Botschafter des Heils in Christo 1874

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1874 

Christus der Diener 3 
Das Kommen des himmlischen Bräutigams . . 12 
Wie kennen wir Christum? 16 
Praktische Betrachtungen über die Psalmen . . 20 
Betrachtungen über 4. Mose 14 .. . . 23 
Gott ist es, der rechtfertigt 31 
Kein Brot im Schiff 36 
Der Herr Jesus in Johannes 11 und 12 . . . 40 
„Er starb für mich" 42 
„Gott ist für uns" 44 
„Verschlungen ist der Tod in Sieg" ... . 61 
Die Grundwahrheiten der Versammlung: 

  • 1. Ein Leib 65
  • 2. Ein Geist 72 
  • 3. Die Versammlung und der Dienst .. . 80 
  • 4. Der Gottesdienst, das Brotbrechen und das Gebet 91 
  • 5. Gaben und Ämter 103 
  • 6. Die Hilfsquellen des Glaubens_ 

und der 'Verfall der Christenheit . . . 1119 
Wir sind dem TJesetz gestorben . . * . . . 136 
Unsere wahre Stellung 138 
Unter Gnade 141 
Die Verantwortlichkeit 146 
Die Fußwaschung 155 
Vergeben und vergessen 160 
Das Abendmahl des Herrn 161 
Gefahr und Rettung 172 
Die Gefühllosigkeit der Sünde 175 
Die Ruhe 178 
Der König David und sein neuer Wagen . . . 181 
Das fälschlich beruhigte Gewissen ... . 206 
Der unausforschliche Reichtum Christi . . . 226 
„Eins aber ist not"! 238 
Bist du wiedergeboren? 241 

Christus, der Diener 
Die Erscheinung des Sohnes Gottes — des „ewigen Lebens, welches bei dem Vater war" — in der Welt hatte den Zweck, den Vater zu offenbaren und uns mit dem Sohne in 
eine und dieselbe Gemeinschaft des Vaters einzuführen. Er, Der „bei Gott", und Der „Gott" war, erniedrigte Sich Selbst, indem Er Knechts gestalt annahm und bis zu uns hernieder 
kam, um uns Seiner Natur teilhaftig zu machen. Sein Kommen geschah in einer unerwarteten Weise. Wohl hatte Johannes der Täufer Zeugnis von Seiner Hoheit gegeben; aber 
daß Er, „der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters, der Abdruck seines Wesens", in einer so demütigen Gestalt erscheinen würde, hatte niemand erwartet. 
Die Beweggründe der Fleischwerdung Jesu waren außer dem Hauptzweck, den Vater zu verherrlichen und Sein Blut für unsere Sünden zu vergießen, verschiedener Natur. Zunächst kam Er als ein großer Prophet, um mit uns in einer uns vertrauten Sache von den großen Dingen zu reden, die im Herzen des Vaters verborgen lagen. Gott erweckte einen 
Propheten, Der uns gleich war, um uns Seine Geheimnisse durch die Lippen eines Menschen zu offenbaren. Ferner kam Er, um, indem Er zur Offenbarung Gottes unter den Kindern 
der Menschen umherwandelte, die Werke des Vaters zu tun. 
Er war das lebendige Brot, das vom Himmel hernieder kam und „Fleisch ward", um nicht nur Sein Blut zur Vergebung der Sünden zu vergießen, sondern auch Sein eigenes Leben 
mitzuteilen. „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel hernieder gekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isset, so wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das 
ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt . . . Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, hat das ewige Leben . . . Wer mein Fleisch 
ißt und mein Blut trinkt, bleibt in mdr und ich in ihm" (Joh 6, 51. 54. 56). 

Diese außergewöhnliche Person, die als Sohn Gottes, kommend vom Himmel aus dem Schöße des Vaters, unserem Glauben geoffenbart ist, zeugte stets von Sich Selbst, in keiner anderen Beziehung zur Erde zu stehen, als daß Er gekommen sei, um einer rebellischen Welt Segen und Frieden zu bringen. Oft versicherte Er, daß Er kein anderes Ziel verfolge, als den Vater zu verherrlichen, das „Opfer für die Sünde zu vollbringen", die Seinigen zu retten und als der 
„Gesandte" die bis jetzt verborgenen Dinge zu offenbaren, während Er zu gleicher Zeit die Fähigkeit mitteilte, den Vater zu erkennen und zu verstehen. Er kam vom Himmel 
um vom Himmel zu reden; denn „der von der Erde ist, ist von der Erde und redet von der Erde" (Joh 3. 31). Wir hören das geheimnisvolle Wort: „Ihr seid von dem, was unten ist, ich bin von dem, was oben ist" (Joh 8, 23). Er war und blieb stets „der Sohn des Menschen, der im Himmel ist" (Joh 3, 13); und als solcher offenbarte Er den Vater, Der im Himmel ist. Er redete nur von Sich Selbst, als dem „Gesandten" Gottes, dem Diener des Vaters. Er stellte die Botschaft, nie den Boten in den Vordergrund; alle Seine Gedanken waren auf Den gerichtet, Den zu offenbaren Er gekommen war. „Ich suche nicht meine Ehre; es ist einer, der sie sucht und der richtet" (Joh 8, 50). Nie sucht Er Sich Selbst. 
Er war eins mit dem Vater, ehe die Welt war; Er war die Wonne des Vaters von Ewigkeit her; und Er kam in die Welt, um von dem, was von Anfang war, zu reden und die Geheimnisse des Vaters, die außer Ihm niemand kannte, zu offenbaren; aber nichtsdestoweniger war in Ihm nicht so 
sehr der Bote, sondern die Botschaft der Gnade zu erkennen. Wie hätte der natürliche Mensch Ihn, den auf der Erde wandelnden geheimnisvollen Fremdling erkennen können! 
Die Ihn Umgebenden fragten: „Ist dieser nicht der Sohn des 
Zimmermanns"? Andere sagten: „Wir wissen nicht, woher er ist". Etliche aber waren durch den Geist Gottes befähigt worden, in Ihm den Gesandten Gottes —• „den eingeborenen 
Sohn vom Vater, voller Gnade und Wahrheit" — zu erkennen; und „denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt, 

noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem. Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind" (Joh 1, 12. 13). Das Auge, das Ihn zu erkennen vermochte, schaute die Herrlichkeit; das Ohr, das auf Ihn lauschte, hörte Worte vom Himmel; die Hände, die Ihn betasteten, berührten das ewige Leben. Der Sohn war erschienen, um das, was Er offenbarte, auch mitzuteilen. Man konnte Ihn sehen, hören und betasten. 
Das ewige Leben war für die vorhanden, die dieses Wort des Lebens sahen, hörten und betasteten. Wenn das durch den Glauben geöffnete Auge des armen Sünders sich auf Ihn heftete, so empfing er das Licht vom Himmel — das Leben Dessen, Den er geschaut hatte; das hörende Ohr teilte dem Herzen das mit, was es gehört hatte; und wenn die Hand Ihn betastete, so ging Kraft von Ihm aus. Jedoch dürfen wir nicht vergessen, daß uns, als den Sündern, die Dinge aus Gnaden geoffenbart worden sind, und daß das ewige Leben nicht eher mitgeteilt werden konnte, als bis die Schuld beseitigt war und wir eine vollkommene Gerechtigkeit besaßen. Bevor das Blut vergossen war, konnten die Jünger wenig von 'der Tragweite der Worte verstehen: 
Glückselig aber eure Augen, daß sie sehen usw.". Und was sahen sie „Die Herrlichkeit eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit". — Und was sie sahen und hörten und mit ihren Händen betasteten, wurde ihnen gegeben — nämlich: das ewige Leben, das im Schoß des 
Vaters war. Und Jesus, kommend vom Vater, hatte nichts zu tun mit der Welt, noch mit dem, was in der Welt war. Er war i n der Welt, aber nicht vo n der Welt. Hienieden für eine kurze Zeit und beauftragt mit einer Botschaft der Liebe, lebte Er getrennt von der Welt, von all ihren Grundsätzen und all ihren Gewohnheiten. Er mischt Sich nicht in ihre geräuschvollen Szenen, sondern Seine Gedanken waren stets bei dem Vater. Er war von oben; Sein Platz war in der Gegenwart des Vaters. Wie beachtenswert sind daher die auf die Seiragen sich beziehenden Worte: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin" (Joh 17)! 
Er gibt ihnen nicht ein Gebot, daß sie sich anstrengen sollten, um wie Menschen vom Himmel zu sein, sondern Er sagt: „Sie sind nicht von der Welt"; sie sind von oben geboren; sie sind in der Tat himmlisch. „Was aus dem Fleische 
geboren ist, ist Fleisch; und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist" (Joh 3, 6). Der Mensch, dem der Odem des Himmels eingehaucht ist, ist ein himmlisches Wesen geworden. Der Herr Jesus sagte zu wiederholten Malen zu den Juden: „Ich bin von dem, was oben ist; ich bin nicht von der Welt; ihr wisset nicht, woher ich bin". Er wußte, woher Er kam und wohin Er ging, die anderen wußten es nicht. 
Ebenso ist es mit den Gläubigen. „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, daß wir Gottes Kinder heißen sollen! Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil ihn nicht erkannt hat. Geliebte, jetzt sind wir Gottes Kinder, und es ist noch nicht geoffenbart worden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es geoffenbart worden ist, wir ihm gleich 
sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist" (1. Joh 3, 1. 2). Wir besitzen wirklich das Leben aus Gott; wir sind von oben geboren, und dorthin geht unser Weg, obgleich 
andere es nicht wissen. Ist das nicht die Bedeutung der Stelle: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; 
also ist jeder, der aus dem Geiste geboren ist" (Joh 3, 8). 
Wir sind von oben; wir sind sowenig von der Welt, wie Christus von der Welt war. Würde man einen Gläubigen fragen, woher er sei, so müßte seine Antwort in der Sprache 
Christi sein: „Ich bin von dem, was oben ist". Das, was von Christo wahr ist, ist ebenso wahr von denen, die Ihm angehören, obwohl andere nicht zu beurteilen wissen, woher sie 
kommen, noch wohin sie gehen. Das ist nicht eine bloße edensart, das ist Wahrheit •— nicht ein Schatten, sondern Wirklichkeit. Wir sind nicht bloß veränderte oder verbesserte 
Wesen mit besseren Gedanken, besseren Gefühlen; nein, weit mehr als dieses. Wir sind aus Gott geboren, Söhne und Töchter des Herrn, des Allmächtigen (2. Kor 6, 18). Wir besitzen in Wahrheit das Leben, das im Anfang im Schöße des Vaters war. Wir haben einen himmlischen Ursprung und müssen uns daran erinnern, so oft wir mit dieser Welt zu tun haben, in deren Mitte wir uns befinden. 

Was sagt Jesus in Joh 17? „Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt" (V. 18). Von wo kam Jesus in die Welt? Kam Er von Nazareth? 
Nein; Er kam von oben — vom Himmel — aus dem Schöße des Vaters. Von dort, woher Er Selbst kam, sind auch wir gesandt; wir sind nicht von der Welt, gleichwie Er nicht von 
der Welt war. Wir sind aus Gott geboren; und der Dienst, für den wir gesandt sind, ist der Dienst Christi. Geliebte! Wir haben hienieden nur eine kurze Zeit in Liebe und Selbstverleugnung zu dienen, und zwar in der Erwartung, daß der Herr komme, um uns zu Sich zu nehmen, damit wir 
für immer bei Ihm sind. 
Im Hebräerbrief wird Melchisedek wie jemand bezeichnet, der unerwartet erschien, ohne daß man wußte, woher er kam, und der sich wieder so plötzlich zurückzog, ohne daß man wußte, wohin er ging. Diese geheimnisvolle Person kam zu Abraham, der erschöpft aus dem Kampf zurückkehrte mit Brot und Wein, und verschwand den Blicken wieder, nachdem er Abraham gesegnet hatte. Ebenso kam Christus, „weder Anfang der Tage, noch Ende des Lebens habend" (Hebr 7, 3). 
„Er ward Fleisch"; aber Er blieb immer das ewige Wort, der eingeborene Sohn Gottes. Niemand kannte Ihn, mit Ausnahme der Gläubigen, deren Vorbild Abraham ist, der, indem er den Zehnten gab, dem Priestertum und dem Königtum huldigte. 
Wir haben als einen Gegenstand für unser Herz jemanden 
nötig, der vollkommen den Vater kennt, der alle Seine Gedanken und Gefühle versteht, und der zu gleicher Zeit fähig 
ist, mit uns zu sympathisieren. Denkt euch einen Menschen, 
von Gott kommend, aus dem Heiligtum, Seiner verborgenen 
Wohnung — eins mit Gott, und der zugleich wie Aaron aus 
der Mitte des Elends Seines Volkes hervortritt — eins mit 
dem Menschen; und ihr habt das Priestertum des Herrn Jesu, „Priester geworden ewiglich nach der Ordnung Melchisedeks". — Welch ein Vorrecht, eins zu sein mit dieser göttlichen Person, mit diesem menschlichen Wesen, mit dem 
hochgepriesenen Sohne Gottes! Wer sind wir? — Solche, wie 
Er Selbst war — „nicht von dieser Welt". 

Es ist sicher wahr, daß wir mit den Gedanken und Überlegungen des Herzens geendigt haben müssen, bevor wir 
diese Herrlichkeit gründlich erkennen können; aber wie tief 
wir auch unser Elend fühlen mögen, so wird doch die Kraft 
der Wahrheit, daß wir aus Gott geboren und eins mit Christo sind, unsere Seelen erfüllen und die Frage in uns hervorrufen: „Was haben wir zu tun und was ist das Ziel 
unserer Wirksamkeit hienieden"? Der sittliche Mensch verfolgt seinen Weg in ehrbarer Weise; aber hat denn der 
Christ, als ein himmlischer Mensch, nichts weiter zu tun, als 
sittlicher zu sein, als er es früher war? Hat er in seinem 
Betragen nichts weiter zu zeigen, als ein höheres Maß von 
Sittsamkeit, wie ehedem? In der Tat, von dem Augenblick 
an, wo wir wissen, daß wir oben — aus Gott — geboren 
sind, muß auch das Bewußtsein bei uns erwachen, daß wir 
von Natur, von Geburt, selbst höher als die Engel gestellt 
sind; denn obwohl sie als Diener vor dem Herrn stehen, 
sind sie doch nicht gleich uns Kinder, Söhne und Töchter des 
Allmächtigen. Wir müssen also wissen, wie wir als Kinder 
Gottes in einer dieser Stellung angemessenen Weise wandeln 
können und uns die Frage vorlegen: „Warum sind wir, obwohl wir nicht von der Welt sind, dennoch in der Welt 
zurückgelassen"? „Gleichwie Du mich in die Welt gesandt 
hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt". — Welches 
sind die Gefühle, die Gedanken, die Beweggründe, die Bedürfnisse, welches ist die Tätigkeit eines Menschen, der aus 
Gott geboren ist? O Geliebte, möchten sich doch die Worte: 
„Gesandt in die Welt" •— tief in unsere Herzen einprägen! 
sie drücken klar aus, daß wir vorher von der Welt ausgegangen sind. Wir sind Menschen, die, obwohl sie hienieden 
gelassen sind, dennoch ihren Platz im Himmel haben, und 
zwar nicht nur in bezug auf unsere Neigungen, sondern 
auch bezüglich unserer Natur, die von oben ist. Wir sind aus 
Gott geboren und besitzen das Leben Dessen, Der im Schoß 
des Vaters ist, geoffenbart auf der Erde als der „Sohn des 
Menschen", Der, obwohl Er Fleisch und Blut angenommen 
hatte, „im Himmel ist". 
Sicher werden wir in dem Grade, wie sich dieses Leben 
in uns verwirklicht, auch dieselben Gedanken, Gefühle und 

Beweggründe haben, die wir in Christo erblicken. Seine 
Wünsche, Seine Genüsse, Seine Neigungen werden die Bedürfnisse der neuen Natur sein. Dieses Leben kann sich in 
uns nur dem Muster gemäß offenbaren, das Jesus, Der 
alles für uns ist, zurückgelassen hat. Wir sehen Ihn, wie Er 
Sich umgürtet, um den Jüngern die Füße zu waschen, und 
wie Er, indem Er den in seiner Unwissenheit sich weigernden 
Petrus belehrt, Seine Liebesarbeit bis ans Ende fortsetzt. 
— Nun sind wir berufen, Seinen Platz einzunehmen. Wir 
sind Schuldner Christi; wir schulden Ihm unseren Dienst. 
Nur Seine Gnade kann uns zu diesem Dienst befähigen; 
Seine Liebe kann sich so reichlich in unsere Herzen ergießen, 
daß der Geist uns treiben wird, diejenigen, die uns umgeben, 
zu bedienen und ihnen die Füße zu waschen. Es ist möglich, 
daß man zu uns sagt: „Du sollst nicht meine Füße waschen". 
Aber ließ Sich der Herr Jesus dadurch zurückhalten? Wenn 
Christus als Diener, unser Diener, in uns ist, dann ist es 
unser Bedürfnis zu dienen. Wie könnten wir auf den Herrn, 
Der in unendlicher Gnade Sich umgürtet, um uns die Füße 
zu waschen, unser Auge richten, ohne angetrieben zu werden, uns gleichfalls zu umgürten und zu tun, wie Er getan 
hat? Wie könnten wir uns in der Gegenwart des Sohnes 
Gottes befinden, Der Sich erniedrigt und Sich vor unseren 
Augen bückt, ohne daß wir uns ebenfalls tief erniedrigen? 
Wie könnten wir Ihn anschauen und dabei müßig und 
gleichgültig bleiben! Ja, in der Tat, wir sind für dieses alles 
Seine Schuldner. Lasset uns Ihn lieben, Seine Wünsche erfüllen und uns beeifern das zu tun, was Er getan hat! Von 
Seiner Berührung, wenn Er unsere Füße wäscht, geht eine 
Kraft aus; und unsere Herzen werden in der Ausübung dieser Gnade und Liebe Seinem Bilde gleichförmig gemacht. 
Seine Gnade wirkt in uns das, was in Ihm ist; sie macht 
uns zu Dienern und erfüllt uns mit dem, wovon das Herz 
Christi erfüllt ist. 
Das Leben Gottes in der Seele ist Liebe. Wenn die Liebe 
Gottes in das Herz ausgegossen ist, zerstört sie die scheußliche Selbstsucht und die hassenswürdigen Leidenschaften, 
die sich darin befinden, und dringt es, sich zu beschäftigen 
mit denen, die der Vater Jesum gegeben hat — mit Seinen 

Schafen und Seinen Lämmern. Wir sind der göttlichen Natur teilhaftig geworden, um nicht nur wegen des daran geknüpften Segens glücklich, sondern auch fähig zu sein, andere glücklich gemacht zu sehen. Denn die Liebe •— diese göttliche Liebe — liebte, als es noch nichts liebenswürdiges in 
dem Gegenstand ihrer Zuneigung gab. O möchten wir doch 
die Diener anderer sein, wenn sie unseren Dienst wollen; 
und möchte unsere Liebe sie auch dann, wenn sie unseren 
Dienst nicht wünschen, noch verfolgen! Die Kirche auf der 
Erde ist mit Finsternis vermischt; und inmitten des Verderbnisses leuchten die Heiligen wie Silberfünkchen im Staube. 
Es steht geschrieben: „Liebet nacht die Welt, noch was in 
der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe 
des Vaters nicht in ihm" (1. Joh 2, 15). Was haben wir nun 
zu tun? Die Heiligen aus der Welt zu sammeln. Der Herr 
Jesus zeigt uns Selbst in Luk 15, wie Er dem verlorenen 
Schafe nachgeht; und ebenso in Matth 18, 12. 13, wie Er 
das Verlorene sucht und sammelt. Unser Dienst kann verschiedener Art sein; aber die Tätigkeit der Liebe erschlafft 
nie. Wo es irgendein venirrtes Kind Gottes gibt, da wird 
sich die Energie des „ewigen Lebens" — die Liebe — mit 
ihm beschäftigen, um ihm die Füße zu waschen. Und selbst 
wenn man unseren Dienst abweist, werden wir nicht entmutigt werden. Gibt es Heilige, die sich in einem schlechten 
Zustand befinden, so laßt uns mit Ausharren und unter 
Gebet über sie wachen. Sicher gibt es eine Verschiedenheit 
des Charakters zwischen dem Dienste des Herrn Jesu und 
dem unsnigen; dennoch muß Sein Wunsch der unsrige sein, 
„die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu sammeln". Wo 
sich auch irgendein Kind Gottes befinden mag, und wie 
groß auch die Vorteile sein mögen, die es verblenden — 
die Energie des ewigen Lebens sollte es erreichen. Das Herz 
Christi — Seine liebe — umfaßt alle Heiligen. Er trägt sie 
alle vor Seinem Vater auf Seinem Herzen, wo sie wie Edelsteine als solche glänzen, die zuvor zu Erben der Herrlichkeit bestimmt sind. 
Wir haben nichts mit den Umständen zu tun. Christus 
ist stärker als der, der in der Welt ist; und das ewige Leben 
kann durchs nichts gehemmt werden. Laßt uns nicht in ei10 
nem Sektengeiste, sondern als Diener aller Heiligen unseren 
Weg fortsetzen. Die Liebe umfaßt alle, die Christo angehören, mögen sie fern oder nah sein — sie sind alle Schafe, 
tue der Weide bedürfen. Dieser Liebesdienst wird aber nicht 
nur von solchen erwartet, die eine besondere Gabe empfangen haben. Wenn wir etwas von der Liebe, 'die Ohristtun zu 
uns herabsandte, verstanden haben, so wird alles, was von 
dieser Liebe in unseren Herzen ist, diesen Dienst ausüben. 
Unsere Selbstsucht und unsere Gleichgültigkeit werden durch 
den Gedanken an die Liebe Christi überwunden. Es wird uns 
vielleicht Geringschätzung oder gar ein harter Empfang zuteil; aber wenn auch! — die Liebe Christi wandte sich an 
völlig Undankbare und Unwürdige. Auf welche Weise handelt diese unter den Menschen geoffenbarte „Liebe des 
Christus? Wie wird die Macht angewandt? Welches ist ihr 
Weg? Ist ihr Weg ein leichter, und schreckt sie zurück vor 
Geringschätzigkeit und Kälte? O nein; die Liebe Christi 
sucht die undankbaren Kinder Gottes, um sie zu bewahren 
und ihnen die Füße zu waschen. Laßt uns nicht Ruhe suchen, 
noch der Ruhe pflegen. Erinnern wir uns daran, daß Christus 
umgürtet ist, und daß Er zu einem jeglichen von uns sagt: 
„Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu 
waschen" (Joh 13, 14). 
Ich rede nicht davon, wie weit wir es bringen können. 
Aber, erwarten wir nicht den Herrn? Wünschen wir nicht in 
Ihm erfunden zu werden, umgürtet an den Lenden, um Seinen Jüngern die Füße zu waschen? Die Liebe ist gleich einem 
ins Wasser geworfenen Stein, der immer größer und größer 
werdende Wellenkreise bildet. — Derselbe Grundsatz, der 
zwei Herzen eng zusammen verbindet, muß alle umfassen. 
O möchte doch der Herr uns verstehen lassen, welches unser 
Platz ist, damit wir mit dem Apostel sagen können: „Der 
Tod ist wirksam in uns, das Leben aber in euch" (2. Kor 
4, 12)! Möchte es doch in Wirklichkeit unser Wunsch sein, 
daß die Liebe Christi in dem Maße unser Herz erfülle, daß 
nicht ein einziger selbstsüchtiger Gedanke darin zurückbleibe! Ja, möge der Herr uns die Gnade verleihen, uns ganz und gar selbst zu vergessen! 

