen. Wir bitten Gott um Seine Leitung in solchen Dingen, die 
wir nicht tun sollten, und auf solchen Pfaden, die wir nicht 
wandeln sollten. — „Ich weiß nicht, welchen Weg ich einschlagen soll", sagte jemand zu einem christlichen Freund. — Wie 
lautete die Antwort? Sie war sehr einfach. „Du tust am besten, 
wenn du keinen Weg einschlägst", erwiderte der Ratgeber. So 
sollte es stets sein. Wenn wir uns nicht im klaren sind, ob der 
Weg, den wir wandeln wollen, der richtige ist, so sollten wir 
still stehen. 
Möchten doch alle Jünger des Herrn durch den Heiligen 
Geist befähigt sein, als Gerechtfertigte zu wandeln, in ihrem 
Bergungsort zu bleiben und ihrem Führer zu folgen. — 
93 
Wir sehen Jesum 
„Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen 
des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und 
Ehre gekrönt — so daß er durch Gottes Gnade für alles den 
Tod schmeckte. Denn es geziemte ihm, um deswillen alle Dinge 
und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen. Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch 
die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher 
Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen" 
(Hebr 2, 9—11). 
In diesen Worten wird uns der Herr Jesus dargestellt als Derjenige, Der den Tod geschmeckt hat, durch Leiden vollkommen 
gemacht wurde und Der der Erstgeborene vieler Brüder ist. 
1. Jesus schmeckte den Tod für alles. In diesem Charakter 
sehen wir Ihn mit Herrlichkeit gekrönt; und Seine Krone liefert 
den Beweis, daß die Sünde, der Stachel des Todes, beseitigt ist. 
Nie wurde vorher ein verherrlichter Mensch im Himmel gesehen. Wir sehen nicht einen unschuldigen Mann in Eden, nicht 
einen wiederhergestellten Menschen auf Erden, nicht einen 
Menschen auf dem Thron Israels; nein, es ist ein mit Herrlichkeit und Ehre gekrönter Mensch. Da nun Jesus aufgrund des 
für mich vollbrachten Werkes gekrönt ist, bleibt für mich nichts 
anderes übrig, als in der Gewißheit zu wandeln, daß alle meine 
Sünde für ewig beseitigt ist. Jeder Zweifel von meiner Seite 
würde eine Leugnung Seines Rechtes sein, eine Krone zu tragen. Ist der Sündenträger gekrönt, dann ist die Sünde weggetan; ist Er, Der den Tod schmeckte, mit Herrlichkeit und Ehre 
bekleidet, dann ist der Stachel des Todes beseitigt. Das ist der 
Gedanke Gottes, und das muß auch stets der Gedanke der 
Gläubigen sein. 
2. Auch ist Jesus der Anführer unserer Errettung, und als solcher durch Leiden zur Vollkommenheit gebracht. In Sich Selbst, 
als Gott und Mensch, war Er vollkommen. Aber durch Leiden 
wurde Er vollkommen gemacht, um der Urheber unserer Errettung zu sein. Gott wollte viele Kinder zur Herrlichkeit brin94 
gen, darum mußte der Urheber ihrer Errettung um ihretwillen 
durch Leiden und Tod gehen. Wir sehen daher im Himmel nicht 
nur unseren Sündenträger, sondern auch den Urheber unserer 
Errettung, Der uns in die Herrlichkeit einführen kann. Er, Der 
die Sünde weggenommen, den Teufel überwunden, den Tod 
zunichtegemacht hat, ist der Urheber unserer Errettung. Darum 
kann keine Macht der Welt und der Hölle uns Seiner Hand 
entreißen; Er, Der mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist, ist 
der Urheber unserer Errettung. 
3. Auch ist Er der Erstgeborene vieler Brüder. Dies konnte nur 
durch den Tod und die Auferstehung bewerkstelligt werden. 
Auf diesem Grunde ruht unser Einssein mit Christus. „Wenn 
das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es 
allein". Jesus mußte sterben, um uns mit Sich vereinigen und 
uns „Brüder" nennen zu können. Das ist wichtig. Christus vereinigte die gefallene Menschheit nicht bei Seiner Menschwerdung. Das ist unmöglich. Nur aufgrund Seines Todes konnte 
eine Vereinigung stattfinden, denn sonst wäre Sein Versöhnungstod unnötig gewesen. Der Tod Christi ist das Fundament 
aller Dinge. Über dies große Geheimnis muß Klarheit vorhanden sein. Dem Tode Christi verdanken wir alles: Einheit, Leben, Gerechtigkeit, Frieden und Herrlichkeit. Ohne diesen Tod 
haben wir nichts. Wäre der Herr Jesus nicht gestorben, wäre Er 
allein geblieben und wir wären ewig verloren. Seine Menschwerdung konnte uns nicht retten. Die Wirkung des Lebens 
Christi hienieden war die Offenbarung unseres verlorenen Zustandes. Sein Leben war der Prüfstein für den Menschen und 
brachte den unverbesserlich schlechten Zustand des Menschen 
ans Licht. In dem Tode sehen wir das Fundament der Ratschlüsse Gottes, sowohl in bezug auf die Kirche als auch in 
bezug auf Israel und die ganze Welt. Alles ist auf diesen Tod 
gegründet. Jesus ging für uns in den Tod, und als Auferstandener vereinigt Er als der Erstgeborene aus den Toten die 
Gläubigen mit Sich und nennt sie Brüder. Nach Seiner Auferstehung sagte Er: „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und 
sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem 
Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh 20). Welch 
eine herrliche Stellung! Der Herr Jesus gab uns Sein Leben — 
das Auferstehungsleben; Er machte uns zu Gliedern Seines 
95 
Leibes und Er schämt Sich nicht, uns Brüder zu nennen. Das 
ist ein unauflösliches Band. Er tritt vor den Vater hin mit den 
Worten: „Siehe, ich und die Kinder, die du mir gegeben hast". 
Möchten wir Seine Liebe und Seine herrlichen Gedanken doch 
besser verstehen lernen! — 
Das Leben des Christen 
Die Frage, die wir in diesem Abschnitt zu betrachten gedenken, 
ist eine der lehrreichsten und wichtigsten, die uns je beschäftigen kann. Was ist das Leben, das wir als Christen besitzen? 
Was ist seine Quelle? Welches sind seine Eigenschaften? Was 
ist sein Ausgang? 
Das Wort Gottes spricht von zwei verschiedenen Häuptern oder 
Quellen. Wir lesen dort von einem ersten und einem zweiten 
Menschen. Schon im ersten Buch Mose lesen wir die Worte: 
„Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen in unserem 
Bilde, nach unserem Gleichnis; . . . Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn; Mann und 
Weib schuf er sie" (Kap 1, 26. 27). — „An dem Tage da Gott 
Adam schuf, machte er ihn im Gleichnis Gottes . . . Und Adam 
lebte hundert und dreißig Jahre und zeugte einen Sohn in 
seinem Gleichnis, nach seinem Bilde" (Kap 5, 1. 3). 
Aber zwischen der Erschaffung Adams nach dem Bilde Gottes 
und der Geburt eines Sohnes, der dem Bilde Adams ähnlich 
war, hatte eine große Veränderung stattgefunden. Die Sünde 
hatte sich eingeschlichen. Der Zustand der Unschuld war vorbei. Adam war ein gefallener, ruinierter, ausgestoßener Mensch 
geworden. Diesen Sachverhalt darf man keinesfalls aus dem 
Auge verlieren. Es ist eine wichtige, folgenschwere Tatsache, 
die uns einen Blick in das Geheimnis des Lebens gestattet, das 
wir als Söhne Adams besitzen. Ein schuldiges, verderbtes und 
ausgestoßenes Haupt bildet diese Quelle. Nicht im Zustand der 
Unschuld wurde Adam zum Haupt des Menschengeschlechts. 
96 
Nicht innerhalb der Grenzen des Paradieses, sondern außerhalb, in einer verderbten, verfluchten Welt wurde Kain geboren, 
und diese Geburt war nicht nach dem Bilde Gottes, sondern 
nach dem Bilde eines gefallenen Vaters. 
Wir zweifeln nicht daran, daß Adam persönlich ein Gegenstand 
der göttlichen Gnade war, und daß er durch Glauben an den 
verheißenen Samen des Weibes Rettung gefunden hat. Betrachten wir ihn jedoch als das Haupt des Menschengeschlechts, 
dann sehen wir ihn nur als einen gefallenen, ruinierten und 
ausgestoßenen Menschen, und jeder seiner Nachkommen ist 
in demselben Zustand geboren. Wie das Haupt ist, so sind 
auch die Glieder — alle Glieder insgesamt, und jedes Glied insbesondere. Der Sohn trägt das Bild seines gefallenen Vaters 
und ist der Erbe seiner Natur. „Was aus dem Fleische geboren 
ist, ist Fleisch". Man mag das „Fleisch" nach Belieben erziehen, 
veredeln, erheben, doch es wird sich nie in „Geist" umwandeln 
lassen. Diese beiden Dinge sind einander ganz entgegengesetzt. 
Das erstere ist der Ausdruck alles dessen, was wir sind als in 
dieser Welt geborene Sprößlinge des ersten Adam, während 
das letztere das ausdrückt, was wir als Wiedergeborene und 
mit dem letzten Adam Vereinigte sind. 
Die „Veredlung" des von dem ersten Adam abstammenden 
Menschen ist eine Arbeit, an der sich seit Jahrtausenden alle 
Weisen der Erde vergeblich abgemüht haben. Der Stand des 
Wassers kann nie seine Höhe überschreiten, und ebenso wenig 
können die Söhne des gefallenen Adam das Höhenmaß ihres gefallenen Vaters übersteigen. Man kann mit ihnen machen was 
man will, nie werden sie, selbst beider sorgfältigsten Erziehung, 
die Natur ihres verworfenen Hauptes verleugnen. Der Mensch 
kann nicht über die Natur, die ihm angeboren ist, hinauswachsen. Er kann hinein—, aber nicht hinauswachsen. Wenn man nach 
der Quelle des Stromes der gefallenen Menschheit sucht, wird 
man als Quelle einen gefallenen, ruinierten und ausgestoßenen 
Menschen entdecken. Diese einfache Wahrheit trifft die Wurzel 
jedes menschlichen Stolzes auf seine Geburt. Wir sind alle 
einem gemeinschaftlichem Stamm, einem Haupt, einer Quelle 
entsprossen. Wir sind alle gezeugt nach einem Bild, und zwar 
nach dem Bild eines verworfenen Menschen. Das Haupt des 
Geschlechts, wie auch das Geschlecht selbst, sind beide in ein 
97 
gemeinsames Verderben verwickelt. Vom gesellschaftlichen 
Standpunkte aus betrachtet mögen Unterschiede vorhanden 
sein, aber vom göttlichen Standpunkt aus gibt es keine. Wenn 
man sich eine wahre Vorstellung von dem Zustand der Glieder 
des Menschengeschlechtes machen will, muß man den Zustand 
des Hauptes betrachten. Man muß bis zum dritten Kapitel des 
ersten Buches Mose zurückkehren und dort die Worte lesen: 
„Und er trieb den Menschen aus". Hier ist die Wurzel der 
ganzen Sache. Hier ist die Quelle jenes Stromes, aus dem seit 
fast sechstausend Jahren die Millionen von Nachkommen 
Adams all ihr Elend geschöpft haben. Die Sünde ist eingetreten 
und hat das Band gesprengt, das Bild Gottes verunstaltet, die 
Quelle des Lebens verderbt, den Tod eingeführt und dem Satan 
die Macht des Todes verliehen. So verhält es sich sowohl in 
bezug auf das Geschlecht Adams als ganzes gesehen als auch 
in bezug auf jedes einzelne Glied. Sie alle sind mit eingeschlossen in Sünde und Verderben. Sie alle sind dem Tode und dem 
Gericht verfallen. Es gibt keine Ausnahme. „Darum, gleichwie 
durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen, und 
durch die Sünde der Tod, und also der Tod zu allen Menschen 
durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben" (Röm 5,12). 
— „In dem Adam sterben alle" (1. Kor 15, 22). Zwei traurige 
und ernste Tatsachen: Sünde und Tod sind hier miteinander 
verbunden. 
Doch Gott sei gepriesen! Ein zweiter Mensch hat den Schauplatz betreten, und diese große Tatsache beweist klar und unwiderlegbar, daß der erste Mensch völlig beiseite gesetzt ist, 
während sie die wunderbare Gnade Gottes gegen den ersten 
Menschen und seine Nachkommenschaft ins Licht stellt. Wäre 
der erste Mensch fehlerlos gewesen, dann wäre für den zweiten 
kein Platz gesucht worden. Ja, wenn ein einziger Hoffnungsschimmer für den ersten Adam vorhanden gewesen wäre, dann 
hätte es für das Erscheinen des letzten Adam keine Veranlassung gegeben. 
Aber Gott sandte Seinen Sohn in diese Welt. Er war der „Same 
des Weibes". Möchte diese Tatsache in unseren Herzen stets 
tief eingeprägt sein! Matthäus leitet Seine gesetzliche Abstammung von Abraham und David her. Er war „aus dem Samen 
Davids", wie Paulus in 2. Tim 2 sagt. Lukas hingegen verfolgt 
98 
Sein Geschlechtsregister bis zu Adam hin. Aber hier finden wir 
auch die Ankündigung des Engels bezüglich des Geheimnisses 
Seiner Empfängnis. „Und der Engel antwortete und sprach zu 
ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Kraft des 
Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, 
das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden" 
(Lk i, 35). 
Hier haben wir also einen wahrhaftigen Menschen, jedoch ohne 
den geringsten Flecken von Sünde und ohne die geringste Spur 
von Sterblichkeit. Er wurde geboren von einem Weibe, war 
also unter allen Umständen Mensch, wie wir Menschen sind, 
jedoch ganz ohne Sünde und frei von jeder Verbindung, die 
dem Tode und der Sünde irgendwie ein Anrecht auf Ihn hätte 
geben können. Wäre der gepriesene Herr jedoch mit Adam, 
dem Haupt des Menschengeschlechts, in irgendeiner Verbindung gewesen, dann könnte Er nicht der zweite Mensch genannt werden, sondern wäre wie andere Menschen ein Nachkomme Adams und sogar in Seiner eigenen Person dem Tode 
unterworfen gewesen. Eine solche Behauptung oder Unterstellung aber wäre eine Lästerung. 
Er war — gepriesen in Ewigkeit sei Sein unvergleichlicher 
Name! — der reine heilige, fleckenlose Mensch Gottes. Er war 
ohnegleichen, Er stand allein als das einzige reine, fleckenlose 
Weizenkorn des menschlichen Samens, das die Erde je gesehen 
hat. Er kam in diese Welt der Sünde und des Todes als der 
Sündenlose und als der Geber des Lebens. In Ihm und nur in 
Ihm war das Leben. Außerhalb von Ihm herrschte der Tod und 
die Finsternis. Außerhalb von Ihm war kein Pulsschlag geist= 
liehen Lebens, kein Schimmer göttlichen Lichtes vorhanden. Die 
ganze Nachkommenschaft des ersten Adam lag unter der 
Sünde, unter der Macht des Todes und war dem ewigen Gericht verfallen. Er konnte sagen: „Ich bin das Licht der Welt". 
Außerhalb von Ihm herrschte sittliche Finsternis und geistlicher 
Tod. In Adam sterben alle; in Christo werden alle lebendig 
gemacht. Wie geschieht dies nun? 
Kaum hatte der zweite Mensch den Schauplatz betreten, da erschien auch Satan, um Ihm jeden Fußtritt streitig zu machen. 
Der Mensch Christus Jesus hatte sowohl das große Werk der 
Verherrlichung Gottes, als auch die Zerstörung der Werke des 
99 
Teufels und die Erlösung Seines Volkes auf dieser Erde unternommen. Welch ein erhabenes Werk! Wir dürfen kühn sagen, 
daß es ein Werk war, das nur der Mensch Gottes ausführen 
konnte. Jesus mußte der ganzen List und Macht Satans begegnen. Er mußte mit ihm als der Schlange und dem Löwen zusammentreffen. Daher wurde Er zu Beginn Seiner gesegneten 
Laufbahn als der getaufte und gesalbte Mensch in die Wüste 
geführt, um den Versuchungen Satans standzuhalten. 
Bei dieser Gelegenheit machen wir im Vorbeigehen auf die 
Gegensätze zwischen dem ersten und dem zweiten Menschen 
aufmerksam. Der erste Mensch befand sich in einem Gurten 
voll der reichsten Genüsse, die geeignet waren, für Gott und 
gegen den Versucher zu reden, während der zweite Mensch 
Sich in einer Wüste voller Entbehrungen befand, die augenscheinlich ganz dazu angetan waren, gegen Gott und für Satan 
das Wort zu erheben. Satan benutzte bei dem zweiten Menschen genau dieselben Waffen, die sich bei der Versuchung des 
ersten so siegreich erwiesen hatten. Es war „die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens" (vgl 
i. Mo 3, 6; Mt 4, 1—g; Lk 4, 1—12; 1. Joh 2, 16). 
Aber der zweite Mensch überwand den Versucher mit einer 
einfachen Waffe: mit dem Worte, „Es steht geschrieben . . ." 
Das war die einzige, unveränderliche Antwort des abhängigen 
und gehorsamen Menschen. Keine Bedenken, kein Zögern -
nichts derartiges zeigte sich. Das Wort des lebendigen Gottes 
war eine achtunggebietende Autorität für den vollkommenen 
Menschen. Gepriesen sei ewig Sein Name! Ihm gebührt die 
Unterwerfung des ganzen Weltalls in alle Ewigkeit. Amen, 
Amen. 
Wir können hierbei jedoch nicht länger verweilen, und kehren 
daher zu unserem eigentlichen Thema zurück. Es ist unser 
Wunsch, dem Leser im Licht der Heiligen Schrift zu zeigen, wie 
der letzte Adam Seinen Gliedern das Leben mitteilt. 
Durch den Sieg in der Wüste war der Starke „gebunden", aber 
nicht zugrunde gerichtet. Daher sehen wir, daß ihm am Ende 
des Weges unseres Herrn noch einmal gestattet wird, sich Ihm 
entgegenzustellen. Nachdem er sich „eine Zeitlang" entfernl 
hatte, kehrte er in einem anderen Charakter zurück, und zwar 
als derjenige, der zum Schrecken der Seele des Menschen die 
100 
Macht des Todes hatte. Welch ein entsetzlicher Gedanke! Mit dieser Macht erschien er im Garten Gethsemane, um mit ihrer schrecklichen Größe auf den 
Geist Christi einzudringen. Wir können diese Szene 
nicht betrachten, ohne zu fühlen, daß unser Herr und 
Heiland hier etwas durchschreiten mußte, was Er nie zuvor 
erfahren hatte. Es ist offenbar, daß hier dem Versucher gestattet wurde, in einer ganz besonderen Weise aufzutreten und 
eine ganz besondere Macht zu entfalten, um wenn möglich, 
den Herrn auf Seinem Wege abzuschrecken. Wir hören den 
Herrn daher in Joh 14, 30 die Worte sagen: „Der Fürst dieser 
Welt kommt und hat nichts in mir;" — und ebenso sagt Er in 
Lk 22, 52L zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels: „Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber, mit Schwertern und Stöcken? Als ich täglich bei euch im Tempel war, habt 
ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt; aber dies ist eure 
Stunde und die Gewalt der Finsternis". 
Es wird also deutlich, daß die Zeit zwischen dem letzten Abendessen bis zum Kreuze durch Züge gekennzeichnet ist, die von 
jeder vorhergehenden Leidensstufe in der wundervollen Geschichte unseres Herrn gänzlich unterschieden sind. „Dies ist 
eure Stunde", und weiter: „die Gewalt der Finsternis". Der 
Fürst dieser Welt trat dem zweiten Menschen mit jener ganzen 
Macht entgegen, mit der die Sünde des ersten Menschen ihn 
bekleidet hatte. Er schleuderte auf Seinen Geist das Gewicht 
der ganzen Macht und aller Schrecken des Todes, als des gerechten Gerichts Gottes; und Jesus fühlte diese Macht und diese 
Schrecken in ihrer furchtbarsten Größe. Dies erklärt uns Seinen 
Ausruf: „Meine Seele ist bestürzt bis zum Tode", sowie Seine 
Angst, wenn wir lesen: „Und als er in ringendem Kampfe war, 
betete er heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen". 
Mit einem Wort, Er, Der es unternahm, Sein Volk zu erlösen, 
Seinen Gliedern ewiges Leben zu geben und den Willen und 
die Ratschlüsse Gottes zu erfüllen, mußte alle Folgen des Zustandes ertragen, in dem der Mensch sich befand. Er konnte 
ihnen nicht entrinnen. Er durchschritt sie alle, und Er durchschritt sie allein, denn wer außer Ihm hätte es tun können? ER, 
die wahre Arche, war allein imstande, die finsteren und schreck101 
liehen Fluten des Todes zu durchschreiten, um Bahn zu machen, 
damit Sein Volk Ihm trockenen Fußes nachfolgen könne. Er 
war allein in der schrecklichen Grube und im kotigen Schlamm, 
damit wir mit Ihm auf dem Felsen sein möchten. 
Aber Er begegnete nicht nur der ganzen Macht Satans, des 
Fürsten dieser Welt, sowie der ganzen Macht des Todes als des 
gerechten Gerichts Gottes, und endlich der ganzen Heftigkeit 
und bitteren Feindschaft des gefallenen Menschen, — o nein, 
es gab noch etwas unvergleichlich Schrecklicheres. Nachdem 
Mensch und Satan, Erde und Hölle ihr Äußerstes getan hatten, 
um ihrem Haß Befriedigung zu verschaffen, gab es für den 
Geist unseres hochgelobten Herrn noch eine Region des Dunkels und der undurchdringlichsten Finsternis zu durchschreiten 
— eine Region, in die der menschliche Gedanke nie einzudringen vermag. Wir können nur an ihren Grenzen stehen und 
mit gesenktem Haupt und in dem tiefen Schweigen unaussprechlicher Anbetung auf den lauten und bitteren Schrei lauschen, der uns von dort entgegendringt, begleitet von den 
Worten: „Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?" — Worte, deren tiefe Bedeutung zu enthüllen selbst die 
Ewigkeit nicht hinreichen wird. Ach, welch ein Weg, um uns zu 
erretten und lebendig zu machen! Mögen unsere Herzen Ihn 
anbeten! Mögen unsere Lippen Ihn loben und preisen! Möge 
unser Leben Ihn verherrlichen! Möge Seine Liebe uns drängen, 
nicht mehr uns selbst zu leben, sondern Ihm, Der für uns gestorben und auferstanden ist und uns Leben in der Auferstehung gegeben hat. 
Die Wichtigkeit und der Wert jener erhabenen Wahrheit, daß 
ein auferstandener und siegreicher Christus die Quelle des 
Lebens ist, das wir als Christen besitzen, kann gar nicht hoch 
genug eingeschätzt werden. Als der aus den Toten Auferstandene ist der zweite Mensch das Haupt eines neuen Geschlechts, 
das Haupt der Kirche, Seines Leibes geworden. Das Leben, das 
der Gläubige jetzt besitzt, ist ein Leben, das in jeder nur möglichen Weise geprüft und erprobt worden ist und folglich nie 
ins Gericht kommen kann. Es ist ein Leben, das durch Tod und 
Gericht gegangen ist und darum nicht sterben und nicht gerichtet werden kann. Christus, unser lebendiges Haupt, hat den 
Tod zunichte gemacht und durch das Evangelium Leben und 
102 
Unverweslichkeit ans Licht gebracht. Er ist dem Tode in seiner 
ganzen Wirklichkeit begegnet, damit wir ihm nie begegnen 
sollten. Er starb, damit wir nie sterben sollten. Er hat in Seiner 
wunderbaren Liebe so für uns gewirkt, daß wir selbst den Tod 
als einen Teil unseres Eigentums betrachten können (1. Kor 3, 
22). 
In der alten Schöpfung gehört der Mensch dem Tode an. Von 
dem Augenblick an, wo er zu leben beginnt, beginnt er, wie 
jemand gesagt hat, auch zu sterben. Welch ein ernster Gedanke! 
Der Mensch kann dem Tode nicht entrinnen. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht." 
Nicht das Geringste, was der Mensch in der alten Schöpfung 
besitzt, kann dem Griff der unbarmherzigen Hand des Todes 
entrinnen. Der Tod beraubt den Menschen aller Dinge, verwandelt seinen Leib in Staub, und sendet seine Seele ins Gericht. Seine Häuser und Äcker, sein Wohlstand und seine Stellung, sein Ruf und sein Einfluß, alles flieht, sobald der letzte 
Feind sich nähert. Besäße ein Mensch auch die Reichtümer der 
ganzen Welt, so könnte er sich dennoch nicht für einen einzigen 
Moment Aufschub erkaufen. Der Tod nimmt ihm alles und 
bringt ihn ins Gericht. Der König und der Bettler, der Edelmann und der Bauer, der gelehrte Philosoph und der unwissende Tagelöhner, der Zivilisierte und der Wilde — der Tod 
macht keinen Unterschied, sondern ergreift alle, die sich innerhalb der Grenzen der alten Schöpfung befinden. Das Grab ist 
der Schlußstein der irdischen Geschichte des Menschen, und 
jenseits des Grabes erhebt sich der Richterstuhl, und der Feuersee breitet dort seine schauerlichen Fluten aus. 
In der neuen Schöpfung gehört der Tod dem Menschen an. 
Nicht das Geringste, was sich im Besitz des Christen befindet, 
ist dem Tode unterworfen. Ja, er verdankt sogar alles dem Tode. 
Er besitzt Leben, Vergebung, Gerechtigkeit, Frieden, Sohnschaft, Herrlichkeit; und alles hat er dem Tode, dem Tode 
Christi, zu verdanken. Mit einem Wort, das ganze Wesen des 
Todes ist vollständig verändert. Satan kann ihn nicht mehr als 
das Gericht Gottes über die Sünde auf die Seele des Gläubigen 
werfen. Gott bedient Sich zwar des Todes zur Züchtigung, 
wenn es sich um Seine Regierung bezüglich Seines Volkes 
handelt (siehe Apg 5; 1. Kor 11, 30; 1. Joh 3, 16); aber Satan 
103 
als derjenige, der die Macht des Todes hatte, ist zunichte gemacht. Unser Herr Jesus hat ihm seine Macht genommen und 
hält jetzt die Schlüssel des Todes und des Grabes in Seiner 
allmächtigen Hand. Der Tod hat seinen Stachel und das Grab 
seine Beute verloren. Wenn jetzt der Tod vor den Gläubigen 
tritt, erscheint er nicht als Gebieter, sondern als Diener. Er 
kommt nicht wie ein Gerichtsdiener, um die Seele auf ewig in 
ihr Gefängnis abzuführen, sondern er kommt wie eine freundliche Hand, die die Tür des Käfigs öffnet und den Geist zu 
seiner Geburlsstätte in den Himmeln hinauffliegen läßt. 
Alles dies macht einen wesentlichen Unterschied. Beseitigt ist 
jetzt jede Furcht vor dem Tode, die immer in dem Gläubigen 
unter dem Gesetz wohnte. Sie ist jetzt vollkommen unvereinbar mit der Stellung und den Vorrechten derer, die vereinigt 
sind mit Dem, Der aus den Toten auferweckt ist. Aber das ist 
noch nicht alles. Das ganze Leben und der Charakter des Christen muß der Quelle gleichen, von der dieses Leben ausgeflossen ist. „Wenn ihr nun mit dem Christus au]erweckt worden 
seid, so suchet was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur 
Rechten Gottes. Sinnet auf das was droben ist, nicht auf das 
was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben 
ist verborgen mit dem Christus in Gott" (Kol 3, 1—3). 
Möge jedoch niemand die Wichtigkeit dieser Wahrheit verkennen und sie etwa nur für eine Streitfrage menschlichen Verstandes halten. Weit gefehlt; sie ist eine Wahrheit von großer 
praktischer Tragweite, die der Apostel Paulus beständig darstellte, und auf der er unter allen Umständen beharrte, — eine 
Wahrheit, die er als Evangelist predigte, als Lehrer lehrte und 
entwickelte, und deren Wirkungen er als treuer, sorgsamer 
Hirte stets pflegte und überwachte. Die große Wahrheit von 
der Auferstehung nahm in der Predigt des Apostels einen so 
hervorragenden Platz ein, daß sogar einige der Philosophen 
Athens von ihm sagten: „Er scheint ein Verkündiger fremder 
Götter zu sein, weil er ihnen das Evangelium von Jesu und der 
Auferstehung verkündigte" (Apg 17,18). Der Leser merke sich 
diese Verbindung: „Jesus und die Auferstehung". Warum war 
es nicht „Jesus und die Fleischwerdung"? Warum nicht „Jesus 
und die Kreuzigung"? Fanden diese tiefen und unschätzbaren 
Geheimnisse denn keinen Platz in der Predigt und Lehre des 
104 
Apostels? Man lese 1. Tim 3, 16, wenn man die Antwort erhalten möchte. „Anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den 
Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". 
Man lese auch Gal 4, 4. 5: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, 
geboren unter Gesetz, auf daß er die, welche unter Gesetz 
waren, loskaufte". 
Diese Stellen geben der Frage bezüglich der Grundlehren der 
Fleischvverdung und der Kreuzigung ihren bestimmten Platz. 
Aber dennoch predigte und lehrte der Apostel die Auferstehung mit unbeugsamer Beharrlichkeit. Er selbst war zu einem 
auferstandenen und verherrlichten Christus bekehrt worden. 
Schon der erste Lichtblick auf die Person Jesu von Nazareth 
zeigte ihm einen auferstandenen Menschen in Herrlichkeit. Nur 
als solchen kannte er Ihn, wie er uns in 2. Kor 5 erzählt. „Daher kennen wir von nun an niemand nach dem Fleische; wenn 
wir aber auch Christum nach dem Fleische gekannt haben, so 
kennen wir ihn doch jetzt rieht mehr also." Paulus predigte ein 
Evangelium der Auferstehung. Es war sein Bestreben, jeden 
Menschen in dem auferstandenen und verherrlichten Christus 
vollkommen darzustellen. Er ging weit hinaus über die bloße 
Frage der Sündenvergebung oder der Errettung von ewiger 
Verdammnis, wie überaus kostbar diese Früchte des Versöhnungstodes Christi auch an und für sich sein mochten. Er 
streckte sich aus nach dem herrlichen Endziel der ewigen Einsmachung der Seele mit Christo. „Wie ihr nun den Christus 
Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm, gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt in dem Glauben, so 
wie ihr gelehrt worden seid, überströmend in demselben mit 
Danksagung". — „Ihr seid vollendet in ihm . . . mit ihm begraben in der Taufe, in welcher ihr auch mitauferweckt worden 
seid . . . Und euch . . . hat er mitlebendig gemacht mit ihm" 
(K0I2). 
Das war die Predigt und die Lehre des Paulus. Das war sein 
Evangelium. Das ist wahres Christentum im Gegensatz zu 
allen Formen menschlicher Religiosität und fleischlicher Frömmigkeit unter der Sonne. Das Leben in einem auferstandenen 
105 
Christus war das große Thema des Apostels. Es war nicht nur 
die Vergebung und Errettung durch Christus, sondern das Einssein mit Christus. Das Evangelium des Paulus verpflanzte die 
Seele in einen auferstandenen und verherrlichten Christus, wobei die Erlösung und Sündenvergebung als natürliche Folge 
vorausgesetzt wurde. Das war das herrliche Evangelium Gottes, 
mit dem Gott den Apostel betraut hatte. 
Wir würden gern noch länger bei der gesegneten Betrachtung 
der Quelle des christlichen Lebens verweilen. Aber wir müssen 
zu den übrigen Punkten unseres Gegenstandes übergehen und 
werden daher kurz den zweiten Punkt, die Eigenschaften oder 
sittlichen Züge des Lebens erwähnen, das wir als Christen besitzen. Hierbei wäre es am Platze, das kostbare Geheimnis des 
Lebens Christi als eines Menschen auf dieser Erde zu ergründen, Seine Wege zu verfolgen, und die Weise und Gesinnung, 
mit der Er durch alle Stationen und Umstände Seiner Laufbahn 
auf der Erde schritt, zu kennzeichnen. Wir sollten Ihn als ein 
Seinen Eltern unterworfenes Kind betrachten, das aufwuchs 
unter dem Auge Gottes, das von Tag zu Tag an Weisheit und 
Größe zunahm und das alles zur Schau trug, was lieblich war 
in den Augen Gottes und der Menschen. Wir sollten Seinen 
Pfad verfolgen als eines in allen Dingen treuen Dieners, —einen 
Pfad, der die Spuren ununterbrochener Mühe und Beschwerde zeigte. Wir sollten über Ihn, den niedriggesinnten, demütigen und gehorsamen Menschen nachsinnen, Der in völliger 
Unterwürfigkeit und Abhängigkeit Sich Selbst zu nichts machte 
und, ohne in irgendeiner Weise Sein eigenes Interesse zu 
suchen, Sich zur Verherrlichung Gottes und zum Wohl der 
Menschen vollkommen hingab. Wir sollten Ihn anschauen als 
den gnadenreichen, liebenden, teilnehmenden Freund, Der voll 
Mitgefühl immer bereit ist, jedem trauernden Kind den Kelch 
des Trostes darzureichen, Der nie versäumt, die Tränen der 
Witwe zu trocknen, den Schrei des Unterdrückten zu hören, 
den Hungrigen zu speisen, den Aussätzigen zu reinigen und alle 
Arten von Krankheiten zu heilen. Mit einem Wort, wir sollten 
alle die unzählbaren Strahlen der sittlichen Herrlichkeit auffangen, die in dem kostbaren und vollkommenen Leben Dessen 
zum Vorschein kommen, Der Gutes tuend umherging. 
Aber wer ist fähig, alle diese herrlichen Dinge ans Licht zu 
bringen? Wir können dem christlichen Leser nur sagen: Gehe 
106 
hin, erforsche selbst Dein großes Vorbild! Richte den Blick 
unverwandt auf dein erhabenes Vorbild! Wenn ein auferstandener Christus die Quelle deines Lebens ist, so ist auch der auf 
der Erde lebende Christus dein Vorbild. Die Züge deines Lebens seien dieselben Züge, die in Ihm als einem auf Erden 
wandelnden Menschen zum Vorschein kamen. Durch den Tod 
hat Er bewirkt, daß Sein Leben auch dein Leben geworden ist. 
Er hat dich mit Sich Selbst durch ein Band vereinigt, das nie 
zerrissen werden kann. Jetzt bist du berechtigt, hinzugehen 
und die Geschichten des Evangeliums zu studieren, um zu 
sehen, wie Er gewandelt hat, damit durch die Gnade des Heiligen Geistes dein Wandel dem Seinigen gleich sei. 
Es ist eine sehr gesegnete, aber auch eine höchst ernste Wahrheit, daß nichts in den Augen Gottes irgendeinen Wert hat, als 
nur der Ausfluß des Lebens Christi in Seinen Gliedern hienieden. Alles was nicht eine unmittelbare Frucht dieses Lebens 
ist, ist in der Beurteilung Gottes vollkommen wertlos. Die Tätigkeiten der alten Natur sind indessen nicht nur ohne Wert, 
sondern auch sündig. Es gibt gewisse natürliche Verhältnisse, 
in denen wir uns befinden, die durch Gott geheiligt sind, und 
in denen Christus unser Vorbild ist, z. B.: „Ihr Männer, liebet 
eure Weiber, gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt hat". Wir werden anerkannt als Eltern und Kinder, als 
Herren und Diener, und sind in bezug auf unser Verhalten in 
diesen Verhältnissen unterwiesen; aber dies alles auf dem 
Boden des Auferstehungslebens in Christus (siehe Kol 3; Eph 
5, 22). Der alte Mensch wird durchaus nicht anerkannt. Er wird 
als gekreuzigt, gestorben und begraben betrachtet. Wir werden 
aufgefordert, ihn für tot zu halten, unsere Glieder, die auf der 
Erde sind, zu töten und zu wandeln wie Christus gewandelt 
hat. Das ist praktisches Christentum. O würden wir doch in 
diese Gedanken tiefer eindringen! Möchten wir uns doch stets 
erinnern, daß in den Augen Gottes alles ohne Wert ist, was 
nicht das Leben Christi zur Quelle hat und als solches durch die 
Kraft des Heiligen Geistes in den Gläubigen zutage tritt. Der 
schwächste Ausdruck dieses Lebens ist ein süßer Wohlgeruch 
vor Gott, während die mächtigste Wirkung des nur religiösen 
Fleisches, die kostbarsten Opfer, die schönsten Gebräuche und 
Zeremonien in Seinen Augen nichts als „tote Werke" sind. Ja, 
das wahre Christentum ist etwas ganz anderes als Religiosität. 
107 
Und jetzt noch ein Wort über den Ausgang dieses Lebens, das 
wir als Christen besitzen. Wir dürfen in Wahrheit sagen: e i n 
Wort, denn dieses eine Wort heißt „Herrlichkeit". Das ist dei 
einzige Ausgang des christlichen Lebens. „Wenn der Christus, 
unser Leben, geoffenbart werden wird, dann werdet auch ihr 
mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit". Jesus wartet auf 
den Augenblick der Offenbarung Seiner Herrlichkeit, und wir 
warten in und mit Ihm. Er hat Sich gesetzt und wartet, und wir 
haben uns gesetzt und warten ebenfalls. „Wie er ist, sind auch 
wir in dieser Welt" (r. Joh 4, 17). Tod und Gericht liegen 
hinter uns, und nichts als die Herrlichkeit steht vor uns. Unser 
„Gestern" ist, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, das Kreuz, 
unser „Heute" ist ein auferstandener Christus, und unser 
„Morgen" die Herrlichkeit. So steht es mit den wahren Gläubigen. Es verhält sich mit ihnen wie mit ihrem lebenden und 
erhöhten Haupt. Wie das Haupt ist, so sind die Glieder. Sie 
können in keiner Weise auch nur einen Augenblick von Ihm 
getrennt sein. Sie sind unauflöslich miteinander vereinigt in 
der Kraft einer Einheit, die durch keine Macht der Erde oder 
der Hölle zerstört werden kann. Das Haupt und die Glieder 
sind auf ewig eins. Das Haupt hat den Tod und das Gericht 
durchgemacht, und ebenso die Glieder. Das Haupt hat Sich 
in die Gegenwart Gottes gesetzt, und ebenso die Glieder. Sie 
sind mitlebendig gemacht, miterhöht und mitversetzt in dem 
Haupt in Herrlichkeit. 
Das ist christliches Leben. Sinne darüber nach. Erwäge es 
gründlich in deinem Herzen. Prüfe es im Licht des Neuen Testaments. Die Quelle dieses Lebens ist ein auferstandener Christus; seine Eigenschaften sind die Züge des auf der Erde geschauten Christus; sein Ausgang ist eine wolkenlose ewige 
Herrlichkeit. Wie anders ist dies Leben als das, was wir als 
Söhne und Töchter Adams besitzen! Die Quelle dieses Lebens 
ist ein gefallener, ruinierter und hinausgestoßener Mensch; die 
Eigenschaften dieses Lebens sind die tausend Formen der 
Selbstsucht, mit denen die Menschheit sich selbst geschmückt 
hat; sein Ausgang ist der Feuersee! Das ist — wenn wir uns 
von der Schrift leiten lassen — die einfache Wahrheit über das 
Leben des ersten Adam und seiner Nachkommen und über das 
Leben des letzten Adam und Seiner Gläubigen. 
108 
Zum Schluß laßt uns über das Leben, das die Christen besitzen, 
noch bemerken, daß im Worte Gottes nie von einem sogenannten „höheren christlichen Leben" die Rede ist. Wenn jemand 
sich dieser Ausdrucksweise bedient, mag er wohl das in der 
Schrift bezeichnete Leben des Christen darunter verstehen, aber 
die Form ist unrichtig. Es gibt nur ein Leben, und dieses Leben 
ist Christus. Ohne Zweifel gibt es verschiedene Grade in dem 
Genuß und in der Darstellung oder Verwirklichung dieses Lebens; aber wie verschieden das Maß auch sein mag, es gibt 
doch nur ein Leben. Es mögen sich darin höhere und niedrigere 
Stufen zeigen, aber es gibt nur ein Leben. Der hervorragendste 
Christ auf Erden und das schwächste Kind im Glauben — sie 
besitzen ein und dasselbe Leben, denn Christus ist das Leben 
des Einzelnen, das Leben beider, das Leben aller Gläubigen. 
Alles dies ist sehr einfach, und wir wünschen, daß der Leser es 
sorgfältig überdenken möge. Wir sind völlig überzeugt, daß 
die klare Entfaltung und treue Verkündigung dieses Evangeliums der Auferstehung eine dringende Notwendigkeit ist. 
Viele bleiben stehen bei der Fleischwerdung, andere gehen bis 
zur Kreuzigung. Wir aber wünschen ein Evangelium, das alles 
enthält, sowohl die Fleischwerdung und Kreuzigung als auch 
die Auferstehung. Ein solches Evangelium besitzt die wahre 
sittliche Kraft und ist der mächtige Hebel, der die Seele von 
jeder irdischen Verbindung lösen und in Freiheit setzen kann, 
damit sie in der Kraft des Auferstehungslebens in Christo mit 
Gott wandeln kann. Wenn dieses Evangelium doch nach allen 
Seiten hin in der bekennenden Kirche mit lebendiger Kraft gepredigt würde, denn hier gibt es Hunderte und Tausende aus 
dem Volke Gottes, die es zu kennen nötig haben! Ach, wie 
viele Seelen werden durch Zweifel und Fragen gefoltert, die 
durch die einfache Annahme der gesegneten Wahrheit von 
dem Leben in einem auferstandenen Christus beseitigt werden 
würden. Das wahre Christentum schließt alle Zweifel und Befürchtungen aus, obwohl sich leider viele Christen damit herumschleppen. O möchte doch das klare Licht des von Paulus 
gepredigten Evangeliums in die Seelen aller Heiligen Gottes 
strömen und die sie einhüllenden Nebel und Wolken zerstreuen, damit sie in Wirklichkeit in jene Freiheit eintreten 
können, zu der Christus Sein Volk gebracht hat! 
109 
Die Errettung 
des Hauptmanns Kornelius 
(Apostelgeschichte 10) 
Wie einfach und lieblich ist die Geschichte jeder zu Christus 
geführten Seele! Mögen die Umstände, unter denen diese Führung geschah, auch noch so verschieden sein, so gewahrt man 
doch bei jeder Bekehrung die Tätigkeit derselben Gnade, desselben Lichtes und desselben Geistes. Nur ein Name ist dem 
Menschen zur Errettung gegeben, nur ein Werk der Versöhnung ist vorhanden, nur eine Grundlage des Friedens existiert, 
nur ein Ziel ist in Aussicht. Von den Tagen der Apostel bis zu 
diesem Augenblick gilt nur die eine Wahrheit, daß der Mensch 
ein verlorener Sünder ist und daß Gott in Christus eine vollkommene Gnade anbietet. Wie einst, so wohnt auch jetzt nichts 
als Feindschaft gegen Gott im Herzen des natürlichen Menschen; aber wie einst, so richtet auch jetzt das Wort die Mahnung an die Sünder: „Laßt euch versöhnen mit Gott! Den, der 
Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf daß 
wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm" (2. Kor 5, 20. 21). 
„Ein gewisser Mann aber in Cäsarea, mit Namen Kornelius, — 
ein Hauptmann von der sogenannten italischen Schar, fromm 
und gottesfürchtig mit seinem ganzen Hause, der dem Volke 
viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete ... " (Apg 10, 
1. 2). Diese Worte zeigen uns den Hauptmann in seiner äußeren Stellung, die scheinbar gar nicht geeignet war, ein Fragen 
nach den Dingen des Reiches Gottes im Herzen wachzurufen. 
Er war nicht nur ein Kriegsmann, der wie in unseren Tagen 
für eine bestimmte Zeit zu einem solchen Dienst gesetzlich verpflichtet ist, sondern Er hatte sich zu dieser Stellung als zu einem Beruf freiwillig anwerben lassen. Es ist einleuchtend, daß 
ein solcher Beruf weit eher dazu angetan sein mußte, sein Herz 
mit Stolz, Übermut und Kriegsliebe zu erfüllen, als demütig und 
friedliebend zu machen. Dazu war er ein Heide, also in natürlicher Verbindung mit denen, die „wandeln in Eitelkeit ihres 
Sinnes, verfinstert am Verstände, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Ver110 
Stockung ihres Herzens, welche, da sie alle Empfindung verloren, sich selbst der Ausschweifung hingegeben haben, alle 
Unreinigkeit mit Gier auszuüben" (Eph 4, 17—19). Ja, er war 
ein Heide, aufgewachsen unter Menschen, die den lebendigen 
Gott weder kannten noch liebten noch Ihm dienten, und die in 
Unwissenheit, Irrtum und Aberglauben lebend, ohne Anrecht 
und Hoffnung auf irgendwelche Segnungen Gottes, „den Willen des Fleisches und der Gedanken" ausübten. Sowohl seine 
äußere Stellung als auch sein religiöser Standpunkt bildeten in 
seinem natürlichen Herzen einen Boden, auf dem keine Frucht 
für Gott hervorsprießen konnte. 
Aber dennoch hatte die freie und unumschränkt wirkende 
Gnade einen hellen Lichtstrahl in das tiefe Dunkel der Seele 
dieses Heiden geworfen und Bedürfnisse in seinem Herzen geweckt, die nur in dem Wort vom Kreuz völlige Befriedigung 
finden konnten. Wir finden diesen Soldaten in einem Zustand, 
der selbst manchem Christen die Schamröte ins Gesicht treiben 
sollte. Es wird daher nicht ohne Segen sein, etwas näher darauf 
einzugehen, und die Herzensstellung des Hauptmanns im 
Lichte Gottes zu betrachten. 
Wie das Wort sagt, war er „fromm und gottesfürchtig mit 
seinem ganzen Hause". Welch ein herrliches Zeugnis aus dem 
Munde des Heiligen Geistes! Hier ist nicht von einer pharisäischen Frömmigkeit die Rede, wie man sie damals bei dem 
Volk Israel so häufig finden konnte, und wie man heute in der 
bekennenden Kirche sie in den verschiedensten Formen finden 
kann. Nein, das Auge Gottes, das die verborgensten Winkel 
des Herzens durchdringen kann, ruhte mit Wohlgefallen auf 
dieser aufrichtigen Frömmigkeit. Gott Selbst sagt: Er war 
fromm und gottesfürchtig. Selbst unter den Gläubigen des 
Alten Bundes, die Propheten mit eingerechnet, gab es nur eine 
geringe Zahl solcher, die sich eines derartigen Zeugnisses von 
Seiten Gottes erfreuen konnten. Wie verschwindend klein mag 
in unseren Tagen die Zahl der Christen sein, deren Wandel 
nach dem Zeugnis Gottes durch Frömmigkeit und wahre Gottesfurcht geziert ist? Was würde der Herr von uns sagen? 
Möchten wir doch immer unser Urteil in dieser Sache nach dem 
untrüglichen Wort der Wahrheit bilden! 
