Botschafter des Heils in Christo 1881

01/29/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Inhaltsverzeichnis 1881  
Betrachtungen über den Propheten Daniel                3
Bist du    gIücklich 50
Christus, der Mittelpunkt, oder: 
allein in dem Namen Jesu zu versammeln   57
Jetzt ist der Tag des Heils 75
Gedanken75
Sendschreiben an die sieben Versammlungen               76
Befreiung176
Der hebräische Knecht 177
Ein Wort über die .Heiligung 180
Zwei ernste Tatsachen183
Die zwei Scherflein188
Sünde und Sünden 191
Gedanken 198
„Du aber sei nüchtern in allem"201
Gedanken220
Lied221
Epaphroditus221
Das Passah und das Rote Meer 226
„Noch um ein gar Kleines" 228
Nicht vergeblich in dem Herrn230
Gesetz und Gnade235
Das Aüferstehimgsieben240
Der König in Seiner Schönheit241

Inhaltsverzeichnis Seite 
Betrachtungen über den Propheten Daniel 3 
Bist du glücklich? 50 
Christus, der Mittelpunkt, oder: Warum haben wir uns 
allein in dem Namen Jesu zu versammeln? 57 
Jetzt ist der Tag des Heils 75 
Gedanken 75 
Vorträge über die Sendschreiben 
an die sieben Versammlungen 76 
Befreiung 176 
Der hebräische Knecht 177 
Ein Wort über die Heiligung 180 
Zwei ernste Tatsachen 183 
Die zwei Scherflein 188 
Sünde und Sünden 191 
Gedanken 198 
„Du aber sei nüchtern in allem" 201 
Gedanken 220 
Lied 221 
Epaphroditus 221 
Das Passah und das Rote Meer 226 
„Noch um ein gar Kleines" 228 
Nicht vergeblich in dem Herrn 230 
Gesetz und Gnade 225 
Das Auferstehungsleben 240 
Der König in Seiner Schönheit 241 
Betrachtungen 
über den Propheten Daniel 
Fortsetzung 
Kapitel 10 
Die drei letzten Kapitel des prophetischen Buches, Kapitel 
lo, 11 und 12, bilden eine zusammenhängende Offenbarung 
Gottes an Seinen geliebten Knecht. Zugleich machen sie uns 
mit den Umständen bekannt, unter welchen Daniel die Prophezeiung empfing. Diese Prophezeiung selbst unterscheidet sich 
in etwa von den übrigen, indem sie mit einer auffallenden 
Genauigkeit und Umständlichkeit historische Tatsachen aufzählt, die sich während der Regierung der heidnischen Mächte 
zutragen sollten, und die von der Zeit des persischen Reiches 
reichen bis hin zu dem Augenblick, wo Christus die Herrschaft übernehmen und jedes Knie sich vor Ihm beugen wird. 
Jedoch reihen sich die erzählten Tatsachen nicht in ununterbrochener Folge aneinander. Vielmehr besteht zwischen dem 
35. und 36. Vers in Kapitel 11 eine große Lücke; die im ersten 
und letzten Teil des Kapitels mitgeteilten Ereignisse liegen 
viele Jahrhunderte ausei'nander. Die Verse 1—35 erzählen in 
gedrängter Kürze, aber zugleich in erschöpfender Weise den 
Lauf der Geschichte der östlichen Mächte. Sie beginnen mit 
der Dynastie der persischen Könige, gehen dann über zu dem 
griechischen Reich unter Alexander dem Großen und seinen 
Nachfolgern und enden mit der Beschreibung der Handlungen 
und Taten einer uns bereits bekannten Persönlichkeit, des 
Königs Antiochus Epiphanes, eines Vorbildes des großen Leiters des Widerstandes gegen das Volk Gottes in den letzten 
Tagen. Damit bricht die Prophezeiung plötzlich ab, überspringt 
e
ine lange Reihe von Jahren und führt uns im folgenden Vers 
ohne weiteren Übergang zu „der Zeit des Endes". Mit Kapitel 
a
i schließt die Geschichte der Nationen überhaupt ab. Das 
x
2. Kapitel ist, wie wir schon im Anfang bemerkten, mit dem 
Zustand des Überrestes während der letzten Periode der heidnischen Macht und mit seiner Befreiung beschäftigt und enthält 

zugleich die Offenbarung der Ratschlüsse Gottes im Blick auf 
diesen Überrest, der inmitten der Nationen bewahrt wird. 
Nachdem wir diese zum Verständnis des Folgenden notwendigen Bemerkungen vorausgeschickt haben, gehen wir zur 
Betrachtung des vorliegenden Kapitels über. 
„Im dritten Jahre Kores', des Königs von Persien, wurde 
dem Daniel, welcher Beltsazar genannt wird, eine Sache geoffenbart, und die Sache ist Wahrheit, und betrifft eine große 
Mühsal; und er verstand die Sache und bekam Verständnis 
über das Gesicht" (V. 1). Daniel war bei der Rückkehr der 
Juden nach Palästina in Babylon zurückgeblieben; er hatte von 
der Erlaubnis des Kores, den persischen Hof zu verlassen, 
keinen Gebrauch gemacht. War es geschehen, weil er sich in 
dem fremden Lande wohl fühlte und die Genüsse, die ihm in 
der reichen Hauptstadt zu Gebote standen, nicht verlieren 
wollte? Sicherlich nicht. Der Grund für sein Bleiben wird uns 
nicht mitgeteilt; aber wir können bestimmt annehmen, daß ihn 
nicht derartige Rücksichten abgehalten haben, sich dem Zuge 
seiner Brüder in die geliebte Heimat anzuschließen. Dafür 
spricht auch der Inhalt der beiden folgenden Verse: „In selbigen Tagen trauerte ich, Daniel, drei volle Wochen. Köstliche 
Speise aß ich nicht, und weder Fleisch noch Wein kam in 
meinen Mund; und ich salbte mich nicht, bis drei volle Wochen 
um waren" (V. 2. 3). Statt sich den Freuden des Hoflebens 
hinzugeben, trauerte und fastete Daniel und nahm den Platz 
des Bekenntnisses vor seinem Gott ein, den Platz, den das 
ganze Volk, seinem Zustande entsprechend, hätte einnehmen 
sollen. Und wie im vorigen Kapitel so tritt auch hier wieder 
infolge des Zustandes seiner Seele und infolge seiner Herzensübungen die Offenbarung ein. Dort war sie eine Antwort für 
das demütige Bekenntnis und die Fürbitte Daniels für das 
Volk, hier erfolgt sie auf sein Trauern und Fasten. Diese 
beiden Prophezeiungen unterscheiden sich daher wesentlich 
von denen des siebten und achten Kapitels. Während diese zu 
einer Zeit gegeben wurden, als es Gott gefiel, Seinem Diener 
Mitteilungen über den Lauf zukünftiger Ereignisse zu machen, 
und die Geschichte der westlichen und östlichen Mächte zum 
Gegenstande haben, stehen jene mit dem Volke Israel in Verbindung und sind eine Folge des persönlichen Zustandes 
Daniels. 

„Und am vierundzwanzigsten Tage des ersten Monats, da 
war ich am Ufer des großen Stromes, das ist der Hiddekel.Und 
ich erhob meine Augen und sah: Und siehe, da war ein Mann, 
in Linnen gekleidet, und seine Lenden waren umgürtet mit 
Gold von Uphas; und sein Leib war wie ein Chrysolith, und 
sein Angesicht wie das Aussehen des Blitzes, und seine Augen 
wie Feuerfackeln, und seine Arme und seine Füße wie der 
Anblick von geglättetem Erze; und die Stimme seiner Worte 
war wie die Stimme einer Menge. Und ich, Daniel, allein sah 
das Gesicht; die Männer aber, welche bei mir waren, sahen 
das Gesicht nicht; doch fiel ein großer Schrecken auf sie, und 
sie flohen und verbargen sich" (Verse 4—7). Es möchte gefragt 
werden, ob diese herrliche Erscheinung, die Daniel allein sieht, 
nur ein Engel, oder der Herr der Herrlichkeit Selbst ist. Die 
ganze Beschreibung scheint darauf hinzudeuten, daß es Jehova 
ist, Der hier, wie an anderen Stellen des Alten und des Neuen 
Testaments, erscheint, um mit Seinen treuen Dienern zu verkehren, mit denen Er in der innigsten Weise verbunden ist. 
Auf alle Begleiter Daniels fällt ein großer Schrecken; sie fliehen, 
um sich zu verbergen. Sie sehen das Gesicht nicht, werden aber 
von einer unerklärlichen Angst ergriffen. Sie fühlen, daß etwas 
Außergewöhnliches vorgeht. Daniel allein bleibt zurück. Doch 
auch ihn verläßt alle Kraft. „Und ich blieb allein übrig und sah 
dieses große Gesicht; und es blieb keine Kraft in mir, und 
meine Gesichtsfarbe verwandelte sich an mir bis zur Entstellung und ich behielt keine Kraft" (V. 8). Daniel war schon ein 
bejahrter Mann, und er hatte alle Tage seines Lebens mit 
seltener Treue in den Wegen Gottes gewandelt; aber als er 
jetzt in die Nähe dieses Gottes, dieses Herrn der Herrlichkeit, 
kommt und Seine Majestät erblickt, verläßt ihn seine Kraft, 
und sein Aussehen verwandelt sich in Entstellung. Trotz seiner 
innigen Bekanntschaft mit diesem Herrn, mit Seinen Gedanken 
und Ratschlüssen, mit Seiner Liebe und Seiner Barmherzigkeit, 
muß Daniel dennoch seine völlige Schwachheit und Kraftlosigkeit erfahren. Er sinkt zu Boden. „Und ich hörte die Stimme 
seiner Worte; und als ich die Stimme seiner Worte hörte, sank 
ich betäubt auf mein Angesicht, mit meinem Angesicht zur 
Erde" (V. 9). Der Herr teilt hier dem Propheten etwas mit, was 
e
r trotz aller vorhergegangenen, herrlichen Offenbarungen noch 
nicht gelernt hatte, und zeigt Sich ihm in einer Gestalt, die ihm 

bis dahin unbekannt geblieben war. Demgegenüber offenbart 
Daniel seine völlige Schwachheit und sein gänzliches Nichts. 
Der Herr Selbst muß ihn anrühren und ihm Kraft verleihen, 
damit er sich wieder aus dem Staube erheben und Seine Worte 
hören könne. „Und siehe, eine Hand rührte mich an und machte, 
daß ich auf meine Knie und Hände emporwankte" (V. 10). 
Ähnlich erging es Johannes, als ihm auf der Insel Patmos 
der Herr erschien, um ihm im Auftrage Seines Gottes zu 
zeigen, was bald geschehen muß. Johannes hatte mit Jesu 
während Seines Wandels auf dieser Erde in besonders vertrautem Verkehr gestanden, hatte an Seiner Brust gelegen und 
war am meisten von allen Jüngern fähig gewesen, in Seine 
Gedanken einzugehen. Und dennoch, wenn Jesus in Seiner 
richterlichen Majestät vor ihn hintritt, als einer „gleich dem 
Sohne des Menschen", so fällt er wie tot zu Seinen Füßen 
nieder. Jesus muß Seine Rechte auf ihn legen und ihn daran 
erinnern, daß Er es ist. Der mit ihm redet, „der Erste und der 
Letzte und der Lebendige". Er muß ihm zurufen: „Fürchte dich 
nicht"! und ihn stärken, bevor er imstande ist, Seine Worte 
zu vernehmen (vergl, auch Jes 6). 
„Und er sprach zu mir: Daniel, du vielgeliebter Mann! merke 
auf die Worte, die ich zu dir rede, und stehe auf deiner Stelle, 
denn ich bin jetzt zu dir gesandt. Und als er dieses Wort zu 
mir redete, stand ich zitternd auf" (V. 11). Gestärkt durch die 
Hand, die ihn angerührt, und getröstet durch die liebreichen 
Worte, die er gehört hat, erhebt sich Daniel, immer noch 
zitternd. „Und er sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel! 
denn von dem ersten Tage an, da du dein Herz darauf gerichtet hast, Verständnis zu erlangen und dich vor deinem 
Gott zu demütigen, sind deine Worte erhört worden, und um 
deiner Worte willen bin ich gekommen" (V. 12). Daniels 
Glaube war auf eine harte Probe gestellt worden. Er hatte die 
Antwort Gottes nicht an demselben Tage empfangen, an dem 
er sein Herz darauf gerichtet hatte, sich vor dem Angesicht 
seines Gottes zu demütigen. Volle drei Wochen waren unter 
beständigem Harren dahingegangen. Doch wie ermutigend war 
es für ihn, zu hören, daß der Engel von dem ersten Tage an zu 
ihm gesandt worden war. Daniel hatte mit einem demütigen, 
unterwürfigen Herzen zu Jehova gerufen. Konnte Gott Sein 

Ohr von dem Flehen Seines treuen, vielgeliebten Knechtes verschließen? Unmöglich. Sogleich erfolgte die Antwort. Daß sie 
erst nach so langer Zeit dem Propheten überbracht wurde, 
hatte einen anderen Grund. Wir werden sogleich darauf kommen. Vorher möchte ich noch bemerken, daß, wie es mir 
scheint, die redende Person eine andere ist als die in den 
vorhergehenden Versen beschriebene, deren Erscheinung auf 
Daniel einen so überwältigenden Eindruck machte. Es ist nicht 
der Herr der Herrlichkeit Selbst, sondern einer Seiner Boten, 
ein Engel. Er ist gesandt von Jehova. Dies geht besonders aus 
dem Inhalt des folgenden Verses hervor: „Aber der Fürst des 
Königreichs Persien stand mir einundzwanzig Tage entgegen; 
und siehe, Michael, einer der ersten Fürsten, kam, um mir zu 
helfen, und ich trug daselbst den Sieg davon bei den Körnigen 
von Persien" (V. 13). Der Herr des Himmels und der Erde, 
Jehova Selbst, hat nicht nötig, daß Ihm einer Seiner Diener in 
der Ausführung Seiner Vorsätze beistehe. Überdies teilt uns 
das zwölfte Kapitel mit, daß dem göttlichen Seher außer dem 
.,mit Linnen bekleideten Mann" noch mehrere Personen gegenüberstehen. Es heißt dort in Vers 5: „Und ich, Daniel, sah: 
Und siehe, zwei andere standen da, einer hier am Ufer des 
Stromes, und einer dort am Ufer des Stromes". 
Der Grund zur Verzögerung der Antwort lag also in dem 
Widerstand des Fürsten des Königreichs Persien. Aber war 
Gott nicht mächtig genug, diesen Widerstand sogleich niederzuschlagen? Ganz gewiß. Aber dann würde uns diese klare 
Unterweisung über den schrecklichen Kampf, der unaufhörlich 
zwischen den Engeln des Lichts, den Dienern Gottes, und den 
Engeln der Finsternis, den Werkzeugen Satans, tobt, fehlen. 
Auch hätten der Glaube und das Ausharren Daniels nicht ihr 
vollkommenes Werk gehabt. So aber offenbaren uns die Worte 
des Engels den geheimnisvollen Widerstand, den die Feinde 
der Herrlichkeit Gottes der Erfüllung Seiner Ratschlüsse der 
Gnade in bezug auf Sein Volk, sowie ihrer Mitteilung entgegensetzten, die zur Ermunterung des treuen Überrestes dienen sollte. Die Werkzeuge Satans suchen die Boten Gottes 
aufzuhalten und ihnen unübersteigliche Hindernisse in den 
Weg zu legen. Doch Gott ist mächtiger als Satan. Unterstützt 
von Michael, einem der Engelfürsten, trägt der Abgesandte 
Gottes den Sieg davon. Bei dieser Gelegenheit mache ich darauf 

aufmerksam, daß Michael in besonderer Weise mit dem Volke 
Israel in Verbindung zu stehen scheint, als sein Wächter und 
Führer. Er kommt hier dem Boten, der seinem Volk die Mitteilungen Gottes bringen will, zu Hilfe. Auch lesen wir am 
Ende des Kapitels: „Und es ist kein einziger, der mir wider 
jene mutig beisteht, als nur Michael, euer Fürst" (vgl. auch 
Kap. 12, i). Ferner erwähnt Judas in seinem Brief den Streit 
Michaels mit Satan über den Leib Moses'. Wir können darin 
ebenfalls die Sorge Michaels für sein Volk erblicken. Er kannte 
die Neigung Israels zur Abgötterei, und um es zu bewahren, 
den Leib Moses' mit sich zu nehmen und ihn göttlich zu verehren, wozu Satan das Volk ohne Zweifel zu verführen gedachte, stritt er mit Satan um den Besitz des Leichnams. Am 
Ende des 5. Buches Mose wird uns mitgeteilt, daß der Herr 
Moses im Tal, im Lande Moab, begrub, und der Brief des 
Judas belehrt uns, daß Michael als das Werkzeug dazu gebraucht wurde. Wir ersehen zugleich daraus, daß die heiligen 
Engel nicht nur ihren Dienst im Himmel ausüben, sondern daß 
sie sich auch häufig mit den äußeren Ereignissen und Umständen in dieser Welt zu beschäftigen haben. Sie sind die Werkzeuge Gottes, um überall Seinen wohlgefälligen Willen auszuführen. Und hierin stehen ihnen die bösen Engel, die Mächte 
der Finsternis, entgegen und suchen sie in ihrem Tun zu 
hindern. 
Hieran hat die Menschwerdung Christi und das kraft Seines 
vollbrachten Werkes erfolgte Herniederkommen des Heiligen 
Geistes nichts geändert. Im Gegenteil wissen wir aus dem 
Buch der Offenbarung, daß noch ein schrecklicher Kampf zwischen Satan und seinen Engeln einerseits und Michael mit den 
heiligen Engeln andererseits stattfinden wird. Er endet mit 
dem Sturz Satans aus den Himmeln. Bis dahin wohnt Satan in 
den himmlischen örtern. Er wird darum auch „der Fürst der 
Gewalt der Luft" genannt. Zugleich ist er „der Fürst" und „der 
Gott dieser Welt". Gott hätte ihn mit einem Worte Seines 
Mundes aus den Räumen des Himmels verbannen können; 
doch Er hat es nicht getan, und wir dürfen auch darin Seine 
vollkommene Geduld und Langmut bewundern. Einst aber 
wird Gott die Himmel von ihm und seiner bösen Schar reinigen. Satan wird auf die Erde niedergeworfen werden und nie 
wieder in die himmlischen örte r zurückkehren. Nachdem dies 

geschehen ist, wird ihm Gott auch seine irdische Macht nehmen und ihn in den See werfen, der mit Feuer und Schwefel 
brennt*). Wie bewunderungswürdig ist die Langmut Gottes, 
welche die verunreinigende Gegenwart Satans in den himmlischen örtern, selbst nach seiner völligen Besiegung durch den 
Sohn des Menschen, noch duldet, ja ihm erlaubt, Seinen Dienern in den Weg zu treten! 
Dies alles läßt uns einen tiefen Blick tun in die Geheimnisse 
der unsichtbaren Welt. Auch heute noch währt dieser Kampf 
zwischen den Dienern Gottes und den Werkzeugen des Bösen 
fort. Dies sollte allen Ernst in unseren Herzen wachrufen und 
uns zugleich ermuntern, im Glauben auszuharren. Gott ist 
mächtiger als alle unsere Feinde. Daniel betete, trauerte und 
fastete drei Wochen lang, ohne eine Antwort zu bekommen. 
Doch er harrte aus; sein Glaube bewährte sich, und wie herrlich wurde er belohnt! 
Der Engel fährt jetzt fort, Daniel mitzuteilen, worauf das 
Gesicht, das er ihm zu offenbaren gekommen war, Bezug habe. 
„Und ich bin gekommen, um dich verstehen zu lassen, was 
deinem Volke am Ende der Tage widerfahren wird; denn das 
Gesicht geht noch auf ferne Tage" (V. 14). Obwohl die Prophezeiung eine Reihe von geschichtlichen Einzelheiten in sich 
schließt, deren Erfüllung bereits kurz nach dem Tode des Propheten begann, sind die Gedanken Gottes doch immer auf 
„das Ende der Tage" gerichtet; und es ist Israel, das Volk Daniels, um das sich die ganze Prophezeiung dreht. An die Kirche 
ist hier gar nicht zudenken. Sobald dies vergessen wird, kommt 
man zu den wunderlichsten und gezwungensten Erklärungen. 
Man bringt Rom, das Papsttum, oder gar Napoleon I. hinein, 
und alles gerät in die größte Verwirrung. 
Daniel bekennt in Demut seine Unfähigkeit, solche Mitteilungen zu empfangen. „Und als er in dieser Weise mit mir 
redete, richtete ich mein Angesicht zur Erde und verstummte. 
*) Den Titel „Füist der Hölle", der dem Satan, so gerne beigelegt wird, finden 
wir nirgends in der Heiligen Schrift. Wenn Gott ihn in den Feuersee werfen 
wird, dann wird ihm jede Macht und jeder Titel für immer genommen sein. Er 
ist dann nur noch der elende Gegenstand der schrecklichen, aber gerechten Ge= 
richte Gottes. 

