Botschafter des Heils in Christo 1880

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Inhaltsverzeichnis  1880 
Himmel und Erde    ................   3
Das Gewissen    ..................   33
Gedanken    ...................   40
Auszug aus einem Brief von J. N. D..........   40
Der feste Grund Gottes und sein Siegel    .......   42
2. Petrus 2, 4. 9; 3, 7    ...............   64
Betrachtungen über den Propheten Daniel    ......   65
„Also bleibt noch eine Sabbathruhe   160
dem Volke Gottes aufbewahrt"    .........    
Ergebenheit    ..................   163
David und sein Wunsch, Jehova ein Haus zu bauen .   163
Was ist Bekehrung?    ...............   181
Unsere Freude im Himmel    .............   219
Gedanken    ...................   222
Abraham und Lot    ................   223
Was ist Glaube?    .................   227
Wahre Unterwürfigkeit    ..............   230
Die Liebe Gottes    .................   232

Inhaltsverzeichnis 
Seite 
Himmel und Erde 3 
Das Gewissen 33 
Gedanken 40 
Auszug aus einem Brief von J. N. D 40 
Der feste Grund Gottes und sein Siegel 42 
2. Petrus 2, 4. 9; 3, 7 64 
Betrachtungen über den Propheten Daniel 68 
„Also bleibt noch eine Sabbathruhe 
dem Volke Gottes aufbewahrt" z6o 
Ergebenheit 163 
David und sein Wunsch, Jehova ein Haus zu bauen . . . 163 
Was ist Bekehrung? x8i 
Unsere Freude im Himmel 2.19 
Gedanken 222 
Abraham und Lot 223 
Was ist Glaube? 227 
Wahre Unterwürfigkeit 230 
Die Liebe Gottes 232 
Himmel und Erde 
„Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde." Der 
Schauplatz der göttlichen Handlung war ein zweifacher; dies 
wird auch in „der Verwaltung der Fülle der Zeiten" der Fall 
sein: Gott wird Sich aufs neue sowohl im Himmel, als auch auf 
der Erde offenbaren. Ich möchte meine Betrachtung über diesen 
göttlichen Gegenstand mit i. Mose 1—47 beginnen. Diese 
Kapitel stellen uns, wie ich glaube, in treffender Weise den 
Herrn vor, wie Er teils im Himmel, teils auf der Erde tätig ist; 
an ihrem Schluß finden wir beide vereinigt, und zwar in einer 
Weise, die uns vorbildlich zeigt, wie sie in der kommenden 
Verwaltung der Fülle der Zeiten verbunden und doch wieder 
getrennt sein werden. — Möchten unsere Betrachtungen immer 
Seiner Wahrheit und Seinem Geiste unterworfen sein! Möchten 
wir sie auch jetzt beginnen in der Stimmung von Anbetern! 
1. Mose 1 und 2. Es war allein die Erde, über die Adam 
zum Herrn gesetzt wurde. Der Garten war sein Wohnsitz und 
er sollte die Erde erfüllen und sie sich unterwürfig machen. 
Das waren die Grenzen seines Erbes und seines Besitzes. Er 
kannte den Himmel nur insoweit, als er ihn über sich sah und 
als die Lichter an ihm seinen Tag und seine Nacht voneinander 
schieden. Aber er hatte keine Gedanken, die ihn persönlich mit 
dem Himmel verbanden. 
Kapitel 3. Adam übertrat jedoch das Gebot Gottes und 
mußte den Garten Eden verlassen. Er wurde ein Sklave und 
ein Knecht auf der Erde, statt ihr glücklicher Herr zu sein. 
Von ihren Früchten mußte er jetzt ein dürftiges Dasein fristen, 
bis er sich selbst auf ihr zum Tode niederlegte. 
Kapitel 4 und 5. Der Zustand Adams war also auf diese 
Weise völlig verändert. Jetzt an der Erde zu hangen als seiner 
Wonne und seinem Teil, hieß in frecher Verwerfung des Herrn 
des Gerichts handeln. Ein solcher Geist beseelte Kain und seine 
Familie. Er betrachtete die Erde als gut genug für Gott, und 
für sich selbst wünschte er nichts besseres. Er brachte Gott die 
Frucht der Erde dar; auf ihr baute er für sich eine Stadt und 
füllte sie mit allen begehrenswerten Dingen an, ohne durch den 
Gedanken an das Blut, mit dem seine eigene Hand sie befleckt 

hatte, und an die Gegenwart des Herrn, dem er den Rücken 
gewandt hatte, beunruhigt zu werden. Ihm glich weder Adam, 
noch Seth, noch Noah, noch jene ganze Reihe von Anbetern, 
die „den Namen des Herrn anrufen." Für sie ist die Erde nur 
eine Grabstätte. Doch da die Gnade für sie als Sünder ein 
Heilmittel vorgesehen hat, und die Gerechtigkeit sie von einer 
verfluchten Erde abgesondert hat, so glauben sie an dieses Heilmittel und suchen weder einen Platz, noch ein Gedächtnis auf 
der Erde. Der Herr aber gibt ihnen ein höheres und reicheres 
Erbe, und zwar bei Sich in den Himmeln, wie dies in der 
Aufnahme Henochs angedeutet wird. 
Kapitel 6—g. Aber obschon der Herr auf diese Weise den 
Schauplatz Seiner Ratschlüsse und der Hoffnungen Seiner 
Auserwählten von der Erde in den Himmel verlegt hat, ist die 
Erde dennoch nicht aufgegeben. Sie ist, wie wir wissen, bestimmt, sich bald „der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder 
Gottes", oder, wie ich schon oben bemerkte, „der Verwaltung 
der Fülle der Zeiten" zu erfreuen (Eph 1, g. 10). Diesen Vorsatz hat der Herr zu gewissen Zeiten ans Licht gestellt und 
erläutert, wie z. B. hier in der Geschichte Noahs. 
Die himmlische Familie starb der Erde und auf der Erde. 
Wohl konnte sie von dem Gericht wie von der Segnung reden, 
die über die Erde kommen sollte. Henoch weissagte von dem 
Gericht und Lamech von der Segnung (Jud 14; 1. Mo 5, 29); 
aber keiner von ihnen befand sich inmitten der Szenen, von 
denen sie redeten. Noah ist jedoch wieder ein Mann der Erde. 
In seinen Tagen erscheint die Erde aufs neue als ein Schauplatz der Sorge und des Wohlgefallens Gottes. Gott hat wieder 
Gemeinschaft auf ihr mit dem Menschen. Sie ist durch das 
Gericht der Wasser hindurchgegangen, und Gott macht einen 
Bund mit der Erde und hat einen Propheten, Priester und 
König auf ihr, der für ihre Ordnung und göttliche Regierung 
Sorge zu tragen hat. Noahs Verbindung mit der Erde war ganz 
anderer Art als diejenige Kains oder Seths. Er erfüllte und 
genoß sie nicht, wie Kain, in Verwerfung Gottes, noch nahm 
er sich, gleich Seth, nur einen Begräbnisplatz auf ihr, sondern 
er erfreute sich ihrer ganzen Fülle in Unterwürfigkeit unter 
dem Herrn. Der Herr heiligte seine Herrschaft über sie, sein 
Erbteil und seine Freude an ihr. 

Kapitel 10 und 11. So ist nun die Erde wieder ein Gegenstand 
der Sorge des Herrn. Doch von neuem wird sie vor Ihm 
verderbt. Wie Adam, so beginnt auch Noah diese traurige 
Geschichte, und die Erbauer Babels, gleich einer zweiten Familie 
Kains, vollenden den Abfall und suchen die Erde, in Unabhängigkeit von Gott, mit sich selbst anzufüllen. Sie waren 
„gewaltige Jäger vor dem Herrn" — sie durchstreiften die Erde, 
als wollten sie in ihrem ungläubigen Hochmut fragen: „Wo 
ist der Gott des Gerichts?" 
Kapitel 12—36. Eine solche Handlungsweise konnte Gott in 
keinem Falle dulden, und es kommt infolgedessen ein anderes 
Gericht über sie. Sie werden überallhin zerstreut, und die 
ganze menschliche Gesellschaft wird auf eine schreckliche 
Weise aufgelöst. Allein Abraham wird berufen, getrennt von 
der Welt eine Verbindung mit Gott zu finden. Seine Familie 
wohnte in Mesopotamien, jenseits des Euphrat. Er entstammte 
dem Geschlecht Sems, war aber, wie alle damaligen Völker, 
ein Götzendiener. Jedoch eine unumschränkte Gnade sonderte 
ihn ab, und der Gott der Herrlichkeit rief ihn aus seinem 
Lande, aus seines Vaters Hause und aus seiner Verwandtschaft. 
Diese Berufung beeinträchtigte indessen durchaus nicht die 
Ordnung der Erde, noch die Regierung unter den Nationen. 
Abraham wird berufen, ein Fremdling auf der Erde zu sein, 
nicht aber ein Nebenbuhler der „Gewaltigen", oder ein neu 
gebildeter Herrscher irgendeines Volkes. Er wandelt mit Gott, 
als dem Gott der Herrlichkeit; Gott nimmt hier einen höheren 
Charakter an, als wenn Er Sich als Der offenbart, „durch den 
die Gewaltigen eingesetzt sind." Abraham war ein Pilger und 
ein Fremdling auf der Erde und wandelte als ein himmlischer 
Mensch. Er besaß die Verheißung, daß sein Same und sein Erbe 
auf der Erde einst miteinander verbunden werden sollten, 
und doch wohnten sowohl er als auch Isaak und Jakob das 
ganze Leben hindurch in Zelten. 
Wir haben hier also wiederum ein himmlisches Volk — 
himmlisch in dem Charakter seines Wandels, und, gleich 
Henoch und Lamech, himmlisch in seinem Verständnis der 
zukünftigen Geschichte der Erde und der Verheißungen in 
betreff des Erbes, das seinem Samen zu seiner Zeit zuteil 
werden sollte. — Doch wir finden in der Geschichte des Man5 
nes, der nach Abraham, Isaak und Jakob auf den Schauplatz 
trat, noch tiefere und bedeutungsvollere Geheimnisse. 
Kapitel 36—47. Joseph wird durch die Bosheit seiner Brüder, 
wie wir alle wissen, von dem Schauplatz des ihm verheißenen 
und durch einen Bund zugesicherten Erbes entfernt, wird nach 
vielen Leiden Gatte, Vater und Fürst inmitten eines ferne 
wohnenden Volkes und versorgt und beherrscht zuletzt nicht 
nur seine Brüder, die ihn einst haßten, sondern auch alle Bewohner der Erde in Gnade und Weisheit. 
Nichts kann bezeichnender sein als dies alles. Es ist eine 
treffende Erläuterung des großen Ratschlusses, den Gott Sich 
vorgesetzt hat „in der Verwaltung der Fülle der Zeiten". 
Joseph wird unter die Nationen versetzt und dort, nach Trübsal und Knechtschaft, wird er erhöht und wird das Haupt und 
der Vater einer Familie, und zwar mit einer solchen Freude, 
daß sein Herz eine Zeitlang imstande ist, seine Verwandten 
nach dem Fleische zu vergessen. In gleicher Weise ist Christus 
nach Seinen Leiden in den Himmel erhoben, und die Kirche 
oder Versammlung, aus den Nationen genommen, ist zu Seiner 
Gefährtin und Freude während der Zeit Seiner Entfremdung 
von Israel gemacht. Aber im Laufe der Zeit wird Joseph zum 
Wahrer und Spender der Hilfsmittel der Welt; seine Brüder 
müssen sich so gut wie alle anderen ihm unterwerfen; er 
nährt und erhält sie zu seiner Freude. Ganz in gleicher Weise 
wird auch Christus handeln, wenn er wieder auf der Erde 
erscheinen wird. Nachdem Israel zur Buße umgekehrt und in 
den schönsten Teil der Erde versetzt ist, nachdem alle die 
Nationen unter Christi Zepter vereinigt sind, wird Er sie in 
Weisheit regieren und aus Seinem Vorrat nähren; in Frieden 
und Gerechtigkeit wird Er sie wieder in ihr Erbe einsetzen. 
Unzweifelhaft erblicken wir hier vorbildlich die Himmel 
und die Erde, wie sie einst in Wirklichkeit in „der Verwaltung 
der Fülle der Zeiten" gesehen werden, wenn alle Dinge, sowohl 
im Himmel als auf der Erde, zusammen in Christo vereinigt 
sind. Sicherlich haben wir hier eine vorbildliche Darstellung 
des großen Endresultats; der Himmel und die Erde erzählen 
miteinander das Geheimnis Gottes. 
Ich kann nicht umhin, einen Augenblick bei der willigen, nicht 
murrenden Unterwerfung der Ägypter unter Joseph zu verweilen. Er sendet sie hierhin und dorthin, er leitet sie, wie es 

ihm beliebt — sie sind mit allem zufrieden; ebenso wind in den 
Tagen des Königreichs die ganze Welt bereitwillig ausrufen: 
„Jesus hat alles wohlgemacht". Alles -wird sich willig und 
freudig Ihm unterwerfen. Sein Zepter wird gebilligt und bewillkommnet werden von allen, über die es seine Macht 
äußern wird. 
Und doch steht die ganze Macht Josephs in völliger Übereinstimmung mit der Oberherrschaft Pharaos. Das Volk, das 
Vieh und die Länder werden alle von Joseph für Pharao gekauft. Es ist noch immer Pharaos Königreich, wenn auch unter 
der Herrschaft Josephs. So wird auch im Königreich des Herrn 
„jede Zunge bekennen, daß Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters." 
Diese Züge geben dem Gemälde seinen klaren Ausdruck und 
Charakter. Aber es enthält auch noch einen anderen Zug (den 
Zug von der Hand eines Meisters, möchte ich ehrerbietig 
sagen), der an Bedeutung und Schönheit wohl keinem der 
anderen nachsteht. Ich meine, daß an dieser ganzen Einrichtung 
der Erde Asnath, Josephs Weib, und die Kinder keinen Anteil 
haben. Sie werden durchaus nicht erwähnt. Jakob erhält Gosen, 
aber Asnath, Ephraim und Manasse bekommen nichts. Wo ist 
der Grund zu dieser merkwürdigen Erscheinung? Werden 
vielleicht das Weib und die Kinder weniger geliebt als der 
Vater und die Brüder? Sicherlich nicht, das kann nicht sein. 
Der Grund ist, wie ich denke, folgender: Asnath und die Kinder sind himmlisch, und ihr Teil ist in und mit Ihm, Der der 
Herr und Spender aller dieser Dinge ist; sie können nicht mit 
den Interessen und den Einrichtungen der Erde vermischt 
werden. Selbst Gosen, der fetteste und beste Teil des Landes, 
ist ihrer unwürdig. Sie bilden die Familie des Herrn selbst. 
Sie genießen seine innigsten Zuneigungen; sie teilen die 
Wohnung und die Gegenwart dessen, der das glückliche und 
ehrenvolle Haupt dieser ganzen herrlichen Szene ist. 
Stellt uns dies nicht das große Endresultat im Kleinen oder 
im Vorbilde dar? Entdecken wir in diesem allem nicht jene 
verheißene „Verwaltung der Fülle der Zeiten", in welcher Gott 
beides, sowohl die Dinge in den Himmeln, als auch die Dinge 
auf der Erde unter ein Haupt in dem Christus zusammen7 
bringen wird? Treten uns in jener Szene nicht der Himmel und 
die Erde in ihrer Ordnung im tausendjährigen Reich entgegen? 
Ich denke nicht, daß ein einsichtsvoller Leser des Wortes diesem 
in Abrede stellen wird. 
Folgen wir jetzt dem Lauf der göttlichen Verwaltungen, so 
entfalten sich immer mehr irdische und himmlische Szenen 
und Beispiele vor unseren Augen. Nach den im ersten Buch 
Mose erzählten Ereignissen wird Israel das Zeugnis Gottes und 
ein irdisches Volk. Ein Teil der Erde wird wieder zum Besitztum und Wohnplatz Gottes geheiligt. Wie die Sündflut sie in 
den Tagen Noahs gänzlich für die göttliche Macht und Gegenwart gereinigt hatte, so reinigt jetzt das Schwert Josuas einen 
Teil der Erde für dieselbe Macht und Gegenwart Gottes in 
Israel. Gott hat Sein Heiligtum und Seinen Thron im Lande 
Kanaan; Er wird zu Jerusalem angebetet, und von dort geht 
Sein Gesetz aus. Die Herrlichkeit findet sich wieder auf der 
Erde. Als Herr der Erde richtet und regiert Gott wieder auf ihr. 
Aber von neuem wird alles vernichtet. Kanaan wird durch den 
Abfall Israels verderbt, wie die Erde zu Noahs Zeiten durch 
den Turm zu Babel. Hesekiel, der wie ein Wächter in die Tage 
dieses Abfalls gesetzt wurde (Hes 3, 17), sieht daher die Herrlichkeit Gottes auf ihrem Wege von Jerusalem zum Himmel. 
Sie sucht keinen anderen Platz auf der Erde, sondern, durch 
die Verderbnis des Volkes aus Jerusalem vertrieben, zieht sie 
sich in den Himmel zurück (Hes 11). 
Bis zu den Tagen Hesekiels stand die Herrlichkeit in Macht 
mit Israel in Verbindung. Es war eine Herrlichkeit oder eine 
göttliche Gegenwart, die einst Ägypten gerichtet, das Heer 
durch die Wüste geführt, die Völker Kanaans vernichtet, ihr 
Land unter die Stämme verteilt und endlich sich selbst in den 
Tempel und auf den Thron in Jerusalem gesetzt hatte. Dies 
alles war die Herrlichkeit in Macht. Aber, wie wir gesehen 
haben, verscherzte Israel diese Herrlichkeit, und sie kehrte 
infolgedessen zum Himmel zurück. Jedoch sollte sie in einem 
anderen Charakter wieder erscheinen. Dieselbe Herrlichkeit 
oder göttliche Gegenwart, ja Gott selbst kehrte, verhüllt in der 
Erscheinung Jesu, zurück. Als ein verworfener Galiläer, als der 
Sohn des Zimmermanns, der nicht hatte, wohin Er Sein Haupt 
legen sollte und also in der Welt noch schlimmer dran war als 

die Vögel und die Füchse, erscheint die Herrlichkeit in dem 
Lande Israel in der vollkommensten Gnade, heilend und predigend, arbeitend und wachend, arm und doch andere bereichernd, hungrig und durstig und doch Tausende speisend, 
und bei jeder Gelegenheit ebenso einfach und bestimmt sich 
für die Herrlichkeit ausgebend, wie es geschah, als sie die 
Wasser des Jordan teilte oder die Mauern Jerichos umstürzte. 
Nur war es jetzt die Herrlichkeit in ihrer Gnade, während es 
damals die Herrlichkeit in ihrer Macht gewiesen war. Dennoch 
verwirkte Israel oder die Erde die Herrlichkeit auch in dieser 
Form; jedoch verließ sie die Erde nicht auf dem gleichen Wege 
wie früher. Als sie einst in ihrer Macht verworfen wurde, 
entfernte sie sich freiwillig, indem sie in gerechtem Zorn die 
Beschimpfung ahndete, die ihrer Majestät angetan war und 
im Gericht diese Erde verließ (Hes 1-11); später aber, verworfen in ihrer Gnade, wurde sie gleichsam weggeschickt, 
bevor sie sich selbst entfernt hatte. In beiden Fällen, mögen 
wir die Herrlichkeit betrachten in Macht oder in Gnade, hat 
die Welt sie verworfen, und sie ist jetzt in den Himmeln 
verborgen (s. Apg 7, 55). 
Das ist die Geschichte der Herrlichkeit von Hesekiel 11 bis 
zur Himmelfahrt Christi. Die Herrlichkeit ist gegenwärtig 
wiederum da, wohin der Prophet Gottes sie in jenein Kapitel 
gehen sah, nämlich im Himmel. Allein jetzt ist sie dort 
beschäftigt, die Fülle der Nationen zu sammeln und bei sich 
„die heiligen Brüder, die Genossen der himmlischen Berufung" 
zu empfangen. Der Heilige Geist ist herabgekommen, um auf 
Erden von der Herrlichkeit droben zu zeugen und ihr Teil zu 
unserem Teil zu machen. Das ist jetzt der Platz und die Tätigkeit der Herrlichkeit. 
Jedoch können wir ihre Geschichte noch von einem anderen 
Gesichtspunkt aus betrachten. Hesekiel sieht sie (Hes 43) an 
denselben Ort zurückkehren, von dem sie sich entfernt hatte. 
Sie hatte niemals einen anderen Aufenthaltsort auf der Erde 
gesucht. Wenn Zion nicht für Jesum vorbereitet ist, dann 
muß die Erde Ihn entbehren. Denn von Zion allein hat Er 
gesagt: „Dort ist mieine Ruhe für immer und ewiglich." Doch 
die Herrlichkeit kehrt wieder zurück, wie wir in dem 43. Kapitel des Propheten Hesekiel sehen. Und wenn das geschieht, 

dann wird jene Ordnung der Dinge eintreten, die man gewöhnlich „das tausendjährige Reich" zu nennen pflegt, wo 
Jesus der herrliche Mittelpunkt sein wird, die wahre Leiter, 
die Jakob einst sah, der Erhalter aller Dinge im Himmel und 
auf der Erde, der jetzt alles durch Sein Blut versöhnt hat und 
dann alles in Seiner eigenen Person vereinigen wird, um Seine 
Herrlichkeit über alles auszubreiten. 
So haben die beiden Teile des zukünftigen Königreichs, der 
himmlische und der irdische, von Anfang an wieder und wieder 
eine vorbildliche Darstellung gefunden; ein Zeugnis nach dem 
anderen hat, wie wir gesehen haben, von den göttlichen Ratschlüssen erzählt; das tausendjährige Reich wird die Bestätigung aller dieser Unterpfänder und die Erfüllung der Verheißungen dieser himmlischen und irdischen Zeugnisse sein. 
Für mein Herz ist es immer sehr köstlich gewesen, an den 
Umgang zu denken, den der Himmel mit der Erde im Laufe 
ihrer mannigfaltigen und wunderbaren Geschichte gepflogen 
hat, und der sich in den Gesichten, den Träumen und den 
Besuchen der Engel, die zu Zeiten das Volk Gottes erfreuten, 
und in dem Hören göttlicher Offenbarungen kundgab. Alle 
diese Dinge zeigen uns deutlich, daß die Himmel Zugang zu 
der Erde hatten und daß sie nur durch einen dünnen Schleier 
von ihr getrennt waren. 
So lange die Erde noch unbefleckt war, ging Gott der Herr in 
den Garten. Und nachher, wenn auch in gewisser Beziehung 
von der Erde entfremdet, war Er doch stets beredt, sie um 
Seiner Auserwählten willen zu besuchen, wie dies die Geschichte Abrahams, Josuas, Gideons und anderer zeigt. Die 
Leiter, die Jakob im Traum sah, deren Spitze in den Himmel 
reichte, während ihr Fuß auf der Erde stand — das Hin- und 
Hergehen Moses zwischen dem Herrn und dem Volke — das 
Hinaufsteigen der Ältesten zu dem Gott Israels, den sie über 
dem Firmament sahen (2. Mo 24, 9—11) — alles das sind Vorbilder und Merkmale des Umgangs zwischen den Himmeln 
und der Erde in den Tagen des Königreichs. Dahin gehört auch 
jene herrliche und denkwürdige Stunde, als Jesus auf dem 
Berge der Verklärung vor den Augen Seiner drei Jünger verwandelt wurde und Er mit Mose und Elia Seinen Ausgang 
besprach, den Er in Jerusalem erfüllen sollte. Ferner die Tat10 
sache, daß Christus nach Seiner Auferstehung hier und da 
Seinen Jüngern erschien, und das Gesicht Petrus, das er in 
Joppe auf dem Dach des Hauses Simons sah (Apg 10). Die 
himmlischen Dinge enthüllen sich in solchen Augenblicken 
vor dem menschlichen Auge und geben uns köstliche Zeichen 
von ihrer Nähe. Wir bemerken diese Nähe in dem gegenwärtigen Augenblick nicht, da die Herrlichkeit sich noch nicht 
an ihrem tausendjährigen Platz über der Stadt der Juden befindet, aber der Glaube liest diese Andeutungen über ihre Nähe 
und versteht sie. Der Glaube in Elisa wünschte nicht für sich, 
sie zu bemerken; er bat nur, daß seinem Diener die Augen 
geöffnet werden möchten, aber in bezug auf seine eigene 
Person konnte er dies alles glauben und brauchte nicht um ein 
geöffnetes Auge zu bitten. Er wußte, daß der Herr der Heerscharen nahe, und daß die Berge rund um ihn her mit den 
Wagen und Rossen des Himmels bedeckt waren. Aber im 
tausendjährigen Reich wird dies alles sichtbar sein. Die himmlische Herrlichkeit und die Herrlichkeit der goldenen Stadt wird 
über dem Jerusalem des Landes Israel leuchten und wie eine 
Decke über alle ihre Wohnungen ausgebreitet sein. Die Leiter 
wird gleichsam aufgerichtet sein, mit ihrer Spitze in dem Himmel und ihrem Fuß auf der Erde; derselbe gesegnete Herr wird 
den Mittelpunkt aller Dinge bilden und, wie in den verschiedenen Teilen eines Tempels, so wird der Dienst des Lobes und 
der Freude begangen werden. 
Jedoch sind es in diesem Verkehr stets die Himmel, welche 
die Erde besuchen — das Volk des Himmels wird herniederkommen zu dem Volk der Erde, nicht umgekehrt — das irdische 
Volk wird nur die himmlischen Besucher zu empfangen und 
zu bewillkommnen haben. Im Reich der Natur ist es ebenso. 
Die Erde gibt dem Himmel nichts, empfängt aber alles von ihm: 
der Sonnenschein und der Regen kommen hernieder, um die 
Erde zu segnen, die Erde aber gibt dafür nichts zurück.*) 
*) Die Heiligen der gegenwärtigen Zeit sollten, da sie in ihrer Berufung 
himmlisch sind, auch in dem Geiste ihrer Gesinnung himmlisch sein und sich 
stets bewußt bleiben, daß sie nur als Fremdlinge auf der Erde weilen und hier 
keine Heimat haben. Sie sollten ein Volk sein, das nicht von der Erde zum 
Himmel hinaufblickt, sondern das von dem Himmel zur Erde herniederschaut. 
11 
Doch in diesem kommenden Verkehr zwischen den Himmeln 
und der Erde, wenn das himmlische Volk die geheimnisvolle 
oder tausendjährige Leiter auf- und niedersteigen wird, scheint 
mir — und die Schrift selbst leitet mich zu dem Gedanken — ein 
Wechsel der Kleidung oder ein gewisses Verhüllen der den 
himmlischen Heiligen angehörenden Herrlichkeit stattzufinden, 
sobald sie herniederkommen, um Gemeinschaft mit den Bewohnern der Erde zu machen. Die Erscheinung des Herrn nach 
Seiner Auferstehung aus den Toten liefert uns eine Darstellung 
hiervon. Er konnte zu jener Zeit eine Gestalt annehmen, wie sie 
für das Werk paßte, das Er gerade zu tun hatte, so die Gestalt 
des Gärtners bei Maria, die eines Reisegesellschafters bei den 
beiden Jüngern, die nach Emmaus gingen, oder die Gestalt eines 
freundlichen Fremden an den Ufern ides Sees von Tiberias. In 
solchen Erscheinungen wird Er nicht in dem Himmel gesehen; 
aber Er konnte Sich so verhüllen, wenn das Werk, welches Er 
zu tun hatte, es erforderte. So war von alters Mose in der 
Gegenwart Gottes unverhüllt, während er vor den Augen 
Aarons und der ganzen Versammlung eine Decke auf sein 
Angesicht legte. Eine Art von Kleidung war passend für den 
Himmel, eine andere für die Erde. So hatten auch die Priester, 
wenn sie innerhalb des Heiligtums waren, eine Kleidung, wie 
sie sich für diesen Platz geziemte, und eine andere, sobald sie 
außerhalb des Heiligtums erschienen. Sie kleideten sich für die 
Gegenwart Gottes anders, als für die Gegenwart des Volkes. 
(Vergl. 3. Mo 6,11; 16, 4. 23. 24; Hes 42,14; 44, ig.) 
Außerdem sehen wir in alten Zeiten diese sich oft ändernde 
Erscheinung des Sohnes Gottes. Er hatte mannigfaltige Gestalten, worin Er Sich zeigte und in welche Er die glänzendere 
Herrlichkeit, die nur für höhere Regionen passend war, einhüllte. Er erschien in einer Feuerflamme inmitten eines Dornbusches am Berge Horeb, in einer Wolken- und Feuersäule in 
der Wüste, und in Gestalt eines bewaffneten Kriegers vor den 
Mauern Jerichos. Er erschien in einer Weise, die dem Werk 
entsprach, das Er zu tun hatte. Dies alles sind Zeichen der 
wechselnden Bekleidung und Gestalt, in der alle, die „den 
zukünftigen Erdkreis" regieren und die Angelegenheiten des 
irdischen Königreiches ordnen sollen, ihres Dienstes hienieden 
warten werden, um dann wieder zurückzukehren und un12 
verhüllt in den ihnen gehörenden himmlischen örtern zu 
erscheinen. 
Doch in Verbindung mit dieser Lehre von den himmlischen 
und irdischen örtern und Völkern in den Tagen der zukünftigen Herrlichkeit, und in Verbindung mit der Wahrheit, daß 
dann ein gesegneter und wunderbarer Verkehr zwischen beiden bestehen wird, gibt es noch Freuden und Herrlichkeiten, 
die einem jeden derselben besonders angehören; und auf 
einige dieser Herrlichkeiten möchte ich hier noch aufmerksam 
machen. 
Auferstehen und dem Herrn in der Luft zu begegnen, ist die 
Hoffnung, die am unmittelbarsten vor dem Herzen des Gläubigen steht. Dann ist es das Eingehen in die Wohnungen des 
Vaterhauses mit Ihm, Der hingegangen ist, die Wohnungen zu 
bereiten, wie Er zu Seinen Jüngern sagte, bevor Er von ihnen 
schied: „Ich werde wiederkommen und euch zu mir nehmen, 
auf daß, wo ich bin, auch ihr seid". Und jenes Haus wird allen 
den familiären Zuneigungen, die das Herz so wohl versteht, 
Gelegenheit zur Ausübung geben. Der Vater wird dort sein und 
der Erstgeborene unter vielen Brüdern und diese vielen Brüder 
selbst. Und um diese Beziehungen noch inniger zu gestalten 
und die Zuneigungen in vollkommenem Maße zu erwecken, 
wird dort die Hochzeit gefeiert und die jetzt verlobte Kirche 
oder Versammlung wird das Weib des Lammes werden 
(Offb ig). 
Doch es gibt im Verein hiermit noch andere herrliche Szenen 
und Gelegenheiten zu unvermischter Freude. „Das heilige Jerusalem" wird in den Himmeln sein, die Wohnung der Heiligen, 
als eines Volkes von Königen und Priestern, der Ort der Regierung und Anbetung — jene herrliche Stadt, in welcher der 
Baum des Lebens grünt und der Strom des Lebens seine erquickenden Wasser ergießt, in der sich das Licht, der Thron 
Gottes und das Lamm befinden. Die Heiligen werden dort 
singen und spielen, und zwar nicht mit Zymbeln und Lauten, 
die durch menschliche Kunst hergestellt und nur geeignet sind, 
irdische Freuden zu wecken (Ps 98), sondern sie werden „Harfen 
Gottes" in ihren Händen halten, Instrumente von göttlicher 
Arbeit, und geeignet, Melodien wachzurufen, die des Himmels 
selbst würdig sind. Die Ältesten werden auf ihren Thronen 
13 
sitzen und ihre Kronen niederwerfen vor dem Thron des Lammes; die Engel werden ihre höchste Wonne darin finden, alle 
ihre Macht und Herrlichkeit dem Lamme zu geben, das geschlachtet ist (Offb 5). 
Und bei diesem allem wird nichts sein, das die Freude stören 
oder hindern könnte. So wie in jenen Tagen nichts auf der Erde 
„den Berg der Heiligkeit Jehovas" antasten wird, so wird auch 
in den Himmeln nichts Eingang finden, was unrein ist. Kein 
Feind kann sich dort erheben, denn alle sind gerichtet; die List 
der Schlange ist zu Ende, denn der Same des Weibes hat ihr den 
Kopf zertreten. Keine Müdigkeit des Herzens oder Kälte, oder 
Mißmut der Seele und Mattigkeit des Geistes wird mehr sein. 
Die Diener werden dienen unaufhörlich und ohne Tadel; Nacht 
und Tag wird die Stimme der Anbetung erschallen: „Heilig, 
heilig, heilig, Herr, Gott, Allmächtiger!" 
Der Himmel wird zugleich der Schauplatz der Ruhe oder des 
Sabbaths Gottes sein, und die Heiligen, die nach ihrem Maße 
dieselbe Erquickung genießen, werden inmitten dieser Ruhe 
wohnen in Leibern, die dem verherrlichten Leibe Christi gleichgestaltet sind. Sie werden Ihm gleich sein in Seiner Herrlichkeit und Ihn sehen, wie Er ist. Sie werden leuchten „wie die 
Sonne" in dem Reiche ihres Vaters. Und dann werden sie die 
ganzen herrlichen Offenbarungen Gottes sehen und verstehen, 
nicht wie durch einen Spiegel, im Rätsel, sondern wie von Angesicht zu Angesicht; sie werden erkennen, wie sie selbst erkannt sind. Der weiße Stein wird sich dort finden und das verborgene Manna, der Morgenstern und die weißen Kleider, um 
darin vor dem Thron Gottes zu stehen und mit dem Lamme zu 
wandeln und auf Thronen zu sitzen (Offb 2. 5). Alle diese 
Dinge werden unser sein. 
Das 2. und 3. Kapitel der Offenbarung enthalten eine Fülle 
von Ankündigungen himmlischer Freuden und Herrlichkeiten. 
Die darin gemachten Verheißungen enthüllen vor unseren 
Augen in heiliger und genauer Ordnung die Dinge, die in den 
zukünftigen Tagen das Teil der himmlischen Heiligen sein werden. 
Ephesus. „Dem, der überwindet, dem will ich zu essen geben 
von dem Baume des Lebens, der in dem Paradiese Gottes ist". 
14 
Dies ist die einfachste Form der Verheißung. Sie sagt dem 
Heiligen/
 daß er sich, wenn wir so sprechen dürfen, von dem 
Kern oder dem Mark des ewigen Lebens nähren wird. Denen, 
die außerhalb sind, werden die Blätter desselben Baumes zur 
Heilung dienen (Offb 22), doch die himmlischen Heiligen sollen 
mehr besitzen. Ihr Teil ist die Frucht des Baumes selbst, die 
ihnen nicht gebracht wird, sondern welche sie sich gleichsam 
mit eigenen Händen inmitten des Gartens Gottes sammein. 
Dies deutet, wie ich nicht zweifle, auf die stete Frische dieses 
Lebens hin. Jesus sagt: „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben". 
Die himmlischen Heiligen nehmen, wie in der Verheißung an 
Ephesus ausgedrückt wird, unmittelbar Anteil an dem Baum 
des Lebens. Das ist ihr besonderes Teil, sie empfangen Leben 
aus der Quelle selbst und nähren sich von ihr. 
Smyrna. — „Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die 
Krone des Lebens geben . . . Wer überwindet, wird nicht beschädigt werden von dem zweiten Tode". 
Diese Verheißung geht über die vorhergehende in etwa hinaus. Dort wurde das Leben betrachtet als in seiner reichsten 
Form mitgeteilt, hier bei Smyrna sehen wir es gewonnen. Die 
Versammlung von Smyrna wurde schwer geprüft. Einige wurden ins Gefängnis geworfen, alle befanden i9ich in großer 
Drangsal. Sie hatten vieles zu leiden, aber es wird ihnen, wenn 
sie treu sind bis zum Tode, die Krone des Lebens verheißen. 
Jakobus spricht hiervon in ähnlicher Weise: „Glückselig der 
Mann, der die Versuchung erduldet! denn nachdem er bewährt 
ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche er denen 
verheißen hat, die ihn lieben" (Kap. 1,12). Hier wird die Krone 
des Lebens denen verheißen, welche die Prüfung erdulden. Es 
ist die Freude des Herrn, den Glauben Seiner Heiligen anzuerkennen. Wenn sie gezeigt haben, daß sie in dieser Welt ihr 
Leben nicht liebten, so wird es sein, als wenn sie es in der zukünftigen gewonnen hätten. Das Leben wird dort für sie eine 
Krone sein, der herrliche Lohn dafür, daß 9ie es hier nicht 
liebten. 
Pergamus. — „Dem, der überwindet, dem werde ich von dem 
verborgenen Manna geben, und ich werde ihm einen weißen 
Stein geben, und auf den Stein einen neuen Namen geschrieben, 
welchen niemand kennt, als wer ihn empfängt". 
15 
Eine neue Quelle der Freude wird hier vor uns aufgeschlossen, der Genuß der persönlichen Zuneigung und Liebe des 
Herrn, eine Gemeinschaft mit Ihm, wie sie nur von Herzen 
erkannt und verstanden wird, die in jenen Freuden und Erinnerungen, in die sich kein Fremder mischen kann, auf das 
engste miteinander verbunden sind. Davon wird hier zu dem 
treuen Überrest in Pergamus gesprochen. Er hatte den Glauben 
an Ihn inmitten der Schwierigkeiten bewahrt und an Seinem 
Namen festgehalten. Seine Belohnung besteht in den köstlichen Zeichen persönlicher Zuneigung, die das süße Bewußtsein 
und die bestimmte Überzeugung wecken, daß das Herz des 
Herrn mit ihm verbunden ist. Er wird den Gläubigen „küssen 
mit den Küssen seines Mundes". Es ist das verborgene Manna, 
von dem der Gläubige sich hier nährt, und der Stein, der ihm 
gegeben wird, trägt einen Namen, den niemand kennt, als wer 
ihn empfängt. Dies drückt persönliche Zuneigung aus. Es handelt sich hier nicht um öffentliche Freude, sondern um die 
Wonne, die das Herz fühlt in dem bewußten Besitz der Liebe 
des Herrn. Welch ein herrlicher Charakter der Freude!'In Ephesus und Smyrna sahen wir den Besitz des Lebens in Überfluß 
und in Ehre, hier in Pergamus begegnen wir dem gesegneten 
Bewußtsein der persönlichen Zuneigung des Herrn. 
Thyatira. „Und wer überwindet und meine Werke bewahrt 
bis ans Ende, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben; 
und er wird sie weiden mit eiserner Rute, wie Töpfergefäße 
zerschmettert werden, wie auch ich von meinem Vater empfangen habe; und ich werde ihm den Morgenstern geben". 
Hier kommen Wir zu öffentlichen Szenen, in denen sich 
Macht und Herrlichkeit entfalten. Die Heiligen sollen die Gefährten des Herrn sein, wenn Er erscheinen wird, um Seine 
Feinde zu dem Schemel Seiner Füße zu machen, oder — um mit 
den Worten des 2. Psalms zu reden — sie mit eisernem Zepter 
zu zerschmettern und wie Töpfergefäße zu zerschmeißen. Er 
wird Seine Macht entfalten, wenn Er die Herrschaft übernimmt. 
Er wird alles ausrotten, was mit dem Reiche nicht in Übereinstimmung ist. Er wird das Schwert um Seine Hüfte gürten 
wie David, ehe Er den Thron besteigt gleich Salomo (Ps 45). 
Er wird richten und Krieg führen in Gerechtigkeit, ehe das 
tausendjährige Reich beginnt (Offb 19). Und in dieser Ausübung Seiner Macht und Entfaltung Seiner Herrlichkeit werden 
16 
die Heiligen, wie uns hier mitgeteilt und verheißen wird, bei 
Ihm sein. Dies ist gesegnet an seinem Platze und wird uns zu 
seiner Zeit gegeben werden, denn nach dem Leben und der persönlichen, verborgenen Freude beginnt die Einführung der 
öffentlichen Herrlichkeiten. 
Sardes. „Sie werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, 
denn sie sind es wert. Wer überwindet, der wird mit weißen 
Kleidern bekleidet werden, und ich werde seinen Namen nicht 
auslöschen aus dem Buche des Lebens und werde seinen Namen 
bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln". 
Dies geht noch einen Schritt weiter in die Szenen der Herrlichkeit hinein. Die Rache ist vollzogen, das Schwert dessen, 
der auf dem weißen Pferde sitzt, hat sein gerechtes Werk vollbracht, die Töpfergefäße sind zerschmettert, und das Reich ist 
gekommen. Hier verheißt Jesus Seinen Getreuen, daß Er sie 
bekennen will vor Seinem Vater und Seinen Engeln. Es handelt 
sich hier nicht um die Errettung von dem Gericht, oder um die 
Erlösung ihrer Seelen, sondern um ihre öffentliche Anerkennung vor den versammelten Würdenträgern des Reiches. Der 
Herr verheißt ihnen, daß sie wandeln sollen mit Ihm in weißen 
Kleidern, „denn sie sind es wert". Die Hand, die jetzt in Gnade 
ihre Füße wäscht, wird sie dann bekleiden; der Herr Selbst wird 
in inniger, vertrauter Gemeinschaft mit ihnen die Reiche der 
Herrlichkeit durchwandeln. 
Welch ein neuer, herrlicher Charakter der Freude ist dies! 
In wie mannigfaltiger Weise schildert uns der Geist Gottes die 
zukünftigen Freuden der Gläubigen! Das Leben, die Liebe, die 
Herrlichkeit, der Baum und die Krone des Lebens, der weiße 
Stein, das Unterpfand der innigen Liebe des Herrn, Gemeinschaft mit dem König der Herrlichkeit auf Seinen Wanderungen 
durch die glückseligen, herrlichen Gefilde Seiner Herrschaft, 
alles das ist für sie aufbewahrt. Doch noch mehr als das hat der 
Geist den Versammlungen zu sagen. 
Philadelphia. „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule 
machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nicht mehr 
hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen 
meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des 
neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von 
meinem Gott, und meinen neuen Namen". 
17 
Wir haben soeben den Erben des Reiches als den Begleiter 
des Herrn gesehen, wandelnd mit Ihm in weißen Kleidern und 
anerkannt vor dem Vater und vor den Engeln; hier finden wir 
die Verheißung, daß der Getreue seinen Platz in dem System 
der Herrlichkeit selbst haben soll. Er soll zu jener herrlichen 
Ordnung von Königen und Priestern gehören, die der ganzen 
Szene ihren Charakter geben werden, indem jeder von ihnen eine 
Säule in dem Tempel ist und als zu der Stadt gehörend bezeichnet wird. Welche hohen und heiligen Würden! Ein jeder der 
Gläubigen füllt seinen Platz aus in dem Tempel und in der Stadt, 
ein jeder ist ein Glied jenes königlichen Priestertums, das in 
den Himmeln, dort wo das neue Jerusalem ist und sein Licht 
ausstrahlt, errichtet wird. Welch eine Ehre wird dem verachteten Häuflein zuteil! Jeder von ihnen trägt einen Teil der Herrlichkeit in sich selbst; jedes Gefäß ist nötig zu dem vollkommenen Ausdruck des Lichtes des neuen Jerusalem und bildet 
einen notwendigen Bestandteil der Fülle Dessen, Der alles in 
allem erfüllt. Als König und Priester hat jeder einzelne seinen 
besonderen Platz und Rang in dem Tempel und der Stadt, dem 
Salem des wahren Melchisedek. Welch ein erhabener, würdevoller Platz! Wahrlich, die Liebe findet ihre Wonne darin, zu 
zeigen, was sie tun kann und tun will. Hätten wir nur Herzen, 
die diese Dinge zu schätzen verständen! Sie erzählen uns von 
jener Liebe, die solche Ratschlüsse in bezug auf uns gefaßt hat. 
Wenn Gottes Liebe uns sehen lassen will, was sie für ihre Auserwählten tun will, dann zeigt sie uns die Herrlichkeit in all 
ihrer Größe und Schönheit. Ist das nicht ein beglückender Gedanke? 
Laodicäa. „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf 
meinem Throne zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich 
mit meinem Vater gesetzt habe auf seinen Thron". 
Diese Verheißung erreicht, obwohl sie scheinbar die erhabenste ist, nicht die Höhe der vorhergehenden. Sie entspricht dem 
Zustand der Versammlung in Laodicäa. Wohl verheißt sie dem, 
der überwindet, einen Platz in der himmlischen Herrlichkeit, 
ja, zu sitzen auf dem Thron des Herrn Selbst, aber sie enthält 
nichts von dem innigen, persönlichen Vertrautsein mit Jesu, 
von dem Wandel mit Ihm in weißen Kleidern oder von dem 
bevorzugten Platz in dem Tempel und der Stadt Gottes. Immerhin aber ist es eine herrliche, köstliche Verheißung. 
18 
Außerordentlich große Dinge sind bei der Betrachtung dieses 
wunderbaren Teils der Schrift vor unseren Augen vorübergegangen : Der Baum und die Krone des Lebens — das verborgene 
Manna und der weiße Stein — der Morgenstern — der Wandel 
mit Jesu durch die herrlichen Räume des Himmels — das Wohnen in dem Tempel und der Stadt und endlich das Sitzen auf 
Seinem Thron. Sicher, wenn Jesus hochgeschätzt wird, so werden auch alle diese Dinge kostbar für uns sein. Und wie schon 
oben bemerkt, wenn wir in den Besitz dieser Dinge gelangen 
werden, dann wird auch eine Verbindung zwischen den höheren 
und niederen Regionen bestehen; wir werden in bewußter 
königlicher Würde und in vollkommener priesterlicher Heiligkeit die Geschäfte des Reiches versehen. 
Auch wird die Herrlichkeit in uns geoffenbart werden (Röm 
8); jeder Heilige wird ein Träger oder ein Gefäß der Herrlichkeit, jeder ein Kind des Lichts, ein Kind des Tages und ein 
Sohn der Herrlichkeit sein, verherrlicht zusammen mit Christo, 
um in Verbindung mit Ihm über die Schöpfung hienieden ein 
Licht auszustrahlen, welches das Licht der Sonne oder des Mondes weit übertrifft, so daß das gegenwärtige, sehnsüchtige 
Harren der Kreatur in der dann erfüllten „Offenbarung der 
Söhne Gottes" seine völlige Befriedigung gefunden haben wird. 
„Und sie werden sein Angesicht sehen, und sein Name wird 
an ihren Stirnen sein" (Offb 22, 4). Sie werden in innigem, vertrautem Verkehr mit Ihm stehen und mit Ihm reden von Angesicht zu Angesicht, wie ein Freund zum Freunde spricht, ohne 
Furcht oder Mißtrauen; denn ihr Recht dazu wird gleichsam von 
Seiner eigenen Hand gezeichnet und versiegelt sein. Er wird 
sie mit Sich Selbst verbunden haben; und sie werden dieses 
wissen, weil Sein Name an ihren Stirnen ist. Sie werden, gleichsam innerhalb aller Vorhänge, in dem himmlischen Tempel 
wandeln, ihren Herrn anschauen, Ihn lieben und bewundern. 
Außerdem wird dann, wenn wir so sprechen dürfen, alles 
nach unserem Sinn sein; alles wird recht sein in unseren Augen, 
alles unser gleichmäßiges und völliges Wohlgefallen erregen 
und gerade so sein, wie wir es zu haben wünschen. Wir sehen 
dies im Buch der Offenbarung, in dessen Verlauf die himmlische Familie, wo sie auch immer vor unser Auge tritt, stets in 
der vollkommensten Übereinstimmung mit den geschilderten 
19 
Vorgängen erscheint. In Kapitel 4 wird der Thron zum Gericht 
vorbereitet, Blitze, Donner und Stimmen gehen aus ihm hervor; 
doch die Ältesten und die vier lebendigen Wesen erheben ihre 
Stimmen, um den Namen des Herrn Gott, des Allmächtigen, Der 
da sitzt und alles leitet, zu preisen. In Kapitel 5 nimmt das 
Lamm das Buch, und dies gibt ihnen wiederum Ursache zur 
Freude; sie nehmen ihre Harfen, um Ihn zu verherrlichen, und 
erfreuen sich an der Aussicht, die dieser Anblick vor ihnen eröffnet. In Kapitel 11 kündigt der siebente Engel Gericht an, 
aber dies verursacht nur, daß sie auf ihr Angesicht niederfallen 
und anbeten und danksagen. In Kapitel 12 ist der Krieg in dem 
Himmel und sein Ausgang ganz in Übereinstimmung mit ihren 
Gedanken, mit lauter Stimme verkündigen sie „Heil". In Kapitel X5 sind die Werke und Wege Gottes, Seine Ratschlüsse und 
Seine Macht der Gegenstand ihres Gesanges. In Kapitel 19 ruft 
das Gericht des Weibes, das die Erde verdarb, wieder und wieder das Halleluja der verherrlichten Familie wach. So ist alles, 
von Anfang bis zu Ende, ausnahmslos und völlig richtig in 
ihren Augen, alles ist genau so, wie sie es zu haben wünschen. 
Sie triumphieren ebenso laut, wenn der Herr erscheint als der 
Rächer (Offb ig), wie wenn Er Sich in Seinem Charakter als 
der Erlöser offenbart (Offb 5). Alles ist für sie schön zu seiner 
Zeit. Die Hochzeit des Lammes ist ebenso völlig in Übereinstimmung mit ihren Gedanken, wie das Gericht der großen 
Hure. 
Alles das ist sehr verschieden von dem, was der Gläubige 
jetzt fühlt. Wenn er geistlich ist, so ist nichts um ihn her für 
ihn völlig richtig. Und dies wird immer mehr der Fall sein, je 
weiter die Welt auf der Bahn ihrer Erfindungen fortschreitet 
und je mehr sie sich in ihrem Hochmut und ihrer Anmaßung 
erhebt. Dies sollte in bezug auf die Stärke unserer Zuneigungen 
eine ernste Prüfung in uns hervorrufen. Fragen wir uns selbst, 
inwieweit wir durch die Sucht, die sich besonders in den letzten 
Jahrzehnten steigert, die Welt zu verschönern und zu vervollkommnen, beeinflußt werden? Wünschen wir uns Glück, zu 
einer solchen Zeit zu leben? Erfreuen uns jene weltlichen Bestrebungen, oder stimmen sie unsere Herzen zur Traurigkeit? 
Dies ist ein Prüfstein für den Zustand unserer Seele, ob wirklich Christus der Gegenstand unserer Herzen ist oder nicht. Der 
große Turm in den Ebenen von Sinear mochte der Ruhm eines 
20 
Nimrod sein; Abraham aber würde sich von ihm abgewendet 
haben, um zu weinen. Ebenso ist das, was die Trauer und 
Wehklage der Kaufleute der Erde hervorruft, die Ursache des 
Jubels der Himmel (Offb 18). 
Die wichtige Frage für uns besteht darin: Ist Christus der Gegenstand unserer Herzen, das, wonach wir uns sehnen? Gerade 
das wird der erhabenste und herrlichste Teil unserer reichen 
Segnungen im Himmel sein, daß Er unser ist, daß Er in unserer 
Nähe, bei uns weilt. Das, was für das Herz bereitet wird, ist 
stets der köstlichste Gedanke, mit dem wir uns beschäftigen 
können. So war es mit Adam im Anfang. Er wurde in den 
Besitz jenes herrlichen Gartens gestellt, der alles in sich schloß, 
was die Sinne befriedigen konnten. Es gab dort Bäume und 
Früchte, die für Auge und Gaumen gleich angenehm waren. Die 
Wünsche des einen wie des anderen, ja aller Sinne und Fähigkeiten des Menschen, konnten in heiliger Weise befriedigt 
werden, da der Baum der Erkenntnis noch nicht berührt worden 
war. Gott nahm den ersten Platz ein, das Geschöpf wurde nicht 
höher gehalten und mehr verehrt als der Schöpfer. Alle Sinne 
konnten in richtiger Weise ihre Befriedigung finden, da der 
göttliche Pflanzer des Gartens für sie Vorsorge getroffen hatte 
(1. Mo 2, 9). Und mehr als das. Adam empfing aus derselben 
Hand die Herrschaft. Wie Gott in den höheren Welten die 
Sterne bei ihren Namen nannte, so gab Er auf der Erde dem 
Menschen das Recht, den Tieren des Feldes und den Vögeln 
des Himmels Namen zu geben, und machte ihn so zum Herrn 
der Schöpfung. Für sein Auge, sein Ohr, seinen Geschmack und 
sein Verlangen nach Würde und Herrschaft war in göttlicher 
und vollkommenster Weise Vorsorge getroffen. Doch das Herz 
war bis dahin unbefriedigt. Der Tag der Krönung Adams war 
nicht der Tag seiner Heirat. Doch der Herr kannte ihn. Er kannte das Geschöpf, das Er in Seiner Liebe und Vollkommenheit 
gebildet hatte. „Es ist nicht gut", sagt Er, „daß der Mensch 
allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen". Und Adam empfängt Eva aus derselben Hand, die ihm den Garten Eden mit 
seinen Früchten und die Herrschaft über die Erde gegeben hatte. 
Bei dieser Gelegenheit öffnen sich seine Lippen. „Aus der 
Fülle des Herzens redet der Mund". „Diese ist einmal Gebein 
von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleische", sagt 
21 
Adam und drückt dadurch seine volle Befriedigung aus. Jetzt 
brauchte er nichts mehr. Eden mit all seinen Erfrischungen für 
das Auge und den Gaumen, die Herrschaft in ihrer weiten, 
unbegrenzten Ausdehnung, nichts konnte das in ihm bewirken, 
was der Anblick Evas hervorbrachte. Sie entlockte seinen Lippen das Bekenntnis, daß er jetzt befriedigt war. So wird es mit 
uns sein, wenn wir Jesum besitzen und für immerdar in unserem himmlischen Eden sein werden. 
Es ist sehr gesegnet, diese und ähnliche durch das Wort hin 
zerstreuten Nachrichten über den Himmel einer eingehenden 
Betrachtung zu unterwerfen. Der Heilige Geist, der das Unterpfand unseres Erbes genannt wird, macht diese Mitteilungen 
lebendig für unsere Seelen. Und gerade diese Nachrichten und 
Bemerkungen sind es, die uns in einem göttlichen Sinn zu 
Fremdlingen und Pilgern hienieden machen. Abraham wurde 
nicht deshalb ein Fremdling auf der Erde, weil er in Mesopotamien Not und Elend fand, — wir lesen nichts davon —, sondern weil der Gott der Herrlichkeit in der Sprache der „Verheißung" zu ihm geredet hatte. Er verließ seine Heimat, seine 
Verwandtschaft und das Haus seines Vaters im Blick auf das, 
was vor ihm stand, aber er wurde nicht ausgetrieben durch das, 
was hinter ihm lag. Es war eine göttliche Fremdlingschaft hienieden. 
Steht es auch so in unserer Seele, mein lieber christlicher 
Leser, oder wünschen wir, daß es so sein möchte? Betrachten 
wir stets die vor uns liegende, herrliche Aussicht und suchen 
wir die verschiedenen Andeutungen, die uns in betreff ihrer 
gemacht worden 9ind, zu erforschen? Das sind Fragen, die 
unsere Seelen beleben und leiten sollten. Eine aufrichtige Prüfung wird vielleicht Demütigung und Selbstgericht in uns hervorrufen, aber sie wird außerordentlich heilsam sein. 
Um uns gleichsam eine völlige Herzensfreudigkeit zum Genuß des Himmels, der einst unser Teil sein wird, zu geben, 
hat der Herr uns belehrt, daß wir dort in gewissem Sinne notwendig sind, so unwichtig wir in unseren eigenen Augen auch 
sein mögen. Ein jeder soll, wie wir schon oben bemerkten, ein 
Gefäß der Herrlichkeit sein. Das eine Gefäß mag mehr enthalten als das andere/
 aber ein jedes hat die Fülle und ist not22 
wendig in jenem Hause der Herrlichkeit. Unsere Gedanken sind 
gewöhnlich damit beschäftigt, wie notwendig der Herr für uns 
ist. Aber es ist ebenso wahr — zum Preise der Reichtümer der 
Gnade — daß wir notwendig sind für Ihn. „Das Weib ist des 
Mannes Herrlichkeit". Sicherlich sind wir unwichtig, wenn es 
sich um Leben und Errettung handelt, — Er ist notwendig für 
das Leben, wie für die Freude, für die Errettung, wie für die 
Herrlichkeit; aber wir sind erforderlich, wenn Seine Freude und 
Herrlichkeit infrage kommt. 
Gott trug Sorge für die Freude Adams, als Er beschloß, die 
Eva zu bilden. Sicher war Adam für Eva ein Gegenstand der 
reinsten und vollkommensten Freude; aber dennoch war es die 
Absicht Gottes, daß Adam in Eva sein Glück finden sollte. Soist es auch in der Jetztzeit, dem Zeitalter des Evangeliums. Für 
den wahren Adam wird jetzt Sorge getragen. „Das Reich der 
Himmel ist einem Könige gleich geworden, der seinem Sohne 
Hochzeit machte". Ebenso wird es in dem Zeitalter der Herrlichkeit sein. Die Hochzeit, die dort gefeiert wird, wird „die 
Hochzeit des Lammes" genannt, nicht „die Hochzeit der Kirche 
oder des Weibes des Lammes", sondern des Lammes, als wenn 
dieses der einzige Hauptteilhaber jener Freude wäre. Und so ist 
es auch. Die Versammlung wird ihre Freude an Christo haben, 
aber Christus wird eine noch größere Freude an der Versammlung haben. Für alle Ewigkeit wird Seine erlöste Braut der 
Gegenstand Seiner höchsten Wonne sein. Wie in allen Dingen, 
so muß Er auch hierin den Vorrang haben. Seine Freude an 
ihr wird größer sein, als ihre Freude an Ihm. 
Und alle zuvorerkannten, himmlischen Gläubigen (keiner 
darf fehlen) werden die Eva jenes Adam bilden und die Braut 
oder das Weib darstellen, das bestimmt ist, die Freude und 
Herrlichkeit des Mannes zu sein. Alle sind jetzt wohl zusammengefügt und verbunden durch jegliches Gelenk der Darreichung", und ebenso werden auch dann alle erforderlich sein. 
Wie köstlich ist es, daß der Herr nicht allein den Himmel, sondern auch das Herz in einer Weise zubereitet, daß wir den 
Himmel mit völliger Freudigkeit genießen können, indem wir 
sehen, daß wir selbst einen notwendigen Teil der Herrlichkeit 
bilden. So tröstete einst Joseph seine Brüder, indem er ihnen 
sagte, daß Gott ihn vor ihnen her nach Ägypten gesandt habe, 
23 
um sie am Leben zu erhalten. Es ist wahr, ihre verbrecherischen 
Hände hatten es getan, aber zugleich war es geschehen nach 
den Absichten und Ratschlüssen Gottes, und hierauf wollte er 
ihre Gedanken richten. So handelt die Liebe, und „Gott ist 
Liebe". Die Liebe wird nicht nur das Fest bereiten, sondern 
auch alles tun, was in ihrer Macht steht, damit das Fest mit 
allem Vertrauen und aller Herzensfreude genossen werden 
kann. Sie stellt nicht nur einen Tisch auf, sondern bereitet auch 
Sitze für die Gäste, setzt ihnen einen gefüllten Teller vor und 
gibt ihnen Freudigkeit zu essen. 
Können wir an diese Dinge, die bald, und dann für immer 
und ewig, unser Teil sein werden, denken und uns selbst glücklich schätzen, daß es so ist? Können wir beim Gedanken an 
unsere im Himmel aufgespeicherten Schätze den Spott der 
Welt ertragen? Leben wir in der Hoffnung auf diese himmlische 
Freude, getrennt von der Erde und ihren Angeboten? 
Doch auch in bezug auf die Erde gibt es große Ratschlüsse 
und Vorsätze Gottes, die ihrer Erfüllung noch harren. Der 
Regenbogen wurde einst, wie wir wissen, als Unterpfand hierfür dem Menschen gegeben. Er ist das Zeichen eines Bundes 
zwischen Gott und der ganzen Erde, sowie einer jeden lebendigen Seele auf ihr. Der Herr sagt, daß, wenn die Wolke 
kommt, der Bogen bei ihr sein wird, wenn der Vorbote des 
Gerichts naht, das Zeichen des Friedens erscheinen wird. Und 
bis zum heutigen Tage ist die Erde nicht wieder zerstört worden. Sie mag nicht mehr der Wohnplatz der Herrlichkeit sein, 
wie sie es einst war und später wieder sein wird, aber doch ist 
sie, nach der Verheißung des Regenbogens, bis zum gegenwärtigen Augenblick bewahrt geblieben. Und die Schrift belehrt uns sorgfältig und genau, daß Gott in all den verschiedenen Wegen Seiner Regierung und Handlungsweise dieser Verheißung gedacht hat, ihrer heute noch gedenkt und auch in der 
Zukunft gedenken wird. 
Sicherlich wurde ihrer gedacht, solange der Herr Seinen 
Thron in Zion hatte. Diese ganze Zeit hindurch war die Erde 
die Wohnstätte Gottes. Und als der Thron des Herrn Zion verließ und das Allerheiligste die Herrlichkeit verlor, weil das 
irdische Volk durch seine Sünden seine Ruhe gestört hatte, und 
24 
als alles in den Himmel zurückkehrte (Hes i—9), sehen wir den 
Thron und die Herrlichkeit den Regenbogen mit sich nehmen. 
Das heißt: obgleich die Erde damals der Herrlichkeit beraubt 
wurde, obgleich Jerusalem, der Thron des Herrn, für eine Zeitlang in Trümmer gelegt und von den Nationen unter die 
Füße getreten wurde, wollte der Herr doch der Erde eingedenk 
bleiben und sie, nach Seiner Verheißung, zum Gegenstand Seiner treuen Sorgfalt machen. Wir sehen, daß die Herrlichkeit, 
indem sie die Erde verläßt, das Erinnerungszeichen der treuen 
Sorgfalt Gottes mitnimmt; der Regenbogen begleitet sie zum 
Himmel. Dies sagt uns, daß der Herr, obgleich Er die Erde als 
den Schauplatz Seiner Macht und Seines Lobes verlassen haben 
mag, sich ihrer dennoch stets erinnert. In Übereinstimmung 
hiermit sehen wir in Offb 4, wo der Himmel sich vor unseren 
Blicken öffnet, den Thron umgeben von dem Regenbogen, dem 
untrüglichen Zeichen des Bundes Gottes mit der Erde. Wie köstlich ist dieses! Der Herr ist in den Himmeln immer noch eingedenk der Erde. Er hat Seinen Thron in der Höhe gerade mit 
dem Unterpfande ihrer Sicherheit umgeben, so daß, obgleich 
die Erde diesen Thron nicht sieht und sie nicht mehr sein Standort ist, der Thron die Erde sieht, sich ihrer erinnert und gleichsam nach seinem naturgemäßen Schemel verlangt. 
Dies zeigt uns die Sicherheit der Erde während der ganzen 
Zeit der himmlischen Verwaltung, in der wir uns jetzt befinden. 
Der Herr sammelt Sich jetzt ein Volk für den Himmel. Er erfüllt jetzt noch nicht die Erde mit Seiner Herrlichkeit, sondern 
Er sammelt Sich auf ihr eine auserwählte Familie, die Gemeinschaft mit Ihm haben soll in den Himmeln; aber dennoch gedenkt Er Seiner Verheißung. Er sieht den Bogen an und bewahrt die Erde, — Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und 
Winter, Tag und Nacht, alles läßt Er in seinem regelmäßigen 
Wechsel wiederkehren (1. Mo 8, 22). Wie einfach ist dies alles! 
Als der Thron zuerst seinen Weg von der Erde zum Himmel 
zurücknahm, wurde er begleitet von dem Regenbogen, und 
jetzt sehen wir ihn in den Himmeln umgeben von diesem lieblichen und schönen Zeichen der Segnung der Erde. 
Doch dies ist nicht alles. Selbst dann, wenn der Herr dereinst 
Seine gerechten Gerichte über diese Erde kommen lassen wird, 
finden wir Ihn ebenso eingedenk Seiner Verheißung, sie nicht 
25 
zu zerstören, wie Er es jetzt ist und bis heute war. Wir sehen 
dies in Offb 10. Der starke Engel, der Engel des Gerichts, 
kommt hernieder. Er ist bekleidet mit einer Wolke, dem schreck -
lichen Gefäß des Zornes und Zeichen des Gerichts. Doch er ist 
nicht nur angetan mit der Wolke, sondern auch der Regenbogen 
begleitet ihn, „bekleidet mit einer Wolke, und ein Regenbogen 
auf seinem Haupte". Gott will uns ohne Zweifel hierdurch 
sagen, daß Er bis zum Ende hin Sich an Sein Wort erinnern 
wird. Das Gericht wird nur bis zu einer bestimmten Grenze 
gehen können; aber dann wird Gott sagen: „Bis hierher und 
nicht weiter!" Die Wolke muß allerdings herniederkommen, 
das Gericht muß ausgeübt und die Zornschalen müssen ausgegossen werden, aber nur um die zu richten, welche die Erde 
zerstören oder verderben, nicht um die Erde selbst zu zerstören. 
Der starke Engel ist bekleidet mit einer Wolke, und ein Regenbogen ist auf seinem Haupt; die Wolke schüttet ihre Wasser, 
ihre Gerichte, aus, steht aber, sozusagen, unter der Leitung und 
Kontrolle des Regenbogens. Der gegenwärtige Zeitlauf mag 
verschwinden, wie es in den Tagen Noahs geschah, aber der 
Bogen strahlt vor dem Auge des Herrn, Seine Verheißung lebt 
in Seinem Herzen, und die Erde wird der glückliche Schauplatz 
ihrer reichen Erfüllung sein. 
Wir sehen also, daß selbst das Gericht nicht imstande ist, die 
alte, der Erde gemachte Verheißung anzutasten. Sie wird geliebt um Noahs willen, von welchem es hieß: „Dieser wird uns 
trösten über unser Tun und über die Mühsal unserer Hände 
wegen des Erdbodens, den Jehova verflucht hat" (1. Mo 5, 29); 
oder besser gesagt, um des gepriesenen Herrn willen, den Noah 
vorbildlich darstellte. Um Seinetwillen überlebt sie das Gericht, 
— sie hält die schreckliche Erschütterung aus, die durch die Herniederkunft des starken Engels hervorgerufen wird, obgleich 
dieser mit einer Wolke bekleidet ist und seinen rechten Fuß auf 
das Meer und den linken auf die Erde stellt und mit starker 
Stimme ruft, wie ein Löwe brüllt. 
Doch wofür wird die Erde aufbewahrt? Für viel mehr, als 
der Regenbogen ihr verheißt. So handelt Gott immer. Er hält 
Seine Verheißungen aufrecht und ist überströmend in Seiner 
Treue, indem Er weit über das hinausgeht, was Er versprochen 
hat. So ist es auch der Fall mit der Erde. Sie wird nicht nur aufbewahrt im Verein mit ihrer Saat und Ernte, Tag und Nacht 
26 
usw., sondern sie wird gebracht werden „zu der Freiheit der 
Herrlichkeit der Kinder Gottes". Das ist mehr, als ihr verheißen 
worden ist. Die heilige Stadt kommt aus dem Himmel hernieder, um ihre Verbindung mit der Erde einzugehen; und indem sie über ihr leuchtet, entsendet sie aus ihrem Schoß die 
Blätter des Baumes des Lebens, die Ströme ihres lebendigen 
Wassers und die Strahlen der in ihr wohnenden Herrlichkeit, 
um die Erde und alles, was auf ihr ist, zu verschönern, zu erfrischen und fruchtbar zu machen (Offb 21; 22). Der Regenbogen braucht dann nicht mehr zu erscheinen, denn die Wolke 
ist nicht mehr da. So lange diese da war, befand sich der Regenbogen an seinem Platze, da die Verheißung und das Unterpfand 
Trost verleihen konnten inmitten des Gerichts. Jetzt aber ist 
das Gericht vorüber, die Wolke ist zerstreut und deshalb der 
Regenbogen verschwunden. Doch, wie schon bemerkt, die heilige Stadt kommt von Gott aus dem Himmel hernieder, um 
mehr, unendlich mehr zu tun, als bloß das göttliche Unterpfand 
einzulösen. Sie bewahrt nicht nur die Schöpfung, sondern verherrlicht sie. Alles wird sich dann in der Gegenwart des Herrn 
freuen, wenn Er kommt, um die Herrschaft über die Erde anzutreten. 
Es würde uns hier zu weit führen, wenn wir von all den Vorbildern und Prophezeiungen reden wollten, die sich auf die 
Segnung der Erde in den Tagen des Königreiches beziehen. 
Die Bäume und Felder und Gewässer werden jubeln vor dem 
Herrn. Die Schöpfung selbst wird freigemacht sein zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Der 8. Psalm im Verein mit 
manchen anderen Stellen kündigt dies an. Die Stimme aller 
Kreatur, die auf der Erde und unter der Erde und auf dem 
Meere ist, die von dem Propheten in seinem Gesicht gehört 
Wird, sagt es vorher (Offb 5). Und wenn der verheißene Tag 
kommt, wird es sich verwirklichen; dann „wird die Wüste und 
das dürre Land sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und 
aufblühen wie eine Narzisse"; „der Wolf wird bei dem Lamme 
weilen und der Pardel bei dem Böcklein lagern"; „der Himmel 
wird die Erde erhören, und die Erde wird erhören das Korn 
und den Most und das öl " (Jes 35; 11; Hos 2). 
Auch die Nationen werden, wie wir wissen, ihren Platz in 
dem kommenden System der Herrlichkeit haben. Sie werden 
ihre Schwerter in Pflugscharen verwandeln, und anstatt den 
27 
Krieg zu erlernen, werden sie die Wege Jehovas erforschen und 
in Seinen Pfaden wandeln. Zur bestimmten Zeit werden sie, 
ein jeder mit seinem Opfer, auf den König in Zion warten und 
ihre Freudenfeste in der Gegenwart Seiner Größe und Herrlichkeit feiern. Von den äußersten Enden der Erde wird man 
dem Gerechten Lieder singen, und mit willigem Herzen werden 
alle Völker der Aufforderung des Propheten nachkommen: 
„Singet Jehova ein neues Lied, seinen Ruhm vom Ende der 
Erde: die ihr das Meer befahret, und alles, was es erfüllt, ihr 
Inseln und ihre Bewohner! Es mögen ihre Stimme erheben die 
Steppe und ihre Städte, die Dörfer, die Kedar bewohnt; jubeln 
mögen die Bewohner von Sela, jauchzen vom Gipfel der Berge 
her! Man möge Jehova Ehre geben und seinen Ruhm verkündigen auf den Inseln" (Jes 42, 10—12)! 
Israel wird dann sicher wohnen — „ein jeder unter seinem 
Weinstock und unter seinem Feigenbaum". Sie werden alle vereinigt sein. Sie werden jedermann ihren Nachbar nennen. 
„Ephraim wird Juda nicht beneiden, und Juda wird Ephraim 
nicht bedrängen" (Jes 11, 13). Die beiden geheimnisvollen 
Hölzer in der Hand des Propheten werden zu einem werden 
(Hes 37). Sie werden „eine Nation sein im Lande, auf den Bergen Israels". Und so wie in den Tagen Salomos, wird auch dann 
gesagt werden: „Juda und Israel waren zahlreich, wie der Sand, 
der am Meere ist, an Menge; sie aßen und tranken und waren 
fröhlich" (1. Kön 4, 20). Doch ihre Fröhlichkeit wird dann eine 
heilige Fröhlichkeit sein. „Das Gedächtnis deiner großen Güte 
werden sie hervorströmen lassen und deine Gerechtigkeit 
jubelnd preisen. Sie werden sprechen von der Herrlichkeit 
deines Reiches, und von deiner Macht werden sie reden" (Ps 
145, 7. 11). Unter dem Gott ihrer Väter, dem Gott ihres Bundes, wird Israel reichlich gesegnet werden. Denn so spricht der 
Herr Gott: „Und sie werden wohnen in dem Lande, das ich 
meinem Knecht Jakob gegeben, worin eure Väter gewohnt 
haben, und sie werden darin wohnen, sie und ihre Kinder und 
ihre Kindeskinder, bis in Ewigkeit; und mein Knecht David 
wird ihr Fürst sein ewiglich. Und ich werde einen Bund des 
Friedens mit ihnen machen, ein ewiger Bund des Friedens wird 
es mit ihnen sein; und ich werde sie einsetzen und sie vermehren, und werde mein Heiligtum in ihre Mitte setzen ewiglich. 
Und meine Wohnung wird über ihnen sein, und ich werde ihr 
28 
Gott, und sie werden mein Volk sein. Und die Nationen werden 
wissen, daß ich Jehova bin, der Israel heiligt, wenn mein Heiligtum in ihrer Mitte sein wird ewiglich" (Hes 37, 25—28). 
Alle diese Stellen reden von den tausendjährigen Freuden auf 
der Erde. In diesem System der Herrlichkeit gibt es jedoch außer 
der Schöpfung, den Nationen und Israel noch einen Gegenstand, der sich inmitten dieser Freuden durch seinen besonderen Glanz auszeichnet. Ich meine Jerusalem. Ich habe mich 
früher schon oft gefragt, woher es wohl komme, daß in der 
Schrift auf Jerusalem ein so hoher Wert gelegt werde, daß der 
Herr „die Tore Zions mehr liebe, als alle Wohnungen Jakobs" 
(Ps 87, 2). 
Es war der Ort, wo Er als der Gott und der König Israels 
gegenwärtig war. Sein Haus und Sein Heiligtum waren in Jerusalem. Dort wurden Seine Gesetze verwaltet und die Verordnungen Seiner Anbetung beobachtet. Die Throne des Gerichts, 
die Throne des Hauses Davids, die Verordnung für Israel, der 
Dienst der Anbetung des Namens Jehovas — alles das befand 
sich in dieser Stadt (Ps 122). Es war der Ort, von dem Jehova 
gesagt hatte: „Mein Name soll daselbst sein", die Wohnstätte 
der Herrlichkeit, des Symbols Seiner Gegenwart. 
Und mehr noch als das. Es war Seine Heimat. Das ganze 
Land war das Eigentum Jehovas, aber Jerusalem war sozusagen 
die Familienwohnung. Die Kinder wohnten hin und her zerstreut in den einzelnen Teilen des Landes, aber sie kamen von 
Zeit zu Zeit, an bestimmten Festtagen, in der gemeinschaftlichen Heimat, in dem Hause des Vaters, zusammen. Dies war 
es, wie ich nicht zweifle, was die Stadt für das Auge und das 
Herz des Herrn so besonders anziehend machte. Er suchte und 
fand eine Heimat in Jerusalem, und Er verließ sie, als die 
Sünde sie beschmutzt hatte, mit dem ganzen Zögern einer in 
ihren Erwartungen getäuschten Liebe (Hes 8—11). 
Jerusalem war das Haus des Vaters, das Haus des Königs 
und der Tempel des Gottes Israels. Und dies ist mehr als genug, 
um uns ihre hohe Auszeichnung zu erklären. Und das alles wird 
sie einmal wieder sein. Sie wird wieder das Haus, den Tempel 
und die Familienwohnung bilden. Sie wird der Sitz der Gesetzgebung, der Anbetung, des Gerichts und der Regierung sein. 
29 
Von ihr werden die lebendigen Wasser ausfließen, um sie in 
jenen zukünftigen Tagen zu der geheimnisvollen Mutter der 
ganzen Familie zu machen (Ps 8y). Die Herrlichkeit der Himmel 
wird über ihr scheinen und für sie den Dienst der Sonne und 
des Mondes versehen; sie selbst wird erhöht werden, um sich 
des vollen Lichtes dieser Herrlichkeit erfreuen und unter ihr 
wohnen zu können (Jes 4, 5; 60, 1; Sach 14, 10). 
Sie wird die Braut des Herrn der Erde sein, die Königin an 
dem Tage Seiner Macht. Er wird über sie frohlocken und sie bekleiden mit dem herrlichsten Schmuck; die ganze Welt wird 
sie ehren und pflegen müssen, und alle Schmach, die ihr zugefügt wird, wird Er betrachten, als ob sie Ihm Selbst angetan 
wäre (Ps 45; Jes 60; Jer 33; Zeph 3). Dies alles ist wohl Smstande, uns den Platz zu erklären, den sie in den Gedanken des 
Geistes einnimmt. Seine Propheten, welche redeten, getrieben 
durch Ihn, bezeichnen sie wieder und wieder als die Braut, die 
Königin und die Mutter in jenen Tagen zukünftiger Herrlichkeit. Doch was sollen wir sagen von Ihm, Der sie so mit aller 
Schönheit und Würde bekleidet und sie in solche Beziehungen 
zu Sich Selbst gestellt hat? Ist es nicht wunderbar und beglükkend, den Kreis menschlicher Zuneigungen in dem Herzen 
Gottes zu entdecken? Ist Freundschaft nur menschlich? Wie 
könnte ich das sagen, wenn ich Jesum und die Jünger betrachte, 
in deren Gesellschaft Er so gerne verweilte? Sind verwandtschaftliche Zuneigungen nur menschlich? Wie könnte ich dies 
behaupten, wenn ich an das Verhältnis zwischen Christo und 
der Kirche denke, von dem unzählige Schriftstellen Zeugnis 
geben? Ist die innige Freude des Herzens an der Heimat ebenso 
sehr eine göttliche wie eine menschliche Freude? Wie könnte ich 
daran zweifeln, wenn ich den Herrn und Jerusalem betrachte? 
Sicherlich, das Herz Gottes ist der Wohnsitz aller reinen und 
richtigen Gefühle des Herzens; der „Mensch Jesus Christus" 
offenbart uns dieses. 
Das also ist der Zustand Jerusalems, der Erde, der Nationen 
und des Volkes Israel in den verheißenen Tagen der Gegenwart 
und Macht des Herrn. Die ganze Schrift zeigt uns, daß solche 
Freuden nicht genossen werden können auf der Erde in ihrem 
gegenwärtigen Zustand. Sie können nicht eher eintreten, bis die 
Erde zu einem Schauplatz der Gerechtigkeit gemacht ist, mit 
30 
anderen Worten, bis der Herr sie von allem gereinigt hat, was 
Ihm widersteht und Ungerechtigkeit wirkt. Das Schwert des 
Gerichts muß dem Thron der Herrlichkeit vorausgehen. Die 
Erde muß von ihrem Verderben befreit sein, ehe sie wieder ein 
Garten heiliger, göttlicher Wonne werden kann. 
Das Evangelium bringt nicht eine glückliche Welt hervor, 
noch erzeugt es einen Garten Eden. Sein Zweck ist ein ganz 
anderer; es sammelt aus der Welt ein Volk, und zwar ein himmlisches Volk für Christum. Doch die Gegenwart des Herrn wird 
dereinst, wenn diese Gegenwart in rechtmäßiger Weise zu ihr 
zurückkehren kann, eine glückliche Welt hervorbringen. Der 
Schluß des Buches der Psalmen zeigt uns dies. Herrlicher Schluß! 
Alles ist Preis und Dank; unermüdlich geben die Lippen der 
überströmenden Freude des Herzens Ausdruck und erkennen 
die ungeteilte Herrlichkeit des gepriesenen Herrn an. Doch 
diesem allem gingen die Leiden des Gerechten in einer bösen 
Welt und das darauf folgende Gericht dieser Welt voraus. Denn 
das Buch der Psalmen enthält das Schreien des Gerechten in 
einer bösen Welt, die Freuden des Geistes inmitten dieses 
Bösen, die mannigfaltigen Übungen der Seele auf dem Wege 
und endlich das Ende des Gerechten in der Freude des Lobes. 
Dies alles bewahrt uns vor dem Gedanken, daß Freude auf der 
Erde sein wird, bevor das Gericht sie gereinigt hat. — Die Ruhe 
muß durch das Schwert Davids für Salomo bereitet werden. 