111 
hr war „fromm und gottesfürchtig". Frömmigkeit und Gottesfurcht sind unzertrennlich miteinander verbunden. Die eine entspringt aus der anderen, und beide sind Früchte des Glaubens 
an Gott. Wer in Wahrheit an den allmächtigen, allwissenden 
und gerechten Gott glaubt, der fürchtet Gott; und ein gottesfürchtiger Mensch scheut das Böse und sucht es zu meiden. 
Diese heilige Scheu weckt in ihm die Frage: Was kann ich 
Gutes tun? — und es ist das Verlangen seines Herzens, durch 
wahren Gehorsam gegen Gott, durch die Ausübung dessen, 
was Gott wohlgefällt, die Gunst Gottes zu erlangen. So war es 
bei Kornelius. Er glaubte an den Allmächtigen, und seine Frömmigkeit und Gottesfurcht waren die Früchte dieses Glaubens. 
Was war nun die nächste gesegnete Wirkung eines solchen Betragens? Frömmigkeit und Gottesfurcht übten ihre Herrschaft 
über sein ganzes Haus aus. Er war „fromm und gottesfürchtig 
mit seinem ganzen Hause". Welch ein I-amiliensegen! Der 
himmlische Ton, der so klar, bestimmt und unvermischt aus 
dem Herzen des frommen und gottesfürchtigen Soldaten hervorklang, hatte einen Widerhall in den Herzen seiner Angehörigen gefunden. Alle stimmten mit in denselben Ton ein, und 
der gemeinschaftliche Klang stieg hinauf „zum Gedächtnis vor 
Gott". Kornelius übte durch die Aufrichtigkeit und Gründlichkeit seiner Frömmigkeit und Gottesfurcht einen so gesegneten 
Einfluß aus, daß nicht nur sein Gesinde, sondern sogar Kriegsknechte (V. 7) von dieser Macht erfaßt wurden und der Frömmigkeit und Gottesfurcht einen Platz in ihrem Herzen einräumten. Er war wie eine Quelle in der Wüste, die durch das 
beständige Fließen ihres erfrischenden Wassers den sie umgebenden dürren, unfruchtbaren Sandboden zu einer fruchtbaren Oase umwandelt. Seine Worte und seine Werke wurden 
zu einem hellstrahlenden Licht, das die dunklen Schatten in 
seiner Umgebung verscheuchte, das Böse offenbar machte, 
strafte und verdrängte, und die Herzen zum Guten erwärmte 
und belebte. Welch eine gesegnete Macht ist doch die wahre 
Frömmigkeit und Gottesfurcht eines Familienhauptes! Aber 
wie ernst und groß ist auch seine Verantwortung in dieser 
seiner Stellung! Sein Einfluß erstreckt sich über sein ganzes 
Haus, über Frau und Kind und Gesinde, — mag dieser Einfluß 
ein guter oder böser sein. Möchten wir doch alle, die wir einen 
112 
solchen Platz einnehmen, immer die ganze Größe dieser Verantwortung fühlen! Ach, wie groß mag in unseren Tagen die 
Zahl christlicher Hausväter sein, die, beschämt über ihr nachlässiges Verhalten in ihren Häusern, zu den Füßen dieses frommen und gottesfürchtigen Heiden sitzen und von ihm lernen 
mußten, wie sie ihrem eigenen Hause vorstehen sollen! Wie 
gering und unbedeutend ist oft der Einfluß der Väter auf ihre 
Kinder! Vielleicht ermahnen und strafen sie viel; vielleicht lassen sie es nicht an Vorschriften und Drohungen fehlen. Aber 
nirgends zeigt sich ein guter Erfolg, nirgends eine gesegnete 
Frucht. Das Böse keimt und sprießt in den jungen Herzen immer mehr empor, und immer kühner legen Satan und die Welt 
ihre Stricke, bis der Einfluß des Elternhauses völlig gelähmt 
und das Verderben zu schreckenerregender Größe gewachsen 
ist. Und warum dieses alles? Weil das Familienhaupt kein Vorbild ist, zu dessen Nachahmung man sich gedrungen fühlt. Es 
fehlt der lautere, treue und entschiedene Wandel, der den 
Christen ziert. Ist es daher ein Wunder, wenn das Haus nicht 
zu Gott gebracht wird, und das Böse bis zum Gericht fortwuchert? O möchten doch alle das Wort beachten: „Denn wer 
für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleische Verderben 
ernten"! 
Doch Gott sei Dank, daß es auch in unseren Tagen noch Väter 
gibt, — wie gering ihre Zahl auch sein mag, — die 
die Notwendigkeit eines treuen Wandels anerkennen, wenn sie 
gesegnete Erfolge durch die Zucht und Ermahnung ihrer Angehörigen erzielen wollen, und daß sie daher in Treue und 
Entschiedenheit, aber auch in der Unterwürfigkeit und Abhängigkeit ihres Gottes ihren Weg gehen, und dabei beständig 
flehen, daß der Herr ihr ganzes Haus mit Seinem Segen überschütten möge. Wie steht es in dieser Beziehung mit dir, mein 
teurer Leser? Bist du ein Familienvater oder wenigstens in 
einer Stellung, wo du Einfluß ausüben kannst? Welch ein Zeugnis wird der Heilige Geist über dich aussprechen? Welch einen 
Einfluß übst du auf deine Familie oder auf deine nächste Umgebung aus? Erfreust du dich mit Dank gegen den Herrn solcher Erfolge, deren sich Kornelius im Blick auf sein ganzes 
Haus erfreuen konnte? Bist du „fromm und gottesfürchtig mit 
deinem ganzen Hause"! Oder sind deine Kinder ungehorsam, 
113 
weltlich, prunksüchtig und gegenüber der Wahrheit feindselig 
eingestellt? Blicke auf Kornelius — und blicke auf Eli! Der eine 
wandelte treu, fromm und gottesfürchtig, und sein ganzes Haus 
folgte seinem Beispiel. Der andere kannte die Missetaten seiner 
Söhne, und hatte ihnen nicht gewehrt (1. Sam 3, 13). Er fand 
wie sie ein trauriges Ende! Welch eine ernste Tatsache! 
Weiter lesen wir in unserem Abschnitt, daß Kornelius auch 
„dem Volke viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete". 
Wie lieblich und beachtenswert ist auch dieses von Gott Selbst 
ausgestellte Zeugnis, — ein Zeugnis, das leider nicht allen Christen gegeben werden kann! Ein Herz, das in Gott alle Bedürfnisse befriedigt sieht und mit wahrhaftiger Liebe von Gott 
und Seinem Werke eingenommen ist, teilt gern die ihm anvertrauten Gaben auch anderen mit und zeigt sich überhaupt stets 
bereit, das vor Gott Wohlgefällige zu tun. „Einen fröhlichen 
Geber liebt Gott". Sicher gehörte Kornelius nicht in die Reihen 
derer, die mit pharisäischem Dünkel ihre Gaben spenden, um 
von den Leuten gesehen zu werden. In diesem Falle wäre sein 
Lohn dahin gewesen. Aber im Gegenteil sandte ihm Gott, Der 
jede Triebfeder und jede Handlung mit göttlicher Waagschale 
abwägt, durch Seinen Engel die Botschaft: „Deine Gebete und 
deine Almosen sind hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott" 
(V. 4). Was jedoch seinen Gaben die wirkliche Weihe verlieh, 
und was ihnen den Stempel des Glaubens — ohne den es unmöglich ist, Gott wohlzugefallen — aufdrückte, war, daß er 
seine Almosen „dem Volke" gab. Diese Handlung bezeugte 
nämlich, daß er, der Heide, das Volk Israel als das Volk des 
lebendigen Gottes anerkannte, dem er mit seinen Gaben diente. 
Dies ist wohl auch hauptsächlich der Grund, daß seiner Almosen „vor Gott" gedacht wurde, und zwar als eine von Gott 
gegebene Antwort auf den Glauben, den er durch seine Gaben 
an den Tag legte. Seine Gaben und sein Gebet, beides hatte 
seine Quelle in Gott und stieg empor zu Gott. Taten und Worte 
standen miteinander in Einklang. Er betete „allezeit". Nachahmungswürdiges Beispiel! Die gefüllte Hand streute reichlich 
aus, aber das Herz beschäftigte sich mit Gott, Der diese Hand 
gefüllt hatte. Ist das auch unsere Weise? Ach, wie oft schaut 
unser Herz mit Selbstgefälligkeit auf das, was wir tun, anstatt 
im Gebet mit Gott zu verkehren! Soll aber die Linke nicht 
114 
wissen, was die Rechte tut, dann müssen wir das Beispiel dieses frommen und gottesfürchtigen Soldaten nachahmen: er 
betete „allezeit". 
Wie sehr beschämt dieser Heide die gedankenlose Menge der 
Christenheit! Bald begegnet man einer erschreckenden, immer 
mehr zunehmenden Zahl offenbarer Spötter und Verächter des 
Gebets, bald einer unabsehbaren Schar, die nach vorgeschriebenen Regeln und Formen Gebete hersagt, die nie „zum Gedächtnis vor Gott" emporsteigen. Der Unglaube und der Aberglaube erheben in unseren Tagen mächtig ihre Riesenhäupter, 
um bis zum Gericht ihren Wettlauf fortzusetzen. Kornelius 
dagegen betete allezeit, und seine Gebete erreichten das Ohr 
des allmächtigen Gottes. Sie drangen aus einem aufrichtigen 
Herzen und stiegen empor zu Gott. Welch eine unendliche 
Gnade, daß es dem Menschen zu jeder Zeit und in jeder Lage 
gestattet ist, Gott anzurufen und auf Seine Hilfe zu rechnen! 
Er ermahnt den Hilfsbedürftigen, indem Er sagt: „Rufe mich 
an an dem Tage der Bedrängnis: ich will dich erretten, und du 
wirst mich verherrlichen!" Er verweigert nie Seine Hilfe, Seinen 
Rat, seine Gnade, Sein Erbarmen. Wie wenig wird dies erkannt 
und geschätzt! Wie sehr fühlt sich der Mensch geehrt, wenn er 
bei einem König Zutritt hat und ihm seine Angelegenheit vortragen darf! Und wie wenig schätzt er es, daß ihm in Christus 
eine Tür bei Gott, dem König aller Könige, geöffnet ist, damit 
er dort Rat, Trost und Hilfe holen kann. Kornelius, obgleich 
ein Heide, machte Gebrauch von dieser Gnade, dem Thron 
Gottes zu nahen. „Er betete allezeit". Und du, mein teurer 
Leser? Hast du Gott gesucht als ein mühseliger, beladener Sünder? Dann hast du auch gewiß den Reichtum Seiner in Christus geoffenbarten Gnade kennengelernt und die Kraft der versöhnenden Liebe erfahren, ja, du wirst Gott Selbst als deinen 
Vater gefunden haben. Aber wie machst du es jetzt nach solch 
herrlichen Erfahrungen. Eilst du in deinen Sorgen und Mühen, in 
deinen Leiden und Kümmernissen stets zu Ihm, Der dein Vater 
ist? Betest du allezeit, wie Kornelius? Ach, wie wenig ist oft 
unter den Kindern Gottes dieses anhaltende Gebet zu finden! 
Hast du dich in dieser Beziehung nicht anzuklagen? Vielleicht 
versäumst du es nie, dich bei Tisch täglich im Gebet zum Herrn 
zu wenden; aber bist du auch häufig allein in deinem Bet115 
kämmeriein beschäftigt, dein Herz vor dem Herrn Jesus auszuschütten? Wenn dies fehlt, dann vernachlässigst du sicher 
die Ausübung eines großen Vorrechts, das dir in dem Gebet 
verliehen ist, und zeigst Trägheit und Gleichgültigkeit gegen 
Ihn, Der dich liebt. Auf die uns umringenden Gefahren sehend, 
ruft Er uns in Seinem Worte zu: „Betet unablässig!" und 
„Haltet an am Gebet!" Was ist aber die Ursache einer sol= 
chen Gleichgültigkeit? O, es ist klar, daß die Welt und die 
Dinge dieser Welt das Herz erfüllen und beschäftigen; daher 
gibt es keinen Platz mehr für andere Bedürfnisse. Möchten wir 
doch einen solchen Zustand mit Entschiedenheit richten! Kornelius betete allezeit. Und mit welch einem Ernst! Sein Verhalten muß manchen Christen beschämen! 
Aber wenn seine Gebete und Almosen auch bei Gott eine 
durchaus gnadenreiche Beurteilung und sogar eine völlige Anerkennung fanden, waren sie doch nicht das Mittel, wodurch 
er Versöhnung, Frieden, Leben und Gerechtigkeit — kurz, alles 
das erlangen konnte, was er brauchte, um als ein geretteter 
Sünder in die Herrlichkeit einzugehen. Weder seine von Gott 
anerkannte Frömmigkeit und Gottesfurcht, noch sein Glaube 
an den Allmächtigen, noch seine Almosen, noch sein Beten und 
Fasten, noch seine gesegnete Wirksamkeit in seinem Hause 
— nichts von all diesem, wie wertvoll und wohlgefällig 
es auch an und für sich vor Gott war, konnte ihn vom ewigen 
Verderben erretten. Anstatt für seine Seele ein Ruheplatz zu 
werden, weckten seine Gebete neue Bedürfnisse, — Bedürfnisse nach einer vollkommenen Erlösung von allen Sünden und 
nach einem Frieden, den ihm seine Frömmigkeit, seine Gebete 
und Handlungen nie verschafft hätten. Wie manche nach Frieden verlangende Seele mag schon gedacht haben: Ach wäre ich 
doch auch so fromm und mildtätig, so gottesfürchtig und gebetseifrig wie dieser Kornelius, dann würde ich nicht länger 
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JLSeligkeit zweifeln! — Doch Kornelius nährte nicht 
ipjche Gedanken in seinem Herzen. Sein beständiges Beten, 
obwohl es sicher durch die Gnade gewirkt war, verriet nur zu 
deutlich, daß in seiner Seele ein Sehnen und Verlangen erwacht 
war, worüber er sich vielleicht selbst keine Rechenschaft zu 
geben vermochte. Selbst die Erscheinung eines Engels stillte 
diese Sehnsucht nicht. Der durch den Geist Gottes wachgeru116 
fene Sturm konnte auch nur durch den Geist Gottes Selbst zum 
Schweigen gebracht werden. 
Wie viele Seelen gibt es selbst noch in unseren Tagen, die, anstatt mit einfältigem Herzen den Aussprüchen Gottes zu 
glauben, eine große Neigung verraten, ihre Errettung auf etwas 
was sie gesehen oder gehört haben wollen, d. h. auf Erscheinungen zu gründen, die nüchtern beurteilt nichts sind als leere 
Trugbilder einer aufgeregten Phantasie und darum sicher der 
Seele keinen wahren dauernden Frieden geben können! Ach, 
solche Seelen bedenken nicht, daß sie das Werk Christi als die 
einzige Grundlage unserer Errettung durch ihre vorgefaßten 
Meinungen von seinem wahren Boden rücken, und daß es schon 
ein trauriger Beweis von Unsicherheit ist, wenn jemand bis zu 
den ersten Anregungen der Gnade zurückgehen muß, um seine 
Bekehrung zu beweisen. Ein treuer Jünger des Herrn hat stets 
das Zeugnis des Heiligen Geistes in sich. Er ruht auf dem Werk 
Christi, und sein praktischer Wandel ist der Beweis seiner Bekehrung. 
Die Erscheinung des Engels war jedoch kein Trugbild, sondern 
eine Wirklichkeit. Der Engel war der Überbringer einer göttlichen Antwort auf das Gebet des Hauptmanns. Aber sicher 
war diese wunderbare Tatsache nicht der Grund, auf den Kornelius später seine Bekehrung gestützt haben wird. Was war 
dann der wahre Grund? — Kornelius empfängt von Gott die 
Weisung: „Sende Männer nach Joppe und laß Simon holen, 
der Petrus zubenamt ist" (V. 5), und nicht lange nachher finden wir die nach Joppe gesandten Männer vor dem Apostel 
stehen und wir hören die Worte: „Kornelius . . . ist . . . göttlich 
gewiesen worden, dich in sein Haus holen zu lassen und Worte 
von dir zu hören" (V. 22). Welch eine gnadenreiche Fürsorge 
von seiten Gottes! Eine nach Heil dürstende Seele wird zu den 
erquickenden Wassern einer ewigen Heilsquelle, zu jenem 
Worte geleitet, das von Christus und Seinem Erlösungswerk 
zeugt. Kein anderer Name ist dem Menschen zur Errettung 
gegeben worden, als der Name Jesus Christus; kein anderer 
Grund kann gelegt werden, als jener unerschütterliche, auf Golgatha gelegte Grund. Als Petrus, ebenfalls göttlich gewiesen, 
die Schwelle des Hauses eines Heiden überschritten hatte und 
vor Kornelius stand, „tat (er) den Mund auf und sprach: . . . 
117 
Das Wort, welches er den Söhnen Israels gesandt hat, Frieden 
verkündigend durch Jesum Christum, . . . kennet ihr: das 
Zeugnis (über) Jesum, den von Nazareth . . . Diesem geben 
alle Propheten Zeugnis, daß jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen" (V. 34—43). 
Das war etwas ganz Neues. Dem frommen und gottesfürchtigen Mann, der dem Volke reichliche Almosen spendete und 
allezeit betete, wird die Vergebung seiner Sünden angeboten, 
ein Beweis, daß auch er vor Gott ein Sünder war und daher die 
Errettung brauchte. Zugleich aber ertönt von den Lippen des 
Petrus jener Name, von dem allein das Heil und die Rettung 
des Sünders abhängt, jener köstliche und gesegnete Name, 
dessen Bedeutung eine für den Menschen unerforschliche Höhe 
und Tiefe hat. Es ist der Name unseres hochgelobten Herrn und 
Heilandes, Den Gott als das ewige Fundament unserer Errettung, als den Fels des Heils, als die Gerechtigkeit, Heiligkeit 
und Erlösung gegeben hat, und auf Dem das ganze Wohlgefallen Gottes ruht. Ja, Petrus, das Werkzeug des Heiligen Geistes, predigt Jesum, den Heiland der Sünder, und offenbart, wer 
Er ist und was Er getan hat. Die begierigen Herzen des Hauptmanns und seiner Angehörigen lauschen auf die holdseligen 
Worte des von Gott gesandten Fremdlings, der in der Kraft des 
Heiligen Geistes die in Christus verborgenen Schätze der unendlichen Liebe Gottes aufschließt und die dürstenden Seelen 
erquickt an der unerschöpflichen, nie versiegenden Quelle des 
Lebens. 
Und was war die Wirkung? Kornelius glaubte den Worten des 
kostbaren Evangeliums, und „der Heilige Geist (fiel) auf alle, 
die das Wort hörten" (V. 44), und zwar zur Bestätigung des 
Zeugnisses, daß Christus Jesus am Fluchholze alle seine Sünden 
getragen und für immer weggetan habe. Zwei wichtige Tatsachen treten hier vor unsere Blicke. Kornelius glaubte den 
Worten, die Petrus von Jesus zu ihm redete, und Christus Jesus 
ist kraft des auf Golgatha vollbrachten Versöhnungswerkes der 
Grund seiner Errettung. Der Heilige Geist, Der Seine Wohnung 
in ihm genommen hat, ist das Zeugnis und der Beweis dieser 
seiner Errettung. 
Wie einfach ist der Weg der Errettung eines Sünders! O möchten doch alle heilsverlangenden Seelen ihre Krücken und fal118 
sehen Stützen fallen lassen und allein zu Ihm eilen, Der eine 
ewige Erlösung durch Seinen Kreuzestod zuwegegebracht hat, 
und Dessen Blut reinigt von allen Sünden! Wie groß wird die 
Freude des geretteten Hauptmanns und seines Hauses gewesen 
sein, als die Sonnenstrahlen eines ewigen Friedens die finsteren 
Schatten des Todes und der Sünde für immer verdrängt hatten! 
Das Ende unseres Kapitels zeigt uns etwas davon: „Dann 
baten sie ihn, etliche Tage zu bleiben" (V. 48). Ein Herz, das 
Jesus kennengelernt und die Kostbarkeit Seines Gnadenwerkes 
geschmeckt hat, ist immer begierig, noch tiefer in die Geheimnisse solch einer unendlichen, grenzenlosen Liebe einzudringen. 
O möchten doch auch wir alle immer tiefer einzudringen begehren in das, was Er für uns getan hat und was Er für uns ist! 
Das Lager in der Wüste 
Welch ein bewunderungswürdiger Anblick war das Lager Israels in jener öden, schrecklichen Wildnis! Welch ein Schauspiel 
vor den Blicken der Engel, der Menschen und der Teufel! Stets 
ruhte das Auge Gottes darauf, dort war Seine Gegenwart. Gott 
wohnte inmitten Seines kämpfenden Volkes. Dort befand sich 
Seine Behausung. Er schlug Seine Wohnstätte nicht inmitten 
der Pracht Ägyptens, Babylons oder Assyriens auf. Das war 
unmöglich. Ohne Zweifel boten diese Nationen gar manches, 
was das natürliche Auge anzog. Bei ihnen wurden die Künste 
und Wissenschaften mit großem Eifer gepflegt, und die Zivilisation hatte unter ihnen einen Höhepunkt erreicht, dem selbst 
die jetzige Generation ihre Bewunderung nicht versagen kann, 
Aber unter diesen Völkern des Altertums wurde Jehova nicht 
erkannt. Sein Name war ihnen nie geoffenbart worden. Er 
wohnte nicht in ihrer Mitte. Freilich befanden sich dort tausende von Zeugnissen Seiner Schöpfermacht, und die allwaltende Vorsehung lenkte ihr Schicksal. Er gab ihnen Regen und 
fruchtbare Zeiten und erfüllte ihre Herzen mit Speise und 
Freude. Die Segnungen und Wohltaten Seiner freigebigen 
Hand ergossen sich Tag für Tag und Jahr für Jahr über sie. 
119 
Seine Regengüsse befruchteten ihre Felder, Seine Sonnenstrahlen erfreuten ihre Herzen. Aber sie kannten Ihn nicht und 
kümmerten sich nicht um Ihn. Seine Wohnstätte war nicht 
dort. Nicht eine dieser Nationen konnte sagen: „Meine Stärke 
und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben" (2. Mo 15, 2). 
Jehova fand Seine Wohnstätte inmitten Seines erlösten Volkes 
und sonst nirgendwo. Die Erlösung war die notwendige Grundlage der bei den Israeliten errichteten Wohnung Gottes. Außerhalb der Erlösung konnte die Gegenwart Gottes nur die 
völlige Verdorbenheit des Menschen bestätigen, aber auf dem 
Grunde der Erlösung stellt Seine Gegenwart das höchste Vorrecht und die glänzendste Herrlichkeit des Menschen fest. 
Gott wohnte inmitten Seines Volkes Israel. Er kam nicht nur 
vom Himmel hernieder, um sie aus dem Lande Ägypten zu 
erlösen, sondern auch, um ihr Reisegefährte in der Wüste zu 
sein. Welch ein Gedanke! Um in der Mitte Seiner erlösten Versammlung zu sein, richtet der höchste Gott Seine Wohnung irn 
Sande der Wüste auf. In der ganzen weiten Welt war nichts 
Ähnliches zu finden. Dort in einer öden Wüste, wo kein Grashalm, kein Wassertropfen, und kein sichtbares Mittel zum 
Unterhalt zu finden war, sah man ein Heer von sechshunderttausend Mann, ohne Frauen und Kinder. Wie wurden sie ernährt? Gott war da. Wie wurde die Ordnung bei ihnen aufrechterhalten? Gott war da. Wie konnten sie durch eine unfruchtbare Wüste wandern, in der sich kein Pfad zeigte? Gott 
war da. 
Mit einem Wort, die Gegenwart Gottes brachte alles in Ordnung. Die Natur mochte die Achseln zucken und zweifelnd und 
argwöhnisch den Kopf schütteln. Der Unglaube mochte sagen: 
Wie, leben drei Millionen Menschen von Luft? Wer hat die 
Verwaltung in Händen? Wo sind die Kriegsvorräte? Wo ist 
das Reisegepäck? Wer sorgt für die Bekleidung? — Nur der 
Glaube konnte antworten, und seine Antwort ist einfach, kurz 
und bestimmt: Gott war da. Das genügte vollkommen. Was 
waren sechshundertausend Pilger für den allmächtigen Gott'' 
Konnte Er etwa die Bedürfnisse ihrer Frauen und Kinder nicht 
120 
stillen? Nach menschlicher Berechnung mochten diese Vorgänge 
überwältigend sein. Man denke nur an die Kosten und die 
Mühe, die für den Unterhalt der kürzlich nach Frankreich gesandten Soldaten erforderlich waren*). Wie viele Eisenbahnzüge waren notwendig, um die Truppen mit allem zu versehen.. 
was sie täglich brauchten! Hier aber sehen wir sechshunderttausend Pilger mit Frauen und Kindern auf einem vierzigjährigen Marsch durch eine „große und schreckliche Wüste", in 
der weder Korn, noch Gras noch eine Wasserquelle waren. Wie 
konnten sie versorgt werden? Da gab es keine Lieferungen, 
keine Vereinbarung mit befreundeten Völkern bezüglich der 
Versorgungen waren getroffen worden, keine Transporte wurden befördert, um den Pilgern an verschiedenen Stationen ihres 
Marsches entgegenzukommen, — kurz, nicht eine einzige sichtbare Spur von Unterstützung, nichts von allem, was die Natur 
als nützlich betrachten würde, war zu entdecken. 
Alles dieses ist der Betrachtung wert. Aber wir müssen es in 
der Gegenwart Gottes betrachten. Es ist für die menschliche 
Vernunft nutzlos, sich niederzusetzen, um diese gewaltige 
Aufgabe durch allerlei logische Schlüsse lösen zu wollen. Nein, 
mein Leser, es ist nur der Glaube, der sie lösen kann, und zwar 
im Hinschauen auf den lebendigen Gott. Hier liegt die kostbare 
Lösung. Gott allein gibt die Antwort. Gott war in der Mitte 
Seines Volkes. Er war dort in der ganzen Fülle Seiner Gnade 
und Barmherzigkeit, in der vollkommensten Erkenntnis der Bedürfnisse Seines Volkes und der Schwierigkeiten des Weges. Er 
war dort in Seiner allvermögenden Macht und mit Seinen nie 
versiegenden Hilfsquellen, um diese Bedürfnisse zu stillen und 
diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Er trat so völlig in diese 
Umstände ein, daß Er am Ende der vierzigjährigen Wanderung 
sich mit den rührenden Worten an ihre Herzen wenden konnte: 
„Denn Jehova, dein Gott, hat dich gesegnet in allem Werke deiner Hand. Er kannte dein Ziehen durch diese große Wüste: diese vierzig Jahre ist Jehova, dein Gott mit dir gewesen; es hat 
dir an nichts gemangelt", und: „Dein Kleid ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre" 
(5. Mo 2, 7 und 8, 4). 
*) Ein Jahr vor Erscheinen dieses „Botschafters", am 19. Juli 1870, war der 
deutsch=französische Krieg ausgebrochen (Anm. d. Bearb.). 
121 
In all diesen Dingen war das Lager Israels ein treffendes Vorbild auf die durch diese Welt wandernde Kirche Gottes. Das 
Zeugnis der Schrift ist in diesem Punkt so bestimmt, daß für 
die Tätigkeit der Einbildungskraft kein Raum besteht und keine 
Frage möglich ist. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen 
als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist" (1. Kor 
10, 11). Wir dürfen daher nähertreten und mit vollem Interesse dieses wunderbare Schauspiel betrachten und die kostbaren Lehren sammeln, die so offensichtlich zu unserer Belehrung gedacht sind. Wer könnte diese Lehren gebührend 
schätzen? Betrachten wir dieses geheimnisvolle Lager, das aus 
Kriegsleuten, Arbeitern und Anbetern bestand! Welch eine 
vollständige Trennung von ailen anderen Völkern der Welt! 
Welche äußerste Hilflosigkeit! Welche gefahrvolle Lage! 
Welch eine gänzliche Abhängigkeit von Gott! Sie besaßen 
nichts, sie konnten nichts tun, sie konnten nichts wissen. Sie 
hatten weder ein Stück Brot noch einen Trunk Wasser, aber 
Tag für Tag empfingen sie beides gleichsam aus der Hand Gottes. Wenn sie abends ihr Lager aufsuchten, besaßen sie nicht 
den geringsten Vorrat für den nächsten Tag. Es gab weder ein 
Magazin noch eine Speisekammer, noch irgendeine andere 
sichtbare Hilfsquelle. Nichts war da, worauf die Natur hätte 
rechnen können. 
Aber Gott war da, und das war nach dem Urteil des Glaubens 
genug. Die Kinder Israel waren auf Gott geworfen. Welch eine 
große Wahrheit! Außer dem wahrhaftigen, lebendigen und 
ewigen Gott gibt es für den Glauben nichts Wesentlicheres, 
nichts Wahres, nichts Bleibendes. Die Natur möchte verlangende Blicke nach den Speichern Ägyptens werfen und nach 
Dingen schauen, die mit den Sinnen wahrnehmbar sind, aber 
der Glaube schaut empor zum Himmel und findet dort seine 
Quellen. 
So verhielt es sich mit dem Lager in der Wüste, und ebenso 
steht es mit der Kirche in der Welt. Dort gab es kein einziges 
Vorkommnis, nichts, wofür die göttliche Gegenwart nicht stets 
die allgenügende Antwort gewesen wäre. Die unbeschnittenen 
Völker ringsum mochten staunend ihre Blicke erheben; sie 
mochten in der Blindheit ihres Unglaubens die Frage erheben, 
122 
wie es möglich sei, ein solches Heer zu ernähren, zu kleiden 
und zu leiten. Aber sie besaßen auch nicht die Fähigkeit zu 
sehen, wie dies möglich war. Sie kannten Jehova nicht, den 
Herrn, den Gott der Hebräer, und daher mußte ihnen alles., was 
Er für diese große Versammlung zu tun verheißen hatte, wie 
ein Märchen erscheinen. 
In der gleichen Lage befindet sich jetzt das geistliche Lager — 
die Versammlung Gottes in dieser moralischen Wüste. Von 
dem Standpunkt Gottes aus betrachtet ist diese Versammlung 
nicht von dieser Welt, sondern vollständig von ihr abgesondert. 
Sie ist ebenso vollständig von der Welt getrennt, wie Israel von 
Ägypten getrennt war. Das Wasser des Roten Meeres floß 
zwischen dem Lager und Ägypten, und die tieferen und finsteren Wasser des Todes Christi fließen zwischen der Kirche 
Gottes und der gegenwärtigen bösen Welt. Es ist unmöglich, 
völliger getrennt zu sein. Der Herr Jesus Selbst sagt: „Sie sind 
nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin" 
(Joh 17). 
Was könnte auch hilfloser sein als die Kirche Gottes in dieser 
Welt? Von sich und in sich selbst besitzt sie nichts. Siehat ihren 
Platz in einer moralischen Wüste, in einer furchtbar öden und 
höchst gefahrvollen Wildnis, in der es buchstäblich nichts gibt, 
wovon sie sich nähren kann. Nein, auf dieser ganzen Welt findet sich kein Tropfen Wasser und keine der Kirche Gottes angemessene Speise. — Wie vielen Arten feindlicher Einflüsse ist 
die Kirche auch bloßgestellt! Alles steht ihr entgegen. Sie 
gleicht in dieser Welt einer ausländischen Pflanze, die einem 
fremden Klima angehört und in eine Gegend gebracht worden 
ist, wo weder die Luft noch der Boden geeignet für sie ist. Ja, 
die Kirche Gottes in dieser Welt ist getrennt, hilflos, den Gefahren ausgesetzt, wehrlos und gänzlich abhängig von dem 
lebendigen Gott. Unsere Gedanken über die Kirche werden an 
Klarheit und Kraft gewinnen, wenn wir in ihr das Gegenbild 
des Lagers in der Wüste sehen. In 1. Kor 10 sehen wir, daß 
eine solche Betrachtungsweise keineswegs seltsam oder weit 
hergeholt ist. Wir sind völlig berechtigt zu sagen, daß das, was 
das Lager Israels in buchstäblichem Sinne war, die Kirche in 
moralischer und geistlicher Beziehung ist, und daß das, was 
die Wüste für Israel in buchstäblichem Sinn war, die Welt für 
123 
die Kirche Gottes in moralischer und geistlicher Hinsicht ist. 
Die Wüste war für Israel die Stätte der Mühsal und Gefahr, 
nicht aber ein Ort der Erquickung und des Genusses, und in 
demselben Verhältnis steht die Welt zur Kirche. 
Es ist notwendig, diese Tatsache in ihrer ganzen moralischen 
Tragweite zu verstehen. Die Versammlung Gottes in der Welt 
ist wie die „Versammlung in der Wüste" ganz auf den lebendigen Gott geworfen. Natürlich betrachten wir hier die Kirche 
vom göttlichen Standpunkt aus; wir betrachten sie, wie sie in 
den Augen Gottes ist. Betrachten wir sie von einem menschlichen Standpunkt aus, in ihrem tatsächlichen praktischen Zustand, ach, dann erblicken wir etwas ganz anderes. Es handelt 
sich hier um den normalen, wahren und göttlichen Begriff von 
der Versammlung Gottes in dieser Welt. Verlieren wir daher 
nicht aus dem Auge, daß ebenso wie sich damals ein Lager in 
der Wüste befand, sich jetzt die Kirche Gottes, der Leib Christi, 
in der Welt befindet. Ohne Zweifel kannten die Nationen der 
Welt die Versammlung des Alten Testaments wenig und kümmerten sich noch weniger um sie, aber das berührte die große 
Tatsache nicht im geringsten. Ebenso kennen die Menschen der 
Welt die Versammlung Gottes, den Leib Christi, wenig und 
kümmern sich noch weniger darum, aber das berührt keineswegs die Tatsache, daß wirklich ein solches Gebilde seit der 
Ausgießung des LIeiligen Geistes am Tage der Pfingsten auf 
der Erde besteht. Sicher hatte die Versammlung des Alten 
Testaments ihre Prüfungen, ihre Kämpfe, ihre Trübsale, ihre 
Versuchungen, ihre Widersprüche, ihre Streitfragen, ihre inneren Bewegungen, ihre zahllosen und namenlosen Schwierigkeiten und andere Erscheinungen, die die verschiedenen Hilfsquellen erforderten, die in Gott waren. Aber trotz dieser Dinge, die wir aufgezählt haben, trotz der Schwachheit, Mängel, 
Sünden, Empörungen und Kämpfe steht die Tatsache fest, daß 
Engel, Menschen und Teufel von dieser großen, (nach der gewöhnlichen Art der Berechnung) drei Millionen Menschen zählenden Versammlung Kenntnis nahmen, denn auf einen unsichtbaren Arm gestützt, wurde sie geleitet und versorgt durch den 
ewigen Gott, Dessen Augen auch nicht während eines einzigen 
Augenblicks von diesem geheimnisvollen vorbildlichen Heer 
abgewandt waren, und Der sogar in ihrer Mitte wohnte und 
124 
sie bei all ihrem Unglauben, ihrer Vergeßlichkeit, Undankbarkeit und Widersetzlichkeit nie versäumte. Gott war da, um sie 
Tag und Nacht zu stützen und zu leiten, zu bewachen und zu 
erhalten. Er speiste sie mit dem Brot, das vom Himmel kam, 
und Er öffnete den Felsen zu einer sprudelnden Quelle. Er 
hatte eine Versammlung in der Wüste, die, getrennt von allen 
Völkern ringsum, ganz auf Ihn geworfen war. Sicher bot die 
Wüste nichts für ihren Unterhalt und ihre Erquickung. Es gab 
Schlangen und Skorpionen, Fallstricke und Gefahren; überall 
herrschte Dürre, Unfruchtbarkeit und Verlassenheit. Aber dennoch befand sich hier jene wunderbare Versammlung, die in 
einer Weise erhalten wurde, die den menschlichen Verstand 
verwirrt und zuschanden macht. 
Welch ein Glück, nun sagen zu dürfen, daß das Lager in der 
Wüste ein Vorbild von der Kirche Gottes in dieser Welt ist, 
jener Kirche, die bereits über achtzehn Jahrhunderte besteht 
und ihren Platz bis zu dem Augenblick behaupten wird, wenn 
der Herr Jesus Seine gegenwärtige Stellung verlassen und zu 
ihrer Entrückung in die Luft herniederkommen wird. Wie wichtig ist es, diese Tatsache, die man so lange aus den Augen verloren hatte, zu erkennen! Wie wenig wird sie auch jetzt noch 
erkannt! Es sollte das feierliche Bekenntnis jedes Christen sein, 
daß sich jetzt in diesem Augenblick etwas auf der Erde befindet, was dem Lager in der Wüste entspricht. Ja, die Kirche 
befindet sich in einer Wüste. Die Versammlung durchschreitet 
eine Welt, wie Israel einst eine Wüste durchschritt. Was für 
Israel buchstäblich und praktisch die Wüste war, das ist für 
die Kirche moralisch und geistlich die Welt. Wie Israel keine 
Quellen in der Wüste fand, so wird auch die Kirche Gottes 
keine Quellen in der Welt finden. Wenn sie es tut, so nimmt 
sie nicht ihre wahre Stellung vor dem Herrn ein. Wie Israel 
nicht der Wüste angehörte, sondern sie nur durchschritt, so ist 
auch die Kirche Gottes nicht von der Welt, sondern sie durchschreitet sie nur. 
Wenn der Leserin diese Gedanken sich vertieft hat, dann werden sie ihm die abgesonderte Stellung der Kirche als Ganzes 
und ihrer einzelnen Glieder im Besonderen zeigen. Gott bezeichnet sie als ebenso von dieser Welt getrennt, wie Er das 
Lager Israels als getrennt von der sie umgebenden Wüste be125 
zeichnete. Zwischen der Kirche und der Welt besteht ebenso 
wenig Gemeinschaft wie zwischen dem Lager und dem Sand 
der Wüste. Die herrlichsten Schönheiten, die größten Reize der 
Welt sind für die Kirche Gottes, was die Schlangen, die Skorpione und die tausenderlei Gefahren für Israel waren. Natürlich betrachten wir die Kirche, wie Gott sie betrachtet, und nicht 
wie die Menschen sie verunstaltet haben. Es ist unbedingt 
nötig, daß wir uns durch Glauben auf den Standpunkt Gottes 
stellen, um so die Kirche zu sehen. Nur in diesem Fall können 
wir einen richtigen Eindruck von dem haben, was die Kirche ist, 
sowie von unserer eigenen persönlichen Verantwortung als 
Glieder dieser Kirche. Gott hat in dieser Welt eine Kirche, die 
durch den Heiligen Geist bewohnt und mit Christus, dem 
Haupt, vereinigt ist. Diese Kirche, die der Leib ist, ist zusammengesetzt aus allen, die in Wahrheit an den Sohn Gottes 
glauben, und die durch die große Tatsache der Gegenwart des 
Heiligen Geistes vereinigt sind. 
Dies ist nicht nur eine bloße Meinung oder eine Lieblingsidee, 
die wir unseren Lesern vorhalten. Nein, es ist eine göttliche 
Tatsache. Die Kirche ist ein wirklich existierendes Gebilde, und 
wir — wenn wir wahrhaft gläubig sind — sind leibhaftige Glieder an ihr, und zwar durch den Heiligen Geist dazu berufen. 
Dies ist etwas ebenso Bestimmtes und Wirkliches, wie die 
Geburt eines Kindes in einer Familie. Die Geburt hat statt= 
gefunden, das Verhältnis ist gebildet, und wir haben es nur 
anzuerkennen und demgemäß von Tag zu Tag zu wandeln. 
Von dem Augenblick an, da eine Seele wiedergeboren und mit 
dem Heiligen Geist versiegelt ist, ist sie auch dem Leibe Christi einverleibt. Eine solche Seele kann sich nicht länger als ein 
einzelnes Individuum, als eine unabhängige Person, als ein 
isoliertes Wesen betrachten; sie ist das Glied eines Leibes, 
wie die Hand und der Fuß Glieder des menschlichen Leibes 
sind. Sie ist ein Glied des Leibes Christi und kann daher selbstverständlich nicht ein Glied von etwas anderem sein. Wie 
könnte mein Arm das Glied eines anderen Leibes sein? Ebenso kann das Glied des Leibes Christi nicht zugleich das Glied 
eines anderen Leibes sein. 
Wie herrlich ist diese Wahrheit bezüglich der Kirche Gottes als 
des Gegenbildes des Lagers in der Wüste! Diese Kirche ist 
126 
wirklich vorhanden inmitten des Verderbens und des Abfalls, 
inmitten des Widerspruchs und des Zwiespalts, inmitten der 
Verwirrung und Uneinigkeit, der Sekten und Parteien. Das ist 
in der Tat eine kostbare Wahrheit! Wir sind ebenso verpflichtet durch Glauben diese Kirche in der Welt anzuerkennen, wie 
die Israeliten verpflichtet waren, durch Schauen das Lager in 
der Wüste anzuerkennen. Der Israelit dachte nicht im entferntesten an ein anderes Lager, an eine andere Versammlung; und 
die Christen sollten durchaus nicht an eine andere Kirche, an 
einen anderen Leib denken. Dort war ein Lager, eine Versammlung, und der Israelit gehörte dazu; hier ist eine Kirche, 
ein Leib, und der wahre Christ gehört dazu. 
Aber wie ist dieser Leib gebildet? Durch den Heiligen Geist, 
wie geschrieben steht: „Denn auch in einem Geiste sind wir 
alle zu einem Leibe getauft worden" (l. Kor 12, 13). Wie wird 
er unterhalten? Durch sein lebendiges Haupt mittels des Heiligen Geistes, und durch das Wort, wie geschrieben steht: „Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt 
und pflegt es, gleichwie auch der Christus die Versammlung" 
(Eph 5, 29). Ist das nicht hinreichend? Ist der Herr Jesus nicht 
genügend? Genügt der Heilige Geist nicht völlig? Verlangen 
wir mehr als die mannigfaltigen Kräfte, die in dem Namen 
Jesu verborgen sind? Sind die Gnadengaben des ewigen Geistes nicht völlig hinreichend für das Wachstum und die Erhaltung der Kirche Gottes? Sichert uns die göttliche Gegenwart in 
der Kirche nicht alles zu, was die Kirche benötigt? Der Glaube 
bejaht es mit Bestimmtheit und Nachdruck, der Unglaube, die 
menschliche Vernunft, sagt: Nein, wir brauchen noch viele 
andere Dinge. Unsere Antwort aber sollte dann immer sein: 
Wenn Gott nicht genügend ist, dann wissen wir nicht, wohin 
wir uns wenden sollen. Wenn der Name Jesu nicht genügt, 
dann wissen wir nicht, was wir beginnen sollen. Wenn der 
Heilige Geist in der Gemeinschaft, im Dienst und in der Anbetung nicht all unseren Bedürfnissen begegnen kann, dann 
wissen wir nicht, was wir sagen sollen. — 
Man könnte jedoch einwenden: Die Dinge sind aber nicht mehr 
in dem Zustand, in dem sie zur Zeit der Apostel waren. Die 
Kirche hat gefehlt, die Pfingstgaben sind nicht mehr zu entdecken, die blühenden Tage der ersten Liebe der Kirche sind 
127 
verschwunden, und darum müssen wir die besten Mittel, die 
uns zur Verfügung stehen, anwenden, um unsere Kirchen einzurichten und zu unterhalten. — Auf dies alles aber antworten 
wir: Gott hat nicht gefehlt, Christus, das Haupt der Kirche, 
hat nicht gefehlt, der Heilige Geist hat nicht gefehlt. — Das ist 
der unerschütterliche Grund des Glaubens. „Jesus Christus ist 
derselbe gestern und heute und in Ewigkeit". Er hat gesagt: 
„Siehe, ich bin bei euch" — wie lange? Etwa nur während der 
Tage der ersten Liebe? oder während der Zeit der Apostel? 
oder so lange, wie die Kirche treu bleiben wird? — Nein. „Ich 
bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters" (Mt 
28, 20). Selbst damals, als zum ersten Mal in der Schrift die 
Versammlung erwähnt wird, lesen wir die denkwürdigen Worte: „Auf diesen Felsen (den Sohn des lebendigen Gottes) will 
ich meine Versammlung bauen, und des Hades Pforten werden 
sie nicht überwältigen" (Mt 16). 
letzt handelt es sich um die Frage: Ist diese Kirche oder Versammlung im gegenwärtigen Augenblick auf der Erde? — Ganz 
gewiß. Es ist ebenso wahr, daß es jetzt eine Kirche auf Erden 
gibt, wie es einst ein Lager in der Wüste gab; und ebenso wie 
Gott Sich im Lager befand, um jedem Bedürfnis zu begegnen, 
ist Er auch jetzt in der Kirche, um alles zu ordnen und zu leiten, 
wie geschrieben steht: „Ihr (werdet) mit aufgebaut zu einer 
Behausung Gottes im Geiste" (Eph 2). Das ist völlig genügend. 
Unsere Sache ist es jetzt, durch einfachen Glauben diese große 
Wahrheit zu ergreifen. Der Name Jesu ist ebenso genügend 
für alle Erfordernisse der Kirche Gottes wie für die Errettung 
der Seele. Das eine ist so wahr wie das andere. „Denn wo zwei 
oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in 
ihrer Mitte" (Mt 18). Hat dies aufgehört, wahr zu sein? Keineswegs. Nun, dann ist die Gegenwart Christi auch für Seine 
Kirche völlig hinreichend, und wir haben nicht nötig, über 
kirchliche Angelegenheiten Pläne zu machen und auszuführen. 
Sicher können wir dabei ebenso wenig tun wie bei der Errettung einer Seele. Was sagen wir dem Sünder? Vertraue auf 
Christus. Was sagen wir dem Gläubigen? Vertraue auf Christus! Was sagen wir einer Versammlung von wenigen oder 
vielen Gläubigen? Vertraut auf Christus! Gibt es irgend etwas, 
das Er nicht tun kann? Gibt es etwas, das für Ihn zu schwierig 
128 
ist? Ist die Schatzkammer Seiner Gaben und Gnade je erschöpft 
worden. Ist Er nicht fähig, Gaben zum Dienst zu verleihen? 
Kann Er nicht Evangelisten, Hirten und Lehrer berufen? Kann 
Er nicht den verschiedenen Bedürfnissen Seiner Kirche in der 
Wüste begegnen? Wenn nicht, ach, wo befinden wir uns dann? 
Was sollen wir tun? Wohin sollen wir uns wenden? Was hatte 
das Lager, die Versammlung des Alten Testaments, zu tun? 
Nichts anderes als auf Jehova zu schauen. Er allein konnte für 
Brot, Wasser, Kleidung, Leitung, Schutz — kurz für alles sorgen. Alle ihre Quellen waren in Ihm. Müssen wir uns nun zu 
einer anderen Stelle wenden? Gewiß nicht; unser Herr Jesus ist 
völlig genügend trotz aller unserer Mängel und Fehler, trotz 
unserer Sünde und Untreue. Darum laßt uns auf Ihn vertrauen, 
laßt uns Ihm Raum geben, um zu handeln. Laßt uns alle unsere 
Sorgen bezüglich der Versammlung auf Ihn werfen, wie wir es 
auch taten, als es sich um die Errettung unserer Seele handelte. 