Und siehe, einer, den Menschenkindern gleich, berührte meine 
Lippen, und ich tat meinen Mund auf und redete und sprach zu 
dem, der vor mir stand: Mein Herr, wegen des Gesichts 
überfielen mich die Wehen, und ich habe keine Kraft behalten. Und wie vermag ein Knecht dieses meines Herrn mit 
diesem meinem Herrn zu reden? Und ich — von nun an bleibt 
keine Kraft mehr in mir, und kein Odem ist in mir übrig" 
(V. 15—17). Wieder verläßt den Propheten alle Kraft. Doch 
von neuem rührt ihn einer, von Ansehen wie ein Mensch, an 
und stärkt ihn. „Und er sprach: Fürchte dich nicht, du vielgeliebter Mann! Friede dir! sei stark, ja, sei stark!" Der Herr 
muß den Propheten erst auf seine Füße stellen, ihm den Mund 
öffnen und seine Furcht wegnehmen, ehe Er ihm die Zukunft 
offenbaren kann. Sein Herz muß in vollkommenem Frieden 
in der Nähe Gottes sein, ehe er imstande ist, Seine Mitteilungen aufzunehmen. Dies enthält eine beherzigenswerte Unterweisung für uns. Zum wahren Verständnis der Gedanken 
Gottes und zum Fortschritt in der Erkenntnis Seines Wortes 
genügt es nicht, errettet zu sein und das Leben zu haben, sondern das Herz muß in Wirklichkeit den Frieden Gottes genießen und mit einfältigem Vertrauen in Jesu ruhen. So lange 
uns die Nähe Gottes mit Furcht erfüllt, können wir uns nicht 
in Ihm erfreuen, noch in Seine Gedanken und Ratschlüsse mit 
wahrem Verständnis eindringen. 
Kapitel TI, 1—35 
Gestärkt durch die Berührung durch den Engel und durch 
dessen trostreiche Worte ist der Prophet jetzt fähig, die göttlichen Mitteilungen entgegenzunehmen. „Und auch ich stand 
im ersten Jahre Darius', des Meders, ihm bei als Helfer und 
Schutz" (V. 1). Es ist hier derselbe Sprecher wie im vorigen 
Kapitel, und dies liefert uns einen neuen Beweis, wie innig 
die Engel als Täter des Wohlgefallens Gottes und als Vollstrecker Seiner Ratschlüsse (Ps 103, 20. 21) mit den Ereignissen auf dieser Erde in Verbindung stehen. 
„Und nun will ich dir die Wahrheit kundtun: Siehe, es werden noch drei Könige in Persien aufstehen" (V. 2). Der Leser 
wird sich erinnern, daß die Prophezeiung im dritten Jahre 
Kores', des ersten persischen Königs, gegeben wurde. Nach 
10 
ihm sollten noch drei Könige in Persien aufstehen. Die Geschichte hat uns ihre Namen aufbewahrt, aber wir haben nicht 
nötig, menschliche Hilfsmittel bei der Betrachtung des Wortes 
Gottes in Anspruch zu nehmen. Die Schrift selbst gibt uns 
genügend Aufschluß. Sie ist ein harmonisch vollendetes Ganzes, dessen erhabene Schönheit und Fülle kein Mensch auszusprechen und keine Feder zu beschreiben vermag. Gott Selbst 
hat durch Seine inspirierten Schreiber geredet, und daher ist 
alles vollkommen und ohne Makel. Kein Wort ist zuviel, 
keins zuwenig. Zwischen den einzelnen Teilen der Heiligen 
Schrift herrscht ein so inniger Zusammenhang und eine so 
genaue Übereinstimmung, daß den unterwürfigen und einsichtsvollen Leser stets neues Staunen und neue Bewunderung 
ergreift. Das eine Buch erklärt das andere, diese Stelle verbreitet Licht über jene. So ist es auch hier. Das vierte Kapitel 
des Buches Esra ergänzt die Mitteilungen, die der Engel dem 
geliebten Knechte Gottes gibt. Wir lesen dort, daß die Feinde 
Israels versuchten, die an dem Bau des Tempels beschäftigten 
Juden auf alle mögliche Weise zu behindern. „Und sie dingten 
Ratgeber wider sie, um ihren Plan zu vereiteln, alle die Tage 
Kores', des Königs von Persien, und bis zur Regierung 
Darius', des Königs von Persien" (V. 5). Ihr böser Anschlag 
gelang. Auf Befehl des Königs mußte der Bau des Tempels 
eingestellt werden, und zwar so lange, bis der König Darius 
zur Regierung kam. Die Verse 6—23 bilden eine Einschaltung 
und erzählen uns die Geschichte des zwischen dem Tode des 
Königs Kores und dem Regierungsantritt des Darius*) liegenden Zeitabschnittes. In Vers 6 heißt es: „Und unter der Regierung des Ahasveros, im Anfang seiner Regierung, schrieben sie (jene Feinde und Verleumder der Juden) eine Anklage 
wider die Bewohner von Juda und Jerusalem". Hier haben wir 
den König, der dem Cyrus zunächst in der Regierung folgte — 
Ahasveros. Sein geschichtlicher Name ist Kambyses. Der nächste Vers führt seinen Nachfolger ein, „Und in den Tagen 
Artasastas schrieben Bischlam usw." Dieser Artasasta ist 
wohl zu unterscheiden von dem König gleichen Namens, unter 
dem Nehemia lebte. Der regierte zu eirner viel späteren Zeit 
) Nicht zu verwechseln mit Darius, dem Meder, der Babylon eroberte und 
den König Beltsazar seiner Herrschaft beraubte. Der hier genannte Darius ist 
unter dem Namen Darius Hystaspes bekannt. 
11 
und trägt in der Geschichte den Namen Artaxerxes Longimanus. Der in Esra erwähnte Regent wird von den Geschichtsschreibern Pseudo-Smerdis oder Smerdis, der Magier, genannt. Er regierte nur wenige Monate und entstammte der 
Sage nach nicht dem königlichen Geschlecht, sondern war ein 
Magier, d. h. ein hervorragender persischer Priester. Daher 
auch sein Beiname. Er bemächtigte sich nach dem Tode des 
Kambyses der Herrschaft, da dieser keine männlichen Erben 
hinterließ, wurde aber von Darius (dem Perser) bald nach 
seinem Regierungsantritt gestürzt und getötet. Esra führt diesen König Darius am Schluß des vierten Kapitels an. Dies sind 
also die drei Könige, von welchen die Prophezeiung redet. Sie 
herrschten nach Cyrus und tragen in der Schrift die Namen 
Ahasveros, Artasasta und Darius, während sie in der profanen Geschichte als Kambyses, Pseudo-Smerdis oder Smerdis, 
der Magier, und Darius Hystaspes bekannt sind. 
„Und der vierte wird größeren Reichtum erlangen als alle; 
und wenn er durch seinen Reichtum stark geworden ist, wird 
er alles gegen das Königreich Griechenland aufregen". Ohne 
Zweifel haben wir es hier mit Xerxes I., dem Sohne des Darius 
Hystaspes, zu tun, der seinem Vater nach dessen Tode in der 
Regierung folgte. Sein Reichtum ist sprichwörtlich bekannt, 
und er war es, der beinahe das ganze damals bekannte Asien 
gegen Griechenland in Bewegung setzte. Er bot alle die ungeheuren Kräfte seines Reiches auf, um die Eroberung des 
kleinen Ländchens, die sein Vater schon zweimal vergeblich 
versucht hatte, auszuführen. Erzürnt über die wiederholten 
Mißerfolge hatte schon Darius die umfassendsten Vorbereitungen zu einem dritten Zug gegen das kleine, aber tapfere und 
heldenmütige Volk der Griechen getroffen. Nach seinem Tode 
setzte Xerxes die gewaltigen Rüstungen fort und brachte ein 
Heer auf die Beine, wie es die Welt bis dahin nicht gesehen 
hatte. Xerxes selbst stellte sich an die Spitze seiner Truppen. 
Zahllosen Heuschreckenschwärmen gleich überfluteten die unabsehbaren Scharen die griechische Halbinsel. Doch schon am 
Thermopylen-Paß brachen sich die gewaltigen Wogen für 
einen Augenblick an dem hartnäckigen Widerstand des Spartaners Leonidas und seiner todesmutigen Schar; der Verlust 
der Seeschlacht von Salamis zwang den Perserkönig, der bereits 
über seine Feinde zu triumphieren meinte, zu einem schimpf12 
liehen Rückzug nach Asien. Der Krieg hatte ihm ungeheure 
Verluste an Schätzen und Menschenleben gebracht. 
Ungefähr 150 Jahre später nahmen die Griechen unter Anführung Alexander des Großen, des Königs von Mazedonien, 
furchtbare Rache an ihren Erbfeinden. „Und ein tapferer König 
wird aufstehen, und er wird mit großer Macht herrschen und 
nach seinem Gutdünken handeln" (Vers 3). Der Heilige 
Geist überspringt jenen Zeitraum von 150 Jahren und geht 
von Xerxes sogleich auf Alexander über. Er erwähnt nur die 
wichtige Tatsache, die Anlaß zu dem Sturz des persischen Reiches gab — den Einfall in Griechenland — und führt dann direkt jenen gewaltigen König ein, der einen völligen Umschwung 
in der Geschichte des Ostens hervorbringen sollte. „Er wird 
mit großer Macht herrschen und nach seinem Gutdünken handeln. Und sobald er aufgestanden ist, wird sein Reich zertrümmert und nach den vier Winden des Himmels hin zerteilt 
werden". Dies geschah, wie wir wissen, beim Tode Alexanders. 
Nach kurzer Herrschaft starb der große Eroberer in der Fülle 
seiner Kraft und sein Reich zerfiel in vier gewaltige Bruchstücke. Es wurde zertrümmert und verteilt nach den vier Winden des Himmels, „aber nicht für seine Nachkommen wird es 
sein und nicht nach der Macht, mit welcher er geherrscht hat; 
denn sein Reich wird zerstört und anderen zuteil werden, mit 
Ausschluß von jenen" (V. 4). Wir haben im Lauf unserer Betrachtung schon mehrfach Gelegenheit gehabt, zu bemerken, 
daß nicht ein Sohn Alexanders oder ein Glied seiner Familie 
ihm nach seinem Tode in der Regierung folgte, sondern daß 
vier seiner mächtigsten Feldherren sich in das ungeheure Reich 
teilten (vergl. Kap. 7, 6; 8, 8). Dasselbe wird hier in den 
bestimmtesten Ausdrücken festgestellt. 
„Und der König des Südens, und zwar einer von seinen 
Obersten, wird stark werden. Und einer wird stark werden über 
ihn hinaus und wird herrschen; seine Herrschaft wird eine 
große Herrschaft sein" (V. 5). Zwei von jenen vier Fürsten 
sollten, wie der Heilige Geist uns hier mitteilt, zu einer besonderen Machtstellung gelangen. Sie werden im folgenden Vers 
der König des Nordens und der König des Südens genannt. 
Diese Bezeichnung ist charakteristisch. Das Volk Israel und 
sein Land bilden in den Augen und den Gedanken Gottes in 
13 
bezug auf diese Erde immer den Hauptgegenstand, den Mittelpunkt. Von dort aus wird alles gerechnet. Wenn wir daher von 
einem König des Nordens lesen, so ist darunter der Beherrscher der nördlich von Palästina gelegenen Länder zu verstehen, während auf der anderen Seite der Titel „König des 
Südens" jenen Fürsten beigelegt wird, deren Reich sich im 
Süden des gelobten Landes befand. Die erste Benennung bezeichnet also den König von Syrien, die zweite den König von 
Ägypten (vergl. V. 8). Diese beiden Fürsten und ihre Länder 
bilden durch das ganze Kapitel hindurch (mit Ausnahme der 
Verse 36—39) den Gegenstand der Prophezeiung, während 
die beiden anderen aus dem Zusammensturz der mazedonischen Herrschaft entstandenen Reiche gar nicht erwähnt werden. Dies hat wieder darin seinen Grund, daß die ersten in 
direkter Verbindung mit dem Lande und Volke der Juden 
standen, während die beiden anderen wenig oder gar nichts 
damit zu tun hatten. 
Zunächst beschäftigt sich die Prophezeiung mit dem König 
des Südens, dem Herrscher von Ägypten. Er war einer von den 
Fürsten oder Feldherren des großen Alexander; sein Name 
Ptolemäus. Bei der Teilung des Reiches in den Besitz des 
reichen und bevölkerten Nillandes gekommen, war er darauf 
bedacht, seine Herrschaft immer mehr zu befestigen und auszudehnen. „Er wird stark werden". Zuerst nur Stadthalter von 
Ägypten und Lybien, nahm er später den Königstitel an. Er 
wurde der Gründer des Fürstengeschlechts der Ptolemäer, auch 
Lagiden genannt. „Und einer wird stark werden über 
ihn hinaus und wird herrschen; seine Herrschaft wird eine 
große Herrschaft sein" (V. 5). Dieser andere Fürst ist, wie aus 
dem Folgenden hervorgeht, der erste König des Nordens, 
Seleukus I., mit dem Zunamen Nikator, der Stammvater der 
Seleuciden. Das von ihm gestiftete Reich umfaßte alle asiatischen Länder vom Hellespont bis an den Indus und Iaxartes, 
bestand also ungefähr in den Grenzen, die einst Cyrus dem 
persischen Reich gegeben hatte. Nur einige Gebiete hatten sich 
wieder unabhängig gemacht. Das Hauptland bildete jedoch 
Syrien mit der von Seleukus erbauten Residenzstadt Antiochia am Orontes. Gott hält es für gut, uns aus der Geschichte 
dieses Königs und seiner Nachkommen eine Reihe von Einzelheiten mitzuteilen, und zwar bei aller Kürze mit einer Ge14 
nauigkeit, die tiefes Staunen in uns erregen muß. Die Prophezeiung folgt hier beinahe zwei Jahrhunderte hindurch dem 
Laufe der Geschichte der beiden Reiche Syrien und Ägypten 
und führt die verschiedenen Könige, die während dieser Zeit 
nacheinander die Herrschaft besaßen, immer unter demselben 
Namen oder Titel, als Könige des Nordens und des Südens, 
vor unsere Augen. 
„Und nach Verlauf von Jahren werden sie (die Könige des 
Nordens und des Südens) sich verbünden; und die Tochter des 
Königs des Südens wird zu dem König des Nordens kommen, 
um einen Ausgleich zu bewirken. Aber sie wird die Kraft des 
Armes nicht behalten, und er wird nicht bestehen noch sein 
Arm; und sie wird dahingegeben werden, sie, und die sie eingeführt haben, und der sie gezeugt, und der sie in jenen Zeiten 
unterstützt hat" (V. 6). Die beiden Könige, von denen in 
diesem Vers die Rede ist, sind schon nicht mehr dieselben 
Personen wie in dem vorigen, sondern ihre beiderseitigen 
Nachkommen. Um dem langjährigen, immer wieder von neuem 
auflodernden Zwist zwischen beiden Königshäusern ein Ende 
zu machen, begann der Enkel des Seleukus Nikator, Antiochus 
IL, mit dem Beinamen „der Gott", Unterhandlungen mit dem 
damaligen König des Südens, Ptolemäus IL, Philadelphos, und 
heiratete dessen Tochter Berenice, nachdem er seine frühere 
Gemahlin Laoddce verstoßen hatte. „Die Tochter des Königs 
des Südens wird zu dem König des Nordens kommen, um 
einen Ausgleich zu bewirken". Allein dieser Versuch zur Errichtung eines Freundschaftsbundes zwischen Syrien und 
Ägypten schlug trotz der durch die Heirat entstandenen verwandtschaftlichen Beziehungen völlig fehl. „Aber sie wird 
die Kraft des Armes nicht behalten, und er wird nicht bestehen noch sein Arm". Anstatt durch jene Heirat, wie man 
gehofft hatte, den blutigen Kriegen ein Ende zu machen, war 
sie es gerade, die den Grund zu einer noch größeren Feindschaft zwischen den beiden Familien legte. Laodice nämlich, 
die verstoßene Gemahlin des syrischen Königs, ließ ihren 
Gatten aus Rache wegen seiner Treulosigkeit einige Jahre nach 
seiner Verheiratung mit Berenice vergiften, ebenso das Söhnchen der Berenice, das sie dem Antiochus geboren hatte. Berenice floh hierauf höchst erschreckt mit den wenigen Getreuen, die sich um sie gesammelt hatten, nach Daphne bei Anti15 
ochia. Dort wurde sie von Seleukus, dem Sohne der Laodice, 
belagert. Als sich die Stadt nach tapferer Gegenwehr endlich 
ergeben mußte, wurde die unglückliche Frau samt ihrem Anhang auf Befehl des Seleukus umgebracht. „Und sie wird dahingegeben werden, sie, und die sie eingeführt haben, und der 
sie gezeugt, und der sie in jenen Zeiten unterstützt hat". Ihr 
Vater, Ptolemäus Philadelphos, war während dieser Vorgänge 
ebenfalls gestorben. Ist es nicht überraschend, zu sehen, mit 
welcher Genauigkeit die von dem Engel Jahrhunderte vorher 
angekündigten Ereignisse eintrafen? Die Schrift kann nicht 
gebrochen werden. Zur bestimmten Zeit finden alle Verheißungen und Prophezeiungen ihre Erfüllung. Himmel und Erde 
mögen vergehen, das Wort Gottes aber bleibt unerschütterlich 
und unabänderlich dasselbe und erweist sich als göttliche 
Wahrheit. 
„Doch einer von den Schößlingen ihrer Wurzeln wird an 
seiner Statt aufstehen; und er wird gegen die Heeresmacht 
kommen und wird in die Festungen des Königs des Nordens eindringen und mit ihnen nach Gutdünken verfahren, 
und wird siegen" (V. 7). Der Bruder der Berenice — „einer von 
den Schößlingen ihrer Wurzeln", nicht „aus ihrem Samen" — 
Ptolemäus III., Euergetes, der nach dem Tode seines Vaters 
den ägyptischen Königsthron bestiegen hatte, brachte ein gewaltiges Heer zusammen und zog gegen den Mörder seiner 
Schwester heran, um ihren Tod zu rächen. Schon während der 
Belagerung Daphnes hatte er versucht, der bedrängten Stadt 
Entsatz zu bringen, war aber zu spät gekommen. In einer 
Reihe von Schlachten besiegte er den Seleukus und brachte 
ganz Syrien in seine Gewalt. Ein in Kyrene ausgebrochener 
Aufstand zwang ihn jedoch, vorläufig nach Ägypten zurückzukehren. Viele der Großen des syrischen Reiches führte er 
mit sich in die Gefangenschaft. Außerdem fielen zahlreiche Heiligtümer, Bildsäulen und unermeßliche Schätze in seine Hände. 
„Auch wird er ihre Götter samt ihren gegossenen Bildern, samt 
ihren kostbaren Geräten, Silber und Gold, nach Ägypten in 
die Gefangenschaft führen; und er wird Jahre lang standhalten 
vor dem König des Nordens" (V. 8). Ägypten triumphierte, 
und für einige Jahre ruhte der Kampf; aber nicht lange nachher 
entbrannte er von neuem. „Und dieser (der König des Nordens) wird in das Reich des Königs des Südens kommen, aber 
16 
in sein Land zurückkehren" (V. 9). Das Kriegsglück schwankte 
hin und her. Einmal war der König des Südens Sieger, dann 
wieder sein Gegner. Palästina litt unsäglich unter diesen endlosen Streitigkeiten. Infolge seiner unglücklichen Lage zwischen 
beiden Reichen diente es zum Tummelplatz der beiderseitigen 
Heere und zur Wahlstatt ihrer Schlachten. Unaufhörlich wechselte das bedauernswerte Land seinen Herrn. War der König 
des Nordens Sieger, so stand es unter der Herrschaft dieses 
Fürsten; hatte der König des Südens die Oberhand, so fiel 
es wieder in dessen Gewalt. Von beiden Seiten wurden die 
armen Bewohner bis aufs Blut ausgesogen. 
„Aber seine Söhne werden sich zum Kriege rüsten und eine 
Menge großer Heere zusammenbringen; und einer (der andere 
starb sehr bald) wird kommen und überschwemmen und überfluten; und er wird wiederkommen, und sie werden Krieg führen bis zu seiner Festung. Und der König des Südens wird 
sich erbittern und wird ausziehen und mit ihm, dem König 
des Nordens, streiten; und dieser wird eine große Menge aufstellen, aber die Menge wird in seine Hand gegeben werden" 
(V. 10. 11). Von den Nachkommen der oben genannten Könige 
wurde der Krieg jahrelang mit ungeschwächter Kraft und Erbitterung fortgesetzt. Die beiden Söhne des Königs des Nordens sammelten gewaltige Heere, um den König von Ägypten 
zu vernichten, aber der eine starb schon im dritten Jahre seiner 
Regierung an Gift, und der andere, Antiochus III., später „der 
Große" genannt, wurde von Ptolemäus IV., Philopator, vollständig geschlagen. Er mußte sich zurückziehen, kehrte aber, 
nachdem er sich von seinen schweren Verlusten wieder erholt 
hatte, mit einem neuen, noch zahlreicheren Heere nach Palästina zurück. „Wie die Menge weggenommen wird, wird sein 
(des Königs des Südens) Herz sich erheben; und er wird Zehntausende niederwerfen, aber nicht zu Macht kommen. Und der 
König des Nordens wird wiederkommen und eine Menge aufstellen, größer als die frühere; und nach Verlauf der Zeiten 
von Jahren wird er mit einem großen Heere und mit großer 
Ausrüstung kommen. Und in jenen Zeiten werden viele aufstehen gegen den König des Südens; und Gewalttätige deines 
Volkes werden sich erheben, um das Gesicht zu erfüllen, und 
w,erden zu Fall kommen" (V. 12—14). I m
 letzten Vers werden 
plötzlich die Juden wieder eingeführt. Der Ausdruck: „Die 
17 
Gewalttätigen deines Volkes" schließt jede geistliche Anwendung der Prophezeiung aus und beweist, daß nur von dem 
irdischen Volke Daniels, von Israel, die Rede ist. Ein Teil der 
Juden machte wirklich einen Bund mit Antiochus III. (dem 
Großen), dem König von Syrien, gegen Ptolemäus V., Epiphanes, den König von Ägypten, den jungen Sohn des inzwischen verstorbenen Ptolemäus Philopator; sie erhoben sich 
in dem Glauben, dadurch das Gesicht zu erfüllen. Doch sie 
täuschten sich. Sie waren untreu, indem sie ihre Trennung von 
den Nationen nicht aufrecht hielten, und — sie fielen. 
„Und der König des Nordens wird kommen und einen Wall 
auf werfen und eine befestigte Stadt einnehmen; und die Streitkräfte des Südens werden nicht standhalten, selbst sein auserlesenes Volk wird keine Kraft haben, um standzuhalten. Und 
der, welcher gegen ihn gekommen ist, wird nach seinem Gutdünken handeln, und niemand wird vor ihm bestehen; und er 
wird seinen Stand nehmen im Lande der Zierde, und Vertilgung wird in seiner Hand sein" (V. 15. 16). Antiochus der 
Große besiegte seinen Gegner in einer entscheidenden Schlacht, 
eroberte Jerusalem (,,eine befestigte Stadt", wie sie in Vers 15 
genannt wird), sowie ganz Palästina, Cölesyrien und Phönicien 
und trieb die Ägypter in ihr Land zurück. Selbst die auserlesenen Truppen des Südens vermochten ihm nicht standzuhalten. Beachten wir hier, daß der Heilige Geist Palästina 
immer noch „das Land der Zierde" nennt. Es war das Land, 
das Gott Seinem Volke gegeben hatte, und wie traurig auch 
sein damaliger Zustand sein mochte, es blieb in den Augen 
Gottes doch stets das Land der Zierde. Gottes Gnadenratschlüsse sind unbereubar. 
„Und er wird sein Angesicht darauf richten, mit der Macht 
seines ganzen Reiches zu kommen, indem er einen Ausgleich 
im Sinne hat, und er wird ihn bewirken; und er wird ihm eine 
Tochter der Weiber geben, zu ihrem Verderben; und sie wird 
nicht bestehen und wird nichts für ihn sein" (V. 17). Ptolemäus V. sah sich endlich genötigt, Frieden zu schließen. Antiochus verlobte hierauf seine Tochter Kleopatra mit dem jungen 
König unter dem Versprechen, ihr als Mitgift Cölesyrien, 
Palästina und Phönicien zu geben. Seine Absicht dabei war, 
syrischem Einfluß an dem ägyptischen Hof Eingang zu ver18 
schaffen. „Und er wird ihm (dem König des Südens) eine 
Tochter der Weiber geben, zu ihrem Verderben". Kleopatra 
sollte als Werkzeug zur Erfüllung seiner politischen Pläne dienen. In kurzen, aber inhaltsschweren Worten schildert hier der 
Heilige Geist sowohl die endlosen, erbitterten Kämpfe jener 
Tage mit ihren stets wechselnden Erfolgen, als auch die politischen Kunstgriffe, die von beiden Seiten angewendet wurden, 
um den Gegner zu verderben, sowie die Schlauheit, mit der 
man dabei zu Werke ging. Die innersten Gedanken der Herzen 
werden offenbar. 
Doch die Pläne des Antiochus, durch die Verbindung seiner 
Tochter Kleopatra mit dem König von Ägypten diesen unter 
seinen Einfluß zu bringen, scheiterten. „Und sie wird nicht 
bestehen und wird nichts für ihn sein. Und er wird sein Angesicht nach den Inseln hinwenden und viele einnehmen; aber 
ein Feldherr wird seinem Hohne ein Ende machen, dazu noch 
seinen Hohn ihm zurückgeben" (V. 17—18). Nach Abschluß des 
Friedens mit Ptolemäus verließ Antiochus Ägypten, wandte 
sich mit seinen Heeren nördlich und eroberte zuerst Thracien 
und dann einen großen Teil der griechischen Inseln, („er wird 
sein Angesicht nach den Inseln hinwenden") unter anderen 
auch Euböa. Hier jedoch fand er in den Römern, die sich in 
ihrem Vordringen nach Osten bereits eines großen Teils von 
Griechenland bemächtigt hatten, einen furchtbaren Gegner. Er 
wurde so vollständig geschlagen, daß er selbst nur mit geraumer 
Not der Gefangenschaft entging. Er sah sich gezwungen, Griechenland zu räumen und mit den Trümmern seines Heeres 
nach Asien zurückzukehren. Der bekannte römische Feldherr 
und Konsul Lucius Sripio (Asiarikus) folgte ihm auf dem Fuße 
nach und besiegte ihn in mehreren Seetreffen. Damit war seine 
Kraft gebrochen; verlassen von allen seinen Bundesgenossen 
sah er sich genötigt, um Frieden zu bitten. Die ihm von den 
Römern auferlegten Verpflichtungen waren sehr hart. Er mußte 
ganz Kleinasien bis an den Taurus abtreten, eine bedeutende 
Kriegsentschädigung zahlen, zwanzig Geiseln stellen, unter 
denen sich sein jüngerer Sohn Antiochus (der später unter dem 
Namen Antiochus IV. Epiphanes den syrischen Königsthron 
bestieg) befand, und jährlich einen hohen Tribut nach Rom 
liefern. Die Worte der Prophezeiung trafen genau ein. „Aber 
ein Feldherr (der oben genannte Lucius Scipio Asiatikus) wird 
19 
seinem Hohne ein Ende machen, dazu noch seinen Hohn ihm 
zurückgeben" (V. 18). Einige Jahre später erfüllte sich auch der 
Schluß der Prophezeiung. „Und er wird sein Angesicht nach 
den Festungen seines Landes hinwenden und wird straucheln 
und fallen und nicht mehr gefunden werden" (V. 19). Als er, 
um den Tribut für Rom aufzubringen, den Belustempel zu 
Elymais seiner Schätze berauben wollte, wurde er von den 
empörten Bewohnern erschlagen. 
Ihm folgte in der Regierung sein ältester Sohn Seleukus IV., 
mit dem Beinamen Philopator. Der war ein schwacher Regent 
und geriet noch mehr als sein Vater unter den Einfluß und die 
Herrschaft Roms. Nach etwa zwölfjähriger Regierung wurde 
er durch seinen eigenen Schatzmeister Heliodorus vergiftet. 
Seine Geschichte findet sich in Vers 20: „Und an seiner Statt 
wird einer aufstehen, welcher einen Eintreiber der Abgaben 
durch die Herrlichkeit des Reiches ziehen läßt; aber in wenigen 
Tagen wird er zerschmettert werden, und zwar weder durch 
Zorn noch durch Krieg". Die Römer ließen sein Reich abschätzen, um danach die Höhe des jährlichen Tributs zu bestimmen. Seleukus unterwarf sich stillschweigend allen ihren 
Anforderungen. 
„Und an seiner Statt wird ein Verachteter aufstehen, auf 
den man nicht die Würde des Königtums legen wird; und er 
wird unversehens kommen und durch Schmeicheleien sich des 
Königtums bemächtigen. Und die überschwemmenden Streitkräfte werden vor ihm überschwemmt und zertrümmert werden, und sogar ein Fürst des Bundes. Denn seitdem er sich mit 
ihm verbündet hat, wird er Trug üben und wird hinaufziehen 
und mit wenig Volk Macht gewinnen" (V. 21—23). Mit diesen 
Worten wird ein König eingeführt, der in der profanen Geschichte weniger bekannt ist, den aber der Heilige Geist einer 
ganz ausführlichen Beschreibung würdigt. Es ist der schon oben 
genannte jüngere Sohn Antiochus' des Großen, der sich nach 
der Ermordung seines Bruders unter dem Namen Antiochus IV. 
Epiphanes (der Erlauchte) der Herrschaft bemächtigte. Die Geschichte dieses Regenten wird uns hier so genau mitgeteilt, 
weil er sich in ganz besonderer Weise mit dem Volke Israel, 
mit dem Lande der Zierde und mit dem Tempel beschäftigte. 
Er ist der Mann, der den letzten König des Nordens, dem wir 
schon früher begegneten, repräsentiert. 
20 
Antiochus wird in Vers 21 „ein Verachteter" genannt, „auf 
den man nicht die Würde des Königtums legen wird". Ohne 
Zweifel spielt dies auf seine Wegführung als Geisel nach Rom 
an. Er lebte dort bis zu -dem Tode seines Bruders als ein verachteter Gefangener, ohne irgendwelche königliche Ehren zu 
genießen. Nach der Ermordung des Seleukus wurde ihm jedoch 
gestattet, nach Syrien zurückzukehren. Hier angekommen, 
gewann er durch Schmeicheleien und verstellte Freundlichkeit 
die Gemüter und setzte sich die syrische Königskrone, die 
eigentlich dem Sohn seines Bruders zukam, aufs Haupt. Die 
Verse 22 und 23 scheinen eine allgemeine Darstellung seiner 
ganzen Wirksamkeit zu enthalten und bilden gleichsam eine 
Überschrift zu dem Folgenden. Die überschwemmenden Streitkräfte, worunter wir wohl die Ägypter zu verstehen haben, 
„werden vor ihm überschwemmt und zertrümmert wenden, 
und sogar ein Fürst des Bundes". Der letzte Ausdruck bezieht 
sich, wie ich glaube, auf die Juden, mit denen ja schon sein 
Vater einen Bund einging. Er machte sich das Volk der Juden 
zuerst durch Schmeicheleien und allerlei Gunstbezeugungen 
geneigt, aber nur, um es nachher, als er stark geworden war, 
um so mehr zu bedrücken und zu quälen. „Seitdem er sich mit 
ihm verbündet hat, wird er Trug üben". Der Charakter jenes 
Königs war nach der Schilderung des Wortes und den Berichten der Geschichtsschreiber aus despotischer Grausamkeit, 
List und Betrug zusammengesetzt. Seine ganze Geschichte 
bild et eine Kette von Intrigen und Betrügereien. 
„Unversehens wird er in die fettesten Gegenden der Landschaft eindringen und tun, was weder seine Väter noch die 
Väter seiner Väter getan haben. Raub und Beute und Gut 
wird er ihnen zerstreuen und wider die Festungen seine Anschläge ersinnen, und zwar eine Zeitlang. Und er wird seine 
Kraft und seinen Mut wider den König des Südens erwecken 
mit einem großen Heere. Und der König des Südens wird sich 
zum Kriege rüsten mit einem großen und überaus starken 
Heere; aber er wird nicht bestehen, denn man wird Anschläge 
wider ihn ersinnen" (V. 24. 25). In blutigen Kämpfen entriß 
Antiochus dem König von Ägypten nacheinander Cölesyrien, 
Phonierten und Palästina, ja er bemächtigte sich sogar eines 
großen Teiles von Ägypten und nahm den König Ptolemäus 
Philopator gefangen. Unruhen in seinem eigenen Reich riefen 
21 
ihn jedoch von dem Schauplatz seiner Siege ab, und er zog 
nach Syrien zurück, nachdem er, wie es scheint, vergeblich versucht hatte, einen betrügerischen Bund mit seinem Gegner zu 
schließen. „Und die beiden Könige: Ihre Herzen werden auf 
Bosheit bedacht sein, und an einem Tische werden sie Lügen 
reden; aber es wird nicht gelingen, denn das Ende verzieht sich 
noch bis zur bestimmten Zeit. Und er wird mit großem Reichtum in sein Land zurückkehren, und sein Herz wird wider den 
heiligen Bund gerichtet sein, und er wird handeln und in sein 
Land zurückkehren" (V. 27. 28). Mit unermeßlichen Reichtümern beladen, nahm er seinen Rückzug durch Palästina 
nach Syrien. Sobald er dort die Ruhe wiederhergestellt hatte, 
kehrte er nach Ägypten zurück. „Zur bestimmten Zeit wird er 
wiederkehren und gegen den Süden ziehen, aber es wird zuletzt nicht sein wie im Anfang. Denn Schiffe von Kittim werden wider ihn kommen, und er wird verzagen und umkehren, 
und er wird gegen den heiligen Bund ergrimmen und handeln: 
er wird umkehren und sein Augenmerk auf diejenigen richten, 
welche den heiligen Bund verlassen" (V. 29. 30). Antiochus 
stand schon vor Alexandria, als ihm plötzlich ein unerwartetes 
Hindernis in den Weg trat. „Schiffe von Kittim" kamen wider 
ihn und zwangen ihn, von der Belagerung der Stadt abzustehen und Ägypten zu verlassen. Unter den „Schiffen von 
Kittim" haben wir römische Schiffe zu verstehen. Es traf eine 
Gesandschaft ein, die ihm einen Beschluß des römischen Senats 
überbrachte, welche die Forderung enthielt, Ägypten in einer 
bestimmten Frist zu räumen. Die Geschichte erzählt, daß der 
die Gesandschaft begleitende Konsul, um dem ränkevollen 
König Zeit und Gelegenheit zu nehmen, auf Trug zu sinnen, 
mit einem Stabe einen Kreis um ihn zog, den er nicht eher 
verlassen durfte, bis er das Versprechen gegeben hatte, dem 
Befehl des römischen Volkes nachzukommen. Antiochus wagte 
nicht, sich dem damals allmächtigen Willen Roms zu widersetzen; er verließ Ägypten und kehrte nach Palästina zurück, 
um seinen ohnmächtigen Grimm an den unglücklichen Juden 
auszulassen. „Er wird gegen den heiligen Bund ergrimmen und 
handeln: er wird umkehren und sein Augenmerk auf diejenigen 
richten, welche den heiligen Bund verlassen. Und die Streitkräfte von ihm werden dastehen, und sie werden das Heiligtum, die Feste, entweihen und werden das beständige Opfer 
22 
abschaffen und den verwüstenden Greuel aufstellen" (V. 30. 
31). Die Bücher der Makkabäer schildern uns in düsteren 
Farben die Greuel jener schrecklichen Zeit. Jeder Gottesdienst 
wurde im ganzen Land abgeschafft; bei Todesstrafe war es 
verboten, dem Gott des Himmels zu opfern oder den Sabbath 
zu feiern. Im Tempel zu Jerusalem ließ Antiochus eine Statue 
des olympischen Jupiter aufstellen und zwang die Juden, diesen 
„verwüstenden Greuel" anzubeten. Es ist unrichtig, die letzten 
Verse auf das Ende der Tage zu beziehen. Der letzte Teil des 
elften und das ganze zwölfte Kapitel besprechen Ereignisse und 
Erscheinungen, die zur Zeit des Endes zutage treten werden. Hier 
jedoch handelt es sich um historische Tatsachen, die bereits eingetroffen sind. Wohl ist Antiochus Epiphanes ein Vorbild des 
in den letzten Tagen erscheinenden großen Königs des Nordens, 
und ebenso werden sich die hier erzählten Ereignisse in jener 
Zeit in der schrecklichsten Weise wiederholen, aber der Heilige 
Geist hat bis zum Schluß von Vers 35 zunächst nur die Vergangenheit im Auge. „Und diejenigen, welche gottlos handeln 
gegen den Bund, wird er durch Schmeicheleien zum Abfall verleiten; aber das Volk, welches seinen Gott kennt, wird sich stark 
erweisen und handeln. Und die Verständigen des Volkes werden die vielen unterweisen, aber sie werden fallen durch Schwert 
und Flamme, durch Gefangenschaft und Raub, eine Zeitlang. 
Und wenn sie fallen, wird ihnen mit einer kleinen Hilfe geholfen werden; und viele werden sich ihnen mit Heuchelei anschließen. Und von den Verständigen werden einige fallen, um 
sie zu läutern und zu reinigen und weiß zu machen bis zur Zeit 
des Endes, denn es verzieht sich noch bis zur bestimmten Zeit" 
(V. 32—35). Nachdem Antiochus das Götzenbild zu Jerusalem 
aufgestellt hatte, nahm er das tägliche Opfer weg und verführte 
viele, teils durch Schmeicheleien, teils durch Gewalt zum Abfall. 
Doch die, welche Gott in Wahrheit kannten, blieben standhaft; 
sie waren „stark und unterwiesen die vielen". Aber sie wurden 
auf das Grausamste verfolgt und getötet. 
Hiermit schließt eigentlich die Geschichte der syrischen 
Könige und im besonderen des Antiochus Epiphanes. Der 
Lauf der Ereignisse wird unterbrochen, und der Heilige Geist 
tritt in Vers 36 mit einem Mal in die Zeit des Endes ein, nachdem Er ausführlich den Mann beschrieben hat, der vorbildlich 
23 
zeigt, was dem Volke Israel zur Zeit des Endes begegnen wird. 
Die Verse 34 und 35 stellen den Zustand des Volkes Israel 
seit den Tagen des Antiochus bis heute und „bis zur Zeit des 
Endes,, in allgemeinen Ausdrücken dar. Es wurde ihnen geholfen mit einer kleinen Hilfe; wenigstens wurde ihre Lage 
nach den Kämpfen der Makkabäer und nach dem Tode des 
Antiochus erträglich. Aber bald brach infolge der Verwerfung 
des Messias die schrecklichste Katastrophe herein, welche die 
unglückliche Nation je erlebt hat. Ihre Stadt wurde zerstört, 
ihr Heiligtum verwüstet und ihr Volk völlig aufgelöst und aus 
dem Lande vertrieben. 
Kapitel 11, 56—45 
Der erste Teil des Kapitels bis Vers 35 ist also seinem 
ganzen Inhalt nach historisch und, im Blick auf die Zeit des 
Endes, vorbildlich. Ich wiederhole dies noch einmal, weil es 
zum Verständnis des Ganzen unbedingt nötig ist, hierüber 
klar zu sein. Vers 35 schließt mit den Worten: „Um sie zu 
läutern und zu reinigen und weil? zu machen bis zur Zeit des 
Endes, denn es verzieht sich noch bis zur bestimmten Zeit". 
Schon diese Worte beweisen, daß die vorher erzählten Tatsachen und Ereignisse vor der Zeit des Endes geschehen sein 
müssen. Viele haben nun eine Schwierigkeit darin gefunden, 
daß unser Herr in Mt 24, 15 sagt: „Wenn ihr nun den Greuel 
der Verwüstung, von welchem durch Daniel, den Propheten, 
geredet ist, stehen sehet an heiligem Orte usw.", indem sie diese 
Stelle mit Vers 31 unseres Kapitels verbinden zu müssen 
glaubten. Aber diese Verbindung ist unrichtig. Der Herr will 
die Aufmerksamkeit der Jünger nicht auf diese Stelle, sondern 
auf einen ähnlich lautenden Vers lenken, den wir in Kapitel 
12 unseres Buches finden: „Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, und zwar, um den verwüstenden Greuel aufzustellen, sind tausend zweihundertundneunzig Tage" (V. 11). Schon der Wortlaut beweist die Richtigkeit unserer Behauptung. Während im 11. Kapitel von 
einem „verwüstenden Greuel" (wörtlich: ein Greuel dessen, 
der verwüstet oder des Verwüsters) die Rede ist, finden wir 
in dem angeführten Vers des nächsten Kapitels denselben 
Ausdruck wie in Mt 24; „Greuel der Verwüstung". 
24 
Zudem war das Auf stellen des „verwüstenden Greuels" durch 
Antiochus Epiphanes von Umständen begleitet, die sich in den 
letzten Tagen nicht wiederfinden werden. Nachdem das Götzenbild schon aufgestellt ist, heißt es: „Und diejenigen, welche 
gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch Schmeicheleien 
zum Abfall verleiten; aber das Volk, welches seinen Gott 
kennt, wird sich stark erweisen und handeln" (V. 32). Dies 
traf wörtlich ein. Der treue Oberrest, der an den Geboten 
Gottes festhielt und sich dem Befehl des Königs nicht unterwerfen wollte, wurde unter der Anführung der Makkabaer in 
der Tat stark und handelte. Mit heldenmütiger Tapferkeit 
und kühner Todesverachtung warf sich das kleine Häuflein den 
übermächtigen Heeren des Unterdrückers entgegen und zwang 
sie, ganz Palästina zu räumen. Nun aber geht aus der Offenbarung und anderen Teilen des Wortes Gottes, die über die 
Zukunft Israels reden, deutlich hervor, daß der göttliche Überrest in den letzten Tagen sich in einer ganz anderen Weise 
darstellen wird. Anstatt mächtige Taten zu vollbringen, wird 
er schwach und unterdrückt sein. Er wird nicht handeln, sondern leiden. Er wird auf die Berge fliehen, um der Wut seiner 
Verfolger zu entrinnen. — Alles das beweist, daß die Prophezeiung sich bis zum Vers 36 nicht mit den Ereignissen der 
letzten Tage beschäftigt, und daß infolgedessen auch die Worte 
des Herrn in M't 24 nicht auf den Inhalt von Vers 32 Bezug 
haben können. Erst in Vers 36 führt der Engel den Propheten 
in die Zeit des Endes ein. 
In diesem Vers tritt nun ganz plötzlich und unerwartet eine 
neue Person auf den Schauplatz. Es wird weder gesagt, wer 
sie ist, noch woher sie kommt. Allein der Charakter, der ihr 
zugeschrieben wird, die Geschichte, in welche der Heilige Geist 
in Verbindung mit ihr eingeht, ihre Handlungsweise, kurz 
alles, was wir von ihr hören, gibt uns bei aufmerksamer Betrachtung bald die Überzeugung, daß wir es mit jenem schrecklichen König zu tun haben, der sich in den letzten Tagen im 
Lande Israel in offener Empörung gegen den Herrn auflehnen 
wird. Es ist jene Person, von welcher der Herr sagt, daß sie 
in ihrem eigenen Namen kommen und von den Juden aufgenommen werden wird, der Antichrist. Er wird hier „der 
König" genannt. Unter diesem bestimmten Titel begegnen wir 
ihm zu verschiedenen Malen in der Hailigen Schrift. Sdion 
25 
bei der Betrachtung von Kapitel 8 hatten wir Gelegenheit, von 
diesem König zu reden, indem wir bei einem Vergleich mit 
Jes 30 entdeckten, daß Jehova Assyrien verzagt machen und 
für dasselbe, sowie für „den König", das Tophet (die Greuelstätte) bereiten wird. „Denn vorlängst ist eine Greuelstätte zugerichtet: auch für den König ist sie bereitet" (V. 33). Sowohl der 
in den letzten Tagen erscheinende König des Nordens, als auch 
der König fallen einem schrecklichen Gericht anheim. Beide trifft 
dasselbe entsetzliche Schicksal. Die Greuelstätte ist für sie 
bereitet, und „tief und weit hat er sie gemacht, ihr Holzstoß 
hat Feuer und Holz in Menge; wie ein Schwefelstrom setzt der 
Hauch Jehovas ihn in Brand". Gott belehrt die Juden in dieser 
Prophezeiung, daß außer dem Assyrer noch eine andere bemerkenswerte Persönlichkeit am Ende der Tage aufstehen 
wird, und Er nennt sie „den König", um dadurch die besonderen Beziehungen zu bezeichnen, die sie mit Israel verknüpfen wird. Sie wird König von Israel sein. Handelte es sich 
um den Beherrscher eines anderen Landes, so würde der Heilige Geist sicher eine nähere Bezeichnung hinzugefügt haben. 
Er spricht jedoch einfach von „dem König", wie Er auch, sobald Er von Palästina redet, nichts weiter sagt, als: „das Land", 
oder „das Land der Zierde", oder „die Landschaft". Es ist der 
Antichrist, der sich selbst die königlichen Rechte des wahren 
Königs, des Gesalbten Gottes, anmaßt. 
In Kapitel 57 des Propheten Jesajas kehrt die Bezeichnung 
„der König" wieder. Nachdem Gott in Kapitel ^ von den 
moralischen Eigenschaften gesprochen hat, die Er in Seinem 
Volke am Ende der Tage hervorbringen will, zeigt er in Kapitel 
57 den schrecklichen Zustand, in dem sich Israel zu jener Zeit 
befinden wird. Er zählt die traurigen Sünden des Volkes auf 
und sagt dann plötzlich in Vers 9: „Und du zogest mit ö l zum 
König und machtest viel deiner wohlriechenden Salben; und 
du sandtest deine Boten in die Ferne und erniedrigtest dich 
bis zum Scheol". Mit dem Könige zu tun zu haben, wird gleichbedeutend sein mit einer Erniedrigung bis zum Scheol. Es ist 
daher nicht zu verwundern, daß „auch für den König" das 
Tophet, die Greuelstätte, bereitet ist. Beide Stellen beweisen 
also deutlich, daß in der letzten Zeit eine Person über das Land 
Israel herrschen wird, welcher der Heilige Geist den besonderen Namen „der König" beilegt. 
26 
Sind wir hierüber im klaren, so ist das Verständnis des 
letzten Teils von Dan 11 nicht mehr schwer. Sobald „der 
König" eingeführt wird, müssen wir uns in die Zeit des Endes 
versetzen. Die lange, dunkle Nacht der Zerstreuung Israels 
ist dann beinahe vorüber; die unglückliche Nation ist wieder 
in ihr Land zurückgekehrt. Doch in welch einem beklagenswerten Zustand befindet sie sich! Statt sich der Herrschaft 
Christi, ihres Messias, zu erfreuen, steht sie unter der schrecklichen Botmäßigkeit „des Königs", jenes eigenwilligen Menschen der Sünde. „Und der König wird tun nach seinem Gutdünken". Ach! wohin führt es den Menschen, wenn er anfängt, seinen eigenen Willen zu tun! Adam handelte nach 
seinem Willen, und das unmittelbare Resultat war Tod und 
Verderben, Trennung von Gott und der Verlust Seiner köstlichen Gegenwart. Hier in unserem Kapitel finden wir das 
Ende eines solchen eigenwilligen Weges. Das Böseste, was der 
Antichrist, der Mensch der Sünde, tun wird, ist, daß er nach 
feinem Gutdünken handelt. Er setzt Gott völlig beiseite und 
fragt nur nach seinem eigenen Willen. Und beachten wir wohl, 
daß der Heilige Geist diesen Charakterzug allen anderen voransetzt. In den Augen Gottes gibt es nichts Schrecklicheres, als 
wenn der Mensch seinem ungezähmten Willen folgt. Wie tief 
sollte uns dies demütigen! Suchen wir stets mit aufrichtigem 
Herzen und mit Verleugnung unseres eigenen Willens den 
wohlgefälligen Willen Gottes zu erforschen? Wünschen wir in 
Wahrheit, unserem geliebten Herrn gleichförmig und in Sein 
Bild verwandelt zu werden? Nichts steht mehr mit Seinem 
Charakter, Seiner Natur und Seinem ganzen Wesen in Widerspruch, als wenn wir unseren eigenen Willen suchen. Seine 
Speise war es, den Willen Seines Vaters zu tun, und ebenso 
sollte es mit uns sein. Wir sind gebracht „zum Gehorsam und 
zur Blutbesprengung Jesu Christi". Derselbe Geist des Gehorsams, der alle Handlungen Christi charakterisierte, sollte auch 
uns beseelen und uns täglich und stündlich, überall wo wir sein 
mögen, sei es im Geschäft oder in der Familie, sei es im Verkehr mit der Welt oder mit den Kindern Gottes, leiten. Möchten wir nie vergessen, daß der Geist des Antichristen uns beherrscht, wenn wir unseren Willen zu tun suchen und unsere 
eigenen Wege gehen! 
27 
„Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und 
er wird sich erheben und groß machen über jeden Gott, und 
wider den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden; und er 
wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen" (V. 36). Der schreckliche Grundsatz der Sünde, der Ungehorsam gegen Gott, zeigt sich hier in 
seiner vollendeten Gestalt; er überschreitet alle Grenzen. Der 
König wird tun nach seinem Gutdünken und sich erheben, 
nicht nur über alle Menschen, sondern sogar über „jeden Gott", 
über jede Autorität, und er wird Lästerungen ausstoßen wider 
den Gort der Götter. Und trotz dieser schrecklichen Verhöhnung Gottes und alles dessen, was göttlich heißt, wird es ihm 
gelingen, und zwar „bis der Zorn vollendet ist". Dieses letzte 
Wort gibt uns Licht über die ganze Stelle und zeigt die Haltlosigkeit der Behauptungen so vieler Erklärer dieses Buches, 
welche in „dem König" eine historische Person — Mohammed, 
oder einen der Päpste, oder gar Napoleon L, zu erblicken 
meinen, „und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet 
ist". Welcher Zorn? Zürnt Gott Seiner Kirche oder Versammlung? Gewiß nicht. Es währt jetzt die Zeit der Gnade, die Zeit 
der Annehmung, der Geduld und der Langmut Gottes. Der Zorn, 
von dem hier die Rede ist, ist der Zorn Gottes gegen das Volk, 
mit dem Er Sich beschäftigt, in dessen Mitte jener „König" 
aufsteht, mit einem Wort, der Zorn Gottes gegen Israel. Seit 
der Verwerfung des Messias ruht dieser Zorn auf dem jüdischen Volke, aber er wird erst dann in seiner ganzen Glut 
entbrennen, wenn Israel wieder in sein Land zurückgekehrt 
ist. Bis zur Vollendung dieses Zornes wird es jenem falschen 
König „gelingen". 
„Und auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, und 
weder auf die Sehnsucht der Weiber noch auf irgendeinen Gott 
wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben" (V. 
37). Die ersten Worte dieses Verses scheinen darauf hinzudeuten, daß dieser falsche König oder der Antichrist ein Jude 
sein wird. Er wird nicht achten auf den Gott seiner Väter. Der 
Ausdruck „die Sehnsucht der Weiber" bezieht sich, wie ich 
glaube, auf Christum, auf den Messias, den alle Juden sehnlichst erwarteten und dessen Geburt von den jüdischen Frauen 
über alles gewünsdit worden sein muß. Es war das Begehren der Frauen, die Mutter des Messias zu werden. Dies 
28 
scheint auch aus der Stellung jener Worte hervorzugehen: Der 
Antichrist wird nicht achten auf den Gott seiner Väter, den 
Gott Israels, noch auf die Sehnsucht der Weiber, d. h. auf 
Christum, den fleischgewordenen Messias, noch auf irgendeinen anderen Gott. Er wird alles verwerfen und sich selbst 
„über alles erheben". Er zwingt nicht das jüdische Volk, einen 
heidnischen Götzen anzubeten, wie einst Antiochus Epiphanes 
es tat, sondern er macht sich selbst zu einem Gott und läßt 
sich göttliche Verehrung und Anbetung erweisen. Aber, obwohl er dies tut, ist dennoch das Bedürfnis in ihm vorhanden, 
ein höheres Wesen zu verehren, und dies findet seinen Ausdruck darin, daß er den Gott der Festungen, einen Gott, den 
seine Väter nicht gekannt haben, ehren und ihm Silber und 
Gold und allerlei Kostbarkeiten opfern wird. „Und an dessen 
Statt wird er den Gott der Festungen ehren: den Gott, den 
seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und 
mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien. Und er 
wird gegen die starken Festungen so verfahren mit dem fremden Gott: Wer ihm Anerkennung zollt, dem wird er viel Ehre 
erweisen, und er wird ihm Herrschaft verleihen über die 
Vielen und das Land austeilen zum Lohne" (V. 38. 39). Der 
Antichrist nimmt einen völlig neuen Aberglauben an. Und 
nicht nur wird er selbst jenen fremden Gott ehren, sondern 
auch allen, die ihn anerkennen werden, d. h. denen, die mit 
ihm eines Sinnes sind, seinen Anhängern, die Ehre vermehren 
und zum Lohn das Land unter sie verteilen. Der Ausdruck 
„das Land" weist uns wieder unzweideutig auf Palästina hin. 
Es ist das heilige gelobte Land, das Land, mit dem die Ratschlüsse und Gedanken Gottes in Verbindung stehen. 
Mit Vers 40 tritt ein Wechsel im Lauf der Geschichte ein. 
„Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm 
zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen 
ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen 
Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie 
überschwemmen und überfluten" (V. 40). Dieses bestätigt 
unsere frühere Behauptung, daß „der König" erst zur „Zeit 
des Endes" aufstehen wird. In jenen Tagen werden die beiden 
Könige von Ägypten und Syrien den Antichristen, nachdem er 
sich zum König Israels aufgeworfen hat, angreifen; sie verfolgen jedoch nicht dieselbe Politik, sondern scheinen im Ge29 
genteil untereinander erbitterte Feinde zu sein. Der König des 
Nordens wird alles mit seinen Heeresmassen überströmen und 
in das Land der Zierde, Palästina, kommen. „Und er wird in 
das Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu 
Fall kommen; diese aber werden seiner Hand entrinnen: Edom 
und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon" (V. 41). 
Es ist bemerkenswert, daß die letztgenannten drei Völker nicht 
in die Hände des Königs des Nordens fallen werden. Ich 
glaube, der Grund ist folgender: Jene Völker waren von jeher 
die bittersten Feinde der Juden, stets darauf bedacht, ihnen 
soviel wie möglich Schaden zuzufügen. Schon in der Wüste 
suchten sie dem Volke Israel allerlei Hindernisse in den Weg 
zu legen; so verweigerten sie ihnen z. B. den Durchzug durch 
ihr Land. Deshalb wird Gott sie aufbewahren, um durch Israel 
selbst das Gericht über sie ausführen zu lassen. In Übereinstimmung damit lesen wir in Jes 11, 14: „Und sie (die Kinder 
Israel) werden den Philistern auf die Schultern fliegen gegen 
Westen, werden miteinander plündern die Söhne des Ostens; 
an Edom und Moab werden sie ihre Hand legen, und die 
Kinder Ammon werden ihnen gehorsam sein". Gott läßt diese 
Völker der Hand des Königs des Nordens entrinnen, um sie 
der Rache der triumphierenden Israeliten anheimzugeben. 
Ferner ist es beachtenswert, daß „der König" oder der Antichrist in diesem Kapitel nicht weiter erwähnt wird. Der Heilige 
Geist teilt uns hier nichts über das endliche Schicksal dieses 
Gottlosen mit, wie Er ihn auch einführt ohne zu sagen, woher 
er kommt. Wir wissen aus anderen Schriftstellen zur Genüge, 
welch schreckliches Los ihn treffen wird. Er wird lebendig in 
den See geworfen, der mit Feuer und Schwefel brennt. Der 
Heilige Geist redet an dieser Stelle nur von ihm, um uns 
seinen schrecklichen Charakter und den letzten großen Streit 
zwischen ihm und den beiden Königen des Nordens und des 
Südens vor Augen zu führen. Der Rest des Kapitels handelt 
ausschließlich von dem König des Nordens. 
„Und er wird seine Hand an die Länder legen, und das Land 
Ägypten wird nicht entrinnen. Und er wird die Schätze an 
Gold und Silber und alle Kostbarkeiten Ägyptens in seine 
Gewalt bringen, und Libyer und Äthiopier werden in 
seinem Gefolge sein" (V. 42. 43). Wie schon oben bemerkt, 
30 
geht der König des Nordens nicht Hand in Hand mit dem 
Beherrscher Ägyptens. Im Gegenteil bekriegt und unterwirft 
er ihn. „Das Land Ägypten wird ihm nicht entrinnen". Jedoch, 
mitten in seinem Siegeszuge wird er durch beunruhigende Gerüchte aus dem Norden und Osten aufgehalten und zum Rückzug gezwungen. „Aber Gerüchte von Osten und von Norden 
her werden ihn erschrecken; und er wird ausziehen in großem 
Grimme, um viele zu vernichten und zu vertilgen" (V. 44). 
Wahrscheinlich sind es die Völker, die er auf seinem Zuge 
nach Ägypten niedergeworfen hat, die sich wieder empören 
und ihn zur Umkehr nötigen. Zornig wird er von dem König 
von Ägypten ablassen und nach Palästina zurückkehren, um 
die Aufständischen zu züchtigen. „Er wird ausziehen in großem 
Grimme, um viele zu vernichten und zu vertilgen. Und er wird 
sein Palastgezelt aufschlagen zwischen dem Meere und dem 
Berge der heiligen Zierde. Und er wird zu seinem Ende kommen und niemand wird ihm helfen" (V. 44. 45). Das ist das 
Ende des letzten großen Königs des Nordens. Er wird sein Lager 
zwischen den Meeren, d. h. zwischen dem Mittelländischen und 
dem Toten Meer, und dem Berge der heiligen Zierde (Zion) 
aufschlagen. Aber dann wird er zu seinem Ende kommen, und 
niemand wird ihm helfen. Gott Selbst wird ihn richten. 
Wir sind somit am Ende unseres Kapitels angelangt. Bevor 
wir jedoch zur Betrachtung des nächsten übergehen, wird es für 
den Leser von Interesse sein, noch einige Stellen aus anderen 
Teilen der Heiligen Schrift, die sich mit denselben Personen 
und Vorgängen beschäftigen wie der Schluß des vorliegenden 
Kapitels, zu untersuchen. Wir müssen uns dabei natürlich auf 
die hauptsächlichsten beschränken. So heißt es z. B. am Schluß 
von Sach 11: „Denn siehe, ich erwecke einen Hirten im Lande: 
der Umkommenden wird er sich nicht annehmen, das Versprengte wird er nicht suchen und das Verwundete nicht heilen, das Gesunde wird er nicht versorgen, und das Fleisch des 
Fetten wird er essen und ihre Klauen zerreißen" (V. 16). Ich 
bin überzeugt, daß wir unter diesem bösen, falschen Hirten 
„den König" oder den Antichristen zu verstehen haben, den 
Gott am Ende der Tage „im Lande", d. h. in Palästina, erwecken wird. Er bildet einen schrecklichen Gegensatz zu 
Christo, dem guten Hirten. Anstatt die Schafe aus- und einzuführen, sie zu weiden und auf Schritt und Tritt zu bewahren, 
31 
vernachlässigt und verdirbt er sie. Er schont die Herde Gottes 
nicht, sondern ißt das Fleisch des Fetten und zerreißt ihre 
Klauen. Doch „wehe dem nichtigen Hirten, der die Herde verläßt!" Der Zorn Gottes wird über ihn kommen. „Das Schwert 
über seinen Arm und über sein rechtes Auge! Sein Arm soll 
ganz verdorren, sein rechtes Auge völlig erlöschen". Zu derselben Zeit, wenn dieser Hirte sein böses Werk in Jerusalem 
und dem Lande der Zierde vollbringt, wird sich auch die Prophezeiung über Israel erfüllen, die uns in Kapitel 12 des Propheten Sacharja mitgeteilt wird: „Siehe, ich mache Jerusalem 
zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum; und auch über 
Juda wird es kommen bei der Belagerung von Jerusalem" 
(V. 2). Alle Völker ringsum, von Nord und Süd, werden sich 
um Jerusalem versammeln und es belagern. Obwohl mit etwas 
anderen Worten ausgedrückt, weil hier Jerusalem und Israel 
den Hauptgegenstand der Prophezeiung bilden, finden wir 
doch dieselben Ereignisse wieder wie in den letzten Versen von 
Dan 11. Es ist die Zeit des Endes. Israel befindet sich unter 
der schrecklichen Herrschaft des Antichristen, und von außen 
erscheinen mächtige Feinde, um es zu ängstigen und zu unterdrücken. Doch seine Läuterungsperiode ist bald vorüber. Aber 
„es wird geschehen an jenem Tage, da werde ich Jerusalem 
zu einem Laststein machen für alle Völker: alle, die ihn aufladen wollen, werden sich gewißlich daran verwunden. Und 
alle Nationen der Erde werden sich wider dasselbe versammeln" (V. 3). An jenem Tage wird Sich der Herr Selbst mit 
Seinem Volke wieder vereinigen, und alle seine Feinde werden 
zu Schanden werden. Er wird Sich wieder zu Juda bekennen 
und den wenigen Getreuen Gnade und Barmherzigkeit beweisen. „An jenem Tage, spricht Jehova, werde ich alle Rosse 
mit Scheuwerden und ihre Reiter mit Wahnsinn schlagen; 
und über das Haus Juda werde ich meine Augen offen halten" 
(V. 4). 
Ehe jedoch die Befreiung des Volkes durch die mächtige 
Erscheinung des Herrn zur Tatsache wird, fällt Jerusalem einer 
nochmaligen Zerstörung durch die Nationen anheim. Dies wird 
uns im 14. Kapitel des Propheten Sacharja mitgeteilt: „Und ich 
werde alle Nationen nach Jerusalem zum Kriege versammeln, 
und die Stadt wird eingenommen, und die Häuser werden 
geplündert und die Weiber geschändet werden, und die Hälfte 
32 
der Stadt wird in die Gefangenschaft ausziehen, aber das übrige 
Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden" (V. 2), 
Daß wir es hier nicht mit der Einnahme Jerusalems durch Nebukadnezar oder durch die Römer zu tun haben, wie man vielleicht denken könnte, geht sowohl aus dem Wortlaut der Stelle, 
als auch aus dem Zusammenhang, in dem sie zu dem übrigen 
Kapitel steht, hervor. In beiden Fällen wurden alle Einwohner 
der Stadt, die nicht dem Schwerte der Sieger zum Opfer fielen, 
in die Gefangenschaft geführt. Hier aber hören wir, daß nur 
„die Hälfte der Stadt in die Gefangenschaft ausziehen wird", 
während die Übrigen verschont bleiben. Es handelt sich hier 
deshalb gar nicht um die Belagerung Jerusalems durch die 
Chaldäer oder Römer, sondern um die Einnahme der heiligen 
Stadt durch die um sie versammelten Nationen in den letzten 
Tagen. Jeder Zweifel hierüber wird schwinden, wenn wir im 
weiteren Verlauf des Kapitels lesen: „Und Jehova wird ausziehen und wider jene Nationen streiten, wie an dem Tage, da 
er streitet, an dem Tage der Schlacht. Und seine Füße werden an 
jenem Tage auf dem ölberg stehen, der vor Jerusalem gegen 
Osten liegt und der ölberg wird sich in der Mitte spalten nach 
Osten und nach Westen hin zu einem sehr großen Tal, und die 
Hälfte des Berges wird nach Norden und seine andere Hälfte 
nach Süden weichen" (V. 3. 4). Wer könnte behaupten, daß 
dies jemals geschehen sei? Haben die Füße des Herrn, als eines 
Streiters und Eroberers, jemals auf dem ölberg gestanden? 
Sicherlich nicht. Der Herr ist seit den Tagen des Propheten 
bis auf den heutigen Augenblick in diesem Charakter nie in 
Jerusalem erschienen. Zudem redet diese Stelle von dem Ende 
der Zeiten der Nationen und vom Hinwegtun ihrer Herrschaft. 
Bis heute hat diese Herrschaft noch fortgedauert. Das Volk der 
Juden ist ein Gegenstand des Spottes und der Verachtung. 
Sobald aber jener Tag anbrechen wird, von dem in der Prophezeiung die Rede ist, wird Jehova für Sein Volk gegen jene 
Nation streiten; Seine Füße werden auf dem ölberg stehen, 
und dieser wird sich in zwei Teile spalten und ein großes Tal 
cilden, durch das die verfolgten Juden vor der Wut ihrer Bedränger fliehen können. „Und ihr werdet in das Tal meiner 
Berge fliehen, und das Tal der Berge wird bis Azel reichen; und 
ihr werdet fliehen . . . Und kommen wird Jehova, mein Gott, 
und alle Heiligen mit dir" (V. 5). Wie es mir scheint, bezieht 
33 
sich Vers 2 unseres Kapitels auf das erste Eindringen der 
Könige des Südens und des Nordens in Palästina, wovon 
Daniel in den Versen 40 und 41 des 11. Kapitels spricht. Der 
König des Nordens, als der mächtigere, treibt seinen Gegner 
nach Ägypten zurück, unterwirft ganz Palästina, erobert Jerusalem und führt die Hälfte der Bewohner in die Gefangenschaft. Den Überrest bewahrt der Herr für Sich auf, um ihn 
zu läutern und zu prüfen. „Und es wird geschehen im ganzen 
Lande, spricht Jehova, zwei Teile davon werden ausgerottet 
werden und verscheiden, aber der dritte Teil davon wird übrigbleiben. Und ich werde den dritten Teil ins Feuer bringen, und 
ich werde sie läutern, wie man das Silber läutert, und sie prüfen, wie man das Gold prüft. Es wird meinen Namen anrufen, 
und ich werde ihm antworten; ich werde sagen: Es ist mein 
Volk; und es wird sagen: Jehova ist mein Gott" (Sach 13, 
V. 8. 9). 
Von Ägypten zurückgekehrt, zieht der König des Nordens, 
wie wir oben sahen, von neuem gegen Jerusalem herauf. „Er 
wird sein Palastgezelt aufschlagen zwischen den Meeren und 
dem Berge der heiligen Zierde"; aber dann wird Jehova Selbst 
wider ihn ausziehen und mit ihm und seinen Heeren streiten 
und sie vernichten. Diese letzten Ereignisse sind es, die uns in 
Sach 14, 3. 4 vor Augen geführt werden. 
In Jesaja 28 und 29 finden wir ebenfalls viele Anknüpfungspunkte an den Gegenstand unserer Betrachtung und zugleich 
eine genaue Bestätigung des schon Gesagten. Ich übergehe hier 
jedoch das 28. Kapitel, da sein Inhalt dem Leser noch gegenwärtig sein wird. Bei dem 20. Kapitel möchte ich indessen noch 
einen Augenblick verweilen. Es beginnt mit den Worten: 
„Wehe Ariel, Ariel, Stadt, wo David lagerte . . . Und ich 
werde Ariel bedrängen, und es wird Seufzen und Stöhnen 
geben. Und sie wird mir sein wie Ariel. Und ich werde dich 
im Kreise umlagern und dich mit Heeresaufstellung einschließen 
und Belagerungswerke wider dich aufrichten" (V. 1—3). Hier 
haben wir dieselbe Belagerung Jerusalems, von der in Sacharja 
die Rede ist. „Und erniedrigt wirst du aus der Erde reden, und 
deine Sprache wird dumpf aus dem Staube ertönen, und deine 
Stimme wird wie die eines Geistes aus der Erde hervorkommen, 
und deine Sprache wird aus dem Staube flüstern" (V. 4). Welch 
34 
ein Bild der tiefsten Bedrängnis des Volkes, wenn die Stadt 
der Wut des Eroberers preisgegeben sein wird! Aus dem 
Staube wird ihre Sprache ertönen. Doch es ist nur für eine 
Zeit, um ihre Herzen zu demütigen und sie zu läutern und zu 
prüfen. Sobald der Herr Seinen Zweck bei ihnen erreicht hat, 
erscheint Er auf dem Schauplatz zu ihrer Rettung. Die nächsten 
Verse schildern in erhabener Sprache diese herrliche Dazwischenkunft Jehovas. „Aber wie feiner Staub wird die 
Menge deiner Feinde sein und wie dahinfahrende Spreu die 
Menge der Gewaltigen; und in einem Augenblick, plötzlich, wird 
es geschehen. Von Seiten Jehovas der Heerscharen wird sie 
heimgesucht werden mit Donner und mit Erdbeben und großem Getöse, Sturmwind und Gewitter und eine Flamme verzehrenden Feuers. Und wie ein nächtliches Traumgesicht wird 
die Menge all der Nationen sein, welche Krieg führen wider 
Ariel, und alle, welche sie und ihre Festung bestürmen und sie 
bedrängen" (V. 5—7). Der Herr, Jehova Selbst, wird wider die 
Nationen streiten, die Jerusalem belagern und sie machen wie 
Spreu vor dem Winde. Es ist die Schlußszene der Herrschaft 
der Nationen. Nachdem Gott sie Jahrtausende hindurch in 
bewunderungswürdiger Langmut und Geduld getragen hat, 
wird Er jene Gelegenheit der Belagerung Jerusalems benutzen, 
um mit ihnen abzurechnen und sie zu richten. Wir dürfen 
dieses Gericht jedoch nicht mit dem letzten Endgericht vor 
dem großen weißen Thron (Offb 20, 11—15) verwechseln. 
Dort wird es sich um alle die Toten handeln, deren Namen 
nicht geschrieben sind in dem Buche des Lebens, während hier 
Völker und Könige Gegenstände des Gerichts sind. 
Kapitel 12 
Das letzte Kapitel unseres prophetischen Buches beschäftigt 
sich, wie schon wiederholt bemerkt ist, mit den Einzelheiten 
der Handlungen Gottes mit Seinem Volke am Ende der Tage. 
Die Geschichte der Nationen ist beendet. Die Könige des 
Nordens und des Südens sind gerichtet. „Der König", jener 
böse, eigenwillige Beherrscher und „nichtige Hirte" der Juden 
in den letzten Tagen, ist in den See geworfen, der mit Feuer 
und Schwefel brennt. Eine wichtige Frage bleibt noch: Was 
wird der Zustand Israels zu jener Zeit sein, und was wird aus 
35 
dem treuen Überrest werden? Auf diese Frage gibt uns der 
Gott aller Gnade in dem vorliegenden Kapitel Antwort*). 
„Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, 
der für die Kinder deines Volkes steht" (V. 1). Wir begegnen 
hier wieder demselben Ausdruck wie im o. Kapitel: „dein 
Volk". Ich brauche nicht zu wiederholen, daß es sich um das 
Volk Israel handelt — um jenes Volk, das die ganze Liebe und 
Zuneigung des Propheten besaß. „Und in jener Zeit wird 
Michael aufstehen". Es ist die Zeit, in der die letzten Ereignisse 
des vorigen Kapitels sich abspielten, die Zeit des Endes. Nachdem der König des Nordens zu seinem Ende gekommen ist, 
ohne einen Helfer zu haben, tritt ein Wechsel in der Geschichte 
Israels ein. Michael, der große Fürst, der für die Kinder des 
Volkes Israel steht, erhebt sich, um die großen Ratschlüsse 
Gottes in bezug auf die Befreiung Israels zu vollenden. Er steht 
auf zu Gunsten der unglücklichen Nation, um ihre Feinde 
niederzuwerfen und sie in die verheißenen endlichen Segnungen einzuführen. Jedoch bevor dies letztere völlig geschehen 
kann, muß die Not und Bedrängnis des Volkes den Gipfelpunkt erreichen. 
„Und es wird eine Zeit der Drangsal sein, dergleichen nicht 
gewesen ist, seitdem eine Nation besteht, bis zu jener Zeit. 
Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, ein jeder, 
der im Buche geschrieben gefunden wird" (V. 1). Diese Worte 
zeigen wieder deutlich, von welcher Zeit die Rede ist. Es handelt sich weder um die Zeit der babylonischen Gefangenschaft, 
noch um die Eroberung Jerusalems durch die Römer. 
*) Es mag hier die Bemerkung Platz finden, daß Daniel nie auf die herrliche 
Zeit der Herrschaft des Herrn über diese Erde eingeht, sondern uns immer nur 
bis zu deren Aufrichtung führt und dann plötzlich abbricht. Er redet von den 
ihr vorhergehenden Ereignissen; er teilt uns die Geschichte der heidnischen 
Monarchien und der Unterdrücker und Verführer der Juden in den letzten Tagen 
mit; er spricht von der Ausübung der Gerichte über die Nationen und Israel, 
und redet davon, daß das Königreich, das der Gott des Himmels aufrichtet, die 
ganze Erde ausfüllen wird; aber eine nähere Beschreibung dieses Königreiches 
suchen wir in seinem Buch vergebens. Dies läßt sich wohl dadurch erklären, daß 
der Heilige Geist bereits durch andere Propheten von dieser Herrschaft des 
Messias über Israel und von der Segnung, die dann das Teil des Volkes sein 
würde, gesprochen hatte, und daß Er im Begriff stand, denselben Gegenstand 
durch die späteren Propheten, die nach der babylonischen Gefangenschaft 
lebten, wieder aufzunehmen. Dies letztere ist von höchster Bedeutung, da es 
alle die Beweisführungen derer, die in der Rückkehr Israels von Babylon die 
Erfüllung der Prophezeiungen zu sehen meinen, hinfällig macht. Das Volk 
genoß nach der Gefangenschaft nicht die verheißenen reichen Segnungen, son* 
dem befand sich in einem höchst traurigen Zustande. 
36 
Der Prophet Jeremia spricht von dieser selbigen Zeit der 
Drangsal und endlichen Befreiung Israels. Er sagt im 30. Kapitel: „Und dies sind die Worte, welche Jehova über Israel und 
über Juda geredet hat. Denn so spricht Jehova: Eine Stimme 
des Schreckens haben wir gehört; da ist Furcht und kein Friede. 
Fraget doch und sehet, ob ein Mann gebiert? Warum sehe ich 
eines jeden Mannes Hände auf seinen Lenden, einer Gebärenden gleich, und jedes Angesicht in Blässe verwandelt? Wehe! 
denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der 
Drangsal für Jakob; doch wird er aus ihr gerettet werden. 
Denn es wird geschehen an jenem Tage, spricht Jehova der 
Heerscharen, daß ich sein Joch von deinem Halse zerbrechen 
werde usw." (V. 4—10). Die Sprache des Propheten ist so klar 
und deutlich, daß sie keiner weiteren Erklärung bedarf. In dem 
Propheten Jesaja gibt es ebenfalls zahlreiche Stellen, die von 
jener Zeit der Drangsal des Volkes und seiner endlichen Befreiung reden; der Raum dieser Blätter gestattet jedoch nicht, 
näher darauf einzugehen. (Ich mache nur auf die Kapitel 1; 2; 
10; 17; 22; 24—35; 49—66 aufmerksam.) 
Aber nicht nur das Alte Testament bietet solche Stellen; 
auch das Neue Testament enthält Aussprüche, die ein helles 
Licht über den vorliegenden Gegenstand verbreiten, und zwar 
Aussprüche aus dem Munde des Sohnes Gottes Selbst. Die 
Jünger, verwundert über die Worte des Herrn im Blick auf den 
prächtigen herodianischen Tempel: „Wahrlich, ich sage euch: 
Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, 
der nicht abgebrochen werden wird" — fragen Ihn, wann diese 
schreckliche Katastrophe eintreten würde. „Sage uns, wann 
wird dieses sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft und 
der Vollendung des Zeitalters" (Mt 24, 1—3)? Beachten wir 
den Wortlaut dieser Frage. Es handelt sich hier nicht um den 
schließlichen Untergang der Erde und um die bevorstehende 
Umwälzung des ganzen Weltensystems, sondern um die Vollendung des Zeitalters, d. h. um die Beendigung der jetzigen 
Ordnung der Dinge, oder der augenblicklichen Verwaltung 
Gottes bezüglich der Erde. Der Herr antwortet ihnen, indem 
Er sie warnt, sich von niemanden irreführen zu lassen, da viele 
unter Seinem Namen kommen und sagen würden: „Ich bin 
der Christus". Er sagt ihnen, daß sich nach wie vor Nation 
wider Nation und Königreich wider Königreich erheben 
37 
würde, und daß Hungersnot, Seuchen und Erdbeben sein würden an verschiedenen Orten. Alles das aber sei noch nicht die 
Vollendung des Zeitalters. „Alles dieses aber ist der Anfang 
der Wehen" (V. 8). Es ist nur die Vorbereitung für jene 
schreckliche Krisis. „Dann werden sie euch in Drangsal überliefern und euch töten; und ihr werdet von allen Nationen 
gehaßt werden um meines Namens willen" (V. 9). Bis zum 
Schluß von Vers 14 fährt der Herr fort, in dieser allgemeinen 
Weise zu sprechen. Dann aber versetzt Er Seine Zuhörer in 
Vers 15 plötzlich nach Jerusalem und nach dem Lande Juda, 
indem Er ihre Aufmerksamkeit auf dasselbe Buch lenkt, das 
wir eben betrachten. „Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung, von welchem durch Daniel, den Propheten, geredet 
ist, stehen sehet an heiligem Orte, (wer es liest, der beachte 
es,) daß alsdann die in Judäa sind, auf die Berge fliehen usw." 
Es kann kaum ein Zweifel darüber herrschen, was unter 
dem Ausdruck „heiliger Ort" zu verstehen ist. Wenn in dem 
Worte Gottes von dem „heiligen Ort", als einem von der 
übrigen Erde abgesonderten Platz, die Rede ist, so haben wir 
stets an den Platz der Anbetung Israels, an das Heiligtum 
Jehovas in Jerusalem, zu denken. An diesem heiligen Ort wird 
einst „der Greuel der Verwüstung" stehen. Sobald er aufgerichtet ist, werden alle, die in Judäa sind, aufgefordert, auf 
die Berge zu fliehen. Es handelt sich hier durchaus nicht um 
die Nationen, noch weniger um die Versammlung oder Kirche 
Gottes. Es sind die in ihr Land zurückgekehrten gläubigen 
Juden, die der Herr ermahnt, der Wut ihrer Feinde durch die 
Flucht auf die Berge zu entrinnen. „Wehe aber den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen! Betet aber, daß 
eure Flucht nicht im Winter geschehe, noch am Sabbath" 
(V. 19. 20). Wenn noch irgendein Zweifel über die Frage, an 
welche Personen sich die Aufforderung des Herrn richtet, bestehen könnte, so muß er hier schwinden. Weder die Nationen 
noch die Kirche haben etwas mit dem Sabbath zu tun. Er ist 
ein Zeichen zwischen Gott und Israel. „Denn alsdann wird 
große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis 
jetzthin nicht gewesen ist noch je sein wird" (V. 21). Ich weiß 
wohl, daß diese Worte von vielen auf die Zerstörung Jerusalems durch Titus bezogen werden. Allein man vergißt dabei 
38 
eine sehr wichtige Sache. Der Herr sagt in Vers 29 und den 
folgenden Versen: „Alsbald aber nach der Drangsal jener Tage 
wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein 
nicht geben . . . Und dann wird das Zeichen des Sohnes des 
Menschen in dem Himmel erscheinen; und dann werden wehklagen alle Stämme des Landes, und sie werden den Sohn des 
Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit 
Macht und großer Herrlichkeit. Und er wird seine Engel aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine 
Auserwählten versammeln von den vier Winden her, von dem 
einen Ende der Himmel bis zu ihrem anderen Ende" (V. 29— 
51). Wenn jene Behauptung bezüglich der Belagerung und 
Zerstörung Jerusalems richtig wäre, so müßte dies alles schon 
geschehen sein; denn „alsbald nach der Drangsal jener Tage 
wird die Sonne verfinstert werden usw." Doch ich sage nur: 
Ist nach der Zerstörung Jerusalems der Sohn des Menschen 
gekommen auf den Wolken des Himmels mit Macht und 
großer Herrlichkeit? Hat Er Seine Engel ausgesandt, um Seine 
Auserwählten von allen Enden der Erde zu sammeln? Die 
Antwort auf diese Frage ist einfach. Das Volk der Juden ist 
nicht gesammelt. Der Herr ist nicht gekommen, sondern sitzt 
noch zur Rechten des Vaters und wartet, bis alle Seine Feinde 
gelegt sind zum Schemel Seiner Füße. 
Ebensowenig ist die Prophezeiung Daniels bis jetzt in Erfüllung gegangen. Weder ist die Zeit der großen Drangsal angebrochen, noch hat sich Michael, der Engelfürst, erhoben, um 
sein Volk zu erretten. Beides läßt sich nicht voneinander trennen. Wenn das eine noch seiner Erfüllung entgegensieht, so 
muß dies auch mit dem anderen der Fall sein. Denn „in jener 
Zeit wird Michael aufstehen . . . und es wird eine Zeit der 
Drangsal sein . . . Und in jener Zeit wird dein Volk errettet 
werden". 
Es unterliegt also keinem Zweifel, daß auch das Neue Testament die Prophezeiungen des Alten Testaments genau bestätigt. Ein Prophet nach dem anderen hatte von einer Zeit 
großer Drangsal geredet, die über Israel kommen sollte, sowie 
von der Befreiung des Volkes als deren unmittelbarer Folge. 
Die Worte unseres Herrn Selbst bestätigen diese Aussprüche 
der Propheten. Sind sie bis jetzt noch nicht erfüllt, so geziemt 
39 
es uns, mit Ruhe zu warten, bis Gott es an der Zeit hält, Seine 
Worte wahrzumachen. Er wird es tun, denn Er ist nicht ein 
Mensch, daß Er lügen kann, oder daß Ihn etwas gereuen könnte. Kein Jota, kein Strichlein von dem Worte Gottes wird vergehen, bis alles erfüllt ist. „Der Himmel und die Erde werden 
vergehen, meine Worte aber sollen nicht vergehen" (Mt 24,35). 
Vielleicht wird jemand fragen: Finden wir nicht in Lukas 21, 
wo uns durch den Evangelisten dasselbe Gespräch des Herrn 
mit Seinen Jüngern mitgeteilt wird, eine direkte Anspielung 
auf die Zerstörung Jerusalems? Allerdings; in diesem Punkte 
weicht Lukas von Matthäus ab. Während Matthäus nur von 
der Zeit des Endes redet, berührt Lukas beide Gegenstände, 
aber er unterscheidet sie zugleich in bestimmter Weise. Schon 
die Frage der Jünger ist bei Lukas eine andere, als bei Matthäus. Sie fragen: „Lehrer, wann wird denn dieses sein, und 
was ist das Zeichen, wann dieses geschehen soll" (Lk 21, 7)? 
Es handelt sich hier nicht um die Ankunft des Herrn und die 
Vollendung des Zeitalters, sondern zunächst nur um die direkte 
Erfüllung der Worte des Herrn. Die Antwort Jesu ist dementsprechend. Er versetzt Seine Jünger nicht sogleich in die 
Zeit des Endes, sondern teilt ihnen die Eroberung der Stadt 
durch die Römer mit und folgt dann dem Lauf der Geschichte 
bis zu den letzten Tagen hin. „Wenn ihr aber Jerusalem von 
Heerscharen umzingelt sehet, alsdann erkennet, daß ihre Verwüstung nahegekommen ist. Daß alsdann, die in Judäa sind, 
auf die Berge fliehen, und die in ihrer Mitte sind, daraus entweichen usw." (V. 20. 21). Lukas spricht kein Wort von dem 
Greuel der Verwüstung, stehend an heiligem Orte; dagegen 
führt er einen Umstand ein, den wir bei Matthäus nicht finden 
— die Umzingelung Jerusalems von Heerscharen. „Denn dies 
sind Tage der Rache, daß alles erfüllt werde, was geschrieben 
steht" (V. 22). Es ist bewunderungswürdig, wie bestimmt und 
genau der Heilige Geist Sich ausdrückt. Er läßt Lukas nicht 
sagen: „Alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von 
Anfang der Welt bis jetzthin nicht gewesen ist noch je sein 
wird". Das würde weder auf die Zerstörung Jerusalems durch 
Titus angewendet werden können, noch dem Zusammenhang 
in diesem Kapitel entsprechen. Ferner lesen wir nicht, daß um 
der Auserwählten willen die Tage der Rache verkürzt werden 
sollen, noch daß der Herr erscheint und Seine Engel aussendet, 
40 
um Seine Auserwählten von allen Enden der Erde zu sammeln. 
Es heißt vielmehr in den Versen 23 und 24: „Wehe aber den 
Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen! denn große 
Not wird in dem Lande sein, und Zorn über dieses Volk. Und 
sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen, und Jerusalem 
wird zertreten werden von den Nationen, bis daß die Zeiten 
der Nationen erfüllt sein werden". Diese Worte zeigen sehr 
deutlich den Unterschied zwischen Matthäus und Lukas. Lukas 
redet bis zum Ende von Vers 24 nur von der Zerstörung Jerusalems durch Titus, von der Zerstreuung des Volkes unter alle 
Nationen und von der Zertretung Jerusalems bis zur Erfüllung 
der Zeiten derNationen.YJie schon wiederholt bemerkt wurde, 
sind diese Zeiten der Nationen noch nicht erfüllt. Seit den 
Tagen Nebukadnezars sind sie dahingerollt bis zu dem gegenwärtigen Augenblick, ohne einen Abschluß gefunden zu haben. 
Doch sie werden bald endigen. Erst mit Vers 25 beginnt die 
Schlußszene, die Erfüllung der Zeiten der Nationen. „Und es 
werden Zeichen sein an Sonne und Mond und Sternen, und 
auf der Erde Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit bei 
brausendem Meer und Wasserwogen; indem die Menschen 
verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über 
den Erdkreis kommen, denn die Kräfte der Himmel werden 
erschüttert werden. Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in einer Wolke mit Macht und großer 
Herrlichkeit" (V. 25—27). 
Die Zeit, von welcher Daniel redet, muß also, nach den bestimmten Erklärungen der Heiligen Schrift, sowohl des Alten 
wie des Neuen Testaments, eine zukünftige Zeit sein. Nachdem dies festgestellt ist, können wir die Betrachtung unseres 
Kapitels wieder aufnehmen. Durch die Worte des Engels ist 
Daniel über das Schicksal der in das Land Palästina zurückgekehrten Juden unterrichtet und beruhigt. Er vernimmt, daß 
sie durch eine unerhörte und unvergleichliche Drangsal gehen 
sollen, daß aber endlich alle, deren Namen im Buch des Lebens 
geschrieben gefunden werden (d. h. der kleine, treue Überrest, der sich an Gott anklammert und durch den brennenden 
Ofen der Trübsal geläutert wird), errettet und befreit werden. 
Jetzt bleibt für ihn nur noch eine Frage übrig: Was wird aus 
allen denen werden, die zu jener Zeit noch nicht nach Judäa 
41 
und Jerusalem zurückgekehrt sind, und infolgedessen auch 
nicht die Gegenstände der bewirkten Befreiung sein können? 
Auf diese Frage gibt Vers z eine völlig genügende Antwort. 
„Und viele von denen, die im Staube der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigen Leben, und jene zur Schande, 
zu ewigem Abscheu". Ich weiß wohl, daß man gewöhnlich, 
dem Wortlaut entsprechend, in dieser Stelle eine leibliche Auferweckung Israels zu finden meint. Aber ich kann nicht glauben, daß diese Auffassung richtig ist. Vielmehr scheint es mir, 
daß der Heilige Geist hier das Bild der Auferstehung gebraucht, 
um uns dadurch die gesegnete Wiederherstellung des Volkes, 
oder wenigstens eines Teiles, aus einem Zustande des tiefsten 
Verderbens in lebendiger Weise vor Augen zu führen. Dies 
ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Die Auferstehung wird in 
dem Worte Gottes oft in einem bildlichen Sinne gebraucht. So 
z. B. in Jes 26, 13. 14, wo wir lesen: „Jehova, unser Gott, über 
uns haben Herren geherrscht außer dir, durch dich allein gedenken wir deines Namens. Tote leben nicht auf, Schatten 
erstehen nicht wieder; darum hast du sie heimgesucht und 
vertilgt und hast all ihr Gedächtnis zunichte gemacht". Offenbar kann hier von einer Auferstehung im buchstäblichen 
Sinne keine Rede sein. Denn alle Menschen, auch jene Beherrscher Israels, werden einst wieder auferstehen, um gerichtet zu werden. Es ist vielmehr die Vernichtung ihrer Gewalt, um die es sich hier handelt. Jehova hat sie heimgesucht 
und vertilgt, und sie werden nicht wieder erstehen, d. h. sie 
werden nie wieder die Herrschaft über Israel besitzen. 
Dann lesen wir weiter: „Du hast die Nation vermehrt, 
Jehova, du hast vermehrt die Nation, du hast dich verherrlicht; du hast hinausgerückt alle Grenzen des Landes" 
(V. 15). Es liegt auf der Hand, von welcher Nation der Prophet 
hier redet. Es ist Israel, das von Gott über die ganze Erde 
zerstreute Volk. In seiner Bedrängnis schreit es zu Jehova und 
schüttet vor Ihm sein stilles Gebet aus. Nach seinem eigenen 
Bekenntnis ist es vor dem Angesicht des Herrn wie eine 
Schwangere, die sich dem Gebären nähert und in ihren Wehen 
schreit (V. 16—18). Auf sein Rufen antwortet Jehova: „Deine 
Toten werden aufleben, meine Leichen wieder erstehen". Er 
betrachtet sie als Sein Eigentum, obwohl sie sich so schwer 
versündigt haben und in einem so traurigen, elenden Zustand 
42 
sind. „Meine Leichen werden wieder erstehen. Wachet 
auf und jubelt, die ihr im Staube lieget! denn ein Tau des 
Lichtes ist dein Tau, und die Erde wird die Schatten auswerfen" 
(V. 19). Daß hier wieder nicht an wirklich Gestorbene und an 
deren Auferweckung zu denken ist, braucht kaum gesagt zu 
werden. Der ganze Zusammenhang der Stelle spricht dagegen. 
Alle, „die im Staube liegen", (beachten wir hier die genaue, 
fast wörtliche Übereinstimmung mit Daniel) werden aufgefordert, aufzuwachen und zu jubeln. Weshalb? Weil ihre 
Herren und Unterdrücker verschwunden sind, vertilgt durch 
Jehova Selbst. 
„Und viele von denen, die im Staube der Erde schlafen, 
werden erwachen"; das will sagen: Viele von denen, die noch 
nicht im Lande sind, sondern sich in völliger Verborgenheit 
und Erniedrigung unter allen Nationen der Erde zerstreut befinden und bis zu jenem Augenblick gleichsam im Staube der 
Erde geschlafen haben, werden von Jehova Selbst zum Vorschein gebracht und nach Palästina zurückgeführt werden — 
„diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem 
Abscheu". Schon diese Worte schließen jede Möglichkeit aus, 
hier an die Auferstehung der Gerechten denken zu können; 
denn wenn diese stattfindet, werden alle zu ewigem Leben auferweckt werden. Die Stelle hat durchaus nichts mit einer leiblichen Auferstehung zu tun, sondern spricht von dem nationalen Wiederaufbau Israels aus einem Zustand der tiefsten 
Erniedrigung, aus „dem Staube der Erde". 
Doch es gibt noch eine Stelle, die vor allen anderen geeignet 
scheint, die Wahrheit des Gesagten zu bestätigen. Sie enthält 
eine klare Darstellung von dem dereinstigen Wiederaufleben 
des Volkes Israel. Während Jesajas von Israel als einem toten 
Körper, einem Leichnam, spricht und Daniel die Juden betrachtet als schlafend im Staube der Erde, geht der Prophet Hesekiel noch weiter und stellt sie unter dem Bilde von verdorrten 
Gebeinen vor unser Auge. Ich führe die ganze Stelle wörtlich 
an: „Die Hand Jehovas kam über mich, und Jehova führte 
mich im Geiste hinaus und ließ mich nieder mitten im Tale; und 
dieses war voller Gebeine. Und er führte mich ringsherum an 
ihnen vorüber, und siehe, es waren sehr viele auf der Fläche 
des Tales, und siehe, sie waren sehr verdorrt. Und er sprach 
zu mir: Menschensohn, werden diese Gebeine lebendig wer43 
den? Und ich sprach: Herr Jehova, du weißt es. Da sprach 
er zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: 
Ihr verdorrten Gebeine, höret das Wort Jehovas! So spricht der 
Herr, Jehova, zu diesen Gebeinen: Siehe, ich bringe Odem in 
euch, daß ihr lebendig werdet. Und ich werde Sehnen über 
euch legen und Fleisch über euch wachsen lassen und euch mit 
Haut überziehen, und ich werde Odem in euch legen, daß ihr 
lebendig werdet. Und ihr werdet wissen, daß ich Jehova bin. — 
Und ich weissagte, wie mir geboten war. Da entstand ein Geräusch, als ich weissagte, und siehe, ein Getöse: und die Gebeine rückten zusammen, Gebein an Gebein. Und ich sah, und 
siehe, es kamen Sehnen über sie, und Fleisch wuchs, und Haut 
zog sich darüber obenher, aber es war kein Odem in ihnen" 
(Hes 37,1—8). Es ist kaum begreiflich, wie man im Ernst daran 
denken kann, daß dieses Gesicht eine Darstellung der Auferstehung der Gläubigen bei der Ankunft des Herrn enthalten 
soll. Ganz abgesehen von der Erklärung, die Gott nachher gibt, 
ist die ganze Sprache nicht dazu angetan, einen solchen Gedanken nur für einen Augenblick aufkommen zu lassen. Werden sich, wenn unsere Leiber einst durch den Machtruf des 
Herrn aus ihren Gräbern hervorkommen werden, zuerst die 
einzelnen Gebeine zusammenfinden, wird dann Fleisch und 
Sehnen auf sie kommen und zum Schluß eine Haut darüber 
gezogen und den so wiederhergestellten Leibern ein Odem 
eingehaucht werden? Sicherlich nicht. Die Beschreibung, die uns 
der Heilige Geist durch den Mund Paulus' von jenem herrlichen Augenblick gibt, lautet völlig anders. (Vergl. 1. Kor 15, 
51—55; 1. Thess 4, 13—18). Ebenso unbegreiflich ist es aber, 
daß man in diesem Gesicht ein Bild von der Wirksamkeit des 
Evangeliums auf die Seelen finden will. 
„Und er sprach zu mir: Weissage dem Odem, weissage, 
Menschensohn, und sprich zu dem Odem: So spricht der Herr, 
Jehova: Komm von den vier Winden her, du Odem, und hauche diese Getöteten an, daß sie lebendig werden! Und ich weissagte, wie er mir geboten hatte; und der Odem kam in sie, 
und sie wurden lebendig und standen auf ihren Füßen, ein 
überaus großes Heer. — Und Er sprach zu mir: Menschensohn, 
diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, sie sprechen: 
Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren; wir sind dahin. Darum weissage und sprich zu ihnen: 
44 
So spricht der Herr, Jehova: Siehe, ich werde eure Gräber 
öffnen und euch aus euren Gräbern heraufkommenlassen, 
mein Volk, und werde euch in das Land Israel bringen. Und 
ihr werdet wissen, daß ich Jehova bin, wenn ich eure Gräber 
öffne und euch aus euren Gräbern heraufkommen lasse, mein 
Volk. Und ich werde meinen Geist in euch geben, daß ihr lebet, 
und ich werde euch in euer Land setzen. Und ihr werdet 
wissen, daß ich, Jehova, geredet und es getan habe, spricht 
Jehova" (V. g—14). Nichts kann einfacher und verständlicher 
sein, als diese Erklärung, die Gott Selbst von dem Gesicht gibt. 
Er gebraucht das Bild der Auferstehung nur, um zu zeigen, in 
welch einem traurigen, hoffnungslosen Zustand Israel sich befindet, und wie allein Seine Gnade und Macht imstande ist, 
das Volk als solches wieder ins Leben zu rufen und in die 
verheißenen Segnungen „im Lande" einzuführen. Indem wir 
jetzt zu unserem Kapitel zurückkehren, ist es wichtig, zu bemerken, daß nicht alle, die aus ihrem Schlaf im Staub der 
Erde erwachen, errettet werden. Ein Teil «macht zur Schande 
und zu ewigem Abscheu. Was ist die Ursache dieses Unterschieds? Nicht aller Namen werden im Buche des Lebens geschrieben gefunden. Dies zeigt uns, daß die Wiederherstellung 
Israels auch einen geistlichen Charakter tragen wird. Alle, die 
errettet werden, müssen geschrieben sein im Buche des Lebens, 
mit anderen Worten, sie müssen in Wahrheit göttliches Leben 
besitzen und aus Gott geboren sein. 
Doch es gibt auch unter denen, die der göttlichen Errettung 
teilhaftig werden, noch einen Unterschied. „Und die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und 
die, welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, 
'mmer und ewiglich" (V. 3). Diese Verständigen sind ohne 
Zweifel solche, die während der Zeit der großen Drangsal sich 
durch eine genaue Kenntnis der Ratschlüsse und Gedanken Gottes ausgezeichnet haben. Sie werden leuchten wie der 
Glanz der Himmelsfeste, d. h. Gott Selbst wird sie mit dem 
Glanz Seiner Gnade bekleiden, weil sie während jener Periode 
des Aufruhrs und der Drangsal treu geblieben sind. Doch 
nicht nur sie, sondern auch „die, welche die Vielen zur 
Gerechtigkeit gewiesen haben, werden leuchten wie die Sterne 
immer und ewiglich". Der Ausdruck „die Vielen" bezeichnet 
hier wie an anderen Stellen die große Masse des jüdischen 
45 
Volkes, die durch jene frommen, treuen Seelen, die ohne Zweifel eine gewisse Kenntnis der göttlichen Wahrheiten besitzen, 
zur Gerechtigkeit gewiesen wird. Beachtenswert ist hier auch 
das Wörtchen „Gerechtigkeit". Es wird sich zu jener Zeit nicht 
mehr um die Predigt der Gnade handeln, diese findet im gegenwärtigen Augenblick statt — sondern die Vielen werden zur 
Gerechtigkeit gewiesen. Wohl mögen jene Treuen die herrlichen Gedanken Gottes in Verbindung mit Israel verkündigen, 
aber es wird immer eine Unterweisung in Gerechtigkeit sein. 
Im nächsten Vers tritt uns ein wichtiger Grundsatz entgegen: „Und du, Daniel, verschließe die Worte und versiegle 
das Buch bis zur Zeit des Endes. Viele werden es durchforschen, und die Erkenntnis wird sich mehren" (V. 4). Der 
Prophet wird nicht nur, wie früher schon, darauf hingewiesen, 
daß die Dinge, die er gesehen hat, und die Mitteilungen, die 
er empfangen hat, für die Zeit des Endes bestimmt sind, sondern er wird auch aufgefordert, sie bis dahin zu versiegeln. 
Ferner erhält er, als er einige Verse später fragt: „Mein Herr, 
was wird der Ausgang von diesem sein?" zur Antwort: „Gehe 
hin, Daniel; denn die Worte sollen verschlossen und versiegelt sein bis zur Zeit des Endes. Viele werden sich reinigen 
und weiß machen und läutern; aber die Gottlosen werden 
gottlos handeln, und keine der Gottlosen werden es verstehen, die Verständigen aber (d. h. jene treuen Personen, von 
denen wir soeben geredet haben) werden es verstehen" (V. 8— 
xo). Dies ist höchst beachtenswert. Johannes erhielt nach Empfang seiner Offenbarungen gerade den entgegengesetzten Befehl. Ihm wurde gesagt: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches, die Zeit ist nahe" (Kap. 22, 10). Woher 
dieser Unterschied? Die Antwort ist einfach. Der Christ und 
die Versammlung werden immer als am Ende der Zeit stehend 
betrachtet. „Kindlein, es ist die letzte Stunde", ruft Johannes 
den Gläubigen zu. (Vergl, auch 1. Kor 10, 11; Hebr 9, 26). 
Zugleich hat die Gabe des Heiligen Geistes alles verändert. Für 
den Christen, der, so schwach und unwissend er auch sein mag, 
den Heiligen Geist persönlich in sich wohnend hat, ist nichts 
mehr versiegelt. Alles ist für ihn aufgeschlossen. Er besitzt 
den „Geist Christi" und hat infolgedessen Einsicht und Verständnis in die Wege und Ratschlüsse Gottes. Die Geheimnisse 
46 
Gottes sind ihm geoffenbart, so daß Johannes sagen kann: 
„Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles" 
(1. Joh 2, 20). Der Herr gibt kurz vor Seinem Hingang zum 
Vater den trauernden Jüngern die Verheißung, daß Er ihnen 
den Heiligen Geist senden werde, und sagt dann: „Wenn aber 
jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in 
die ganze Wahrheit leiten". Während kein noch so sorgfältiges 
Studium des Wortes Gottes dem natürlichen, ungläubigen 
Menschen Einsicht in die göttlichen Dinge geben kann, ist dem 
einfachsten Gläubigen durch die Macht Gottes und durch den 
Heiligen Geist, der in ihm wohnt, der Eingang in alle Ratschlüsse und Geheimnisse Gottes geöffnet. Ja, es ist sein gesegnetes Vorrecht, da einzutreten und mit staunendem, anbetendem Herzen die Tiefe und Höhe und Länge und Breite 
der Gedanken Gottes in bezug auf Israel, die Kirche, die Welt, 
Himmel und Erde, ja bezüglich des ganzen Weltalls zu erforschen. 
Die Heiligen des Alten Testaments und mit ihnen Daniel 
und alle Propheten hatten nicht den Heiligen Geist persönlich 
in sich wohnend. Allerdings redeten sie, getrieben vom Heiligen 
Geist, aber das, was sie redeten, blieb ihnen selbst unverständlich. Der Heilige Geist war noch nicht persönlich auf diese Erde 
herniedergekommen. Wohl weissagten jene Männer von der 
für uns bestimmten Gnade und redeten von den Leiden, die 
auf Christum kommen sollten, und von den Herrlichkeiten 
danach, sie forschten und suchten, „auf welche oder welcherlei Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete", aber 
ihr Verständnis war nicht geöffnet; ihre eigenen Prophezeiungen blieben ihnen ein dunkles Rätsel, obwohl es ihnen geoffenbart war, daß sie nicht für sich selbst, sondern für uns 
die Dinge bedienten (1. Petr 1, 10—12). Wir aber verstehen 
und genießen jetzt, belehrt durch den Heiligen Geist, jene 
Dinge. Wir werden betrachtet als in der Zeit des Endes stehend, 
und alle bis zu dieser Zeit versiegelten Prophezeiungen sind 
uns aufgeschlossen. Durch die Gnade von allen Fragen in 
betreff unserer Sünden befreit, haben wir das Vorrecht, mit 
aller Zuversicht und Einsicht in die gesegneten Dinge Gottes 
einzutreten. Daniel besaß dieses Vorrecht nicht. Er mußte bekennen: „Und ich hörte es, aber ich verstand es nicht; und ich 
sprach: Mein Herr, was wird der Ausgang von diesem sein?" 
47 
um darauf die Antwort zu hören: „Gehe hin, Daniel, denn 
diese Worte sollen verschlossen und versiegelt sein bis zur 
Zeit des Endes" (V. 8. 9). Das alles ist wohl geeignet, unsere 
Herzen mit Lob und Dank zu erfüllen; zugleich sollte es aber 
auch ein tiefes Gefühl von unserer Verantwortlichlceit in uns 
hervorrufen. Denn je mehr uns gegeben ist, je mehr wird von 
uns gefordert werden. 
„Und ich, Daniel, sah, und siehe, zwei andere standen da, 
einer hier am Ufer des Stromes, und einer dort am Ufer des 
Stromes. Und einer sprach zu dem in Linnen gekleideten 
Manne, welcher oben über dem Wasser des Stromes war: Wie 
lange wird dauern das Ende dieser wunderbaren Dinge?" Der 
Fragende, dessen Person nicht näher beschrieben wird, (wahrscheinlich einer der beiden am Ufer des Stromes stehenden 
Männer) wünscht Auskunft über die Zeit der Vollendung der 
Wege Gottes mit Israel. Er erhält eine ganz bestimmte, unzweideutige Antwort. „Und ich hörte den in Linnen gekleideten Mann, welcher oben über dem Wasser des Stromes war, 
und er erhob seine Rechte und seine Linke zum Himmel und 
schwur bei dem, der ewig lebt: Eine Zeit, Zeiten und eine 
halbe Zeit; und wenn die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes vollbracht sein wird, dann werden alle diese 
Dinge vollendet sein" (V. 5—7). Der Leser wird sich erinnern, 
daß der Ausdruck: eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit, wiederholt in der Heiligen Schrift gebraucht wird, um einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren oder 1260 Tagen zu bezeichnen. 
Nach dieser Zeit werden die Wunder, d. h. die Drangsale der 
Israeliten und ihre Befreiung aus ihnen durch die mächtige 
Hilfe ihres Jehova vollendet sein. Doch der Engel fügt noch die 
allgemeine Bestimmung hinzu, daß alle diese Dinge vollendet 
werden sollen, sobald die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes, d. i. Israels, ihr Ende erreicht hat. Die Frage 
Daniels: „Mein Herr, was wird der Ausgang sein?" ruft dann 
die schon oben besprochene Aufforderung des Engels hervor, 
die Worte des Buches zu versiegeln bis zur Zeit des Endes. Bis 
dahin werden viele geläutert und gereinigt werden, die Gesetzlosen werden gesetzlos handeln, und keiner von ihnen wird 
die Weissagung verstehen; nur den Verständigen wird Einsicht 
darin gegeben werden. 
48 
„Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft 
wird, und zwar, um den verwüstenden Greuel aufzustellen, 
sind tausend zweihundertneunzig Tage. Glückselig der, welcher 
harrt und tausend dreihundertundfünfunddreißig Tage erreicht" (V. 11.12). Drei Zeitabschnitte von verschiedener Länge 
sind es, die hier unsere besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Der erste ist jener von dreieinhalb Jahren oder 
1260 Tagen; der zweite umfaßt 30 Tage oder einen Monat 
mehr; der dritte endlich währt noch eineinhalb Monate länger, 
beträgt also 1335 Tage. Unwillkürlich drängen sich die Fragen 
auf: Was bedeuten diese drei Zeiträume, und mit welchem 
Augenblick beginnen sie? Die letzte Frage beantwortet Vers 11. 
„Von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, 
und zwar, um den verwüstenden Greuel aufzustellen". 
Die erste Frage ist ungleich schwerer zu beantworten, und 
ich maße mir nicht an, ein bestimmtes Urteil über die Bedeutung jener drei Abschnitte auszusprechen. Jedoch scheint es 
mir, als ob sie andeuteten, daß die Segnung nicht plötzlich über 
Israel kommen, sondern sich stufenweise, während des Verlaufs 
einiger Monate, entwickeln wird. Der erste große Wendepunkt 
in der Geschichte jener Tage ist ohne Zweifel die Vernichtung 
„des Königs". Ich denke, daß sie am Ende des ersten Zeitraums von dreieinhalb Jahren oder von 1260Tagen stattfinden 
wird. Nach dem Hinwegtun „des Königs" wird Gott Sich mit 
dem König des Nordens beschäftigen und ihn zu seinem Ende 
bringen (Kap. 11, 45). Ob aber dieses Gericht über den König 
des Nordens nach Verlauf der 1290 oder der 1335 Tage ausgeführt werden wird, wage ich nicht zu entscheiden. Aus Jesaja 10, 
12 scheint allerdings hervorzugehen, daß es eines der letzten 
Ereignisse vor dem Eintritt der völligen Segnung Israels, wenn 
nicht das allerletzte, ist. Es heißt dort: „Und es wird geschehen, 
wenn der Herr sein ganzes Werk an dem Berge Zion und an 
Jerusalem vollbracht hat, so werde ich heimsuchen die Frucht 
der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den 
Stolz der Hoffart seiner Augen". Dem sei jedoch, wie es wolle, 
das eine ist gewiß, daß am Ende der 1335 Tage das ganze 
herrliche Werk der Segnung des israelitischen Volkes vollendet 
und es selbst in die Ruhe und den Frieden des tausendjährigen 
Reiches eingegangen sein wird. Der Engel preist daher jeden 
49 
glückselig, „welcher harrt und tausenddreihundertfünfunddreißig Tage erreicht". 
Das Buch schließt mit einer trostreichen Verheißung für den 
Propheten. Er verstand in jenem Augenblick nicht den Sinn 
der ihm von Gott gegebenen Weissagung; er mußte im Gegenteil hören, daß sie nicht für seine Zeit, sondern für die Zeit 
des Endes bestimmt sei. Sollte er nun jener herrlichen Segnungen, die seinem geliebten Volke zuteil werden sollten, verlustig 
gehen? O nein! Er sollte auferstehen aus seinem Grabe und 
teilhaben an der Errettung und Wiederherstellung seines Volkes. „Du aber gehe hin bis zum Ende; und du wirst ruhen und 
wirst auferstehen zu deinem Lose am Ende der Tage". Köstliche Verheißung für das trauernde Herz des Propheten! 
Indem ich hiermit die Betrachtungen über das inhaltsreiche, 
herrliche Buch Daniels schließe, bitte ich den Herrn, daß Er sie 
mit Seinem reichen Segen begleiten und sie Seinen geliebten 
Kindern zum Nutzen gereichen lassen möge. Ich bin mir tief 
bewußt, wie mangelhaft und schwach diese Arbeit ist; aber ich 
habe sie unternommen im Vertrauen auf den Herrn und mit 
dem innigen Wunsch, daß sie vielen Seiner teuer Erkauften 
eine Erquickung und ein Segen auf dem Wege durch diese 
Wüste sein möchte. Der Herr wolle geben, daß sie nicht gelesen 
werde, um eine müßige Neugierde zu befriedigen, sondern mit 
dem aufrichtigen Verlangen, immer mehr einzudringen in die 
unergründlichen Tiefen der wunderbaren Ratschlüsse und Gedanken Gottes, damit Ihm mehr Lob und Dank und Anbetung 
aus unser aller Herzen dargebracht werde! 
Bist du glücklich? 
Der Gedanke Gottes bei der Schöpfung war, daß der 
Mensch glücklich sein sollte. Nicht nur war der Mensch rein 
und unschuldig, sondern er war im Bilde Gottes geschaffen. 
Er wurde, zusammen mit der ganzen übrigen Schöpfung, von 
Gott für „sehr gut" erklärt. Jedoch wurde er von allen anderen 
Kreaturen in sehr beachtenswerter Weise ausgezeichnet. „Und 
Jehova Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, 
50 
und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der 
Mensch wurde eine lebendige Seele" (i. Mo 2, 7). Auf diese 
Weise gab Gott, Der allein Unsterblichkeit besitzt, dem Menschen eine unsterbliche Seele. Außerdem segnete ihn Gott. 
„Mann und Weib schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott 
sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die 
Erde und machet sie euch Untertan; und herrschet über die 
Fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und 
über alles Getier, das sich auf der Erde regt" (1. Mo 1, 28). 
Der Mensch war also im Anfang glücklich, gesegnet und geehrt. Er wurde durch den Schöpfer in eine Stellung von Autorität und Freude gesetzt. 
Doch gar bald sündigte der Mensch, und dann kam der Tod 
und das Gericht; „und Gott trieb den Menschen aus und ließ 
lagern gegen Osten vom Garten Eden die Cherubim und die 
Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baume 
des Lebens zu bewahren" (1. Mo 3, 24). Nachdem der Mensch 
ausgetrieben war, bewies er unaufhörlich, daß er böse Avar; 
und anstatt sich nach den wiederholten Gerichten Gottes mit 
aufrichtiger Buße zu Ihm zu wenden, machte er sich Götzenbilder und verehrte das Geschöpf mehr als den Schöpfer. In 
diesem Zustand der Dinge berief Gott aus allen Nationen 
einen Mann, Abraham, und sprach zu ihm: „Ich will dich 
segnen". Und als Abraham dem Worte Gottes glaubte, rechnete Er ihm seinen Glauben zur Gerechtigkeit und verhieß, 
daß in seinem Samen alle Geschlechter der Erde gesegnet 
werden sollten. So sehen wir, daß die Gedanken Gottes stets 
darauf gerichtet waren, den Menschen, der mit Ihm zu tun 
hatte, glücklich zu machen. 
Im "Laufe der Zeit wurde der Same Abrahams, das Volk 
Israel, aus Ägypten herausgeführt, kraft des Blutes des Lammes und durch die mächtige Dazwischenkunft Gottes. So befreit von Elend und Sklaverei, wurde Israel, obgleich es ein 
irdisches Volk war, in eine nahe Beziehung zu Gott gebracht. 
Wieder zeigt Gott, daß es Seine Absicht war, daß der Mensch 
glücklich sein sollte; denn nicht nur segnete Er die Kinder 
Israel in einer wunderbaren Weise, sondern Er forderte sie 
wieder und wieder auf, sich zu freuen. „Und ihr sollt euch 
freuen vor Jehova, eurem Gott, ihr und eure Söhne und eure 
51 
Töchter und eure Knechte und eure Mägde, und der Levit, der 
in euren Toren ist". „Und du sollst anbeten vor Jehova, 
deinem Gott; und dich freuen all des Guten, das Jehova, dein 
Gott, dir und deinem Haus gegeben hat, du und der Levit 
und der Fremdling, der in deiner Mitte ist" (vgl. 3. Mo 23, 40; 
5. Mo 12, 7. 12. 18; 26, io. 11). 
Ebenso ist es jetzt offenbar der Wille des Herrn, nur in 
einem weit höheren und ewigen Sinn, daß alle, die Seine 
Kinder sind, glücklich sein sollen. Er hat uns nicht nur Vergebung unserer Sünden geschenkt und uns in Christo Jesu zu 
neuen Kreaturen geschaffen, sondern Er hat Seine Liebe in 
unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns 
gegeben ist, und „hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen örtern in Christo Jesu" (Röm 5, 5; 
Eph i, 3. 7). Indem wir so in die Nähe Gottes und in eine 
innige Beziehung zu Ihm versetzt sind und den Heiligen Geist 
besitzen, sind wir gebracht in „die Gemeinschaft mit dem 
Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo" (1. Joh x, 3), und 
so können unsere Herzen in Seiner Liebe ruhen und, wenn 
auch in geringem Maße, in Seine Gedanken eindringen. Der 
Herr Selbst wird der Gegenstand unserer Zuneigungen und 
die Quelle unserer Segnungen. Alles was wir besitzen und in 
Ewiigkeit besitzen werden, ist in Seiner Person eingeschlossen. 
Seine persönliche Herrlichkeit, Sein unermeßlicher Wert, Seine 
Vortrefflichkeiten und vollkommenen Schönheiten, Sein vollendetes Werk auf dem Kreuz, Seine Erhöhung, Sein Sitzen 
zur Rechten Gottes, bis alle Seine Feinde gelegt sind zum 
Schemel Seiner Füße, Seine Wiederkunft, um uns zu Sich zu 
nehmen — alles das beschäftigt jetzt unsere Herzen und erfüllt 
sie mit unaussprechlicher Freude. Wir haben das Vorrecht und 
werden wiederholt aufgefordert, uns „allezeit zu freuen", uns 
„zu freuen in dem Herrn", ja uns „Gottes zu rühmen durch 
unseren Herrn Jesum Christum, durch welchen wir jetzt die 
Versöhnung empfangen haben" (Röm 5, 11). 
Der Herr belehrt uns, welch eine Freude im Himmel ist über 
einen Sünder, der Buße tut. Sobald der gute Hirte sein verlorenes Schäflein gefunden hat, legt Er es mit Freuden auf 
seine Schultern und trägt es heim. „Und wenn er nach Hause 
kommt, ruft er die Freunde und die Nachbarn zusammen und 
52 
spricht zu ihnen: Freuet euch mit mir, denn ich habe mein 
Schaf gefunden, das verloren war" (Lk 15, 6)! Der Vater frohlockt, weil er seinen verlorenen Sohn wohl und gesund wiedererhalten hat. Wir werden auf diese Weise unterrichtet, 
welche Freude es für den Vater und den Sohn ist, wenn ein 
Sünder wirklich zu Gott gebracht wird. Dementsprechend belehrt der Herr Seine Jünger, die rein waren um des Wortes 
willen, das Er zu ihnen geredet hatte: „Dies habe ich euch geredet, auf daß meine Freude in euch sei, und eure Freude völlig 
werde" (Joh 15, 11). Es ist also offenbar der Wille des Herrn, 
daß die Gläubigen glücklich sein sollen. Die ersten Christen 
kannten sehr gut die gesegnete Wirklichkeit dieser Freude und 
dieses Glücks. Als Jesus nach Seiner Auferstehung in der Mitte 
Seiner trauernden Jünger erschien, die sich aus Furcht vor den 
Juden eingeschlossen hatten, zeigte Er ihnen Seine Hände und 
Seine Füße und sprach: „Friede euch!" und „da freuten sich 
die Jünger, als sie den Herrn 9ahen". Am Schluß des Evangeliums Lukas wird uns erzählt, daß Jesus Seine Jünger, als Er 
gen Himmel fuhr, so glücklich zurückließ, daß „sie alle Zeit 
im Tempel waren, Gott lobend und preisend". Und weshalb 
waren sie so glücklich? Weil ihr ganzer Sinn auf ihren gekreuzigten und jetzt hoch erhobenen Heiland gerichtet war. 
Zur Zeit des Pfingstfestes finden wir die Gläubigen zu Jerusalem in einem so glücklichen Zustande, daß von ihnen gesagt werden konnte: „Und indem sie täglich einmütig im 
Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen, nahmen 
sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens, lobten 
Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volke" (Apg 2, 46). 
Als später der äthiopische Kämmerer auf der einsamen Straße 
von Jerusalem nach Gaza durch Philippus mit seiner ewigen 
Errettung aus Glauben an Christum bekannt gemacht worden 
war, zog er seinen Weg mit Freuden. Auch der Kerkermeister 
zu Philippi, der, von Furcht überwältigt, seinem Leben ein 
jähes Ende bereiten wollte, frohlockte, sobald er auf das Wort 
der treuen Diener Christi seine Zuflucht zu Gott genommen 
hatte, „an Gott glaubend, mit seinem ganzen Hause". 
An einer anderen Stelle des Wortes Gottes werden wir 
belehrt, daß „das Reich Gottes nicht Essen und Trinken ist, 
sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen 
53 
Geiste"; und wir tun sicher wohl, dies Schriftwort zu beherzigen, da wir von den Jüngern von Ikonium lesen, daß sie „mit 
Freude und Heiligem Geiste erfüllt waren" (Röm 14, 17; Apg 
13, 52). Paulus betete, daß die Heiligen mit aller Freude und 
mit Frieden im Glauben erfüllt sein möchten. Johannes schreibt 
in seinem ersten Brief: „Und dies schreiben wir euch, auf daß 
eure Freude völlig sei". Petrus spricht von solchen, die, an 
Jesum glaubend, „mit unaussprechlicher und verherrlichter 
Freude frohlockten". Wie lieblich und tröstend ist es, zu wissen, daß nach dem Willen Gottes die Gläubigen jetzt schon 
unaussprechlich glücklich sein sollen. 
Vielleicht möchte der eine oder andere einwerfen: „Wenn 
Sie wüßten, womit ich in meinem Innern zu kämpfen habe, 
ich glaube, Sie würden nicht so vertrauensvoll von dem Glück 
des Christen sprechen". Aber ich frage dagegen: Wer hat jemals gehört, daß das eigene Ich die Quelle wahrer Glückseligkeit ist? Im Gegenteil versichert der Apostel ausdrücklich: „In 
mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes". Zugleich 
aber teilt uns das untrügliche Wort des lebendigen Gottes mit, 
daß unser alter Mensch mit Christo gekreuzigt ist; wir werden 
aufgefordert, uns der Sünde für gestorben zu halten, d. h. uns 
nicht mehr als lebend, sondern als tot, als völlig in Christo 
hinweggetan zu betrachten, „indem wir dieses wissen, daß 
unser alter Mensch mitgekreuzigt ist". Wir sind auf diese 
Waise durch das Gericht von unserem alten Menschen befreit 
und aus der Stellung des ersten Adam herausgenommen. Und 
jetzt ergeht an uns die Ermahnung: „Haltet euch der Sünde 
für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu". Glückselig sind alle, 
die sich so betrachten, wie Gott sie sieht, und sich stets bewußt sind, daß sie von Gott in Christo in den himmlischen 
örtern erblickt werden! Nur diese haben mit dem eigenen Ich 
einen Abschluß gemacht. 
Wieder möchten andere sagen: „Wenn meine Umstände 
anders wären, dann würde ich wirklich glücklich sein"; oder: 
„wenn mich Gott nur von dieser niederdrückenden Trübsal 
befreien wollte, so würde ich gewiß frohlocken". Doch du 
täuschest dich, mein lieber Leser, wteitn du so denkst. Ist deine 
gegenwärtige Freude abhängig von deinen Umständen, so 
gleicht sie auf ein Haar den meisten weltlichen Freuden und 
54 
bedarf weder Gnade noch Glauben. Sicher ist es wahr, daß wir 
stets mit aller Sorgfalt unsere Geschäfte wahrnehmen und 
ordnen sollten, um Gott dadurch zu ehren; allein Umstände, 
so glücklich und glänzend sie sein mögen, sollten nie die 
Quelle der Freude des Christen bilden, obwohl sie Gelegenheit 
zu Lob und Dank bieten mögen. Im Gegenteil genießt der 
Christ oft in den tiefsten Wassern irdischer Trübsal am meisten die Freude in dem Herrn. Dies war z. B. mit den in 
1. Petr i, 8 angeredeten Heiligen der Fall. Sie befanden sich in 
mancherlei Trübsaien, waren in einem fremden Lande zerstreut, fern von der Heimat, und den heftigsten Verfolgungen 
und Widerwärtigkeiten aller Art ausgesetzt. Doch wie sehr 
waren sie mit Freude erfüllt! Die Ausdrücke des Apostels 
könnten nicht stärker sein. Das gleiche sehen wir bei Paulus 
und Silas. Als ihre Rücken mit Geißeln blutig geschlagen und 
ihre Füße in den Stock gelegt waren, füllte ihre Herzen eine 
solche Freude, daß sie Gott im innersten Gefängnis ihre Loblieder sangen. Laßt uns dies nicht so leicht nehmen, mein 
lieber christlicher Leser! Fragen wir uns mit Aufrichtigkeit, 
woher es kommen mag, daß heutzutage so wenig Lob und 
Dank, so wenig Freude und Friede bei den Christen gefunden 
wird! 
Bevor wir diese kurze Betrachtung schließen, möchte ich 
noch auf drei Punkte aufmerksam machen, die uns über den 
vorliegenden Gegenstand belehren und in dem bereits angeführten Vers, i. Petr l, 8, gefunden werden: „Welchen ihr, 
obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht sehet, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlocket". Wir haben hier 
zunächst die Quelle der Freude des Christen, dann das Geheimnis ihrer Verwirklichung und darauf ihr Maß. 
i. Die Quelle unseres Glückes und unserer Freude ist der 
Herr Jesus Christus Selbst — „an welchen glaubend, obgleich 
ihr ihn jetzt nicht sehet, ihr frohlocket", Es ist der Mensch 
Christus Jesus in der Herrlichkeit, welchen wir jetzt durch den 
Glauben schauen. Alle unsere Quellen sind in Ihm. Es ist vergebliche Mühe, anderswohin zu blicken. Alle anderen Ströme 
sind trocken. Er ist der Fels, der geschlagen wurde, und wir 
haben jetzt nur zu Ihm zu reden, und Er wird Sein Wasser 
55 
geben (4. Mo 20, 8). Er allein ist die Quelle des Lebens. Er ist 
vor dem Angesicht Gottes in Herrlichkeit für uns; und wir 
sind vollendet in Ihm, in Dem alle Fülle wohnt, Der das Haupt 
aller Fürstentümer und Gewalten ist. Möchte es eine Tatsache 
sein, daß Christus — nicht Freunde, nicht das eigene Ich, noch 
die Umstände, sondern Er allein für unsere Seelen die einzige 
Quelle des Glückes sei. 
2. Durch die Tätigkeit des Glaubens an Ihn haben wir gegenwärtige Glückseligkeit. Jemand mag ein wahrer Gläubiger 
sein, ohne -daß sein Glaube in praktischer Tätigkeit ist und 
sein Herz in die göttlich geoffenbarte Wahrheit in betreff der 
Person Christi eindringt. Wir haben es mit Ihm zu tun, Den 
wir nicht gesehen haben, Der aber im Worte geoffenbart ist, 
auf daß wir uns in der Jetztzeit Seiner freuen, indem wir nicht 
nach unseren armen, schwachen Gedanken Seiner gedenken, 
sondern so wie Gott uns Ihn in Seinem Wort vor Augen gestellt hat. Deshalb lesen wir: „An welchen glaubend, . . . ihr 
frohlocket". Wir können nicht erwarten, glücklich zu sein, 
wenn wir mehr oder weniger mit unseren Gedanken, Gefühlen und Umständen beschäftigt sind. Allein die Beschäftigung 
der Seele mit Ihm macht uns fähig, uns über diese Dinge zu 
erheben. 
3. Was sodann das Maß unserer Freude anlangt, so sagt 
der Herr: „auf daß eure Freude völlig werde". Petrus spricht 
von einer „unaussprechlichen und verherrlichten Freude". Sich 
mit der unendlichen Fülle und der Vollkommenheit des Werkes und der Person Christi zu beschäftigen, ist, in das unergründliche Meer der göttlichen Liebe zu tauchen. Unsere Gedanken sind auf einen verherrlichten Christus gerichtet und 
dringen gleichsam in die Herrlichkeit droben ein. Wir betreten 
den Boden der unermeßlichen, ewigen und unveränderlichen 
Liebe und Herrlichkeit Gottes. Dank sei der freien, reichen 
und unverdienten Liebe Gottes, die uns durch Jesum Christum 
zu ewiger Herrlichkeit berufen hat! Obgleich wir jetzt noch 
durch den Glauben in Ihm frohlocken, kann unser Herr doch 
jeden Augenblick kommen und uns dort einführen. Dann wird 
der Glaube in Schauen verwandelt werden; wir werden Sein 
Antlitz sehen, werden bei Ihm und Ihm gleich sein für immer 
und ewiglich. 
56 
Christus der Mittelpunkt 
oder: 
Warum haben wir uns allein 
in dem Namen Jesu zu versammeln? 
Warum haben wirtuns allein in idem Namen Jesu zu versammeln? 
Diese und ähnliche Fragen werden oft an diejenigen gerichtet, die sich allein in dem Namen des Herrn Jesu versammeln. 
Die folgenden Betrachtungen sind geschrieben, um unter der 
Gnade Gottes über diesen Gegenstand Licht zu verbreiten und 
dem einen oder anderen Seiner geliebten Kinder zur richtigen 
Beurteilung des Gegenstandes behilflich zu sein. 
Zunächst ist es die Würdigkeit Christi, die uns um Seine 
Person vereinigt. Es ist Gott, der „ihn hoch erhoben und ihm 
einen Namen gegeben hat, der über jeden Namen ist, auf daß 
in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge . . . und jede 
Zunge bekenne, daß Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters" (Phil z, 9. in). Es hat unserem 
Gott und Vater Wohlgefallen, Ihn so zu ehren, Ihn, „der das 
Haupt des Leibes, der Versammlung, ist, der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, auf daß er in allem den Vorrang 
habe" (Kol 1, 18). In diesem Namen, der für jeden Gläubigen 
so kostbar ist, versammelten sich in den Tagen der Apostel 
alle Christen; und was erblickte Johannes, der Knecht Jesu 
Christi, als vor seinen Augen der Schleier der Zukunft gelüftet 
wurde? Er sah Jesum und sagt: „Sein Angesicht war, wie die 
Sonne leuchtet in ihrer Kraft. Und als ich ahn sah, fiel ich zu 
seinen Füßen wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und 
sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte" 
(Offb 1, 16. 17). 
„Eine Tür war aufgetan in dem Himmel". Welch ein Anblick! Johannes sah vor sich die zukünftige Herrlichkeit des 
Lammes inmitten der Millionen und aber Millionen der Erlösten. Er sah ein Lamm stehen wie geschlachtet. Und die es 
umgeben, „singen ein neues Lied". Was wird es «ein, dort zu 
57 
weilen, diesen Ausbruch einer unaussprechlichen Freude zu 
hören und jenes neue Lied mitzusingen? Keiner von den durch 
Sein Blut für Gott Erkauften wird sich weigern, zu singen: 
„Du bist würdig!'' Die himmlischen Heerscharen rufen mit 
starker Stimme: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit 
und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung". Ja, „jedes 
Geschöpf, das in dem Himmel und auf der Erde und unter der 
Erde und auf dem Meere ist, und alles, was in ihnen ist, hörte 
ich sagen: Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme 
die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht 
von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Offb 5, 6—14)! 
So wird unser anbetungswürdiger Herr angebetet und in 
dem Himmel und in der ganzen Schöpfung anerkannt werden. 
So würdigt Gott den auferstandenen Christus, der einmal für 
unsere Sünden starb, der Gerechte für die Ungerechten, auf 
daß Er uns zu Gott führe. Und so wird einst der Wille Gottes 
im Himmel gesehen. Sollte eine beunruhigte, ängstlich forschende Seele diese Zeilen lesen, so möge 'Sie beachten, daß 
dies gerade die Erlösungs-Herrlichkeit Christi ist. Und wer 
sind jene anbetenden, durch Sein Blut erlösten Millionen? Ehemals sterbende Räuber, Maria Magdalenen, Zöllner und Sünder. Und ist Jesus würdig, solche Geschöpfe in die Herrlichkeit 
einzuführen? Ja, der dreimal heilige Gott sagt: Er ist würdig, 
und alle Kreatur ruft: Amen. Willst du diesem Gott nicht dein 
Vertrauen schenken, mein lieber Leser? Die Würdigkeit des 
auferstandenen Christus ist so groß, daß Gott dir sagen läßt: 
„So sei es euch nun kund, Brüder, daß durch diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon 
ihr in dem Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, 
wird in diesem jeder Glaubende gerechtfertigt" (Apg 13, 38. 
39). Die Errettung geschieht also gänzlich durch Christum. 
Glückselig alle, die sagen können: „Wir haben die Erlösung 
durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen". 
Ich maße mir nicht an, imstande zu sein, durch Wort oder 
Schrift die glorreiche Herrlichkeit und Erhabenheit Christi 
vorzustellen. Ich kann nichts anderes tun, als auf die Schriften 
hinweisen, die so deutlich die Würdigkeit Christi aussprechen. 
Doch möchte mancher der Leser fragen: Welcher wahre Gläu58 
bige bezweifelt denn nur für einen Augenblick die Würdigkeit 
Christi oder die Größe Seines erhabenen Namens? Es ist wahr, 
in dem Herzen eines jeden Christen gibt es eine Saite, die 
nachklingt, wenn der Name Jesu genannt wird. Doch die Frage 
ist: Wie hoch oder wie groß ist die Schätzung dieser Würdigkeit? Vielleicht gibt es in einer Stadt tausend oder noch mehr 
Christen, ich meine solche, die wirkLich Erlösung haben durch 
das Blut Christi, deren Sünden vergeben sind. Aber wenn nun 
Jesus würdig ist des vereinigten Lobes und der vereinigten 
Anbetung aller Schöpfung, wenn alle die Erlösten in dem 
Himmel sich um Seine anbetungswürdige Person scharen, ist 
Er dann nicht auch der vereinigten Anbetung von tausend oder 
zehntausend Christen in einer Stadt auf dieser Erde würdig? 
Sicherlich muß im Himmel jeder Name und jede Sekte wegfallen. Warum nun nicht hier auf Erden? Es ist ein großer Irrtum, wenn man denen, die sich einfach im Namen Jesu versammeln, vorwirft, sie trennten sich von jeder Benennung und 
jeder Partei, weil sie sich für besser hielten, als die teuren 
Kinder Gottes innerhalb dieser Parteien. Nein, sie tun es, weil 
Jesus würdig ist, würdig des Opfers, ein für allemal jede Benennung und jede Partei aufzugeben und sich dn Seinem gesegneten Namen und um Seine herrliche Person allein zu versammeln. Ja, mein lieber Mitgläubiger, Er ist würdig, daß du, 
wer du auch sein und zu welcher Partei du gehören magst, 
keinen anderen Namen anerkennst, als Seinen Namen. Was 
müssen die Engel, die den erhabenen Namen Jesu kennen und 
sich in Ihm erfreuen, denken, wenn sie unsere Wege hier 
sehen? Die vielen Spaltungen auf der Erde müssen ein finsteres Gegenstück zu der Einheit in dem Himmel bilden. An 
vielen Orten sieht man die Erlösten Gottes mancherlei Namen 
tragen, während nicht zwei oder drei in der ganzen Stadt sich 
allein in dem Namen Jesu versammeln. Und dennoch ist Jesus 
unstreitig würdig, daß alle Gläubigen an dem Orte ohne Ausnahme in Seinem Namen zusammenkommen. Wie kann ich, 
wenn ich so offenbar sehe, daß der Wille Gottes im Himmel 
dadurch geschieht, daß sich alle um die Person des Lammes 
scharen, beten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also 
auch auf Erden",-wenn ich nicht bereit bin, jeden Namen und 
und jede Partei aufzugeben, wie dies im Himmel der Fall ist? 
Würde es nicht richtiger sein, zu sagen: Ich befinde mich in 
59 
clieser oder jener Partei, und alle meine Freunde sind auch da; 
vergib mir deshalb, daß idi Deinen Willen auf Erden nicht so 
tue, wie ich ihn einst im Himmel tun werde? Ist es Engherzigkeit, wie viele es nennen, den Willen Gottes auf Erden zu tun, 
wie er im Himmel geschieht? Ist es zuviel, Jesum Christum 
und Ihn allein als Herrn anzuerkennen, zur Verherrlichung 
Gottes, des Vaters? Gott legt auf den Namen Jesu den höchsten Wert. Die Menschen sagen: „Es macht nichts aus, welchen Namen du trägst". Jeden Christen, der Jesum als Herrn 
anerkennt, muß es tief schmerzen, wenn er sieht, wie in der 
römischen Kirche dem Namen der Jungfrau Maria so hohe 
Ehrfurcht erwiesen wird. Der Name Jesu wird dadurch auf 
traurige Weise verunehrt. Aber ist das nicht auch der Fall, wo 
irgendein Name als das Haupt einer Partei anerkannt wird? 
Je mehr man einen solchen Namen hoch hält, um so weniger 
ehrt und anerkennt man den Namen Jesu, bis es schließlich zu 
einer unwichtigen Sache wird, ein Christ zu sein, während 
m/an den höchsten Wert darauf legt, zu dieser oder jener Partei 
zu gehören. Das ist sicherlich Holz, Heu, Stroh und Stoppeln 
und wird an dem kommenden Tage nicht bestehen. In den 
Tagen der Apostel war der Name Jesu über jeden anderen 
Namen erhaben. Wollte jemand einen anderen Namen aufstellen, und mochte es selbst derjenige eines Paulus oder eines 
Kephas sein, so wurde er durch den Heiligen Geist für fleischlich erklärt. Schon einen solchen Namen zuzulassen war gleichbedeutend mit der Erniedrigung der Person Jesu Christi zu 
dem Standpunkte eines bloßen Menschen. 
Ist es nicht heute noch so? Jesus ist der Anbetung durch die 
Millionen von Erlösten in dem Himmel würdig, und deshalb 
ist Er auch würdig, daß alle Christen, die jetzt auf der Erde 
sind, Ihn vereinigt anbeten und erheben. Was andere auch tun 
mögen, ob sie den Namen Jesu allein anerkennen oder nicht, 
ob sie es tun vor der Welt oder im Geheimen, mein lieber 
christlicher Leser, wenn du wünschest, den Willen Gottes zu 
tun, so ist dein Pfad dir klar vorgezeichnet: gib jede Benennung und jede Partei auf und versammle dich allein in dem 
Namen Jesu, des erhabenen Herrn des Himmels. 
Doch es möchte jetzt die Frage entstehen: Welche Art von 
kirchlicher Regierung ist den Gedanken Gottes entsprechend? 
60 
Dies führt uns zu dem zweiten Gegenstand unserer Betrachtung, zu der Souveränität des Geistes Gottes, als dem zweiten 
Grunde, weshalb wir uns allein in dem Namen des Herrn Jesu 
versammeln sollen. Bevor der Herr Jesus diese Erde verließ, 
sagte Er inmitten Seiner trauernden Jünger: „Ich werde den 
Vater bitten, und er wird euch einen anderen Sachwalter 
geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, 
den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht, 
noch ihn kennt. Ihr aber kennt ihn, denn er bleibt bei euch 
und wird in euch sein" (Joh 14, 16. 17). 
Der Herr Jesus verhieß feierlich, daß dieser Sachwalter uns 
alles lehren würde. „Der Sachwalter aber, der Heilige Geist, welchen der Vater senden wird in meinm Namen, jener wird euch 
alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt 
habe" (Joh 14, 26). Und weiterhin: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist . . . so wird er von mir zeugen" (Joh 15, 
26). Beachten wir, daß Jesus nicht einen Einfluß verheißt, sondern die wirkliche, göttliche Person des Heiligen Geistes, eine 
so wirkliche Person wie Christus Selbst. Und so wie Jesus von 
dem Vater gezeugt hatte, so sollte der Geist von Jesu zeugen. 
Er, der Geist der Wahrheit, sollte uns in die ganze Wahrheit 
leiten. „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen 
ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten". „Er wird mich 
verherrlichen" (Joh 16, 13. 14). Diese Verheißung hat Gott 
erfüllt. Nachdem Jesus in der Höhe verherrlicht worden war, 
hat Gott den Heiligen Geist herniedergesandt (Apg 2, 1—38). 
Von jenem Augenblick an suchen wir in dem Neuen Testament vergeblich nach einer kirchlichen Regierung, ausgenommen der unumschränkten Leitung des Heiligen Geistes. So 
wirklich der gepriesene Herr in den Evangelien bei den Jüngern gegenwärtig war, ebenso ist der Heilige Geist in der 
Apostelgeschichte in der Kirche gegenwärtig. Der Tag der 
Pfingsten bot eine wunderbare Entfaltung der Gegenwart und 
Macht des Heiligen Geistes. Auch später hören wir: „Und als 
sie gebetet hatten, bewegte sich die Stätte, wo sie versammelt 
waren, und sie wurden alle mit dem Heiligen Geiste erfüllt 
und redeten das Wort Gottes mit Freimütigkeit" (Apg 4, 31). 
Die Gegenwart des Heiligen Geistes war eine so wirkliche, 
daß Petrus zu Ananias sagen konnte: „Warum hat der Satan 
dein Herz erfüllt, daß du den Hailigen Geist belogen hast" 
61 
(Apg 5, 3)? Und als das Evangelium den Heiden verkündigt 
wurde, fiel der Heilige Geist auf sie, wie auch auf die Christen 
aus den Juden (Kap. 11, 15). Das gleiche war der Fall in Antiochien (Kap. 13, 52). Wie bestimmt tritt ferner die Leitung des 
Heiligen Geistes ans Licht, wenn wir in bezug auf Paulus und 
seine Gefährten lesen: „Sie durchzogen aber Phrygien und die 
galatische Landschaft, nachdem sie von dem Heiligen Geiste 
verhindert worden waren, das Wort in Asien zu reden; als sie 
aber gegen Mysien hinkamen, versuchten sie, nach Bithynien 
zu reisen, und der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht" (Kap. 16, 
6. 7). Vergleiche auch Kap. 19, 2. Wenden wir uns jetzt zu 
1. Kor 12, da finden wir die Regierung des Geistes in der 
Kirche mit der größten Klarheit festgestellt: „Es sind aber 
Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist" 
(V. 4). „Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes 
zum Nutzen gegeben" (V. 7). Diese Stelle wird oft auf die 
Welt angewandt, in direktem Widerspruch mit dem Worte 
des Herrn: „Die Welt kann ihn nicht empfangen, weil sie ihn 
nicht sieht, noch ihn kennt" (Joh 14, 17). Doch so groß die 
Verschiedenheit der Gnadengaben in der Kirche oder Versammlung auch sein mag, „alles dieses aber wirkt ein und 
derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er 
will" (1. Kor 12, 11). 
Und jetzt möchte ich fragen: Welche Benennung erkennt in 
unseren Tagen so den Geist Gottes an? Wahrlich, in demselben Augenblick, wo eine Versammlung von Christen dies 
tut, hört sie auf, eine Partei oder Benennung zu sein, weil 
eben der Heilige Geist keinen anderen Namen ehrt, als den 
Namen Jesu. Vergleichen wir eine Versammlung von Christen 
vor 1800 Jahren mit irgendeiner Partei-Versammlung der 
Jetztzeit. Alle Christen in einem Orte versammelten sich in 
dem Namen Jesu; der Geist schenkte Verschiedenheiten von 
Gnadengaben; die einen Waren begabt zu predigen, andere zu 
lehren, wieder andere zu ermahnen, und so fort, entsprechend 
den mannigfaltigen Offenbarungen des Geistes. Er, der Heilige Geist, war in Wirklichkeit in -ihrer Mitte gegenwärtig, 
einem jeden insbesondere austeilend, wie Er wollte. Zwei bis 
drei sprachen und die übrigen urteilten; und das war die Ordnung Gottes, wie wir in 1. Kor 14, 29—33 lesen: „Propheten 
62 
aber laßt zwei oder drei reden, und die anderen laßt urteilen. 
Wenn aber einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung 
wird, so schweige der erste. Denn ihr könnt einer nach dem 
anderen alle weissagen, auf daß alle lernen und alle getröstet 
werden. Und die Geister der Propheten sind den Propheten 
untertan. Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie in allen Versammlungen der Heiligen". 
So lange die unumschränkte Leitung des Geistes Gottes anerkannt wurde, war dies offenbar die Ordnung. Laßt uns jetzt 
in eine Versammlung eintreten, die zu irgendeiner Benennung 
der gegenwärtigen Zeit gehört. Sage mir, wo erlaubt man dem 
Heiligen Geiste oder wo erwartet man von Ihm, einem jeden 
insbesondere auszuteilen, wie Er will? Die Leitung und der 
Vorsitz des Heiligen Geistes, wenn ich so sagen darf, ist völlig 
vergessen. Ein Mensch nimmt Seinen Platz ein, und er muß 
dies tun, ob er von 'dem Geiste geleitet und glücklich in Ihm 
ist, oder nicht. Diese Mißachtung der persönlichen Gegenwart 
und der unumschränkten Leitung des Heiligen Geistes ist in 
jeder Hinsicht sehr traurig. Die verschiedenen Gaben werden 
nicht ausgeübt; das Werk des Dienstes wird eine Last für die 
eine Person. Aber mehr als alles, Gott wird nicht anerkannt in 
der Versammlung als ihr Leiter, sondern eine menschliche 
Ordnung, oder besser noch, jede Art menschlicher Unordnung 
steht an Seinem Platz. Es mag schön lauten, dies Gewissensfreiheit zu nennen; aber wio bleibt die Freiheit des Geistes 
Gottes, zu gebrauchen, wen Er will, zur Auferbauung der Versammlung Gottes? Ist dies eine geringfügige Sache? Bildete 
nicht die Mißachtung der Leitung und Regierung Gottes und 
der Wunsch, einen Menschen an Seiner Stelle zu haben, den 
ersten verhängnisvollen Schritt auf der abschüssigen Bahn des 
Volkes Israel (vergl. 1. Sam 8, 4—9)? Und was ist die Geschichte der Propheten anders als die Geschichte einzelner 
Männer, die, inmitten des allgemeinen Abfalls von Gott, die 
gesegnete Wirklichkeit Seiner Gegenwart festhielten und bekannten? Welch eine ernste Lehre finden wir in dem Buch 
Jeremia! Der Prophet saß allein, jedoch gerufen durch den 
Namen Jehovas, des Gottes der Heerscharen; wie köstlich 
mußten die Worte des Herrn für ihn sein: „Sie sollen zu dir 
umkehren, aber du sollst nicht zu ihnen umkehren" (Jer 15, 
16-21) ! 
63 
Das ist auch der ernste und doch gesegnete Platz aller, die in 
der gegenwärtigen Zeit dazu gebracht worden sind, die wahrhaftige Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung 
anzuerkennen, und die gefunden haben, daß die Worte des 
Herrn köstlicher sind, als Worte des Menschen. Ach! möchten 
doch alle teuren Kinder Gottes, in welcher Benennung sie sich 
auch befinden mögen, den Segen einer rückhaltlosen Unterwerfung unter die unumschränkte Leitung des Heiligen Geistes 
kennenlernen! Wo diese Unterwürfigkeit in Wirklichkeit, nicht 
nur zum Schein, vorhanden ist, da zeugt der Geist in einer 
Weise von Christo, die keine menschliche Weisheit nachahmen kann. Sollte ich dahin gehen, wo der Heilige Geist nicht 
anerkannt wird als Der, Den der Vater gesandt hat, um uns 
zu leiten, zu bewahren und bis zum Ende bei uns zu bleiben? 
Sicherlich nicht, wenn anders mein Wille unterworfen ist und 
ich begehre, den wohlgefälligen Willen Gottes zu tun. Es 
macht nichts aus, wer oder was an die Stelle des Geistes gesetzt wird, ob der Papst, ein Fürst, eine Konferenz oder ein 
Prediger, in allen Fällen ist die Leitung des Geistes nicht nur 
nicht anerkannt, sondern völlig unmöglich gemacht. Und deshalb sollte ich mich von einer derartigen Gemeinschaft, mag 
sie nun einen Namen tragen, welchen sie will, sei es die griechische, römische oder eine der protestantischen Kirchen, sei 
es die eine oder andere der unzähligen Parteien und Benennungen, trennen und mich einfach im Namen Jesu und unter 
der Leitung des Geistes mit denen versammeln, die mit mir 
nur diesen Herrn als ihr Oberhaupt und den Heiligen Geist 
als ihren Lehrer und Leiter betrachten. 
Ich komme jetzt zu dem dritten Grunde, weshalb die Gläubigen nur in dem Namen Jesu zusammenkommen sollten, das 
ist die Einheit der Kirche, oder genauer gesagt, die Einheit des 
einen Leibes. Das Wort Gottes redet nicht, soviel ich weiß, von 
einer Kirche, wohl aber von „einem Leibe" (Eph 4, 4; 1. Kor 
10, 17 u. a. St.). Das gewöhnlich mit,, Gemeinde" oder „Kirche" übersetzte Wort bedeutet einfach eine Versammlung. Es 
wird in Apg ig, 32 und 39 gebraucht, um eine zusammengeströmte Menge von Heiden zu bezeichnen. Die Kirche Gottes 
ist die Versammlung Gottes: errettete Personen an jedem 
Orte, die sich als solche versammeln, um Gott anzubeten, 
deren Sünden alle für immerdar hinweggetan sind (Hebr 10). 
64 
Keiner anderen Versammlung kann der Name: Kirche oder 
Versammlung Gottes beigelegt werden. Und selbst eine solche 
aus wahren Gläubigen bestehende Versammlung kann, wenn 
sie nicht in Wahrheit Gott, den Heiligen Geist, als ihren Leiter 
und Bewahrer in allen Dingen anerkennt, so wie es die Versammlungen Gottes in den Tagen der Apostel taten, eigentlich 
nicht die Kirche Gottes genannt werden. Ich führe zur Erklärung ein Beispiel an. Nehmen wir an, der Kaiser von 
Deutschland würde seinem in Feindesland stehenden Heer einen 
Oberbefehlshaber senden, und das Heer unterwürfe sich eine 
Zeitlang den Befehlen dieses Mannes. Solange dies geschähe, 
könnte man sagen, daß es das Heer des Kaisers von Deutschland sei. Wenn es aber den Oberbefehlshaber absetzte und 
sich selbst einen anderen wählte, oder wenn sich gar die Truppen in einzelne Teile auflösten und jeder dieser Teile einen 
eigenen Anführer ernennen würde, so würde man vielleicht 
die einzelnen Soldaten noch deutsche Soldaten nennen können, 
das Heer selbst aber würde seinen Charakter als Heer des 
Kaisers von Deutschland verloren haben. Ja, mehr als das: 
jeder Teil des Heeres würde sich, nachdem der von dem Kaiser 
gesandte Oberbefehlshaber beseitigt worden wäre, in einem 
Zustande der Meuterei befinden, und es würde einem Treubruch gleich sein, wenn man sich einer dieser rebellischen Abteilungen anschließen wollte. 
Wenden wir jetzt dieses Beispiel auf die Kirche oder Versammlung Gottes an. Eine Zeitlang wurde die Autorität des 
vom Himmel herniedergesandten Geistes anerkannt, gerade 
wie jenes Heer sich für einige Zeit der Autorität des vom 
Kaiser gesandten Generals unterwarf. Dann wurde die unumschränkte Autorität des Geistes Gottes beiseitegesetzt, und 
die Autorität des römischen Papstes trat an deren Stelle. Kann 
nun die römische Kirche die wahre Kirche oder Versammlung 
Gottes genannt werden? Unmöglich! sie hat sich gegen den 
von Gott gesandten obersten Leiter, den Heiligen Geist, aufgelehnt. Sich ihr anzuschließen oder in ihr zu bleiben ist Untreue gegen Christum. Doch bin ich nicht gezwungen, dieselben Schlüsse in bezug auf alle die verschiedenen Abteßungen der bekennenden Kirche zu ziehen? Nehmen wir die griechische Kirche. Hat sie nicht die Leitung des Heiligen Geistes 
völlig beiseitegesetzt? Mag sie auch eine so hochgestellte Per65 
son wie den Kaiser aller Russen an Seinen Platz gesetzt haben, 
würde es nicht Untreue gegen Gott sein, wenn ich mich ihr 
anschlösse? Betrachten wir ferner die sogenannte Kirche von 
England. Wie in Rußland, so ist auch hier das Haupt der weltlichen Regierung zum Haupt der Kirche gemacht worden, und 
anstatt dem Heiligen Geiste zu gestatten, „auszuteilen, wie 
er will", hat ein Minister, nach welchen Grundsätzen er auch 
handeln mag, das Recht, Pfarrer für Städte und Dörfer zu 
ernennen, und diesen Pfarrern ist es dann innerhalb ihrer 
Sprengel allein gestattet, gottesdienstliche Handlungen vorzunehmen. 
Wie mit den genannten Kirchen, so steht es auch mit den 
zahlreichen anderen größeren oder kleineren Parteiungen und 
Benennungen der bekennenden Christenheit. Sie alle haben 
darin gefehlt, die persönliche Leitung des Heiligen Geistes 
anzuerkennen, und sind dazu übergegangen, sich eine eigene 
Regierung zu wählen. In der Gestaltung und Zusammensetzung dieser Regierung herrscht eine große Verschiedenheit, 
aber sie alle lassen die Regierung des Geistes außer acht, ja 
setzen sie völlig beiseite. 
Ich weiß wohl, daß die persönliche Leitung des Geistes 
Gottes eine solche längst vergessene Sache ist, daß man selbst 
Christen nur mit großer Schwierigkeit deutlich machen kann, 
was darunter zu verstehen ist. Ich führe deshalb noch ein 
Beispiel an. Ein gewisser Edelmann wird aufgefordert, eine 
öffentliche Versammlung der Einwohner irgendeiner Stadt 
zu leiten. Die Versammlung ist vollzählig; der Edelmann 
kommt und nimmt den Präsidentensitz ein, aber niemand 
kennt ihn; er spricht, aber niemand hört ihn an. Unterdessen 
wird ein Bote nach dem anderen zu seinem Hause gesandt mit 
der Bitte, doch zu kommen; endlich gehen die Versammelten, 
da sie nicht wissen, daß der wirkliche Präsident anwesend ist, 
dazu über, eine andere Person zum Vorsitzenden zu wählen. 
Das ist ein genaues Bild von dem Zustand der kirchlichen 
Parteien in unseren Tagen. So sehr wir auch den Heiligen 
Geist betrübt und so wenig wir Ihn anerkannt haben mögen, 
so bleibt dennoch jene köstliche Verheißung Wahrheit: „Und 
er (der Vater) wird euch einen anderen Sachwalter geben, daß 
er bei euch sei in Ewigkeit". So wie jener Edelmann, obwohl 
66 
ungekannt, bereits anwesend war, als die Boten zu seinem 
Hause gesandt wurden, ebenso ist auch der Heilige Geist in 
die Versammlung Gottes herabgekommen, ist persönlich gegenwärtig auf dieser Erde, und zu gleicher Zeit betet man in 
Unwissenheit, Er möge vom Himmel herniederkommen. Ja, 
wenn man viele Christen beten hört, so sollte man denken, sie 
beteten um einen Einfluß. Würde es nicht für jeden Christen 
höchst anstößig sein, von Gott, dem Vater, als von einem Einfluß zu sprechen? Würde es ihn nicht empören, wenn man 
sagen wollte, das Leben Gottes, des Sohnes, auf dieser Erde 
sei nur eine Allegorie oder ein Einfluß gewesen? Und ist nicht 
Gott, der Heilige Geist, jetzt eine ebenso wirkliche Person auf 
Erden, wie einst Jesus auf Erden war und jetzt im Himmel 
ist? Was ein Befehlshaber für ein Heer, und ein Präsident für 
eine Versammlung ist, das ist der Heilige Geist für die Versammlung Gottes: Er befiehlt, leitet, ordnet, gibt und gebraucht, wen Er will. Wo Er nicht so anerkannt wird, kann 
keine Versammlung, selbst nicht von wahren Christen, die 
Versammlung Gottes genannt werden. Und daher muß ich 
mich, wenn ich treu sein will gegen Gott, von allen solchen 
Versammlungen trennen. 
Vielleicht möchte jemand entgegnen: Sind denn inmitten 
der Christen, die bekannten, die persönliche Gegenwart des 
Geistes Gottes anzuerkennen, keine Spaltungen vorgekommen? 
Leider ist es so; aber nichts könnte deutlicher die Wahrheit der 
vorliegenden Ausführungen beweisen. Was war die Ursache 
dieser traurigen Trennungen? Gerade daß man die unumschränkte Leitung des Heiligen Geistes außer acht gelassen 
hatte. Und sollte ein Fehler in dieser Beziehung ein Grund 
sein, die Leitung des Geistes in der Versammlung nicht anzuerkennen, oder könnte es jemanden entschuldigen, wenn Er 
da bleibt, wo der Heilige Geist nicht anerkannt wird? Es wäre 
gerade so, als wenn jemand sagen wollte: weil dieser oder 
jener Christ in seinem Wandel gefehlt hat, so muß auch ich 
aufhören, im Geiste zu wandeln. Sollten nicht vielmehr unsere 
früheren Sünden und Fehler uns um so wachsamer und ernster 
machen, in dem Geiste zu wandeln? Er ist der einzige Führer 
des Christen und der Versammlung. Doch welch ein gesegneter Führer ist Er! Die Quelle aller Fehler der Kirche war 
stets die Mißachtung der Leitung des Geistes. Vertraute sie 
67 
sich einzig und allein ihrem gesegneten Führer an, so stand 
alles wohl, was auch kommen mochte. Ebenso ist es mit dem 
einzelnen Christen. Wandelt er in dem Fleische, so kann ihn 
schon ein Strohhalm zu Fall bringen; wandelt er aber in dem 
Geiste, so wird er feststehen, welche Versuchung ihn auch 
treffen mag. Jeder frühere Fehler in der Kirche oder Versammlung sollte daher tiefe Demütigung und unbedingte Unterwerfung unter den Geist Gottes hervorrufen. Was würde man 
von einem Mann denken, der sagte: Dieser oder jener Mensch 
bekannte, ein Christ zu sein, aber er hat gefehlt und ist betrunken auf der Straße gefunden worden; deshalb kann ich 
mit aller Ruhe dem Trünke ergeben bleiben? Aber ist es nicht 
im Grunde das gleiche, wenn man sagt: Es gibt Kinder Gottes, 
die darin gefehlt haben, die Einheit des Geistes zu bewahren; 
deshalb kann ich ruhig da bleiben, wo der Geist nicht anerkannt wird? Ich bitte alle die christlichen Leser dieser Zeilen 
dringend, diese wichtige Sache nicht nach menschlichen Fehlern, sondern nach dem Worte Gottes zu prüfen. 
Was ist denn nun der „eine Leib" (Eph 4, 4)? Die römische 
Kirche ist nicht einmal die katholische Kirche, noch weniger 
kann sie der „eine Leib" sein. Katholisch heißt „allgemein". Die 
vielen Millionen Glieder der griechischen, anglikanischen, protestantischen etc. Kirchen sind aber ebensoviele lebendige 
Zeugen gegen die Allgemeinheit der katholischen Kirche. Sie 
kann weder die eine Kirche, noch der eine Leib sein, da sie 
nur eine Partei ist; dasselbe gilt von allen anderen Parteien. 
Der Herr sagt: „Alles, was mein ist, ist dein, und was dein 
ist, mein, und ich bin in ihnen verherrlicht". „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, auf 
daß sie eins seien, gleichwie wir eins sind" (Joh 17, 10. 22). 
Diese herrlichen Worte Jesu finden ihre Anwendung auf jedes 
Kind Gottes während der gegenwärtigen Verwaltung. Worin 
besteht nun die Herrlichkeit, die der Vater dem Sohn gegeben 
hat? Er hat Ihn „auferweckt aus den Toten und er setzte ihn 
zu seiner Rechten in den himmlischen örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden 
Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, 
sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles seinen Füßen 
unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung 
68 
gegeben, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in 
allem erfüllt" (Eph 1, 20—23). Und wiederum: „Und er ist das 
Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher der Anfang ist, 
der Erstgeborene aus den Toten, auf daß er in allem den Vorrang habe" (Kol 1, 18). 
Die Herrlichkeit, die Jesu gegeben worden ist, hat Er also 
empfangen als der auferstandene Christus, und als solcher ist 
Er der Anfang und das Haupt des Leibes. Und daher, wenn 
jemand in Christo ist, so ist er eine neue Schöpfung. Aber 
sagt Jesus nicht: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben 
hast, habe ich ihnen gegeben?" Ist dies nicht wahr von allen, 
die Sein sind? Ganz gewiß; und daher ist jeder Christ eins mit 
dem auferstandenen Christus in der erhabensten Herrlichkeit, 
wie geschrieben steht: „Gott aber . . . hat uns mitauferweckt 
und mitsitzen lassen in den himmlischen örtern in Christo 
Jesu" (Eph 2, 6). 
Welch ein gewaltiger Unterschied muß daher bestehen zwischen einem himmlischen, auferweckten Leibe und einer irdischen Gemeinschaft! Die einzige irdische Gemeinschaft, welche 
Gott je besaß, bildete das Volk der Juden. Selbst während des 
Lebens Jesu gehörte die kleine Gesellschaft oder Herde von 
Jüngern diesem Volke an. Erst nach Seiner Auferstehung und 
Himmelfahrt konnte der Heilige Geist gegeben werden, um 
die Kirche zu biLden, „welche sein Leib ist". Das war das Geheimnis, das von den Zeitaltern her verborgen war, daß die 
irdische Gemeinschaft, die jüdische Nation, für eine Zeit beiseitegesetzt werden und der Heilige Geist aus allen Nationen, 
Juden und Heiden, einen himmlischen Leib sammeln sollte, 
und daß ferner dieser Leib mit dem Haupte in Seiner Auferstehungs-Herrlichkeit verbunden und mit allen geistlichen 
Segnungen in den himmlischen örtern in Christo gesegnet 
werden sollte. Und ich wiederhole noch wieder: dies alles ist 
wahr von jedem Kinde Gottes während der gegenwärtigen 
Verwaltung. Wo sich ein Kind Gottes auf dieser Erde dem 
Leibe nach auch befinden mag, im Geiste ist es ebenso wirklich eins mit dem auferstandenen Christus, wie ein Glied des 
menschlichen Körpers mit der Person verbunden ist, der es 
angehört. Ja, unser Einssein mit Christo ist nicht Vereinigung, 
sondern vollkommene Einheit. Wir können, genau genom69 
men, nicht von einer Vereinigung der Glieder des menschlichen Körpers sprechen; denn alle diese Glieder bilden eine 
Person. Ebenso ist es mit dem himmlischen, auferstandenen 
Christus. „Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder 
hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: 
also auch der Christus. Denn auch in einem Geiste sind wir 
alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie usw." „Ihr aber seid der Leib 
Christi und Glieder insonderheit" (1. Kor 12, 12—28). Der Heilige Geist gebraucht hier starke Ausdrücke und klare Bilder, um 
diese wunderbare Einheit auszudrücken. Vergleichen wir die 
obige Stelle mit der folgenden: „Denn wir sind Glieder seines 
Leibes, von seinem Fleische und von seinen Gebeinen" (Eph 5, 
30). Es heißt nicht: wir waren eins mit Ihm während Seines 
Lebens im Fleische, das wäre unmöglich. Wäre Er nicht gestorben, so hätte Er allein bleiben müssen (Joh 12, 24). Irdische Einheit sündiger Menschen mit einem sündlosen Christus war unmöglich, nein, Er mußte sterben, und Er ist gestorben für die Sünden vieler, und nachdem Er für sie durch 
den Tod gegangen ist und durch Sein kostbares Blut das Lösegeld für sie bezahlt hat, ist Er aus den Toten auferweckt und 
gerechtfertigt worden (Jes 50, 8). Und alles dieses für uns: 
„Er ist unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden" 
(Röm 4, 25). Wir werden betrachtet als gestorben mit Ihm, 
gerechtfertigt mit Ihm, und als eins mit Ihm in jenem auferstandenen, gerechtfertigten Zustande, so daß wir eins mit 
Ihm sind. Wie ein Mensch eine Person ist, obwohl er viele 
Glieder hat, so ist auch der auferstandene Christus; obwohl Er 
viele Glieder auf der Erde hat, so sind doch alle mit Ihm verbunden, eins mit Ihm und in Ihm, dem Haupte im Himmel. 
„Wir sind Glieder seines Leibes". „Da ist ein Leib" (Eph 4, 4; 5, 
30). Welch eine wunderbare neue Schöpfung, welch eine neue 
Existenz ist dies! Wir sind bereits versetzt in das Reich des 
Sohnes Seiner Liebe, wir werden es nicht erst dann sein, wenn 
Wir sterben. „Der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe" 
(Kol 1, 13). 
Diese große Wirklichkeit der Einheit der ganzen Versammlung Gottes in dem auferstandenen Christus in himmlischer 
Herrlichkeit vergessen, ist eine der Ursachen der weltlichen 
70 
Systeme und irdischen Parteien, welche die Menschen Kirchen 
nennen. Wenn man Christen fragt: „Wenn wir einst im 
Himmel sind, wird es dann auch Sekten und Parteiungen 
geben?" so ist die Antwort: „O nein; dann wird Christus alles 
sein". Aber ich frage: Sind wir nicht jetzt schon mit Ihm auferweckt und in Ihm in die himmlischen örte r versetzt (Eph z, 
6)? Und ist Christus nicht jetzt schon alles (Kol 3, 11)? In der 
neuen Schöpfung gibt es weder Jude noch Grieche, weder 
Römling noch Protestant, weder Independent noch Methodist; 
o nein, Christus ist alles. „Das Alte ist vergangen, siehe, alles 
ist neu geworden. Alles aber von dem Gott, der uns mit sich 
selbst versöhnt hat" (2. Kor 5, 17. 18). Und dieses ist wahr 
von jedem Menschen in Christo. Er ist eine neue Schöpfung. 
Der in Christo mitauferweckte Leib ist daher einer, zusammengesetzt aus allen Gläubigen jeder Nation, eine neue Schöpfung aus den Toten, auferweckt und zusammengefügt durch 
Gott den Vater (Eph 2). Er kann nie getrennt werden (Röm 8, 
3g). In diesem himmlischen Leibe gibt es keine Trennungen, 
und es kann sie nicht geben; denn das Alte ist vergangen. Das 
Gebet des Herrn ist erhört: „Auf daß sie alle eins seien". Ja, 
alle Gläubigen sind eins mit Christo in den himmlischen 
örtern. 
Was ist nun der Wille Gottes in bezug auf die Gläubigen 
auf Erden? Denn während wir eins mit Christo sind im Himmel, sind wir, so lange wir uns noch in diesem Leibe der 
Schwachheit befinden, ausheimisch von dem Herrn. Ich wünsche nicht, Meinungen aufzustellen. Die Frage ist: Was sind 
die Gedanken Gottes? Wahrlich, eine ernste Frage! Möge Er 
uns Gnade geben, Seinen wohlgefälligen Willen zu tun! 
Daß Gott die Spaltungen verurteilt, wird niemand leugnen, 
der sich vor Seinem inspirierten Wort beugt. Bei der ersten 
Erscheinung, bei dem ersten Aufkeimen von Spaltungen sagt 
der Apostel: „Ich ermahne euch aber, Brüder, durch den 
Namen unseres Herrn Jesu Christi, daß ihr alle dasselbe redet 
und nicht Spaltungen unter euch seien . . . Jeder von euch sagt: 
Ich bin des Paulus, ich aber des Apollos, ich aber des Kephas, 
ich aber Christi. Ist der Christus zerteilt" (1. Kor 1, 10—13)? 
Wahrlich, ich kann über die Gedanken des Herrn in gegenwärtiger Zeit nicht im unklaren sein, wenn jeder sagt: Ich bin 
71 
römisch, ich griechisch, ich anglikanisch, ich lutherisch, ich reformiert, ich wesleyanisch, ich baptistisch usw. Gott ermahnt 
alle durch die Herrlichkeit und Erhabenheit des Namens des 
Herrn Jesu, daß keine Spaltungen da seien. Nicht eine einzige 
Benennung oder Spaltung kann Gott dulden. Irgendeinen 
Namen zu erlauben außer dem Seinigen erniedrigt diesen gesegneten Namen und stellt ihn auf gleichen Boden mit einem 
menschlichen Namen: ich bin des Paulus, ich aber Christi. 
Wenn es daher Gottes Wille ist, daß keine Spaltungen da 
seien, wie kann ich zu einer solchen gehören oder in irgendeiner Weise die eine oder andere Partei verteidigen, ohne mich 
des positiven Ungehorsams gegen den geoffenbarten Willen 
Gottes schuldig zu machen? Mein lieber Leser, beantworte 
diese Frage in der Gegenwart Gottes, mit Seinem Worte 
vor dir. 
Damit kein Irrtum in dieser Beziehung möglich sei, spricht 
der Heilige Geist weiter über denselben Gegenstand: „denn 
ihr seid noch fleischlich. Denn da Neid und Streit unter euch 
ist, seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise? 