Das Kommen des himmlischen Bräutigams 1. Thessalonicher 4, 13-18. 
Welch eine herrliche Offenbarung bezüglich der Wiederkunft Jesu liefert uns der oben bezeichnete Abschnitt des 
Thessalonicher-Brief es! Die Traurigkeit der Thessalonicher 
über ihre entschlafenen Brüder war die Veranlassung für die 
Mitteilung dieser Offenbarung. Weder sie noch die Korinther 
hatten bis zu dieser Zeit die Offenbarung bezüglich der 
Aufnahme der Versammlung empfangen. In 1. Kor 15 sagt 
Paulus: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis". Bis zu diesem 
Augenblick war die Aufnahme der Versammlung für sie ein 
Geheimnis geblieben. Hier zu den Thessalonichern sagt der 
Apostel: „Dieses sagen wir euch im Worte des Herrn". Zwar 
glaubte man in beiden Versammlungen an die Ankunft Christi, und die Thessalonicher sehnten sich mit großem Verlangen nach ihr; aber weder die näheren Umstände dieser 
Ankunft, noch der Unterschied zwischen dem Kommen Jesu 
in die Luft für die Versammlung, und Seinem Kommen auf 
die Erde zur Aufrichtung Seines Königreichs waren ihnen 
geoffenbart. Diese Offenbarungen empfingen sie erst jetzt. 
Wie gesagt, die Gläubigen zu Thessalonich waren über die 
Brüder betrübt, die entschlafen waren, weil man meinte, daß 
sie bei der so sehr ersehnten Ankunft des Herrn nicht gegenwärtig sein würden. Sie hingen an den Entschlafenen mit 
solcher Liebe und schätzten die Ankunft des Herrn so hoch, 
daß der Gedanke, jene bei der Erscheinung Jesu nicht in ihrer 
Mitte zu sehen, ihnen fast unerträglich war. Dieses liefert 
den klarsten Beweis, daß sie noch nichts von der Aufnahme 
der Versammlung wußten; denn hätten sie sie gekannt, so 
würden sie nicht traurig gewesen sein. Wir können unmöglich um dieser Ursache willen über die Entschlafenen traurig 
sein, da wir wissen, daß sie, ebenso wie wir, dem Herrn 
entgegengerückt werden in die Luft. 
Der Apostel ist nun bemüht, die trauernden Thessalonicher zu trösten. Zunächst sagt er ihnen, daß es mit den Entschlafenen ebenso gehen werde, wie es mit dem Herrn Jesu 
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selbst gegangen sei. „Wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch die, die entschlafen sind, mit ihm bringen". Der Herr Jesu ist gestorben und auferstanden, und Er kommt wieder. Denselben 
Verlauf wird es mit den Entschlafenen nehmen; sie sind 
gestorben, und sie werden auferstehen und mit Jesu wiederkommen. Welch ein Trost war dies für die Thessalonicher! 
Die Entschlafenen Brüder sollten, ebenso wie sie, der herrlichen Erscheinung Jesu in der Luft beiwohnen. „Seid nicht 
betrübt", sagt der Apostel, „die Brüder sind zwar gestorben; 
aber sie werden auferstehen. Denkt nur an den Herrn Jesus 
Selbst, Der auch gestorben und auferstanden ist, und seid 
versichert, daß, wenn er wiederkommt, Gott auch die Entschlafenen mit Ihm zurückkehren lassen wird". — Wie erfreut werden diese Gläubigen gewesen sein, als sie diese 
Zeilen lasen! Ihre teilnehmende Liebe war betrübt gewesen, 
weil nach ihrer Meinung die Entschlafenen einer großen 
Freude beraubt waren; aber jetzt wurde ihr Herz wieder erquickt und erfreut. 
Jedoch geht der Apostel noch einen Schritt weiter. Er sagt 
nicht nur, daß die Entschlafenen bei der Ankunft des Herrn 
auf Erden erscheinen werden, sondern er teilt ihnen auch mit, 
daß sie mit den übriggebliebenen Lebenden zugleich dem 
Herrn in die Luft entgegengerückt werden sollen. Dies mußte 
vor allem zuerst geschehen. Denn um mit dem Herrn bei 
Seiner Ankunft auf Erden erscheinen zu können, müssen 
wir vorher bei dem Herrn sein. Und wie kommen wir zum 
Herrn? Dieses beantwortet der Apostel dadurch, daß er ihnen eine direkte Offenbarung mitteilt, indem er sagt: „Denn 
dieses sagen wir euch im Worte des Herrn, daß wir, die 
Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den 
Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden" (V. 15). Es 
gibt also Gläubige, die auf der Erde leben bleiben bis der 
Herr kommt. Ja, der Apostel sagt sogar in 1. Kor 15 ausdrücklich: „Wir werden nicht alle entschlafen". Keineswegs 
werden daher alle Gläubige sterben; o nein, es werden 
Gläubige übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn. Diese 
werden nicht sterben, sondern in einem Augenblick, in einem 
Nu verwandelt werden. Die Gläubigen nun, die bis zur An13 
kunft des Herrn übrig bleiben, werden nicht für sich allein 
und auch nicht früher, als die in Jesu Entschlafenen, dem 
Herrn entgegengehen. Sie werden denen nicht zuvor kommen, die entschlafen sind. Sie werden zusammen und in 
demselben Augenblick den Herrn seihen und Ihm begegnen. 
Und wie wird dieses geschehen? Der Apostel offenbart 
uns dieses Geheimnis. Der Herr wird vom Himmel herniederkommen. Der geliebte Bräutigam kommt Selbst, um Seine Braut abzuholen und in das Haus des Vaters zu führen. 
Er sendet keine Engel, um uns abzuholen, und auch keinen 
feurigen Wagen mit feurigen Pferden, wie dieses bei Elia 
der Fall war, o nein — Er kommt Selbst. Sobald der vom 
Vater bestimmte Augenblick da ist, sobald Er der Versammlung das letzte Glied beigefügt hat, verläßt Er Selbst den 
Thron des Vaters, um Seine Braut zu Sich zu nehmen. Wde 
unaussprechlich groß ist Seine Liebe gegen uns! Und wo erscheint Er? Nicht auf der Erde, sondern in der Luft. Erst 
dann, wenn Er erscheint, um Sein Reich aufzurichten, wird 
Er auf die Erde kommen. Aber wenn Er kommt, um Seine 
Braut abzuholen, dann steigt Er hernieder vom Himmel und 
bleibt in der Luft, wo wir Ihm entgegengerückt werden. Und 
in welcher Weise kommt Er? Er kommt „mit gebietendem 
Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune 
Gottes". Die in Christo entschlafen sind, werden auferweckt 
werden. Die Stimme des Sohnes des Menschen wird sie aus 
ihren Gräbern hervorrufen. Es ist der vollkommene Triumpf 
über den Tod. Dann ist der Tod verschlungen in den Sieg. 
Die Posaune Gottes wird das Signal sein. In einem Augenblick, in einem Nu werden die Tausende und aber Tausende 
der Gläubigen in neuen, verherrlichten Leibern ihre Gräber 
verlassen; und in demselben Augenblick werden auch die 
noch übrig gebliebenen Lebenden verwandelt werden (1. Kor 
15). Ihre sterblichen und verderblichen Leiber werden plötzlich in unsterbliche und unvererbliche Leiber umgewandelt 
sein. Dann ist die ganze Versammlung zusammen; dann ist 
die Braut nicht nur gerettet, sondern auch, selbst in betreff 
des Leibes, Jesu gleichförmig. Denn Er wird „unseren Leib 
der Niedrigkeit umgestalten zur Gleichförmigkeit mit Seinem 
Leibe der Herrlichkeit" (Phil 3, 21). Und dann werden die 
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auferweckten Entschlafenen zugleich mit den verwandelten 
Lebenden „in Wolken dem Herrn entgegengerückt werden 
in die Luft, und also werden sie allezeit bei dem Herrn sedn". 
Wie herrlich wird dieses sein! Welch eine Freude, Jesum 
' zu sehen von Angesicht zu Angesicht und Ihm gleich zu 
sein! Welch eine Freude, dort mit allen Erlösten bei Ihm zu 
sein! Keiner von ihnen wird fehlen. Die Entschlafenen sind 
auf erweckt, die übrig gebliebenen Lebenden verwandelt; 
alle sind beieinander und Jesu gleich. Und in Wolken gehüllt, damit die Welt nicht ihre Aufnahme sehe, verlassen 
sie diese Erde und eilen mit der Stimme des Jubels dem 
Herrn entgegen, um bis in alle Ewigkeit in Seiner Gemeinschaft, in Seiner unmittelbaren Nähe zu bleiben und Ihn zu 
umringen. Wie wird das Herz der Thessalonicher voll seliger 
Freude geklopft haben, als sie diese Worte lasen, wie wird 
ihr Antlitz in himmlischem Entzücken gestrahlt haben! Fortan hatten sie nicht mehr nötig, über die entschlafenen Brüder zu trauern; ihr Herz war völlig zur Ruhe gebracht. „So 
ermuntert nun einander mit diesen Worten" (V. 18). 
Sind jene Worte nicht auch eine Ermunterung für uns? 
Ja, wirklich, die Predigt von der Wiederkunft Jesu ist ein 
wahrer Trost für das müde Herz eines Pilgers. „Siehe, ich 
komme bald"! ruft der Bräutigam uns zu. „Amen, ja komm, 
Herr Jesu"! antwortet die Braut. Ein Glück ist es, wenn wir 
in diesen Ruf miteinstimmen. Lange genug hat die Kirche 
diese glückselige Hoffnung und Erwartung aus dem Auge 
verloren. Haben wir sie kennengelernt, nun dann laßt uns 
auch mit Freude rufen: „Komm"! O möchten auch wir uns 
diese Worte zum Trost dienen lassen! Möchten auch wir 
uns einander zurufen: „Der Herr kommt bald"! Was kann 
ein Herz mehr erfrischen und beleben, als der Glaube an 
diese selige Ankunft? Was ist mehr geeignet, uns von der 
Welt loszumachen? Was vermag uns bei allen Leiden und 
Mühsalen dieser Erde mehr zu trösten? Ja, mit diesen Worten verscheucht man die Sorgen und die Traurigkeit, man 
lindert die Schmerzen und die Leiden, man belebt den Mut 
und das Vertrauen. Rufen wir uns daher beständig die 
Worte zu: „Der Herr Jesus kommt; ja, Er kommt bald"! 
Und der Herr wolle geben, daß unser Herz jedesmal, bei 
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jeder Erinnerung daran mit brünstigem Verlangen sagen 
möchte: „Amen, komm, Herr Jesu"! — 
Wie kennen wir Christum? 
In 2. Kor 5, 16 haben wir eine klare Bezeichnung der Art 
und Weise, in der wir jetzt Christum kennen; denn wir lesen: „So denn kennen wir von nun an niemanden nach dem 
Fleische; wenn wir aber auch Christum nach dem Fleische 
gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr 
also". Seit Christus gen Himmel gefahren ist, kann Er nicht 
mehr als ein Mensch im Fleische, als ein lebender Messias 
gekannt haben,, so 'kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr 
in einer weit wundervolleren Weise, als früher. Sein Tod 
war der Schluß der Geschichte des Menschen »in Verantwortlichkeit; aber auferstanden aus den Toten ist Er sowohl das 
Haupt der neuen Schöpfung, als auch das Haupt Seines 
Leibes, der Kirche. 
In diesem Verhältnis kennen wir Ihn jetzt. Christus, das 
Haupt, ist in der Herrlichkeit, nicht gesehen und nicht gekannt von dem Menschen im Fleische. Wir, die Glieder Seines Leibes, sind auf der Erde, und der vom Himmel gesandte Heilige Geist vereinigt uns mit dem Haupte in der 
Herrlichkeit, indem Er uns diese unsere Verwandtschaft zum 
Bewußtsein bringt. Wie wunderbar ist unser Platz; aber wie 
schwach erkennen wir ihn! 
Christum nach dem Fleische zu kennen, bezeichnet eine 
jüdische Stellung. Thomas liefert uns dafür eine Erklärung: 
„Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du 
geglaubt. Glückselig, die nicht gesehen und geglaubt haben" 
(Joh 20, 29). Die glückseligere Art, Christum zu kennen, 
finden wir in den Worten ausgedrückt: „Welchen ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen, liebet, an den glaubend, obgleich 
ihr ihn jetzt nicht sehet, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlocket" (1. Ptr 1, 8). — Es ist höchst 
interessant zu beobachten, wie der Herr Seine Jünger auf 
diesen Wechsel vorbereitet. In Joh 14 teilt Er ihnen mit, daß 
Er im Begriff stehe, sie zu verlassen. Sie kannten in Ihm nur 
16 
den Messias auf de r Erde ; und alle ihre Hoffnungen 
überschritten diese Grenze nicht. Sein Tod durchkreuzte diese 
Hoffnungen ganz und gar; und ein Verlust der Hoffnungen 
hätte den Gedanken in ihnen wachrufen können, daß alles 
Irrtum und Täuschung gewesen sei. Doch der Herr Jesus 
sagt: „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubet an Gott, 
glaubet auch a n mich" . Dann teilt Er ihnen mit, daß als 
die Folge Seines Hingangs der Sachwalter kommen werde. 
Daß Seine Jünger wenig von diesem verstanden, ist augenscheinlich; nichtdesroweniger stellte Er sie moralisch in die 
Stellung, die sie nachher einnehmen würden. Während in 
der Welt sich ihre Hoffnungen an einen abwesende n 
Christus knüpften, sollte der herniedergesandte Sachwalter 
in ihnen wohnen und für immer bei ihnen bleiben. Im Blick 
hierauf sagt Er, nachdem Er auferstanden war, zu Maria: 
„Rühre mich nicht an"! Welch eine unbegreifliche Veränderung — könnte man sagen — bei Ihm, Der sonst nie ein 
treues Herz von Sich abwies! Allein wir sehen Ihn hier bemüht, die Seele des weinenden Weibes von der Wahrheit zu 
überzeugen, daß sie Ihn nicht mehr, wie sie es früher getan 
hatte, nach dem Fleisch kennen sollte. 
Es ist sehr rührend zu sehen, daß, selbst nachdem Er von 
den Toten auferstanden war, Seine Jünger sich stets an Ihn, 
als einen irdischen Befreier klammerten und ihre Gedanken 
die Grenzen dieser irdischen Stellung nicht zu überschreiten 
vermochten. So hören wir die nach Emmaus wandelnden 
beiden Jünger über ihre getäuschten Hoffnungen reden, indem sie sagen: „Wir aber hofften, daß er der sei, der Israel 
erlösen sollte" (Luk 24, 21). Und beim letzten Zusammentreffen sagen die Jünger zum Herrn: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich dem Israel wieder her"? — 
Aber es gab etwas weit Höheres und Vortrefflicheres, als 
dieses; sie sollten die Zeugen eines abwesende n Christus sein, den die Welt verworfen hatte. Sie betraten den 
Weg zum Himmel und sollten Ihn nicht mehr nach dem 
Fleische kennen. Der Heilige Geist war auf die Erde gesandt, 
um in ihnen zu wohnen, um ihnen die Kraft zum Zeugnis 
mitzuteilen und, wie wir es anderswo finden, sie mit dem 
Herrn in Herrlichkeit zu vereinigen und Ihn zu offenbaren. 
17 
Dies konnte nie der Fall sein, solange Er auf der Erde war. 
Sowohl in Seinem Leben als auch in Seinem Tode war Er 
durchaus allein; aber nachdem Er auferstanden und zur Höhe 
gefahren ist, sind wir durch die Kraft des vom Himmel gesandten Heiligen Geistes mit Ihm vereinigt. Darum sagt 
Jesus: „Es ist eudi nützlich , daß ich weggehe; denn 
wenn ich nicht weggehe, wird der Sachwalter nicht zu euch 
kommen" (Joh 16, 7). Ja, es war ihnen nützlich, weil sie, 
einsgemacht mit Ihm Selbst, Ihn in einer weit innigeren 
Beziehung kennen sollten. 
Verweilen wir einen Augenblick bei der praktischen Wirkung dieser Sache. In Petrus finden wir eine Erläuterung. 
Das Auge auf Jesum geheftet, vermochte er die wilden, tobenden Wellen des Sees zu überschreiten. Auch Stephanus 
„blickt unverwandt gen Himmel", sieht dort Jesum und gedenkt, sein eigenes Leid vergessend, seiner Feinde mit den 
Worten: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu"! Welch 
eine herrliche Offenbarung des Geistes Christi! Die Art und 
Weise dieser Gleichförmigkeit findet einen Ausdruck in den 
Worten: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die 
Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach 
demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch 
den Herrn, den Geist" (2. Kor 3, 18). Wir sehen also in der 
Erkenntnis Christi in Herrlichkeit eine umwandelnde Kraft , 
die uns nicht beim Anschauen Seines niedrigen Pfades auf 
Erden, sondern beim Anschauen dessen, was Er jetzt ist, 
zuteil wird. 
Es ist unser gesegnetes Vorrecht, Ihn zu kennen, wie Er 
ist. Unsere Bekanntschaft knüpft sich nicht an Seine frühere 
Stellung, wir kennen Ihn als unseren verherrlichten Herrn 
im Himmel, so wie man einen Freund nicht in seiner früheren, sondern in seiner jetzigen Stellung kennt. Welch eine 
bewundernswürdige Sache ist diese vertrauliche Bekanntschaft mit dem Herrn! Wie gering unsere Kenntnis in dieser 
Beziehung auch sein mag, so ist sie doch das Geheimnis aller Kraft. Wie klar schauen wir diese Wirkung in dem Apostel Paulus, wenn er sagt: „Ja, wahrlich, ich achte auch alles 
für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Ghristi Jesu, meines Herrn"; und als ob er erst jetzt recht be18 
gönnen wollte, die Tiefen in Ihm zu erforschen, fährt er fort: 
„Um ihn zu kennen . . ." (Phil 3, 8. 10). 
Ach! wenn wir Ihn nur ein wenig mehr kannten, wie würde dann die Welt ihre Reize für uns verlieren, wie bereitwillig würden wir dann das Ich und das Fleisch verleugnen, 
und mit welcher Kraft würden wir dann Trübsale und 
Schwierigkeiten verleugnen! Mit einem Wort, je tiefer unsere Erkenntnis in Christo ist, desto mehr Kraft zur Anbetung, zum Dienst und zum Wandel würde sein. Haben wir 
nicht über Mängel und Gebrechen und über Geistesdürre zu 
klagen? Was ist die Ursache? Wir sind nicht genug mit 
Christum in der Höhe beschäftigt. Klagen wir nicht oft darüber, daß unser Herz so wenig zu Lob und Anbetung gestimmt ist? Die Ursache ist, weil Christus unsere Herzen 
so wenig anzieht; denn gerade in dem Maße, wie wir Ihn 
kennen, wird das Herz an Ihn mit Freude denken, als wäre 
Er persönlich in unserer Mitte. Unsere Erinnerung an Ihn 
in den Tagen Seines Leidens und Sterbens wird, wenn wir 
in Seinem Namen versammelt sind und die Zeichen Seines 
gebrochenen Leibes und Seines vergossenen Blutes vor uns 
sehen, umso wahrer und wirklicher sein, je tiefer unsere 
praktische Erkenntnis Seiner Selbst in Herrlichkeit ist. 
Eine andere praktische Wirkung unserer Erkenntnis wird 
die sein, daß wir diese Welt als „ein dürres und trockenes 
Land, wo kein Wasser ist", betrachten, weil Er, Der allein 
unsere Neigungen befriedigen kann, anwesend, verleugnet 
und verworfen ist. Dann wird die glückselige Hoffnung Seiner Wiederkunft klar und hell in uns sein. Dann begehren 
wir Ihn zu sehen. Diese beiden Dinge sind miteinander verbunden. Wir gedenke n Seiner, bis Er kommt ; aber 
der Grad dieser Zuneigung hängt ab von unserer Er -
kenntni s Seiner Selbst in der Stellung, die Er jetzt einnimmt. 
Richten wir uns selbst in bezug auf diese Dinge! Ich glaube, daß es keine Zeit gab, wo eine zunehmende Erkenntnis 
Christi so notwendig war, als in der Gegenwart. Der Strom 
der Kälte und Gleichgültigkeit wälzt sich rmit Macht über 
die Christen; und ein bloßes Verständnis davon wird uns 
keine Kraft geben, um Widerstand leisten zu können. Nur 
19 
Christus, als der gekannte und geliebte Gegenstand unserer 
Herzen, vermag uns zu bewahren. In Matth 2, 3-6 finden 
wir das Beispiel eines Verständnisses ohne Glauben. Die 
Hohenpriester und Schriftgelehrten hatten eine völlig richtige Erkenntnis der Prophezeiung bezüglich der Geburt Jesu; 
aber, wie wir wissen, entfernte diese Erkenntnis sie nicht 
von dem Hofe des Herodes. Den Magiern aus dem Morgenlande wurde es überlassen, das Kindlein zu erforschen. 
O möchte doch der Herr den ersten Platz in unseren Herzen haben; denn das allein gibt uns Kraft, treu vor Ihm zu 
wandeln. 
Dich zu kennen, das ist Leben, 
Dich zu loben — sel'ge Lust. 
Praktische Betrachtungen 
über die Psalmen 
Der Zweck der folgenden Betrachtungen ist nicht, die 
Psalmen zu erklären, sondern aus ihnen einige, geistliche 
Belehrungen und einige Erbauung für unsere Seelen zu ziehen. Die Erklärung der Psalmen ist in anderen Schriften 
versucht worden zu geben. Die Psalmen werfen ein ganz 
besonderes Licht auf die Regierung Gottes und auf das Mitgefühl des Geistes Christi mit Seinem Volk. Zunächst sind 
die Juden der Gegenstand und der Mittelpunkt der Entfaltung derselben. Doch, obwohl ein großer Unterschied besteht 
zwischen dem Zustand der Juden und dem unsrigen, so wie 
zwischen den Beziehungen eines Volkes zu Jehova und denen eines Kindes zum Vater, so sind doch die Wege Gottes 
als Regierung auch auf uns Christen anwendbar. Wenn es 
auch nicht der höchste Standpunkt ist, auf dem der Christ 
gesehen wird, so ist es doch ein höchst wichtiger und interessanter, der die ganze Entfaltung der göttlichen Sorgfalt Dessen ans Licht stellt. Der die Haare unseres Hauptes gezählt 
hat. Ebenso treten der Ernst und die Wachsamkeit hervor, 
die erforderlich sind zu einem Wandel vor Gott, Der niemals 
abweicht von Seinen heiligen Wegen; Der Sich nicht spotten 
läßt, noch Seine Augen abwendet von dem Gerechten, ob20 
schon Seine Gnade in allem wirksam ist, um uns vollkommen zu machen vor Ihm, gemäß diesen Wegen. Die Regierung Gottes, angewandt auf den Wegen des Christen, ist 
besonders vorgestellt dn den Episteln Petri. Siehe z. B. 1. Ptr 
1, 17; 3, 10-15, sowie den Geist und Ton der ganzen Epistel. 
Diese Regierung ist in der zweiten Epistel fortgeführt bis 
auf die Vollendung aller Dinge. Die erste Epistel stellt mehr 
die Regierung der Gerechten vor, die zweite das Gericht der 
Gottlosen, obschon dieses Gericht auch in der ersten angedeutet wird, als die Beendigung der Macht des Bösen und 
die Befreiung des Gerechten. Petrus war der Apostel der 
Beschneidung; deshalb steht ihm bei seinen Belehrungen 
besonders die Regierung Gottes vor Augen. 
Psalm 1. Diese Regierung auf der Erde, sowie der Charakter derer, die durch diese Regierung gesegnet sind, ist 
klar ausgedrückt in dem ersten Psalm. Es ist darin die Rede 
von dem, der nicht steht auf dem Wege der Sünder, sondern 
im Gesetz Jehovas seine Wonne hat und darüber sinnt Tag 
und Nacht. Unterwerfung unter den Christus, als den Verwalter dieser Regierung in Gottes Ratschlüssen am Ende dieser Prüfungszeit, ist der Gegenstand des zweiten Psalms. 
Ich will hier nur einige Worte sagen über den ersten dieser 
beiden Psalmen, die die Grundlage von allen den übrigen 
bilden. Der Rat der Gesetzlosen, der Weg der Sünder, und 
der Sitz der Spötter sind gemieden. Obschon hier in Verbindung mit der menschlichen Verantwortlichkeit im Wandel, 
ist man doch bewahrt vor dem Bösen. Ohne die Kraft dieser 
Worte näher auslegen zu wollen, mögen doch einige Bemerkungen darüber hier ihre Stelle finden. Die Gesetzlosen 
haben Pläne und Ratschläge nach ihrem eigenen Willen, sie 
haben ihre eigene Anschauung der Dinge und ihre eigenen 
Wege zur Erreichung ihrer Zwecke; da wird der Gerechte 
nicht gefunden. Der Sünder hat einen Weg, auf dem er nach 
seinem eigenen Wohlgefallen wandelt; der Gerechte wandelt 
nicht mit ihm. Die Spötter gefallen sich darin, Gott zu verachten; da wird der Gerechte nicht sitzen. Aber das Gericht 
wird kommen, und dann werden auch die Sünder nicht Einlaß finden in die Versammlung der Gerechten, die dann zur 
Ruhe gebracht sind durch die Herrlichkeit Gottes. 
21 
Psalm 2. Dieser Psalm kündigt die Aufrichtung des irdischen Triumphes Christa und Seines Königtums in Zion an, 
wenn die Nationen Ihm zum Erbteil gegeben sein werden. 
Dies ist noch nicht erfüllt. Die Regierung Gottes stellt die 
Gläubigen nicht sicher vor dem Leiden, was dann doch der 
Fall sein wird; sie läßt aber das Leiden zu geistlicher Segnung ausschlagen und bewahrt den Überrest vor dem Zorn, 
indem sie für unsere kleine Trübsal eine herrliche Belohnung 
gibt. Für uns aber offenbart Sich Gott als Vater in den 
Trübsalen. Wir rufen Den als Vater an, Der ohne Ansehen 
der Person richtet nach eines jeglichen Werk, und wandeln 
die Zeit unserer Fremdlingschaft in Furcht, wissend, daß wir 
erlöst sind. 
In diesem Psalm sind die Könige aufgefordert, sich zu 
unterwerfen, bevor das Gericht über die Erde kommt. Aber 
dieses Gericht ist noch nicht ausgeführt, und wir haben unsere eigene Aufgabe in Geduld zu lernen. Dieses wollen die 
Psalmen uns lehren. 
Psalm 3. Laßt uns jetzt die Belehrungen der ersten folgenden Psalmen untersuchen. Der Bedränger sind viele, aber 
der erste Gedanke des Glauben ist: „Herr". Da fühlt sich 
die Seele in Sicherheit und betrachtet von hier aus die Bedränger. Jehova wird so der Gegenstand des Vertrauens. 
Wenn „der Herr" in das Herz kommt vo r denen, die mich 
bedrängen, so steht alles gut. Unser Geist sieht Ihn beteiligt 
bei den Ereignissen und ist in Frieden. „Er ist ein Schild 
um mich her, meine Herrlichkeit, und der mein Haupt emporhebt". Von der anderen Seite ist es nicht ein lässiges, 
sorgloses Hinblicken auf das Böse und Gute, noch ein ungültiges Vertrauen. Verlangen und Abhängigkeit sind wirksam — die Bande zwischen der Seele und Jehova. Ich 
schrie , und Er hörte. Das ist gewiß. „Dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, daß, wenn wir etwas nach seinem 
Willen bitten, er uns hört", und wenn Er hört, so haben wir 
die Bitte. Wenn wir aufrichtig sind, so begehren wir nicht 
etwas zu haben, was nicht mit Seinem Willen übereinstimmt, 
aber es ist unendlich tröstlich, inmitten der Prüfungen und 
Schwierigkeiten der Erhörung und des Armes Gottes sicher 
zu sein in allem, was nach Seinem Willen ist. Daraus ent22 
springt Ruhe und Frieden. „Ich legte mich nieder und schlief; 
ich erwachte, denn Jehova stützte mich". Wie bestimmt und 
wie einfach! Ist es so bei dir, mein Leser? findet jede Not 
dein Herz ruhend in Gott als deinem Vater, so daß sie, 
wenn sie noch größer wird, deinen Geist ruhig, deinen 
Schlaf süß sein läßt, indem du dich niederlegst, schläfst und 
aufstehst, als ob alles Frieden um dich her wäre, weil du 
weißt, daß Gott ist und daß Er über alles gebietet? Ist Er 
so zwischen dir und deiner Not und deinen Bedrängern? 
Und wenn Er es ist, was kann dir dann begegnen. Die „Tausende von Feinden" machen keinen Unterschied, wenn Gott 
da ist. Der Assyrer ist geflohen, bevor er aufstehen kann, 
um zu bedrängen oder die Drohungen auszuführen, die 
eigentlich nur verraten, daß er sich fürchtet. Wir sind töricht, wenn wir die Schwierigkeiten und Prüfungen nach 
unserer Kraft abmessen, anstatt nach der Kraft Gottes, die 
für uns ist, wenn wir Sein sind. Was machte es aus, daß die 
Städte Kanaans himmelhohe Mauern hatten, wenn sie fielen 
beim Schall einer Posaune? Hätte Petrus besser auf einem 
ruhigen See wandeln können als auf einem stürmischen? 
Unsere Weisheit ist, zu wissen, daß wir nichts tun können 
ohne Jesum, mit Ihm aber alles, was nach Seinem Willen 
ist. Das Geheimnis des Friedens ist, mit Ihm beschäftigt zu 
sein um Seiner Selbst willen, und wir werden Frieden finden 
in Ihm und durch Ihn, und werden mehr als Überwinder sein, 
wenn Trübsal kommt. Nicht daß wir unempfindlich gegen 
die Prüfung sind, aber wir werden Ihn und Seine zärtliche 
Sorgfalt für uns finden, wenn die Trübsal kommt. 
Betrachtungen über 4. Mose 14 
Wir finden in dem vorgenannten Kapitel das Volk Israel 
an den Grenzen Kanaans. Man hatte die versuchungsreiche 
Wüste durchschritten und man hatte die herrlichsten Erfahrungen von der Macht und Treue Jehovas gemacht. Wenn die 
Pilger auf diese Macht und Treue ihren Blick geworfen hätten, so würden sie mit Zuversicht und voll freudigen Mutes 
ihre Füße auf den Boden des ihnen verheißenen Landes 
gestellt haben. Jedoch anstatt auf die unzweideutigen Bewei23 
se der Macht und Treue Gottes zurückzuschauen, hefteten 
sich ihre Blicke vielmehr auf die Riesen des Landes, und wie 
immer, wenn der Unglaube das Herz beherrscht und das 
Auge die Schwierigkeiten betrachtet, stellen auch sie die Riesen Kanaans über den allmächtigen und ewigen Gott, der 
sie bis dahin mit so mächtiger Hand geleitet hat. Wenn wir 
uns ihres Schreiens in 2. Mose 14, 10 erinnern, und der 
wunderbaren Hilfe, die ihnen dort zuteil wurde, so ist es 
uns klar, daß nur, wenn sie Gott völlig beiseite setzten, eine 
so trostlose Verwirrung entstehen konnte, daß alle in lautes 
Weinen ausbrachen und ausriefen: „O wären wir doch im 
Lande Ägypten gestorben"! cder „Wären wir doch in dieser 
Wüste gestorben"! — Aber das ist der Mensch in seinem 
Unglauben; er sieht nichts von Gott. Wie könnte dies auch 
möglich sein? Er sieht die Schwierigkeiten, die sich zwischen 
ihm und Gott befinden, während der Glaube Gott schaut 
und Ihn immer zwischen sich und die Schwierigkeiten bringt. 
Die Kinder Israel sollten den Platz, den Jehova für sie 
bereitet hatte, in Besitz nehmen; aber sie konnten wegen 
ihres Unglaubens nicht eingehen. Auch wir sind berufen, 
unsere himmlische Stellung einzunehmen; aber wir vermögen 
dies nur durch den Glauben. Wenn wir damit beschäftigt 
sind, unsere Kraft mit der Kraft des Feindes zu. messen, 
gegen den wir im Kampf stehen, ist das nichts anderes als 
Unglauben, der ohne Zweifel zur Folge hat, daß wir unterliegen; wenn wir aber Gott einführen, auf Sein Wort unser 
Vertrauen setzen, uns Seine Kraft, Seine Treue, Seine Ehre 
vergegenwärtigen, so werden wir dieselbe Erfahrung machen, 
die auch Israel am Roten Meer machen durfte. (2. Mose 14, 
14). „Jehova wird für euch streiten, und ihr werdet stille 
sein". Jeder, der auf den Herrn allein sein Vertrauen setzt, 
wird in einem solch seligen Stillesein seine Pfade gehen, zur 
Verherrlichung des Namens Jesu und zu seinem eigenen 
Glück. 
Der Weg nach Kanaan ist leicht und ist schwer. Leich t 
weil man nichts zu tun hat, weil ein anderer für uns streitet, weil der Herr alle Sorgen übernimmt; schwe r •— ja 
unmöglich, wenn wir selbst auf dem Plane sind, wenn wir 
die Treue und Macht Gottes außer acht lassen, wenn da.s 
24 
Auge nur auf die Riesen sieht und das elende Ich in den 
Kampf gehen soll. Und dennoch, wie oft ist es der Fall, daß 
wir uns in diesem zuletzt genannten Zustand befinden! 
Wie leicht vergessen wir es, daß der Gerechte nur durch 
Glauben lebt, wie schnell öffnen sich unsere Augen, um auf 
die Umstände zu sehen; wie bereit sind unsere Herzen, sich 
mit den Schwierigkeiten einzulassen, trotzdem wir die Vorbilder Israels kennen und die Treue Gottes in unserem eigenen Leben so oft erfahren haben! 
Der Herr erwartet von uns, daß wir stets den Platz des 
Glaubens einnehmen; denn je völliger und entschiedener wir 
uns auf diesem gesegneten Beden bewegen, umso mehr kann 
Er Sich an uns verherrlichen. Wenn wir durch Glauben wandeln, so ist es immer der Herr, zu. Dem wir emporschauen 
und von Dem wir alles erwarten, während sich der Unglaube stets nach etwas Sichtbarem umschaut. Am Fuße des 
Horeb machten sich die Kinder Israel ein Kalb, und hier im 
vierten Vers unseres Kapitels wollen sie sich ein Haupt 
wählen, um nach Ägypten zurückzukehren. Wenn sie glaubten, daß ein Kalb sie nach Ägypten geführt habe, so war es 
auch nicht schwer zu glauben, daß ein Haupt sie wieder 
dorthin zurückbringen könne. Welch ein schmerzlicher Gedanke, solch ein Volk wieder auf dem Rückweg nach Ägypten zu sehen! Ach! es ist stets der Charakter des Unglaubens, 
zurückzukehren. Er läßt uns nicht auf dem Platz, den wir 
eingenommen haben; er führt nur zurück. Welch eine ernste 
Wahrheit für uns, und besonders für eine Seele, deren sich 
der Unglaube bemächtigt hat, für eine Seele, die im Zurückweichen begriffen ist! Ägypten •— die Welt — ist der Platz, 
wohin sie zurückkehrt. Sie schaut sich nach einem Haupte 
um, um sich dorthin leiten zu lassen. Es ist nicht die Hand 
Jesu, woran sich eine solche Seele festklammert; denn Er 
geleitet niemanden zurück nach Ägypten. Dieses Haupt, 
dieser Führer ist ein anderer, — Satan selbst. O möchte dieses jedem Weichenden ins Bewußtsein gebracht werden, um 
vor sich selbst zurückzuschrecken und die Hand Jesu wieder 
zu ergreifen, damit es nicht mit ihm rückwärts gehe nach 
Ägypten. 
Welch ein liebliches Bild stellen dagegen Josua und Kaleb 
25 
diesem Volk gegenüber dar! In ihren Herzen zeigt sich keine 
Furcht; im Gegenteil, sie besitzen Kraft genug, um einer 
solchen Menge gegenüber ein Zeugnis für Gott zu sein. 
Wenn man sich vor dem Feind fürchtet, so verkleinert 
man Gott, indem man Ihn nicht für stark genug hält, den 
Feind zu überwinden. So schließt also der Unglaube die 
Geringschätzung Gottes in sich, was wir mit allem Ernst 
erwägen sollten. Nicht nur, daß Glaube und Unglaube nicht 
zusammen gehen können, sondern sie sind einander völlig 
entgegengesetzt. Als in Josua und Kaleb sich der Glaube in 
seinem Zeugnis offenbarte, wollte das Volk sie steinigen; 
und doch hatten diese beiden Zeugen nur die Wahrheit gesprochen. Ach, wie groß ist die Macht des Unglaubens über 
das menschliche Herz! Die Wahrheit findet darin keine Stätte. So war es damals, und so ist es jetzt. Dagegen sind Lüge 
und Irrtum stets willkommen. Josua und Kaleb mußten den 
Widerspruch des ganzen Volkes erfahren; an 600 000 Stimmen erhoben sich gegen die Stimme zweier Männer, die die 
Wahrheit sagten und Gott glaubten. So war es, so ist es, 
und so wird es stets sein bis zu dem Augenblick, der uns 
in Jes. 11, 9 geschildert wird. 
Wie wichtig war es, in einem solchen Augenblick die 
Wahrheit aufrechtzuerhalten und dem Drängen so vieler 
Menschen Trotz zu bieten! Doch Josua und Kaleb hatten 
die Zuversicht, daß das Land ihnen gehöre und daß es in 
ihren Besitz gelangen werde; ja sie wußten, daß, wenn auch 
600 000 Menschen den Tod fanden, sie dennoch am Leben 
bleiben würden, um den Lohn ihres Glaubens zu. finden. 
Glückselige Männer! Welch ein Kontrast zwischen ihnen und 
der ungläubigen Menge! Wieviele Kinder Gottes gibt es, 
die sich nicht bis zu der Höhe der göttlichen Offenbarung 
erheben können, um ihren Platz als Heilige und Geliebte 
Gottes einzunehmen! Stets umgeben von der dunklen Wolke 
der Zweifel, haben sie, da sie sich selbst und die Schwierigkeiten betrachten, nie jenen Mut und jene Zuversicht, wodurch Gott verherrlicht wird. Der Christ sollte immer glücklich und immer fähig sein, Gott zu loben; seine Freuden 
sollten ihre Quellen nicht auf der Erde haben, sondern sie 
sollten im Himmel entspringen, den das Auge des Glaubens 
26 
stets offen findet. Leider fehlen wir darin oft; und das ist 
der Unglaube, der Gott verunehrt und das eigene Herz zu 
Boden drückt. Der Glaube erhebt das Herz über die dumpfe, 
kalte Luft dieser Welt in die strahlende und erwärmende 
Sonne der Gnade; und dort kann das Herz nidit mehr gefesselt werden von dem Nebel des Unglaubens. 
In diesem kritischen Augenblick erschien (V. 10) die Herrlichkeit Jehovas, mit der Absicht, das Gericht zu üben und 
Moses zu einem großen Volke zu machen. Welch herrliche 
Aussichten eröffneten sich jetzt diesem Mann Gottes! Jehova Selbst machte ihm das Anerbieten, daß er das Haupt 
einer großen und mächtigen Nation werden solle. Doch 
von der Annahme dieses Anerbietens hing die Vernichtung 
des Volkes ab. Was tat Moses in diesem Augenblick? Dachte 
er an sich? Wünschte er etwas für sich? Überlegte er etwa 
lange, was da zu tun sein? Nichts von allem. Da er durchdrungen war von dem Geiste Christi und geleitet war von 
der Liebe zu andern, läßt er, indem er sein eigenes Interesse gänzlich beiseitesetzt, nicht lange auf seine Antwort 
warten (V. 13-19). Er erinnert Gott daran, daß es die Ägypter hören, und daß sie urteilen würden, Jehova habe Sein Volk 
nicht in das Land zu bringen vermocht. Es handelte sich 
augenscheinlich in seinem Herzen um den Ruhm und die 
Verherrlichung Gottes, sowie um die Erhaltung des Volkes. 
Dieses erfüllte so sehr sein Herz, daß er nicht einen Augenblick daran dachte, was Jehova ihm zu seinen Gunsten eröffnet hatte. Er tritt angesichts der unbeschnittenen Völker 
für die Ehre Jehovas, und für Dessen Volk an den Riß. Er 
offenbart in dieser Sache die Gesinnung Christi Jesu, Der 
allezeit dieselben beiden Ziele vor Seiner Seele hatte, nämlich die Verherrlichung des Vaters und die Errettung der 
Sünder. 
Moses hatte dieselbe Gesinnung geoffenbart, als Israel 
das goldene Kalb gemacht hatte; und er sprach jetzt ebenso 
entschieden für die Ehre Gottes. Der Glanz des Ruhmes 
Gottes mußte um jeden Preis aufrechterhalten bleiben. O 
möchte dies doch auch unter allen Umständen der Grundsatz 
unsere Herzen sein! Aber nicht nur verherrlichte Sich Jehova 
dadurch, daß Er das Volk nach Kanaan brachte, sondern auch 
27 
dadurch, daß Er dem Volk vergab. Durch Seine Gnade, durch 
Seine Geduld, durch Seine Langmut wurde Sein Ruhm erhöht. Ja, unser Gott ist bewundems- und anbetungswürdig 
in allen Seinen Wegen. Wie ward Er Sich an Israel und in 
reichem Maße an den Nationen verherrlichen, wenn Er vergeben und die Erde voll werden wird der Herrlichkeit Jehovas (V. 21)! 
Indes darf man nicht aus dem Auge verlieren, daß es 
außer der Gnade auch eine Regierung Gottes gibt. Beide 
gehen zusammen, wie wir dies in den Versen 20-25 sehen. 
Die Vergebung ist in Vers 20 ausgesprochen, und dann folgt 
die Regierung. Jehova gibt Seine Rechte in bezug auf Sein 
Volk nicht auf; und Seine Wege sind ernst. Welche Tragweite hat oft eine einzige unserer Handlungen! Und obwohl 
der Herr völlig bereit ist zu vergeben, so tragen wir doch 
in manchen Fällen die Früchte unserer Torheit. Die Aussprüche Jehovas in den Versen 26-35 liefern den Beweis dafür. 
Wie treffend ist das Beispiel dieses Volkes für uns, und 
auf welche herrliche, liebliche und zugleich ernste Weise 
offenbart Sich Gott unter ihnen! Wir sehen sowohl Seine 
Macht als auch Seine Gnade, sowohl Seine Langmut als 
auch Seine Zucht, sowohl Seine Barmherzigkeit als auch 
Seinen Ernst, Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit hervorstrahlen; und es ist anbetungswürdig, Seine Geduld zu sehen, die nicht aufhörte, so daß Er trotz allen Ihm so schmerzlichen Vorkommnissen dennoch nicht von Seinem Volke abließ. Welch eine tröstliche, aber auch welch eine ernste Lehre 
liefert uns die Geschichte Israels. Sind unsere Herzen anders, 
als die der Israeliten? Sind wir weniger in Gefahr, dein 
Unglauben Raum zu geben, wie sie es waren? Haben wir es 
nicht mit demselben Gott zu tun, mit dem Israel zu tun 
hatte? Und ist 'die Sünde bei uns, bei einem so geliebten 
himmlischen Volk, nicht weit schwärzer und verwerflicher, 
als sie es bei dem irdischen Volk war? 
Israel war berufen, das ihm verheißene Land in Besitz zu 
nehmen, und ebenso sollen auch wir durch den Glauben 
von den unserer neuen Stellung angemessenen himmlischen 
Gütern Besitz nehmen; wir müssen den Jordan überschreiten. Das Blut des Lammes hat uns dn Ägypten vom Gericht, 
?* 
und das Rote Meer von der Macht des Feindes befreit; aber 
beim Eintritt in Kanaan müssen wir um jeden Fußbreit 
Land kämpfen. Unser Kampf ist mit Satan, der seinen Platz 
in den himmlischen örtern hat. Wir — gestorben der Welt 
und Besitz nehmend von unseren himmlischen Gütern — 
erfahren, daß Satan uns alles streitig machen möchte. Hier 
ist von keinem Kampf mit der Sünde die Rede, obschon es 
sich von selbst versteht, daß man über das Fleisch wachen 
muß. Es handelt sich hier um die Behauptung unserer himmlischen Stellung. Daß die Sünde nicht in der Mitte Israels 
sein durfte, ist eine andere Sache, als der Einzug dieses Volkes in Kanaan. Wir sind berufen, in Neuheit des Lebens 
zu wandeln, und wir sind berufen, im Glauben unsere gesegneten himmlischen Güter in Besitz zu nehmen. Wie es 
in der Wüste nur Manna gab, aber das Volk in Kanaan von 
den Früchten des Landes aß, so gibt es für uns in dieser 
Welt nur Speise von oben; aber durch den Glauben genießen 
wir auch schon die Früchte des himmlischen Kanaan, und 
diese bieten eine Fülle, eine reiche Fülle aller Art von Genuß für die Seele. Während unsere Füße diese Wüste durchschreiten, erheben sich unsere Blicke nach oben, und wir 
sehen, was wir in Jesu sind, welchen Platz wir in dem Herzen des Vaters haben, welche Liebe gegen uns ausströmt, 
welches Erbe unser Teil ist und welche Güter im Himmel 
unsere Schätze sind. Ach, wieviele Herzen unserer Brüder 
sind beschäftigt mit dem, was auf Erden ist! Ihre Blicke erheben sich nicht, um ihre himmlischen Güter zu beschauen 
und sich daran zu erquicken; sie fühlen sich nicht in jener 
seligen Nähe Gottes, die allein das Herz wahrhaft befriedigt, 
und sie haben darum auch kein Verlangen, im Glauben droben ihren Platz einzunehmen und von da auf eine böse, dem 
Urteil verfallene Welt hdnabzublicken. Sie sind nicht in Wirklichkeit von der Welt und ihrem Wesen getrennt und genießen daher auch nicht die Nähe und Gemeinschaft Gottes 
in dem Maße, wie sie es tun würden, wenn sie an dem 
Vaterherzen Gottes ruhten. 
In den Versen 36-38 sehen wir, daß Jehova die Kundschafter, die das Volk zum Murren gebracht haben, durch 
den Tod wegnimmt. Sie tragen alsbald die Früchte ihres 
29 
Unglaubens, während Josua und Kaleb, die Männer des 
Glaubens, am Leben bleiben. Das Volk hatte in der Wüste 
zu sterben verlangt; und Jehova tat ihnen (V. 29) nach 
ihren Worten. Die Folgen eines Wortes des Unglaubens bestanden darin, daß 600 000 Männer in der Wüste ihr Grab 
fanden, indem der Herr mit den zehn Kundsdiaftern, die 
das Volk murren gemacht hatten, den Anfang madite. Während die Kinder Israel noch an dem einen Tage die köstliche 
Verheißung hörten, daß die mächtige Hand Jehovas sie in 
das Land bringen werde, blieb ihnen an dem anderen Tag 
nur die trostlose Aussicht, daß 600 000 Grabeshügel sich 
in der Wüste erheben würden. Jede Hoffnung, die verheißenen Segnungen zu empfangen, war abgeschnitten; sie 
hatten den Tod in der dürren Wüste gegen die von Milch 
und Honig fließenden Fluren Kanaans eingetauscht. Wie 
ernst reden diese Tausende von Gräbern der Wüste! Sind 
sie nicht ein Zeugnis des Mißfallens Gottes an dem Unglauben? Sagen sie uns nicht, wie sehr wir Ihn betrüben, wenn 
kein Vertrauen zu Ihm in unseren Herzen ist? Verkündigen 
sie uns nicht, welches die traurigen Folgen unseres Murrens 
sein können, und wie Er niederzuschlagen vermag, was sich 
wider Ihn erhebt? Ja ihre Sprache ist ernst. Am Schluß unseres Kapitels sehen wir, wie die Kinder Israel sich bereit 
zeigen, in das Land zu ziehen und den Kampf aufzunehmen. 
Aber sie kommen nach ihrem eigenen Willen; Jehova hat 
sie nicht gerufen. Und nach ihrem eigenen Willen ziehen sie, 
trotz der Mahnung Moses, in den Streit. Doch der Ausgang 
konnte nicht zweifelhaft sein; ein solcher Weg mußte notwendig mit der Niederlage des Volkes endigen. 
In dieser Geschichte ist ein wichtiger Grundsatz Gottes 
enthalten, nämlich, daß, wenn wir uns nicht im Glauben 
auf Ihn stützen wollen, Er auch nicht mit uns auszieht in 
unserem Unglauben. Und ach! wie oft geschieht es, daß wenn 
der Herr ruft, wir nicht folgen wollen, und daß wir, wenn 
wir unsere Torheit erkannt haben, dann gehen wollen, wenn 
Er es nicht geheißen hat. Der Herr kann keinen Eigenwillen 
erlauben. Wir müssen still sein und vorwärts gehen, wenn 
der Herr voran geht; und haben wir, ohne zu folgen, den 
rechten Augenblick vorüberziehen lassen, so bleibt uns nichts 
30 
übrig, als auf die ferneren Wege und Wanke des Herrn zu 
warten, und wir dürfen uns nicht nach eigenem Willen und 
Gutdünken vorwärts bewegen. Gott allein kennt den richtigen Augenblick für uns; und gesegnet ist es, Ihm stets zu 
folgen und uns nicht mit den Folgen zu beschäftigen. Er, 
Der uns auffordert, Ihm zu folgen, wird uns auch sicher leiten, so daß wir nichts zu fürchten haben; denn alles, was 
uns begegnen könnte, begegnet zuerst Dem, Der voran geht, 
Ihm, dem treuen und mächtigen Gott. Auch haben wir nicht 
zu untersuchen, ob wir das kennen, was uns zustoßen könnte; denn Der uns vorangeht, kennt schon alles, was kommen 
wird, im voraus; und nicht wir stehen auf dem Plane, sondern 
der Herr, Der alles nach Seiner Weisheit ordnen wird. Wären die Kinder Israel der voranziehenden Wolke gefolgt, so 
würden gerade diese Riesen eine umso herrlichere Gelegenheit gewesen sein, die Macht Gottes zu sehen; denn je 
größer und mächtiger sich diese Feinde erwiesen hätten, umso größer wäre der Triumph gewesen, sie zu überwinden 
und zu vernichten. Die Schwierigkeiten auf unserem Weg 
dienen eigentlich nur zur Verherrlichung Gottes, wenn wir 
Ihm im Glauben folgen, während sie zu Seiner Verunehrung 
dienen, wenn wir dem Unglauben Raum geben. 
Der Herr verleihe uns die Gnade, durch Glauben unseren 
Pfad fortzusetzen und stets zu bedenken, daß wir uns durch 
Unglauben von unserem Gott trennen, und Er nicht mitunsgehen kann! Mögen wir allezeit auf Seinen Ruf warten und 
nicht nach eigenem Willen unsere Kämpfe beginnen! 
Gott ist es, Der rechtfertigt 
„Sie scheinen in ihrem Leiden recht glücklich zu sein", 
sagte jemand zu einer sterbenden Frau, „worauf setzen Sie 
denn eigentlich Ihr Vertrauen"? 
„Ich vertraue auf die Gerechtigkeit Gottes", war die Antwort. 
„Wie, auf die Gerechtigkeit Gottes"? fragte der Besucher 
verwundert zurück. „Wenn Sie sich auf die Barmherzigkeit 
Gottes stützten, so würde ich das begreifen können; aber so 
31 
vertrauen Sie ja auf eine Sache, die Sie wegen Ihrer Sünden 
notwendig verdammen muß". 
„Ich sage, was ich meine", erwiderte die Sterbende; „und 
obwohl ich von Natur eine große Sünderin war, so ist dennoch die Gerechtigkeit Gottes der Grund meiner Hoffnung 
für den Himmel; denn ich lese in Röm 3, 26, daß Gott gerecht ist und den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesum ist. 
Diese Worte enthalten eine sehr beachtenswerte Wahrheit. 
Es hieße offenbar, sich in die Arme des Gerichts werfen, 
wenn ein überführter, strafbarer Verbrecher sein Vertrauen 
auf die Gerechtigkeit des Gerichtshofes, vor dem er angeklagt ist, setzen wollte. Die Gerechtigkeit wird unbedingt 
seine Bestrafung fordern. Es würde daher eine große Torheit 
sein, in einem solchen Fall auf die Gerechtigkeit zu vertrauen. Doch in dem Fall jener Sterbenden, liegt die Sache anders. 
Es ist wahr, Gott ist heilig, so daß selbst die Engel in 
Seiner Gegenwart ihre Angesichter verhüllen; und dennoch 
hatte die sterbende Frau, die nach ihrem eigenen Geständnis 
von Natur eine große Sünderin war und jetzt vor Gott zu 
erscheinen im Begriff stand, nicht Unrecht, wenn sie in betreff ihrer Errettung auf die Gerechtigkeit Gottes ihr Vertrauen setzte. Und was gab ihr dazu den Mut? Wie kann 
jemand, der sich als schuldig bekennt, auf Erlassung seiner 
Schuld rechnen, wenn er sich auf die Gerechtigkeit Gottes 
stützt? 
Das ist eine wichtige und beachtenswerte Frage und verdient unsere ernste Aufmerksamkeit. Die oben angeführte 
Stelle in Röm 3, 26 ist das Resultat der Beweisführung in 
der vorhergehenden Stelle. Doch laßt uns den Zusammenhang prüfen. Es gibt in diesem Kapitel drei beachtenswerte 
Punkte zu betrachten. 
1) „Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit geoffenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten: Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesum 
Christum". 
2) „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Gerechtigkeit Gottes"; und 
32 
3) Die Gerechtigkeit Gottes ist „gegen und und auf alle, 
die da glauben". 
Es ist augenscheinlich, daß, wenn all e gesündigt haben, 
nieman d irgendeine Gerechtigkeit vor Gott besitzt oder 
ein eigenes Verdienst beanspruchen kann. Aber wir finden, 
daß die Gerechtigkeit Gottes geoffenbart ist; und nicht nur 
dieses, sondern auch, daß, während sie zu allen hin ihre 
Richtung nimmt, sie auch allen zugerechnet wird, die da glauben. Das will sagen: Wenn der Mensch keine Gerechtigkeit 
vor Gott besitzt, so besitzt Gott Gerechtigkeit für den Menschen, ja für alle Menschen. Und welchen wird sie zuteil? 
Denen, die glauben. Die Gerechtigkeit Gottes ist auf denen, 
die glauben. Mit anderen Worten, wer unter allen, die gesündigt haben, glaubt, ist gerechtfertigt — grechtfertigt aus 
Glauben. 
Aber hier entsteht die Frage: „Wie kann ein heiliger Gott 
Seine Heiligkeit aufrechterhalten, und dennoch einen Sünder 
rechtfertigen? In den Versen 24 und 25 finden wir die Antwort: „Und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durc h di e Erlösung , di e inChristo]« ,
sudst , 
d e n Got t dargestell t ha t z u eine m Gnaden -
stuh l durc h de n Glaube n a n Sei n Blut" . — 
O möchten diese Worte in ihrem vollen Glanz in unsere 
Herzen leuchten und sie mit Anbetung erfüllen; Ja, mein 
teurer Leser, die Erlösung, die in Christo Jesu ist, das Werk 
Christi auf dem Kreuze, liefert die Antwort. Dort hat Jesus 
als Stellvertreter das Gericht und den Zorn Gottes getragen 
und den unbeschreiblich bitteren Kelch bis auf den letzten 
Tropfen geleert. Er nahm den Platz des schuldigen Verbrechers ein und litt an seiner Statt. Er vergoß Sein Blut zur 
Vergebung der Sünden. O wunderbare Gnade! Und dann? 
das Schwert der göttlichen Gerechtigkeit, das auf das freiwillige Opfer gefallen war, kehrte befriedigt in seine Scheide 
zurück; und der Gott, Der in Seiner Barmherzigkeit Seinen 
eingeborenen Sohn sandte, damit wir durch Ihn leben möchten, ist Es, Der jetzt aufgrund jenes wunderbaren und vollkommenen Werkes, umsonst, au s freie r Gnade , rechtfertigt. Nichts steht dem Ausfluß Seiner Liebe mehr im Wege. Seine Gnade ist die Quelle, das Werk Christi auf dem 
33 
Kreuz der Grund, die freie Rechtfertigung des Sünders das 
köstliche Resultat; — und dieses alles — beachten wir es! 
— während Gott Seinen Charakter aufrechterhält. 
Ich denke bei dieser Gelegenheit daran, daß mir jemand, 
der an den Herrn Jesum gläubig war, vor etlichen Jahren 
klagte, der Gedanke an die Gerechtigkeit Gottes beunruhige 
ihn immer wieder. Ich stand gerade mit ihm vor seinem 
Hause. „Wenn die Tür Ihres Hauses verschlossen wäre, so 
daß wir nicht hineinkommen könnten, so würden wir in diesem Zustand sicher den Stürmen der Nacht ausgesetzt sein, 
wenn wir uns aber dm Innern des Hauses befänden, würden 
dann nicht dieselben Mauern, die in unserem ersten Zustand 
eine Schranke gegen unsere Sicherheit bildeten, unser Schutz 
und Schirm gegen den Sturm sein? Ebenso verhält es sich 
mit der Gerechtigkeit Gottes. Solange der Mensch in der 
Sünde und im Unglauben vorangeht, ist er dem Zorne Gottes ausgesetzt; sobald er aber durch Gottes Gnade glaubt, 
dann ist die Gerechtigkeit Gottes fü r ihn". 
O wie bedeutungsvoll sind die Worte: „Gott ist es, der 
rechtfertigt". Wie wunderbar! Der Heilige Gott, Der die 
Sünde verabscheut, tritt als Rechtfertiger ins Mittel! Wie 
unendlich kostbar ist die Erlösung in Christo Jesu, Der es 
möglich gemacht hat, als ein gerechter Gott den zu rechtfertigen, der an Jesum glaubt. 
Doch richten wir unser Auge noch auf eine andere Stelle, 
die ebenso bezeichnend, wie treffend ist. „Den, der Sünde 
nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf daß 
wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm". (2. Kor 5, 21). 
Das ist ein beachtenswerter Ausdruck. Der Zusammenhang 
wird uns darüber Aufschluß geben. Christus, Der für alle 
gestorben ist, hat dadurch den Beweis geliefert, daß alle im 
Tode sind, und daß sie daher durch nichts außer durch Seinen Tod, erlöst werden konnten. Der Zweck Seines Todes 
war, daß die Erlösten zur Ehre Gottes leben sollten, denn 
wir lesen: „ . . . auf daß, die, die leben, nicht mehr sich 
selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und ist 
auferweckt worden" (2. Kor 5, 15). Da sich alle im Tode 
befanden, so konnte die Erscheinung Christi im Fleische 
ihnen nichts nützen. „Daher kennen wir von nun an nie34 
manden nach dem Fleische; wenn wir aber auch Christum 
nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch 
jetzt nicht mehr also. Daher, wenn jemand in Christo ist, 
da ist eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; siehe, 
alles ist neu geworden. Alles von dem Gott . . ." V. 16-18). 
Nichts kann deutlicher und treffender sein. Wir sehen Christum, zur Sünde gemacht, am Kreuze sterben als ein Opfer 
für die Sünde; und dies ist das totale Ende des Alten, ja, 
das Ende von allem, was mir, einem toten und verlorenen 
Sünder angehörte. Am Kreuze sehe ich durch den Glauben 
das Ende des eigenen Ichs, das Ende von allem, was mit diesem Ich in Verbindung war. Christus, auferstanden aus den 
Toten, ist der Anfang der neuen Schöpfung. Er ist „der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten. Dies wird uns noch 
deutlicher in den beiden ersten Kapiteln des Epheserbriefes 
gezeigt. Wie Gott Christum auferweckt hat, so hat Er auch 
uns, die wir tot waren in unseren Vergehungen und Sünden" 
mit Christo auferweckt. Er hat uns nicht nur versöhnt, sondern uns auch „mitsitzen lassen in den himmlischen örtern 
in ihm". Diese neue Schöpfung ist so ganz und gar von 
Gott, daß wir, einsgemacht mit Christo, dem „Erstgeborenen 
aus den Toten", in Ihm Gottes Gerechtigkeit geworden sind. 
Wir waren tot in den Sünden und in den Vergehungen; aber 
Gott hat uns ein neues Leben geschenkt und erblickt uns als 
eine neue Schöpfung in Christo, in der keine Sünde ist, und 
deren Charakter vollkommene Heiligkeit und vollkommene 
Gerechtigkeit ist. Uns betrachtet in dieser neuen Schöpfung, 
sind wir das, was Gott aus uns gemacht hat; denn alles ist 
neu geworden, und alles ist aus Gott; und darum ist der 
mit Christo auferweckte Gläubige die Gerechtigkeit Gottes. 
Also jetzt, nachdem die Gerechtigkeit Gottes durch den 
Tod Christi völlig befriedigt ist, konnte Paulus im Blick auf 
den aus den Toten Auferstandenen sagen: „So sei es euch 
nun kund, Brüder, daß durch diesen euch Vergebung der 
Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon ihr in dem 
Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in 
diesem jeder Glaubende gerechtfertigt" (Apg 13, 38. 39). 
Möge der Herr uns leiten zu den grünen Auen und zu den 
stillen Wassern dieser kostbaren Wahrheit! „Gott ist es, der 
35 
rechtfertigt". Ebenso gewiß wie Jesus gestorben und auferweckt ist, ebenso gewiß wird uns die Gerechtigkeit Gottes 
zugerechnet. Der gerechte Gott ist jetzt der unsrige auf 
Grund des Glaubens. Dies in seiner Fülle und in seinen 
gesegneten Folgen zu genießen, wird bald unser ewiges Teil 
sein. Der Apostel sagt: „Wir erwarten durch den Geist aus 
Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit" (Gal 5, 5). Wie 
gesegnet ist diese Hoffnung der Gerechtigkeit! Jetzt durch Zurechnung, bald werden wir uns für ewig in dem vollen Genuß des Schauens befinden. „Wenn er geoffenbart werden 
wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist". 
O hochgelobter Herr und Heiland, vermehre unseren 
Glauben! 
Kein Brot im Schiff 
oder 
Christus alles in allem 
(Markus 8, 10-28) 
Das Erste, was wir bei der Betrachtung des Evangeliums 
zu lernen haben, ist, daß Christus Sich Selbst für uns hingegeben hat; und das Zweite, daß wir alles für Ihn aufzugeben haben. In der oben bezeichneten Geschichte finden wir 
beides. Wenn wir uns aber auch in gewissem Sinne sagen 
können, daß wir das Erste bereits gelernt haben, so vergeht 
doch für manchen oft eine lange Zeit, bevor er als ein völlig 
ruinierter Sünder erkannt hat, daß Christus unter allen Umständen für ihn ist. Jedoch sicher wird der Tag kommen, daß 
wir nichts mehr haben als Christum. In solchen Schmerzensmomenten, wo alles uns verläßt, wo wir die Nichtigkeit aller 
Dinge erfahren müssen, machen wir in der uns umgebenden 
Finsternis die Entdeckung, daß Christus allein für uns ist. 
— Wir sehen dies in der Geschichte des Jonas vorbildlich 
vor unsere Augen gestellt. Allerdings war er bekehrt; aber 
in der Tiefe des Wassers mußte er lernen, daß nur Gott ihn 
zu retten vermochte. 
Vor allem habe ich Christum als Heiland. Um für Ihn leben zu können, muß ich zunächst wissen, daß Er völlig fü r 
36 
mich ist. Wir sehen in Luk 5, daß der Herr den Petrus belehrt. Aber in welcher Weise belehrt Er ihn? Es war in dem 
für einen Fisdier bedeutsamen Augenblick, als das Schiff 
voller Fische war, daß Petrus in der Gegenwart Gottes sein 
Nichts erblickte und ausrief: „Herr, ich bin ein sündiger 
Mensch"! Zu den Füßen Jesu liegend, opferte er seine Zeit 
und sein Schiff dem Herrn. Ein religiöser Mensch ist befriedigt, wenn er sein Geld für die Ausbreitung des Evangeliums 
hingibt. Vielleicht haben manche von uns lange Jahre in 
einer solchen oberflächlichen Weise hingebracht. 
Es gibt aber eine Zeit im Leben des Christen, wo er fühlen muß, wie alles ihn unbefriedigt läßt, aber auch, daß 
Christus völlig genug ist, um sein Herz zu befriedigen. Petrus und seine Gefährten brachten in einer für sie als Fischer 
höchst verlockenden Periode ihre Schiffe ans Land, verließen 
alles und folgten Jesu nach. Auf diesem Wege machten sie 
Erfahrungen. Man hat oft Gelegenheit, am Sterbebett die 
Worte zu hören: „Ich habe erfahren, daß nichts befriedigen 
kann, als nur Christus allein". Und muß unser Herz dies 
nicht bestätigen? Im Lebenslauf einer solchen Person ist der 
Tag gekommen, wo sie gefunden hat, daß Christus in allem 
genug ist. Natürlich setzen solche Erfahrungen voraus, daß 
man Jesum schon länger kannte; und dies zeigt uns auch 
die Geschichte Petri. 
Es ist eine schwere Aufgabe, die wir zu lernen haben, 
nämlich daß auf alles das Urteil des Todes geschrieben ist. 
Wenn wir die Schriften betrachten, so finden wir dies in 
jeder Geschichte. Christus unterweist die Seinen, auf daß sie 
praktisch lernen, was Tod und Herrlichkeit ist. Die Frage ist 
immer: Ist Er in allem genug? Er seufzte tief in Seinem 
Geiste am Grab des Lazarus, und warum? Er sah den Unglauben des Volkes, das Ihn nicht erkannte als Den, Der in 
allem genug für sie war. 
„Und sie (die Jünger) vergaßen Brote mitzunehmen und 
hatten nichts bei sich auf dem Schiffe als nur ei n Brot". — 
Man kann sich wirklich keinen hilfloseren Zustand denken, 
als in einem Schiffe auf dem See ohne Brot zu sein. Aber 
der Herr ist beschäftigt, Seine Jünger zu belehren, daß Er 
Selbst genug für sie ist. Er vermehrt das Brot nicht um einen 
37 
Bissen, sondern Er prüft ihren Glauben, als wollte Er sagen: 
„Bin ich euch denn nicht genug, selbst wenn sonst auch alles 
mangelt? Habt ihr nicht Gelegenheit gehabt, meine Macht 
kennenzulernen? Seid ihr noch so unverständig"? — Wir 
haben nicht nötig, besorgt zu sein. Der Herr segnet uns oft 
reichlich nach Seiner Barmherzigkeit, damit wir Ihn kennenlernen, und damit Er genug für uns sei in einer Zeit, wo 
diese Segnungen ausbleiben. Nicht als ob die Gaben den 
Wert des Gebers bestimmen, sondern vielmehr verleiht Er, 
der Geber, den Gaben ihren Wert. Was hatte Jonas zu lernen? Nicht allein, daß in ihm der Tod, sondern daß hienieden alles im Tode sei. 
Wir haben zwei Dinge zu verstehen — das Leben in dem 
Sohne Gottes u n d den Tod hienieden. „Allezeit das Sterben 
Jesu am Leibe umhertragend, auf daß auch das Leben Jesu 
an unserem Leibe offenbar werde". Wir dürfen uns nicht 
entsetzen, dürfen nicht zurückschrecken; denn der Glaube 
sieht nie auf die Schwierigkeiten, sondern auf Den, Der in 
allen Schwierigkeiten genug ist. Der Mann des Glaubens 
läßt sich nicht durch die Umstände beeinflussen. Wir sehen 
z. B., daß Moses, als er vom Berge herabstieg, 600 000 
Menschen entgegentrat, als wären sie nichts. Er stand vor 
Gott. Er dachte nicht an sie, fürchtete nicht ihre überlegene 
Macht, sondern rechnete auf Gott. Die Jünger hingegen 
überließen sich nicht dem Herrn. Sie hätten sich dem Herrn 
gegenüber kräftig erweisen, d. h. Gebrauch machen sollen 
von der Macht des Glaubens. Wir finden diesen Unterschied 
zwischen David und Jonathan. Jonathan mochte ein stärkerer 
Mann sein, als David; aber David zeigte sich als ein Mann 
von Kraft, der vor Goliath nicht zurückbebte. 
Wir werden in der Geschichte unseres täglichen Lebens 
lernen müssen, daß Christus genug für uns ist, und dürfen 
uns nicht im Mindesten durch das entmutigen lassen, was 
wir um uns her sehen; ja, wir dürfen unseren Mut nicht 
sinken lassen, wenn auch kein Brot im Schiffe ist. Der Wendepunkt unseres Lebens ist, daß wir, indem wir durch die 
Wüste pilgern, es mit dem auferstandenen Christus zu tun 
haben und nicht mit den Umständen, in welcher Weise sich 
diese uns auch entgegenstellen mögen. Dann wird das Re38 
sultat sein, daß wir zwar keine Hilfsquellen haben, aber darum nicht im Mindesten entmutigt sind; wir haben Christum. 
Paulus konnte von dem strengsten Richterstuhl der Welt sagen: „Alle verließen mich"; .. . es war kein Brot im Schiff 
— „Der Herr aber stand bei mir und stärkte mich, auf daß 
die Predigt vollbracht werde und alle die aus den Nationen 
hören möchten; und ich bin gerettet worden aus dem Rachen 
des Löwen" (2. Tim 4, 16. 17). Wir dürfen den Mut nicht 
verlieren, auch nicht handeln gleich solchen, die sich immer 
Erleichterung zu verschaffen suchen, und zwar durch Veränderung der Umstände. Wir werden nie anders eine erhabene Stufe von Kraft erlangen, als wenn wir, statt den Herrn 
zu bitten, daß Er unsere Umstände ändern möge, zu Ihm 
sagen: „Herr erhebe mich über die Umstände"! 
In dem alten Zustand war alles größer, als der Mensch, 
in dem neuen ist der Mensch in Christo größer, als alles. 
— Wenn ich um die Wiedergenesung meines kranken Kindes 
bete und es mir wieder zurückgegeben wird, so werde ich in 
dieser Prüfung nicht dieselbe Erkenntnis von Gott erlangt 
haben, als wenn ich angesichts dieser Prüfung mich Seinem 
Willen überlassen hätte. Wenn ich im Herrn ruhe und lasse 
Ihn tun, was Ihm gefällt, dann ist Christus genug für mich. 
Das ist nicht nur jenes erbärmliche Zufriedensein mit etwas, 
das doch nun einmal nicht zu ändern ist. Der Glaube ist es, 
der mir den Pfad des Lebens zeigt, und wenn wir durch 
Glauben wandeln, so befinden wir uns auf diesem Pfad und 
legen alles in die Hand Dessen, Der die Liebe ist und der 
alles nach Seiner Weisheit ordnet. Gott kann nicht Seine 
Liebe dadurch beweisen, daß Er uns dieses und jenes gibt. 
Der Beweis Seiner Liebe ist die Herrlichkeit, wo Er jeder 
Art von Entbehrung begegnet ist. Aber, wie bereits gesagt, 
wir dürfen nicht zurückschrecken, nicht verzagt sein. Allerlei 
Drangsale sind unser Teil und ich will nicht, daß jemand 
in betreff ihrer unempfindlich sei; aber es ist ein Unterschied zwischen dem Kampf einer Seele, die von seiten der 
Barmherzigkeit eine Milderung der Umstände begehrt, und 
dem Kampf einer Seele, die ohne diese Barmherzigkeit zu 
beanspruchen, lernt, in den Schwierigkeiten mit Gott zu 
wandeln. Würde nun vielleicht jemand sagen: „Auf einem 
39 
solchen Weg möchte mich Gott in zu große Trübsale bringen", so erwidere ich: „Er liebt mich unendlich mehr, als ich 
mich liebe". Und wenn ich anders sprechen würde, so wäre 
das ein Beweis, daß ich weder das Heil noch die Liebe Seines Herzens verstände. 
Ich weiß wohl, was Trübsale sind. Aber wozu dienen sie? 
Mich zu Ihm zu bringen, so daß „der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, mein Herz und meine Sinne in Christo Jesu bewahrt". Es mag sein, daß ich keine Linderung erfahre; aber die Segnung von Ihm Selbst, „der Friede Gottes, 
der allen Verstand übersteigt und Herz und Sinne in Christo 
bewahrt", ist zwischen meiner Seele und der Trübsal. Maria 
war, als sie zum Grabe ihres Bruders Lazarus schritt, befriedigt in der Gegenwart Jesu. 
Möchten wir doch stets die Wahrheit verstehen, daß hier 
auf alles das Urteil des Todes geschrieben ist, und daß Chritus Selbst für uns ist. Wir haben inmitten des Elends, das 
uns hier umgibt, zu lernen, daß Christus für alles genügend 
ist; nur dann werden wir mit glücklichem Herzen und zum 
Preise Seines Namens unsere Pfade pilgern. 
Der Herr Jesus in Johannes 11 und 12 
Diese Kapitel zeigen uns die verschiedenen Richtungen 
in welchen sich die Gedanken des Herrn gegenüber den 
Gedanken der Menschen bewegen. Seine Gedanken über 
Elen d und Glückseligkei t sind ganz anderer Art, 
als die Gedanken der Menschen. 
Das elfte Kapitel zeigt uns eine Szene menschlichen 
Elends. Die teure Familie in Bethanien war mit Krankheit 
heimgesucht worden; und die Stimme der Freude und des 
Dankes hatte sich in Trauer und Wehklagen gewandelt. 
Aber Er, Der unter allen die innigsten und zärtlichsten 
Symphatieen hat, ist der ruhigste unter ihnen; denn Er 
lebte in der Voraussicht der Auferstehung, was Ihn über 
das Krankenzimmer und über das Totengrab hinwegsehen 
ließ. 
Als Jesus hörte, daß Lazarus krank war, blieb Er zwei 
40 
Tage an dem Orte, wo Er war. Als aber die Krankheit Lazarus' mit dem Tod endigte, begann Er Seine Reise mit der 
sicheren und herrlichen Aussicht der Auferstehung. Dies 
machte Seine Schritte fest und ruhig. Und als Er der Stätte 
des Kummers nahte, blieb Sein Verhalten ganz dasselbe. Mit 
erhabener Ruhe antwortet Er auf die Betrübnis des Herzens 
Marthas, und zwar von einem Standpunkt aus, auf den Ihn 
die Kenntnis einer weit über die Macht des Todes hinausreichenden Macht gestellt hatte. Und obwohl Er noch weiterzugehen hatte, zeigte Er durchaus keine Eile; denn als Maria 
sich Ihm nähert, befandet Er Sich noch an dem Ort, wo 
Martha Ihm begegnet war. Aber — es ist überflüssig zu 
sagen, — der herrliche Ausgang der Dinge rechtfertigt sowohl die Ruhe Seines Herzens, als auch die Verzögerung 
Seiner Reise. So war es mit Jesu hinieden. Der Pfad, den 
Er wandelte, war Sei n eigene r Pfad . Während andere 
durch Kummer und durch Gedanken des Todes niedergebeugt 
waren, bewegte Er Sich in dem Sonnenschein der Auferstehung. 
Doch obwohl das Verständnis der Auferstehung den Gedanken des Herrn eine andere Richtung gab, so blieb doch 
Sein Herz empfänglich für den Kummer anderer. Sein Herz 
offenbarte keine Gleichgültigkeit , sondern göttliche 
Erhabenhei t gegenüber den Leiden dieser Zeit. Er 
weinte mit der weinenden Maria und mit denen, die sie begleiteten. Seine Seele aber bewegte sich in den Strahlen jener Region, in die der Tod nicht einzudringen vermag und 
die weit entfernt liegt von dem Grabe Bethaniens; aber Er 
konnte das Tränental besuchen und weinen mit den Weinenden. 
Doch während der Mensch voller Erwartung herrlicher und 
glänzender Dinge auf der Erde war, war Seine Seele mit 
dem heiligen Bewußtsein erfüllt, daß hienieden auf alles, wie 
anziehend und reizend es auch scheinen mag, das Urteil des 
Todes geschrieben ist, und daß wahre Glückseligkeit und 
Ehre nur in anderen und höheren Regionen erwartet werden 
kann. Dies sehen wir im zwölften Kapitel. 
Viele, als sie von der Auferweckung des Lazarus gehört 
hatten, kamen zusammen <und begrüßten Jesus als den König 
41 
Israels. Auf dem Fest der Laubhütten empfangen sie Ihn mit 
königlichen Ehren, ein Vorbild dessen, was einmal in großer 
Herrlichkeit geschehen wird. Auch eilen die Griechen herbei 
und nehmen als Anbeter neben Israel ihren Platz ein. Sie 
kommen zu Philippus, gleichsam den Zipfel eines jüdischen 
Mannes ergreifend (Sach 8, 23), und wünschten Jesum zu 
sehen und zu verehren. Aber Jesus verhält sich in diesem 
allem in Zurückgezogenheit. Er wußte, daß die Zeit dieser 
Festlichkeiten und Feiertage noch nicht gekommen war. 
Während ihre Gedanken von den Herrlichkeiten des Königrums erfüllt sind, beschäftigt sich Sein Geist mit dem Tode; 
denn wir hören Ihn sagen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage 
euch, wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, 
so bleibt es allein". 
Dies war der besondere Pfad des Geistes Jesu.. Di e Auferstehun g wa r fü r Ih n alles . Sie erhellte Seinen 
Pfad inmitten der Schwierigkeiten dieses Lebens. Es gab 
für Ihn keine Hoffnung inmitten der Erwartungen und Anerbietungen dieser Welt. Die Auferstehung war für Seine 
Seele der heitere Sonnenstrahl, während sich über Bethanien 
schwere und finstere Wolken gelagert hatten; und während 
andererseits der über Jerusalem leuchtende Glanz eines prunkenden Festtages vor diesem herrlichen Ereignis erbleichen 
mußte. Der Gedanke an die Auferstehung heiligte Sein Gemüt ebensowohl inmitten der Leiden, als auch der Freuden, 
die Ihn umgaben. Die Auferstehung war für Ihn alles. Sie 
machte Ihn zu einem vollkommenen Muster jenes schönen 
Grundsatzes des Geistes Gottes: „Die Weinenden seien als 
Nichtweinende und die sich Freuenden als sich nicht Freuende". 
Geliebte! Möchte diese Gesinnung auch unser Herz erfüllen! Der Herr gebe, daß der Glaube und die Hoffnung 
des Evangeliums die wahre Glückseligkeit unserer Herzen 
durc h di e Wirksamkei t des in uns wohnenden 
Geistes bilden! 
„Er starb für mich" 
Ein Reisender kam jüngst auf seiner Wanderung durch 
die südlichen Staaten Amerikas an einem Platz vorbei, wo er 
42 
einen Mann bemerkte, der sich über einen frischen Grabeshügel beugte und mit tränenbenetzten Augen in den sorgfältig umgegrabenen Boden Blumen pflanzte. Nachdem er 
den Mann eine Zeitlang beobachtet und seine tiefe Traurigkeit wahrgenommen hatte, sagte er zu ihm: „Jedenfalls 
trauern Sie über dem Grabe Ihrer Frau, nicht wahr"? „O 
nein", war die Antwort, „ich habe meine Frau nicht verloren". „Dann" fuhr der Reisende fort, „benetzen Ihre Tränen das Grab eines vielgeliebten Kindes"? „Nein", erwiderte 
der Trauernde, „ich habe weder Frau noch Kind verloren". 
„Darf ich denn wissen", fragte der Reisende, „wessen Tod 
die Ursache Ihrer so großen Trauer ist"? „Ich pflanze diese 
Blumen und vergieße diese Tränen für jemanden, de r fü r 
mic h starb" , sagte der Leidtragende: „Ich war im letzten Kriege als Soldat einberufen. Ich hatte Frau und Kinder, 
die, wenn ich fiel, unversorgt zurückgeblieben wären. Da 
trat mein Freund in mein Haus und sagte: „Ich habe weder 
Frau noch Kinder und will daher statt deiner ins Feld ziehen". Er tat es und wurde an einer Schlacht verwundet. 
Kaum vernahm ich, daß er sich im Hospital in einem sehr 
gefährlichen Zustand befinde, eilte ich zu ihm; aber ich fand 
ihn bereits in seinem Grabe. Dieser Hügel deckt seine Gebeine. Er ist für mich ins Grab gestiegen, und in dankbarer 
Erinnerung pflanze ich diese Blumen und benetze sie mit 
meinen Tränen. 
Der Leidtragende ließ nachher auf das Grab einen Stein 
setzen, mit der einfachen, aber rührenden Inschrift: 
„Erstar b fü r mich" . 
Es werden sicher wenige sein, die nicht durch diese kleine, 
rührende Geschichte bewegt werden; aber, mein teurer Leser, 
wie wenige gibt es, die berührt worden sind durch eine Tatsache, die noch viel wunderbarer und weit rührender ist. 
Die Heilige Schrift sagt: „Größere Liebe hat niemand, als 
diese, daß jemand sein Leben läßt für seine Freunde" (Joh 
15, 13); aber der Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat 
Sein Leben für Seine Feinde hingegeben; „denn wenn wir, 
da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den 
Tod seines Sohnes usw." (Röm S, 10). Er starb für unsere 
43 
Sünden; Er starb für uns, um uns zu Seinen Freunden zu 
machen. Kannst du, mein Leser, sagen, daß du einer bist, den 
Er für Sich gewonnen hat? Kannst du sagen: „Er starb für 
mich, und nicht nur starb Er für mich, sondern Er 1 e b t auch 
für immerdar zur Rechten Gottes für mich"? Und kannst du 
sagen: „Auch ich bin in Ihm gestorben und mithin getrennt 
von dem Zustand, in dem ich, als ein Kind Adams, geboren 
war, und leb e jetzt in Ihm, dem Auferstandenen und bin 
ein s mit Ihm, dem Verherrlichten"? — 
„Gott ist für uns" 
Wieviel ist in diesen wenigen Worten enthalten! Wir sehen Gott mit uns durch das Wörtchen „für" in Verbindung 
gebracht. Dieses sichert alles für Zeit und Ewigkeit. Nichts, 
selbst nicht das Geringste von dem, was der Mensch braucht, 
gibt es, was nicht in diesen wenigen Worten mit einbegriffen wäre. Wenn Gott für uns ist, dann folgt notwendig, daß 
weder unsere Sünden noch unsere Vergehungen, weder unsere verderbte Natur noch Satan, noch die Welt noch eine 
andere Kreatur uns irgendwie im Wege sein können, um 
unseren gegenwärtigen Frieden oder unser ewiges Glück zu 
stören. Gott kann sich aller bedienen; und Er hat es getan, 
und zwar in einer Weise, daß dadurch Seine Herrlichkeit 
geoffenbart und Sein Name für ewig verherrlicht worden ist. 
Es könnte indes einer unserer Leser sich zu der Frage 
veranlaßt fühlen: woraus zu schließen sei, daß er das kostbare Wörtchen „uns " auf sich selbst anwenden dürfe? Das 
ist wirklich eine wichtige Frage. Unser ewiges Wohl und 
Wehe hängt von der Antwort ab. Wie denn können wir 
wissen, daß Gort für uns ist? Ist denn im Blick auf uns 
selbst irgendein Grund vorhanden, um deswillen Er für uns 
sein könnte? O nein; Er hat im Gegenteil Grund genug, um 
gegen uns zu sein. Aber trotz allem, was wir sind und was 
wir getan haben, wollen wir durch Gottes Gnade fünf Punkte zum Beweis aufstellen, daß Gott in all unserem Elend, in 
all unserer Not und Gefahr fü r un s ist . Der erste große 
Beweisgrund, den wir anfuhren wollen, ist 
44 
die Gabe Seines Sohnes. 
„Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht 
verloren gehe, sondern ewiges Leben habe" (Joh 3.16). •— 
Es gereicht uns zu großer Freude, unsere Beweise mit diesen 
herrlichen Worten beginnen zu können. Sie begegnen von 
vornherein einer Ungewißheit, die sich dem ängstlichen Gemüt meines Lesers aufdrängen möchte — einer Ungewißheit, die sich auf die Tatsache gründet, daß Röm 8, 31, sowie überhaupt der ganze Brief nur auf Gläubige anzuwenden 
ist. Gott sei gepriesen! Diese Ungewißheit muß schwinden 
im Blick auf diese ermunternden, alles umfassenden Worte 
Dessen, Der sprach, wie nie ein Mensch gesprochen hat. 
Wenn wir von den Lippen unseres gesegneten Herrn die 
Worte: „Also hat Gott die Welt geliebt", vernehmen, so haben wir keinen Grund, gegen ihre Anwendung auf alle, die 
in dem Worte „Welt" miteinbegriffen sind, irgendeinen 
Zweifel aufkommen zu lassen. Wenn jemand behaupten 
möchte, 'daß die freie Liebe Gottes sich ihm nicht zuwende, 
so muß er vorher den Beweis liefern, daß er nicht einen 
Teil von der Welt ausmache, sondern sich unter eine Klasse 
von Wesen zählt, die einer anderen Sphäre angehört. Hätte 
der Herr gesagt: „Also hat Gott einen gewisse n Tei l 
der Welt geliebt", — dann würde es allerdings absolut notwendig sein, sich zu vergewissern, daß man diesem Teil 
angehört, um jene Worte auf sich anwenden zu können. 
Wenn Er gesagt hätte, daß Gott die Berufenen, die Auserwählten geliebt habe, dann müßten wir unbedingt wissen, 
ob unser Platz unter ihnen sei, bevor wir die köstliche Verheißung der Liebe Gottes bezüglich der Hingabe Seines Sohnes uns zueignen dürften. 
Doch — Gott sei gepriesen! — der Herr spricht nicht in 
einer solchen Weise. Er richtete diese Worte an jemanden, 
der von Jugend auf nur einen höchst beschränkten Begriff von 
der Gunst und Güte Gottes hatte. Nikodemus hatte sich 
durch Unterricht die Anschauung gebildet, daß sich der reiche Strom der Güte, Liebe und Barmherzigkeit Jehovas einzig und allein in die engen Grenzen des jüdischen Systems 
zu ergießen vermöge. Die Vorstellung, daß dieser Strom 
45 
seine Ufer überfluten «nid sich selbst bis zu den Nationen 
ausdehnen können, hatte nie die Gedanken eines Mannes 
beschäftigt, der seine Erziehung nur unter den Einflüssen 
des Judentums genossen hatte. Es muß daher höchst seltsam 
in seinen Ohren geklungen haben, von den Lippen eines 
„von Gott gekommenen Lehrers" die Äußerung zu hören, 
daß Gott nicht bloß die jüdische Nation, auch nicht nur einen 
gewissen Teil der Menschheit, sondern die „Welt,, zu einem 
Gegenstand Seiner Liebe gemacht habe. Ohne Zweifel mußte 
diese Äußerung das höchste Erstaunen des „Lehrers in Israel" hervorrufen, zumal da er hören mußte, daß es selbst für 
ihn, trotz seiner religiösen Vorrechte, eine Notwendigkeit 
sei, „von neuem geboren zu. werden, um in das Reich Gottes 
eingehen zu können". 
Stellen wir denn hierdurch nicht die köstliche Wahrheit 
der Gnadenwahl oder der göttlichen Berufung in Frage? Das 
sei ferne. Wir betrachten sie vielmehr als eine der Grundwahrheiten des Christentums; wir glauben an die ewigen 
Ratschlüsse unseres Gottes, an die Absichten Seiner auserwählten Liebe, Seiner großen Barmherzigkeit. Aber verhindern denn diese die Auswahl betreffenden Dinge in gewissem Grade nicht die gnadenreiche Tätigkeit der göttlichen 
Natur oder den Ausfluß der Liebe Gottes gegenüber einer 
verlorenen Welt? In keiner Weise. Gott ist Liebe. Das ist 
Seine gesegnete Natur; und diese Natur muß sich gegen alle 
Menschen offenbaren. Der Irrtum liegt in der Annahme, daß 
Gott deshalb nicht alle Menschen oder die ganze Welt lieben und aller Kreatur die frohe Botschaft der freien Erlösung 
verkündigen lassen könne, weil Er — uneingeschränkt in Seiner Gnade und Barmherzigkeit —• nach Seinen Vorsätzen, 
Ratschlüssen und Bestimmungen handelt, und weil Er von 
aller Ewigkeit her sich ein Volk zum Lobe Seiner Herrlichkeit auserwählt hat, und die Namen der Erlösten vor Anbeginn der Welt im Buche des Lammes eingeschrieben waren. 
Beide Wahrheiten, obwohl sie gänzlich voneinander verschieden sind, sind im Worte Gottes klar und bestimmt auf ihren 
Platz gestellt; die eine nimmt oder schwächt nicht im Geringsten die Kraft und Bedeutung der anderen, sondern beide 
zusammen stellen uns die köstliche Harmonie der göttlichen 
46 
Wahrheit, die herrliche Einheit der göttlichen Natur vor 
Augen. Der Prediger des Evangeliums hat es daher ausschließlich und allein mit der Tätigkeit der göttlichen Natur 
und dem Ausfluß der göttlichen Liebe zu tun. Er hat sich 
in seiner gesegneten Wirksamkeit nicht durch etwaige Hinweisungen auf Gottes geheime Ratschlüsse zu beschränken, 
obwohl er ihrer vollkommen «ingedenk ist. Seine Mission 
gilt der Welt, der ganzen Welt; der Inhalt seiner Predigt ist 
die Errettung •— eine Errettung, vollkommen wie das Herz 
Gottes voll Liebe ist, so dauernd wie der Thron Gottes, so 
frei wie der hin und herwehende Wind •—• eine Errettung, 
die allen ohne Ausnahme und ohne irgendwelche Bedingung 
angeboten wird. Das Fundament seines Wirkens ist der Versöhnungstod Christi, der alle Hindernisse aus dem Wege geräumt und die Tore weit geöffnet hat, damit der mächtige 
Strom der göttlichen Liebe sich mit seinem ganzen Reichtum 
und in all seiner Segensfülle auf eine schuldige und verlorene Welt ergießen könne. 
Hier liegt — mögen wir es wohl beachten •— in bezug auf 
das Evangelium Gottes die Verantwortlichkeit des Menschen. 
Wenn es wirklich eine Wahrheit ist, daß Gott die Welt also 
liebte, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab — wenn es 
Sein Wille ist, daß alle Menschen errettet werden und zur 
Erkenntnis der Wahrheit kommen — wenn Er nicht will, daß 
jemand verloren gehe, sondern daß alle zur Buße kommen, 
dann ist sicher jeder, der dieses herrliche Evangelium hört, 
unter die ernsteste Verantwortlichkeit gestellt, zu glauben, 
um errettet zu werden. Keiner kann mit Aufrichtigkeit und 
Wahrheit sagen: „Ich hatte Verlangen, von dem kommenden 
Zorn errettet zu werden; aber ich war verhindert durch den 
unabänderlichen Ratschluß Gottes, der mich unwiderruflich 
für die Hölle bestimmt hatte. Weder im ganzen Worte Gottes, noch in der ganzen Tragweite Seiner Tätigkeit, weder 
im Ausdruck Seines Charakters, noch in der Ausübung Seiner moralischen Regierung finden wir auch nur den 'Schwächsten Schatten von einer Grundlage für einen solchen Einwand. Für niemanden ist eine Entschuldigung übriggeblieben. 
Gott kann allen, die Sein Evangelium verworfen haben, die 
Worte zurufen: „Ich wollte, aber ihr habt nicht gewollt". Es 
47 
gibt durchaus nichts im Worte Gottes, was zu der irrigen 
Annahme Veranlassung geben könnte, daß von Seiten Gottes ein Teil Seiner Geschöpfe zu ewiger Verdammnis bestimmt sei. Ewiges Feuer ist bereitet dem Teufel und seinen 
Engeln (Matth 25); der Mensch aber stürzt mit seine m 
eigene n Wille n hinein. Gefäße des Zorns sind nicht 
durch Gott, sondern durch sich selbst zum Verderben bereitet (Röm 9). Jeder, der in den Hammel geht, wird Gott dafür 
zu danken haben; jeder der zur Hölle fährt, wird es sich 
selbst zuschreiben müssen. 
Andererseits dürfen wir es nicht aus den Augen verlieren, 
daß der Sünder nichts mit Gottes unerforschlichen Ratschlüssen zu tun hat. Was weiß er, was kann er in betreff 
ihrer wissen? Durchaus nichts. Er hat es ausschließlich und 
allein mit der 'geoffenbarten Liebe Gottes, mit Seiner ihm 
angebotenen Barmherzigkeit, mit Seiner freien Erlösung, mit 
Seinem herrlichen Evangelium zu tun. Wir dürfen ohne 
Furcht behaupten, daß, solange in dem göttlichen Buch die 
herrlichen Worte stehen: „Wer da will, komme und nehme 
das Wasser des Lebens umsonst " (Offb 22), es irgendeinem Sohne oder einer Tochter Adams unmöglich ist, zu 
sagen: „Ich verlangte nach Errettung, aber ich konnte sie 
nicht erlangen; ich dürstete nach dem Wasser des Lebens, 
konnte es aber nicht erhalten, weil der Brunnen zu tief war 
und ich kein Gefäß zum Schöpfen hatte". O nein, eine solche Sprache wird nicht aufkommen, ein solcher Einwand 
wir in den Reihen der Verlorenen nie erhoben werden können. Wenn die Menschen die Schwelle der Ewigkeit überschritten haben, dann werden sie klar einsehen, was sie jetzt 
so dunkel und sich einander widersprechend finden, nämlich 
die vollkommene Harmonie zwischen der frei handelnden 
Gnade Gottes und dem freien an alle Menschen gerichteten 
Anerbieten der Errettung — die vollkommenste Übereinstimmung zwischen göttlicher Unumschränktheit und menschlicher Verantwortlichkeit. 
Wir wünschen, daß der Leser diese Tatsache in ihrer ganzen Wirklichkeit erkennen möge. Es ist wichtig, die Wahrheit 
in ihrer vollen Tragweite in der Seele festzuhalten und die 
Strahlen der göttlichen Offenbarung — ungeschwächt durch 
48 
die trübe Atmosphäre menschlicher Theologie — auf Herz 
und Gewissen wirken zu lassen. Es ist gefährlich/ eine gewisse Anzahl von Wahrheiten aufzunehmen und sie zur 
Grundlage eines Systems zu benutzen. Wir haben die Kraft 
der ganze n Wahrhei t nötig. Das Wachstum und die 
praktische Heiligung der Seele werden nicht durch einzelne 
Wahrheiten, sondern durch die Wahrheit in ihrer ganzen 
Fülle hervorgebracht, wie sie in der Person Christi verkörpert und durch den ewigen Geist in der Heiligen Schrift geoffenbart ist. Wir müssen unsere durch Gewohnheiten eingesogenen Meinungen gänzlich fahren lassen und uns als unwissende Kindlein zu den Füßen Jesu niedersetzen um durch 
Seinen Geist aus Seinem heiligen Worte belehrt zu werden. 
Nur dann werden wir Ruhe finden gegenüber allen sich 
widersprechenden und das aufrichtige Gemüt beängstigenden 
dogmatischen Anschauungen. Dann werden alle finsteren 
Wolken und undurchdringlichen Nebel menschlicher Meinungen verschwinden und unsere Seelen werden sich des klaren 
Sonnenlichtes einer vollen göttlichen Ordnung erfreuen. 
Doch fahren wir mit unseren Beweisen fort. Die zweite 
Tatsache, die wir zum Beweis, daß Gott für uns ist, anführen wollen, finden wir 
in dem Tode Seines Sohnes. 
Zu diesem Zweck wird es nötig sein, nur einen Punkt und 
zwar den Hauptpunkt in dem Versöhnungstode Christi hervorzuheben. Wir richten unseren Blick auf jene wunderbare 
Tatsache, wovon der Heilige Geist durch den Propheten Jesaja redet, der sagt: „Jehova gefiel es, ihn zu zerschlagen; 
er hat ihn leiden lassen" (Kap. 53). Unser hochgelobter 
Herr hätte Mensch werden und die Welt voller Sünde und 
Trübsal betreten können; Er hätte im Jordan getauft, durch 
den Heiligen Geist gesalbt, vom Teufel in der Wüste versucht werden können; Er hätte uniherziehen und Gutes tun 
können; Er hätte leben und wirken, weinen und beten können, und, uns in einem noch größeren Dunkel als zuvor zurücklassend, am Schluß Seiner Laufbahn wieder zum Himmel zurückkehren können; Er hätte wie der Priester und 
Levit im Gleichnis unsere Wunden und unser Elend sehen 
und wie jene an der entgegengesetzten Seite vorübergehen 
49 
können. Und was, mein Leser, würde für dich und mich übrig geblieben sein? Sicher nichts anderes, als die Flammen 
einer ewig dauernden Hölle. Denn — beachten wir es wohl! 
— alles Wirken des Sohnes Gottes während Seines Lebens 
hienieden — Sein erstaunenswerter Dienst — Seine Tago 
voller Mühe, Seine dm Gebet zugebrachten Nächte — Seine 
Tränen und Seufzer — kurz, das Ganze Seines Wirkens von 
der Krippe bis zum Kreuz hätte nicht eine n Flecken von 
der Schuld eines menschlichen Gewissens auslöschen können. 
„Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung". Die Menschwerdung des Sohnes Gottes vermochte an und für sich keine 
Schuld zu tilgen. Das Leben Christi als Mensch auf Erden, 
erhöhte nur die Schuld des Menschengeschlechts. „Wenn ich 
nicht gekommen wäre und zu ihnen geredet hätte, so hätten 
sie keine Sünde". Das Licht, das Seine gesegneten Pfade 
beschien, ließ nur umso deutlicher die moralische Finsternis 
des Menschen hervortreten. Wäre Er daher nur gekommen, 
um dreiunddreißig Jahre hier zu leben und zu wirken und 
dann zum Himmel zurückzukehren, so würde unsere Schuld 
und moralische Finsternis bewiesen, aber keine Versöhnung 
bewirkt worden sein. Nur „das Blut Jesu Christi, des Sohnes 
Gottes, reinigt von aller Sünde". 
Dies ist eine große Fundamental-Wahrheit des Christentums und muß stets bestätigt und festgehalten werden. Es 
ist darin eine unendliche moralische Kraft enthalten. Wenn 
es wahr ist, daß alles Wirken in dem Leben des Sohnes 
Gottes — Seine Tränen, Seine Gebete, Seine Seufzer — daß 
alle diese Dinge zusammen nicht einen einzigen Flecken von 
Sünden wegtun können, müssen wir dann nicht notwendig 
fragen, welch einen Wert wir unseren Werken, unseren 
Tränen, unseren Gebeten, unseren religiösen Diensten, Zeremonien, Sakramenten und Anordnungen beilegen können? 
Können diese Dinge unsere Sünden auslöschen und uns eine 
Gerechtigkeit vor Gott geben? Dieser Gedanke würde einen 
hohen Grad von Anmaßung verraten. Wenn jene Dinge ein 
solches Resultat bewirken könnten, wozu dann noch das 
Opfer und der Versöhnungstod Christi? Wozu dieses unschätzbare, unaussprechlich große Opfer, wenn irgendetwas 
anderes hinreichend gewesen wäre? 
50 
Es könnte indes behauptet werden, daß, obgleich diese 
Dinge ohn e den Tod Christi nichts nützen, sie dennoch hinzugefügt werden müssen. Aber zu welchem Zweck? Etwa um 
diesen unvergleichlichen Tod, dieses köstliche Blut, dies unschätzbare Opfer vollgültig zu machen? Ist das der Gedanke? 
Müssen die nichtigen Werke menschlicher Gerechtigkeit in 
die Waagschale geworfen werden, um dem Opfer Christi 
die nötige Kraft gegen das Gericht Gottes zu verleihen? Wie 
verwerflich ist ein solcher Gedanke! 
Aber bedürfen wir denn keiner guten Werke? Ja sicher; 
aber was sind diese? Sind sie die frommen Werke, die religiösen Bemühungen und die moralischen Tätigkeiten der unwiedergeborenen, unbekehrten und ungläubigen Natur? Nein. 
Aber was sind denn die guten Werke des Christen? Sie sind 
lebendige, nicht tote Werke. Sie sind die köstlichen Früchte 
eines Lebens, das man besitzt •— des Lebens Christi in dem 
wahren Gläubigen. 
Es gibt unter der Sonne nicht irgendetwas, das Gott als 
ein gutes Werk annehmen kann, es sei denn die Frucht der 
Gnade Gottes in dem Gläubigen. Der schwächste Ausdruck 
des Lebens Christi in dem täglichen Leben des Gläubigen ist 
angenehm und köstlich vor Gott, während die ausgezeichnetste und höchste Wirksamkeit eines Ungläubigen in den 
Augen Gottes bloß ein „totes Werk" ist. 
Wir müssen jedoch zu unserem Thema zurückkehren. Wir 
haben gesagt, daß wir für unseren heutigen Zweck nur auf 
einen besonderen Punkt in dem Tode Christi hinweisen 
würden. Dieser ist: „Jehova gefiel es, ihn zu zerschlagen" 
Hierin liegt der schlagende Beweis, daß Gott für uns ist. 
Er hat Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn 
für uns alle dahingegeben. Er hat Ihn nicht nur gegeben , 
sondern auch „zerschlagen" , und zwar für uns. Dsr 
fleckenlose Heilige und Vollkommene, der einzige vollkommene Mensch, dessen Fuß je den Erdboden betrat — der 
immer den Willen Seines Vaters getan hat, Dessen ganzes 
Leben von der Krippe bis zum Kreuz ein ununterbrochener 
zum Thron und zum Herzen Gottes emporsteigender Wohlgeruch war, Der durch jeden Blick, durch jeden Gedanken 
dem Wohlgefallen Gottes entsprach, und Dessen einziger 
51 
großer Zweck die Verherrlichung Gottes und die Vollendung 
Seines Werkes war — wurde nach dem bestimmten Ratschluß und nach Vorkenntnis Gottes überliefert und an das 
Fluchholz genagelt, um dort den gerechten Zorn Gottes gegen die Sünde zu tragen; und dies alles, weil Gott fü r un s 
ist. 
Welche bewundernswürdige und unermeßliche Gnade erblicken wir hier! Der Gerechte zerschlagen für 'die Ungerechten, — der sündenlose, fleckenlose, heilige Jesus zerschlagen 
durch die Hand unendlicher Gerechtigkeit, auf daß schuldige 
Empörer gerettet, und nicht allein gerettet, sondern in die 
Stellung und das Verhältnis von Söhnen des Herrn, des Allmächtigen, und von Erben Gottes und Miterben Christi gebracht werden möchten. Dies ist sicherlich Gnade, reiche, 
freie, unumschränkte Gnade — eine für den größten Sünder 
überströmende Gnade -— eine Gnade, „die da herrscht durch 
Gerechtigkeit zu ewigem Leben, durch Jesum Christum". Wer 
möchte einer solchen Gnade nicht sein ganzes Vertrauen 
schenken? Wer könnte auf das Kreuz blicken und noch zweifeln, daß Gott für den Sünder, ja für jeden Sünder ist, der 
zu Ihm kommt. Wer möchte nicht der liebe vertrauen, die 
uns vom Kreuz herab entgegenstrahlt? Wer könnte das Kreuz 
anschauen, ohne zu sehen, daß Gott nicht den Tod des Sünders will? Warum hat Er uns in unserer Schuld nicht umkommen lassen, warum hat er, wie wir es durch unsere Sünden reichlich verdient hatten, uns nicht zum ewigen Abgrund 
hinabsinken lassen? Warum hat Er überhaupt Seinen Sohn 
gegeben? warum hat Er Ihn am schmachvollen Kreuze zerschlagen? warum Sein Antlitz verborgen vor dem einzigen 
vollkommenen Menschen, Der je gelebt hat, vor Seinem eingeborenen Sohne? Warum dies alles, mein Leser? Sicherlich, 
es war, weil Gott trotz unserer Schuld und unserer Vergehungen fü r un s ist. Ja, gepriesen sei Sein Name! Er ist 
für den armen, verderbten und verdammungswürdigen Sünder, wer und wie dieser auch sei; und jeder, dessen Auge 
diese Zeilen lesen, ist eingeladen zu kommen und jener Liebe zu vertrauen, die sich für den Sünder am Kreuze zerschlagen ließ. 
O geliebter Leser! Komm, komm jetzt! Säume nicht, zweif52 
le nicht, höre rächt auf die Stimme Satans! Lausche rächt auf 
die Einwendungen und Meinungen deines eigenen Herzens, 
sondern lausche auf das Wort, das dir bezugt, daß Gott fü r 
dic h ist, und auf die Liebe, die dir entgegenstrahlt in der 
Hingabe und dem Tode des Sohnes Gottes. Diese beiden 
Tatsachen —• die Gabe und der Tod des Sohnes Gottes — 
sind im Vorhergehenden von uns als Beweis für die Wahrheit angeführt, daß Gott fü r un s ist. Wir sind unserem 
gesegneten Herrn auf Seinem wunderbaren und geheimnisvollen Wege gefolgt, den die Fußstapfen göttlicher und ununterbrochener Liebe kennzeichnen. Wir haben gesehen, wie 
der hochgelobte Gott nicht nur Seinen eingeborenen Sohn 
hingegeben, sondern Ihn auch zerschlagen hat für uns, wie 
Er den fleckenlosen Leib Seines Sohnes zu einem Opfer für 
die Sünde gemacht hat, wie Er Ihn an unserer Statt gerichtet 
und in den Staub des Todes gelegt hat und dadurch den unumstößlichen Beweis geliefert hat, daß Er für uns ist. Konnte 
Er noch einen kräftigeren Beweis von Seiner Liebe zu uns 
und von Seinem Verlangen nach unserer Rettung geben, als 
die Gabe und den Tod Seines vielgeliebten, eingeborenen 
Sohnes? 
Gehen wir jetzt zu dem dritten Beweis über. Wir finden ihn 
in der Auferweckung des Sohnes Gottes. 
Bei Betrachtung dieses herrlichen Ereignisses der Auferstehung heben wir jedoch nur einen Punkt hervor, nämlich 
das darin ausgesprochene Wohlwollen Gottes. Eine oder zwei 
Schriftstellen werden hinreichen, um diesen Punkt ins Licht 
zu stellen. 
In Röm 4 sehen wir Gott als Den, Der den Herrn Jesum 
aus den Toten auferweckt hat. Der Apostel spricht hier von 
Abraham, „der wider Hoffnung auf Hoffnung geglaubt hat, 
auf daß er ein Vater vieler Nationen würde, nach dem, was 
gesagt ist: Also soll dein Same sein. Und rächt schwach im 
Glauben, sah er nicht seinen eigenen, schon erstorbenen Leib 
an, da er fast hundert Jahre alt war, und das Absterben des 
Mutterleibes der Sarah, und zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde gestärkt 
im Glauben, Gott die Ehre gebend, und war der vollen Gewißheit, daß er, was er verheißen habe, auch zu tun verrnö53 
ge. Darum ist es ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet worden. Es ist aber nicht allein seinetwegen geschrieben, daß es 
ihm zugerechnet wurde,, sondern auch unseretwegen, denen 
es zugerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesum, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, der unserer Übertretungen wegen dahingegeben, und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist". —• Beachten wir es 
wohl! Es heißt hier nicht: „Wir glauben an den, der Seinen 
Sohn gab", sondern: „an den, der Ihn aus den Toten auferweckt hat". 
O mein teurer Leser, erwäge doch diese große Wahrheit! 
Was brachte den Heiland zum Kreuze? Was führte Ihn in 
den Staub des Todes? Waren es nicht unsere Sünden und 
Vergehungen? Ja gewiß. „Er wurde um unserer Sünden willen dahingegeben". Er wurde an unserer statt an das Fluchholz geheftet. Er wurde am Kreuze in der ganzen Tragweite 
des Wortes unser Stellvertreter. Er nahm unseren Platz ein 
und wurde in jeder Beziehung so behandelt, wie wir es verdient hatten behandelt zu werden. Die Hand der Gerechtigkeit traf Ihn am Kreuze wegen all unserer Sünden. Der Herr 
Jesus machte sich verantwortlich für alles was gegen uns war 
oder je gegen uns sein könnte, und — gepriesen sei Sein anbetungswürdiger Name! — Er starb für uns unter dem ganzen Gewicht unserer Sünden. Er, der Gerechte, starb für die 
Ungerechten. Und wo ist Er jetzt? Das Herz jauchzt mit unaussprechlicher Freude und heiligem Triumph bei dem Gedanken an die Antwort. Wo ist der Hochgelobte, Der an jenem Kreuz hing und in jenem Grab lag? Er ist zur Rechten 
Gottes mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Wer hat Ihm diesen Platz gegeben? Er, Der Ihn „gegeben" und Ihn am Kreuz 
„zerschlagen" hat — Er ist es, Der Ihn aus den Toten auferweckte; und an Ihn haben wir zu glauben, wenn unser 
Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet werden soll. Das ist der 
besondere Gedanke, der den Apostel beschäftigte. Die Gerechtigkeit wird uns zugerechnet, wenn wir an den Gott 
glauben, Der unseren Herrn Jesum aus den Toten auferweckt 
hat. 
Beachten wir hier das lebendige Verbindungsglied! Derselbe, Der mit unseren Sünden beladen am Kreuze hing, be54 
findet Sich jetzt ohne Sünden auf dem Throne. Wie ist Er 
dahin gekommen? War es durch die Kraft Seiner ewigen 
Gottheit? Nein, denn von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, war Er immer da. Er war Gott über alles, gepriesen für 
immer! War es kraft Seiner ewigen Sohnschaft? Keineswegs; denn auch in dieser Eigenschaft war Sein Platz stets 
droben. Sicher, die Tatsache, daß Er als der ewige Sohn des 
Vaters Seinen Platz zur Rechten der Majestät in den Himmeln eingenommen habe, würde nicht imstande sein, den 
Bedürfnissen eines schuldigen Sünders zu begegnen, indem 
Ihm als einem solchen der innigste und zärtlichste Platz im 
Schöße des Vaters von Ewigkeit her angehörte. Aber nahm 
Er denn — möchte man fragen — diesen Platz auf dem 
Throne des Vaters nicht ein, weil Er der reine, sündenlose 
und vollkommene Mensch war? Nein; denn als solcher hätte 
Er zu jeder beliebigen Zeit zwischen der Krippe und dem 
Kreuz diesen Platz einnehmen können. 
Welchen Schluß können wir daraus ziehen? Den köstlichen, friedengebenden Schluß, daß Er, Der unserer Übertretungen wegen dahiingegeben, unserer Sünden wegen geschlagen, an unserer statt gerichtet wurde, im Himmel auf dem 
Throne des Vaters mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt ist 
und so umfassend und vollkommen die ganze Frage unserer 
Sünden beantwortet hat, daß eine unendliche Gerechtigkeit 
Ihn aus den Toten auferweckte und das Diadem der Herrlichkeit auf Seine heilige Stirn drückte. Begreifst du dies, 
mein Leser? Erkennst du die Tragweite dieser Tatsache in 
bezug auf dich selbst? Glaubst du an Den, Der Jesum aus 
den Toten auferweckte? Erkennst du, daß in diesem Fall Er 
Sich Selbst als dir zugetan erklärt hat? Und glaubst du, daß 
Er durch die Auferweckung Jesu aus den Toten dem großen 
Versöhnungswerk den Stempel Seiner völligen Anerkennung 
aufgedrückt und dadurch die für alle deine Schulden — für 
die „zehntausend Talente" — ein Quittung ausgestellt hat? 
Das ist die Deutung des herrlichen Beweises in Röm 4. 
Wenn Er, Der unserer Übertretungen wegen dahiingegeben 
worden ist, jetzt, und zwar infolge der Tätigkeit von seiten 
Gottes Selbst, im Himmel ist, dann sind sicher unsere Sünden beseitigt, und wir stehen da gerechtfertigt von allen 
55 
Dingen und so frei von jeder Anklage und Schuld, von jedem Hauch der Verdammnis, wie der Herr Selbst es ist. Das 
ist eine unabänderliche Tatsache, wenn wir an Den glauben, 
Der unseren Herrn Jesum Christum aus den Toten auferweckt hat. Es ist durchaus unmöglich, daß Gott irgendeine 
Anklage gegen den Gläubigen annehmen kann, und zwar 
aus dem einfachen Grund, weil Der, Den Er aus den Toten 
auferweckte, Derselbe ist, Den Er um unserer Sünden willen 
zerschlagen hat. 
Warum hat Er Ihn auferweckt? Weil die Sünden, um deretwillen Er zerschlagen wurde, für immer beseitigt waren. Der 
Herr Jesus könnte nicht sein, wo Er jetzt ist, wenn ein einziger Flecken unserer Schuld zurückgeblieben wäre; denn Er 
hat unsere Sache auf Sich genommen und Sich für alles verantwortlich gemacht. Da Er nun aber, und zwar durch Gott 
Selbst bewirkt, droben ist, so ist es unmöglich, gänzlich unmöglich, daß irgendeine Frage bezüglich der vollkommenen 
Rechtfertigung und der vollkommenen Gerechtigkeit einer 
an Ihn glaubenden Seele erhoben werden könnte. Deshalb, 
in dem Augenblick, wo jemand an Gott in dem besonderen 
Charakter eines Auferweckers Jesu glaubt, steht Er vollkommen gerechtfertigt vor Ihm. Das ist wunderbar, aber 
eine göttliche, ewige Wahrheit. Möchte der Leser die Kraft, 
die Köstlichkeit und friedengebende Verwirklichung davon 
empfinden. Ja, möchte der ewige Geist das gesegnete Bewußtsein davon seiner Seele tief einprägen! Dann wahrlich 
wird er vollkommenen Frieden in seiner Seele haben und 
zugleich erfahren, daß Gott sowohl durch die Aufer -
weckung , als auch durch die Gab e und den To d Seines Sohnes laut bekundet hat, daß Er für uns ist. 
Wenden wir uns jetzt zu unserem vierten Beweis, daß 
Gott für uns ist. Wir finden ihn 
in der Sendung des heiligen Geistes. 
Auch hier müssen wir uns im Blick auf dieses herrliche 
Ereignis auf einen Punkt beschränken, nämlich auf die Art 
und Weise, in der der ewige Geist, dieser herrliche Zeuge, 
herniederkam. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf Apg 
2, wo wir lesen: „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt 
*6 
wurde, waren sie alle an einem Orte beisammen. Und plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, wie von einem 
daherfahrenden, gewaltigen Wind, und erfüllte das ganze 
Haus, wo sie saßen. Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf einen jeglichen 
von ihnen. Und sie wurden alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der 
Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer, von jeder Nation derer, die unter dem Himmel sind. Als sich aber das Gerücht 
hiervon verbreitete, kam die Menge zusammen und wurde 
bestürzt, weil jeder einzelne sie in seiner eigenen Mundart 
reden hörte. Sie entsetzten sich aber alle und verwunderten 
sich und sagten: Siehe, sind nicht alle diese, die da reden, 
Galiläer? Und wie hören wi r sie, ein jeglicher in unserer 
eigenen Mundart, in der wir geboren sind: Parther und 
Meder und Elamiter, und die Bewohner von Mesopotamien 
•und von Judäa und Kapadocien, Pontus und Asien, und 
Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Gegenden von 
Libyen, gegen Kyrene hin, und die hier weilenden Römer, 
sowohl Juden und auch Proselyten, Kreter Araber, — wie 
hören wir sie die großen Taten Gottes inunserenSpra -
c h e n reden"? Es ist wirklich eine Wahrheit von höchstem 
Interesse, daß der Heilige Geist auf jeglichen herniederkam, 
und daß ein jeglicher „-in der eigenen Mundart eines jeden 
Hörenden redete, und zwar nicht in der Mundart, in der 
dieser erzogen, sondern in der er „geboren war" — in jener 
Mundart, in der die Mutter zu ihrem Kind redet. Von solcher Art war das Mittel und Werkzeug, dessen sich der 
göttliche Bote bediente, um den Menschen mitzuteilen, daß 
Got t fü r un s ist . Er redete nicht zu den Hebräern 
griechisch, oder zu den Griechen lateinisch; Er redete zu jedem in der Sprache, die er verstand -— in dessen Muttersprache; und zwar zu dem Zweck, das Herz mit der süßen 
Botschaft der Gnade zu erreichen. 
Vergleichen wir hiermit die Tatsache der Gesetzgebung auf 
dem Berge Sinai. Dort redete Jehova nur in einer Sprache. 
Wären dort Personen „aus jeder Nation derer, die unter dem 
Himmel sind", versammelt gewesen, so würden sie keine 
R7 
Silbe verstanden haben. Das Gesetz, die Darstellung der 
Pflichten des Menschen gegen Gott und den Nächsten •— war 
nur in eine Sprache gehüllt. Als aber die großen Taten Gottes 
verkündigt wurden — als die herrliche Botschaft der Liebe 
zu bringen war — als das Herz Gottes gegen arme, schuldige Sünder geoffenbart werden sollte — war da ein e Sprache genug? Nein, „jede Nation derer, die unter dem Himmel sind", mußte es hören, und zwar in ihrer „eigenen 
Mundart". —• 
Bs könnte vielleicht eingewendet werden, daß die damaligen Ohrenzeugen der Apostel Juden gewesen seien. Aber 
selbst in diesem Falle würde unser Gegenstand an Bewunderungswürdigkeit, Lieblichkeit und Kraft um nichts beraubt 
sein. Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß, als der Heilige 
Geist vom Himmel herniederkam, um von der Auferstehung 
Christi, von der vollbrachten Erlösung zu zeugen und Buße 
und Vergebung der Sünden zu predigen, Er Sich nicht auf 
eine Sprache beschränkte, sondern in jeder Mundart sprach, 
die unter dem Himmel war. Und warum? Weil es Sein Verlangen war, den Menschen das, was Er ihnen mitzuteilen 
hatte, verständlich zu machen und das Herz mit der angenehmen Botschaft einer erlösenden liebe, mit der seelenerweckenden Botschaft einer völligen Sündenvergebung zu erreichen. Als es sich um das Gesetz handelte —• als Jehova 
mit den Menschen über ihre Pflichten zu reden hatte und 
ihnen zurief: „Du sollst dieses tun und jenes lassen"! — 
beschränkte Er Sich auf eine einzige Sprache. Als Er aber 
im Begriff war, die köstlichen Geheimnisse Seiner Liebe zu 
verkündigen — als Er dem Menschen beweisen wollte, daß 
Er fü r ih n war , da trug Er Sorge, daß — gepriesen sei 
Sein herrlicher Name! — in allen Sprachen unter dem Himmel geredet wurde und jeglicher „in seiner eigenen Mundart, 
in der er geboren war", die „großen Taten Gottes" hören 
konnte. *) 
*) In 1. Mose 11 sehen wir verschiedene Sprachen wegen des menschlichen Hochmuts als ein Gericht gegeben. In Apostelg. 2 aber sind die verschiedenen Sprachen 
eine Gabe der Gnade, um den Bedürfnissen der Menschen zu begegnen. In Offenb. 7 
endlich finden wir die verschiedenen Sprachen vereinigt zu einem Liede des Lobes 
Gottes und des Lammes. Welche großen Taten Gottes! Wie anbetungswürdig ist 
Sein Name! 
58 
So sind wir nun im Laufe unserer Beweise Christo von 
der Krippe bis zum Kreuz, vom Kreuz bis zum Thron gefolgt. Wir haben gesehen, wie das Herz Gottes in der Gabe, 
dem Tode und der Auferweckung des Sohnes Sich in tiefer, 
bewundernswürdiger Liebe und zärtlichem Mitleiden gegen 
schuldige und verlorene Sünder geoffenbart hat, und wie der 
Heilige Geist vom Himmel auf die Ende herniederstieg, um 
jeder Kreatur unter dem Himmel die frohe Botschaft einer 
vollen, freien und ewigen Erlösung durch das Blut des Lammes zu verkündigen, und zwar nicht in einer unbekannten 
Sprache, sondern in der Sprache, an der. ein jeder geboren 
war. Was bleibt uns nun noch übrig? Ist der Kette der Beweise noch irgend ein Glied beizufügen? O ja; wir finden 
schließlich noch einen fünften Beweis 
im Besitz der Heiligen Schrift. 
Man könnte sagen, daß dieser Beweis schon in dem vorhergehenden enthalten sei, insofern der Besitz einer Bibel in 
der Muttersprache in Wirklichkeit dasselbe ist, als ob der 
Heilige Geist in der Sprache, worin wir geboren sind, zu uns 
redet. Das ist wahr; aber dennoch ist für den Leser die Tatsache, daß Gott in seine Hände das unschätzbare Geschenk 
der Heiligen Schrift gelegt hat, ein neuer Beweis, d a ß E r 
f ü r ih n ist . -Denn warum sind wir nicht in Ungewißheit 
und völliger Dunkelheit gelassen? Warum ist das göttliche 
Buch unseren Händen anvertraut? Warum wurden gerade 
wir so begünstigt? Warum teilen wir nicht mit vielen Tausenden das Geschick, in heidnischer Blindheit zu leben und 
zu sterben? Warum wirft dieses himmlische Licht gerade auf 
uns seine hellen Strahlen? 
Ach, geliebter Leser! Die Antwort ist: Gott ist fü r dich. 
Ja, für dich trotz deiner vielen Sünden — für dich trotz all 
deiner Trägheit, Gleichgültigkeit und Widersetzlichkeit, wiewohl du nicht einen einzigen Grund angeben kannst, warum 
Er nicht gegen dich sein sollte. Er gab Seinen Sohn aus Seinem Schoß, verwundete Ihn auf dem Kreuze, erweckte Ihn 
aus den Toten, sandte den Heiligen Geist hernieder und 
legte in deine Hände das gesegnete Buch — alles, um dir 
zu zeigen, daß Er fü r dic h ist, daß Sein Herz dir entgegenschlägt und Er allen Ernstes deine Errettung will. 
59 
Und — o beachte es wohl! •— Du kannst nicht sagen und 
wirst es auch nie wagen zu sagen: „Ich konnte die Bibel 
nicht verstehen, sie war mir zu hoch, voll dunkler, unerklärlicher Geheimnisse, voller Schwierigkeiten, die ich nicht 
zu übersteigen vermochte, und voller Widersprüche, die ich 
nicht lösen konnte. Und wenn ich mich zu denen wandte, die 
Christen zu sein bekannten, so fand ich sie in unzählige Parteien zersplittert mit verschiedenen Lehren und Formen. Dazu entdeckte ich eine solche Oberflächlichkeit, eine solche 
Unzuverlässigkeit und soviele Widersprüche zwischen Bekenntnis und Wandel, daß ich gezwungen war, den ganzen 
Gegenstand der Religion mit den gemischten Gefühlen von 
Erstaunen, Verachtung und Widerwillen fahren zu lassen". 
Solche Einwendungen werden sich am Tage des Gerichts 
nicht als stichhaltig erweisen und dich nicht vor dem See, der 
mit Feuer und Schwefel brennt, schützen können. Erwäge 
dies mit dem tiefsten Ernst. Laß dich nicht durch den Teufel 
auch nicht durch dein eigenes Herz betrügen. Was sagt Abraham zu dem reichen Manne in Luk 16? „Sie haben Moses 
und die Propheten, la ß si e di e hören" . Warum sagt 
der reiche Mann nicht, daß jene, Moses und die Propheten, 
nicht verstehen würden? Er darf es nicht. Nein, mein Leser; 
ein Kind kann die heiligen Schriften verstehen, denn sie sind 
„vermögend, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den 
Glauben, der in Christo Jesu ist" (2. Tim 3, 15). Jeder Besitzer dieses heiligen Buches ist verantwortlich vor Gott für 
den Gebrauch, den er davon macht. Wenn das bekennende 
Christentum sich noch tausendmal mehr in Spaltung aufgelöst hätte, so bliebe dennoch für jeden Besitzer der Bibel die 
Mahnung: „Sie haben Moses, die Propheten, und das Neue 
Testament, laß sie diese hören". 
O könnten wir doch jeden unbekehrten, zweifelnden Leser 
überreden, über diese Dinge ernstlich nachzudenken und den 
verborgenen Tiefen seines inneren Wesens die ungeteilte 
Aufmerksamkeit zu schenken, ehe es z u spä t ist. Wie 
schrecklich muß doch der Zustand eines Verlorenen sein, der 
in der Hölle, diesem endlosen Ort ewiger Pein, zu dem Bewußtsein erwacht, daß Gott für immer gege n ih n ist, daß 
alle Hoffnung vernichtet und nichts imstande ist, jene große 
60 
Kluft zu überbrücken, dde die Region der Verlorenen von der 
der Erlösten für immer trennt. 
Wir können nicht weiter gehen. Der Gedanke ist wirklich 
zu überwältigend; unser Herz bebt zurück vor den Schrecken 
eines solchen Zustandes. Teurer Leser! Wenn du noch nicht 
Frieden gefunden hast, so laß dich, ehe du deine Blicke von 
diesen Zeilen abwendest, erbitten, noch in dieser Stunde zu 
dem liebenden, gnadenreichen Heilande zu eilen, der bereit 
ist, dich mit offenen Armen zu empfangen, und Der in Seinem Worte sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht 
hinauswerfen". So komm denn und vertraue dem glaubenswürdigen Worte Gottes und dem vollbrachten Werk Christi! 
Hier liegt das köstliche Geheimnis der ganzen Sache. 
Schaue von dir hinweg, schaue auf Jesum. Vertraue auf das, 
was Er am Kreuz für dich getan hat, und alle deine Sünden 
werden ausgelöscht; göttliche Gerechtigkeit, ewiges Leben, 
Kindschaft, die Innewohnung des Heiligen Geistes, ein Sachwalter droben beim Vater, eine Wohnung im Himmel und 
die Herrlichkeit Christi werden dein gesegnetes Teil sein. 
J'a, mein Leser, wenn du an Ihn 'glaubst, wird alles — ja Er 
Selbst wird dein Teil sein. 
Möge der Heilige Geist dich leiten, noch in 'diesem Augenblick zu den Füßen Jesu zu fliehen, um triumphierend ausrufen zu können „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns"! 
Gott gebe es um Jesu willen! 
„Verschlungen ist der Tod im Sieg" 
(1. Korinther 15) 
Wenn wir das 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes lesen, find wir, daß am Schluß der Apostel von der Ankunft 
des Herrn redet, und zwar von Seiner Ankunft, um die Versammlung (oder Kirche) zu. Sich in den Himmel aufzunehmen. Wir lesen dort die Worte: „Siehe, ich sage euch ein 
Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem 
61 
Augenblick, bei der letzten Posaune. Denn posaunen wird 
es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, 
und wir werden alle verwandelt werden" (V. 51. 52). Und 
in bezug auf diese Letzteren, die bis zur Ankunft des Herrn 
übriggebliebenen Lebenden, sagt der Apostel: „Denn dieses 
Verwesliche muß Unverweslichkeit anziehen und dieses 
Sterbliche 'Unsterblichkeit anziehen. Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche 
Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt 
werden, das geschrieben steht: Verschlungen ist der Tod in 
Sieg". 
Freilich wird auch nach diesem herrlichen Ereignis der Tod 
als solcher nicht völlig aufgehoben sein, sondern erst nach 
dem tausendjährigen Reich seine gänzliche Vernichtung erfahren (V. 26); aber bezüglich der Versammlung ist — Gott 
sei dafür gepriesen — der Tod von dem Augenblick an, wo 
©ie durch Jesum in die Herrlichkeit aufgenommen ist, in Sieg 
verschlungen, d. h. völlig überwunden und hinweggetan. 
Und dieser Sieg hat nicht so sehr seinen Grund in der Auferweckung der Entschlafenen, als vielmehr in der augenblicklichen Verwandlung der Lebenden, ohne daß diese es 
nötig haben, durch den Tod zu gehen. Alle Gläubigen, die 
bis zu dem Augenblick, wo Jesu kommt, auf Erden am Leben bleiben, werden nicht sterben. „Wir werden nicht alle 
entschlafen". Ohne durch den Tod gehen zu müssen, werden 
sie „in einem Nu, in einem Augenblick verwandelt wenden", 
das will mit anderen Worten sagen: ihre Seele wind nicht 
von dem Leibe geschieden, und ihr Leib wurd nicht in die 
Erde gelegt werden, sondern in einem Augenblick wird das 
Sterbliche oder Verwesliche aus dem Leibe hinweggenommen sein. 
Wie bewundernswürdig und herrlich ist dieser Sieg! Der 
Tod ist der Sold der Sünde: und alle Menschen sind von 
Natur dem Tode unterworfen. Es ist den Menschen gesetzt, 
einmal zu sterben (Hebr 9, 27). Und dennoch braucht der an 
Christum Glaubende nicht zu sterben; er ist nicht an den 
Tod gebunden. Es werden solche sein, die, wenn der Herr 
Jesus kommt, nicht nötig haben zu sterben; und diese liefern 
uns den Beweis, daß sie, ja daß wir, daß alle Gläubigen nicht 
62 
mehr dem Tod unterworfen sind. Der Tod — ein König des 
Schreckens für die Ungläubigen — hat keine Macht, keine 
Gewalt mehr über uns. Und was ist die Ursache? Weil Christus an unserer Statt den Tod erduldet hat. Er, für uns zur 
Sünde gemacht, unterwarf Sich dem Tode als dem Sold der 
Sünde. Der Apostel sagt: „der Stachel des Todes" — das 
heißt das, wodurch der Tod herrscht — „ist die Sünde". 
Aber Christus hat den Stachel des Todes hinweggenommen; 
denn Er wurde für uns zur Sünde gemacht. Er trug unsere 
Sünden an Seinern Leibe auf dem Holze und starb an unserer Statt unter dem Zorne eines gerechten und heiligen Gottes. Alle, die an Ihn glauben, sind dadurch von der Sünde 
freigemacht und vom Tode erlöst. Darum kann Paulus und 
darum können alle Gläubige mit ihm ausrufen: „Wo ist, o 
Tod, dein Stachel? wo ist, o Hades, dein Sieg" (V. 55)? 
Welch eine herrliche und vollkommene Erlösung! Und diese Erlösung wird in ihrer ganzen Tragweite und Fülle bei 
der Ankunft unseres Herrn und Heilandes geschaut wenden, 
wenn die übriggebliebenen Lebenden nicht sterben, sondern, 
ohne dem Tod unterworfen zu werden, zur Herrlichkeit eingehen. Ja, dann wird es geschaut werden, daß alle, die mit 
Christo Jesu durch den Glauben verbunden sind, durch Ihn 
für immer der Macht des Todes entrückt sein werden. Im 
Blick auf diese unendlich herrliche Tatsache und im Vorgenuß der unaussprechlichen Freude dieser Zukunft rufen wir 
mit dem Apostel freudig aus: „Wo ist, o Tod, dein Stachel? 
wo ist, o Hades, dein Sieg"? Und dieses ist und bleibt der 
Ton unseres Jubels, ob auch der Tod noch täglich um uns 
her wütet und seine Macht übt, und ob er auch noch manchen aus unserer Mitte hinwegnimmt. 
„Aber" — könnte vielleicht jemand einwenden — „enthalten diese letzten Worte keinen offenen Widerspruch"? 
Keineswegs, mein teurer Leser. Wiewohl in unseren Tagen 
die Reihen der Gläubigen noch durch den Tod gelichtet werden, und wiewohl die Möglichkeit vorhanden ist, daß auch 
wir durch den Tod abgerufen werden, so befinden wir uns 
dennoch nicht mehr unter der Macht des Todes. Vielmehr 
liegt die Wahrheit gerade im entgegengesetzten Fall. Nicht 
wir sind dem Tode, sondern der Tod ist uns unterworfen. 
63 
Man lausche nur auf die Worte des Apostels Paulus, wenn 
er in 1. Kor 3, 22 sagt: „Alles ist euer; es sei Paulus, oder 
Apollos, oder Kephas, oder die Welt, oder Leben, oder Tod, 
oder Gegenwärtiges, oder Zukünftiges: Alles ist euer". — 
Habt ihr es verstanden? Alles gehört uns, selbst der Tod. So 
wie Paulus, Apollos und Kephas unsere Diener sind, so steht 
auch der Tod in unserem Dienst. Und inwiefern ist er unser 
Diener? Er entrückt die Gläubigen dieser armen Erde und 
führt sie in das Paradies zu Jesu. 
Daß die Gläubigen nun noch sterben, list nicht darum, 
weil sie dem Tod unterworfen sind, — nein, denn bei der 
Ankunft Jesu zeigt sich gerade das Gegenteil — sondern 
weil Gott, um noch viele zu erretten, bis jetzt diese Ankunft 
verzögert hat. Kommt der Herr noch heute, wohlan, wir 
werden dann nich t sterben ; dann wird die Wahrheit 
aus uns hervorstrahlen, daß der Tod durch Christum vollkommen überwunden ist, und dann wird das Wort an uns 
erfüllt werden: „Verschlunge n is t de r To d i n 
Sieg" . 
All unsre Sund' 
ist längst gesühnt, 
der Kerker gekettet, 
der Tod ist getötet. 
In Jesu ward Heil uns und Leben. 
64 
Die Grundwahrheiten 
der Versammlung Gottes 