Wir sind völlig überzeugt, daß hierin das ganze Geheimnis der 
Kraft und des Segens liegt. Leugnen wir den Verfall der Kirche? Ach, das Verderben steht als eine zu greifbare und zu 
offenkundige Tatsache vor uns; daher kann man es unmöglich 
leugnen. Versuchen wir unsere Mitschuld an dem Verfall, 
unsere Torheit und Sünde zu leugnen? Wollte Gott, wir fühlten unsere Mitschuld tiefer! Aber wollen wir unsere Sünde 
noch dadurch vergrößern, daß wir die Gnade und Macht unseres Herrn, uns in unserer Torheit zu begegnen, leugnen? Wollen wir die Quelle lebendigen Wassers verlassen und uns 
löcherige Zisternen aushauen, die kein Wasser halten? Wollen 
wir uns abwenden von dem Fels der Ewigkeiten und uns stützen auf die zerbrechlichen Rohrhalme unserer Pläne? Der Herr 
verhüte es! Der Name Jesu ist die einzige wahre Stütze unseres 
Herzens. 
Jesus-Name! Rettungsquelle, 
Ruh' in Mühsal, Trost im Schmerz; 
Bist ein Fels in Sturm und Welle, 
Heilung für ein wundes Herz. 
Der Leser möge jedoch keineswegs dem Gedanken Raum 
geben, als wollten wir mit Anmaßung über den Verfall der 
Kirche reden. Nein, wir fühlen, daß wir mitschuldig sind. Wir 
können sicher keinen zu niedrigen Platz einnehmen. Im Blick 
129 
auf unsere gemeinschaftliche Sünde und Schande gebührt uns 
ein niedriger Platz und eine demütige Gesinnung. Aber mit 
allem Nachdruck möchten wir hervorheben, daß der Name Jesu 
für die Bedürfnisse der Kirche Gottes zu allen Zeiten und unter 
allen Umständen völlig genügt. Wenn zur Zeit der Apostel in 
diesem Namen alle Macht verborgen lag, warum dann nicht 
auch in unserer Zeit? Hat dieser herrliche Name irgendeine 
Veränderung erfahren? Nein — Gott sei dafür gepriesen! Nun, 
dann ist er auch in diesem Augenblick für uns völlig genügend. Wir wünschen daher, diesem unvergleichlich kostbaren 
Namen — und nichts anderem — völlig zu vertrauen und mit 
kühnem Mut alle unsere Hoffnung darauf zu setzen. Der Herr 
ist in jeder Versammlung, wie klein die Zahl ihrer Glieder 
auch sein mag. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem 
Namen, da bin ich in ihrer Mitte". Hat diese Verheißung ihre 
Kraft verloren? Hat Er sie widerrufen? 
Nun, mein teurer Leser, wir schließen diese Zeilen mit dem 
innigen Wunsch, dein Herz möchte sich weit für die kostbare 
Wahrheit öffnen, daß der Name Jesu für die Versammlung 
Gottes zu allen Zeiten, in allen Umständen, in denen sie sich 
befinden mag, völlig genügend ist. Wir bitten dich, dies nicht 
nur theoretisch für eine Wahrheit zu halten, sondern auch 
praktisch darin zu leben; denn nur dann wirst du den reichen 
Segen der Gegenwart Jesu erfahren und genießen. 
Das Lager und die Wolke 
(4. Mos e 9, 15—18) 
„Und an dem Tage da die Wohnung aufgerichtet wurde, bedeckte die Wolke die Wohnung des Zeltes des Zeugnisses; 
und am Abend war es über der Wohnung wie das Ansehen eines 
Feuers bis an den Morgen. So war es beständig: die Wolke 
bedeckte sie, und des Nachts war es wie das Ansehen eines 
Feuers. Und so wie die Wolke sich von dem Zelte erhob, brachen danach die Kinder Israel auf; und an dem Orte, wo die 
Wolke sich niederließ, daselbst lagerten sich die Kinder Israel. 
Nach dem Befehl Jehovas brachen die Kinder Israel auf, und 
130 
nach dem Befehl Jehovas lagerten sie sich; alle die Tage, da 
die Wolke auf der Wohnung ruhte, lagerten sie". 
Ein liebliches Bild völliger Abhängigkeit und Unterwürfigkeit! 
In der „großen und schrecklichen Wüste" zeigte sich keine Fußspur, kein Grenzstein. Die Pilger waren bei jedem Schritt auf 
dem Wege auf Gott geworfen und befanden sich also immer 
in einem Zustand beständigen Wartens auf Ihn. Das wäre für 
ein nicht unterworfenes Herz, für einen ungebrochenen Willen 
unerträglich, aber für eine Seele, die Gott kennt und liebt, die 
Ihm vertraut und sich in Ihm erfreut, kann nichts gesegneter 
sein. 
Hier liegt der wahre Grund der ganzen Sache. Ist wirkliche Erkenntnis Gottes sowie Liebe und Vertrauen in der Seele, dann 
erfreut sich das Herz in der vollständigsten Abhängigkeit von 
Ihm. Sonst ist diese Abhängigkeit durchaus unerträglich. Der 
nicht wiedergeborene Mensch liebt es, sich als unabhängig und 
frei zu betrachten und zu glauben, daß er tun und reden könne, 
was ihm beliebt. Welch ein Irrtum! Der Mensch ist nicht frei, 
Er ist ein Sklave Satans. Schon vor sechstausend Jahren hat er 
sich diesem großen geistlichen Sklavenhalter verkauft und 
schmachtet bis zu diesem Augenblick in dessen Fesseln. Ja, 
Satan hält den unbekehrten, unbußfertigen Menschen in seiner 
Gewalt. Er hat ihm Hände und Füße mit Ketten gebunden, die 
in ihrem wahren Charakter nicht gesehen werden können, weil 
er sie scheinbar vergoldet hat. Die Lüste, die Leidenschaften 
und Vergnügungen — das sind die Mittel, mit denen Satan die 
Menschen beherrscht. Er weckt die Lüste im Herzen und befriedigt sie durch die Dinge, die in der Welt sind; und der Mensch 
bildet sich ein, frei zu sein, weil er seine Wünsche befriedigen 
kann. Aber es ist ein schmerzlicher Betrug, wie er früher oder 
später erkennen wird. Es gibt in der Tat keine Freiheit als die, 
mit der Christus Sein Volk frei macht. Er sagt: „Ihr werdet die 
Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." 
Und wiederum: „Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, 
so werdet ihr wirklich frei sein" (Joh 8). 
Hier ist wahre Freiheit. Es ist die Freiheit, die die neue Natur 
findet, wenn sie im Geist wandelt und das tut, was vor Gott 
wohlgefällig ist. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit". 
Ein Dienst im Geiste aber schließt in allen seinen Teilen eine 
131 
völlige Abhängigkeit von dem lebendigen Gott in sich. So war 
es bei Jesus, dem einzigen treuen und vollkommenen Diener, 
der je diese Erde betrat. Er war immer abhängig. Jede Bewegung, jede Handlung, jedes Wort — alles was Er tat und ließ 
war eine Frucht völliger Abhängigkeit und Unterwürfigkeit 
unter Gott. Er ging und stand, Er sprach und schwieg, je nachdem Gott Ihm das eine oder das andere gebot. Und wir als 
Teilhaber Seiner Natur und Seines Lebens und als solche, in 
denen Sein Geist wohnt, sind berufen, in Seinen Fußtapfen 
zu wandeln und Tag und Nacht in Abhängigkeit von Gott zu 
leben. Der Israel Gottes — das Lager in der Wüste, jenes wandernde Heer — folgte der Bewegung der Wolke. Wenn die 
Pilger durch sie geführt werden wollten, mußten sie ihren 
Blick erheben. Das ist die Aufgabe, die der Mensch hat. Er ist 
geschaffen, um den Blick aufwärts zu richten, während das 
Tier mit einem nach unten gerichteten Blick geschaffen ist. Die 
Israeliten konnten keine Pläne machen. Sie konnten nie sagen: 
„Morgen gehen wir da oder dorthin". Sie waren ganz von der 
Bewegung der Wolke abhängig. 
So war es bei Israel und so sollte es bei uns sein. Moralisch betrachtet, durchschreiten wir eine pfadlose Wüste. Nirgends 
findet sich eine Straße. Wohin sollten wir unsere Schritte lenken, wenn nicht der geliebte Herr gesagt hätte: „Ich hin der 
Weg"? Das ist die göttliche, unfehlbare Führung. Wir haben 
Ihm zu folgen. „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, 
wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht 
des Lebens haben" (Joh 8). Wir haben nicht nach irgendwelchen Regeln und Vorschriften zu wandeln, sondern einem 
lebendigen Christus zu folgen. Wir haben zu wandeln, wie Er 
gewandelt, zu tun, wie Er getan, und Seinem Beispiel in allen 
Dingen zu folgen. Natürlich kann das nur unter Aufopferung 
unseres eigenen Willens geschehen. Wir müssen der Wolke folgen, d. h. immer auf Gott warten. Auch wir können nicht 
sagen: „Wir wollen da oder dorthin gehen; wir wollen morgen 
oder in der nächsten Woche dies oder jenes tun". Alle unsere 
Bewegungen müssen unter die ordnende Macht jenes leider oft 
leichtsinnig gebrauchten Wortes gestellt werden: „Wenn der 
Herr will"! 
O möchten wir dies besser verstehen! Nur dann erkennen wir 
die Bedeutung der göttlichen Führung. Wie oft bilden wir uns 
132 
ein, die Wolke nach dieser oder nach jener Richtung hin ziehen 
zu sehen, weil das gerade zu unseren Wünschen paßt! Wir 
möchten einen bestimmten Flan ausführen oder einen bestimmten Weg einschlagen, und hastig reden wir uns ein, daß unser 
Wille der Wille Gottes sei. Anstatt uns leiten zu lassen, sind 
wir selbst die Führer. Unser Wille ist ungebrochen, und darum 
können wir nicht richtig geleitet werden; denn ein vollständig 
gebrochener Wille ist die erste Bedingung für eine richtige Leitung von Seiten Gottes. „Er leitet die Sanftmütigen im Recht, 
und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg". — „Mein Auge auf 
dich richtend will ich dir raten". 
Doch laßt uns die Warnung wohl beachten: „Seid nicht wie 
ein Roß, wie ein Maultier, das keinen Verstand hat; mit Zaum 
und Zügel, ihrem Schmucke, mußt du sie bändigen, sonst 
nahen sie dir nicht" (Ps 32). Wenn unser Blick aufwärts gerichtet ist, um dem Wink des göttlichen Auges zu begegnen, 
dann benötigen wir „Zaum und Zügel" nicht. Aber gerade 
hierin straucheln wir so oft. Wir befinden uns nicht nahe genug 
bei Gott um den Wink Seiner Augen zu erkennen, und der 
eigene Wille ist in Tätigkeit. Wir möchten unsere eigenen 
Wege gehen, und darum werden wir preisgegeben, um die bittere Frucht davon zu ernten. So verhielt es sich auch bei Jona. 
Er hatte den Auftrag, nach Ninive zu gehen, aber er versuchte, 
nach Tarsis zu entfliehen, und die Umstände schienen dies zu 
begünstigen. Aber Jona mußte sich im Bauche eines großen 
Fisches, ja „im Schöße des Scheols" selbst wiederfinden, wo 
ihn die „Wasser umfingen". Hier in der Tiefe des Meeres 
lernte er die bittere Frucht der eigenen Wege kennen und die 
Bedeutung von „Zaum und Zügel", weil er der sanfteren Führung des Auges nicht folgen wollte. 
Aber wie gnädig und langmütig ist unser Gott! Er will Seine 
armen schwachen und irrenden Kinder belehren und leiten. 
Ohne zu ermüden, beschäftigt Er Sich stets mit uns, um uns 
von unseren eigenen, dornenvollen Pfaden fernzuhalten und 
uns in Seinen Wegen der Glückseligkeit und des Friedens wandeln zu lassen. Nichts ist gesegneter, als in der Abhängigkeit 
von Gott zu wandeln, an Ihm zu hangen, auf Ihn zu warten 
und alle Quellen in Ihm zu haben. Wenn die Seele sagen kann: 
„Alle meine Quellen sind in dir", dann hat sie sich erhoben 
133 
über alle menschlichen Hoffnungen und irdischen Erwartungen. Wohl bedient Gott Sich der äußeren Dinge zu unserem 
Nutzen, aber wir sollen uns nicht darauf stützen, denn sonst 
werden wir bald eine Dürre in unseren Seelen verspüren. Wenn 
Gott Sich ihrer zu unserem Nutzen bedient, dann werden wir 
gesegnet und Er wird verherrlicht. Machen wir sie aber zu 
unserer Stütze, dann betrügen wir uns und verunehren Ihn. 
Ach, wie oft täuschen wir uns in dieser Beziehung! Wir glauben oft, uns auf Gott zu stützen, aber eine Prüfung im Lichte 
der Gegenwart Gottes würde zeigen, daß wir in den meisten 
Fällen unser Vertrauen auf das Geschöpf gesetzt haben. Wir 
reden oft von einem Leben aus Glauben, von Zuversicht und 
Gottvertrauen, und doch würde uns ein einziger Blick in die 
Tiefe unserer Herzen oft überzeugen, daß wir uns in erster 
Linie von den Umständen leiten lassen. 
Darum, teure Brüder, laßt uns unsere Blicke unverwandt auf 
den lebendigen Gott und nicht auf den Menschen richten! Laßt 
uns mit Geduld und Ausharren auf Seine Güte hoffen! Wenn 
wir nicht wissen, welche Wege wir einschlagen sollen, dann laßt 
uns einfach Ihm folgen, Der gesagt hat: „Ich bin der Weg". 
Er wird alles klar und sicher machen. Bei Ihm ist keine Unklarheit, keine Verlegenheit, keine Ungewißheit, und Er sagt: „Wer 
mir nachfolgt, wird nicht in Finsternis wandeln". Wenn wir 
daher in Finsternis sind, dann hat das seinen Grund darin, daß 
wir Ihm nicht nachfolgen. Folgen wir der Wolke, dann ist der 
Weg so hell und klar, wie Gott ihn nur machen kann. Hier liegt 
die Wurzel der ganzen Sache. Unruhe oder Ungewißheit ist 
nicht selten die Frucht der Tätigkeit des eigenen Willens. Wir 
sind geneigt, etwas auszuführen, was Gott nicht will, daß wir 
es tun. Wir beten deshalb, empfangen aber keine Antwort. 
Warum? Weil Gott will, daß wir ruhig sind und nicht handeln 
sollen. O möchten wir doch mehr auf Gott warten und ruhig 
und still sein, anstatt uns den Kopf zu zerbrechen und die 
Seele zu beunruhigen! 
Das ist das wahre Geheimnis des Friedens. Wenn ein Israelit 
in der Wüste unabhängig von Gott die Leitung der Wolke in 
seine Hand genommen hätte, — wenn er die stehende Wolke 
hätte bewegen oder die sich bewegende Wolke hätte aufhalten 
wollen, welche seltsamen Ergebnisse wären dann erzielt wor134 
den! Ebenso wird es auch bei uns sein. Wenn wir gehen, während wir ruhen sollen oder umgekehrt, wie könnte dann die 
Gegenwart Gottes mit uns sein? „Nach dem Befehl Jehovas 
brachen die Kinder Israel auf, und nach dem Befehl Jehovas 
lagerten sie sich". Sie mußten ständig auf Gott warten. Das ist 
die gesegnetste Stellung, die man einnehmen kann; aber man 
muß sie einnehmen, bevor man des Segens teilhaftig werden 
kann. Gebe der Herr uns die Gnade, stets auf Ihn zu warten 
und uns durch Sein Auge raten zu lassen! — 
Christus im Schiff 
(Markus 4, 35—41) 
Die Not des Menschen bietet Gott Gelegenheit zur Hilfe. Das 
ist eine Wahrheit, an der wir alle gewiß nicht zweifeln. Und 
doch sind wir oft, wenn wir in Trübsal und Not kommen, so 
wenig vorbereitet, auf die Hilfe Gottes zu rechnen. Eine Wahrheit auszusprechen oder zu hören ist etwas ganz anderes als 
die Macht dieser Wahrheit zu verwirklichen. Bei ruhiger See 
darüber zu sprechen, daß Gott mächtig ist, uns in einem Sturm 
zu bewahren, ist ganz etwas anderes, als den Glauben an diese 
Macht zu zeigen, wenn ein entfesselter Sturm um uns wütet. 
Und doch ist Gott immer Derselbe, Derselbe im Sturm und bei 
Windstille, in Krankheit und Gesundheit, in Beschwerden und 
Ruhe, in Armut und Überfluß — „derselbe gestern und heute 
und in Ewigkeit" — Derselbe, an Den der Glaube sich unter 
allen Umständen und zu allen Zeiten anlehnen und klammern 
und auf Den er sich stützen kann. 
Aber ach, wir befinden uns oft im Unglauben. Darin liegt die 
Ursache für unsere Schwachheit und unser Versagen. Wir sind 
bestürzt und erregt, wenn wir ruhig und voll Vertrauen sein 
sollten; wir blicken auf die Umstände, wenn wir auf Gott 
blicken sollen; wir „winken unseren Genossen", wenn wir 
„auf Jesus blicken" sollten. So verlieren wir unendlich viel und 
verunehren den Herrn auf unseren Wegen. Ohne Zweifel gibt 
es nur wenig, worüber wir uns tiefer zu demütigen haben als 
135 
über unsere Neigung, dem Herrn zu mißtrauen, wenn wir 
Schwierigkeiten und Versuchungen begegnen. Durch dieses 
Mißtrauen gegen den Herrn Jesus betrüben wir Sein Herz; 
denn Mißtrauen muß ein liebendes Herz stets verwunden. 
Denken wir zum Beispiel an die Szene zwischen Joseph und 
seinenBrüdern in T.MO 50,15—18: „Und als die Brüder Josephs 
sahen, daß ihr Vater gestorben war, da sprachen sie: Wenn 
nun Joseph uns anfeindete und uns gar all das Böse vergelten 
würde, das wir ihm angetan haben! Und sie entboten dem 
Joseph und sprachen: Dein Vater hat vor seinem Tode befohlen und gesagt: So sollt ihr zu Joseph sprechen: Ach, vergib 
doch die Übertretung deiner Brüder und ihre Sünde! denn sie 
haben dir Böses angetan. Und nun vergib doch die Übertretung der Knechte des Gottes deines Vaters! Und Joseph weinte, 
als sie zu ihm redeten". — Das war eine traurige Vergeltung für 
all die Liebe und Gnade und zärtliche Sorge, die der beleidigte 
Joseph gegen sie geübt hatte. Wie konnten sie voraussetzen, 
daß der, welcher ihnen so freiwillig und völlig vergeben und 
ihr Leben geschont hatte, als sie ganz in seiner Macht waren, 
nach so vielen Jahren der Güte sich rachsüchtig gegen sie erweisen würde? Es war ein schmerzliches Unrecht, und es war 
daher kein Wunder, daß „Joseph weinte, als sie zu ihm redeten 
. . ." Welch eine Antwort auf ihre Furcht und ihren unwürdigen Verdacht! Eine Flut von Tränen —, doch so ist die Liebe. 
„Da sprach Joseph zu ihnen: Fürchtet euch nicht! denn bin ich 
an Gottes Statt? Ihr zwar, ihr hattet Böses wider mich im Sinne, 
Gott aber hatte im Sinne, es gut zu machen, auf daß er täte, 
wie es an diesem Tage ist, um ein großes Volk am Leben zu 
erhalten. Und nun, fürchtet euch nicht; ich werde euch und 
eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete zu ihrem 
ITerzen" (V. ig—21). 
So war es mit den Jüngern, wie wir sehen werden. 
„Und an jenem Tage, als es Abend geworden war, spricht er zu 
ihnen: Laßt uns übersetzen an das jenseitige Ufer. Und als er 
die Volksmenge entlassen hatte, nehmen sie ihn, wie er war, 
in dem Schiffe mit. Aber auch andere Schiffe waren mit ihm. 
Und es erhebt sich ein heftiger Sturmwind, und die Wellen 
schlugen in das Schiff, so daß es sich schon füllte. Und er war 
im Hinterteil des Schiffes und schlief auf einem Kopfkissen" 
(Mk 4, 35-38)-
136 
Hier haben wir eine sehr anziehende Szene. Die armen Jünger 
sind in äußerste Not geraten. Ihr Verstand weiß nicht mehr 
aus noch ein. Ein heftiger Sturm, — das Schiff voll Wasser, — 
der Herr eingeschlafen. Das war in der Tat ein Augenblick, 
der sie auf die Probe stellte, und wenn wir uns selbst sehen, 
brauchen wir uns über die Furcht und Unruhe der Jünger nicht 
zu verwundern. Es ist nicht anzunehmen, daß wir es an ihrer 
Stelle besser gemacht hätten. Dennoch können wir sehen, wo 
es bei ihnen fehlte. Die Geschichte ist zu unserer Belehrung 
niedergeschrieben worden, und wir müssen sie studieren, um 
das zu finden, was darin für uns enthalten ist. 
in Ruhe betrachtet, ist nichts ungereimter und unvernünftiger 
als Unglauben. In der Szene, die wir hier betrachten, ist diese 
Ungereimtheit augenscheinlich; denn was war unvernünftiger, 
als zu glauben, das Schiff könne womöglich mit dem Sohn 
Gottes an Bord sinken? Dennoch war es gerade das, was sie 
fürchteten. Vielleicht dachten sie in diesem Augenblick nicht 
an den Sohn Gottes. Sie dachten an den Sturm, die Wogen, 
das gefüllte Schiff, und nach menschlichem Ermessen waren 
sie hoffnungslos verloren. So ist das ungläubige Herz, das immer nach Vernunftschlüssen sucht. Es blickt immer auf die 
Umstände und schließt Gott aus. Der Glaube dagegen sieht 
nur auf Gott und schließt die Umstände aus. 
Welch ein Unterschied! Der Glaube ist auch in der größten 
Not glücklich, und zwar einfach deshalb, weil er weiß, daß Gott 
eine solche Gelegenheit benutzt, um zu trösten und zu helfen. 
Es ist seine Wonne, stille zu sein in Gott, und er freut sich, daß 
Gott Gelegenheit findet Seine Herrlichkeit entfalten zu können. 
So ist der Glaube. Wir können ruhig sagen, daß er die Jünger 
fähig gemacht hätte, sich mitten im Sturm neben den Herrn 
zu legen und zu schlafen. Der Unglaube machte sie dagegen 
unruhig; sie konnten nicht ruhen und weckten wegen ihrer 
ungläubigen Befürchtungen sogar den gesegneten Herrn aus 
Seinem Schlafe auf! Ermüdet von unaufhörlicher Arbeit, hatte 
Er, als das Schiff den See überquerte, wenige Augenblicke, 
um auszuruhen. Er wußte, was Müdigkeit war; Er war herabgekommen in alle unsere Umstände. Er lernte unsere Gefühle 
und alle unsere Schwachheiten kennen. Er, „der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die 
137 
Sünde", wurde in jeder Hinsicht als Mensch erfunden, und als 
solcher schlief er auf einem Kopfkissen und wurde von den 
Wellen des Sees geschüttelt. Der Sturm peitschte das Schiff 
und die Wogen rollten darüberhin, obgleich der Schöpfer in 
der Person jenes müden und schlafenden Menschen an Bord 
war. 
Tiefes Geheimnis! Er, Der den See gemacht und die Winde in 
Seiner allmächtigen Hand halten konnte, lag schlafend im Hinterteil des Schiffes und erlaubte dem See und dem Wind, Ihn 
so rauh zu behandeln, als wenn Er nur ein gewöhnlicher Mensch 
gewesen wäre. Das war die Verwirklichung der menschlichen 
Natur unseres gesegneten Herrn. Er war müde, Er schlief, und 
Er wurde hin- und hergeworfen auf den Wellen des Sees, den 
Seine Hände gemacht hatten. O teurer Leser, bleibe stehen und 
denke über diese wunderbare Tatsache nach! Keine Sprache, 
keine Feder kann eine solche Szene richtig wiedergeben. Wir 
können sie nicht genügend erklären; wir können nur staunen 
und anbeten. 
Aber wie gesagt, der Unglaube weckte den gesegneten Herrn 
aus Seinem Schlafe auf. „Und sie wecken ihn auf und sprechen 
zu ihm: Lehrer, liegt dir nichts daran, daß wir umkommen?" 
Welch eine Frage? „Liegt dir nichts daran?" Wie muß dies das 
gefühlvolle Herz des Herrn Jesus verwundet haben? Wie konnten sie nur denken, daß Er bei ihrer Unruhe und Gefahr gleichgültig blieb? Wie vollständig hatten sie Seine Liebe — von 
Seiner Macht ganz zu schweigen — aus dem Auge verloren, 
wenn sie sagen konnten: „Liegt dir nichts daran?" 
Und doch, teurer Leser, sehen wir darin nicht unser eigenes 
Spiegelbild? — Wie oft seufzen unsere Herzen in Augenblicken 
der Bedrückung und der Trübsal, wenn unsere Lippen auch 
nicht aussprechen: „Liegt dir nichts daran?" Vielleicht sind wir 
durch Krankheit und Schmerzen ans Bett gefesselt und wissen, 
daß ein Wort von dem Gott der Macht uns vollständig gesund 
machen kann, — und doch wird dieses Wort nicht ausgesprochen. Oder wir sind vielleicht in Not wegen der täglichen Nahrung und wissen, daß Silber und Gold und alles Vieh auf der 
Erde Gott gehört — ja, daß die Schätze des Weltalls in Seiner 
Hand sind, — und doch geht ein Tag nach dem anderen dahin, 
ohne daß unsere Not behoben wird. Mit anderen Worten, wir 
138 
fahren hier über tiefe Wasser, der Sturm wütet, Woge auf 
Woge rollt über unser winziges Schiff, wir sind in äußerste 
Not geraten, unser Wissen reicht nicht aus zu helfen und unsere Herzen sind oft bereit, die schreckliche Frage zu stellen: 
„Liegt dir nichts daran?" Dieser Gedanke ist sehr demütigend. 
Der Gedanke, daß wir so oft das liebende Herz Jesu durch 
unseren Unglauben und unser mangelndes Vertrauen kränken, 
sollte uns mit der tiefsten Zerknirschung erfüllen. 
Und dann das Unvernünftige des Unglaubens! Wie könnte Er, 
Der Sein Leben für uns gab, Der Seine Herrlichkeit verließ und 
herabkam in diese Welt voll Mühsal und Elend und den 
schimpflichen Tod am Kreuz starb, um uns vom ewigen Zorn 
zu befreien, je versäumen, für uns zu sorgen? Und doch neigen 
wir dazu, zu zweifeln und werden so leicht ungeduldig bei 
einer kleinen Trübsal, wobei wir vergessen, daß die wahre 
Trübsal, vor der wir so zurückschrecken und unter der wir so 
seufzen, weit kostbarer ist als Gold. Je mehr der wahre Glaube 
erprobt wird, desto heller leuchtet er, und folglich ist die Versuchung, wenn auch hart, doch sehr geeignet, ihn in Lob und 
Preis ausbrechen zu lassen gegen Den, Der nicht nur den Glauben einpflanzt, sondern ihn auch durch den Schmelzofen der 
Trübsal gehen läßt, in dem Er ihn unaufhörlich und unermüdlich bewacht. 
Aber die armen Jünger versagten in diesem Augenblick der 
Versuchung. Ihr Vertrauen war fort, und sie weckten ihren 
Herrn mit der unwürdigen Frage: „Liegt dir nichts daran, daß 
wir umkommen?" Ach, was für Geschöpfe sind wir Menschen! 
Wir sind geneigt, bei einer einzigen Schwierigkeit, die sich uns 
entgegenstellt, zehntausend Liebesbezeigungen zu vergessen 
David sagte: „Nun werde ich eines Tages durch die Hand 
Sauls umkommen", und doch, wie ganz anders ging es aus! 
Saul fiel auf dem Berge Gilboa, und David wurde auf den 
Thron Israels erhoben. — Elia floh vor den Anschlägen Isebels, 
und was geschah? Isebel wurde auf dem Steinpflaster in Stücke 
zerschmettert, und Elia wurde in einem feurigen Wagen in den 
Himmel aufgenommen. So auch hier, — die Jünger glaubten 
verloren zu sein mit dem Sohn Gottes an Bord, und was war 
das Ergebnis? Der Sturm verstummte, und der See wurde 
ruhig durch die Stimme, die im Anfang die Wellen hervorge139 
rufen hatte. „Und er wachte auf. bedrohte den Wind und 
sprach zu dem See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte 
sich, und es ward eine große Stille". 
Welch eine Fülle von Gnade und Majestät! Anstatt diejenigen 
zu bedrohen, die Ihn in Seiner Ruhe gestört hatten, bedrohte 
Er den Wind und den See, die sie erschreckt hatten. So beantwortete Er ihre Frage: „Liegt dir nichts daran?" Gesegneter 
Herr! Wer wollte Dir nicht trauen? Wer wollte Dich nicht anbeten für Deine langmütige Gnade und Deine nie tadelnde 
Liebe? 
Es liegt etwas vollkommen Schönes in der Art, wie unser Herr 
ohne eine Anstrengung aus der Ruhe der vollkommenen 
Menschheit in die Tätigkeit der wahren Gottheit übertritt. Als 
Mensch schlief Er ermüdet von der Arbeit auf einem Kopfkissen ein. und als Gott erhebt Er Sich und stillt mit Seiner allmächtigen Stimme den Sturm und beruhigt den See. 
So war Jesus wahrhaftig Gott und wahrhaftig Mensch, und 
so ist Er noch jetzt immer bereit, die Not Seines Volkes zu 
lindern, die Niedergeschlagenen aufzurichten und die Furchtsamen zu trösten. Möchten wir Ihm nur immer einfach und 
kindlich vertrauen. Wir haben kaum eine Ahnung davon, wieviel wir verlieren, wenn wir uns nicht täglich auf den Arm Jesu 
stützen und nicht bei Ihm Rat und Hilfe holen. — Wir sind so 
leicht erschreckt. Jeder Windstoß, jede Woge, jede Wolke beunruhigt und beängstigt uns. Anstatt uns ruhig niederzulegen 
und neben unserem Herrn zu ruhen, sind wir voll Schrecken 
und Bestürzung. Anstatt den Sturm als eine Gelegenheit zu 
benutzen, unser Vertrauen gegen Ihn zu zeigen, nehmen wir 
ihn zum Anlaß, Ihn durch unsere Zweifel zu betrüben. Sobald 
irgendeine unbedeutende Schwierigkeit sich zeigt, fürchten wir 
umzukommen, obgleich Er uns versichert hat, daß ohne Seinen 
Willen kein Haar auf unserem Haupt gekrümmt werden solle. 
Auch zu uns kann Er sagen, wie Er zu den Jüngern gesagt hat: 
„Was seid ihr so furchtsam? Wie, habt ihr keinen Glauben?" 
Manchmal scheint es wirklich, als ob wir keinen Glauben hätten. Aber dennoch ist Er immer bereit, uns zu bewahren und 
zu helfen, während wir so leicht zweifeln. Welch eine zärtliche 
Liebe! Er verfährt nicht mit uns nach unseren niedrigen Gedanken über Ihn, sondern gemäß Seiner eigenen vollkomme140 
nen Liebe gegen uns. Das ist der Trost und die Stütze unserer 
Seele auf dem Wege durch den stürmischen Ozean zur ewigen 
Ruhe. Christus ist im Schiff. Möge uns das genug sein! Laßt 
uns ruhig auf Ihn vertrauen. Möge in unseren Herzen immer 
jene tiefe Ruhe sein, die aus dem wahren Glauben an Jesus 
entspringt. Dann werden wir, wenn auch der Sturm wütet und 
die Wasser des Sees sich bergehoch auftürmen, nicht versucht 
sein zu fragen: „Liegt dir nichts daran, daß wir umkommen? 
Wir können unmöglich umkommen mit Christus an Bord, auch 
können wir nicht so denken mit Christus in unserem Herzen. 
Möge der Heilige Geist uns lehren, einen völligen und freien 
Gebrauch von Christus zu machen. Christus muß durch den 
Glauben ergriffen und im Herzen genossen werden. Möchte 
es doch so sein zu Seinem Preise und zum bleibenden Frieden 
und Genuß für uns! 
Wir möchten zum Schluß noch hinzufügen, daß die Jünger die 
größte Furcht zeigten, anstatt die Ruhe und Macht Dessen zu 
verherrlichen, Dessen Glaube den Sturm und den See beschwichtigt hatte. „Und sie fürchteten sich mit großer Furcht 
und sprachen zueinander: Wer ist denn dieser, daß auch der 
Wind und der See ihm gehorchen?" Gewiß, sie hätten Ihn besser kennen sollen. Das sollten auch wir, teurer Leser, — Ihn, 
Der uns, nachdem Er Sein Leben für uns gelassen hat, als wir 
noch Feinde und Gottlose waren, Der tausendfache BeweiseSeiner Güte, Liebe und Macht gegeben hat — Ihn, Der uns nie 
vergessen noch versäumen kann, weil wir Seinem Herzen unendlich teuer und kostbar sind. 
141 
Der Sohn Gottes*) 
„Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist" (Joh 1,18). 
Ich fürchte nichts so sehr wie Vemunftschlüsse, wo Zuneigungen uns beseelen sollten, oder daß wir von der Stätte lebendiger Kraft herabgezogen werden in den Kreis menschlicher 
Meinungen und Ansichten. Doch die Geheimnisse Gottes haben 
alle den höchsten Wert für das praktische Leben, denn sie verleihen uns entweder Kraft zum Dienst und reichen Trost in 
Trübsal oder sie fördern die Gemeinschaft der Seele. 
Der Apostel Paulus spricht von sich und anderen als von „Dienern Christi" und zugleich als von „Verwaltern der Geheimnisse Gottes" (1. Kor 4, 1). So sollen auch wir in unserem 
Maße „Diener", d. h. Knechte sein, in aller praktischen, persönlichen Bereitwilligkeit und Hingabe: geduldig, eifrig und 
dienstfertig, wobei wir sehr wohl fühlen mögen, wie klein wir 
sind im Vergleich zu anderen. Zugleich aber sollen wir „Verwalter" sein, und zwar „Verwalter von Geheimnissen", indem 
wir die Einzelheiten der göttlichen Offenbarung unverfälscht 
und unverletzt bewahren. Vernunftmenschen, die meinen, 
alles mit ihrem Verstand ergründen zu können, nehmen diese 
Geheimnisse allerdings nicht an. Ihnen war das Kreuz von 
jeher eine Torheit; und die „Fürsten dieses Zeitlaufs", die 
Männer der Philosophie, die sich selbst für Weise ausgaben, 
haben „die Weisheit Gottes in einem Geheimnis" nicht erkannt. Dies Geheimnis darf ihnen auch auf keinen Fall preisgegeben werden. Darin besteht unsere Verwaltung, und „man 
sucht an den Verwaltern, daß einer treu erfunden werde". 
Die Wahrung und Bezeugung der persönlichen Herrlichkeit des 
Sohnes Gottes bildet den wichtigsten Teil unserer hohen und 
heiligen Verwaltung. Johannes wachte über diese Herrlichkeit 
mit außergewöhnlicher Eifersucht. An anderen Stellen der 
Schrift werden Vorschriften und Maßregeln anempfohlen, wie 
*) Dieser aus mehreren Teilen bestehende Aufsatz ist von dem Verfasser: 
„Die Herrlichkeit Jesu Christi, unseres Herrn, in Seiner Menschheit". Möge der 
Herr den köstlichen Inhalt an unseren Herzen segnen, damit wir unseren teuren 
Herrn und Heiland mehr und mehr kennenlernen und unsere Gemeinschaft mit 
Ihm immer inniger werde. 
142 
wir das Böse behandeln sollen, das aus der Hinneigung zum 
Judentum oder aus anderen Quellen hervorkommt. Im Brief 
an die Galater, in dem die Einfalt des Evangeliums verteidigt 
wird, begegnen wir eingehenden Erörterungen, verbunden mit 
einer eindringlichen und schlagenden Beweisführung. Aber in 
den Briefen des Johannes ist alles bestimmt und unbedingt. Da 
wird summarisch alles abgewiesen und ferngehalten, was nicht 
aus jener „Salbung von dem Heiligen" ist, die sowohl den 
Sohn als auch den Vater lehrt, die nicht zugibt, daß eine Lüge 
aus der Wahrheit sei, sondern ausdrücklich sagt: „Jeder, der 
den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht" (1. Joh 2, 23). 
Diese Unterschiede in der Darstellungsweise, die die Weisheit 
des Heiligen Geistes zugelassen hat, sind von großem Wert, 
und wir sollten sie nicht übersehen. Das Beobachten von Tagen 
oder das Nichtessen von Fleisch sind Dinge, die die volle Herr= 
lichkeit und Freiheit des Evangeliums zwar schmälern, aber als 
Schwachheiten zu tragen sind (Rö 14). Eine Herabsetzung der 
Person des Sohnes Gottes jedoch, eine Schmälerung Seiner 
Herrlichkeit, darf niemals ertragen werden. Hier steht eine 
Nachgiebigkeit, wie sie in jenem Falle angebracht sein mag, 
völlig außer Frage. 
Eine Reise von Ägypten nach Kanaan war an und für sich noch 
keine wirkliche Pilgerfahrt. Mancher hatte denselben Weg zu= 
rückgelegt, ohne ein Fremdling und Pilger mit Gott zu sein. 
Wäre die Reise auch von allen Schwierigkeiten und Mühsalen 
begleitet gewesen, die einer so dürren und pfadlosen Wüste 
eigen sind, dann wäre sie doch darum noch keine göttliche und 
himmlische Wanderung gewesen. Ein Leben voller Selbstverleugnung und Entbehrung, selbst wenn es mit jenem moralischen Mut ertragen wird, der den Fremdlingen Gottes auf der 
Erde geziemt, genügt nicht. Um die Reise zu einer Pilgerfahrt 
des Israels Gottes zu machen, mußte die Bundeslade in der 
Mitte Israels sein, und zwar getragen von einem Volk, das 
durch Blut aus Ägypten erkauft war und nun im Glauben an 
die Verheißung nach Kanaan zog. 
Das war die Aufgabe der Kinder Israel in der Wüste: sie mußten die Bundeslade tragen, sie begleiten und heiligen. In man= 
eher Hinsicht und bei vielen Gelegenheiten mochten sich ihre 
143 
Schwachheiten offenbaren und Strafe und Zucht über sie brin= 
gen; sobald aber ihre eigentliche Aufgabe, die Bewachung der 
Bundeslade, vernachlässigt wurde, war alles verloren. Und da= 
hin ist es gekommen: sie nahmen die Hütte des Moloch auf 
und das Gestirn des Gottes Remphan. Das war eine Verach= 
tung der Bundeslade Jehovas, und darum wandte sich der Weg 
des Volkes Israel von Kanaan hinweg nach Babylon oder Da= 
maskus (Am 5; Apg 7). 
Und welche Bundeslade befindet sich jetzt in der Mitte der 
Heiligen, damit sie sicher, heilig und ehrerbietig durch die 
Wüste dieser Welt geleitet wird? Ist es nicht der Name des 
Sohnes Gottes? Welches Geheimnis ist unserer Verwaltung und 
unserem Zeugnis anvertraut, wenn nicht dieses? „Jeder, der 
weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott 
nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als 
auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre 
nicht bringt, so nehmet ihn nicht ins Haus auf und grüßet ihn 
nicht" (2. Joh 9. 10). Von den Heiligen selbst muß die Tren= 
nungswand zwischen ihnen und denen, die Christus veruneh= 
ren, aufgerichtet werden. 
Es ist meine Absicht, den Herrn Jesus in Seinem Charakter als 
Sohn Gottes zu betrachten; und mit Seiner Hilfe wird uns die= 
ser Gegenstand gewiß zum Segen sein. 
Wir sind getauft „auf den Namen des Vaters und des Sohnes 
und des Heiligen Geistes" (Mt 28, 19). Diese Worte enthalten 
die förmliche Erklärung des Geheimnisses der Gottheit. Demzufolge ist der Sohn eine göttliche Person, wie es der Vater und 
der Heilige Geist ist. Andere Stellen der Schrift offenbaren uns 
dasselbe Geheimnis (daß der Vater, der Sohn und der Heilige 
Geist drei Personen in der einen göttlichen Herrlichkeit oder 
Gottheit sind), auf eine andere, mehr moralische oder innerliche 
Weise, indem sie uns das Geheimnis in seiner Gnade und Kraft, 
sowie in seiner Anwendung auf unsere Bedürfnisse, unser 
Leben und unsere Auferbauung darstellen. Dies ist vor allem 
im Evangelium nach Johannes der Fall, wo das Geheimnis der 
Gottheit wie es im Taufbefehl zum Ausdruck kommt, entwik= 
kelt und uns, den Heiligen, für unser Verständnis, unser Herz 
und unser Gewissen gegeben wird, damit wir es uns im Glau= 
ben und in der Ausübung der Gemeinschaft aneignen können. 
144 
In diesem Zusammenhang möchte ich bemerken, daß in Joh 1, 
14 die Heiligen eingeführt werden, und zwar so, als ob sie die 
Darstellung der Herrlichkeiten Jesu unterbrächen und die große 
Wahrheit: „Das Wort ward Fleisch" durch ihr Zeugnis besie= 
geln. Sie sind so begeistert, daß sie den begonnenen Satz nicht 
beenden können, sondern in einem Zwischensatz Seine persönliche Herrlichkeit verkünden, die sie, wie sie sagen, angeschaut haben — „eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom 
Vater". Von diesem Eingeborenen vom Vater wird gleich dar= 
auf gesagt (V. 18), daß Er „in des Vaters Schoß" sei — ein 
Wort, das sich tief in unsere Herzen senken sollte*). 
Ohne Zweifel wird der Herr in verschiedener Hinsicht der 
„Sohn Gottes" genannt. Er trägt diesen Namen als geboren von 
der Jungfrau (Lk 1, 35). Er ist es nach göttlichem Beschluß (Ps 
2, 7). Dies ist und bleibt wahr, wiewohl uns bezüglich Seiner 
göttlichen Sohnschaft noch mehr geoffenbart worden ist. Er ist 
der Sohn, und dennoch hat Er den Namen „Sohn" empfangen 
(Hebr 1, 1—4). Matthäus und Markus reden von Ihm als „Sohn 
Gottes" zuerst bei Seiner Taufe; Lukas beginnt früher, er er= 
wähnt Seine Sohnschaft schon bei Seiner Geburt. Doch Johan= 
nes geht noch weiter zurück bis zu den unermeßlichen, unnenn= 
baren Fernen der Ewigkeit und verkündet Seine Sohnschaft „im 
Schöße des Vaters". 
Jedenfalls stand die Einsicht in bezug auf Jesus nicht überall 
auf derselben Höhe, und es gab ein verschiedenes Maß des 
Glaubens bezüglich Seiner Person bei denen, die mit Ihm in Be= 
riihrung kamen. Er Selbst bezeugt z. B., daß der Glaube des 
Hauptmanns im Verständnis der Herrlichkeit Seiner Person 
weit über das hinausging, was Er in Israel gefunden hatte. 
Doch das schwächt in keiner Weise die große Tatsache ab, daß 
Er, wie wir von Ihm lesen, der Sohn „im Schöße des Vaters" 
war, oder „das ewige Leben, welches bei dem Vater war und 
uns geoffenbart worden ist" (1. Joh 1). 
Wir dürfen dieses kostbare Geheimnis nicht antasten, Geliebte. 
Wir sollen uns fürchten, das Licht jener Liebe zu dämpfen, in 
") Er ist der Erstgeborene in verschiedenem Sinne, und wir haben Gemein= 
bchaft mit Ihm, dem Erstgeborenen unter vielen Brüdern. Aber Er ist auch der 
Eingeborene, und als solcher steht Er allein. 
145 
deren Strahlen wir berufen sind, unseren Weg zum Himmel zu 
wandeln. Wir sollen uns fürchten, irgendein Bekenntnis des 
Glaubens (oder besser gesagt des Unglaubens) zuzulassen, wodurch der Schoß des Vaters Seines ewigen, unaussprechlichen 
Wohlgefallens beraubt und wodurch gesagt würde, daß unser 
Gott nicht die Freude eines Vaters, oder daß unser Herr nicht 
die Freude eines Sohnes gekannt habe, als Er von Ewigkeit her 
im Schoß des Vaters war. Mit solchen Gedanken kann ich mich 
nicht vereinigen. Wenn es Personen in der Gottheit gibt, was 
wir ja bestimmt wissen, sollten wir dann nicht auch wissen, daß 
Beziehungen zwischen ihnen bestehen? Können wir eine solche 
Vorstellung überhaupt entbehren? Ist dem Glauben nicht der 
Vater, der Sohn und der Heilige Geist geoffenbart? Ganz ge= 
wiß. Die Personen in jener Herrlichkeit sind nicht voneinander 
unabhängig, sondern stehen in inniger, wechselseitiger Beziehung zueinander. Auch gehen wir wohl nicht zu weit, wenn 
wir sagen, daß in diesen Beziehungen das große Urbild der 
Liebe, das gesegnete Vorbild aller gegenseitigen Beziehungen 
gefunden wird. 
Kann ich mich mit der ungläubigen Vorstellung begnügen, daß 
es keine Personen in der Gottheit gebe, und daß der Vater, 
Sohn und Geist nur verschiedene Namen seien, die auf eine 
verschiedenartige Betrachtung ein und derselben Person zurückgehen? Das Wesen, der Kern des Evangeliums würde 
durch einen solchen Gedanken zerstört werden. Oder kann ich 
durch den ungläubigen Gedanken befriedigt werden, daß diese 
Personen nicht zueinander in Beziehung stehen? Die im Evan= 
gelium geoffenbarte Liebe würde durch eine solche Vorstellung 
verdunkelt werden. 
Es wurde einmal die Frage an mich gerichtet, ob Gott nicht 
Vater gewesen sei, bevor das Kindlein in Bethlehem geboren 
wurde. Ja, gewiß, Er war es von Ewigkeit her. Von Ewigkeit 
her war der Schoß des Vaters ein Heiligtum, in dem der Sohn 
zur unbeschreiblichen Wonne des Vaters wohnte, der Zu= 
fluchtsort jener „unaussprechlichen Liebe, die" — wie einmal 
jemand gesagt hat — „die Herrlichkeit überstrahlt, denn die 
Herrlichkeit kann geoffenbart werden, nicht aber die Liebe". 
Viele Herzen mögen sich mit Gedanken dieser Art nie beschäf= 
tigt haben, aber dennoch dürfen die Gläubigen nicht zugeben, 
146 
daß diese Wahrheit angetastet wird. Nie dürfen sie ein solches 
Geheimnis der menschlichen Einbildungskraft preisgeben, son= 
dem sie müssen es mit der Waffe des Glaubens gegen jeden 
Angriff der „Philosophie und des eitlen Betruges" verteidigen. 