Denn wenn einer sagt: Ich bin des Paulus; der andere aber: 
Ich des Apollos; seid ihr nicht menschlich?" Wenn es den 
Heiligen Geist so betrübte, sagen zu hören: „Ich bin des Paulus, oder des Apollos", sollte es Ihm dann jetzt gefallen, wenn 
der eine Gläubige sagt: „Ich gehöre zu den Lutheranern", ein 
anderer: „Ich zu den Methodisten", ein dritter: „Ich zu den 
Independenten" usw.? Ist das Fleischlichkeit oder ist es Geistlichkeit? Kann Gott dazu Seinen Beifall geben oder nicht? 
Wenn ferner der Apostel davon spricht, daß er gehört habe, 
es seien Spaltungen unter ihnen, so sagt er: „Ich lobe nicht, 
weil ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommet" (1. Kor 11,17). 
Gott könnte nicht deutlicher sprechen, nicht nur betreffs 
dessen, was Er verurteilt, sondern auch in bezug auf das, was 
Er will. „Aber Gott hat den Leib zusammengefügt . . ., auf 
daß keine Spaltung in dem Leibe sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben möchten" (l. Kor 12, 24. 25). 
Der Mensch sagt: es müssen Spaltungen da sein, und er sucht 
mich zu veranlassen, der einen oder anderen Partei beizutreten 
oder an ihrer Förderung mitzuwirken. Gott sagt, daß keine 
71 
Spaltungen da sein sollten, weil der Leib einer ist. Soll ich nun 
Gott gehorchen oder dem Menschen? Der Leser urteile selber. 
Welch eine gesegnete Einheit, eins mit dem Haupt droben 
und eins mit jedem Gliede hier, ja mit jedem Gläubigen auf 
der Erde! Wie köstlich ist der Wille Gottes: „Und wenn ein 
Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid 
der Leib Christi, und Glieder insonderheit" (1. Kor 12, 26. 27). 
Wahrlich, wir haben darin gefehlt, diese wunderbare Einheit 
anzuerkennen und zu verwirklichen. Hüten wir uns, das Wort 
Gottes abzuschwächen! Laßt uns nicht das Böse gut 
nennen! Jede Spaltung ist in den Augen Gottes böse und 
völlig verwerflich. Er stellt sie selbst mit den gröbsten 
Sünden, mit Hurerei, Mord und Trunkenheit auf eine Stufe 
(vgl. Gal 5, 17—21). Laßt uns deshalb mit tiefer, aufrichtiger 
Demütigung zu dem Herrn zurückkehren! Laßt uns die allgemeine Sünde und Schande der gespaltenen Kirche bekennen! 
Wir sind zu einer himmlischen Einheit mit dem auferstandenen Christus berufen. Es ist der Wille Gottes, „daß ihr würdig 
wandelt der Berufung, mit welcher ihr berufen worden seid, mit 
aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend 
in Liebe, euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens. Da ist ein Leib und ein Geist, 
wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer 
Berufung" (Eph 4, 1—4). Wünschest du, mein lieber Mitgläubiger, den Willen Gottes zu tun? Hier ist der gesegnete Pfad, 
die Einheit des Geistes. Er muß stets zu dem Haupte, zu 
Christo, führen. Der Geist sammelt um die Person Christi, 
und wo zwei oder drei versammelt sind in Seinem Namen, da 
ist Er in ihrer Mitte. Der Mensch macht eine Versammlung 
oder eine Gemeinschaft unter irgendeinem beliebigen Namen. 
Dies ist Spaltung oder Zerstreuung. Der Geist allein sammelt 
um Christum. Diese beiden Dinge sind so verschieden, wie die 
Einheit des Himmels und die Zerstreuung der Erde. 
Alle Gläubigen sind eins in dem auferstandenen Christus, 
und der Wille Christi ist, daß diese Einheit der ganzen Welt 
offenbar werde. Wie rührend tritt dies in dem Gebet des 
Herrn an den Tag, wenn Er sagt: „Aber nicht für diese allein 
73 
bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich 
glauben; auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir 
und ich in dir, auf daß auch sie in uns eins seien, auf daß die 
Welt glaube, daß du mich gesandt hast". Und weiter: „Ich in 
ihnen und du in mir, auf daß sie in eins vollendet seien, und 
auf daß die Welt erkenne, daß du mich gesandt und sie geliebt 
hast, gleichwie du mich geliebt hast" (Joh 17, 20. 21. 23). Statt 
irdischer Spaltungen und Uneinigkeit will der Herr, daß wir 
vor der Welt unsere Einheit mit Ihm, unserem verherrlichten 
Haupt, offenbaren. Wir sind mit Ihm gestorben, mit Ihm auferstanden, und werden einst Seine Herrlichkeit teilen. Haben 
wir die Kraft dieser Auferstehung erkannt? Wandeln wir 
würdig dieser Einheit mit dem auferstandenen Christus? Wünschen wir, wie Paulus, Seinem Tode gleichgestaltet zu werden? 
Das sind ernste, inhaltsschwere Fragen. Möchten wir sie beantworten mit ganzer Aufrichtigkeit des Herzens. Doch wenn 
wir in diesen Dingen gefehlt haben, kann uns das entbinden 
von unserer Treue, die wif dem auferstandenen Christus schuldig sind? Sicherlich nicht. Stand ich deshalb bisher mit irgend 
etwas in Verbindung, was Ihn betrübt oder Ihm nicht wohlgefällt, so sollte ich mich ohne Verzug davon trennen. Vielleicht wird mein Pfad, wenn ich so in Einfalt und Treue vorangehe, ein schwieriger sein; aber wann war der Pfad des 
Glaubens leicht? Die gegenwärtige Zeit ist böse und gefährlich. Das Böse wird gut, das Gute böse genannt. „Deshalb 
sagt er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den 
Toten, und der Christus wird dir leuchten!" „Darum seid nicht 
töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei" 
(Eph 5, 14. 17). 
Der Herr ist nahe; Er sagt: „Ich komme bald". Wie bald 
wird der letzte Ton von Uneinigkeit gehört werden; wie bald 
wird der Tag da sein, wo unser erhabener Herr für immer 
anerkannt und angebetet werden wird! Mein lieber gläubiger 
Leser, sollten wir nicht bei einer solchen Erwartung die wenigen Tage, die wir noch hier sind, suchen, Seinen wohlgefälligen Willen zu tun? Er will, daß wir uns trennen und reinigen 
von allen Gefäßen zur Unehre (2. Tim 2, 19—21). Er will, daß 
wir uns versammeln in Seinem Namen (Mt 18, 20). Sein 
Wille ist uns so klar geoffenbart, daß es für ein unterwürfiges 
Herz keine Frage, keinen Zweifel geben kann. 
74 
Jetzt ist der Tag des Heils 
Hast du schon Gewißheit über die Vergebung deiner Sünden 
empfangen, mein lieber Leser? Dies ist eine überaus wichtige 
Frage, die wichtigste, die ein Mensch sich je vorlegen kann. 
Wenn du noch nicht diese Gewißheit hast, was dann? Willst 
du in Sorglosigkeit vorangehen? Gott bewahre dich vor einem 
solchen Entschluß! Komme jetzt, in diesem Augenblick, zu 
Jesu. Die gegenwärtige Minute gehört dir, ob die nächste, wer 
weiß es? Der Tod kann dich plötzlich überraschen, und dann 
folgt die endlose Ewigkeit mit allen ihren Schrecken. Die Zeit 
der Gnade, die Gott dir in Seiner Langmut gewährt hat, ist 
dann vorüber, jede Möglichkeit, Errettung und Gnade zu finden, für immer abgeschnitten. Aber heute steht die Tür der 
Gnade noch weit geöffnet. Du brauchst nur durch sie einzugehen. Alles ist für dich bereit. Tausende und Millionen sind 
bereits vor dir eingegangen, aber es ist noch Raum für dich. 
Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, ist auch für dich 
geflossen; es reinigt von aller Sünde. Darum komm! Komme 
unverweilt! Eile zu Ihm, Der gesagt hat: „Wer zu mir kommt, 
den werde ich nicht hinausstoßen". Verhärte dein Herz nicht. 
Vielleicht hörst du die Stimme der Einladung heute zum letzten Mal. „Siehe, jefzf ist die Zeit der Annehmung; siehe, jetzt 
ist der Tag des Heils". Der morgige Tag kann Tod und ewiges 
Verderben für dich in seinem Schöße bergen. Darum zögere 
nicht länger, sondern eile und errette deine Seele! 
Gedanken 
Wir werden in dem Maße wachsen, wie wir nach der Lauteren Milch des Wortes begierig sind. Wir haben stets nötig, aus 
der Quelle des Lebens, der gesegneten Wahrheit Gottes, zu 
schöpfen. Wir werden darin reichliche, unseren Bedürfnissen 
angemessene Labung und Erquickung und unsere tägliche Nahrung finden. Die mächtige Wirkung des Wortes im Herzen 
75 
offenbart sich in unserem Wandel. So lange das Wort nicht 
den ihm gebührenden Platz in der Seele einnimmt, mangelt 
es an der Festigkeit; wir werden dann durch Gefühle geleitet, 
und wenn diese fehlen, ist Dürre und Dunkelheit vorhanden. 
Wir haben versäumt, von der lauteren Milch des Wortes Gottes 
zu trinken und dadurch unsere Kraft zu unterhalten. Wandeln 
wir in der Abhängigkeit von Dem, Der die Quelle des Wortes 
ist, so werden wir Tag für Tag bewahrt und belebt werden. 
Je weniger wir Sein köstliches Wort betrachten, um so weniger 
Friede und Freude, Energie und Eifer wird vorhanden sein. 
Nur das Wort Gottes ist Leben für unsere Seele, ein Licht auf 
unserem Wege, Milch zu unserem Wachstum und Speise zu 
unserer Kraft. 
Der Psalmist sagt: „Wie süß sind meinem Gaumen deine 
Worte, mehr als Honig meinem Munde"! und wiederum: 
„Dein Wort ist Leuchte meinem Fuße und Licht für meinen 
Pfad" (Ps 119, 103. 105). 
Vorträge über die Sendschreiben 
an die sieben Versammlungen*) 
Einleitung 
Ehe ich auf die Einzelheiten der Sendschreiben an die sieben 
Versammlungen eingehe, sei es mir vergönnt, einige Worte über 
den allgemeinen Charakter des Buches der Offenbarung zu 
sagen. Es ist sehr wichtig, daß wir ein richtiges und klares 
Verständnis über gewisse Hauptgrundsätze erlangen, die sich 
durch das ganze Buch hinziehen; sonst werden wir die Handlungsweise Gottes, wie sie uns in dem Buche mitgeteilt wird, 
nicht verstehen. Und vergessen wir nicht, daß wir allein aus 
der Schrift erfanren können, welches der Ratschluß Gottes ist, 
und was Er bezweckt mit dem, was Er tut, und mit der Art 
und Weise, wie Er es tut. 
*) Gehalten in London im Jahre 1852 von J. N. D. 
76 
Das erste Kapitel bildet die Einleitung zu dem ganzen Buch. 
Das Buch ist eine Offenbarung, welche Jesu Christo gegeben 
wurde, um Seinen Knechten zu zeigen, was geschehen muß, 
um die Erscheinung Christi vorzubereiten. Es ist ein wunderbarer Gedanke, daß Gott solche Mitteilungen macht, und bewundernswürdig ist auch die Art und Weise, wie Er sie macht. 
Gott schreibt nicht wie ein Mensch, bloß um die menschlichen 
Wünsche zu befriedigen oder zu reizen. Nein, wenn Gott 
schreibt, so geschieht es, um etwas hervorzubringen, wodurch 
unsere Seelen geprüft und in Seine Gemeinschaft gebracht 
werden. Nehmen wir als Beispiel die Evangelien; sie sind nicht 
nur geschrieben, um eine historische Darstellung des Lebens 
Christi auf Erden zu geben, sondern um vor unseren Seelen 
die Ratschlüsse und Gnadenwege Gottes in dem Werke und 
der Person Seines Sohnes zu entfalten. Und nur, wenn wir auf 
diese Weise die Gedanken und Wege Gottes kennenlernen, 
sind wir fähig, zu verstehen, was Gott in jedem Teil Seiner 
Wege tut. 
Das Buch der Offenbarung redet von Anfang bis zu Ende 
von Gericht. Gott wird darin geoffenbart als einer, der im 
Begriff steht, das Gericht zu vollziehen. Dies findet seine 
Anwendung sogar auf die Kirche, wie wir aus Kapitel 2 und 3 
sehen können. Sie wird betrachtet als auf der Erde, dem Gericht unterworfen. Allerdings redet die Prophezeiung von den 
Gegenständen, die unter dem Gericht sind, und von den Mitteln, um es abzuwenden; allein das ganze Buch trägt durchweg einen richterlichen Charakter, mit Ausnahme der Beschreibung von dem herrlichen Zustand der Kirche, als des himmlischen Jerusalem. Dies ist sogar der Fall, wenn die Kirche in 
Tätigkeit tritt, wie im 19. Kapitel; sie folgt dort auf weißen 
Pferden dem Herrn, der zum Gericht auszieht. Wenn diese 
Wahrheit nicht völlig erfaßt und festgehalten wird, ist es unmöglich, den Zweck des Buches zu verstehen. 
In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten finden wir in 
der Offenbarung niemals den Namen des Vaters in Verbindung mit den Heiligen, wohl in Verbindung mit Christo (vgl. 
1, 6; 2, 27; 3, 5. 21). In Kap. 14, 1 wird der Name des Vaters 
des Lammes an die Stirnen der 144 000 geschrieben; aber auch 
hier ist es immer Sein Vater, wenn auch Sein Name an ihren 
Stirnen steht. Ferner ist von dem Verhältnis der Braut, desWei77 
bes des Lammes, durchaus keine Rede, bis die Feier der Hochzeit 
des Lammes erzählt wird. Die Grundsätze und Verhältnisse tragen in der Offenbarung einen völlig veränderten Charakter. Gott 
ist mit dem beschäftigt, was auf der Erde ist, und zwar entsprechend dessen Verantwortlichkeit. Dieser einfache Gedanke 
ist geeignet, vielen Irrtümern vorzubeugen. Das ganze Buch 
trägt, wie bereits bemerkt wurde, den Charakter des Gerichts, 
und zwar steht das Gericht in Verbindung mit der Erde, d. h. 
die Menschen sind auf Erden für das verantwortlich, was 
ihnen anvertraut worden ist. Wenn also von der Kirche, als 
auf der Erde befindlich, gesprochen wird, so ist der Gegenstand, um den es sich handelt, ihre Verantwortlichkeit, und 
daher kommt sie unter das Gericht. Die zweite Sache, die 
unsere besondere Beachtung verdient, ist, daß der ganze Charakter des Buches ein prophetischer ist. „Glückselig, der da 
liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist". Sogar in den Anreden an die 
sieben Versammlungen ist die Sprache prophetisch. Anders verhält es sich mit den verschiedenen Briefen in dem vorhergehenden Teil des Neuen Testaments. Dort sind es Mitteilungen 
an die Versammlungen oder Heiligen, um sie zu belehren, wie 
sie sich in dem Verhältnis, in das Gott sie in Gnade mit Sich 
Selbst und mit dem Herrn Jesu gebracht hat, zu verhalten 
haben. Die Sendschreiben aber sind, wie gesagt, prophetisch, 
d. h. sie kündigen die Resultate und Folgen an, die im Wege 
des Gerichts über diejenigen kommen sollen, an die sie sich 
wenden, und die einen öffentlichen Körper bilden. Es handelt 
sich nicht um den Dienst der Gnade und Unterweisung in 
einem gesicherten und bleibenden Verhältnis, das keinem 
Wechsel unterworfen sein kann. Auch handelt es sich nicht 
um die gegenwärtige Segnung dessen, der redete, noch derer, 
die das Wort zur Zeit aufnahmen, weil sie Ohren hatten, zu 
hören. Wir sehen den nämlichen Unterschied in den alttestamentlichen Propheten und in den prophetischen Stellen, die 
sich in den Briefen zerstreut finden, i. Petr 1, 11. 12 gibt eine 
Erklärung von dem, was ich meine. Es heißt dort: „. . . welchen es geoffenbart wurde, daß sie nicht für sich selbst, sondern für euch die Dinge bedienten". Das ist der eigentliche 
Charakter der Prophezeiung. Sie wendet sich an eine Person 
und ist bestimmt für andere. Sie ist eine Offenbarung zukünf78 
tiger Dinge. Ein Prophet weissagte nicht über sich selbst; was 
ihm der Geist Christi offenbarte, waren Dinge, die nicht ihn, 
sondern andere betrafen. Der Unterschied bestand also darin, 
daß dieselben Dinge (welche jene bedient hatten) den Heiligen 
durch diejenigen mitgeteilt wurden, die ihnen das Evangelium 
durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist predigten. 
Wenn der Heilige Geist in den Heiligen redet, so tut Er kund, 
daß die Dinge, von denen Er spricht, ihnen selbst angehören. 
Er bedient sich deshalb auch beständig des Wörtchens „uns". 
Wir finden dieses Wort im Alten Testament nirgends in dieser 
Verbindung. „Der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat" — „Gott zur Herrlichkeit durch uns" — „der uns 
gesegnet hat . . . wie Er uns auserwählt . . . und uns zuvorbestimmt hat" — „der uns errettet hat" — „und hat uns mitauferweckt und mitsitzenlassen in den himmlischen örtern in 
Christo Jesu". Das heißt nicht einfach zukünftige Dinge anzeigen. Wenn der Heilige Geist etwas von den Dingen Christi 
offenbart, so umfaßt Er alle Heiligen — „auf daß ihr völlig zu 
erfassen vermöget mit allen Heiligen". Mit einem Wort, der 
Heilige Geist schließt, wenn Er also redet, alle Heiligen ein, 
als solche, die jetzt teil an der Segnung haben, und Er wendet 
alles, was uns Gott „in Christo Jesu" gegeben hat, auf sie an. 
Allerdings genießen wir jetzt noch nicht alles und werden deshalb ermahnt, völlig auf die Gnade zu hoffen, die uns gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi. 
Es gibt hier gleichsam drei Abstufungen. Erstens: der Geist 
der Prophezeiung, der in vergangenen Zeiten in den Propheten, aber nicht für sie selbst, redete; zweitens: der Heilige 
Geist, herniedergesandt, um die Erlösung zu verkündigen, und 
drittens der Heilige Geist als das Siegel, das Pfand und die 
Salbung, mittels deren wir unser Teil kennen und genießen, 
als der Geist der Erwartung, da wir, solange wir in diesem 
Leibe sind, noch nicht das besitzen, was einst unser sein wird. 
Wohl besitzen wir das Pfand, aber wir erwarten die „Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes". Dessen ungeachtet verleiht der Geist Gottes, der in der Kirche oder Versammlung 
wohnt, und zwar in eben diesem besonderen Charakter, durch 
die zwei ausdrucksvollen Worte: „uns" und „wir", das Bewußtsein des gegenwärtigen Genusses dessen, was Er offenbart. 
79 
Bei einer Betrachtung von Hebräer a sahen wir kürzlich, daß 
Christus in der Vollendung der Zeitalter in den Himmel aufgenommen wurde, und daß, während Er droben ist und bevor 
Er wieder auf diese Erde zurückkehrt, durch den Heiligen Geist 
ein Werk getan wird, — ein Leib wird gesammelt und mit 
Ihm, dem Haupte im Himmel zur Rechten Gottes, verbunden. 
Kraft des auf diese Weise zur Rechten Gottes erhöhten Hauptes sendet Gott den Heiligen Geist hernieder, um einen Leib 
zu sammeln, der mit Ihm eins sei in Herrlichkeit, der dieselbe 
Herrlichkeit besitze wie Er, und der aus Gliedern von Seinem 
Fleische und von Seinen Gebeinen bestehe. Dies ist der eigentliche Charakter des Geistes in Verbindung mit der Kirche; es 
handelt stich hier nicht um Prophezeiung, nicht um die Mitteilung dessen, was auf Erden anderen begegnen soll, sondern 
es ist der Geist als das Siegel, das Pfand und die Zusicherung 
der Segnungen, die uns angehören, der Geist, der bezeugt, wie 
sehr Gott uns gesegnet hat, — uns, und nicht andere Personen, 
und der bei uns bleibt bis zur Ankunft Christi. Dann wird, 
Gott sei dafür gepriesen! nicht ein Teilchen des kostbaren 
Staufoes Seiner Erkauften zurückbleiben, denn,, wer dem Herrn 
anhängt, ist ein Geist mit ihm". Christus wird den ganzen 
Menschen, Leib, Seele und Geist, mit Sich zum vollen Genuß 
der himmlischen Segnungen einführen, und zwar für immer 
und ewig. 
Sobald der Geist Gottes Seinen prophetischen Charakter 
annimmt, verändert sich alles. Sein Zeugnis muß sich dann 
auf etwas Irdisches beziehen. Er prophezeit niemals über den 
Himmel. Wenn Er uns sagt: Die ganze Herrlichkeit des Himmels ist euer, so ist das nicht eine Vorhersage irgendeines 
später einzutreffenden Ereignisses, sondern eine Offenbarung. 
In gewissem Sinn sind wir schon dort, weil wir in Christo 
sind. Wir verwirklichen unsere Gemeinschaft in den himmlischen örtern, während wir hienieden der Erfüllung von 
allem, was sich noch ereignen soll, entgegensehen und auf die 
Erlösung unseres Leibes warten. Beschäftige ich mich jedoch 
mit der Erde und ist die Kirche oder Versammlung der Gegenstand meiner Gedanken, so muß sie — so gewiß und unveränderlich ihre ewigen Vorrechte sind, sobald wir sie in ihrem 
wahren Charakter betrachten — vor meinen Augen stehen als 
ein verantwortlicher Körper auf der Erde, als „das was ist", 
80 
verantwortlich nach dem Maße der Vorrechte, in denen sie 
hier auf Erden zurückgelassen ist. 
Es ist von höchster Bedeutung, diese Wahrheit festzuhalten, 
da wir sonst die Handlungsweise Gottes nicht verstehen können. Der Heilige Geist, der in der Kirche oder Versammlung 
wohnt, vereinigt mich mit Christo. Handelt es sich um Gerechtigkeit? Ich bin die Gerechtigkeit Gottes in Ihm; um Leben? 
Er ist mein Leben; um Herrlichkeit? Er sagt: „die Herrlichkeit, 
die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben". Alles, was 
Er hat, ist unser, ausgenommen Seine Gottheit, an der wir 
selbstverständlich nicht teilhaben können*). Alles, was Christus besitzt, gehört mir; denn „wer dem Herrn anhängt, ist 
ein Geist mit ihm". Hiermit konnte sich die Prophezeiung 
nicht beschäftigen, denn es war ein Geheimnis, das von den 
Zeitaltern und Geschlechtern her in Gott verborgen war. Jetzt 
aber hat der Heilige Geist uns mitgeteilt, daß die Versammlung in der gegenwärtigen Zeit mit dem zur Rechten Gottes 
in den Himmeln erhöhten Christus in lebendige Verbindung 
gebracht ist — Christus, das Haupt, im Himmel, die Versammlung, die Glieder, auf der Erde. Die Heiligen des Alten Bundes 
konnten nicht von einem Menschen im Himmel reden, dessen 
Glieder sich auf der Erde befanden. Dies hätte gar keinen Sinn 
für sie gehabt. Christus mußte zuerst von der Erde verworfen 
sein, ehe man sagen konnte, daß Er Sich als das Haupt im 
Himmel befinde und Glieder auf der Erde habe. Kehren wir 
nun zu der Prophezeiung zurück, so sehen wir die Versammlung in die Kenntnis darüber eingeführt, was Gott auf Erden 
zu tun beabsichtigt. 
Wenn sich der Geist im zweiten und dritten Kapitel der 
Offenbarung an die Versammlungen wendet, so redet Er nie 
von der Gnade, die von dem Haupte zu den Gliedern des 
Leibes herniederströmt, und selbst wenn uns die Heiligen 
droben gezeigt werden, sehen wir sie nicht als einen Leib, 
sondern als einzelne Anbeter, als Könige und Priester Gottes, 
die einen Gegenstand der Anbetung im Himmel haben. Der 
Heilige Geist spricht in diesen Sendschreiben in der Tat nicht 
von der Versammlung als dem Leibe Christi, sondern Er redet 
*) Moralisdt sind wir allerdings Teilhaber der göttlichen Natur geworden, um 
fähig zu sein, uns völlig in Cctt zu freuen. 
81 
von gewissen Gemeinschaften, die sich in gewissen Umständen hienieden befinden. Er betrachtet sie nicht als die Glieder 
eines Leibes, noch spricht Er von der lebendigen Macht der 
Gnade, die hienieden wirkt, um Segen hervorzubringen, sondern von dem Verhalten derer, welche, nachdem sie in diese 
Stellung der Segnung versetzt worden waren, die Vorzüge 
jener Gnade genossen hatten. Es handelt sich nicht darum, was 
die Kirche oder Versammlung ist, sondern um das, was sie 
getan hat; nicht um ihre Stellung in der Gnade, in die sie die 
Macht des Heiligen Geistes versetzt hat, (denn der Heilige 
Geist erscheint nicht als in ihnen wohnend oder wirkend) sondern um ihre Verantwortlichkeit. Es findet sich daher, wie ich 
bereits bemerkte, in diesem Buch nirgends die Liebe des Vaters 
zu den Kindern, auch nicht der Heilige Geist als die Seele 
(wenn ich so sagen darf) des Leibes, die den Leib mit dem 
Haupte verbindet, noch die Macht der Gnade, deren Endresultat die Hochzeit des Lammes ist. Wir sehen vielmehr die Versammlung in einem gegebenen Zustande auf der Erde, dem 
Gericht unterworfen. Von einer Einheit mit Christo ist hier 
gar nicht die Rede. Was wir finden, ist die Mitteilung davon, 
was Christus einem jeden der besprochenen Zustände gegenüber ist — Sein Urteil über das, was Er sieht und offenbar 
macht. Halten wir dies fest, so ist der Inhalt der Sendschreibein 
einfach und leicht zu verstehen und er ist als Warnung voll 
Nutzen für unsere Seelen. Die Worte, mit denen das ganze 
Buch eingeleitet wird, sind überaus köstlich und lehrreich für 
uns: „Offenbarung Jesu Christi, welche Gott ihm gab, um 
seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß" (V. 1). 
Hier ist es augenscheinlich nicht Christus im Himmel, als das 
Haupt, noch der Heilige Geist, der in den Gliedern zur Auferbauung des Leibes wirkt. Dieses Verhältnis und diese Stellung werden in den Episteln klar dargelegt. Hier ist es die 
Offenbarung, die Gott Christo gab, um Seinen Knechten (nicht 
den Söhnen) zu zeigen, was bald geschehen muß. Desgleichen 
bringt hier der Heilige Geist nicht, wie in dem Brief an die 
Epheser, den Kindern und der Braut Belehrung von oben, oder 
Er macht sie mit ihrer Verbindung mit dem Vater und dem 
Bräutigam bekannt, sondern es ist eine Offenbarung an 
Knechte und über Dinge, die bald auf Erden geschehen sollen; 
„und durch seinen Engel sendend, hat er es seinem Knechte 
82 
Johannes gezeigt, . . ." Der Dienst der Engel tritt auf diese 
Weise hinzu und zeigt uns den prophetischen Charakter der 
Stelle. Beachten wir ferner, daß wir hier nicht die Entfaltung 
der Reichtümer Christi durch den Heiligen Geist haben, sondern eine Botschaft durch einen Engel. 
„der bezeug', hat" — nicht die Gemeinschaft mit Christo, 
noch die Fülle Christi — sondern „das Wort Gottes und das 
Zeugnis Jesu Christi" (V. 2). Das Zeugnis Jesu Christi ist 
nicht Seine Fülle, sondern Sein Urteil über andere Gegenstände. Somit werden uns Ereignisse auf der Erde vor Augen 
geführt, und diese sind nie die Fülle Christi im Himmel, was 
wir stets festhalten müssen. Der dritte Vers enthält die Verheißung des Segens für alle, welche die Worte der Weissagung lesen und hören. 
„Gnade euch und Friede von dem, der da ist, und der da war, 
und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor 
seinem Throne sind" (V. 4). Die Gnade und der Friede kommen hier nicht von dem Vater und Seinem Sohne, sondern 
von Jehova. Der Gruß ist, besonders was den Heiligen Geist 
betrifft, nicht derselbe wie in 2. Kor 13, 13, wiewohl die 
sieben Geister ohne Zweifel auf den Heiligen Geist anspielen, 
indem die Zahl sieben das Symbol der Vollkommenheit in 
ihrer vielseitigen Macht ist. Der hier dem Geiste gegebene 
Titel steht in Verbindung mit der Macht und Einsicht, die sich 
bei der Regierung der Erde kundgeben (vgl. Kap. 5, 6). 
„und von Jesu Christo, welcher der treue Zeuge ist, der 
Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde" 
(Vers S). Christus wird zuletzt erwähnt, um zu zeigen, wie 
Er hier ganz und gar in Verbindung mit der Regierung der 
Erde erscheint. Er ist „der treue Zeuge", welcher, als Er 
auf Erden war, ohne je zu fehlen, geoffenbart hat, was Gott 
und was die ganze Wahrheit ist. „Der Erstgeborene der 
Toten" — das ist die Macht der Auferstehung „aus den Toten" 
hienieden. „Der Fürst der Könige der Erde" — Sein Platz in 
Macht über jegliche Herrschaft hienieden, ein Platz, den Er 
noch nicht tatsächlich in Besitz genommen hat. Er wird hier 
nicht „der Sohn des Vaters" genannt, noch als das Haupt des 
Leibes, der Versammlung, oder als das Lamm inmitten des 
Thrones eingeführt; Sein Titel ist: Fürst der Könige der Erde, 
83 
woraus wiederum hervorgeht, daß es sich nur um Seine Verbindung mit der Erde handelt. 
Aber es ist bemerkenswert, daß, sobald Christus genannt 
wird, die Versammlung ihrer Freude über ihre persönliche 
Verbindung mit Ihm einen lauten Ausdruck gibt. „Dem, der 
uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in 
seinem Blute und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu 
Priestern seinem Gott und Vater". Dies kann nicht anders 
sein; mag der Gegenstand, um den es sich handelt, sein, welcher er will, Christus ist und bleibt stets unser Christus, mit 
Dem wir in lebendiger Weise verbunden sind, und unmöglich 
kann Sein Name ausgesprochen werden, ohne die Antwort der 
Seele wachzurufen, indem sie anerkennt, was Er für sie ist. 
Selbst wenn ich an das Gericht und an Ihn als den Richter 
denke, sage ich: „Ich bin mit Ihm verbunden"; in allem ist Er 
mein Christus. Etwas ähnliches können wir in dem natürlichen 
Leben beobachten. Wenn die Frau eines hochgestellten Mannes 
ihren Gatten kommen sieht, wird sie unwillkürlich ausrufen: 
„Da kommt mein Mann", da ihr Verhältnis zu ihm ihre Gedanken zunächst beschäftigt. Ebenso ist es mit der Versammlung Christo gegenüber, unter welchem Charakter Er auch geoffenbart werden mag. Sobald Er am Schluß des prophetischen 
Teiles des Buches sagt: „Ich bin . . . der glänzende Morgenstern", antwortet die Versammlung alsbald in Übereinstimmung mit ihrer Hoffnung auf Ihn: „Komml" „Der Geist und 
die Braut sagen: Komm!" So sollte Christus stets der Gegenstand aller Gedanken und Zuneigungen unserer Herzen sein. 
Gerade das ist es, was jedem Zeugnis bezüglich Seiner Person, 
jedem Teil Seiner Herrlichkeit seinen Wert für uns verleiht. 
Alles, was Ihn angeht, geht auch mich an, was auch direkt der 
Gegenstand sein mag, um den es sich handelt. Ist mein Herz 
mit Christo, dem Besitzer der zukünftigen Herrlichkeit, beschäftigt, so wäre selbst die Herrlichkeit in meinen Augen 
nichts, wenn ich Ihn nicht dort fände. Ich bedarf stets etwas, 
was Christum angeht; und weil es Ihn angeht, so muß es notwendigerweise auch mich angehen. Allerdings ist es völlig 
wahr, daß unter den Gegenständen, die mit dem Herrn in Verbindung stehen, die einen anziehender für uns sind als die 
anderen, und zwar in dem Maße, als sie uns in eine innigere 
Verbindung mit Ihm bringen. 
84 
Die Krone Jesu wird an jenem Tage aus vielen Diademen 
bestehen, und jedes Diadem wird, wenn auch nicht getragen 
im Blick auf die Versammlung, sondern auf andere, die den 
gesegneten Folgen Seines Werkes teilhaftig geworden sind, 
einen Teil unserer Freude bilden, weil es zu Seiner Herrlichkeit 
gehört: Denn der Gedanke, Er könnte einen Teil Seiner Krone 
und Seiner Herrlichkeit verlieren, würde uns unglücklich 
machen. Unsere Freude besteht nicht nur in dem Bewußtsein 
unserer persönlichen Errettung, ebensowenig wie diese das 
Ende unserer Freude bildet. Sie ist, Gott sei Dank! ihr Anfang; 
aber dennoch gibt es nichts, was in den Augen eines Gläubigen je seinen Wert verlieren könnte, wenn er es, so wenig 
es auch auf seine Errettung Bezug haben mag, in Verbindung 
mit der Herrlichkeit Christi betrachtet. Dies zeigt sich am deutlichsten an dem Sterbebett eines Christen. Wenn Christus 
Selbst die Freude des Sterbenden gewesen ist, so wird alles, was 
Christo angehört, kostbar für ihn sein. War aber die Seele 
bloß mit dem Werke Christi, durch das ihr das Heil gebracht 
wurde, beschäftigt, so wird sie wohl Frieden haben, weil sie 
die Errettung kennt, allein sie wird jene innere, stets sprudelnde Quelle der Freude nicht besitzen, die sich da vorfindet, 
wo die Person Christi der Gegenstand der Liebe geworden 
ist, und wo die Seele mit Ihm beschäftigt ist. Denn wenn Christus der persönliche Gegenstand der Seele ist, so genießt sie 
eine Freude, die das bloße Bewußtsein der Errettung, so gesegnet dies auch ist, nicht ohne Unterbrechung zu geben vermag. Erfüllt Er mein Herz, so werde ich nicht nur wegen 
meiner Errettung glücklich sein, sondern der Gedanke an Ihn, 
zu dem ich gehe, wird in mir eine stete, unaussprechliche 
Freude hervorrufen. Wohl ist es wahr, daß ich in den Himmel 
gehe, aber nur der Gedanke, daß Christus Sich dort befindet, 
macht den Himmel zu einem Himmel für meine Seele. Ich gehe 
zu Ihm, Den ich hienieden geliebt habe, um allezeit bei Ihm 
im Himmel zu sein; so wind es stets in der Schrift ausgedrückt. 
Der Apostel wünscht, „abzuscheiden und bei Christo zu sein". 
Die Versammlung nimmt in der Offenbarung von Anfang 
an einen besonderen Platz ein; ihr priesterlicher Platz ist in 
den Himmeln (außerhalb des Wirkungskreises dieses Buches, 
oder vielmehr innerhalb des Vorhangs) droben, an dem Orte, 
85 
woher das Buch gekommen ist. Dementsprechend sind die Gedanken der Versammlung, wie sie sie in Vers 5, als auf dieser 
Erde befindlich, ausspricht: „Dem, der uns liebt". Es handelt 
sich durchaus nicht mehr um Gericht: „Er liebt uns". Ebensowenig herrscht irgendwelche Ungewißheit hinsichtlich ihres 
Zustandes: „Er hat iuns von unseren Sünden gewaschen in 
seinem Blute". Sobald der prophetische Teil des Buches beginnt, ist nicht mehr von dem Platz des Gläubigen die Rede. 
Christus ist gestorben und wieder auferstanden „und hat uns 
zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater gemacht"; und diese Titel besitzen wir, ohne daß unsere Verantwortlichkeit sie in Frage stellen könnte. Wohl stehen wir 
unter Verantwortlichkeit, allein Jesus hat uns gewaschen, und 
wir sind uns des Platzes, in den Er uns gebracht hat, wohl 
bewußt, da wir die Antwort des Herzens, in dem der Heilige 
Geist wohnt, besitzen. 
Der Platz der Versammlung wird unzweifelhaft festgestellt, 
ehe irgend etwas anderes geoffenbart wird. Derselbe Grundsatz tritt in Eph 1 noch klarer ans Licht. Zu allererst wird dort 
die Versammlung in die gleiche Stellung der Annehmlichkeit 
vor Gott gebracht, in der sich der Herr Jesus Christus Selbst 
befindet, und dann erst wird ihr das „Geheimnis seines Willens" geoffenbart. Das ist nicht Weissagung, sondern wir sehen 
die Versammlung versetzt in dieselbe Stellung wie Christus, 
damit sie der Abglanz Seiner Herrlichkeit sei. Nachdem Gott 
sie zuerst „begnadigt hat in dem Geliebten", führt Er sie nach 
dem überströmenden Reichtum Seiner Gnade in alle Weisheit 
und Einsicht ein, damit sie das Geheimnis Seiner Gedanken 
und Ratschlüsse hinsichtlich der Herrlichkeit Christi erkenne, 
„alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, 
das, was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist. 
Nachdem der Heilige Geist das Ganze mit einem Amen geschlossen hat, beginnt Er mit der Erde und redet von der Wirkung der Erscheinung Christi auf ihre Bewohner. „Siehe, er 
kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, . . . 
und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes". 
Nicht so die Versammlung. Sie wird nicht wehklagen, wenn 
sie Christum sieht. Wie wird im Gegenteil das Angesicht eines 
86 
jeden Gläubigen strahlen, wenn wir Ihn zum ersten Mal erblicken werden! Allerdings kann, wenn unser Herz nicht in 
warmer Liebe zu Jesu schlägt, der Gedanke, Ihm entgegengerückt zu werden, keine Ursache zu einer gegenwärtigen 
Freude bilden; und hier möchte ich fragen: Ist irgend etwas 
bei dir vorhanden, das den Wunsch rege macht der Herr 
möchte noch verziehen? Sind irgendwelche natürlichen Gefühle und Zuneigungen da, die zwischen dich und Christum 
getreten sind und dein Auge und Herz von Ihm abwenden? 
Ist das Herz in Wahrheit auf Christum gerichtet, und fühlen 
wir, was es ist, sich in einer solchen Welt — der Mühsal nicht 
nur, sondern der Sünde — zu befinden, welch ein Gedanke 
muß es dann sein, fern von ihr bei Christo zu weilen! Sicherlich gibt es in dem Herzen des Gläubigen keine einzige Saite, 
die nicht in völlig entgegengesetzter Weise erklingt, gegenüber den Gefühlen solcher, die wehklagen werden, wenn sie 
Ihn sehen. Aber dennoch ist die bestimmte Hoffnung und die 
Freude, Ihn zu sehen und bei Ihm zu sein, eine weit reichere 
und bleibendere Quelle der Glückseligkeit, als die Errettung 
selbst. Wenn ich sage: „jedes Auge wird ihn sehen", so kann 
es für die arme Welt nur Wehklagen geben; sage ich aber-
„mein Auge wird ihn sehen", so hüpft mein Herz vor Freude, 
anstatt zu wehklagen. Erwarte ich etwa, bloß vor den Gerichten bewahrt zu werden? Hat Christus nicht gesagt: „Ich gehe 
hin, euch eine Stätte zu bereiten", — und „ich komme wieder 
und werde euch zu mir nehmen?" oder mit anderen Worten: 
„Diese Welt ist nicht gut genug für euch. Ich kann nicht hier 
bei euch bleiben, wo alles den Stempel der Sünde und des 
Elends trägt; wenn aber die Stätte bereitet ist, so komme ich 
wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, 
auch ihr seid". Welch ein unermeßlicher Unterschied besteht 
zwischen diesen beiden Seiten der Ankunft des Herrn! 
In Vers 8 geht der Geist auf die Herrlichkeit der Person des 
Herrn Selbst über: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht 
der Herr, Gott, der da ist, und der da war, und der da kommt, 
der Allmächtige". Es ist hier nicht der Vater. Wie ganz anders 
ist es, das zu erwarten, was der Allmächtige auf der Erde tun 
wird, oder in das Vaterhaus entrückt zu werden und von dem 
zu reden, was der Vater dort für uns ist. 
87 
Gott hat 5ich dem Menschen unter drei großen Namen 
geoffenbart; zunächst dem Abraham in i. Mo 17 mit den 
Worten: „Ich bin Gott, der Allmächtige, (El Shaddai) wandle 
vor meinem Angesicht und sei vollkommen". Gott sagte Seinem treuen Knecht gleichsam: Ich bin der Allmächtige, darum 
vertraue du auf mich. Der Ausdruck „Vollkommenheit" entspricht dem Charakter, in dem Gott Sich uns geoffervbart hat. 
Sobald Gott mit Israel in Verbindung tritt, nimmt Er einen 
anderen Namen an. Im zweiten Buch Mose offenbart Er Sich 
ihnen als Jehova, der ewig Seiende, der im Begriff steht, alle 
Seine Verheißungen zu erfüllen. Den Heiligen der Jetztzeit 
offenbart Er Sich als Vater. Sie werden mit dem allmächtigen 
und ewigen Jehova in Verbindung gebracht und in das Verhältnis von Kindern zu dem Vater versetzt, und zwar im Genuß des ewigen Lebens, das ihnen mitgeteilt ist. „Ich werde 
euch zum Vater sein . . . spricht der Herr, der Allmächtige". 
Dieser Offenbarung können wir nur durch den Geist der Kindschaft begegnen, indem wir wirklich Kinder sind und die 
Natur und den Geist Dessen besitzen, Der unser Vater ist. 
Darum wird nicht gesagt: „Du sollst vollkommen sein gegen 
Jehova, deinen Gott" (5. Mo 18, 13), wie einst in Verbindung 
mit den Titeln Allmächtiger und Jehova; sondern, nachdem 
Christus den Namen des Vaters geoffenbart hat, heißt es: „Ihr 
nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist" (Mt 5, 48). Wir vertrauen Ihm nicht als Fremde, 
sondern wir wandeln mit Ihm und gleich Ihm als Kinder. Wir 
kennen Den als Vater, Der der Allmächtige ist, und Christus 
sagt: „Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein 
wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen". Und wiederum: „Wer mich gesehen, hat den Vater 
gesehen"; und wiederum: „jeder, der euch tötet, wird meinen, 
Gott einen Dienst darzubringen. Und dies werden sie tun, weil 
sie weder den Vater noch mich erkannt haben". Sie glauben, 
Gott zu dienen, indem sie Seine Kinder töten; aber sie kennen 
weder den Vater, noch den Sohn. Wir haben bereits bemerkt, 
daß Gott unter dem Titel „Vater" in der Offenbarung nicht 
erscheint, sondern als der Allmächtige und als Jehova. 
In den Versen 9—13 tritt uns aufs neue der Charakter entgegen, mit dem Christus Sich sowohl in Verbindung mit den 
sieben Versammlungen, als auch mit der Welt bekleidet. Er 
88 
erscheint nicht als das Haupt des Leibes, oder als die Quelle 
der Gnade für Seine Glieder hienieden, sondern als einer, der 
inmitten einer Körperschaft wandelt, die sich außer Ihm befindet, über deren äußeren Zustand Er Sein Urteil ausspricht. In 
Vers 14 sehen wir, daß Christus, wiewohl Er hier als Sohn 
des Menschen geoffenbart wird, zugleich auchjehova ist und 
alle Charakterzüge des Alten an Tagen in Daniel 7 trägt. „Sein 
Haupt aber und seine Haare weiß, wie weiße Wolle". In 
Daniel 7 wird der Sohn des Menschen vor den Alten der Tage 
gebracht. Hier erscheint Er Selbst als der Alte an Tagen*): 
„Seine Augen wie eine Feuerflamme", um in das Herz einzudringen und alles darin richten zu können. „Gott ist ein verzehrendes Feuer". Und aus Seinem Munde ging hervor ein 
scharfes, zweischneidiges Schwert" — das Schwert des Gerichts, 
das andeutet, daß Er alle Autorität besitzt. 
„Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Und 
er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! 
Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich 
war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit" 
(V. 17. 18). Es ist außerordentlich ermutigend für die Seele, 
zu wissen, daß Er, das Alpha und das Omega, der Erste und 
der Letzte, außer Dem es keinen Gott gibt, Derselbe ist, Der 
Sich um meiner Sünden willen unter die Macht des Todes 
begab und, indem Er ohne sie wieder auferstand, nicht nur für 
immer jede Sünde hinwegtat, sondern mich auch von dem 
befreite, welcher (und zwar mit Recht) die Macht des Todes 
besaß, d. h. vom Teufel, und mich in die Gegenwart Gottes 
Selbst einführte. Er „hat einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führe". Das 
ist es auch, was der Seele einen so festen Frieden gibt; denn 
wenn ich zu Gott gekommen bin, habe ich nichts mehr zu 
suchen: „Wer mich gesehen, hat den Vater gesehen". Wenn 
meine Seele den am Kreuz für meine Sünden sterbenden Christus gesehen hat, dann bin ich Gott dort hinsichtlich der feierlichen Frage des Gerichts begegnet; ich bin zu Gott gekommen 
durch einen gestorbenen und auferstandenen Christus, und 
eben dadurch, daß ich zu Gott Selbst gekommen bin, habe ich 
*) Auch in Dan 7 scheint Vers 22 anzudeuten, daß der Sohn des Menschen 
Selbst der Alte an Tagen ist. 
89 
alles empfangen, was Erde oder Himmel mir geben können. 
Denn dieser Sanftmütige und von Herzen Demütige, Der Sich 
wie ein Lamm zur Schlachtbank führen ließ, ist gerade der 
Gott, zu Dem ich gebracht worden bin, und zwar ohne den 
geringsten Flecken von Sünde, der mich in Seiner Gegenwart 
beschämen könnte. Ich stehe daher vor Ihm in vollkommener 
Liebe, da jede Ursache zur Furcht beseitigt ist; und Er lebt, 
um Sich uns in der Kraft eines unauflöslichen Lebens zu 
offenbaren. 
Kehren wir jetzt zum prophetischen Teil unseres Buches zurück, so finden wir in Vers 19 in bestimmten Ausdrücken die 
höchst wichtige Einteilung der Offenbarung in drei große 
Abschnitte. „Schreibe nun, 1. was du gesehen hast" — d. h. 
Christus, inmitten der Leuchter wandelnd; 2. „was ist" — der 
zeitliche oder äußere Zustand der Versammlungen oder der bekennenden Kirche auf der Erde, nicht aber der ewige Zustand 
und die unveränderlichen Vorrechte der Versammlung als Leib 
Christi; 3. „was geschehen wird nach diesem" — die prophetischen Dinge, die Schlußereignisse im Blick auf diese Welt. 
Das vierte Kapitel zeigt uns die Versammlung im Himmel. 
Den Ausdruck „was ist" beziehe ich durchaus nicht (aus dem 
einfachen Grunde, weil die Schrift es nicht tut) auf den ewigen 
Zustand der Versammlung in ihrer Einheit mit Christo, als 
ihrem Haupt in Gnade — sondern auf den zeitlichen, äußeren 
Zustand der Versammlung, als betrachtet in ihrer Verantwortlichkeit hienieden während einer bestimmten Periode, und 
zwar wird dieser zeitliche, äußere Zustand in den sieben Versammlungen gerichtet. Ich wiederhole nochmals, es handelt 
sich hier nicht um unsere geistlichen Segnungen in den himmlischen örtern in Christo, sondern um etwas, das außerhalb 
Christi auf der Erde ist, und in dessen Mitte Er wandelt. Auf 
der Erde bedarf Er eines Leuchters, eines Lichtes; nicht aber 
im Himmel, dort ist kein Leuchter, kein Lichtträger nötig, „denn 
die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet und ihre Lampe ist 
das Lamm" (Kap. 21, 23). Auf Erden sind jedoch Lichtträger 
nötig, und deshalb werden die sieben Versammlungen mit 
Leuchtern verglichen; sie sollen „das Licht der Welt" sein. Sie 
werden vom Himmel her erleuchtet, um auf der Erde, in den 
dunklen örtern hienieden, Licht auszustrahlen, um ein Zeug90 
nis für Christum zu sein, während Er abwesend im Himmel, 
in Gott verborgen ist. Und um diese Lichtträger zu prüfen, 
wandelt Christus als der Sohn des Menschen inmitten der 
Leuchter, Wohl ist es wahr, daß unser Leben mit Christo in 
Gott verborgen ist; aber während wir auf der Erde wandeln, 
sollen wir als Lichter in der Welt scheinen und das offenbaren, 
was der Himmel hervorzubringen vermag, nämlich im Himmel 
zu leben, während man noch auf der Erde wandelt, so wie 
Jesus von Sich Selbst sagte, als Er hienieden war: „Der Sohn 
des Menschen, der im Himmel ist". 
„Das Geheimnis der sieben Sterne" (V. 20) erweckt den 
Gedanken an Macht, d. h. an eine untergeordnete Macht, während „die Engel"*) die symbolischen Stellvertreter der Versammlungen vorstellen. In der ganzen Heiligen Schrift wird 
eine höhere Macht durch die Sonne, eine untergeordnete 
Macht durch die Sterne symbolisch dargestellt. Der Engel von 
irgend etwas bezeichnet den Stellvertreter dessen, was nicht 
selbst gegenwärtig ist. Dies ist auch der Fall mit dem Engel 
Jehovas. Als Petrus nach seiner wunderbaren Befreiung am 
Tore des Hauses der Maria klopfte, sprachen die, welche dort 
versammelt waren: „Es ist sein Engel" (Apg 12), und von den 
Kindern sagt der Herr Selbst: „Ich sage euch, daß ihre Engel 
in den Himmeln allezeit das Angesicht meines Vaters schauen" 
(Mt 18, 10). Ferner nannte Jakob den Ort, an dem er mit dem 
Engel gerungen hatte, Pniel (Antlitz Gottes), „denn ich habe 
Coff von Angesicht zu Angesicht gesehen" (1. Mo 32); und in 
2. Mose 3, 2 lesen wir, daß „der Engel Jehovas" dem Mose 
in einer Feuerflamme mitten aus einem Dornbusch erschien, 
während es nachher, als er hinzutrat, um das große Gesicht 
zu sehen, heißt: „Und als Jehova sah, daß er herzutrat, da 
rief ihm Gott mitten aus dem Dornbusch usw." In ähnlicher 
Weise bilden hier die Engel die Repräsentanten der sieben 
Versammlungen. Anstatt von Christo als dem Haupt des 
Leibes zu reden, stellt der Heilige Geist in der Offenbarung 
*) Man hat gedacht, dieses Wort sei mit Bezugnahme auf den Engel der 
Synagoge gebraucht und bezeichne daher den Bischof oder Haupt-Ältesten. 
Allein der Engel der Synagoge war keineswegs ihr Leiter, sondern ein Vorleser. 
Es ist möglich, daß zur Zeit, als die Offenbarung geschrieben wurde, der Älteste 
oder der hervorragendste unter den Ältesten eine Art von Vorsitz führte. Aher 
wenn dies auch wirklich der Fall war und jener Älteste dadurch verantwortlich 
wurde, so beweist doch schon der Gebrauch des Namens „Engel", daß wir es 
hier mit etwas anderem zu tun haben. Nimmer würde der Herr in der Schrift 
einen solchen kirchlichen Titel anerkennen. 
91 
die Verantwortlichkeit in den Vordergrund, welcher der Leib 
in seinem zeitlichen Zustand unterworfen ist, sowie ein gewisses Verhalten, das der Herr als Folge der empfangenen 
Vorrechte erwartet. Auch handelt es sich nicht um die Mitteilung dieser Vorrechte, sondern um den Gebrauch, den die 
Kirche von ihnen gemacht hat. Keine der sieben Versammlungen ist demzufolge an und für sich ein Werk Gottes. Was hier 
stattfindet, ist eine richterliche Untersuchung, und ich brauche 
kaum zu sagen, daß Gott nicht Sein eigenes Werk einer Beurteilung unterzieht, sondern Er richtet den Menschen auf dem 
Boden der Verantwortlichkeit nach dem, was er durch jenes 
Werk empfangen hat. 
Wenn die Schrift von der Versammlung Gottes redet, so 
geschieht es in ganz bestimmter und unterschiedlicher Weise. 
Die Leiden Christi und die Herrlichkeiten danach bildeten das 
Zeugnis der Propheten, ehe der Heilige Geist herniedergesandt 
wurde. Als Christus auf der Erde war, sagte Er: „Auf diesen 
Felsen werde ich meine Versammlung bauen"; sie war noch 
nicht gebildet. Christus konnte nicht eher das Haupt im Himmel sein, bis die Erlösung vollbracht war; ich spreche hier 
selbstverständlich nicht von der Errettung einzelner, sondern 
von dem Leibe Christi. Die Geschichte des Stephanus führt 
uns einen Schritt weiter: ein Mensch auf der Erde, erfüllt mit 
dem Heiligen Geiste, sieht den Himmel geöffnet und den Sohn 
des Menschen zur Rechten Gottes stehen. Das Gesicht, das 
Paulus auf dem Wege nach Damaskus sieht, zeigt uns noch 
mehr, es offenbart innere Einheit mit Christo. Alle wahren 
Christen sind Seine Glieder, und dies nicht nur, weil sie Teilhaber Seiner, der göttlichen Natur sind, sondern weil dieselbe 
Macht, die Ihn auferweckte, auch sie auferweckt, und weil der 
Heilige Geist sie mit Ihm, dem Haupte, vereinigt hat. Der 
Herr fragt den erschreckten Saulus: „Was verfolgst du mich?" 
Wenn meine Hand verwundet ist, dann sage ich: Ich bin verwundet; denn meine Hand bildet einen Teil von mir. Außerdem aber gibt es noch einen anderen Charakter, den dieser 
Leib naturgemäß hat; er wird „mitaufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geiste". Da nun die Versammlung der Platz 
ist, wo Gott wohnt, und sie auf der Erde zur Offenbarung 
Seiner Herrlichkeit dienen soll, so kommt Gott, um zu untersuchen, welche Frucht diese Vorrechte in den Händen des Men92 
sehen hervorgebracht haben. Es handelt sich hier also nicht um 
die Tatsache, daß der Heilige Geist in der Kirche wohnt, sondern um den Gebrauch, den die Menschen davon gemacht 
haben. 
Es gibt zwei Grundsätze, nach denen Gott stets Sein Volk 
richtet. Erstens: Der ursprüngliche Zustand des Volkes, die 
Segnung, mit der Er begonnen, die Stellung, von welcher Sein 
Volk abgewichen ist. Zweitens: das Ziel, nach dem Seine Wege 
führten — die Hoffnung, die Er Seinem Volk vor Augen gestellt hat — und die Fähigkeit des Volkes zum Genuß der 
Segnung, mit der Er ihm am Ende, bei der Offenbarung Seiner 
Gegenwart, begegnen will. Zur Erläuterung dieses Grundsatzes führe ich als Beispiel das Volk Israel an. In Jesaja 5 
sagt Gott: „Was war noch an meinem Weinberge zu tun, das 
ich nicht an ihm getan hätte?" In Kapitel 6 aber beweist die 
Offenbarung der Herrlichkeit Jehovas, daß der Zustand des 
Volkes nicht nur der ihm im Anfang verliehenen Segnungen 
nicht entsprach (denn Jesaja sagt: „Inmitten eines Volkes von 
unreinen Lippen wohne ich"), sondern daß er auch nicht für 
die Herrlichkeit paßte, auf die Jehova ihre Blicke und ihre 
Erwartung gerichtet hatte. Während der Überrest nach der 
Wahl der Gnade zu jeder Zeit bewahrt wird, fällt der übrige 
Teil des Volkes dem Gerichte anheim. Wenden wir uns jetzt 
zu der Versammlung zurück, so sehen wir, daß der Herr zunächst die Vorrechte, die Er gegeben hat, berührt und dann 
fragt, ob der Wandel den Vorrechten entsprochen habe. Er 
richtet gleichsam die Frage an die Versammlung zu Ephesus: 
Hast du deine erste Liebe verlassen? Und da die Antwort 
leider bejahend lautet, so fährt Er fort: „Gedenke nun, wovon 
du gefallen bist". „Ich habe euch geliebt und mich selbst für 
euch dahingegeben", das war das wahre Maß der Liebe zu 
Ihm, in welchem sie hätte wandeln sollen, als die Versammlung Gottes, die Er Sich erworben hat „durch das Blut seines 
Eigenen", und die zu allem heiligen Wandel unter den Schutz 
des Blutes gestellt ist, wie wir dies vorbildlich in den Priestern 
des alten Bundes sehen. Das Blut wurde auf die Hand, den 
Fuß und das Ohr des Aussätzigen sowohl wie des Priesters 
getan (zur Reinigung des einen und zur Einweihung des anderen; vgl. 2. Mo 29; 3. Mo 14) so daß nichts gestattet werden 
durfte, was dieses Blut verunehren konnte. So sind auch wir 
93 
unter den Schutz des Blutes gekommen, und jetzt entsteht die 
Frage: Haben wir diesem Blute, das auf uns gebracht worden 
ist, entsprechend gehandelt? Ist in Gesinnung, Tat oder Wandel nichts vorgekommen, was nicht Gott gemäß war? Der Herr 
übt stets Gericht in einer Versammlung aus, obwohl Er sie 
lange Zeit in Geduld trägt. Er erwies dem Volke Israel Seine 
Langmut länger als siebenhundert Jahre, nachdem das Gericht 
durch den Mund Jesajas angekündigt worden war; aber obwohl Gott den Fehltritten Seines Volkes gegenüber sehr geduldig ist, so kann Er doch den Maßstab der Ansprüche Seiner 
ersten Segnung nie verringern. 
Zu Sardes sagt der Herr: „Ich habe deine Werke nicht völlig 
erfunden vor meinem Gott"; doch wie tief war es gefallen! 
Wir können uns vor dem Herrn wegen unserer Fehltritte demütigen und werden dann stets jene Gnade finden, die uns 
wieder aufrichtet; aber Gott erniedrigt niemals den Maßstab 
dessen, was in uns hervorgebracht werden sollte, und wir 
selbst werden dies nicht wünschen. Es kann nicht der Wunsch 
eines wahren Gläubigen sein, daß Gott den Maßstab Seiner 
Heiligkeit verringere, um dadurch imstande zu sein, uns in 
den Himmel einzuführen. 
Durch die Gnade kann ich in bezug auf die Versammlung 
Gottes nichts annehmen, was hinter dem Gemälde, das Gott 
zuerst von ihr gegeben hat, zurückstände. Nehmen wir z. B. 
den Menschen als solchen; er hat die Unschuld verloren; dessen ungeachtet kann ich im Blick auf ihn keinen niedrigeren 
Standpunkt oder Maßstab annehmen, als wo Sünde ganz abwesend ist. Und dies ist noch nicht alles. Gott stellt jetzt einen 
noch köstlicheren Gegenstand der Wünsche vor mein Herz, in 
dem Er das, was verlorengegangen ist, ersetzt, und zwar durch 
die vollkommene Offenbarung Seiner Selbst, Seiner eigenen 
Herrlichkeit in Seinem Volke. Der Gläubige soll daher seinen 
Zustand nicht mit dem Zustand des ersten gefallenen Adam, 
noch mit dem ersten Zustand der Versammlung messen, sondern mit Christo Selbst, Dem er begegnen wird. 
Wir haben also gesehen, daß Gott einerseits den Abstand, 
die Entfernung von der ersten Stellung des Segens richtet und 
andererseits erforscht, inwieweit die Versammlung der Fülle 
des Segens, zu der Gott sie beruft, entsprochen hat. Gott 
94 
richtet und beurteilt uns gemäß unserer vergangenen und 
unserer zukünftigen Segnung. Daher finden wir in all den 
Sendschreiben an die Versammlungen zunächst ihren Abstand, 
ihr Fernsein von den ursprünglichen Segnungen, und dann 
wird untersucht, inwieweit ihr gegenwärtiger Zustand der 
Segnung entspricht, zu der sie berufen sind und die von Gott 
verheißen wird. Paulus konnte sagen: „Vergessend was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage 
ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung 
Gottes nach oben in Christo Jesu". Wenn jemand dieses sagen 
kann, dann hat er ein gutes und glückliches Gewissen vor 
Gott, im Blick auf die vor ihm liegende Herrlichkeit. Möchte es 
jeder Gläubige mit Ernst bedenken, daß sein Standpunkt ein 
falscher und seine Neigungen nicht die richtigen sind, sobald 
er etwas anderes tut, als dem Christus der Herrlichkeit nachzufolgen, Der vor das Auge seines Herzens gestellt ist. Wir 
wissen, daß die Versammlung ihre erste Liebe verlassen hat. 
ivlöchten wir daher stets eingedenk sein, daß Gott, so geduldig 
und langmütig Er ist, niemals Seinen Maßstab niedriger stellen 
kann, und daß es deshalb unser Teil ist, „Buße zu tun". 
Gnade genug ist vorhanden, um aufzurichten und wiederherzustellen; allein mein Gewissen würde nicht glücklich sein, 
wenn Gott die Züge des Bildes, das Er mir von der Versammlung gegeben hat, irgendwie schwächte. 
Der Mensch hat seine Unschuld verloren; das Kreuz hat 
jedoch Erlösung und Segnung gebracht, und obwohl ich das 
herrliche Resultat dieser Erlösung noch nicht erreicht habe, wie 
es sich in der Herrlichkeit Dessen, Der sie vollbracht hat, 
offenbaren wird, so „jage ich doch hin nach dem Kampfpreis", 
so nur kann mein Gewissen glücklich sein. Wäre der Gedanke 
an das Kommen des Herrn, um uns in die Herrlichkeit einzuführen, recht lebendig in uns, wie vieles würde dann verschwinden! Stände die Hoffnung Seiner Ankunft stets vor 
unseren Augen, wie viele Gegenstände, auf die wir jetzt Wert 
legen, wie viele Sorgen und Kümmernisse, die uns jetzt drükken, würden dann wie nichts erscheinen! „Jeder, der diese 
Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist". 
Aber ach! die Versammlung hat ihre erste Liebe verlassen 
und damit auch ihre Erwartung verloren. Die Hoffnung auf 
die baldige Ankunft des Herrn bringt Ihn unseren Seelen sehr 
95 
nahe, und die Folge ist, daß wir den Zustand, in dem wir uns 
befinden, richten. Wir sind berufen, Jesu zu begegnen. Befinden wir uns in einem Zustand, der uns Seiner Ankunft 
freudig entgegensehen läßt? 
Es gibt außerdem noch eine andere Wahrheit, die ein Beweggrund zur Heiligkeit in der Versammlung ist: nämlich die 
Gegenwart des Heiligen Geistes. Es steht geschrieben: „Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes" — tut nichts, was mit 
Seiner Gegenwart ebensowenig vereinbar wäre, wie mit der 
Herrlichkeit, der ihr entgegengeht und von der Er Zeugnis ablegt. In den drei ersten Sendschreiben wird das Kommen des 
Herrn gar nicht erwähnt; sobald aber hernach das Böse festen 
Fuß gefaßt hatte, bildet die Ankunft des Herrn den vorherrschenden Gedanken. Sie ist unsere Freude und Hoffnung, die 
uns aufrechthält, wenn alles andere zusammenbricht. 
Bevor ich schließe, möchte ich das Gesagte noch einmal kurz 
zusammenfassen. Das Buch der Offenbarung trägt einen prophetischen Charakter. Die Versammlung wird in ihm nicht 
dargestellt als die Behausung des Heiligen Geistes, der von 
Christo, als dem Haupt des Leibes, Zeugnis gibt, noch wird 
der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn Ausdruck 
gegeben. Alles ist hier richterlich. Christus erscheint zunächst 
als Richter der Versammlung, betrachtet in ihrer irdischen und 
nicht in ihrer himmlischen Stellung, und dann als Richter der 
Welt. Das ganze Buch teilt sich in drei Hauptabschnitte — 
„was du gesehen hast, was ist, und was geschehen wird nach 
diesem". Gott richtet auf zweierlei Weise. Er untersucht, ob 
wir die bereits empfangenen Segnungen benutzen, und dann, 
ob wir in einer Weise wandeln, die mit der verheißenen Herrlichkeit im Einklang steht. 
Zufolge der Vorrechte, die Er uns mitgeteilt hat, erwartet 
der Herr durch die Gnade eine Antwort des Herzens auf die 
Herrlichkeit, zu der Er uns beruft. Da Er uns gesegnet hat, so 
erwartet Er die Antwort: „Komm, Herr Jesu!" Er sucht die 
Frucht der Gnade, die Er gegen uns hat überströmen lassen, 
und unser Teil ist es, zu untersuchen, wozu wir durch diese 
Gnade berufen sind. Nicht als ob wir es schon ergriffen hätten, 
sondern in der Kraft eines neuen Lebens eilen wir vorwärts, 
„vergessend was dahinten ist". Das Herz Gottes ist damit 
96 
beschäftigt, uns zu segnen, und Er erwartet aus unseren Herzen eine Antwort auf diese Kenntnis von unserer himmlischen 
Berufung. 
Möchten wir daher das genießen, wozu Gott uns in Gemeinschaft mit Seinem Sohn berufen hat! Möchte es auf die Gefühle und Zuneigungen unserer Herzen einen so mächtigen 
Einfluß ausüben, daß wir in Aufrichtigkeit sagen können: 
„Eines aber tue ich!" Der Herr öffne unsere Augen und erfülle 
sie mit Seiner Herrlichkeit, damit wir wandeln in der Kraft 
der Hoffnung, Ihn zu sehen, wie Er ist, und für immer bei 
Ihm und Ihm gleich zu sein! 
Wie wir gesehen haben, ist es der Gedanke und Ratschluß 
Gottes hinsichtlich der Versammlung, daß sie der Leib Christi 
sein soll, wenn Er die Herrschaft über alles einnimmt. Gott 
hat Christum hoch erhoben, „über jedes Fürstentum und jede 
Gewalt und Kraft und Herrschaft . . . und hat alles Seinen 
Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist", und deshalb „die 
Fülle dessen, der alles in allem erfüllt", genannt wird (Eph 1, 
21—23). Alle Fülle der Gottheit wohnte in Christo, aber dies 
ist etwas ganz anderes. Wir sind Seine Fülle, d. h. wir vervollständigen oder vollenden den geheimnisvollen Menschen, 
dessen Haupt Christus ist. In dem zukünftigen Zeitalter wird 
die Versammlung die Herrlichkeit Christi vervollständigen und 
entfalten, und dann wird nicht nur Christus im Himmel sein, 
gekannt von den Gläubigen, sondern Er wird Seinen Platz 
nehmen als Herrscher über die Erde und über alle Dinge. Es 
ist ein köstlicher Gedanke, daß nicht bloß Gott als Gott, sondern daß Christus es ist, der in Erlösung und in Seiner Fülle 
als Mittler in Gnade und Gerechtigkeit alles erfüllt. „Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über 
alle Himmel, auf daß er alles erfüllte" (Eph 4, 10). Alles, vom 
Staube der Erde bis zum Thron Gottes, ist der Schauplatz der 
Erfüllung der Herrlichkeit Christi gewesen und hat zugleich 
Zeugnis von dieser Herrlichkeit abgelegt. Wenn Er aber wirklich einmal „alles erfüllt" und dies nicht länger nur Gegenstand des Glaubens ist, so wird Er nicht allein sein, sondern 
als Haupt des Leibes, der jetzt gebildet wird, die Versammlung 
an Seiner Herrschaft teilnehmen lassen. An jenem Tage wird 
97 
Ihm alles unterworfen und die Versammlung Ihm zugesellt sein. 
So war es in Eden: Adam, das Bild des Zukünftigen, war Herr 
über die ganze Schöpfung; Eva bildete weder einen Teil der 
Schöpfung, über welche Adam herrschte, noch hatte sie ein 
eigenes Anrecht auf die Schöpfung, sondern sie war ihrem 
Mann in der Herrschaft zugesellt. In Epheser 5 wird diese 
Stellung Evas erwähnt und auf die Versammlung angewendet: 
„Dieses Geheimnis ist groß; ich aber sage es in bezug auf 
Christum und auf die Versammlung". 
Christus besitzt jedes Anrecht auf die Herrschaft über alle 
Dinge (s. Kol z). Da Er Gott ist, sind alle Dinge durch Ihn und 
für Ihn geschaffen. Und beachten wir, daß Er in jenem Kapitel 
einen doppelten Vorrang hat: Er ist Haupt der Schöpfung, 
wenn Er als Sohn Seinen Platz in ihr einnimmt — denn Er 
ist der Schöpfer — und Er ist Haupt der Versammlung, denn 
„Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher der 
Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, auf daß er in 
allem den Vorrang habe". Ein zweites Anrecht auf den 
Vorrang besteht darin, daß Er „der Sohn" ist, und zwar nicht 
nur als Schöpfer, sondern auch als Erbe. Wir finden diesen 
Ratschluß und diese Absicht Gottes in betreff Seines Sohnes 
in Hebr 1, wo wir lesen: „den er gesetzt hat zum Erben aller 
Dinge". In diesem Kapitel ist der Messias Gegenstand der 
Betrachtung. 
Ein drittes Anrecht auf den Vorrang gibt Christo Seine 
Stellung als „Mensch". Der Psalm 8, der die Herrlichkeit des 
tausend-j ährigen Reiches ankündigt, wird in Hebr 2 durch den 
Heiligen Geist auf Christum angewandt. „Wir sehen aber 
Jesum, der ein wenig unter die Engel... erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt". „Du hast alles seinen Füßen unterworfen" (vgl. Eph x, 22; 1. Kor 15, 27). Die gänzliche Erfüllung dieser Unterwerfung steht freilich noch bevor. Christus 
hat also, wie wir gesehen haben, Anrecht auf die Herrschaft: 
erstens als Schöpfer, denn „durch ihn sind alle Dinge erschaffen"; zweitens als Sohn, „den er gesetzt hat zum Erben aller 
Dinge"; drittens als Mensch, Dessen Füßen nach den Ratschlüssen Gottes alles unterworfen ist. Er kann aber das Erbe 
in seinem verunreinigten Zustand nicht antreten, und so hat 
Er mittels der Erlösung ein viertes Anrecht: Sein Anrecht auf 
ein erlöstes und gereinigtes Erbteil. In bezug auf uns, die wir 
98 
unter der Sünde waren, enfremdet und Feinde nach der Gesinnung in den bösen Werken, handelt es sich nicht nur um 
Reinigung; auch unsere Schuld ist hinweggetan, und nachdem 
dies geschehen ist, hat Er uns zu Seinem Leibe gemacht, wie 
geschrieben steht: „Wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinen Gebeinen". Der Heilige Geist 
kommt hernieder und heiligt uns, damit wir der Leib Christi 
seien in lebendiger Kraft und in Einheit, denn wir sind mit dem 
Heiligen Geiste zu einem Leibe getauft (1. Kor 12, 13). Nicht 
nur wird jede einzelne Seele lebendig gemacht und durch den 
Heiligen Geist versiegelt, sondern die Gläubigen sind in einem 
Geiste alle zu einem Leibe getauft. Dies nahm am Pfingsttag 
seinen Anfang, und seitdem war diese Taufe das Teil jedes 
Gläubigen. Es ist eine wichtige und gesegnete Wahrheit, daß 
der Heilige Geist, wie sehr wir Ihn auch betrübt haben mögen, 
doch persönlich in jedem Gläubigen wohnt und ihn zurechtweist. Auch ist es in bezug auf die Versammlung überaus 
köstlich, zu wissen, daß der Heilige Geist nicht, wie der Herr 
Jesus, nur kurze Zeit bei Seinem Volk weilt und dann wieder 
weggeht. „Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, daß 
er bei euch sei in Ewigkeit". Die bleibende Gegenwart des 
Heiligen Geistes in der Versammlung ist auf die durch Christum vollbrachte Erlösung gegründet und nicht abhängig von 
dem Gebrauch, den wir von den erlangten Vorrechten machen; 
wohl aber hängt Seine Wirksamkeit von dem guten oder 
schlechten Gebrauch dieser Vorrechte ab. 
Die Versammlung Gottes, die mit Christo vereinigt ist, hat 
ihren Platz: erstens kraft der Person Christi, zweitens auf 
Grund der Erlösung durch Christum und drittens durch die 
Gegenwart des Heiligen Geistes. Hierbei handelt es sich nicht 
um Prophezeiung, sondern um die Macht der göttlich lebendigen Gnade, welche die Versammlung oder Kirche in die göttliche Herrlichkeit stellt. Sobald der Heilige Geist die Versammlung also gebildet hat, wird sie hienieden als der Leib 
Christi behandelt: „aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, . . . das Wachstum des Leibes bewirkt . . ." Es verhält 
sich damit, wie mit dem Wachstum eines Kindes; der Leib ist 
vorhanden und jedes Glied ist an seinem Platz, und das Kind 
wächst auf zu seinem vollen Wüchse. 
99 
In den beiden ersten Kapiteln des Briefes an die Epheser 
wird uns die Versammlung einerseits als der Leib Christi im 
Himmel, und andererseits als die Wohnung Gottes durch den 
Geist auf der Erde dargestellt. Dieser zweite Charakter der 
Versammlung ist bedeutsam. Die Bildung der Versammlung 
Gottes auf der Erde durch den Heiligen Geist schließt notwendigerweise ihre Verantwortlichkeit in sich, hienieden die 
Herrlichkeit Dessen zu offenbaren, Der sie an diesen Platz 
gestellt hat. Die Verantwortlichkeit verändert nie die Gnade 
Gottes; aber so lange die Versammlung auf der Erde weilt, ist 
sie hier für die Verherrlichung ihres abwesenden Hauptes verantwortlich — nicht als sei sie unter dem Gesetz — aber sie ist 
verantwortlich, die Herrlichkeit Dessen darzustellen, Der sie 
erkauft und in diese Stellung versetzt hat. Sie soll ein Licht 
sein inmitten der Finsternis — „inmitten eines verdrehten und 
verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheinet wie Lichter 
in der Welt" (Phil 2, 15), „damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem 
wunderbaren Licht" (1. Petr 2, 9), und wie Paulus in 2. Kor 3 
sagt: „die ihr offenbar geworden, daß ihr ein Brief Christi 
seid . . . gekannt und gelesen von allen Menschen". Es heißt: 
„Brief" und nicht „Briefe" Christi. Es ist ein Leib — eine Abschrift von Christo. Die Versammlung wurde hingestellt als 
ein Empfehlungsbrief Christi an alle Menschen, damit sie 
darin lesen möchten und die Macht der Erlösung und den 
Charakter Dessen sehen könnten, Der nicht gesehen wird, 
Der aber durch den Heiligen Geist in der Versammlung wohnt 
und sie zu einem sichtbaren Zeugen ihres unsichtbaren Hauptes bildet. Jesus bittet in Joh 17: „auf daß sie alle eins seien". 
Zu welchem Zweck? „auf daß die Welt glaube, (noch nicht 
„erkenne", welches die Frucht der Herrlichkeit ist) daß du mich 
gesandt hast". Das hätte die Wirkung dieser Einheit während 
der jetzigen Periode sein sollen. Wenn die Versammlung in 
der Offenbarung der Herrlichkeit bei Christo und Ihm gleich 
ist, so muß die Welt notwendigerweise erkennen, daß der 
Vater den Sohn gesandt hat, und nicht allein das, sondern sie 
wird auch erkennen, daß der Vater uns geliebt hat, wie Er 
Jesum geliebt hat, ändern sie uns mit Jesu in derselben Herrlichkeit erblickt. Wenn daher die Welt, um zu glauben, die 
Versammlung als „eins", als den Brief Christi an ihrem Platz 
100 
der Verantwortlichkeit hier sehen soll, so muß dies vor jener 
herrlichen Zeit geschehen. Die Verantwortlichkeit der Versammlung besteht darin, das Leben des Hauptes im Himmel 
auf der Erde in Macht zu offenbaren. So sehen wir also, welch 
ein verantwortlicher Platz es ist, unter der Gnade zu sein; 
denn gerade unsere Stellung unter einer so freien Gnade hat 
unsere besondere Verantwortlichkeit hervorgebracht. Wenn 
dieser Leib in seiner Verantwortlichkeit auf der Erde in "Betracht kommt, so sehen wir, daß der Herr notwendigerweise 
von seinem Verhalten unter Verantwortung Kenntnis nimmt. 
Deshalb finden wir den Herrn in Offb 2 und 3 nicht als das 
Haupt des Leibes, noch als Den, von Welchem die Gnade auf 
die Glieder des Leibes herabfließt, sondern als wandelnd in 
mitten der Leuchter, in dem Charakter eines Richters, um zu 
sehen, ob ihre Tätigkeit der empfangenen Gnade entspricht. 
Durch alle Sendschreiben zieht sich gleichsam folgender Grundsatz des Gerichts hindurch: „Ich will einem jeden von euch 
geben, je nach dem Gebrauch, den er von den Vorrechten und 
der Gnade gemacht hat, in welche die Versammlung im Anfang 
gesetzt worden ist". Das ist ein ernstes Wort für uns, um so 
ernster, je mehr wir die Gnade zu schätzen wissen. Es handelt 
sich hier nicht um Verdammnis, wie bei dem Gesetz; aber je 
völliger ich die Liebe verstehe, in deren Zeugnis ich gefehlt 
habe, um so mehr wird mein Herz betrübt sein, wenn ich 
dieser Gnade nicht in einer ihr würdigen Weise entspreche. 
Indem ich hierin fehle, verbinde ich gleichsam die Sünde mit 
dem Namen Gottes, den ich trage. Die Bosheit Israels bewies 
nicht nur, daß der Mensch ein Sünder ist, sondern bewirkte 
auch, weil Gott „seinen Namen dahingesetzt hatte" (2. Kön 
21, 4), eine Verbindung der Sünde mit dem Namen Gottes. 
Dies ist es, was Jehova Israel vorwirft, wenn Er sagt: „Der 
Name Gottes wird eurethalben gelästert unter den Nationen". 
Das Zeugnis von Seinem Namen war ihnen anvertraut worden, und sie hätten es bewahren sollen. Gott wird am Ende 
die Rechte Seines heiligen Namens völlig auf der Erde zu behaupten wissen; und dies ist noch weit mehr der Fall hinsichtlich der Versammlung des lebendigen Gottes. Die Welt sollte 
in der Versammlung die praktische Darstellung vollkommener 
Heiligkeit und Liebe sehen; denn wir sind zu Teilhabern der 
Heiligkeit Gottes gemacht und sind Gegenstände Seiner un101 
endlichen und vollkommenen Liebe. Die Versammlung sollte 
hienieden ununterbrochen nur eine Stellung, nur einen Dienst 
haben, nämlich der Welt zu offenbaren, was sie von ihrem 
lebendigen Haupt im Himmel genießt. Nie hat die Versammlung Christum nach dem Fleische gekannt; sie kennt Ihn nur 
als Den, Der von der Welt verworfen und jetzt im Himmel 
ist, und deshalb sollte sie in einer so völligen Trennung von 
der Welt erfunden werden, daß es offenbar würde, was ihr 
Haupt ist. In dieser Weise sollte sie der Empfehlungsbrief 
Christi sein. Beachten wir hier die Tragweite des Wortes Brief. 
So wie einst das Gesetz auf den steinernen Tafeln zu lesen 
war (2. Kor 3), so sollte die Welt sehen, was Christus in uns 
ist; wir sollten ein lebendiger Brief sein, „gekannt und gelesen 
von allen Menschen". Der Charakter unseres Wandels wird 
in dem Maße an wahrer Tiefe gewinnen, wie wir verwirklichen, 
was Seine Gnade für uns getan und wozu sie uns berufen hat. 
Wir sehen also, wie der Herr dieses dem Grundsatz nach nie 
aufgibt. Er weicht nie von dem ab, wozu die Versammlung 
als Zeugin berufen ist, wenn Er sie auch in Geduld tragen mag. 
Wenden wir uns jetzt zu einem anderen Punkt, zu der 
Frage, welcher Gebrauch von den sieben Sendschreiben zu 
machen ist, so fällt uns auf den ersten Blick zweierlei ins 
Auge. Zunächst ist es eine geschichtliche Tatsache, daß es Versammlungen auf der Erde gab, die sich in dem hier beschriebenen Zustand befanden; zweitens enthalten die Briefe eine 
moralische Belehrung, die auf jeden einzelnen Heiligen ihre 
Anwendung findet, auf jede Person, die ein Ohr hat zu hören 
und ein verständiges Herz, um den Sinn des Herrn zu erkennen. Gehen wir weiter, so werden wir finden, daß auch die 
Zahl der Versammlungen, an welche die Sendschreiben gerichtet sind, von Bedeutung ist. Die Zahl sieben, das Symbol der 
Vollkommenheit, wiederholt sich häufig im Buch der Offenbarung, sieben Siegel, sieben Trompeten, sieben Schalen usw. 
Die Wahl dieser Zahl bezeichnet daher in diesem Fall den vollständigen Kreis der Gedanken Gottes bezüglich der Kirche, als 
verantwortlich auf der Erde gemäß der ihr zuteil gewordenen 
Gnade. Nicht, als ob zu jener Zeit nur sieben Versammlungen 
auf Erden bestanden hätten; wir kennen noch viele andere, 
wie zum Beispiel die von Kolossä und Thessalonich, Korinth 
102 
u. a., aber diese bleiben alle unerwähnt, weil sie nicht die moralischen Elemente darboten, die der Heilige Geist zu jenem 
vollständigen Gemälde bedurfte. 
Beschäftigen wir uns mit der Einheit des Leibes mit dem 
Haupte, so haben wir es nicht mit der Verantwortlichkeit, 
sondern mit den Vorrechten zu tun, deren Maß und Ziel das 
Leben und die Herrlichkeit Christi sind. Kapitel 2 und 3 der 
Offenbarung stellen uns jedoch den gegenwärtigen und veränderlichen Zustand der Versammlung vor Augen. Es handelt 
sich daher nicht um Vorrechte, sondern in ganz bestimmter 
Weise um Verantwortlichkeit. Ferner können sich die Schreiben nicht alle auf den ganzen verantwortlichen Körper zu ein 
und derselben Zeit beziehen. Es sind sehr verschiedene Zustände in den Versammlungen vorhanden, und deshalb können wir das, was der einen gesagt wird, nicht auf jede andere 
anwenden; die jedesmaligen Beschuldigungen und Verheißungen tragen einen unterschiedlichen Charakter. Wir werden 
jedoch finden, wenn wir in die Einzelheiten näher eingehen, 
daß von verschiedenen Teilen der bekennenden Kirche mit 
unterschiedlichen Charakteren gesprochen wird, als wenn sie 
teilweise zu gleicher Zeit beständen. Wir können deshalb 
sagen: Der Inhalt eines jeden Sendschreibens findet in gewissem Sinne seine Anwendung auf die Kirche im allgemeinen, 
doch beziehen sich nicht alle auf die ganze Kirche zu ein und 
derselben Zeit. Was wir in den Sendschreiben finden, ist daher 
entweder ein fortlaufendes und prophetisches Gemälde von 
dem Zustand der Kirche auf der Erde, als verantwortlich vor 
Gott, vom Anfang bis zum Ende der gegenwärtigen Periode, 
oder der besondere Zustand eines Teiles der Kirche, der zur 
Vervollständigung des ganzen Gemäldes notwendig ist, — die 
verschiedenen Zustände, worin sie sich der Welt dargestellt 
hat, bis der Herr sie ausspeit aus Seinem Munde. 
Es möchte nun gefragt werden: „Wie kann die Kirche aus 
dem Munde Christi ausgespien werden, wenn sie den Leib 
Christi bildet und bei Ihm in der Herrlichkeit sein soll?" Dies 
ist allerdings unmöglich, so lange man von dem Leibe Christi 
spricht; aber die Kirche, als äußerlicher Körper auf der Erde, 
verliert nie ihre Verantwortlichkeit, worin auch ihre charakteristischen Merkmale bestehen mögen. Wenn der untreue 
103 
Knecht seines Herrn Willen nicht tut, dann wird er nicht behandelt, als wenn er gar kein Knecht wäre, sondern als ein 
Heuchler, gemäß der Stellung, in der er gefunden wird. Obwohl er in Wahrheit kein Knecht ist, wird ihm doch nicht 
gesagt: „Du bist kein Knecht", sondern: „Den unnützen 
Knecht werfet hinaus in die äußere Finsternis . . . und setzt 
ihm sein Teil mit den Untreuen". Er wird auf Grund seines 
Bekenntnisses behandelt und verurteilt. 
Ähnlich erging es dem Volke Israel. Von Gott dazu ausersehen, Seinen Namen vor der Welt zu tragen, fehlte es; es 
wurde als verantwortlich behandelt und, was seine Stellung 
unter dem alten Bunde betrifft, beiseitegesetzt. Das Wort des 
Herrn an den unfruchtbaren Feigenbaum lautete: „Nimmermehr komme Frucht von dir in Ewigkeit". Der Feigenbaum 
mochte Blätter tragen; aber der Herr kam, um Frucht zu 
suchen, und als Er keine fand, sprach Er: „Nimmermehr 
komme Frucht von dir . . . und alsbald verdorrte der Feigenbaum". Auf diese Weise wurde Israel, als ein Gefäß, das vor 
der Welt den Namen Gottes tragen sollte, beiseitegesetzt, aber 
dies berührt keineswegs die Frage der Treue Gottes. Gott wird 
Israel in den letzten Tagen wiederherstellen; bis dahin fließt 
der Strom der Gnade ununterbrochen fort, indem Gott den 
Überrest aus ihnen, den wahren Samen Abrahams, sammelt, 
und zwar zum Genuß besserer Vorrechte als die früheren; 
denn sobald Israel als ein Ganzes beiseitegesetzt war, begann 
der Herr aus Juden und Heiden Seine Versammlung zu bilden, 
und Er „tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet 
werden sollten". Es handelt sich hier nicht um die Gewißheit 
persönlicher Errettung, sondern um das Gefäß, dessen Gott 
Sich bedient, um Seinen Namen vor der Welt zu tragen. Einzelne, die glauben, werden in den Himmel eingehen, aber das 
Gefäß des Zeugnisses muß, wenn es gefehlt hat, zerbrochen 
werden. Gott hat lange Zeit Geduld mit ihm; wenn es aber, 
nach allem, was mit ihm geschehen ist, nur wilde Trauben 
hervorbringt, so muß es abgehauen werden. Ohne Zweifel 
wird ein treuer Überrest in den Himmel aufgenommen, aber 
das Gefäß als sichtbares, öffentliches Zeugnis, wird weggeworfen. 
In Röm 11 sehen wir, wie Gott das, was Er jetzt auf der 
Erde gebildet hat, um Seinen Namen zu tragen, in die Stel104 
hing eines öffentlichen, sichtbaren Systems hienieden bringt, 
so wie Er es einst mit Israel tat. „Sieh nun die Güte und 
Strenge Gottes: gegen die, welche gefallen sind. Strenge; 
gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst, 
sonst wirst auch du ausgeschnitten werden". Gott kann die 
bekennende Kirche, in vollkommener Übereinstimmung mit 
dem, was Er von Sich Selbst geoffenbart hat, ausspeien, weil 
es sich dabei nicht um Seine Gnade und Güte oder um persönliche Errettung, sondern einzig und allein um die Verantwortlichkeit handelt. Und gerade dies macht Seine Handlungsweise 
mit den Versammlungen zu einer so tiefen und ernsten Warnung für uns; es wird derselbe Grundsatz auf das Zeugnis 
der Nationen angewendet, wie einst auf das Zeugnis der 
Juden. Wohl wird Gott jede Verheißung, die Er Israel gegeben hat, buchstäblich erfüllen. Aber dessen ungeachtet wissen wir, daß Er das Volk, als den sichtbaren Zeugen Seines 
Namens vor der Welt, verworfen hat. Und ebenso wird Er die 
Kirche verwerfen, wenn sie ihrer Verantwortlichkeit auf der 
Erde nicht entspricht. Wir sehen also, daß Gott Seine Regierung in bezug auf das Zeugnis, das Sein Volk unter jeder 
Verwaltung ablegen sollte, aufrecht hält, und daß sowohl die 
Kirche als auch Israel — obgleich in beiden Systemen das Heil 
des einzelnen für immer gesichert ist — hinsichtlich ihres öffentlichen, sichtbaren Zeugnisses beiseitegesetzt werden. Was 
wir hier finden, ist also einerseits die Verantwortlichkeit und 
andererseits die Folgen des Fehlens im Zeugnis. 
E p h e s u s 
Wenden wir uns jetzt zu dem Sendschreiben an die Versammlung in Ephesus. Gott gibt uns darin ein bestimmtes 
Beispiel und eine ernste Warnung. Durch die Schriften in den 
Wegen und Handlungen Gottes unterwiesen zu werden, ist 
unzweifelhaft ein wirksames Mittel zur Stärkung und Befestigung der Seele; aber die Wahrheit direkt auf meine eigene 
Seele angewendet zu sehen, ist eine Quelle der Freude für 
mich. Obwohl die Kenntnis der allgemeinen Grundsätze der 
Schrift sehr gesegnet ist, so ist doch die persönliche Anwendung der Wahrheit auf Herz und Gewissen noch weit beglückender. 
105 
In allen sieben Sendschreiben wird zunächst der Charakter 
Christi vorgestellt, und zwar entsprechend dem Zustand der 
betreffenden Versammlung. In dem ersten finden wir, als eine 
Sache von allgemeiner Anwendung, die Worte: „der die sieben 
Sterne in seiner Rechten hält, der da wandelt inmitten der 
sieben goldenen Leuchter", d. h. Christum, geoffenbart in dem 
besonderen Charakter, in dem Er das Gericht vollzieht. Zweitens begegnen wir in jeder Versammlung dem besonderen 
Charakter der Prüfungen der Getreuen, und drittens wird eine 
besondere Verheißung gegeben, um den Glauben derer, die 
sich inmitten der Prüfungen befinden, aufrechtzuhalten. Viertens, im Blick auf die Zeit völliger Segnung, wird uns das Teil 
gezeigt, das Christus dem Überwinder gibt, wenn Er die Heiligen zu Sich genommen hat. 
Die Sendschreiben lassen sich in zwei große Teile zerlegen, 
von welchen der eine die drei ersten, der andere die vier 
übrigen Schreiben umfaßt. Dies ist ein bedeutsamer Punkt. In 
den drei ersten Sendschreiben wird, wie es scheint, die Kirche 
gemeinschaftlich angeredet, d. h. die Heiligen, wiewohl sie 
noch zu überwinden haben, werden als in dem großen Körper 
befindlich betrachtet, während in den vier letzten der kleine 
Überrest deutlicher abgetrennt ist. Durch diese Einteilung erhalten wir daher bestimmte charakteristische Abschnitte der 
bekennenden Kirche. In den drei ersten Sendschreiben geht die 
Ermahnung: „Wer ein Ohr hat, höre", den an die treuen 
Überwinder gerichteten Verheißungen voran; in den vier 
letzten folgt sie nach den Verheißungen. In den drei ersten 
wird von dem hörenden Ohr in Verbindung mit dem allgemeinen, an die Versammlung gerichteten Zeugnis gesprochen, 
bevor der treue Überrest, welcher überwindet, abgesondert 
wird; in den letzten folgt die Ermahnung zum Hören auf die 
Worte: „wer überwindet". In den drei ersten wird das Kommen des Herrn nicht erwähnt, während mit dem vierten die 
Aufmerksamkeit auf die Wiederkunft Christi gerichtet wird. 
Diese und nicht die Rückkehr zu der ursprünglichen Ordnung 
wird jetzt die Hoffnung des Überrestes, indem der öffentliche, 
bekennende Körper ganz und gar verderbt ist. In den drei 
ersten Sendschreiben wird der Versammlung gleichsam ihr ursprünglicher Zustand ins Gedächtnis zurückgerufen — ein Zustand, zu dem sie möglicherweise zurückgebracht werden 
106 
konnte, wenn sie Buße tat. Wir haben früher gesehen, daß 
Gott einem verantwortlichen Volk gegenüber Sein Gericht 
nach zwei Grundsätzen oder Maßstäben mißt: entweder nach 
der Gnade, die das Volk an diesen Platz der Verantwortlichkeit gestellt hat, oder nach der Herrlichkeit, zu der es berufen 
ist. Der erste Grundsatz findet seine Anwendung auf die drei 
ersten Versammlungen. Bei Thyatira jedoch tritt ein Wechsel 
ein. Die Versammlung oder Kirche als ein Ganzes hat bewiesen, daß sie in einem hoffnungslosen Zustand ist (ich 
spreche natürlich von der Versammlung in ihrem Zeugnis hienieden, als einem sichtbaren Körper in der Welt) und somit 
wird von jetzt ab die persönliche Hoffnung vorgestellt, und 
der Geist wendet Sich in Sonderheit an die, welche überwinden, 
und stellt ihnen die bei der Ankunft Christi erscheinende Herrlichkeit zur Ermunterung vor Augen. In Thyatira wird der 
Überrest zum ersten Mal auf diese besondere Hoffnung hingewiesen: „was ihr habt, haltet fest, bis ich komme". 
Zu diesen allgemeinen Wahrheiten möchte ich noch hinzufügen, daß wir in dem ersten Sendschreiben (an Ephesus) den 
allgemeinen Charakter erwähnt finden, den Christus bei der 
Ausübung des Gerichts annimmt, „der die sieben Sterne in 
seiner Rechten hält", d. h. Der alle Autorität und Macht besitzt; 
„der da wandelt inmitten der sieben goldenen Leuchter", d. h. 
der Versammlungen. Er wandelt umher, um zu sehen, ob die 
Lichter hell brennen und ob sie das wahre Licht ausstrahlen, 
das Er angezündet hatte. 
jede dieser Versammlungen trägt demzufolge einen besonderen Stempel der Verantwortlichkeit. Doch beachten wir, wie 
der Herr in dem Sendschreiben an Ephesus jeden Punkt, der 
irgendwie gutzuheißen ist, hervorhebt, bevor Er die Schattenseite des Gemäldes berührt. „Ich kenne deine Werke und deine 
Arbeit und dein Ausharren". Welch ein Glück, daß Er alles 
kennt, was uns betrifft, sogar die Gedanken und Gesinnungen 
des Herzens. „Aber ich habe wider dich, daß du deine erste 
Liebe verlassen hast". Hier begegnen wir einem neuen wichtigen Grundsatz. Christus ist eifersüchtig auf Seine Liebe zur 
Versammlung, die stärker war als der Tod. Und könnte es 
anders sein? Unmöglich kann Er Seine Liebe zur Versammlung vergessen, und ebenso unmöglich ist es, daß Er ohne die 
107 
Kundgebung ihrer Liebe zu Ihm befriedigt sein könnte; denn 
Liebe kann nur durch Liebe befriedigt werden. Gerade der 
Vorwurf, den Er der Versammlung macht, offenbart die Stärke 
Seiner Liebe zu ihr, einer Liebe, die nicht ruhen kann, bis sie 
von seiten der Versammlung eine angemessene Erwiderung 
findet. Sein Herz erkaltet nicht, so daß Er mit einer schwachen 
Antwort auf Seine Liebe zufrieden sein könnte, so sehr auch 
die Gedanken der Versammlung betreffs Seiner Liebe ihre 
ursprüngliche Wärme verloren haben mögen. Mag auch noch 
so viel äußere Frucht in „Werken und Arbeit und Ausharren" 
vorhanden sein, allein die Quelle von diesem allem ist verschwunden. „Du hast deine erste Liebe verlassen", darin besteht das große Übel. Es kommt nicht darauf an, wieviel man 
arbeitet und sich bemüht; wenn die Liebe Christi nicht der 
Beweggrund unseres ganzen Dienstes ist, so wird der Dienst 
nach den Worten des Apostels gleich „einem tönenden Erz und 
einer schallenden Cymbel" sein, d. h. er wird vergehen mit 
seinem eigenen Schall. 
Wir finden also hier, in dem Sendschreiben an Ephesus, den 
ersten großen Grundsatz des Abfalls und demzufolge das 
große allgemeine Gericht, das über die ganze Kirche kam. 
„Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue 
die ersten Werke"; beachten wir, wie der Herr hier die Seinigen zu dem Punkt zurückführt, von dem sie abgewichen 
sind; „wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen 
Leuchter aus seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße 
tust". Der Herr hat die Versammlung berufen, Seine große 
Liebe, womit Er sie geliebt hat, kundzutun. Versagt ein Zeugnis hierin, kann Er es nicht länger als Zeugnis in der Welt 
bestehen lassen; wenn Er es täte, würde Er nicht „der treue 
und wahrhaftige Zeuge" sein. Der zarte Vorwurf, den Er hier 
der Versammlung macht, ist der gesegnete Beweis davon, daß 
Seine Liebe nie erkaltet, so mangelhaft unsere Liebe auch sein 
mag. In dieser Beziehung ist die Handlungsweise des Herrn 
mit einzelnen Seelen die gleiche, wie mit der Versammlung. 
Er nimmt Kenntnis von jeder Entfremdung von Seiner Person; 
doch bleibt die Tür zur „Buße" stets offen, und sobald die 
Sünde gerichtet und in dem Licht, worin Gott sie sieht, gesehenwird, steht der augenblicklichen Wiederherstellung nichts 
im Wege. In dem Augenblick, wo sich das Gewissen wegen 
108 
der' Sünde demütigt und sie bekennt, wird es aufrichtig. Die 
Aufrichtigkeit einer Seele erweist sich, wenn etwas Böses vorhanden gewesen ist, in dem Bewußtsein dieses Bösen und in 
der Kraft, es zu bekennen; deshalb muß sowohl die Versammlung Gottes, als auch die einzelne Seele zu dieser Aufrichtigkeit vor Gott gelangen, damit Er sie für Sich wiederherstellen 
kann (Hiob 33, 23—26). Sobald die Sünde im Gewissen gerichtet ist, offenbart sich die nie fehlende Liebe Gottes, um 
dem Bedürfnis zu begegnen. Ähnlich verhält es sich mit den 
täglichen Einzelheiten des christlichen Lebens. Obwohl Gerichte das Volk Gottes treffen mögen, ist doch in allem Seine 
züchtigende Liebe zu erblicken. 
Dies läßt uns verstehen, warum der Herr der Versammlung 
vorwirft, sie habe ihre erste Liebe verlassen. Durch die Verurteilung ihres Zustandes schimmert Seine vollkommene und 
unveränderliche Liebe hindurch. In den verwandtschaftlichen 
Verhältnissen des Lebens finden wir etwas ähnliches. Nehmen 
wir als Beispiel das eheliche Verhältnis. Eine Frau mag ihr 
Hauswesen aufs Beste besorgen und ihre Pflichten so erfüllen, 
daß sie ihrem Mann nicht den geringsten Anlaß zum Tadel 
gibt; wird aber dies alles ihn befriedigen, wenn ihre Liebe zu 
ihm abgenommen hat, während seine Liebe unverändert geblieben ist? Gewiß nicht. Ebensowenig kann es Christum befriedigen. Er will, daß die Strahlen Seiner Liebe von Seiner 
Braut auf Ihn zurückgeworfen werden. Er sagt gleichsam: „Ich 
bin nicht blind für deine guten Eigenschaften; aber ich muß 
dich selbst nahen". Ist die Liebe, die ehedem die Quelle war, 
aus der jede Handlung floß, verschwunden, so ist der Dienst 
ohne Wert. Wenn die Liebe fehlt, ist alles übrige wie nichts. 
Sicherlich kann unsere Liebe nicht Seiner Liebe in einer ihr 
würdigen Weise entsprechen, aber sie vermag es doch in einer 
wahren und aufrichtigen Weise. Der Herr erwartet wenigstens, 
wenn auch unsere Zuneigung Seiner Zuneigung nie gleichkommen kann, daß unser Herz ungeteilt ist in bezug auf Ihn. Da 
wo die Liebe unbeständig ist, muß das Herz geteilt sein. 
Dies war die verborgene Ursache des Rückgangs in Ephesus. Die Ungeteiltheit des Herzens in bezug auf den Gegenstand der Zuneigung war verlorengegangen; die Einfalt des 
Auges war verschwunden, und der vollkommene Abglanz 
jener Liebe, welche die Versammlung für Sich Selbst erworben 
109 
hatte, war nicht mehr vorhanden. Aber obwohl Christus sagt: 
„Ich habe wider dich . . .", so erwähnt Er dennoch alles Gute, 
„du hast Ausharren und hast getragen um meines Namens 
willen,und bist nicht müde geworden".Man möchte da fragen: 
Was will der Herr noch mehr? Seine Antwort lautet: „Ich will 
dich selbst". Vergessen wir dies nie im Blick auf die Versammlung. Hernach sagt Er: „Gedenke nun, wovon du gefallen bist, 
und tue Buße und tue die ersten Werke". Dies Wort ist für 
uns, dünkt mich, überaus ernst und rührend; denn wir haben 
uns noch weit mehr von der ersten Liebe entfernt als jene. Indessen findet das Herz des Getreuen eine sichere Zufluchtsstätte in Christo, da es gerade in jenem Vorwurf einen untrüglichen Beweis Seiner unveränderten Liebe erblickt. 
Doch was ist es, das der Herr in Ephesus als vorzüglich anerkennt? „Werke, Arbeit und Ausharren". Es wird nichts Bestimmtes genannt, was den Rückgang bewiese; aber die Werke, welche die Epheser ausgeübt hatten, waren nicht mehr mit 
der ersten Liebe verbunden. Und beachten wir hier, daß die 
Versammlung einen ganz bestimmten Dienst, völlig verschieden von dem, was den Juden jemals oblag, zu erfüllen 
hat. Gott erwartete nicht von den Juden, daß sie in Liebe 
von sich ausgehen sollten; die Versammlung aber, welche 
Gnade empfangen hat, ist berufen, in Gnade auszugehen und 
den verlorenen Sünder einzuladen. Die Juden besaßen das Gesetz wie eine Mauer, um die Gerechtigkeit darin zu bewahren; 
aber keine Tür war geöffnet, um der Liebe zu gestatten, auszuströmen. 
Wenden wir uns für einen Augenblick zu den Thessalonichern. Sie befanden sich, in direktem Gegensatz zu den Heiligen in Ephesus, in der Frische der „ersten Liebe". Was wird 
nun von ihnen gesagt? „Unablässig eingedenk eures Werkes 
des Glaubens und der Bemühung der Liebe und des Ausharrens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus"; es sind 
genau die gleichen Dinge, die auch bei Ephesus gelobt werden. 
Worin bestand denn der Unterschied? Es wird nicht zu Ephesus gesagt, daß es keine Werke habe, wohl aber, daß die 
wahre Quelle der Werke verschwunden sei; und diese sprudelte bei den Thessalonichern voll und ungetrübt fort. Die 
drei großen Grundsätze des Christentums: Glaube, Liebe und 
110 
Hoffnung, diese wahre Verbindung des Herzens mit der Quelle 
der Kraft, waren in Thessalonich völlig vorhanden. Der Glaube, 
der ihr „Werk" charakterisierte, erhielt ihren Wandel in der 
Gemeinschaft mit Gott; die Liebe, welche ihre „Bemühung" 
kennzeichnete, verband sie mit der Quelle der Kraft; die Hoffnung sodann, die ihr „Ausharren" charakterisierte, stellte das 
Kommen des Herrn als Gegenstand vor ihre Seele, so daß sie 
mit Geduld ihres Dienstes warteten. Bei den Thessalonichern 
war daher nicht nur geistliche Kraft vorhanden, sondern Christus Selbst war der Gegenstand ihrer Herzen, und die Liebe 
charakterisierte alles. Wie groß ist der Unterschied, wenn ich 
das mir anvertraute Werk im Geiste der Liebe vollbringe, so 
daß meinem ganzen Dienst der Charakter dieser Liebe aufgedrückt ist! Besteht mein Dienst auch nur in der Verkündigung des Evangeliums, in welcher Fülle werde ich einer verlorenen Welt die Liebe Gottes vorstellen, wenn die Liebe 
Christi in meiner eigenen Seele frisch sprudelt! Aber ach! wie 
oft haben wir uns anzuklagen, daß wir zwar die uns obliegenden christlichen Pflichten in gewissem Sinn treu erfüllen, 
daß aber unsere Bemühung nicht aus der lebendigen Verwirklichung der Liebe Christi zu uns entspringt. 
Indessen haben Gerechtigkeit und Heiligkeit, dazu das Verhalten der Versammlung in Verbindung mit diesen Charakteren Gottes, ebensowohl ihren Platz wie die Liebe, die die 
Natur Gottes ist. „Du kannst das Böse nicht ertragen". Der 
natürliche, normale Zustand der Versammlung kennzeichnet sich 
durch die volle Kraft des Guten inmitten des Bösen, indem sie 
durch die göttliche Kraft ein klares Zeugnis ablegt. Die Versammlung sollte nicht der Ort sein, wo Gutes und Böses einander bekämpfen, sondern sie sollte sich in einem Zustande 
befinden, der sie zu der Offenbarung des Guten inmitten des 
Bösen macht. Sobald ein Rückschritt eintritt, erhebt sich die 
Frage des Bösen in ihrer Mitte, „aus dessen Leibe werden 
Ströme lebendigen Wassers fließen", das bezeichnet den allein 
richtigen Zustand der Versammlung; es ist ihr ursprünglicher 
Zustand, der einzige, der unbedingt anerkannt ist. Danach 
kommt die Macht, das Böse hinwegzutun und es zu einer Gelegenheit der Segnung zu machen, wenn es sich zeigt (vergl, die 
Apostelgeschichte), Hört es aber auf, also zu sein, dann erhebt 
sich, wie hier, die Frage des Bösen innerhalb der Versamml n 
lung. „Du kannst das Böse nicht ertragen". Diese Worte beweisen, daß das Böse sich eingeschlichen hatte. Der Strom des 
Guten hatte nachgelassen, in seiner mächtigen Fülle zu fließen, 
und so war es eine mühevolle Arbeit geworden, ihn in Sicherheit und Segen zu befahren. Die Dämme waren durchbrochen, 
und das Böse war eingedrungen; sonst könnte hier nicht in 
dieser Weise von dem Bösen die Rede sein. Nehmen wir als 
Beispiel die Geschichte von Ananias und Sapphira. Sie wünschten den Charakter der Hingebung zu haben, so wie die 
Versammlung ihn damals trug, aber ohne die Kosten auf sich 
nehmen zu wollen. Auf diese Weise verschaffte sich die Heuchelei Eingang in die Versammlung, doch die Macht des Guten 
war vorhanden, um das Böse, das sich des Ansehens halber 
den Charakter des Guten beizulegen suchte, aufzudecken. In 
Wirklichkeit war es Geldliebe, die Ananias und Sapphira beherrschte, abgewandelt durch das Verlangen, seitens der Versammlung geehrt zu werden. Es wurde notwendig, daß sich 
die Gegenwart des Heiligen Geistes im Gericht offenbarte. Das 
war in der Tat ein trauriger Anfang; das Gute mußte sich 
durch den Kampf mit dem Bösen charakterisieren, statt sich 
dadurch zu offenbaren, daß es das Böse fernhielt. In betreff 
der Lehre ist es ebenso: „Aber dieses hast du, daß du die 
Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse". Die Geduld 
mußte zur Ausübung gebracht werden. Wir sehen auf den 
ersten Blick, daß dies nicht der erste Zustand (die Freude am 
Guten) war, sondern ein Werk der Geduld wurde notwendig; 
und in unserem Wandel als Christen haben wir auf diesen 
Charakterzug ganz besonders unser Augenmerk zu richten. 
Die Geduld charakterisiert die persönliche Kraft, wenn die Zeit 
des Kampfes mit dem Bösen beginnt. 
Wir begegnen hier indessen noch einem anderen Grundsatz. 
Es gibt Fälle, in welchen Christus den Haß gutheißt. „Du 
hassest . . . die auch ich hasse". Die Lehre der Nikolaiten befürwortete unter dem Charakter der Gnade, das Böse zu gestatten; sie verband auf diese Weise Christum und das Böse. 
Es ist aber sicher eine schreckliche Sache, etwas einzuführen, 
was Gott mit dem Bösen in Verbindung bringt. Satan sucht 
die Gnade nachzuahmen oder zu verfälschen und auf diese 
Weise Gott mit dem Bösen zu vereinigen — mit dem, wovon 
Er sagt: „meine Seele haßt es". 
112 
Wir haben bereits gesehen, daß der Charakter, unter dem 
Christus im Sendschreiben an Ephesus dargestellt ist, mit dem 
Gericht in Verbindung steht: Er wandelt inmitten der Leuchter. Und wie diese Versammlung einen einleitenden und allgemeinen Charakter trägt, so ist auch das Gericht ein allgemeines und endliches. Die Drohung besteht darin, daß die Versammlung weggenommen werden solle. Wir haben hier also 
dreierlei: Die Verantwortlichkeit, den Rücktritt und das darauf 
folgende Gericht. Dann lesen wir bezüglich der Verheißung: 
„Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem 
Baume des Lebens, welcher in dem Paradiese Gottes ist" — in 
dem Paradiese, das Er für Sich Selbst bereitet hat. Es ist nicht 
das Paradies, in dem Gott den Menschen besuchte, um zu 
sehen, was er tat, um ihm zu gestatten darin zu bleiben, wenn 
er das Gute tat, entgegengesetztenfalls aber ihn hinauszutreiben; sondern Gott nimmt hier den Menschen in Sein eigenes Paradies auf. Welch ein Unterschied zwischen dem Paradies des Menschen, in das Gott kam und aus dem Er, da Er die 
Sünde vorfand, den Menschen vertreiben mußte, und dem 
Paradies Gottes, in das der Mensch infolge der Erlösung eingeführt wird, um es nie wieder zu verlassen! Hier gibt es keine 
zwei Bäume, der Baum der Erkenntnis des Guten und des 
Bösen ist nicht da; wir haben genug davon gehabt in unserer 
eigenen Verantwortlichkeit. Dort werden wir diese Erkenntnis 
der Heiligkeit Gottes gemäß besitzen; tatsächlich ist es bezüglich unserer Natur heute schon so, indem wir den neuen 
Menschen angezogen haben, welcher erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bilde Dessen, Der ihn erschaffen hat in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit. Im Paradiese Gottes gibt 
es nur einen Baum, den Baum des Lebens, die einzige untrügliche und vollkommene Quelle des Lebens in Gott; und die 
Teilnahme daran ist nicht das Resultat der Verantwortlichkeit, 
sondern der Erlösung und der lebengebenden Kraft — einer 
Erlösung, die Gottes eigenen Gedanken und Ratschlüssen gemäß ist. Die Verantwortlichkeit ist nicht erlassen, sondern der 
Liebe Christi gemäß erfüllt. „Dem, der überwindet, dem werde 
ich zu essen geben von dem Baume des Lebens". Die Gnade 
hat den, der überwunden hat, aufrecht gehalten. Während die 
Versammlung in Verfall kam, haben diese Getreuen, statt mit 
dem allgemeinen Strom zu schwimmen, genug geistliche Ener113 
gie besessen, um das Böse in der Versammlung zu beurteilen 
und vor Gott zu richten, und, statt entmutigt zu sein und zu 
erliegen, während andere ihre erste Liebe verließen, haben sie 
überwunden. Doch dürfen wir nicht übersehen, daß die Gnade 
es ist, die alles getan hat. „Meine Gnade genügt dir". Das 
Endziel des Weges jener Getreuen ist ein Platz im Paradiese 
Gottes, um sich dort von all den reifen Früchten, die der Baum 
des Lebens hervorbringt, zu nähren. 
Indem wir dies alles als einen allgemeinen Grundsatz anwenden, entdecken wir, daß das verborgene Zeugnis der 
Gnade an die Herzen der Getreuen die Quelle der Kraft ist. 
Ist „das Leben für mich Christus", so ist es das Zeugnis der 
unfehlbaren Gnade, das mich durch alle Prüfungen und Schwierigkeiten hindurchführt; ja, je größer die Trübsal und der Verfall ist, um so mehr tritt es ans Licht, was Gott für meine 
Seele ist, so daß ich Gott auf eine Weise kennenlerne, wie ich 
Ihn nie zuvor gekannt habe. So war es mit Abraham, der, „als 
er versucht wurde, den Isaak geopfert hat"; damals lernte er 
Gott als „den Gott der Auferstehung" kennen, den er nie 
zuvor als solchen gekannt hatte. Welch ein Trost für uns, daß 
wir Christum um so mehr genießen, je mehr wir von Schwierigkeiten umgeben sind, und daß wir angesichts des Verfalls 
auf Ihn schauen können, Der niemals fehlt. „Das Geheimnis 
Jehovas ist für die, welche ihn fürchten, und sein Bund, um 
ihnen denselben kundzutun" (Psalm 25, 14). 
In Ephesus begegnen wir also dem Beginn des Verfalls der 
Kirche. So lautet das Zeugnis des Richters; die Folge des Verfalls soll die Wegnahme ihres Leuchters sein, wenn sie nicht 
Buße tut. Im Blick hierauf wird sie ermahnt, zu den ersten 
Werken zurückzukehren, sonst wird sie aufhören, auf der Erde 
ein Zeugnis zu sein. Es fehlte in Ephesus nicht an einer öffentlichen Tätigkeit, noch an Gerechtigkeit und dem Widerstand 
gegen die falschen Lehrer, sondern an der Innigkeit der Gemeinschaft mit Christo in ihrer Liebe. Ihre Werke hatten 
weder an Zahl noch an Eifer abgenommen, aber der Charakter 
der Werke war ein anderer geworden, und Christo entging es 
nicht, daß ihr Dienst nicht mehr durch dieselbe Liebe charakterisiert war, wie früher. 
114 
Smyrn a 
Wir haben bereits gesehen, daß es wichtig ist, wenn es sich 
um das Gericht handelt, den Unterschied festzuhalten zwischen deT Versammlung, wie sie in Christo im Himmel gesehen wird, und der Versammlung, betrachtet als die Darstellung Christi auf der Erde. Wir haben teil an Seinem Leben 
und sind eins mit Ihm im Himmel; aber es ist ebenso wahr, 
daß Er die Versammlung hingestellt hat als ein Gefäß, um 
Seinen Namen vor der Welt zu tragen, als „ein Brief Christi, 
gekannt und gelesen von allen Menschen". Auch haben wir 
gesehen, daß die Verantwortlichkeit der Versammlung hienieden die Frage der Errettung in keiner Weise berührt, und 
ferner, daß die Treue Gottes gegen einzelne Personen mit dem 
Gericht über den Körper, der Seinen Namen hienieden trägt, 
durchaus nichts zu tun hat. In Seiner Treue hatte Gott verheißen, die Kirche bis zur Fülle Seiner Herrlichkeit zu leiten; 
aber zu gleicher Zeit muß Er sie richten, wenn sie in der Verantwortlichkeit, in die Er sie hienieden versetzt hat, fehlt. Wir 
dürfen Sein Gericht über das Gefäß, das Er auf Erden zum 
Zeugnis hingestellt hat, nicht verwechseln mit Seiner Treue 
gegen die Versammlung — die Braut, die durch den Heiligen 
Geist mit Christo im Himmel verbunden ist. Überdies aber 
richtet Gott jeden einzelnen Seiner Heiligen zu ihrem Besten, 
indem Er ihre Herzen und Gewissen durch Warnungen und 
Züchtigungen übt. Beugen sie sich unter diese Gerichte, so 
werden sie gesegnet, während „die Einfältigen weitergehen 
und Strafe leiden" (Spr 22, 3). Am Ende wird der äußerliche 
Körper aus Seinem Munde ausgespien, während alle Versuchungen, Zurechtweisungen und Züchtigungen für die Versammlung, im Blick auf ihre himmlische Berufung zum besten 
ausschlagen. In jedem Sendschreiben finden wir eine besondere Offenbarung von Christo und in Übereinstimmung damit 
ein besonderes Gericht; ebenso spezielle Verheißungen, die 
den speziellen Bedürfnissen angepaßt sind, indem sie den 
Übungen des Herzens entgegenkommen, um es aufrechtzuhalten; zugleich werden den Getreuen Unterpfänder gegeben. 
Das erste, was die Kirche, betrachtet in ihrer Verantwortlichkeit, charakterisierte, bestand, wie wir gesehen haben, darin, daß sie sich von der Kraft ihrer ursprünglichen Stellung 
115 
getrennt, d. h. ihre „erste Liebe verlassen" hatte. Überhaupt 
ist, wie wiederholt bemerkt wurde, in den Sendschreiben nicht 
die Rede von der Darreichung der Gnade von Seiten des Hauptes, noch von dem, was „jedes Gelenk darreicht", sondern es 
werden Zurechtweisungen, Warnungen und Verheißungen 
gegeben, um auf die Herzen und Gewissen der einzelnen Heiligen in ihrer Verantwortlichkeit hier auf Erden zu wirken. 
Ebenso ist wohl zu beachten, daß niemals die Kraft des Heiligen Geistes, die tätig ist, zu bilden und zu sammeln, Gegenstand der Sendschreiben sein kann. Denn es ist vom Gericht 
die Rede, und unmöglich kann von Christo gesagt werden, daß 
Er das Werk des Heiligen Geistes richte. Wenn der Heilige 
Geist wirkt, so ist es Macht, wirksam in Gnade. Christus aber 
gibt, indem Er Gericht ausübt, Sein Urteil kund über den praktischen Gebrauch, den man von dem empfangenen Werk des 
Geistes gemacht hat. Die erste große Wahrheit ist, daß der 
Herr die Versammlung als verantwortlich betrachtet gegenüber 
all der Liebe, deren Gegenstand sie ist, und daß Er Gegenliebe 
von ihr erwartet. Findet Er sie nicht, sondern muß er feststellen, daß sie ihre erste Liebe verlassen hat — was nur 
der traurige Anfang zu größerem Verfall ist — so sagt Er: 
„Tue Buße; wenn aber nicht, so werde ich deinen Leuchter aus 
seiner Stelle wegrücken". Nicht einzelne sind es, die hier gerichtet werden, sondern die Versammlungen, wenn auch einzelne die Ermahnungen hören und Nutzen aus ihnen ziehen 
mögen; der Geist wendet sich an die Versammlungen. Da aber 
die Kirche oder Versammlung nicht antwortet, nicht Buße tut, 
noch die ersten Werke vollbringt, noch zur ersten Liebe zurückkehrt, so muß ihr Leuchter weggenommen werden. Und 
dann wendet sich das Wort persönlich an den, „der ein Ohr 
hat" damit er höre, und macht ihn auf das aufmerksam, „was 
der Geist den Versammlungen sagt". 
Doch obwohl die Versammlung als solche gefehlt hat und 
ihr Leuchter weggenommen werden muß, gibt es doch noch 
etwas wie persönliche Energie in ihr, um zu überwinden. Und 
beachten wir, daß es sich darum handelte, in der Lage zu überwinden, in welcher die Versammlung sich befand. Die Verantwortlichkeit der einzelnen bestand darin, da zu überwinden, wo sie waren. Wie verschieden von dem Zustand der 
Dinge zu der Zeit, als der Heilige Geist den Segen in Fülle 
116 
ausgoß! Nicht nur das, was in der Welt war, sondern auch das, 
was sich innerhalb der Versammlung befand, mußte jetzt überwunden werden. „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden 
hat, unser Glaube". Er belebt das Herz des Getreuen durch 
Verheißungen, um es gegen die Fallstricke Satans in der Welt 
sicherzustellen. Wenn aber der Verfall eingetreten ist, muß 
notwendigerweise das Gewissen des Gläubigen tätig werden, 
damit er die Stellung, in der er sich befindet, aufrechterhalten 
kann. Fallstricke, Schwierigkeiten und Gefahren waren in die 
Kirche selbst eingedrungen, denn wir dürfen nicht vergessen, 
daß sie, als das Sendschreiben an Smyrna gerichtet wurde, ihre 
erste Liebe bereits verlassen hatte. Und sobald der Geist Sich 
an die Versammlung als an eine gefallene Versammlung wendet, ist sie nicht mehr der Ort der Sicherheit für den Heiligen. 
Er kann dann nicht mehr als sicher annehmen, daß ein Weg, 
wenn er mit der Versammlung wandelt, nach der Kraft und 
dem Willen Gottes ist. Eine gefallene Versammlung kann mich 
nicht vor dem Irrtum schützen; da sie selbst unter dem Gericht steht, so kann sie für nichts Sicherheit bieten. In Wahrheit konnte sie es nie; vielmehr waren es apostolische Macht 
und Energie, die, solange die Apostel lebten, die Versammlung unterstützten und über sie wachten (siehe Apg 20, 28. 29; 
2. Petr 1, 15). 
Der Geist wendet sich daher jetzt an einzelne; die Versammlung bot dem Gläubigen keine Sicherheit, keine Gewähr mehr 
für irgend etwas. Sie mochte wohl in diesem oder jenem Recht 
haben, aber der Gläubige mußte seine Sicherheit durch das 
Wort Gottes, im Gegensatz zu der Versammlung oder zum 
wenigsten unabhängig von ihr, bewahren; durch das Wort, 
angewandt durch den Heiligen Geist, mußte er unterscheiden, 
worin er ihr folgen konnte und worin nicht. Dieser Zustand 
der Dinge setzt aber keineswegs voraus, daß jeder Segen ausgeschlossen gewesen und nichts Vortreffliches mehr in der 
Versammlung zurückgeblieben wäre. Im Gegenteil sehen wir, 
daß der Herr vieles anerkennt und lobt. Aber dessen ungeachtet 
bleibt es ein Grundsatz von Bedeutung, daß eine Versammlung, die sich im Verfall befindet, keine Sicherheit mehr bietet, 
und daß ich infolgedessen in persönlicher Verantwortlichkeit zu 
beurteilen habe, was ich annehmen und was ich verwerfen 
117 
muß. Als von Gott aufgerichtet, war die Versammlung, im 
Blick auf die einzelnen Gläubigen, ein Ort der Segnung und 
für Christum eine Bewahrerin des Zustandes gewesen, in dem 
jene versetzt waren, indem sie das Gefäß und den Ausdruck 
der Macht des Heiligen Geistes, das Resultat Seiner Wirksamkeit bildete. Sobald sie aber ihren ersten Zustand verließ, 
hörte sie auf, dies zu ein. Auch waren es, wie schon bemerkt, 
nur die Apostel, die diese Macht des Heiligen Geistes praktisch 
in der Versammlung aufrechthielten, wie wir dies bei Ananias 
und Sapphira, in der Versammlung von Korinth u. a. sehen. 
Unsere Verantwortlichkeit verändert sich indessen nie, noch 
kann Christus je fehlen, die nötige Gnade für den Zustand, 
in dem die Versammlung sich befindet, darzureichen. Ich 
möchte bei dieser Gelegenheit ein kurzes Wort über den Ausdruck „Entwicklung" sagen, der so oft und gern in bezug auf 
die Kirche gebraucht wird. Satan selbst hat ihn eingeführt. 
Der Gedanke an eine Entwicklung in der Versammlung des 
lebendigen Gottes schließt nichts anderes als Unglauben in 
sich. In Gott gibt es nichts, was sich entwickeln könnte; Er ist 
die vollkommene, unveränderliche Quelle von allem. Nun aber 
ist das, wozu Gott uns berufen hat, eine vollkommene Offenbarung Seiner Selbst in Christo, wie wir dies in 1. Joh 1, i. 2 
sehen. Da war die Offenbarung jenes ewigen Lebens, welches 
bei dem Vater war, und es ist klar, daß es in dem, was geoffenbart worden ist, keine Entwicklung geben kann, wir müßten 
denn etwas erhalten können, was über die Vollkommenheit 
Christi, in welchem die ganze Fülle wohnt, noch hinausginge. 
Gott ist Licht; Christus war das wahrhaftige Licht, und dieses 
strahlte in der Offenbarung der Herrlichkeit Seiner Person 
durch die Macht des Heiligen Geistes völlig hervor. Könnten 
wir etwas besseres oder vollständigeres bekommen, als dieses 
„Licht"? Könnten wir zu dieser Offenbarung der „Wahrheit" 
noch etwas hinzufügen? Es gibt in bezug auf Ihn sicherlich 
vieles für uns zu lernen; allein es ist eine Person, die hier vor 
uns gestellt wird und nicht eine Lehre. Wäre es nur eine Lehre, 
so könnte vielleicht noch etwas anderes — eine andere Lehr« — 
hinzugefügt werden; es handelt sich indes nicht bloß um eine 
Lehre, sondern um eine lebendige Person, die geoffenbart 
worden ist. Und wenn nun diese Person Christus Selbst ist, 
was kann dann weiter geoffenbart werden? Dem, was Gott 
118 
gewirkt hat, können wir nichts hinzufügen. Ach! leider kann 
der Mensch davon abweichen, wie dies in Ephesus der Fall 
war. Die dortigen Gläubigen hatten ihre erste Liebe verlassen, 
aber darin liegt doch sicherlich keine Entwicklung. Ohne Zweifel können wir von dem, was im Anfang geoffenbart worden 
ist, immer mehr lernen, und sollten dies stets tun; aber Gott 
bringt von Anfang an alles vollkommen hervor. Er kann nichts 
aufrichten, was nicht vollkommen wäre, nichts, was die Höhe 
Seiner Gedanken nicht erreichte oder ihnen gar zuwider wäre. 
So wurde einst der Mensch vollkommen in Unschuld geschaffen, aber Adam fiel. Das Priestertum Aarons war in 
seiner Art vollkommen, aber Nadab und Abihu versündigten 
sich. Alles, was Gott je gepflanzt hat, hat Er als ganz guten 
Samen, Seinen Gedanken entsprechend, gepflanzt. Was irgend 
von Gott kommt, muß vollkommen sein und kann durch kein 
weiteres Zutun vollkommener gemacht werden. Dies ist eine 
sehr einfache Wahrheit; jedoch, sie wirft ein ganzes System 
von Gedanken und Gefühlen über den Haufen, das die Verbindung zwischen unseren Seelen und Christo stören möchte. 
Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß Gott in dem Geschöpf 
nichts mehr offenbaren oder nichts besseres hervorbringen 
könnte, als was Er einmal geoffenbart oder hervorgebracht 
hat. Gott tut dieses: der letzte Adam war ohne Zweifel unendlich vorzüglicher, als der erste. Aber alles, was Er aufrichtet, ist ganz vollkommen, als der Ausdruck Seiner Gedanken 
in der betreffenden Sache, die Er hervorbringt. Der Mensch 
kann es weder verbessern, noch ihm etwas hinzufügen. Das, 
was Gott für uns aufgerichtet hat, ist Seine vollkommene 
Offenbarung in Christo; der Gedanke an eine Entwicklung ist 
deshalb gleichbedeutend mit der Verwerfung des wahren Gegenstandes oder mit einer Lästerung. Johannes spricht, wenn 
er die Heiligen in Sicherheit bewahren will, von dem, „was 
von Anfang war". Aber selbst die Herrlichkeit vergeht, wenn 
sie der Verantwortlichkeit des Menschen überlassen wird. 
„Und ich hatte dich gepflanzt als Edelrebe, lauter echtes Gewächs; und wie hast du dich mir verwandelt in entartete Ranken eines fremden Weinstocks" (Jer 2, 21)! Und warum das? 
Weil, sobald etwas den Händen des Menschen anvertraut 
wird, Verfall eintritt. 
119 
Sobald dieser Verfall begonnen hat, begegnen wir einem 
neuen Grundsatz. Gott benutzt jetzt die Macht Satans, welche 
durch die Feindschaft der Welt wirkt, zu zweierlei Zwecken; 
zunächst, um das göttliche Leben in den Heiligen zu üben, und 
dann, um eine weitere Entfernung von dem Herrn zu verhüten. Sobald wir deshalb zu Smyrna kommen, hören wir von 
Verfolgung und Drangsal. Die Geschichte des Lebens Christi 
auf Erden war bis hin zum Kreuz eine unausgesetzte Übung 
durch Prüfungen und Leiden. Nicht als ob diese Übung nötig 
gewesen wäre, um Ihn von irgendeinem vorhandenen Übel 
zu befreien; sie dient im Gegenteil nur dazu, Seine Vollkommenheit um so völliger ans Licht zu stellen, auf daß Er in 
Herrlichkeit als Mensch vollkommen gemacht würde, in dem 
gerechten Resultat dessen, was Er in moralicher Hinsicht war. 
„Obwohl er Sohn war, lernte er an dem, was er litt, den Gehorsam". Alles, was in Ihm war, wurde durch den Widerstand 
und die Schmach, die Er fand, ans Licht gebracht. Je mehr Er 
Sich dem Kreuze näherte, je finsterer wurde Sein Pfad. Er 
mußte den Satan überwinden, und Er ruft anderen zu: „Wer 
überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Throne 
zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem 
Vater gesetzt habe auf seinen Thron". 
Der zweite Zweck, zu dem Gott die Macht Satans in Verfolgungen und Prüfungen der Heiligen gebraucht, besteht darin, wie 
oben bemerkt, zu verhüten, daß sie sich weiter von Ihm entfernen. Das Herz des Gläubigen ist beständig geneigt, in der 
Gunst der äußeren Umstände seine Ruhe zu suchen, weil sich 
das Fleisch naturgemäß dem zuwendet, was in der Welt für 
ein angenehmes Ruhekissen gilt; die Folge davon ist Abnahme 
der inneren Lebenskraft. Damit kann Gott Sich aber nicht zufriedengeben. Er sagt: „Machet euch auf und ziehet hin! denn 
dieses Land ist der Ruheort nicht; um der Verunreinigung 
willen, die Verderben bringt". Verfolgung ist das natürliche 
Teil der Versammlung Gottes, so lange sie hienieden ist, in 
einer Welt der Sünde. Und da die Versammlung sich im Anbeginn der Ruhe hingeben wollte, wurde Gott sehr bald gezwungen, die Verfolgung gegen sie ausbrechen zu lassen. 
In der Bergpredigt entfaltet der Herr in wunderschöner 
Weise den Geist und den Charakter des Reiches. „Glückselig 
120 
die Armen im Geist!" „Glückselig die Sanftmütigen!" „Glückselig, die reinen Herzens sind!" usw. Segnung war der Charakter, in welchem der Herr das Zeugnis, dessen Träger Er 
war, einführte. Gott zeigte, was in Seinen Augen glückselig 
war. Die Gnade Christi begann sich damals zu offenbaren, 
indem sie die naturgemäßen Folgen der Grundsätze und des 
moralischen Charakters Seines Reiches zeigte. Nachdem durch 
die Wunder, die der Herr bereits vollbracht hatte, die Aufmerksamkeit der Menge aus der ganzen Umgebung auf Ihn 
gelenkt war, fing Er an, Seine Zuhörer mit dem wahren Geist 
und Charakter des Reiches bekanntzumachen, worüber sie 
ganz andere Gedanken gehabt hatten, und ihnen zu sagen, 
wer die Glückseligen seien. Doch am Ende des Evangeliums 
Matthäus (Kap. 23) muß Er, statt zu segnen, ausrufen: „Wehe 
euch! Wehe euch! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; 
denn ich sage euch: ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, 
bis ihr sprechet: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des 
Herrn!" Was war die Ursache dieser gänzlichen Veränderung? 
Der Widerstand des Menschen war durch die vollkommene 
Offenbarung dessen, was Christus war, unverhüllt hervorgetreten. Im Anfang des Evangeliums Matthäus finden wir 
den gesegneten Ausfluß von dem, was in dem Herzen des 
Herrn war; der wieitere Verlauf Seines Lebens hienieden aber 
zeigte die Gesinnung ihrer Herzen; daher die Worte: „Wehe 
euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler!" 
Kehren wir jedoch zu unserem Gegenstand zurück. Gott 
sendet also die Drangsal, den Widerstand von außen, um 
Gnade hervorzubringen, und unserer beständigen Neigung, 
uns von Ihm zu entfernen, entgegenzuwirken. Bei Christo 
hatte sie stets den ausschließlichen Zweck, die Gnade ausstrahlen zu lassen. So bedient Sich Gott des Satanis, als eines 
Werkzeuges, um selbst für die Versammlung Segen hervorzubringen. In ähnlicher, bewunderungswürdiger Weise gebrauchte Gott den Satan einst zum Segen für Seinen Knecht 
Hiob. Gott war es, der die Unterredung mit Satan begann, und 
Er wußte sehr wohl, was Er tat, als Er die Aufmerksamkeit 
Satans mit den Worten auf Hiob Lenkte: „Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob"? Die Bosheit Satans war völlig 
bereit, Hiob zu plagen und zu verfolgen; sie wurde aber von 
Gott benutzt, um ihn zu dem zu bringen, was zu seiner Seg121 
nung nötig war, nämlich zu der Erkenntnis des Bösen, das sich 
in seinem Herzen vorfand. Auf keinem anderen Wege hätte 
er dies lernen können. Ein weiteres Beispiel liefert uns die 
Geschichte des Apostels Paulus. Er wurde in den dritten Himmel entrückt, um dort ein solches Bewußtsein von der Macht 
Gottes zu erlangen, daß es ihn für seinen besonderen Dienst 
der Versammlung und der Welt gegenüber fähig machen 
konnte, und um zugleich eine Offenbarung von der Herrlichkeit Jesu zu empfangen, wie sie nötig war, um ihn in all den 
unvermeidlichen Prüfungen, die über ihn kommen mußten, 
aufrechtzuhalten. Doch welchen Gebrauch würde das Fleisch 
hiervon gemacht haben, wenn Gott in Seiner Gnade ihm nicht 
zuvorgekommen wäre? Es hätte sich stolz erhoben und gesagt: 
„Siehe, Paulus, du bist im dritten Himmel gewesen, wohin 
niemand außer dir je gekommen ist". So wurde ihm denn ein 
Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, auf daß er 
ihn mit Fäusten schlage. „Für dieses flehte ich dreimal zum 
Herrn, auf daß er von mir abstehen möge". Aber nein, der 
Dorn konnte nicht entfernt werden, weil sich Paulus sonst ins 
Maßlose erhoben haben würde. Doch er erhält die Zusicherung: „Meine Gnade genügt dir". Das, was dem Apostel Kraft 
verlieh, war, insofern er selbst dabei beteiligt war, gerade das, 
wodurch er seine eigene Schwachheit kennenlernte, der Dorn 
für das Fleisch, der Engel Satans, der ihn mit Fäusten schlug. 
Denn jetzt handelte es sich nicht mehr um seine Kraft, sondern 
um die Gnade und die Kraft Christi. Jetzt konnte er sagen: 
„Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf daß die Kraft des Christus über mir 
wohne". 
Es erscheint vielleicht befremdend, daß Gott den Satan als 
Werkzeug zur Prüfung der Heiligen gebraucht, statt daß Gott 
zu ihrer Befreiung ins Mittel tritt. Allein, Er handelt so, wie 
wir auch hier sehen. Er sagt nicht: „Ich werde euch ins Gefängnis werfen", sondern: „der Teufel wird etliche von euch 
ins Gefängnis werfen". Hätte der Herr dies nicht verhindern 
können? Ganz gewiß; aber weil die Prüfung nötig war, so 
hätte Er, wenn Er dem Teufel gewehrt hätte, die Seinen der 
Segnungen beraubt, die für sie aus einer solchen Prüfung 
hervorgehen sollten. Wenden wir uns einen Augenblick zu der 
Geschichte des Petrus. Der Herr sagt zu ihm: „Siehe, der 
122 
Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich 
aber habe für dich gebetet". Weshalb hatte Er dies getan? 
Damit Petrus nicht gesichtet werde? Keineswegs; denn Petrus 
hatte die Sichtung nötig, weil er auf das Fleisch vertraute. Der 
Grund, weshalb der Herr für ihn gebetet hatte, war, daß -sein 
„Glaube nicht aufhöre", d. h., daß er in der Prüfung gestärkt 
und aufrechtgehalten werde, daß sein Herz seinen Halt in 
Christo nicht verliere, sondern Seiner Liebe versichert bleibe 
und so die beabsichtigte Segnung erlange. Auf solche Prüfungen des Glaubens spielt Petrus auch an, wenn er in seinem 
ersten Briefe sagt: „auf daß die Bewährung eures Glaubens, 
viel köstlicher als die des Goldes, das vergeht, aber durch 
Feuer erprobt wird, erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit 
und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi". War durch Satan 
die Spreu von dem Weizen abgesondert, so konnte der Herr 
Petrus gebrauchen, wie Er denn zu ihm sagt: „und du, bist 
du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder". 
Sobald die Versammlung gefallen war und sie ihre erste 
Liebe verlassen hatte, mußte sie in den Feuerofen geworfen 
werden, damit die Welt mit ihrem Anziehenden und ihrem 
Bösen nicht auf die schlechten Neigungen der Gläubigen einzuwirken vermöchte, so lange sie sich im Leibe der Sünde und 
des Todes befanden. Während die Kirche in der Frische ihrer 
ersten Liebe wandelte, hatte die Welt keine Macht über sie. 
Christus stand zu lebendig vor ihren Augen, als daß sie sich 
anderen Neigungen hätte hingeben können, Neigungen, die 
das Herz den Vernunftschlüssen des Unglaubens erschließen. 
Sobald aber die „erste Liebe" verlassen war, wurde die Versammlung die Beute ihres eigenen bösen Fleisches, auf welches 
das Böse, das sie umgab, einwirkte. Sie mußte deshalb in den 
Feuerofen geworfen werden, dahin, wo Satan verfolgte, damit sie vor dem viel gefährlicheren Ort, wo Satan wohnt, der 
Welt, bewahrt bliebe. 
„Ich kenne deine Drangsal und deine Armut (du bist aber 
reich)". Als die Versammlung zuerst gebildet wurde, waren 
die Christen in ihrer äußeren Erscheinung arm und verächtlich. 
Indem sie ihre erste Liebe verließen, kamen sie in Gefahr, den 
Vernunftschlüssen der Welt anheimzufallen; der Herr läßt 
deshalb den Fürsten der Welt gegen sie los, um ihnen da, wo 
123 
sie in Gefahr waren, eine falsche Ruhe und Freude zu finden, 
Trübsal begegnen zu lassen. Statt der falschen Lockungen der 
Welt, welche sie in die Welt hineinzuziehen und von des 
Vaters Liebe zu entfernen drohten, sollten sie den wahren 
Charakter ihrer Feindschaft kennenlernen. So sanken sie in 
jene Stellung der Unbedeutsamkeit und Armut hinab, in die der 
Widerstand der Welt die Heiligen versetzt. Doch der Herr 
sagt: „Du bist aber reich". Jene kleine Zahl armer und verachteter Personen besaß göttliche und unerschöpfliche Reichtümer. Als sie sich jedoch in der Welt vermehrten und ausbreiteten, zeigte sich die Neigung, sich mehr auf die errungenen Erfolge als auf den Herrn Selbst zu stützen, und der 
Herr, Der sie zu sehr liebte, um dieses dulden zu können, 
mußte sie in den Feuerofen werfen, um sie dadurch zu veranlassen, ihre Stütze allein wieder in Ihm zu suchen. Er 
wünschte, daß die Versammlung das ganze ihr gehörende Teil 
genieße, und Er benutzte die Feindschaft der Welt, um sie zu 
ihren Hoffnungen und Vorrechten zurückzubringen. Es mag 
befremdend erscheinen, daß der Herr zu diesem Zweck eine 
Drangsal von „zehn Tagen" über sie kommen läßt. Doch Er 
will sie belehren, daß der Himmel und nicht die Erde ihr Teil 
ist, daß sie nicht hienieden bleiben, sondern als Pilgrime und 
Fremdlinge durch diese Welt ziehen sollen, um Ihn zu verherrlichen, Ihn, Der auf Erden ein Fremdling war und auch jetzt 
in der Herrlichkeit für die Welt als solche ein Fremdling ist. 
Zugleich aber zeigt jener Ausdruck, daß die Prüfung bestimmt 
abgemessen ist. Wohl benutzt Gott den Satan als eine Zuchtrute für uns; jedoch er darf keinen Schritt weiter gehen, als 
Gott es ihm erlaubt, selbst nicht ein Haar unseres Hauptes 
darf er krümmen. 
Doch die Versammlung muß zu dem tiefen Bewußtsein des 
Zustandes gebracht werden, von dem sie so weit abgewichen 
ist. Deshalb erlaubt Christus nicht nur dem Teufel, etliche 
von ihnen ins Gefängnis zu werfen, sondern Er sagt auch: „Sei 
getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des Lebens 
geben". Satan durfte bis zum Äußersten gehen. Doch wenn 
die Getreuen ihren Glauben mit dem Tode besiegelten und als 
Märtyrer starben, was war dann ihr Teil? Jesus gibt ihnen die 
Krone des Lebens. Die Versammlung hatte sich mit der Welt 
eingelassen; wo aber der lebendige Glaube tätig war, da hatte 
124 
die Verfolgung die Wirkung, daß Christus Seinen wahren 
Platz erhielt und alle gestärkt wurden. So oft es sich darum 
handelte, Christum aufzugeben, gab es Märtyrer, vielleicht 
sogar unter denen, die am meisten verweltlicht waren. Dies 
hat sich häufig bewahrheitet. Und so wie es damals war, so 
ist es heute. Die Christen suchen in hohem Maße dasselbe, 
was die Welt sucht: Wohlstand, Macht und Einfluß, gerade 
die Dinge, die der Herr nicht besaß. Und könnte ich wohl da 
ein Fremdling genannt werden, wo ich Macht und Einfluß 
besitze? Sicherlich nicht. Die Versammlung muß einen himmlischen und einen gekreuzigten Christus aufgeben, wenn sie in 
irgendeiner Weise die Welt als ihr Teil haben will. Die Versammlung Gottes kann nicht die Welt und Christus miteinander verbinden, ohne ihren wahren Charakter zu verlieren. 
Der Zweck des Judentums war, die Religion mit dieser Welt, 
mit der Erde zu verbinden. Gott versuchte auf diese Weise, 
ob der Mensch durch irdische Dinge, die mit Ihm in Verbindung standen, zu Ihm hingezogen werden könnte. Zu diesem 
Zwecke gab Er ihnen einen herrlichen Tempel, prächtige Kleider, glänzende Zeremonien, Musik und Gesang, um so den 
Geschmack und die Gefühle der Natur mit sich zu verbinden. 
Doch alles dieses machte, was wohl zu beachten ist, ein Priestertum zwischen Gott und Menschen nötig. Der Mensch war 
nicht in die Gegenwart Gottes im Himmel gebracht, des Gottes, 
der „Licht" ist, noch genoß er die friedevolle Gemeinschaft mit 
Ihm. Jene irdischen Dinge hielten die Seele in einer gewissen 
Entfernung von Gott. Es kann nicht anders sein. Denn wenn 
die Welt mit der Religion in Verbindung steht, muß ein Priestertum eintreten, weil der Mensch, so wie er ist, nicht vor 
Gott stehen kann. Er kann nicht im Lichte stehen und braucht 
deshalb einen Priester. 
Wir aber sind jetzt nahe gebracht; wir können in dem Licht 
stehen, wie Gott im Licht ist; wir sind Priester, und was unsere 
Stellung in der Gegenwart Gottes betrifft, so ist kein Priestertum zwischen Gott und uns nötig. Christus litt außerhalb des 
Tores; und sobald das Blut Christi, durch das wir geheiligt 
sind, ins Heiligtum, in die Gegenwart Gottes, gebracht ist, sind 
wir in Verbindung mit den himmlischen örtern und nicht 
mehr mit einer irdischen Stadt; es gibt jetzt keine heilige 
125 
Stadt mehr. Ferner sind wir ganz und gar aus der Welt herausgenommen (und zwar ist die Welt, in fleischlicher Weise 
religiös gemacht, für uns „das Lager", aus welchem wir zu 
Ihm hinausgehen sollen; vergl. Hebr 13, 13) und wir haben 
unseren Platz mit Ihm innerhalb des Vorhangs gefunden. 
Gerade das war es, was der Apostel die Hebräer lehrte. Sie 
konnten nicht mit einer Religion, die einen weltlichen Charakter trug, mit dem Judaismus, der irdischen Religion Gottes, 
vorangehen. Aus diesem Grunde sagt der Apostel auch zu 
den Korinthern, daß, wenn er auch Christum nach dem Fleisch 
gekannt habe, er Ihn doch jetzt nicht mehr also kenne. Für ihn 
gab es nur einen himmlischen Christus. 
Im Judentum verbanden fleischliche Satzungen den Menschen mit Gott. Nachdem aber Christus verworfen ist, teilen 
Seine Nachfolger Seinen Patz der Annahme im Himmel un ' 
den Platz der Verwerfung auf der Erde. Jetzt gibt es kein 
Mittelding; Christus ist ganz und gar himmlisch, und wir sind 
auferweckt, um in Ihm in den himmlischen örtern zu sitzen. 
Sobald die Versammlung das Bewußtsein ihres himmlischen 
Platzes in Christo verliert, läßt der Herr in Seiner treuen 
Liebe die Macht Satans gegen uns los, auf daß wir lernen, daß 
gerade die Welt, die wir religiös zu machen suchen, der Ort 
ist, wo Satan thront. Ohne Frage wird in einem solchen Fall 
die Welt mit ihrer Religion in völligem Widerspruch zu uns 
stehen, aber wir haben dann Christum und Seine Gedanken 
für uns, Ihn, der sagt: „Fürchte nichts von dem, was du leiden 
wirst". „Dieses sagt der Erste und der Letzte, der starb und 
wieder lebendig wurde". 
Christus wendet sich an die Versammlung von Smyrna als 
Der „welcher starb und wieder lebendig wurde". Er ist nicht 
nur Gott, sondern auch Derjenige, Welcher tot war und lebt 
in die Zeitalter der Zeitalter. Als Mensch betrachtet, ist Christus aus der Welt hinausgeworfen worden, so daß wir, wie 
Maria Magdalena, entweder ein leeres Grab — denn das ist 
die ganze Welt, wenn wir Christum suchen — oder einen auferstandenen Jesus finden. Ist unser Herz auf Christum gerichtet, so werden wir in dieser Welt nichts anderes finden, 
als das leere Grab Jesu. Wir haben deshalb nichts mit der Welt 
126 
zu tun, denn wenn wir im Geiste mit unserem Haupt im Himmel sind, befinden sich alle unsere Segnungen dort. Indessen 
bleibt es eine beständige Schwierigkeit, Herz und Seele in 
dieser Gesinnung zu erhalten; aber es muß geschehen. Sonst 
wird die Welt, wenn wir nicht an ihr hangen, sich an uns hängen; kommt dann der Verfall und ist die erste Liebe verlassen, 
so muß die Verfolgung eintreten, damit wir nicht der Welt 
gleichförmig werden. Dies war mit der Versammlung in 
Smyrna der Fall. Die erste Liebe war verlassen, und so mußte 
sie durch die Trübsal gehen, damit sie nicht vergäße, daß sie 
nicht von der Welt war. Das Judentum hatte sich Eingang verschafft, jene sogenannte „Entwicklung" hatte begonnen usw. 
„auf Dinge eingehend, die er nicht gesehen hat, eitler Weise 
aufgeblasen von dem Sinne seines Fleisches". Statt nur wenige, 
ein kleines, verachtetes Häuflein zu sein, wuchs die Zahl der 
Gläubigen erstaunlich an, so daß sie in ihrer äußeren Erscheinung stattlich wurde. Es dauerte nicht gar lange, bis das Ganze 
der jüdischen Hierarchie glich. Aber dann trat die Verfolgung 
ein und wehte über alles hin, sie ging selbst bis zum Tode. So 
konnten doch alle, bei denen ein lebendiger Glaube an einen 
lebendigen Herrn vorhanden war, von dem zweiten Tode nicht 
beschädigt werden, obwohl sie hier sterben mochten. Die Geschichte jener Zeiten beweist, daß die lebendige Macht und 
Wahrheit in der Versammlung sich nicht in ihren Lehren, sondern in ihren Märtyrern vorfand. 
Pergamu s 
„Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist". 
Hier zeigt sich das Böse unter einem anderen und feineren 
Charakter. Der Herr erkennt alles an, was Er anerkennen 
kann. Die Versammlung war durch die Verfolgung hindurchgegangen und war treu geblieben: „du hältst fest an meinem 
Namen, und hast meinen Glauben nicht verleugnet, auch in 
den Tagen, in welchen Antipas mein treuer Zeuge war, der . . . 
ermordet worden ist", jetzt aber handelt es sich nicht bloß um 
Verfolgung von außen, von Seiten der Welt — diese prüfte die 
Kirche, reinigte sie aber auch — sondern um die verderbte 
Lehre im Innern. Die Versammlung Gottes hat ihren Platz der 
Verantwortlichkeit in der Welt, wo Satans Thron ist. Wird sie 
127 
nicht mehr von der Welt verfolgt, weil sie aufgehört hat, eine 
himmlische Zeugin zu sein, so wohnt sie doch in der Welt. Das 
ist von jenem Tage an bis heute ihr Platz gewesen, was ihre 
äußeren Formen betrifft. Es ist hier nicht die Rede von dem 
Betragen der Einzelnen, sondern von der Stellung der Versammlung als Körper. 
Man denkt und spricht oft so, als ob Satan seit der Kreuzigung Christi aufgehört habe, der Fürst dieser Welt zu sein. Ich 
möchte im Gegenteil sagen, daß gerade damals Satan im 
vollen Sinn des Wortes Fürst dieser Welt geworden ist. In 
bezug auf das menschliche Herz war er es immer; allein bis 
zur Verwerfung Christi durfte man hoffen, daß noch in irgendeiner Weise etwas Gutes im Menschen gefunden oder hervorgebracht werden könne; aber das Kreuz hat die völlige Sklaverei des menschlichen Herzens unter Satan bewiesen und festgestellt, daß nichts imstande war, es zu befreien. Wirklich war 
das Kreuz die Zerstörung der Macht Satans; denn dort hat 
Christus „den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, 
das ist den Teufel". Handelt es sich um die Erfüllung des 
Werkes, wodurch jenes geschehen sollte, um die Gerechtigkeit 
vor Gott, so ist seine Macht zu Ende; der Kopf der Schlange 
ist zertreten worden, obwohl die Frucht jenes vollbrachten 
Werkes noch nicht in Macht geoffenbart worden ist. Der 
Mensch ist auf jede Weise auf die Probe gestellt worden; zuletzt kam er in dem jüdischen System unter die Verantwortlichkeit des Gesetzes und wurde auf dem Boden des Gehorsams 
geprüft. In dieser Stellung hat er gefehlt; aber er ist geneigt zu 
denken, daß er, wenn er ganz nach eigenem Willen handeln 
könnte, alles wieder zurechtbringen würde. Auch hierin ist er 
auf die Probe gestellt worden, als seinen Händen, in der Person Nebukadnezars, die Macht übergeben wurde; aber auch 
diese Probe bestand er nicht. Danach kam Christus. Satan bot 
alles auf, um Ihn aus dem Wege zu räumen; aber alle seine 
Anstrengungen endeten mit seiner eigenen Niederlage. Gleichwohl ist es ihm erlaubt, noch für eine Zeit die Welt zu regieren, die Welt, aus der Christus hinausgeworfen wurde, und 
die in ihren allgemeinen und verschiedenartigen Formen das 
Werkzeug Satans ist, wie wir dies bei der Kreuzigung des 
Herrn sehen. Satan, der Fürst dieser Welt, kam und fand 
128 
nichts in Christo; aber die Hohenpriester, die Pharisäer, Pontius Pilatus, die Juden und die Macht der Nationen, alles stand 
unter seiner Leitung. Selbst die Jünger verließen Christum aus 
Furcht vor der Macht Satans, die sich in der Welt kundgab. 
Mit einem Wort, die ganze W7
elt wurde durch Satan angetrieben, Christum zu verwerfen. Von jenem Augenblick an ist 
Satan der offenbare Fürst dieser Welt. Ehe Christus verworfen 
war, konnte Satan dieser Titel nicht beigelegt werden. Der 
Herr aber erkennt ihn als solchen an; Er nennt ihn „Fürst 
dieser Welt", indem Er sagt: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt; 
jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden". 
„Der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir". 
Die Versammlung Gottes ist gänzlich aus der Welt herausgenommen, um mit dem Fürsten Gottes im Himmel verbunden 
zu werden; und deshalb sollen die Christen nicht das als ihren 
Wohnplatz und ihre Heimat betrachten, wo Satan thront; sie 
sollen nicht in der Welt und wie die Welt leben. Aber ach! 
die Versammlung hat praktischerweise vernachlässigt, „das 
Haupt" festzuhalten, und hat einen irdischen Charakter angenommen. Wenn „das Leben für mich Christus ist", so befinde ich mich in keiner weltlichen Religion, denn der Mensch 
im Feische muß etwas zwischen sich und dem Haupte haben. 
Der Unterschied zwischen wahrem Christentum und der Religion der Welt ist unermeßlich groß. „Wenn ihr mit Christo 
den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr 
euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?" Ein Mensch 
in der Welt muß Satzungen haben; wie könnte er ohne sie 
religiös leben? Aber Satzungen sind nicht Christus; sie sind 
an Sein Kreuz genagelt worden. Es ist unmöglich, von der 
Religion der Welt, von den Satzungen und dergleichen loszukommen, es sei denn, daß man die Kraft eines gestorbenen 
und auferstandenen Christus kennt und in dieser Kraft wandelt. Der Mensch im Fleische muß eine Religion von Satzungen 
zwischen sich und Gott haben. Ist aber jemand mit dem 
Haupte im Himmel verbunden, so kann ihn nichts näher 
bringen, denn er ist eins mit Christo; wer nicht mit dem 
Haupte eins ist, der ist von Christo getrennt. Bringt man 
irgend etwas zwischen Christum und die Seele, so ist alles 
verloren; die ganze Stellung ist dann verändert. 
129 
Diese verderbliche Neigung, sich mit der Welt zu verbinden, 
führte von Gottes Seite die Züchtigung herbei, aber mit ihr 
auch die angemessene Verheißung: „Sei getreu bis zum Tode, 
und ich werde dir die Krone des Lebens geben". Es ist vollkommen wahr, daß der Herr Trübsale kommen läßt; aber nie 
finden wir bei Ihm irgendwelche moralische Duldung des 
Bösen. Der Herr kann nicht durch falsche Lehren versuchen. 
Er zeigte der Versammlung das Böse ihrer verderblichen Verbindung mit der Welt, indem Er die Welt in eine verfolgende 
Welt verwandelte; aber nie hätte Er ihnen Balaams falsche 
Lehre senden können. Unmöglich kann Christus moralische 
Versuchungen kommen lassen als eine Rute zur Züchtigung 
der Heiligen, obwohl Er sie in Seiner heiligen Weisheit erlauben mag. Die Anstrengung des Feindes in Pergamus war 
etwas ganz anderes als die Verfolgung, von der in Smyrna die 
Rede ist. Balaam suchte die Gläubigen in eine religiöse Verbindung mit der Welt zu bringen, und das ist ein weit größeres Übel, als wenn Satan Seine Macht zu öffentlicher Verfolgung benutzt. 
In Ephesus sahen wir den Anfang des Abfalls; „die erste 
Liebe" war verlassen. In Smyrna wurde die Versammlung in 
den Feuerofen geworfen; doch Satan hatte durch die Verfolgung seine Zwecke nicht erreicht. Eine Treue bis zum Tode 
hatte den Leidenden die Märtyrerkrone eingebracht. In Pergamus erhebt sich jedoch eine neue Gefahr. Die Versammlung 
wohnte jetzt da, wo Satans Thron ist, d. h. in der Welt; verderbliche Lehren wurden verbreitet, die dem Fleische gefielen 
und die Versammlung mit der Welt verbanden. Der Feind war 
im Inneren wirksam, „du hast solche dort, welche die Lehre 
Balaams festhalten". 
Es besteht also ein sehr großer und lehrreicher Unterschied 
zwischen der Verfolgung in Smyrna und der Verführung in 
Pergamus. In Smyrna sagt der Herr: „Der Teufel wird etliche 
von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr geprüft werdet. 
Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des 
Lebens geben". Ich bin gestorben für euch; deshalb seid auch 
ihr getreu bis zum Tode für mich. In Smyrna wollte der Herr 
nicht einschreiten, um die Folgen der Stellung, in der die Versammlung sich befand, d. h. die Verfolgung, zu verhindern, 
130 
sondern Er benutzte die Verfolgung, um die abweichende 
Versammlung in ihrem wahren Charakter zu erhalten, indem Er 
zugleich die Versicherung einer ewigen und himmlischen Verheißung, einer Krone für den Getreuen, gab. In Pergamus aber 
sehen wir die Versammlung in Verbindung mit der Welt, sie 
wohnt da, wo der Thron Satans ist; und der Herr konnte nicht 
den Fallstrick dadurch entfernen, daß Er auf die Welt einwirkte, Er hätte denn die Wet richten müssen. Satanische List 
war im Einverständnis mit der Welt und durch ihren Geist in 
der Versammlung wirksam. Ein falscher Prophet brachte sie 
mit dem Platz in Verbindung, wo der Thron Satans war, mit 
der Welt, die aufgehört hatte, eine Verfolgerin zu sein. Es ist 
hier Balaam und noch nicht Jesabel. Der Charakter Balaams 
ist überaus schlecht und verderbt. Infolge der Vergehungen 
Israels war einst die Frage erhoben worden, ob Gott das Volk 
ins Land bringen, oder ob es Satan durch seine Werkzeuge, 
Balak und Balaam, gelingen würde, ihren Einzug in Kanaan 
zu verhindern. Sie gaben sich alle Mühe, Jehova zu bewegen, 
den Fluch über Israel auszusprechen, aber vergebens. Angesichts des Anklägers „sieht er kein Unrecht in Israel". Ebenso 
war es ganz unmöglich, Satans Macht wider das Volk Gottes 
zu benutzen, weshalb Balaam sagt: „Da ist keine Zauberei 
wider Jakob, und keine Wahrsagerei wider Israel". Gott 
wehrte Balaams Lippen und zwang ihn, gegen seinen Willen 
Segnungen statt Flüche auszusprechen. „Widerstehet dem 
Teufel, und er wind von euch flehen". Wenn der Teufel als 
Widersacher kommt, hat er keine Macht; das Geheimnis seiner 
Kraft besteht darin, daß er als Versucher und Verführer an 
uns herantritt. Als er Jehova nicht bewegen konnte, Israel zu 
verfluchen, verführte er das Volk zur Gottlosigkeit, „Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben". Wie konnte jetzt der 
heilige Gott sie ins Land einführen (siehe 4. Mo 25)? 
In Pergamus tritt Satan als ein Verführer in die Versammlung, während er in Smyrna als der Verfolger außerhalb von 
ihr blieb. Deshalb wird an Smyrna die Ermahnung gerichtet: 
„Fürchte nichts von dem, was du leiden wirst". In der „Furcht" 
ist Schwachheit; sie bringt Gefahr. Befindet der Heilige sich 
außerhalb der Verfolgung, so zittert er oft und ist voll Furcht, 
wenn er auf die Verfolgung hinblickt; ist er aber völlig in ihr 
131 
und hat er Glauben, so blickt er zu Gott empor und findet, 
daß er nie vorher so glücklich war. So ist er von der Welt 
getrennt, und fähig gemacht, sein eigenes, wahres Teil zu genießen. Wenn aber die Versammlung Gottes auf dem Gebiet 
Satans wohnt,, so wird er ihr, falls er nicht als Verfolger auftritt, so viel von der Welt geben, als er nur kann; denn er 
selbst sagt: „mir ist sie übergeben, und wem irgend ich will, 
gebe ich sie" (Lk 4, 6). Und kann von der Welt gesagt werden, 
daß sie die Versammlung reich gemacht hat, so wird sie und 
nicht das auferstandene Haupt ihr Herz besitzen; „denn wo 
euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein". Balaam war ein 
Prophet, obwohl er ein falscher Prophet war; er konnte von 
dem Namen Jehovas Gebrauch machen und erklären, daß er 
Sein Wort allein reden müsse. In Pergamus sehen wir seinen 
Geist in die Versammlung eindringen, um es ihr in dieser Welt 
behaglich zu machen. Der böse Knecht, der in seinem Herzen 
sagt: „Mein Herr verzieht zu kommen, und anfängt .. . zu 
essen und zu trinken und sich zu berauschen", wird als Knecht 
behandelt, jedoch als ein böser. Sobald es Satan gelingt, einem 
Christen es angenehm und behaglich zu machen in der Welt, 
hat er seinen Zweck erreicht. 
Die Lehre der Nikolaiten führte die Wirksamkeit des Fleisches in die Versammlung Gottes ein, die Lehre des Balaam 
den Geist der Welt. Die Einführung dieses Geistes geschah 
durch den falschen Propheten, und zwar zu dem Zweck, die 
Versammlung mit der Welt zu verbinden und ihr in einer 
Welt, die Christum getötet hat, ein ruhiges und behagliches 
Leben zu veschaffen. Wir begegnen hier einem Lehrer, einer 
Art von religiösem Unterweiser; denn es heißt: „welche die 
Lehre Balaams festhalten, der den Bakk lehrte, ein Ärgernis 
vor die Söhne Israels zu legen". „Also hast auch du solche, 
welche in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten". 
Bei Ephesus werden die „Werke der Nikolaiten" erwähnt; hier 
aber handelt es sich um eine Lehre, die schlechte Handlungen 
gutheißt, was nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen 
Christum war. Es war ein Verderben im Innern der Kirche, 
dem durch die Verbindung mit der Welt von außen Vorschub 
geleistet wurde. Es ist sehr schmerzlich, zu sehen (und wir 
sollten an dem, was in der Versammlung vorgeht, stets den 
132 
innigsten Anteil nehmen), wie bald die Versammlung neue 
Rückschritte machte. Ihre Drangsal in Smyrna, die auf den 
ersten Fall in Ephesus folgte, hatte ihr Licht auf eine kurze 
Zeit für Gott heller brennend gemacht. Die Wurzel des Bösen 
aber war vorhanden, und als äußere Ruhe und Behaglichkeit 
zurückkehrten, war die Versammlung zufrieden, da zu wohnen, 
wo Satans Thron ist. Auf diese Weise wurde die Tür geöffnet 
für schlechte Lehre, falsche Unterweisung, für die Vermengung 
des Fleischlichen mit dem Geistlichen. Satan wünschte nicht, 
da zu verfolgen, wo er verderben konnte; denn seine Verfolgungen bewirken Läuterung der Seele für Gott, während das 
verführerische Verderben Satans unvermerkt die Seele von 
Gott entfernt. Wir haben hier noch nicht die volle Reife der 
Bosheit, wie zur Zeit Jesabels, sondern nur die Unterweisung 
in der Lehre, die diese bösen Werke gestattete. In der nächsten 
Versammlung sehen wir jedoch, daß Kinder aus diesem Bösen 
geboren wurden; das Böse war ihr moralischer Geburtsort. 
Das Auge und das Herz des Herrn folgten der Versammlung 
dahin, wo sie wohnte, selbst bis zu dem Thron Satans; Er sagt: 
„Ich weiß, wo du wohnst". Und von dort (d. h. von dem Geist 
der Verbindung mit der Welt) wünschte Er sie mit dem Mahnruf zurückzubringen: „Tue nun Buße; wenn aber nicht, so komme 
ich dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem 
Schwerte meines Mundes". Hier wird das Wort in richterlicher 
Weise angewendet, wie ein Schwert, das aus dem Munde 
Christi hervorgeht. Bei einem solchen Zustand der Dinge ist 
das Wort Gottes die Quelle, zu welcher der Heilige hingezogen 
wird'. Die Verheißungen werden jetzt viel persönlicher: „Dem, 
der überwindet, dem werde ich von dem verborgenen Manna 
geben". Die verborgene Treue sollte durch die Verheißung des 
verborgenen Mannas unterstützt werden. Diese Treue wurde 
insofern gesehen, als ihre Früchte allen offenbar wurden. Die 
Versammlung als Körper wohnte in der Welt, und als eine 
notwendige Folge zeigte sich das verborgene Leben des Herzens 
der treuen Seele mit Gott in der Kraft des Wortes: es ist das 
innere Band mit dem, was seinen Charakter nie verändert 
und was die verborgene Treue vor Gott unterstützt. Wie verschieden ist dies von dem richterlichen Gebrauch des Wortes, 
wenn es sich als ein Schwert aus Christi Mund im Kampfe 
133 
erweist. Die lebendigen Glieder sind vereinigt mit Christo, der 
auf Erden litt, jetzt aber im Himmel ist. 
Das Manna bezeichnet den Sohn Gottes, der Fleisch geworden ist, um unseren Seelen das Leben zu geben, Sein Eintreten 
in Niedrigkeit in alle unsere Umstände. Es ist unsere tägliche 
Nahrung während unseres Wandels durch die Wüste; denn es 
wird von dem Manna gesprochen in Verbindung mit Jesu als 
dem lebendigen, vom Himmel gesandten Brot, „das lebendige 
Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist" (Joh 6, 
51). Was aber ist das verborgene Manna? Das Manna für 
Israel wurde um das Lager her gestreut, und täglich sollten sie 
es zu ihrer Speise sammeln. Ebenso soll Christus, solange wir 
in der Wüste weilen, die tägliche Speise unserer Seele sein; 
aber das ist nicht das verborgene Manna. Es mußte ein goldener Krug, der mit Manna gefüllt war, vor Gott aufbewahrt 
bleiben, damit die Israeliten, wenn sie ins Land Kanaan gekommen waren, sich dessen erinnerten, was sie in der Wüste 
genossen hatten. Dies verborgene Manna ist die Erinnerung 
an einen leidenden Christus auf Erden, die Erinnerung an das, 
was Christus in der Wüste, als Mensch, als ein erniedrigter 
und leidender Mensch war, Er, Der der Gegenstand der ewigen 
Wonne Gottes im Himmel ist. In unserem ewigen Zustand 
werden alle, die überwunden und mit Christo sich treu von der 
Welt getrennt haben, den ewigen Genuß der Gemeinschaft mit 
Gott in Seiner Wonne an dem einst erniedrigten Christus 
teilen; es wird dieselbe Wonne, wenn auch in verschiedenem 
Maße, sein. Wenn wir mit einem verworfenen Christus treu 
wandeln, statt Balaam in unsere Herzen einzulassen, dann 
werden wir Christum im Geist hienieden genießen; aber dies 
können wir nicht, wenn unsere Seelen mit irgendwelcher Gottlosigkeit in der .Welt verbunden sind. Sollte aber jemand behaupten, daß er Ihn dennoch genieße, so ist das Nikolaitismus. Nach dem Maße aber, wie unsere Seelen das Geheimnis 
dessen, was Christus in der Welt war, aufnehmen und verstehen, werden wir uns auch von Ihm nähren; dies ist jedoch 
unmöglich, wenn wir im Geiste der Welt wandeln. Selbst die 
Darstellung Christi in den Evangelien können wir nicht genießen, es sei denn, daß es eine Speise für die Seele ist. Jemand 
mag sagen: diese oder jene Wahrheit ist sehr schön; wenn er 
aber nur sein Wissen dadurch bereichert, so nützt es ihm 
134 
nichts. Gott hat Seinen Sohn nicht hingegeben, hienieden zu 
leiden, damit man hernach eine angenehme Unterhaltung habe, 
sondern daß man sich von Ihm nähre. 
Der „weiße Stein" erinnert im allgemeinen an die Abgabe 
seiner Stimme zu jemandes Gunsten; es ist das verborgene 
Zeichen des Beifalls, das der eine dem anderen gibt. Im Himmel gibt es öffentliche Freuden, die allen gemein sind, tausende 
von Stimmen, die in Gemeinschaft und in Danksagung den 
Lobgesang widerhallen lassen. Ebenso gibt es hienieden Freuden, die wir in Christo miteinander teilen. Aber Er muß ebensowohl unsere persönlichen als unsere gemeinsamen Zuneigungen haben. Meine eigene persönliche Freude in Christo 
kann ein anderer nicht kennen, noch kann ich seine Freude 
genießen, dies ist wahr von den höchsten Zuneigungen, „einen 
neuen Namen geschrieben, den niemand kennt, als wer ihn 
empfängt". Dieser Name kann nur für den Bedeutung haben, 
der ihn empfängt. Christus offenbart Sich der Seele in einer 
Weise, daß sich kein Fremder in ihre Freude einmischen kann. 