2. Ein Geist (1. Kor 12, 1—13) 
Es sollte das Bestreben jedes Christen sein, nicht allein in 
seinen Worten, sondern auch in Tat und Wahrheit den rechtmäßigen Anforderungen des vom Himmel herniedergesandten 
Heiligen Geistes nachzukommen, mit anderen Worten, sich der 
freien und unumschränkten Wirksamkeit und Leitung des Geistes 
in der Versammlung Gottes zu unterwerfen. Auch über diesen 
Gegenstand herrscht bei vielen Kindern Gottes große Unwissenheit; und obwohl sie gesegnet sein mögen, und der Geist 
Gottes viel durch sie zur Errettung von Seelen gewirkt haben 
mag, so bleibt es dennoch ein großer Verlust für sie, wenn die 
Wahrheit der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes, 
sowohl in der Versammlung, als auch in den einzelnen Gläubigen, nicht anerkannt wird und als eine Gewißheit die Seele 
beherrscht. 
Wenn wir indes von d"" gegenwärtigen Ansprüchen des Heiligen Geistes oder von meiner unumschränkten Wirksamkeit in 
der Versammlung sprechen, so soll damit Seine Wirksamkeit 
oder deren Bedeutung in den vergangenen Zeiten keineswegs 
in Frage gestellt sein. Er war von Anfang an die wirkende 
Kraft in allen Handlungen Gottes. Er nahm Anteil an der 
Schöpfung, Er gab den Alten Zeugnis, Er wirkte durch Mose, 
durch Bezaleel, durch Simson, durch David und die Propheten; 
mit einem Worte, Gott tat nichts, wobei der Heilige Geist nicht 
wirksam gewesen wäre. 
Aber dennoch wird ein Blick in das Neue Testament genügen 
um eine wesentliche Veränderung in dieser Hinsicht zu gewähren. Der Heilige Geist wurde nach der Himmelfahrt Christi 
herniedergesandt in einer nie zuvor gekannten Weise. Während im Alten Testament Seine Ausgießung in einer Weise angekündigt wurde, welche der Gegenwart und der Regiemng 
des Messias auf der Erde entspricht, finden wir im Neuen 
Testament Seine Ausgießung als die Folge der Verwerfung des 
Messias. Das war für die Juden etwas ganz Unerwartetes. Statt 
ihre Hoffnungen durch die Gegenwart des Herrn nun bald erfüllt 
zu sehen, sahen sie sich durch das Kreuz und den Tod des 
Herrn mit einem Male in ihnen getäuscht, indem Er als der 
71 
Auferstandene die Welt in Finsternis zurückließ und gen Himmel fuhr, demzufolge der Heilige Geist herniedergesandt wurde, 
um — während Jesus abwesend und im Himmel ist — auf der 
Erde zu sein. 
Nächst der Person Christi bildet die Sendung des Heiligen 
Geistes den Hauptgegenstand der neutestamentlichen Wahrheiten. Leider aber ist dies nicht der Fall in den Herzen vieler 
Christen, in deren Gedanken die Person des Heiligen Geistes 
durch einen bloßen Einfluß ersetzt ist, den der Heilige Geist, 
wie sie sagen, zu allen Zeiten ausgeübt habe; andere behaupten 
sogar, daß die Heiligen zu allen Zeiten ohne Unterschied den 
Heiligen Geist empfangen hätten. Die Folge solcher Anschauungen ist, daß man selbst bezüglich der klarsten Schriftstellen 
in allerlei Verirrungen gerät. Ohne Zweifel waren sowohl die 
Gläubigen des Alten Testaments als auch die Jünger des Herrn 
durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes lebendig gemacht 
und gläubig geworden; aber sie hatten Ihn nicht als eine in 
ihnen wohnende Person empFangen. Das konnte erst stattfinden, nachdem der Herr Jesus das Werk der Erlösung vollbracht hatte und gen Himmel gefahren war, wie wir in Joh 7, 
38. 30 lesen: „Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt 
hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Dieses aber sagte er von dem Geiste, welchen die an ihn 
Glaubenden empfangen sollten; denn der Geist war noch, nicht, 
weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war". Den Heiligen 
Geist sollte nicht jemand empfangen, damit er dadurch gläubig 
werde; sondern Er sollte in denen Wohnung machen, die bereits gläubig waren. Es gab zu allen Zeiten Gläubige; aber „der 
Heilige Geist war noch nicht, weil Jesus noch nicht verherrlicht 
worden war". Diese Stelle widerlegt also klar und bestimmt 
die Behauptung, daß der Heilige Geist zu allen Zeiten gegeben 
worden sei. Ebenso reden die letzten Kapitel des Evangeliums 
Johannes nicht von dem Heiligen Geist in dem Sinn eines 
bloßen Einflusses, oder einer geistlichen Kraft, sondern von 
einer Person, die gesandt wird und herniederkommt. Das Wort 
„Sachwalter" in Kap. 14 bedeutet sicher nicht bloß „Wunderkräfte, Sprachen usw.", wiewohl der Geist alles das wirkte, 
sondern es bezeichnet unstreitig eine Person. Ferner sagt der 
Herr in demselben Kapitel: „Er wird bei euch bleiben in Ewig73 
punkt ihrer Einheit aufstellen. Aber wird da die Einheit des 
Geistes bewahrt, wo nicht Christus der ausschließliche Gegenstand und Mittelpunkt des Zusammenkommens ist? Die Gegenwart des Heiligen Geistes auf dieser Erde hat vor allen Dingen die Verherrlichung Christi zum Zweck. Wenn daher Gläubige sich im Namen Jesu versammeln, in der Gegenwart 
Dessen, Der, obwohl Er unsichtbar und im Himmel ist, dennoch 
dem Worte Seiner Verheißung stets treu bleibt, und in Anerkennung der Wahrheit, daß alle Gläubigen durch den einen 
Geist zu einem Leibe getauft sind, so bewahren sie die Einheit 
des Geistes; denn selbstverständlich ist hier der Heilige Geist 
die allein leitende und ordnende Person. Und man würde eine 
offenbare Geringschätzung des Zweckes des Todes Christi 
(Joh n , 52) an den Tag legen, wenn man gegen ein solches 
Zusammenkommen gleichgültig sein oder sich davon zurückziehen wollte. Die Wertschätzung des Todes Christi sowie die 
Bewahrung der Einheit findet nur dadurch ihren Ausdruck, 
daß man sich auf diesem und auf keinem anderen Boden versammelt. Nun sehe ich freilich viele Christen, die sich auf 
diesem Boden befinden sollten, anderswo versammelt. Aber 
soll ich, der ich den Willen meines Herrn kenne, deshalb fernbleiben, weil andere diesen Willen nicht kennen, oder, obwohl 
sie ihn kennen, untreu sind und ihn nicht befolgen? Soll ich 
deshalb sagen: „Sein Wille kann nicht erfüllt werden?" 
Hier liegt die Wurzel von dem Verfall des Christentums. Wie 
zur Zeit der Richter in Israel, tut auch heute jeder, was recht 
ist in seinen Augen. Doch laßt uns die Wahrheit festhalten, die 
uns der gnadenreiche Gott angesichts der baldigen Ankunft 
Christi aufs neue, wie ich nicht zweifle, vor Augen gestellt hat. 
Laßt uns das, was uns gegeben ist, festhalten; denn Er sagt: 
„Ich komme bald; halte fest was du hast, auf daß niemand 
deine Krone nehme" (Offb 3, 11)! Ach, wie viele Brüder, welche diese Wahrheit erkannt haben, lassen sich im Blick auf sie 
traurige Dinge zuschulden kommen! Und das ist nicht allein 
tief beschämend für uns, sondern bildet auch ein Hindernis für 
die Wahrheit und bedeutet eine Geringschätzung der Gnade 
Gottes, welche uns die Wahrheit geoffenbart hat. Aber sollen 
wir deshalb die Wahrheit aufgeben oder die Möglichkeit ihrer 
Verwirklichung bezweifeln? Sollen wir wegen solcher Untreue 
70 
das klare, bestimmte Wort Gottes beiseitesetzen und uns auf 
einen niedrigeren Boden stellen, auf einen Boden, welcher der 
Gesinnung des Fleisches entspricht? Sollen wir den Platz, welchen das Neue Testament den Gliedern des Leibes Christi angewiesen hat, verlassen und einen anderen Mittelpunkt als 
Christum, und eine andere Einheit als diejenige des Geistes 
ergreifen? Gewiß nicht. Vielmehr wollen.wir uns unter das 
Gericht des Wortes Gottes beugen, als solche, die — in Demut 
gegen sich selbst — Gott, Seinen Geist und Sein Wort rechtfertigen. 
Ich wiederhole also noch einmal: der Platz jedes treuen Gläubigen ist da, wo man die Einheit des Geistes in dem Bande des 
Friedens zu bewahren trachtet, und geschähe dieses auch nur 
in Gemeinschaft mit Zweien oder Dreien. Ich soll jeden Christen, in welchen Umständen und Irrtümern er sich auch befinden und welcher Partei er angehören mag, von Herzen lieben 
und Fürbitte für ihn tun. Aber sollte ich deshalb aufhören, die 
Einheit des Geistes mit allem Fleiß zu bewahren? Sollte ich 
Christen folgen oder mich ihnen anschließen, deshalb weil sie 
Christen sind, obwohl ich weiß, daß ihre Stellung nicht dem 
Worte Gottes entspricht? Sicher nicht! Es sollte vielmehr unser 
Trachten sein, sie zu befreien, und zwar nicht dadurch/
 daß wir 
uns auf denselben trügerischen Boden menschlicher Lehren 
begeben, auf welchem sie sich befinden, sondern dadurch, daß 
wir entschieden Stellung nehmen auf dem Felsen der Wahrheit, 
und durch die Gnade Gottes sie an ihre Verantwortlichkeit als 
Glieder des Leibes Christi erinnern. Wenn sie Glieder des einen 
Leibes sind, warum wollen sie das nicht bekennen? Wenn sie 
zu der Einheit des Geistes gebracht sind, warum wollen sie sich 
nicht befleißigen, sie zu bewahren? Es ist in unseren Tagen für 
die Christen nicht die Frage: „Was ist der Protestantismus?" 
oder „Was ist das Papsttum?" Nein, für sie gilt nur eine Frage: 
„Was ist der Leib Christi?" — Laßt uns fern bleiben von allen 
menschlichen Erfindungen in göttlichen Dingen! Das Wort 
Gottes fordert die Christen zu allen Zeiten auf, sich Gott und 
Seinem Willen zu unterwerfen. Tun wir dies? Es steht geschrieben: „Wenn ihr dies wisset, glückselig seid ihr, wenn ihr es 
tut"; und wiederum: „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es 
nicht, dem ist es Sünde". 
71 
2. Ein Geist (1. Kor 12, 1—13) 
Es sollte das Bestreben jedes Christen sein, nicht allein in 
seinen Worten, sondern auch in Tat und Wahrheit den rechtmäßigen Anforderungen des vom Himmel herniedergesandten 
Heiligen Geistes nachzukommen, mit anderen Worten, sich der 
freien und unumschränkten Wirksamkeit und Leitung des Geistes 
in der Versammlung Gottes zu unterwerfen: Auch über diesen 
Gegenstand herrscht bei vielen Kindern Gottes große Unwissenheit; und obwohl sie gesegnet sein mögen, und der Geist 
Gottes viel durch sie zur Errettung von Seelen gewirkt haben 
mag, so bleibt es dennoch ein großer Verlust für sie, wenn die 
Wahrheit der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes, 
sowohl in der Versammlung, als auch in den einzelnen Gläubigen, nicht anerkannt wird und als eine Gewißheit die Seele 
beherrscht. 
Wenn wir indes von den gegenwärtigen Ansprüchen des Heiligen Geistes oder von Seiner unumschränkten Wirksamkeit in 
der Versammlung sprechen, so soll damit Seine Wirksamkeit 
oder deren Bedeutung in den vergangenen Zeiten keineswegs 
in Frage gestellt sein. Er war von Anfang an die wirkende 
Kraft in allen Handlungen Gottes. Er nahm Anteil an der 
Schöpfung, Er gab den Alten Zeugnis, Er wirkte durch Mose, 
durch Bezaleel, durch Simson, durch David und die Propheten; 
mit einem Worte, Gott tat nichts, wobei der Heilige Geist nicht 
wirksam gewesen wäre. 
Aber dennoch wird ein Blick in das Neue Testament genügen 
um eine wesentliche Veränderung in dieser Hinsicht zu gewähren. Der Heilige Geist wurde nach der Himmelfahrt Christi 
hemiedergesandt in einer nie zuvor gekannten Weise. Während im Alten Testament Seine Ausgießung in einer Weise angekündigt wurde, welche der Gegenwart und der Regierung 
des Messias auf der Erde entspricht, finden wir im Neuen 
Testament Seine Ausgießung als die Folge der Verwerfung des 
Messias. Das war für die Juden etwas ganz Unerwartetes. Statt 
ihre Hoffnungen durch die Gegenwart des Herrn nun bald erfüllt 
zu sehen, sahen sie sich durch das Kreuz und den Tod des 
Herrn mit einem Male in ihnen getäuscht, indem Er als der 
72 
Auferstandene die Welt in Finsternis zurückließ und gen Himmel fuhr, demzufolge der Heilige Geist herniedergesandt wurde, 
um — während Jesus abwesend und im Himmel ist — auf der 
Erde zu sein. 
Nächst der Person Christi bildet die Sendung des Heiligen 
Geistes den Hauptgegenstand der neutestamentlichen Wahrheiten. Leider aber ist dies nicht der Fall in den Herzen vieler 
Christen, in deren Gedanken die Person des Heiligen Geistes 
durch einen bloßen Einfluß ersetzt ist, den der Heilige Geist, 
wie sie sagen, zu allen Zeiten ausgeübt habe; andere behaupten 
sogar, daß die Heiligen zu allen Zeiten ohne Unterschied den 
Heiligen Geist empfangen hätten. Die Folge solcher Anschauungen ist, daß man selbst bezüglich der klarsten Schriftstellen 
in allerlei Verirrungen gerät. Ohne Zweifel waren sowohl die 
Gläubigen des Alten Testaments als auch die Jünger des Herrn 
durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes lebendig gemacht 
und gläubig geworden; aber sie hatten Ihn nicht als eine in 
ihnen wohnende Person empfangen. Das konnte erst stattfinden, nachdem der Herr Jesus das Werk der Erlösung vollbracht hatte und gen Himmel gefahren war, wie wir in Joh 7, 
38. 30 lesen: „Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt 
hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Dieses aber sagte er von dem Geiste, welchen die an ihn 
Glaubenden empfangen sollten; denn der Geist war noch nicht, 
weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war". Den Heiligen 
Geist sollte nicht jemand empfangen, damit er dadurch gläubig 
werde; sondern Er sollte in denen Wohnung machen, die bereits gläubig waren. Es gab zu allen Zeiten Gläubige; aber „der 
Heilige Geist war noch nicht, weil Jesus noch nicht verherrlicht 
worden war". Diese Stelle widerlegt also klar und bestimmt 
die Behauptung, daß der Heilige Geist zu allen Zeiten gegeben 
worden sei. Ebenso reden die letzten Kapitel des Evangeliums 
Johannes nicht von dem Heiligen Geist in dem Sinn eines 
bloßen Einflusses, oder einer geistlichen Kraft, sondern von 
einer Person, die gesandt wird und herniederkommt. Das Wort 
„Sachwalter" in Kap. 14 bedeutet sicher nicht bloß „Wunderkräfte, Sprachen usw.", wiewohl der Geist alles das wirkte, 
sondern es bezeichnet unstreitig eine Person. Ferner sagt der 
Herr in demselben Kapitel: „Er wird bei euch bleiben in Ewig73 
keit". Wunderkräfte, Sprachen usw. haben aufgehört, Prophezeiungen werden weggetan werden; aber hier haben wir eine 
göttliche Person, welche für immer bei den Gläubigen bleiben 
wird. Welch ein süßer Trost! 
Das Kommen des Heiligen Geistes ist also bestimmt und feierlich durch den Herrn Selbst angekündigt worden; und zwar 
verheißt Er Ihn das eine Mal als Den, Den der Vater in Seinem 
Namen, und das andere Mal als Den, welchen Er von dem 
Vater aussenden würde. In dem einen Falle sollte Er die Jünger 
an alles erinnern, was Christus zu Ihnen gesagt hatte, und in 
dem anderen sollte Er Zeugnis geben von dem Sohne. Ferner 
lesen wir in Kap. 14, 28, daß der Herr zu Seinen Jüngern sagt: 
„Wenn ihr mich liebet, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum 
Vater gehe usw." Ach! die armen Jünger dachten mehr an sich 
selbst, als an Ihn; denn sonst würden sie sich gefreut haben, 
den Herrn eine Stätte der Schmach und der Leiden verlassen 
und dorthin gehen zu sehen, wo die Liebe und Herrlichkeit 
Seines Vaters Seiner harrten. Aber in Kap. 16 stellt Er sie auf 
einen anderen Boden, indem Er sagt: „Es ist euch nützlich, daß 
ich hingehe". Es war nicht allein besser für Ihn, zum Vater zu 
gehen, sondern auch nützlich für sie. Wunderbar! Solche arme, 
schwache und zitternde Jünger, über welche Er mit steter Sorgfalt gewacht, die Er unter Seine Flügel gesammelt und beschützt 
hatte, ja, über die Er Selbst in der letzten Stunde Seiner Verwerfung schirmend Seine Hände ausgebreitet hatte — solche 
Jünger zu verlassen, sollte nützlich für sie sein? Und dennoch 
war es also. Denn so überaus köstlich die Gegenwart des Herrn 
auch für sie sein mochte, so war diese Segnung doch augenscheinlich durch Seine Erniedrigung als Mensch beschränkt, 
indem Er als solcher nicht überall auf der Erde sein konnte. Der 
Heilige Geist aber, Der in Seiner Person diese menschliche 
Natur nicht annahm, konnte deshalb nicht nur immer und 
überall bei ihnen sein, sondern auch nach der vollbrachten Erlösung ihre Herzen in der vertrautesten Weise mit dem Wert des 
Opfers und der Person Dessen bekanntmachen, Der zum 
Himmel erhöht und dort vom Vater verherrlicht worden war. 
Der Hingang des Herrn und das Kommen des Heiligen Geistes 
waren aber nicht allein nützlich für die Jünger, sondern sie 
lieferten zugleich der Welt den schrecklichen Beweis, daß sie 
74 
hoffnungslos verloren war; wie der Herr sagt: „Wenn er (der 
Heilige Geist) gekommen ist, wird er die Welt überführen von 
Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht: von Sünde, weil 
sie nicht an mich glauben; von Gerechtigkeit aber, weil ich zu 
meinem Vater gehe, und ihr mich nicht mehr sehet; von Gericht 
aber, weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist" (Joh x6, 8—11). 
Der Heilige Geist bezeugt, daß die Welt unter der Sünde ist, 
daß es hier auf Erden keine Gerechtigkeit gibt, als nur in Ihm, 
Der von ihr verworfen worden ist und Sich bei dem Vater befindet, und daß sich mithin die Welt samt ihrem Fürsten unter 
dem Gericht befindet. Das Evangelium Johannes zeigt uns also 
das Kommen des Heiligen Geistes, sowohl in Seiner Beziehung 
zu der Welt, als einem System, das gerichtet ist, als auch in 
Seiner Beziehung zu den Heiligen, um diese außerhalb jenes 
Systems in alle Wahrheit zu leiten und für immer bei und in 
ihnen zu sein. 
In der Apostelgeschichte wird uns Sein Kommen, sowie Seine 
Tätigkeit auf der Erde während der Abwesenheit des Herrn, in 
verschiedener Weise geoffenbart. Er verleiht den Aposteln die 
Gabe, in mancherlei Sprachen zu reden, wirkt Zeichen und 
Wunder durch sie, und gibt ihnen, ihren Verfolgern gegenüber, 
Mut und Unerschrockenheit. In der ganzen Apostelgeschichte 
begegnen wir daher nicht nur einem fortwährenden Zeugnis 
von Seiner Wirksamkeit und deren Resultaten, sondern wir finden in ihr auch eine Bestätigung der herrlichen Wahrheit, daß 
Er persönlich gegenwärtig war, so daß dieses Buch uns eigentlich mehr die Taten des Heiligen Geistes, als diejenigen der 
Apostel berichtet, wie wichtig diese Gefäße Seiner Macht auch 
sein mochten. Wir sehen z. B. Ananias und Sapphira durch 
Seine Gegenwart gerichtet, weil sie Seine Person belogen hatten. 
Ebenso lesen wir in Kap. 8, 29: „Der Geist aber sprach zu 
Philippus usw.", und in V. 39: „Als sie aber aus dem Wasser 
heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus 
usw." In Kap. 13 sehen wir, wie Er den Paulus und Barnabas 
aussendet, indem Er sagt: „Sondert mir nun Barnabas und Paulus aus zu dem Werke, Wozu ich sie berufen habe". Und weiter: 
„Sie nun, ausgesandt von dem Heiligen Geiste usw." Diese und 
viele andere Stellen, sowohl in der Apostelgeschichte als auch 
in den Briefen, namentlich in den beiden Briefen an die Korin75 
ther, liefern unzweideutige Beweise, nicht allein von der Wirksamkeit und Macht des Heiligen Geistes, sondern auch von 
Seiner Gegenwart in der Versammlung Gottes, als einer göttlichen Person. Ich will hier nicht von den Stellen reden, die uns 
Seine Inwohnung in den einzelnen Gläubigen bezeugen; denn 
so wichtig dieser Gegenstand auch ist, so ist es doch jetzt mehr 
mein Zweck, die Bedeutung Seiner Gegenwart in der Versammlung hervorzuheben. So finden wir besonders in 1. Kor 12, 
1—13 Seine Tätigkeit in der Versammlung entwickelt. Er ist 
gegenwärtig als eine wirkliche Person, die in verschiedener 
Weise, sei es in Gaben der Heilungen und der Sprachen usw., 
oder in Gaben zur Auferbauung, Belehrung usw. wirksam ist. 
Immer wieder sehen wir klar und deutlich dieselbe große Wahrheit hervorleuchten, daß Er Selbst gegenwärtig und in den 
vielen Gliedern des Leibes wirksam war, so verschieden die 
Form dieser Wirksamkeit auch sein mochte. 
Nun aber entsteht die Frage: War das alles, was wir hier lesen, 
nur auf eine besondere örtliche Versammlung und ausschließlich auf jene Zeit beschränkt, oder gilt es für die ganze Versammlung Gottes jetzt und zu allen Zeiten? Die Antwort ist 
nicht zweifelhaft, insofern wir dem Worte Gottes unterworfen 
sind. Der Herr Selbst erklärt uns in Joh 14, im Gegensatz zu 
Seiner eigenen zeitlichen Abwesenheit, daß der Geist der 
Wahrheit für immer bei den Seinigen bleiben solle. Ebenso 
sehen wir, daß der Geist Gottes dem ersten Korintherbriefe 
gleich im Anfang die ausgedehnteste Anwendung gibt; denn 
wir lesen in Kap. 1, 2: „Der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christo Jesu, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Orte den Namen unseres Herrn 
Jesu Christi anrufen, sowohl ihres als unseres Herrn". Wir 
erkennen hierin eine besondere Weisheit und Güte Gottes, 
Welcher voraussah, daß man die Anwendung dieses Briefes in 
einer Weise beschränken würde, als sei er nicht für alle bestimmt, „die den Namen unseres Herrn Jesu Christi anrufen, 
sowohl ihres als unseres Herrn". Der Gesichtskreis dieses Briefes ist ohne Zweifel absichtlich so weit ausgedehnt worden, 
um dem Unglauben hinsichtlich der Fortdauer der Gegenwart 
des Heiligen Geistes in der Versammlung, so lange sie hienieden ist, entgegentreten und ihn als Sünde und als eine bestimmte Verwerfung des Wortes Gottes behandeln zu können. 
76 
Unstreitig wirkt der Geist Gottes nicht mehr in der Weise, und 
noch weniger in der Kraft, wie im Anfang. Aber wir können 
dies leicht verstehen; nachdem die Wirklichkeit Seiner Gegenwart durch Zeichen und Wunder bekräftigt, und die neuen 
Mitteilungen Gottes allmählich aufgeschrieben und der Verantwortlichkeit des Menschen übergeben worden waren, bedurfte es in dieser Hinsicht keiner neuen Zeugnisse mehr. Überdies dürfen wir nicht erwarten, daß der Geist Gottes ein 
System, durch das Er in so ausgedehntem Maße betrübt und 
in dem der Name Jesu verunehrt wird, mit der äußeren Zierde 
mächtiger Zeichen und Wunder schmücken werde. Wie unpassend wäre das auch für die Herrlichkeit Gottes! Und welch 
eine Verwirrung würde es zur Folge haben! Man würde Wunder sehen in Rom und in der griechischen Kirche, unter den 
Lutheranern und Reformierten, unter den Methodisten, Baptisten und Independenten, kurz, unter allen Parteien und Sekten. Oder vorausgesetzt, Gott würde jetzt sagen: „Da wo zwei 
oder drei in dem Namen Jesu versammelt sind, da will ich 
Wunder tun", — was würde das Resultat sein? Wir, die wir so 
schwach und so leicht von uns eingenommen sind, würden im 
Blick auf die Entfaltung einer solchen göttlichen Macht nicht 
fähig sein, uns Zaum und Zügel anzulegen und in den richtigen 
Schranken zu bleiben. Aber ich bestehe noch einmal auf der 
Wahrheit, daß der Heilige Geist nicht bloß als eine Entfaltung 
göttlicher Macht auf Erden gegeben wurde, sondern — wenn 
ich mich so ausdrücken darf — als das wesentliche Zeichen von 
dem göttlichen Werte des Kreuzes. Gott, der Vater, sandte Ihn 
als das Siegel Seiner Erlösung, welche immer und unveränderlich vollkommen und wirksam bleibt. Die Liebe des Vaters zu 
Christo und der unendliche Wert, den das Werk Christi in 
Seinen Augen hat, bilden die sichere Bürgschaft für die unaufhörliche Fortdauer der Gegenwart des Heiligen Geistes in den 
Heiligen und in der Versammlung Gottes. 
Hier möchte ich nun fragen: Ist die Tatsache, daß jetzt eine 
göttliche Person auf Erden ist, welche sowohl in jedem einzelnen Gläubigen, als auch in der Versammlung Gottes wohnt, 
ein geringfügige Sache? Ist sie eine Wahrheit von untergeordneter Bedeutung, die man nach Belieben den Umständen gemäß 
behandeln darf? Wahrlich nicht! Und doch geschieht das alles 
77 
allzusehr. Was finden wir, wenn wir die Zustände, die gegenwärtig in der Christenheit obwalten, nach dem Worte Gottes 
prüfen? Welcher geistliche Mensch würde zu behaupten wagen, 
daß der gegenwärtige Zustand der Kirche dem entspräche, was 
wir im Neuen Testament lesen? Welcher aufrichtige und ernste 
Christ könnte im entferntesten daran zweifeln, daß hier alles 
in Unordnung ist? — Sind ferner die Gebete um eine neue 
Ausgießung des Heiligen Geistes nicht ein schlagender Beweis 
von der großen Unwissenheit, die bei so vielen Gläubigen 
über diese Wahrheit herrscht? Was würde man von einem 
Jünger gedacht haben, der in der Gegenwart des Herrn Jesu 
den Vater gebeten hätte, doch Seinen Sohn in diese Welt herabzusenden? Bezeugen alle diese Dinge nicht eine schreckliche 
Verwirrung? Und sollte ich das nicht tief fühlen und mich hinsichtlich meiner eigenen Schuld in dieser ernsten Sache vor Gott 
demütigen? Sollte ich nicht da zu sein begehren, wo die Gegenwart des Heiligen Geistes anerkannt wird, und wo man auf Ihn 
rechnet? Welch ein Trost für solche schwachen und unwissenden Geschöpfe, wie wir sind, zu wissen, daß sich Der in unserer 
Mitte befindet, Welcher alle Dinge kennt und die Quelle aller 
Kraft ist! Ist Er nicht genug für uns? Können wir Ihm, angesichts der uns umgebenden Verwirrung, Gefahren und Schwierigkeiten, nicht völlig vertrauen? Wohl begegnen wir überall 
einem großen Mangel an Kraft und Freude, Frieden und Trost 
unter den Kindern Gottes, und wir können nur die Barmherzigkeit und überschwengliche Langmut Gottes bewundern, die 
nicht ermüdet, die Seinigen trotz ihres Unglaubens zu segnen; 
aber keineswegs dürfen wir dem Gedanken Raum geben, als 
ob Gott betreffs dieser Dinge gleichgültig wäre und Er nicht 
vielmehr unsere rückhaltlose Unterwerfung unter Seinen Willen 
und die Anerkennung der Gegenwart und freien Wirksamkeit 
Seines Geistes von uns erwarte. Im Gegenteil, Er will, daß wir 
uns in dem Namen Jesu versammeln, und dies aus dem alleinigen Beweggrunde, um Ihm wohlzugefallen. Wenn wir nicht 
den Namen Jesu und die Gegenwart des Heiligen Geistes zum 
Mittelpunkt unseres Zusammenkommens und unserer Tätigkeit in der Versammlung haben, so erfreuen wir uns nicht der 
Anerkennung Gottes, sondern befinden uns unter der Herrschaft menschlicher Überlieferungen in der einen oder anderen 
Form. 
78 
Wir wissen wohl, daß uns mancher um dieser Worte willen der 
Gesetzlichkeit, Engherzigkeit und Schroffheit beschuldigen 
wird. Aber ich möchte fragen: „Ist es gesetzlich, wenn ich eine 
mir noch so teure Gemeinschaft aus dem Grunde aufgebe, weil 
ich den Willen Gottes tun und Seinem Worte folgen möchte? 
Oder ist es engherzig und schroff, wenn ich eine oder alle Parteien verlasse, um da zu sein, wo ich mich, auf Grund des 
Wortes Gottes und in der Abhängigkeit von dem Heiligen 
Geiste, im Namen Jesu mit allen Heiligen versammeln kann?" 
Denken wir uns den Fall, daß ein Gläubiger, der noch irgendeiner kirchlichen Partei angehört, an mich die Frage richten 
Würde: „Wie kommt es doch, daß du nicht einmal mit mir in 
meine Kirche oder Versammlung gehen willst, während ich 
doch nichts darin sehen würde, mich mit dir und allen denen 
zu versammeln, die nur im Namen Jesu zusammenkommen?" 
— Meine Antwort würde sein: „Du kannst nach deinen Grundsätzen als Protestant, als Baptist, oder als was du sonst sein 
magst, mit gutem Gewissen dahin gehen, wo man dem Herrn 
und Seinem Worte in der Einheit Seines Leibes und in der 
Freiheit Seines Geistes unterworfen zu sein wünscht; denn du 
wirst sicher zugeben, daß es keine Sünde ist, sich nach dem 
Worte Gottes zu versammeln; darum kannst du daran teilnehmen. Mir hingegen ist es klar, daß es nicht schriftgemäß 
ist, den Boden des Wortes Gottes zu verlassen und den Standpunkt eines Protestanten, oder eines Baptisten usw. einzunehmen. Es ist daher nicht Mangel an Liebe, daß ich nicht mit 
dir gehe, sondern ich fürchte vielmehr, etwas zu tun, was Gott 
mißfällig ist". — Das mag hart und schroff klingen; aber es ist 
tatsächlich böse, wenn ich meinem eigenen Willen oder dem 
Willen eines anderen folge, insofern der nicht der Wille Gottes 
ist; während andererseits gerade der Gehorsam gegen Gott und 
Seine Gebote das Kennzeichen der wahren Liebe ist (vgl. Joh 
14, 23; 1. Joh 5, 2. 3). 
Manche wollen eine falsche Stellung aus dem verwerflichen 
Grunde nicht aufgeben, weil sie darin bekehrt worden sind, 
andere, weil sie vorgeben, daß die Sache ihnen überhaupt nicht 
klar sei. Solche möchte ich jedoch in allem Ernst fragen: „Habt 
ihr jemals mit Aufrichtigkeit das Wort Gottes erforscht, um 
79 
Seine Gedanken und Seinen Willen kennenzulernen?" Gott 
gibt Einsicht allen denen, die Ihn fürchten; denn „die Furcht 
des Herrn ist der Weisheit Anfang". Wenn ich wirklich 
wünsche, einfältig und treu den Willen des Herrn zu tun und 
Seinem Wort zu folgen, so wird Er mich sicher und gewiß 
nicht imFinstem lassen; denn „Er gibt Einsicht den Einfältigen". 
Ganz zertrennt die Heil'gen stehen, 
Herr Jesu komm! 
Einheit ist nicht mehr zu sehen, 
Herr Jesu komm! 
Satans List hat sie zerstöret, 
Sund' und Welt manch' Herz betöret, 
Ach, wie sehr wirst Du entehret! 
Herr Jesu komm! 
Doch: 
Du bist bei uns mit Deinem Geist, 
O sel'ge heil'ge Nähe! 
Der so lebendig sich erweist, 
Als ob Dich Selbst man sähe. 
Bist unser Licht im dunklen Tal, 
Erquickst durch Deiner Liebe Strahl, 
Bist Seelentrank und -Speise. 
Stehst uns mit Rat und Tat zur Seit' 
Und gibst uns Selber das Geleit 
Auf unsrer Pilgerreise. 
3. Die Versammlung und der Dienst (1. Kor 14) 
Wie verschieden die beiden Gegenstände auch zu sein scheinen, 
so ist doch der zur Rechten Gottes erhöhte Christus die Quelle 
von beiden; und wir können sie deshalb zusammen betrachten. 
Beide sind gegründet auf die Tatsache, daß Sein Werk vollendet ist, und zwar zu dem ausdrücklichen und hauptsächlichen 
Zweck, um Ihn zu verherrlichen. Denn was auch die Kraft des 
Geistes im Dienste, und was auch die Vorrechte der Kirche 
oder Versammlung sein mögen, so hat doch die Verherrlichung 
Christi in den Gedanken Gottes stets den ersten Platz; sie ist 
80 
daher von der höchsten Wichtigkeit für die Wirksamkeit des 
Geistes Gottes, sowohl in den einzelnen Gliedern, den Dienern 
Christi, als auch in der Versammlung, Seinem Leibe, dessen 
Haupt Er ist. Laßt uns jetzt in dem Worte Gottes forschen, 
inwiefern diese beiden Gegenstände voneinander abweichen 
und auch wie sie sich in ein und demselben Grundsatze vereinigen, um so ihren gemeinsamen Zweck und die daraus entspringende Verantwortlichkeit des Christen kennenzulernen. 
Wir haben schon in den beiden vorhergehenden Abschnitten 
gesehen, daß die Kirche oder Versammlung Gottes auf das vollbrachte Werk Christi und auf Seine Erhöhung zur Rechten 
Gottes gegründet ist. Diese Wahrheit wird uns in Mt 16 deutlich bestätigt. Alle die Zeichen und Wunder, die der Herr getan 
hatte, alle die überschwenglichen Beweise Seiner göttlichen 
Sendung und vor allem die sittliche Kraft und Herrlichkeit, 
womit Er bekleidet war, hatten den Unglauben des jüdischen 
Volkes völlig ans Licht gestellt. Aber nachdem der Herr sozusagen alle Mittel, die Seine Güte und Weisheit in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters Ihm eingeben konnten, 
erschöpft hatte, und nachdem, als das Ergebnis Seiner geduldigen Gnade, die Verachtung des wahren Messias sich immer 
mehr in einem Geiste tödlicher Feindschaft gegen Ihn offenbarte, gab Er durch das bekannte Gespräch mit Seinen Jüngern 
Veranlassung zu dem ergreifenden Bekenntnis Petri: „Du bist 
der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" Und im Blick 
auf dieses Bekenntnis sagt der Herr: „Auf diesen Felsen will 
ich meine Versammlung bauen". Der Messias in Seiner 
Schmach und Erniedrigung war der Stein des Anstoßes für 
Israel; aber Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, ist der 
Felsen, auf dem die Versammlung erbaut ist. Verworfen und 
getötet von Seiten Seines irdischen Volkes, ist Christus, als der 
Sohn des lebendigen Gottes, aus dem Grabe hervorgegangen; 
und siegreich triumphierend über die Pforten des Hades ist Er 
der unerschütterliche Felsen geworden, auf dem die Versammlung gegründet ist. In diesem Kapitel wird also zum ersten 
Mal die Versammlung erwähnt, nicht als eine schon bestehende, 
sondern als eine noch zukünftige Tatsache. Denn der Herr sagt: 
„Auf diesen Felsen will ich bauen usw." Erst in Apg 2 wird die 
Kirche auf der Erde durch den vom Himmel herniederkom81 
menden Heiligen Geist gegründet; und am Ende desselben 
Kapitels lesen wir die Worte: „Der Herr aber tat täglich zu 
der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten", d. h. 
gerettet von den Gerichten, welche einer Nation bevorstanden, 
die den Sohn Gottes, ihren Messias, verworfen hatte. 
Wir sehen also, daß die Versammlung in unmittelbarer Verbindung mit der Gegenwart des Heiligen Geistes steht, und 
finden somit die Worte in 1. Kor 12, 13 bestätigt: „Denn auch 
in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft usw." Die 
Bildung des Leibes war sozusagen von der Geistestaufe abhängig. Zugleich aber ist die Versammlung auch das Haus 
Gottes auf der Erde. Die lebendigen Steine, die schon vorher 
da waren (zunächst der Überrest Israels), werden gesammelt 
und zu einem göttlichen Hause aufgebaut. Indes, mögen wir 
die Versammlung als das Haus Gottes oder als den Leib Christi 
betrachten, stets waren es die durch den Heiligen Geist in eins 
versammelten Gläubigen, diejenigen, welche von dem kommenden Zorn gerettet werden sollten, und die alle in einem Geiste 
zu einem Leibe getauft worden waren; in ihnen erblicken wir 
nach dem schriftmäßigen Sinn des Wortes die „Kirche oder die 
Versammlung Gottes". Dies ist von um so höherer Bedeutung, 
als man heute von einer „unsichtbaren" Kirche redet — ein 
Ausdruck, welchen man in der Heiligen Schrift nirgends findet, 
und wjodurch man einen Zustand bezeichnen will, dem der 
Herr gerade durch die Gründung der Versammlung ein Ende 
gemacht hat. Wir wissen z. B., daß, während Israel das allein 
anerkannte Volk Gottes war, es in und außer den Grenzen 
Israels Gläubige gab, die vereinzelt und überall umher zerstreut 
waren. Aber eben deshalb starb Jesus, „auf daß Er auch die 
zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte" (Joh 11, 52). 
Am Pfingsttage sehen wir die Verwirklichung davon. Es ist 
also offenbar ein Irrtum, wenn man im Blick auf die Versammlung von einer sichtbaren und unsichtbaren Kirche redet; man 
beweist dadurch nur, daß man unter der Versammlung nichts 
als eine Vermischung von Gläubigen und Ungläubigen versteht. Aber durch diesen Irrtum ist es dahin gekommen, daß 
man die Kirche als eine bloße Fortsetzung des Judentums betrachtet und deshalb ihren gegenwärtigen Zustand zu rechtfertigen sucht, während ihn das Wort Gottes so entschieden 
verurteilt. 
82 
Solche traurigen Ergebnisse können indes niemals da befriedigen, wo man die Absicht des Heiligen Geistes versteht, sowohl die persönliche Herrlichkeit Christi als auch Seine Stellung als Herr unveränderlich aufrechtzuerhalten. Die Versammlung Gottes ist berufen, Christum als Herrn und Haupt 
anzuerkennen; und der Herr hat Seine Versammlung in dieser 
Beziehung nicht ohne Unterweisung gelassen. Wie wäre es 
auch möglich, daß Er die Heiligen sich selbst überlassen hätte, 
so daß sie sich nach den Gebräuchen der verschiedenen Zeiten 
und Länder, in denen sie gerade leben, nach Belieben einrichten 
und formen könnten? Nein, wenn es noch etwas Teures und 
Wertvolles auf der Erde für Gott gibt, so ist es Seine Kirche 
oder Seine Versammlung, „die Herrlichkeit Christi", über 
welche Er mit Eifersucht wacht. Darum erwartet Er auch zu 
allen Zeiten von der Versammlung, daß sie Christum als Herrn 
und Haupt anerkenne. Dies wird uns durch die Betrachtung 
des Wortes noch klarer werden. 
Wenige Versammlungen waren so reich mit Gaben gesegnet, 
wie diejenige zu Korinth. Aber was erblicken wir dort? Leider 
ein Schauspiel der gröbsten Unordnung und Sittenlosigkeit; 
und das liefert uns den Beweis, daß die Ordnung und der 
Segen in der Versammlung nicht durch Gaben, sondern allein 
durch die Unterwerfung unter Christum, als den Herrn, aufrecht erhalten werden können. Die Korinther mußten deshalb 
wieder zu den Wegen Gottes zurückgeführt werden. Wir finden 
daher, daß der Apostel in seinem ersten Brief oft und mit 
besonderem Nachdruck Christum als den Herrn bezeichnet, 
namentlich in bezug auf die Mitteilung, den Charakter und die 
Ausübung der Gaben. War auch jemand im Besitz irgendeiner 
Gabe, so durfte er sich ihrer doch nicht nach seinem Gutdünken, sondern nur in der Abhängigkeit von dem Herrn zur Auferbauung der Versammlung bedienen; in jedem anderen Falle 
war die Ausübung von Gaben untersagt. Das sehen wir deutlich in Kap. 14, wo Paulus diese Tätigkeit regelt. So war z. B. 
die Gabe, in Sprachen zu reden, obwohl sie offenbar ein Erzeugnis des Heiligen Geistes und nicht der Natur war, betreffs 
ihrer Ausübung gänzlich der göttlichen Ordnung unterworfen. 
Alles mußte zur Auferbauung der Versammlung geschehen. 
Aus demselben Grunde sollten die in Sprachen Redenden diese 
83 
Gabe nur zu zweien oder höchstens zu dreien ausüben, und 
zwar nacheinander, und einer sollte auslegen. War kein Ausleger anwesend, so sollten sie schweigen. Auch sollten die 
Propheten zu zweien oder zu dreien reden, und die anderen 
sollten urteilen. Wurde einem anderen, der zugegen war, etwas 
geoffenbart, so mußte der erste schweigen. So mußten sie einander unterworfen sein, und einer nach dem anderen reden. 
Warum diese Beschränkung der Gaben? Damit die Versammlung nicht ermüdet, sondern erbaut würde. Alles mußte anständig und in Ordnung geschehen; alles war abhängig gemacht von dem Herrn. 
Aber, möchte jemand fragen, wie können solche Regeln in 
unseren Tagen Anwendung finden, wo doch nur noch so 
wenige Gaben vorhanden sind? Die Antwort ist: Wenn auch 
viele Gaben, wie z. B. diejenigen des Wundertuns, des Sprachenredens usw., die in den ersten Tagen des Christentums als 
Zeugnissedienten, verschwunden sind, so ist doch das geblieben, 
was der Kernpunkt dieses Kapitels bildet, nämlich die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung; und wenn Er 
damals alles in der Versammlung ordnete und regelte, sollte 
Er es dann jetzt nicht mehr tun? Wir haben denselben Geist 
und müssen daher auch auf Seine Gegenwart rechnen. Wenn 
wir glauben, daß es Ihm gefällt, auch jetzt noch in der Versammlung zu wirken, so laßt uns diesen Glauben durch die 
Tat verwirklichen! Oder sollte der Heilige Geist das Wort 
Gottes als die alleinige Richtschnur unseres Glaubens und 
Wandels beiseitegesetzt haben? Ist es nicht vielmehr die Verschlagenheit der Menschen, die allerlei Beweisgründe zu ersinnen weiß, um sich der Unterwerfung unter das Wort zu 
entziehen? Ist es möglich, daß Kinder Gottes sich mit solchen 
Beweisgründen zur Rechtfertigung ihres Ungehorsams begnügen können? Man hat Kirchen eingerichtet, die durchaus nicht 
den Charakter der Kirche oder der Versammlung Gottes an sich 
tragen, und die nicht den Grundsatz der Freiheit des Heiligen 
Geistes in ihrer Mitte zu wirken, „durch welchen Er will", in 
sich schließen. Man hat religiöse Körperschaften gegründet und 
sie den Ländern, denen sie angehören, anzupassen gesucht; 
aber sie entsprechen in keiner Beziehung der Versammlung 
Gottes in ihrer Gesamtheit, noch den in der Heiligen Schrift 
84 
genannten örtlichen Versammlungen. Wie anders war es im 
Anfang! Wenn jemand der Versammlung Gottes zu Jerusalem 
angehörte, so war er auch ein Glied der Versammlung in Rom. 
Es war bloß eine Frage der örtlichkeit. Die Schrift weiß nichts 
von der Mitgliedschaft einer Kirche, sondern kennt nur die 
Gliedschaft der Kirche. Wie ist es dagegen in unseren Tagen? 
Gehört man einer Religionsgemeinschaft an, so ist man selbstredend von jeder anderen getrennt. Wie weit ist doch die Kirche 
von dem Worte Gottes abgewichen! Sie bildet einen Trümmerhaufen. Aber sollen wir deshalb ratlos zu irgendeinem System 
unsere Zuflucht nehmen? Wenn wir es tun, so liefern wir 
damit nur den Beweis, daß wir dem Worte Gottes nicht unterworfen sind. Doch das sei ferne! Vielmehr gilt für uns, allem 
gegenüber, was mit dem Worte im Widerspruch steht, der 
eine Wahlspruch: „Laß ab vom Bösen und tue Gutes"! 
Ohne Zweifel werden wir auf einem solchen Wege vielen 
Schwierigkeiten und Hindernissen begegnen; aber von dem 
geoffenbarten Willen Gottes müssen alle anderen Bedenken in 
den Hintergrund treten. 
Es ist nicht unsere Aufgabe, eine neue Kirche oder Versammlung zu gründen, sondern uns einfach im Namen Jesu zu versammeln, so wiie es uns das Wort Gottes vorgeschrieben hat. 
Vielleicht sagt jemand: Zeiten und Umstände haben sich verändert; und wie können sich zwei oder drei Christen, die sich 
hier oder dort versammeln, den Namen „Versammlung Gottes" 
beilegen? Ich erwidere: Ohne Zweifel hat eine traurige Veränderung stattgefunden; aber die Frage ist: Hat sich der Wille 
Gottes bezüglich Seiner Versammlung verändert? Was ist 
richtig: die durch die Untreue des Menschen herbeigeführte 
Veränderung anzuerkennen, oder zu dem Willen Gottes zurückzukehren, und dies auch nur mit zweien oder dreien, die 
sich in der Unterwerfung unter Sein Wort im Namen Jesu versammeln? — Wenn ich nun mit solchen im Namen des Herrn 
versammelt bin, und zwar in Anerkennung aller Glieder Seines 
Leibes und wartend auf die Wirksamkeit Gottes durch Seinen 
Geist und Sein Wort, ist dann Jesus nicht in unserer Mitte? 
Ohne Zweifel. Und welch ein großer Trost ist das für unsere 
Seelen! 
Ich hoffe, in dem folgenden Abschnitt unserer Betrachtung 
zeigen zu können, daß dieses gerade die gnadenreiche Vorsorge 
85 
des Herrn für die letzten Tage ist. Die freie, unumschränkte 
Wirksamkeit des Heiligen Geistes unter den versammelten 
Gliedern Christi bleibt stets ein durch das Wort Gottes festgestellter Grundsatz in der Versammlung Gottes. Und wenn 
wir bemüht sind, dem Herrn treu zu sein, so wird, wie sehr wir 
auch Ursache haben, uns über den Zustand der Versammlung 
zu betrüben, der Segen nicht ausbleiben. Wir bedürfen eines 
gläubigen demütigen Herzens, um trotz aller Hindernisse und 
Prüfungen in dieser Welt alles für den Gehorsam gegen den 
Herrn einzusetzen. Es gibt für uns nur einen schmalen Pfad; 
und wie verleugnungsvoll der auch sein mag, so wird es uns 
doch nicht schwer werden, ihn zu gehen, wenn wir im übrigen 
das Bewußtsein haben, ein Eigentum Dessen zu sein, Der Sich 
für uns hingab und alles erduldete, und wenn wir in der Gewißheit Seiner unendlichen Liebe Ihn kostbarer finden als alles 
in dieser Welt. Alles was Er jetzt von den Seinen erwartet, ist 
Treue. Wenn wir den Willen des Herrn kennen, so laßt uns 
nicht bis zum nächsten Tage warten, ihn auszuführen, unter 
dem Vorwande, daß uns noch nicht alles klar sei. Denn wenn 
Gott uns ausgehen heißt, so ist es nicht Glaube, wenn wir zu 
Ihm sagen: „Zeige uns zuerst das Land!" Wir haben Seinem 
Willen zu folgen, soweit wir ihn erkannt haben. Es ist traurig, 
jemanden sagen zu hören: „Ich weiß, daß ich bekehrt bin und 
in den Himmel komme. Das ist die Hauptsache; alles andere 
ist nebensächlich und kümmert mich nicht". — Wie weit ist es 
mit solchen gekommen! Nicht nur kennen sie den Willen des 
Herrn nicht, sondern sie wollen ihn auch nicht kennen. 
Für die Treuen bleibt der Grundsatz der Absonderung von 
allem Bösen stets in Kraft, mag es sich nun um das draußen 
herrschende Böse oder um das Böse innerhalb der Kirche oder 
Versammlung handeln, wenn solches durch die Macht Satans 
und durch die Nachlässigkeit der Menschen eingeschlichen ist. 
Selbst dann, wenn eine ganze Versammlung gemeinschaftliche 
Sache mit dem Bösen machen sollte, haben wir uns, falls sich 
alle Ermahnungen und Versuche zur Wiederherstellung als 
fruchtlos erweisen würden, auch von dieser zu trennen; denn 
der Heilige Geist ist nicht nur der Geist der Wahrheit, sondern 
auch der Geist der Heiligkeit. Sicher hat das Böse bei denen, 
welche die Wahrheit erkannt haben, stets einen verwerflicheren 
86 
Charakter in den Augen Gottes, als bei denen, die den Wert 
des Namens Jesu nicht kennen. Ebenso wichtig ist es aber auch 
andererseits, mit unserem Urteil über eine Versammlung oder 
über ein einzelnes Glied von ihr vorsichtig zu sein, und niemals 
eine Sünde vorzuwerfen, bevor dieselbe klar und bestimmt 
offenbar geworden ist; in einem solchen Falle haben wir vielmehr auf den Herrn zu warten. Der Herr erwartet, daß Seine 
Versammlung nicht nur der Ort der Auferbauung der Heiligen 
sei, sondern daß sie auch Seinen Charakter vor den Augen der 
Menschen offenbare. 
Der Herr wolle uns geben, treu zu sein! Der Streit, ob eine 
Sache alt oder neu sei, ob sie noch in der Kraft des Jünglingsalters von drei Jahrhunderten stehe, oder das graue Haar eines 
fünfzehnhundert] ährigen Greisentums trage, ist nutz- und 
fruchtlos. Für uns gilt nur die eine Frage: „Stehen wir auf dem 
allein göttlichen Boden der Kirche?" Wir können uns mit nichts 
Wenigerem begnügen: Wir haben kein Vertrauen auf uns 
selbst, sondern befehlen uns Gott und dem Worte Seiner 
Ginade als unserer alleinigen Sicherheit und Kraft. 
Ich möchte nun noch einige Augenblicke bei dem Dienste verweilen. Er hat, wie die Versammlung selbst, seine 
Quelle in Christo. Sowohl die Berufung, als auch die Aussendung geht von dem Herrn und nicht von der Versammlung 
oder von den Gläubigen aus. Ich rede hier von dem Dienst des 
Wortes. Denn es gab verschiedene Dienstverrichtungen, wie 
z. B. den Dienst der Diakonen, zu welchem die Versammlung 
nach ihrer Weisheit die passenden Werkzeuge auswählte. So 
lesen wir in Apg 6, daß die ganze Menge der Gläubigen die 
Diakonen der Versammlung aus ihrer Mitte wählte, damit sie, 
nachdem die Apostel ihnen die Hände aufgelegt hatte, die 
Tische bedienten. Ebenso haben die Versammlungen, wie wir 
z. B. in 2. Kor 8 lesen, Brüder ausgesandt, um ihre Gaben den 
Heiligen zu überbringen. Epaphroditus wurde von den Philippern als Diener für die Bedürfnisse des Apostels abgesandt 
(Phil 4). Aber wir finden nie, daß die Erwähnung und Berufung zum Dienst des Wortes von der Versammlung ausgegangen ist. Im Gegenteil sagt der Herr Jesus Selbst zu Seinen 
Jüngern: „Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter aussende 
87 
in seine Ernte". Er ist immer der Herr der Ernte; und demgemäß zeigt uns auch das Gleichnis in Mt 25, daß der Herr 
vor Seiner Abreise in das ferne Land Seine Knechte beruft und 
ihnen Gaben verleiht. Wie verschieden ist auch hier die reine 
göttliche Berufung zum Dienst des Wortes nach der Schrift von 
dem, was wir in unseren Tagen in der Christenheit sehen! Wie 
sehr ist ihre Würde und insbesondere jene heilige Unabhängigkeit des Menschen beeinträchtigt, welche zur kräftigen Ausübung des Dienstes und vor allem zur Verherrlichung des 
Herrn so wesentlich notwendig ist! Wenn Menschen Prediger 
anstellen und aussenden, ist das nur die willkürliche Anmaßung eines Rechtes, das dem Herrn allein zusteht, und gereicht 
allen, die sich einer solchen Autorität unterwerfen, zu großem 
Nachteil. 
Worin besteht denn ein in Übereinstimmung mit dem Worte 
ausgeübter Dienst? Er besteht in der von Gott gegebenen vollkommenen Freiheit, für das Heil der Seelen tätig zu sein. Dieses 
bestätigt uns, im Einklang mit den Belehrungen der Epistel, die 
Apostelgeschichte. Wir haben bereits in 1. Kor 12 und 14 gesehen, daß es dem Wesen der Versammlung Gottes und der 
Gegenwart des Heiligen Geistes entsprechend ist, in voller Freiheit für die Herrlichkeit des Herrn und zum Segen aller zu 
wirken, durch welche Er will. Ebenso setzt die Ermahnung in 
1. Petr 4, 10. 11 und die Warnung in Jak 3, 1 dieselbe Freiheit 
und die damit verbundene Gefahr im Dienste voraus. Weiter 
sehen wir in Apg 8, daß die durch die Verfolgung Zerstreuten 
überall das Wort predigten; und obwohl, wie ich glaube, diese 
nicht alle Diener des Wortes waren, so ist es doch ein Beweis, 
daß der Herr jeden Christen anerkennt, der die frohe Botschaft verkündigt. Ganz besonders aber begegnen wir in demselben Kapitel dem Philippus, wie er mit Freimütigkeit das 
Wort redet. „Aber", konnte man sagen, „Philippus war doch 
von der Versammlung gewählt". Es ist wahr, er war gewählt 
worden, aber wozu? Zum Diakonen, und nicht zum Dienste 
des Wortes. Dazu berief ihn der Herr später, demzufolge er 
die Stellung als Diakon aufgab, von Jerusalem nach Samaria 
ging und unter dem Segen des Herrn das Wort predigte. In 
Kap. 9 sehen wir einen Mann auf der Reise nach Damaskus, 
mit Vollmacht von den Hohenpriestern, um die Christen zu 
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verfolgen. Das war der einzige Auftrag, den Paulus von Menschen empfangen hatte*); er war autorisiert, nicht das Evangelium zu verkündigen, sondern es zu vernichten. Aber der 
Herr in Seiner unumschränkten Gnade bekehrte ihn und sandte 
ihn aus als „einen Prediger und Apostel und Lehrer der Nationen in Glauben und Wahrheit". Später führte der Herr noch 
mehrere in das Werk ein, unter anderen den Apollos, welchen 
„Aquila und sein Weib zu sich nahmen, um ihm den Weg 
Gottes noch genauer auszulegen". Und ob auch betreffs seiner 
nirgends in der Schrift eine menschliche Einweihung oder Anstellung erwähnt wird, so zollt ihm Paulus dennoch völlige Anerkennung, indem er ihn sich selbst und dem Apostel Petrus 
zur Seite stellt (i. Kor 3). Am Ende seines ersten Briefes an die 
Korinther sagt Paulus sogar, daß er Apollos viel zugeredet 
habe, nach Korinth zu gehen, daß es aber dessen Wille nicht 
gewesen sei, jetzt zu kommen (1. Kor 16). Ein inspirierter 
Apostel gibt also einem nicht ordinierten Diener einen Rat, 
den dieser nicht befolgt. Da der Apostel ihn dieserhalb nicht 
tadelt, so können wir nicht beurteilen, wer von ihnen Recht 
oder Unrecht hatte; aber dieser Vorfall zeigt uns doch, im 
Gegensatz zu den Träumereien der Menschen über apostolische 
Oberherrschaft, daß der Herr der alleinige Meister und Leiter 
Seiner Diener ist, und diese nur Ihm verantwortlich sind. Das 
ist ein für alle Zeiten geltender Grundsatz; und wir haben die 
Frage an uns zu richten: „Dienen wir dem Herrn und nur Ihm 
allein oder sind wir Diener der Menschen oder irgendeiner 
Benennung?" Ist dies zuletzt Genannte der Fall, dann laßt uns 
bedenken, daß „niemand zwei Herren dienen kann". Man kann 
nicht ein Diener Christi und zugleich der Diener irgendeiner 
Partei sein; eines von beiden muß aufgegeben werden. 
Wir sehen also, daß der Dienst des Wortes einen von der Versammlung unabhängigen Platz einnimmt, indem er nicht allen, 
sondern nur einzelnen Gliedern zum Nutzen aller anvertraut 
ist. Die Versammlung hat ihrerseits die Diener anzuerkennen, 
und andererseits haben die Diener die Versammlung anzuerkennen. Man darf diese beiden Dinge ohne bedenkliche Folgen 
*) Später, wenn er von seinem apostolischen Dienst spricht, sagt er: „Paulus, 
Apostel, nicht von Menschen, noch durch einen Menschen, sondern durch Jesuin 
Christum und Gott, den Vater, der Ihn aufervveckt hat aus den Toten" (Gal 1,1). 
8° 
nicht aus dem Auge verlieren. Ohne Zweifel besteht die Aufgabe eines Dieners darin, in der Unterwürfigkeit unter Christen 
zu predigen oder zu lehren, zu ermahnen, zu unterweisen oder 
zu regieren, je nachdem er eine Gabe von dem Herrn empfangen hat. Aber was auch die Ratschläge und Urteile eines Dieners sein mögen, so kann doch nichts die unmittelbare Verantwortlichkeit Christo gegenüber auflösen. Derselbe Jesus, welcher der Herr des Dieners ist, wird auch als Herr durch die 
Versammlung Gottes anerkannt. 
Endlich wird uns in Apg 13 und 15 gezeigt, wie wir selbst im 
Blick auf einen Begleiter oder einen Mitarbeiter im Dienste 
nicht nach Willkür, sondern in Abhängigkeit von dem Herrn 
zu handeln haben. Paulus und Barnabas nahmen auf ihrer 
ersten Missionsreise den Markus mit; der erwies sich jedoch, 
indem er sich von ihnen trennte und wieder zurückkehrte, als 
unfähig zum Werke. Paulus weigerte sich deshalb später, ihn 
wieder mitzunehmen, und es erhob sich infolgedessen, da Barnabas, ein Verwandter des Markus, auf dessen fernerer Begleitung bestand, zwischen beiden ein so harter Wortwechsel, 
daß sie sich voneinander trennten. Paulus wählte Silas zu 
seinem Reisegefährten, und diese beiden reisten ab, von den 
Brüdern der Gnade Gottes befohlen, indem diese jedenfalls 
überzeugt waren, daß das Recht auf Seiten des Apostels war. 
Von Barnabas wird nichts weiter gesagt. Sicherlich ist in der 
Wahl eines Mitarbeiters ein geistliches Urteil erforderlich; und 
es ist klar, daß eine gezwungene Verbindung nicht nach den 
Gedanken des Herrn ist. Jedenfalls wollte Paulus sich Markus 
nicht aufzwingen lassen und wählte sich einen anderen Begleiter. Ist das nicht ein wichtiges Beispiel der Vorsorge Gottes, 
welche Er in Seinem Worte getroffen hat, selbst hinsichtlich der 
Annahme oder der Zurückweisung des Dienstes eines Mitarbeiters? Der Herr Jesus behauptet stets den Ihm allein gebührenden Platz, nicht allein in bezug auf die Versammlung, 
sondern auch bezüglich des Dienstes, und Er lehrt uns, wie wir 
Sein Wort auf der Erde auszuführen haben. Freilich unterliegt 
es keinem Zweifel, daß wir einander unterwürfig sein sollen, 
und sicher steht dies mit der Unterwerfung unter den Herrn 
in Verbindung; aber zu allen Zeiten und unter allen Umständen müssen wir bemüht sein, dem Herrn zu gefallen. 
90 
Wir sehen also, daß sowohl die Versammlung, als auch der 
Dienst nach dem Worte Gottes ihre Quelle in Christo haben, 
und beide unter eine Verantwortlichkeit gestellt sind, die nicht 
geschwächt oder gar gänzlich beiseitegesetzt werden darf. Die 
Versammlung hat die Pflicht, die Diener Christi aufzunehmen, 
hat aber nicht das Recht, sie zu wählen; und der Diener ist dem 
Herrn verantwortlich, von welchem er allein seine Kraft empfängt. 
Ganz besonders aber haben wir es nötig, uns einfältig an den 
Herrn anzuklammern, an Seine Gnade und Sein Wort, um 
nicht durch die Schwierigkeiten, die nie ausbleiben, entmutigt 
zu werden. Denn wie der Weg des Herrn in Seine himmlische 
Herrlichkeit über das Kreuz führte, so trägt auch jeder wahre 
Dienst für Christum den Stempel des Kreuzes an der Stirn; 
aber es ist der Herr und Sein Kreuz. Laßt uns dem Herrn 
unterworfen sein und Ihm dienen! Ich zweifle nicht an dem 
Triumph in Christo; aber sicher können wir in dieser Welt auf 
Trübsale und Prüfungen rechnen; und auch in der Versammlung Gottes wird es an Schwierigkeiten nicht fehlen. Jeder, der 
Christo gedient hat, weiß etwas davon; aber Christus, Welchem die Versammlung angehört, und Dem wir dienen, „bleibt 
gestern und heute und in die Zeitalter derselbe". 
4. Der Gottesdienst, das Brotbrechen und das Gebet 
(Joh 4, 10—24) 
Unter den jetzt von uns zu betrachtenden Gegenständen nimmt 
der Kultus oder der eigentliche Gottesdienst den ersten und 
wichtigsten Platz ein; und da dieser uns am meisten mit Gott 
Selbst in Beziehung bringt, so ist er für unsere Seelen auch der 
erhabenste und gesegnetste Gegenstand. Jedenfalls ist der 
Tisch des Herrn in den Gottesdienst mit eingeschlossen, eifordert jedoch wegen seiner unterschiedlichen Natur und seiner 
besonderen Beziehung zu den Heiligen eine besondere Betrachtung, während der Gottesdienst, als solcher, zu Gott in wesentlicher Beziehung steht. 
In dem oben angeführten Kapitel, Ev. Joh 4, sehen wir nicht 
nur, daß der Gottesdienst ein erhabenes, gesegnetes und hln91 
sichtlich unseres Wandels fruchtbringendes Vorrecht für uns 
ist, sondern es läßt uns auch den Gegensatz zu dem jüdischen 
Kultus erkennen. Zum besseren Verständnis muß ich jedoch 
einige Bemerkungen über den zur Ausübung des Gottesdienstes erforderlichen Seelenzustand vorausschicken. Der Vater 
erwartet die Anbetung Seiner Kinder; und diese Anbetung ist 
eine Pflicht, an welcher sie alle ein persönliches und unmittelbares Interesse haben. Wie aber hinsichtlich der Versammlung 
Gottes und der Gabe des Heiligen Geistes, so ist auch in bezug 
auf den Gottesdienst, sowohl von Seiten Gottes als auch der 
Seinen, eine feste Grundlage zu seiner wirklichen, wahrhaft 
christlichen Ausübung nötig. Wenn es je ein Gebiet gegeben 
hat, auf dem die Zulassung des menschlichen Willens eine 
Sünde und eine Verunehrung Gottes war, so ist es vor allem 
das Gebiet des Gottesdienstes. Und demnach geschieht nichts 
so häufig und mit weniger Gewissen als gerade dieses. Gibt 
es wohl eine Sache, in welcher der Mensch sich mehr erhebt 
den Geist der Gnade mehr verachtet als es hier geschieht? Niemand halte diese Sprache für übertrieben hart. Kann man eine 
Sache scharf genug bezeichnen, durch welche die Welt betrogen, die Kirche geschändet und die moralische Herrlichkeit 
Christi vernichtet wird, und worin der Mensch aus einem 
falschen Grunde oder ohne Grund beschäftigt ist, Gott zu verehren, und zwar angesichts der herrlichen Offenbarung, welche 
Gott von Sich Selbst in Seinem Sohne gegeben hat und geben 
kann? 
Diese vollkommene Offenbarung Gottes allein ist sowohl die 
Quelle unserer Hoffnung und Segnung als auch die Grundlage 
des christlichen Gottesdienstes. Indes wie wesentlich sie auch 
für den Gottesdienst und wie unendlich sie in ihrem Wesen 
sein mag, so würde sie doch an und für sich allein nicht genügend 
sein. Es mußte auch den Bedürfnissen des Menschen in Übereinstimmung mit der göttlichen Herrlichkeit begegnet werden. 
Nun, Gott hat es an nichts fehlen lassen; und alles was Er 
getan hat, ist selbstverständlich unbedingt vollkommen. 
Vor der Erscheinung Christi gab es ohne Zweifel nur eine teilweise Offenbarung Gottes. Nachdem aber der Sohn Gottes 
gekommen ist, können wir jetzt als Gläubige ohne Anmaßung 
92 
sagen: „Er hat uns ein Verständnis gegeben, auf daß wir den 
Wahrhaftigen kennen". Welch ein Glück, in dieser finsteren 
Welt sagen zu dürfen: „Wir kennen Ihn"! Wie gesegnet, ein 
göttliches Buch zu besitzen und geleitet durch den Geist die 
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Lichte Gottes betrachten zu können! Köstlicher aber als alles ist das Wort: 
„Wir kennen den Wahrhaftigen, und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohne Jesu Christo" (I. Joh 5). 
Ohne Zweifel findet ein Wachstum in der Erkenntnis statt; 
jedoch müssen wir die Grundwahrheit festhalten, daß jeder, 
den Gott in Seine Gemeinschaft gebracht hat, mit dem Heiligen 
Geiste gesalbt ist und „alles weiß" (vgl. 1. Joh 2, 20). Alle 
besitzen eine geistliche Fähigkeit, welche mit dem Unterschied 
in der praktischen Entwicklung der Einzelnen nichts zu tun 
hat. Gott hat den Seinigen eine neue Natur gegeben, die durch 
den Geist fähig ist, Ihn Selbst zu verstehen, zu schätzen und zu 
genießen. Diese Vorrechte lassen uns in etwa erkennen, was 
zunächst erforderlich ist, um ein Anbeter Gottes zu sein. In 
einem nicht wiedergeborenen Menschen einen Anbeter zu 
suchen, wäre eine verwerfliche Torheit. Wenn wir nicht eine 
neue Schöpfung in Christo geworden sind und nicht eine 
neue Natur aus Gott besitzen, können wir Ihn weder kennen 
noch anbeten. Nicht als ob der Besitz des ewigen Lebens, das 
jede Seele durch den Glauben an den Sohn Gottes empfängt, 
an und für sich schon zur Anbetung befähige; nein, Gott gibt 
mehr als das. Der Herr sagt zu der Samariterin: „Wenn du die 
Gabe Gottes kanntest und wer es ist, der zu dir spricht: Gib 
mir zu trinken! so Würdest du ihn gebeten haben, und er hätte 
dir lebendiges Wasser gegeben". Hier haben wir sozusagen 
den Kern wahren Gottesdienstes. Zuerst bedurfte jenes Weib 
der Erkenntnis der „Gabe Gottes", und dann der Erkenntnis 
Dessen, Der zu ihr sprach. 
Gott gab im alten Bunde das Gesetz; doch Er verbarg Sich 
hinter dem Vorhang. Aber als der eingeborene Sohn den Vater 
offenbarte, nahm Gott nicht länger eine durch das Gesetz gekennzeichnete Stellung ein, indem Er eine Gerechtigkeit von 
seiten des Menschen forderte, sondern Er begegnete, als Licht 
und Liebe, dem Sünder in der Tiefe seines Elends mit jener 
93 
freien Gabe, die Gottes Selbst würdig ist. Das ist passend für 
Ihn, und daran findet Er Seine Wonne. Doch dies war nur 
möglich durch die Erniedrigung und Verherrlichung des Sohnes 
Gottes, der für Sünder in den Staub des Todes hinabstieg. Wie 
köstlich sind daher die Worte, die der Herr an jene Frau richtete ! Wahrlich, hätte sie die Gabe Gottes und die Herrlichkeit 
Dessen erkannt, Der mit ihr redete, so würde sie alles, was sie 
wünschte, bei Ihm gesucht und gefunden haben. Wie wenig 
ahnte sie, wer es war, Der mit ihr redete! Sie erblickte in dem 
Herrn nur einen Juden, obwohl es ihr Erstaunen erregte, daß 
ein Jude so liebevoll und herablassend mit ihr, einer Samariterin, verkehrte und redete! Wie wenig dachte sie daran, daß der 
vor ihr sitzende Fremdling der Herr des Himmels und der Erde, 
der eingeborene Sohn aus dem Schöße des Vaters war! Hätte 
sie nur eine Ahnung davon gehabt, so würde sie Ihn sicher um 
lebendiges Wasser gebeten haben. Wir erblicken hier die ganze 
Gottheit in ihrer Dreieinheit. Zuerst die Gnade Gottes als die 
Quelle; dann die Herrlichkeit der Person des Sohnes und Seine 
Gegenwart in Niedrigkeit unter den Menschen auf der Erde; 
und endlich den Sohn, welcher bedürftigen und dürstenden 
Seelen das „lebendige Wasser", den Heiligen Geist, gibt. 
Zunächst also haben wir Gott, geoffenbart durch das Evangelium in Gnade, im Gegensatz zu dem Gesetz; dann den Sohn 
Gottes, herniedergekommen in vollkommener Güte und völlig 
bereit, allen Bedürfnissen des Menschen durch eine Liebe zu 
begegnen, die selbst das gleichgültigste und verhärteste Herz 
zu gewinnen vermag; und endlich die Gegenwart des Heiligen Geistes. Das ist die notwendige Grundlage des Gottesdienstes. Bei seiner Ausübung muß ich verstehen, daß von 
Seiten Gottes eine völlige Offenbarung dessen geschehen ist, 
was Er in Seiner eigenen Natur und Gnade für den Menschen 
ist. Sodann, daß der Sohn, in Übereinstimmung mit dieser 
Offenbarung, unter die Menschen gekommen ist, um durch 
das Opfer Seiner Selbst die Sünde gänzlich hinwegzunehmen; 
und endlich, daß das Herz, nachdem seine Bedürfnisse geweckt 
sind, von dem Herrn lebendiges Wasser begehrt und empfangen hat, und zwar nicht nur als die Kraft des Lebens und der 
Erneuerung, sondern auch als die Quelle unaufhörlicher Erfrischung, die in das ewige Leben quillt. 
94 
Die Frage der in ihrem Gewissen getroffenen Frau über den 
Ort der Anbetung gibt dem. Herrn Veranlassung, die Dämmerung eines herrlichen Tages feierlich anzukündigen mit den 
Worten: „Weib, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr 
weder auf diesem Berge, noch in Jerusalem den Vater anbeten 
werdet .. . Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die 
wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn aurh der Vater sucht solche als seine Anbeter". — Das ist der völlige und klare Ausdruck des Gottesdienstes. Gott als der Vater geoffenbart, der Seine Kinder nicht 
nur beruft und annimmt, sondern sie vielmehr sucht, und zwar 
in der Fülle einer Liebe, deren Ausgang und Ziel der Himmel 
ist. In Israel hatte der Mensch Jehova zu suchen und konnte 
nur unter der genauen Beobachtung feierlicher Gebräuche und 
strenger Zeremonien vor Ihm erscheinen und anbeten. Da 
konnte von einem Nahen in Seine unmittelbare Gegenwart 
keine Rede sein; und selbst wenn dies möglich gewesen wäre, 
so hätte man dennoch nicht Ihm, als dem Vater, nahen können. 
Gott war so wenig der Vater Aarons, als des schwächsten 
Gliedes eines der geringsten Stämme Israels. Aber jetzt war die 
Stunde gekommen, wo der Vater Anbeter suchte. Das jüdische 
System war gewogen und zu leicht befunden worden. In den 
Augen Gottes war das weltliche Heiligtum schon gefallen, um 
Christo, dem wahren Tempel Platz zu machen. Die Erscheinung 
Jesu hatte alles verändert. Sowohl auf dem Berge Gerisim als 
auch in Jerusalem mußte die irdische Anbetung verschwinden, 
um der Anbetung des Vaters im Geiste und in Wahrheit Platz 
zu machen; denn „der Vater sucht solche als Seine Anbeter". 
Dieser Grundsatz stand im entschiedenem Gegensatz sowohl 
zu der Natur, als auch zu dem Judaismus. Nicht nur trat ein 
ganz neuer Charakter der Anbetung, der eine ganz neue, ihm 
entsprechende Offenbarung Gottes erforderte, in die Erscheinung, sondern auch die alten Lampen des bis dahin im Judentum anerkannten Heiligtums mußten erlöschen. Nicht nur die 
Anbetung Samarias fand eine vollständige Verurteilung, sondern auch die schwachen Strahlen, die als ein Zeugnis eines 
zukünftigen besseren Lichtes die Bestimmung hatten, in Israel 
die Finsternis zu erleuchten, mußten vor dem jetzt ungeschwächt ausstrahlenden Glanz des Himmels erbleichen. Die 
Juden haben durch ihr Verhalten das letzte Band zerrissen, das 
95 
ein Volk nach dem Fleische mit Gott verbinden konnte, und 
haben durch die Verwerfung ihres Messias sich selbst verworfen. Doch diese Verwerfung hat die Erlösung durch das 
Kreuz eingeführt; und alle Glaubenden finden jetzt nicht nur 
Vergebung der Sünden in dem Blute Jesu, sondern der Herr 
offenbart ihnen auch Gott Selbst als Seinen Vater und ihren 
Vater, als Seinen Gott und ihren Gott, und dies in der Macht 
und Gegenwart des von dem Himmel herniedergesandten Heiligen Geistes, so daß sie in die heilige und wahre Anbetung des 
lebendigen Gottes eintreten können und fähig sind, durch Ihn 
und mit Ihm zu sagen: „Abba, Vater"! 
Wir bedürfen also nicht nur eines geistlichen Lebens und der 
Erlösung, sondern auch des Heiligen Geistes; und darum fügt 
der Herr hinzu: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen 
in Geist und Wahrheit anbeten". Beachten wir es wohl! Wenn 
der Herr vom Vater spricht, welcher Anbeter sucht, so ist alles 
reine Gnade; denn Er ist der Suchende. Aber dennoch ist es 
Gott, den wir nach Seiner unendlichen Barmherzigkeit Vater 
nennen dürfen; und dieses Vorrecht darf das Verständnis bezüglich Seiner Majestät nicht im geringsten schwächen, sondern muß es sogar vermehren; und deshalb steht geschrieben: 
„Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und 
Wahrheit anbeten". 
Und nun, mein lieber christlicher Leser, wo ist dein Platz? Bist 
du mit solchen vereinigt, die also in Geist und Wahrheit den 
Vater anbeten? Oder nimmst du teil an einem Gottesdienst, 
welcher, anstatt die Herzen in Geist und Wahrheit zu Gott, 
dem Vater, zu erheben, sie, (falls Jerusalem nicht erreicht 
werden kann), zu dem Berge Samaria, d. h. zu einem Gottesdienst zurückführt, der eine bloße Form und ein System ist, 
das etliche wahre Anbeter mit einem Haufen falscher Anbeter 
vermischt? Für ein einfältiges Auge ist es nicht schwer, den 
wahren Gottesdienst von dem falschen zu unterscheiden. Wie 
kann eine wahre Anbetung an einem Platze stattfinden, wo die 
Trennung des Gläubigen von der Welt nicht anerkannt wird? 
wo menschliche Vorschriften und Einrichtungen das göttliche 
Wort ersetzen? wo dem Heiligen Geist kein Raum gelassen 
wird, dem Worte gemäß zu wirken, und wo selbst ein Unbe96 
kehrter an den ernstesten Dingen teilnehmen und dabei sogar 
der Leiter sein kann? Was wird da die unausbleibliche Folge 
sein? Jedenfalls werden die Gläubigen, die sich in dieser Vermischung befinden, anstatt daß sie die Welt zu der Höhe 
des Glaubens erheben, sie selbst zur Gleichförmigkeit mit ihr 
herabgezogen werden. Ist es da ein Wunder, wenn stattliche 
Gebäude, kirchliche Feste, sinnenberauschende Kirchenkonzerte 
usw. den wahren Gottesdienst verdrängen und seinen Platz 
völlig ausfüllen? Man mag christliche Anbeter in solchen Zuständen finden, aber sicher keine christliche Anbetung. Bei 
vielen Christen ist das Verständnis über den Gottesdienst so 
unklar und dunkel, daß sie ein Gebäude, in das sie sich zum 
Anhören einer Predigt begeben, als den Ort ihres Gottesdienstes bezeichnen. Eine Predigt anhören nennen sie Gottesdienst; dies beweist, wie völlig der wahre Begriff des christlichen Gottesdienstes ihnen abhandengekommen ist. Sicher 
haben wir Gott dafür zu danken, wenn nur irgend Christus 
gepredigt wird, weil dadurch Seelen bekehrt werden können. 
Aber was wir wünschen, ist, daß die Seelen nicht nur zur 
Erkenntnis ihrer Sünden und deren schrecklichen Folgen gebracht werden, sondern daß sie auch die Verkündigung des 
Evangeliums Gottes hören, so wie es in den Briefen dargestellt 
ist, nämlich die frohe Botschaft, daß das Werk Christi nicht 
nur unsere Sünden getilgt hat, sondern daß wir auch eines 
neuen Lebens teilhaftig geworden sind, versiegelt durch den 
Heiligen Geist und mit Gott in Gemeinschaft getreten. Wo dies 
vorhanden ist, da kann — indem das durch die Gnade befreite 
Herz sich mit Danksagung zu Gott erhebt — die Anbetung als 
einfache, notwendige Frucht nicht ausbleiben. Der Gläubige 
besitzt das neue Leben als eine Quelle, die in das ewige Leben 
quillt; er genießt einen vollkommenen, unzerstörbaren Frieden, 
dessen Bewußtsein ihm den Mund zum Preise seines Heilandes 
öffnet. Ist die Verkündigung des Evangeliums kein deutlicher, 
klarer Ton, der die Seelen ergreift, dann werden sie, obwohl 
sie eine gewisse Vorstellung von Christo haben mögen, doch 
bald das Gesetz an die Stelle des Heiligen Geistes setzen und, 
anstatt sich der Macht des Lichtes und des Friedens in Christo, 
als einer Frucht des Zeugnisses und der Inwohnung des Heiligen Geistes, zu erfreuen, in einem trostlosen Zustande der 
Ungewißheit verkümmern. Darum kann, wie bereits bemerkt, 
97 
der wahre Gottesdienst nur auf die Offenbarung der Gnade in 
dem gestorbenen, auferstandenen und zum Himmel erhöhten 
Christus gegründet sein und durch die Kraft des Geistes Gottes 
von den Gläubigen genossen werden. Irdische Formen und 
menschlicher Wille finden hier keinen Platz; denn „Gott ist ein 
Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit 
anbeten". 
Dann finden wir in x. Kor 14, welchen Platz die Danksagung, 
in Verbindung mit der Wirksamkeit Gottes in der Versammlung, in dem Gottesdienst einnimmt. Wir lesen: „Was ist es 
nun? Ich will beten mit dem Geiste, aber ich will auch 
beten mit dem Verstände; ich will lobsingen mit dem 
Geiste, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstände". 
Der Herr erwartet einen einsichtvollen Dienst von den 
Seinigen. Wenn z. B., wie der Apostel in V. 16 
anführt, während des Gottesdienstes Danksagung oder Anbetung in einer fremden Sprache dargebracht wurde, dann war 
die Erbauung der Versammlung gestört, weil diese, der fremden Sprache unkundig, nicht mit Einsicht ihr „Amen" hinzufügen konnte. Wie sorgfältig wachte der Geist Gottes über den 
Gottesdienst der ersten Versammlungen! Wie wenig aber 
achtet man in unseren Tagen darauf! Wo sehen wir die Anbetung der Familie Gottes? Doch wie trostlos der Verfall unter 
uns auch sein mag so erwartet dennoch Gott von uns, Seinen 
Kindern, daß wir Ihn im Geiste und in Wahrheit anbeten, und 
folglich allein auf die Gegenwart und Leitung des Heiligen 
Geistes in der Versammlung rechnen. Lassen wir unsere eigenen Gedanken und Meinungen zu Hause! So würde es z. B. 
nicht am Platze sein, wenn jemand in der Versammlung irgendein Lied, durch das sein Herz einmal erquickt worden ist, vorschlagen würde, ohne zu prüfen, ob es auch bei dieser Gelegenheit passend wäre; oder wenn jemand nur deshalb ein 
Kapitel lesen oder einen Vortrag halten wollte, um das für 
einen zufällig anwesenden Fremden auffällige Schweigen zu 
unterbrechen. Würde man von einem solchen Bruder sagen 
können, daß er sich der Gegenwart des Heiligen Geistes bewußt wäre? Wird sich der Heilige Geist, der die Gedanken 
Christi mitzuteilen beabsichtigt, mit dem beschäftigen, was die, 
welche draußen sind, über die Versammlung reden oder denken 
98 
mögen? Geziemt es sich in solchen Umständen nicht vielmehr, 
von uns selbst und von anderen abzusehen und mit unseren 
Herzen auf die Christum betreffenden Gedanken des Heiligen 
Geistes zu lauschen! Wie einfach ist in diesem Falle der Ausfluß der Danksagung für die Barmherzigkeiten, die Gott uns 
und allen Seinen Heiligen erwiesen hat! Und wie lieblich wird 
dann das Verständnis sein, das Gott uns von Seiner Wonne 
an Christo gibt! 
Auch dürfen wir in der Versammlung nie einem kritisierenden 
Geist Raum geben, oder gar denken, daß hier der Ort sei, wo 
jemand seine vermeintliche Weisheit zeigen könnte. Im Gegenteil sollte gerade hier selbst der Größte sein Nichts vor Gott 
erkennen; denn sonst wird bald der Samen der Zwietracht und 
der Zerrüttung gerade da gesät werden, wo Eintracht und Einklang herrschen sollten. „Wenn es aber jemandem gut dünkt, 
streitsüchtig zu sein, so haben wir solche Gewohnheit nicht, 
noch die Versammlung Gottes", sagt der Apostel. Wir alle sind 
Mängeln und Irrtümern unterworfen und bedürfen der Ermahnung; aber ein liebloses Richten und Tadeln in der Versammlung verleugnet deren wahren Charakter. 
In betreff des Brotbrechens wird die Anführung einiger Schriftstellen genügen. Der Apostel Paulus hat das Abendmahl des 
Herrn der Versammlung überliefert, wie er es von dem Herrn 
empfangen hatte (1. Kor 11). Es ist eine heilige Anordnung 
und steht nicht nur mit der Einheit des Leibes Christi in 
inniger Verbindung, sondern ist auch der deutliche Ausdruck 
dieser Einheit, zu deren Offenbarung der Apostel besonders 
berufen war. Während die Taufe für jeden einzelnen Gläubigen 
das Bekenntnis seines Gestorbenseins und seiner Auferstehung 
mit Christo ist, indem er durch sie bezeugt, daß er an den 
gekreuzigten und auferstandenen Christus glaubt und demzufolge weder Jude noch Heide, sondern ein Jünger Christi ist, 
so gehört der Tisch des Herrn der Versammlung als solcher 
an und bildet einen wesentlichen Teil in dem Gottesdienst der 
Heiligen Gottes. Der Tisch des Herrn ist zunächst und eigentlich die beständige Darstellung des Bodens, auf dem wir stehen, 
das Zeugnis von der Liebe Christi bis in den Tod und von 
Seinem Werke, kraft dessen solche, wtie wir sind, anbeten 
99 
können. Es ist daher kein Wunder, wenn der Apostel zeigt, 
welch einen ernsten und gesegneten Platz der Tisch des Herrn 
unter den ihm von dem Herrn gemachten Offenbarungen einnimmt. Er sagt: „Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich 
auch euch überliefert habe, daß der Herr Jesus in der Nacht, 
in welcher er überliefert wurde, Brot nahm und, als er gedankt 
hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; 
dies tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch 
nach dem Mahle, und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund 
in meinem Blute; dies tut, so oft ihr trinket, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch 
trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis er kommt". 
Angesichts dieser Mitteilung ist es augenscheinlich, daß der 
Tod des Herrn in Seinem Abendmahl einen hervorragenden 
Platz einnimmt. Wie erhaben auch die Gunst unseres Gottes 
in den Himmeln, die daraus entspringende Gemeinschaft und 
unsere herrliche Hoffnung auf die ewige Segnung mit Christo 
sein mögen, so darf doch nichts von diesem allen auch nur für 
einen Augenblick von dem Tode des Herrn getrennt werden 
oder ihn in den Schatten stellen. Im Gegenteil werden, je mehr 
wir den Wert des Todes des Herrn anerkennen, alle jene Dinge 
an Glanz gewinnen und für unsere Herzen lieblicher und köstlicher werden. Der Tod des Herrn erinnert uns beständig an 
das, was wir als verlorene Sünder waren, an die völlige Tilgung aller unserer Sünden durch Sein Blut, an die damit verbundene Verherrlichung Gottes, und vor allem an die in Seinem 
Tode geoffenbarte unbedingte Gnade, sowjie an die uns in 
Seinem Tode rechtfertigende Gerechtigkeit Gottes. Alle diese 
Dinge, und mehr noch die vollkommene Herrlichkeit Christi, 
werden dem Glaubensauge in dem einfachen, aber wunderbaren Wort: „Tod des Herrn" vorgeführt. 
Ferner ist es nach Apg zo, 7 wohl klar, daß die Gläubigen 
jeden ersten Tag der Woche, und nicht etwa bloß jeden Monat 
oder gar nur jedes Vierteljahr einmal zum Brotbrechen zusammenkommen sollten. Auch findet diese Zusammenkunft nicht 
an dem Todes- sondern an dem Auferstehungstage des Herrn 
statt. Jesus ist nicht mehr im Grabe, sondern Er ist auferstanden, so daß wir in den Stand gesetzt sind, an dem Tage, der 
100 
von Seiner Auferstehungsmacht Zeugnis ablegt, nicht mit 
trauernden Herzen, sondern mit dankbarer und inniger Freude 
das Brot zu brechen. Unstreitig bezeichnet der Heilige Geist 
diesen Tag nicht nur als eine Gelegenheit zu unserer Erbauung, 
sondern als einen Tag, an dem Er die Christen zusammenruft, 
um das Gedächtnismahl des Herrn zu feiern und Seihen Tod 
zu verkündigen. Doch mit welcher Geringschätzung wird dieser 
Tag und vor allem der Tisch des Herrn von so vielen Gläubigen 
behandelt! Wie oft bringen sie ihre Sonntage in einer Weise zu, 
die nicht entfernt den klaren Anweisungen des Wortes Gottes 
oder den in dieser Hinsicht geoffenbarten Gedanken des Herrn 
entspricht! Und wie sehr ist in der Christenheit der Charakter 
des Tages und des Tisches des Herrn, nicht nur der Form, sondern auch vornehmlich seinen Grundsätzen nach, in einer 
Weise verändert worden, daß keine Spur von der ursprünglichen Einrichtung des Herrn übriggeblieben ist! 
Der Tisch des Herrn muß in der Versammlung der Heiligen 
stets den ersten Platz haben; er muß in ihren Zusammenkünften am Tage des Herrn der vorherrschende Gedanke sein. 
Ihre Gebete, ihre Erbauung und Belehrung dürfen diesen erhabenen Gegenstand niemals in den Hintergrund drängen. 
Denn wie geistlich der Dienst in der Versammlung auch sein 
mag, so nimmt dabei der Mensch doch irgendeinen Platz ein, 
während beim Abendmahl der Herr in Seiner Erniedrigung und 
in Seinem Tode der alleinige und erhabene Gegenstand ist. 
Allerdings mag dies für solche, die an starre Formen gewöhnt 
sind, eine seltsame Sprache sein; allein das hat seinen Grund 
darin, daß sie zu wenig mit der Gegenwart und Leitung des 
Heiligen Geistes in der Versammlung vertraut sind. Wo aber 
die Tür für die Wirksamkeit des Heiligen Geistes offen ist, 
und ein richtiges Verhältnis von dem, was die Versammlung 
durchdringt, vorhanden ist, da wird der Geist Gottes alles an 
seinen wahren Platz zu stellen wissen; und, indem unser ganzes Vertrauen auf den Herrn gerichtet ist, werden wir den 
Trost Seiner Leitung haben. Ist es nicht demütigend und betrübend, zu denken, daß der Feier des Abendmahls etwas 
mangele, wenn sie nicht mit einem Vortrag oder dergleichen 
geziert sei? Kann da auch nur der Gedanke eines Mangels sein, 
wo der Tod des Herrn unseren Herzen vorgestellt wird, und 
101 
wir mit allen, die Ihn lieben, um den Herrn versammelt sind? 
Und könnte für Gott irgendein Dienst angenehmer sein, als die 
einfache Erinnerung an die Person und den Tod Seines Geliebten am Tische des Herrn? 
Schließlich werden manche Seelen durch die Furcht beunruhigt, 
sich durch unwürdiges Essen und Trinken die Verdammnis 
zuzuziehen. Allerdings haben wir ernstlich gegen jede Nachlässigkeit, gegen jede unwürdige Teilnahme am Tische des 
Herrn zu wachen; aber von der Verdammnis zu sprechen, hieße 
für den Gläubigen den Trost des Evangeliums und die allgemeine Richtung des Wortes Gottes umkehren. Es ist sicher 
wahr, daß, wenn wir mit einem leichtfertigen und verunreinigten Herzen an den Tisch des Herrn gehen, mit anderen Worten 
unwürdiglich essen und trinken, wir nicht das Abendmahl des 
Herrn, sondern uns selber Gericht essen und trinken. Die Hand 
des Herrn wird auf solchen ruhen, wie dies bei den Korinthern 
wegen der dort herrschenden Unordnung der Fall war; aber das 
war ausschließlich ein geistliches Gericht und hatte den Zweck, 
„daß sie nicht mit der Welt verurteilt würden". Andererseits 
gibt es keinen Grund, uns von dem Tisch des Herrn zurückzuziehen, selbst nicht in unseren Mängeln und Gebrechen; sondern wenn wir uns vergessen und uns verunreinigt haben, so 
sollten wir uns vielmehr demütigen und den Herrn durch unser 
Selbstgericht rechtfertigen. Und wenn wir an die unergründliche Liebe des Herrn denken, die Er in Seiner Hingabe für uns 
gezeigt hat, und an die ganz unverdiente völlige Befreiung, 
die durch Seine tiefe Erniedrigung und dadurch bewirkt wurde, 
daß Er den Zorn Gottes auf dem Kreuze für uns getragen hat; wenn wir uns ferner an alle die Ermunterungen 
und Unterstützungen erinnern, die wir durch Ihn im Kampfe 
hier erfahren, dann werden wir das dankbare Andenken an 
Seinen Tod als die höchste Verpflichtung betrachten, die wir 
unter keinen Umständen vernachlässigen dürfen. 
Hinsichtlich des Gebetes möchte ich nur noch mit wenigen 
Worten auf einen unter den Gläubigen viel verbreiteten Irrtum 
aufmerksam machen, demzufolge das Gebet als eine Gabe 
betrachtet wird — eine Meinung, für welche die Schrift nirgends 
einen Anhaltspunkt bietet. Dieser Irrtum hat die traurige Wir102 
kung, daß es viele nicht wagen, in der Versammlung ein Gebet 
zu sprechen, weil sie keine Gabe dafür zu besitzen meinen; und 
anstatt daß die Versammlung durch ihr Gebet gesegnet werden 
könnte, schweigen sie zu ihrem eigenen Schaden und zum 
Schaden der Versammlung. Und ist es nicht Tatsache, daß 
manche aus dem Grunde kein Gebet sprechen, weil sie fürchten, 
es möchte nicht lange genug oder nicht in gewinnende, schöne 
Worte gekleidet sein? Möchten doch alle auch in dieser Beziehung das Wort Gottes prüfen und die Ermahnung des Apostels 
in 1. Tim 2 beherzigen, wo er in entschiedener Weise die 
Männer auffordert, an allen Orten zu beten und heilige Hände 
aufzuheben! Möchten sich die Brüder, frei von aller Zweifelsucht, dem Herrn übergeben und sich stets daran erinnern, daß 
das Wort Gottes nirgends eine Andeutung über eine Gabe des 
Gebetes macht. Es ist ein Irrtum, zu denken, daß die begabten 
Brüder allein geeignet seien, ihre betende Stimme in der Versammlung Gottes hören zu lassen. 
5. Gaben und Ämter (Eph 4, 7—11) 
Eine Betrachtung über Gaben und Ämter möchte manchen 
Seelen, die dazu nicht in unmittelbarer Beziehung stehen, als 
eine fruchtlose Spekulation erscheinen, während sie für andere, 
die sich daran beteiligt glauben, zur Schlinge werden könnte. 
Dennoch sind diese göttlichen Verrichtungen innig und wesentlich mit Christo und der Versammlung Gottes verbunden. 
Gleich allen geistlichen Segnungen der Versammlung entströmen auch sie der reichhaltigen Gnadenquelle in der Höhe; sie 
kommen von Christo aus den himmlischen örtern. Das sollte 
genügen, um jede Abneigung und jedes Bedenken gegenüber 
einer solchen Betrachtung zu beseitigen. Es ist in Gottes Augen 
wichtig, daß die verliehenen Gaben zur Verherrlichung Seines 
geliebten Sohnes verwertet werden. Und darum sollte es dieser 
Gegenstand im Lichte des Wortes zu betrachten sowohl denen 
willkommen sein, deren Vorrecht und Verantwortlichkeit es 
ist, die Gaben auszuüben, als auch denen, die über die Verwaltung dieser Gaben mit Eifersucht zu wachen haben, damit sie 
nicht aus irgendeinem selbstsüchtigen und weltlichen Grunde 
ihren wahren Zweck verfehlen. Fern sei der Gedanke, die 
Gaben des Herrn zur Selbsterhebung gebrauchen zu wollen! 
103 
Aber nicht allein im Blick auf die Quelle, aus der sie entspringen, sondern auch im Blick auf ihren tätigen und eingreifenden 
Charakter bilden die Gaben einen wesentlichen und höchst 
beachtenswerten Zug des Christentums. Beide, Quelle und 
Charakter, sind auf die ewige, am Kreuz vollbrachte Erlösung 
gegründet. Je mehr dies erwogen wird, desto mehr wird sowohl die Bedeutung der Gaben ans Licht treten, als auch das 
Verständnis geweckt werden, daß der Zweck der Gaben Christi 
weit über jenes irdische, fruchtleere Gebiet hinausreicht, das 
die menschliche Theologie ihnen anweisen möchte. 
Ferner begehen wir ein Unrecht gegen Gott und Seine Heiligen, 
wenn wir das, womit Er uns nach Seiner Güte in Seinem Worte 
bekanntmacht, und welches, wenn es richtig angewendet wird, 
einen so hervorragenden Teil der Segnungen der Versammlung bildet, als eine untergeordnete Sache betrachten, die man 
nach Belieben annehmen oder beiseitelegen könnte. Wenn wir 
Gaben geringschätzen, verunehren wir den Herrn, was stets 
einen ernsten Verlust nach sich zieht. Im Brief an die Epheser, 
in dem mehr als in irgendeinem anderen Teil des Neuen 
Testaments die Höhen und Tiefen der Segnungen der Versammlung und der Herrlichkeit des Herrn selbst entwickelt 
sind, ist dem Gegenstande der Gaben ein hervorragender Platz 
von dem Heiligen Geiste angewiesen. 
Laßt uns nun sehen, wie der Heilige Geist uns die Lehre betreffs der von Christo ausfließenden Gaben vor Augen stellt. 
„Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden 
nach dem Maße der Gabe des Christus" (Eph 4, 7). Es handelt 
sich also nicht um den Besitz bloßer Fähigkeiten, und noch 
weniger um eine Sache, die man sich aus eigener Kraft und 
nach eigenem Willen aneignen könnte, sondern um etwas ganz 
Neues, als eine Frucht der unumschränkten Gnade des Herrn, 
Welcher in diesen Dingen nach Seinem Willen und zur Verherrlichung Gottes handelt. „Darum sagt er: Hinaufgestiegen 
in die Höhe, hat er die Gefangenschaft gefangen geführt und 
den Menschen Gaben gegeben" (V. 8). Obwohl der Herr Jesus 
in Seiner Person selbstverständlich zu allen Zeiten fähig war, 
Gaben zu geben, so gefiel es Ihm dennoch, nach der Ordnung 
der Wege Gottes, mit der Austeilung der Gaben zu warten, bis 
104 
das große Werk der Erlösung — nicht nur als ein Zeugnis 
der Barmherzigkeit Gottes gegen den Menschen, sondern 
auch als ein Triumph über die Macht des die Kinder 
Gottes gefangen haltenden Feindes — vollbracht war. Nachdem 
der Herr den geistlichen Feinden eine vollständige Niederlage 
vor Gott beigebracht hat, ist Er, triumphierend über die ganze 
einst so furchtbare Macht des Bösen, über alle Himmel hinaufgestiegen. Der Dienst ist also auf die Tatsache gegründet, daß 
Jesus Selbst im Kampfe mit den Mächten der Finsternis gestanden und sie überwunden hat, und daß Er, aufgefahren in die 
Höhe, „die Gefangenschaft gefangengeführt und den Menschen Gaben gegeben hat". Dies stellt den Anmaßungen der 
Menschen eine unübersteigliche Schranke entgegen. Die Versammlung besitzt nicht die geringste Segnung, nicht ein einziges, auf unsere eigene oder auf die Seele eines anderen erfolgreich einwirkendes Mittel, außer in Verbindung mit Christo. 
Und nur da, wo man diese lebendige, alles umfassende Verbindung mit Ihm versteht, wird man das, was vielleicht den Schein 
des Dienstes trägt, aber, im Licht und in der Gegenwart Gottes 
betrachtet, nicht von Christo allein ausfließt, als wertlos und 
verderbenbringend verurteilen und verwerfen. 
Christus ist also hinaufgestiegen in die Höhe, um von diesen 
Höhen des Glanzes und der Herrlichkeit herab den Menschen 
Gaben zu geben. Und hier lenkt der Geist Gottes für einen 
Augenblick unseren Blick nach einer anderen Richtung hin, um 
uns jenes mächtige Werk zu vergegenwärtigen, auf Grund 
dessen Christus Seinen Platz dort oben eingenommen hat. 
„Das aber: er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als daß er 
hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde" (V. 9)? Welch 
eine unergründliche Gnade erblicken wir hier in Christo! Welch 
eine unermeßliche Liebe gegen uns, die in den Staub des Todes 
hinabstieg, um uns segnen, ewiglich segnen zu können! Er 
hatte mit dem Vater und dem Geiste ein gleichmäßiges Recht 
auf jenen erhabenen Platz der Majestät, welchen kein anderer 
ausfüllen konnte. Aber Er stieg hinab in die unteren Teile der 
Erde. Der höchste Platz in der Höhe gebührte dem Sohne 
Gottes; aber Er achtete es nicht für einen Raub, Gott gleich zu 
sein, sondern kam herab auf diese arme Erde, um Leiden, 
Schmach und Sünde auf Sich zu nehmen. Welche Feder wäre 
105 
fähig, zu beschreiben, was es für Ihn sein mußte herniederzusteigen, um Mensch zu werden und als ein Verachteter und Verworfener auf der Erde zu leben? Und dennoch, was war es im 
Vergleich mit dem Kreuze? Ja, Er stieg hinab bis zu der niedrigsten Stufe. Anbetungswürdige Liebe! „Deswegen hat Gott 
ihn auch hoch erhoben und ihm einen Namen gegeben, der 
über jeden Namen ist". Ihn, Der Sich bis zur tiefsten Tiefe 
erniedrigte, hat Gott als den Menschen Christus Jesus bis zur 
höchsten Höhe erhoben. Christus hat in Seinem Tode wiedergutgemacht, was der Mensch verdorben hatte; ja, weit mehr 
als das! Gott ist durch diesen Tod in einer Weise verherrlicht 
worden, wie es keine Kreatur hätte ahnen und voraussagen 
können. Alle Vorbilder und Schatten waren nur schwache Ankündigungen dieser Herrlichkeit. Kein Prophet des Alten 
Bundes wäre fähig gewesen, sich bis zu den Höhen der Segnungen, die in Christo gefunden werden, emporzuschwingen, 
oder die Tiefen Seiner moralischen Herrlichkeit in den Augen 
Gottes zu ergründen. Es war nötig, daß Er Selbst erschien, 
damit der volle Wert Seiner Leiden und Seines Kreuzes offenbar werde, und Seine Herrlichkeit ihren geeigneten Ausdruck 
finde. 
Welch eine Veränderung hat stattgefunden! Die Menschheit ist 
jetzt in der Person des Herrn Jesu zu einer Natur geworden, 
an der Gott Seine Wonne findet. Jesus ist nicht nur als Sohn 
Gottes hinaufgestiegen, sondern wir erblicken Ihn in besonderer Weise in Seinem Charakter als Sohn des Menschen in 
dem Himmel. „Er ist über alle Himmel hinaufgestiegen, auf 
daß er alles erfüllte!" Die Höhe Seiner Herrlichkeit nun, als 
Folge Seiner alle menschlichen Begriffe übersteigenden Erniedrigung, bildet die Grundlage des Dienstes, auf der die Ausübung der Gaben Christi, Gott gemäß, stattfindet. Für die Welt 
ist natürlich auch dies, wie alles Göttliche, nur ein Gegenstand 
des Spottes und der Verachtung, weil sie nichts davon kennt. 
Sie kann zwar das Christentum aus irgendeinem Beweggrunde 
annehmen, wie es einst ein gewisser römischer Kaiser getan 
hat, indem er Christo einen Platz als Gott unter seinen übrigen 
Göttern in seinem Ehrentempel einräumte. Sie gebraucht das 
Christentum zur Ausschmückung eines Schauplatzes, auf welchen der Mensch wegen seiner Sünde von Gott verbannt und 
106 
hinausgetrieben ist. Allein sie versteht nichts von dem wahren 
Wesen des Christentums. 
Der Glaube allein hat das Vorrecht, seinen Blick weit über diese 
Welt hinaus zu erheben, um in jenen erhabenen Höhen des 
Himmels seinen Herrn und Meister zu erblicken, der, auf diese 
arme Welt herniederschauend, in Seiner Gnade den Menschen zu einem Kanal Seiner kostbaren Gaben macht, durch 
die Er uns nicht nur von Seiner Person und Seinem Werk, 
sondern auch von der Herrlichkeit, aus der Er sie uns zuströmen läßt, einen Vorgeschmack gibt. Es sind himmlische 
Gaben, bestimmt zu unserem Nutzen und zu Seiner Verherrlichung. Oh, möchten wir doch Seinem Worte glauben! Es ist das 
lebendige Wort des Gottes, Der lebt in die Zeitalter der Zeitalter. Wie dürfen wir es wagen, zu denken und zu handeln, 
als wenn das Haupt der Kirche tot wäre? Nie und nimmer! 
Mag der Unglaube es tun; aber wir, die Gläubigen, sollten 
stets festhalten, daß Er immerdar lebt, und zwar nicht nur als 
Hoherpriester, um — wie es der Hebräerbrief uns zeigt — Sein 
Volk durch die Wüste zu führen, sondern auch als das Haupt 
Seines Leibes. Unleugbar gibt es in den Christen eine Neigung, 
das Priestertum Christi außerachtzulassen; aber noch größer 
ist die Gefahr, Ihn als das lebendige Haupt der Vergessenheit 
anheimzugeben, als jenen Segenspender, Der in Seiner unveränderlich treuen Liebe stets bereit ist, der Versammlung Seine 
Gaben darzureichen. 
„Und er hat die einen gegeben als Apostel, und andere als 
Propheten, und andere als Evangelisten, und andere als Hirten 
und Lehrer" (V. 11). Wir finden zwischen dieser Stelle und 
den in 1. Kor 12 erwähnten Gaben eine auffällige Verschiedenheit, und zwar aus dem Grunde, weil es sich hier um die 
Vollendung der Heiligen und um die damit verbundene Auferbauung des Leibes handelt, während die Gaben, in „Sprachen 
zu reden und Wunder zu tun", diesen Zweck nicht hatten. Hier 
im Epheserbrief handelt es sich um die Ratschlüsse Gottes in 
Christo, und um die Entfaltung der Liebe Gottes zu Seiner Versammlung. Im 2. Kapitel begegnen wir den beiden ersten 
Gaben, als der Grundlage dieses neuen Gebäudes der Versammlung Gottes: „Aufgebaut auf die Grundlage der Apostel 
und Propheten, indem Jesus Christus selbst Eckstein ist" 
107 
(V. 2o). Als Gott dieses neue Werk auf der Erde einführte, 
wurde es augenscheinlich von einer neuen Offenbarung begleitet. Christus wird hier nicht als das alleinige Fundament betrachtet, obwohl Er dies selbstverständlich im hervorragendsten 
und erhabensten Sinn ist: „Auf diesen Felsen will ich meine 
Versammlung bauen". Es werden hier vielmehr die Apostel 
und Propheten mit eingeführt, indem diese berufen waren, das 
Geheimnis Gottes bezüglich der Versammlung zu offenbaren 
und auch die Grenzen der Haushaltung Gottes in der Versammlung hienieden mit göttlicher Vollmacht zu bezeichnen. Die 
Apostel unterschieden sich mehr durch Autorität in ihren 
Handlungen, während die Propheten die Gedanken und den 
Willen Gottes hinsichtlich jenes großen Geheimnisses kundtaten. Man darf hier jedoch nicht an die Propheten des Alten 
Testaments denken, denn sonst würden sie jedenfalls vor den 
Aposteln angeführt sein; aber nach der Weisheit des Geistes 
Gottes heißt es: „die Apostel und Propheten", zum Beweis, 
daß hier von den Propheten des Neuen Testaments die Rede 
ist. Aber noch einleuchtender erscheint dies durch die Worte 
in Kap. 3, 5: „Welches (Geheimnis) in anderen Geschlechtern 
den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden, wie es 
jetzt geoffenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geiste: „Die Propheten des Alten Testaments verstanden nichts von diesem Geheimnis; mithin konnte von 
ihnen nicht die Rede sein. Alles, auch der Dienst, war gänzlich 
neu. Selbst die Aussendung der zwölf Apostel, sowie der 
siebenzig Jünger zur Zeit der Anwesenheit des Herrn auf der 
Erde war ebenso verschieden von den vorherigen Wegen Gottes, wie sie es war von dem Dienste der Apostel in Eph 4. 
Ohne Zweifel waren die Apostel hier dieselben Personen, mit 
Ausnahme des Judas Iskariot, der durch Matthias ersetzt worden war; ihr Dienst trug jedoch einen ganz anderen Charakter. 
Während die Apostel zur Zeit des Herrn auf der Erde ausgesandt waren, die Botschaft des Reiches Gottes in Beziehung 
zu Israel zu verkündigen, hatte jetzt seit der Himmelfahrt des 
Herrn ihre Botschaft einen ganz und gar himmlischen Charakter angenommen. Ihre irdische Berufung und Sendung war 
beiseitegesetzt; sie bildeten von jetzt an die Gefäße der himmlischen Gaben und ihre Botschaft richtete sich nicht nur an die 
Juden, sondern auch an die Heiden. 
108 
Von ganz auffallendem Charakter und über die Mission der 
„Zwölfe" hervorragend war das Apostelamt des Paulus. Er 
war in jeder Beziehung außergewöhnlich; es war himmlisch 
seiner Quelle wie seinem Charakter nach, und riß die jüdischen 
Formen und Ordnungen vollständig nieder. Seine fern von 
Jerusalem stattfindende Berufung, seine Absonderung von den 
anderen Aposteln, die ihm geoffenbarte, überströmende Gnade, der seiner Bekehrung und seinem Zeugnis unverkennbar 
aufgeprägte himmlische Stempel — alles das verlieh seinem 
Apostelamt einen höheren und himmlischeren Glanz, als 
demjenigen der übrigen Apostel, obwohl ihr Amt unzweifelhaft auf denselben Grundsätzen ruhte. 
Aber, möchte ich fragen, wo finden wir hier auch nur eine geringe Andeutung von einer feierlichen Einsetzung oder Ordination, auf welche die Menschen so viel Gewicht legen? Wer ordinierte von Seiten der Menschen die Apostel für ihre himmlische 
Mission? Wenn sich nun hier keine Spur von irgendeiner feierlichen Handlung, von Händeauflegen, oder von irgend etwas 
dergleichen findet, von Dingen, die man heutzutage nicht bloß 
als wünschenswert, sondern auch als wesentlich notwendig für 
den höchsten wie für den niedrigsten Diener der Kirche betrachtet, so muß man doch fragen: Warum mag denn dergleichen damals ganz unterblieben sein? Auch der größte 
Eiferer für die in seinen Augen so „heiligen Anordnungen" 
wird sich nicht anmaßen zu sagen, daß der Herr nicht so gut 
wie er gewußt habe, was sich für Seine eigene Herrlichkeit und 
für Seine erhabensten Diener gezieme. Offenbar ging die Berufung des großen Apostels unmittelbar von dem Herrn aus 
und war ganz unabhängig von Menschen. 
Ebensowenig finden wir im Neuen Testament auch nur eine 
Spur von einer menschlichen Einsetzung der Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer; nicht eine von diesen verschiedenen Klassen wurde durch menschliche Machtvollkommenheit 
berufen. Allerdings fand Auflegung der Hände statt, und zwar 
nicht nur bei Kranken und bei solchen, die den Heiligen Geist 
noch nicht empfangen hatten, sondern auch in Verbindung mit 
dem Gegenstand unserer Betrachtung. Aber auch in diesem 
Fall lesen wir nicht, daß jemandem die Hände aufgelegt worden 
109 
wären, um ihm dadurch irgendeine Gabe mitzuteilen; sondern 
es geschah, um begabte Männer bei der Ausführung eines 
besonderen Werkes der Gnade Gottes zu befehlen, oder um 
jemanden — wie z. B. den Philippus und seine sechs Genossen 
— in eine äußerliche Bedienung der irdischen Bedürfnisse der 
Heiligen einzuführen. (Auf die Verleihung einer Gabe an 
Timotheus durch das Auflegen der Hände des Apostels, 2. Tim 
1, 6, werde ich später zurückkommen). So finden wir z. B. in 
Äpg 33, 3, daß dem Barnabas und dem Paulus die Hände aufgelegt wurden, aber nicht um sie als Diener einzuweihen, 
(denn beide waren schon lange mit Segen in dem Werke des 
Herrn tätig gewesen), sondern um sie für das besondere Werk, 
zu dem der Heilige Geist sie berufen hatte, der Gnade Gottes 
zu befehlen. Dies geht klar aus Apg 14, 2.6 hervor, wo wir 
lesen: „Und von dannen segelten sie ab nach Antiochien, von 
wo sie der Gnade Gottes befohlen worden waren zu dem 
Werke, das sie erfüllt hatten". Das war der einzige Zweck, 
wieshalb ihre Mitarbeiter zu Antiochien ihnen die Hände aufgelegt hatten. Diese Handlung war ein Zeichen ihrer Gemeinschaft im Blick auf das von dem Geiste Gottes aufgetragene 
Werk und scheint nach Kap. 15, 40 wiederholt worden zu sein. 
Die Ermahnung des Apostels in 1. Tim 3, 22: „Die Hände lege 
niemandem schnell auf", hat bei etlichen die Meinung wachgerufen, als ob jene Zeremonie auch bei der Einsetzung der 
Ältesten gebräuchlich gewesen wäre. Das ist jedoch ein sehr 
unsicherer Schluß, weil nach dem 19. Verse augenscheinlich 
nicht mehr von den Ältesten die Rede ist. Doch vorausgesetzt, 
daß auch den Ältesten, wie den Diakonen, bei ihrer Einsetzung 
die Hände aufgelegt worden wären, so bleibt es doch eine wichtige und unleugbare Tatsache, daß keine Ältesten eingesetzt 
wurden, es sei denn durch göttlich bevollmächtigte Personen, 
die einen bestimmten Auftrag zu diesem Zweck empfangen 
hatten. Die Schrift räumt niemanden eine solche Autorität ein, 
außer einem Apostel oder jemandem, der durch einen Apostel 
mit dem bestimmten Auftrage, Älteste einzusetzen, betraut 
wurde. Wo aber ist heute jemand zu finden, der mit apostolischer Machtvollkommenheit auftreten oder ein Zeugnis aufweisen könnte, daß er einen Auftrag empfangen habe Älteste 
einzusetzen? Die Schrift gibt nirgends einen Wink über die 
110 
Fortdauer der apostolischen Macht. Auch lesen wir an keiner 
Stelle, daß der Apostel irgendeine Versammlung beauftragt 
hätte, sich Älteste zu wählen. Paulus spricht von schweren Zeiten, 
die kommen würden, und von der Wichtigkeit der Schrift in solchen Zeiten; aber er sagt kein Wort von apostolischer Nachfolge oder von einer Übertragung seiner Macht an andere; und 
ebensowenig gibt er Anleitungen über die Wahl von Ältesten 
für solche Zeiten. Deshalb sind die Einsetzungen und Ordinationen in unseren Tagen nicht nur eine ganz und gar unberechtigte Nachahmung dessen, was das Wort Gottes über die Wahl 
von Ältesten mitteilt, sondern auch eine betrübende Verunehrung des Herrn, Der allein durch den Geist zu Seinem Dienste 
fähig macht. 
Wenn nun eine Versammlung von Kindern Gottes im Worte 
findet, daß neben den allgemeinen Pflichten und Vorrechten, 
die allen Heiligen angehörten, auch noch gewisse Gaben und 
Ämter vorhanden waren, die nur im Besitz der Apostel oder 
ihrer Stellvertreter sein konnten und folglich jetzt in der Versammlung fehlen, was hat sie dann zu tun? Soll sie deshalb 
das, was an die Versammlung zu Korinth oder an die Heiligen 
zu Ephesus geschrieben ist, vernachlässigen und das nachzuahmen suchen, womit nicht die Versammlung, sondern einzelne 
Personen, wie Timotheus und Titus, beauftragt waren? Würde 
es nicht demütiger sein, in diesem Falle das Wort Gottes zu 
Rate zu ziehen und den Herrn zu fragen, um Seinen Willen in 
dieser Sache zu lernen? Dann würde man bald erkennen, daß 
zur Ausübung der Gaben, welche Christus uns darreicht, keine 
menschliche Bestätigung oder Vermittlung erforderlich ist. Es 
ist wahr, daß der Fall mit Timotheus eine Ausnahme macht. 
Er war im voraus durch Weissagung für das Werk, zu dem der 
Herr ihn berief, bezeichnet worden. Der durch diese Weissagung geleitete Apostel legte ihm die Hände auf und übertrug 
ihm durch den Heiligen Geist eine Macht, welche für den Dienst 
passend war, den er zu erfüllen hatte. Und ebenso legten ihm 
die Ältesten seines Ortes, in Gemeinschaft mit dem Apostel, 
die Hände auf; jedoch war die Mitteilung der Gabe nur von 