Verstehen wir dies, dann werden wir vor Enttäuschungen bewahrt bleiben und zugleich für diese Welt und in ihr keine Ruhe 
und Beständigkeit erwarten, bevor der Herr das Gericht ausgeübt hat. Unsere Freude besteht jetzt in Ihm, im Geiste, im 
Gedanken an Seine Liebe und im Genuß Seines Friedens, indem 
wir Tag für Tag, in der Hoffnung auf die zukünftige vollkommene und rechtmäßige Freude mit Ihm unseren Weg fortsetzen. 
Es ist eine sehr ernste Wahrheit, daß Gott dem Menschen 
Zeit und Raum läßt, seine Ungerechtigkeit zur völligen Reife zu 
bringen, damit das Gericht über ihn komme, wenn sein Stolz 
den höchsten Gipfelpunkt erreicht hat, und damit es das System, das er aufzurichten bestrebt ist, gerade dann vernichte, 
wenn es seiner Vollendung nahe scheint. Dies ist sicherlich eine 
feierliche Wahrheit. Aber selbst hierin ist, wie in allen Ratschlüssen und Wegen Gottes, „die Weisheit gerechtfertigt von 
31 
ihren Kindern". Der Gläubige mag vielleicht bestürzt sein, 
wenn er diese Handlungsweise Gottes mit dem Menschen sieht, 
aber er billigt sie und versteht, daß es ganz richtig ist, wenn 
dem Menschen erlaubt wird, die völlig gereifte Frucht seiner 
Abweichung von Gott hervorzubringen, um dann in dem 
schließlichen Gericht Gottes die gerechte Antwort auf seinen 
Stolz und Abfall zu empfangen. Das Maß der Gottlosigkeit der 
Amoriter mußte voll sein, ehe das gerechte Gericht sie ereilte. 
Der Herr trug Babylon so lange mit Geduld, bis das Geschrei 
von ihr zu Ihm emporstieg. Nebukadnezar wurde erst dann 
seiner hohen Stellung und Würde beraubt, als er sich rühmte, 
die große Babel „durch die Stärke seiner Macht und zur Ehre 
seiner Herrlichkeit" erbaut zu haben. Der große König des Nordens in den letzten Tagen wird erst dann zu seinem Ende kommen, wenn er „die Zelte seines Palastes aufschlagen wird 
zwischen den Meeren und dem Berge der heiligen Zierde" 
(Dan 4; 11). Dies ist ernst, aber es findet die Rechtfertigung der 
Weisheit und die völlige Billigung des Glaubens. Gott ist gerechtfertigt in Seinen Worten und überwindet, wenn Er gerichtet wird (Röm 3, 4). 
Doch genug. Ich will diese Gedanken nicht weiter verfolgen. 
Jedoch es ist in diesen Tagen, wo so viel Verschiedenheit in der 
Denk- und Urteilsweise unter den Gläubigen besteht, wo die 
Finsternis und Verwirrung immer mehr zunimmt, köstlich für 
das Herz, sich mit Gegenständen zu beschäftigen, die alle interessieren und erfreuen, und das Auge zu richten auf jene Regionen, wo Licht und Reinheit herrschen, und wo Gott alies, 
sowohl die Dinge in den Himmeln als auch die Dinge auf der 
Erde, in Christo vereinigen wird, — auf jene Regionen, wo alles 
den Charakter inniger, vertrauter Nähe tragen wird, während 
zu gleicher Zeit die Beziehungen zwischen dem Schöpfer und 
dem Geschöpf, zwischen Dem, Der heiligt, und denen, die geheiligt sind, völlig aufrechtgehalten und anerkannt werden. In 
vielen herrlichen Stellen des Wortes Gottes wird uns dies klar 
vorgestellt. Der Herr wohnte inmitten des Lagers Israels, solange das Volk ruhte, und ging mit, wenn es seine Reise fortsetzte, sowohl bei Tage als bei der Nacht, sowohl wenn es vorwärts zog als, auch wenn es zum Berge Sinai oder zum Roten 
Meer zurückkehrte. Aber dennoch war Er Goff, der Herr des 
Lagers. 
32 
Wie spricht dies alles zu unserem Herzen! Wir beugen uns 
davor. Wir freuen uns, zu wissen, daß Er in einem Lichte wohnt, 
dem sich kein Mensch nahen kann, und daß Er zugleich gewandelt hat auf dieser Erde durch Städte und Dörfer, daß Er 
der Eine ist, Den niemand je gesehen hat, noch sehen kann, 
und daß Er uns zugleich kundgemacht worden ist durch den 
eingeborenen Sohn, der in des Vaters Schoß ist. Seine unumschränkte Autorität als Herr sowie Seine Heiligkeit und Unnahbarkeit als Gott sind unendlich; und dennoch ist Er „als Haupt 
über alles der Versammlung" gegeben. 
Ich schließe hiermit diese Betrachtung; doch ich frage meine 
Leser und frage mich: Ist Er der Gegenstand unserer Herzen? 
Das Herz weiß wohl, welche Macht und welchen Einfluß der 
Gegenstand, der vor ihm steht, ausübt. Machen wir Jesum zu 
dem Gegenstand unserer Herzen? Ist ein Gefühl des Heimwehs 
in unseren Herzen? Hoffen wir von Tag zu Tag, Ihn zu 
schauen? Und sind wir fähig zu sagen: „Schafft er Ruhe, wer 
will beunruhigen" (Hi 34, 29)? 
Möchte der Heilige Geist diese Gefühle und diese Zuneigungen mehr und mehr in unser aller Herzen wecken! Dem aber, 
„der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in 
seinem Blute und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu 
Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und 
die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen". 
Das Gewissen 
Die Tiere haben mit dem Menschen ein gewisses Verständnis gemein, aber sie besitzen nicht das, was den Menschen unter 
Verantwortlichkeit stellt. Der Mensch, und nur der Mensch, hat 
unter allen Geschöpfen auf der Erde ein Gewissen. Wohl erlangen manche Tiere nach und nach ein Bewußtsein, daß gewisse Handlungen ihnen die Gunst ihres Herrn erwerben, 
während andere Strafe von seiner Hand nach sich ziehen: wohl 
können manche Geschöpfe dazu gebracht werden, ihren Herren 
zu gehorchen. Man kann diese Gefühle der Tiere und das Gewissen des Menschen jedoch nicht auf die gleiche Stufe stellen. 
33 
Mittels eines Stockes kann man einer grasenden Kuh beibringe^ daß sie das grüne Futter, das jenseits der Hecke wächst, 
nicht nehmen darf, obwohl ihre Zunge es gerne haben möchte 
und auch haben könnte. Die Erinnerung an den Stock, den sie 
mehrmals gefühlt hat, weil sie dem Willen ihres Herrn entgegenhandelte, hat sie gelehrt, ihre Neigung zu beherrschen. 
Allein eine solche Erinnerung ist nicht Gewissen. Ein Papagei 
lernt das Wort „Rute" fürchten, weil damit ein Schlag mit der 
Rute in seiner Erinnerung zusammenhängt; er wird darum aufhören zu schreien, sobald man ihm mit der „Rute" droht. Aber 
ich wiederhole es, das Verständnis des Geschöpfes ist nicht das 
Gewissen. Das Gewissen ist im Menschen, und für den, der 
weiß, daß er ein Sünder ist, ist es etwas Schreckliches. Es streitet 
im Innern des Menschen wider seine Lüste und Begierden und 
verdirbt ihm den Genuß der Sünde. Es macht den Menschen, 
der die Befriedigung seiner sündlichen Begierden sucht und findet, elend, und nötigt ihn, seine Vergehen zu bekennen. 
Wir leugnen nicht, daß sich der Mensch verhärten und trotz 
seines Gewissens einem Tier gleich werden kann, indem er das 
Böse nur wegen der Folgen fürchtet, so daß er gegen jeden 
guten Einfluß unempfindsam wird und die menschliche Gesellschaft schließlich genötigt ist, ihn von sich auszuschließen. 
Was ist aber das Gewissen? Es ist nicht der Wille im Menschen, denn mit diesem steht es oft im Widerspruch. Es ist 
auch nicht der Verstand, denn wenn dieser den Menschen überzeugen will, eine gewisse Handlung bringe ihm Schaden oder 
Nutzen, so ruft ihm das Gewissen zu, er solle das Rechte tun, 
es koste, was es wolle. Das Gewissen ist der moralische Sinn 
des Richtigen und des Falschen, der dem Menschen eigen ist; 
mit einem Wort, es bildet ebenso wie der Verstand und der 
eigene Wille einen Teil seines gegenwärtigen Daseins. Wir 
könnten sagen, das Gewissen sei das Auge des moralischen 
Wesens des Menschen, oder eine Stimme in seinem Innern, die 
•in betreff des Guten und Bösen mit Autorität zu ihm redet. 
E>as Gewissen ist nicht eine Fähigkeit im Menschen, die ihn 
in den Stand setzt, in absoluter Weise zu wissen, was böse und 
was gut ist, sondern es wendet sich an den Menschen nach den 
Vorschriften des Gesetzes, das er kennt. Das Gewissen hat 
34 
nötig, unterwiesen zu werden, es unterweist nicht. Und je nach 
dem Maße der Treue, womit es unterwiesen worden ist, sind 
seine Gefühle mehr oder weniger richtig. 
Man sagt häufig: Ich handle nach meinem Gewissen. Aber 
das Gewissen ist nicht der Maßstab des Rechten und Guten. Der 
Heide kann durch sein Gewissen nicht so geleitet werden, wie 
jemand, der die heiligen Schriften kennt. Ebenso redet das Gewissen eines Christen, der im Geiste des Willens seines Vaters 
unterrichtet ist, ganz anders als das Gewissen eines Menschen, 
der bloß den Buchstaben der Schrift kennt. Und selbst unter 
den wahren Christen gibt es einen großen Unterschied in der 
Zartheit und Empfindsamkeit des Gewissens. Das Gewissen 
gleicht einem Fenster, das mehr oder weniger Licht hereinläßt, 
je nachdem es hell oder trübe ist. Die einen befleißigen sich, das 
Fenster rein zu halten, die anderen sind träge darin, und darum 
ist ihr Leib nicht voll Licht. 
Die Verantwortlichkeit des Menschen hängt von der Kenntnis ab, die er vom Guten und Bösen hat. Wenn wir wissen, 
was recht ist, so sind wir verpflichtet, zu gehorchen, und das 
Gewissen wird demgemäß zu uns reden. Die Heiden hatten das 
Buch der Natur vor ihren Augen, „denn das Unsichtbare von 
ihm, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die 
von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut — damit sie ohne Entschuldigung 
seien" (Röm 1, 20). „Denn wenn Nationen, die kein Gesetz 
haben, von Natur die Dinge des Gesetzes ausüben, so sind 
diese, die kein Gesetz haben, sich selbst ein Gesetz, welche das 
Werk des Gesetzes geschrieben zeigen in ihren Herzen, indem 
ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich untereinander 
anklagen oder auch entschuldigen" (Röm 2, 14—15). 
Der bekennende Christ kennt den Charakter, die Heiligkeit 
und die Gerechtigkeit Gottes, und sein Gewissen gibt ihm 
Zeugnis hiervon und verurteilt ihn. Gott hat in Seinem Wort 
einen untrüglichen Maßstab geoffenbart, und das Gewissen des 
Menschen sagt ihm, wie schlecht er ist. Da, wo das Wort Gottes 
gehört worden ist, kann man Gott von dem Gewissen nicht 
mehr trennen. Unser moralischer Instinkt, unser Gefühl vom 
Guten und Bösen gibt dem unsichtbaren Gott Zeugnis. Doch 
35 
wie kam in den Menschen diese Stimme hinein? Als alles gut 
war, ließ sich die Stimme, die den Menschen vor dem Bösen 
warnt, nicht vernehmen. Sie konnte nicht von dem Guten zeugen, da das Böse noch nicht da war. Wenn der Mensch kein 
Sünder wäre, so würde er den heiligen Gott nicht fürchten. Gott 
hatte den Menschen aufrichtig gemacht und ihn auf einen 
Schauplatz des Guten gestellt, wo sich nichts Böses fand; und 
er kannte das Böse in jenen Tagen auch nicht. 
Hatte denn der Mensch vor dem Fall kein Gewissen? Wir 
sagen nicht: er hatte kein Gewissen, in dem Sinne, als ob er 
nicht vollkommen gewesen wäre. Das Gewissen ist an und für 
sich etwas Gutes, aber es wurde auf eine schlechte Weise erlangt. Vor dem Fall war das Gewissen wie die Flügel eines eingepuppten Insektes; der Mensch war noch nicht in den Zustand 
eingetreten, in dem er, wie die Schlange sagte, „sein werde wie 
Gott". Die Unschuld war nicht Vollkommenheit, gleichwie die 
Einfalt nicht Reife ist. Der Mangel der Erkenntnis des Bösen 
ist etwas Angenehmes, deshalb schätzen wir die Einfalt der 
Kinder so hoch. Aber der Unterschied zwischen dem Zustand 
der Unschuld und dem eines Menschen in „wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4, 24) ist groß. 
Als der Mensch erschaffen wurde, fehlte ihm die Kenntnis 
des Bösen, sein Zustand war überaus schön, und er war glücklich. Jetzt hat der Mensch diese Einfalt verloren; er ist reif und 
kennt den Unterschied zwischen dem Guten und Bösen, aber 
er ist ein gefallenes Geschöpf. Er liebt das Böse und kann das 
Gute nicht vollbringen. Wenn wir sagen, daß er gefallen ist, so 
heißt das, daß er von Gott abgefallen ist, aus der Stellung heraus, in die Gott ihn gebracht hatte. Mit dem Fall hat der Mensch 
die Erkenntnis erlangt (1. Mo 3, 22). Es ist nicht zu leugnen, 
daß er Erkenntnis hat; aber mit der Erkenntnis hat er eine 
Natur erworben, die Gott zuwider ist und Ungerechtigkeit liebt. 
Kann man das Fortschritt nennen? 
Vom Christen wird gesagt: „Daß ihr, was den früheren 
Lebenswandel betrifft, abgelegt habt den alten Menschen, der 
nach den betrügerischen Lüsten verdorben wird, aber erneuert 
werdet im Geiste eurer Gesinnung, und angezogen habt den 
neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger 
36 
Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4, 22—24). Das ist nicht die 
wiedererlangte Unschuld, noch eine Rückkehr zum ersten Zustande, sondern Gerechtigkeit und wahre Heiligkeit. In der Tat 
wird der Mensch die Erkenntnis des Guten und Bösen nie verlieren, aber in Christo ist er nicht mehr unter der Macht des 
Bösen. Auch in der Zukunft wird der Gläubige die Erkenntnis 
des Guten und Bösen besitzen, ohne aber je ein Verlangen nach 
dem Bösen zu haben; vielmehr wird er sich des Guten freuen. 
Das wird die Vollkommenheit sein. 
Wie hat der Mensch das Gewissen erlangt? Durch den Ungehorsam. Er hat seine Erkenntnis geraubt, und so sind seine 
Augen geöffnet worden. Der Ungehorsam war der Schlüssel, 
mit dem er die Türen der Welt aufschloß. Eden war nicht die 
Welt, sondern der Garten der Erde. Aber als die Augen des 
Menschen für die unheilbringende Kenntnis des Bösen geöffnet 
wurden, fürchtete er sich und floh von Gott weit hinweg. So 
hat die Welt begonnen, und so geht sie voran. Die Erkenntnis, 
die der Mensch besitzt, verurteilt ihn und wird ihn stets verurteilen. 
Da Adam von Gott aufrichtig erschaffen worden war und bis 
zum Ungehorsam nie eine Idee vom Bösen gehabt hatte, noch 
mit der Sünde irgendwie bekannt war, wie wir es von Jugend 
auf sind, mußte er ein überaus zartes Gewissen haben. Jetzt 
steht der Mensch dem Bösen gegenüber und ist im Bösen gut 
unterwiesen; er lernt es leider von Kindheit an. Es ist ihm ohne 
Erziehung eigen, weil er in Ungerechtigkeit gebildet und in der 
Sünde gezeugt worden ist (Ps 51). Und je mehr er das Gute 
lernt und von Gott unterwiesen wird, um so empfindsamer 
wird er gegen das Böse. 
Jedoch ist es klar, daß das empfindsamste und zarteste Gewissen keine Kraft hat. Wenn im Innern des Menschen ein 
Licht leuchtet, das ihm den geraden Weg zeigt, so ist es wie 
das Licht für die Füße eines Lahmen. „Denn ich weiß, daß in 
mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt; denn das 
Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, 
was recht ist, finde ich nicht" (Röm 7,18). Das Gewissen macht 
den Menschen in sich selbst verächtlich und elend. Jedoch gibt 
es auch Menschen, die nicht „in Christo" sind und dennoch ein 
37 
so gut unterwiesenes Gewissen haben, daß sie manche Christen 
beschämen. Sie würden um keinen Preis eine schlechte Tat ausführen. Viele Menschen können sich dessen rühmen; jedoch 
dürfen wir dies nie mit dem „neuen Leben in Christo" verwechseln. 
Wenn jetzt der Geist Gottes in einem Menschen wirkt, so 
beginnt er mit dem Gewissen. Es ist wahr, daß etliche scheinbar 
mehr in ihrem Herzen bearbeitet werden, andere mehr in 
ihrem Geiste. Jedoch, der Mensch wird durch das Gewissen zu 
Gott gezogen. Bei den Kindern werden gewöhnlich die Neigungen zuerst angeregt; aber bei ihnen ist die Erkenntnis des Guten 
und Bösen vergleichsweise gering, weshalb wir sehen, daß, je 
mehr sie in der Gnade wachsen, ihre Empfindsamkeit gegen 
das Böse zunimmt. Wenn nur das Gemüt und der Geist des 
Menschen angeregt werden, hat er kein solides Fundament in 
sich. Je gründlicher und tiefer die Arbeit des Gewissens ist, 
so viel solider wird auch das Gebäude sein. Die Entfernung 
des Menschen von Gott wurde durch den Ungehorsam bewirkt; 
er verbarg sich vor Gott wegen der Furcht, die sein Gewissen 
in ihm wachrief. Gott beginnt mit dem Menschen da, wo der 
Mensch ihn verlassen hat. Um zu Gott zurückzukehren, muß 
der Mensch dem Evangelium gehorchen. Und durch die Beängstigungen seines ihn verklagenden Gewissens wird er dahin 
gebracht, zu sagen: Ich habe gesündigt. 
In unseren Tagen wird häufig eine Art von Evangelium gepredigt, welches das Gewissen beiseite läßt oder es nur leicht 
berührt. Auf diese Weise gibt es viele falsche, oder wenigstens 
nur schwache Bekehrungen. Man kann keine einzige Stunde 
mit Gott wandeln, wenn das Gewissen nicht aufrichtig vor Ihm 
ist. Dieser Grundsatz ist von dem Christen ebenso wahr, wie 
von dem unbekehrten Menschen. Ein Unbekehrter kann ein 
Namenchrist werden und scheinbar gut wandeln, aber solange er das Wort Gottes, das lebendige und mächtige Wort, 
nicht auf sein Gewissen angewendet hat, kommt er Gott nicht 
näher als Adam, da er sich vor Gott versteckte. Und was den 
Christen betrifft, so kann er, wenn sein Gewissen vor Gott nicht 
aufrichtig ist, keine Gemeinschaft mit Ihm haben. Er hat das 
Leben in Christo, aber weil sein Gewissen nicht aufrichtig vor 
Gott ist, gleicht er einem Menschen, der schläft. 
38 
Das Gewissen des Christen ist die Empfindsamkeit in bezug 
auf das Gute und Böse. Ein Heide hat nicht das Bewußtsein, 
daß Stehlen schlecht ist, und er wird stehlen, wenn er sicher ist, 
nicht ertappt zu werden. So lernt auch ein Affe, das Gestohlene 
zu verbergen. Aber das Gestohlene verbergen, weil man fürchtet, es zurückgeben zu müssen oder bestraft zu werden, ist ganz 
und gar verschieden von dem moralischen Bewußtsein, daß der 
Diebstahl etwas Böses ist. 
Die Lust ist, wie der Herr sagt, der Ausübung des Bösen 
gleich. Und hinsichtlich der Wirkung, die durch das Gesetz auf 
die erweckte Seele ausgeübt wird, steht geschrieben: „Aber die 
Sünde hätte ich nicht erkannt, als nur durch Gesetz. Denn auch 
von der Lust hätte ich nichts gewußt, wenn nicht das Gesetz 
gesagt hätte: Laß dich nicht gelüsten" (Röm 7, 7). 
Je mehr der Gläubige in der Gnade und in der Erkenntnis 
des Herrn wächst, um so schärfer wird sein Gewissen. Seine 
Sünden beängstigen ihn, nicht weil er die Strafe fürchtet, sondern weil er Gott beleidigt hat. Dieses scharfe Gefühl bewirkte, 
daß der Apostel sich Tag und Nacht übte, ein gutes Gewissen 
vor Gott und Menschen zu haben (Apg 24, 16). Bei vielen 
Christen ist leider eine solche Trägheit des Geistes vorhanden — 
das Resultat einer geringen Gemeinschaft mit Gott —, daß sie 
sich nicht üben, ein gutes Gewissen zu haben. Das Blut Christi 
hat unsere Gewissen gereinigt. Wir kennen das Gute und Böse, 
aber wir fürchten uns nicht vor Gott, weil Wir wissen, daß das 
Blut Seines Sohnes die Gerechtigkeit Gottes befriedigt hat. Wir 
fürchten nie einen Menschen, der nichts gegen uns hat, also 
fürchten wir auch Gott nicht, weil Er ganz für uns ist. Er hat 
Seinen Sohn gegeben, und Sein Sohn hat Sein Blut für uns vergossen. Unsere Gewissen, die hinsichtlich des Todes Christi 
durch den Geist Gottes unterrichtet sind, wissen, daß Gott gar 
nichts mehr wider uns hat. 
Ein solches erleuchtetes Gewissen in der Gegenwart unseres 
heiligen und gnädigen Gottes macht uns empfindsam gegen 
jede Art des Bösen. Das Fenster der Seele des Christen hat 
keine Vorhänge, vielmehr verlangt der Christ mit Sehnsucht, 
daß das Licht eindringe, und es ist sein heißer Wunsch, daß das 
Glas des Fensters von jedem Flecken, von jeder Unreinigkeit 
befreit werde. Darin übt er sich. 
39 
Gedanken 
Wir dürfen Gott nie durch unsere Gefühle und unsere Erkenntnis von Ihm messen, sondern durch Sein eigenes Zeugnis, 
das nie trügen kann. Seine Wachsamkeit und Sein Charakter 
sind unsere Sicherheit. Wir haben das Werk Christi und das 
Wort Gottes, auf daß unser Glaube und unsere Hoffnung auf 
Gott sei. Die Seele fürchtet kein Übles; sie ruht in Ihm und 
rechnet auf Seine Allmacht, Allgegenwart, Weisheit und Liebe. 
Der lebendige Gott ist unser Teil. 
Auszug aus einem Briefe von J. N. D. 
. . . Ist es nicht für jedes nachdenkende Gewissen klar, daß 
der Geist der Welt unter uns eingedrungen ist? Wohl gehen 
wir nicht in Gesellschaft, und wenn wir beisammen sind, lesen 
wir die Schrift und erbauen einander, die Zucht wird, wie ich 
voraussetze, mit einer gewissen Treue hinsichtlich alles tatsächlichen und offenbar gewordenen Bösen ausgeübt. Viele, ich 
zweifle nicht daran, haben christlich gewandelt, ja wohl besser 
als ich selbst; aber wenn es sich um den Lauf dieser Welt handelt, müssen wir dann nicht sagen, daß wir in hohem Maße 
deren Gewohnheiten angenommen haben? Nicht, wie gesagt, 
handgreifliche Weltförmigkeit; aber fand sich nicht bei uns 
dieses mit dem Strome schwimmen, dieses Gehenlassen, das den 
Geist Gottes betrübt und demzufolge jede geistliche Energie, 
wie auch das geistliche Verständnis für die Zucht und für den 
Sinn des Herrn in unserem ganzen Wandel abschwächt, das Unvermögen, das zu prüfen, was das Vorzügliche sei, um lauter 
und unanstößig zu sein auf den Tag Christi, erfüllt mit der Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, in allem guten Werke Frucht bringend? Stehen wir 
als solche da, die als ein Eigentumsvolk für Ihn gereinigt sind, 
die nicht sich selbst angehören, sondern um einen Preis erkauft 
sind, als Briefe Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen, die durch Ihn, vor Ihm und für Ihn leben, wie geschrie40 
ben steht: „Christus ist alles und in allen", so daß, was wir 
irgend tun, im Namen des Herrn Jesu geschieht? War Christus 
unser einziger und steter Beweggrund, oder folgten wir den 
gewöhnlichen Beweggründen der Welt? War unser Kaufen und 
Verkaufen, waren unsere Häuser und unsere Kleidung nach 
Grundsätzen eingerichtet, die Christus, wenn Er gegenwärtig 
wäre, billigen würde? Ich möchte sogar fragen: Wandeln wir, 
wie wir einst gewandelt haben? War ein hingebender Dienst 
unter den Armen und Bedürftigen vorhanden? Besuchten wir 
die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal, und erhielten wir uns 
selbst unbefleckt von der Welt? Es steht geschrieben: „Seid 
nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt 
durch die Erneuerung eures Sinnes". Haben wir unsere Leiber 
zu einem lebendigen Schlachtopfer dargestellt, heilig, Gott wohlgefällig, als ein vernünftiger Dienst, prüfend was der gute und 
wohlgefällige Wille Gottes sei, gleichwie Christus Sich Selbst 
geopfert hat bis in den Tod? Welchen Platz hatte und hat Er in 
unseren Herzen? Leben wir für Ihn, Der in Liebe für uns starb? 
Wenn das Zeugnis Gottes hinsichtlich der Wahrheit auch wohl 
vorhanden war, war es die Wahrheit, wie sie in dem Jesus ist, 
daß wir den alten Menschen abgelegt hatten und den neuen 
angezogen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit? . . . 
Wenn unsere Gewissen nicht achtgeben auf Seine Wege, so 
wird, wenn Gott auch lange Zeit große Geduld übt, das Gericht 
folgen müssen. Es ist Ihm ein leichtes, die Anstrengungen und 
die Macht Satans zu zerstören und uns gleichzeitig zu demütigen, aber wer kann vor Seinem Gericht bestehen? Ich richte die 
Frage an mich, und richte sie an euch: Inwiefern können wir 
sagen: „Das Leben ist für mich Christus?" Dies ist jetzt für uns 
alle die ernste Frage. Ich möchte nicht entmutigen, im Gegenteil, 
der Herr hat uns in Seiner großen Barmherzigkeit nicht verlassen, so sehr wir auch gefehlt haben. Er hat sich überaus 
gnädig an uns erwiesen, als wir das Gegenteil hätten erwarten 
können. Wie bald mußte der Apostel sagen: „Alle suchen das 
Ihrige, nicht das was Jesu Christi ist". Er hat Sich voll Barmherzigkeit und Gnade gegen uns gezeigt, und wonach mich jetzt 
verlangt, ist, daß unsere Herzen dieser Gnade gemäß zu Ihm 
sich kehren. „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, laßt uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohl41 
gefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht, denn auch 
unser Gott ist ein verzehrendes Feuer". So handelt Er hier in 
Seiner Regierung, aber dennoch haben wir Freimütigkeit zum 
Eintritt in das Allerheiligste. Möchten unsere Gedanken dort 
gebildet werden und möchten wir dabei nicht vergessen, daß 
Er regiert. 
Der feste Grund Gottes und sein Siegel 
Schon zur Zeit der Apostel hatte der Verfall in der Kirche 
begonnen; das Geheimnis der Gesetzlosigkeit war schon wirksam (2. Thess 2, 7). Verderbenbringende Irrtümer, ungöttliche, 
eitle Geschwätze, welche die Seelen zerstören und den Glauben 
verkehren, fraßen um sich wie ein Krebs. Ach! von jeher haben 
die menschlichen Spekulationen, die nur zur Gottlosigkeit 
führen, die Wahrheit Gottes entstellt und die Kirche auf der 
Erde verdorben. „Doch der feste Grund Gottes steht und hat 
dieses Siegel: Der Herr kennt, die sein sind, und: Jeder, der 
den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit" 
(2. Tim 2, 19)! Der Grund, auf dem die Kirche oder Versammlung errichtet ist, ist unbeweglich; keine Macht, weder im Himmel, noch auf der Erde kann ihn erschüttern. Es ist Christus, 
der Sohn des lebendigen Gottes, der Erbe der Macht des Lebens, 
die durch nichts besiegt oder zerstört werden kann. In der Auferstehung Christi hat sie herrlich triumphiert über den Tod 
und über den, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel. 
Die Auferstehung aus den Toten hat auf das bestimmteste bewiesen, daß Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist, und 
daß die Pforten des Hades, die sozusagen in der Auferstehung 
gesprengt worden sind, nichts gegen Ihn vermochten. Auf 
diesen Grund nun ist die Kirche oder Versammlung gebaut — 
auf Christum, auf die unveränderliche Macht des Lebens in 
Ihm, als auferstanden aus den Toten. Deshalb kann sie auch 
ebensowenig von den Pforten des Hades überwältigt werden. 
Was daher der Mensch auch aus der Kirche auf der Erde gemacht hat, und welche Veränderungen in ihr stattgefunden 
haben mögen, so läßt doch dies alles den festen Grund Gottes 
und das, was darauf gebaut ist, unberührt. Denn wenn die 
42 
Pforten des Hades nichts daran auszurichten vermögen, so vermag es der Mensch noch viel weniger. Wohl konnte die Kirche 
untreu werden, wohl konnten die Christen — nicht mehr eingedenk ihrer Verantwortlichkeit, die Einheit zu bewahren — sich 
in hunderte von Parteien zersplittern, „doch der feste Grund 
Gottes steht" trotz allem. Freilich haben wir uns angesichts 
dieses Verfalls tief zu schämen und zu demütigen und mit 
Daniel, der des traurigen Zustandes Israels gedachte, auszurufen: „Wir haben gesündigt und verkehrt und gesetzlos gehandelt und wir haben uns empört, und sind von deinen Geboten und von deinen Rechten abgewichen. Und wir haben 
nicht auf deine Knechte gehört . . ." (Dan g, 5. 6). Doch wie 
traurig auch, infolge der Untreue des Menschen, der Verfall 
der bekennenden Kirche ist, wie unausbleiblich der Zusammensturz dieses morschen Gebäudes, und wie demütigend dies alles 
für jeden auf richtigen Christen sein mag, so hat der Christ dennoch keine Ursache, ratlos zu sein oder gleichgültig die Hände 
in den Schoß zu legen, oder etwa in unberufener Selbsttätigkeit 
voranzugehen. Wohl aber hat er die Frage an sich zu richten: 
Was habe ich angesichts dieses traurigen Zustandes zu tun? 
In 2. Tim 2, 19 wird er die passende Antwort auf diese Frage 
finden. Nachdem der Apostel erklärt hat, daß der feste Grund 
Gottes steht, zeigt er uns dessen Siegel: „Der Herr kennt, die 
sein sind; und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe 
ab von der Ungerechtigkeit". Dieses Siegel ist ein doppeltes; es 
hat, sozusagen, eine Vorder- und eine Rückseite. Während die 
eine Seite zeigt, daß der Herr als Herzenskündiger die Seinen 
kennt und den Weizen vom Unkraut zu unterscheiden weiß, 
gibt uns die andere Seite das Merkmal, woran wir inmitten des 
allgemeinen Verfalls erkennen sollen, die Sein sind: „Jeder, der 
den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit". Ungerechtigkeit aber ist hier der Inbegriff alles dessen, 
was der Mensch außerhalb der Abhängigkeit von Gott in seinem eigenen Willen tut. Er handelt ungerecht, so oft er seinem 
eigenen Willen folgt, weil dieser, als die Frucht einer rebellischen Natur, nie in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes 
ist. Diese Ungerechtigkeit aber ist um so größer und strafbarer, 
wenn der Wille des Menschen sich in die Dinge Gottes einmischt und den Namen Christi mit dem Bösen, das Heilige mit 
dem Unheiligen zu verbinden 9ucht, wie dies in der bekennen43 
den Kirche geschehen ist. Statt den Heiligen Geist als den 
alleinigen Leiter in der Kirche anzuerkennen, hat der Mensch 
die Leitung in ihr übernommen und alles darin geregelt und 
eingerichtet, wie es ihm gefiel. Statt die Einheit des Leibes und 
dessen Absonderung von der Welt zu bewahren, hat er aus 
der Kirche ein System gemacht, das den Stempel der Ungerechtigkeit trägt. Indessen ist es nötig, diesen Punkt im Lichte des 
göttlichen Wortes etwas näher zu betrachten, denn nur alsdann 
werden wir die Bedeutung des Siegels verstehen, das dem 
festen Grunde Gottes aufgedrückt ist. Wir müssen zunächst 
unterscheiden zwischen dem, was die Kirche nach den Ratschlüssen Gottes ist, und dem, was aus ihr in ihrer verantwortlichen Stellung auf der Erde unter den Händen des Menschen 
geworden ist. 
Nach dem Ratschluß Gottes ist die Kirche der Leib und die 
Braut Christi und schließt alle lebendigen Glieder des Leibes 
Christi in sich. Alle Gläubigen auf der Erde sind durch einen 
Geist zu einem Leibe getauft (1. Kor 12, 13). Ein Leib und ein 
Geist, eine Hoffnung der Berufung, ein Herr (Eph 4, 4—6). 
Nichts ist imstande, diese Einheit des Leibes aufzuheben oder 
zu vernichten, wienn sie auch infolge der Untreue der ihm angehörenden Glieder nicht geoffenbart oder verwirklicht wird. 
Ein jedes Glied ist ein Glied Christi und kann nie von Ihm abgeschnitten werden. Die Kirche als der Leib Christi ist die Behausung Gottes im Geiste, der heilige Tempel im Herrn, oder 
das geistliche Haus, das nur aus lebendigen Steinen aufgebaut 
wird, die Versammlung des lebendigen Gottes, der Pfeiler und 
die Grundfeste der Wahrheit (Eph 2, 20—24; 1. Petr 2, 5; 
1. Tim 3, 15). Betrachten wir die Versammlung von diesem 
Gesichtspunkte aus, so handelt es sich nicht um die Verantwortlichkeit des Menschen, sondern um die Macht und Treue Gottes, 
die nimmer fehlen können. Der Herr allein ist der Baumeister 
und nicht der Mensch; denn Er sagt in Mt 16, 18: „Auf diesen 
Felsen werde ich meine Versammlung bauen usw." Wir haben 
oben gesehen, daß die Versammlung auf Christum, den Auferstandenen, gegründet ist, den Sohn des lebendigen Gottes, 
den Erben des Lebens, Dessen unüberwindliche Macht in der 
Auferstehung aus den Toten auf das klarste erwiesen ist. Das 
Fundament der Versammlung zeigt schon, daß sie eine gänzlich 
neue und himmlische Sache ist, welche in gar keiner Verbin44 
düng mit der alten Schöpfung steht. Ihre Existenz setzt die Verwerfung Christi von Seiten der Welt und Seines irdischen Volkes, sowie Seine Verherrlichung von Seiten Gottes voraus. Erst 
nachdem alle aufgrund des Gesetzes errichteten Beziehungen 
Gottes mit Israel und Seine Beziehungen mit der Welt infolge 
der Verwerfung Seines Sohnes gänzlich abgebrochen waren, 
konnte die Berufung der Kirche oder Versammlung stattfinden. 
Auch war es unmöglich, daß eine aus Juden und Nationen zu 
einem Leibe vereinigte Körperschaft von Gläubigen gleichzeitig 
mit der Zwischenwand bestehen konnte, die das Gesetz zwischen beiden errichtet hatte. Der Tod Christi war daher nicht 
nur das Ende der alten Schöpfung, sondern auch aller auf das 
Gesetz gegründeten Beziehungen. Christus hat die Zwischenwand abgebrochen und in Seinem Fleische die Feindschaft, das 
Gesetz der Gebote in Satzungen, hinweggetan, und nachdem 
Er durch das Kreuz die Feindschaft getötet hat, beide (die 
Gläubigen aus den Juden und aus den Nationen) in Sich Selbst 
zu einem neuen Menschen geschaffen (Eph 2, 14—16). 
Da nun die Versammlung als eine gänzlich neue Sache weder 
in Beziehung stand zu dem Judentum, noch überhaupt zu der 
alten Schöpfung, so blieb sie bis zu ihrer Berufung ein „Geheimnis, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott" 
(Eph 3). Aus diesem Grunde finden wir im Alten Testament 
bezüglich der Versammlung kein Wort oder irgendwelche Andeutung, ausgenommen in Vorbildern, deren Bedeutung jedoch 
erst nach der Offenbarung des Geheimnisses verstanden werden konnte. Deshalb befinden sich alle, welche die Kirche im 
Alten Testament suchen und die Aussprüche des Alten Testaments auf sie anwenden wollen, in einem großen Irrtum und 
verraten dadurch nur ihre ganze Unkenntnis über den eigentlichen Charakter der Kirche. 
Aber nicht nur hinsichtlich ihres Fundamentes steht die Versammlung außerhalb aller Beziehungen zu der alten Schöpfung 
oder irgendwelchen irdischen Systemen, sondern auch hinsichtlich ihrer Berufung, Auferbauung und Vollendung ist alles 
göttlich und in Übereinstimmung mit den Ratschlüssen Gottes. 
Alles ist Sein Werk, alles ist gegründet auf Seine unumschränkte Gnade, die nicht allein unabhängig von der Verantwortlichkeit des Menschen handelt, sondern ihn selbst als tot 
45 
in. Sünden und gänzlich verloren voraussetzt. „Der uns errettet 
und berufen hat mit heiligem Rufe, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die 
uns in Christo Jesu vor ewigen Zeiten gegeben worden". „Denn 
durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens, und das 
nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, auf daß 
niemand sich rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in 
Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, 
auf daß wir in ihnen wandeln 9ollen" (2. Tim 1, 9; Eph 2). 
Und ebenso wie hinsichtlich der Berufung Gott die alleinige 
Quelle ist, so geht auch bezüglich der Auferbauung des Leibes 
alles von Christo, seinem Haupte, aus. „Und er hat die einen 
gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als 
Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung 
der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung 
des Leibes Christi . . . aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße eines jeden Teiles 
für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe" (Eph 4, 11—16). Christus ist Seines 
Leibes Heiland. „Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch 
gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie auch der 
Christus die Versammlung" (Eph 5, 22—33). Er hebt die Versammlung mit einer Liebe, die Ihn trieb, Sich Selbst für sie hinzugeben, und die im Blick auf sie nur dann befriedigt ist, wenn 
sie Seiner Herrlichkeit gemäß vor Ihm steht. Er heiligt und 
reinigt sie, und Er stellt sie Sich Selbst verherrlicht dar, als „die 
nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern 
daß sie heilig und tadellos sei". Die Tätigkeit des Menschen 
kommt hier nicht in Betracht, denn insoweit der Mensch als 
Werkzeug dabei gebraucht wird, geschieht es durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Dies wird uns in 1. Kor 12 klar 
vorgestellt: „Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, 
aber derselbe Geist . . . Denn einem wird durch den Geist das 
Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der 
Erkenntnis nach demselben Geiste, einem anderen aber Glauben 
in demselben Geiste, einem anderen aber Gaben der Heilungen 
in demselben Geiste, einem anderen aber Wunderwirkungen, 
einem anderen aber Prophezeiung, einem anderen aber Unterscheidung der Geister, einem anderen aber Arten von Sprachen, 
46 
einem anderen aber Auslegung der Sprachen. Alles dieses aber 
wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will". Er ist vom Himmel herabgesandt worden, 
nachdem Christus Seinen Platz in der Herrlichkeit eingenommen hatte, um die vor Grundlegung der Welt auserwählten 
Glieder des Leibes Christi zu sammeln und zu einem Leibe zu 
vereinigen. Und Er ist seit jenem Pfingsttage bis jetzt damit 
beschäftigt und wird damit fortfahren, bis das letzte Glied gesammelt, der letzte Stein zum Tempel Gottes eingefügt sein 
wird, und somit die ganze Versammlung vollzählig ist, um alsdann entrückt zu werden ihrem verherrlichten Bräutigam entgegen in die Luft (1. Thess 4). Niemand ist imstande, dieses 
Werk des Heiligen Geistes zu verhindern, wie sehr der Geist 
auch andererseits durch die Untreue des Menschen betrübt sein 
mag. Unaufhaltsam geht dieses Werk voran, „nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rate seines Willens" 
(Eph 1, 11). 
Ferner bezeichnet die Art und Weise, in welcher die Versammlung den Herrn zu erwarten hat, daß sie außerhalb aller 
Beziehungen zu der alten Schöpfung steht. So völlig die Versammlung nach dem Ratschluß Gottes von der Welt getrennt 
ist, so völlig steht sie auch außerhalb der über die Welt kommenden Gerichte. Daher ist das Kommen des Herrn für die 
Versammlung und Sein Kommen für die Welt eine gänzlich 
verschiedene und getrennte Sache. Während Er für die Versammlung kommt als der „glänzende Morgenstern" vor dem 
Anbruch des Tages, um sie als Seine Braut in Seine Herrlichkeit 
einzuführen, kommt Er für die Welt als „die Sonne der Gerechtigkeit", deren Aufgang für sie jenen Tag des Gerichts herbeiführt, welcher „brennt wie ein Ofen" (Mal 4,1). Und während 
die Welt in den letzten Tagen der Schauplatz der schrecklichsten 
Gerichte ist, erfreut sich die Versammlung des Genusses der 
unvergleichlichen Liebe und innigen Zuneigung ihres Bräutigams. Im 4. Kapitel der Offenbarung sehen wir die Versammlung repräsentiert durch die vierundzwanzig Ältesten, 
sitzend auf Thronen rings um den Thron des Gerichts, und 
zwar in einer Ruhe, welche die von dem Throne ausgehenden 
Blitze und Stimmen und Donner und Feuerfackeln nicht im geringsten zu erschüttern vermögen. Wie könnte ihre Ruhe auch 
47 
gestört werden, da die in der Ausübung der Gerichte sich kundgebende Gerechtigkeit ihre eigene geworden ist und sie infolgedessen sich an diesem Platz befinden? Wie könnten sie beunruhigt werden, da sie in der Gegenwart Dessen sind, Der sie 
liebt und sie von ihren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute 
und sie gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem 
Gott und Vater (Offb 1, 5. 6)? 
Wenn nun Gläubige das Kommen des Herrn zum Gericht 
anstatt zur Aufnahme der Versammlung erwarten, so verraten 
sie dadurch eine ebenso große Unkenntnis über den wahren 
Charakter der Kirche, wie auch diejenigen, welche die Kirche im 
Alten Testament zu-finden glauben. Mögen wir also die Versammlung nach den Ratschlüssen Gottes betrachten, sei es in 
bezug auf ihr Fundament, ihre Berufung und Auferbauung, sei 
es in bezug auf das Kommen des Herrn, so sehen wir, 
daß alles von der Gnade und nichts von der Verantwortlichkeit 
des Menschen abhängt, und daß die Versammlung nichts mit 
der Welt gemein hat. Sie gehört dem Himmel an und ist ihren 
Grundsätzen, ihren Zuneigungen und ihrer Hoffnung nach der 
Welt gänzlich unbekannt. Sie ist in der Welt, um, getrennt von 
ihr, durch die Aufrechthaltung ihrer Einheit ein Zeugnis zu sein. 
Dies führt uns indes zu ihrer verantwortlichen Stellung auf der 
Erde. 
Betrachten wir die Kirche von dieser Seite, dann sehen wir, 
was unter den Händen des Menschen aus ihr geworden ist; 
denn in seine Hände hat Gott die Gründung und Auferbauung 
der Kirche auf der Erde gelegt. In 1. Kor 3,10—15 hören wir den 
Apostel sagen: „Nach der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, 
habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer aber baut darauf; ein jeglicher aber sehe zu, wie er darauf 
baut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen außer 
dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, köstliche Steine, 
Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer geofferibart wird; und welcherlei das Werk eines jeden ist, wird 
das Feuer bewähren. Wenn das Werk jemandes bleiben wird, 
das <er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen; wenn 
das Werk jemandes verbrennen wird, so wird er Schaden leiden, 
48 
er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer". 
Der Mensch aber hat in allem gefehlt, was Gott in Seine Hand 
gelegt hat, so auch in dieser herrlichen und höchst wichtigen 
Sache. Ach! wieviel Heu, Stroh und Stoppeln sind auf den 
„guten Grund" gebaut worden, und wer ist fähig, die unermeßliche Verwirrung und das schreckliche Verderben, das aus dieser 
Untreue entstanden ist, zu übersehen? Statt die Einheit als ein 
Zeugnis der Welt gegenüber aufrechtzuhalten, bietet die Kirche 
das traurige Bild eines in unzählige Parteien zersplitterten Systems dar. Statt Christum als das alleinige Haupt der Kirche 
anzuerkennen, von dem die ganze Leitung ausgeht, hat sie fast 
ebenso viele Oberhäupter und Häupter, wie sie Parteien zählt, 
während sie „unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesum 
Christum" mehr oder weniger verleugnet (Jud 4)*). Statt eine 
Körperschaft zu sein, die nur aus lebendigen Gliedern besteht, 
ist die große Masse ihrer Anhänger geistlich tot. Statt als eine 
keusche Braut, getrennt von der Welt, ihren Bräutigam zu erwarten, hat sie gleich dem bösen Knecht in ihrem Herzen gesagt: „Mein Herr verzieht zu kommen" (Mt 24, 48. 49), und 
hat sich mit der Welt in einer Weise vermischt, daß auch nicht 
der geringste Unterschied mehr zwischen ihr und der Welt 
wahrzunehmen ist — die von Gott gezogene Grenze ist spurlos 
verschwunden. Das Kreuz ist, statt die Scheidewand zwischen 
ihr und der Welt zu sein, zu einem Ehrenzeichen in der Welt 
geworden. Und nicht nur das; ach! die Kirche hat sich sogar 
herbeigelassen, die wahren Glieder des Leibes Christi zu verfolgen; sie wird, wenn einst ihr Abfall vollendet ist, trunken 
sein „von dem Blute der Heiligen und von dem Blute der Zeugen 
Jesu" (Offb 17, 6). Ja, noch mehr! sie wird sich — betrachtet in 
ihrer Gesamtheit als die bekennende Christenheit auf der Erde 
— am Ende in der offenbaren Empörung gegen den Herrn Selbst 
befinden; in diesem Zustand wird sie das Gericht ereilen. Judas 
sagt in seinem Brief: „Sie sind in dem Widerspruch Korahs 
umgekommen" (V. 11). Wenn auch der Abfall der Kirche diesen 
Höhepunkt bis jetzt noch nicht erreicht hat, so ist dieses doch 
*) Der Brief des Judas spricht von dem Abfall der Kirche, der in ihrer offen= 
baren Empörung gegen den Herrn seinen Höhepunkt erreicht und das Gericht 
über sie herbeiführt. Die oben angeführte Stelle spricht nicht von einer Verleug= 
nung des Namens Christi, sondern Seiner Autorität. 
49 
das endliche Resultat ihrer Entwicklung unter den Händen des 
Menschen. Ach! wie sehr hat sie sich verändert! „Wie ward 
verdunkelt das Gold, verändert das gute, feine Gold" (Klagl 4, 
1)! Wenn der alttestamentliche Prophet über Jerusalem klagte: 
„Ist das die Stadt, von der man sagte: 'der Schönheit Vollendung, eine Freude der ganzen Erde?" „Wie ist zur Hure geworden die treue Stadt! Sie war voll Recht, Gerechtigkeit weilte 
darin, und jetzt Mörder" (Klagl 2,15; Jes 1, 21); können wir es 
dem neutestamentlichen Propheten verdenken, wenn er sich 
beim Anblick dessen, was aus der Kirche Gottes auf der Erde 
geworden ist „mit großer Verwunderung verwunderte" (Offb 
17, 6)? 
Dieser hier in kurzen Zügen bezeichnete Zustand der Kirche 
auf der Erde bis zum Ende hin zeigt zur Genüge, wohin es 
führt, wenn der Mensch in seinem eigenen Willen sich in die 
Dinge Gottes einmischt, und, anstatt die absolute Trennung 
zwischen dem Guten und Bösen aufrechtzuhalten, den Namen 
Christi mit dem Bösen, das Heilige mit dem Unheiligen zu vermischen sucht. Auch läßt uns dies verstehen, dal? alle zur Wiederherstellung oder Verbesserung der Kirche gemachten Anstrengungen nicht nur nutzlos sind, sondern ihren Verfall nur 
beschleunigen, weil sie alle, mögen sie noch so gut gemeint 
sein, nicht den Grundsatz der Trennung vom Bösen zum Ausgangspunkt haben. Denn die Vernachlässigung dieses Grundsatzes ist es gerade, was den gegenwärtigen Zustand der Kirche 
herbeigeführt hat. Ja noch mehr; die Kirche hat nicht nur diesen 
Grundsatz ganz unbeachtet gelassen, sondern sogar nach einem 
völlig entgegengesetzten Grundsatz gehandelt. Betrachten wir 
nur für einen Augenblick die Anordnungen und Regeln, nach 
welchen man in den größeren, anerkannten kirchlichen Parteien 
verfährt, so läßt sich die Vermischung leicht erkennen. Durch 
äußere Formen stempelt man die sogenannten Gemeindeglieder 
zu Christen. Man täuscht die Jugend, indem man die Konfirmation, von der das Wort Gottes nichts weiß, als eine Erneuerung oder Bestätigung des sogenannten Taufbundes eingeführt 
hat. Sobald die Konfirmation vollzogen ist, gestattet man der 
Jugend den Zutritt zum Tische des Herrn. Man stellt sich somit 
von vornherein auf einen schriftwidrigen Boden. Während nach 
der Schrift nicht nur Unbekehrte, sondern auch alle, welche 
einen unlauteren Wandel führen, vom Tische des Herrn aus50 
geschlossen sind, läßt man in der bekennenden Kirche beide ohne 
Anstand zu (1. Kor 5,11). Würden wir uns einen solchen Eingriff in unsere Rechte gefallen lassen, wenn es sich um unseren 
Tisch handelte? Wie aberhaben wir irgendein Recht, über diesen 
Tisch, der doch des Herrn Tisch ist, nach unserem Gutdünken 
zu verfügen? Aber statt dem Worte unterworfen zu sein, handelt man nach seinem eigenen Willen und entgegen der in der 
Heiligen Schrift mit so einfachen und bestimmten Worten geforderten Zucht: „Tut den Bösen von euch selbst hinaus" 
(1. Kor 5,13). Dies ist offenbar der Grundsatz der Ungerechtigkeit. 
Wir könnten noch viele Tatsachen anführen, die diesen in 
der bekennenden Kirche herrschenden Grundsatz bestätigen, 
doch wollen wir nur noch an eine erinnern. Wir haben gesehen, 
daß bei einem normalen oder schriftgemäßen Zustand der Kirche alles, was ihre Auferbauung und den Dienst in ihr betrifft, 
von Christo, ihrem Haupte, und von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes abhängt. Aber wird das Recht des Herrn, wird die 
Gegenwart und die Gabe des Heiligen Geistes in den größeren 
kirchlichen Parteien anerkannt? Nicht mehr ist es Christus, 
Der Evangelisten, Hirten und Lehrer gibt (Eph 4,11); und nicht 
mehr ist es der Heilige Geist, Der die Gaben „einem jeglichen 
insbesondere austeilt, wie er will" (1. Kor 12, 11), sondern der 
Mensch wählt und setzt ein, welche er will. Der Mensch bereitet 
den Menschen zu diesem Dienste zu, und nicht mehr der Heilige Geist. Ist das bestimmte Studium vollendet, das Examen 
bestanden, so hat man ein Recht zu diesem Dienst und nur 
dann, und man verhält sich bei der Einsetzung, als wenn alles 
in Ordnung wäre. Die Bekehrung kommt dabei gar nicht in 
Betracht, noch viel weniger die Gabe des Heiligen Geistes. Der 
beste Redner zieht am meisten an, und in eine Person legt man 
den Dienst eines Evangelisten, Hirten und Lehrers. Es ist genau 
das, was wir in 2. Tim 4, 3 lesen: „Denn es wird eine Zeit sein, 
da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden sondern nach 
ihren eigenen Lüsten werden sie sich selbst Lehrer aufhäufen, 
indem es ihnen in den Ohren kitzelt". In den meisten Fällen 
sind es nur blinde Leiter der Blinden. Und wenn ein Blinder 
den anderen leitet, werden sie nicht beide in die Grube fallen? 
Wenigstens spricht der Herr so (Mt 15, 14). Wohl werden sie 
als Diener betrachtet, wie wir dieses im Gleichnis vcm den an51 
vertrauten Talenten in Mt 25, 14—30 sehen. Der unnütze 
Knecht wird ebensogut als Knecht behandelt wie die übrigen. 
Wer aber denkt daran, daß er es ist, von dem der Herr sagen 
wird: „Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste 
Finsternis: da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen?" 
Das Gesagte wird genügen, um den in der bekennenden 
Kirche herrschenden Grundsatz der Ungerechtigkeit sowie die 
Bedeutung des Siegels ins Licht zu stellen, das dem festen 
Grunde Gottes aufgeprägt ist, und das die Treuen inmitten des 
Verfalls kennzeichnet: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, 
stehe ab von der Ungerechtigkeit". Der Verfall der Kirche kann 
die Verantwortlichkeit der persönlichen Treue des einzelnen 
Gläubigen nicht aufheben. So wenig wie der feste Grund Gottes 
durch die Untreue der Menschen oder durch irgendwelche 
feindselige Macht erschüttert werden kann, ebensowenig kann 
auch der Grundsatz der Trennung vom Bösen durch irgend 
etwas aufgehoben werden. Wir müssen uns, sowohl äußerlich 
als innerlich, vom Bösen trennen, wenn uns die Ehre des Herrn 
am Herzen liegt und wir auf Seine Anerkennung rechnen. Der 
Apostel vergleicht die Kirche auf der Erde mit einem großen 
Hause, in dem nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern 
auch hölzerne und irdene sind, die einen zur Ehre, die anderen 
aber zur Unehre; und er knüpft daran die Ermahnung: „Wenn 
nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur 
Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu allem guten 
Werke bereitet". Dies ist die äußerliche Trennung. Dann fährt 
er fort: „Die jugendlichen Lüste aber fliehe usw." Dies ist die 
innerliche Trennung. Diese Worte geben dem Jünger des 
Herrn eine deutliche und klare Unterweisung. 
So klar, einfach und bestimmt jedoch dieser Grundsatz 
der Trennung im Worte Gottes auch niedergelegt ist, so werden 
dennoch viele Einwendungen von verschiedenen Seiten, selbst 
von wahren Christen, dagegen erhoben. Da nun viele solcher 
Einwendungen auf Unkenntnis oder Mißverständnis beruhen, 
so mag es gut sein, etwas näher darauf einzugehen. 
Zunächst gibt es viele, die in einer falschen Stellung verharren unter dem Vorwand, nirgends eine reine Gemeinschaft 
finden zu können, da sich überall Mängel und Gebrechen zeigen. Sie suchen, indem sie mit Unbekehrten an den Tisch des 
52 
Herrn gehen, ihr Gewissen zu beruhigen mit den Worten: 
„Man kann niemanden ins Herz sehen und folglich keine genaue Grenze zwischen Bekehrten und Unbekehrten ziehen; und 
zudem ist ja auch Judas, der Verräter, am Tische des Herrn 
zugegen gewesen". Aber die Frage ist: Befinde ich mich in 
Gemeinschaft mit solchen, die das Böse in ihrer Mitte dulden, 
oder mit solchen, die es dem Worte Gottes gemäß richten und 
somit den Grundsatz der Trennung vom Bösen aufrechthalten? 
In der Versammlung zu Korinth zeigten sich zum Beispiel viele 
traurige Dinge, und dennoch stand sie auf dem richtigen Boden 
und wurde durch den Apostel als die „Versammlung Gottes" 
angeredet. Denn obwohl das Böse dort eingedrungen war, so 
fand doch infolge der Ermahnung des Apostels die Ausübung 
der Zucht in einer Weise statt, daß er zu ihnen sagen konnte: 
„Ihr habt euch in allem erwiesen, daß ihr an der Sache rein 
seid" (2. Kor 7, 11). Gewiß ist es tief zu beklagen, wenn unter 
denen, die sich auf dem Boden der Wahrheit versammeln, das 
Böse vorkommt und dadurch das Zeugnis für die Wahrheit geschwächt wird, wenn auch die Wahrheit selbst davon unberührt 
bleibt. Wir haben nicht nötig, eine Grenze zu ziehen, sondern 
einfach die Grenze, die Gott gezogen hat, anzuerkennen, indem 
wir der ersten Aufforderung Folge leisten: „Jeder, der den 
Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit". 
Die Berufung auf Judas ist im eigentlichen Sinne eine Herabwürdigung des Herrn, um nicht mehr zu sagen, wenn damit 
ausgedrückt werden soll, daß Er den Judas als Verräter an 
Seinem Tische zugelassen habe. Demnach hätte Er, entgegen 
Seinem eigenen Worte, das Böse gebilligt — ein Gedanke, der 
sicherlich jedes christliche Gefühl tief verletzen muß. Selbst 
wenn Judas am Tische des Herrn teilgenommen hätte, würde er 
nicht als Verräter gegenwärtig gewesen sein, weil er noch nicht 
als solcher offenbar war. War es auch dem Herrn, der alles im 
voraus wußte, bekannt, was er zu tun vorhatte, so hatte er 
dennoch die Tat noch nicht vollbracht. Die Jünger wußten nicht 
einmal „wer es wohl unter ihnen sein möchte, der dies tun 
würde" (Lk 22, 23). Selbstredend aber kann von Ausübung der 
Zucht erst dann die Rede sein, wenn das Böse als eine erwiesene 
Tatsache geoffenbart ist. Nicht nur unter dem Gesetz, sondern 
auch unter der christlichen Verwaltung muß „jede Sache aus 
zweier oder dreier Zeugen Mund bestätigt werden" (2. Kor 13, 
53 
i). Indessen ist es nach dem Evangelium Johannes klar, daß 
Judas nicht am Tische des Herrn zugegen gewesen ist, sondern 
daß er gleich nach dem Abendessen, das der Einsetzung des 
Abendmahls vorausging, den Saal verließ. Wir lesen im 13. Kapitel, daß Jesus auf die Frage: „Herr, wer ist es?" antwortet: 
„Jener ist es, dem ich den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht 
habe, geben werde. Und als er den Bissen eingetaucht hatte, gibt 
er ihn dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot. Und nach dem 
Bissen fuhr alsdann der Satan in ihn". Dies geschah während 
des Abendessens. Dann lesen wir weiter in Vers 30: „Als nun 
jener den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus". 
Wenn daher der Herr in Lukas sagt: „Doch siehe, die Hand 
dessen, der mich überliefert, ist mit mir über Tische'" (Lk 22, 
21), so bezieht sich dies auf das Abendessen, obwohl es sich 
nach der Reihenfolge, in der Lukas dies erzählt, auf den Tisch 
des Herrn zu beziehen scheint. Aber dies hat seinen Grund 
darin, daß Lukas im allgemeinen die Tatsachen mehr in moralischer als in geschichtlicher Ordnung darstellt; und ohne Zweifel spricht hier der Heilige Geist deshalb erst nach dem Brotbrechen von dem, was beim Abendessen vorgekommen war, 
um die Bosheit des Judas, gegenüber der unvergleichlichen 
Liebe des Herrn, die sich in der Einsetzung des Abendmahls 
kundgab, in ein um so grelleres Licht zu stellen. Überhaupt 
müssen wir immer festhalten, daß die Schrift sich nie widerspricht, und daß jeder scheinbare Widerspruch nur seinen 
Grund in unserem mangelhaften Verständnis hat. Ein aufrichtiger Christ wird sich von der Befolgung der einfachen, klaren 
und bestimmten Aussprüche des Wortes Gottes durch solche 
scheinbaren Widersprüche nicht abhalten lassen. Er geht voran 
nach dem Licht, das Gott ihm geschenkt hat, während er in 
bezug auf das, was ihm noch unklar ist, auf die Unterweisung 
des Herrn wartet. 
Ferner begegnet man häufig dem Einwurf, daß beim Tische 
des Herrn jeder es nur mit sich zu tun und in bezug auf die 
übrigen Teilnehmer keine Verantwortlichkeit habe. Hierauf 
antworte ich nur mit den Worten des Apostels: „Tut den Bösen 
von euch selbst hinaus" (1. Kor 5, 13). 
Weiter wendet man ein, man dürfe sich nicht von der Kirche 
trennen. Aber jeder, der irgendwie mit dem Worte Gottes bekannt ist, weiß, daß dies ein Christ weder tun kann noch will. 
54 
Der Apostel sagt auch nicht, daß man sich von dem großen 
Hause trennen soll, wohl aber von den Gefäßen der Unehre, die 
in ihm sind. Denn die große Körperschaft, die sich zum Christentum bekennt, die verantwortliche Kirche auf der Erde, 
welche Paulus mit einem „großen Hause" vergleicht, wird noch 
vom Herrn anerkannt bis zu dem Zeitpunkt, wo sie von Ihm 
ausgespien werden wird, gleich ihrem Vorbilde, der Kirche oder 
Versammlung zu Laodicäa. Sich vor diesem Zeitpunkt von ihr 
zu trennen, hieße nichts anderes, als sich vom Christentum 
trennen und Jude, Mohammedaner oder etwas dergleichen 
werden. Man hört oft sagen, daß sich dieser oder jener von 
der Kirche getrennt habe, während er sich doch nur von einer 
Partei in der Kirche — mag diese nun groß oder klein, allgemein 
anerkannt oder verachtet sein — losgesagt und somit aufgehört 
hat, sie durch seine Teilnahme gutzuheißen und dadurch den 
Herrn zu verunehren. Freilich machen die großen kirchlichen 
Parteien in der Christenheit, wie die evangelische, reformierte 
und lutherische, eine jede für sich, Anspruch auf den Namen 
Kirche, und man hat diesen Namen selbst auf ihre Versammlungshäuser übertragen. Aber schon diese Benennungen, als lutherische, reformierte usw. Kirche, die sie zur Unterscheidung 
von anderen angenommen haben, beweisen, daß sie nichts mehr 
und nichts weniger als eine Partei in der Kirche sind. Ferner 
zeigen solche Redensarten wie: „Unsere Kirche", oder: „Ich 
gehöre zu dieser oder jener Kirche" usw., deutlich, daß man nur 
an eine bestimmte Partei denkt, und daß das Verständnis über 
die Einheit der Kirche, wie das Wort Gottes sie darstellt, völlig 
verloren gegangen ist. Weder die große Anzahl ihrer Bekenner, 
noch ihr mehr als dreihundertjähriges Bestehen läßt jene Körperschaften aufhören, eine Partei zu sein; sie sind es ebenso 
sehr, wie die ein bis zweihundert Jahre später entstandenen, 
kleineren Benennungen, auf die man meist mit Geringschätzung 
herabblickt. 
In 1. Kor 1, 12 finden wir die Anfänge dieses Parteiwesens: 
„Ich sage aber dieses, daß ein jeder von euch sagt: Ich bin des 
Paulus, ich aber des Apollos, ich aber des Kephas, ich aber 
Christi". Und in Kapitel 3, 4: „Denn wenn einer sagt: Ich bin 
des Paulus; der andere aber: Ich des Apollos; seid ihr nicht 
menschlich?" Heute würde der Apostel weit über hundert 
Namen nennen müssen, wenn er alle Parteien, alle Benennun55 
gen aufzählen wollte. Aber würde er nicht ebenso bestimmt zu 
allen sagen: „Ihr seid fleischlich und wandelt nach Menschenweise?" Das christliche Leben oder das Leben Christi in uns 
offenbart sich, wie bei Christo Selbst, in einem völligen Gehorsam; und wo ist dieser Gehorsam, wenn ich bei solchen klaren 
Ansprüchen der Schrift fortfahre, fleischlich und menschlich 
zu handeln, indem ich in einer Partei verbleibe und sie durch 
meine Teilnahme anerkenne und gutheiße? War es nicht der 
Wille Gottes, daß die Korinther sich demütigen und aufhören 
sollten, „des Paulus oder des Apollos usw." zu sein? Verharrten sie darin, dann gehörten sie zu denen, die den Willen Gottes 
wußten und nicht taten und also mit vielen Schlägen geschlagen werden wird (Lk 12, 47). Wir sind immer strafbar, wenn 
wir wissen, daß es böse ist, und dennoch fortfahren, es zu tun. 
Im Blick auf die vielen Parteiungen führt man oft die Worte 
des Apostels an: „Denn es müssen auch Parteiungen unter 
euch sein" (1. Kor 11, 19), und meint damit zu beweisen, daß 
der Apostel Paulus Parteiungen gutgeheißen habe. Man vergißt 
dabei aber ganz, daß er hinzufügt: „auf daß die Bewährten 
unter euch offenbar werden". Diese durch den fleischlichen 
Sinn der Korinther hervorgerufenen und, wie schon vorhin 
bemerkt, durch den Apostel scharf verurteilten Parteiungen 
waren ein Prüfstein für den Glauben der Bewährten. Ihre Bewährung konnte sich aber nur dadurch offenbaren, daß sie sich 
von allem Parteiwesen fernhielten und sich in Einfalt den Anordnungen Gottes unterwarfen. 
In unseren Tagen bezeichnet man gewöhnlich die, welche sich 
von einer der größeren Parteien trennen, als Unbewährte oder 
Sektierer, während der Apostel gerade umgekehrt diejenigen 
als solche bezeichnen würde, die darin verbleiben. Würden die 
zuletzt genannten das Wort Gottes zu ihrer alleinigen Richtschnur haben, so würden sie gewiß dem Urteil des Apostels 
beistimmen und im Blick auf ihre eigene Untreue beschämt werden. Würden sie daran denken, wieviel Kampf und Verleugnung, Schmach und Verachtung oft mit einer solchen Trennung von einem anerkannten kirchlichen System verbunden 
ist, vorausgesetzt, daß diese Trennung aus Gehorsam gegen 
den Willen Gottes geschieht, so würden sie nicht jene, sondern 
sich selbst wegen ihrer Menschenfurcht und Menschengefällig56 
keit verurteilen. Es ist für das Fleisch weit angenehmer und 
bequemer, in einem solchen System zu verbleiben; aber ein 
treuer Christ fragt in allem nach dem wohlgefälligen Willen 
seines Herrn. Er weiß wohl, daß, wenn er mit Einfalt und Treue 
dem Worte Gottes folgt, es mit der Ehre und dem Ansehen in 
dieser Welt zu Ende ist, und daß oft seine Mitbrüder im Herrn 
seine größten Gegner sind, weil sie sich bewußt oder unbewußt 
durch seine Treue verurteilt fühlen. 
Mancher sucht sein Bleiben in einer der kirchlichen Gemeinschaften dadurch zu rechtfertigen und sein Gewissen zu beruhigen, daß er sagt: „Es gibt doch noch viel Gutes darin; man 
hat dort zahlreiche Anstalten zum Besten der Waisen, Kranken 
und Armen, und diese alle sind durch die christliche Liebestätigkeit hervorgerufen". Gewiß; ich erkenne dies im Blick auf 
die Verwaisten und Notleidenden mit Dank gegen den Herrn 
an und nehme gerne daran teil, obwohl ich weiß, wie sehr oft 
die Ehre und das Ansehen vor den Menschen, eitler Ruhm, 
Neid und Eifersucht bei solchen Einrichtungen im Vordergrunde 
stehen. Zudem, finde ich es höchst verwerflich, wenn die Gläubigen in ihrer Liebestätigkeit, besonders wenn es sich dabei um 
die Mission unter den Heiden oder die Evangelisation unter den 
Namenchristen handelt, bei ihren Kollekten die Unbekehrten, 
sogar solche, die Christum verwerfen oder doch in bezitg auf 
Ihn ganz gleichgültig sind, zur Teilnahme an dem Werke des 
Herrn auffordern. Viele geben ihren Beitrag mit Widerwillen, 
oder doch mit großer Gleichgültigkeit; und wie viele werden 
getäuscht, indem sie wähnen, sich auf diese Weise Gott wohlgefällig zu machen. Doch abgesehen von diesem allem, bleibt es 
immer wahr, daß „Gehorchen besser ist als „Schlachtopfer", 
und: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich 
liebt". Sein bestimmtes Gebot aber ist, daß wir uns von jedem 
Bösen trennen sollen, und es ist ein deutlicher Beweis von 
Ungehorsam, wenn wir es durch irgend etwas zu entkräften 
suchen. Zudem möchte ich fragen: Bedingt eine solche Trennung das Aufhören der Liebestätigkeit? 
Weiterhin meinen viele, ihrer Verantwortlichkeit in bezug 
auf das bestimmte Gebot des Herrn aus dem Grunde enthoben zu sein, weil der Prediger ihres Ortes ein Gläubiger ist. 
Ist er aber deshalb auch ein Evangelist, Hirte und Lehrer? 
Bedarf es dazu nicht der besonderen Gabe von oben? Voraus57 
gesetzt aber, daß er irgendeine Gabe des Dienstes empfangen 
hat, so rechtfertigt dies doch in keiner Weise seine falsche 
Stellung, denn sie ist von Menschen und nicht von Gott und 
steht im Gegensatz zu dem, was Paulus in Galater i, 1 von sich 
sagt. Er mag sogar im Segen wirken, so daß Seelen durch ihn 
zu Christo geführt und die Gläubigen in ihrem inneren Leben 
gefördert werden — und wenn es so ist, so haben wir es mit 
Dank gegen den Herrn anzuerkennen, aber es beweist nichts 
anderes, als die Unumschränktheit der Gnade Gottes, der über 
allen Mängeln und Verkehrtheiten der Menschen steht und 
Seinem Worte überall Segen verleihen kann. Und es enthebt 
den Gläubigen nicht seiner persönlichen Verantwortlichkeit, 
noch macht es das Gebot des Herrn, von der Ungerechtigkeit 
abzustehen, ungültig. 
Aber, wird man fragen, ist es denn richtig, eine größere 
Partei zu verlassen, um eine kleinere aufzurichten und aus 
einer vielleicht eine Menge von Parteien zu machen? Gewiß 
nicht. Viele freilich trösten sich damit, daß sie sagen: „Das 
Bestehen der fast zahllosen Parteien oder Sekten trägt viel zur 
Verbreitung des Wortes Gottes bei; viele Menschen werden 
auf diese Weise durch das Evangelium erreicht, die sonst nicht 
damit bekanntgemacht werden würden". Ich gebe dieses zu; 
jedoch kann man dann auch mit vollem Recht sagen: „Laßt uns 
das Böse tun, damit das Gute komme" (Röm 3, 8). Wir sollten 
nie eine Sache, die Gott mißfällig ist, gutheißen, wenn auch 
Gott in Seiner unumschränkten Gnade Gutes daraus hervorkommen läßt. Das Verhalten der Söhne Jakobs gegen ihren 
Bruder Joseph war und blieb böse, wenn auch nach den Ratschlüssen Gottes die gesegnetsten Folgen daraus erwachsen 
sollten. 
Es mag nun sein, daß sich viele aus Neid und Eifersucht oder 
anderen unlauteren Beweggründen von den größeren kirchlichen Parteren, den sogenannten Landeskirchen, trennen, um 
ihre vielleicht unbewußte Gesetzlichkeit und Selbstsucht in der 
Aufrichtung einer kleineren Partei zu befriedigen; aber ich bin 
überzeugt, daß eine weit größere Zahl von Christen diesen 
Weg aus Gehorsam und um ihres Gewissens vor Gott willen 
einschlägt. Sie sind überzeugt, daß, wenn auch nicht alle, so 
doch die meisten kirchlichen Anordnungen, Regeln, Formen 
und Einrichtungen nur dem Namen nach göttlich, aber dem 
58 
Wesen nach menschlich und mit der Wahrheit mehr oder 
weniger im Widerspruch sind. Wir sind berufen, uns stets von 
dem Bösen zu trennen, in welcher Gestalt es sich auch zeigen 
mag. Wenn wir dies aus Gehorsam gegen das Wort Gottes 
tun, so mögen wir von den Menschen verkannt oder verachtet 
werden, bei dem Herrn aber finden wir Anerkennung und Lob. 
Auch werden wir dadurch zubereitet, um von Ihm benutzt werden zu können. „Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, der 
wird ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, 
zu jedem guten Werke hereilet" (2. Tim 2, 21). 
Es gibt viele Christen in unseren Tagen, die sich nur deshalb 
von einer Partei trennen, weil sie so vieles darin entdecken, was 
nicht in Übereinstimmung mit dem Worte Gottes ist, aber sie 
verstehen nicht, daß schon das Bestehen einer Partei, abgesehen 
davon, was in ihr richtig oder unrichtig ist, mit dem Wort 
Gottes im Widerspruch steht, und daß man sich schon deshalb 
von ihr zu trennen hat; und weil sie dies nicht verstehen, 
fangen sie sofort an, eine neue Partei aufzurichten. Sie tun dies 
unter einem neuen Namen und unter gewissen Statuten, um 
sich dadurch von anderen Christen zu unterscheiden. Vielleicht 
gestatten sie nur Gläubigen Zutritt in ihre Gemeinschaft, aber 
auch diesen nur dann, wenn sie sich zu ihrer Parteistellung oder 
ihren Statuten bekennen, und nicht einfach deshalb, weil sie 
Glieder des Leibes Christi sind und als solche zu allen Vorrechten und Segnungen der Gläubigen Zutritt haben. Sie schließen durch ihre Parteistellung nicht nur Unbekehrte und solche, 
die falsche Lehren haben oder einen unlauteren Wandel führen, aus, sondern auch Kinder Gottes, die zur Ehre des Herrn 
leben, und sie begehen dadurch ein großes Unrecht. Gewöhnlich verfallen sie, wenn auch in etwas anderer Form, in denselben Fehler, in welchen auch die größeren Parteien nach ihrer 
Lossagung von Rom gefallen sind. Sie setzen Älteste ein, stellen 
Hirten und Lehrer an usw. Mit der Einsetzung der Ältesten 
glaubt man nun im vollsten Recht zu sein, weil ja auch früher 
solche eingesetzt wurden; man übersieht aber ganz und gar, 
daß dies nie von Seiten der Gemeinde oder Versammlung, sondern nur von Seiten der Apostel und der von den Aposteln 
dazu bevollmächtigten Personen geschah. Der Heilige Geist, 
der die Gaben einem jeden austeilt, wie Er will, war es auch, 
der die Ältesten als Aufseher in der Kirche einsetzte. Wir sehen 
59 
dies deutlich aus Apg 20, 28, wo der Apostel zu den Ältesten 
von Ephesus sagt: „Habet nun acht auf euch seihst und auf die 
ganze Herde, in welcher euch der Heilige Geist als Aufseher 
gesetzt hat usw." Sobald jedoch die Kirche sich in Parteien zersplitterte, hörte der Heilige Geist auf, dieses zu tun, anders 
hätte Er jene Parteien anerkennen müssen. Wir können versichert sein, daß der Herr bis zum Ende hin für alles Sorge 
tragen wird, was „zur Vollendung der Heiligen nötig ist: für das 
Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi 
usw." (Eph 4, 12. 13) und wir sind schuldig, uns allen zu unterwerfen, die sich unter der Leitung des Geistes im Werke des 
Herrn bemühen und besonders solchen, die den Dienst eines 
Ältesten oder Aufsehers in der Versammlung versehen und im 
Wort und in der Lehre arbeiten. Was aber sollen wir tun, wenn 
wir in eine Stadt kommen, wo fünf bis sechs oder mehr kirchliche Gemeinschaften sind, von denen jede ihre eigenen Ältesten 
hat, die alle Anspruch darauf machen, ihr Amt von dem Heiligen Geiste überkommen zu haben, — denn anders sind sie 
nichts? Welchen von ihnen sollen wir uns unterwerfen? Würden 
uns nicht die widersprechendsten Ermahnungen zuteil werden? 
Würden sie uns nicht alle sagen, daß wir uns ihrer Partei anschließen müßten? Der einzig richtige Weg für uns ist in einem 
solchen Fall, keinen jener Ältesten anzuerkennen oder zu befragen, sondern nur das Wort Gottes. Tun wir dies, dann werden wir finden, daß der Mensch und nicht der Heilige Geist 
jene Partei-Ältesten eingesetzt hat, und daß der Heilige Geist 
in dieser Sache in den kleinen Parteien ebensowenig die Leitung 
hat, wie in den großen. Derselbe Grundsatz der Ungerechtigkeit, —der eigene Wille —, der diese beherrscht, ist auch in jenen 
wirksam. Wir aber müssen uns trennen von der Ungerechtigkeit, unter welcher Form sie sich auch zeigen mag, und darum 
trennen von allen Parteien, wie groß oder klein, wie viel oder 
wenig sie dem Worte Gottes angepaßt sind, wie alt und 
anerkannt sie sein und welchen Namen sie auch tragen mögen 
— wir müssen uns trennen von allem, was sie Schriftwidriges 
tun. Wir müssen „hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine 
Schmach tragend" (Hebr 13, 13). Das ist da<s bestimmte Gebot 
Gottes, das gerichtet ist an „jeden, der den Namen des Herrn 
nennt", an jeden, der Anspruch auf den Namen eines Christen 
macht. 
60 
Aber, wird man fragen, sollen wir denn abgesondert von allen 
Parteien, ein jeder für sich, seinen Weg gehen und auf jede 
Gemeinschaft verzichten? Und werden nicht notwendigerweise 
die Christen eine neue Sekte oder Partei bilden, so oft sie 
irgendwie Gemeinschaft pflegen wollen? Keineswegs. Der Apostel zeigt uns in 2. Tim 2 auf die klarste Weise, was wir zu tun 
haben, nachdem wir uns von aller Ungerechtigkeit getrennt 
haben: „Strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen" 
(V. 22). „Wende dich ab vom Bösen und tue Gutes" (1. Petr 3, 
11). Das ist der göttliche Grundsatz, die göttliche Regel und 
Richtschnur. Nicht nur müssen wir das Böse lassen, sondern 
auch das Gute tun; und zwar in Gemeinschaft mit allen aufrichtigen Christen. Und der Herr, der die Untreue der Kirche 
vorausgesehen hat, hat in Seiner zuvorkommenden Liebe und 
Gnade den Seinen, die treu sind, den Weg des Guten bezeichnet. Er hat gesagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in 
meinem Namen, da bin ich. in ihrer Mitte" (Mt 18, 20). Machen 
wir uns nun, wenn wir uns dieses Vorrechts bedienen, der Sektiererei schuldig? Gewiß nicht; wir unterwerfen uns dem Worte 
Gottes und gehorchen Seiner Stimme. Und wenn wir also einfach im Namen Jesu uns versammeln, uns gemeinschaftlich 
erbauen und unterweisen, indem wir die Gabe anerkennen, 
die der Herr zu diesem Zwecke dem einen oder anderen unter 
uns gegeben hat, wenn wir zusammenkommen um zu beten, 
wenn wir Gemeinschaft miteinander machen, oder, indem wir 
das Brot brechen, den Tod des Herrn verkündigen bis Er 
kommt, und dadurch zugleich der Einheit des Leibes Ausdruck 
geben, sind wir dann eine Sekte? Gewiß nicht; wir unterwerfen 
uns dem Worte Gottes und gehorchen Seiner Stimmie. Wir versammeln uns weder unter einem besonderen Namen, noch 
haben wir bestimmte Statuten, noch errichten wir Barrikaden 
für andere Christen. Keinem Gläubigen, wenn er frei ist von 
Irrlehren, die den Herrn und Sein Werk verunehren, und wenn 
er einen ordentlichen Wandel führt, wird auf diese Weise ein 
Hindernis in den Weg gelegt. Vielmehr ist es das Vorrecht und 
die Pflicht von jedem wahren Christen, daß er dort seinen Platz 
einnimmt, wo man einfach im Namen des Herrn zusammenkommt, und wo Sein Tisch auf der wahren göttlichen Grundlage errichtet ist. Sollte er jedoch keine finden, die sich in dieser 
61 
Weise versammeln oder mit ihm versammeln wollen, so hat er 
sich dennoch von allem Bösen zu trennen und fernzuhalten und 
unter anhaltendem Gebet und Zeugnis auf die Güte und Treue 
des Herrn zu warten, Der ihm zu dem Genuß der Segnungen, 
die Er den Seinigen hienieden verliehen hat, über kurz oder 
lang den Weg bahnen wird. 
