Botschafter des Heils in Christo 1882

01/29/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Inhaltsverzeichnis 1882     
„Siehe, er betet"  Apg. 9,113
Manasse17
Vorträge über die Sendschreiben 
an die sieben Versammlungen23
Gestorben und auferweckt80
Das Kämmerlein, der Kampfplatz des Glaubens90
„Wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt"?92
Bist du arm oder reich?96
Der Unterschied zwischen dem Ratschluss Gottes 
und den Wegen Seiner Regierung99
Gewissheit136
Und darin?138
„Was ist mit dir, du Schläfer"2142
Erklärung145
Warum sind wir so schwach?146
Sicherheit, Gewissheit und Genuss148
Ein sicherer Ankerplatz164
Gedanken167
Betrachtungen über den Brief an die Römer168
Gedanken213
Der Geist als Siegel und Unterpfand215
Maria am Grabe220
„Und ihr seid Menschen gleich,223
die auf ihren Herrn warten" 
„Bleibet in mir und ich in euch"226
Was ist die Vergebung im Evangelium?235
Ein kurzes Wort über das Abendmahl des Herrn . .241


Seite 
„Siehe, er betet" 3 
Manasse 17 
Vorträge über die Sendschreiben 
an die sieben Versammlungen 23 
Gestorben und auferweckt 80 
Das Kämmerlein, der Kampfplatz des Glaubens ... . 90 
„Wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt" ? .. . 92 
Bist du arm oder reich? 96 
Der Unterschied zwischen dem Ratschluß Gottes 
und den Wegen Seiner Regierung 99 
Gewißheit 136 
Und dann? 138 
„Was ist mit dir, du Schläfer"? 142 
Erklärung 145 
Warum sind wir so schwach? 146 
» Sicherheit, Gewißheit und Genuß 148 
Ein sicherer Ankerplatz 164 
Gedanken 167 
i Betrachtungen über den Brief an die Römer 168 
Gedanken 213 
Der Geist als Siegel und Unterpfand 215 
Maria am Grabe 220 
„Und ihr seid Menschen gleich, 
die auf ihren Herrn warten"! 223 
„Bleibet in mir und ich in euch" 226 
Was ist die Vergebung im Evangelium? 235 
Ein kurzes Wort über das Abendmahl des Herrn ... . 241 

1882 Manasse (2. Chronika 33, 1-20)

Wenn wir die Geschichte Manasses, des Königs von Juda, lesen, muß unser Herz mit Lob und Dank gegen Gott erfüllt werden; denn wir sehen in ihr eine treffende Erfüllung der Worte des Apostels: „Wo aber die Sünde überströmend ge­worden, ist die Gnade noch überschwenglicher geworden". Doch während wir auf der einen Seite die Gnade des Herrn bewundern und anbeten müssen, werden wir auf der anderen erschrecken bei dem Anblick so trauriger Sünden, begangen durch eine Person, welche die besten Umgebungen, die größten Vorrechte, das klarste Licht und deshalb die geringste Ent­schuldigung hatte. Wir lernen in Manasses Geschichte zwei Dinge. Zunächst, daß die besten Umgebungen und größten Vorrechte das Herz eines Menschen nicht verändern, und dann, daß die traurigsten Sünden nicht imstande sind, in dem Herzen Gottes einen Wechsel hervorzubringen oder den Ausfluß Seiner Gnade zu hindern. Mag der Mensch sein, was er will, mag er sich in dem traurigsten Lichte offenbaren, dennoch bleibt Gott stets, was Er ist: „Licht und Liebe"; „barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und von großer Güte" (ps 103, 8); „ein Gott der Vergebung" (Neh 9, 17). Alle diese Eigen­schaften Gottes treten in der vor uns liegenden Geschichte hell ans Licht. Wir haben, mit einem Wort, ein alttestamentliches Gemälde von dem Herzen des Menschen und von dem Herzen Gottes.

Manasse hatte das Vorrecht, einen frommen Vater zu haben, von dem die Schrift sagt: „Er tat, was recht war in den Augen Jehovas, nach allem, was sein Vater David getan hatte" (2. Chron 29, 2). Ohne Zweifel hatte Hiskia seinem jugendlichen Sohn oft von dem Gott Israels erzählt, der „ihn und die Be­wohner von Jerusalem aus der Hand . . . aller gerettet und sie ringsum geschützt hatte" (2. Chron 32, 22). Belehrt über die

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wahre Anbetung Jehovas, umgeben von den täglichen Aus­übungen des Gottesdienstes, beeinflußt von einem frommen Vater, bewahrt und gesegnet mit dem bevorzugten Volke Got­tes, so begann die Geschichte Manasses. Trotz diesem allem aber blieb sein Herz unberührt, „arglistig, mehr als alles, und verderbt" (Jer 17, 9). Die Gnade Gottes machte nicht den ge­ringsten Eindruck auf ihn, und sobald er sich selbst überlassen war, verfiel er in die schrecklichsten und erniedrigendsten Sünden. Welch eine ernste Warnung!

Ach! wie viele, vielleicht auch manche Leser dieser Zeilen, haben fromme, gottesfürchtige Eltern gehabt, während sie selbst bis heute noch in ihren Sünden vorangegangen sind! Obwohl sie christlich auferzogen wurden, sind sie bis heute noch Christo fremd geblieben; obwohl sie unter das Gehör des Wortes Gottes gebracht und eingeladen wurden, sich mit Gott versöhnen zu lassen, sind sie nie in Wahrheit zu Jesu gekom­men. Umstrickt von den Banden Satans und der Welt, die Sünde und die Finsternis mehr liebend als das Licht, wandern sie gleichgültig und guter Dinge auf dem breiten Wege einher. Aber ach! was wird ihr Ende sein? „Das Ende dieser Dinge ist der Tod" (Röm 6,21). Und dann? Das Gericht vor dem großen, weißen Thron. Und worin besteht dies Gericht? In dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt. Welch ein ernster, er­schreckender Gedanke! 0 mein lieber, unbekehrter Leser, stehe einen Augenblick still und laß deinen Blick zurückgehen über dein vergangenes Leben! Wie viele, ja unzählige Sünden und Vergehungen tauchen da vor deinem Geistesauge auf! Sie alle rufen dir mit Donnerstimme zu: „Verloren! verloren! einem ewigen Gericht verfallen!" Aber nicht nur das. Zahlreiche Ge­legenheiten kommen in dein Gedächtnis zurück, wo Gott ernst­lich mit dir geredet und an dein Herz angeklopft hat. Du er­innerst dich, wie da dein Gewissen beunruhigt war und dich verklagte, wie du es aber auf alle Weise einzuschläfern und seine Stimme zu betäuben suchtest, bis es wirklich nach und nach wieder ruhig wurde und dich nicht weiter belästigte. 0 mein lieber Freund, wenn es heute wieder seine Stimme hören läßt, so suche sie nicht wieder durch die Vergnügungen und Freuden dieser Welt zu ersticken. Denke daran, daß heute die Zeit der Annehmung und der Tag des Heils ist, und daß Gottes Güte und Langmut einmal aufhören; möchte die Güte Gottes

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dich zur Buße leiten, so lange es noch Zeit ist und Gott dir Vergebung deiner Sünden schenken will!

Wie schon bemerkt, verübte Manasse, sobald sein Vater gestorben war, die schrecklichsten Greuel. Er erbaute Götzen­altäre, bückte sich vor allem Heer des Himmels, ließ seine Kin­der durchs Feuer gehen, trieb Gaukelei und Zeichendeuterei, bestellte Totenbeschwörer und Zauberer und stellte ein ge­schnitztes Bild an der geweihten Stätte der Anbetung des Got­tes Israels, in dem Tempel auf. Und um seinen Missetaten die Krone aufzusetzen, „vergoß Manasse auch sehr viel unschul­diges Blut, bis er Jerusalem damit erfüllte von einem Ende bis zum anderen" (2. Kön 21, 16). Welch eine entsetzliche Liste von Verbrechen: Götzendienst, Zauberei und Mord! Und nicht nur verunreinigte sich Manasse selbst mit allen diesen Dingen, sondern er verführte auch seine Untertanen zum Abfall von Gott und zu allerlei Schandtaten. „Aber Manasse verleitete Juda und die Bewohner von Jerusalem, mehr Böses zu tun als die Nationen, welche Jehova vor den Kindern Israel vertilgt hatte" (V. 9).

Wahrlich, ein trauriges, finsteres Gemälde! Und leider müs­sen wir sagen, daß die Geschichte Manasses gerade in unseren Tagen ein häufiges Gegenbild findet. Wie manches Kind christ­licher Eltern wirft sich, nachdem es das Elternhaus verlassen hat, der Welt und der Sünde in die offenen Arme! Es hat nicht selten den Anschein, als ob es die Zeit, die es unter der sor­genden Leitung der Eltern und unter ihrem wachsamen Auge zugebracht hat, wieder einholen müsse. In die zahllosen Schlin­gen Satans fallend, führt es ein traurigeres Leben, als selbst viele Kinder ungläubiger Eltern, die wenig oder nie von ihrem verderbten Zustand und der Notwendigkeit einer Errettung gehört haben. Da es stets Herz und Ohr vor der freundlichen Stimme Gottes verschlossen hat, so gibt Er es für eine Zeit dahin, um die Früchte des Weges der Sünde zu ernten. Ach! welch eine furchtbare Verantwortlichkeit ladet ein solches Kind auf sich! Nicht nur erfüllt es das Elternhaus mit tiefer Betrüb­nis und nagendem Kummer — denn was könnte für das lie­bende Herz eines christlichen Vaters, einer christlichen Mutter schmerzlicher sein, als ihr Kind auf der Bahn der Sünde unauf­haltsam einherschreiten zu sehen? — sondern es wendet auch

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dem Gott, dessen Liebe es von Jugend auf so offenbarlich ge­nossen hat, den Rücken und tritt Seine Liebe mit Füßen. Welch einem schrecklichen Gericht eilt es entgegen, wenn es nicht umkehrt von seinen bösen Wegen! Oh, möchten diese Zeilen, wenn sie irgendeinem solchen abgeirrten Kinde in die Hände fallen sollten, ihm ein lauter Mahnruf sein, einmal stillzu­stehen auf dem Wege und zu sich selbst zu kommen, um, wie der verlorene Sohn, nach Erkenntnis seines traurigen Zustan­des, mit wahrer Reue und aufrichtigem Bekenntnis zu dem Vater zurückzukehren, den es so tief betrübt und beleidigt hat. Wenn schon ein irdischer Vater bereit ist, den gebeugt heimkehrenden Sohn aufzunehmen, wie viel mehr ist es die Freude Gottes, jeden Sünder in Gnaden zu erretten, der mit zerknirschtem Herzen und den Worten auf seinen Lippen: „ich habe gesündigt...; ich bin nicht würdig, dein Sohn zu heißen!" zu Ihm kommt. Es ist Freude im ganzen Himmel, Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

Doch kehren wir zu unserer Geschichte zurück. Gott handelt in großer Gnade und Langmut mit Manasse. Er ließ nicht so­gleich das Gericht über ihn kommen. Er redete in Freundlich­keit zu ihm und zu seinem Volke, um ihn auf diese Weise zur Besinnung zu bringen, „aber sie merkten nicht darauf" (V. 10). Es ist bewunderungswürdig, zu sehen, wie Gott sich mit dem schuldigen König und seinen bösen Gefährten in aller Geduld beschäftigt. Es ist nicht Seine Freude, zu richten. Er ist langsam zum Zorn, aber stets bereit zu segnen. Doch Manasse war ent­schlossen, auf seinem bösen Pfade zu verharren, und mit ihm das Volk. Sie verhärteten ihren Nacken, sie wollten nicht hören auf die freundliche Stimme Jehovas. „Und Jehova, der Gott ihrer Väter, sandte zu ihnen durch seine Boten, früh sich auf­machend und sendend, denn er erbarmte sich seines Volkes und seiner Wohnung. Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und äfften seine Propheten, bis der Grimm Jehovas über sein Volk stieg, daß keine Heilung mehr war" (2. Chron 36, 15. 16).

Gleichst du hierin dem gottlosen König und seinen Gesin­nungsgenossen, mein lieber Leser? Ist Gott auch schon so mit dir beschäftigt gewesen? Hat Er versucht, durch Sein Wort dein Herz und Gewissen zu erreichen? Hat Er Seine Boten an dich

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gesandt, um dich zur Umkehr aufzufordern und dir Seine über­strömende Gnade vorzustellen? Sicher, Er hat es auf die eine oder andere Weise getan. Aber wie hast du dich demgegenüber verhalten? Hast du auf Seine Stimme gehorcht, oder hast du sie verächtlich von dir gewiesen? Hast du auf das Wort Seiner Boten geachtet und es in dein Herz aufgenommen, oder hast du sie verspottet und ihre Warnungen lachend in den Wind geschlagen? Siehe, es ist die Liebe und die Güte Gottes, die dich zur Buße leiten will. Hüte dich, daß nicht Sein Zorn über dich komme! Willst du nicht der Einladung Gottes folgen und dich vor Seinem Worte beugen, so muß das Gericht dich ereilen. Und erinnere dich, daß es ein ewiges Gericht ist, um so schreck­licher für dich, weil du so lange Gelegenheit gehabt hast, ihm zu entfliehen.

Da Manasse nicht auf die Stimme Jehovas durch den Mund seiner Boten horchen wollte, mußte Gott lauter reden. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Es ist der Wunsch und die Freude Seines Herzens, zu segnen, und wer wird Ihn daran hindern? „Da ließ Jehova die Heerobersten des Königs von Assyrien über sie kommen;

und sie nahmen Manasse gefangen und banden ihn mit eher­nen Fesseln und führten ihn nach Babel" (V. 11). Gott weiß das Gewissen zu erreichen. Er kann den Menschen zwingen, zu hören, auch wenn er nicht will. Wahrlich, ein wunderbarer Gott ist unser Gott! „Denn in einer Weise redet Gott und in zweien, ohne daß man es beachtet — ... um den Menschen von seinem Tun abzuwenden . . . daß er seine Seele zurück­halte von der Grube, und sein Leben vom Rennen ins Ge­schoß. Auch wird er gezüchtigt mit Schmerzen auf seinem Lager . . . und seine Seele nähert sich der Grube und sein Leben den Würgern" (Hiob 33, 14—22). Gott weiß einen jeden zu finden. Niemand ist vor Ihm verborgen. Welch ein tröst­licher Gedanke ist dies für das Herz solcher Eltern, deren Kin­der sich auf den Weg der Sünde gewandt haben. Befinden sie sich auch außer ihrem Bereich — Gott kennt sie, und Er ist mächtig, auch das härteste Herz zu schmelzen und den stol­zesten Sinn zu beugen.

In seiner Drangsal fängt Manasse an, seiner Sünden zu gedenken und sich an den Gott zu erinnern. Den er verachtet und zum Zorn gereizt hat. Sein Gewissen erwacht und ruft

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ihm mit überwältigender Macht seine unzähligen Missetaten ins Gedächtnis zurück. Zugleich treten vor sein erleuchtetes Auge die Tage seiner frühesten Jugend, in denen er an der Seite eines gottesfürchtigen Vaters seine Knie vor dem einen wahren und lebendigen Gott gebeugt hat. Er bricht zusammen;

völlig zerknirscht fällt er nieder, und über seine Lippen strömt ein offenes Bekenntnis seiner großen Schuld. „Und als er be­drängt war, flehte er Jehova, seinen Gott, an und demütigte sich sehr vor dem Gott seiner Väter und betete zu ihm" (V. 12). Alles ist jetzt verändert. Der einst so stolze und gottlose König tut Buße in Sack und Asche. Der früher fremden Götzen Altäre gebaut und geopfert hatte, liegt im Staube vor dem Gott seiner Väter und „betet". Wird Gott ihn erhören, ihn, der so lange Jahre Seine Botschaften der Liebe verachtet und Ihn Selbst auf die schrecklichste Weise verhöhnt hat? Wird Er nicht sagen:

„In den guten Tagen hast du meiner vergessen und nicht auf meine Stimme hören wollen, und jetzt ernte, was du gesät hast?" 0 Wunder der Gnade! Gott hört auf die Stimme des einstigen Verächters. „Und Er ließ sich von ihm erbitten und erhörte sein Flehen und brachte ihn zurück nach Jerusalem in sein Königreich" (V. 13). Ja, Er ist „ein gnädiger und barm­herziger Gott, langsam zum Zorn und von großer Güte, und der sich des Übels gereuen läßt" (Jona 4, 2). Jetzt erkannte Manasse, daß Jehova in Wahrheit Gott ist, und „er tat die Götter der Fremde hinweg und das Gleichnis aus dem Hause Jehovas und alle Altäre, die er auf dem Berge des Hauses Je­hovas und in Jerusalem gebaut hatte, und er warf sie hinaus außerhalb der Stadt. Und er baute den Altar Jehovas wieder auf und opferte auf demselben Friedens- und Dankopfer und er befahl Juda, daß sie Jehova, dem Gott Israels, dienen sollten" (V. 15. 16).

Welch eine völlige und gesegnete Veränderung! Manasse konnte jetzt nicht nur selbst Dank- und Friedensopfer dar­bringen, sondern er konnte auch andere auffordern, diesem großen und gnädigen Gott zu dienen. Gott hatte sein Ziel bei ihm erreicht. Manasse hatte Ihn und sich kennen gelernt, ob­wohl auf schweren Wegen. Sein ganzes Wesen war jetzt ver­ändert. Er konnte „vor den Menschen singen und sagen: Ich hatte gesündigt und die Geradheit verkehrt, und es ward mir nicht vergolten; er hat meine Seele erlöst, daß sie nicht in die

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Grube fahre, und mein Leben erfreut sich des Lichts" (Hiob 33, 27. 28). Und es war ihm genug, die vergangenen Tage in Sünde und Schande gelebt zu haben; es gab jetzt nur noch einen Gegenstand für ihn, das war der Gott Israels und Seine wun­derbare Güte. Ihm zu dienen und Ihn zu loben, das bildete fortan seine erste Beschäftigung. — Möchte es auch unsere Beschäftigung sein, so viele wir den Herrn kennen!


Vorträge über die Sendschreiben an die sieben Versammlungen 
Fortsetzung 
Philadelphia. — Werfen wir jetzt einen Rückblick auf den 
allgemeinen Entwicklungsgang der ersten Versammlungen, so 
entdecken wir zunächst den Rückschritt, dann sehen wir, wie 
Satan sie vom Wege ablenkt, und endlich folgen Warnungen. 
Hier in Philadelphia wird ein Überrest ermuntert. Was die 
Getreuen hier kennzeichnet, ist, daß sie, obwohl sie im Besitz 
einer nur kleinen Kraft sind, in inniger Verbindung mit dem 
Herrn Jesu Christo selbst stehen. Das Kennzeichen der Väter 
in Christo besteht, wie wir in dem ersten Brief des Johannes 
lesen, darin, daß sie Den kennen, Der von Anfang ist. So ist 
auch hier in Philadelphia allerdings nur eine kleine Kraft da, 
aber der Name des Herrn wird nicht verleugnet. Das Sendschreiben an diese Versammlung, die Grundlage der ihr gemachten Eröffnungen, steht in Verbindung mit Christo. Es 
handelt sich um Ihn Selbst, nicht um Macht. Aber wenn auch 
alles im Verfall ist, wie in dem Brief des Johannes, wo es heißt, 
daß schon viele Antichristen geworden seien (Kap. 2, 18), so 
gibt es dennoch auch solche, welche fähig sind, die Verführer 
zu unterscheiden; denn „der aus Gott Geborene bewahrt sich, 
und der Böse tastet ihn nicht an". In dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit einer Wiederherstellung der Kirche hinsichtlich 
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einer offenbaren Macht ist es die Bewahrung des Wortes des 
Ausharrens Christi, was die Versammlung in Philadelphia 
kennzeichnet; und der Name des „Heiligen" und des „Wahrhaftigen'" ist ihr in ganz besonderer Weise aufgedrückt. In der 
Art und Weise, wie Christus sich hier darstellt, findet sich 
keine Macht, wie vorher in Sardes, wohl aber die unfehlbare 
Gewißheit darüber, was Er in Seinem Charakter ist und darüber, was Er gesagt hat — Er, der „Heilige" und der „Wahrhaftige". Durch diese beiden Dinge können wir alles beurteilen. 
Die Gläubigen sollten, da alles um sie her in einem schlechten 
Zustande war, an der Einfalt, die in Christo ist, festhalten, 
wie Johannes in seinem Brief sagt: „Dieser ist der wahrhaftige 
Gott und das ewige Leben". Er und seine Mitapostel hatten 
das ewige Leben in ihren Seelen empfangen, sie hatten Ihn 
mit ihren Händen betastet und durch den Glauben angeschaut, 
so daß sie bezeugen konnten, wer dieser „Wahrhaftige" war, 
und auch zu sagen vermochten: „Dies ist der Heilige"; denn 
Er ist nicht nur im Besitz der Macht, sondern Er ist auch der 
Heilige. 
Beachten wir ferner, daß die Charakterzüge Christi, die uns 
hier vor Augen gestellt werden, keinen Teil der Herrlichkeit 
Christi bilden, wie sie im ersten Kapitel der Offenbarung beschrieben wird, sondern daß sie sich auf Seinen moralischen 
Charakter beziehen; und diesen Charakter weiß der im Glauben geübte Heilige zu der Zeit, auf welche sich das Sendschreiben bezieht, zu unterscheiden. Die Heiligen, von denen 
hier die Rede ist, hatten das „Wort des Ausharrens Christi" 
bewahrt, und wenn das Wort Gottes als solches geschätzt 
wird, dann ist es der Charakter Christi Selbst, der die Seele 
beherrscht. Seine Vorschriften erhalten Autorität für uns, und 
Er leitet persönlich die Neigungen unserer Herzen; das Auge 
ist einfältig und der Leib voll von Licht. So war es z. B. bei 
Maria, als der Augenblick des Hingangs des Herrn herannahte. 
Das Wort Gottes verbindet die Seele mit Christo, so wie Er 
war und wie Er ist; es gibt uns einen geschriebenen Christus. 
So lesen wir z. B. in Mt 5: „Glückselig die Armen im Geiste!" 
— und wer war so arm im Geiste wie Christus? „Glückselig, 
die reinen Herzens sind!'' — wer war so rein wie Er? „Glückselig die Friedensstifter!" — Er war der große Friedensstifter, 
ja, der Fürst des Friedens Selbst. 
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Zunächst handelt es sich natürlich darum, Ihn als den lebendigen Christus zum Heil der Seele zu besitzen; hernach empfangen wir durch das geschriebene Wort das geistliche Verständnis von dem, was dieser Christus ist, indem das geschriebene Wort der einfache Ausdruck von Christo Selbst ist, 
von Dem, der das Bild Gottes war, der „Fleisch ward und 
wohnte unter uns, und wir haben Seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, 
voller Gnade und Wahrheit". Und wenn wir so das Zeugnis 
empfangen, das der Heilige Geist von Christo ablegt, dann 
klammert sich das Herz an Ihn, als den „Heiligen" und „Wahrhaftigen". So beherrscht der Christus, wie wir Ihn im Worte 
finden, unser Herz; wir möchten nicht ohne diesen geschriebenen Christus sein, oder uns von Ihm entfernen. Diese lebendige Verbindung mit einem lebendigen Christus ist unser einziger Schutz gegen solche, die uns verführen wollen. Ein heiliger Christus, in Dem wir die Wahrheit besitzen, ist die gesegnete, starke, moralische Burg der Seele, während ein mit 
der Welt vermengtes und lebloses Christentum nichts gegen 
die Verführung vermag, und die bekennende Kirche aus diesem Grunde unfähig ist, den einfachen Pfad zu unterscheiden. 
Wenn unter den Christen nicht Glauben genug vorhanden ist, 
um ohne die Welt voranzugehen, und deshalb allenthalben 
Vermengung mit der Welt stattfindet, dann ist für den Treuen 
ein heiliger und wahrhaftiger Christus der sichere Leiter und 
die Stütze der Seele. 
Dem Timotheus sagt Paulus: „und weil du von Kind auf die 
Heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu 
machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu 
ist". Und gewiß kann es keine bessere Erkenntnis geben, als 
die Erkenntnis Christi. Um diese handelt es sich hauptsächlich 
im Brief des Johannes; der Vater in Christo hat „den erkannt, 
der von Anfang ist"; er kann sagen, was der wahre Christus 
ist, er kennt den Heiligen und Wahrhaftigen. Nicht Entwicklung tut not, sondern die Rückkehr zu der Einfalt in Christo, 
Ihn wahrhaftig zu kennen, Der im Anfang geoffenbart wurde, 
Ihn, Der von Anfang war. Wenn deshalb meine Seele mit dem 
Christus des geschriebenen Wortes vereinigt ist, so ist der 
Christus, den ich hienieden geliebt habe, Derselbe, Dessen 
Ankunft ich zu meiner Aufnahme erwarte. 
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Das schöne Bild, das hier von dem Herrn entworfen wird, 
ist ein anderes als das Bild des ersten Kapitels: „Seine Augen 
wie eine Feuerflamme, und seine Füße gleich glänzendem 
Kupfer, als glühten sie im Ofen" — fest, unwandelbar, ein verzehrendes Feuer im Gericht, so ist Er dort geoffenbart. Das 
Bild aber, das der Versammlung von Philadelphia von Ihm 
gegeben wird, steht in Verbindung mit Seinem moralischen 
Charakter, wie wir ihn in dem geschriebenen Wort finden: Er 
ist „der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel des David 
hat, der da öffnet, und niemand wird schließen und schließt, 
und niemand wird öffnen". Christus forscht hier nicht nach 
Kraft in den Heiligen; Er zeigt Sich uns vielmehr in Seinem 
eigenen, persönlichen und besonderen Dienst, Er hält Selbst 
den „Schlüssel" in Seiner Hand, und dies gibt uns Vertrauen. 
Wenn sich auch schäumende Wogen um uns her auftürmen 
und die Predigt des Evangeliums untersagt zu werden droht, 
so wissen wir dennoch, daß alles in Seiner Hand ist. Ich wünsche vielleicht, daß das Evangelium in dem einen oder anderen 
Lande gepredigt werden möchte, allein die Hindernisse scheinen zu zahlreich und zu groß zu sein; da ist es denn mein 
Trost, daß Christus den Schlüssel hat, und daß die ganze Macht 
Gottes zu Seiner Verfügung steht. Etwas ähnliches finden wir 
in Joh 10 in den Worten: „Diesem tut der Türhüter auf". Als 
Jesus Selbst auf dieser Erde auftrat, wie uns dies in den Evangelien mitgeteilt wird, da war niemand imstande, Sein Zeugnis 
zu hindern. Alle Mächte der Erde, die Pharisäer, die Gesetzgelehrten, die Hohenpriester, die Landpfleger, Pilatus und Herodes (diese Füchse), konnten kein einziges armes Schaf hindern, die Stimme des guten Hirten in den Tagen Seines Fleisches zu hören. So ist es auch heute noch, denn „Jesus Christus 
ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit". Dies ist unsere 
Zuversicht bei der Predigt des Evangeliums; denn trotz aller 
Freiheit, die wir in unserem so hoch begünstigten Lande genießen, könnten wir dennoch auf kein einziges Jahr länger rechnen, wenn wir nicht die einfache Verheißung besäßen: „Ich 
habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu 
schließen vermag". So kann ich auch ohne Furcht in irgendein 
anderes Land gehen, wie schwierig auch dessen äußere Verhältnisse liegen mögen, sobald ich sehe, daß Gott eine offene Tür 
vor mir gegeben hat. Selbstredend müssen wir warten, bis der 
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Herr die Zeit für gekommen hält, die Tür zu öffnen. So sehen 
wir z. B. bei Paulus, daß es ihm zu einer gewissen Zeit nicht 
erlaubt wurde, das Wort in Asien zu reden, während wir ihn 
später drei Jahre lang dort tätig finden, und der Herr Sich so 
zu Seiner Arbeit bekannte, daß ganz Klein-Asien, in dessen 
Hauptstadt Ephesus er eine Versammlung gründete, das Wort 
Gottes hörte. Wir werden uns ohne Zweifel damit zufriedengeben müssen, im Glauben uns auf den Arm Dessen zu stützen, Der den Schlüssel hat, und unsere Seelen durch unser Ausharren zu gewinnen; denn stets werden Umstände vorhanden 
sein, die unseren Glauben üben, und Gott wird diese erlauben, 
um uns zu beweisen, daß wir nichts ohne Ihn tun können. Wir 
werden dann entdecken, daß wir keine Kraft haben/
 daß Gott 
aber nadi Seiner eigenen Kraft unserer Schwachheit zu Hilfe 
kommt, weil Er nicht anders kann, als dem Glauben, den Er 
gegeben hat, zu antworten: „Ich habe eine geöffnete Tür vor 
dir gegeben, die niemand zu schließen vermag". Dieses Wort: 
„die niemand zu schließen vermag", hat mir oft große Zuversicht gegeben. Es ist eine köstliche Ermunterung, daß, wenn 
Christus eine Tür geöffnet hat, niemand sie schließen kann, 
weder Menschen, noch Teufel, noch böse Geister; und selbst 
wenn wir nicht genug Kraft haben, die geöffnete Tür aufzustoßen, so ist sie doch für uns geöffnet. Die ganze Versammlung ist schwach, so schwach wie möglich, und zwar in einem 
schlimmen Sinne; denn was für einen Glauben besitzen wir? 
Wenn wir hören von einem kleinen Glauben, so zeigt Gott uns 
Seine Macht. Aber wo hört man unter uns von der Kraft und 
der Energie des Glaubens? 
„Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, so 
will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung". 
Das besiegelt unsere Sicherheit und unsere Kraft. Es ist das 
Ausharren Christi, denn auch Er wartet auf das Reich: „fortan 
wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner 
Füße". Wir warten wie Er und mit Ihm; aber hier ist es das 
Wort des Ausharrens. Dieses Wort ist unser Gewährsmann 
und unsere Sicherheit; Er führt uns durch das Wort in dieselbe Gesinnung und in denselben Geist ein, in dem Er Selbst 
wartet, getrennt von der Welt und mit Ihm eins in derselben 
Hoffnung, derselben Freude und demselben Glück, keine Ruhe 
27 
findend, bis auch Er Seine Ruhe gefunden hat. — Das Wort 
leitet unsere Gedanken, indem es uns Seine Gedanken mitteilt 
und uns in dieselbe Erwartung einführt, die Er hat. Möchten 
wir nur in diesen letzten gefährlichen Zeiten das Wort des 
Ausharrens Christi festhalten! Unsere Kraft gegen den Widersacher ist die Erkenntnis, die wir von Christo Selbst haben, 
nicht in Seiner kirchlichen Macht, sondern indem wir Ihn 
kennen als den Heiligen und Wahrhaftigen, indem wir warten 
wie Er, von der Welt getrennt, indem wir Sein Wort bewahren 
und für Ihn leben, wissend, daß Er uns aus der Versuchung, 
die über die Welt hereinzubrechen droht, herausnimmt. Mittlerweile ist trotz allem die geöffnete Tür des Dienstes unser 
Teil. 
Indem wir so mit Ihm verbunden sind, haben wir dasselbe 
Teil wie Er. Da wir im Geiste nicht auf der Erde wohnen, sondern mit Ihm warten, läßt Er uns nicht durch die Stunde der 
Versuchung hindurchgehen, welche alle sichten wird, die ihre 
Heimat hier auf Erden haben. Die Menschen dieser Welt werden durch die Macht des Feindes und die Drangsal, die von 
seiten Gottes über sie kommt, in Bestürzung geraten; für diejenigen unter den Seinigen aber, die an dieser Welt hängen, 
wird Er die Welt so zur Qual machen, daß sie nicht länger damit verbunden bleiben können. Diesem allem entrinnt der 
Heilige von Philadelphia; er kann seine Augen zum Himmel 
und zu dem himmlischen Christus erheben, Dem er angehört, 
und das mit Ihm verbundene Herz weiß, daß Christus es nicht 
täuschen wird, sondern daß Er, sobald Er Sich erhebt, um 
Seinen Platz der Welt gegenüber einzunehmen und Seine 
Macht gegen sie zu offenbaren, Seine Geliebten zu Sich nehmen 
wird, auf daß sie bei Ihm seien, der Hoffnung gemäß, die Er 
ihnen gegeben hat. Halten wir uns nur einfach an das geschriebene Wort Gottes, so können wir vor aller Macht unserer 
Gegner standhalten; nicht als ob wir ihre Gegner wären, Gott 
wolle uns davor bewahren! Aber in unserem Herzen möge 
das Bewußtsein lebendig sein, daß der Herr uns anerkennt; 
mögen wir mit unseren Herzen uns so in der Nähe Gottes 
befinden, daß wir Sein Wort, eben weil es Sein Wort ist, zu 
unserem Führer nehmen! Dann wird die Macht Christi, diese 
Seine Kraft, in unserer Schwachheit vollbracht werden. Was 
die wahren Heiligen in der gegenwärtigen Zeit charakterisiert, 
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ist das geschriebene Wort Gottes, das dem Herzen den Charakter und den Namen Christi als Wahrheit und Heiligkeit 
mitteilt. Indem sie so in Gemeinschaft mit Dem wandeln, 
welcher „der Heilige und der Wahrhaftige" ist, sind sie geborgen. 
„Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, 
welche sagen, daß sie Juden seien, und sind es nicht, sondern 
lügen; siehe, ich werde sie zwingen, daß sie kommen und sich 
niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, daß ich dich 
geliebt habe". Hier begegnen wir Personen, die einen entgegengesetzten Charakter tragen, und der Herr spricht sehr 
deutlich über sie. Er schont sie in keiner Weise: sie sind die 
Synagoge Satans. Worauf machten diese Juden Anspruch? Sie 
beriefen sich auf alles, was ihnen äußerlich ein religiöses Recht 
zum Regieren, zum Befehlen in Sachen der Wahrheit gab, 
nämlich auf das Alter und die von Gott eingesetzten Satzungen, die ihnen wirklich anvertraut und der Beweis waren, daß 
sie das wahre und einzige Volk Gottes, das von Gott eingesetzte Priestertum bildeten. Sie machten Anspruch darauf, die 
einzigen berechtigten Verwalter der Segnungen Gottes und im 
Besitz Seiner Aussprüche zu sein; sie behaupteten auch, Eifer 
für Gott zu haben. Außer ihnen besaß niemand diese Vorrechte. Wo sollte man also anders das ewige Leben finden? 
Doch wenn die Autorität Christi im Herzen anerkannt wird, 
dann gilt das Wort: „Dies habe ich euch geschrieben, auf daß 
ihr wisset, daß ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den 
Namen des Sohnes Gottes". Wenn Gott uns das ewige Leben 
in Christo gegeben hat, so bedürfen wir derjenigen nicht, die 
sich anmaßen, die ausschließlichen Verwalter des ewigen Lebens zu sein; wir können auch nicht gestatten, daß irgend 
etwas zwischen uns und Ihn trete und uns von Ihm trenne; 
wir können nicht von Christo weggehen, und den wahren 
Christus haben wir im Worte gefunden, noch von etwas anderem reden, als von dem, was wir gesehen und gehört haben. 
Wer mich anderswo hinführen möchte, den kann ich mit Leichtigkeit als der Synagoge Satans angehörend erkennen. Es mag 
sein, daß solche Personen jetzt Erfolge haben; ich aber will 
mit Christo warten und das Wort bewahren, worin Er mich 
anweist, mit Ihm zu warten, bis Er kommt und die Segnung 
und die Herrlichkeit offenbart. 
29 
Wenn Gott uns nun das ewige Leben gegeben hat, so sollten 
wir uns in gar keine Erörterungen mit denen einlassen, die der 
Synagoge Satans angehören, als ob sie irgendein Recht von 
Gott hätten, denn sie haben keins; vielmehr haben wir zu 
beurteilen, ob wir ihnen oder Gott Gehorsam schuldig sind. 
Wir haben den „Heiligen und den Wahrhaftigen", und „das 
Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten". Die Heiligen in Philadelphia sollten nicht mit dieser Synagoge Satans 
streiten; und obwohl sie nur eine kleine Kraft und kein Ansehen hatten, so sollten sie dennoch ihre Seelen durch ihr Ausharren gewinnen, weil Christus Seine Liebe zu ihnen angesichts ihrer Gegner offenbaren wollte. Die Synagoge Satans 
war eine Religion des Fleisches, die sich auf äußere Dinge, auf 
alles, was die Natur als religiös für sich in Anspruch nehmen 
kann, auf Werke, Satzungen und dergleichen stützte, indem 
ihre Bekenner den Platz der Juden, wie sie zur Zeit des Apostels Paulus auftraten, einnahmen und behaupteten. Heutzutage ist es in geistlicher Beziehung noch genau so. Aber: „Ich 
werde machen, daß sie . . . erkennen,daß ich diel: geliebt habe". 
Der griechische Text legt besonderen Nachdruck auf die Wörtchen „ich" und „dich". Die Frage ist jetzt einfach: Ist mir 
Christus genug? Ist die Anerkennung von Seiten Christi für 
mich ein genügender Beweggrund, mein Betragen zu leiten? 
Wenn diese Anerkennung nicht genügt, um eine Seele zu befriedigen, so kann diese Seele niemals richtig wandeln. 
„Ich komme bald, halte fest, was du hast", nämlich „das 
Wort meines Ausharrens". Der Herr sagt gleichsam: „Ich 
warte, und ihr müßt warten". Er wartet, bis Seine Feinde gelegt sind zum Schemel Seiner Füße. Anstatt unsere Bequemlichkeit zu suchen, haben wir zu warten, bis Er auf den Schauplatz tritt, gleichwie Er stets wartete, bis Sein Vater eingriff, 
und wie Er jetzt wartet, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner 
Füße gelegt werden. Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, welchen hervorragenden Platz das Wort 
mein in diesem Sendschreiben hat. Wir sehen darin die praktische Einsmachung der Gläubigen mit dem „Heiligen und 
Wahrhaftigen"; wir, die wir mit Ihm warten, verworfen von 
denen, die alle Satzungen und das Alter für sich haben, werden Mitteilnehmer Seiner Herrlichkeit sein. Das Wort mein 
30 
steht in besonderer Weise in Verbindung mit allem, was in 
der Herrlichkeit ist. Ihr wäret schwach im Zeugnis hienieden, 
aber ihr habt „das Wort meines Ausharrens" bewahrt, und 
ihr werdet eine „Säule" der Kraft sein „in dem Tempel meines 
Gottes". Ich will auf euch schreiben den Namen meines Gottes 
und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, 
das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und 
meinen neuen Namen. Diese Einsmacrvung mit Christo im 
Ausharren, ja in allem, ist voll des höchsten Interesses und 
der tiefsten Belehrung. 
Der Herr gebe uns Gnade, in der Kraft des Geistes zu wandeln! Er gebe uns, daß unsere Herzen so auf Ihn gerichtet 
seien, wie Er als der Heilige und Wahrhaftige geoffenbart ist, 
indem wir das Wort Seines Ausharrens bewahren, damit Seine 
Anerkennung unsere ewige Belohnung sei! Möge Er uns getrennt erhalten von der Welt, über die Er zum Gericht kommen wird! Wie ganz anders ist es, etwas zu erwarten, das 
gleich einem gezückten Schwert über dem Haupte hängt, oder 
aber Christum so zu kennen, Ihn so völlig als den Gegenstand 
unserer Wünsche und unserer Liebe zu besitzen, daß, wenn 
Er sagt: „Ja, ich komme bald!" die unmittelbare Antwort 
unserer Herzen ist: „Amen! Komm, Herr Jesu!" 
Wir haben uns am vorigen Abend die allgemeinen Charakterzüge der Versammlung zu Philadelphia vergegenwärtigt, so 
weit es nötig war, um den Zusammenhang dieser Versammlung mit der vorigen (Sardes) zu zeigen. Mit des Herrn Hilfe 
werden wir heute die Einzelheiten der Versammlung von Philadelphia betrachten. Da ist zunächst als ein Hauptzug hervorzuheben, daß es sich in diesem Sendschreiben um eine besondere Segnung handelt, einem besonderen Bedürfnis gegenüber. 
Nachdem wir in den vorhergehenden Versammlungen die Entfaltung des schrecklichen Bösen gesehen, haben, finden wir 
jetzt bei Philadelphia nur Barmherzigkeit und Segnung. 
Es ist sehr köstlich, zu bemerken, daß Gott Sein Volk, so 
arm und schwach es auch sein mag, selbst wenn die Getreuen 
sich auf einen Überrest von einzelnen Personen beschränken, 
nie vergißt. Sein Auge ruht stets auf ihnen, um ihnen aus 
Seinen eigenen Hilfsquellen darzureichen, wie und wann sie 
es bedürfen, in einer Zeit, wo alles um sie her so dunkel wie 
31 
möglich ist. Wenn beide, Kirche und Welt, sich in einer Finsternis befinden, daß man sie mit Händen greifen kann, so 
besitzen die wenigen Getreuen am meisten „Licht in dem 
Herrn". Denn das Leben des Glaubens wird stets durch die 
treue Gnade Christi in einer Weise genährt und unterstützt, 
die im Verhältnis steht zu der Macht, die sich dem Glauben 
entgegenstellt, und zu den Schwierigkeiten, die es durchzumachen gibt. Es ist eine andere Frage, in welchem Maße der 
Herr Sich in dieser Zeit des Verfalls Seines Volkes als Zeugnis 
bedienen kann; dies wird Seine Weisheit entscheiden. Ein 
Beispiel hiervon sehen wir in Israel, wie wir dies schon früher 
bemerkten. Die Sünde des Volkes bei Gelegenheit der Aufstellung des goldenen Kalbes fand ihre Antwort in der inneren 
geistlichen Kraft bei Mose, als er das Zelt außerhalb des Lagers 
aufschlug. Und als späterhin der Baalsdienst öffentlich anerkannt und eingeführt war, erweckte Gott Elias und Elisa mit 
gewaltigen äußeren Offenbarungen der Macht, während die 
siebentausend Getreuen damals von Gott verborgen waren. 
Der Herr mag es nicht für gut finden, das, was gefehlt hat, mit 
der äußeren Ehre des Zeugnisses zu bekleiden; aber Er verleiht die nötige Gnade und die innere Macht des Lebens, um 
die einzelne Seele zu unterstützen, und diese Gnade, die im 
Blick auf die jetzigen Heiligen von dem verherrlichten Haupte 
zur Erhaltung des Leibes auf Erden ausströmt, kann nie fehlen. 
So mögen z. B. jene Gaben in der Versammlung, die zuweilen 
„Wundergaben" genannt werden — wie Sprachen, Gaben der 
Heilungen usw. — und die der Versammlung als ein Zeugnis für 
die Welt und als Zeichen für die Ungläubigen gegeben waren, 
verschwunden sein; aber die Gaben, die zur Erhaltung der 
Glieder des Leibes von dem Haupte herabfließen, können nie 
zurückgezogen werden; „denn niemand hat jemals sein eigenes 
Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie auch 
der Christus die Versammlung". 
Im Brief an die Epheser, wo die Versammlung in besonderer 
Weise als der Leib Christi dargestellt ist, wird von den Gaben 
gesagt, daß sie der Versammlung „zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des 
Leibes Christi" gegeben sind. Hier werden die Wundergaben 
mit keinem Worte erwähnt, während wir im Korintherbrief von 
„Gaben der Heilungen", „Arten von Sprachen", „Auslegung 
32 
der Sprachen" usw. lesen. Wir finden also in der Schrift zwei 
bestimmt unterschiedene Arten von Gaben, zunächst die Wundergaben, d. h. öffentliche Zeichen, die der Versammlung zum 
äußeren Zeugnis gegeben waren, damit eine ungläubige Welt 
dadurch angezogen werde; und dann jene Gaben, die von dem 
Haupt zur Ernährung des Leibes ausströmen. Diese Ernährung 
muß stets fortdauern, sei es in Verbindung mit einem äußerlichen Zeugnis, oder daß sie unmittelbar von Christo Selbst 
durch die Wirksamkeit Seiner Gnade ausgehe; nie aber wird 
diese von dem Haupt ausströmende Gnade fehlen. Und gerade 
dies ist es, was in der Versammlung von Philadelphia zutagetritt; denn was sie kennzeichnet, ist Schwachheit, ein offenbarer Mangel an Kraft, aber ein um so näheres Verhältnis zu 
Ihm, der die Kraft ist, ein höherer Grad von Liebe zu dem 
Herrn, eine größere Innigkeit der Gemeinschaft und endlich 
ein viel bestimmteres Einssein mit Ihm in den ihr gegebenen 
Verheißungen. 
Die Versammlung zu Philadelphia ist gekennzeichnet durch 
ihre Schwachheit, ohne daß der Herr jedoch einen Tadel für sie 
hat. Und wir müssen uns stets daran erinnern, mag Gott durch 
äußerliche Entfaltung Seiner Macht, durch Gaben der Heilungen, durch Sprachen und dergleichen der Welt gegenüber ein 
Zeugnis geben, oder mögen diese alle aufgehört haben — daß 
in dem Bewußtsein der Schwachheit stets eine hinlängliche 
Kraft liegt, vorausgesetzt, daß es mit dem Glauben vermischt 
ist. Das Herz mag bei diesem Bewußtsein der Schwachheit 
beklommen sein, ohne daß gerade Unglauben zugrundeliegt. 
In dem Herrn Jesu war dies Bewußtsein der traurigen Szene 
um Ihn her in hohem Maße vorhanden, und Er gab dem in 
den Worten Ausdruck: „Jetzt ist meine Seele bestürzt, und 
was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde!" Aber 
gerade dieses Gefühl war es, das Ihn unmittelbar mit Seinem 
Vater verband. 
Bei uns ist es leider nur zu oft der Fall, daß wir uns so sehr 
mit den traurigen Umständen um uns her einlassen und unsere 
Seelen mit den Gegenständen der Trauer beschäftigen, daß wir 
in Gefahr kommen, zu zweifeln, ob Gott auch imstande sei, in 
dieser Not zu helfen. Statt zu sagen: „Bei der Menge meiner 
Gedanken in meinem Innern erfüllten deine Tröstungen meine 
33 
Seele mit Wonne", sind wir in der Menge unserer Gedanken 
nur damit beschäftigt, zu ratschlagen, was zu tun ist; und indem wir so auf die Umstände blicken, sowie auf das, was wir 
in uns finden, und uns damit beschäftigten, lassen wir Gott 
ganz aus dem Spiel. So handelte der Herr Jesus aber nie. Sobald die Stunde der Angst vor Seine Seele trat, rief Er aus: 
„Vater, rette mich aus dieser Stunde!" Wenn wir uns in einer 
anderen Weise mit unserer Schwachheit beschäftigen, als daß 
wir dadurch zu dem unmittelbaren Gefühl der Kraft Gottes 
gebracht werden, in welcher Er mit uns und für uns ist, so ist 
es Unglauben. Zudem liegt unsere Kraft nicht in dem Gefühl 
der Größe der Gaben und Offenbarungen Gottes; denn Zeichen und Wunder teilen keine innere Kraft mit. Wohl können 
sie uns in Zeiten der Prüfung Sein Wort bestätigen, nie aber 
verleihen sie innere Kraft. Es ist sehr wichtig, dies recht zu 
verstehen. Nehmen wir als Beispiel den Apostel Paulus. Er 
wurde in den dritten Himmel entrückt und hörte dort 
Worte, welche der Mensch nicht sagen darf. Dies war etwas 
Außerordentliches, und die Seele des Paulus fand ohne 
Zweifel in der Erinnerung daran eine Art von Halt in den 
mannigfachen Prüfungen seines Weges; aber innere Kraft verlieh es ihm nicht. Im Gegenteil, sein Fleisch würde sich, ohne 
die allmächtige Bewahrung Gottes, erhoben haben, und das ist 
nicht Kraft. Als er aber etwas empfing, das ihn zum Bewußtsein seiner eigenen Schwachheit brachte, da konnte sich die 
Kraft Gottes geltend machen. Und so verhält es sich mit uns; 
unsere Herzen sind so trügerisch, und unser Fleisch ist so 
schlecht, daß, wenn wir nicht darüber wachten, wir alles mißbrauchen würden, was Gott uns kundmacht. Wir brauchen 
uns nicht bei der Frage aufzuhalten, worin jener „Dorn im 
Fleische" für Paulus bestand, obwohl man oft aus bloßer Neugierde viel darüber nachgeforscht hat; es ist für uns von viel 
größerer Bedeutung, zu bemerken, daß jeder von uns einen 
besonderen Dorn haben wird, je nach der Gefahr, der er ausgesetzt ist. So viel wissen wir aus Gal 4, 13. 14, daß es etwas 
war, was ihn dem Fleische nach verächtlich machen konnte, 
und so in seinem Dienste eine fühlbare Schwachheit hervorrief. Deshalb schrie Paulus dreimal zum Herrn, daß Er es wegnehmen möchte, aber der Herr antwortete ihm: „Meine Gnade 
genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht". 
34 
Paulus mußte diese Schwachheit fühlen, um zu lernen, wo die 
wahre Kraft war; und dann konnte er sich seiner Schwachheit 
rühmen, auf daß die Kraft Christi in ihm wohnte, wie er sagt: 
„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark". Der Blick auf 
Gott verleiht immer Kraft; wenn aber unser Geist bei seiner 
Schwachheit stehen bleibt, statt sie vor Gott zu bringen, dann 
ist das Unglauben. Schwierigkeiten mögen sich erheben, und 
Gott mag gestatten, daß mancherlei kommt, was unsere 
Schwachheit an den Tag bringt; allein der einfache Weg des 
Glaubens besteht darin, daß wir vorangehen, ohne im voraus 
zu untersuchen, was wir zu tun haben, indem wir auf die 
Hilfe rechnen, die wir nötig haben und auch finden werden, 
sobald es an der Zeit ist. Im Bewußtsein unseres eigenen 
Nichts sind wir glücklich, uns selbst vergessen zu dürfen, und 
dann wird Christus alles für die Seele. Wenn wir den einfachen Weg des Gehorsams verfolgen in dem, was uns zu tun 
obliegt, dann ist wirkliche Kraft für uns vorhanden, worin 
auch die Prüfung bestehen mag. So verhielt es sich mit David, 
als er kämpfen mußte. Er sagte zu Saul: „Jehova, der mich 
errettet hat aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des 
Bären, er wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten". 
Für David war es nicht wichtig, ob es sich um den Löwen, den 
Bären, oder den Riesen der Philister handelte; das alles war 
für ihn gleich, denn in sich selbst war er ebenso schwach dem 
einen wie dem anderen gegenüber; doch er geht ruhig voran 
und tut seine Pflicht, in der vollen Gewißheit, daß Gott mit 
ihm sein werde. Das ist Glauben. Einen völligen Gegensatz 
hierzu finden wir in dem Unglauben der von Mose ausgesandten Kundschafter. Sie sagten zitternd, daß sie wie Heuschrekken gewesen seien in den Augen ihrer Feinde, und vergaßen 
so völlig, was Gott für sie war. Sie stellten sich selbst den 
Kindern Enaks gegenüber, statt diese Gott gegenüberzustellen. 
Sehe ich aber einfach auf den Herrn, so „vermag ich alles in 
dem, der mich kräftigt". Wenn die Schwierigkeiten kommen, 
dann sollte unser Blick nicht auf uns, sondern in dem Bewußtsein, daß wir nichts als Schwachheit sind, einfach auf den Herrn 
gerichtet sein, in welchem alle Kraft für uns ist. 
In Philadelphia sehen wir offenbare Schwachheit, zugleich 
aber auch Treue. Es kann scheinbar eine große Kraft vorhan35 
den sein und dennoch ist es nichts als Schwachheit; es kann, 
wie der Heilige Geist zu den Korinthern sagt, die Gabe, mit den 
Sprachen der Menschen und der Engel zu reden, das Verständnis aller Geheimnisse und alle Erkenntnis vorhanden sein, 
und doch zugleich die allergrößte Schwachheit herrschen, weil 
dies alles nicht in Gemeinschaft mit Gott ausgeübt wurde. Es 
gibt keinen gefährlicheren Zustand, als wenn die äußere Kundgebung von Kraft die innere Verbindung und Gemeinschaft 
der Seele mit Gott überschreitet; das innere Leben muß in 
Übereinstimmung sein mit der äußeren Entfaltung der Kraft. 
„Dieses sagt der Heilige, der Wahrhaftige". Wir sehen hier 
in Philadelphia den Herrn in Seinem moralischen Charakter, 
nicht aber in Seiner persönlichen Macht als Sohn Gottes. Sein 
Charakter als „der Heilige, der Wahrhaftige" ist der Maßstab 
des Gerichts über alles, was mit Ihm nicht übereinstimmt; zugleich aber paßt Er sich auch als solcher in Gnade der Lage und 
den Bedürfnissen Seiner Getreuen an und gibt ihnen durch 
Seine Wahrheit die Fähigkeit des Urteils, die Sicherheit des 
Herzens und das Vertrauen. Ihm stehen auch zu Gunsten der 
Versammlung solche Mittel zu Gebote, daß, wenn Er eine Tür 
öffnet, niemand zu schließen, und wenn Er sie schließt, niemand zu öffnen vermag. Wir finden hier also zweierlei: Zunächst ist Er für alle, die Ihm vertrauen, der Heilige und der 
Wahrhaftige; und dann besitzt Er, obwohl wir hier nicht die 
wirkliche Entfaltung der Gewalt sehen, den Schlüssel der Gewalt, wie Jehova von Eljakim zu Schebna (Jes 22, 22) sagt: 
„Und ich werde den Schlüssel des Hauses Davids auf seine 
Schulter legen, er wird öffnen und niemand wird schließen, 
und er wird schließen und niemand wird öffnen". Wo sich 
also jene Schwachheit findet, ermuntert Er die Versammlung, 
auf Ihn, den Heiligen, den Wahrhaftigen, zu blicken und Ihm 
zu vertrauen; und wo Sein Recht, zu öffnen und zu schließen, 
der Stützpunkt der Seele ist, wo dieses Vertrauen auf Seine 
Person, diese Gleichförmigkeit mit Seinem Charakter vorhanden ist, da ist die Versammlung in völliger Sicherheit. Was 
sich auch ereignen möge, selbst wenn die Macht des Menschen 
und des Satan bis zum äußersten ginge — ruhe ich in Christo, 
der vollkommen wahrhaftig ist, und hat Er eine Tür vor mir 
geöffnet, so kann weder Mensch noch Teufel sie schließen. 
36 
Diese Stellung der Versammlung zu Philadelphia hat eine 
überraschende Ähnlichkeit mit der Stellung des Herrn, als Er 
hienieden war: Alles suchte vor Ihm die Tür zu versdiließen: 
Pilatus, Herodes, Schriftgelehrte, Pharisäer und das ganze Volk 
der Juden. Auch befand Er sich, gleich der Versammlung in 
Philadelphia, inmitten einer Ordnung von Dingen, die Gott 
einst eingesetzt hatte, die aber in gänzlichen Verfall geraten 
war; denn zur Zeit Christi war keine Bundeslade da, kein Urim 
und Thummim, keine Schechinah (die Herrlichkeit der Gegenwart Gottes im Tempel); alles, was die sichtbare Entfaltung der 
Macht und des Zeugnisses ausgemacht hatte, war verschwunden, und statt daß Jehova in Jerusalem einen Thron gehabt 
hätte, waren die Juden selbst unter die Macht der Nationen 
geraten, waren Sklaven eines menschlichen Thrones geworden. 
Gerade dieses Verhältnis machte die Frage der Pharisäer und 
Herodianer: „Was denkst du: Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer 
zu geben oder nicht?" so überaus spitzfindig. Hätte der Herr 
mit „nein" geantwortet, so würde Er damit die Strafe Gottes 
wegen ihrer Sünden geleugnet haben; hätte Er ihre Frage 
bejaht, so würde das einem Aufgeben Seiner Rechte als Messias 
gleichgekommen sein. Doch Er erkannte ihre Bosheit, und Seine 
Antwort ließ sie verstummen. Ihre Bedeutung war: Da ihr euch 
wegen eurer Sünden unter diese Herrschaft gebracht habt, so 
müßt ihr euch jetzt deren Gesetzen unterwerfen. Er erklärt damit nicht allein, daß die Gewalten, welche sind, von Gott verordnet sind, und wir uns ihnen als solchen zu unterwerfen 
haben, sondern hier in dem Fall Israels würde Er, wenn Er 
anders geantwortet hätte, verneint haben, daß die Strafe Gottes 
wegen ihrer Sünden über sie gekommen war, wie geschrieben 
steht: „Siehe, wir sind heute Knechte . . . um unserer Sünden 
willen". 
Der Herr Selbst unterwarf Sich der Entrichtung der Tempelsteuer. Aber wenn auch Israel — als Volk — Gott gegenüber 
nicht treu geblieben war, so konnte doch Gott Seine Treue 
gegen das Volk nicht verleugnen; denn Sein Geist wohnte in 
ihrer Mitte (vergl. Haggai 2, 5). Deshalb gab es auch einen 
kleinen Überrest in Israel, wie z. B. Hanna und Simeon, der auf 
die Erlösung in Israel wartete. Es herrschte also ein Zustand 
gänzlicher Finsternis in Israel, und als Der, welcher das Licht 
war, erschien, wurde Er alsbald verworfen. Aber war nun die 
37 
Tür vor Ihm verschlossen? Nein, — sondern: „diesem tut der 
Türhüter auf" (Joh 10, 3). Christus ging durch die Tür in den 
Schafhof ein und stieg nicht wie die, welche vor Ihm diesen 
Platz beansprucht hatten, anderswo hinüber. Er betrat, indem 
Er in göttlicher Macht wirkte, den von Gott bezeichneten Weg, 
und niemand konnte die Tür vor Ihm verschließen. Ebenso hat 
Gott auch uns den Weg bezeichnet; Christus sagt von Sich 
Selbst: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, so 
wird er errettet werden". 
Alles was unsere Stellung mit Christo, als einem Beispiel 
und Muster, verbindet, ist in Wahrheit eine Segnung für uns. 
Hat es wohl je einen Menschen gegeben, der in allem eine so 
unwandelbare, demütige Treue Gott gegenüber bewies, wie Er? 
Vergleichen wir z. B. Seinen niedrigen Pfad mit dem Pfad des 
Elias. Elias übte seinen Dienst mit großer äußerlicher Machtentfaltung aus, indem er Feuer vom Himmel herabfallen ließ, 
um die Propheten Baals zu vernichten; und er meinte, er sei 
allein Gott treu geblieben, während Gott noch siebentausend 
kannte, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt hatten; aber Elias 
hatte sie nicht entdeckt. Christus dagegen war zufrieden, nichts 
zu sein in einer Welt, wo der Mensch alles war und wo Gott 
ausgeschlossen war; Er ließ es über Sich ergehen, als Auskehricht der Welt behandelt zu werden. Und doch gab es zu gleicher Zeit kein einziges verlorenes Schaf vom Hause Israel, 
(mochte es auch der verworfenste Sünder, das Weib von Samaria, die Ehebrecherin, oder ein Zöllner sein) das Seine Stimme, 
die Stimme des guten Hirten, nicht erreicht, oder das Sein Auge 
nicht entdeckt hätte. Deshalb stellt Er, kraft dieser Seiner Erniedrigung, alle, die jetzt nur jene „kleine Kraft" besitzen, an 
denselben Platz, den Er eingenommen hat; und gleichwie der 
Türhüter Ihm aufgetan hat, so tut Er jetzt auch ihnen die Tür 
auf, die niemand zu schließen vermag. 
Wir warten auf die Herrlichkeit: „die Herrlichkeit, die du mir 
gegeben hast, habe ich ihnen gegeben"; aber während wir so 
warten, müssen wir einen Schauplatz durchschreiten, der gleichsam die Überschrift „Ikabod" (Nicht-Herrlichkeit; vergl. 1. 
Sam 4, 21) trägt. Das Zeugnis der gegenwärtigen Verwaltung 
ist, was seine öffentliche Macht anlangt, dahin, um nie wiederhergestellt zu werden. Was der Herr jetzt Seinen Heiligen einschärft, ist, daß sie nicht denken sollen, daß ein Übel, wie das38 
jenige von Thyatira und Sardes, je wieder geordnet werden 
könne. Er sagt nur: „Ich komme bald; halte fest, was du hast, 
auf daß niemand deine Krone nehme"; das heißt: Bewahre das 
Wort meines Ausharrens, bis ich komme. Wir befinden uns 
also in Umständen, die denen des Herrn ähnlich sind, und wenn 
Er sagt: „Ich komme bald", so geschieht dies, um unsere Stellung der Seinigen um so ähnlicher zu machen, eine Stellung, die, 
wenn sie mit Prüfungen und Demütigungen verbunden ist, eine 
sehr segensreiche ist, indem sie der Stellung völlig gleicht, die 
Jesus einnahm und welche dieselbe Verheißung hat: eine geöffnete Tür, die niemand zu schließen vermag. Der Glaube ist 
nötig für die gegenwärtige Zeit. Es handelt sich nicht um viel 
Kraft; was wir am meisten bedürfen, ist mehr Ähnlichkeit mit 
der Stellung Christi. 
Dann gibt es noch etwas anderes, was der Versammlung zu 
Philadelphia eigentümlich ist. Der Herr beschäftigt Sich nicht 
damit, ihre Werke zu prüfen, sondern Er stellt die Herzen dieser Armen und Schwachen zufrieden mit dem Bewußtsein, daß 
Er sie kennt. Bei den früheren Versammlungen war es anders; 
dort hob Er stets den Charakter ihrer Werke hervor. So sagt Er 
zu Sardes: „Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor 
meinem Gott". Für uns aber genügt es, zu wissen, daß Er unsere Werke kennt. Welch ein Trost ist das für uns! Ach! wenn 
wir nach Vollkommenheit zu suchen hätten, wie schwer würde 
es uns werden, Rechnung abzulegen! Die gegenwärtige Verwirrung, der schwache Glaube, alles das würde uns verzagt 
machen; denn unsere Werke entsprechen in Wirklichkeit durchaus nicht der empfangenen Gnade. Wohl ist viel Tätigkeit vorhanden, viel, was von Seiten des Menschen Beifall finden kann; 
wenn wir aber den allgemeinen Charakter des Dienstes betrachten, wie schwer ist es dann, etwas zu finden, das Gottes 
Beifall haben könnte. Im Blick auf den allgemeinen Zustand der 
Dinge um uns her und denjenigen der Versammlung Gottes 
Selbst würden unsere Herzen ganz und gar verzagen müssen, 
wenn wir unsere Zuflucht nicht zu der gesegneten Wahrheit 
nehmen könnten, daß Christus alles weiß. 
Doch sagt der Herr, daß gar nichts bei ihnen vorhanden sei? 
O nein; Er sagt: „Du hast mein Wort bewahrt". Das, was 
Christum charakterisierte, muß auch das Kennzeichen der Versammlung Gottes sein. Christus konnte sagen: „In meinem 
39 
Herzen habe ich dein Wort bewahrt", und dies ist auch das 
besondere Kennzeichen der Treue in den letzten Tagen. Paulus 
schreibt an Timotheus, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten 
kommen und eine schreckliche Form der Gottseligkeit ohne 
Kraft vorhanden sein würde — denn schon damals war das 
Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam — und daß „böse Menschen und Gaukler im Bösen fortschreiten" würden. Den einzigen Schutz gegen dieses Übel bezeichnet der Apostel mit den 
Worten: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt 
hast, und weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst", 
— jenes einfache, geschriebene Wort, das wir die Bibel nennen 
und das er von Jugend auf gelesen hatte. Die Sicherheit sollte 
nicht in der Kundgebung äußerer Macht, noch in Zeichen und 
Wundern bestehen, sondern einfach und allein in dem geschriebenen Wort. Dies war das Mittel der Segnung, dies die von 
Timotheus anerkannte Autorität. Selbstverständlich war die 
Gnade Gottes zu seiner Bekehrung notwendig gewesen. 
Ich erwähne dies hier, weil das treue Festhalten an dem Wort, 
an der unbedingten Autorität des Wortes Gottes Selbst, in diesen letzten Tagen die einzige Sicherheit bietet. Das war es, was 
Timotheus als Kind in den Schriften gefunden hatte; und diesem war natürlich das hinzugefügt worden, was er von den 
gleichfalls inspirierten Aposteln gelernt hatte, und was auf 
diese Weise für ihn zu einer gekannten und unmittelbar göttlichen Autorität in einer Person wurde — „du weißt", sagt der 
Apostel, „von wem du gelernt hast" — und was seitdem für 
uns das geschriebene Wort geworden ist. Dieses geschriebene 
Wort Gottes ist es, in dem für uns durch die Gnade alle Sicherheit liegt. 
Der Herr sagt nicht zu Philadelphia: „Ihr habt Kraft", wohl 
aber: „ihr habt mein Wort bewahrt"; auch sagt Er nicht: „ihr 
habt mich unter diesem oder jenem Charakter gekannt", sondern: „ihr habt „meinen Namen nicht verleugnet". Der Name 
des Herrn bedeutet immer die Offenbarung dessen, was Er ist. 
Der Herr sagt hier gleichsam: Da du an mir festgehalten hast, 
so wie ich mich geoffenbart habe, so will ich machen, daß die, 
welche einen falschen Namen und falsche Ansprüche haben, 
„kommen und sich niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, daß ich dich geliebt habe". 
40 