der Wirkungskraft des Apostels und nicht von derjenigen der 
Ältesten abhängig, wde dieses aus der Vergleichung der beiden 
Stellen 1. Tim 4, 14 und 2. Tim 1, 6 klar hervorgeht, indem 
in der ersten die ganze Ältestenschaft in Verbindung mit dem 
111 
Apostel erscheint, in der zweiten hingegen der Apostel bezüglich des Werkzeuges der Mitteilung von sich allein redet. Es war 
ein apostolisches Vorrecht, jemandem eine geistliche Kraft mitzuteilen, oder ihn mit einem Amt zu bekleiden. Aber wer 
möchte sich jetzt ein solches Vorrecht, eine solche Autorität 
anmaßen? Man würde es als einen Verrat bezeichnen, wenn 
sich ein Untertan die Rechte des Königs anmaßen wollte; aber 
was soll man von jemandem denken, der sich einbildet, den 
Heiligen Geist oder irgendeine Kraft des Heiligen Geistes im 
Namen des Herrn mitteilen zu können? 
Geistliche Gaben zu unterscheiden ist im allgemeinen eine klare 
und einfache Sache. Wenn z. B. ein Bruder in der Versammlung 
aufstehen und reden wollte, ohne eine Gabe von Gott empfangen zu haben, so würde ihn bald sein eigenes Gewissen und 
das Urteil der Brüder das Törichte und Verkehrte seines Beginnens auf schmerzliche Weise erkennen lassen. Indes kann es 
möglich sein, daß Brüder aus Vorurteil eine wirklich vorhandene 
Gabe nicht anerkennen, und daß Gott dies eine Zeitlang zuläßt, weil vielleicht der betreffende Bruder von seiner Gabe zu 
hoch denkt, oder weil er sich selbst über den Charakter seiner 
Gabe oder über den Ort und die Zeit ihrer Ausübung nicht 
klar ist. Doch bleibt es eine unumstößliche Wahrheit, daß alles, 
was von Gott ist, sich selbst im Laufe der Zeit bewähren wird. 
Nach meinen eigenen Erfahrungen in dem beschränkten Kreis 
meiner Beobachtungen glaube ich, daß die Kinder Gottes im 
allgemeinen eher zu viel als zu wenig Gewicht auf die Gaben 
legen. Es gibt in dem gegenwärtigen Zustand der Kirche nur 
eine schwache Entfaltung der Gaben, und dies wird nach dem 
Verhältnis der geistlichen Einsicht, die man besitzt, mehr oder 
weniger gefühlt werden. Wenn indes jemand seinen wahren 
Platz zu erkennen wünscht, so möge er in einfältigem Vertrauen 
zu dem Herrn aufschauen und in dem Wort Seiner Gnade 
forschen. Es gibt viele Dinge, die geeignet sind, uns aufzuhalten oder uns von dem rechten Wege abzuleiten. Für solche, 
die eine dem Worte Gottes widerstreitende Stellung aufzugeben haben und dadurch alles einbüßen, was sie zu ihren 
äußeren Durchkommen bedürfen, entsteht nicht selten die 
Frage: „Woher sollen wir Brot nehmen?" — und wenn dann 
nicht Mittel zur Verfügung stehen oder gestellt werden, so ist 
112 
die Versuchung für sie groß, da zu bleiben, wo sie sind. Sie 
sehen sich einer Schwierigkeit gegenüber die unberechenbar ist, 
und die nur überwunden werden kann durch die Kraft Gottes, 
die allein die Seele zu befähigen vermag, „fest, unbeweglich, 
allezeit überströmend zu sein in dem Werke des Herrn". 
Während wir indes versichert sein dürfen, daß das Wort und 
der Geist Gottes jedem einzelnen Christen seinen wahren Platz 
zu bezeichnen vermögen, so haben wir doch andererseits zu 
fragen, ob wir auch diesen Platz einnehmen. Der Herr kann 
allerdings unumschränkt wirken; und wir sollen für alles, was 
Er gibt, dankbar sein. Er kann Seine Gaben austeilen, wie und 
wo es Ihm beliebt. Man findet Seine Gaben sowohl unter den 
Predigern und Gliedern der Landeskirche, als auch in den Freikirchen, und in den außerkirchlichen Gemeinschaften. Wer 
wollte es leugnen, daß der Herr gewisse Personen selbst in der 
römischen Kirche, z. B. einen Martin Boos, zur Bekehrung von 
Sündern und zum Dienste der Heiligen gebraucht habe? Obwohl sich solche Männer in einer falschen Stellung befanden, 
konnte diese doch die Gnade Gottes in ihrem Lauf nicht aufhalten. Der Herr gibt durch den Heiligen Geist nach Seinem 
Willen; und wir sollten Seine Gaben, wo sie sich auch finden 
mögen, stets anerkennen. Dennoch aber bleibt es wahr, daß 
zwischen diesen unter dem Schutze des Staates oder der sogenannten Geistlichkeit stehenden Systemen, und der göttlichen 
Anordnung der geistlichen Gaben nach Eph 4 nicht die entfernteste Ähnlichkeit besteht. Es existiert nur Einer, Der hinaufgestiegen ist in die Höhe. Sollen wir auf einen anderen 
warten, oder nach einem anderen Himmel emporblicken, um 
dessen Gunst zu erflehen? In der Voraussetzung, daß mein 
Leser ein Christ ist, möchte ich die Frage an ihn richten: „Achtest du das Wort Gottes? oder hat es nur insofern einen Wert 
für dich, als es sich um das Heil deiner Seele handelt? Solltest 
du dich nicht von demselben Worte und von demselben Geiste 
auch bezüglich des Dienstes und der kirchlichen Ämter leiten 
lassen? Behandelt das lebendige und bleibende Wort Gottes 
diese Dinge nicht mit der ernstesten Sorgfalt und peinlichsten 
Genauigkeit? Und sind wir nicht verantwortlich, auf das Wort 
zu lauschen und uns unter seine Belehrungen und Anweisungen zu beugen?" 
113 
Jedem denkenden Gläubigen muß es klar sein, daß wir, da 
weder Apostel, noch Stellvertreter, wie Timotheus und Titus, 
vorhanden sind, nach dem Worte Gottes keine Ältesten in 
ihrer genauen amtlichen Form mehr erwarten können. Eine 
entgegengesetzte Behauptung entbehrt jeglichen Grundes in 
der Heiligen Schrift. Niemand besitzt jetzt die zur Einsetzung 
eines Ältesten unumgänglich nötige Autorität und Macht; und 
hierin zeigt such gerade die verhängnisvolle Schwäche der 
gegenwärtigen Zeit, weshalb das ganze jetzt bestehende System 
aus dem vollständigen Mangel an Autorität zusammenbrechen 
wird. Niemand kann von den jetzigen Ältesten behaupten, daß 
sie der Heilige Geist zu Aufsehern gesetzt habe. 
Aber sollte sich denn jetzt niemand finden, der zu einem 
Ältesten oder Aufseher geeignet wäre, und den die Apostel, 
falls sie sich unter uns befänden, einsetzen würden? Gott sei 
Dank, daß es deren noch viele gibt! Es gibt nur wenige Versammlungen von Kindern Gottes, in welchen sich nicht ein oder 
mehrere erfahrene Männer befinden, die den Irrenden nachgehen, die Unordentlichen warnen, die Kleinmütigen trösten 
und den Seelen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und die 
Pflicht eines jeden Christen besteht unter den jetzigen Verhältnissen darin, daß er das benutzt, was uns geblieben ist. Ich sage 
nicht, daß man solche Männer Älteste nennen solle; aber man 
soll sie um ihres Werkes willen hoch schätzen, sie lieben und 
anerkennen, denn sie wachen über ihre Brüder im Herrn. Geliebte! fragen wir uns ernstlich vor Gott: Erkennen wir solche 
an, welche uns vorstehen im Herrn? Sind wir diesen tätigen 
Dienern des Herrn unterwürfig? Das Wort Gottes fordert uns 
auch in dieser Beziehung zum Gehorsam auf. Aber jede menschliche Erfindung ist verwerflich. Wo der Herr Gaben verleiht, 
da haben wir sie dankbar anzuerkennen und die begabten Diener zu achten und zu lieben; aber wenn wir jetzt Menschen, 
unter dem Schein der Nachfolge, als Apostel bezeichnen, 
so wird der Herr, Der einst von unseren Worten und 
Handlungen Rechenschaft fordern wird, uns fragen, wer uns 
das Recht gegeben habe, solche willkürlichen Handlungen zu 
vollziehen oder doch gutzuheißen. Wer gibt einem Menschen 
die Erlaubnis, jemanden zu ordinieren? In der Tat, die Einsetzung von Ältesten ist, so wohlgemeint sie sein mag, nicht 
114 
nur ohne allen Wert, sondern auch eine schriftwidrige Anmaßung einer Autorität, die dem Herrn allein gehört. Es ist 
daher geziemend für uns, einerseits den gänzlichen Mangel der 
apostolischen Macht in unseren Tagen, und andererseits das 
anzuerkennen, was uns Gott gegeben hat; denn ich wiederhole 
es, daß in unseren Tagen Männer mit den Eigenschaften von 
Ältesten vorhanden sind, Wiewohl wir nicht im Besitz der 
Macht sind, sie als solche einzusetzen. Und es ist nach Röm 12 
ein allgemeiner Grundsatz der Heiligen Schrift, daß jeder, der 
irgendeine Gabe — sei es als Lehrer, Ermahner oder Vorsteher 
— besitzt, sie mit allem Fleiß, selbst inmitten des gegenwärtigen 
Verfalls, auszuüben hat. 
Wir werden auch bald, wenn wir sonst dem Worte Gottes 
unterworfen sind, die Entdeckung machen, daß der Herr, im 
Blick auf den gegenwärtigen mangelhaften Zustand der Dinge, 
in Seiner Weisheit und Vorsorge gestattet hat, daß solche Zustände schon im Anfange der Kirche vorhanden waren. Wir 
wissen nämlich, daß der Apostel an solche Versammlungen, 
in denen es höchst wahrscheinlich keine Ältesten gab, (wie z. B. 
diejenigen zu Thessalonich und Korinth) Briefe geschrieben 
hat. In der korinthischen Versammlung herrschte eine solche 
Unordnung, daß hier nach unseren Gedanken die Einsetzung 
von Ältesten sicherlich am Platze gewesen wäre. Dennoch aber 
finden wir in beiden Briefen keine Andeutung über diese Angelegenheit. Wären Älteste vorhanden gewesen, würde sich 
der Apostel sicher an diese gewandt haben. Überhaupt aber 
war es nicht seine Gewohnheit, in jungen Versammlungen 
Älteste einzusetzen, sondern vielmehr in solchen, die schon 
seit längerer Zeit bestanden hatten; und dies geschah ohne 
Zweifel in der Absicht, vorher die für ein solches Amt nötigen 
Eigenschaften ans Licht treten zu lassen. Andererseits finden 
wir in dem letzten Kapitel des ersten Thessalonicherbriefes 
wichtige Belehrungen für die Heiligen. Auch diese noch junge 
Versammlung wurde ermahnt, solche anzuerkennen, die unter 
ihnen arbeiteten. Und dies gilt für jede Versammlung, in welcher keine Ältesten sind. So lesen wir in 1. Thess 5, 12. 13: 
„Wir bitten euch aber, Brüder, daß ihr die erkennet, die unter 
euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen, und daß ihr sie über die Maßen in Liebe achtet, um 
115 
ihres Werkes willen". Es gab also schon damals Vorsteher .im 
Herrn/
 ohne daß ordinierte Älteste vorhanden waren; und dies 
ist zugleich ein Beweis von der gnädigen Fürsorge Gottes für 
solche Zeiten in welchen, aus Mangel an Aposteln, keine 
Ältesten eingesetzt werden können. Ebenso sagt der Apostel 
von dem Hause des Stephanas zu Korinth, „daß sie sich selbst 
den Heiligen zum Dienst verordnet hatten"; und er ermahnt 
die Brüder, solchen, und jedem, der mitwirkte und arbeitete, 
Untertan zu sein. Diese alle waren im Werke des Herrn tätig, 
ohne daß ihnen das Siegel apostolischer Anerkennung aufgeprägt gewesen wäre; und wir sehen, daß der Apostel sie 
ermutigt und sie der Liebe und Achtung der Heiligen empfiehlt. 
Hier gibt es kein äußeres Amt, wohl aber eine innere geistliche 
Kraft. 
Wir haben also gesehen, daß der Herr allein die Gaben zum 
Dienste verleiht; alles hängt von Seiner Liebe zu Seiner Kirche, 
von Seiner Treue gegenüber den Heiligen ab. Ist denn der 
Herr Jesus jetzt weniger treu und weniger für die Seinigen 
besorgt, als an dem ersten Pfingsttage? Wer würde wagen, 
das zu behaupten? Ohne Zweifel war jene Ausgießung des 
Heiligen Geistes von einem strahlenden Gnadenglanz umgeben 
und von einer Einfachheit und Kraft begleitet, die alles überwältigte. Aber Wer war die Quelle, und woher kam die Kraft, 
die so viele wunderbare Früchte auf dem einst so harten, kalten 
und steinigen Boden erzeugte? War es nicht der Herr, Der für 
die Ehre Seines Namens durch den Heiligen Geist wirkte, nachdem Er, um dem Menschen Gaben zu geben, Seinen Platz in 
der Herrlichkeit eingenommen hatte? Und ist Seine Gnade, die 
Er bei der Ankündigung jenes von den Geschlechtern her verborgenen großen Geheimnisses offenbarte, für diese schweren 
Zeiten nicht dieselbe? Ja sicher, so lange es noch Heilige hienieden gibt, welche es nötig haben, vollendet zu werden „für 
das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des 
Christus", werden auch, bis das ganze Werk vollbracht ist und 
alle zur Einheit des Glaubens hingelangt sind, die Gaben nicht 
fehlen. Und je mächtiger sich der Feind offenbart, je schlauer 
seine Fallstricke gelegt und je größer die Gefahren sind, desto 
mehr wird die Liebe und Treue des Herrn mit den Seinigen 
sein. Es gibt sowohl jetzt wie damals für die Kirche eine Fülle 
116 
von Segnungen in Christo. Möchten wir für jedes Bedürfnis 
mehr auf Ihn vertrauen und nicht durch Aufrichtung irgendeines Werkes unserer Hände, durch Aufrichtung eines goldenen 
Kalbes, Seine Wahrheit verunehren und — als ob wir nicht 
wüßten, was aus Ihm, Der nach oben gegangen ist, geworden 
wäre — Seine Gnade bezweifeln! Das sei ferne! Es ist sicher in 
den Augen der Ungläubigen eine Torheit, wenn eine Versammlung Gottes irgendwo zusammenkommt, ohne vorher zu 
wissen, wer reden, ermahnen oder danksagen wird; aber der 
Glaube weiß, daß der Herr, Der alle Macht im Himmel und auf 
Erden in Händen hat, und Der Seine Versammlung liebt und 
pflegt, in der Mitte ist, und daß die Gegenwart des Heiligen 
Geistes nimmer fehlen wird, um zu leiten und zu wirken. Dies 
ist sowohl für jeden Einzelnen, wie für alle Heiligen wahr; und 
ich möchte meinesteils nicht einen Augenblick auf einem Boden 
stehen, der nicht die ganze Länge und Breite der Versammlung 
Gottes umfaßte, und von wo aus der Glaube und die Liebe 
sich nicht zu allen Heiligen ausdehnen und sie umschließen 
könnten. Wenn jemand berufen ist, im Wort und in der Lehre 
zu arbeiten, so wird ihm der Herr den Weg dazu bezeichnen. 
Er öffnet die Tür, die niemand zu schließen vermag; und Er 
schließt, und niemand öffnet. Er weiß für den schwächsten 
Seiner Pilger einen Pfad zu finden und ihm Mut zu geben; 
und Er wird ihm klarmachen, wann und wo er Ihm zu dienen 
hat. 
Aber wie geht es, wenn mehrere begabte Brüder in einer Versammlung sind? Um so besser; und wenn fünf oder zehn 
solcher Brüder sich in einer Versammlung befinden, so laßt uns 
dem Herrn dafür danken! Es ist Raum für alle. Gott wolle uns 
davor bewahren, auch nur im Entferntesten jener Neuerung 
unsere Zustimmung zu geben, die jedem Diener seine eigene 
kleine Herde angewiesen hat. Jemand, der nicht versteht, daß 
die Heiligen die „Herde Gottes" sind, ist sicherlich unfähig, in 
geziemender Weise zu dienen. Augenscheinlich hat man den 
wahren Standpunkt der Kirche aus dem Auge verloren, wenn 
man anstatt an die „Herde Gottes", nur an „seine Herde" oder 
an „unsere Herde" denkt. 
Ich schließe diesen Abschnitt mit der Bemerkung, daß es mein 
Zweck war, den Unterschied zwischen Gaben und Ämtern 
117 
hervorzuheben; ich habe zu zeigen versucht, daß Gaben ihre 
Quelle in dem verherrlichten Christus haben, während Ämter 
die Einsetzung von Seiten solcher Personen erforderten, die 
von dem Herrn zu diesem Zwecke bevollmächtigt waren. Wir 
können hinsichtlich der Gaben sicher sein, daß sie uns bleiben, 
werden, so wahr und so lange Christus das Haupt bleibt und 
die Quelle der Gaben ist, wohingegen eine förmliche Automation nicht mehr möglich ist, weil die dazu erforderliche apostolische Macht mangelt. Alles was heute in dieser Weise geschieht, ist nur eine armselige und vermessene Nachahmung 
dessen, was die Apostel und ihre Bevollmächtigten taten. Aber 
wenn wir Wirklich den Herrn lieben und die göttliche Ordnung 
wertschätzen, so ist es unsere Pflicht im Namen des Herrn alle 
Seine Gaben, selbst die geringsten, in einer Weise anzuerkennen, wie wir es vielleicht bis jetzt noch nicht getan haben. 
Dienst am Wort (v. W. B.) 
Fühlst du erfüllt dich von dem Geist der Wahrheit 
Daß du in Seinem Dienst mit vielem Freuen 
Und Segen wirken kannst, wozu die Klarheit 
Von Seinem Licht dich täglich will erneuen: 
Dann stell dich voll und ganz in Sein Geleit, 
Und übe treuen Dienst in dieser Zeit. 
Bist voll des Wissens du, kannst andre lehren, 
Dann prüfe, ob dich treibt der Geist der Liebe; 
Damit nicht endlich gar den Kücken kehren 
Du mußt dem Arbeitsfeld, das leer und trübe 
Geblieben ohne Heil'gen Geistes Wehn, 
Und du — beschämt — wirst leer ausgehn. 
Erfüllt dich froher, freud'ger Mut zum Dienen, 
Und stählet Manneskraft dir dies Begehren, — 
Erwäg' ob fleißig du, so wie die Bienen 
Am Quell den Honig saugen zum Verzehren, 
Das Nöt'ge dir erwirbst bei Tag und Nacht. 
Und dann zu dienen durch des Wortes Macht. 
Fühlst du dich schwach, so hol' am Thron der Gnade 
Dir stets aufs neue Trost und Kraft und übe 
Dich auf des großen Meisters Pilgerpfade, 
118 
Nach Ihm dich bildend in dem Geist der Liebe; 
Und Seine Gnade laß genügen dir, 
Zu schmücken dich mit Seiner Lehre Zier. 
Doch steht dein großes Ich im Vordergründe, 
Sind Ehre, Ansehn deines Wirkens Triebe, 
Dann gibt es keinen Balsam für die Wunde 
Und keinen Trost kostbarer Heilandsliebe. 
Dann mag' in Gottes Licht dir werden kund, 
Daß dir geziemt, zu heil'gen deinen Mund. 
6. Die Hilfsquellen des Glaubens und der Verfall der 
Christenheit (2. Tim 2, 11. 12) 
Wie viele sehr ernste Elemente drängen sich in dem jetzt vor 
uns liegenden Gegenstand zusammen! Welch einen traurigen 
Anblick bietet die Christenheit in ihren Trümmern, die zu 
augenscheinlich sind, um geleugnet werden zu können! Aber 
andererseits ist es ebenso feierlich, an die treue Güte Gottes 
zu denken, Der im voraus alles kannte und es uns im Worte 
Seiner Gnade mitgeteilt hat, indem Er, als das Böse gleich einem 
verheerenden Strom den Schauplatz des Namensbekenntnisses 
Christi auf der Erde zu überfluten im Begriff stand, uns in 
Seiner Liebe und Weisheit einen sicheren Pfad beschrieb — 
einen Pfad, der dem Auge des Adlers zwar verborgen ist, den 
aber Sein Volk erkennen, und auf dem es in der glücklichen 
Gewißheit des Wohlgefallens Gottes wandeln kann. 
Für solche, die um des Herrn und der Wahrheit willen über 
den gegenwärtigen Zustand der Christenheit trauern und sich 
weigern, Gemeinschaft mit ihm zu machen, ist es sicher ein 
Bedürfnis, ein kräftiges Zeugnis von dem mit Macht um sich 
greifenden Verderben zu geben, vor welchem das Wort Gottes 
bereits gewarnt hat, als es sich in seinen ersten Anfängen zu 
zeigen begann. Zwar mag es für manchen, der nicht geneigt 
ist, entschieden in den Wegen des Herrn zu wandeln, schwer 
sein, ein solches Zeugnis abzulegen. Aber unsere Herzen werden sich bald in das richtige Geleise gebracht sehen, wenn wir 
uns die Frage vorlegen: „Um was handelt es sich? und wessen 
119 
Ehre suchen wir?" — Der Herr bewahre uns, daß wir nicht an 
uns selbst denken, nicht unsere eigene Ehre oder Bequemlichkeit suchen! denn das ist eine Unehre für alle, die Christo angehören. Möge es unser einziger Ruhm sein, den Herrn zu 
verherrlichen! 
Laßt uns jetzt unter der Gnade des Herrn untersuchen, worin 
Sein Wille in dieser Beziehung besteht. Es wird das vor allem 
den Blick derer erweitern, welche noch jung und unerfahren in 
der Wahrheit Gottes sind, wenn sie erkennen und sehen, wie 
treu der Herr und wie zuversichtlich Sein Wort ist; aber möchten sie auch, dadurch ermutigt, ihr ganzes Vertrauen auf Ihn 
und Sein Wort setzen, auf Ihn, vor Dessen Auge das Ende so 
klar wie der Anfang ist. Er ist der Weg, und nur auf diesem 
einen Wege kann Sein Herz bezüglich derer, die Ihn lieben, 
völlige Befriedigung finden. Auch werden wir bei dieser Gelegenheit sehen, daß, obwohl die einstige Herrlichkeit der 
Kirche verschwunden ist, dennoch für den Glauben das Kostbarste gesichert ist. Nicht als ob wir die Macht und Herrlichkeit 
des Herrn geringschätzen. Das Gegenteil ist der Fall; denn je 
höher der Platz ist, den wir den Wegen Gottes einräumen, und 
je mehr wir dem, was uns die Gnade gesichert hat, einen höheren Wert beilegen als äußerer Machtentfaltung vor den Augen 
der Menschen, um so mehr werden wir fühlen, welch eines 
Unrechts wir uns gegen den Herrn schuldig machen, wenn wir 
mit kalter Gleichgültigkeit auf die Schwäche unserer Tage und 
auf die stets zunehmenden frevelhafte Verunehrung des 
Namens Jesu unter den auf diesen Namen Getauften herabschauen. Je mehr wir auf die ersten Tage der Kirche, die sie hier 
pilgerte, und auf die Macht des Heiligen Geistes, die sich 
damals kundtat, zurückblicken, um so tiefer wird 
unser Gefühl werden für die Wunden, die unserem teuren 
Herrn in dem Hause derer geschlagen worden sind, welche Ihn 
lieben. Es wird uns tief betrüben, zu sehen, wie das Gebaren 
der Kirche den Herrn genötigt hat, anstatt sie nach außen hin 
zu ehren, ihre Blöße aufzudecken und sie, angesichts der Feinde 
Seines Namens, der Schande preiszugeben. Alles das sollte uns 
mit tiefer Beschämung erfüllen, um so mehr wenn wir sehen, 
wie die Gläubigen die Wahrheit so wenig schätzen und ein so 
schwaches Gefühl für die Ehre der Person des Herrn an den 
120 
Tag legen — abgesehen von dem allgemeinen Mangel an wahrem Verständnis darüber, w>as die Kirche in ihrer einfachsten 
Form ist, sowie von der Tatsache, daß die Wahrheit ihrer herrlichen Einheit mit Christo und ihrer Hoffnung bezüglich der 
Zukunft in völlige Vergessenheit geraten ist. Wir befinden uns, 
wenn wir nicht in irgendeinem Maße die Gefühle des Herrn 
teilen, keineswegs in dem passenden Zustande, um in den 
gegenwärtigen Verhältnissen richtig nach Seinem Worte handeln zu können. Es ist wichtig, zu verstehen, daß der Herr uns 
keine Andeutung in der Schrft gegeben hat, daß die bloße 
Nachahmung irgendeiner Sache Ihm genüge. Es genügt z. B. 
nicht, daß wir die Briefe Pauli zur Hand nehmen und uns, als 
ob wir vollständig befähigt wären, alles Fehlende wiederherzustellen, daran geben, Älteste hin und wieder anzustellen. 
Das uns von Gott gegebene Wort benutzen, und das was 
zerstört und verdorben ist, in anmaßender Weise wiederherstellen wollen, sind zwei verschiedene Dinge. Wer die gefallene 
Kirche wiederaufzubauen trachtet, befindet sich in dieser Hinsicht nicht in Gemeinschaft mit Christo und verrät einen 
Mangel an geziemendem Mißtrauen gegen sich selbst sowie 
eine völlige Unkenntnis über den gegenwärtigen Zustand der 
Dinge; er entbehrt auch jener Glaubensdemut, welche ihr Vertrauen allein auf die gegenwärtigen Hilfsquellen in Christo 
setzt. Gott beharrt unwandelbar auf dem Grundsatze, daß, 
wenn eine Abweichung von Ihm stattgefunden hat, — ob vor 
oder nach der Sintflut, ob in Israel oder in der Kirche, — der 
erste Schritt zum Guten darin besteht, das von Gott verurteilte 
Böse als solches anzuerkennen. Tut man das, so wird man vor 
der Anmaßung bewahrt bleiben, jene wunderbare Entfaltung, 
der göttlichen Macht, Gnade und Weisheit in der Versammlung 
Gottes, welche nächst dem Kreuze das größte Werk Gottes auf 
der Erde ist, ersetzen oder wiederherstellen zu wollen. Solche 
arme, gebrechliche Gefäße, wie wir sind, die wir nicht einmal 
die empfangenen Segnungen bewahren konnten, und die wir 
durch unsere Schwachheit und Unwachsamkeit eine Beute der 
List Satans geworden sind und die wir Diebe und Räuber, 
welche das Haus Gottes plünderten, eingelassen haben — wie 
vermöchten wir ein solches Werk zu tun! Sind das die Gefühle 
eines demütigen Glaubens? Wenn der Sündenfall Adams eine 
schreckliche, beklagenswerte Sache, wenn die Entehrung des 
121 
Gesetzes Gottes seitens Israels ein Greuel war, was muß die 
Verachtung Gottes, des Heiligen Geistes, für die Kirche sein? 
Die Kirche, der Brief Christi, die Behausung Gottes im Geiste, 
der Gegenstand Seiner vollkommenen Liebe, begnadigt in dem 
Geliebten, die Gerechtigkeit Gottes in Christo, hat praktisch 
die Herrlichkeit Gottes hienieden aufgegeben und das Werk 
ihrer Hände Seinem Worte und Geiste vorgezogen, um sich 
zu beugen vor den Götzen der Kunst und der Erfindung des 
Menschen. Ach! das ist Weit häßlicher als alles, was je die 
Schrift oder die Geschichte von weit weniger bevorzugten 
Zeiten und Menschen berichtet hat. 
Laßt uns nun hören, was das Wort Gottes über diesen Gegenstand sagt; wir werden alle zugeben müssen, daß der Herr 
die gegenwärtige Sachlage völlig wahrheitsgetreu zum voraus 
angekündigt hat. Wir sehen in den Andeutungen, die der Herr 
Seinen Jüngern in Lk 17 gibt, daß bis zu dem Kommen des 
Herrn zum Gericht die Welt nicht, wie manche träumen, stufenweise aus einer Wildnis in ein Paradies umgewandelt werden 
wird, noch daß die Heiden ihre falschen Götter, oder die Juden 
ihre Feindschaft gegen den wahren Messias aufgeben werden; 
sondern wir sehen im Gegenteil, daß es sein wird, wie in den 
Tagen der Bequemlichkeit, der Weltlichkeit und der Erhebung 
des Menschen gegen Gott. „Und gleichwie es in den Tagen 
Noahs geschah, also wird es auch sein in den Tagen des Sohnes 
des Menschen: sie aßen, sie tranken, sie heirateten, sie wurden 
verheiratet, bis zu dem Tage da Noah in die Arche ging und die 
Flut kam und alle umbrachte". Das sind die Vorbilder der 
Zustände, wie sie zur Zeit der Erscheinung des Herrn zum 
Gericht sein werden. Sorglosigkeit und Liebe zur Bequemlichkeit werden sich bei den Menschen gerade so finden, wie vor 
der Sündflut. Wie damals, so werden auch dann die Menschen 
in die gewöhnlichen Dinge des täglichen Lebens vertieft sein. 
Trotz Gesetz und Evangelium begegnet man heute schon überall jenem Zustande des Verderbnisses und der Gewalttätigkeit, 
welcher über die damalige Welt die Sündflut brachte. Und um 
das düstere Gemälde der Tage des Sohnes des Menschen zu 
vervollständigen, wird uns das noch traurigere und abschrekkendere Schauspiel der Tage Lots nach der Flut vor Augen 
geführt. „Gleicherweise auch wie es geschah in den Tagen Lots: 
122 
sie aßen, sie tranken, sie kauften, sie verkauften, sie pflanzten, 
sie bauten; an dem Tage aber, da Lot aus Sodom herausging 
(bedeutungsvolles Wort!), regnete es Feuer und Schwefel vom 
Himmel und brachte alle um. Desgleichen wird es an dem Tage 
sein, da der Sohn des Menschen geoffenbart wird". 
Die Briefe schwächen dieses Zeugnis des Herrn in keiner Weise, 
sondern bestätigen es im Gegenteil in jeder Beziehung, nur mit 
dem Unterschiede, daß das Zeugnis des Heiligen Geistes sich 
mehr auf die bekennende Christenheit bezieht, während das 
Zeugnis des Herrn das Judentum zum Mittel- und Ausgangspunkt hatte. So warnt z. B. der Heilige Geist in Röm 11 die 
aus den Nationen gesammelten Bekenner des Christentums, 
indem Er an dessen Ende erinnert: „Rühme dich nicht wider 
die Zweige. Wenn du dich aber wider sie rühmst — du trägst 
nicht die Wurzel, sondern die Wurzel dich". Die Juden, als die 
natürlichen Zweige, waren die Verwalter und Träger der Verheißungen und des Zeugnisses für Gott hienieden. Aber sie 
übertraten das Gesetz, gingen den Götzen nach, verwarfen 
und töteten den Messias und wurden, nachdem sie schließlich 
noch die Annahme des ihnen durch das Evangelium dargebotenen letzten Rettungsmittels verweigerten, als die natürlichen Zweige des Ölbaumes ausgebrochen, und an ihrer Statt 
wurden die Nationen in den alten Stamm des Bekenntnisses 
eingepfropft. Dann kommt die Warnung: „Du wirst nun 
sagen: Die Zweige sind ausgebrochen worden, auf daß ich eingepfropft würde. Recht; sie sind ausgebrochen worden durch 
den Unglauben; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht 
hochmütig, sondern fürchte dich; denn wenn Gott der natürlichen Zweige nicht geschont hat, daß er auch deiner etwa nicht 
schonen werde. Siehe nun die Güte und die Strenge Gottes: 
gegen die, welche gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte 
Gottes, wenn du an der Güte bleibst". 
Und hier möchte ich an jeden, der noch eine Spur von Gottesfurcht in sich trägt, oder der noch in etwa mit dem Worte 
Gottes bekannt ist, die Frage richten: Ist die Christenheit an 
der Güte Gottes geblieben? Betrachten wir die römische wie die 
protestantische Kirche, durchlaufen wir alle die verschiedenen 
Religionssysteme, alle bestehenden Sekten und Parteien — wir 
123 
werden überall die Bestätigung finden, daß die Christenheit 
nicht an der Güte Gottes geblieben ist. Und nach dem Worte 
des Herrn: „Sonst wirst auch du ausgeschnitten werden", wird 
die Christenheit wegen ihrer Untreue ebenso gewiß von dem 
Gericht getroffen werden, wie die Juden davon getroffen worden sind, welche, aus ihrem Erbteil verstoßen und als eine 
Schmach auf der ganzen Erde zerstreut, den Stempel der Verurteilung an ihrer Stirn tragen. 
Alle Briefe in den hierauf bezüglichen Einzelheiten zu untersuchen, würde den Raum dieser Blätter weit überschreiten. Es 
genüge daher die Bemerkung, daß wir in den apostolischen 
Briefen ein stets zunehmendes, immer höher anschwellendes, 
ehrfurchtgebietendes Zeugnis besitzen. Jenachdem das Verderben zunimmt, sehen wir auch die Merkmale des Gerichts 
immer augenscheinlicher hervortreten. In immer deutlicheren 
und stärkeren Tönen läßt der Geist Gottes die Posaune erschallen, um da, wo noch irgend ein Ohr ist, zu hören, die 
Treuen aus dem Schlummer aufzuwecken. Es ist dem Feinde 
gelungen, die Grundlage des Christentums Schritt für Schritt zu 
untergraben; und mit Riesenschritten naht die Zeit heran, wo 
die Christenheit der Schauplatz des Verderbens in seiner gröbsten Form sein wird. Zu einem System des Unglaubens und 
Aberglaubens geworden, wird sie, als der Sitz aller Greuel, 
bald einen Zustand zur Schau tragen, abschreckender und 
schuldiger als alles bisher Dagewesene; ja, sie wird schließlich 
das Werkzeug einer offenbaren Empörung gegen Gott bilden. 
Im zweiten Thessalonicherbriefe erklärt der Apostel, daß der 
Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart würde. 
Schon in seinen Tagen war das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit 
wirksam"; jedoch wird der völlige Ausbruch der Gesetzlosigkeit durch die Hand des Herrn bis zu einer bestimmten Zeit 
zurückgehalten werden. Aber in dem Augenblick, wo die Hand 
den Zügel schießen läßt, wird die Gesetzlosigkeit nicht länger 
ein Geheimnis bleiben, sondern vor aller Augen ans Licht 
treten. Sie wird dann zum „Abfall" herangereift sein, und der 
Weg zur Offenbarung des „Menschen der Sünde" wird gebahnt sein. Die Aussicht, welche uns die Heilige Schrift in 
dieser Beziehung gewährt, ist also nichts anderes, als die un124 
ausbleibüche Zunahme des Bösen - ein stets an Heftigkeit und 
Ausdehnung zunehmendes Verderben, dessen furchtbarstes 
Ergebnis, hervorgerufen durch die Beseitigung des einzigen, 
sich ihm entgegenstemmenden Dammes, einerseits der „Abfall" und andererseits der „Mensch der Sünde" ist. Welch ein 
Gegensatz zu dem Menschen der Gerechtigkeit ist dieser 
Mensch der Sünde, der sich erfrecht, den Platz Gottes im 
Tempel einzunehmen! 
Das Böse zeigte sich nicht gleich im Anfang in seiner ganzen 
Kraft; aber man gewahrte verschiedene und zunehmende Offenbarungen von ihm. Der Apostel Johannes sagt: „So sind 
auch jetzt viele Antichristen geworden; daher wissen wir, daß 
es die letzte Stunde ist." Dies ist um so beachtenswerter, weil 
Johannes das Kommen des Antichristen, dessen Vorläufer schon 
vorhanden waren, ankündigt; und dieses Vorhandensein des 
antichristlichen Geistes war der Beweis, daß die letzte Stunde 
schon da war. Der Geist Gottes wollte das Neue Testament 
nicht eher schließen, bis das Böse in seiner schlimmsten Form, 
wenigstens in seinen Keimen, sich so weit geoffenbart hatte, 
daß es beschrieben werden konnte; und so ist uns die Entstehung, der Fortschritt und der endliche Ausbruch der Gesetzlosigkeit, ja, was noch mehr ist, sogar die Offenbarung des 
Gesetzlosen, der sich wider den Herrn der Herrlichkeit erhebt, 
mitgeteilt worden. Die letzten Kapitel des Neuen Testaments 
zeigen uns das tausendjährige Reich, und zwar eingeleitet durch 
die Zerstörung des Tieres und des falschen Propheten samt 
ihrem ganzen Anhang, nachdem die Zerstörung Babylons schon 
vorher stattgefunden hat. 
Wir sind schnell vorangeeilt, ohne auf die Beweise von dem 
Verfall des Christentums näher einzugehen — auf Beweise, die 
wir im allgemeinen in den Briefen, ganz besonders aber im 
11. Vers des Briefes des Judas in scharfen Zügen aufgezeichnet 
finden. Wer vernimmt hier nicht die ernsten Töne des gewissen, wenn auch noch in dem Schöße der Zukunft schlummernden Gerichts? „Wehe ihnen! denn sie sind den Weg Kains 
gegangen", den Weg jenes unnatürlichen Bruders, der als ein 
religiöser Mann sein Opfer darbrachte, aber den Schuldlosen 
erschlug. Und wer würde nicht die vorbildliche Bedeutung jenes 
125 
Mannes verstehen, der den Lohn der Ungerechtigkeit Hebte und 
gegen seinen Willen die herrlichsten Dinge über ein Volk 
weissagen mußte, das er nicht liebte, sondern das er gern an 
den Verderber verkauft hätte? Welch eine feierliche Sprache 
redet dieser Lohn der Ungerechtigkeit, den er für die Verkündigung der herrlichen Dinge Gottes empfing, ohne ein 
Herz für das Volk, geschweige denn irgendwelchen Eifer für 
das Volk, den Willen oder die Verherrlichung Gottes zu haben! 
Und endlich, welch eine ernste Warnung liefert uns jene entsetzliche Empörung Korahs, der „Widerspruch" derer, welche 
den Dienst des Heiligtums hatten und sich in ihrem levitischen 
Stolz den Platz Moses und Aarons (des Apostels und des 
Hohenpriesters des jüdischen Bekenntnisses) anmaßen wollten! 
Gibt es nicht heutzutage noch solche, die sich Diener Christi 
nennen und dazu noch behaupten, die ausschließlich von Gott 
eingesetzten Priester zu sein und als solche die Vollmacht zu 
haben, Sünden vergeben und auf der Erde von jeder Schuld 
vor Gott freisprechen zu können? Und nicht nur das; die 
Finsternis, in die ein großer Teil der Christenheit versunken 
ist, reicht so weit, daß man meint, Opfer für Lebende und 
Tote bringen zu können. — Nicht mit Bitterkeit reden wir von 
diesen Dingen; aber sollte uns der Anblick solcher Torheiten 
nicht mit Bestürzung und Entsetzen erfüllen? 
Aus allen diesen Dingen sehen wir zur Genüge, wie wenig 
die Christenheit an der Güte Gottes geblieben ist. Wollte es 
dennoch jemand wagen, diese traurige Erscheinung zu verteidigen oder zu rechtfertigen, so verrät er dadurch nur, wie 
wenig er sich fürchtet, Gott zum Lügner zu machen; und er 
offenbart sich sogar, sei es aus Unwissenheit oder mit Absicht, 
allen diesen unzweideutigen Aussprüchen der Schrift gegenüber als ein Verächter der Belehrungen des Heiligen Geistes. 
Das Wort Gottes ist für alle geöffnet; und darum sind wir 
verantwortlich, die Dinge so zu betrachten, wie Gott sie ansieht. Der Einwand, daß wir kein Urteil über diesen Punkt 
haben, ist sicher eine eitle Entschuldigung vor dem Herrn; denn 
der Geist Gottes, Der alle Dinge beurteilt und unterscheidet, 
wohnt in jedem Gläubigen; und jeder, der sich solche Einwendungen erlaubt, sagt mit anderen Worten, daß er höchst 
ungeistlich sei. Aber wenn wir erkannt haben, daß die Chri126 
stenheit in den vorher angekündigten Zustand des Verderbens 
versunken ist, und daß das Böse, das damals keimte, jetzt die 
bittersten und verderblichsten Früchte trägt, können wir dann 
länger an diesen Dingen teilnehmen und im Blick auf unsere 
Beteiligung an der gemeinsamen Sünde gleichgültig bleiben? 
Wenn der Herr uns in Seiner Gnade die nachdrücklichsten 
Warnungen erteilt hat, so können wir uns wahrlich nicht mit 
der Entschuldigung zufriedenstellen, daß der Herr bei Seiner 
Ankunft alles in Ordnung bringen werde. Sicher wird Er alles 
in Ordnung bringen; aber es wird dann zu spät sein, meine 
bewußte, den Herrn verunehrende Untreue wieder gutzumachen. Meine Gleichgültigkeit gegen Sein Wort und Seine 
Verherrlichung, meine Rücksichtslosigkeit gegen den Heiligen 
Geist, den ich durch mein Verhalten betrübt habe, alles wird 
zu meiner tiefen Beschämung dienen. Ja, der Herr wird kommen und alles in Ordnung bringen, aber unstreitig durch ein 
schonungsloses, göttliches Gericht. Denn was wird Er hienieden 
finden? Einige arme, zerknirschte Herzen, einen gottesfürchtigen Überrest, der unaufhörlich zu Gott schreit, gleich jener 
bedrängten Witwe in dem Gleichnis von dem ungerechten 
Richter, der weder Gott noch Menschen fürchtete. Das wird die 
Sachlage hienieden sein. Wie betrübend daher, mit einem Zustande, der solche Resultate erzeugt, gemeinschaftlich voranzugehen, und zwar unter dem törichten und sündhaften Vorwand, daß der Herr bei Seiner Ankunft alles in Ordnung 
bringen werde! 
Laßt uns jetzt sehen, welche Vorsorge der Herr für die Seinigen 
während dieser finsteren Tage getroffen hat. Zunächst wenden 
wir uns zu der schon oft angeführten Stelle in Mt 18, 20: „Wo 
zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich 
in ihrer Mitte". Welch eine zärtliche Sorgfalt und erhabene 
Weisheit offenbart der Herr in diesen Worten im Blick auf die 
bösen Zeiten! Selbst wenn die einst so stattliche Herde, jene 
Versammlung von Tausenden in der sichtbaren Fülle Seiner 
Gnade, sich bis zu der Zahl von zweien oder dreien vermindern 
sollte, wird dennoch die Verheißung nicht fehlen. Wir sind 
leider nur zu geneigt, das Geringe zu verachten und nach dem, 
was in den Augen der Welt groß ist, zu trachten. Allein wer 
kein Herz für zwei oder drei hat, wird es auch nicht in der 
127 
rechten Weise für zehntausend haben, und kann höchstens 
durch den alles überwältigenden Strom der Freude einer glücklichen Menge mit fortgerissen werden, wie es ohne Zweifel in 
jenen glänzenden Tagen der Fall gewesen sein mag, wo der 
Heilige Geist herniederkam, und die Wogen des geistlichen 
Lebens so hoch gingen, daß alle jene später ans Licht tretenden 
bösen Elemente überflutet wurden. 
Welch eine Gnade, daß, gemäß dieser herrlichen Verheißung, 
die Gedanken des Herrn, in der Voraussicht des kommenden 
Verderbens, schon auf etliche wenige gerichtet waren, die sich 
vielleicht in irgendeinem abgelegenen Dorf oder in einer öden 
Gegend, oder auch in einer großen volkreichen Stadt, wo die 
Jünger des Herrn oft vereinzelter als sonstwo stehen, in Seinem Namen versammeln würden. Nie und nimmer werden 
Seine Segnungen fehlen. Denn seitdem Er segnend von den 
Seinigen geschieden ist, ist Er für sie stets derselbe geblieben; 
und keine Gefahr, kein Verderben in der Christenheit vermag 
den unendlichen Wert Seines kostbaren Blutes zu beschränken, 
so wie die Erlösung nimmermehr veralten und verschwinden 
kann. Aber wir finden hier mehr als das: es ist die Macht 
Seiner Autorität, welche selbst der unscheinbarsten, geringsten 
Vertretung Seiner Versammlung gewährt ist. Zwei oder drei 
haben über die Aufrechterhaltung eines mit dem Charakter 
Christi übereinstimmenden Wandels mit demselben Eifer zu 
wachen, als wenn ihrer dreitausend wären. Doch wie kann 
dieses geschehen? Nur durch die Ausübung der Zucht. Die 
Verpflichtung zu einem reinen Wandel steht mit dem Dasein 
der Versammlung Gottes in unmittelbarer Verbindung; denn 
diese hört auf, die Versammlung Gottes zu sein, sobald die 
heilige, ernste und feierliche Ausübung der Anordnungen Gottes 
nicht mehr stattfindet. „Feget den alten Sauerteig aus, auf daß 
ihr eine neue Masse werdet, gleichwie ihr ungesäuert seid". 
Diese Verantwortlichkeit kann durch den Verfall ebensowenig 
angestastet werden, wie die Segnungen der Gnade und Fürsorge des Herrn dadurch verhindert werden können. Welch ein 
sicherer und unschätzbarer Trost ist das! 
Deshalb sollte jeder Gläubige bedenken, daß es nicht seine 
Sache ist, ein Anhänger irgendeines kirchlichen Systems oder 
128 
einer besonderen Ansicht zu sein, sondern sich im Gegenteil 
nur für das Eine zu entscheiden, was er dem Herrn schuldig 
und was Seiner würdig ist, nämlich — und wir können in 
dieser Beziehung sicher nicht zu entschieden und zu gründlich 
sein — jedes Band, das ihn nicht mit Christo verbindet, zu 
verleugnen und zu zerreißen. Nur da, wo wir Christo in der 
Mitte der Seinigen nach jeder Richtung hin gehorchen können, 
und wo dem Heiligen Geist Raum gelassen wird, unumschränkt 
nach dem Worte Gottes zu wirken, ist die Versammlung Gottes 
dargestellt. Die freie Wirksamkeit des Geistes aber besteht 
allein und ausschließlich darin: Christum zu verherrlichen und 
das Ansehen Seines Namens zu wahren. Daher sollten alle, 
die überzeugt sind, dem Herrn anzugehören, nicht länger Anhänger von menschlichen Religionssystemen bleiben, sondern 
sich vielmehr um das eine vollkommene Banner scharen, das 
Gott sowohl hinsichtlich des Glaubens als auch der kirchlichen 
Gemeinschaft aufgepflanzt hat. Ein entgegengesetztes Verhalten ist Ungehorsam gegen das Wort Gottes und Verunehrung des Heiligen Geistes. Keiner, selbst nicht der weiseste 
unter den Menschen, vermöchte ein Banner aufzurichten, das 
für alle Zeiten passend wäre, wie Gott dies getan hat, und wie 
es durch den Glauben anerkannt und verwirklicht wird. 
Alle Kinder Gottes erkennen an, daß das Wort Gottes bezüglich der Seelenrettung vollkommen weise ist; und keins von 
ihnen wird, wenn es sich um die Ewigkeit handelt, seine Seele 
den Lehrern der Menschen anvertrauen. Aber ist es nicht vermessen, das Wort beiseitezulegen, wenn es sich um die Kirche, 
den Gottesdienst, den Dienst am Wort, das Abendmahl und 
die Anbetung handelt? Wie kommt es doch, daß die Menschen 
so selten daran denken, sich allein durch das Wort Gottes 
leiten zu lassen, und daß fast jede Partei, wenn ihr z. B. ein 
Prediger fehlt, nichts Eiligeres zu tun weiß, als sich einen 
solchen zu wählen, obwohl ihr -die Schrift keineswegs die 
Erlaubnis dazu erteilt, und auch die Versammlungen der ersten 
Tage dies nicht getan haben? Ach! man fragt nicht Gott in 
Seinem Wort um Rat. Was aber werden die im Namen Jesu 
Versammelten tun? Ihnen genügt, in dem Gefühl ihres Mangels und ihrer Schwachheit, das Wort ihres Herrn: „Wo zwei 
oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in 
129 
ihrer Mitte". Nicht, als ob ich den Wert der Gaben geringschätzte; das sei ferne! Jedoch, einfach dem Herrn unterworfen zu sein und auf Ihn zu warten, bis Er jemanden sendet, 
wird vor allem das Beste sein. Und in der Tat, da wir nicht 
dazu beauftragt sind, so haben wir auch nicht nötig, jemanden 
zu wählen; denn alles ist unser, „es sei Paulus oder Apollos 
oder Kephas". Es ist Gottes Sache, z-u wählen und zu geben. 
Er hat alle Seine Diener mit der Versammlung verbunden; sie 
sind Glieder des Leibes Christi und Seine Gaben für die Versammlung. Wie sehr betrügen sich daher z. B. solche, die, 
indem sie sich ihren Prediger wählen, sich dadurch auf das 
Maß seiner persönlichen Gabe beschränken müssen, es sei 
denn, daß er alle Gaben in seiner Person vereinigte. 
Nehmen wir einen anderen Fall. Die Gläubigen befinden sich 
wegen einer gewissen Sache — etwa wegen einer Irrlehre, oder 
wegen eines in Sünden gefallenen Bruders — in einer schwierigen Lage, indem sie aus Mangel an klarem Urteil nicht wissen, welchen Weg sie einzuschlagen haben: was werden sie tun? 
Sie werden auf den Herrn warten: eine für uns um so heilsamere Sache, weil man dann fühlt, daß Er allein helfen kann. 
Und Er, Der liebend und sorgend in der Mitte Seiner Heiligen 
ist, wird die Angelegenheit in irgendeiner Weise so klären, 
daß ihre Gewissen auf den Ruf des Herrn antworten und handeln können. Solche Entscheidungen sind, wenn der Wille der 
Heiligen wirksam ist, eine Prüfung für das Herz; aber sie 
zeigen zugleich, daß nicht ihre Weisheit oder ihre Erfahrungen 
richtig zu leiten vermögen, sondern daß allein der in ihrer 
Mitte weilende Herr dazu imstande ist. 
Wir müssen uns jedoch stets daran erinnern, daß unser Zusammenkommen in dem „Namen Jesu" ebensowenig für 
unsere Engherzigkeit und Parteilichkeit, wie für die gröbere 
Form der Gemeinschaft mit der Welt oder dem offenbaren 
Bösen Raum läßt. Wie könnten zwei oder drei im Namen Jesu 
Versammelte zusammen glücklich sein und zu gleicher Zeit 
einen außerhalb ihrer Gemeinschaft stehenden Bruder mit argwöhnischen Blicken betrachten? Ein solches Verhalten würde 
nur zu augenscheinlich den Beweis liefern, daß sie ihr Vorrecht 
nicht verständen und sich in einer falschen Stellung befänden. 
130 
Der Herr sieht die Seinigen nie mit argwöhnischen Blicken an, 
noch prüft Er sie, als mißtraue Er ihrem Charakter, sondern 
Er heißt sie alle (ich rede hier natürlich nicht von solchen, die 
wegen einer Irrlehre oder wegen eines unlauteren Wandels 
verdächtig sind) von Herzen willkommen; und darum wird 
man auch da, wo man den Wert Seines Namens kennt, ein 
Herz für alle Gläubigen haben. Dagegen wird man sich entschieden fernhalten von einem jeden, der vielleicht in einem 
guten Ruf steht, in der Welt geachtet und auch in irgendeiner 
Weise in dem Werke des Herrn tätig gewesen ist, der aber 
einen Mangel an Herz und Gewissen für Christum verrät. So 
ist der Name Jesu der Prüfstein, um einerseits selbst den 
Schwächsten, der Ihn liebt, aufzunehmen, und andererseits uns 
von jedem, der den Herrn Jesum Christum nicht in Reinheit 
und Wahrheit lieb hat, fernzuhalten. Welche Macht ist in 
diesem Namen! Er verbindet Herzen, die sich völlig fremd 
waren, und offenbart und schließt alles aus, was nicht aus 
Gott ist. Mag es sich um eine Wahrheit, mag es sich um die 
Zucht, mag es sich um Personen oder Grundsätze handeln — 
alle nötige Weisheit und Kraft wird in diesem kostbaren 
Namen gefunden. 
Wenn wir uns jetzt zu 2. Tim 2 wenden, so sehen wir ein Bild 
der bekennenden Kirche, des Hauses Gottes, wie es der Heilige 
Geist Selbst entworfen hat. Im ersten Brief trägt der Apostel 
Sorge für die Aufrechterhaltung der Ordnung und einer guten 
Regierung im Hause Gottes; im zweiten dagegen setzt er die 
Zunahme des Bösen in einer Ausdehnung voraus, daß er nur 
noch in einem Gleichnis auf das Haus anspielt. „Doch der 
feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr 
kennt, die Sein sind, und: Jeder, der den Namen des Herrn 
nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!" Hier haben wir die 
beiden großen Grundsätze, denen wir überall in dem Worte 
Gottes begegnen, nämlich einerseits die Unumschränktheit des 
Herrn, und andererseits die Verantwortlichkeit. Dann folgt 
eine mehr ins Einzelne gehende Anwendung: „In einem großen 
Hause aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, 
sondern auch hölzerne und irdene; und die einen zur Ehre, die 
anderen aber zur Unehre". Timotheus mußte auf die Entwicklung des Bösen unter denen, welche Christum nicht „zur Ehre", 
131 
sondern „zur Unehre" bekennen, vorbereitet werden. „Wenn 
sich nun jemand von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur 
Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten 
Werke bereitet". 
Trennung vom Bösen ist der unwandelbare Grundsatz Gottes, 
obwohl er je nach dem Charakter der Haushaltung Gottes in 
verschiedener Weise zur Ausübung kommen mag. „Tut den 
Bösen von euch selbst hinaus", heißt es In i. Kor 5; wenn 
dieses aber nicht mehr länger möglich ist, so muß man sich 
selbst von dem Bösen reinigen. Es gibt nichts, was der Mensch 
mehr fühlt und fürchtet. Und kein Wunder; denn sobald 
jemand in dieser Beziehung nach seiner Überzeugung handelt, 
muß er erfahren, daß sich honigsüße Freundschaft in gallenbittere Feindschaft verwandelt; und der Wunsch, um jeden 
Preis Gott zu gefallen, wird als pharisäischer Stolz und hochmütige Absonderung betrachtet. Mit welcher Sanftmut und 
Höflichkeit man sich auch von den Gefäßen der Unehre trennen mag — nichts kann ihren Groll und ihren Ärger besänftigen; immer bleibt es in ihren Augen eine verwerfliche Sache 
und eine unverzeihliche Beleidigung. Und das tritt um so mehr 
zu Tage, je bescheidener man dabei zu Werke geht; vorausgesetzt, daß die Sache gründlich ist, und daß nicht täuschende 
Gefühle dabei leiten, sondern nur der Wunsch vorhanden ist, 
Christo mit glücklichem Herzen ganz unterworfen zu sein. 
Beachten wir indessen, daß es sich in 2. Tim 2 um die Trennung von der religiösen oder christlichen Welt handelt. Die 
„christliche Welt" — welch ein Ausdruck! Welch ein Widerspruch! Als wenn auch nur die entfernteste Möglichkeit einer 
Verbindung zwischen dem von dem Himmel, von Christo 
stammenden Christentum und der Welt, welche Ihn gekreuzigt 
hat, stattfinden könnte! Kein Wunder, daß wir in diesem Brief 
von schweren Zeiten in den letzten Tagen lesen. Und diese 
Zeiten sind um so schwerer, weil die Menschen, nachdem sie 
die Wahrheit erkannt haben, wieder zu dem Zustand des 
Bösen, in dem sich die heidnische Welt vor der Zeit des Christentums befand, zurückgekehrt sind (vgl. 2. Tim 3 mit Röm 
1). Wie schmerzlich und belehrend ist diese Vergleichung! Das 
christliche Bekenntnis ist in diesem Zustand der Dinge fürwahr 
132 
ein großes Haus, in dem alles gefunden wird, was sowohl für 
die schlechtesten, als auch für die besten Zwecke bestimmt ist. 
Es ist das große Haus, das den Namen Christi trägt, oder, 
wenn man will, die „christliche Welt" genannt werden kann. 
Was hat der Gläubige unter solchen Verhältnissen zu tun? 
Einige sagen: „Man darf über das große Haus nicht zu streng 
urteilen; denn da das christliche Bekenntnis noch vorhanden 
ist und Christus gepredigt wird, so ist doch noch etwas Gutes 
da". Aber, erwidere ich, könnte man wohl etwas Böses in 
der Welt finden, das nicht mit irgendeinem schönen 
Namen geschmückt wäre? Die wichtige Frage in diesen Umständen ist nicht, ob hier und da noch etwas Gutes vorhanden 
ist, sondern einfach: Was ist der Wille des Herrn? Wir haben 
nicht dafür Sorge zu tragen, daß andere in unserem Lichte 
wandeln, sondern dafür, daß wir nicht in ihrer Finsternis wandeln. Der wesentliche Punkt ist nicht, daß wir uns mit anderen 
beschäftigen und ihnen bezüglich dessen, was sie zu tun haben, 
Vorschriften machen, sondern daß wir unsere eigene und 
unsere gemeinsame Sünde fühlen und durch die Gnade entschlossen sind, den Herrn um jeden Preis zu ehren und Ihm 
zu gehorchen. Das ist klare und gebieterische Pflicht eines 
jeden Gläubigen, der unbeugsame, unserem Geiste sich empfehlende Grundsatz der Schrift. Es ist möglich, daß irgendeiner 
meiner Leser nicht demgemäß handelt; aber nichtsdestoweniger 
kann er nicht leugnen, daß er so handeln sollte. Ich gebe zu, daß 
es Schwierigkeiten und Verbindlichkeiten gibt. Mancher hat 
Familienmitglieder oder Freunde, die er nicht betrüben möchte, 
oder Hoffnungen, wenn auch nicht für sich selbst, so doch für 
seine Kinder. Aber kann ein durch der. Glauben gereinigtes 
Herz um deswillen das Wort des Herrn beiseitesetzen? Dürfen 
wir dem Gedanken Raum geben, daß der Herr unsere Bedürfnisse nicht kenne und kein Gefühl für unsere Familie habe? 
Wenn wir wissen, daß Er uns liebt, können wir Ihm dann nicht 
bezüglich eines Bissen Brotes Vertrauen schenken? Wenn wir 
Ihm in bezug auf das ewige Leben und den Himmel vertrauen, 
so sollten wir sicherlich auch voraussetzen, daß Er hinsichtlich 
der Prüfungen und Schwierigkeiten des täglichen Lebens Sorge 
für uns trägt. Wir dürfen uns nicht einbilden, daß wir mehr 
Weisheit, Liebe und Fürsorge für unsere Familie haben als der 
133 
Herr. Laßt uns nicht für den nächsten Schritt sorgen, denn es 
ist nicht die Weise des Herrn, uns alles auf einmal zu zeigen; 
sondern laßt uns für den Augenblick nach Seinem Worte 
handeln und Ihm die Folgen anheimstellen. Er ist unseres Vertrauens würdig und wird mehr geben, als wir für den ersten 
Schritt bedürfen. Jedoch müssen wir für immer verlassen, was 
durch das Wort Gottes verurteilt ist. „Gedenket an Lots Weib", 
und schauet nicht zurück, sondern folget Seinem Worte, wohin 
es auch führen mag; und ihr werdet stets das Wort: „Wer da 
hat, dem wird gegeben werden", bestätigt finden. Freilich 
macht es in unseren Augen einen großen Unterschied, ob der 
Weg rauh oder eben, dunkel oder hell ist, und ob die Schwierigkeiten groß oder klein sind; jedoch die größten Schwierigkeiten bieten nur eine Gelegenheit, um ans Licht zu stellen, 
wer der Gott ist, Den wir gefunden haben. 
Dann sehen wir in dem weiteren Verlauf unseres Kapitels, 
daß wir uns nicht allein von den Gefäßen der Unehre zu 
trennen haben, sondern es heißt auch: „Die jugendlichen Lüste 
aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, 
Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen". 
Es gibt also keine Entschuldigung für solche, die sagen: „Ich 
lasse mich auf nichts ein und bleibe für mich". Wir müssen 
allem, was der Schrift entgegen ist, den Rücken wenden. Es 
bedarf sicherlich keines Beweises für irgendeinen Christen, daß 
das, was schriftwidrig ist, auch unheilig ist. Es ist aber höchst 
betrübend, wenn man Christen mit den Worten drängen muß: 
„Wer da weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es 
Sünde". Wenn du das was die Schrift nicht gestattet, sondern 
verurteilt, verlassen hast, dann achte auf das Wort: „Strebe 
aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden". Strebe danach, und zwar nicht gleich einem Einsiedler, sondern in Verbindung mit denen, „die den Herrn anrufen aus reinem Herzen", und wäre es auch in Verbindung mit nur „zweien oder 
dreien". O, welch ein Trost! Schrecken wir nicht zurück vor 
einer so geringen Zahl, die Gott ohne Zweifel zu Hunderten 
und Tausenden anwachsen lassen kann. Aber das ist Seine 
Sache. Unsere Aufgabe ist, den Pfad des Herrn mit Freude und 
Dankbarkeit und mit einem lauteren und demütigen Herzen 
nach Seinem Worte zu verfolgen, auch wenn Wir nur wenige 
134 
finden, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen. Der Glaube 
hat die göttliche Bürgschaft, auf seinem Pfade Gefährten zu 
finden, obgleich der Pfad zwischen den Trümmern des christlichen Bekenntnisses hindurchführt. Schrecken wir deshalb vor 
keinem Hindernis, vor keiner Gefahr zurück, sondern laßt uns 
stets daran denken, daß der Herr es ist, der so gnädiglich an 
uns gedacht hat. O, möchten wir doch alle, die wir Seinen 
gesegneten Namen lieben, ein unbegrenztes Vertrauen auf Ihn 
setzen! Er Selbst wendet Sich an die Herzen derer, die inmitten 
der Verunehrung Seiner Gnade und Wahrheit betrübt sind, 
um ihnen auf die deutlichste Weise den Pfad, nicht allein der 
Trennung, sondern auch der Verbindung zu bezeichnen — den 
Pfad, der nicht nur vom Bösen ab-, sondern auch zum Guten 
hinführt. 
Wie klar ist der große sittliche Grundsatz Gottes trotz aller 
Unordnung geblieben! Die Wirkungen Seiner Gnade überdauern den ganzen Verfall. Wenn auch Tausende von Christen 
sich zu irgendeiner Partei vereinigen, so vermögen sie doch 
nicht das Grundübel ihres Systems zu heilen; denn obwohl sie 
Glieder Christi sein mögen, so haben sie doch den Grundsatz 
der Versammlung in ihrer wahren Verfassung verlassen. Wenn 
hingegen „zwei oder drei", oder wie viele und wenige ihrer 
sein mögen, nach dem Worte des Herrn Seinen Namen zu 
ihrem Mittelpunkt machen, die Gegenwart des Geistes Gottes 
anerkennen und Seiner Leitung unterworfen sind, so führen 
sie, und nur sie, die Gedanken Gottes aus. Mögen auch zehntausend wahre Christen sich vereinigen, so stellen sie dennoch 
nur dann die Versammlung Gottes dar, wenn sie allein im 
Namen Jesu zusammenkommen. Der Unterschied ist, daß wir 
uns nicht versammeln im Namen von Christen, sondern im 
Namen Christi. In dem ersten Fall haben wir kein Recht, einen 
unlauteren Christen zurückzuweisen, während im zweiten Fall 
die entscheidende Frage gilt: „Ruft er den Herrn an aus reinem 
Herzen?" 
Der Herr wolle uns geben, mit Ausdauer und mit einem demütigen Herzen dazustehen, wo Er uns haben will, und im 
Vertrauen auf Ihn alle Befürchtungen und Besorgnisse schwinden zu lassen! Denn wenn der Herr unser Helfer ist, was 
135 
hätten wir dann noch zu fürchten? Er, Der allein würdig ist, 
der Mittelpunkt aller Heiligen auf der Erde zu sein, hat in 
Seiner unendlichen Gnade verheißen, Selbst dann in der Mitte 
zu sein, wenn auch nur „zwei oder drei versammelt sind in 
Seinem Namen". 
Wir sind dem Gesetz gestorben 
„Ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß ich 
Gott lebe" (Gal 2, 19). Dies ist vor allem in unsern Tagen ein 
wichtiges Wort. Die Anwendung dieser hier vorgestellten 
Wahrheit wird uns vor zwei Irrtümern bewahren, nämlich vor 
Gesetzlichkeit und vor Gesetzlosigkeit. Wenn ich diese beiden 
Irrtümer miteinander vergleiche, oder wenn ich gezwungen 
wäre, einen von beiden zu wählen, so würde ich ohne Zweifel 
dem ersten den Vorzug geben. Ich sehe viel lieber jemanden, 
der sich unter die Autorität des Gesetzes Moses beugt, als 
jemanden, der gesetzlos und leichtsinnig seinen Weg geht. Ich 
weiß wohl, daß die Forderungen des Gesetzes, die an den in 
Sünden toten Menschen gestellt werden, nicht erfüllt werden 
können, und daß das Gesetz nichts als Fluch und Verdammnis 
in seinem Schöße birgt; ich weiß wohl, daß das Gesetz mit dem 
Evangelium der Gnade in vollem Widerspruch steht, dennoch 
habe ich eine größere Achtung vor jemandem, der, weil er nichts 
weiter als Moses sehen kann, durch die Vollbringung des Gesetzes seinen Wandel in dieser Welt zu regeln trachtet, als vor 
jemandem, der dieses Gesetz verachtet, um sich selbst zu leben. 
Gott sei Dank! das Evangelium gibt uns ein Heilmittel gegen 
beide Irrtümer. Doch auf welche Weise? Wird mir gesagt, daß 
das Gesetz gestorben sei? Keineswegs. Das Evangelium belehrt 
mich, daß ich, weil ich an den Herrn Jesum glaube, gestorben 
bin. „Ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben". Und zu 
welchem Zweck? Um mir selbst zu leben? Um meinen eigenen 
Willen zu tun und meinen Vergnügungen nachzujagen? Durchaus nicht, sondern auf daß ich Gott lebe. 
136 
' Das ist eine Hauptwahrheit des Christentums, eine Wahrheit, 
ohne die wir nicht wissen, was Christentum ist. Dasselbe finden wir in Röm 7: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem 
Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines 
andern zu werden, des aus den Toten Auferweckten, auf daß 
wir Gott Frucht brächten" (V. 4). Und wiederum: „Nun aber sind 
wir vom Gesetz losgemacht, weil wir dem gestorben sind, in 
welchem wir festgehalten wurden, so daß wir dienen in dem 
Neuen des Geistes, und nicht in dem Alten des Buchstabens" 
(V. 6). Bemerken wir es wohl, daß wir dienen, und keineswegs 
uns selber leben müssen. Wir sind von dem unerträglichen 
Joch des Gesetzes erlöst, um das „sanfte Joch" Christi zu 
tragen, nicht aber um unserer Natur Folge zu leisten. Deshalb 
schreibt auch der Apostel an die Galater: „Ihr seid zur Freiheit 
berufen, Brüder; allein gebraucht nicht die Freiheit zu einem 
Anlaß für das Fleisch, sondern durch die Liebe dienet einander" (Kap. 5, 13). 
Die Art und Weise solcher Menschen, die sich auf gewisse 
Grundsätze des Evangeliums berufen, um dadurch für die 
Befriedigung des Fleisches einen scheinbaren Rechtsboden zu 
finden, ist für ein ernstes Gemüt anstößdg. Sie suchen, sich der 
Autorität des Gesetzes zu entziehen, jedoch nicht, um sich 
unter die Autorität Christi zu stellen, sondern um nach ihren 
eigenen Lüsten zu leben. Eitles Bemühen! Das kann nie auf 
Grund der Wahrheit geschehen; denn nirgends wird in der 
Schrift gesagt, daß das Gesetz gestorben oder beiseitegesetzt 
ist, wohl aber, daß die Gläubigen dem Gesetz und der Sünde 
gestorben sind, auf daß ihre „Frucht zur Heiligkeit, das Ende 
aber ewiges Leben" sei. 
Wir legen diesen so wichtigen Gegenstand auf das Herz unserer 
Leser. Sie werden ihn in Röm 6 und 7 und in Gal 3 und 4 
gründlich entwickelt finden. Ein richtiges Verständnis dieser 
Wahrheit wird uns über tausend Schwierigkeiten hinweghelfen 
und vor zahllosen Irrwegen bewahren. Möge das Wort Gottes 
eine vollkommene Macht auf unser Herz und unser Gewissen 
ausüben! 
137 
Unsere wahre Stellung 
Der Übergang über den Jordan war für die Kinder Israel die 
Erfüllung der von Gott dem Mose gegebenen Verheißung, sie, 
das Volk Gottes, aus der Hand der Ägypter zu befreien und in 
ein gutes, gesegnetes Land — „in ein Land von Milch und 
Honig fließend" — zu führen. Gott hatte sich ihrer erbarmt 
und Er war in Gnaden zu ihnen herniedergekommen und hatte 
aus ihrer Mitte einen Mann zu ihrer Leitung und Führung 
gewählt. Wie tröstend mußte für die armen, unterjochten 
Israeliten die Kunde sein, daß sie bald aus ihren Leiden, aus 
allem Elend erlöst, ein Land betreten würden, wo alle ihre 
Bedürfnisse befriedigt und jeder Schmerz gestillt sein sollte! 
Und, geliebter Leser, befinden wir uns nicht in einem ähnlichen 
Verhältnis? Hat Gott nicht verheißen, uns bald in ein Land, 
weit herrlicher und schöner als das irdische Kanaan, einzuführen, in ein Land, wo wir weder Schmerz noch Trauer noch 
Tränen, sondern wo wir ewige Freude finden werden? Hat Er 
nicht gesagt, daß jeder, der an den Sohn glaube, in Ewigkeit 
nicht verloren sei? Weshalb sollten wir uns denn noch fürchten? Ist Sein Wort nicht völlig genügend für uns? Oder soll 
ein anderer es noch bestätigen? Nein, Sein Wort steht ewig 
fest; Er kann nicht lügen. Er liebte uns, bevor wir noch an Ihn 
dachten. Er erwies Seine Liebe darin gegen uns, daß Christus, 
Sein geliebter Sohn, für uns gestorben ist, da wir noch Sünder 
waren. Es ist nicht die Frage, was du darüber denkst, sondern 
was die Gedanken Gottes sind. Gott sagt, daß das Werk Christi genug für dich sei; möchtest du nun durch deinen Unglauben Gott zum Lügner machen? Nein, der Herr wolle vielmehr 
geben, daß du dich auf das vollbrachte Werk Christi völlig 
stützen möchtest und Dein Herz von jener Freude erfüllt sei, 
welche die Welt nicht kennt. 
Ja, Gott hatte das Geschrei Seines Volkes gehört; und jetzt 
befand es sich in der Wüste. Das Rote Meer war durchschritten. 
Die Kinder Israel hatten die Macht und die Liebe ihres Gottes 
geschaut, und alle ihre Feinde waren vernichtet. Der Weg zum 
verheißenen Lande stand ihnen offen; alles war für sie in 
138 
Ordnung gebracht; sie bedurften nur des Glaubens, um von 
allem Besitz zu nehmen. Ebenso verhält es sich mit uns. Der 
Weg ist uns geöffnet; denn Christus starb am Kreuze. Nichts 
steht uns mehr im Wege; denn Christus hat unsere Sünden 
auf dem Kreuz getragen. Er hat die Sünde zunichte gemacht, 
und alles ist vollbracht. 
Der Jordan war, sozusagen, die letzte Schranke, wodurch die 
Israeliten von den ihnen von Jehova bereiteten Segnungen getrennt waren. (Siehe Jos 3, 3—4 u. 15—17). Alles hat Jehova 
bereits angeordnet; und das Volk wurde aufgefordert, den Befehlen seines Gottes im Glauben nachzukommen. So ist es auch 
jetzt für uns eine Sache des Glaubens, daß alles vollbracht ist. 
Christus, die wahre Lade des Bundes Jehovas, ist für uns in den 
Tod gegangen. Bevor Er diese Welt verließ, konnte Er die 
Worte sagen: „Das Werk habe ich vollbracht, welches du mir 
gegeben hast, daß ich es tun sollte". — Ja, Gott sei gepriesen! 
Christus hat uns den Weg völlig geöffnet; und wenn du dich, 
mein christlicher Leser, dessen nicht erfreust, so hat das seinen 
Grund darin, daß du dein Auge nicht auf Ihn gerichtet hast. 
Wie aber kannst du noch länger so furchtsam und ungewiß 
deinen Weg fortsetzen, da Er doch stets bereit ist, uns glücklich 
zu machen, und es Sein Wunsch ist, daß wir schon hier auf 
Erden uns freuen und Ihn also verherrlichen! 
Laßt uns wohl darauf achten und es ernstlich erwägen, daß 
sich der Weg nicht erst später, wenn die finsteren Wasser des 
Todes zu unseren Füßen rollen, öffnen wird — nein, er ist 
bereits geöffnet. Wenn eine Seele dieses nicht versteht und nicht 
einsieht, so kann sie unmöglich glücklich sein und wird sich 
sehr oft vor dem Tode fürchten. Wenn hingegen das Auge 
auf die Lade des Bundes, auf Christum, gerichtet ist, so sieht 
sie den Weg offen und ist sich ihrer Errettung ebenso gewiß, 
wie Stephanus, oder wie Paulus es war. Es gibt in Wahrheit 
keine einzige Schranke auf der Seite Gottes zwischen Seinem 
Thron und den Gläubigen. Nur unser eigenes Ich steht uns 
im Wege, wenn wir uns nicht als mit Christo gestorben und 
vom Gericht befreit betrachten. Was sagt die Schrift? Sie sagt 
es geradezu, daß ich mit Ihm gestorben bin, und zwar jetzt 
schon, während ich noch auf der Erde wandle. Wenn aber 
139 
jemand behaupten wollte, daß der Weg sich erst bei unserem 
Tode öffnen werde, so wäre er folglich jetzt noch nicht geöffnet, und es müsse in diesem Falle noch etwas von Christo vollbracht werden. Wer könnte je einem solchen Gedanken Raum 
geben! 
Vielleicht sagst du: „Ich fürchte mich nicht vor dem Gericht, 
aber ich fürchte den Tod", — Aber auch dann siehst du nicht 
auf Christum, Der für jeden Gläubigen, er mag stark oder 
schwach sein, den Tod auf Sich genommen und überwunden 
hat. Stephanus schaute über den Tod hinaus in die Herrlichkeit, 
wo Jesus zur Rechten Seines Vaters stand. Und wer hatte ihm 
diesen Weg gezeigt? Hatte Er es Selbst getan? Nein; Jesus war 
es, Der ihm den Weg geöffnet hatte, und daher konnte er mit 
Ruhe und mit einem auf den Herrn gerichteten Blick in den 
Tod gehen; ja mit dem Ausruf: „Herr Jesu, nimm meinen 
Geist auf!" konnte er zugleich für seine Feinde beten: „Herr, 
rechne ihnen diese Sünde nicht zu". 
Das Evangelium hat nicht nur den Zweck, uns aus unsern 
Ängsten zu bringen und uns aus unserem elenden Zustande 
zu befreien; o nein — es verkündigt uns noch weit mehr; es 
sagt uns, daß wir uns Seiner ewigen unerschöpflichen Liebe 
erfreuen und mit Ihm die innigste Gemeinschaft pflegen dürfen; es sagt uns, daß wir mit Christo gestorben und auferweckt sind und jetzt von dem himmlischen Kanaan, wo Christus ist, Besitz nehmen können. 
Sicher wirst du nie wahre Ruhe für dein Herz und dein Gewissen haben können, solange du nicht die wunderbaren, 
köstlichen Gedanken Gottes bezüglich der Seinigen einigermaßen verstehst. Aus freier, vollkommener Gnade sandte Gott 
Seinen einzigen, vielgeliebten Sohn, damit Er das Werk der 
Erlösung auf dieser Erde vollbringe und Gott bestätigte dieses 
Werk dadurch, daß Er Ihn aus dem Tode, den Er zur Befriedigung der Gerechtigkeit Gottes erduldete, wieder auferweckte. 
Der Herr wolle in deinem Herzen, geliebter Leser, eine klare 
Erkenntnis des vollbrachten Werkes Christi wirken, auf daß du 
dich einer wahren Glückseligkeit erfreuen mögest, und der 
Name des Herrn dadurch verherrlicht werde! 
140 
Unter Gnade 
(Röm 3. 14) 
Es geht oft lange Zeit darüber hin, ehe man völlig versteht, 
was es heißt, unter Gnade zu sein. Und auch selbst dann, 
wenn wir diese Lehre mit unserem Verstände klar aufgefaßt 
haben, ist für uns nichts so schwer, als uns in der Gnade zu 
halten. Die Gnade ist nicht nur eine dem Sünder zuteil gewordene Barmherzigkeit, die ihn gerettet und seine Sünden hinweggenommen hat, sondern sie ist eine Macht, unter die er 
gestellt ist, und demzufolge er nicht allein von seinen Sünden, 
sondern auch von der Sünde befreit ist. Er ist nicht nur von den 
Folgen der Sünde bezüglich des zukünftigen Gerichts, sondern 
auch von der Sünde selbst, als einer Natur gerettet, welche 
ihn in einem Zustande der Knechtschaft gefangen hielt. „Die 
Sünde wird nicht über euch herrschen; denn ihr seid nicht unter 
Gesetz sondern unter Gnade" (Röm 6, 14). Der Apostel spricht 
hier zu Gläubigen aus den Nationen, welche nicht unter dem 
Gesetz waren, sondern vor ihrer Bekehrung einfach gesetzlos, 
ihrer sündigen Natur gemäß, in der Entfernung von Gott 
lebten. Und auch nach ihrer Bekehrung wurden sie nicht in 
solch ein religiöses System eingeführt, in dem sich die Juden 
befanden, und welches diese, obwohl es sie äußerlich von den 
Nationen trennte, dennoch ebenso, ihrem Herzenszustand nach, 
unter der Macht der Sünde ließ, unter welcher auch die Nationen gefangen lagen. 
Unter dem jüdischen System gab es zwar Opfer für die Sünden 
und mithin eine Vergebung der Sünden; aber in betreff der 
Sünde selbst, als einer Natur, gab es keine Befreiung. Zwar 
war ein Gesetz zu dem Zwecke gegeben worden, um dadurch, 
wenn es möglich gewesen wäre, der Sünde Zügel anzulegen 
und die Wirksamkeit der Sünde zu verhindern; aber die ganze 
Geschichte der Juden bis zum Kreuze des Herrn hin ist die 
Geschichte einer Natur, welche zur Genüge — besonders bei 
Gelegenheit des Kreuzes — gezeigt hat, daß sie in keiner Weise 
durch irgendein ihr auferlegtes Gesetz im Zaum zu halten ist. 
141 
überdies wurden die Opfer selbst, abgesehen von ihrer vorbildlichen Tragweite durch die Übertretung des Gesetzes wirkungslos, weil der Fluch des Gesetzes, nachdem es gebrochen 
war, den Übertreter unvermeidlich beseitigen mußte, wie wir 
dieses in dem gegenwärtigen Zustande Israels klar sehen können. Die Opfer berührten, wie gesagt, die Frage bezüglich der 
Sünden, waren aber keineswegs zur Wegnahme der Sünde, als 
einer Natur, gegeben, obwohl die Beobachtung des Gesetzes 
zu dem Zweck geboten war, um die Wirksamkeit der Sünde zu 
verhindern. Da nun aber dieser Zweck nicht erreicht wurde, so 
mußte notwendigerweise die Gerechtigkeit Gottes den Sünder 
richten; und alle die vorhergegangenen Opfer erwiesen sich 
als nutzlos. Ein religiöses System, bei dem die Segnung durch 
die Beobachtung des Gesetzes bedingt ist, ist für den Menschen 
als Sünder — sei er Jude, oder Heide — nicht allein nutzlos, 
sondern auch nachteilig, weil es ihn unter eine um so größere 
Verantwortlichkeit stellt, ohne ihm die nötige Kraft zur Beobachtung des Gesetzes zu geben. Ja, noch schlimmer als dieses 
— es verhärtet ihn in der Sünde, indem ihre Kraft durch die 
Anlegung eines Zügels um so mehr hervorgerufen und der 
Mensch dadurch noch vollständiger unter ihre Macht gebracht 
wird. Nach der Weisheit Gottes war das Gesetz dem Menschen 
nicht als ein Grund der Segnung, sondern als ein Mittel gegeben, um seinen wahren Zustand vor Gott ins Licht zu stellen 
und das Bedürfnis nach Erlösung in ihm zu erwecken. Das 
Gesetz gab weder das Leben, noch die Gerechtigkeit, sondern 
forderte die Gerechtigkeit, kraft deren Erfüllung man das Leben 
genießen konnte. „Der, welcher diese Dinge getan hat, wird 
durch sie leben" (Gal 3, 12). Das Gesetz ist für den Menschen 
als Sünder in seiner Natur die „Kraft der Sünde" (1. Kor 15, 
56), während es für eine lebendiggemachte Seele die Erkenntnis der Sünde bewirkt, wie der Apostel sagt: „Aber die Sünde 
hätte ich nicht erkannt, als nur durch Gesetz. Denn auch von 
der Lust hätte ich nichts gewußt, wenn nicht das Gesetz gesagt 
hätte: Laß dich nicht gelüsten" (Röm 7, 7). Die Sünde wird 
durch das Gesetz „überaus sündig". 
Das Opfer Christi auf dem Kreuze ist der Ausgangspunkt der 
Gnade und die feierliche Einführung des Christentums, indem 
wir durch unsere Teilnahme an dem Tode Christi unter die 
142 
Gnade gestellt sind. Durch die Taufe im Namen Jesu sind wir 
in Seinen Tod getauft und also mit Ihm, Der aus den Toten 
auferstanden und in Macht zur Rechten Gottes erhöht ist, in 
Verbindung gebracht. „Die Gnade herrscht durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesum Christum, unseren 
Herrn" (Röm 5, 21). Wir können nur unter der Gnade sein, 
indem wir in Christo Jesu sind; und wir sind nur in Christo 
in Gnaden durch die Teilnahme an Seinem Tode. „Wenn das 
Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; 
wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht" (Joh 12, 24). Nicht 
nur erwies sich das Judentum mit seinen Opfern und Satzungen nutzlos für den Menschen, sondern sogar die Menschwerdung Christi konnte dem Menschen an und für sich nichts 
nützen und ihn ebensowenig zu Gott führen, wie das Judentum. Ein lebendiger und ins Fleisch gekommener Christus blieb 
allein. Um andere mit Sich in die Segnungen einzuführen, 
mußte Er sterben, wie Petrus sagt: „Der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führe" (1. Petr 3, 18). Nicht 
so sehr die Menschwerdung Christi, als vielmehr die Wahrheit 
des Kreuzes war für die Juden der Stein des Anstoßes. Wir 
lesen, daß die Juden untereinander stritten und sagten: „Wie 
kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? Da sprach Jesus 
zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß 
ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esset, und sein Blut 
trinket, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch 
ißt und mein Blut trinkt, hat das ewiige Leben, und ich werde 
ihn auferwecken am letzten Tage" (Joh 6, 52—54). 
Wir können in unseren Tagen, wo eine fleischliche Formreligion ihr Haupt zu erneutem Widerstände gegen Christum erhebt, nicht entschieden genug auf der Grundwahrheit bestehen 
daß wir nur durch die Teilnahme an dem Tode Christi in den 
Besitz der Segnungen, mit anderen Worten, „unter Gnade" 
gelangen können. Außerhalb der Gnade ist alles unter dem 
Gericht; denn dort „herrscht die Sünde zum Tode". Unter die 
Gnade gebracht, befinden wir uns außerhalb der Sünde und 
ihrer Folgen. Das ist mehr, als Vergebung der Sünden zu haben; 
und wir sehen hier den offenbaren Gegensatz zwischen dem 
Christentum und dem Judentum. Das Judentum war wohl mit 
einer teilweisen Sündenvergebung bekannt, befand sich aber 
143 
vollständig unter der Knechtschaft der Sünde, obwohl ihm das 
Gesetz als eine Schranke gegen die Sünde gegeben war. Die 
Gnade führt uns eine doppelte Segnung zu — sowohl die Befreiung von der Sünde als einer Natur, als auch die Vergebung 
der Sünden als den Früchten dieser Natur; sie ist mithin, 
bezüglich der Sünde und der Sünden, der Ausfluß der doppelten Tragweite des Opfers Christi. Christus hat durch Seinen 
Tod auf dem Kreuze sowohl die Sünde hinweggenommen, als 
auch die Sünden derer getragen, welche glauben. Denn wenn 
Er nur unsere Sünden getragen und beseitigt hätte, so würde 
Er uns dadurch praktisch auf denselben Boden gestellt haben, 
auf welchen die Opfer des Judentums die Juden stellten. Die 
Natur der Sünde wäre geblieben und somit die Macht, entweder unser ganzes Leben in Gesetzlosigkeit zuzubringen, 
damit die Gnade überströme, oder sich unter den Zügel gesetzlicher Vorschriften zu stellen, dessen Resultat die reine Knechtschaft der Sünde gewesen wäre. Das 6. Kapitel des Römerbriefes begegnet dem ersten dieser beiden Zustände, in welchen 
die Gläubigen aus den Nationen in Gefahr standen, hineinzufallen, da sie nie unter Gesetz waren, während der zweite 
Zustand mehr den Gläubigen aus den Juden drohte, wovon 
das 7. Kapitel uns ein Gemälde liefert. In beiden Fällen ist die 
Sünde herrschend, obwohl die Möglichkeit der Vergebung vorausgesetzt ist. 
Wir bedürfen also nicht bloß der Vergebung der Sünden, sondern auch der Befreiung von der Sünde selbst. Und diese 
haben wir durch das Kreuz. „Denn daß er gestorben ist — er 
ist ein für allemal der Sünde gestorben" (Röm 6, 10); und wiederum: „Das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch 
kraftlos war, tat Gott, indem er seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die 
Sünde im Fleische verurteilte" (Röm 8, 3). Die Sünde selbst 
hat in dem Tode Christi ihr Ende gefunden; und also besitzen 
wir durch die Gnade im Gegensatz zum Judentum beides — die 
Befreiung von der Sünde und die Vergebung der Sünden. Die 
erste dieser gesegneten Wahrheiten ist, sozusagen, die Grundlage des Christentums, und die zweite die daraus entspringende notwendige Folge. Der Gläubige wandelt, nachdem er 
bildlich durch die Taufe an dem Tode Christi teilgenommen 
144 
hat, in Neuheit des Lebens. „Indem wir dieses wissen, daß 
unser alter Mensch mitgekreuzigt ist, auf daß der Leib der 
Sünde abgetan sei, daß wir der Sünde nicht mehr dienen; denn 
wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde" (Röm 6, 
6. 7). Der Gläubige ist mit Christo dem ganzen Zustande des 
Lebens im Fleische, in dem er sich als ein Kind Adams befand, 
abgestorben. So lange er im Fleische war, war er moralisch 
lebendig unter dem Gesetz; „denn das Gesetz herrscht über 
den Menschen, so lange er lebt". Aber gestorben mit Christo, 
ist er nicht nur der Sünde gestorben, sondern auch „getötet 
worden dem Gesetz durch den Leib des Christus", so daß er 
sowohl dem Gesetz, als auch der Sünde gestorben ist. Der 
Apostel sagt: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen; 
denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade" (Röm 
6, 14); und: „Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue 
Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden. Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt 
hat durch Jesum Christum" (2. Kor 5, 17. 18). Dies ist der 
Zustand jedes wahren Gläubigen und das Ergebnis des Werkes 
Gottes in unumschränkter Gnade. Es handelt sich hier nicht um 
Erfahrungen, sondern um eine Tatsache, die wahr ist und wahr 
bleibt. Wir wandeln durch Glauben und nicht durch Gefühle, 
wie wir auch gerettet sind durch Glauben und nicht durch Gefühle. 
Wir werden nun aufgefordert, uns für tot zu halten und 
„festzustehen in der Gnade unseres Herrn Jesu Christi". Was 
auch unsere Erfahrungen sein mögen — wir sind, als Gläubige 
in Christo, mit Ihm gestorben und auferstanden; und Gnade, 
nichts als Gnade ist es, in der wir vor Gott stehen. Und indem 
wir also in der Gnade wandeln, haben wir nicht nur ein durch 
das Blut Christi gereinigtes Gewissen, die Vergebung der 
Sünden, sondern wandeln auch in praktischer Heiligkeit außer 
der Macht der Sünde; und die Gnade herrscht sowohl in praktischer Gerechtigkeit, als auch in unserer praktischen Stellung 
vor Gott. Möge der Gott aller Gnade, mit dem wir es zu tun 
haben, uns, die Gläubigen in Christo, stets in dem Bewußtsein 
dieser Gnade erhalten, damit wir völlig verstehen mögen, was 
es heißt, nicht „unter Gesetz", sondern „unter Gnade" zu sein. 
145 
Die Verantwortlichkeit 
Um ein klares Verständnis bezüglich des Platzes zu haben, 
den der Mensch als eine Kreatur vor Gott einnimmt, ist es 
nötig, ihn da, wo wir ihn zuerst finden, nämlich in Eden, zu 
betrachten, und von hier aus die Veränderung, welche mit ihm 
stattgefunden hat, sowie den Boden der Verantwortlichkeit, 
auf dem er sich jetzt befindet, ins Auge zu fassen. 
Zunächst finden wir also den Menschen in Eden, und zwar im 
Besitz der vollständigen Herrschaft über die Erde mit allem, 
was darauf und darinnen ist. Er besaß weder die Heiligkeit, 
noch die Gerechtigkeit, sondern war einfach ein unschuldiges 
Geschöpf (1. Mo 1, 26—29)
 un ^ als solches im Besitz der Herrschaft. Seine Verantwortlichkeit finden wir jedoch erst in dem 
ihm gegebenen Gebot (Kap. 2, 16—17) klar ausgedrückt. Während er in vollem Maß nach den ihm verliehenen Freiheiten in 
vollkommener Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen 
handelte und von allem, was Gott für ihn bestimmt hatte, 
einen freien Gebrauch machte, tat er nicht seinen eigenen 
Willen, sondern war völlig gehorsam. Ein Kind ist erst dann 
ungehorsam, wenn sich sein kleiner Wille im Widerspruch 
gegen den Willen der Eltern erhebt. Die Kreatur hatte einen 
Willen, dem alles hienieden unterworfen war; aber dieser Wille 
mußte rückhaltlos und vollkommen dem höheren Willen unterworfen bleiben. Deshalb war der göttliche Wille der einzige 
geltende Wille. 
Hier aber gab es einen zweifachen Willen; und es war die 
Frage, welcher Wille hier der höchste, und ob der Mensch der 
Ausdruck des göttlichen oder des satanischen Willens sein 
sollte. Wenn die Kreatur ihren eigenen Willen ausübt, so geschieht es in Opposition gegen den Willen Gottes; und da 
Satan die einzige Kreatur war, die dem göttlichen Willen entgegenstand, so wurde der Wille des Menschen, indem er sich 
durch Satan verführen ließ, selbst ein satanischer. Hier handelte 
es sich nicht um die Macht, sondern um die Anwendung der 
Macht. Adam war zwar im Besitz der Macht, aber nicht, um 
146 
sie gegen Gott zu gebrauchen, sondern sie vielmehr dem göttlichen Willen zu unterwerfen. Auch wurde er nicht in ihrer 
Ausübung verhindert, sondern empfing das Gebot, sie einzuschränken. Seine moralische Vollkommenheit bestand daher 
weder darin, daß er nach seinem Belieben handelte noch in der 
Freiheit, also handeln zu können, sondern im einfachen Gehorsam; und schon dadurch, daß er dem Gedanken, nach eigenem Gutdünken handeln zu können, Raum ließ, fehlte er, und 
die Sünde war da. 
Die Verantwortlichkeit gründet sich immer auf ein bestehendes 
Verhältnis. Sie läßt sich nicht feststellen, bevor nicht schon das 
Verhältnis festgestellt ist. So bestand auch bereits das Verhältnis Adams, ehe noch von seiner Verantwortlichkeit die 
Rede sein konnte; und seine Vollkommenheit erwies sich in 
einem diesem Verhältnis entsprechenden Wandel. Er war insofern frei, als er, wie sein Fall es bewies, ungehindert und 
unumschränkt handeln konnte; aber er hatte nicht die Freiheit, 
nach eigenem Gutdünken handeln und seinen eigenen Willen 
tun zu können. Da er keine Maschine war, so war nicht seine 
Macht, wohl aber seine Freiheit, diese Macht gegen den Willen 
Gottes zu gebrauchen, eingeschränkt. Also nach der Stellung, 
dem Verhältnis und der Verantwortlichkeit des ersten Menschen in Eden können wir in Übereinstimmung mit der Lehre 
der Schrift nicht sagen, daß Adam ein moralisch freies Wesen 
gewesen wäre; denn um dieses zu sein, durfte für ihn der 
Unterschied zwischen Gutem und Bösem nicht bestehen. Er 
war geschaffen für das Gute und hatte es nicht zu wählen, und 
das Böse kannte er nicht und konnte es darum nicht wählen; 
aber er kannte den Willen Gottes und war gewarnt, diesen 
Willen bei Todesstrafe nicht zu übertreten. Darin bestand die 
Prüfung, welche den Beweis lieferte, nicht daß die Kreatur 
böse sei, sondern daß sie, sich selbst überlassen, nicht bestehen 
könne. Der Wille Gottes war in jeder Beziehung für den Menschen so lange genügend, als dieser Wille der Gegenstand 
seines Herzens war; aber sobald er ihn aus dem Auge verlor, 
sank er, gleich Petrus auf dem Wasser. Denn auch diesem 
Apostel war, nachdem er gesagt hatte: „Herr, wenn du es bist, 
so befiehl mar, zu dir zu kommen auf dem Gewässer" — von 
Seiten des Herrn durch den Zuruf „Komm"! der göttliche Wille 
offenbar geworden. Und so lange Petrus mit der göttlichen 
147 
Person beschäftigt war und auf den in dem Wörtchen: 
„Komm!" ausgedrückten Willen Gottes achtete, konnte er auf 
dem Wasser wandeln. Dieses kleine Wort war so völlig genügend für ihn, daß er in dessen Kraft, gleich dem Henoch und 
dem Elias, in den Himmel hätte hinaufsteigen können, wenn 
es eine Forderung nach dieser Richtung hin enthalten hätte. 
(Vgl. Ps 33, 6. 9 mit 2. Petr 3, 5.7). Ich spreche selbstredend 
nicht von dem Grundsatz des Glaubens jener Männer, sondern einfach von dem genügenden Wort des göttlichen Willens; denn wir hören erst nach dem Eintritt der Sünde vom 
Glauben reden. 
Der Mensch war in die Gegenwart Gottes gestellt; aber er 
besaß weder eine göttliche Natur, noch göttliches Leben, welches nur aus jener entspringen kann. „Da seine göttliche Kraft 
uns alles in betreff des Lebens und der Gottseligkeit geschenkt 
hat; durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch 
Herrlichkeit und Tugend, durch welche er uns die größten 
und kostbaren Verheißungen geschenkt hat, auf daß ihr durch 
diese Teilhaber der göttlichen Natur werdet, indem ihr entflohen seid dem Verderben, das in der Welt ist durch die Lust" 
(2. Petr 1, 3. 4). Die Stellung Adams war nicht durch den 
Glauben — der, wie wir später sehen werden sozusagen die 
Tätigkeit der neuen oder göttlichen Natur ist — bedingt, wie 
die Stellung Abels und seiner Nachfolger (Hebr n , 4 usw.) 
nach dem Einritt der Sünde es war, sondern war bezüglich des 
Willens von dem Gehorsam abhängig. Alles auf der Erde und 
im Meer war dem Willen der Kreatur unterworfen; aber dieser 
Wille durfte nur der Ausdruck des göttlichen Willens sein. 
Ich wiederhole es daher, daß es in Eden zwei Willen gab; und 
der verbotene Baum war als Prüfstein augenscheinlich der 
Schlüssel zu der Stellung Adams, indem dadurch die Frage 
erhoben wurde, ob der Wille Gottes oder der des Menschen 
der höchste sei. Wir erblicken also in dem Menschen in Eden 
eine Kreatur, die weder Gerechtigkeit noch Heiligkeit und, in 
Ermangelung einer göttlichen Natur, weder göttliches Leben 
noch Glauben besaß, sondern die einfach unschuldig war und, 
im Besitz der Segnungen und mit Macht ausgerüstet, die Herrschaft über alles unter dem Himmel hatte, die aber selbst — 
und durch sie alles unter dem Himmel — unter der Herrschaft 
148 
Gottes stand, und zwar durch einfachen Gehorsam gegen den 
Willen Gottes, ausgedrückt in den Worten: „Von dem Baum 
der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht 
essen; denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes 
sterben" (r. Mo 2, 17). Dann lesen wir weiter: „Es ist nicht 
gut, daß der Mensch allein sei;" und es wurde ihm eine „Hilfe" 
gegeben, welche seine Freude und Verantwortlichkeit mit ihm 
teilen sollte. Doch nach dem unerforschlichen Ratschluß Gottes 
diente diese „Hilfe" dem ersten Menschen zum Verderben, 
wurde aber dadurch zugleich die Gelegenheit zur Entfaltung 
der noch tieferen Ratschlüsse Gottes in der Erlösung, und verlegte den Ausgangspunkt derHandlungen Gottes gegenüber dem 
Menschen von dem Boden der Verantwortlichkeit der Kreatur 
auf den Boden der unumschränkten Gnade. Und gerade in ihr, 
durch welche der Fall herbeigeführt, die Sünde eingedrungen und 
alles unter die Herrschaft des Verderbnisses gebracht war, begann die Hoffnung zukünftiger Segnungen zu dämmern. Augenscheinlich zeigte sich Schwachheit in der Stellung Adams; denn 
er konnte nicht selbständig sein und bedurfte einer „Hilfe". 
Aber offenbar diente diese „Hilfe" — das Zeugnis der Schwachheit Adams — zur Einführung weit erhabener Segnungen, als 
diejenigen waren, welche Adam damals besaß, so daß Eva zugleich der Kanal des Verderbens und der Erlösung, des Fluches 
und des Segens, der Qualen der Hölle und der Herrlichkeiten 
des Himmels wurde — der Kanal irdischen Glanzes bis aufwärts 
zu ewiger Herrlichkeit, sowie auch die Quelle irdischen Kummers und Wehes bis hinab zur ewigen Verzweiflung. Wie 
wunderbar! 
Hier war also Adams schwächste Seite, und eben hier geschah 
der Angriff. Satan schaute weiter als Adam; er strebte nach 
dem Umsturz der Herrschaft Gottes auf der Erde und suchte 
sich der Segnungen Adams zu bemächtigen. Und wie bald 
erreichte er seinen Zweck! Doch Gott schaute weiter als Satan 
und hatte Seine Ratschlüsse schon längst gefaßt, bevor Satan 
seine finstern Pläne ausführte. Gepriesen sei der herrliche 
Name Gottes! Der Untergang der paradiesischen Herrlichkeit 
des ersten Menschen war der Aufgang der ewigen, wolkenlosen 
Herrlichkeit des zweiten Menschen. Nicht daß wir uns über 
den Fall freuen können; o nein, er muß uns vielmehr tief in 
149 
den Staub beugen; aber wir freuen uns in Ihm, Der hoch erhaben über dem Verderben steht. 
Kehren wir indes wieder zu dem Menschen in Eden zurück. 
Wir haben seine Schwachheit und den Kanal seines Verderbens 
gesehen. Laßt uns jetzt sehen, wo der Wendepunkt seines 
Lebens ist, wo seine Unschuld endigt und seine Sünde beginnt. 
„Und die Schlange w|ar listiger, als alles Getier des Feldes, das 
Jehova Gott gemacht hatte; und sie sprach zu dem Weibe: Ist 
es wirklich so, daß Gott gesagt hat: Ihr sollt nicht essen von 
jeglichem Baume des Gartens" (i. Mo 3, 1)? Hier haben wir 
die kühne Einflüsterung, daß eine Liebe, die etwas verboten 
hat, nicht vollkommen sein könne, und daß es keine volle 
Glückseligkeit sei, solange die Kreatur noch ein Verlangen 
habe, dessen Befriedigung untersagt werde. Durch solche Trugschlüsse wurde Eva verführt; und obwohl ihre Antwort den 
Willen Gottes zu berücksichtigen scheint, so verrät sie dennoch 
eine Geringschätzung dieses Willens, indem sie ihre eigenen 
Gedanken hinzufügt; denn die Worte: „und ihn nicht anrühren", waren nicht der Ausdruck des göttlichen Willens. 
Wenn sie fähig war, etwas hinzuzufügen, so war sie auch 
fähig, etwas zu verwerfen; und somit war sie vorbereitet für 
den zweiten Schritt. „Und die Schlange sprach zu dem Weibe: 
Mit nichten werdet ihr sterben, sondern Gott weiß, welches 
Tages ihr davon esset, eure Augen aufgetan werden, und ihr 
werdet sein wie Gott, erkennend Gutes und Böses". Jetzt war 
jede Schranke niedergerissen; der Wille Gottes ist in ihrem 
Herzen beiseitegesetzt; und die Leidenschaft der Luft nimmt 
mit völliger Macht Besitz von ihrem Herzen. „Und das Weib 
sah, daß der Baum gut zur Speise, und daß er eine Lust für 
die Augen, und der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu 
geben; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und gab auch 
ihrem Manne mit ihr, und er aß". —Hier ist der Wendepunkt im 
Leben des ersten Menschen. Wenn der Wille Gottes verworfen 
ist, dann ist der Wille des Menschen der höchste auf Erden; 
und dies wäre wirklich genug gewesen, Gott gleich zu sein. 
Aber der Mensch war zu töricht, um zu bedenken, daß durch 
die Verwerfung des Willens Gottes der Wille Satans geltend 
gemacht wurde, und daß er durch sein eigenwilliges Handeln 
in Opposition gegen den Willen Gottes ein Sklave Satans 
ISO 
geworden sei. Und so ist es gekommen, daß das „Bild Gottes" 
durch einen Fall verunstaltet und das „Gleichnis" Gottes, 
bezüglich der Herrschaft des Menschen als Haupt, der 
Ausdruck des eigenen Ichs und des satanischen Willens geworden ist. Deshalb ist der „Wille des Fleisches", oder die „Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott; denn sie ist dem 
Gesetz Gottes nicht Untertan, denn sie vermag es auch nicht" 
(Röm 8, 7). „Und Adam lebte hundertunddreißig Jahre und 
zeugte einen Sohn in seinem Gleichnis, nach seinem Bilde" 
(1. Mo 5, 3). So ist es Satan gelungen, den Willen Gottes durch 
den Willen der Kreatur zu verdrängen; und die Kreatur ist 
durch eigene Wahl und eigenen Willen ein Sklave des Teufels 
geworden und zeugt ihre Nachkommenschaft nach ihrem 
Gleichnis und ihrem Bilde. 
Wir haben also zunächst gesehen, daß die Verantwortlichkeit 
Adams darin bestand, dem Verhältnis der Unschuld und der 
Segnung in der Gegenwart Gottes gemäß, in vollkommenem 
Gehorsam zu wandeln; und daß zweitens die „Hilfe", die Gott 
ihm nach Seiner Weisheit zur Seite stellte, der Kanal sowohl 
seines Verderbens, als auch seiner Erlösung sein sollte; denn 
des „Weibes Samen sollte der Schlange den Kopf zermalmen". 
Und drittens war der Wendepunkt in seiner Stellung, daß sein 
Wille, indem der sich durch die Verführung Satans über den 
Willen Gottes erhob, selbst satanisch und er als Mensch moralisch nach seinem Willen ein Sklave des Teufels wurde, während er seine Freiheit — eine freie, aber immerhin böse Tätigkeit — fern von Gott unter dem Urteil des Todes behauptet. 
Aber dieser Wendepunkt erscheint uns noch auffälliger, wenn 
wir unseren Blick auf den zweiten Menschen richten, Der im 
Gegensatz zu dem ersten sagte: „Siehe, ich komme, um deinen 
Willen, o Gott, zu tun"; und: „Ich bin nicht gekommen, meinen 
Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt 
hat". — Nichts tritt klarer in den Evangelien hervor, als dieser 
eine Punkt, nämlich der vollkommene Gehorsam des „zweiten 
Menschen". Er hatte keinen eigenen Willen und suchte nichts 
für Sich Selbst; alles wurde ihm von oben gegeben (vgl. Joh 5, 
19. 20. 31; 8, 26. 29; 12, 50; 15, 10). Auf demselben moralischen Platze, auf dem der erste Mensch gefehlt hatte, triumphierte der zweite Mensch: und diese Tatsache tritt uns in der 
151 
Versuchungsgeschichte in der Wüste in auffälliger Weise vor 
Augen. Satan begegnete dem Herrn auf dem gleichen Boden, auf 
dem Adam fiel, indem er Ihn zu verleiten suchte, gleich jenem 
Seinen eigenen Willen zu tun und, als Ihn hungerte, Seine 
Bedürfnisse zu befriedigen. Aber der Herr, als der „zweite 
Mensch", lebte nicht vom Brot allein, sondern von jeglichem 
Worte Gottes. Hier gab es keine Hintergedanken, keine Geringschätzung des göttlichen Willens, der seinen Ausdruck in 
den Worten fand: „Nicht von Brot allein soll der Mensch 
leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes 
ausgeht" (Mt 4, 4). Er konnte sagen: „Der mich gesandt hat, 
ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit 
das ihm Wohlgefällige tue" (Joh 8, 29). Alles, was von dem 
ersten Menschen in seinem besten Zustande vor seinem Fall 
gesagt werden konnte, war nach der Schätzung Gottes in den 
Worten ausgedrückt: „Sehr gut!" — wenn Gott aber Seiner 
Würdigung bezüglich des „zweiten Menschen" Ausdruck 
geben wollte, so konnte dies nur aus dem geöffneten Himmel 
durch den Ruf des Vaterherzens geschehen. „Dieser ist mein 
geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe". 
Unsere ersten Eltern befanden sich, wie bereits bemerkt, in 
Eden — dem Garten der Wonne Gottes. Sie waren nackt und 
schämten sich nicht; aber nach dem Eintritt Satans wurden in 
Folge ihres Ungehorsams ihrer beider Augen aufgetan und sie 
wurden gewahr, daß sie nackt waren. Beschämt zogen sie sich 
in die Mitte der Bäume des Gartens zurück; denn sie waren 
nicht länger passend für die Wonne Gottes; und sofort begannen sie, das Böse zu heilen, indem sie mit zusammengeflochtenen Feigenblättern ihre Blöße zu bedecken suchten. 
Dieser neue Zustand der Dinge besteht einfach darin, daß 
Adam selbst aus Eden verlangte, weil er sich unfähig fühlte, 
länger darin bleiben zu können; und er kann nie wieder dahin 
zurückverlangen. Er ist „weise" geworden und kennt das Gute 
und Böse. Das Gute kannte er schon vorher, aber nun kennt 
er auch das Böse; und diese Erkenntnis hat ihn weise gemacht. 
Er hat Erkenntnis erlangt, und „Erkenntnis bläht auf". Er hat 
eine Erkenntnis und Weisheit erlangt, die er nie wieder verlieren wird und er hat sich in einen Zustand gebracht, von dem 
152 
er sich niemals wieder befreien kann. Er kann weder seine 
verlorene Unschuld zurückrufen, noch seiner nun erlangten 
Erkenntnis sich entledigen oder seine Sünde ungeschehen 
machen; und er ist nicht mehr passend für die Wonne oder 
das Wohlgefallen Gottes. „Da schickte ihn Jehova Gott aus 
dem Garten Eden heraus". Gott hatte ihn passend gemacht für 
die Segnungen in Seiner Gegenwart; er selbst aber 
hat sich passend gemacht für Kummer, Elend und 
Zorn, wovon er sich nie selbst wieder befreien kann. 
Ja, was noch schlimmer ist, er hat auch jedes Verlangen, befreit zu werden, verloren; denn sobald seine 
Augen über seinen Zustand geöffnet sind, gebraucht er — 
anstatt sich zu Gott, der alleinigen Hilfsquelle, zu wenden — 
seine neu erlangte Erkenntnis und Weisheit, um sich selbst zu 
helfen. Die Verantwortlichkeit Adams nach dem Fall bestand 
nicht darin, das Verlorene wiederzuerlangen, wozu ihm die 
Macht fehlte, und das Gott durch ein „flammendes Schwert" 
unmöglich gemacht hatte, sondern darin, Gott anzuerkennen 
und seinen Platz als Sünder einzunehmen, bis Gott für ihn ins 
Mittel trat. Wir haben hier also zwei Tatsachen, nämlich daß 
der Mensch ein Sünder ist, und daß seine einzig wahren Hilfsquellen in Gott sind. Aber ach! seit er weise geworden ist, 
glaubt er seine Hilfsquellen in sich selbst finden zu können. 
Wenn Gott Barmherzigkeit erweisen kann, so ist es in bezug 
auf die Sünde; und wirklich, Er kann für einen Sünder etwas 
Besseres ins Leben rufen. Es handelt sich dabei keineswegs 
um eine Wiederherstellung in Eden; denn Gott verbessert nie 
das, was der Mensch verderbt hat; sondern Er schafft etwas 
Besseres um Seiner Selbst willen und bietet dem Menschen Sein 
eigenes Heilmittel an. Er versorgte den Menschen in seinem 
neuen Zustande mit dem, was für ihn ein Unterpfand und 
Vorbild zukünftiger Segnungen war, „Und Jehova Gott machte 
Adam und seinem Weibe Röcke von Fell und bekleidete sie" 
(1. Mo 3, 21). Es ist sehr gesegnet, diese Grundwahrheit zu 
verstehen und klar im Bewußtsein zu haben, daß Gott nicht 
allein für den unschuldigen Menschen, sondern noch vielmehr 
für den verlorenen Sünder die einzige wahre Hilfsquelle ist. 
Gott war genug, völlig genug für den unschuldigen Menschen, 
und Er ist auch völlig genug für den verlorenen, ruinierten 
153 
Sünder. Die köstliche Wahrheit wird zwar als eine Lehre vielfach anerkannt, aber ach! in welch geringem Grade verwirklicht. Es handelt sich keineswegs um die Frage, was der Mensch 
— sei es für sich selbst oder für Gott — zu tun vermöge, sondern einfach um die Anerkennung, daß Gott, voll Barmherzigkeit in bezug auf die Sünde, etwas für den Sünder tun könne. 
Die Verantwortlichkeit des gefallenen Menschen besteht also, 
mit einem Wort, einfach darin, seinen Platz als Sünder und 
Gott als den Geber anzuerkennen und auf Ihn zu warten. Dies 
ist Glauben, sowie ein Grundsatz, der uns besonders in der 
Geschichte Kains und Abels (Kap. 4) klar vor Augen gestellt 
wird. Zwar zollt Kain dem Jehova Gott eine gewisse Anerkennung, indem er ein Opfer darbringt; aber es war kein Sündopfer, und darum kann Gott den Opferer nicht anerkennen. 
„Aber auf Kain und sein Opfer blickte er nicht" (V. 5). Die 
Verwerfung des Opfers war zugleich eine Verwerfung des 
opfernden Kains. Indem er Gott durch das Opfer der Früchte 
des Landes anerkennen will, weigert er sich, seinen eigenen 
Platz als Sünder einzunehmen; und eben dieses war die Ursache seiner Verwerfung. „Wenn du nicht wohl tust, so lagert 
ein Sündopfer vor der Tür" (V. 7); d. h. solch ein Sündopfer, 
wie Abel dargebracht, und wodurch auch dir der Weg zur Annahme geöffnet ist, befindet sich in deiner Nähe. — Gott bewies hier offenbar Geduld und Nachsicht gegen Kain; aber 
dieser hatte kein Herz dafür. Es gab Vergebung und überströmende Gnade bei Gott, aber Kain begehrte weder das eine, 
noch das andere; er wünschte zwar, ein Bekenner zu sein; aber 
nach Gott Selbst hatte er kein Bedürfnis. Er mochte sehr freigiebig und religiös in der Darbringung seines Opfers sein und 
mit großer Andacht dabei zu Werke gehen; aber dieses alles 
stammte aus dem Fleische und konnte deshalb Gott nidit gefallen. Und nicht allein dieses. Kain beschimpfte auch die Heiligkeit Gottes indem er durch die Darbringung der Resultate 
seiner eigenen Wirksamkeit die Früchte eines Landes opferte, 
auf dem der Fluch ruhte, und mithin leugnete er das Dasein 
der Sünde. Er maßte sich an, Gott durch das zu gefallen, was 
ihm zuerst selbst gefallen hatte. Das ist die Gesinnung der 
Welt, welche hier ihren Anfang nahm (1. Joh 2, 15—17). Man 
will ein Bekenner Gottes sein, aber man will nicht den eigenen 
wahren Platz und Charakter vor Gott bekennen. 
154 
In Abel erblicken wir einen völligen Gegensatz davon. Er ist 
der von der Bibel erwähnte erste Mann des Glaubens (1. Mo 4, 
4; Hebr 11, 4). Abel brachte sein Opfer, nicht um sich selbst, 
sondern Gott zu gefallen. Er kam mit den Erstlingen der 
Herde, um sie als ein Opfer darzubringen; und dadurch legte 
er erstens ein Zeugnis ab, daß er Gott in seinem wahren Charakter anerkennt, und zweitens, daß er durch die Darbringung 
eines Sündopfers den Platz vor Gott einnimmt, der ihm zukommt, und drittens, daß er in der Art und Weise seiner Darbringung die Worte bestätigt: „Ohne Blutvergießung ist keine 
Vergebung". — „Und Jehova blickte auf Abel und sein Opfer; 
aber auf Kain und sein Opfer blickte er nicht". 
Geliebter Leser! Gewahrst du diesen Unterschied zwischen 
der Anmaßung Kains und dem Glauben Abels? Die Stellung 
des Kain war eine eigenwillige, selbstgerechte und gesetzlose 
Stellung, die vom Abel bildet gerade das Gegenteil davon. Bei 
Abel finden wir kein Vertrauen auf sich selbst oder auf Fleisch, 
keinen Eigenwillen, keine Selbstgefälligkeit, sondern er nimmt 
als ein unter dem Gericht stehender Sünder seinen Platz ein. 
Er beugt sich unter Gott in der völligen Anerkennung dessen, 
was sich für die Heiligkeit Gottes geziemt. Und dies war der 
Platz der Segnung in der Nähe des Herzens Gottes, indem er 
bald in der Gegenwart Dessen Eingang fand, Dessen Herz so 
erhaben befriedigt worden war durch den Glauben, welcher 
Ihn, den Herrn, so hoch geehrt hat. Das Opfer Abels zeugte 
von dem Glauben, das Opfer Kains hingegen von dem Unglauben des Darbringers, sowie die Mordtat Kains von dessen 
Gesetzlosigkeit. In Abel erblicken wir also den Glauben, in 
Kain die Gesetzlosigkeit, den Geist „dieser gegenwärtigen 
bösen Welt". 
Die Fußwaschung 
(Johannes 13, 1—17) 
Man hat, und zwar mit Recht und zu wiederholten Malen, 
darauf hingewiesen, daß der Herr Jesus in Seinen Handlungen 
und Gesprächen, die wir in den Kapiteln 13 bis 17 des Evangeliums Johannes aufgezeichnet finden, Sich im Geiste zwischen 
Seine Auferstehung und Himmelfahrt stellt. Auch charakteri155 
sieren sich die Handlungen und Gespräche dadurch, daß sie 
nicht mehr in Beziehung zur Welt stehen, sondern sich auf den 
engen Kreis Seiner Jünger beschränken. Wir finden hierfür 
einen Beweis in den Worten: „Das Werk habe ich vollbracht, 
welches du mir gegeben hast, daß ich es tun sollte . . . Nun 
aber komme ich zu dir . . . Ich bin nicht mehr in der Welt". 
— Es ist klar, daß, als der Herr diese Worte sagte. Er noch 
vor dem Kreuze stand und noch nicht in Wirklichkeit das Werk 
der Erlösung vollbracht hatte. Er versetzte Sich also im Geiste 
in jenen Augenblick, wo alles völlig vollbracht war. 
In dem uns vorliegenden Abschnitt ist der Herr Jesus beschäftigt, die Füße Seiner Jünger zu waschen und auf diese Weise 
eine Reinigung zübewirken, die für den Wandel unerläßlich nötig 
war. Selbstredend dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, 
daß hier von zwei Arten von Reinigung die Rede ist. Der Fußwaschung ist eine andere Reinigung vorangegangen, woran 
der Herr durch die an Petrus gerichteten Worte erinnert: „Wer 
gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen 
die Füße, sondern ist ganz rein" (Kap. 13, 10). Jedoch handelt 
es sich hier eigentlich nicht um das Versöhnungswerk Christi, 
dessen Blut uns von allen Sünden gereinigt hat, obwohl dieses 
Werk der Grund von allem ist, sondern das Mittel dieser 
Reinigung ist das Wasser — ein Bild des durch den Heiligen 
Geist angewandten Wortes. Sicher sind im Blick auf das Opfer 
Christi unsere Sünden vollkommen und für ewig hinweggetan, 
so daß wir jeden Augenblick in den Himmel eintreten können. 
Wenn der Herr Jesus kommt, kann Er uns, Dank Seinem für 
uns vergossenen Blut, zu jeder Zeit in den Himmel aufnehmen und uns in die Gegenwjart Seines Vaters bringen, der 
nicht den geringsten Flecken an uns sieht. Wir sind nicht so 
rein, wie wir denken, sondern so rein, wie Gott es will. Wir 
sind durch das Blut Christi nicht nach einem menschlichen, sondern nach einem göttlichen Maßstab gereinigt. „Ganz rein", 
sagt der Herr; nicht ein einziger Flecken ist zurückgeblieben. 
Dieses zu verstehen, ist für die Ruhe des Gewissens durchaus 
erforderlich. Für den Himmel halten wir uns oft nicht rein 
genug, und das ist die Ursache unserer Furcht; für die Erde 
halten wir uns oft reiner, als wir wirklich sind, und das ist die 
Ursache unserer Eigengerechtigkeit. Doch gerade das Gegenteil 
ist wahr. Wir sind für den Himmel reiner, als wir uns vor156 
stellen, und für die Erde oft mehr befleckt, als wir vermuten; 
und darum müssen stets unsere Füße gewaschen werden. 
Aber hier handelt es sich, wie bereits bemerkt, nicht um eine 
Reinigung durch das Blut, sondern um eine Reinigung durch 
das Wasser. Dieser Dienst Christi hat die Wirkung, daß der 
Heilige Geist in praktischer Weise durch das Wort alle Verunreinigungen beseitigt, die wir uns im Wandel durch diese Welt 
der Sünde zuziehen. Auf unserem Wege kommen wir in Berührung mit dieser Welt, die Christum verworfen hat; und Er 
reinigt uns von ihrer Befleckung durch den Heiligen Geist und 
das Wort. Wir bedürfen einer Reinheit, die der Gegenwart 
Gottes entspricht. Jedoch handelt es sich hier nur um die Füße. 
Die in der Stiftshütte dienenden Priester wurden bei ihrer 
Einweihung gewaschen; und diese Waschung wiederholte sich 
nicht. Ebenso verhält es sich mit uns. Wir sind einmal wiedergeboren aus Wasser und Geist, und dieses geschieht nicht von 
neuem. Aber so wie die Priester, so oft sie zu ihrer Dienstverrichtung zu Gott nahten, ihre Hände und Füße wuschen, so 
bedürfen auch wir stets der Fußwaschung. Hier ist es der 
Dienst Christi, der Dienst Seiner Liebe. Er legt die Oberkleider 
ab, umgürtet Sich mit einem leinenen Tuch und gießt Wasser 
in das Waschbecken. Obschon Er Lehrer und Herr war, verrichtet Er hier doch die Arbeit eines Sklaven; und nachdem Er 
Seinen Jüngern die Füße gewaschen hat, sagt Er: „So seid auch 
ihr schuldig, einander die Füße zu waschen; denn ich habe euch 
ein Beispiel gegeben, auf daß, gleichwie ich euch getan habe 
auch ihr tut". — Hieraus ersehen wir, daß wir schuldig sind, 
uns einander die Füße zu waschen; der Herr Jesus hatte nicht 
diese Pflicht, denn Er war ihr Lehrer und Herr. Dennoch tut 
Er es, während wir, deren Pflicht es ist, es oft unterlassen. 
Der Herr hat uns ein Beispiel gegeben, nicht nur daß wir, sondern wie wir einander die Füße waschen sollen. Zu diesem Zwecke 
müssen wir die Oberkleider ablegen und uns mit einem leinenen Tuch umgürten; mit anderen Worten: wir müssen uns 
erniedrigen und Knechte werden. Dazu bedarf es einer gebeugten und knieenden Stellung. Stehend vermag man wohl den 
Kopf, aber nicht die Füße zu waschen. Wie der Herr, so müssen 
auch wir uns bücken, um dieses Werk verrichten zu können. 
Er wäscht nur die Füße und nicht, ob es auch Petrus begehren 
157 
mochte, die Hände und das Haupt. Wir möchten im Gegenteil 
oft lieber die Hände und das Haupt, als die Füße waschen. Wir 
beginnen leider oft mit dem Haupt, während wir uns mit den 
Füßen beschäftigen sollten. Auch vergessen wir oft, wie der 
Herr das Wasser — dieses Bild des Wortes — in ein Becken zu 
gießen; denn nur das unter der Leitung des Heiligen Geistes 
angewandte Wort ist imstande, uns von den Verunreinigungen in unserem Wandel zu befreien. 
Vor allen Dingen sollen wir stets daran denken, daß wir nur 
dann jemandem in Wahrheit die Füße waschen können, wenn 
dies in dem Geiste und der Gesinnung des Herrn geschieht. 
Wir müssen in Seiner Gemeinschaft sein und in Seinem Geiste 
wandeln. Wie oft mangelt dieses! Wie oft sind wir hart und 
aufgeregt und mit Bitterkeit gegen den erfüllt, dessen Füße 
wir waschen wollen! In einem solchen Zustande ist es aber 
sicher besser zu Hause zu bleiben und nichts zu tun. Der Herr 
ist nicht schuldig, uns die Füße zu waschen; nur Seine Liebe 
drängt Ihn zu dieser Arbeit. Er will uns so gern in Seiner Gemeinschaft haben, weil Er weiß, daß wir nur dann glücklich 
sind. Vor Beginn der Fußwaschung lesen wir: „Da er die Seimgen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans 
Ende". — Die Liebe war also die Quelle, aus der alles hervorströmte. Wo es an der Liebe mangelt, da kann eigentlich von 
einer Fußwaschung keine Rede sein; denn dann sind wir, selbst 
wenn wir noch so richtig das Wort anwenden, unfähig, dieses 
Werk in dem Geiste des Herrn zu verrichten. 
Petrus wollte nicht zugeben, daß der Herr ihm die Füße waschen 
sollte, indem er sagte: „Du sollst nimmermehr meine Füße 
waschen!" Der Gedanke, daß der Herr die Arbeit eines Sklaven 
verrichten sollte, war ihm unerträglich. Jedoch als der Herr 
sagte: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit 
mir!" — zeigte er sich alsbald bereit, indem er rief: „Herr, nicht 
meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt". 
Kein Teil mit Jesu zu haben, das war ihm schrecklich; schon 
allein der Gedanke daran genügte, um ihn willig zu machen; 
denn für die Teilgenossenschaft mit Jesu opferte er alles auf. 
Steht es so auch mit uns? In diesem Falle werden wir uns, 
wie Petrus, dem Herrn willig übergeben, um uns durchlhn reini158 
gen zu lassen. Was könnte auch wertvoller sein, als eine Teilhaberschaft mit Jesu? Und dennoch geschieht es nicht selten, daß wir uns 
weigern und uns nicht die Füße waschen lassen wollen, wenn 
auch aus anderen Gründen, als bei Petrus. Wir können es oft 
nicht begreifen, warum es nötig ist, daß der Herr ein solches 
Werk an uns vollzieht. Dann aber gilt das an Petrus gerichtete 
Wort Jesu: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht; du wirst es aber 
hernach verstehen". Wie oft kommt es im Leben vor, daß wir 
fragen: „Warum dieses, warum jenes?" — und die Antwort des 
Herrn ist: „Du wirst es hernach verstehen". Wenn wir einmal 
in der Herrlichkeit sein werden, und im Lichte Gottes alles 
offenbar sein wird, dann werden wir sicher mit Asaph sagen: 
„Ich war dumm und wußte nichts; ein Tier war ich bei dir" 
(Ps 73, 22). Ja, dort werden wir in den Wegen, die uns hier 
auf Erden unbegreiflich sind, die liebreiche Hand des Herrn 
erkennen, Der uns solche Pfade führte, um uns von allem zu 
reinigen, was unsere Gemeinschaft mit Ihm störte, und wir 
werden begreifen, wie der Herr stets für uns gesorgt und uns 
vor vielem Bösen bewahrt hat. 
Wie gesegnet, zu wissen, daß zwischen Gott und uns jede 
Scheidewand niedergerissen ist, und daß aus Seinem Herzen 
uns nur Liebe und Gnade entgegenströmt. Aber auch wie 
wlichtig und nötig ist es für uns, daß wir uns nicht weigern, 
wenn der Herr uns die Füße waschen will! Wenn unsere Füße 
unrein und schmutzig sind, oder, mit anderen Worten 
unser Wandel befleckt ist, kann Er nicht mit uns sein. Möge es 
daher unser Verlangen sein, durch Ihn, selbst wenn es schmerzlich für unsere Natur ist, gereinigt zu werden. Je mehr wir uns 
reinigen lassen, um so sorgfältiger wachen wir über uns, und 
desto unerträglicher ist uns jeder Flecken. Wenn wir uns 
hingegen daran gewöhnen, mit unreinen Füßen zu gehen, wird 
es uns bald auf einen Flecken mehr oder weniger nicht ankommen. Oh, wie betrübend und entehrend für Jesu! Er will 
so gern jede Unreinheit beseitigen. Wir können damit ruhig 
zu Ihm gehen; nur dann werden wir wirklich glücklich sein, 
den Herrn genießen und zu Seiner Verherrlichung wandeln 
können, bis wir die goldenen Straßen des himmlischen Jerusalems, wo kein Schmutz uns mehr verunreinigen kann, durchschreiten und uns in dem vollen Genuß der herrlichen Früchte 
des Werkes Christi befinden werden. 
159 
Vergeben und vergessen 
„Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr 
gedenken" (Hebr 10, 17). Man sagt gewöhnlich unter den 
Menschen: „Ich will wohl vergeben, aber ich kann nicht vergessen". Die menschlichen Gefühle mögen zu Zeiten das Herz 
so sehr erfüllen und einnehmen, daß die Erinnerung an meine 
Vergehungen keinen Raum darin finden; doch diese Erinnerung kehrt nach dem Maße zurück, wie diese Gefühle gegen 
mich abnehmen und schwach werden. Anders aber ist es mit 
der Liebe Gottes. Ihr Strom ist so mächtig und so vollkommen, 
daß er nicht nur unsere Missetaten bedeckt, sondern sie für 
immer bedeckt. Es bleibt keine Spur davon zurück; sie kommen 
nie mehr in das Gedächtnis Gottes. „Ihrer Sünden und ihrer 
Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken". Gott kann 
nicht allein vergeben, sondern auch vergessen. Unvergleichliche 
Liebe! 
Hier ist wahre Ruhe für ein aufgewachtes Gewissen. „Das 
Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller 
Sünde" (1. Joh x. 7). Das Auge einer unermeßlichen Heiligkeit 
kann nicht einen Flecken von Sünde auf dem Gewissen dessen 
entdecken, der durch das Blut Christi gereinigt ist. Alle Sünden 
und Gesetzlosigkeiten des Glaubenden sind für immer in das 
Meer ewiger Vergessenheit versenkt. Gott hat Sich mit Seinem 
eigenen Worte dafür verbürgt, daß Er nie mehr daran gedenken werde. „Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und 
sieht kein Unrecht in Israel". Das Blut Christi hat alles Böse, 
alles Unrecht für immer beseitigt. Gottes Auge ruht jetzt auf 
diesem kostbaren Blute, wodurch Er zugleich völlig verherrlicht worden ist; und nie mehr kann die Sünde dessen, der an 
Christum glaubt, zwischen ihn und Gott treten. Köstliche, 
gesegnete Wahrheit. 
160 
Das Abendmahl des Herrn 
„Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, daß der Herr Jesus in der Nacht, in welcher er 
überliefert wurde, Brot nahm, und als er gedankt hatte, es 
brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist, dies tut 
zu meinem Gedächtnis. Gleicherweise auch den Kelch nach dem 
Mahle und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem 
Blute; dieses tut, so oft ihr trinket, zu meinem Gedächtnis. 
Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt" (1. Kor 11, 
23—26). „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht 
die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir 
brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? 
Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen; denn wir alle sind 
des einen Brotes teilhaftig" (1. Kor 10, 16. 17). 
Diese Worte Pauli umfassen in kurzen Zügen alles, was bezüglich des Abendmahls des Herrn in der Schrift gelehrt wird. 
Verweilen wir daher etliche Augenblicke bei den Einzelheiten 
und erwägen wir unter der Leitung des Heiligen Geistes den 
herrlichen Inhalt der Worte. 
Was uns zunächst und vor allem ins Auge fällt, ist die unaussprechliche Liebe Jesu, die uns hier entgegenstrahlt. In der 
Nacht, da Er überliefert ward, nahm Er das Brot. Wie herrlich, 
teurer Leser! Beachten wir es wohl: in jener Nacht, als sich die 
Macht der Finsternis auf Ihn stürzte, als Satan seine feurigen 
Pfeile auf Ihn abschoß, als die Wut der Menschen den Höhepunkt erreichte, als einer der Zwölfe Ihn mit einem Kuß überlieferte, und, — was alles andere weit überragt —, als einige 
Stunden nachher der Zorn Gottes über Ihn ausgeschüttet wurde und Er, von Gott verlassen, ganz allein am Kreuze hängen 
sollte, da nahm Er das Brot und dankte. In jener Nacht der 
Leiden und der Tränen konnte Er, die eigenen Leiden vergessend, an die Freude der elf Jünger, an unsere Freude denken; 
denn nicht nur für sie, sondern auch für uns und für alle, die 
durch ihr Wort an Ihn glauben würden, setzte Er das Abendmahl 
161 
ein. „Mit Sehnsucht habe ich mich gesehnt, dieses Passah mit 
euch zu essen, ehe ich leide", hatte Er gesagt, und dieses galt 
nicht so sehr dem Passahmahl selbst, als vielmehr dem, was Er 
am Ende desselben Seinen Jüngern zu schenken gedachte. Doch 
nicht nur hier zeigte sich der Strahl der Liebe Jesu. O nein, 
noch ein anderer trefflicher Beweis wird uns bezüglich dieser 
Liebe gegeben. „Ich habe es von dem Herrn empfangen, was 
ich auch euch überliefert habe", sagte Paulus.Dieser Apostel war 
bei der Einsetzung des Abendmahls nicht anwesend gewesen: 
er war in jener Zeit noch ein Feind Jesu. Aber der Herr hatte 
ihn durch eine Offenbarung mit dieser Einsetzung bekanntgemacht. Er war, wie er uns im Galaterbrief sagt, nicht nach 
Jerusalem gegangen, um durch die Zwölfe die Lehre und die 
Einsetzungen Jesu zu erfahren, sondern der Herr hatte ihn 
durch Offenbarung mit allem bekanntgemacht. Es ist köstlich, 
zu wissen, daß der verherrlichte Herr im Himmel und der 
leidende Herr auf Erden ein und derselbe in Liebe, Treue und 
Güte ist. In der Nacht, da Er überliefert wurde, nahm Er das 
Brot, und zur Rechten Gottes mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, gab Er die Einsetzung des Abendmahls, — das Unterpfand Seiner unveränderlichen Liebe —, dem Apostel der Nationen, um sie Seiner geliebten Versammlung zu überliefern. 
Ja, unser Heil ist Seine Freude, unser Wachstum in der Gnade, 
unsere Zunahme im Glauben und in der Liebe, unsere Freude 
— alles ist Sein Verlangen. 
Dieses zeigt uns, zu welchem Zweck der Herr das Abendmahl 
uns gegeben hat, jedenfalls nicht zur Vergebung der Sünden. 
Eine solche Bedeutung hat zwar die christliche Kirche hineingelegt, obwohl nichts weiter als dies von den Gedanken des 
Herrn entfernt ist. Wir treten nicht an den Tisch des Herrn, 
um dort Vergebung der Sünden zu finden, sondern weil wir 
durch den Glauben an Ihn diese Vergebung gefunden haben. 
„Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, 
ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus?" Wir 
haben Anteil an dem Leibe und Blute Christi; und das Brot 
und der Kelch sind davon der Ausdruck. Sie zeugen uns von 
der unaussprechlichen Liebe Christi, Der Seinen Leib für uns 
dahingegeben und Sein Blut vergossen hat zur Vergebung 
162 
unserer Sünden. Darum sagt der Apostel: „Der Kelch der 
Segnung, (Danksagung) den wir segnen usw." Der Tisch des 
Herrn bildet die Stätte, wo wir unseren Dank darbringen für 
Seine Liebe und Sein für uns vollbrachtes Werk. Jesus nahm 
das Brot und dankte. Wie schrecklich die Umstände auch waren, 
in denen Er Sich in dieser Nacht befand, und deren Er Sich 
vollkommen bewußt war — dennoch dankte Er, denn Er war 
auf dem Wege, das Werk unserer Versöhnung zu vollbringen, 
wodurch wir von allen unseren Sünden gereinigt und auf ewig 
Sein Eigentum werden sollten. Und wir können danken; denn 
das Werk ist vollbracht, die Versöhnung geschehen, unsere 
Sünden sind beseitigt, und wir sind für ewig Sein Eigentum. 
Wir treten daher nicht an den Tisch des Herrn, um hier über 
unsere Sünden zu trauern, sondern um uns ihrer Vergebung 
zu erfreuen und die unendliche Liebe des Herrn zu preisen. 
Dort muß das Gefühl des Dankes unser Herz erfüllen und 
feierliches Lob über unsere Lippen fließen. Wir sitzen dort mit 
dem Bewußtsein der Vergebung unserer Sünden durch das 
kostbare Blut Jesu und mit der Gewißheit unserer Gemeinschaft mit Ihm, und wir empfangen aus Seiner Hand die Zeichen Seines Leidens und Sterbens, die Pfänder Seiner ewigen 
Liebe. Fehlt uns diese Gewißheit, so ist der Tisch des Herrn 
nicht der Platz, wo es uns gestattet ist zu sitzen. Wie können 
wir den Kelch der Segnung segnen, wenn keine Danksagung 
in unseren Herzen ist? Und wie können wir danken, wenn wir 
nicht unserer Gemeinschaft mit Christo versichert sind? Dann 
sind wir zwar fähig zu bitten, aber nicht fähig zu danken. 
Doch gerade um unseren Dank darzubringen, sind wir gekommen; um ein Fest der Freude zu feiern, sind wir anwesend. 
So wie einst die Kinder Israel nach der Vertilgung ihrer Feinde 
am Ufer des Roten Meeres das Loblied ihrer Befreiung anstimmen konnten, so können auch wir, sitzend um den Tisch 
des Herrn, und zwar mit den Beweisen unserer Erlösung vor 
unseren Augen, ums der Liebe Jesu erfreuen und Ihn loben 
und preisen. 
Dann ist das Abendmahl ein Gedächtnismahl. „Dies ist mein 
Leib, der für euch ist; dies tut zur meinem Gedächtnis . . . 
Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute; dies tut, so 
oft ihr trinket, zu meinem Gedächtnis". Das waren die Worte 
163 
des Herrn, als Er das Abendmahl einsetzte. Jesus ging hin zu 
Seinem Vater. Nach der Vollendung des Werkes der Versöhnung und Erlösung sollte Er Sich zur Rechten der Majestät 
in der Höhe setzen, um droben im Vaterhause für die Seinigen 
eine Stätte zu bereiten. Die Seinigen sollten daher allein auf 
Erden zurückbleiben. Und nun bereitet der Herr ihnen einen 
Tisch, um welchen sie sich als Seine Freunde versammeln und 
Sein Gedächtnis feiern sollten. Wie herrlich! Das menschliche 
Auge schaut Ihn nicht. Er ist im Himmel; aber hier kommen 
wir zusammen und empfangen aus Seiner Hand das Brot 
und den Kelch und erinnern uns Seiner unaussprechlichen 
Liebe. Wir reden und singen hier von Seiner Liebe und Treue, 
von Seinem Leiden und Sterben, von Seiner Herrlichkeit. Er 
bildet hier den Mittelpunkt unserer Betrachtung, den Gegenstand unserer Freude und Anbetung. Wir sind nicht hier, um 
etwas zu hören oder zu lehren, sondern um Ihn zu verherrlichen, von Ihm zu zeugen, Ihn zu preisen und zu rühmen. 
O wie viel können wir an diesem Tische genießen! Oder ist 
der Gedanke an Seine Liebe, ist es Seinen herrlichen Namen 
zu preisen, kein Genuß für die Seele? Wird das Herz nicht 
erquickt, wenn das Auge auf die Herrlichkeit und Schönheit 
Jesu gerichtet ist? Dient es uns nicht zu einer unaussprechlichen Freude, solch einen treuen, guten Freund voll von unendlicher Liebe zu haben? — einen Freund, der Sein eigenes 
Leben für uns geopfert hat, damit wir, von Tod und Sünde 
erlöst, Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen sollten? Ja, wahrlich, 
am Tische des Herrn steht Er vor uns in all Seiner Herrlichkeit 
und Schönheit, in Seiner anbetungswürdigen Liebe und Güte. 
Und die Folge davon für uns ist, daß wir uns selbst mehr und 
mehr vergessen lernen, um an Ihm unsere Wonne zu haben. 
Wir lernen, von uns abzusehen, um uns mit Ihm, mit Ihm 
allein zu beschäftigen. 
Darum dient das Abendmahl zur Stärkung unseres Glaubens 
und zur Vermehrung unserer Liebe. Freilich erscheinen wir 
nicht zu diesem Zwecke am Tische des Herrn; o nein, ^lie 
Gedächtnisfeier unseres Herrn und Heilandes ist der einzige 
Zweck unseres Zusammenkommens. Wir kommen nicht, um 
an uns selbst — sei es in betreff unserer Sünden, unseres 
Wachstums oder unseres Genusses — zu denken, sondern wir 
164 
kommen, um uns ausschließlich mit Jesu zu beschäftigen. Doch 
die Stärkung unseres Glaubens, die Vermehrung unserer Liebe 
ist eine notwendige Folge dieser Gedächtnisfeier. Wir scharen 
uns um das Brot und den Kelch, diese Zeichen Seines zu unserer 
Versöhnung hingegebenen Leibes und vergossenen Blutes; wir 
verkündigen hier Seinen Tod, jedoch nicht, wie oft fälschlich 
gelehrt wird, durch das, was wir reden, sondern, indem wir das 
Brot brechen und den Kelch trinken. Das Brot redet uns von 
dem für uns in den Tod dahingegebenen Leibe Jesu, während 
der Kelch von dem für uns vergossenen Blute Zeugnis ablegt; 
und indem wir nehmen, verkündigen wir den Tod des Herrn. 
Und wird dies nicht selbstredend an und für sich zur Stärkung 
unseres Glaubens dienen? Wenn unsere Blicke auf die Hingabe 
Jesu für uns in den Tod, auf das für uns vollbrachte Werk, auf 
unsere Versöhnung mit Gott und auf die vollkommene Vergebung aller unserer Sünden gerichtet werden, werden wir dann 
nicht in dem Bewußtsein unserer vollkommenen Erlösung befestigt? Und wenn wir beständig die Pfänder der Liebe Jesu 
empfangen, wird dann unser Herz nicht mehr und mehr mit 
Liebe gegen Ihn erfüllt? O gewiß. Die Hauptsumme des Christentums ist, das eigene Ich aus dem Auge zu verlieren und 
sich in Jesu allein zu erfreuen, oder mit anderen Worten, 
wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Jesu Christi, unseres 
Herrn, alle Dinge dieser Erde, ja sich selber für Schaden und 
Dreck zu achten. Nirgends gibt es hierzu einen geeigneteren 
Platz, als den Tisch des Herrn. Darum ist die Feier des Abendmahls so gesegnet für Herz und Leben. 
Doch das Abendmahl hat noch eine andere Bedeutung. Es ist 
nicht nur das Fest unserer Erlösung, und nicht nur die Gedächtnisfeier Jesu und die Verkündigung Seines Todes, sondern ist auch die Offenbarung der Einheit der Gläubigen. 
„Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen, denn wir alle 
sind es einen Brotes teilhaftig", sagt der Apostel. Die an 
Jesum Glaubenden stehen nicht für sich allein, sie sind nicht 
abgesondert und ohne Band, sondern sind untereinander verbunden und in der engsten Weise miteinander vereinigt, und 
zwar nicht nur aus Freundschaft und Liebe oder weil sie denselben Glauben und denselben Herrn haben, sondern weil sie 
einen Leib bilden. Der verherrlichte Jesus ist das Haupt, und 
165 
die Gläubigen bilden zusammen Seinen Leib. Durch die Taufe 
mit dem Heiligen Geist ist diese Verbindung zustande gebracht. 
„Denn wir alle sind durch einen Geist zu einem Leibe getauft". 
Der Ausdruck, die Offenbarung dieser herrlichen Wahrheit, 
ist das Abendmahl. Alle, welche daran teilnehmen, essen von 
einem Brote und offenbaren dadurch, daß sie Glieder eines 
Leibes sind. Wie traurig also, wenn die Gläubigen in Parteien 
aufgelöst und zerstreut sind, wenn sich der eine hier, der 
andere dort befindet! Ach! die vorhandenen verschiedenen Sekten und Parteien, die alle ihren besonderen Tisch aufgerichtet 
haben, sind ein Zeugnis von der List Satans und von der Untreue der Gläubigen. Im Anfang war es nicht so. Damals saßen 
alle Gläubigen in jedem Orte an einem Tische und offenbarten 
an diesem Platz die Einheit des Leibes. So ist es nicht mehr. 
Das einzige, was wir tun können, ist, uns von allen Sekten 
und Parteien zu trennen und, indem wir uns, als gläubig an 
Jesum, um Seinen Tisch versammeln, diesen Tisch allen zugänglich machen, die von Herzen an Jesum glauben und dieses 
durch Lehre und Wandel kundgeben. Nur in dieser Hinsicht 
kann man sich als am Tische des Herrn sitzend betrachten, 
während alle anderen Einrichtungen nur Tische der verschiedenen Parteien und Sekten-sind. Am Tische des Herrn gilt 
nur die Frage, ob man dem Herrn angehört, während an dem 
Tische irgendeiner kirchlichen Gemeinschaft die Frage gilt, ob 
man das glaube, was seitens dieser Gemeinschaft als Wahrheit 
festgestellt ist, und ob man bereit sei, sich den durch sie bestimmten Regeln und Einrichtungen zu unterwerfen. 
Das Abendmahl ist also ein Fest — ein Fest der Erkauften des 
Herrn — ein Fest zum Gedächtnis Jesu, unseres Herrn und Heilandes zur Verkündigung Seines Todes — ein Fest, wo die 
Gläubigen ihre Einheit in Christo als Glieder Seines Leibes 
offenbaren. Hieraus folgt selbstredend, daß Ungläubige nicht 
an den Tisch des Herrn gehören. Was sollten sie dort auch tun? 
Können sie Festfeier halten? Können sie Dank opfern? Können 
sie den Kelch nehmen und ihn segnen? Unmöglich. Können 
sie das Gedächtnis Jesu feiern? Sicher nicht; denn um dieses 
zu können, muß man ein Freund Jesu sein. Und können sie 
von dem einen Brot essen und also bekennen, ein Leib mit 
den übrigen Versammelten zu sein? Keineswegs. O wenn sie 
166 
es verstehen könnten, dann würde der Tisch, der für uns eine 
Ursache unaussprechlicher Freude ist, sie verurteilen. Sie würden fühlen, daß sie durch ihre Gegenwart den Tisch des Herrn 
entehrten und entweihten und sich selber eine schwere Strafe 
bereiteten. Aber zugleich folgt auch hieraus, daß die Gläubigen keinen Unbekehrten, keinen Ungläubigen an des Herrn 
Tische zulassen dürfen. Wie tief ist die Versammlung des 
Herrn in dieser Beziehung gefallen! Wie sehr ist sie von der 
ursprünglichen Einrichtung abgewichen! In einem großen Teil 
der christlichen Kirche ist das Abendmahl ein Gegenstand der 
abgöttischen Verehrung seitens einer unwissenden Menge geworden, während andererseits eine große, in allerlei Parteien 
zersplitterte Zahl aus ungläubigen, weltlichgesinnten, gottlosen Menschen besteht. Mit diesen sitzen die wahren Gläubigen und erklären, indem sie von einem Brote mit ihnen 
essen, daß sie einen Leib mit ihnen bilden. O möchten sich doch 
die Augen der Kinder Gottes gegenüber einer solchen Sünde 
öffnen, damit sie sich von einer solchen Abendmahlsfeier fernhalten und sich von den Ungläubigen absondern! Mit vollem 
Recht müssen wir die Worte des Apostels Paulus: „Das ist 
nicht des Herrn Abendmahl essen" — auf eine solche Feier 
anwenden. Nein, an einem solchen Tisch kann der Herr nicht 
gegenwärtig sein; Er kann unmöglich einen solchen Tisch als 
den Seinigen anerkennen. Möchte dieses doch jeder bedenken, 
der bis jetzt noch daran teilnimmt! Es ist eine ernste Sache. 
Wir haben gesehen, welch großen Wert der Herr auf die Feier 
des Abendmahls legt, und wie gerne Er die Seinigen an Seinem 
Tisch vereinigt sieht. Aber eine solche Vereinigung mit Unbekehrten, mit Seinen Feinden, dient nur zu Seiner Betrübnis und 
Unehre. Es handelt sich nicht darum, was wir darüber denken, 
sondern was Gott darüber denkt. Und Sein Wort spricht in 
dieser Beziehung deutlich genug. Wer darin forscht, wird nicht 
behaupten, daß das Abendmahl für Unbekehrte eingesetzt 
worden ist. Im Gegenteil stimmt man fast im allgemeinen darin 
überein, daß es der Tisch der Gläubigen ist; und von allen 
Seiten wird der Zustand, in welchem sich die verschiedenen Kirchengemeinschaften befinden, betrauert und beklagt. 
Aber wie wenige haben die Kraft und den Mut, mit einem 
solchen Zustande zu brechen und dem Worte Gottes zu gehorchen! Und doch wie reich gesegnet würde ein solcher Schritt sein! 
167 
„Aber" wendet vielleicht jemand ein — „wir möchten doch 
nicht gern über andere ein hartes Urteil fällen"! Nun, das ist 
auch durchaus nicht nötig. Aber sind die Menschen, mit denen 
du das Abendmahl feierst, nicht als unbekehrt, weltlich und 
etliche sogar als gottlos bekannt? Ist ihr Leben nicht ein Leben 
in dieser Welt? Sind sie nicht Feinde des Evangeliums? Frage 
sie einmal, ob sie bekehrt seien, und sie werden deine Frage 
Frage verneinen, oder dich gar verhöhnen. Bekennt jemand, ein Gläubiger zu sein, und steht sein Leben zu diesem 
Bekenntnis nicht im Widerspruch, so verweigern wir ihm den 
Platz am Tische des Herrn nicht. Vielleicht täuscht er uns; aber 
dadurch ist der Tisch des Herrn nicht verunehrt. 
„Aber"— wendet ein anderer ein — „ich feiere das Abendmahl 
für mich selbst und kümmere mich nicht um die Mitfeiernden". 
Das ist unmöglich; denn das Abendmahl ist der Ausdruck der 
Einheit der Versammlung. „Ein Brot, ein Leib sind wir, die 
vielen". Du sitzest nicht allein, sondern bist in Gemeinschaft 
mit anderen am Tische des Herrn, und du erklärst, mit allen, 
welche daran teilnehmen, ein Leib zu sein. 
„Aber" — ruft ein dritter — „Judas war doch auch beim Abendmahl". Doch wenn dieses der Fall gewesen wäre, würde das dir 
ein Recht geben, mit den Ungläubigen am Tische des Herrn zu 
sitzen? War Judas damals schon als ein Heuchler, als ein Überlieferer des Herrn offenbar? Keineswegs. Keiner von den Jüngern hatte darüber die geringste Vermutung; ja, sie begriffen 
nicht einmal die Anspielung Jesu in dieser Beziehung. Die Beteiligung des Judas an der Feier des Abendmahls konnte daher 
den Jüngern durchaus nicht hinderlich sein. Indes tritt es bei 
einer sorgfältigen Vergleichung der anderen Evangelien klar 
an den Tag, daß der Herr den Judas fortschickte, bevor Er das 
Abendmahl einsetzte. „Jesus antwortete: Jener ist's, dem ich 
den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde. Und 
als er den Bissen eingetaucht hatte, gibt er ihn dem Judas" 
(Joh 13, 26). Dieser eingetauchte Bissen war ein Stück von 
dem Passahlamme. Und dann lesen wir: „Als nun jener den 
Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus" (V. 30). Und 
nun sagt uns Paulus, daß der Herr nach dem Mahle, d. h. nach 
Beendigung des Passahmahls, den Kelch genommen und das 
168 
Gedächtnis Seines Todes eingesetzt habe. Hieraus geht deutlich hervor, daß Judas zwar an dem Passahmahl teilgenommen, 
aber gleich nach dessen Beendigung den Obersaa l verlassen 
hat, mithin nicht bei der Einsetzung des Abendmahls gegenwärtig gewesen sein kann. 
Es ist so klar wie der Tag, daß das Abendmah l nur den Gläubigen gehört, un d daß diese berufen sind, die Heiligkeit des 
Tisches des Herrn zu bewahren. Alle aber, welche glaubten, 
„waren beisammen" . — „Sie verharrten aber in der Lehre der 
Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in 
den Gebeten" (Apg 2). „Denn was habe ich auch zu richten, 
die draußen sind? Ihr, richtet ihr nicht, die drinnen sind? Die 
aber draußen sind, richtet Gott " (1. Kor 5, 12. 13). Es gibt 
also ein Innen und ein Außen. Drinne n sind die Gläubigen, 
draußen ist die Welt. Über die, welche drinnen sind, übt die 
Versammlung, übe r die, welche draußen sind, übt Gott 
das Gericht aus. „Ich habe euch geschrieben, keinen Umgang 
zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Hure r 
ist, oder ein Habsüchtiger, oder ein Götzendiener, oder ein 
Lästerer, oder ein Trunkenbold, oder ein Räuber, mit einem 
solchen selbst nicht zu essen" (1. Kor 5, 11). Das ist deutlich 
genug. Die Gläubigen sind zusammen, brechen gemeinschaftlich das Brot und wachen über die Heiligkeit des Tisches des 
Herrn, indem sie jeden, der unordentlich wandelt, davon entfernen. Draußen ist die Welt, die durch Gott gerichtet wird. 
Zum Schluß noch ein Wort über die Art und Weise der Abendmahlsfeier. Auch in dieser Beziehung ist die christliche Kirche 
von der ursprünglichen Einsetzung ganz und gar abgewichen. 
M a n ha t das Abendmah l zu einem Sakrament gemacht. Nu n 
enthält das Wörtchen Sakrament an und für sich nichts Böses, 
indem es eine heilige Handlun g bezeichnet; und in diesem 
Sinne ist es nicht nur auf Taufe un d Abendmahl, sondern auch 
ebensowohl auf da s Gebet und jede andere geistliche Verrichtung anwendbar; allein der Gebrauch, den ma n von dieser 
Bezeichnung gemacht hat, steht mit de r Heiligen Schrift ganz 
und gar im Widerspruch, weil ma n damit etwas ganz Besonderes ausdrücken will. So ha t die römische Kirche sieben, die 
protestantische zwei Sakramente . Nirgends aber wird man dar16<? 
über im Neuen Testament ein Wort finden, wie darin auch 
nirgends von dem heiligen Abendmahl, oder von der heiligen 
Taufe die Rede ist. Das Wörtchen „heilig" ist hier nichts als 
eine menschliche Beifügung, welche durch jene falschen Vorstellungen entstanden sind, die man sich nach und nach von 
der Taufe und dem Abendmahl gemacht hat. Das Abendmahl 
ist, wie wir bereits gesehen haben, das Fest unserer Erlösung 
und das Gedächtnis unseres Herrn. Aber die Kirche hat ein 
Sakrament daraus gemacht,, wodurch man Vergebung der Sünden erlangt. In der römischen Kirche ist die Messe daraus entstanden mit der vorgeblichen Verwandlung des Brotes und des 
Weins in den wahrhaftigen Leib und das wahrhaftige Blut des 
Herrn. In der lutherischen Kirche, sowie mit geringen Abweichungen in den meisten anderen Kirchengemeinschaften, 
ist es ein Sakrament zur Vergebung der täglichen Sünden geworden. Aus diesem Grunde hat man die Form der vorangehenden Vorbereitung, des Sündenbekenntnisses und der Absolution eingeführt. Die Folge dieser verkehrten Auffassung 
des Abendmahls ist, daß man Prediger oder Priester angestellt 
hat, die, nachdem sie geweiht oder ordiniert sind, allein als 
berechtigt betrachtet werden, das Abendmahl auszuteilen. 
Auch hat man — außer in der katholischen Kirche, wo das 
Meßopfer täglich mehrmals bedient wird, und wo es nichts 
mehr ist, als eine Zeremonie und ein Gegenstand abgöttischer 
Verehrung seitens einer unwissenden Menge — die Feier des 
Abendmahls auf etliche wenige Male im Jahr beschränkt. Aber 
beides steht im Widerspruch mit der Einsetzung des Herrn, 
sowie mit dem Beispiel, das uns die ersten Christen überliefert 
haben. 
Das Abendmahl des Herrn ist ein Mahl, an dem sich die Gläubigen zusammen vereinigen, um zum Gedächtnis des Herrn 
das Brot zu brechen. Es ist der Tisch des Herrn, wo kein 
anderer als der Herr Jesus der Gastherr ist. Niemand hat das 
Recht, sich an Seinen Platz zu stellen; niemand hat das Recht, 
die durch Ihn gesprochenen Worte an Seiner Statt zu sprechen. 
Von einer „Bedienung" beim Abendmahl ist in der Heiligen 
Schrift mit keiner Silbe die Rede, aber so wie auch nicht von 
Predigern oder Priestern die Rede ist, die geweiht oder ordiniert sein müssen, um das Brot und den Kelch auszuteilen. Alle 
170 
diese Dinge sind nichts als menschliche Erfindungen. Nach der 
Heiligen Schrift kommen einfach die Gläubigen zusammen, um 
untereinander das Brot zu brechen und den Kelch unter sich zu 
teilen, keineswegs aber um das Brot und den Kelch aus der 
Hand einer ordinierten Person zu empfangen. Paulus, indem 
er von allen Gläubigen spricht, sagt einfach: „Das Brot, das 
wir brechen"; — und in der Apostelgeschichte lesen wir- „Am 
ersten Tage der Woche aber, als sie versammelt waren, um 
Brot zu brechen . . .". Man versammelte sich um den Tisch des 
Herrn; jeder der Anwesenden brach das Brot und trank aus 
dem Kelch, während nach 1. Kor 12 und 14 der Dank durch 
einen jeden ausgesprochen werden konnte, der dazu durch den 
Heiligen Geist angetrieben wurde. 
Und was den zweiten Punkt betrifft, so hat zwar weder der 
Herr, noch haben es die Apostel festgestellt, wie oft wir das 
Abendmahl feiern sollen, sondern dies ist dem geistlichen Urteil 
der Versammlung anheimgegeben worden. Wir sehen aber, 
daß der Heilige Geist die Versammlung des Herrn in den 
Tagen der Apostel geleitet hat, sich an jedem ersten Tag der 
Woche um den Tisch des Herrn zu versammeln. Und wir werden wohl tun, diesem Beispiel zu folgen. Nichts ist herrlicher 
und gesegneter für unser Herz, nichts bringt uns mehr in die 
Gegenwart Jesu, nichts läßt uns mehr Seine unendliche Liebe 
verstehen und genießen, als das Brotbrechen. Lasse sich daher 
niemand durch den Gedanken zurückhalten, daß solch eine so 
oft wiederholte Feier leicht zu einer Gewohnheit werden könne; 
denn ebensogut würde man aus demselben Grunde weniger 
beten und weniger in der Heiligen Schrift lesen dürfen, weil 
auch dieses zu einer Gewohnheit werden könnte. Es gibt sicher 
große Gefahr, daß diese Dinge zur bloßen Gewohnheit oder 
Form für uns werden können, wie dieses mit allen geistlichen 
Dingen der Fall sein kann; aber sie deshalb zu unterlassen oder 
seltener zu verrichten, ist sicher ein ganz verkehrter Weg. 
Nein, laßt uns vielmehr wachen und beten, daß wir stets mit 
großem Verlangen und mit großer Freude am Tische des Herrn 
sitzen mögen; und wir werden stets erfahren, daß es eine gesegnete Sache ist. Man erkundige sich nur bei allen, welche 
nach dem Beispiel der ersten Versammlung an jedem ersten 
Tage der Woche zum Brotbrechen zusammenkommen; und sie 
171 
werden es laut bezeugen, daß sie den Wert der Feier des 
Abendmahls je länger, je höher schätzen und sich an jedem 
ersten Wochentag freuen, das Vorrecht zu haben, den Tod des 
Herrn verkündigen und durch die Zeichen Seines Leidens und 
Sterbens Seine unaussprechliche Liebe anschauen und genießen 
zu können. 
Gefahr und Rettung 
Vor etlichen Jahren ereignete sich in einer jener weit ausgedehnten, pfadlosen Prärien Nord-Amerikas folgender merkwürdige Vorfall. Line Reisegesellschaft bemerkte nämlich beim 
Durchschreiten der Prärie, daß ihr kundiger und erfahrener 
Führer plötzlich stehen blieb und mit banger Besorgnis lauschend zurückschaute, sich dann niederwarf und, sein geübtes 
Ohr an den Boden lehnend, laut ausrief, daß er das drohende 
Geknister eines entfernten Feuers vernehme, und daß die 
Prärie hinter ihnen ohne Zweifel in Flammen stehen müsse. 
Und nur zu bald gewahrten die Reisenden zu ihrem Schrecken 
die am Horizont aufsteigenden Rauchwolken, während ein 
scharfer Wind die verderbensprühenden Flammen mit rasender Schnelligkeit auf sie zutrieb, so daß sie schon in wenigen 
Minuten sie erreichen und verzehren mußten. Jedoch in diesem 
verhängnisvollen Augenblick hatte der mit dergleichen Gefahren vertraute Führer ebenfalls ein Feuer angezündet, welches 
vor den Augen der Reisenden im Nu eine große Fläche lichtete, 
so daß sie kurz nachher auf der abgebrannten Fläche Platz 
nehmen konnten. Mit einem Male waren sie vor dem heranwehenden Feuer gesichert aus dem einfachen Grunde, weil 
hier das Feuer schon alles verzehrt hatte, und mithin die 
kommende Flamme keine Nahrung mehr fand. Sie waren 
also von einer Stätte drohender Gefahr auf einen Platz völliger 
Sicherheit, von einer Stätte der Angst und des Schreckens auf 
einen Platz sorgloser Ruhe versetzt worden. Es war unmöglich, 
daß das Feuer sie noch erreichen konnte, weil sie auf einem 
Boden standen, wo es schon das Werk der Verwüstung voll172 
endet hatte. Flammen, die sie vorher noch bedrohten, hatten 
ihnen einen Zufluchtsort bereitet; der einst so schreckliche 
Feind war ihr bester Freund geworden; die Gefahr war vorüber. 
Hierin erblicken wir ein treffendes Bild von dem einzig sicheren Zufluchtsort des geretteten Sünders, der sich gleich jenen 
Reisenden außer Gefahr befindet. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht" (Hebr g, 27). 
Und wiederum: „Ein jeglicher wird mit Feuer gesalzen werden" 
(Mk 9, 49). Das Gericht kommt, und unaufhaltsam rollen die 
Feuerwogen des göttlichen Zorns in schrecklicher Ausdehnung 
heran und werden bald alle, die in ihren Sünden verharren, 
gewiß und sicher ereilen. Die Menschen mögen dies nicht 
glauben; aber dennoch ist es so. Sie mögen es versuchen, sich 
in ihren Gedanken darüber hinwegzusetzen, oder sie mögen 
gar darüber spotten; die Sache selbst wird dadurch in keiner 
Weise verändert. Jeder Pulsschlag bringt sie jener Stunde 
näher und näher, in welcher die Toten, Geringe und Große, 
vor Gott stehen werden. Der Tag der Rache, der große Tag 
der Vergeltung ist vor der Tür. Sein Kommen ist nur noch eine 
Frage der Zeit. Die Zeit der Annehmung, der Tag des Heils 
wird bald vorüber sein, und die Pforte der Barmherzigkeit 
wird für immer verschlossen, und jeder, der in seinen Sünden 
beharrt, dem verzehrenden Feuer des gerechten Grimmes Gottes unvermeidlich preigegeben sein. 
Lieber Leser, wo befindest du dich? Auf welchem Platz stehst 
du? Auf dem Boden des Gerichts oder auf dem Boden der 
Sicherheit? Bist du in deinen Sünden, oder bist du in Christo? 
Wende dich nicht von diesen Fragen ab, sondern erwäge sie 
gerade jetzt in ihrer ganzen Wichtigkeit. Einmal müssen sie 
gelöst werden. Säume daher nicht länger damit, auch nicht eine 
einzige Stunde; denn du weißt nicht, wie nahe der Augenblick 
ist, der dich in die Ewigkeit abruft. Und wenn du in deinen 
Sünden stirbst, werden die Flammen der Hölle dein ewiges 
Teil sein. Darum eile und errette deine Seele! 
Fragst du etwa: „Wie kann ich gerettet werden?" Bist du dahin 
gekommen, aus der Tiefe eines gebrochenen und gedemütigten 
Herzens auszurufen: „Was muß ich tun, damit ich gerettet 
173 
werde?" dann wird die gute Botschaft des Heils, das Evangelium der Gnade Gottes gleich linderndem Balsam in dein 
Herz dringen, daß Jesus für jeden, der an Ihn glaubt, einen 
Platz der Sicherheit bereitet hat, indem Er dem Feuer des göttlichen Zornes begegnet ist und die Flammen des göttlichen 
Gerichts für uns gelöscht hat. Er nahm den Platz des 
Sünders ein, Er litt den Tod des Sünders, Er ertrug das Gericht 
des Sünders, Er bezahlte die große Schuld des Sünders. Er 
wurde für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm. Jetzt ist jeder verlorene Sünder, der 
einfach und von Herzen an Ihn glaubt, so sicher, wie Jesus 
Selbst es ist. Der Gläubige hat kein Gericht mehr zu fürchten; 
denn an seiner Statt hat es Christum getroffen. „Also ist jetzt 
keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind" (Röm 
8, 1). Und wie könnte es auch noch eine Verdammnis geben 
für die, an deren Statt Christus das Gericht getragen hat? Er 
nahm das ganze Gewicht aller unserer Sünden auf Sich und 
versetzte uns von dem Boden des Gerichts auf den Boden 
ewiger und göttlicher Sicherheit. Er hat jede Frage hinsichtlich 
unserer Sünden und des Zustandes zwischen Gott und uns in 
Ordnung gebracht; und Er ist jetzt vor Gott unsere Gerechtigkeit geworden. So unmöglich, wie noch irgendeine Anklage 
gegen Christum, den Auferstandenen, erhoben werden könnte, 
kann es eine Anklage geben gegen den, der an Ihn glaubt. Er 
war einst mit unserer Sünde beladen, aber Er hat sie für immer 
hinweggetragen; und jetzt sind alle, die an Ihn glauben, auf 
einen Platz vollkommener Sicherheit gestellt, wo die Flamme 
des Gerichts sie nie erreichen kann; die ist für immer vorüber. 
Gleichwie in den Tagen Noahs die Arche der einzige Bergungsort auf der ganzen Erde war, gibt es auch jetzt nur eine Zufluchtsstätte der Errettung; und nur in Christo ist diese Stätte. 
Keinen von denen, die sich in der Arche befanden, konnte das 
Gericht erreichen, denn „der Herr selbst schloß hinter ihnen 
zu". Und keiner von denen, die in Christo Jesu sind, wird verlorengehen, denn sie sind „aus dem Tode in das Leben hinübergegangen". Noah glaubte, daß die Sintflut heranbrechen 
würde, nicht etwa weil er ein Zeichen davon sah, sondern weil 
Gott es gesagt hatte. „Durch den Glauben bereitete Noah, da 
er einen göttlichen Ausspruch von dem, was noch nicht zu 
174 
sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche 
zur Rettung seines Hauses". — Und als das drohende Gericht 
kam, waren alle, welche Gott geglaubt hatten, vor dem Gericht in der Arche geborgen, während die Verächter des Wortes 
Gottes inmitten ihrer Sorglosigkeit durch das Gericht ereilt und 
vertilgt wurden. 
Darum, mein teurer Leser, wenn du noch nicht gerettet bist, 
so bedenke es wohl, solange es noch heute heißt, daß die 
Flammenwogen des Gerichts Gottes sich unaufhaltsam heranwälzen und auch dich bald erreichen werden, wenn du nicht in 
Eile jene sichere Zufluchtsstätte betrittst, wo diese Flammen 
bereits ihr Werk vollendet haben und darum keine Nahrung 
finden können. Jene Reisenden fanden eine zeitliche Rettung, 
indem sie dem immer näher herankommenden Feuer entflohen 
und jene Stätte betraten, wo das Feuer bereits vorher gewütet 
und ihnen eine Stätte der Sicherheit bereitet hatte. So hat das 
Feuer des Zornes Gottes anstatt des Sünders Jesum getroffen, 
damit der Sünder in Ihm eine ewige Rettung finden kann. 
Darum eile und errette deine Seele. 
Die Gefühllosigkeit der Sünde 
Wie wenig verstehen die meisten Menschen, was die Sünde in 
den Augen Gottes ist! Wie oft bekennen sie oberflächlich, daß 
sie Sünder seien, ohne auch nur im Entferntesten daran zu 
denken, wie scheußlich vor Gott die Sünde ist, deren Beseitigung nur von Seiten Gottes, und zwar nur durch den Tod 
Seines Sohnes geschehen konnte! Wohl mag, während die im 
Herzen aufsteigenden bösen Gedanken unbeachtet bleiben, 
ein bloß natürliches Gewissen durch eine böse Handlung beunruhigt werden; aber wie fern liegt oft dem menschlichen 
Herzen die Frage, warum Christus sterben mußte und warum 
Gott das Böse verbot, das in ihrem Herzen ist! Sie glauben 
nicht, daß sie durchaus sündig und von Gott getrennt sind. — 
Als Gott den Menschen aus Eden vertrieb, gab Er ihm als 
steten Begleiter das Gewissen mit auf den Weg. Und dieses 
175 
Gewissen, wenn es verletzt ist, ist ein schrecklicher Begleiter, 
aber in Wahrheit zugleich auch eine Barmherzigkeit von seiten 
Gottes, Der auf diesem Wege beabsichtigte den Menschen zum 
Verständnis seines Zustandes zu bringen. 
Paulus war nach seinem natürlichen Gewissen tadellos; allein 
sobald das Licht in seine Seele schien, zeigte sich die Feindschaft seines Herzens gegen Gott. Jedoch strahlte das Licht, 
das sein Herz bloßstellte, von dem Angesicht Dessen aus, Der 
das auf seinem Gewissen lastende Gericht Gottes getragen 
hatte. 
Viele sprechen oft in einer Weise vom Himmel, als ob es eine 
abgemachte, selbstverständliche Sache sei, daß sie hineinkommen, während sie sich um nichts weniger bekümmern, als um 
den Himmel. Wie oft hört man sie in Leichtfertigkeit sagen: 
„Ich hoffe, in den Himmel zu kommen", während sie gegen 
niemanden gleichgültiger sind, als gegen Christum! Gibt es 
irgend etwas, wodurch die Gefühllosigkeit des Menschen infolge der Sünde mehr an den Tag tritt, als seine offenbare 
Sorglosigkeit über seinen Zustand vor Gott? Oder gibt es irgend etwas, was seine weite Entfernung von Gott mehr ins 
Licht stellt, als seine alle Begriffe übersteigende Gefühlslosigkeit gegen die himmlischen Dinge und gegen Christum? Adam 
gab für den Genuß eines Apfels alles preis, was Gott für ihn 
war; und dieses tut der Sünder jeden Tag. Er gibt fortwährend 
Gott preis für die Dinge dieser Welt. Irgendeine Ergötzung in 
dieser Welt hat mehr Macht über ihn, als all' die suchende 
Liebe Gottes, als der ganze Reichtum der Gnade Christi. Gleich 
dem reichen Jüngling geht er „betrübt hinweg"; und obwohl 
ihm sein wahrer Zustand vor Augen gestellt worden ist, so 
geht er dennoch „hinweg". Aber dadurch liefert er den unzweideutigen Beweis von der tiefen Verdorbenheit seines Herzens, das von jeder Spur göttlichen Lebens gänzlich entblößt 
ist. Der Heilige Geist wendet Sich zu den Sündern mit der Einladung: „Laßt euch versöhnen mit Gott!" aber wie wenige 
achten darauf! Doch wenn sich Gott einer Seele offenbart, so 
entdeckt sie, daß in ihr, das ist in ihrem Fleische, die Sünde 
wohnt, welche sie an und für sich selbst für immer von Gott 
trennen müßte, die aber zugleich die Ursache geworden ist daß 
176 
Jesus Sich für sie hingegeben und den Zorn Gottes getragen 
hat, um ihr nach vollbrachtem Werke die ungesuchte Liebe 
Gottes zu offenbaren. Dann lernt sie verstehen, daß Gott nach 
Seiner großen Barmherzigkeit dazwischen getreten ist und in 
betreff ihrer Sünden und ihres Zustandes — der Ursache ihrer 
Betrübnis — mit Seinem Sohne in Gerechtigkeit gehandelt hat, 
um Seiner Liebe gegen sie freien Lauf zu lassen und in Gnade 
mit ihr verkehren zu können. 
Wie schrecklich ist es deshalb, wenn der Mensch angesichts 
dieser Tatsachen in der Sünde beharrt, um derentwillen Christus, der Sohn Gottes, den Tod geschmeckt hat! Welch ein 
ernster Gedanke, die Ursache des Todes Christi zu sein! Aber 
wie wahr dieses ist, so ist es auch ebenso wahr, daß Er gestorben ist, um die Sünde hinwegzunehmen, so daß der Ihm 
nahende Sünder sagen kann: „Ich glaube, daß dieser hochgelobte Jesus am Kreuze den Kelch des Zorns Gottes getrunken hat, und daß Er jetzt als mein Heiland zur Rechten Gottes 
sitzt". — Dieses Bewußtsein allein kann die Seele mit Vertrauen zu Gott erfüllen. Gott erwartet jetzt nichts anderes von 
dem bußfertigen Sünder, als daß er an Seine Liebe glaube. „Er 
hat seines eigenen Sohnes nicht verschont". Jesus gab Sich 
Selbst für den Sünder hin, damit der, gereinigt von Sünden, 
für immer in Seiner Nähe sein könne. Diese vollkommene 
Gnade reinigt das Herz von aller Unaufrichtigkeit, so daß der 
Sünder nicht mehr bemüht ist, den wirklichen Zustand zu verbergen, sondern vielmehr in dem Bewußtsein ruht, daß Gott 
alle Dinge kennt, — ein Bewußtsein, das uns fähig macht, uns 
selbst zu erkennen und zu verurteilen. Dann kann die Seele, 
im Besitz der vollkommenen, göttlichen Gunst, mit Aufrichtigkeit sagen: „Ich habe Frieden mit Gott durch unseren Herrn 
Jesum Christum und rühme mich in Hoffnung der Herrlichkeit 
Gottes". Und dies ist der Weg zur völligen Entwicklung des 
christlichen Charakters. 
O mit welch einem Gott haben wir es zu tun! Er empfiehlt uns, 
den Sündern, Seine eigene Liebe, damit wir sie genießen und 
Frieden mit Ihm haben möchten. Wie glücklich ist das Herz, 
das versteht, was Er für uns, die von Natur armen, verlorenen 
Sünder, ist — Er, Der Sich in triumphierender Gnade über all 
177 
unserem Elend erhob! Und der Heilige Geist ist beschäftigt, 
Zeugnis abzulegen von dem, was Gott in Seiner Güte für uns 
ist, die wir in uns selbst nur Sünder sind. Glückselig alle, die 
in Wahrheit verstanden haben, daß das Kreuz Christi allen 
Ansprüchen Seiner Herrlichkeit entsprochen hat! Aber wie 
schrecklich ist der Zustand derer, die es vorziehen, in der Finsternis, dem Unglauben und der Gefühllosigkeit der Sünde 
zu verharren! 
Die Ruhe 
Von wie vielen armen, ermüdeten Herzen mögen wohl in 
diesem Augenblick gleich einem Echo die Worte des Psalmisten 
widerhallen: „O daß ich Flügel hätte wie die Taube! ich wollte 
hinfliegen und ruhen" (Ps ^ , 6). Das Verlangen nach Ruhe ist 
seit dem Sündenfall immer der Gegenstand der tiefsten Sehnsucht des Menschenherzens gewesen. Schon in Eden, ehe noch 
der Lohn der Sünde eingeerntet war, kündigte diese Sehnsucht 
ihr Dasein durch das Verlangen nach Ruhe an. Von dem 
Augenblick an, wo ein unbefriedigter Wunsch den unschuldigen Genuß der Güte Gottes aus den Herzen unserer ersten 
Eltern verdrängt hatte, war auch die Ruhe aus den Herzen 
gewichen, und seitdem hat sich jene Sehnsucht nach Ruhe bei 
ihren Nachkommen in den aufeinanderfolgenden Geschlechtern von Herzen zu Herzen fortgepflanzt. Immer stärker und 
heftiger drangen die Seufzer aus der Tiefe dieser Sehnsucht 
zu dem beleidigten Thron Gottes hervor, bis nach den ewigen 
und weisen Ratschlüssen des Vaters der Sohn Seiner Liebe aus 
Seinem Schöße in diese arme Welt herniederkam. Dann vernehmen wir zum ersten Male, daß dem Menschen, inmitten 
dieser traurigen Szene, Ruhe angeboten wird, jedoch nicht jene 
verheißene Ruhe, die durch den jüdischen Sabbath bereits angedeutet war, und nach welcher die Kreatur sich sehnt, sondern eine Ruhe, die wir jetzt schon genießen können. Ohne 
Zweifel bleibt noch eine Ruhe für das Volk Gottes; diese wird 
geoffenbart werden, wenn die Macht Gottes alle Dinge im 
Himmel und auf Erden in geordneter Schönheit unter Christum 
178 
vereinigt haben wird. Aber es gibt gegenwärtig inmitten dieser 
unruhigen, mühseligen, mit Seufzern erfüllten Szene eine Ruhe 
für jedes mühselige und beladene Herz, und zwar die süßeste 
und köstlichste Ruhe. Es ist nicht die Ruhe Gottes, welche die 
Hoffnung in späteren Zeiten erwartet, sondern die Ruhe in 
Gott, die der Glaube jetzt genießt, und welche Jesus den Mühseligen und Beladenen anbietet und gibt, indem Er sagt: 
„Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und 
ich werde euch Ruhe geben" (Mt 11, 28). Es ist, wie jemand 
bemerkt hat, nicht mehr eine Frage der Verantwortlichkeit, 
eine Sache, die von unserer Annahme abhängig ist, sondern es 
ist die freie und unumschränkte Gnade, die aus sich selbst und 
für sich selbst handelt, indem sie Mühselige und Beladene zur 
Ruhe führt. O wie gesegnet ist dies alles! Er, Der diese Worte 
sprach, wußte was die Welt, und auch was der Mensch, selbst 
der bevorzugtste war. Er wußte, daß in einer Welt, die ohne 
Gott war, und wo Sein Name entehrt und Seine Gnade verachtet wurde, eine große Zahl von Mühseligen und Beladenen 
war, wo aber keine Ruhe zu finden war. Er Selbst war der 
einzige, in Dem das ermüdete Herz einen Ruheplatz finden 
konnte; und Er, Dessen Auge gleichsam den ganzen Raum 
der Zeiten und alle darin befindlichen Herzen überschauen 
konnte, ruft allen zu: „Kommet her zu mir"! 
Diese Einladung dringt nach allen Richtungen hin, weil sich 
überall Menschen befinden, denen sie gilt. Wo irgendein 
menschliches Herz schlägt, dessen Leben allein das Leben 
Adams ist, da findet sich auch jene schmerzliche Leere, die nur 
Er ausfüllen kann, Der gesagt hat: „Kommet her zu mir, und 
ich werde euch Ruhe geben". Nicht eine vergängliche und zeitliche Gabe bietet Er hier an, sondern eine ewige und göttliche 
Ruhe — eine Ruhe, welche tief und bleibend ist, wie die Natur 
und der Thron Dessen, Der Seinen eingeborenen Sohn auf 
diese arme fluchbeladene Erde herniedersandte, um jene wunderbaren Worte himmlischen Trostes zu reden, die gleich linderndem Balsam in das verwundete Herz fallen und die Seele 
mit süßem Entzücken erfüllen — Worte, die, aus dem Herzen 
Gottes dringend, als Antwort dienen auf den Angstruf: „O 
daß ich Flügel hätte wie die Taube! — ich wollte hinfliegen und 
ruhen"! Es handelt sich hier nicht um eine mitgeteilte Macht, 
179 
die uns befähigt, einen mühsamen Ausflug nehmen zu können 
zu einem Lande der Ruhe und Freude, sondern es ist der sanfte 
Flug der Liebe, die sich herniederläßt zu dem Herzen des Beladenen, um ihm Ruhe und Freude zu bringen, ohne daß es 
von Seiner Seite auch nur der geringsten Anstrengung bedürfte, um diese Gabe zu erlangen. Es ist eine Gabe, nicht 
gesandt durch die Hand eines der Häupter der heiligen Engel 
des Lichts, sondern gesandt von Gott durch die Hand des 
Sohnes Seiner Liebe. Ja, es war die gesegnete Mission unseres 
Herrn Jesu in dieser armen Welt, eine gegenwärtige Ruhe zu 
geben. Bald wird Er kommen in Herrlichkeit, und dann wird Er 
eine vollkommene Ruhe von den Umständen und Leiden dieser 
Zeit jener Ruhe beifügen, deren Süßigkeit wir jetzt schon 
genießen, während das Herz in Ihm ruht, Den die Umstände 
weder erschüttern noch verändern können, und Welcher „derselbe ist gestern und heute und in Ewigkeit". 
Woher aber kommt es, möchte ich fragen, daß vielen diese 
Ruhe so ganz und gar fremd ist, während sie sie doch unaufhörlich suchen und sich danach sehnen? Die Ursache ist ein 
anklagendes Gewissen und ein unbefriedigtes Herz. In der 
vergeblichen Hoffnung, das Gewissen zu beruhigen, unterwirft 
sich der Mensch den ermüdenden Gebräuchen religiöser Vorschriften und gesetzlicher Forderungen; und mit der gleichfalls 
nichtigen Anstrengung, das Herz zu befriedigen, stürzt er sich 
in den betäubenden Strudel geräuschvoller Vergnügungen. Doch 
anstatt seinen Zweck zu erreichen, entfernt er sich nicht nur 
immer weiter von der wahren Quelle, wo allein das Gewissen 
und das Herz Befriedigung finden kann, sondern er wird auch, 
je ernster und eifriger er auf seiner Bahn vorwärts schreitet, 
immer mühseliger und beladener. Wie ganz anders ist es hingegen, wenn man den Blick von dem Menschen weg auf den 
gepriesenen Heiland richtet, Der in diese Welt kam, um dem 
Menschen das zu geben, was dieser vergeblich durch eigene 
Anstrengungen zu erlangen sucht — nämlich Frieden für das 
Gewissen und Ruhe für das Herz. 
Diese Gedanken führen uns zu den beiden erhabenen Seiten 
der gesegneten Mission des Sohnes Gottes. Er kam, um einerseits durch das Opfer Seiner Selbst die Sünde wegzunehmen 
180 
und die Errettung des Menschen zu bewirken, und andererseits 
den Vater zu offenbaren und das Herz Gottes in der Vollkommenheit Seiner Natur als Liebe vor den Blicken Seiner 
Geschöpfe zu öffnen. Die Erkenntnis des ersten bewirkt den 
Frieden des Gewissens, der Genuß des zweiten erfüllt das Herz 
mit vollkommener Ruhe, deren Süßigkeit kein unbefriedigtes 
Sehnen darin zurückläßt. 
Lieber Leser, kennst du diese Ruhe? Wenn nicht, so wende 
dich zu dem Blute Christi und trinke aus der Lebensquelle mit 
vollen Zügen. „Er hat Frieden gemacht durch das Blut seines 
Kreuzes"; und „Sein Blut ist wahrhaftig Trank", der das Gewissen fleckenlos macht, gleich dem unbefleckten Lichte Gottes. 
Dann aber setze dich zu Seinen Füßen nieder und lerne von 
Ihm, wie Er die Liebe des Vaters offenbart, jene Liebe, in 
welcher Er, während Er als Mensch diese Erde überschritt, stets 
ruhte, — und du wirst die Ruhe des Herzens kennen, wie Er 
sie kannte Der da sagt: „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, auf daß die Liebe, womit du 
mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen" (Joh 17). 
Das ist Ruhe — Ruhe in Gott, das gegenwärtige Teil des Glaubens, der horchend zu den Füßen Dessen sitzt, Der sagt: 
„Kommet her zu mir .. . ich werde euch Ruhe geben". 
Der König David und sein neuer Wagen 
(1. Chronika 13—16) 
1 . 
Die Verrichtung einer guten Sache und namentlich des Werkes 
des Herrn, aber in verkehrter Weise und nach eigenem, menschlichen Ermessen muß und wird die traurigsten Übel und wohl 
gar den Tod zur Folge haben. Es ist eine unleugbare Tatsache, 
daß Widerwärtigkeiten weniger gefährlich sind, als Tage des 
Wohlergehens; und wohl niemand hat dies mehr erfahren, als 
David, der Sohn Jesses. Nichts ist mehr wahr, als das Wort des 
181 
Apostels: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark"; — und 
wir können unsererseits wohl hinzufügen: „Wenn wir stark 
sind, dann sind wir schwach". 
Die oben angeführten Kapitel stellen eine anziehende, beachtenswerte und ernste Szene dar, in der wir David von Personen 
und Umständen umgeben sehen, die geeignet sind, aufzublähen und Herz und Sinn von den Wegen und dem Worte Gottes, ja von Gott Selbst abzulenken; und leider nur zu oft ist 
dies dem Feinde gelungen. David steht hier nach seinen Leiden, 
Ängsten und verschiedenen Siegen auf dem Punkt, zum König 
über ganz Israel gemacht zu werden. Die Obersten und Führer versammeln sich um ihn; und alle verfolgen nur eine Absicht, ein Ziel, nämlich jenen Mann zu rühmen und zu erheben, 
welcher Goliath, ihren mächtigen Feind, erschlagen hat (i. Chr 
12, 24—40). Aber dieses alles scheint für das Herz und den 
Glauben Davids zu viel zu sein; denn es bemächtigt sich seiner, 
lenkt das Auge auf das eigene Ich und zieht ihn aus der Gemeinschaft Dessen, Welcher gesagt hat: „Ohne mich könnt ihr 
nichts tun". Die, welche sich auf den Arm des Fleisches stützen, 
wie mächtig und herrlich der auch scheinen mag, anstatt auf 
Ihn zu schauen und zu vertrauen, Der uns allewege erhält, 
leitet und unterweist, sind sicher in Gefahr, verkehrt zu wandeln und werden unausbleiblich Sünde, Schmerz und Traurigkeit über sich und andere bringen. Israel ist zu sehr mit seinem 
Könige und zu wenig mit dem Herrn beschäftigt; und der 
König ist so sehr für das Volk und dessen Führer eingenommen, daß nur an Freude und Festlichkeit gedacht und drei Tage 
hindurch über den Ergötzlichkeiten und Belustigungen alles 
andere beiseitegesetzt wird. Der nächste Schritt verrät schon 
das Geheimnis und den wahren Zustand des Herzens Davids. 
Er hält Rat mit den Obersten und Führern und nicht mit dem 
Herrn allein. Der Mensch und nicht Gott — ausgenommen in 
einem höchst geringen Grade — beschäftigt seinen Geist (1. 
Chr 13). Welch ein treues Bild ist dieses von unseren Tagen! 
Man blickt nur auf die religiöse Welt. Was anders tut sie als 
sich mit dem Geschöpf beraten und nicht mit dem Schöpfer 
allein, Der „Gott ist über alles, gepriesen in Ewigkeit"? 
Im zweiten Verse ist Gott eingeführt; aber Er erhält neben 
David nur den zweiten Platz, weil das Geschöpf, beinahe mit 
182 
Ausschluß des Schöpfers, verehrt und bedient wird. Die Folge 
ist, daß Gott solche Menschen ihren eigenen Gang verfolgen 
läßt, bis viele zum Bewußtsein des großen Übels und der Torheit gelangt und, daß sie Gott und Sein Wort verlassen haben, 
indem sie ihren eigenen, mit ihrem irrenden Verstände ersonnenen Wegen gefolgt sind. Man blicke nur auf das Papsttum, 
auf die griechische Religion, auf den Protestantismus und auf 
die verschiedenen kleineren Gemeinschaften; und man vergleiche das Ganze mit den Evangelien, der Apostelgeschichte 
und den Briefen der Apostel, und sicher wird man finden, in 
welch einer schreckenerregenden Weise man den in diesen drei 
Teilen des Neuen Testaments bezeichneten Boden verlassen 
hat. 
Wo findet man jetzt etwas, das ähnlich ist der Einheit und 
Einfachheit, welche die Zusammenkünfte und den Gottesdienst 
Christi und Seiner Apostel so sehr charakterisierte? Es zeigt 
sich kaum noch eine Spur von derselben Art und Sache. Die 
religiöse Welt hat eine ganz entgegengesetzte Form von Gottesdienst für sich gemacht, eine Form, die von derjenigen des 
Herrn und der Apostel ganz und gar abweicht. Man nehme 
die Geschichte und die Briefe der Apostel zur Hand und man 
zeige uns irgendeine wesentliche Ähnlichkeit zwischen dem hier 
wahrgenommenen einfachen, schmucklosen, geistlichen, familiären Gottesdienst und den verschiedenen angenommenen 
Gebräuchen unserer Tage. Kein aufrichtiger, redlicher Mann 
kann behaupten, daß in allen Religionsparteien, von Rom, 
diesem Meer der Ungerechtigkeit, bis zu dem kleinsten Bächlein der Sekten herab, etwas der ursprünglichen Vereinigung 
Ähnliches zu finden ist, oder mit der Art und Weise oder den 
Grundsätzen des Gottesdienstes der ersten Christen zu vergleichen sei. Die sogenannten Priester, Geistliche oder Pastoren 
maßen sich, — ich rede von ihrem Amt —, den Platz Christi, 
des einzigen Hauptes, sowie den Platz des Heiligen Geistes, 
des einzigen Regierers und Leiters der Kirche, an. Dies ist 
eine so traurige Tatsache, daß, gemäß den Regeln und Vorschriften fast aller dieser Sekten, weder die Apostel noch der 
Herr Jesus Selbst, falls sie heute oder morgen an deren sogenannten Gottesdienst teilnehmen würden, es wagen dürften, 
irgendein Lied anzugeben, oder zu beten, oder zur Erbauung 
183 
der Versammlung die Lippen zu öffnen. Und warum dieses? 
Wegen der menschlichen, unbiblischen Regel und Anordnung, 
daß der Priester, oder der Geistliche oder der Pastor die einzige 
rechtlich eingesetzte Person ist, der man das Recht eingeräumt 
hat, die Dinge zu verwalten und das Wort zu führen. Diese 
Anordnung läßt weder dem Herrn und Seinen Aposteln, noch 
dem Heiligen Geiste einen anderen Platz als den eines stummen 
Zuhörers. Ist das die göttliche Weise, um das Werk Gottes 
zu tun? Ja, ist es nicht menschlich, selbst satanisch, wenn der 
Herr Jesus, der Heilige Geist und die Apostel schweigen müssen, weil, gemäß den Regeln aller kirchlichen Parteien unserer 
Tag, der Priester, der Geistliche, oder der Pastor, mag auch 
jeder von ihnen ein wahrer Christ sein, von Menschen in den 
Platz des Heiligen Geistes eingesetzt ist und demzufolge bei 
Gelegenheit des Gottesdienstes alles zu verrichten hat? Ist 
dieser Dienst in der Hand eines Mannes nicht zu einer leeren 
Form herabgesunken? Was anders ist dies als „Davids neuer 
Wagen" (i. Chr 13, 7), um das Werk Gottes zu tun, anstatt 
sich nach der im Neuen Testament bezeichneten alten und 
einfachen Weise Gottes umzusehen? Und ist es daher ein 
Wunder, daß so viele Unruhe, Betrübnis, Blindheit, Weltlichkeit, Dürre und geistlicher Tod inmitten der kirchlichen Parteien unserer Tage herrschen? Anstatt die Bundeslade durch 
die von Jehova erwählten Leviten tragen zu lassen, beschlossen 
David und seine Großen, dies durch den neuen Dienst eines 
neuen Wagens bewerkstelligen zu lassen. Anstatt des Dienstes bezüglich der Bundeslade ausgeführt von den erwählten 
Dienern Gottes, sehen wir hier von Seiten Davids und Israels in 
dem neuen Wagen eine Nachahmung des Beispiels der Philister, ähnlich dem Dienst der verschiedenen Religionsbekenntnisse, welche ebenfalls den schriftwidrigsten Mustern nachgefolgt sind. 
Der Mensch liebt das, was neu und ungewöhnlich ist, und was 
er selbst erfunden hat. Die Geschichte Roms (ich meine das 
kirchliche und nicht das heidnische Rom) liefert uns die Beweise dafür. Hier findet man Neuerungen, neue Erfindungen, 
Anordnungen, Pläne und eigene Gebräuche, die man, vermischt 
mit dem einfachen Wege und Worte Gottes, den Juden und 
Heiden nachgeahmt hat. Und hat nicht der Protestantismus 
manches, das nur eitles Blendwerk ist, dem römischen System 
184 
entlehnt? Sicher; und ebenso haben Andersdenkende, welche 
aus der Landeskirche ausgeschieden sind, Irrtümer mit herübergenommen, deren Quelle in Rom zu suchen ist. Man vergleiche nur alle diese kirchlichen Gemeinschaften mit den Versammlungen der Apostelgeschichte und der Briefe, und man 
wird sofort finden, wie völlig diese menschlichen Systeme den 
durch den Heiligen Geist berufenen Versammlungen entgegengesetzt sind. Kaum gibt es inden sogenannten Kirchen noch einen 
Zug, der ähnlich demjenigen ist, was wir im Neuen Testament 
finden. Ist die Gemeinschaft irgendeiner Partei gleich der Gemeinschaft des Leibes Christi? Ist der Dienst in irgendeinem 
Punkte gleich? Nein. Ist die Art und Weise, den Dienst aufrechtzuhalten, dieselbe? Keineswegs. Ist, wie ehedem, jene 
Einfalt und Einheit durch den Heiligen Geist dieselbe, oder 
begegnet man nur der Vereinigung irgendeiner Partei oder 
Sekte, wo Schein und Stolz vorherrschen? Gibt es mit einem 
Worte irgend etwas in diesen menschlich ersonnenen Körperschaften, was wirklich ähnlich wäre dem einfachen Gottesdienste der früheren Versammlungen, wovon wir lesen: „Die 
Gläubigen alle aber waren zusammen — und große Gnade war 
auf ihnen allen; . . . von den Übrigen aber wagte keiner, sich 
ihnen anzuschließen; . . . aber um so mehr Gläubige wurden 
dem Herrn hinzugetan". 
Es besteht nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen den religiösen Körperschaften der Jetztzeit und den Versammlungen 
der ersten Christen. Ebenso könnten wir sagen, daß es ein und 
dieselbe Sache sei, wenn die Bundeslade auf Anweisung Davids 
und Israels auf einem neuen Wagen gefahren wurde oder wenn 
sie auf Bestimmung Jehovas auf den Schultern Seines auserwählten, geheiligten Volkes getragen wurde. David beriet sich 
mit dem Geschöpf und trachtete nach äußerem Ansehen; und 
dennoch vermengte er den Namen des Herrn mit seinen eigenen 
Plänen, um seinem Gewissen ein wenig Ruhe zu verschaffen 
(1. Chr 13, 2—6). Das ist es gerade, was die Diener, Priester 
und Geistliche als solche öffentlich getan haben. Sie sind der 
Schicklichkeit und des Ansehens wegen, sowie im Blick auf 
Amt und Würde, in ein System getreten, dessen geringster 
Teil, im Lichte der Heiligen Schrift geprüft, nicht darin gefunden wird. Sicher, man könnte, und zwar in der aufrichtigsten 
185 
Liebe, alle sogenannte Kirchen oder Gemeinschaften kühn 
herausfordern, auch nur den schwächsten Zug wirklicher Ähnlichkeit zwischen irgendeinem ihrer Systeme und der Kirche 
Gottes, wie sie in Seinem eigenen Worte gefunden wird, zu 
zeigen. Wenn ein von Rindern gezogener, neuer Wagen gleich 
ist einer Anzahl heiliger, ergebener Leviten, dann sind auch 
die von einzelnen Menschen ersonnenen, sogenannten Kirchen 
unserer Tage und die durch den Heiligen Geist gesammelte 
Kirche in den Tagen der Apostel eine und dieselbe Sache. Aber 
die sogenannten Kirchen der Gegenwart sind von der Kirche 
Gottes von Alters her so sehr verschieden, wie die Anordnungen Davids von der Art und Weise verschieden waren, in 
welcher die Leviten die Bundeslade Gottes zu tragen pflegten. 
Beachten wir es hier, wie der Mensch sich der Werke seiner 
Hände rühmt. „Und sie fuhren die Lade Gottes auf einem 
neuen Wagen aus dem Hause Abinadabs weg; und Ussa und 
Achjo führten den Wagen. Und David und ganz Israel spielten 
vor Gott mit aller Kraft: mit Gesängen und mit Lauten und 
mit Harfen und mit Tamburinen und mit Zymbeln und mit 
Trompeten" (1. Chron 13, 7—8). Aber trotz ihrer Musik und 
Ruhmredigkeit gab es nichts Beständiges und Festes in ihrem 
Werk. Menschliche Erfindungen statt der Anordnungen des 
Herrn sind sicher erschütterlich und nicht haltbar. Die Rinder 
hatten sich losgerissen; und als Ussa seine vermessene Hand 
ausstreckte, um die Bundeslade zu halten, fand er sofort seinen 
Tod (V. 9—10). Das sind die Folgen, wenn man das Werk 
Gottes auf Menschenweise zu verrichten trachtet. Betrübnis, 
Schrecken und selbst der Tod verbreiten sich über die Szene; 
und statt der Musik und der Freude, ist jede Seele mit Trauer 
und Schmerz erfüllt. „Seid niedergeschlagen und trauert und 
weinet" (am Tage des Abweichens von Gott) sagt Jakobus; 
„euer Lachen verwandele sich in Traurigkeit und eure Freude 
in Niedergeschlagenheit". Wer will behaupten, daß die verschiedenen Systeme der Menschen, die man Kirchen nennt, 
nicht jetzt schon wanken? Man betrachte das römische System 
in Deutschland, in Italien und in anderen Ländern; man betrachte die verschiedenen protestantischen Körperschaften mit 
ihrem offenen Unglauben, man betrachte die kleineren Gemeinschaften, die Independenten, Baptisten, Methodisten und 
andere Parteien mit ihren immer mehr um sich greifenden Ab186 
zweigungen und Spaltungen, — und man sage uns, ob wohl je 
eine solch auffällige Erschütterung stattfand, als in unseren 
Tagen; ja man sage uns, ob nicht die Rinder sich losgerissen 
haben und das ganze menschliche Machwerk zur großen Bestürzung aller Beteiligten heftig erschüttert ist. Und warum 
dies alles? Einfach darum, weil die verschiedenen Parteien und 
Sekten, gleich David und Israel, anstatt allein durch das Wort 
und den Geist Gottes geleitet zu sein, den Erfindungen ihres 
eigenen Geistes gefolgt sind. Dazu beachte man, daß die gemachten Anstrengungen um diesen wankenden Zustand der 
Dinge zu stützen, statt eines Heilmittels das Gericht von Gott 
herbeiführen. Nichts kann verbessert oder wiederhergestellt 
werden, was von Anfang bis zu Ende verkehrt ist. Man muß 
es beseitigen oder durch das ersetzen, was recht ist; denn 
je mehr man daran zu flicken sucht, desto mehr verschlechtert 
man es. Das aber ist es eben, was in den verschiedenen kirchlichen Parteien zu geschehen pflegt; allerlei Arten von Dingen 
und Händen werden ausgestreckt, um den wankenden Bau 
zu halten. Aber wenn man, wie es von Seiten Ussas geschah, 
anstatt die ganze Bauart als verkehrt anzuerkennen und aufzugeben, eine unverbesserliche Sache wieder herzustellen sucht, 
so ist nichts als das Gericht Gottes zu erwarten. Eine große 
Menge sogenannter Geistlicher sind sogar so verblendet und 
verhärtet, daß sie nicht nur ihre eigenen wankenden Systeme 
durch falsche und törichte Mittel zu stützen trachten, sondern 
sich sogar nicht schämen, die Wahrheit und göttlichen Grundsätze solcher Christen öffentlich anzugreifen, die sich einfach 
als Christen versammeln, und die nicht irgendein von Menschen ersonnenes System nachahmen und aufrechthalten, sondern die einfach und allein dem Muster und der Lehre des 
Wortes Gottes folgen. Wie viele falsche Anklagen sind von 
ihrer Seite gegen solche Christen vorgebracht worden, was ihre 
Zuhörer, die sie schriftwidrig als ihre Herde bezeichnen, bezeugen werden. Jedoch die aufrichtigen Kinder Gottes inmitten 
dieser Sekten durchschauen dies alles; und Gott hat ihnen die 
Augen geöffnet, um die Motive dieser Männer und die Ungereimtheit ihrer Beschuldigungen zu erkennen. Der arme Ussa 
hielt es sicher, indem er seine ungeweihte Hand ausstreckte, für 
ein kluge Sache, den Wirkungen der sich losreißenden Rinder 
vorzubeugen und den Sturz des Wagens zu verhüten; aber 
187 
seine Handlung hatte für ihn selbst den Tod, den Verlust der 
Gegenwart oder der Bundeslade Gottes, und für alle Mitbeteiligten an diesem schriftwidrigen Unternehmen Trauer und 
Bestürzung zur Folge. Die Bundeslade oder die Gegenwart 
Gottes mußte sich jetzt von David und Israel in das Haus 
Obed-Edoms zurückziehen (V. 13), wo sie menschlichen Schutz 
nicht nötig hatte, und wo sich nicht, als ob Gott des Menschen 
bedürfe, eine sich unbefugt einmischende Hand zu ihrer Stütze 
erhob. Und was war die Folge? „Gott segnete das Haus ObedEdoms und alles, was sein war" (V. 14). Hier finden wir also 
Segnung und Freude, während wir auf der anderen Seite Verlust, Trauer und Tod fanden. Ist das nicht eine ernste Lehre 
für jeden, der in Wahrheit an Christum Jesum gläubig ist? Bist 
du, mein christlicher Leser, noch Mitglied und Förderer eines 
Systems menschlicher Erfindung, ähnlich jener beklagenswerten Angelegenheit bezüglich des neuen Wagens Davids und 
Israels? Nun, dann beachte es wohl, daß, wie verkehrt und 
dem Worte Gottes entgegen alles auch war, der Mensch sich 
dennoch darüber ergötzte und frohlockte, weil es eine Erfindung seines eigenen Verstandes und das Werk seiner eigenen 
Hände war; aber beachte auch die Folgen, die Bestürzung, den 
Fall und das dadurch erzeugte Elend. Und so wird es mit 
jedem System des Menschen sein, welches, obwohl es „gut in 
seinen eigenen Augen" ist und durch alle Arten musikalischer 
Töne gefeiert wird, dennoch von Gott gerichtet, zertrümmert 
und zunichte gemacht werden wird, weil es nicht in Übereinstimmung, sondern im Widerspruch mit Seinem Worte steht 
und nur die Verherrlichung des Menschen und die Entehrung 
Gottes bewirkt. Wenn der Herr morgen erschiene, was würde 
dann das Los aller sogenannten Kirchen, dieser menschlichen 
Systeme sein? Sie würden als menschliche Systeme vernichtet 
werden. Nur wenn wir einzig und allein in Seinem Namen versammelt sind, können wir auf Seine Anerkennung rechnen und 
Seine Ankunft mit Freuden erwarten. Darum, mein christlicher 
Leser, siehe zu, ob du dich nicht in einer Verbindung befindest, 
die vielleicht eine bloß menschliche Erfindung ist, der Schauplatz eines neuen Wagens, und zwar begleitet mit Gepränge 
und äußerlich anziehenden Tönen, um dir selbst Reize zu verschaffen und das Herz von Gott und Seinem Worte abzulenken. 
188 
Ja, wirklich, die uns in 1. Chron 13 geschilderte Szene ist ein 
treues Bild der kirchlichen Parteien unserer Tage, von Rom bis 
zur kleinsten Sekte herab; denn sie sind sämtlich, weil sie von 
Menschen eingerichtet sind, eine und dieselbe Sache, wiewohl 
sie in vielen Zügen voneinander unterschieden sind. Wer wird 
im Blick auf die Heilige Schrift leugnen können, daß alle diese 
Parteien durch Menschen gebildet sind und nicht im Worte 
Gottes gefunden werden? Man nehme eine der Versammlungen des Neuen Testaments und man zeige die wirkliche Ähnlichkeit mit den sogenannten Kirchen oder religiösen Gemeinschaften unserer Tage! Es ist unmöglich. Die Kirche des Neuen 
Testaments oder die damals örtlich getrennten Versammlungen 
sind durch den Geist Gottes gebildet worden und waren berufen, sich zu „befleißigen, die Einheit des Geistes zu bewahren im Bande des Friedens". Der Heilige Geist machte Sünder 
lebendig, und versammelte sie in eins; und also entstand die 
Einheit des Geistes, deren Ausdruck die Versammlung oder 
Kirche Gottes war, in welcher Stadt, in welchem Lande und 
selbst in welchem Hause man sich auch nur im Namen Jesu 
versammeln mochte. Aber wo finden wir in unseren Tagen 
etwas, das diesem ähnlich wäre? Man darf es kühn behaupten, 
daß unter den verschiedenen sogenannten Kirchen oder Parteien des Christentums dergleichen nirgends zu finden ist. 
Es ist daher kein Wunder, daß eine große Erschütterung stattfindet bei der Erkenntnis, daß das Werk, gleich demjenigen 
Davids und Israels, nicht vom Geiste Gottes sondern von Menschen ist. Wenn es mir der Herr erlaubt, werde ich in den 
folgenden Abschnitten zu zeigen trachten, wie der Herr die 
Seinigen zurechtführt und von ihren selbsterwählten Wegen 
befreit, indem Er sie leitet auf die Ihm wohlgefälligen „Pfade 
der Gerechtigkeit um seines Namens willen". 
Vielleicht wird mancher Leser die Sprache dieser Zeilen etwas 
hart und streng finden; aber wenn er beachtet, daß sie nicht 
gegen Personen, sondern gegen irrtümliche Systeme — Kirchen 
genannt — gerichtet ist, so wird er diese Strenge und Härte 
nicht mehr finden, indem ich ihm zugleich versichere, daß ich 
nicht das geringste Gefühl von Bitterkeit gegen irgend jemand 
in meinem Herzen habe. Möge der Herr Seine Kinder von 
allem befreien, was Seinem Willen und Wort zuwider ist! 
189 
2. 
Wir haben also bereits die üblen Wirkungen gesehen, wenn 
eine gute Sache auf eine verkehrte Weise verrichtet wird. Es 
war richtig, die Bundeslade Gottes an den ihr geziemenden 
Platz zu bringen; aber es war von Seiten Davids und Israels 
ganz und gar verkehrt, den Heiden nachzuahmen, zumal da 
der Herr Selbst in Seinem Wort die ausführliche Andeutung 
über die Art und Weise der Fortschaffung Seiner Bundeslade 
gegeben hatte. Doch wie in unseren Tagen war auch damals 
das Wort Gottes vernachlässigt, während die Pläne und Erfindungen des Menschen an dessen Stelle gesetzt wurden. 
Es besteht bezüglich dessen, was man Aufrichtigkeit nennt, 
selbst unter vielen Christen eine seltsame Vorstellung. Wiederholt hört man sagen: „Wenn du nur aufrichtig bist, dann hat 
es wenig Bedeutung, welches deine Religion ist". Nur von 
dem Beweggrunde, der Absicht — meint man — hänge alles ab. 
Doch ein größerer Irrtum kann kaum gedacht werden. Sind 
nicht die Hindus, die Mohammedaner und die Chinesen aufrichtig? Sind nicht die Juden und die Römlinge aufrichtig? Aber 
wie anerkennenswert die Aufrichtigkeit und die lauteren Beweggründe an und für sich sein mögen, was nützen sie uns, 
wenn wir, anstatt dem Worte Gottes zu glauben und zu folgen, 
nur an eine Mythe glauben und den Trugschlüssen unserer 
eigenen Einbildungskraft folgen? Die Aufrichtigkeit Pauli war 
eine so wirkliche, und seine Beweggründe waren so lauter und 
rein, daß erGott einen Dienst zu tun meinte, wenn erdiejünger 
Christi tötete. Großer Eifer ist eine andere der vielen Täuschungen, welche viele zum Heil nötig erachten. Die Juden 
zeigten einen großen Eifer wider Christum; und viele vor ihnen 
hatten gute Beweggründe und waren äußerst aufrichtig, den 
Herrn dem Tode zu überliefern; aber machten ihre Beweggründe, ihre Aufrichtigkeit und ihr Eifer ihre Handlung zu 
einer guten Handlung? Keineswegs. Nein, mein christlicher 
Leser, nicht das Maß von Aufrichtigkeit, Eifer und guten Beweggründen vermag eine schlechte, schriftwidrige Handlung 
gutzumachen. Schaue auf David und Israel; betrachte ihre 
Aufrichtigkeit, ihren Eifer und ihre uneigennützigen Beweggründe; war dennoch nicht alles wertlos vor Gott? Das Werk 
190 
Gottes muß in göttlicher Weise getan werden; und wenn dies 
nicht der Fall ist, so wird das Werk nicht nur nicht anerkannt, 
sondern wird Gericht, Betrübnis und Tod zur Folge haben. 
„Gott läßt sich nicht spotten; denn was irgend ein Mensch säet, 
das wird er auch ernten". Wie besorgt und vorsichtig sollten 
daher die Christen sein; und wie sehr bedürfen sie der Prüfung, 
ob sie auf dem durch das Wort Gottes bezeichneten einfachen 
Wege vorangehen, damit sie nicht, wie David, nicht nur den 
Verlust der Gegenwart des Herrn, sondern auch Trauer, Elend 
und selbst den Tod über sich selbst und andere bringen! 
Aber wenn Gott ein Gott des Gerichts ist, so ist Er auch ein 
Gott der Gnade und des Erbarmens. Gericht ist Sein ungewöhnliches Werk, und „die Barmherzigkeit rühmt sich wider 
das Gericht". So finden wir es auch hier. „Hiram, der heidnische König von Tyrus, sandte Boten zu David, und Cedernholz und Mauerleute und Zimrnerleute, ihm ein Haus zu bauen" (1. Chron 14, 1). So zeigte der Herr Seinem Knechte David 
die Unumschränktheit Seiner Gnade, indem Er diesen heidnischen König erweckte, zu helfen, David ein Haus zu bauen, 
wiewohl David, handelnd gegen das Wort und den Willen 
Gottes, für einen Augenblick Gott beiseitegesetzt hatte. Die 
„Barmherzigkeit rühmt sich wider das Gericht". Wenn Gott 
züchtigt, so ist es zu unserem Nutzen; und sicher fühlte David 
dieses und war daher für die Entfaltung der Vermittlung Gottes in großer und besonderer Liebe zubereitet. Der König von 
Tyrus scheint durch seine Handlung auszudrücken, daß er in 
David, da derselbe in diesem Charakter sich ihm vorstellte, 
nicht nur den König Israels als solchen, sondern in ihm auch 
den von Gott gesalbten und eingeführten König anerkenne; 
denn ein Haus ist das Zeichen der Niederlassung. Wie heblich 
muß dieses alles für das Herz Davids gewesen sein, und welche 
Züge göttlicher Güte treten uns in allem vor Augen! Und 
noch mehr als dieses. Wir lesen: „Und David erkannte, daß 
Jehova ihn als König über Israel bestätigt hatte, denn sein 
Königreich war hoch erhoben um seines Volkes Israels willen" 
(V. 2). Wir haben hier also nicht nur Offenbarung, sondern 
auch Verwirklichung. Das für David erbaute Haus mochte ihm 
die besondere, durch einen verborgenen Kanal strömende 
Güte Gottes offenbaren; aber vor Gott Selbst mittels Seines 
191 
Volkes Israels vernimmt und verwirklicht er die Tatsache, daß 
„Jehova ihn als König über Israel bestätigt hatte, und daß sein 
Königreich hoch erhoben wurde um seines Volkes Israel willen". Das Werk Hirams hatte seine Wirkung im Herzen und 
Gewissen Davids ausgeübt. Obwohl er uns sagt, daß „sein 
Königreich hoch erhoben wurde um seines Volkes Israel willen", so schreibt er doch dieses und die Bestätigung des Königreichs Gott allein zu. Es sind nicht die Obersten, auf die er 
bei Gelegenheit des „neuen Wagens" so sehr geschaut hatte, 
sondern es ist der Herr, Den er wahrnimmt, und Der ihn „als 
König über Israel bestätigt hatte". Aber jetzt zeigt sich in den 
Fortschritten Davids ein großer Entscheidungspunkt. „Und die 
Philister hörten, daß David zum Könige gesalbt worden war 
über ganz Israel; und alle Philister zogen herauf, um David 
zu suchen. Und David hörte es und zog ihnen entgegen. Und 
die Philister kamen und breiteten sich aus im Tale Rephaim" 
(V. 8. 9). 
Hier sind die Heere der beharrlichsten, bittersten und mächtigsten Feinde Gottes und Israels. Was wird der König jetzt tun? 
Wird er sich mit Fleisch und Blut, mit den Hauptleuten und 
Obersten beraten? Wird er den Rat Gottes und den Rat der 
Menschen mit einander vermengen? Wird er wie ehedem sagen: 
„Wenn es euch gut dünkt und wenn es von Jehova, unserem Gott, 
ist?" Nein, nichts von diesem allen. Er hatte zu gründlich die 
doppelte Wahrheit der großen Barmherzigkeit und der dazwischentretenden Gerichte Gottes kennengelernt, als daß er 
auch nur für einen Augenblick auf irgendein Geschöpf und 
deren Macht geschaut, und nicht alles von Gott Selbst erwartet 
hätte. Nicht ein einziges Wort richtet er an 9ich selbst oder 
an die Obersten, sondern er wendet sich ohne Zögern an den 
Herrn Selbst. „Und David sagte Gott und sprach: Soll ich 
hinaufziehen wider die Philister, und willst du sie in meine 
Hand geben? Und Jehova sprach zu ihm: Ziehe hinauf; denn 
ich will sie in deine Hand geben". Gott ist hier der einzige, 
Der gefragt und Dem gefolgt wird. Und was ist die Folge? 
Ein vollkommener Sieg. „Da zogen sie hinauf nach Baal-Perazim, und David schlug sie daselbst" (V. 11). Man findet hier 
keine Schwäche, keinen Zweifel, keine Betrübnis, sondern 
einen vollständigen, entscheidenden und gewissen Sieg, und 
192 
der Sieg ist stets die Wirkung des Gehorsams. „Gehorchen ist 
besser als Schlachtopfer, und Aufmerken besser als das Fett 
der Widder". „Glaube mir!" sagt der Herr. „Alle Dinge sind 
möglich dem, der glaubt". Gehorsam und Glaube sind eins. 
Hätte David zu Anfang dem Worte des Herrn gehorcht und 
geglaubt, so würde er sich und anderen viele Demütigungen 
erspart haben, die eine Folge des Unglaubens oder des Ungehorsams waren. Und ist es nicht in unseren Tagen dieselbe 
traurige Sache? Ist es nicht der Unglaube oder der Ungehorsam 
gegen das Wort des Herrn, demzufolge die Parteien, die sogenannten Kirchen, die bloßen Gemeinschaften von Menschen 
entstanden sind? Wenn des Herrn Wort geglaubt und befolgt 
worden wäre, so würden sicher kerne Sekten und Spaltungen 
unter den Kindern Gottes vorhanden sein; oder sobald man 
sich von dem Worte Gottes entfernt hat, hat man menschliche 
Erinnerungen getroffen, und mit einem Male ist die Kirche 
Gottes, welche nur eine ist und sein kann, zerrissen und zerklüftet auf verschiedene „neue Wagen" menschlicher Erfindung 
gebracht worden. 
Es ist indes eine große Freude zu sehen, daß viele Kinder Gottes, obwohl sie durch ihre Übereinstimmung mit den Parteien 
lange geholfen haben, das Übel und den Irrtum zu fördern, 
ihre verkehrte Stellung, wodurch ihre Seelen verfinstert und 
geschwächt wurden, erkannt haben, und man, statt sich auf 
Menschen zu stützen, dem Worte Gottes glauben und gehorchen, wie David es im letzten Augenblick tat, als er jenen vollständigen, entscheidenden Sieg davontrug. Welch eine Szene 
stellt sich hier dem Auge und Geiste Davids dar? Als er, Ussa 
und Israel bei Gelegenheit der Bundeslade Gottes gegenüber 
den Geboten des Herrn ungehorsam und nachlässig gewesen 
waren, war der gerechte Zorn Gottes entbrannt und hatte 
einen „Bruch" an Ussa gemacht, weshalb David „selbigen 
Platz Perez-Ussa nannte bis auf diesen Tag". Aber jetzt ist 
alles anders. Wir finden hier die bei einer anderen Gelegenheit gesprochenen Worte Davids bestätigt: „bevor ich gedemütigt ward, irrte ich, jetzt aber halte ich dein Wort" (Ps 119, 
67). Jehova ist auf seiner Seite und wider seine Feinde, und 
David sagt: „Gott hat meine Feinde durch meine Hand durchbrochen gleich einem Wasserdurchbruch; daher nannte er den 
193 
Namen selbigen Ortes Baal-Perazim" (V. 11), d. h. Ort der 
Durchbrüche. Während also bei Gelegenheit des Ungehorsams 
nur ein einziger „Bruch" gemacht worden ist, sehen wir in 
diesem Falle des Gehorsams Davids „die Feinde durchbrochen 
gleich einem Wasserdurchbruche". 
Indes gibt es hier noch eine Sache von großer Bedeutung bezüglich des Gegensatzes in dem Betragen des Königs, als er 
seinem eigenen und dem Willen des Volkes durch Unglauben 
folgte, und in seiner nachherigen Treue. Im ersten Falle war 
er so verblendet und verwirrt, daß er die Philister — seine und 
Gottes Feinde — bei Verrichtung des Werkes Gottes sich zum 
Muster nahm. Nun aber im Glauben und Gehorsam gegenüber dem Worte Gottes will er nicht nur keinem einzigen 
ihrer Anschläge Folge leisten, sondern will auch den teuersten 
Gegenstand ihrer Herzen zerstören. „Und sie ließen daselbst 
ihre Götter; und David gebot, und sie wurden mit Feuer verbrannt" (V. 12). Hier erblicken wir also die große Verschiedenheit, ob ein Gläubiger allein das Wort Gottes, oder ob er den 
Menschen zu seinem Führer wählt. In dem einen Fall besitzt 
er Frieden, Macht, Gewißheit und Sieg, während er im anderen 
Fall überall von Dunkelheit, Verlust, Zweifel und Bestürzung 
beherrscht wird. O möchten die Kinder Gottes doch das Elend 
sehen und fühlen, welches sie dadurch über sich gebracht haben, 
daß sie die schriftwidrigen sogenannten Kirchen der Menschen, 
mit denen sie verbunden sind, unterstützen, und möchten sie 
sich doch sammeln um die Person Dessen, Der gesagt hat: 
„Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da 
bin ich in ihrer Mitte". David hatte die Neigung gezeigt, Gott 
beiseitezusetzen und sich auf den Arm des Fleisches zu stützen, und darum war es nötig, in seine Seele das Gefühl der 
Nichtigkeit des Geschöpfs und der unaufhörlichen Macht und 
Größe Gottes tief eindringen zu lassen, damit er sich nicht bei 
sich selbst oder bei anderen nach Hilfe und Leitung umsehe, 
sondern sich in jeder Lage an seinen Gott wende. Im Blick auf 
diese Notwendigkeit wird es den Philistern gestattet, nochmals 
in Schlachtordnung vor ihm zu erscheinen. Was wird David 
jetzt tun? Er hat durch die Güte Gottes einen großen Sieg 
davongetragen; wird er jetzt auf sich selbst vertrauen oder 
mit den Hauptleuten sich beraten? O nein, die bittere Erfah194 
rung, die er gemacht hatte, war noch nicht vergessen. Überdies 
hatte er die Liebe, Sorgfalt und Macht Dessen erfahren, Der 
gesagt hat: „Vertraue auf mich"! — „Und die Philister zogen 
wiederum hinauf und breiteten sich aus im Tal. Und David 
befragte Gott abermals, und Gott sprach zu ihm: Du sollst 
nicht hinaufziehen hinter ihnen her; wende dich von ihnen ab, 
daß du an sie kommst, den Bakabäumen gegenüber. Und es 
wird geschehen, wenn du das Geräusch eines Daherschreitens in 
den Wipfeln der Bakabäume hörst, als dann komm hervor 
zum Streit; denn Gott ist vor euch her ausgezogen, um das 
Heerlager der Philister zu schlagen. Und David tat so, wie 
Gott ihm geboten hatte, und sie schlugen das Heer der Philister 
von Gibeon bis nach Geser" (V. 13—16). 
Wie wahr sind die Worte Gottes! Der König, der Streiter und 
Diener Gottes muß eine Zucht von ganz besonderer Art durchmachen; er muß Gebote von einem scheinbar widersprechenden Charakter lernen und befolgen. So war es mit Abraham. 
Ein Sohn und Erbe wurde ihm verheißen, als die Regeln der 
Natur nicht mehr ein Kind erwarten ließen. Gott hatte ihm 
die Verheißung gegeben, daß sein Same wie der Staub auf 
Erden und wie die Sterne des Himmels an Menge sein sollte. 
Und trotz dieser Verheißung wurde Abraham aufgefordert, 
den einzigen Sohn zu opfern. Sicher waren diese geheimnisvollen Wege versenkt in die unergründliche „Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes". 
Aber Gott leitet, wie bereits bemerkt, Seinen Diener, welchen 
Er viel gebraucht, durch eine höchst verschiedenartige und oft 
scheinbar sich widersprechende Zucht, damit er in allen Dingen 
Gott zu Rate ziehe und auf Ihn lausche und nicht auf Satan, 
nicht auf sich selbst oder auf den Menschen. 
Wir dürfen in keiner Sache auf den Menschen unser Vertrauen 
setzen; denn es gibt „nichts Gutes" in ihm. Der Herr Selbst 
„wußte, was in dem Menschen war", und darum vertraute Er 
sich ihm nicht. Der König erfuhr deutlich und schmerzlich die 
Kraft und Wahrheit der Worte: „Es ist besser auf Jehova 
vertrauen, als sich verlassen auf Menschen; es ist besser auf 
Jehova zu trauen, als sich verlassen auf Fürsten" (Ps 118, 8. 
o); und er mußte zubereitet werden, zu verstehen, daß Gott 
195 
tun wird, was Ihm gutdünkt, und daß Er über Sein Tun keine 
Rechenschaft gibt, sondern Seine Handlungen und Unterweisungen verändert und wechselt, wie es Ihm am besten scheint. 
Derselbe Gott, Welcher in Vers 10 gesagt hatte: „Ziehe hinauf!" sagt hier in Vers 14: „Du sollst nicht hinaufziehen!" 
Warum diese besondere Übungsweise für Seinen Diener? Weil 
Er David in der kräftigsten Weise belehren will, daß es die 
Schlacht des Herrn und nicht die Schlacht Davids ist. „Du sollst 
nicht hinaufziehen hinter ihnen her. Und es wird geschehen, 
wenn du das Geräusch eines Daherschreitens in den Wipfeln 
der Bakabäume hörst, alsdann komm hervor zum Streit; denn 
Gott geht vor dir her, um das Heer der Philister zu schlagen". 
— Als Pharao und hinter ihm die Heere Ägyptens den Israeliten auf den Fersen waren, das Rote Meer vor ihren Füßen 
rauschte und fast unübersteigliche Berge sich zu beiden Seiten 
erhoben, sagte Moses: „Fürchtet euch nicht! Stehet und sehet 
die Rettung Jehovas, die er euch heute schaffen wird; denn 
die Ägypter, die ihr heute sehet, die werdet ihr fortan nicht 
mehr sehen ewiglich" (2. Mo 14, 13). Auch Josaphat, als er sich 
einer großen Menge — bestehend aus den Kindern Ammons 
und Moabs und denen vom Gebirge Seir — gegenüber sah, 
schaute nur auf den Herrn, und die Antwort lautete: „So 
spricht Jehova zu euch: Fürchtet ihr euch nicht, und erschrecket 
nicht vor dieser großen Menge; denn nicht euer ist der 
Streit, sondern Gottes . . . Ihr werdet hierbei nicht zu streiten 
haben; tretet hin, steht und sehet die Rettung Jehovas an euch, 
Juda und Jerusalem! fürchtet euch nicht und erschrecket nicht; 
morgen ziehet ihnen entgegen, und Jehova wird mit euch sein" 
(2. Chron 25, 15—17). Ebenso mußte auch Gideon belehrt 
werden, daß nicht durch eine starke Macht, sondern durch den 
Heiligen Geist die Siege errungen würden. Nachdem sein Heer 
bis auf dreihundert Streiter verringert war, hatte er Gelegenheit, durch einen Traum zu erfahren, daß er in der Hand Jehovas nur ein Gerstenbrot sei, daß aber, wenn Jehova dieses 
Gerstenbrot in das Lager der Midianiter wälze, ihr ganzes 
Heer vor diesem armseligen Brote fallen werde. (Man lese 
Richter 6 und 7). 
Dies sind einige von den vielen, für das stolze Menschenherz 
notwendigen Unterweisungen Gottes. Selbst bezüglich der Art 
196 
und Weise, dem Feinde zu begegnen, will Gott Seine Veränderungen und Bestimmungen treffen, damit der Mensch wissen 
möge, daß man keinen Schritt tun darf, ohne Seines Willens 
in dieser Beziehung versichert zu sein. Gerade weil es hieran 
mangelte, irrte David so sehr und mußte daher belehrt werden, 
daß selbst ein gestriger Befehl für heute keine Geltung mehr 
habe, sondern daß er der täglichen Speise und Unterweisung 
wegen vor Gott kommen müsse und sein Wille gebrochen 
werde, indem ihm an dem einen Tage befohlen wurde: „Ziehe 
hinauf!" und an dem anderen: „Du sollst nicht hinaufziehen!" 
Aber, — wie bei Moses, Gideon und Josaphat —, welche Zeichen der Rettung, des Sieges und des Triumphes erblickt er 
zu seinen Gunsten! Als er seinem eigenen und dem Rate seiner 
Obersten folgte, erfreute er sich keiner Rettung, keines Sieges, 
keines Triumphes, sondern Sünde, Trauer und Tod waren die 
Früchte. Ebenso ist es mit vielen Kindern Gottes, die anstatt 
nur und stets auf den Herrn zu blicken, ihren eigenen und 
den Gedanken ihrer sogenannten Geistlichen folgen und mithin sich verbunden haben mit einem schriftwidrigen System, 
das gleich dem neuen Wagen Davids, durch Menschen aufgerichtet ist. Daher haben ihre Herzen und Seelen Trauer, 
Dürre und selbst den Tod zur Frucht; denn wie kann jemand 
glücklich sein, der das Wort Gottes beiseitegesetzt, um schriftwidrigen Überlieferungen der Menschen zu folgen? David 
durfte nicht eher den Kampf beginnen, bis sein Ohr „das 
Geräusch eines Daherschreitens in den Wipfeln der Bakabäume" vernahm. Das ist wieder das Laib Gerstenbrot Gideons. „Das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und 
das Schwache Gottes stärker als die Menschen" (i. Kor i, 25). 
„Wenn jemand unter euch sich dünkt, weise zu sein in diesem 
Zeitlauf, der werde töricht, auf daß er weise werde. Denn die 
Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott" (1. Kor 3, 18. 19). 
Sobald David „das Geräusch des Daherschreitens in den Wipfeln der Bakabäume" vernahm, konnte er dem Feinde entgegentreten; denn dieses Geräusch erinnerte ihn daran, daß Gott 
vor ihm hergehe, um das Heer der Philister zu schlagen (V. 15). 
In dieser beachtenswerten Weise wurde er belehrt, daß es der 
Streit Jehovas sei, und daß er keine Bewegung zu machen 
habe, ohne vorher das deutliche und bestimmte Wort des Herrn 
vernommen und durch das Rauschen in den Baumwipfeln den 
197 
klarsten Beweis empfangen zu haben, daß Gott vor ihm hergehe. Das Lager Israels konnte sich nicht ein Haar weit fortbewegen, bevor sich die Feuer- und Wolkensäule zuerst in 
Bewegung gesetzt hatte; war das aber geschehen, so mußte 
Israel, mochte es Nacht oder Tag sein, sofort aufbrechen und 
erst dann Halt machen, wenn die Feuer- oder Wolkensäule 
still stand. „Wir wandeln durch Glauben und nicht durch 
Schauen", sagt der Apostel. „Abraham zog aus, nicht wissend, 
wohin er komme". O möchten wir einen kindlicheren Glauben 
an das Wort, an die Taten und Wege des Herrn haben! David 
machte bei dieser Gelegenheit nicht die geringste Einwendung; 
er suchte weder bei sich selbst, noch bei seinen Hauptleuten 
Rat und Weisheit, sondern beugte sich einfach und unbedingt 
unter den Willen und das Wort Jehovas. Er gehorchte dem 
Befehl des Herrn; „und sie schlugen das Heer der Philister von 
Gibeon bis nach Geser" (V. 16). Hier wird also durch „Glaubensgehorsam", oder mit anderen Worten durch einfachen 
Glauben an das Wort des Herrn und nicht in dem Gefühl und 
der Weisheit des Menschen ein völliger und herrlicher Sieg 
über Gottes und Davids Feinde gefeiert, während früher, als 
David dem Geschöpf folgte und diente, nichts als Verwirrung, 
Hoffnungslosigkeit und Zerstörung geerntet wurde. 
Wir haben hier eine ernste Warnung und ein schönes Beispiel 
— eine Warnung im Blick auf einen traurigen Wandel nach 
eigenem Ermessen und geleitet durch menschliche Gefühle und 
Überlieferungen, und ein Beispiel im Blick auf den freudigen, 
friedlichen, mächtigen und siegreichen Wandel im Glauben 
geleitet durch den Geist und das Wort Gottes. Nicht nur waren 
alle Feinde Davids vor ihm gefallen, sondern auch „der Name 
Davids ging aus in alle Länder; und Jehova legte Furcht vor 
ihm auf alle Nationen" (V. 37). Alles ist durch die Gnade und 
Güte Gottes verändert. Anstatt eines widerwilligen und ungehorsamen Dieners haben wir einen willigen, glaubenden und 
gehorsamen Diener, und von nun an gelingt und gedeiht alles 
unter dem König Israels, dem Gesalbten Jehovas. 
Geliebter Leser! Gleichst du dem in Kap. 13 oder dem in Kap. 
14 gezeichneten Bilde Davids? Jedenfalls wandelst du entweder den Pfad des Glaubens, geleitet durch den Geist und das 
198 
Wort Gottes, oder du wandelst nach eigenem Ermessen, geleitet durch menschliche Gefühle und Überlieferungen. Einen 
dritten Pfad gibt es nicht, wie geschrieben steht: „Wer nicht 
mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, 
der zerstreut". Möge der Herr Seine Kinder aus den verschiedenen Systemen, oder sogenannten Kirchen unserer Tage befreien, welche ihre Seelen mit Trauer und Dürre erfüllen werden! Möge Er sie die große Freude und Segnung des Gehorsams gegen Sein Wort, sich ohne einen von Menschen erbauten 
„neuen Wagen" einfach als Kinder Gottes zu versammeln, 
genießen lassen! Sicher würden sie dann auch, wie David in 
Kap. 14, die kostbare Gegenwart, Macht, Führung und den 
endlichen Sieg des Herrn erfahren. 
3-
Wir haben also im ersten Teil die traurigen Folgen der Unterwerfung unter den Einfluß und die Leitung des Menschen sowie des Ungehorsams gegen das Wort Gottes gesehen 
(Kap. 13), während wir im zweiten Teil (Kap. 14) 
sahen, wie Gott nach Seiner Weisheit Umstände hervortreten ließ, welche Seinen Diener so völlig veranlaßten, von 
dem Menschen abzulassen, und sich auf Gott zu werfen, daß 
David ohne den ausdrücklichen Befehl Jehovas nicht einen 
einzigen Schritt tat. Als Gott Seinen Diener prüfte, indem Er 
an einem Tage sagte: „Ziehe hinauf!" und am anderen: „Du 
sollst nicht hinaufziehen"! So beriet sich David nicht mit 
Fleisch und Blut, sondern gehorchte einfach, indem er wiederholt Gott nur fragte (V. 10—14)
 un d nur dessen Befehlen 
gehorchte; und die Folge war, daß, während er in Kap. 13, 
dem Menschen und nicht dem Worte Gottes folgend, nichts 
als Elend und Schande fand, hier ein vollständiger Sieg seiner 
harrten, weil er nur dem Worte des Herrn und nicht dem 
Menschen folgte. 
In Kap. 15 finden wir die große Gnade und Güte Gottes gegen 
Seinen Diener und die dadurch erzeugten gesegneten Wirkungen noch mehr entfaltet. David ist so völlig wiederhergestellt 
und zu Gott und Seiner Wahrheit zurückgeführt, daß er, statt 
sich der heidnischen Weise und eines „neuen Wagens" zur 
Verrichtung des Werkes Gottes zu bedienen, vielmehr be199 
stimmt und feierlich erklärt: „Die Lade Gottes soll niemand 
tragen, als nur die Leviten; denn sie hat Jehova erwählt, um 
die Lade Gottes zu tragen und seinen Dienst zu verrichten 
ewiglich" (V. 2). 
Und nun, mein Leser, erkennst auch du nur die an, welche der 
Herr für Sein Werk auserwählt hat, oder hältst du, wie David 
zu Anfang, den halb jüdischen, halb heidnischen „neuen Wagen" menschlicher Erfindung für besser, als die Anordnungen 
Gottes für Seinen Dienst in Seinem eigenen Hause? Der Geist 
Gottes gibt Gaben, welchem Er will, „jeglichem insbesondere 
austeilend, wie er will . . . Nun aber hat Gott die Glieder 
gesetzt, jedes einzelne von ihnen am Leibe, wie es ihm gefallen hat" (1. Kor 12, 17. 18). Aber ach! dieses alles hat man 
aus dem Auge verloren; und die sich Kirchen oder Gemeinden 
nennen, richten sich nach Belieben ihre Ämter und ihr Kirchenregiment ein, ohne in irgendeiner Weise auf das Wort Gottes 
Rücksicht zu nehmen. 
Wie verschieden ist das Verhalten Davids in dieser Hinsicht! 
Er beachtet und befolgt nur den Willen, den Weg und das 
Wort Gottes. Wie vortrefflich er die verschiedenen Unterweisungen der Barmherzigkeit und des Gerichts Gottes gelernt 
hat, zeigen uns die Worte: „Die Lade Gottes soll niemand 
tragen, als die Leviten; denn sie hat Jehova erwählt, die Lade 
Gottes zu tragen und ihm zu dienen ewiglich". Jetzt versammelte David die Kinder Aarons und die Leviten für das 
Werk Gottes (V. 4) statt zu seinen eigenen Plänen zurückzukehren, und alles nimmt einen glücklichen und harmonischen 
Verlauf. Dies ist stets der Fall, wenn statt der schwachen, 
irrenden Meinung des Menschen Gott und Sein Wort anerkannt und befolgt werden. 
Jedoch wählte der König nichl nur die rechten Personen füi den 
Dienst Gottes, sondern er trägt auch Sorge, daß die Priester 
und Leviten für ihren feierlichen Dienst praktisch und persönlich zubereitet sind, damit nicht wieder, wie vorher, ein 
„Bruch" oder eine Todesszene über sie gebracht werde. „Und 
David rief Zadok und Ab,'athar, die Priester und die Leviten . . ., und sprach zu ihnen: Ihr seid die Häupter der Väter 