Wir dürfen nie vergessen, daß es nur einen Leib, nur eine 
Versammlung oder Kirche gibt, und wir sind ernstlich ermahnt, 
uns zu befleißigen, „die Einheit des Geistes zu bewahren in 
dem Bande des Friedens" (Eph 4 3). 
Die Einheit ist durch den Geist Gottes bewirkt, und sie ist 
unauflöslich. Nur Unwissenheit und menschliche Anmaßung 
können daran denken, eine Einheit machen zu wollen. Jede 
Anstrengung dieser Art beweist, daß man die wahre Einheit, 
die der Geist errichtet hat, nicht kennt, und sie führt nur zu 
noch größerer Blindheit, Täuschung und Verwirrung. 
Aber sind in unseren Tagen nicht an manchen Orten, wo 
man sich bereits in der oben bezeichneten Weise versammelte, 
andere Gemeinschaften errichtet worden, die ebenfalls keinen 
besonderen Namen tragen, keine besonderen Statuten haben, 
sich gemeinschaftlich erbauen und das Brot untereinander 
brechen? Es ist wahr, und dies ist eine höchst betrübende Erscheinung, die gewiß, wie so vieles andere, ein Werk des Feindes 
ist. Wenn Gläubige die Einheit des Leibes Christi anerkennen, 
wenn sie verstehen, daß dieser Einheit am Tisch des Herrn Ausdruck gegeben wird, — ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen —, 
und sie befinden sich an einem Ort, wo sich Gläubige versammeln 
und den Tod des Herrn verkündigen, so ist es doch zunächst 
ihre Pflicht, sich zu überzeugen, ob diese sich als eine abgeschlossene Partei oder nur als Gläubige im Namen Jesu versammeln, ob Irrlehren unter ihnen gelehrt werden oder die 
Wahrheit, ob man gleichgültig gegen die Sünde ist, oder ob 
Zucht geübt wird. Ist ersteres der Fall, so haben sie ohne Frage 
sich fernzuhalten, wenn aber letzteres, so tun sie großes Unrecht und betrüben den Geist Gottes, wenn sie sich von jenen 
getrennt versammeln und den Tisch des Herrn von neuem 
aufrichten; sie verachten und verwerfen dann das, was der 
Heilige Geist aufgerichtet hat, und können sich gewiß nicht des 
Wohlgefallens des Herrn darin erfreuen. Leider aber gibt es 
62 
heutzutage viele Christen, die in dieser Weise handeln, und 
der Beweggrund, der sie dabei leitet, ist in vielen Fällen nicht 
lauter. Sie suchen dadurch die Christen zu verhindern, mit 
Gläubigen, die sich an ihrem Ort im Namen Jesu versammeln, 
Gemeinschaft zu machen. Sie ahmen das eine und andere nach, 
um dadurch das Zeugnis jener Gläubigen kraftlos zu machen 
und ihnen, wie es oft geschieht, auf etwaige Vorstellungen entgegnen zu können: „Haben wir nicht dasselbe, was ihr habt, 
und tun wir nicht dasselbe wie ihr?" Heißt das, nach der Wahrheit zu wandeln? Heißt das, sich im Namen Jesu versammeln? 
Heißt das, die durch den Heiligen Geist bewirkte Einheit des 
Leibes bekennen und verwirklichen? Nie und nimmer. Es ist 
nur eine neue List, ein neuer Betrug des Feindes, um die Wahrheit zu entkräften, die Einheit der Versammlung praktisch zu 
zerstören, den Namen des Herrn zu entehren und den Heiligen 
Geist zu betrüben. Unmöglich kann der Herr ein solches Verfahren billigen, unmöglich Seinen Segen darauf legen, obwohl 
Er in Seiner großen Gnade und Langmut nie aufhört, Sein 
Wort zu segnen, wo es verkündigt wird, Seelen zu erretten und 
die Seinigen zu erbauen. Alles aber, was nicht aus der Wahrheit ist und nicht die Liebe zum Herrn zur Quelle hat, alles, 
was bloße Form ist, und sei sie auch noch so sehr der Wahrheit angepaßt, ist wertlos und verwerflich vor dem Herrn. Der 
eigene Wille, der nie im Dienste des Herrn steht, spielt eine 
Hauptrolle dabei. Ach! wie wenig denken diese Brüder daran, 
daß das, wonach sie bewußt oder unbewußt handeln, derselbe 
Grundsatz der Ungerechtigkeit ist, der die bekennende Kirche 
beherrscht und der ihren Verfall herbeigeführt hat. Nichts 
anderes als der eigene Wille ist jenes „Geheimnis der Gesetzlosigkeit", das zur Zeit des Apostels „schon Wirksam" war, 
und dessen Resultat „der Mensch der Sünde, der Sohn des 
Verderbens", sein wird, welcher „tut nach seinem Wohlgefallen", und „welcher widersteht und sich selbst erhöht über alles, 
was Gott heißt, oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so daß 
er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß 
er Gott sei" (2. Thess 2, 3. 4). 
Möchte der Herr die Augen der Seinen, die Er mit vollkommener Liebe liebt, öffnen und die wahre Demut und Gottesfurcht in ihren Herzen wachrufen, damit sie „abstehen von der 
Ungerechtigkeit" und sich der Wahrheit völlig unterwerfen. 
63 
Ihm aber sei Dank, daß Er, wie in. den Tagen der Reformation 
die Rechtfertigung aus Glauben, so in unseren Tagen die in 
Seinem Worte geoffenbarten Gedanken über das Sammeln und 
Auferbauen Seiner Kirche oder Versammlung hienieden, sowie 
Seine Ratschlüsse bezüglich ihrer himmlischen Berufung und 
Hoffnung auf den Leuchter gestellt hat! und Dank sei Ihm, 
daß Er jetzt vielen Gläubigen auf dem ganzen Erdkreis Mut 
und Kraft gibt, das durch Seinen Geist empfangene Licht zu 
benutzen und sich im Vertrauen auf Sein Wort in Seinem 
Namen zu versammeln, ohne eine andere Hilfe und Stütze zu 
haben, als Seine gesegnete Gegenwart! Leider gibt es noch viele 
Seelen in den verschiedenen Systemen, die in ihren Herzen 
unglücklich und unruhig sind, die aber nicht Licht oder auch 
nicht Mut und Kraft genug haben, (leider mag auch oft der 
Mangel an Treue die Ursache sein), um sich loszumachen und 
nach dem wohlgefälligen Willen Gottes ihren wahren Platz 
außerhalb des Lagers einzunehmen. Der Herr aber, voll von 
Gnade und Güte, fährt fort, überall Seine Wahrheit auszubreiten und die Zahl derer, die sich in Seinem Namen versammeln, zu vermehren. Er fährt fort, die Verlorenen zu erretten 
und die Seinigen von der Welt und ihren Systemen abzusondern, bis zu dem nicht mehr fernen Augenblick, wo Er kommen 
wird, um sie in Seine Herrlichkeit einzuführen, für die Er sie 
nach dem ewigen Ratschluß Seiner Gnade zuvor bestimmt hat. 
2. Petrus 2, 4. 9; 3, 7 
Im zweiten Brief des Apostels Petrus offenbart der Heilige 
Geist drei verschiedene Arten von Gericht, die Gott zur bestimmten Zeit ausführen wird. Das erste dieser Gerichte finden 
wir lim 4. Vers des 2. Kapitels, wo wir lesen: „Denn wenn Gott 
Engel, welche gesündigt hatten, nicht verschonte, sondern, sie 
in den tiefsten Abgrund hinabstürzend, Ketten der Finsternis 
überlieferte, um aufbewahrt zu werden für das Gericht . . ." 
Für diese Engel gibt es keine Erlösimg; kein Versöhnungsblut 
ist für sie geflossen, kein Weg geöffnet, der sie in jene göttliche 
Gegenwart und Freude zurückführen könnte, die sie durch ihren 
Fall verscherzt haben. Sie sind in den Abgrund hinabgestürzt 
und mit Finsternis wie mit Ketten gebunden; sie erwarten dort 
64 
das zukünftige und endliche Gericht, für das sie aufbewahrt 
sind. Worin dieses Gericht bestehen wird, offenbart uns die 
Heilige Schrift nicht. Welche schreckliche Qual ihr Los sein 
wird, das Los derer, die einst in der Gegenwart Gottes und vor 
Seinem Angesicht standen, die heilig, schön und untadelig, ja 
die Täter Seines Wohlgefallens und die Boten Seiner Herrlichkeit waren, wissen wir nicht. Aber einst wird es offenbar werden zum Preise der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes. Ein Tag 
ist bestimmt, an dem das gerechte Gericht an ihnen vollzogen 
werden wird. „Und Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrt, sondern ihre eigene Behausung verloren haben, hat er 
zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ketten unter der 
Finsternis verwahrt" (Jud 6). 
Im neunten Vers desselben Kapitels lesen wir: „Der Herr 
weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren auf den Tag des Gerichts, um bestraft zu werden". So unendlich wertvoll das Versöhnungswerk 
des Herrn Jesu Christi für den Sünder ist, so ewig und unantastbar die Erlösung ist, die Er zuwege gebracht hat, ebenso 
gewiß und ewig dauernd ist das Gericht, für das, wlie wir hier 
hören, die Ungerechten oder die, welche nicht an jenes Versöhnungswerk glauben wollen, aufbewahrt werden. Welch ein ernster, feierlicher Gedanke! Gott Selbst, der heilige, gerechte Gott, 
bewahrt den Ungläubigen auf bis zu jenem schrecklichen Tage 
des Gerichts. Der Ungläubige wird erscheinen müssen vor 
einem Gott, Dessen Anerbietungen der Gnade und Vergebung 
er von sich gestoßen, Dessen Versöhnung er nicht angenommen 
und Dessen Weg der Errettung er verschmäht hat. Und dann is 
die Gnadenzeit für immer abgelaufen, der Weg der Errettung 
für ewig verschlossen. ]etzt steht er noch offen, letzt kann jeder 
durch den einfältigen, kindlichen Glauben an den Herrn Jesum 
Errettung und ewiges Heil finden. Dann ist es für immer zu 
spät. Statt Gnade und Erbarmen wird sich dann nur Gericht 
und Verdammnis finden. 
Am Schluß des zwanzigsten Kapitels der Offenbarung finden 
wir eine Beschreibung jenes großen Tages des Gerichts. Alle die 
Toten, alle, die im Unglauben gestorben sind, sehen wir dort 
vor einem großen weißen Thron erscheinen, vor dessen Angesicht die Erde und der Himmel entfliehen. Das Meer, der Tod 
und der Hades werden gezwungen, alle Toten, die in ihnen 
65 
sind wiederzugeben. „Und ich sah dieToten/
 die Großen und die 
Kleinen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden auf getan; 
und ein anderes Buch ward auf getan, welches das des Lebens ist. 
Und die Toten wurden gerichtet aus dem, was in den Büchern 
geschrieben war, nach ihren Werken.. . Und wenn jemand nicht 
geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde 
er in den Feuersee geworfen" (V. 12. 15). Schreckliches Gericht! Das Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln, 
der Feuersee mit all seinen Schrecken, eine endlose Ewigkeit mit 
ihren peinlichen Selbstanklagen und quälenden Gewissensbissen, das wird das Teil eines jeden sein, dessen Name nicht im 
Buch des Lebens gefunden wird. 
Siehst auch du diesem Gericht vor dem großen, weißen Thron 
entgegen, mein lieber Leser? Oder kannst du durch die Gnade 
Gottes sagen, daß dein Name eingeschrieben ist in das Buch des 
Lebens, und daß du teil hast an der ersten Auferstehung? Das 
sind sehr ernste Fragen und sie sind wohl wert, mit aller Aufrichtigkeit beantwortet zu werden. Kannst du die zweite mit 
„Ja" beantworten? Wirst du, wenn der Herr Jesus kommt, um 
die Seinigen zu Sich zu nehmen, mit zu der Zahl derer gehören, 
die Ihm entgegengehen in die Luft? Wenn es der Fall ist, glückselig bist du. Denn „glückselig und heilig, wer teil hat an der 
ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Triester Gottes und des Christus sein" 
(Offb 20, 6). 
Oder erfüllt dich der Gedanke an die Ankunft Christi mit 
Furcht und Schrecken? Beunruhigt er dein Gewissen, und möchtest du ihn gerne so fern wie möglich von dir halten? Ach! 
wenn es so ist, ruhe doch nicht eher, bis du mit völligem Frieden, ja mit Freude daran denken kannst! Laß dich doch nicht 
durch Satan abhalten, zu Jesu zu eilen! Obgleich er selbst ganz 
gut weiß, daß ein schreckliches Gericht seiner wartet — denn 
„auch die Teufel glauben und zittern" (Jak 2, 19) — so sucht 
er dir doch vorzuspiegeln, daß alles nicht wahr sei, und daß du 
mit aller Ruhe deinen sündigen Weg fortsetzen könntest. 
Horche nicht auf seine verführerische Stimme! Leihe dein Ohr 
dem untrüglichen, ewig bleibenden Worte Gottes und nimm die 
Errettung an, die Er für dich in Christo Jesu bereitet hat, und 
wodurch du Anteil erlangst an dem Erbe der Heiligen in dem 
Lichte. 
66 
Wenden wir uns jetzt zu der dritten und letzten Art des 
Gerichts, von welchem Petrus redet. Wir finden es im 7. Vers 
des dritten Kapitels. Dort heißt es: „Die jetzigen Himmel und 
die Erde sind durch sein Wort aufbewahrt, für das Feuer behalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen". Wann wird dieses Gericht eintreten? Wann 
wird diese gewaltige Feuersbrunst stattfinden, die Gott Selbst 
entzündet und die von niemandem gelöscht werden kann? An 
dem „Tage des Gerichts und des Verderbens der gottlosen 
Menschen". Es ist derselbe Tag, von dem Judas spricht. Er beginnt mit den Gerichten Gottes über diese Erde und ihre Bewohner und endigt mit der völligen Zerstörung des jetzigen 
Himmels und der Erde und der Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde. 
Es gibt nichts, was der Mensch mehr fürchtet, als das Gericht, das für diese Welt aufbewahrt wird. Nichts ist ihm unerträglicher, als der Gedanke, daß „die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch, die Elemente aber im Brande 
aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr verbrannt werden" (2. Petr 3, 10). Aus diesem Grunde sucht er sich einzureden, daß das Wort Gottes nicht wahr sei und das angedrohte 
Gericht nie über diese Erde kommen werde. „Bleibt nicht", so 
fragt er spöttisch, „alles so, wie es von Anfang der Schöpfung 
an war? Sieht man irgendwelche Veränderung, irgendeinen 
Vorboten des angekündigten Gerichts?" Er glaubt, daß der Herr 
die Verheißung Seiner Ankunft verziehe, und weiß nicht, daß 
Er sehr langmütig ist und „nicht will, daß irgend welche verloren gehen, sondern daß alle zur Buße kommen". Mit Willen 
ist es ihm verborgen, daß es nur die Langmut Gottes ist, die 
Ihn noch zögern läßt, als der Richter aufzutreten. Aber der Tag 
des Herrn wird über ihn kommen wie ein Dieb in der Nacht. 
Gerade dann, wenn er sagen wird: „Friede und Sicherheit!" 
dann wird das Verderben plötzlich über ihn kommen wie die 
Geburtswehen über die Schwangere, und keiner wird entfliehen. 
Das also ist es, was der Gottlose zu erwarten hat, mag er es 
anerkennen wollen oder nicht. Was aber ist der Gegenstand 
der Erwartung des Gläubigen? „Wir erwarten aber", sagt der 
Apostel, „nach seiner Verheißung, neue Himmel und eine neue 
Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt". Köstliches Teil! Möchte 
67 
uns der Gedanke daran befähigen, der Ermahnung des Apostels 
zu folgen und uns zu befleißigen, daß wir ohne Flecken und 
tadellos vor Ihm erfunden werden in Frieden. Möchten wir 
andererseits mit Einfalt dem Worte Gottes vertrauen, trotz 
aller Vemünfteleien und Spöttereien des Menschen, damit wir 
nicht, durch den Irrtum der Ruchlosen mit fortgerissen, aus 
unserer eigenen Festigkeit fallen, sondern wachsen in der 
Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus 
Christus (V. 17. 18). 
Betrachtungen 
über den Propheten Daniel *) 
EINLEITUN G 
Bevor wir mit der Betrachtung des so wichtigen wie interessanten Buches Daniel beginnen, wird es zum besseren Verständnis seines Inhalts nötig sein, daß wir uns ein wenig mit 
dem damaligen Zustand des Volkes Israel oder des kleinen 
Überrestes, an den die Prophezeiungen gerichtet wurden, bekanntmachen. 
Wir finden das Volk in der tiefsten Erniedrigung. Alle Ermahnungen und Warnungen von Seiten Jehovas, seines Gottes, 
sind vergeblich gewesen, und das schon lange vorher angedrohte Gericht ist endlich über das Volk hereingebrochen. Israel 
hat seinen herrlichen, bevorzugten Platz als Volk Gottes eingebüßt. Gott Selbst erkennt es als solches nicht mehr an. Er 
betrachtet es als „Lo-Ammi", (nicht mein Volk). Seine Herrlichkeit ist von Jerusalem gewichen, die Stadt und das ganze Land 
sind verwüstet und seine Bewohner in die Gefangenschaft nach 
Babylon weggeführt. Die dem Könige Hiskia durch den Fropheten Jesaias gegebene Weissagung (Jes 39, 6. 7) hat sich auf 
schreckliche Weise erfüllt. Der ganze königliche Same schmachtet in der Gefangenschaft Nebukadnezars, des Königs von 
Babylon. Gott hat sie in seine Hand gegeben und die Macht 
und Herrschaft ihm, dem Haupte der Nationen, übertragen. 
*) Die vorliegenden Betrachtungen sind unter der Benutzung der im Englischen 
erschienenen Abhandlungen über den Propheten Daniel von J. N. Darby und VV. 
Kelly bearbeitet worden. 
68 
Dies bezeugt auch Daniel in Vers 36 des zweiten Kapitels, incem er sagt: „Du o König, du König der Könige, dem der Gott 
des Himmels das Königtum, die Macht und die Gewalt und die 
Ehre gegeben hat". Der Thron Jehovas, (1. Chr 29, 23) den Er 
in Jerusalem aufgerichtet hatte, ist völlig von der Erde verschwunden, und Nebukadnezar herrscht, nachdem er das Gericht über Israel ausgeführt hat, in der ganzen Unumschränktheit und Gewalt, wie sie ihm von Gott übergeben war. Diese 
Herrschaft des Hauptes der Nationen und der ihm folgenden 
heidnischen Könige ist es hauptsächlich, womit sich das Buch 
Daniel beschäftigt. Die Geschichte der vier Reiche der alten 
Veit: des babylonischen, des medo-persischen, des griechischen 
und des römischen wird uns in bestimmten Charakterzügen vor 
Augen gemalt. Die Zeit der Nationen ist hereingebrochen, und 
Gott beschäftigt sich bezüglich des Volkes Israel nur noch mit 
dem kleinen Überrest, der Ihm treu geblieben ist, und der 
durch Daniel repräsentiert wird. Der Geist der Prophezeiung 
und des Verständnisses in den Wegen Gottes kennzeichnet 
diesen gläubigen Überrest. Wie dieser Geist seinerzeit in Samuel erweckt wurde, als ganz Israel gefehlt hatte, so finden wir 
ihn iauch hier, um das Band zwischen Gott und Seinem Volk zu 
bilden. Er ist der alleinige Ruheplatz für den Glauben inmitten 
des Ruins, in den das Gericht Gottes das Volk gebracht hatte. 
Das Buch selbst zerfällt in zwei Hauptabschnitte, die leicht 
voneinander zu unterscheiden sind. Der erste umfaßt die Kapitel 1—6, der zweite die folgenden Kapitel bis zum Ende des 
Buches. Jedoch haben das erste und letzte Kapitel als Einleitung 
und Schluß einen besonderen Charakter. Sie machen uns mit 
der Stellung und dem Zustand des Überrestes bekannt, dem, 
wie immer, das Zeugnis Gottes anvertraut wurde. „Das Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten" (Ps 25, 14). 
Der erste Hauptabschnitt des Buches enthüllt vor unseren 
Blicken die äußere und allgemeine Geschichte der kommenden 
Monarchien und ihrer Häupter, zeigt uns die verschiedenen Stellungen, in die ihr Stolz und Hochmut sie bringt, ihr endliches 
Gericht und die Aufrichtung des Königreichs Christi. Der Geist, 
der die herrschende Macht in den verschiedenen Zeiträumen 
beseelte, tritt uns in einzelnen bestimmten Zügen entgegen. 
Besonders genau wird das Verhalten und das Gericht dessen 
69 
erzählt, den Gott Selbst eingesetzt hatte, und der alle die 
übrigen repräsentierte, indem er mit diesem Charakter göttlicher Anordnung bekleidet war. Die anderen erben den Thron, 
den er von Gott empfangen hatte. Wir finden daher in diesem 
Teil des Buches keine direkten Offenbarungen an Daniel, ausgenommen zum Zwecke der Deutung des Traumes Nebukadnezars. 
Der zweite Hauptabschnitt dagegen besteht ausschließlich aus 
Mitteilungen, die dem Propheten von Gott gegeben werden — 
aus Offenbarungen, die uns bekanntmachen mit dem Charakter 
der heidnischen Könige oder der Häupter der Nationen und 
speziell mit ihrem Verhalten gegen diejenigen, die den einigen 
Gott anerkennen, d. h. die Juden. Den Schluß bilden die Handlungen Gottes mit Seinem Volk am Ende der Tage und die Aufrichtung des göttlichen Königreichs in der Person des Sohnes 
des Menschen, eines Königreichs, das die Heiligen besitzen 
werden. Der Charakter dieses Teiles unterscheidet sich also 
wesentlich von dem des vorhergehenden, obwohl die dem 
Propheten gemachten Mitteilungen der Zeit nach mit den Ereignissen des ersten Teils zusammenfallen. Das 6. Kapitel 
schließt mit den Worten: „Und dieser Daniel hatte Gedeihen 
unter der Regierung des Darius und unter der Regierung Kores, 
des Persers", es geht also bis zum Ende der Laufbahn des Propheten, der, wie wir im ersten Kapitel (V. 21) lesen, bis zum 
ersten Jahre des Königs Kores blieb. Das 7. Kapitel geht wieder 
zurück bis zum ersten Jahr des Königs Belsazar, das 8. bis zum 
dritten Jahr dieses Herrschers; das neunte Kapitel beginnt mit 
den Worten: „Im ersten Jahre Darius, des Sohnes Ahasveros, 
aus dem Samen der Meder usw.", und das zehnte Kapitel: „Im 
dritten Jahre Kores, des Königs von Persien, wurde dem Daniel 
usw."; das erste Kapitel teilt uns eine Offenbarung aus der 
Zeit Darius, des Meders mit und greift also wieder mehrere 
Jahre zurück. Mit einem Wort, wir finden im ersten Teil des 
Buches die äußere Geschichte der vier heidnischen Weltreiche, 
während uns der zweite Teil mehr die innere Geschichte oder 
das, was für solche, die Verständnis in den Wegen Gottes 
haben, von Interesse ist, mitteilt. 
Ich füge noch hinzu, daß Kapitel 7 im wesentlichen die Geschichte des westlichen Reiches, Kapitel 8 die des östlichen — 
70 
die Geschichte der beiden kleinen Hörner — schildert. Kapitel g 
ist, obwohl es sich besonders auf Jerusalem und das Volk — 
den moralischen Mittelpunkt dieser Fragen — bezieht, verbunden mit der westlichen Macht, welche die Stadt und das Heiligtum zerstörte und das Volk völlig aus seinem Lande vertrieb. 
Von Kapitel 10 bis zum Ende von Kapitel 11 befinden wir uns 
wieder im Osten. 
Wenden wir uns jetzt nach dieser kurzen Einleitung zur Betrachtung des Buches selbst. Der Herr wolle uns durch Seinen 
Geist befähigen, mit einem einfältigen Auge und einem einsichtsvollen Herzen den reichen, gesegneten Inhalt des Buches 
zu erforschen, damit es uns allen zur Erbauung und Belehrung 
und zur Verherrlichung Seines Namens gereiche! 
Kapitel 1 
Das Kapitel beginnt mit der Schilderung der völligen Demütigung der Juden von Seiten ihrer Feinde. Das Königreich, 
das Gott Selbst in der Person Davids errichtet hatte, kommt 
unter die Macht Nebukadnezars, und der König, der Gesalbte 
Jehovas, wird durch Jehova Selbst in die Hände des Hauptes 
der Nationen, dem Er jetzt die Macht gegeben hat, überliefert. 
„Im dritten Jahre der Regierung Jojakims, des Königs von Juda, 
kam Nebukadnezar, der König von Babel, gen Jerusalem und 
belagerte es. Und der Herr gab Jojakim, den König von Juda, 
in seine Hand, und einen Teil der Geräte des Hause« Gottes; 
und er brachte sie in das Land Sinear, in das Haus seines 
Gottes, und die Geräte brachte er in das Schatzhaus seines 
Gottes" (V. 1. 2). Die Prophezeiung Jesaias war, wie wir schon 
in der Einleitung bemerkten, buchstäblich in Erfüllung gegangen. Der König Hiskia hatte, statt nach seiner wunderbaren 
Errettung vom Tode mit einem demütigen Herzen in der Furcht 
Gottes zu wandeln, den Gesandten Berodak-Baladans, des 
Königs von Babel, in selbstgefälliger Weise alle die Herrlichkeiten seines Königreichs gezeigt, und deshalb wurden ihm 
durch den Propheten die ernsten und inhaltsschweren Worte 
zugerufen: „Siehe, es kommen Tage, da alles, was in deinem 
Hause ist, und was deine Väter aufgehäuft haben bis auf diesen 
Tag, nach Babel weggebracht werden wird; es wird nichts übrigbleiben, spricht Jehova. Und von deinen Söhnen, die aus dir 
71 
hervorkommen werden, die du zeugen wirst, wird man nehmen, 
und sie werden Kämmerer sein im Palaste des Königs von 
Babel" (Jes 30, 6—7). Und wie wir hier lesen, ist Jojakim, der 
König, in die Hand Nebukadnezars gegeben; der einen Teil der 
Geräte des Hauses Gottes in das Land Sdnear bringen und 
sie in dem Hause seines Gottes aufstellen läßt. Er befiehlt 
Aschpenas, dem Obersten seiner Kämmerer, von den Kindern 
Israel, sowohl von dem königlichen Samen, als auch von den 
Edlen, Jünglinge auszusuchen „an denen kein Fehl wäre und 
die schön von Ansehen und unterwiesen in aller Weisheit und 
kenntnisreich und mit Einsicht begabt, und welche tüchtig 
wären, im Palaste des Königs zu stehen" (V. 3. 4). Kann es 
wohl eine genauere Erfüllung der Worte Gottes geben? Konnte 
sich das angekündigte Gericht in buchstäblicherer Weise vollziehen? 
Aber obwohl Gott Seinen Grimm über Sein abtrünniges Volk 
ausschüttete, vergaß Er doch nicht den kleinen Überrest, der 
inmitten des schrecklichen Abfalls treu festhielt an Ihm und 
Seinen Geboten. Er wachte über diese wenigen Getreuen und 
brachte sie in Gunst bei denen, in deren Gewalt sie sich befanden; dies war besonders der Fall mit Daniel und seinen drei 
Freunden. „Und der König verordnete ihnen ein Tagtägliches 
von der Tafelkost des Königs und von dem Weine, den er 
trank, und daß man sie drei Jahre lang erzöge, und am Ende derselben sollten sie vor dem König stehen. Und es waren unter 
ihnen, von den Kindern Juda: Daniel, Hananja, Misael und 
Asarja" (V. 5. 6). 
Diese Verordnung des heidnischen Königs war eine ernste 
Prüfung für die jungen Israeliten — eine Prüfung, die nur 
der Glaube zu bestehen vermochte. Das fleischliche Gewissen 
konnte unter solchen Umständen leicht zum Schweigen gebracht 
werden. Wie war es möglich, als Gefangene in einem fremden 
Lande und als Sklaven am Hofe eines heidnischen Despoten 
nach den Geboten Jehovas zu wandeln? Und sollte Jehova dies 
verlangen, nachdem sie all der gesegneten Hilfsmittel ihres 
Landes beraubt waren? Hatte Er nicht Selbst sie in die Hand 
Nebukadnezars gegeben, in eine elende Sklaverei, die es ganz 
unmöglich machte, die Stellung eines Narsiräers aufrechtzuhalten? Waren sie persönlich nicht schuldlos an dieser schweren 
Züchtigung, und erforderte es nicht schon die Selbsterhaltung, 
72 
sich dem Willen Nebukadnezars zu unterwerfen? So mochte die 
Vernunft urteilen und so das fleischliche Gewissen sich beruhigen; „und Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht 
mit der Tafelkost des Königs und mit dem Weine, den er trank, 
zu verunreinigen" (V. 8). In seinem Herzen war die Furcht 
Jehovas, und darum erwählte er in jeder Lage und um jeden 
Preis den Pfad des Glaubens, den Pfad der Absonderung für 
Ihn. Befand er sich auch, gleich den Übrigen, im fernen Lande, 
so war doch das Wort ihm sehr nahe, in seinem Munde und in 
seinem Herzen, um es zu tun. (Siehe 5. Mo 30, 1—14). War 
auch sein Volk infolge großer Untreue in elender Sklaverei und 
von allen Segnungen des Landes Kanaan abgeschnitten, so 
blieben doch seinem Glauben die reichen Quellen der Gnade 
und Güte Gottes zugänglich. Inmitten der Finsternis, die ihn 
umgab, blieb Jehova sein Licht und seine Kraft; alle seine 
Quellen waren in Ihm. 
Daniel hatte sich nicht geweigert, den Namen Beltsazars zu 
tragen, so schmerzlich es auch für ihn sein mochte, da dieser 
Name in Beziehung zu dem Götzen Bei stand; sobald aber 
durch den Befehl Nebukadnezars die Autorität Gottes infrage 
kam, faßte er in seinem Herzen den festen Entschluß, sich nicht 
zu verunreinigen. Seine drei Gefährten Hananja, Misael und 
Asarja folgten seinem Beispiel. Sie waren überzeugt, daß auch 
in Babylon sie nichts hindern könne, durch Glauben in wahrer 
Absonderung als Jünger des Herrn zu wandeln; und sie wurden 
nicht beschämt. Wie immer bekannte Sich der Herr zu ihrem 
Glauben, der um so glänzender hervorstrahlte und um so 
ehrenvoller war, je dichter die Finsternis sie umgab. Mag auch 
der ganze Horizont mit den schwärzesten Wolken umzogen 
sein, der Glaube wandelt im ungetrübten Licht der Gunst und 
Treue Gottes, der „Seine Augen nicht abzieht von dem Gerechten" (Hi 36, 7). Das Bewußtsein Seiner Gegenwart und 
Seines Beistandes kräftigt den Glauben und bahnt den Weg. 
Gott war mit ihnen und gab ihnen Gnade und Barmherzigkeit 
vor den Augen des Obersten der Kämmerer, so daß dieser der 
Bitte Daniels, sie zehn Tage zu versuchen, willfuhr. Und was 
war der Erfolg? „Am Ende der zehn Tage zeigte sich ihr Aussehen besser und völliger an Fleisch, als dasjenige aller Jünglinge, welche die Tafelkost des Königs aßen" (V. 15). Ihr Vertrauen wurde also reichlich belohnt. Doch Gott zeigte in einer 
73 
noch augenscheinlicheren Weise Seine Anerkennung ihres Verhaltens. 
„Und diesen vier Jünglingen, ihnen gab Gott Kenntnis und 
Einsicht in aller Schrift und Weisheit; und Daniel hatte Verständnis für alle Gesichte und Träume" (V. 17). Gott bekennt 
Sich zu denen, die Ihn bekennen. Daniel und seine Freunde 
hatten den Pfad der Absonderung für Jehova inmitten des gänzlichen Verfalls ihres Volkes und unter den schwierigsten Umständen erwählt, und der Herr war mit ihnen. Sie hatten sich 
gereinigt von den Gefäßen der Unehre und waren deshalb ein 
Gefäß zur Ehre, geheiligt, dem Hausherrn nützlich und zu 
allem guten Werke bereitet (2. Tim 2, 21). Welch eine ernste 
Unterweisung für den Christen in diesen letzten, bösen Tagen, 
mitten in dem traurigen Verfall der Kirche! Wie groß auch die 
Finsternis um uns her sein mag, der Glaube des unterwürfigen 
Bekenners findet immer einen Pfad, um in Ergebenheit zu 
wandeln, findet zu jeder Zeit und unter allen Umständen in 
dem Herrn das, was er bedarf. Er ist die Quelle unserer Kraft, 
und Sein Wort ist die Leuchte für unsere Füße und das Licht 
auf unserem Pfad. Und wie der Herr in Seiner treuen Fürsorge 
in bezug auf die gegenwärtige Zeit gesagt hat: „Wo zwei oder 
drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer 
Mitte" (Mt 3.8, 20), so war Er auch mit jenen vier Jünglingen 
und versorgte sie in allem. Er befähigte sie zu ihrem Werke. Er 
rüstete sie aus mit Weisheit und Kraft und machte sie zu 
einem hellglänzenden Zeugnis mitten in einer finsteren Welt. 
Er gab ihnen, was sie nie, selbst durch ein unausgesetztes Studium in den Schriften der Chaldäer, nie durch die weisesten 
Lehrer erlangt hätten; denn die wahre Weisheit kommt allein 
von Oben. Wer unter den Menschen könnte Gesichte und 
Träume deuten, das Verborgene offenbaren und das Zukünftige 
mitteilen, wenn nicht Gott ihn dazu befähigt? Seine Geheimnisse aber sind für die, welche Ihn fürchten. Er gab Seinen 
treuen Bekennern einen neuen glänzenden Beweis, daß Er mit 
ihnen war, und zugleich eine köstliche Ermunterung, zu aller 
Zeit allein auf Ihn zu vertrauen. Am Ende der drei Jahre redete 
der König mit ihnen, „und unter ihnen allen wurde keiner gefunden wie Daniel, Hananja, Misael und Asarja; und sie standen vor dem König. Und in allen Sachen einsichtsvoller Weisheit, welche der König von ihnen erfragte, fand er sie zehnmal 
74 
allen Schriftgelehrten, und Beschwörern überlegen, die in seinem 
ganzen Königreich waren" (V. 19. 20). Das war das gesegnete 
Ergebnis ihrer Absonderung und zugleich ein unzweideutiges 
Zeugnis von der Dazwischenkunft und Treue Gottes. 
Kapitel 2 
Die erste Hälfte dieses Kapitels zeigt uns, wie unzulänglich 
alles menschliche Wissen und alle menschliche Weisheit, wie 
ohnmächtig das Geschöpf gegenüber seinem Schöpfer ist. Nebukadnezar, der König der Könige, muß erkennen, daß alle 
seine Schriftgelehrten und Beschwörer, auf die er ein so großes 
Vertrauen setzte, nichts sind. Alle ihre Weisheit und Zauberei 
ist nicht imstande, seine für ihn so wichtige Frage zu beantworten und sein geängstigtes Gemüt zu beruhigen. Nebukadnezar muß erfahren, daß Daniel, der Jude, der arme Gefangene, 
allein befähigt ist, Licht in das Dunkel zu bringen und er muß 
bekennen, daß der Gott Daniels „ein Gott der Götter, ein Herr 
der Herren und ein Offenbarer der Geheimnisse ist" (V. 47). 
Gott Selbst belehrt ihn, daß die Weisheit der Menschen Torheit ist vor Gott. Er läßt ihn zugleich verstehen, daß Er Sich zu 
Seinem "Volke bekennt, obwohl Er es Seiner Herzenshärtigkeit 
wegen für eine Zeit dem Gericht übergeben mußte. Der König 
muß erkennen, daß der Gott Daniels das arme, verachtete Häuflein zu Mitwissern Seiner Gedanken und Ratschlüsse macht. 
Wohl mag Gott für eine Zeit „Königtum, Macht, Gewalt und 
Ehre" den Händen der Nationen übergeben haben, aber Seine 
Zuneigungen und die Offenbarung Seiner Geheimnisse sind 
stets, selbst in der Stunde der Erniedrigung, das Teil der Seinigen. 
Nebukadnezar träumt einen Traum; Gott tut ihm in einem 
Gesicht kund, wie der Lauf der Ereignisse auf der Erde sich 
gestalten werde. Der König erwacht, kann sich aber der Einzelheiten seines Traumes nicht mehr entsinnen. Sein Geist ist 
bestürzt, und er läßt die Schriftgelehrten, die Beschwörer, die 
Zauberer und die Chaldäer zu sich rufen und sagt zu ihnen: 
„Ich habe einen Traum geträumt, und mein Geist ist beunruhigt, den Traum zu wissen". Den armen Weisen aber erging 
es nicht besser, auch sie wurden bestürzt. Hätte der König ihnen 
seinen Traum erzählen können, so würden sie vielleicht um 
75 
eine Deutung nicht verlegen gewesen sein, aber den Traum 
selbst zu wissen, das ging weit über die Grenzen ihrer Fähigkeit 
hinaus. „Sage deinen Knechten den Traum, so wollen wir die 
Deutung anzeigen", gaben sie dem König zur Antwort; aber 
weder die ernstesten Drohungen, noch die schönsten Versprechungen vermögen etwas anderes aus ihnen herauszubringen 
als das trostlose Bekenntnis: „Kein Mensch ist auf dem Erdboden, der die Sache des Königs anzeigen könnte, weil kein 
großer und mächtiger König jemals eine Sache wie diese von 
irgendeinem Schriftgelehrten oder Zauberer oder Chaldäer verlangt hat. Denn die Sache, die der König verlangt, ist schwer 
und es gibt keinen anderen, der sie vor dem Könige anzeigen 
könnte, als nur die Götter, deren Wohnung nicht bei dem 
Fleische ist" (V. 10. 11). Darin nun hatten die Weisen Recht; 
es 'gab in der Tat keinen Menschen auf dem ganzen Erdboden, 
der die Forderung des Königs hätte erfüllen können. Aber der 
Gott des Himmels weiß alles; Er kennt den Lauf und den Ausgang der menschlichen Geschichte bei ihrem Anfang, und Er 
kann Sich denen offenbaren, die in Ergebenheit und Gehorsam 
vor Ihm wandeln und in der Kraft des Glaubens und mit Selbstverleugnung sich von dem Verderben in Babel absondern; und 
Er tut es auch. Deshalb haben diese eine weit größere Einsicht, 
als die weisesten Philosophen der Welt. 
„Dieserhalb ward der König zornig und ergrimmte sehr und 
er befahl, alle Weisen von Babel umzubringen . . . Und man 
suchte Daniel und' seine Genossen, um sie zu töten" (V. 12. 13). 
Als aber Daniel durch Arioch, den Obersten der Trabanten, 
davon in Kenntnis gesetzt war, „ging er hinein und erbat sich 
vom Könige, daß er ihm eine Frist gewähre, um dem König die 
Deutung anzuzeigen" (V. 16). Beachten wir es wohl! Er verspricht dem Könige von vornherein die Deutung des Traumes, 
obwohl er ihn ebensowenig kannte, wie die armen Weisen 
Babels. Aber Daniel vertraute auf Gott; er richtete seinen Blick 
zu Dem hin, Der alle Dinge weiß und Der die Seinigen, die auf 
Ihn vertrauen, nie beschämt werden läßt. Seiner eigenen 
Schwachheit und seines Unvermögens sich bewußt, dem Könige 
zu antworten, ging er in sein Haus und tat „die Sache seinen 
Genossen, Hananja, Misael und Asarja, kund, auf daß sie von 
dem. Gott des Himmels Barmherzigkeit erbäten wegen dieses 
Geheimnisses" (V. 17. 18). Hier finden wir diese Männer auf 
76 
dem wahren Platz an dei Quelle der Weisheit und der Kraft. 
Mit vertrauensvollem Flehen zum Himmel aufzublicken, war 
der einzige Weg, um ein wahres Verständnis über die Schicksale der Erde zu erlangen. Hierauf wurde dem Daniel in einem 
Nachtgesicht das Geheimnis geoffenbart" (V. 19). Anbetungswürdige Treue Gottes! 
Welchen Weg schlägt nun Daniel, nachdem er das Geheimnis 
wiußte, zunächst ein? Möge es sich unseren Herzen tief einprägen und uns zur Nachahmung ermuntern! Er geht zunächst 
weder zu seinen drei Freunden, noch zum König, sondern wendet sich mit Lob und Dank zu dem Gott, Der ihr Flehen erhört 
hat. „Da pries Daniel den Gott des Himmels". Das ist es, was 
dem Geschöpf geziemt, und wodurch beide, der Geber und der 
Empfänger, an ihren wahren Platz gestellt werden, und das ist 
es auch, was uns vor Selbstüberhebung und Hochmut bewahrt. 
Es sind beherzigenswerte Worte, die dem Munde Daniels entströmen; alle Ehre wird Gott, als der Quelle aller Macht und 
Weisheit, zugeschrieben. Wir lesen in Vers 20—23
 : „Gepriesen 
sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn Weisheit 
und Macht, sie sind sein. Und er ändert Zeiten und Zeitpunkte, 
setzt Könige ab und setzt Könige ein; ei gibt Weisheit und 
Verstand den Verständigen. Er offenbart das Tiefe und das 
Verborgene; er weiß, was in der Finsternis ist, und bei ihm 
wohnt das Licht. Dich, Gott meiner Väter, lobe und rühme ich, 
daß du mir Weisheit und Kraft gegeben und mir jetzt kundgetan hast, was wir von dir erbeten haben; denn du hast uns 
die Sache des Königs kundgetan". 
Der Inhalt dieses schönen Lobgesangs ist so einfach, daß er 
dem Verständnis des Lesers keinerlei Schwierigkeit darbietet, 
es seien denn die Worte: „Es gibt den Weisen Weisheit und 
Verstand den Verständigen". Dies ist ein wichtiger Grundsatz. 
Sicher blickt der Herr mit Mitleiden auf den Unwissenden und 
erweist Seine Güte denen, die kein Verständnis haben; aber 
Daniel spricht hier von der Regierjung Gottes in bezug auf 
solche, deren Herzen für Ihn schlagen, die weise und verständig 
sind. Denselben Grundsatz vernehmen wir aus dem Munde 
des Herrn: „Denn jeglichem, der da hat, wird gegeben werden, 
und er wird Überfluß haben; von dem aber, der nicht hat, von 
dem wird selbst was er hat, weggenommen werden" (Mt 25, 
29). Es ist gefährlich, auf dem Pfade der Erkenntnis in den 
77 
Wegen Gottes einzuhalten, und ein großer Irrtum ist es, wenn 
man denkt, auf diesem Pfade eine Zeitlang ausruhen oder stillstehen zu können. Man geht entweder vorwärts und empfängt 
immer mehr Licht und Verständnis, oder man geht zurück, und 
das Licht, das man bis dahin besaß, wird schwächer und schwächer, bis man zuletzt nichts mehr klar unterscheiden kann; hier 
gibt es keinen Stillstand. 
Doch kehren wir zu dem Gegenstand unserer Betrachtung 
zurück. Nachdem Daniel sein Gebet beendet hatte, eilte er zu 
Arioch, dem Obersten der Trabanten, und sprach zu ihm: 
„Bringe die Weisen Babels nicht um; führe mich vor den König, 
und ich werde dem König die Deutung anzeigen. Da führte 
Arioch eilends den Daniel vor den König . . ." (V. 24. 25). Die 
Antwort Daniels auf die Frage des Königs: „Bist du imstande, 
den Traum, den ich gesehen habe, und seine Deutung mir kundzutun?" ist von außerordentlicher Schönheit; sie zeugt von 
einem wirklich demütigen Herzen. Wahre Erkenntnis in den 
Wegen Gottes ist immer von wahrer Demut begleitet. Menschliche Gelehrsamkeit mag aufblähen, aber ein geistliches Verständnis der Gedanken und Wege Gottes bewirkt das Gegenteil. Daniel antwortet dem König: „Das Geheimnis, welches 
der König verlangt, können Weise, Beschwörer, Schriftgelehrte 
und Wahrsager dem König nicht anzeigen. Aber es ist ein Gott 
im Himmel, der Geheimnisse offenbart, und er hat dem König 
Nebukadnezar kundgetan, was am Ende der Tage geschehen 
wird . . . Mir aber ist dieses Geheimnis geoffenbart worden 
nicht durch Weisheit, die in mir mehr als in allen Lebenden 
wäre, sondern darum, daß man dem König die Deutung kundtue, und daß du deines Herzens Gedanken erfahrest" (V. 27— 
30). Es ist bemerkenswert, daß Daniel sagt, Gott habe Nebukadnezar die kommenden Ereignisse kundgetan, während er 
es doch war, der die Offenbarung empfangen hatte. Vielleicht 
wollte er den König darauf aufmerksam machen, welches Interesse Gott an ihm nahm; jedenfalls aber zeigt es uns, wie sehr 
Daniel sich verbirgt und Gott in den Vordergrund stellt, damit 
Ihm allein alle Ehre zuteil werde. Aber indem er dies tut, wird 
es offenbar, daß Gott in ihm ist. Welch eine Ehre und welch ein 
gesegneter Platz für Daniel! Doch wenden wir jetzt unsere 
Aufmerksamkeit auf den Traum Nebukadnezars und seine 
Deutung. 
78 
„Du, o König, sähest, und siehe, ein großes Bild; dieses Bild 
war gewaltig, und sein Glanz außergewöhnlich; es stand vor 
dir, und sein Aussehen war schrecklich" (V. 31). In diesem 
Bilde werden dem König vier aufeinanderfolgende Monarchien, 
deren Zustand verschieden ist, vor Augen gestellt. In den Augen 
Gottes bilden sie ein Ganzes; es ist eine Person, ein großes Bild. 
Nebukadnezar war von Gott Selbst als das große Haupt dieser 
Monarchie eingesetzt. „Du, 0 König, du König der Könige, dem 
der Gott des Himmels das Königtum, die Macht und die Gewalt 
und die Ehre gegeben hat; und überall, wo Menschenkinder, 
Tiere des Feldes und Vögel des Himmels wohnen, hat er sie in 
deine Hand gegeben, und dich zum Herrscher über sie alle gesetzt. Du bist das Haupt von Gold" (V. 37. 38). Gott offenbart 
Sich hier, wie wir in Vers 37 sehen, als der Gott des Himmels. 
In Israel war Er der Gott der Erde, und dies wird Er auch bei 
der Wiederherstellung aller Dinge im tausendjährigen Reich 
sein. Hier handelt Er in Seiner Unumschränktheit als der Gott 
des Himmels, indem Er auf der Erde in gewissem Sinn einen 
Menschen an Seine Stelle gesetzt hat. Die Zeit der Nationen 
hatte begonnen. 
„Dieses Bild — sein Haupt war von feinem Golde, seine Brust 
und seine Arme von Silber, sein Bauch und seine Füße von Erz, 
seine Schenkel von Eisen, seine Füße teils von Eisen und teils 
von Ton" (V. 32. 33). Wie wir gesehen haben, war Nebukadnezar das Haupt von „feinem Golde". Seine besondere Auszeichnung bestand darin, daß er sein Ansehen unmittelbar von 
Gott Selbst empfangen hatte. Babylon war die von Gott eingesetzte Macht; ihre unumschränkte Autorität war auf die Gabe 
des Gottes des Himmels gegründet. Die übrigen Monarchien 
gingen, sozusagen, aus der babylonischen hervor und übernahmen ihre Herrschaft; und es sollte sich, in gewisser Hinsicht, 
ein fortschreitender Verfall offenbaren, je mehr sie sich von der 
Quelle entfernten. Auf das Haupt von feinem Golde folgten 
eine Brust und Arme von Silber, Bauch und Lenden von Erz, 
und endlich Schenkel von Eisen und Füße, aus Eisen und Ton 
zusammengesetzt. Aber trotz dieses allmählichen Verfalls in 
dem Charakter der vier Reiche entdecken wir keine Abnahme 
der materiellen Kraft, denn wir lesen in Vers 40: „Und ein 
viertes Königreich wird hart sein wie Eisen; ebenso wie das 
Eisen alles zermalmt und zerschlägt, so wird es, dem Eisen 
79 
gleich, welches zertrümmert, alle diese zermalmen und zertrümmern". 
Das erste der vier Königreiche ist also, nach den eigenen 
Worten des göttlichen Sehers, das babylonische, repräsentiert 
durch Nebiukadnezar. Das zweite wird mit den Worten eingeführt: „Und nach dir wird ein anderes Königreich aufstehen, 
niedriger, als du" (V. 39). Es ist vorgebildet durch die Brust 
und Arme von Silber. Doch welches ist sein Name? Das Buch 
Daniel selbst gibt Antwort auf diese Frage. Wir lesen im 
5. Kapitel, daß infolge der schrecklichen Gotteslästerung Belsazars, des Enkels Nebukadnezars, eine Menschenhand erscheint 
und an die Wand des königlichen Palastes die Worte schreibt: 
„Mene, mene, tekel, upharsin". Der von dem erschreckten 
König herbeigerufene Daniel gibt folgende Auslegung: „Mene 
— Gott hat dein Königreich gezählt und macht ihm ein Ende. 
Tekel — du bist auf der Waage gewogen und zu leicht erfunden 
worden. Peres — dein Königreich wird zerteilt und den Medern 
und Persern gegeben" (V. 26—28). Einige Verse weiter wird uns 
die Ermordung Belsazars und die Übernahme der Herrschaft 
durch Darius, den Meder, mitgeteilt. Es steht also außer Frage, 
daß das zweite Reich das medisch-persische ist. Es nahm, wie 
wir gesehen haben, unter Darius, dem Meder, seinen Anfang, 
erreichte unter Cyrus seinen Glanzpunkt und fand endlich 
unter Darius III., mit dem Beinamen Codomannus, sein Ende. 
Es machte, nach Kapitel 8, 20. 21, dem griechischen Reich unter 
Alexander dem Großen Platz. Dieses bezeichnet Daniel in dem 
uns vorliegenden Kapitel als „ein Königreich von Erz, welches 
über die ganze Erde herrschen wlird". In der Tat war die damals 
bekannte Welt der Herrschaft Alexanders unterworfen; Griechenland, Macedonien, Kleinasien und Ägypten verband er zu 
einem einzigen gewaltigen Reich, ja selbst bis nach Indien 
dehnte er seine Eroberungszüge aus. Man sagt, er habe bedauert, daß es nicht noch eine andere Welt gebe, die er sich 
unterwerfen könne. Cyrus war ebenfalls ein großer Eroberer, 
aber er hat nie die Grenzen Asiens überschritten. 
Wir kommen jetzt zu dem vierten Reich. „Und ein viertes 
Königreich wird hart sein wie Eisen; ebenso wie das Eisen alles 
zermalmt und zerschlägt, so wird es, dem Eisen gleich, welches 
zertrümmert, alle diese zermalmen und zertrümmern" (V. 40). 
Unverkennbar sind dies die Charakterzüge des römischen Rei80 
dies. Während sich nach dem Tode Alexanders des Großen das 
griechische Reich in vier Teile zersplitterte und unter der Regierung der Generäle des großen Königs und ihrer Nachfolger 
mehr und mehr in Verfall geriet, dehnte sich im Westen das 
römische Reich immer weiter aus. Unaufhaltsam drangen die 
römischen Heere nach allen Seiten hin vor und unterwarfen ein 
Land nach dem anderen der Herrschaft Roms. „Dem Eisen 
gleich, welches zertrümmert, wird es zermalmen und zertrümmern". Bald wurde auch Griechenland erobert und zu einer 
römischen Provinz gemacht. Kleinasien und im Innern von 
Asien liegenden Reiche folgten nacheinander. Nichts vermochte 
den kriegsgewohnten römischen Legionen Widerstand zu leisten. Bald war das ganze Gebiet, das früher das Reich Alexanders ausgemacht hatte, in der Gewalt der Römer, so daß das 
Reich allmählich zu einer ungeheuren Größe anwuchs. Die 
ganze, den damaligen Völkern bekannte Welt stand unter der 
Herrschaft Roms. Wir lesen in Lk 2, 1: „Es geschah aber in 
jenen Tagen, daß eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben". Es war in der Tat 
ein gewaltiges, eisernes Reich. 
Aber wir sehen in Vers 41, daß zu dem ursprünglichen Bestandteil des Reiches, dem Eisen, etwas hinzukommt, das seine 
Kraft, wenn auch nicht ganz, so doch teilweise bricht. „Und 
daß du die Füße und die Zehen teils von Töpferton und teils 
von Eisen gesehen hast — es wird ein geteiltes Königreich sein, 
aber von der Festigkeit des Eisens wird in ihm sein, weil du das 
Eisen mit lehmigem Ton vermischt gesehen hast". In dem Charakter des römischen Reiches tritt ein Wechsel ein; ein anderes 
Element wird eingeführt, ein Element, das nicht die Festigkeit 
des Eisens besitzt, sondern mehr dem lehmigen Ton entspricht. 
Wahrscheinlich deutet der Heilige Geist hiermit auf die barbarischen Horden hin, die zu Ende des vierten und zu Anfang 
des fünften Jahrhunderts von Norden und Osten her in das 
römische Reich eindrangen, seine Macht schwächten und nach 
und nach getrennte Königreiche innerhalb der Grenzen des großen Weltreiches bildeten. Die Macht und der Stolz des Weltreichs waren dadurch gebrochen; ein innerer Zusammenhan' 
dieser beiden völlig verschiedenen Elemente konnte nicht bestehen. „Es wird ein geteiltes Königreich sein". Und in Vers 43 
heißt es: „Daß du das Eisen mit lehmigem Ton vermischt ge81 
sehen hast, — sie werden sich mit dem. Samen der Menschen 
vermischen, aber sie werden nicht aneinander haften, gleichwie 
sich Eisen mit Ton nicht vermischt". Der energische Wille und 
die eiserne Kraft, die ursprünglich das römische Reich charakterisierten, schwanden unter dem Einfluß der Vermengung mit 
anderen Elementen, die in diesem Vers als „Samen der Menschen" bezeichnet werden. „Sie werden sich vermischen, aber 
nicht aneinander haften". Der Zusammenhang der einzelnen 
Glieder des gewaltigen Körpers lockerte sich, und der allmähliche Verfall, die Zeitteilung in verschiedene Reiche, war die 
natürliche Folge. 
„Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels 
ein Königreich aufrichten, welches ewiglich nicht zerstört, und 
dessen Herrschaft keinem anderen Volke überlassen werden 
wird; es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, 
selbst aber ewiglich bestehen" (V. 44). Beachten wir die Worte: 
„In den Tagen dieser Könige". Es kann damit unmöglich die 
Zeit der ersten Ankunft Christi angedeutet sein; denn damals 
stand das römische Reich auf dem Gipfel seiner Macht. Es gab 
nicht mehrere Könige, sondern alles mußte sich einem Herrscher und einem Willen unterwerfen. Ich glaube vielmehr, daß 
sich dieser Vers auf die Schlußszene des römischen Reiches bezieht, und zwar auf die Zeit, wenn Gott „den Erstgeborenen 
wieder in den Erdkreis einführen wird". Der Herr Jesus wird 
zum zweiten Male erscheinen, doch nicht, um, wie einst, zu 
leiden und zu sterben, sondern um zu richten und zu regieren. 
„Der Gott des Himmels wird ein Königreich aufrichten, das 
ewiglich nicht zerstört werden wird". Es ist das einzige Königreich, das von Seiten Gottes den Platz des babylonischen Reiches 
einnehmen wird. Der Gott des Himmels hatte, wie wir oben 
gesehen haben, Nebukadnezar erhöht und ihm Macht und Ehre 
gegeben, und die anderen Reiche waren ihm, ohne Zweifel 
nach dem Willen Dessen, der alles leitet, gefolgt. Aber nur in 
bezug auf das letzte Königreich in Vers 44 wird noch einmal 
gesagt, daß es von dem Gott des Himmels aufgerichtet werden 
wird. Der zu jener Zeit „ohne Hände losgerissene Stein" ist 
Christus; doch es ist nicht so sehr Seine Person, als vielmehr 
das Reich, das Gott in Ihm und durch Ihn aufrichten wird. 
Dieser Stein hat hier einen zerstörenden Charakter, indem er die 
Königreiche der Erde vernichtet. Von dem Berge ohne Hände 
82 
losgerissen, „zermalmte er das Eisen das Erz den Ton, das 
Silber und das Gold" (V. 45). Es handelt sich dann nicht, wie 
bei der ersten Ankunft Christi um die Errettung der Seelen, 
sondern um das Gericht; der Stein wirft alles nieder, was sich 
wider den wahren Gott erhebt. Er fällt auf die Füße des Bildes, 
die teils aus Eisen und teils aus Töpferton bestanden, d. h. auf 
das römische Reich in seiner letzten Gestalt; und „es wurden 
zugleich das Eisen, der Ton, das Erz, das Silber und das Gold 
zermalmt, und sie wurden wie Spreu der Sommertennen, und 
der Wind führte sie hinweg, und es wurde keine Stätte für sie 
gefunden" (V. 35). Es bleibt keine Spur von ihnen zurück. Der 
Stein ist kein Werkzeug, das durch die Weisheit oder Entwürfe 
des Menschen in die Erscheinung tritt; er wird „ohne Hände", 
d. h. ohne Mitwirkung des Menschen, losgerissen. Er handelt 
auch nicht durch einen moralischen Einfluß, so daß er das Vorhandene verändert, sondern er zerstört mit Gewalt. Gott Selbst 
ist es, der ihn aufrichtet und ihm diese Gewalt gibt. Da ist kein 
allmähliches Wachstum des Steines, so daß er nach und nach das 
ganze Bild verdrängt, sondern erst nach der Zerstörung des 
Bildes wird er zu „einem gewaltigen Berge", der die ganze Erde 
füllt (V. 35). Christus wird die Macht der Nationen in Stücke 
zerbrechen und vernichten und danach Sein Reich (ein irdisches 
Reich) aufrichten, das sich über die ganze Erde ausdehnen wird. 
Viele meiner Leser mögen vielleicht fragen: „Wie kann Christus bei Seiner Erscheinung das römische Reich zerstören, das 
schon seit Jahrhunderten nicht mehr besteht?" Allerdings ist 
dieses Reich jetzt nicht mehr da, aber es wird wiederhergestellt 
werden. In Offb 17, 8 lesen wir von dem Tier, das die kaiserliche Macht des römischen Reiches repräsentiert: „Das Tier, 
welches du sähest, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund 
heraufsteigen", und einige Zeilen nachher: „Wenn sie das Tier 
sehen, daß es war und nicht ist und da sein wird". Das Tier 
oder das Reich, das bestand, ist verschwunden und wird später 
wieder in die Erscheinung treten. Es wird aus dem Abgrunde 
aufsteigen; Satan wird die Wiedervereinigung der Bruchstücke, 
in die das römische Reich einst zerfiel, zustandebringen. Zu der 
Zeit, wenn das Tier wieder erscheinen wird, werden zehn 
Könige sein, die dem Tier, oder der Person, die durch Satan 
aufgestellt ist, um das Reich zu organisieren und zu regieren, 
ihre Macht geben. (Offb 17, 12. 13). Satan wird diese Macht 
83 
gegen Gott und das Lamm gebrauchen; jede Spur von Christentum wird zerstört, der Götzendienst wird eingeführt werden 
und der Antichrist wird auftreten. Alsdann wird die Geduld 
und Langmut Gottes zu Ende sein. Der Herr Jesus wird Seinen 
Platz zur Rechten Gottes verlassen und über diese gottlosen 
Könige Gericht ausüben. 
Es mag dem Verständnis des Lesers einige Schwierigkeiten 
darbieten, daß der Stein, der auf das Bild fällt, nicht nur das 
Eisen und den Ton, sondern auch das Erz, das Silber und das 
Gold zermalmt, als ob alle die vier aufeinanderfolgenden Reiche 
noch zusammen existierten. Bei näherer Betrachtung schwindet 
jedoch diese Schwierigkeit. Wohl ist es wahr, daß Babylon und 
die beiden nächstfolgenden Königreiche ihren Platz der Herrschaft verloren, aber sie haben nie aufgehört, in einer untergeordneten Weise unter der späteren Macht fortzubestehen. 
Ebenso werden, wenn das endliche Gericht über das wiederhergestellte vierte Reich hereinbrechen wird, die Repräsentanten der früheren drei Reiche noch vorhanden sein und mit 
jenem vernichtet werden. 
Schließlich teilen uns die letzten Verse dieses Kapitels mit, 
wie der König Nebukadnezar dem Gott Israels Ehre gibt und 
wie er, der stolze und gewaltige Monarch der Erde, einem 
armen Gefangenen Huldigung darbringt. „Da fiel der König 
Nebukadnezar nieder auf sein Angesicht und betete Daniel an 
und befahl, ihm Speisopfer und Räucherwerk darzubringen. 
Der König antwortete Daniel und sprach: In Wahrheit, euer 
Gott ist der Gott der Götter und der Herr der Könige und ein 
Offenbarer der Geheimnisse" (V. 46. 47). Das war die köstliche Frucht der Treue Daniels; ebenso gesegnet und herrlich 
wird der Ausgang aller sein, die in Treue ausharren bis ans 
Ende. In bezug auf Israel wird die Verheißung erfüllt werden: 
„Und alle Völker der Erde werden 9ehen, daß du nach dem 
Namen Jehovas genannt bist und werden sich vor dir fürchten" 
(5. Mo 28, 10); und in bezug auf die Versammlung das Wort 
des Herrn: „Siehe, ich werde machen, daß sie kommen und sich 
niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, daß ich dich geliebt habe" (Offb 3, 9). Daniel wurde, wie es bei dem treuen 
Überrest Israels am Ende der Fall sein wird, sehr erhöht. Nebukadnezar „setzte ihn als Herrscher ein über die ganze Land84 
Schaft Babel und zum Obervorsteher über alle Weisen von 
Babel" (V. 48). Auf seine Bitte wurden Sadrach, Mesach und 
Abednego über die Verwaltung der Landschaft Babel gesetzt, 
und er war im Tore des Königs. 
Kapitel 3 
Die Kapitel 3—6 teilen uns historische Ereignisse mit und 
scheinen auf den ersten Blick keinen prophetischen Charakter 
zu haben. Doch müssen wir uns immer daran erinnern, daß die 
Schrift gewöhnlich einen weit ausgedehnteren Zweck hat, als die 
bloße Mitteilung von Begebenheiten, mögen diese auch noch so 
belehrend und moralisch wichtig sein. Besonders ist dies in 
einem Buche der Fall, wie das unserer Betrachtung vorliegende. 
Im Buche Daniel dürfen wir rächt nur die Geschichte und Offenbarung als prophetisch betrachten, sondern die damit in Verbindung stehenden Tats-achen und Ereignisse haben ebenfalls 
einen prophetischen Charakter. Das ist auch in bezug auf die 
vorhin erwähnten Kapitel der Fall. In den darin mitgeteilten, 
geschichtlichen Ereignissen kommen völlig unterschiedliche Charakterzüge zum Vorschein, die von dem Propheten aufgezeichnet worden sind, um das Verhalten und das zukünftige Schicksal der großen heidnischen Mächte anzukündigen. 
Im zweiten Kapitel haben wir gesehen, daß Gott, nachdem 
Er Sein untreues Volk dem Gericht übergeben hatte, einen Herrscher als den Herrn der Welt einsetzte. Nebukadnezar war ein 
großer Fürst; er war nicht nur selbst ein mächtiger König, sondern ergebet auch über andere Könige und Fürsten als seine Untertanen und Vasallen. Doch die erste Handlung dieses mit 
unumschränkter Herrschermacht bekleideten Menschen war die 
Einrichtung eines schrecklichen Götzendienstes. Er machte ein 
Bild von Gold und richtete es auf in der Ebene Dura, in der 
Landschaft Babel, und berief alle seine Satrapen, Stadthalter, 
Landpfleger usw. zur gemeinschaftlichen Einweihung des Bildes 
(V. 1. 2). An den Gott Daniels, von dem er bezeugt hatte 
(Kap. 2, 47), daß „er ein Gott der Götter und ein Herr der 
Könige" sei, denkt er nicht mehr; er will seinen eigenen Gott 
haben, einen Gott, der von dem Willen des Menschen abhängig 
ist, einen Gott, der ihm behilflich ist, sein Reich zu einigen und 
seine Macht zu befestigen. Menschlich betrachtet war es ein 
85 
wohl überlegter Plan. Nebukadnezar herrschte über Königreiche und Landschaften, deren Sprache, Sitten und Gebräuche 
sehr verschieden voneinander waren, und um jene dauernd in 
Unterwürfigkeit und enger Verbindung zu erhalten, brauchte 
er ein gemeinsames Band. Und in dieser Beziehung gibt es kein 
geeigneteres Mittel, nichts, was größeren Einfluß auf die Gemüter ausübt, als eine gemeinsame Religion, ein gemeinsamer 
Kultus, wo alle vor dem einen Gegenstand ihre Herzen und 
ihre Knie beugen. Zu allen Zeiten ist dieser mächtige Hebel in 
Bewegung gesetzt worden, um die Völker untereinander zu verbinden und sie um einen gemeinsamen Mittelpunkt zu vereinigen. Man macht sich einen Gott, der den Neigungen, Wünschen und Leidenschaften der Menschen angemessen ist und 
sie befriedigt; man führt Zeremonien und Gebräuche ein, durch 
deren Erfüllung sich der Mensch in seinen eigenen Augen erheben kann, wodurch aber nie ein aufgewachtes Gewissen zur 
wahren Ruhe gebracht werden kann. Das ist die Religion, die 
der Mensch sucht und liebt, und die er mit allem möglichen 
Glanz umgibt, um ihr Ansehen zu verschaffen, und das ist der 
Weg, auf dem er seine religiösen Bedürfnisse zu befriedigen 
sucht. Ach! ein trauriger Weg, auf dem der Mensch erhöht und 
Gott erniedrigt wird. 
Nachdem nun Nebukadnezar sein goldenes Bild von sechzig Ellen Höhe und sechs Ellen Breite durch alle die Großen und 
Machthaber seines ausgedehnten Reiches eingeweiht und ihm 
auf diese Weise ein großes Ansehen verschafft hatte, lesen wir 
weiter: „Und ein Herold rief mit Macht: Sobald ihr den Klang 
des Hornes, der Pfeife, der Zither, der Sambuke usw hören werdet, sollt ihr niederfallen und das goldene Bild anbeten, welches 
der König Nebukadnezar aufgerichtet hat. Und wer nicht niederfällt und anbetet, der soll sofort in den brennenden Feuerofen geworfen werden" (V. 5. 6). Das war wahrlich ein hartes 
Gebot, ein Gebot, das Tod und Verderben über jeden Übertreter brachte. Wer hätte sich da weigern mögen, seine Knie 
vor dem Bilde zu beugen? Es heißt daher weiter: „Darum, sobald alle Völker den Schall des Hornes, der Pfeife, der Zither, 
der Sambuke, der Laute usw. hörten, fielen alle Völker, Völkerschaften und Sprachen nieder, indem sie das goldene Bild anbeteten" (V. 7). So war also der Zweck des Königs erreicht, 
seine Autorität hatte eine glänzende Anerkennung und sein 
86 
aufgerichtetes Götzenbild eine allgemeine Würdigung und Verehrung gefunden; eine Religion verband alle ihm unterworfenen Völkerschaften. 
Wurde denn in jenen finsteren Tagen des allgemeinen Götzendienstes niemand gefunden, der die Ehre Gottes aufrecht 
hielt? Gewiß, dieselben Männer, die sich geweigert hatten, sich 
durch die feine Speise des Königs zu verunreinigen, weigerten 
sich jetzt, das Bild des Königs anzubeten. Es waren Sadrach, 
Mesach und Abednego. Von Daniel hören wir nichts; wir können aber versichert sein, daß er ebensowenig wie seine Gefährten, weder an der Einweihung noch an der Anbetung des Bildes 
teilgenommen hat. Jene Männer des Glaubens unterwarfen sich 
völlig der Autorität des großen Königs, den der Gott des Himmels auf der Erde eingesetzt hatte, aber sobald dieser die Grenzen seiner Befugnis überschritt, sobald er seine Macht und 
Autorität gebrauchte, um Gott zu verachten, um die Ihm allein 
gebührende Ehre und Anbetung einem Götzenbilde zuzuwenden, und hierin von ihnen Gehorsam verlangte, weigerten sie 
sich standhaft. War auch die ganze Welt gegen sie, hatte es auch 
den Schein, als wollten sie besser sein als andere, als wollten 
sie durch ihr Verhalten sich über andere erheben und sie richten, 
so konnte doch nichts, selbst nicht der schreckliche Gedanke, in 
den brennenden Feuerofen geworfen zu werden, sie auch nur 
einen Augenblick bestimmen, die Anbetung, deren würdiger 
Gegenstand Gott allein ist, einem Götzenbilde, einem Scheingott darzubringen, wenn auch Nebukadnezar und alle seine 
Hochgestellten und alles Volk seines großen Reiches ihm ihre 
Huldigung willig darbrachten. Man muß Gott mehr gehorchen 
als den Menschen. So urteilt der Gehorsam des Glaubens zu 
aller Zeit. Natürlich konnte das Verhalten jener treuen Männer 
nicht lange verborgen bleiben. Von Nebukadnezar eingesetzt 
als Verwalter der Landschaft Babel, in deren Mitte die Hauptund Residenzstadt, lag, nahmen sie eine hervorragende Stellung 
ein, und die Augen einer großen Menge waren auf sie gerichtet. 
Deswegen traten „zur selben Zeit", vielleicht durch Haß und 
Neid gegen die verachteten Juden geleitet, chaldäische Männer 
auf, die Sadrach, Mesach und Abednego bei Nebukadnezar 
anklagten. Sie erinnerten diesen zunächst an seinen Befehl 
(V. 8—11) und sagten dann: „Es sind nun jüdische Männer da, 
welche du über die Verwaltung der Landschaft Babel bestellt 
87 
hast, Sadrach, Mesach und Abednego, diese Männer, o König, 
achten nicht auf dich, deinen Göttern dienen sie nicht, und das 
goldene Bild, das du aufgerichtet hast, beten sie nicht an" 
(V. 12). 
Ein solches Verhalten mußte notwendig den Stolz des gewaltigen Monarchen, der noch soeben durch die Anbetung des von 
ihm aufgerichteten Bildes von allen Völkern, Völkerschaften 
und Zungen große Huldigung empfangen hatte, aufs tiefste verletzen und seinen ganzen Grimm wachrufen. Nicht nur seine 
eigene Autorität, sondern auch seine Götter waren verachtet, 
das Ansehen seiner und seines ganzen Volkes Religion war 
in Frage gestellt, und dies sogar durch Männer, die er aus ihrer 
Niedrigkeit und Verachtung hervorgezogen und als Verwalter 
über die Landschaft Babel gesetzt hatte. Solch ein Vergehen 
konnte nicht ungeahndet bleiben. Voll von Zorn und Grimm ließ 
er jene drei Männer vor sich kommen und sprach zu ihnen: „Ist 
es Absicht, Sadrach, Mesach und Abednego, daß ihr meinen 
Göttern nicht dient und das goldene Bild nicht anbetet, das ich 
aufgerichtet habe? Nun denn, wenn ihr bereit seid, zur Zeit, 
da ihr den Klang des Horns, der Pfeife, der Laute usw. hören 
werdet, niederzufallen und das Bild anzubeten, das ich gemacht 
habe, — aber wenn ihr es nicht anbetet, so sollt ihr sofort in den 
brennenden Feuerofen geworfen werden; und wer ist der Gott, 
der euch aus meiner Hand erretten wird" (V. 13—15)? 
Ach! wie bald war bei Nebukadnezar der tiefe Eindruck, den 
der Traum und dessen Deutung auf sein Inneres hervorgebracht 
hatte, so ganz verwischt! Er verachtete jetzt den Gott des Himmels, der ihm „Königreich, Macht und Stärke und Ehre gegeben" hatte; er verhöhnte jetzt den Gott Israels, von dem er 
selbst bekannt hatte, daß Er ein Gott der Götter, ein Herr der 
Könige und ein Offenbarer der Geheimnisse sei und forderte 
ihn trotzig heraus. So schnell ändert sich der natürliche Mensch, 
wenn seine Ehre und sein Ansehen in Frage kommen. Doch mit 
welcher Ruhe und Unerschrockenheit stehen jene drei Männer 
vor dem stolzen und ergrimmten Machthaber der Erde! Mit 
welch einer Kühnheit geben sie Antwort! Sie wußten, wessen 
sie waren und wem sie dienten; Gott war ihnen alles und die 
Welt nichts. Zunächst entgegnen sie dem Könige: „Wir halten 
es nicht für nötig, dir ein Wort darauf zu erwidern" (V. 16). 
88 
Hätte es sich um eine Frage in betreff der ihnen von Nebukadnezar übertragenen Verwaltung gehandelt, so wäre es sicher 
ihre Pflicht gewesen, sie mit aller Unterwürfigkeit und der 
Wahrheit gemäß zu beantworten; hier aber handelte es sich 
um eine Frage in bezug auf ihr Gewissen und um die Rechte 
und Herrlichkeit Gottes, und danin waren -sie keinem Menschen, sondern Gott allein Rechenschaft schuldig. Sie wußten, 
daß geschrieben stand: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen"; sie handelten völlig im Geiste 
der Worte des Herrn: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, 
und Gott, was Gottes ist". Gott allein waren sie Verehrung und 
Anbetung schuldig. Nebukadnezar griff daher mit seiner Forderung, vor dem Bilde niederzufallen und es anzubeten, in die 
Rechte Gottes ein und verletzte sie auf grobe Weise, und deshalb sprachen sie zu ihm: „Wir halten es nicht für nötig, dir 
ein Wort darauf zu erwidern". 
Die nächstfolgenden Worte, die aus dem Munde dieser treuen 
Zeugen hervorkommen, geben Zeugnis von der tiefen Ruhe 
ihres Herzens, von ihrem unerschütterlichen Vertrauen auf 
Gott und ihrer völligen Ergebenheit in Seinen Willen. „Ob 
unser Gott, dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu erretten vermag, und er wird uns aus deiner Hand, o 
König, erretten — oder ob nicht, es sei dir kund, o König, daß 
wir deinen Göttern nicht dienen, noch das goldene Bild, das 
du aufgerichtet hast, anbeten werden" (V. 17. 18). Sie fürchteten den Gott, der über der Macht Nebukadnezars und aller 
Macht im Himmel und auf Erden stand; es war ihr Gott, der 
Gegenstand ihres Herzens, ihrer Anbetung und ihres Dienstes. 
Sie wußten, daß Er sie zu erretten vermochte, und daß Er sie 
aus der Hand des Königs erretten würde. Es war nicht ihr Verstand, der also urteilte, sondern ihr Glaube. Doch war nicht 
diese Überzeugung der Beweggrund, daß sie sich weigerten, 
das goldene Bild anzubeten; nein, wenn Gott sie nicht erretten 
würde, waren sie ganz bereit, den Tod durch das Feuer zu erdulden. Keine Macht der Erde, keine Versuchung, selbst nicht 
ein schrecklicher Tod waren imstande, ihre Ergebenheit und ihre 
Treue gegen Gott zu erschüttern. Welche Ruhe und Energie gibt 
der Glaube an einen lebendigen Gott! In welch einer erhabenen 
Stellung des Zeugnisses befindet sich ein Mensch, der in diesem 
Glauben wandelt! Diese treuen Männer waren in jenem Augen89 
blick der Gegenstand der Aufmerksamkeit des ganzen babylonischen Reiches. Nebukadnezar, der stolze und gewaltige 
Herrscher, war machtlos in der Gegenwart dieser israelischen 
Gefangenen, die so ruhig und unerschrocken vor ihm standen, 
und er offenbarte seine Schwäche in einer ohnmächtigen Wut 
und in all den Vorbereitungen, die er traf, um seinen Zweck 
zu erreichen. „Da wurde Nebukadnezar voll Grimmes, und das 
Aussehen seines Antlitzes verwandelte sich gegen Sadrach, 
Mesach und Abednego. Er hob an und befahl, den Ofen siebenmal mehr zu heizen, als zur Heizung hinreichend war. Und er 
befahl Männern, den stärksten Männern in seinem Heere, 
Sadrach, Mesach und Abednego zu binden, um sie in den brennenden Feuerofen zu werfen. Da wurden jene Männer in ihren 
Leibröcken, Oberröcken und Mänteln und sonstigen Kleidern 
gebunden und in den brennenden Feuerofen geworfen" (V. 19— 
21). 
Es möchte jemand fragen: Konnte denn der Herr Seine treuen 
Diener nicht bewahren? Konnte Er nicht verhindern, daß sie in 
den glühenden Ofen geworfen wurden? Gewiß, es wäre Ihm 
ein leichtes gewesen; aber Er wollte, daß der Glaube Seiner 
Diener bewährt, daß er im Feuer erprobt werde. Hätte Er Seine 
Macht'zu ihrer Bewahrung angewandt, so würde Er weniger 
verherrlicht und sie weniger gesegnet worden sein. Es war weit 
besser für sie, Seine Gegenwart und Sein Mitgefühl im Feuerofen zu genießen, als Seine Macht zu ihrer Bewahrung zu erfahren. Sie wandelten mit Gott, da sie in der Gunst des Königs 
standen, und jetzt wandelt Gott mit ihnen inmitten des Feuerofens. Der König gedachte, sie zu verderben; aber in Wirklichkeit brachte er sie durch seinen Grimm in eine erhabene und gesegnete Stellung. Es war unvergleichlich besser, mit Gott in dem 
feurigen Ofen zu sein als ohne Ihn im Palast Nebukadnezars. 
Die Glut des Ofens, in die Sadrach, Mesach und Abednego gebunden geworfen wurden, war so groß, daß die kräftigen Männer, die sie hinauftrugen, von der ausströmenden Hitze getötet 
wurden (V. 22. 23). Gott aber war bei den Seinigen und das 
veränderte alles. Er hatte Nebukadnezar erlaubt, seinen gottlosen Vorsatz auszuführen, seinen despotischen Willen durchzusetzen; aber dann zeigte Er ihm auf eine überwältigende 
Weise seine Ohnmacht und drückte den Stempel der Verachtung auf seine Widerspenstigkeit. „Der im Himmel thront, lacht; 
90 
der Herr spottet ihrer" (Ps 2, 4). Die Wut des Königs war für 
Gott nur ein Anlaß geworden/
 Sein tiefes und herzliches Mitgefühl gegenüber Seinen treuen und geprüften Dienern um so 
herrlicher zu entfalten. In Seiner überströmenden Gnade befreite Er sie von den Banden Nebukadnezars und verwandelte 
für sie den Ofen in einen Ort hoher und heiliger Gemeinschaft. 
Wir haben in der Tat Ursache, uns der Trübsale zu rühmen, uns 
der Schmach und Verachtung um Christi willen zu erfreuen, 
denn das ist der Weg, um von den Banden, die uns noch an 
diese Welt gefesselt hielten, völlig befreit zu werden und die 
gesegnete Gemeinschaft und das innige Mitgefühl unseres geliebten Herrn zu genießen. 