Hier sehen wir die beiden Charaktere einander gegenübergestellt. Beachten wir auch den Nachdruck, der auf dem Worte 
„mein" liegt. Ich bin berufen, mich auf das Wort Christi zu 
stützen. „Mein Wort" sagt Er; es ist das Wort Christi Selbst, 
die persönliche Gemeinschaft mit Ihm Selbst, nicht das Wort 
der Kirche. Würde ich z. B. das Wort der Kirche annehmen, so 
schriebe ich dadurch der Kirche Autorität zu; ist es aber das 
Wort Christi, das ich annehme, so besitze ich die Autorität 
Christi Selbst, und durch dieses Wort muß ich alles, auch wenn 
es die Kirche selbst betrifft, beurteilen. Das Wort Christi verbindet uns mit Ihm, mit Seinem Namen und mit Seiner Person, 
und beides ist für uns ganz besonders nötig, um uns in den 
Stand zu setzen, den verführerischen Mächten zu widerstehen, 
welche, wie wir wissen, ein Charakterzug dieser letzten Tage 
sind; wie geschrieben steht: „Böse Menschen aber und Gaukler 
werden im Bösen fortschreiten"; und: „dieses habe ich euch von 
denen geschrieben, die euch verführen." 
Wenn es sich um den allgemeinen Charakter der Zeiten handelt, so wissen wir, daß wir jetzt eine verführerische Macht zu 
erwarten haben. Ein bestimmter, persönlicher Antichrist wird 
erscheinen, um diese Macht der Verführung in ganz besonderer 
Weise zu offenbaren; aber „auch jetzt sind viele Antichristen 
geworden", und deshalb haben wir „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen". Wenn der, dessen 
Ankunft nach der Wirksamkeit Satans ist, in aller Macht und 
Zeichen und Wundern der Lüge diejenigen betrügen wird, die 
verloren gehen, „darum daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht 
annahmen, damit sie errettet würden", so tut es uns not, an 
dem festzuhalten, was uns vor ihm, der als ein Engel des Lichts 
erscheint, allein bewahren kann; die aber, welche die Liebe zur 
Wahrheit nicht angenommen haben, werden in seinen Schlingen gefangen werden. Und diesen Schutz besitzen wir in dem 
Worte Christi Selbst, indem wir das Wort Seines Ausharrens 
bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen. Dies muß eine 
persönliche Sache sein; denn da die verführerische Macht vorhanden ist, so sind die Zeiten, in denen wir leben, „schwere 
Zeiten", nicht wegen offener Verfolgungen oder ähnlicher 
Schwierigkeiten, sondern weil unsere Herzen, gleichwie Eva 
durch die Lisf der Schlange verführt wurde, in Gefahr stehen, 
verderbt und von der Einfalt, die in Christo ist, abgewandt zu 
41 
werden. Und ich wiederhole noch einmal, daß der einzige Schutz 
gegen die List und Macht Satans nicht in unserer Kraft besteht 
— denn wir sind die Schwachheit selbst: „du hast eine kleine 
Kraft", sondern darin, daß jede einzelne Seele persönlich an 
dem geschriebenen Worte Christi festhält und Seinen Namen 
nicht verleugnet. 
Es scheint nicht viel zu sein, wenn von den Gläubigen zu 
Philadelphia gesagt wird, daß sie Sein Wort bewahrt und Seinen Namen nicht verleugnet haben; sie hatten wahrlich nicht 
viel getan. Allein wenn dieses von ihnen gesagt werden konnte 
zu einer Zeit, da die verführerische Macht des Bösen vorhanden 
war, so war damit alles gesagt. Sie bewahrten das geschriebene 
Wort, als alles um sie her darauf hinarbeitete, es beiseitezusetzen; sie verleugneten den Namen Christi nicht, während er 
auf allen Seiten verleugnet wurde. In den Augen Gottes ist es 
nicht etwas Großes, Feuer vom Himmel herabfallen zu lassen, 
wie Elias dies tat, sondern treu zu sein inmitten der uns umgebenden Untreue. So schien es auch nicht viel zu sein, wenn 
von den siebentausend, die sich dem groben Baalsdienst nicht 
angeschlossen hatten, gesagt wurde: „sie haben ihre Knie nicht 
vor dem Baal gebeugt"; in Wahrheit aber hieß dies alles zu ihren 
Gunsten sagen, da ihre ganze Umgebung sich willig vor Baal in 
den Staub beugte. So wurde auch die Kirche Gottes im Anfang 
in Macht aufgerichtet, aber bald wurde das Unkraut in Menge 
unter den Weizen gesät. Das Kennzeichen der Getreuen besteht 
nun darin, daß sie, wenn die verführerische Macht des Bösen 
hereinbricht, sich durch sie nicht verführen und mit fortreißen 
lassen. Es besteht nicht in der Kundgebung äußerer Macht, sondern in der Treue im Wandel mit Gott inmitten des Bösen. In 
der Versammlung zu Philadelphia war diese Treue im Wandel 
vorhanden, und sie verlieh den Getreuen innere Kraft, obwohl 
keine äußere Macht-Entfaltung vorhanden war. 
„Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, 
welche sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen". 
Hier wird diese persönliche Treue in einem verborgenen Wandel mit Gott denen gegenübergestellt die einem festgestellten 
System anhingen, dem es an Formen und an Ansehen im 
Fleische nicht fehlte. Diese rühmten sich, Juden zu sein, und 
unternahmen es, das wieder aufzurichten, was äußerlich das 
Volk Gottes gekennzeichnet hatte; aber sie berücksichtigten 
42 
nicht, daß Gott etwas „Neues" aufgerichtet hatte, welches das 
Herz auf die Probe stellt. Sie verwarfen das Wort Gottes nicht 
(ebensowenig wie die Juden es taten), aber sie ließen sich nicht 
durch dieses Wort leiten. Die Juden erkannten die Schriften an, 
aber sie verwarfen Christum und töteten Ihn; wie Jesus Selbst 
sagte: „Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen". Und 
•de taten dies in der Meinung, Gott damit einen Dienst zu erweisen. „Es kommt aber die Stunde, daß jeder, der euch tötet, 
meinen wird, Gott einen Dienst darzubringen". Dies war aber 
nichts anderes, als die Verwerfung des von Gott gesandten 
Lichts: „Und dies werden sie tun, weil sie weder den Vater noch 
mich erkannt haben" (Joh 16, 2. 3). Eine althergebrachte Wahrheit, die in der Welt Anerkennung gefunden hat und deshalb 
als orthodox bezeichnet wird, kann das Herz nicht auf die Probe 
stellen; sie verleiht der Natur Ansehen und verschafft Achtung. 
Wenn die Religion mir Anerkennung verschafft, statt das Herz 
in der Übung des Glaubens auf die Probe zu stellen, so kann 
ich versichert sein, daß es nicht die Religion Gottes ist. Es mag 
bis zu einem gewissen Grade die Wahrheit sein, aber es ist 
nicht der Glaube an Gott. So setzten jene Juden den Namen 
und das Wort Christi beiseite für Dinge, auf die sie sich stützen 
konnten, während es kein Herz für Christum mehr gab. Überlieferungen, Satzungen, die Väter usw., das waren die Dinge, 
die sie liebten, aber nicht das Wort Christi. Allerdings waren 
die Juden das Volk Gottes gewesen, aber sie hatten den Namen 
Christi verworfen und mit Füßen getreten. Und dies ist es, was 
jetzt den ganzen Unterschied ausmacht. Seitdem Christus geoffenbart worden ist, erwartet Gott einen unbedingten Gehorsam gegen Seinen Sohn. Ein treues Anhangen an Christo ist 
jetzt alles. 
„Ich werde sie zwingen, daß sie kommen und sich niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, daß ich dich geliebt 
habe". Gott erkannte die, welche jenes religiöse Altertum für 
sich in Anspruch nahmen, nicht als Sein Volk an. Das Einzige, 
was für sie blieb, war, zu erkennen, daß Christus diesen armen, 
verachteten Überrest geliebt hatte. „Ich werde sie zwingen, daß 
sie erkennen, daß ich dich geliebt habe". Hieraus ersehen wir, 
was das Herz befriedigen soll; es ist nicht die gegenwärtige 
Anerkennung von Seiten derer, die vorgeben, Gott zu kennen, 
während sie Ihn in ihren Werken verleugnen, sondern das stille, 
43 
feste Vertrauen, daß es von Christo geliebt ist. Darin wird das 
Herz auf die Probe gestellt. Suchst du gegenwärtigen Genuß, 
schöne Gemälde für deine Sinne, das, was den Geschmack befriedigen und die Einbildungskraft nähren kann; wünschest du 
Menschen zu gewinnen und etwas vom „ehrwürdigen Altertum" zu haben, so wisse, daß Christus in keinem dieser Dinge 
ist. „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit", und Er Selbst ist die Wahrheit, „der Heilige und Wahrhaftige". Und wenn die Liebe zu Jesu als etwas Gegenwärtiges 
unsere Seelen erfüllt, so haben wir in Ihm alles, was wir bedürfen. 
Man hört oft die Frage: Was ist Wahrheit? In den Augen 
aller, die so fragen, mögen die obengenannten Ansprüche Gewicht haben. Die Synagoge Satans kann eine alte, geachtete 
Religion sein, voll von Anziehungskraft und von allem, was 
Autorität über das Fleisch hat, und sie wird von allen angenommen, die dem Pilatus gleichen, welcher fragte: was ist Wahrheit? — der dann aber Jesum, der die Wahrheit ist, kreuzigte, 
um den Priestern der damaligen Zeit zu gefallen. Der Charakter 
dieser letzten Tage ist eben der, daß die Menschen immer die 
Wahrheit suchen, aber nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Ich habe nicht nötig zu fragen: Was ist Wahrheit? wenn 
ich die Wahrheit besitze. Was jemand sucht, das hat er noch 
nicht. Ein Mensch, der stets die Wahrheit sucht, bekennt damit, 
daß er sie noch nicht besitzt. Christus hat gesagt: „Ich bin die 
Wahrheit"; Er ist der Mittelpunkt aller Wahrheit und die 
Grundlage von allem, was uns mit Gott verbindet. Ein Ungläubiger wird in bezug auf alles Zweifel erheben, aber nichts Gewisses aufstellen können. Wir bedürfen aber etwas Gewisses, 
und sobald wir die Person Christi haben, besitzen wir die 
Wahrheit. „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene 
Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht". 
Wenn ich wissen will, was Gott ist und was der Mensch ist, so 
habe ich in Christo ein vollkommenes Bild von dem, was Gott 
für den Menschen ist und was Christus, als Mensch, für Gott 
ist. Alles findet sich in Christo. Sicherlich haben wir in dieser 
Erkenntnis zu wachsen. Ein Herz, das Christum besitzt, braucht 
die Synagoge Satans nicht. Ein jeder, der Sein Zeugnis angenommen hat, hat versiegelt, daß Gott wahrhaftig ist; die Seele, 
die dies weiß, wird auf die einfachste Weise vor dem Bösen 
44 
bewahrt. Ich habe ebensowohl Gnade wie Wahrheit empfangen: „Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesum Christum 
geworden". Als ich in der Lüge lebte/
 war es die Gnade, welche 
die Wahrheit in meine Seele brachte; und was braucht die 
Seele mehr? Wohl empfindet sie Schmerz, weil der Schauplatz, 
den sie durchpilgert, verunreinigt ist; aber sie ist nicht mehr in 
Ungewißheit darüber, was ihr Teil ist, sie hat alles in Christo 
gefunden. Es braucht zu der verborgenen Segnung nichts mehr 
hinzugefügt zu werden. „Ich werde sie zwingen, daß sie kommen und sich niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, 
daß ich dich geliebt habe". Wir kennen diese Liebe jetzt schon, 
doch nicht als ob wir sie verdient hätten, denn alles ist Gnade; 
aber wir genießen sie jetzt durch die Gegenwart Christi. Wir 
kennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, 
sowie die Liebe des Vaters nach den Worten des Herrn: „Ich 
habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, 
auf daß die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei 
und ich in ihnen". Die Welt weiß es jetzt nicht, aber an jenem 
Tage wird sie erkennen, daß der Vater uns geliebt hat, gleichwie 
Er Seinen Sohn geliebt hat. Wenn das Herz diese Liebe Christi 
versteht, ruht es in ihr; es ist zufrieden, in der Gegenwart 
die Liebe Christi zu genießen, wenn auch seine Umgebung 
nichts davon versteht. Der Herr ist jetzt in mancherlei Weise 
bemüht, unsere Herzen von allem, was uns hier umgibt, zu entwöhnen, damit wir in dem Zeugnis Seiner persönlichen Liebe 
zu uns das finden möchten, was unseren Glauben stärkt, das 
Gewissen befestigt und das Herz leitet. Christus sagt: „Ich bin 
der Hirte", und dies berechtigt das Schaf, Ihm zu folgen. Als 
Er auf Erden war, bestand die jüdische Haushaltung noch; Gott 
hatte sie eingesetzt, und niemand war ermächtigt, aus dem 
jüdischen System auszutreten, bis Christus dies tat; dann aber 
hatte das Herz, das sich zu Christo hingezogen und mit Ihm 
verbunden fühlte, den besonderen Befehl, ebenfalls aus diesem 
bestehenden System hinaus und zu Ihm hinzugehen: „dem 
Lamme zu folgen, wohin irgend es geht". 
In dem Sendschreiben an die Versammlung zu Philadelphia 
finden wir die Verheißung, die der Hoffnung der Getreuen, bei 
Christo in der Herrlichkeit zu sein, begegnet. Indem sie sich 
einsmachen mit Ihm in Seiner Stellung, werden sie auch einsgemacht mit Ihm Selbst und mit dem Worte Seines Ausharrens. 
45 
Nicht die ganze Kirche war eines Sinnes mit den Gläubigen in 
Philadelphia, auch genossen diese noch nicht das völlige Resultat Seiner Liebe, insofern sie Christum noch nicht persönlich 
und völlig bei sich hatten. Aber wenn die Liebe Christi die 
Richtschnur meines Verhaltens ist, dann wünscht mein Herz, 
Christum bei sich zu haben; denn wenn wir jemanden lieben, 
so wünschen wir sicherlich, bei ihm zu sein. Ist aber Christus 
in unseren Herzen, dann bewahren wir das Wort Seines Ausharrens. Es ist allerdings eine Zeit der Prüfung, der Sichtung, 
der Reinigung, der Übung, aber wir müssen warten. Beachten 
wir, wie dieses gesegnete Einssein und die Verbindung mit Ihm 
beständig betont wird. Es heißt nicht einfach: das Wort des 
Ausharrens, sondern „meines Ausharrens". Und weshalb? Weil 
Christus noch wartet (siehe Ps 110). Dies bestimmt unser ganzes Verhalten; denn wenn Christus wartet, so müssen auch wir 
noch warten. Christus verharrt in einem Zustande des Wartens, 
sozusagen in der Übung des Ausharrens, bis zu der vom Vater 
bestimmten Zeit. Dies ist auch, wie ich nicht zweifle, der Sinn 
Seiner Worte, wenn Er sagt: „Von . . . jener Stunde weiß niemand, sondern nur der Vater". 
Christus hat alles getan, was für Seine Freunde nötig war, 
um sie Gott darzustellen, und Er hat Sich zur Rechten Gottes 
gesetzt, „fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum 
Schemel seiner Füße". Christus wartet, bis Er alle Seine Freunde gesammelt hat, bevor Er auf der Erde gegen Seine Feinde in 
Tätigkeit tritt. Deshalb liegt für uns in dem Ausdruck: „mein 
Ausharren" gerade das, was wir bedürfen; denn wir erwarten 
den Tag, von welchem Christus zu uns sagt: „Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen . . ." (Joh 14). 
Die ganze Schöpfung um uns her seufzt in der Erwartung 
dieses Tages, und auch wir selbst seufzen in uns selbst, indem 
wir die Erlösung des Leibes erwarten. Aber bis dahin ist alles 
in Unordnung. Wo sind die Juden, die immer noch „Geliebten 
um der Väter willen?" Sie irren heimatlos auf der ganzen Erde 
umher, ohne Priester, ohne Teraphim, ohne alles; sie sind wie 
ein verdorrter Baum, wie eine Eiche, wenn sie ihre Blätter abgeworfen hat (Jes 6, 13), obwohl der Herr unter ihnen wirkt. 
Blicke ich auf die Welt, so ist alles Sünde und Elend; betrachte 
ich die ganze Schöpfung, sie seufzt; und von dem, was sich 
Kirche nennt, höre ich den allgemeinen Ausruf: „Wer wird uns 
46 
das Gute schauen lassen?" — Wer fühlt sich befriedigt durch 
irgend etwas, was es auch sei? Ich rede nicht von dem Gefühl 
der Unzufriedenheit im schlechten Sinne; aber es gibt nichts, 
worin die Seele Ruhe finden könnte, gleichviel, welches System 
man auch ins Auge fassen mag. Das allgemeine Gefühl ist, daß 
die Grundfesten der Welt wanken. Wohl mag der Rabe ausfliegen und sich auf einen schwimmenden Leichnam niederlassen; die Taube aber findet nirgends Ruhe für ihren Fuß, als nur 
in der Arche. Was haben wir inmitten der dichten Finsternis 
der Nacht, was unseren müden Seelen Ruhe geben könnte? 
Nichts als die gewisse Erwartung der Ankunft des glänzenden 
Morgensterns, 
Bis wann wird Christus warten, um das Gericht auszuüben? 
Sobald Er Seine Freunde zu Sich genommen hat, wird Er Sich 
mit Seinem richterlichen Charakter bekleiden; ich meine nicht, 
daß Er dann alle Seine Feinde mit einem Schlage vernichten 
wird; aber wenn dieser Augenblick gekommen ist, wird Er 
Seine große Macht übernehmen. Vor allem aber wartet Er darauf, daß die, welche mit Ihm teilhaben, auch bei Ihm und Ihm 
gleich sind. Wir sind „zuvorbestimmt", Seinem „Bilde gleichförmig zu sein" (Röm 8, 29). Und wenn Er einst Seine Braut 
bei Sich haben wird in Seiner Herrlichkeit, dann wird Er „von 
der Mühsal seiner Seele Frucht sehen und sich sättigen". Wenn 
der Starke, der als Haupt mit Seinen Gliedern zu einem Körper 
vereinigte Christus, dieser geheimnisvolle Mensch, das männliche Kind von Offb 12, in Tätigkeit treten soll, muß Er zuvor 
vollständig sein; natürlich ist Er dies Seinem Wesen nach schon 
in Sich Selbst, aber noch nicht als das Haupt über alles, welches 
der Versammlung, Seinem Leihe, gegeben ist. Das Haupt und 
der Leib müssen vereinigt sein, ehe Er unter diesem Titel vor 
der Welt auftreten kann; denn das Haupt ohne den Leib bildet 
nicht den vollständigen Menschen, den Christus, Der nach den 
Ratschlüssen Gottes als Der, Der alles in allem erfüllt, erscheinen wird, um das Gericht auszuüben. Deshalb muß die Versammlung, als der Leib, mit Christo, als dem Haupte, im Himmel vereinigt, also zu Ihm aufgenommen sein, ehe Christus 
zum Gericht erscheinen kann. 
Was ist nun das große Hindernis, das der völligen Segnung 
der Versammlung im Wege steht? Von Anfang an hat sich alles 
verderbt: Adam — der Mensch vor der Flut — Noah — der 
47 
Mensch unter dem Gesetz — und wenn wir auf das Christentum blicken, wieviel Unkraut ist unter den Weizen gesät worden! Betrachten wir endlich das Priestertum, so sehen wir, daß 
es unter dem Einfluß Satans den Platz Christi und unserer Verbindung mit Ihm einnimmt. Wenn dies alles zur Zeit des gänzlichen Abfalls seinen Höhepunkt erreicht haben wird, dann 
wird die Tätigkeit der richterlichen Macht beginnen, um das 
Böse hinwegzutun. Die erste Handlung dieser Macht wird, nachdem Christus mit Seinem Leibe vereinigt ist, darin bestehen, 
daß Satan mit seinen Engeln aus dem Himmel ausgeworfen 
wird (Offb 12, 9), um nie wieder dort gesehen zu werden. Auf 
die Erde geworfen, wird der Teufel große Wut haben, „da er 
weiß, daß er wenig Zeit hat"; in seinem Zorn wird er seinen 
Charakter als der große Widersacher des Herrn Jesu Christi in 
seiner höchsten Entfaltung zeigen, indem er alles wider Ihn 
aufwiegelt. Allein der Herr wird dann mit Seinen Heiligen kommen, um das Gericht auf Erden auszuführen. Er muß die Dinge 
dadurch zurechtbringen, daß Er das Böse hinwegtut. Und sobald Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind, führt 
Er die Fülle der Segnung herbei. Ich wiederhole jedoch noch einmal, daß das Gericht erst nach der Vereinigung der Versammlung mit Christo erfolgen wird. Der geheimnisvolle Mensch 
muß erst in dem oben angedeuteten Sinn vollendet sein, ehe Er 
das Gericht ausführen kann. Sobald dies aber geschehen ist, 
nimmt Christus einen ganz neuen Charakter an. Bis zu dem 
Augenblick, da Er uns in die Herrlichkeit einführt, wird Er als 
Heiland dargestellt; und selbst nach der Aufnahme der Versammlung wird ohne Zweifel wieder ein geretteter Überrest 
vorhanden sein. Dann aber ist die Zeit der Annehmung vorüber, und Christus „richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit". 
Und wenn Er so erscheinen wird, werden wir völlig verstehen, 
warum es jetzt das „Wort Seines Ausharrens" ist; denn bis dahin, daß Er Seine große Macht übernimmt und regiert, sind wir 
nach Herz und Sinn in dem Worte Seines Ausharrens mit Ihm 
verbunden. Und die besondere Segnung, die für uns darin liegt, 
ist, daß wir mit Christo Selbst vereinigt sind und in allen Dingen vollkommen das gleiche Los haben, wie Er Selbst. Ohne im 
geringsten die göttliche Herrlichkeit Seiner Person anzutasten, 
können wir sagen, daß Christus, als Mensch, in Seinem Charakter als Diener, warten muß, bis es Gott gefällt, alles unter 
48 
Seine Füße zu legen, und dies ist, wie ich nicht zweifle und bereits angedeutet habe, der Sinn der Worte: „Von jenem Tage 
aber oder der Stunde weiß niemand, weder die Engel, noch der 
Sohn, sondern nur der Vater" (Mk 13, 32). Indem wir so mit 
Christo verbunden sind und Seine stete Liebe als das Teil besitzen, das unsere Seele völlig befriedigt, ziehen wir vor, zu 
warten und das Glück mit Ihm zu empfangen, als vor Ihm. Eine 
vollkommene Verbindung mit Christo Selbst ist es, was die 
Versammlung Gottes charakterisiert; sie ist nicht nur gesegnet, 
sondern mit Dem verbunden, Welcher segnet. Wir sind Seine 
Braut; dies ist unser besonderer Platz, und wenn wir in unseren 
Gedanken oder unserem Herzen nach einen niedrigeren Platz 
einnehmen, so entfernen wir uns von der vollen Kraft der Gedanken der Liebe Gottes über uns und von dem, was Christus 
nach diesen Gedanken für uns ist. 
Was auch von Christo in bezug auf den Tag der Herrlichkeit 
gesagt werden mag, wir finden die Versammlung in allem mit 
Ihm verbunden. In Seinem Melchisedek-Charakter z. B. nimmt 
Er als König den höchsten Platz der Autorität und als Priester 
den nächsten in der Anbetung ein; so sind auch wir zu Königen 
und Priestern gemacht. Eva wurde dem Adam in der Herrschaft 
beigesellt; aber außer ihr gab es nichts in der ganzen Schöpfung, das diesen Platz hätte einnehmen können, wie geschrieben 
steht: „Für Adam fand er keine Hilfe seines Gleichen". Als 
aber Eva zu Adam gebracht wurde, konnte er sagen: „Diese 
ist einmal Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleische". Jetzt war eine Gehilfin für ihn gefunden. Ebenso ist es mit dem Herrn und der Versammlung; auch Er kann 
sagen: „Diese ist einmal Gebein von meinen Gebeinen und 
Fleisch von meinem Fleische", und Er kann sich erfreuen und 
Seine Wonne finden in dem, was Seine eigene Liebe hervorgebracht hat. 
Möge uns der Herr davor bewahren, daß wir eine geringere 
Stellung einehmen, als diese, denn sie ist unser wahrer Platz! 
Möchte Er uns das tiefe und bleibende Gefühl schenken, daß 
wir auf diese Weise in eine völlige und gesegnete Verbindung 
mit Ihm gebracht sind; denn das Herz Christi könnte durch 
nichts anderes befriedigt sein, und unser Herz sollte es ebenso 
wenig sein. Es handelt sich nicht um unsere Würdigkeit, (denn 
in uns selbst, als im Fleische, sind wir nichts als elende Sünder) 
49 
sondern es handelt sich um die Liebe Christi. Die wahre Demut 
besteht nicht darin, daß wir schlecht von uns denken, sondern 
daß wir gar nicht an uns denken; aber es ist viel schwerer, sich 
ganz zu vergessen, als selbst schlecht von sich zu denken. Wenn 
wir nicht demütig sind, so müssen wir gedemütigt werden. 
„Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, so will 
auch ich dich bewahren" usw. Beachten wir, daß der Herr nicht 
sagt: wenn du meine Anerkennung hast, daß du einige Kraft 
besitzest, sondern daß du „das Wort meines Ausharrens" bewahrst; wenn ich dich kenne, als vereinigt mit mir selbst, so 
„werde ich dich bewahren" usw. So verbindet Er uns mit Sich 
Selbst, so arm und schwach wir auch sein mögen, gleichwie die 
Klippendächse nur ein nicht kräftiges Volk sind und doch ihr 
Haus auf den Felsen setzen (Spr 30, 26). „So werde auch ich 
dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den 
ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf 
der Erde wohnen". Welch ein Trost liegt in diesen Worten hinsichtlich alles dessen, was kommen wird! Es handelt sich keineswegs um Kraft, sondern darum, bewahrt zu werden vor 
einer schrecklichen Zeit, die kommen soll, um „die zu versuchen, 
die auf der Erde wohnen". Diese letzten Worte bezeichnen den 
moralischen Zustand einer Klasse von Personen. Hat Gott denn 
Wohlgefallen daran, Sein Volk in Trübsal zu bringen? Sicherlich nicht; Er wünscht nicht, uns in Versuchung zu führen. Aber 
wenn wir uns in eine Stellung begeben haben, in der wir mit 
denen vermengt sind, die auf der Erde wohnen, so muß auf uns 
eingewirkt werden, um uns von dem loszumachen, was dieser 
schrecklichen Stunde der Versuchung entgegengeht. In der gegenwärtigen Zeit wir das Evangelium verkündigt, und durch dieses werden Seelen aus der Welt herausgeführt, und alle Gedanken, Gefühle, Wünsche und Neigungen der Heiligen sollten auf 
den Tag der Herrlichkeit gerichtet sein. Wenn sie sich in der 
Stellung des Ausharrens Christi befinden, so haben sie nicht 
nötig, wie die Welt gerichtet zu werden; sind sie aber mit der 
Welt vermengt, so müssen sie auch die Trübsale der Stunde 
der Versuchung teilen, welche kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen; oder sie müssen vorher praktisch gesichtet werden, um sie von der Welt zu trennen. Die 
Zeit wird kommen, wo das Tier die im Himmel Wohnenden 
lästern wird, aber es wird sie nicht anzutasten vermögen. 
50 
Wenn wir unseren himmlischen Charakter kennen, so werden wir dadurch zu Fremdlingen und Pilgrimen auf der Erde, 
statt hier zu wohnen und hier unser Teil zu suchen; alle aber, 
die hier ansässig sind, müssen durch diese Stunde der Versuchung hindurchgehen, welche die versuchen wird, die auf der 
Erde wohnen. Wir dürfen das hier Gesagte jedoch nicht mit der 
Trübsal verwechseln, von der in Mt 24 die Rede ist; denn diese 
Zeit der Drangsal beschränkt sich auf Jerusalem, wie wir in 
jeremia lesen: „Es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob; doch 
wird er aus ihr gerettet werden". Hier aber ist es „die Stunde 
der Versuchung, die überden ganzen Erdkreis kommen wird, um 
zu versuchen, die auf der Erde wohnen". Die, welche jetzt das 
Wort des Ausharrens Christi bewahren, wird Er vor jener 
Stunde bewahren. Wenn der Herr jetzt bei ihnen eine Frucht 
findet, wie sie durch diese Versuchung hervorgebracht werden 
soll, dann bedürfen sie der Versuchung nicht. 
„Ich komme bald". Wie ermunternd sind diese Worte! Es ist, 
als ob der Herr sagte: Ihr müßt fortfahren, mein Los im Ausharren und unter dem Kreuz zu teilen, wenn ihr meine Herrlichkeit teilen wollt; aber: „Ich komme bald". Seine Ankunft 
wird hier nicht, wie es Sardes gegenüber geschieht, wie die 
eines Diebes in der Nacht vorgestellt. Was der Herr jetzt der 
Versammlung ans Herz zu legen wünscht, ist, daß Seine Ankunft ganz nahe ist. Er bestimmt den Augenblick nicht, aber Er 
weist auf Seine Ankunft hin als ihren Trost, ihre Freude und 
Hoffnung, und lenkt dadurch das Herz auf Seine eigene Person; 
denn es handelt sich nicht so sehr darum, daß Er bald kommt, 
als daß Er Selbst kommt: „Ich, Jesus" usw. Wenn das Herz die 
Liebe Gottes genießt, welch ein Trost ist es dann, in Ihm Selbst 
zu ruhen, wie wir es am Ende dieses Buches sehen! Nachdem 
Christus die Blicke der Versammlung auf alles hingelenkt hat, 
was Er auf Erden zu tun beabsichtigt, führt Er ihr Herz zu Sich 
Selbst zurück: „Ich, Jesus". 
Der besondere Charakterzug der Versammlung in Philadelphia ist ihre unmittelbare Verbindung mit Ihm: es ist Christus Selbst, Welcher kommt. Weder die Erkenntnis noch die 
Prophezeiung können das Herz befriedigen; aber der Gedanke, 
daß Christus kommt, um die Seinigen zu Sich zu nehmen., ist 
die gesegnete Hoffnung aller, die durch die Gnade mit Ihm verbunden sind. Die Prophezeiung hat Bezug auf die Ankunft 
51 
Christi auf der Erde; aber die eigentliche und köstliche Hoffnung dessen, der durch den Glauben mit Ihm verbunden ist, 
besteht darin, zu Ihm zu gehen. Sicher habe ich alle Ehrfurcht 
vor den Mitteilungen Gottes, die das kommende Gericht ankündigen; aber diese rufen nicht die Gefühle des Herzens für 
Ihn hervor. Die Ratschlüsse Gottes über Jerusalem, Babylon 
und andere Gegenstände, wovon die prophetischen Schriften 
zeugen, sind überaus wichtig und lehrreich für unseren Geist; 
aber die Gefühle des Herzens werden nicht in Tätigkeit gesetzt 
durch die Kenntnis davon, was das Los Babylons, des Antichristen usw. sein wird. Ich liebe Christum, und deshalb sehne 
ich mich danach, Ihn zu sehen: die Prophezeiungen über das 
kommende Gericht aber verbinden das Herz und den Geist 
nicht mit der Person des Herrn Jesu. 
Auf die Ankündigung der baldigen Ankunft des Herrn folgt 
dann die Ermahnung: „Halte fest, was du hast, auf daß niemand deine Krone nehme". Oh, möchte der Herr uns geben, 
Sein Wort zu bewahren und Ihn jeden Augenblick zu erwarten! 
Wenn es dem Teufel gelänge, uns die Hoffnung Seiner Ankunft, als einer Sache, die wir jeden Augenblick erwarten dürfen, zu rauben, so würde uns dadurch unsere Krone genommen 
werden. Weder Mensch noch Teufel kann uns etwas nehmen, 
wenn nur das lebendige Bewußtsein des Glaubens in unseren 
Herzen ist, das uns mit der jeden Augenblick zu erwartenden 
Ankunft des Herrn Jesu Christi verbindet. Wenn wir dies Bewußtsein verlieren, dann verlieren wir unsere geistliche Kraft; 
alles aber, was uns diese Kraft in unserer Verbindung mit 
Christo raubt, führt uns zum Verlust unserer Krone. Und, geliebte Brüder, unser Weg führt uns jetzt durch Dinge aller Art, 
die geeignet sind, uns unsere Krone zu rauben, Dinge, die den 
Glauben an das Kommen Jesu auf die Probe und es selbst in 
Frage stellen können. 
In dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen sehen wir, daß 
sie alle schläfrig wurden und einschliefen, die klugen sowohl 
als die törichten; und um Mitternacht, als der Ruf erscholl: 
„Siehe, der Bräutigam!" da standen sie alle auf und schmückten ihre Lampen. In dieser Hinsicht war also kein Unterschied 
zwischen ihnen; nur daß die einen das ö l des Geistes hatten, 
die anderen nicht. Aber zwischen dem Ertönen des Rufes und 
der wirklichen Ankunft des Bräutigams war Zeit genug, um 
52 
die Lampen, die kein ö l hatten, erlöschen zu lassen, und so 
bestand der wahre Unterschied zwischen den Jungfrauen in 
dem Vorrat des Öls, den die einen hatten, die anderen aber 
nicht. Wäre der Bräutigam Selbst der erste Gedanke in den 
Herzen der törichten Jungfrauen gewesen, so hätten sie an das 
Licht gedacht, das Er bei Seiner Ankunft nötig haben würde. 
Aber sie dachten an etwas anderes; sie waren zufrieden damit, 
in der Gesellschaft der anderen Jungfrauen zu sein, und dafür 
genügten der Anzug und die Lampen ohne öl. Aber ach! ohne 
das ö l konnten sie ihre Lampen nicht für ihren Herrn brennend 
erhalten, bis Er kam. Doch gab es auch solche, die bereit waren, 
Ihn zu empfangen. Als „der Bräutigam kam", gingen die, welche bereit waren, mit Ihm ein zur Hochzeit, „und die Tür ward 
verschlosesn". So ist es auch jetzt. Der Ruf ist erschollen, und 
zwischen dieser Zeit und der wirklichen Ankunft des Bräutigams 
prüft uns der Herr, um zu sehen, ob unsere Herzen wirklich 
auf Ihn gerichtet sind oder nicht. 
Kaum bleibt uns heute Abend noch Zeit genug, um die in 
Vers 12 enthaltene Verheißung zu betrachten. „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines 
Gottes usw." Wir sehen hier, wie genau alle Verheißungen in 
Verbindung stehen mit der Zeit der Herrlichkeit, dem „neuen 
Jerusalem"; das Herz wird hier zu seinem eigentlichen Wohnplatz erhoben. Nehmen wir den Platz von Bewohnern des Himmels ein, während wir auf dieser Erde wandeln? Es ist bemerkenswert, wie ganz und gar die Heiligen mit dem himmlischen 
Jerusalem, ihrer ewigen Wohnung, verbunden sind. „Wer überwindet", der wird in dem Tempel Gottes sein — im Gegensatz 
zu der Synagoge Satans — im vollen Genuß der Dinge Gottes, 
nachdem jeder Ratschluß Seiner Liebe völlig ausgeführt worden 
ist. „Den werde ich zu einer Säule machen". Er mag schwach 
gewesen sein auf der Erde, während die bekennende Kirche 
groß war, aber ihren Platz, den sie nach den Gedanken Gottes 
einnehmen sollte, als „Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit", 
nicht einnahm; dort aber wird er sogar die Säule der Kraft sein, 
ja, der Kraft Gottes Selbst, weil er der Macht der Verführung 
gegenüber fest geblieben ist. 
Es ist bemerkenswert, daß sich der Ausdruck „mein Gott" 
hier so oft wiederholt; wir sehen daraus, wie Christus die Seinigen stets mit Sich Selbst in Verbindung bringt. Er war einst 
53 
dem Anschein nach der Schwache auf dieser Erde, und Er sagt: 
„Ich bin verworfen worden, und ihr habt diesen Platz der Verwerfung mit mir geteilt; aber ich kenne die, welche mir treu 
gewesen sind, und ich gehe zu meinem Vater und zu eurem 
Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott". Er ist der Geduldige, Der für die Ihm gebührende Herrlichkeit des Vaters Zeit 
abwartet, und wir nehmen teil an Seiner Geduld. „Ich will auf 
ihn schreiben den Namen meines Gottes", d. h. des Gottes, wie 
Christus als Mensch Ihn kennt. Dieser Name wird den Getreuen öffentlich aufgedrückt sein; denn sie haben Seinen Namen 
hienieden nicht verleugnet. „Und den Namen der Stadt meines 
Gottes", jener Stadt, die sie im Glauben erwarteten, sie ist ihr 
Wohnort. Abraham erwartete die Stadt, deren Baumeister und 
Schöpfer Gott ist. Sogar als das Fleisch eine irdische Stadt hier 
gebaut hatte, suchten jene für sich selbst eine himmlische. Dieses himmlische Bürgerrecht in der Stadt des Gottes unseres 
Herrn Jesu Christi/
 des Fremdlings hienieden, wird dann dem 
Getreuen aufgeprägt sein. Der Mensch kann jetzt, wenn er danach trachtet, eine feste kirchliche Einrichtung haben; aber sie 
ist nicht nach Gottes Wort. Wenn es ihm aber genügt, jetzt einfach mit Christo zu wandeln, indem er wartet, bis Gott eine 
Stadt als die Seinige anerkennt (die Stadt meines Gottes), so 
wird er dann an ihr teilhaben. Sie kommt von Gott aus dem 
Himmel hernieder. Wenn ein Fürst aus seinem Lande vertrieben ist, fühlen sich seine Anhänger, solange er abwesend ist, 
als Fremdlinge im Lande. So verhält es sich jetzt mit dem Christen; er gehört Christo an und ist „ein Sohn des Tages"; er 
wartet auf Christum und auf den Tag Seiner Erscheinung. 
„Meinen neuen Namen", nicht Seinen alten Namen als Messias, sondern den wunderbaren, neuen Namen, den Er als Resultat einer durch Ihn vollbrachten himmlischen Erlösung angenommen hat. Wir werden dann das Feste und Beständige 
haben, worauf wir jetzt in gewissem Sinne verzichten müssen. 
Möchte der Herr uns zu verstehen geben, was es heißt, wirklich 
mit Ihm Selbst verbunden zu sein, und möchten wir den gesegneten Ratschluß Gottes über uns kennen, wie er in den Worten 
ausgedrückt ist: „auf daß er in den kommenden Zeitaltern den 
überschwenglichen Reichtum seiner Gnade in Güte gegen uns 
erwiese in Christo Jesu!" Er hat uns mit dem Gegenstand Seiner unbegrenzten und ewigen Wonne verbunden; denn wir 
54 
sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleisch und von Seinen 
Gebeinen, und deshalb haben wir das Teil und die Vorrechte 
Jesu Selbst. Möchte Gott unsere Herzen unbefleckt von diesem 
bösen, gegenwärtigen Zeitlauf und in der Frische der Liebe zu 
Ihm erhalten! Dies aber ist nur dann möglich, wenn wir in der 
Gemeinschaft mit Christo bleiben. Unser Teil in Ihm und die 
Kostbarkeit Seines Namens zu kennen, das gibt Mut und Kraft, 
um Sein Wort zu bewahren und Seinen Namen nicht zu verleugnen. 
Laodicäa. — Es war meine Absicht, unsere Betrachtungen 
über die sieben Sendschreiben am vorigen Abend zu Ende zu 
bringen. Doch bedaure ich nicht, daß die Zeit dazu nicht ausreichte, denn ich fühle tief die Wichtigkeit dieses letzten Sendschreibens, des an Laodicäa, das uns noch einmal Gelegenheit 
geben wird, einen Rückblick auf das zu werfen, was wir an der 
Hand des Zeugnisses des göttlichen Wortes in bezug auf die 
Ankunft des Herrn Jesu Christi bereits betrachtet haben. Wir 
sehen in diesem Sendschreiben, daß die Versammlung in Laodicäa mit einem endgültigen und vollständigen Gericht bedroht 
wird, dem zu entgehen unmöglich ist. Indessen hat das Böse in 
ihr noch nicht seinen höchsten Gipfelpunkt erreicht; denn in 
diesem Fall würde es nutzlos sein, sie zu warnen. Wie an die 
sechs vorhergehenden Versammlungen, so wird auch an Laodicäa das Wort gerichtet als an eine Versammlung Gottes, d. h. 
sie befindet sich vor Gott in der Stellung eines von Ihm anerkannten Zeugnisses gegenüber der Welt; und als solche wird 
sie mit der Verwerfung bedroht. Dies ist im Blick auf andere 
Teile der Heiligen Schrift von Bedeutung. Wir finden hier nicht 
die Geschichte bereits erfüllter Tatsachen, sondern es wird in 
warnender und drohender Weise etwas angekündigt, was sich 
noch vollziehen soll; das Sendschreiben trägt mithin einen prophetischen Charakter. Und in Obereinstimmung mit dem richterlichen Gepräge des ganzen Buches der Offenbarung finden 
wir auch in den Sendschreiben an die Versammlungen das Gericht über die bekennende Kirche, entsprechend der Stellung, 
die sie vor dem Auge Gottes einnimmt. Hier möchte ich noch 
einmal daran erinnern, daß es sich hier nicht um das Werk der 
Gnade Gottes, als solches, handelt; auch ist nicht von Christo, 
dem Haupte des Leibes, als der Quelle der Gnade für Seine 
Glieder, die Rede, noch von dem Werke des Geistes Gottes; 
55 
denn dieses kann nie ein Gegenstand des Gerichts sein. Was 
hier vorgestellt wird, ist der Zustand der Kirche, die auf dem 
Boden der Verantwortlichkeit vor Gott steht, sowie die daraus 
hervorgehenden Wege, die Er sie in der Hoffnung auf Frucht 
führt. 
Ferner sind diese Sendschreiben nicht an einzelne, sondern 
an Versammlungen gerichtet; dennoch enthalten sie vieles 
höchst Wichtige für jene einzelnen Personen, deren Ohr durch 
die Belehrung des Heiligen Geistes geöffnet ist. So sind 
die Verheißungen an die einzelnen gerichtet, „an den, der überwindet" inmitten schwieriger Umstände; im ganzen aber hat 
der Herr es mit der Gesamtheit zu tun. Es handelt sich daher 
nicht um die Darreichung des Geistes der Gnade von Seiten des 
Hauptes, noch um die Unterweisung des Geistes der Liebe von 
seiten des Vaters, Der sich an die Kinder im Hause wendet; 
denn dies würde voraussetzen, daß sich die Kirche in einem 
gesunden und Gott wohlgefälligen Zustande befände, so daß 
sie Anweisungen empfangen könnte, die diesem Zustande, sowie dem Zwecke, zu dem sie in die Stellung der Kirche berufen 
ist, entsprächen. Das was wir in dem Sendschreiben an Laodicäa finden, läßt sich nicht auf einzelne anwenden. Wohl können Warnungen an einzelne in der Versammlung Gottes gerichtet werden, während „der Törichte hindurch geht und Strafe 
leiden wird"; aber hier finden wir nicht einfache Warnungen, 
sondern es wird ein völliges Hinwegtun angekündigt, und dies 
kann sich nie auf die Heiligen Gottes beziehen. „Weil du lau 
bist und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus 
meinem Munde". Es ist das Hinwegtun des äußeren, bekennenden Körpers, der als solcher den Namen „Kirche" trägt. 
„Und dem Engel der Versammlung in Laodicäa schreibe: 
Dieses sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der 
Anfang der Schöpfung Gottes". Der Charakter, der hier Christo beigelegt wird, ist bemerkenswert. In den letzten drei Sendschreiben sahen wir, daß Christus, wenn man so sagen darf, 
jene Charakterzüge beiseite ließ, unter welchen Er im ersten 
Kapitel vor unsere Augen trat, und wir fanden, daß stets eine 
neue und besondere Offenbarung von Ihm gegeben wurde, je 
nach den Umständen der Versammlung, an die sich das Sendschreiben richtete. Es sind nicht dieselben Charakterzüge, die 
Johannes im Gesicht erblickt hatte und die mit den Dingen, die 
56 
er „gesehen", in Verbindung standen, sondern es handelt sich 
um „das, was ist"; und dies befindet sich in einem neuen Zustand, verschieden von dem, in dem es einst, in seinem ursprünglichen Verhältnis mit Christo, war. Demzufolge wird 
auch Christus in einer neuen, den Bedürfnissen der Versammlung angepaßten Weise geoffenbart. 
In Philadelphia wurde Christus nicht unter demselben Charakter gekannt, wie in Thyatira — als „Sohn über sein Haus"; 
es mußten jener Versammlung für ihre besonderen Bedürfnisse 
neue Charakterzüge des Herrn geoffenbart werden. Von dieser 
Zeit an, ja schon seit der Zeit des völligen Abweichens der 
Kirche von ihrer ursprünglichen Stellung wird ihr das Kommen 
des Herrn vor Augen gestellt. Die Heiligen konnten hinfort 
nicht mehr auf die Wiederherstellung der Kirche, als eines bekennenden Ganzen, hoffen, und deshalb wird ihnen das Kommen des Herrn als ihre einzige Zuflucht vorgestellt, damit der 
treue Überrest Ihn erwarten und in Christo, wenn auch alles 
wich, das finden möchte, was er nötig hatte als Stützpunkt und 
als Gegenstand seines Vertrauens. Die, welche persönlichen 
Glauben an Jesum hatten, konnten dem allgemeinen Strom der 
Gedanken der Kirche nicht folgen; würden sie es getan haben, 
dann hätten sie sich mit Jesabel oder mit Sardes auf eine Linie 
gestellt, wobei Sardes den Namen hatte, daß es lebe, in Wirklichkeit aber tot war. Der Glaube bedarf einer besonderen Stütze, wenn der Gläubige vor den Versuchungen der „Synagoge 
Satans" bewahrt bleiben soll. Die gewöhnliche Gnade genügt, 
so lange sich die Kirche an ihrem richtigen Platz befindet; sobald sie den aber verläßt, wird eine außergewöhnliche Gnade 
nötig, um die Gläubigen aufrechtzuerhalten. Wo ein JesabelZustand vorhanden ist, da reicht der gewöhnliche Glaube nicht 
aus; Christus und die Lüge können nicht zusammengehen. Auch 
wenn die Kirche den Namen hat, daß sie lebe, während sie tot 
ist, muß ich etwas Besonderes haben, um das Leben in mir zu 
erhalten. Mag es sich deshalb handeln um die verführerische 
Jesabel*), um das verderbliche Babylon, oder um Laodicäa, das 
nahe daran ist, aus dem Munde des Herrn ausgespien zu werden, so kann ich mich mit dem moralischen Zustand der Dinge 
nicht zufriedengeben, und ich werde einer besondern Gnade 
*) Jesabel ist die Quelle des Bösen innerhalb der Kirche; Babylon verdirbt die 
Welt; Laodicäa selbst wird als wertlos ausgespien. 
57 
bedürfen, die diesem Zustande entspricht (der übrigens nur 
durch ein geistliches Herz richtig beurteilt wird) weil er nicht 
das naturgemäße Verhältnis zwischen Christus und der Versammlung als solcher ist. Selbstverständlich haben wir zu allen 
Zeiten die erhaltende und stützende Gnade Gottes nötig, wir 
wissen alle, daß wir ohne sie nicht einen Schritt tun können. 
Wir alle haben diese Gnade nötig. Wenn aber das, was den 
Namen der Kirche Gottes trägt, dem Fluch nahe ist und im Begriff steht, ausgespien zu werden, dann ist ein doppeltes Maß 
und ein besonderer Charakter der Gnade notwendig, um die 
Getreuen auf dem schmalen und oft einsamen Pfad aufrechtzuerhalten, auf dem zu wandeln sie berufen sind. Und bemerken 
wir hier, daß, wenn die Dinge bis zu dem philadelphischen Zustand gediehen sind, wo wenig Kraft vorhanden ist, aber das 
Wort Christi bewahrt und Sein Name nicht verleugnet wird, 
daß dann die Ankunft des Herrn zum Trost der Getreuen eingeführt und mit dem bisherigen Gegenstand, der Kirche, abgebrochen wird. Denn obwohl in Laodicäa die bekennende Kirche 
der Form nach noch besteht, so ist sie doch endgültig verworfen, und es wird bedingungslos erklärt, daß Christus sie aus 
Seinem Munde ausspeien werde. Das Gericht ist noch nicht 
vollzogen, aber es ist gewiß und wird auch als gewiß betrachtet. 
Der Grund, weshalb nach Philadelphia das Kommen des Herrn 
nicht mehr erwähnt wird, ist, daß jede Hoffnung für das Ganze 
moralisch verschwunden und alles ein Gegenstand des Gerichts 
geworden ist, so daß der Herr Sich in Laodicäa als draußen 
stehend darstellt: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an". 
Wenn es noch Heilige innerhalb gibt, so kommt für sie doch 
das Zeugnis von außen, d. h. von außerhalb des Schauplatzes, 
zu dem sie gehören. In Philadelphia beschäftigt Sich der Herr 
nicht mehr mit den Heiligen in der Absicht, sie in einem Platz 
des Zeugnisses zu erhalten; denn die bekennende Kirche befand 
sich entweder in dem Zustande des Verderbens (Jesabel) oder 
in dem des Todes (Sardes), so daß sie gleich der Welt gerichtet 
werden muß. Nur der Überrest besaß das Zeugnis, indem er 
das Wort des Ausharrens Christi bewahrte, und er wird getröstet durch die Zusicherung, daß Christus bald kommen werde. 
Bis dahin sollten die Getreuen zufrieden sein mit dem Bewußtsein, daß die Synagoge Satans alsdann erkennen würde, daß 
Christus sie geliebt habe. 
58 
In der Versammlung zu Philadelphia wurde der Ankunft 
Christi der ihr gebührende Platz gegeben. Vom Gesichtspunkt 
der Kirche aus kommt Christus für sie. Er sagt: „Ich komme 
für euch", und es ist die Hoffnung der Versammlung, Ihn selbst 
zu sehen. „Ihr" und „ich", so sagt Er gleichsam, „wir müssen 
zusammen sein". Dies bildet den besonderen Charakter der 
Hoffnung der Kirche und ihrer vollendeten Freude. Deshalb 
sagt der Herr in Offb 22, nachdem die ganze Prophezeiung 
vollendet ist: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch 
diese Dinge zu bezeugen in den Versammlungen. Ich bin . . . 
der glänzende Morgenstern"; und sobald Er Selbst Sich so vorstellt, wird der Ruf wach: „Komm!"*) „Der Geist und die Braut 
sagen: Komm!" und dann antwortet Er mit der tröstlichen Versicherung: „Ja, ich komme bald!" wprauf die Versammlung 
wieder Ihm entgegenruft: „Amen; komm, Herr Jesus!" 
Hieraus geht deutlich hervor, daß die Ankunft des Herrn zur 
Aufnahme der Versammlung eine Begebenheit zwischen Ihm 
und ihr allein ist. Nicht so wird es mit dem Überrest Israels 
sein; denn um diesen in seinen Platz auf der Erde einführen zu 
können, ist die Ausübung des Gerichts notwendig. Und wirklich wird das Kommen des Herrn auf die Erde von der Ausübung des Gerichts begleitet sein, indem „alle Ärgernisse und 
die das Gesetzlose tun, aus seinem Reiche zusammengelesen 
werden" (Mt 13, 41). Die Befreiung des Überrests Israels erfordert es, daß die Ankunft des Herrn mit der Vollziehung dieses 
Gerichts verbunden ist, denn es ist unmöglich, daß Israel seiner 
Segnungen teilhaftig werde, bevor dieses Gericht stattgefunden 
hat. Dies erklärt uns das Schreien nach Rache, das wir durchgehend in den Psalmen finden, wie z. B. in Psalm 94: „Gott der 
Rache,Jehova,Gott der Rache, strahle hervor!" Für uns braucht 
Leine Rache geübt zu werden, um uns in den Genuß der Segnungen mit Christo einzuführen; Gott hat uns in jeder Hinsicht 
Gnade zuteil werden lassen, und wir haben es nur mit der 
Gnade zu tun. Ich harre nicht auf den Herrn, damit Er komme 
und mich an meinen Feinden räche, sondern ich erwarte Ihn, 
um Ihm in der Luft entgegengerückt zu werden. Wo sich in der 
Schrift der Ruf nach Rache in Verbindung mit der Ankunft des 
*) Wenn Er die Welt warnt, so sagt Er nicht: „Siehe, ich komme bald." 
59 
Herrn auf der Erde findet, da ist es nicht die Sprache der Versammlung Gottes, sondern die Sprache des Überrestes Israels. 
So lesen wir auch in Ps 68, 23: „Auf daß du deinen Fuß in Blut 
badest, die Zunge deiner Hunde von den Feinden ihr Teil habe". 
Solche Gedanken beschäftigen meine Seele nicht, wenn ich an 
die Begegnung mit Jesu in der Luft denke. Hat mein Herz sich, 
durch die Gnade, der Gnade des Lammes übergeben, so stehe 
ich in keinerlei Verbindung mit dem, was dem Zorn des Lammes ausgesetzt sein wird. Er ist es, Den ich erwarte, und zwar 
einzig und allein um Seiner Selbst willen. Ferner lesen wir in 
Jes 60, 12, wo die Zeit der kommenden Segnungen Israels beschrieben wird: „Die Nation und das Königreich, welche dir 
nicht dienen wollen, werden untergehen", während von dem 