200 
der Leviten; heiliget euch, ihr und eure Brüder und bringet 
die Lade Jehovas, des Gottes Israels, hinauf an den Ort, welchen ich für sie bereitet habe. Denn weil ihr das vorige Mal 
es nicht tatet, so machte Jehova unser Gott einen Bruch unter 
uns, weil wir ihn nicht suchten nach der Vorschrift" (V. 11— 
*3). 
Die Ordnung im Hause Gottes ist jetzt, daß Christus die 
Gläubigen „zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott 
und Vater gemacht hat" (Offb i, 6); und auch der Apostel 
Petrus erklärt, daß sie ein geistliches und königliches Priestertum seien (1. Petr 2, 5—9). Gewisse Personen, von denen 
viele nicht einmal bekehrt sind, einzuführen, sie als Priester 
oder als Diener zu berufen und ihnen, mit Ausschluß anderer, 
ein bestimmtes Amt mit festem Gehalt zu verleihen, ist grobe 
Verleugnung dieser und anderer Stellen des Wortes Gottes 
und eine Beiseitesetzung des unumschränkten Vorrechts des 
Heiligen Geistes, Welcher, wie wir in 1. Kor 12, 11 gesehen, 
statt den Dienst eines Menschen einzurichten, „jeglichem insbesondere austeilt, wie er will". Und in keiner Stelle des Neuen 
Testaments beauftragt Er die Kirche oder die einzelnen Versammlungen, ein oder mehrere Personen über sich als Prediger, Pastoren oder Älteste zu ernennen. Und dennoch, was 
geschieht um uns herum? Entweder wählen die Gemeinden 
sich ihre Diener, oder der Staat setzt sie ein. Wo finden sie 
in dem Worte Gottes einen Grund für ein solches Verfahren? 
Mirgends. In den kleineren, von den Landeskirchen ausgeschiedenen Parteien mag sich in dieser Frage hie und da eine kleine 
Abweichung kundgeben; aber im allgemeinen herrschen auch 
hier die gleichen Grundsätze. Aber, ich wiederhole es, wo 
findet sich in der Schrift etwas dergleichen? Wie wir in den 
Briefen sehen, setzten nur die Apostel und ihre Abgesandten, 
wie Timotheus und Titus, und sonst niemand Diakonen und 
Älteste ein, und zwar in jeder Versammlung eine Mehrzahl 
von ihnen und nicht eine einzelne Person; und keiner dieser 
wirklich ordinierten Diakonen und Ältesten empfing ein festes, 
regelmäßiges Gehalt. Alles, was diesem Grundsatz entgegen 
ist, ist der „neue Wagen" Davids und bewirkt in unseren 
Tagen Spaltung, Unglück und moralischen Tod zur Rechten 
und zur Linken. Als menschliches Machwerk ist die Einrichtung der verschiedenen großen und kleinen religiösen Parteien 
201 
so vollständig, daß, wenn es möglich wäre, jedes wahre Kind 
Gottes aus diesen Systemen zu entfernen, das Triebwerk 
ebenso gut und in manchen Fällen noch besser im Gange 
bleiben würde; denn dann würden keine Störer vorhanden 
sein, welche noch die Irrtürmer bezeichnen. Doch auch der Plan 
Davids schien anfangs durchaus vollständig und harmonisch zu 
sein; aber was bewirkte er? Gott hatte von Anfang bis zu 
Ende nichts mit dieser menschlichen Erfindung Davids zu 
schaffen; und darum waren die Mitte und das Ende gleich 
beklagenswert. O möchten wir doch stets bedenken, daß, 
wenn wir uns von dem Worte Gottes abwenden und zu den 
„Überlieferungen der Menschen" hinwenden, dies nichts anderes ist, wie der Herr sagt, als daß wir das Gebot Gottes 
ungültig machen und so in unseren eigenen Seelen erblinden 
und erlahmen. 
David hatte dies erfahren. Aber, wie gesagt, alles ist jetzt 
verändert. Die bitteren Erfahrungen haben ihn, den so hoch 
geehrten Diener Gottes, weise gemacht, so daß er jetzt für den 
Dienst der Bundeslade seines Gottes völlig zubereitet ist. Er 
hat auf dem Weg der Trübsal erkannt und gefühlt, daß der 
Dienst Jehovas nicht „nach der Verordnung Gottes" gewesen 
ist, und darum hat er nun jedes einzelne Teilchen des WagenWerks nicht nur aufgegeben, sondern schmerzliche Reue darüber getragen. Die geheiligten Priester und Leviten und nur 
sie allein verrichten den Dienst, welchen David noch kurz 
zuvor mittels einer mechanischen Einrichtung zu erfüllen gehofft hatte. „Und die Söhne der Leviten trugen die Lade 
Gottes auf ihren Schultern, indem sie die Stangen auf sich 
legten, so wie Mose geboten hatte nach dem Worte Jehovas" 
(V. 15). Alles ist völlig verändert, In Kap. 13 waren David und 
Israel so voll ihres eigenen Tuns, daß sie nach Kräften singen 
und spielen mußten; aber schon der nächste Vers stellt die 
ganze Szene als eine entweihte dar; und die Hand Gottes offenbart sich im Gericht des Todes unter ihnen gerade in dem 
Augenblick, als sie alle sich über sich selbst, über ihre Musik 
und über ihr schriftwidriges Werk so sehr ergötzten. (Siehe 
Kap. 13, 8—14). Und findet man unter den kirchlichen Parteien 
unserer Tage nicht dieselbe Sache? Man singt, man spielt, man 
hält feierliche Ansprachen, man ist mit Stolz und Freude erfüllt 
202 
über die Form und Einrichtung der sogenannten Gotteshäuser; 
und die kleineren Gemeinschaften ahmen diese Weise des Ergötzens so weit wie möglich nach. Ach! das ist kein Singen und 
Spielen dem Herrn in den Herzen, wovon die Schrift spricht; 
und der „Bruch" wird sicher einmal unerwartet stattfinden. 
David hatte mit diesem allem gebrochen. Der Dienst und die 
Belehrung Gottes waren jetzt bei ihm gründliche und gesegnete Wirklichkeiten. „Und David sprach zu den Obersten dei 
Leviten, daß sie ihre Brüder, die Sänger, bestellen sollten . . . 
indem sie ihre Stimmen erhöben mit Freuden. Und es geschah, 
daß David und die Ältesten Israels und die Obersten über 
Tausend hingingen, die Lade des Bundes Jehovas hinaufzuholen aus dem Hause Obed-Edoms mit Freuden . . . Und David 
war angetan mit einem Oberkleide von Byssus, und auch alle 
Leviten, welche die Lade trugen, und die Sänger und Chenanja, 
der Oberste über den Gesang der Sänger; und David hatte 
ein leinenes Ephod an. Und ganz Israel brachte die Lade des 
Bundes Jehovas hinauf mit Jauchzen und mit Posaunenschall 
und mit Trompeten und mit Zymbeln, klingend mit Harfen 
und Lauten" (V. 16. 25. 28). Die durch die Obersten der Leviten bestellten Sänger sind in der gegenwärtigen Haushaltung 
vorbildlich die Kinder Gottes, welche allein ermahnt sind, die 
Loblieder Gottes zu singen. Alle andern spotten nur Gottes, 
wenn sie an diesem Lobe teilzuhaben bekennen. Wie kann 
man jemanden preisen, den man weder kennt noch liebt? Das 
Lob ist ein höherer Charakter der Anbetung, als Bitte und 
Danksagung. Und ist nicht höchst verwerflich, aus diesen 
heiligen Dingen ein Geschäft zu machen? Man setzt Männer 
Danksagung. Und ist es vor allem nicht höchst verwerflich, aus 
diesen heiligen Dingen ein Geschäft zu machen? Man setzt 
Männer ein, die, mögen sie bekehrt oder unbekehrt sein, für 
ein bestimmtes Gehalt predigen, beten, loben und danken; 
man verschreibt sich bei feierlichen Gelegenheiten für bedeutende Summen berühmte Organisten und -ausgezeichnete Sänger 
und dieses alles ist eine Nachahmung des Judentums in den 
Tagen unseres Herrn, als Er sagte: „Machet nicht das Haus 
meines Vaters zu einem Kaufhause". Man denkt kaum daran, 
daß Sünder bekehrt oder Gläubige erbaut werden, sondern 
man hat es hauptsächlich nur darauf abgesehen, eine große 
203 
Menge anzuziehen und vielleicht einträgliche Kollekten abzuhalten. Erinnert uns dieses alles nicht an die Worte: „Durch 
Habsucht werden sie euch verhandeln mit erkünstelten Worten" (2. Petr 2, 3)? 
Der wahre und einfache Gottesdienst wird nimmer von der 
Gesinnung des Fleisches wertgeschätzt werden; denn „die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft wider Gott". Das mußte 
auch David bei dieser Gelegenheit erfahren. Die Tochter Sauls 
konnte einen so sinnlosen, geringen und reizlosen Gottesdienst 
dem sich David unterzog, nicht ertragen und behandelte das 
Werk und den Diener Jehovas mit Geringschätzung. „Und es 
geschah, als die Lade des Bundes Jehovas zur Stadt Davids 
kam, da schaute Michal, die Tochter Sauls, durchs Fenster 
und sah den König David springen und spielen, und sie verachtete ihn in ihrem Herzen" (V. 29). Ebenso ist es jetzt. Der 
wahre Anbeter und die wahre „Anbetung im Geiste und in der 
Wahrheit" sind verachtet, während das Auge die prachtvollen 
Gebäude, die imponierenden Gebräuche und Zeremonien und 
die papistischen Vermummungen mit Begierde betrachtet; aber 
der wahre Diener des Herrn sollte, anstatt sich stören zu 
lassen, in solchen Umständen einen um so größeren Mut für 
den Herrn zeigen. „Da sprach David zu Michal: Es war vor 
dem Angesicht Jehovas, der mich erwählt hat vor deinem 
Vater und seinem ganzen Hause, mich zum Fürsten zu verordnen über das Volk Jehovas, über Israel, ja, vor Jehova habe 
ich gespielt. Und ich will noch geringer werden denn also, und 
will niedrig sein in meinen Augen" (2. Sam 6, zi. 22). „Und 
sie brachten die Lade Gottes hinein und stellten sie innerhalb 
des Zeltes, das David für sie ausgespannt hatte. Und sie 
brachten Brandopfer und Friedensopfer vor Gott" (l.Chron 16, 
1). Welch einen herrlichen Gegensatz bildet dieses alles zu der 
Szene in Kap. 13! Und warum? Einfach weil David und Israel 
in dem einen Falle den Weg menschlicher Überlieferung, und 
im anderen den Weg der Wahrheit, den Weg des Wortes 
Gottes wandelten. Jede der Schrift entsprechende Sache muß 
gelingen, wenn wir den Weg des Herrn verfolgen und uns vom 
äußeren Schein und Gepränge lossagen, welches nur ein übertünch tes Grab, Spott und Trug ist. Die Lade Gottes war nicht 
nur in den ihr gebührenden Platz, in ein einfaches Zelt gebracht, 
204 
sondern David segnete auch das Volk im Namen Jehovas. „Er 
verteilte an ganz Israel, vom Manne bis zum Weibe, an jeden 
einen Laib Brot und eine Fleischspende und einen Traubenkuchen. Und er stellte vor die Lade Jehovas Diener aus den 
Leviten, daß sie Jehova, den Gott Israels, priesen, lobten und 
rühmten" (V. 3. 4). Wie lieblich sind diese Klänge, gegenüber 
der Sprache und den Handlungen Davids, als Jehova einen 
Bruch wegen seines Ungehorsams an ihm machte! 
Wir haben hier ferner einen äußerst herrlichen Gegenstand 
vor unseren Augen, nämlich das tausendjährige Reich in Herrlichkeit. Wir schauen die Züge der majestätischen Rückkehr 
des Menschensohnes in Seine eigene Herrlichkeit, sowie in die 
Herrlichkeit des Vaters, der heiligen Engel und Seiner Kirche. 
Nachdem die Lade Gottes mit den sie begleitenden Feierlichkeiten zurückgebracht war, lesen wir: „Dazumal, an selbigem 
Tage, trug David zum ersten Male Asaph und seinen Brüdern 
auf, Jehova zu preisen" (V. 7). Sein erster Gedanke ist jedoch 
weder die Regierung, noch die Herrlichkeit, sondern Jehova 
Selbst. Er sagt: „Preiset Jehova, rufet an seinen Namen . . .! 
Singet ihm, singet ihm Psalmen . . . ! Rühmet euch seines 
heiligen Namens! Es freue sich das Herz derer, die Jehova 
suchen! Trachtet nach Jehova und seiner Stärke, suchet sein 
Angesicht beständig! Gedenket seiner Wunderwerke, die er 
getan hat, seiner Wunderzeichen und der Gerichte seines Mundes" (V. 8—12). Und von der zweiten persönlichen Wiederkunft 
des Herrn sagt er: „Man spreche unter den Nationen: Jehova 
regiert! . . . Denn er kommt die Erde zu richten" (V. 31. 33). Wir 
haben hier also die „Erscheinung" und die Herrlichkeit des 
Reiches des wahren Sohnes Davids, des „Königs der Könige, 
des Herrn der Herren". Dann wird das niedergetretene Israel 
nicht länger vergessen sein, und auch die Nationen werden 
gesegnet sein. Erzählet unter den Nationen Seine Herrlichkeit, 
unter allen Völkern Seine Wundertaten! Denn groß ist Jehova 
und sehr zu loben, und furchtbar ist er über alle Götter; denn 
alle Götter der Völker sind Nichtigkeiten; aber Jehova hat 
die Himmel gemacht. Majestät und Pracht ist vor seinem Angesicht. Stärke und Freude in seiner Wohnstätte. Gebet Jehova 
Herrlichkeit und Stärke" (V. 21—28)! Ja, dann wird die ganze 
Schöpfung „freigemacht sein von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes". 
205 
Der Himmel, die Erde, das Meer, das Gefilde und die Bäume 
des Waldes sind berufen, vor Ihm zu jauchzen und zu jubeln, 
weil „Er kommt, zu richten die Erde". — „Und wenn deine 
Gerichte auf der Erde sind, werden die Bewohner Gerechtigkeit 
lernen". 
Wir sehen also den anfangs so reichen Pfad Davids bei der 
Einführung der Lade Gottes in ihren einfachen und zeitweiligen Ruheplatz einen guten Verlauf nehmen. Möchte der 
Leser aus dieser Geschichte lernen, wie verwerflich es ist, ein 
gutes Werk auf eine verkehrte Weise zu verrichten. Alle 
Systeme der kirchlichen Parteien sind, gleich dem „neuen 
Wagen" Davids, menschliche Erfindungen, die einmal unter 
der Hand Gottes zusammenbrechen werden. Eine Verbindung 
mit ihnen muß Elend und Verderben zur Folge haben. Nur 
wenn wir dem Worte Gottes gehorchen, wenn wir uns, getrennt von der gottlosen, wie von der religiösen Welt, im 
Namen Jesu versammeln und uns mit den Gaben begnügen, 
die der Geist Gottes uns darreicht, dann wird Friede, Freude 
und Segnung unser Teil sein. 
Das fälschlich beruhigte Gewissen 
Für einen wahren Gläubigen ist nichts wünschenswerter, als 
ein ruhiges Gewissen — nichts köstlicher, als das Bewußtsein, 
den Willen Gottes getan und in Seinen Wegen gewandelt zu 
haben. Nur dann kann er mit Freimütigkeit zu Gott nahen, 
mit Freuden seinen Pilgerpfad durch diese Wüste verfolgen 
und mit einem glücklichen Herzen der Zukunft entgegenharren. Wenn dagegen das Gewissen durch irgend etwas befleckt 
ist, so fühlt man sich unglücklich; man entzieht sich der Gegenwart Gottes, man ist unfähig, im Kampf wider Sünde und 
Welt auszuharren, und es bedarf dann einer Demütigung vor 
Gott und eines aufrichtigen Bekennens der begangenen Fehlen 
damit die anklagende Stimme des Gewissens zum Schweigen 
206 
gebracht und die Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt 
werde. Aber wie mancher Gläubige verschließt sein Ohr gegen 
die Stimme des Gewissens, oder bemüht sich, sie auf jede nur 
mögliche Weise zum Schweigen zu bringen! „Arglistig ist das 
Herz, mehr als alles", sagt die Schrift; und ach! wie wahr ist 
dieses Wort! Wie viele Mittel hat man nicht schon ersonnen, 
um die Mahnungen des Gewissens zu überhören! Wie oft 
schon ist das beunruhigte Gewissen durch allerlei Ausreden 
fälschlich beruhigt worden! Wie viele Feigenblätter hat man 
zusammen geheftet, um Schürzen daraus zu machen! Ach! wie 
traurig ist ein solcher Zustand für das eigene Herz, für das 
Zeugnis in der Welt und gegenüber unserem Gott, dessen Verherrlichung unsere Freude sein sollte! 
Ein treffendes Vorbild von einem solchen Zustande finden wir 
in der Geschichte eines Mannes vom Gebirge Ephraim, namens 
Micha. Der Heilige Geist teilt uns diese Geschichte in Richter 
17 mit und zwar, wie ich nicht zweifle, zu dem Zweck, uns die 
trügerischen Gedanken und Urteile des menschlichen Herzens 
vor Augen zu stellen. Verweilen wir einige Augenblicke bei 
dieser Geschichte. Möge der Herr die daran geknüpften Bemerkungen für das Herz des Lesers segnen und sie dienen lassen 
zur Verherrlichung Seines Namens! 
„Und Micha sprach zu seiner Mutter: Die tausend und hundert 
Silberlinge, die dir genommen worden sind, und worüber du 
einen Fluch getan und auch vor meinen Ohren geredet hast, 
siehe, das Silber ist bei mir; ich habe es genommen. Da sprach 
seine Mutter: Gesegnet sei mein Sohn von Jehova"! — (V. 2). 
Beachten wir es, daß diese Frau, wie auch ihr Sohn, den Jehova, 
den Gott Israels, kannten und Ihm, wie wir später sehen werden, zu dienen beabsichtigten; denn indem Micha der Mutter 
das Geld zurückgibt, sagt sie: „Das Silber hatte ich von meiner 
Hand Jehova geheiligt für meinen Sohn, um ein geschnitztes 
Bild und ein gegossenes Bild zu machen; und nun gebe ich es 
dir zurück. Und er gab das Silber seiner Mutter zurück; und 
seine Mutter nahm zweihundert Seckel Silber und gab sie dem 
Goldschmied, und der machte daraus ein geschnitztes Bild und 
ein gegossenes Bild; und es war im Hause Michas. Und der 
Mann Micha hatte ein Gotteshaus, und er machte ein Ephod 
207 
und Teraphim und weihte einen von seinen Söhnen, und er 
ward ihm zu einem Priester" (V. 3—5). 
Verweilen wir hier einen Augenblick, um die Handlung Michas 
und ihre praktische Anwendung beurteilen zu können. Es ist 
selbstredend, daß dieser von Micha eingeführte Gottesdienst 
ein selbstgemachter und darum ein Dienst des Fleisches war. 
Micha und seine Mutter kannten Jehova und wußten daher 
auch sicher, daß sie sich kein „geschnitztes Bild" machen durften, noch irgend „ein Gleichnis dessen, was oben im Himmel 
und was unten auf Erden ist"; und dennoch taten sie es, und 
zwar unter der Form der Gottseligkeit. Das ist immer die 
Natur des eigenwilligen Dienstes, der zwar dem Herrn Ehre 
darbringt, aber nicht nach dem Willen Gottes, sondern nach 
eigenem Willen. Micha hatte keineswegs die Absicht, den 
Dienst des Herrn ganz beiseitezusetzen; aber er setzte seine 
Gedanken an die Stelle der Gedanken Gottes. Was hätte auch 
die menschliche Vernunft gegen die Einrichtung eines Gotteshauses und gegen die Anstellung eines Priesters einwenden 
können? War doch die Stiftshütte Jehovas zu weit entfernt, 
um jedesmal dorthin gehen zu können. Es war vielleicht seine 
Absicht, Jehova täglich zu dienen, und zu diesem Ende, da 
der Weg zur Stiftshütte zu weit war, sich daheim einen Priester zu weihen. Die Verehrung Jehovas war ihm keineswegs 
eine gleichgültige Sache; und vielleicht hat er gedacht, daß er 
Jehova weit besser diene, als mancher der anderen Israeliten, 
die nur einmal im Jahre hinaufgingen, um zu opfern. Und 
dennoch — wie schön dies alles auch scheinen mochte — vergaß 
er eine Sache, nämlich daß alle seine Handlungen vor Gott 
ganz verwerflich waren, weil nach dem Gebot Gottes nur da 
geopfert werden sollte, wo die Cherubim Seiner Herrlichkeit 
ihren Platz hatten. Armer Micha! Wie nutzlos waren alle deine 
Bemühungen und Anstrengungen! Gott nahm keines deiner 
Opfer an. Er konnte es nicht tun, weil du nicht Gott, sondern 
dir selbst dientest. 
Es erging Micha ebenso wie den Kindern Israel vor dem Berge 
Horeb. Mose blieb ihnen zu lange auf dem Berge, und da sie 
endlich an seiner Rückkehr zweifelten, machten sie sich ein 
goldenes Kalb. Die Ursache davon war nicht, daß sie Jehova 
ganz und gar verworfen hatten — o nein; sie wollten vielmehr 
208 
durch dieses Kalb Jehova verehren. Vielleicht haben sie sich 
einzureden gesucht, daß Gott zwar, während Mose unter ihnen 
war, verboten habe, fremde Götter anzubeten, daß sie aber 
jetzt, da Mose abwesend war, nicht wissen könnten, was ihre 
Aufgabe sei zu tun. „Mose wird" — haben sie sich vielleicht 
gesagt — „wohl nie zurückkehren, darum müssen wir doch 
etwas vor Augen haben; die Umstände haben sich geändert, 
darum müssen auch wir die Sache etwas anders anfangen." 
Wie ernst aber warnt uns Paulus in Kol 2 vor Grundsätzen, 
die wir in der Handlungsweise Michas und der Kinder Israel 
erblicken! „Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr 
noch in der Welt? Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht, 
(Dinge, welche alle zum Zerstören sind durch den Gebrauch) 
nach den Geboten und Lehren der Menschen (welche zwar 
einen Schein der Weisheit haben in eigenwilligem Gottesdienst 
und in Niedriggesinntheit und im Nichtverschonen des Leibes, 
und nicht in einer gewissen Ehre), zur Befriedigung des Fleisches". 
Und wie steht es in unseren Tagen hiermit? Sind die Worte 
des Apostels vielleicht überflüssig? Der Herr gebe, daß dies 
der Fall sei! Doch, geliebte Leser, laßt uns auf uns selbst 
sehen und die Frage an uns richten: „Wie verhalte ich mich in 
dieser Sache Gott gegenüber?" — Es kommt hier auf den 
Grundsatz des Herzens an. Wir können uns von vielen Dingen, 
die wider das Wort Gottes streiten, getrennt haben, und dennoch kann unser Dienst, wenigstens in irgendeiner Hinsicht, 
ein fleischlicher sein. So lange unsere Anbetung nicht im Geiste 
und in der Wahrheit geschieht, ist sie ein selbstgemachter, 
eigenwilliger Dienst. Ach, wie wenig werden die Worte des 
Herrn: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn 
im Geist und in der Wahrheit anbeten", von den Gläubigen 
verstanden und angewendet! Erläutern wir uns dieses durch 
ein Beispiel. 
Ein Heide, der durch die Verkündigung des Evangeliums gläubig 
geworden war, erscheint in unserer Mitte. Im Worte Gottes 
wenig erfahren, aber auch ohne menschliche Lehren und Er209 
findungen tritt er in die Umgebung einer christlichen Welt. Er 
kommt in ein Land, dessen Bewohner sich durchgehends Christen nennen, und er erwartet hier selbstredend eine gesegnete 
Offenbarung der Versammlung Christi. Aber ach! wie sieht 
er sich in seiner Erwartung getäuscht! In dieser christlichen 
Umgebung gewahrt er die schändlichsten Laster: Schwelgerei, 
Hurerei und Weltlichkeit in allen Schichten der menschlichen 
Gesellschaft; ja, er gewahrt dieses alles unter denen, die sich 
Christen nennen. Er durchwandert die Straßen einer großen 
Stadt; doch nirgends, nirgends findet er einen Beweis, daß sich 
hier Christen aufhalten. Ganz dieselben Grundsätze, die er 
in seinem eigenen Lande gefunden hat, werden auch hier angewendet; auch hier hat alles den Stolz, die Eigenliebe, die 
fleischliche Gesinnung, mit einem Wort die Feindschaft gegen 
Gott zur Quelle. Er spricht mit solchen Christen, findet sie 
aber in betreff ihres Zustandes eben so blind und unwissend, 
wie seine eigenen Landsleute; sie ehren ihren Gott nicht; sie 
haben keine Liebe für den Heiland der Welt; sie folgen ihren 
eigenen Lüsten; ja er wird sogar von ihnen verhöhnt, gelästert 
und verfolgt. Hierdurch kommt er zu der Folgerung, daß man 
sich zwar des Namens eines Christen rühme, sich aber schäme, 
ein Christ zu sein und als solcher zu leben, und daß er sich 
mithin nicht unter Christen, sondern unter Weltmenschen, 
nicht unter Freunden, sondern unter Feinden Gottes befinde. 
Wohl gewahrt er eine Form der Gottseligkeit; aber dies hatte 
er auch bei seinen Landsleuten gefunden. Auch Paulus fand 
dergleichen in Athen. Die Form ist zwar verschieden; aber im 
Grunde genommen ist es doch eine und dieselbe Sache. Er 
erblickt eine Menge kirchlicher Gebäude, wie er einst in seiner 
Heimat die Tempel der Götzen fand; er erblickt überall Priester, wie auch daheim die Götzendiener ihre Priester besaßen; 
er findet hier, wie einst dort, eine Menge Menschensatz-ungen, 
die zur Befriedigung des Fleisches dienen. Der Gott der Bibel 
ist hier ebenso unbekannt, wie drüben im Heidenland. Er 
findet den heiligen und gerechten Gott in einen Gott nach 
eigenen Gedanken umgewandelt, den sie den Gott der Liebe 
nennen, und der, wie die Götter seines Landes, die Sünden 
unbeachtet läßt und durch Buße und gute Werke zu versöhnen 
ist. Er findet Jesum, den Sohn des lebendigen Gottes, in einen 
210 
Menschen verändert, der höchstens zum Vorbild dienen kann, 
der aber mit unserer Versöhnung nichts zu schaffen hat; und 
ob er auch noch die Taufe und das Abendmahl vorfindet, so 
erkennt er doch gar bald darin nur noch eine Form, mit der 
man noch nicht so ganz brechen will. 
Nach langem Suchen findet er endlich auch wahre Gläubige; 
aber auch bei ihnen sieht er sich getäuscht, indem er bei ihnen 
wenig geistliches Leben, wohl aber viel Gesetzlichkeit und 
Formwesen entdeckt. Wie sehr er sich anfangs darüber wundert, wird ihm doch bald die Ursache klar. Er sieht die Gläubigen in Verbindung und Übereinstimmung mit einem weltlichen, halb heidnischen, halb jüdischen System, er sieht, daß 
sie sogar an einem weltlichen, ungöttlichen, sogenannten Gottesdienst teilnehmen. Sie bringen ihre Kinder zur Taufe dorthin, damit sie später als Glieder jener Weltkirche aufgenommen werden, während sie selbst am Tische der Ungläubigen 
das Abendmahl feiern. Wie könnte es ihn daher noch wundern, 
ihr geistliches Leben so schwach zu sehen? Er findet vielmehr 
Ursache, Gott zu loben, der trotz ihres fortwährenden Ungehorsams unermüdlich fortfährt, sie zu segnen und zu bewahren. 
Ja, wirklich, der Ungehorsam ist groß. Sagt Gott uns doch in 
Seinem Worte: „Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen; denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit mit 
Gesetzlosigkeit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? 
und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbilder? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott 
gesagt hat: „Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und 
ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Deshalb gehet weg aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht 
der Herr, und rühret Unreines nicht an; und ich werde euch 
aufnehmen, und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet 
mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige". — Ach! das Herz unseres Fremdlings muß betrübt 
und niedergeschlagen sein, wenn er sieht, wie Gott und Sein 
Wort durch die Namenchristen mit Füßen getreten, verachtet 
und gehaßt wird, und wie die Gläubigen trotz des ausdrücklichen Verbotes Gottes mit ihnen vereinigt sind. 
211 
Hat er Ursache zu einer solchen Betrübnis, geliebter Leser? 
Gewiß, du wirst es nicht leugnen können; und wir haben uns 
wegen so vieler Untreue erneut zu demütigen. Ja, bekennen wir 
es mit Aufrichtigkeit, daß unser Zustand so und nicht anders 
ist; Gottes Wort Selbst hat uns verurteilt. Möchten wir es trief 
fühlen, daß wir das, was in den Augen Gottes böse ist, ausgeübt haben. Wir haben uns zu den Elementen der Welt zurückführen lassen; denn wenn unser Gottesdienst in Verbindung und Übereinstimmung mit der Welt ist, so ist er ein 
eigenwilliger Dienst; bekennen wir es ohne Zögern vor dem 
Herrn. „Denn wenn wir uns selbst beurteilen, so werden wir 
nicht gerichtet". 
Es ist sicher unsere eigene Schuld, daß wir uns in diesem Zustande befinden. Wir haben nicht auf das Wort des Herrn 
geachtet, wir haben unsere Augen und Ohren verschlossen und 
trotz Seines bestimmten Verbots nach den Begierden unserer 
eigenen Herzen gewandelt. Soll dieses, geliebte Brüder, noch 
länger so bleiben? Soll das Wort des Apostels noch länger 
wider uns zeugen, wenn er sagt: „Für die Freiheit hat Christus 
uns freigemacht, stehet nun fest und lasset euch nicht wiederum 
unter einem Joche der Knechtschaft halten" (Gal 5, 1)? Sollen 
wir noch länger den Satzungen der Menschen gehorchen? Soll 
unser Herz sich noch länger mit Dingen beschäftigen, die nicht 
aus Gott sind? Ach, wann werden doch alle Kinder Gottes erkennen, daß der Gottesdienst, woran sich so viele von ihnen 
beteiligen, nicht ein Dienst Gottes, sondern ein Dienst der Welt 
ist? Möchte doch der Herr allen Seinen Kindern geöffnete Ohren 
und willige Herzen geben, um nach Seinem Willen zu handeln 
und Ihm im Geist und in Wahrheit zu dienen! Das Böse, 
worin wir uns befinden, ist groß, sehr groß; und nur durch 
die Kraft Gottes können wir uns davon trennen. Das Erste, 
was wir zu tun haben, ist, uns vor Gott zu demütigen und 
dann: „Gehet aus aus ihrer Mitte und sondert euch ah", spricht 
der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch 
aufnehmen, und ich werde euch zum Vater sein, spricht der 
Herr, der Allmächtige" (2. Kor 6, 17—18). Dies ist der einfache 
Weg für alle, die dem Worte Gottes gemäß handeln und wandeln wollen, und die alles für Schaden und Dreck halten wegen 
der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu. Und jetzt, ge212 
liebter Leser, frage ich dich: Was willst du tun? Willst du 
Seiner Stimme gehorchen, oder willst du dein Gewissen auf 
fälschliche Wege zum Schweigen bringen? — Doch, kehren 
wir zu dem Hauptzwecke dieser Zeilen zurück, indem wir das 
fernere Tun Michas betrachten. 
„Und es war ein Jüngling aus Bethlehem-Juda, vom Geschlecht 
Juda, der war ein Levit und weilte daselbst als Fremdling. Und 
der Mann zog aus der Stadt, aus Bethlehem-Juda, um zu weilen, 
wo er es treffen würde. Und er kam auf das Gebirge Ephraim 
bis zum Hause Michas, um seines Weges zu ziehen. Und Micha 
sprach zu ihm: Woher kommst du? Und er sprach zu ihm: Ein 
Levit bin ich von Bethlehem-Juda und gehe hin zu weilen, wo 
ich es treffen werde. Und Micha sprach zu ihm: Bleibe bei mir 
und sei mir zu einem Vater und zu einem Priester, so will 
ich dir jährlich zehn Silberlinge geben und Ausrüstung an 
Kleidern und deinen Lebensunterhalt. Und der Levit ging hinein. Und der Levit willigte ein, bei dem Manne zu bleiben; 
und der Jüngling war ihm wie einer seiner Söhne. Und Micha 
weihte den Leviten, und der Jüngling ward ihm zu einem 
Priester und war im Hause Michas. Und Micha sprach: Nun 
weiß ich, daß Jehova mir wohltun wird, weil ich einen Leviten 
zum Priester habe" (V. 7—13). 
Wir ersehen aus dieser Mitteilung, daß das Gewissen Michas 
unter dem selbstgemachten Gottesdienst durchaus keine Ruhe 
gefunden hatte. Er wußte sehr wohl, daß er nicht nach dem 
Willen Jehovas gehandelt habe; denn es war ihm keine unbekannte Sache, daß für Jehova nur in Seiner Stiftshütte Opfer 
dargebracht wurden, und daß es der Stamm Levi war, den 
Jehova sich zu diesem Zwecke auserwählt hatte. Doch anstatt 
sich über seine Sünde zu demütigen und so dem Gebote Jehovas 
nachzufolgen, sucht er sein Gewissen dadurch zu beruhigen, 
daß er einen Leviten zum Priester erwählt und auf diese Weise 
seinem Ungehorsam einen Schein von Gehorsam zu geben versucht. „Nun weiß ich", — sagt er — „daß Jehova mir wohltun 
wird, weil ich einen Leviten zum Priester habe". — Micha war 
mit sich nicht ganz zufrieden, so lange die Übertretung der 
Gebote Gottes zu augenscheinlich und zu offenkundig war; 
und darum freut er sich über die sich ihm darbietende Gelegen213 
heit, einen Priester aus dem Stamme zu bekommen, welchen 
Jehova Sich zu Seinem Dienste auserwählt hatte. Jetzt glaubte 
er überzeugt zu sein, daß Jehova ihn segnen werde, jetzt 
glaubte er sich vollkommen beruhigen zu dürfen, da er ja alles, 
was er tun konnte, getan hatte und, soweit es ihm möglich war, 
dem Gesetz Jehovas nachgekommen war. Was konnte er noch 
weiter tun? Jehova sah ja seinen guten Willen und das mußte 
doch wohl genügen. Armer Micha! Wie sehr täuschest du dich! 
Wußtest du denn nicht, daß Gehorsam besser ist, als Opfer, 
und Aufmerken besser als das Fett der Widder? Wußtest du 
nicht, daß der Herr gesagt hatte: „Verflucht sei, wer nicht tun 
wird die Worte meines Gesetzes?" Was nützt dir dein ganzer 
Gottesdienst, wenn du dich darum ungehorsam gegen deinen 
Gott erweist? Dein Tun ist und bleibt ein eigenwilliges Tun 
mit einem Schein von Gottseligkeit vor den Augen eines heiligen und gerechten Gottes; welchen Nutzen könnte es dir 
bringen? Er will Aufrichtigkeit und Wahrheit in deinem Herzen und nicht Schein. 
Micha war zwar ein Hörer des Wortes Gottes; aber sein Wandel 
stand nicht damit im Einklang. Er kannte zwar das Gesetz 
Jehovas; aber er unterwarf sich seinen Forderungen nicht. Und 
dies ist stets beklagenswert; denn Paulus sagt: „Nicht die 
Hörer des Gesetzes sind gerecht vor Gott, sondern die Täter 
des Gesetzes werden gerechtfertigt werden" (Röm 2, 13). Das 
ist sehr ernst und sollte bei uns die Frage hervorrufen: „Wie 
steht es bei mir in bezug auf diese Sache? Muß ich mich nicht 
selbst verurteilen, sehr oft der Stimme meines Gewissens 
nicht gehorcht zu haben? Bedarf ich nicht oft der Ermahnung 
des Apostels Jakobus: „Seid Täter des Wortes, und nicht allein 
Hörer, die sich selbst betrügen"? Ach, leider werden die meisten von uns dies bejahen müssen. Wir hören zwar den Mann 
vom Gebirge Ephraim sagen: „Nun weiß ich, daß Jehova mir 
wohltun wird"; aber laßt uns mit Ernst daran denken, daß 
das Gebilde der Gedanken des Herzens trügerisch ist, und daß 
der Teufel immer bemüht ist, uns durch einen Schein von 
Wahrheit zu täuschen, damit wir doch keineswegs zum richtigen Verständnis unseres Zustandes gelangen und uns vor 
Gott demütigen mögen. Das ist stets der Zweck und die Absicht des Feindes. Jedoch auf der anderen Seite ist es ebenso 
214 
wahr, daß die Wahrheit Gottes, wenn sie uns mit der ganzen 
Kraft der christlichen Liebe und mit dem vollen Ernst des 
Geistes vor Augen gestellt wird, unmöglich ohne Wirkung 
bleiben kann. Es ist dann immer eine Stimme in uns, welche 
uns zuflüstert: „Das ist die Wahrheit". Wohl dem Herzen, 
das dann nicht zu verschlossen ist, um dies zu erkennen, sondern nach der Wahrheit hört! Wohl jedem, der nicht ein „vergeßlicher Hörer, sondern ein Täter des Wortes ist, dieser wird 
glückselig sein in seinem Tun". — Doch ach! wie oft sind wir 
bloß Hörer und nicht Täter des Wortes! Und dann „gleichen 
wir einem Mann, der sein natürliches Angesicht in einem 
Spiegel betrachtet; denn er hat sich selbst betrachtet und ist 
weggegangen und hat alsbald vergessen, wie er war". — Sollte 
nicht irgendeiner unserer Leser sein Bild in dem Spiegel, den 
wir ihm vorhielten, geschaut und sich in dem Zustand, den 
wir soeben beschrieben haben, entdeckt haben? Dann sind wir 
überzeugt, daß, was er auch dagegen einwenden mag, sein Gewissen nicht ganz ruhig ist. Freilich gibt es auch für ihn unendlich viele Mittel, um das Gewissen zum Schweigen bringen zu 
können. Aber möge er bedenken, daß es nur „eitle Überlegungen des Herzens" sind. 
Wenn das Herz nicht geneigt ist, den Willen Gottes zu tun, 
weil es an diese Erde gefesselt ist und durchaus keine Neigung 
hat, alle Dinge für Verlust zu achten wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, dann versteht es sich fast 
von selbst, daß es etwas nötig hat, um sich darauf stützen zu 
können. Was wir eben über den eigenwilligen Gottesdienst 
gesagt haben, mag vielleicht — wir hoffen es sehr — das Gewissen des einen oder des anderen Lesers getroffen und den 
Ernst der Wahrheit: „Sondert euch ab"! und „seid nicht in 
ungleichem Joche mit Ungläubigen!" seinem Herzen nahegebracht haben. Aber er verhehle es sich auch nicht, daß die Absonderung eine nicht leichte Sache ist, daß sich Fleisch und Blut 
dagegen sträuben und daß ein solcher Weg ein Weg der Verleugnung und der Schmach ist; und um das Gewissen zu beruhigen, hat er vielleicht in diesem Augenblick, anstatt sich 
der Wahrheit zu unterwerfen, nichts Eiligeres zu tun, als sich 
nach Entschuldigungen aller Art umzusehen. „Ich kann" — 
sagt er vielleicht — „doch die Welt nicht räumen? und dahin 
215 
würde es schließlich kommen müssen, wenn ich einen solchen 
Pfad wandeln wollte. Und wie kann ich die Herzen beurteilen? 
Nein, das überlasse ich Gott, der Herzen und Nieren zu prüfen vermag. Und wo sollte ich eine vollkommene Versammlung auf Erden finden können?" — Vielleicht werden das seine 
Gedanken und Einwürfe sein, durch die er sich zu beruhigen 
sucht, gerade als ob er keine persönliche Verantwortlichkeit 
habe, dem Willen Gottes nachzufolgen. Aber ach! wieviele 
Einwendungen und Entschuldigungen er auch imstande sein 
mag vorzubringen, so werden doch die oben angeführten 
Worte in 2. Kor 6, 16 stets gegen ihn und sein Tun ein lautes 
Zeugnis ablegen. Er folgt einer Weise, durch welche der natürliche Mensch sich in ein ewiges Elend stürzt. Er versucht das 
Wort,.welches sein Gewissen getroffen hat, unter einer Menge 
menschlicher Worte und Überlegungen zu vergraben, um 
auf diese Weise jenes ihn verwundende Wort aus dem 
Wege zu schaffen. Eitle Mühe! Es wird ihm nicht gelingen; 
immer wieder und mit erneuerter Kraft wird der Stachel jenes 
Wortes zum Vorschein kommen und das Gewissen treffen, 
um es dem Schlafe zu entreißen. Er wird die Erfahrung machen, 
daß das Schwert des Geistes eine zweischneidige und eine gar 
lästige Waffe ist gegenüber denen, die nicht dem Worte Gottes gehorchen wollen. 
„Aber" — sagt vielleicht jemand — „ich muß doch zuerst den 
Weg wissen, den ich einzuschlagen habe; denn ich kann doch 
nicht einen Pfad betreten, ohne vorher zu wissen, wohin er 
führt". Aber, mein Freund, der du diesen Einwand machst, 
beantworte mir die Frage: Möchtest du nicht lieber diesen 
Weg gar nicht einschlagen und ist nicht deine Abneigung 
gegen diesen Weg unausbleiblicher Verleugnung die hauptsächlichste Ursache, daß du, bevor du diesen Weg betreten willst, 
vorher die Folgen und den Ausgang eines solchen Schrittes 
prüfst? Willst du damit dein Gewissen beruhigen, oder gedenkst du dadurch Zeit zu gewinnen? Wenn die Kinder Israel, 
als Mose ihnen befahl, aufzubrechen, um nach den Worten 
Jehovas trockenen Fußes durch das Schilfmeer zu ziehen, etwa 
gesagt hätten: „Wir wollen zwar deinem Befehle gehorchen; 
aber wohin führt unser Weg und wie wirst du uns, wenn wir 
das Ziel erreicht haben, weiterführen"? —was würdest du dabei 
216 
gedacht haben? Würdest du nicht gesagt haben: „Sie haben 
keine Neigung, sich durch das Rote Meer führen zu lassen, 
und darum machen sie, um das Aufbrechen zu verzögern, alle 
diese Einwendungen". Sicher, das würden deine Gedanken gewesen sein. Aber gerade so verhält es sich mit dir, mein geliebter Leser. Du sträubst dich geradeheraus zu sagen: „Ich 
glaube wohl, daß Gott dieses will; aber ich habe keine Neigung, in dieser Beziehung Seinen Willen zu tun". Und darum 
suchst du allerhand Entschuldigungen auf. Auf die Aufforderung Jesu: „Folge mir nach!" hast du die Antwort: „Herr 
erlaube mir, daß ich zuerst hingehe und meinen Vater begrabe". Aber sei versichert, das ist nicht die richtige Art und 
Weise eines Nachfolgers Christi. Du hast einfach ohne Widerrede zu folgen; und dann erst wird der Herr dir sagen, was 
du weiter zu tun hast. Du kannst völlig überzeugt sein, daß 
wenn du einfach den Worten des Herrn folgst, dir alles leicht 
werden wird; denn der Herr wird dir fortwährend zur Seite 
stehen. Aber so lange du nicht wandelst nach dem Licht, das 
Er dir verliehen hat, und auf das Er dich durch diese Zeilen 
wieder aufmerksam machen läßt, kann Gott dir unmöglich 
weiter Seinen Willen offenbaren. Ach! möchtest du doch nicht 
nur ein Hörer, sondern auch ein Täter Seines Wortes sein! 
Ein anderer möchte vielleicht vorher die Kosten überschlagen 
wollen, indem er sich auf das Wort des Herrn beruft: „Wer 
unter euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuvor 
nieder und berechnet die Kosten, ob er das Nötige zur Ausführung habe" (Lk 14, 28). Ohne Zweifel ist dieses eine gute 
Sache, jedoch nur, wenn die Berechnung eine richtige ist und 
man nichts dabei übersieht oder vergißt. Wenn es aber, wie 
es leider meistens der Fall ist, nur zur Entschuldigung dienen 
soll, um dem Willen Gottes nicht nachzufolgen, dann kann 
man jahraus jahrein rechnen und berechnen, ohne zu einem 
richtigen Resultat zu kommen, und zwar einfach aus dem 
Grunde, weil man immer eine Sache vergißt, nämlich die Hilfe 
und Unterstützung Dessen, Der gesagt hat: „Die Haare eures 
Hauptes sind alle gezählt"; und: „Ich bin der Gott des Himmels und der Erde, der Gott und Vater eures Herrn Jesu 
Christi". — Ein guter Rechner beginnt damit, daß er an den 
einen Rand seiner Berechnung die Worte setzt: „Ein jeglicher 
217 
von euch, der nicht allem absagt, was er hat, kann nicht mein 
Jünger sein"; und „wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und 
mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein" (Lk 14, 27—33). 
und an die entgegengesetzte Seite: „Mein Joch ist sanft, und 
meine Last ist leicht; ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen" 
(Mt 11 , 30). 
Wieder ein anderer erhebt vielleicht einen Einwand, indem er 
sagt: „Es mag viel Wahres an der hier vorgestellten Sache sein; 
aber woher kommt es doch, daß so viele fromme Christen, 
und unter ihnen Männer von großer Bedeutung — Christen, 
die wegen ihrer Gelehrsamkeit und ihrer Liebe zur Walirheit 
bekannt sind, einen ganz anderen Weg einschlagen? Und 
wenn sie bleiben, wo sie sind, weshalb soll ich denn anders 
handeln?" — Weshalb? Weil dein Gewissen und das Wort 
Gottes zu dir sagen: „Sei nicht in einem ungleichen Joch mit 
Ungläubigen". Würdest du die Gedanken und Handlungen 
eines Israeliten gebilligt haben, wenn er während des Aufenthalts Jesu auf dieser Erde etwa gesagt hätte: „Dieser Jesus 
von Nazareth tut zwar große Zeichen und Wunder; Er spricht 
zwar wie Einer, der Gewalt hat, und es ist augenscheinlich, 
daß Er ein Prophet ist, so daß ich Ihm alsbald folgen würde, 
wenn Ihm nur die Hohenpriester und Schriftgelehrten — diese 
in den Schriften erfahrenen Männer — nachfolgten. Aber weil 
diese nichts von Ihm wissen wollen, warum soll ich es denn 
tun?" — Gewiß, du würdest sehen und fühlen, daß jener 
Israelit eine falsche Folgerung gemacht hätte: aber ich frage 
dich: Tust du nicht dasselbe? Wo ist der Unterschied zwischen 
deinen und seinen Worten, zwischen deiner und der Entschuldigung eines solcher. Juden? Ich finde keinen. Er klammerte 
sich an das Urteil der Menschen, und das tust du auch; während doch Gott in Seinem Worte sagt, daß nur Er wahrhaftig, 
jeder Mensch aber Lügner sei. Du handelst, um dein Gewissen 
zum Schweigen zu bringen, gerade wie Micha; du versteckst 
dich hinter einen Leviten, hinter einen Menschen, der, wie du 
meinst, den Willen des Herrn doch wohl kennen müsse. W7
ürde 
es nicht besser und dem Herrn wohlgefälliger sein, mit dem 
Blindgeborenen zu sagen: „Eins weiß ich, daß ich blind war 
und jetzt sehe?" Dann kann man es ruhig anderen überlassen, 
zu erforschen, wer uns sehend gemacht hat und wie unsere 
Augen geöffnet sind; und während sie nichts zu sagen wissen 
218 
und vielleicht hoffen, daß unser Zustand nicht von langer 
Dauer sein werde, erfreuen wir uns selbst des uns geschenkten 
Lichtes und der köstlichen Gemeinschaft mit Ihm, Der gesagt 
hat: „Höret auf mich". 
Diese und viele andere Entschuldigungen und Einwendungen 
werden nicht selten gegen die Wahrheit Gottes erhoben, und 
in allen ist der Grundsatz Michas deutlich zu erkennen. Er 
hatte das Bewußtsein, daß er den Willen Gottes nicht tat; und 
das weißt du auch von dir. Er Weihte einen von seinen Söhnen 
zum Priester, und im Grunde tust du dasselbe. Das weltliche 
System willst du nicht verlassen; jedoch zur Beruhigung deines 
Gewissens beschäftigst du dich vielleicht so wenig wie möglich 
damit, weil du dir mit anderen einen zum Priester geweiht hast. 
Du sagst: „Ich kann doch nicht die Kirche in einen besseren 
Zustand bringen und muß mich daher den Umständen fügen; 
dazu gehe ich ja stets bei einem gläubigen Pastor zur Kirche 
und zum Abendmahl". — Wohlan, das ist dein Sohn, den du 
zum Priester geweiht hast. Ach! du vergißt, daß auch jener 
gläubige Prediger sich gleich dir unter die Gewalt der Ungläubigen gebeugt und sich mit ihnen vermengt hat, und daß er, 
da er sich sonst in seiner Stellung nicht behaupten kann, sich 
in diesem „ungleichen Joche" befindet und sich an diesem 
Weltdienste beteiligt. Unglückseliger Selbstbetrug! Möge doch 
der Herr allen Seinen Kindern die Augen öffnen, um diesen 
Irrtum zu erkennen! 
Nichtsdestoweniger gibt es viele Christen, die sich in der 
Tat von den sogenannten Landeskirchen trennen, da sie einsehen, daß ein Kind Gottes dort nicht länger bleiben kann, 
ohne gegenüber den Worten: „Gehet aus ihrer Mitte"! 
ungehorsam zu sein. Aber — schlagen denn sie den rechten 
Weg ein? ach nein! denn es gibt viele, welche die Landeskirche verlassen, um selbst wieder ein Kirchlein zu bilden. Das 
System, das sie aufrichten, ist völlig nach dem Muster dessen, 
das sie verlassen haben, vielleicht nur mit dem einen Unterschiede, daß nur Gläubige darin zu finden sind. Ach! ihr alle, 
die ihr also handelt, bedenket wohl, daß euer Gottesdienst 
ebenso wie früher ein eigenwilliger ist. Ihr überlegt und handelt wie Micha, der einen Priester einsetzte, indem er sagte: 
219 
„Jetzt weiß ich, daß der Herr mir wohltun wird, weil ich einen 
Leviten zum Priester habe". O laßt euch doch von der Wahrheit überzeugen, damit der Herr nicht nur, weil ihr euch von 
den Ungläubigen getrennt habt, sondern auch weil ihr alle 
menschliche Satzungen und Überlieferungen beiseitegesetzt 
habt, mit Wohlgefallen auf euch herabblicken kann. 
Doch kehren wir zu unserem früheren Beispiel zurück. Gesetzt 
der aus dem Heidenlande kommende Bruder träte in eure Versammlung; und da er vernommen hat, daß hier nur Gläubige 
versammelt sind, so erwartet er selbstredend dort auch nicht 
die Verwirrung zu finden, die ihm sonst überall in der bekennenden Kirche vor Augen getreten ist. Er setzt voraus, daß 
man hier dem Worte Gottes gemäß versammelt sei, wie es 
in i. Kor 14, 26 geschrieben steht, wo er gelesen hat: „Wenn 
ihr zusammen kommt, Brüder, so hat ein jeglicher von euch 
einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Sprache, hat eine Offenbarung, hat eine Auslegung: alles geschehe zur Erbauung". 
Doch nein, er findet von diesem allen nichts. Statt eines brüderlichen Zusammenkommens sieht er eine Versammlung von 
Menschen, die gekommen sind, um eine Predigt von einer 
damit beauftragten Person zu hören. Dieser Person ist die 
Leitung der ganzen Versammlung aufgetragen; er spricht, er 
betet, kurz er tut alles, während seine Brüder, zu denen er 
spricht, gezwungen sind zu schweigen, selbst wenn auch jemand in ihrer Mitte sein sollte, der in diesem Augenblick viel 
geeigneter gewesen wäre, ein Wort zur Erbauung zu reden. 
Selbstverständlich wird die freie Wirksamkeit des Heiligen 
Geistes in einer solchen Versammlung nicht anerkannt; an 
ihre Stelle sind menschliche Satzungen und Gebräuche getreten. Er findet also dort keine Gemeinschaft der Heiligen; denn 
man geht auseinander, ohne einen Beweis, daß man zu einem 
Leibe gehöre, gegeben zu haben. 
Freilich vernimmt unser Bruder die Behauptung, daß alles 
in Ordnung geschehen müsse und es daher notig sei, jemandem vorher die Leitung der Versammlung zu übertragen; aber 
er antwortet darauf mit den Worten der Heiligen Schrift: 
„Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, 
wie in allen Versammlungen der Heiligen". Er muß also nacli 
220 
jener Behauptung folgern, daß die Christen, indem sie es für 
nötig erachten, selbst eine Ordnung zu schaffen, dadurch den 
Beweis liefern, daß sie keine Versammlung bilden, oder daß 
der Heilige Geist in unseren Tagen die Ordnung nicht mehr 
handhabt. Wie aber könnte er das zuletzt genannte voraussetzen, da er nach wie vor die Bibel einfach als die Offenbarung des göttlichen Willens betrachtet! 
Sein Erstaunen wird indes den höchsten Grad erreichen, wenn 
er vernimmt, daß die hier oder dort versammelten Gläubigen 
einen Prediger angestellt haben, damit dieser jeden Sonntag 
predige, bete und danke, das Abendmahl bediene und die 
Taufhandlungen verrichte, weil er durch ein solches Verfahren 
den Standpunkt verrückt sieht, auf welchen nach der Heiligen 
Schrift jeder Gläubige berufen ist. Findet er doch in Offenbarung i, 6 und 5, 10, daß alle Kinder Gottes „zu Königen 
und Priestern berufen sind", daß alles, was zum alten Bunde 
gehörte, hinweggetan ist und jeder priesterliche Dienst aufgehört hat, daß, nach Hebr 10, 19, alle „Freimütigkeit haben 
zum Eintritt in das Heiligtum", und schließlich, daß Petrus 
in seinem ersten Briefe sagt: „Ihr aber seid ein auserwähltes 
Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, 
ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem 
wunderbaren Licht". — Zwar liest er auch in dem Worte Gottes, daß der Herr einigen Gliedern der Versammlung Gaben 
verliehen hat, welche die anderen nicht besitzen, daß Gott 
„etliche gegeben hat als Apostel, und etliche als Propheten, 
und etliche als Evangelisten, und etliche als Hirten und Lehrer 
zur Vollendung der Heiligen: für das Werk des Dienstes,, für 
die Auferbauung des Leibes Christi" (Eph 4, 11. 12). Allein 
nirgends findet er, daß solchen allein das Reden zukomme und 
nirgends liest er, daß sie durch menschliche Anordnung geweiht 
oder ordiniert werden müssen. Vielmehr gibt die Bibel, als 
die alleinige Richtschnur unseres Handelns, ganz entgegengesetzte Anweisungen. Dort findet er, daß sie Brüder unter 
Brüdern sein sollen, daß alle Christen eins sind und daß, da 
Christus allein der Herr Seiner Versammlung ist, keiner 
unter ihnen der Herr oder der Meister sein darf. Dort erfährt er, daß die Gaben keinen Vorzug vor anderen Gläubigen 
221 
verleihen, sondern daß eine Gabe ohne die andere nicht be -
stehen und „das Auge nicht zu der Hand sagen kann: Ich 
bedarf deiner nicht!" sondern daß vielmehr die Glieder, die 
schwächer zu sein scheinen, notwendig sind. Mit Betrübnis 
erblickt er die Christen unserer Tage auf dem Boden der einstigen Galater, zu denen Paulus sagen mußte: „O unverständige Galater! wer hat euch bezaubert? Seid ihr so unverständig? Die ihr im Geist angefangen habt, wollt ihr nun im 
Fleische vollenden?" 
Ja, geliebte Brüder, das ist der Zustand, worin ihr euch befindet. Das Wort Gottes hat euch gerichtet. In eurem Tun ist 
durchaus keine Demütigung zu finden. Als ihr euch von dem 
Bösen trenntet, habt ihr keineswegs eure eigene Schuld anerkannt; ihr habt nicht anerkannt, daß auch ihr an der allgemeinen Verirrung, an dem Abfall Anteil habt. Denn wenn 
dies der Fall gewesen wäre, würdet ihr sicher keine neue Gemeinde gegründet haben. Nach der Meinung eurer Herzen 
habt ihr alles verbessern wollen, um zu zeigen, daß ihr, wenn 
ihr zur Zeit eurer Väter gelebt hättet, anders gehandelt haben 
würdet. Ihr stellt euch grundsätzlich auf den Boden der Pharisäer, zu denen der Herr sagte: „Ihr bauet die Gräber der Propheten und schmücket die Grabmäler der Gerechten, und saget: 
Wären wir in den Tagen der Propheten gewesen, so würden 
wir nicht ihre Teilhaber an dem Blute der Propheten gewesen 
sein. Also gebt ihr euch selbst Zeugnis, daß ihr Söhne derer 
seid, welche die Propheten ermordet haben, und ihr — machet 
voll das Maß eurer Väter" (Mt 23, 29—32). 
Wirklich, wenn ihr euch in Wahrheit vor dem Herrn demütigt, 
werdet ihr sehen, daß ihr euch noch auf demselben Wege befindet wie früher; ihr werdet dann bald zu der Überzeugung 
kommen, daß ihr damit beschäftigt seid, neuen Wein in alte 
Schläuche zu tun, oder einen Flecken von neuem Tuch auf ein 
altes Kleid zu setzen; denn ihr gründet ja eine neue Gemeinde 
auf einem alten, unbiblischen System, und deshalb wird unausbleiblich eure neue Gemeinde dieselben traurigen Früchte 
tragen, Wie auch die anderen. Die kirchliche Körperschaft, die 
ihr verlassen habt, stützt sich ja auf demselben Grundsatz 
wie ihr. Sie schreibt Regeln vor, an denen man sich halten 
222 
müsse, und das tut ihr auch, und — was das traurigste von 
allem ist — ihr haltet euch von jedem Gläubigen getrennt, der 
euer Bekenntnis, eure Regeln und Vorschriften nicht unterschreiben will. Daher kommen die verschiedenartigen Sekten 
unserer Zeit; daher spricht man von Baptisten, von Methodisten, von Herrnhutern und anderen Parteien. Sollte man sich 
nicht vielmehr tief schämen über die Geringschätzung und 
Beiseitesetzung des Wortes Gottes? Sagt doch Paulus zu den 
Korinthern: „Ihr seid noch fleischlich, denn da Neid und 
Streit unter euch ist, seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach 
Menschenweise? Denn wenn einer sagt: „Ich bin des Paulus", 
der andere aber: „Ich des Apollos"; seid ihr nicht menschlich?" 
— Ja, geliebte Brüder, so lange ihr in diesem Zustande bleibt, 
seid ihr fleischlich, und zwar in einem weit höheren Grade, 
als die Korinther; denn dort war nur der Grundsatz vorhanden, während bei euch die Trennung tatsächlich stattgefunden 
hat. Ach, gehorchet doch dem Worte Gottes und laßt all diese 
Entschuldigungen fahren! Wir sind überzeugt, daß ihr, wenn 
ihr das Wort Gottes mit Gebet und ohne Vorurteil leset, alle 
Irrtümer fahren lassen werdet. Ohne Zweifel ruft euch euer 
Gewissen zu, daß der Weg, den ihr wandelt, nicht der richtige 
ist. Darum verlaßt diesen Weg, und folgt Jesu nach, und zwar 
Ihm allein! Er sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in 
meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte". — Genügt euch 
dies nicht? Müßt ihr noch andere neben Ihm in eurer Mitte 
haben? Verlangt ihr noch einen anderen, einen Leviten? Ach! 
wie viele tun dies, um dadurch ihren eigenen Ungehorsam zuzudecken. 
Und ihr, die ihr euch zwar von den Ungläubigen getrennt 
habt, aber mit den Gläubigen keine Gemeinschaft pflegt und 
euch nicht mit ihnen versammelt, seid ihr glücklich? — ist euer 
Gewissen befriedigt? Unmöglich; denn auch ihr seid dem 
Worte Gottes nicht gehorsam, indem es euch zuruft: „. . . indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen ... " 
(Hebr 10, 25). Der Herr will nicht allein, daß ihr das Böse 
lassen, sondern auch, daß ihr das Gute tun sollt. Und dies 
sollte uns nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein großes Vorrecht sein. Du sagst vielleicht: „Ich weiß nicht, wohin!" — 
aber kann dies eine Entschuldigung für dich sein und deine 
223 
Verantwortlichkeit beseitigen? Nein, gewiß nicht! Wenn du 
nicht weißt, wohin du gehen sollst, so ist das ein Beweis, daß 
du Jesu nicht in allem folgst; denn Er ist bereit, dir den Weg 
zu zeigen; Er wird die Seinigen nicht ohne Ausweg lassen. 
Oder ist dieses: „Ich weiß nicht, wohin!" bloß ein Vorwand, 
während du eigentlich den rechten Weg nicht wissen unllst. 
Ach! das wäre sehr traurig; aber nichtsdestoweniger findet 
man einen solchen Zustand nicht selten bei den Gläubigen. 
Man bleibt lieber, wo man ist, und weshalb? Weil man recht 
gut weiß, daß man nach dem Worte Gottes nicht nur verharren soll „in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, 
im Brechen des Brotes und in den Gebeten", sondern auch, 
daß einer auf den anderen achthaben soll „zur Anreizung zur 
Liebe und zu guten Werken" (Hebr 10, 24). Ja, dieses ist bei 
vielen der Hauptgrund, weshalb sie sich anderen Gläubigen 
nicht anschließen wollen. „Achthaben aufeinander, das ist eine 
lästige Sache", denken sie. Dünkt es ihnen doch viel einfacher, 
daß irgendeine Person aus ihrer Mitte damit beauftragt werde, 
die Lässigen zu ermahnen und auf alle achtzuhaben. Und sie 
haben Recht; denn für das Fleisch ist es eine schwierige Aufgabe, acht auf andere zu haben und sich selbst von anderen 
beurteilen zu lassen. Andererseits aber gereicht es jedem, der 
Gott im Geist und in Wahrheit dienen will, zur großen Freude, 
indem er weiß, daß es zu seinem Besten dient, um ihn bezüglich seines Wandels als einen vollkommenen Menschen vor 
Gott hinzustellen. 
Wir würden imstande sein, noch eine Menge anderer Entschuldigungen anzuführen, die vorgebracht werden, um das 
Gewissen zu beruhigen und sich selbst zu betrügen, aber da 
wir hoffen, euer Gewissen erreicht zu haben, wollen wir davon 
abstehen. Wir bitten nur, einmal ernstlich darüber nachdenken 
zu wollen, was es heißt, vom ewigen Tode errettet zu sein 
und das Bewußtsein der Vergebung von allen Sünden zu 
haben, und dennoch Ihm, Jesu, dem Sohne Gottes, Dem wir 
alles zu verdanken haben, nicht zu folgen, sondern gegen 
Seinen Willen eigene Wege einzuschlagen. Ach, entfernt doch 
alle Stützen, auf die ihr euer Vertrauen setzt! Beseitigt alle 
Entschuldigungen, welche eure Verantwortlichkeit doch nicht 
wegnehmen können, und stellt euer Vertrauen doch ganz 
224 
allein auf Jesum, damit Er euch Seinen Willen offenbaren 
möge! Es gibt in der Tat nichts Törichteres im geistlichen 
Leben, als das Gewissen zu beruhigen. Hat man den ersten 
Schritt auf diesem Wege getan, dann scheint ein Fortschreiten 
nicht mehr so schwierig zu sein, bis man schließlich ganz 
daran gewöhnt ist und die Stimme des Gewissens völlig verstummt ist. Wenn sich ein Christ einmal in einem solchen 
Zustande befindet, dann steht es sehr traurig um ihn; er bildet 
sich ein, nach dem Willen Gottes zu wandeln und in Seiner 
Gemeinschaft zu leben; aber es ist alles Selbstbetrug. Ja, man 
wird oft sehen, daß gerade solche Christen viel für die Sache 
des Herrn wirken, um auf diesem Wege die unangenehme 
Leere ihres Herzens auszufüllen. Doch bedenken wir es wohl, 
geliebte Brüder, daß wir zwar uns selbst täuschen können 
aber Gott nicht. Er schaut bis auf den Grund unserer 
Herzen, und Er weiß, ob da wahrer oder nur scheinbarer 
Frieden herrscht. Er kennt die verborgene Triebfeder all unserer Handlungen. Er Weiß, ob sie aus Liebe zu Ihm hervorkommen, oder aus dem Wunsche, vor den Augen der Menschen besser zu scheinen, als man ist, und zuzudecken, was im 
Herzen ist. „Wir sind alle bloß und aufgedeckt vor dem Auge 
dessen, mit dem wir es zu tun haben". 
Laßt uns daher, geliebte Brüder, auf die Stimme des Geistes 
Gottes achten. Wie oft mag schon in unserem Inneren Seine 
Stimme vernommen worden sein, ohne bei uns ein offenes 
Ohr zu finden! Es ist eine traurige Wahrheit, daß es namentlich in unseren Tagen viele gibt, welche die Schwierigkeit eines 
aufrichtigen Wandels vor Gott wohl erkennen, aber auf alle 
nur mögliche Weise ihr Gewissen zu beruhigen suchen. Ja, 
der Herr gebe uns die Gnade, nicht nur Hörer, sondern auch 
Täter Seines Wortes zu sein! Und Er möge auch diese Zeilen 
an vieler Herzen segnen, damit alle Seine Kinder Ihm in Aufrichtigkeit dienen und Ihn verherrlichen! Es war das Bedürfnis unseres Herzens, die Christen auf ihre vielen Irrtümer 
hinzuweisen und sie unter dem Segen des Herrn von ihren 
Verkehrtheiten zu überzeugen. Ja, wir können in der Gegenwart Gottes bezeugen, daß wir diese Zeilen nur in der Absicht 
geschrieben haben, um mit Nachdruck ein Übel zu bekämpfen, 
welches seiner Natur nach in uns allen wohnt; und wir flehen 
225 
zu Gott, daß sich niemand von der Meinung beherrschen 
lasse, daß das Geschriebene nicht für ihn, sondern für seinen 
Nächsten bestimmt sei. 
Glückselig der, welcher mit Paulus sagen kann: „Brüder, ich 
habe bis auf diesen Tag mit allem guten Gewissen vor Gott 
gewandelt" (Apg 23, 1). Glückselig, wer sich wie Paulus übt, 
„allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und 
den Menschen!" Ja glückselig, der mit vollem Herzen sagen 
kann: „Es ist mein Verlangen, allezeit in Aufrichtigkeit vor 
Gott zu wandeln!" 
Der unausforschliche Reichtum Christi 
Wenn wir, meine Freunde, an unsere gänzliche Unwürdigkeit, 
an unseren Zustand der Sünde und an unsere völlige Unfähigkeit bezüglich irgendwelcher Verbindung mit Gott denken, 
so könnten wir unmöglich eine solche Verbindung mit dem 
heiligen Gott voraussetzen, wenn dies nicht in der freien, 
unumschränkten Gnade Gottes in Christo seinen Grund hätte; 
wir würden es nicht verstehen, wie Gott solche Sünder, wie 
wir sind, in Seine Gegenwart einführen kann, wenn 
wir nicht wüßten, daß Er dadurch den überschwängiichen 
Reichtum Seiner Gnade ans Licht stellen wollte. Ja, im Blick 
auf die Sünde, die Eitelkeit und Selbstsucht in uns sind wir 
angesichts der Herrlichkeit Gottes versucht, auszurufen: „Ich 
bin nichts als Sünde!" Dieses Bewußtsein führt uns zu Gott, 
wenn Er in Seiner Liebe und Gnade handelt. Würden wir 
kein anders Bewußtsein haben, als das der Sünde, so 
Würden wir den Gedanken an das Gericht Gottes nicht 
ertragen können. Allein der Gedanke an diese Liebe und 
Gnade Gottes, welche sich trotz unserer Sünde und der Verderbtheit unseres Fleisches entfaltet, gibt uns Frieden und 
Freude. 
Der Mensch hat ganz und gar jedes Anrecht an der Liebe 
Gottes verloren. Er kann sich nicht mit Gott in Verbindung 
226 
setzen und darf nicht antasten, was Ihm angehört. Unsere 
Herzen sind nur glücklich in dem Bewußtsein, daß die Gnade 
wirksam ist, und daß — in einem gewissen Sinne — je größer 
unsere Schuld und je tiefer unser Elend ist, desto erhabener 
und herrlicher Gott in Seinen Wegen dasteht; und dieses 
öffnet uns den Mund, um mit Sündern, wer sie auch sein 
mögen, darüber zu reden. Man sieht, wie sehr das Herz des 
Apostels Paulus von diesem Gedanken erfüllt war, und wie 
seine Sprache die gewöhnliche Ausdrucksweise überschreitet, 
wenn er sich den Vornehmsten der Sünder und den Geringsten 
der Heiligen nennt. Wenn er an sich und an die Größe all der 
Gnade dachte, womit ihm Gott, indem Er Ihm nicht nur alle 
Sünden vergeben, sondern ihm auch die Botschaft dieser Gnade 
an andere anvertraut hatte, begegnet war, dann fühlte er sich 
vor Gott beschämt. 
Petrus und Paulus sind in ihrem Werke zwei beachtenswerte 
Gefäße der Erwählung und Beispiele dieser Gnade. Wie wurde 
Petrus zubereitet, um seine Brüder stärken und die Lämmer 
weiden zu können? War nicht seine Verleugnung das Mittel 
seiner Zubereitung, seiner Erziehung, wodurch ihm begreiflich 
gemacht wurde, daß er mehr als böse sei? Und auf welchem 
Weg wurde Paulus zubereitet? War nicht sein fluchwürdiger 
Eifer gegen Christum, indem er die Versammlung verfolgte 
und verwüstete, das Mittel seiner Erziehung? — Als Petrus 
den Juden vorwarf: „Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet", hätte man ihm entgegnen können: „Das hast auch 
du getan". Und als Paulus sie beschuldigte, den Kelch des 
göttlichen Zornes durch ihre Sünden gefüllt zu haben, hätten 
sie ihm erwidern können: „Und was hast du getan, als du 
die Christen verfolgtest, sie zwangst zu lästern und sie in die 
Gefängnisse schlepptest? Hast du nicht dem Satan gedient?" 
Ja, dies waren die Wege, auf welchen die Erziehung dieser 
beiden Männer bewirkt wurde, und wo sie lernen mußten, 
was das Fleisch und was im Herzen ist. Als Paulus den Nationen den Glauben verkündigte, hatte er, der bis in den dritten 
Himmel entrückt worden, wegen der Größe dieser Offenbarung einen Dorn im Fleische nötig. Ich bemerke dies, um zu 
zeigen, daß die Bosheit des Fleisches immer gleich ist. — Ein 
Blick auf das, was diese beiden Männer getan hatten, war sehr 
227 
demütigend für das Fleisch, wenn Petrus sich sagen mußte: 
„Ich habe den Herrn verleugnet — Ihn, Der stets so gütig 
gegen mich war, Der mich so sehr liebte und Dessen Warnstimme mich vorher auf die Gefahr aufmerksam machte". Und 
es war für Paulus eine schmerzliche Erinnerung, die Christen 
verfolgt zu haben und bekennen zu müssen: „Ich habe es von 
ganzem Herzen getan; selbst meine Religion diente dazu, 
einen erbitterten Feind Gottes aus mir zu machen". — Nichtsdestoweniger mußten diese Erfahrungen das Herz mit Gefühlen der Gnade erfüllen; denn Gott war da. „Wo die Sünde 
überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überschwenglicher geworden". Und nicht dieses allein, sondern die Gefäße 
dieser Gnade selbst waren auch zubereitet worden, nicht etwa 
durch schöne Eigenschaften, sondern durch traurige Erfahrungen. Paulus war als Mensch zubereitet worden und empfänglich gemacht für die Gnade, deren er bedurfte, um an 
sich selbst den Glaubenden den Reichtum der Gnade Gottes 
zeigen zu können. Er sollte der Zeuge der Güte und Gnade 
Christi sein; an ihm sollte man erfahren, was die Sünde gegenüber der Liebe und Gnade Gottes ist. Und nachdem in dieser 
Weise das Fleisch an seinen Platz gestellt worden war, konnte 
Paulus den unausforschlichen Reichtum des Christus unter 
den Nationen verkündigen; denn in ihm selbst hatte sich die 
Gnade in einer überströmenden Flut gezeigt. 
In betreff der Juden bestand dieselbe Tatsache; allein sie erwarteten etwas, weil sie Verheißungen hatten. Petrus, der 
Apostel der Beschneidung, richtet sich an sie als solche, die 
ihrer äußeren Stellung nach das Volk Gottes waren, indem er 
sie als die Kinder der Verheißung, als die Kinder Abrahams, 
als die Erstlinge anredet, während die Nationen noch den an 
das kananäische Weib gerichteten Worten des Herrn: „Es 
geziemt sich nicht, das Brot der Kinder zu nehmen und den 
Hündlein hinzuwerfen" — als Fremdlinge und ohne Bürgerrecht betrachtet werden. Paulus schöpft daher das Recht, zu 
den Nationen von Christo zu reden, aus der Quelle jener 
Gnade, die nichts anderes kennt als daß Gott das Recht zusteht, Gnade üben zu können. Jene arme Syro-Phönicierin, 
die einem verfluchten Geschiecht angehörte und mithin ohne 
jedes Anrecht war, genoß, indem sie sich als ein Hündlein 
228 
anerkannte, die ganze Süßigkeit der Gnade Gottes, als der Herr 
zu ihr sagte: „Dir geschehe, wie du willst!" — Wenn es sich 
um das Recht handelte, dann mußte Er ihr sagen: „du hast 
kein Recht; denn ich bin nur zu den verlorenen Schafen des 
Hauses Israel gekommen; und du bist keins von diesen Schafen". Aber das Weib nahm ihre Zuflucht zu der Gnade; und 
es war für sie Gnade genug in Gott, um sagen zu können: 
„Ich werde von allem essen!" — und wie hätte der Herr sie 
nun abweisen können? 
Die Botschaft des Heils an die Nationen stellt den ganzen 
Reichtum der Gnade, welche in Gott für uns ist, in das hellste 
Licht. Dieselben Umstände, die das Fleisch erkennen lassen, 
öffnen auch der in Rede stehenden Offenbarung des unausforschlichen Reichtums Christi den Weg — eines Reichtums, 
der unsere Begriffe übersteigt. Ein Jude war imstande, seinen 
Reichtum erforschen zu können, obwohl die Gnade die gleiche 
war. Er konnte sagen: „Siehe, welche Gnade mir begegnet"! 
So konnte z. B. Jesajas oder irgendein anderer Prophet das 
Gesetz erforschen und vieles darin entdecken, was ihm angehörte. Er konnte darin den Messias und viele herrliche Verheißungen finden, die einmal für Israel in Erfüllung gehen 
sollten; er konnte darin vor allem die Gunst Gottes gegen 
Sein Volk finden. Jeder, der Einsicht in das Wort Gottes hatte, 
konnte dies erfassen. Es waren Verheißungen für ein Geschlecht, dem Gott herrliche Segnungen verkündigt hatte — 
Segnungen, die jedoch den Menschen mit Gott auf dem Grunde 
anerkannter Segnungen in Verbindung brachten. Sobald es 
sich indes um einen Heiden handelte, gab es von all diesem 
nichts; (Röm o, 3—5; Eph 2, 12; Phil 3, 4—7) und es bedurfte 
eines geistlichen Zustandes, um die Gnade Christi in den Propheten zu erforschen. Ein Jude konnte wissen, daß ein über 
alle Völker erhabener König regieren und jede Verheißung die 
Krone der Herrlichkeit schmücken werde. Aber für einen Heiden war es nötig, die Segnungen zu entdecken, welche für ihn 
aus den ewigen Ratschlüssen Gottes hervorgingen. Nicht nur 
handelt es sich um ein zum Genuß der Segnungen berufenes 
Volk; sondern darum, daß man Christum nach den Ratschlüssen 
Gottes empfängt. Die Gnade beschäftigt sich mit einem armen 
Sünder und sucht solche, die ohne jedes Anrecht und unfähig 
sind, die Verheißungen erfassen und genießen zu können. Sie 
229 
nimmt solche verlorenen Sünder, die weder eine Vorstellung 
noch ein Gefühl in bezug auf Gott haben, und versetzt sie in 
den Genuß des ganzen Reichtums der Gedanken Gottes — 
und zwar in Christo Selbst. Deshalb nennt der Apostel dieses 
den „unausforschlichen Reichtum des Christus". — Dieses war 
nicht allein dem Menschen, sondern auch Gott angemessen; 
es war — d. h. nicht in den Gedanken Gottes, sondern in 
betreff der Offenbarung — etwas ganz Neues, das den Gewalten und Fürstentümern im Himmel geoffenbart werden 
sollte, damit die mannigfaltige Weisheit Gottes, sowohl durch 
die Versammlung selbst, als auch durch unsere Offenbarung 
in den himmlischen örtern kundgemacht würde. 
Prüfen wir indes ein wenig sorgfältiger, was diese Gnade ist, 
und richten wir zu ihrem besseren Verständnis unsere Blicke auf 
Kap. i, 26—27, wo wir lesen: „das Geheimnis, welches von 
den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, 
jetzt aber Seinen Heiligen geoffenbart worden ist, denen Gott 
kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses 
Geheimnisses ist unter den Nationen, welches ist Christus in 
euch, die Hoffnung der Herrlichkeit". Aus dieser Stelle sehen 
wir, worin dieser unausforschliche Reichtum besteht. Christus 
ist für die Juden nicht die Hoffnung der Herrlichkeit, sondern 
der Erfüller der Verheißung. Hier ist Er nicht die Herrlichkeit, 
sondern die Hoffnung der Herrlichkeit, weil Er, obwohl Er im 
Himmel wohnt, dennoch durch Seinen Geist in uns und in 
unserer Mitte wohnt. Dies ist eine ganz neue Sache, jedoch 
nach der Darstellung des Apostels nur eine Hoffnung. Wir 
werden sehen, wie er diesen Gedanken einleitet und uns in 
die herrliche Stellung der Kinder Gottes — ausgedrückt in 
den Worten: „Christus in euch" — einführt. Christus in uns, 
die Quelle der Kraft und der inneren Beziehungen, ist die 
Hoffnung der Herrlichkeit. Dies ist unsere Stellung und unsere 
Freude. In Eph 2, 12 sagt der Apostel bezüglich der Gläubigen 
aus den Nationen: „Ihr wäret zu jener Zeit ohne Christum, 
entfremdet dem Bürgerrecht Israels, und Fremdlinge in betreff 
der Bündnisse der Verheißungen,, keine Hoffnung habend, 
und ohne Gott in der Welt". Auf welches Fundament hat nun 
Gott ihre glorreiche Hoffnung gegründet? Das Wort, welches 
Gott gleich im Anfang zu Adam sagte: „Im Schweiße deines 
230 
Angesichts sollst du dein Brot essen", war ebensowenig ein 
Verheißungswort, wie die angekündigten Dornen und Disteln; 
— es gab für Adam kein Verheißungswort. Aber was sagte 
Gott zur Schlange? indem Er sie verurteilte? „Der Same des 
Weibes wird dir den Kopf zermalmen". War etwa Adam der 
Same des Weibes? Nein; er war als das Haupt seines Geschlechts von dieser Verheißung ausgeschlossen, während in 
dem zweiten Adam alle Verheißungen Ja und Amen sind. 
Diese Verheißung ist nicht dem Menschen, sondern Christo, 
dem zweiten Adam gemacht worden, weil Gott den ersten 
Adam, seiner äußeren Stellung nach, bezüglich der Verheißungen beiseitegestellt hat. Ein anderer, der zweite Adam, der 
Same des Weibes, ist als der Gegenstand aller Verheißungen 
eingeführt. Es ist dem Menschen schwer, einen Standpunkt 
auf einer so niedrigen Stufe einzunehmen und zu sagen: „Ich 
bin ein Sünder und nichts als ein Sünder, ich habe jedes Anrecht verloren; ich habe gegen Gott, gegen das Licht meines 
Gewissens und gegen meine Erkenntnis gesündigt; ich besitze 
nichts und habe nichts zu beanspruchen, als die Verdammnis". 
— Dennoch aber ist dies der wahre Sachverhalt; und das Gewissen bestätigt es, selbst wenn der Wille sich nicht darunter 
beugen will. Oder möchtest du es wagen, mein Freund, vor 
Gott zu treten? Sagt dein Gewissen dir nicht, daß du auf 
tausend nicht eins wirst antworten können? Ist nicht auch 
Adam durch sein Gewissen überführt worden? Er wartete die 
Gegenwart Gottes nicht ab, sondern versteckte sich hinter 
die Bäume des Gartens, weil er es nicht wagte, vor Gott hinzutreten. Nun wohlan, bist du bereit, dich vor Gericht zu 
stellen? Würdest du wünschen, daß alles, was du getan hast, 
vor der Welt offenbar werde? O nein, ich bin gewiß, daß niemand von den Ungläubigen es wagen möchte, mit all seinen 
Handlungen vor Gott hinzutreten, denn das Gewissen überführt jeden von der Gerechtigkeit Gottes. Auch du weißt, daß 
du schuldig bist, selbst wenn du es nicht einräumen willst und 
dich lieber entschuldigen möchtest mit den Worten: „Das 
Weib, das du mir gegeben hast, betrog mich". — Dennoch hat 
Gott in Seiner Güte, wiewohl dies dein Gewissen nicht sagt, 
für alles Sorge getragen; will Er dich doch gewinnen durch die 
Gnade, die alles zu heilen vermag. Er stellt den Menschen, 
den Nachkommen Adams, als verurteilt beiseite und führt 
231 
den neuen Menschen in Christo in Seine Herrlichkeit ein. Das 
ewige Leben befindet sich in dem neuen Menschen, in dem 
Samen des Weibes. Von Anfang an sind alle Verheißungen 
Ja und Amen in Christo, dem zweiten Adam, zur Herrlichkeit 
Gottes. Dieser Christus ist der Gegenstand aller Gedanken 
Gottes. Man begreift jetzt den Reichtum dieser Gnade, sobald 
man versteht, daß es sich um den Sohn Gottes, den zweiten 
Adam, handelt, um Ihn, Der auch der Heilige und Gerechte 
ist. Er ist der Mittelpunkt aller Dinge; Ihm gebührt alle Herrlichkeit; denn die ganze Offenbarung kann nur in Ihm enthalten sein, Der allein ihr Gegenstand ist. Wahrlich, die 
Liebe des Christus übersteigt alle Erkenntnis. Für uns, die wir 
glauben, hat sich dies alles erfüllt und eine solche unermeßliche, bis ins Unendliche reichende Ausdehnung genommen, 
die ihren Ausdruck in Christo, dem Gegenstand der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes findet. 
Bezüglich dieser armen Welt ist jeder Unterschied zwischen 
Juden und Nationen verschwunden und vernichtet. Gott hat 
sowohl den Nationen, als auch den Juden Gnade geschenkt; 
denn alle sind unglückliche Sünder. Und wenn die Juden sich 
anmaßten, den Genuß der Verheißungen durch ihre eigene 
Gerechtigkeit erlangen zu wollen, so stellten sie sich, weil sie 
das Licht des Gesetzes hatten, unter eine um so größere Verantwortlichkeit. Alle sind nicht nur „gottlos", sondern auch 
„kraftlos". Dieser Zustand trat völlig ins Licht, als der wahre 
Gott in ihrer Mitte gegenwärtig und durch Zeichen und Wunder wirksam war. Folglich war sowohl bezüglich des Menschen, der seine ganze Unfähigkeit geoffenbart hatte, als auch 
in bezug auf Gott zur Erweisung Seiner unendlichen Liebe die 
passende Zeit gekommen, um ins Licht zu stellen, daß alles 
unerläßlich abhängig von dieser Liebe war. Auf diesem Punkt 
angekommen, findet man die ganze Fülle der Segnungen der 
Liebe Gottes. Jeder Unterschied zwischen Juden und Heiden 
ist beseitigt, indem die Juden — die Erben der Verheißung — 
ebensowohl Kinder des Zornes sind, wie auch die übrigen. 
Der Mensch hat gezeigt, was er ist; und Gott hat kundgemacht, was Er ist. Wir haben uns erwiesen als Kinder des 
Zorns, die nichts als das Gericht verdient hätten; aber Gott 
hat geziegt, daß Er reich an Barmherzigkeit ist. Zu dieser 
Erkenntnis muß man gelangt sein, um in Gott alle die Hilfs232 
quellen der Gnade und Güte zu entdecken, die sich zu gunsten 
eines von Ihm entfernten Wesens, zu gunsten Seines Feindes 
verwenden. Man muß die Gnade Dessen verstehen, Der alle 
Forderungen der Herrlichkeit Gottes befriedigt hat, und Der 
die Absicht hat, den Sünder zu retten, ungeachtet seiner Bosheit und alles dessen, was er ist. Gott ist ein Gott, Der in 
Gnade handelt gegen die, welche böse sind — gegen arme Sünder, die jedes Anrecht verloren haben. Wer vermag es zu 
fassen? Das ist der unausforschliche Reichtum des Christus — 
der Reichtum, der den Fürstentümern und Gewalten geoffenbart werden mußte. Christus wurde das Gefäß dieser Gnade; 
Seine Liebe hat sich gegenüber den elendsten Sündern, gegenüber solchen entfaltet, die ohne Anrecht waren und es nicht 
wagen durften, vor Gott zu erscheinen. „Gott, der da reich 
ist an Barmherzigkeit", ist gekommen, um den zu retten, der 
sich in Sünde und Elend befindet. Anstatt — wie dies hätte 
geschehen müssen — den Menschen zu Sich kommen zu lassen, 
geht Gott dem Menschen entgegen und gibt Sich ihm zu erkennen. Er kam in die Mitte des Bösen, weil der Mensch 
seinen Platz inmitten des Guten nicht nehmen konnte und 
nicht nehmen wollte. Gott erschien „im Fleische", jedoch in 
Heiligkeit in der Mitte all dieser Ungerechtigkeit und stellte 
sowohl die Ungerechtigkeit, als auch die Heiligkeit ins Licht. 
Er kam, nicht um den Sünder auszustoßen, sondern um ihn zu 
suchen. Man ist glücklich in dem Bewußtsein, daß man es mit 
Gott, und zwar mit einem unendlich und überaus heiligen 
Gott zu tun hat. Wenn Er nicht vollkommen heilig wäre, so 
müßte man noch immer wegen der Sicherheit der Errettung 
in Furcht sein; aber es ist ein unendlich heiliger Gott, Der 
uns liebt, und Der, wiewohl Er heilig ist, Sünder, versunkene 
Kreaturen, sucht, um ihnen Seine Gnade zu schenken und mit 
Sich zu versöhnen. Gott war es in Christo, Der mit Zöllnern 
und Sündern verkehrte und Sich zum Gesellschafter verrufener Menschen machte. Würden wir Ihn unter solchen gesucht 
haben? Nein, man würde dort die Ungerechtigkeit gesucht 
haben. Dennoch aber steht Gott, indem Er solche nichtswürdige Geschöpfe rettet, um so mehr verherrlicht da. 
Er vernichtet den menschlichen Hochmut, indem Er zeigt, daß 
der Mensch nicht Ihn, sondern daß Er den Menschen gesucht 
233 
hat. Deshalb, geliebte Brüder, haben wir alles, den ganzen 
Reichtum des Christus, in Ihm Selbst, in Seiner Person. Christus hat als Schöpfer, als Sohn Gottes, als Erbe der Verheißungen und als Mensch ein Anrecht auf alles. Sein Leben war 
ein Zeugnis sowohl von der Liebe, als auch von der Heiligkeit; und Gott ist vollkommen in Ihm verherrlicht worden. 
Er konnte sagen: „Das Werk habe ich vollbracht, welches du 
mir gegeben hast, daß ich es tun sollte". Aber ebenso völlig 
hat Er auch von der Heiligkeit Gottes Zeugnis abgelegt; denn 
Er sagt: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde. . . Und nun 
verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war". Er hatte daher 
zufolge dieses Werkes gerechte Ansprüche auf diese Herrlichkeit, wiewohl Ihm dieses Recht auch ohne das gehörte. 
Welch ein Werk hat Jesus vollbracht! Wieder erblicken wir 
den unausforschlichen Reichtum dieser Gnade, wenn wir Ihn 
für uns zur Sünde gemacht sehen. Der Heilige und Gerechte 
wurde zur Sünde gemacht; der Sohn Gottes, der Fürst des 
Lebens, unterwarf Sich dem Tode; der Zorn Gottes traf den 
Sohn, den Vielgeliebten, für uns, die elenden Sünder, die 
fern von Gott waren und kein Verlangen nach Ihm hatten. 
Denn Er, Der unsere Sünden trug, war in den Augenblicken, 
wo Sein Schweiß wie Blutstropfen zur Erde fiel, und wo Er 
den schrecklichen Kelch des Zornes Gottes leerte, der teuerste 
Gegenstand der unendlichen Liebe des Vaters, weil Er Ihn 
vollkommen verherrlichte. Die Engel begehrten in die Tiefen 
dieses Geheimnisses hineinzuschauen, während sich der Mensch 
dieser Szene durch die Flucht entzog. Ja, unsere Vergebung 
ist ganz und gar eine göttliche Sache. 
Im ersten Kapitel des Hebräerbriefes zeigt uns der Apostel 
die göttliche Herrlichkeit Christi. „Gott hat zu uns geredet im 
Sohne, den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den 
er auch die Welten gemacht hat; welcher, der Abglanz seiner 
Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesen seiend und alle 
Dinge durch das Wort seiner Macht tragend, nachdem er durch 
sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht, sich gesetzt hat 
zur Rechten der Majestät in der Höhe". Welch ein Zeugnis 
liefert uns hier der Apostel von der Herrlichkeit Jesu und 
234 
Seines göttlichen Werkes! In der glorreichsten Weise aber 
strahlt uns Seine Gnade darin entgegen, daß Er „uns gereinigt 
hat von unseren Sünden". In einem noch höheren Glanz als 
in der Schöpfung hat Er Sich in der Liebe der Erlösung gezeigt. 
Er offenbarte Sich nicht nur als ein Messias, Welcher nur die 
einem Volke gegebenen Verheißungen zu erfüllen hatte, sondern es bedurfte der Erledigung alles dessen, was sich in betreff Satans und der Sünde zwischen Gott und den Menschen 
gedrängt hatte, wenn nicht jede Segnung in Frage gestellt sein 
sollte. Was könnte uns jetzt noch von Gott trennen? Etwa die 
Sünde oder die Macht Satans? Oder könnte überhaupt in 
moralischer Beziehung noch irgendeine Schranke zwischen Gott 
und dem Menschen bestehen? Unmöglich. Vielmehr ist alles, 
was als eine Schranke zwischen Gott und dem Menschen betrachtet werden konnte, im Tode Christi beseitigt worden. 
Überall, wo sich die Schwierigkeiten als unübersteiglich erwiesen, und wo das Herz des Menschen, das sich nicht bis 
zur Höhe der Gedanken Gottes zu erheben vermochte, keinen 
Ausweg sah, da zeigt sich Christus unseren Blicken, und zwar 
in der vollkommensten Schwachheit. „Er ist hinabgestiegen in 
die untersten Teile der Erde" und hat dort den unerschütterlichen Grundstein, den Felsen der Zeitalter, gelegt, worauf die 
Gewißheit unseres Heils gegründet ist. Das ist der unausforschliche Reichtum des Christus. Was könnte uns jetzt noch 
verweigert werden, nachdem Gott Selbst durch alles hindurch 
gegangen ist? Kann es für uns noch irgendwelchen Zweifel, 
oder irgendeine Schwierigkeit geben, nachdem Gott allem zuvorgekommen ist? Wenn es noch irgendeinen Mangel gäbe, 
so würde Er nicht alles besitzen, was Er verdient hat. Wir 
gehören Christo an, wie gesagt ist: „Von der Mühsal seiner 
Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen" (Jes 53, 11). Wie 
aber könnte er die Mühsal Seiner Seele genießen, wenn wir 
nicht in Seinem Besitz wären? Man sieht, wie angesichts der 
Liebe Gottes alles geoffenbart worden und alles in Tätigkeit 
gewesen ist; und dennoch hat dies alles nur zur Offenbarung 
der Macht dieser Liebe gedient. Jede Schranke, die sich dem 
Heil des Menschen entgegenstellte, ist nicht nur weggenommen, sondern hat vielmehr zur Erfüllung des Heils beitragen 
müssen. Alle meine Sünden, alle Bosheit meines Herzens, 
kurz, alles, was ich als ein Werkzeug Satans war, ist durch 
235 
das Gericht beseitigt worden. Die Liebe Gottes überstieg all 
meinen Haß und beseitigte jedes Böse; es gibt keine Scheidewand mehr zwischen mir und Gott; denn Christus hat diesem 
allem ein Ende gemacht. Gott hat bewiesen, daß Seine Liebe 
jede Art des Bösen überragte. Und wo entdecken wir dies? 
Am Kreuze. Ja, am Kreuze haben wir die Gnade gefunden, 
und Den, Den unsere Herzen nötig hatten; wir fanden dort 
Gott Selbst, Der alle unsere Sünden getilgt hat, Der alles was 
zu unserer Errettung nötig war, vollbracht und uns in den 
Besitz von allem gesetzt hat, was Ihm gehört. Christus ist in 
das Licht der Gegenwart Gottes eingetreten; denn Er hat das 
erfüllt, wodurch der Vater vollkommen verherrlicht worden 
ist. Wir sind die Gerechtigkeit Gottes in Ihm, Der für uns zur 
Sünde gemacht wurde; wir haben das Leben im Sohne, dem 
zweiten Adam, und haben daher auch Teil mit Ihm; denn 
Christus hat uns nicht allein die Gerechtigkeit, sondern auch 
ihren Preis gebracht. Gott hat uns in Jesu geliebt, und das 
Kostbarste was Er im Himmel besaß, Seinen Sohn, für uns 
gegeben. Wir sind die Gegenstände Seiner Liebe und befinden 
uns jetzt über den finsteren Wolken, die sich zwischen uns 
und Gott aufgetürmt hatten, in der Gegenwart Dessen, Der 
uns zu der Wohnung Seiner Heiligkeit geleitet hat. Wir sind 
in dem Vater, weil Christus Frieden gemacht hat durch das 
Blut Seines Kreuzes. Dieser vollkommene Friede ist in Ihm, 
und wir alle, die wir glauben, besitzen ihn. Wir sind unaussprechlich gesegnet und können, indem wir Jesum betrachten, 
ausrufen: „Alles ist zu Seinem Ruhm, und Er allein ist würdig 
ihn zu empfangen". Denn man fühlt das eigene Nichts, sobald 
man in die Gegenwart Gottes gestellt ist. Wir wissen, daß 
wir die Hölle verdient hatten, aber wir wissen jetzt auch, was 
uns Gott in Christo gegeben hat. Und gibt es wohl etwas, das 
Ihm nicht gehörte — Ihm, Welcher der Gegenstand der ganzen 
Liebe Gottes ist? So viel ich in Gott zu entdecken und aufzuzählen vermag, so viel kann ich mir zueignen; denn Christus, „der hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde, 
ist auch hinaufgestiegen über alle Himmel, auf daß er alles 
erfüllte"; und ich bin in Ihm und Er ist in mir. Ich habe die 
Erlösung gefunden und bin in den Besitz aller Dinge eingetreten; denn überall, wohin ich dringe, genieße ich Christum. 
Ja, der unglückliche Heide, der kein Anrecht auf irgendeine 
236 
Verheißung hatte, besitzt, gläubig geworden, Christum Selbst, 
den Gegenstand der ganzen Liebe Gottes. Welch ein unausforschiicher Reichtum! 
Geliebte Brüder! Prüfet, was die Liebe Gottes getan hat, statt 
daß ihr bei der Betrachtung dessen stehen bleibt, was der 
Mensch zu seinem eigenen Verderben getan hat; und die Folge 
davon wird sein, daß Christus der Gegenstand unseres Glaubens und unserer Freude ward. Er wohnt in uns, damit wir 
die Liebe Gottes genießen können, wie Er sagt: „Auf daß die 
Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in 
ihnen". Christus hat durch Seinen Geist Wohnung in uns 
gemacht; und wir sind in Ihm. Er sagt: „Ihr werdet erkennen, 
daß ich in euch bin, und ihr in mir seid". „Christus in uns — die 
Hoffnung der Herrlichkeit"; — und ich genieße von allem, was 
Er ist. Die Hoffnung, welche ich besitze, beschämt nicht, weil 
die Liebe Gottes in mein Herz ausgegossen ist, damit ich in 
der Schwachheit meines armen Leibes, in den Schwierigkeiten 
und Versuchungen, und im Kampf wider Satan stets die Treue, 
die Zärtlichkeit und Güte Jesu, und zwar in den einzelnen 
Umständen meines täglichen Lebens, kennenlerne. Ja, ich 
mache in der vertrautesten Weise Bekanntschaft mit Ihm; denn 
ich kenne Ihn als die „Hoffnung der Herrlichkeit". Es ist für 
mich kein fremder, unbekannter Christus, sondern ein Christus, Den ich kenne in allen Bedürfnissen meines Lebens, ein 
Christus, in Welchem Gott mir in Seiner ganzen Fülle entgegenstrahlt, Der mich wie ein Freund begleitet und den Bedürfnissen meines Lebens den ganzen Reichtum Seiner Gnade 
anzupassen weiß. Ja, ich kenne Ihn und fürchte mich nicht, 
kraft des Glaubens zum Himmel zu gehen; denn dort ist Er, 
Der mich liebt und versteht, obwohl ich noch auf Erden bin, 
und Der, wenn ich droben bei Ihm sein werde, die Mühsal 
Seiner Seele genießen und völlig befriedigt sein wird. Er hat 
die Gnade für die Seinen vollendet; später wird Er ihnen die 
Herrlichkeit, die Er jetzt besitzt, mitteilen und sie zur Befriedigung des Vaterherzens Gottes darstellen. 
Ich habe nur einige Punkte von dem unausforschlichen Reichtum des Christus berührt. Die Engel sind die Zuschauer in 
allem, wovon wir die Gegenstände sind. Gott wirkt zu unse237 
rem Heil; und es ist gut, daß wir Ihn in den Wegen Seiner 
Gnade kennen, um diese Gnade und unendliche Liebe zu verstehen, deren Gegenstände wir sind, und ohne die wir verloren sein würden. Gott wollte uns durch die Macht Seines 
Geistes demütig machen und verstehen lassen, wie abscheulich die Sünde und wie unendlich die Gnade ist, die uns in den 
Reichtum der Herrlichkeit einführt. Es ist nötig, daß unser 
armes Herz die Güte des Herrn Jesu selbst in den einzelnen 
Umständen des täglichen Lebens kennenlernt, sowie in Seiner 
Gunst und Gnade die Gunst und Gnade Gottes selbst erblickt. 
Wir bedürfen der Erkenntnis Gottes, um Ihn zu genießen. 
Möge Gott diese Gnade, deren Fülle uns in Jesu entgegenstrahlt, durch Seinen Geist unseren Herzen tief einprägen und 
uns wachsen lassen in der Erkenntnis Dessen, Der der Friede 
unseres Herzens ist, damit wir den ganzen Reichtum Seiner 
Liebe und Gnade verstehen! 
Eins aber ist not 
(Lukas 12, 42) 
Aus dieser feierlichen Bemerkung, die der Herr Jesus an Martha richtet, sehen wir, wie Er, wenn wir Sein Wort anhören, 
dies mit großem Nachdruck als das „Eine, was not ist" bezeichnet. Und aus diesem Grunde fand auch Maria mehr Anerkennung in Seinen Augen, als ihre Schwester Martha, wiewohl diese, indem sie den Herrn in ihrem Hause aufnahm 
und Ihm diente, in einem gewissen Sinn ein gutes Werk verrichtete. Dennoch gibt es etwas Besseres, ja, etwas durchaus 
Notwendigeres, wenn unser Dienst ein duftender Wohlgeruch 
vor dem Herrn sein soll; denn Er sagt: „Maria aber hat das 
gute Teil erwählt, das nicht von ihr genommen werden wird". 
Es ist dem Herrn über alles andere wohlgefällig, wenn Sein 
Wort ein aufmerksames Ohr und ein geöffnetes Herz findet, 
so daß die Seele gänzlich durch die Macht Seines Wortes beherrscht werden kann. Unstreitig hat die in unserer Zeit so 
238 
vielfach zu Tage tretende Schlaffheit und Kraftlosigkeit der 
Gläubigen ihren Grund in der Vernachlässigung des „Einen, 
was not ist", oder, mit anderen Worten, in der Versäumnis, 
zu den Füßen Jesu zu sitzen und Sein Wort zu hören. Die 
vielen Sekten und Parteiungen und vor allem die verschiedenartigen Irrlehren unter den Christen sind davon die traurigen 
Folgen und verraten nur zu deutlich die mangelhafte Erkenntnis des Wortes des Herrn. 
Man kann die Person Jesu und Sein Wort nicht voneinander 
trennen, wenn man nicht den Wert und die Kraft von beiden 
für das Herz verlieren will. Denn wie kann man Gemeinschaft 
mit Christo genießen, wenn man es versäumt, auf Sein Wort 
zu achten? Er sagt: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, 
was irgend ich euch gebiete" (Joh 15, 14). Und wie kann ich 
Sein Gebot kennen und Seinen Willen verstehen, wenn ich 
nicht zu Seinen Füßen sitze und auf Seine Worte lausche? Sein 
Wort geringzuschätzen bedeutet Geringschätzung Seiner erhabenen Person; und sicher hat Sein Wort nur dann Wert 
und Kraft für unsere Herzen, wenn wir verstehen, daß es 
Sein Wort ist. Deshalb sagt Er: „Meine Schafe hören meine 
Stimme" (Joh 10, 27); und wiederum: „Du hast mein Wort 
bewahrt" (Offb 3, 8). 
Es ist daher von großer Bedeutung, Jesum zu hören, auf Sein 
Wort zu achten und es im Herzen wohnen zu lassen. Durch 
nichts anderes kann dieses ersetzt werden. Weder der eifrige 
Dienst, noch die große Aufmerksamkeit, welche dem Herrn 
durch die Liebe derjenigen gewidmet wurde, die Er liebte, 
fanden in Seinen Augen eine solche Anerkennung, wie 
das begierige Lauschen auf Sein süßes Wort von Seiten 
derer, die zu Seinen Füßen saß. Ohne Zweifel gefiel es dem 
Herrn, daß Martha Ihm diente, und sicher wird ihre aufopfernde Liebe manchen unter uns beschämen; allein ein anspruchsloser, segensreicher und unermüdlicher Dienst für Ihn 
wird nur da stattfinden können, wo das „Eine, was not ist", 
nicht nur nicht versäumt wird, sondern den ersten Platz im 
Herzen einnimmt, während ein noch so bereitwilliger und 
eifriger Dienst, sobald man ihn zum Gegenstand Nr. 1 macht, 
nur zu bald mit Dürre, Unzufriedenheit und Mutlosigkeit 
239 
enden wird. Dde beiden Schwestern liefern uns dafür die Beweise. Während Maria sich an den Worten des Herrn erquickte, 
lesen wir von ihrer so eifrig dienenden Schwester: „Martha 
aber war sehr beschäftigt mit vielem Dienen: und sie trat 
hinzu und sprach: „Herr! Kümmert es dich nicht, daß meine 
Schwester mich allein gelassen hat zu dienen? Sage ihr nun, 
daß sie mir helfe" (V. 40)! Der Eifer des Dienstes war mit 
einem Male gebrochen. Warum? Weil ihr Herz mit dem Dienst, 
aber nicht mit der Person Dessen, Dem der Dienst galt, beschäftigt war! 
Wie beachtenswert ist dieses Beispiel für uns! Der Herr sagt: 
„Martha, Martha! Du bist besorgt und beunruhigt um viele 
Dinge. Eines aber ist not" (V. 41). Sicher bilden die „vielen 
Dinge", derentwillen Martha „besorgt und beunruhigt" war, 
einen schroffen Gegensatz zu dem von Maria erwählten „guten 
Teil", nämlich dem Worte Jesu, auf das sie lauschte. Während 
Martha durch die „vielen Dinge" beunruhigt wird, findet 
Maria Erquickung und Stärkung durch das erwählte „gute 
Teil". Während die „vielen Dinge" nur Zerstreuung, Erschlaffung und Kraftlosigkeit im Gefolge haben, verleiht das „gute 
Teil" Trost, Frische und Kraft. Während die „vielen Dinge" 
mit Leere, Täuschung und selbst dem Tode endigen, findet das 
gebrochene, zu den Füßen Jesu gebeugte Herz in Seinem Worte 
das ewige Leben, die unversiegbare Quelle des Lebens. 
Und so ist es noch immer. Der Herr Jesus verliert nimmer 
Seine Schönheit, Seinen Reiz, Seinen Wert; und ebensowenig 
verliert Sein Wort die ihm eigentümliche Kraft. „Er ist derselbe gestern und heute und in die Ewigkeit"! — und „Sein 
Wort bleibt in Ewigkeit"; es „vermag weise zu machen zur 
Seligkeit und ist nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, daß der 
Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig 
geschickt". Wie köstlich und segensreich ist das Wort des 
Herrn, und wie wunderbar ist seine Wirkung in den Herzen 
derer, die darauf achten! Ja, nur das Wort vermag uns zu 
jedem guten Werke geschickt zu machen, und uns zu einem 
wahren, ausharrenden und unermüdlichen Dienst zu befähigen, 
zu einem Dienst, der in den Augen des Herrn völlige Aner240 
kennung findet, selbst wenn die Menschen ihn nicht zu erkennen und zu schätzen vermögen. 
Die „vielen Dinge", welche Martha so sehr beunruhigten, 
übten auf Maria keinen Einfluß aus, und zwar nicht bloß 
deshalb, weil der Zustand der Maria geistlicher war, als der 
der Martha, sondern weil das Wort, das sie aus dem Munde 
Jesu hörte, sie weit über die „vielen Dinge" erhob und ihren 
Gedanken und Neigungen eine andere Richtung verlieh. Hier 
zu den Füßen Jesu hatte Maria es gelernt, nicht einen eigenwilligen Dienst zu üben, sondern sich unter der Leitung des 
Geistes zu einer Handlung geschickt machen zu lassen, wozu der 
Herr sagte: „Sie hat ein gutes Werk an mir getan" (Mk 14, 6). 
Wollen wir daher ein gutes Werk tun, ein Werk, das die Anerkennung Jesu finden soll, so müssen wir zuvor das „gute 
Teil" erwählen, d. h. zu Seinen Füßen sitzen und auf Sein 
Wort achten. Im anderen Fall beschäftigen wir uns nur mit 
jenen „vielen Dingen", die das Herz dürre, mutlos und unruhig machen. Das Wort aber, je mehr seine Autorität anerkannt ist, wird stets seine Kraft geltend machen. Alle unsere 
Anstrengungen, um uns dem Einfluß der irdischen Dinge zu 
entziehen, werden vergeblich sein, solange wir nicht die Bedeutung der Worte Jesu verstehen: „Eins aber ist not. Maria aber 
hat das gute Teil erwählt, das nicht von ihr genommen werden 
wird". Ohne dieses gibt es keinen wirklichen Dienst und kein 
entschiedenes Zeugnis für Christum. 
Bist du wiedergeboren? 
„Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch, und was aus 
dem Geist geboren ist, ist Geist" (Joh 3, 6). 
Es gibt zwei Familien auf Erden; die eine Familie besteht aus 
den Kindern des Zorns, die andere aus solchen, die für immer 
gerechtfertigt und einsgemacht sind mit dem verherrlichten 
Menschen Christus Jesus, Der sagen kann: „Siehe, ich und 
die Kinder, die Gott mir gegeben hat" (Hebr 2, 13). Jedes 
Kind Adams hat die gefallene und durchaus sündliche Natur 
Adams; und jedes Kind Gottes hat die Natur Gottes, welcher 
nicht sündigen kann. 
241 
Wie deutlich indes das Wort Gottes den Unterschied zwischen 
diesen beiden Familien auch darstellen mag, so weiß doch die 
große Mehrzahl der bekennenden Christen nicht im geringsten, was es heißt, wiedergeboren zu sein. Sie leben gedankenlos in den Tag hinein, indem etliche der Lüge Glauben 
schenken, als sei bei der Taufe eines Säuglings dessen Wiedergeburt vollzogen, oder andere in ihrer Blindheit meinen, die 
Natur Adams sei ebenso schlecht nicht, daß sie nicht durch 
Erziehung und Veredlung gut und heilig gemacht werden 
könnte. Doch wir wissen nur zu gut, daß der Mensch unter 
allen Umständen als ein gefallener, verderbter Sünder aufwächst. 
Allein es gibt noch eine andere Klasse, welche einräumt, daß Bekehrung und Wiedergeburt notwendig sind, aber sie können darunter nichts anderes verstehen als eine Veränderung oder Umwandlung der alten, verderbten Natur Adams, welche die Heilige 
Schrift als das „Fleisch" bezeichnet, in eine reine und heilige 
Natur. Wiederum sind viele von Jugend auf belehrt worden, um 
ein „neues Herz" zu beten; und ihre Gebete, um bekehrt zu 
werden, lassen es in aller Deutlichkeit durchblicken, daß sie die 
Umwandlung der alten Natur Adams in die neue Natur Christi 
erwarten. Augenscheinlich sind solche Beter aus ihrem Sündenschlaf aufgewacht und haben angefangen, sich nach dem 
Wege des Heils umzusehen. Aber nimmer wird ihr Gebet 
Erhörung finden, sondern, da sie in Wahrheit ihren gänzlich 
verlorenen Zustand nicht erkennen, die Unruhe ihrer Seele 
nur vermehren. Eine solche Art von Bekehrung findet sich in 
der ganzen Heiligen Schrift nicht. Sie sagt uns an keiner Stelle, 
daß das Fleisch, d. i. unsere gefallene Natur Adams, sich umwandeln oder verändern werde, sondern vielmehr, daß wir 
erst bei der Wiederkunft Christi völlig davon befreit werden; 
denn Paulus sagt in Phil 3, 20 u. 2.1: „Denn unser Bürgertum 
ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesum 
Christum als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib 
der Herrlichkeit". Bevor aber dieses große und herrliche Ereignis stattfindet, wird keine Umwandlung des Fleisches oder 
der alten Natur Adams zu suchen sein. Wir alle, die wir durch 
die Gnade wiedergeboren, die wir Kinder Gottes sind, die wir 
den „Geist der Sohnschaft" haben und mit Christo vereint 
242 
sind, müssen durch den Mund des Apostels sagen: „Auch 
wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir 
selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die 
Erlösung unseres Leibes" (Röm 8, 23). Es ist daher außer 
allem Zweifel, daß eine durch den Heiligen Geist wirklich erweckte Seele durch eine solche falsche Anschauung über das, 
was Bekehrung ist, während des ganzen Lebens in Unruhe 
und Knechtschaft gehalten wird. Freilich wird jeder, der an 
Jesum glaubt, mit allem Verlangen beten und wünschen, daß 
er von der bösen Natur Adams, die eine stete Plage seines 
Herzens ist, völlig befreit werde; und es ist ganz gewiß, daß 
dieses bei der Ankunft Christi stattfinden wird. „Wir wissen, 
daß, wenn er geoffenbart ist, wir ihm gleich sein werden; 
denn wir werden ihn sehen, wie er ist". Der Glaube triumphiert in dieser gesegneten Voraussicht. 
Aber jetzt ist der durch den Geist erweckten Seele gesagt 
worden, daß die alte schlechte Natur durch die Bekehrung 
umgewandelt und heilig gemacht werde. Vielleicht fühlt sie 
sich eine Zeitlang sehr glücklich; aber nach und nach entdeckt 
sie immer wieder die alte Natur mit ihren Lüsten und Leidenschaften in sich, und, geleitet durch die oben bezeichnete falsche 
Anschauung von Bekehrung, wird sie gänzlich in Verwirrung 
gebracht und richtet schließlich alles Ernstes die Frage an sich, 
ob sie überhaupt wohl bekehrt sei. Es ist kaum zu beschreiben, 
in welcher Trostlosigkeit sich eine solche Seele befindet; denn 
gerade wenn wir wiedergeboren sind, erkennen wir, was die 
Plage und Schändlichkeit der Sünde im Fleische ist. „Denn 
das Fleisch gelüstet wider den Geist"; und wiederum: „Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lüste des Fleisches nicht 
vollbringen". Liefert uns dieses nicht den deutlichsten Beweis, 
daß der Wiedergeborene immer noch eine böse Natur oder 
das Fleisch in sich hat, und daß er, wenn nicht der Heilige 
Geist in ihm wohnte, auch jetzt noch die scheußlichsten Lüste 
vollbringen würde? Der Herr möge jeden Gläubigen zur Wachsamkeit leiten! 
Was ist nun die Wiedergeburt? Sie ist ganz von Gott, eine 
neue Schöpfung. „Wenn jemand in Christo ist, da ist eine 
neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu 
geworden. Alles aber von Gott". — Beachten wir es wohl: 
243 
„Alles aber von Gott". Nichts ist hier von dem armen, gefallenen und verderbten Menschen; denn von den Kindern Gottes, von denen, die an Seinen Namen glauben, lesen wir: 
„Welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, 
noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren 
sind". So wie Gott im Anfang bei der Schöpfung die Welt 
nicht aus alten Materialen machte oder umwandelte, so ist 
auch die neue Schöpfung nicht aus einer Umgestaltung oder 
Reinigung der alten verderbten menschlichen Natur hervorgegangen. Wir werden dies nirgends in der Heiligen Schrift 
finden. 
Christus ist, nachdem Er das Werk der Erlösung vollbracht 
hatte, aus den Toten auferstanden und darum das Haupt der 
neuen Schöpfung. Der Geist Gottes beginnt nicht mit dem, 
was in dem Sünder ist, sondern teilt das mit, was ganz außerhalb des Sünders ist, und zwar dasselbe Auferstehungsleben 
und die Natur des Christus, Der aus den Toten auferstanden 
ist und zur Rechten Gottes sitzt; und mithin sind wir „von 
oben geboren". Oh, welch ein Leben! Sicher müßte Christus 
noch einmal im Himmel sterben, bevor dieses Auferstehungsleben in einem einzigen Gläubigen zu Grunde gerichtet werden 
könnte. Weil Er lebt, leben auch wir. Es kann nicht anders 
sein; denn in Ihm und in uns ist ein und dasselbe Leben. Und 
welch eine Natur? Wir besitzen die neue Natur des aus den 
Toten auferstandenen Menschen Christus Jesus. „Wie er ist, 
so sind auch wir in dieser Welt" (i. Joh 4, 17). Wie wunderbar ist diese Stellung gegenüber der alten Natur Adams, gegenüber dem als „tot" betrachteten, alten Menschen! „Das 
Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden". Vor Gott 
existiert die alte Natur nicht mehr; alles ist neu in Christo, 
lebendig gemacht mit Christo, auferstanden mit Christo, mitgesetzt in die himmlischen örte r in Christo (Eph 2, 6). Wir 
haben nicht zu warten, his der leibliche Tod der alten Natur 
ein Ende macht; alles ist unser in Christo, dem auferstandenen Haupte. 
Wie mag dieses zugehen? Wie kann ein Mensch wiedergeboren werden? „Der Wind weht, wo er will, und du hörest 
sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt, und wohin 
er geht; also ist jeglicher, der aus dem Geiste geboren ist . . . 
Und gleichwie Moses in der Wüste die Schlange erhöhte, also 
244 
muß der Sohn des Menschen erhöht werden" (Joh 3, 8. 14). 
Hier haben wir das Wie — das einzige Wie, die einzige Art 
und Weise, wie ein Sünder bekehrt wird. Alles andere ist 
Lüge und Täuschung. Das Evangelium ist den Menschen eine 
Torheit; aber „es ist Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden" (Röm i, 76). So wie die Schlange für die tödlich gebissenen Israeliten in der Wüste aufgerichtet wurde, so ist auch 
der gekreuzigte und wieder auferstandene Christus den verlorenen, durch den Biß der Sünde tödlich verwundeten Menschensöhnen vor Augen gestellt; und jeder, der glaubt, ist 
vom Tode zum Leben hindurchgedrungen, ist aus Gott geboren und hat das ewige Leben. 