„Da erschrak der König Nebukadnezar, und stand eilends 
auf, hob an und sprach zu seinen Räten: Haben wir nicht drei 
Männer gebunden ins Feuer geworfen? Sie antworteten und 
sprachen zum König: Gewiß, o König! Er antwortete und 
sprach: Siehe, ich sehe vier Männer frei wandeln mitten im 
Feuer, und keine Verletzung ist an ihnen, und das Aussehen 
des vierten ist gleich einem Sohne der Götter" (V. 24. 25). Hier 
war es kein Traum, kein Gesicht, sondern ein Wunder — die 
Macht Gottes entfaltete sich vor den Augen Nebukadnezars. 
Wo war jetzt seine große Macht? Was hatte sein Zorn und 
seine Wut gegen die treuen Diener Gottes ausgerichtet? Seine 
eigenen Diener, seine stärksten Kriegsleute, lagen tot vor der 
Öffnung des Ofens, aber bei den Anbetern des wahren Gottes 
hatte das Feuer nur die Fesseln verschlungen und sie fähig 
gemacht, frei und ungehindert in der Begleitung des Sohnes 
Gottes zu wandeln, und der König und alle seine Edlen, die 
der falsche Gottesdienst versammelt hatte, waren Zeugen dieser 
großen und herrlichen Tatsache. Gott war in Seiner befreienden 
Macht auf den Schauplatz getreten, und der Feind war ganz 
zu Schanden gemacht. Alle „sahen diese Männer, daß das Feuer 
keine Macht über ihre Leiber gehabt hatte: das Haar ihres 
Hauptes war nicht versengt, und ihre Leibröcke waren nicht 
verändert, und der Geruch des Feuers war nicht an sie gekommen" (V. 27). Gott war verherrlicht, und Seine teuren Diener 
gingen völlig unbeschädigt aus dem glühenden Ofen hervor. 
Doch noch eine weitere Ehre wurde diesen mutigen Bekennern zuteil. „Nebukadnezar hob an und sprach: Gepriesen 
91 
sei der Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos, der seinen 
Engel gesandt und seine Knechte errettet hat, die auf ihn vertrauten und des Königs Worte übertraten und ihre Leiber dahingaben, um keinem Gott zu dienen, noch ihn anzubeten, als nur 
ihren Gott" (V. 28). Welch ein schönes Zeugnis empfangen 
diese Männer aus dem Munde eines heidnischen Königs! Ihre 
unerschütterliche Treue hatte Gott Gelegenheit gegeben, Seine 
Macht zu offenbaren, so daß Mebukadnezar gezwungen wurde, 
Gott zu preisen und anzuerkennen und Seinen Namen — denn 
Gott schämt Sich nicht, ihr Gott zu heißen —, mit dem Namen 
Seiner treuen Diener in Verbindung zu bringen. Er nennt Ihn 
den Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos und gibt Befehl, 
daß jeder, der wider diesen Gott Unrechtes spricht, in Stücke 
zerhauen und sein Haus zu einem Schutthaufen gemacht werde 
(V. 29). Doch ach! das folgende Kapitel zeigt uns, wie wenig 
das Gewissen Nebukadnezars durch diese herrliche Offenbarung der Macht Gottes getroffen, wie wenig sein Herz erreicht 
war; es waren nur vorübergehende Gefühle, die gleich einer 
Morgenwolke an seiner Seele vorüberzogen und verschwanden. 
Was die Stellung des Überrestes in diesem Kapitel betrifft, 
so ist sie wie oben schon angedeutet, anders als in den beiden 
vorigen Kapiteln. In dem ersten Kapitel sahen wir seine Treue 
auf eine harte Probe gestellt. Doch er bestand sie und verunreinigte sich nicht mit der Tafelkost des Königs und dem 
Wein, den er trank. Im zweiten Kapitel wurde diese Treue 
dadurch belohnt, daß Gott ihm in der Person Daniels den Geist 
der Prophezeiung verlieh: er hatte Verständnis in den Absichten und Offenbarungen Gottes. In diesem Kapitel endlich finden wir die Treue, die sich mit aller Entschiedenheit weigert, 
einen anderen als den allein wahren Gott anzuerkennen, und 
zugleich sehen wir, daß Gott Sein Interesse offenbart, das Er 
an den Seinigen nimmt, und Seine Macht, sie aus der Trübsal 
zu befreien. 
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß die dn diesem Kapitel 
erzählten Ereignisse uns nicht nur deshalb mitgeteilt sind, um 
den schrecklichen Abfall eines einzelnen Menschen zu zeigen, 
sondern daß sie, wie schon oben angedeutet, das große charakteristische Kennzeichen der ganzen babylonischen Herrschaft 
und im weiteren Sinn auch der folgenden Weltreiche bilden. 
Die Herrschaft oder die Zeit der Nationen dauert noch immer 
92 
an, und ich glaube, daß am Ende dieser Zeit dieselben Dinge 
mit ebenso großer Kraft in die Erscheinung treten werden. Das 
Buch der Offenbarung belehrt uns, daß der letzte, große König 
seine ganze Autorität dazu benutzen wird, den Menschen das 
aufzuzwingen, was die Religion jener Tage genannt werden 
wird. Gleichwie es die erste Handlung der heidnischen Herrschaft war, als „Gott ihr Macht, Gewalt und Ehre gegeben" 
hatte, so wird es auch die letzte sein. Dieselbe Erscheinung, der 
wir hier in Daniel begegnen, wird sich auch am Ende zeigen, 
und es werden Personen aus demselben Geschlecht dieser heidnischen Abgötterei Widerstand leisten. Wie es hier ein treuer 
Überrest aus Israel war, der sich dem Befehl des gottlosen 
Königs nicht unterwarf, <so werden auch die Träger des letzten 
Zeugnisses diesem Volke angehören. Das so lange verworfene 
und zertretene Israel wird dann wieder ein Gegenstand der 
Handlungen Gottes sein und es wird die Ankunft seines Messias und die Aufrichtung des Reiches in Macht und Herrlichkeit 
erwarten. DaeKirche oder Versammlung hat zu jener Zeit ihren 
irdischen Schauplatz verlassen und ist für immer mit ihrem 
himmlischen Bräutigam droben vereinigt. 
Wir haben gesehen, daß die im vorigen Kapitel erzählten 
Ereignisse, die auf den ersten Blick nicht den Charakter einer 
Prophezeiung an sich zu tragen scheinen, dennoch in enger Beziehung zur Prophezeiung stehen. Das 2. Kapitel zeigte uns in 
kurzen Zügen, die allgemeine Geschichte der heidnischen Mächte, aber nicht ihre moralischen Eigenschaften; ein Reich nach 
dem anderen trat auf den Schauplatz und verschwand wieder. 
Ihr moralischer Charakter, und die Art und Weise, wie sie die 
ihnen von Gott verliehene Macht gebrauchten, verbarg sich 
noch vor unseren Blicken. Erst im 3. Kapitel beginnt die Beschreibung des moralischen Verhaltens dieser Reiche, während 
sie sich im Besitz jener unumschränkten Autorität in dieser 
Welt befinden, und diese Beschreibung wird in den folgenden 
Abschnitten des Buches fortgesetzt. 
Die erste Handlung und der erste große Charakterzug des 
babylonischen Reiches, der uns im vorigen Kapitel dargestellt 
wurde, war die Abgötterei, die Aufrichtung einer abgöttischen 
Einheit, ungeachtet der Rechte Gottes und des Gewissens des 
Menschen. Doch ist, wie schon bemerkt wurde, der Anfang der 
heidnischen Herrschaft nur ein Vorbild von ihrer Schlußszene. 
93 
Es wird sich auch zu jener Zeit besonders um die Gläubigen 
aus Israel, um den treuen Oberrest handeln. Ich meine nicht um 
die Juden in ihrem gegenwärtigen Zustand, denn jetzt sind 
sie als Volk von Gott beiseitegesetzt, und jeder einzelne ist 
vor Ihm ein verlorener und verdammungswürdiger Sünder, ein 
Feind Gottes, wie jeder andere Mensch von Natur. Er kann jetzt 
nicht als Jude errettet werden, sondern nur dadurch, daß er an 
Christum glaubt und also ein Christ wird. Dies aber wird nicht 
immer der Fall sein. Die Zeit rückt heran, wo der Same Abrahams, «als solcher, d. h. ohne daß er aufhören muß, Jude zu 
sein, durch Gott bekehrt werden und nach den Verheißungen 
den Messias empfangen wird. 
In der gegenwärtigen Zeit steht das Walten Gottes nicht in 
unmittelbarer Verbindung mit den Vorkommnissen in 
dieser Welt, obwohl es immer wahr ist, daß Er in Seiner Vorsehung alle Dinge leitet und nichts ohne Seine Zulassung geschieht. Doch Gott nimmt kein so augenscheinliches und unmittelbares Interesse an dem Geschick irgendeines Volkes auf der 
Erde und an dem, was auf der Erde vorgeht. So war es zu jener 
Zeit, als Israel noch die Nation war, in deren Mitte Gott Seinen 
Charakter in Verbindung mit dieser Erde entfaltete, deren 
Kämpfe die Kämpfe Jehovas genannt wurden, eine Nation, die 
sich bewußt war, daß Gott sie aus allen Völkern erwählt hatte, 
daß Er Sein besonderes Interesse an ihr hatte, und daß alle ihre 
Drangsale, Niederlagen, Hungersnöte u. a. nur eine von Seiten 
Gottes ihr zugesandte Strafe waren für irgend etwas Böses in 
ihrer Mitte. Seitdem Er aber Sein irdisches Volk beiseitegesetzt 
hat, übt Er nur noch eine indirekte, vorsehende Aufsicht über 
die Angelegenheiten der Welt. Eine andere Sache ist in die 
Erscheinung getreten. Nachdem Christus verworfen war und 
Israel sich dadurch jeder Gelegenheit beraubt hatte, seinen 
früheren erhabenen Platz wiederzuerlangen, führte Gott die 
Kirche, oder Versammlung, ein. Dies ist nicht Seine Regierung 
über irgendein Volk, wie bei Israel unter Seinem Gesetz, auch 
nicht einfach eine indirekte Herrschaft über die Nationen, sondern die Offenbarung Seiner Selbst, als eines Vaters für Seine 
Kinder in Christo. Der Heilige Geist ist herniedergekommen, 
nicht allein um auf die Herzen dieser Kinder zu wirken, sondern auch um in ihnen zu wohnen und alle, es seien Juden oder 
Griechen, Sklaven oder Freie, zu einem Leibe zu taufen — zu 
94 
dem Leibe/
 dessen Haupt Christus im Himmel ist. Dies hat jetzt 
noch immer seinen Fortgang; und deshalb steht Gott gegenwärtig in keiner besonderen Beziehung zu den Juden. Er beschäftigt sich mit ihnen in keiner anderen Weise als auch mit 
den übrigen Menschen, von denen sie sich nur dadurch unterscheiden, daß das Gericht der Verblendung über sie gekommen 
ist. Sie waren freilich schon vorher blind; deshalb liebten sie 
die Finsternis mehr als das Licht, das in Christo Jesu in die 
Welt gekommen war, und verwarfen beharrlich jedes Zeugnis. 
Doch jetzt hat sie Gott, als ein besonderes Gericht, einer völligen Finsternis anheimgegeben. Aber während dies mit der 
großen Masse des Volkes der Fall ist, gibt es doch immer noch 
einen Überrest. Israel ist die einzige Nation, von der dies gesagt 
werden kann, die einzige Nation, die Gott niemals völlig aufgegeben hat. Andere Völker mögen erfahren haben, daß Gott 
sie eine Zeitlang in Gnade und vielleicht in einer ganz besonderen Gnade besucht hat, aber sobald sie sich wieder von der 
Wahrheit abwandten und die Verehrung eines Götzenbildes 
dem wahren Gottesdienst vorzogen, hat Gott sie dahingegeben 
und dem Irrtum anheimfallen lassen. Aber mit Israel hat Sich 
Gott durch Verheißungen verbunden und wird es nie gänzlich 
aufgeben. Selbst in den dunkelsten Zeiten wird es unter diesem 
Volke einen heiligen Samen geben. Dennoch kann Gott, wie 
schon vorhin angedeutet ist, solange Er mit dem Sammeln 
der Kirche beschäftigt ist, keine besonderen Beziehungen zu 
Israel haben, um es als Sein Volk darzustellen und es aus allen 
seinen Bedrängnissen zu befreien. Sobald Er aber die Kirche 
oder Versammlung von ihrem gegenwärtigen Schauplatz entfernt haben wird, wird Israel wieder in den Vordergrund treten. 
An jenem Tage, wenn ihre Herzen durch den Geist Gottes berührt worden sind, wird jene Befreiung, die wir am Ende des 
3. Kapitels als Vorbild haben, ihre wahre Erfüllung finden. 
Kapitel 4 
Infolge der großen Errettung der drei Freunde Daniels erteilte also Nebukadnezar den Befehl, einen jeden, der Unrechtes 
spricht gegen den Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos, in 
Stücke zu zerhauen und sein Haus in einen Schutthaufen zu 
verwandeln. Es schien, als hätten die wunderbaren Wege Gottes 
sein stolzes Herz erreicht und gebrochen. Aber ach! wie bald 
veränderte sich seine Sprache! Wie bald war alles, was Gott 
95 
getan hatte, wieder vergessen! Wir lesen im Anfang unseres 
Kapitels: „Ich, Nebukadnezar, wohnte ruhig in meinem Hause 
und hatte Gedeihen in meinem Palast" (V. 4). Diese Worte 
zeigen zur Genüge, daß sein Gewissen nicht erreicht und sein 
Herz nicht verändert war. Wohl hatten ihn die merkwürdigen 
Ereignisse tief erschüttert, aber es war nur für eine kurze Zeit. 
Sein Gewissen war nicht in die Gegenwart Gottes gekommen. 
Er ruhte in seinem Hause und hatte Gedeihen in seinem Palast. 
Alles, was Gott in seine Hand gegeben hatte, diente nur dazu, 
seinen Stolz zu nähren und seiner Selbstgefälligkeit zu schmeicheln. In diesem Zustande sandte ihm Gott einen zweiten 
Traum. „Ich sah einen Traum, er erschreckte mich, und Gedanken auf meinem Lager und Gesichte meines Hauptes ängstigten 
mich" (V. 5). Infolgedessen gab Nebukadnezar Befehl, alle 
Weisen Babels vor ihn zu bringen, um aus ihrem Munde die 
Deutung seines Traumes zu erfahren. Jedoch, wie das erste Mal, 
so ließ ihn auch jetzt alle menschliche Weisheit im Stich. „Alsdann kamen die Schriftgelehrten, die Beschwörer, die Chaldäer 
und die Wahrsager herbei, und ich trug ihnen den Traum vor; 
aber sie taten mir seine Deutung nicht kund" (V. 7). Mit all 
ihrer Weisheit konnten sie die Gedanken Gottes nicht ergründen, noch Nebukadnezar kundtun, was Gott ihm zu sagen 
hatte. Zuletzt trat auch Daniel, nach seinem chaldäischen Namen Beltsazar, vor den König, und voll Vertrauen wandte sich 
Nebukadnezar an ihn: „Beltsazar, du Oberster der Schriftgelehrten, weil ich weiß, daß der Geist der heiligen Götter in dir 
ist und daß kein Geheimnis dir zu schwer ist, so sage mir die 
Geschichte meines Traumes, den ich gesehen habe, und seine 
Deutung" (V. 9). Obwohl Nebukadnezar in einer heidnischen 
Weise zu Daniel redet und die Weisheit des höchsten Gottes, 
die in Daniel ist, seinen eigenen Göttern zuschreibt, iso erkennt 
er doch an, daß ein besonderer und außerordentlicher Geist in 
ihm ist, der ihn vor allen anderen auszeichnet. 
Sobald Daniel den Traum gehört hatte, „entsetzte er sich 
eine Zeitlang, und seine Gedanken ängstigten ihn. Der König 
hob an und sprach: Beltsazar, der Traum und seine Deutung 
ängstige dich nicht. Beltsazar antwortete und sprach: Mein 
Herr, der Traum gelte deinen Hassern und seine Deutung 
deinen Feinden! Der Baum, den du gesehen hast, der groß und 
stark wurde, und dessen Höhe an den Himmel reichte, und der 
96 
über die ganze Erde hin gesehen wurde, und dessen Laub schön, 
und dessen Frucht zahlreich, und an welchem Nahrung war für 
alle; unter welchem, die Tiere des Feldes wohnten, und in dessen 
Zweigen die Vögel des Himmels sich aufhielten; das bist du, 
o König, der du groß und stark geworden bist; und deine Größe 
wuchs und reichte bis an den Himmel, und deine Herrschaft bis 
an das Ende der Erde" (V. 19—22). Nebukadnezar selbst war 
der große Baum, den er im Traum gesehen hatte, so wie er im 
2. Kapitel das Haupt von Gold darstellte. Und ebenso wie 
dort nicht allein die Person des Königs, sondern auch seine 
ganze Dynastie durch das goldene Haupt repräsentiert wurde 
und die Stellung, die er einnahm, in gewissem Sinne die des 
ganzen heidnischen Reiches charakterisierte, so bezieht sich auch 
die Deutung dieses Traumes nicht allein auf ihn, sondern auf 
das ganze ihm untergeordnete Reich. Mit Entsetzen sieht Daniel, 
was Nebukadnezar bevorstand und was das Schicksal Babylons 
sein sollte. 
Dem aufmerksamen Leser der Heiligen Schrift wird es kaum 
entgangen sein, daß der Baum, wenn er in der Bibel als Sinnbild gebraucht wird, entweder das Fruchttragen oder einen Platz 
hoher Würde und Wichtigkeit darstellt*). Hier ist es würdige 
Bedeutung; der Baum ist das Symbol einer irdischen Macht und 
wird angewendet auf Nebukadnezar, der sich in der höchsten 
Stellung befand, die für einen Menschen auf der Erde möglich 
ist. Die Tiere des Feldes wohnten unter dem Baum, und die 
Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen, d. h. alle Arten 
und Klassen von Personen fanden Schutz und Sicherheit unter 
der Herrschaft Nebukadnezars, der die Bewunderung der ganzen Menschheit erregte. Alles war in ihm vereinigt, was das 
Herz anziehen konnte: ein herrlicher Wuchs, schönes Laub, liebliche Früchte in Menge, Speise für alle; was konnte ihm in den 
Augen der Menschen noch zu wünschen übrigbleiben? Aber die 
Gedanken Gottes waren ganz andere. „Und daß der König 
einen Wächter und Heiligen vom Himmel herniedersteigen sah, 
welcher sprach: Hauet den Baum um und verderbet ihn! doch 
*) Vergl, z. B. Hes 31. Dort wird Assyrien als eine prachtvolle und ausge= 
breitete Zeder des Libanon, als der schönste Baum im Garten Gottes, d. h. auf 
der Erde, bezeichnet, so daß alle die übrigen Zedern, Zypressen und Platanen in 
diesem Garten, d. h. die übrigen Mächte der Welt, ihn nicht verdunkelten, noch 
seinen Zweigen gleich waren. Andere Beispiele finden wir in Arnos 2, 9; Jes 2, 13; 
10, 18. 19; Hes 17, 23. 24; Ps 1, 3; 92, 12; Mt 13, 32. 
97 
den Wurzelstumpf lasset in der Erde, und zwar in Fesseln von 
Eisen und Erz, im Grase des Feldes; und von dem Tau des 
Himmels werde er benetzt, und er habe teil mit den Tieren des 
Feldes, bis sieben Zeiten über ihn vergehen" (V. 23). Beachten 
wir, daß hier nur von einer zeitlichen Zerstörung die Rede ist; 
es sollte keine gänzliche Vernichtung stattfinden. 
„Dies ist die Deutung, o König", fährt der Prophet fort, „und 
dies der Beschluß des Höchsten, der über meinen Herrn, den 
König, kommen wird. Man wird dich von den Menschen ausstoßen und bei den Tieren des Feldes wird deine Wohnung sein, 
und man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern, und 
dich vom Tau des Himmels benetzt werden lassen" (V. 24. 25). 
Viele Bibelleser haben in der Erklärung dieser Begebenheit 
große Schwierigkeit gefunden, aber der einfältige Gläubige begnügt s.ich mit dem, was Gott gesagt hat, weil er weiß, daß 
Sein Wort die Wahrheit ist. Und hat Gott erklärt, daß Nebukadnezar von den Menschen ausgestoßen, daß er in die Stellung 
eines Tieres versetzt worden sei, und daß man ihm Gras zu 
essen gegeben habe wie den Rindern, so glaubt er einfach und 
gibt sich keinen ungläubigen Grübeleien hin. Er ist völlig überzeugt, daß der Gott, Der Seine treuen Diener aus der gewaltigen 
Glut des Ofens und aus dem Rachen des Löwen zu erretten vermochte, auch imstande war, Nebukadnezar auf eine so schreckliche Weise zu erniedrigen. Es war nur eine Frage Seines Willens 
und Seiner Macht; aber auch Seine Macht allein konnte das eine 
wie das andere tun. Doch sollte, wie gesagt, dieses Gericht der 
tiefen Erniedrigung nicht bis zu seinem Tode dauern, sondern 
nur für eine bestimmte Zeit sein. „Es werden sieben Zeiten 
(oder sieben Jahre) über dich vergehen, bis du erkennst, daß 
der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es 
verleiht, wem er will" (V. 25). 
Nebukadnezar hatte in deutlichen Worten vernommen, welche schrecklichen Gerichte über ihn kommen sollten, wenn er in 
seinen Sünden und Ungerechtigkeiten verharrte; die ermahnende 
und warnende Stimme des von Gott erleuchteten Sehers hatte 
sein Ohr erreicht, ein Weg der Errettung war ihm gezeigt worden (V. 27), aber alles war umsonst; die warnende Stimme 
prallte an seinem stolzen Herzen völlig ab. „Alles das kam 
98 
über den König Nebukadnezar. Nach Verlauf von zwölf Monaten wandelte er auf dem königlichen Palast zu Babel, und der 
König hob an und sprach: Ist das nicht das große Babel, welches 
ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe durch die Stärke 
meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit? Noch war 
dieses Wort im Munde des Königs, da kam eine Stimme vom 
Himmel herab: Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Das 
Königtum ist von dir gewichen" (V. 28—31). Das Gericht brach 
herein. Die Größe seiner Macht und Stärke und Ehre, die der 
Gott des Himmels ihm gegeben hatte (Kap. 2, 37), hatten nur 
dazu gedient, seinem eigenen Stolz zu schmeicheln. Er rühmt sich 
der Werke seiner Hände und sieht in sich selbst die Quelle seiner 
Macht und Herrlichkeit. Gott, Der ihm alles verliehen und dazu 
die sichtbarsten Beweise Seiner unvergleichlichen Macht gegeben 
hatte, Beweise, die ihn zur Zeit mit Erstaunen und Entsetzen 
erfüllt hatten, war jetzt seinen Gedanken ganz fern. Wohl hatte 
die augenscheinliche Dazwischenkunft Gottes ihn zu dem Bekenntnis genötigt, daß Jehova „ein Gott der Götter, ein Herr 
der Herren" (Kap. 2.) und „der höchste Gott" sei (Kap. 3); aber 
wie schnell waren diese Eindrücke verwischt! Bald nachher errichtet er ein Götzenbild und verhöhnt eben denselben Gott auf 
freche Weise, und jetzt verleiht er seinem Hochmut und Stolz 
in vermessenen Worten Ausdruck. So ist der Mensch, so lange 
sein Gewissen nicht getroffen und in die Gegenwart Gottes 
gebracht ist. Er zittert, sobald Gott nur ein wenig Seine Macht 
kundtut, aber er ist voll Trotz und Verachtung, sobald er diese 
Macht nicht mehr sieht. Doch ach! wie bald verändert sich alles! 
In dem Augenblick, wo Nebukadnezar seine eigene Größe bewunderte und seiner Macht und Herrlichkeit Huldigung darbrachte, ja, das Wort war noch in seinem Munde, kam die richtende Hand Gottes über ihn und stürzte ihn von seiner Höhe in 
einen tiefen Abgrund. Mit einem Schlage verlor er seine ganze 
Herrlichkeit und wurde bis zum Tier erniedrigt. Kein Verstand 
war mehr in ihm, keine Fähigkeit, Gott zu preisen. Seine Wohnung war unter den Tieren, und man gab ihm Gras zu essen 
wie den Rindern; sein Blick war abwärts gerichtet auf die Erde. 
Und so sollten sieben Jahre über ihn hingehen. 
Welch ein treffendes Bild des niedrigen Zustandes, in dem 
sich die Nationen während der ganzen Dauer ihrer Herrschaft 
99 
befinden! Sie mögen äußerlich stark und mächtig sein, mögen 
einen großen Scharfsinn entwickeln; aber das ist es nicht, was 
den Menschen von dem Tier unterscheidet. Das Tier blickt stets 
zur Erde; es hört in seinem Verhalten nicht auf die Stimme des 
Gewissens und kennt keine Beziehung zu Gott. Der Mensch 
aber ist fähig, diese Beziehungen zu verstehen, auf die Stimme 
seines Gewissens zu achten und den Willen Gottes zu erkennen. 
Seine wahre Würde besteht darin, daß er Gott in Seiner Herrlichkeit und Majestät anerkennt, daß er zu aller Zeit Ihm in 
Demut unterworfen bleibt. Sobald er aber sagt: „Ich habe gebaut durch die Stärke meiner Macht" usw., sobald er sich überhebt, verliert er seine wahren Beziehungen zu Gott und sinkt 
zum Tier herab, das Gott nicht kennt. Er entwürdigt sich selbst 
und sucht seine Befriedigung in Dingen, die weit unter ihm 
stehen. Dies kennzeichnet das Verhalten der Nationen von Anfang bis zum Ende; während der ganzen Dauer ihrer Herrschaft 
bleiben sie in einen Zustand der Torheit versunken. Danach 
aber, wenn das Gericht vollendet ist, werden sie zur Erkenntnis 
Gottes gelangen, so wie es auch bei Nebukadnezar der Fall war. 
„Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar, meine 
Augen zum Himmel", — das war das erste Zeichen der Rückkehr 
seines wahren menschlichen Zustandes — „und mein Verstand 
kam mir wieder; und ich pries den Höchsten, und ich rühmte 
und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine 
ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht ist" (V. 34). Hier haben wir ein ganz anderes Resultat 
als früher. Er fällt nicht auf sein Angesicht und betet Daniel an 
und spendet ihm Speisopfer und liebliche Gerüche, wie am 
Schluß des zweiten Kapitels, er erläßt auch nicht einen strengen 
Befehl an alle Völkerschaften und Zungen, daß sie bei schwerer 
Strafe kein Wort wider den Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos reden sollten, wie am Ende des dritten Kapitels; nein, 
er selbst beugt sich in wahrer Demut seines Herzens vor Gort 
in den Staub nieder und preist Ihn als den Höchsten und Mächtigsten und bekennt: „Alle Bewohner der Erde werden wie 
nichts geachtet, und nach seinem Willen tut er mit dem Heere 
des Himmels und mit den Bewohnern der Erde, und da ist niemand, der seiner Hand wehren oder zu ihm sagen könnte: Was 
tust du" (V. 35)? 
100 
Beachten wir in Vers 34 den Ausdruck: „der Höchste". Es ist 
der Name, den auch Melchisedek Jehova beilegt, als er mit 
Abraham nach dessen siegreicher Schlacht gegen die vier heidnischen Könige zusammentrifft. Jedoch fügt Melchisedek noch 
die Worte hinzu: „der Himmel und Erde besitzt". Dies ist der 
wahre Charakter, den Gott annehmen wird, wenn Er, nachdem 
Er jeden Feind, der sich gegen Sein Volk erhebt, niedergeworfen 
hat, alle Dinge im Himmel und auf der Erde in Christo vereinigt. Dann wird Christus der wahre Melchisedek, der König 
der Gerechtigkeit sein, und es wird vollkommener Friede herrschen, — ein Friede, der auf die Gerechtigkeit gegründet ist. Die 
Nationen werden Gott völlig unterworfen sein, werden Ihn anerkennen und preisen und werden durch Ihn gesegnet werden. 
Die Zeit, in der ihnen infolge ihres unbändigen Stolzes, ihrer 
Selbstüberhebung und ihrer Entfernung von Gott das Herz 
eines Tieres gegeben wurde, wird alsdann vorüber sein. Der 
Stumpf, der in der Erde zurückgelassen und vom Gericht verschont geblieben ist, lebt wieder auf, und es beginnt eine Regierung der Nationen, die durch die Erkenntnis Gottes beeinflußt und vom Bösen gereinigt ist. Gott Selbst wird als der 
Höchste die Zügel der Regierung in Seine Hand nehmen, und 
die Nationen werden sich vor Ihm beugen in Anbetung und 
dankbarer Freude. 
Beachten wir ferner, daß Nebukadnezar im letzten Vers 
unseres Kapitels Gott den „König des Himmels" nennt. „Nun 
rühme ich, Nebukadnezar, und erhebe und verherrliche den 
König des Himmels". Dieser Titel ist hier sehr bezeichnend. 
Als „Gott der Erde" hatte Gott Seinen Thron zu Jerusalem; 
aber dieser Thron war nicht mehr, und deshalb war es ganz 
geziemend, daß Nebukadnezar Ihn als den König des Himmels 
anerkannte. Im Buch Daniel finden wir den Thron zu Jerusalem 
nie erwähnt, außer in moralischer oder prophetischer Beziehung. 
Für Daniel konnte Gott nicht der Gott der Erde sein; denn er 
war ein Gefangener unter den Nationen. Wenn Gott Seinen 
Platz als Gott der Erde einnimmt, kann unmöglich der Same 
Abrahams in Gefangenschaft sein. 
Kapitel 5 
Dieses Kapitel erzählt, gleich den beiden vorhergehenden, 
geschichtliche Tatsachen, hat aber offenbar ebenfalls einen 
101 
prophetischen Charakter. Doch gibt es, wie ich glaube, im Verein mit dem folgenden Kapitel weniger allgemeine Charakterzüge der Herrschaft der Nationen, als vielmehr bestimmte und 
zügellose Ausbrüche des Bösen, die am Schluß jener Herrschaft 
zum Vorschein kommen und eine schnell hereinbrechende Zerstörung zur Folge haben werden. So sehen wir in vorliegendem 
Kapitel, wie die Bosheit des Hauptes der Nationen dem Gott 
Israels gegenüber ihren Höhepunkt erreicht; sie nimmt jenen 
Charakter des Trotzes und des Hohnes an, dem wir schon im 
3. Kapitel, wenn auch nicht in derselben Ausdehnung, begegneten, und der so deutlich die vergebliche Anstrengung des 
Menschen, seine ganze Schwachheit und Ohnmacht hinter dem 
äußeren Schein einer unumschränkten Macht zu verbergen, 
ins Licht stellt. 
„Der König Belsazar machte seinen tausend Gewaltigen ein 
großes Mahl, und er trank Wein vor den Tausenden" (V. 1). 
Ein glänzendes und üppiges Fest ist hier der Schauplatz, auf 
dem sich die Ereignisse abspielen. Belsazar hat seine Fürsten 
und Gewaltigen zu einem großen Mahl geladen. „Belsazar befahl, als der Wein ihm schmeckte, daß man die goldenen und 
die silbernen Gefäße herbeibringen sollte, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel zu Jerusalem weggenommen hatte, 
auf daß der König und seine Gewaltigen, seine Weiber und 
seine Kebsweiber aus ihnen tränken. Da brachte man die goldenen Gefäße . . . Sie tranken den Wein und rühmten die 
Götter von Gold und Silber, von Erz, Eisen, Holz und Stein" 
(V. 2—4). Die weltlichen Geschichtsschreiber erzählen uns, daß 
es ein jährliches Fest gewesen sei, auf dem man sich wie gewöhnlich, trotz der Belagerung Babylons durch die Meder, aller 
Ausschweifung und Zügellosigkeit hingegeben und dadurch 
dem Feinde eine günstige Gelegenheit geboten habe, die Stadt 
zu überrumpeln. Wi€ dem auch sei, die Schrift teilt uns mit, wie 
der König, eingewiegt in eine trügerische Sicherheit, diese Gelegenheit benutzte, die falschen Götter der Heiden zu verherrlichen und zu erheben und den wahren Gott, den Gott Israels, 
auf freche Weise zu verhöhnen. Es war nicht nur das Streben, 
eine einheitliche Religion zu schaffen, den Götzendienst einzuführen, nicht nur der Hochmut des Herzens, der da spricht: 
„Ist das nicht das große Babel, das ich erbaut habe durch die 
Stärke meiner Macht usw. ?" — es war offenbare Gottlosigkeit, 
102 
es war schamlose Entehrung des Gottes droben, Der Sein Volk 
seines Ungehorsams wegen in die Hände der Heiden gegeben 
hatte. Welche Macht dieser Gott im Gericht über Nebukadnezar 
ausgeübt hatte, und welche Macht in Gnade Er an Seinen treuen 
Bekennern aus Israel erwiesen hatte, fand nicht die geringste 
Beachtung bei diesem gottlosen König; die Vergangenheit 
schien seinem Gedächtnis völlig entschwunden zu sein. Belsazar 
stellte in seinem wahnsinnigen Obermut seine Götter von Gold 
und Silber, Erz, Eisen, Holz und Stein über den höchsten Gott. 
Er pries jene und entehrte auf eine greuliche Weise die Gefäße 
aus dem Tempel zu Jerusalem, die diesem geweiht waren. Er 
stand auf dem Gipfel der Gottlosigkeit, und das Gericht über 
ihn und Babylon war vor der Tür. (Vergl. Jes 13; Jer 25 u. a.) 
Gott Selbst erscheint, um die Frage zwischen Sich und jenen 
toten Götzen zu entscheiden. Doch ehe Er Sein Gericht hereinbrechen läßt, gibt Er ein feierliches Warnungszeichen. „In demselben Augenblick kamen Finger einer Menschenhand hervor 
und schrieben, dem Leuchter gegenüber, auf den Kalk der Wand 
des königlichen Palastes; und der König sah die Hand, welche 
schrieb" (V. 5). Verstand Belsazar auch nicht den Sinn der 
Worte, die diese Hand schrieb, so erkannte er doch, daß sie von 
dem Gott kamen, Den er auf eine so vermessene Weise herausgefordert und verhöhnt hatte. „Da veränderte sich die Gesichtsfarbe des Königs, und seine Gedanken ängstigten ihn, und die 
Bänder seiner Lenden lösten sich, und seine Knie schlugen aneinander" (V. 6). 
Mit einem Schlage war die ganze geräuschvolle Szene verändert, alle Freude und Wollust in Angst und Entsetzen verwandelt. Der stolze König war ein zitternder Sünder geworden. 
In seinem Schrecken vergaß er seine Würde und seine ganze 
Umgebung. Er „rief mit Macht, daß man die Beschwörer, die 
Chaldäer und die Wahrsager hereinbringe" (V. 7). Es war umsonst; sie waren nicht fähig, die göttliche Schrift zu entziffern, 
und sie wurden von Gott mit Seinen Geheimnissen nicht betraut. Die Weisen Babels waren in bezug auf die Gedanken 
Gottes zur Zeit Belsazars ebenso unwissend, wie zur Zeit Nebukadnezars. Trotz der lockenden Aussichten und der glänzenden Versprechungen „vermochten sie die Schrift nicht zu lesen, 
noch die Deutung derselben dem König kundzutun" (V. 8). 
Wurde er durch ihre Unwissenheit beruhigt? Im Gegenteil, wir 
103 
lesen: „Da geriet der König Belsazar in große Angst, und seine 
Gesichtsfarbe veränderte sich an ihm; und seine Gewaltigen 
wurden bestürzt" (V. 9). 
Es gab noch eine Person an dem gottlosen Hof Belsazars, die 
Königin*), die sich des Mannes erinnerte, der sich unter Nebukadnezar wegen seines vortrefflichen Geistes, der in ihm war, 
vor allen Weisen Babels ausgezeichnet hatte. Sie kam in diesem 
verhängnisvollen Augenblick in das „Haus des Gelages", wo 
sich das Lachen und der Übermut der ausschweifenden Gesellschaft in Angst und Entsetzen verwandelt hatte, und sprach zu 
dem Könige: „Es ist ein Mann in deinem Königreich, in welchem der Geist der heiligen Götter ist; und in den Tagen deines 
Vaters wurden Erleuchtung und Verstand und Weisheit gleich 
der Weisheit der Götter bei ihm gefunden; und der König Nebukadnezar, dein Vater, hat ihn zu einem Obersten der Schriftgelehrten usw. gesetzt" (V. 11. 12). Belsazar hatte sich um Daniel so wenig gekümmert, wie um den höchsten Gott; er hatte 
Gott ebensosehr für nichts geachtet, wie jenen Gefangenen aus 
Juda. Nur Stolz und Trotz füllten sein Herz, sowohl dem Herrn 
als auch Seinem Diener gegenüber. Doch in seiner Angst hörte 
er auf den Rat der Königin und ließ Daniel hereinbringen. 
„Der König hob an und sprach zu Daniel: Bist du Daniel, 
einer der Weggeführten von Juda, die der König, mein Vater, 
aus Juda hergebracht hat" (V. 13)? Dann teilt er ihm mit, was 
er über ihn gehört hat und in welcher großen Verlegenheit er 
sich befindet, und daß alle Weisen und Beschwörer Babels ihm 
nicht helfen können. Schließlich fügt er hinzu: „Wenn du diese 
Schrift lesen und ihre Deutung mir kundzutun vermagst, so 
sollst du mit Purpur bekleidet werden, mit einer goldenen Kette 
um deinen Hals, und sollst als Dritter im Königreiche herrschen" 
(V. 14—16). Doch wie lautet die Antwort Daniels? „Deine Gaben mögen dir verbleiben und deine Geschenke gib einem 
anderen; jedoch werde ich die Schrift dem Könige lesen und 
die Deutung ihm kundtun" (V. ly). Wie ganz anders ist die 
Sprache und das Verhalten Daniels vor diesem Könige, als einst 
vor Nebukadnezar, seinem Großvater! Mit kurzen, ja fast verächtlichen Worten weist er die Geschenke Belsazars zurück, der 
*) Wahrscheinlich die Königin=Mutter; wenigstens scheint dies aus einer Ver= 
gleichung der Verse 2 und 10 hervorzugehen. 
104 
sich öffentlich als ein übermütiger und trotziger Feind Gottes 
dargestellt hatte. Deshalb verfährt Daniel in einer dementsprechenden Weise mit ihm. Zunächst ruft er ihm ins Gedächtnis zurück, daß jener von ihm verhöhnte höchste Gott es war, 
Der Nebukadnezar das Königreich und Größe und Ehre und 
Herrlichkeit gegeben hatte, dann erinnert er ihn an die Gesichte dieses Königs und an die Wege Gottes rnit ihm, wie Er 
ihn erniedrigte, als er sich in seinem Stolze erhob, wie Er ihm 
seinen Thron nahm, ihn von den Menschen ausstieß und den 
Tieren gleich machte, „bis er erkannte, daß der höchste Gott 
über das Königtum der Menschen herrsche und darüber bestellt, 
wen er will" (V. 18—21). Dann fährt er fort: „Und du, Belsazar, 
sein Sohn, hast dein Herz nicht gedemütigt, obwohl du dieses 
alles gewußt hast. Und du hast dich über den Herrn des Himmels erhoben . . . aber den Gott, in dessen Hand dein Odem ist, 
und bei dem alle deine Wege sind, hast du nicht geehrt" (V. 22. 
23). Belsazar hatte dies alles gewußt, es aber nicht im geringsten 
beachtet, und das machte ihn um so strafbarer. Er hatte die Gefäße des Hauses Jehovas mit ruchloser Hand angetastet und 
seine eigenen Götzen von Gold und Silber, Erz, Eisen, Holz und 
Stein, die nicht sehen und nicht hören und nichts wissen, gepriesen. Er hatte den höchsten Gott, den Gott des Himmels, herausgefordert und verhöhnt; er hatte Ihn verworfen und den 
Teufel erhoben. Denn dieser war es, der sich hinter jenen 
Götzen von Silber und Gold verbarg und diese öffentliche und 
schmähliche Entweihung und Entehrung des höchsten Gottes 
in Szene setzte, und dessen willenlose Werkzeuge Belsazar und 
seine Gewaltigen waren. Mochten diese dn ihrer Handlungsweise auch nur eine Verherrlichung ihrer Siege über die früher 
so mächtige, jetzt aber völlig niedergeworfene Nation der Juden 
sehen, so war es doch in Wirklichkeit eine direkte, persönliche 
Beleidigung des einzigen, wahren Gottes. Und Er Selbst tritt 
hier auf den Schauplatz, um diesem Angriff zu begegnen. „Da 
wurde von ihm diese Hand gesandt und diese Schrift gezeichnet. 
Und dies ist die Schrift, welche gezeichnet worden ist: Mene, 
mene, tekel, upharsin. Dies ist die Deutung dieser Worte: Mene 
— Gott hat dein Königreich gezählt und macht ihm ein Ende. 
Tekel — du bist auf der Waage gewogen und zu leicht erfunden 
worden. Peres — dein Königreich ist zerteilt und den Medern 
und Persern gegeben" (V. 24—28). 
105 
Alle Weisen Babels waren nicht fähig gewesen, diese Schrift 
zu lesen, obwohl die Worte der chaldäischen Sprache angehörten, die sie, da es ihre Muttersprache war, doch eigentlich besser 
verstehen mußten als Daniel, der sie vielleicht erst später erlernt hatte; sie waren nicht imstande, den Sinn dieser Schrift zu 
deuten. Es mangelte ihnen nicht nur an dem Geist der Prophezeiung, sondern an jeder Verbindung mit Gott. Bei Daniel war 
beides; er war in Gemeinschaft mit Gott; er wandelte in der 
Gegenwart Seines Lichtes, und der Geist der Weissagung ruhte 
auf ihm. Er war nicht nur fähig, die Schrift zu lesen, sondern 
auch ihre Deutung mitzuteilen. Doch, was für ernste Worte! Es 
war die letzte feierliche Warnung Gottes vor dem Gericht, eine 
Warnung jedoch, die dieses Gericht schon ankündigte und keine 
Zeit mehr zur Buße ließ. Belsazar hatte die ernste Warnung, die 
ihm in der Geschichte Nebukadnezars erteilt worden war, unbeachtet gelassen, und so blieb kein Heilmittel für ihn übrig; seine 
Stunde war gekommen. „In derselben Nacht wurde Belsazar, 
der König der Chaldäer, getötet" (V. 30). Das Gericht über 
Babylon wurde vollzogen. 
Wie schon bemerkt, macht uns dieses Kapitel mit dem letzten 
Charakter der Bosheit und Gottlosigkeit bekannt, den die herrschende Macht der Nationen im Widerstand gegen den Gott 
Israels annimmt, und zugleich mit dem Gericht, das darauf 
folgt. 
Kapitel 6 
Wir sind jetzt in unserer Betrachtung bis zur Offenbarung 
des vierten und letzten Vorbildes der Herrschaft der Nationen 
gekommen. In Kap. 3 begegneten wir der Einführung des Götzendienstes als eines einheitlichen Religionssystems; in Kap. 4 
der Selbsterhebung: „Ich habe gebaut durch die Stärke meiner 
Macht"; in Kapitel 5 der offenbaren Gottlosigkeit und Verhöhnung des Gottes Israels. Dieses Kapitel stellt uns, wie ich 
glaube, in der Geschichte und Handlungsweise des Darius die 
schreckliche Schlußszene der gegenwärtigen Verwaltung, der 
Regierung der Nationen, vor Augen. Ohne Zweifel finden wir 
bei Darius persönlich bessere Gedanken, als bei seinen Vorgängern; er selbst war nicht das Werkzeug der Bosheit, die 
Daniel zu vernichten trachtete, und wir könnten darin eine 
Schwierigkeit 'erblicken, ihn für ein Vorbild des am Ende dieses 
106 
Zeitalters offenbar werdenden Menschen des Verderbens zu 
halten. Bei der Betrachtung eines Vorbildes wie das vorliegende 
müssen wir jedoch stets im Auge behalten, daß es sich dabei 
nicht um den persönlichen Charakter oder Zustand dessen handelt, der dieses Vorbild darstellt. So war z. B. Aaron, wie uns 
allen bekannt ist, ein Vorbild auf Christum, als Hoherpriester, 
und doch können wir ihn unmöglich in allen seinen Handlungen 
mit unserem gepriesenen Herrn vergleichen. Denken wir nur 
an sein Verhalten am Fuß des Berges Sinai, wo er das goldene 
Kalb machte, und wir werden völlig überzeugt sein, daß es ganz 
verwerflich wäre, da eine Ähnlichkeit zwischen beiden zu 
suchen. Ebenso war David ein schönes Vorbild von Christo als 
König, sowohl zur Zeit seiner Erniedrigung und Verwerfung, 
als er, von Samuel zum Könige gesalbt, vor der Gewalt und 
Wut Sauls fliehen mußte, als auch später in seiner glorreichen 
Regierung, nachdem er alle seine Feinde niedergeworfen hatte; 
und doch war es gerade David, der eine so schreckliche Sünde an 
Uria und seinem Weibe beging. Ähnlich verhält es sich mit dem 
Vorbilde in vorliegendem Kapitel, mit Darius, wenn auch in 
umgekehrter Weise. Obwohl bei diesem Könige manche löbliche Eigenschaften vorhanden waren, so war er dennoch ein 
Vorbild jenes Menschen, der sich an den Platz Gottes setzen 
wird; denn dies war es, was Darius grundsätzlich tat. Während 
Belsazar öffentlich Gott verhöhnte und mit dem geweihten Gut 
des Höchsten seinen Spott trieb, während er seine eigenen Götter erhob und pries, machte Darius sich selbst zum Gott, obwohl er es vielleicht nicht erkannte oder wollte und nur ein 
willenloses Werkzeug seiner Umgebung war. Wir haben deshalb in dem 5. und 6. Kapitel die Vorbilder von den Schlußszenen des gegenwärtigen Zeitlaufs, das Gericht Babylons und 
des Tieres. Das 17., 18. und 19. Kapitel der Offenbarung geben 
uns eine spezielle Mitteilung darüber. Babylon repräsentiert 
die religiöse Verderbnis jener Tage, und das Tier die schreckliche Anmaßung eines Menschen, der, von Satan hervorgebracht, den Platz Gottes auf der Erde einnimmt (Vergl. 2. Thess 
2, 3-10). 
Wenden wir uns jetzt zu dem Kapitel selbst. Darius, der 
Meder, hatte das Königreich empfangen, und er machte Daniel 
zum Vorsteher über den dritten Teil seiner hundertzwanzig 
Satrapen. In dieser Stellung übertraf Daniel so sehr seine Mit107 
Vorsteher und Satrapen an Einsicht und Verstand, daß der 
König beschloß, ihn über das ganze Königreich zu setzen. Dies 
aber erweckte den Neid und Haß jener Angesehenen. „Da 
suchten die Vorsteher und Satrapen einen Anklagegrund gegen 
Daniel von Seiten der Verwaltung zu finden; aber sie konnten 
keinen Anklagegrund und keine schlechte Handlung finden, 
weil er treu war" (V. 5). Welch ein schönes Zeugnis für Daniel! 
Er war an seiner äußeren Stellung so treu und gewissenhaft, daß 
selbst das scharfblickende Auge des Neides und Hasses keinen 
Vorwand zur Anklage finden konnte. Wahrlich, ein nachahmungswürdiges Beispiel für jeden, der den Namen des Herrn 
anruft! Mag eine isolche Treue auch den Haß und die Feindschaft unserer Mitmenschen wachrufen, so ist sie doch ein kräftigeres Zeugnis für unser Bekenntnis, als die beredtesten Worte. 
Durch ein treues und gewissenhaftes Verhalten selbst in unserem äußeren Beruf und in den Beziehungen zu diesem Leben 
verherrlichen wir Gott und zieren die Lehre, die wir bekennen, 
während völlig das Gegenteil der Fall ist, wenn wir uns Untreue 
und Nachlässigkeit zu Schulden kommen lassen. Möchten wir 
dies stets beherzigen! An Daniel konnte selbst von seinen ärgsten Feinden „kein Vergehen und keine schlechte Handlung 
gefunden werden. Da sagten diese Männer: Wir werden gegen 
diesen Daniel keinen Anklagegrund finden, es sei denn, daß wir 
in dem Gesetz seines Gottes einen gegen ihn finden" (V. 6). 
Durch den Plan, den jetzt die Feinde wider Daniel schmiedeten, 
um ihn zu verderben, gaben sie ihm aufs neue ein schönes 
Zeugnis; sie rechneten auf seine unwandelbare Treue gegen 
Gott und Sein Gebot, und sie täuschten sich reicht. Der Jüngling, der sich im Palast des Königs Nebukadnezars in seinem 
Herzen vornahm, sich nicht mit der Tafelkost des Königs zu 
verunreinigen, besaß als Mann dieselbe Gesinnung, dieselbe 
Furcht Gottes in seinem Innern. Er war aus seiner Niedrigkeit 
als Sklave hoch erhoben worden. Schon Nebukadnezar „setzte 
ihn zum Herrscher über die ganze Landschaft Babel und zum 
Obervorsteher über alle Weisen Babels", und er hatte den 
Ehrenplatz im Tore des Königs (Kap. 2, 4g. 49). Darius erhob 
ihn zu einem der drei Vorsteher der Satrapen und gedachte 
sogar, ihn über das ganze Königreich zu setzen; aber Daniel 
blieb stets dsrselbe in seiner Treue und in seinem Gehorsam 
gegen die Gebote seines Gottes; und diese Treue sollte der Fall108 
strick sein, in dem seine Feinde ihn zu fangen und zu verderben 
gedachten. Sie beschlossen, nach dem Gebrauch der Meder und 
Perser ein Gesetz zu machen, welches einem jeden Untertan des 
Königs verbot, innerhalb dreißig Tagen von einem Gott oder 
Menschen etwas zu erbitten, außer von Daraus selbst. Dann 
kamen diese Fürsten und Satrapen zum Könige und baten ihn, 
das Urteil zu bestätigen und „eine Schrift aufzuzeichnen, die 
nach dem Gesetz der Meder und Perser, wtelches unwiderruflich 
ist, nicht abgeändert werden darf" (V. 7—9). Darius gab ihrem 
Drängen nach; der Vorschlag seiner Gewaltigen schmeichelte 
seiner Eitelkeit und machte ihn zu ihrem Sklaven. Das Gesetz 
der Meder und Perser, daß kein von dem Könige unterzeichnetes Dekret verändert werden dürfe, war sicher unter dem 
Vorwande erlassen, dem Willen und der Weisheit des Fürsten 
den Charakter der Unveränderlichkeit und Unfehlbarkeit, der 
Gott allein zukommt, zu verleihen, während man augenscheinlich nur damit beabsichtigte, die Untertanen vor seinen Launen 
zu schützen. Darius ging in die ihm von seinen Schmeichlern 
gestellte Falle und unterzeichnete das strenge Gebot, das jeden 
Übertreter mit dem schrecklichen Tode in der Löwengrube bedrohte. Er setzte Gott beiseite und nahm Gottes Stelle selbst 
ein. Jeder Gedanke an Ihn wurde beseitigt, jede Beziehung zu 
Ihm aufgehoben und jede Abhängigkeit von Ihm geleugnet; 
kein Nebenbuhler, keine gleiche Macht, weder im Himmel noch 
auf der Erde, wurde geduldet. Jedes Bedürfnis des Menschen, 
selbst das des Gewissens, sollte nur bei Darius 9eine Befriedigung suchen. Welch eine Anmaßung, welch ein Hochmut! So ist 
der Mensch. Im Anfang wollte er Gott gleich sein, und am Ende 
wall er selbst und allein Gott sein. Das ist einer der Züge, 
welche die Tiefen des menschlichen Herzens charakterisieren. 
Wie aber verhielt sich Daniel inmitten dieser großen Prüfung? Er kannte die boshaften Pläne, die Ränke seiner Feinde; 
er wußte, daß ein unabänderliches Urteil über seinem Haupte 
hing, und daß ein schrecklicher Tod in der Löwengrube seiner 
wartete. Welche Schritte tat er, um die Bosheit seiner Feinde 
zuschanden zu machen? Nahm er seine Zuflucht zum Könige, 
dessen Vertrauen er besaß und dessen Gunst er in so hohem 
Maße genoß? Oder unterwarf er sich dem strengen Gebot und 
machte für eine Zeit, wenn auch nur äußerlich, den König zu 
109 
seinem Gott? Der glaubenstreue und ergebene Daniel tat weder 
das eine, noch das andere. „Und als Daniel erfuhr, daß die 
Schrift aufgezeichnet war, ging er in sein Haus, und er hatte 
in seinem Obergemach offene Fenster gegen Jerusalem hin, und 
dreimal des Tages kniete er auf seine Knie und betete und lobpries vor :seinem Gott, wie er vordem getan hatte" (V. n) . Er 
veränderte sein Verhalten nicht im geringsten. Er verschloß weder 
seine nach Jerusalem hin geöffneten Fenster, noch kam er weniger in das Haus, um seine Knie zu beugen vor seinem Gott, 
noch verwandelte er seine Lobopfer in Flehen und Seufzen. Er 
nahm den Platz vor seinem Gott ein, der ihm geziemte, und 
ließ Gott Seinen Platz. Was hatte die Bosheit der Menschen 
oder das strenge Gebot eines Königs damit zu schaffen? War 
das gesegnete Band zwischen ihm und seinem Gott und sein 
Verhalten vor Ihm in irgendeiner Weise davon abhängig? Es 
gab nichts, was dem Glauben Daniels sein Ziel verrücken konnte, und dies Ziel war die Verherrlichung Gottes. Sein Blick blieb 
unverrückt aufwärts gerichtet, und so blieben die Dinge hier 
ohne Wirkung auf ihn. Ein weniger treuer Diener würde es für 
angemessen gehalten haben, doch in etwa den Umständen Rechnung zu tragen und kein öffentliches Ärgernis zu geben, die 
Fenster zu schließen und im Verborgenen die Knie vor seinem 
Gott zu beugen. Aber wo wäre dann das Zeugnis geblieben? 
Wie wäre Gott verherrlicht worden? 
Kurz, Daniel dachte nicht so. Er setzte seinen bisherigen Weg 
des Glaubens in aller Einfalt und Treue fort, unbekümmert darum, ob der Teufel auf ihn lauerte und ihn zu verschlingen 
drohte oder nicht. Er handelte genau so, wie seine Feinde es 
erwartet hatten, und gab ihnen auf diese Weise den heiß erwünschten Anlaß zur Klage gegen ihn. Sie kamen zum Könige, 
erinnerten ihn an das von ihm unterzeichnete Verbot und brachten dann ihre Anklage vor, indem sie sagten: „Daniel, einer 
der Weggeführten von Juda, achtet nicht auf dich, o König, noch 
auf das Verbot, das du hast aufzeichnen lassen, sondern er verrichtet dreimal des Tages sein Gebet" (V. 14). Beachten wir 
wohl, daß sie nicht sagen „Daniel, einer der Vorsteher", sondern: „einer der Weggeführten von Juda", und dann hinzufügen: „achtet nicht auf dich, o König", um dadurch sein verletztes und gekränktes Ehrgefühl aufzustacheln und seinen 
ganzen Zorn wachzurufen. Doch hierin erreichten sie ihre Ab110 
sieht nicht, denn wir lesen: „Da wurde der König sehr betrübt, 
als er die Sache hörte, und er sann darauf, Daniel zu retten, und 
bis zum Untergang der Sonne bemühte er sich, ihn zu befreien" 
(V. 15). Aber alle seine Bemühungen waren vergeblich; das 
Gesetz konnte nicht verändert werden. Er hatte sich durch die 
ränkevollen Schmeicheleien seiner Fürsten und Satrapen berükken lassen und mußte jetzt die bitteren Früchte seiner schlechten Handlungsweise ernten. Auf das Drängen dieser Leute gab 
er endlich den Befehl, Daniel herzubringen und in die Löwengrube zu werfen, in der schwachen Hoffnung, daß der Gott 
Daniels ihn aus dem Rachen der wilden Tiere erretten werde. 
„Dein Gott, dem du ohne Unterlaß dienst", — welch ein schönes Zeugnis aus dem Munde eines heidnischen Königs! — „er 
möge dich retten" (V. TJ)\ Und Er tat es; Der Gott, Der die 
Kraft des Feuers zu löschen vermochte, so daß Sadrach, Mesach 
und Abednego unversehrt blieben, vermochte auch den Rachen 
der Löwen zu verstopfen, so daß Daniel nicht das geringste Leid 
geschah. „Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu 
retten". Daniel durchlebte in der Löwengrube unter hungrigen 
und blutdürstigen Raubtieren eine weit ruhigere und friedlichere Nacht, als der König Darius in seinem Palast. Wir lesen 
von dem König, daß er fastend übernachtete, und daß sein 
Schlaf von ihm floh (V. 19). Sein Gewissen war belastet und 
sein Herz mit Kummer erfüllt. In der ersten Morgendämmerung 
eilte er zur Grube, deren Öffnung er mit einem versiegelten 
Stein verschlossen hatte, und rief mit trauriger Stimme: „Daniel, Knecht des lebendigen Gottes, hat dein Gott, dem du ohne 
Unterlaß dienst, dich von den Löwen erretten können" (V. 21) ? 
Und Daniel gab zur Antwort: „O König, lebe ewiglich! Mein 
Gott hat seinen Engel gesandt und hat den Rachen der Löwen 
verschlossen, daß sie mich nicht verletzt haben, weil vor ihm 
Unschuld an mir gefunden wurde; und auch vor dir, o König, 
habe ich kein Verbrechen begangen" (V. 23). Darius, verleitet 
durch seine ruchlosen Schmeichler und seinen eigenen Ehrgeiz, 
hatte den zum Tode verurteilt, der vor Gott und Menschen 
schuldlos war. Jetzt aber war er überaus froh, daß der Gott 
Daniels ins Mittel getreten war und Seinen treuen Diener bewahrt hatte. Er gab Befehl, ihn aus der Grube zu ziehen, aber 
jene Vorsteher und Satrapen, seine Feinde und Ankläger, mit 
ihren Weibern und Kindern hineinzuwerfen. „Und ehe sie noch 
111 
auf den Boden der Grube gekommen waren, bemächtigten sich 
ihrer die Löwen und zermalmten alle ihre Gebeine'' (V. 25). 
Schreckliches Gericht! Sie fielen selbst in die Schlinge, die sie 
mit so großer Schlauheit und scheinharem Erfolg für Daniel 
gelegt hatten, und sie kamen darin um, während an dem Propheten „kein Schaden gefunden wurde". Hier bewahrheitete 
sich das Wort des Bsalmisten auf eine schreckliche Weise: „Versunken sind die Nationen in die Grube, die sie gemacht; ihr 
Fuß ward gefangen in dem Netze, das sie heimlich gelegt haben. 
Jehova ist bekannt geworden: er hat Gericht ausgeübt, indem 
er den Gesetzlosen verstrickt hat in dem Werke seiner Hände" 
(Ps 9, 15. 16). 
Daniel stellt hier in besonderer Weise den treuen Überrest 
Israels in den letzten Tagen dar, der ebenfalls infolge seines 
Zeugnisses von seinen Feinden sehr verfolgt, aber durch die 
Dazwischenkunft der starken Hand Gottes vor ihrer Wut bewahrt werden wird; auch wird das Gericht, das diese über das 
treue Häuflein zu bringen gedenken, an ihnen selbst vollzogen 
werden; und das Resultat dieses Gerichts wird alsdann ähnlich 
sein wie hier: die Nationen werden den lebendigen Gott als 
den Gott Israels, dessen Königreich nie vergeht, anerkennen. 
Der Unterschied zwischen dem Bekenntnis des Nebukadnezar 
und dem des Darius ist beachtenswert. Jener pries den König 
des Himmels und den Höchsten und verbot, daß etwas Böses 
wider den Gott Israels gesagt werde; von diesem aber lesen 
wir: „Von mir wird Befehl gegeben, daß man in der ganzen 
Herrschaft meines Königreichs bebe und sich fürchte vor dem 
Gott Daniels, denn er ist der lebendige Gott und besteht in 
Ewigkeit, und sein Reich wird nie zerstört werden, und seine 
Herrschaft währt bis ans Ende, der da rettet und befreit, und 
Zeichen und Wunder tut iim Himmel und auf der Erde: denn 
er hat Daniel aus der Gewalt der Löwen errettet" (V. 27. 28). 
Die durch das Gericht hervorgebrachte Wirkung erstreckt sich 
hier viel weiter als in den früheren Ereignissen. Zugleich sehen 
wir, daß Darius persönlich Gefühle der Achtung vor Gott und 
vor Daniels Frömmigkeit hatte. Es war nicht sein Gott, sondern 
der Gott Daniels; er ehrt Ihn und nennt Ihn deshalb den lebendigen Gott. 
Wir sind somit am Ende des ersten Teils des Buches Daniel 
angelangt. Mit dem nächsten Kapitel beginnen die dem Pro112 
pheten persönlich gemachten Mitteilungen, die nicht nur allgemeine Grundsätze und Vorbilder enthalten, sondern sich mit 
Einzelheiten aus der Geschichte des Volkes Israel und der Nationen, die Israel unterdrückten, beschäftigen. Aus diesem Grunde schließt auch, wie schon in der Einleitung bemerkt ist, das 
sechste Kapitel mit den Worten: „Und dieser Daniel hatte Gedeihen unter der Regierung des Darius und unter der Regierung 
Kores', des Persers", während das siebte Kapitel wieder bis zum 
ersten Jahre des Königs Belsazar zurückgeht. 
Kapitel 7 
Wie am Schluß des vorigen Kapitels bereits bemerkt wurde, 
finden wir in diesem und den folgenden Kapiteln die Mitteilungen, die Gott dem Propheten selbst machte. Diese Mitteilungen 
stehen in enger Beziehung zum Volk der Juden und enthalten 
in besonderer Weise die schließliche Segnung dieses Volkes 
oder vielmehr des treuen Überrestes. Im vorliegenden Kapitel 
begegnen wir wieder den vier heidnischen Reichen, die in 
Babylon ihren Anfang nahmen. Während sie jedoch im zweiten 
Kapitel dem König Nebukadnezar im Traume unter der Form 
eines großen Bildes vorgestellt wurden, treten sie uns hier in 
der Gestalt von vier wilden Tieren entgegen. Zudem wird auch 
hier das Königreich der Himmel durch den Herrn Jesum, den 
Sohn des Menschen, eingeführt. Doch müssen wir bemerken, 
daß jene schon im zweiten Kapitel erwähnten Reiche hier von 
einem ganz anderen Gesichtspunkt aus betrachtet werden. In 
jenem Bilde handelte es sich um die Beziehungen der einzelnen 
Reiche zueinander, während sie hier in Verbindung mit dem 
Volke Israel gesehen werden und so, wie Gott sie betrachtet. 
Das siebte Kapitel bildet gleichsam die Einleitung zum zweiten Teil des Buches Daniel und enthält drei Gesichte. Das erste 
Gesicht (V. 2—6) beschäftigt sich mit der Schilderung der drei 
ersten Tiere. Diesen wird zwar der Reihe nach die Herrschaft 
genommen, aber sie behalten ihr Leben und werden nicht vertilgt. Das zweite Gesicht (V. 7—12), enthält eine spezielle Beschreibung des vierten Tieres. Das dritte Gesicht (V. 13 u. f.) 
zeigt, wie schließlich die ganze Herrschaft in die Hand des 
Sohnes des Menschen gegeben wird. 
„Im ersten Jahre Belsazars, des Königs von Babel, sah Daniel 
einen Traum und Gesichte seines Hauptes auf seinem Lager. 
113 
Dann schrieb er den Traum auf, die Summe der Sache berichtete er. Daniel hob an und sprach: Ich schaute in meinem Gesicht bei Nacht, und siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das große Meer. Und vier große Tiere stiegen aus 
dem Meere herauf, eines verschieden von dem anderen" (V. 1— 
3). Das unruhige, wogende Meer ist hier, wie an verschiedenen 
anderen Stellen der Schrift, ein Bild von ungeordneten Völkermassen — von einer unzähligen Menge von Menschen, die sich 
in politischer Anarchie befinden. Aus ihrer Mitte steigen die 
vier Tiere oder die durch sie repräsentierten Reiche herauf. Sie 
kommen eins nach dem anderen zum Vorschein; sie bestehen 
nicht, wie wir schon im zweiten Kapitel gesehen haben, zu 
gleicher Zeit, sondern treten nacheinander unter der Leitung 
Gottes ihre Herrschaft über die Welt an. Jedoch werden sie hier 
nicht als von Gott eingesetzt, sondern in ihrem rein geschichtlichen Charakter und Verhältnis betrachtet. 
„Das erste war gleich einem Löwen und hatte Adlersflügel" 
(V. 4). Das sind die charakteristischen Merkmale des babylonischen Reiches. An mehreren Stellen der Schrift ist von Nebukadnezar unter dem Bilde eines Löwen und eines Adlers die 
Rede. So lesen wir z. B. von ihm in Jeremia 4, 7: „Ein Löwe 
steigt herauf aus seinem Dickicht, und ein Verderber der Nationen bricht auf", und in Kap. 49,19. 22: „Siehe, er steigt wie ein 
Löwe herauf von der Pracht des Jordans wider die feste Wohnstätte . . . Siehe, Wie der Adler zieht er herauf und fliegt und 
breitet seine Flügel aus über Bozra". (Vergl, auch Hes 17). Hier 
bei Daniel finden wir die beiden Tiergestalten in einem Körper 
vereinigt. Die furchtbare Kraft des Löwen und die Schnelligkeit 
des Adlers, der sich in hohem und raschem Fluge über alles zu 
erheben vermag, charakterisieren die babylonische Macht. Doch 
bald zeigt sich eine große Veränderung, die freilich zur Zeit 
dieser Mitteilung an den Propheten nur dem Auge Gottes offenbar war; die Kraft schwindet und die Schnelligkeit wird weggenommen: „Ich schaute, bis seine Flügel ausgerissen wurden, 
und es ward von der Erde aufgehoben und wie ein Mensch auf 
seine Füße gestellt und ihm eines Menschen Herz gegeben 
wurde" (V. 4). Das wilde Tier wurde geschwächt und erniedrigt. Babylon wurde nicht völlig vernichtet, aber seine Oberherrschaft über die damals bekannte Welt wurde ihm genommen; es wurde gedemütigt und unterjocht. 
114 
Der fünfte Vers enthält die Beschreibung des medo-persischen 
Reiches, der Brust und der Arme von Silber. „Und siehe, ein 
anderes zweites Tier, gleich einem Bären; und es richtete sich 
auf einer Seite auf". Das zweite Reich hatte weder die Energie, 
noch den schnellen Flug des ersten, es war schwerfälliger 
und von vornherein aus zwei Hauptelementen, den Medern und 
Persern, zusammengesetzt. Zunächst rissen, wie wir in Kap. 5, 
30 und 6, 1 gesehen haben, die Meder unter Darius das Königreich an sich; ihre Herrschaft war aber nur von kurzer Dauer. 
Die Perser, unter der Führung des Cyrus, machten sich von der 
Botmäßigkeit der Meder frei und bemächtigten sich bald nachher der ganzen Herrschaft. Bis zum Untergang des medo-persischen Reiches saß fortwährend ein Perser auf dem Thron. 
Aus diesem Grunde wird auch gesagt, daß sich das Tier auf der 
einen Seite aufrichtete. Durch die folgenden Worte: „Und es 
hatte drei Rippen in seinem Maul zwischen seinen Zähnen, und 
man sprach zu ihm also: Stehe auf und friß viel Fleisch", wird, 
wie ich nicht zweifle, die außergewöhnliche Raubgier und Eroberungssucht des persischen Reiches bezeichnet. Freilich behandelten sowohl Cyrus als auch seine Nachfolger das jüdische 
Volk mit Nachsicht und ließen es in sein Land zurückkehren; 
denn die von Gott bestimmte Zeit der Rückkehr war gekommen. Aber im allgemeinen waren die Perser hart und grausam 
gegen andere, und besonders gegen die Völker, die sich ihrer 
Herrschaft nicht unterwerfen wollten und erst nach längeren 
Kämpfen bezwungen wurden. 
Wir kommen jetzt zu dem dritten Tier. „Nach diesem schaute 
ich, und siehe, es war ein anderes, gleich einem Pardel, und es 
hatte vier Flügel eines Vogels auf seinem Rücken, und das Tier 
hatte vier Köpfe und Herrschaft wurde ihm gegeben" (V. 6). 
Dieses Tier entspricht „dem Bauch und den Lenden von Erz" 
(Kap. 3,32); es repräsentiert das dritte Reich, das die Herrschaft 
empfangen sollte. Es trägt nicht die Stärke und Raubgier der 
beiden ersten Tiere zur Schau; seine Kraft besteht vielmehr 
in seiner außerordentlichen Behendigkeit und Ausdauer. Es 
gleicht einem Pardel, der seine Beute in flüchtigem Lauf verfolgt und sich wie ein Blitz auf sie stürzt. Außerdem hat es 
noch, als besonderes Symbol der Schnelligkeit, auf seinem 
Rücken vier Flügel eines Vogels. Es ist das treffende Bild Alexanders des Großen und seiner Herrschaft. Während seiner 
115 
Regierung folgten die wichtigsten Ereignisse mit überraschender Schnelligkeit aufeinander. In unglaublich kurzer Zeit unterwarf er das ganze ungeheure Gebiet des damals bekannten 
Asien seiner Oberherrschaft. Er durchflog, im wahren Sinne des 
Wortes, mit seinen Heeren das Land vom Ägäischen Meer bis 
zum Indus, vom schwarzen Meere bis zum Nil. Nichts konnte 
seinen kühnen und raschen Flug aufhalten. Plötzlich jedoch ereilte ihn der Tod; in der Blüte seiner Jahre erlag ier einem 
hitzigen Fieber. Seine sechs Generäle teilten sich das gewaltige 
Reich. Allmählich aber schmolzen diese sechs getrennten Reiche 
in vier zusammen. Das Tier hatte vier Häupter. Es wird uns also 
in diesem Tier sowohl die anfängliche als auch die spätere Gestalt des griechischen Reiches vor Augen gestellt. 
Das vierte Tier ist Gegenstand eines besonderen Gesichts, 
und zwar ohne Zweifel deshalb, weil es von weit größerer Bedeutung ist als seine Vorgänger. „Nach diesem schaute ich in 
Gesichten der Nacht: und siehe, ein viertes Tier, schrecklich und 
furchtbar und sehr stark und es hatte große eiserne Zähne; es 
fraß und zermalmte, und was übrigblieb zertrat es mit seinen 
Füßen; und es war verschieden von allen Tieren, die vor ihm 
gewesen, und es hatte zehn Hörner" (V. 7). Es wird uns nicht 
schwer werden, in diesem vierten Tier die Charakterzüge des 
letzten, des römischen Weltreiches zu erkennen. Es entspricht 
den „Schenkeln von Eisen und den Füßen, teils von Eisen und 
teils von Ton" (Kap. 2, 33). Im zweiten Kapitel wird der Charakter dieses letzten Königreichs in ähnlicher Weise beschrieben: „Und ein viertes Königreich wird stark sein wie Eisen; 
aber so wie das Eisen alles zermalmt und zerschlägt, so wird es, 
dem Eisen gleich, welches zertrümmert, alle diese zermalmen 
und zertrümmern" (V. 40). 
Das römische Reich wird also durch eine alles überwältigende 
Stärke charakterisiert und durch ein Ungeheuer dargestellt, das 
in der ganzen Schöpfung nicht seinesgleichen hat*). „Es war 
*) Im 13. Kapitel der Offenbarung sieht Johannes „aus dem Meere ein Tier 
aufsteigen, das hatte zehn Hörner und sieben Köpfe und auf seinen Hörnern 
zehn Diademe und auf seinen Köpfen Namen der Lästerung. Und das Tier, das 
ich sah, war gleich einem Fardel und seine Füße wie eines Bären und sein Maul 
wie eines Löwen Maul. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron 
und große Gewalt" (V. 1. 2). Durch das Meer, aus dessen Tiefe das Tier empor= 
stieg, wird uns auch hier, wie oben, der ungeordnete, revolutionäre Zustand der 
Völker bezeichnet. Aber das Tier unterscheidet sich merklich von dem Tier, das 
Daniel sah. Es ist gleich einem Pardel und hat die Füße eines Bären und das 
Maul eines Löwen. Es vereinigt alle jene Eigenschaften in sich, welche die drei 
116 
schrecklich und furchtbar und sehr stark und es hatte große 
eiserne Zähne; es fraß und zermalmte, und was übrigblieb, 
zertrat es mit seinen Füßen". Das römische Reich besaß eine 
beispiellose Eroberungswut und warf ein Volk nach dem anderen mit unwiderstehlicher Gewalt vor sich nieder und zog 
ein Land nach dem anderen unter seine Botmäßigkeit. Wollte 
sich aber ein Volk nicht unter seine Herrschaft beugen, so 
wurde es vernichtet, oder, bildlich gesprochen, unter den Füßen 
zertreten. „Und es war verschieden von allen Tieren, die vor 
ihm gewesen" (V. 7). Abweichend von den vorhergehenden 
Reichen bildete Rom Jahrhunderte hindurch eine Republik., und 
erst Cäsar gelang es, sich zum Alleinherrscher des unermeßlichen Reiches zu machen. Er wußte die republikanischen Elemente des Reiches mit solch einem eisernen Despotismus zu 
verbinden, wie er je in der Welt geherrscht haben mag. 
Außerdem entdecken wir noch ein zweites unterscheidendes 
Merkmal. Das Tier hatte „zehn Hörner". Es nimmt eine neue 
Form an. Das griechische Reich trennte sich nach dein Tode 
seines Gründers in vier einzelne Königreiche, während die 
Herrschermacht des römischen Reiches sich in den Händen von 
zehn gemeinsam regierenden Fürsten oder Königen befinden 
wird (Vergl. V. 24). Nun hat es aber während des langen Bestehens des römischen Reiches nie eine Zeit gegeben, wo die 
oberste Gewalt von zehn Königen zugleich ausgeübt wurde. 
Alle vorher angeführten Eigenschaften des Tieres, daß es 
schrecklich, furchtbar und sehr stark war, daß es fraß und 
zermalmte und das übrige mit seinen Füßen zertrat, mögen ihre 
Verwirklichung in der Geschichte des römischen Reiches gefunden haben, — und ich glaube, daß dies besonders zur Zeit 
der Kaiser der Fall war —, aber von einer Teilung der Herrschaft unter zehn Könige, ohne eine Zersplitterung des Reiches, 
ist nie die Rede gewesen. So lange jener ungeheure Koloß bestand, gab es keine zehn Hörner; und als er endlich in sich 
ersten Reiche charakterisierten und auszeichneten. Zugleich hat es zehn Hörner 
und sieben Köpfe usw. und der Drache (Satan) gibt ihm seine Macht und seinen 
Thron und große Gewalt. Es ist das am Ende dieses Zeitalters durch satanischen 
Einfluß wiederhergestellte römische Reich, das von Satan Macht und Thron und 
große Gewalt empfängt. Wenn wir in der Offenbarung die Tiere in umgekehrter 
Reihenfolge angeführt finden, so hat dies darin seinen Grund, daß Daniel unter 
der Herrschaft des ersten, des babylonischen Reiches lebte, während sich Jo= 
hannes unter der Herrschaft des letzten, des römischen Reiches befand, und also 
der eine die Tiere vorwärts, der andere rückwärts aufzählte. 
117 
selbst zusammenbrach, bildeten sich aus den Trümmern zahlreiche Königreiche; (vielleicht zehn, vielleicht noch mehr) sie 
entstanden aber erst infolge der Vernichtung der römischen 
Oberherrschaft. Eine gemeinsame Herrschaft von zehn Königen 
über ein einheitliches römisches Reich ist bis jetzt eine unerfüllte Tatsache geblieben. Ich zweifle daher keinen Augenblick 
daran, daß uns der Heilige Geist in diesen zehn Hörnern den 
Charakter jenes Reiches vor Augen führen will, den es nach 
seiner Wiederherstellung in den letzten Tagen annehmen wird. 
Zur näheren Begründung des Gesagten mag es gut sein, 
einen Augenblick das Buch der Offenbarung zur Hand zu nehmen. Wir finden dort in Vers 8 des 17. Kapitels die Worte: 
„Das Tier, welches du sähest, war und ist nicht und wird aus 
dem Abgrunde heraufsteigen". Es unterliegt keinem Zweifel, 
daß dieses Tier ein Symbol des römischen Reiches ist, das zur 
Zeit des Johannes war. Die Zeit des Bestehens der herrschenden Macht Roms umfaßt einige Jahrhunderte vor und nach 
dem Tode des Propheten. Zur Zeit der Geburt Christi stand es 
auf dem Gipfel seiner Macht, und in der Person des Landpflegers Pontius Pilatus nahm es teil an der Verwerfung Christi. Sein Bestehen reicht bis ungefähr in die Mitte des fünften 
Jahrhunderts unserer jetzigen Zeitrechnung. Um diese Zeit 
drangen die Goten und Vandalen in Italien ein und bereiteten 
der römischen Herrschaft ein schnelles Ende. Das ungeheure 
Reich zerfiel in Trümmer — es hörte auf zu existieren; und in 
diesem Zustande befindet es sich heute noch: „es ist nicht". Wir 
hören aber, daß es wiederhergestellt werden wird: es wird „aufsteigen aus dem Abgrunde". Es wird aufs neue als ein Reich auf 
dem Weltschauplatz erscheinen und durch Satan selbst zu Ansehen und Kraft gelangen. In dieser letzten Periode wird es, 
unterstützt von den zehn Königen, die mit dem Tiere eine 
Stunde Gewalt empfangen, mit dem Lamme Krieg führen, „und 
das Lamm wird sie überwinden" (V. 12—14). In Kapitel 19, 
11—21 wird uns die Ausübung dieses Gerichts über das Tier 
und die Könige der Erde mitgeteilt. Es ist ein vollständiges 
Gericht; nicht nur daß dem Tier Herrschaft und Gewalt genommen wird, wie früher seinen Vorgängern, sondern es fällt einer 
gänzlichen Vernichtung anheim. Dies wird uns auch in unserem 
vorliegenden Kapitel klar mitgeteilt. „Ich schaute, bis Throne 
aufgestellt wurden und ein Alter an Tagen sich setzte; sein 
118 
Gewand war weiß wie Schnee, und das Haar seines Hauptes wie 
reine Wolle, sein Thron Feuerflammen, seine Räder ein loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer floß und ging von ihm aus; 
tausend mal Tausende dienten ihm, und zehntausend mal 
Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht saß, und Bücher 
wurden auf getan" (V. g. 10). Die göttliche Herrlichkeit offenbart sich im Gericht; der Thron des Gerichts Jehovas wird aufgestellt. „Dann schaute ich wegen der Stimme der großen 
Worte, welche das Hörn redete, ich schaute, bis das Tier getötet 
und sein Leib zerstört und dem Brande des Feuers übergeben 
wurde" (V. 11). Dieses hier angeführte Hörn ist jenes „kleine 
Hörn" in Vers 8. „Während ich auf die Hörner achtgab, siehe, 
da stieg ein anderes, kleines Hörn zwischen ihnen empor, und 
drei von den ersten Hörnern wurden von ihm ausgerissen; und 
siehe, an diesem Hörne waren Augen, wie Menschenaugen, und 
ein Mund, der große Dinge redete". Klein in seinen Anfängen 
gelingt es ihm durch irgendwelche Mittel, drei der übrigen Hörner auszureißen und sich allmählich zum Leiter und Beherrscher 
des ganzen Tieres zu machen. Daß dies letztere der Fall ist, beweisen die Worte: „Dann schaute ich wegen der Stimme der 
großen Worte, welche das Hörn redete, ich schaute, bis das 
Tier getötet usw. wurde". Es heißt nicht: „Ich sah, bis das Hörn 
ausgerissen oder niedergeworfen wurde". Die Lästerungen des 
kleinen Hornes haben die völlige Vernichtung des ganzen Tieres 
zur Folge. Das Tier wurde getötet und sein Leib zerstört und 
dem Brande des Feuers übergeben. „Und was die übrigen Tiere 
betrifft: ihre Herrschaft wurde weggenommen, aber Verlängerung des Lebens ward ihnen gegeben bis auf Zeit und Stunde" 
(V. 12). Wie schon bemerkt, zeigt das Gericht des vierten Tieres 
eine große Verschiedenheit von den drei ersten. Obgleich diesen 
die Herrschaft genommen wurde, fielen sie doch keiner völligen Vernichtung anheim. Die Überreste des chaldäischen Volkes 
sind noch heute vorhanden; Persien und Griechenland existieren sogar noch als selbständige Reiche, wenn sie auch eine untergeordnete Stellung einnehmen. Ihre ehemalige Machtstellung 
als Beherrscher der Welt ist ihnen freilich genommen; aber „Verlängerung des Lebens ward ihnen gegeben bis auf Zeit und 
Stunde". Mit dem vierten Reich oder Tier verhält es sich jedoch 
anders. Die Stunde der Zerstörung seiner Herrschaft ist auch 
die Stunde seiner gänzlichen Vernichtung. 