Als der Herr Jesus bezeugte, daß Er „Gottes Sohn" sei, fühlten 
selbst die Juden sogleich, daß Er Sich dadurch „Gott gleich 
machte", so daß der Sohnesname, anstatt eine untergeordnete 
und geringere Person darzustellen, vielmehr eine Gleichheit 
beanspruchte. Ebenso behandelten sie Jesus bei einer anderen 
Gelegenheit als Gotteslästerer, weil Er in einem Gespräch, in 
dem Er das Verhältnis des Sohnes zu Seinem Vater erklärte, 
Sich Selbst zu Gott machte (Joh 5 und 10). Selbst die Juden 
verurteilten also diesen durch die törichte Philosophie der 
Menschen hervorgerufenen, unheilvollen Gedanken des Unglaubens. 
Die Worte: „Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater" 
genügen vollkommen, um jede menschliche Überlegung zum 
Schweigen zu bringen. Die Mitteilung, daß uns das ewige Le= 
ben geoffenbart ist, damit wir Gemeinschaft mit dem Vater und 
dem Sohn hätten (1. Joh 1, 1. 2), spricht ganz klar das un= 
schätzbare Geheimnis aus, daß der Sohn Gott ist und das ewige 
Leben mit dem Vater hat. Auch wissen wir, daß geschrieben 
steht: „Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der 
hat ihn kundgemacht". Ich frage: Kann jemand Gott kundmachen, außer Gott Selbst? In gewissem Sinn kann Gott beschrieben werden. Doch die Seele des Gläubigen kann sich nicht 
mit solchen Beschreibungen begnügen, obwohl die Weisheit 
der Welt nichts anderes kennt. Sie verlangt keine Kundma= 
chung oder Offenbarung über Sich Selbst, die nur Er Selbst 
geben kann. Daher frage ich nochmals: Ist der Sohn, Der im 
Schoß des Vaters ist, keine göttliche Person? 
Nur der Glaube kann verstehen, was die Schrift uns über dies 
Geheimnis mitteilt, daß der Vater und der Sohn in der Herr= 
lichkeit der Gottheit sind und — obwohl an Herrlichkeit ein= 
ander gleich — zueinander in Beziehung stehen. Er, Der im An= 
fang bei Gott und Gott Selbst war, war zugleich der „Sohn 
Gottes". Gott erlaubt, wie jemand einmal gesagt hat, daß viele 
Dinge Geheimnisse bleiben, vielleicht aus dem Grunde, um auf 
diese Weise den Gehorsam des Verstandes auf die Probe zu 
147 
stellen, denn Er fordert von uns ebensowohl einen Gehorsam 
des Verstandes wie einen praktischen Gehorsam des Lebens. 
Diese Unterwerfung des Verstandes unter Gott bildet 
einen Teil unserer Heiligung, und sie ist etwas, was 
nur der Geist schenken kann. Er allein ist imstande, 
die innere Auflehnung unseres Geistes, der sich anmaßt, 
die Dinge Gottes zu beurteilen und sich weigert, etwas 
anzunehmen, was er nicht begreift (ein Ungehorsam und Hoch= 
mut, der nur im Ungehorsam und Hochmut Satans seines» 
gleichen findet) zur Ruhe zu bringen und in den Staub zu 
beugen. — Das ist wirklich eine heilige und passende Warnung 
für unsere Herzen! Der Apostel sagt: „Wer ist der Lügner, 
wenn nicht der, der da leugnet, daß Jesus der Christus ist"? — 
Und unmittelbar darauf fügt er hinzu: „Dieser ist der Anti= 
christ, der den Vater und den Sohn leugnet". Und weiter: 
„Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht"! — 
Das sind sehr ernste Ausdrücke des Heiligen Geistes. Wie 
könnte es auch eine Erkenntnis des Vaters geben als nur in 
dem Sohn und durch den Sohn? Wie anders könnte der Vater 
erkannt werden? Darum steht geschrieben: „Jeder, der den 
Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht". Ich mag durch den 
Geist der Sohnschaft sagen: „Abba Vater"! — und ein Dichter 
mag gesagt haben: „Denn wir sind auch sein Geschlecht", aber 
Gott wird nicht als der Vater erkannt, wenn nicht der Sohn in 
der Herrlichkeit der Gottheit erkannt worden ist. Wenn wir 
uns auf die göttliche Autorität stützen, können wir völlig überzeugt sein, daß, wenn die Salbung, die wir von Ihm empfangen 
haben, in uns bleibt, wir auch in dem Sohne und in dem Vater 
bleiben werden. 
Kann der Sohn so geehrt werden wie der Vater (Joh 5, 23), 
wenn Er nicht in Seiner Gottheit erkannt worden ist? Der 
Glaube an Ihn besteht nicht darin, zu glauben, daß Er ein Sohn 
Gottes, Der von der Jungfrau geborene oder aus den Toten auferweckte Sohn Gottes ist, wiewohl dies ohne Zweifel heilige 
Wahrheiten über Seine Person sind. Nein, der Glaube an Ihn 
besteht darin, an Seine eigene Person zu glauben. Ich weiß 
nicht, wie ich Jesus anders den „Sohn Gottes" nennen, könnte, 
als in dem Glauben an Seine göttliche Sohnschaft. Das uns gegebene Verständnis ist uns geschenkt worden, damit wir den 
148 
„Wahrhaftigen" kennen möchten, indem wir „in dem Wahr= 
haftigen sind, in seinem Sohne Jesus Christus"; und diesen 
Worten wird dann hinzugefügt: „Dieser ist der wahrhaftige 
Gott und das ewige Leben". 
Ist nicht die „Wahrheit", von der im zweiten Brief des Johan= 
nes die Rede ist, die „Lehre des Christus" oder die Unterwei= 
sung, die wir durch den Heiligen Geist über die Person des 
Christus besitzen? Ist in dieser Unterweisung nicht die Wahrheit von der Sohnschaft in der Gottheit enthalten? Denn was 
wird uns dort gesagt? „Wer in der Lehre des Christus bleibt, 
dieser hat soioohl den Vater als auch den Sohn". Vor jedem 
aber, der diese Lehre nicht bringt, muß unsere Tür verschlossen 
bleiben. 
Derselbe Brief spricht auch von Ihm als dem Sohn des Vaters, 
— Worte, die nicht auf Ihn bezogen werden können, als von 
der Jungfrau durch Überschattung des Heiligen Geistes gebo= 
ren. 
Doch ich gehe weiter und frage: Kann die Liebe Gottes, wie sie 
in der Schrift geoffenbart ist, verstanden werden, wenn die 
Sohnschaft nicht anerkannt wird? Verleiht nicht die Liebe die= 
ser Lehre ihren Charakter? Wird nicht auf diesem Grunde der 
Aufruf an unsere Herzen gerichtet? „Denn also hat Gott die 
Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß 
jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges 
Leben habe". Auch lesen wir: „Hierin ist die Liebe: nicht daß 
wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen 
Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden".— „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, daß Gott 
seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, auf daß wir 
durch ihn leben möchten" — „Wir haben gesehen und bezeu= 
gen, daß der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt". 
Verliert diese Liebe nicht vollständig ihre unvergleichliche Herr= 
lichkeit, wenn diese Wahrheit bezweifelt wird? Was würden 
wir einem Menschen zur Antwort geben, der behauptete, daß 
Er, Den Gott nicht schonte, sondern für uns alle dahingab, nicht 
Sein eigener Sohn sei? Wie würden unsere Herzen erschrecken, 
wenn wir hörten, daß unser Herr nur der Sohn Gottes sei, weil 
Er von der Jungfrau Maria geboren sei und daß die Worte: 
149 
„Der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont hat" in mensch= 
lichem und nicht in göttlichem Sinne aufzufassen seien! 
Wir müssen Sorge tragen, das teure Wort Gottes nicht nach 
menschlichen Vorurteilen abzuändern. Ging Abraham mit ei= 
nem Knecht, oder mit einem Fremdling, oder mit jemand, der 
nur in seinem Hause geboren war, zu dem Berg im Lande 
Morija? Trat er diesen Weg mit einem angenommenen Sohn an, 
den er so sehr liebte? — Wir wissen es alle! Und ich weiß nicht, 
wie ich von dem Sohne sprechen könnte, Der mich geliebt und 
Sich Selbst für mich hingegeben hat (Gal 2, 20), wenn ich Ihn 
nicht durch den Glauben als den Sohn, Der in des Vaters Schoß 
war, als den Sohn in der Herrlichkeit der Gottheit annehmen 
darf. — Der Sohn ist der Christus. Gott hat in der Person des 
Sohnes das ganze Werk vollbracht, das für uns getan werden 
mußte. Alles dies hat Er getan in der Person Jesu. Darum sagen 
wir: „Jesus Christus, der Sohn Gottes". Der Eingeborene, der 
Christus, Jesus von Nazareth ist Ein und Derselbe. Unter die= 
sen verschiedenen Namen nennen wir Ihn in der Herrlichkeit 
Seiner Person, in Seinem Dienst und in Seiner angenommenen 
Menschheit. 
Wenn wir die Spuren des wundervollen Lebens Jesu von dem 
Schoß des Vaters bis zu dem Augenblick verfolgen, wo wir Ihn 
als den „Erben aller Dinge" sehen, welche Entdeckungen machen 
wir dann bezüglich Seiner Person, Geliebte! Man lese in diesem 
Zusammenhang Spr 8, 22. 31; Eph 1,10; Kol 1, 13. 20; Hebr 1, 
1. 3; 1. Joh 1, 2; Offb 3, 14, — und sinne dann über Ihn nach, 
wie Er uns in diesen herrlichen Schriftstellen dargestellt wird. 
Man betrachte im Lichte dieser verschiedenen Stellen den 
Einen, auf Den wir vertrauen, Der alles für uns hingab, Der 
einen solchen Pfad wandelte und noch wandelt, und dann möge 
man sagen: Können wir uns von Ihm oder von Seinem Pfade 
trennen? Er war im Schoß des Vaters, das ewige Leben bei dem 
Vater, Gott Selbst und doch bei Gott. Im Ratschluß Gottes war 
Er dort „eingesetzt vor den Uranfängen der Erde, vor dem Be= 
ginn der Schollen des Erdkreises". Dann war Er der Schöpfer 
aller Dinge in ihrer ersten Ordnung und Schönheit; hernach der 
Versöhner aller Dinge in ihrem Zustand der Sünde und des 
Verderbens, und schließlich wird Er bei ihrer Wiederherstel= 
lung der Erbe aller Dinge sein. So sehen wir Ihn durch den 
150 
Glauben, und so reden wir von Ihm. Wir sagen: Er war in den 
ewigen Ratschlüssen Gottes, in dem Mutterleibe der Jungfrau, 
in den Leiden dieser Welt, in der Auferstehung aus den Toten; 
Er ist im Himmel mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und mit 
Macht und Ruhm bekleidet als der Erbe und das Haupt aller 
Dinge. Beraube Ihn des Platzes, den Er von Ewigkeit her im 
Schoß des Vaters eingenommen hat, und dann frage dich, ob 
du nichts von deiner Wertschätzung und Freude an diesem 
kostbaren Geheimnis verloren hast, das in jener Weise von 
Ewigkeit zu Ewigkeit entfaltet worden ist. Ich kann nicht ver= 
stehen, wie ein Gläubiger so etwas verteidigen kann, noch mich 
mit einem Glaubensbekenntnis vereinigen, das von meinem 
himmlischen Vater sagt, daß es nicht Sein Eigener Sohn gewesen sei, Den Er für mich hingegeben habe. 
Wie lieblich und gesegnet ist es, — ach, wenn wir nur fähiger 
dazu wären! — den Herrn auf Seinem ganzen Wege bis zu dem 
Thron der Herrlichkeit zu betrachten! Auf jeder Station dieses 
Weges erblicken wir Ihn als Den, Der stets dasselbe vollkommene Wohlgefallen Gottes hervorrief, gleich sehr am Anfang 
wie am Ende Seiner Laufbahn, nur mit dem Ihm eigenen Vor= 
recht, daß Er es in der gesegnetsten und wundervollsten Verschiedenheit hervorrief. 
Die Schrift ermöglicht es uns, dies alles zu verfolgen. Von der 
Freude, die Er genoß, als Er Sich vor Grundlegung der Welt im 
Schoß des Vaters befand, brauchen wir nicht zu reden, denn 
wir vermögen es nicht. Jener Schoß war der „Bergungsort der 
Liebe"; und die Freude, die mit dieser Liebe verbunden war, ist 
ebensowenig in Worten auszudrücken wie die Liebe selbst. 
Aber auch als Mittelpunkt aller göttlichen Tätigkeit und als 
Grundlage aller Ratschlüsse Gottes war der Geliebte ebenso die 
Wonne Gottes. In dieser Stellung und in diesem Charakter 
sehen wir Ihn in Spr 8, 22—31. In dieser wunderbaren Schrift= 
stelle wird die Weisheit oder der Sohn dargestellt als der große 
Ursprung, der Schöpfer und Erhalter aller Werke und Vorsätze 
Gottes, die in dem göttlichen Ratschluß vor Grundlegung der 
Welt festgesetzt waren. In ähnlicher Weise wird Er in verschie= 
denen Stellen des Neuen Testaments betrachtet (siehe Joh 1, 3; 
Eph 1, 9. 10; Kol 1, 15—17). In all diesem kann Er von Sich 
sagen: „Da war ich Schoßkind bei ihm, und war Tag für Tag 
151 
seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit" (Spr 8, 30; Joh 
17, 5). 
Als die Fülle der Zeit gekommen war, lag der Sohn Gottes im 
Schoß der Jungfrau. Wer kann dieses Geheimnis ergründen? 
Und doch ist es so. Aber es war nur eine neue Veranlassung 
zur Freude. Engel kamen, um dieser Freude Ausdruck zu geben 
und sie den Hirten auf Bethlehems Fluren zu verkündigen. 
Der Sohn der Liebe Gottes mußte jetzt in einer neuen Gestalt 
eine andere Laufbahn betreten. Unter Leiden und im Dienste 
als Sohn des Menschen erblicken wir Ihn auf der Erde. Doch 
überall, und ebenso unvermischt wie in den verborgenen Zeit= 
altern der Ewigkeit, rief Er auch hier das unaussprechliche 
Wohlgefallen Gottes hervor. „Dieser ist mein geliebter Sohn, 
an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe". — „Siehe, mein 
Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an welchem meine 
Seele Wohlgefallen hat". Das sind Aussprüche des Vaters, die 
von Seiner unveränderten Freude zeugen, während Er den Pfad 
Jesu über diese sündenbefleckte Erde hin verfolgt. 
Und dieselbe Stimme ertönt zum zweiten Male: „Dieser ist mein 
geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe". 
Sie wird vernommen auf dem heiligen Berge wie am Ufer des 
Jordan, am Tage der Verklärung wie bei der Taufe (Mt 17). Die 
Verklärung war das Unterpfand und das Vorbild des Reiches, 
wie die Taufe den Eintritt in Seinen Dienst und Sein Zeugnis 
darstellte. So wurde in dem Schöße des Vaters, wo der Sohn 
Sich befand, stets dasselbe Wohlgefallen hervorgerufen, ob 
das Auge Gottes Ihn auf dem einsamen Pfade des Dieners in 
einer unreinen verderbten Welt verfolgte, oder Ihn auf der 
Höhe des Königs der Herrlichkeit im tausendjährigen Reich er= 
blickte. Auf Seinem ganzen Wege von Ewigkeit zu Ewigkeit 
fand Gott stets dasselbe vollkommene Wohlgefallen an Ihm. 
Nirgends zeigt sich eine Unterbrechung, nirgends ein Stillstand 
in der Freude Gottes an Ihm, obwohl diese Freude mannig= 
faltig und verschiedenartig war; sie bleibt stets dieselbe an 
Fülle und Tiefe, mögen die Umstände und die Veranlassungen 
auch wechseln. Er, Der diese Freude hervorruft, bleibt immer 
Derselbe, und deshalb auch die Freude selbst; in ihrem Maße 
konnte sie nie verschieden sein, obwohl ihre Ursachen sich 
verändern mochten. — Und dieser Eine war während Seines 
152 
ganzen Pfades von Ewigkeit zu Ewigkeit gleich unbefleckt, • -
so heilig im Mutterleibe der Jungfrau wie im Schöße des Vaters, 
so rein am Ende wie zu Beginn Seiner Laufbahn, so vol!kom= 
men als Knecht wie als König; unbegrenzte Vollkommenheit 
kennzeichnete alles, und dasselbe Wohlgefallen ruhte auf allem. 
Wenn die Seele nur immer von dem Gedanken durchdrungen 
wäre, daß dieser hochgelobte Herr (wo und wie Er auch be= 
trachtet werden mag) Derselbe war, Der von Ewigkeit her im 
Schöße des Vaters war, — wenn dieser Gedanke durch den Hei= 
ligen Geist in der Seele lebendig erhalten würde, dann würde 
manche Neigung, die jetzt vielleicht die Seele verunreinigt, in 
Schranken gehalten werden. Er, Der im Mutterleibe der Jung= 
frau lag, ist Derselbe, Der im Schoß des Vaters war! Welch ein 
Gedanke! Der majestätische Jehova des Alten Testaments, Den 
die geflügelten Seraphim anbeteten, war Jesus von Galiläa! 
Welch ein Gedanke! So fleckenlos als Mensch, wie Er als Gofl 
war; so rein im menschlichen Leibe wie im Schöße des Ewigen; 
so makellos inmitten der Verunreinigungen der Welt, wie da= 
mals, als Er die Wonne des Vaters war, noch vor Grundlegung 
der Welt! 
Wahrlich, wenn die Seele von diesem Geheimnis durchdrungen 
ist, wird mancher Gedanke, der im Herzen aufsteigen will, so= 
fort seine Beantwortung finden. Wer möchte angesichts eines 
solchen Geheimnisses reden, wie manche geredet haben? Wenn 
nur diese Herrlichkeit vor der Seele steht, dann werden die Flü= 
gel wieder das Angesicht bedecken und die Schuhe von den 
Füßen gezogen werden (Jes 6, 2; 2. Mo 3, 5). 
Ich glaube, daß die göttlichen Belehrungen im ersten Johannes» 
brief uns erkennen lassen, daß die Gemeinschaft der Seele be= 
einflußt wird von der Art und Weise, wie wir den Sohn Gottes 
betrachten. Denn in diesem Briefe wird die Liebe in der Gabe 
des Sohnes geoffenbart; und die Liebe ist gleichsam unsere 
Wohnstätte, der Bereich, in dem wir daheim sind. Wenn ich 
deshalb meine, daß der Vater in der Gabe des Sohnes uns nur 
den Samen des Weibes geschenkt habe, dann wird der Bereich, 
in dem ich mich bewege, ein niedrigerer. Erkenne ich dagegen 
in dieser Gabe die Gabe des Sohnes, Der von Ewigkeit her in 
des Vaters Schoß lag, dann steigt meine Vorstellung von dieser 
Liebe, und damit nimmt dann auch der Platz, den ich einnehme, 
153 
einen höheren Charakter an. Die Gemeinschaft der Seele wird 
dadurch beeinflußt. 
Ich weiß allerdings durch den Umgang mit anderen Gläubigen, 
daß manche Seelen infolge ihrer Glaubenseinfalt sich an einem 
geringeren Maße von Wahrheit weit mehr erfreuen, als andere 
an einem höheren Maße. Doch das berührt nicht die Gedanken 
und Betrachtungen des Geistes in jenem Briefe. Es bleibt im= 
mer wahr, daß die Liebe unsere Wohnstätte ist, und daß des 
halb der Charakter unserer Gemeinschaft von dem Verständnis 
der Liebe abhängig ist. Warum sollten wir auch die Kraft der 
Gemeinschaft zu verringern suchen und dadurch unsere Freude 
in Gott aufs Spiel setzen? Der Fehler liegt darin, daß wir oft 
so wenig die herrlichen Dinge zu schätzen wissen, die wir in 
Ihm besitzen. 
Der Sohn, der eingeborene Sohn, der Sohn des Vaters, ernie= 
drigte Sich Selbst, um den wohlgefälligen Willen Gottes zum 
Heil verlorener Sünder zu tun. Aber wird der Vater zulassen, 
daß Sünder, um deretwillen diese ganze Erniedrigung erduldet 
wurde, dieselbe zum Anlaß nehmen, den Sohn herabzuwür= 
digen? Unmöglich! Vergleichen wir nur Joh 5, 23. Jesus hatte 
erklärt, daß Gott Sein Vater sei, und machte Sich so Gott gleich. 
Die Frage ist: Wird Gott dieses Wort des Herrn bestätigen? Ja, 
der Vater will keine Ehre für Sich annehmen, es sei denn, daß 
sie dem Sohne dargebracht werde, wie wir lesen: „Wer den 
Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat". 
Werfen wir nochmals einen Blick auf den ersten Brief des Jo= 
hannes. Der Apostel wendet sich dort an „Väter", „Jünglinge" 
und „Kindlein" (Kap 2), und unterscheidet sie in folgender 
Weise: 
l. Die „Väter" sind solche, die „den erkannt haben, der von 
Anfang ist". Sie bleiben „in der Lehre des Christus", indem 
sie „sowohl den Vater als auch den Sohn" haben. Die Salbung 
ist mächtig in ihnen, wenn ich mich so ausdrücken darf. Sie 
haben gleichsam mit gespannter Aufmerksamkeit der Seele auf 
die Offenbarung des Vaters durch den Sohn gelauscht (Joh 1, 
18). Indem sie den Sohn sahen, sahen sie auch den Vater (Joh 
14, 7—11). Sie bewahren die Worte des Sohnes und des Vaters 
(Joh 14, 21—23). Sie wissen, daß der Sohn in dem Vater ist, 
154 
daß sie in dem Sohne sind und der Sohn in ihnen. Sie sind 
keine Waisen (Joh 14, 18-20). 
2. Die „Jünglinge" sind solche, die „den Bösen überwunden 
haben" — jenen Bösen, der die Welt zur Leugnung des Ge= 
heimnisses des Christus antreibt (1. Joh 4, 1—6). Jedoch stehen 
sie nicht in der vollen, ausgereiften Kraft jenes Geheimnisses, 
wie die „Väter", und bedürfen deshalb der Ermahnung, Der 
Apostel warnt sie vor allem was der Welt angehört, gleichwie 
sie gegenüber jenem Geist in ihr, der Christus leugnete, bereits 
als Sieger dastanden. 
3. Die „Kindlein" sind solche, die „den Vater erkannt haben". 
Doch sie sind noch „Kindlein" und bedürfen der Warnung, Be= 
lehrung und Ermahnung. Ihre Erkenntnis des Vaters ist noch 
unvollkommen und nicht so verbunden mit der Erkenntnis des 
Sohnes, „der von Anfang ist", wie dies bei den „Vätern" der 
Fall war. Darum warnt sie Johannes vor Antichristen, die er 
als solche schildert, die der „Wahrheit" oder der „Lehre des 
Christus" widerstehen. Er belehrt sie darüber, daß jeder, der 
den Sohn leugnet, auch den Vater nicht hat; daß sie, wenn die 
Salbung, die sie empfangen hatten, in ihnen bliebe, sie sicherlich 
auch in dem Sohne und in dem Vater bleiben würden, und 
ferner, daß das Haus Gottes einen solchen Charakter trägt, daß 
niemand darin bleiben kann, der nicht den Wohlgeruch dieser 
Salbung trägt. Er erinnert sie daran, daß die Verheißung, die 
der Sohn gegeben hat, das ewige Leben sei. Schließlich ermahnt er sie, in dem, was die Salbung lehrt, zu bleiben, damit 
sie (die Apostel) am Tage der Erscheinung des Sohnes nicht 
beschämt werden möchten. 
Diese Schriftstellen handeln also ausschließlich von der Person 
des Sohnes oder von der „Lehre des Christus"; und was die 
Väter, Jünglinge und Kindlein unterscheidet, ist nicht ihr all= 
gemeiner christlicher Charakter, sondern das Maß ihres Ein= 
dringens in diese Wahrheit und ihre Beziehung zu ihr. Der 
Apostel behält in diesen Anreden den Hauptgegenstand seines 
ganzen Briefes eifersüchtig im Auge; und dieser Gegenstand 
ist der Sohn Gottes. Es ist das Blut des Sohnes, das reinigt. Wir 
haben einen Sachwalter bei dem Vater, wodurch angedeutet 
wird, daß der Sachwalter der Sofm ist. Es ist der Sohn, in Dem 
155 
wir durch die Salbung bleiben. Der Sohn ist geoffenbart worden, um die Werke des Teufels zu zerstören. Wir werden auf= 
gefordert, an den Namen des Sohnes zu glauben. Der Sohn ist 
gesandt worden, um kundzumachen, was Liebe ist. Der Glaube 
an den Solin gibt uns den Sieg über die Welt. Gott gibt Zeugnis betreffs Seines Sohnes. In dem Sohn haben wir das Leben. 
Der Sohn ist gekommen, um uns ein Verständnis zu geben. 
Wir sind in dem Sohne. Der Solm ist der wahrhaftige Gott und 
das ewige Leben. 
Alles das wird uns im ersten Brief des Johannes über den Sohn 
Gottes mitgeteilt. Der Sohn ist also der große Gegenstand 
dieses Briefes, und die Väter, Jünglinge und Kindlein werden 
aufgrund ihrer Beziehungen zu diesem Gegenstand vonein= 
ander unterschieden, und zwar, wie ich glaube, nach dem 
Maße, in dem sie diesen Gegenstand in ihren Herzen verstanden und erfaßt haben. 
In demselben Brief spricht Johannes auch viel über Liehe und 
Gerechtigkeit als die notwendigen Bestandteile oder Beweise 
unseres Geborenseins aus Gott. Aber zugleich mit dieser Lehre 
redet er von wahrem und falschem Bekennen Christi. Behandelt er etwa das erste als einen lebendigen, praktischen Gegenstand und das zweite nur als einen theoretischen? Durchaus nicht. Er behandelt vielmehr alle als solche, die den gleichen 
Charakter tragen, und sagt uns, daß die Ausübung der Liebe 
und der praktischen Gerechtigkeit ohne die Erkenntnis und 
das Bekenntnis des Sohnes kein vollgültiges Zeugnis dafür sein 
würde, daß eine Seele aus Gott geboren sei. 
Wenn das erleuchtete Auge des Propheten Jesaja Jesus hätte 
folgen können, wie Er durch die Städte und Dörfer des jüdi= 
sehen Landes wanderte, dann wäre er wohl zu ununterbro= 
chener Anbetung hingerissen worden! In einem Gesicht war 
ihm Seine Herrlichkeit gezeigt worden. Er hatte den Herrn auf 
hohem und erhabenem Throne gesehen. Seine Schleppen er= 
füllten den Tempel, und die geflügelten Seraphim bedeckten 
ihre Angesichter, indem sie die Herrlichkeit der Gottheit in 
Jesus anerkannten. Jesaja sah Seine Herrlichkeit und redete 
von Ihm (Jes 6; Joh 12, 41). Auch wir bedürfen eines solchen 
Anblickes durch den Glauben an den Sohn, an Jesus, — durch 
156 
den Glauben an Seinen Namen, durch das Anschauen Seiner 
Person, durch das Verständnis für die Herrlichkeit, die 
unter der Hülle des demütigen und von der Welt verworfenen 
Galiläers verborgen war. 
Schließlich möchte ich noch an das erinnern, was der Herr über 
die rechtzeitige Austeilung der Speise an das Gesinde (Mt 24; 
Lk 12) sagt. Wir müssen uns sorgfältig hüten, diese Speise zu 
verderben. „Habet nun acht auf euch selbst und auf die ganze 
Herde, in welcher euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt 
hat, die Versammlung Gottes zu hüten, welche er sich erwor= 
ben hat durch das Blut seines Eigenen", sagt Paulus. „Hütet die 
Herde Gottes, die unter euch ist", sagt Petrus. Die Versamm= 
Iung Gottes oder die Herde Gottes muß mit dem „Wachstum 
Gottes" wachsen. Wunderbare Worte! 
Geliebte, laßt uns wachsam sein gegenüber den Anstrengungen 
des Feindes, die Speise für das Gesinde zu verderben. Die Be= 
lehrungen des Apostels Johannes über den Sohn Gottes und 
diejenigen des Paulus über die Kirche oder Versammlung 
Gottes sind gerade in unseren Tagen Speise zur rechten Zeit; 
und hüten wir uns, die von Gott für Seine Heiligen bereitete 
Nahrung dem Geschmack und den Vernunftschlüssen des 
Menschen anzupassen! Das Manna muß so gesammelt werden, 
wie es aus dem Himmel kommt, und muß heimgetragen wer= 
den, um das pilgernde Heer mit der „Speise der Starken" zu 
nähren. 
„Und nun", sagt Paulus durch den Heiligen Geist, „befehle ich 
euch Gott und dem Worte Seiner Gnade, welches vermag auf= 
zuerbauen und euch ein Erbe zu geben unter allen Geheiligten" 
(Apg 20, 32). 
2 . 
„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns" (Joh 1, 14) 
Aus der Geschichte von „Fleisch und Blut", wie wir sie in der 
Schrift aufgezeichnet finden, lernen wir, daß durch die Sünde 
der Tod kam. Für alle, deren Haupt oder Repräsentant Adam 
war, galt das Wort: „Welches Tages du davon issest, wirst du 
des Todes sterben". Was aber den verheißenen Samen des 
Weibes betrifft, der nicht durch Adam repräsentiert wurde, war 
157 
zu der Schlange gesagt worden: „Du wirst ihm die Ferse zer= 
malmen". Der Tod dieses Samens sollte also ebenso außerge= 
wohnlich sein wie Seine Geburt. In Seiner Geburt sollte Er 
der Same des Weibes sein; in Seinem Tod sollte Ihm die Ferse 
zermalmt werden. Als die Fülle der Zeit gekommen war, wurde 
dieser Verheißene „geboren von einem Weibe". Der Sohn 
Gottes, „der, welcher heiligt" (Hebr 2, 11), nahm teil an Fleisch 
und Blut; Er wurde „das Heilige" (Lk 1, 35). 
Hatte der Tod irgendeinen Anspruch auf Ihn? Nicht den ge= 
ringsten. Wenn ich so sagen darf, besaß Er, der Gesegnete, die 
Fähigkeit, dem göttlichen Beschluß, daß Seine Ferse zermalmt 
werden sollte, zu entsprechen; dennoch war Er in keiner Weise 
dem Tode unterworfen. 
In Übereinstimmung mit diesem Vorsatz hat Er Sich nach Sei= 
nem eigenen göttlichen Wohlgefallen mit den Worten hinge= 
geben: „Siehe, ich komme". Um Gott zu verherrlichen und dem 
Sünder Frieden zu bringen, hat Er „Knechtsgestalt angenom= 
men". Dementsprechend ist Er zur bestimmten Zeit „in 
Gleichheit der Menschen geworden", und während Er „in seiner 
Gestalt wie ein Mensch erfunden" wurde, ist Er von Erniedri= 
gung zu Erniedrigung geschritten, „ja, bis zum Tode am 
Kreuze" (Phil 2)*). 
Auf diesem Wege sehen wir Jesus während Seines ganzen 
Lebens. Er verbarg Seine Herrlichkeit, „die Gestalt Gottes", 
unter dieser „Knechtsgestalt"; Er suchte keine Ehre von Men= 
sehen. Er ehrte den Vater, Der Ihn gesandt hatte, und nicht 
Sich Selbst. Er wollte Sich nicht zu erkennen geben, Sich nicht 
der Welt zeigen, wie das Wort uns mitteilt. Alles dies gehörte 
zu der „Gestalt", die Er angenommen hatte, und findet seine 
vollkommene Darstellung in den Berichten der Evangelien. 
Unter der Gestalt eines steuerpflichtigen Untertanen verhüllte 
Er die Gestalt Dessen, Der über die Fülle der Erde und des 
*) Wäre Jesus nicht Gott gleich gewesen, hätte Er dies nicht tun können; 
denn jedes Geschöpf, jeder, der geringer ist als Gott, ist schon ein Knecht seines 
Schöpfers. Ein Jude konnte freiwillig der Knecht eines anderen Juden werden, 
ein Knecht mit einem durchbohrten Ohr (2. Mo 21); aber kein Geschöpf könnte 
freiwillig ein Knecht Gottes werden, aus dem einfachen Grunde, weil alle Ge= 
schöpfe schon durch ihr Verhältnis zum Schöpfer Seine Knechte sind. 
158 
Meeres gebot. Man forderte Steuer von Ihm; wenigstens wur= 
de Petrus gefragt, ob sein Herr sie nicht zahle. Der Herr er= 
klärt, daß Er frei davon sei; doch um kein Ärgernis zu geben, 
bezahlt Er die Steuer für Petrus und Sich. Und doch war Er 
während der ganzen Zeit kein Geringerer als Der, von Dem 
geschrieben stand: „Die Erde ist des Herrn und ihre Fülle". 
Denn Er gebietet einem Fisch im Meer, Ihm gerade das erfor= 
derliche Geldstück zu bringen, das Er dann den Steuereinneh= 
mern überreicht (Mt 17). 
Welch ein Beispiel jenes kostbaren Geheimnisses, daß Er, Der 
„in Gestalt Gottes" war, und es „nicht für einen Raub achtete, 
Gott gleich zu sein", so daß Er über die Schätze der Tiefe verfügen und den Geschöpfen der Hand Gottes als Seinen eigenen 
gebieten konnte, — daß Er Knechtsgestalt annahm! Welch eine 
Herrlichkeit bricht bei diesem vorübergehenden, unscheinbaren 
Ereignis durch die Wolken! Alles ereignete sich zwischen dem 
Herrn und Petrus; aber es war eine Offenbarung der „Gestalt 
Gottes", die aus der Gestalt eines Knechtes oder eines der 
Obrigkeit Unterworfenen (Rö 13, 1) hervorstrahlte. Die Fülle 
der Erde war Ihm in demselben Augenblick tributpflichtig, als 
Er bereit war, anderen Tribut zu zahlen. Wie bei einer anderen 
Gelegenheit der unbeachtete Gast die Freude des Hochzeits= 
festes erhöhte, nicht nur als wäre Er Selbst der Bräutigam, son= 
dem als der Schöpfer von allem, wodurch das Fest herrlich ge= 
macht wurde. Auch dort offenbarte Er Seine Herrlichkeit, und 
Seine Jünger glaubten an Ihn (Joh 2). 
Weiter lesen wir von Ihm: „Er wird nicht streiten noch schreien, 
noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören". Er 
wollte ein geknicktes Rohr nicht zerbrechen, sondern Sich lieber 
zurückziehen; und das alles, weil Er „Knechtsgestalt" ange= 
nommen hatte. Darum wird auch bei dieser Gelegenheit die 
Stelle angeführt: „Siehe, mein Knecht, den ich erwählt habe" 
(Mt 12). 
Die Forderung der Pharisäer, Er möge ihnen ein Zeichen aus 
dem Himmel geben, war eine weitere Versuchung für Ihn, Sich 
Selbst zu erhöhen (Mt 16). Die Pharisäer versuchten Ihn in 
ähnlicher Weise, wie der Teufel es getan hatte, als er Ihn auf= 
forderte, Sich von der Zinne des Tempels hinabzustürzen, oder 
159 
wie Seine Brüder es taten, als sie sagten: „Zeige dich der Welt" 
(Joh 7). Doch was erwiderte der vollkommene Knecht? Kein 
Zeichen würde ihnen gegeben werden, sagte Er, als nur das 
Zeichen Jonas — ein Zeichen der Erniedrigung, ein Zeichen, daß 
der Fürst dieser Welt für den Augenblick die Oberhand über 
Ihn haben sollte, anstatt eines Zeichens, das die Welt dahin 
gebracht haben würde, sich Ihm in schweigender Ehrfurcht zu 
unterwerfen. 
Wahrlich, wunderbar und herrlich sind diese Fußtapfen des 
vollkommenen Knechtes Gottes! David und Paulus, gleichsam 
zu beiden Seiten von Ihm stehend, wie Mose und Elia auf dem 
heiligen Berge, strahlen in etwa den Glanz dieses Sich Selbst 
verbergenden Knechtes zurück. David erschlug den Löwen und 
den Bären, und Paulus wurde in den dritten Himmel entrückt; 
aber keiner von ihnen sprach von diesen Dingen. Eine solche 
Handlungsweise war ein lieblicher Widerschein der Herrlichkeit 
des vollkommenen Knechtes. Und doch sind sie und alle ihnen 
ähnlichen Männer, die wir in der Schrift oder in den Reihen der 
Gläubigen finden, weiter von dem großen Urbild entfernt als 
wir zu ermessen vermöchten. Er verbarg die „Gestalt Gottes" 
unter der „Knechtsgestalt". Jesus war Davids Kraft, als dieser 
den Löwen und den Bären erschlug, und Er war der Herr des 
Himmels, in den Paulus entrückt wurde; und doch ging Er um= 
her in der Gestalt eines Menschen, der „nicht hatte, wohin er 
sein Haupt legen sollte". 
Dasselbe sehen wir auf dem Gipfel und am Fuße des heiligen 
Berges. Auf dem Gipfel war Er angesichts Seiner Auserwählten 
für einen kurzen Augenblick „der Herr der Herrlichkeit"; am 
Fuße des Berges war Er „Jesus allein", Der ihnen gebot, nie= 
mandem von dem Gesicht zu sagen, bis der Sohn des Men= 
sehen aus den Toten auferstanden sein würde (Mt 17). 
Betrachten wir Ihn nun, als Er während des Sturmes im Schiffe 
auf dem See war. Er lag dort als ein ermüdeter Arbeiter im 
sanften Schlaf. Das war Seine sichtbare Gestalt, doch darunter 
war die „Gestalt Gottes" verborgen. Er erhob Sich, und als der 
Herr, der „den Wind in seine Fäuste sammelt" und die „Wasser 
in ein Tuch bindet" (Spr 30, 4), bedrohte Er den Wind und be= 
ruhigte den See (Mk 4). 
160 
Zuweilen steht Jesus in der vollen und vielseitigen Herrlichkeit 
des Jehovas Israels vor unseren Augen. In früheren Tagen 
hatte der Gott Israels den Geschöpfen der großen Tiefe ge= 
boten; Er bestellte einen großen Fisch, um Jona zu verschlingen 
und ihm für eine bestimmte Zeit zum Grabe zu dienen. Ebenso 
erwies Jesus Sich zu Seiner Zeit als der Herr der Fülle „dieses 
Meeres, groß und ausgedehnt nach allen Seiten hin" (Ps 104), 
indem Er „eine große Menge Fische" in das Netz des Petrus 
gehen ließ (Lk 5). Wir sehen also, daß sowohl die kleinen als 
auch die großen Tiere, die sich im Meer tummeln, in früheren 
wie in späteren Tagen den Worten des Jehova=Jesus gehorch--
ten. 
Der Gott Israels bediente Sich einst als der Herr der Fülle der 
Erde und des Meeres eines stummen Esels, um die Torheit des 
Propheten zu bestrafen. In noch charakteristischerer Weise gebot Er der Natur, als die Bundeslade aus dem Lande der Philister 
zurückgeholt werden sollte, indem Er die Kühe, die den Wagen 
zogen, auf dem die Bundeslade stand, zwang, den richtigen und 
nächsten Weg nach Beth=Semes einzuschlagen, obwohl ihr 
Naturtrieb sich diesem Wege auf das Heftigste widersetzte 
(1. Sam 6). In derselben Herrlichkeit und Macht des Gottes 
Israels handelte auch der Herr Jesus. Denn zu Seiner Zeit 
mußte auch Er, die wahre Bundeslade, heimwärts getragen 
werden. Gegen das Ende Seiner Laufbahn kam der Augenblick, 
wo Er Jerusalem in Seiner Herrlichkeit besuchen sollte. Es war 
notwendig, daß Er als König von Zion in die königliche Stadt 
einzog, und die Eselin mit ihrem Füllen steht zum Dienst für 
Ihn bereit. Er verfügt über sie und hält Seinen Einzug in der 
ganzen Würde und in den Rechten des Herrn der Fülle der 
Erde. Die Besitzer der Eselin hatten der Forderung: „Der Herr 
bedarf ihrer", zu gehorchen, und entgegen ihren natürlichen 
Ansprüchen sandten sie sie Ihm „alsbald" (Mk 11; Lk 19). 
So erstrahlt der Herr hier wiederum in der charakteristischen 
Herrlichkeit des Gottes Israels. Es war der verachtete Jesus von 
Nazareth, der Zimmermann, der Sohn des Zimmermanns, der 
jene Forderung stellte (Mt 13, 55; Mk 6, 3). Aber wie dicht 
auch der verhüllende Schleier sein mochte, die darunter liegende 
Herrlichkeit war unendlich. Es war die volle Herrlichkeit Jehovas; und kein Strahl des ganzen göttlichen 
167 
Glanzes weigerte sich, diesem Ausdruck zu geben. „Er achtete 
es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein", obwohl Er „sich 
selbst zu nichts machte". Der Glaube erkennt diese verschlei= 
erte Herrlichkeit, und die Liebe umgibt sie schirmend wie mit 
einer feurigen Mauer. „Wer ist hinaufgestiegen gen Himmel 
und herniedergefahren? wer hat den Wind in seine Fäuste ge= 
sammelt? wer die Wasser in ein Tuch gebunden? wer hat auf= 
gerichtet alle Enden der Erde? Was ist sein Name und was 
der Name seines Sohnes, wenn du es weißt" (Spr 30, 4)? 
Wir wollen uns nicht anmaßen, es auszusprechen; aber wie 
Mose, als Jehova an ihm vorüberging, wollen wir lernen, unser 
Haupt zur Erde zu neigen und anzubeten (2. Mo 34). 
Welch schöne Beispiele sind dies, an denen die Schrift uns lehrt, 
wie Jesus unter der „Knechtsgestalt" die „Gestalt Gottes" ver= 
hüllte! Und ich möchte behaupten, daß auch jene Fälle, wo Er 
Sich vor Gefahr zu schützen oder Sein Leben zu sichern scheint, 
von gleichem Charakter und gleicher Bedeutung sind. Es wäre 
sicherlich eine kostbare Aufgabe für die Seele, so Seine Schön= 
heit und Herrlichkeit, die dem menschlichen Auge verborgen 
bleiben, aufzudecken. Aber obwohl wir diese Herrlichkeit um 
keinen Preis antasten möchten, sind wir doch vielleicht oft 
außerstande, sie zu erfassen, und mißverstehen ihre Art oder 
die Form, die sie annimmt. 
Der Sohn Gottes kam in die Welt als das vollkommenste Ge= 
genteil zu dem, der noch kommen wird und über den sich die 
ganze Welt verwundern wird. Wie Er Selbst sagt: „Ich bin in 
dem Namen meines Vaters gekommen und ihr nehmet mich 
nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, 
den werdet ihr aufnehmen" (Joh 5, 43). Und im Einklang hier= 
mit wird Er, wenn Sein Leben bedroht wird, nicht gleich ein 
Wunder in den Augen der Welt, sondern gerade das Gegenteil. 
„Er machte sich selbst zu nichts". Er wollte nichts und niemand 
sein. Er schlug es ein für allemal aus, ein Wunder in den Augen 
der Menschen zu sein — in herrlichem und erhabenem Gegen= 
satz zu dem, „der sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt 
oder ein Gegenstand der Verehrung ist, daß er sich in den 
Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei"; 
der da „macht, daß die Erde und die auf ihr wohnen das erste 
Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde — und daß 
162 
alle, die Kleinen und die Großen, . . . sich ein Malzeichen geben 
an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn, und daß niemand 
kaufen oder verkaufen kann, als nur der, welcher das Mal= 
zeichen hat, den Namen des Tieres oder die Zahl seines Na= 
mens" (2. Thess 2; Offb 13). 
Der Sohn Gottes bildete den vollkommensten Gegensatz zu all 
diesem. Er kam in Seines Vaters Namen und nicht in Seinem 
Eigenen. Er hatte Leben in Sich Selbst. Er war Dem gleich, von 
Dem geschrieben steht: „Der allein Unsterblichkeit hat", aber 
Er verbarg diesen Glanz der göttlichen Herrlichkeit unter der 
Gestalt eines Menschen, der sein Leben mit den gewöhnlich= 
sten Mitteln zu schützen suchte. Wie wunderbar ist das: O 
hätten wir nur Herzen, die mehr mit Anbetung erfüllt wären! 
Der andere, der „in seinem eigenen Namen" kommen wird, 
mag Zeichen und Wunder tun, so daß er selbst Feuer vom 
Himmel herabkommen läßt vor den Menschen, ja, er mag zur 
Verwunderung aller die ganze Gewalt des ersten Tieres aus= 
üben; aber der Sohn Gottes flieht nach Ägypten! 
Ist unser geistliches Verständnis so schwach, daß wir dies nicht 
erkennen können? Miiß die Betrachtung der so verhüllten 
Herrlichkeit uns geradezu aufgedrängt werden? Wenn es so 
ist, dann läßt der Herr Sich in Gnaden auch dazu herab. Denn 
unter diesem Schleier lag eine Herrlichkeit verborgen, die, 
wenn es ihr gefallen hätte, die Feinde sofort, gleich den Flam= 
men des chaldäischen Ofens, vernichtet hätte. Denn zuletzt, als 
die Stunde gekommen war, und die Mächte der Finsternis 
„ihre Stunde" haben sollten, wichen die Diener dieser Mächte 
angesichts jener Herrlichkeit zurück und fielen zu Boden. Das 
zeigt uns, daß Jesus ein durchaus freiwilliger Gefangener war, 
wie Er später ein freiwilliges Opfer wurde*). 
*) Wenn ich bedenke, wer Er war; der Same des Weibes, der Sohn Gottes, 
geoffenbart im Fleische; wenn ich ferner bedenke, daß der Tod, in welcher Ge= 
stalt er auch an Ihn herantreten mochte, keinen Anspruch an Ihn hatte, so kann 
ich keinem anderen Gedanken Raum geben. Betrachtet in dem von Ihm ange= 
nommenen Fleisch und Blut, hatte der Tod kein Anrecht an Ihn, weil keine 
Sünde in Ihm war; betrachtet in Seiner vollen Person, konnte der Tod Ihn nicht 
antasten, es sei denn, daß Er Sich ihm unter dem ewigen Bunde freiwillig unter= 
warf. Die Seele weist deshalb den Gedanken, daß Er in dem gewöhnlichen Sinn 
des Wortes Sein Leben gerettet habe, entschieden zurück. 
163 
Werfen wir in Verbindung hiermit einen Blick auf Ihn bei der 
Gelegenheit in Mt 12, die ich bereits erwähnt habe. Fürchtete 
der Herr etwa in jenem Augenblick den Zorn der Pharisäer, und 
fühlte Er Sich wie jemand, der für die Sicherheit seines eigenen 
Lebens Sorge tragen muß? Sicherlich nicht. Er verfolgte ohne 
Zögern Seinen schönen und köstlichen Pfad als Diener, nicht 
um Sich in der Welt einen ehrenvollen Namen zu machen, son= 
dem um durch seine Erniedrigung und Seinen Tod einen Na= 
men zu empfangen, dem die Heiden vertrauen und, an welchen 
glaubend, Sünder errettet werden können (Phil 2). 