Die persönliche Freude und Gemeinschaft ist von der gemeinschaftlichen Freude verschieden, wiewohl sie diese erhöht; und 
diese persönliche Freude, die wir hienieden kennen, wird nie 
unterbrochen werden. 
Diese wie jede andere an die Versammlungen gerichtete 
Verheißung bezieht sich auf die zukünftige Zeit der himmlischen Segnung; aber sie ist auch die Quelle der Freude und 
Kraft in der Gegenwart. Der Geist Gottes läßt uns den Tag 
im voraus genießen; ich kann schon jetzt im Geiste diesen 
weißen Stein in Christo haben, diesen innigen und verborgenen Ausdruck Seiner Gnade und Liebe, den andere nicht für 
mich haben können,-noch ich für sie. Wie macht dieser Gedanke den „weißen Stein" über alles andere wertvoll! Welche 
verborgene Quelle der Kraft ist es, ob auch die ganze Welt mir 
Unrecht geben sollte, wenn ich diesen „weißen Stein" des Beifalls Christi besitze, der in der Bewahrung des Wortes erlangt 
und im Herzen gekannt wird! Doch ich wiederhole es, ich muß 
alles durch das Wort Gottes beurteilen, mit diesem Schwert 
Seines Mundes, das alle Wirkungen Balaams kraftlos macht 
und von ihnen befreit. Ich bin alsdann ohne Sorge, mag die 
Welt über Dinge denken, wie sie will, Christus hat zu mir 
135 
geredet, und an dem zukünftigen Tage der Herrlichkeit wird 
Er alles anerkennen, was Er zu mir gesagt hat. 
Es ist wirklich schmerzlich genug, wenn Balaam in der 
Versammlung lehrt, aber sicher gibt es unter den Heiligen 
keine Prüfung, die nicht die Treue Dessen offenbart, Der 
bereit ist, den Überwinder zu segnen; und so wird die 
Seele in eine Gemeinschaft mit Christo gebracht, wie nichts 
anderes es vermocht hätte. Da ist nichts, was der Seele Christo 
gegenüber so sehr das gesegnete Bewußtsein Seines Beifalls 
gibt, als die Treue, wenn das Böse zu verderben beginnt. Handelt es sich um falsche Lehre im Innern, so heißt es hier, wie 
bei der Verfolgung und bei allem anderen: „Überwindet!" 
Wer ein Ohr hat zu hören, was der Geist den Versammlungen 
sagt, der soll das Böse, das sie bedroht, überwinden, welcher 
Art es auch sein mag. 
T h y a t i r a 
Die Zeit erlaubt mir nicht, mehr als einen flüchtigen Blick 
auf Thyatira zu werfen. Wenn Jesabel auf den Schauplatz tritt, 
sehen wir eine Veränderung. Wohl ist sie eine Prophetin, aber 
sie selbst wird Mutter von Kindern: eine ganze Klasse von 
Personen empfängt ihr Dasein aus diesem Verderben. Von 
Personen, die mit diesem Verderben und diesem Bösen ihr 
Spiel treiben, sowie auch von einfachen, irregeführten Seelen, 
sagt Christus: „Diese will ich in große Drangsal bringen, 
wenn sie nicht Buße tun". Doch jene, die ihre moralische Existenz aus diesem Verderben herleiten, will Er töten; „ihre 
Kinder werde ich mit Tod töten". Sobald aber dieser Zustand 
der Versammlung, als Erzeuger des Verderbens, ans Licht 
tritt, kommt auch das Gericht der Nationen zur Sprache: „wie 
Töpfergefäße zerschmettert werden", und das Herz des Gläubigen wird auf das Kommen des Herrn gerichtet: „Ich will ihm 
den Morgenstern geben". 
Gern schließe ich die heutige Betrachtung mit dieser Verheißung; sie ist voll von Segnung. Bis zu ihrer Erfüllung ist 
der Herr Selbst für uns das verborgene Manna. Er möge uns 
und allen Seinen Heiligen Gnade geben, alles zu vermeiden, 
was dem Geist und der Lehre Balaams gleicht. Wir sind eins 
mit Jesu, sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleisch und 
136 
von Seinen Gebeinen. Die Kenntnis unserer Einheit mit Ihm 
und ihre Verwirklichung in unseren Seelen ist auch der einzige 
Schutz vor dem verführerischen Geist unserer Tage. Der Herr 
gebe, daß wir treu sind im Blick auf die gesegnete Wahrheit, 
daß wir eins sind mit Ihm, Der zur Rechten Gottes ist; alsdann 
werden andere vergeblich versuchen, durch ihre Satzungen 
oder ihr Priestertum zwischen uns und Gott zu treten; dann 
kann ich sagen: „Ich bin zu nahe zu Gott gekommen, als daß 
ihr zwischen Ihn und mich treten könntet, und auch zu nahe, 
als daß ihr mich näher zu Ihm zu bringen vermöchtet. An 
diesen gesegneten Platz hat mich die Gnade gestellt, und alles 
andere ist nur armselige Torheit". Wir sind berufen, das Böse 
in der Versammlung zu richten; denn Gott kann Balaam und 
Jesabel nicht anerkennen, wenn wir es auch können. Mögen 
wir deshalb durch des Herrn Gnade daran denken, daß der 
Verfall in der Versammlung gerichtet werden muß. Wir haben 
in der jetzigen Zeit besonders darauf zu achten, daß die Kirche, 
weil sie selbst unter dem Gericht steht, weder für den Glauben, 
noch für irgend etwas anderes Sicherheit bieten kann. 
In diesem Teil des Kapitels betreten wir, sozusagen, einen 
neuen Boden. Dies offenbart sich in zweifacher Weise. Der 
Geist Gottes, der über all unserem Abfall weit erhaben ist, 
richtet das Auge des treuen Oberrestes auf das Kommen des 
Herrn Jesu, und die Ermahnung: „Wer ein Ohr hat, höre, was 
der Geist den Versammlungen sagt", steht von jetzt ab nicht 
mehr in Verbindung mit der Anrede an die Versammlungen 
im allgemeinen, sondern folgt erst auf die Verheißungen, die 
den Überwindern gegeben werden. Die Stellung des Überrestes wird dadurch in besonderer Weise gekennzeichnet, als 
nicht mehr in Verbindung stehend mit dem allgemeinen Körper 
der Versammlung, sondern mit dem Platz derer, denen die 
Verheißung gegeben ist: „dem, der überwindet". 
Das unterscheidende Element, das wir in der Versammlung 
zu Pergamus eingeführt fanden, bestand darin, daß die Welt 
der Thron Satans ist; demzufolge muß die Versammlung in 
einer der beiden folgenden Stellungen sein: entweder ist sie 
wegen ihrer Treue eine verfolgte und leidende Versammlung 
in der Welt, oder sie verliert diesen Charakter, bequemt sich 
der Welt an und geht mit ihr. In Pergamus fanden verderb137 
liehe Lehren ihren Weg in die Versammlung als Körperschaft, 
und nicht nur zu Einzelnen; sie wirkten und verdarben das, 
was innerhalb der Versammlung war, so daß jetzt das Böse 
dort seinen Ausgangspunkt fand. Balaam, der falsche Prophet, 
verführte die Versammlung und verband sie mit der Welt: 
„du hast solche dort, welche die Lehre Balaams festhalten". 
Hier aber in Thyatira geht es weiter: „du duldest das Weib 
Jesabel", — das Böse wird gestattet. Wir haben gesehen, daß 
Balaam, als es ihm mißlang, Gott zum Verfluchen Israels zu 
bewegen, den Versuch machte, die Israeliten dadurch in Trübsal zu bringen, daß er sie mit dem Volk des Widersachers im 
Bösen vereinigte. 
Ebenso ist das Böse in die bekennende Kirche eingedrungen. 
In Thyatira haben wir deshalb einen noch schrecklicheren Zustand als in Pergamus. Es findet sich nicht nur falsche Lehre 
vor — „diejenigen, welche die Lehre Balaams festhalten", — 
sondern eine Person hat sich darin niedergelassen, und sie hat 
Kinder, die aus dieser Verführung geboren werden. Nicht nur 
werden die Heiligen zum Bösen verführt, sondern Jesabel ist, 
sozusagen, in Thyatira so sehr zu Hause, daß Kinder geboren 
werden, die ihre Heimat und ihren Geburtsort im Bösen haben, 
ja, die dem Verderben selbst entsprossen sind. Doch beachten 
wir, daß wir angesichts dieses wachsenden Bösen und all dieser 
Gottlosigkeit eine zunehmende Energie seitens der Getreuen 
finden; denn Gott hatte inmitten dieses Bösen einen Überrest, 
dessen Treue wegen der großen Finsternis ringsum nur um so 
deutlicher hervortrat. Ähnliche Beispiele finden wir in der Geschichte Israels. Inmitten der götzendienerischen Anbetung des 
goldenen Kalbes oder während der Regierung der blutdürstigen 
Isebel, wurden tatkräftige Männer, wie Elias und Elisa, erweckt, die mit einer besonderen Kraft des Zeugnisses für Gott 
ausgerüstet waren; auf diese Weise zeigt Gott, daß Er für die 
Bedürfnisse Seines Volkes stets genügend ist. 
Wenn das Böse eine solche Höhe erreicht hat, daß es den Getreuen unmöglich wird, mit dem Bösen länger voranzugehen, 
dann gelangen sie in der Absonderung von diesem Bösen zu 
einer weit höheren Erkenntnis und Kraft, (obwohl es unter 
großer Trübsal sein mag) als zu der Zeit, da sich die Versammlung in einem glücklicheren Zustand befand. Zur Zeit des Elias 
138 
bewahrte Gott Seinen Namen in ganz besonderer Weise. Das 
ganze Volk Israel hatte sich so schrecklich verderbt, daß Gott 
genötigt gewesen wäre, es gänzlich zu vertilgen; die Zeit war 
aber noch nicht gekommen. Alles war in Unordnung; weder 
Tempel noch Opfer, noch Priestertum war auf dem Berge 
Karmel; dessenungeachtet gab Sich Gott den wenigen Getreuen 
in einer Weise kund, von der das Volk in Jerusalem weder 
Kenntnis noch Genuß hatte; die mächtige Kraft Gottes war da, 
um dem Worte Seines Propheten Zeugnis zu geben. Ebenso 
war es bei Mose: er wandelte treu mit Jehova, während sich 
das ganze Volk um ihn her im Abfall befand. Nicht als Israel 
gut wandelte, war Mose Gott am nächsten, sondern als sie alle 
fehl gingen. Als Israel das goldene Kalb gemacht hatte, „nahm 
Mose das Zelt und schlug es sich auf außerhalb des Lagers, 
fern vom Lager", und dann ging er in die Gegenwart Gottes, 
und daselbst „redete Jehova mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet" (2. Mo 32, 
33). Und an diese herrliche Auszeichnung erinnert Jehova in 
4. Mo 12, als Mirjam wider Mose geredet hatte. Er sagt dort: 
„Warum habt ihr euch nicht gefürchtet wider meinen Knecht, 
wider Mose zu reden?" „Er ist treu in meinem ganzen Hause; 
mit ihm rede ich von Mund zu Mund". Das Zusammentreffen 
mit Gott im Zelte außerhalb des Lagers zeichnete Mose mehr 
aus, als selbst seine Berufung auf den Gipfel des Sinai. Es ist 
ein feststehender Grundsatz in der Schrift, daß Gott da, wo 
der Abfall ganz allgemein und offenbar ist, durch Seine Getreuen ein viel lauteres Zeugnis und größere Macht an den 
Tag treten läßt, als vorher in dem Körper, in seiner Gesamtheit betrachtet, bekannt war. Auf diese Weise bestätigen sich 
die Worte Jethros: „In der Sache, worin sie in Übermut handelten, (durch ihre Sünde und Auflehnung gegen Gott) war 
er über ihnen" in Gnade und Macht (2. Mo 18,11). Die gleiche 
Erscheinung wiederholte sich in den Tagen des Herrn Jesu. Er 
war ein höchst gesegnetes und herrliches Beispiel zu diesem 
Grundsatz, denn Er Selbst legte das vollständige und gesegnete Zeugnis von der Gnade und Gerechtigkeit ab, um auf die 
Wege der Welt und Seines eigenen Volkes einzuwirken, gerade 
zu der Zeit, als Israel und die Welt im Begriff standen, die 
schrecklichste Sünde in der Kreuzigung des Sohnes Gottes zu 
begehen. Als das Herz Israels dick geworden war, als es sich 
139 
in einem Zustand befand, der geeignet war,, sieben andere 
Geister aufzunehmen, böser als der Geist, von dem es früher 
besessen war, als es, mit einem Wort, im Begriff stand, in den 
letzten, traurigsten Zustand zu versinken, da redete Gott, Der 
schon auf mancherlei Weise durch die Opfer, die Vorbilder 
und Propheten zu ihnen geredet hatte, zuletzt zu ihnen in 
Seinem Sohne, in der Person des sanftmütigen und demütigen 
Jesus. 
Den vorhin erwähnten Grundsatz finden wir auch hier in 
Thyatira, sobald Jesabel Eingang gefunden hat. „Ich kenne 
deine Werke . . . und weiß, daß deiner letzten Werke mehr 
sind, als der ersten". Der Zustand der bekennenden Kirche 
hatte zur Folge, daß die Heiligen eine Energie entfalteten, die 
ihnen vorher unbekannt war. Dies zeigte sich stets in der Geschichte der Kirche während der sogenannten „finsteren Jahrhunderte" des Mittelalters. Das treueste Zeugnis offenbarte 
sich und ein Maß von Hingebung, wie es zu anderen Zeiten 
unbekannt war, und wie man es heutzutage so gern in irgendeiner Weise sehen möchte. Man wagte das eigene Leben, um 
für Gott Zeugnis abzulegen. Ach! wie wenig sieht man davon 
in unserem Jahrhundert der Bequemlichkeit und der Schlaffheit! 
„Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und dein Ausharren, und weiß, daß 
deiner letzten Werke mehr sind, als der ersten". Hier sind die 
Liebe und der Glaube wirksam, an denen es in Ephesus mangelte. Der Herr ermuntert daher die Gläubigen durch „Hoffnung" (V. 25), so daß wir hier Glaube, Hoffnung und Liebe 
finden, diese drei großen Grundsätze des Christentums. Wenn 
sie sich auch nicht, wie bei den Thessalonichern, in ihrer gesegneten Ordnung vorfanden, so waren sie doch alle in irgendeiner Weise vorhanden. Zugleich bemerken wir auch hier wieder, wie Gott stets bereit ist, das Gute anzuerkennen, ehe Er 
von dem Bösen redet. 
„Dieses sagt der Sohn Gottes, der seine Augen hat wie eine 
Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer". Das 
Feuer ist das Sinnbild des unfehlbaren Gerichts; es durchdringt 
alles, wie das Auge Gottes. Was aber sieht Christus zuerst? 
Ohne Zweifel durchschaut Er sofort das schreckliche Böse; aber 
140 
zuerst erwähnt Er das, woran Sein Herz Wohlgefallen findet. 
Er sieht in diesem verachteten Häuflein, um das sich niemand 
im geringsten kümmert, das, was Ihn erfreut; und obwohl 
Seine Füße gleich glänzendem Kupfer den unveränderlichen 
Charakter der Gerechtigkeit bezeichnen, die Gott (in Seinen 
Anforderungen an ihn) hienieden offenbart, und die in dem 
Menschen, in Christo, göttlich erfüllt war und Seine Person 
charakterisierte, so ruht dennoch das Auge Gottes stets auf 
dem kleinsten Funken von Treue inmitten des Bösen. Kein 
Pulsschlag eines Herzens, das Ihm inmitten der überströmenden 
Ungerechtigkeit treu ergeben ist, bleibt von Ihm unbeachtet; 
und das ist es, was das Herz inmitten der widerwärtigen Umstände stets aufrecht hält. Wie köstlich ist es für uns, in der 
Einfalt des Glaubens die volle Tragweite dieser zwei Wörtchen: „Ich kenne", zu verstehen und sie mit Kraft in unseren 
Seelen zu verwirklichen, und also in dem glückseligen Bewußtsein voranzugehen, daß das Auge Gottes stets auf unserem 
Wandel und auf unseren Wegen ruht! 
„Aber ich habe wider dich, daß du das Weib Jesabel duldest usw." (V. 20). Hier wird die Versammlung, als ein Ganzes, dadurch gekennzeichnet, daß sie das Böse duldet. Es heißt 
nicht mehr, wie früher: „Du kannst Böse nicht ertragen"; 
nein, der Geist des Bösen in der Versammlung wurde jetzt 
völlig und öffentlich gestattet. Das war ein weit höherer Grad 
von Verfall, als bloß die falsche Lehre unter sich zu haben. 
„Du duldest das Weib Jesabel, welche sich eine Prophetin 
nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte". Man duldete ein Weib, das einen erklärten Charakter in der Versammlung besaß: sie nannte sich eine Prophetin. Sie war ohne Zweifel eine falsche Prophetin, aber sie gab vor, in der Versammlung das Wort Gottes zu halten und zu lehren. „Ich gab ihr 
Zeit, auf daß sie Buße täte, und sie will nicht Buße tun". Gott 
geht nicht sogleich mit ihr ins Gericht, sondern Er läßt ihr 
Zeit zur Buße. Er handelt in Geduld mit ihr, aber sie tut keine 
Buße. Gott hat es hier nicht mit den Heiden zu tun — ihnen 
läßt Er das Evangelium predigen, um ihre Seelen für Christum 
zu gewinnen — sondern es ist eine Person, die sich Prophetin 
in der Versammlung nennt und die Knechte Gottes lehrt, 
„Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen"; demgemäß 
handelt Gott mit ihr auf diesem Boden ihres Bekenntnisses. 
141 
Er „gibt ihr Zeit, Buße zu tun, aber sie will nicht Buße tun 
von ihrer Hurerei"; deshalb muß Er das Gericht vollziehen. 
Es heißt hier nicht, was wohl zu beachten ist: „Ich werde 
deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht 
Buße tust" (Kap. 2,5).Jesabel wird durchaus nicht als Leuchter 
anerkannt. 
Es ist hier von zweierlei Gericht die Rede, weil nicht alle 
Kinder Jesabels waren. Der Ausdruck „Hurerei treiben" wird 
in der Schrift häufig gebraucht, um eine Gemeinschaft mit dem 
Bösen, besonders mit dem Götzendienst zu bezeichnen: das 
Volk Gottes gibt sich einem anderen hin als Ihm, Dem es angehört. Zuerst heißt es: „Siehe, ich werfe sie in ein Bett und 
die, welche mit ihr Ehebruch treiben, in große Drangsal, wenn 
sie nicht Buße tun von ihren Werken"; dann: „Und ihre Kinder werde ich mit Tod töten". Es gibt solche, die nicht ihre 
Kinder sind, aber mit ihr im Verkehr stehen und sich willig 
mit dem Bösen verbinden und Gemeinschaft mit ihm haben. 
Diese will ich strafen, sagt der Herr; sie werden die Frucht 
ihrer Wege ernten, „und alle Versammlungen werden erkennen, daß ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht". Ich 
werde untersuchen, wer zufrieden ist, mit dem Strom des 
Bösen abwärts zu schwimmen, und wer in Treue gegen mich 
ausharrt. Die, welche mit Jesabel Ehebruch getrieben haben, 
die sich mit diesem Geiste der falschen Prophezeiung abgegeben haben, „werde ich in große Drangsal werfen, wenn sie 
nicht Buße tun". Ihre Kinder aber, die durch diese falsche Lehre 
ihren christlichen Platz und Namen bekommen haben, wird 
ein völliges Gericht treffen: „ihre Kinder werde ich mit Tod 
töten". Für diese handelt es sich nicht bloß um Drangsal, sondern sie sind die Gegenstände eines vollkommenen Gerichts. 
Nachdem ihnen vergeblich Zeit zur Buße gelassen worden ist, 
wird ein unmittelbares Gericht sie erreichen. 
Wie betrübend, ja, wie überaus betrübend ist es, zu sehen, 
daß Christen sich so oft an solchem Bösen beteiligen! Nehmen 
wir z. B. die Galater. Unter ihnen gab es Heilige, die sich mit 
dem Judentum abgaben und das Gesetz einzuführen trachteten. 
Nicht, als ob sie keine Christen gewesen wären; aber sie verbanden sich mit einer Sache, die Gott ganz und gar verhaßt 
war. Deshalb sagt Paulus zu ihnen: „Ich bin eurethalben in 
142 
Verlegenheit", obschon sein Glaube sie hernach mit ihrem auferstandenen Haupt verbindet, und er, kraft der unfehlbaren 
Gnade Christi und ihrer Vollendung in Ihm, ausrufen kann: 
„Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn". Es ist große Wachsamkeit nötig, da die Seele immer in Gefahr steht, sich mit 
Grundsätzen einzulassen, die Gott völlig haßt. Die Kolosser 
hielten die Verbindung mit Christo, ihrem Haupt, nicht fest; 
sie stellten etwas zwischen das Haupt und die Glieder. Der 
Apostel Paulus war stets in großer Besorgnis, wenn er irgend 
etwas eindringen sah, was die unmittelbare, eigene und persönliche Verbindung der Heiligen mit Christo stören konnte. 
Wenn ein wahrer Christ auf diese Weise Gemeinschaft mit 
dem Bösen macht, muß er in Drangsal kommen, um für Gott 
geläutert zu werden; tut es ein Unbekehrter, gibt es für ihn 
nichts als das Gericht. So wird es auch der christlichen Welt 
unserer Tage ergehen, die sich an dem Verderben des Christentums beteiligt, das in Thyatira durch Jesabel dargestellt ist; 
alle, die nicht Buße tun von ihren Werken, werden einem verzweiflungsvollen Elend übergeben werden. Es ist ein sehr 
ernster, aber wahrer Gedanke, daß jeder, der etwas zwischen 
die Gläubigen und ihr verherrlichtes Haupt stellt, nachdem 
Gott sie gelehrt hat, daß sie eins sind mit Christo, das Christentum tatsächlich verleugnet. Das war die große Wahrheit, 
deren Entfaltung dem Apostel Paulus anvertraut war; es war 
das, was er speziell von dem Herrn empfangen hatte: „Ich bin 
Jesus, den du verfolgst". Deshalb war es für ihn so tief betrübend, wenn sich irgend etwas, mochten es Gesetzeswerke, 
das Priestertum, oder irgend etwas anderes sein, zwischen die 
Seele und Christum stellte und somit die große Wahrheit, die 
er gelernt hatte, verleugnete — die Wahrheit, zu der er bekehrt 
worden war, daß nämlich die Versammlung eins ist mit Christo, 
Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleisch und von Seinen 
Gebeinen. Wenn diese gesegnete Wahrheit in der Einfalt des 
Glaubens festgehalten wird, verleiht sie der Seele Kraft und 
räumt in dem ganzen täglichen Leben des Christen alles hinweg, was sich zwischen seiner Seele und Christo befindet. 
Wäre ich ein Jude, so bedürfte ich etwas auf der Erde und 
hätte eine Mittelsperson nötig zwischen mir und dem Gott, 
von dem ich nur eine dunkle Kenntnis besäße. Ich bin aber 
ein Christ, und deshalb ist alles, was ich nötig habe, im 
143 
Himmel. Ich wiederhole es noch einmal mit allem Nachdruck: 
Bin ich ein Christ, so bin ich mit Christo verbunden, ich bin 
eins mit Ihm; aus diesem Verbunden- und Einssein mit Ihm 
aber folgt, daß nichts, gar nichts zwischen Ihn und mich 
kommen kann, so daß jeder Versuch, etwas zwischen uns 
zu bringen, tatsächlich nichts anderes ist, als eine gänzliche 
Beseitigung des Christentums. Viele Christen würden erschrecken, wenn sie wüßten, wie vieles sie zwischen sich und 
Christum stellen und dadurch tatsächlich ihre Einheit mit 
Christo im Himmel verleugnen. Sobald ich einen Priester auf 
Erden, irgendeinen anderen als Christum im Himmel, zwischen 
mich und Gott stelle, zerstöre ich dadurch mein Vorrecht; 
denn wenn Christus ein Priester ist und ich eins bin mit Ihm, 
so muß auch ich ein Priester sein. Wird aber dieses Priestertum auf der Erde verwirklicht? Nein, sein Platz ist im Himmel. 
Ein irdisches Priestertum verleugnet das Christentum auf 
doppelte Weise. Es macht das System und die Stellung irdisch 
und leugnet unsere Verbindung mit Christo. Wäre ich ein Jude, 
dann würde ich ganz richtig handeln, wenn ich in einen irdischen Tempel ginge; da ich aber ein Christ bin, so muß ich, 
wenn ich mich Gott nahe, im Himmel sein. Vereinigt mit 
Christo, kann ich, obwohl mein Leib auf der Erde ist, hienieden keinen Platz der Anbetung haben. Christus ist von der 
Erde verworfen, und ich bin in Ihm im Himmel. Will ich mich 
nun eines Priesters auf der Erde bedienen, so muß ich den 
Himmel verlassen und herniederkommen. Das Priestertum 
wird an dem Orte ausgeübt, dem es angehört. Ein irdisches 
Priestertum war ganz an seinem Platze, als Gott auf der Erde, 
hinter dem Vorhang und zwischen den Cherubim, thronte. Ein 
himmlisches Priestertum aber findet seine Ausübung in dem 
Himmel. Ja, meine lieben Freunde, wenn unsere Seelen in dem 
Blute Christi gewaschen sind, so findet sich alles, was wir nur 
irgend brauchen, im Himmel. „Euer Leben ist verborgen mit 
dem Christus in Gott"; deshalb geziemte uns notwendigerweise „ein solcher Hoherpriester, der heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von Sündern und höher als die Himmel 
geworden". Möchte der gütige Herr Seiner gesegneten Wahrheit mehr Kraft in unseren Seelen verleihen! Dann werden 
alle Fragen hinsichtlich eines irdischen Priestertums, irdischer 
Satzungen und dergleichen bald verschwinden. Ich muß einen 
144 
wahren Priester im Himmel haben, sonst habe ich keinen 
wahren Christus für meine Seele. 
Werfen wir jetzt einen Blick auf den Charakter, mit dem 
Gott Sich hier bekleidet: „Ich bin es, der Herzen und Nieren 
erforscht". Er sagt gleichsam: Ihr werdet mir nicht entfliehen; 
so annehmlich das Böse auch scheinen mag, und so sehr ihr es 
mit dem Namen des Herrn zu verbinden trachtet, (wie Israel 
einst den Namen Jehovas mit dem goldenen Kalb verband, 
indem es sagte: „Das ist dein Gott, Israel . . . Ein Fest dem 
Jehova ist morgen", 2. Mo 32, 4, 5)! so wird euch dennoch ein 
völliges Gericht erreichen, denn ihr habt meine Heiligen in eine 
niedrigere Stellung gesetzt, als wohin ich sie in Christo gesetzt 
habe, und ihr habt die Wahrheit Gottes durch Götzendienst 
verdorben. 
In Vers 24 und weiterhin wendet der Herr Sich an den treuen 
Überrest, und deshalb sehen wir Ihn in anderer Weise verfahren : „Euch aber sage ich, den übrigen, die in Thyatira sind, 
so viele diese Lehre nicht haben", (Hurerei zu treiben und 
Götzenopfer zu essen) „welche die Tiefen des Satans, wie sie 
sagen, nicht erkannt haben: Ich werfe keine andere Last auf 
euch". Dieses Sichfernhalten vom Bösen, wenn es auch sehr gesegnet ist, ist dennoch nicht das Wachstum der Seele von Kraft 
zu Kraft bis zu dem vollen Wüchse des Christus, sondern: 
„Was ihr habt, haltet fest". Ich werde „ihre Kinder mit Tod 
töten . . . doch ihr, was ihr habt, haltet fest, bis ich komme". 
Es ist Sein Kommen, worauf Er jetzt den Glauben der wenigen 
Getreuen, das Auge ihrer Seelen richtet. Er erwartet nicht, daß 
sie zu dem Standpunkt zurückkehren, von dem die Versammlung abgewichen ist, sondern Er richtet ihren Blick vorwärts 
auf Sein Kommen. Er ist bereit, das Gericht zu vollziehen. 
„Ihre Kinder werde ich mit Tod töten". Ihr dürft deshalb nicht 
erwarten, daß Jesabel zurechtgebracht oder in die Stellung 
eines Leuchters gelangen wird; nein, euer Auge muß auf etwas 
anderem ruhen. Dann wird die Hoffnung eingeführt, jedoch 
nicht in Form jener herrlichen und gesegneten Hoffnung, wie 
sie die Gläubigen im Anfang, z. B. die Thessalonicher, empfingen, von denen gesagt wird, daß sie sich „von den Götzenbildern zu Gott" bekehrt hatten, „dem lebendigen und wahren 
Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwar145 
ten". Die Hoffnung trägt hier einen veränderten Charakter, 
indem sie als die Zuflucht des Getreuen dargestellt wird, weil 
da, wo Gerechtigkeit hätte sein sollen, jetzt der Gesetzlose 
war (Pred 3, 16). „Bis ich komme", das ist der Trost, der inmitten des allgemeinen Verfalls dargeboten wird. Der Herr erkennt wohl die vorhandenen Werke, die Liebe, den Glauben, 
den Dienst und das Ausharren an. Ihr habt nur dieses Wenige 
erlangt; „doch was ihr habt, haltet fest, bis ich komme". Es 
ist etwas ganz anderes, wenn das Kommen des Herrn einigen 
wenigen Getreuen, die sich inmitten des verderbten JesabeJZustandes der Kirche befinden, als ein Trost und eine Befreiung vorgestellt wird, oder wenn dieses Kommen die herrliche 
und gesegnete Hoffnung der Versammlung bildet, die sie aufrecht hält und über das Verderben der Welt erhebt. Es ist aber 
nicht bloß die Tatsache Seines Kommens, es ist die Herrlichkeit 
Dessen, Der kommt, was allein das Verlangen des Herzens 
befriedigen kann. 
In den Versen 26—28 zeigt der Herr die Folgen Seiner Ankunft für die Nationen und für die Versammlung: „Dem will 
ich Gewalt geben über die Nationen". Dies ist ein bemerkenswerter Ausdruck; wir finden nichts derartiges, solange die 
Versammlung noch in ihrer vollen Blüte stand. Da jetzt aber 
die bekennende Kirche in eine Stellung gekommen ist, die für 
den Heiligen eine Gelegenheit zur ernstesten Prüfung wird, 
und ihre Verbindung mit der Welt sie —die bekennende Kirche, 
das, was den Namen Versammlung trägt — zur Mutter von 
Kindern des Verderbens gemacht hat, so empfangen die Getreuen, inmitten von diesem allem, besondere Verheißungen, 
als Stütze für ihre Seelen. Wir wissen aus der Geschichte, wie 
in den finstersten Zeiten Männer des Glaubens sich Bahn 
brechen mußten durch das Böse in der Kirche, wie sie in Gefahr standen, von denen verraten zu werden, die sich selbst 
die Kirche nannten, und wie sehr sie von den regierenden 
Mächten der Erde verfolgt wurden. Die Namenkirche war tatsächlich die verderbenbringende Macht Satans, ausgeübt durch 
die Nationen. So gehen auch hier in Thyatira die Heiligen, 
welche Glauben und Ausharren besitzen, standhaft durch jede 
Schwierigkeit hindurch, mag sie in Jesabel und ihren Kindern, 
die sich die Kirche nennen, bestehen, oder in der Verfolgung 
der Nationen. Der Gegenstand der Verheißung ist die Ver146 
efnigung mit Jesu Selbst, dem glänzenden Morgenstern; und 
wo Glaube an diese Verheißung vorhanden gewesen ist, da 
wird Gewalt verliehen werden über die Nationen. Die Welt, 
die unter der Macht Satans die Prüfung der Heiligen verursachte, wird ihnen unterworfen sein. „Wer überwindet und 
meine Werke bewahrt bis ans Ende (inmitten des Verderbens, 
das noch den Namen und die Verantwortlichkeit einer Kirche 
trägt), dem werde ich Gewalt geben über die Nationen". (In 
Mt 24 finden wir dem Grundsatz nach die gleiche Sache, wiewohl mit Bezug auf eine andere Zeit: „Wer aber ausharrt bis 
ans Ende, dieser wird errettet werden"). „Ich werde ihm den 
Morgenstern geben". So gibt der Herr dem getreuen Überrest, 
während er sich in dieser Lage befindet, das besondere Bewußtsein seiner Verbindung mit Ihm. Die Schwierigkeit seiner Stellung besteht darin, daß alles um ihn her sich zu Jesabel und 
ihrem Verderben wendet, um Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben. Doch auf seine Frage: „Was sollen wir tun?" 
erwidert der Herr: „Folget mir nach — bewahret meine Werke 
bis ans Ende", und dann werdet ihr am Ende mein Teil haben: 
„wie auch ich von meinem Vater empfangen habe". 
In dieser, den Getreuen gemachten Verheißung wird das 
Kommen des Herrn in einem zweifachen Charakter dargestellt. 
Der erste betrifft ihre Stellung der Welt gegenüber: es wird 
ihnen Gewalt gegeben über die Nationen; der zweite ihre 
eigentliche Segnung: der Morgenstern wird ihr Teil. Schon in 
Ps 2, 9 findet sich eine Anspielung auf jenen ersten Charakter. 
Die Versammlung des lebendigen Gottes hätte durch ihren 
Wandel auf dieser Erde die Welt richten sollen; da sie aber 
mit ihr Hurerei getrieben hat, so hat sie keine Macht, sie zu 
richten; deshalb sagt der Herr: „Ich muß richten"; weil es der 
Kirche darin gefehlt hat, die Welt durch einen Wandel der 
Heiligkeit und Abgeschiedenheit zu verurteilen, so muß der 
Herr im Gericht zeigen, was die Welt ist. Wenn auch die Verfolgten sich der Autorität der Welt, als von Gott verordnet, 
unterwarfen, so waren sie doch moralisch von ihr getrennt. 
So groß der Einfluß Jesabels auch sein mochte — sie hielten 
sich mit Abscheu von diesem Verderben fern, und deshalb 
wurde ihnen die Ehre des Märtyrertums zuteil. In den letzten 
Tagen werden sich die Mächte der Welt wider den Gesalbten 
Gottes verbünden, aber dennoch wird Er Seine Herrschaft über 
147 
die Nationen antreten. Und was wird dann der Platz und das 
Teil der Versammlung sein? Christus sitzt jetzt zur Rechten 
Gottes, und der Heilige Geist ist herniedergekommen, um die 
Kirche zu sammeln; und wenn der Herr die Heiligen zu Sich 
genommen hat, wird Er erscheinen und die Welt richten. 
„Habe doch ich meinen König gesalbt auf Zion, meinem 
heiligen Berge! Vom Beschluß will ich erzählen: Jehova hat zu 
mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt". 
Der Name Sohn trägt hier nicht den Charakter des ewigen 
Sohnes des Vaters, sondern der Herr wird betrachtet als in 
der Welt geboren, als der Mensch, der in Herrlichkeit eingesetzt ist, um über die Erde zu herrschen. „Fordere von mir, und 
ich will dir zum Erbteil geben die Nationen". Dies tut Christus 
jetzt nicht; Er bittet jetzt nicht für die Welt. Sobald Er Gott 
in bezug auf die Welt bittet, wird das Gericht der Welt die 
unmittelbare Folge sein. „Mit eisernem Zepter wirst du sie 
zerschmettern". In Johannes 17 sagt Christus: „Nicht für die 
Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast". 
Er schließt die Welt nicht in Seine Bitten ein. Während der 
gegenwärtigen Zeit zerschmettert Er die Nationen nicht, sondern läßt ihnen Sein gesegnetes Evangelium verkündigen, um 
Seelen aus der Welt zu sammeln; und der Heilige Geist ist 
beschäftigt, die Seelen mit Christo zu verbinden und so die 
Versammlung zu bilden. Wenn Er aber einmal um die Nationen bitten wird, dann geschieht es, um sie wie Töpfergefäße 
zu zerschmettern. Das wird das Gericht der Lebendigen sein. 
Deshalb finden wir am Ende des zweiten Psalms ein Wort der 
Warnung: „Und nun, ihr Könige, seid verständig . . . Küsset 
den Sohn, daß er nicht zürne". Denn wenn ihr jetzt dieser 
Aufforderung nicht Folge leistet, die euch in Langmut Gelegenheit zur Buße gibt, so müßt ihr euch einst vor dem Zorn 
des Lammes beugen. „Mir soll sich jedes Knie beugen". 
Wir sehen hier also, was das Teil der Versammlung, als eins 
mit Christo, ist. „Wer überwindet . . . dem werde ich Gewalt 
über die Nationen geben . . . wie auch ich von meinem Vater 
empfangen habe". Und von Christo wird gesagt: „Er wird sie 
weiden mit eiserner Rute". Die Welt muß wieder zurechtgebracht werden; Christus wird kommen und das Gericht über 
148 
sie vollziehen, und die Versammlung wird Ihm darin beigesellt 
sein. Jetzt aber wohnt sie da, wo der Thron Satans ist; das 
Böse umringt sie von allen Seiten, und es ist nicht ihre Sache, 
sich mit der Zurechtbringung des Bösen zu beschäftigen. Deshalb ruft Christus Seinem treuen Überrest gleichsam zu: 
„Fürchtet euch nicht; seid nicht in Unruhe wegen der Verfolgungen, auch nicht wegen des Verderbens Jesabels; dies eine 
aber tut: „Bewahret meine Werke bis ans Ende". Es ist jetzt 
die Zeit der Geduld und der demütigen Treue. Wandelt durch 
die Welt, wie ich inmitten Israels gewandelt habe, und dann 
werde ich euch „Gewalt geben über die Nationen . . . wie auch 
ich von meinem Vater empfangen habe". Die Gewalt wird euer 
Teil sein, sobald ich meine Gewalt übernehmen und regieren 
werde". Das ist der besondere Charakter der Verbindung mit 
Christo in Macht. 
Was sollen wir aber inzwischen tun, um die Welt zurechtzubringen? Nichts; und das kann das Fleisch nicht begreifen. 
Wir sollen uns weder mit dem Toben der Nationen einlassen, 
noch uns um ihre Bündnisse bekümmern, (obwohl wir zu 
gleicher Zeit nicht vergessen dürfen, daß wir den bestehenden 
Gewalten, als von Gott verordnet, Unterwerfung und Gehorsam schuldig sind), noch uns durch das Böse Jesabels verunreinigen, sondern auf Gott harren. „Bewahret meine Werke 
bis ans Ende" und wartet mit Ausharren. Denn wenn Christus 
die Oberhand hat, dann haben auch wir sie. Unsere Interessen 
sind die Seinigen, und Seine Interessen sind unsere; sie sind so 
innig miteinander verbunden, daß sie unmöglich getrennt werden können. Wir lesen in Kol 2, 20: „Wenn ihr mit Christo 
den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr 
euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?" Das will 
sagen: Er ist in Gott verborgen, deshalb sind auch wir es. Sein 
Leben ist unser Leben. „Ihr seid gestorben, und euer Leben 
ist verborgen mit dem Christus in Gott". Er macht Seinen 
Zustand so sehr zu unserem, daß, wenn Er in Gott verborgen 
ist, auch wir es sind. Und wenn von Seiner Erscheinung die 
Rede ist, so heißt es: „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit". Da wir ganz eins sind mit Christo, 
während Er auf dem Thron des Vaters wartet, so sind wir 
berufen, mit Ihm im Geiste hienieden zu warten. 
149 
Im Vorübergehen möchte ich bemerken, daß wir in Psalm 
110 in etwa eine Erklärung der Worte finden: „von jenem 
Tage aber und jener Stunde weiß niemand", weder die Engel 
noch der Sohn. Der Sohn sitzt zur Rechten Gottes und wird 
in prophetischem Sinn als dort wartend betrachtet, nach den 
Worten Jehovas: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine 
Feinde lege zum Schemel deiner Füße". In diesem Sinne nun, 
als prophetischer Diener der geoffenbarten Wahrheit, (und als 
solcher redete Er in Israel, vergl. Hebr 1), kann gesagt werden, 
daß Er weder den Tag, noch die Stunde kannte. Paulus spricht 
in Hebr 10 von Ihm, als „fortan wartend, bis seine Feinde 
gelegt sind zum Schemel seiner Füße", bis zu dem Augenblick, 
wo sie auch zu unseren Füßen liegen werden. In Übereinstimmung damit werden wir in dem Sendschreiben an Philadelphia 
ermahnt, das Wort Seines Ausharrens zu bewahren. Und wenn 
Er wartet, so ist es nicht zu verwundern, daß auch wir zu 
warten haben; und das beste von allem, was wir erwarten, ist 
Er Selbst. Die Vereinigung mit Ihm ist das eigentümliche und 
besondere Teil der Versammlung; die Gewalt über die Nationen ist bloß die Frucht und Folge davon. Er muß richten; für 
uns aber ist Er der „Morgenstern". Das Richten ist gleichsam 
Sein „fremdes Werk". Er ist langsam zum Zorn, aber Er muß 
Gericht ausüben, da Er die Ungerechtigkeit nicht für immer 
ungestört fortschreiten lassen kann. Er steht im Begriff, Seinen 
eigenen Thron in Besitz zu nehmen, und Er kann dies nicht 
tun in Verbindung mit dem Thron Satans und seinem Bösen. 
Deshalb muß Er das Böse beseitigen, Er kann es nicht zulassen. Die antichristliche Macht in der Welt muß niedergeworfen 
werden; denn Er kann Seinen Thron nicht aufrichten und 
zugleich jene Macht bestehen lassen, wie in Ps 94 geschrieben 
steht: „Sollte mit dir vereinigt sein der Thron des Verderbens?" 
Es ist völlig unmöglich. Darum muß Er Sein „fremdes Werk" 
tun; Sein eigentliches Werk aber besteht, sozusagen, darin, 
daß Er in Seinem himmlischen Glanz leuchtet, und unser Teil 
ist es, dort mit Ihm vereinigt zu sein. 
„Ich will ihm den Morgenstern geben". Fragen wir, wer den 
Morgenstern sieht, so ist die Antwort: einer, der wacht, während es Nacht ist. Die Sonne in ihrem Glanz wird von allen 
gesehen werden; aber nur die, welche nicht von der Nacht sind, 
jedoch wissen, daß die moralische Nacht herrscht, diese und 
150 
nur diese sehen den Morgenstern und empfangen ihn als ihr 
Teil. Sie sind nicht Söhne der Nacht, sondern des Tages, und 
deshalb warten sie auf den Anbruch des Tages. Als der Stern 
aufging, welcher Jesum, den geborenen König der Juden, begrüßen sollte, gab es Anna's und Simeon's, die auf den Trost 
Israels warteten. Und die Freunde Anna's in diesen Tagen der 
Finsternis waren solche, die auf die Erlösung in Israel warteten; zu ihnen redete sie von Ihm. So erfüllte sich an ihnen das 
Wort des Propheten Maleachi: „Da unterredeten sich untereinander, die Jehova fürchteten" (Kap. 3, 16). Wir sehen, daß 
sie einander kannten und miteinander im Geiste den Trost von 
dem genossen, was wir in Mal 4, 2 lesen: „Euch, die ihr 
meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln". Sie bildeten ein armes, 
verachtetes Häuflein, nur wenig gekannt und noch weniger 
beachtet; aber sie „warteten" auf die Erlösung in Israel. Sie 
fühlten den Verfall und das Böse um sich her, weil sie ein 
lebendiges Bewußtsein von der Herrlichkeit Gottes und von 
dem Vorrecht hatten, Sein Volk zu sein. Wir finden in ihnen, 
so schwach sie sein mochten, eine herrlichere Kundgebung des 
Glaubens, als selbst in Elias, als er das Feuer vom Himmel 
fallen ließ. Sie stellten nicht den Tempel wieder her, sondern 
unterhielten sich über die Gedanken Gottes. Elias beschäftigte 
sich mit der Wiederherstellung äußerer Dinge, aber für die 
inneren hatte er keinen Glauben*). Er hatte kein rechtes Vertrauen auf die unfehlbare Gnade Gottes dem Überrest gegenüber. Das Gesetz war der Maßstab, nach dem er alles beurteilte; Anna und Simeon dagegen besaßen das Geheimnis Gottes 
in ihren Seelen; denn „das Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun" (Ps 25, 14). Sie wandelten auf dem schmalen und stillen 
Pfad des Glaubens. Sie versuchten nicht, den Tempel wieder-
*) Beachten wir hier den Charakter Christi. Selbst vollkommen unter dem 
Gesetz stehend, ließ Er durch die unermüdliche Geduld Seiner Gnade, und in= 
dem Er alles ertrug, die Stimme des guten Hirten an jedes Schaf der Herde 
gelangen, während der arme Elias, so ergeben er auch war, Feuer vom Himmel 
herniederkommen Heß auf die Widerspenstigen, aber er gelangte nicht zu den 
siebentausend, die Gott kannte. Christus schlug es aus, Feuer vom Himmel 
fallen zu lassen. Er unterzog Sich dem Gericht, während Er das Gesetz hielt, 
u
nd scheute keine Mühe, um die Stimme Jehovas dem ärmsten, schuldigsten 
und verborgensten Glied der Herde nahezubringen. Die Folge — und in der 
Tat auch die Ursache — hiervon ist, daß die Schafe der Herde Ihm angehören, 
und daß Ihm die richterliche Gewalt über alles gegeben ist. 
151 
herzustellen, aber sie redeten zu allen, die auf Erlösung warteten in Israel. Waren sie denn mit dem Zustand der Dinge 
zufrieden? Nein, aber getrennt vom Bösen warteten sie auf 
den Trost Israels, der allein das Böse an seinen Platz setzen 
konnte. So ist es auch in unseren Tagen. Der Christ kann 
Jesabel nicht verändern, noch kann er sich mit den bloßen 
Tempel-Anbetern, den sogenannten religiösen Systemen unserer Zeit, vermengen. Indem er ihr Gericht dem Herrn anheimstellt, enthält er sich jedes gewalttätigen Angriffs auf sie und 
wandelt in stiller Trennung von allem Bösen. Er wacht während der langen, finsteren Nacht der Leiden und wartet mit 
Ausharren auf den Morgenstern des Tages der Herrlichkeit. 
„Dem, der überwindet . . . werde ich den Morgenstern geben"; 
und dieser Morgenstern ist Christus Selbst. In dieser Weise 
wird Er von denen gekannt, die, obwohl sie in der Nacht, doch 
nicht von der Nacht sind; sie sind Kinder des Tages. Der Morgenstern wird verschwinden, bevor die Welt die Sonne sieht, 
bevor die Sonne aufgeht und der Tag anbricht. Doch ehe sie 
aufgeht, ist der Morgenstern da für die, welche während der 
Nacht wachen. Die Welt wird die Sonne sehen, aber der Morgenstern ist, soweit die Welt in Betracht kommt, verschwunden, 
ehe die Sonne erscheint. Ebenso werden auch wir verschwunden 
sein und bei dem Morgenstern weilen, ehe der Tag Christi für 
die Welt anbricht; und wenn Christus offenbar werden wird, 
dann werden auch wir mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit. 
Es gibt drei Stellen, die sich auf diesen Morgenstern beziehen, 
und es ist wichtig, sie etwas naher zu betrachten. In 2. Petri 1 
lesen wir: „Und so besitzen wir das prophetische Wort befestigt, auf welches zu achten ihr wohl tut, als auf eine Lampe, 
welche an einem dunklen Orte leuchtet, bis der Tag anbreche 
und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen". Die Propheten 
in Israel hatten den Tag völligen Segens für die Erde zuvor 
angekündigt: „Stehe auf, leuchte; denn dein Licht ist gekommen" 
(Jes 60, 1). „siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit" 
(Jes 32, 1), und ihr Zeugnis wurde den Jüngern durch die Erscheinung auf dem heiligen Berge bestätigt. Sie prophezeiten 
auch von Ereignissen, die über diese Welt kommen sollten, als 
ein Gericht über alle die Formen ihres widersetzlichen Willens 
und ihrer rebellischen Macht, von Ninive und Babylon, von 
152 
den Tieren, die sich auf der Erde erheben sollten, von Jerusalem und seinem Los, als abgewichen von Gott. Indem auf 
diese Weise das Gericht bestimmt angekündigt war, gab es 
eine warnende Lampe, die inmitten der Finsternis dieser Welt 
ein Licht verbreitete, das diejenigen, die darauf achthatten, 
ermahnte, den Frevel des menschlichen Willens, der das göttliche Gericht herbeiführte, zu meiden. Und sie taten wohl, auf 
dieses prophetische Wort zu achten, bis der Morgenstern in 
ihren Herzen aufging; es war eine Lampe an einem dunklen 
Ort. Der Morgenstern selbst aber war noch etwas weit köstlicheres. 
Die Prophezeiungen sind einfach, und ihre Ermahnungen 
klar. Sie warnen uns vor dem Geist der Welt, deren Gericht 
angekündigt wird. In der Offenbarung (Kap. 16) lesen wir 
von unreinen Geistern, gleich Fröschen, welche zu den Königen 
des ganzen Erdkreises ausgehen, um sie zu versammeln zu 
dem Kriege jenes großen Tages Gottes, des Allmächtigen. Wenn 
wir selbst nicht genau verstehen, wer diese Frösche sind und 
was sie bedeuten, so ist doch der Hauptgedanke der Prophezeiung unzweifelhaft. Es handelt sich nicht um die Macht des 
Guten, denn sie verführen die Könige der Erde zum Kriege 
jenes großen Tages Gottes. Das prophetische Wort ist also 
eine Lampe an einem dunklen Ort, in der Nacht der Geschichte 
dieser Welt, während der Abwesenheit Christi. Der Morgenstern hingegen ist Christus Selbst, wie wir dies aus Offenbarung 22 sehen. Er ist der glänzende Morgenstern. Wenn 
Christus erscheint, wird Er die Sonne der Gerechtigkeit für die 
Welt sein, und dann wird das Gericht beginnen. Die Gesetzlosen werden zertreten werden wie Asche unter den Fußsohlen, 
wie Staub, „an dem Tage, den ich machen werde, spricht Jehova der Heerscharen", und der Tag Jehovas wird sein wie 
Feuer. Der Stern aber erscheint denen, die wachen, ehe die 
Sonne den Blicken der Welt erscheint; denn ebenso wie ich 
durch die prophetische Warnung verstehen kann, daß dieser 
dunkle Ort bald dem Gericht anheimfallen wird, „daß die Nacht 
weit vorgerückt und der Tag nahe ist", so weiß ich auch, daß 
es jetzt Nacht ist, was immer auch die Menschen darüber denken mögen. Was ich brauche, ist der Morgenstern in meinem 
Herzen — die Hoffnung der Ankunft Christi, um die Versammlung zu Sich zu nehmen vor dem Anbruch des Tages; 
153 
denn der Morgenstern wird denen gegeben, die überwinden. 
Ich muß Ihn haben, damit meine Seele erquickt werde während 
der langen und schrecklichen Nacht, die jetzt weit vorgerückt 
und noch dunkler ist als damals, gleichwie die Finsternis der 
Nacht stets zunimmt, bis die Dämmerung eines neuen Tages 
am anderen Ende des Himmels anbricht und der Morgenstern 
dem Auge der wachenden und wartenden Seele aufgeht und 
das Herz durch eine gewisse und sichere Hoffnung erfreut. 
Und was brauchen wir von den Dingen dieses dunklen Ortes, 
dieser Welt, die unter dem Gericht steht, weil sie den Sohn 
Gottes ans Kreuz genagelt hat? Laßt uns doch nicht die Reichtümer, die Ehre und die Macht dieser Welt suchen, über die 
Christus bei Seiner Ankunft das Gericht ausüben wird. Ein 
einziger Strahl der Herrlichkeit Christi wird alle Herrlichkeit 
dieser verunreinigten Welt hinwelken lassen, gleich einem 
herbstlichen Blatt. Möge daher der Herr uns bewahren, daß 
wir uns nicht mit der Welt vermengen, noch Reichtümer aufhäufen. Was wollen wir damit, wenn Christus kommt? Erinnern wir uns, daß der Herr nahe ist! Indessen möchte jemand 
fragen: soll ich mich denn nur deshalb von dieser Welt getrennt halten, weil sie dem Gericht verfallen ist? Gewiß nicht. 
Mein ganzes Teil für Zeit und Ewigkeit ist in Christo, und der 
Morgenstern ist aufgegangen in meinem Herzen. Nicht die 
Furcht, sondern die Liebe soll mich von der Welt trennen. 
Die Ankunft Christi als Morgenstern unterscheidet sich, wie 
wir gesehen haben, von dem Aufgang der Sonne; sobald diese 
über der Welt aufgeht, ist das Gericht da (Jes 2; Mal 4, 1—3). 
Doch außer und vor diesem allem haben wir unser Teil in 
Christo. Wir sind nicht von dieser Welt, sondern wir sind aus 
ihr erlöst und gehören Christo an. Wir werden droben mit 
Ihm vereinigt sein, bevor Er zum Gericht dieser Welt erscheinen 
wird. Die Donner des Gerichts werden uns nicht erreichen 
können, weil wir mit Ihm im Himmel sitzen, von woher die 
Gerichte kommen. In Offb 4 haben wir ein überaus gesegnetes 
und tröstliches Bild von der Stellung der Versammlung. Dort 
sitzen die 24 Ältesten auf ihren Thronen, rings um den Thron, 
aus dem Blitze und Stimmen und Donner hervorgehen, und 
sie bleiben vollkommen ruhig. Ist dies Unempfindlichkeit? 
Keineswegs; denn sobald Gott nach Seinem heiligen Charakter 
154 
erwähnt wird, fallen sie augenblicklich nieder und werfen ihre 
Kronen vor Ihm hin (V. 8—11). Sie zeigen nicht die geringste 
Furcht, wenn die lebendigen Wesen die dreifache Heiligkeit 
dessen verkündigen, der auf dem Throne sitzt; dies ruft vielmehr ihre Anbetung hervor, sie fallen nieder und werfen ihre 
Kronen vor Ihm hin in dem überströmenden Gefühl der Würde 
Dessen, Der auf dem Throne sitzt. 
Christus ist also dieser Morgenstern, und wenn der Tag 
eingebrochen und der Morgenstern in unseren Herzen aufgegangen ist, dann erkennen wir unsere Verbindung mit Christo 
Selbst, innerhalb jenes Ortes, von wo die Gerichte ausgehen. 
Am Ende der Offenbarung finden wir den Stern wieder (Offb 
22, 16). Der Herr führt uns von dem prophetischen Zeugnis 
zu Sich Selbst zurück. „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt". 
„Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, (dieser Titel 
steht in Verbindung mit Ihm, als der Quelle und dem Erbe der 
Verheißung, als König in Zion: „Herrsche inmitten deiner 
Feinde"), der glänzende Morgenstern". Und sobald Er Sich als 
den glänzenden Morgenstern ankündigt, rufen der Geist und 
die Braut: „Komm!" Der Heilige Geist in der Versammlung 
sagt: „Komm!" Diese Antwort steht in Verbindung mit Ihm; 
Seine persönliche Anmeldung verursacht und erweckt die Antwort des Geistes. Gott hat in der Liebe Seines eigenen Herzens 
die Versammlung mit Christo vereinigt, und sobald nun Sein 
Name erwähnt wird, ertönt der Ruf: „Komm!" denn die bloße 
Erwähnung dieses köstlichen Namens berührt eine Saite in 
dem Herzen des Gläubigen, die augenblicklich Antwort gibt. 
Der Herr sagt hier nicht: „Ich komme bald\" Es handelt sich 
an dieser Stelle nicht darum, wann Er kommen wird, sondern, 
daß Er Selbst es ist, Der kommt. Er spricht nicht von Seinem 
Kommen, wie köstlich dieser Gedanke auch sein mag, sondern 
Er offenbart Sich Selbst; und dies erweckt die Antwort des 
Herzens durch die Kraft des Heiligen Geistes. Wir sind für 
Ihn und werden bei Ihm sein; nichts geringeres als das ist 
möglich, denn Er nennt uns „Seinen Leib". Welch ein bewunderungswürdiger, ja mehr als das, welch ein herrlicher Platz! 
Wir sind völlig einsgemacht mit dem Christus Gottes. Keine 
Erklärung des prophetischen Teils der Schrift (wie schön und 
wahr sie auch sein und welchen Nutzen sie haben mag als eine 
feierliche Warnung in bezug auf diese Welt) kann je in einer 
155 
von Gott unterwiesenen Seele den Platz der Kenntnis ihrer 
lebendigen Vereinigung mit einem kommenden Jesus und der 
gegenwärtigen Erwartung Seiner Selbst einnehmen. Die Hoffnung des Heiligen ist keine bloße Auslegung Seiner Ankunft, 
als Lehre. Sie ist keine Prophezeiung, sondern die wahrhaftige, 
gesegnete und heiligende Erwartung einer Seele, die Jesum 
kennt und sich danach sehnt, Ihn zu sehen und bei Ihm zu 
sein. Die Braut allein hört die Stimme des Bräutigams, und der 
Klang Seiner Stimme ruft alsbald den Ausdruck ihres Verlangens nach Seiner Ankunft wach. Er antwortet auf ihren 
Ruf und versichert ihr, daß Er kommen werde. Das ist der 
Schluß der Offenbarung. Er läßt ihr diese Erwartung zurück, 
welcher Art auch die Mitteilungen gewesen sein mögen, die Er 
ihr zuvor in bezug auf das Gericht dieser Welt, zu der sie nicht 
gehört, gemacht hat. Der Herr Jesus wird dargestellt als weggehend und wiederkommend, um Seine Braut zu Sich zu nehmen. Und dann, wenn die Welt sagen wird: „Friede und Sicherheit, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie . . . und 
sie werden nicht entfliehen". 
Paulus schließt das vierte Kapitel seines eisten Briefes an 
die Thessalonicher mit den Worten: „Also werden wir allezeit 
bei dem Herrn sein". Ist das alles? Ja, das ist alles; denn einem 
Herzen, das Ihn lieben gelernt hat, kann nichts Höheres gesagt 
werden. Dann fügt er hinzu: „Was aber die Zeiten und Zeitpunkte betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, daß euch geschrieben werde"*). Ihr seid Kinder des Tages; ihr wartet auf 
diesen Tag. Eine Auslegung hierüber, in Form einer Lehre, 
könnte nie das Herz erreichen. Es ist unmöglich, jemandem 
ein Verhältnis zu erklären; um es zu verstehen, muß er sich 
selbst darin befinden. Eine nicht erneuerte Seele mag in gewisser Beziehung den Sinn der Weissagung verstehen; aber 
nur das Bewußtsein und der Genuß unserer Vereinigung mit 
Christo erweckt das Verlangen nach Seiner persönlichen Ankunft. Und warum das? Weil hierzu die Kenntnis des Verhältnisses notwendig ist. In Offb 22,16 ist das Verhältnis gekannt, 
die Zuneigung ist wachgerufen, und der Geist und die Braut 
antworten alsbald. 
*) Ich zweifle nicht daran, daß Kap. 5 in unmittelbarem Zusammenhang steht 
mit Kapitel 4, 14; die Verse 15—18 des 4. Kapitels bilden eine Einschaltung. 
156 
Ich führe zur Erläuterung des Gesagten ein Beispiel an. Eine 
Frau erwartet ihren Mann. Er klopft an die Tür. Noch kein 
Wort hat er gesprochen, und doch weiß sie schon, wer draußen 
steht. Er ist es, den sie liebt. Die einer Frau natürlichen Gefühle 
und Zuneigungen werden wach, sobald die Saite berührt wird 
durch das, was auf jene einwirkt. Aber das Band muß im 
Herzen, die Liebe muß vorhanden sein, um die Antwort hervorzurufen; die Saite, welche durch die gesegnete Wahrheit 
von der Ankunft Jesu in Bewegung gesetzt wird, muß da sein, 
um durch sie zum Klingen gebracht werden zu können. Durch 
die Kraft des Geistes Gottes ist das Bewußtsein der Einheit 
mit Jesu so stark, daß, sobald in diesem Charakter von Ihm 
die Rede ist, die Saite berührt wird, und ganz naturgemäß der 
Ruf erschallt: „Komm!" Ein bloßes Verständnis, so entwickelt 
es auch sein mag, kann nie diesen Ruf hervorbringen. Welch 
ein Unterschied besteht zwischen der Erwartung des Herrn, 
weil Er mich und Seine Heiligen zu einem Teil von Sich Selbst 
und zu Seiner Braut gemacht hat, und dem Ausschauen nach 
Ihm, als demjenigen, der verlorene Sünder richten wird! Die 
praktische Wirkung dieser Erwartung Jesu ist groß. Sie nimmt 
uns aus der Welt heraus und versetzt uns in den Himmel. 
Wenn meine Liebe zu Ihm wirklich und wahr ist, dann ist 
mein Blick so unverrückt nach oben gerichtet, daß ich nicht 
achthabe auf das, was mich umgibt. Es gibt in dieser Welt 
allerlei Dinge um mich her,Überfluß an Unruhe und Geräusch; 
aber das stört nicht die süße Ruhe meiner Seele, denn nichts 
kann meine unauflösliche Verbindung mit einem kommenden 
Jesus lockern, wie mich auch nichts von der Hoffnung Seiner 
Erwartung trennen sollte. 
Versteht man diese Ankunft des Herrn Jesu für die Versammlung, so bekommen zahlreiche Schriftstellen einen ganz 
anderen Charakter. So z. B. die Psalmen, die von dem Gericht 
über die Gottlosen reden. „Er (der Gerechte) wird seine Füße 
waschen im Blute des Gesetzlosen". Wir sind es nicht, die dies 
sagen. Es ist die Sprache der Juden, ja die Sprache frommer 
Juden, die durch den Stab Seiner Macht, der ihre Feinde schlägt, 
befreit werden, wenn alle Stämme des Landes über Ihn wehklagen. Müssen aber meine Feinde vernichtet werden, damit 
ich zu Christo komme? Gewiß nicht; ich werde sie zurücklassen, um bei Ihm zu sein. Es ist wirklich ein schmerzlicher 
157 
Gedanke, obwohl wir darin das gerechte Urteil Gottes anerkennen müssen, daß ein solches Gericht über alle hereinbrechen 
wird, die Ihn und Seine Gnade verachten. Was aber mich betrifft, so gehe ich geradewegs zu Christo in den Himmel. 
Mein Platz ist in Ihm, während Er in Gott verborgen ist; ich 
stehe in der nächsten und innigsten Verbindung mit Ihm. Ich 
gehöre zur Braut; ich bin ein Glied Seines Leibes; ich bin von 
Seinem Fleisch und von Seinen Gebeinen. Wenn wir diesen 
gesegneten Mittelpunkt, Christum, und mit Ihm Gott Selbst 
erfaßt haben, so bekommt jede Schriftstelle den ihr zugehörenden Platz; und durch den Heiligen Geist erlangen wir ein 
geistliches Verständnis über die Dinge in den Himmeln und 
die Dinge auf der Erde, sowie über unsere Verbindung mit 
den himmlischen Dingen und unsere Abgeschiedenheit von den 
Dingen auf der Erde. Vor allem aber nehmen unsere Herzen 
den ihnen gehörenden Platz ein; denn wenn unsere Blicke auf 
Jesum gerichtet sind, dann warten wir auch auf Ihn. Wenn Er 
geoffenbart werden wird, dann werden auch wir mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit; aber wir werden allezeit bei 
dem Herrn sein. 
Der Herr gebe uns ein solches Verständnis von der Erlösung 
und unserer Stellung in Ihm, daß wir unsere Herzen fest auf 
Ihn richten, damit wir hienieden täglich als solche wandeln, 
die ihren Herrn erwarten, der verheißen hat, zu kommen und 
uns zu Sich zu nehmen, uns, die wir wachen inmitten einer 
Nacht der Finsternis, in dem Bewußtsein, daß es Nacht ist, obschon wir nicht von der Nacht sind, sondern wachen und den 
Tag erwarten, indem der Morgenstern bereits aufgegangen ist 
in unseren Herzen. Der Herr wolle uns bewahren vor den 
Götzen und vor allem, was irgendwie Jesabel gleicht, damit 
wir vorsichtig seien, aus Furcht, Ihn zu betrüben durch irgendeines jener Dinge, die eingedrungen sind, um das zu verderben 
und zu verwüsten, was Er einst so herrlich gepflanzt und bestimmt hatte, zur Offenbarung Seiner Herrlichkeit in dieser 
finsteren und argen Welt zu dienen! 
S a r d e s 
Der Anfang dieses Kapitels ist ganz besonders tröstlich, 
aber zugleich ist er mit dem außerordentlichen Ernst verbunden, der sich in dem Sendschreiben an die Versammlung in 
158 
Sardes kundgibt. Ich kenne nichts Ernsteres, als den Gesichtspunkt, von dem aus der Geist Gottes in diesem Sendschreiben 
die bekennende Kirche hinsichtlich ihres Namens, ihres Charakters und ihrer Verantwortlichkeit in der Welt betrachtet. 
Denn während sich das Schreiben an die Versammlung richtet, 
ist der Punkt, von dem aus sie betrachtet wird, derSohnGottes 
Selbst in Seiner eigenen Fülle der Segnung, und zwar deshalb, 
weil die Versammlung in der Macht der göttlichen Gnade der 
Ausdruck der Natur und der Kraft Dessen sein sollte, Dem sie 
ihr Leben verdankt. Notwendigerweise wendet sich daher das 
Schreiben an die bekennende Kirche, und zwar der Stellung 
gemäß, die sie durch ihr Bekenntnis eingenommen hat. Ich 
finde es immer etwas schwierig, über diesen Gegenstand zu 
reden, weil ich fühle, welche Verantwortlichkeit damit verbunden ist, und ich bitte den Herrn, daß Er allen den Seinigen 
dasselbe Gefühl, ja in einem noch höheren Maße als mir, verleihen möge. Die Versammlung zu Sardes befand sich wirklich in einem sehr ernsten Zustand. Jedoch liegt ein Trost in 
der Fülle und der Vollkommenheit Christi, wie sie hier den 
Bedürfnissen der Versammlung dargereicht werden. Wenn auch 
alles andere fehlen mag, so offenbart Christus nur um so 
mehr jene unveränderliche Fülle, auf die wir bei Ihm stets 
rechnen dürfen. 
Der Charakter, in dem der Herr Sich in den einzelnen Sendschreiben einführt, ist, wie ich schon früher bemerkte, durchgängig dem Zustand der betreffenden Versammlung angepaßt: 
„Dieses sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben 
Sterne". Hier wird nicht, wie in dem Sendschreiben an Ephesus, gesagt: „Der die sieben Sterne in seiner Rechten hält", 
sondern „der die sieben Sterne hat". Und beachten wir wohl, 
daß in der Schrift nie ein Wort weggelassen oder verändert 
wird, ohne daß dies seine volle Bedeutung hätte. Die sieben 
Sterne (die Engel) sind die sinnbildlichen Stellvertreter der 
Versammlungen, hier betrachtet als solche, die unter Ihm, dem 
Haupt der Regierung, einen Charakter der Autorität tragen. 
In dem Sendschreiben an Ephesus hält Christus die ganze 
Autorität in Seiner Hand (indem die Sterne, wie ich soeben 
bemerkte, die sinnbildlichen Stellvertreter dieses ganzen Systems der Autorität sind — dieser tätigen Energie, welche die 
159 
Versammlungen in den Augen Christi kennzeichnet, in Seinem 
Namen in ihrer Mitte wirkt und sie vor Ihm darstellt); deshalb 
finden wir Christum in Ephesus dargestellt als Den, Der inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt, den Zustand 
der Versammlung beurteilend und ihre Stellvertreter in Seiner 
Rechten haltend. Hier in Sardes aber ist Verfall, ja sogar der 
geistliche Tod eingetreten: „Ich kenne deine Werke, daß du 
den Namen hast, daß du lebest, und bist tot". Wir wissen, 
daß der Abfall und der Verfall schon früher in die Versammlung eingedrungen waren. Sardes aber befand sich in einer 
Beziehung in einem noch schlimmeren Zustande als jede andere 
Versammlung vor ihr; denn sie hatte den Namen, daß sie 
lebte, und sie war tot. Es gebrach ihr an der nötigen Lebenskraft; wir haben hier nicht die Macht der Wirksamkeit des 
Bösen, sondern eine moralisch verdorbene Sache. Infolgedessen 
stellt Sich der Herr Sardes gegenüber als Derjenige dar, Der 
für den Glauben über die ganze Fülle des Heiligen Geistes verfügen kann, „der die sieben Geister Gottes hat". Zugleich 
stehen Ihm auch die sieben Sterne, d. h. die ganze Macht in 
der Versammlung, zur Verfügung, indem die Zahl sieben das 
Symbol der Vollkommenheit ist. 
Worin auch die Versammlung gefehlt hat und wie sehr sie 
sich mit der Welt verbunden haben mag, dennoch bleibt es 
immer wahr, daß die volle göttliche Allgenugsamkeit des 
Heiligen Geistes in all Seinen Eigenschaften ihr Teil ist, und 
zwar unter Ihm, Der das Haupt der Versammlung ist, Der für 
sie sorgt, sie liebt und über sie wacht, so daß einerseits die 
Versammlung ohne Entschuldigung dasteht und andererseits 
der Heilige, der Glauben hat, eine Zufluchtsstätte hat. Sobald 
aber, wie in Sardes, ein gänzlicher Verfall eingetreten ist, sobald die Heiligen Gottes nicht nur durch die falsche Lehre des 
Balaam verführt werden, sondern auch Jesabel in der Versammlung eine Heimat gefunden und Kinder geboren hat, 
sobald sich, mit einem Wort, das Böse völlig entwickelt hat, 
eröffnet sich ein neuer Schauplatz, ein Zustand des Todes, 
obwohl die ganze geistliche Energie und die gebietende Kraft 
hier in Christo Selbst, mit Dem sie es zu tun hat, vorhanden 
sind. Und so sehr auch die Tatsache, daß diese Dinge stets in 
Christo sind, die bekennende Kirche verurteilen mag, so wird 
160 
doch die köstliche Wahrheit, daß damals sowohl wie immer 
alle Macht in Verbindung mit dem Heiligen Geist in Christo 
ist, zum Trost und zum Segen des treuen „Überwinders" vorgestellt. Dies ist seine Stütze inmitten des überströmenden 
Bösen. 
Der Herr „kennt alles", in welcher Weise das Böse auch 
eingedrungen sein mag, sei es in der Jesabel- oder in der Balaam-Form. Selbst wenn der Tod seinen Stempel auf die bekennende Kirche gedrückt hat, so sagt Christus dennoch: Ich 
habe „die sieben Geister Gottes", und niemand kann dies antasten. Mag deshalb auch alles verkehrt gehen, so finden wir 
dennoch, daß Er noch alles besitzt, was zur vollen Segnung der 
Versammlung nötig ist. Er hat die „sieben Geister Gottes". 
Hieran haben weder die Fehltritte des Menschen, noch die 
Bosheit Satans das Geringste zu ändern vermocht. 
Auch in Offb 4, 5 und 5, 6 werden die sieben Geister Gottes 
erwähnt. Da ist die Rede von „sieben Feuerfackeln, brennend 
vor dem Throne", von „sieben Hörnern und sieben Augen, 
welche die sieben Geister Gottes sind". Sie sind der Ausdruck 
der mannigfaltigen Macht und Weisheit Gottes. Wenn der 
Herr Sich deshalb der Versammlung vorstellt als Der, Welcher 
die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat, so ist es, 
als ob Er sagte: „Alles ist vorhanden, was das Gute hervorbringen und sichern kann, und ich habe es in meiner Hut". In 
Thyatira war Er genötigt, die Getreuen zu lehren, auf Sein 
Kommen hinzublicken, als auf den einzigen Zufluchtsort für 
sie inmitten des Bösen; und diese Hoffnung wird als der 
glänzende Morgenstern eingeführt, um die Seele inmitten der 
sie umgebenden Finsternis zu erleuchten. In der Versammlung 
zu Sardes, die den Namen hatte, daß sie lebe, aber tot war, 
tröstet Er die Getreuen mit der Versicherung, daß die wahre 
Quelle aller Kraft in keiner Weise abgenommen habe. Wenn 
jede äußere Stütze verschwunden ist, so bleibt Er doch Derselbe, und das will Er jetzt der Versammlung kundtun, um 
die wenigen Getreuen dadurch aufrechtzuhalten und zu unterstützen; aber Er wirkt kein Wunder zu ihrer Errettung. So 
geschah auch, als Israel das goldene Kalb machte, kein Wunder, 
um ihrem Fall entgegenzutreten; aber es war geistliche Kraft 
in Mose vorhanden, als er das Zelt außerhalb des Lagers auf161 
schlug. Ebenso weissagten die Propheten in Juda, aber sie 
wirkten keine Wunder, ausgenommen als der Sonnenzeiger 
Ahas', als ein besonderes Zeichen für Hiskia, um zehn Grade 
rückwärts ging. Sie legten Zeugnis ab, um den Menschen zu 
der allgemein anerkannten Wahrheit in einem göttlich errichteten System zurückzuführen und die Herzen der Getreuen zu 
trösten. Als sich aber das ganze Volk Israel unter Jerobeam 
öffentlich von Gott getrennt hatte und schließlich der Baalsdienst eingeführt wurde, da tat Gott Wunder durch die Hand 
Seiner Knechte Elia und Elisa. So sandte Gott in Seiner Gnade 
und Barmherzigkeit Juda zunächst ein Zeugnis nach dem anderen, aber keine Wunder; sobald aber der offenbare Abfall eingetreten war, mußte Er Seine Macht zeigen, um zu beweisen, 
daß Er Jehova war, im Gegensatz zu Baal; und Juda leugnete 
dies nicht. Taten der Macht inmitten solcher, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen, würden sie nur noch mehr 
verderben; aber die Macht als Zeugnis für diejenigen angewendet, die völlig abgewichen sind, ist ein Zeichen der geduldigen Güte Gottes. Dies ist ein wichtiger Grundsatz in den 
Wegen Gottes; und auf diesen Grundsatz möchte ich aufmerksam machen, nicht so sehr auf die Wunder, die geschahen*). 
Dieser wichtige praktische Grundsatz ist festgestellt worden, 
damit wir allezeit auf Gott rechnen dürfen, so groß auch der 
Verfall sein mag. Freilich werden wir stets ein Gefühl über 
den Verfall haben, ja, wir sollten ihn tief fühlen; dennoch 
dürfen wir diesem Gefühl über die Sünde des Menschen nie 
gestatten, das Auge des Glaubens in bezug auf das Bewußtsein von der Macht Christi zu verdunkeln. Unser Auge sollte 
sich vielmehr um so entschiedener und bestimmter auf das 
richten, was nie fehlen kann. Auf diese Weise können wir mit 
Ruhe auf den Verfall der Kirche blicken, weil wir ihn von dem 
Ruheplatz aus betrachten, den wir in der Liebe gefunden 
haben, die nie fehlen kann, obwohl wir den Verfall immer tief 
fühlen und darüber betrübt sein sollten, weil er den Herrn 
verunehrt. 
*) Moses hat Wunder getan zum Beweise seiner Sendung, als in Israel noch 
keine göttliche Einrichtung vorhanden war. Doch dies ist hier nicht unser Ge= 
genstand; der Grundsatz aber ist derselbe. Die jüdischen Propheten beriefen 
sich auf die bestehende Einrichtung. 
162 
Nehmen wir als Beispiel den Apostel Paulus. Wie hoch erhebt er sich über die traurige Stellung der Korinther und Galater, sobald er zu der Quelle des Vertrauens in dem Herrn 
seine Zuflucht nimmt! Wie anstößig wandelten die Korinther, 
als Paulus an sie schrieb! Es war „eine solche Hurerei unter 
ihnen, die selbst unter den Nationen nicht stattfand". Er mußte 
sie dieserhalb ernstlich zurechtweisen; aber er blickte über 
ihren gegenwärtigen Zustand hinaus zu der Quelle ihres Lebens 
und ihrer Hoffnung hin; und deshalb konnte er, ehe er das 
Böse in ihrer Mitte berührte, zu ihnen sagen: „Ich danke 
meinem Gott allezeit eurethalben . . . welcher euch auch befestigen wird bis ans Ende, daß ihr untadelig seid an dem Tage 
unseres Herrn Jesus Christus"; denn „Gott ist treu, durch 
welchen ihr berufen seid in die Gemeinschaft seines Sohnes 
Jesus Christus, unseres Herrn". Ähnlich schreibt Paulus an die 
Galater. Wohl muß er ihnen sagen: „ich bin eurethalben in 
Verlegenheit". Sie hatten sich unter das Gesetz gestellt, und 
deshalb fragt Paulus, ob er seine Stimme umwandeln müsse, 
und wünscht zu wissen, wie er mit ihnen reden solle. Sie hatten 
den christlichen Boden der Gnade verlassen, und darum mußte 
auch er seine Sprache verändern und mit ihnen dem Gesetz 
gemäß reden. Sobald er sich aber zu Christo erhebt, gelangt 
sein Herz zu der Quelle des Vertrauens, nicht des Vertrauens 
auf sie, sondern auf den Herrn in bezug auf sie, und sogleich 
kann er sagen: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn, daß ihr 
nicht anders gesinnt sein werdet". Der richtige Zustand unserer Seelen besteht darin, daß wir alles, was in Christo ist, und 
folglich alles, was die Versammlung für Christum sein sollte, 
nach seinem wahren Werte kennen und schätzen. Auf diese 
Weise werden wir, nach dem Maße dessen, was wir in Christo 
sehen, ein tieferes Gefühl von dem Verfall der Kirche haben, 
welche die getreue und fruchttragende Zeugin Christi sein 
sollte, und zugleich wird das Bewußtsein des Verfalls unser 
Vertrauen auf den Herrn Jesum nicht verringern, sondern vermehren. Dies ist es, was den Heiligen durch alles hindurch 
standhaft und ruhig erhalten wird, weil sein Vertrauen nicht 
darauf beruht, was die Versammlung für Christum sein sollte, 
sondern auf dem, was Christus für sie ist. 
In der Art und Weise, wie der Herr das Sendschreiben an 
Sardes beginnt, strahlt daher Seine Güte herrlich hervor. Ehe 
163 
Er ihren schrecklichen Zustand berührt, stellt Er Sich zunächst 
als Derjenige vor, Der auch jetzt noch die volle Macht des 
Geistes für den Glauben besitzt, so daß, trotz des Verfalls und 
des eingedrungenen Bösen, die überschwengliche Kraft des 
Geistes noch immer dieselbe ist; denn sie ist nicht abhängig 
von dem Wandel des Heiligen hienieden, sondern von dem 
Wert des Werkes Christi droben. Gleichwie Gott vormals durch 
den Mund des Propheten Haggai zu Israel sprach, als es gefallen war: „Das Wort, welches ich mit euch eingegangen bin, 
als ihr aus Ägypten zöget, und mein Geist bestehen in eurer 
Mitte: fürchtet euch nicht", so auch hier: „Dies sagt, der die 
sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne". Erst nachdem Er dies gesagt hat, nimmt Er Kenntnis von dem Zustand 
der Versammlung: „Ich kenne deine Werke, daß du den Namen 
hast, daß du lebest, und bist tot". Welch ein schrecklicher Zustand! In diesen Worten erblicken wir ein getreues Bild von 
dem, was wir rings um uns her sehen, ich meine jedoch nicht 
nur des Zustandes der Kirche von heute, sondern auch während des letzten Jahrhunderts und noch weiter zurück. 
In Sardes wird die Versammlung nicht betrachtet als eine, 
die ihre erste Liebe verlassen hat wie in Ephesus, obwohl dies 
der Anfang von allem war, was seitdem erfolgt ist; auch nicht, 
wie in Smyrna, als leidend unter der Verfolgung Satans, der 
die Gewalt der Welt hat; noch wie in Pergamus, wo sie da 
wohnt, wo der Thron des Satans ist, und solche unter sich hat, 
welche die Lehre das Balaam und der Nikolaiten festhalten; 
auch nicht wie in Thyatira, wo der Prophetin Jesabel erlaubt 
wird, zu lehren und „meine Knechte zu verführen, Hurerei zu 
treiben und Götzenopfer zu essen". Auch ist sie noch nicht zu 
dem Zustand der Versammlung in Laodicäa gelangt, die auf 
dem Punkt steht, ausgespien zu werden, noch ist sie, wie 
Israel, die offenbare und unzweideutige Anbeterin Baals geworden. Nein, die Gnade hat noch ein Werk zu tun, und deshalb sehen wir sie hier und da wirksam. Die Versammlung in 
Sardes hatte sich von schlechter Lehre und der tätigen Unterweisung im Verderben freigemacht; ihr Übel war mehr negativer Art, eine tote Form ohne lebendige Kraft. Freilich hatte 
sie einen großen Namen, nämlich, daß sie lebe. Sie besaß 
äußerliche Wahrheit, aber sie war tot, ohne lebendige Kraft. 
164 
Sie trug ein gewisses äußerliches Bekenntnis und den Schein 
des Christentums zur Schau; aber ach! obwohl sie den Namen 
hatte, daß sie lebe, war sie doch ohne Kraft des Lebens. Man 
bekannte sich zu dem Namen und zu der Lehre des Christentums, aber Christus Selbst war nicht da. Betrachten wir die 
sogenannte Orthodoxie; wie sie jetzt ist und seit langer Zeit 
bestanden hat, gleicht sie nicht ganz und gar diesem Zustand? 
Befreit von Jesabel, ist sie zu einem toten Körper geworden. 
Wir müssen uns jedoch wieder daran erinnern, daß in diesen 
Sendschreiben nichts von dem, was dem Gericht anheimfällt, 
in irgendwelcher Verbindung steht mit der wirksamen Energie 
des Heiligen Geistes. Die Sache, die gerichtet wird, ist der Gebrauchter von den Gnadenerweisungen und Gaben des Geistes 
gemacht worden ist. 
In dem großen Werk der Reformation sehen wir eine treffende Darstellung dieser Wahrheit. Es gab in diesem Werke, 
was die Energie betrifft, die es hervorbrachte, unzweifelhaft 
ein Werk des Geistes Gottes, und mit Freuden entdecken wir 
das, was Gott getan hat und nicht, was Er richten wird. Die 
Schwierigkeit, in die man leicht gerät, rührt daher, daß man 
diesen Unterschied nicht macht. Man könnte nun die Frage 
stellen: Wo ist die Frucht, die infolge der Vorrechte, die durch 
die Reformation gebracht und so lange genossen worden sind, 
hätte zum Vorschein kommen sollen? Gott zündet nicht ein 
Licht an, um es unter den Scheffel zu stellen; sein Platz ist 
auf dem Lampengestell, und dann leuchtet es allen, die im 
Hause sind. Hernach sieht Gott, ob das Licht, das Er gegeben 
hat, auch leuchtet. In den Schreiben an die Versammlung ist 
von einem guten oder von einem schlechten Zustand die Rede; 
nie aber wird der gute Zustand erwähnt in Verbindung mit 
dem Heiligen Geiste, als Dem, Der ihn hervorbringt. 
„Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem 
Gott". Die Versammlung war in der ganzen Vollkommenheit 
dessen, was in Christo für sie war, errichtet worden, und deshalb forscht der Herr nach dem, was dieser Vollkommenheit, 
in welche sie ursprünglich eingesetzt war, entspricht. Auf diese 
Weise stellt Er Sich als Derjenige dar, Der diese ganze Vollkommenheit in geistlicher Macht und Energie besitzt, und 
sucht das, was ihr entspricht. Man möchte fragen: Ist es nicht 
165 
befremdend, daß ihre Werke als „nicht völlig" bezeichnet werden, während zugleich von ihnen selbst gesagt wird, daß sie 
„tot" sind? Keineswegs; denn der Herr kann nie Seinen Maßstab erniedrigen, wenn es sich um das Böse handelt, mag es 
sich in der Versammlung oder in einem einzelnen vorfinden. 
Er muß die Versammlung nach den Hilfsquellen richten, die 
sie zu ihrer Verfügung hat. Gott kann nie einen geringeren 
Maßstab anlegen, wenn es sich um die Frucht dessen handelt, 
was Er getan hat. Deshalb haben wir uns zu fragen, ob wir, 
als einzelne Personen, vor der Welt die Heiligkeit darstellen, 
deren wir teilhaftig geworden sind, sowie die Liebe, deren 
Gegenstände wir sind? Es gibt sehr viele, die Christum bekennen, verhältnismäßig aber nur wenige, die für Ihn leben. 
Der Herr legt der Versammlung zu Sardes weder Balaam, noch 
seine verderbte Lehre — „Götzenopfer zu essen und Hurerei 
zu treiben" — zur Last, noch beschuldigt Er sie, Jesabel in ihrer 
Mitte zu haben. Er forscht vielmehr danach, ob Leben da ist. 
Er sucht vollkommene Werke, die dem Maße der Gnade entsprechen, mit der Er die Versammlung in Verbindung gebracht 
hat. 
Wenn wir nun auf uns blicken, geliebte Freunde, was können wir dann sagen? Es handelt sich nicht darum, ob wir überhaupt Frucht bringen, sondern ob die Früchte, die hervorgebracht werden, für Den passend sind, Der den Boden bearbeitet 
hat. Wenn ein Acker, den ich bestellt und mit Weizen besät 
habe, keine Früchte hervorbringt, die der darauf verwendeten 
Arbeit entsprechen, dann gebe ich ihn auf und besäe ihn nicht 
mehr. Ich spreche hier nicht von der Errettung einer Seele, sondern von dem Urteil des Herrn über das, was in den Heiligen, 
in solchen, die schon errettet sind, zum Vorschein kommt. Es 
ist wahr, daß Gott die Früchte eines jeden Grundsatzes Seiner 
Gnade vollkommen hervorbringen wird, sobald Christus Seine 
Macht annimmt; aber vorher vertraut Er dies dem Menschen 
an. Er gab den Kindern Israel das Gesetz, in dessen Beobachtung sie gänzlich fehlten; Christus aber sagt: „In meinem 
Herzen habe ich dein Wort verwahrt". So wird auch Gott in 
den letzten Tagen das Gesetz in das Herz Israels schreiben. 
Jetzt ist Israel „zum Sprichwort und zur Spottrede unter allen 
Völkern", weil es untreu gewesen ist; aber am Tage der Macht 
Christi, wenn Gott die Frucht in Vollkommenheit und in Fülle 
166 
hervorbringen wird, dann wird Israel ^blühen und knospen; 
und sie werden mit Früchten füllen die Fläche des Erdkreises". 
Ebenso ist es mit der Regierung. Sie wurde in die Hand des 
Menschen gelegt. Die Macht wurde Nebukadnezar anvertraut, 
und wir wissen, was daraus geworden ist. Indessen wird die 
Regierung in Vollkommenheit aufgerichtet werden, wenn „das 
Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus gekommen 
ist". In ähnlicher Weise wurde auch die Versammlung Gottes 
auf der Erde errichtet, als vollendet in Christo, um die Herrlichkeit ihres abwesenden Hauptes im Himmel zu offenbaren, 
und es wurde ihr die Macht des Heiligen Geistes verliehen. Sie 
war die Behausung Gottes im Geiste. Aber ach! wie schrecklich 
hat sie gefehlt! Was Gott jetzt sucht, sind die Früchte der 
Gnade, als ein Zeugnis und ein Beweis von der Gnade, die sie 
von Ihm empfangen hat. Doch wenn Christus „kommen wird, 
verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in 
allen denen, die geglaubt haben", dann wird auch die Versammlung in Herrlichkeit geoffenbart werden, und die Welt 
wird erkennen, daß sie geliebt worden ist mit derselben Liebe, 
mit der Christus geliebt war. Jetzt aber handelt es sich um 
Verantwortlichkeit, und zwar, wenn die Versammlung ihren 
Platz verläßt, um persönliche Verantwortlichkeit. Es wird dahin 
kommen, daß die bekennende Kirche aus dem Munde Christi 
ausgespien wird. Aber ich wiederhole noch einmal, daß es sich 
hierbei nicht um die Errettung, sondern um das Bekenntnis 
vor der Welt handelt. 
Am Tage der Pfingsten wurde der Heilige Geist gegeben, 
um gewisse Wirkungen hervorzubringen, und die angemessenen Früchte kamen hervor. In der gegenwärtigen Zeit ist nun 
die Frage: Bringt die Kirche oder Versammlung Gottes Früchte 
für Gott, die der Kraft des ihr anvertrauten Zeugnisses entsprechen? Nein, als Körper betrachtet, ist dies nicht der Fall. 
Dann wird es eine Frage persönlicher Verantwortlichkeit: „Wer 
ein Ohr hat, höre"; und dies legt einem jeden von uns die 
Frage nahe: Inwieweit geben wir persönlich der Gnade Gottes 
Zeugnis? Ich meine nicht ein Zeugnis, das in Übereinstimmung 
ist mit der ersten Fülle der öffentlichen Macht, wie sie sich im 
Anfang in der Versammlung kundgab, sondern ein Zeugnis, 
das das Maß dessen erreicht, was wir persönlich empfangen 
haben. Denn nach diesem Maße handelt Gott jetzt in prak167 
tischer Beziehung mit der Versammlung, und hierfür ist die 
Gnade Christi immer hinreichend. Wenn diese Frage zwischen 
der Seele und Gott verhandelt wird, so werden wir sicher bekennen müssen, daß das persönlich empfangene Maß der 
Gnade nicht von uns erreicht wird. Wohl mögen wir mit Eifer 
für einen Namen streiten; aber vor Gott ist die Frage, ob sich 
bei uns Kraft und die vollkommenen Früchte der Gnade nach 
dem Maße dessen vorfinden, was wir empfangen haben. Es 
ist eine schreckliche Sache, sich auf einen religiösen Ruf zu 
stützen, während die Werke vor Gott nicht völlig erfunden 
werden. 
Möge der Herr uns alle davor bewahren! Unter allen den 
schrecklichen Dingen, die einem Heiligen Gottes begegnen 
können, ist es eins der schlimmsten, wenn er auf einen religiösen Ruf vertraut; und dies ist ganz besonders bei jemandem 
der Fall, der sich mit dem Dienst beschäftigt. Wie oft haben 
wir gesehen, daß ein solcher mit Hingebung und großem Fleiß 
arbeitete und in seinen Arbeiten gesegnet war, indem er andere 
wirklich zu Christo führte, daß er aber auf diese Weise einen 
Kreis um sich sammelte! Das Ich war auf dem Schauplatz, und 
so erhielt er den „Namen, daß er lebe", indem er sich mit dem 
Kreis zufriedengab, den er gebildet hatte, und so in den hervorgebrachten Früchten ruhte, anstatt in Ihm, Der allein die 
Macht des Lebens ist. Auf diese Weise hörte seine Brauchbarkeit auf, und er selbst verfehlte das Ziel. Wie ganz anders war 
der Pfad des Herrn hienieden! Mit jedem Schritt, den Er tat, 
verlor Er den Beifall derer, die Ihn umringten; denn Er wandelte mit Seinem Vater, und der Lichtglanz Seines Wandels 
strahlte je länger je heller, bis zuletzt die Menschen den Glanz 
des wahrhaftigen Lichtes nicht mehr zu ertragen vermochten 
und ihn, so weit es sie betraf, am Kreuze vernichteten. Alle, 
die den Herrn umgaben, kannten nicht das Maß Seiner Gemeinschaft mit dem Vater und konnten sich ganz und gar 
nicht dazu erheben. Selbst Seine Jünger blieben weit hinter 
dem zurück, was ihr Charakter als Jünger erforderte; auch sie 
verließen Ihn, wie Er gesagt hatte: „Siehe, es kommt die 
Stunde . . . daß ihr zerstreut sein werdet, ein jeder in das 
Seinige, und mich allein lassen werdet; und ich bin nicht allein, 
denn der Vater ist bei mir". So sehen wir unseren hochgelobten Herrn in der Achtung der Menschen immer tiefer und 
168 
tiefer herabsteigen, bis sie Ihn endlich zum Tode verurteilten, 
ja „zum Tode am Kreuze". 
Wenden wir uns jetzt einen Augenblick zu Paulus. Welch 
eine geistliche Energie des Glaubens war in ihm vorhanden! 
Er wandelte mit Gott in Kraft; die aber, die um ihn her waren, 
konnten sich nicht bis zu der Höhe erheben, die er erreicht 
hatte, und darum mußte er, indem er vorwärts eilte, notwendigerweise die anderen hinter sich zurücklassen. Sein Pfad 
wurde immer einsamer, und am Ende seiner Laufbahn mußte 
er sagen: „Alle, die in Asien sind, haben sich von mir abgewandt"; und: „Alle verließen mich . . . der Herr aber stand 
mir bei". Unter allen, die Paulus gesammelt hatte, hören wir 
nur von einem einzigen, der ihn im Gefängnis besuchte. Der 
Apostel bewahrte völlige Energie, in deren Kraft er mit Gott 
vorwärts wandelte, während andere Rückschritte machten, von 
denen er sagt, „daß sie die Feinde des Kreuzes Christi sind . . . 
die auf das Irdische sinnen". Und wenn auch andere nicht so 
weit abwichen, so hielten sie doch den Standpunkt des Glaubens nicht aufrecht; sie verloren ihr himmlisches Bürgerrecht 
aus den Augen, sie suchten mehr das Ihrige als das, was Christi 
Jesu ist. 
Der Grad unserer Absonderung von dem, was in dieser Welt 
ist, steht im Verhältnis zu dem Maß der verborgenen Gemeinschaft in unserem Wandel mit Gott, in dem, was stündlich 
zwischen unserer Seele und Gott vorgeht. Ganz besonders 
haben wir unser Augenmerk darauf zu richten, daß alle unsere 
Werke vollkommen sind vor Gott, daß alles, was wir tun, 
gemessen wird nach dessen unmittelbarer Beziehung zu Gott. 
Dies muß notwendig einen gewissen Grad von Absonderung 
hervorbringen. Mit Christo war es so; Er war immer niedrig 
und immer vereinsamt, und doch voll Liebe gegen alle, vollkommen in Seiner Güte gegen jede bedürftige Seele, wie auch 
gegen Seine Jünger. Es tut nichts zur Sache, ob wir in der 
Achtung anderer sinken, dies wird eine notwendige Folge der 
Treue sein. Das Gegenteil davon ist, obwohl ein großer Schein 
vor der Welt da sein mag, gerade dies: „Du hast den Namen, 
daß du lebest, und bist tot" . . . „denn ich habe deine Werke 
nicht völlig erfunden vor meinem Gott". Die Werke sind mit 
Rücksicht auf den Menschen und nicht im Blick auf Gott getan. 
169 
Zu gleicher Zeit ist es ganz nötig, mit den Heiligen zu wandeln und die Gefühle der Liebe zu nähren und zu pflegen, 
obgleich, je treuer der persönliche Wandel eines Gläubigen ist, 
um so völliger auch die Absonderung sein muß, weil die, welche 
ihn verstehen, gering an Zahl sein werden. Dennoch wird, je 
näher wir Christo sind, eine um so größere Gnade gegen andere 
in uns sein; so wie Er gesagt hat: „Dies ist mein Gebot, daß ihr 
einander liebet, gleichwie ich euch geliebt habe". Wenn wir nahe 
mit Gott wandeln, werden wir ein bleibendes Gefühl von 
Seiner Gunst haben; aber dann muß diese persönliche Abhängigkeit von Gott zur Absonderung führen. Unser Pfad wird 
ein einsamer sein, wie der Pfad Christi es allezeit war. Bei all 
Seiner Gnade und Demut, womit Er allen das Ohr lieh, allen 
diente, ja sogar die Füße der Jünger wusch, wurde Er allein 
gelassen; doch Er war nicht verlassen von Gott, wie Er auch 
sagt: „Der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht 
allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue". 
Richten wir jetzt unseren Blick auf die Folgen der Werke, 
die nicht völlig erfunden werden vor Gott. Das ist gerade der 
Punkt, der in der hier gegebenen Warnung von so großem 
Ernst ist: „Gedenke nun, wie du empfangen und gehört hast, 
und bewahre es und tue Buße". Beachten wir die beiden Worte: 
„empfangen und gehört". Zunächst hat die Versammlung die 
Gnade empfangen und ist in sie eingesetzt worden; und dann 
besitzt sie das geoffenbarte Wort Gottes als ihre Richtschnur 
und ihren Führer. Die Gnade ist empfangen und das Wort 
mitgeteilt worden. Wir werden nicht ermahnt, das zu bedenken, was wir nicht empfangen haben, sondern das, was wir 
empfangen haben. Der Herr stellt in diesen beiden Punkten 
das Maß der Verantwortlichkeit vor, das, was die Versammlung oder Kirche empfangen hat, in das sie gesetzt worden ist, 
und das, was sie gehört hat. Gott gibt uns Sein Wort, um uns 
zu leiten, und Gnade, um dem Wort gemäß zu wandeln. 
„Wenn du nun nicht wachen wirst, so werde ich über dich 
kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche 
Stunde ich über dich kommen werde". Nun aber ist es eine 
sehr lästige und ermüdende Sache, zu wachen, denn wir haben 
auch über uns selbst zu wachen, da wir anders bald in den 
Schlaf fallen werden. Das Herz wird müde, wenn es beständig 
170 
auf alles, was vorgeht, ein wachsames Auge haben soll. Es ist 
unmöglich für uns, zu wachen, wenn wir uns nicht nahe bei 
Christo halten, wenn wir nicht das Bewußtsein haben, daß Er 
über uns wacht und Sich um uns kümmert. In unserem Dienst 
haben wir besonders nötig, wachsam zu sein. Unser ganzer 
Dienst sollte tatsächlich, als eine Sache des persönlichen Glaubens, mit Gott in Verbindung stehen. Er mag Prüfungen und 
Schwierigkeiten mit sich bringen; das Gebüsch mag sehr dicht 
sein, aber der Gegenstand auf der anderen Seite sollte hell 
und klar vor unserem Auge stehen. Es ist stets Gefahr für uns 
da, jene Klarheit des Urteils zu verlieren, die wir haben werden, wenn wir uns nahe bei Christo halten. Beurteilen wir 
irgendeine Prüfung in der Gegenwart Christi, so scheint der 
Ausgang leicht; sobald wir uns aber in der Prüfung selbst 
befinden, sehen wir ihn nicht mehr so klar. Wenn wir, um 
ein Beispiel anzuführen, im Begriff sind, in ein Tal hinabzusteigen, so sehen wir unser Ziel auf der anderen Seite und die 
Richtung, die wir einzuschlagen haben, ganz deutlich; sind wir 
aber einmal in dem Dickicht des Tales angekommen, so ist es 
nicht so leicht, bei den vielen Einzelheiten des Weges den richtigen Pfad zu unterscheiden. Wie leicht geschieht es, daß wir 
in den zerstreuenden und ermüdenden Umständen der Prüfung 
die Klarheit des Verständnisses verlieren, die wir besaßen, als 
wir sie in der Gegenwart Christi beurteilten. Keiner von uns 
wird leugnen, daß es sehr schwierig ist, in dem Dickicht des 
Tales so klar zu sehen, wie auf den Höhen mit Christo. Unser 
Auge muß einfältig sein, um den Willen Gottes zu tun; und 
je demütiger wir sind, soviel einfältiger werden wir sein, und 
also durch die Weisheit Seines Willens geleitet werden, durch 
den Willen Dessen, Der das Ende von Anfang an verkündet 
und uns durch Sein Wort und Seinen Geist leitet. Der schärfste 
menschliche Verstand kann niemals die Wege Gottes unterscheiden, während das kleine Kind, das auf Gott blickt, die 
Weisheit Gottes besitzt. Bei jedem Schritt, den wir tun, sollten 
wir das Gefühl des Beifalls Gottes haben: „Er leitet die Sanftmütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg". 
„Wenn du nun nicht wachen wirst, so werde ich über dich 
kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche 
Stunde ich über dich kommen werde". Wenn diese Wachsam171 
keit in der bekennenden Kirche nicht vorhanden ist, wie ernst 
sind dann die Folgen: „so werde ich über dich kommen wie 
ein Dieb". Wie schrecklich ist es, wenn die bekennende Kirche 
mit ihrem großen Namen nach der Schätzung und dem Urteil 
Gottes auf gleichen Boden mit der Welt gestellt werden muß, 
wenn ihre Werke den Erwartungen Gottes nicht entsprechen! 
Der Herr hatte ihre Werke nicht völlig erfunden vor Seinem 
Gott, weil sie den von Gott gegebenen Vorrechten nicht entsprachen. Gott sagt hier gleichsam zu der Versammlung: Wenn 
die Werke nicht den Vorrechten gemäß sind, die ich euch gegeben habe, wenn bei euch keine Wachsamkeit ist, so muß 
ich euch behandeln wie die Welt. In 1. Thess 5, 2 wird hinsichtlich der Welt gesagt: „Der Tag des Herrn wird also kommen, wie ein Dieb in der Nacht", während zu den Gläubigen 
gesagt wird: „Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, daß 
euch der Tag wie ein Dieb ergreife; . . . ihr alle seid Söhne des 
Lichtes und Söhne des Tages". Und wenn Er kommt, der den 
Tag bringt, so werden die Kinder des Tages mit Ihm kommen; 
sie werden sein wie die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit. 
„Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, 
dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit"; „wenn er kommen wird, . . . verherrlicht zu werden in 
seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt 
haben"; und wiederum: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben . . . auf daß die Welt erkenne, daß du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie 
du mich geliebt hast". 
In 1. Thess 5 stellt der Geist Gottes die Welt in Gegensatz 
zu der Versammlung Gottes, während Er hier in Sardes die 
bekennende Kirche den wahren Heiligen Gottes gegenüberstellt und ihr das Teil der Welt ankündigt. Die Anrede an 
Sardes ist deshalb der Anrede an die Welt gleich. Es trifft sie 
nicht dasselbe Urteil wie Jesabel, sondern sie empfängt ihr 
Gericht dem entsprechend, was sie nach ihrem geistlichen Zustande ist, nämlich die Welt. Das Gericht der Welt ist das Teil 
der bekennenden Kirche, wenn sie das Maß dessen, was sie 
„empfangen" und „gehört" hat, nicht erreicht. Wenn sie nicht 
wachend erfunden wird, so zieht sie in ihrem Maße das gleiche 
Gericht auf sich wie die Welt. Selbstverständlich will ich damit 
nicht sagen, daß die Versammlung Gottes, die eins ist mit 
172 
Christo in Herrlichkeit und deren Leben mit dem Christus in 
Gott verborgen ist, je so behandelt werden könnte; aber es ist 
ein überaus ernster Gedanke, daß der große bekennende Körper mit seinem „Namen, daß er lebe", und mit seinem schönen 
Schein im Fleische dasselbe Gericht zu erwarten hat wie die 
Welt. Er ist tatsächlich die Welt selbst. Nun aber entsteht die 
Frage: Inwiefern bezeugen wir durch unser Verhalten, daß fast 
alles um uns her, was den Namen Gottes trägt, während es 
nicht von Gott ist, die Namenkirche oder die Christenheit, wie 
man sie nennt, in Wahrheit die Welt ist, und weil sie jenen 
Namen und jene Stellung behauptet, auch als solche behandelt 
werden wird? Wie ernst ist die Tatsache, geliebte Freunde, daß 
wir in unseren Tagen einen Schauplatz zu durchpilgern haben, 
der also von Gott heimgesucht werden muß! Er Selbst hat es 
gesagt, und ach! wir wissen nicht, wie bald. Ich kenne nichts 
Ernsteres, als diese Gleichstellung der bekennenden Kirche mit 
der Welt im Gericht, wie sie uns hier mitgeteilt wird. 
„Aber du hast einige wenige Namen in Sardes, die ihre 
Kleider nicht besudelt haben; und sie werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern; denn sie sind es wert". Hier wird 
eine andere wichtige Sache vor unsere Augen gestellt. Wir 
finden hier die Charakterzüge dessen, was man oft die „unsichtbare Kirche" nennt. „Du hast einige wenige Namen in 
Sardes". Diese Namen bezeichnen einzelne Personen, die der 
Herr gezählt hat und die Er alle mit Namen kennt. Es sind 
solche, „die ihre Kleider nicht besudelt haben". Sie sind nicht 
mit der Welt gegangen; die bekennende Kirche aber hat ihre 
Kleider besudelt. Es mag sein, daß Sardes weder die Verführungen Balaams, noch die Verderbnisse Jesabels zur Last gelegt werden; allein sie „sinnt auf das Irdische", und „ihre Ehre 
ist in ihrer Schande". Sardes hat ihre Kleider nicht unbefleckt 
von der Welt erhalten, und deshalb ist ihr Schandfleck „nicht 
der Schandfleck seiner Kinder" (5. Mo 32, 5). Gleichwie Paulus 
sagte und sogar mit Weinen sagte, „daß sie die Feinde des 
Kreuzes Christi sind . . . die auf das Irdische sinnen". Das 
Herz ist vom Geiste der Welt erfüllt, als wäre sie der empfangene Gegenstand, und daher paßt man sich ihr an, um mit ihr 
zu wandeln. Diejenigen aber, die mit unbefleckten Kleidern an 
dem Kreuze festgehalten haben, „werden mit mir einhergehen 
in weißen Kleidern, denn sie sind es wert". 
173 
Der Charakter der Segnung entspricht immer der Schwierigkeit. Jene Getreuen haben hienieden ihre Kleider unbefleckt 
erhalten von der Welt; deshalb werden sie droben mit Ihm in 
lueißen Kleidern wandeln; „und ich werde seinen Namen nicht 
auslöschen aus dem Buche des Lebens und werde seinen Namen 
bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln". 
Beachten wir, wie persönlich der Ausdruck ist: „seinen 
Namen!" er wird sogar zweimal gebraucht. Der Ausdruck „das 
Buch des Lebens" bezeichnet augenscheinlich ein allgemeines 
Register des Bekenntnisses und ist vielleicht dem Gebrauch 
städtischer Korporationen, Verzeichnisse der Namen ihrer Mitglieder zu führen, entlehnt. In diese Verzeichnisse kann ein 
Name eingetragen werden, von dem es sich später erweisen 
mag, daß er kein Recht darauf hat. Auf den ersten Blick räumt 
diese Eintragung ein Anrecht auf irgend etwas ein; bei einer 
näheren Untersuchung aber stellt es sich heraus, daß der Name 
aus der Liste gestrichen werden muß. Die, welche in das Buch 
des Lebens eingeschrieben waren, hatten ein Bekenntnis, sie 
hatten „den Namen, daß sie lebten". Etwas ganz anderes ist 
es, wenn von dem Geschriebensein „in dem Buche des Lebens 
vor Grundlegung der Welt" die Rede ist; in diesem Fall hat 
Gott Selbst die Namen eingeschrieben; es ist das Buch der 
Ratschlüsse und der Vorsätze Gottes. 
„Ich will seinen Namen bekennen". Der Herr wird einen 
jeden der Seinigen auszeichnen. Zugleich sehen wir, daß in 
diesen einzelnen Personen, inmitten des allgemeinen Verfalls, 
die unsichtbare Kirche vorhanden ist; und, wenn der sichtbare 
Körper gerichtet wird, dann werden diese Einzelnen entrinnen 
— und nicht nur das, sondern der Herr wird sie vor dem Gericht zu Sich aufnehmen, so daß, wenn Er zum Gericht der 
Welt erscheint, sie mit Ihm kommen werden. Die sichtbare 
Kirche aber, die der Gnade nicht entspricht, wird in derselben 
Weise wie die Welt behandelt werden. Es gibt deshalb, wenn 
man es so nennen will, eine unsichtbare Kirche; aber beachten 
wir, daß dann, wenn die wahre Kirche unsichtbar ist, mit der 
sichtbaren genau so verfahren wird, wie mit der Welt. 
Jene sieben Versammlungen wurden Leuchter genannt, und 
Gott hatte ihnen Licht gegeben, jedoch nicht, um es unter den 
Scheffel zu stellen, sondern um es auf einen Leuchter zu setzen, 
174 
damit es allen ringsum leuchte. Doch ich frage: Ist ein Licht 
unsichtbar? Wenn es unsichtbar ist, was hat es dann noch für 
einen Wert? Es verdient nichts anderes, als verworfen zu werden. Man hat seit etwa dreihundert Jahren gesagt, daß es 
eine unsichtbare Kirche gibt, und dies ist in gewisser Beziehung 
ganz richtig; damit aber spricht man eine direkte Verurteilung 
der sichtbaren Kirche aus. Wenn wir die sichtbare Kirche in 
ihrem gemeinsamen öffentlichen Bekenntnis für Gott betrachten, sehen wir dann in ihrem Verhalten und Leben den Abdruck der Gebote Christi? Nein; und deshalb ist in der Kirche 
das sichtbare Zeugnis von all der Gnade, der Wahrheit und 
der Segnung, die ihr Teil in Christo ist, nicht gewesen. 
Ich möchte schließlich noch auf die verschiedenen Gesichtspunkte aufmerksam machen, unter welchen uns die Ankunft 
des Herrn in diesen Sendschreiben vorgestellt wird. InThyatira, 
wo Jesabel den Zustand der Kirche kennzeichnet, wendet der 
Herr das Auge von jeder Hoffnung auf ihre Wiederherstellung 
als ein Ganzes ab und richtet es auf den Morgenstern, zum 
Trost für alle, welche den Morgenstern erwarten, obwohl sie 
nicht von der Nacht sind, aber wahrnehmen, daß es Nacht ist. 
Auf diese Weise wird inmitten des zunehmenden Bösen dem 
treuen Überwinder die Hoffnung Seiner Ankunft als eine Zufluchtsstätte gegeben. Hier in Sardes trägt die Ankunft des 
Herrn den Charakter des Gerichts. Ich werde „über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche Stunde 
ich über dich kommen werde". Sardes bringt, weil es in einem 
verfallenen und toten Zustande ist, notwendigerweise das 
Gericht über sich; denn wenn die bekennende Kirche in einem 
todesähnlichen Zustande ist, dann muß sie auch wie die Toten 
behandelt werden. In Philadelphia aber tritt eine große Veränderung ein. Dort wendet sich der Herr, inmitten des Abfalls, 
an einen schwachen, armen Überrest, mit der gesegneten und 
ermunternden Hoffnung Seiner baldigen Ankunft: „Siehe, ich 
komme bald!" Fortsetzung im „Botschafter" 1882 
2Z 
175 
Befreiung 
Es ist eine Tatsache, der sicher niemand widersprechen wird, 
daß ein Christ, wenn er stirbt und zum Himmel geht, von der 
Macht der Sünde völlig befreit ist. Es ist augenscheinlich unmöglich, daß die Sünde über einen toten Menschen Macht oder 
Gewalt haben kann. Aber es wird nicht so leicht erkannt oder 
zugegeben, daß der Gläubige jetzt schon von der Macht der 
Sünde ebenso gänzlich befreit ist, als wenn er schon gestorben 
und zum Himmel gegangen wäre. Die Sünde hat nicht mehr 
Herrschaft über ihn, als über einen Menschen, der bereits gestorben und begraben ist. 
Wir sprechen natürlich von der Macht der Sünde und nicht 
von ihrer Gegenwart. Der Leser möge dies sorgfältig beachten. 
Es gibt in bezug auf die Frage der Sünde einen wesentlichen 
Unterschied zwischen einem Christen hier und dort. Hier ist er 
nur befreit von der Macht der Sünde; dort wird er auch von 
ihrer Gegenwart befreit sein. In seinem jetzigen Zustand wohnt 
die Sünde in ihm, aber die Herrschaft ist ihr genommen; bald 
wird sie auch nicht mehr in ihm wohnen. Die Herrschaft der 
Sünde ist bei dem Gläubigen beendigt, und die Herrschaft der 
Gnade hat begonnen. „Denn die Sünde wird nicht über euch 
herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter 
Gnade" (Röm 6, 14). 
Wir haben wohl zu beachten, daß der Apostel in Röm 6 
nicht von Vergebung der Sünden spricht. Dieser Gegenstand 
wird in Kapitel 3 behandelt. Gepriesen sei Gott! alle unsere 
Sünden sind vergeben, ausgetilgt und hinweggetan. Allein in 
Kapitel 6 handelt es sich um die Befreiung von der Sünde als 
Macht oder als herrschender Grundsatz. 
Wie erlangen wir diese unermeßliche Gabe? Durch den Tod. 
Wir sind der Sünde gestorben — gestorben in dem Tode Christi 
auf dem Kreuz. Ist dies für jeden Gläubigen wahr? Gewiß; es 
ist kein Vorrecht etlicher; es gehört jedem Kinde Gottes, jedem 
wahren Gläubigen an, es ist die allgemeine Stellung aller. 
176 
Heilige, gesegnete Stellung! Lob und Dank sei Ihm, Der sie 
für uns erworben und uns in sie gebracht hat! Wir leben unter 
der glorreichen Herrschaft der Gnade — „der Gnade, welche 
herrscht durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum 
Christum, unseren Herrn" (Röm 5, 21). 
Diese befreiende Wahrheit wird durch die Erlösten des Herrn 
wenig verstanden. Verhältnismäßig nur wenige gehen über die 
Vergebung der Sünden hinaus, wenn sie schon so weit gehen. 
Daß sie von der Macht der Sünde völlig befreit sind, verstehen 
sie nicht. Anstatt sich für das zu halten, was Gott von ihnen 
sagt, urteilen sie nach ihrem Gefühl, das unter der Macht der 
Sünde seufzt, und sind bezüglich ihrer Bekehrung oft in Furcht 
und Zweifel. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, statt mit 
Christo. Sie blicken auf ihren Zustand, um Frieden und Trost 
zu erlangen, und deshalb sind sie unglücklich und müssen es 
sein. Wir werden nie Frieden erlangen, wenn wir ihn in uns 
suchen. Wir werden ihn aber in Wahrheit besitzen, wenn wir 
glauben, daß wir mit Christo gestorben, mit Ihm begraben, 
mit Ihm auferweckt, mit Ihm gerechtfertigt sind; mit einem 
Wort „daß, wie er ist, so auch wir in dieser Welt sind" (1. Joh 
4, 17). 
Dies ist die feste Grundlage des Friedens; und nicht allein 
das, sondern es ist die alleinige göttliche Grundlage eines heiligen Lebens. Wir sind der Sünde gestorben; wir sind nicht berufen, uns zu töten, sondern wir sind gestorben in Christo. 
Manche mögen durch allerlei heilige Übungen versuchen, die 
Sünde zu töten; aber alle ihre Anstrengungen, wenn sie auch 
noch so ernst und aufrichtig gemeint sind, werden vergeblich 
sein und nur schmerzliche Täuschungen im Gefolge haben. 
Der hebräische Knecht 
2. Mose 21 
Im Anfang von Kapitel 21 des 2. Buches Mose finden wir 
eine hoch interessante Verordnung in bezug auf die hebräischen Knechte, die sich inmitten des Volkes Israel befanden. 
Sie zeigt uns, wie Christus von jeher der Gegenstand des Geistes 
177 
Gottes war. In allen Wegen und Handlungen Gottes von 
Grundlegung der Welt an bildete Er stets den Mittelpunkt, 
und in allem, was in den Büchern des Alten Testaments geschrieben ist, finden wir immer wieder neue Vorbilder von 
Christo. „Ihr erforschet die Schriften, denn ihr meinet, in ihnen 
ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von mir zeugen" 
(Joh 5, 39). Selbst so zeitliche Verordnungen, wie die oben 
erwähnte, gab Gott nur im Blick auf Christum, obwohl sie sich 
buchstäblich auf diese Erde beziehen mochten. 
Wenn jemand in Israel einen hebräischen Knecht kaufte, so 
sollte der Knecht sechs Jahre dienen, aber im siebten frei ausgehen, ohne ein Lösegeld bezahlen zu müssen. „Wenn er allein 
gekommen ist, so soll er allein ausgehen; wenn er eines Weibes 
Mann war, so soll sein Weib mit ihm ausgehen. Wenn sein 
Herr ihm ein Weib gegeben, und sie ihm Söhne oder Töchter 
geboren hat, so sollen das Weib und ihre Kinder ihrem Herrn 
gehören, und er soll allein ausgehen. Wenn aber der Knecht 
etwa sagt: Ich liebe meinen Herrn, mein Weib und meine 
Kinder, ich will nicht frei ausgehen, so soll sein Herr ihn vor 
die Richter bringen und ihn an die Tür oder an den Pfosten 
stellen, und sein Herr soll ihm das Ohr mit einer Pfrieme 
durchbohren und er soll ihm dienen auf ewig" (V. 3—6). Eine 
solche Wahl hat der Herr getroffen. Er war hienieden der vollkommen gehorsame Diener, dessen Speise und Wonne es war, 
den Willen des Vaters zu tun. Er Selbst sagte zu Seinen Jüngern, als sie sich stritten, wer der Größte unter ihnen sei: 
„Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um 
bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben als 
Lösegeld zu geben für viele" (Mk 10, 45). Welch ein Anblick, 
Ihn, den Sohn Gottes, den Schöpfer aller Dinge — durch Den 
und für Den alles geschaffen ist — den Herrn der Herrlichkeit, 
in dem Gewände der Niedrigkeit, als gehorsamer und abhängiger Diener, hienieden wandeln zu sehen! Aber so wunderbar erhaben und göttlich dies auch ist, so erreicht es doch bei 
weitem nicht die Höhe der Gedanken Christi. Er wollte nicht 
nur hienieden, während Seines Lebens als Mensch auf dieser 
Erde, Diener sein, sondern für immer und ewig. Nachdem Sein 
Lauf vollbracht war und Er in allen Lagen und Umständen 
bewiesen hatte, daß nicht Sein Wille, sondern der Wille des 
178 
Vaters die einzige Richtschnur für Ihn war, hätte er frei ausgehen können. Aber das hätte Sein liebendes Herz nicht befriedigt. Er wollte ein ewiger Knecht sein und gab deshalb Sein 
Leben für die Seinigen hin, Er ließ Seine Hände und Füße 
durchbohren. 
Er liebte die Seinigen, die Er in dieser Welt geliebt hatte, bis 
ans Ende. Er wußte, daß die, welche Seiner unausgesetzten 
Sorge und Pflege so dringend bedurft hatten, während Er noch 
unter ihnen weilte, nach Seinem Weggang dieselben schwachen, 
kleingläubigen und fehlenden Geschöpfe bleiben würden, die 
sie immer gewesen waren, und Er sagte gleichsam: „Ich will 
nicht frei ausgehen; ich liebe mein Weib, die Braut, die mir 
der Vater gegeben hat, zu sehr, um mich je von ihr trennen zu 
können. Sie bedarf in ihrer Schwachheit meiner ununterbrochenen zärtlichen Fürsorge, meiner sorgsamen Pflege, meines 
aufmerksamen Dienstes; ich kann sie nicht verlassen, noch 
mein Verhältnis zu ihr ändern". Und Er hat uns, ehe Er aus 
dieser Welt zum Vater ging, gezeigt, in welcher Weise Er die 
Seinigen, so lange sie in dieser Welt sind, bedienen will. „Und 
während des Abendessens . . . steht Jesus, wissend, daß der 
Vater ihm alles in die Hände gegeben, und daß er von Gott 
ausgegangen war und zu Gott hingehe, von dem Abendessen 
auf und legte die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes 
Tuch und umgürtete sich. Dann gießt er Wasser in das Waschbecken und fing an, die Füße der Jünger zu waschen und mit 
dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit welchem er umgürtet 
war" (Joh 13, 2—5). Die Jünger verstanden damals nicht, was 
der Herr tat, sie sollten es aber hernach verstehen. Wohl erkannten sie die tiefe Erniedrigung des Herrn, und Petrus weigerte sich deshalb, Ihn diesen Dienst an sich ausüben zu lassen, 
aber ihr Verständnis war in jenem Augenblick noch zu schwach, 
um die wahre Bedeutung der Handlung erfassen zu können. 
Wie gnädig, wie herablassend ist der Herr, daß Er Sich mit 
dem Schmutz beschäftigen will, mit dem wir unsere Füße auf 
dem Wege durch eine sündige Welt besudeln, daß Er sie reinigt, um uns auf diese Weise fähig zu machen, teil mit Ihm zu 
haben, in Seiner Gegenwart zu weilen und Ihn Selbst zu genießen! Wie tief sollte es uns demütigen, wenn wir durch 
unser Tun den Herrn veranlassen, diesen niedrigen Dienst an 
uns auszuüben! Wie sollte uns der Gedanke, daß der Herr, 
179 
wenn wir gefehlt haben, genötigt ist, sich mit unserer Sünde 
zu beschäftigen, niederbeugen und zu einem heiligen Wandel 
anspornen! Er kann uns nicht so dahingehen lassen, weil Er 
uns unaussprechlich liebt und die Sünde Ihn verhindert, uns 
diese Seine Liebe genießen zu lassen. 
Aber wenn nun der herrliche Augenblick kommt, wo wi;-
Ihn sehen und unsere Leiber Seinem Leibe gleichgestaltet sein 
werden, wird dann der Herr nicht aufhören, Diener zu sein? 
Nein; Er hat es freiwillig gewählt, für alle Ewigkeit Diener 
zu bleiben. Obwohl Sein Dienst einen anderen Charakter annehmen mag, so wird er doch nie aufhören. Hören wir Seine 
eigenen Worte hierüber: „Und ihr, seid Menschen gleich, die 
auf ihren Herrn warten. . . . Glückselig jene Knechte, die der 
Herr, wenn Er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich 
sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen 
lassen und wird hinzutreten und sie bedienen" (Lk 12, 36. 37). 
Christus ist nach der freien Wahl Seiner Liebe Diener für 
ewig. Wie Er niemals Seine Gottheit ablegen wird, so wird Er 
auch niemals aufhören, Mensch und Diener zu sein. Er Selbst 
wird Seine Geliebten in die Freuden des Vaterhauses einführen 
und sie bedienen. 
Der Herr gebe uns, daß wir als solche erfunden werden, die 
auf Ihn warten und, solange wir in dieser Welt sind, dem 
Beispiel, das Er uns hinterlassen hat, nachahmen! „Wahrlich, 
wahrlich, ich sage euch: der Knecht ist nicht größer als sein 
Herr, noch ein Gesandter größer, als der ihn gesandt hat. Wenn 
ihr dies wisset, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut" (Joh 13, 
16. 17). 
Ein Wort über Heiligung 
Die Heiligung hat ihre Quelle in Gott dem Vater. Er, der in 
Sich Selbst von dem Bösen völlig getrennt ist, hat uns aus dem 
Bösen herausgenommen und für Sich beiseitegestellt. Dementsprechend sind wir durch Seinen Willen geheiligt (Hebr 10, 
10). Sein Wille ist der Ursprung oder die Quelle unseres neuen 
Seins. Das Werk Christi ist die Grundlage unserer Heiligung; 
180 
durch Sein einmaliges Opfer sind wir zu Priestern Gottes und 
zu Seinen Anbetern gemacht. Die Person Christi ist das Maß 
unserer Heiligung; denn Er ist uns gemacht zur Heiligkeit 
(1. Kor 1, 30). Er ist das heilige Gefäß, das in der Gegenwart 
Gottes, von der Welt getrennt, für Ihn abgesondert ist, und 
wir sind geheiligt in Ihm. Der Heilige Geist ist die Macht 
unserer Heiligung in ihrer Anwendung auf den Menschen hienieden, so daß der ganze Mensch (Geist, Seele und Leib) praktisch für Gott abgesondert ist. Petrus drückt sich im Blick hierauf folgendermaßen aus: „auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam 
und zur Blutbesprengung Jesu Christi" (1. Petr 1, 2). Paulus 
sagt zu den Thessalonichern: „Er selbst aber, der Gott des 
Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist und Seele 
und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres 
Herrn Jesus Christus" (1. Thess 5, 23). 
In dieser Beziehung ist das Wort das Werkzeug unserer 
Heiligung, gemäß den eigenen Worten des Herrn: „Heilige sie 
durch die Wahrheit: dein Wort ist Wahrheit" (Joh 17, 17). 
Dieses Wort übt einen reinigenden Einfluß auf den Menschen 
aus, indem es ihn durch das Licht, das der Tod, die Auferstehung und die Herrlichkeit Christi auf ihn ausstrahlen, zum 
Selbstgericht bringt. Der Mensch wird moralisch verändert. 
Zudem wird ihm ein neues Leben mitgeteilt, ein Leben von 
und in Verbindung mit dem Christus in der Herrlichkeit, Der 
die Gabe Gottes für den Gläubigen ist. Er wird geboren durch 
Wasser und Geist; nicht durch Wasser oder durch Geist allein, 
sondern durch Wasser und Geist, so daß dieselbe Person, die 
moralisch gereinigt ist und ein neues Leben empfangen hat, 
Gott lebt. 
Damit ist jedoch nicht gesagt, daß die Sünde aus dem Menschen ausgerottet sei. Nein, sie bleibt in ihm in ihrer ganzen 
Häßlichkeit, wie dies jeder wahre Christ, in dem die Wahrheit 
ist, anerkennen wird. Aber der Mensch: Geist, Seele und Leib, 
ist durch den Tod Christi, der auf ihn angewendet wird, moralisch von ihr gereinigt und für Gott abgesondert. Fortan ist es 
seine Berufung, zur Verherrlichung Gottes zu leben. Es steht 
zu befürchten, daß manche von uns, nachdem sie entdeckt 
haben, wie wenig der neue Mensch in Christo Jesu gekannt 
181 
wird, dazu übergegangen sind, praktisch (wenn auch nicht in 
ihren Worten) zu verleugnen, daß sie aus Wasser geboren, 
d. h., daß Herz und Seele moralisch von der Sünde gereinigt 
sind. Die Sünde wird mit dem Menschen verwechselt oder zu 
der Quelle seines Seins gemacht, anstatt anzuerkennen, daß 
der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, und daß die Sünde — eine 
von ihm ganz unterschiedliche Sache — erst bei dem Fall eingeführt wurde und alle seine Bestandteile: Geist, Seele und 
Leib befleckte und verdarb. Die Sünde ist nicht die Quelle des 
menschlichen Seins; Gott ist die Quelle. Er bildete den Geist 
des Menschen, der in ihm ist. Die Sünde wurde von Adam auf 
alle seine Nachkommen übertragen, sie hat ihren Sitz im Herzen, so daß von dort aus böse Gedanken usw. kommen. Der 
Mensch ist ein zugrundegerichtetes Geschöpf; Geist, Seele und 
Leib sind befleckt; er ist schuldig, er ist ein Feind Gottes und 
in Sünde geboren. Aber sobald er an den Herrn Jesum Christum, als seinen Heiland und Erretter, als das Lamm Gottes, 
glaubt, ist er gerechtfertigt, versöhnt und befreit. 
Die Heiligung durch den Geist ist daher die moralische Absonderung des Menschen von der Sünde und dem Fleisch für 
Gott, während beide noch in ihm bleiben. Weder die Sünde 
noch das Fleisch können ausgerottet oder gereinigt werden, 
sondern der Mensch wird, im Blick auf sein Herz, seine Gesinnung, seinen Willen, seine Seele und seinen inneren Menschen, moralisch gereinigt und für Gott abgesondert. Selbst 
der Leib ist, obgleich er in seinem gegenwärtigen Zustande 
für den Himmel unpassend ist, das abgesonderte Gefäß Gottes, 
in dem Sein Geist wohnt, um es in Seinem Dienst zu gebrauchen. 
In diesem Sinne kommt die Heiligung und mit ihr die 
Waschung durch das Wort vor der Rechtfertigung und der 
Blutbesprengung (vergl. 1. Kor 6, 11; 1. Petr 1, 2). Rechtfertigung und Blutbesprengung empfängt man auf Grund der Annahme des Evangeliums. Unter dem alten Bunde wurden die 
Priester zuerst mit ö l gesalbt. So finden wir auch in der Geschichte des Kornelius schon im Anfang des 10. Kapitels alle 
Früchte der neuen Geburt geoffenbart, aber er empfing nicht 
eher Vergebung der Sünden und infolgedessen die Gabe des 
Heiligen Geistes, bis Petrus ihm das Evangelium verkündigt 
und er es angenommen hatte. 
182 
Zwei ernste Tatsachen 
„Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden, und jedes 
Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden" (Mk 9, 49). 
In dieser kurzen Schriftstelle werden uns zwei verschiedene 
Klassen von Personen vor Augen geführt und zwei ernste 
Wahrheiten mitgeteilt. Zunächst hören wir, daß „jeder mit 
Feuer gesalzen", und dann, daß jedes „Schiachtopfer mit Salz 
gesalzen werden wird". Diese beiden Tatsachen zusammengenommen eröffnen ein weites Feld göttlicher Wahrheit vor 
unseren Blicken. Möchten wir ihren feierlichen Ernst tief 
fühlen! 
Im ersten Teil der Stelle werden wir belehrt, daß den Menschen ein unausbleibliches Gericht erwartet. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht" 
(Hebr 9, 27). „Ich sage euch aber, daß von jedem unnützen 
Worte, daß irgend die Menschen reden werden, sie von demselben Rechenschaft geben werden am Tage des Gerichts" 
(Mt 12, 36). 
Dies ist das schreckliche Los des Menschen — „Tod und 
Gericht". Er mag sich dagegen auflehnen, es hinwegzuleugnen 
suchen, und sagen, daß er an solche Dinge nicht glaube, das 
berührt in keiner Weise diese wichtige Tatsache. Was könnte 
es einem armen, schuldigen Verbrecher, über den schon das 
Todesurteil gefällt ist, nützen, wenn er sagte, er stimme mit 
der Aussage der Zeugen nicht überein, oder er verwerfe den 
Spruch des Gerichtshofs? Könnte es irgendwie seinen Zustand 
und seine Lage verändern? Er mag protestieren so viel er will, 
er mag sagen, er glaube überhaupt nicht, daß es Zeugen, Richter und Gerichtshöfe gebe, aber trotz allem bleibt er ein schuldiger, verurteilter Verbrecher, und vielleicht wird schon in einigen Tagen die Hinrichtung an ihm vollstreckt werden. Seine 
Gedanken und Meinungen vermögen nichts an der Tatsache 
seiner Verurteilung zu ändern. 
183 
In solcher Weise mögen die Menschen die Wahrheit der 
Worte unseres Herrn, daß „jeder mit Feuer gesalzen werden 
wird", in Frage ziehen. Sie mögen an ein zukünftiges Gericht 
und an ein ewiges Feuer nicht glauben wollen und dergleichen 
Dinge als altweibische Fabeln betrachten, an die zu glauben 
eines vernünftigen, gebildeten Menschen völlig unwürdig sei. 
Sie mögen sie nur für einfältige Frauen und Kinder passend 
halten. Aber die einfache Frage ist: Wessen Worte werden bestehen? Die Worte Christi oder ihre? Wenn Christus erklärt, 
daß jeder mit Feuer gesalzen werden wird, so ist es unsere Weisheit und Sicherheit, zu glauben, was Er sagt, uns ziu beugen 
unter die Gewalt und Autorität Seiner Worte und alle unsere 
dummen Vernunftschlüsse, törichten Meinungen und stolzen 
Einbildungen fahrenzulassen. Es hat nicht den geringsten 
Wert für uns, zu untersuchen, was für Gott passend oder unpassend ist, zu sagen und zu tun. Wenn der Mensch fähig 
wäre, Gott zu beurteilen, dann würde dadurch das Dasein 
Gottes tatsächlich geleugnet werden. Denn es ist klar, daß, 
wenn es einen Gott gibt, Er der unumschränkte und unfehlbare Richter von allem sein muß und der Mensch sich Ihm 
unterwerfen muß. Darin besteht die wahre Weisheit des Menschen, daß er sich bedingungslos vor diesem Gott beugt. Er 
muß es einmal tun, sei es nun früher oder später. Wieviel 
besser ist es daher, sich jetzt während des Tages der Gnade 
Ihm zu unterwerfen, als einst am Tage des Gerichts dazu gezwungen zu werden! 
In Mk 9 erklärt der Herr Jesus dreimal nacheinander, daß 
das höllische Feuer ein ewiges Feuer ist. Jeder Widerspruch ist 
da vergeblich. Er sagt: „Wenn deine Hand dich ärgert, so haue 
sie ab. Es ist dir besser, als Krüppel in das Leben einzugehen, 
als mit zwei Händen in die Hölle hinabzufahren, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht 
erlischt" (V. 43. 44). Diese ernste und feierliche Wahrheit 
wiederholt der Herr, wie bemerkt, dreimal. Mögen daher alle 
Ungläubigen, Rationalisten und Zweifler, die je in dieser Welt 
gewesen sind und sein werden, 9ich anmaßen zu sagen, es gebe 
kein ewiges Gericht — wir setzen allen ihren Beweisen, Vernunftschlüssen, Einbildungen und Folgerungen die einfachen, 
aber bestimmten Worte unseres gepriesenen Herrn entgegen 
und verwerfen sie alle ohne Ausnahme. Das betrachten wir als 
184 
unsere wahre Weisheit, unsere moralische Sicherheit, ja als 
unsere bestimmte Pflicht. 
Es ist unserer Meinung nach bloßer Zeitverlust, um nicht 
mehr zu sagen, mit Menschen zu streiten, die es wagen, sich 
gegen Gott aufzulehnen, Sein Wort zu beurteilen und zu entscheiden, was Seiner würdig oder nicht würdig ist. Ein Mensch, 
der sich unterfängt, über Seinen Schöpfer zu Gericht zu sitzen, 
wird sich auch durch die Beweise eines Mitgeschöpfs nicht 
beeinflussen lassen. Und sicherlich sitzen solche, die zu behaupten wagen, daß es Gottes unwürdig sei, zu erlauben, daß 
eins Seiner Geschöpfe eine ewige Strafe erleide, über ihren 
Schöpfer zu Gericht; aber sie alle werden früher oder später 
ihre außerordentliche Torheit erkennen müssen. Jeder wahre 
Christ weiß und fühlt, daß „der Richter der ganzen Erde Recht 
tun" wird; nur Ungläubige können es Wagen, über den Richter 
zu Gericht zu sitzen. Doch sie urteilen und richten falsch. Die 
Schrift ist gegen sie, und die Schrift kann nicht gebrochen 
werden. „Ein jeder wird mit Feuer gesalzen werden", und 
dieses Feuer wird niemals erlöschen. Der Stempel der Ewigkeit ist auf jede Woge des Feuersees und auf jede Kralle jenes 
Wurmes gedrückt, der das gewisse Teil aller sein wird, die in 
ihren Sünden sterben. „Eine große Kluft ist befestigt", die nie 
entfernt oder ausgefüllt werden kann. „Der Zorn Gottes 
bleibt". 
Mein lieber, unbekehrter Leser, denke an diese Dinge, jetzt, 
in diesem Augenblick! Denke nicht darüber nach im Dunkel 
ungläubiger Vernünfteleien und Trugschlüsse, sondern im Licht 
des göttlichen Wortes. Fliehe vor dem kommenden Zorn! Fliehe 
sofort, ich bitte dich! Gott hat für den Sünder einen Weg bereitet, auf dem er entrinnen kann. Er hat in Seiner unendlichen 
Liebe ein Mittel vorgesehen, durch das der Mensch von jenem 
schrecklichen, ewigen Feuer befreit werden kann. Er hat den 
eingeborenen Sohn aus Seinem Schöße gegeben, damit Er 
sterbe, der Gerechte für die Ungerechten. Je9us, das fleckenlose Lamm Gottes, setzte Sich Selbst dem Feuer des göttlichen 
Gerichts aus, so daß alle, die Ihm jetzt einfältig vertrauen und 
ihre Sache in Seine Hände legen wollen, nicht gerichtet zu 
werden brauchen, sondern freie Vergebung und ewiges Leben 
empfangen. Glaube an den Herrn Jesum Christum, und du 
185 
wirst nimmermehr mit Feuer gesalzen werden. Deine Augen 
werden das ewige Feuer dann nie erblicken. 
Und weshalb nicht? Weil der Sohn Gottes an des Sünders 
Statt dem Gericht begegnet ist. Da es keinen anderen Weg 
gab, kam Er in vollkommener Liebe hernieder und setzte Sich 
Selbst den Streichen einer unendlichen und unverbrüchlichen 
Gerechtigkeit aus; und nachdem Er das Gericht getragen, die 
Schuld bezahlt hatte und den Tod des Missetäters gestorben 
war, hat Gott Ihn aus den Toten auferweckt und Ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Er ist in den Himmel gegangen und 
ist zur Rechten Gottes. Jetzt sind alle, die an Seinen Namen 
und an Sein vergossenes Blut glauben, ebenso völlig von 
Schuld und Gericht befreit, wie Er Selbst. Alle, die ihr Vertrauen auf Je9um setzen, sind in denselben Platz der Annehmlichkeit vor Gott versetzt, den Er einnimmt. Nichts weniger 
als dies konnte das liebende Herz Gottes befriedigen — nichts 
weniger ist des vollkommenen Opfers Christi würdig. 
Ist es nun nicht viel besser, weiser und sicherer, den Weg 
Gottes, den Er für den Sünder bereitet hat, damit dieser dem 
Gericht entrinnen könne, einzuschlagen, als in die Behauptung 
der Ungläubigen einzustimmen, es gebe kein Gericht und 
keine Verdammnis? „Jeder wird mit Feuer gesalzen werden". 
Dies kann nicht beiseitegesetzt, nicht umgestoßen werden. 
Aber Christus hat Sich einmal geopfert, um die Sünden vieler 
zu tragen. Er wurde auf Golgatha an unserer Statt mit Feuer 
gesalzen, Er ertrug dort das göttliche Gericht für unsere Sünden, so daß auf uns, die wir an Ihn glauben, die obigen Worte 
nicht mehr angewendet werden können. Die finsteren Wolken 
des Todes und des Gerichts entluden sich über dem Haupte des 
Stellvertreters des Sünders, um den Sünder für immer in 
einen Platz zu versetzen, wo ihm weder ein Feind etwas anhaben, noch irgend etwas Böses begegnen kann. 
Gehen wir jetzt zum zweiten Teil unseres Gegenstandes 
über. „Jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden". 
Diese Worte finden ihre Anwendung auf alle, die durch die 
Gnade von dem zukünftigen Zorn, von dem Gesalzenwerden 
mit Feuer, von der Furcht des Gerichts befreit sind. An solche 
richtet der Apostel jene rührenden und mächtigen Worte im 
186 
Anfang des 12. Kapitels des Briefes an die Römer: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure 
Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Dienst ist". 
Hierbei ist das Salz notwendig. „Und alle Opfergaben deines 
Speisopfers sollst du mit Salz salzen und sollst das Salz des 
Bundes deines Gottes nicht fehlen lassen bei deinem Speisopfer; bei allen deinen Opfergaben sollst du Salz darbringen" 
(3. Mo 2, 13). „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt" (Kol 4, 6). 
Wir sehen also, welch eine wichtige Sache das Salz für das 
tägliche Leben eines Christen ist. Es ist durchaus unerläßlich, 
wenn wir uns unserem Gott als ein lebendiges Schlachtopfer 
darstellen wollen. „Bei allen deinen Opfergaben sollst du Salz 
darbringen". „Alle Opfergaben deines Speisopfers sollst du 
mit Salz salzen". Wenn wir durch die Barmherzigkeit Gottes 
und den Versöhnungstod Christi ein für allemal von dem 
Boden des Gerichts entfernt sind, was bleibt dann für uns 
übrig? Zu welchem Zweck ist es geschehen? Damit wir selbst 
ein lebendiges Schlachtopfer für Gott seien und Christum in 
all Seiner Kostbarkeit als ein beständiges, herrliches und wohlriechendes Schlachtopfer dem Herzen Gottes darbringen. 
Ja, dies sollte unsere Tätigkeit ausmachen von Morgen bis 
Abend und von Abend bis Morgen. Aber hierfür ist Salz 
nötig. „Jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden". 
Der Herr sagt nicht wie im ersten Fall: „ein jeder . . . wird 
gesalzen werden". O nein. Nur diejenigen, welche etwas von 
den Erbarmungen Gottes und von der errettenden Liebe Christi 
erfahren haben, können ein Opfer sein; aber sie alle müssen 
Salz gebrauchen. „Das Salz ist gut". Es ist scharf und erhaltend. „Wenn aber das Salz unsalzig geworden ist, womit wollt 
ihr es würzen? Habt Salz in euch selbst und seid in Frieden 
untereinander". 
Beachten wir hier die moralische Ordnung und Verbindung. 
„Salz und Frieden". Erst muß den Ansprüchen der Heiligkeit 
genügt werden, ehe Frieden vorhanden sein kann. Der Friede 
kommt nicht zuerst und dann das Salz. Dies ist unmöglich. 
„Die Weisheit aber von oben ist aufs erste rein, sodann fried187 
sam" (Jak 3, 17). Das ist die göttliche Ordnung, die niemals 
verkehrt werden darf. Alle unsere Schlachtopfer, mögen wir 
sie bringen als heilige oder als königliche Priester, alle Opfer 
unseres Lobes gegen Gott oder des Wohltuns und Mitteilens 
den Menschen gegenüber müssen mit Salz gesalzen werden. 
Es muß Reinheit, Heiligkeit und Selbstgericht vorhanden sein, 
denn „jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden". 
Die zwei Scherflein 
„Und Jesus setzte sich dem Schatzkasten gegenüber und 
sah, wie die Volksmenge Geld an den Schatzkasten legte; und 
viele Reiche legten viel ein. Und eine arme Witwe kam und 
legte zwei Scherflein ein, das ist ein Pfennig" (Mk 12, 41. 42). 
Wie wenig wußten jene Leute davon, welche Augen auf ihnen 
ruhten, als sie ihre Opfergaben in den Schatzkasten warfen! 
Wie wenig dachten sie daran, daß sie von dem Einen beobachtet wurden, Dessen Auge bis in die innersten Tiefen ihrer 
Herzen eindringen und dort die Beweggründe lesen konnte, 
die sie bei ihrem Tun leiteten. Da kommt auf der einen Seite 
der stolze Pharisäer, prahlerisch seinen Reichtum und seine 
Frömmigkeit zur Schau tragend. Es ist eine bedeutende Summe, 
die er, allen sichtbar, in den Tempelkasten einlegt, und auf 
seinem Gesicht liest man deutlich die Frage: „Hast du auch 
gesehen, was ich getan habe? Hast du bemerkt, wie groß die 
Summe war?" Von der anderen Seite kommt der kalte herzlose Formenmensch. Nach seiner Gewohnheit greift er in die 
Tasche, zieht den für diesen Zweck ein für allemal bestimmten 
Betrag heraus, legt ihn in den Kasten und geht dann gleichgültig seines Weges weiter. Jesus sieht sie alle und beurteilt 
sie alle. 
Es ist gut, daran zu denken, daß Jesus uns sieht bei jeder 
Gelegenheit, wo wir aufgefordert werden, zu Seiner Sache 
etwas beizutragen. Er sitzt dem Schatzkasten gegenüber, und 
Sein heiliges, durchdringendes Auge ruht nicht auf der Börse, 
sondern auf dem Herzen. Er wägt nicht den Betrag ab, sondern 
188 
den Beweggrund. Wenn das Herz in der richtigen Stellung ist, 
dann wind auch der Betrag Seinem Urteil entsprechend ein 
richtiger sein. Wo das Herz in Wahrheit für Seine Person 
schlägt, da wird auch die Hand offen sein für Seine Sache. 
Alle, die wirklich Christum lieb haben, werden es als ihr hohes 
und glückseliges Vorrecht betrachten, sich selbst zu verleugnen, 
um zu Seiner Sache etwas beitragen zu können. Es ist ohne 
Zweifel wunderbar, daß Er Sich herabläßt, uns um unsere 
Beiträge und Beihilfe zu bitten. Aber Er tut es, und es sollte 
unsere hohe und unaussprechliche Freude sein, Seiner Bitte zu 
entsprechen, je nachdem Gott uns dazu in den Stand gesetzt 
hat. Vergessen wir nicht, daß Er einen fröhlichen Geber liebt; 
denn Er Selbst ist — gepriesen sei Sein herrlicher Name! — ein 
solcher fröhlicher Geber. 
Unter der Schar, die sich an den Schatzkasten herandrängte, 
um ihre Gaben hineinzuwerfen, befand sich jedoch eine Person, welche die Aufmerksamkeit des Herrn in ganz besonderer 
Weise auf sich zog. „Und eine arme Witwe kam und legte 
zwei Scherflein ein, das ist ein Pfennig". Das war wirklich, an 
und für sich betrachtet, eine sehr kleine Summe. Aber denken 
wir an die Geberin. Sie war eine „Witwe", und zwar eine 
„arme Witwe", ein hilfloses, in dieser Welt alleinstehendes 
Geschöpf. Eine Witwe erweckt in uns stets den Gedanken an 
eine Person, die aller irdischen Hilfsmittel und aller menschlichen Stützen beraubt ist. „Die aber wirklich Witwe und vereinsamt ist, hofft auf Gott und verharrt in dem Flehen und 
den Gebeten Nacht und Tag". Allerdings gibt es viele sogenannte Witwen, die diesen Charakter durchaus nicht erweisen. 
Sie stehen ganz außer dem Bereich wahrer Witwenschaft. Der 
Heilige Geist entwirft in 1. Tim 5, 11—13
 e m
 treffendes Bild 
von dieser Art Witwen. 
Doch die arme Witwe an dem Schatzkasten gehörte zu der 
Klasse der wahren Witwen. Sie war eine Witwe nach den Gedanken Christi. „Und er rief seine Jünger herbei und sprach 
zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: diese arme Witwe hat mehr 
eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben. 
Denn alle haben von ihrem Überfluß eingelegt, diese aber hat 
von ihrem Mangel, alles was sie hatte, eingelegt, ihren ganzen Lebensunterhalt" (V. 43. 44). 
189 
Ohne Zweifel würden, wenn es damals wie heute Zeitungen 
und Tageblätter gegeben hätte, in ihren Spalten die fürstlichen 
Gaben der Reichen einen bevorzugten Platz gefunden haben, 
während die arme Witwe und ihre Opfergabe mit verächtlichem Stillschweigen übergangen worden wäre. Doch die Gedanken unseres anbetungswürdigen Herrn waren andere. Die 
zwei Scherflein der armen Witwe wogen auf Seiner Waagschale weit schwerer, als alle die übrigen Gaben zusammengenommen. Es ist eine verhältnismäßig leichte Sache, von einem 
großen Vermögen Hunderte und Tausende zu geben; aber es 
ist nicht so leicht, eine einzige Bequemlichkeit um des Herrn 
willen aufzugeben. Und diese arme Witwe gab nicht eine Bequemlichkeit auf, sie weihte dem Herrn nicht eine Sache, die 
sie leicht entbehren konnte, nein, sie gab für das Haus des 
Herrn ihren ganzen Lebensunterhalt. Das war es, was sie mit 
dem Herrn selbst in so nahe Geistesverwandtschaft brachte. 
Er konnte sagen: „Der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt"; 
und sie konnte sagen: „Der Eifer um dein Haus hat meinen 
ganzen Lebensunterhalt verzehrt". Auf diese Weise kam sie 
dem Herrn sehr nahe. Welch ein Vorrecht! 
Und beachten wir wohl, in welcher Form die arme Witwe 
ihren Lebensunterhalt besaß. Der Heilige Geist sagt ausdrücklich: Sie „warf zwei Scherflein hinein, das ist ein Pfennig" 
Weshalb das? Warum teilt Er uns nicht einfach mit, daß sie 
„einen Pfennig" einwarf? Weil dann der rührendste Zug in 
dieser Geschichte verloren gegangen wäre. Gerade jene Worte 
machen die Handlung der Witwe so überaus schön. Hätte sie 
ihren Lebensunterhalt in einem Stück besessen, so würde sie 
entweder alles oder gar nichts haben geben müssen. Da er aber 
in zwei Scherflein bestand, so war die Möglichkeit vorhanden, 
die Hälfte für ihren Unterhalt zurückzubehalten. Und sicher 
würden es die meisten von uns für einen Beweis von außerordentlicher Hingebung halten, wenn jemand für die Sache des 
Herrn die Hälfte von allem, was er in dieser Welt besäße, hingeben würde. Aber diese arme Witwe hatte ein ganzes, ungeteiltes Herz für Gott. Sie hielt gar nichts für sich zurück. Sie 
verlor sich selbst und ihre Interessen völlig aus dem Auge und 
gab ihren ganzen Lebensunterhalt für das her, was nach ihren 
Gedanken die Sache ihres Gottes bildete. Möchte der Herr 
auch in unseren Herzen etwas von diesem Geiste wachrufen! 
190 
Sünde und Sünden 
Im ersten Teil des Briefes an die Römer bildet das, was wir 
getan haben, unsere Sünden, und die Hingabe Christi für diese 
Sünden den Hauptgegenstand. Christus hat in unumschränkter 
Gnade ein so vollkommenes Werk vollbracht, daß alle, die an 
Ihn glauben, völlig und für immer von ihren Sünden gereinigt 
sind. Doch es gibt noch eine andere Frage, die in Ordnung 
gebracht werden muß, es kann sich nicht nur um das handein, 
was wir getan haben, sondern auch um das, was wir sind. 
Diese beiden Fragen werden schon im dritten Kapitel des 
ersten Buches Mose von Gott erhoben. Er richtet an Eva die 
Frage: „Was hast du da getan" (V. 13)? und an Adam: „Wo 
bist du" (V. 9)? Die erste Frage: „Was hast du da getan?" 
stellt Gott gleichsam auch im ersten Teil des Römerbriefes; 
und nachdem alles ans Licht gestellt ist und es sich gezeigt hat, 
daß alles, was wir getan haben, Sünde und nichts als Sünde ist, 
wird uns mitgeteilt, wie Gott in Seiner Liebe und Gnade Seinen 
Sohn hingegeben hat, um unsere Sünden hinwegzutun. Dieser 
erste Teil schließt mit Vers 11 des fünften Kapitels ab. Dann 
erhebt sich die zweite Frage: „Wo bist du?" d. h. es handelt 
sich um das, was wir von Natur sind. Nachdem diese Frage 
erledigt ist, wird uns mitgeteilt, wie Gott uns nicht nur von 
unseren Sünden, sondern auch von dem, was wir als Kinder 
Adams sind, von unserer sündigen Natur, befreit. Warum begehen wir Sünden? Weil wir alle mit einer verderbten, gefallenen Natur in diese Welt geboren werden, wie der Psalmist 
sagt: „Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde 
hat mich empfangen meine Mutter" (Ps 51,5). Ja, jeder Mensch 
ist in Sünde geboren; und wie bald beginnt die sündige Natur 
sich zu zeigen! Wie bald tritt beim Kinde der eigene Wille 
zutage, wie bald wird es zornig und ungehorsam! Das Zeugnis der Heiligen Schrift über diese unsere Natur ist klar und 
deutlich; sie ist durch und durch schlecht, und nicht nur das, 
sondern sie ist auch völlig unverbesserlich, eine Tatsache, die 
vielen von uns so schwer fällt zu lernen. 
191 
Ich führe einige Schriftstellen an, die von diesem Gegenstand reden. Der Herr sagt in Joh 3, 6: „Was aus dem Fleische 
geboren ist, ist Fleisch". Der Ausdruck „Fleisch" bezeichnet 
hier, wie an vielen anderen Stellen, nicht unseren Leib, sondern 
unsere sündige Natur. Was man auch mit diesem Fleische anfangen mag, es bleibt stets unveränderlich. Du magst es erziehen und dir alle mögliche Mühe mit ihm geben, du magst 
es sogar religiös machen; aber nach allem bleibt es, was es 
stets war, Fleisch. In Röm 8, 7 hören wir, was dieses Fleisch 
ist, oder besser, welche Gesinnung es zur Schau trägt; es ist 
„Feindschaft gegen Gott". Da nun das „was aus dem Fleische 
geboren ist, Fleisch ist" und nie etwas anderes sein kann, so 
würde seine Gesinnung, selbst wenn es Jahrtausende lebte, 
doch .am Ende noch ebensosehr „Feindschaft gegen Gott" sein 
wie im Anfang; denn „sie ist dem Gesetz Gottes nicht Untertan, denn sie vermag es auch nicht". In Eph 4, 22 sagt der 
Apostel, daß „der alte Mensch nach den betrügerischen Lüsten 
verdorben wird". Es ist daher klar, daß wir, um in der Gegenwart Gottes glücklich sein zu können, nicht nur Vergebung 
unserer Sünden haben, sondern auch von dieser unserer verderbten Natur, die Feindschaft gegen Gott ist, befreit sein müssen. Viele denken und reden gerade so, als wenn die Vergebung der Sünden die einzige notwendige Sache sei, um uns für 
die Gegenwart Gottes passend zu machen; aber es ist durchaus nicht so. Nehmen wir an, ein Mensch liege auf seinem 
Sterbebett und alle seine Sünden seien vergeben, würde das 
genügen, um ihn für die Gegenwart Gottes passend zu 
machen? Keineswegs; denn er würde immer noch eine sündige 
Natur besitzen, die Gott haßt. Wie könnte er mit einer solchen 
Natur in der Gegenwart Gottes glücklich sein? 
Eben weil wir diese sündige Natur haben, begegnen wir in 
Eph 2, 3 dem Ausdruck: „von Natur Kinder des Zorns, wie 
auch die übrigen". Wenn ich eine Natur habe, die Gott haßt 
und nichts als Sünde tut, so rufe ich gleichsam unaufhörlich 
den Zorn Gottes auf mich herab. Auch sind wir infolge des 
Besitzes dieser sündigen Natur nicht nur schuldig, sondern 
auch verloren. Schuldig sind wir wegen dessen, was wir getan 
haben, verloren als Folge davon, was wir sind. Ein Kind, das 
soeben in die Welt geboren wird, ist daher verloren, aber es 
192 
kann nicht eher schuldig genannt werden, bis es unter Verantwortlichkeit kommt. Ein Säugling bedarf, wenn er stirbt, 
zu seiner Errettung ebensosehr des Todes Christi, als eine 
erwachsene Person. Wir finden dies in Mt 18, 10—14. Der 
Herr sagt dort: „Sehet zu, daß ihr nicht eines dieser Kleinen 
verachtet; denn ich sage euch, daß ihre Engel in den Himmeln 
allezeit das Angesicht meines Vaters schauen, der in den Himmeln ist. Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, das 
Verlorene zu erretten" (V. 10. 11). Ein Kindlein ist von Natur 
verloren; aber „es ist nicht der Wille eures Vaters, der in den 
Himmeln ist, daß eines dieser Kiemen verlorengehe" (V. 14). 
Und der Sohn des Menschen ist gekommen, um das Verlorene 
zu erretten. Der Herr sagt hier nicht wie an anderen Stellen: 
„um zu suchen und zu erretten", sondern einfach „zu erretten", 
da bei einem kleinen Kinde, dessen Verstandeskräfte noch 
nicht entwickelt sind, von einem Gesucht- und Gefundenwerden nicht die Rede sein kann. Es geht daher aus dieser Stelle 
unzweideutig hervor, daß kleine Kinder, wenn sie sterben, errettet werden auf Grund des vollbrachten Werkes Christi. 
Wenn wir an unseren verlorenen Zustand und unsere sündige, 
verderbte Natur denken, könnten wir versucht sein, mit den 
Jüngern zu fragen: „Wer kann dann errettet werden?" Bei 
Menschen ist dies allerdings unmöglich; aber bei Gott sind alle 
Dinge möglich. 
Kehren wir jedoch zu unserem Brief zurück. Mit dem zwölften Vers des fünften Kapitels beginnt der zweite Teil des 
Briefes, in dem es sich um die Sünde, die böse Natur, und 
unsere Befreiung von ihr handelt. „Darum, gleichwie durch 
einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und 
durch die Sünde der Tod, und also der Tod zu allen Menschen 
durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben" (V. 12). 
Wir werden hier zu dem einen zurückgeführt, durch den wir 
diese sündige Natur empfangen haben, zu Adam, dem Haupt 
des sündigen Menschengeschlechts. In den nächsten Versen 
redet der Apostel zunächst von dem, was Adam war, und von 
dem Zustand, in dem das ganze Geschlecht durch ihn gekommen ist, und dann führt er Christum, als das Haupt eines 
neuen Geschlechts, ein und macht uns mit den Folgen des 
Werkes Christi für diejenigen, die Ihm angehören, bekannt. 
Die Verse 13 bis einschließlich 17 bilden eine Einschaltung 
193 
und behandeln den Inhalt von Vers 12 noch ausführlicher. 
Durch „einen Menschen" kam die Sünde in die Welt. Adam 
sündigte und wurde ein gefallenes Geschöpf, das dem Tode 
unterworfen war, wie Gott es ihm vorher angekündigt hatte. 
Dann „zeugte er einen Sohn in seinem Gleichnis, nach 
seinem Bilde" (1. Mose 5, 33). Der Sohn erbte die verderbte Natur des Vaters, und von diesem ging sie wieder 
auf alle seine weiteren Nachkommen über. Das ist der Grund, 
weshalb du und ich in diese Welt als gefallene Geschöpfe und 
mit einer sündigen Natur hineingeboren worden sind. Und 
beachten wir wohl, daß es nicht Sünden sind, die in die Welt 
kamen, sondern die Sünde, als Grundsatz, und mit ihr der 
Tod: „also ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, 
weil sie alle gesündigt haben". So kamen durch einen Menschen Sünde und Tod in diese Welt, und zwar dadurch, daß 
er eine Missetat beging, ein Gebot, das Gott ihm gegeben hatte, 
übertrat. Doch so wie durch diese eine Übertretung alle Menschen unter die Verdammnis gebracht worden sind, so ist auch 
durch eine Gerechtigkeit, d. h. durch das, was Christus erworben und vollbracht hat, gegen alle Menschen die Rechtfertigung des Lebens gerichtet (V. 18). Hier werden die Wirkungen 
und Folgen von dem, was Adam und was Christus getan hat, 
einander gegenübergestellt. „Denn gleichwie durch des einen 
Menschen Ungehorsam die Vielen in die Stellung von Sündern 
gesetzt sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen 
die Vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden" 
(V. 19). Es handelt sich hier nicht um die Vergebung unserer 
Sünden, sondern um unsere Rechtfertigung; nicht um unsere 
Handlungen, sondern um unsere Stellung vor Gott. 
Die Einschaltung von Vers 13—17 geht ausführlich auf den 
Gegensatz zwischen den beiden Häuptern, Adam und Christus, 
ein; zugleich macht sie uns mit einer sehr wichtigen Tatsache, 
der wir einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit schenken 
müssen, bekannt. Es heißt in Vers 13: „Denn bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz ist". Viele denken, daß der Mensch das 
Gesetz stets besessen habe; dem ist aber nicht so. Das Gesetz 
wurde erst vierhundertdreißig Jahre nach Abraham gegeben; 
aber „bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt". Sie wird 
194 
jedoch nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz ist; d. h. es kann 
etwas in sich selbst böse sein, wie die Sünde es wirklich ist, 
aber nicht als Übertretung zugerechnet werden, solange man 
durch das Gesetz nicht weiß, daß es böse ist. Die Sünde war 
in der Welt, bevor das Gesetz von Gott dem Menschen gegeben wurde. Deshalb sagt Johannes nicht: „Die Sünde ist die 
Übertretung des Gesetzes", sondern: „Die Sünde ist die Gesetzlosigkeit" (1. Joh 3, 4). Schon die Tatsache, daß wir einen 
eigenen Willen haben, der mit dem Willen Gottes in Widerspruch steht, ist Sünde. 
Der Beweis, daß die Sünde in der Welt war, bevor das Gesetz kam, liegt darin, daß „der Tod herrschte von Adam bis 
auf Mose, selbst über die, welche nicht gesündigt hatten in der 
Gleichheit der Übertretung Adams, der ein Vorbild des Zukünftigen, d. h. des Christus, ist" (V. 14). Weshalb wurde 
denn das Gesetz gegeben? „Das Gesetz aber kam daneben 
ein, auf daß die Übertretung überströmend sei" (V. 20). Die 
Sünde war schon vorher da, aber das Gesetz machte dadurch, 
daß es die Sünde verbot, die Sünde zur Übertretung. Nehmen 
wir einen Menschen an, der, in Sünde geboren, allerlei Lüste 
in seinem Herzen fühlt und hegt, ohne zu wissen, daß dies 
Sünde st. Er übertritt nicht, aber er sündigt. Das Gesetz kommt 
nun und sagt zu ihm: „Laß dich nicht gelüsten". Jetzt wird, 
wenn er dem Gebot nicht folgt, die Lust zu einer bestimmten 
Handlung des Ungehorsams und der Übertretung. „Wo kein 
Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung" (Römer 4, 15). 
„Wo aber die Sünde (nicht „Übertretung"). überströmend 
geworden, da ist die Gnade noch überschwenglicher geworden, 
auf daß, gleichwie die Sünde geherrscht hat im Tode, also auch 
die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch 
Jesum Christum, unseren Herrn" (Röm 5, 20. 2a). 
Adam hatte gesündigt und dadurch das ganze Geschlecht 
dem Verderben preisgegeben; alle, die nach ihm in diese Welt 
geboren wurden, waren von Natur Sünder, und der Tod, als 
das gerechte Gericht Gottes, war ihr Los. Jetzt aber herrschte 
die Gnade statt der Sünde. Gott ist unumschränkt und handelt, wie Er will; und obwohl alles hoffnungslos verloren und 
die Sünde die Herrschaft gewonnen zu haben schien, steht Er 
doch über der Sünde, und die Gnade herrscht triumphierend. 
195 
Gott ist ins Mittel getreten, und Er kann trotz der Sünde in 
reiner Liebe gegen den Sünder handeln, obwohl in diesem 
nichts vorhanden ist, was Liebe verdient. Doch man möchte 
fragen: Wo bleibt denn die Gerechtigkeit Gottes? Diese 
mußte allerdings zunächst befriedigt werden. Ohne das hätte 
Gott Seine Liebe dem Sünder nie erzeigen können. Aber wie 
ist sie befriedigt worden? Christus ist gestorben und Er hat 
auf dem Kreuze ein Werk vollbracht, durch das Gott so vollkommen verherrlicht ist, daß Er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihn zu Seiner Rechten in der Herrlichkeit erhöhte. 
Gerade darin, daß Er dieses tat, hat sich Seine Gerechtigkeit 
erwiesen, sc daß Er jetzt auf dem Grunde des Todes Christi 
in reiner, unverdienter Gnade, aber durch Gerechtigkeit, handeln kann und auch handelt. Je größer jetzt die Sünde ist, um 
so mehr verherrlicht sie die Gnade Gottes, die sie hinwegzutun 
vermag. Wenn die Sünde überströmend ist, dann erweist sich 
die Gnade noch weit überströmender. Je mehr Sünde, desto 
mehr Gnade ist vorhanden, um ihr zu begegnen; die Gnade 
Gottes kann niemals erschöpft werden; mögen die Sünden 
eines Menschen noch so groß sein, mögen sie alle Grenzen 
übersteigen, es ist Gnade genug vorhanden, sie alle hinwegzutun. Und diese Gnade herrscht durch Gerechtigkeit. Wahrlich, unser Gott ist „der Gott aller Gnade"; der Gedanke daran 
muß das Herz zu Lob und Anbetung stimmen. 
Doch angesichts dieser tiefen und wunderbaren Wege der 
Gnade Gottes erhebt sich der vernünftelnde menschliche Geist 
und sagt: „W'enn unsere Sünden nur dazu dienen, die Gnade 
Gottes zu verherrlichen, so wollen wir in der Sünde verharren, 
auf daß die Gnade überströme". Welch eine Beweisführung! 
Wie zeigt sie die Verkehrtheit des menschlichen Herzens! Doch 
so ist das Fleisch. Aber traurig ist es, aus dem Munde bekennender Christen solche und ähnliche Worte zu hören. Wie oft 
kann man, wenn von der gesegneten Wahrheit der vollkommenen Sicherheit des Gläubigen in Christo die Rede ist, den 
Ausruf vernehmen: „Das ist eine höchst gefährliche Lehre. 
Wenn man sicher weiß, daß man errettet ist, dann kann man 
auch ruhig hingehen und sündigen und handeln, wie es einem 
beliebt". Doch wie begegnet der Heilige Geist solchen Einwürfen? In einer Weise, die mit einem Schlage die bösen Vernunftschlüsse des Fleisches über den Haufen wirft und zu196 
gleich eine sehr gesegnete Wahrheit vor unser Auge stellt, eine 
Wahrheit, die von unzähligen Gläubigen noch nie erkannt und 
verstanden worden ist. „Sollten wir in der Sünde verharren, 
auf daß die Gnade überströme? Das sei ferne! Wir, die wir 
der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben 
leben" (Kap. 6, 1. 2)? Das wäre ein völliger Widerspruch. Wie 
kann ich in einer Sache fortleben, der ich gestorben bin? Schon 
das Bekenntnis, das die Christen in Rom von ihrem Glauben 
abgelegt hatten, verneinte eine solche Annahme. „Wisset ihr 
nicht, daß wir, so viele auf Christum Jesum getauft worden, 
auf Seinen Tod getauft worden sind" (V. 3)? Sie waren auf 
einen Christus getauft worden, Der der Sünde gestorben war, 
und waren mit Ihm begraben durch die Taufe auf den Tod 
(V. 4). Johannes taufte mit der Taufe der Buße, indem er das 
Volk auf Den hinwies, Der nach ihm kommen sollte, auf einen 
lebenden Messias auf der Erde, (vergl. Apg 19, 4). Der Christ 
wird getauft auf einen Christus, Der gestorben und wieder auferstanden ist. Deshalb ließen sich die Jünger in Ephesus, da 
sie nur auf die Taufe des Johannes getauft waren, noch einmal taufen auf den Namen des Herrn Jesu. 
Beachten wir ferner, daß der Apostel nicht sagt: „wir, die 
wir der Sünde gestorben sein sollten", sondern: „wir, die wir 
der Sünde gestorben sind". Die Heilige Schrift spricht stets in 
dieser Weise von dem Christen. Er ist gestorben und dadurch 
von seiner alten Natur, von sich selbst befreit. Er ist eine völlig 
neue Schöpfung geworden. „Das Alte ist vergangen, siehe 
alles ist neu geworden" (2. Kor 5, 17). Gott betrachtet jeden, 
auch den schwächsten Christen, als gekreuzigt mit Christo, 
gestorben mit Christo und begraben und auferstanden mit 
Ihm. Der Christ steht vor Gott in einer ganz neuen Stellung. 
Er ist ein neuer, himmlischer Mensch. Die Anwendung dieser 
Wahrheit auf unser praktisches Leben hienieden ist einfach, 
aber sehr ernst. „So sind wir nun mit ihm begraben worden 
durch die Taufe auf den Tod, auf daß, gleichwie Christus aus 
den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des 
Vaters, also auch wir in Neuheit des Lebens -wandeln" (V. 4). 
Und: „Er ist für alle gestorben, auf daß die, welche leben, 
nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und ist auferweckt worden" (2. Kor 5, 15). Der Herr 
gebe uns, daß wir stets zunehmen an Erkenntnis und Einsicht 
197 
in die bewunderungswürdigen Ratschlüsse Seiner Liebe und 
Gnade, aber auch, daß wir in wachsender Treue und Einfalt 
dieser Erkenntnis entsprechend wandeln! 
Gedanken 
Der Glaube ist der glänzendste Stern an dem Firmament 
der Gnade. Sein Ursprung ist hoch und erhaben, denn seine 
Geburtsstätte ist der Himmel; sein Aufenthaltsort ist niedrig, 
denn er wohnt auf Erden in den Herzen der Erlösten. Mächtig 
sind seine Taten, er überwindet die Sünde und den Satan. Er 
tritt scheinbare Unmöglichkeiten unter die Füße. Er übersteigt 
siegreich Berge von gewaltigen Hindernissen. Er eilt seinem 
Hafen zu durch Meere, in welchen jede Woge eine überwältigende Schwierigkeit bildet. Er rüstet den christlichen Streiter 
zu jedem Kampf zu, indem er ihm einen Schild zur Bedeckung 
und ein Schwert zum Siege darreicht. Er hat ein scharfes Auge, 
unsichtbare Dinge zu erkennen. Er liest die Gedanken und 
die Gesinnung Gottes in den Wegen Seiner Vorsehung und 
Regierung, und auf dem Kreuze Christi. Er zündet und facht 
die Flammen der Liebe an. Er öffnet die Lippen zum Gebet 
und zur Danksagung. Er verwandelt den Lebenslauf in einen 
stets fließenden Strom des Dienstes. Er währt, bis die Pforten 
des Lichts sich seiner Berührung öffnen. Er hört erst dann auf, 
wenn er den Herrn von Angesicht zu Angesicht schaut. 
Als jemand gefragt wurde: „Was ist Glauben?" gab er die 
schöne Antwort: „Glauben heißt, den Willen Gottes tun und 
gar keine Fragen stellen". 