119 
Es ist augenscheinlich, daß die hier erwähnten Ereignisse mit 
dem Inhalt des 13., 17. und 19. Kapitels der Offenbarung in 
genauem Zusammenhang stehen. Johannes spricht natürlich nur 
von dem vierten Tier, dem römischen Reich, weil die Herrschaft 
der drei vorhergehenden Tiere zu der Zeit, als er seine Offenbarung empfing, schon längst vom Schauplatz verschwunden 
war. So wie uns dort mitgeteilt wird, daß das Tier seinen Mund 
öffnete zu Lästerungen wider Gott, wider Seinen Namen und 
Seine Hütte, und daß es Krieg führte mit den Heiligen und sich 
empörte gegen das Lamm, so hören wir hier ebenfalls, daß das 
Hörn einen Mund hatte, der große Dinge redete, und daß es 
Krieg führte mit den Heiligen. In beiden Büchern ist auch das 
gleiche Gericht, das über das Tier kommt, mitgeteilt. In der 
Offenbarung lesen wir: „Und es wurde ergriffen das Tier und 
der falsche Prophet, der mit ihm war . . . lebendig wurden die 
zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt" und 
hier heißt es: „Ich schaute, bis das Tier getötet und sein Leib 
zerstört und dem Brande des Feuers übergeben wurde". 
Die Behauptung, daß alle jene von Daniel und Johannes prophezeiten Gerichte schon über das römische Reich ergangen 
seien, ist falsch und entbehrt jeder Grundlage. Ich frage nur: Ist 
jemals das Haupt des römischen Reiches und einer seiner 
Helfershelfer, den man unter dem falschen Propheten verstehen 
könnte, lebendig in die Hölle geworfen worden? Gewiß nicht. 
Es ist wahr, daß das römische Reich schon seit mehr als einem 
Jahrtausend in Wirklichkeit nicht mehr existiert, wenn es auch 
dem Namen nach noch länger bestanden haben mag. Aber es 
wird, wie gesagt, wieder zum Vorschein kommen und unter 
der Leitung eines durch die Wirksamkeit Satans hervorgebrachten und von ihm völlig beeinflußten Hauptes sich in offenem 
Abfall gegen den Höchsten empören, um dann einem schrecklichen Gericht anheimzufallen. 
Werfen wir jetzt noch einen kurzen Rückblick auf das kleine 
Hörn, das Daniel zwischen den zehn Hörnern des Tieres heraufkommen sah. Es ist häufig behauptet worden, daß unter 
diesem Hörn das Papsttum zu verstehen sei. Aber wenn es auch 
wahr ist, daß eine auffallende Ähnlichkeit zwischen beiden gefunden Wird, daß verschiedene Eigenschaften des kleinen Horns 
das Papsttum während der Jahrhunderte seines Bestehens cha120 
rakterisierten, so gelangte das Papsttum doch erst dann zur 
Entfaltung seiner Macht, als das römische Reich schon lange 
vom Schauplatz verschwunden war. Zudem hat nie ein Papst 
drei von den zehn Königreichen in seinen Besitz gebracht. Die 
päpstliche Macht bestand zu jeder Zeit weit mehr in dem Einfluß auf die Seelen der Menschen, als in dem Besitz von ausgedehnten Länderstrecken, obgleich sie auch danach trachtete 
und Jahrhunderte hindurch eine weltliche Herrschaft ausübte. 
Die Erfüllung der Prophezeiung über das kleine Hörn liegt noch 
im Schoß der Zukunft verborgen. Erst bei der späteren Wiederherstellung des römischen Reiches wird das kleine Hörn in die 
Erscheinung treten, drei der vorhandenen zehn Königreiche, 
aus welchem jenes Reich bestehen wird, an sich reißen und sich 
zum Haupte des Reiches machen. Ich glaube auch nicht, daß 
wir unter diesem Hörn den Antichristen zu verstehen haben, 
sondern die letzte tätige Macht des Bösen in dem römischen 
Reich oder dem Tier. Jedoch wird der Antichrist ohne Zweifel 
in enger Verbindung mit diesem Haupt des Tieres stehen und 
es zu den schrecklichen Lästerungen, die es gegen den Höchsten 
ausstoßen wird, anreizen. Wir werden hierauf später noch 
einmal zurückkommen. 
Es werden uns noch einige andere Mitteilungen über das 
kleine Hörn gemacht, die wir nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen. „Und siehe, an diesem Hörne waren Augen, wie 
Menschenaugen, und ein Mund, der große Dinge redete". Dies 
sind die moralischen Charakterzüge des Hornes, durch welches 
das ganze Tier repräsentiert wird. Es besitzt den Scharfsinn und 
den Verstand eines Menschen und maßt sich große Dinge an. 
Seine Gedanken und Pläne gehen über dais Gebiet seiner Herrschaft hinaus. Es übt einen großen moralischen Einfluß auf 
9edne ganze. Umgebung aus und erhebt sich mit der verwegensten Anmaßung. Es ist nicht nur ein großer Eroberer und Herrscher, sondern weiß mit großer Schlauheit alles für seine gottlosen, wohlberechneten Pläne und Anschläge zu gewinnen. Es 
unterscheidet sich in bemerkenswerter Weise von dem Lamme 
in Offenbarung 5, welches bekanntlich ein Symbol des Herrn 
ist, und als Zeichen der Vollkommenheit Seiner Macht und Einsicht sieben Hörner und sieben Augen hat. Es scheint, daß 
das hier beschriebene Tier eine größere äußerliche Gewalt besitzt, es hat zehn Hörner, Es ist ein Ungeheuer anstatt eines 
121 
vollkommenen Menschen und erhebt sich in frecher Weise über 
Gott und das Lamm. Infolgedessen wird es, wie wir gesehen 
haben, in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. 
Nachdem das letzte der vier großen wilden Tiere auf diese 
Weise hinweggetan ist, sieht der Prophet ein neues Gesicht. „Ich 
schaute in Gesichten der Nacht: und 9iehe, mit den Wolken 
des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn, und er kam 
zu dem Alten an Tagen, und wurde vor denselben gebracht 
und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten 
ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört 
Werden wird" (V. 13. 14). Der Alte an Tagen repräsentiert hier, 
wie ich glaube, Gott Selbst, während der Eine, Der mit den 
Wolken des Himmels kommt, ohne jeden Zweifel Christus 
ist*). Er ist gleich dem Sohne eines Menschen und wird vor 
den Alten an Tagen gebracht, um von ihm Königtum und unumschränkte Herrschaft zu empfangen. Die Herrschaft Jehovas 
wird dem Menschen in der Person Christi anvertraut und an 
die Stelle des Königreichs des letzten Tieres gesetzt. Es ist zu 
beachten, daß das Königreich nicht eher von dem Sohne des 
Menschen übernommen wird, bis das Gericht ausgeübt ist. 
Christus wird das Tier durch Seine Macht vernichten und danach Seine Herrschaft antreten. Das gleiche fanden wir bei der 
Betrachtung des zweiten Kapitels. Ein Stein wurde losgerissen 
ohne Hände und zermalmte das gewaltige Bild Nebukadnezars, 
daß es wie Spreu der Sommertennen wurde, und dann erst 
wuchs er zu einem gewaltigen Berge an, der die ganze Erde 
erfüllte. Die Herrschaft des Sohnes des Menschen ist eine 
ewige, d. h. sie wird so lange dauern, wie die Erde bestehen 
wird; denn wir haben es hier immer mit der Erde, nicht mit dem 
Himmel zu tun. Die jüdischen Propheten reden nur vom tausendjährigen Reich; die Entfaltung der Ratschlüsse Gottes in 
*) In der Offenbarung finden wir bei der Beschreibung des Sohnes des Men= 
sehen mehrere der herrlichen Eigenschaften wieder, die hier dem Alten an Tagen 
zugeschrieben werden. Im ersten Kapitel heißt es: „Und ich sah einen gleich dem 
Sohne des Menschen, angetan mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewände 
. . .; sein Haupt aber und seine Haare weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und 
seine Augen wie eine Feuerflamme". Von dem Alten an Tagen lesen wir: „Sein 
Gewand war weiß wie Schnee, und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle, 
sein Thron Feuerflammen usw.". Daniel sieht Christum einfach als Mensch, 
während Johannes Ihn als Mensch und zugleich als Gott erblickte. 
122 
bezug auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in bezug 
auf die Kirche und ihre Berufung liegt ganz außerhalb des Gesichtskreises Daniels; sie bildet den Inhalt des Neuen Testaments. Dort hören wir von einer Zeit, wo alles, selbst der Sohn, 
Seinem Gott und Vater unterworfen sein wird, auf daß Gott 
alles in allem sei (1. Kor 15, 28). 
Wir sind in unserer Betrachtung an dem letzten Abschnitt 
des Kapitels angelangt. Daniel, betrübt und zugleich erschreckt 
durch die Gesichte, die ihm gezeigt worden sind, naht sich 
einem der Dastehenden und erbittet sich von ihm Gewißheit 
über dies alles. Er erhält eine umfassende Erklärung, die sich, 
was wohl zu beachten ist, nicht allein mit den Gesichten selbst 
beschäftigt, sondern auch einen neuen Gegenstand hinzufügt, 
der von höchstem Interesse ist. Dies ist in den göttlichen Schriften immer der Fall; wenn Gott Sich in Seiner Gnade herabläßt, 
eine Erklärung über Sein Wort zu geben, werden wir niemals 
eine bloße Auslegung, sondern stets neue Offenbarungen hinzugefügt finden. In den Gesichten war weder von irdischen, 
noch von himmlischen Heiligen die Rede, in der Erklärung 
werden beide eingeführt. Doch dürfen wir, ich wiederhole es, 
bei dieser Einführung der Heiligen durchaus nicht an die Kirche 
oder Versammlung denken. In den Gesichten selbst handelte 
es sich nur um die äußere Geschichte der vier Tiere und um das 
endliche Gericht des letzten Tieres; sobald aber in irgendeiner 
Weise die Ratschlüsse Gottes entfaltet werden, ist die Beziehung der Heiligen zu jenen Ereignissen der Hauptgegenstand. 
„Diese großen Tiere, deren vier waren, sind vier Könige, die 
von der Erde <aufstehen werden. Aber die Heiligen der höchsten 
örte r werden das Reich empfangen, und sie werden das Reich 
besitzen bis in Ewigkeit, ja bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten" 
(V. 17. 18). Die Heiligen der höchsten örte r werden das Reich 
empfangen, und nicht der Sohn des Menschen allein. Wenn Er 
kommen wird, um das Reich in Empfang zu nehmen, dann werden die Heiligen Ihn begleiten und an der Herrschaft teilnehmen. Sie werden hier ebenfalls in Gegensatz gebracht zu 
den vier Tieren oder Königreichen der Erde. Es mag vielleicht 
auffallen, daß hier von diesen vier Tieren gesagt wird: „sie 
werden von der Erde aufstehen", da dieses mit dem Inhalt 
des zweiten Verses unseres Kapitels im Widerspruch zu stehen 
scheint. Aber es soll hier, wie ich glaube, nur ihr rein irdischer 
123 
Ursprung, im Gegensatz zu dem Sohne des Menschen, der mit 
den Wolken des Himmels kommt, und den Heiligen der höchsten örter dargestellt werden. 
Danach begehrt der Prophet Gewißheit über das vierte Tier, 
das von allen anderen verschieden war, und über die zehn 
Hörner und über das andere kleine Hörn, das heraufkam, das 
Augen hatte und einen Mund, der große Dinge redete, vor 
welchem drei Hörner abfielen, und welches — beachten wir 
diese in dem Gesicht nicht erwähnte Tätigkeit des Horns — 
„Krieg führte wider die Heiligen und sie besiegte, bis daß der 
Alte an Tagen kam und das Gericht den Heiligen der höchsten 
örter gegeben wurde, und die Zeit kam, da die Heiligen das 
Reich in Besitz nahmen" (V. 21. 22). Das ist der vornehmste 
Charakterzug des kleinen Horns; es führt Krieg wider die 
Heiligen, und es überwindet sie; jedoch nur bis zu dem Augen 
blick, wo der Alte an Tagen kommt und das Gericht den Heiligen der höchsten örter gegeben wird. Die Ankunft des Alten 
an Tagen macht den Verfolgungen und der Macht des kleinen 
Horns ein Ende; es fällt einem schrecklichen Gericht anheim. 
Diese Dazwischenkunft Gottes wird jedoch von noch zwei anderen wichtigen Ereignissen begleitet, die das Resultat derselben 
sind und das ganze bisherige Aussehen der Erde verändern. Das 
Gericht wird den Heiligen der höchsten örter gegeben, und die 
Heiligen empfangen das Reich. 
Wir finden hier zwei besondere, unterschiedliche Klassen von 
Personen, die unter dem Namen: „Heilige" eingeführt werden. 
Der ersten Klasse wird jener besondere Titel: „Heilige der 
höchsten örter " beigelegt, während die zweite einfach die 
„Heiligen" oder „das Volk der Heiligen der höchsten 
örter " genannt wird (V. 27). Beide Klassen unterscheiden sich 
auch wesentlich in dem, was sie empfangen. Den „Heiligen der 
hohen örter " wird das Gericht gegeben; „die Heiligen", oder 
„das Volk der Heiligen der höchsten örter " empfangen das 
Reich. „Das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen 
der höchsten örte r gegeben werden. Sein Reich wird ein ewiges 
Reich sein, und alle Herrschaften werden ihm dienen und gehorchen" (V. 27). Der Heilige Geist erwähnt hier nichts vom 
Gericht; denn die Verleihung des Gerichts ist auf die himmlischen Heiligen beschränkt (V. 22). Andererseits sind, wie uns 
124 
Vers 18 zeigt, die Heiligen der höchsten örte r von dem Reich 
und der Herrschaft nicht ausgeschlossen; sie sind im Gegenteil 
die ersten, die das Königreich empfangen; aber die Heiligen 
oder das Volk der Heiligen der höchsten örte r nehmen nur an 
dieser letzteren Segnung teil. 
Wer aber sind diese beiden Klassen von Heiligen? Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten. Der Apostel schreibt an 
die Gläubigen in Korinth, die miteinander rechteten, und das 
sogar vor Ungläubigen oder „Ungerechten", wie Paulus sie 
nennt: „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten 
werden" (1. Kor 6, 2)? Dies belehrt uns, daß sie, und in weiterem Sinne die ganze Kirche oder Versammlung, das Gericht 
empfangen werden. Dürfen wir aber unter jenen Heiligen, 
welche die Welt richten werden, ausschließlich die Versammlung 
verstehen? Gewiß nicht; dies würde ebenso verkehrt sein, als 
wenn wir die Versammlung davon ausschließen wollten. Die 
Ausdrücke: „Die Heiligen" in 1. Kor 6, und „die Heiligen der 
höchsten örter " hier in Daniel sind viel allgemeiner und umfassen eine weit größere Zahl von Personen. Sie schließen alle 
jene Heiligen ein, die jemals mit dem Höchsten*), mit Gott in 
Verbindung gestanden haben und jetzt noch in Verbindung 
stehen. Es ist gerade diese Verbindung, die ihnen den Titel: 
„Heilige der höchsten örter " verleiht. Es sind alle, deren Herzen droben sind, wo Christus ist, alle, die errettet werden, bevor 
Christus kommt und die Seinigen zu Sich versammelt, alle, die 
in den vergangenen Zeitaltern im Glauben gestorben und in 
Christo entschlafen sind — alle die Heiligen auch, die durch die 
große Drangsal gehen und als ein Opfer der Verfolgungen des 
*) Wir finden in der Heiligen Schrift vier Namen für Gott, welche die ver= 
schiedenen Beziehungen bezeichnen, in welche Er zu den Menschen getreten ist. 
Er ist der „Allmächtige" (1. Mo 17) in Verbindung mit Abraham und den Fatri« 
archen. „Jehova" in Verbindung mit Israel (2. Mo 6). Uns, den Christen, hat Er 
Sich als „Vater" geoffenbart (Joh 17). Hier in Daniel wird Er der „Höchste" ge= 
nannt, und dies ist auch der Titel, den Er im tausendjährigen Reich annehmen 
wird. Es ist der Ausdruck der unumschränkten Herrschaft und Oberhoheit Gottes 
über alles, was Gott genannt wird. Wir lesen in 1. Mo 14, daß Melchisedek (ein 
Vorbild Christi als König und Priester, als Priester auf Seinem Thron in der 
zukünftigen Welt, als König der Gerechtigkeit und als König des Friedens) her= 
vortritt und den Abraham, als er von der Schlacht der Könige zurückgekehrt war 
(ein Bild der Befreiung und des endlichen Sieges Israels in den letzten Tagen), 
segnet von Seiten „Gottes, des Höchsten, der Himmel und Erde besitzt", und den 
Höchsten preist in Abrahams Namen. Der Name „Vater" bewirkt einen Unter= 
schied in der ganzen Stellung des Gläubigen, indem Er ihn mit Christo, dem 
Sohne, in Welchem Gott Sich geoffenbart hat, vereinigt. Er steht jetzt vor Gott 
wie Christus Selbst. 
125 
Tieres und des falschen Propheten sterben müssen. Alle diese 
sind „Heilige der höchsten örter" ; sie alle „empfangen das 
Königreich und werden das Reich besitzen bis in Ewigkeit, ja bis 
in die Ewigkeit der Ewigkeiten" (V. 18); und ihnen allen „wird 
das Gericht gegeben" (V. 22). 
Die zweite Klasse, die „Heiligen" (V. 22) oder „das Volk der 
Heiligen der hohen örter " (V. 27), empfängt, wie schon oben 
bemerkt, ebenfalls das Reich. Aber wenn wir den 27. Vers mit 
Aufmerksamkeit lesen, dann werden wir auch hierin einen 
bemerkenswerten Unterschied von jener ersten Klasse finden. 
„Das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche 
unter dem ganzen Himmel wird dem Volke der Heiligen der 
höchsten örte r gegeben werden". Während jene Heiligen sich 
im Himmel befinden und von dort aus über die Erde herrschen, 
ist ihr Volk auf der Erde und empfängt die Herrschaft unter 
dem ganzen Himmel. Wir haben, wie ich nicht zweifle, unter 
diesem Volke alle die Heiligen zu verstehen, die bei der Ankunft des Alten an Tagen noch auf der Erde sein werden. 
Über die Erklärung der geschichtlichen Einzelheiten des 
kleinen Horns, die mit dem 23. Verse beginnt, können wir hinweggehen, da wir schon bei der Betrachtung des Gesichts in 
ausführlicher Weise davon gesprochen haben. Nur möchte ich 
die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine besondere Seite der 
Tätigkeit des kleinen Horns richten, die uns hier zum ersten 
Mal entgegentritt. Es heißt in Vers 25: „Und er (der elfte 
König, das kleine Hörn) wird Worte reden wider den Höchsten 
und die Heiligen der höchsten örte r vernichten und er wird 
darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern; und sie werden 
eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hände gegeben werden". Wir haben schon oben gehört, daß das kleine 
Hörn Lästerungen wider den höchsten Gott ausstoßen und die 
Heiligen überwältigen und zerstören wird. Hier aber wird noch 
eine neue Sache hinzugefügt. Es wird auch Zeiten und Gesetz 
zu ändern gedenken, und diese, nämlich die Zeiten und Gesetz, 
werden auf eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit, d. h. 
für drei und ein halbes Jahr, in seine Hände gegeben werden. 
Unter den hier erwähnten bestimmten Zeiten haben wir, wie 
ich glaube, religiöse Feste und Einrichtungen zu verstehen. Die 
in ihr Land zurückgekehrten Juden werden ihre religiösen For126 
men und Gebräuche wieder einrichten, und diese wird das Hörn 
in seiner Bosheit und seinem Übermut ganz beseitigen, um so 
das letzte Zeugnis für das Dasein eines Gottes von der Erde 
zu verbannen, denn ein Zeugnis ist es immerhin, wenn auch 
in den Augen Gottes völlig wertlos, weil die Wiederherstellung 
jener Feste im Unglauben geschieht. 
Man hat oft gesagt, daß die Heiligen während jenes Zeitraums von dreieinhalb Jahren in die Hände des kleinen Horns 
gegeben würden. Doch dies ist ein großer Irrtum. Gott wird 
die Seinigen niemals in die Hände Seiner Feinde geben. Er mag 
wohl zu ihrem Besten erlauben, daß sie eine Zeitlang verfolgt 
werden, aber nie überläßt Er sie auch nur für einen Augenblick 
der Willkür und Wut ihrer Verfolger. Er kann und wird die 
Seinigen nicht verlassen, noch versäumen. Niemand kann sie 
aus Seiner Hand, noch aus der Hand des Vaters rauben (Joh 10, 
27-29). 
Wir haben also im vorliegenden Kapitel zuerst die Macht der 
vier Tiere im allgemeinen, dann das kleine Hörn, das sich zum 
Oberhaupt des vierten Reiches erhebt, drei von den zehn Königen vernichtet, sich in verwegenem Stolz gegen den Höchsten 
auflehnt, die Heiligen, die sich mit dem Gott des Himmels 
einsmachen und jener Anmaßung gegenüber ein treues Zeugnis aufrecht halten, verfolgt und überwandet, und alle jüdischen Einrichtungen abschafft und jede Spur einer Religion von 
der Erde beseitigt. Zur bestimmten Zeit wird das Gericht über 
diese aufrührerische Macht ausgeübt und den Heiligen der 
höchsten örte r gegeben. Zugleich empfangen diese mit Christo 
das Königreich und die Herrschaft, und in Verbindung mit 
ihnen und in Abhängigkeit von ihnen wird das irdische Volk in 
die Herrschaft über die Königreiche unter dem ganzen Himmel 
eingesetzt. 
In den Handlungen und Ratschlüssen Gottes bezüglich der 
Erde lassen sich drei wichtige Abschnitte unterscheiden. 1. Gott 
hat Seinen irdischen Thron in Jerusalem aufgegeben und den 
heidnischen durch Seine Autorität aufgerichtet. Diese heidnische Macht empört sich jedoch wider Ihn, Der ihr Ansehen und 
Gewalt verliehen hat. 2. Die Heiligen werden durch ihre Anerkennung Gottes, den jene Macht verwirft, abgesondert. Sie 
sind von oben, von dem Himmel, wo Gott nach Aufgeben 
127 
des Thrones zu Jerusalem jetzt Seinen Platz und Seinen Thron 
hat. 3. Das Gericht wird über jene Macht, die sich gegen Gott 
auflehnt, ausgeführt und den himmlischen Heiligen gegeben. 
Das irdische Volk der Heiligen empfängt die Herrschaft unter 
dem Himmel. 
In Verbindung hiermit offenbart Sich der Herr nicht in der 
Gestalt des in Zion als König anerkannten Messias, sondern als 
„Einer wie eines Menschen Sohn". Dieser Titel ist von weitgrößerer und ausgedehnterer Bedeutung. Es ist der durch Seine 
Verwerfung hervorgebrachte Übergang von Psalm 2 zu Psalm 
8. Zugleich sehen wir, daß Der, Welcher kommt, um der Macht, 
die die Heiligen verfolgt, ein Ende zu machen, der Alte an 
Tagen Selbst ist, d. h. daß Christus Jehova ist. Die Heiligen 
tragen in diesem Kapitel einen besonderen Charakter. Sie befinden sich in einer leidenden Stellung, da die Erde, sozusagen, 
in die Hand des Bösen gegeben ist und sie von dem Bösen verfolgt und überwältigt werden. Sie blicken deshalb auf zum 
Himmel, erkennen den höchsten Gott an und erwarten aus 
Seiner Hand ihre Befreiung. Sie erheben sich im Geiste über die 
Erde und schauen aufwärts zu Ihm hin, Der im Himmel regiert. 
Kapitel 8 
Mit dem Anfang dieses Kapitels tritt im Buch Daniel ein 
bemerkenswerter Wechsel ein. Der Heilige Geist bedient sich 
hier wieder der Sprache, mit der das Buch beginnt und in der 
das Alte Testament überhaupt geschrieben ist — der hebräischen. Ungefähr von Anfang des zweiten Kapitels bis zum 
Schluß des siebten, hat Er die Sprache der babylonischen Monarchie — die chaldäische — gebraucht. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist leicht zu entdecken. Mit dem 8. Kapitel beginnen Gesichte und Offenbarungen, die sich speziell auf das Volle 
Israel beziehen, und das Land der Juden, ihr Heiligtum, ihre 
Feste und Opfer zum Gegenstand haben. Die sechs vorhergehenden Kapitel aber standen, wie wir gesehen haben, in 
engster Verbindung mit der heidnischen Macht und beschäftigten sich fast ausschließlich mit deren Geschichte, obwohl das 
Land und Volk der Juden nie aus dem Auge verloren wurde. 
Das Haupt der Nationen, der König Nebukadnezar, war es 
sogar, dem das erste Gesicht, jenes große Bild, gezeigt wurde 
128 
Wie in dem vorhergehenden Kapitel, wird auch hier das Gesicht dem Propheten unter der Regierung des letzten babylonischen Königs, Belsazar, zuteil Die Gesichte der folgenden Kapitel gehören der Zeit an, die dem Sturz des babylonischen Reiches folgte. Jedoch scheint der Ort des Gesichts bereits eine gewisse Veränderung anzudeuten. Daniel sieht sich im Osten, in 
der Burg Susan, in der Landschaft Elam. Susan war die Hauptstadt Persiens. Elam ist der hebräische Name für Persien. „Und 
ich sah im Gesicht, und es geschah, als ich sah, da war ich in 
der Burg Susan, die in der Landschaft Elam ist; und ich sah im 
Gesicht und ich war am Fluß Ulai. Und ich erhob meine Augen 
und sah, und siehe, ein Widder stand vor dem Flusse, der hatte 
zwei Hörner, und die zwei Hörner waren hoch, und das eine 
war höher als das andere und das höhere stieg zuletzt empor" 
(V. 2. 3). Der Widder ist ein wohlbekanntes Symbol, das sich 
auf persischen Monumenten und Gebäuden häufig wiederfindet. Er repräsentiert die medisch-persische Macht, und in seinen 
beiden Hörnern die beiden Völker der Meder und Perser und 
ihre Könige (V. 20). Er entspricht dem Bären des vorigen Kapitels, und wie der sich auf der einen Seite erhob, so wächst 
hier das eine Hörn über das andere empor. „Das eine war 
höher als das andere, und das höhere stieg zuletzt empor". Wie 
schon wiederholt bemerkt, hatte zuerst das medische Element 
die Oberhand, Darius, der Meder, setzte sich auf den Thron Belsazars. Doch bald mußte es dem kühnen und tatkräftigen Volk 
der Perser unter Cyrus weichen, und von jener Zeit an ruhte 
die oberste Leitung des Staates bis zu seinem Untergang stets 
in den Händen eines Persers. 
„Ich sah den Widder nach Westen und nach Norden und 
nach Süden stoßen, und kein Tier konnte vor ihm bestehen, und 
niemand rettete aus seiner Hand; und er handelte nach seinem 
Gutdünken, und wurde groß" (V. 4). Mit unwiderstehlicher 
Gewalt brachte Cyrus die benachbarten Völkerschaften unter 
seine Botmäßigkeit. Nach Norden und Süden, besonders aber 
nach Westen hin dehnte er unaufhaltsam die Grenzen seinem 
Reiches aus. Ganz Kleinasien unterlag der Gewalt seiner Waffen. Die Geschichte weiß viel zu erzählen von den kühnen Eroberungszügen, durch die er ein Volk nach dem anderen zwang, 
seine Oberhoheit anzuerkennen. Doch wir brauchen uns nicht 
zu der Geschichte zu wenden; das Wort Gottes teilt uns alles 
129 
mit, was für uns zu wissen nötig ist. Wir brauchen nur die 
beiden Bücher Esra und Nehemia zu lesen, um zu finden, wie 
ausgedehnt und unbestritten die Herrschaft des persischen 
Reiches zu der Zeit jener Männer war. Jehova Selbst verlieh dem 
Cyrus seine große Gewalt und Macht und warf Könige und 
Völker vor ihm nieder. „So spricht Jehova zu seinem Gesalbten, 
zu Kores, dessen Rechte ich ergriffen habe, um Nationen vor 
ihm niederzuwerfen; und damit ich die Lenden der Könige entgürte, und um Pforten vor ihm auf zutun, damit Tore nicht 
verschlossen bleiben. Ich, ich werde vor dir herziehen und 
werde das Höckerichte eben machen; eherne Pforten werde ich 
zerbrechen und eiserne Riegel zerschlagen. Und ich werde dir 
verborgene Schätze und versteckte Reichtümer geben" (Jes 45, 
1—3). „Kein Tier (die übrigen Völker, oder ihre Könige) konnte vor ihm bestehen, und niemand rettete aus seiner Hand; 
und er handelte nach seinem Gutdünken, und wurde groß" 
(V. 4). 
„Und während ich achtgab, siehe, da kam ein Ziegenbock von 
Westen her über die ganze Erde, und er berührte die Erde nicht: 
und der Bock hatte ein ansehnliches Hörn zwischen seinen 
Augen" (V. 5). Zum ersten Mal erscheint jetzt eine westliche 
Macht und übt Einfluß auf die östliche Welt aus, welche bis 
dahin der Schauplatz der Wege Gottes gewesen war. Im Osten 
schuf Gott den ersten Menschen und bereitete den Garten Eden 
für ihn. Im Osten begann der Mensch nach der Sündflut seine 
zweite Geschichte in der Welt. Von dort aus verbreitete sich 
das menschliche Geschlecht über die ganze Erde, nachdem Gott 
zu Babel die Sprachen verwirrt hätte. Die östlichen Völker standen schon auf einer hohen Stufe der Zivilisation, während im 
Westen noch rohe Barbarei herrschte. Vor allem aber war der 
Osten der Boden, auf dem sich die Geschichte Israels, des irdischen Volkes Jehovas, abgewickelt hatte. Plötzlich greift nun 
eine westliche Macht in die Geschichte der östlichen Länder ein, 
und zwar zu einer Zeit, wo das persische Reich in der höchsten 
Blüte stand, obwohl es durch die Verweichlichung seiner Bewohner viel von seiner ursprünglichen Kraft eingebüßt haben 
mochte Dieser westliche Gegner wird uns unter dem Bilde 
eines Ziegenbockes vorgestellt, der mit einer solchen Schnelligkeit vorwärts eilt, daß seine Füße die Erde nicht berühren. 
Auch ohne die Erklärung des Engels würde jeder, der nur ein 
130 
wenig mit der Art und Weise der göttlichen Sprache vertraut 
ist, erkennen, daß unter dem Ziegenbock nichts anderes als das 
griechische Reich, und unter dem ansehnlichen Hörn zwischen 
seinen Augen nur der erste König jenes Reiches, Alexander der 
Große, gemeint sein kann. 
„Und er kam bis zu dem Widder mit den zwei Hörnern, 
den ich vor dem Flusse hatte stehen sehen, und er rannte ihn an 
im Grimme seiner Kraft. Und ich sah ihn bei dem Widder anlangen, und er erbitterte sich gegen ihn, und er stieß den Widder und zerbrach seine beiden Hörner; und in dem Widder 
war keine Kraft, um vor ihm zu bestehen. Und er warf ihn 
zu Boden und zertrat ihn, und niemand rettete den Widder aus 
seiner Hand" (V. 6. 7). Die Sprache des Heiligen Geistes ist 
hier so einfach und deutlich, daß sie dem Verständnis keine 
Schwierigkeiten darbietet. Wir finden in den beiden angeführten Versen in kurzen Worten eine lebendige Schilderung der 
Geschichte der Zerstörung des medisch-persischen Reiches durch 
die Mazedonier. Da dies uns jedoch schon im vorigen Kapitel 
in ausführlicher Weise beschäftigt hat, so brauchen wir hier nicht 
noch einmal darauf zurückzukommen. Nur auf eins möchte ich 
aufmerksam machen. Es wird von dem Ziegenbock gesagt, daß 
er sich wider den Widder mit den zwei Hörnern „erbitterte". 
Dies ist charakteristisch. Wir finden bei keinem der anderen 
Reiche etwas ähnliches. Obwohl der Streit zwischen Babylon 
und Persien und später zwischen den Griechen und Römern 
heftig genug gewesen sein mag, hören wir doch nichts von einer 
solchen Erbitterung. Ich glaube, daß der Heilige Geist hierdurch 
die besondere Feindschaft andeuten will, welche zwischen der 
persischen und griechischen Nation bestand. Sie war hauptsächlich durch die verheerenden Einfälle hervorgerufen worden, 
welche die Perser (ungefähr 150 Jahre vor dem Untergang ihres 
Reiches) unter ihren Königen Darius und Xerxes in Griechenland gemacht hatten. Von jener Zeit an nährten die Griechen 
einen unauslöschlichen Haß gegen ihre übermächtigen Feinde, 
einen Haß, der sich von Vater auf Sohn vererbte und endlich 
in dem verwegenen Zug Alexanders seinen Ausdruck fand. Das 
ganze unermeßliche Reich fiel in die Hände der tapferen Eroberer. Persien mußte schwer für das den Griechen angetane 
Unrecht büßen. „Und er erbitterte sich gegen ihn, und er stieß 
131 
den Widder und zerbrach seine beiden Hörner . . . Und er wart 
ihn zu Boden und zertrat ihn". 
Es ist bewunderungswürdig, mit welcher Kürze und doch zugleich mit welcher Schärfe und Genauigkeit der Heilige Geist 
jene Ereignisse, ungefähr 300 Jahre vor ihrem Eintreffen, schildert. Seine Sprache ist unvergleichlich schön und erhaben, ja 
wahrhaft göttlich. Die vollkommene Weisheit Gottes strahlt 
in herrlichem Glänze daraus hervor. Aber obwohl der Heilige 
Geist vor dem staunenden Auge des Propheten das Gemälde 
jenes Abschnitts aus der Geschichte der Völker entrollt, so ist 
dies doch nicht sein eigentlicher Gegenstand. Er blickt immer 
auf das Ende dieses Zeitalters hin. Gott hat ein Volk, mit dem 
alle Gefühle und Zuneigungen Seines Herzens verbunden sind, 
und dieses Volk ist es, um das sich Seine Ratschlüsse, Seine 
Wege und Offenbarungen drehen. Wohl erzählt Er die mit den 
Interessen des Volkes in Verbindung stehenden Ereignisse, aber 
das Volk selbst, seine Wege, seine Leiden, sein Gericht und 
seine endlichen Segnungen sind immer der Hauptgegenstand. 
Beachten wir dies, so haben wir den Schlüssel zu den jetzt folgenden Versen. 
„Und der Ziegenbock wurde groß über die Maßen, und als er 
stark geworden war, zerbrach das große Hörn" (V. 8). Mitten 
in seiner Siegeslaufbahn ereilte Alexander den Großen der Tod. 
In der Fülle seiner Kraft starb er, kaum 33 Jahre alt, zu Babylon. „Und vier ansehnliche Hörner wuchsen an seiner Statt nach 
den vier Winden des Himmels hin". Blutige Kämpfe entspannen sich nach dem Tode des großen Königs. Da er ohne männliche Erben starb, (erst nach seinem Tode gebar seine Gemahlin 
einen Sohn) so stritten sich seine Feldherren um den Thron und 
die Herrschaft. Das Ende des Streites war, daß vier getrennte 
Königreiche gebildet wurden, in deren Herrschaft sich die höchsten Würdenträger Alexanders teilten. Vier ansehnliche Hörner 
stiegen an der Stelle des großen Horns empor. Die Bedeutung 
des Verses ist einfach und klar. 
„Und aus dem einen von ihnen kam ein kleines Hörn hervor, 
und es wurde ausnehmend groß gegen Süden und gegen Osten 
und gegen die Zierde" (der Erde, d. h. gegen Jerusalem oder 
Zion hin). Dieses kleine Hörn, eine Macht, die sich aus dem 
einen der vier Königreiche erhebt, bildet den Hauptgegenstand 
132 
unserer Prophezeiung. Wie wir uns erinnern werden, spielte 
im vorigen Kapitel auch ein kleines Hörn die Hauptrolle. Dort 
wuchs es aus dem Haupt des vierten Tieres empor, während es 
hier aus einem der vier Hörner des Ziegenbocks, des Repräsentanten des dritten Reiches, hervorkommt. Die Verschiedenheit 
ist offenbar. Aus den Richtungen, nach welchen das kleine Hörn 
des 8. Kapitels seine Eroberungen macht, können wir entnehmen, daß es das Haupt eines im Norden gelegenen Reiches 
vorbilden muß, und ich zweifle nicht, daß es mit dem an anderen Stellen des Wortes häufig genannten „König des Nordens", 
oder „dem Assyrer" gleichbedeutend ist. 
In der Auslegung finden wir die bestimmte Erklärung, daß 
sich die hier erzählten. Ereignisse „in der letzten Zeiit des Zornes" zutragen werden (V. ig). Dieser Zorn ist der Zorn gegen 
Israel (vergl. Kap. n , 36), derselbe, von dem auch in Jes 10, 25 
gesprochen wird. Die Zeit des Zorns ist bestimmt begrenzt und 
findet ihre Beendigung in der Vernichtung „des Assyrers", der 
in der Hand Gottes das besondere Werkzeug zur Ausführung 
Seines Grimmes ist. Untersuchen wir die genannten Stellen im 
Zusammenhang, so werden wir entdecken, daß die in ihnen enthaltenen Prophezeiungen erst in den letzten Tagen ihre völlige 
Erfüllung finden werden. Jedoch glaube ich, daß sich in dem 
vorliegenden Kapitel die Prophezeiung selbst nicht so ausschließlich auf die Zeit des Endes bezieht, wie es die Erklärung 
tut. Es handelt sich zunächst um die Tatsache, daß sich ein 
kleines Hörn aus einem der vier Königreiche, die dem Reich 
Alexanders folgten, erhebt, sich gegen den Fürsten des Heeres 
empört und das Volk der Juden unterdrückt. Dennoch ist es der 
große Zweck des Heiligen Geistes, das zu offenbaren, was am 
Ende geschehen wird. 
„Und es (das Hörn) wurde groß bis zum Heer des Himmels, 
und es warf von dem Heere und von den Sternen zur Erde 
nieder und zertrat sie" (V. 10). Um diese Stelle richtig verstehen zu können, dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, 
daß die Prophezeiung sich hier mit dem jüdischen System beschäftigt. Das Hörn machte sich groß gegen das Land der Zierde. 
Unter „dem Heere des Himmels" sind, wie ich glaube, die 
Juden zu verstehen, die den Thron Gottes umgeben, und unter 
„den Sternen" solche, die unter ihnen eine hervorragende Stelle 
133 
einnehmen oder irgendeine Autorität ausüben. Es handelt sich 
hier nicht um Gläubige, die zu dem Gott des Himmels emporblicken, wie im vorigen Kapitel. Diese Stelle nimmt an, daß die 
Juden sich in Verbindung mit Gott befinden, als ein Volk, für 
das Er Sich interessiert und auf das Er blickt; daher der Ausdruck: „Heer des Himmels". Damit ist aber nicht gesagt, daß 
sie auch in einem guten Zustand sein müssen. Im Gegenteil 
sehen wir nachher, daß wegen ihrer Übertretungen das Gericht 
über sie kommt. Allein Gott beurteilt und richtet sie als verantwortlich für ihre frühere Verbindung mit Ihm und für ihre 
Stellung, die sie einst einnahmen. Wenn wir gefehlt haben und 
den Platz, der uns gebührt, mit einem niedrigeren vertauscht 
haben, so betrachtet und beurteilt uns Gott nicht nach diesem, 
sondern nach der Stellung, die wir einzunehmen berufen sind. 
Ebenso sind wir, wenn wir uns auf einen Platz stellen, der uns 
nicht zukommt, für diesen verantwortlich. Blicken wir z. B. auf 
die Christenheit unserer Tage. Alle, die den Namen Christi 
tragen, sei es mit Recht oder mit Unrecht, alle, die getauft sind 
und sich äußerlich zu dem Namen Christi bekennen, gehören 
dem Hause Gottes an. Gott Selbst betrachtet sie so und wird sie 
richten nach der Verantwortlichkeit, die diese Stellung mit sich 
bringt. 
Es mag vielleicht manchem, der diese Zeilen liest, auffallen, 
den Ausdruck „Heer des Himmels" auf die Juden angewendet 
zu finden. Man ist so daran gewöhnt, auf dieses Volk in seinem 
jetzigen traurigen Zustand zu blicken, daß man ganz vergißt, 
wie Gott es betrachtet. Obwohl es im gegenwärtigen Augenblick infolge des göttlichen Gerichts unter alle Völker der Erde 
zerstreut ist und den Anblick einer gänzlich zersplitterten, heruntergekommenen Nation gewährt, war es doch einst das Volk 
Gottes, das Volk, das Er Sich aus allen Nationen der Erde als 
Sein Eigentum auserwählt hatte, und das in Seinen Gedanken 
den ersten Platz auf der Erde einnahm. Die Juden waren das 
Haupt, die Nationen der Schwanz. Und, vergessen wir es nicht, 
dieses Verhältnis wird am Ende der Tage wiederhergestellt werden, und zwar herrlicher und vollkommener als je zuvor. „Ich 
sage nun, hat Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne . . . 
Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erkannt hat" 
(Röm ii , 1. 2). Wohl lastet jetzt wegen seiner schrecklichen 
Sünden die züchtigende Hand Gottes schwer auf dem Volke, 
134 
aber „die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar" (Röm 11, 29). Er hat Israel berufen, den ersten Platz auf 
der Erde einzunehmen, und Er wird diesen Gedanken nie aufgeben. Israel wird zurückkehren in sein Land; die Nationen 
selbst werden es von allen Enden der Erde nach Palästina zurückführen. „Und sie werden alle eure Brüder aus allen Nationen als Opfergabe für Jehova bringen, auf Rossen und auf 
Wagen und auf Sänften und auf Maultieren und auf Dromedaren, nach meinem heiligen Berge, nach Jerusalem, spricht 
Jehova" (Jes 66, 20). Und nicht allein das. In Jes 60 lesen wir: 
„Stehe auf, leuchte! denn dein Licht ist gekommen und die 
Herrlichkeit Jehovas ist über dir aufgegangen. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völkerschaften, aber 
über dir strahlte Jehova auf, und seine Herrlichkeit erscheint 
über dir. Und Nationen wandeln zu deinem Lichte hin und 
Könige zu dem Glänze deines Aufgangs . . . Und die Söhne der 
Fremde werden deine Mauern bauen, und ihre Könige dich 
bedienen; denn in meinem Grimm habe ich dich geschlagen, 
aber in meiner Huld habe ich mich deiner erbarmt. . . Die Nation und das Königreich, welche dir nicht dienen wollen, werden 
untergehen, und diese Nationen werden gewißlich vertilgt werden . . . Und gebeugt werden zu dir kommen die Kinder deiner 
Bedrücker, und alle deine Schmäher werden niederfallen zu den 
Sohlen deiner Füße und sie werden dich nennen: Stadt Jehovas, 
Zion des Heüigen Israels. Statt daß du verlassen wärest und 
gehaßt, und niemand hindurchzog, will ich dich zum ewigen 
Stolz machen, zur Wonne von Geschlecht zu Geschlecht. Und 
du wirst saugen die Milch der Nationen und saugen an der 
Brust der Könige, und du wirst erkennen, daß ich Jehova, dein 
Heiland bin und ich, der Mächtige Jakobs, dein Erlöser" (V. 1— 
3.10. 12. 14—16). Das ist die herrliche Zukunft Israels. Gerade 
die Nationen, die jetzt das unglückliche Volk verachten, verspotten und lästern, werden einst gezwungen werden, sich 
unter seine Herrschaft und Oberhoheit zu beugen, ihm zu dienen und die Mauern ihrer Städte zu bauen. Die Kinder seiner 
Bedrücker werden sich vor ihm beugen und zu den Sohlen 
seiner Füße niederfallen müssen. „So spricht der Herr Jehova: 
Siehe, ich werde meine Hand zu den Nationen erheben und zu 
den Völkern hin aufrichten mein Panier; und sie werden deine 
Söhne im Busen bringen, und deine Töchter werden auf der 
135 
Schulter getragen werden. Und Könige werden deine Wärter 
sein, und ihre Fürstinnen deine Ammen; sie werden sich vor 
dir niederwerfen mit dem Antlitz zur Erde und den Staub 
deiner Füße lecken. Und du wirst erkennen, daß ich Jehova bin .-
die auf mich harren, werden nicht beschämt werden (Jes 49, 22. 
23). Dies sind die Ratschlüsse Gottes, sie sind unbereubar und 
unveränderlich. Mag der Mensch in seinem Stolz und Eigendünkel sie hinwegleugnen wollen, mag er mitleidig lächeln über 
die, welche sich in einfältigem Glauben unter das Wort Gottes 
beugen, der Gott des Himmels wird Seine Verheißungen wahrmachen und Seine Ratschlüsse erfüllen. Bevor jedoch jene herrliche Zeit über Israel hereinbricht, wird es noch durch schreckliche Gerichte gehen müssen. Der ganze Zorn Gottes gegen 
dieses Volk wegen- seiner Abtrünnigkeit und Herzenshärtigkeit wird über es ausgeschüttet werden. So schwer auch die 
Hand des Herrn seit Jahrhunderten auf ihm liegt, die Zukunft 
birgt noch schrecklichere Dinge in ihrem Schoß. Von dieser Zeit 
des Gerichts ist hier in unserem Kapitel und auch späterhin 
die Rede. 
Kehren wir nach dieser kurzen Abschweifung zu unserer Betrachtung zurück. Das Hörn wurde groß und warf von dem 
Heere und von den Sternen zur Erde nieder, „selbst bis zu dem 
Fürsten des Heeres tut es groß; und es nahm ihm das beständige Opfer weg, und die Stätte seines Heiligtums wurde niedergeworfen" (V. 11). Das Hörn vernichtet also einen Teil des 
jüdischen Volkes und seiner Leiter und Führer; aber nicht allein 
das — „selbst bis zu dem Fürsten des Heeres tat es groß". Ich 
zweifle nicht, daß wir unter diesem Fürsten des Heeres Christum zu verstehen haben. Das Hörn treibt seine Anmaßungen 
soweit, daß es sich gegen Jehova Selbst, in Seinem Charakter 
als der Fürst und das Haupt Israels, erhebt. „Und es nahm 
ihm", d. h. von dem Fürsten des Heeres, „das beständige Opfer 
weg". Durch wen dieses geschieht, wird uns nicht mitgeteilt*). 
Die Anbetung der Juden, ihr ganzer Gottesdienst, die Opfer, 
die sie täglich ihrem Jehova (dem Fürsten des Heeres) darbrin-
*) Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Text sagt, daß das Opfer von dem 
„Fürsten des Heeres" weggenommen wird. Die Frage ist nur: durch wen? Der 
Keri, welcher, wie ich glaube, im allgemeinen die beste Autorität ist, wenn es 
Variationen im Hebräischen gibt, liest: „ward von ihm genommen", ohne zu 
sagen, durch wen; der Ketib: „er nahm es von ihm weg", wodurch diese Hand= 
lung dem kleinen Hörn zugeschrieben wird. (J. N. D.) 
136 
gen, werden weggenommen, und der Tempel, die Wohnstätte 
Seines Heiligtums, wird niedergeworfen und zerstört. „Und eine 
Zeit der Mühsal ward auferlegt dem beständigen Opfer wegen 
der Übertretung"'. Es ist das Gericht, das über das Volk der 
Juden wegen ihrer schrecklichen Sünden hereinbricht. 
Es ist beachtenswert, daß in Vers 11 in dem Geschlecht der 
handelnden Person ein Wechsel eintritt. Während vorher und 
nachher, entsprechend dem Geschlecht des Wortes Hörn, die 
neutrale Form „es" gebraucht wird, lesen wir hier: „und er 
machte sie groß"*). Ich denke, daß die Veränderung im 11. 
Verse deshalb eingetreten ist, um den König des Nordens mehr 
in Person zu bezeichnen. Dieser Vers und die erste Hälfte des 
folgenden bilden eine Art von Einschaltung, die vor den Worten: „und es warf die Wahrheit zu Boden und handelte und 
hatte Gelingen", schließt. Der Inhalt dieser Einschaltung bezieht sich, wie ich glaube, mehr noch als die übrige Prophezeiung auf die Zeit des Endes, obwohl wir in den Ereignissen, die 
unter den Nachfolgern des Seleucus, des ersten Königs des 
Nordens — den sogenannten Seleuciden — und besonders unter 
einem von ihnen, Antiochus IV., mit dem Beinamen Epiphanes, 
stattfanden, eine teilweise und vorläufige Erfüllung der ganzen 
Prophezeiung erblicken können. Wir werden diesen erbitterten 
Feind des jüdischen Volkes im n . Kapitel wiederfinden, wo die 
gleichen Charakterzüge, die hier das kleine Hörn trägt, noch 
genauer festgestellt und jenem König zugeschrieben werden. 
Er suchte das jüdische System völlig zu unterdrücken und den 
ganzen Kultus des Volkes abzuschaffen. Er stellte, (wie wir 
in den Büchern der Makkabäer lesen, die, wenn auch nicht zur 
Heiligen Schrift gehörig, doch zum größten Teil historisch wahr 
sind), in dem Tempel zu Jerusalem eine Bildsäule des olympischen Jupiter auf und zwang die Juden, sie anzubeten und 
ihr Opfer darzubringen. Alle, die sich dem Gebot des Königs 
widersetzten, wurden auf grausame Art hingerichtet. Jedoch sah 
sich Antiochus endlich, teils durch römischen Einfluß, teils durch 
die heldenmütigen Kämpfe des Judas Makkabäus und seiner 
tapferen Schar, gezwungen, das Land zu verlassen. Der Tempel 
wurde noch einmal von den götzendienerischen Greueln ge-
*) „Er", der sich groß macht, ist im Hebräischen Maskulinum, während das 
Wort „es" (warf nieder) am Ende des 12. Verses Femininum ist, in Verbindung 
mit dem Hörn, das im Hebräischen ebenfalls weibliches Geschlecht trägt (J.N.D.) 
137 
reinigt und der Gottesdienst wurde wiederhergestellt. Ohne 
Zweifel ist dieser Antiochus historisch die Person, die durch das 
kleine Hörn repräsentiert wird. Aber in den letzten Tagen wird 
ein anderer großer König aufstehen, in dem sich alle Charakterzüge, die jenen kennzeichneten, in verschärfter Weise wiederfinden werden, und die Geschichte und das Verhalten dieses 
Königs ist es, die der Heilige Geist hauptsächlich im Auge hat. 
„Merke auf, Menschensohn! denn das Gesicht geht auf die Zeit 
des Endes", erwidert Gabriel dem Propheten, der um das Verständnis über das Gesicht bittet. 
Vorher jedoch lesen wir noch: „Und ich hörte einen Heiligen 
reden; und ein Heüiger sprach zu jenem, welcher redete: Bis 
wann geht das Gesicht von dem beständigen Opfer und von 
dem verwüstenden Frevel, daß sowohl das Heiligtum als auch 
das Heer der Zertretung hingegeben ist? Und er sprach zu mir: 
Bis zu zweitausenddreihundert Abenden und Morgen, dann 
wird das Heiligtum gerechtfertigt werden" (V. 13. 14)? Ob 
diese Periode von 2300 Tagen schon unter der Herrschaft der 
Seleuciden ihre Erfüllung gefunden hat, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls erscheint das nicht ausgeschlossen; der 
26. Vers scheint sogar darauf hinzudeuten. Es wird dort in 
bezug auf diese 2500 Tage nichts anderes gesagt, als daß das 
Gesicht wahr sei. 
Die Worte, womit der Engel Gabriel seine Erklärung des 
Gesichts einleitet, bezeichnen genau den Zeitpunkt, in dem es 
seine gänzliche Erfüllung finden soll. „Für die Zeit des Endes 
wird das Gesicht sein". Wir haben hier wiederum einen schlagenden Beweis für die im vorigen Kapitel gemachte Bemerkung, 
daß keine Auslegung oder Erklärung einer dunklen Prophezeiung, möge sie sich im Alten oder im Neuen Testament finden, eine bloße Wiederholung des bereits Gesagten ist. Sie 
knüpft allerdings an das Vorhergehende an und erklärt es, 
fügt aber zu gleicher Zeit neue Offenbarungen, weitere Vorsätze und Ratschlüsse Gottes hinzu. 
Der Prophet, überwältigt durch den Anblick des Engelfürsten, 
fällt betäubt auf sein Antlitz zur Erde nieder. Gabriel rührt ihn 
an und stellt ihn wieder auf seinen Standort. „Und er sprach: 
Siehe, ich werde dir kundtun, was in der letzten Zeit des Zornes 
geschehen wird, denn es geht auf die bestimmte Zeit des Endes" 
(V. 19). Von welchem Zorn ist hier die Rede? Wie wir schon 
138 
oben bemerkten, ist es der Zorn über Israel. Wegen der Sünde 
und vor allem infolge des Götzendienstes des Volkes hat sich 
der Zorn Jehovas über es erhoben. Im 10. Kapitel des Propheten Jesajas lesen wir, daß Er den Assyrer, die Rute in Seiner 
Hand, über Israel erwecken und ihn senden will „wider eine 
ruchlose Nation und gegen das Volk seines Grimmes ihn entbieten, um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten und es der 
Zertretung hinzugeben gleich Straßenkot" (V. 5.6.). Gotthatden 
Assyrer in der Person des Königs Sanherib über Sein Volk gebracht und es völlig in seine Hand gegeben, aber es hat sich 
nicht von Herzen zu Ihm zurückgewandt. Das Böse brach immer 
wieder mit verstärkter Gewalt hervor, und deshalb hören wir 
aus dem Munde des Propheten die schrecklichen Worte: „Bei 
dem allem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine 
Hand ausgestreckt" (V. 4). Sein Zorn wich nicht von ihm. Er 
ruht heute noch auf dem Volke. Doch, Gott sei Dank! er wird 
nicht ewig währen. Im gleichen Kapitel 10 des Jesajas empfängt 
das Volk die tröstliche Verheißung, daß der Zorn weichen wird. 
„Darum, so spricht der Herr, Jehova der Heerscharen: Fürchte 
dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur, wenn er 
dich mit dem Stock schlagen und seinen Stab wider dich erheben wird nach der Weise Ägyptens. Denn noch um ein gar 
Kleines, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich 
wenden zu ihrer Vernichtung" (V. 24. 25), d. h. zur Vertilgung 
der Assyrer. Gott wird in den letzten Tagen den Assyrer wieder 
als das hauptsächliche Werkzeug zur Ausübung Seines Zorns 
über Israel gebrauchen; sobald Er aber Sein ganzes Werk auf 
dem Berge Zion und zu Jerusalem vollendet haben wird, wird 
Er „heimsuchen die Frucht des Hochmuts des Herzens des 
Königs von Assyrien und die Pracht der Hoffart seiner Augen", 
weil er vergißt, daß er nur eine Rute in der Hand Jehovas war, 
und sagt: „Durch die Kraft meiner Hand und durch meine 
Weisheit habe ich es getan usw." (Jes 10,12—15). Der Zorn und 
der Grimm Jehovas wird dann ihn selbst treffen und vernichten. 
Von dem Ende und der Vollendung dieses Zornes nun redet 
der Engel hier. „Ich will dir kundtun, was in der letzten Zeit 
des Zornes geschehen wird, denn es geht auf die bestimmte Zeit 
des Endes". In dem Herzen Gottes ist alles, sowohl der Zorn 
als auch das Ende des Zornes, schon von Grundlegung der Welt 
an bestimmt und geordnet. Tröstlicher Gedanke für das Herz 
139 
des gläubigen Juden! Alle Ratschlüsse Gottes werden zur bestimmten Zeit ihre Erfüllung finden. 
Der Engel erklärt dann dem horchenden Propheten, daß der 
Widder mit den zwei Hörnern, den er gesehen habe, die Könige 
von Medien und Persien repräsentiere, und daß er unter dem 
Ziegenbock den König von Griechenland, und unter dem großen 
Hörn zwischen seinen beiden Augen den ersten König zu verstehen habe. Dann fährt er in Vers 22 fort, von dem Untergang 
des gewaltigen Reiches und von seiner Teilung in vier einzelne 
Königreiche zu reden. Vers 25 führt eine neue Sache ein: „Und 
am Ende ihres Königtums, wenn die Frevler das Maß voll gemacht haben werden, wird ein König aufstehen, frechen Angesichts und der Ränke kundig". Dies ist es, was am Ende des 
Zornes über Israel kommen wird, wenn ihre Übertretungen 
den Höhepunkt erreicht und die Übertreter das Maß voll 
gemacht haben werden. Ein König wird aufstehen, „frechen 
Angesichts und der Ränke kundig". „Und seine Macht wird 
stark sein, aber nicht durch seine eigene Macht". Er unterscheidet sich hierin in bestimmter Weise von dem kleinen Hörn 
in Kapitel 7. Dieses erniedrigt drei von den zehn Königen, den 
Hörnern des Tieres, und zwar, wie es mir scheint, durch seine 
eigene Kraft; dann erst empfängt es, wie wir in der Offenbarung sehen, Macht und Gewalt von Satan. Dieser König hier 
wird auch stark sein, „aber nicht durch seine eigene Macht". Er 
erhält seine Stärke von anderen und wird das Werkzeug einer 
fremden Politik und Gewalt bilden. „Und er wird erstaunliches 
Verderben anrichten, und Gelingen haben, und handeln und er 
Wird Starke und das Volk der Heiligen verderben" (V. 24). 
Wieder wird also ausdrücklich gesagt, daß er mit dem jüdischen 
Volke, „dem Volk der Heiligen", in Verbindung stehen wird. 
Es handelt sich hier nicht um „die Heiligen der hohen Örter" 
wie in Kapitel 7, sondern um „das Volk der Heiligen" im Gegensatz zu den Nationen. Der persönliche Charakter des jüdischen Volkes kommt in diesem Kapitel gar nicht in Betracht. 
Mit diesem Volk wird sich jener König beschäftigen. Einen 
großen Teil des Volkes wird er verderben und eine schreckliche 
Verwüstung unter ihnen anrichten. „Erstaunliches Verderben 
wird er anrichten". „Und durch seine Klugheit wird der Trug 
in seiner Hand gelingen, und er wird in seinem Herzen großtun 
und unversehens viele verderben. Und gegen den Fürsten der 
140 
Fürsten wird er sich auflehnen, aber ohne Menschenhand wird 
er zerschmettert werden" (V. 25). Er wird schlau sein und mit 
Erfolg seine listigen Pläne ausführen. Er wird den Platz eines 
großen Lehrers dem jüdischen Volk gegenüber einnehmen und 
den Charakter eines weisen, klugen Mannes tragen. Sein Einfluß auf die jüdische Nation wird daher unermeßlich groß sein. 
Durch List und durch einen bezüglichen Frieden wird er sie in 
eine sorglose Ruhe einlullen, die sie Jehova vergessen läßt, und 
dann wird er sie verderben. Schließlich wird er sich gegen den 
Fürsten der Fürsten, d. h. gegen Christum in Seinem Charakter 
als Herr der Erde, empören, aber dann „ohne Menschenhand", 
d. h. durch göttliche Macht, ohne die Vermittlung eines Menschen, zerschmettert werden. In Kapitel 11, 45 wird sein Ende 
in ähnlicher Weise beschrieben: „Und er wird zu seinem Ende 
kommen und niemand wird ihm helfen". 
Ich habe beim Beginn dieses Kapitels bemerkt, daß das 
„kleine Hörn" oder jener König, „frechen Angesichts und der 
Ränke kundig", mit dem an anderen Stellen des Wortes Gottes 
genannten „Assyrer" oder „König des Nordens" identisch ist. 
Ich glaube hierüber noch einige Aufklärungen geben zu müssen. 
Die am Ende der Tage in ihr Land zurückgekehrten Juden 
werden der Wirkung von zwei schrecklichen Übeln ausgesetzt 
sein. Das eine wird sich in ihrem eigenen Lande, aus ihrer Mitte, 
erheben, das andere wird von außen kommen. Das erste ist 
der Antichrist, „der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens", der sich über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand 
der Verehrung ist, erheben und sich in den Tempel Gottes 
setzen und als Gott darstellen wird. Das zweite ist jener König 
des Nordens oder der Assyrer, der erbitterte Feind des jüdischen Volkes. Oft sind diese beiden Personen miteinander 
verwechselt oder gar als gleichbedeutend hingestellt worden; 
sie werden in dem Worte Gottes aber deutlich voneinander 
unterschieden. Der Assyrer und der Antichrist sind zwei sich 
feindlich gegenüberstehende Mächte. Während dieser, der sich 
selbst über alles erhebende Mensch, innerhalb des Judentrums 
ist, bildet jener den Führer der äußeren Feinde des Volkes. 
Seine Tätigkeit ist genau die gleiche, wie die des kleinen Horns 
in unserem Kapitel. Ich zweifle daher nicht, daß wir es in beiden 
Fällen mit derselben Person zu tun haben. Bei der Betrachtung 
des 11. Kapitels werden wir dies noch genauer bestätigt finden. 
141 
Doch untersuchen wir einige Stellen der Heiligen Schrift, in 
denen von dem Assyrer die Rede ist, etwas genauer. Eine von 
ihnen ist vorhin schon angeführt worden, als von „dem Ende 
des Zornes" die Rede war. Wir lesen in Jes 10, 12: „Und es wird 
geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk an dem Berge Zion 
und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich heimsuchen die 
Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien 
und den Stolz der Hoffart seiner Augen". Es ist oft gesagt worden, daß diese Prophezeiung schon ihre Erfüllung in der Vergangenheit gefunden habe, und daß der Assyrer längst vernichtet sei und deshalb nicht noch einmal gerichtet werden könne. 
Doch ich frage einfach: Hat Gott Sein ganzes Werk auf dem 
Berge Zion und zu Jerusalem vollendet? Jeder, der etwas mit 
dem prophetischen Teil des Wortes Gottes bekannt ist, wird 
mit „Nein" antworten müssen. Daraus aber folgt, daß der Assyrer noch nicht völlig vernichtet ist. Die Juden sind gegenwärtig nicht in ihrem Lande, aber sie werden dahin zurückgeführt werden, und erst nachdem dies geschehen ist, wird Gott 
Sein ganzes Werk auf dem Berge Zion und zu Jerusalem vollenden. Das Land wird von der Herrschaft der Nationen befreit 
und der treue Überrest von Gott gesammelt werden. Um dieselbe Zeit wird in dem ehemaligen Gebiet des assyrischen Reiches, d. h. in der jetzigen Türkei, durch die göttliche Macht ein 
gewalttätiger König erweckt werden, der, wie einst der Assyrer 
der große Feind des jüdischen Volkes war, in den letzten Tagen 
sein Hauptgegner sein wird. Aber nachdem ihn Gott als das 
Werkzeug zur Ausübung Seines Zornes und Seiner Gerichte 
gegen Israel gebraucht hat, wird er selbst dem Gericht anheimfallen. Von Jehova beauftragt, wird er gegen das Land der 
Zierde heranrücken und die Juden angreifen, dann aber von 
Gott vernichtet werden. Er wird zu seinem Ende kommen und 
niemand wird ihm helfen". 
Wenden wir uns jetzt zu Jesaja 14. Im Anfang dieses Kapitels 
hören wir, daß Gott Sich über Jakob erbarmen und Israel erwählen und sie wieder in ihr Land zurückbringen Wird. „Und 
die Völker werden sie nehmen und sie an ihren Ort bringen, 
und das Haus Israel wird sich dieselben zu Knechten und zu 
Mägden zueignen im Lande Jehovas. Und sie werden gefangen 
wegführen, die sie gefangen wegführten, werden herrschen 
142 
über ihre Bedrücker" (V. 2). Die Nationen selbst werden Israel 
in sein Land zurückführen und ihm dann zu Knechten und 
Mägden sein. „Und es wird geschehen an dem Tage., an dem 
Jehova dir Ruhe schafft von deiner Mühsal und von deiner 
Unruhe und von dem harten Dienst, welchen man dir auferlegt 
hat, da wirst du diesen Spruch anheben über den König von 
Babel und sprechen: „Wie hat aufgehört der Bedrücker, aufgehört die Erpressung! Zerbrochen hat Jehova den Stock der 
Gesetzlosen, den Herrscherstab" (V. 3—5). Niemand wird zu 
behaupten wagen, daß Israel, seitdem Gott die Herrschaft in die 
Hände des Königs von Babylon legte, jemals in der Lage gewesen sei, einen solchen Spruch anzuheben. Sobald die Zeiten 
der Nationen begannen, wurde Israel seiner herrschenden Stellung beraubt und erlangte sie nicht wieder; es hat nie mehr die 
Nationen zu Knechten und Mägden gehabt, noch über seine 
Treiber geherrscht. Im Gegenteil ist Jerusalem bis auf den heutigen Tag aus der einen Hand in die andere übergegangen. Jene 
herrliche Zeit, von welcher der Prophet redet, wird für Israel 
noch kommen. Es wird einmal wieder die Nationen zu Knechten 
und Mägden haben, und dann, in jenen Tagen, wird es den 
Spruch anheben wider den König von Babel: „Wie hat aufgehört der Bedrücker, aufgehört die Erpressung"! Doch jetzt 
entsteht die Frage: Wer ist dieser König von Babylon? Babylon 
existiert doch nicht mehr. Ganz recht. Das Wort nennt ihn deshalb so, weil es der letzte Inhaber der Macht ist, die Gott einst 
dem Könige Nebukadnezar übergab. Es ist das vierte jener 
Tiere, denen wir im 7. Kapitel begegneten, oder vielmehr der 
Beherrscher und Leiter dieses Tieres in den letzten Tagen. Seine 
Vernichtung entlockt dem Munde der Juden einen Triumphgesang. 
Jedoch ist es eigentlich nicht dieser König von Babel, worauf 
ich die Aufmerksamkeit des Lesers richten wollte. Was mich 
veranlaßte, dieses Kapitel 14 des Propheten Jesajas anzuführen, 
sind vielmehr die Verse 24—26. Dort lesen wir: „Jehova der 
Heerscharen hat geschworen und gesprochen: Wie ich es vorbedacht, also geschieht es, und wie ich es beschlossen habe, also 
wird es zustande kommen: daß ich Assyrien in meinem Lande 
zerschmettern und es auf meinen Bergen zertreten werde. Und 
so wird sein Joch von ihnen weichen und seine Last wird weichen von ihrer Schulter. Das ist der Ratschluß, der beschlossen 
143 
ist über die ganze Erde". Aus diesen Worten geht offenbar hervor, daß zur Zeit der Wiederherstellung Israels nicht nur der 
König von Babylon sondern auch der Assyrer sichtbar hervortreten und von Gott vernichtet werden wird. Die Prophezeiung 
kann sich unmöglich auf eine historische Tatsache aus der Geschichte Assyriens beziehen, da in dem Augenblick, wo Gott sie 
Seinem Knechte gab, Assyrien schon lange aufgehört hatte zu 
bestehen. Es hatte der aufstrebenden Macht Babylons Platz 
machen müssen und existierte nicht mehr als Reich. Das in V. 25 
genannte „Assyrien" kann daher nur das Vorbild einer noch 
kommenden, in dem früheren Gebiet Assyriens entstehenden 
Macht sein. Die ganze Prophezeiung zeigt, daß arn Ende der 
Tage, zur Zeit des Antichristen, zwei große Mächte existieren 
werden: das Tier, repräsentiert durch den König von Babel, und 
der König des Nordens, repräsentiert durch den Assyrer. Beiden 
werden wir im Laufe unserer Betrachtung noch begegnen. 
Im 30. Kapitel des Propheten Jesajas ist ebenfalls von dem 
Gericht über Assur die Rede. „Siehe, der Name Jehovas kommt 
von fern her. Sein Zorn brennt, und der aufsteigende Rauch ist 
gewaltig . . . Vor der Stimme Jehovas wird Assur zerschmettert 
werden, wenn er mit dem Stock schlägt", (offenbar eine Anspielung darauf, daß Assyrien das Werkzeug in der Hand des 
Herrn sein wird, um Israel zu züchtigen) „und jeder Streich der 
verhängten Rute, die Jehova auf ihn herabfahren läßt, ergeht 
unter Tamburin- und Lautenspiel; und mit geschwungenem 
Arme wird er gegen ihn kämpfen. Denn vorlängst ist eine 
Greuelstätte zugerichtet; auch für den König ist sie bereitet. 
Tief, weit hat er sie gemacht, ihr Holzstoß hat Feuer und Holz 
in Menge; wie einen Schwefelstrom setzt der Hauch Jehovas 
ihn in Brand" (V. 27—33). Die Greuelstätte oder der Abgrund 
ist von alters her, für den Assyrer und für „den König" (wir 
werden diese Bezeichnung im 11. Kapitel wiederfinden) bereitet. Wir haben hier wieder zwei bestimmt voneinander unterschiedene Personen: „Den Assyrer und den König". Unter dem 
König ist jedoch hier nicht der König von Babel oder der Beherrscher des römischen Reiches in seiner letzten Form zu verstehen, den wir im 14. Kapitel fanden, sondern der unter dessen 
unmittelbarer Leitung stehende falsche König Israels, der Antichrist. Für ihn und für den Assyrer ist die Greuelstätte bereitet. 
7 44 
Es gibt in dem prophetischen Teil des Wortes Gottes noch 
eine Menge Stellen, in welchen von diesem Assyrer gesprochen 
wird. Er repräsentiert, obwohl dies von vielen Schriftforschern 
nur wenig beachtet wird, eine der wichtigsten Mächte, die mit 
dem Volk der Juden in den letzten Tagen in Beziehung stehen 
werden. Doch es würde uns zu weit führen, wenn wir alle jene 
Stellen einzeln untersuchen wollten. Nur auf eine möchte ich 
noch aufmerksam machen. Wir finden in dem 5. Kapitel des 
Propheten Micha eine deutliche, bestimmte Anspielung auf die 
durch Assur vorgestellte Macht. Das 4. Kapitel schließt mit den 
Worten: „Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges: 
man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet; mit dem Stabe 
schlagen sie den Richter Israels auf den Backen". Dies bezieht 
sich ohne Zweifel auf die Verwerfung des Messias. Er, der Richter Israels, kam, aber sie verwarfen Ihn und schlugen Ihn mit 
der Rute auf den Backen. Das Gericht hierfür konnte nicht ausbleiben. „Darum wird er sie dahingehen, bis zur Zeit, da eine 
Gebärende geboren hat" (V. 2; V. 1 ist eine Einschaltung und 
teilt uns mit, woher dieser Richter Israels kommen sollte), 
d. h. bis zu jener Zeit, da die Drangsal Israels ihr Ende erreicht haben wird; „und der Rest seiner Brüder wird zurückkehren zu den Kindern Israel. Und er wird dastehen und 
seine Herde weiden in der Kraft Jehovas . . . Und dieser 
wird Friede sein. Wenn Assyrien in unser Land kommen und 
wenn er in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben 
Hirten und acht Menschenfürsten gegen dasselbe aufstellen. 
Sie werden das Land Assyrien mit dem Schwerte weiden und 
das Land Nimrods in seinen Toren, und er wird uns von Assyrien erretten, wenn es in unser Land kommen und in unsere 
Grenzen treten wird" (V. 2—5). 
Als Assur vor alters in Israel einbrach und die zehn Stämme 
gefangen wegführte, war niemand da, der rettete. Der Richter Israels war noch nicht erschienen. Und als er Jahrhunderte 
später kam, war das assyrische Reich längst von der Oberfläche 
der Erde verschwunden. Zudem liegt die Zeit des Zornes, des 
„Dahingebens" Israels von Seiten Gottes zwischen dieser Verwerf ung des Messias und der verheißenen Errettung. Erst dann, 
wenn die Juden wieder in ihrem Land sein werden, wird die 
Prophezeiung ihre Erfüllung finden. Der Assyrer wird in ihr 
Land kommen und in ihre Paläste treten, aber dann wird der 
145 
Messias, Den sie verworfen haben, sie aus seiner Hand erretten 
und jenen auf den Bergen Israels zerschmettern. „Und der Überrest Jakobs wird inmitten vieler Völker sein wie ein Tau von 
Jehova, wie Regenschauer auf das Kraut, der nicht auf Menschen wartet und nicht auf Menschenkinder harrt. Und der 
Überrest Jakobs wird unter den Nationen, inmitten vieler Völker, sein wie ein Löwe unter den Tieren des Waldes, wie ein 
junger Löwe unter der Schafherde, der, wenn er hindurchgeht, 
zertritt und zerreißt, und niemand errettet" (V. 6. 7). 
Kapitel 9 
Dieses Kapitel beschäftigt sich in ganz besonderer Weise mit 
den Schicksalen Jerusalems und der Juden, der Stadt und des 
Volkes Gottes. Die Gefühle und Zuneigungen des Propheten 
waren mit diesem Volk aufs innigste verbunden, nicht nur weil 
es sein Volk war, sondern weil Gott es zu Seinem Eigentum 
auserwählt hatte. Ihr moralischer Zustand war freilich so, daß 
Gott nicht mehr zu ihm als zu Seinem Volke reden und es als 
solches nicht mehr öffentlich anerkennen konnte; aber Seine 
Gedanken und Ratschlüsse standen immer noch mit ihm in Verbindung, und Er sorgte für es, obwohl dies dem menschlichen 
Auge verborgen sein mochte. Und was hier besonders wichtig 
ist, Daniel hörte nie auf, es als das Volk Gottes zu betrachten. 
Der Engel mochte von der Stadt und dem Volk Daniels reden, 
der Prophet selbst aber hielt unerschütterlich daran fest, daß 
Jerusalem die Stadt Gottes sei, über welche Sein heiliger Name 
angerufen worden war. Er ließ sich durch nichts die kostbare 
Wahrheit rauben, daß Israel, mochte sein Zustand sein, welcher 
er wollte, allezeit das Volk Gottes blieb. „Dein Volk", sagt er 
in seinem Gebet zu Jehova und „deine Stadt, dein heiliger 
Berg!" Gerade die schweren Züchtigungen und Gerichte, die 
über das Volk gekommen waren, waren für ihn ein Beweis, daß 
es das Eigentum Gottes war. 
Aufs tiefste an dem Wohl und Wehe des Volkes interessiert, 
forscht er in <den Büchern der Heiligen Schrift, was Gott über 
das Schicksal dieser unglücklichen Nation geoffenbart hatte. Es 
handelt sich im ersten Teil unseres Kapitels nicht um eine neue 
Offenbarung oder Mitteilung von oben. „Im ersten Jahre Darius, des Sohnes Ahasveros', aus dem Samen der Meder, welcher über das Königreich der Chaldäer König geworden war 
146 
(vergl. Kap. 5, 30 und 6, 1), im ersten Jahre seiner Regierung, 
merkte ich, Daniel, in den Schriften auf die Zahl der Jahre, 
betreffs welcher das Wort Jehovas zu dem Propheten Jeremia 
geschehen war, daß nämlich siebzig Jahre für die Verwüstung 
Jerusalems vollendet werden sollten" (V. 1. 2). Daniel war ein 
Prophet; aber hier wird uns mitgeteilt, daß er „in den Schriften", durch das Studium der Prophezeiung Jeremias (Kap. 29), 
d. h. durch den Gebrauch der gewöhnlichen Mittel, die im Bereich des geistlichen Menschen liegen, verstanden hatte, daß 
Israel wiederhergestellt und nach siebzigjähriger Gefangenschaft in sein Land zurückgeführt werden sollte. Jeremia hatte 
das Gericht über den gottlosen König Babylons und über sein 
Volk angekündigt, und dieses Gericht war inzwischen hereingebrochen. Daniel war sicher kein gleichgültiger Zuschauer der 
gewaltigen Umwälzungen gewesen, die sich unter seinen Augen 
vollzogen hatten, jedoch gaben sie ihm keinen Anhaltspunkt 
für seinen Glauben, daß das Ende der Gefangenschaft seines 
Volkes nahe sei. Er las das Wort Gottes, den Propheten Jeremia, 
und auf Grund der Offenbarungen des Höchsten verstand er, 
daß der gezwungene Aufenthalt der Juden in Babylon nur noch 
wenige Jahre dauern würde. Dies ist der einzig richtige Weg, 
um die göttlichen Prophezeiungen zu verstehen. Nicht die Beobachtung der Umstände und Ereignisse, sondern das Studium 
des Wortes Gottes kann uns, wenn wir uns im übrigen der 
Leitung des Heiligen Geistes überlassen, allein Licht über 
dunkle und schwierige Stellen der prophetischen Schriften 
geben. 
Welch eine Wirkung übt nun dieses Verständnis der Prophezeiungen Jeremias auf den Geist Daniels aus? Er sinkt in den 
Staub nieder und — bekennt. Dies ist ein Charakterzug des 
wahren, einfältigen Glaubens. Sobald Daniel die wunderbaren 
Gedanken und Ratschlüsse Gottes kennenlernt, drängt es ihn, 
in die Gegenwart Gottes zu treten und mit Ihm über das, was 
Er ihm geoffenbart hat, Gemeinschaft zu pflegen und zwar 
bevor er anderen etwas davon mitteilt. Wir haben dasselbe im 
2. Kapitel bei Daniel gesehen. Doch es fällt auf, daß er hier 
nicht, wie dort, sein Herz in Danksagung ausschüttet, sondern 
in einem tiefgefühlten Bekenntnis und in einer inbrünstigen 
Fürbitte für das verwüstete Heiligtum und die Stadt, die Jehova 
liebte. Wenn er die Prophezeiung Jeremias im Anfang der Ge147 
fangenschaft verstanden und: sich dann zu Gott gewandt und 
seine Sünden und die Übertretungen des Volkes vor Ihm bekannt hätte, so würden wir dies eher begreiflich finden. Aber 
jetzt steht er nahe am Ende der siebzig Jahre, und dennoch 
spricht er gar nicht von der bevorstehenden Erlösung, sondern 
nur von den Ungerechtigkeiten und der Herzenshärtigkeit seines Volkes. Ich glaube, der Grund ist: Daniel erforschte die prophetischen Bücher nicht, um seine Wißbegierde in betreff der 
Daten und Zeitabschnitte in der Geschichte Israels zu befriedigen, sondern um die Wege und Handlungen Gottes in Verbindung mit Seinem Volke kennenzulernen. Er erkannte, wie 
sehr das Volk seinen Jehova verunehrt hatte, wie schwer es sich 
gegen Ihn versündigt hatte; er sah in den Züchtigungen und 
Trübsalen, die über ihn und sein Volk gekommen waren, die 
strafende Hand Gottes, und er vernahm Seine Stimme, die 
durch diese schweren Wege zu dem Herzen der abtrünnigen 
Nation redete. Und deshalb „richtete er sein Antlitz zu Gott, 
dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen zu suchen, an Fasten 
und Sacktuch und Asche" (V. 3). Dann lesen wir weiter: „Und 
ich betete zu Jehova, meinem Gott, und ich bekannte und 
sprach: Ach Herr, du großer und furchtbarer Gott, der Bund 
und Güte denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote 
halten. Wir haben gesündigt und verkehrt und gesetzlos gehandelt und wir haben uns empört und sind von deinen Geboten und deinen Rechten abgewichen. Und wir haben nicht 
auf deine Knechte, die Propheten, gehört, welche in deinem 
Namen zu unseren Königen, unseren Fürsten und unseren 
Vätern und zu allem Volke des Landes geredet haben" (V. 4—6). 