neuen Jerusalem gesagt wird: „Die Blätter des Baumes sind zur 
Heilung der Nationen" (Offb 22). Israel ist der Schauplatz der 
gerechten Gerichte Gottes, die Versammlung dagegen der Schauplatz Seiner unumschränkten Gnade; und diesen Platz verläßt 
sie nie, denn niemals schreit sie, als Versammlung, nach Rache. 
Wohl wird sie die Gerechtigkeit der Rache sehen, wenn Gott 
das Blut derer, die gelitten haben, rächen wird, und sie wird 
sich freuen, daß das Verderben weggetan ist; aber ihr wahres 
Teil besteht darin, bei Christo zu sein. Die Erde wird durch das 
Gericht befreit werden; unser Teil aber ist es, dem Herrn in der 
Luft zu begegnen und allezeit bei Ihm zu sein. 
Nachdem der Versammlung von Philadelphia das Kommen 
des Herrn, als das ihr zugehörige Teil, angekündigt worden ist, 
wird diese gesegnete Hoffnung nicht mehr erwähnt. Wir finden 
deshalb in dem Sendschreiben an die Versammlung zu Laodicäa 
nichts, was sich auf die Ankunft des Herrn bezöge, obwohl 
diese immer wahr bleibt; aber sie wird dieser Versammlung 
nicht vor Augen gestellt. Hier handelt es sich um etwas anderes; 
es tritt der prophetische Charakter mehr hervor, indem der Herr 
von dem redet, was als Gericht über Laodicäa kommen wird. 
Er steht im Begriff, die Kirche selbst zu richten. Indessen dürfen 
wir nicht vergessen, daß es stets die bekennende Kirche ist, von 
der Er redet, das, was den Platz der Kirche Gottes, als das Zeugnis für Gott in dieser Welt, einnimmt. Beachten wir auch den 
besonderen Charakter, mit dem Sich Christus hier bekleidet. 
Wenn die Kirche, dieses Gefäß des Zeugnisses für Gott, dem 
Herrn zum Ekel geworden und von Ihm beiseitegesetzt ist, 
60 
dann erscheint der Herr Selbst als „der Amen, der treue und 
wahrhaftige Zeuge", und zwar nicht so sehr in der Würde 
Seiner Person, wie sie uns im ersten Kapitel beschrieben wird, 
sondern als der „treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der 
Schöpfung Gottes"; Er erscheint, um den Platz dessen einzunehmen, was als Gottes Zeuge auf der Erde so ganz und gar 
seinen Zweck verfehlt hat. 
Im Brief des Jakobus sehen wir, daß wir (die Versammlung) 
nach dem Willen Gottes „eine gewisse Erstlingsfrucht Seiner 
Geschöpfe" sein sollen. Diesen Platz wird die Versammlung in 
der wiederhergestellten Schöpfung einnehmen; doch schon jetzt 
ist sie berufen, ihren besonderen Platz zu haben, indem sie die 
Erstlinge des Geistes besitzt. Aber in ihrer Stellung des Zeugnisses betrachtet, hat sie ganz und gar gefehlt; sie hat diesen 
Platz der Erstlingsfrüchte Seiner Geschöpfe nicht in der Kraft 
des Heiligen Geistes festgehalten. Denn worin bestehen die 
Früchte des Geistes? „Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, 
Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, 
Sanftmut, Enthaltsamkeit" (Gal 5, 22). Entdeckt man diese 
Früchte in der bekennenden Kirche? Nein; und dies ist der Beweis, daß sie nicht diese „gewisse Erstlingsfrucht" von Gottes 
Geschöpfen ist; sie nimmt den Platz über dem gegenwärtigen 
Zustand der Schöpfung oder der sie umgebenden Welt durchaus nicht ein. Nehmen wir an, es käme jemand von China nach 
London. Würde er wohl jene Früchte des Geistes in der bekennenden Kirche sehen? Würde er nicht im Gegenteil überall die 
gleiche Habsucht, die gleiche Liebe zur Welt finden wie in seinem Vaterlande? Er könnte mit allem Recht ausrufen: „Ich 
kann in ganz China alles tun, was auch die Christen in London 
(sogar wahre Christen) tun, obwohl es in London auf eine bessere und feinere Weise geschehen mag, als in meiner Heimat". 
Tatsächlich geschieht das, was die Namenchristen in London 
tun, auch in China, vielleicht mit etwas weniger Bequemlichkeit 
für das Fleisch, aber dem Herzen nach eben so vollständig. 
Ich glaube nicht, daß die bekennende Kirche schon zu der vollen Reife des schließlichen Zustandes von Laodicäa gelangt ist; 
sonst würde es nutzlos sein, sie zu warnen. Gott hält noch die 
Zügel in Seiner Hand und gestattet nicht, daß das Böse sich in 
seiner vollendeten Gestalt entfalte. Dem Grundsatz nach war 
61 
das Böse ebensogut in Ephesus vorhanden, sobald die Versammlung ihre erste Liebe verlassen hatte; aber wir sehen es 
erst in seiner völligen Entfaltung in dem Zustand von Laodicäa, 
wenn Christus das Ganze aus Seinem Munde ausspeit. Doch ich 
erinnere noch einmal daran, daß es die bekennende Kirche ist, 
die so ausgespien wird, nicht aber die Versammlung des lebendigen Gottes, der Leib und die Braut Christi. Auch besteht dieses Gericht nicht in dem bloßen Wegtun des Leuchters; ein weit 
schrecklicheres Gericht steht der bekennenden Kirche bevor. 
Wenn von ihr nicht mehr gesagt werden kann: „Sie sind nicht 
von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin", so wird 
sie, anstatt der Gegenstand der Wonne Christi zu sein, zu 
einem Gegenstande des Abscheus für Ihn: „Ich werde dich ausspeien aus meinem Munde". 
Nichts kann ernster sein, als die Stellung, die ein solches Urteil von seiten des Herrn über die bekennende Kirche wachrufen 
wird. Wir finden hierin zugleich einen neuen, beachtenswerten 
Beweis von der Aufeinanderfolge und dem im Bösen fortschreitenden Charakter dieser Versammlungen. Abgesehen von den 
besonderen Wirkungen der Gnade im einzelnen, geht es mit 
der bekennenden Kirche immer tiefer abwärts, bis sie endlich 
in einen Zustand gelangt, der den Herrn zwingt, sie aus Seinem 
Munde auszuspeien, und dann wird eine Tür im Himmel aufgetan, und Johannes wird im Geiste dahin entrückt (Offb 4). 
Hierauf beginnt das Gericht der Welt und die Einführung des 
Eingeborenen in Sein irdisches Erbteil. 
Sobald Laodicäa ausgespien ist, ist Gott mit der Kirche als 
einem Zeugnis zu Ende, und Christus tritt als der „treue und 
wahrhaftige Zeuge" Gottes an ihre Stelle. Er stellt Sich als derjenige dar, Der das tut, was die Kirche hätte tun sollen. Christus ist das große Amen auf alle Verheißungen Gottes; die Kirche hätte zeigen sollen, daß diese Verheißungen Ja und Amen 
sind in Christo Jesu; aber sie ist nicht fähig dazu gewesen; sie 
hat es unterlassen, ihr Amen auf Gottes Verheißungen zu setzen. „Amen" bedeutet: Es geschehe! oder: es werde befestigt! 
So lesen wir in Jes 7, 9: „Wenn ihr nicht glaubet, werdet ihr, 
fürwahr, keinen Bestand haben". Für die Wörter „glauben" 
und „Bestand haben" ist im Hebräischen beide Male das Zeitwort „amen" gebraucht. Somit bedeutet jene Stelle: Wenn ihr 
meine Verheißungen nicht bestätigt (d. i. nicht glaubt), werdet 
62 
ihr nicht bestätigt werden. Selbstverständlich ist es unmöglich, 
daß Gott Seinen Ratschlüssen in Christo untreu werden könnte; deshalb wird die Versammlung, der Leib Christi, mit ihrem 
Haupte in der Herrlichkeit sein. Handelt es sich aber um das 
Zeugnis auf der Erde, so hat sicherlich die Kirche nicht durch ihr 
Verhalten ihr Amen zu den Verheißungen Gottes in Christo 
gesagt. Sie war bestimmt, die Kraft ihrer himmlischen Berufung zu offenbaren; aber sie hat in ihrem Wandel dem, was 
Gott bestimmt hat, nicht entsprochen. Wir sehen sie nicht dieses himmlische Zeugnis durch den Heiligen Geist ablegen, und 
da Gott nicht ohne Zeugnis sein kann, so stellt Sich Christus 
alsbald Selbst als „der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge", 
dar — als der, welcher alle Verheißungen und Weissagungen 
besiegeln wird, und der als „der treue und wahrhaftige Zeuge, 
der Anfang der Schöpfung Gottes", das große Amen auf alles 
setzt. Die bekennende Kirche ist völlig in Verfall geraten; sie 
umschließt in ihren weiten Grenzen eine große Menge von Personen, die nie bekehrt waren, die wohl den Namen Christi 
tragen, ohne jedoch das Leben Christi zu besitzen. Indessen 
nahm der Abfall seinen Anfang in der wahren Kirche; durch 
sie wurde das Verderben eingeführt, als sie ihre „erste Liebe" 
verließ. Die weitere Folge war, daß die Welt hineinkam, wie 
Gott sagt: „Ferner habe ich gesehen... an der Stätte des Rechts, 
da war die Gesetzlosigkeit". Man hat oft gesagt: „Je schöner 
und besser die Dinge sind, die dem Verderben anheimfallen, 
um so schlimmer zeigt sich das Verderben". So gibt es auch auf 
der ganzen Erde wahrlich nichts, was Gott so schnurstracks entgegengesetzt wäre, wie die bekennende Christenheit. 
„Der Anfang der Schöpfung Gottes". Christus erscheint hier 
als der gesegnete Zeuge der Tatsache, daß Gott die Schöpfung 
Seinem eigenen Willen gemäß wiederherstellen wird, und zwar 
wird Christus Selbst das Haupt und der Mittelpunkt der Schöpfung sein (vergl. Spr 8). Es handelt sich hier nicht, wie bei Philadelphia, um die Verheißung, daß Christus kommen wird, um 
die Versammlung zu Sich zu nehmen; sondern Christus Selbst 
nimmt den Platz eines vollkommenen Zeugnisses für Gott ein 
und erscheint als der Erfüller aller jener Verheißungen Gottes, 
von welchen die Kirche hätte die Offenbarung sein sollen. Unter 
diesem Charakter tritt Christus gleichsam an die Stelle der 
Kirche in der Offenbarung der unfehlbaren Ratschlüsse und 
63 
Verheißungen Gottes. Wenn die Kirche unwiderruflich beiseitegesetzt ist, so bleibt der wahrhaftige und treue Zeuge, und das 
wird die Stütze der Getreuen bilden; ihr Glaube wird dadurch 
aufrechterhalten, selbst wenn sich das Böse wie eine Flut erhebt. Dies ist der sichere Boden, den nichts erschüttern kann, 
die Kraft, auf die sich die Seele zu stützen vermag, selbst wenn 
die Kraft nicht mehr bestehen sollte; denn das Vertrauen auf 
Ihn kann allein der Seele Kraft verleihen. 
Wir kommen jetzt zu dem allgemeinen Zeugnis des Wortes 
Gottes hinsichtlich des gänzlichen Verfalls und der darauf folgenden Beseitigung dessen, was für Ihn ein Zeugnis hätte sein 
sollen, so daß die Ehre, die Macht und die Herrlichkeit Christo 
allein zufallen. Der Mensch als solcher ist in dem, was ihm anvertraut worden ist, nicht treu gewesen; aber dann sehen wir 
Christum, den wahren Menschen, in den Ratschlüssen Gottes 
hervortreten (siehe Ps 8). Alles, was den Namen, den Titel und 
die Autorität Gottes auf der Erde getragen hat, wird nach dem 
göttlichen Ausspruch völlig hinweggetan werden. 
So wurde z. B. die Macht von sciten Gottes in die Hände des 
Menschen gelegt, und dieser wurde dadurch in gewissem Sinn 
zum Stellvertreter Gottes auf der Erde gemacht, so daß wir, als 
Christen, die Gewalten, welche sind, anzuerkennen und uns 
ihnen zu unterwerfen haben, weil sie „von Gott verordnet" 
sind. „Er hat jene Götter genannt, zu welchen das Wort Gottes 
geschah" (Joh 10, 35). „Doch wie ein Mensch werdet ihr sterben, und wie einer der Fürsten werdet ihr fallen" (Ps 82, 7), 
Was ist nun das Resultat, wenn Gott „in der Mitte dieser Götter richtet?" Es zeigt sich, daß sie ganz und gar gefehlt haben, 
imd das unmittelbare Gericht Gottes wird vollzogen. Handelt 
es sich um die äußere Gewalt in den Händen des Menschen, so 
sehen wir, daß der kleine Stein, der ohne Hände losgerissen 
wird, das große Bild der Gewalt der Nationen schlägt, und es 
wird wie Spreu der Sommertennen, der Wind führt sie hinweg, 
und keine Stätte wird für sie gefunden" (Dan 2). Christus 
nimmt dann, dem Ratschluß Gottes gemäß, die ganze Macht 
des Reiches in Seine Hände. 
Bewunderungswürdig ist die Geduld, die Gott den Fortschritten des Bösen gegenüber an den Tag legt, wie diese in dem 
großen Bilde Daniels angedeutet werden. Der Mißbrauch der 
Macht in Babylon offenbarte sich auf dreierlei Weise, und zwar 
64 
in Form der drei aufeinanderfolgenden Stufen des Bösen: Götzendienst, Gottlosigkeit und Abfall, verbunden mit Selbsterhöhung. Zunächst sehen wir den Götzendienst in Nebukadnezar, 
der in den Ebenen von Dura ein goldenes Bild aufrichten ließ 
und seinen Untertanen befahl, es anzubeten. Sein Zweck war, 
durch einen, allen seinen Völkern gemeinsamen religiösen Einfluß Einigkeit herzustellen. Der Gottlosigkeit begegnen wir in 
Belsazar, der die heiligen Gefäße des Tempels Gottes auf 
schreckliche Weise entweihte. Der völlige Abfall endlich zeigt 
sich in Darius, der sich selbst an die Stelle Gottes setzte. Dies 
alles trägt Gott in großer Langmut, bis sich schließlich die Macht 
zu entschiedener und offener Empörung wider Christum erhebt. 
Dann aber ist die Langmut Gottes zu Ende. In der Macht des 
Steines, der ohne Hände losgerissen wird, zermalmt Er alles, 
wie man Töpfergefäße zerschmeißt. Hierauf wächst der Stein 
zu einem gewaltigen Berge an, der die ganze Erde ausfüllt. So 
sehen wir, wie die Macht, die dem Menschen gegeben war, damit er sie zur Ehre Gottes gebrauche, in seiner Hand sich verderbt und endlich gegen Gott angewendet wird. Aber dann 
endet die Macht der Nationen, um Christo, dem großen Gefäß 
der Macht und Ehre Gottes, Platz zu machen. 
Werfen wir jetzt einen Blick auf die Kinder Israel unter dem 
Gesetz. Sie haben nicht nur gefehlt, und sind auf den Stein 
gefallen und zerschmettert worden, sondern es wird auch der 
unreine Geist des Götzendienstes, der von ihnen ausgefahren 
war, sieben andere Geister, böser als er selbst, mit sich bringen 
und wieder in sie fahren, um sie dann dieser Vollendung der 
Bosheit zu unterwerfen, so daß ihr letzter Zustand ärger sein 
wird als der erste. Das Böse wird immer mehr in ihnen reifen, 
bis sie sich schließlich dem Götzendienst, und der Gottlosigkeit 
dem Abfall öffentlich anschließen werden; dann aber wird Gott 
sie als Nation aufgeben, und nur ein Überrest wird erhalten 
bleiben. Demselben Abfall begegnen wir im Hause Davids. 
Was nun die Kirche Gottes betrifft, so ist es viel schwerer, 
zu denken, daß sie völlig und endgültig verworfen werden wird; 
selbstverständlich rede ich nur von der bekennenden Kirche. Es 
ist eine ernste Wahrheit, daß das Böse, wenn es einmal eingedrungen ist, stets zunimmt und wächst, bis das Gericht hereinbricht; und es ist beachtenswert, daß dieses Gericht nicht eher 
65 
vollzogen wird, als bis das Böse zu seiner vollen Reife gediehen 
ist. — „Die Ungerechtigkeit der Amoriter ist bis hierher noch 
nicht voll". — Dieser Grundsatz wird in dem Gleichnis vom Unkraut klar und deutlich dargestellt. Das Unkraut wurde im Anfang ausgestreut, aber es sollte nicht sogleich ausgerottet werden: Unkraut und Weizen sollten zusammen wachsen bis zur 
Ernte. Der Herr erklärt auf diese Weise ausdrücklich, daß das 
Böse im Anfang eingedrungen ist und bis zur Ausübung des 
Gerichts immer mehr heranreifen wird. Es handelt sich hier 
nicht um einzelne, noch darum, ob aller Weizen auf den Speicher gesammelt wird (was selbstverständlich der Fall sein wird), 
sondern um die Tatsache, daß das öffentliche Zeugnis verdorben worden ist. Die Saat im Felde wurde verdorben, und dieses 
Übel kann der Mensch nicht entfernen, weil er nicht befugt ist, 
zu richten und deshalb auch nicht befugt ist, diesem Zustand 
abzuhelfen. Überdies sind wir berufen, in Gnade zu handeln 
und nicht das Unkraut auszureißen. 
Aus dem zweiten Brief an die Thessalonicher ersehen wir, 
daß schon in den Tagen der Apostel das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam war, aber ihrer vollen Entfaltung stand noch 
etwas im Wege. Dieselbe Gesetzlosigkeit wirkt immer noch, 
selbst in unseren Tagen — „nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist"; und das Böse wird fortwirken, 
bis der offenbare Abfall und Aufruhr die Vollziehung des Gerichts herbeiführen wird. Nehmen wir jetzt das Buch der Offenbarung zur Hand, so finden wir in ihm in großen Zügen ein 
einfaches und klares Zeugnis darüber, was das Ende der ganzen 
gegenwärtigen Verwaltung sein wird: „Und ich sah aus dem 
Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres und aus 
dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister kommen, wie Frösche" (Offb 16, 13). Man mag über die Bedeutung 
dieser Frösche streiten; das eine aber ist klar, daß sie eine Macht 
des Bösen vorstellen, welche zu den Königen des ganzen Erdkreises ausgeht, sie zu versammeln zu dem Kriege jenes großen 
Tages Gottes, des Allmächtigen, um wider Gott zu streiten. 
So reift alles bis zur völligen Entfaltung des Bösen heran, und 
wenn die Gesetzlosigkeit ihren Höhepunkt erreicht hat, „geht 
eine starke Stimme aus von dem Thron, welche spricht: Es ist 
geschehen" (Offb 16,17), worauf unmittelbar das Gericht folgt. 
66 
Obwohl dies seine direkte Anwendung findet auf die bekennende Kirche, so liegt doch auch etwas darin, das sich unmittelbar an unsere Gewissen wendet. 
Bevor jener mit der Macht und Regierung Christi in Verbindung stehende Zustand der vollkommenen Segnung eingeführt 
wird, sehen wir alle die verschiedenen Formen des Bösen dem 
einen gemeinsamen Gericht entgegenreifen. Der Mensch zunächst muß in seinem Charakter offener Widersetzlichkeit, indem er sich selbst zu Gott macht, gerichtet werden. Israel sodann verbindet sich mit der Macht des Abfalls, kehrt zum Götzendienst zurück, aus dem Abraham, sein Vater, herausgenommen worden war, und macht sich eins mit den aufrührerischen 
Nationen, indem es sagt: „Wir haben keinen König, als nur den 
Kaiser". Deshalb muß es, da es sich selbst durch seine Sünden 
dem Kaiser verkauft hat, zu diesem zurückkehren, sich mit den 
Nationen im Bösen verbinden und endlich mit ihnen gerichtet 
werden, während nur ein auserwählter Überrest die Segnung 
ererbt. Den völligen Abfall und das Gericht Israels, als Nation, 
beschreibt Jesaia mit den Worten: „Die Schweinefleisch essen 
und Greuel und Mäuse: allzumal werden sie ein Ende nehmen, 
spricht Jehova" (Jes 66, 17). Dann sehen wir die babylonische 
Verderbnis des Christentums; der Charakter Babylons ist götzendienerisches Verderben. Es wird ebenfalls zerstört werden. 
Alles Böse wird zu jener Zeit seinen Gipfelpunkt erreicht haben: 
das Weib, das auf dem scharlachroten Tier sitzt, die Mutter der 
Huren, das Endresultat der Verführung Jesabels; das Tier, die 
Darstellung der Macht; der falsche Prophet; der Mensch in 
Aufruhr und Widersetzlichkeit; das Christentum im Zustande 
des völligen Abfalls; das Wort Gottes verworfen, das Gesetz 
verlassen, die Gnade verachtet — alle diese verschiedenen Formen des Bösen werden sich zusammenfinden und zur Zeit des 
Endes gemeinschaftlich demselben Gericht anheimfallen. Das 
Böse wird auf diese Weise vollständig aus dem Wege geschafft 
werden und nur das Gute wird übrigbleiben. 
Ist nun die bekennende Kirdie von diesem Gericht ausgeschlossen? Sicherlich nicht. Wenn auch der Weizen auf dem 
Speicher in Sicherheit gebracht werden wird, so können wir 
doch, wenn wir anders das Wort Gottes zu unserem Führer 
nehmen, keinen Augenblick dem Gedanken Raum geben, daß 
67 
die bekennende Kirche von diesem allgemeinen Gericht ausgenommen sein wird. Judas z. B. schreibt an die Heiligen: „Ich 
war genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen". Und 
warum dies ? Weil „gewisse Menschen sich nebeneingeschlichen 
haben . . . Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und 
Herrn Jesus Christus verleugnen .. . Es hat aber auch Henoch, 
der siebente von Adam, von diesen geweissagt, und gesagt: 
„Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von all ihren Werken der Gottlosigkeit" 
(V. 3. 4. 14. 15). Wo aber befanden sich diese falschen Brüder? 
In der Versammlung Gottes; denn Judas sagt von ihnen: „Diese 
sind Flecken bei euren Liebesmahlen, indem sie ohne Furcht 
Festessen mit euch halten". Sie befanden sich nicht unter den 
Juden, noch unter den Nationen, sondern inmitten der Versammlung Gottes Selbst; und sie verdarben sie, indem sie mit 
den Gläubigen Festessen hielten ohne Furcht, und sich selbst 
weideten. Gott hat in Seiner großen Gnade erlaubt, daß jede 
mögliche Quelle und Form des Bösen klar zutage trat, bevor der 
Kanon der Heiligen Schrift geschlossen wurde, damit wir hinsichtlich alles Bösen, sobald es hervortritt, das Urteil des geschriebenen Wortes hätten. Ohne dieses wären wir nicht fähig, 
die äußerst feinen Fäden des Geheimnisses der Gesetzlosigkeit, 
das jetzt wirksam ist, zu entdecken; aber im Besitz des geschriebenen Wortes sind wir berufen, als Gottes Kinder alles nach 
dem Wort zu beurteilen, und zwar nach dem Worte allein. 
Weiter lesen wir in 2. Tim 3: „Dies aber wisse, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden, denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer" usw.; ihre falsche Frömmigkeit gibt sich darin kund, daß 
sie „das Vergnügen mehr lieben als Gott", sowie darin, daß sie 
„eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen". Und es ist zu beachten, daß hier nicht nur von dem Judaismus die Rede ist, obwohl dessen Geist wirksam sein mag. 
Auch wird noch hinzugefügt: „Böse Menschen aber und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und 
verführt werden". Nachdem dann der Apostel die verschiedenen Charakterzüge der falschen Brüder, „die sich in die Häuser 
68 
schleichen", hervorgehoben hat — Charakterzüge, die auch dazu 
dienen, uns in unserer Beurteilung zu leiten — schließt er mit 
den Worten an Timotheus: „Du aber bleibe in dem, was du 
gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, 
von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen 
Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur 
Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu ist". Denn 
„alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur 
Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der 
Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu 
jedem guten Werke völlig geschickt". Aus diesen Unterweisungen, die Paulus an sein geliebtes Kind im Glauben richtet, lernen wir also, daß in diesen Tagen der wachsenden Gesetzlosigkeit die heiligen Schriften für den Menschen Gottes den einzigen, vollkommen sicheren Schutz bilden, und zwar indem sie 
gebraucht werden in der einfachen und gottseligen Weise, wie 
Timotheus und seine fromme Mutter und Großmutter sie erforscht hatten. Es waren dieselben heiligen Schriften, die er von 
Jugend auf gelesen hatte. Keiner Autorität noch Macht, wenn 
sie nicht in Verbindung steht mit dem einfachen, geschriebenen 
Worte Gottes, kann sich der Gläubige als seinem Führer anvertrauen. 
Aus den angeführten Stellen sehen wir, daß die unmittelbare 
Veranlassung, der Gegenstand und die innere Quelle der kommenden schrecklichen Gerichte die bekennende Kirche selbst ist. 
Sie hätte das Zeugnis Gottes auf der Erde sein sollen, der Brief 
Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen; da sie sich 
aber völlig verderbt hat, ist sie es gerade, die in erster Linie 
und endgültig den Zorn Gottes herbeiführt. Geliebte Freunde! 
es ist von außergewöhnlichem Ernst, sich sagen zu müssen, daß 
nicht nur Israel und Babylon dem Gericht anheimfallen werden, 
sondern daß auch, nach dem Worte Gottes, die bekennende 
Kirche dies Los treffen wird. Ich verstehe hier unter dem Wort 
„Kirche" die ganze Christenheit, alles, was bekennt, den 
Namen Christi zu tragen. Wir finden dasselbe Zeugnis im 
ersten Brief des Johannes: „Jetzt sind auch viele Antichristen 
geworden". Ich zweifle nicht daran, daß der Antichrist aus den 
Juden hervorkommen und eine völlige Offenbarung jenes antichristischen Geistes sein wird, der jetzt schon den Vater und 
Sohn leugnet, und leugnet, daß Jesus der Christus ist. Es ist 
69 
ein schrecklicher Gedanke, daß dieser Abfall einen religiösen 
Charakter trägt. Das Kennzeichen der „vielen Antichristen" 
besteht in der Verleugnung der christlichen Wahrheit; und obwohl ein völliger Abfall sich offenbaren wird, so wird es doch 
immer ein Abfall von den Lehren des Christentums sein. Ach, 
wie bald ist dieser Geist des Abfalls eingedrungen! Wie bald 
mußte der Apostel sagen: „Alle suchen das Ihrige, nicht das, 
was Jesu Christi ist!" Möchte der Herr in Seiner Gnade die 
Augen Seiner Heiligen öffnen, damit sie die Natur und den 
wahren Charakter dieser letzten bösen Tage erkennen und daran gedenken, daß Gott wohl lange Zeit Geduld beweisen kann 
und bewiesen hat, um Seelen zu erretten, und daß in diesem 
Sinne „die Langmut des Herrn für Errettung zu achten ist", daß 
aber Sein Gericht, wenn auch verzögert, doch nicht aufgehoben 
ist. Denn das Wort aus Seinem eigenen Munde bezeugt es uns, 
und das einzige Heilmittel für das gegenwärtige Übel ist das 
Gericht. 
Wie wir gesehen haben, drangen von Anfang an die Grundsätze des Verderbens in die Kirche ein, und das Zeugnis für 
Gott verschwand. Das Unkraut wurde gesät und so die Saat im 
Acker verdorben. Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit begann, 
sich wirksam zu erweisen. In dem Sendschreiben an Laodicäa 
schreibt der Herr den doppelten Charakter des Bösen, das Er 
in dieser Versammlung vorfand, den bösen Grundsätzen zu, 
die im Anfang eingedrungen waren. Der Zweck, weshalb die 
Saat ausgestreut war, war gänzlich verfehlt worden, denn statt 
ein Zeugnis für Gott zu sein, sagt die Kirche: „Ich bin reich und 
bin reich geworden und bedarf nichts". Zwei Dinge von besonderer Bedeutung kennzeichnen diese Versammlung in Laodicäa; 
zunächst maßt sie sich an, in sich selbst große geistliche Reichtümer zu besitzen, und dann ist im Blick auf Christum ihr Zustand „weder kalt noch warm". So finden wir auf der einen 
Seite große Anmaßung und auf der anderen nur die Form, aber 
nicht die Kraft des Lebens: „Du bist weder kalt noch warm". 
Es ist zwar kein entschiedener Haß gegen Christum vorhanden, 
aber auch kein entschiedener Eifer für Ihn. Die Kirche geht 
äußerlich in Bequemlichkeit und Weltförmigkeit voran, während sie zugleich auf große geistliche Reichtümer Anspruch 
macht. Dies ist ein sicheres Zeichen der Armut; denn da, wo 
man sich rühmt, in sich seihst die Reichtümer Gottes zu besit70 
zen, kann man stets mit Sicherheit darauf rechnen, der Armut 
zu begegnen, weil diese Reichtümer in Christo allein zu finden 
sind. Wenn die Kirche sagt: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts", so rühmt sie sich, Reichtümer in sich 
selbst zu besitzen, und macht auf diese Weise sich statt Christum zum Gefäß der Gnade. Aber indem sie dieses tut, besiegelt sie weder durch ihr „Amen" die Verheißungen Gottes in 
Jesu, noch ist sie ein wahrhaftiges und treues Zeugnis für Gott. 
Sie hört auf, dies zu sein, sobald sie den Blick von Christo als 
der einzigen Quelle abwendet und sich selbst für das Gefäß der 
Reichtümer hält; ja, sie wird dann notwendigerweise zu einem 
falschen Zeugnis. Sobald ich sage: die Kirche ist dieses oder 
jenes, oder: die Kirche ist es, worauf ich blicke, und nicht Christus, wird mein Auge völlig von Christo ab- und auf die Kirche 
hingewendet. Ich betrachte dann nicht mehr Christum, sondern 
die Kirche, wie sehr ich auch vorgeben mag, Ihn zu ehren. Es 
handelt sich hierbei nicht um die Treue Gottes, sondern um 
unsere Fehler. Dies festzuhalten ist von höchster Wichtigkeit, 
da es uns vor Täuschung bewahren kann. 
Die Gläubigen in Philadelphia machten nicht den vollen Gebrauch von allen den Segnungen, die ihnen in Christo zugehörten; sie hatten nur eine kleine Kraft, und alles, was der 
Herr von ihnen sagen konnte, war, daß sie Sein Wort bewahrt 
und Seinen Namen nicht verleugnet hatten. Da aber die Versammlung ihre Armut fühlte, so fand Christus Seine Freude an 
ihr und konnte sagen: „Ich bin für euch, und ich komme für 
euch". „Ich werde die, welche aus der Synagoge des Satan sind, 
zwingen, daß sie erkennen, daß ich dich geliebt habe". Sobald 
aber die Kirche sich anmaßt, reich zu sein in sich selbst, sobald 
sie Reichtümer für sich in Anspruch nimmt und sich mit ihnen 
Anerkennung verschafft, wird sie, statt der Gegenstand der 
Wonne Christi zu sein, Ihm zum Ekel, so daß Er ihr droht: 
„. . . so werde ich dich ausspeieri aus meinem Munde". Bei 
einem Blick auf die bekennende Kirche unserer Tage sehen wir, 
daß sie immer mehr in diesen Zustand hineinkommt, reich zu 
sein in sich selbst. Wenn ich finde, daß nur eine kleine Kraft 
vorhanden ist, daß aber das Wort bewahrt und der Name 
Christi nicht verleugnet wird, dann kann ich sagen: „Freuet 
euch! der Herr kommt bald". Denn anzuerkennen, daß ich arm 
bin und nur wenig Kraft besitze, ist nicht Unglaube gegen 
71 
Christum; wenn ich, um Kraft zu haben, mich auf Ihn stütze, 
weil ich mich selbst kraftlos fühle, so ist das nicht, daß ich verleugne, was ich in dem Herrn habe, sondern ich offenbare den 
Charakter des Leibes, der seine Fülle in dem Haupte findet. Sobald ich aber sehe, daß eine Versammlung dem Gedanken 
Raum gibt, diese Fülle und diese Reichtümer in sich selbst zu 
haben, so kann ich ihr zurufen: Ihr seid auf dem Wege nach 
Laodicäa, dessen Ende ist, aus dem Munde Christi ausgespien 
zu werden. Die Versammlung zu Laodicäa glaubte, alles in sich 
selbst zu haben und nichts zu bedürfen, aber dies bewies nur, 
wie völlig unwissend sie hinsichtlich ihres wahren Zustandes 
vor Gott war. „Weil du sagst: Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts und weißt nicht, daß du der Elende 
und Jämmerliche und arm und blind und bloß bist. Ich rate dir, 
Gold von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, auf daß du reich 
werdest, und weiße Kleider, auf daß du bekleidet werdest und 
die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, 
deine Augen zu salben, auf daß du sehen mögest". 
Da die Versammlung in Laodicäa diese Dinge nicht bei dem 
Herrn suchte, so fehlten sie ihr alle. „Gold" bedeutet die göttliche Gerechtigkeit im Gegensatz zu der menschlichen und bezeichnet die Stellung und die Reichtümer der Heiligen, sowie 
die Grundlage, auf der sie stehen. Die „weißen Kleider" sind 
die Werke der Heiligen, die Früchte ihres Glaubens an die göttliche Gerechtigkeit, die aus dem Besitz dieser Gerechtigkeit hervorgehen. Menschliche Gerechtigkeit ist gänzlich verschieden 
von den Gerechtigkeiten der Heiligen, die der Ausfluß solcher 
Herzen sind, die durch die göttliche Gerechtigkeit befreit sind. 
Bei einem indischen Fakir oder einem türkischen Derwisch finden wir eine Menge von Werken, aber nichts, was auf die Erlösung gegründet wäre. Die Werke des Geistes sind der Ausfluß des Geistes, welcher der Seele als Siegel der göttlichen Gerechtigkeit gegeben ist; diese heiligen Werke sind die Früchte 
des Heiligen Geistes in uns, jene „weißen Kleider", an denen es 
in Laodicäa gänzlich mangelte. Denn da die göttliche Gerechtigkeit fehlte, so konnte unmöglich eine praktische geistliche Gerechtigkeit vorhanden sein, wie in Offb 19, 8 gesagt ist: „Die 
feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen". Auch 
fehlte ihnen die „Augensalbe"; sie waren für die Dinge Gottes 
so blind, wie die Natur es nur sein kann; sie hatten durchaus 
72 
kein geistliches Verständnis und doch sagten sie: „Wir sehen". 
Deshalb bleibt ihre Sünde. Da sie so weder göttliche Gerechtigkeit, noch die daraus hervorgehenden Früchte des Geistes besaßen und noch im Zustand natürlicher Blindheit verharrten, 
fehlte ihnen alles. Anmaßung war in Oberfluß da, aber nichts, 
was vor Gott Anerkennung finden kann; alles war bloßer 
Schein. 
Gleichwohl bricht der Herr noch nicht jede Verbindung mit 
Laodicäa ab; aber Er spricht zu der Versammlung als außerhalb 
von ihr stehend. Denn wenn die bekennende Kirche dahin 
gekommen ist, praktischerweise eine jüdische Stellung einzunehmen, so nimmt der Herr Seinen Standpunkt draußen und 
ruft den einzelnen Seelen, die sich innerhalb derselben befinden, zu: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört" . . . Der Herr wünscht die Aufmerksamkeit auf Sich zu lenken; Er begehrt Einlaß; Er kündigt der 
Kirche an, was ihr bevorsteht: das gewisse Gericht; doch bis zu 
dessen Vollziehung kann Er nicht anders, als fortfahren, Seine 
kostbare Gnade auszuüben. Die Gegenstände dieser Gnade 
sind jedoch jetzt einzelne Personen, da die Kirche aufgegeben 
ist — „wenn jemand . . . die Tür auftut, zu dem will ich eingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir"; das 
heißt: nur ein solcher wird Gemeinschaft mit mir haben. 
„Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem 
Throne zu sitzen". Auf den ersten Blick scheint dies eine große 
Verheißung zu sein; ich glaube aber, daß es die geringste der 
in den Sendschreiben ausgesprochenen Verheißungen ist, da sie 
nur von einem Platz in der himmlischen Herrlichkeit redet, nicht 
aber von einer besonderen Verbindung mit Christo, wie dies in 
der Verheißung an Pergamus und selbst an die Getreuen in 
Sardes und Thyatira der Fall war. Die Freude einer persönlichen Vertraulichkeit, dies ausschließliche Teil der Braut, wird 
hier nicht als Beweggrund vorgestellt. Mit Christo zu regieren, 
ist nur ein öffentliches Zeichen der Belohnung und der Herrlichkeit; etwas ganz anderes aber ist die innige Vertraulichkeit, 
die durch „das verborgene Manna" und „den weißen Stein" 
ausgedrückt wird. Die, welche das Anklopfen gehört und dem 
durch die Gnade Folge geleistet haben, gehen in die himmlische 
Herrlichkeit ein; sie haben überwunden, und der Lohn, der 
darin besteht, mit Ihm auf Seinem Thron zu sitzen, kann ihnen 
73 
deshalb nicht ausbleiben. Auch haben sie Teil an der ersten 
Auferstehung und somit Teil an der Herrschaft mit dem Christus. Indessen kann man von den beiden Zeugen in Offb 11 
dasselbe sagen. „Sie stiegen in den Himmel hinauf . . . und es 
schauten sie ihre Feinde". Sie sitzen auf Thronen; sie erhalten 
ihre Belohnung, die sich aber darauf beschränkt, daß sie einen 
Platz in der Herrlichkeit haben; dagegen hören wir nichts von 
der philadelphischen Innigkeit der Beziehungen, von einer besonderen Wonne, die Christus darin findet, die geliebte Versammlung bei Sich zu haben, und welche die Versammlung 
ihrerseits genießt in dem Besitz ihres geliebten Herrn. Immerhin aber haben sie ihren Platz in der Herrlichkeit. 
Das feierliche Zeugnis des Herrn, daß die bekennende Kirche 
aus Seinem Munde ausgespien werden soll, sollte unsere Herzen mit weit mehr Betrübnis erfüllen, als der Gedanke an das 
Gericht über die Welt; denn für das Herz hat es einen viel 
schrecklicheren Charakter, als selbst das Gericht über den Antichristen, weil es etwas betrifft, das den Abscheu Christi erregt, 
das Ihn anekelt, da es früher in einer äußeren Verbindung mit 
Ihm gestanden hat. Und wie wichtig ist dies, wenn wir bedenken, daß wir mitten darin leben! Wenn ich von der bekennenden Kirche unserer Tage rede, so verstehe ich darunter das, was 
man gewöhnlich die Christenheit nennt, was den Namen 
Christi trägt, während es ihn in den Werken verleugnet. Gerade das, was einst bekannt hat, in Verbindung mit Ihm zu 
stehen, wird von dem Herzen, dem Geiste und dem Wesen 
Christi, als Seinen Abscheu erregend, völlig verworfen. 
Der Judaismus und das Namenchristentum werden am Ende 
weit mehr miteinander verbunden sein, als man im allgemeinen 
denkt. Das Lamm mit den zwei Hörnern, der falsche Prophet 
der Offenbarung, wird seine Macht zu Gunsten des römischen 
Kaisers verwenden. Von Anfang an trug das Verderbnis in der 
Kirche diesen doppelten Charakter; zunächst des Götzendienstes, der Anbetung der Engel usw. und dann des Judaismus. So 
lesen wir z. B. im Kolosserbrief: „Sehet zu, daß nicht jemand 
sei, der euch als Beute wegführe durch die Philosophie und 
eitlen Betrug". „So richte euch nun niemand über Speise oder 
Trank oder in Ansehung eines Festes oder Neumondes oder 
von Sabbathen . . . Laßt niemand euch um den Kampfpreis 
bringen, der seinen eigenen Willen tut in Demut und Anbetung 
74 
der Engel" (Kol 2, 8. 6. 18). Die Galater beobachteten, von den 
Juden überredet, „Tage und Monate und Zeiten und Jahre". 
Von jeher war die Neigung vorhanden, das Christentum mit 
dem Judentum zu vereinigen. Nachdem aber das Judentum von 
Gott beiseitegesetzt ist, ist es um kein Haar besser als das 
Heidentum (vgl. Gal 4, 8—10). Eine Religion des Fleisches, eine 
heidnische Anbetung der Engel, Philosophie und eitler Betrug 
einerseits, und das Judentum, das Tage, Monate und Jahre beobachtet, andererseits, drangen von Anfang an in die Kirche ein 
und veranlaSten den Apostel Paulus, die Gläubigen vor der 
Rückkehr zu den armseligen Elementen der Welt und vor dem 
jüdischen Joch zu warnen, von dem sie befreit worden waren. 
So schreibt er an die Galater: „Da ihr Gott erkannt habt . . . 
wie wendet ihr wieder um zu den schwachen und armseligen 
Elementen, denen ihr wieder von neuem dienen wollt?" 
Gott hatte in Israel dem Fleische Gelegenheit gegeben, zu 
zeigen, daß nichts Gutes in ihm wohnt; Er hatte den Juden 
gestattet, der Richtung einer jeden menschlichen Religion zu 
folgen; indem Er ihnen das Gesetz, Satzungen, reiche Kleider, 
prächtige Gebäude, Posaunenschall und dergleichen gab. Aber 
dann kam Christus, und „Er ist des Gesetzes Ende, jeglichem 
Glaubenden zur Gerechtigkeit". Durch diese Gerechtigkeit 
waren die Galater von ihrer heidnischen Unwissenheit und 
ihren falschen Göttern befreit worden; aber sie wandten sich 
wieder zurück, denn indem sie die jüdischen Grundsätze annahmen, kehrten sie — als wenn sie noch im Fleische in der 
Welt lebten — tatsächlich zu ihrem alten Heidentum zurück, 
dessen Wesen die Religion des Fleisches ist. Als Vorbilder 
konnte Gott die jüdischen Anordnungen benutzen, um den 
Menschen auf die Probe zu stellen, bis der verheißene Same 
gekommen wäre; nachdem dieser aber gekommen ist, haben 
diese Formen denselben Charakter, wie diejenigen des Heidentums; beide sind ganz und gar „ohne Gott" und dienen nur der 
Gerechtigkeit des Fleisches, das alles eifrig benutzt, was ihm 
einen schönen Anschein geben kann. Diese Flut des Verderbens, die von Anfang an in die Kirche eingedrungen ist — die 
Rückkehr zu den armseligen Elementen, die Religiosität des 
Fleisches, die in Zeremonien und Satzungen ihre Ruhe findet 
und alles andere eher sucht, als Augensalbe — wird bis ans 
Ende stetig zunehmen. Die Grundsätze einer solchen Religion 
75 
sind überall die gleichen, und so wird sie sich mit dem verbinden, was der Form nach das Judentum ist; ebenso wird sich 
das Judentum seinerseits am Ende mit dieser Religion in dem 
Charakter des ausgeprägtesten Götzendienstes vereinigen. Die 
falsche Religiosität unserer Tage hat den Charakter des Judentums; man begnügt sich damit, die Form der Gottseligkeit zu 
haben, ohne ihre Kraft zu besitzen. 
Dieser Grundsatz des babylonischen Götzendienstes ist es, 
der am Ende durch das Tier herrschen wird. Der Geist des Unglaubens wird alles annehmen, das Judentum sowohl als das 
babylonische System, nur nicht die Wahrheit, und die Folge 
wird sein, daß die ungläubigen Juden durch die babylonische 
Macht verführt werden. Diese wird im Osten die Formen des 
Judentums annehmen, während im Westen die Formen des 
babylonischen Götzendienstes unverhüllt hervortreten wird. 
Wie überaus ernst ist der Gedanke, daß diese Welt, durch die 
wir gehen, der Schauplatz solcher Ereignisse sein wird! Wie 
sehr der Mensch sich jetzt auch dieser bekennenden Kirche rühmen mag, am Ende wird sie dennoch aus dem Munde Christi 
ausgespien werden, — sie, die sich anmaßt, die volle Macht des 
Heiligen Geistes zu besitzen, während ihr alles mangelt, was 
Christum in Seinem Wert anerkennt, dagegen sich selbst allen 
Wert beimißt und sich dadurch Anerkennung verschafft. 
Möge uns der Herr in der Stellung von Philadelphia bewahren, so daß wir, wenn auch die Kraft gar klein ist, das Wort 
Seines Ausharrens bewahren! Möge Er uns erhalten in dem 
empfundenen Genuß unserer vollkommenen Verbindung mit 
Ihm, der eine offene Tür vor uns gegeben hat und der sie offen 
halten wird, bis Er kommt, um uns zu Sich aufzunehmen! 
Anhang 
Die vorstehenden Betrachtungen sind Auszüge aus einer 
Reihe von Vorträgen und hatten die praktische Erbauung der 
Heiligen Gottes zum Zweck. Es ist deshalb in ihnen nicht die 
Rede von den verschiedenen aufeinanderfolgenden Zuständen 
der Kirche, auf die der moralische Zustand einer jeden der sieben Versammlungen seine Anwendung findet. Zur Ausfüllung 
dieser Lücke mögen die nachfolgenden kurzen Bemerkungen 
dienen. 
76 
Der Leser wird sich erinnern, daß wir in den Sendschreiben 
niemals der wirkenden Macht des Geistes Gottes, welche die 
Quelle der Segnung der Versammlung ist, begegnen, sondern 
daß es sich in ihnen vielmehr stets um die Form oder den Zustand der bekennenden Kirche handelt, nachdem diese Macht 
des Geistes wirksam gewesen und die Verantwortlichkeit des 
Menschen eingetreten ist. Es mag sich ein gewisses Maß von 
Segnung oder eine große Strafbarkeit vorfinden, aber nie kann 
die wirkende Macht des Heiligen Geistes Gegenstand des Gerichts sein. 
Schon die erste Versammlung (Ephesus) zeigt das Abweichen 
der Gläubigen von ihrem ersten gesegneten Zustand, den die 
Macht des Heiligen Geistes hervorgebracht hatte. Dieser Umstand bezeichnet hinlänglich den Zeitabschnitt, auf den sich das 
Sendschreiben bezieht. Zugleich deutet es in allgemeiner Weise 
das Endergebnis an, das für die ganze bekennende Kirche daraus hervorgehen muß, daß sie die erste Liebe verlassen hat. Die 
Kirche wird hier betrachtet als ein von Gott in der Welt aufgerichtetes System, als ein Licht in der Welt, nicht aber in ihrer 
vollkommen sicheren Stellung, als der wahre, lebendige Leib 
Christi, der nach der Kraft der Erlösung durch die unfehlbare 
Macht Christi sichergestellt ist. 
Die Kirche verließ ihre erste Liebe, und dies bewies, daß der 
Mensch in der Segnung, unter die Gott ihn gestellt hatte, nicht 
geblieben war. Der Herr kündigt nun der Kirche, in ihrer Stellung in der Welt betrachtet, an, daß sie hinweggetan werden 
würde, wenn sie nicht zu ihren ersten Werken zurückkehre. 
Das also war schon ihr Zustand in den Tagen der Apostel unmittelbar nach ihrer Gründung. — So ist der Mensch. — Das an 
Ephesus gerichtete Schreiben spricht von Verantwortlichkeit im 
Blick auf die der Kirche zuteil gewordene Gabe des Heiligen 
Geistes, redet von ihrem Verfall und droht ihr an, sie hinwegzutun, wenn sie nicht zu ihrem ersten Zustand zurückkehrt. Sie 
wird ermahnt, die ersten Werke zu tun, des Werkes des Heiligen Geistes zu gedenken, wie es sich im Anfang in ihrer Mitte 
geoffenbart hatte. Wohl war noch manches Gute in Ephesus 
vorhanden; unter anderem konnten sie die Bösen nicht ertragen 
und verurteilten die, die sich anmaßten, mit Autorität zu lehren; in Wirklichkeit aber hatte sich ihr Herz von Christo entfernt. 
77 
Dieser Zustand führte bald Trübsale für die Kirche herbei, 
wenn auch nur für eine beschränkte Zeit (Smyrna). Die Armen 
der Herde, die Getreuen, wurden den verleumderischen Anklagen derer ausgesetzt, die vorgaben, ein wohlbegründetes Recht 
zu haben, sich Gottes Volk zu nennen; zugleich kamen Verfolgungen von außen über sie. Dieser Zustand dauerte von 
Nero bis auf Diokletian. 
Nach diesem charakterisierte ein anderer Zustand der Dinge 
die Kirche. Sie war durch die Verfolgung hindurchgegangen, 
und manche hatten als treue Märtyrer ihr Leben gelassen. Die 
Welt, ihr irdischer Wohnort, hatte sich als ihre Feindin erwiesen. Jetzt aber drangen Lehren in die Kirche ein, die sie zur 
Verbindung mit der Welt führten; sie wurde dahin gebracht, 
Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen (Pergamus). Das 
gleiche hat einst Balaam Israel gegenüber getan. Da er es als 
Feind nicht verfluchen noch verderben konnte, gab er als angeblicher Freund Israels dem Feind Ratschläge zum Verderben 
Israels. Auch wurden Lehren in der Kirche verbreitet, die zu 
bösen Werken führten, welche die Verletzung unmittelbarer, 
moralischer Bande guthießen, Es ergeht deshalb der Ruf an die 
persönlich Treuen, die sich inmitten dieses Bösen befanden, es 
zu verlassen. Dieser Zustand kennzeichnete die Kirche seit den 
Tagen Konstantins; obwohl er sich schon früher eingeschlichen 
hatte, entwickelte er sich doch erst von diesem Zeitpunkt an zu 
einem bestimmten System. Das Papsttum begann, innerhalb 
der bekennenden Kirche die Mutter von Kindern zu werden. 
Dies sehen wir deutlich in Thyatira. Jesabel ist nicht einfach 
eine Prophetin, welche die Knechte Gottes verführt, wie es die 
taten, welche die Lehre Balaams hatten, sondern sie ist die 
Mutter von Kindern. Alle, die sich mit ihr verbanden, sollten 
in große Drangsal kommen, ihre Kinder aber einem völligen 
Gericht anheimfallen. Schon hier wird die Aufforderung: „wer 
ein Ohr hat, höre", erst ausgesprochen, nachdem die „übrigen, 
die in Thyatira" sind, von der Masse unterschieden sind. In den 
drei ersten Sendschreiben richtet sich die Aufforderung an den 
ganzen Körper. Hernach aber, nachdem alle Buße verweigert 
und deshalb jede Hoffnung auf Wiederherstellung des Körpers, 
als eines Ganzen, verloren ist, wird die Ankunft Christi und 
die gänzliche Veränderung der gegenwärtigen Verwaltung den 
Heiligen als ihre Hoffnung vorgestellt. Meines Erachtens schließt 
78 
hier die allgemeine prophetische Geschichte des bekennenden 
Körpers in seiner Gesamtheit. 
Zunächst folgt jetzt der Protestantismus, ich sage nicht die 
Reformation, als ein Werk der Macht Gottes mittels des Heiligen Geistes, sondern der Protestantismus als das große öffentliche Resultat dieses Werkes unter den Menschen, inmitten der 
bekennenden Christenheit. Christus wird deshalb hier von 
neuem als Der vorgestellt, Der alles für die Kirche in Seiner 
Hand hält. Was die Kirche selbst betrifft, so hat sie den Namen, daß sie lebe, aber sie ist tot. Wir begegnen in Sardes nicht 
der Prophetin Jesabel, welche Kinder des Verderbnisses, der 
Hurerei und des Götzendienstes hervorbringt; sein Zustand 
besteht vielmehr darin, daß es nicht dem entspricht, was es 
empfangen und gehört hat. Es wird ihm daher angekündigt, 
daß es bei der Ankunft Christi zum Gericht behandelt werden 
wird wie die Welt (vgl. 1. Thess 5). Ich bemerke hier noch, daß 
diese allgemeinen Zustände, welche die Kirche charakterisieren, 
bis zum Ende ihren Fortgang haben; so der Zustand von Ephesus, Thyatira, Sardes, Philadelphia und selbstverständlich auch 
von Laodicäa, obwohl einige dieser Zustände erst spät beginnen mögen. 
Indessen sollte nicht alles in diesem Zustande von Sardes 
bleiben. Eine Wiederherstellung der Kraft sollte zwar nicht 
stattfinden — die sieben Geister und die sieben Sterne in der 
Hand Christi dienten, wenn ich so reden darf, zu nichts anderem als zur Verurteilung — aber es sollte ein Häuflein von Getreuen da sein, welches das Wort Christi bewahrt und Seinen Namen nicht verleugnet, das allerdings nur eine kleine Kraft 
besitzt, aber eine geöffnete Tür vor sich hat. Der Charakter Christi und nicht Seine Macht wird in dem Sendschreiben an 
Philadelphia in den Vordergrund gestellt und der Heilige Geist bezeichnet Festigkeit, Gehorsam, Abhängigkeit und ein treues 
Bekennen Christi als die Eigenschaften derer, die Christus einst darstellen wird als die, welche Er geliebt hat. Sie werden durch 
die Zusicherung, daß Er bald kommt, gestärkt und getröstet. 