Betrachten wir Ihn bei einer anderen Gelegenheit, als das 
Schwert des Herodes Ihn ein zweites Mal bedrohte (Lk 13). Mit 
welch einer Würde nahm der Herr diese Drohung auf! Mochte 
der König noch so listig sein, mochte er die Macht eines Tyran= 
nen mit der Schlauheit eines Fuchses vereinigen, Er Selbst 
mußte und wollte Seinen vorgenommenen Weg gehen, das 
Ihm übertragene Werk tun und dann „vollendet werden"; 
und diese Seine Vollendung, von der Er hier spricht, sollte, wie 
wir wissen, nicht dadurch erreicht werden, daß Herodes oder 
die Juden die Oberhand über Ihn gewannen, sondern durch die 
Dahingabe Seiner Selbst, um als Anführer unserer Errettung 
durch Leiden vollkommen gemacht zu werden. Bei derselben 
Gelegenheit erklärt Er, daß, wenn Er auch als Prophet in Jeru= 
salem sterben müsse, dies doch deshalb geschehe, damit Jeru= 
salem das Maß seiner Sünden voll mache. War Er doch die 
ganze Zeit Jerusalems Gott, Der die Stadt Jahrhunderte lang in 
geduldiger Liebe getragen und Sich mit ihr beschäftigt hatte 
und sie nun bald dem Gericht der Verwüstung übergeben würde 
(V. 31-35). 
Ich wiederhole noch einmal: Welche Herrlichkeiten liegen hier 
unter der niedrigen Gestalt Dessen verborgen, Der mit dem 
Zorn eines Königs bedroht war und zugleich den Spott und die 
Feindschaft Seines Volkes erfahren mußte! 
Ich möchte indes noch bei einigen Fällen verweilen, die noch 
bemerkenswerter sind. Betrachten wir Jesus in der ersten Zeit 
Seiner Wirksamkeit in Seiner eigenen Stadt. Derselbe erhabene 
Grundsatz tritt hier vor unsere Augen; denn meines Erachtens 
164 
war der Berg, auf dem Nazareth erbaut war, kein dem Leben 
Jesu gefährlicher Ort, sondern bedeutete für Ihn genau das= 
selbe wie die Zinne des Tempels in Jerusalem (Lk 4, 9. 29). Der 
Teufel dachte gar nicht daran, daß der Herr, wenn Er Sich von 
jener Zinne hinabstürzte, sterben würde; durchaus nicht. Er 
versuchte Ihn (wie er das Weib im Garten versucht hatte), Sich 
Selbst zu verherrlichen und Sich, wenn ich es so nennen darf, 
und wie der Teufel zu Eva gesagt hatte, Gott gleich zu machen. 
Er trachtete, die Quellen in Christus zu verderben, wie er sie 
in Adam verdorben hatte, und suchte den „Hochmut des Le= 
bens" als eine der Hauptriebfedern Seines Handelns in Ihn zu 
pflanzen. Aber Jesus bewahrte die „Knechtsgestalt". Er wollte 
Sich nicht hinabstürzen, sondern erinnerte Sich im Gehorsam 
an das Wort: „Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen". 
Gerade so war es auf dem Berge von Nazareth. Der Berg war 
nicht höher als die Zinne des Tempels. Jesus war an dem einen 
Ort nicht mehr in Gefahr als an dem anderen. Er wäre am Fuß 
des Berges ebenso unverletzt angekommen wie am Fuße des 
Tempels. Aber wie wäre dann die Schrift erfüllt worden, daß 
Er nicht gekommen sei, Seine Eigene Ehre zu suchen? Darum, 
„durch ihre Mitte hindurchgehend, ging er hinweg". Er zog 
Sich unbeachtet und unerkannt zurück, blieb Seiner Knechts= 
gestalt treu und offenbarte Seine Gnade. 
Es wäre sicher eine Vermessenheit, zu behaupten, daß Er dies 
getan habe, um Sein Leben zu retten. Der Gedanke steht in 
unmittelbarem Widerspruch zu der Herrlichkeit Seiner Person 
als „Gott, geoffenbart im Fleische". Jesus wurde in den Tagen 
Seines Fleisches wieder und wieder erquickt, wenn der Glaube 
Seine Herrlichkeit unter dem sie verhüllenden Schleier entdek= 
ken konnte. Wenn der Sohn Davids, der Sohn Gottes, der 
Jehova Israels, der Schöpfer der Welt in der niedrigen Gestalt 
des Jesus von Nazareth durch Glauben erkannt wurde, dann 
frohlockte Jesus im Geiste. Und so dürfen wir audi heute 
sagen, wo die Knechtsgestalt sich wiederum unseren Gedanken 
darstellt, daß es Sein Herz erfreut, wenn die Heiligen Seine 
hinter der Wolke verborgene Herrlichkeit entdecken. 
165 
Die „Flucht" nach Ägypten in den frühen Tagen des „Kindleins" von Bethlehem ist eine sehr beachtenswerte und schöne 
Begebenheit. Wir erinnern uns, daß zur Zeit des Mose Israel 
in jenem Lande einem in Flammen stehenden Dornbusch glich, 
daß aber infolge des Mitgefühls und der Gegenwart des Gottes 
ihrer Väter der Busch nicht verzehrt wurde. Jehova stand über 
dem Pharao; und wenn der Pharao das Volk vernichten wollte, 
so erhielt Jehova es und ließ es sich mehren mitten in dem 
Lande des Pharao. Dies geschah nicht „durch die Macht und 
nicht durch die Kraft", denn Israel war damals nicht mehr als 
ein Dornbusch, der durch einen Funken hätte verzehrt werden 
können. Aber der Sohn Gottes war in dem Busch; das war das 
Geheimnis. Er war mit Israel in Ägypten, wie Er später mit 
Sadrach, Mesach und Abednego im Feuerofen war; und obgleich der Busch brannte und der Ofen siebenmal mehr geheizt 
wurde als gewöhnlich, kam doch der Geruch des Feuers nicht 
an sie. 
Es war wirklich ein „großes Gesicht", so daß Mose hinzutrat, 
um es anzusehen. Auch wir können heute im Geiste Mose uns 
nahen und denselben Ort betreten. Wir können 2. Mo 1—15 
lesen und dann einen Blick auf jenes wunderbare Gesicht zurückwerfen und uns fragen, warum der Busch brannte und doch 
nicht verzehrt wurde; ja, wir können uns überzeugen, daß der 
arme Dornbusch Israel inmitten des ägyptischen Feuerofens 
unversehrt blieb, weil der Sohn Gottes gegenwärtig war. Mag 
auch das Feuer heißer und heißer gemacht werden, es wird nie 
die Oberhand gewinnen. In welcher Weise verließ Israel schließlich Ägypten? Ebenso wie in späteren Tagen die drei Jünglinge 
den Feuerofen Nebukadnezars verließen: Im Triumph. Nichts 
war verbrannt, als nur die Bande, mit denen man sie gebunden 
hatte. Der Pharao mit dem ganzen Heer der Ägypter kam um 
im Roten Meer; aber Israel zog aus unter dem Banner des 
Herrn. 
„Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen", war wahr in 
bezug auf Jesus und auf Israel. Sowohl Jesus als auch Israel 
waren zu ihrer Zeit brennende, aber nicht verzehrte Büsche; dem 
Anschein und dem menschlichen Urteil nach schwach, aber 
dennoch unantastbar. Beide erfuhren in dieser ägyptischen 
Welt Kummer und Schmerz, aber das Leben beider konnte 
166 
nicht angetastet werden, und zwar deshalb nicht, weil Israel das 
Mitgefühl des Sohnes Gottes genoß, und weil Jesus die Person war, die Er war: Gott, geoffenbart im Fleische. 
Geschah denn die Flucht nach Ägypten, um das Leben des 
„Kindleins" zu retten? Verließ Israel Ägypten, um sein Leben 
zu retten? Gingen Sadrach und seine Genossen aus dem chaldäischen Ofen, um ihr Leben zu retten? Israels Leben war in 
Ägypten ebenso sicher wie außerhalb des Landes. Die jüdischen 
Jünglinge waren in dem Ofen ebensowenig dem Verbrennen 
ausgesetzt wie draußen. Israel verließ Ägypten, um die Herrlichkeit Jehovas, ihres Erlösers, anzuschauen, und ebenso war 
es mit den drei israelitischen Jünglingen, und in derselben 
Weise und zu dem gleichen Zweck wurde das „Kindlein" dem 
Zorn des Königs Herodes entrissen und aus Judäa weggebracht. 
Der Sohn Gottes hatte Knechtsgestalt angenommen. Er war 
nicht in Seinem Eigenen Namen, sondern im Namen Seines 
Vaters gekommen. Er hatte Sich Seiner Herrlichkeit entäußert 
und Sich Selbst zu nichts gemacht, und dann begann Er, in der 
Verwirklichung dieser Knechtsgestalt, Seine Laufbahn, während Er noch ein „Kindlein" war. In allen Erniedrigungen war 
Er gehorsam, selbst bis zur Flucht nach Ägypten, die scheinbar 
unternommen wurde, um Sein Leben vor der Rache des Königs 
in Sicherheit zu bringen, in Wirklichkeit aber zur Verherrlichung Dessen, Der Ihn gesandt hatte. 
Wir müssen wirklich darüber wachen, daß wir diese Beispiele 
von Seiner vollkommenen Knechtsgestalt nicht zur Herabsetzung Seiner Person mißbrauchen. Er war unantastbar. Ehe 
Seine Stunde gekommen und Er bereit war, Sich hinzugeben, 
mochten Oberste mit ihren Fünfzig Ihn immer wieder zu greifen suchen; aber alles war umsonst. Er entging ihrer Hand und 
„erniedrigte sich selbst", indem Er bei einer Gelegenheit nach 
„Ägypten", bei einer anderen „in eine andere Stadt" ging, Er, 
der verachtete, verworfene Menschensohn. — Sollten wir dieses 
Geheimnis der Unterwürfigkeit, der freiwilligen Unterwürfigkeit des Sohnes Gottes in leichtfertiger Weise behandeln, Geliebte? Dürfen wir den Schleier unehrerbietig lüften? Und doch, 
wenn die eben angeführten Beispiele nebst anderen ähnlichen 
dazu benutzt werden, die Sterblichkeit des Fleisches und Blutes, 
167 
das der Herr annahm, zu beweisen, dann ziehen wir den Schleier mit unehrerbietiger und rauher Hand fort. Ja, mehr noch, 
wir begehen ein doppeltes Unrecht an Ihm. Wir würdigen Seine 
Person herab aufgrund von Tatsachen, die gerade Seine schrankenlose Gnade und Liebe zu uns und Seine hingebende Unterwerfung unter Gott offenbaren. 
Ach, man behauptet heute, daß die Natur oder irgendeine Gewalttätigkeit oder etwas anderes den Sieg über Fleisch und Blut 
des Herrn hätte davon tragen können, um ebenso wie bei uns 
Seinen Tod zu verursachen. Aber, möchte ich fragen, verbindet 
nicht ein solcher Gedanke den Herrn Jesus Christus mit der 
Sünde? Man mag dagegen einwenden, so sei es nicht gemeint. 
Vielleicht nicht, aber in Wirklichkeit ist es doch so. Denn in der 
göttlich inspirierten Geschichte von Fleisch und Blut — und nur 
nach dieser können wir uns richten — kam der Tod nur infolge 
der Sünde in die Welt. Wenn das Fleisch und Blut in der Person 
unseres Herrn aus irgendeinem anderen Grund als der freiwilligen Hingabe Seiner Selbst dem Tode unterworfen oder 
zufolge ihrer Natur und ihres Zustandes zu sterben fähig gewesen wäre, hätten sie dadurch doch nur ihre Verbindung mit 
der Sünde kundgegeben. Und wenn das so ist, kann dann Christus in Seiner Fülle vor der Seele stehen? Diese Behauptung 
behandelt Ihn, als ob Er dem Tode ausgesetzt gewesen wäre. 
Demnach wäre Er in einer Weise dem Tode unterworfen gewesen, wie Er es nie hätte auf Sich nehmen können, als Er die 
Gestalt eines Knechtes annahm. Aber gottlob! Er war nichts 
anderem unterworfen, als was Er, diesem Charakter gemäß, 
freiwillig auf Sich nahm. 
Solche Behauptungen geben Anlaß zu der Befürchtung, daß 
die „Pforten des Hades" sich wieder gegen den „Felsen" der 
Versammlung, den Sohn Gottes erheben. Wenn solche Behauptungen unter dem Vorwand aufgestellt werden, daß sie nur 
dazu dienen sollen, die wahrhaftige Menschheit des Herrn 
deutlicher hervorzuheben, dann gibt gerade diese Behauptung 
Anlaß zu noch stärkerem Verdacht. Denn ich frage: Ist es nur 
die Menschheit, die uns in der Person Christi entgegentritt? 
Gibt es hier nicht unermeßlich viel mehr? Sehen wir nicht Gott 
Selbst „geoffenbart im Fleisch"? Christus könnte für mich, 
168 
einen Sünder, kein Heiland sein, wenn Er nicht der Genosse 
Jehovas gewesen wäre (Sach 13, 7). Jedes Geschöpf ist alles 
das, was es darzubringen vermag, schuldig. Nur der Eine, Der 
es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, konnte 
Knechtsgestalt annehmen, denn jeder andere ist schon Knecht, 
wie ich bereits gesagt habe. Kein Geschöpf kann mehr tun, als 
es zu tun schuldig ist; denn jeder ist bereits für sich selbst 
Gehorsam schuldig. Niemand ist fähig, für den Menschen 
Bürge zu sein, außer Ihm, Der ohne Anmaßung auf Gleichheit 
mit Gott Anspruch erheben kann und demzufolge unabhängig 
ist. 
Die Menschheit als solche war fähig zu sündigen. Adam hat 
es bewiesen; denn er sündigte. Wir können mit mehr Gewißheit sagen, daß er zu sündigen, als daß er zu sterben fähig war. 
Die Geschichte zeigt uns das Erstere, verbietet uns aber das 
Zweite festzustellen, indem sie uns mitteilt, daß der Tod allein 
durch die Sünde in die Welt gekommen ist. Von Natur gab es 
eine Möglichkeit zu sündigen; aber in betreff der Möglichkeit 
des Sterbens wird uns nichts gesagt. 
Wenn in diesem Augenblick jemand unter dem Vorwande, die 
wahrhaftige Menschheit Christi deutlich machen zu wollen, 
betreffs Jesu die Möglichkeit oder Fähigkeit des Sündigens 
feststellte, was würde das Herz einem solchen erwidern? Wir 
wollen jedem, der Jesum kennt, die Antwort selber überlassen. 
Doch von einer Sache können wir überzeugt sein, nämlich daß 
der Teufel sich hinter allen Bestrebungen verbirgt, welche gegen den Felsen der Versammlung, gegen die Person des Sohnes 
Gottes unternommen werden (Mt 16, 18). Denn Sein Werk, 
Sein Zeugnis, Sein Leiden, ja selbst Sein Tod würde uns durchaus nichts nützen, wenn Er nicht Gott wäre. Seine Person ist die 
Kraft Seines Opfers; und in diesem Sinne ist Seine Person 
unser Felsen. Es war jenes die Gottheit Seiner Person betreffende Bekenntnis, welches, abgelegt durch jemanden, der mit 
Seinem Werke und Seinem Opfer noch unbekannt war, dem 
Sohne Gottes Anleitung gab, den Felsen erkennen zu lassen, 
auf welchen die Versammlung gebaut werden sollte, und zugleich die Wahrheit jenes Geheimnisses ans Licht zu stellen, 
gegen welches die Pforten der Hölle, die Macht und List des 
Teufels ihre äußersten Anstrengungen unternehmen werden. 
169 
Der Teufel trachtet allezeit, die Herrlichkeit des Sohnes Gottes 
zu verringern. Und über nichts wacht der Vater mit solcher 
Eifersucht, wie über die Ehre Seines Sohnes. Er widersteht 
allem, was den Wert der Person desselben vermindern könnte. 
Wenn wir in Joh 5 auf die an die Juden gerichteten Worte des 
Herrn lauschen, so entdecken wir alsbald das Geheimnis, daß, 
wiewohl der Sohn Sich Selbst erniedrigt hat und, wie Er sagt, 
„nichts aus sich selber tun kann", der Vater dennoch darüber 
wacht, daß Derselbe dadurch nicht entehrt oder in irgendeiner 
Weise geringgeschätzt werde. Er wacht über die Rechte, die 
vollen göttlichen Rechte des Sohnes, indem wir die feierlichen 
Aussprüche hören: „Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt den 
Vater nicht, der ihn gesandt hat". 
Sicher müssen wir bei unsern Unterweisungen mit den Unwissenden Geduld haben; das ist der göttliche Weg, der Weg des 
Geistes der Gnade. Welche Geduld und Sanftmut zeigte der 
Herr! „So lange bin ich bei euch, und ihr habt mich nicht erkannt, Philippus?" Aber nimmer dürfen wir zugeben, daß die 
Person Christi selbst in der unscheinbarsten Weise geringgeschätzt wird; denn das ist keineswegs der Weg Gottes. Die 
Schriften des Johannes beweisen uns dieses; sie bilden die am 
meisten ehrfurchtgebietenden und zugleich die lieblichsten Teile 
der Heiligen Schrift, weil sie sich mit der Herrlichkeit der Person 
des Sohnes beschäftigen. In meinem Auge aber zeigen sie 
wenig oder gar keine Barmherzigkeit gegenüber denen, die 
Seine Ehre zu besudeln trachten oder treulos darüber wachen. 
Man lasse mich hier noch hinzufügen, daß andere in der Geschichte unsers geliebten Herrn aufgezeichnete Erscheinungen, 
wie z. B. Hunger, Durst, Müdigkeit usw. uns zu dem Gedanken 
an die Sterblichkeit Seines Fleisches und Blutes durchaus keinen 
Anlaß bieten. Jesus war hungrig und müde bei dem Brunnen 
Samarias. Er schlief im Schiff nach einem Tage anstrengender 
Arbeit. Doch mochte Er auch die Dornen und Disteln, den 
Schmerz und den Schweiß des Angesichts dieser Erde kennen, 
so kannte Er doch nur alles, weil Er alles auf Sich nahm als Der, 
Der in unaussprechlicher Gnade „Knechtsgestalt" angenommen 
hatte. Mochte bei einer gewissen Gelegenheit der „Mann der 
Schmerzen" in dem Alter eines Fünfzigers betrachtet werden 
(Joh 8, 57), so zeigt mir dieses, in welcher Weise Er zu unserm 
170 
Segen und zur Ehre Seines Vaters die Schmerzen und die 
Mühen des Dienstes ertrug; und aus diesen Zügen erkenne ich 
Ihn, Dessen „Aussehen mehr als irgendeines Mannes entstellt 
war" (Jes 52, 14), weil Er um unsertwillen litt und den Widerspruch der Sünder wider Sich erduldete, keineswegs aber weil 
die dem Alter eigentümliche Neigung zur Schwäche die Spuren 
der Schmerzen und der Erschöpfung zur Schau stellte, als ob 
möglicherweise eine solche Neigung Ihm hätte ankleben können. 
Die Juden werden beständig beschuldigt, Seine Mörder gewesen zu sein, und zwar mit dem vollsten Rechte (Apg 2, 36; 3, 
-15; 7, 52). Wir alle befinden uns unter demselben Urteil. Das 
Verbrechen des Mordes liegt auch vor unserer Tür. Im vollen 
richterlichen Sinne waren sie Seine „Überlieferer und Mörder". 
Es mag dem Verstände seltsam erscheinen; aber was wir in 
dieser Beziehung lesen, ist für den Glauben vollkommen wahr. 
Der Verstand erblickt nichts als Widersprüche in den Worten: 
„Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, auf 
daß ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern 
ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt es zu lassen, und 
habe Gewalt, es wieder zu nehmen. Dieses Gebot habe ich 
von meinem Vater empfangen" (Joh 10, 17. 18). Der Herr war 
frei und dennoch unter einem Gebot, Das ist sicher höchst 
wunderlich für den Verstand und den Unglauben, aber völlig 
klar für das Urteil des Glaubens. 
Der Sohn Gottes starb an dem Holz, woran die Hand der gottlosen Menschen Ihn genagelt, und zwar in der Weise, wie Gott 
in Seiner Gnade und Seinem ewigen Ratschlüsse über Ihn verfügt hatte. Dort starb Er; und Er starb, weil Er Sich dort befand. 
Das Lamm ward geschlachtet. Wer möchte es wagen, diesen 
Worten zu widersprechen? Böse Menschen haben Ihn getötet; 
und Gott bestimmte Ihn zu Seinem eigenen Lamme für den 
Altar. Wer könnte ein solch notwendiges und kostbares Geheimnis antasten wollen? Und dennoch läßt das Lamm Sein 
Leben von Sich Selbst. Sein Tod war nicht eine Folge der Erschöpfung und des Hinsiechens unter den furchtbaren Leiden 
des Kreuzes; Er gab Sein Leben freiwillig hin. Zum Beweise, 
daß Er Sich in dem vollen Besitze dessen befand, was Er übergab, „rief Jesus mit starker Stimme", und „übergab den Geist". 
171 
Die Geschichte dieses Augenblicks gibt keiner andern Meinung 
Raum, und ebensowenig, wie ich beifügen möchte, die anbetende Liebe der Heiligen. Pilatus verwunderte sich, daß Er 
bereits gestorben war; er glaubte es nicht und mußte davon 
überzeugt werden. Unmöglich konnte das Leben in solch' kurzer Zeit am Kreuze vernichtet sein; und darum mußten die 
Beine der beiden Schacher gebrochen werden. Doch Jesus war 
bereits gestorben, welshalb Pilatus einen Zeugen herbeirief, 
bevor er dieser Sache Glauben schenkte. Die von uns hervorgehobene Wahrheit findet also in der buchstäblichen Geschichte 
dieser Tatsache selbst ihre deutliche Erklärung. Und unsere 
Herzen, wenn anders geleitet durch die Gnade, werden Gott 
preisen für solch ein Gemälde in betreff Seines Lammes und 
unsers sterbenden, gekreuzigten und getöteten Heilandes. Vernichten wir die Erklärung, daß Er das geschlachtete Lamm war, 
oder bringen wir das Lied im Himmel, welches dieses Geheimnis meldet, zum Schweigen, wenn wir sagen, daß das geschlachtete Lamm Sein Leben von Sich Selbst gab? Die durch den Heiligen Geist aufgezeichnete Geschichte von Golgatha predigt uns 
diese Wahrheit. Jesus war frei und dennoch unterworfen. Der 
Glaube begreift dieses. Als die Stunde gekommen war, lesen 
wir in Übereinstimmung mit diesem Geheimnis die Worte: 
„Jesus neigte das Haupt und übergab den Geist". Er kannte 
das empfangene Gebot; und dennoch gab er Sein Leben von 
Sich Selbst. Er war gehorsam bis zum Tode, und dennoch gab Er 
Sein Leben freiwillig hin. Der Glaube erkennt, daß darin allein 
das wahrhaftige und vollkommene Geheimnis liegt. Jesus starb 
nach dem Rate des göttlichen Bundes, wozu Er als der „Genosse" des Gottes der Heerscharen, Sich freiwillig übergab. 
Jedoch verbarg der Sohn Gottes, wie wir es bereits zur Ehre 
Seines Namens anmerkten, auf Erden stets Seine Majestät — 
die „Gestalt Gottes" unter der „Knechtsgestalt". Seine Herrlichkeit war in allen Teilen der Herrschaft Gottes anerkannt 
worden. Der Teufel bekannte Seine Macht, die Leiber und die 
Seelen der Menschen taten es; Tod und Grab erkannte diese 
Macht, und ebenso die Tiere des Feldes, die Fische im Meere, 
der Wind und die Wellen, das Korn und der Wein. Ich darf 
sagen, daß Jesus Selbst der Einzige war, Der Seine Macht und 
Herrlichkeit nicht zu Seinen Gunsten gebrauchte; denn es lag 
172 
in Seinem Wege, sie zu verhüllen. Er war der „Herr der Ernte"; 
jedoch trat Er auf als einer der Arbeiter. Er war der Gott des 
Tempels, der Herr des Sabbaths; aber Er unterwarf sich den 
Herausforderungen und Anfällen einer ungläubigen Welt (Mt 
9, 12). In dieser Weise verbarg Er immer wieder Seine Majestät hinter dem Schleier, oder hinter der Wolke und handelte 
demgemäß, wie bereits bemerkt, in jenen Umständen, wenn 
Sein Leben bedroht war. Ja, man kann sagen, daß Er Seine 
Majestät beständig unter den geringsten Formen verbarg. Oft 
wird Er durch die Gunst des gemeinen Volkes beschirmt (Mk 
n , 32; 12, 12; Lk 20, X9). Oft zieht Er Sich zurück, teils in 
gewöhnlicher, teils in wunderbarer Weise (Lk 4, 30; Joh 8, 59; 
M}, 39). Oft wird der Feind zurückgehalten, die Hand an Ihn 
zu legen, weil Seine Stunde noch nicht gekommen war (Joh 7, 
30; 8, 20). Und bei einer besondern, bereits erwähnten Gelegenheit, entzieht eine Flucht nach Ägypten Ihn der Rache eines 
Königs, der nach Seinem Leben trachtete. 
In diesem allen sehe ich von Anfang bis zu Ende die Tatsache, 
daß der Herr der Herrlichkeit sich gleich jemandem verbirgt, 
der nicht in seinem eigenen, sondern in dem Namen eines 
andern gekommen war. Und dennoch war Er der „Herr der 
Herrlichkeit" und der „Fürst des Lebens". Er war, wie bereits 
bemerkt, freiwillig ein Gefangener, und ebenso war Er auch 
schließlich ein freiwilliges Opfer. „Er gab Seine Seele zum 
Lösegeld für viele". 
In früheren Zeiten war die Bundeslade des Herrn in der Hand 
des Feindes; sie war durch die Philister in der Schlacht bei 
Ebeneser in Besitz genommen worden. Damals „gab er in die 
Gefangenschaft seine Kraft, und seine Herrlichkeit in die 
Hand des Bedrängers" (Ps 78, 61). Dennoch aber war sie unantastbar. Dem Scheine nach war sie ein schwaches, aus Gold 
und Holz verfertigtes Ding. Aber ihre Gegenwart beunruhigte 
die Unbeschnittenen — ihre Götzen, ihre Leute, ihr Land. Sie 
befand sich unbeschirmt und allein in der Mitte der Feinde, 
und zwar während der ersten Glut und dem Übermut des 
Sieges. Warum zertrümmerte man sie nicht? Hätte man sie 
gegen den Felsen gerannt, so wäre sie in Stücke zersprungen. 
Sie schien gänzlich der Willkür der Feinde preisgegeben zu sein. 
173 
Warum entledigten sich diese ihrer nicht? Einfach, weil sie es 
nicht vermochten. Das ist die Antwort. Die Bundeslade inmitten der Philister war gleich jenem brennenden, aber unverzehrbaren Dornbusch. Mochte sie dem Anscheine nach von 
dem Willen der Unbeschnittenen abhängig sein; aber in Wirklichkeit durfte sie nicht angerührt werden. Die Philister konnten sie von Asdod nach Gath und von Gath nach Ekron senden, 
aber keine Hand durfte sie anrühren oder verderben (Siehe 
1. Sam 4—6). 
Ebenso konnte die wahre Arche oder Bundeslade, der Sohn 
Gottes im Fleische, für kurze Zeit den Unbeschnittenen zum 
Spielballe dienen. Annas mochte Ihn zu Kajaphas, Pilatus zu 
Herodes senden. Die Menge mochte Ihn dem Pilatus vorführen, 
und Pilatus Ihn wieder der Menge überliefern; dennoch war 
Sein Leben außer ihrem Bereich. Er war der Sohn Gottes und, 
ob auch im Fleische geoffenbart, dennoch der Sohn von Ewigkeit her. Welche Leiden Er auch erduldet, welchen Grad von 
Müdigkeit, Hunger und Durst Er auch ertragen hat, so diente 
doch alles nur zur Darstellung der „Knechtsgestalt", die Er 
angenommen hatte. Aber Er war und blieb der Sohn, der das 
„Leben in sich selber hatte", die unantastbare Bundeslade, der 
Dornbusch, Der selbst inmitten der wütenden Flammen des 
ganzen Hasses der Welt unverzehrt blieb. Hierin besteht ohne 
Zweifel das Geheimnis. 
Doch während ich dieses niederschreibe, während ich diese 
Dinge mit inniger Herzensbegierde und, wie ich hoffe, mit 
einigem Nutzen erwäge, wünsche ich mit großem Verlangen das 
zu fühlen, was ein wahrer Israelit an jenem Tage gefühlt haben 
mag, als die Bundeslade Gottes wieder aus dem Lande der 
Philister nach Hause gebracht wurde. Sicher wird er mit Anbetung sich gefreut und wenn er auch in einiger Entfernung 
von dem Schauplatze lebte, mit Sorgfalt sich überzeugt haben, 
ob das große Ereignis denn wirklich stattgefunden habe. Als 
Israelit mußte es ihm, welchem Stamme er auch angehören 
mochte, von äußerster Wichtigkeit sein, daß die Bundeslade in 
Sicherheit war, daß die Unbeschnittenen sie nicht mehr im Besitz hatten und sie nicht mehr hierhin und dorthin in ihren 
Städten umhersenden konnten. Doch war er in dieser Hinsicht 
174 
befriedigt, dann hatte er zu wachen, daß er selbst die Bundeslade nicht unehrerbietig anrühre oder beschaue, und sich nicht 
gegen sie versündige gleich jenen Beth-Semitern, selbst nachdem die Lade von den Philistern zurückgekehrt war. 
Ich bin davon überzeugt, daß wir wohl daran tun werden, daß 
wir keinen Gedanken der oben bezeichneten Art über den 
sterblichen Zustand des Leibes unsers Herrn Raum geben. 
Solche Vernünfteleien stehen auf gleichem Boden mit der Behauptung, die der Bundeslade unter den Unbeschnittenen oder 
Philistern zu Teil wurde. Wir müssen den Irrtum solcher Gedanken ebensowohl als den darin kundgegebenen Mangel an 
Ehrfurcht anerkennen. Spekulationen des menschlichen Verstandes sind nicht nach dem Geiste oder der Weisheit Gottes. 
Der Leib des Herrn war ein Tempel, und es steht geschrieben: 
„Mein Heiligtum sollt ihr fürchten: Ich bin der Herr!" 
3 . 
„Ich werde mein Vertrauen auf Ihn setzen". 
Welch' ein feierlicher Moment mag es für die Umstehenden gewesen sein, als der Herr Jesus auf dem See Genezareth den 
Wind und die Wellen zum Schweigen brachte! Mit welchem 
Staunen werden sie dieses Wunder Seiner Allmacht angeschaut 
haben? Und so wird es auch jetzt noch sein, wenn wir anders 
Herzen besitzen, welche fähig sind, sich der Herrlichkeit Christi 
erfreuen zu können. Der Mensch mag über die Gesetze der 
Natur und über den gewöhnlichen Lauf der Dinge viele Worte 
machen; aber sicher ist es das erste Gesetz der Natur, daß sie 
ihrem Schöpfer Gehorsam leistet. Und hier in Mk 4 erfuhr das 
galiläische Meer in einem Nu die Gegenwart Dessen, Der nach 
Seinem Wohlgefallen den Lauf der Natur verändert, und Dessen mächtiger Stimme die Natur gehorcht. 
Das war Jesus-Jehova. Das war der Gott, Dem in früheren 
Tagen das Rote Meer und der Jordan gehorchten. „Was war 
dir, du Meer, daß du flohest? du Jordan, daß du dich zurückwandtest? ihr Berge, daß ihr hüpftet, wie die Widder ?ihr Hügel, 
wie junge Schafe? Erbebe vor dem Herrn, o Erde, vor dem Gott 
Jakobs" (Ps 114, 5—7)! Das ist die Antwort, mögen wir lauschen auf die Stimme des Roten Meeres in den Tagen Moses, 
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oder auf die Stimme des galiläischen Meeres in den Tagen des 
Evangeliums. Die Gegenwart Gottes offenbart uns das Geheimnis. „Er sprach's, und es war; er befahl, und es stand" 
(Ps 33,9)-' 
Als die Sonne und der Mond am Himmel stillstanden, hörte 
der Herr, wie wir lesen, auf die Stimme eines Menschen. Josua 
redete damals mit dem Herrn; und der Herr stritt für Israel. 
Sicher war dieses Ereignis ein großes Wunder. Der Heilige 
Geist, Der es aufgezeichnet hat, verleiht ihm diesen Charakter, 
indem Er sagt: „Ist dieses nicht geschrieben im Buche Jaschar? 
Und die Sonne blieb stehen mitten am Himmel und eilte nicht 
zum Untergänge beinahe einen vollen Tag. Und es war kein 
Tag vor ihm und nach ihm, daß Jehova hörte auf die Stimme 
eines Menschen; denn Jehova stritt für Israel" (Jos 10, 15—14). 
Jesus handelt indes unmittelbar und in eigener Kraft, und es 
wird nicht viel Aufhebens davon gemacht. Die Überraschung, 
die sich der Jünger bemächtigte, war die Frucht ihrer unvorbereiteten und ungläubigen Herzen, welche die Herrlichkeit des 
Gottes Israels nicht kannten. Aber durch die Unterweisung des 
Heiligen Geistes, Der von dem, was Christi ist, empfängt, um 
es uns zu verkündigen, sind wir in den Stand gesetzt, sowohl 
bei dem gespaltenen Roten Meere, dessen Wasser zurückwichen, als auch bei dem gestillten See Genezareth die Herrlichkeit besser verstehen zu können. 
Jedoch gibt es am Roten Meere betreffs Jesu noch mehr anzuschauen, als die Zerteilung der Wasser. Die Wolke, die den 
Kindern Israel erschien, sobald sie durch das Blut aus Ägypten 
erlöst waren, und die ihnen durch die Wüste das Geleit gab, 
wurde die Führerin des pilgernden Heeres. Doch zugleich war 
sie der Schleier oder der Vorhang der Majestät. In solcher 
Weise befand sich das herrliche Geheimnis in der Mitte Israels. 
Gewöhnlich war die Herrlichkeit verhüllt; zuweilen wurde sie 
geoffenbart; jedoch stets war sie anwesend. Die Wolke war die 
Führerin und Genossin Israels; und in der Wolke war ihr Gott. 
Er, der zwischen den Cherubim wohnte, zog vor Ephraim, 
Manasse und Benjamin her durch die Wüste (Ps 80). Die Herrlichkeit Gottes wir in der Wolke zugunsten Israels und auch 
befand sie sich an heiliger Stätte; und während sie auf diese 
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Weise in ihrer verhüllten und unscheinbaren Gestalt das Heer 
geleitete, empfing sie die göttliche Ehre des Heiligtums. 
Ebenso war es mit Jesu, Gott geoffenbart im Fleische. Gewöhnlich unter Knechtsgestalt verborgen, und nur zuweilen in göttlicher Macht und Gnade ins Licht tretend, war Er für den Glauben und die Anbetung der Heiligen allezeit Gott gleich. — 
Als sich die Israeliten dem Roten Meere näherten, bedurften sie 
der Beschirmung. Die Wolkensäule verlieh ihnen dieselbe in 
Gnade. Sie nahm ihren Platz zwischen den Ägyptern und dem 
fliehenden Heere ein; sie war Finsternis für die einen und Licht 
für die andern, so daß sie während der ganzen Nacht sich einander nicht nähern konnten; und am folgenden Morgen 
schaute der Herr aus der Wolkensäule auf das ägyptische Heer 
und erschreckte es. Auf ähnliche Weise handelte der Herr Jesus 
bei einer gewissen Gelegenheit. Er stellte sich zwischen Seine 
Jünger und ihre Verfolger, indem Er sagte: „Suchet ihr mich, 
so lasset diese gehen". Er beschirmte sie durch Seine Gegenwart. Und zugleich strahlte Seine Herrlichkeit durch die Wolke 
zum Erschrecken der Schar der Feinde. „Jesus sagte zu ihnen: 
Ich bins! Als Er nun zu ihnen sagte: Ich bin's! traten sie zurück 
und fielen zu Boden". — Der Gott Israels handelte am Roten 
Meere mit derselben Ruhe und Autorität, wie Jesus in dem 
Garten Gethsemane (2. Mo 14; Joh 18). Die Götter der Ägypter beugten sich vor Ihm am Roten Meere; die Götter der Römer verehrten Ihn in Gethsemane; und „wiederum, wenn er 
den Erstgeborenen in den Erdkreis einführt, sagt er: Und alle 
Engel Gottes sollen ihn anbeten". 
Doch wir gehen weiter. Im Laufe ihrer Geschichte mußten die 
Kinder Israel ebensowohl gestraft, als sichergestellt, und ebensowohl gezüchtigt, als erlöst werden. Wir sehen dieses, sobald 
wir das Rote Meer verlassen und die Wüste betreten; und dieselbe Herrlichkeit, die in der Wolkensäule verborgen ist, wird 
diese göttliche Arbeit für sie verrichten. Zur Zeit des Manna, 
zur Zeit der Kundschafter, in den Angelegenheiten Korahs, an 
den Wassern von Meriba und bei andern Gelegenheiten reizte 
Israel die Herrlichkeit des Herrn; und die Herrlichkeit wird als 
ein Zeugnis des Zornes Gottes in der Wolke geschaut (Siehe 
2. Mo 16; 4. Mo 14, 16. 20). Dasselbe finden wir in betreff 
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Jesu. Betrübt (gleich der Herrlichkeit in der Wolke) über die 
Herzenshärtigkeit oder den Unglauben Seiner Jünger, gibt Er 
ein Zeichen, ein Merkmal Seiner göttlichen Macht mit strafenden Worten. Man denke nur an den bereits oben erwähnten 
Vorfall auf dem See Genezareth. Dort sagt Er zu Seinen Jüngern: „Warum seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen?" wie 
Er noch soeben zu dem Winde und den Wellen gesagt hatte: 
„Schweig, verstumme!" Und so macht Er es jedesmal, wenn 
die Jünger unverständige und ungläubige Gedanken über Ihn 
verraten. So sagt Er z. B. einmal zu Philippus in dem Schmerze 
und dem Zorne der Wolke: „So lange bin ich bei euch, und 
du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen, der 
hat den Vater gesehen; und wie sagst du: Zeige uns den 
Vater?" -
Wir sehen hier dasselbe Geheimnis. Oder leuchtete der Herr 
nicht auch hier durch den Schleier zur Beschämung des Ungehorsams und des Unglaubens Israels? Hier zeigte sich dieselbe 
Herrlichkeit wie jene, die in der Wolke zur Zeit des Manna und 
bei andern Umständen gesehen wurde. Diese Offenbarungen 
göttlicher Macht stehen zueinander in genauer Übereinstimmung. Die Wolke war die gewöhnliche Erscheinung; die darin 
verborgene Herrlichkeit wurde dann und wann geoffenbart, 
jedoch stets war sie anwesend. Der Führer und Gefährte des 
Heeres war zugleich der Herr desselben. Und ist Jesus nicht 
dieses alles? Die Herrlichkeit war der Gott Israels (Siehe Hes 
43, 4; 44, 2); und Jesus von Nazareth war der Gott Israels 
oder die Herrlichkeit (siehe Jes 6, 1; Joh 12, 41). Der Nazaräer 
verbarg und offenbarte eine Herrlichkeit, die in ihrer wesentlichen Fülle ein „unvergängliches Licht" genannt wurde. 
Moses verweigerte die Annahme der Herrlichkeit; doch Jesus 
verbarg Seine Herrlichkeit. „Durch den Glauben weigerte sich 
Moses, als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharao's 
zu heißen". Sicher war dieses ein herrlicher Sieg über die Welt. 
Wir lassen uns gern ehren; wir brüsten uns gern mit dem, was 
wir sind; wir nehmen sogar gern mehr Ehre an, als wir berechtigt sind, wenn die Menschen sich darin täuschen lassen wollen. 
Doch Moses erniedrigte sich am ägyptischen Hofe, und das war 
ein glänzender Sieg des Glaubens über den Geist der Welt. 
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Aber Jesus tat mehr. Freilich hatte Er keine bei Hof im Dienste 
stehende Personen in Seiner Umgebung, denn in Palästen war 
Er ein Fremdling. Doch die Bewohner von Nazareth nahmen Ihn 
an als „den Sohn des Zimmermanns"; und Er wollte es so. Die 
Herrlichkeit der Herrlichkeiten, der Herr der Engel, der Schöpfer der Enden der Erde, der Gott des Himmels war unter dieser 
niedrigen Gestalt verborgen und ließ Sich dieses alles Wohlgefallen. 
In Hebr 2 öffnet uns der Heilige Geist die Quelle dieses großen 
Geheimnisses. Die Gnade Gottes wollte sich offenbaren zur 
Verherrlichung Dessen, „um deswillen alle Dinge, und durch 
den alle Dinge sind". Dort wird uns das unaussprechliche Geheimnis der Erlösung vermittelst der Erniedrigung des Sohnes 
Gottes vor Augen gestellt. Die göttliche Gnade sucht sich zu 
befriedigen; und die göttliche Herrlichkeit muß in ihrer ganzen 
Fülle zur Schau gestellt werden. Hieraus entspringt alles. Fleisch 
und Blut wurden durch Ihn angenommen, „der da heiligt". Er 
unterwarf sich dem Tode; Er ward, die Sünde ausgenommen, 
in allem versucht, gleich den „Brüdern"; Er war abhängig von 
Gott, voll Mitgefühl für die Heiligen; Sein Leben hier auf 
Erden war ein Leben des Glaubens mit Gebet und Tränen zu 
Dem, der mächtig war, Ihn vom Tode zu erlösen; Er ist jetzt 
im Himmel, um für uns zu beten; Er ist ebensowohl ein vollkommenes Opfer, wie ein barmherziger Hoherpriester; Er ist 
fähig, uns zu helfen und würdig, uns zu reinigen; Er ist, weil 
auferstanden aus den Toten und aufgefahren gen Himmel, unsere Erwartung für die Gegenwart, und unsere Hoffnung für 
die herrliche Zukunft. 
In Verbindung mit diesem allen nahm der Herr Seinen Platz 
hier auf Erden ein. Er war abhängig und gehorsam. Er glaubte 
und hoffte, war betrübt und leidend; Er ward verachtet, gekreuzigt, begraben; Er unterwarf Sich allem, was der ewige 
Ratschluß für Ihn notwendig gemacht hatte. Er machte sich 
Selbst zu nichts; doch alles, was Er tat, war Seiner würdig. 
Das Wort im Anfange: „Es werde Licht! und es ward Licht", 
war Seiner nicht würdiger, als Sein „Bitten und Flehen mit 
starkem Geschrei und Tränen in den Tagen seines Fleisches". 
Er konnte Sich unmöglich mit etwas vereinigen, das der Gottheit unwürdig war, obwohl Er Sich auf Kosten alles dessen, was 
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Er besaß, in den trostlosesten Umständen befand, worin unsere 
Schuld und Seine Gnade zur Wegnahme dieser Schuld Ihn 
gebracht hatte. 
Wir sehen dieselbe Person in der Krippe wie am Kreuze. Es war 
Gott geoffenbart im Fleische. Nur wenn wir der ausgedehntesten Idee dieser Herrlichkeit ihren Platz ungeschmälert lassen, 
dürfen wir von Seiner Erniedrigung sprechen, die wir vom 
ersten bis zum letzen Augenblick Seiner bewunderungswürdigen Laufbahn an entdecken. Er wurde in der Krippe angebetet. Die von Gott geleiteten Weisen des Morgenlandes huldigten Ihm. Simeon tat dasselbe im Tempel; und zu unserer 
Befremdung sehen wir, daß er die Mutter, nicht aber das Kind 
segnete. Er hatte letzteres in seinen Armen; und nichts wäre 
bei dieser Gelegenheit natürlicher gewesen, als dasselbe zu 
segnen; dennoch geschah es nicht. Warum nicht? Weil er, erleuchtet durch das Licht des Heiligen Geistes, das Bewußtsein 
hatte, daß er das Kind nicht als ein schwaches, hilfloses Geschöpf, Das der Sorge Gottes anbefohlen werden mußte, 
sondern als das Heil Gottes in seinen Armen trug. In diesem 
Charakter nahm er das Kind, in dem Augenblick der größtmöglich natürlichen Schwäche Desselben, in seine Arme und 
erfreute sich in Ihm. Mochte er, ohne irgendein Unrecht zu 
begehen, die Mutter dieses Kindes segnen, so stand es ihm 
doch nicht zu, Jesum zu segnen. „Ohne allen Widerspruch wird 
das Geheimnis von dem Bessern gesegnet" (Hebr 7, 7). 
Auch Hanna, die Prophetin, empfing Jesum in demselben 
Geiste. Und noch früher, ja noch vor Seiner Geburt wurde Ihm, 
als beim Gruße Marias das Kind im Leibe der Elisabeth vor 
Freude hüpfte, Anbetung dargebracht. Ebenso erkennt der 
Engel Gabriel Ihn, noch ehe Er empfangen war, als den Gott 
Israels, vor Dessen Angesicht der Sohn des Zacharias vorangehen mußte. Und Zacharias selbst erfüllt mit dem Heiligen 
Geiste, erkennt Ihn als den Herrn, Dessen Volk Israel war, und 
als den „Aufgang aus der Höhe" (Siehe Lk 1, 76. 78). 
Wir sehen daher in jedem Zustand und in jeder Handlung Jesu 
einen Gehorsam mit gänzlicher Selbstverleugnung und eine 
Unterwürfigkeit der seltensten Art. Und was war der Dienst 
nach der Beurteilung Dessen, vor Dem derselbe ausgeübt 
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wurde? Als der zu Bethlehem Geborene, der Beschnittene, der 
Getaufte und der Gesalbte, als der Dienende, der Leidende, 
der Gekreuzigte, und schließlich als der Auferstandene hat Er 
hier auf Erden vor den Augen Gottes gewandelt. In dem 
Schöße der Jungfrau, in der Stille von Nazareth, im dem Opfer 
Seiner Selbst am Kreuze, sowie in dem Glänze der Auferstehung — kurz in allen Umständen war Er, Dessen Name „Wunder" ist, unter der Sorge Gottes und war fortdauernd das 
Wohlgefallen Gottes, In allem vollkommen und fleckenlos erneuerte Er die Wonne Gottes an dem Menschen zu einem weit 
höhern Grade, als sie damals gewesen, wo der Mensch zuerst 
nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde. 
Die Majestät der Person Jesu verlieh Seinem ganzen Leben des 
völligsten Gehorsams eine Herrlichkeit, die dasselbe unbe 
schreiblich wertvoll machte. Diese Herrlichkeit bestand nicht 
nur darin, daß Sein Gehorsam und Sein Dienst freiwillig waren, 
sondern vornehmlich in der Majestät Seiner Person, die durch 
den Herrn der Heerscharen als „Sein Genosse" bezeichnet wird. 
Und wer ist imstande, die Größe dieser Majestät zu ermessen? 