Vielleicht könnte einer meiner Leser fragen: „Wie kann ich aber wissen, daß ich von Gott geboren, daß ich ein Kind Gottes 
bin?" Ich frage zurück: „Wie kannst du wissen, daß dein Leib je geboren worden ist?" Liefert deine menschliche Existenz nicht den Beweis? Und ebenso beweist die Existenz der neuen Natur, daß du aus Gott geboren bist. Ich blicke 
nicht in den Spiegel, um zu prüfen, ob ich sehen kann. Ich richte vielmehr meinen Blick auf irgendeinen Gegenstand; und 
wenn ich den klar und deutlich sehe, so ist das der Beweis, daß ich ein gutes Auge habe. Hast du durch den Glauben Jesum 
am Kreuz sterben sehen um deiner Sünde willen? Hast du gesehen, wie Er aus dem Grabe wieder auferweckt worden 
ist um deiner Rechtfertigung willen? Ist Er der einzige Gegenstand, worauf du vertrauest und auf den du dein Heil 
gründest? Hast du Ihn, nachdem Er das Werk der Versöhnung vollbracht und deine Sünden getragen hat, zur Rechten Gottes 
gesehen? Siehst du, wie Er droben dich vertritt und für dich bittet? Schaust du Ihn, Der nicht nur herrlich und erhaben ist, 
sondern auch die zärtlichste Liebe für den von Natur Armen 
und Verlorenen, wie du einer bist, an den Tag legt? Sicher, wenn dein Auge nicht in dieser Weise auf Jesum gerichtet ist, 
so ist dein Auge nicht das des alten Menschen. Das alte, verderbte menschliche Herz vertraut nicht in solcher Weise auf 
Jesum. Die alte Natur blickt in sich und wünscht dort etwas Gutes für Christum zu finden. Der Glaube hingegen, der nicht 
aus dem Willen des Fleisches, sondern aus Gott ist, richtet seine Blicke nach außen auf Christum und schaut in Ihm Den, 
Der für den armen, verlorenen Sünder allen Forderungen des 245 
keiligen und gerechten Gottes entsprochen hat.
 „Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch". „Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott". Daher kann die Gesinnung des Fleisches oder das Fleisch selbst kein Vertrauen auf Christum setzen. Darum, mein teurer Leser, wenn du dein Vertrauen auf Christum allein setzest, hast du nicht nötig zu fragen: „Bin ich bekehrt? Bin ich widergeboren?" Denn nichts ist gewisser als dieses. Und wenn du sagst: „Ich finde aber so viel Böses in meiner alten Natur", so ist das etwas, was jedes Kind Gottes täglich bei sich findet und zu beklagen hat; denn wenn du nicht ein Kind Gottes wärest, so würdest du darunter nicht klagen. 