Der Glaube ist der Blick der Seele nach außen, nicht nach 
innen. Der Gegenstand, auf den er sein Auge gerichtet hält, 
sind nicht die stets wechselnden Gefühle und Vorstellungen 
des Herzens, sondern ein Christus, Der Sich nie verändert. 
198 
Unsere Hoffnung hängt nicht an einem so schwachen Faden 
wie die Hoffnungen und Erwartungen der Menschen dieser 
Welt. Sie sagen: „Ich denke", oder „ich hoffe", oder „es ist 
wahrscheinlich"; wir können sagen: „ich weiß"; denn das 
starke Tau, an dem unser Anker befestigt ist, bildet der Eid 
und die Verheißung Dessen, Der die ewige Wahrheit ist. 
Unser Heil ist durch Gottes Eigene Hand und durch die Kraft 
Christi so unveränderlich festgemacht, wie die Natur Gottes 
unveränderlich ist. 

„Alle eure Sorge werfet auf ihn; denn er ist besorgt für euch" 
(i. Petr 5, 7). Ein Mann wanderte eines Tages mit einer 
schweren Last seiner Heimat zu, als er von dem Gefährt eines 
reichen Mannes überholt wurde. Dieser bat ihn freundlich, 
sich hinten auf den Wagen zu setzen, was er dankbar annahm. 
Nach einer Weile blickte sich der Eigentümer des Fuhrwerks 
um und sah die Last immer noch auf dem Rücken des Reisenden. Verwundert fragte er ihn, weshalb er denn seinen Pack 
nicht neben sich auf die Bank lege. „Ich darf nicht daran denken", war die Antwort; „es ist völlig genug, daß Sie mir erlaubt haben, mich auf ihren Wagen zu setzen; es würde zu 
viel sein, wenn ich auch meine Bürde ablegen wollte". Welch 
ein törichter Mann, nicht wahr? Aber gleichen wir diesem 
törichten Mann nicht oft auf ein Haar? Fürchten wir uns nicht 
auch oft, zw viel auf unseren Gott zu legen, Der uns doch 
bitten läßt, alle unsere Sorge auf Ihn zu werfen? Statt Seinem 
Wort zu folgen und Ihm mit dankerfülltem Herzen die Sorge 
für uns in allen Dingen zu überlassen, schleppen wir uns mit 
unserer Last mühsam weiter, bis sie uns fast zu schwer wird, 
zu tragen. Halb wollen wir sie auf Ihn werfen, halb sie selbst 
behalten. Wie töricht! „Alle eure Sorge werfet auf ihn; denn er 
ist besorgt für euch". 