Nach der Offenbarung dieser Verachteten von Philadelphia wird uns in Laodicäa gezeigt, was das Ende des allgemeinen, 
bekennenden Körpers sein wird. Sein Zustand kennzeichnet sich nicht so sehr durch das Verderben Jesabels, als durch eine 
abscheuerregende Lauheit, eine hohe Meinung von sich selbst und seinem vermeintlichen Reichtum, während in Wahrheit 
göttliche Gerechtigkeit, geistliche Unterscheidung und die Früchte eines geistlichen Charakters völlig fehlen. Die in diesem Zustand befindliche Kirche wird aus dem Munde Christi ausgespien werden. Das ist das Ende der bekennenden Welt, 
insoweit sie sich von Jesabel unterscheidet. So geben uns die sieben Sendschreiben in großen Zügen die Geschichte der bekennenden Kirche von den Tagen der Apostel bis dahin, wo sie gänzlich verworfen oder durch Gott gerichtet wird. Dieses Gericht wurde schon Ephesus angekündigt, es wird aber erst ausgeführt werden in Jesabel und Laodicäa, nachdem Gott eine bewunderungswürdige Geduld bewiesen hat.

 Schließlich nimmt Christus in dem Charakter, unter dem Er Sich in dem Sendschreiben an Laodicäa ankündigt, den Platz des Zeugnisses ein, 
das die Kirche nicht vermocht hat, aufrechtzuerhalten. —Möchte 
der Herr uns allen die Gnade schenken, in der gegenwärtigen 
Zeit einen wahrhaft philadelphischen Charakter zu erweisen. 
Gestorben und auferweckt 
In Form eines Zwiegesprächs 
Bist Du errettet? 
Ich hoffe es einst zu werden. 
Soll ich diese Antwort so verstehen, daß Du noch nicht errettet bist? 
Ich denke, daß niemand das Recht hat, etwas bestimmt zu 
behaupten, was erst am Tage des Gerichts offenbar werden 
wird. 
Ganz recht; aber was willst Du auf Worte erwidern, wie: 
„Dies habe ich euch geschrieben, auf daß ihr wisset, daß ihr 
ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes 
Gottes"; „wir wissen, daß wir aus Gott sind"; „wir wissen, 
daß wir aus dem Tode in das Leben übergegangen sind" (1. Joh 
5, 13. 19; 3, 14)? Dies sind Worte, die der Heilige Geist durch 
den Mund des Apostels Johannes zu den Gläubigen jener Zeit 
redete. 
80 
Ich muß gestehen, daß ich um eine Antwort verlegen bin; 
und wirklich, wenn meine Errettung abhängig ist von dem bestimmten Bewußtsein, daß ich das ewige Leben besitze, dann 
bin ich nicht errettet. 
Du verstehst mich falsch. Eine Tatsache hängt nicht von der 
Kenntnis ab, die ich von ihr habe, wohl aber die Kenntnis von 
dem Vorhandensein der Tatsache; oder mit anderen Worten: 
Wenn jemand errettet ist, so darf man erwarten, daß er dies 
mit Bestimmtheit weiß, obwohl niemals die vollkommenste 
Erkenntnis jemanden erretten kann. Nur der Glaube an das 
Blut Jesu Christi ist dazu imstande. Ich habe jene Verse deshalb 
angeführt, weil Du zu verstehen gabst, man könne vor dem 
Tage des Gerichts nicht wissen, ob man errettet sei, während 
der Apostel behauptet, daß die Personen, an die er schrieb und 
die damals auf der Erde lebten, errettet waren und dies auch 
wußten. Da nun die Schrift ebensowohl für uns wie für jene 
geschrieben ist, so folgt daraus, daß auch heute noch jedes Kind 
Gottes die Gewißheit seiner Errettung haben kann. 
Ich sehe ein, daß diese Gewißheit sehr wünschenswert ist 
und ihr Besitz mich sehr glücklich machen würde. Aber sage 
mir, warum dringst Du so sehr darauf, daß ich diese Gewißheit 
erlange? 
Weil ich weiß, daß, so lange dieser Punkt nicht geordnet ist, 
das kostbare Werk Christi von Dir nicht verstanden wird, und 
Du Dir es nicht zugeeignet hast. 
Aber ich glaube an Christum. 
Daran zweifle ich nicht; aber es gibt Tausende und Millionen 
in der Christenheit, die auch bekennen, zu glauben, die aber 
dennoch nicht errettet sind. 
Das ist wahr, aber ich glaube, daß Christus für Sünder gestorben ist. 
Auch das glaubt der größte Teil der Christenheit, und darum 
hält die Christenheit so streng auf die Feier des Karfreitags. 
Das ist bei den meisten zur bloßen Gewohnheitssache geworden; aber ich versichere Dir, daß ich es aufrichtig meine. Ich 
weiß, daß ich ein Sünder bin, daß ich nötig habe, errettet zu 
werden, und ich weiß, daß nur Christus es ist, Der mich erretten 
kann. Wenn ich je errettet werde, so ist es Sein Werk, und nicht 
meins; darüber bin ich völlig klar. 
81 
Ich glaube, daß Du es aufrichtig meinst, ja noch mehr: Wenn 
ich Dich nicht für ein Kind Gottes hielte, würde ich nicht in 
dieser Weise mit Dir reden. 
Glaubst Du denn, daß ich errettet bin? 
Würde es eine Beruhigung für Dich sein, wenn ich es glaubte? 
In gewisser Beziehung, ja. Du sprichst so überzeugend und 
führst Stellen an, auf die ich unmöglich antworten kann, so daß 
ich Deiner Meinung unwillkürlich einiges Gewicht beilegen 
muß. 
Ach! mein lieber Freund, meine Gedanken über Dich sind 
von geringer Wichtigkeit und können Dir keinen wahren Frieden geben. Dein Glaube darf nicht auf meinen Worten, sondern einzig und allein auf dem Wort Gottes ruhen. Und nun 
höre, was der Herr Jesus sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage 
euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt 
hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er 
ist aus dem Tode in das Leben übergegangen" (Joh 5, 24). 
Könnte es etwas Einfacheres und Bestimmteres geben als diese 
Erklärung? 
Wahrlich, diese Worte sind so klar, daß ich anfange, mich 
vor mir selbst zu schämen. 
Das freut mich aufrichtig; und da Du mir so viel bekannt 
hast, so will ich Dir ein Geheimnis mitteilen, das Dich persönlich betrifft und von dem Du mir nichts gesagt hast. 
Und was sollte das sein? 
Höre mir zu: Du findest in Dir selbst viele Mängel, Unvollkommenheiten, Widersprüche und dergleichen, und so oft Du 
bestimmt sagen willst: „ich bin errettet", stellt sich dies alles 
vor Deine Augen und verurteilt Dich. 
Ja, Du hast Recht. 
Noch mehr: es gibt eine Menge von mehr oder weniger 
starken Vorurteilen und Widersprüchen in Dir, die Du nicht 
loswerden kannst. Und selbst wenn Du wüßtest, wie Du sie 
loswerden könntest, würdest Du Dich dennoch bedenken, ob 
Du sie, nachdem sie Dir bekannt und lieb geworden sind, rückhaltlos fahren lassen solltest. Ist es nicht so? 
Ich muß bekennen, daß Deine Worte meinen Zustand klar 
kennzeichnen. Ich hätte es nicht gewagt, ihn vor mir selbst, 
noch weniger vor Dir einzugestehen; aber da Du jetzt mein Geheimnis erraten hast, so sage mir, was ich machen soll. Seit 
82 
mehreren Monaten lastet es auf mir wie ein schwerer Druck. 
Zuweilen glaube ich, errettet zu sein; wenn ich dann aber auf 
mein Verhalten blicke, gerate ich wieder in die größte Verwirrung. Ich schäme mich, es sagen zu müssen, aber ich habe zu 
verschiedenen Malen eine Unterhaltung mit Dir angeknüpft, in 
der Hoffnung, Dich in jener Gewißheit, die Du besitzest, die 
mir aber noch fehlt, wankend zu machen. Das war schlecht, ich 
fühle es; aber da wir einmal an dieser Sache sind, so ist es 
besser, ich gestehe alles ein. 
Du tust recht daran, denn nichts erleichtert das Gewissen 
mehr, als ein aufrichtiges Bekenntnis; nur sollen wir vor allen 
Dingen Gott bekennen. Johannes sagt in bezug darauf: „Wenn 
wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er 
uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit". 
Ich bin überzeugt, daß alles, was Du mir sagst, wahr ist, da 
Du mich stets auf Gottes Wort hinweisest, und ich fühle, daß 
Gott an mich gedenkt und mich liebt, da Er sonst Seinen Sohn 
nicht für mich hingegeben haben würde. Was mich aufhält, sind 
meine verkehrten Wege. Ich kann nicht vor Gott meine Knie 
beugen, nachdem ich vielleicht soeben erst zornig oder ungeduldig gewesen bin. Ich würde mich für einen Heuchler halten, 
wenn ich es täte. 
Ich meine nun, daß gerade dann der passende Augenblick 
gekommen wäre, um Dich vor Gott niederzuwerfen. 
In gewissem Sinne, ja. Aber wenn ich nun niederknie und 
um Vergebung bitte, weil ich mich vergessen habe, indem ich 
mir bewußt bin, daß ich mein letztes Versprechen, besser zu 
handeln, nicht gehalten habe und außerdem von vornherein 
weiß, daß ich auch meine neuen Versprechungen, trotz aller Anstrengung, sie zu halten, brechen werde, bevor der Tag vergeht 
— sieht es dann nicht wie Hohn aus, wenn ich noch bete? Und 
dennoch kann ich andererseits nicht ehrlich sagen, daß ich errettet bin, wenn ich das Gebet vernachlässige. 
Mein lieber Freund, ich fühle tief mit Dir, da ich das Bittere 
einer solchen Stellung an mir selbst erfahren habe. Aber, Gott 
sei Dank! ich kann Dir den Weg der Befreiung zeigen, der Dir 
nicht nur für einige Augenblicke Erleichterung, sondern eine 
vollkommene Freiheit zu geben vermag. Zunächst hast Du bis 
heute ganz irrige Vorstellungen über das Werk Christi und 
83 
über Deine eigene Stellung gehabt. Obwohl Du weißt, daß Du 
von Natur ein Sünder und tot in Übertretungen und Sünden 
bist, hast Du dennoch geglaubt, Christus sei gekommen und 
am Kreuz gestorben, um Dich, den Sünder, fähig zu machen, 
Deinen Zustand zu verbessern und Werke der Gerechtigkeit 
statt der bisherigen Werke der Ungerechtigkeit zu tun. Du hast 
gemeint, ein schlechter Baum könne durch geschickte Behandlung dahin gebracht werden, daß er gute Früchte trage. Du hast 
die Tatsache völlig aus dem Auge verloren, daß der Mensch als 
Kind des ersten Adam durchaus verderbt ist, und hast vergessen, daß Gott erklärt hat, Du müßtest von neuem geboren 
werden. Wenn eine solche allmähliche Vervollkommnung der 
alten Natur möglich wäre, dann würde eine neue Geburt nicht 
nötig sein. Du hast gerade wie Nikodemus gedacht: „Wie kann 
ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?" Aber wenn Gott 
sagt, daß eine neue Geburt notwendig sei, so ist es offenbar, 
daß Er an die Verbesserung der alten Natur nicht denkt. Was 
vom Fleische geboren ist, ist Fleisch. Man kann es ausbilden 
und verfeinern; es kann religiös, moralisch und ehrbar sein, ja 
es kann das Christentum angenommen haben, getauft sein und 
von Zeit zu Zeit das Abendmahl empfangen — es kann alle 
diese Dinge nach seinen Gedanken angenommen haben und 
ausüben, aber dennoch hat es nicht einen einzigen Schritt über 
das Fleisch hinaus gemacht, und das Wort Gottes sagt: „Die 
aber, welche im Fleische sind, können Gott nicht gefallen" 
(Röm 8, 8). 
Wenn das wahr ist, und es scheint die Wahrheit zu sein, wer 
kann dann errettet werden? 
Jeder, der von neuem geboren ist, ist errettet. 
Aber ich habe bisher gemeint, ich sei von neuem geboren. 
Ich habe an Jesum, den erhöhten Sohn des Menschen, geglaubt, 
und Er Selbst versichert mir in Seinem Wort, daß alle, die an 
Ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben. 
Ich glaube in Wahrheit an Ihn. Ich habe keine andere Zuflucht, 
keine andere Hoffnung. Kann ich nun nicht sagen, daß ich von 
neuem geboren bin? 
Sicher kannst Du dies sagen, und ich danke Gott, daß Er 
unsere Unterhaltung dazu dienen läßt, Deinen Glauben so deutlich ans Licht zu stellen. Ich freue mich, in Deiner Seele eine 
göttliche Grundlage zu finden, auf der weitergebaut werden 
84 
kann, und wenn Du nur Deine vorgefaßten Meinungen fahren 
lassen und mit Unterwürfigkeit auf das Wort Gottes lausdien 
willst, so wirst Du bald Deine wahre Stellung vor Gott erkennen, und alles Übrige wird Dir dann klar und einfach werden. 
— Ich beginne mit dem Throne Gottes. 
Wie? mit dem Throne Gottes? Ich hätte geglaubt, Du würdest von dem Kreuze ausgehen. 
Ja, wenn der Herr Jesus noch an dem Kreuze hinge. Aber Er 
hat mit dem Kreuz abgeschlossen, so gesegnet die Folgen des 
dort vollbrachten Werkes auch sein mögen. Er hat dort die 
Frage der Sünde in Ordnung gebracht, eine Frage, die für den 
Gläubigen nicht wieder aufgeworfen werden kann. Dort hat Er 
die Heiligkeit des Charakters Gottes aufrechtgehalten, indem 
Er, der Sohn Gottes, der Reine und Heilige, ein Opfer wurde, 
um die Schöpfung von der häßlichen Befleckung der Sünde zu 
reinigen. Dort wurde von Ihm die Schranke weggenommen, die 
den Strom der Liebe und der Gnade Gottes zurückhielt. Dieser 
Strom war zwar von jeher bereit, zu fließen, wurde aber bis 
dahin zurückgehalten, weil Gott infolge Seiner unbeflecklichen 
Heiligkeit und Gerechtigkeit Seiner Liebe nicht freien Lauf lassen konnte, Er hätte dann die Augen vor der Sünde verschließen müssen, was gerade das Gegenteil von allem gewesen wäre, 
was Gott ist. Auf dem Kreuz machte Jesus nicht nur alles wieder 
gut, was der Mensch unter der Leitung Satans verdorben hat, 
sondern Er vollbrachte auch ein Werk, durch das Gott völlig 
verherrlicht wurde, und zwar in einer Weise, die man nur ermessen kann nach dem Wert und der Vorzüglichkeit Dessen, 
Der dort am Kreuze starb. Durch alle Zeitalter der Ewigkeit 
hindurch wird das auf Golgatha vollbrachte Werk in hervorragender Weise die Bewunderung und Anbetung aller Erlösten 
wachrufen, und es wird die höchste Herrlichkeit Dessen bilden, 
Welcher der Gott der Herrlichkeit ist. Doch vor allem möchte 
ich Deine Aufmerksamkeit auf die Auferstehung des Herrn 
richten, eine Wahrheit, deren Tragweite man fast gänzlich aus 
dem Auge verloren hat, wodurch die Herrlichkeit des Kreuzes 
verdunkelt wird, gerade so wie eine Wolke den Glanz der Sonne verdunkelt. Durch die Auferstehung erhalten alle die kostbaren Resultate des Werkes Christi gleichsam erst ihre Wirksamkeit und Gültigkeit, wie denn der Apostel Paulus zu den 
Korinthern sagt: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, so ist 
85 
euer Glaube eitel, ihr seid noch in euren Sünden" (1. Kor 15, 
17). Ehe Christus starb, rief Er aus: „Es ist vollbracht" (Joh 19, 
30). Das Werk, das der Vater Ihm zu tun gegeben hatte, war 
vollendet. Köstlich für uns, doch noch köstlicher für Gott! In 
der Auferstehung nun sehen wir Ihn, als den Erstgeborenen, 
als das Haupt der neuen Schöpfung (Kol 1, 18). Nachdem Er 
durch den Tod gegangen ist und für immer die Frage der Sünde 
in Ordnung gebracht hat, hat Er Seinen Platz auf dem Throne 
Gottes eingenommen, und dort ist jetzt der Ausgangspunkt für 
jeden Gläubigen. Setzt dieses das Kreuz beiseite? 
Nein, durchaus nicht. Aber alles, was Du sagst, ist völlig neu 
für mich, so neu, daß ich es kaum zu fassen vermag. 
Natürlich; alles ist neu in der neuen Schöpfung. Du bist an 
die alte Schöpfung gewohnt gewesen und nie über das Kreuz 
hinaus gekommen. Das Kreuz bildete gleichsam den Abschluß 
der alten Schöpfung, das Ende des ersten Bandes, wenn ich 
einen bildlichen Ausdruck gebrauchen darf. Der zweite Band 
beginnt mit der Auferstehung Jesu aus den Toten am ersten 
Tage der Woche. Sobald der Herr das Grab verlassen hatte, 
konnte Er die Maria Magdalena mit der Botschaft an die Jünger senden: „Gehe hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: 
Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott". 
Wo ist denn die Sünde? 
Sie ist gerichtet und hinweggetan (Röm 8, 3 ; 2. Kor 5, 21). 
Wo aber ist das Fleisch geblieben? 
Es ist gekreuzigt samt seinen Leidenschaften und Lüsten 
(Gal 5, 24). 
Wo ist denn der Tod? 
Sowohl der Tod ist zunichtegemacht (2. Tim 1, 10) als auch 
„der, welcher die Macht des Todes hat, das ist der Teufel" 
(Hebr 2, 14). 
Wo aber bin ich? 
In Christo; gestorben und auferweckt mit Ihm (Kol2,12.13; 
3, 1—4), versetzt in Christo Jesu in die himmlischen örter 
(Eph 2, 6). „Daher, wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue 
Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden" (2. Kor 5, 17). 
86 
Wie herrlich ist das! Das Alte vergangen, alles neu geworden! Wie wunderbar! Aber sage mir: Wie kommt es, daß diese 
köstlichen Wahrheiten nicht allgemein bekannt sind? 
Die Einführung menschlicher Gedanken und Meinungen an 
Stelle des klaren Wortes Gottes hat eine falsche, unvollkommene und ungenügende Lehre hervorgebracht. Im Anfang war 
es nicht so. 
Wie? Predigten denn die Apostel nicht das Kreuz? 
Ganz gewiß; aber sie taten noch mehr als das. Da das Werk 
des Kreuzes eine vollbrachte Tatsache war, wurde die Auferstehung der Hauptgegenstand ihrer Predigten. Sie „verkündigten die Auferstehung der Toten im Namen Jesu" (Apg 4, 2); 
„sie gaben mit großer Kraft Zeugnis von der Auferstehung des 
Herrn Jesu" (Apg 4, 33). Die Athener sagten von dem Apostel 
Paulus: „Er scheint ein Verkündiger fremder Götter zu sein; 
weil er ihnen das Evangelium von Jesu und der Auferstehung 
verkündigte" (Apg 17, 18). „Und als sie von der Auferstehung 
aus den Toten hörten, spotteten die einen, und die anderen 
sprachen: wir wollen dich darüber nochmals hören" (Apg 17, 
32). Aus diesen Stellen, die ich leicht vervielfältigen könnte, 
siehst du, daß die Auferstehung die hervorragende Wahrheit 
war, welche die Apostel verkündigten. 
Aber sie verkündigten doch auch die Kreuzigung? 
Allerdings; aber beachte wohl den Gegensatz. Der Mensch 
tötete Jesum auf der Erde, Gott aber erhob Ihn zu Seiner Rechten in die himmlischen örte r und machte Ihn zum Herrn und 
Christus (Apg 2, 36). 
Vergib mir, wenn ich so zähe an dem Kreuze festzuhalten 
scheine. Aber hast Du nicht soeben gesagt, daß das Kreuz das 
Ende der alten Schöpfung sei? 
Du kannst in betreff des Kreuzes nie zu unnachgiebig sein. 
Ohne das am Kreuz vollbrachte kostbare Werk wären wir, Du 
und ich, noch tot in unseren Sünden, noch unter dem gerechten 
Zorn Gottes und ständen noch in der Erwartung der Verdammnis der Hölle. Ohne das Kreuz wäre Gott in der Schöpfung entehrt geblieben; aber jetzt ist Er durch das Kreuz unermeßlich 
verherrlicht worden, und dies ist eine Tatsache von unendlich 
größerer Bedeutung, als unsere Errettung, obgleich durch die 
Weisheit und Gnade Gottes diese beiden Dinge miteinander 
verbunden sind, das eine ist mittels des anderen vollbracht 
87 
worden. Wenn ich nun sage, das Kreuz habe der alten Schöpfung ein Ende gemacht, so spreche ich davon als von dem Platz, 
wo der Mensch seinen Heiland gekreuzigt hat. Wir dürfen 
jedoch nicht vergessen, daß der bestimmte Ratschluß und die 
Vorkenntnis Gottes sich gegen diese Bosheit des Menschen 
vorgesehen hatten; denn während der Mensch als Mensch sein 
eigenes Verderben besiegelte, indem er Jesum an das Kreuz 
nagelte, machte Gott aus diesem Kreuz die Grundlage, auf der 
Er die neue Schöpfung aufrichten konnte; und die Auferstehung ist der offenbare Beweis davon. Ein Mensch kann nicht 
auferstehen, wenn er nicht vorher tot gewesen ist. 
Das verstehe ich; aber war ich denn tot? 
Das Wort Gottes sagt, daß der Mensch tot ist in Vergehungen und Sünden (Eph 2, 1); aber durch den Glauben an Den, 
Den Gott aus den Toten auferweckt hat, bist Du jetzt auferweckt, wie der Apostel in Kol 2, 12 sagt: „Mit ihm begraben in 
der Taufe, in welcher ihr auch mitauferweckt worden seid durch 
den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den 
Toten auf erweckt hat" (vgl. auch Joh 5, 24. 25). 
Bezieht sich diese Stelle denn nicht auf die Taufe? 
Allerdings; aber die Taufe ist nur das äußere Sinnbild eines 
unsichtbaren Aktes, der aber ebenso wirklich, ja noch wirklicher ist als das, was wir sehen. Die sichtbare Handlung stellt 
die unsichtbare des Glaubens vor. Der Herr Selbst setzte dieses 
Sinnbild ein, und es ist ebenso schön wie einfach. Wir sehen 
darin, wie der Herr in Seiner zärtlichen Sorge für uns Sich an 
unsere große Unfähigkeit, die göttlichen Dinge zu verstehen, 
erinnert hat, indem Er uns dieses Bild gab, um uns dadurch 
dessen Wesen und Inhalt verständlicher zu machen. Und wie 
köstlich ist es, daß Gott uns stets in diesem neuen Zustande, 
als auf erweckt mit Christo, betrachtet! Er sieht uns nicht mehr 
in unserem alten Zustand, sondern vollendet in Ihm. 
Aber nun erlaube mir noch die eine Frage: Was habe ich zu 
tun, wenn jetzt noch Sünden vorkommen? 
Sie gehören der alten Schöpfung an, und sie werden Dir, da 
Du im Lichte Gottes stehst, ebenso verabscheuungswürdig erscheinen, wie sie es vor Gott sind. 
Aber wird Gott nicht ihretwegen Rechenschaft von mir fordern? 
88 
Sicherlich; aber es besteht ein großer Unterschied zwischen 
der Rechenschaft, die Du als Erlöster, als Heiliger zu geben 
hast, und der Rechenschaft, die Du als ein Sünder oder als ein 
Verlorener schuldig wärest. 
Ich werde also niemals mehr als ein Sünder vor Gott gestellt 
werden? 
Niemals. Was Deine Stellung anbetrifft, so bist Du vor Gott 
stets als ein Heiliger, als ein Glied Christi, ein Kind der neuen 
Schöpfung, rein, fleckenlos, heilig und tadellos. 
Demnach hätte ich zwei Naturen, eine, die vom Fleische geboren ist, unrein, befleckt, sündig und der Erde angehörend, 
und eine andere, die von Gott geboren ist, rein, heilig, unbefleckt und dem. Himmel angehörend. 
Ja, die erste gehört der alten, die zweite der neuen Schöpfung 
an. Die erste wurde von Satan verderbt, die zweite ist die Frucht 
des Werkes Christi. Die erste ist befleckt durch den Ungehorsam, die zweite ist uns durch einen vollkommenen Gehorsam 
zuteil geworden. 
Aber wie wird diese neue Natur erhalten? 
Durch den Heiligen Geist, der ausdrücklich zu diesem Zweck 
und als Folge der Auferstehung Christi vom Himmel herniedergesandt worden ist. Er ist das lebendige Band, das unsere neue 
Natur hienieden mit Christo verbindet, Der zur Rechten Gottes 
sitzt. Jede Handlung, die wir persönlich als geistliche Menschen 
begehen, wird von dem Heiligen Geist, Der uns mit Christo 
verbindet, geleitet und beaufsichtigt. 
Aber ist nicht die alte Natur ein großes Hindernis für uns? 
Wirkt nicht Satan auf die alte Natur ein, wie der Heilige Geist 
auf die neue? 
Ganz recht. 
Aber dann muß ich noch einmal fragen: Wenn nun meine 
neue Natur die Handlungen der alten verabscheut, Handlungen, welche gewisse Personen Mängel nennen können, die ich 
aber ihrem wahren Namen nach Sünde nennen muß, sage mir, 
was soll ich denn mit diesen häßlichen Sünden anfangen? 
Bekenne sie Gott. Verbirg Ihm nichts. Das Blut Jesu Christi, 
das Dich einmal gereinigt hat, hat eine ewige Wirkung. Sein 
Werk kann nie wiederholt werden, es ist ein für allemal auf 
dem Kreuz vollbracht worden; aber Er fährt fort, uns auch 
praktisch rein zu erhalten; Er ist es, Der unsere Füße wäscht. 
 
„Wer gebadet, d. h. von neuem geboren ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein" 
(Joh 13, 10). Das Bekenntnis erhält die Seele in der wahren Abhängigkeit von Gott, und anstatt sich selbst zu rechtfertigen, 
rechtfertigt sie Gott in betreff der begangenen Sünden. Was Gott von Dir erwartet, ist, daß Du Deine Sünde richtest als 
Sünde, und zwar nach Seinem eigenen Urteil über sie; denn Er hat Dir eine neue Natur gegeben, welche fähig ist, die Sünde zu 
hassen, wie Er sie haßt. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und 
reinigt uns von aller Ungerechtigkeit" (1. Joh 1, 9). 
Oh, ich verstehe jetzt, was Du sagen willst; aber ich fürchte, daß ich noch wenig von den herrlichen Wahrheiten, die Du mir 
mitgeteilt hast, wirklich in meinem Innern aufgenommen habe. „Wer hat, dem wird gegeben werden, auf daß er mehr habe". 
Erwäge mit einem aufrichtigen Herzen die Wahrheiten, die Du heute gehört hast, und handle furchtlos danach. Schenke den 
Einflüsterungen Satans oder seiner Werkzeuge, die Dir sagen wollen, daß es Anmaßung sei, jene Wahrheiten anzunehmen, 
oder daß Du eine zu gute Meinung von Dir selbst habest usw., kein Gehör, sondern vergessend, was dahinten, und Dich ausstreckend nach dem, was vorne ist, jage, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in 
Christo Jesu (Phil 3, 14). 

Ja, das wünsche ich. Der Herr wolle mir Gnade geben, es auszuführen! Du hast mich wirklich sehr glücklich gemacht. 
„Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesum Christum" (1. Kor 15, 57)! 
Das Kämmerlein, der Kampfplatz des Glaubens (1. Samuel 17) 
David war in der geheimen Schule Gottes für den öffentlichen Dienst vorbereitet worden. Gott wird jeden, den Er in 
Seinem öffentlichen Dienst gebrauchen will, im geheimen dazu 
vorbereiten. In der Wüste hatte David die Hilfsquellen kennengelernt, die der Glaube in Gott besitzt. Er hatte den Löwen und 
den Bären erschlagen. 
90 
Sind unsere Fehler nicht deshalb so mannigfaltig, weil wir so 
wenig im geheimen mit dem lebendigen Gott verkehren? Unsere Stärke besteht darin, daß wir in Gemeinschaft mit Ihm wandeln. David war bereits durch allerlei Prüfungen hindurchgegangen und hatte den Gott kennengelernt, auf Den er vertraute. 
In der Wüste war etwas vorgegangen zwischen seiner Seele und 
Gott. Und wo, geliebte Freunde, lernt der Gläubige den Sieg 
gewinnen? Ich glaube da, wo kein Auge als dasjenige Gottes 
ihn sieht. In der stillen Zurückgezogenheit der Kammer, allein 
mit Gott, lernt er sich selbst erkennen, sich verleugnen und sein 
Kreuz aufnehmen; dort zeigt ihm Gott Seinen Weg, und alle 
Einbildungen schwinden; alles, was „sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes" (2. Kor 10,5), kommt ins Licht und wird verurteilt. Die Kammer ist der große Kampfplatz des Glaubens. 
Dort muß der Feind überwunden werden. Jeder, der viel im 
geheimen mit Gott verkehrt, kann keine fleischlichen Waffen 
gebrauchen, und dies zeigt uns, wie wichtig es ist, aus der Gegenwart des lebendigen Gottes hervor in unseren Dienst zu 
treten. Dann werden wir fähig sein, alle Anmaßungen des 
Fleisches niederzuhalten. Es ist wahrlich ein trauriger Anblick, 
wenn ein Gläubiger, gehüllt in die Waffen der Welt, in dem 
Namen des Herrn zu kämpfen versucht. 
David konnte zu Saul sagen: „Jehova, der mich aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat, 
er wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten" (V. 37). Er wußte, daß vor Gott das eine so leicht war, wie das andere. 
Wenn wir in Seiner Gemeinschaft sind, dann blicken wir nicht auf die Schwierigkeiten unseres Weges; denn was sind alle 
Schwierigkeiten für Ihn? Der Glaube mißt jede Schwierigkeit nach der Macht Gottes ab, und dann wird der Berg zur Ebene. 

Wir denken oft, daß in geringfügigen Dingen etwas weniger als die Allmacht Gottes genüge, und gerade dann kommen wir 
zu Fall. Sobald ich vergesse, durch den Glauben Gott in alle meine Wege zu bringen, werde ich in den kleinsten Dingen 
straucheln und fallen. Abraham konnte seine Familie und seines Vaters Haus verlassen und auf den Befehl Gottes ausziehen, 
nicht wissend, wohin er komme; sobald er aber eine Schwierigkeit nach seinen eigenen Gedanken und in seiner Weisheit abwog und nach Ägypten hinabzog, fiel er aus einem Fehler in den anderen.

Ist der Glaube in uns wirksam, so erkennen wir unsere eigene Schwachheit und erfahren, daß nichts Geringeres als die 
Macht Gottes uns befähigen kann, in irgendeiner Sache zu überwinden. Auf diese Weise ist der Glaube nicht gleichgültig 
gegen die Gefahr, da er weiß, was wir sind, aber er schreckt auch vor keiner Gefahr zurück, da er weiß, was Gott ist. 
„Wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?" (Hebräer 12, 7) 
Wir müssen uns wohl hüten, „Glaubensproben", so wertvoll und unentbehrlich sie auch für unsere Erziehung sind, mit der 
„Zucht" zu verwechseln. Im Grunde bildet das ganze Leben eines treuen Gläubigen eine fortgesetzte Prüfung seines Glaubens. Gott unterwirft den Glauben, den Er uns gegeben hat, mancherlei Übungen, die alle diesen Glauben stärken sollen, 
wie der Wind die Wurzeln der Bäume befestigt. Diese Übungen sollen zur Ehre und zum Lobe des Gebers alles Glaubens, des 
Spenders jeder Prüfung mitwirken. Niemals prüft Gott die ungläubigen Kinder der Welt. Das Kreuz Christi war das Endergebnis der letzten Probe, auf die das Geschlecht des ersten Adam gestellt wurde. Jetzt prüft Er nur den Glauben, nur Seine 
Kinder. „Und du, Jehova der Heerscharen, der du den Gerechten prüfest, Nieren und Herz siehst" (Jer 20, 12). Für uns 
Christen ist jede Prüfung, wenn wir anders in Unabhängigkeit von dem Fleische nach dem Geiste wandeln, eine Gelegenheit, 
um die Wahrheit des Wortes zu bezeugen: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben". Der Herr Jesus, Der uns zum Vater 
geführt hat, kann nicht anders, als den bis ans Ende erretten, der sich Ihm in allen Dingen übergibt. 