Wir werden dieses in etwa aus eigener Erfahrung verstehen. Je 
höher der Rang dessen ist, der uns einen Dienst erweist, desto 
höher wird der Wert dieses Dienstes in unsern Gedanken steigen. Und mit allem Recht; denn ein solcher hat sich, um unser 
Diener zu sein, weit mehr verleugnen müssen, als ein anderer 
von geringem Stande. Unser Herz fühlt dann auch, daß nicht 
sein eigenes Interesse, sondern unser Vorteil durch ihn gesucht 
wird; und er bemüht ist, unsern Wünschen und Bedürfnissen 
zu dienen. Wir können nimmer den Wert der Person von 
ihrem Dienst trennen. Und so verhält es sich auch mit dem Geheimnis, welches uns jetzt beschäftigt. Der Gehorsam Jesu war 
vollkommen und aller Annahme wert. Doch über dem Charakter 
Seiner Handlungen steht die Würdigkeit der Person, Die 
diese Handlungen vollbrachte und welche dieselben in tausendfältiger Weise verherrlichte. 
Ebenso war es in bezug auf Seinen Tod. Es war Seine Person 
Selbst, die Seinem Opfer oder Seinem Tode alle Kraft verlieh; 
und es war Seine Person, welche allem, was Er in Seinem Leben 
des selbstverleugnenden Gehorsams verrichtete, eine ganz besondere Herrlichkeit beifügte Das Sinnbild des zerrissenen 
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Vorhangs zeigt dem Glauben das vollkommene Wohlgefallen 
Gottes an jeder Handlung des Lebens Jesu. Möchte Gott, indem 
wir den Pfad Jesu von der Krippe bis zum Kreuze verfolgen, 
uns Augen geben, um zu sehen, und Ohren, um zu hören! Das 
Auge Gottes ruhte während Seines ganzen Erdenlebens voller 
Gehorsam, mit unbeschreiblicher Wonne auf allem, was Er tat, 
und auf allem, was Er war. 
Die „Knechtsgestalt" war in Jesu ebensosehr eine Wirklichkeit 
wie die „Gestalt Gottes". Erstere war nur eine angenommene, 
die andere hingegen eine Ihm von Ewigkeit her ganz angehörende. Dieses vorausgesetzt waren Seine Handlungen diejenigen eines Dieners, Seine Herrlichkeiten und Vorrechte diejenigen Gottes. Er betete. Er verharrte die ganze Nacht im Gebet. Er lebte durch den Glauben als das vollkommenste Vorbild 
für den Gläubigen, sowie Er genannt wird: „Der Anfänger und 
Vollender des Glaubens". In den Leiden nahm Er zu Gott Seine 
Zuflucht. In Gegenwart Seiner Feinde übergab Er Sich Dem, 
Der recht richtet. Er tat nie Seinen eigenen Willen, wie vollkommen dieser Wille auch war, sondern den Willen Dessen, 
Der Ihn gesandt hatte. In diesen und allen ähnlichen Wegen 
zeigt sich die „Knechtsgestalt" in Jesu in ihrer ganzen Fülle. Es 
war eine erhabene und lebendige Wirklichkeit. Von Anfang bis 
zu Ende war das Leben dieses Dieners ein Leben des Glaubens. 
In dem Briefe an die Hebräer wird Jesus uns als der „Apostel 
und Hohepriester des Glaubens" vor Augen gestellt (Kap 3, 1; 
12, 2. 3). Als Hoherpriester steht Er vor uns, um unsere beunruhigten Gewissen zu erleichtern, und um uns in unsern verschiedenen Versuchungen zu Hilfe zu kommen; als Anfänger 
und Vollender des Glaubens ermutigt Er unsere Herzen zu 
dem Leben des Glaubens in Seiner Nachfolge. Im ersten Falle 
steht Er allein; im zweiten ist Er mit einer großen Wolke von 
Zeugen in Verbindung. Im ersten Falle handelt Er für uns; im 
zweiten steht Er als Vorbild vor unsern Augen. Doch selbst in 
dieser Beziehung besteht zwischen Ihm und andern Gläubigen 
ein großer Unterschied; denn der Heilige Geist fordert uns auf, 
„auf Jesum zu sehen", und nicht auf die Wolke von Zeugen, 
von denen wir rings umgeben sind. 
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Ferner hat das „Erdulden des Widerspruchs der Sünder gegen 
sich" (Kap 12, 3) das Leben Jesu zu einem Leben der Prüfung 
und des Glaubens gemacht. Diese Worte sind bemerkenswert. 
Eine große Zahl von Heiligen, die, gleich Ihm, zu dem guten 
Kampfe des Glaubens berufen waren, hatten Spott und Hohn, 
Geißelungen und des Schwertes Schärfe erduldet; sie waren in 
den Höhlen der Erde umhergeirrt und in Unterdrückung, in 
Banden und Gefängnissen gewesen; doch von ihrem Kampfe 
inmitten dieser Dinge, von dem „Erdulden des Widerspruchs 
der Sünder gegen sich" wird nichts gesagt. Diese Worte besitzen eine Kraft und Erhabenheit, die allein auf das Glaubensleben Jesu eine Anwendung finden, wovon der Heilige Geist in 
Ps 16 eine Beschreibung liefert. Dort wird uns der Sohn Gottes 
als Der vorgestellt, für Den „der Glaube eine Verwirklichung 
dessen ist, was man hoffte, eine Überzeugung dessen, was man 
nicht sieht" (Kap 11, 1). Er genießt das priesterliche Teil und 
Los. Er stellt den Herrn beständig vor Sich. Er weiß, daß Er 
nicht wanken wird, weil der Herr zu Seiner Rechten ist. Er 
richtet Seinen Blick auf die Lieblichkeiten, die zur Rechten 
Gottes sind, und auf die Fülle der Freude, die vor dem Angesicht Gottes ist. 
Der Ps 116 beschreibt das Ende Seines Glaubenslebens in der 
Auferstehung unter „Lob und Anbetung", und der Apostel 
Paulus kann in „demselben Geiste des Glaubens" von dem 
Anteil reden, den er mit seinem Anführer und Herrn an der 
Auferstehungsfreude hatte (2. Kor 4, 13. 14). 
„Ich werde mein Vertrauen auf ihn setzen". Das ist die Sprache 
Jesu während Seines ganzen Lebens. Aber Sein Glaube war 
Gold, reines Gold; durch das Feuer erprobt, kam derselbe ebenso rein aus dem Schmelztiegel wieder hervor, wie er hineingegangen war, und nirgends zeigten sich Schlacken. Es ist nötig, 
daß die Gläubigen durch die Feuerprobe geläutert werden. Ihre 
Ungeduld, ihre Eigenliebe, ihr Murren etc., alles muß vernichtet und zum Schweigen gebracht werden (siehe Ps 72 und JJ). 
Hiob unterlag der Prüfung, wiewohl er selbst oft die schwachen 
Arme gestärkt und die Strauchelnden durch Seine Worte aufgerichtet hatte. Der Stärkste fällt oft zuerst. Petrus schläft in 
Gethsemane; er spricht Lügen und Flüche aus in der Nähe des 
Gerichtshofes. Doch ein Mensch hat hier auf Erden gelebt, bei 
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welchem der siebenfältig erhitzte Ofen nur um so mehr Seine 
unaussprechliche Würdigkeit ins Licht stellte. 
Man lese Lk 23 und man betrachte dort Jesum in dem Feuer 
der Glaubensprüfung. Zuerst sehen wir Ihn gegenüber den 
Leiden, die Seiner harrten; danach ist er mit Seinen Jüngern, 
dann mit Seinem Vater, und endlich mit Seinen Feinden beschäftigt. Wie unbeschreiblich vollkommen war dieser Glaube, 
als er durch das Feuer erprobt wurde, in stets unverfälschter 
Reinheit! Das ganze Leben Jesu war das Leben und der Gehorsam des Glaubens. Von der einen Seite betrachtet, war es 
sicher das Leben des Sohnes Gottes, Der in „Knechtsgestalt" 
Sich Selbst bis zum Tode erniedrigte, wiewohl Er in der Gestalt 
Gottes war und „es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu 
sein"; doch andrerseits hat Jesus wahrlich das Leben des Glaubens gekannt, wenn er sagt: „Ich werde mein Vertrauen auf 
ihn setzen". „Ich habe Jehova stets vor mich gestellt, weil er 
zu meiner Rechten ist, werde ich nicht wanken". Das waren 
Seine Gedanken; und wir beten Ihn an in diesem Glauhensleben. Ja, voll Bewunderung heben wir unsere Blicke zu Ihm 
empor und preisen Seine unaussprechliche Liebe. Und dieses 
kostbare Glaubensleben fand in der Sorge und Bewahrung 
Gottes seine Antwort. „Wer im Schirm des Höchsten sitzt, wird 
bleiben im Schatten des Allmächtigen" (Ps 91). Der Glaube des 
Knechtes auf Erden war ebenso vollkommen, wie die Antwort 
Dessen, Der im Himmel wohnt. 
Von dem Schöße seiner Mutter an bis in Sein Grab war die 
Sorge, die über Jesum wachte, ununterbrochen. Sein Geist hat 
dieses bereits durch den Mund Seiner Propheten verkündigt. 
„Du ließest mich vertrauen an meiner Mutter Brüsten. Auf 
dich bin ich geworfen von Mutterschoße an; von meiner 
Mutter Leibe an bist du mein Gott" (Ps 22, 9. 10). — Es war 
eine unermüdliche Sorge. „Du erhältst mein Los". „Mein Fleisch 
wird in Sicherheit ruhen. Denn meine Seele wirst du dem 
Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die 
Verwesung sehe" (Ps 16). Die Hilfe, die Sorge, die Wachsamkeit des Vaters über den Sohn — alles war für Ihn. Gott wachte 
über Ihn in jener Nacht, als Joseph durch den Engel gewarnt 
und aufgefordert wurde, nach Ägypten zu entfliehen. Es war 
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des Vaters unaussprechliche Freude, in dieser Stunde über den 
geliebten Sohn Wache zu halten. Der Wächter Israels konnte 
auch damals nicht schlummern. 
Doch weit entfernt, den göttlichen Rechten Jesu Abbruch zu 
tun, erhalten diese Umstände vielmehr gerade dadurch ihre 
Bedeutung. Die Herrlichkeit des Verhältnisses zwischen Vater 
und Sohn, sowie die damit verbundene Freude und Wonne sind 
verloren, wenn die Herrlichkeit der Person Jesu nicht im Auge 
behalten und verehrt wird. Zur Zeit der Flucht nach Ägypten 
in den Armen Seiner Mutter war Er ebensowohl „Gott geoffenbart im Fleische", als während des Augenblicks im Garten 
Gethsemane, wo die Feinde angesichts Seiner Macht und Hoheit zu Boden stürzten. Er war als Kind zu Bethlehem ebensowohl Immanuel, wie Er es jetzt ist zur Rechten der Majestät 
in der Höhe*). Der ganze Weg von dem Schöße Seiner Mutter 
bis zum Kreuze war ein Weg der Selbsterniedrigung. Wenn 
man hieran zweifelt, dann vergißt man, wer Er war. Betrachten wir aber dieses herrliche Geheimnis aus einem andern 
Gesichtspunkte, dann sehen wir seine Abhängigkeit vom Vater, 
sowie die zärtliche und vollkommene Sorge, welche der Vater 
unaufhörlich zur Schau trägt. 
In den vier Evangelien wird uns die Person des Herrn auf verschiedene Weise und in einem verschiedenen Charakter dargestellt. Er war der Gegenstand der fortdauernden Sorge des 
Vaters und zugleich der Genosse Jehovas. Und es wird uns 
erlaubt, unsern Blick auf den Pfad zu richten, auf welchem Er 
durch göttliche Sorge und Wachsamkeit Beschirmung fand, 
und voll Bewunderung das helle Licht und die vortreffliche 
Herrlichkeit anzuschauen, wo Seine Rechte und Ehren als Sohn 
Gottes vor unserem Auge enthüllt werden. 
Jesus konnte sagen: „Brechet diesen Tempel ab, und in drei 
Tagen werde ich ihn wieder aufbauen"; und zugleich konnte 
der Heilige Geist erklären, daß „der Gott des Friedens den 
großen Hirten der Schafe aus den Toten wiederbrachte". 
Die Feinde, die Sein Leben suchten, stürzten zu Boden, als sie 
*) Ich will hierdurch nicht behaupten, daß bei Gelegenheit der Flucht nach 
Ägypten das „Kindlein" selbst irgendeinen Willen betätigte. Eine solche Behauptung würde über die Schrift hinausgehen. Aber diese Handlung, wie alles von 
Bethlehem bis nach Golgatha hin. trägt den Charakter eines Sich Selbst verleugnenden Gehorsams. 
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Seine Stimme hörten; und nichtsdestoweniger erkannte Sein 
völliger Glaube so vollkommen die Sorge und Obhut Gottes 
an, daß Er sagte: „Meinest du, daß ich nicht jetzt meinen 
Vater bitten könne, und er mir mehr als zwölf Legionen Engeln 
stellen werde?" Durch eine Berührung des Ohres heilte Er den 
Diener des Hohenpriesters, während Er etliche Augenblicke 
später zuließ, daß Sein eigenes Haupt unter der Dornenkrone 
blutete. In der Vollkommenheit Seines Zustandes als Der, Welcher Sich Selbst erniedrigt hatte, konnte Er das Mitgefühl der 
Seinigen fordern und sagen: „Könnt ihr nicht eine Stunde mit 
mir wachen?" — und etliche Stunden später, und zwar in gewissem Sinne in einem Augenblick von größerem Schmerze, konnte 
Er das Mitleiden der Töchter Jerusalems von sich weisen und 
den Glauben eines sterbenden Missetäters dadurch krönen, daß 
Er ihm das Paradies verhieß. Dann selbst in der Stunde der 
tiefsten Erniedrigung strahlt uns Seine Herrlichkeit entgegen; 
und Er läßt die Sünder verstehen, daß Sein Kreuz nicht das 
Mitleiden der Menschen, sondern ihren Glauben erfordert, und 
daß Er kein bloßes Gefühl aufzuwecken wünscht, sondern sie 
durch den Glauben an das Kreuz mit dem vollen Frieden des 
Gewissens segnen will. Er will nicht, daß man Sein Kreuz 
beklage, sondern daß man sich darauf stütze und wisse, daß 
dasselbe, wiewohl in Schwachheit vollbracht, dennoch ein Strebepfeiler ist, worauf die Schöpfung Gottes in Ewigkeit ruht. 
In verschiedenen und dennoch harmonischen Zügen finden wir 
das Leben Gottes im Fleische. Weil Seine göttliche Natur wahr 
ist, ist deshalb Seine menschliche Natur weniger wahr? Die 
Tränen Jesu über Jerusalem waren so wirklich, als ob nichts 
anders in Seinem Herzen sei, als der Schmerz über ein widerstrebendes, ungläubiges Volk, das seinen Messias und Heiland 
verwarf. Und dennoch war in demselben Augenblicke Seine 
Freude an dem Vorsatz der göttlichen Weisheit und Gnade 
ebenso ungeteilt. Das „Wehe dir, Chorazin"! war ebensosehr 
der Ausdruck der lebendigen und wahrhaftigen Liebe in der 
Seele Jesu, wie Seine kurz nachher gesprochenen Worte: „Ich 
danke dir, Vater!" So wurden durch die „Knechtsgestalt" in all 
ihren Vollkommenheiten sowie durch die „Gestalt Gottes" in 
der ganzen ihr eigentümlichen Herrlichkeit, in einer und derselben Person so wahrhaftige und lebendige Geheimnisse geoffenbart. 
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Sollten wir nicht oft bei der herrlichen Person Jesu verweilen 
und die verschiedenen Handlungen Seines Lebens oder das Geheimnis Seiner Liebe und Wahrheit betrachten? „Die Furcht 
des Herrn ist rein"; aber es gibt auch eine unreine Furcht, die 
einen Geist des Unglaubens und der Gesetzlichkeit in sich birgt 
und uns hindert, in solche Wunder einzudringen. Wahrlich, das 
Geheimnis ist „groß". Doch dasselbe konnte man auch von 
jenem wunderbaren Schauspiel sagen, zu welchem Moses sich 
mit unbeschuhten Füßen nahte, um es zu betrachten. Hätte 
er dieses nicht getan, dann wäre er ungesegnet geblieben. Aber 
nein, er lauschte bis er entdeckte, daß der große „Ich bin, der 
ich bin", der Gott Abrahams, in dem Dornbusch war. Wie seltsam die Weise auch war, in welcher eine Majestät Sich verbarg, 
so war dennoch der Herr, Gott, der Allmächtige in dem brennenden Dornbusche. 
Und wenn wir auf Golgatha den „geschlagenen Hirten" anschauen, wer anders könnte es sein, als „der Mann, der der 
Genosse des Jehovas der Heerscharen" ist (Sach 13)? Und jener 
verspottete, angespieene, mißhandelte Mensch inmitten des den 
Gerichtshof des Pilatus umringenden Volkes — wer anders 
könnte es sein als Er, Der in den vorigen Tagen das Rote Meer 
trocken machte und Ägypten mit Finsternis schlug. 
Der Heilige Geist liefert in dem Briefe an die Hebräer außer 
vielem andern den Beweis, daß die Kraft des Priestertums Christi ganz und gar von der Majestät Seiner Person abhängt. Man 
lese die sieben ersten Kapitel. 
In unserm Hohenpriester müssen wir einem Menschen begegnen, einem, Der fähig ist, den Brüdern Hilfe zu bringen, 
weil Er, gleichwie wir, in allem versucht worden ist. Wir müssen unsern Hohenpriester aus den Schmerzen und Leiden dieser 
Erde in den Himmel eingehen sehen. Aber ebenso notwendig 
ist es, daß wir in unserm Hohenpriester den Sohn finden, weil 
kein anderer, welcher an Fleisch und Blut teil hat, die „Kraft 
des unvergänglichen Lebens" besaß. In Übereinstimmung hiermit repräsentiert Melchisedek sowohl die Person, als auch die 
Tugenden, die Hoheit, die Rechte und das Ansehen des wahren 
Priesters Gottes (siehe Hebr 7, 1—3); indem wir lesen: „Ohne 
Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, weder Anfang 
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der Tage, noch Ende des Lebens habend; aber dem Sohne 
Gottes verglichen, bleibt (er) Priester auf immerdar". Welche Einsicht verleiht uns dieses bezüglich des „großen Hohenpriesters 
Linsers Bekenntnisses". Er kam aus dem Himmel hernieder in 
der vollen persönlichen Herrlichkeit des Sohnes; und Er kehrte 
in den Himmel zurück, mit sich führend die Kraft Seines 
Opfers für die Sünde, sowie jenes unendliche Mitleiden, wodurch Er den Heiligen auf Erden zu Hilfe kommt. 
Der Glaube nimmt Kenntnis von Jesu in allen Seinen Wegen. 
Er erkannte in Ihm den Sohn, während Er im Fleische unter uns 
wohnte und als Sein Leben der Erniedrigung und der Leiden 
hienieden ein Ende genommen, erblickte der Glaube den einmal verworfenen und gekreuzigten Menschen verherrlicht im 
Himmel. Er ist eine und dieselbe Person: Gott geoffenbart im 
Fleische hier auf der Erde, und der Mensch in der Herrlichkeil 
droben. Das Wort sagt von Ihm und Seiner bewunderungswürdigen Laufbahn: „Gott ist geoffenbart worden im Fleische, 
gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt 
unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in 
Herrlichkeit". 
In der Gestalt Gottes war Er wahrlich Gott; in der Knechtsgestalt war Er wirklich ein Knecht. Er hat es nicht für einen 
Raub gehalten, „Gott gleich zu sein", sondern übte alle göttlichen Rechte aus und bediente sich aller göttlichen Schätze und 
Hilfsquellen mit völligster Autorität; und ebenso hat Er „sich 
selbst erniedrigt" und ist gehorsam geworden. Dies ist das 
Geheimnis. Alles, was wir in der Geschichte Jesu finden, wird 
durch dieses Geheimnis erklärt. So verhielt es sich mit der Herrlichkeit in der Wolke. Der Gefährte der Pilger, Der alle ihre 
Verlegenheiten teilte, war zu gleicher Zeit der Herr des Heeres. 
Die Herrlichkeit, welche während der Streifzüge Israels die 
Wüste durchzog, war zugleich die Herrlichkeit, welche zwischen 
den Cherubim im Allerheiligsten wohnte. 
Verweilen wir indes noch einen Augenblick bei Phil 2, 5—11, 
wo wir die Worte lesen: „Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben". Hier wird aufs Neue unsere Bewunderung wachgerufen. Denn was konnte Jesum noch mehr erhöhen? Bevor Er 
eintrat in Sein Leben des Leidens und der Herrlichkeit, war Er 
188 
schon in sich selbst unendlich groß und erhaben. Nichts war imstande, Ihn persönlich zu erhöhen, weil Er der „Sohn" war 
und die unendliche und unermeßliche Herrlichkeit Gottes bereits besaß. Keine andere Ehre hätte je Seine persönliche Herrlichkeit vergrößern können. Und dennoch sehen wir Ihn einen 
Pfad betreten, der Ihn zu einer noch höheren und — in gewissem Sinne — noch kostbareren Majestät und Herrlichkeit 
führt. Welch ein wunderbares Geheimnis! 
Da die Schrift uns erlaubt, göttliche Dinge durch Gleichnisse 
zu erklären, so wollen wir uns diese Gedanken auf diesem 
Wege zu verdeutlichen suchen. Ein Königssohn zieht aus, um 
durch eigenes Verdienst den Rang und die Würde zu erlangen, 
die ihm bereits zufolge seiner Geburt zukommt. Diese erworbene Größe wird, wiewohl sie ihn persönlich nicht zu erhöhen 
vermag, dennoch einen großen Wert für ihn haben und zugleich der Achtung und Anerkennung seines Volkes den schönsten Stoff bieten. Dieser Vergleich mag einiges Licht werfen 
auf das bewunderungswürdige Geheimnis des Sohnes Gottes. 
Nach ewigem Ratschlüsse hat Er Sich zum Streit gegürtet; und 
die Ehre, die Er Sich erworben, sowie die Siege, die Er erlangt 
hat und noch erlangen wird, werden für ewig Seine Wonne 
ausmachen. Er wird in dem Lichte und in dem Charakter dieser 
Tatsachen erkannt und für immer gerühmt werden, wiewohl 
Er, was Sein Wesen betrifft, ein für den Menschen unzugängliches Licht bewohnt. 
In 2. Mo 3 teilt Er, redend aus dem Dornbusche, Seinem Knechte Moses den Namen mit, den Er allein besitzt: „Ich bin, der 
ich bin". Doch zugleich läßt Er den Namen erkennen, den Er 
Sich erworben hat, indem Er Sich als „den Gott Abrahams, den 
Gott Isaaks und den Gott Jakobs" bezeichnet; und diesem 
zweiten, dem erworbenen Namen fügt Er die Worte hinzu: 
„Das ist mein Name ewiglich, und das ist mein Gedächtnis von 
Geschlecht zu Geschlecht". Diese Worte verkündigen uns den 
Wert, den Er auf die Herrlichkeit setzt, welche Sein — zugunsten armer Sünder — vollbrachtes Werk Ihm erworben hatte. 
Ebenso war es auch bezüglich der Stiftshütte oder des Tempels; 
nicht der Name, der Seinem Wesen eigentümlich ist, sondern 
derjenige, welchen Er Sich erworben hatte, war dort zu lesen 
189 
und aufgezeichnet. Die Geheimnisse des Heiligtums reden nicht 
von der Allmacht, der Allwissenheit, der Ewigkeit oder von 
übrigen Herrlichkeiten Seines Wesens, sondern von Einem, bei 
welchem „Barmherzigkeit sich wider das Gericht gerühmt", 
und der einen Weg gefunden hat, auf welchem Er Seine Verbannten zu Sich heimbringt. — Wahrlich, das sind Zeugnisse 
von dem Werte, welchen Jesus auf den Namen setzt, den Er 
dadurch erwarb, daß Er Sich uns weihte. Doch „Gott ist Liebe"; 
dieses ist die Ursache von allem; und dieses ist die Erklärung 
des Geheimnisses. Wie vortrefflich und bewunderungswürdig 
die Offenbarungen auch sein mögen, so lassen sie doch nur 
die verborgenen Quellen erkennen, die in Ihm Selbst geöffnet 
sind. 
Es geziemt uns ebensosehr, daß wir Jesum als „geboren unter 
Gesetz" kennen, wie wir Ihn kennen in Seiner persönlichen 
Herrlichkeit, als weit über jedes Gesetz erhaben. Sein ganzes 
Leben war das eines gehorsamen Knechtes. Wiewohl Er Gott 
über alles, der Jehova Israels und der Schöpfer der Enden der 
Erde war, so war Er doch zugleich der Mensch Christus Jesus. 
Er war Jesus von Nazareth, Der gesalbt mit dem Heiligen 
Geiste, Gutes tuend, sowie Kranke und Besessene heilend, das 
Land durchzog; denn Gott war mit Ihm. In dem Lichte dieser 
Wahrheiten schauen wir Ihn, und in diesem verschiedenen 
Lichte lesen wir Seine Geschichte. Er teilte den Heiligen Geist 
mit; und war dennoch Selbst mit dem Heiligen Geiste gesalbt. 
Der Sohn kam, um Teil an Fleisch und Blut zu haben. Also 
hatte es der Weg und die Gnade des ewigen Ratschlusses Gottes gewollt — und also hatten es unsere Bedürfnisse notwendig 
gemacht. „Er ist in Seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden", 
ward erprobt in einem Leben gänzlicher Abhängigkeit von 
Gott, und vollbrachte ein Sterben, welches, nebst andern großen Zwecken, in vollkommener Unterwerfung unter Gott ins 
Werk gestellt wurde. Das war der Zustand, den Er zufolge des 
ewigen Bundes auf sich nahm. Und in diesem Zustande war Er 
vollkommen im Wirken, im Leiden, im Dienen, vollkommen in 
den Schmerzen, den Seufzern, den Tränen, der Arbeit und der 
Mühe des Sohnes des Menschen auf Erden. Und noch mehr. 
Selbst jetzt, während Er im Himmel ist, hat Er Sich in einem 
gewissen Sinne nicht ganz von diesem Zustande getrennt. Er 
190 
erwartet dort eine Verheißung des Vaters; und nachdem Er 
diese Verheißung empfangen, lebt Er darin bis auf diesen Tag. 
„Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum 
Schemel deiner Füße". Dieses ward zu Jesu bei Seiner Himmelfahrt gesagt; und im Glauben an dieses Wort und in der 
Hoffnung desselben nahm Er Seinen Platz im Himmel ein und 
„hat sich für immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan 
wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner 
Füße". Hier ist die Hoffnung als Antwort auf die Verheißung; 
Lind diese wurde im Herzen Jesu sowohl dann gefunden, als Er 
hier auf Erden der glaubende, hoffende und gehorsame Sohn 
war, als auch dann, wo Er gen Himmel fuhr und Sich zur Rechten Gottes niedersetzte. Und wenn wir den Kreis noch weiter 
bis zu Seiner künftigen Herrlichkeit ausdehnen, so sehen wir 
Ihn auch dann noch unterwürfig. „Jede Zunge soll bekennen, daß 
Jesus Christus der Herr ist", doch es wird „zur Herrlichkeit des 
Vaters" sein. Wenn das Reich übergeben werden wird, so lesen 
»vir: „Dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, 
der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles in allem sei". 
Und auch in dieser Stellung des Unterworfenseins wird es in 
den zukünftigen Kreisen der Herrlichkeit Seine Wonne sein, 
den Heiligen zu dienen, sowie wir lesen: „Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen, und wird hinzutreten 
und sie bedienen". Und wiederum: „Der auf dem Throne sitzt, 
wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr hungern, auch 
nicht mehr dürsten, noch wird die Sonne auf sie fallen, noch 
irgendeine Glut; denn das Lamm in der Mitte des Thrones 
wird sie weiden, und wird sie leiten zu Brunnen der Wasser des 
Lebens, und Gott wird abwischen jede Träne von ihren Augen" (Lk 12, 37; Offb 7, 16. 17). 
4. 
„Aufgenommen in Herrlichkeit" (1. Tim 3, 16). 
Die Schrift sagt uns, daß die Engel in die Dinge des Christus 
hineinzuschauen begehren (1. Petr 1, 12). Am Tage der Offenbarung und Erfüllung dieser Dinge ist ihr Verlangen befriedigt 
worden; denn in der uns durch die Evangelisten mitgeteilten 
Geschichte sehen wir die Engel als Augenzeugen dessen, was 
191 
sie zu sehen gewünscht hatten. Sie haben das Vorrecht, teilzunehmen und Genuß zu finden an dem Leben Christi auf Erden 
— an „dem Geheimnis der Gottseligkeit", und zwar in der 
Weise, wie sie im Alten Testament an dem Heiligtum Gottes 
ihre Freude fanden. Im Heiligtum war alles vorhanden, was 
zum Nutzen und Segen der Sünder nötig war. Die Altäre, das 
Waschbecken, der Versöhnungsdeckel — kurz alles hatte um 
ihretwillen seine Stätte gefunden. Doch ob auch das Werk und 
die Gnade des Hauses Gottes nur für Sünder vorhanden war, 
so betrachteten die Cherubim doch alles mit großer Bewunderung. Sie befanden sich im Hause, um die Geheimnisse anzuschauen. In eben demselben Zustande finden wir sie an jenem 
Tage, als die himmlischen Dinge selbst: „Gott geoffenbart im 
Fleische", gesehen wurden. Auch damals diente alles zum Dienste und zum Heile für uns, die Sünder, auf daß Der so geoffenbarte Gott „gepredigt unter den Nationen und geglaubt in der 
Welt" werden möchte. Doch geschah sicher alles auch deshalb, 
damit Er „von den Engeln gesehen werden würde". 
Sie nahmen daher im Heiligtum sowie in dem großen Geheimnis selber einen und denselben Platz ein. Sie schauten an — sie 
waren Augenzeugen. Ihr Anschauen des Geheimnisses trug 
denselben Charakter eines großen Interesses, wie die Darstellung der Cherubim im Allerheiligsten. Und die Cherubim breiteten die Flügel aus nach oben, den Deckel mit ihren Flügeln 
überdeckend, und ihre Angesichter waren einander gegenüber, 
die Angesichter der Cherubim waren gegen den Deckel gerichtet" (2. Mo 57, 9). In derselben Weise werden sie in der Geschichte des Christus, der wahren Bundeslade, gesehen. 
Der Engel des Herrn kommt mit dem Auftrage aus dem Himmel, 
den Hirten zu Bethlehem die Geburt Jesu anzukündigen. Doch 
kaum hatte er seinen Dienst erfüllt, so „war bei dem Engel 
eine Menge der himmlischen Heerscharen, die Gott lobten und 
sagten: Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf der Erde, 
an den Menschen ein Wohlgefallen". Und als später ein anderes großes Ereignis stattfand und „Gott geoffenbart im Fleische" aus den Toten auferweckt wurde, um bald in Herrlichkeit 
aufgenommen zu werden, waren auch die Engel wiederum mit 
derselben gespannten und teilnehmenden Freude anwesend. 
192 
Als Maria Magdalene sich niederbeugte, um in die Gruft zu 
sehen, „sah sie zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu 
dem Haupte und einen zu den Füßen, wo der Leib Jesu gelegen 
hatte". Und ebenso erblicken wir sie in dem feierlichen Moment der Himmelfahrt, um den Männern von Galiläa Kunde 
zu geben über die ferneren Wege Dessen, Der eben jetzt gen 
Himmel aufgefahren war. 
Dieses alles ist eine Erklärung des Gebücktseins über den Versöhnungsdeckel, und zugleich ein neues Anschauen der Cherubim. Der Lobgesang der himmlischen Heerscharen auf Bethlehems Fluren bildete keinen Teil ihres zugunsten der Menschen 
aufgetragenen Dienstes, sondern war eine Handlung der Gottesverehrung. Sie gaben keine Oberweisung den Hirten, ja, 
sie sprachen eigentlich nicht zu ihnen, sondern sie gaben bei 
dem Gedanken an Ihn, der damals geboren, der Entzückung, 
wovon sie erfüllt waren, lebhaften Ausdruck. Dieselbe Haltung 
beobachteten sie in der Gruft. Als Maria kommt, haben sie 
für sie allerdings ein Wort des Mitgefühls; jedoch waren sie 
bereits vor deren Ankunft in der Gruft und wären also dort 
gewesen, auch wenn das weinende Weib nicht gekommen wäre. 
Sowie die Cherubim zu beiden Seiten der Bundeslade über dem 
Versöhnungsdeckel standen, so saßen die Engel an der Stätte, 
wo der Leib Jesu gelegen hatte, einer zu dem Haupte und einer 
zu den Füßen. 
Welch eine Weise, um Jesum anzuschauen! Ja, „Gott geoffenbart im Fleische — gesehen von den Engeln". O möchten auch 
wir die Gnade empfangen, um Ihn also zu verehren und also 
anzuschauen! Wir haben sicher große Ursache, über die Kälte 
unserer Herzen zu trauern, die hierin so weit zurückbleiben. 
Viele unter uns werden erkennen, daß sie durch diese Dinge 
mehr angezogen werden müssen. Wie selten wärmen sich 
unsere Herzen an der Glut dieser Geheimnisse, welche Bethlehem, Gethsemane und der ölberg den entzückten Engeln offenbarten ! Doch welche Nachteile birgt dieses in sich, und wie sehr 
ermangeln wir der Gemeinschaft mit Jesu! Darum ist es mein 
Verlangen, die Aufmerksamkeit zu richten auf die herrliche Erscheinung: „Gott geoffenbart im Fleische" und Ihm von der 
Krippe bis zum Kreuze, vom Kreuze durch das Grab bis zur 
193 
Auferstehung und von dort bis in den Himmel und bis in alle 
Ewigkeit durch den Glauben zu folgen. 
Das Evangelium des Matthäus gibt nur im allgemeinen Zeugnis 
von der Auferstehung. Der Engel bekundet dieses feierliche Ereignis; die nach der Stadt zurückkehrenden Weiber umfassen 
die Füße des auferstandenen Heilandes und huldigen Ihm; und 
die Jünger begegnen Ihm am Berge in Galiläa. 
Markus teilt mit, wie der Herr nach Seiner Auferstehung den 
Seinigen, der Maria Magdalene, den beiden Jüngern, die aufs 
Land gingen, und den „zu Tische liegenden" Elfen erschienen 
sei. 
Lukas stellt mehr die Beweise ins Licht, wodurch Er Seine Jünger zu überzeugen sucht, daß Er und kein anderer wieder in 
ihrer Mitte stand. Er ißt vor ihren Augen; Er zeigt ihnen Seine 
Hände und Seine Seite; Er sagt ihnen, daß ein Geist nicht 
Fleisch und Bein habe, wie sie sahen, daß Er hatte; Er beweist 
ihnen aus den Psalmen und den Propheten, daß alles also geschehen mußte. 
Johannes redet in der ihm eigentümlichen Weise über die Auferstehung. In seinem Evangelium wird Jesus stets in Kraft und 
als Überwinder dargestellt; und also geschieht es auch am 
Grabe. Die herbeigeeilten Jünger sehen dort die Leintücher 
liegen, während sie das Schweißtuch, welches um das Haupt des 
Herrn gewesen war, besonders an einem Orte eingewickelt finden. Nirgends zeigte sich Verwirrung, nirgends eine Spur von 
Kampf und Mühe, nirgends ein Merkmal, als ob etwas Außergewöhnliches geschehen sei. Alles zeugte weit eher von Triumph und Sieg, als von Arbeit und Kampf. „Preis und Ehre 
dem Überwinder, der getötet war!" — das ist die Stimme, die 
uns aus dem von Johannes beschriebenen Grabe entgegentönt. 
In derselben Weise wird der Herr Selbst uns dargestellt. Nicht 
wie bei Lukas liefert Er hier Beweise von der Wirklichkeit 
Seiner Auferstehung. Er gibt Seinen Jüngern kein tastbares 
Zeichen, um sie von Seinem Dasein zu überzeugen. Er ißt und 
trinkt auch nicht mit ihnen, wie wir dieses in Lukas finden. In 
dem Evangelium Johannes wird die Wahrheit der Auferstehung Jesu in einer erhabenen Weise dargestellt. Er überzeugt 
die Herzen und Gewissen Seiner Jünger. Bei Maria bedurfte es 
194 
nur eines einzigen Wortes, um ihr zu sagen, wer Er war, weil 
ihr Herz mit Ihm im Einklang war. Seine durchbohrten Hände 
sowie Seine durchbohrte Seite wurden gezeigt, damit sie den 
Gewissen der versammelten Jünger in der Gewißheit des angenommenen Opfers Frieden verkündigen möchten; und selbst 
das Herz des Thomas war so vollkommen überzeugt, daß er 
wie in Entzückung ausrief: „Mein Herr und mein Gott!" 
Auch bezüglich der Himmelfahrt Christi finden wir in den 
Mitteilungen der Evangelisten eine große Verschiedenheit. Weder Matthäus noch Johannes erwähnen dieses Ereignis. Am 
Schlüsse des Evangeliums nach Matthäus sehen wir den Herrn 
noch auf dem Berge in Galiläa. Auch Johannes führt uns nicht 
nach dem Ölberge oder nach Bethanien. Zwar stellt Er, wie es 
mir scheint, durch eine sinnbildliche Handlung am See Tiberias 
Seinen Hingang in das Haus des Vaters, sowie das Nachfolgen 
Seiner Jünger dar; aber es ist nicht die Himmelfahrt selber — 
nicht die feierliche Szene in Bethanien — nicht die Aufnahme 
des Herrn von der Erde in den Himmel. 
Markus hingegen teilt uns dieses Ereignis in den Worten mit: 
„Der Herr nun, nachdem er zu ihnen geredet hatte, ward in 
den Himmel aufgenommen, und setzte sich zur Rechten Gottes". Hier wird also der Moment der Himmelfahrt gemeldet; 
aber das ist auch alles. Es ist einfach das Auffahren Dessen, 
Dem alle Ehre und alle Rechte angehörten, die Seiner im 
Himmel harren. Aber wir erfahren hier durchaus nicht, welchen 
Anteil die Jünger an diesem Ereignis nahmen, und selbst nicht, 
ob sie überhaupt Augenzeuge desselben waren. 
Lukas geht einen Schritt weiter. In seinem Evangelium wird 
die Himmelfahrt des Herrn durch Menschen angeschaut, welche 
fühlten, daß dieses Ereignis für sie persönlich von großer 
Wichtigkeit sei. „Er führte sie aber hinaus bis gen Bethanien 
und hob seine Hände auf und segnete sie. Und es geschah, 
indem er sie segnete, schied er von ihnen, und ward hinaufgetragen in den Himmel. Und sie huldigten ihm und kehrten 
zurück nach Jerusalem mit großer Freude. Und sie waren allezeit im Tempel, Gott lobend und preisend" (Kap 24, 50—53). 
Also fährt Jesus, als der auferstandene Mensch, auf gen Himmel, indem Er eine Schar hinter Sich zurückläßt, die bezeugen konnte, daß Er wirklich ihr Jesus war. Und wiewohl 
195 
eine Wolke Ihn aus ihrem Blickfeld hinwegnahm, so erkannten 
sie doch in Ihm, Der in die höchsten Himmel eingegangen, Denselben Jesus, Dem sie auf Erden nachgefolgt waren. Jesus, Der 
vor Seiner Auferstehung mit ihnen gegessen hatte, hatte auch 
nach Seiner Auferstehung mit ihnen gegessen. Jesus, Der ihnen 
während Seines Umherwandelns auf der Erde einen großen 
Fischfang verschaffte, hatte ihnen auch nach Seiner Auferstehung eine großen Fang zukommen lassen. Jesus, Der früher 
die Speise gesegnet und sie ihnen dargereicht hatte, hatte dieses 
auch jetzt wieder getan. Und dieser Jesus war Derselbe, Der 
nun vor ihren Augen gen Himmel aufgefahren war. 
Wie treffend und herrlich stellt der Heilige Geist uns die verschiedenen Einzelheiten der wunderbaren Laufbahn Jesu vor 
Augen! In Bethlehem, im Auferstehungsgarten und auf dem 
Berge der Himmelfahrt —überall erblicken wir Denselben Jesus. 
Im Fleische geoffenbart, pilgert der Sohn Gottes von Bethlehem 
nach Golgatha. Auferstanden aus den Toten, ißt und trinkt Er 
vierzig Tage hindurch mit Seinen Jüngern; und mit durchbohrten Händen und durchstochener Seite, so wie sie Ihn hienieden 
gesehen, fährt Er auch gen Himmel. Er belehrte Seine Jünger 
nach Seiner Auferstehung, wie Er es auch vorher getan hatte. 
Wie früher, so gab Er ihnen auch jetzt Seine Befehle und vertraute ihnen einen Dienst an. Er kannte sie und nannte sie bei 
Namen, wie dieses auch ehedem geschehen war. Und endlich, 
da bei der Himmelfahrt ihre Blicke, als hätten sie Ihn für immer 
verloren, Ihn verfolgten, erscheint ein Engel, um ihnen zu sagen, 
daß derselbe Jesus noch mehr für sie zu vollbringen habe. 
„Ihr Männer von Galiläa! was steht ihr und schauet hinauf gen 
Himmel? Dieser Jesus, der von euch in den Himmel aufgenommen ist, wird also wiederkommen, wie ihr ihn gen Himmel 
habt auffahren sehen" (Apg i, 11). 
Dieses ist das Geheimnis des Grundsatzes jedes wahren Gottesdienstes. Es ist „das Geheimnis der Gottseligkeit". Nichts 
führt den Menschen zur Erkenntnis und zur Anbetung Gottes, 
als das durch den Heiligen Geist gewirkte und mit Glauben 
verbundene Verständnis dieses Geheimnisses. Es enthält die 
Wahrheit, welche das Haus Gottes bildet und füllt. „Gott ist 
geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt 
in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". 
196 
Haben wir, Geliebte, die Person Jesu Christi lebendig und anhaltend vor unsern Augen? Er war, wie bereits zu wiederholten 
Malen erwähnt, von aller Ewigkeit her in dem Schöße des 
Vaters, und als geoffenbart im Fleische lag Er in der Krippe zu 
Bethlehem. Er wandelte inmitten der Mühen und Leiden des 
Erdenlebens; Er starb am Kreuze, verließ den Bauch der Erde 
und stieg empor zu dem höchsten Platze im Himmel. Die Fäden, die diese Ereignisse miteinander verknüpfen, können, 
wiewohl sie das Erhabenste mit dem Niedrigsten verbinden, 
nimmer zerrissen werden. Der Heilige Geist stellt sie uns vor 
Augen, sowie Er sie miteinander verbunden hat, und läßt uns 
zuweilen dieses Band mit göttlicher Wonne anschauen. Wir 
finden dieses z. B. in der treffendsten Weise in den Psalmen 
23 und 24. Der inspirierte Dichter-Prophet stellt uns Jesum in 
dem niedrigen Leben des Glaubens, der Abhängigkeit und der 
Hoffnung hier auf Erden dar und schildert dann Seinen Eingang als „Jehova, mächtig im Kampf", als „Jehova der Heerscharen" und als „König der Herrlichkeit", durch „die ewigen 
Pforten" Jerusalems im tausendjährigen Reiche. 
Verweilen wir im Geist auf diesem Wege bei Ihm? Und nehmen wir wirklich den Platz ein, den auch Er in dieser Welt eingenommen hat? Denn noch ist Er in der Welt ein verworfener 
Christus. Inwiefern sind wir eins mit Ihm, als einem Verworfenen? Betrachten wir nur diesen Jesus, oder harren wir mit 
Ihm aus in Seinen Versuchungen (Ps 41,1; Lk22,28)? „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen! wisset ihr nicht, daß die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist" (Jak 4, 4)? Jesus 
genoß nach Seiner Auferstehung ebensowenig die Achtung der 
Welt, wie vor dieser Zeit. Die Auferstehung verändert nichts 
in dieser Beziehung. Die Welt war damals für Ihn nicht mehr, 
als in den vorigen Tagen, wovon wir wissen, daß Er nicht hatte, 
wohin Er Sein Haupt legen konnte. Er verließ die Erde für den 
Himmel, sowie Er sie früher für Golgatha verlassen hatte. Bei 
Seiner Geburt nahm die Krippe zu Bethlehem Jesum auf; und 
nach Seiner Auferstehung ward der Himmel geöffnet, um Ihn 
zu empfangen. Geoffenbart im Fleische stellte Er Sich dem 
Glauben und der Annahme Israels dar; doch Israel verwarf 
Ihn. Als Auferstandener ließ Er Sich Israel durch den Mund der 
Apostel aufs Neue ankündigen; doch nochmals wurde das 
197 
Zeugnis verworfen, und noch immer ist Jesus ein Fremdling 
auf Erden. Auch in unserm Jahrhundert dauert Seine Verwerfung fort. Als der auferstandene Mensch war Er einsam auf 
dem Wege von Jerusalem nach Emmaus, wie Er es ehedem auf 
dem Wege von Bethlehem nach Golgatha gewesen war. Geliebte! haben wir uns mit Jesu in dem Charakter eines „Verworfenen", eines „Einsamen" auf dem Wege vereinigt? 
Mancher Gedanke würde über unser Verständnis hinausgehen, 
wenn wir nicht durch die göttliche Weisheit selber unterwiesen 
wären. „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es 
jetzt nicht tragen", sagt der göttliche Lehrer zu Seinen Jüngern. 
Doch wir sind fähiggemacht, größere Mitteilungen betreffs 
Seiner zu verstehen. Er kann Entfernungen zu nichts machen, 
so wie Er den Widerstand bezähmen kann. Im See Genezareth 
wandelte Er auf dem Wasser; doch als Er in das Schiff gekommen war, „kam das Schiff alsbald an das Land, wo sie hinfuhren". 
O wenn die Strahlen dieser verborgenen Herrlichkeit durchbrechen und in unsere Herzen scheinen, wie willkommen sind 
sie dann! Wie sehr geziemt es uns daher, das ganze Herz zu 
öffnen, damit Jesus hinein komme! Der Glaube lauscht. Der 
Herr wollte das samaritische Weib von Anfang bis zu Ende 
einfach zu einer Zuhörerin machen. Sie durfte sprechen, und 
sie tat es; aber was zeugen ihre Worte anders, als daß ihr Verstand, ihr Gewissen und ihr Herz für Jesum geöffnet war. Und 
sobald ihre Seele dazu bereit ist, kommt Er Selber, um mit 
Seiner Fülle darin zu wohnen. Diese lauschende Stimme des 
Glaubens ist es, die wir mehr zu verwirklichen suchen müssen, 
und dieses besonders bei Betrachtung dieser bedeutungsvollen 
und heiligen Gegenstände. 
Wir haben nun in Kürze mit den Evangelisten das gegenseitige 
Band zwischen den verschiedenen Teilen dieses großen Geheimnisses in dem Leben unsers Herrn Jesu Christi, des Sohnes 
Gottes, betrachtet; oder wir sind, mit andern Worten, mit den 
Engeln und den Jüngern zu Bethlehem, am Grabe und auf dem 
ölberge gewesen. Und indem wir nun einen Blick in die Apostelgeschichte werfen, wird es uns klar werden, daß die Herzen 
der Apostel mit der Tatsache, daß Jesus von Nazareth, Der 
198 
verachtete und gekreuzigte Mensch auf Erden, nun im Himmel 
ist, erfüllt sind, und daß ihre Predigt stets von diesem Gegenstand ausgeht. Vor allem verbindet Petrus die ganze Kraft und 
Gnade, die damals dem jüdischen Volke aus dem Himmel geoffenbart wurde, mit dem großen Ereignis: „Die Himmelfahrt 
Jesu von Nazareth". 