Es gibt nichts im Himmel und auf Erden, was sich mit der 
Innigkeit, die zwischen dem Herrn und Seinen Erlösten besteht, vergleichen ließe. Die Engel 9ind die Täter Seines Wohlgefallens, sie weilen in Seiner Gegenwart, haben ihren ersten 
Zustand bewahrt und dienen Ihm mit all ihrer Kraft. Aber 
sie befinden sich nicht an dem Platz, den erlöste Sünder ein199 
nehmen. Sie lernen durch die Versammlung die mannigfaltige 
Weisheit Gottes; uns aber hat der Sohn alles, was Er von dem 
Vater empfangen hat, mitgeteilt. Der Heiland macht sich mit 
den innersten Geheimnissen des Sünders bekannt, und zugleich teilt Er ihm die Geheimnisse des Herzens Gottes mit. 
Das ist wirklich wahre Innigkeit. Er findet uns im Anfang 
Seiner Wege mit uns im tiefsten Verderben, Er nimmt uns auf 
als Sünder, welche die Herrlichkeit Gottes nicht erreichen und 
sich in offener Empörung gegen Ihn befinden. Da beginnt 
unser Weg. Aber dann leitet Er uns aus unseren Tiefen zu 
Seinen Höhen, aus unserem Verderben zu den Wundern und 
Reichtümern Seiner Gnade. Er versetzt uns an einen Platz, wo 
wir über alle unsere Feinde triumphieren können und uns 
außer dem Bereich von allem befinden, was wider uns sein 
könnte. Jubelnd fragt das Herz: „Wenn Gott für uns, wer 
wider uns? . . . Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage 
erheben? . . . Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi" 
(Röm 8, 31-39)? 