Es gibt zwei Gründe, um welcher willen Gott uns noch in der Welt läßt, nachdem wir Sein eigen geworden sind: unsere Erziehung und unser Dienst inmitten der Versuchungen und Fallstricke des christlichen Lebens. Hat man diese Gründe erkannt, so sind sie wohl geeignet, uns wachsam und eifrig für Sein Zeugnis und hingebend in bezug auf Seine Verherrlichung zu machen. 
Um uns zu erziehen, hält Gott uns in Seiner väterlichen Schule, in Seiner geduldigen, werten Zucht. Er will, daß wir 
wachsen in Seiner Erkenntnis, in dem vertrauten Umgang mit Ihm; mit einem Wort, Er will uns fähig machen, Ihn zu verehren und Ihm in gesegneter Weise zu dienen. Während der Christ hier weilt, befindet er sich in der Schule Gottes, seines 
Vaters, und dies ist die Schule des Heiligen Geistes: „Denn so 
viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne 
Gottes" (Röm 8, 14); und: „Ich sage aber: Wandelt im Geiste, 
und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen. Denn 
das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das 
Fleisch; diese aber sind einander entgegengesetzt, auf daß ihr 
nicht das tuet, was ihr wollt" (Gal 5,16. 17). 
Wären wir immer aufmerksam auf die Leitung des Heiligen 
Geistes durch das Wort und Ihm unterworfen, so würde der 
Vater nie gezwungen sein, durch die Umstände einzugreifen, 
und noch weniger die Rute zu gebrauchen; nichtsdestoweniger 
wirken alle diese Dinge zusammengenommen zu unserem Besten. Wenn wir die Schule Gottes verlassen, so treten wir in die 
Herrlichkeit ein, die wir mit Bestimmtheit erwarten. Es ist wahr, 
daß wir diese Herrlichkeit schon jetzt im Angesicht Jesu Christi 
im Glauben durch Geist und Wort genießen; aber dann wird es 
in Wirklichkeit der Fall sein, wir werden sie tatsächlich besitzen in den Wohnungen des Vaters und in Seiner Gegenwart. 
Doch fragen wir uns: Ist es wirklich schon hienieden unsere 
Freude, dieses wahre, ewige Glück im Glauben zu genießen? 
Ist es der Fall, so besitzen wir gewissermaßen schon den Himmel auf der Erde. „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht 
die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach 
demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den 
Herrn, den Geist" (2. Kor 3, 18). 
Nun aber sind Schule und Erziehung unzertrennlich mit der 
Zucht verbunden; denn in der Schule des Herrn ist außer dem 
Unterricht auch die Rute nötig (Hebr 12, 11). Wichtig ist, daß 
wir uns niemals entmutigen oder gar erbittern lassen, wenn es 
uns an einer Antwort auf gewisse Fragen fehlt, die unter jungen Schülern nicht ungewöhnlich sind, wie z. B.: Was hat der 
Herr mit mir vor? Weshalb führt Er mich gerade so? Warum 
93 
alle diese Umstände und Schwierigkeiten? — Ich will versuchen, im Folgenden zu zeigen, woher diese Fragen entstehen 
und wie sie in der Gegenwart Gottes zu beantworten sind. 
Unser Gott ist außerordentlich gnädig und langmütig. Zunächst läßt Er Warnungen in ungemein verschiedener Gestalt 
an uns gelangen (vgl. Hiob 33, 14 u. f.) wenn wir Neigung 
zeigen, einen verkehrten Weg einzuschlagen. Vernachlässigen 
oder verachten wir diese Warnungen, so folgen Verweise; Dornen, Hecken, Gräben, Hindernisse aller Art stellen sich uns in 
den Weg und durchkreuzen unsere Pläne, und wir können uns 
glücklich schätzen, wenn wir, dadurch aufmerksam gemacht, 
stillstehen und umkehren in heiliger Hast, um, wenn möglich, 
die verlorene Zeit wieder einzuholen. Verharren wir aber als 
unfolgsame Kinder trotz allem auf unserem schlechten Weg, so 
folgen die Gerichte, oder, wenn man will, die Strafen verschiedenen Grades. Ihr Zweck ist, uns in die Gegenwart Gottes, in 
die Abhängigkeit von Ihm zurückzuführen und uns Kraft zu 
geben, um uns zunächst selbst zu richten und dann zu bekennen und von unseren Übertretungen abzulassen. „Wer vollkommen wandelt, wird gerettet werden; wer aber verkehrt auf 
zwei Wegen geht, wird auf einmal fallen" (Spr 28, 18). „Wer 
seine Übertretung verbirgt, wird kein Gelingen haben; wer sie 
aber bekennt und läßt, wird Barmherzigkeit erlangen" (Spr 28, 
13). „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und 
gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von 
aller Ungerechtigkeit" (1. Joh 1, 9). „Bekennet denn einander 
die Vergehungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet; das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel" (Jak 5, 
16). Lassen wir uns aber auch durch die Gerichte nicht weisen 
und sind am Rande des Verderbens, am Abgrunde angekommen, so muß Gott uns gleichsam zu feinem Staub zermalmen. 
Was Gottesfurcht und Glaube, was Warnungen und Gerichte 
nicht zustande gebracht haben, müssen dann die Umstände bewirken. Aber ach! wie viele liebe Kinder Gottes bleiben bei 
dem allem unempfindlich und gefühllos und gehen in Gleichgültigkeit und Weltliebe auf dem einmal eingeschlagenen Pfad 
vorwärts! Aber der Vater kann sie nicht verderben lassen, weil 
sie Pflanzen sind, die Er Selbst gepflanzt hat. Es bleibt ihm 
endlich nichts anderes übrig, als die Unverbesserlichen aus der 
Schule zu jagen, d. h. sie durch den leiblichen, frühzeitigen Tod 
94 
hinwegzunehmen. „Deshalb sind viele unter euch schwach und 
krank und ein gut Teil entschlafen" (1. Kor 11, 30). „Wenn 
jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum 
Tode, .. . es gibt Sünde zum Tode; . . . und es gibt Sünde nicht 
zum Tode" (1. Joh 5, 16. 17). Der Geist zwar wird gerettet am 
Tage des Herrn Jesu, aber alle Hoffnung auf Fortschritte und 
Wachstum sind vernichtet, ebenso die Freude und der Ruhm, 
Gott zu dienen auf der Erde und Zeugnis von Seiner Gnade abzulegen. Welch eine traurige Sache! Für die Ewigkeit eine Frucht 
zu sein, die vor der Reife, zu der sie bestimmt war, gepflückt 
ist. Ich bezweifle nicht, daß jeder Gerettete dort oben im Lichte 
vollkommen glücklich sein und Gott die Ehre geben wird für 
Seine Führungen in bezug auf alle Seine Kinder, folglich auch 
auf sich selbst. Aber die lautere und vollkommene Gnade Gottes des Vaters muß stets in Heiligkeit und Gerechtigkeit mit 
allem handeln, was zu Seinem Hause gehört; und wie keine 
Schule möglich ist ohne Regel und Zucht, so müssen auch die 
unverbesserlichen Schüler von dem Herrn gerichtet und gezüchtigt werden, damit sie nicht dem Gericht der Welt anheimfallen. Und werden sie nicht, einmal gerettet, in der Herrlichkeit von tiefer Dankbarkeit durchdrungen sein? 
Im Anfang ist gesagt worden, daß es zwei Gründe gebe, um 
derentwillen Gott Seine Auserwählten auf der Erde lasse, nachdem Er sie durch den Sohn zu Sich gezogen hat: Erziehung und 
Dienst. Ich denke, daß moralisch der Dienst auf die Schule, von 
der wir oben gesprochen haben, folgt, wie die Meisterschaft auf 
die Lehrzeit. Der kindliche Dienst läßt weder Eigenliebe, noch 
Übertretung, noch eigenen Willen zu. Dienen wir wirklich Gott, 
so muß die Welt notwendigerweise es sehen. Dieser tägliche 
Dienst, verbunden mit dem öffentlichen gemeinschaftlichen 
Gottesdienst, bildet das, was wir das Zeugnis nennen. Gott 
bildet, erzieht und bewahrt hier die Seinigen, damit sie vor der 
Welt Zeugen Seiner Ehre und Seiner Gnade in Dem seien, den 
die Welt gekreuzigt hat. 
Für uns handelt es sich stets darum, unsere festen Beziehungen, als. aus Gott geboren, als der göttlichen Natur teilhaftig, zu 
pflegen. Außer Christo können wir nichts tun, höchstens tote 
Werke, die völlig wertlos sind und durch Sein Blut ausgelöscht 
werden mußten. Beachten wir deshalb die Worte des Herrn: 
„Bleibet in mir! Bleibet in meiner Liebe!" 
95 
Bist du arm oder reich? 
Wenn ich die obige Frage an dich richtete, mein lieber Leser, 
mit Bezug auf deine Stellung in der menschlichen Gesellschaft, 
so würdest du mir vielleicht mit Recht erwidern: „Darauf ist 
schwer zu antworten, denn ich kann nicht sagen, daß ich reich 
bin, aber auch nicht, daß ich arm bin". Die meisten Menschen 
in dieser Welt gehören weder zu den Reichen, noch zu den 
wirklich Armen. Sobald ich aber diese Frage im Blick auf den 
Zustand deiner Seele vor Gott stelle, brauchst du mir die Antwort nicht schuldig zu bleiben. Denn so viele Klassen es auch in 
der menschlichen Gesellschaft geben mag, im Blick auf die Ewigkeit gibt es doch nur zwei. Gott kennt nur zwei Klassen oder 
Arten von Menschen auf dieser Erde, nämlich Reiche und 
Arme, oder Lebendige und Tote, Errettete und Verlorene. Dies 
geht deutlich aus den Worten hervor, die wir in 1. Joh 5, 12 
finden: „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht." 
Hieraus sehen wir, daß der Besitz des Lebens abhängig ist 
von dem Besitz Jesu, des Sohnes Gottes. Wer Ihn hat, hat das 
Leben und ist deshalb reich; wer Ihn nicht hat, hat das Leben 
nicht und ist arm. Dies ist eine sehr wichtige Wahrheit. Hast du 
schon einmal ernstlich darüber nachgedacht, mein Leser? Hast 
du dich schon gefragt: „Besitze ich Jesum?" Das ist eine Frage, 
die völlig verschieden von derjenigen ist, die man sich gewöhnlich stellt. Im allgemeinen fragt man sich: „Habe ich viele Sünden getan?" Und die Folge davon ist, daß die meisten Menschen, in dem Bewußtsein, daß sie keine Diebe, Hurer, Trunkenbolde und dergleichen sind, mit einem gewissen Gefühl der 
Zufriedenheit mit sich selbst ihren Weg fortsetzen und sich mit 
der Hoffnung schmeicheln, einmal für ewig gerettet zu werden. 
Vielleicht hast du es bis heute auch so gemacht. Da ich nun 
weiß, daß jene Hoffnung eitel ist und jene Gedanken dem 
Worte Gottes widerstreiten, so komme ich mit diesen Zeilen zu 
dir. Du selbst wirst zugeben, daß es schrecklich sein würde, 
wenn du beim Eintritt in die Ewigkeit erkennen müßtest, daß 
du dich betrogen und mit einer falschen Hoffnung beruhigt 
hättest. Denn dann ist es zu spät, um noch errettet zu werden. 
96 
Und es ist doch wahrlich keine geringfügige Sache, für ewig 
verloren und außerhalb der Gemeinschaft Gottes zu sein. Oh, 
beachte deshalb sorgfältig die Worte Gottes! 
Gott sagt: „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn 
Gottes nicht hat, hat das Leben nicht". Du bist vielleicht ein sehr 
braver, rechtschaffener und ehrbarer Mensch; vielleicht kann dir 
niemand Vorwürfe machen in bezug. auf dein Leben und deinen 
Wandel. Das ist anerkennenswert und macht dich in den Augen 
deiner Mitmenschen liebenswürdig. Aber so anerkennenswert 
es auch sein mag, es macht dich doch nicht passend für den 
Himmel; es befähigt dich nicht, ohne Furcht vor dem Richterstuhl Christi zu erscheinen. Vor diesem Richterstuhl wird 
nicht nur danach gefragt, wie viele Sünden du getan hast, 
sondern die wichtigste Frage ist, ob du arm oder reich, tot 
oder lebendig bist, ob du Jesum, den Sohn Gottes, als deinen 
Erretter besitzest, oder nicht. Wohl ist es wahr, daß die Sünden, 
die der Mensch getan hat, seine Strafe erschweren oder vermindern, aber das hat nichts mit dem Besitz des Lebens zu tun. Was 
hilft es, wenn ein Verbrecher sich vor dem Richter darauf beruft, daß es viele gibt, die noch größere Missetaten begangen 
haben als er? Dadurch erlangt er keine Freisprechung. Und was 
würde es dir helfen, wenn du vor dem Richterstuhl Christi 
wirklich beweisen könntest, daß du von allen deinen Mitmenschen am wenigsten gesündigt hättest, wenn du das Leben nicht 
besäßest? Nehmen wir an, du wärest wirklich der bravste aller 
Menschen, so bist du doch, ohne Jesum, ohne das Leben, tot 
in Sünden und Vergehungen. Mag auch äußerlich ein großer 
Unterschied zwischen dir und einem Dieb, einem Mörder oder 
Trunkenbold bestehen, so ist doch in dieser Hinsicht kein Unterschied. Ohne den Herrn Jesum hast du ebensowenig das 
Leben und bist deshalb ebensowenig passend für den Himmel 
wie jene. Das Wort Gottes sagt, daß es keinen Unterschied 
gibt, sobald der natürliche Zustand der Seele vor Gott in Frage 
kommt. Alle sind von Natur Sünder; alle sind verloren und 
haben das Leben nicht. Alle aber, die Jesum besitzen, haben das 
Leben; denn Er Selbst sagt: „Ich bin das Leben", und: „Wer an 
mich glaubt, hat das ewige Leben". Deshalb frage ich dich noch 
einmal: Bist du arm oder reich? 
Vielleicht zögerst du darauf zu antworten. Ich weiß, es ist 
nicht leicht, zu bekennen, daß man arm ist; es fällt dem Hoch97 
mut des Menschen so schwer, zu erkennen, daß er verloren ist 
und eines Erretters bedarf. Aber ich bitte dich, mein lieber 
Leser, erwäge jene Frage ernstlich. Von ihrer Beantwortung 
hängt dein ewiges Wohl und Wehe ab. Weigerst du dich, jetzt 
eine Antwort zu geben, so mußt du es einst tun. Und was ist 
wohl besser, hier seine Armut und sein Verderben zu bekennen, um dann durch Jesum errettet und für ewig glücklich gemacht zu werden, oder mit einer falschen Hoffnung in die 
Ewigkeit hinüberzugehen und dann das Urteil der Verdammnis 
zu vernehmen? Gehe deshalb nicht in Gleichgültigkeit weiter 
voran! Höre auf, zu messen und abzuwägen, wie viele Sünden 
du getan hast, und frage dich mit allem Ernst: „Habe ich 
Jesum?" Es mag peinlich und demütigend für dich sein, dich 
selbst als arm und verloren zu erkennen, aber es ist der einzige Weg, um reich zu werden und Errettung zu finden. 
Fragst du nun mit aufrichtigem Bedürfnis: Wie gelangt man 
denn zu diesem Reichtum? so gibt es eine herrliche Antwort für 
dich. Höre, was der Apostel Paulus zu den Korinthern sagt: 
„Ihr kennet die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, daß er, da 
er reich war, um euretwillen arm wurde, auf daß ihr durch 
seine Armut reich würdet" (2. Kor 8, 9). Siehe, Er, der Herr der 
Herrlichkeit, ist gekommen aus dem Schöße des Vaters, hat Sich 
all Seiner Herrlichkeit entäußert und ist freiwillig in unser Elend 
herabgestiegen. Er hat der Sünde wegen den schrecklichen Kreuzestod erduldet und das ganze Gericht eines heiligen und gerechten Gottes über die Sünde ertragen. Und jetzt, nachdem 
Sein Werk vollbracht ist, ladet Er dich ein, zu Ihm deine Zuflucht zu nehmen. Er ist gekommen, um solchen Verlorenen wie 
wir, du und ich von Natur sind, aus freier, unverdienter Gnade 
das Leben zu geben, um uns, die wir nichts besitzen als Sünden, 
in Seinem Blute völlig reinzuwaschen und uns Seines Reichtums teilhaftig zu machen. Folge deshalb Seiner Einladung, 
komme zu Ihm in deiner ganzen Armut und Blöße, glaube an 
Ihn mit Aufrichtigkeit deines Herzens, und Er wird dich bekleiden mit dem Kleide der göttlichen Gerechtigkeit. Du wirst 
erfahren, daß Er das Leben ist und auch das Leben mitteilt, und 
du wirst, wenn du in Wahrheit an Ihn glaubst, nicht lange in 
Ungewißheit bleiben, ob du lebst oder nicht; denn das Leben, 
das Er gibt, bleibt nicht verborgen, weder vor dir selbst, noch 
vor den Augen anderer. Und wenn dann an dich die Frage ge98 
richtet wird: Bist du arm oder reich? so wirst du mit ganzem 
Herzen antworten können: Ich war arm, aber jetzt bin ich unendlich reich gemacht durch Den, Der für mich arm geworden 
ist. 
Der Unterschied zwischen dem Ratschluß 
Gottes und den Wegen Seiner Regierung 
oder 
Stellung und Verantwortlichkeit 
Bei einem Blick auf die große Zahl der Kinder Gottes, die 
sich in dieser letzten Zeit auf der Erde befinden, drängt sich 
einem aufmerksamen, von Gott geleiteten Beobachter die Überzeugung auf, daß im allgemeinen unter ihnen eine beklagenswerte Unklarheit über ihre Stellung in Christo herrscht, und 
daß in ihrem Wandel eine sehr mangelhafte Übereinstimmung 
mit den Wegen Gottes besteht. Naturgemäß entsteht die Frage: 
Woher kommt diese Erscheinung? Sie hat einerseits ihren 
Grund in der mangelhaften Erkenntnis des Ratschlusses Gottes, 
und andererseits in der großen Untreue, mit der die vorhandene Erkenntnis im täglichen Leben verwertet und auf den 
praktischen Wandel angewendet wird. Gott hat uns Seinen 
Ratschluß nicht nur mitgeteilt, weil wir dessen Gegenstände 
sind, sondern damit wir auch im Lichte der darin geoffenbarten 
herrlichen Stellung wandeln sollen. Die Kirche hätte das ihr 
anvertraute Geheimnis bewahren sollen; aber stattdessen hat 
sie es, wie einst Simson der Delila, der Welt verraten und ist 
infolgedessen geblendet worden und in Gefangenschaft gekommen, um schließlich in dem Untergang der Feinde des 
Herrn ihren eigenen Untergang zu finden. Nichts kann geeigneter sein, um einerseits Beschämung und Selbstgericht bei uns 
wachzurufen, und andererseits uns in Übereinstimmung mit 
den Wegen Gottes zu bewahren, als das Bewußtsein unserer 
Stellung nach dem Ratschluß Gottes. Um in dem Volke Israel 
99 
ein Gefühl seines traurigen Zustandes zu wecken, mußte der 
Prophet Hesekiel ihm das Haus, die zukünftige Wohnung der 
Herrlichkeit Jehovas zeigen: „Du, Menschensohn, berichte dem 
Hause Israel über dieses Haus, damit sie sich ihrer Missetaten 
schämen und den Bau messen. Und wenn sie sich alles dessen 
schämen, was sie getan haben, so zeige ihnen die Form des 
Hauses und seine Einrichtung und seine Ausgänge und seine 
Eingänge und alle seine Formen und alle seine Satzungen und 
alle seine Formen und alle seine Gesetze und schreibe es vor 
ihren Augen auf, damit sie seine ganze Form und alle seine 
Satzungen behalten und sie tun" (Hes 43, 10. 11). Man kann 
niemals richtige Begriffe und Gedanken über die Kirche haben, 
wenn man nicht versteht, was sie nach dem Ratschluß Gottes 
ist; und ebensowenig kann ein Christ seinen wahren Platz 
nach den Gedanken Gottes hienieden einnehmen, wenn ihm 
das Bewußtsein seiner Stellung in Christo mangelt. Der allgemeine Zweck der Wege, die Gott mit uns geht, ist, uns in 
die praktische Übereinstimmung mit Seinem Ratschluß zu bringen; denn nur dann sind wir es auch mit Gott Selbst, und insofern sind die Wege Gottes und Sein Ratschluß in vollkommener Harmonie miteinander. Der Unterschied zwischen den 
beiden besteht darin, daß Gott in dem zuletzt Gesagten in unumschränkter Gnade handelt, während in dem ersten alles von 
unserer Verantwortlichkeit abhängt. In Seinem Ratschluß handelt Gott frei und unabhängig für die Seinen, so schwach ihr 
Zustand auch sein mag; alles ist unvermischte Gnade, deren 
Fülle um so überströmender erscheint, je elender jener Zustand 
ist. Gefaßt vor Grundlegung der Welt schließt er die Erlösung 
und die Herrlichkeit in sich ein, hat aber mit unserer Pilgrimschaft und der damit verbundenen Verantwortlichkeit nichts 
zu tun. In den Wegen Seiner Regierung hingegen beschäftigt 
Sich Gott mit unserem praktischen Verhalten, indem Er „ohne 
Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk" (1. Petr 1, 
17). Aber auch diese Wege sind schließlich ein Beweis Seiner 
vollkommenen Liebe zu uns; denn „wenn wir gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht 
mit der Welt verurteilt werden" (1. Kor 11, 32). 
Doch laßt uns etwas näher auf diese beiden Gegenstände 
eingehen. Richten wir zunächst unseren Blick auf die Gegenstände des Ratschlusses Gottes. 
100 
Der erste Gegenstand, der eigentliche Mittelpunkt aller Ratschlüsse Gottes, ist Christus. In Ihm allein konnten und können sie ihre Erfüllung finden, mögen sie sich auf das himmlische Volk Gottes, die Kirche, oder auf Sein irdisches Volk, 
Israel, oder auf die Nationen beziehen. Wir lesen deshalb auch: 
„Jehova besaß mich im Anfang seines Weges, vor seinen 
Werken, von jeher usw." (Spr 8, 22—31). In Christo war die 
Erfüllung dieser Ratschlüsse gesichert, selbst für den Fall, daß 
das Verderben in dem Maße eindringen würde, wie es tatsächlich eingedrungen ist. Nichts ist imstande, Gott in der Ausführung von dem aufzuhalten, was Er Sich vorgesetzt hat: 
weder die Macht des Feindes, noch der hoffnungslos verlorene 
Zustand des Menschen, auch nicht die alles verheerende Macht 
des Verderbens, das die Sünde in die Schöpfung eingeführt 
hat. Und weshalb nicht? Weil Er Seinen Vorsatz von Ewigkeit 
her „in Christo" gefaßt hat (Eph 3, 11). In Ihm war für alles 
Vorsorge getroffen, was der Ausführung dieses Vorsatzes 
irgendwie hindernd in den Weg treten konnte. Oder sollte 
Gott nicht gewußt haben, als Er Seinen Vorsatz faßte und ehe 
Er „Seinen Weg" antrat, daß das Verderben kommen würde? 
Ohne Zweifel wußte Er es. Als Er die Himmel bereitete und 
die Grundfesten der Erde legte, stand alles, was sich dort ereignen würde, vor Seinen Augen. Er überblickte im voraus 
den ganzen Schauplatz der Verwüstung und Zerstörung, des 
Jammers und Elendes, den Schauplatz der Herabwürdigung 
Seines Namens, Seiner Herrlichkeit, Seiner Heiligkeit und Majestät, mit einem Worte das, was Seinem Vorsatze durchaus 
entgegengesetzt war. Er sah aber noch mehr. Er sah das vor 
Grundlegung der Welt zuvorerkannte Lamm, ohne Fehl und 
ohne Flecken, das durch die Erlösung die Erfüllung Seines Vorsatzes herbeiführen sollte, und zwar angesichts und inmitten 
jenes traurigen Schauplatzes, so daß dieser selbst zu einem 
Anlaß wurde, die Herrlichkeit Gottes nur noch völliger und 
glorreicher zu entfalten (1. Petr 1, 19. 20). Christus stand vor 
Seinen Augen, und darum konnte Er „Seinen Weg" antreten 
und die Grundfesten der Erde legen usw. „Als er die Himmel 
feststellte, war ich da, als er einen Kreis abmaß über der 
Fläche der Tiefe .. . als er die Grundfesten der Erde feststellte: 
da war ich Schoßkind bei ihm, und war Tag für Tag seine 
Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit usw." (Spr. 8). 
101 
Demgemäß mußte Christus in verschiedener Hinsicht der Mittelpunkt und der Gegenstand der Ratschlüsse Gottes sein. Das 
erste Kapitel des Kolosserbriefes zeigt Ihn uns in diesen verschiedenen Herrlichkeiten Seiner Person. Er ist zunächst der 
Sohn Gottes, „der Sohn Seiner Liebe". Dies ist der erste Charakter Seiner persönlichen Herrlichkeit von Ewigkeit her, der 
wesentliche Mittelpunkt aller Seiner übrigen Herrlichkeiten. 
Von Ewigkeit her hatte Er Seinen Platz im Schöße des Vaters 
und war der Gegenstand Seiner Wonne und Seiner innigsten 
Zuneigungen. Dann ist Er „das Bild des unsichtbaren Gottes". 
Er ist als Sohn Gottes in Seiner eigenen Person, in Seiner 
Natur, die vollkommene Darstellung Gottes vor den Menschen 
und vor dem ganzen Weltall, „denn in ihm wohnt die ganze 
Fülle der Gottheit leibhaftig". Und da Er zugleich Mensch ist, 
so ist Gott in dieser Gestalt gesehen worden von den Engeln 
und von uns. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter 
uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) . . . Niemand hat 
Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters 
Schoß ist, der hat ihn kundgemacht" (Joh 1, 14. 18). Ferner 
gebührt Ihm nach den ewigen Ratschlüssen Gottes der erste 
Platz in der Schöpfung. Er ist der „Erstgeborene aller Schöpfung*). Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die 
in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die 
unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten usw." (Kol 1, 15. 16). Gott handelte in 
Christo, als Er das Weltall schuf. Alles was besteht, ist durch 
Ihn und für Ihn geschaffen; und mit Recht ist Er schon aus 
diesem Grunde der Erbe von allem. „Den er gesetzt hat zum 
Erben aller Dinge, durch den er auch die Welten gemacht hat 
usw." (Hebr 1, 2). „Im Anfang war das Wort, und das Wort 
war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang 
bei Gott. Alles ward durch dasselbe, und ohne dasselbe ward 
auch nicht eines, das geworden ist" (Joh 1, 1—3). Welch eine 
wunderbare Person! Er, Der nicht hatte, wo Er Sein Haupt 
hinlegen konnte, und Der Sich, um das Lösegeld für uns zu 
werden, völlig erniedrigte, war der Schöpfer des Weltalls, der 
*) Diese Worte bezeichnen nicht den Anfang Christi zu irgendeiner Zeit, 
sondern enthalten, wie dies aus dem folgenden deutlich hervorgeht, den Titel, 
der Ihm, als Schöpfer aller Dinge, zukommt. 
102 
Sohn Gottes! Und Er ist der Mensch, den Gott verherrlicht und 
nach Seinem Ratschluß über alle Werke Seiner Hände gesetzt 
hat (Psalm 8). Alle Dinge sind durch Ihn und notwendigerweise auch für Ihn geschaffen. Und obgleich Ihm jetzt noch 
nicht alles unterworfen ist, so wird dennoch der Vorsatz Gottes 
erfüllt werden, wie uns dies in den Worten des Apostels geoffenbart ist: „für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles 
unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, 
was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist''' (Ephl, 10). 
Indessen müssen wir zwischen dem ewigen und dem zeitlichen Ratschluß unterscheiden. Sicher ist Christus der Mittelpunkt von beiden. Der Unterschied besteht darin, daß in dem 
ersten die Kirche mit Christo verbunden ist, während in dem 
zweiten Israel und in untergeordneter Weise die Nationen mit 
Ihm in Verbindung stehen. Der erste ist gefaßt vor Grundlegung der Welt, der zweite von Gründung der Welt an (Eph 
1, 4; Mt 25, 34). Die Segnungen und Herrlichkeiten des ersten 
sind ihrer Natur nach geistlich und ewig, diejenigen des zweiten zeitlich und irdisch. Durch ihre Verbindung mit Christo 
teilt die Kirche mit Ihm alle Herrlichkeiten (soweit eine geschaffene Kreatur dies vermag), die Ihm nach dem ewigen Ratschluß Gottes zugehören, und wozu alle ihre einzelnen Glieder 
schon vor Grundlegung der Welt auserwählt sind. Diese Herrlichkeiten werden schon im tausendjährigen Reich teilweise 
geoffenbart sein und geschaut werden, allein das völlige und 
schließliche Resultat jenes ewigen Ratschlusses wird, da er 
lange vor und gänzlich außerhalb dieser Schöpfung gefaßt ist, 
erst dann ans Licht treten, wenn diese Erde und dieser Himmel 
samt den mit ihnen verbundenen irdischen Systemen verschwunden sind. Das, was vor Grundlegung der Welt in den 
Gedanken Gottes bestand, was in den mannigfaltigen Vorbildern des Alten Testaments, wie z. B. in Adam und Eva, 
Isaak und Rebekka, gesehen wurde, und was sich gleich einem 
goldenen Faden durch die ganze Geschichte der Wege Gottes 
hindurchzieht, der Ratschluß Gottes in bezug auf Christum 
und die Kirche, wird als vollendete Tatsache in seiner ganzen 
Schönheit erst auf der neuen Erde gesehen werden. Dort wird 
selbst das, was der Tempel inmitten des irdischen Volkes Gottes vorbildlich darstellte, seine tatsächliche Verwirklichung fin103 
den. Dort wird die Kirche in ihrer ewigen Verbindung mit dem 
Lamme, als Sein Weib, und zugleich als die „Hütte Gottes bei 
den Menschen" geschaut werden. Die letzteren dagegen werden ohne Ausnahme „Sein Volk" genannt, weil auf der neuen 
Erde der Unterschied zwischen Israel und den Nationen aufgehoben ist (vgl. Offb 21, 1—8). Das Verhältnis der Kirche zu 
Christo ist ein ewiges, durch alle Zeitalter fortbestehendes, 
während dasjenige Israels, als des irdischen Volkes Gottes, vorübergehend ist. Darum ist gesagt: „Ihm sei die Herrlichkeit in 
der Versammlung in Christo Jesu, auf alle Geschlechter des 
Zeitalters der Zeitalter hin" (Eph 3, 21). 
Diese Erde ist also der Schauplatz der Entfaltung des Ratschlusses Gottes in bezug auf Christum und Israel samt den 
Nationen. Israel und das Land Palästina bilden den Mittelpunkt 
dieses Schauplatzes. „Als der Höchste den Nationen das Erbteil 
austeilte, als er voneinander schied die Menschenkinder, da 
stellte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder 
Israel" (5. Mo 32, 8). Dies wird seine vollständige Erfüllung im 
tausendjährigen Reich finden. Vor dessen Beginn findet der 
große Gerichtstag der Nationen statt, wo der Herr sie voneinander scheiden wird, wie der Hirte die Schafe von den Böcken 
scheidet. Die Schafe, d. h. die Geretteten aus den Nationen, 
gehen ein in die Segnungen des Reiches. Zu ihnen sagt der 
Herr: „Kommet her, Gesegnete meines Vaters, ererbet das 
Reich, das euch bereitet ist von Gründung der Welt an" (Mt 
25, 34). Im Vorübergehen möchte ich bemerken, daß das Verhalten, das die Nationen gegen das Volk Israel während der 
Zeit der letzten Drangsal an den Tag gelegt haben, bei diesem 
Gericht entscheidend sein wird. „Wahrlich, ich sage euch: insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan 
habt (dem gläubigen Überrest aus Israel), habt ihr es mir getan". Indessen wird, obwohl die geretteten Nationen in jenem 
herrlichen Reich mit Israel gesegnet sein werden, der gläubige 
Überrest aus Israel den ersten Platz darin einnehmen, und 
Jerusalem wird den Mittelpunkt der Offenbarung der Herrlichkeit des Herrn auf der Erde bilden. „Seid fröhlich, ihr Nationen, mit seinem Volke" (Röm 15, 10). „Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses Jehovas feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein 
über die Hügel, und alle Nationen werden zu ihm strömen. 
104 
Und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt und 
laßt uns hinaufziehen zum Berge Jehovas, zum Hause des 
Gottes Jakobs! . . . Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, 
und das Wort Jehovas von Jerusalem" (Jes 2, 2—4). Das ganze 
Hohelied und die Kapitel 49, 60, 62, 65 und 66 des Propheten 
Jesaja und viele andere Stellen beschreiben die Herrlichkeit des 
Jerusalems jener Tage. Sie ist „die Stadt des großen Königs" 
(Mt 5, 35). „Und der Name der Stadt soll von nun an heißen: 
Jehova daselbst" (Hes 48, 35). „In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron Jehovas nennen, und alle Nationen werden 
sich zu ihr versammeln wegen des Namens Jehovas in Jerusalem usw." (Jer 3, 17). Von ihr wird sich die Herrlichkeit des 
Herrn ausbreiten über die ganze Erde, wie geschrieben steht: 
„So wahr ich lebe, soll von der Herrlichkeit Jehovas erfüllt 
werden die ganze Erde" (4. Mo 14, 21). „Aus Zion, der Schönheit Vollendung, ist Gott hervorgestrahlt" (Ps 50, 2). „Es 
kommt die Zeit, alle Nationen und Sprachen zu versammeln; 
und sie werden kommen und meine Herrlichkeit sehen" (Jes 
66, 18). „Denn die Erde wird voll werden von der Erkenntnis 
der Herrlichkeit Jehovas, wie die Wasser den Meeresgrund 
bedecken" (Hab 2, 14). 
Wie schon oben vorübergehend bemerkt ist, wird während 
der glückseligen Zeitalter des tausendjährigen Reichs auch die 
Herrlichkeit der Kirche angesichts des ganzen Weltalls geoffenbart sein, obwohl sie ihrem Ursprung, ihrem Charakter und 
ihrer Natur nach durchaus himmlisch ist. Sie wird mit Christo 
in der Herrlichkeit erscheinen, die Er bei dem Vater hatte, ehe 
die Welt war. „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, 
habe ich ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleichwie wir 
eins sind. Ich in ihnen und du in mir, auf daß sie in eins vollendet seien, und auf daß die Welt erkenne, daß du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast" 
(Joh 17, 22. 23). „Es ist noch nicht geoffenbart worden, was 
wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es geoffenbart werden 
wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, 
wie er ist" (1. Joh 3, 2). In den beiden letzten Kapiteln der Offenbarung haben wir die sinnbildliche Beschreibung dieser Herrlichkeit. Es ist die „Herrlichkeit Gottes", die alsdann in ihrem 
vollen Glanz und in ungetrübter Klarheit von der Kirche ausstrahlen wird. Die ganze Schönheit und Vollkommenheit Chri105 
sti wird sich in ihr widerspiegeln, denn sie ist „Sein Leib, von 
seinem Fleische und von seinen Gebeinen" (Eph 5, 30). 
Wir finden also im tausendjährigen Reich die beiden großen 
Gegenstände der Ratschlüsse Gottes miteinander verbunden: 
die Kirche in der Entfaltung ihrer himmlischen Herrlichkeit, 
und Jerusalem auf der Erde in der Entfaltung seiner irdischen 
Herrlichkeit, und in Verbindung damit die Herrlichkeit der 
ganzen Schöpfung. „Denn auch die Schöpfung wird freigemacht 
werden von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit 
der Herrlichkeit der Kinder Gottes" (Röm 8, 21). „Und der 
Wolf wird bei dem Lamme weilen, und der Pardel bei dem 
Böcklein lagern, und das Kalb und der junge Löwe und das 
Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird 
sie treiben . . . Und der Säugling wird spielen an dem Loch 
der Natter, und das entwöhnte Kind seine Hand ausstrecken 
nach der Höhle des Basilisken usw." (Jes 11). Welch ein wunderbares Schauspiel! Die Herrlichkeit der Kirche, die Herrlichkeit Israels und die aus beiden gleichsam hervorgehende Herrlichkeit der ganzen, von der Knechtschaft befreiten Schöpfung, 
ja alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist, befindet 
sich in einer bewunderungswürdigen Harmonie, obwohl jedes 
wieder in seiner besonderen Weise und in seinem besonderen 
Bereich glänzt. Doch der Mittelpunkt von allem ist Christus. 
Alles ist unter Ihm, als dem Haupte, vereinigt und zusammengebracht, und die Kirche nimmt als Seine Miterbin mit Ihm 
den ersten Platz ein. 
Wir kommen jetzt zu der zweiten Herrlichkeit Christi, zu 
der Herrlichkeit der Erlösung. Er ist, wie wir gesehen haben, 
der Sohn Gottes, das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung; alle Dinge sind durch Ihn und darum auch für Ihn geschaffen. Aber Er ist auch der „Erstgeborene aus den Toten", der durch Seinen Tod am Kreuze die Erlösung vollbracht und in Seiner Auferstehung über den Tod 
und die ganze Macht des Feindes triumphiert hat. Wohl war 
die Schöpfung aus den Händen ihres Schöpfers rein hervorgegangen; aber dem Feinde war es durch die Sünde des Menschen gelungen, diesen samt der ganzen Schöpfung in ein Verderben zu stürzen, welches das ganze Weltall mit unendlichem 
Weh erfüllte, und aus dem es, soweit es den Menschen betraf, 
106 
keinen Ausweg gab. Alle die herrlichen Ratschlüsse Gottes 
schienen durch den Fall des Menschen mit einem Schlage vernichtet zu sein, und Seine ganze Herrlichkeit war der Schöpfung gegenüber in Frage gestellt. Die Schöpfung selbst wurde 
in eine Stätte des Fluches, des Jammers und des Elends verwandelt, in eine düstere Szene des Todes, wo die Macht Satans 
triumphierte. Aber gerade inmitten dieser schrecklichen Finsternis und dieser Schatten des Todes konnte die Herrlichkeit 
der Erlösung in einem um so helleren Glänze strahlen. Er, der 
Sohn Gottes, „der Sohn seiner Liebe", den Er „besaß im Anfang seines Weges", stieg freiwillig, aus Liebe und Gehorsam 
gegen den Vater, und um Ihn zu verherrlichen, in die finsteren 
Regionen des Todes und der Macht des Feindes hinab und 
machte ihn zunichte, indem Er Sich seiner Macht unterwarf und 
den Tod schmeckte; „auf daß er durch den Tod den zunichte 
machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel" 
(Hebr 2, 14). Aber Er hat nicht nur den Teufel selbst durch 
Seinen Tod zunichte gemacht, sondern auch alle seine Werke. 
„Hierzu ist der Sohn Gottes geoffenbart worden, auf daß er 
die Werke des Teufels vernichte" (1. Joh 3, 8). In Seinem 
Tode wurde ebensowohl eine Sühnung für unsere Sünden geschaffen, als auch das Gericht über alles, was wir von Natur 
sind, ausgeübt. Er hat durch Seinen Tod die Gerechtigkeit, 
Heiligkeit und Majestät Gottes in betreff unserer Sünden nicht 
nur vollkommen befriedigt, sondern sie auch um so mehr verherrlicht, jemehr sie durch die Sünde mit Füßen getreten waren. 
Alles, was Gott ist, Seine unendliche Weisheit, Seine unbefleckliche Gerechtigkeit und Wahrheit, sowie Seine unergründliche Gnade und Liebe gegen den verlorenen Sünder, alles 
wurde in einer weit glorreicheren und vollkommeneren Weise 
geoffenbart, als es jemals die Schöpfung in all ihrer ursprünglichen Schönheit vermocht hätte. „Er ist der Erstgeborene aus 
den Toten", „der Anfang der Schöpfung Gottes"; Er ist der 
Mensch, der in dem letzten Entscheidungskampf auf Golgatha 
die Rechte Gottes trotz der Sünde und wider die Sünde wiederherstellte und den scheinbaren Triumph Satans zuschanden 
machte, und zwar in einer Weise, die Gott angesichts des ganzen Weltalls vollkommen verherrlichte. Er ist der siegreiche 
Mensch, Der Sich durch Sein Werk den Platz und die Macht des 
Menschen in jener neuen Stellung erworben hat, die Gott in 
107 
Seinen Ratschlüssen für Ihn bestimmt hat. Er ist es, Der in 
Seiner Person und kraft der Erlösung das Recht besitzt, die 
Erfüllung dieser Ratschlüsse und somit alle jene Entfaltungen 
der Herrlichkeit herbeizuführen, von welchen Er, „das geschlachtete Lamm", den Mittelpunkt bildet. Und der Augenblick ist nicht mehr fern, wo Er Sein Recht geltend machen 
wird, und wo die Kirche — in der Herrlichkeit mit Ihm vereinigt — das neue Lied singen wird: „Du bist würdig, das Buch 
zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Geschlecht und Volk und Sprache und Nation . . ." wo 
aus dem Munde von Myriaden von Engeln die Worte ertönen 
werden: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, 
zu empfangen die Macht und Reichtum usw." und wo „jedes 
Geschöpf, das in dem Himmel und auf der Erde und unter der 
Erde und auf dem Meere ist und alles, was in ihnen ist", anheben wird zu sagen: „Dem, der auf dem Throne sitzt, und 
dem Lamme die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit 
und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Offb 5)! 
Christus ist somit der erste Gegenstand der Ratschlüsse 
Gottes, das Haupt und der Erbe aller Dinge, und zwar in doppelter Hinsicht: zunächst als Schöpfer und dann als Erlöser. 
Nach diesen beiden Seiten hin hat sich die Herrlichkeit Gottes 
entfaltet. Die Herrlichkeit Christi als Schöpfer ist, sozusagen, 
naturgemäß Sein Teil, während Er die Herrlichkeit als Erlöser 
durch Seinen Sieg über den Tod und die Macht des Feindes 
erworben hat. Er besitzt alles als Mensch, und alles durch göttliche Macht. Aber in gewissem Sinn kann gesagt werden, daß 
ein Teil Seiner Herrlichkeit von Seiner Gottheit, der andere 
von Seinem Siege als Mensch abhängt; und diese Herrlichkeit 
ist es, welche die Kirche, als Sein Leib und als Seine Braut, mit 
Ihm teilen wird. Es ist Seine Herrlichkeit als Sohn des Menschen, als der zweite Adam, Dessen Herrschaft sich nicht allein 
über die niedere Schöpfung, sondern auch über die Fürstentümer und Gewalten in den himmlischen Örtern erstreckt. Gott 
hat Ihn gesetzt zu Seiner Rechten in den himmlischen örtern 
„über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles 
108 
seinen Füßen unterworfen" (Eph 1, 21). „welcher das Haupt 
jedes Fürstentums und jeder Gewalt ist" (Kol 2, 10; Hebr 2, 
5—8). Zugleich ist Er, Der das Haupt über alles ist und das 
ganze Weltall mit Seiner Herrlichkeit erfüllen wird, das Haupt 
Seines Leibes, der Versammlung, die Ihn gleichsam vervollständigt. Denn ein Kopf ohne Leib ist ebenso unvollständig 
wie ein Leib ohne Kopf. So ist die Versammlung Christo (und 
Christus der Versammlung) gegeben, nicht daß sie das Haupt 
sei, von dem die Leitung ausgeht, sondern um jenen geheimnisvollen Menschen — den Menschen der Ratschlüsse Gottes — 
von dem Er das Haupt ist, zu vervollständigen. So lesen wir 
in Eph 1, 22. 23, daß Gott „ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben hat, welche sein Leib ist, die Tülle dessen, 
der alles in allem erfüllt". Welch eine köstliche Wahrheit! Die 
Kirche ist ein Teil von Ihm, „der alles in allem erfüllt", von 
Ihm, Der als der höchste Gegenstand der Ratschlüsse und 
Wonne Gottes den Mittelpunkt aller Seiner Herrlichkeit bildet. 
Sie ist so sehr die Fülle Christi, daß sie, betrachtet als Leib in 
Verbindung mit ihrem Haupt, kurzweg „der Christus" genannt 
wird (1. Kor 12, 12). Aber wie das Haupt nicht vollständig 
sein kann ohne einen Leib, so erhält auch der Leib seinen 
ganzen Wert und seine Bedeutung erst durch das Haupt. Das 
Haupt ist es, das die ganze Person gleichsam kennzeichnet, so 
daß in den Gliedern des Leibes eigentlich nur die Bedeutung 
des Hauptes gesehen wird. Und tatsächlich wird in den einzelnen Gliedern der Kirche in ihrem vollendeten Zustande nur 
das Bild Christi geschaut werden: „wo nicht ist Grieche und 
Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, Scythe, Sklave, 
Freier, sondern Christus alles und in allen" (Kol 3, 11). Dies 
ist es, was Christus gesucht hat, und was Er nirgends finden 
konnte außer in der Kirche. Gleichwie für den ersten Adam in 
der ganzen Schöpfung keine Hilfe seines Gleichen gefunden 
wurde außer in der Eva, die aus ihm entnommen war, so sieht 
auch Christus in der Kirche Seines Gleichen: sie ist „von Seinem Fleische und von seinen Gebeinen" (Eph 5, 30), und darum der Gegenstand Seiner innigsten Zuneigungen; sie ist die 
„sehr kostbare Perle", die Er gesucht und gefunden und gekauft hat, und wofür Er alles hingab, was Er hatte. Nicht, daß 
sie diese Kostbarkeit von Natur besessen hätte; gerade das 
Gegenteil war der Fall. Christus fand sie in dem Schmutz die109 
ser Welt, wie einen „im Acker verborgenen Schatz"; aber Er 
liebte sie, und darum gab Er Sich Selbst für sie hin, „auf daß 
er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser 
durch das Wort". Und gleichwie Gott die Eva bildete und sie 
dann dem Adam gab, so wird auch der Christus Sich Selbst — 
da Er Gott ist — die Kirche verherrlicht darstellen, „die nicht 
Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern daß 
sie heilig und tadellos sei". Seine unendliche Liebe zu der Kirche ist die Grundlage Seiner Verbindung mit ihr und der aus 
dieser Verbindung für sie hervorgehenden Herrlichkeiten und 
Segnungen. Sie ist durch die innigsten und stärksten Bande 
mit Seinem Herzen verbunden, so daß Ihm nichts zu teuer war, 
um es für sie hinzugeben, selbst als sie sich noch im Zustand 
des tiefsten Elendes befand. Welch eine Liebe! Er, der Schöpfer und Erbe aller Dinge, der Gegenstand der Wonne des 
Vaters, Er, Der die Fülle von allem ist und in Dem die Fülle der 
Gottheit leibhaftig wohnt, Er mußte sie haben, Er wäre ohne 
den Besitz der Versammlung nicht befriedigt gewesen. Seine 
Liebe zu ihr findet erst dann ihre volle Befriedigung, wenn Er 
sie in Seine Herrlichkeit eingeführt und ihr an allem Teil gegeben hat, was Er Selbst besitzt. Sie hat den ersten Platz in 
Seinem Herzen, und darum nimmt sie auch in Verbindung mit 
Ihm den ersten Platz in dem ewigen Ratschluß Gottes ein. 
Indessen müssen wir stets festhalten, daß sie der Leib eines 
verherrlichten Christus ist. Obwohl sie daher in den Gedanken Gottes schon vor Grundlegung der Welt bestand, so konnte 
ihre Berufung doch nicht stattfinden, bevor Christus verherrlicht war. Bis dahin blieb sie ein in Gott verborgenes „Geheimnis". Gott trat erst dann mit Seinem ewigen Ratschluß 
hervor, als durch die Verwerfung Christi alle Seine auf das 
Gesetz gegründeten Beziehungen mit Israel, und die Beziehungen mit der Welt abgebrochen waren. Die Berufung der Kirche 
ist deshalb, in Übereinstimmung mit diesem ewigen Ratschluß 
und der Stellung ihres Hauptes, eine rein himmlische Sache, 
die außerhalb aller irdischen Verbindung steht. Sobald Christus verherrlicht war, wurde der Heilige Geist herniedergesandt, um die einzelnen Glieder der Kirche aus der Welt zu 
sammeln und sie zu einem Leibe zu vereinigen. Und erst nachdem das letzte Glied dem Leibe hinzugefügt und die Kirche 
110 
tatsächlich mit ihrem himmlischen Haupt in der Herrlichkeit 
vereinigt ist, nimmt Gott Seine Beziehungen zu Israel und der 
Welt wieder auf. Dies zeigt uns, wie alle Ratschlüsse Gottes 
ihren eigentlichen Ausgangspunkt in Seinem ewigen Ratschluß 
haben, der Christum und die Kirche zum Gegenstand hat. 
Nachdem wir so in Kürze die Gegenstände des Ratschlusses 
Gottes betrachtet haben, kommen wir jetzt zu dessen Natur 
und Charakter. 
Er ist göttlich in seinem Ursprung, seiner Ausführung und 
seinem Ergebnis. Indem er seinen Ursprung in Gott Selbst hat, 
ist er die völlige Offenbarung dessen, was Gott ist, sowie der 
Gedanken, die von Ewigkeit her, vor Anbeginn der Schöpfung, 
in Seinem Herzen verborgen waren. Nichts ist darin enthalten, 
was nicht von Gott und in völliger Übereinstimmung mit Ihm 
wäre. Er trägt von Anfang bis zu Ende das Gepräge der göttlichen Natur, der göttlichen Reinheit und Liebe. Infolgedessen 
muß auch alles, was aus diesem Ratschluß hervorgeht, das 
ganze Erlösungswerk Christi, sowie alles, was uns auf diesem 
Grunde zuteil geworden ist: unsere Errettung, Versöhnung, 
Rechtfertigung, unser Friede mit Gott, die persönliche Inwohnung des Heiligen Geistes, unsere Kindschaft, unsere Herrlichkeit und unsere geistlichen Segnungen, mit einem Wort, 
unsere ganze Stellung in Christo denselben göttlichen, 
ewigen und unveränderlichen Charakter tragen. Und wie der 
Ursprung, so wird auch das Ergebnis dieses Ratschlusses, die 
Kirche in ihrer Vollendung, in völliger Übereinstimmung mit 
Gott sein. Sie wird „die Herrlichkeit Gottes" haben (Offb 21, 
11). „Wie er uns auserwählt hat in ihm, daß wir heilig und 
tadellos seien vor ihm in Liebe" (Eph 1, 4). Gleichwie Mose 
das Heiligtum nach dem Muster machen mußte, das ihm auf 
dem Berge gezeigt worden war (2. Mo 25, 40), so wird auch 
die Kirche in ihrer Vollendung genau so dargestellt sein, wie 
sie vor den Zeitaltern schon in dem Herzen und den Gedanken 
Gottes, ihres großen Baumeisters, bestand. Ihr Ursprung und 
Charakter sind göttlicher, himmlischer und ewiger Natur; sie 
wird uns daher gezeigt als die heilige Stadt, die vom Himmel 
herniederkommt, von Gott. Alles, was von Gott kommt, ist 
heilig und seinem Ursprung und seiner Natur nach unbefleckbar. „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn 
111 
sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er 
aus Gott geboren ist" (1. Joh 3, 9). Alles, was wir in der Kirche Gottes sehen, ist aus Gott und das Resultat Seines Werkes. Sie ist daher, selbst wenn sie mit dem Maßstab der Gerechtigkeit Gottes gemessen wird, in jeder Beziehung vollkommen. Gott Selbst, Seine Gerechtigkeit, Reinheit, Heiligkeit, ja 
alle Seine Herrlichkeit wird in ihr gesehen (Offb 21). 
So vollkommen göttlich, wie der Ursprung und das Ergebnis dieses Ratschlusses ist, ist auch seine Ausführung, indem 
wir in ihr die „mannigfaltige Weisheit Gottes", sowie Seine 
unumschränkte Macht und Gnade erblicken. Wohl sah Gott 
den Fall des Menschen voraus, aber darum war auch schon in 
Seinem Ratschluß die Erlösung vorgesehen, in deren Folge 
jener Ratschluß in einer Weise ausgeführt wird, welche die 
Weisheit Seines Urhebers vor dem ganzen Weltall in ein glänzendes Licht stellt. „Auf daß jetzt den Fürstentümern und den 
Gewalten in den himmlischen örtern durch die Versammlung 
kundgetan werde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes, nach 
dem ewigen Vorsatz, den er gefaßt hat in Christo Jesu, unserem Herrn" (Eph 3, 10. 11). Die Engel staunen, wenn sie einen 
Räuber, der am Kreuze endigte, einen Saulus, der mit glühendem Haß den Herrn verfolgte, eine Maria Magdalena, welche 
sieben Teufel hatte, einen Petrus, der mit Fluchen und Schwören seinen Herrn verleugnete, oder alle jene, die tot waren in 
Vergehungen und Sünden, weit über sich in einer Herrlichkeit 
erblicken, „in welche Engel hineinzuschauen begehren" (1. Petr 
1, 12). Die Sünde in allen ihren Formen des Unglaubens und 
der Gottlosigkeit konnte den Ratschluß Gottes weder in seiner 
Ausführung, noch in seinem Endergebnis aufhalten oder verändern; sie brachte nur um so mehr die göttliche Vollkommenheit seiner Natur und seines Charakters ans Licht, indem sie 
die Veranlassung zu dessen völliger Entfaltung und zur Offenbarung unendlicher, bis dahin verborgen gebliebener Tiefen 
Gottes wurde. Die überströmend gewordene Sünde rief eine 
noch überschwenglichere Gnade hervor, eine Gnade, die einen 
Menschen, der jedes Anrecht auf die Güte und die Segnungen 
Gottes verloren hat, aus dem tiefsten Abgrunde des Verderbens zu den erhabensten Höhen der Herrlichkeit erhebt; eine 
Gnade, an die der Mensch nie hätte denken können, ja deren 
112 
Voraussetzung von seiner Seite Vermessenheit gewesen wäre. 
Wie durfte er, nachdem er gesündigt hatte, voraussetzen, daß 
Gott Seinen Sohn für ihn dahingehen würde, um Ihn das 
ganze Gewicht des göttlichen Zornes an seiner Statt treffen zu 
lassen? Würde dies nicht einen Zustand verraten haben, der 
noch weit schlimmer war als die begangenen Sünden? Ganz 
gewiß. Aber wenn Gott daran dachte, für solche Elende, wie 
wir sind, Seinen eigenen Sohn hinzugeben, so zeigt dies nur 
die Vollkommenheit Seines Ratschlusses und die darin verborgenen Tiefen einer Liebe, Gnade, Weisheit und Macht, die uns 
mit Erstaunen und Anbetung erfüllen und Ihn in einer Größe 
und Erhabenheit zeigen, daß selbst der Unglaube Ihn rechtfertigen muß und das Mittel zur Verherrlichung Seiner wunderbaren Gnade wird. 
Wie schrecklich die Sünde und wie unberechenbar ihre Folgen auch sein mögen, so führt Gott dennoch Seinen Ratschluß 
aus, trotz der Sünde und wider die Sünde, indem Er in Seiner 
unumschränkten Gnade Sich über sie erhebt. Mag die Macht 
des Feindes noch so groß, mögen seine Anstrengungen noch so 
gewaltig sein, Gott führt Seinen Vorsatz aus „nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in welcher er gewirkt hat in 
dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte und 
ihn zu seiner Rechten setzte in den himmlischen örtern, über 
jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft 
und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem 
Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen" (Eph 1, 19—22). 
Wenn die Gnadengaben und die Berufung Gottes „unbereubar" sind, dann ist es sicher auch Sein ewiger Ratschluß, dessen Resultat Ihn bezüglich der Sünde und angesichts des ganzen Weltalls gerechtfertigt und verherrlicht erscheinen und den 
Mund des Widersachers verstummen läßt und das Loblied 
aller Seiner Erlösten wachruft. „O Tiefe des Reichtums", ruft 
der Apostel aus, „sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, 
oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm zuvorgegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von 
ihm und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in 
Ewigkeit! Amen" (Röm 11, 33-36). 
113 
Die Natur und der Charakter des göttlichen Ratschlusses 
lassen uns verstehen, wie unabhängig er in jeder Beziehung 
von der Wirksamkeit des Menschen ist. Denn wenn Gott keines „Mitberaters" bedurfte, so bedarf Er auch sicherlich keines Mitwirkers. Der Ratschluß ist in seinem Ursprung wie in 
seiner Ausführung nur das Werk Gottes. Die Verantwortlichkeit des Menschen kommt dabei durchaus nicht in Betracht, 
und darum ist auch von der Wüste oder der Pilgrimschaft dabei keine Rede. Gott tritt hervor, um zu zeigen, was Er ist. Die 
Wüste dagegen hat ihren Platz in den Wegen Gottes und 
offenbart uns, was der Mensch ist. Dies sehen wir vorbildlich 
schon bei Israel. Gott sah das Volk in der Sklaverei Ägyptens 
und kam, um Seinen Ratschluß betreffs des Volkes auszuführen, das heißt, um es zu retten und in ein gutes Land zu bringen. „Und Jehova sprach: Gesehen habe ich das Elend meines 
Volkes, das in Ägypten ist, und sein Geschrei wegen seiner 
Treiber habe ich gehört, denn ich kenne seine Schmerzen. Und 
ich bin herabgekommen, um es aus der Hand der Ägypter zu 
erretten und es aus diesem Lande hinauszuführen in ein gutes 
und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig 
fließt .. . Ich will euch aus dem Elend Ägyptens . . . hinausführen .. . in ein Land, das von Milch und Honig fließt" (2. Mo 
3,7.8.17). „Ich bin Jehova, und werde euch herausführen unter 
den Lastarbeiten der Ägypter hinweg, und werde euch erretten 
aus ihrem Dienste und euch erlösen . . . Und ich werde euch in 
das Land bringen, welches dem Abraham, Isaak und Jakob zu 
geben ich meine Hand erhoben habe, und ich werde es euch 
zum Besitztum geben, ich, Jehova" (2. Mo 6, 6—8). In diesen 
Worten finden wir Erlösung und Herrlichkeit, aber nichts von 
der Wüste. Die Wr
üste ist der Platz der Verantwortlichkeit und 
bildet weder einen Teil des Ratschlusses, noch ist sie zu dessen 
Ausführung nötig. Gott hätte Sein Volk, nachdem es das Rote 
Meer durchschritten hatte, sofort nach Kanaan führen können. 
Denn nicht die Wüste machte das Volk für den Besitz Kanaans 
fähig, sondern einzig und allein die im Blute des Passahlammes und in dem Durchzug durch das Rote Meer vorgebildete 
Erlösung. Und tatsächlich sang Israel an den Ufern des Roten 
Meeres den Triumphgesang der vollkommenen Befreiung, indem es im Geiste in das ganze Ergebnis der vollbrachten Erlösung eintrat. „Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, 
114 
das du erlöst, hast es durch deine Stärke geführt zu deiner 
heiligen Wohnung" (2. Mo 15, 13). Israel war am Ende der 
Wüste nicht fähiger für den Besitz Kanaans, als es im Anfang 
seiner Wanderung war, da es noch am Ufer des Roten Meeres 
stand. Es war ein erlöstes Volk, ehe es noch im eigentlichen 
Sinne des Wortes die Wüste betrat. Wenn man sagt, daß die 
Erfahrungen der Wüste nötig seien, um uns für den Besitz der 
Herrlichkeit passend und fähig zu machen, so leugnet man damit die göttliche Vollkommenheit des Ratschlusses oder wenigstens der Erlösung. Man versteht nicht die Natur und den 
Charakter dieses Ratschlusses. 
Wir lesen in Kol 1, 12: „Danksagend dem Vater, der uns 
fähig gemacht zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem 
Lichte, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und 
versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe". Diese Stelle 
findet ihre Anwendung nicht nur auf einzelne, geistlich geförderte und erfahrene Gläubige, sondern auf alle ohne Ausnahme. 
Der jüngste und schwächste Gläubige ist ebenso für die Herrlichkeit fähig gemacht, wie der älteste und erfahrenste Christ. 
Der Missetäter am Kreuze war, sobald er glaubte, ebenso passend, um in die Herrlichkeit einzugehen, wie der Apostel Paulus am Ende seiner langen, glorreichen Laufbahn, ja wie Christus Selbst. Und in der Tat ging er noch an demselben Tage 
vom Kreuze unmittelbar in das Paradies hinüber: „Wahrlich, 
ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradiese sein". Er 
hatte nicht erst nötig, die Erfahrungen der Wüste zu machen. 