Bei der Ausgießung des Heiligen Geistes führt Petrus in seiner 
Predigt die Prophezeiung Joels an. Aber die Art und Weise, in 
welcher er darüber spricht, zeigt, daß er Jesum von Nazareth, 
den Gekreuzigten, darin erblickt. Er erklärt, daß der Mensch, 
Der sich durch Zeichen und Wunder Gottes in ihrer Mitte 
geoffenbart habe, jetzt im Himmel sei und als der Gott, von 
Dem der Prophet spricht, nun den verheißenen Heiligen 
Geist ausgegossen habe. Außerdem sagt er noch, daß dieser 
Mensch der Herr sei, in Dessen Warnen nun das Heil verkündigt 
und Dessen Tag einmal zum Gericht anbrechen werde. So wie 
Johannes in Jesu auf Erden den Sohn aus dem Schöße des 
Vaters in Seiner vollkommenen, unbefleckten Herrlichkeit anschaut, so sieht Petrus den Sohn des Menschen, den Nazaräer, 
Der auf Erden verachtet und verworfen worden war, im Himmel 
sitzen, um Gnade, Kraft und Seligkeit mitzuteilen. 
So finden wir auch in dem folgenden Kapitel, daß Petrus im 
Namen Jesu von Nazareth, Der von den Menschen verworfen, 
aber im Himmel verherrlicht war, den lahmen Bettler an der 
schönen Pforte des Tempels durch den Glauben an diesen Namen heilt; und bei dieser Gelegenheit erklärt der Apostel, daß 
der Himmel Diesen Jesus bis zu dem Augenblicke empfangen 
hatte, wo Seine erneuerte Gegenwart Zeiten der Erquickung 
and Wiederherstellung mit sich bringen werde. Und vorgeladen 
vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, bezeichnet Petrus 
in Diesem verschmähten Jesus von Nazareth den Stein, Der 
durch die Bauleute verworfen, im Himmel zu „einem Eckstein" 
geworden sei. 
Dieses ist der Name und das Zeugnis, wovon die Apostel, 
mögen wir sie gegenüber den Mächten der Erde erscheinen oder 
inmitten der Leiden der Menschheit handeln sehen, stets erfüllt sind. Darin lag ihre Weisheit, ihre Bewährung, ihre Kraft. 
In Diesem Jesus ist der einzige Grund ihres Vertrauens in der 
199 
Gegenwart Gottes. Er, Der in den Augen der Menschen schwach 
und verachtet war, „der heilige Knecht Jesus", gegen Den 
Israel und die Heiden, Herodes und Pilatus, die Hohenpriester 
und die Könige der Erde Widerstand erhoben, ist der Gegenstand ihres Glaubens und der Grund ihrer Hoffnung vor Gott. 
Sie kennen Ihn jetzt im Heiligtum, wie sie Ihn vorher in der 
Mitte der Menschen gekannt haben. Und aus welch' verschiedenen Gründen bedienten sie sich dieses Namens! Mit voller 
Sicherheit stüzten sie sich darauf zugunsten der Hilfsbedürftigen; mit Unerschrockenheit verteidigen sie diesen Namen vor 
der Welt, und mit großem Zartgefühl berufen sie sich in ihrem 
Gebet auf diesen Namen „Deines heiligen Knechtes Jesu" vor 
Gott. Und es bewegt sich die Stätte, wo sie diesen Namen vor 
Gott nennen, und sie sind erfüllt mit dem Heiligen Geiste 
(Apg 4, 23—31). Jetzt wird alle Kraft im Himmel diesem Namen zuerkannt, sowie ehedem auf Erden alle Kraft aus demselben hervorströmte. Der Bettler an der Pforte des Tempels 
wurde durch denselben geheilt; die Nennung dieses Namens 
bewegte die Gebetsstätte, ja, was noch mehr ist, die Welt und 
die Hölle werden dadurch erschüttert; denn die Hohenpriester 
und Sadducäer waren mit Wut erfüllt und warfen die Zeugen 
dieses Namens ins Gefängnis. 
Doch alles dieses hindert den Apostel nicht, auch die tiefe Erniedrigung Dieses Jesus ans Licht zu stellen. Dessen Erhöhung 
in den Himmel er zugleich aufs Neue verkündigt. Dieses geschieht sehr treffend in seinen ersten Predigten; Jesus war verworfen, überliefert, verleugnet, verschmäht, gekreuzigt, getötet worden. Er scheut sich nicht, alles dieses hervorzuheben. 
Doch zugleich rühmt er den verachteten Namen des „Jesus von 
Nazareth", und beständig hat er ihn auf seinen Lippen. All die 
Leiden und die Schmach, die, unter welcher Form es auch sein 
mochte, der „Fürst des Lebens", der „Heilige und Gerechte", in 
Seinem Herzen, an Seinem Leibe oder in Seinen Umständen 
hienieden ertrug, werden von dem Apostel durchlaufen und in 
seinem lebendigen, kräftigen und von der Salbung des Heiligen 
Geistes durchdrungenem Stil an den Tag gebracht (Siehe Kap 
2 und 6). Er rühmt sich des Namens Jesu und bezeichnet Ihn, 
Den sie verworfen hatten, nach dem Ratschlüsse Gottes 
als „den Herrn und Christus". Daß ein Mensch im Himmel 
200 
Davids Herr und dem Samen Abrahams zu einem Segen geschenkt war, daß der verheißene Prophet, Der Moses gleich sein 
sollte, nun gen Himmel aufgefahren war — dieses alles verkündigte er mit Freimütigkeit. 
Und sowie die Salbung des Heiligen Geistes den Apostel zu 
einem solchen Zeugnis befähigt, so besitzt auch Stephanus, 
dieser Mann „voll Heiligen Geistes", dieselbe Kraft (siehe Kap 
7). Spriclit Petrus von Jesu im Himmel, — Stephanus schaut 
Ihn dort. Der Prediger verkündigt Ihn ohne Furcht, der Märtyrer schaut ihn ohne Hülle. „Als er aber, voll Heiligen Geistes, 
unverwandt gen Himmel schaute, sah er die Herrlichkeit Gottes, 
und Jesum zur Rechten Gottes stehen, und sprach: Siehe, ich 
sehe den Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen zur 
Rechten Gottes stehen". 
Welch eine ausgedehnte, anbetungswürdige Szene ist daher für 
das Glaubensauge geöffnet! Wir schauen das Band zwischen 
Himmel und Erde, zwischen Gott und den Sündern, zwischen 
dem Schöße des Vaters und der Krippe zu Bethlehem, zwischen 
dem Kreuz auf Golgatha und dem Thron der Majestät im Himmel. Hätte der menschliche Verstand sich je solche Dinge vorzustellen vermocht? Und dennoch ist dieses Geheimnis eine 
lebendige, ewige Wirklichkeit. „Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als daß er auch hinabgestiegen ist in 
die untern Teile der Erde. Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, 
der hinaufgestiegen ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte" (Eph 4, 9. 10). Der Heilige Geist hatte den Gott der 
Herrlichkeit in dem Kinde zu Bethlehem geoffenbart; undi nun 
bezeugt Er, daß alle Macht und Gnade in dem verherrlichten 
Menschen im Himmel gefunden wird und von Ihm herniederkommt. Welch göttliche Geheimnisse! Sicher, sie übersteigen 
alle menschlichen Begriffe. „Wer sagen die Menschen, daß ich, 
der Sohn des Menschen, sei?" Das war die Frage des Herrn in 
den Tagen Seiner Erniedrigung; und die einzig passende Antwort war: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen 
Gottes". Und später, als den Aposteln bei ihrer Predigt die 
Frage vorgelegt wurde: „In welcher Macht oder in welchem 
Namen habt ihr dieses getan?" konnte die göttliche Antwort 
nur sein: „Durch den Namen Jesu Christi, des Nazaräers, den 
ihr gekreuzigt, den Gott auferweckt hat aus den Toten, in ihm 
steht dieser gesund vor euch". 
201 
Das ist Jesus, allezeit Derselbe Jesus — „in den untern Teilen 
der Erde" und „über alle Himmel"! Er erfüllt alle Dinge. Gott 
ist auf der Erde offenbart worden, der Mensch ist-im Himmel. 
Daß Gott hier auf Erden in Seiner vollen Herrlichkeit gewesen 
ist, daß der Sohn aus dem Schöße des Vaters Sich unter den 
Kindern der Menschen befand, hat der Glaube in früheren 
Tagen verstanden. Daß der Mensch jetzt im Himmel, daß Er 
aus aller Verschmähung, Verachtung und Erniedrigung des 
irdischen Schauplatzes dorthin gegangen ist, ist dem Glauben 
in diesen Tagen geoffenbart. Der Glaube erfaßt das Geheimnis, 
daß Er, Der hinabgestiegen und Der aufgefahren, Derselbe 
Jesus ist. 
Die Vollkommenheit Jesu in betreff Seiner Berufung und Seiner Werke als Mittler findet ihre Erklärung in der Vereinigung 
Seiner zwei Naturen in einer und derselben Person. Er, Der von 
Maria empfangen und geboren wurde, war Immanuel, das ist 
„Gott mit uns". „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns 
gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man 
nennt seinen Namen: Wunderbarer Berater, starker Gott, 
Vater der Ewigkeit, Friedefürst". Er, Der zu den Juden sprach 
und als Mensch kaum über dreißig Jahre zählte, war „ehe 
Abraham ward" (Joh 8). Die Vollkommenheit Christi in jeder 
Handlung Seines Dienstes, in allem, was Er litt und tat, und 
in allem, was Er noch tut, ist das Werk Seiner ganzen Person. 
Dies ist das Geheimnis. Der Glaube nimmt es an mit voller 
Gewißheit des Herzens. Und der Glaube versteht noch mehr 
von diesem Geheimnis und lauscht mit Verständnis und Freude 
auf die Worte: „Gerechtfertigt im Geiste, gepredigt unter den 
Nationen, und geglaubt in der Welt". — Wiewohl Gott im 
Fleische geoffenbart ist, so ist Er doch gerechtfertigt im Geiste. 
Alles in Ihm zeigte eine völlig moralische Schönheit; alles war 
nach dem Herzen Gottes und in der unendlichsten, unbeschreiblichsten Weise Gottes würdig. Was uns betrifft, so bedürfen 
wir einer Rechtfertigung außer uns; denn in uns selbst ist nicht 
eine Spur von Gerechtigkeit. In Jesu war alles gerecht; jedes 
Wort, jeder Gedanke, jede Bewegung, kurz alles war ein Gott 
wohlgefälliges Opfer, ein duftender Wohlgeruch. Er war ebenso heilig unter dem Herzen der Jungfrau, wie Er es im Schöße 
202 
des Vaters war; Er war als Mensch ebenso unbefleckt wie als 
Gott; Er war ebenso rein inmitten des Schmutzes der Welt, wie 
ehedem, als Er vor Beginn der Welt stets die Wonne des Vaters 
war. Der Glaube erkennt und erfaßt es daher, daß die Arbeit 
und das Leiden, der Tod und die Auferstehung Dieses gesegneten Erlösers — Des im Fleisch geoffenbarten und im Geist 
gerechtfertigten Gottes — nicht Seinetwegen, als ob Er dergleichen bedürfe, sondern nur für Sünder stattgefunden haben, 
auf daß Er den „Nationen gepredigt und in der Welt geglaubt 
werden möchte". In dem Opfer, welches Er vollbrachte, in der 
Gerechtigkeit, die Er bewirkte und befriedigte, wird Jesus den 
Sündern — seien es Juden oder Heiden — vorgestellt, auf daß 
sie auf Ihn ihr Vertrauen stellen und durch Ihn ihrer Rechtfertigung versichert sein möchten. 
Es würde uns zu weit führen, wenn wir bezüglich dieses Geheimnisses jedes einzelne Buch des Wortes Gottes erforschen 
wollten; aber nächst der Apostelgeschichte gibt uns der Hebräerbrief in dieser Beziehung die meiste Unterweisung. „Aufgenommen in Herrlichkeit" — das ist es, was wir von Anfang 
bis zu Ende in dieser göttlichen Offenbarung finden. Jedes 
Kapitel in dieser bewunderungswürdigen Schrift, jeder Punkt 
der Betrachtung läßt uns Den aufgefahrenen Jesus erblicken. 
Der Brief nimmt alsbald damit seinen Anfang. Der Sohn, „der 
Abglanz seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens", 
wird uns, „nachdem er durch sich selbst die Reinigung unserer 
Sünden gemacht", als „sitzend zur Rechten der Majestät in der 
Höhe" dargestellt, und zwar als Besitzer eines „vorzüglicheren 
Namens", als der der Engel, und als der Erbe eines in Ewigkeit 
bestehenden Thrones, auf welchem Platze der höchsten Gewalt 
Er fortan wartet, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße 
gelegt sind. 
Das zweite Kapitel läßt uns denselben Gegenstand von einem 
andern Gesichtspunkte aus betrachten. Er, Der heiligt und Sich 
erniedrigt hat, um Sich des Samens Abrahams anzunehmen 
und den Platz eines Bruders bei ihnen auszufüllen, ist in Seiner 
angenommenen Menschheit in den Himmel zurückgekehrt, um 
dort für uns als ein barmherziger und treuer Hoherpriester zu 
erscheinen. Ja, der Brief ist mit diesem Gedanken so ganz er203 
füllt, daß in diesem Kapitel uns Jesus zum zweiten Mal dargestellt wird, und zwar, nach Psalm 8, als Der, Der „ein 
wenig unter die Engel erniedrigt", doch jetzt „mit Ehre und 
Herrlichkeit gekrönt" ist. 
Die Kapitel 3 und 4 bilden einen auf das Vorhergehende sich 
beziehenden Zwischensatz; doch auch hier wird uns Christus 
in derselben Weise dargestellt. In Seiner Menschheit hier auf 
Erden ist er in allem, gleichwie wir, versucht worden, ausgenommen die Sünde; doch nun ist Er, der Sohn Gottes, durch die 
Himmel gegangen, um uns aus dem Heiligtum Barmherzigkeit 
und Gnade zur rechtzeitigen Hilfe zu schenken. 
In den folgenden drei Kapiteln, die über das Priestertum handeln, finden wir dasselbe. Der Sohn wird als Priester bezeichnet, Der höher ist, als die Himmel. Er war gekommen, um auf 
Erden aus dem Stamme Juda geboren zu werden und Sich in 
den Tagen Seines Fleisches zu heiligen; doch nun ist Er aufgefahren gen Himmel, um „allen, die ihm gehorchen, der Urheber 
ewigen Heils zu werden". Ebenso ist es in den Kapiteln 8 und 
9, welche über die Bündnisse handeln. Wir sehen Jesum in der 
Stiftshütte im Himmel — in „der wahrhaftigen Hütte, welche 
der Herr errichtet hat, nicht der Mensch". 
In Kapitel 10, wo das Schlachtopfer der Hauptgedanke ist, wird 
uns wiederum Der gen Himmel aufgefahrene Jesus vor die 
Augen gestellt. Er, Der sagen konnte: „Siehe, ich komme"! 
ist, nachdem Er Sünder in Seinem, Ihm zubereiteten Leibe geheiligt hat, wieder gen Himmel aufgefahren, und hat einen 
Weg für uns geöffnet, auf welchem wir mit aller Freimütigkeit 
in das Heiligtum durch das Blut Jesu hineingehen können. 
Hiermit endet nun zwar der diese Lehre behandelnde Teil 
unsers Briefes; aber nichtsdestoweniger hören wir alsbald wieder über Christus und den Himmel reden. In den jetzt folgenden Ermahnungen finden wir Jesum wiederum dargestellt als 
den „Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher der 
Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das 
Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones 
Gottes". In diesem neuen Charakter ist Er also im Himmel erschienen. Sowohl das Leben des Glaubens, als auch alles, was 
Er für uns in göttlicher Gnade litt und wirkte, hat Ihn dorthin 
204 
gebracht. Im Himmel erscheint Jesus dem Auge des Glaubens. 
Hätten wir nur das rechte Verständnis, um solch eine Herrlichkeit 
zu erkennen, und ein Herz, um davon zu genießen, dann würden wir erkennen, daß der Himmel mit einem ganz neuen und 
früher unbekannten Glänze geziert ist, seit der Herr Jesus dort 
mit allen Rechten und allen Eigenschaften, die Er Sich auf 
Erden, und zwar für uns Sünder erwarb, Platz genommen hat. 
Die Annahme des Fleisches und Blutes durch den Sohn, wodurch Er der Befreier des Samens Abrahams geworden ist, und 
dann die Himmelfahrt Dieser gesegneten Person, — das sind die 
beiden Lichtpunkte des großen Geheimnisses. „Gott ist geoffenbart worden im Fleische — er ist aufgenommen in Herrlichkeit". Der Heilige Geist stellt uns diese herrlichen Wahrheiten 
vor die Augen, wie Er dieselben nach Gottes ewigem Ratschluß 
für das Wohlgefallen und die Herrlichkeit Gottes gebildet hat. 
Das „fleischgewordene Wort", wovon Johannes spricht, ist das 
„Gute, welches aus Nazareth gekommen ist" (Joh 1). In dem 
in Matthäus uns vorgeführten Immanuel und dem Kinde, Welches zur Anbetung in der Krippe zu Bethlehem lag, finden wir 
ein und dieselbe Person (Mt 1 und 2). Inmitten des Thrones 
sieht man ein Lamm stehen wie geschlachtet (Offb 5). In Ihm, 
von Dessen Lippen Weisheit sprudelte und Der für die gewöhnlichsten Dinge des tagtäglichen Lebens befähigt war, war Der 
zu finden, Der in den Geheimnissen des göttlichen Wesens das 
Fundament aller Ratschlüsse Gottes war (Spr 8). In dem Dornbusch am Horeb befand sich der Gott Abrahams; in der Wolkensäule der Wüste war die Herrlichkeit; in dem Gewappneten 
bei Jericho erkannte man den Obersten der Heerscharen Jehovas; in dem Fremdling, der den Gideon auf seiner Dreschtenne und Den Manoah auf seinem Acker besuchte, zeigte Sich 
der Gott, Dem allein die Anbetung der ganzen Schöpfung gebührt. Dieses sind einzelne Beweise, die in Gnade und zur Verherrlichung Gottes bezeugen, daß das Höchste mit dem Niedrigsten eng verbunden ist. „Niemand ist hinaufgestiegen in 
den Himmel, als nur der aus dem Himmel herabgestiegen ist, 
der Sohn des Menschen, der im Himmel ist". 
Wie schön finden wir diesen Gedanken im Epheserbriefe wieder. „Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als 
daß er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde". 
205 
Die Würde Dessen, Der gen Himmel aufgefahren ist, der Platz, 
den Er einnimmt, der Dienst, den Er erfüllt — alles trägt einen 
solch hervorragenden Charakter, daß es uns deutlich wird, daß 
Er, Der herniedergestiegen ist, bereits im Himmel „über 
allem" war, wie geschrieben steht: „Der von oben kommt, ist 
über alles". Doch bevor Er gen Himmel auffuhr, hat Er durch 
Sich Selbst die Reinigung unserer Sünden zuwegegebracht, hat 
den zunichtegemacht, der des Todes Gewalt hatte, und hat 
alle die erlöst, die dem Teufel unterworfen waren. In diesen 
Eigenschaften ging Jesus gen Himmel, und hier erfüllt Er die 
wahrhaftige Hütte, das Heiligtum im Himmel, welches Gott 
und kein Mensch aufgerichtet hat, um uns dort ein ewiges Erbteil zu sichern und die himmlischen Dinge zu reinigen (Hebr 8 
und 9). 
Wer vermochte in solcher Herrlichkeit und Macht aufzufahren 
außer Ihm, Der bereits im Himmel „über allem" gewesen war. 
„Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als daß 
er auch hinabgestiegen ist". Das durch Jesus vollbrachte Werk 
sagt uns, wer Er ist. Selbst Sein Leiden in Schwachheit und Erniedrigung verkündigt uns die göttliche Herrlichkeit Seiner 
Person. — Hierauf folgt: „Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, 
der hinaufgestiegen ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte". Diese Worte zeugen von der Unermeßlichkeit Seiner 
Souveränität, so wie die anderen die Größe Seiner Person offenbaren. In Seinem Werke, in Seinem Umherwandeln auf Erden 
und in Seinen Überwindungen hat Jesus die höchsten und niedrigsten örter besucht. Er ist auf der Erde und in den unteren 
Teilen der Erde gewesen. Er war im Grabe, dem Sitze der 
Macht des Todes; jetzt ist Er in den höchsten Himmeln, erhaben über alle Obrigkeit und Macht. In dieser Weise wird 
Sein Reich und Seine Herrschaft vor dem Glaubensauge zur 
Schau gestellt. 
Es ist Derselbe Jesus, Immanuel, der Sohn, und doch unser 
Bruder aus dem Samen Abrahams. Wir dürfen die beiden 
Naturen in dem Herrlichen und Vollkommenen nicht miteinander vermengen. Im Glauben beuge ich mich vor der Wahrheit, daß Er, Der heiligt, an Fleisch und Blut teilgenommen 
hat. Ich erkenne von ganzem Herzen die wahrhaftige Mensch206 
lieit in Seiner Person; jedoch war es keine unvollkommene 
Menschheit, die in irgendeiner Weise in dem Zustande oder 
unter den Folgen der Sünde lag. Ich erquicke mich an der 
Sprache des Heiligen Geistes, Der von dem „Menschen Christus 
Jesus" spricht. Der Mensch, Der gehorsam war, ist uns als 
Grund und Gegenstand der Gerechtigkeit geschenkt 
(Röm 5, 15). Der auferstandene Mensch ist das 
Unterpfand unserer Auferstehung (1. Kor 15, 20). Der gen 
Himmel aufgefahrene Mensch ist die Bürgschaft, daß unsere 
Interessen jeden Augenblick vor Gott im Himmel gewahrt 
werden (1. Tim 2, 5). Der Mensch, Der bald aus dem Himmel herniederkommen wird, macht die Festigkeit und Freude 
des zukünftigen Königreichs aus (Ps 8). Doch ich wiederhole 
es: Die Person Christi muß in ihrer unzerteilbaren Einheit im 
Auge behalten werden. Das vollkommene Werk Christi in 
jeder Handlung Seines Dienstes, in allem, was Er tat und litt, 
und in allem, was Er noch tut, ist das Werk Seiner ganzen Person. Diese Person in all ihren Beziehungen hing am Kreuze, 
der Sohn — „Gott über alles, gepriesen in die Zeitalter". — Er 
übergab den Geist, wiewohl Er starb unter dem Gericht Gottes 
über die Sünde, und wiewohl Er durch die Hände böser Menschen gekreuzigt und getötet ist. Und dieses ist eine unendliche 
Barmherzigkeit. 
Ja, Geliebte, es war Jesus von Anfang bis zu Ende. Er betrat 
den verborgenen Pfad allein und ohne jemandes Hilfe. Niemand als Er — „Gott geoffenbart im Fleische" — vermochte 
diesen Pfad zu wandeln. Der Sohn aus dem Schöße des Vaters 
wurde hienieden das Lamm für den Altar; und darnach erreichte das geschlachtete Lamm den Platz der Herrlichkeit über 
alle Himmel. Es ist Seine Person, die allem Bedeutung und 
Kraft verleiht. Weder Sein Dienen, Leiden und Sterben, noch 
Seine Auferstehung und Himmelfahrt wären von Nutzen gewesen, wenn Jesus nicht Der gewesen wäre, der Er ist. Seine 
Person ist der Felsen; und darum ist Sein Werk vollkommen. 
Es ist das Geheimnis der Geheimnisse. Doch bedenken wir, daß 
]esus uns nur als ein Gegenstand des Glaubens, der Liebe, des 
Vertrauens und der Anbetung vorgestellt wird. 
Gott und Mensch, Himmel und Erde werden in diesem Geheimnis gleicherweise dem Glauben dargeboten. Gott war hie207 
nieden auf der Erde, und zwar geoffenbart im Fleische; und 
jetzt ist der verherrlichte Mensch droben im Himmel. Das 
Band dieser erhabenen Wahrheiten habe ich in einzelnen Zügen 
dem Leser zur Betrachtung vorzuführen gesucht; und eine solche 
Betrachtung ist sicher geeignet, die himmlischen und die ewigen 
Dinge uns näher zu bringen und für unsere Herzen wesentlicher zu machen. Das Fleisch mit seinen Begierden und seiner 
weltlichen Gesinnung verhindert uns oft, ihre Herrlichkeit zu 
genießen; aber die Entfernung selbst ist verschwunden; wir 
sind Ihm nahegebracht. Nachdem Jesus gen Himmel aufgefahren war, zeigt Er Sich dem Stephanus außerhalb der Stadt 
der Juden, und erscheint dem Saulus von Tarsus auf dem 
Wege zwischen Jerusalem und Damaskus; und obwohl uns 
nicht solch ein Anblick von Herrlichkeit geschenkt wird, so 
gewinnt doch die Nähe und die Wirklichkeit dieser Herrlichkeit 
an Frische und Kraft durch die Betrachtung dieser großen Geheimnisse. 
Und wird nicht das Königreich Christi auf Erden die Verwirklichung dieser wundervollen Vereinigung Gottes und des Menschen, des Himmels und der Erde sein? Sicher; denn Himmel 
und Erde werden in ihrer verschiedenen Weise Zeugen und 
Verkündiger dieses Geheimnisses sein. „Laß sich freuen die 
Himmel und frohlocken die Erde" (Ps 96, 11)! Die Versammlung, vereinigt mit dem erhöhten und verherrlichten Menschen 
im Himmel, wird über alle Hoheiten und Gewalten erhaben 
sein. Die von Jakob geschaute Leiter wird aufgerichtet stehen; 
und der Sohn des Menschen wird sowohl der Mittelpunkt, als 
auch der Stützpunkt aller irdischen und himmlischen Herrlichkeit sein. Die Offenbarung der Kinder Gottes wird die ganze 
Schöpfung von der Knechtschaft des Verderbnisses zur Freiheit der Herrlichkeit freimachen. Die himmlische Stadt — die 
Braut, das Weib des Lammes — wird aus dem Himmel herniederkommen, und die Könige der Erde werden ihre Herrlichkeit zu ihr bringen, während sie der Erde unter ihren Füßen 
die Wasser ihres Stromes, die Blätter ihres Baumes und das 
Licht ihrer Herrlichkeit geben wird. Engel rings um den Thron 
werden rufen: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist". 
Und alle Kreaturen, die im Himmel, auf der Erde und im Meere 
ist, wird Ihm, Der auf dem Throne sitzt und dem Lamme 
Danksagung, Ehre und Herrlichkeit darbringen. Das Holz Judas 
208 
und das Holz Ephraims werden zusammengefügt werden, und 
sie werden einen einzigen König haben (Hes 37). „Und es wird 
geschehen an selbigem Tage, da will ich erhören, spricht Jehova; ich will den Himmel erhören, und er wird die Erde erhören, und die Erde wird erhören das Korn und den Most und 
das öl, und sie werden Israel erhören" (Hos 2, 21. 22). Was 
sind dies anders als die gesegneten Früchte, die in dem zukünftigen Königreiche von der Vereinigung Gottes mit dem Menschen, deren wir uns jetzt schon erfreuen dürfen, geerntet werden sollen. Der Grund dieser Offenbarung im Himmel und auf 
Erden, unter Engeln und Menschen, ja, in der Schöpfung selbst 
wird in Bethlehem, in dem Garten Josephs von Arimathia und 
auf dem Ölberge gefunden. 
Möchte unser Herz diese Unterweisung des Geistes verstehen! 
Möchten wir diese herrlichen Geheimnisse mit heiliger Andacht 
betrachten, wie einst die Engel in den Fluren Bethlehems und 
am Grahe Jesu; möchten wir mehr eintreten in die Gedanken 
der Jünger am ölberge, als sie ihre Blicke gen Himmel richteten, um ihrem gen Himmel aufgefahrenen Lehrer nachzuschauen (siehe Lk 24, 44—52). Sie feierten damals, wie Israel 
in 3. Mo 23, 9—14, das Fest der „Erstlingsgarbe". Jesus, der 
wahre Erstling war jetzt eingesammelt worden. Als ihr göttlicher Lehrer hatte Er ihnen über den geheimen Sinn dieser 
Garbe der ersten Früchte, d. h. über die Bedeutung Seiner Auferstehung, eine Erklärung gegeben. Sie sehen ihren auferstandenen Herrn gen Himmel auffahren und halten Festfeier, als 
wäre es ein Brandopfer. „Und sie huldigten ihm und kehrten 
zurück nach Jerusalem mit großer Freude". Wahrlich, wir 
haben Ursache zu sagen: „Anerkannt groß ist das Geheimnis 
der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter 
den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". 
Der Herr Jesus trat, als Er in Herrlichkeit aufgenommen wurde, 
in das Licht der höchsten Himmel; aber wir sehen Ihn dort in 
dem Glänze, der Ihm eigen war; wir sehen Ihn mit einem 
herrlichen Leibe sowie auch wir dereinst einen herrlichen Leib 
haben werden. Jesus ist im Himmel mit demselben Leibe, in 
welchem Er hier auf Erden wandelte. Es ist das „Heilige", Wel209 
ches durch den Heiligen Geist im Schöße der Jungfrau gebildet 
ist; es ist der „Heilige", Der im Grabe keine Verwesung gesehen; es ist der „Leib", Der für uns geopfert ist, und wohin Er 
unsere Sünden auf dem Holze getragen hat. Dieselbe Natur, 
worin Er Schmach, Verachtung und Leiden erduldet hat, befindet Sich jetzt verherrlicht im Himmel. Es ist der durchbohrte 
Leib, den jedes Auge sehen wird. Diese Hülle wird nimmer beiseite gesetzt werden. Die Person Christi, welche auch Seine 
menschliche Natur in Sich schließt, wird ewiglich der Gegenstand göttlicher Verehrung und Anbetung sein. 
Der gegenwärtige Zustand Jesu ist derjenige der höchsten Herrlichkeit, und zwar weit erhaben über die ganze Schöpfung Gottes, und über jeglichen Namen, der genannt werden kann. 
Er wurde mit unaussprechlicher Liebe und mit unendlicher 
Wonne von Seiten Gottes des Vaters aufgenommen, nachdem 
Er den Vorsatz der Gnade Gottes bezüglich der Erlösung der 
Sünder vollkommen zur Ausführung gebracht hatte. 
Er wurde im Triumph aufgenommen, nachdem Er die Gefangenschaft gefangen geführt und die Fürstentümer und Gewalten ausgezogen hatte; und bekleidet mit aller Macht, die Ihm 
im Himmel und auf Erden gegeben war, nahm Er dort Platz 
zur Rechten der Majestät in der Höhe. 
Er wurde aufgenommen als das Haupt Seines Leibes, der Versammlung, so daß diese aus der Fülle der Gottheit, die leibhaftig 
in Ihm wohnt, hervorwächst mit göttlichem Wachstum durch 
den Heiligen Geist, Der uns gegeben ist. 
Er wurde aufgenommen wie in einen Tempel, um dort in der 
Gegenwart Gottes für uns zu erscheinen, um dort als der Diener des wahren Heiligtums und als unser Sachwalter Seinen 
Platz zu nehmen, und in dieser oder jener Weise der Gnade 
uns vor dem Throne zu dienen. 
Er wurde als unser Erlöser in dem Hause des Vaters aufgenommen, um den Kindern, die Gott Ihm gegeben hat, Wohnungen zu bereiten, auf daß auch sie seien, wo Er ist. 
Fortan im Himmel sitzend, harrt Er dem Augenblick Seiner 
Erscheinung entgegen, um Seinen Heiligen in der Luft zu begegnen, damit sie für immer bei Ihm seien. Er wartet auf den 
210 
Augenblick, wo Er aufs Neue gesandt werden wird, um der 
Erde durch Seine Gegenwart Zeiten der Erquickung zu bringen; 
und Er wartet, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße 
gelegt sind. 
Unsere Liebe ist schwach, unsere Kraft ist klein; aber als Grundsatz kenne ich nichts, was auf eine würdigere Weise solche 
Blicke des Glaubens beantworten könnte, als den Geist der 
Hingabe, welche uns mit Paulus sagen läßt: „Ich weiß sowohl 
niedrig zu sein, als ich weiß Überfluß zu haben", — und in 
diesem Geiste rufen wir mit Sehnsucht: „Komm, Herr Jesus! Ja, 
komme bald!" 
Geliebte! Auf diese Weise hat unser Gott und Heiland durch 
unauflösliche Bande Seine Menschheit mit Seiner Gottheit verknüpft. Sowohl Seine Wonne und Herrlichkeit, als auch Sein 
Ratschluß und Seine Stärke bestätigen uns die Beständigkeit 
derselben. Gott — Mensch — wie unerklärbar diese Vereinigung 
auch sein mag, so hat Er sie doch in Sich Selbst dargestellt. Der 
Glaube erkennt sie an; und der verlorene Sünder ruht in Frieden und Sicherheit auf dem Felsen der Zeitalter. 
5. 
Alles hast Du Seinen Füßen unterworfen (Hebr 2, 8). 
Wenn wir auf das Evangelium des Lukas unsern Blick richten, 
so entdecken wir sofort die innige und enge Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Mängel und Gebrechen der Menschen öffnen die Tür des Himmels, die, einmal geöffnet, sich 
nicht wieder schließt. 
Zacharias und Elisabeth waren beide vor Gott gerecht, indem 
sie in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig wandelten. Sie waren aus priesterlichem Geschlecht, aus dem Samen 
Aarons. Doch nicht wegen ihrer Gerechtigkeit, sondern wegen 
ihrer Mängel und Gebrechen öffnete sich der Himmel. Elisabeth 
war unfruchtbar, und beide waren in ihren Tagen weit vorgerückt; aber gerade in ihrem Kummer und in ihrer Schwachheit lag ihr eigentlicher Segen. Denn zu dem unfruchtbaren 
Weibe und zu dem kinderlosen Manne kommt der Engel Gabriel mit einer Verheißung aus dem Himmel. Der Himmel ist 
211 
geöffnet und alsbald zeigen sich die Engel in voller Tätigkeit 
und Freude. Ob es im Tempel, ob es in der Königsstadt, oder 
ob es in einem abgelegenen Dorfe des verachteten Galiläa ist, 
macht keinen Unterschied. Gabriel besucht alle diese Plätze mit 
derselben Bereitwilligkeit. Die Herrlichkeit Gottes erfüllt die 
Fluren Bethlehems ebensowohl, als die Heerscharen der Engel. 
Der Heilige Geist erfüllt mit göttlichem Lichte und göttlicher 
Kraft Seine auserwählten Gefäße; und der Sohn selbst nimmt 
Fleisch und Blut an. Himmel und Erde sind also einander sehr 
nahegebracht. Die Tätigkeit und Freude, die dort oben ihren 
Anfang genommen, werden auf Erden gefühlt und beantwortet. Die Hirten, die bevorzugten Weiber, der alte Priester und 
das noch nicht geborene Kind nehmen gemeinschaftlichen Anteil an der heiligen Entzückung des Augenblicks. Und wie innig 
ist die Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde! Der Engel 
nennt den Zacharias und die Maria bei Namen und redet mit 
ihnen über Elisabeth. Das Herz versteht diese Sprache; und 
sicher würden wir dem Herrn für dieses alles danken, wenn wir 
einfältiger und in lebendigerem Glauben in dem Bewußtsein 
der Wirklichkeit und der Nähe des Himmels wandelten. 
Jakob sah einst den geöffneten Himmel. Eine Leiter zeigte sich 
seinem Auge, deren Spitze in den Himmel reichte, während 
deren anderes Ende auf dem Platze stand, wo er am Boden lag. 
Es war ein elender, unheiliger Platz, der Zeuge seiner Sünde 
und seines Unglücks; aber die Leiter stand an diesem Platze, 
und die Stimme des Herrn, Der dort oben in Seiner Herrlichkeit stand, redete mit Jakob von Segnungen, von Sicherheit, 
von Führung und von dem Erbteil, das seiner wartete. 
Ebenso sah Stephamis den Himmel geöffnet und die Herrlichkeit geoffenbart; jedoch sah er auch den Sohn des Menschen 
stehend zur Rechten Gottes. Was einst die Leiter dem Erzvater 
ankündigte, das ward dem Märtyrer durch diese Erscheinung 
gezeigt, nämlich, daß er und die Umstände, in denen er sich 
befand, in demselben Augenblicke erkannt und mit Teilnahme 
im Himmel betrachtet wurden. Und so ist es auch jetzt. Die 
Zeit macht keinen Unterschied. Der Glaube schaut jetzt denselben geöffneten Himmel an und erkennt, daß zwischen dem 
Himmel und unsern Umständen Gemeinschaft ist. Für das 
Glaubensauge gibt es eine Leiter, und der Himmel ist offen. 
212 
Der „Mensch Christus Jesus", der Mittler des neuen Bundes, 
der Hohepriester, der Sachwalter bei dem Vater, Er, der Mitleiden hat und bis in die Räume der Herrlichkeit uns vorangegangen ist, wird auf ihrer Spitze geschaut. 
Doch dieses ist noch nicht alles. Der Glaube beugt sich noch vor 
einem andern Geheimnis im Himmel. Er weiß, daß der Herr, 
indem Er Seinen Platz im Himmel in solch einem gnadenreichen 
Charakter eingenommen hat, dieses auch als Der tut, Der 
von den Menschen verachtet und verworfen wurde. Sicher 
starb der Herr Jesus unter der Hand Gottes; Seine Seele ist zu 
einem Opfer für die Sünde gemacht. „Es gefiel Jehova, ihn zu 
zerschlagen". Seine Auferstehung aber zeugte von der Annahme Seines Opfers; und in diesem Charakter fuhr Er gen 
Himmel, um dort dem Vorsatz, der mit solch einem Sterben 
und Auferstehen verbundenen Gnade weiter dienstbar zu sein. 
— Doch starb der Herr auch unter der Hand der Menschen, das 
will sagen: die Bosheit der Menschen hat ebenso Anteil an 
Seinem Tode als die Gnade Gottes. Er ist von den Ackerbauern 
hinweggeschickt, von der Welt gehaßt und verworfen, gekreuzigt und getötet. Ebenso ist auch Seine Auferstehung der Beweis von dem Gerichte dieser Welt (Apg 17, 31); und Seine 
Himmelfahrt bringt Ihn zu der Erwartung des einen Tages, wo 
„seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden sollen" 
(Hebr 1, 13). Der Glaube schaut daher Den gen Himmel aufgefahrenen Jesus als den Hohenpriester, Der im Himmel in Gnaden unser Fürsprecher ist, und der zu gleicher Zeit auf das Gericht seiner Feinde wartet. 
Bei der Predigt des Evangeliums tritt das erste dieser Geheimnisse in den Vordergrund. Obwohl zwar stets erwähnt wird, 
daß der Mensch den Herrn der Herrlichkeit getötet hat, so ist 
doch der Tod des Herrn als des Lammes Gottes der Grund der 
Gnade, welcher in der Predigt hervorgehoben wird, während 
das, was die Mörderhände des Menschen vollbracht haben, 
kaum berührt wird. So sehr wir indes Ursache haben, uns der 
ersten Wahrheit zu rühmen, so ist es doch ein beklagenswerter 
Mangel in den Seelen der Heiligen und in dem Zeugnis der 
Versammlung, wenn die Tatsache, daß der Herr durch Menschenhände getötet ist, nicht in ihrer Tragweite erkannt und 
behandelt wird. Im Himmel wird sie nicht vergessen werden. 
213 
Das, was dort gegenwärtig geschieht, ist allerdings die Folge 
des Todes Jesu als des Opfers für die Sünde, sowie die Folge 
Seiner Fürbitte als des Priesters; doch bald wird der durch 
Menschenhände bewirkte Tod des göttlichen Märtyrers, des 
Sohnes Gottes, den Handlungen des Himmels einen neuen 
Charakter verleihen. 
Dieser Unterschied wird in der Schrift stets festgehalten. Der 
in Offb 4 geöffnete Himmel trägt ganz andere Grundsätze und 
Tätigkeiten zur Schau, als der Himmel, welchen wir im Hebräerbriefe geöffnet sehen. Sie sind ebensosehr voneinander 
unterschieden, wie die beiden Gesichtspunkte, unter denen wilden Tod betrachten müssen, nämlich entweder als geschehen 
durch Menschenhand, d. h. durch uns, oder durch Gottes Hand, 
d. h. für uns. Sowohl im Hebräerbrief als auch in der Offenbarung sehen wir einen Thron und einen Tempel im Himmel. 
Doch der Unterschied ist in die Augen fallend. Im Hebräerbriefe ist es der Thron der Gnade, in welchem alle unsere gegenwärtigen Bedürfnisse ihre Befriedigung finden; in der Offenbarung aber ist es der Thron des Gerichts, und zwar umringt von den Werkzeugen und Vollstreckern des Zornes und 
Grimmes Gottes. Im Hebräerbriefe ist das Heiligtum oder der 
Tempel durch den Hohenpriester unsers Bekenntnisses in Besitz genommen, Der dort als Mittler eines bessern Bundes 
in der Kraft Seines eigenen kostbaren Blutes dient, während 
aus dem Tempel der Offenbarung schreckliche Stimmen zur 
Vorbereitung des Urteils hervorgehen, und Blitze, Donner und 
Erdbeben vernommen werden. Dieser Tempel ist gleich jenem, 
den Jesaja gesehen, mit Rauch angefüllt, so daß die Türschwellen bebten zum Beweis, daß der Gott, Dessen die Rache 
ist, Sich dort in Seiner Herrlichkeit offenbarte (Jes 6). 
Das in der Offenbarung in betreff des Himmels dargestellte 
Bild ist höchst feierlich. Der Himmel ist hier der Platz der 
Macht, welche sich zum Gericht bereitet. Die Siegel werden geöffnet, die Posaunen geblasen, die Schalen geleert; alles birgt 
eine schreckenerregende Heimsuchung der Erde in sich. Der 
dort stehende Altar ist nicht der Altar des Hebräerbriefes, wo 
das himmlische Priestertum von dem Brote des Lebens ißt, 
sondern ein Altar, welcher Feuer für die Erde liefert. Auch 
wütet dort ein Krieg, bis schließlich sich der Himmel für Ihn 
214 
öffnet, dessen Name das „Wort Gottes", dessen Gewand in 
Blut getaucht ist, und Der ein Schwert in Seinem Munde trägt, 
um damit die Völker zu schlagen. 
Wahrlich, das ist der Himmel in einem ganz neuen Charakter. 
Die Gegenüberstellung ist sehr treffend. Es ist nicht der Himmel, der jetzt durch den Glauben angeschaut wird — ein Heiligtum des Friedens, versehen mit allen Zeugnissen und Mitteln 
der Gnade, sondern ein Himmel, welcher uns erklärt, daß das 
Gericht zu seiner Zeit von dem Herrn, Der jetzt in Gnade handelt, ausgeführt werden wird. Der Himmel ist jetzt der Platz 
der Gnade; am Tage der Offb 4 wird er der Platz des Gerichts 
sein, bis wir am Schluß der Handlungen des ganzen Buches, 
in den Kapiteln 21 und 22, in den Himmel der Herrlichkeit 
gebracht werden. 
Die Seele muß sich mit der ersten Wahrheit vertraut machen, 
daß das Gericht der Herrlichkeit vorangeht. Ich rede hiervon 
unter Bezugnahme auf die Geschichte Gottes mit der Welt. Der 
Gläubige ist vom Tode zum Leben hinübergegangen. Für ihn 
gibt es kein Gericht. Aber er muß wissen, daß bezüglich der 
Regierung Gottes über die Erde oder die Welt das Gericht der 
Herrlichkeit vorangeht. Das Königreich wird kommen mit dem 
Schwert oder der „eisernen Rute", bevor es mit dem Szepter 
erscheint. Wenn der Sohn die Nationen als Untertanen annimmt, wird Er sie zuerst als Töpfergefäß zerschmettern. Der 
Alte an Tagen sitzt auf dem von Feuerflammen umringten 
Throne, und die Bücher sind vor ihm geöffnet, bevor der Sohn 
des Menschen Sich zu Ihm naht in den Wolken des Himmels, 
um Macht und Ansehen zu empfangen (Ps 2; Dan 6). 
Dieses alles wird uns in der Schrift deutlich vor Augen geführt. 
In Offb 4 beschäftigt sich der Himmel — wenn ich mich so 
ausdrücken darf — mit einem neuen Gedanken, mit einem 
neuen Gegenstand. Es ist Christus als verworfen durch die 
Menschen, und nicht Christus als durch Gott zur Erlösung der 
Sünder aufgenommen. Darum werden Vorbereitungen getroffen, um das Böse, welches Jesus auf Erden erduldet hat, zu 
rächen und Seine Rechte auf Erden zu verteidigen; mit andern 
Worten: Gott beginnt dort, jene Handlungen und Taten zur 
Ausführung zu bringen, die Jesum, nach dem Gericht über 
Seine Feinde, in Sein Königreich einführen werden. 
215 
Der Herr Jesus beeilt sich indes nicht, in dieser zweiten Eigenschaft, als der durch die Welt Verachtete und Verworfene handelnd aufzutreten; Er hemmt sozusagen Seine Schritte, bevor 
Er in dem Charakter der Offenbarung erscheint. Und in diesem 
Aufschieben der Gerichte und in diesem Verweilen auf dem 
Platze der Gnade erblicken wir wieder einen lieblichen Zug des 
Jesus, Den wir durch den Glauben kennen. Wie langsam bewegte Er Seine Schritte, als Er hienieden Sein Urteil über Jerusalem aussprechen sollte! Ehe über Seine Lippen die Worte 
kamen: „Dein Haus wird wüste gelassen werden", hörte man 
Ihn sagen: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, 
wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel"! 
Er verweilte in den Ebenen hienieden, indem Er jede Stadt oder 
jedes Dorf in der Gegend in dienender Gnade besuchte, bevor 
Er auf dem Olberge Platz nahm und die Gerichte und Verwüstungen aussprach, die über Zion kommen sollten (Mt 24, 1). 
Von Ihm nun, Der auf diese Weise so zögernd zur Gerichtsstätte schritt, steht geschrieben: „Er ist langmütig gegen uns, 
weil er nicht will, daß irgendwelche umkommen, sondern daß 
alle zur Buße kommen" (2. Petr 3). 
Er ist derselbe Jesus hier auf Erden und dort im Himmel, wiewohl die Zustände verändert sind. Die Gnade, die während 
Seiner irdischen Laufbahn in Ihm war, ist dieselbe, die nun im 
Himmel in Ihm ist. Wie trostreich und herrlich! Welch ein 
Glück, wenn wir in Wahrheit sagen können: „Wir kennen 
Ihn"! Der Glaube erkennt in Jesu im Himmel Denselben, Den 
er hienieden gekannt hat. Er, der Diener und Zeuge der Gnade 
Gottes bezüglich der Menschen, ist Der, Der einst der Träger der Feindschaft der Menschen gegen Gott war, und Der Sich 
zugleich als der Gott der Rache offenbaren wird. 