Wenn wir uns auf dem Wege befinden, der Gott wohlgefällig ist, dann mögen sich wohl ernste Schwierigkeiten erheben; aber diese werden nur dann Hindernisse für uns sein, 
wenn der Unglaube unsere Herzen erfüllt. Denn der Glaube 
rechnet auf Gott und vollbringt das, was Gott will, trotz der 
Schwierigkeiten, die vor Ihm wie nichts sind. Der Unglaube 
kann und wird immer Entschuldigungen finden, und zwar 
solche, die wohl begründet erscheinen. Sie leiden nur an dem 
einen großen Fehler, daß sie Gott ausschließen. 

Der Glaube macht aus den Umständen nichts, weil er aus 
Gott alles macht; nicht daß die Schwierigkeiten in sich selbst 
verringert würden, aber Gott steht vor dem Auge des Gläubigen, zwischen ihm und den Umständen, und so verlieren die 
Umstände völlig ihr beunruhigendes Wesen. 

Es ist gesegnet und köstlich, den Pfad des Glaubens zu wandeln. Aber wenn wir ihn betreten, werden wir auch die Erfahrung machen, daß nur der Glaube imstande ist, ihn zu 
gehen. 
200 
Wir müssen die bitteren Wasser von Mara schmecken, nachdem uns die Salzwasser des Roten Meeres von Ägypten für 
immer und ewig befreit haben. Aber nehmen wir das Holz 
des Baumes, das Kreuz Christi, und werfen es in die bitteren 
Wasser, in unsere Trübsale und Leiden hienieden, dann wird 
mit einem Mal alles süß werden. „Gekreuzigt" zu sein, ist eine 
schreckliche Sache, aber „gekreuzigt mit Christo" ist Freude 
und Befreiung; Schmach ist schmerzlich und schwer zu ertragen, aber die Schmach Christi ist größerer Reichtum als die 
Schätze Ägyptens. 
„Du aber sei nüchtern in allem " 
2. Timotheus 4, 5. 
Paulus stand am Ende seiner irdischen Laufbahn, als er 
Timotheus, sein „geliebtes Kind im Glauben", ermahnte: „Du 
aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines 
Evangelisten, vollführe deinen Dienst; denn", fügt er hinzu, 
„ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit 
meines Abscheidens ist vorhanden usw." Der ganze Weg mit 
all seinen mannigfachen und oft so harten Prüfungen lag 
hinter ihm, er hatte den guten Kampf gekämpft und den 
Glauben bewahrt; allein im Blick auf das Werk, das er zurückließ, im Blick auf die Kirche oder Versammlung hienieden, war 
sein Herz tief gebeugt und bekümmert. Die Zeichen des Verfalls traten schon überall deutlich hervor. Die Kirche hatte angefangen, einem großen Hause zu gleichen, worin es Gefäße 
zur Ehre und zur Unehre gibt; und es war nötig, um „ein Gefäß zur Ehre, geheiligt und nützlich dem Hausherrn, zu jedem 
guten Werke bereitet" zu sein, sich von den Gefäßen zur Unehre zu reinigen, d. h. sich in allem von ihnen abzusondern, 
wodurch der Herr verunehrt und der Heilige Geist betrübt 
wird. Der erste Schritt auf dem Wege der Wahrheit ist die 
Trennung vom Bösen. „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, 
stehe ab von der Ungerechtigkeit"; und dann heißt es: „Strebe 
201 
aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, 
die den Herrn anrufen aus reinem Herzen" (2. Tim 2, 19—22). 
Das ist der gute und gesegnete Weg zu jeder Zeit, also auch in 
der gegenwärtigen, bis der Herr kommt. Der treue und einsichtsvolle Christ wandelt auf diesem Weg und verherrlicht 
den Namen des Herrn durch Gehorsam und Abhängigkeit. Es 
ist der Weg der Wahrheit, auf dem der Gott des Friedens die 
Seinigen begleiten und segnen kann. 
In der gegenwärtigen Zeit ist der Heilige Geist in ganz besonderer Weise wirksam, die Heiligen auf diesen gesegneten 
Pfad der Wahrheit zurückzuführen. In der bekennenden Christenheit werden noch viele Wahrheiten der Schrift festgehalten, aber die Wahrheit als solche wird nur von wenigen erkannt und aufrechtgehalten. Schon die Tatsache, daß es in der 
Christenheit hunderte von Parteien, große und kleine, gibt, 
in welchen die Gläubigen, die Glieder Christi, gefunden werden, zeigt deutlich, wie sehr man von der Wahrheit abgewichen ist. Wir sehen schon zur Zeit der Apostel in Korinth, 
daß es die Absicht des Feindes war, in der Versammlung Parteiungen hervorzurufen. Da hieß es: „Ich bin des Paulus, ich 
aber des Apollos, ich aber des Kephas, ich aber Christi"; 
(1. Kor 1, 12) und ach! bis zu welch einer Ausdehnung und 
Mannigfaltigkeit ist ihm in unseren Tagen diese Zersplitterung gelungen! Ungeistliche Christen mögen es gutheißen und 
darin einen Gewinn für die Wahrheit erblicken, indem, wie 
sie sagen, die eine Partei diesen, die andere jenen Teil der 
Wahrheit hervorhebe und so der Einseitigkeit gesteuert werde. 
Der Heilige Geist aber nennt dies in 1. Kor 3 fleischlich und 
menschlich (V. 3. 4). An einer anderen Stelle erklärt der Apostel, daß die Parteiungen nötig sfien, damit die Bewährten 
offenbar würden (1. Kor 11, 19); allein auch dieses gesegnete 
Resultat wird leider in unseren Tagen nur bei wenigen erreicht, 
weil man sich zu lange an das Schlechte gewöhnt hat und der 
Sinn für die Wahrheit zu sehr abgestumpft ist. Die meisten 
halten an ihrer Partei fest, die sich entweder durch Größe, 
Alter und Ansehen, oder durch gewisse Wahrheiten von den 
übrigen unterscheidet. Das Wort Gottes kommt dabei wenig 
in Frage; es hat bei vielen, namentlich in diesem Punkt, seine 
Kraft und Autorität über das Herz und das Gewissen mehr 
oder weniger eingebüßt. Der Heilige Geist aber wirkt und ist, 
202 
wie gesagt, in ganz besonderer Weise bemüht, die Heiligen 
zur Wahrheit zurückzuführen. Wir leben in einer Zeit großer 
Gnade und großer Veranrw©rtlichkeit. Die Ankunft des Herrn 
ist nahe gerückt; der glänzende Morgenstern hat sich angekündigt. „Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es 
hört, spreche: Komm!" (Offb 22, 17). Dieser Ruf ist durch den 
Geist bereits in den Herzen vieler Gläubigen erweckt worden, 
und ihre Zahl wächst von Tag zu Tage. 
Der Herr ist nahe, und für den, der Ihn liebt und sich nach 
Seiner Ankunft sehnt, wird es eine ernste Frage sein: „Wo 
findet Er mich, wenn Er kommt? Wandle ich gemäß der Wahrheit, in Abhängigkeit und Gehorsam, oder dem Fleische gemäß 
in Eigenwillen und Ungehorsam? Ist Sein Wort meines Fußes 
Leuchte, oder gehe ich in dieser oder jener Sache nach meinen 
eigenen Gedanken und menschlichen Meinungen einher?" Als 
der Herr dem Jakob gebot, nach Bethel zu ziehen, wo Er ihm 
früher erschienen war, sprach Jakob „zu seinem Hause und zu 
allen, die bei ihm waren: Tut die fremden Götter hinweg, die in 
eurer Mitte sind, und reinigt euch und wechselt eure Kleider" 
(1. Mo 35, 1. 2). Das Gefühl der Heiligkeit Gottes trieb ihn 
an, alles zu entfernen, was in Gottes Gegenwart nicht paßte. 
Unmöglich kann jemand den Herrn wirklich lieben und sich 
nach Seiner Ankunft sehnen, noch ein wahres Gefühl von 
Seiner Heiligkeit haben, wenn er in Dingen beharrt und vorangeht, die Ihm mißfallen, wenn er nicht bereit ist, in allem 
Seinen wohlgefälligen Willen zu erforschen und zu tun. Ja, 
je inniger und tiefer die Liebe zu Ihm ist, um so größer wird 
die Bereitwilligkeit und die Freude sein, Ihm zu leben und zu 
dienen, jeden bösen Weg zu verlassen und in allem Guten zu 
wandeln. 
Der ergebene, geistlich gesinnte Christ kennt keinen höheren Zweck seines Lebens hier, als den, in allem den Namen 
seines geliebten Herrn zu verherrlichen; und darum wird er 
sich von allem absondern, was den Herrn verunehrt, und zu 
dem zurückkehren, was „von Anfang" war, zu den heiligen 
Schriften, wie sie uns durch die inspirierten Schreiber mitgeteilt worden sind. Sobald die Gläubigen begonnen hatten, von 
der Wahrheit abzuweichen, ermahnt der Apostel Johannes: 
„Ihr, was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch. Wenn 
203 
in euch bleibt, was ihr von Anfang gehört habt, so werdet 
auch ihr in dem Sohne und in dem Vater bleiben" (1. Joh 2, 
24). Es ist der unveränderliche Wille Gottes, daß alle, die Sein 
sind, zu jeder Zeit an dem festhalten, was Er ihnen beim Beginn des Christentums durch Seine Apostel und Propheten 
mitgeteilt hat. Wenn wir irgendwie davon abweichen, geben 
wir Zeugnis von unserem Mangel an Unterwürfigkeit und 
Gehorsam gegen Ihn. Jeder aber, der sich mit willigem Herzen 
dem Worte Gottes unterwirft, findet das, was ihm als ein Gefäß der Ehre geziemt und ihn für den Herrn passend macht, 
klar und bestimmt vorgezeichnet. Er hat sich von den Gefäßen 
der Unehre zu reinigen, von allem Bösen abzusondern und mit 
denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen, allem Guten 
nachzustreben. 
Der Herr, Der in Seiner Treue gegen die Seinigen nie fehlt, 
hat dafür gesorgt, daß sie auch während der Verweltlichung 
und des Verfalls der Kirche die gesegneten Vorrechte der Kirche genießen können. Seine tröstliche Zusage: „Wo zwei oder 
drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer 
Mitte" (Mt 18, 20), bleibt zu jeder Zeit in Kraft, und Seine 
Gegenwart vermag alles zu ersetzen. Das Bewußtsein, Jesum 
in unserer Mitte zu haben, hienieden im Geiste und droben 
persönlich, erfüllt das unterwürfige Herz mit Freude und 
Wonne. In Seinem Namen sich zu versammeln, sei es auch nur 
zu zweien oder zu dreien, Seinen Tod zu verkündigen, sich 
aus Seinem Worte zu erbauen und in gemeinschaftlichem Gebet zu verharren, bleibt stets das gesegnete Vorrecht aller, die 
sich Seinem Worte unterwerfen. Das ist der Weg, den der 
Herr uns anweist inmitten des Verfalls, der Weg, den Er gutheißt und auf dem Er uns segnen will. Deshalb ist es die 
Pflicht und das Vorrecht von jedem Gläubigen, seinen Platz 
da einzunehmen, wo zwei, drei oder mehrere im Namen Jesu 
versammelt sind. In dieser Weise kehrt er zu dem zurück und 
hält an dem fest, was „von Anfang" war, und so kann er 
völlig auf die wirksame Gnade dessen vertrauen, der gegenwärtig ist, und der Seine Versammlung nie vergessen, noch 
versäumen kann. Apostel und Propheten berufen und einsetzen, wie dies durch eine Partei in der bekennenden Christenheit geschieht, heißt nicht zu dem zurückkehren, was „im 
204 
Anfang" war; denn dergleichen hat die Kirche oder Versammlung nie getan, auch nicht im Anfang, und das Wort Gottes 
gibt nicht die geringste Anleitung oder Anweisung dazu. Es 
ist ein schrecklicher Eingriff in die Rechte Gottes; und wenn 
man vorgibt, solches unter der Leitung des Geistes zu tun, so 
kann dies nur ein falscher Geist, unmöglich aber der Heilige 
Geist sein. Gott allein berief die Apostel und Propheten (vergl. 
Gal 1, 1) und bezeichnete sie als die Grundlage des göttlichen 
Baues, von dem Jesus Christus Selbst der Eckstein ist (Eph 2, 
20—22). Durch sie ist das Wort Gottes vollendet worden 
(Kol 1, 25). Alles, was Gott der Kirche durch sie offenbaren 
und mitteilen wollte, ist vorhanden, und nirgends in der Schrift 
finden wir eine Andeutung, daß das Apostelamt für alle 
Zeiten fortdauern solle. Lehrer, Hirten und Evangelisten berufen und einsetzen ist ebensowenig ein Festhalten an dem, 
was „von Anfang" war, denn die Kirche oder Versammlung 
hat dies im Anfang, zur Zeit der Apostel, nicht getan. Es ist 
vielmehr ein Zeichen des Verfalls und der menschlichen Anmaßung. Wenn auch diese Gaben, sei es zur Auferbauung der 
Versammlung oder zur Bekehrung des Sünders, bis ans Ende 
bleiben werden, so ist es doch der Herr, Der sie gibt, (vergl. 
Eph 4, 11), und es ist der Heilige Geist, Der alles wirkt und 
„einem jeden insbesondere austeilt, wie er will" (1. Kor 12, 
11). Der Mensch hat nichts anderes dabei zu tun, als diese 
Gaben mit dankbarem Herzen anzuerkennen und zu benutzen. Auch das Erwählen und Einsetzen von Ältesten seitens 
der verschiedenen Parteien ist nur ein Eingriff in ein fremdes 
Amt. Hat dies im Anfang irgendeine Versammlung getan, 
oder ist irgendeine Versammlung damit betraut worden? Nein, 
sondern es war lediglich die Sache des Apostels und derer, die 
von ihm dazu autorisiert waren, wie z. B. Titus und vielleicht 
auch Timotheus. Im Werke des Herrn das zu tun, wozu wir 
nicht beauftragt sind, ist Vermessenheit, und das nachzuahmen, vielleicht aus Unwissenheit und ohne böse Absicht, 
was Gott Seiner Weisheit und Macht allein vorbehalten hat, 
heißt in den Fußtapfen des Feindes wandeln; denn Satan hat 
von jeher Gott alles nachzuahmen gesucht. Er hatte seine 
Apostel und Propheten, und er hat heute noch seine Prediger 
und Lehrer, und am Ende wird er auch seinen Christus haben. 
Ach! ein oberflächlicher Blick in die Christenheit genügt, um 
205 
zu sehen, wie tief die Kirche gefallen ist, wie sehr sie die 
Wahrheit verlassen hat und wie weit sie von dem abgewichen 
ist, was „von Anfang" war. In wie hohem Maße — und das 
sollte stets unser tiefster Schmerz sein — wird der Herr dadurch verunehrt, der Heilige Geist, Der inmitten der Versammlung wohnt, betrübt und beiseitegesetzt! Die meisten 
Gläubigen, wenn sie wirklich zur Wahrheit zurückkehren, 
müssen außer Christo fast alles aufgeben, woran sie bis dahin 
festgehalten haben. 
Der einzige wahre Platz des Jüngers des Herrn ist inmitten 
des Verfalls, nach dem Worte Gottes nur da, wo die Gläubigen 
in Seinem Namen versammelt sind und wo sie jede Segnung 
von Seiner Gegenwart abhängig machen. Der Heilige Geist 
ist, wie schon bemerkt, in unseren Tagen ganz besonders bemüht, alle, die errettet sind, auf diesen gesegneten Pfad zu 
leiten und ihre Herzen durch die Erwartung der nahen Ankunft des Herrn, sowie durch die Hoffnung der himmlischen 
Herrlichkeit zu erfreuen und zu beleben. Ja, das ist der Platz, 
den jeder Gläubige mit dem glücklichen Bewußtsein einnehmen kann, daß er nach dem wohlgefälligen Willen Gottes handelt, und daß der Herr Selbst jetzt schon inmitten der Versammelten im Geiste gegenwärtig ist. 
Wenn wir aber nun die Wahrheit erkannt und den Platz, 
wo der Herr uns segnen will, eingenommen haben, sind wir 
dann in völlige Sicherheit gebracht und nicht mehr -den mannigfachen Versuchungen hienieden ausgesetzt? Gewiß nicht; 
das nur einen Augenblick zu denken, wäre große Torheit. Die 
Versammlung zu Philipp! war ohne Zweifel in einem guten 
und wohlgeordneten Zustand; und gerade an diese schreibt 
der Apostel: „Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und 
Zittern" (Kap. 2, 12). So lange wir hienieden sind, sind wir 
in einer gefahrvollen und beschwerlichen Wüste, in einer versuchungsreichen Welt, die Satan zu ihrem Fürsten hat. In uns 
ist Schwachheit und Sünde, und außer uns das, was durch 
Schmeichelei oder Feindschaft Einfluß auszuüben vermag. Wir 
sind auf allen Seiten von Gefahren umgeben, und die gegenwärtige Zeit hat ihre ganz besonderen Versuchungen für den 
Gläubigen. 
206 
Es ist stets zum Segen der Kirche oder Versammlung, wie 
uns ihre ganze Geschichte zeigt, ausgeschlagen, wenn die Welt 
als Verfolgerin gegen sie auftrat. E n solcher Widerstand von 
außen läutert das Herz und reinigt den Wandel des Christen. 
Hienieden gehaßt und verfolgt, nimmt er seine Zuflucht zu 
der Gnade und Macht Gottes droben; und vor Seinem Angesicht ist zu jeder Zeit, auch inmitten der mannigfachen Prüfungen und Schwierigkeiten, „Freude die Fülle". In jenem ungetrübten Licht wird alles nach den Gedanken Gottes gemessen 
und nach seinem wahren Wert gekannt und beurteilt; alles 
wird gerichtet, was nicht der Gegenwart Gottes entspricht, 
und das Herz wird in wahrer Wachsamkeit und Nüchternheit erhalten In solchen Zeiten der offenbaren Feindschaft 
und des Druckes von außen wird das Wort Gottes weit mehr 
erforscht und geschätzt, das Gebet ist anhaltender und brünstiger und das Bedürfnis nach Gemeinschaft fühlbarer. Die 
Teilnahme des einen an dem anderen ist herzlicher, die Liebe 
lauterer und die gegenseitige Geduld und Tragsamkeit ausharrender; und alles erinnert uns daran, daß wir hier nur 
Pilger und Fremdlinge sind. 
Es werden aber ganz andere Erfahrungen gemacht, wenn 
die Welt sich freundlich gegen uns stellt, wenn sie uns 
schmeichelt und durch ihre Reize anlockt, wenn sie uns an all 
ihren Bestrebungen teilnehmen läßt und uns sogar dazu einladet, so wie es in unseren Tagen der Fall ist. Wie leicht kann 
da das Bewußtsein der Fremdlingschaft verschwinden! Gewiß, 
solche Zeiten wie die gegenwärtige haben ihre ganz besonderen Gefahren für die Gläubigen. Da ist doppelte Wachsamkeit 
und Nüchternheit im Gebet nötig, um nicht durch irgendeine 
der mannigfachen und gefährlichen Strömungen mit fortgerissen zu werden. Da gibt es von außen fast nichts, was uns 
abstößt und zum Herrn hintreibt; alles ist vielmehr geeignet 
und geneigt, uns anzuziehen und vom Herrn abzulenken. Zudem hat in diesem allem der Feind seine Hand, der nie etwas 
anderes im Sinn hat, als die Heiligen Gottes zu verderben. Es 
schützt uns nicht, daß wir uns zu irgendeiner Zeit vom Bösen 
abgesondert und der Wahrheit gemäß unseren Platz eingenommen haben, daß wir uns, getrennt von allen Parteien, im 
Namen Jesu versammeln; wir müssen diese Absonderung und 
diesen Platz auch der Wahrheit gemäß bezvahren und nufrecht207 
halten; und dazu bedürfen wir stets der Wachsamkeit, der 
Nüchternheit und des anhaltenden Gebets. Sobald wir darin 
nachlassen, tritt Ohnmacht und Schlaffheit ein; wir kommen 
wieder mehr unter den Einfluß des Feindes, und der Geist 
dieser Welt wird sich bald unser bemächtigen. Zudem dürfen 
wir nicht außer acht lassen, daß viele Gläubige unter denen, 
die sich im Namen Jesu versammeln, nicht durch Erkenntnis 
der Wahrheit auf diesen Platz geführt worden sind. Manche 
haben sich angeschlossen, weil sie dort mehr als anderswo 
Nahrung für ihre Seele fanden, und andere, weil sie von 
Jugend auf gewohnt waren, dort das Wort Gottes zu hören. 
Die zuletzt genannten sind zwar mit der Wahrheit bekannt, 
aber sie sind ihretwegen noch nie auf die Probe gestellt worden. Werden nun solche Gläubige inmitten der großen Verwirrung das Zeugnis der Wahrheit aufrechthalten? Eins ist 
gewiß; sie sind für ihr Bekenntnis und für das, was sie hören 
und wissen, verantwortlich. Der Herr ruft der Versammlung 
in Philadelphia zu: „Ich komme bald; halte fest, was du hast, 
auf daß niemand deine Krone nehme" (Offb 3, 11). 
Es wird leider jetzt schon bei manchen unter denen, die sich 
auf dem Boden der Wahrheit versammeln, die betrübende Erfahrung gemacht, daß sie in der Wachsamkeit und Nüchternheit nachgelassen, daß sie ihre erste Frische verloren haben. 
Das Verhalten oder der Wandel des einen und anderen zeigt 
nur zu deutlich, daß Schlaffheit, Trägheit und Weltförmigkeit 
sich seines Herzens bemächtigt haben. Früher war ihm kein 
Weg zu weit, kein Wetter zu rauh und nichts zu beschwerlich, 
wenn er Gelegenheit hatte, mit seinen Miterlösten am Tische 
des Herrn, oder zur Betrachtung des Wortes, oder zum gemeinschaftlichen Gebet versammelt zu sein; es war ihm stets 
Erquickung und Freude, und sein Herz war betrübt, wenn er 
einmal wirklich verhindert war, teilnehmen zu können. Doch 
wie ist es so ganz anders geworden! Trägheit und Gemächlichkeit haben ihn überwältigt. Es ist ihm ein leichtes, das Zusammenkommen zu versäumen, und selbst das geringste Hindernis ist ihm ein hinreichender Grund, sein öfteres Wegbleiben vor seinem Gewissen und vor anderen zu entschuldigen. 
In Wirklichkeit hat Christus aufgehört, für ihn der Zweck 
und das Ziel seines Lebens, die Freude und Wonne seines Herzens zu sein. Tür ihn ist das Wort Gottes keine köstliche Speise 
208 
mehr und das Gebet kein Bedürfnis. Er mag einen unermüdlichen Eifer und große Anstrengungen an den Tag legen, wenn 
es sich um sein Interesse handelt, aber sobald die Sache 
Gottes in Frage kommt, ist er träge und nachlässig; sein 
Herz mag sehr belebt sein, wenn weltliche Dinge Gegenstand der Unterhaltung sind, aber sobald es sich um göttliche Dinge handelt, ist er gleichgültig und teilnahmslos. Er 
mag aus Gewohnheit und der Form nach an dieser und jener 
Segnung teilnehmen, um sein Gewissen oder sein religiöses 
Bedürfnis zu befriedigen — vor Gott aber ist dies ohne Wert 
und ohne Kraft. 
So betrübend und demütigend nun auch solche Erscheinungen sind, so ist dies doch, Gott sei Dank! nicht der allgemeine 
Zustand derer, die sich im Namen Jesu versammeln. Der Geist 
Gottes ist wirksam; sie wandeln durchgängig untereinander 
in Frieden und werden erbaut; das Zeugnis der Wahrheit wird 
von vielen durch Wort und Schrift mit Eifer verbreitet, und 
der Herr fährt in Gnade fort, immer mehr Seelen hinzuzufügen. Doch dürfen wir unser Auge und unser Herz nicht verschließen vor solchen Erscheinungen, wie sie bei etlichen schon 
mehr oder weniger zutage getreten sind. Sie rufen einem jeden 
zu: „Du aber, sei nüchtern in allem"; sie zeigen uns, wieviel 
Ursache wir haben, in bezug auf uns selbst wachsam und 
nüchtern zu sein, „angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der 
Seligkeit", damit wir nicht auch nach und nach in denselben 
Zustand versinken; sie fordern uns zum Gebet und Flehen 
für jene auf, die durch die List des Feindes in dem „guten 
Kampf" ermattet sind, ja für alle, die sich in dieser versuchungsreichen Welt in denselben Gefahren befinden; sie 
ermahnen uns ernstlich, das Zeugnis der Wahrheit unerschütterlich festzuhalten und zu bekennen und an allem, was den 
Herrn verherrlicht und zum Besten der Seinigen ist, stets von 
Herzen anteilzunehmen. Es muß den Herrn sicher tief betrüben, wenn solche, die in diesen letzten Tagen vor vielen Tausenden bevorzugt sind — solche, welche die Wahrheit erkennen, daß sie den Herrn erwarten und sich der Herrlichkeit 
Gottes rühmen — wenn sogar auch diese aufs neue die Gnade 
vernachlässigen und ihre große Verantwortlichkeit nicht beachten. Ach! es bleibt eine Wahrheit, ja, eine sehr traurige 
209 
Wahrheit, daß zu jeder Zeit alles, was den Händen des Menschen anvertraut wird, dem Verfall entgegengeht. Welch ein 
armseliges Geschöpf ist doch der Mensch in sich selbst! Aber 
wie anbetungswürdig ist die Gnade und Liebe Gottes, die in 
Christo Jesu ein solches Geschöpf zu Seiner eigenen Herrlichkeit berufen und fähig gemacht hat! 
Alle Gläubigen nun, die der Heilige Geist in der Jetztzeit 
aus der Verwirrung herausgeführt und auf den untrüglichen 
Boden der Wahrheit gestellt hat, alle, die mehr oder weniger 
ihre Befreiung in Christo und ihre herrlichen und himmlischen 
Vorrechte kennen, sind dadurch zugleich mit einer hohen und 
wichtigen Aufgabe betraut worden, nämlich die Wahrheit, „wie 
sie in dem Jesus ist", durch Wort und Wandel zu bekennen 
und inmitten der Verwirrung und des zunehmenden Verfalls 
aufrechtzuhalten. Dieser Platz gegenwärtiger Segnung, in den 
der Heilige Geist sie geführt hat, und das damit verbundene 
wichtige Zeugnis inmitten des Verfalls stellt alle, die daran 
teilhaben, unter eine große Verantwortlichkeit. Deshalb ist es 
um so ernster, die Ermahnungen des Apostels zu beherzigen: 
„Du aber, sei nüchtern in allem", und: „Schaffet eure eigene 
Seligkeit mit Furcht und Zittern", besonders wenn wir an 
unsere Schwachheit, an die List des Feindes und an die uns 
umringenden, mannigfachen Gefahren denken. 
In der Hoffnung und dem Wunsch, dem christlichen Leser 
irgendwie nützlich zu sein und ihn zu doppelter Wachsamkeit 
und Nüchternheit im Gebet anzuspornen, möchte ich noch einen 
Augenblick bei den traurigen Folgen verweilen, die hier und da 
in die Erscheinung treten und unausbleiblich sind, sobald wir 
dem Fleische Raum geben, in der Wachsamkeit träge werden, 
das Lesen des Wortes und das Gebet vernachlässigen und das 
Zusammenkommen versäumen. Ach! wie bald tritt da Erschlaffung ein! denn der Feind ist stets beschäftigt und benutzt 
alles, um verderblich auf unsere Seelen einzuwirken. Die Gemeinschaft mit dem Vater und mit Christo Jesu, unser so 
köstliches Vorrecht schon hier auf Erden, wird immer weniger 
genossen, der Friede schwindet, die Liebe erkaltet, das Interesse am Werk des Herrn und an den Seinigen hört auf, und 
das Gewissen erschlafft. Während die Form der Gottseligkeit 
beibehalten werden mag, entfernt sich das Herz immer mehr 
aus der Gegenwart Gottes und sinkt hinab zu seinen eigenen 
230 
Gedanken und Bewegungen und verliert sich endlich ganz in 
der Welt. Das ist der ungöttliche Pfad, auf dem sich mehr 
oder weniger viele Gläubige befinden, und leider auch solche, 
die sich, wenn auch nicht mehr dem Herzen, so doch der Gewohnheit nach, mit anderen im Namen Jesu versammeln. Das 
Wort Gottes hat seine Kraft über ihre Gewissen vielfach verloren; die brüderlichen Ermahnungen werden mit allerlei Entschuldigungen und oft mit Bitterkeit zurückgewiesen. Der 
Genuß an dem einfachen, nüchternen Wort ist nicht mehr 
vorhanden; zum Hören und Lesen der Worte hat man kein 
Bedürfnis und keine Zeit, oder man langweilt sich und schläft 
bald ein. Man findet wieder mehr Genuß an schönen, schwungvollen Reden, welche die Sinne aufregen, aber das Gewissen 
und unsere ernste Verantwortlichkeit vor Gott meist unberührt lassen. In demselben Maße nun wie das Interesse und 
der Sinn für die Wahrheit abnimmt, verliert das Auge seine 
Einfalt und das Herz seine Nüchternheit, seine Freude und 
seine Kraft; ja je weiter man sich vom Herrn entfernt, um so 
mehr tritt Verblendung und Verhärtung ein. Der schmale 
Pfad, auf dem man einst so glücklich und gesegnet war, ist 
jetzt zu eng und zu einseitig. Man hält es für wahre Freiheit, 
ihn weiter und weiter zu machen, bis man schließlich wieder 
da ankommt, von wo man ausgegangen ist. Doch befindet man 
sich jetzt in einem weit traurigeren Zustand als damals, als 
man aus Mangel an Einsicht an Dingen teilnahm, die Gott 
verunehren. Es ist jetzt nicht mehr Unwissenheit, sondern Ungehorsam, und zudem findet man bei einem solchen Zustand 
nicht selten, daß das, was in den Tagen der Absonderung und 
der Treue gelernt worden ist, jetzt benutzt wird, um sich über 
andere zu erheben. Das Gedächtnis hat die Erkenntnis aufbewahrt, die einst das Herz mit Frieden/
 Freude und Kraft 
erfüllte; und das, was früher ein Anlaß wurde, den Herrn zu 
preisen und anzubeten, ist jetzt nur ein totes Wissen und wird 
zur Selbsterhebung und Aufblähung benutzt. 
Die Gemeinschaft der Heiligen wird als ein großes Vorrecht 
betrachtet und mit Freuden gepflegt, so lange man in der 
Gegenwart des Herrn wandelt. Es ist für alle geistlich gesinnten Christen sowohl Bedürfnis als auch Genuß, sich miteinander im Herrn zu erfreuen, einander zu dienen, Leid und 
Freud miteinander zu teilen, einander zu ermuntern und zu 
211 
ermahnen. Doch wie verändert sich dies alles, sobald das Herz 
schlaff und weltförmig geworden ist. In dem Maße, wie es 
gegen den Herrn erkaltet und sich von Ihm entfernt, erkaltet 
es gegen die Brüder und entfernt sich von ihnen. Man nimmt 
wenig Teil an ihrem Wohl und Wehe; man findet kein Interesse an ihren Unterhaltungen über geistliche Dinge. Anstatt 
der Liebe, die tragsam, friedfertig und langmütig ist, ist Unduldsamkeit, Störrigkeit, Parteisucht und Verurteilung vorhanden. Das ganze Verhalten eines verweltlichten Gläubigen 
offenbart stets mehr oder weniger die Gesinnung Kains, der 
sagte: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?" 
Jeder einsichtsvolle Christ wird mit mir überzeugt sein, daß 
das hier entworfene, traurige Bild von Erlösten, deren Herzen 
gegen den Herrn erkalten und sich verweltlichen, bei manchem 
leider! noch weit hinter der Wirklichkeit zurückbleibt. Es sind 
Erfahrungen, die zu jeder Zeit gemacht worden sind, und ach! 
auch in unseren Tagen so vielfach gemacht werden; sogar 
unter denen, die sich großer Gnade und Vorzüge rühmen können, unter denen, die durch die Kraft des Geistes sich von den 
Gefäßen zur Unehre gereinigt und ihren gesegneten Platz erkannt und eingenommen haben, ja unter denen, die bekennen, 
daß sie den Herrn erwarten und sich ihrer gesegneten und 
himmlischen Vorrechte rühmen. Sicher ist es eine höchst betrübende und demütigende Erscheinung. Und deshalb, geliebter 
Leser, fühle ich mich gedrungen, einige ernste Fragen an dich 
zu richten, die du dir selbst vor dem Herrn mit aller Aufrichtigkeit beantworten wollest. Kannst du sagen, daß der Herr 
der Zweck und das Ziel deines Lebens, die Freude und Wonne 
deines Herzens ist, oder haben sichtbare Dinge mehr oder 
weniger den Ihm allein gebührenden Platz eingenommen? Ist 
die erste Frische und Freude des inneren Lebens noch vorhanden, oder ist Schlaffheit und Weltlichkeit eingeschlichen und 
hat deinen Frieden getrübt, den Genuß und die Freude am 
Herrn, an Seinem Wort und am Gebet geschwächt? Ist der 
Eifer zum Zusammenkommen geblieben, oder bist du darin 
säumig und lässig geworden und kannst du ohne ein wirkliches Hindernis wegbleiben? Hast du noch die gleiche Teilnahme am Werke des Herrn, das gleiche Interesse an den Heiligen und Geliebten Gottes, an ihrer Freude und ihrem Leide, 
oder ist dein Herz erkaltet und gegen dies alles mehr oder 
212 
weniger verschlossen? Das sind ernste und höchst wichtige 
Fragen, und es ist sicher der Mühe wert, einmal stille zu 
stehen und sie in der Gegenwart Gottes zu beantworten. Und 
solltest du auch nur ein wenig in deiner Gesinnung gegen den 
Herrn, in deinem Eifer für das, was Ihm wohlgefällt, nachgelassen haben, so bitte ich dich im Namen Jesu: gehe keinen 
Augenblick weiter darin voran, sondern wende dich mit aufrichtigem Bekenntnis und im Selbstgericht zu Ihm, und Er wird 
dir gnädig sein, wird dir vergeben und dich reinigen, und Er 
wird dir Kraft darreichen, um deinen ferneren Weg, bis Er 
kommt, zu Seiner Verherrlichung zu wandeln. Gedenke doch 
der großen Vorzüge, die dir zuteil geworden sind, denke an 
die göttliche Huld und Gnade, die dir täglich zuteil werden, 
und zugleich an deine große Verantwortlichkeit. Gedenke, 
welchen großen Schaden du dir selbst bereitest, wenn du in 
Gleichgültigkeit und einer weltlichen Gesinnung vorangehst, 
und welchen großen Schaden du deinen Miterlösten zufügst, 
wenn du im Gegenteil jetzt ihre Herzen beschwerst und betrübst. Vor allem aber bedenke, wie sehr du das Wort Gottes 
und den Namen des Herrn verunehrst, Ihn, Der dich so unendlich geliebt hat und liebt, und von Dem du weißt, daß Er 
bald kommt, und daß du dann für immer bei Ihm sein wirst; 
denke daran, wie sehr du den Heiligen Geist betrübst, mit 
dem du auf den Tag der Erlösung versiegelt worden bist. Oh, 
erwäge dies alles und kehre um! Der Herr möge dir dazu 
Gnade und Kraft verleihen! 
Es ist zugleich sehr zu beherzigen, daß sich dann, wenn 
Schlaffheit und Weltförmigkeit oder gar offenbare Sünden in 
der Mitte derer, die sich im Namen Jesu versammeln, vorhanden sind, alle zu richten und zu demütigen haben. Und dies 
wird sicher geschehen, wenn die Verherrlichung des Herrn den 
ersten Platz im Herzen einnimmt, und die Einheit und die 
priesterliche Stellung der Gläubgen erkannt wird. Sie werden 
sich vor Gott in Gnade mit der Sünde oder dem traurigen Zustande, der vorhanden ist, einsmachen und vor Ihm bekennen 
und sich verurteilen. Im Lichte Seiner Gegenwart wird auch 
mancher zu der Einsicht kommen, daß er selbst aus Mangel 
an Wachsamkeit und Treue an dem Übel schuld ist, daß er die 
Ermahnung des Apostels: „Laßt uns aufeinander achthaben 
zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken" nicht genug213 
sam beherzigt hat. Ist das Böse wirklich eingedrungen, sind 
traurige Zustände vorhanden, so bedarf es der besonderen 
Weisheit von oben, der Liebe, Gnade und Geduld, um sich auf 
eine Gort wohlgefällige Weise damit zu beschäftigen. Wie 
leicht können wir in der Ausübung der Zucht zu streng, wie 
leicht zu nachlässig und zu schlaff sein! Wenn in irgendeiner 
Sache, so haben wir in dieser die Leitung des Geistes so nötig; 
und vor allen solche unter uns, die Einfluß ausüben, die sich 
im Werke des Herrn bemühen und nach der ihnen verliehenen 
Gnadengabe für die Herde Christi Sorge zu tragen haben. Sie 
sind in ihrem Dienst unter eine große Verantwortlichkeit gestellt. Sie haben sich mit dem teuersten zu beschäftigen, was 
der Herr besitzt. Es gibt auf dieser Erde, sowohl im Blick auf 
das Vorrecht als auch auf die Verantwortlichkeit, kein Werk, 
keine Arbeit, keine Sorge, die so wertvoll und wichtig wäre, 
wie jene für die teure Herde Christi. Ernster, beherzigenswerter Gedanke für alle, die zum Dienst der Heiligen berufen 
sind! Welchen unermüdlichen Eifer, welche Hingebung, Treue, 
Selbstverleugnung und Aufopferung, welche lauteren Beweggründe erfordert dieser Dienst! Nur die Liebe zu Christo und 
die ununterbrochene Gemeinschaft mit Ihm kann den treuen 
Diener befähigen, den Dienst zu erfüllen. Wie nötig ist es 
daher, daß er sich mit aller Aufrichtigkeit die ernste Frage 
vorlegt: Wie steht mein Herz zu Ihm? Ist Er mein ein und 
alles? Wandle ich in Seiner Gegenwart, in Seiner Gemeinschaft? Ist die Liebe zu Ihm und zu den Seinigen der einzige 
Beweggrund in dem mir anvertrauten Dienst? Vollführe ich 
ihn mit aller Willigkeit und Hingebung? Diesen Dienst ausüben, weil die Pflicht es erfordert, ist von geringem Nutzen. 
„Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprechet: 
Wir sind unnütze Knechte". So sagt der Herr. Wie kann ich 
andere auf die rechte Weise ermuntern und ermahnen, wenn 
ich selbst Ermunterung und Ermahnung nötig habe? Wie kann 
ich andere zum Forschen in der Schrift und zum Gebet oder 
zu guten Werken reizen, wenn ich selbst darin gleichgültig 
und nachlässig bin? oder wie kann ich andere in der Erkenntnis fördern, wenn ich selbst keine Fortschritte darin mache? 
Es ist gewiß, daß es in manchen Versammlungen an wirklicher 
Nahrung für die Seele fehlt. Wenn die Liebe schwach ist, 
denn die Liebe erbaut, und wenn zudem auch wenig Gaben 
214 
vorhanden sind, so kann leicht das innere Leben mehr und 
mehr verkümmern. Es mag jemand mancherlei Wahrheiten 
wissen und auch in der Versammlung vortragen, so ist es doch 
von geringem Nutzen für die Hörenden, wenn diese Wahrheiten nicht aus einem Herzen kommen, das1
 sich selbst darin 
erfreut, und in dem der Heilige Geist wirkt. Etliche mögen sich, 
im Blick auf die große Verantwortlichkeit, wohl prüfen, ob 
ihr Reden in der Versammlung wirklich zur Erbauung und 
Belehrung ist; und ebenso mögen sich andere wohl die ernste 
Frage vorlegen, ob es der wohlgefällige Wille des Herrn ist, 
daß sie nie ein Wort zur Ermunterung und Ermahnung in der 
Versammlung zu sagen haben. Ich bin völlig überzeugt, daß es 
nicht die Sache eines jeden Gläubigen ist, die Versammlung 
zu erbauen und zu belehren, aber es kann auch wohl sein, 
daß nicht Mangel an jeder Begabung, sondern eine unlautere 
Gesinnung und ein ungeistlicher Wandel die Ursache unserer 
Unfähigkeit sind, und darüber haben wir uns ernstlich zu demütigen und zu richten; denn in einem solchen Zustande wird 
selbst der begabteste Diener die Versammlung nicht wirklich 
erbauen. Wenn bei ihm der verborgene Umgang mit dem 
Herrn fehlt, wenn von früh bis spät die irdischen Dinge sein 
Herz beunruhigen und mit Sorge erfüllen, wenn er sich keine 
Zeit nimmt, sich selbst durch Gebet und Erforschen des Wortes 
zu ernähren und zu belehren, so wird er sicher für andere von 
geringem Nutzen sein. Seine Vorträge mögen wahr sein, aber 
sie sind kraftlos; er mag seine Rede in noch so liebliche oder 
brünstige Worte kleiden, das Gewissen und das Herz des 
Hörenden werden nicht erreicht. Und ein solcher ist in hohem 
Grade mitschuldig an dem Rückgang, an dem Verfall und der 
Verkümmerung des inneren Lebens, mitschuldig an dem 
schlaffen, verweltlichten Zustand der Versammlung, in deren 
Mitte er wirksam ist, und er hat vor allem die Verantwortlichkeit davon zu tragen. Wie ernst sind solche Erwägungen für 
alle, die in irgendeiner Weise vom Herrn begabt und berufen 
sind, die Heiligen zu ermahnen, zu erbauen und zu belehren! 
Möchte doch ein jeder unter ihnen von Ihm mit aller Aufrichtigkeit seine Gesinnung und sein Verhalten in dem ihm 
anvertrauten Dienst zu erforschen suchen! 
Wir leben, wie schon bemerkt, in einer Zeit großer Gnade 
und großer Verantwortlichkeit. Der Heilige Geist ist wirksam, 
215 
und zudem haben wir das Vorrecht, daß wir uns trotz der 
tiefen Versunkenheit, die sich in verschiedenen Schichten der 
christlichen Bevölkerung kundgibt, und trotz der stets zunehmenden öffentlichen Feindschaft wider das Christentum, in 
Ruhe versammeln und ohne besondere Störung von außen den 
Pfad des Glaubens wandeln können. Es ist der Herr, der solches tut, und wir mögen deshalb wohl das Wort des Apostels 
beherzigen: „Ich ermahne nun vor allen Dingen, daß Flehen, 
Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, auf daß wir ein 
ruhiges und stilles Leben führen mögen . . . Denn dies ist gut 
und angenehm vor unserem Heiland Gott" (l.Tim 2,1—3). Gott 
benutzt diese Zeit der Ruhe, um durch Wort und Schrift die 
Seinigen zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen, um sie dadurch aus der großen Verwirrung in der Christenheit zu befreien und sie auf den einfachen und gesegneten Pfad des 
Glaubens und des Gehorsams zu leiten. Es ist aber gewiß eine 
ganz betrübende Erscheinung in unseren Tagen, daß so viele 
Gläubige, und namentlich die Führer unter ihnen, sei es aus 
Unwissenheit oder aus Mangel an Unterwürfigkeit unter das 
Wort, dem Wirken des Geistes entgegenarbeiten. Und ich 
möchte diese Brüder, falls diese Zeilen in ihre Hände kommen 
sollten, im Namen Jesu bitten, sich einmal mit aller Gewissenhaftigkeit folgende Fragen vorzulegen: Eifern wir für den Herrn 
oder für unsere Partei? Ist das Wort Gottes unsere alleinige 
Richtschnur, oder sind es menschliche Gedanken und Meinungen? Fördern wir die Einheit oder vermehren wir die Zersplitterung der Versammlung Gottes? Versammeln wir uns 
auf dem Boden der Wahrheit im Namen Jesu oder auf dem 
Boden menschlicher Einrichtungen und Satzungen? Haben wir 
den Tisch des Herrn zum Tische unserer Partei gemacht, oder 
nehmen wir alle Gläubigen auf, wenn anders ein würdiger 
Wandel und Unverdorbenheit in der Lehre bei ihnen vorhanden ist? Erkennen wir die wahre, durch den Heiligen Geist 
bewirkte Einheit der Versammlung Gottes an, oder verachten 
xoir sie und sind beschäftigt, an ihrer Statt eine scheinbare, 
menschliche Vereinigung unter dem Namen „Allianz" und 
der gl. herbeizuführen? Das sind wirklich Fragen von höchster 
Wichtigkeit, und ich möchte den Leser dieser Zeilen, falls er 
sich noch zu irgendeiner Partei bekennt, dringend bitten, sie 
216 
mit aller Aufrichtigkeit vor dem Herrn zu erwägen. Der Heilige Geist aber fährt trotz allen Widerstandes fort, die Wahrheit auszubreiten. Es vermehren sich stets die Orte, wo Gläubige, abgesondert von jeder Partei, sich im Namen Jesu versammeln und an Seinem Tisch die Einheit des Leibes, d. i. der 
Versammlung bekennen. Das ist das gesegnete Vorrecht der 
Gläubigen, bis der Herr kommt. Oh, möchten alle die Seinigen 
es erkennen und zur Ehre des Herrn und zu ihrer eigenen 
Segnung es verwirklichen! 
Ich möchte nun noch einen Augenblick bei der Verkündigung des Evangeliums unter der Welt verweilen, die in unseren Tagen in einer so ausgedehnten Weise stattfindet, wie 
wohl nie zuvor. Fast überall hat der Herr die Türen geöffnet, 
und alle werden eingeladen; denn „er will, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (2. Tim 2, 4). Der einladende Ruf ist jetzt: „Wen da 
dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens 
umsonst" (Offb 22, 17). Viele sind in unseren Tagen errettet 
worden, und der Herr fährt fort, immer mehr zu erretten. 
Eine segensvolle, gnadenreiche Zeit! aber auch eine Zeit großer 
Verantwortlichkeit für alle, die das Evangelium der Gnade und 
der Herrlichkeit hören. Der Herr sammelt in Eile, und es ist 
wohl die letzte große Einladung, bevor Er kommt, um die 
Seinigen aufzunehmen. Zugleich ist es eine ernste Mahnung 
an alle, die zur Verkündigung des Evangeliums berufen sind, 
diesen wichtigen Dienst auf eine Gott wohlgefällige Weise 
und mit allem Eifer und aller Treue auszuüben. Sie sind Ihm 
dafür verantwortlich. Vor allem ist es nötig, daß jeder, der das 
Evangelium verkündigt, sei es in persönlichen Unterredungen 
oder in öffentlichen Vorträgen, selbst von seinem köstlichen 
Inhalt tief durchdrungen ist. Leere, trockene Worte bleiben 
wirkungslos; schwungvolle Reden und ausgeschmückte Mitteilungen mögen die Sinne und die Gefühle erregen, aber 
für das Gewissen sind sie nutzlos und fruchtleer; und sollten 
trotzdem Seelen bekehrt werden, so wissen wir, daß der Herr 
über allem steht und in Seiner Gnade zu erretten vermag, wo, 
wann und wie Er will, und daß Er Selbst verwerfliche Mittel 
und Werkzeuge dazu benutzen kann. Doch eins ist gewiß, daß 
der Erfolg ebensowenig die Mittel heiligt, wie der Zweck; der 
Herr wird nie Sein Wohlgefallen daran haben. Und wie sehr 
217 
unterscheidet sich eine solche Verkündigung des Evangeliums 
von der Verkündigung durch den Apostel. Wir lesen in 1. Kor 
2, 1—5: „Und ich, als ich zu euch kam, Brüder, kam nicht nach 
Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit, euch das Zeugnis 
Gottes verkündigend. Denn ich hielt nicht dafür, etwas unter 
euch zu wissen, als nur Jesum Christum, und ihn als gekreuzigt. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in 
vielem Zittern; und meine Rede und meine Predigt war nicht 
in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung 
des Geistes und der Kraft, auf daß euer Glaube nicht beruhe 
auf Menschen-Weisheit, sondern auf Gottes-Kraft". Möchten 
doch alle, die das Evangelium verkündigen, diese Worte beherzigen! 
Schließlich möchte ich in Verbindung mit der Verkündigung 
des Evangeliums noch auf ein Verfahren aufmerksam machen, 
das in unseren Tagen viel Nachahmung gefunden hat. Dieses 
Verfahren bezweckt die Bekehrung der Seelen; aber so ernst 
und treu es auch oft gemeint sein mag, so bin ich doch überzeugt, daß es die Kraft des Evangeliums schwächt und den 
Seelen mehr zum Schaden als zum Nutzen gereicht. Man wendet sich nämlich am Schluß eines Vortrages an die versammelte 
Menge mit der Frage: „Wer unter euch möchte gerne bekehrt 
oder selig werden?" Diejenigen nun, die dies wünschen, 
bleiben zurück, und es wird mit ihnen gesungen und gebetet, und meist so lange, bis sie als bekehrt entlassen 
werden können. Auf diese Weise wächst nun die Zahl der 
Bekehrten sehr schnell; aber die Erfahrung hat bereits an 
mehreren Orten gelehrt, daß viele von ihnen, ja sogar die 
meisten, nach kurzer Zeit wieder in ihren alten Wegen wandeln, und manche sogar mit ihrer Bekehrung Spott treiben. 
Worin mag nun diese betrübende Erscheinung ihren Grund 
haben? Die Seelen schienen doch wirklich glücklich zu sein. Es 
liegt einfach an dem bei ihnen angewandten Verfahren. Der 
Gesang, die oft sehr aufgeregten Gebete etc. haben auf ihre 
Gefühle und Sinne gewirkt. Man könnte sagen, daß ihre Gefühle bekehrt worden seien, aber nie ist ihr Gewissen in der 
Gegenwart Gottes gewesen; und ohne dieses wird keine wirkliche Bekehrung stattfinden. Die Buße, das Bekenntnis, das 
Selbstgericht, mag es kurze oder längere Zeit dauern, geht 
jeder wahren Bekehrung voran, und je tiefer diese vorher218 
gehende Bearbeitung des Geistes ist, je gründlicher wird auch 
nachher das ganze Werk in der Seele sein. Darum muß jene 
Bekehrungsmethode jedem einsichtsvollen Christen sehr bedenklich erscheinen, indem nicht nur viele Seelen dadurch getäuscht und betrogen werden, sondern auch das Werk Gottes 
mehr oder weniger zu einem Werk des Menschen herabgewürdigt wird. Es ist nicht mehr allein das Wort Gottes in der 
Kraft des Heiligen Geistes (wie wir 1. Thess 1, 5; 1. Petr 1, 23 
und an anderen Stellen lesen), sondern es sind die Gebete des 
Menschen, durch welche die Seelen errettet werden; wenigstens macht man es von diesen Gebeten abhängig, wenn man 
auch anerkennt, daß Gott allein es bewirken kann. Es mag 
bei solchem Verfahren manche Seele wirklich bekehrt worden 
sein, aber dann war schon in irgendeiner Weise das Gewissen 
aufgeweckt und in Tätigkeit vor Gott. Wir finden aber nirgends in der Schrift, daß die Apostel und andere bei aufgeweckten und beunruhigten Seelen ihre Zuflucht zum Gebet 
genommen hätten. Sie verkündigten ihnen das Wort, richteten 
ihre Blicke auf das durch Christum vollbrachte Werk auf dem 
Kreuze und ermunterten sie zum Glauben. So geschah es bei 
Kornelius, beim Kerkermeister und anderen. Die Seelen mit 
dem zu beschäftigen, was in ihnen vorgeht, mit ihren Gefühlen usw., hat die traurige Folge, daß ihr Friede, selbst wenn 
sie wirklich errettet sind, schwankend bleibt, weil sie ihn von 
ihren Gefühlen abhängig machen und nicht allein von dem 
vollbrachten Werk Christi. Das krankhafte und schwache 
geistliche Leben vieler Gläubigen in unseren Tagen hat oft 
allein darin seinen Grund, daß sie von Anfang an nur mit 
sich und nicht mit Christo und Seinem Werke beschäftigt 
worden sind. Möge daher jeder, der für das Werk des Evangeliums berufen ist, stets durch das Wort und den Geist Gottes 
geleitet werden! Und möge jeder Gläubige in dieser versuchungsreichen Zeit, wo auf allen christlichen Gebieten menschliche Torheit und Anmaßung zutage treten, stets die ernste 
Ermahnung des Apostels beherzigen: „Du aber sei nüchtern 
in allem!" 
5ti 
219 
Gedanken 
Das Bedürfnis nach Einheit ist unter den Gläubigen von 
Jahr zu Jahr mehr erwacht; aber nichts steht ihrer Verwirklichung so sehr im Wege, wie die Anstrengung, Einheit hervorzurufen und bewirken zu wollen. Jeder Versuch dieser Art 
ist eine Verleugnung der Einheit, die uns im Worte Gottes als 
bereits bestehend dargestellt wird. Ist es eine göttliche Wahrheit, daß wir alle in einem Geiste zu einem Leibe getauft und 
mit einem Geiste getränkt sind (i. Kor 12, 13), dann bleibt 
uns nichts zu tun übrig, als diese Einheit anzuerkennen und 
sie zu verwirklichen, und zwar nach der bestimmten Ermahnung des Apostels: „Euch befleißigend, die Einheit des Geistes 
zu bewahren in dem Bande des Friedens. Da ist ein Leib und 
ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung 
eurer Berufung" (Eph 4, 3. 4). 