Wir sprechen hier selbstverständlich nur von dem Ratschluß 
als solchem, so wie Gott ihn in Christo gefaßt und ausgeführt 
hat, nach welchem die Gläubigen bereits erlöst und zu Gott gebracht sind, und zwar in völliger Übereinstimmung mit Ihm. 
„Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führe" 
(1. Petr 3, 18). Wir waren tot in unseren Vergehungen und 
Sünden; „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen 
seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, als auch wir in 
den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht, (durch Gnade seid ihr errettet) und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen örtern 
in Christo Jesu" (Eph 2). Wir sind so vollkommen errettet und 
115 
befreit, daß wir, gleich Israel an den Ufern des Roten Meeres, 
jetzt schon den Triumphgesang der Befreiung anstimmen können. Aber diese Errettung ist, wie schon wiederholt bemerkt 
wurde, ausgeführt außer uns in Christo. Ohne Zweifel geschieht ein Werk in uns, wenn der Heilige Geist uns von unserem Zustande überzeugt und uns in die Erkenntnis Christi und 
Seines für uns vollbrachten Werkes einführt. Aber wir sprechen jetzt nur von dem Werk, das Gott nach Seinem Vorsatz 
in Christo für alle Gläubige ohne Ausnahme vollbracht hat, 
und durch das sie vollkommen errettet und befreit sind. Sie 
sitzen schon in Christo in den himmlischen örtern und sind 
demgemäß vor Gott nach der Vollkommenheit und Kostbarkeit der Person Christi und dem ganzen Wert Seines Opfers. 
Sie können als Menschen in Christo nie mehr verlorengehen, auch 
gibt es irgendwelche Verdammnis nicht mehr für sie. Wir führen zur Bestätigung des Gesagten noch einige Stellen an: „Denn 
in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig; und ihr 
seid vollendet in ihm, welcher das Haupt jedes Fürstentums und 
jeder Gewalt ist". „Denn durch ein Opfer hat er auf immerdar 
vollkommen gemacht, die geheiligt werden". „Also ist jetzt 
keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind". „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, auf daß wir Freimütigkeit haben am Tage des Gerichts, daß, gleichwie er ist, 
auch wir sind in dieser Welt". „Meine Schafe hören meine 
Stimme . . . und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen 
nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus meiner Hand 
rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als 
alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben" (Kol 2, 9-15; Hebr 10, 14; Röm 8, 1; 1. Joh 4, 17; Joh 
10, 27—29). Diese und noch viele andere Stellen bezeugen klar 
und deutlich, daß die vollkommene Errettung und Stellung des 
Gläubigen eine vor Gott bestehende Tatsache ist. Der Gläubige 
ist so vollkommen gemacht, wie das Werk Christi ihn vollkommen machen kann, und selbstverständlich kann dem, was 
vollkommen und vollendet ist, nichts mehr hinzugefügt werden. Welches Gericht oder welche Verdammnis könnte es noch 
geben für den, der laut des Wortes Gottes so gerecht und 
vollkommen ist, wie der Richter Selbst? Kann es für Christum 
eine Verdammnis geben? Oder gibt es etwas auszusetzen an 
der Gerechtigkeit Gottes? Und dieser Gerechtigkeit sind wir 
116 
teilhaftig geworden. „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für 
uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm" (2. Kor 5, 21). Unstreitig muß eine Stellung, die 
das ewig vollgültige Werk Christi zur Grundlage hat, dieselbe 
Dauer und Gütigkeit haben, wie dieses Werk selbst. 
Zwar befinden wir uns noch hier in einem sterblichen Leibe, 
aber der Heilige Geist, der infolge des vollbrachten Werkes 
und der Verherrlichung Christi herabgesandt ist, hat Wohnung in uns gemacht; und Seine Gegenwart in uns ist die 
Bestätigung der für uns vollbrachten Erlösung, der Tilgung 
unserer Sünden, sowie unserer Annahme in Christo vor Gott. 
Infolgedessen wird auch unser sterblicher Leib lebendig gemacht werden. „Wenn aber der Geist dessen, der Jesum aus 
den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der 
Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen 
Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes" (Röm 8, 11). Dies wird bei der Ankunft des Herrn geschehen, und zwar in einem Nu, in einem Augenblick. „Siehe 
ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem 
Nu, in einem Augenblick" (1. Kor 15, 51—58). „Denn der Herr 
selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom 
Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen 
usw." (1. Thess 4, 16. 17). „Denn unser Bürgertum ist in den 
Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als 
Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichfomigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit" (Phil 3, 20. 21). Der Ratschluß Gottes wird also bei 
der Ankunft des Herrn auch bezüglich unseres Leibes erfüllt 
werden, indem wir alsdann dem Leibe nach in die Stellung 
versetzt werden, die wir jetzt schon dem Geiste nach in Christo haben; und die Ankunft des Herrn haben wir jeden Tag 
zu erwarten. 
Aber, könnte man fragen, wozu denn die Wüste, wenn sie 
weder einen Teil des Ratschlusses bildet, noch zu seiner Ausführung nötig ist? Die Beantwortung dieser Frage führt uns 
zur Betrachtung der Wege Gottes mit den Seinen. Wenn Gott 
in Seinem Ratschluß zeigt, was Er für uns ist, so bietet die 
117 
Wüste uns Gelegenheit, zu zeigen, was wir für Ihn sind. Die 
Wüste ist der Platz der Verantwortlichkeit, die Seite des Menschen, wenn wir so sagen dürfen, wo das „Wenn" anfängt, 
dem wir so häufig in dem Worte begegnen, und wodurch so 
viele Christen beunruhigt werden, weil sie wegen Mangels an 
Verständnis des Ratschlusses Gottes nicht befreit sind. Sie 
unterscheiden nicht zwischen dem Ratschluß und der Regierung Gottes, zwischen der Stellung und der Verantwortlichkeit 
des Gläubigen; sie sind betreffs ihrer Errettung in Zweifel 
und Ungewißheit und daher unfähig, in Übereinstimmung mit 
Gott zu wandeln. Andererseits ist es möglich, daß man alle 
diese Wahrheiten versteht und zu unterscheiden weiß und 
dennoch, aus Mangel an Treue und Wachsamkeit, nicht in 
Übereinstimmung mit Gott wandelt. 
Wie der Ratschluß Gottes, so tragen auch die Wege Seiner 
Regierung den Stempel der göttlichen Vollkommenheit, Weisheit und Macht. „Gott — sein Weg ist vollkommen" (Ps 18, 
30). So dunkel, unbegreiflich und unausforschlich die Regierungswege Gottes auch oft für uns sein mögen, so haben sie 
doch in betreff der Gläubigen*) dieselbe Liebe zur Grundlage, 
wie der Ratschluß Gottes, wie sie denn auch schließlich zu 
dessen Erfüllung führen. Mögen sie deshalb auch noch so ernst 
sein, ja oft sogar den Charakter des Gerichts tragen, so ist 
doch bei ihrer Wahl die Liebe die alleinige Triebfeder. Derselbe Gott, Der uns nach Seinem Vorsatz zuvorerkannt und 
zuvorbestimmt hat, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu 
sein, ist es auch, Der in der nämlichen Liebe in Seinen Wegen 
mit uns handelt. Selbst wenn Er richtet, bleibt Er immer der 
Gott/Den wir als Vater anrufen. Unsere Stellung in Christo 
wird dadurch nicht im entferntesten berührt. So wenig wie 
durch Seinen Ratschluß die Wege Seiner Regierung entkräftet 
werden, ebensowenig heben diese jenen auf. Beide stehen in 
vollkommener Harmonie miteinander, obgleich sie dem Grundsatz ihrer Ausführung nach völlig verschieden sind. 
Wir haben gesehen, wie Gott in der Ausführung Seines Ratschlusses in unumschränkter Gnade für uns und unabhängig 
*) In betreff der Welt enden die Wege Gottes im Gericht, in der ewigen 
Verdammnis. 
118 
von unserem Zustande handelt. Er hat uns vollkommen errettet in Christo, alles ist Sein Werk, und unsere Verantwortlichkeit kommt dabei nicht in Betracht. Handelt es sich aber um 
die Wege Seiner Regierung, so hängt alles von der Verantwortlichkeit des Menschen ab. Gott handelt dann als Der, „welcher 
einem jeden vergelten wird nach seinen Werken: denen, die 
mit Ausharren in gutem Werke Herrlichkeit und Ehre und 
Unverweslichkeit suchen, ewiges Leben; denen aber, die streitsüchtig und der Wahrheit ungehorsam sind, der Ungerechtigkeit aber gehorsam, Zorn und Grimm. Drangsal und Angst 
über jede Seele eines Menschen, der das Böse vollbringt . . . 
Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden jedem, der das Gute 
wirkt" (Röm 2, 7—10). Inwieweit der Mensch fähig ist, das 
Gute zu tun, kommt hier nicht in Betracht; er ist verantwortlich, es zu tun, tut er es nicht, so wird Zorn und Grimm, Drangsal und Angst über ihn kommen. Das Wort: „Was irgend der 
Mensch sät, das wird er auch ernten", behält als ein allgemeiner Grundsatz stets seine Gültigkeit, und soweit es Seine Regierung betrifft, weicht Gott nicht davon ab, wie unumschränkt 
auch Seine Gnade sein mag, die Er auf der anderen Seite an 
einem elenden, verlorenen Sünder offenbart. Im Blick auf die 
christliche Verantwortlichkeit heißt es: „Wenn jemand nicht in 
mir bleibt, der wird hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie 
verbrennen" (Joh 15, 6). „Denn wenn ihr nach dem Fleische 
lebet, so werdet ihr sterben" (Röm 8, 13). „Und euch . . . hat 
er aber nun versöhnt . . . um euch heilig und tadellos und unsträflich vor sich hinzustellen, wenn ihr anders im Glauben 
gegründet und fest bleibet" (Kol 1, 21—23). „Das Wort ist gewiß; denn wenn wir mitgestorben sind, so werden wir auch 
mitleben; wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen; wenn wir verleugnen, so wird auch er uns verleugnen; 
wenn wir untreu sind — er bleibt treu, denn er kann sich selbst 
nicht verleugnen" (2. Tim 2, 11—13). 
Gott kann diese Verantwortlichkeit nicht aufheben, weder in 
bezug auf den Menschen im allgemeinen, noch auch in bezug 
auf den Gläubigen. Er richtet in Seiner Regierung „ohne Ansehen der Person nach eines jeden Werk" (1. Petr 1, 17). So 
unumschränkt Er in der Ausübung der Gnade ist, wenn es sich 
um Seinen Ratschluß handelt, so wenig kann Er Seine Gerech119 
tigkeit und Heiligkeit in den Wegen Seiner Regierung aufgeben. Er kann nie die Sünde dulden, oder Er müßte aufhören, 
Gott zu sein. Aber nein: „Er kann sich selbst nicht verleugnen". „Gerechtigkeit und Gericht sind seines Thrones Grundfeste" (Ps 97, 2). Selbst die Ausübung der Gnade kann nur 
stattfinden aufgrund Seiner Gerechtigkeit, auf Grund des Todes Christi, des Ausdrucks der Gerechtigkeit und Heiligkeit 
Gottes der Sünde gegenüber. 
Viele Gläubige befinden sich nun in Zweifel und Ungewißheit betreffs ihrer Errettung. Dies hat zunächst seinen Grund 
darin, daß sie von den Stellen, die auf die Verantwortlichkeit 
bezug haben, eine falsche Anwendung machen. Sie behaupten 
auf Grund dieser Stellen, ein Christ könne noch wie die Rebe 
„hinausgeworfen" und „verleugnet" werden. Aber sie unterscheiden nicht zwischen Stellung und Verantwortlichkeit. Wie 
groß auch die Verantwortlichkeit sein mag, so wird doch die 
Stellung dadurch nicht im geringsten in Frage gestellt. Der 
Gläubige ist ein für allemal, gleich Israel am Roten Meer, erlöst, errettet und mit Gott in Übereinstimmung gebracht. Israel 
war und blieb das erlöste Volk Gottes selbst dann noch, als es 
in trauriger Weise in der Wüste gefehlt und seiner Verantwortlichkeit nicht entsprochen hatte. „Nicht ein Mensch ist 
Gott, daß er lüge, noch ein Menschensohn, daß er gereue. 
Sollte er gesprochen haben und es nicht tun, und sollte er geredet haben und es nicht aufrechthalten? Siehe, zu segnen 
habe ich empfangen; und er hat gesegnet, und ich kann es nicht 
wenden. Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht 
kein Unrecht in Israel" (4. Mo 23). Das war das Zeugnis Gottes über Israel, und zwar in einem Augenblick, als es nicht, wie 
am Roten Meer, den Triumphgesang der Befreiung anstimmt, 
sondern als es klagend und murrend die Wüste durchzog. Der 
Geist Gottes sagt nicht ohne Absicht: „Und Bileam richtete 
sein Angesicht nach der Wüste . . ." (4. Mo 24). Und es ist 
beachtenswert, daß dieses Zeugnis aus dem Munde des untreuen 
Propheten Bileam kam, der so gern das Volk verflucht hätte, 
um sich die Gunst Balaks zu erkaufen. Wohl züchtigte Gott 
das Volk wegen seiner Widerspenstigkeit in ernster Weise; 
aber wenn der Feind es verfluchen wollte, dann war es Gott, 
Welcher rechtfertigte (Röm 8, 33). Und selbst in der gegen120 
wältigen Zeit, wo Israel als Volk infolge der Verwerfung seines Messias unter dem Gericht Gottes ist, hört es nicht auf, 
das geliebte und auserwählte Volk Gottes zu sein, und wird 
aus diesem Grunde wiederhergestellt werden. „Gott hat sein 
Volk nicht verstoßen, das er zuvorerkannt hat . . . Denn die 
Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar" (Röm 
11, 2. 29). Ebenso läßt die Frage der Verantwortlichkeit des 
Gläubigen seine Stellung nach dem Ratschluß Gottes völlig 
unberührt. 
Was aber ist denn der Zweck der Wüste? Wir finden die 
Antwort in 5. Mo 8, 2: „Und du sollst gedenken des ganzen 
Weges, den Jehova, dein Gott, dich hat wandern lassen diese 
vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, 
um dich zu versuchen, um zu erkennen, was in deinem 
Herzen ist, ob du seine Gebote beobachten würdest, 
oder nicht". Die Erlösung des Volkes Gottes war so vollkommen, daß seiner Einführung in Kanaan ebensowenig im Wege 
stand, wie der Einführung des Räubers am Kreuze in das Paradies. Dennoch gefiel es Gott, das Volk vierzig Jahre durch 
die Wüste zu führen, um es zu versuchen, damit kund würde, 
was in ihren Herzen war. Und das Resultat davon läßt uns 
die Weisheit und den Zweck der Wege Gottes verstehen, während es zugleich zur ernsten Belehrung und Warnung für uns 
dient. Es zeigt uns, warum das „Wenn", oder mit anderen 
Worten, die Verantwortlichkeit eingeführt ist. Nicht etwa, um 
den Ratschluß Gottes oder unsere Errettung als unsicher hinzustellen, sondern vielmehr um uns auf die Gefahr des Selbstbetrugs betreffs der Errettung aufmerksam zu machen. Im 10. 
Kapitel des ersten Korinfherbriefes finden wir dies sehr deutlich ausgedrückt. Es heißt dort: „Denn ich will nicht, daß ihr 
unkundig seid, Brüder, daß unsere Väter alle unter der Wolke 
waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind, und 
alle auf Moses getauft wurden in der Wolke und in dem 
Meere, und alle dieselbe geistliche Speise aßen, und alle denselben geistlichen Trank tranken . . . An den meisten derselben 
aber hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste 
hingestreckt worden". Sollen diese Worte unsere Errettung 
nach dem Ratschluß Gottes in Frage stellen? Gewiß nicht. Sie 
wollen entschieden nicht sagen, daß man, einmal gerettet, wieder verlorengehen könne, sondern sind vielmehr ein Beweis, 
121 
daß man äußerlich mit dem erlösten Volke Gottes in Verbindung und seiner geistlichen Segnungen mitteilhaftig sein kann, 
ohne wirklich gerettet zu sein. „Nicht aber, als ob das Wort 
Gottes hinfällig geworden wäre; denn nicht alle, die aus Israel 
sind, die sind Israel, auch nicht, weil sie Abrahams Same sind, 
sind alle Kinder; sondern ,in Isaak wird dir ein Same genannt 
werden'. Das ist: Nicht die Kinder des Fleisches, diese sind 
Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als 
Samen gerechnet" (Röm 9, 6—8). Die Wüste offenbarte, daß 
nicht alle Israeliten, die Ägypten verlassen hatten, wirklich 
Kinder der Verheißung waren; und dasselbe, was hier von 
Israel gesagt ist, gilt auch von der Christenheit. Denn „alle 
diese Dinge widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der 
Zeitalter gekommen ist. Daher, wer zu stehen sich dünkt, sehe 
zu, daß er nicht falle" (1. Kor 10, 11. 12). Die Ermahnung bezweckt also, daß niemand sich selbst täusche, sondern volle 
Gewißheit über seine Errettung erlange. Ach, wie viele leben 
auch heute in dieser schrecklichen Selbsttäuschung dahin! Sie 
glauben, genug getan zu haben, wenn sie sich von den rauschenden Vergnügungen der Welt und von groben Sünden 
getrennt halten, mit den wahren Christen verkehren und mit 
ihnen zum Tische des Herrn gehen. Aber sie betrügen sich 
selbst auf verhängnisvolle Weise. Gleich der großen bekennenden Masse, die sorglos und gleichgültig auf dem breiten Weg 
des Verderbens einhergeht, ohne sich um Gott und Gottes Wort 
zu kümmern, sind auch sie bloß äußerlich dem Namen nach 
mit Christo als dem Weinstock in Verbindung, ohne das Leben 
aus Gott empfangen zu haben. Dennoch sind sie nach der Regierung Gottes verantwortlich für die Stellung, die sie einzunehmen bekennen, und werden, insofern sie sie nicht verwirklichen, „hinausgeworfen werden wie die Rebe". Ohne Zweifel 
kann niemand als Christ wandeln, es sei denn, daß er den 
Geist aus Gott empfangen habe, dennoch aber ist jeder, der 
Christ zu sein bekennt, verantwortlich, auch als solcher zu 
wandeln. „Wer da sagt, daß er in ihm bleibe, ist schuldig, 
selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat" (1. Joh 2, 6). 
Alle Ermahnungen und Warnungen des Wortes Gottes, die 
sich auf den christlichen Wandel beziehen, richten sich an alle 
122 
bekennenden Christen ohne Ausnahme, mögen sie bekehrt 
oder unbekehrt sein; so ist es klar, daß es solche gibt, die hinausgeworfen oder verleugnet werden. Sie waren aber selbstverständlich nie wiedergeboren. In dieser Beziehung sind denn 
auch die Warnungen gegeben, die wir in 1. Kor 10, dem Brief 
Judas, 2. Petr 2, Hebr 12, 16 usw. finden, sowie in Stellen wie 
die folgende: „Denn es ist unmöglich, diejenigen, welche einmal erleuchtet waren und geschmeckt haben die himmlische 
Gabe und teilhaftig geworden sind des Heiligen Geistes*), und 
geschmeckt haben das gute Wort Gottes und die Wunderwerke 
des zukünftigen Zeitalters und abgefallen sind, wiederum zur 
Buße zu erneuern" (Hebr 6, 4—6). Solche Stellen können nie 
auf wahre Christen angewendet werden, die wirklich das Leben 
aus Gott besitzen; denn von ihnen sagt der Herr: „Sie gehen 
nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus meiner Hand 
rauben" (Joh 10). Ihre Stellung in Christo ist so unerschütterlich wie der Ratschluß Gottes, ja wie die Stellung Christi Selbst. 
Um so ernster und feierlicher aber sind solche Warnungen für 
die, welche sich mit andächtigen und frommen Gefühlen und 
der äußerlichen Gemeinschaft mit den wahren Christen irgendwelcher Partei begnügen, ohne eine tatsächliche Veränderung 
an ihrem Herzen erfahren zu haben. Sie haben noch nie ihren 
verlorenen Zustand im Lichte Gottes wahrhaft erkannt und 
haben noch nie in Angst ihres Herzens ausgerufen: „Was muß 
ich tun, auf daß ich errettet werde?" Mögen sie bedenken, daß 
auch die törichten Jungfrauen in Gemeinschaft mit den klugen 
von der Welt ausgegangen waren dem Bräutigam entgegen, 
und daß sie gleich diesen auch ihre Lampen, die äußeren Formen des Glaubens, besaßen. Aber auf die Probe gestellt dadurch, daß der Bräutigam verzog, zeigte sich bald ihr Mangel 
an ö l — der Mangel des Lebens aus Gott; und ach! wie schrecklich wurden sie enttäuscht durch das ernste Wort aus dem 
Munde des Herrn: „Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch 
nicht" (Mt 25). So gibt es auch in der gegenwärtigen Zeit tau-
*) Dies will nicht sagen, daß die hier gemeinten Personen den Heiligen Geist 
als persönlich in sich wohnend empfangen hatten, sondern sie waren dessen 
teilhaftig geworden, insoweit die Offenbarungen des Geistes in der Versamm= 
lung „einem jeden zum Nutzen gegeben sind" (1. Kor 12, 7). Diejenigen, welche 
wirklich den Heiligen Geist empfangen haben, besitzen Ihn für ewig: „denn er 
bleibt bei euch und wird in euch sein" (Joh 14, 17), 
123 
sende, welche die Wahrheit des Heils mit ihrem Verstände aufgefaßt haben, aber sie ist nie in ihr Herz und Gewissen eingedrungen, obwohl sie viel Religiosität und Frömmigkeit zur 
Schau tragen mögen. 
Andererseits gibt sich ein solcher Selbstbetrug auch vielfach 
in großer Oberflächlichkeit und in dem leichtfertigen Mißbrauch 
kund, den man mit der freien, unumschränkten Gnade treibt, 
indem man sich ihrer rühmt, während man zugleich seinem 
eigenen Willen folgt und den Lüsten seines Fleisches freien 
Lauf läßt. Alle, die von einer solchen Gesinnung geleitet werden, mögen darüber zu reden wissen, aber sie gehen Tag für 
Tag voran, ohne daß je ein ernstes Selbstgericht oder ein geistliches Bedürfnis des Herzens bei ihnen wahrzunehmen wäre. 
Aber in so leichtfertiger Weise die Gnade mißbrauchen, heißt 
nach dem Worte Gottes, sie in einen Grundsatz der Ausschweifung verkehren; und dies ist die Gottlosigkeit in ihrer verabscheuungswürdigsten Form, die notwendig das Gericht herbeiführen muß. Dennoch können sich auch solche vielleicht für 
eine Zeitlang zu den wahren Christen halten, ohne daß sie sich 
von ihnen in auffallender Weise unterscheiden, obwohl ihr 
Zustand dem klaren Auge des geistlichen Christen nicht verborgen bleiben wird. Judas sagt in bezug auf diese Klasse von 
Personen: „Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon vorlängst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in 
Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und 
Herrn Jesus Christus verleugnen". Zweifellos ist hier von bloßen Bekennern die Rede, und doch heißt es weiter: „Diese sind 
Flecken bei euren Liebesmahlen, indem sie mit euch Festessen 
halten und sich selbst weiden; Wolken ohne Wasser usw." Sie 
waren mit den wahren Christen in Gemeinschaft, ohne von 
diesen so erkannt zu werden, wie sie das geistliche Auge des 
Apostels erkannte. Wir sehen also auch hier, wie weit diese 
Täuschung gehen kann, und wie nötig die diesbezüglichen Warnungen des Wortes sind. Denn so vollkommen die Errettung 
ist, so groß ist auch die Gefahr, sich in eitlem Selbstbetrug, 
gleich den törichten Jungfrauen, der freien Gnade zu rühmen, 
ohne sie tatsächlich für das Herz zu besitzen und ihre heilbringende Wirkung auf Leben und Wandel erfahren zu haben. 
(Tit 2, 11—14). Möchte sich deshalb jeder, so lange es noch 
124 
heute heißt, warnen lassen durch die ernsten Worte: „Wenn 
aber jemand den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein" 
(Röm 8, 9). „. . . wenn ihr anders in dem Glauben gegründet 
und fest bleibet, und nicht abbewegt werdet von der Hoffnung 
des Evangeliums" (Kol 1, 23). „Ich will euch aber, die ihr einmal alles wußtet, daran erinnern, daß der Herr, nachdem er das 
Volk aus dem Lande Ägypten gerettet hatte zum anderenmal 
die vertilgte, welche nicht geglaubt haben" (Judas5). „Fürchten 
wir uns nun, daß nicht etwa, da eine Verheißung, in Seine 
Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, jemand von euch zurückgeblieben zu sein scheine" „. . . auf daß nicht jemand nach 
demselben Beispiel des Ungehorsams falle"; „denn wir, die wir 
geglaubt haben, gehen in die Ruhe ein" (Hebr 4). 
Indessen könnte jemand fragen: Kann denn nicht auch ein 
wahrer Christ sich wieder vom Herrn abwenden und nach dem 
Fleische leben? Leider ja, wenn er nicht wachsam ist. Aber in 
diesem Fall haben wir es mit der Regierung Gottes zu tun, 
denn Ihm kann das Verhalten und der Zustand der Seinigen 
nicht gleichgültig sein. Er kann, wie schon bemerkt, Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht aufgeben, selbst wenn es sich 
um die Gegenstände Seiner Gnade handelt; in dieser Beziehung gilt vor Ihm kein Ansehen der Person. Aber dennoch sind 
und bleiben sie die Gegenstände der in Seinem Ratschluß geoffenbarten Gnade, wie traurig ihr Zustand auch sein mag. Er 
verschließt Sein Auge nicht vor diesem Zustand; vielmehr beschäftigt Er Sich mit ihnen in den Wegen Seiner Regierung, 
damit sie ihren Wandel in Übereinstimmung mit Seinem Ratschluß als Menschen in Christo führen. Wir haben gesehen, 
daß Christus, der auferstandene und verherrlichte Mensch zur 
Rechten Gottes, der Ausdruck unserer Stellung vor Gott ist; 
und Gott erwartet nichts weniger von uns, als daß unser Wandel dieser Stellung entspreche. Dies ist das Maß unserer Verantwortlichkeit, und nur durch einen solchen Wandel wird Gott 
verherrlicht. 
Leider verstehen viele Gläubige diese Stellung nicht, und 
sind deshalb auch nicht imstande, ihr gemäß zu wandeln. Sie 
sind nicht befreit und befinden sich unter dem Gesetz, vielleicht 
ohne daß sie es selbst wissen und wollen. Wohl mögen sie den 
aufrichtigen Wunsch haben, Gott wohlgefällig zu leben; aber 
125 
bei aller Anstrengung gelingt es ihnen nicht, so zu wandeln, 
wie sie es nach ihrer neuen Natur möchten. Jedoch, je aufrichtiger sie sind, um so schneller werden sie kennenlernen, was 
sie sind. Es mag viel Kampf und tiefe Übungen durchzumachen 
geben, aber die Befreiung wird um so gründlicher sein. Sie 
werden erkennen, daß ihr Zustand völlig verderbt ist, daß 
nicht nur die Früchte schlecht sind, sondern daß der ganze 
Baum nichts taugt. Und die fruchtlosen Anstrengungen zur 
Selbstbesserung werden dem Bedürfnis, von einem gänzlich 
unverbeserlichen Zustande befreit zu werden, Platz machen. 
Die Befreiung besteht darin, daß dieser Zustand, daß Ich, die 
Sünde, der alte Mensch hinweggetan ist, indem er sein Ende 
in dem Tode Christi gefunden hat. Nicht nur sind meine Sünden auf Grund des Werkes Christi vergeben, sondern ich 
selbst bin gestorben, als Christus starb. Ich existierte als Kind 
des ersten Adam nicht mehr vor Gott, sondern ich bin vor Ihm 
in Christo, dem zweiten Adam; Er ist mein Leben. „Ich bin 
mit Christo gekreuzigt; und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich 
durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat" (Gal 2, 20; 
Röm 6, 6). 
Dann gibt es wieder solche, die vor Gott nicht aufrichtig 
sind in betreff ihres Zustandes und sich mit dem Bewußtsein 
der Vergebung ihrer Sünden begnügen. Ihr Verhalten wird 
durch keinen höheren Beweggrund geleitet, als durch die 
Furcht vor der Strafe, und sie kennen keinen anderen Zweck 
des Werkes Christi, als daß sie dadurch in den Himmel kommen. An die Verherrlichung des Namens Jesu, als den einzigen Zweck des christlichen Lebens hienieden, denken sie 
nicht. Daher ihre beklagenswerte Unwissenheit in betreff des 
Wortes Gottes, daher der Mangel an geistlicher Energie und 
Entschiedenheit in ihrem Wandel, selbst bezüglich der wenigen 
Dinge, die sie erkannt haben; daher dann auch die traurige 
Verblendung, in der sie z. B. den in Röm 7 beschriebenen Zustand als den regelrechten Zustand eines Christen bezeichnen, 
während sie die Lehre von der wahren Stellung des Gläubigen 
einen gefährlichen Irrtum nennen. Kein Wunder, daß sie Jahr 
und Tag vorangehen, ohne befreit zu werden und ohne irgendwelche geistliche Fortschritte zu machen. Es findet sich bei 
126 
ihnen kein Wachstum in der Erkenntnis, kein Forschen nach 
Wahrheit, und nie richten sie mit Aufrichtigkeit die Frage an 
ihr Herz und Gewissen: Stimmt meine praktische Stellung und 
mein Wandel mit dem Worte Gottes auch wirklich überein? 
Wir haben oben gesagt, daß ein Christ, wenn er aufrichtig ist, 
notwendig zur Erkenntnis seines Zustandes und zu der Einsicht kommen muß,- daß die Befreiung ebenso nötig ist wie die 
Bekehrung, nicht um errettet zu werden, sondern um seiner 
Stellung gemäß wandeln zu können. Der Tod Christi hatte 
nicht allein den Zweck, uns von der Hölle zu erretten; Christus 
hat uns durch Seinen Tod auch losgekauft von aller Gesetzlosigkeit und für Sich Selbst zu einem Eigentumsvolk gereinigt, 
eifrig in guten Werken (Tit 2, 14; 1. Thess 1, 9). Doch dies 
beachten jene Seelen nicht, und so bleiben die Ermahnungen 
des Wortes für sie fruchtlos. Sie mögen dennoch wahre Christen sein, aber darum werden sie nach den Wegen der Regierung Gottes sicherlich durch ernste Züchtigungen gehen müssen; sie werden gerettet werden, doch so wie Lot, „mit Not" 
oder „wie durchs Feuer" (1. Petr 4, 18; 1. Kor 3, 15). Gleichwohl sind diese Züchtigungen ein Beweis der Liebe und Treue 
Gottes und ihrer Sohnschaft, „denn", sagt der Apostel, „wenn 
ihr ohne Züchtigung seid, so seid ihr denn Bastarde und nicht 
Söhne" (Hebr 12, 8). Doch ihr Leben ist in mehr als einer Hinsicht ein verlorenes Leben. Wohl sind und bleiben sie ihrer 
Stellung nach wirklich „Gerechte", aber sie selbst sind stets in 
Zweifel und Ungewißheit über ihre Errettung, oder wenigstens 
unbefestigt in bezug auf Berufung und Auserwählung. Infolgedessen straucheln sie oft und ihr Eingang in das ewige Reich 
unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi ist verengt (2. Petr 
1, 8—11). Zugleich sind solche Zustände stets sehr bedenklich; 
sehr oft ist mit ihnen der größte Selbstbetrug verbunden und 
die Frage ist berechtigt, ob jemals eine wirkliche Bekehrung 
stattgefunden hat. 
Endlich gibt es noch eine dritte Klasse von Personen, mit der 
wir uns einen Augenblick beschäftigen müssen. Es sind solche, 
welche die Befreiung der Lehre nach verstehen und wissen, daß 
man als ein Mensch in Christo nicht mehr unter dem Gesetz 
steht, auch nicht mehr in dem Zustand des ersten Adam ist, 
während ihr Wandel dem Wandel eines himmlischen Menschen durchaus nicht entspricht. Sie stehen ihrer Erkenntnis 
127 
nach vielleicht weit über solchen, die sich noch unter dem Gesetz befinden, während sie bezüglich der Treue im Wandel 
weit hinter ihnen zurückbleiben. Sie rühmen sich der Befreiung 
vom Gesetz, während sie die Freiheit zu einem Anlaß für das 
Fleisch gebrauchen und dadurch dem Feinde Gelegenheit geben, 
die Lehre von der Befreiung zu verlästern. Oder stehen nicht 
die leider nur zu oft vorgekommenen traurigen Fälle von Hurerei, Ehebruch, Geiz, Habsucht, Trunkenheit, Zank, Neid, Eifersucht, Verleumdungen, Ohrenbläsereien und das leichtfertige 
und gewissenlose Schuldenmachen solcher, die sich der Befreiung rühmen, mit dieser in direktem Widerspruch? Ist nicht der 
mit der Bruderschaft getriebene Mißbrauch, die Rücksichtslosigkeit, mit der die Rechte des Bruders oft übersehen und mit 
Füßen getreten werden, die Gefühllosigkeit, mit der man dessen 
rechtmäßige Ansprüche einfach unberücksichtigt läßt, und zwar 
aus dem einzigen Grunde, weil er ein Bruder ist, ist nicht alles 
dieses etwas, wodurch die Lehre verlästert wird? Allerdings 
werden sich die Treuen um der Ehre des Herrn willen stets von 
solchen Zuständen trennen; aber dennoch zeigen diese schmerzlichen und beschämenden Tatsachen, wie man die Lehre von 
der Befreiung mit dem Verstände auffassen kann, ohne wirklich befreit zu sein. Und wenn man auch nicht gerade in die 
oben genannten groben Sünden verfällt, so beweisen doch 
Weltförmigkeit im Wandel, Gleichgültigkeit gegen die Ehre 
des Herrn und Sein Wort, Mangel an Interesse für Sein Werk 
usw. ebensosehr, daß man nicht in der wirklichen Befreiung 
steht, die man vorgibt, zu kennen und zu verstehen. Sicher 
sind alle, bei welchen sich trotz ihrer geförderten Erkenntnis 
solche beklagenswerten Zustände vorfinden, weit strafbarer, 
als andere, die diese Erkenntnis nicht haben. Statt den Namen 
des Herrn um so mehr zu verherrlichen, geben sie im Gegenteil 
dem Feind Anlaß zur Lästerung. Ihre Verantwortlichkeit ist 
weit größer. Und obgleich der Herr sogar mit den traurigsten 
Zuständen oft lange Geduld haben kann, so werden doch Seine 
Wege und Seine Gerichte um so ernster sein. Denn in diesem 
Fall handelt es sich weder um Unwissenheit, noch um bloße 
Unwachsamkeit, sondern um einen ungebrochenen, nicht unterworfenen Willen, um einen schlechten Zustand. 
Die wirkliche Befreiung gibt sich in einem hingebenden Gehorsam kund, in einem Wandel der Abhängigkeit von Gott. 
128 
Wir sehen dies in seiner vollkommenen Schönheit im Leben 
des Herrn Jesu als Mensch auf der Erde entwickelt; Er wurde 
als der zweite Adam, im Gegensatz zu dem ersten, „gehorsam 
bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze". — Die wahre Freiheit 
findet ihre Befriedigung nicht in der Erfüllung des eigenen 
Willens und der Lüste des Fleisches, sondern in der Verleugnung beider und in der Erfüllung des Willens Gottes. Man ist 
glücklich, von einem Zustand befreit zu sein, in dem man ein 
Sklave der Sünde war. „Gott aber sei Dank, daß ihr Sklaven 
der Sünde wäret, aber von Herzen gehorsam geworden seid 
dem Bilde der Lehre, welchem ihr übergeben worden seid. Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden" (Röm 6, 17. 18). Man betrachtet nicht sich 
selbst, oder seine Umgebung, sondern die Schönheit jenes Bildes, die Schönheit Jesu, wie Paulus sagt: „Wir alle aber, mit 
aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, 
werden verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu 
Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist" (2. Kor 3, 18). In 
Stephanus sehen wir das Bild eines befreiten Christen. Voll 
des Heiligen Geistes schaut er unverwandt gen Himmel und 
sieht die Herrlichkeit Gottes und Jesum, stehend zur Rechten 
Gottes. Umgeben von seinen Feinden, ist sein Auge nicht auf 
diese, sondern auf die Herrlichkeit Gottes und die Person Jesu 
gerichtet, und erfüllt von dem Heiligen Geist, offenbart sich in 
ihm das Leben und die Gesinnung Jesu. Auch er betet angesichts eines qualvollen Todes für seine Mörder: „Herr, rechne 
ihnen diese Sünde nicht zu" (Apg 7). 
Wohl mag es bei einer wirklich befreiten Seele vieles zu 
richten und zu verurteilen geben; aber gerade in diesem beständigen Selbstgericht verwirklicht sich die Befreiung. Das 
Gewissen ist in diesem Falle vor Gott — „Gott aber sind wir 
offenbar geworden" (2. Kor 5, 11), und darum hat man ein 
gutes Gewissen. Man wandelt in dem Bewußtsein, daß „wir 
alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbart werden 
müssen"; und dies ist der regelrechte praktische Zustand eines 
Christen. Darum sagt Paulus: „Ich zerschlage meinen Leib und 
führe ihn in Knechtschaft". Man richtet das Böse bei sich 
selbst; nicht nur die Tatsachen, sondern auch die Wurzel, aus 
der diese entspringen. Und „wenn wir uns selbst richten, so 
werden wir nicht gerichtet". 
129 
In einem schlechten Zustand zu verharren, während man 
sich der Befreiung rühmt, muß stets das Gericht des Herrn 
nach sich ziehen; denn es steht geschrieben, daß „der Herr 
Rächer ist über dies alles". Und wenn wir uns auch nicht 
gerade so offenbarer Sünden schuldig machen, auf die selbst 
ein Unbekehrter mit Verachtung blickt, so dürfen wir doch 
nicht denken, daß wir den Züchtigungen des Herrn entgehen 
werden, wenn wir Härte, Neid, Eitelkeit, Hochmut, Geiz, Habsucht und dergleichen traurige Dinge in unseren Herzen nähren. Der Herr kann, denn Er ist heilig, das Böse bei den Seinen ebensowenig dulden, wie bei den Ungläubigen; und deshalb hat das Gericht am Hause Gottes angefangen (1. Petr 4, 
17). Gott erwartet, daß wir unserer Stellung in Christo gemäß 
in Übereinstimmung mit Seiner Natur wandeln. Dies ist und 
bleibt das Maß unserer Verantwortlichkeit, und Gott kann nach 
Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit dies Maß nicht beschränken. Er kann Geduld und Nachsicht haben mit unserer Unwissenheit und Schwachheit, aber Er erwartet, daß wir das 
Böse in uns selbst richten; wenn wir dies unterlassen, muß 
Er es tun. Woher kommen die ernsten Züchtigungen in so 
manchen Familien und Versammlungen der Gläubigen? Sie 
sind in vielen Fällen der Beweis, daß ein böser, ungerichteter 
Zustand in den Herzen vorhanden ist. Wir finden ein treffendes Beispiel von diesen ernsten Wegen des Herrn mit den 
Seinen in dem Propheten Haggai. Das Volk hatte vom Bauen 
des Hauses Gottes abgelassen und stattdessen angefangen, 
seine eigenen Häuser zu bauen. „So spricht Jehova der Heerscharen: Richtet euer Herz auf eure Wege! Steiget auf das 
Gebirge und bringet Holz herbei und bauet das Haus, so 
werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden, 
spricht Jehova. Ihr habt nach vielem ausgeschaut, und siehe, es 
wurde wenig, und brachtet ihr es heim, so blies ich darein. 
Weshalb das? spricht Jehova der Heerscharen. Wegen meines 
Hauses, das wüst liegt, während ihr laufet, ein jeder für sein 
eigenes Haus. Darum hat der Himmel den Tau über euch zurückgehalten, und die Erde ihren Ertrag zurückgehalten. Und 
ich habe eine Dürre gerufen über das Land . . ." (Hag 1, 5—11). 
Wir dürfen indessen nicht vergessen, daß Gott Licht und 
Liebe ist. Wenn Er mit den Seinen harte Wege gehen muß, so 
130 
sind und bleiben sie doch die Gegenstände Seines Ratschlusses, 
Seiner Wonne und Liebe in Christo. Gerade weil sie dies sind, 
geht Er solche Wege mit ihnen. Er hat ihre Glückseligkeit im 
Auge, eine Glückseligkeit, die Seiner unmittelbaren Nähe und 
der innigen Gemeinschaft mit Ihm entspringt, deren wirklicher 
Genuß daher praktische Übereinstimmung mit Seiner Natur 
voraussetzt. Seine Wege stehen deshalb nicht nur in vollkommenem Einklang mit Seinem Ratschluß, sondern haben auch 
einen vierfachen Zweck, nämlich: erstens die Aufrechterhaltung des Zeugnisses Seiner Ehre, Heiligkeit und Majestät, 
zweitens das Heil und Glück der Seinen, drittens ihre praktische Reinigung und viertens ihre Bewahrung. Die Züchtigungen bewirken daher, wenn sie ihren Zweck bei uns erreichen, 
zunächst eine heilige Furcht, indem sie uns fühlen lassen, wer 
der Gott ist, mit dem wir es zu tun haben. „Denn auch unser 
Gott ist ein verzehrendes Feuer"; und wir sind ermahnt, 
„Gnade zu haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen 
mögen mit Frömmigkeit und Furcht" (Hebr 12, 28. 29). Wir 
sollten stets in dieser Furcht Gottes wandeln, in dem Bewußtsein, daß wir es mit einem heiligen Gott zu tun haben, vor 
dessen Augen alles bloß und aufgedeckt ist. „Und wenn ihr 
den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet 
nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht" (1. Petr 1, 17). „Die Furcht Jehovas ist der 
Weisheit Anfang". In diesem Sinne ist die Furcht immer gut. 
„Glückselig der Mensch, der sich beständig fürchtet; wer aber 
sein Herz verhärtet, wird ins Unglück fallen" (Spr 28, 14). In 
dem Falle von Ananias und Sapphira sehen wir, daß die Züchtigung ihren Zweck bei der Versammlung erreichte: „Und es 
kam große Furcht über alle, die es hörten . . . und es kam große 
Furcht über die ganze Versammlung und über alle, die dies 
hörten" (Apg 5). 
Aber leider können die Zustände so ungeistlich sein, daß 
die Züchtigung nicht einmal verstanden wird. So mußte der 
Apostel die Versammlung in Korinth daran erinnern: „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil 
sind entschlafen" (1. Kor 11, 30). Mancher Gläubige wird gezüchtigt, ohne daß er daran denkt, daß es eine Züchtigung vom 
He-rn ist, indem er deren Grund in den Umständen statt in 
131 
seinemHerzen sucht. Einem solchen gilt die Ermahnung:„Mein 
Sohn! achte nicht gering des Herrn Züchtigung". Andererseits 
liegt die Gefahr nahe, an der Liebe des Herrn zu zweifeln, 
wenn wirklich verstanden wird, daß es Seine Hand ist, die 
schlägt. Darum lesen wir weiter: „noch ermatte, wenn du von 
ihm gestraft wirst; denn wen der Herr liebt, den züchtigt er" 
(Hebr 12, 5. 6). Selbst wenn Gott die Seinen züchtigt, so tut 
Er es immer als Vater, in diesem köstlichen Namen, dem Ausdruck unseres innigsten Verhältnisses zu Ihm, dem Inbegriff 
all Seiner zärtlichen Zuneigungen und vollkommenen Liebe zu 
uns. Und diese Liebe ist es, die den unter Seinen Schlägen Gebeugten mit unwiderstehlicher Macht anzieht und ihn nötigt, 
die Hand zu küssen, die ihn schlägt. Zugleich aber reinigt sie 
uns, damit wir dieses köstliche Verhältnis zu Ihm, ja Ihn 
Selbst genießen können. Er „züchtigt uns zum Nutzen, damit 
wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden". Wie gesegnet sind 
die Wege des Herrn, selbst wenn sie hart und ernst erscheinen! 
Aber nicht nur sind wir, also gereinigt, praktisch fähig gemacht, Seine Gemeinschaft zu genießen, sondern wir sind auch 
in den Stand gesetzt, mehr Frucht zu bringen, Das Herz ist 
wiederhergestellt und glücklich und findet seine Freude darin, 
Gott zu dienen, und also ist der Zweck der Wege Gottes erreicht. „Und jede Rebe, die Frucht bringt, die reinigt er, auf 
daß sie mehr Frucht bringe" (Joh 15, 1). 
Die Züchtigungen sind jedoch nicht immer die unmittelbaren 
Folgen eines schlechten Zustandes oder begangener Untreue, 
sondern sie sind oft auch in der Hand des Herrn ein Mittel zur 
Bewahrung. So kann es sein, daß der Herr Selbst mit solchen 
tiefe und ernste Wege geht, deren Zustand gut und deren 
Wandel treu genannt werden kann. Aber Er sieht drohende 
Gefahren für sie voraus, von denen sie vielleicht keine Ahnung 
haben mögen. Sie finden daher diese Wege oft unbegreiflich 
und um so unerträglicher, je beharrlicher der Herr, trotz all 
ihrem Bitten und Flehen, mit ihnen darin vorangeht. Dennoch 
werden sie später erkennen, daß dieser scheinbaren Härte des 
Herrn nur Seine unendliche Liebe zugrunde lag, die sie mittels 
jener ernsten und unbegreiflichen Wege an ungeahnten Abgründen vorüber führte und deshalb auch ihrem Bitten und 
Flehen kein Gehör schenken konnte. Ein treffendes Beispiel 
von diesen Wegen der unerforschlichen Weisheit und Liebe des 
132 
Herrn finden wir in der Geschichte Seines treuen Dieners Paulus. Der Herr konnte Paulus trotz seiner Ergebenheit den 
Dorn im Fleische nicht ersparen, da Paulus sich sonst infolge 
der hohen Offenbarungen überhoben haben würde (2. Kor 12). 
Bei Hiob sehen wir etwas ähnliches, jedoch handelte es sich bei 
ihm mehr um Reinigung. Gott wollte ihn mehr segnen, und 
deshalb mußte Er ihn mittels ernster Züchtigungen von seiner 
eigenen Gerechtigkeit reinigen. 
Von welcher Seite wir die Wege des Herrn mit den Seinen 
auch betrachten mögen, immer haben sie denselben Zweck und 
das gleiche Resultat: das Heil, das Glück und die Segnung der 
Gläubigen. Dies Resultat steht mit Seinem Ratschluß in vollkommenem Einklang und wird zur Zeit der Erfüllung des Ratschlusses in einem Licht gesehen werden, das die Herzen aller 
Erlösten zu Lob und Preis und Anbetung stimmen wird. Sie 
werden alsdann erkennen, daß die Wege, die der Herr einen 
jeden von ihnen geführt hat, nötig und passend waren, und 
daß gerade die schwersten die gesegnetsten für sie waren. 
Indessen sind dies noch nicht die einzigen Ergebnisse der 
Wege des Herrn. Obgleich es nach dem Ratschluß Gottes eine 
Herrlichkeit gibt, die allen Gläubigen gemeinsam ist, so hat 
Er nach den Wegen Seiner Regierung doch noch für einen 
jeden, je nach der Treue seines Wandels, eine besondere Belohnung. Diese Wahrheit wird von vielen Christen übersehen 
oder wenigstens nicht nach der Wichtigkeit beachtet, welche 
ihr das Wort Gottes beilegt. Aber gerade diese Wahrheit ist 
es, die unseren Weg durch die Wüste so wichtig macht, und 
worin sich die Wege Gottes von Seinem Ratschluß unterscheiden. Während es im Blick auf die Herrlichkeit, die Gott für 
alle die Seinigen vor Grundlegung der Welt bestimmt und bereitet hat, keinen Unteschied geben wird, wird in anderen Beziehung ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen bestehen. 
Paulus zum Beispiel wird eine viel höhere Belohnung haben als 
wir, nach dem Maße, wie er viel mehr gearbeitet hat und weit 
treuer und aufopfernder gewesen ist als wir. Der eine Knecht 
wird über zehn, der andere über fünf Städte gesetzt werden 
(Lk 19). „Ein jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen 
nach seiner eigenen Arbeit" (1. Kor 3, 8). Man wird vielleicht 
einwenden, daß sich diese Stellen nur auf die Arbeiter im 
133 
Werke des Herrn beziehen. Allerdings; aber sie zeigen uns, 
daß es eine besondere Belohnung gibt, die von der allen Gläubigen gemeinsamen Herrlichkeit verschieden ist, indem sie 
einem jeden nach dem Maße seiner „eigenen Arbeit" zuteil 
wird, während jene Herrlichkeit ausschließlich auf die unumschränkte Gnade gegründet ist. 
Andere Stellen zeigen uns deutlich, daß jeder Christ zu dem 
Vorrecht berufen ist, dem Herrn zu dienen und für Ihn zu 
arbeiten. Es kommt hierbei gar nicht darauf an, in welchem 
Verhältnis oder in welcher Stellung wir uns befinden. Wir 
haben überall zu dienen, jeder in seinem besonderen Wirkungskreis und nach seiner besonderen Befähigung. Die Thessalonicher waren von den Götzenbildern zu Gott bekehrt worden, „um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen" 
(1. Thess 1, 9). Und in Kol 3, 23. 24 lesen wir, daß der Apostel 
die Knechte ermuntert: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisset, daß 
ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; 
ihr dienet dem Herrn Christus". Der Herr will jede Arbeit, die 
ein Christ tut, sei es als Knecht oder Herr, als Mann oder 
Weib, als Jüngling oder Greis, sei es in einer niedrigen oder in 
einer hohen Stellung, als einen Ihm erwiesenen Dienst betrachten, vorausgesetzt natürlich, daß sie wirklich für Ihn getan 
wird. Und jeden Dienst, wie geringfügig und unscheinbar er 
auch in den Augen der Menschen sein mag, will Er belohnen. 
„Und wer irgend einen dieser Kleinen nur mit einem Becher 
kalten Wassers tränken wird in eines Jüngers Namen, wahrlich, ich sage euch, er wird seinen Lohn nicht verlieren" (Mt 10, 
41. 42). Ohne Zweifel bedürfen wir für jeden, auch den geringsten Dienst, der Gnade; aber diese ist in vollkommener 
Fülle für uns in Christo da, und es ist nur die Frage, ob wir 
sie benutzen oder vernachlässigen. Paulus konnte sagen: „Aber 
durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin; und seine Gnade 
gegen mich ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel 
mehr gearbeitet als sie alle, nicht aber ich, sondern die Gnade 
Gottes, die mit mir war" (1. Kor 15, 10). Es gibt Christen, die 
aus falscher Demut auf den Lohn verzichten wollen und sich, 
wie sie sagen, mit dem letzten Platz im Himmel begnügen 
wollen, aber sie verraten dadurch nur ihren schlechten Zustand 
oder doch wenigstens große Unwissenheit und Gleichgültig134 
keit bezüglich dessen, was der Herr den Seinen zu ihrer Ermunterung verheißen hat. Die Apostel führten eine ganz entgegengesetzte Sprache: „Sehet auf euch selbst, auf daß wir nicht 
verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen" (2. Joh 8). Und wie sehr Paulus an diese Belohnung 
dachte, zeigen uns die Worte: „Ich habe den guten Kampf 
gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben 
bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, 
welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung 
geben wird an jenem Tage" (2. Tim 4, 7. 8). Jener Tag wird 
es offenbar machen, daß die Apostel sich nicht getäuscht haben, 
und daß ihre Arbeit und ihre Treue nicht vergeblich gewesen 
ist; aber er wird auch zeigen, daß jeder Tag und jede Stunde, 
die nicht dem Herrn gewidmet war, unwiderruflich verloren 
sind. Nicht daß die Belohnung der Beweggrund unserer Treue 
und Hingabe sein sollte, denn dies hieße uns zu Lohndienern 
machen, sondern sie soll denen zur Ermunterung dienen, die 
bereits aus Liebe für Christum ihr Leben Seinem Dienste und 
Seiner Verherrlichung widmen. Der wahre Beweggrund kann 
nur Christus Selbst sein; und alles, was diesem Beweggrund 
entspringt, ist kostbar in Seinen Augen, auch wenn es nicht 
den Beifall der Menschen findet. Er wußte die Tat der Maria 
zu schätzen, indem Er sagte: „Sie hat ein gutes Werk an mir 
getan . . . Wahrlich, ich sage euch: wo irgend dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch von 
dem geredet werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis" (Mt 26, 6—13). Und ohne Zweifel wird diese Tatsache, so 
wie alles, was für Ihn von irgendeinem der Seinen getan worden ist, auch an jenem Tage vor dem gerechten Richter angesichts des ganzen Weltalls geoffenbart werden. Der dafür gesorgt hat, daß die Tat der Maria bis heute aufbewahrt worden 
ist zu ihrem Gedächtnis, wird dann auch alles in Erinnerung 
zu bringen wissen. „Denn Gott ist nicht ungerecht, eures Werkes zu vergessen und der Liebe, die ihr gegen seinen Namen 
bewiesen, da ihr den Heiligen gedient habt und dienet" (Hebr 
6, 10). 
Möchten wir deshalb der Worte des Apostels stets eingedenk bleiben: „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da 
ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn" 
135 
(1. Kor 15, 58). Aber laßt uns auch nicht vergessen, daß jeder 
Dienst, der nicht Christum zum Beweggrund und Gegenstand 
hat, wertlos vor Ihm ist, mag er auch in den Augen der Menschen einen noch so schönen Schein und eine noch so große Bedeutung haben. Wir haben gesehen, daß Christus den ersten 
Platz einnimmt in dem Ratschluß Gottes; und insoweit dies 
auch in unseren Herzen der Fall ist, sind wir in Übereinstimmung mit dem Ratschluß Gottes sowohl als auch mit den 
Wegen Seiner Regierung. 
Gewißheit 
Vor ungefähr einem Jahr wurde ein junger Mann zu einem 
Gefühl seines Zustandes vor Gott erweckt. Er erkannte, daß 
er ein Sünder und auf dem Wege zur ewigen Verdammnis sei, 
und in tiefer Seelenangst suchte er nach einem Mittel zur Errettung. Wie einst der Kerkermeister zu Philippi, so rief auch 
er aus: „Was muß ich tun, daß ich errettet werde?" Aber anstatt die Antwort zu beherzigen, die jenem Mann von den 
Aposteln Paulus und Silas gegeben wurde, und einfach an 
Jesum zu glauben, suchte er sich durch seine eigenen Anstrengungen für die Gegenwart Gottes passend zu machen. So verbrachte er mehrere Wochen in heftigem aber völlig fruchtlosem Kampf mit sich und mit der Sünde, die er in sich entdeckte. Alle seine Anstrengungen waren nicht nur vergeblich, 
sondern überzeugten ihn nur noch mehr von seiner gänzlichen 
Sündhaftigkeit. Je mehr er sich anstrengte, das Gute zu tun 
und das Böse zu lassen, um so mehr mußte er erfahren, wie er 
zu beidem völlig unfähig war. Ach! es ging ihm wie so vielen 
nach Frieden suchenden Seelen, die, anstatt den einfachen Heilsweg, den Gott ihnen vorzeichnet, zu betreten, allerlei andere 
Wege einschlagen, um ans Ziel zu kommen. Sie haben sich 
selbst nicht völlig erkannt, noch ihre Unfähigkeit, etwas zu 
ihrer Rettung beizutragen. 
136 
Aber wie einfach erscheint der Weg der Errettung, sobald 
einmal der Heilige Geist die durch Unglauben verblendeten 
Augen öffnet und uns erkennen läßt, wie unwissend und töricht 
wir sind, aus unserer Kraft einen Heilsweg bereiten zu wollen, 
der vor Hunderten von Jahren durch den Einen bereitet worden ist, der jetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe sitzt! 
Welch ein Staunen und welch eine anbetende Bewunderung ergreift uns, wenn wir endlich das göttliche Licht in unsere Herzen scheinen lassen! So erging es auch meinem jungen Freunde. 
Ich besuchte ihn eines Tages, gerade als seine Not den höchsten Punkt erreicht hatte, und erzählte ihm die Geschichte einer 
Frau, die gleich ihm lange Zeit vergeblich um ihre Errettung 
gekämpft hatte, bis jemand sie überzeugte, daß Christus das 
Werk auf dem Kreuz vollkommen vollbracht habe. Auf ihre 
Klagen, daß sie trotz aller Anstrengungen keine Ruhe und 
keinen Frieden finden könne, hatte er ihr einfach mit den 
Worten des Herrn geantwortet: 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört 
und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und 
kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das 
Leben übergegangen" (Joh 5, 24). 
Die Frau hatte ihn einen Augenblick verwundert angesehen, 
und als er dann fragte: „Sind Sie errettet?" nach kurzem Nachdenken erwidert: 
„Ich glaube an Jesum, und Gott sagt, daß ich dann errettet 
sei, ja, ja, ich bin errettet! Jesus ist für mich gestorben, Er 
hat alles gutgemacht!" 
Diese Worte eines einfältigen, kindlichen Glaubens wurden 
für meinen jungen Freund ein Mittel zu großem Segen. Nach 
kurzer Zeit konnte auch er das Wort Gottes vertrauensvoll 
annehmen und sich in dem vollbrachten Werke Jesu und in 
der Gewißheit der Vergebung all seiner Sünden erfreuen. Sein 
ganzes ferneres Verhalten ließ an der Wirklichkeit seiner Bekehrung keinen Zweifel. 
Und nun erlaube mir die Frage, mein lieber Leser: Bist auch 
du schon wegen deiner Sünden in der Gegenwart Gottes gewesen und hast du dich im Lichte Seiner Gegenwart als ein 
verlorener, verdammungswürdiger Sünder erkannt und mit 
137 
dem Propheten Jesaja ausrufen müssen: „Wehe mir! denn ich 
bin verloren, denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen"? 
Hast du erkannt, wie sehr du Gott durch dein bisheriges Leben, 
durch deine Sünden, deinen Unglauben und deine Gleichgültigkeit verunehrt und betrübt hast, und wie Er dich gerechterweise für alle Ewigkeit aus Seiner Gemeinschaft verdammen 
und dem „zweiten Tode, dem Feuersee", überantworten muß? 
— Wenn es so ist, dann lautet meine Botschaft an dich: „Siehe 
das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt!" 
Sein Blut kann dich von aller Sünde reinigen und dich auf 
ewig für die Gegenwart eines heiligen und gerechten Gottes 
passend machen. Zögere nicht, zu Jesu zu kommen und im 
Glauben an Ihn Vergebung, Freude und Frieden zu finden! 
Höre, was Gott dir in Seinem Worte sagen läßt: „Diesem 
geben alle Propheten Zeugnis, daß jeder, der an ihn glaubt, 
Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen"; und: 
„Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem 
Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der 
Zorn Gottes bleibt auf ihm" (Apg 10, 43; Joh 3, 36). 
Und dann? 
Ein junger Mann besuchte eines Tages einen ihm befreundeten, bejahrten Professor und teilte ihm mit freudestrahlenden Blicken mit, daß endlich der Wunsch seines Herzens in 
Erfüllung gehen solle, da seine Eltern ihm die Erlaubnis gegeben hätten, die Rechte zu studieren. Geraume Zeit sprach er 
mit großer Aufregung von seinen Plänen und Aussichten. Der 
Greis hörte ihm geduldig und freundlich zu; als er endlich 
endigte, fragte er: „Und was gedenkst Du zu tun, wenn Du 
Deine Studien beendet hast?" — „Nun, dann werde ich Advokat", erwiderte der junge Mann rasch. — „Und dann?" fragte der Professor weiter. — „Und dann werde ich, so viel wie 