Paulus sagt: „In mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes" (Röm 7, 18). Aber er sagt auch: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen; denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern uner Gnade" (Röm 6, 14). Welch eine kostbare Verheißung! Welch eine glückselige Stellung! Wenn ein Kind Gottes auch stets versucht werden mag, ja selbst wenn du gefehlt hast und aus Mangel an Wachsamkeit von dem Betrug der Sünde überlistet worden bist, wenn du in stets schwerem Kampfe fühlst, wie das Fleisch wider den Geist gelüstet, so 
bleibt es dennoch eine ewige, unumstößliche Wahrheit: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen". Wie schlecht das 
Fleisch auch sein mag — und sicher, es kann nicht schlechter sein — so ist doch der Gläubige kein Schuldner des Fleisches, 
sondern „mehr als Überwinder durch den, der ihn geliebt hat". O möchten doch alle Kinder Gottes nicht mehr in sich schauen, 
um dort in ihrer alten Natur etwas zu suchen, das sie nie finden werden! Ach, wie viele Unruhe, wie viele fruchtlose 
Anstrengungen würden sie sich ersparen. Sie blicken in ein leeres Grab, worin der auferstandene Jesus nicht zu finden ist. 

Sie suchen Früchte an einem faulen Baume, an den längst die Axt gelegt ist. Sie suchen helle, klare Tropfen in einer durchaus unreinen Quelle, in welche sich alle Sümpfe und Kotschleusen dieser Erde ergossen haben. Blicken wir auf Christum, Der um unserer Sünde willen dahingegeben, und um 
unserer Rechtfertigung willen auferweckt ist. In Ihm finden wir alles, was wir nötig haben. Er ist der Weg, die Wahrheit 
und das Leben.