Aber wir entdecken noch mehr in diesem Jesus, und zwar in 
unmittelbarer Beziehung zu unserer gegenwärtigen Betrachtung. Als Er auf Erden war, sah Er Sich nach Seinem Königreiche um. Er zeigte Sich der Tochter Zion als ihr König, der 
Sohn Davids. Er erschien als Der, Der von altersher durch die 
Propheten verheißen war und kam „sanftmütig und auf 
einer Eselin reitend" in die Stadt. Schon zu Anfang war Sein 
Stern, der Stern des königlichen Bethlehemiten im Morgenlande erschienen, um die Heiden zum Throne Davids zu rufen, 
216 
der in der Stadt Davids geboren war. Doch was Er damals 
suchte, hat Er nicht gefunden; „die Seinigen nahmen ihn nicht 
auf". Nichtsdestoweniger hat Er im Himmel dasselbe Verlangen nach Seinem Königreiche. „Ein gewisser Edelmann ging hin 
in ein fernes Land, um ein Reich für sich zu empfangen" (Lk 
ig). Obwohl auf dem Throne des Vaters, denkt Jesus an Sein 
Reich, sowie Er hier auf Erden daran dachte. Auch in diesem 
Charakter sind wir mit Demselben Jesus in Gemeinschaft. Auf 
Erden war Jesus der König Israels und hatte großes Verlangen 
nach Seinem Reiche; doch durch Seine Mitbürger verworfen, 
hat Er Sein Königreich im Himmel empfangen. Zu seiner Zeit 
wird Er wiederkehren, um in der Wonne Seines Herzens da zu 
herrschen, wo Er zu Anfang vergeblich Sein Reich zu gründen 
gesucht hat. „Ich sah in diesem Gesicht des Nachts, und siehe, 
es kam einer in des Himmels Wolken, wie eines Menschen 
Sohn, bis zu dem Alten an Tagen, und ward vor denselben gebracht. Der gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle 
Völker, Nationen und Zungen dienen sollten. Seine Gewalt ist 
ewig, die nicht vergeht, und sein Königreich hat kein Ende" 
(Dan 7, 13. 14). 
Doch wir entdecken noch mehr. Hier auf Erden war es der 
Wunsch Jesu, von Seinen Jüngern gekannt zu sein. Er verlangte, daß sie, die armen Sünder, den Schleier, der Seine Herrlichkeit verhüllte, mit ihren Blicken durchdringen sollten. Auch 
war es Seine Wonne, Sich in Seiner Gnade dem Glauben offenbaren zu können. Der Glaube, der, gestützt auf die Person 
Jesu, in seinen Erwartungen keine Grenzen kannte und Ihm 
mit Freimütigkeit nahte, war Ihm köstlich. Der Sünder, der sich 
inmitten der Verachtung der Welt an Ihn klammerte und sich 
Ihm, ohne Vermittlung eines anderen, allein anvertraute, war 
Ihm stets willkommen. Die Seele, die mit Freimütigkeit Seine 
Gegenwart und Gemeinschaft suchte, konnte stets der Erhörung versichert sein. 
Jesus verlangte mit Seinen Auserwählten eins zu sein — Er 
verlangte ein vollkommenes, persönliches und bleibendes Einssein. Er wollte bei dem Vater mit ihnen sowohl Seinen Namen 
und die Liebe, in welcher Er stand, teilen, als auch die Herrlichkeit, deren Erbe Er war. Er suchte völlige Übereinstimmung. 
217 
Er hatte das Bedürfnis nach Gemeinschaft, sowohl bezüglich 
Seiner Freude, als auch Seiner Leiden; und unmöglich können 
wir es ermessen, wie schmerzlich die Enttäuschung für Sein Herz 
war, als Er dieses Bedürfnis nicht befriedigen konnte; ja 
schmerzlicher noch, als jene Enttäuschung, wo Er kam, um ein 
Königreich zu fordern, und es nicht empfing. „Könnt ihr nicht 
eine Stunde mit mir wachen?" — das war die Sprache eines 
alleingelassenen, getäuschten Herzens. 
Jesus begehrte, als Er auf Erden war, Seinen Thron mit den 
Seinigen zu teilen. Er wollte nicht allein bleiben. Er wünschte 
Seine Ehre und Herrschaft mit Seinen Auserwählten zu teilen, 
sowie Er verlangte, daß sie an Seiner Freude und an Seiner 
Traurigkeit teilnehmen sollten. 
Wohlan, dieses alles findet Er in der Versammlung. Die Versammlung ist berufen, den oben angedeuteten Wünschen zu 
entsprechen und alles für Ihn zu sein, sei es jetzt im Heiligen 
Geiste, oder später im Königreiche; sie ist berufen, jetzt durch 
den Geist in Seine Gedanken, in Seine Liebe, in Seine Freude 
und in Seine Leiden einzutreten, und hernach in Seiner Herrlichkeit zu erscheinen und auf Seinem Throne zu sitzen. 
Welch ein Geheimnis! Daß die Versammlung jetzt mit dem 
innewohnenden Geiste beschenkt, und daß sie bestimmt ist, 
verherrlicht das Erbe Seiner Herrschaft mit Ihm zu teilen, das 
ist die Erfüllung des innigen Wunsches des Herzens Jesu, des 
Sohnes Gottes. Er kam hier auf die Erde, um ein Königreich zu 
empfangen, und Er suchte die Sympathie der Seinigen; aber 
Sein Volk war nicht bereit, Seine Herrschaft anzuerkennen, und 
Seine Jünger waren nicht fähig, jene Gemeinschaft mit Ihm 
zu verwirklichen. Doch jetzt empfängt Jesus ein Königreich im 
Himmel und später kommt Er auf die Erde, um die Herrschaft 
zu übernehmen. Jetzt hat Er bereits Gemeinschaft mit den 
Seinigen durch den Heiligen Geist, Der in ihnen wohnt; und am 
Tage ihrer Vollendung wird ihr Lob vollkommen sein. Das 
Königreich wird Seine Herrlichkeit und Freude ausmachen. Dasselbe wird genannt „die Freude des Herrn"; denn zu ihnen, die 
es mit Ihm teilen, wird gesagt werden: „Geht ein in die Freude 
des Herrn!" Doch die Einheit, in welcher die Versammlung sich 
mit Ihm befindet, wird noch köstlicher sein; sie war hier Sein 
höchster Wunsch und wird später Sein reichster Genuß sein. 
218 
Eva war für Adam ein größerer Schatz als alle seine andern 
Besitzungen. 
Jesus hat ein Anrecht auf Sein Königreich, und zwar zunächst 
wegen des Bundes oder des vor Grundlegung der Welt gefaßten Ratschlusses Gottes, und dann weil es Ihm persönlich von 
rechtswegen gehört. Er ist der vollkommene Mensch und darum 
hat Er ein Anrecht auf die ganze Schöpfung. „Und Gott sprach: 
Lasset uns Menschen machen in unserm Bilde, nach unserm 
Gleichnis; und daß sie herrschen über die Fische des Meeres 
und über das Gevögel des Himmels, und über das Vieh und 
über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf der Erde 
kriecht" (i. Mo 1, 26). — Ferner wird Er das Reich in Besitz 
nehmen, weil Er in allem gehorsam gewesen ist, sowie wir 
lesen: „Und in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, hat er 
sich selbst erniedrigt und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum 
Tode am Kreuz. Darum hat ihn Gott auch hoch erhoben, und 
ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist, auf dafe 
in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen 
und Irdischen und Unterirdischen". Auch wird Er als Folge des 
Anrechts, den Sein Tod Ihm verleiht, das Königreich übernehmen; denn wir lesen: „Und durch ihn alle Dinge mit sich zu 
versöhnen — indem er Frieden gemacht hat durch das Blut 
seines Kreuzes — durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde, 
oder die Dinge in den Himmeln". Und oben am Kreuze, auf 
welchem Er Seinen Tod vollbrachte, standen die in den meist 
bekannten Sprachen der Welt geschriebenen und von der starken Hand Gottes unauslöschbar gemachten Worte: „Dieser ist 
Jesus, der König der Juden!" 
Die Herrschaft über alle Dinge gehört also von rechtswegen 
dem Sohne des Menschen kraft des ewigen Bundes, kraft Seines persönlichen Anrechts, kraft der Rechte, die Sein Werk, 
Sein Gehorsam und Sein Tod Ihm verliehen und — möchte ich 
hinzufügen — kraft des Rechtes der Überwindung; denn die 
Gerichte, die Seinen Weg bis zum Throne bahnen und die alle 
Ärgernisse aus dem Königreiche entfernen müssen, werden 
durch Seine eigene Hand zur Ausführung gebracht. „Erhebet, 
ihr Tore, eure Häupter, und erhebet euch, ewige Pforten, daß 
einziehe der König der Herrlichkeit! Wer ist dieser König der 
Herrlichkeit? Jehova, stark und mächtig! Jehova, mächtig im 
Kampf!" 
219 
Welch starke Grundlagen sind also für die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen gelegt! Jeder Anspruch erhöht die Herrlichkeit Seines Namens. Wir sehen dieses in der Offenbarung. 
Niemand im Himmel oder auf Erden kann das Buch öffnen 
außer dem Lamme, das geschlachtet ist — der Löwe aus Juda. 
Er, Der auf dem Throne sitzt, überreicht es Ihm sofort. Und 
die Versammlung in Herrlichkeit, die Engel und alle Kreatur 
in allen Teilen des großen Gebietes des Lammes Gottes rühmen 
Seine Rechte und Seine Hoheit. Und da Seine Rechte, erwiesen 
durch tausende von Zeugnissen und Wundern, so sicher sind, 
so wird dieses auch bezüglich der Macht und des Reiches, worauf sie sich gründen, der Fall sein. In Jesu Christo, dem Sohne 
Gottes, sind — mögen wir Ihn als den „Herrn des Himmels", 
oder als den „Sohn des Menschen" betrachten — alle Absichten 
Gottes betreffs der Herrschaft über alle Dinge wiederhergestellt und bestätigt. Wir können bezeugen, daß, sowie „alle 
Verheißungen Gottes in Ihm Ja und Amen sind", dieses auch 
bezüglich der Bestimmung der Menschen unter der Regierung 
Gottes seine volle Anwendung findet. 
Dem Adam war die Herrschaft, dem Noah die Regierung, 
dem Abraham die Vaterschaft über die Gläubigen geschenkt. 
David hatte Urteile zu vollstrecken; Salomo repräsentierte das 
Königtum. In Christo werden alle diese Herrlichkeiten sich vereinigen und ausstrahlen. In und unter Ihm wird die „Wiederherstellung aller Dinge" stattfinden. Viele Kronen und viele 
Namen wird Er tragen. Sein Name „Herr" in Ps 8 und Sein 
Name „König" in Ps 72 sind in ihrer Bedeutung verschieden. 
Jeder derselben bezeichnet eine besondere Herrlichkeit. Die 
Kronen sind verschieden, doch Ihm gehören sie. In Jes 9 wird 
Jesus auch „Ewig-Vater" genannt. Er ist König und zugleich 
Vater — Er ist der Salomo und der Abraham Gottes. In Ihm 
werden alle gesegnet sein; und vor Ihm wird sich jedes Knie 
beugen. Sowohl das Schwert oder die „eiserne Rute", als auch 
das „Szepter der Gerechtigkeit" wird in Seinen Händen sein. 
Er wird richten mit David und herrschen mit Salomo. 
Als Sohn Davids übernimmt Jesus die Macht, um dieselbe in 
einem Ihm gegebenen Gebiete der Herrlichkeit auszuüben. Als 
Sohn des Menschen handhabt Er diese Macht in einem ausgedehnteren Kreise. Er kommt in Seiner eigenen Herrlichkeit, in 
220 
der Herrlichkeit des Vaters und in derjenigen der heiligen 
Engel. Auch als der auferstandene Mensch nimmt Er die Macht 
in Seine Hand. Dieses wird uns in 1. Kor 15, 23—27 gezeigt, 
und in dieser Eigenschaft hat Jesus auch Seine besondere Ehre. 
Er wirft den Tod als letzten Feind unter Seine Füße. Der auferstandene Mensch muß auch den Tod vernichten. 
Die Herrlichkeit wird Christum unter verschiedenen Formen 
umringen und Ihm unter verschiedenen Charakteren eigen sein. 
Das Königreich selbst wird in seinem ganzen Wesen voll der 
Herrlichkeiten Christi sein, die, wenn auch in ihrer Art verschieden, in vollkommener Harmonie zueinander sein werden. Bereits hat das Kreuz ein Beispiel dieses vollkommenen 
Werkes zur Schau gestellt. Gnade und Wahrheit haben sich 
dort einander die Hand gereicht. Gott war dort „gerecht" und 
„rechtfertigte dennoch den Gottlosen"; und dieses wird sich 
in den kommenden Tagen in voller Kraft erweisen. Sowie 
Gnade und Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden einander begegnet sind, so wird auch dereinst Autorität und Gehorsam, 
Segen und dennoch Herrschaft, ein Name von Majestät und 
aller Kraft, und zugleich ein Name, der wie „ein Regen auf 
das Gras" niederfallen wird, zusammen erkannt und gewürdigt 
werden. Sowohl die allgemeine Herrschaft des Menschen über 
den ganzen ausgedehnten Kreis der Werke Gottes, und die 
Ehre des Königtums betreffs der Herrschaft über alle Nationen, 
als auch die Gegenwart des „Ewig-Vaters", um Segnungen 
auszustreuen, wird dann vorhanden sein. „Er heißt Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst". 
Alles findet in dieser herrlichen und gesegneten Herrschaft des 
Sohnes Gottes seinen Zielpunkt, wiewohl der Weg dorthin 
durch ein Meer voller Bedrängnisse und selbst durch die Gerichte über die gegenwärtige böse Welt gehen wird. Gott Selbst 
wird alles in Ordnung bringen. Die Menschen werden es nicht 
verhindern können, auch wenn sie sich anzuerkennen weigern, 
daß die Erde mit ihren Bewohnern der Eitelkeit unterworfen 
ist und Christus allein ihre Grundfeste stützt. Mit sicheren 
Schritten nahen jene Tage heran, wo die Ereignisse es denen, 
die es nicht glauben wollen, ans Licht stellen werden, daß 
alles, was nicht in dem „Bündel der Lebendigen" (1. bam 25, 
29) mit eingeschlossen ist, erschüttert werden wird. 
221 
Das Schwert und das Szepter dieses kommenden Tages sind 
gänzlich eins in ihrer Herrlichkeit. Denn das Schwert ist „trunken geworden im Himmel" (Jes 34, 5). Welch ein Ausdruck! 
Die Sonne wird verwandelt werden in Finsternis, und der 
Mond in Blut; die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden; Finsternis wird unter Seinen Füßen sein, und dicke Wolken werden Ihn begleiten am Schlachttage. Und die Macht 
davon wird sich zeigen in dem Keltertreten des Grimmes 
Gottes. Alles, was hoch und erhaben ist, die Fürsten und Gewaltigen, die Beherrscher der Finsternis, das Tier und der 
falsche Prophet, sowohl die Könige und Reichen der Erde, als 
auch der Drache, die alte Schlange, welche ist der Teufel und 
Satan — alle befinden sich dann unter den Feinden, an denen 
sich die Kraft der Gerichte erweisen wird. 
Zeigt dieses Schwert nicht Seine Herrlichkeit? Würde das 
Schwert Josuas oder Davids solche Siege davongetragen haben? 
Würden sich die Fürsten der Finsternis damit haben besiegen 
lassen? Würden „Tod und Hölle" sich unterworfen haben? 
„Ziehst du denLeviathan mit der Angel herbei?" Und in wessen 
Hand muß das Schwert sein, welches solche Heere zu vernichten 
vermag? Das Werk in jenen Tagen der Rache zeigt deutlich, 
Wer der Überwinder ist. In allem — sowohl in Seinen Handlungen, als auch in Seinen Leiden — strahlt Seine Herrlichkeit 
uns entgegen. Die Überwindungen dieses Gottes der Heerscharen haben von altersher stets denselben erhabenen Charakter gezeigt. Seine Krieger stellten die Herrlichkeit Seiner 
Person zur Schau: und dieses werden sie stets tun. Darum steht 
von Ihm geschrieben: „Jehova ist ein Kriegsmann; Jehova 
Sein Name!" Diese Ausdrucksweise zeigt uns, daß die Kriegsführung des Herrn Seine Souveränität, Seinen Namen, Seine 
Herrlichkeit und Seine Person offenbaren. In Ägypten erfuhren 
die Götzen Seine mächtige Hand, sowie sie dieselbe später 
unter den Philistern und in Babel fühlten. Dagon fiel vor der 
Bundeslade: Bei und Nebo wurden durch dieselbe Macht zu 
Boden geworfen. 
Und wie das Schwert des Herrn, so hat auch das Szepter seine 
volle Herrlichkeit. Salomo war nur ein Vorbild. Die Regierung 
Noahs und die Oberherrschaft Adams verschwinden gegenüber 
222 
der Regierung und Herrschaft Jesu. Das ganze Weltall wird 
Ihm unterworfen sein, sowohl die Schöpfung, als alle Nationen. „Singet Jehova ein neues Lied, singet Jehova, o ganze 
Erde! Singet Jehova, preiset seinen Namen; verkündet seine 
Rettung von Tag zu Tag! Erzählet unter den Nationen seine 
Herrlichkeit, und seine Wunderwerke unter allen Völkern"! 
Die unterwürfigen und gerechtfertigten Nationen von dem 
jinen Ende des Himmels bis zum andern werden unter dem 
Schatten dieses Szepters und in dem Lichte dieses Thrones der 
Majestät wandeln. Es wird ein Bund sein zwischen den Menschen und den Tieren des Feldes. Die Wüste wird sich erfreuen, 
die Lämmer werden hüpfen wie Hirsche; der Mund der Stummen wird sich zum Lobe öffnen. Die Sonne wird in diesem 
Reiche nicht untergehen, noch der Mond sich zurückziehen; 
denn der Herr wird dort ein ewig leuchtendes Licht sein. Nichts 
auf dem heiligen Berge wird geschädigt oder verderbt werden; 
denn die Erde wird voll sein von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn. 
Israel wird wieder aufwachen; seine Totengebeine werden 
lebendig werden. Die beiden Stücke von Juda und Ephraim 
werden wieder miteinander vereinigt sein. Von der Stadt wird 
gesagt werden: „Der Herr ist dort!"; von dem Lande wird 
man sagen: „Dieses Land, das verwüstet war, ist wie ein Garten Eden geworden"; und es wird begrüßt werden mit den 
Worten: „der Herr segne dich, du Wohnung der Gerechtigkeit, 
du Berg der Heiligkeit!" 
Die Heiden werden zu einem richtigen Verständnis gebracht 
werden. Die unverständige Welt hat Ihn, ihren Schöpfer, nicht 
erkannt. Die Fürsten und Könige der Erde haben sich wider 
den Gesalbten Gottes erhoben; sie haben das Band zerrissen 
und ihre Torheit zur Schau gestellt. Aber ihr Verstand wird 
erleuchtet werden. Die Geschichte Nebukadnezars ist hiervon 
ein Beispiel. Die Vernunft dieses goldenen Hauptes — des großen Hauptes heidnischer Macht — kehrte zu ihm zurück, nachdem er zum Gericht während eines Zeitraums derselben beraubt gewesen war. Und von da an erkannte und verstand er 
die Herrschaft Gottes des Himmels. 
223 
Also wird auch bald die Welt nicht länger Sein Szepter verkennen, sondern im Gegenteil Ihn, Den sie einst so schändlich 
verworfen hat, anbeten und bekennen. Denn „über ihn werden 
Könige ihren Mund verschließen" (Jes 52, 15). Das tierische 
Herz wird von ihnen genommen und ein Menschenherz ihnen 
geschenkt werden. Nicht länger sollen sie durch den Ochsen, 
der seinen Herrn kennt, sowie durch den Kranich, die Turteltaube und die Schwalbe, die ihre Zeit merken, beschämt werden, sondern sie werden dann wie „Tauben zu ihren Fenstern 
fliegen". — Ja, die ganze Schöpfung wird sich, gleich den Juden 
und Heiden, unter diesem göttlichen Szepter ergötzen. „Die 
Wölfe werden bei den Lämmern wohnen, und der Pardel bei 
dem Böcklein ruhen". Selbst das Land wird wieder den Segen 
des Früh- und Spätregens und die Arbeit des göttlichen Landmannes erkennen. „Du besuchest die Erde, gewährst ihr Überfluß, du bereicherst sie viel; Gottes Bach ist voll Wassers; du 
bereitest ihr Getreide, wenn du sie also bereitest". 
Welch ein Szepter! Ist seine Herrlichkeit nicht gleich der Herrlichkeit des Schwertes? Kann jemand anders als Christus eine 
solche Macht in Händen haben? Das, was Adam durch seinen 
Fall einbüßte; das, was Israel im Lande der Verheißung verloren hat; das, was Abraham in seiner empörerischen und verworfenen Nachkommenschaft einbüßte; das, wessen sich das 
Haus Davids bezüglich des Thrones beraubt sah; das, was die 
Schöpfung selbst durch Den verloren, Der sie der „Knechtschaft 
des Verderbnisses unterworfen hat, — ja, alles wird wieder 
hergestellt, aufgerichtet und offenbar werden am Tage des 
Sohnes des Menschen. 
Nur „der Sohn" kann solch ein Reich in Besitz nehmen. Bereits 
in dem ersten Teile unserer Betrachtung haben wir gesehen, 
daß die Kraft des vollbrachten Opfers in der Person des 
Schlachtopfers ruht. Der freie Zugang zum Heiligtum, welches 
damals völlig geöffnet wurde, gründet sich allein auf die Person des Hohenpriesters und Mittlers, der Sich dort befindet. 
Also können die Herrlichkeiten und Kräfte des zukünftigen 
Königreichs auch nur durch Dieselbe Person ausgeübt, bedient 
und zur Schau gestellt werden. Der Sohn Gottes dient sowohl in 
den höchsten, wie in den niedrigsten Umständen — in Reichtum wie in Armut, in Ehre wie in Unehre, als Nazaräer wie 
224 
als Bethlehemit, auf Erden wie im Himmel, in einer Welt irdischer wie himmlischer Herrlichkeiten. Doch von Anfang bis 
zu Ende verkünden uns die verschiedensten Seiten und Veränderungen dieses großen Geheimnisses, Wer Er ist. Der Glaube kümmert sich nicht darum, wo er Ihn schaut, und wo er 
Ihm folgt, sondern hat nur diesen einen glänzenden und unaussprechlichen Gegenstand vor Augen und fühlt tief jedes 
Wort, welches, selbst aus Unverstand, einen Flecken auf Ihn 
werfen könnte. 
Doch wir müssen noch bei andern Herrlichkeiten des kommenden Königreichs Jesu einen Augenblick verweilen. 
„Der zweite Mensch ist der Herr vom Himmel"; und Seine Erscheinung wird von einer Majestät begleitet sein, vor Der 
jeder Glanz des Thrones Salomo erbleichen muß. Ja wahrlich, 
in Seiner Gegenwart wird jeder Glanz verschwinden. „Und der 
Mond wird schamrot und die Sonne beschämt werden, wenn 
Jehova der Heerscharen regieren wird auf dem Berge Zion, und 
in Jerusalem und vor seinen Ältesten — Herrlichkeit" (Jes 24, 
23). Sowohl himmlische, als auch wiederhergestellte irdische 
Dinge werden in Seinem Reiche sein. Adam besaß den Garten 
Eden samt der anziehenden Schönheit der Fruchtbarkeit desselben; doch — was mehr als alles war — Gott, der Herr, wandelte mit ihm in dem Garten. Noah, Abraham und andere besaßen eine große Menge von Vieh; und dem Noah gab Gott 
die Herrschaft über die Erde; doch — was mehr war — sie empfingen Besuche von Engeln, ja sogar Gesichte und Besuche von 
dem Herrn der Engel. Das Land Kanaan war ein vortreffliches 
Land — ein Land, wo Milch und Honig floß; doch — was mehr 
als dieses war — die Herrlichkeit befand sich dort, und das 
Zeugnis der göttlichen Gegenwart war zwischen den Cherubim. 
Also wird es sein am Tage der Offenbarung der Macht des 
Sohnes Gottes. Der Himmel wird den Schauplatz irdischer 
Schönheit ebenso gewiß mit einer neuen und ganz besonderen 
Herrlichkeit umstrahlen, wie Gott, der Herr, im Garten Eden 
wandelte, und wie die Engel vor dem Auge der Erzväter auf 
und nieder stiegen und selbst die göttliche Gegenwart im Heiligtum zu Jerusalem, in dem Lande der Verheißung, geschaut 
wurde. Und nicht nur werden dann himmlische Besuche statt225 
finden, und nicht nur wird die Herrlichkeit vom Himmel geoffenbart werden, sondern alles wird einen neuen und äußerst 
schönen Charakter tragen. Die Erde wird Zeuge jenes wunderbaren, alles übertreffenden Geheimnisses sein, daß sie selbst 
aus ihrem Staube und ihrer Sklaverei eine Familie für den 
Himmel bereitet hat, welche in Herrlichkeit zu ihr zurückkehren wird und berufen ist, die derselben zuerkannte Macht 
und Autorität zu ihrem Segen auszuüben. „Denn nicht Engeln 
hat er unterworfen den zukünftigen Erdkreis, von welchem wir 
reden. Es hat aber irgendwo jemand bezeugt und gesagt: Was 
ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, oder das Menschen 
Sohn, daß du auf ihn siehst" (Hebr 2, 5. 6)? 
Welch ein Band zwischen den höchsten und niedrigsten Dingen! „Der zweite Mensch ist der Herr vom Himmel". Die heilige Stadt wird, tragend die himmlische Herrlichkeit, aus dem 
Himmel herniedersteigen, und vor ihren Blicken wird die Regierung des Königreichs der Macht über die Erde ausgeübt 
werden. Und sicher wird dieses die Souveränität Adams und 
die Herrlichkeit Salomos weit überstrahlen. 
Bei der Szene auf dem heiligen Berge in Mt 17, sowie bei dem 
königlichen Einzüge in Jerusalem (Mt 21) wird diese Zukunft 
des Sohnes und „die zukünftige Welt", sowohl im Himmel als 
auch auf der Erde, sinnbildlich dargestellt. Die himmlische 
Herrlichkeit strahlt auf den Berg hinab. Die Gestalt Jesu ist 
verändert. Sein Antlitz leuchtet wie die Sonne; Seine Kleider 
sind weiß wie das Licht; und Moses und Elias erscheinen mit 
Ihm in Herrlichkeit. Ebenso nimmt der demütige Jesus bei Gelegenheit Seines Einzugs in die heilige Stadt einen Charakter 
von Majestät an. Er zeigt sich als der Herr der Erde und ihrer 
Fülle, und zugleich als der Sohn Davids im Triumph. Er wird 
während eines Augenblicks auf dem Wege gesehen, welcher 
von Jericho nach Jerusalem führt, und zwar bekleidet mit Seinen irdischen Rechten und Würden, sowie Er in einem andern 
Augenblicke auf einem hohen Berge nur in Seiner persönlichen, 
himmlischen Herrlichkeit erschienen war. Obwohl die Herrlichkeit der Himmlischen von derjenigen der Irdischen getrennt ist, 
so ist doch Jesus bei beiden feierlichen Gelegenheiten verherrlicht, und ist für etliche Augenblicke von dem niedrigen Pfade 
226 
als der verworfene, verachtete Jesus, abgetreten. Diese Szenen 
waren vorübergehend, aber dasjenige, wovon sie das Unterpfand waren und was sie repräsentierten, wird in Kraft und 
Glanz an dem kommenden Tage der Herrlichkeit bleibend sein. 
Denn an diesem Tage wird die Erde voll sein der Herrlichkeit 
des Sohnes Gottes. Ja, diese Fülle ist es, welche ihr den Glanz 
und die Größe verleihen wird. Sowie Er die Sonne der himmlischen Herrlichkeit, so wird Er auch der Herr der Erde und 
ihrer Fülle sein; und zugleich der König Israels und der Völker. 
In der wunderbarsten Weise werden dann alle Sphären der 
Herrlichkeit ineinander schmelzen: die untersten Teile der 
Erde und das, was weit über allen Himmeln ist. „Gott geoffenbart im Fleische — aufgenommen in Herrlichkeit". Der zweite 
Mensch ist niemand anders, als „der Herr vom Himmel". 
Welche Geheimnisse, welche Ratschlüsse Gottes! Es sind Ratschlüsse, die in den verborgenen Jahrtausenden vor Grundlegung der Welt von Gott gefaßt sind. Möchten doch die Liebe 
und die Anbetung unserer Herzen den Betrachtungen unserer 
Seele folgen! Ja, der Sohn, Der von Ewigkeit her im Schöße des 
Vaters war, nahm Fleisch und Blut an und war im Schöße der 
Jungfrau. Als Sohn des Menschen — Gott geoffenbart im 
Fleische — wandelte Er inmitten der schwierigsten Pfade dieses 
Lebens — Pfade, die im Tode am Kreuze ihren Ausgang hatten. 
Er verließ das Grab für die Herrlichkeit, die untersten örter 
der Erde für den höchsten Platz im Himmel. Aber als die 
Sonne der Gerechtigkeit wird Er über der Erde aufgehen, und 
zwar bekleidet mit Glanz und Herrlichkeit, mit Ehre und Hoheit, um die zukünftige Welt zu erleuchten. 
Jedoch gibt es noch ein anderes Geheimnis, das erfüllt werden 
muß, bevor der Schauplatz der Herrlichkeit, „die zukünftige 
Welt", vorhanden sein wird. Die Versammlung muß im Himmel sein, wie ihr Herr bereits dort ist. 
Der Weg der Versammlung ist derjenige eines unbeachteten 
Fremdlings. „Darum kennt uns die Welt nicht, weil sie ihn 
nicht erkannt hat". Und wie ihr Pfad inmitten dieser Welt, so 
wird auch der Weg unbekannt sein, auf welchem sie von hier 
hinweggeführt werden wird. Alles, was sich auf die Versammlung bezieht, trägt den Charakter der Fremdlingsschaft hienieden. Die Welt wird die Aufnahme der Versammlung in der 
227 
Luft nicht wahrnehmen, so wie diese selbst die Zeit ihrer Aufnahme nicht kennt. Doch wissen wir, daß das neue Band, welches uns mit dem Himmel verbindet, geknüpft werden soll, ehe 
das Königreich oder „die zukünftige Welt" geoffenbart werden 
wird. Die Heiligen werden den König begleiten, wenn Er mil 
dem Schwerte des Gerichts in Seinem Reiche erscheint, um die 
Erde zu reinigen, damit Er mit dem Szepter des Friedens und 
der Gerechtigkeit regieren könne, wie Er verheißen hat. „Wer 
überwindet und meine Werke hält bis ans Ende, dem werde ich 
Gewalt geben über die Nationen, und er wird sie weiden mil 
eiserner Rute" (Offb 2, 26. 27). 
„Und ich werde ihm den Morgenstern geben". Diese Worte 
schließen etwas ganz besonderes in sich. Die Sonne ist das 
Licht am Himmel, welches am meisten mit der Erde, mit den 
Werken und den Interessen der Menschen in Verbindung steht. 
Die Sonne beherrscht den Tag; der Mond und die Sterne herrschen über Nacht; aber der Morgenstern hat keinen Platz in 
diesem System. „Er hat den Mond gemacht zur Bestimmung 
der Zeiten; die Sonne weiß ihren Untergang. Du machtest Finsternis, und es wird Nacht; in ihr regen sich alle Tiere des Waldes: die jungen Löwen, die da brüllen nach ihrer Beute, und um 
von Gott zu suchen ihre Speise. Die Sonne geht auf — sie 
heben sich davon und lagern sich in ihre Höhlen. Der Mensch 
geht aus an sein Werk und an seine Arbeit bis an den Abend" 
(Ps 104, ig—23). In allen diesen Bestimmungen wird des Morgensterns nicht mit einem einzigen Worte gedacht. Schön und 
glänzend ist er, doch leuchtet er nur in einer einsamen Stunde. 
Die Kinder der Menschen haben sich niedergelegt; der Schlaf 
ist ihnen durch Gottes Gnade noch süß, während der Morgenstern bereits in der Luft blinkt. 
Die Zeit, in welcher die Sonne scheint, ist die unsrige, oder mit 
andern Worten! die Sonne ist die Freundin und Gefährtin der 
Menschen. Aber der Morgenstern ruft nicht also den Menschen an seine Arbeit. Er scheint in seiner eigenen Zeit — es 
ist weder Tag, noch Nacht. Das Kind, welches vor dem Anbrechen der Morgenstunde erwacht; der Mann, welcher vor 
der Sonne sein Lager verläßt; der Wächter, der die Nacht 
durchwacht hat, — diesen leuchtet der Morgenstern, sonst niemandem. 
228 
In der Sprache der Schrift bezeichnet die Sonne das Königreich. Wir lesen: „Der Herrscher unter den Menschen, der Gerechte, der Herrscher in Gottesfurcht; und er wird sein wie das 
Licht des Morgens, wie der Aufgang der Sonne, ein Morgen 
ohne Wolken" (2. Sam 23, 3. 4; Mt 13, 43; 17, 4. 5). 
Haben wir daher nicht ein Licht zu erwarten vor dem Lichte des 
Königreichs? Sind diese Zeichen am Himmel nicht für die bestimmten Zeiten gestellt worden? Gibt es keine Stimmen in 
diesen Sphären? Liegt nicht ebensowohl ein Geheimnis in dem 
Morgenstern, in der Stunde seines einsamen Scheinens, also auch 
in der Sonne, wenn sie über der Erde in ihrer Kraft aufgeht? 
Ist dieser Morgenstern nicht das Zeichen am Himmel von Ihm, 
dessen erstes Erscheinen nicht für die Welt, sondern für ein 
Volk sein wird, welches wartet auf die Ankunft eines Herrn 
vom Himmel? Die Hoffnung Israels, des irdischen Volkes, begrüßt „den Aufgang aus der Höhe" (Lk 1, 78). Aber die Versammlung bewillkommt den Morgenstern. „Ich bin die Wurzel 
und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern". „Und 
der Geist und die Braut rufen: Komm!" Alles ist unser; und 
unter dieses alles gehört auch der Morgenstern unserer Verwandlung, um Jesu gleichförmig zu sein, sowie die aufgehende 
Sonne für den Tag unserer Kraft in Verbindung mit Jesu. 
Und nachdem der Morgenstern für einen kurzen Augenblick 
geschienen hat, wird die Sonne zu ihrer bestimmten Zeit ihren 
Platz einnehmen. „Dann werden die Gerechten glänzen wie die 
Sonne in dem Reiche des Vaters". „Und er wird sein wie das 
Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ein Morgen ohne 
Wolken: von ihrem Glanz nach dem Regen sproßt das Grün 
aus der Erde". „Laß sich freuen die Himmel und frohlocken 
die Erde! es brause das Meer und seine Fülle! Es juble das 
Gefilde und alles, was darauf ist! Dann werden jauchzen alle 
Bäume des Waldes vor Jehova; denn er kommt, denn er 
kommt, zu richten die Erde" (Ps 96, 11—13). 
Es hat jemand gesagt: „Der Glaube hat eine Welt für sich 
selbst". O möchten wir doch mehr in der Kraft dieses Glaubens 
wandeln! Und diese Kraft liegt in dem Ernst und der Wärme, 
welche auch die Einfalt und Wirklichkeit des Glaubens zur 
Schau tragen. David und Abigail wandelten, als sie sich ein229 
ander in der Wüste Paran begegneten, in jener Welt, die der 
Glaube für sich hat. Nach dem Augenschein und nach aller 
menschlichen Beurteilung war David damals ein Spielzeug in 
der Hand der Bösen. Er mußte sich in den Höhlen und Schlupfwinkeln der Erde verbergen; seine Speise verdankte er einem 
reichen Manne. Aber der Glaube erblickte etwas anderes in 
David. Der hilfsbedürftige, verfolgte Flüchtling war in seinen 
eigenen Augen und in den Augen Abigails der künftige Herr 
des Königreichs und der Gesalbte des Gottes von Israel. Abigail beugte sich vor ihm nieder, als vor ihrem Könige; und er 
nahm mit königlichem Wohlwollen „ihr Angesicht an". Der 
Vorrat, den sie brachte, ihr Brot und Wein, ihre Trauben und 
Feigen waren nicht ein Beweis ihrer dem bedürftigen David erwiesenen Wohltätigkeit, sondern die dem König David dargebrachte Steuer eines willigen Untertans. Sie fand sich glücklich und geehrt, wenn sie auch nur seine Knechte bedienen 
konnte. Also kam sie bei dieser schönen Gelegenheit in eine 
andere Welt — das Zeugnis ablegend, daß der Glaube wirklich 
eine ihm gehörende Welt hat. Und diese Welt war für das 
Herz Abigails wichtiger als alle Schätze des Hauses Nabais. 
Die Wüste hatte für sie einen größeren Wert, als die Herden 
und Felder des Berges Karmel; denn dort genoß sie im Geiste 
jene herrlichen Dinge, die der Glaube vor ihr Auge brachte. 
Glückselig ist es, geliebte Brüder, wenn auch wir, geleitet durch 
den Glauben, in unsere eigene Welt eintreten und darin wandeln! Besaß nicht Noah solch einen Glauben, als er das Schiff 
baute, welches mehr für das Land als für das Wasser berechnet zu sein schien? Hatte Abraham nicht solch eine Welt im 
Auge, als er sein Land, seine Familie, sein Vaterhaus verließ? 
Und ruhten nicht auch die Blicke des Paulus auf einer solchen 
Welt, als er sagte: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von 
woher wir auch den Herrn Jesum Christum als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur 
Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit?" Und besitzen nicht auch wir bereits diese Welt, wenn unsere Seelen 
durch den Glauben Zugang haben „zu der Gnade, in welcher 
wir stehen?" Diese Gnade ist jetzt der gegenwärtige, erquikkende Ruheplatz des gereinigten und mit Blut besprengten 
Gewissens, sowie die glänzende Wohnstätte der Hoffnung, von 
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wo aus diese hinausschaut nach der „Herrlichkeit Gottes" (Röm 
5, i. 2). Wenig wird dieser Glaube noch genossen; aber dennoch ist er der unsrige; und inmitten unserer Schwachheit hat 
der Glaube nur den Sohn Gottes zu verherrlichen; denn inniger 
von Ihm zu genießen, ist geistlicher Fortschritt. 
Am Schlüsse dieser Betrachtung, worin wir die „zukünftige 
Welt" vor unser Auge führten, wünschte ich noch hinzuzufügen, daß uns in dieser Zeit wenige Dinge so sehr auf dem 
Herzen liegen sollten wie die Verwerfung Christi. Es ist sicher 
am Platze, dieses hier zu sagen; denn ist Christus, wie wir behaupten, in der „zukünftigen Welt" herrlich, so ist Er der Verworfene in „dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf". Doch dieses 
wird so leicht vergessen; und das ist der Wunsch des Fürsten 
dieses Zeitlaufs. Die Menschen richten unausgesetzt ihr Streben 
dahin, alle gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Zustände zu verbessern; und dieses alles dient nur dazu, um 
einen Christus, der nicht von dieser Welt ist, aus dem Auge zu 
verlieren. Nur der Glaube schaut einen verworfenen Christus 
und eine verurteilte Welt. Der Glaube erkennt, daß, wenn das 
Haus auch mit dem Besen gekehrt und geschmückt worden, es 
doch nicht durch den Hausherrn oder Besitzer verändert ist. 
Es ist ein höchst bedenklicher Irrtum, geliebte Brüder, wenn 
man Hand ans Werk legt, um die Welt zu verbessern und sie 
für Christum zuzubereiten. War David einmal, als es sich um 
das Tragen der Bundeslade handelte, in betreff der Gedanken 
Gottes leichtfertig, so zeigte er hinsichtlich dieser Gedanken bei 
einer andern Gelegenheit große Unwissenheit, als das Bauen 
eines Cedernhauses für die Bundeslade in Frage kam. Er trachtete, dem Herrn eine feste Wohnstätte in einem verunreinigten, 
unbeschnittenen Lande zu geben. Er irrte daher zum größten 
Teil deshalb, weil er die Reinheit der Herrlichkeit Gottes nichl 
kannte. Ebenso verhält es sich mit denen, die den Namen des 
Herrn Jesus Christus, des Sohnes Gottes, mit der Erde, sowie 
sie jetzt ist, und mit ihren Königreichen verbinden wollen. Wie 
aufrichtig das Verlangen ihres Herzens in diesem Punkte auch 
sein mag, wie dieses auch bei David der Fall war, so irren sie 
doch größtenteils deshalb, weil sie die Heiligkeit der Herrlichkeit des Herrn nicht kennen. Dieses ist eine Unterweisung, 
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deren wir stets bedürfen. Noch ist der Sohn Gottes ein Fremdling auf Erden; Er sucht nicht die Welt, sondern ein von der 
Welt auserwähltes Volk, das noch eine Zeitlang mit Ihm die 
Fremdlingschaft hienieden teilen soll, und zwar inmitten all 
der Eitelkeit und Ehrfurcht, wodurch jetzt die Geschichte der 
Welt gekennzeichnet wird. 
„Ihr aber seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen; und ich verordne euch, gleichwie mir mein Vater 
verordnet hat, ein Reich". 
Schaut Ihn! Der unter uns gewohnt, 
Der Schmach und Hohn getragen, 
Schaut Ihn! Der droben herrlich thront, 
Wird Schwert und Szepter tragen! 
Im Schiffe und auf dem See.' 
Wie leicht ist es den Glauben an die Macht und Güte des Herrn 
zu verwirklichen, wenn alles gut geht und keine Schwierigkeiten drohen! Wie oft hält dann das arme Herz Selbstvertrauen für geistliche Gesinnung und glaubt, alles tun zu können. Daß der Herr alles in Seiner Hand hat, ist eine von jedem 
Gläubigen erkannte Wahrheit; aber das „Erkennen einer 
Wahrheit" für die Kraft zu halten, sich in der Stunde der Gefahr auf sie zu stützen, ist Selbstgefälligkeit und kein Glaube. 
Solange Petrus im Schiffe stand und Jesus auf dem Meer wandeln sah, schien ihm dies sehr leicht zu sein. Aber sobald er auf 
dem See war, welch ein Unterschied. Im Schiff war er voll 
Vertrauen, auf dem See von Schrecken erfüllt. Im Schiff war 
er überzeugt, daß der Herr Macht genug habe, ihn zu bewahren, auf dem See schrie er: Ich komme um! Auf dem Schiff rief 
er: Befiehl mir zu kommen, auf dem See: Herr rette mich! Im 
Schiff war sein Auge auf den Herrn gerichtet, auf dem See sah 
er nur Wind und Wellen. Auf dem Schiff war er voll Selbstvertrauen, daher fing er auf dem See an zu sinken. „Darum: 
wer zu stehen sich dünkt, sehe zu, daß er nicht falle". 
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Die Glaubensprobe 
(Mt 14, 12) 
In der gleichlautenden Stelle in Mk 6, 30 lesen wir, daß sich 
„die Apostel wieder zu Jesu versammelten und ihm alles erzählten, sowohl was sie getan, als auch was sie gelehrt hatten". 
Und hier in Mt 14 lesen wir, daß die Jünger Johannes' de? 
Täufers, nachdem sie den Leib ihres Meisters begraben hatten, 
„kamen und es Jesu berichteten". Das Heilmittel sowohl gegen 
Selbsterhebung, als gegen Traurigkeit ist stets in Seiner unmittelbaren Gegenwart zu finden. Er sagte zu Seinen aus ihrem 
Arbeitsfelde zurückkehrenden Jüngern: „Kommet ihr selbst 
her an einen wüsten Ort besonders und ruhet ein wenig aus" 
(Mk 6). Welche zärtliche Fürsorge zeigt hier der Herr den Seinigen, während Er Sich kaum Selbst Ruhe gönnte, und Er überall, sei es in der Wüste, oder im Schiff, übermäßige Arbeit 
fand! Doch als ihre Füße den wüsten Ort betreten hatten, fand 
Er es für nötig, den Glauben der Jünger auf die Probe zu stellen. Eine große Volksmenge hatte sich versammelt. Die Schar 
war groß; und der Vorrat an Lebensmitteln bestand nur aus 
fünf Broten und zwei Fischen. Das Herz Jesu war bewegt beim 
Anblick der Menge; Er beschäftigte Sich alsbald mit ihren Bedürfnissen. Wie am Jakobsbrunnen bei der Samariterin, so 
vergaß Er auch hier Sich Selbst und dachte nur an andere. Nicht 
so die Jünger. In ihren selbstsüchtigen Herzen mochten sich 
etwa folgende Gedanken regen: „Der Vorrat reicht gerade für 
uns selbst hin; aber was wir haben, müssen wir auch für uns 
selbst brauchen"! Und aus solchen Herzen kamen die Worte: 
„Der Ort ist wüst, und es ist schon spät an der Zeit. Entlaß sie, 
damit sie hingehen auf die Felder und Dörfer ringsum und sich 
Brote kaufen; denn sie haben nichts zu essen. Doch der Herr 
sagt zu ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen". — Wie selbstsüchtig 
zeigt sich hier das Herz, wie schwach über das, was „sie getan 
und was sie gelehrt hatten"! Sicher bot das Verfahren des 
Herrn ein geeignetes Mittel dar, um die Stimmen der Selbsterhebung zum Schweigen zu bringen, und dann zeigt der Herr 
Seine Macht gegenüber ihrer Schwachheit. Er speist die Schar, 
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und jeder Jünger behielt noch einen vollen Korb für sich übrig. 
Wie beschämend für sie! 
Im Lichte Seiner Gegenwart entdecken wir unsere Schwachheit 
und unsere Selbstsucht, aber auch Seine Macht und Seine Liebe. 
O möchte in dieser Seiner Gegenwart stets unser Platz sein! 
Dort machen wir die Probe über das, was wir sind, und was 
Er ist. 
Der Grund der Errettung 
Der einzige große Unterschied vor Gott bezüglich des künftigen Schicksals eines Menschen ist der Glaube an die Wahrheit, oder die Verwerfung derselben. Wer glaubt, ist gerettet; 
wer im Unglauben lebt und stirbt, ist zu hoffnungs- und endloser Verdammnis versiegelt. In dem Worte Gottes sind der 
wahre Glaube und die sichere Errettung, sowie fortgesetzer 
Unglaube und ewiges Elend unzertrennlich miteinander verbunden. Unsere Errettung ist nicht die Folge der Wirkung 
irgendeines Sakraments oder einer priesterlichen Absolution, 
nicht die Folge einer menschlichen Anstrengung oder Selbstbeschränkung, nicht die Frucht unsers eigenen Verdienstes oder 
unserer eigenen Bemühungen, und sicher auch nicht die Frucht 
der Verdienste und Bestrebungen unserer Mitmenschen; — wir 
sind aus Gnaden mittels des Glaubens errettet. „Wenn du mit 
deinem Munde den Herrn Jesum bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den Toten auf erweckt hat, 
wirst du errettet werden. Denn die Schrift sagt: Jeder, der an 
ihn glaubt, wird nicht beschämt werden" (Röm 10).