möglich, schwierige Rechtshändel übernehmen und mir einen 
geachteten Ruf als Rechtsanwalt verschaffen". — „Und dann?" 
fragte der Alte zum zweiten Mal. Der junge Mann blickte 
138 
seinen Freund etwas verwundert an. Doch nach kurzem Besinnen antwortete er: „Vielleicht erlange ich dann eine höhere 
Stelle im Staatsdienste und gelange zu Reichtum und Ehre". 
„Und dann?" wiederholte der Professor ruhig. „Und dann", 
entgegnete der Jüngling, den die fortgesetzten Fragen zu ergötzen anfingen, „dann werde ich ein ruhiges und angenehmes 
Leben führen, von jedem geehrt und geachtet, und werde ein 
glückliches Alter erleben". — „Und dann?" — „Nun, dann 
werde ich sterben, wie andere Menschen auch". Der Alte erhob 
sich und fragte noch einmal mit großem Nachdruck: „Und 
dann'-" Der junge Mann gab keine Antwort; diese Wendung 
des Gesprächs hatte er nicht erwartet. Einige Minuten saß er 
stillschweigend da, dann nahm er Abschied und ging, in tiefes 
Nachdenken versunken, heim. Das letzte: „Und dann?" hatte 
sein Herz getroffen. Es war gleich einem scharfen Pfeil in seine 
Seele gedrungen; er konnte den Eindruck nicht wieder loswerden, und die Folge war eine völlige Veränderung seines 
Herzens und Lebens. 
Die meisten Menschen gleichen jenem jungen Mann. Sie 
denken nur an das, was sie in diesem Leben tun und genießen wollen, und bekümmern sich um das, was nach diesem 
Leben folgt, nicht im Geringsten. Man jagt und rennt, man 
macht Pläne über Pläne, wie man am besten durch die Welt 
kommen und in der kürzesten Zeit reich werden könne. Jeder 
Mensch hat seine besonderen Wünsche. Der eine dürstet nach 
Ehre und Ansehen, der andere wünscht reich zu werden, ein 
dritter will so viel wie möglich die Vergnügungen dieser Welt 
genießen, ein vierter verlangt nach einem stillen, häuslichen 
Glück oder nach einem sorglosen Alter. So jagt der eine nach 
diesem, der andere nach jenem, je nachdem die Charaktere und 
Umstände verschieden sind. Doch dies alles kommt einmal zu 
Ende. Einmal wirst du deinen Reichtum zurücklassen müssen, 
werden Ehre und Ansehen verschwinden; einmal wirst du den 
Vergnügungen der Welt Lebewohl sagen und deinen häuslichen Kreis verlassen müssen. Ob du es gut oder schlecht gehabt hast, ob du deine Wünsche erlangt oder nicht erlangt 
haben wirst, du wirst einmal sterben müssen. Und was dann? 
Ja, mein lieber Leser, was dann? Das ist eine ernste, eine sehr 
ernste Frage. Du antwortest vielleicht: „Ach! an den Tod will 
139 
ich nicht denken; das würde alle meine Vergnügungen vergällen und meine Pläne durchkreuzen. Daran zu denken ist es 
immer noch früh genug." Ach! ich bitte dich, rede nicht so 
töricht! Täglich siehst du, wie der Tod rund um dich her seine 
Ernte hält. Heute oder morgen kannst auch du ihm zum Opfer 
fallen. Und was dann? 
In den Tagen Noahs machten es die Menschen geradeso wie 
du. Sie aßen, sie tranken, sie heirateten und wurden verheiratet, sie störten sich durchaus nicht an der Predigt Noahs, bis 
die Flut kam und sie alle umbrachte. Ebenso war es in den 
Tagen Lots. Niemand glaubte der Botschaft der Engel; aber an 
dem Morgen, da Lot die Stadt verließ, regnete es Feuer und 
Schwefel vom Himmel, und alle kamen um (Lk 17, 16—30). So 
wird es auch dir ergehen, wenn du dich nicht warnen lassen 
willst. In einer Stunde, da du vielleicht am wenigsten daran 
denkst und mit deinen Plänen und den Eitelkeiten dieser Welt 
beschäftigt bist, tritt der König der Schrecken an dich heran. 
Plötzlich vielleicht ruft Gott dich ab von dieser Erde, und was 
dann? 
Ja, was dann? Dann folgt das Gericht! „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, aber danach das Gericht". 
Wirst du in dem Gericht Gottes bestehen können? Wirst du 
dich wegen all deiner Taten verantworten können? Wirst du 
Gott anschauen dürfen? Nein, nein! antwortet dein eigenes 
Gewissen. Weißt du, was du in jenem Augenblick tun würdest, 
wenn es dir möglich wäre? Du würdest fliehen und dein Angesicht verbergen; du würdest wünschen, daß die Berge auf 
dich fielen und die Hügel dich bedeckten. Aber es wird unmöglich sein. Du wirst vor dem Richterstuhl stehenbleiben 
müssen, und Gott wird Gericht über dich halten. Und welches 
Urteil wird Er über dich aussprechen? Er wird sagen: „Geht 
von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem 
Teufel und seinen Engeln" (Mt 25, 41). Ja, das wird dein 
Urteil sein. Wie entsetzlich! Du wirst für ewig verloren, für 
immer aus der Gemeinschaft Gottes ausgeschlossen sein. Du 
wirst deine Augen aufschlagen „in der Qual"; und dort werden keine Vergnügungen mehr dein Leben erheitern, keine 
Freunde dir die Zeit verkürzen. Dort wirst du dich nicht mehr 
mit der trügerischen Hoffnung auf die Gnade Gottes beruhigen 
140 
können, nein, du befindest dich in der schrecklichsten Wirklichkeit. Was du hier nicht hast glauben, woran du nicht hast 
denken wollen, das wirst du dann sehen und erfahren. Hast 
du hier gelacht und gespottet, dort wirst du weinen und wehklagen. Und das für immer und ewig! 
Ja, mein Leser, für ewig! Du wirst, nachdem Millionen von 
Jahrhunderten vorübergegangen sind, noch ebensoweit von 
dem Ende entfernt sein, wie in dem Beginn deiner Qual. Welch 
ein überwältigender Gedanke! Jede Hoffnung, daß dein Zustand jemals geändert werde, ist dann vorüber. Es ist eine 
Qual ohne Ende, eine Strafe ohne Ende, für ewig! für ewig! 
Oh, ich bitte dich, bedenke dieses wohl! Es sind keine 
Fabeln, die ich dir erzähle, es ist die Wahrheit, die Wahrheit, 
wie sie Gott Selbst in Seinem Worte uns mitgeteilt hat. Und 
Er kann nicht lügen. Ach, lege diese Zeilen nicht fort mit dem 
Gedanken: Ich will später einmal darüber nachdenken. Denke 
an die Menschen in den Tagen Noahs, denke an die Leute von 
Sodom, denke an das schreckliche: Für ewig. 
Fühlst du dich getroffen durch die Wahrheit? Ist dein Gewissen erwacht und wünschest du, dem kommenden Zorn zu 
entfliehen? Oh, dann istderZweck meiner Worte erreicht. Dann 
höre auf die frohe Botschaft, die Gott dir verkündigen läßt! 
Derselbe Gott, der dir die Wahrheit vorhält, predigt dir auch 
die Gnade. Du kannst jenem Zorn entfliehen, du kannst einen 
Platz finden in den vielen Wohnungen des Vaterhauses, wo 
ewiges Glück tmd ewiger Friede wohnen. Gott hat Seinen Sohn 
Jesus Christus in diese Welt gesandt, um zu suchen und zu 
erretten, was verloren ist. Er ist am Kreuz gestorben und hat 
ein vollkommenes Sühnopfer gebracht. Er hat ein Werk vollbracht, durch das jeder Sünder von allen seinen Sünden gereinigt und des ewigen Lebens teilhaftig werden kann. Und 
der Sohn Gottes Selbst ladet dich ein. Er ruft dir zu: „Kommt 
her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde 
euch Ruhe geben!" und Er sagt: „Wer an mich glaubt, hat 
ewiges Leben". O komme zu Ihm! Folge Seiner Einladung! 
Traue Seinem Worte und glaube an Ihn mit deinem ganzen 
Herzen! Komme zu Ihm, wie du bist, mit allen deinen Sünden, mit deiner ganzen Schuld, und Er wird sie dir gnädiglich 
abnehmen. Er wird dein Herz mit Ruhe und Freude erfüllen. 
141 
Vertraue auf Seine Liebe, auf Sein Werk, auf Sein vergossenes 
Blut, und du wirst von dem ewigen Verderben erlöst sein und, 
anstatt in der Hölle, für immer in dem Himmel wohnen. Bedenke, daß dies der einzige Weg zur Errettung ist! Es ist kein 
anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem du errettet 
werden könntest. Bedenke ferner, daß heute die Zeit der Annehmung, daß heute der Tag des Heils ist! 
„Was ist mit dir, du Schläfer?" 
Jona 1, 6 
Es war der Prophet Jona, an den die obige Frage gerichtet 
wurde. Gott hatte ihm den Auftrag gegeben, der Stadt Ninive, 
deren Sünden überhand genommen hatten, das Gericht anzukündigen. Doch er wollte dem Worte Gottes nicht gehorchen 
und versuchte dem Angesicht Jehovas zu entfliehen. Er ging 
deshalb hinab nach Joppe und stieg in ein Schiff, das nach 
Tarsis fuhr. Welch ein törichtes Beginnen! Wie war es möglich, daß er Gott entfliehen konnte? Gott sah ihn auf dem 
Meer ebenso wie auf dem Lande. „Da warf Jehova einen heftigen Wind auf das Meer, und es entstand ein großer Sturm 
auf dem Meer, so daß das Schiff zu brechen drohte" (Jona 1, 
4). Doch Jona merkte von dem allem nichts. Er war in den 
unteren Schiffsraum hinabgestiegen und in tiefen Schlaf gesunken. Er schlief so fest, daß das Tosen des Sturmes und das 
Rauschen der empörten Wellen ihn nicht zu wecken vermochten. „Wie ist es möglich", fragst du vielleicht, „daß ein Mensch 
unter solchen Umständen ruhig schlafen kann?" Aber erlaube 
mir die Frage, ob es dir nicht genau so geht, wie dem Jona. 
Schläfst du nicht auch ganz ruhig inmitten einer Gefahr, die 
dich von allen Seiten umringt? Es mag kein Sturm sein, den 
dein Ohr vernimmt, noch wogende Wellen, die dich bedrohen, 
aber darum ist die Gefahr für dich nicht weniger groß. Der 
Tod hält täglich seine Ernte um dich her. Du hörst, wie unerwartet und plötzlich so viele dahingerafft werden, die durch142 
aus nicht daran dachten, noch auf den Tod vorbereitet waren. 
Sie wußten, daß nur ein Schritt zwischen ihnen und dem Tode 
lag, sie hatten oft genug gesehen, wie unsicher das Leben des 
Menschen ist, um überzeugt zu sein, daß auch für sie jeden 
Augenblick die Stunde kommen konnte, wo sie aus der Zeit 
in die Ewigkeit hinübergehen mußten. Aber alles das war vergeblich. Sie schliefen fort, wie Jona es tat, bis die kräftige 
Stimme des Obersteuermanns ihn mit den Worten aufweckte: 
„Was ist mit dir, du Schläfer?" Aus seinem Schlaf aufschrekkend, sah er mit Erstaunen die Gefahr, in der er sich befand, 
eine Gefahr, der er nicht mehr entrinnen konnte und in die er 
nicht gekommen wäre, wenn er der Stimme des Herrn gehorcht 
hätte. „Stehe auf, rufe deinen Gott an!" wird ihm gesagt.Doch 
Jona konnte nicht rufen, er hatte gegen den Herrn gesündigt, 
und er sah in dem Sturm und in dem Ungestüm der Wellen 
deutlich die Hand Gottes, die ihn verfolgte. Es war jetzt zu 
spät, und deshalb riet er selbst den Schiffsleuten, ihn in die 
wogende See zu werfen. 
Wie zahlreich und wie ernst sind auch in unseren Tagen die 
Mahnungen, die Gott an den Menschen gelangen läßt. Er läßt 
zu, daß in einem Augenblick Tausende durch die Sichel des 
Todes dahingemäht werden; Er beweist, daß Geld und Gut, 
Ehre und Ansehen nichtig und eitel sind, und daß der ein Tor 
ist, der auf diese Dinge vertraut. Gewaltige Stürme sind in den 
letzten Jahrzehnten über Länder und Völker dahingebraust, 
die Mächte und Throne zum Wanken gebracht haben. Doch 
das alles scheint nicht imstande zu sein, den Menschen aus 
seinem tiefen Schlaf aufzurütteln. — Wie steht es mit dir, mein 
Leser? Schläfst du auch noch ruhig weiter? Fährst du immer 
noch sorglos fort, zu bauen, zu pflanzen, zu arbeiten, die Welt 
zu genießen und Schätze zu sammeln, als ob du immer auf 
dieser Erde bleiben würdest? Ist noch kein anderer Gedanke, 
keine andere Frage in dir aufgestiegen, als diese: „Was soll 
ich essen oder trinken, und womit soll ich mich kleiden?" Hast 
du noch kein einziges Mal Zeit gefunden, an die Ewigkeit zu 
denken? An wie viele Tausende ist in diesen letzten Tagen das 
Wort des Herrn herangetreten! Mehr als je wird die frohe 
Botschaft von der Liebe Gottes auf der ganzen Erde verkündigt. An unzählige Herzen hat der Herr angeklopft und Einlaß begehrt. Aber ach! sie haben fortgeschlafen, bis der Tod 
143 
seine kalte Hand auf sie legte. Da hätte so mancher noch gerne 
nach Gnade gerufen und sich zu Gott gewandt; aber es war zu 
spät, um dem Verderben zu entgehen. Krankheit und Tod 
überfielen ihn wie ein gewappneter Mann, und ehe er es ahnte, 
hatte das Herz seinen letzten Schlag getan. 
„Was ist mit dir, du Schläfer?" Ja, Jona schlief fest, aber 
gewiß nicht ruhig; denn er floh von dem Angesicht des Herrn. 
Doch kaum war er erwacht, so sah er, daß es unmöglich war, 
Gott zu entfliehen; der Herr wußte ihn auch auf See zu finden. Auch der Mensch wünscht dem Angesicht Gottes zu entfliehen und macht zu diesem Zweck die größten Anstrengungen. Er wirft sich in die Arme der Welt oder der Sünde, er 
sucht allerlei Zerstreuung, um dadurch die Stimme des Gewissens zum Schweigen zu bringen. Mag ihm dies auch gelingen, so kann er doch nimmermehr Gott entfliehen. Einmal 
kommt für einen jeden der Augenblick, wo Gott ihn finden 
wird, mag er sich auch verbergen, wo er will. Ob er sich in der 
Sünde wälzt, ob er Genuß sucht in der Welt, ob er sich in sein 
Geschäft vertieft, sich entschuldigt mit seinen Umständen und 
Verhältnissen, sich beruhigt mit seiner Bravheit und Ehrlichkeit — die Stimme Gottes wird ihn aufwecken. Er wird alles 
verlassen und in eine finstere, endlose Ewigkeit hinübergehen 
müssen. Ach! und dann ist sein Los für ewig entschieden, dann 
ist alles Klagen umsonst, keine Umkehr und Rettung ist mehr 
möglich. Erwache deshalb, wenn du noch schläfst, und nimm 
deine Zuflucht zu Jesu, um bei Ihm ewiges Heil und ewiges 
Leben zu finden! Tue es jetzt, ehe jene schreckliche Zeit kommt, 
wo du keine Gnade mehr erlangen kannst! 
Jona hatte gesündigt, aber er fand Gnade bei Gott. Er erkannte, was er getan hatte, und Gott erbarmte sich über ihn. 
Auch du bist ein Sünder, aber auch über dich will Gott sich erbarmen, auch dir will Er Gnade schenken, jedoch nicht, ohne 
daß du deine Schuld und Sünde vor Ihm bekennst und richtest. 
So lange Jona dies nicht tat, sondern dem Herrn zu entfliehen 
suchte, fand er in Gott seinen Verfolger; und so lange du auf 
eine andere Weise dein Gewissen zu beruhigen suchst als auf 
dem Wege, den Er dir vorschreibt, nämlich daß du als ein 
armer, verlorener Sünder zu Jesu kommst, findest du in Gott 
deinen Gegner. Denn Gott kann dir nicht anders gnädig sein, 
144 
als um Jesu willen. Er kann deine unzähligen Sünden nicht 
anders austilgen, als durch das Blut Jesu, Seines reinen und 
fleckenlosen Opferlammes. Jesus ist der einzige Weg zum 
Vater. „Niemand", so sagt Er „kommt zum Vater, als nur 
durch mich". Bedenke dieses wohl und ruhe nicht eher, bis du 
Frieden gefunden hast in dem Blute des Kreuzes! Besitzest du 
diesen Frieden, so hast du keinen Grund, ängstlich zu sein, 
was auch geschehen möge; denn dann kannst du mit dem 
Apostel Paulus und mit allen, die den Herrn kennen, sagen: 
„Sei es, daß wir leben, sei es, daß wir sterben, wir sind des 
Herrn" (Röm 14, 8). 
Vielleicht hast du schon manche Warn- und Mahnstimme 
unbeachtet gelassen; o so höre denn jetzt! die Stimme Gottes 
ist ernst, und doch so voll Gnade und Liebe. Er möchte dich 
so gerne durch Seine Güte zur Buße leiten. Er will nicht den 
Tod des Sünders. Er will auch nicht dein Verderben, mein 
lieber Leser, sondern es ist Seine Freude, dich zu erretten. Er 
sucht dich. Laß dich deshalb von Ihm finden und eile zu Jesu! 
Verschmähe es nicht, dieser Aufforderung Folge zu leisten! 
Vielleicht ist es die letzte, die an dich ergeht. 
Erklärung 
Im Botschafter 1882 Seite 94 unten und in diesem Neudruck 
Seite 50 unten heißt es: „Wenn sie (die Heiligen) sich in der 
Stellung des Ausharrens Christi befinden, so haben sie nicht 
nötig, wie die Welt gerichtet zu werden; sind sie aber mit der 
Welt vermengt, so müssen sie auch die Trübsale der Stunde 
der Versuchung teilen, welche kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen; oder sie müssen vorher praktisch gesichtet werden, um sie von der Welt zu trennen". Mehrere Leser haben diese Worte im Widerspruch gefunden mit 
ihrer Überzeugung, daß bei der Ankunft des Herrn zur Aufnahme Seiner Versammlung keiner der Erretteten fehlen werde, 
mit anderen Worten, daß die Teilnahme an dieser Aufnahme 
145 
von der wirklichen Errettung, nicht aber von dem Zustande der 
Heiligen abhänge, obwohl selbstverständlich die Gleichgültigkeit gegen diesen Zustand vor Gott völlig verwerflich sei. Dieselbe Überzeugung hatte aber auch J. N. Darby, der jene Vorträge über die sieben Sendschreiben gehalten hat. Dies beweisen alle seine übrigen Schriften und Vorträge, die diesen 
Gegenstand behandeln, aufs unzweideutigste. Es ist daher auch 
hier keinenfalls seine Absicht, zu sagen, daß wahre Gläubige 
ihres Zustandes wegen an der Aufnahme der Versammlung 
kein, Teil haben werden. Vielmehr glaube ich, daß er einen 
Grundsatz im Blick auf unsere Verantwortlichkeit aussprechen 
will, wie auch das Wort Gottes oft in ähnlicher Weise es tut. 
Ich erinnere hier nur an eine Stelle in Röm 8, 12. 13: „So denn 
Brüder, sind wir Schuldner, nicht dem Fleische, um nach dem 
Fleische zu leben; denn zoenn ihr nach dem Fleische lebet, so 
werdet ihr sterben usw." — Ich hoffe, daß diese kurze Erklärung genügen wird, um die betreffenden Leser völlig zu beruhigen. C. Br. 
Warum sind wir so schwach ? 
Diese wichtige Frage sollte die Herzen der Gläubigen ernstlich beschäftigen. — Wir sind wiedergeboren worden; der Heilige Geist wohnt in uns; wir besitzen viel Schriftkenntnis, kennen Gottes Ratschlüsse und Wege, und doch kennzeichnet 
Schwachheit, geistliche Schwachheit uns in hohem Grade. Wenige werden geneigt sein, das zu leugnen; ja, laßt uns alle Gewissen fragen, ob es nicht so ist. Werden wir uns nicht häufig 
unserer Schwachheit bewußt im täglichen Leben und im Umgang mit der Welt? Wir sehen unsere Brüder in den Schlingen 
der Welt liegen oder in Verbindung mit dem Bösen und gehen 
oft an ihnen vorüber in dem Bewußtsein, daß wir selbst so 
schwach sind, und versuchen es nicht, sie zu befreien. Wir 
sehen andere, die von einem Fehler übereilt wurden, und fühlen uns vielfach nicht „geistlich" genug, solchen im Geiste der 
146 
Sanftmut wieder aufzuhelfen; und wie oft müssen wir bekennen, daß wir nicht stark genug sind, den Schwierigkeiten in 
der Versammlung auf die rechte Weise zu begegnen! Ja, in 
allem, im Wandel und Dienst, geheim und öffentlich, zeigt sich 
dieselbe Schwäche im geistlichen Leben. Woher kommt sie? Es 
ist wahr, daß der Herr sagt: „Außer mir (außerhalb der Gemeinschaft mit mir) könnt ihr nichts tun" (Joh 15, 5); aber 
ebenso wahr ist, daß Paulus sagt: „Alles vermag ich in dem, 
der mich kräftigt" (Phil 4, 13), und im Brief an Timotheus: 
„Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern 
der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit" (2. Tim 1, 7). 
Wenn uns auf der einen Seite gesagt wird, „daß wir von uns 
selbst aus nicht tüchtig sind, etwas zu denken als aus uns 
selbst", so hören wir von der anderen Seite zugleich: „Unsere 
Tüchtigkeit ist von Gott" (2. Kor 3, 5). Woher also unsere 
Schwachheit? Es ist Grund vorhanden zu fürchten, daß wir 
nicht genug auf den Herrn harren. „Die auf Jehova harren, 
gewinnen neue Kraft; sie heben die Schwingen empor wie die 
Adler; sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden 
nicht" (Jes 40, 31). Diese Stelle ist klar; sie zeigt uns, daß die 
geistliche Kraft die unmittelbare Folge davon ist, daß wir auf 
Gott harren. Indem wir auf Gott harren, bekennen wir unsere 
eigene Schwachheit und unsere Abhängigkeit von Ihm; und 
nur, wenn wir von Gott abhängig sind, kann Er Seine Kraft 
durch uns offenbar machen. Hier liegt also das Geheimnis 
unserer Kraft. Möge jeder von uns daheim und in der Versammlung völliger auf Gott harren, mit aller Geduld und Treue 
im Gebet. Die Frucht hiervon wird sich bald überall erweisen. 
Unser Dienst, unsere Anbetung, unsere Gebetsversammlungen, unser Wandel, unser Zeugnis, kurz alles wird in der Kraft 
des Heiligen Geistes sein. Es wird uns dann keine Schwierigkeit beängstigen, kein Widerstand niederbeugen; vielmehr 
werden wir, trotz des Bewußtseins unserer eigenen Schwäche, 
uns allezeit der allesvermögenden Kraft unseres Gottes erfreuen und sie offenbaren. „Harre auf Jehova! sei stark, und 
dein Herz fasse Mut und harre auf Jehova!" „Seid stark, und 
euer Herz fasse Mut, alle, die ihr auf Jehova harret" (Ps 27, 
14 und 31, 24). Nur in praktischer Verbindung mit dem Auferstandenen lernen wir die „Kraft Seiner Auferstehung" kennen; nur in beharrlicher Gemeinschaft mit Ihm erfahren wir, 
147 
daß wir nicht nur Überwinder, sondern „mehr als Überwinder" 
sind. In Ihm allein sind alle unsere Quellen, während in uns 
nur Schwachheit und Ohnmacht ist. Harren wir auf Ihn, so 
erweist sich an uns, daß Seine Kraft in Schwachheit vollbracht 
wird. „Daher", sagt Paulus, „will ich am allerliebsten mich 
vielmehr meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft des 
Christus über mir wohne" (2. Kor 12, 9). 
Sicherheit, Gewißheit und Genuß 
Wir alle, Schreiber und Leser dieser Zeilen, befinden uns auf 
der bedeutungsvollen Reise aus der Zeit in die Ewigkeit, und 
keiner von uns weiß, wie nahe er dem Ziel ist. Bald, vielleicht 
völlig unerwartet, kann unsere Reise zu Ende gehen. Da ist es 
wohl der Mühe wert, daß wir uns fragen, wo sie enden wird. 
Um diese Frage richtig beantworten zu können, muß zunächst 
eine andere Frage in Ordnung gebracht sein, diese lautet: In 
welcher Klasse reise ich? —Es gibt drei Klassen, wenn ich dieses 
Bild gebrauchen darf. 
In der ersten Klasse sind solche, die errettet sind und sich 
ihrer Errettung bewußt sind. 
In der zweiten Klasse solche, die ihrer Errettung nicht gewiß 
sind, aber es gerne werden möchten. 
Die dritte Klasse umfaßt alle, die nicht nur nicht errettet, 
sondern auch völlig gleichgültig in bezug auf ihr ewiges Seelenheil sind. 
In einer von diesen Klassen befindet sich jeder Mensch, und 
die überaus wichtige Frage ist: In welcher? Es gibt nichts Törichteres, als gleichgültig zu sein, wenn es sich um die Ewigkeit handelt. Aber ach! wie viele Millionen von Menschen 
mühen sich Tag für Tag rastlos um ihre zeitlichen Interessen 
ab und scheuen keine Anstrengung, um sie zu fördern, während sie in bezug auf ihr ewiges Wohl wie mit Blindheit geschlagen zu sein scheinen. Trotz der unendlichen Liebe, die 
148 
Gott auf Golgatha gegen Sünder geoffenbart hat, trotz Seines 
oft ausgesprochenen Hasses gegen die Sünde, trotz der wohlbekannten Kürze des menschlichen Lebens, trotz all der Schrekken des Gerichts nach diesem Leben eilt der Mensch in Sorglosigkeit dem schrecklichen Ende seines Weges entgegen, als 
wenn es keinen Gott, keinen Tod, kein Gericht, keinen Himmel 
und keine Hölle gebe. Gehörst du auch zu dieser Klasse von 
Personen, mein lieber Leser? Oh, möchte dann Gott in diesem 
Augenblick Erbarmen über dich haben und dir, während du 
diese Zeilen liest, die Augen öffnen, damit du deine gefährliche Stellung erkennst und siehst, daß du auf der Schwelle 
eines ewigen, endlosen Wehes stehst! 
Du magst es glauben wollen oder nicht, aber dein Fall ist in 
Wahrheit ein verzweifelter Fall. O weise den Gedanken an die 
Ewigkeit nicht länger zurück! Es ist der große Feind der Seelen, 
„ein Dieb" und „ein Mörder", der dich betören will und zum 
Aufschub zu veranlassen sucht. Es gibt ein spanisches Sprichwort, das lautet: Der Weg, „Später einmal" führt zu der Stadt 
„Niemals". Darin liegt viel Wahrheit, und ich bitte dich, verfolge diesen Weg nicht länger! „Heute ist die Zeit der Annehmung, heute ist der Tag des Heils". 
Doch vielleicht antwortest du mir: „Ich bin nicht gleichgültig in betreff des Heils meiner Seele. Im Gegenteil, ich bin oft 
tief bekümmert; aber ich befinde mich in völliger Ungewißheit;ich bin, um IhrBild zu gebrauchen, in der zweiten Klasse". 
Dann, mein Freund, höre, daß dein Zustand wohl ein anderer ist als der Zustand eines gleichgültigen Menschen, daß ihm 
aber dieselbe Sache zugrunde liegt. Gleichgültigkeit und Ungewißheit wachsen auf demselben Boden, der Unglaube heißt. 
Der erste Zustand ist das Resultat des Unglaubens im Blick 
auf die Sünde und das Verderben des Menschen, der zweite, 
der deine, die Folge des Unglaubens im Blick auf das unumschränkte Heilmittel Gottes für den Menschen. Ich kann deine 
Seelennot sehr gut verstehen und bin überzeugt, daß, je größer dein Ernst ist, mit dem du diese überaus wichtige Sache 
betrachtest, um so größer auch dein Verlangen sein wird, Gewißheit über deine ewige Errettung zu erlangen. „Denn was 
wird es dem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt ge149 
wönne, aber seine Seele einbüßte" (Mt 16, 26)? Einem Menschen, der sich verirrt hat und müde und hungrig an einem 
Scheideweg anlangt, kann es nicht genügen, wenn er jemand 
nach dem Wege fragt, zur Antwort zu erhalten, daß der eine 
der beiden Wege vielleicht ans Ziel führt. Er muß Gewißheit 
haben. Ebenso ist es mit jedem Menschen, der zum Bewußtsein 
über seinen Zustand erwacht ist und mit Schrecken sieht, daß 
er auf dem breiten Weg ist, der ins Verderben führt. Es kann 
ihm nichts nützen, wenn ihm jemand einen Weg angibt, auf 
dem er hoffen kann, dem Verderben zu entrinnen. Er wird 
nicht eher zur Ruhe kommen, bis er gewiß weiß, daß er auf 
dem rechten Wege, dem Wege zum ewigen Leben ist. 
Um dem einen oder anderen meiner Leser behilflich zu sein, 
diese Gewißheit zu erlangen, möchte ich auf drei Dinge aufmerksam machen und sie unter der Leitung des Heiligen Geistes und im Lichte des Wortes Gottes etwas näher betrachten. 
Diese sind: 
1. Der Weg des Heils (Apg 16, 17). 
2. Die Erkenntnis des Heils (Lk 1, 77). 
3. Die Freude des Heils (Ps 51, 12). 
Wir werden im Laufe unserer Betrachtung sehen, daß jedes 
dieser drei Dinge, trotz ihrer innigen Verbindung untereinander, dennoch seine besondere Grundlage hat, so daß es sehr 
wohl möglich ist, daß eine Seele den Weg der Errettung kennt, 
ohne die bestimmte Gewißheit zu haben, daß sie selbst errettet 
ist, und daß ferner jemand seiner Errettung gewiß sein kann, 
ohne zu allen Zeiten die Freude zu genießen, die diese Gewißheit begleiten sollte. Wenden wir zunächst unsere Aufmerksamkeit dem Wege der Errettung zu. 
Über diesen Weg gibt uns Kapitel 13 im zweiten Buch Mose 
in einem Vorbilde klare Anweisung. Der Leser findet da die 
Worte aus dem Munde Jehovas: „Und jedes Erstgeborene des 
Esels sollst du mit einem Lamme lösen, und wenn du es nicht 
lösest, so brich ihm das Genick; und jedes Erstgeborene von 
Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen" (V. 13). Jetzt 
möchte ich den Leser bitten, mir zu einer Szene zu folgen, die 
vor etwa 3000 Jahren stattgefunden haben mag. Zwei Männer, 
ein Priester Gottes und ein armer Israelit, stehen in eifrigem 
150 
Gespräch beieinander. Nähern wir uns ihnen und lauschen 
ihren Worten. Die lebhaften Bewegungen von beiden lassen 
darauf schließen, daß sie eine Sache von Wichtigkeit verhandeln, und es fällt uns nicht schwer, zu erkennen, daß der Gegenstand der Unterhaltung ein kleiner Esel ist, der zitternd 
zwischen beiden steht. 
„Ich bin gekommen", hören wir den armen Israeliten sagen, 
„um mich zu erkundigen, ob nicht dies eine Mal zu meinen 
Gunsten eine Ausnahme gemacht werden kann. Dies kleine 
Geschöpf hier ist das Erstgeborene meines Esels, und obgleich 
ich sehr wohl weiß, was das Gesetz Gottes sagt, so hoffe ich 
doch, daß Gott mir Erbarmen erzeigen und das Leben des 
Tieres nicht von mir fordern wird. Ich bin ein armer Mann, 
und es ist mir unmöglich, es zu lösen". 
„Aber", erwidert der Priester in bestimmtem Tone, „das 
Gesetz Jehovas sagt klar und unzweideutig: „Jedes Erstgeborene des Esels sollst du mit einem Lamme lösen, und wenn 
du es nicht lösest, so brich ihm das Genick". — Wo ist das 
Lamm?" 
„Ich besitze kein Lamm." 
„Dann gehe, kaufe eins und komme wieder; anderenfalls 
muß dem Esel das Genick gebrochen werden. Entweder muß 
das Lamm sterben, oder der Esel." 
„Ach! dann sind alle meine Hoffnungen vernichtet", ruft 
der Arme traurig aus; „ich bin nicht imstande, ein Lamm zu 
kaufen." 
Unterdessen hat sich eine dritte Person, ein freundlich aussehender alter Israelit, der Gruppe genähert. Er vernimmt den 
verzweifelten Ausruf des armen Mannes. Einen Augenblick 
steht er nachdenklich da, wendet sieb dann zu dem Armen und 
sagt freundlich: „Sei gutes Mutes, mein Freund; ich kann dir 
helfen. Ich habe in meinem Hause ein kleines Lamm, ein schönes Tierchen, ohne Fehl. Es ist die Freude aller im Hause und 
ist auch mir sehr teuer. Aber ich will es holen und es für deinen 
Esel opfern". Mit diesen Worten eilt der mitleidige Fremde 
fort und kommt nach kurzer Zeit mit dem versprochenen Lamm 
zurück. Der Priester nimmt es in Empfang, schlachtet es und 
verbrennt es auf dem Altar. Nachdem dies geschehen ist, wen151 
det er sich zu dem armen Mann, der dem ganzen Vorgang sprachlos zugeschaut hat, und sagt: „Jetzt kannst du deinen Esel 
ruhig mit nach deinem Hause nehmen. Das Lamm ist an seiner 
Statt getötet worden, und infolgedessen geht der Esel gerechterweise frei aus. Bedanke dich bei deinem Freunde!" 
Erkennst du, mein lieber Leser, in dem Erzählten nicht ein 
treffendes Bild der Errettung eines Sünders? Gott muß von dir 
wegen deiner Sünden „ein gebrochenes Genick" fordern, mit 
anderen Worten, Er muß ein gerechtes Gericht über dein schuldiges Haupt bringen. Die einzige Möglichkeit, diesem Gericht 
zu entrinnen, besteht darin, daß ein von Gott anerkannter und 
angenommener Stellvertreter deinen Platz einnimmt. Aber wo 
willst du einen solchen Stellvertreter finden? Es geht dir wie 
dem armen Israeliten. Du bist nicht imstande, das von Gott 
geforderte Lamm zu beschaffen. Aber nun höre, was Gott getan hat, um deine Errettung zu ermöglichen. In der Person 
Seines eingeborenen, geliebten Sohnes hat Er Sich Selbst ein 
Lamm vorgesehen, ein Lamm „ohne Fehl und ohne Flecken". 
„Siehe, das Lamm Gottes", rief Johannes seinen Jüngern zu, 
als er die Person des Herrn Jesu erblickte, „siehe das Lamm 
Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt!" 
Dieser Jesus ging hinauf nach Golgatha „wie ein Lamm, das 
zur Schlachtung geführt wird", und dort litt Er für unsere Sünden, „der Gerechte für die Ungerechten, auf daß Er uns zu 
Gott führe" (1. Petr 3, IS). Er wurde „unserer Übertretungen 
wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt" (Röm 4, 25). Deshalb braucht Gott nicht ein Jota von 
Seinengerechten und heiligen Ansprüchen fallen zu lassen, wenn 
Er den gottlosen Sünder, der an Jesum glaubt, rechtfertigt 
(Röm 3, 26). Gott sei Dank für einen solchen Heiland und für 
eine solche Errettung! Wenn ein Mensch in Wahrheit an den 
Sohn Gottes glaubt, dann wird ihm der volle Wert des Opfertodes Christi zugerechnet, geradeso, als wenn er das Werk 
selbst vollbracht hätte. Gott sieht ihn nicht mehr in seinem 
alten, verwerflichen Zustand, sondern in der ganzen Annehmlichkeit der Person Christi. Sein Errettungsplan ist wahrhaft 
göttlich und Gottes Selbst würdig; er befriedigt Sein Herz der 
Liebe, verherrlicht Seinen Sohn und bringt den Sünder in 
ewige Sicherheit. Gepriesen sei der Gott und Vater unseres 
152 
Herrn Jesu Christi, Der Seinen Eingeborenen und Geliebten 
gesandt hat, das große Werk der Erlösung zu vollbringen, und 
Der alles so völlig geordnet hat, daß so elende, sündige Geschöpfe wie du und ich durch den Glauben an Ihn nicht nur der 
reichsten Segnungen, sondern auch für alle Ewigkeit der überaus köstlichen Gemeinschaft des Segnenden teilhaftig gemacht 
werden! „Erhebet Jehova mit mir und lasset uns miteinander 
erhöhen seinen Namen" (Ps 34, 3)! 
Doch vielleicht erwiderst du mir: „Ich habe gelernt, von mir 
und von meinem eigenen Tun völlig abzusehen und nur auf 
Christum und auf Sein Werk zu vertrauen, und dennoch fehlt 
mir die volle Gewißheit meiner Errettung. Heute fühle ich mich 
ganz glücklich und erfreue mich meiner Annahme bei Gott 
durch den Glauben an Jesum und an Sein vergossenes Blut, 
und vielleicht morgen schon verwandelt sich meine Freude in 
Trauer und Ungewißheit. Woher mag dies wohl kommen?" 
Auf diese Frage möchte ich dir mit einer Gegenfrage antworten: „Hast du schon jemals gehört, daß ein Kapitän die Anker 
seines Schiffes ins Schiff hinein wirft, um so einen sicheren 
Ankerplatz zu finden?" Niemals, nicht wahr? Er müßte denn 
seinen Verstand verloren haben. Er wirft die Anker stets nach 
außen, in das Meer hinein. Verstehst du, was ich mit diesem 
Bilde sagen will? Es mag sein, daß du ganz klar verstehst, daß 
der Tod Christi allein Sicherheit vor dem ewigen Gericht zu 
geben vermag, und dennoch denkst du, deine Gefühle seien es, 
die dir Gewißheit geben können. Statt nach außen zu blicken, 
blickst du in dich hinein, und da kann es nicht fehlen, daß du 
heute vielleicht glücklich bist, weil du die für einen Erretteten 
passenden Gefühle in dir zu entdecken meinst, während du 
morgen beim Verschwinden dieser Gefühle wie ein vom Sturm 
umhergeworfenes Schiff unruhig und in Not bist. Dies führt 
uns zu dem zweiten Hauptgegenstand unserer Betrachtung, zu 
der „Erkenntnis des Heils". 
Wieder muß ich den Leser bitten, seine Bibel zur Hand zu 
nehmen und das fünfte Kapitel im ersten Brief des Johannes 
aufzuschlagen. Da findet er einen Vers, der den Weg angibt, 
auf dem Gott dem Menschen die Erkenntnis des Heils mitteilt. 
Er lautet: „Dies habe ich euch geschrieben, auf daß ihr wisset, 
daß ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des 
153 
Sohnes Gottes" (V. 13). Beachten wir wohl, daß es nicht heißt: 
„Diese glücklichen,Gefühle habe ich euch gegeben, auf daß ihr 
wisset usw." 
Woher wußten die erstgeborenen Söhne der Israeliten, daß 
sie in jener Nacht des Gerichts Jehovas über Ägypten vollkommen sicher waren? Laßt uns im Geiste zwei ihrer Häuser 
besuchen und hören, was ihre Bewohner zu sagen haben. 
Im ersten Hause, in das wir eintreten, entdecken wir auf den 
ersten Blick, daß alle Bewohner voll Furcht und gespannter 
Erwartung sind. Die Gesichter sind bleich, und zitternd stehen 
Eltern und Kinder beieinander. Wir erkundigen uns nach der 
Ursache der allgemeinen Angst. Der älteste Sohn erzählt uns, 
daß Jehova in der kommenden Nacht durch das Land gehen 
werde, um alle Erstgeburt zu schlagen, und daß er nicht ganz 
sicher sei, wie es ihm in dieser schrecklichen Stunde ergehen 
werde. „Wenn Jehova an dem Hause meiner Eltern vorübergegangen und der Tag angebrochen ist, dann werde ich wissen, 
daß ich errettet bin; aber bis dahin bin ich nicht ganz sicher. 
Unsere Nachbarn im nächsten Hause behaupten allerdings, 
ihrer Errettung völlig gewiß zu sein, aber wir halten dies für 
eine große Anmaßung. Alles, was ich tun kann, ist, daß ich die 
lange, schreckliche Nacht durchwache und das Beste hoffe". 
„Aber", fragen wir weiter, „hat der Gott Israels denn nicht 
Seinem Volk einen Weg der Errettung angewiesen?" 
„Allerdings", lautet die Antwort, „und wir haben diesen 
Weg eingeschlagen. Wir haben nach Seinem Wort „ein einjähriges Lamm ohne Fehl" geschlachtet und dessen Blut mit 
einem Bündel Ysop an die Oberschwelle und die Pfosten der 
Tür gestrichen, aber dennoch sind wir nicht sicher, ob uns dies 
wirklich schützen wird." 
Laßt uns jetzt diese zweifelnden, unruhigen Seelen verlassen 
und das nächste Haus betreten. Ein völliger Gegensatz tritt 
hier vor unser Auge! Eine friedliche Ruhe lagert auf jedem 
Antlitz. Die Bewohner stehen da mit gegürteten Lenden, den 
Stab in ihrer Hand, und nähren sich von dem gebratenen 
Lamm. Worin mag diese Ruhe angesichts einer so schreckensvollen Nacht ihren Grund haben? Auf unser Befragen, warum 
sie so reisefertig an dem Tische stehen, erhalten wir zur Ant154 
wort: „Wir warten auf den Befehl Jehovas zum Aufbruch; 
sobald er eintrifft, werden wir den grausamen Frohnvögten 
und der harten Sklaverei Ägyptens für immer entfliehen". 
„Aber habt ihr denn ganz vergessen, daß dies die Nacht des 
Gerichts ist?" 
„O nein, wir wissen das sehr wohl; aber unser Erstgeborener ist in völliger Sicherheit. Das Blut ist nach dem Willen 
Gottes an die Tür gestrichen worden". 
„Aber das ist auch hier im Nebenhause geschehen", erwidern wir, „und dennoch sind dort alle unglücklich, weil sie 
der Errettung ihres Erstgeborenen nicht gewiß sind". 
In diesem Augenblick läßt sich die Stimme des ältesten Sohnes vernehmen. Er sagt in bestimmtem Tone: „Wir haben 
nicht nur das Blut, sondern auch das unumstößliche Wort 
Gottes über das Blut. Gott hat gesagt: „Sehe ich das Blut, 
so werde ich an euch vorübergehen". Gott ist befriedigt, wenn 
Er das Blut außen an unserer Tür sieht, und wir sind völlig 
befriedigt durch Sein Wort. Er wird Sein Wort wahrmachen. 
Und so ist es, mein lieber Leser. Das Blut des Lammes, das 
für uns vergossen ist, errettet uns, und das Wort, das aus dem 
Munde Gottes hervorgegangen ist, gibt uns eine unerschütterliche Gewißheit. Könnte es etwas geben, das uns vor jedem 
Gericht sicherer stellen könnte, als das Blut Christi? Könnte uns 
irgend etwas mehr Gewißheit verleihen, als das Urteil Gottes, 
Sein geschriebenes Wort? Nichts, gar nichts. Welches jener 
beiden Häuser war in größerer Sicherheit, das erste oder das 
zweite? Das zweite, denkst du vielleicht, weil dort alle ruhig 
und in Frieden waren? O nein, sage ich dir, beide waren gleich 
sicher. Ihre Sicherheit hing nicht von dem Zustand ihrer Gefühle innerhalb ah, sondern von dem, was Gott über das Blut 
außerhalb dachte. Und ebenso darfst du, wenn du über deine 
eigene Errettung gewiß sein willst, nicht auf das schwankende 
Zeugnis innerer Gefühle lauschen, sondern auf das unfehlbare 
Zeugnis des Wortes Gottes. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: 
Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, 
hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht" (Joh 5, 24). 
Erlaube mir, dir ein Beispiel aus dem täglichen Leben zu erzählen. Ein gewisser Pächter hört, daß sein Grundherr eine 
155 
schöne, fette Wiese in der Nähe seines Hauses zu verpachten 
gedenkt. Schon lange hat er gewünscht, diese Wiese zu besitzen, da er für sein Vieh nicht Gras genug hat. Er schreibt an 
den Besitzer der Wiese, aber er erhält längere Zeit keine Antwort. Eines Tages besucht ihn ein Nachbar, dem er die Sache 
erzählt. Der hört aufmerksam zu und sagt dann: „Oh, ich hin 
fest überzeugt, daß du die Wiese erhalten wirst. Erinnerst du 
dich nicht, daß der Grundherr dir noch kürzlich ein schönes 
Geschenk machte und dabei deinen Fleiß und deine Pünktlichkeit lobte?" Diese Worte erfüllen den Pächter mit zuversichtlicher Hoffnung. Am nächsten Tage begegnet ihm jedoch ein 
anderer Nachbar und bemerkt im Laufe der Unterhaltung: 
„Ich fürchte, du hast nicht die geringste Aussicht, die Wiese zu 
bekommen. Ich habe gehört, daß Herr N. sie ebenfalls zu mieten wünscht, und du weißt, wie beliebt er bei deinem Grundherrn ist, wie er ihn fast täglich besucht usw." Die Hoffnungen 
des Pächters sinken durch diese Worte wieder erheblich. Ganz 
niedergeschlagen kehrt er nach Hause zurück. 
Kaum ist er hier angelangt, da erscheint der Postbote und 
überbringt ihm die ersehnte Antwort. Der Pächter erkennt in 
der Aufschrift die wohlbekannten Schriftzüge seines Herrn. 
Erregt erbricht er den Brief. Er liest, und nach und nach hellt 
sich sein Gesicht auf; die ängstliche Erwartung und Sorge 
machen der freudigsten Überraschung Platz. Den Brief triumphierend in die Höhe haltend, ruft er seiner Frau zu: „Jetzt ist 
alles in Ordnung; Herr X. schreibt mir, daß das Feld mein sei, 
so lange ich es wünsche, und zwar zu den billigsten Bedingungen. Alle meine Befürchtungen waren vergebens. Mag jetzt 
kommen, wer will, ich habe sein Wort, das genügt mir." 
Ach! wie mancher Gläubige befindet sich in einem ähnlichen Zustand wie der beunruhigte Pächter — umhergeworfen 
und in Verlegenheit gebracht durch die Meinungen der Menschen oder die Gedanken und Gefühle seines eigenen verräterischen Herzens! Nur das Wort Gottes annehmen als den 
unfehlbaren und untrüglichen Ausdruck der Gedanken und 
Ratschlüsse Gottes kann der Seele Ruhe geben und sie vor 
Zweifeln und Beängstigungen sicherstellen. Wenn Gott spricht, 
muß Gewißheit da sein, mag Er nun die Verurteilung des Gottlosen oder die Errettung des Gläubigen aussprechen. „In Ewig156 
keit, Jehova, steht dein Wort fest in den Himmeln" (Ps 119, 
89). Für den einfältigen Gläubigen ordnet Sein Wort alles. 
„Nicht ein Mensch ist Gott, daß er lüge, noch ein Menschensohn, daß er bereue. Sollte er gesprochen haben und es nicht 
tun, und geredet haben und es nicht aufrechthalten" (4. Mo 23, 
19)? 
Aber, fragst du vielleicht, wie kann ich sicher sein, daß ich 
die rechte Art von Glauben habe? Auf diese Frage gibt es nur 
eine Antwort: „Setzest du dein Vertrauen auf die richtige Person, d. i. auf den gepriesenen Sohn Gottes?" Es handelt sich 
nicht um die Größe deines Glaubens, sondern um die Vertrauenswürdigkeit der Person, auf die du dein Vertrauen setzst. 
Der eine ergreift Christum gleichsam mit der Hast eines Ertrinkenden; der andere wagt sich Ihm nur von hinten zu 
nahen und den Saum Seines Kleides zu berühren. Doch darum 
ist der erste nicht mehr in Sicherheit, als der andere. Beide 
haben die gleiche Entdeckung gemacht, d. h. sie haben erkannt, 
daß sie auf sich selbst nicht das geringste Vertrauen setzen 
können, daß sie aber mit aller Ruhe auf Christum und auf 
Sein Wort vertrauen und in Seinem vollbrachten Werk ruhen 
dürfen. Siehe, das ist Glaube. „Wahrlich, wahrlich, ich sage 
euch: Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben" (Joh 6, 47). Der 
schwächste Glaube an diesen Jesus errettet den Sünder für alle 
Ewigkeit, während der stärkste Glaube an etwas außer Ihm, 
seien es nun gute Werke, religiöse Gebräuche, fromme Gefühle 
oder irgend etwas Ähnliches, ebenso sicher ins ewige Verderben führt. Und Ihm können wir in Wahrheit vertrauen. Er ist 
der geliebte Sohn, an Dem der Vater Seine ewige Wonne hat, 
und Der für den Sünder im Gericht stand und die ganze Glut 
des göttlichen Zornes wider die Sünde trug. 
Doch ach! wie verkehrt ist das menschliche Herz! „Ich glaube wirklich an den Herrn Jesus", sagte vor einiger Zeit ein 
junges Mädchen zu mir, „aber wenn man mich fragt, ob ich 
errettet sei, dann möchte ich nicht gern „Ja" sagen, aus Furcht 
zu lügen". Die Sprecherin war die Tochter eines Fleischers. Zufällig war jener Tag ein Markttag, und ihr Vater war ausgegangen, um Vieh einzukaufen. An diesen Umstand anknüpfend, sagte ich: „Nehmen wir an, Ihr Vater käme heim; Sie 
fragten ihn, wieviel Schafe er gekauft habe, und er erwiderte: 
157 
„Zehn". Nach einer Weile träte ein Fremder in den Laden und 
fragte sie: „Wieviel Schafe hat Ihr Vater heute gekauft?" und 
Sie antworteten: „Mein Vater hat gesagt: „zehn", aber ich 
möchte dies nicht gerne behaupten, aus Furcht zu lügen". Was 
würden Sie damit tun?" 
„Sie würde ihren Vater zu einem Lügner machen", fiel die 
Mutter des Mädchens ein, die unserem Gespräch zugehört 
hatte. 
„Ihre Mutter hat völlig Recht", bemerkte ich, „Sie würden 
ihren Vater zu einem Lügner machen; und dies tun Sie, ohne 
es zu wollen und zu wissen, im Blick auf den Herrn Jesus. Sie 
sagen: „Ich glaube an den Sohn Gottes, und Er sagt mir, daß 
ich dann ewiges Leben habe, aber ich möchte dies nicht gern 
aussprechen, aus Furcht zu lügen". Sie machen den Herrn Jesus 
zu einem Lügner, Wie schrecklich ist das!" 
Wieder andere fragen: „Wie kann ich wissen, daß ich wirklich glaube? Ich habe oft genug versucht, zu glauben, und habe 
in mich geblickt, um zu sehen, ob ich den rechten Glauben 
besitze, aber je mehr ich auf meinen Glauben blicke, um so 
weniger scheine ich ihn zu haben". Ach., alle diese blicken in 
die verkehrte Richtung, und gerade ihre vergeblichen Anstrengungen, zu glauben, beweisen, daß sie auf dem falschen Wege 
sind. Wieder möchte ich versuchen, durch ein einfaches Beispiel 
aus dem täglichen Leben den Kern der Sache bloßzulegen. 
Denke dir, du säßest eines Abends ruhig in deinem Zimmer. 
Plötzlich klopft es, und auf dein „Herein!" tritt ein Mann ins 
Zimmer, den du als eine wenig vertrauenswürdige Person 
kennst, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Er erzählt dir, daß der Stationsvorsteher des Ortes soeben verunglückt und tot nach Hause gebracht worden sei. Glaubst du 
diesem Manne, oder versuchst du nur, ihm zu glauben? 
„Sicherlich nicht!" wirst du sagen. Aber warum nicht? Weil 
du auf deinen Glauben oder auf deine Gefühle blickst? Nein, 
weil du den Mann, der dir die Nachricht bringt, als einen Lügner kennst. 
Einige Minuten später besucht dich ein Nachbar, der dich 
einmal vor langer Zeit betrogen hat und sagt: „Haben Sie 
schon gehört, daß der Stationsvorsteher heute Abend von 
158 
einem Güterzug überfahren und sogleich getötet worden ist?" 
Immer noch weißt du nicht, ob du die Botschaft als wahr annehmen sollst, da du glaubst, auch diesem Manne kein volles 
Vertrauen schenken zu können. Kaum aber hat er dich verlassen, da tritt dein bester Freund ins Zimmer und wiederholt 
die Worte der beiden Besucher. „Jetzt glaube ich es", rufst du 
aus, „denn mein Freund hat mich noch nie betrogen, und wird 
es auch sicherlich nie tun". Und nun frage ich noch einmal: 
„Warum glaubst du jetzt? Glaubst du, weil du in dir die rechten Gefühle entdeckst? O nein; du glaubst, weil dein Freund 
dein völliges Vertrauen verdient. Ebenso ist es mit der frohen 
Botschaft, die Gott mir in Seinem Wort verkündigt. Ich glaube 
sie, weil Er, Der sie mir bringt, nicht lügen kann, weil Er mein 
ganzes, rückhaltloses Vertrauen verdient. Ich blicke nicht auf 
meinen Glauben, sondern auf Den, Der zu mir redet, und 
indem ich Ihn betrachte, rufe ich aus: „Ja, Er ist würdig, daß 
ich Ihm ganz vertraue; Er kann nicht lügen —Er wird Sein Wort 
wahr machen." „Wenn wir das Zeugnis der Menschen annehmen, das Zeugnis Gottes ist größer; denn dies ist das Zeugnis 
Gottes, welches er gezeugt hat über seinen Sohn. Wer an den 
Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst; wer Gott 
nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er nicht geglaubt hat an das Zeugnis, das Gott gezeugt hat über seinen 
Sohn" (1. Joh 5, 9. 10). „Abraham glaubte Gott, und es wurde 
ihm zur Gerechtigkeit gerechnet" (Röm 4, 3). 
So mancher betrachtet den Glauben als ein unbeschreibliches 
Etwas, das er in sich fühlen müsse, um dann sicher zu sein, daß 
er für den Himmel passend sei. Aber das ist der Glaube durchaus nicht. Der wahre Glaube blickt nach außen auf eine lebendige Person, auf Christum und auf Sein vollbrachtes Werk, 
und lauscht ruhig auf das Zeugnis eines Gottes, der die Wahrheit und das Licht selbst ist. Und dieser Blick nach außen gibt 
der Seele inneren Frieden. Wenn ich mein Antlitz der Sonne 
zukehre, so ist mein Schatten hinter mir; ich sehe ihn nicht. 
Ebenso unmöglich ist es, einen verherrlichten Christus im 
Himmel und zu gleicher Zeit sich selbst anzuschauen. 
So sehen wir, daß die gesegnete Person des Sohnes Gottes 
mein Vertrauen gewinnt. Sein vollbrachtes Werk gibt mir 
ewige Sicherheit, und das Wort Gottes über alle, die an Ihn 
glauben, verleiht mir eine unumstößliche Gewißheit im Blick 
159 
auf meine Errettung. Ich finde in Christo und in Seinem Werk 
den Weg des Heils und in dem Worte Gottes die Erkenntnis 
des Heils. 
Aber woher kommt es, daß so mancher, der seiner Errettung 
gewiß ist, dennoch so oft die Freude des Heils verliert und in 
einem ebenso unglücklichen, ja vielleicht noch unglücklicheren 
Seelenzustand einhergeht, als vor seiner Bekehrung? Diese 
Frage führt uns zu dem dritten Abschnitt unserer Betrachtung. 
Wir finden in dem Worte Gottes, daß wir, errettet durch 
das Werk Christi und gewiß gemacht durch das Wort Gottes, 
in dem Genuß des Heils, in unserer Freude und in unserem 
Trost aufrecht gehalten werden durch den Heiligen Geist, Der 
in jedem Erretteten wohnt. Doch zugleich dürfen wir nicht vergessen, daß jeder Gläubige „das Fleisch", d. h. die böse Natur, 
mit der er geboren wurde und die sich schon zeigte, als er noch 
als- ein hilfloses Kind auf dem Schöße seiner Mutter lag, an 
sich trägt. Der Heilige Geist in dem Gläubigen widersteht dem 
Fleische und wird durch jede Regung des Fleisches, sei es in 
Gedanken, Worten oder Werken, betrübt. Wenn der Christ 
„würdig des Herrn" wandelt, so wird der Heilige Geist in ihm 
Seine gesegneten Früchte: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, 
Freundlichkeit usw." (Gal 5, 22) hervorbringen. Wandelt er in 
einer fleischlichen, weltlichen Weise, so wird der Geist betrübt, 
und jene Früchte fehlen in größerem oder geringerem Maße. 
So wie das Werk Christi und unsere Errettung miteinander 
stehen oder fallen, so stehen oder fallen auch miteinander 
unser Wandel und unser Genuß. Gott sei Dank, daß das Werk 
Christi nie fallen kann! es besteht ewig, und damit unsere Errettung. Anders aber ist es mit unserem Wandel; er kann fallen, d. h. nicht in Übereinstimmung sein mit unserer Stellung 
und Berufung; und dann wird sicher auch unsere Freude 
schwinden. Meine geistliche Freude wird stets mit dem geistlichen Charakter meines Wandels nach meiner Bekehrung in 
Übereinstimmung stehen. So lesen wir von den ersten Christen 
in Apg 9, 31 : „Sie wandelten in der Furcht des Herrn und 
wurden vermehrt durch den Trost des Heiligen Geistes", und 
in Apg 13, 52: „Die Jünger aber wurden mit Freude und Heiligem Geiste erfüllt." 
160 
Wir sehen also, daß unsere Sicherheit abhängt von dem 
Werke Christi für uns, daß unsere Gewißheit beruht auf dem 
Worte Gottes zu uns, und daß endlich unser Genuß davon 
abhängig ist, ob wir den Heiligen Geist in uns nicht betrüben. 
Niemals aber dürfen wir unsere Sicherheit und Gewißheit mit 
unserem Genuß verwechseln. Wenn wir als Kinder Gottes 
etwas tun, was den Heiligen Geist betrübt, so ist unsere praktische Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn unterbrochen, und zwar so lange, bis wir uns selbst richten und 
unsere Sünden bekennen. Erst dann wird die Freude der Gemeinschaft wiederhergestellt. Das Beispiel eines unartigen Kindes ist schon so oft angeführt worden, daß ich hier nur darauf 
hinzudeuten brauche. Ein solches Kind erfreut sich nicht eher 
wieder des praktischen Genusses der Liebe und der Gemeinschaft des Vaters, bis es seine Unart bekannt und seiner Trauer 
über das Vorgefallene Ausdruck gegeben hat. Doch dies hat 
nichts mit seiner Kindschaft zu tun. Diese beruht auf seiner 
Geburt, nicht aber auf seinem Verhalten. Als David sich mit 
dem Weibe des Uria so schwer vergangen hatte und zum Bewußtsein seiner Sünde gekommen war, betete er nicht: „Laß 
mir wiederkehren deine Rettung"', sondern: „Laß mir wiederkehren die Freude deines Heils" (Ps 51, 12)! 
So ist es mit jedem Gläubigen. Hat er gesündigt, dann ist 
die Gemeinschaft unterbrochen und seine Freude so lange gestört, bis er mit einem „gebrochenen und zerschlagenen Herzen" zum Vater kommt und seine Sünde bekennt. Aber dann 
erhält er die Gewißheit, daß ihm die Sünde vergeben ist; denn 
das Wort Gottes bezeugt klar und bestimmt: „Wenn wir 
unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er 
uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit" (1. Joh 1, 9). Oh, möchte doch keins der teuren Kinder 
Gottes jemals vergessen, daß es nichts Festeres gibt, als das 
Band des Kindesverhältnisses zu seinem Gott und Vater, aber 
auch nichts Zarteres, als das Band der Gemeinschaft! Keine 
Macht der Erde und der Hölle vermag das erste zu verletzen, 
während ein einziger unreiner Gedanke, ein einziges unnützes 
Wort das zweite notwendig zerreißen muß. 
Haben wir uns daher vergessen und den Genuß der Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater und Seinem Sohne 
161 
Jesu Christo verloren, so laßt uns stillestehen und mit aufrichtigem Ernst unser Herz auf unseren Weg richten! Und haben 
wir den Dieb entdeckt, der uns unsere Freude und unseren 
Frieden geraubt hat, so laßt uns ihn sogleich ans Licht bringen, laßt uns unsere Sünde vor unserem Vater bekennen und 
schonungslos mit uns selbst ins Gericht gehen wegen des unwachsamen, gleichgültigen Zustandes unseres Herzens, der 
dem Dieb erlaubt hat, einzudringen. Denken wir nicht, daß die 
Sünde des Gläubigen vor Gott weniger hassenswert sei, als die 
Sünde des Ungläubigen. Gottes Gedanken über die Sünde sind 
stets gleich; Er kann ebensowenig stillschweigend an der Sünde 
des Gläubigen vorübergehen, wie an der Sünde eines Verächters Seines geliebten Sohnes. Wohl gibt es einen Unterschied 
zwischen diesen beiden Personen. Die Sünden des Gläubigen 
waren alle im voraus Gott bekannt und wurden alle auf das 
von Ihm zuvor erkannte Lamm gelegt, als es auf Golgatha am 
Stamme des Kreuzes hing. Dort wurde ein für allemal die 
richterliche Frage in bezug auf diese Sünden geordnet, indem 
das Gericht für sie das Haupt des reinen, fleckenlosen Opferlammes traf, das „an seinem Leibe unsere Sünden auf dem 
Holze trug" (1. Petr 2, 24). Der Verwerfer Christi dagegen 
muß selbst seine Sünden für immerdar in dem Feuersee tragen. 
Wenn daher ein Erretter fehlt, so kann die richterliche Frage 
nicht wieder erhoben werden, wohl aber wird die Frage der 
Gemeinschaft erhoben, so oft er den Heiligen Geist betrübt; 
und wenn ein solcher Christ trotz der Mahnungen seines Gewissens und der Stimme des Heiligen Geistes, die ihn in seinem Inneren straft, auf seinem bösen Wege vorangeht, so 
werden Züchtigungen von seiten des Vaters ihn treffen. Er 
wird gerichtet in den Wegen der Regierung Gottes auf Erden, 
wie der Apostel den Korinthern zuruft: „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf daß 
wir nicht mit der Welt verurteilt werden" (1. Kor 11, 32). 
Indessen wiederhole ich noch einmal, daß durch die Untreue 
eines Gläubigen und durch die ihr notwendigerweise folgende 
ernste Sprache Gottes die Frage der Errettung in keiner Weise 
berührt wird. Wenn mein Herz infolge meiner Unwachsamkeit 
und Untreue unglücklich und gedrückt ist, so wird dadurch 
weder das Werk Christi noch das Wort Gottes verändert. Was 
162 