Welch ein rückhaltloses Bekenntnis! Da ist kein Gedanke an 
eine Beschönigung oder Rechtfertigung des Geschehenen. „Wir 
haben gesündigt und verkehrt und gesetzlos gehandelt". Und 
bemerken wir wohl, daß Daniel sich in seinem Bekenntnis nicht 
von dem Volke ausschließt. Er sagt nicht: „das Volk hat gesündigt", nein, „wir haben gesündigt". Und doch gab es niemanden in der ganzen ungeheuer großen Stadt Babylon, der 
infolge seines Wandels und seines treuen Zeugnisses so sehr 
berechtigt gewesen wäre, sich von der Zahl jener Übertreter der 
Gebote Gottes auszuschließen, wie gerade Daniel. Er war ein 
heiliger und unterwürfiger Mann. Der Engel nennt ihn in Vers 
148 
23 «ein Vielgeliebter". Und außerdem war er in so zartem Alter 
von Jerusalem in die Gefangenschaft geführt worden, daß er 
schwerlich an den Sünden teilgenommen haben konnte, in deren 
Folge das schreckliche Gericht hereingebrochen war. Dessen ungeachtet schließt er sich völlig in das Bekenntnis mit ein. „Wir 
haben gesündigt". Er macht sich eins mit seinem unglücklichen 
Volk; er betrachtet ihre Sünden als seine Sünden und ihre Herzenshärtigkeit als seine. Alle hatten gesündigt; keiner von 
ihnen war schuldlos. Fürsten, Väter und Priester waren von Jehova abgewichen und hatten Seiner Stimme nicht gehorcht. 
Daniel stellt sich mit ihnen auf einen Boden. Er nahm in seinem 
Bekenntnis den Platz vor Gott ein, den das Volk selbst hätte 
einnehmen sollen. Demütigung, Bekenntnis und Selbstgericht 
war das einzig richtige Gefühl, das jetzt dem Volk geziemte 
und wodurch es Gott verherrlichen konnte. Und dies Gefühl 
war in Daniel vorhanden. Von dem Bösen getrennt, wandelte 
er in Gemeinschaft mit Gott und in Seinem Lichte und erkannte 
deshalb um so tiefer den traurigen Zustand des Volkes. So ist 
es immer. Je mehr wir ins Licht kommen, um so mehr sehen 
wir die Finsternis, die wir verlassen haben. Je mehr wir Gott 
kennenlernen, sowohl in Seiner unendlichen Liebe zu den Seinigen, als auch in Seiner vollkommenen Heiligkeit und Gerechtigkeit, um so tiefer werden wir auch die Häßlichkeit der Sünde 
fühlen. Daniel sah alles, was Gott an Seinem Volke getan hatte, 
er erkannte und fühlte die Liebe und Zuneigung, die Ihn mit 
Israel verband, und gerade deshalb ist sein Schmerz über das 
Verderben des Volkes ein so großer Schmerz und sein Bekenntnis so aufrichtig und unumwunden. Zugleich aber gibt ihm das 
Bewußtsein der Liebe und der großen Barmherzigkeit Gottes 
Mut und Freudigkeit, Fürbitte für die arme, verirrte Nation zu 
üben. „Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus dem 
Lande Ägypten mit starker Hand herausgeführt und dir einen 
Namen gemacht hast wie es an diesem Tage ist — wir haben 
gesündigt, wir haben gesetzlos gehandelt. Herr, nach allen deinen Gerechtigkeiten, laß doch deinen Zorn und deinen Grimm 
sich wenden von deiner Stadt Jerusalem, deinem heiligen Berge! 
denn wegen unserer Sünden und der Missetaten unserer Väter 
sind Jerusalem und dein Volk zum Hohne geworden allen 
denen, die uns umgeben. Und nun höre unser Gott, auf das 
Gebet deines Knechtes und auf sein Flehen und um des Herrn 
149 
willen laß dein Angesicht leuchten über dein verwüstetes Heiligtum. Neige, mein Gott, dein Ohr und höre! Tu deine Augen 
auf und sieh unsere Verwüstungen, und die Stadt, welche nach 
Deinem Namen genannt ist! Denn nicht um unserer Gerechtigkeiten willen legen wir unser Flehen vor Dir nieder, sondern 
um Deiner vielen Erbarmungen willen. Herr, höre! Herr, vergib! Herr, merke auf und handle; zögere nicht, um deiner selbst 
willen, mein Gott! Denn deine Stadt und dein Volk sind nach 
deinem Namen genannt" (V. 15—19). 
Der Prophet erkennt die Gerechtigkeit Gottes an, der wegen 
ihrer Ungerechtigkeiten das Gericht über sie gebracht hatte; 
zugleich aber erinnert er Ihn daran, daß es sich um Sein Volk 
handele, das Er mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt 
habe, und daß die Ehre Seines Namens auf dem Spiele stehe. 
Er bittet um Gnade um Jehovas Selbst willen. Dieses herrliche 
Gebet Daniels erinnert uns an die erhabene Fürbitte Moses, als 
das Volk während seiner Abwesenheit auf dem Berge Sinai 
das goldene Kalb gemacht hatte (Vergl. 2. Mo 32). 
Als Antwort auf dieses inbrünstige Gebet sendet Gott die 
Prophezeiung. Der ganze Herzenszustand Daniels war geeignet, 
um die jetzt folgende Offenbarung aufnehmen zu können. 
„Während ich noch redete und betete und meine Sünde und die 
Sünde meines Volkes Irael bekannte, und mein Flehen vor 
Jehova, meinem Gott, für den heiligen Berg meines Gottes niederlegte, während ich noch redete im Gebet, da kam der Mann 
Gabriel, den ich im Anfang im Gesicht, als ich ganz ermattet 
war, gesehen hatte, zu mir her zur Zeit des Abendopfers". Es 
unterliegt keinem Zweifel, daß es sich hier ausschließlich um 
Israel, um Jerusalem und den Berg Zion handelt. Die Prophezeiung hat mit dem Christentum durchaus nichts zu tun; die 
darin erwähnten Zeitabschnitte stehen nur mit dem Volke und 
der Stadt Daniels in Verbindung. „Und er gab mir Verständnis 
und redete mit mir und sprach: Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, um dich Verständnis zu lehren. Im Anfang deines Flehens 
ist ein Wort ausgegangen, und ich bin gekommen, um es dir 
kundzutun, denn du bist ein Vielgeliebter. So merke auf das 
Wort und verstehe das Gesicht" (V. 22. 23). Beachten wir die 
Worte: „im Anfang deines Flehens ist ein Wort ausgegangen". 
Daniel hatte sein Gebet noch nicht beendet, als Gott, der die 
150 

Gedanken Seines Knechtes verstand, schon Seinen Engel aussandte, um ihm Antwort zu bringen und sein Verständnis zu 
öffnen. Er war ein treuer, vielgeliebter Mann. Sollte Gott das 
inbrünstige Flehen eines Seiner Teuren und Vielgeliebten unbeantwortet lassen? Unmöglich. Er versteht uns, noch ehe wir 
unsere Anliegen Ihm in Worten vorgetragen haben. 
„Siebenzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt" (V. 24). Am Ende dieser siebzig Wochen 
soll die von Gott bestimmte Zeit kommen, „um die Übertretung 
zum Abschluß zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen, 
(sie hinwegzutun) und die Ungerechtigkeit zu sühnen und eine 
ewige Gerechtigkeit einzuführen, und Gesicht und Propheten 
zu versiegeln (d. h. zu vollenden) und ein Allerheiligstes zu 
salben". Das Volk soll in Gnade wiederhergestellt werden, seine 
Sünden und Übertretungen sollen völlig vergeben und hinweggetan werden, das Allerheiligste soll gesalbt werden und alle 
die Verheißungen sollen ihre Erfüllung finden. Wann wird dies 
geschehen? Nach Beendigung der siebzig Wochen. Sobald die 
letzte Woche ihre Erfüllung gefunden haben wird, bricht jene 
herrliche Zeit für Israel an. 
Dieser Zeitraum von siebzig Wochen wird durch den Engel 
in drei Teile geteilt, und zwar in sieben Wochen, zweiundsechzig Wochen und eine Woche. „Wi9se denn und verstehe: Vom 
Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu 
bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Wochen 
und zweiundsechzig Wochen" (V. 25). Die wichtige Frage für 
uns ist: Wann ist dieses Wort, „Jerusalem wiederherzustellen 
und zu bauen", ausgegangen? Wie wir wissen, erlaubte Kores 
im ersten Jahre seiner Regierung den bis dahin gefangengehaltenen Juden, in ihr Land zurückzukehren, um Jehova, dem 
Gott des Himmels, ein Haus zu bauen. Wir lesen im 1. Kapitel 
des Buches Esra: „So spricht Kores, der König von Persien: 
Alle Königreiche der Erde hat Jehova, der Gott des Himmels, 
mir gegeben, und Er hat mich beauftragt, Ihm ein Haus zu 
bauen zu Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus 
Seinem Volke ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf 
nach Jerusalem, das in Juda ist und baue das Haus Jehovas 
des Gottes Iraels (er ist Gott) in Jerusalem" (V. 2. 3). Auf 
diesen Befehl hin zogen alle Juden, denen Gott es ins Herz gab, 
151 
Sein Haus zu bauen, nach Palästina zurück, beladen „mit silbernen Geräten, mit Gold, mit Habe und mit Vieh und mit 
Kostbarkeiten", die ihnen auf Geheiß des Königs von allen, die 
um sie her wohnten, gegeben wurden. Viele blieben noch in 
Babel zurück, (unter ihnen, wie es scheint, auch Daniel) und 
folgten erst später ihren vor angezogenen Brüdern. Außerdem 
ließ Kores alle Gefäße des Hauses Jehovas, die Nebukadnezar 
seinerzeit aus Jerusalem weggeführt hatte, zusammenbringen 
und übergab sie den Fürsten Judas (Es i, 6. 7). Wenn nun 
gefragt wird: Ist dies der Ausgang des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, von dem der Engel hier redet, 
so müssen wir entschieden mit „Nein" antworten. Cyrus (Kores) gab nur den Befehl, den Tempel wieder aufzubauen, und 
entließ die Juden, reich beschenkt, in ihr Land; von der Wiederherstellung der Stadt war nicht die Rede. Wir müssen daher 
nach einem anderen Befehl suchen, der mit den Worten des 
Engels in Übereinstimmung ist. Wir finden noch zwei solcher 
Befehle, zunächst in Esra 7 und dann in Nehemia 2. Bei dem 
ersten handelt es sich jedoch wieder nur um die Rückkehr der 
noch in Chaldäa zurückgebliebenen Israeliten und um den Bau, 
die Ausschmückung und Versorgung des Tempels mit Gold und 
Silber und mit Farren und Lämmern und Widdern zum Opfer. 
Dieser Befehl erging im siebten Jahr der Regierung Artasasthas, 
des Königs von Persien (in der Geschichte unter dem Namen 
Artaxerxes Longimanus bekannt), und zwar an Esra, den 
Schreiber des Königs. 
Der zweite Befehl wird uns, wie schon gesagt, im 2. Kapitel 
des Buches Nehemia mitgeteilt. Nehemia war Mundschenk bei 
dem König Artasastha. Von einigen Männern, die von Juda 
nach Babylon gekommen waren, hatte er gehört, daß die in ihr 
Land zurückgekehrten Juden in großem Elende lebten, und daß 
die Mauern Jerusalems zerstört und ihre Tore mit Feuer verbrannt seien. Trauernden Herzens begab er sich zum Könige. 
Dieser, dem die Niedergeschlagenheit seines Dieners auffiel, 
forschte nach der Ursache seines Kummers. Nehemia teilte ihm 
die traurigen Nachrichten mit, die er erhalten hatte, und bat 
ihn zugleich um die Erlaubnis, in sein Land zurückkehren zu 
dürfen, um mit Hilfe seiner Brüder die Stadt wieder aufzubauen. Bereitwillig gab der König seine Zustimmung zu dem 
Plan seines treuen Dieners und schickte zugleich auf seine Bitte 
152 
Briefe an „die Landpfleger jenseits des Stromes und an den 
Hüter des königlichen Forstes", daß sie ihm in allem beistehen 
und Holz geben sollten, „die Tore der Burg zu bälken, welche 
zum Hause gehört und für 'die Mauer der Stadt, und für das 
Haus in Welches ich (Nehernia) ziehen werde" (Neh 2, 8). Es 
unterliegt keinem Zweifel, daß wir es hier mit dem Ausgang 
des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, zu 
tun haben. Der Bau der Stadt, ihrer Mauern und ihrer Häuser 
ist der Gegenstand des Befehls. Er wurde von Artasastha im 
zwanzigsten Jahre seiner Regierung erlassen, dreizehn Jahre 
später, als Esra den Befehl erhielt, mit den Seinigen nach Jerusalem zurückzukehren, um den Bau des Tempels zu vollenden. 
Der Gedanke, daß die siebzig Wochen mit dem Kommen des 
Messias ihre Erledigung oder Erfüllung finden müßten, hat 
viele irregeleitet, den an Esra ergangenen Befehl für denjenigen 
zu halten, der hier gemeint ist. Aber dieser Gedanke ist auf 
nichts in unserem Kapitel begründet; er ist eben menschlich. 
Der Vers 24 enthält weit mehr, als das Kommen des Messias. 
„Siebenzig Wochen sind bestimmt . . ., um die Übertretung 
zum Abschluß zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen, 
und die Ungerechtigkeit zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen und Gesicht und Propheten zu versiegeln und 
ein Allerheiligstes zu salben". Ist dies alles geschehen bei der 
Ankunft des Messias? Ist mit den Sünden ein Ende gemacht, 
eine ewige Gerechtigkeit gebracht, sind die Prophezeiungen alle 
erfüllt und das Allerheiligste (das Heiligtum Jehovas, denn es 
handelt sich hier um Israel) gesalbt worden? Sicher nicht. Gerade das Gegenteil war der Fall. Allerdings ist durch den Tod 
des Herrn, durch das Hinwegtun Seiner Person, eine vorher nie 
gekannte, wunderbare Segnung für den Menschen ans Licht 
gebracht worden, aber hier ist von der Zeit die Rede, wo Israel 
völlig wiederhergestellt und in seinem Lande gesegnet sein 
wird. 
Die folgenden Verse machen dies noch deutlicher. Wie schon 
oben angedeutet wurde, sind diese siebzig Wochen in drei Abschnitte von verschiedener Länge eingeteilt. „Vom Ausgehen 
des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis 
auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Wochen und zweiundsechzig Wochen", im ganzen also neunundsechzig und nicht 
siebzig Wochen. Die siebzigste und letzte Woche ist von den 
153 
übrigen getrennt und dadurch ist die Reihenfolge unterbrochen. 
Doch es möchte gefragt werden: Warum bilden die ersten sieben Wochen eine besondere Periode? Der letzte Teil des 25. 
Verses gibt uns, wie ich glaube, Aufschluß darüber. Dort heißt 
es: „Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut 
werden, und zwar in Drangsal der Zeiten". Dies bezieht sich, 
wie ich nicht zweifle, auf jenen Zeitraum von sieben Wochen 
oder neunundvierzig Jahren (da wir es hier, wie bekannt, nicht 
mit gewöhnlichen Wochen, sondern mit Jahrwochen zu tun 
haben). Innerhalb dieses Zeitraums sollte die Stadt wiederhergestellt und ihre niedergeworfenen, eingerissenen Mauern 
und Gräben wieder aufgebaut werden, und zwar in einer schweren, bedrängten Zeit. Im Buch Nehemia wird uns der Beginn 
und die Vollendung dieses Baues mitgeteilt, und zugleich werden die vielen Schwierigkeiten und Nöte in dieser Zeit häufig 
erwähnt. 
In Vers 2.6 beginnt dann die zweite Periode von zweiundsechzig Wochen oder von vierhundertvierunddreißig Jahren. 
Nach dem Verlauf dieser Periode oder — wenn wir den ganzen 
Zeitraum zusammennehmen — nach der neunundsechzigsten 
Woche „wird der Messias weggetan werden und nichts haben". 
Von den Ereignissen, die sich innerhalb der zweiundsechzig 
Wochen zutragen sollten, wird uns nichts gesagt. Aber nach 
Ablauf dieser Zeit soll der Messias, dem das Königreich und 
die Herrlichkeit gehörten, weggetan werden und nichts haben. 
In diesen Worten ist die gänzliche Verwerfung des Messias eingeschlossen. Anstatt von den Juden aufgenommen zu werden, 
um ihnen die für das Ende der siebzig Wochen prophezeiten 
Segnungen zu bringen, wurde Er verworfen und hatte nichts. 
Dies erklärt auch die Unterbrechung der Kette von siebzig Wochen. Da Israel seinen Messias verwarf, wurde die Erfüllung 
der letzten Woche hinausgeschoben; statt der angekündigten 
herrlichen Segnungen kamen schreckliche Gerichte über das 
Volk. Die siebzig Wochen waren ihrem Ende schon nahe, als 
Jesus kam; und hätten die Juden und Jerusalem an jenem ihrem 
Tage Buße getan, so wäre alles zu ihrer Wiederherstellung in 
Herrlichkeit bereit gewesen. Abraham, Isaak und Jakob hätten 
auferweckt werden können, wie es mit Lazarus geschehen war. 
Aber sie erkanten nicht die Zeit ihrer Heimsuchung, und daher 
mußten notwendigerweise die Erfüllung der siebzig Wochen 
154 
sowohl als auch die Segnungen, die folgen sollten, verschoben 
werden. Israel verwarf seinen Messias und tötete den Herrn 
der Herrlichkeit. Die Folgen dieser Verwerfung Christi waren 
unausbleiblich. Wir lesen: „Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören, und das Ende 
davon wird durch die überströmende Flut sein, und bis ans 
Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen". Statt daß 
die verheißenen Segnungen eintrafen, fiel die Stadt und das 
Heiligtum der Zerstörung anheim. Das Volk des kommenden 
Fürsten eroberte ungefähr 40 Jahre nach dem Tode des Messias 
Jerusalem und machte den Tempel und beinahe die ganze Stadt 
dem Erdboden gleich. Die Worte der Hohenpriester und Pharisäer fanden gar bald ihre Erfüllung. Sie hatten, als Jesus 
den Lazarus auferweckte und viele von den Juden infolge dieses 
Wunders an Ihn glaubten, gesagt: „Was tun wir? denn dieser 
Mensch tut viele Zeichen. Wenn wir ihn also lassen, werden 
alle an ihn glauben, und die Römer werden kommen und sowohl unseren Ort als unsere Nation wegnehmen" (Joh 11, 47. 
48). Ihre Befürchtungen verwirklichten sich in der schrecklichsten Weise; aber gerade das, was sie taten, um dem drohenden 
Verderben vorzubeugen, diente dazu, es nur um so schneller 
und um so furchtbarer über sie zu bringen. Die Römer kamen 
und zerstörten nicht nur ihre Stadt, sondern nahmen auch ihre 
Nation weg, d. h. sie zerstreuten sie über die ganze Erde und 
bereiteten ihrem Bestehen als Nation ein jähes Ende. Seit jener 
Zeit befinden sich die Juden in einem traurigen, kläglichen Zustande. Schreckliche Verfolgungen kamen im Laufe der Jahrhunderte über sie. Heute noch sind sie ein verachtetes Volk, das 
auf der ganzen Erde heimatlos umherirrt. Wohl ist es wahr, 
daß sie sich fast an allen Orten der Welt angesiedelt und viele 
Reichtümer angesammelt haben, so daß sie selbst an vielen 
Höfen der Könige und Fürsten von großem Einfluß sind, aber 
dennoch bleiben sie ein unstetes Volk, auf das von allen Seiten 
mit Geringschätzung herabgesehen wird. Sie sind ohne Land 
und ohne Heimat. Ihr Land ist verwüstet, die fruchtbaren Gefilde Kanaans, die von Milch und Honig flössen, sind zur Einöde geworden. Jerusalem, die Stadt Gottes, ist zertreten worden 
und hat seit seiner Zerstörung unter der Herrschaft fremder 
Nationen geseufzt. Der Zorn Gottes ruht auf dem unglücklichen 
Land und der noch unglücklicheren Nation. Und es wird so 
155 
bleiben bis ans Ende, d. h. bis Gott sich wieder über Sein Volk 
erbarmen wird und jene Zeit der Segnung, von der wir in Vers 
24 hören, herbeiführen wird. „Das Ende davon wird durch eine 
überströmende Flut sein, und bis ans Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen". Es hat keinen Sinn, zu denken, daß 
die siebzigste Woche direkt nach dem Tode des Messias ihre 
Erfüllung gefunden habe. Denn die Zerstörung Jerusalems traf 
nicht sieben, sondern ungefähr vierzig Jahre später ein, und 
heute noch befindet sich das jüdische Volk und Land unter der 
ganzen Schwere des göttlichen Gerichts. Von den Segnungen, 
die nach Beendigung der siebzigsten Woche unfehlbar (denn 
Gott hat es gesagt) eintreffen werden, ist noch nichts zu sehen. 
Die siebzigste Woche harrt daher noch ihrer Erfüllung, sie ist 
noch zukünftig. Nach Ablauf der neunundsechzigsten Woche 
ist eine Unterbrechung im Verlauf der Geschichte Israels eingetreten; es hat aufgehört, eine selbstständige Nation und das 
Volk Gottes zu sein. Gott hat es wegen seiner Sünden dahingegeben. Und diese Zeit der Dahingabe von seiten Gottes 
dauert schon mehr als 1800 Jahre und wird bis zu dem Augenblick währen, wo Gott das Volk wieder nach Palästina zurückbringen und durch die Endgerichte der letzten (siebzigsten) 
Woche läutern und den treuen, bewährten Überrest in die Segnungen des tausendjährigen Reiches einführen wird. 
Noch eins ist hier zu beachten. Wir lesen in dem eben betrachteten Vers: „Das Wort des kommenden Fürsten wird die 
Stadt und das Heiligtum zerstören". Es heißt nicht: „der kommende Fürst". Der Messias, der Fürst Israels, war bereits gekommen und hinweggetan, als Jerusalem seinem traurigen 
Schicksal anheimfiel; von Ihm kann also hier keine Rede sein. 
Es ist ein Fürst des Volkes, welches das Gericht Gottes über die 
schuldige Stadt und Nation ausführen sollte, d. h. der Römer, 
aber ein Fürst, der zur Zeit der Zerstörung Jerusalems noch 
kommen sollte, der noch zukünftig war. Dies ist für das Verständnis des letzten Verses unseres Kapitels wichtig. Ohne 
Zweifel befanden sich die Römer unter der Leitung eines Fürsten, als sie die heilige Stadt belagerten und einnahmen. Die 
Geschichte hat uns seinen Namen überliefert; es war Titus 
Vespasianus. Aber er kann nicht der Fürst sein, von dem hier 
gesprochen wird. „Das Volk des kommenden Fürsten" zerstörte 
die Stadt und das Heiligtum, und dann trat jene Periode der 
156 
Verwüstungen und Kriege ein, von der wir oben schon redeten. 
So lange diese währt, wird dieser Fürst nicht kommen, denn 
wir lesen im folgenden Vers, daß er erst dann, wenn die siebzigste Woche beginnt, auf den Schauplatz treten und seine 
Wirksamkeit beginnen wird. 
„Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen 
für eine Woche". Der Wortlaut dieser Stelle hat viele Leser und 
Erklärer des Buches Daniel zu dem Gedanken geführt, daß hier 
von Christo, dem Messias und Fürsten der Juden die Rede sei, 
und daß Er mit den Vielen einen Bund geschlossen habe. Ohne 
Zweifel hat Christus durch Seinen Tod und durch Sein Blut den 
Grund zu dem neuen Bunde gelegt. Sein Blut wird durch das 
Wort Gottes Selbst das Blut des neuen Bundes genannt. Ist 
dieser Bund hier gemeint? Unmöglich. Es heißt: „Er wird mit 
den Vielen einen festen Bund schließen für eine Woche". Niemand wird bestreiten können, daß diese Woche die letzte von 
den über das Volk und die Stadt Daniels bestimmten siebzig 
Wochen ist. Neunundsechzig Wochen sind verflossen, eine 
Woche, d. h. ein Zeitraum von sieben Jahren, fehlt noch. Umfaßt nun der neue, auf das Blut Christi gegründete Bund nur 
einen Zeitraum von sieben Jahren? Im Gegenteil, der Bund 
Christi ist ein ewiger Bund; dieser hier ist aber nur für die 
Dauer von sieben Jahren. Es kann also nicht Christus sein, der 
diesen Bund macht, sondern nur der kommende Fürst. Dies 
entspricht auch dem ganzen Zusammenhang. Er schließt mit 
„den Vielen" (d. h. der Masse der jüdischen Nation; der kleine, 
treue Überrest wird sich nicht an diesem Bund beteiligen) einen 
Bund für eine Woche, „und zur Hälfte der Woche wird er 
Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen". Die Juden, zur 
Zeit dieser letzten Woche wieder in ihr Land zurückgekehrt, 
werden von neuem anfangen, ihre Opfer, Feste und religiösen 
Gebräuche einzuführen, aber in der Hälfte der Woche wird der 
kommende Fürst ihrer Anbetung ein Ende machen. 
Auch an anderen Stellen des Wortes Gottes wird von diesem 
Bunde gesprochen. Wir lesen in Jes 28,15: „Denn ihr sprechet: 
Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen und einen 
Vertrag mit dem Scheol gemacht; wenn die überflutende Geißel hmdurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir 
haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Faisch157 
heit uns geborgen". Und in Vers 18: „Und euer Bund mit dem 
Tode wird zunichte werden, und euer Vertrag mit dem Scheol 
nicht bestehen; wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, 
so werdet ihr von derselben zertreten werden". Ich zweifle nicht 
daran, daß dieser Bund derselbe ist, von dem Daniel, oder vielmehr der Engel Gabriel redet. Die Juden werden mit dem kommenden Fürsten, dem Haupt der westlichen Macht, des römischen Reiches in seiner letzten Form, einen verderblichen Bund 
schließen, um dadurch der überflutenden Geißel, die ihr Land 
durchfahren wird, zu entgehen. „Wenn hindurchfährt die überflutende Geißel, wird sie an uns nicht kommen", sagen sie. Aber 
dieser kommende Fürst wird in der Hälfte der Woche, mit 
anderen Worten, nach Verlauf von dreieinhalb Jahren seinen 
Bund brechen und die Juden zwingen, ihre Opfer und ihre Anbetung des wahren Gottes fahrenzulassen und Götzendienst zu 
treiben. Er wird einen Götzen aufstellen und sich selbst anbeten 
und göttlich verehren lassen. „Er wird Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen, und wegen der Beschirmung der Greuel*) 
wird ein Verwüster sein". Das Wort „Greuel" ist ein in den 
Schriften des Alten Testaments bekannter Ausdruck für Götzenbilder und heidnische Greuel. 
Die überflutende Geißel in Jes 28 und der hier in Daniel 
wegen der Beschirmung der Greuel erscheinende Verwüster 
sind, wie ich glaube, eine und dieselbe Person. Es ist das Haupt 
der östlichen Mächte jener Tage, der unter dem Namen „König 
des Nordens" oder „Assyrer" uns schon bekannte äußere Feind 
Israels. Wie soeben bemerkt, wird die Masse des jüdischen 
Volkes mit dem Haupt der westlichen Mächte einen Bund eingehen, um sich vor diesem König des Nordens sicherzustellen. 
Aber in der Mitte der Woche Wird jener Treulose seinen Bund 
mit Israel brechen und im Verein mit dem falschen Propheten 
oder dem Antichristen, der in der Mitte des Volkes weilt, das 
Volk unterdrücken und zu verderben suchen. Außerdem wird 
Gott wegen der Abtrünnigkeit Israels und weil es einen Bund 
mit jenem Könige eingegangen ist, den König des Nordens, die 
überflutende Geißel, den Verwüster, über sie bringen. „Wegen 
der Beschirmung der Greuel wird ein Verwüster sein und zwar 
*) Buchstäblich „wegen des Flügels der Greuel". Das Wort „Flügel" wird auch in 
anderen Stellen des Alten Testaments für „Schutz" gebraucht. (J.N. D.) 
158 
bis Vernichtung und Festbeschlossenes*) über das Verwüstete 
ausgegossen werden". Unter dem Ausdruck „das Verwüstete" 
haben wir, wie ich nicht zweifle, Jerusalem zu verstehen**). 
Die gewaltsame Abschaffung des jüdischen Gottesdienstes 
durch den kommenden Fürsten fanden wir schon in einem der 
früheren Kapitel erwähnt; sie wird durch die eben betrachtete 
Prophezeiung nur bestätigt. Wir lasen im Kapitel 7, daß das aus 
dem Haupt des vierten Tiers hervorkommende kleine Hörn 
Worte wider den Höchsten reden, die Heiligen der hohen örter 
vernichten und bestimmte Zeiten und Gesetze verändern wird; 
„und sie werden auf eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit 
in seine Hände gegeben werden". Es ist genau der gleiche Zeitraum wie hier. „Eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit" repräsentieren, wie wir aus verschiedenen anderen Stellen des 
Wortes Gottes entnehmen können, eine Periode von dreieinhalb Jahren. Dasselbe ist mit der halben Woche der Fall. Der 
Bund, den der Fürst mit dem Volke macht, ist für eine Woche 
bestimmt, aber er wird ihn nur eine halbe Woche halten, ihn 
dann brechen und den Juden nicht einmal erlauben, ihre religiösen Feste zu feiern. Bestimmte Zeiten und Gesetze wird er zu 
verändern gedenken, und sie werden in seine Hände gegeben 
werden. Da die Wiederherstellung des ganzen jüdischen Gottesdienstes im Unglauben geschieht, so wird Gott diesem Bösen 
erlauben, ihn völlig hinwegzutun. Trauriger Zustand des Volkes! Wieder in sein Land zurückgeführt und um die heilige 
Stadt versammelt, wird es eine Beute der Bosheit des Königs 
der westlichen Mächte und des größten Feindes in seinem Innern, des Antichristen; zugleich ist es der Wut „des Verwü-
*) Dies ist ein Ausdruck, der häufig für die letzten Gerichte, die über die 
Juden kommen werden, gebraucht wird, (Vergl. Jes 10, 22; 28, 22). Der 2. Vers 
von Jes 28 vergleicht den Verwüster mit einer überströmenden Flut. Es ist das= 
selbe Bild wie in Vers 26 unseres Kapitels. (J.N. D.) 
**) Der Herr Jesus redet zu Seinen Jüngern nur von der letzten Halbwoche, 
von der Zeit der Drangsal, welche der Aufrichtung des Götzendienstes in Jeru= 
salem folgt. Einige haben infolgedessen gedacht, daß nur diese Halbwoche noch 
kommen würde, und daß Christus in der Mitte der Woche weggetan worden sei. 
Andere sind der Meinung, daß die siebzigste Woche schon vor dem Tode des 
Herrn ihre völlige Erfüllung gefunden habe, daß sie aber wegen der Verwerfung 
Christi nicht gerechnet werden dürfe und sich daher zur Zeit der Verbindung 
der Juden mit dem Bösen wiederholen würde. Eins ist gewiß: Der Messias ist 
nach Ablauf der neunundsechzigsten Woche hinweggetan worden, und der 
kommende Fürst macht mit dem jüdischen Volk einen Bund für eine Woche. Die 
letzte Hälfte der Woche ist eine Zeit der äußersten Unterdrückung wegen der 
Greuel oder Götzendienereien. (J.M.D.) 
159 
sters", des Königs des Nordens, preisgegeben. Doch Gott sei 
Dank! diese schreckliche Zeit wird vorübergehen. Er hat ihr 
eine bestimmte Grenze gesetzt, und darüber hinaus reicht keine 
Bosheit des Feindes. Der heilige Same, der treue, göttliche Überrest des Volkes, wird durch diese Zeit der Drangsal hindurchgeführt und errettet werden. „Der Herr Jehova wird die Tränen 
abwischen von jedem Angesicht, und die Schmach seines Volkes 
wird er wegnehmen von der ganzen Erde, denn Jehova hat geredet" (Jes 25, 8). (Fortsetzung im B. d. H. 1881) 
„Also bleibt noch eine Sabbatruhe 
dem Volke Gottes aufbewahrt" 
Im 4. Kapitel des Briefes an die Hebräer weist der Apostel 
die Gläubigen auf die Ruhe hin, die noch für das Volk Gottes 
bleibt. Diese Ruhe ist nicht die Ruhe des Herzens oder des 
Gewissens, sondern die Ruhe, die unser in dem Himmel 
wartet. Es gibt eine Ruhe des Herzens und eine Ruhe des 
Gewissens, doch darum handelt es sich hier nicht. Jeder, der 
als ein Mühseliger und Beladener zu Jesu gekommen ist, hat 
Ruhe für seine Seele erhalten. Jeder, der sein Vertrauen auf das 
allgenugsame Opfer Jesu setzt, hat ein freies und reines Gewissen und kann mit aller Freimütigkeit in der heiligen Gegenwart Gottes erscheinen. Doch davon ist in Hebr 4 nicht die Rede. 
Die Ruhe, die für das Volk Gottes bleibt, ist unser Teilnehmen 
an der Ruhe Gottes selbst. „Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch zur Ruhe gelangt von seinen Werken, 
gleichwie Gott von seinen eigenen". Unmöglich kann es sich 
daher hier um das Ruhen der Seele von den Werken des Gesetzes und den eitlen Anstrengungen der Eigen-Gerechtigkeit 
handeln. 
Die Beweisführung des Apostels ist bemerkenswert. Er ermahnt die Hebräer, da eine Verheißung, in Seine Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, nicht zurückzubleiben. So war es den 
Israeliten in der Wüste ergangen. Sie waren aus Ägypten erlöst und durch das Rote Meer geführt worden und wanderten 
durch die Wüste nach Kanaan; infolge ihres Unglaubens ge160 
langten sie jedoch nicht in das gelobte Land, die meisten von 
ihnen starben in der Wüste. Wie nun jenen eine frohe Botschaft verkündigt wurde, nämlich daß sie in das gelobte Land, 
das von Milch und Honig floß, kommen sollten, so ist auch uns 
die frohe Botschaft verkündigt worden, daß wir, die geglaubt 
haben, in die Ruhe eingehen sollen. Das Vorbild der Israeliten 
in der Wüste ist daher eine ernste Warnung für uns. 
Doch in welche Ruhe gehen wir, die wir geglaubt haben, ein? 
Nicht in die Ruhe des siebenten Tages. „Denn", sagt der Apostel, „er hat irgendwo von dem siebenten Tage also gesprochen: 
,Und Gott ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken'. 
Und an dieser Stelle wiederum: „Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden . . ." (V. 4. 5)! Wäre die Ruhe des siebenten 
Tages die Ruhe, die Gott hier im Auge hat, so würde Er später 
nicht von einer anderen Ruhe sprechen können. Worin bestand 
die Ruhe des siebenten Tages? Es war die Ruhe Gottes, als 
Schöpfer, nachdem Er in sechs Tagen den Himmel und die Erde 
gemacht hatte, so wie sie jetzt sind. Als der Mensch gebildet 
war, waren die Werke Gottes, im Blick auf diese Schöpfung, 
vollendet; alles, was Gott gemacht hatte, war sehr gut, und der 
Herr ruhte am siebenten Tage von allen Seinen Werken. Doch 
diese Ruhe hat leider nur einige Augenblicke gewährt. Die 
Sünde kam in die schöne Schöpfung Gottes und verdarb alles. 
Der Mensch fiel von Gott ab und kam unter die Herrschaft 
Satans. Konnte der Herr unter solchen Umständen Seine Ruhe 
bewahren? Unmöglich. Er begann folglich wieder zu wirken, 
und Sein erstes Werk bestand darin, daß Er Röcke von Tierfell 
machte, um damit die Nacktheit von Adam und Eva zu bedekken. Von jenem Augenblick an wirkt Gott wieder und Er wird 
dieses so lange tun, bis alle Seine Pläne und Ratschlüsse erfüllt 
sind und alles unter ein Haupt, nämlich unter Christum, zusammengebracht sein wird. Der Herr Jesus Selbst sagt: „Mein 
Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke" (Joh 5, 17). 
Die Ruhe der ersten Schöpfung ist gestört worden und kehrt 
nie wieder zurück. Es kommt eine andere Ruhe. Welche Ruhe? 
Die Ruhe von Kanaan? O nein. Wäre dies die Ruhe gewesen, 
die Gott Seinem Volke schenken wollte, so würde David, so 
lange Zeit nach dem Einzug der Kinder Israel in das gelobte 
Land, nicht von einem anderen Tage gesprochen haben. „Denn 
161 
wenn Josua sie in die Ruhe gebracht hätte, so würde er danach 
nicht von einem anderen Tage geredet haben" (V. 8). Die Ruhe, 
die dem Volke Gottes bleibt, ist daher weder die Ruhe des 
siebenten Tages, noch die Ruhe von Kanaan — es ist eine Ruhe, 
nicht hienieden, sondern droben bei dem Herrn, in dem herrlichen Hause des Vaters. Welch eine Ruhe wird das sein! Die 
Ruhe der ersten Schöpfung ist gestört, die Ruhe von Kanaan 
ist nie genossen worden, diese Ruhe bleibt ununterbrochen 
fortbestehen, sie kann nicht gestört werden. Es ist die Ruhe 
Gottes Selbst. Wie Er einst von den Werken der ersten Schöpfung ruhte, so wird Er auch bis in Ewigkeit ruhen, nachdem 
alles erfüllt ist, was Er Sich vorgenommen hat zu tun, wenn die 
Sünde mit ihren Folgen verschwunden ist und ein neuer Himmel und eine neue Erde gekommen sein werden, in denen Gerechtigkeit wohnt. Und an dieser Ruhe Gottes sollen wir teilnehmen. „Also bleibt noch eine Sabbathruhe dem Volke Gottes 
aufbewahrt. Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist 
auch zur Ruhe gelangt von seinen Werken, gleichwie Gott von 
seinen eigenen" (V. g. %o). 
Wie unaussprechlich herrlich ist diese Aussicht! Wir sollen 
ruhen von unseren Werken, wie Gott von Seinen eigenen, und 
sollen uns ungestört in der glückseligen Gemeinschaft des Herrn 
erfreuen. Unaufhörlich werden wir Seine Liebe betrachten, Seine 
Werke bewundern und Seine Pläne und Ratschlüsse ergründen; 
von Ewigkeit zu Ewigkeit werden wir Seinen Ruhm erzählen, 
Sein Lob verkündigen und Ihm Ehre und Herrlichkeit, Dank 
und Anbetung bringen. Obwohl wir dort nicht mehr wirken, 
weil alles in Ordnung, alles vollkommen sein wird, so werden 
wir doch nicht untätig sein, sondern fortwährend den Thron 
Gottes und des Lammes umringen und Ihm Lob, Ehre und Herrlichkeit bringen. Welch eine Freude wird das sein! Unser Herz 
verlangt nach dieser herrlichen Zeit. Unsere Augen erheben 
sich nach oben, um zu sehen, ob der Herr kommt, um uns abzuholen und in unsere glückselige und ewige Heimat zu bringen. Solange wir noch auf der Erde sind, wirken wir, eifrig 
und treu, als Knechte des Herrn, indem wir Ihm nachfolgen, 
Der allezeit wirkte, weil der Vater dies auch tat. Doch bald 
kommt die Ruhe, die ewige Ruhe, die Sabbathruhe, die dem 
Volke Gottes bleibt. Danach sehnt sich der müde Pilger, und 
mit wachsendem Verlangen ruft er: „Amen! komm, Herr Jesu!" 
162 
Ergebenheit 
Ergebenheit ist eine weit tiefere und zugleich einfachere 
Sache, als viele annehmen. Die meisten meinen, daß das Ergebenheit sei, wenn man sich ernstlich mit dem Werke des 
Herrn beschäftige und von Ihm seine Führung und Segnung 
erwarte; aber sie ist weit mehr als das. Die wahre Ergebenheit 
ist der Besitz des Christus Selbst als die Freude und Wonne 
meines Herzens und die Neigung meines Geistes zu Ihm. Der 
höchste Dienst, den wir dem Herrn erweisen können, ist der, 
Seinem Herzen zu dienen, das zu tun, was Ihn erfreut und erquickt. Das ist ein Dienst, dem sich wenige widmen. Die Beschäftigung mit Christo in der Absicht, um mit Ihm mehr bekannt zu werden, Sein Herz zu erforschen, damit wir erfahren, 
was Ihm wohlgefällt, ist gewiß sehr selten. Wir mögen viele 
finden, die für Christum beschäftigt sind wie Martha; aber nur 
wenige sind mit Ihm beschäftigt wie Maria. 
David und sein Wunsch, 
Jehova ein Haus zu bauen 
2. Samuel 7; 1. Chronika 17 
„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, 
zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der 
Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu 
jedem guten Werke völlig geschickt" (2, Tim 3, 16. 17). Diese 
Worte des Apostels zeigen uns einerseits die Treue Gottes, der 
für Seine geliebten Kinder während ihres Wandels durch diese 
Wüste Vorsorge getroffen hat, daß sie in allen Lagen, Umständen und Schwierigkeiten in Seinem Worte Trost, Ermunterung 
und Belehrung finden können, und legen uns andererseits die 
ernste Verantwortlichkeit auf, das Mittel, das Gott uns gegeben hat, um zu jeder Zeit zu wissen, welches der vor Ihm 
wohlgefällige Weg für uns ist, fleißig zu gebrauchen. Um vollkommen und zu allem guten Werke völlig geschickt zu sein, ist 
es nötig, die Gedanken, die Gesinnung und den Willen Gottes 
zu kennen; der Weg dazu ist ein eingehendes Studium Seines 
Wortes. Es ist die Leuchte für unsere Füße und das Licht für 
163 
unseren Weg. Und Gott hat uns Seinen Willen nicht nur in den 
Belehrungen und Ermahnungen des Neuen Testaments geoffenbart, auch die Vorbilder und Geschichten des Alten Testaments 
sind reich an köstlichen Unterweisungen, sowohl in betreff 
Seines Verhaltens gegen die Seinigen, als auch des Verhaltens, 
das uns als Seinen Zeugen mitten in einer bösen Welt gebührt. 
„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur 
Unterweisung". Besonders ist es die Geschichte der treuen 
Männer des Glaubens, eines Abraham, Moses, David u. a., die 
uns für unseren praktischen Wandel hier eine Fülle von Warnungen, Ermunterungen und Belehrungen liefert und es ist 
wohl der Mühe wert, sie oft und eingehend zu betrachten. 
Möchte es stets geschehen mit einem Herzen, das begierig ist, 
zu lernen, damit der Zweck, weshalb Gott uns die Schriften 
gegeben hat, erreicht werde! 
Wir finden den König David in den unserer Betrachtung vorliegenden Kapiteln 2. Sam 7 und 1. Chron 17 in seinem Haus 
in Jerusalem. Gott hatte ihm für eine kurze Zeit Ruhe gegeben 
vor allen seinen Feinden. David war von Gott berufen, das 
Werk, das Saul begonnen hatte, aber wegen seines Ungehorsams nicht beenden konnte, fortzusetzen und zu Ende zu führen. Es bestand in der Unterwerfung aller Feinde Israels. Saul 
erzeigte sich untauglich dazu und wurde von Gott verworfen. 
David aber war ein Mann nach dem Herzen Gottes und ein 
treuer Knecht, deshalb lesen wir: „Und David wurde immerfort 
größer, und Jehova, der Gott der Heerscharen, war mit ihm" 
(2. Sam 5, 10). Kein Feind konnte vor ihm bestehen, denn Jehova stritt für ihn. Nach einigen Jahren fortwährender Kämpfe 
gab Gott ihm eine vorübergehende Ruhe, doch das Werk war 
noch nicht vollendet. Mit dem 8. Kapitel des 2. Buches Samuel 
beginnt die Schilderung einer Reihe von neuen Kämpfen mit 
den Philistern, Moabitern, Syrern, Edomitern usw. Bis zu seinem Tode hin hatte David mit diesen mächtigen Feinden zu 
streiten; aber er besiegte sie alle, und als sein Sohn Salomo 
den Thron bestieg, brach eine Zeit der Ruhe und des Friedens 
herein, wie sie das Volk vorher nie genossen hatte. 
Wie wir wissen, sind David und Salomo Vorbilder von 
Christo, dem wahren König Israels. Auch Er wird einst alle 
Seine Feinde zu Boden werfen; mit eisernem Zepter wird Er sie 
zerschmettern, wie Topfergefäße sie zerschmeißen (Ps 2). Er 
164 
wird Seine Feinde legen zum Schemel Seiner Füße und, nachdem 
dies geschehen ist, Sein irdisches Volk sammeln und in die 
Freuden und Segnungen des tausendjährigen Reiches einführen. 
„Und es geschah, als der König in seinem Hause wohnte und 
Jehova ihm Ruhe geschafft hatte von allen seinen Feinden 
ringsum, da sprach der König zu Nathan, dem Propheten: 
Siehe doch, ich wohne in einem Hause von Zedern, und die Lade 
Gottes wohnt unter Teppichen" (V. 1. 2). Es ist sehr lieblich, 
die Gefühle des Herzens Davids hier zu sehen. Gott hatte ihm 
Ruhe gegeben und alle seine Feinde vor ihm niedergeworfen. 
Sein Name war gefürchtet weit über die Grenzen seines Reiches 
hinaus. Der arme Hirte war zu einem mächtigen Fürsten und 
berühmten Kriegshelden geworden. Doch sein Glück machte 
ihn nicht stolz; er wußte wohl, wer ihn zu einer solchen Höhe 
emporgehoben hatte. Er vergaß in seiner Wohlfahrt nicht Den, 
Der ihm in der Not so treu zur Seite gestanden hatte, wie dies 
der Mensch sonst oft tut. Ganz andere Gedanken und Gefühle 
erfüllten sein Herz. Er gedachte daran, daß Gott, Der ihn so 
groß gemacht hatte, Jehova, der Gott des Himmels, immer noch 
in einem Zelte, „unter Teppichen" wohne, während er, der 
Knecht, in einem Haus von Zedern wohnte. Er fühlte tief das 
Unpassende und Unwürdige dieses Verhältnisses und in seinem Herzen stieg der Wunsch auf, Jehova ein Haus zu bauen, 
das Seiner Majestät und Herrlichkeit mehr entspreche. Sicher 
waren diese Gefühle schön und zeugten von der Liebe und der 
innigen Gottesfurcht des Königs, und wir können wohl annehmen, daß der Prophet Nathan sich hierdurch bewogen 
fühlte, dem König zu antworten: „Gehe hin, tue alles, was du 
im Herzen hast, denn Jehova ist mit dir" (V. 3). Wir würden 
wohl kaum anders gesprochen haben. 
Aber so sehr auch der Wunsch Davids seinem Herzen Ehre 
machte und so natürlich er war, so stand er dennoch mit den 
Gedanken Gottes in direktem Widerspruch. „Und es geschah in 
selbiger Nacht, da geschah das Wort Jehovas zu Nathan also: 
Gehe hin und sprich zu meinem Knechte, zu David: Solltest 
du mir ein Haus bauen zu meiner Wohnung?" oder, wie es in 
1. Chr 17 heißt: „Nicht du sollst mir das Haus zur Wohnung 
bauen". Und weshalb nicht? Weil Jehova es ihm nicht geboten 
hatte. Es war noch kein Wort aus Seinem Munde gekommen, 
welches befahl, Ihm ein Haus zu bauen. Daran hatte David 
165 
nicht gedacht. In dem Drang seines Herzens, Jehova seine Liebe 
zu beweisen, hatte er vergessen, zu fragen, ob das, was er vorhatte zu tun, auch nach dem wohlgefälligen Willen des Herrn 
war und ob es an der Zeit war, Jehova ein Haus zu bauen. Er 
hatte für einen Augenblick seinen Auftrag und das ihm von 
Gott übertragene Werk aus den Augen verloren und wollte, 
obwohl er von den besten Beweggründen geleitet wurde, in das 
Werk eines anderen eintreten, in das Werk seines Sohnes Salorno. Er hatte vergessen, daß er nicht ein Mann des Friedens 
und der Ruhe, sondern ein Kriegsmann war, und daß Gott ihn 
nicht berufen hatte, Häuser zu bauen, sondern das Schwert zu 
ziehen. Mit einem Worte, er gedachte einen Weg einzuschlagen, 
der ihm von Jehova nicht vorgezeichnet war. 
Was sollen wir hieraus lernen? Welche Unterweisung und 
Belehrung können wir aus dieser Geschichte ziehen? Zweierlei, 
zunächst, daß Gott einem jeden Seiner Diener sein besonderes 
Werk, seinen besonderen Dienst zugeteilt hat, und dann, daß 
es nicht genügt, Liebe für Gott und für Sein Werk zu haben, 
sondern daß die Liebe geleitet werden muß durch die Erkenntnis Seines Willens, wenn wir begehren, wohlgefällig vor Ihm 
zu wandeln und „zu allem guten Werke völlig geschickt" zu 
sein. Der Apostel bittet für die Philipper, daß ihre Liebe überströmen möge „in Erkenntnis und aller Einsicht", und für die 
Kolosser, in deren Mitte ebenfalls Glaube und Liebe in reichem 
Maße vorhanden war, fleht er, daß sie erfüllt sein möchten 
„mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem 
Wohlgefallen, in jedem guten Werke fruchtbringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes" (Phil i, 9; Kol 1, 9. 10). 
Es ist für uns, vor allem für solche, die sich in besonderer 
Weise in dem Werk des Herrn bemühen, sehr viel Gefahr da, 
daß wir, wie David, auch manchmal ein Werk zu tun begehren, 
zu dem Gott uns weder berufen noch befähigt hat. Vielleicht 
ist die Liebe zu Gott und den Seinigen und der Wunsch, Ihm 
zu dienen, der Beweggrund unseres Handelns, und wenn es so 
ist, dann wird Gott diese Liebe sicher anerkennen, aber Er 
kann zu unserer Arbeit Seine Zustimmung und Seinen Segen 
nicht geben. Gott kennt unsere Fähigkeit besser, als wir sie 
kennen, und Er weiß, welches Werk Er uns anvertrauen kann 
und welches nicht. Und deshalb werden wir, wenn wir über 
166 
das hinausgehen, was Gott uns gegeben hat, sicher stets verkehrt handeln und vielleicht Sein Werk mehr hindern als fördern. David war nicht berufen, Jehova ein Haus zu bauen, 
wohl aber wurde es ihm vergönnt, für den Bau des Hauses alles 
vorzubereiten; und er tat dies mit ganzem Herzen und mit hingebender Treue, so daß er zu seinem Sohne Salomo bei dessen 
Regierungsantritt sagen konnte: „Siehe, in meiner Mühsal 
habe ich für das Haus Jehovas hunderttausend Talente Gold 
und tausendmal tausend Talente Silber bereitet, und das Erz 
und das Eisen ist nicht zu wägen, denn es ist in Menge vorhanden, und Holz und Steine habe ich bereitet, und du wirst 
noch mehr hinzufügen. Und Werkleute sind in Menge bei dir: 
Steinhauer und Arbeiter in Stein und Holz und allerlei Verständige in allerlei Arbeit; das Gold, das Silber und das Erz und 
das Eisen ist nicht zu zählen. Mache dich auf und handle, und 
Jehova sei mit dir" (1. Chr 22, 14—16)! Es war also alles bereit, 
um mit dem Bau des Hauses Gottes zu beginnen. Ohne auch 
nur einem Gedanken von Neid oder Mißgunst Raum zu geben, 
traf David umfassende Vorkehrungen, um seinem Sohn das 
Werk zu erleichtern. Wahrlich, einen schöneren Beweis seiner 
Liebe und Hingebung konnte er nicht liefern. Und wie sehr 
wurde Gott dadurch verherrlicht! Wie ganz anders aber würde 
das Resultat gewesen sein, wenn David trotz des Verbots Jehovas angefangen hätte zu bauen! Wie bald hätte er, da ihm 
seine Feinde keinen Augenblick Ruhe gelassen hätten, aufhören 
müssen. Das Werk wäre nicht nur nicht vollendet worden, sondern hätte auch zu seiner Beschämung und zur Verunehrung 
Gottes gereicht. 
Möchten wir daher stets fragen: „Was will Gott, daß ich tun 
soll? Welches Werk hat Er mir aufgetragen?" Ein Knecht beweist seine Liebe zu seinem Herrn dadurch, daß er das tut, was 
sein Herr ihm aufgetragen hat. Es ist nicht von Bedeutung, 
welchen Dienst mir Gott gegeben hat. Aber es ist wichtig, ob 
ich diesen Dienst mit aller Gewissenhaftigkeit und Treue erfülle. Dadurch beweise ich meine Liebe zu Ihm. „Wer meine 
Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt". Es will uns 
oft scheinen, als ob wir in einer anderen Stellung und in einem 
anderen Dienst, als in dem uns von Gott angewiesenen, mehr 
Gelegenheit hätten, unsere Liebe zu offenbaren. Aber es ist 
sicher Täuschung und nicht selten die Frucht unserer Eigenliebe 
167 
und Selbstsucht. Tun wir das, was uns der Herr zu tun gibt, 
mit Einfalt des Herzens und mit allem Eifer, so liefern wir den 
besten Beweis, daß wir Ihn lieben. Nicht jeder ist berufen, 
große Kriege zu führen oder Häuser zu bauen; es gibt auch 
Dienste, die nicht so sehr an die Öffentlichkeit treten, ja, die 
vielleicht von keinem Menschen bemerkt werden. Der Herr aber 
sieht sie, und Er würdigt und belohnt den Dienst eines jeden 
nicht nach der Art des Dienstes, sondern nach der Treue, mit 
der er ausgeübt Wird, und nach der Gesinnung des Herzens, 
in der er getan wird. Er vergißt keinen Trunk Wasser, wenn er 
um Seines Namens willen gereicht wird. 
Doch wir können aus dem Verhalten Davids noch etwas 
anderes lernen. Vielleicht bin ich nicht berufen, ausschließlich 
im Werke des Herrn zu arbeiten. Aber kann ich nicht an diesem 
Werke dadurch teilnehmen, daß ich die von Gott dazu Berufenen auf betendem Herzen trage und nach Kräften behilflich 
bin, daß sie ihren Dienst ungehindert und ohne Sorge ausüben 
können? Vielleicht habe ich nicht die Gabe empfangen, vor 
einem großen Zuhörerkreis die frohe Botschaft von Jesu, dem 
Heiland der Sünder, zu verkündigen. Aber ich kann solche, die 
den Herrn noch nicht kennen und die ich zu erreichen vermag, 
unter das Hören des Evangeliums bringen und so, wenn Gott 
Gnade dazu gibt, das Werkzeug zu ihrer Errettung werden. 
Vielleicht bin ich nicht fähig, Traktate, Betrachtungen u. a. zu 
schreiben, die das Heil der Sünder oder die Erbauung und Belehrung der Gläubigen zum Gegenstande und Zweck haben. Aber 
ich kann wohl solche Schriften, vorausgesetzt, daß sie in dem 
Geiste Christi geschrieben sind, verbreiten und dadurch viel zur 
Förderung des Werkes des Herrn beitragen. Ach! wenn wir nur 
Herzen haben, die warm für unseren Herrn schlagen, so werden 
wir täglich Gelegenheit genug finden, Ihm unsere Liebe zu beweisen und Ihm zu dienen. 
Kehren wir nach dieser kurzen Abschweifung zu unserer Geschichte zurück. Gott läßt also Seinem Knecht sagen, er soll 
Ihm kein Haus bauen. Aber kein Wort des Tadels oder des Vorwurfs kommt aus Seinem Munde. Im Gegenteil, Er ist auf zärtliche Weise bemüht, das Herz Davids, das durch die Verweigerung seines Wunsches vielleicht betrübt sein konnte, zu trösten 
und zu ermuntern. Er läßt ihm sagen: „Solltest du mir ein Haus 
bauen zu meiner Wohnung? Denn ich habe nicht in einem 
168 
Hause gewohnt von dem Tage an, da ich die Kinder Israel aus 
Ägypten heraufgeführt habe, bis auf diesen Tag, sondern ich 
wandelte umher in einem Zelte und in einer Wohnung. Wo 
immer ich wanderte unter allen Kindern Israel, habe ich wohl 
zu einem der Stämme Israels, dem ich gebot, mein Volk Israel 
zu weiden, ein Wort geredet und gesagt: Warum habt ihr mir 
nicht ein Haus von Zedern gebaut" (V. 5—7)? Gott sagt gleichsam: Weißt du nicht, David, daß ich mich ganz mit meinem 
Volk einsgemacht habe, und daß ich nicht eher ruhen kann, bis 
auch mein Volk zur Ruhe gebracht ist? Hast du vergessen, daß 
ich seit dem Auszug aus Ägypten mit Israel umhergewandelt 
bin, daß ich stille stand, wenn es sich lagerte, und voranzog, 
wenn es aufbrach? Begreifst du nicht, daß ich mir nicht eher ein 
Haus bauen lassen kann bis auch mein Volk Israel in ungestörtem Frieden in seinen Häusern wohnt? So lange dies nicht 
der Fall ist, so lange es noch Feinde zu besiegen gibt, welche die 
Ruhe meines geliebten Volkes stören könnten, kann auch ich 
nicht ruhen. Die Zeit, ein Haus zu bauen, ist noch nicht gekommen. 
Welch eine Herablassung! Der große Gott des Himmels 
macht Sich vollkommen eins mit Seinem halsstarrigen, unaufhörlich irrenden Volk. Er betrachtet ihre Kämpfe als Seine 
Kämpfe, ihre Ruhe als Seine Ruhe. Er geht, Er kämpft, Er wandelt und ruht mit ihnen. Wahrlich, solche Worte waren imstande, das hebende Herz Davids zu Lob und Dank zu stimmen, 
wenn sein Wunsch auch nicht erfüllt werden konnte. Die Offenbarung so zärtlicher Zuneigungen von saiten Gottes, die Güte 
und Gnade, womit Er dem verkehrten Verlangen Seines Dieners 
begegnete, mußten in dem König die höchste Bewunderung erwecken und Seine laute Anbetung wachrufen. Doch Gott geht 
noch weiter. Er ist überströmend in Seiner Gnade. Wenn David 
ein Herz voll Liebe für Ihn hatte, so zeigt Gott, daß Seine Liebe 
noch unendlich höher ist. Wenn der König etwas für Ihn tun 
wollte, so offenbart Gott, was Er bereits für Seinen Diener 
getan hat und was Er noch tun will. Wenn David wünscht, Gott 
ein Haus zu bauen, so läßt ihm Gott sagen, daß Er ihm ein 
Haus bauen werde. Kann Jehova auch das Verlangen Seines 
Knechtes nicht gutheißen, so erkennt Er dennoch die Liebe, aus 
der das Verlangen hervorgegangen war, vollkommen an und 
belohnt sie reichlich. 
169 
So handelt Gott stets. Wie köstlich ist es für uns, die wir oft 
so unverständig sind und so wenig Weisheit besitzen, einen 
solchen Gott zum Vater zu haben! Er handelt nicht mit uns 
nach unserer Torheit; Er ist überaus gnädig und langmütig. 
Doch vergessen wir nicht, daß, obwohl unsere Liebe Seine 
völlige Anerkennung findet, die verkehrten Ausflüsse unserer 
Liebe wertlos sind. Er kann sie nicht billigen und gutheißen und 
deshalb auch nicht Seinen Segen zu unserer Arbeit geben. Vielleicht mag Er dennoch Gutes daraus hervorkommen lassen, aber 
dann beweist dies nur die Unumschränktheit Seiner Gnade und 
Güte und die Größe Seiner Macht, die selbst das Böse zum 
Guten wenden kann. Aber ich sage noch einmal, daß wir unmöglich auf Billigung und Belohnung unserer Arbeit von seiten 
unseres Herrn rechnen können, so lange sie nicht mit Seinem 
wohlgefälligen Willen im Einklang steht. Dies ist gerade für 
die jetzige Zeit, wo so viel Tätigkeit auf religiösem Gebiet entfaltet wird, ein sehr beherzigenswerter Gedanke. Sicher ist, 
daß ein großer Teil der Wirksamkeit der heutigen Christen nicht 
auf das Wohlgefallen des Herrn Anspruch machen kann, selbst 
da, wo die Liebe und der Wunsch, Ihm zu dienen, die Triebfeder ist. Der Herr wolle geben, daß unsere Liebe täglich größer 
und inniger werde und mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht und daß wir erfüllt sein möchten „mit der 
Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem 
Verständnis"! 
Weiterhin läßt Jehova Seinem Knecht durch Nathan, den Propheten, sagen: „Und nun sollst du also zu meinem Knecht David 
sagen: So spricht Jehova der Heerscharen: Ich habe dich von der 
Trift genommen hinter dem Kleinvieh weg, daß du Fürst sein 
solltest über mein Volk, über Israel, und ich bin mit dir gewesen überall, wohin du gezogen bist und habe alle deine 
Feinde vor dir ausgerottet und habe dir einen großen Namen 
gemacht, gleich dem Namen der Großen, die auf Erden sind" 
(V. 8. g). Beachten wir die Worte: „mein Knecht David", und 
„mein Volk, Israel". Wieder stellt Sich Gott in die innigste Beziehung zu David und zu Israel. Es ist Sein Knecht und Sein 
Volk. Er schämt Sich nicht, ihr Gott zu heißen. Und dieser Gott 
hatte den unbekannten, verachteten Hirten von der Trift der 
Schafe weggenommen und ihn zum Fürsten über Sein Volk 
Israel, zu Seinem Gesalbten, erhoben. Er war mit ihm gewesen 
170 
auf allen seinen Wegen, hatte alle seine Feinde vor ihm ausgerottet und ihm einen großen, berühmten Namen gemacht. Das 
alles hatte Er getan, aber Er wollte noch mehr tun. „Und ich 
werde einen Ort setzen für mein Volk, für Israel, und werde es 
pflanzen, daß es an seiner Stätte wohne und nicht mehr beunruhigt werde; und die Söhne der Ungerechtigkeit sollen es 
nicht mehr bedrücken, wie früher und seit dem Tage, da ich 
Richter über mein Volk Israel bestellt habe" (V. 10.11). 
Gott hatte dem Volk bei seinem Einzug in das Land Kanaan 
den bestimmten Auftrag gegeben, alle seine Feinde zu vernichten. Aber Israel war, nachdem es einen guten Anfang gemacht 
hatte, des Kampfes bald müde geworden und hatte das Schwert 
mit der Pflugschar vertauscht. Ungeachtet des ausdrücklichen 
Befehls Jehovas ließ es eine große Zahl der Bewohner des 
Landes am Leben. Sein Ungehorsam trug bittere Früchte. Gerade diese Übriggelassenen waren es, die in späteren Jahren 
das Volk völlig unterjochten und oft so hart bedrängten, daß 
es in den Höhlen und Klüften der Berge seine Zuflucht suchte 
(Vergl. Ri 6, 2). Welch ein trauriger, demütigender Zustand des 
Volkes Gottes! Doch Gott erbarmte Sich über Sein armes, ungehorsames Volk. Er gab ihm Richter, die es zeitweilig von der 
Macht ihrer Feinde befreiten, und Er gab ihm in David einen 
Mann, der es von Sieg zu Sieg führte, bis kein Gegner mehr 
übrig war. Und jetzt verheißt Er Seinem Knecht, daß Er Selbst 
es in die Ruhe bringen wolle. „Ich will einen Ort setzen für 
mein Volk", sagt Er, „und will es pflanzen, daß es nicht mehr 
beunruhigt werde". Welche köstliche Verheißung für David, 
dessen Herz mit seinem geliebten Volk auf das innigste verbunden war! Der Augenblick sollte kommen, wo es in vollkommener Ruhe an seiner Stätte wohnen und von den Kindern 
der Bosheit nicht mehr unterdrückt werden würde. Gott Selbst 
wollte es in diese Ruhe einführen. Und diese Zeit kam. Wir 
lesen in 1. Kön 4, 20. 24. 25: „Juda und Israel waren zahlreich, 
wie der Sand, der am Meere ist, an Menge; sie aßen und tranken und waren fröhlich. Und Salomo hatte Frieden auf allen 
Seiten ringsum. Und Juda und Israel wohnten in Sicherheit, ein 
jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, 
von Dan bis Beerseba, alle die Tage Salomos". 
Aber Gott hat für Seinen Knecht noch eine ganz besondere, 
persönliche Verheißung. „Und ich habe dir Ruhe gegeben vor 
171 
allen deinen Feinden, und Jehova tut dir kund, daß Jehova dir 
ein Haus machen wird. Wenn deine Tage voll sein werden und 
du bei deinen Vätern liegen wirst, so werde ich deinen Samen 
nach dir erwecken, der aus deinem Leibe kommen soll, und 
werde :sein Königtum befestigen" (V. 11. 12). Die Segnungen 
eines Israeliten waren alle irdischer Natur. Israel war das irdische Volk Jehovas, und daher beziehen sich alle Seine Gebote, 
Seine Satzungen und Verheißungen auf die Erde. Reichtum und 
Ehre, ein hohes Alter, vor allem aber eine zahlreiche Nachkommenschaft und ein altes Geschlecht waren Gegenstände des 
Ruhms für einen Israeliten. Und dies zuletzt genannte verheißt 
Gott hier Seinem Knecht. Sein Geschlecht sollte nicht aussterben; Gott Selbst wollte ihm ein Haus bauen. Sein Sohn sollte 
nach ihm den Thron Israels besteigen. „Ich werde deinen Samen 
nach dir erwecken und werde sein Königtum befestigen auf 
ewig". Und dann fügt Gott noch eine weitere, herrliche Verheißung hinzu, eine Verheißung, die das Herz Davids mit hoher 
Freude erfüllen mußte. War es ihm auch nicht vergönnt, Jehova 
ein Haus zu bauen, so sollte es doch niemand anders tun, als 
sein Sohn, der aus seinem Leibe kommen sollte: „Der wird 
meinem Namen ein Haus bauen, und ich werde den Thron 
seines Königtums befestigen auf ewig. Ich will ihm zum Vater 
sein, und er soll mir Sohn sein, daß, wenn er verkehrt handelt, 
ich ihn züchtigen werde mit einer Menschenrute und mit Schlägen der Menschenkinder; aber meine Güte soll nicht von ihm 
weichen, so wie ich sie von Saul weichen ließ, den ich vor dir 
weggetan habe. Und dein Haus und dein Königtum sollen vor 
dir beständig sein auf ewig, dein Thron soll fest sein auf ewig" 
(V. 13—16). Welch eine Fülle von Segnung! Salomo soll nicht 
nur das große Vorrecht besitzen, der Erbauer des Tempels Jehovas zu sein, nein, Gott Selbst will in ein Verhältnis zu ihm 
treten, wie es inniger nicht gedacht werden kann. „Ich will ihm 
zum Vater sein, und er soll mir Sohn sein" und „meine Güte 
soll nicht von ihm weichen". Und was David selbst anbetrifft, 
so soll sein Haus, sein Königtum und sein Thron beständig und 
fest sein „auf ewig" d. h. so lange diese Erde besteht. Denn alle 
Verheißungen des Alten Testaments beziehen sich, wie schon 
bemerkt, auf die Erde und sind begrenzt durch die Dauer der 
Erde. Die Bedeutung des Wörtchens „ewig" im Alten Testament 
ist sehr verschieden von der Bedeutung im Neuen Testament. 
172 
Während die Verheißungen und Segnungen im Alten Testament alle irdisch sind, tragen sie im Neuen Testament himmlischen Charakter, sind daher unbegrenzt in ihrer Dauer, da es 
im Himmel keine Zeitbestimmung gibt. Während hier auf Erden 
alles dem Wechsel unterworfen ist und alles endlich einmal aufhören wird, ist dort alles unveränderlich, unvergänglich. 
Jedoch möchte der eine oder andere meiner Leser einwenden: 
Hat denn Gott Seine Verheißung nicht wahrgemacht? Es ist 
doch schon seit beinahe zweitausend Jahren von einem in Ruhe 
wohnenden Volke Israel und von einem beständigen, ewig 
festen Königtum keine Spur mehr vorhanden. Der Thron, den 
Jehova in Jerusalem aufgerichtet hatte, ist schon zur Zeit Nebukadnezars verschwunden; alle Herrlichkeit des Volkes wurde 
vernichtet und ist bis heute nicht wiederhergestellt worden. Wie 
kann man nun den gegenwärtigen, traurigen Zustand Israels 
mit der obigen Verheißung vereinigen? 
Allerdings hat es den Anschein, als wenn Gott vergessen 
hätte, was Er einst zu Seinem Knecht David geredet hat. Aber 
es ist nur dem Anschein nach so. Gott mag vielleicht Seine Verheißungen nicht sogleich erfüllen, aber Er erfüllt sie sicher und 
gewiß. Seine Gnadengaben und Berufungen sind unbereubar. 
In Ihm ist alles Ja und Amen. Er kann nicht lügen. Er hat Sein 
Volk nicht verstoßen, obwohl Er es wegen seines Ungehorsams 
und seiner Abtrünnigkeit für eine Zeitlang beiseite gesetzt 
haben mag. Es wird aber der Augenblick kommen, wo Er Sich 
wieder über Sein Volk erbarmen und es in sein Land zurückführen wird. Wohl ist es durch den Ofen schrecklicher Trübsale 
hindurchgegangen und wird noch in größerem Maße hindurchgehen müssen; Gott wird es läutern, wie man Gold und Silber 
läutert. Aber dann wird jene Zeit vollkommener Ruhe und ungestörten Friedens kommen, von der alle Propheten geredet 
haben, eine Zeit, wo kein Feind Israel mehr beunruhigen und 
unterdrücken wird. Christus, Der aus dem Samen Davids ist, 
der wahre Salomo, wird dann ihr König sein auf ewig. „Und 
ich werde sie zu einer Nation machen im Lande, auf den Bergen 
Israels, und sie werden allesamt einen König zum König haben, 
und sollen nicht mehr zu zwei Nationen werden und fortan 
sich nicht mehr in zwei Königreiche teilen . . . Und mein Knecht 
David wird König über sie sein, und sie werden allesamt einen 
173 
Hirten haben, und sie werden in meinen Rechten wandeln und 
meine Satzungen bewahren und sie tun. Und 9ie werden wohnen in dem Lande, das ich meinem Knechte Jakob gegeben 
habe, worin eure Väter gewohnt haben, und sie werden darin 
wohnen, sie und ihre Kinder und ihre Kindeskinder bis in Ewigkeit; und mein Knecht David wird ihr Fürst sein ewiglich. Und 
ich werde einen Bund des Friedens mit ihnen machen, ein ewiger 
Bund wird es mit ihnen sein, und ich .werde sie einsetzen und 
sie vermehren und werde mein Heiligtum in ihre Mitte setzen 
ewiglich. Und meine Wohnung wird über ihnen sein, und ich 
werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und die Nationen werden wissen, daß ich Jehova bin, der Israel heiligt, wenn 
mein Heiligtum in ihrer Mitte sein wird ewiglich" (Hes 37, 22. 
24-28). 
Sobald der Prophet Nathan die Antwort Gottes auf den 
Wunsch Davids empfangen hatte, ging er hin, um sie dem 
Könige zu überbringen (V. 17). „Da ging der König David 
hinein und setzte sich vor Jehova nieder und sprach: Wer bin 
ich, Herr, Jehova, und was ist mein Haus, daß du mich bis 
hierher gebracht hast" (V. 18)? Wie völlig ist alles verändert! 
Während vorher seine Person und das, was er tun wollte, im 
Vordergrunde stand, erkennt er sich jetzt in seinem ganzen 
Nichts und gibt Jehova den Ihm gebührenden Platz. Die Entdeckung der wunderbaren Güte und Gnade Gottes beugt ihn in 
den Staub nieder und entlockt seinen Lippen ein unumwundenes Bekenntnis seiner Unwurdigkeit, während sie zugleich 
seinen Mund öffnet. „Wer bin ich", ruft er aus, „und was ist 
mein Haus, daß du mich bis hierher gebracht hast?" mit anderen 
Worten: „Wodurch habe ich es verdient, ich, der arme, verachtete Hirte, daß Du mich auf den Thron Israels erhoben und zu 
Deinem Gesalbten gemacht hast? Was habe ich, was hat mein 
Haus getan, um einer solchen Ehre würdig zu sein? Nichts, gar 
nichts! Wer bin ich, daß Du mich in all meinen verkehrten 
Wegen getragen hast mit so unendlicher Langmut und Geduld, 
daß Du mich an Deiner starken Hand geleitet hast, mich errettet hast von allen meinen Feinden und mich bis auf den 
heutigen Tag bewahrt hast?" 
Ja wahrlich, David hatte alle Ursache, so zu fragen. Was war 
er hinsichtlich seines Herkommens? Was war er gewesen in 
seinem Verhalten gegen den Gott, Der ihn so hoch erhoben 
174 
hatte? Und wir, wie viel Ursache haben wir, in tiefer Demut in 
das Bekenntnis Davids einzustimmen! Groß, wunderbar groß 
war die Güte, die Gott Seinem Knechte David erwies, unermeßlich sind die Segnungen, die Er uns in Christo Jesu hat 
zuteil werden lassen. Woher sind wir gekommen und wer sind 
wir? Wir lagen im Schlamm der Sünde, folgten den Lüsten 
unseres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der 
Gedanken, waren Kinder des Zorns, rettungslos dem ewigen 
Verderben preisgegeben. Aus diesem schrecklichen Zustand hat 
uns Gott, weil Er reich ist an Barmherzigkeit, wegen Seiner 
vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, errettet und uns nicht 
etwa auf einen hervorragenden Platz in dieser Welt gestellt, sondern in ein Verhältnis gebracht, wie es ehrenvoller, herrlicher 
und köstlicher nicht gedacht werden kann. Wir sind Kinder 
des großen ewigen, allmächtigen Gottes geworden, nicht etwa 
Knechte oder Freunde, sondern geliebte Kinder. Wir haben den 
„Geist der Sohnschaft empfangen, in welchem wir rufen: Abba, 
Vater!" Ja wir lesen sogar, daß wir jetzt schon durch den Glauben einen Platz haben „in den himmlischen örtern in Christo 
Jesu" (Eph 2). Zugleich sind wir von allen unseren Feinden 
erlöst worden, und zwar nicht wie David, von irdischen Feinden, so mächtig sie auch sein mochten, sondern von dem großen 
Widersacher Gottes/
 dem listigen Feind der Seelen, dem Fürsten dieser Welt, und von all den Fürstentümern und Gewalten, 
die ihm Untertan sind. Völlig von seiner Macht und aus seiner 
Sklaverei befreit, können wir Gott unsere Loblieder singen. 
In der Tat, diese Erwägungen müssen uns zu dem Ausruf veranlassen : „Wer bin ich, o Gott, daß Du so an mich gedacht und 
mich so geliebt hast?" Und weiter, wenn wir an unsere Schwachheit und Torheit, an unsere vielen Mängel und Gebrechen denken und uns daran erinnern, wie oft wir gestrauchelt und gefehlt haben auf unserem Wege, so können wir nicht anders, als 
unser Angesicht in den Staub beugen und mit David ausrufen: 
„Wer bin ich, daß du mich bis hierher gebracht hast?" 
„Und dies ist", fährt David dann in seinem Gebet fort, „noch 
ein Geringes gewesen in deinen Augen, Herr, Jehova, und du 
hast auch vom Hause deines Knechtes geredet in die Ferne hin; 
und ist dies die Weise des Menschen, Herr Jehova" (V.19)? Gott 
hatte nicht nur Seinen Knecht Selbst so reichlich gesegnet, Er 
ließ ihm jetzt durch Nathan sagen, daß Er ihm ein Haus bauen 
175 
werde, d. h. daß sein Sohn nach ihm das Königreich besitzen, 
ja, daß sein Haus und sein Königtum beständig sein solle auf 
ewig. „Wenn deine Tage voll sein werden .. . so werde ich 
deinen Samen nach dir erwecken, der aus deinem Leibe kommen soll, und werde sein Königreich befestigen .. . Ich will ihm 
Vater sein, und er soll mir Sohn sein . . . Und dein Haus und 
dein Königtum sollen vor dir beständig sein auf ewig, dein 
Thron soll fest sein auf ewig" (V. 12—16). Das was Jehova bisher getan hatte, so groß und bewunderungswürdig es gewesen 
sein mochte, war, wie David sagt, nur „ein Geringes" in Seinen 
Augen; Seine Güte und Seine Freundlichkeit sollten sich in der 
Zukunft in noch viel herrlicherem Maße zeigen. Jehova hatte 
geredet in die Ferne hin. 
Und können wir in bezug auf uns nicht auch etwas Ähnliches sagen? So unbeschreiblich köstlich auch die Stellung ist, 
die wir jetzt schon durch den Glauben genießen können, so hat 
Gott doch noch weit herrlichere Dinge für uns bereitet. Er hat 
auch über uns geredet „in die Ferne hin". Er hat uns verheißen, 
daß Er unseren Herrn Jesum senden will, „der unseren Leib der 
Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem 
Leibe der Herrlichkeit" (Phil 3, 21). Er versichert uns in Seinem 
Wort, daß wir „allezeit bei dem Herrn" sein werden, daß in 
Seinern Hause viele Wohnungen sind, und daß für uns dort 
eine Stätte bereitet ist. „Ich komme wieder", sagte der Herr vor 
Seinem Abscheiden aus dieser Welt zu den Seinigen, „und 
werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet" 
(Joh 14, 3). „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis", schreibt Paulus an die Korinther: „Wir werden zwar nicht alle entschlafen, 
wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem 
Augenblick, bei der letzten Posaune, denn posaunen wird es, 
und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und 
wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muß 
Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen" (1. Kor 35, 51—55). „Geliebte", ruft Johannes 
den Gläubigen zu, „jetzt sind wir Gottes Kinder, und es ist noch 
nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, 
daß, wenn es offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist" (1. Joh 3, 2). Auch 
ist alle unsere Erkenntnis hier noch unvollkommen, all unser 
Wissen Stückwerk. „Wenn aber das Vollkommene gekommen 
176 
sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden. 
Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber 
von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann 
aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin" 
(i. Kor 13,10.12). 
Doch es würde uns zu weit führen, wenn wir alle Stellen der 
Schrift anfuhren wollten, in welchen von unserer himmlischen 
Hoffnung und den ewigen Segnungen, die Gott für Seine geliebten Kinder bereitet hat, die Rede ist. Der Leser wird mit 
leichter Mühe außer den wenigen angeführten noch viele andere auffinden können. Möchten sie durch die Gnade Gottes 
die gleichen Gefühle in unseren Herzen wachrufen, welche wir 
bei David entdecken. Ganz überwältigt durch die Offenbarung 
so vieler unverdienter Gnade ruft er aus: 
„Doch was soll David noch weiter zu dir reden? Du kennst 
ja deinen Knecht, Herr, Jehova! Um deines Wortes willen und 
nach deinem Herzen hast du all dieses Große getan, um es 
deinem Knechte kundzutun" (V. 20. 21). Es wäre ungeziemend 
gewesen, wenn David noch länger bei seiner Person verweilt 
hätte. Mein Gefühl darüber, wie sündig und verderbt ich von 
Natur bin und wie völlig unverdient die Gnade Gottes ist, kann 
wohl nie zu tief sein. Aber wenn ich dabei stehen bleibe, meine 
Armut und Unwürdigkeit zu betrachten, so vergesse ich über 
der Beschäftigung mit meinem Nichts, dem Geber zu danken 
und Seine Liebe und Gnade zu bewundern. Und beweist nicht 
gerade dieses Streben, stets von meinem Elend und von meiner 
Unwürdigkeit zu reden, daß ich mein gänzliches Verderben und 
mein völliges Unvermögen, Gott irgend etwas zu bringen, 
durchaus noch nicht erkannt habe? Sonst würde ich mich mit 
Abscheu von mir abwenden und mit David sagen: „Was soll 
ich noch weiter zu dir reden? Du kennst ja deinen Knecht, Herr, 
Jehova \" Gott hat wahrlich nicht um unserer Liebenswürdigkeit 
willen uns geliebt. Wir waren in Seinen Augen verabscheuungswürdig. Er hat uns geliebt, weil Er Liebe ist und weil Er Seine 
Gnade an uns groß machen wollte. „Um deines Wortes willen 
und nach deinem Herzen hast du all dieses Große getan". 