Wenn die Liebe Christi unser Herz erfüllt, während wir 
durch diese Welt hindurchgehen, dann wird alles, was uns 
umgibt, Schmerz und Betrübnis in uns erwecken. Christus 
tat stets das Werk der Liebe, aber mit welchen Gefühlen 
durchschritt Er diesen Schauplatz der Sünde und des Todes! 
Wir können sagen, daß Er stets Trauer und Schmerz fühlte, 
weil Er ganz Liebe war. „Er hat unsere Leiden getragen und 
unsere Schmerzen hat er auf sich geladen". 

Wir sind hier zurückgelassen, um zweierlei zu lernen: zunächst vieles von unserem eigenen Ich, und das ist stets demütigend, und dann etwas von der unveränderlichen und unfehlbaren Geduld, Liebe und Güte Gottes in Christo. 

Aus Christo alles, aus sich selbst nichts zu machen, ist das 
Geheimnis wahren Glücks und wahren Fortschritts. 
220 
Wenn wir die volle Tragweite unseres Gestorben- und Auferstandenseins mit Christo nicht verstehen, so mögen unsere 
Gewissen wohl in Frieden sein, aber unsere Herzen werden 
nie wahre Ruhe genießen, und zu gleicher Zeit werden wir 
ohne Schutz gegen die Versuchungen der Welt dastehen. 

Es ist eine glückselige Sache, so mit Gott zu wandeln, daß 
Er uns als Seinen Mund gebrauchen kann, wenn Er zu armen 
Sündern reden will. 

Zage nicht! zage nicht! 
Kleine Herde, fürchte nicht 
Deiner Feinde Macht und Toben! 
Siehe, Gottes Angesicht 
Ist voll Huld auf dich erhoben. 
Zage, nicht! zage nicht! 
Wanke nicht! wanke nicht! 
Will Dir bangen, zage nicht! 
Ist's gleich um dich schwül und trübe, 
Jesus, voller Trost und Licht, 
Stützet dich mit Macht und Liebe. 
Wanke nicht! wanke nicht! 
Epaphroditus 
Wir bitten den Leser, sich für einige Augenblicke zu Phil 2. 
zu wenden, um mit uns die kurze Schilderung des interessanten Charakters des Epaphroditus zu betrachten. Es wird uns 
nicht viel über ihn mitgeteilt, aber in dem Wenigen entdecken 
wir viel wahrhaft Liebliches und Schönes, vieles, das uns nach 
Männern gleicher Art in unseren Tagen ausschauen läßt. "Wir 
führen den inspirierten Bericht über ihn hier wörtlich an. „Ich 
habe es aber für nötig erachtet, Epaphroditus, meinen Bruder 
und Mitarbeiter und Mitstreiter, aber euren Abgesandten und 
221 
Diener meiner Notdurft, zu euch zu senden, da ihn ja sehnlich 
nach euch allen verlangte und er sehr bekümmert war, weil ihr 
gehört hattet, daß er krank war. Denn er war auch krank, dem 
Tode nahe; aber Gott hat Sich über ihn erbarmt, nicht aber 
über ihn allein, sondern auch über mich, auf daß ich nicht 
Traurigkeit auf Traurigkeit hätte. Ich habe ihn nun desto 
eilender gesandt, auf daß ihr, wenn ihr ihn sehet, wieder froh 
werdet, und ich weniger betrübt sei. Nehmet ihn nun auf in 
dem Herrn mit aller Freude, und haltet solche in Ehren; denn 
um des Werkes willen ist er dem Tode nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, auf daß er den Mangel in eurem 
Dienste gegen mich ausfüllte" (Verse 25—30). 
Es ist möglich, daß manche von uns, wenn sie diese Beschreibung lesen, sich versucht fühlen, zu fragen, ob denn 
Epaphroditus ein großer Evangelist oder Lehrer, oder sonst ein 
hochbegabter Diener Christi gewesen sei, da ihm der inspirierte Apostel so viele hohe und ehrende Titel beilegt. Er nennt 
ihn nicht nur seinen Bruder, sondern auch seinen Mitarbeiter 
und Mitstreiter. Nun, wir hören nichts davon, daß er ein begabter Prediger oder ein erkenntnisreicher Lehrer in der Versammlung Gottes gewesen sei. Alles, was uns in der obigen 
Erzählung von ihm gesagt wird, ist, daß er zu einer Zeit, wo 
es galt, einem wirklichen Bedürfnis abzuhelfen und eine vorhandene Lücke auszufüllen, auftrat, um sich dazu gebrauchen 
zu lassen. Die Philipper wünschten, dem verehrten und bejahrten Apostel in seinem Gefängnis zu Rom eine Hilfsleistung zu senden. Er war in Not, und sie sehnten sich danach, 
seiner Not abzuhelfen. Sie liebten ihn mit ganzer Innigkeit, 
und Gott hatte es ihnen ans Herz gegeben, an seinen Bedürfnissen teilzunehmen. Sie dachten an ihn, obgleich er weit von 
ihnen entfernt war, und sie wünschten, ihm mit ihrer Habe zu 
dienen. 
Wie lieblich war dies, und wie mußte es das Herz Christi 
erfreuen! Lauschen wir auf die herzlichen Worte, mit welchen 
der alte, teure Gefangene von ihrem Dienste spricht: „Ich habe 
mich aber im Herrn sehr gefreut, daß ihr endlich einmal wieder aufgelebt seid, meiner zu gedenken; wiewohl ihr auch 
meiner gedachtet, aber ihr hattet keine Gelegenheit . . . Doch 
222 
habt ihr wohlgetan, daß ihr an meiner Drangsal teilgenommen 
habt. Ihr wisset aber auch, ihr Philipper, daß im Anfang des 
Evangeliums, als ich aus Mazedonien wegging, keine Versammlung mir mitgeteilt hat in bezug auf Geben und Empfangen, als nur ihr allein. Denn auch in Thessalonich habt ihr 
mir einmal und zweimal für meine Notdurft gesandt. Nicht 
daß ich die Gabe suche, sondern ich suche die Frucht, die überströmend sei für eure Rechnung. Ich habe aber alles in Tülle 
und habe Überfluß; ich bin erfüllt, da ich von Epaphroditus 
das von euch Gesandte empfangen habe, einen duftenden 
Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig" (Phil 
4, 10—18). 
Hier sehen wir den Platz, den Epaphroditus in diesem gesegneten Dienst ausfüllte. Das Opfer der Heiligen zu Philippi 
lag bereit; aber wer sollte es dem geliebten Apostel überbringen? Er lag gefangen in Rom. Es war damals noch nicht die 
Zeit der Bankwechsel und der Postanweisungen. Auch gab es 
keine Eisenbahnen, die den Reisenden in kürzester Frist von 
einem Ende des Erdteils bis zum anderen befördern. In jenen 
Tagen war es kein so leichtes Unternehmen von Philippi nach 
Rom zu reisen. Doch Epaphroditus, dieser hingebende Diener 
Christi, bot sich an, das fehlende Glied in der Kette zu bilden, 
die Lücke auszufüllen. Er erklärte sich bereit, das zu tun, was 
gerade nötig war, und nichts mehr, nämlich der Verbindungskanal zu sein zwischen der Versammlung zu Philippi und dem 
Apostel zu Rom. So groß und wirklich die Not des Apostels 
war, so kostbar und zeitgemäß die Gabe der Philipper auch 
sein mochte, so fehlte es doch an einem Werkzeug, um die 
beiden zusammenzubringen. Epaphroditus war der Mann, um 
diesen Dienst zu tun, und er war dazu bereit. Er begehrte nicht 
ein großes, in die Augen springendes Werk zu tun, ein Werk, 
das ihn vor allen ausgezeichnet und seinen Namen weithin 
bekanntgemacht hätte. Er war ein demütiger Diener Christi, 
einer von jenen Arbeitern, zu denen wir uns unwiderstehlich 
hingezogen fühlen. Nichts ist lieblicher und anziehender, aJs 
ein anspruchsloser, bescheidener Mann, der zufrieden ist, die 
gerade bestehende Lücke auszufüllen, den Dienst zu tun, der 
eben nötig ist, worin er auch bestehen mag, und das Werk zu 
vollbringen, das des Meisters Hand für ihn bestimmt hat. 
223 
Es gibt Personen, die nicht anders zufrieden sind, als wenn 
sie bei allem die Hauptperson bilden. Sie scheinen zu denken, 
daß kein Werk richtig und gut getan werden könne, wenn sie 
nicht ihre Hand dabei im Spiele hätten. Sie sind nicht damit 
zufrieden, eine vorhandene Lücke auszufüllen. Aber wie abstoßend und unangenehm sind solche Personen! Sie vertrauen 
sich selbst, genügen sich selbst und drängen sich überall in 
den Vordergrund. Sie haben sich nie in der Gegenwart Gottes 
betrachtet und geprüft, noch ist ihr Herz und ihr eigener Wille 
jemals gebrochen worden. Den Platz, der dem Christen gebührt, den Platz der Selbst-Erniedrigung und Demut, haben 
sie noch nie eingenommen. 
Epaphroditus gehörte nicht zu dieser Klasse von Personen. 
Er setzte sein Leben aufs Spiel, um anderen zu dienen; und 
wenn er auf der Schwelle des Todes stand, so dachte er, anstatt mit sich und seinen Leiden beschäftigt zu sein, wieder 
nur an andere, „ihn verlangte sehnlich nach euch allen und er 
war sehr bekümmert" — nicht weil er krank war, sondern — 
„weil ihr gehört hattet, daß er krank war". Das ist wahre 
Liebe. Epaphroditus wußte, welche Gefühle seine geliebten 
Brüder zu Philippi bestürmen würden, wenn sie von seiner 
ernsten Krankheit hörten, einer Krankheit, die ihn infolge 
seines bereitwilligen Dienstes für sie befallen hatte. 
Dies alles ist sehr lieblich. Es tut dem Herzen wohl, dies 
schöne Gemälde zu betrachten. Epaphroditus hatte unverkennbar in der Schule Christi etwas gelernt. Er hatte zu des Meisters Füßen gesessen und war tief in Seine Gesinnung eingedrungen. Auf eine andere Weise hätte er solche Lektionen 
der Hingabe und sorgenden Liebe für andere nie lernen können. Die Welt kennt nichts von solchen Dingen, und die Natur 
kann solche Unterweisungen nicht geben. Sie sind himmlisch, 
göttlich. Möchten wir alle mehr davon kennen! Sie finden sich 
selten unter uns, obwohl unser Bekenntnis so hoch ist. In uns 
allen steckt ein nicht geringes Maß von Eigenliebe und Selbstsucht. Wie demütigend ist das und wie häßlich in Verbindung 
mit dem Namen Jesu! Mit dem Judentum und seinen Grundsätzen mochte sich eine solche Gesinnung vertragen, aber mit 
dem Christentum ist sie durchaus unverträglich. 
224 
Es bleibt uns noch übrig, mit einem Wort der rührenden 
Weise zu gedenken, in welcher der Apostel seinen geliebten 
Mitarbeiter der Versammlung zu Philippi empfiehlt. Es scheint 
gerade, als wenn er, um menschlich zu sprechen, nicht genug 
aus ihm machen könnte. „Er verlangte sehnlich nach euch allen 
und war sehr bekümmert, weil ihr gehört hattet, daß er krank 
war. Denn er war auch krank, dem Tode nahe; aber Gott hat 
sich über ihn erbarmt, und zwar nicht über ihn allein, sondern 
auch über mich, auf daß ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit 
hätte". Welch eine rührende Sprache! Welch eine Flut göttlicher Zuneigung strömt hier aus dem Herzen des Apostels! 
Die ganze Versammlung zu Philippi, der Apostel, ja Gott 
Selbst, alle beschäftigten sich in ihren Gedanken mit diesem 
sich selbst aufopfernden Diener Christi. Hätte Epaphroditus 
sich selbst gesucht, wäre er mit sich und mit seinen Interessen, 
oder selbst mit seinem Werk beschäftigt gewesen, so würden 
wir seinen Namen sicherlich in den Blättern des inspirierten 
Wortes vergeblich suchen. Aber nein; er dachte an andere, 
nicht an sich, und deshalb dachten Gott, Sein Apostel und 
Seine Versammlung an ihn. 
So wird es stets sein. Ein Mensch, der viel an sich denkt, 
erspart anderen die Mühe, an ihn zu denken; aber der demütige, bescheidene, anspruchslose, von sich selbst entleerte 
Diener, der nur an andere denkt und für sie lebt, der in den 
Fußtapfen Jesu Christi wandelt, ein solcher wird stets der 
Gegenstand der Liebe und Sorge Gottes und Seines Volkes 
sein; an ihn wird gedacht, ja er wird geehrt werden von allen. 
„Ich habe ihn nun", fährt Paulus fort, „desto eilender gesandt, 
auf daß ihr, wenn ihr ihn sehet, wieder froh werdet, und ich 
weniger betrübt sei. Nehmet ihn nun auf in dem Herrn und 
haltet solche in Ehren; denn um des Werkes willen ist er dem 
Tode nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, auf daß er 
den Mangel in eurem Dienste gegen mich ausfüllte" (V. 29. 
3o). 
So war es mit diesem teuren Diener Christi. Er hatte sein 
Leben nicht geachtet, sondern es seinem Meister zu Füßen 
gelegt, um die fehlende Verbindung zwischen der Kirche Gottes zu Philippi und dem leidenden, bedürftigen Apostel zu 
Rom herzustellen. Deshalb fordert Paulus die Philipper auf. 
225 
ihn in Ehren zu halten, und darum ist der Name des Epaphroditus durch die Feder der göttlichen Inspiration bis auf unsere 
Tage bewahrt, sein kostbarer Dienst erzählt, und diese Erzählung ist von unzähligen Millionen gelesen worden, während der Name und die Taten der sich selbst suchenden, eigennützigen Diener in ewige Vergessenheit versunken sind. 
Das Passah und das Rote Meer 
Es ist für unsere Seelen nützlich, den Unterschied zwischen 
dem Passah und dem Roten Meer zu erwägen. Eine Seele .kann 
das Evangelium hören, es mit Freuden aufnehmen und sich 
der Vergebung ihrer Sünden erfreuen; sie kann die Lieblichkeit der Person Christi nach ihrer Fähigkeit erkennen und ihr 
Herz zu Ihm hingezogen fühlen. Aber wenn sie die volle Erlösung, von der das Rote Meer ein Vorbild ist, nicht kennt, 
wenn sie noch nicht weiß, daß sie mit Christo auferstanden 
und jenseits des Todes und des Gerichts ist, so ist es mehr als 
wahrscheinlich, daß sie, sobald die Versuchung kommt, ihre 
Freude verliert und unglücklich wird. 
Die Freude, die wir in 2. Mose 15 bei dem Volke Israel 
sehen, hatte ihren Grund darin, daß Gott es völlig aus Ägypten errettet und durch Seine Kraft zu dem Wohnort Seiner 
Heiligkeit gebracht hatte. Diese Freude war durchaus verschieden von derjenigen, die das Volk bei dem Passahfeste genossen hatte. Die Freude des Passahfestes war eine Folge der Errettung von einem gerechten und wohlverdienten Gericht gewesen. Im Passah hatte Sich Jehova den Israeliten als Gott des 
Gerichts zu erkennen gegeben. Das Blut an den Türpfosten 
brachte sie in Sicherheit, es hielt den Verderber von ihren 
Häusern fern. Hätte der Engel Jehovas ein Haus betreten, so 
wäre es nur zum Gericht gewesen. 
Am Roten Meer lagen die Dinge ganz anders. Hier trat Gott 
Selbst mit Seiner Kraft zur Errettung der Israeliten ins Mittel. 
Das Passah befreite sie von dem Gericht Gottes, das Rote 
226 
Meer von ihren Feinden. Gerade in dem Augenblick, als das 
Volk den Händen Pharaos preisgegeben schien, trat Jehova 
auf den Schauplatz, und gerade das Meer, vor dem. sie sich 
gefürchtet hatten und das sie ihren Feinden zu überliefern 
drohte, wurde zum Mittel ihres Heils. Sie gingen trockenen' 
Fußes hindurch, während die Ägypter alle ohne Ausnahme 
von seinen Wellen verschlungen wurden. So errettete sie ihr 
mächtiger Gott durch den Tod vom Tode und von allen ihren 
Feinden. Das sind herrliche Vorbilder von Christo und von 
dem, was Er für uns getan hat. So wie Israel durch das Blut 
des Passahlammes vor dem Schwert Jehovas geschützt war, so 
sind auch wir durch das kostbare Blut Christi, des reinen, 
fleckenlosen Lammes Gottes, vor jedem Gericht sichergestellt. 
Aber das ist nicht alles. Wir sind auch durch den Tod von der 
Macht Satans, unseres früheren Herrn, befreit und aus Ägypten, aus der Welt, herausgenommen. Christus ist in die Festung Satans hinabgestiegen; Er hat Sich unter die Macht des 
Todes gestellt, und indem Er aus den Toten auferstanden ist, 
hat er uns von dem Tode befreit. Für die Israeliten waren 
Pharao und Ägypten für immer beseitigt. Das Rote Meer war 
ihre Rettung aus Ägypten; es lag zwischen ihnen und dem 
Lande ihrer einstigen Knechtschaft, und Gott Selbst war ihr 
Heil. Der Gott, Den sie mit Recht als ihren Richter gefürchtet 
hatten, war jetzt ihr Erlöser geworden. Sie waren errettet; sie 
standen nicht mehr in Erwartung der Barmherzigkeit, sondern 
sie konnten sich jetzt darüber freuen, daß das Gericht vollzogen war; sie konnten das Lob Jehovas singen, Der sie zu 
dem Wohnort Seiner Heiligkeit, ja zu Sich Selbst gebracht 
hatte, und zwar bevor sie noch einen einzigen Schritt in der 
Wüste getan hatten, oder nur ein einziges Mal mit ihren Feinden gestritten hatten. 
Bevor man die Erlösung kennt, gibt es eigentlich keinen 
Kampf. Die Kinder Israel versuchten nicht, mit Pharao zu 
kämpfen; sie flohen vor ihm. Wohl schmachteten sie unter 
seinem Joch, aber sie bekämpften ihn nicht. Wie hätten sie 
das auch gekonnt? Sie mußten zuerst zu Gott gebracht und 
zu den Heerscharen Jehovas gemacht werden, ehe sie die 
Waffen gegen Seine Feinde erheben konnten. So verhält es 
sich auch mit uns. Ich habe keine Macht, gegen Satan zu 
kämpfen, solange ich sein Sklave bin. Ich kann unter seinem 
227 
Joch seufzen und nach der Errettung schmachten, aber um 
meinen Arm wider ihn erheben zu können, muß ich zuvor die 
volle Erlösung kennen und besitzen. Die Israeliten freuten sich 
nicht nur, ihren Verfolgern entronnen zu sein, sie standen 
auch im Genuß einer völligen und ihnen wohlbekannten Erlösung von Ägypten und von Pharao, und in betreff alles Übrigen konnten sie auf die Macht Gottes rechnen. „Es hörten's 
die Völker, sie bebten .. . es verzagten alle Bewohner Kanaans" (2. Mo 15, 14. 15). Israels Freude rührte nicht daher, 
daß sie keine Feinde mehr hatten, sondern daß Gott in Seiner 
göttlichen Macht sie bei der Hand gefaßt und sie in Seine 
eigene Gegenwart gestellt hatte. 
„Noch um ein gar Kleines" 
Hebräer 10, 37 
Noch eine Weile streitet, 
Noch eine Weile ringt! 
Die Krön ist schon bereitet, 
Die euer Sieg euch bringt. 
Er naht, vor dem die Pfeile 
Des Bösen all vergehn; 
Noch eine kleine Weile, 
So werden wir Ihn sehn. 
Ach! wirket noch mit Fleiße 
Ein Stündlein oder zwei, 
Und wehret nicht dem Schweiße, 
Es ist ja bald vorbei. 
Und seht — es hat ja Eile — 
Daß alles sei geschehn! 
Noch eine kleine Weile, 
Dann werden wir Ihn sehn. 
228 
Ein wenig noch mit Sehnen 
Tragt eures Herren Schmach, 
Ein wenig unter Tränen 
Tragt euer Kreuz Ihm nach, 
Daß Er mit euch auch teile 
Den Glanz in Himmelshöhn; 
Noch eine kleine Weile, 
Dann werden wir Ihn sehn. 
All dieses Lebens Schmerzen 
Und Angst und Bitterkeit, 
Tragt mit ergebnem Herzen 
Noch eine kurze Zeit. 
Wird alles doch zum Heile 
Euch dienen und geschehn; 
Noch eine kleine Weile, 
Dann werden wir Ihn sehn. 
Noch eine Weile schließet 
Euch ein ins Kämmerlein; 
In Gottes Herz ergießet 
Vertrauend Schmerz und Pein. 
Bald, bald wird uns zuteile 
Viel mehr, als wir erflehn; 
Noch eine kleine Weile, 
Dann werden wir Ihn sehn. 
Ja, hoffet noch ein wenig, 
Und noch ein wenig traut! 
Es naht des Himmels König 
Und führet heim die Braut. 
Auf auf! laßt uns mit Eile 
Dem Herrn entgegengehn! 
Noch eine kleine Weile, 
Dann werden wir Ihn sehn. 
:sfc 
229 
„Nicht vergeblich in dem Herrn" 
„Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, 
allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, 
daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn" (i. Kor 15, 58). 
Wir alle sind Diener Gottes, da wir Söhne Gottes sind, 
zuerst Söhne, dann Diener. Ein Diener Gottes zu sein ist für 
den Christen jedoch keine drückende Fessel, sondern ein Vorrecht und ein Trost. Hat er das Joch des Herrn Jesu, des einzigen vollkommenen Dieners auf sich genommen, so findet er 
Ruhe und Segnung, denn Sein Joch ist sanft und Seine Last 
ist leicht. Ein wahrer Dienst kann indessen nur da sein, wo die 
Verbindung und Gemeinschaft mit Gott wirklich gekannt wird. 
Ohne Zweifel kommt in der göttlichen Reihenfolge zuerst der 
Friede, dann die Gemeinschaft und dann erst der Dienst. Jede 
Frage des Gewissens in betreff unserer ewigen Segnungen 
muß in Ordnung gebracht sein, bevor wir Frieden mit Gott 
haben können. Das Gewissen muß gereinigt sein durch das 
Blut Christi, um kein Bewußtsein mehr von Sünden zu haben. 
Wir müssen Christum kennen, bevor wir Ihm leben können. 
Wir müssen uns unserer Kindschaft bewußt sein, sonst können 
wir unmöglich als Kinder Gottes wandeln. Aber dann kann 
die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn genossen 
werden, und hieraus kann ein williger und glücklicher Dienst 
hervorfließen. 
Das, was heutzutage Dienst Gottes genannt wird, erweist 
sich bei einer Prüfung im Lichte Gottes größtenteils als kein 
wahrer Dienst. Wie viele glauben, um nur ein Beispiel anzuführen, zuversichtlich, dem Herrn zu dienen, indem sie zu 
Missions- und anderen Zwecken Gaben von Ungläubigen erbitten und entgegennehmen! Nun aber fordert uns die Schrift 
nicht nur auf, aus der Mitte der Ungläubigen auszugehen und 
uns von ihnen zu trennen, sondern sie empfiehlt auch in ausdrücklicher Weise solche Christen, die „für den Namen ausgegangen sind und nichts von denen aus den Nationen nehmen" (3. Joh 7). Viele andere Dinge gelten heute als wahrer 
Dienst, die ebensosehr der Lehre der Schrift zuwiderlaufer, 
230 
wie das angeführte Beispiel. Wir haben tatsächlich nötig, daß 
unser Gewissen in bezug auf das geschriebene Wort Gottes 
geübt wird, und daß wir uns von dem Heiligen Geist leiten 
lassen, um zu wissen, was der Wille des Herrn betreffs unseres Dienstes ist. Es ist ganz etwas anderes, in einem Dienst 
beschäftigt zu sein, als mit Ehrerbietung, Treue und Gottesfurcht Ihm wohlannehmlich zu dienen. 
Wir dienen dem Herrn Jesu, weil Er uns zuerst geliebt und 
Sich Selbst für uns hingegeben hat. Sobald aber der Dienst 
unser Gegenstand und Zweck wird, anstatt der Herr Selbst, 
werden wir sicherlich fehlen und zuschanden werden. Wer hat 
nicht schon unglückliche Beispiele hierfür gesehen, oder es in 
schmerzlicher Weise an sich selbst erfahren? Wenn das Auge 
unseres Herzens auf unserem Dienst ruht, so schriftgemäß er 
auch sein mag, anstatt auf dem Herrn Selbst, dann entfernen 
wir uns von der Quelle wahrer Kraft und gehen in der Kraft 
der Natur, anstatt in der Energie des Glaubens voran. Wir 
sollten „stark sein in dem Herrn und in der Macht seiner 
Stärke" (Eph 6, 10). Sonst haben wir keine Kraft, wie geschrieben steht: „Glückselig der Mensch, dessen Stärke in dir 
ist" (Ps 84, 5)! Alle unsere Quellen sind in Ihm. Machen wir 
daher den Dienst zu unserem Gegenstand, so sind wir tatsächlich von dem Herrn entfernt, und unser Dienst wird in 
bloß menschlicher Fertigkeit und toter Förmlichkeit getan werden, oder aber wir werden zusammenbrechen und ihn gänzlich 
aufgeben. Der vollkommene Diener konnte sagen: „Ich habe 
Jehova stets vor mich gestellt" (Ps 16, 8) und: „Meine Speise 
ist, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und 
sein Werk vollbringe" (Joh 4, 34). 
Dennoch bleibt es eine gesegnete Wahrheit, daß alle Gläubige Diener sind, daß uns allen ein Dienst, ein Werk übertragen ist, das wir ausführen sollen, bis Er kommt. Er hat 
einem jeden seine Arbeit gegeben. „Er berief aber seine zehn 
Knechte und gab ihnen zehn Pfunde — einem jeden ein Pfund 
— und sprach zu ihnen: Handelt, bis ich komme" (Lk 19, 13). 
Jedes Glied des Leibes Christi hat sein besonderes Werk. 
„Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden 
nach dem Maße der Gabe des Christus" (Eph 4, 7), und die 
Auferbauung des ganzen Leibes ist abhängig von der Treue 
231 
jedes Gliedes. Wir haben deshalb alle unseren Dienst; aber 
was sein Charakter und sein Maß ist, das kann allein der 
Herr, Der ihn uns übertragen hat, uns kundtun, und allen 
denen, die auf Ihn warten, wird Er es offenbaren. Haben wir 
aber gelernt, worin der Dienst besteht, den Er uns anvertraut 
hat, dann sollten wir uns ihm zu Seiner Verherrlichung mit 
Eifer hingeben. Wir lesen von einigen, daß sie „sich selbst 
zum Dienst verordnet haben"; das sollten wir auch tun. Solche 
kennen ihre völlige Abhängigkeit von dem Herrn und geben 
sich dem Gebet und ihrem Dienste hin. Sie rechnen auf Gott, 
daß Er sie segnen werde, und unmöglich können sie beschämt 
werden. Bei ihnen findet sich Entschiedenheit, sowohl in ihrem 
Vorhaben, als auch in ihren Handlungen, und sie schauen nach 
bestimmten Resultaten aus. Sie klammern sich an den Herrn 
und rechnen auf Ihn. 
Vielleicht zeigt nichts den schwachen und ungesunden Zustand vieler Christen deutlicher, als der unbeständige, ziellose 
Charakter ihrer Handlungen. Ein gelegentlicher Diener und 
ein unbeständiger, vorübergehender Dienst scheinen in den 
Briefen völlig unbekannt zu sein. Im Gegenteil werden wir 
ermahnt, „fest, unbeweglich, allezeit überströmend zu sein in 
dem Werke des Herrn". In demselben Brief gibt der Apostel 
den Korinthern viele Unterweisungen über die mannigfaltigen 
Gaben und Wirkungen des Heiligen Geistes, und nachdem er 
ihnen das Geheimnis der bei der Ankunft des Herrn stattfindenden Verwandlung mitgeteilt hat, ermahnt er sie, allezeit 
unbeweglich und überströmend zu sein in dem Werke des 
Herrn. Denn gerade die Ankunft des Herrn erinnert uns 
immer wieder daran, daß unsere Gelegenheit, Ihm in dieser 
Welt zu dienen, bald aufhören wird. 
Haben wir von dem Herrn gelernt, was unser Platz in der 
Versammlung und was der Dienst ist, mit dem Er uns in 
Seiner Gnade betraut hat, so sollten wir ihn, wie schon gesagt, 
mit allem Fleiß erfüllen; wir sollten „fest" sein und Tag für 
Tag unseren Lauf mit aller Treue fortsetzen. Wir sollten beten 
und arbeiten, arbeiten und beten. Blicken wir unverrückt auf 
Ihn und hangen wir an Ihm mit ungeteiltem Herzen, so wird 
Er uns leiten und bewahren, wie Er es mit jenen tat, die „versuchten, nach Bithynien zu reisen, und der Geist Jesu erlaubte 
232 
es ihnen nicht". Wir mögen durch die einen geschmeichelt, von 
anderen kalt behandelt und von Satan versucht und verfolgt 
werden, wir mögen geneigt sein, bei den mancherlei Prüfungen, die der Dienst mit sich bringt, kleinmütig zu werden oder 
uns wegen unserer Erfolge zu überheben, aber trotz allem 
sollten wir stets „unbeweglich" sein. Auch kann unser Dienst, 
solange wir hienieden sind, nie aufhören. Dem Herrn zu dienen 
und den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und mit Ausharren den vor uns liegenden Wettlauf zu laufen, das liegt 
uns ob bis ans Ende. Ferner erwartet der Herr nicht einen 
kärglichen, sondern einen überströmenden Dienst von uns. 
Wir sollten alle Gelegenheiten, die Er uns gibt, wohl benutzen, 
die Zeit auskaufen, zur rechten Zeit Frucht, und zwar viel 
Frucht bringen und „allezeit überströmend" sein in dem Werke 
des Herrn. 
Vielleicht haben wir bemerkt, daß vieles um uns her geschieht, das ein Dienst für den Herrn genannt wird, eine Prüfung durch das Wort Gottes aber nicht aushält; vielleicht ist 
es uns auch nicht unbekannt geblieben, wie sehr das Werk de;s 
Herrn durch menschliche Anordnung, systematische Pläne und 
Einrichtungen gehindert worden ist. Aber sind nicht manche 
unter uns, die diese Dinge tief gefühlt haben, in das entgegengesetzte Extrem verfallen, indem sie nur sehr wenig für den 
Herrn tun und sich nur gelegentlich in Seinem Dienst gebrauchen lassen? Dies erfordert eine ernste Selbstprüfung und 
ein gründliches Selbstgericht. Wir können das Werk des Herrn 
von zwei Seiten aus betrachten, zunächst im Blick auf die 
Kinder Gottes und dann im Blick auf die unbekehrten Seelen. 
Jeder Gläubige ist mehr oder weniger befähigt, nach diesen 
beiden Seiten hin tätig zu sein. Als ein Glied des Leibes Christi 
hat er seinen Platz lebendiger Tätigkeit 7.ur Auferbauung des 
Leibes, und als ein erretteter, begnadigter Sünder hat er Christum zu bekennen vor den Menschen. Wir sollten deshalb 
nicht verfehlen, ernstlich danach zu forschen, was der Charakter und das Maß des uns von dem Herrn aufgetragenen Dienstes ist, und wir sollten schonungslos mit uns ins Gericht 
gehen, wenn wir bekennen müssen, daß wir diesen Charakter 
nicht erwiesen und dieses Maß nicht erfüllt haben. Bin ich in 
brünstigem Gebet für die Heiligen, besonders für diejenigen, 
die mir nahestehen, beschäftigt? Das Wort ermahnt mich, ihre 
233 
Auferbauung und ihr Gutes zu suchen. Fülle ich heute, ja 
heute, praktisch meinen Platz an dem Leibe aus, in unbeweglichem und überströmendem Dienst für den Herrn? Habe ich, 
wo es Gelegenheit gab, Zeugnis abgelegt? Habe ich solchen, 
mit denen ich in Berührung kam, Christum und die frohe Botschaft von Seiner Gnade und Liebe verkündigt? Habe ich 
meine Mittel, meine Gaben und Talente in aller Treue für den 
Herrn gebraucht? Habe ich heute mit dem Pfunde, das Er mir 
anvertraut hat, gehandelt? So zart und gelinde unser Urteil 
über andere in dieser Beziehung sein sollte, so streng sollten 
wir mit uns selbst verfahren. Wünschen wir wirklich, daß das 
Werk des Herrn gedeihe und Fortschritte mache, so müssen 
wir bei uns selbst anfangen. Kein Tag sollte vorübergehen, 
ohne daß wir ein Segenskanal für andere gewesen wären. Das 
Christentum ist gerade das Gegenteil von Eigenliebe und 
Selbstsucht. Wir wissen, daß Jesus „sich selbst nicht gefallen 
hat". 
Niemand kann in einem gesunden Seelenzustand sein, der 
nicht auf die eine oder andere Weise mit unserem Herrn Gemeinschaft hat in dem Evangelium. Er liebte die Sünder und 
verkündigte ihnen die gute Botschaft, Er betete für Seine ruchlosen Mörder, starb für die Gottlosen, vergoß Sein Blut für 
verlorene, verdammungswürdige Sünder und sendet jetzt Seine 
Diener aus mit der Botschaft: „Wen da dürstet, der komme, 
und wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!" 
Wir sind überzeugt, daß viele der Leser dieser Zeilen ernste 
und fleißige Diener des Herrn sind. Aber alle sollten es sein. 
Alle sollten, in dem Bewußtsein der vollkommenen Liebe 
Gottes zu dem Sünder, eifrig suchen, Seelen in Seine Nähe, 
unter das Gehör Seines Wortes und in die Strahlen Seines 
Lichtes zu bringen; alle sollten, gedrungen von göttlicher Liebe, 
im Glauben und Gebet vorangehen, Seinen Willen tuend, Ihn 
verherrlichend und auf die Ankunft des Herrn wartend. 
Doch wias wir tun, muß wirklich auch das Werk des Herrn 
sein; nicht fleischliche Religiosität und menschliche Anmaßung, 
nicht eine bloß natürliche, gleichsam anerzogene Tätigkeit, 
sondern Gehorsam gegen das Wort Gottes und völlige Unterwerfung unter Seinen Willen sollten sich bei uns finden. Diese 
Dinge kennzeichnen einen treuen Diener, einen wahren Nach234 
folger Dessen, Der gesagt hat: „Ich bin vom Himmel herniedergekommen, nicht auf daß ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat" (Joh 6, 38). 
Der Herr gebe uns Gnade, daß wir Ihm so dienen, eingedenk 
Seiner gnädigen Worte: „Wenn mir jemand dient, so folge er 
mir nach, und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. 
Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren" (Joh 12, 
26). 
Überdies laßt uns die Tiefe jener göttlichen Versicherung zu 
ergründen suchen, die in den Worten liegt: „Da ihr wisset, 
daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn". Wie ermutigend 
und tröstend sind solche Worte! Sind unsere Herzen versichert, 
daß unsere Mühe in dem Herrn ist, so kann über das Endresultat kein Zweifel, keine Besorgnis in uns aufkommen. Und 
sicherlich, wenn es so ist, dann müssen wir den Herrn vor uns 
haben, als den Einen, Dessen Verherrlichung wir suchen, 
Dessen Willen wir tun und Dessen Wort wir halten! Wir werden dann in Ihm bleiben, von Ihm lernen, uns auf Ihn stützen, 
vorangehen in Seiner Kraft und durch Seine Gnade von dem 
Heiligen Geiste geleitet werden. Wir werden abhängig sein, 
eifrig im Gebet, gehorsam, und es wird dann in Wahrheit von 
uns gesagt werden können: „Da ihr wisset, daß eure Mühe 
nicht vergeblich ist im Herrn", 
Gesetz und Gnade 
2. Mose 34; 2. Korinther 3 
Wir finden im Alten Testament, daß zu zwei verschiedenen 
Zeiten dem Menschen, auf Befehl Gottes, steinerne Tafeln 
übergeben wurden (s. 2. Mo 32 und 34). Die ersten Tafeln 
gelangten jedoch, wie wir wissen, gar nicht an das Volk Israel, 
da Mose sie am Fuße des Berges Sinai, erzürnt über die Gottlosigkeit des Volkes, zerschmetterte. Auch hören wir nicht, daß 
bei dieser ersten Gelegenheit das Antlitz Moses von der Herrlichkeit Gottes strahlte. Das Gesetz an sich machte nie das 
235 
Antlitz eines Menschen strahlend; es kennzeichnet sich vielmehr durch Finsternis und Sturm, durch Donner und Blitz und 
durch die Stimme Gottes, die mit dem Schuldigen redet, eine 
Stimme, die noch weit schrecklicher ist als alle anderen Erscheinungen (vergl. Hebr 12, 18—21). So war es bei der ersten 
Gelegenheit, als Gott das Gesetz erließ und die Tafeln, noch 
ehe sie den Menschen erreichten, zerbrochen wurden. 
Doch wie ganz anders gestaltete sich die Gabe der zweiten 
Tafeln! Mose, der Gesetzgeber, wurde in die Gegenwart Gottes gerufen, Dem es gefiel, dieses Mal eine Vermengung von 
Gesetz und Gnade zu geben. Ein Bund wurde jetzt gemacht, 
der ausdrücklich diesen zusammengesetzten Charakter trug. 
Es war nicht Gesetz allein und auch nicht Gnade allein, isondern eine Vermischung von Gnade und Gesetz. Und wirklich, 
es würde für Gott völlig unmöglich gewesen sein, mit Israel 
noch länger in Verbindung zu bleiben und es in das verheißene 
Land zu bringen, wenn nicht diese Vermischung des Gesetzes 
mit Gnade und Barmherzigkeit stattgefunden hätte. Dementsprechend wurde bei dieser Gelegenheit wohl dem Menschen 
das Gesetz gegeben, aber es wurde nicht mit all seinen Schrekken vor das menschliche Auge gestellt, sondern in die Bundeslade eingeschlossen. 
Es gibt nun viele, selbst treue Kinder Gottes, die glauben, 
daß Gott in der gegenwärtigen Zeit genau so mit uns handle, 
d. h. daß Gesetz und Gnade miteinander vermischt seien. Man 
sagt, das Gesetz bringe uns in Schuld, die Gnade aber verhindere die Ausübung des Gesetzes, indem sie den Schuldigen 
gemäß der Worte, die wir im Anfang des 34. Kapitels lesen, 
in Schutz nehme. Jehova offenbart Sich hier in dem Charakter 
eines Gesetzgebers, obwohl Er zugleich Seiner Langmut und 
Barmherzigkeit Ausdruck gibt. Wir lesen: „Jehova, Jehova, 
Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an 
Güte und Wahrheit, der Güte bewahrt hat auf Tausende hin, 
der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt, aber" — 
beachten wir diese Hinzufügung — „keineswegs hält er für 
schuldlos den Schuldigen, der die Ungerechtigkeit der Väter 
heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, am dritten und 
vierten Gliede". So lange dieser Grundsatz die Richtschnur der 
Handlungsweise Gottes bildete, hatte der Mittler, so oft er 
236 
hervortrat, um zu dem Volk zu reden, eine Decke über sein 
Antlitz zu legen. Ging er in die Gegenwart Jehovas zurück, 
wurde die Decke weggenommen; denn in der Gegenwart der 
Herrlichkeit gibt es keine Decke. So lange aber der Mensch mit 
dem Gesetz zu tun hatte, mußte Mose, obwohl Gnade und 
Barmherzigkeit mit dem Gesetz vermischt waren, die Decke 
gebrauchen. 
Unsere Stellung aber, und das ist es, worauf ich den Leser 
aufmerksam machen möchte, steht zu beidem in direktem Gegensatz. Sie hat es weder mit dem Gesetz allein zu tun, noch 
mit dem Gesetz, vermischt mit Gnade; wir stehen in der 
Gegenwart der Gnade und Herrlichkeit, ohne das Gesetz. Und 
dies ist es, was der Apostel in 2. Kor 3 uns zeigt. Er bezieht 
sich an dieser Stelle nicht auf die erste Darreichung der Gesetzestafeln, sondern ausschließlich auf den auf Gesetz und Gnade 
gegründeten Bund von 2. Mo 34, und er läßt uns sehen, daß 
der Dienst an jenem Tage ein Dienst des Todes und der Verdammnis war (V. 7. 9). Zur Beweisführung: Wenn ich es mit 
dem Gesetz zu tun habe, als dem, das mich regiert und unter 
dem ich stehe, dann werde ich, je mehr Barmherzigkeit geoffenbart wird, um so mehr schuldig sein, und Gott wird 
keineswegs den Schuldigen für schuldlos halten. 
Dieser alles verurteilende Charakter des Gesetzes kam jedoch, so lange Gott vor der Menschwerdung Christi Sich mit 
dem Menschen beschäftigte, nicht völlig zum Vorschein. Erst 
als Christus erschien, hielt Er Seine Grundsätze mit äußerster 
Genauigkeit und mit aller Autorität aufrecht. Der Grund war: 
Jetzt war einer da, Der alle Schwierigkeiten beseitigen, jedem 
Bedürfnis begegnen und von allem Elend und aller Gefahr 
befreien konnte. Der Sohn Gottes war jetzt der Sohn des 
Menschen geworden, und der Sohn des Menschen war bereit, 
auf dem Kreuz zu leiden. 
Daher steht unsere Stellung in bestimmtem und deutlichem 
Gegensatz zu dem, was früher war. Der Apostel sagt: „Wenn 
aber der Dienst des Todes, mit Buchstaben in Steine eingegraben, in Herrlichkeit begann, so daß die Söhne Israels das 
Angesicht Moses nicht unverwandt anschauen konnten wegen 
der Herrlichkeit seines Angesichts, die hinweggetan werden 
sollte, wie wird nicht vielmehr der Dienst des Geistes in Herr237 
lichkeit bestehen? Denn wenn der Dienst der Verdammnis 
Herrlichkeit ist, so ist vielmehr der Dienst der Gerechtigkeit 
überströmend in Herrlichkeit". Wir sind nicht in die Stellung 
der Kinder Israel versetzt, sondern der Apostel ist bemüht, 
uns zu zeigen, daß unsere Stellung der Stellung Moses gleicht, 
der zu Gott herzunahte und in Seiner Gegenwart die Decke 
wegnahm. Das ist das Kennzeichen unserer jetzigen Stellung. 
Mit einem Wort, es ist nicht mehr der Mensch mit einer Decke 
auf seinem Angesicht, während die Kinder Israel wegen des 
unerträglichen Glanzes des Angesichts Moses erschreckt sind, 
sondern der Mensch, mit aufgedecktem Angesicht in der Gegenwart Gottes stehend und Seine Herrlichkeit anschauend. 
Das ist unsere Stellung in der gegenwärtigen Zeit, die Stellung aller Christen, obwohl viele sie nicht kennen mögen. Dies 
tritt am deutlichsten im letzten Vers unseres Kapitels ans 
Licht. Der Apostel sagt dort: „Wir alle aber, mit aufgedecktem 
Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, 
als durch den Herrn, den Geist". „Wir alle" steht im Gegensatz zu dem einen Menschen, Mose. Die Stellung des Christen 
wird durch Mose in der Gegenwart Gottes, nicht aber durch 
die Kinder Israel, in Gegenwart eines bedeckten Mose, vorgebildet. „Wir alle", denn Gott macht in dieser Hinsicht keinen 
Unterschied; der schwächste Christ hat vor Gott die gleiche 
Stellung wie der stärkste. So lange es sich allein um unsere 
Stellung handelt, um die Wirkung oder das Resultat dessen, 
was der Herr Jesus erfüllt und uns in Seiner Gnade gegeben 
hat, gibt es keinen Unterschied irgendwelcher Art. Sobald aber 
die geistliche Kraft infrage kommt, ist ein Unterschied da, und 
es ist Raum für die größte Mannigfaltigkeit gegeben; ebenso 
wie es in dem ersten Adam, im Blick auf die allgemeine Tatsache, daß alle gesündigt haben, keinen Unterschied gibt, während bezüglich der Grenze, bis zu welcher der Mensch in der 
Sünde vorangeschritten ist, allerlei Abstufungen zu bemerken 
sind. 
So ist es auch mit dem zweiten Menschen, dem letzten 
Adam. Er hat alle, die Ihm jetzt angehören, auf diesen gemeinsamen Platz der Segnung gestellt. Wir alle schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn. Das war es, 
238 
was Mose schaute, und zwar immer nur für Augenblicke, während es, was uns betrifft, unsere beständige Stellung ist. Ein 
Christ ist, so lange er hienieden weilt und so weit das Werk 
Christi in Betracht kommt, berechtigt, Gott zu nahen, zu der 
Herrlichkeit emporzuschauen und selbst dort zu sein. Die 
Decke ist verschwunden, Christus ist aufgedeckt. Einst war 
eine Decke da, aber sie ist zerrissen. Es ist keine mehr da, 
weder auf dem Herzen des Gläubigen, noch auf dem Angesicht Jesu, noch auf unserem Angesicht. „Wir alle aber, mit 
aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bilde, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist". 
Was der Heilige Geist jetzt vor unsere Augen stellt, ist nicht 
bloß ein Heiland, Der herniedergekommen ist in unser Elend, 
um unsere Ungerechtigkeiten und Sünden zu tragen, sondern 
Er zeigt uns, daß unser Heiland, nachdem das Werk der Gnade 
vollbracht war, als der Zeuge der Vollkommenheit des Werkes 
hinaufgestiegen ist in die Gegenwart Gottes; und Er ladet uns 
ein, unser Auge auf Ihn dort zu richten, Der entsprechend der 
Vortrefflichkeit der Erlösung verherrlicht ist. Dies macht Seine 
Gnade, die Er in Seiner Herniederkunft uns gegenüber geoffenbart hat, nicht weniger köstlich, noch läßt es die Erlösung 
in einem geringeren Wert erscheinen; das Gegenteil ist der 
Fall. Zugleich drückt es allen unseren Wegen einen himmlischen Charakter auf. Und dies, nichts weniger, ist unser 
Platz. „Wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen"; 
und „wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so 
werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen". Jetzt ist 
dies nur teilweise der Fall, und zwar nach dem Maße, wie wir 
das eigene Ich richten; einst wird es in Vollkommenheit sein. 
Was die praktische Wirkung dieser Stellung, das Zurückstrahlen der himmlischen Kraft von uns, hindert, ist die ungerichtete Tätigkeit unserer Natur. Wann handeln wir verkehrt? Wann bilden wir uns falsche Urteile und werden sorglos und weltlich? In dem Maße, wie wir aufhören, Christum 
anzuschauen, wie Er jetzt in der Herrlichkeit ist. Steht Christus 
stets vor unserer Seele, dann werden wir vor allem Bösen bewahrt bleiben. Nichts verleiht eine solche Kraft, um die Verführungen der Welt und alles das, was anziehend und religiös 
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in der Welt zu sein scheint, zu überwinden, als ein verherrlichter Chrisbus. Ein Christus in der Herrlichkeit löscht das 
Licht der besten weltlichen Religion aus; vor Seinem überwältigenden Glanz erscheint es bleich und dunkel. Wir werden 
aufgefordert, ja wir sind als Christen berufen, Ihn fortwährend in dieser Herrlichkeit anzuschauen. Der Herr gebe uns 
die Gnade, daß wir so wandeln! Die Frucht eines solchen 
Wandels wird nicht ausbleiben; wir werden „verwandelt werden nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit". 
Zum Schluß noch ein kurzes Wort. Nichts ist gefährlicher, 
als mit der Wahrheit zu spielen; nichts verderblicher als die 
herrlichsten Wahrheiten im Munde zu führen und in bezug 
auf die Dinge des täglichen Lebens sorglos zu sein. Möchten 
wir dies nicht vergessen! Es gibt nichts traurigeres, als einen 
Christen über Auferstehung und Herrlichkeit, über Leben Tand 
alle die reichen Segnungen der christlichen Stellung sprechen 
zu hören und zugleich zu sehen, wie er seine gewöhnlichen 
Pflichten vernachlässigt. Möchte dies für uns alle ein Gegenstand ernster Selbstprüfung werden! Dies ist eine der schlimmsten Schlingen Satans, besonders gefährlich für solche, die an 
eine Atmosphäre der Wahrheit gewöhnt sind und in einem 
Kreise leben, in dem das Wort Gottes gleichsam die tägliche 
Hausspeise bildet. Aber es ist nur dann eine gefährliche Schlinge, wenn das Herz und das Auge sich von Christo abwenden. 
Nur da, wo Einfalt, verbunden mit einem aufrichtigen Selbstgericht, vorhanden ist, wird Kraft sein, um unserer hohen 
Berufung gemäß zu wandeln. 
Das Auferstehungsleben 
Jeder Gläubige hat das Auferstehungsleben Christi empfangen. „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben". Dieses Auferstehungsleben nun beraubt Satan aller seiner Macht. „Der 
aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht 
an" (1. Joh 5, 18). In unserem irdischen Leben sind wir, da 
das Fleisch noch in uns ist, der Macht und den listigen An240 
laufen des Feindes ausgesetzt, und die Kreatur hat diesem 
gewaltigen Gegner gegenüber keine Kraft. Aber wenn der Tod 
unser Bergungsort ist, wenn wir alledem gestorben sind, was 
dem Satan einen Vorteil über uns zu geben vermag, was kann 
er dann tun? Kann er jemanden versuchen, der tot ist, oder 
jemanden überwinden, der, nachdem er gestorben ist, wieder 
lebt? Doch es ist nötig, diese Wahrheit nicht nur zu kennen, 
sondern sie auch in unserem Leben praktisch zu verwirklichen. 
„Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem 
Christus in Gott". So „tötet nun eure Glieder, die auf der Erde 
sind" (Kol 3, 3. 5). 
Der König in Seiner Schönheit 
Psalm 45 
Es ist für uns wichtig, das in unseren Herzen zu pflegen, 
was in diesem Psalm zum Vorschein kommt. Die Königin ist 
hier mit der Betrachtung dessen beschäftigt, was der König 
selbst ist. Wir sind sehr geneigt, uns mit den Segnungen zu 
beschäftigen, welche Seine gnädige Hand über uns ausschüttet; 
aber in diesem Psalm handelt es sich nicht um das, was der 
König tut, sondern um das, was Er ist. Der Herr schätzt ein 
Herz hoch, das an Ihm Selbst seine Wonne hat. 
„Es wallt mein Herz von gutem Worte", so beginnt „die 
Geliebte" des Königs. Ich fürchte, daß wir uns nicht oft in 
diesem Zustand befinden. Es ist etwas Großes, wenn das Herz 
aufwallt, wenn es brennt von Liebe zu Christo. Aber ach! 
stattdessen befinden sich unsere Herzen so oft in der Nähe 
des Gefrierpunktes, der Welt. Sie sind kalt und leer. Was die 
„guten Worte" sind, geht aus dem Schluß des Verses hervor: 
„Ich sage: Meine Gedichte dem Könige! meine Zunge sei der 
Griffel eines fertigen Schreibers!" Sie will nicht reden von 
dem, was sie von Ihm empfangen hat, sondern was Er für sie 
ist. Es ist der Platz, der Seine gesegnete Person in ihrer Seele 
hat. Maria wählte das gute Tedl, bei Ihm zu sein. Sie saß zu 
Seinen Füßen und lauschte auf Seine Worte. In Seiner Nähe, 
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ja bei Ihm zu sein, das war es, was ihre Seele begehrte. Liebe 
und innige Zuneigung zu dem Herrn kennzeichneten ihre 
Stellung, und ihr Platz war zu Seinen Füßen. Die Person des 
Herrn nahm sie völlig in Anspruch. Fehlte es ihr an Einsicht 
und Verständnis? Davon wird nichts erwähnt; aber das war 
auch nicht der Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigte. Sie 
zerbrach ihr Fläschchen mit Salbe von kostbarer Narde und 
goß es über Ihn aus, und Jesus sagte: „Sie hat es zu meinem 
Begräbnis getan". Sicher fürchtete sie, dies möchte die letzte 
Gelegenheit dazu sein. Andere machten ein Fest für Jesum; 
hätten sie geahnt, daß Er hinging, um zu sterben, so würden 
sie es wohl nicht getan haben. Marias Handlung war in völliger Übereinstimmung mit den Umständen ihres Herrn. Das 
Fest war es nicht. Wohl befand sich Maria auf dem Feste, aber 
es interessierte sie nicht. Nur der Eine, um dessentwillen das 
Fest war, hatte Interesse für ihr Herz. Es brannte in Liebe zu 
Ihm, und deshalb war sie die Einzige, die in Seine Gedanken 
eingehen konnte. Möchte der Herr durch Seinen Geist auch in 
unseren Herzen diese brennende Liebe erwecken! Liebe kann 
nur durch Gegenliebe befriedigt werden. Er liebte uns bis zum 
Tode, und in Erwiderung darauf erwartet Er die wahre Zuneigung unserer Herzen zu Ihm. Und Er -ist wahrlich unserer 
höchsten Liebe würdig. 
„Meine Zunge sei der Griffel eines fertigen Schreibers!" 
Es ist leicht, von Christo zu reden und Ihn zu preisen, wenn 
das Herz von Liebe zu Ihm brennt. „Aus der Fülle des Herzens 
redet der Mund". Wenn unsere Anbetung und unser Lob 
schweigen, so beweist das deutlich die Leere unseres Herzens. 
Christus beschäftigt dann nicht als der einzige Gegenstand die 
Zuneigungen des Herzens. Du wirst vielleicht darauf erwidern: 
„Der Geist muß mich doch zur Anbetung treiben". Allerdings; aber wenn gar keine Anbetung bei dir vorhanden 
ist, so ist es klar, daß du nicht getrieben wirst. Sicher 
sollten wir in der Anbetung der Versammlung der Leitung 
des Heiligen Geistes unterworfen sein, der erste Brief an die 
Korinther belehrt uns hierüber; aber in diesem Psalm ist 
Unterwerfung unter den Heiligen Geist vorhanden und zugleich ein Herz, das von allem, was es über den König zu 
sagen weiß, überfließt. Ein solcher Seelenzustand ist wahrlich 
beneidenswert. Horchen wir auf die Sprache der Königin: „Du 
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bist schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen" (V. 2). Die Worte wenden sich an 
Ihn Selbst. Sie ist Ihm so nahe, daß sie zu Ihm sprechen kann. 
Sie geht weiter, als es die Braut im Hohenliede tut. Diese sagt 
viel über ihren Geliebten, aber wenig zu Ihm. Er ist für sie 
„ausgezeichnet vor Zehntausenden", „alles an ihm ist lieblich". 
Hier aber ist die Redende so nahe, daß sie zu dem König 
sprechen kann; und wie leicht fließen die Worte von ihren 
Lippen! „darum hat Gott dich gesegnet ewiglich". Bei einer 
solchen vertrauten Nähe ist auch stets Bekanntschaft mit den 
Gedanken Gottes. Man kennt Seine Ratschlüsse bezüglich des 
Einen, Den Er so gerne ehrt. 
„Gürte dein Schwert um die Hüfte, du Held, deine Pracht 
und deine Majestät! Und in deiner Majestät ziehe glücklich hin 
um der Wahrheit willen und der Sanftmut und der Gerechtigkeit" (V. 3. 4). Hier ist ein richtiges Gefühl von der Majestät 
Seiner Person. Er ist von dem Menschen verworfen worden; 
der schwache und sündige Arm des Menschen hat sich gegen 
Ihn erhoben in der Stunde der Finsternis und des Verrats. 
Aber der Tag wird kommen, wo Er „glücklich hinziehen wird 
um der Wahrheit willen". Er war der Sanftmütige und Demütige; aber „wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden". 
Das Resultat Seiner Demut und Gnade wird Seine Erhöhung 
sein. >,Dein Thron, o Gott, ist immer und ewiglich, ein Zepter 
der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches. Gerechtigkeit 
hast du geliebt und Gesetzlosigkeit gehaßt; darum hat Gott, 
dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl, mehr als deine Genossen" (V. 6. 7). Hier wird der Herr als Gott begrüßt; in Psalm 2 
wird Er von Gott als Sein Sohn begrüßt. Er ist gesalbt über 
Seine Genossen, mit anderen Worten, Er hat den Vorrang vor 
allen Seinen Genossen. Wer sind diese Genossen? In Hebr 2 
lesen wir, daß wir Seine Genossen sünd: „Denn sowohl der, 
welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle 
von einem, um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, 
sie Brüder zu nennen". Er lobsingt in ihrer Mitte (Hebr 2, 12. 
13). An einer anderen Stelle lesen wir: „Denn wir sind Genossen des Christus geworden, wenn wir anders den Anfang 
der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten" (Hebr 3, 
14)- Er ist gesalbt mit dem ö l des Frohlockens, und das köstliche ö l fließt von Seinem Haupt bis auf die Säume Seiner 
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Kleider. An dem Tage der Herrlichkeit Christi, wenn Er glücklich hinziehen wird, werden wir bei Ihm sein und jene Herrlichkeit teilen; das ö l Seines Frohlockens wird auf uns herabfließen. 
„Myrrhen und Aloe, Kassia sind alle deine Kleider, aus 
Palästen von Elfenbein erfreut dich Saitenspiel" (V. 8). In 
Christo ist ein herrlicher Wohlgeruch, und das sollte auch bei 
uns der Fall sein, wie der Apostel sagt: „denn wir sand Gott 
ein Wohlgeruch Christi" (2. Kor 2, 15). 
„Königstöchter sind unter deinen Herrlichen; die Königin 
steht zu deiner Rechten in Gold von Ophir" (V. 9). Wenn von 
dem König die Rede ist, dann ist die Braut Jerusalem, so daß 
dieser Psalm sich in seiner direkten Anwendung auf das tausendjährige Reich bezieht. Israel wird Ihn erblicken, Den es 
verworfen und getötet hat, und wird über Ihn wehklagen. 
Doch der Herr wird Sein Volk von seinen Sünden erretten und 
ihm in göttlicher Gerechtigkeiet einen Platz in Seiner Nähe 
geben. „Die Königin steht zu deiner Rechten in Gold von 
Ophir". Dann wird sie Ihn betrachten und ihr Ohr Ihm zuwenden. Sie wird aufgefordert, ihr Volk und ihres Vaters 
Haus zu vergessen (V, 10). Dies lehrt uns, daß Christus 
zwischen die Seele und alles, was hienieden ist, gebracht werden muß. Die Natur muß von Ihm ferngehalten werden; ich 
muß sie vergessen. Christus muß mein erster Gegenstand sein. 
„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht 
würdig", sagt der Herr (Mt io, 37). 
„Und der König wird deine Schönheit begehren". Dann. 
wenn so Christus dein Alles ist, wird Er Schönheit in dir 
sehen. Du wirst dann für Ihn sein, was Eva für Adam war. 
Zu dir aber heißt es: „Er ist dein Herr; huldige ihml" (V. 11). 
Die Ansprüche des Herrn sind für alle, die Ihn zu ihrem Gegenstande haben, von großem Gewicht. Alles andere ist wertlos für sie, und die Anbetung strömt freiwillig und freudig 
hervor. 
„Ganz herrlich ist des Königs Tochter drinnen, von Goldwirkerei ihr Gewand" (V. 13). Hier haben wir mehr die moralischen Schönheiten der Königin; sie ist herrlich gemacht in 
den Tugenden Christi. Seine Schönheit ist es, in der sie strahlt, 
und deshalb empfängt Er Lob. „Darum werden die Völker dich 
preisen immer und ewiglich" (V. 17).