Habe ich dies in Wahrheit verstanden, so wird auch mein 
Mund überströmen von Lob und Anbetung. Ich werde mich 
weniger mit mir selbst beschäftigen, als mit der wunderbaren 
177 
Güte und dem unergründlichen Erbarmen Gottes. So war es bei 
David. „Darum bist du groß, Jehova Gott! denn niemand ist 
dir gleich, und kein Gott außer dir, nach allem, was wir mit 
unseren Ohren gehört haben. Und wer ist wie dein Volk, wie 
Israel, die einzige Natron auf Erden, welche Gott hingegangen 
ist, sich zum Volke zu erlösen und um sich einen Namen zu 
machen und für sie solch Großes zu tun und furchtbare Dinge 
für dein Land, indem du vor deinem Volke, das du dir aus 
Ägypten erlöst hast, Nationen und ihre Götter vertriebst" 
(V. 22. 23)! Wirklich, es gibt nichts, was die herrliche Größe 
in hellerem Lichte zeigt, als das, was Er in Christo Jesu verlorenen Sündern geschenkt hat. Betrachten wir die Werke Gottes, Seine Allmacht, Seine Weisheit, wie sie sich in der ganzen 
Schöpfung offenbaren, so haben wir sicherlich alle Ursache, 
Ihn zu bewundern und anzubeten. Seine Größe strahlt aber in 
noch viel herrlicherem Glanz in den Ratschlüssen Seiner Gnade 
und Liebe. Wir wissen alle, welch ein hartnäckiges, widerspenstiges Volk Israel war, und dennoch hatte Gott gerade 
dieses Volk aus allen Nationen der Erde zu Seinem Volk auserkoren. Mit starker Hand hatte Er es ausgeführt aus Ägypten 
und es getragen wie auf Adlers Flügeln. Mit unendlicher Langmut und Geduld hatte Er es durch die Wüste geleitet und trotz 
seines steten Murrens in das gelobte Land gebracht. Triumphierend über alle seine Feinde konnte David jetzt sagen: „Wer 
ist wie dein Volk, wie Israel"! 
Doch wenn David schon angesichts der unbeschreiblichen 
Güte und Liebe Gottes in den Staub niedersank und die Größe 
Jehova« jubelnd pries, wie viel mehr sollten wir es tun, da wir 
zu dem himmlischen Volke Gottes, zu der Braut des Lammes 
gehören! Waren alle irdischen Segnungen hier das Teil des 
Volkes Israel, so sind wir „gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen örtern". Israel war das auserwählte 
Volk Gottes für diese Erde und wird es dereinst wieder sein. 
Uns hat Gott „auserwählt in ihm (Christo) vor Grundlegung 
der Welt, daß wir heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe, 
und hat uns z.uvorbestimm.t zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens" 
(Eph 1). Die Berufung so elender Kreaturen wie wir sind, zu 
einer so erhabenen Stellung, wird, wenn wir dereinst bei der 
Erscheinung Christi mit Ihm offenbar werden, die Bewunde178 
rung und Anbetung des ganzen Weltalls wachrufen. Sie ist, 
wie der Apostel sagt, „zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade". Gerade die unermeßliche Fülle der Gnadenratschlüsse 
Gottes gegenüber der unergründlichen Tiefe unseres Verderbens stellt die bewunderungswürdige Größe Gottes ans Licht. 
„Darum bist du groß, Jehova Gott! denn niemand ist wie du, 
und kein Gott außer dir, nach allem, was wir mit unseren Ohren 
gehört haben". Welch eine Szene wird es sein, wenn wir dereinst um den Thron Gottes versammelt stehen werden, wir, die 
ehemals Verlorenen, die gottlosen, feindseligen Sünder, in der 
nächsten Nähe Seiner Heiligkeit, während die Engel, diese 
reinen, mit Sünde nicht befleckten Wesen, die Täter des Wohlgefallens Gottes, in weitem Kreise jenen Thron umgeben! „Und 
jedes Geschöpf, das in dem Himmel und auf der Erde und unter 
der Erde ist und auf dem Meere ist, und alles, was in ihnen 
ist, hörte ich sagen: Dem, der auf demThrone sitzt, und dem 
Lamme die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und 
die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Offb 5). 
Der Raum dieser Blätter gestattet es uns jedoch nicht, bei 
diesem Gegenstand noch länger zu verweilen. Indes möchte ich 
noch das eine und andere aus dem Gebet Davids, des Mannes 
nach dem Herzen Gottes, das unserer besonderen Aufmerksamkeit wert ist, kurz hervorheben. Zunächst ist es der Wunsch, 
daß der Name Jehovas, eines solchen Gottes, überall bekannt 
werde. „Und dein Name werde groß auf ewig, daß man spreche: 
Jehova der Heerscharen ist Gott über Israel" (V. 26). Verstehen 
wir etwas von der Liebe und Güte unseres Gottes, so ist es 
ganz natürlich, daß wir wünschen, auch andere damit bekanntzumachen. Wir werden uns überall eines solchen Gottes und 
Vaters rühmen und uns freuen, wenn Sein Name auch von 
anderen gekannt und gepriesen wird. Doch fragen wir uns 
ernstlich und mit Aufrichtigkeit: Steht es so bei uns? Ist dies 
wirklich der Wunsch unserer Herzen? 
Ferner sagt David in Vers 27: „Denn du, Jehova der Heerscharen, Gott Israels, hast dem Ohre deines Knechtes eröffnet 
und gesagt: Ich will dir ein Haus bauen; darum hat dein Knecht 
sich ein Herz gefaßt, dieses Gebet zu dir zu beten". Der Gedanke an die Heiligkeit und Majestät unseres Gottes könnte 
wohl Gefühle der Furcht in uns erwecken und uns nur mit 
179 
Ängstlichkeit in Seine Gegenwart treten lassen, wenn nicht auf 
der anderen Seite die Offenbarung Seiner vollkommenen Liebe 
uns Freimütigkeit gäbe, mit Zuversicht und Vertrauen Ihm zu 
nahen. „Die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus". Das 
Bewußtsein, daß das Herz Gottes mit überströmender Liebe 
gegen uns erfüllt ist, mit einer Liebe, die das Teuerste für uns 
in den Tod gab, befähigt uns, mit kindlichem Vertrauen zu 
Ihm zu reden und alle unsere Anliegen vor Ihm kundwerden 
zu lassen. Gleichwohl bleibt es immer wahr, und dies sollte mit 
unauslöschlichen Zügen in unseren Herzen eingeprägt sein, 
daß wir Den als Vater anrufen, Der ohne Ansehen der Person 
richtet nach eines jeden Werk (1. Petr 1, 17). 
Am Schluß seines Gebets gibt David noch dem unerschütterlichen Vertrauen seines Herzens Ausdruck, daß Gott Seine Verheißungen wahrmachen werde: „Und nun, Herr, Jehova, du 
bist es, der da Gott ist, und deine Worte sind Wahrheit und 
du hast dieses Gute zu deinem Knechte geredet. So laß es dir 
nun gefallen und segne das Haus deines Knechtes, daß es ewiglich vor dir sei; denn du, Herr, Jehova, hast es geredet, und mit 
deinem Segen das Haus deines Knechtes gesegnet ewiglich" 
(V. 28. 29). Er glaubte völlig dem Worte des Herrn. Sollte auch 
die Verheißung erst nach seinem Tode in Erfüllung gehen, Gott 
hatte geredet, und das war ihm genug. Möchten auch wir 
unseren Gott stets durch ein so kindliches Vertrauen ehren! 
Laßt uns aber auch der Ermahnung des Apostels eingedenk 
bleiben und würdig wandeln der Berufung, womit Gott uns 
berufen hat! Er hat uns geliebt, als wir noch Seine Feinde und 
gottlose, verdammungswürdige Sünder waren. Sollten wir Ihn 
nicht wiederlieben mit der ganzen Kraft unseres Herzens und 
Ihm unser Leben weihen? Er hat für uns Seinen eingeborenen, 
geliebten Sohn hingegeben. Sollten wir nicht bereit sein, um 
Seinetwillen den eitlen, nichtigen Dingen dieser Welt zu entsagen und die wenigen Tage unseres Hierseins eifrige Zeugen 
Seiner Liebe und Seines Erbarmens, einer armen, verlorenen 
Welt gegenüber, zu sein? Ach! die Kälte und Gleichgültigkeit, 
die sich in unseren Tagen wie ein ertötender Mehltau auf so 
viele Christenherzen gesenkt haben, beweisen, wie wenig die 
Liebe des Gottes, Der um ihretwillen Seines eigenen Sohnes 
nicht geschont hat, verstanden und gefühlt wird. Wie traurig 
180 
ist es, wenn gesagt werden muß, daß die Vorstellung der Liebe 
Gottes keine oder doch nur noch einen vorübergehenden Eindruck auf die Herzen so vieler Gläubigen macht, daß es zu 
etwas Altem für sie geworden ist! Und was ist die Ursache 
dieses traurigen Zustandes? Ach! es ist die Liebe zur Welt und 
zu dem, was in der Welt ist, zu einer Welt, die den Herrn des 
Himmels verworfen und gekreuzigt hat, zu einer Welt, der 
wir auf Kosten des teuren Lebens Jesu entronnen sind und die 
einem schrecklichen Gericht entgegeneilt. Wie schmerzlich, wie 
betrübend muß eine solche Gleichgültigkeit für das liebende 
Herz Gottes sein! „Darum richtet auf die erschlafften Hände 
und die gelähmten Knie, und machet gerade Bahn für eure 
Füße"! „Laßt uns jegliche Bürde und die leicht umstrickende 
Sünde ablegen und mit Ausharren laufen den vor uns liegenden 
Wettlauf, hinschauend auf Jesum, den Anfänger und Vollender 
des Glaubens, welcher, der Schande nicht achtend, für die vor 
ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat 
zur Rechten des Thrones Gottes" (Hebr 12)! 
Was ist Bekehrung? 

Das erste Kapitel des ersten Briefes an die Thessalonicher 
liefert uns eine schöne und treffende Beschreibung von dem, 
was wir wahre Bekehrung nennen können, und gibt daher eine 
bestimmte und klare Antwort auf die Frage, welche die Überschrift dieser Betrachtung ist: „Was ist Bekehrung?" Wahrlich, 
eine .ernste, bedeutungsvolle Frage! Gerade in unseren Tagen, 
wo sich Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit in bezug auf 
religiöse Dinge allenthalben offenbaren, ist es wertvoll, eine 
göttliche Antwort auf diese Frage zu besitzen. 
Wir brauchen wohl kaum zu sagen, daß wir an die unbedingte Notwendigkeit einer göttlichen Bekehrung glauben. Mag 
ein Mensch sein, was er will, ob Jude oder Grieche, Protestant 
oder Katholik, mag seine Nationalität, seine kirchliche Stellung, 
sein Glaubensbekenntnis sein oder lauten, wie es will, er muß 
bekehrt werden, sonst ist er auf dem breiten Wege zu einer 
ewigen Verdammnis. Niemand ist, in dem göttlichen Sinne 
dieses Wortes von Geburt ein Christ, noch kann er zu einem 
181 
Christen erzogen werden. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum 
und ein Betrug des Erzfeindes der Seelen, wenn jemand glaubt, 
durch Geburt oder Erziehung ein Christ zu sein oder durch die 
Wassertaufe oder durch irgendwelche religiösen Zeremonien zu 
einem Christen gemacht werden zu können. Ein Mensch wird 
nur dadurch ein Christ, daß er in göttlicher Weise bekehrt wird. 
Worin diese Bekehrung besteht, werden wir im Laufe unserer 
Betrachtung sehen. Vor allen Dingen möchten wir die Aufmerksamkeit des Lesers, sei er bekehrt oder noch unbekehrt, 
auf die dringende und absolute Notwendigkeit einer wahren 
Bekehrung zu Gott richten. 
Die größte Torheit, deren sich ein unsterbliches Wesen, das 
einer nie endenden Ewigkeit entgegengeht, schuldig machen 
kann, besteht darin, daß es die ernste Frage seiner Bekehrung 
vernachlässigt und sie zu vergessen oder doch ihre Wichtigkeit 
abzuschwächen sucht. Im Vergleich mit diesem hochwichtigen 
Gegenstand ist alles andere von geringer Bedeutung. Die mannigfaltigen Gegenstände, welche die Gedanken des Menschen 
beschäftigen und alle seine Kräfte in Anspruch nehmen, alle 
die zahl- und namenlosen Dinge, nach denen das arme, unbefriedigte Herz verlangt und an die es sich anklammert, alles 
das ist gleich der Morgenwolke, gleich dem Schaum auf dem 
Wasser, gleich dem Rauch, der aus dem Schornstein emporwirbelt, es vergeht und läßt nichts als eine öde Leere im Herzen 
des Menschen zurück. Das Herz bleibt unbefriedigt, die Seele 
ungerettet. 
Und was dann? Ja, was dann? Erschütternde Frage. Was ist 
das Ende all dieses geschäftigen Treibens, dieses Ringens um 
Vorrang und Ehre, dieser Geld- und Vergnügungssucht? Ach! 
der Mensch muß dem Tode begegnen. „Es ist dem Menschen 
gesetzt, einmal zu sterben". Hier gibt es keine Ausnahme, kein 
Entrinnen. Alle die Schätze des Weltalls sind nicht imstande, 
von diesem unbarmherzigen Feind einen Augenblick Aufschub 
zu erlangen. Nicht die größte ärztliche Geschicklichkeit, nicht 
die sorgfältigste Pflege von Seiten liebender Freunde und Verwandten, nicht ihre Tränen, ihre Seufzer und Klagen vermögen 
den gefürchteten Augenblick zu verzögern oder den König der 
Schrecken zu bewegen, sein furchtbares Schwert in die Scheide 
zu stecken. Er verschont niemanden. Drohend steht er vor den 
182 
Augen eines jeden unbekehrten Menschen, sei es Mann, Frau 
oder Kind. 
Und wenn er nun kommt, was dann? Der Mensch möchte 
sich gerne glauben machen, daß nach dem Tode eine völlige 
Vernichtung eintritt, und deshalb ruft er aus: „Laßt uns essen 
und trinken, denn morgen sterben wir!" Welch eitles, fruchtloses Bemühen! Ein törichter Traum der menschlichen Einbildung, 
die durch den Gott dieser Welt verblendet ist. Wie könnte eine 
unsterbliche Seele vernichtet werden? Der Mensch kam im 
Garten Eden in den Besitz eines ewig lebenden Geistes. „Der 
Mensch wurde eine lebendige Seele" (1. Mo 2, 7). Die Seele 
muß immerdar leben. Ob bekehrt oder unbekehrt, sie hat die 
Ewigkeit vor sich. Von welch einer überwältigenden Macht ist 
dieser Gedanke! 
Doch was lehrt die Schrift über den Zustand nach dem Tode? 
Eine Zeile der Heiligen Schrift ist völlig genügend, um zehntausend Beweise und Behauptungen des menschlichen Verstandes über den Haufen zu werfen. Hat der Tod eine völlige Vernichtung zur Folge? Nein! „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, und danach das Gericht". Beachten wir wohl 
diese Worte: „Danach das Gericht". Sie beziehen sich indessen 
nur auf solche, die in ihren Sünden sterben, d. h. nur auf Ungläubige. Für den Christen ist das Gericht für immerdar vorübergegangen, wie die Schrift in zahlreichen Stellen lehrt. Es 
ist wichtig, dies zu beachten, da die Menschen zu behaupten 
wagen, daß, weil nur in Christo Leben ist, alle, die außerhalb 
Christo sind, vernichtet werden. 
Doch so spricht das Wort Gottes nicht. Es gibt ein Gericht 
nach dem Tode. Und was wird die Folge dieses Gerichts sein? 
Wieder ist es die Schrift, die uns in ebenso klarer wie feierlicher 
und eindringlicher Sprache darüber in Kenntnis setzt. „Und ich 
sah einen großen, weißen Thron und den, der darauf saß, vor 
dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel, und keine 
Stätte wurde für sie gefunden. Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden auf getan; und ein anderes Buch ward auf getan, welches 
das des Leben ist. Und die Toten wurden gerichtet nachdem, was 
in den Büchern geschrieben war, nach ihren Werken. Und das 
Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der 
183 
Hades gaben die Toten, die in ihnen waren; und sie wurden 
gerichtet, ein jeder nach seinen Werken. Und der Tod und der 
Hades wurden in den Feuersee geworfen. Dies ist der zweite 
Tod, der Feuersee. Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen" (Offb 20). 
Dieses alles ist so klar, wie Worte es machen können und gibt 
keinen Anlaß zu Zweifel oder Ungewißheit. Für alle, deren 
Namen im Buche des Lebens sind, gibt es durchaus kein Gericht. Diejenigen aber, deren Namen sich nicht in diesem Buch 
finden, werden gerichtet werden nach ihren Werken. Und was 
ist ihr Los? Vernichtung? O nein, sondern „der Feuersee", „die 
ewige Pein". 
Wie schrecklich ist dieser Gedanke! Sicherlich sollte er jede 
Seele antreiben, ernstlich zu erwägen, wie dringend notwendig ihre Bekehrung zu Gott ist. Dies ist der einzige Weg, 
dem zukünftigen Gericht zu entrinnen. Eine unbekehrte Person, wer und was sie auch sein mag, hat Tod, Gericht und den 
Feuersee vor sich, und jeder Pulsschlag bringt sie jenen schrecklichen Wirklichkeiten näher. So sicher wie die Sonne morgen 
früh zur bestimmten Zeit aufgehen wird, ebenso sicher wird 
jeder Leser dieser Zeilen über kurz oder lang in die Ewigkeit 
hinübergehen; und wenn sein Name nicht in das Buch des 
Lebens eingeschrieben ist, wenn er nicht bekehrt und in Christo 
ist, so wird er sicher und gewiß nach seinen Werken gerichtet 
werden, und die unausbleibliche Folge dieses Gerichts wird der 
See sein, „der mit Feuer und Schwefel brennt". 
Vielleicht wird der Leser sich darüber wundern, daß wir so 
lange bei diesem schrecklichen Thema verweilen. Er mag sich 
versucht fühlen zu fragen: „Wird das die Menschen bekehren?" 
Gewiß nicht; es kann sie aber wohl dazu führen, zu erkennen, 
daß es nötig ist, sich zu bekehren. Es kann ihnen unter der 
Gnade Gottes die Augen öffnen und ihnen die entsetzliche Gefahr zeigen, in der sie sich befinden. Warum stellte der Herr 
Seinen Zuhörern so oft die ernste Wirklichkeit der Ewigkeit 
vor? Warum sprach Er so häufig von dem Wurm, der nicht 
stirbt und dem Feuer, das nicht erlischt? Ohne Zweifel, um in 
ihnen ein Gefühl von der Gefahr, in der sie schwebten, zu erwecken und sie zu bewegen, zu dem einzigen Bergungsort ihre 
184 
Zuflucht zu nehmen. Sollten wir weiser sein als Er? Sollten wir 
davor zurückschrecken, unseren Lesern oder Zuhörern mit allem 
Ernst dieselben feierlichen Wahrheiten vorzuhalten? Sollten 
wir, aus Furcht, das Ohr einer gebildeten Welt zu verletzen, es 
nicht wagen, offen und laut zu erklären, daß alle, die unbekehrt 
sterben, dereinst ausnahmslos vor dem großen weißen Thron 
stehen und in dem Feuersee ihren Platz finden werden? Gott 
wolle uns davor bewahren! Wir rufen jedem unbekehrten 
Leser dieser Zeilen zu: Schenke deine ungeteilte Aufmerksamkeit der über alles wichtigen Frage der Errettung deiner Seele! 
Laß dich durch nichts verleiten, sie zu vernachlässigen! „Denn 
Was wird es dem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt 
gewönne, aber seine Seele einbüßte? Oder was wird ein 
Mensch als Lösegeld geben für seine Seele?" 
Die Bekehrung ist also eine unbedingte Notwendigkeit. Für 
jeden, der sich unter die heilige Autorität des Wortes Gottes 
beugt, gibt es in bezug auf diesen Punkt keine Schwierigkeit. 
„Wahrlich ich sage euch, wenn ihr nicht umkehret und werdet 
wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel 
eingehen" (Mt 18, 3). Diese Stelle bezieht sich in ihrer ganzen 
moralischen Kraft auf jeden Sohn und jede Tochter des gefallenen Adam. Es gibt nicht eine einzige Ausnahme von der 
Regel unter all den tausend Millionen, welche diese Erde bevölkern. Ohne Bekehrung kann unmöglich die Rede davon 
sein, in das Reich der Himmel einzugehen. Jede unbekehrte 
Seele ist außerhalb des Königreichs Gottes. Es macht gar nichts 
aus, wer oder was ich bin. Bin ich unbekehrt, so befinde, ich 
mich im „Reiche der Finsternis", unter der Macht Satans, in 
meinen Sunden und auf dem Wege zur Hölle. 
Vielleicht bin ich eine Person von tadellosen Sitten, von flekkenlosem Ruf, vielleicht ein gelehrter Professor der Theologie, 
ein Arbeiter im Weinberge des Herrn, ein Prediger, ein Diakon, 
ein Ältester, ein Sonntagsschulhalter, vielleicht übe ich viel Liebestätigkeit, gebe zu allen religiösen und mildtätigen Stiftungen 
bedeutende Beiträge, werde gesucht und geehrt von allen wegen 
meines persönlichen Wertes und meines moralischen Einflusses, 
ich mag dies alles sein und tun, ich mag alle guten Eigenschaften besitzen, die ein menschliches Wesen nur haben kann, und 
dennoch unbekehrt sein und mich infolgedessen außerhalb des 
185 
Reiches der Himmel, in dem Reiche Satans und auf dem Wege 
befinden, der in dem See endet, der mit Feuer und Schwefel 
brennt. 
Die Worte des Herrn richten sich mit gleicher Kraft gegen 
den verkommensten Trunkenbold, der über die Straße wankt, 
wie gegen den unbekehrten Mäßigkeitsfreund, der sich seiner 
Enthaltsamkeit rühmt und sich damit brüstet, daß er sich soundso viele Monate und Jahre hindurch des Genusses berauschender Getränke völlig enthalten hat. Sie sind beide gleich 
weit außerhalb des Reiches der Himmel, beide in ihren Sünden, 
beide auf dem Wege zur ewigen Verdammnis. Vielleicht hat der 
eine sich von der Völlerei zur Mäßigkeit bekehrt, und dies ist, 
in moralischer und gesellschaftlicher Hinsicht, gewiß etwas 
Großes, sich von Trunkenheit zu Mäßigkeit bekehren ist aber 
nicht Bekehrung zu Gott. Und diese allein ist imstande, uns in 
das Reich der Himmel einzuführen. Sie ist absolut notwendig 
für den einen wie für den anderen; und das gilt von allen Klassen, von allen Ständen und Schichten der menschlichen Gesellschaft. Da gibt es keinen Unterschied. „Wenn ihr nicht umkehret, so werde ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen". 
Wie außerordentlich wichtig ist daher für jeden Menschen 
die Frage: „Bin ich bekehrt?" Kein Mensch ist imstande, den 
feierlichen Ernst dieser Frage auszudrücken. Und dennoch lassen Tausende, ja Mülionen, Woche für Woche, Jahr für Jahr 
dahinschwinden, ohne ein einziges Mal ernstlich daran zu 
denken, diese Frage in Ordnung zu bringen. Verrät das nicht 
den höchsten Grad von Gleichgültigkeit? Wenn ein Mensch 
sich um seine irdischen Angelegenheiten nicht kümmerte und 
sein Geschäft in großer Unordnung verkommen ließe, so würden wir ihn gei 'iß schlimmer Nachlässigkeit und Sorglosigkeit 
beschuldigen. Aber was sind die wichtigsten zeitlichen Angelegenheiten im Vergleich mit dem ewigen Heil und mit den 
Interessen der unsterblichen Seele? 
Bist du bekehrt, mein lieber Leser? Eine bekehrte Seele hat 
die Grenzlinie überschritten, welche die Erretteten von den Verlorenen, die Kinder des Lichts von den Kindern der Finsternis, 
die Kirche Gottes von diesem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf 
trennt. Der Gläubige hat Tod und Gericht hinter sich und die 
Herrlichkeit vor sich. Er ist so völlig gewiß, daß er einst im 
186 
Himmel sein wird, wie wenn er sich schon dort befände; ja, im 
Geiste ist er schon dort. Er hat ein unumstößliches Anrecht darauf. Er kennt Christum als seinen Heiland, Gott als seinen 
Vater und Freund, den Heiligen Geist als seinen Tröster, Führer und Lehrer, und den Himmel als seine herrliche und glückselige Heimat. Wer ist imstande, die Fülle der Segnung zu beschreiben, bekehrt zu sein! „Was kein Auge gesehen und kein 
Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, 
was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben. Uns (den Gläubigen) aber hat es Gott geoffenbart durch seinen Geist, denn 
der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes" (1. Kor 2, 9. 
10). 

Laßt uns jetzt, nachdem wir die Notwendigkeit der Bekehrung bewiesen haben, untersuchen, was die Bekehrung ist. Es 
ist für uns wirklich wichtig, in göttlicher Weise hierüber unterrichtet zu sein. Zahlreiche Irrtümer herrschen in bezug auf diesen 
Gegenstand, und vieles Verkehrte ist schon darüber geredet 
und geschrieben worden. Gerade wegen der unermeßlichen 
Wichtigkeit dieses Themas ist es das stete Bestreben des großen 
Feindes der Seelen gewesen, den Menschen auf alle mögliche 
Weise in Irrtümer zu verwickeln. Wenn es ihm nicht gelingt, 
ihn in bezug auf die Bekehrung völlig gleichgültig und sorglos 
zu machen, dann sucht er seine Augen zu verblenden und den 
wahren Charakter der Bekehrung vor ihm zu verbergen. Wenn 
z. B. jemand durch das eine oder andere Mittel zu einem Gefühl 
der völligen Eitelkeit und Unzulänglichkeit der weltlichen Vergnügungen erwacht und die dringende Notwendigkeit einer 
Änderung seines Lebens erkennt, so wird der Erzbetrüger einen 
solchen gewöhnlich zu überreden suchen, religiös zu werden, 
sich mit Ordnungen, Satzungen und Zeremonien zu beschäftigen, Bälle, Theater, Konzerte, Trunk und Spiel aufzugeben, 
kurz, jeder Art weltlicher Vergnügungssucht zu entsagen und 
sich zu bestreben, ein frommes, ehrbares Leben zu führen, die 
Vorschriften der Religion eifrig zu beobachten, die Bibel zu 
lesen, Almosen zu geben usw. 
Aber das ist nicht wahre Bekehrung. Dies alles kann jemand 
tun und dennoch völlig unbekehrt sein. Ein religiöser Eiferer, 
dessen ganzes Leben in Wachen, Fasten, Gebeten, Kasteiungen 
187 
und guten Werken besteht, kann durchaus unbekehrt und ebensoweit vom Reiche Gottes entfernt sein, wie der gedankenlose, 
leichtsinnige Lebemann, der in Saus und Braus dahinlebt. Ohne 
Zweifel sind diese beiden Charaktere weit voneinander verschieden, der Unterschied könnte vielleicht nicht größer sein. 
Aber dennoch sind beide unbekehrt, beide stehen außerhalb des 
gesegneten Kreises der Erlösten Gottes, beide befinden sich 
noch in ihren Sünden. Wohl ist der eine mit „bösen Werken" 
beschäftigt, während sich der andere in „toten Werken" abmüht; 
aber beide sind außer Christo, sie sind nicht errettet, sondern 
befinden sich beide auf dem Wege zu einem hoffnungslosen, 
ewigen Elend. Der eine wie der andere wird, wenn er nicht in 
Wahrheit umkehrt, sein Teil in dem See finden, der mit Feuer 
und Schwefel brennt. 
Auch ist Bekehrung nicht der Übergang von einem religiösen 
System zu einem anderen. Jemand mag sich von dem Judentum 
dem Heidentum, dem Islam oder dem Romanismus trennen und 
zum Protestantismus übertreten und dennoch völlig unbekehrt 
sein. Ohne Zweifel ist es, vom gesellschaftlichen und sittlichen 
Standpunkt aus betrachtet, viel besser, ein Protestant zu sein, 
als ein Mohammedaner; aber dennoch stehen beide von Natur 
auf dem gleichen Boden, sie sind beide unbekehrt. Von beiden 
kann gesagt werden, daß sie, wenn sie sich nicht bekehren, 
nicht in das Reich Gottes eingehen können. Bekehrung ist nicht 
die Verbindung mit einem religiösen System, mag dies auch 
noch so orthodox sein. 
Das gilt auch von den theologischen Glaubensbekenntnissen. 
Jemand mag alle die sogenannten Glaubensartikel auswendig 
kennen, er mag sich zu der Lehre Luthers, Calvins, Wesleys 
oder irgendeines anderen Menschen bekennen, und dennoch 
unbekehrt und tot in Sünden und Übertretungen sein. Welchen 
Nutzen hat ein religiöses System oder ein theologisches Glaubensbekenntnis für einen Menschen, der keine Spur des göttlichen Lebens besitzt? Systeme und Bekenntnisse können weder 
lebendig machen, noch erretten, noch ewiges Leben mitteilen. 
Man kann sich jahraus, jahrein abmühen in allerlei christlichen 
Werken und dennoch da enden, wo man angefangen hat, — 
in toten Werken. Welchen Wert hat dies alles? Was ist das 
Ende von all diesem Mühen ohne Ruhe und Rast? Es ist der 
Tod und eine finstere, schreckliche Ewigkeit. 
188 
Es ist sogar möglich, daß ein Mensch bekannt ist mit den 
herrlichen Ratschlüssen der Gnade Gottes, mit der Errettung 
durch Glauben, der Rechtfertigung ohne Werke, daß er bekennt, 
an diese Dinge zu glauben und sich ihrer zu erfreuen, ja, daß 
er selbst durch Wort und Schrift die christlichen Lehren verteidigt und ein beredter Prediger des Evangeliums ist, alles 
dieses ist möglich, ohne daß er wirklich bekehrt und errettet 
ist. Die Wahrheit hat nie sein Gewissen erreicht, nie sein Herz 
berührt; er hat sie allein mit seinem Verstände erfaßt. Wahrlich, ein Zustand, wie er trauriger nicht gedacht werden kann! 
Aber was ist denn Bekehrung? höre ich meine Leser fragen. 
Wenden wir uns zu 1. Thess 1, da werden wir eine erschöpfende Beantwortung dieser Frage finden. Der Brief beginnt mit 
den Worten: „Paulus und Silvanus und Timotheus der Versammlung der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem 
Herrn Jesu Christo: Gnade euch und Friede! Wir danken Gott 
allezeit für euch alle, euer erwähnend in unseren Gebeten, 
unablässig eingedenk eures Werkes des Glaubens und der Bemühung der Liebe und des Ausharrens der Hoffnung auf 
unseren Herrn Jesus Christus, vor unserem Gott und Vater, 
wissend, von Gott geliebte Brüder, eure Auserwählung". Wie 
konnte er diese wissen? Durch die klaren und unzweideutigen 
Beweise, welche sie in ihrem praktischen Leben geliefert hatten. Das ist der einzige Weg, auf welchem die Auserwählung 
eines Menschen erkannt werden kann. „Denn unser Evangelium war nicht bei euch im Worte allein, sondern auch in Kraft 
und im Heiligen Geiste und in großer Gewißheit, wie ihr wisset, 
was wir unter euch waren um euretwillen". 
Der Apostel war in seinem täglichen Leben gleichsam der 
Ausdruck des Evangeliums, das er predigte. Er hatte nichts von 
ihnen gefordert. Er war ihnen nicht beschwerlich gefallen. Er 
hatte das kostbare Evangelium Gottes umsonst unter ihnen 
verkündigt, und, um dies tun zu können, Nacht und Tag mit 
seinen eigenen Händen gearbeitet. Er war in ihrer Mitte gewesen wie eine nährende Mutter ihre eigenen Kinder pflegt. 
Er hatte sich nicht mit stolzen Worten seiner selbst, oder seines 
Dienstes, seiner Macht, seiner Gaben, seiner Predigten oder 
seiner mächtigen Taten gerühmt. Er war der liebevolle, demütige, bescheidene, ernste und hingebende Arbeiter, dessen Werk 
189 
für sich selbst sprach und dessen ganzes Leben in lieblicher 
Übereinstimmung mit seinen Worten stand. 
Wie nötig ist es für alle Diener des Herrn, diese Dinge 
zu erwägen! Wir können versichert sein, daß die Oberflächlichkeit der Arbeit zum großen Teil die Frucht der Oberflächlichkeit des Arbeiters ist. Wo ist die Kraft? Wo die Erweisung 
des Heiligen Geistes? Wo „die große Gewißheit?" Findet sich 
nicht oft in unseren Predigten ein großer Mangel an allen 
diesen Dingen? Vielleicht ist eine fließende Beredsamkeit bei 
uns vorhanden, vielleicht eine große Fertigkeit und Gewandtheit und vieles, das die Zuhörer anzieht und auf ihre Gefühle 
wirkt, ihr augenblickliches Interesse erweckt und der bloßen 
Neugierde zur Nahrung dient. Aber ach! wo ist die heilige 
Salbung, der lebendige Ernst, die tiefe Wahrhaftigkeit? Und 
wo ist der lebendige Ausdruck in unserem täglichen Leben und 
in allen unseren Gewohnheiten? Möchte der Herr die Herzen 
aller Seiner teuren Diener mehr und mehr aufwecken! Wir 
werden dann sicher schönere Erfolge ihrer Arbeit sehen. 
Doch es möchte scheinen, als ob wir das Werk der Bekehrung 
von dem Arbeiter abhängig machen wollten. Ein solcher Gedanke sei uns fern! Das Werk hängt einzig und allein von dem 
Heiligen Geiste ab, wie dies gerade das vor uns liegende Kapitel unzweideutig beweist. Dennoch bleibt eine wichtige Frage 
für uns, welche Werkzeuge der Heilige Geist gewöhnlich gebraucht. Welche Gefäße sind „nützlich dem Hausherrn?" Leere 
Gefäße und gereinigte Gefäße. Sind wir solche Gefäße? Sind 
wir von uns selbst ausgeleert? Sind wir von dem beklagenswerten Beschäftigtsein mit unserem eigenen Ich genesen? Sind 
wir gereinigte Gefäße? Ist unser Handel und Wandel rein? 
Wenn nicht, wie kann der Herr uns in Seinem heiligen Dienst 
gebrauchen? Möchten wir alle diese Fragen in der Gegenwart 
Gottes erwägen! Möchte der Herr uns alle aufwecken und mehr 
und mehr zu solchen Gefäßen machen, die Er zu Seiner Verherrlichung gebrauchen kann! 
Doch kehren wir zu unserem Kapitel zurück. Während uns 
auf der einen Seite der Charakter des wahren, treuen Arbeiters 
gezeigt wird, entdecken wir auf der anderen das Werk selbst. 
„Und ihr seid unsere Nachahmer geworden und des Herrn, indem ihr das Wort aufgenommen habt in vieler Drangsal mit 
190 
Freude des Heiligen Geistes, so daß ihr allen Gläubigen in 
Mazedonien und Achaja zu Vorbildern geworden seid. Denn 
von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen, nicht allein in 
Mazedonien und Achaja, sondern an jedem Orte ist euer Glaube an Gott ausgebreitet worden, so daß wir nicht nötig haben, 
etwas zu sagen. Denn sie selbst verkündigen von uns, welchen 
Eingang wir bei euch hatten" (V. 6—9). 
Das war ein wirkliches, echtes Werk. Es trug sein Beglaubigungsschreiben sozusagen an der Stirn. Hier gab es nichts unsicheres, nichts unbefriedigendes, nichts, was bei der Bildung 
eines Urteils über das Werk einen Rückhalt nötig gemacht hätte. 
Alles war klar, bestimmt und untrüglich. Das ganze Werk trug 
den Stempel der Hand des Meisters und es mußte jedes 
urteilsfähige Herz überzeugen. Das Werk der Bekehrung war 
vollbracht, und die Früchte der Bekehrung folgten in überströmender Fülle. Das Zeugnis verbreitete sich weit und breit, 
so daß der Arbeiter nicht nötig hatte, über seine Arbeit zu 
sprechen. Es war ein durchaus göttliches Werk, ein Werk des 
Geistes Gottes Selbst. 
Der Apostel hatte ihnen das Wort verkündigt in aller Einfalt, 
aber zugleich in der Kraft des Heiligen Geistes und in großer 
Gewißheit. In seinem Zeugnis war nichts zweifelhaftes oder 
unsicheres vorhanden. Er predigte wie einer, der das, was er 
predigte, nicht nur völlig glaubte, sondern auch wirklich erfaßt 
hatte. Es war nicht nur eine beredte Wiedergabe gewisser gekannter und anerkannter Wahrheiten, oder eine trockene Aufstellung einer Anzahl von Lehrsätzen. Nein, es war die lebendige Mitteilung des herrlichen Evangeliums Gottes, das aus 
einem Herzen kam, das jeden Ausspruch tief fühlte, und das 
die Herzen erreichte, die durch den Geist Gottes zu der Aufnahme des Evangeliums zubereitet waren. 
Das Werk in Thessalonich bestand nicht in einer bloßen Aufregung der Gefühle, es war ein tiefes, gründliches, durchaus 
göttliches Werk. Der Apostel Paulus kam, wie uns in Apg 17 
erzählt wird, „nach Thessalonich, wo die Synagoge der Juden 
war. Nach seiner Gewohnheit aber ging Paulus zu ihnen hinein 
und unterredete sich an drei Sabbathen mit ihnen aus den 
Schriften, indem er eröffnete und darlegte, daß der Christus 
191 
leiden und aus den Toten auferstehen mußte, und daß dieser 
der Christus Jesus ist, den ich euch verkündige" (V. 2. 3). 
Wie einfach, Jesum zu verkündigen aus den Schriften! Ja, hierin lag das große Geheimnis der Predigt Paulus! Er verkündigte 
eine lebende Person in lebendiger Kraft, gegründet auf das 
lebendige Wort Gottes; und diese Predigt wurde angenommen 
in lebendigem Glauben und brachte in dem Leben der Bekehrten göttliche Früchte hervor. Das ist die Predigt, die wir nötig 
haben. Gott gebe uns mehr Arbeiter, die in dieser Weise den 
Herrn Jesum verkündigen! 
Die beiden letzten Verse unseres Kapitels erfordern unsere 
besondere Aufmerksamkeit. Sie liefern uns eine bemerkenswerte Erklärung des wahren Charakters der Bekehrung. „Denn 
sie selbst verkündigen von uns, welchen Eingang wir bei euch 
hatten, und wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und 
seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten, den er auf erweckt 
hat aus den Toten — Jesum, der uns errettet von dem kommenden Zorn" (V. 9.10). 
Hier haben wir also eine göttliche Beschreibung der Bekehrung, kurz, aber umfassend und erschöpfend, Die Thessalonicher hatten sich bekehrt von den Götzenbildern. Sie hatten 
vollständig mit der Vergangenheit gebrochen und sich ein für 
allemal von ihrem früheren Leben und ihren Gewohnheiten 
abgewandt und alle jene Dinge, die einst ihre Herzen beherrscht 
und ihre Kräfte in Anspruch genommen hatten, aufgegeben. 
Sie waren dahin gebracht worden, im Licht der göttlichen Wahrheit ihr ganzes ehemaliges Leben zu verurteilen, und nicht nur 
zu verurteilen, sondern es auch ohne Verzug zu verlassen. Es 
war kein halbes Werk. Es war ein bestimmt bezeichneter Abschnitt in ihrer Geschichte, ein großer Wendepunkt in ihrem 
moralischen und praktischen Leben. Es war nicht eine bloße 
Meinungsänderung, oder die Annahme neuer Grundsätze. Es 
war weit mehr als das. Das göttliche Licht hatte in ihre Herzen 
geschienen und ihnen gezeigt, daß ihr bisheriges Leben ein 
großer, schrecklicher Betrug gewesen war, und infolgedessen 
hatten sie sich mit ganzem Herzen von der Welt abgewandt, 
die bisher ihre Zuneigungen besessen und ihre Handlungen 
bestimmt hatte. 
192 
Und was, mögen wir fragen, brachte diese wunderbare Veränderung hervor? Einfach das Wort Gottes, das in der mächtigen Kraft des Heiligen Geistes ihren Seelen nahegebracht worden war. Hören wir, was Paulus selbst bezeugt: „Darum danken wir auch Gott unablässig, daß, als ihr von uns das Wort 
der Kunde Gottes empfinget, ihr es nicht als Menschenwort 
aufnähmet, sondern wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, 
das auch in euch, den Glaubenden wirkt" (Kap. 2, X3). Hierin 
beruht das Geheimnis der ganzen Sache. Das Wort Gottes, und 
nichts anderes als das, brachte durch die Macht des Heiligen 
Geistes jene großen Resultate bei den Thessalonichern hervor, 
Resultate, die das liebende Herz des Apostels mit aufrichtiger 
Dankbarkeit erfüllten. Er freute sich, daß sie nicht mit ihm, 
sondern mit dem lebendigen Gott Selbst, und zwar mittels 
Seines Wortes, in Verbindung gebracht worden waren. Dies ist 
ein unzerreißbares Band; es ist so fest und unwandelbar wie 
das Wort selbst. Das Wort des Menschen vergeht, wie er selbst, 
aber das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. Der Apostel, als 
ein treuer Arbeiter, verstand und fühlte dies, und daher war es 
seine stete Besorgnis, daß die Seelen sich nicht in irgendeiner 
Weise auf ihn stützen und verlassen möchten, sondern auf den 
Einen, Dessen Bote und Diener er war. 
Hören wir, was er zu den Korinthern sagt: „Und ich, da ich 
zu euch kam, Brüder, kam nicht nach Vortrefflichkeit der Rede 
oder Weisheit, euch das Zeugnis Gottes verkündigend. Denn 
ich hielt nicht dafür, etwas unter euch zu wissen, als nur Jesum 
Christum, und ihn als gekreuzigt. Und ich war bei euch in 
Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern; und meine 
Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der 
Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, auf 
daß euer Glaube nicht beruhe auf Menschen-Weisheit, sondern 
auf Gottes-Kraft (1. Kor 2, 1—5). 
Der Apostel Paulus hatte, wie wir bereits gesehen haben, 
den Thessalonichern das Wort Gottes in lebendiger Kraft verkündigt, und der Heilige Geist hatte dem Wort Eingang in ihre 
Herzen verschafft. Es fiel auf einen guten Boden, schlug Wurzel 
und trug hundertfältige Frucht. Und worin bestand die? „Denn 
9ie iselbst verkündigen von uns, welchen Eingang wir bei euch 
hatten, und wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott be193 
kehrt habt" (V. o). In diesem einen Wort „Götzenbilder" ist 
das ganze Leben von jedem unbekehrten Menschen, der auf 
der Erde lebt, dargestellt. Um ein Götzendiener zu sein, ist es 
nicht notwendig, sich vor einem Stück Holz oder einem Stein 
niederzubeugen. Alle die zahllosen nichtigen Dinge, die das 
menschliche Herz erfüllen und regieren, sind Götzenbilder, und 
jeder, der sein Herz an solche Dinge hängt, ist ein Götzendiener. So lautet das klare, bestimmte Zeugnis der Heiligen 
Schrift. Denken wir nur an die eine so allgemein herrschende 
Sünde, „die Habsucht". Welch einen Namen gibt ihr der inspirierte Apostel? Er nennt sie „Götzendienst". Wie viele unzählige Herzen werden beherrscht durch das Geld! Wie viele 
beugen sich vor dem goldenen Götzen in den Staub nieder! Was 
ist Habsucht? Es ist einesteils der Wunsch, immer mehr zu 
haben, und anderenteils die Liebe zu dem, was man bereits 
besitzt. Wir finden sie in diesen beiden Formen im Neuen 
Testament. Der Apostel spricht von der Geldgier und von der 
Geldliebe. Beiides ist Götzendienst. 
Dennoch können sich diese beiden Zustände in ihrer äußeren 
Entwicklung sehr voneinander unterscheiden.Die Geldgier,d.h. 
der Wunsch, immer mehr zu besitzen, geht nicht selten gepaart mit der Bereitwilligkeit und Geneigtheit, auszugeben; 
die Geldliebe dagegen ist gewöhnlich verbunden mit dem glühenden Wunsch, zusammenzuscharren und aufzuhäufen. Da 
ist z. B. ein Mann von großer kaufmännischer Tüchtigkeit. In 
seinen Händen scheint alles zu gedeihen. Er ist, wie man zu sagen 
pflegt, mit Leib und Seele Kaufmann. Sein einziger Gegenstand, 
das einzige Ziel, nach dem er strebt, ist, Geld zu verdienen, das 
eine Tausend dem anderen hinzuzufügen, sein Geschäft weiter 
und weiter auszudehnen und seinem Namen in der Geschäftswelt einen guten Klang zu machen. Er lebt und bewegt sich 
nur in der Atmosphäre des Handels. Er begann seine Laufbahn 
mit einigen Pfennigen in der Tasche, und jetzt ist er einer der 
ersten unter seinesgleichen. Er ist kein Knauser. Er ist ebenso 
bereit, auszustreuen wie zusammenzubringen. Er lebt mit verschwenderischer Pracht, ist äußerst gastfrei und unterstützt 
freigebig alle die mannigfaltigen öffentlichen Anstalten usw. 
Er wird geachtet von allen Klassen der menschlichen Gesellschaft. Aber sein Streben ist darauf gerichtet, mehr zu bekommen. Er ist ein habsüchtiger Mann, ein Götzendiener. Vielleicht 
194 
verachtet er den Geizhals, der seine Nächte zubringt, über seine 
Geldsäcke gebeugt, der seine Augen an dem verführerischen 
Glanz des Goldes weidet und vielleicht sich und den Seinen die 
notwendigsten Lebensbedürfnisse entzieht, um nur nicht einen 
Pfennig dem so sorgfältig gehüteten Schatz entnehmen zu 
müssen, der das Geld nicht deshalb liebt, weil es ihn in den 
Stand setzt, alle seine Wünsche zu erfüllen, sondern einfach 
um des Geldes willen. 
Diese beiden Personen sind anscheinend sehr voneinander 
verschieden, und dennoch stehen sie vor Gott auf ein und demselben Boden, sie lieben und begehren ein und dieselbe Sache, 
das Geld; sie sind beide Götzendiener. Dies mag hart und 
streng klingen, aber es ist die Wahrheit Gottes, und wir müssen uns beugen vor ihrer heiligen Autorität. Es hält unendlich 
schwer, das Gewissen des Menschen von der Sünde der Habsucht zu überzeugen, von der Sünde gerade, die der Heilige 
Geist für Götzendienst erklärt. Tausende würden sich keinen 
Augenblick besinnen, diese Sünde einem Geizhals zur Last zu 
legen, aber sie würden es für ein großes Unrecht halten, wenn 
man auch jene zuerst beschriebene Person dieser Sünde beschuldigen wollte. Nichts als das Licht des Wortes Gottes kann 
uns befähigen, die häßliche Sünde der Habsucht in uns zu entdecken. Das Jagen nach Gewinn, der Wunsch, immer mehr zu 
besitzen, die Begierde, in der Welt vorwärtszukommen und es 
zu etwas zu bringen, alles das wird von den Menschen im allgemeinen so hoch geachtet, daß nur wenige fähig sind, zu sehen, 
daß es in den Augen Gottes ein Greuel ist. Das menschliche 
Herz liebt und verehrt die Gegenstände, die es in der Welt findet, ja es betet sie an. Jedes Herz hat sein eigenes Götzenbild. 
Der Götze des einen ist das Geld, der des anderen das Vergnügen, wieder eines anderen Ehre und Macht. Jeder unbekehrte 
Mensch ist ein Götzendiener; und daß selbst der Gläubige nicht 
außer dem Bereich abgöttischer Einflüsse steht, beweist die 
Warnung des Apostels Johannes: „Kinder, hütet euch vor den 
Götzen" (1. Joh 5, 21)! Es ist daher auch für uns alle, die wir 
den Herrn kennen, die ernste Frage: Haben wir uns wirklich 
abgewandt von den Götzenbildern? Haben wir wirklich mit der 
Welt und unserem früheren Wesen gebrochen? Hat das lebendige Wort Gottes uns dahin geführt, unser ganzes vergangenes Leben als völlig wertlos vor Gott zu verurteilen? Sind etwa 
195 
alte Gewohnheiten zurückgeblieben? Beherrschen frühere Begierden und Gegenstände noch oft unsere Herzen? Können alle, 
die uns umgeben, hören und sehen, daß wir neue Kreaturen 
sind? Würde der Apostel auch in bezug auf uns sagen können: 
„Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen, so daß 
wir nicht nötig haben, etwas zu sagen?" Das sind sehr ernste 
Fragen. Möchten wir alle uns sie mit Aufrichtigkeit des Herzens 
in der Gegenwart des Herrn vorlegen! 

Wir kommen jetzt zu dem, was wir die positive Seite einer 
wahren Bekehrung nennen können. Wir haben gesehen, daß 
es eine Bekehrung von den Götzenbildern ist, eine Bekehrung 
von allen jenen Gegenständen, die unsere Herzen beherrschten 
und unsere Zuneigungen besaßen, von den Eitelkeiten und Torheiten, den Lüsten und Vergnügungen, aus welchen unser Leben in den Tagen der Finsternis und Blindheit bestand. Es ist, 
wie wir in Apg 26, 18 lesen, eine Bekehrung von der Finsternis und von der Gewalt Satans und wie der Apostel in Gal 1, 4 
sagt, eine Bekehrung von diesem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf. Doch eine wahre Bekehrung ist mehr als das. Dies ist 
gleichsam nur die negative Seite der Bekehrung. Ohne Zweifel 
ist'es eine bewunderungswürdige Gnade, ein für allemal befreit zu sein von der Bosheit und moralischen Versunkenheit 
unseres früheren Lebens, von der schrecklichen Sklavered des 
Gottes und Fürsten dieser Welt, herausgenommen zu sein aus 
einer Welt, die in dem Bösen liegt, befreit von dem Wohlgefallen an der Sünde; aber wir wiederholen es noch einmal: 
wahre Bekehrung ist weit mehr als das. Wenn wir mit der Welt 
und unserem eigenen Ich gebrochen haben, wenn wir unsere 
früheren Vergnügungen und Zerstreuungen aufgegeben haben, 
wenn wir, mit einem Wort, allem Lebewohl gesagt haben, was 
unser Leben in dieser Welt ausmachte, was erhalten wir an die 
Stelle aller dieser Dinge? Unser Kapitel gibt uns mit einem 
Wort eine klare, bestimmte und erschöpfende Antwort auf 
diese Frage: „Ihr habt euch bekehrt zu Gott". 
Köstliche Antwort! Ja, unaussprechlich köstlich für alle, die 
ihre Bedeutung und Tragweite in etwa verstehen. Was habe ich 
für meine früheren Götzenbilder erhalten? Gott. Für die eitlen 
und sündhaften Vergnügungen dieser Welt? Gott. Für ihre 
196 
Reichtümer, Ehren und Auszeichnungen? Gott. Was bekam der 
verlorene Sohn statt der Lumpen des fernen Landes? Das vornehmste Kleid aus dem Hause des Vaters. Statt der Traber, 
welche die Schweine fraßen? Das gemästete Kalb. Statt des 
erniedrigenden Dienstes in dem fernen Lande? Die Küsse, das 
Herz und den Tisch des Vaters. 
Ist das nicht ein herrlicher Tausch? Besitzen wir nicht in der 
bekannten, aber unveränderlich schönen Geschichte des verlorenen Sohnes eine treffende und eindringliche Darstellung von 
einer wahren Bekehrung? Welch eine Veränderung, welch eine 
vollkommene Umkehr entdecken wir da! Keine menschliche 
Zunge kann die Gefühle beschreiben, die den Zurückkehrenden 
bestürmt haben müssen, als der Vater ihn an sein Herz drückte 
und ihm seine ganze Liebe und Güte offenbarte. Die Lumpen, 
die Traber, die Sklaverei, der Mangel, der Hunger, die Not, 
alles, alles hatte ein Ende, für immer ein Ende; und stattdessen 
genoß er die unaussprechliche Freude, im Haus des Vaters, in 
der Heimat zu sein, und er hatte das selige Bewußtsein, daß 
der ganze festliche Jubel, der ihn umgab, durch seine Rückkehr 
hervorgerufen war, ja daß es seinen Vater glücklich machte, ihn 
zurückerhalten zu haben. 
Vielleicht möchte jemand einwenden, dies alles sei nur ein 
Bild. Ganz recht, aber was stellt dieses Bild vor? Es stellt eine 
herrliche, göttliche Wirklichkeit vor; es ist ein Bild von dem, 
was bei jeder wahren Bekehrung vorgeht, sobald wir sie von 
einem himmlischen Gesichtspunkt aus betrachten. Bekehrung 
ist nicht nur ein bloßes Aufgeben der Welt mit allen ihren 
Eitelkeiten und Torheiten. Sie schließt das natürlich ein, aber 
ist weit mehr als das. Sie ist eine Verbindung mit Gott, eine 
Einführung in das Vaterhaus, in die Heimat. Der Bekehrte ist 
von dem Augenblick seiner Bekehrung an, kraft der durch 
Christum bewirkten Erlösung, in dieses Verhältnis zu Gott eingeführt. Er ist ein Christ, ein Kind Gottes und ein Erbe des 
Reiches, obwohl sein Verständnis über dies alles mangelhaft 
sein mag. 
Dieses ist wahre Bekehrung. Möchte der Leser die Wahrheit 
des Gesagten völlig verstehen! Möchte er sich nicht mit etwas 
Geringerem begnügen, als mit dieser großen Wirklichkeit, 
197 
dieser Bekehrung von der Finsternis zum Licht, von der Macht 
Satans und dem Götzendienst zu Gott. Der Christ ist jetzt 
schon so wirklich zu Gott gebracht, als wäre er bereits im Himmel. Dies mag vielleicht manchem als zu extrem erscheinen, 
aber es ist eine gesegnete Wahrheit. Der Apostel Petrus sagt 
in bezug auf diesen Punkt: „Denn freilich hat Christus einmal 
für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß 
er uns" — in den Himmel bringe, wenn wir sterben? O nein, 
sondern: „auf daß er uns zu Gott führe", jetzt, in der gegenwärtigen Zeit. Ebenso lesen wir in Römer 5, 10. 11: „Denn 
wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden 
durch den Tod seines Sohnes, vielmehr werden wir, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden. Nicht allein aber 
das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn 
Jesum Christum, durch welchen wir jetzt die Versöhnung empfangen haben". Unser anbetungswürdiger Herr bringt alle, die 
an Seinen Namen glauben, in die Gegenwart Gottes, und zwar 
in Seiner eigenen vollkommenen Annehmlichkeit. Er bringt 
uns in dieselbe Stellung, die Er vor Gott hat. Er vereinigt uns 
mit Sich Selbst und läßt uns an allem teilnehmen, was Er hat 
und was Er ist, ausgenommen natürlich Seine Gottheit. Wir 
sind völlig mit Ihm einsgemacht. 
„Noch ein Kleines, und die Welt sieht mich nicht mehr, ihr 
aber sehet mich: weil ich lebe, werdet auch ihr leben". Und wiederum: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch! 
nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz werde nicht 
bestürzt, sei auch nicht furchtsam". „Dies habe ich zu euch 
geredet, auf daß meine Freude in euch sei und eure Freude 
völlig werde". „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der 
Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; aber ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, 
euch kundgetan habe" (Joh 14; 15). So lesen wir auch in jenem 
herrlichen Gebet des Herrn in Johannes 17: „Die Worte, die 
du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie 
angenommen und wahrhaftig erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin, und habe geglaubt, daß du mich gesandt hast. 
Ich bitte für sie, nicht bitte ich für die Welt, sondern für 
die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein, (und alles, was 
mein ist, ist dein, und was dein ist, mein) und ich bin in ihnen 
verherrlicht .. . Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die 
198 
Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind, gleichwie, 
ich nicht von der Welt bin . . . Gleichwie du mich in die Welt 
gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt . . . Und die 
Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, 
auf daß sie eins seien, gleichwie wir eins sind. Ich in ihnen, 
und du in mir, auf daß sie in eins vollendet seien, und auf daß 
die Welt erkenne, daß du mich gesandt und sie geliebt hast, 
gleichwie du mich geliebt hast. Vater, ich will, daß die, welche 
du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf daß sie 
meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du 
hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt. Gerechter Vater i 
— und die Welt hat dich nicht erkannt; ich aber habe dich erkannt, und diese haben erkannt, daß du mich gesandt hast. 
Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn 
kundtun, auf daß die Liebe, womit du mich geliebt hast, in 
ihnen sei und ich in ihnen". 
Höheres und Gesegneteres ist nicht auszudenken. Völlig 
einsgemacht zu sein mit dem Sohne Gottes, die Liebe zu teilen, 
mit der Er von dem Vater geliebt ist, teilzuhaben an Seinem 
Frieden, Seiner Freude und Seiner Herrlichkeit, das ist der 
höchste Charakter, das höchste Maß der Segnung, womit ein 
Geschöpf gesegnet werden kann. Errettet zu sein von den 
Schrecken einer ewigen Verdammnis, gereinigt, gewaschen, gerechtfertigt und in irgendeinem Charakter in den Himmel eingeführt zu sein, das wäre schon eine bewunderungswürdige 
Gnade, eine unermeßliche Güte und Liebe. Aber zu Gott gebracht zu sein in der ganzen Annehmlichkeit Seines geliebten, 
eingeborenen Sohnes, auf das innigste mit Ihm vereinigt zu 
sein in Seiner Stellung vor Gott und dereinst in Seiner Herrlichkeit, wahrlich, das ist etwas, was nur das Herz Gottes ausdenken und nur Seine Macht ausführen konnte. 
Dies alles ist also eingeschlossen in der Bekehrung, von der 
wir sprechen. So herrlich ist die Gnade Gottes, so groß die 
Liebe, mit der Er uns geliebt hat, als wir noch tot waren in 
Vergehungen und Sünden, Feinde nach unserer Gesinnung in 
den bösen Werken, als wir mancherlei Lüsten und Wollüsten 
dienten, als wir Götzendiener, blinde Sklaven Satans und Kinder des Zorns waren und den breiten Weg wandelten, der in 
der ewigen Verdammnis endet. 
199 
Doch das Köstlichste von allem ist, daß es sowohl den Namen 
Gottes verherrlicht, als auch Sein Herz erfreut, uns in diesen 
Platz unaussprechlicher Segnung, Liebe und Herrlichkeit einzuführen. Die Liebe Seines Herzens würde es nicht befriedigen, 
uns einen niedrigeren Platz zu geben, als Seinem eigenen Sohn. 
Der Apostel konnte im Blick auf diesen wunderbaren Reichtum 
der Gnade wohl ausrufen: „Gepriesen sei der Gott und Vater 
unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit jeder 
geistlichen Segnung in den himmlischen örtern in Christo, wie 
er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, daß 
wir heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe; und uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich 
selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der 
Herrlichkeit seiner Gnade, worin er uns begnadigt hat in dem 
Geliebten, in welchem wir die Erlösung haben durch sein Blut, 
die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum Seiner 
Gnade" (Eph i, 3—7). 
Welch eine unergründliche Liebe, welch eine Fülle von Segnung finden wir hier! Es ist der Vorsatz Gottes, Sich in den 
endlosen Zeitaltern der Ewigkeit durch Seine Wege und Handlungen mit uns zu verherrlichen. Er will angesichts des ganzen 
Weltalls den überschwenglichen Reichtum Seiner Gnade in 
Güte gegen uns in Christo Jesu erweisen. Unsere Vergebung 
und Rechtfertigung, unsere vollkommene Befreiung, unser Angenehmsein vor Gott, alle die Segnungen, die uns in Christo 
Jesu geschenkt sind, alles das wird in den kommenden Zeitaltern zur Entfaltung der göttlichen Herrlichkeit dienen. Es 
würde, wie bereits bemerkt, den Ansprüchen der Herrlichkeit 
Gottes nicht genügen und den Zuneigungen Seines Herzens 
nicht entsprechen, wenn wir einen anderen Platz einnähmen, 
als Sein geliebter Sohn. 
Dies alles ist so wunderbar, daß es fast unglaublich erscheint. 
Jedoch es ist Gottes würdig, und es ist Sein Wohlgefallen, in 
dieser Weise gegen uns zu handeln. Das ist genug 'für uns. 
Sicher wäre es zu groß und zu herrlich, ja unmöglich, wenn wir 
es selbst erlangen oder erwerben sollten, aber es ist nicht zu 
groß für Gott, um es uns zu schenken. Er handelt mit uns nach 
der Liebe Seines Herzens und auf Grund der Würdigkeit Christi. Der verlorene Sohn mochte bitten, ihn zu einem Tagelöhner 
200 
zu machen; aber dies war völlig unmöglich. Es wäre nicht den 
Gefühlen des Vaterherzens entsprechend gewesen, ihn als einen 
Tagelöhner in seinem Hause zu haben. Er mußte als Sohn dort 
sein, oder gar nicht. Handelte es sich um unser Verdienst, so 
würden wir ebensowenig auf den Platz eines Tagelöhners Anspruch machen können, als auf den eines Sohnes. Aber, Gott 
sei gepriesen! Er handelt nicht nach unseren Verdiensten, sondern nach der überströmenden Liebe Seines Herzens und zum 
Preise der Herrlichkeit Seines Namens. 
Das also ist wahre Bekehrung. Wir sind zu Gott gebracht, 
und nichts weniger als das. Wir sind nicht allein von unseren 
Götzen, welcher Art sie auch sein mochten, bekehrt worden, 
sondern wir sind tatsächlich in die Gegenwart Gottes Selbst 
gebracht, um unsere Freude in Ihm zu finden, uns Seiner zu 
rühmen, mit Ihm zu wandeln, alle unsere Quellen in Ihm zu 
haben, uns zu laben an dem unerschöpflichen Born seiner 
Liebe und in Ihm eine vollkommene Antwort auf alle unsere 
Bedürfnisse und Schwierigkeiten zu finden, so daß unsere 
Seelen für immer und ewig befriedigt sind. 
Sollten wir nun zu den Götzenbildern zurückkehren? Nimmermehr! Haben wir irgendein Verlangen nach den Dingen, 
die uns früher beschäftigten? Wenn wir unsere Stellung und 
unser Teil in Christo kennen und verwirklichen, sicher nicht. 
Hatte der verlorene Sohn noch irgendein Verlangen nach den 
Schweinen und ihren Trabern, als er in den Armen des Vaters 
lag, als er mit dem besten Kleide angetan war und am Tisch 
des Vaters saß? Das können wir unmöglich glauben. Wir können uns nicht denken, daß seinen Lippen ein einziger Seufzer 
nach dem fernen Lande entschlüpft sei, als er sich in jenem 
herrlichen und gesegneten Haus der Liebe befand. Ach! leider 
gibt es heutzutage so viele, die bekennen, bekehrt zu sein, und 
auch eine Zeitlang gut vorangehen, wie es scheint, die dann 
aber bald beginnen, kälter und kälter, rriüde und unzufrieden 
zu werden. Das Werk in ihren Seelen war kein wirkliches. Sie 
waren nicht in Wahrheit zu Gott gebracht. Sie mögen in etwa 
ihre Götzenbilder für eine Zeitlang aufgegeben haben, aber 
Gott Selbst haben sie nicht erreicht. Sie haben nie in Ihm ein 
Teil gefunden, das ihre Herzen befriedigte, haben nie die 
wahre Bedeutung der Gemeinschaft mit Ihm erkannt, nie die 
201 
Befriedigung und die Ruhe des Herzens in Christo geschmeckt. 
Das arme, unbefriedigte Herz begann daher nach Verlauf einiger Zeit sich wieder nach der Welt zu sehnen; sie gingen zurück 
und verfielen in größerem Maße als je in ihre Torheiten und 
Eitelkeiten. 
Solche Fälle sind sehr betrübend und entmutigend. Sie bringen große Schmach auf den Namen Christi und dienen ängstlich forschenden Seelen oft zum Hindernis. Doch sie verändern 
nichts an der Wahrheit; sie lassen die Frage der göttlichen Bekehrung unberührt. 
Je mehr wir uns mit 1. Thess i, g beschäftigen, um so mehr 
müssen wir die Tiefe, Fülle und Kraft dieses Verses bewundern. 
Wieviel ist in den wenigen Worten: „von den Götzenbildern 
zu Gott bekehrt" enthalten! Verstehen wir wirklich ihre volle 
Bedeutung und Kraft? Es ist eine herrliche Sache für die Seele, 
zu Gott gebracht zu sein, Ihn zu kennen als unseren Zufluchtsort in allen unseren Schwachheiten und Nöten, als die Quelle 
unserer Freude, als unsere Kraft und unseren Schild, unseren 
Führer und Tröster, als unser alles in allem, ganz und gar auf 
Ihn geworfen und von Ihm abhängig zu sein. 
Mein lieber Leser, kennt dein Herz die Köstlichkeit aller 
dieser Dinge? Wenn du ein Kind Gottes, eine wahrhaft bekehrte Seele bist, so ist es dein glückseliges Vorrecht, sie zu 
kennen, und du solltest ohne sie nicht zufrieden sein. Nichts 
arideres kann das menschliche Herz zufrieden und glücklich 
machen, als Gott allein. Die ganze Welt ist nicht imstande, die 
Wünsche des Herzens zu befriedigen und seine Begierden zu 
stillen. Besäßen wir alle Reichtümer und Schätze der Welt und 
ständen uns alle Genüsse, die der Reichtum bieten kann, zu 
Gebote, das Herz würde dennoch mehr verlangen; es würde 
stets eine traurige Leere zurückbleiben, die nichts auf Erden 
ausfüllen kann. 
Betrachten wir die Geschichte Salomos. Hören wir ihn seine 
eigenen Erfahrungen mitteilen: „Ich, Prediger, war König über 
Israel zu Jerusalem. Und ich richtete mein Herz darauf, alles mit 
Weisheit zu erforschen und zu erkunden, was unter dem Himmel geschieht: ein übles Geschäft, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich damit abzuplagen. Ich habe alle die 
202 
Taten gesehen, welche unter der Sonne geschehen, und siehe, 
alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind. Das Krumme 
kann nicht gerade werden, und das Fehlende kann nicht gezählt 
werden. Ich sprach in meinem Herzen und sagte: Siehe, ich habe 
Weisheit vergrößert und vermehrt über alle hinaus, die vor 
mir über Jerusalem waren, und mein Herz hat Fülle von Weisheit und Erkenntnis gesehen; und ich habe mein Herz darauf 
gerichtet, Weisheit zu erkennen, und Unsinn und Torheit zu erkennen: ich habe erkannt, daß auch das ein Haschen nach 
Wind ist. Denn bei viel Weisheit ist viel Verdruß; und wer 
Erkenntnis mehrt, mehrt Kummer. 
Ich sprach in meinem Herzen: Wohlan denn, ich will dich 
prüfen durch Freude, und genieße das Gute! Aber siehe, auch 
das ist Eitelkeit. Zum Lachen sprach ich, es sei unsinnig; und 
zur Freude, was sie denn schaffe! Ich beschloß in meinem Herzen, meinen Leib durch Wein zu pflegen, während mein Herz 
sich mit Weisheit benähme, und es mit der Torheit zu halten, 
bis ich sähe, was den Menschenkindern gut wäre, unter dem 
Himmel zu tun die Zahl ihrer Lebenstage. 
Ich unternahm große Werke: ich baute mir Häuser, ich 
pflanzte mir Weinberge; ich machte mir Gärten und Parkanlagen, und pflanzte darin Bäume von allerlei Frucht; ich machte 
mir Wasserteiche, um daraus den mit Bäumen sprossenden 
Wald zu bewässern. Ich kaufte Knechte und Mägde, und hatte 
Hausgeborene; auch hatte ich ein großes Besitztum an Rindund Kleinvieh, mehr als alle, die vor mir in Jerusalem waren. 
Ich sammelte mir auch Silber und Gold und Reichtum der Könige und Landschaften; ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen, und die Wonnen der Menschenkinder: Frau und Frauen. 
Und ich wurde groß und größer, mehr als alle, die vor mir in 
Jerusalem waren. Auch meine Weisheit verblieb mir. Und was 
irgend meine Augen begehrten, entzog ich ihnen nicht; ich 
versagte meinem Herzen keine Freude, denn mein Herz hatte 
Freude von all meiner Mühe, und das war mein Teil von all 
meiner Mühe. Und ich wandte mich hin zu allen meinen Werken, die meine Hände gemacht, und zu der Mühe, womit ich 
wirkend mich abgemüht hatte; und siehe, das alles war Eitelkeit und ein Haschen nach Wind; und es gibt keinen Gewinn 
unter der Sonne" (Pred 1,12—28; 2, 1—1.1). 
203 
Das ist das Urteil über alle irdischen Hilfsquellen aus dem 
Munde eines Mannes, der alles besaß, was die Erde bieten 
kann, dem es vergönnt war, den Becher menschlicher und irdischer Freuden bis zur Neige zu leeren. Was war alles? „Eitelkeit und ein Haschen nach Wind". „Alle Dinge mühen sich ab: 
niemand vermag es auszusprechen; das Auge wird des Sehens 
nicht satt, und das Ohr nicht voll vom Hören" (Kap. 1, 8). Das 
arme menschliche Herz kann nimmermehr durch das befriedigt 
werden, was diese Erde ihm geben kann. Irdische Wasser können den Durst der unsterblichen Seele nicht löschen. Die Dinge 
dieser Erde könnten uns, selbst wenn sie unvergänglich wären, 
unmöglich wahrhaft glücklich machen. „Alles ist Eitelkeit und 
ein Haschen nach Wind". 
Jeder Mensch muß früher oder später die Wahrheit dieses 
Ausspruches erfahren. Der Mensch mag jetzt sein Ohr davor 
verschließen, er mag sich weigern, auf die warnende Stimme des 
Geistes zu lauschen, er mag sich einbilden, daß diese Welt ihm 
wahren Trost und wahres Glück verleihen könne, er mag auf 
das Eifrigste nach ihren Reichtümern, Ehren, Auszeichnungen 
und Vergnügungen haschen, aber er wird die Erfahrung machen 
müssen, daß ihn nichts befriedigen kann, daß alles eitel ist. 
Wie schrecklich aber, wenn er zu spät zu dieser Erkenntnis 
kommt, wenn er, gleich dem reichen Mann in dem Gleichnis, 
seine Augen öffnet in der Qual des ewigen Feuers! Wer könnte 
die Schrecken einer Seele beschreiben, die sich für ewig aus der 
Gegenwart Gottes verbannt und in die äußerste Finsternis, an 
den Ort versetzt sieht, wo das Weinen, das Heulen und das 
Zähneknirschen ist? Schon der Gedanke daran ist erschütternd. 
Was aber wird die Wirklichkeit sein? Was wird es sein, sich 
einst in den folternden Qualen der Hölle wiederzufinden, an der 
anderen Seite jener unübersteiglichen Kluft, wo niemals ein 
einziger Hoffnungsstrahl die dichte, schreckliche Finsternis der 
Ewigkeit durchdringen wird? Ach! wenn doch die Menschen 
beizeiten an diese schrecklichen Dinge denken und dem kommenden Zorn entfliehen möchten, ehe es zu spät ist! Aber ach! 
der Gott dieser Welt hat ihren Sinn verblendet, „damit ihnen 
nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit 
des Christus, welcher das Bild Gottes ist". Er beschäftigt sie mit 
allerlei Dingen, damit sie nur das eine, was not ist, vergessen. 
204 
Doch kehren wir zu unserem Gegenstand zurück. Es ist unser 
sehnlicher Wunsch, dem christlichen Leser ans Herz zu legen, 
wie außerordentlich wichtig es ist, alle seine Hilfsquellen in 
dem lebendigen Gott zu finden. Wir haben uns nur einen Augenblick von diesem Punkt entfernt, um jeden Unbekehrten 
und Sorglosen, dem diese Zeilen in die Hände fallen möchten, 
ein Warnungswort zuzurufen. Wir bitten ihn ernstlich, sich zu 
Gott zu wenden. Den christlichen Leser aber bitten wir, eine 
tiefere Bekanntschaft mit dem Gott zu suchen, zu Dem er durch 
die Gnade bekehrt worden ist. Wir fühlen mehr und mehr, wie 
nötig es ist, daß die Christen in ihrem täglichen Leben beweisen, 
daß sie in Gott vollkommene Ruhe für ihr Herz gefunden 
haben. Dies ist im Verkehr mit der Welt sehr wichtig. Es ist 
ein großer Gewinn, wenn wir durch die Gnade befähigt sind, 
der Welt zu sagen, daß wir unabhängig von ihr sind; aber wir 
können dies nur, wenn wir uns stets bewußt sind, was wir in 
Gott haben. Dies verleiht unserem ganzen Verhalten eine moralische Erhabenheit. Es befreit uns völlig von unserer Neigung, 
uns auf menschliche Stützen zu lehnen und zu menschlichen 
Hilfsquellen unsere Zuflucht zu nehmen. Wir haben uns hierin 
wohl alle mehr oder weniger anzuklagen. Wie sehr sind wir 
geneigt, bei unseren Mitmenschen Hilfe, Rat und Trost zu 
suchen, statt unsere Blicke sogleich und ausschließlich auf Gott 
zu richten! Dies ist bei uns ein ernster Fehler. Dem Grundsatz 
nach vergessen wir dann die Quelle des lebendigen Wassers 
und hauen uns geborstene Zisternen aus, die kein Wasser halten (Jer 2,13). Was haben wir zu erwarten? Was muß die Folge 
sein? Trockenheit und Dürre. Unser Gott wird in Seiner großen 
Treue erlauben, daß unsere Mitmenschen uns im Stich lassen, 
um uns dadurch zu zeigen, wie töricht es ist, sich auf einen 
Arm von Fleisch zu stützen. 
Hören wir, was der Prophet über diese wichtige Frage in 
bezug auf unseren praktischen Wandel sagt: „So spricht Jehova: Verflucht ist der Mann, der auf den Menschen vertraut 
und Fleisch zu seinem Arm macht, und dessen Herz von Jehova 
weicht! Und er wird sein wie ein Entblößter in der Steppe und 
nicht sehen, daß Gutes kommt; und an dürren örtern in der 
Wüste wird er wohnen, in einem salzigen und unbewohnten 
Lande. Gesegnet" — beachten wir wohl diesen großen Gegensatz — „ist der Mann, der auf Jehova vertraut und dessen Ver205 
trauen Jehova ist! Und er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bache seine Wurzeln ausstreckt und 
sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt. Und sein Laub ist 
grün, und in einem Jahre der Dürre ist er unbekümmert und 
er hört nicht auf, Frucht zu tragen" (Jer i_j, 3—8). 
Es ist überaus köstlich, sich auf den Arm des lebendigen 
Gottes zu stützen, zu allen Zeiten, an allen Orten und unter 
allen Umständen seine Zuflucht und Hilfe in Ihm zu finden. 
Er täuscht nimmermehr ein Herz, das auf Ihn vertraut. Er wird 
uns nie im Stich lassen. Vielleicht hält Er es für gut, uns eine 
Zeitlang auf die Beantwortung unseres Rufens warten zu lassen; aber die Zeit, die wir im Warten zubringen, ist wohl verbracht, und wenn die Antwort dann kommt, so sind unsere 
Herzen mit Lob und Dank erfüllt, und wir sind fähig, zu sagen: 
„Wie groß ist deine Güte, welche du aufbewahrt hast denen, die 
dich fürchten; gewirkt für die, die auf dich trauen, angesichts 
der Menschenkinder" (Ps 31,19)! 
Es ist eine herrliche Sache, fähig zu sein, angesichts der 
Menschenkinder auf Gott zu vertrauen und Seine Allgenugsamkeit für alle unsere Bedürfnisse zu bekennen. Doch dies 
muß eine Wirklichkeit und nicht ein bloßes Bekenntnis sein. Es 
hat keinen Wert, davon zu reden, daß wir uns auf Gott stützen, wenn wir zu gleicher Zeit in der einen oder anderen Weise 
auf einen armen Sterblichen blicken, um von ihm Hilfe zu erlangen. Aber ach! wie oft betrügen wir uns in dieser Weise! 
Während wir die Sprache des Vertrauens auf Gott reden, blikken wir auf einen Menschen und tun ihm unsere Bedürfnisse 
kund. Wir täuschen uns selbst und verunehren Gott; und das 
Ende ist immer Enttäuschung und Beschämung des Angesichts. 
Erwägen wir diese Sache mit allem Ernst und mit aller Aufrichtigkeit, mein lieber christlicher Leser! Laßt uns die wahre 
Bedeutung jener kostbaren Worte: „Zu Gott bekehrt" zu verstehen suchen! Sie enthalten, wenn wir so sagen dürfen, das 
eigentliche Wesen wahrer Glückseligkeit und Heiligkeit. Wenn 
das Herz in Wahrheit zu Gott bekehrt ist, hat es das göttliche 
Geheimnis des Friedens, der Ruhe und der vollkommensten 
Befriedigung entdeckt; es findet sein Alles in Gott. Befinde ich 
mich in irgendeiner Schwierigkeit? Ich kann zu Gott aufschauen, 
um von Ihm geleitet zu werden. Er hat verheißen, mich mit 
206 
Seinen Augen zu leiten. Und welch ein vollkommener Führer 
ist Er! Er sieht das Ende von Anfang an. Er kennt alle meine 
Verhältnisse und Beziehungen. Er ist ein untrüglicher Führer. 
Seine Weisheit kann nie irren, und überdies liebt Er mich vollkommen. Wo könnte ich einen besseren Führer finden? 
Bin ich in Not? Ich kann damit zu Gott gehen. Er ist der Besitzer des Himmels und der Erde. Die Schätze des Weltalls 
stehen zu Seiner Verfügung. Er kann mir helfen, wenn Er es 
für gut befindet; und wenn dies nicht der Fall ist, so wird die 
Trübsal viel besser für mich sein, als die Befreiung von ihr. 
„Mein Gott wird alle eure Notdurft erfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christo Jesu" (Phil 4, ig). Ist das nicht 
genug? Warum sollte ich mich nach menschlichen Hilfsquellen 
umsehen? Gott hat Sich verpflichtet, für alle meine Bedürfnisse, 
seien sie noch so groß, noch so zahlreich und mannigfaltig, zu 
sorgen. „Er, der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont, 
sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie wird er uns mit 
ihm nicht auch alles schenken"? 
Sicher gebraucht Gott Seine Geschöpfe als Werkzeuge, um 
uns in Zeiten der Not zu helfen; aber das ist etwas ganz anderes. Der Apostel konnte sagen: „Der aber die Niedrigen tröstet, 
Gott, tröstete uns durch die Ankunft des Titus". Paulus erwartete Trost von Gott, und Gott sandte Titus, um ihn zu 
trösten. Hätte Paulus auf Titus geblickt, so wäre er «icher getäuscht worden. So ist es stets. In allen unseren Schwierigkeiten und Nöten sollte daher unser Auge einzig und allein 
auf Gott gerichtet sein. Wir haben uns von den Götzenbildern 
„zu Gott" bekehrt, und Er sollte in allen Umständen unser einziger Zufluchtsort sein. Wir können uns zu Ihm wenden um 
Rat, um Hilfe, um Leitung, um Mitleid, mit einem Wort, um 
alles, was wir bedürfen. „Nur auf Gott vertraue still meine 
Seele! denn von ihm kommt meine Erwartung. Nur er ist mein 
Fels und meine Rettung, meine hohe Feste — ich werde nicht 
wanken" (Ps 62, 5. 6). 
Aber, möchte jemand fragen, wird nicht diese Gewohnheit, 
auf Gott allein zu blicken, uns dazu bringen, die Kanäle, durch 
die Seine Gnade uns zufließt, zu unterschätzen? Gerade das 
Gegenteil. Wie könnte ich jemanden unterschätzen, der gerade207 
wegs von Gott zu mir kommt, um als Sein Werkzeug meine 
Bedürfnisse zu stillen? Unmöglich. Ich schätze ihn als einen 
Kanal, jedoch ohne mich zu ihm als zu einer Hilfsquelle zu 
wenden. Dies macht den ganzen Unterschied aus. Wir dürfen 
nie vergessen, was wahre Bekehrung bedeutet; wir sind zu Gott 
gebracht, und wenn dies der Fall ist, so ist es in Ordnung, daß 
wir in Ihm einen vollkommenen Gegenstand für das Herz und 
eine vollkommene Hilfsquelle in allen unseren Umständen finden. 

Wir gehen jetzt dazu über, die praktische Seite unseres Gegenstandes zu betrachten. Sie ist in den Worten enthalten: 
„dem lebendigen und wahren Gott zu dienen". Dies is-t für 
jeden Gläubigen sehr von Bedeutung. Wir sind berufen, „zu 
dienen". Unser ganzes Leben, von dem Augenblick unserer Bekehrung bis zum Ende unserer irdischen Laufbahn, sollte durch 
den Geist eines wahren, ernsten und einsichtsvollen Dienstes 
gekennzeichnet sein. Dies ist unser hohes Vorrecht, ja, unsere 
heilige Pflicht. Es macht nichts aus, wie groß oder klein der 
Kreis unserer Tätigkeit ist, oder was für einen Lebensberuf wir 
haben; sind wir bekehrt, so haben wir eins zu tun, nämlich 
Gott zu dienen. Sollte es etwas in unserem Beruf geben, das mit 
dem geoffenbarten Willen Gottes und der unmittelbaren Belehrung Seines Wortes im Widerspruch steht, so müssen wir 
dies aufgeben, koste es, was es wolle. Der erste Schritt eines 
gehorsamen Dieners besteht darin, eine falsche Stellung zu verlassen, sich abzuwenden von dem Bösen. 
Wir sind berufen, Gott zu dienen, und alles muß mit diesem 
Maßstab gemessen und geprüft werden. Der Christ hat sich nur 
die eine Frage vorzulegen: „Kann ich die Pflichten, die mit 
meiner Stellung verbunden sind, erfüllen zur Verherrlichung 
Gottes?" Wenn nicht, so muß er sie aufgeben. Wenn wir den 
Namen Gottes mit unserem Beruf nicht verbinden können, so 
müssen wir — wenn wir mit Gott zu wandeln wünschen und 
Ihm wohlgefällig zu leben begehren, den Beruf verlassen und 
Gott bitten, daß Er uns einen Pfad öffne, auf dem wiir zu 
Seinem Preise wandeln können. 
208 
Er wird dies tun, gepriesen sei Sein Name! Er läßt eine Seele, 
die auf Ihn vertraut, nie zuschanden werden. Alles, was wir zu 
tun haben, ist, uns mit Herzensentschluß an Ihn zu klammern, 
und Er wird den Weg für uns bahnen. Der mag uns eng, rauh 
und einsam scheinen, doch unsere einfache Aufgabe ist, vor 
Gott zu stehen und nicht eine Stunde lang mit etwas in Verbindung zu bleiben, das mit Seinem geoffenbarten Willen im 
Widerspruch steht. Ein zartes Gewissen, ein einfältiges Auge 
und ein unterwürfiges Herz werden manche Frage entscheiden, 
manche Schwierigkeit lösen und manches Hindernis aus dem 
Wege räumen. Schon die Triebe der göttlichen Natur werden, 
wenn wir ihnen nur erlauben zu wirken, uns aus mancher Verlegenheit heraushelfen. „Die Lampe des Leibes ist das Auge, 
wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht 
sein". Wenn unser Herz warm für Christum und für Seine 
Sache schlägt, für Seinen Namen, für den Dienst Gottes, so 
schließt der Heilige Geist der Seele die kostbaren Schätze göttlicher Offenbarung auf und ergießt eine Flut lebendigen Lichtes über das Verständnis, so daß wir den Weg des Dienstes so 
klar wie die Sonne vor uns sehen und ihn nur mit festem Tritt 
zu wandeln brauchen. 
Wir dürfen für keinen Augenblick vergessen, daß wir bekehrt sind, um Gott zu dienen. Die Offenbarung des Lebens, 
das wir besitzen, muß stets die Form eines dem lebendigen und 
wahren Gott geweihten Dienstes annehmen. In unserem unbekehrten Zustand beteten wir Götzenbilder an und dienten 
mancherlei Lüsten und Vergnügungen; jetzt dagegen beten wir 
Gott an im Geiste, und sind berufen, Ihm. aus allen Kräften zu 
dienen. Wir haben uns zu Gott bekehrt, um in Ihm unsere volle 
Ruhe und Befriedigung zu finden. Er hat in Christo, dem Sohne 
Seiner Liebe, alles niedergelegt, was die Wünsche des neuen 
Lebens in uns befriedigen kann. Es ist unser Vorrecht, durch 
den Glauben Christum in unseren Herzen wohnend zu haben 
und in Liebe gewurzelt und gegründet zu sein, auf daß wir 
völlig zu erfassen vermögen mit allen Heiligen, welches die 
Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei, und zu erkennen die 
die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, auf daß wir 
erfüllt sein mögen zu der ganzen Fülle Gottes (Eph 3, 17—19). 
So erfüllt, befriedigt und gestärkt, sind wir berufen, uns 
selbst mit Geist, Seele und Leib dem Dienst Christi zu weihen 
209 
und fest, unbeweglich, allezeit überströmend zu sein in dem 
Werke des Herrn. Wir sollten nichts anderes in dieser Welt zu 
tun haben. Was nicht getan werden kann als ein Dienst für 
Christum, sollte ganz unterbleiben. Dies macht die Sache außerordentlich einfach. Es ist unser köstliches Vorrecht, alles im 
Namen des Herrn und zum Preise Gottes zu tun. Man spricht 
zuweilen von einer weltlichen Berufung, im Gegensatz zu einer 
heiligen. Doch wir glauben nicht, daß es richtig ist, einen solchen Unterschied zu machen. Paulus machte Zelte und pflanzte 
Versammlungen, aber in beidem diente er dem Herrn Jesu. 
Alles, was ein Christ tut, sollte heilig sein, weil es als ein Dienst 
für Gott getan wird. Würden wir hieran stets denken, so würde 
es uns befähigen, die allereinfachsten Pflichten unseres täglichen Lebens mit dem Herrn Selbst in Verbindung zu bringen 
und ihnen so eine heilige Würde und ein tiefes Interesse zu verleihen. Wir würden, statt in den Pflichten unseres Berufs ein 
Hindernis für unsere Gemeinschaft mit Gott zu erblicken, sie zu 
einer Gelegenheit machen, um auf Seine Unterweisung und 
Leitung zu warten und sie dann in einer Weise zu erfüllen, daß 
Sein heiliger Name verherrlicht wird. 
Der Dienst Gottes ist in der Tat eine viel einfachere Sache, 
als wir oft denken. Er besteht nicht darin, daß wir große Taten 
ausführen, die über die Grenzen des uns von Gott angewiesenen Wirkungskreises hinausgehen. Nehmen wir als Beispiel 
eine Dienstmagd. Wie kann sie dem lebendigen und wahren 
Gott dienen? Sie kann nicht umhergehen und Besuche machen, 
um dem einen oder anderen das Evangelium zu verkündigen. 
Ihr Wirkungskreis liegt im Hause ihres Herrn. Wenn sie anfinge, von Haus zu Haus zu laufen, so würde sie tatsächlich das 
ihr von Gott übertragene Werk vernachlässigen. Lauschen wir 
auf die folgenden Worte des Apostels: „Die Knechte ermahne, 
ihren eigenen Herren unterwürfig zu sein, in allem sich wohlgefällig zu machen, nicht zu widersprechen, nichts zu unterschlagen, sondern alle gute Treue zu erweisen, auf daß sie die 
Lehre unseres Heilandes Gottes zieren in allem" (Tit 2, 9. 10). 
Wir sehen hieraus, daß ein Diener durch Gehorsam, Niedriggesinntheit (Demut) und Ehrlichkeit die Lehre Gottes ebenso 
gut zieren kann, wie ein Evangelist, der die ganze Welt bereist, 
um sich seines hohen und heiligen Auftrages zu entledigen. 
210 
Und weiter lesen wir: „Ihr Knechte, gehorchet den Herren nach 
dem Fleische mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens, 
als dem Christus; nicht mit Augendienerai, als Menschengefällige, sondern als Knechte Christi, indem ihr den Willen Gottes 
von Herzen tut, und mit Gutwilligkeit dienet, als dem Herrn 
und nicht den Menschen, da ihr wisset, daß, was irgend ein 
jeder Gutes tun wird, er dies vom Herrn empfangen wird, er 
sei Sklave oder Freier" (Eph 6, 5—8). 
Wie lieblich ist dies alles! Welch ein weites Feld eröffnen 
diese Worte für unseren Dienst! Aber ach! wo finden wir heutzutage diese Einfalt des Herzens? Wo diese Furcht und dieses 
Zittern? Wo einen solch hingebenden Dienst? Ach! wir entdecken überall Hochmut, Eigenwillen, Selbstgefälligkeit und 
Eigennutz. Wie sehr müssen diese Dinge den Herrn verunehren 
und Seinen Heiligen Geist betrüben! Möchten unsere Seelen 
zu einem tiefen Gefühl darüber erwachen, was solchen geziemt, 
die berufen sind, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen! 
Ist es nicht für jeden wahren Christen ein besonderer Beweis 
der Gnade Gottes, daß er Ihm dienen und Ihn verherrlichen 
kann, selbst in den gewöhnlichsten häuslichen Pflichten? Wäre 
es nicht so, was würde aus neunundneunzig unter hundert 
Christen werden? Ist es nicht unaussprechlich gesegnet für uns, 
zu wissen, daß unser Gott Sich in Seiner Gnade herabläßt, 
Seinen Namen und Seine Herrlichkeit mit den niedrigsten 
Pflichten zu verbinden, die in unserem gewöhnlichen Familienleben auf uns ruhen? Dies verleiht allem, was wir tun, von 
morgens früh bis abends spät, wahres Interesse und eine ungeahnte Bedeutung. „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als 
dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisset, daß ihr vom 
Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dienet 
dem Herrn Christo" (Kol 3, 23. 24). Hierin liegt das Geheimnis 
der ganzen Sache. Ach! möchte es mehr unter uns verwirklicht 
und geoffenbart werden! Welch eine moralische Erhabenheit 
würde das dem ganzen christlichen Leben verleihen! Welch 
eine triumphierende Antwort würde es auf alle die Spötteleien 
und Spitzfindigkeiten des Unglaubens geben! Es hätte weit 
mehr Kraft als zehntausend der gelehrtesten Beweisgründe. 
Kein Beweis ist so kräftig und schlagend, als das ernste, ergebene, heilige und aufopfernde Leben eines Christen, und 
ein solches Leben kann selbst durch eine Person geoffenbart 
211 
werden, deren Wirkungskreis von den vier Wänden einer Küche 
begrenzt wird*). 
Das praktische Leben eines wahren Christen liefert aber nicht 
nur die beste Antwort auf die Spötteleien des Ungläubigen 
und die Einwürfe des Zweifelsüchtigen, sondern es begegnet 
auch in umfassender Weise den Behauptungen solcher, die den 
Christen unter das Gesetz bringen wollen. Wenn man uns vorwirft, daß wir nicht zu Werken anspornen und darüber predigen, so fragen wir einfach: Wozu sollen wir dies tun? Der unbekehrte Mensch kann gar keine Werke tun, ausgenommen 
„böse Werke" oder „tote Werke". Alle seine Gedanken, Worte 
und Werke verdienen die ewige Pein und das Feuer, das nie 
erlischt. „Die im Fleische sind, können Gott nicht gefallen". 
Welchen Zweck könnte es haben, solchen „Werke" zu verkündigen? Es kann sie nur irreführen, täuschen und verblenden. 
Eine wahre Bekehrung zu Gott muß stattfinden. Aber was 
hat der also Bekehrte denn zu tun? Er hat gewiß nicht zu wirken, um das Leben zu erlangen, denn er besitzt das ewige Leben 
als die freie Gabe Gottes durch unseren Herrn Jesum Christum. 
Er hat nicht zu wirken, um errettet zu werden, denn er ist 
schon errettet für alle Ewigkeit. Wozu ist er denn berufen? „Um 
dem lebendigen und wahren Gott zu dienen". Worin, wann 
und wo? In allen Dingen, zu allen Zeilen und an allen Orten. 
Der Bekehrte hat nichts anderes zu tun, als Gott zu dienen. 
Wenn er etwas anderes tut, so erweist er sich untreu gegen 
seinen Herrn und Meister, Der ihn, bevor Er ihn zum Dienste 
berief, mit dem Leben, der Gnade und der Kraft ausrüstete, 
wodurch der Dienst allein ausgeübt werden kann. 
*) Es ist bemerkenswert, daß der Apostel sowohl in Eph 6 als auch in Kol 3 
viel ausführlicher zu den Knechten redet, als zu irgendeiner anderen Klasse von 
Personen. In Titus 2 werden die Knechte sogar besonders hervorgehoben. Wir 
finden dort keine Anrede an die Gatten, noch an die Herren, noch an die Kinder. 
Wir denken nicht länger hierbei zu verweilen, können aber nicht umhin, die 
Aufmerksamkeit des Lesers darauf zu richten. Es ist eine Tatsache von hohem 
Interesse und belehrt uns, welch ein wichtiger Platz in der Christenheit gerade 
den Personen zugeteilt wird, die in jenen ersten Tagen der Geschichte der Kirche 
als Sklaven dienten. Der Heilige Geist trug besonders Sorge, sie zu belehren, 
wie sie sich in ihrem wichtigen Wirkungskreis verhalten sollten. Ein armer 
Sklave mochte denken, daß er von dem Dienste Gottes ausgeschlossen sei. Statt* 
dessen wird er in lieblicher Weise unterwiesen, durch einen einfältigen, treuen 
Dienst die Lehre seines Heiland=Gottes zieren und den Namen Jesu verherr= 
liehen zu können. Welch eine unübertreffliche Gnade offenbart sich in diesem 
allem [ 
212 
Ja, mein lieber Leser, der Christ ist berufen, zu dienen. Laßt 
uns dies nie vergessen. Er hat das Vorrecht, seinen Leib darzustellen als ein lebendiges Schlachtopfer, heilig, Gott wohlgefällig, welches sein vernünftiger Dienst ist (Röm 12, 1). Dies 
räumt alle Schwierigkeiten weg, bringt alle Einwürfe zum 
Schweigen und stellt alles an seinen richtigen Platz. Es handelt 
sich nicht darum, was ich tue, sondern wie ich es tue, nicht 
darum, wo ich mich befinde, sondern wie ich mich verhalte. Das 
Christentum, wie es im Neuen Testament entfaltet wird, ist der 
Ausdruck des Lebens Christi in dem Gläubigen, es ist Christus, 
dargestellt durch die Macht des Heiligen Geistes im täglichen 
Leben des Christen. Alles, was mit dem Christen in Beziehung 
steht, alles, was er sagt und tut, sollte die deutlichen Merkmale 
des Dienstes Gottes tragen. 
Es bleibt uns noch übrig, die letzten Worte unseres Kapitels 
einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Sie sind uns ein überzeugender Beweis von dem treuen und umfassenden Zeugnis 
des Apostels zu Thessalonich, sowie von der Wirklichkeit und 
Tiefe des Werkes in den jungen Bekehrten an jenern Orte. Sie 
hatten sich nicht nur von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, 
um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, sondern erwarteten auch „Seinen Sohn aus den Himmeln". 
Der Leser wolle dieser wichtigen Tatsache seine ganze Aufmerksamkeit zuwenden. Die glückselige Erwartung der Ankunft 
des Herrn bildete einen Hauptteil des Evangeliums, das Paulus 
predigte, und des Christentums derer, die durch seinen Dienst 
bekehrt worden waren. Dieser gesegnete Knecht Gottes predigte ein vollständiges Evangelium. Er verkündigte nicht nur, 
daß der Sohn Gottes in die Welt gekommen sei, um das große 
Werk der Versöhnung zu vollbringen und den ewigen Grund 
zur Ausführung der herrlichen Ratschlüsse Gottes zu legen, 
sondern auch, daß Er in den Himmel zurückgegangen ist und 
als der siegreiche, erhobene und verherrlichte Mensch Seinen 
Platz zur Rechten des Thrones Gottes eingenommen hat. Und 
daß Er wiederkommen wird, zunächst, um die Seinigen zu 
Sich zu nehmen und sie in das Haus Seines Vaters einzuführen, 
wo Er für sie einen Platz bereitet hat, und dann, um mit ahnen 
zu erscheinen und über Seine Feinde Gericht auszuüben, aus 
Seinem Reiche alle Ärgernisse zusammenzulesen, und die das 
213 
Gesetzlose tun, und Seine glorreiche Herrschaft aufzurichten 
von Meer zu Meer, von einem Ende der Erde bis zu dem anderen. Dies war nicht ein trockener, dürrer Lehrsatz, den man als 
einen Teil eines kraft- und wertlosen Glaubensbekenntnisses 
aufnehmen mußte, es war eine lebendige Wirklichkeit, eine 
mächtige moralische Kraft in der Seele, eine kostbare, reinigende, heiligende und erhebende Hoffnung, die das Herz vollständig von den Dingen dieser Erde losmachte und es antrieb, jeden 
Augenblick nach der Rückkehr unseres geliebten Herrn und 
Heilandes Jesu Christi auszuschauen, Der uns geliebt und Sich 
Selbst für uns dahingegeben hat. Es ist höchst interessant, zu 
bemerken, daß in den beiden Briefen an die Thessalonicher 
weit mehr von der Ankunft des Herrn die Rede ist und auf sie 
angespielt wird, als in allen anderen Briefen zusammengenommen. Dies ist um so bemerkenswerter, als sie die ersten Briefe 
sind, welche Paulus schrieb, und an eine Versammlung gerichtet 
wurden, die noch sehr jung im Glauben war. 
Wenn der Leser einen flüchtigen Blick auf diese kostbaren 
Schriften werfen will, so wird er finden, daß die Hoffnung der 
Ankunft des Herrn in jedes der acht Kapitel eingeführt und mit 
allerlei Gegenständen in Verbindung gebracht ist. Im ersten 
Kapitel wird sie dargestellt als der große Gegenstand, der stets 
vor dem Herzen eines jeden Christen stehen sollte, welcher Art 
auch seine Stellung und seine Beziehungen in dieser Welt sein 
mögen. Sie ist das glänzende Licht, das an dem Ende seiner 
langen Reise durch eine finstere und mühevolle Wüste scheint. 
„Ihr habt euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, dem 
lebendigen und wahren Gott zu dienen und zu erwarten" — 
Was zu erwarten? Die Zeit ihres Abscheidens? O nein, der 
Apostel denkt nicht im entferntesten daran. Der Tod ist für den 
Gläubigen zunichtegemacht und wird nie als der Gegenstand 
seiner Hoffnung dargestellt. Was sollten denn die Thessalonicher erwarten? „Seinen Sohn aus den Himmeln, den er aus 
den Toten auferweckt hat". 
Und beachten wir, welche schönen Worte der Apostel noch 
hinzufügt: „Jesum, der uns errettet von dem kommenden 
Zorn". Das ist die Person, welche wir erwarten, unser gepriesener Heiland, unser großer Befreier, Er, Der es unternahm, 
uns aus unserem hoffnungslosen Zustande zu erretten, Der aus 
214 
der Hand der göttlichen Gerechtigkeit um unseretwillen den 
Kelch des Zorns empfing und ihn für immer und bis auf den 
letzten Tropfen leerte, Der jede Wolke entfernte, so daß wir 
zum Himmel emporblicken können, ohne etwas anderes zu 
sehen, als den Glanz und die Größe Seiner Herrlichkeit und 
Liebe, die für alle Ewigkeit unser Teil sein werden. 
Wie gesegnet ist es, mein lieber christlicher Leser, allezeit, 
morgens, mittags, abends und nachts auszuschauen nach der 
Ankunft unseres teuren Erlösers! Wie würde es unsere Herzen 
von allem Sichtbaren trennen und über die nichtigen Dinge 
dieser Welt erheben, wenn wir an jedem Tage unsere Arbeit, 
möge sie bestehen, worin sie will, begännen mit dem köstlichen 
Gedanken, daß wir, ehe die Schatten der Nacht wieder herniedersinken, vielleicht emporgehoben werden in die Luft, um 
unserem geliebten Herrn zu begegnen! 
Ist dies der bloße Traum eines Fanatikers oder eines aufgeregten Schwärmers? Nein, es ist eine unvergängliche Wahrheit, die auf demselben Fundament ruht, wie das ganze Gebäude unseres Christentums. Ist es wahr, daß der Sohn Gottes 
in der Person des Jesus von Nazareth auf dieser unserer Erde 
wandelte? Ist es wahr, daß Er lebte und wirkte inmitten der 
Sünden und dem Elend einer armen, gefallenen Menschheit? 
Ist es wahr, daß Er seufzte und weinte und Sich im Geiste erschütterte unter dem Gefühl der Verwüstung, welche die Sünde 
in dieser Welt angerichtet hatte? Ist es wahr, daß Er an das 
Kreuz ging und dort Sich Selbst ohne Flecken Gott opferte, um 
die göttliche Majestät zu befriedigen, allen Ansprüchen des 
Thrones Gottes zu begegnen, die Werke des Teufels zu zerstören, die Mächte der Hölle öffentlich zur Schau zu stellen, 
die Sünde hinwegzutun durch das Schlachtopfer Seiner Selbst 
und die Sünden aller derer zu tragen, die von Beginn bis zum 
Ende der Zeitalter an Ihn glauben sollten? Ist es wahr, daß Er 
drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde lag und am 
ersten Tage der Woche, als das Haupt der neuen Schöpfung, 
triumphierend aus dem Grabe emporstieg und in den Himmel 
hinauffuhr, nachdem Er von mehr als fünfhundert Zeugen gesehen worden war? Ist es wahr, daß Er fünfzig Tage nach Seiner 
Auferstehung den Heiligen Geist herniedersandte, um Seine 
Apostel zu erfüllen und fähig zu machen, das Evangelium bis 
215 
an die Enden der Erde zu tragen? Ist es wahr, daß Er seit dem 
Pfingsttage bis zum gegenwärtigen Augenblick als ein Sachwalter beim Vater und als ein Hoherpriester bei Gott für Sein 
Volk tätig gewesen ist? 
Sind alle diese Dinge wahr? Ja, Gott sei Dank, sie sind alle 
göttlich wahr und werden uns in den Büchern des Neuen Testaments mit bewunderungswürdiger Klarheit, Kraft und Fülle 
mitgeteilt. Sie ruhen auf dem festen Fundament der Heiligen 
Schrift, -des Wortes Gottes, auf einem Fundament, das keine 
Mächte der Erde und Hölle jemals antasten können. Und auf 
diesem unerschütterlichen Fundament ruht auch die gesegnete 
Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn. So wahr es ist, daß 
unser Herr Jesus Christus als ein Säugling an der Krippe zu 
Bethlehem lag, daß Er aufwuchs zu einem Manne, daß Er umherging und Gutes tat, daß Er ans Kreuz genagelt und ins Grab 
gelegt wurde, daß Er Sich jetzt auf den Thron der Majestät in 
den Himmeln gesetzt hat, ebenso wahr ist es, daß Er wiederkommen wird, um die Seinigen zu Sich zu nehmen. Er kann 
heute noch kommen. Niemand weiß, wann Er kommen wird, 
aber es kann jeden Augenblick sein. Das einzige, was Ihn zurückhält, ist Seine Langmut, Liebe und Barmherzigkeit. Schon 
achtzehn Jahrhunderte lang hat Er gezögert und gewartet, und 
während dieser ganzen Zeit war die Seligkeit bereit, geoffenbart zu werden, und Gott war bereit, zu richten. Doch Er hat 
gewartet und wartet noch heute in Langmut und Geduld. 
Der Herr wird wiederkommen. Wir sollten allezeit in dieser 
Hoffnung leben. So belehrte der Apostel seine geliebten Thessalonicher. Er selbst lebte in dieser Hoffnung. Er brachte sie mit 
allem, was in seinem täglichen Leben vorkam, in Verbindung. 
Hören wir, was er sagt, wenn es sich für ihn darum handelte, 
die Frucht seiner Arbeit einzuernten: „Denn wer ist unsere 
Hoffnung oder Freude, oder Krone des Ruhms? Nicht auch ihr 
vor unserem Herrn Jesu bei seiner Ankunft" (Kap. 2)? An diesem Tage wird Er ihnen allen begegnen. Keinem Feinde wird es 
dann noch erlaubt sein, diese Vereinigung zu hindern. „Deshalb 
wollten wir zu euch kommen (ich, Paulus, nämlich), einmal und 
zweimal und der Satan hat uns verhindert". Wie wunderbar 
und geheimnisvoll ist das! Aber dennoch war es so. Satan hinderte in den Tagen Daniels einen Engel Gottes an der Ausfüh216 
rung seines Auftrags und er hinderte zu jener Zeit einen Apostel Christi an der Erfüllung seines Lieblingswunsches, seine 
Brüder zu Thessalonich zu besuchen. Aber Gott sei Dank, er 
wird nicht imstande sein, die freudige Vereinigung Christi und 
der Seinigen, auf die wir warten, zu verhindern. Welch ein 
Augenblick wird das sein! Welche freudigen ErkennungsSzenen! Doch vor allem anderen, was wird es sein, Ihn Selbst zu 
sehen, unseren Jesus, Sein freundliches Antlitz zu schauen und 
Sein Willkommen zu hören, Sein: „Wohl du guter und getreuer Knecht \" zu vernehmen. 
Welch eine kostbare, herzerquickende Hoffnung! Brauchen 
wir uns zu wundern, daß sie in den Gedanken und Belehrungen 
des Apostels einen so hervorragenden Platz einnahm? Immer 
wieder kommt er darauf zurück. Handelt es sich um Fortschritte 
in dem göttlichen Leben und praktischer Frömmigkeit, so sagt 
er: „Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der 
Liebe gegeneinander und gegen alle, (gleichwie auch wir gegen 
euch sind), um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen 
vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn 
Jesu mit allen seinen Heiligen" (Kap. 3). Beachten wir vor allem 
den Schluß dieser rührenden und schönen Worte: „Mit allen 
seinen Heiligen". Wie triumphiert diese Antwort über die 
Behauptungen derer, die uns glauben machen wollen, daß nicht 
alle Gläubigen an der Freude der herrlichen Ankunft des Herrn 
teilnehmen werden! Keiner der Erretteten wird fehlen, ungeachtet ihrer Unwissenheit und ihrer Irrtümer, ihrer Verirrungen, ihrer Mängel und Gebrechen. Unser gepriesener Erlöser 
wird keinen Seiner Geliebten ausschließen. 
Sollte diese unergründliche Gnade uns sorglos und gleichgültig imachen? Gott bewahre uns davor! Nein, gerade das ununterbrochene Bewußtsein der Gnade ist es, welches das Gefühl 
unserer heiligen Verantwortlichkeit in uns lebendig erhält, so 
daß wir alles verurteilen und richten, was in uns und in unseren 
Wegen mit den Gedanken und der Gesinnung Christi im Widerspruch steht. Und nicht nur das; die Hoffnung auf die Wiederkehr des Herrn muß, wenn sie in unseren Herzen lebendig 
und frisch erhalten bleibt, unseren ganzen Charakter und Wandel heiligen, reinigen und erheben. Nichts anderes ist so sehr 
dazu imstande. Keiner, der dem Herrn angehört, kann wirklich 
217 
in. der Hoffnung leben, seinen Herrn in jedem Augenblick zu 
sehen, und zu gleicher Zeit sein Herz an die Dinge dieser Welt 
hängen. Betrügen wir uns nicht selbst. Wenn wir täglich nach 
dem Sohn Gottes aus den Himmeln ausschauen, so werden die 
Dinge dieses Zeitlaufs keinen Wert für uns haben. Die Erwartung des Herrn ist nicht eine Sache des Kopfes, sondern des 
Herzens. Unser Verstand mag die Lehre von dem Kommen des 
Herrn völlig erfaßt haben, der ganze Kreis der prophetischen 
Wahrheit mag klar vor unserem Geistesauge liegen, ohne daß 
dadurch die geringste Wirkung auf das Herz, den Charakter 
und das praktische Leben ausgeübt wird. Aber es ist eine ganz 
andere Sache, wenn unser ganzes moralisches Sein, unser praktischer Wandel durch die freudige und gesegnete Hoffnung geleitet wird, Ihn zu sehen, Der uns liebt und uns von unseren 
Sünden in Seinem kostbaren Blute rein gewaschen hat. 
Gott gebe, daß dies mehr unter uns gefunden werden möchte! Es steht zu befürchten, daß viele von uns die Frische und 
Kraft unserer himmlischen Hoffnung verloren haben. Die 
Wahrheit von der Ankunft des Herrn ist uns als bloße Lehre 
so bekannt geworden, daß wir ganz geläufig darüber sprechen 
und mit anderen darüber streiten können, während zu gleicher 
Zeit unsere Handlungen, unser Betragen und unsere ganze Gesinnung demjenigen, was wir aufrechtzuhalten bekennen, geradezu widersprechen. 
Doch wir wollen diese betrübende und demütigende Seite 
unseres Gegenstandes nicht weiter verfolgen. Der Herr wolle 
gnädiglich auf uns blicken und unsere Seelen heilen, wiederherstellen und von neuem beleben. Möchte Er in den Herzen 
aller Seiner Geliebten die wahre Hoffnung des Christen wieder 
wachrufen, die Hoffnung, den glänzenden Morgenstern zu 
schauen! Möchte der Ausdruck unseres ganzen Herzens und 
Lebens sein: „Amen, komm, Herr Jesu!" 

218 
Unsere Freude im Himmel 
Lukas 9, 28—36 
Betrachten wir diesen Schriftabschnitt mit Bezug auf das 
Licht, das er uns über die Freude gibt, die im Himmel unser 
Teil sein wird. Das Zeugnis von 2. Petri 1,16 ermächtigt uns, zu 
sagen, daß die Szene, die wir hier vor uns haben, uns „dieMacht 
und Ankunft unseres Herrn Jesu Christi" darstellt, den Gegenstand unserer Erwartung. Unsere Seelen sind in keinem guten 
Zustande, wenn wir nicht den Sohn Gottes vom Himmel erwarten (1. Thess 1). Die Kirche wird in ihren Hoffnungen nicht 
durch das Wort und den Geist Gottes geleitet, wenn sie Jesum 
nicht als Heiland vom Himmel erwartet (Phil 3). Der Abschnitt, 
den wir hier betrachten, ist für uns in dieser Beziehung wichtig, 
weil er uns in besonderer Weise offenbart, was unser Teil sein 
wird, wenn Jesus kommt. Diese Stelle enthält viele andere 
Dinge, wie z. B. die gegenseitigen Beziehungen der irdischen 
und himmlischen Heiligen im Reiche, und es kann sehr lehrreich 
sein, sie zu betrachten; aber meine Absicht ist jetzt, zu erwägen, 
welches Licht uns die Verklärung auf dem Berge über das Wesen der Freude gibt, die bei dem Kommen und durch das Kommen unseres Herrn Jesu Christi unser Teil sein wird. Andere 
Stellen der Schrift, wie die Verheißungen, welche den Überwindern gegeben sind, in Kapitel 2 und 3 der Offenbarung, 
und die Beschreibung der himmlischen Stadt in Kapitel 21 und 
22 der Offenbarung verschaffen uns Licht über den nämlichen 
Gegenstand; doch betrachten wir jetzt den Vorgang, der sich 
auf dem heiligen Berge zutrug. 
„Es geschah aber bei acht Tagen nach diesen Worten, daß 
er Petrus und Johannes und Jakobus mitnahm und auf den 
Berg stieg, um zu beten. Und indem er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders und sein Gewand weiß, strahlend". Diese Veränderung fand statt, als Jesus Seine Abhängigkeit ausdrückte •— „als er betete". Das erste nun, was wir 
hier sehen, ist eine Verwandlung, wie diejenige, die sich an den 
lebendigen Hailigen vollziehen wird, wenn Jesus kommt. 
„Und siehe, zwei Männer redeten mit ihm, welche Moses 
und Elias waren". Sie waren bei Ihm: — und wir, wir werden 
auch diese Freude haben; wir werden bei Jesu sein. Im 4. Ka219 
pitel des ersten Briefes an die Thessalonicher ist uns die Ordnung angegeben, in welcher die Auferstehung der Toten in 
Christo und die Verwandlung der lebenden Heiligen stattfinden wird, und wir erfahren, daß wir zusammen entrückt 
werden in den Wolken dem Herrn entgegen in die Luft. Dann 
ist alles, was der Apostel über das hinzusetzt, was folgt, in die 
Worte zusammengefaßt: „Und also werden wir allezeit bei 
dem Herrn sein". 
In der vorliegenden Stelle heißt es nicht bloß, daß die zwei 
Männer bei Christo waren, sondern auch, daß sie in vertrautern 
Umgang mit Ihm standen: „Zwei Männer redeten mit ihm". 
Es heißt nicht, daß Er mit ihnen sprach, obwohl dies gewiß der 
Fall war; aber Er hätte mit ihnen sprechen und sie hätten Ihm 
nicht so nahe stehen können. Doch wenn wir lesen, daß sie mit 
Ihm sprachen, so bekommen wir dadurch die Vorstellung von 
einem sehr freien und vertrauten Umgang. Petrus und seine 
Genossen wußten, was es war, in solchem Verhältnis zu Jesu 
in der Niedrigkeit zu stehen; welche Freude muß es für sie 
gewesen sein, den Beweis zu haben, daß sie sich auch in der 
Herrlichkeit eines solchen Verhältnisses zu Ihm erfreuen würden! 
Lukas fügt hinzu: „Und sie erschienen in Herrlichkeit". Dies 
steht mit dem in Zusammenhang, was wir soeben gesehen 
haben. Wir lesen anfangs, daß sie bei Ihm waren, oind dann, 
daß sie in Herrlichkeit erschienen. Sie nehmen an der gleichen 
Herrlichkeit teil, in welcher Er erschien. Ebenso ist es mit uns: 
„Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, 
dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit". „Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich 
ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleich wie wir eins sind; 
ich in ihnen und du in mir, auf daß sie in eins vollendet seien, 
und auf daß die Welt erkenne, daß du mich gesandt und sie 
geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast". 
Aber es gibt noch einen anderen besonderen Umstand. Wir 
hören nicht nur, daß sie bei Ihm waren, daß sie mit Ihm sprachen und daß sie in Herrlichkeit mit Ihm erschienen, sondern 
wir erfreuen uns auch des Vorrechts, den Gegenstand ihrer Unterhaltung zu kennen. „Sie sprachen über seinen Tod, den er zu 
Jerusalem erfüllen sollte". Das Kreuz und die Leiden Christi, 
die Er in Jerusalem zu erdulden hatte, waren der Gegenstand 
220 
ihrer Unterredung in der Herrlichkeit. Und gewiß wird es auch 
unsere Freude sein, die ganze Ewigkeit hindurch, wenn wir in 
der Herrlichkeit bei Christi sein werden, mit diesem Gegenstand 
uns zu beschäftigen, mit Seinem Tode, der zu Jerusalem erfüllt 
wurde. 
Wir lesen weiter, daß Petrus und die, welche bei ihm waren, 
vom Schlaf beschwert waren. Wir sehen hier, was das Fleisch 
in der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes ist. Petrus irrte sehr; 
„er wußte nicht, was er sagte"; doch ich halte mich nicht bei 
diesem Punkte auf. 
„Als er aber dies sagte, kam eine Wolke und überschattete 
sie. Sie fürchteten sich aber, als sie in die Wolke traten; und 
es geschah eine Stimme aus der Wolke, welche sagte: Dieser ist 
mein geliebter Sohn, ihn höret". Petrus sagt uns, daß diese 
Stimme von der prachtvollen Herrlichkeit ausging. „Denn er 
empfing von Gott dem Vater Ehre und Herrlichkeit, als von 
der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: 
Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen 
gefunden habe". Petrus und die anderen waren nun in die 
Wolke eingegangen. Auch vor uns liegt diese wunderbare Tatsache, daß die Heiligen das Vorrecht besitzen, in der Herrlichkeit, woher die Stimme kommt, ihren Platz zu haben, und 
dort, in dieser Herrlichkeit, Anteil zu haben an dem 
Wohlgefallen des Vaters an Seinem geliebten Sohn. Wir sind 
nicht bloß zur Gemeinschaft Jesu Christi, des Sohnes Gottes, 
berufen, sondern auch, um Gemeinschaft zu haben mit dem 
Vater; Gott der Vater läßt uns teilnehmen an der Ruhe, die Er 
in Seinem geliebten Sohne gefunden hat. 
„Und indem die Stimme geschah, wurde Jesus allein gefunden". Die Erscheinung war völlig verschwunden, die Wolke, 
die Stimme, die Herrlichkeit, Moses und Elias; aber Jesus blieb, 
und die Jünger hatten ihren Weg mit Jesu weiter fortzusetzen, 
indem sie Ihn jetzt im Lichte dieser herrlichen Vorgänge, die 
sie mit ihren Augen gesehen hatten, kannten. Das ist es auch, 
wozu uns diese lebendigen Verwirklichungen geistlicher Dinge, 
deren wiir uns manchmal erfreuen, dienen. Nicht als ob wir uns 
ihrer immer mit Ausschluß aller anderen Dinge erfreuen könnten; aber wenn sie für eine Zeit vergangen sind, wie die Erscheinung auf dem heiligen Berge, dann lassen sie uns allein 
mit Jesu, um den Weg unserer Pilgrimschaft mit Ihm im Geiste 
221 
fortzusetzen, und zwar im Licht und in der Kraft dieser tieferen Erkenntnis Seiner Selbst und der Gemeinschaft der Freude 
des Vaters an Ihm, und um so den Augenblick zu erwarten, wo 
Er wiederkommen und wo sich dies alles in weit größerem 
Maße als unsere Herzen es auszudenken vermögen erfüllen 
wird. 
Gedanken 
Wenn du durch Trübsalstage gehst, dann bleibe in der Gegenwart Dessen, welcher der Gott alles Trostes ist und Der 
nicht erlauben wird, daß du über deine Kräfte versucht wirst. 
Du wirst dann finden, daß die Trübsal, die Er schickt, in Seinen Händen ein Mittel wird, um dich mehr und mehr Sein 
Herz erkennen zu lassen, das voll von Mitgefühl ist und stets in 
Liebe handelt; du wirst Ihm mehr für die bösen Tage danken 
können, als für die guten. 
Wenn du aber durch Tage der Ruhe gehst, dann suche noch 
inniger die Gemeinschaft des Herrn; denn in solchen Tagen 
wächst die Gefahr, weil sich dann leicht Gleichgültigkeit und 
Nachlässigkeit ins Herz einschleichen und die Dinge dieser 
Welt Interesse und Anziehungskraft gewinnen. 
Wenn man mit Ungläubigen spricht, sollte man sich, statt 
ihre Fragen zu beantworten, stets an ihre Gewissen wenden. 
So machte es der Herr. Als Ihn jemand fragte: „Herr, sind 
derer wenige, die errettet werden?" antwortete Er: „Ringet 
danach, durch die enge Pforte einzugehen" (Lk 13, 23. 24). 
Abraham weilte im Lande Kanaan als ein himmlischer Fremdling, der nicht hatte, worauf er seinen Fuß setzen konnte; Josua 
war dort als ein Kriegsmann, er kämpfte und nahm das Land 
mit Macht in Besitz. Auch wir sind hienieden himmlische 
Fremdlinge, wie Abraham, und zugleich kämpfende Kriegsleute, wie Josua. 
Als Gott den Menschen schuf, dachte Er an den zweiten 
Menschen; als Er Adam eine Hilfe machte, stand das Weib vor 
Ihm, das Christus Sich durch Seinen Tod erwerben sollte. Als 
Gott von dem Tempel Besitz nahm, den Salomo gebaut hatte, 
dachte Er an den Tempel, den Er Selbst bauen wollte, und zwar 
von lebendigen, auserwählten kostbaren Steinen, von allen 
denen, die an Christum glauben. 
222 
Abraham und Lot 
l. Mose 18; 19 
Dir Zerstörung Sodoras ist ein Vorbild von den Ereignissen, 
welche die Ankunft des Herrn begleiten werden. Die Bewohner 
jener Stadt handelten, als wenn die Welt ewig bestehen würde. 
Das ist auch heute noch die große Sünde der Welt und zeigt 
den Unglauben des Herzens (2. Petr 3). Der Mensch trifft alle 
möglichen Vorkehrungen für die Zukunft; und dennoch kann 
die Welt seit dem Tode Jesu nicht mit Sicherheit auf einen einzigen Tag rechnen. Gott wartet, bis die Gottlosigkeit der Erde 
ihren Höhepunkt erreicht hat, bevor Er Gericht ausübt. Die Welt 
benutzt dies zu ihrem Vorteil. „Weil das Urteil über böse Taten 
nicht schnell vollzogen wird, darum ist das Herz der Menschenkinder in ihnen voll, Böses zu tun" (Pred 8, 11). Dies ist der 
Grundsatz und die Praxis des Unglaubens; es war die Geschichte der Bewohner der Erde vor der großen Flut, wie die 
Geschichte der beiden Städte Sodom und Gomorra. 
Der Christ hat eigentlich nur einen Gegenstand, Christuni 
im Himmel; er ist daher berufen, in seinem Herzen von allem, 
was hier auf Erden ist, getrennt zu sein. Abraham ist, soweit 
er ein Fremdling und ein Pilger auf der Erde war, ein Vorbild 
der Gläubigen. Er sah die Verheißungen von ferne, war von 
ihrer Erfüllung überzeugt und bekannte, daß er ein Pilger hier 
sei (Hebr 10). Gott schämte Sich daher nicht, sein Gott genannt 
zu werden. Er würde sich schämen, solche als Sein Volk anzuerkennen, welche die Welt zu ihrem Vaterlande machen. „Und 
wenn sie an jenes gedacht hätten, von welchem sie ausgegangen 
waren, so hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren. Jetzt aber 
trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum 
schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden". 
Abraham hatte im Lande Kanaan nur einen Begräbnisplatz. Da 
er Gott treu nachfolgte, so nahm Gott ein besonderes Interesse 
an ihm; er wird „der Freund Gottes" genannt. In allen seinen 
Bewegungen gibt es nichts Ungewisses. Er verläßt Ur in Chaldäa und nachher mit allen den Seinigen Haran. „Sie zogen aus, 
um in das Land Kanaan zu gehen; und sie kamen in das Land 
Kanaan". 
223 
Auf der anderen Seite verließ Lots Weib wohl ihrem Leibe 
nach Sodom, ihr Herz aber blieb dort. Ihr Gericht wird durch 
den Herrn unserer besonderen Aufmerksamkeit empfohlen 
„Gedenket an Lots Weib". Welchem von diesen beiden Beispielen ist das Christentum zu vergleichen? Der Christ ist nicht in 
einem Zustande, den Gott anerkennen kann, wenn er nicht in 
Tat und Wahrheit dasselbe sagt, wie Abraham. 
Gott teilt Abraham Seine Gedanken mit, und Abraham beantwortet, so viel er vermag, diese Gnade, die ihm von Seiten 
Gottes zuteil wird. Er bittet nicht um etwas für sich wie im 15. 
Kapitel, sondern er übt Fürbitte für andere. Es gibt kaum eine 
lieblichere Szene, als die uns im Anfang des 18. Kapitels mitgeteilt wird, eine Szene, über die der Ungläubige die ganze 
Lauge seines Spottes ergießt; aber er gibt dadurch nur seine 
moralische Unfähigkeit zu erkennen, die gnädige Herablassung 
Gottes, Seinem „Freunde" gegenüber, zu würdigen. Abraham, 
gewöhnt an die Wege und Worte Gottes, fühlt bald die göttliche Gegenwart; doch er wartet ruhig, bis es dem Herrn ge 
fällt, Sich ihm zu offenbaren, und handelt inzwischen mit rührender und unwillkürlicher Ehrerbietung. 
Eine solche Vertrautheit war nicht nur durchaus passend für 
den Menschen in seiner Kindheit, als er in den geoffenbarten 
Segnungen Gottes stand, sondern die passende Vorbereitung 
für Abraham, um die hohen Vorrechte kennenzulernen, die 
noch für ihn in Bereitschaft waren, und vor allem eine Vorbereitung auf jene köstliche Gemeinschaft, die sich an der Segnung 
des anderen erfreut und an seinem Schmerz teilnimmt. Gott 
versichert Abraham Seines Interesses und Seines Vertrauens 
in einer Weise, die Abraham unmöglich mißverstehen konnte. 
„Und Jehova sprach: Soll ich vor Abraham verbergen, was ich 
tun will? Wird doch Abraham gewißlich zu einer großen und 
mächtigen Nation werden, und in ihm sollen gesegnet werden 
alle Nationen der Erde. Denn ich habe ihn erkannt, daß er 
seinen Kindern und seinem Hause nach ihm befehle, daß sie 
den Weg Jehovas bewahren, Gerechtigkeit und Recht zu üben, 
damit Jehova auf Abraham kommen lasse, was er über ihn 
geredet hat" (1. Mo 18, 17—19). Abraham erfreut sich des innigsten Verkehrs mit Gott, und dieser offenbart ihm Seine 
Ratschlüsse. Nicht nur wird ihm von neuem, und deutlicher als 
224 
je, der verheißene Same angekündigt, sondern er erfährt auch 
von Gott die bevorstehende schreckliche Zerstörung Sodoons. 
Jetzt hat Gott andere, reichere und mehr geistliche Mittel 
entfaltet, um unsere Herzen Seiner Liebe zu versichern; aber 
damals konnte nichts angemessener sein, als Seine Handlungsweise mit Abraham. Er erscheint ihm bei den Terebinthen 
Mamres. Er kommt zur Tür seines Zeltes, wandelt und unterredet Sich mit ihm. Er wünschte in praktischer Weise das Herz 
Abrahams zu befestigen; daß Ihm dies gelang, brauchen wir 
kaum hinzuzufügen. Der Erfolg zeigt sich in der Art und Weise, 
wie Abraham nachher mit Ihm redet. Für uns hat Gott in 
Seiner unendlichen Gnade noch etwas Besseres vorgesehen. Er 
ist gekommen und hat Sich in Jesu geoffenbart. Und wir haben 
die Gewißheit, daß wir in dem Menschen Christus Jesus jemanden haben, der immer für uns bittet; ja wir sehen uns selbst 
in Christo vor Gott, und der Heilige Geist gibt uns eine innige 
Vertraulichkeit mit Gott, deren Abraham sich nicht erfreuen 
konnte, weil der Grund, der sie möglich macht, noch nicht gelegt war. Es ist gewiß, daß wir in der Benutzung dieser Nähe 
und Vertrautheit nur geringe Fortschritte gemacht haben; aber 
sie ist unser beständiges Vorrecht, und obwohl sie keine fühlbare Sache ist, so ist ihre Wirklichkeit darum nicht weniger 
groß. Die Ratschlüsse Gottes sind uns in Seinem Wort geoffenbart, und der Heilige Geist ist uns gegeben, damit wir sie erkennen und uns ihrer erfreuen. Was uns fehlt, ist der einfältige 
und starke Glaube Abrahams. 
Abraham fürchtete nicht die Gegenwart Gottes; solche Furcht 
ist die Folge der Sünde. Wenn wir die Herrlichkeit Gottes in 
Jesu gesehen haben, wird die göttliche Gegenwart köstlich für 
uns; wir finden dort völliges Vertrauen und Kraft. Ihn zu kennen ist wirklich ewiges Leben, und Seine Gegenwart erfüllt 
uns mit der höchsten Freude und dem reinsten Glück. 
Gott behandelt Abraham als einen Freund und sagt ihm selbst 
das, was die Welt betrifft. Mit einem Freunde reden wir nicht 
nur über unser Geschäft, sondern über das, was wir auf dem 
Herzen haben. Fürbitte ist die Frucht der göttlichen Offenbarung und Gemeinschaft. Abraham, getrennt von der Welt 
und mit dem Herrn auf dem Berge, hört von dem Gericht, das 
im Begriff stand, über die zu seinen Füßen liegende Stadt her225 
einzubrechen. Die Versammlung ist in einer noch vollkommeneren Weise von der Welt getrennt, zu Gott gebracht und von 
Ihm geliebt. Gott vertraut ihr Seine Gedanken an, nicht nur, 
was Er beabsichtigt, für sie zu tun, sondern auch was der Welt 
bevorsteht. Der Sohn des Menschen steht im Begriff, die Lebendigen und Toten zu richten, und Gott hat uns dies mitgeteilt. 
Gott erzeigt der Welt gegenüber die äußerste Geduld. Er 
zögert; aber Er „verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche 
für einen Verzug achten, sondern er ist langmütig gegen euch 
da er nicht will, daß irgendwelche verlorengehen, sondern daß 
alle zur Buße kommen". Wenn ein Mensch die Welt zu regieren "hätte, würde er ihre Undankbarkeit und Gottlosigkeit 
nicht eine Stunde lang ertragen können. 
Gott läßt Seinen Freund in gewissem Grade in Seine Langmut eintreten und bringt sie gleichsam in ihm wieder hervor. 
Die Engel begeben sich, in der Gestalt von Menschen, nach Sodom; doch „Abraham blieb noch vor Jehova stehen". Das ist 
auch das Teil der Versammlung, vor Jehova zu stehen und 
Seine Gedanken und Ratschlüsse kennenzulernen. Sie ist sich 
Seiner Liebe bewußt. Sie bittet für die Welt, in der Hoffnung, 
daß noch Raum für die Gnade vorhanden ist. Das Herz blickt 
dann von den Umständen ab und rechnet auf die Liebe, die in 
Gott ist. Wenn wir für jemanden keine Fürbitte üben können, 
dann ist die Sünde stärker als unser Glaube. Wenn wir praktisch in der Nähe Gottes sind, bittet der Geist, der die Sünde 
sieht, für den Sünder. Abraham hört auf zu reden (V. 32. 35); 
„Und Jehova ging weg, als er mit Abraham ausgeredet hatte", 
aber Er tat mehr, als Abraham erbeten hatte. Er führte Lot aus 
Sodom hinaus und rettete ihn. Nichts konnte geschehen, ehe 
Lot in Sicherheit war (Kap. 19,16. 22). Das Auge Gottes ruhte 
auf ihm. Welch eine Segnung, auf die Liebe Gottes zu dem Gerechten rechnen zu können! 
Abraham beharrte in seiner Fürbitte, obgleich er die Fülle 
der Barmherzigkeit Gottes nicht kannte. Wir wissen nicht, wie 
Gott, alles was Er zu tun beabsichtigt. Dennoch können wir mit 
gläubigem Herzen Fürbitte üben. Abraham empfängt mehr und 
mehr Kraft, je weiter er geht; sein Vertrauen wächst. Am Ende 
kennt er Gott besser, als vorher. Der Friede Gottes bewahrte 
sein Herz. Die Frucht von diesem allem sehen wir in 1. Mo 10, 
226 
27. 28, wo uns erzählt wird, daß Abraham sich des Morgens 
früh aufmachte an den Ort, wo er vor dem Angesicht Jehovas 
gestanden hatte, und auf die Ebene herniederblickte, die wie ein 
Ofen rauchte. Von oben sieht er die Wirkungen der schrecklichen Zerstörung. Dies ist auch unsere Stellung, wenn wir 
himmlisch sind. Auch wir sehen in dieser Weise das Gericht 
der Gottlosen. 
Andererseits waren Lot und seine Töchter verschont worden, 
gerettet, doch so wie durchs Feuer, nicht zu ihrer Ehre, sondern 
durch die treue Sorgfalt und die Barmherzigkeit Gottes. Seine 
Untreue und sein Verlangen nach den Gütern dieser Welt hatten Lot nach Sodom gebracht. Zuerst hatte er seine Augen aufgehoben nach den wasserreichen Gefilden Sodoms, dann seine 
Zelte aufgeschlagen bis zu den Toren der Stadt (Kap. 13). Nicht 
lange nachher wohnte er in Sodom (Kap. 14), und am Abend 
vor dem Gericht saß Lot „in den Toren Sodoms", an dem 
Ehrenplatz der Stadt (Kap, 10, 1). Trauriges Beispiel eines 
irdisch gesinnten Gläubigen, der den Pfad der Abweichung von 
dem Herrn wandelt! Ein solcher verunehrt den Herrn und 
durchbohrt sich selbst mit vielen Schmerzen. J.N.D. 
Was ist Glaube? 
Der Glaube urteilt so, wie Gott urteilt. Er sieht die Sünde im 
Licht der Heiligkeit Gottes und lernt dann die Gnade kennen, 
die im Herzen des Vaters ist. Der Gläubige „besiegelt, daß Gott 
wahrhaftig ist". Der Glaube ist das einzige, was Gewißheit 
geben kann. Es mag richtig sein, nach Beweisen zu fragen, wenn 
es sich um die Dinge dieser Welt handelt; aber sobald Gott 
spricht, glaubt der Glaube Seinem Wort. Er „besiegelt", nicht, 
daß dieses oder jenes möglich ist, sondern „daß Gott wahrhaftig 
ist". „Abraham glaubte Gott" (nicht an Gott, obgleich das auch 
wahr ist); er glaubte, daß das, was Gott sagte, die Wahrheit sei. 
Wie spricht Gott nun zu mir, wenn ich an Seinen Sohn 
glaube? Er sagt mir, daß Er „meiner Sünden und Gesetzlosigkeiten nie mehr gedenken" will. Ich glaube das. Ferner sagt 
Gott mir: „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben". Auch 
227 
das glaube ich. Es wäre Sünde, daran zu zweifeln. Das nicht zu 
glauben, was Er mir versichert, wäre ein Unrecht gegen Gott. 
Sobald ich ein Kind Gottes bin, stehe ich kraft des Blutes des 
Lammes in Seiner Gegenwart ohne einen Flecken von Sünde. 
Der Glaube glaubt dies, weil Gott es sagt. Wollte ich in dem 
Kleide meiner eigenen Gerechtigkeit vor Ihm erscheinen, so 
würde ich nicht bestehen können. Es würde in Fetzen zerreißen. 
Doch es ist nicht meine Gerechtigkeit, sondern das Blut Christi, 
das mich für die heilige Nähe Gottes passend macht, und es 
handelt sich darum, wie hoch Gott den Wert dieses Blutes 
schätzt. Was sagt mir Sein Wort hierüber? Was hat das Blut 
Christi getan? Hat es mich gereinigt von der Hälfte meiner 
Sünden? Nein, „das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller Sünde". Ferner lese ich: „Dem, der uns liebt 
und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blute, 
und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem 
Gott und Vater; ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von 
Ewigkeit zu Ewigkeit!" Handelt es sich hier um einen Teil 
meiner Sünden? Es heißt einfach: „der uns gewaschen hat von 
unseren Sünden". Weiter höre ich, daß Gott uns ,,begnadigt hat 
in dem Geliebten, in welchem wir die Erlösung haben durch 
sein Blut, die Vergebung der Vergehungen''. Er hat uns „errettet aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des 
Sohnes seiner Liebe, in welchem wir die Erlösung haben, die 
Vergebung der Sünden". Lerne ich auf der einen Seite den Wert 
des Blutes des Lammes in den Augen Gottes kennen, so erfahre 
ich auf der anderen, daß dies alles die Liebe des Vaters zur 
Quelle hat. 
Hierin also liegt Trost und Friede, wenn wir besiegeln, daß 
Gott wahrhaftig ist. Und welch einen Trost gewährt die bestimmte Gewißheit der Erlösung! Sie ruht nicht auf dem, was 
ich in meinem Herzen finde, sondern auf der Versicherung des 
Wortes Gottes. Nichts gleicht der einfachen Gewißheit des 
Glaubens. „Wer sein Zeugnis angenommen hat, hat besiegelt, 
daß Gott wahrhaftig ist" (Joh 3, 33). Bin ich in meiner Seele 
beunruhigt und wünsche ich, die Gewißheit von dem Besitz des 
Lebens zu erlangen, so habe ich nur nötig, im Glauben auf das 
Zeugnis Gottes zu blicken. Ich erlange dann völlige Gewißheit. 
Ich sage: „Gott ist wahrhaftig und kann nicht lügen". Das ist 
228 
Glaube. Alles, was ich in mir selbst entdecke, ist nicht Glaube. 
Ich mag sehr beunruhigt sein, aber in meinem eigenen Herzen 
finde ich nicht das Geringste,- was mir Aufschluß über jenes 
Leben geben könnte. Der Glaube beruft sich auf das Zeugnis 
Gottes. Wenn ich Sein Zeugnis angenommen habe und darauf 
ruhe, dann ist es wichtig, mich in betreff meiner Wege, meines 
Handels und Wandels zu prüfen. Aber ich suche nicht in meinem Herzen nach Gewißheit, ob das, was der Sohn Gottes mir 
gesagt hat, die Wahrheit ist. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: 
Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat 
ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus 
dem Tode in das Leben übergegangen". In bezug hierauf gibt 
es kein ferneres Suchen; ich glaube Dem, Der den Sohn gesandt 
hat, und in der Gegenwart des Vaters und des Sohnes habe ich 
das ewige Leben. Wer könnte mir mehr geben? Das Leben mag 
hienieden genährt und späterhin verherrlicht werden, aber da 
ist kein ferneres Suchen. Die Seele mag viele Übungen durchzumachen haben, aber die Erklärung, die Johannes von einem 
Christen gibt, ist: „Und wir haben erkannt und geglaubt die 
Liebe, die Gott zu uns hat" (1. Joh 4, 16). 
Durch den Glauben erkennen wir, daß alles getan ist. Wir 
brauchen nur zu glauben. Der Glaube bringt mancherlei Früchte 
in uns hervor; eine wunderbare Kraft wohnt in ihm. Doch was 
wir zu tun haben, ist nur zu glauben. Nehmen wir an, ich stecke 
tief in Schulden, und ein guter Freund ginge hin, bezahlte die 
Schulden und schickte dann einen Boten zu mir, um mich davon 
zu benachrichtigen. Der Bote kommt und erzählt mir, daß alle 
meine Schulden durch meinen Freund bezahlt seien; ich glaube 
ihm. Ohne Zweifel wird dieser Glaube Glück und Freude in 
meinem Herzen hervorbringen, und ich werde nicht etwa hingehen und die Schuld bezahlen wollen. So ist es auch mit der 
Erlösung. Die Schuld isf bezahlt; Christus hat das Werk vollbracht, und die gläubige Seele genießt die Resultate davon. Der 
Glaube wird in dem geübt, was schon vollendet ist. „Darum ist 
es aus Glauben, auf daß es nach Gnade sei, damit die Verheißung dem ganzen Samen fest sei" (Röm 4, 16). Nichts bleibt 
für das Geschöpf, womit es sich rühmen könnte. Es kann nichts 
zu dem Werk der Erlösung beitragen. Es verläßt sich einfach 
auf die Wahrheit Gottes. 
229 
Wahre Unterwürfigkeit 
i . Mose 22 
Wahre Anbetung setzt voraus, daß der Wille gebrochen ist. 
So lange Abraham in Ägypten war, baute er keinen Altar; sobald er aber hinausgegangen war und Ägypten verlassen hatte, 
konnte er dem Herrn einen Altar bauen. David sah das geliebte 
Kind des Weibes Urias totkrank vor sich liegen, er fastete und 
betete, aber er rang mit Gott; sein Wille war nicht unterworfen. 
Sobald aber das Kind gestorben war, wechselte er seine Kleider, 
aß und trank und konnte vor den Herrn treten, um Ihn anzubeten. Der Kampf, der in seinem Herzen getobt hatte, war 
vorüber und sein Wille war gebrochen (2. Sam 12, 15—23). 
Hiob zerriß nach jenen schweren Trübsalen, die uns im ersten 
Kapitel mitgeteilt werden, dem Verlust seines Vermögens und 
seiner Familie, allerdings sein Gewand (Kap. 1, 20), aber bei 
diesem allem sündigte Hiob nicht, wie uns das Wort sagt. Sein 
Schmerz war gerecht; es war ihm erlaubt, über den Verlust 
seiner Kinder zu trauern. Aber dann fiel er nieder und betete 
Gott an. Er konnte dies tun, weil sein Wille gebrochen war; er 
konnte sagen: „Jehova hat gegeben, und Jehova hat genommen; der Name Jehovas sei gepriesen!" 
Doch in dem vorliegenden Kapitel, 1. Mose 22, finden wir 
etwas weit höheres als bei Hiob und David. Sie ergaben sich 
in den Willen Gottes; aber ihre Unterwerfung war passiv, sie 
erforderte von ihnen keine Tätigkeit. Hier ist es anders. Abraham hatte sich nicht nur dem Willen Gottes zu unterwerfen, 
nein, weit mehr als das, er mußte gegen sich selbst handeln. 
Er mußte, sozusagen, sich selbst opfern, denn die Opferung seines Sohnes war nichts weniger als das. Gott sagte zu ihm: 
„Opfere mir deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast". 
„Deinen Sohn", diese beiden Worte erweckten in Abraham die 
zärtlichsten Gefühle, diesen Sohn sollte er opfern! Ja mehr als 
das. Der Name Isaaks erinnerte ihn an die Verheißungen 
Gottes, sie sollten in diesem Sohne erfüllt werden; denn Gott 
hatte ihm mit aller Bestimmtheit gesagt: „In Isaak soll dir dein 
Same genannt werden". 
230 
Doch wenn mein Wille Gott unterworfen ist, so werde ich mit 
diesen beiden Dingen befriedigt sein: Gott wird es verstehen, 
und ich bin in Gemeinschaft mit Gott. Auf das Fleisch zu blikken, um von ihm für die Erfüllung der Verheißungen etwas zu 
erwarten, muß wegfallen, und Gott allein muß bleiben als die 
Quelle des Lebens, der Segnungen und der Verheißung, als der 
Eine, Dessen Hilfsquellen unerschöpflich sind, selbst wenn alle 
die Mittel, die Er Selbst zur Erfüllung Seiner Verheißungen bestimmt haben mag, sich als trüglich erweisen. 
Gott prüft auf diese Weise das Herz, um alles Vertrauen auf 
das Fleisch zu vernichten; aber zu gleicher Zeit unterstützt Er 
es, da Er weiß, daß es in der Prüfung einer Unterstützung bedarf, durch eine neue Offenbarung, die es fähig macht zu triumphieren. In Hebr 11, 19 hören wir, daß Abraham, als jenes 
Opfer von ihm gefordert wurde, eine Offenbarung in betreff 
der zu jener Zeit rioch so wenig gekannten Auferstehung empfing. Gott leitet uns in Seiner unendlichen Barmherzigkeit so, 
daß wir in Ihm das gewinnen, was wir im Fleische verlieren. 
Fern von denen, die ihn begleiteten, (allein mit Isaak und 
mit Gott) empfing Abraham diese Offenbarung und konnte an 
seines Sohnes Statt den Widder auf dem Altar opfern, so wie 
er gesagt hatte: „Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer". So in dem Geheimnis der Gemeinschaft mit Gott, lernen wir viel von Ihm. 
In Jesu, dem wahren Anbeter des Vaters, war der Wille stets 
gebrochen. Der Kelch war, wie wir wissen, voll von Bitterkeit; 
doch in Seinem Wunsch, den Willen Gottes zu erfüllen, vergißt 
Er gleichsam diese Bitterkeit und ruft aus: „Den Kelch, den mir 
der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken" (Joh 18, 11)? 

231 
Die Liebe Gottes 
1. Johannes 4, 9—18 
In der Geschichte Adams finden wir die ganze Geschichte des 
Menschen. Was Adam im Garten Eden war, das ist der Mensch 
seitdem immer gewesen. Gott versuchte den Menschen, aber 
alles, was Er ihm anvertraute, hat er verdorben. Als Gott in 
Israel sich ein Volk erwählte, ging es nicht besser. Das Volk 
war götzendienerisch, die Könige lehnten sich wider Ihn auf, 
und die Priester besudelten ihre Gewänder, so daß sie nicht vor 
Ihm stehen konnten. Alles, was Gott in Seiner Schöpfung, 
Seiner Vorsehung, dem Gesetz und der Gnade gab, wurde von 
dem Menschen verdorben und verworfen. Als der Herr vom 
Himmel kam, verwarf die ungerechte Nation auch Ihn. Doch 
Er fehlt nimmer, und Gott will Seine Liebe und Weisheit darin 
beweisen, daß Er Seinem Volk in allen den Dingen begegnet, 
worin der Mensch zuschanden geworden ist. Alles wird, als die 
wahre Frucht des Kreuzes, in Herrlichkeit enden. Dadurch, daß 
wir erfahren, was der Mensch ist, lernen wir weit mehr von 
Gott kennen, und machen umgekehrt durch die Erkenntnis 
Gottes eine genauere Bekanntschaft mit dem Zustand des Menschen. Richten wir unseren Blick auf die Kirche, so entdecken 
wir bezüglich des Menschen dasselbe. Das Geheimnis der Gesetzlosen ist wirksam, der Geist der Dämonen ist in ihrer Mitte, 
die Liebe vieler erkaltet, bis kein einziger Gerechter mehr in 
ihr zurückbleibt und alles in vollständigem Ruin endet. 
Gott gibt, unabhängig von dem Menschen, ein neues Leben, 
ein Leben in Seinem Sohne. Es ist ewiges Leben, Leben in Christo. Gott wurde vollkommen in dem Sohne geoffenbart, als Er 
vom Himmel herniederkam, um Leben zu geben. Doch das ist 
nicht genug. Wie steht es um meine Sünden? Wo sind sie? Es 
handelt sich nicht nur darum, Leben zu haben, sondern es muß 
auch die Frage der Sünde geordnet sein. Christus trug die Sünde 
auf dem Kreuz. Er kam aus dem Himmel hernieder, um meine 
Sünden hinwegzutun; Er hat sie hinweggetan und kann jetzt 
sagen: „An jenem Tage werdet ihr erkennen, daß ich in meinem 
Vater bin, und ihr in mir, und ich in euch". Das Leben Christi 
ist in mir, das ewige Leben, und dieses Leben ist in dem Sohne. 
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Ich habe Sein Leben, selbstverständlich nicht Seine Gottheit. So 
gewiiß ich an dem Leben und der Natur des ersten Adam Teil 
empfangen habe, ebenso gewiiß habe ich Leben in dem zweiten 
Adam. „Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung". Die göttliche Natur ist vorhanden; allerdings in einem 
elenden, irdenen Gefäß, aber die Natur ist göttlich, und ich 
sollte sie in meinem Leben und Charakter offenbaren. 
Je mehr ich von Gott kenne, desto mehr werde ich darstellen, 
was Er ist. Je mehr ich auf Ihn blicke, desto mehr werde ich Ihm 
gleich sein. Was war es, das Moses Antlitz erglänzen ließ? War 
es, weil er auf sich selbst blickte? Nein, sondern weil er mit 
Jehova verkehrte und Seine Herrlichkeit angeschaut hatte. Er 
wußte nicht, daß sein Antlitz glänzte, bis man ihn bat, es zu 
verhüllen. Er war nicht mit sich selbst beschäftigt; der Gegenstand, der vor ihm stand, war Gott. Er hatte Gott angeschaut 
und sich ganz in Ihn vertieft, und daher strahlte er die Herrlichkeit Gottes aus. Ebenso wird es mit uns sein. Ist Christus 
der Gegenstand, der vor meiner Seele steht, so werde ich nicht 
an mich denken, sondern an Ihn. Ich werde Ihn darstellen und 
bei Dem verweilen, was Er ist, nicht aber bei dem, was ich tue. 
Ist mein Auge auf Christum gerichtet, so werde ich Ihm (obwohl in Schwachheit) ähnlich werden in Heiligkeit, Niedriggesinntheit (Demut) und Liebe. Ich finde dies in Ihm in Seiner 
ganzen Schönheit und Vortrefflichkeit, ich sehe es in seiner 
Vollkommenheit, und indem ich auf Ihn blicke, werde ich in 
Sein Bild verwandelt. In Ihm ist alles, was die neue Natur verlangen und wünschen kann. In Ihm kann ich ruhen, in Ihm 
mich erfreuen und ergötzen. 
Welch eine unendliche Freude erweckt das Bewußtsein, daß 
der Sohn Gottes gekommen ist! Wohl ist es wahr, daß Satan 
nie untätig ist, aber „wir sind aus Gott" (V. 4). Dies bringt die 
ganze Sache in Ordnung. Wir sind nicht mehr in unserer alten 
Natur, die dem Leben des ersten Adam gemäß lebte und handelte, sondern wir stehen in der Kraft der neuen Natur, die wir 
von Gott empfangen haben. Welch eine wunderbare Sache ist 
es, Teilhaber der göttlichen Natur, über die Engel erhöht, ja 
Gebein von Seinem Gebein zu sein! Es ist eine höchst gesegnete 
Wahrheit, daß wir „aus Gott" sind, aus Ihm, Dessen Natur eine 
göttliche Natur ist. Und diese göttliche Natur kann nur durch 
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Ihn Selbst empfangen werden. Christus hat uns in Seinem kostbaren Blute von unseren Sünden gewaschen. Er hat uns getauft 
mit dem Heiligen Geist aus der Höhe und uns versiegelt mit 
dem Geiste der Verheißung. „Der uns aber eben hierzu bereitet 
hat, ist Gott". Er hat uns mit einer Kraft ausgerüstet, welche die 
Kraft Satans übersteigt. „Der, welcher in euch ist, ist größer, 
als der, welcher in der Welt ist". „Ihr seid aus Gott, Kinder". 
Ich bin zu Gott gebracht. Ich bin aus Gott geboren. Ich ruhe in 
Gott. Ich lerne Gott kennen, weil ich die Natur empfangen 
habe, die Ihn kennen kann, ebenso wie ich nur deshalb wissen 
kann, was der Mensch ist, weil ich die menschliche Natur 
besitze. 
Wohl kenne ich nicht alles, was Gott betrifft, aber ich befinde 
mich nicht in Ungewißheit. Nehmen wir an, ich besitze einen 
Freund; ich mag nicht alle seine Umstände kennen, aber er ist 
mein Freund, und ich erfreue mich seiner als eines solchen. Ich 
zweifle durchaus nicht an seinen Zuneigungen, weil mir nicht 
alles bekannt ist, was ihn betrifft. Nun aber ist Gott mein 
Freund, und ich finde eine gesegnete Ruhe darin, daß Er es ist. 
Wenn Gott mein Freund ist, was kann ich mehr wünschen? Was 
kann gesegneter sein? Um Gott zu kennen, muß ich Seine Natur 
haben. Ich kann nicht eine Person kennen, deren Natur ich nicht 
teilhaftig bin. Ich kenne die Engel nicht, weil ich nicht die Natur 
der Engel besitze. 
Wir finden in 1. Joh 4 zwei Dinge, die der Seele ein unermeßliches Glück verleihen. Vers 9 zeigt uns die Art und Weise, wie 
Gott Seine Liebe offenbar macht. In Vers 17 sehen wir, wie 
Seine Liebe vollendet worden ist. Gott sandte Seinen eingeborenen Sohn in die Welt, auf daß wir, die wir tot waren, durch 
Ihn eines Lebens teilhaftig werden möchten, das aus der Offenbarung der Liebe Gottes fließt, eines Lebens, das völlig von der 
Natur und von dem, worin sie ihre Befriedigung und Freude 
findet, getrennt ist. Es kann nicht mit Selbstsucht verbunden 
werden. Worin besteht jedoch meine Natur? Nicht einzig und 
allein in Selbstsucht? Durch welche Beweggründe werde ich von 
Tag zu Tage geleitet? Sind sie nicht selbstsüchtiger Art? Wie 
betreibe ich mein Geschäft? Steht nicht mein eigenes Ich stets 
dabei im Vordergrunde? Wir ahnen gar nicht, wie sehr wir 
unter dem Einfluß der Selbstsucht stehen. Ist es nicht wahr, daß 
der Kleidertand die Gedanken vieler mehr beschäftigt, als alles, 
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was Gott getan hat, indem Er Seinen Sohn aus den Himmeln 
herniedersandte, um Sünder zu erretten? Das ist eine wirkliche 
Tatsache, und es ist wertlos, dies vor uns selbst verbergen zu 
wollen. Vor Gott können wir es doch nicht verbergen. 
Je mehr ich mich auf der anderen Seite mit der Liebe Gottes 
beschäftige, um so mehr erkenne ich ihre Vollkommenheit. Es 
heißt an einer Stelle: „Für einen Gütigen möchte vielleicht jemand zu sterben wagen". Gott aber erwies Seine Liebe gegen 
uns, als nicht eine Spur von Gutem in uns war. In dem Kreuze 
erzeigte Er uns eine reine, unverdiente Gnade. Wir waren 
Sünder und nichts als Sünder, als Christus starb, um uns zu 
erretten. Ich werde nimmer verstehen, was die Liebe Gottes 
wirklich ist, bevor ich sagen kann, daß ich ausschließlich und 
nichts anderes als ein Sünder bin. So lange ich diese große 
Wahrheit nicht gelernt habe, kenne ich die Liebe Gottes nicht. 
Was hat Gott gegeben, um Sünder zu erretten? Das, was Seinem Herzen am nächsten stand, das Teuerste, was Er hatte, 
Seinen geliebten und eingeborenen Sohn. Wer versteht diese 
Liebe? Wer schätzt sie, wie sie es wert ist? Das, was Gott von 
allem am teuersten war, war der Sohn Seines Schoßes, und Ihn 
gab Er hin. Seine Liebe ist ohne Grenzen. Er hat mir Christum 
gegeben, und das, was ich in Ihm besitze, ist unermeßlich. Der 
Sohn Gottes ist für meine Sünden dahingegeben worden; Er 
ist in die Tiefen meines Elends hinabgestiegen und hat Leben 
ans Licht gebracht. „Hierin ist die Liebe: nicht, daß wir Gott 
geliebt haben, sondern daß Er uns geliebt und Seinen Sohn 
gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden". Wie kann 
ich wissen, daß Gott mich liebt? Dadurch, daß ich auf den vollkommenen Gegenstand Seiner Liebe blicke; das gibt mir Ruhe. 
Und warum? Weil ich in Ihm sehe, wie bewunderungswürdig 
die Liebe ist, die den eigenen Sohn herniedersandte, um mir 
Leben zu geben und eine Sühnung für meine Sünden zu sein. 
Wenn ich keine Ruhe habe, so bedarf ich eines tieferen Gefühls 
von der Sünde. Am Kreuz muß ich lernen, was die Sünde ist; 
ich werde dann die Liebe erblicken, die ihr begegnet ist und für 
sie gelitten hat, und das wird meiner Seele Ruhe geben. 
Die Liebe Christi bestand nicht in der Lehre eines Menschen, 
der kommt und einfach erzählt, was Gott ist, sondern in der 
praktischen Darstellung Gottes. Er offenbarte Gott in der ganzen Mannigfaltigkeit Seiner unbeschränkten und unermeßlichen 
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Liebe. Vergleiche den 12. Vers im 1. Kapitel des Evangeliums 
Johannes mit dem 18. Verse. „Niemand hat Gott je gesehen 
usw". Niemand hat gesehen; Er, Der in dem Schöße des Vaters 
ist, (nicht war) mußte Ihn kundmachen. Der Sohn mußte sagen, 
was von dem Vater erkannt werden kann. Alles ist abhängig 
von Christo. Alle Hindernisse sind für den Gläubigen durch 
Ihn hinweggeräumt, alle Sünde ist durch Ihn beseitigt. In Ihm 
finde ich einen Platz vertrauter Nähe zu Gott. An dem Kreuze 
habe ich gelernt, was Gott für mich, den Sünder, war; jetzt muß 
ich erfahren, wie Er meinen Bedürfnissen, als ein Heiliger, begegnet, indem ich meine Not fühle und sie vor Ihn bringe. 
Hungrig zu sein, ist nicht genug; ich muß wirklich „umkommen 
vor Hunger" um zu erfahren, was in dem Herzen Gottes gegen 
mich ist. Als der verlorene Sohn anfing zu hungern, ging er hin 
und sättigte sich mit den Trabern; als er aber dem Hungertode 
nahe war, machte er sich auf nach dem Hause seines Vaters 
und erfuhr dann die Liebe des Vaterherzens. 
Wie tief läßt sich Gott in Vers 15 unseres Kapitels herab! 
„Wer irgend bekennt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, in ihm 
bleibt Gott und er in Gott". Wie tief steigt Er hernieder, um 
uns zu begegnen, so daß für keinen ein Raum zur Entschuldigung bleibt! „Wer irgend bekennt". Das Kind in Christo, das 
eben Christum bekennen kann, hat ebensogut ewiges Leben, 
wie der erwachsene Mann. Es handelt sich hierbei nicht darum, 
was ich bin, sondern was Christus ist. Ich verschwinde ganz 
von dem Schauplatz. Alles hängt davon ab, was Gott ist. Wie 
kann ich Seine Liebe erkennen? Muß ich auf ihre völlige Entfaltung warten? Nein, Er hat Seine Liebe in mein Herz ausgegossen durch den Geist, den Er mir gegeben hat. „Wer in der 
Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott in ihm" (V. 16). Wenn ich 
in Gott bleibe, so bleibe ich in der Liebe und sollte Liebe offenbaren, dadurch daß ich auf Ihn und nicht auf andere blicke. Es 
ist eine wunderbare Sache, sagen zu können: „Gleichwie Er ist, 
so sind auch wir in dieser Welt" (V. 17). Christus hat Seinen 
Platz genommen zur Rechten Gottes und versetzt mich dorthin. 
Wir stehen jetzt vor Gott in der Gerechtigkeit Christi. Er ist 
mein Leben, und ich kann in Wirklichkeit in keiner Sache von 
Ihm getrennt sein. „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet 
worden, auf daß wir Freimütigkeit haben an dem Tage des 
Gerichts" (V. 17). Ist das Herz beunruhigt im Blick auf das Ge236 
rieht? Macht dich der Gedanke, vor dem Gericht zu stehen, 
unglücklich? Warum sollte es so sein? Ist nicht Er, der Richter, 
meine Gerechtigkeit? Hat Er nicht vollkommen meine Sünde 
hinweggetan und mein Gewissen von aller Schuld gereinigt, 
so daß ich ohne Furcht in Gott ruhen kann, ohne einen Augenblick länger in peinlicher Ungewißheit sein zu müssen? Kann 
ich nicht ruhig in die Zukunft blicken, in der vollen Gewißheit, 
daß Christus an meiner Statt gerichtet worden ist und mich mit 
jener Liebe in Verbindung gebracht hat, die mir Freimütigkeit 
gibt am Tage des Gerichts? „Gleichwie er ist, so sind auch wir 
in dieser Welt". 
„Furcht ist nicht in der Liebe". Befindet sich in deinem Herzen, Gott gegenüber, der geringste Zweifel, die leiseste Unruhe, 
so bist du nicht vollendet in der Liebe; denn vollkommene Liebe 
treibt die Furcht aus. Es gibt allerdings Dinge, die wir zu fürchten haben; wir sollten die Sünde und den Einfluß unserer eigenen selbstsüchtigen Interessen fürchten. Ruhe ich aber in Gott, 
so wird alle Furcht ausgetrieben und das Herz in der Liebe 
vollendet. Seine Liebe ist vollkommen. Wir haben sie nur anzuerkennen, uns unter sie zu beugen, sie anzunehmen als unser 
Teil in Christo und Ihm dafür zu danken. Das heißt, vollendet 
zu sein in der Liebe.