sich verändert hat, ist die Tätigkeit des Heiligen Geistes. Statt 
von den herrlichen Dingen Christi nehmen und mein Herz mit 
dem Bewußtsein und dem Genuß Seiner Vortrefflichkeit und 
Schönheit erfüllen zu können, ist Er betrübt und muß sich mit 
meiner Sünde und Untreue beschäftigen, um mich zu einem 
Gefühl meines traurigen Zustandes zu bringen. Und der Vater, 
statt mich Seine köstliche Gemeinschaft genießen lassen zu 
können, muß mich, wenn ich in der Sünde verharre, züchtigen 
und mit mir über mich selbst reden. Ach! welch ein unermeßlicher Verlust ist das! Möchte der Herr uns mit jedem Tag 
wachsamer und eifersüchtiger über uns selbst machen, damit 
wir nicht den Heiligen Geist betrüben, durch welchen wir versiegelt sind auf den Tag der Erlösung (Eph 4, 30)! 
Gepriesen sei unser geliebter Herr, daß Er in Seiner Gnade 
und Güte Sich nie verändert! „Jesus Christus ist derselbe 
gestern und heute und in Ewigkeit" (Hebr 13, 8). Auch Sein 
Werk wird sich nie verändern. „Ich habe erkannt, daß alles, 
was Gott tut, für ewig sein wird; es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen" (Pred 3, 14). Und 
ebensowenig wird Sein Wort jemals wanken. „Alles Fleisch 
ist wie Gras, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. 
Das Gras ist verdorrt, und seine Blume ist abgefallen; aber 
das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit" (1. Petr 1, 24. 25). 
Welch eine Ruhe gibt uns dies angesichts unserer Schwachheit! 
Der Gegenstand meines Vertrauens, die Grundlage meines 
Heils, der Grund meiner ewigen Sicherheit und Gewißheit, sie 
sind alle gleich unveränderlich, so unerschütterlich wie Gott 
Selbst. 
Doch sollte uns das Bewußtsein, daß wir so hoch begnadigt 
sind, und daß unser Heil in Ihm für alle Ewigkeit feststeht, 
gleichgültig machen? O nein und abermals nein! Wo eine solche Gesinnung vorhanden ist, da verrät sie einen sehr traurigen Zustand des Herzens. Man gebraucht dann die Gnade 
Gottes und die Freiheit, zu der Er uns gebracht hat, zu einem 
Anlaß für das Fleisch. Wie schrecklich dies ist, brauche ich nicht 
zu sagen. Gebe der Herr uns allen in Seiner Gnade, daß wir 
würdig wandeln der Berufung, womit wir berufen sind! Möchte Er in unseren Herzen eine heilsame Furcht vor der Sünde, 
ja vor uns selbst, und zugleich eine wahre Gottesfurcht er163 
wecken! Möchten wir nie vergessen, daß wir Den als Vater 
anrufen, der Licht ist und der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk! „Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen 
wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber in dem Lichte 
wandeln, wie er in dem Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft 
miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt 
uns von aller Sünde" (1. Joh 1, 6. 7). 
Ein sicherer Ankerplatz 
Ich bitte den Leser, für einige Augenblicke seine Aufmerksamkeit den Versen 7—15 im zehnten Kapitel des Hebräerbriefes zuzuwenden. Er wird in ihnen, wenn er wirklich über das 
Heil seiner Seele bekümmert ist, den wahren Grund des Friedens, einen göttlich sicheren Ankerplatz finden. Ich denke nicht 
daran, eine lange, ausführliche Auslegung dieser Stelle zu 
geben, sondern möchte nur mit kurzen Worten ihren Inhalt 
andeuten. Hier werden uns drei große Gegenstände oderSeiten 
der Wahrheit vorgestellt; zunächst der Wille Gottes, dann das 
Werk Christi und drittens das Zeugnis des Heiligen Geistes; 
mit anderen Worten: die Quelle, aus der die ewige Errettung 
der Seele hervorkommt, der Kanal, durch den sie fließt, und 
die Autorität, auf die sie sich stützt. Wir sehen so die ewige 
Dreieinigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist, mit dem großen 
Werk beschäftigt, den Grund zu unserem Frieden zu legen. 
Dies ist sicherlich etwas, das unserer ernsten und eingehenden 
Betrachtung wert ist. 
1. Für eine bekümmerte Seele ist es sehr wichtig, ein klares 
Verständnis über die Tatsache zu erlangen, daß der glorreiche 
Platz der Erlösung seinen Ursprung in dem Willen Gottes 
hatte, und zwar vor Grundlegung der Welt. Er wurde nicht 
erst nachträglich gefaßt, nachdem der Mensch gefallen war. 
Gott brauchte nicht erst dann, als die Sünde da war, mit sich 
zu Rate zu gehen, was Er tun wollte. O nein, der Plan war 
164 
schon lange, vorher gefaßt, schon lange vorher erwogen und 
festgestellt. Dies beweist der siebte Vers unseres Kapitels unzweideutig: „Da sprach ich: „Siehe, ich komme, (in der Rolle 
des Buches steht von mir geschrieben) um deinen Willen, o 
Gott, zu tun". Bevor die Welten gemacht wurden, bevor die 
Sünde da war, stand der Plan bereits fest, daß Christus kommen und den Willen Gottes tun sollte, und dieser Wille hatte 
Bezug auf die Errettung des Menschen. Diese Tatsache beweist 
die wunderbare Liebe Gottes zu dem Sünder. Er hätte uns dem 
Verderben überlassen können, wie wir es gerechterweise wegen 
unserer Sünden verdient hätten, aber stattdessen trat Er, sobald 
die Sünde da war, mit dem herrlichen Plan der Erlösung durch 
den Samen des Weibes hervor. 
2. Um diesen Plan auszuführen, kam der Sohn aus dem 
Schoß des Vaters herab. Er kam, um, koste es, was es wolle, 
den Willen Gottes zu tun. Es war Seine Speise und Sein Trank, 
ihn zu tun, und, gepriesen sei Sein heiliger Name! Er hat ihn 
vollkommen erfüllt. Er hat das Werk vollbracht, das der Vater 
Ihm zu tun gegeben hatte, und Er hat dadurch den unerschütterlichen Grund zu unserem Frieden gelegt. Was alle Opfer des 
alten Bundes nicht vermochten, das hat Jesus durch Sein einmaliges Opfer vollbracht. „Indem er vorher sagt: Schlachtopfer 
und Speisopfer und Brandopfer und Opfer für die Sünde hast 
du nicht gewollt, . . . spricht er dann: „Siehe, ich komme, um 
deinen Willen zu tun" . . . Durch welchen Willen wir geheiligt 
sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes 
Jesu Christi. Und jeder Priester steht täglich da, den Dienst 
verrichtend und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals Sünden hinwegnehmen können. Er aber, nachdem 
er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich für immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis Seine 
Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße. Denn durch ein 
Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt 
werden" (V. 8—14). 
Hier haben wir den Kanal, durch den die Versöhnung uns 
zufließt, nämlich: „das ein für allemal geschehene Opfer des 
Leibes Jesu Christi". Es ist nicht durch die Kirche, nicht durch 
Sakramente, nicht durch Zeremonien und Gebräuche, nicht 
durch religiöse Satzungen und Einrichtungen, nicht durch ir165 
gendwelche Werke der Gerechtigkeit, durch Gebete, Fasten, 
Almosen oder irgendwelche andere menschliche Anstrengungen, sondern „durch das ein für allemal geschehene Opfer des 
Leibes Jesu Christi". Der Leser möge die Kraft und Bedeutung 
des Ausdrucks: „ein für allemal" wohl erwägen! Dieses Opfer 
kann niemals wiederholt werden. Die Lehre von einem fortgesetzten Opfer für die Sünden ist eine direkte Verleugnung 
der klaren Unterweisungen des Heiligen Geistes in Hebr 10. 
Wenn das Wort Gottes maßgebend für uns ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Sünden aller Glaubenden 
durch das eine vollkommene Opfer Christi auf dem Kreuze für 
immer hinweggetan sind. Den Beweis dafür sehen wir in der 
Tatsache, daß Jesus Sich auf den Thron der Majestät in den 
Himmeln gesetzt hat. An die Stelle des täglichen Dastehens 
der jüdischen Priester ist das ewige Sitzen des Sohnes Gottes, 
an die Stelle der zahlreichen Opfer nach dem Gesetz das eine 
Opfer Jesu Christi getreten. Die Priester unter dem Gesetz 
konnten sich niemals setzen, weil ihr Werk nie vollendet wurde. Jesus dagegen hat Sich nach Vollendung Seines Werkes für 
immerdar gesetzt. Hierin liegt das wahre Geheimnis der Ruhe 
für das Gewissen. Christus hat Sich gesetzt. Er wird Sich nie 
wieder erheben, um Sich mit dem Werk des Sündentragens zu 
beschäftigen. Wenn Er aufsteht, so geschieht es nur, um die 
Seinigen zu Sich zu nehmen und dann über Seine Feinde Gericht auszuüben. 
3. Es bleibt uns noch übrig, ein Wort über die Autorität zu 
sagen, auf Grund deren wir diese vollkommene Versöhnung 
empfangen. Es ist das Zeugnis des Heiligen Geistes, und dieses 
ist, beachten wir es wohl! das Wort Gottes, die Heilige Schrift. 
„Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist; denn nachdem 
er gesagt hat: „Dies ist der Bund, den ich ihnen errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: „Indem ich meine Gesetze in ihre Herzen gebe, werde ich sie auch auf ihre Sinne 
schreiben"; und: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten 
werde ich nie mehr gedenken". Wo aber eine Vergebung derselben ist, da ist nicht mehr ein Opfer für die Sünde" (V. 15— 
18). Auf die Frage: „Woher weißt du, daß alle deine Sünden 
und Gesetzlosigkeiten hinweggetan sind?" kann ich jetzt antworten: „Durch das Zeugnis des Heiligen Geistes, durch das 
Zeugnis der Heiligen Schrift". Dies ist wiederum ein hervor166 
ragender wichtiger Punkt. Die Autorität, auf der ich im Blick 
auf die Errettung meiner Seele ruhe, ist ebenso wahrhaftig und 
absolut göttlich, wie der Kanal, durch den diese Errettung mir 
zufließt, oder die Quelle, aus der sie hervorgeht. Es ist nicht 
die Stimme der Kirche, es sind nicht die Beschlüsse von Konzilien, oder die Meinungen der Kirchenväter, oder etwa die 
Gebote, Lehren und Überlieferungen der Menschen, auch nicht 
die Vorstellungen und Gefühle meines eigenen Herzens, die 
mir Gewißheit geben können, daß ich von allen meinen Sünden gereinigt und für ewig errettet bin, es ist einzig und allein 
das Zeugnis der Heiligen Schrift. Wohl ist es wahr, daß wir 
durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes dieses Zeugnis annehmen und in ihm ruhen; aber immer bleibt es das Wort 
Gottes, das wir glauben, sonst wäre es kein göttlicher und 
seligmachender Glaube. Ein Glaube, der nicht einfach auf dem 
Wort Gottes ruht, ist ein wertloser, unechter und betrügerischer Glaube. Der wahre Glaube glaubt Gott und ruht in dem, 
was Er sagt, weil Er es sagt. Wenn ich etwas von einem Menschen nötig habe, eine Versicherung oder dergleichen, daß Gott 
in Wahrheit gesprochen habe, so bin ich gar kein Gläubiger. 
Der errettende Glaube, der Glaube eines wahren Christen, ist 
gegründet auf das Wort Gottes und auf nichts anderes. 
Zum Schluß bitte ich den Leser, die obigen Bemerkungen 
mit Aufmerksamkeit zu erwägen. Sie enthalten nichts Neues 
oder bisher Unbekanntes, sie sind aber vermögend, ihm einen 
Frieden zu geben, den keine List Satans und keine Vernünftelei der Menschen jemals stören kann. Möge Gott Sein teures 
Wort an unser aller Herzen segnen! 
Gedanken 
Wenn mein Herz in Wahrheit Jesum liebt, so werde ich nicht 
da einen Platz, ein Teil oder einen Namen suchen, wo Er nur 
das Kreuz des Missetäters fand. Die Welt hat sich nicht verändert. Sie mag ihr Kleid gewechselt haben, aber ihre Natur, 
ihr Geist und ihre Grundsätze sind dieselben geblieben. Sie 
167 
haßt Jesum heute noch ebenso glühend wie damals, als die 
Rufe ertönten: „Weg mit Ihm!" „Kreuzige Ihn!" 
Nichts ist imstande, den Christen von Christo zu trennen, 
aber ein einziger sündiger Gedanke unterbricht seine Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn. 
Betrachtungen über den Brief an die Römer 
von ]. N. Darby 
Der Verfasser, von dem der „Botschafter" in den früheren 
Jahrgängen manches köstliche Zeugnis in Übersetzung aus 
dem Englischen oder Französischen gebracht hat, schrieb diese 
Betrachtungen auf besonderen Wunsch in deutscher Sprache. 
Da er es nicht gewohnt war, sich in deutscher Sprache auszudrücken, war es nötig, seine Arbeit in sprachlicher Hinsicht 
etwas umzugestalten; aber seine Ausdrücksweise wurde möglichst beibehalten. 
Es ist dem teuren Verfasser nicht vergönnt gewesen, diese 
Betrachtungen über den Römerbrief bis zum letzten Kapitel 
durchzuführen. Zunehmende Schwäche und endlich sein Heimgang am 29. April 1882 setzten seiner reich gesegneten Tätigkeit ein Ziel, so daß die Betrachtungen nur bis etwa zur Mitte 
des zehnten Kapitels gehen. Die eigentliche Lehre des Briefes 
aber ist darin vollständig und ausführlich dargelegt, und so 
möge dieses Zeugnis aus der letzten Zeit der rastlosen Wirksamkeit des treuen Dieners des Herrn reich gesegnet sein für 
alle, die es lesen! 
Bei dieser Gelegenheit teilen wir noch in Übersetzung seinen 
letzten Brief mit, den er an seine „geliebten Brüder" im allgemeinen gerichtet hat: 
168 
Meine geliebten Brüder! 
Nachdem ich in Schwachheit Jahre der Gemeinschaft mit 
euch verlebt habe, habe ich nur noch so viel körperliche Kraft, 
um einige Zeilen zu schreiben, die mehr der Ausdruck der 
Liebe sein, als etwas anderes bezwecken sollen. 
Ich gebe Zeugnis der Liebe, die ich genossen habe, nicht 
allein von seiten des allezeit treuen Herrn, sondern auch von 
seiten meiner geliebten Brüder, die sie in all ihrer Geduld 
gegen mich bewiesen haben (und wie viel mehr noch hat der 
Herr Geduld mit mir gehabt). Mit aufrichtigem Herzen bezeuge ich dies. Doch ich kann sagen: Christus ist mein einziger 
Gegenstand gewesen, und, Gott sei Dank! auch meine Gerechtigkeit. Ich bin mir nichts bewußt, das ich zu widerrufen hätte, 
ich weiß auch jetzt nur weniges noch hinzuzufügen. 
Haltet fest an Ihm! Rechnet auf reiche Gnade in Ihm, die 
euch befähigt, Ihn darzustellen in der Kraft der Liebe des 
Vaters! Seid wachend und auf Christum wartend! 
Ich habe nichts weiter hinzuzufügen als die Versicherung 
meiner ungeheuchelten und dankbaren Liebe in Ihm. 
J. N. D. 
Auch möchte es für viele von Interesse sein, aus einer seiner 
früheren Mitteilungen den Entwicklungsgang seiner inneren 
Überzeugungen kennenzulernen. Wir lassen die betreffende 
Mitteilung deshalb hier folgen: 
„Ich mochte etwa sechs oder acht Jahre bekehrt sein, als ich 
durch göttliche Belehrung verstehen lernte, was der Herr in 
Joh 14 sagt: „An jenem Tage werdet ihr erkennen . . . daß ihr 
in mir seid und ich in euch". Ich erkannte, daß ich eins war 
mit Christo vor Gott. Ich fand Frieden und habe den seit 
jenem Augenblick, trotz vieler Mängel meinerseits, nie verloren. Dieselbe Wahrheit brachte mich aus der Staatskirche 
heraus. Ich sah ein, daß die wahre Kirche aus denen besteht, 
die so mit Christo vereinigt sind, und ich kann hinzufügen, 
daß diese Wahrheit mich dahin leitete, den Sohn Gottes aus 
169 
den Himmeln zu erwarten. Denn wenn ich in Ihm in die 
himmlischen örte r versetzt war, was hatte ich dann anders zu 
erwarten, als daß Er kam und mich in Wirklichkeit dorthin 
brachte. Die unendliche Liebe Gottes strömte in meine Seele. 
Von Anfang an hatte ich die tiefstmögliche Überzeugung von 
der Sünde; ich hatte schon früher erkannt und auch seit mehreren Jahren gelehrt, daß Christus allein diesen Abgrund ausfüllen könne, nicht aber, daß Er es bereits getan hat. Ich hatte 
die größten Anstrengungen gemacht, hatte gefastet — eine 
Sache, die, wie ich glaube, ganz nützlich ist, wenn sie in geistlicher Weise getan wird — hatte mir ein ausgedehntes System 
von Selbstverleugnung aufgebaut, hatte die Sakramente häufig 
gebraucht und eifrig die Kirche besucht. Aber ich hatte keinen 
Frieden gefunden, sondern nur die Entdeckung gemacht, daß 
alle diese Dinge dem Herzen keinen wahren Frieden zu geben 
vermögen. Ich suchte diesen Frieden eifrig, forschte in mir 
nach Beweisen der Wiedergeburt, was nie Frieden geben kann, 
und ruhte in Hoffnung, aber nicht im Glauben, in dem Werke 
Christi, bis ich, wie schon bemerkt, endlich Frieden fand, nachdem ich durch einen Zufall, wie man zu sagen pflegt, von 
meinen äußeren Anstrengungen abgelenkt worden war. Damals erlangte ich durch die Schrift eine tiefe Überzeugung von 
der Gegenwart des Heiligen Geistes, des verheißenen Sachwalters. Nicht lange nachher kam ich dahin, diese Wahrheit 
auf den Dienst anzuwenden. Ich sagte zu mir selbst: Wenn 
Paulus hierher käme, so würde er nicht predigen können, weil 
er keine Ordinations-Papiere besäße. Käme aber der bitterste 
Gegner seiner Lehre, der sich im Besitz solcher Papiere befände, 
so würde er, nach dem System, ein Recht haben zu predigen. 
Ich sah ein, daß das ganze System falsch ist. Es stellt den Menschen an die Stelle Gottes"*). 
Möge die Saat, die der liebe Heimgegangene während seines 
langen, dem Herrn und Seinem Dienst gewidmeten Lebens 
durch sein unermüdliches Zeugnis von der göttlichen Wahrheit 
ausgestreut hat, reiche Früchte tragen zur Verherrlichung des 
Herrn und zum Heil der Seelen! 
*) Collected writings of J. N. Darby, B. I. S. SS, 56. 
170 
Einleitung 
Im Brief an die Römer werden die Christen als auf der Erde 
wandelnde und lebende Menschen betrachtet, die jedoch das 
Leben Christi und den Heiligen Geist besitzen, so daß sie in 
Christo sind. Ihre Sünden sind vergeben; sie sind gerechtfertigt durch das Werk Christi. Ihre Pflicht ist: ihre Leiber als 
ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer darzustellen, indem sie verwandelt worden sind durch die Erneuerung ihres Sinnes, daß sie prüfen mögen, was der gute und 
wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Kap. 12,1.2). 
Der Brief beginnt mit der Verantwortlichkeit des Menschen, 
er beweist, daß alle schuldig sind durch das, was sie getan haben, 
und stellt dann den Erfolg des Todes Christi vor in der Vergebung der Sünden und der Rechtfertigung des Gläubigen. 
Hierauf betrachtet er den Zustand des Menschen, in dem er 
sich durch die Sünde Adams befindet, und zeigt, wie er von 
der Kraft der Sünde befreit wird. 
Von dem Ratschluß Gottes ist in diesem Brief nicht die Rede, 
es sei denn in 3 oder 4 Versen (im achten Kapitel) und hier 
nur, um zu beweisen, daß das Werk Seiner Gnade unveränderlich und, wenn es einmal zugeeignet ist durch die Berufung 
der Gnade, es fest und sicher ist, und daß es fortgesetzt wird 
bis zur Herrlichkeit. Das Werk Christi ist vollbracht, und die, 
welche an Ihn glauben, werden Seinem Bilde gleichförmig sein. 
So steht alles sicher. Wenn wir das Leben Christi haben, so 
daß wir mit Ihm leiden, dann werden wir auch mit verherrlicht werden. Weiter ist in diesem Brief nichts über den Ratschluß Gottes enthalten. Wollen wir diesen kennenlernen, 
dann müssen wir uns zu dem Brief an die Epheser wenden, 
während uns der Brief an die Kolosser über das Leben eines 
im Glauben auferstandenen Menschen Aufschluß gibt. Im 
Brief an die Römer aber finden wir das Werk Gottes in Gnade 
zur Rechtfertigung der Gottlosen durch den Tod und die Auferstehung Christi, und ihre Annahme in Christo, indem die 
Gläubigen als in Ihm betrachtet werden. 
Wie schon oben angedeutet ist, zerfällt die Lehre des Römerbriefes in zwei Teile. Der erste Teil bezieht sich auf die 
Sünden. Das Wegtun der Sünden und die Gnade Gottes, die 
171 
sich darin entfaltet hat, bilden den Gegenstand der Betrachtung bis zum Ende des elften Verses des fünften Kapitels. Von 
da ab bis zum Ende des achten Kapitels wird der zweite Teil 
behandelt, nämlich die Sünde im Fleisch, unser Zustand, in 
dem wir uns durch die Sünde Adams befinden, sowie unsere 
Befreiung von diesem Zustand, und der neue Zustand in Christo. Als Anhang folgen dann drei Kapitel, um zu erklären, wie 
die Lehre von dem allgemeinen, sündhaften Zustand des Menschen und von der allgemeinen Versöhnung mit Gott durch 
den Glauben in Einklang gebracht werden kann mit den besonderen Verheißungen, die den Juden gegeben sind. Den 
Schluß bilden Ermahnungen und die Wiederholung von gewissen wichtigen Grundsätzen. Die Auseinandersetzung der 
Lehre von der Versöhnung des Menschen mit Gott durch den 
Glauben im ersten Teil des Briefes wird eingeleitet durch eine 
Vorrede, in der das Evangelium auf die Person Christi gegründet und als die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes dargestellt wird. 
So sehen wir denn in diesem Brief, wie Gott uns mit vollkommener Gnade entgegengekommen ist, als wir nach unserer 
menschlichen Verantwortlichkeit und nach der Gerechtigkeit 
Gottes ganz verloren waren; wie Er aus lauter Gnade uns Errettung und ewiges Leben bereitet hat, als wir von Ihm entfernt waren durch die Sünde, ja, als wir dem Fleische nach in 
Feindschaft gegen Ihn waren, 
Bevor wir indessen zur näheren Betrachtung der Lehre des 
Briefes, der Ordnung und des Inhalts der verschiedenen Teile 
übergehen, müssen wir noch einige Worte über die Person des 
Apostels sagen. Er war nie in Rom gewesen, war aber, mit 
göttlicher Autorität bekleidet, Apostel aller Nationen. Daher 
konnte er an die Römer schreiben, obgleich er nicht das Mittel 
zu ihrer Bekehrung gewesen war. Einige kannte er wohl, da 
sich in Rom, als dem Mittelpunkt der Welt, Personen aus allen 
Ländern zusammenfanden. Dies aber gibt dem Brief einen 
ganz besonderen Charakter, verschieden von dem Charakter 
der meisten anderen Briefe. Es ist mehr ein Traktat, als ein 
von dem Apostel an eine von ihm selbst gegründete Versammlung gerichteter Brief. Die persönlichen Verhältnisse fehlen darin, um der bestimmten Lehre Platz zu lassen. Am Ende 
172 
des Briefes grüßt Paulus wohl viele Bekannte., und im Briefanfang sucht er mit den Christen in Rom eine Herzensverbindung zu schließen; indessen ist sein Apostelamt vor allem die 
Grundlage seiner Mitteilungen an die Gläubigen in Rom. Kein 
Apostel hat die Versammlung in Rom gegründet. Paulus war 
noch nicht dort gewesen, und wenn Petrus später hingekommen ist, um sein Leben aufzuopfern als Zeuge für den Herrn, 
so hatte er doch bis dahin mit Rom nichts zu tun gehabt, er 
war der Apostel der Beschneidung. 
Kapitel 1 und 2 
Paulus beginnt den Brief mit einem Hinweis auf sein Amt. 
Er war Knecht Jesu Christi, berufener Apostel, abgesondert 
zum Evangelium Gottes. Das ist, sozusagen, sein Titel. Er 
diente dem Herrn, war dazu berufen und abgesondert, und 
zwar in ganz besonderer Weise. Er hatte nicht zu den Begleitern 
des Herrn auf der Erde gehört; er kannte Ihn nicht. Im Gegenteil war er der heftigste Feind des Namens Jesu auf der Erde 
gewesen. Er wollte diese neue Lehre (den Glauben an Jesum) 
aus der Mitte Israels ausrotten und alle ihre Anhänger strafen. 
Dazu wurde ihm aber vom Herrn, der sich ihm in Herrlichkeit 
offenbarte, der Weg versperrt, und nun wurde diese Herrlichkeit selbst der Ausgangspunkt seiner Tätigkeit. Sie war der 
glänzendste Beweis, daß das Werk der Versöhnung vollbracht 
war, da Der, Der für die Sünden gelitten hatte, Sich jetzt in 
der Herrlichkeit befand; und nicht allein das, sondern die verfolgten Christen wurden von dem Herrn anerkannt, nicht als 
Jünger, sondern als vereinigt mit Ihm, dem verherrlichten 
Menschen, dem Sohn Gottes im Himmel. So wurde Paulus in 
ganz besonderer Weise berufen. Aber er war auch in besonderer Weise abgesondert. Die Offenbarung des Herrn in Herrlichkeit sonderte ihn zunächst von dem Judentum ab; doch 
nicht, um jetzt zum Heidentum überzugehen, sondern er wurde, 
indem er den Christus in der göttlichen Herrlichkeit als Herrn 
anerkannte (Apg 26, 17), „herausgenommen aus dem Volke 
und den Nationen", und er wurde von dem verherrlichten 
Menschen, dem Herrn der Herrlichkeit, in die Welt gesandt, 
um die vollbrachte Erlösung zu verkündigen und alle, die an 
Ihn glauben, von der Sünde zu befreien und die Juden vom 
173 
Joch des Gesetzes. Daher kannte er von nun an niemanden 
mehr nach dem Fleische, selbst den Herrn Jesum nicht — d. h. 
nicht wie die fleischlichen Juden Ihn hier in der Welt haben 
wollten: als Sohn Davids — obgleich er völlig anerkannte, daß 
Er als solcher gekommen war und daß Er ein vollkommenes 
Anrecht auf diesen Titel hatte. Aber der Herr ist als Sohn 
Davids verworfen worden, und jetzt sollte alles lauter Gnade 
werden, sowohl für die Juden als auch für die Heiden, da die 
Juden jedes Anrecht an die Verheißungen verloren hatten 
durch die Verwerfung Dessen, in Dem sie ihre Erfüllung finden sollten. Sicher wird Gott Seine Verheißungen wahr machen, 
doch jetzt ist alles aus lauter Gnade, und zwar durch den Auferstandenen, den Paulus in Herrlichkeit gesehen hatte. Diesen 
Punkt finden wir in den späteren Kapiteln des Briefes klar 
auseinandergelegt. 
Zum besseren Verständnis des Briefes mag es gut sein zu 
bemerken, daß Paulus, obgleich die Verherrlichung des Herrn 
Jesu der Ausgangspunkt und die Grundlage seines Dienstes 
war, doch in der Lehre dieses Briefes nicht weiter geht als bis 
zur Auferstehung des Herrn. Wohl ist die Stellung des Herrn 
in der Herrlichkeit vorausgesetzt, und in den wenigen Versen, 
in denen die Reihenfolge des Ratschlusses Gottes vorgestellt 
wird, fehlt auch die Herrlichkeit der Kinder Gottes nicht; es 
ist ein Teil dieses Ratschlusses, daß die Auserwählten dem 
Bilde Seines Sohnes gleichförmig sein sollen. Wenn der Apostel 
aber von der Grundlage des Heils spricht, wie man gerechtfertigt und errettet wird, so geht er nicht weiter als bis zur 
Auferstehung des Herrn. Denn das, was Christus für uns erworben hat, ist etwas anderes als die Antwort auf die Frage: 
wie kann ein Sünder von Gott angenommen werden, und wie 
tritt er ein in den Zustand eines Erben Gottes? Im Römerbrief 
haben wir eben diesen Zustand des Erben, als in Christo fähig 
gemacht, vor Gott zu stehen und mit Christo als Mensch zu 
erben, der Gerechtigkeit nach, als neuer, lebendiger, von Gott 
angenommener Mensch. Die Herrlichkeit und die Erbschaft 
selbst aber werden bloß kurz erwähnt. Sobald Christus als 
gestorbener Mensch auferstand, war der Mensch in einen ganz 
neuen Zustand gebracht: lebendig gemacht nach der Kraft des 
Geistes und der Auferstehung. Das Werk, durch das die Sünde 
beseitigt wurde, war vollbracht, unsere Sünden waren getragen 
174 
und getilgt durch den Tod, Gott war da verherrlicht, wo die 
Sünde war; die Kraft dessen, der die Macht des Todes hatte, 
war, wie der Tod selbst, zunichte gemacht. Ein neuer, unsterblicher Mensch war vorhanden. Ich spreche hier nicht von der 
Person Christi, von dem, was Er Seiner Natur nach war, sondern von der neuen Stellung der Menschen, in welche sie durch 
die Auferstehung des Menschen Jesus Christus gebracht sind: 
von dem Menschen in seinem neuen Zustande nach den Ratschlüssen Gottes. Wir sehen darin den Beweis, daß das vollbrachte Werk Christi angenommen ist nach der Gerechtigkeit 
Gottes, sowie das Muster, wenn auch noch nicht der Herrlichkeit, so doch des Grundzustandes aller Gläubigen in Christo. 
Sie befinden sich, sozusagen, jenseits des Todes, der Kraft 
Satans, der Sünde, des Gerichts Gottes, weil Gott in Christo 
völlig verherrlicht worden ist; sie stehen in der Gunst Gottes 
nach der Gerechtigkeit. Das ist die Tragweite der Auferstehung Christi, als Grundlehre dieses Briefes, indem Sein Tod 
als Grundlage Seiner Auferstehung und dessen Wertes dargestellt wird: „Christus, der gestorben, ja noch mehr, der auch 
auferweckt ist". 
So wurde Paulus berufen und abgesondert von allen Menschen, um die frohe Botschaft Gottes, die Botschaft von diesem 
Werke Seiner Liebe zu verkündigen. Dieses Evangelium war 
schon in den Weissagungen der Propheten in den Heiligen 
Schriften verheißen worden. Jetzt aber war die Verkündigung 
keine Verheißung mehr. Wohl besitzen wir köstliche Verheißungen für den Weg, den wir durch diese Welt zu gehen 
haben; das Evangelium selbst aber ist keine Verheißung. Vielmehr ist es die Erfüllung der Verheißungen Gottes, soweit sie 
sich auf die Menschwerdung des Herrn, die Vollbringung Seines Werkes, Seine Auferstehung (1. Petr 1, 11. 12) und (obgleich dieser Gegenstand nicht im Römerbrief betrachtet wird) 
auf Seine Verherrlichung beziehen. Es ist hier zu beachten, daß 
die „Heiligen Schriften" die Verheißungen Gottes sind, und 
die Propheten, durch die sie gegeben wurden, die Propheten 
Gottes. 
Worin besteht nun diese frohe Botschaft? Sie bezieht sich 
auf den Sohn Gottes, auf Jesum Christum, unseren Herrn. Die 
Person Christi ist der Hauptgegenstand des Evangeliums; es 
175 
verkündigt, daß Er in die Welt gekommen ist. Doch haben wir 
hier zweierlei. Erstens, die Verheißungen sind erfüllt, indem Er 
Sohn Davids ist dem Fleische nach; zweitens, Er wurde als 
Sohn Gottes in Kraft erwiesen dem Geiste der Heiligkeit nach 
durch Toten-Auferstehung. Das sind die zwei großen vollendeten Tatsachen, die für den Menschen den Wert des Kommens des Herrn in diese Welt ausmachen. Die Verheißungen 
sind erfüllt worden: der Sohn Davids war da. Die Juden wollten Ihn nicht annehmen und haben dadurch den Erfolg der 
Verheißungen verloren; die Verheißungen selbst aber sind 
erfüllt worden, insofern der Herr gekommen ist. Dann aber ist 
die Kraft Gottes geoffenbart worden, indem der Herr, nachdem Er Sich dem Tode unterworfen hatte, durch Auferstehung 
als Sohn Gottes erwiesen worden ist. Obwohl in Seiner Auferstehung der stärkste Beweis von der Kraft Gottes gegeben 
worden ist, sehen wir doch schon in der Auferstehung des 
Lazarus einen Beweis dieser göttlichen Kraft, sowie auch später 
in der Auferstehung aller Heiligen. „Diese Krankheit ist nicht 
zum Tode, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, auf daß 
der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde" (Joh 12, 4). Er 
war und ist die Auferstehung und das Leben. Die Auferstehungskraft ist der Beweis, daß Er Sohn Gottes ist. Dies ist 
nicht eine Erfüllung der Verheißungen, sondern die Kraft Gottes, da, wo der Tod als Folge der Sünde eingetreten war. 
Hinsichtlich des Ausdrucks: „dem Geiste der Heiligkeit 
nach", bemerke ich, daß der Heilige Geist, sozusagen, die wirkende Kraft ist in der Auferstehung, wie in allem, was von 
Gott erschaffen oder getan ist. So sagt Petrus in bezug auf die 
Auferstehung des Herrn: „getötet nach dem Fleische, aber 
lebendig gemacht nach dem Geiste" (1. Petr 3, 18); und von 
den Gläubigen wird gesagt: „Wenn aber der Geist dessen, der 
Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird 
er, der Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure 
sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes" (Röm 8, 11). Warum aber heißt es: „dem 
Geiste der Heiligkeit nach?" Weil der Heilige Geist gleichsam 
die wirkende Kraft Gottes ist, um alles Ihm Wohlgefällige in 
der Menschheit hervorzubringen. Diese Kraft ist natürlich 
immer in Gott; durch sie hat Er die Welt erschaffen, durch sie 
176 
hat er in den Werkzeugen des Alten Testaments und in den 
Propheten gewirkt. Jetzt aber war Er in der Menschheit (dem 
Leben) Christi und in der Hervorbringung der neuen Gestalt 
der Menschheit wirksam gewesen nach dieser göttlichen Kraft. 
Die Propheten redeten, was ihnen gegeben war, und damit war 
die göttliche Eingebung zu Ende; auch war das, was sie redeten, nicht für sie. Johannes der Täufer war erfüllt mit dem 
Heiligen Geiste von Mutterleibe an. Aber Christus war, Seiner 
Menschheit nach, vom Heiligen Geiste geboren; Sein Leben, 
obgleich in allen Stücken menschlich, war der Ausdruck der 
Kraft des Heiligen Geistes. Er trieb die Dämonen aus durch 
den Heiligen Geist, Seine Worte waren Geist und Leben. Die 
Fülle der Gottheit wohnte in Ihm leibhaftig. Seine Menschheit 
aber war der Ausdruck des Göttlichen durch den Heiligen 
Geist, in Liebe, in Kraft und besonders in Heiligkeit. Er war 
der Heilige Gottes. Durch den ewigen Geist hat Er Sich ohne 
Flecken Gott geopfert. In allem diente Er Seinem Vater; Sein 
Dienst aber war die vollkommene Darstellung des Göttlichen, 
des Vaters Selbst, inmitten der Menschen, und zwar indem Er, 
Seiner Menschheit nach, in jedem Augenblick, durch den Geist, 
der Gottheit entsprach und ihr Abglanz und Ausdruck war, 
ohne Fehler und ohne Makel. Alle Opfer im Alten Testament 
sind Vorbilder von Christo; aber in dieser Beziehung ist das 
Speisopfer das entsprechende, treffende Vorbild: ungesäuertes 
Semmelmehl, mit ö l vermengt, mit ö l gesalbt, in Stücke zerteilt und ö l daraufgegossen. Welch ein treffendes Vorbild von 
der Menschheit Christi, die ihrer Beschaffenheit nach vom 
Geiste und mit dem Geiste gesalbt war, von der jedes Stück 
charakterisiert war durch den ausgegossenen Geist und in 
welcher der ganze Weihrauch Seiner Gnaden Gott geopfert 
war, als ein duftender Wohlgeruch! So sollte Er durch das 
Feuer geprüft werden, im Tode, um zu beweisen, daß alles 
lieblicher Geruch war und nichts anderes. Endlich erwies sich 
die größte und vollendete Kraft des Heiligen Geistes in der 
Auferstehung des Herrn. Getötet nach dem Fleische, ist Er 
durch den Geist auferweckt worden. Der Geist, der in göttlicher Kraft in Seiner Geburt und in Seinem ganzen Leben 
wirksam war, durch den Er Sich am Ende Selbst Gott opferte, 
hat Seine ganze Kraft erwiesen im Lebendigmachen des gestorbenen Jesus. Wohl ist es wahr, daß Er auferstanden ist aus 
177 
den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters; auch, daß Er 
Seinen Leib, den Tempel Gottes, Selbst aufgerichtet hat (Joh 2, 
19); der Heilige Geist aber ist es, der unmittelbar wirksam 
gewesen ist in Seiner Auferstehung (1. Petr 3, 18). Auch der 
Leib des Auferstandenen ist ein geistiger Leib. 
So war der Mensch durch die Auferstehung, in der Person 
Christi, in einen ganz neuen Zustand gebracht: jenseits des 
Todes, der Sünde, des Gerichts und der Kraft Satans, und so 
war Christus als Sohn Gottes erwiesen dem Geiste der Heiligkeit nach durch Auferstehung. Dieser Geist war die Kraft der 
Heiligkeit Sein Lebenlang (denn „durch den ewigen Geist hat 
er sich selbst ohne Flecken Gott geopfert"), und diesem Geiste 
nach ist Er als Sohn Gottes erwiesen und durch Ihn Selbst auf 
Erden gerechtfertigt worden. Als alles vollbracht war für die 
Herrlichkeit Gottes durch einen Menschen, der Gottes Sohn 
war, und dieser als Mensch Seinen vollkommenen Gehorsam 
und Seine Liebe zu Seinem Vater an den Tag gelegt hatte, ist 
der Mensch nach dem Wert dieses vollbrachten Werkes und 
nach der lebendigmachenden Kraft des Heiligen Geistes in eine 
ganz neue Stellung eingetreten, in der Person des Sohnes Gottes, so daß wir durch den Glauben angenommen und Söhne 
sind. Christus, der als Sohn Davids die Erfüllung der alten 
Verheißungen war, aber auf Erden verworfen wurde, trat, 
nachdem Er das Ihm vom Vater anvertraute Werk vollendet 
hatte, jenseits des Todes, den Er als die Frucht der Sünde erduldete, als Auferstandener in die Stellung des zweiten Menschen, des letzten Adam ein. 
So finden wir hier in der Person Christi die zwei Hauptpunkte der Wege Gottes dargestellt: die Erfüllung der Verheißung (obgleich die Juden durch Seine Verwerfung jedes 
Anrecht daran verloren haben) und die Offenbarung des Sohnes Gottes, als solcher erwiesen nach der lebendigmachenden 
Kraft des Heiligen Geistes in einem auferstandenen Menschen. 
Die Kraft Gottes ist also erwiesen, nicht in der Erfüllung einer 
Verheißung, sondern in dem gegenwärtigen Leben und der 
Stellung des zweiten Menschen, in Verbindung mit einer vollbrachten Erlösung. Hier aber ist die göttliche Macht des Lebens 
und die durch die Auferstehung hervorgebrachte neue Stellung 
besonders in Verbindung gebracht mit dem Verhältnis des in 
178 
diese Stellung versetzten Menschen zu Gott, jedoch in der Person des Herrn Selbst, in Macht. 
Wie köstlich ist der Gedanke, daß der ewige Sohn Gottes, 
Mensch geworden, diese neue Stellung, von der wir gesprochen 
haben, eingenommen hat, und zwar als Muster und Erstgeborener unter vielen Brüdern, die Ihm völlig gleich sein werden, nach der Lebenskraft des Heiligen Geistes und in der 
Herrlichkeit selbst! „Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch 
die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher 
Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen" 
(Hebr 2, 11). Von der Herrlichkeit ist hier wohl nicht die Rede, 
aber der Herr konnte nach Seiner Auferstehung, als alles vollbracht war, (vorher nicht) sagen: „Gehe aber hin zu meinen 
Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater 
und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh 
20, 17). 
Der Gegenstand des Evangeliums, wozu Paulus abgesondert 
war, ist also Jesus Christus, unser Herr, als Sohn Davids zur 
Erfüllung der Verheißungen, und als Sohn Gottes in Kraft erwiesen dem Geiste der Heiligkeit nach durch Totenauferstehung. Wohl redet der Apostel in diesem Brief von der Gerechtigkeit und setzt alles klar und völlig auseinander; der hauptsächliche Gegenstand aber, den er vor seinen Augen hat, ist 
die Person Christi Selbst und was Er ist, als Erfüllung der 
Verheißungen und als Gottes Sohn in Kraft und in Auferstehung, das, was der Heilige Geist darstellt als den Gegenstand 
Gottes selbst im Evangelium. Von Ihm, als dem schon Verherrlichten, hatte Paulus Gnade und Apostelamt empfangen, 
um einen jeden unter allen Nationen zum Glaubensgehorsam 
zu bringen in Seinem Namen. Unter diesen befanden sich auch 
die Römer. Er schreibt ihnen nicht als Versammlung, wie er es 
gewöhnlich tat, wenn er an eine von ihm gegründete Versammlung schrieb, sondern er richtet seinen Brief an alle Geliebten Gottes, berufenen Heiligen, die in Rom sind. Als Apostel der Nationen kann er allen schreiben mit der Autorität 
Christi. 
Er wünscht in seinen Briefen immer Gnade und Friede von 
dem Vater und von dem Herrn Jesu Christo. Wir beachten 
diese Namen oft zu wenig. In dem einen finden wir Gott Selbst 
179 
als Vater, gekannt als solcher in Gnade; in dem anderen den 
verherrlichten Menschen, den Sohn Gottes, Der eingesetzt ist 
(und zwar amtlich) in den Vorsitz des Hauses und Volkes 
Gottes. Mit dem einen stehen die Kinder in Verbindung, mit 
dem anderen die Diener. 
Der Apostel hätte die Christen in Rom gern früher gesehen, 
war daran aber von Satan verhindert worden; denn das Werk 
des Herrn wird immer betrieben in Gegenwart des Feindes, 
der seinen Fortschritt zu hemmen sucht, sei es durch Verfolgungen, oder dadurch, daß er in den Versammlungen Übel 
erweckt, mit denen der Arbeiter sich beschäftigen muß, sei es 
durch Ketzereien, die die Zeit des Arbeiters in Anspruch nehmen, oder sei es durch allerlei andere Listen. Es ist wichtig für 
den Arbeiter, dies zu beachten; er lernt dadurch seine Abhängigkeit kennen und verstehen, daß die Kraft und Wirksamkeit des Herrn durchaus notwendig sind. Deshalb flehte 
Paulus allezeit in seinen Gebeten, indem er Gott dankte für 
den Glauben der Römer, von dem in der ganzen Welt gesprochen wurde, daß Gott ihm einen Weg zu ihnen öffnen 
möchte. Er verlangte, zu ihnen zu kommen, um ihnen zu ihrer 
Befestigung etwas geistliche Gabe mitzuteilen, zugleich aber 
nimmt er in Liebe seinen Platz unter ihnen, indem er sagt: 
„das ist aber, mit euch getröstet zu werden in eurer Mitte, ein 
jeder durch den Glauben, der in dem anderen ist, sowohl 
euren als meinen". Er war Apostel und sollte in Liebe handeln; 
so ließ er sich denn als Apostel herab zu den Schwächsten, um 
sie zu dem göttlichen Vertrauen emporzuheben. Oft hatte er 
vorgehabt, zu ihnen zu kommen, um auch unter ihnen einige 
Frucht zu haben. Er war schuldig, die Gnade Gottes allen Nationen zu bringen; ebenso war er bereitwillig, so weit es von 
ihm abhing, auch denen, die in Rom waren, das Evangelium 
zu predigen. Wie oft ist er besorgt, sich passend auszudrücken! 
Griechen konnte er sie nicht nennen, Barbaren auch nicht wohl, 
denn das würde für die Bewohner des kaiserlichen Rom eine 
Beleidigung gewesen sein. So denkt er an alles, um allen nützlich zu sein. 
Dies führt den Apostel zu der Lehre des Briefes. Er war 
bereit, denen in Rom zu predigen, weil er sich des Evangeliums 
nicht schämte, „denn", sagt er, „es ist Gottes Kraft zum Heil 
180 
jedem Glaubenden". Kraft der Menschen ist es nicht, dies 
erklärt er nachher noch deutlicher und ausführlicher, selbst 
nicht zur Erwerbung der menschlichen Gerechtigkeit. Es ist ein 
dem Menschen gebrachtes Heil, ein heiliges, ein gerechtes Heil, 
aber ein Heil von Gott, durch Gottes Kraft, und zwar deshalb, 
weil die Gerechtigkeit Gottes darin geoffenbart ist, im Gegensatz zu der menschlichen Gerechtigkeit. Es ist die Gerechtigkeit 
Gottes Selbst, deren wir teilhaftig werden durch den Glauben: 
Seine Gerechtigkeit auf dem Grundsatz des Glaubens. Alles ist 
da schon vollkommen, ehe wir noch daran glauben; wir bekommen durch den Glauben Teil daran. Diese Gerechtigkeit ist 
nicht durch Menschenwerke, nicht durch das Gesetz, denn 
sonst wäre sie nur für die Juden, weil diese allein das Gesetz 
hatten. Sie ist vielmehr gültig für alle Menschen, weil sie durch 
den Glauben ist, und so haben auch die Nationen, wenn sie 
glauben, Teil daran. 
Es wird vielleicht von Nutzen sein, einige Worte über die 
Bedeutung des Ausdrucks: „Gerechtigkeit Gottes" zu sagen. 
Obwohl er ganz einfach ist, herrscht doch über ihn viel Mißverständnis. In der lutherischen Übersetzung ist stattdessen 
gesagt: „Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt". Nun ist aber die 
menschliche Gerechtigkeit nach dem Gesetz gültig vor Gott. Er 
findet eine solche zwar nirgends, aber sie „gilt" vor Gott. Sie 
ist jedoch nicht die Gerechtigkeit Gottes, wenn sie auch noch so 
vollkommen wäre. In Joh 16, 10 sehen wir, worin die Gerechtigkeit Gottes sich erwiesen hat, nämlich darin, daß Gott Christum zu Seiner Rechten gesetzt hat, in Seine eigene Herrlichkeit, weil Christus Ihn vollkommen verherrlicht hat. Darin 
besteht die Gerechtigkeit, daß der Vater den Menschen Christus in Seine eigene Herrlichkeit erhoben hat, in die Herrlichkeit, die Er bei Ihm hatte, ehe die Welt war. Und Gott, als 
gerechter Gott, hat Ihn verherrlicht, weil Er in Christo auf dem 
Kreuze verherrlicht worden ist (Joh 17, 5; 13, 31. 32). In der 
oben angeführten Stelle (Joh 16, 10) sagt der Herr: Der Geist 
wird „die Welt überführen von Gerechtigkeit, weil ich zu meinem Vater gehe und ihr mich nicht mehr sehet". Die Welt hat 
Ihn, als gekommen in Gnade, für immer verloren, indem sie 
Ihn verworfen hat; aber Gott hat Ihn aufgenommen und verherrlicht. Wenn der Herr in Joh 17, 25 von der Welt redet, so 
sagt Er: „Gerechter Vater", in seiner Fürbitte für die Seinen 
181 
(V. 11) dagegen: „Heiliger Vater". So liegt also der Beweis von 
der Gerechtigkeit Gottes darin, daß Er Christum verherrlicht 
hat. Als Gott in Christo in der Welt war, mußte die Welt Ihn 
annehmen oder verwerfen. Sie hat Ihn verworfen und ist dadurch gerichtet; sie wird Ihn auch nicht mehr sehen, bis Er 
kommt in Gericht. Christus aber hat als Mensch Gott vollkommen verherrlicht in allem, was Er ist, und Gott hat Ihn 
nach Seiner Gerechtigkeit verherrlicht. Das Evangelium nun 
verkündigt diese Gerechtigkeit Gottes, nämlich daß Christus 
in dem, was Er für uns getan hat, Gott verherrlicht hat und 
daher als Mensch verherrlicht ist und, mit göttlicher Herrlichkeit bekleidet, zur Rechten Gottes sitzt, und ferner, daß unsere 
Stellung vor Gott die Folge ist von dem, was Christus getan 
hat. Unsere Rechtfertigung und Verherrlichung ist ein Teil der 
Gerechtigkeit Gottes, weil das, was Christus getan hat, um 
Gott zu verherrlichen, für uns getan worden ist. Wir sind die 
Gerechtigkeit Gottes in Ihm (2. Kor 5, 21). Christus würde die 
Frucht Seines Werkes verlieren, wenn wir nicht bei Ihm in der 
Herrlichkeit sein würden, als die Frucht der Mühsal Seiner 
Seele, nachdem Er alles, was in Gott ist, verherrlicht hat, obwohl wir in uns selbst durchaus unwürdig sind. 
Der Apostel erklärt dann, warum eine solche Gerechtigkeit, 
die Gerechtigkeit Gottes Selbst, nötig war, wenn ein Mensch 
errettet werden sollte. Menschliche Gerechtigkeit war auf der 
Erde nicht zu finden, und doch war Gerechtigkeit nötig. Da es 
nun aber Gottes Gerechtigkeit ist, und zwar nicht durch unsere 
Werke, so muß sie uns durch den Glauben zugerechnet werden, auf dem Grundsatz des Glaubens; denn wenn die Werke 
des Menschen etwas dazu beitrügen, so wäre es nicht Gottes 
Gerechtigkeit. Wenn aber der Mensch durch den Glauben dieser 
Gerechtigkeit teilhaftig wird, so hatten die Gläubigen aus den 
Nationen ebensowohl Teil daran, wie die Juden. 
So sehen wir denn als zweiten Hauptgegenstand des Briefes, 
nachdem der erste, die Person Christi, in den Vordergrund gestellt ist, die Gerechtigkeit Gottes, dargestellt auf dem Grundsatz des Glaubens, so daß sie für alle ist und durch den Glauben angenommen und also der Seele zugeeignet wird. Was 
diese Gerechtigkeit nötig machte, ist die allgemeine Sündhaftigkeit des Menschen, indem der Zorn Gottes geoffenbart 
182 
worden ist über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der 
Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen. 
Hinsichtlich der Heiden gibt der Apostel zwei Beweggründe 
des Zornes an: 1) das Zeugnis der Schöpfung (V. 19. 20) und 
2) daß sie Gott nicht in Erkenntnis festhalten wollten, als sie 
Ihn kannten, sondern die Abgötterei vorzogen (V. 21—24). Die 
unsichtbaren Dinge von Ihm werden geschaut, nämlich Seine 
ewige Kraft und Göttlichkeit, von der Schöpfung der Welt an 
in dem Gemachten wahrgenommen, so daß das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist — also daß sie keine Entschuldigung haben. Das will nicht sagen, daß sie Gott Seiner 
Natur nach kennen, sondern daß sie Ihn als Schöpfer hätten 
kennen sollen. Wenn man nicht blind ist, sieht man einen 
Schöpfer in der Schöpfung. 
Aber Gott hatte sich nicht allein als Schöpfer geoffenbart. 
Noah kannte Ihn nicht nur als solchen, sondern auch als einen 
Gott, mit Dem der Mensch als ein verantwortliches Wesen es 
zu tun hatte, als einen Gott, der die Welt für ihre Bosheit gerichtet hatte, der achtgab auf das Tun der Menschen, und der 
die Ungerechtigkeit und Gewalttat nicht wollte. Beim Turmbau 
zu Babel hatten sie Ihn als einen Gott kennengelernt, Der sie 
zerstreut hatte, weil sie in ihrer eigenen Weisheit unabhängig 
und in ihrer eigenen Kraft mächtig werden wollten. Als einen 
solchen Gott aber wollten die Heiden Ihn nicht in Erkenntnis 
haben oder Ihn anerkennen; sie machten sich selbst Götter, so 
wie der Mensch sie machen konnte: Götter, die ihre Leidenschaften begünstigten. Und statt den wahrhaftigen Gott zu 
verherrlichen oder Ihm dankbar zu sein, verfielen sie in die 
Finsternis ihrer eigenen Herzen; „indem sie sich für Weise 
ausgaben, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unverweslichen Gottes verwandelt in das Gleichnis 
eines Bildes von einem verweslichen Menschen und von Vögeln 
und vierfüßigen und kriechenden Tieren". Und weil sie die 
Herrlichkeit Gottes nicht aufrechterhalten wollten, sondern sie 
nach ihren Gelüsten aufgaben, hat Gott sie diesen Gelüsten 
preisgegeben; Er hat sie dahingegeben zu schändlichen Leidenschaften, worin sie das, was der Ehrbarkeit der Menschheit 
geziemte, verlassen haben. Und nicht nur haben sie, erfüllt mit 
aller Gottlosigkeit und geleitet durch ihre Leidenschaften, 
selbst solches getan, sondern haben auch in kalter Bosheit ihr 
183 
Wohlgefallen an denen gefunden, die es taten. Wohl gab es 
einige., die diese schändlichen Wege richteten (Kap. 2, 1); sie 
taten aber dasselbe und deshalb verurteilten sie sich selbst und 
fielen dem gerechten Gericht Gottes anheim, indem sie auch 
den Reichtum Seiner Güte und Geduld verachteten und nicht 
wahrnahmen, daß diese Güte sie zur Buße leitete. Anstatt dieser Leitung zu folgen, häuften sie sich selbst mit störrigem und 
unbußfertigem Herzen Zorn auf am Tage des Zorns. 
Der Apostel kommt jetzt zu einem wichtigen Grundsatz, der 
zwar einfach ist, aber ein helles Licht über die ganze Sache 
verbreitet: nachdem Gott jetzt geoffenbart ist, handelt Er nach 
dem Tun der Menschen. Am Tage des Gerichts wird Er jedem 
nach seinen Werken vergelten, sei er Jude oder Grieche; denn 
es ist kein Ansehen der Person bei Gott. Wohl hat Er, zur 
Prüfung des Menschen und zur Erhaltung der Wahrheit, daß 
nur ein Gott ist, Sich ein Volk auserwählt und nahe an Sich 
gebracht; aber im Grunde gab es keinen Unterschied unter den 
Menschen. Alle waren ihrer Natur nach Sünder, und alle hatten gesündigt. Wir sehen auch, daß Gott Seinem Volke gegenüber, obgleich Er ihm ein Gesetz gegeben hatte, immer hinter 
dem Vorhang blieb, ohne Sich zu offenbaren. Jetzt aber ist der 
Vorhang zerrissen, und der Mensch, zuerst der Jude und dann 
der Grieche, muß vor Ihm offenbar werden, ein jeder nach 
dem, was er in seinem Wandel und was er in Wirklichkeit 
seinem moralischen Zustand gemäß ist; und hierbei kommt es 
nicht in Betracht, ob er seiner Stellung nach Jude oder Grieche 
ist. Gott berücksichtigt, Seiner Gerechtigkeit nach, nur das 
Licht, das einer besitzt. Wenn der Apostel von denen spricht, 
die Herrlichkeit und Ehre und Unverweslichkeit suchen, so 
setzt er dabei das Christentum voraus; denn die Kenntnis 
jener Dinge hängt von einer Offenbarung ab. Die also dies mit 
Ausharren in guten Werken suchen, denen wird Gott ewiges 
Leben vergelten, ohne einen Unterschied zwischen Juden und 
Griechen zu machen. Gott will die Wirklichkeit des göttlichen 
Lebens, nicht die Form einer Einrichtung. Die, welche der 
Wahrheit ungehorsam, der Ungerechtigkeit aber gehorsam 
sind, haben Grimm und Zorn zu erwarten. „Drangsal und 
Angst über jede Seele eines Menschen, der das Böse vollbringt, 
sowohl des Juden zuerst als auch des Griechen; Herrlichkeit 
aber und Ehre und Frieden jedem, der das Gute wirkt, sowohl 
184 
dem Juden zuerst als auch dem Griechen". Alle werden gerichtet werden, ein jeder nach seinen Werken, ohne Ansehen der 
Person, jeder aber nach dem Licht, das er besessen hat. „So 
viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz 
verlorengehen; und so viele unter Gesetz gesündigt haben, 
werden durch Gesetz gerichtet werden .. . an dem Tage, da 
Gott das Verborgene der Menschen richten wird . . . durch 
Jesum Christum". Denn nicht die Hörer des Gesetzes, sondern 
die Tater des Gesetzes werden gerechtfertigt. Wenn einer aus 
den Nationen das tut, was das Gesetz fordert, so wird er angenommen und hat den Vorzug vor dem, der das Gesetz besitzt und es nicht beobachtet. Es handelt sich, wie gesagt, nachdem Gott geoffenbart ist, nicht mehr um äußere Verhältnisse, 
nach welchen die einen „nahe", die anderen „ferne" sind, sondern um das, was gerecht ist in den Augen Gottes. In Wirklichkeit tat einer aus den Nationen, der nach dem Geist wandelte in der Liebe, das was das Gesetz forderte; während der 
Jude, der das Gesetz hatte und in der Sünde wandelte, nicht 
von Gott angenommen werden konnte. Es handelt sich jetzt 
nicht mehr um äußere Verhältnisse zu Gott, um Seine Verwaltung der Welt und die Regierung Gottes auf der Erde, sondern 
um den Zustand der Seele vor Gott und um den Tag des Gerichts, wo das Verborgene des Herzens ans Licht gebracht und 
der Mensch nach seinen Werken gerichtet werden wird. 
Nachdem der Apostel diese großen und wichtigen Grundsätze klar hingestellt hat, geht er dazu über, den wirklichen 
Zustand der Juden zu beschreiben, wie er dies im ersten Kapitel in bezug auf die Nationen getan hat. Die Juden rühmten 
sich des Gesetzes und der Vorrechte, die sie besaßen; sie kannten den Willen Gottes und waren fähig, die Unwissenden zu 
belehren, ja sie rühmten sich sogar Gottes. Aber belehrten sie 
sich auch selbst? Im Gegenteil, sie taten alles, was sie andere 
mit Weisheit lehrten, nicht zu tun. Sie entehrten Gott, weil sie 
Seinen Namen trugen. Durch sie wurde der eine wahre Gott 
unter den Heiden gelästert, wie geschrieben stand. Sie besaßen 
Vorrechte; wenn aber das Gesetz, mit dem diese Vorrechte 
verbunden waren, gebrochen wurde, dann wurde ihre Beschneidung zur Vorhaut. Und die Nationen, wenn sie das Gesetz 
beobachteten, verurteilten die, welche, Buchstaben und Beschneidung besitzend, das Gesetz übertraten. Denn nicht der 
185 
war ein wahrhaftiger Jude, der es äußerlich war, sondern der, 
dessen Herz beschnitten, der ein Jude war im Herzen und im 
Geiste, nicht im Buchstaben, dessen Lob nicht von Menschen, 
sondern von Gott ist. 
Kapitel 3 
Der Apostel beginnt jetzt die Juden auf ihrem eigenen Boden 
anzugreifen. Ihr Vorzug war groß, der Nutzen der Beschneidung war „viel, in jeder Hinsicht", besonders deshalb, weil 
ihnen die Aussprüche Gottes anvertraut waren. Der Apostel 
glaubte dies wirklich und mit Recht. Es handelt sich in dieser 
Hinsicht nicht darum, ob sie alle persönlich bekehrt waren; sie 
genossen die Vorrechte des Volkes Gottes, die sonst nirgends 
gefunden wurden, und wenn sie untreu waren, konnte ihre 
Untreue doch die Treue Gottes nicht aufheben. (Ebenso verhält 
es sich jetzt mit der bekennenden Christenheit). Die Verheißungen Gottes werden durch Seine Treue dem Volke Israel 
erfüllt werden, obwohl es alles Anrecht darauf verloren hat. 
Doch davon redet der Apostel erst später (in Kapitel 11). 
Aber, könnte man sagen, dann läßt ja die Untreue des Menschen die unfehlbare Treue Gottes nur um so glänzender hervortreten! Und hebt nicht diese Tatsache, daß die Untreue des 
Menschen die Treue Gottes in noch hellerem Lichte erscheinen 
läßt, das Recht Gottes, den Menschen zu richten, auf? Keineswegs; denn nach diesem Grundsatz könnte Er niemanden richten, weil auch die Bosheit der Nationen Seine Treue in ein 
klareres Licht stellt. Die Juden sind ebenso verantwortlich für 
ihre Untreue wie die anderen; und daß diese gerichtet werden 
würden, bezweifelte der Jude nicht. Trotz ihrer Vorrechte sind 
also auch die Juden dem Gericht Gottes verfallen. 
Der Apostel läßt sich nicht herab, eine Antwort zu geben 
auf die boshafte Äußerung etlicher: „Laßt uns das Böse tun, 
auf daß das Gute komme!" und sagt bloß: „deren Gericht gerecht ist". Die Christen wurden nämlich von der Welt angeklagt, als ob sie so sprächen. Die Gnade ist immer ein Gegenstand der Anklage, so lange die Seele nicht von der Sünde 
überführt ist; sobald aber das Gewissen zum Bewußtsein der 
Sünde kommt, wird die Gnade ein Gegenstand herzlicher 
Dankbarkeit. 
186 
Wenn nun der Jude solche Vorrechte hatte, war er dann 
nicht besser als die aus den Nationen? Keineswegs. Der Apostel hatte schon bewiesen, daß beide, der Jude wie der Heide, 
der Sünde überführt waren. Und jetzt führt er eine ganze Anzahl von Stellen an, um zu beweisen, daß die Juden in ihren 
eigenen Schriften als solche betrachtet werden, die unter der 
Sündenschuld und unter der Kraft der Sünde stehen. Hinsichtlich der Heiden konnte hierüber kein Zweifel sein; sie waren 
ganz von Gott entfernt, waren in Abgötterei und Götzendienst 
versunken, beteten die Götzen an und lebten in Gesetzlosigkeit. Der Jude dachte von sich aber ganz anders. Er war nahe 
gebracht und aller Vorrechte teilhaftig geworden. Der Apostel 
selbst hatte es als das größte Vorrecht der Juden anerkannt, 
daß ihnen das Wort Gottes, die Aussprüche Gottes, anvertraut 
seien. Was aber sagten nun diese Aussprüche, die sich auf die 
Juden bezogen, und deren sie sich rühmten, als ihnen allein 
gehörig? Sie sagten: „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer". 
Eine ganze Reihe von Stellen aus den Psalmen und aus Jesajas, 
die der Apostel anführt, beweist den in allen Beziehungen 
durchaus sündhaften Zustand derer, von denen die Rede ist. 
Und daß von den Juden die Rede ist, müssen diese nach ihrem 
allgemeinen Grundsatz selber zugeben, denn: „wir wissen 
aber, daß alles, was das Gesetz sagt, es denen sagt, die unter 
dem Gesetz sind". So ist denn jeder Mund verstopft und die 
ganze Welt schuldig vor Gott. Die Nationen sind ganz ohne 
Gott; die Juden aber sind von dem Worte Gottes selbst, dessen 
sie sich rühmen, verurteilt. Durch Gesetzes werke also kann kein 
Fleisch vor dem Angesicht Gottes gerechtfertigt werden, „denn 
durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde". Das Gesetz, das 
man als Regel der Gerechtigkeit annahm, bewies, daß der 
Mensch ein Sünder war; es überführte und verdammte ihn, 
und zwar ausdrücklich in seinem Gewissen, und brachte zugleich das Bewußtsein hervor, daß die Sünde in ihm sei. 
Nachdem der Apostel auf diese Weise bewiesen hat, daß 
alle Menschen sündhaft sind, kommt er wieder auf das zurück, 
was er schon in Vers 17 von Kapitel 1 als Grundsatz des Evangeliums hingestellt hat, nämlich die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes. Alles, was von Vers 18 des ersten bis Vers 21 
des dritten Kapitels gesagt ist, bildet einen Zwischensatz, um 
zu beweisen, daß eine Gerechtigkeit Gottes notwendig ist, weil 
187 
es in der Menschheit keine Gerechtigkeit gibt. Nachdem dies 
geschehen ist, geht der Apostel auf diese Gerechtigkeit Gottes 
und ihre Anwendung auf die Menschen näher ein. Diese Gerechtigkeit steht nicht in Beziehung zum Gesetz, das nur die 
vollkommene Richtschnur für die Menschen war. Gott kann 
aber Seine Gerechtigkeit nicht nach dem Maßstabe der menschlichen Gerechtigkeit oder ihrer Verantwortlichkeit messen. 
Nach diesem Maßstab richtet Er die Menschen, die das Gesetz 
gehabt haben. Seine Gerechtigkeit muß nach Seiner eigenen 
Natur gemessen werden, und Seine Natur offenbart sich in 
dem, was Er tut. Er muß Sich Selbst verherrlichen, das ist 
offenbaren; denn bei Gott ist Seine Offenbarung auch Seine 
Verherrlichung. Wenn Er richtet, so richtet Er die Menschen 
nach ihrer menschlichen Verantwortlichkeit; wenn Er tätig ist, 
so ist Er es nach Seiner eigenen Natur. Das Gesetz weiß nichts 
von dieser Natur. Es sagt, daß wir Gott lieben sollen; aber was 
ist Er? Das Gesetz ist dem Menschen und seinem Verhältnis 
zu Gott angepaßt. Die Gerechtigkeit Gottes steht ganz und 
gar außerhalb der Frage des Gesetzes, selbst jedes Gesetzes, 
was für ein Gesetz es auch sein möge; es sei denn, daß die 
Natur Gottes Selbst als solches angesehen wird. Er ist ein 
Gesetz für Sich Selbst, vollkommen in Seiner Natur. Seine 
Gerechtigkeit ist jetzt erwiesen in dem, was Er getan hat hinsichtlich der Person Christi, indem Er Ihn infolge Seines vollbrachten Werkes zu Seiner Rechten gesetzt hat. Das Gesetz 
und die Propheten haben Zeugnis davon gegeben. Die Gerechtigkeit Gottes Selbst ist ausgeübt worden in der Annahme und 
Verherrlichung Christi um Seines Werkes willen. Und an dieser Annahme haben auch wir teil durch den Glauben, weil Er 
dieses Werk für uns getan hat. Eben weil es die Gerechtigkeit 
Gottes ist, gegründet auf das Werk Christi, indem Er für alle 
gestorben ist, bezieht sie sich auf die ganze Welt und auf alle 
Menschen: alle, die an Christum glauben, ob Juden oder Heiden, haben teil daran und auch teil an allen Vorrechten, welche 
die Folge davon sind. Wäre es menschliche Gerechtigkeit, so 
müßte sie nach dem Gesetz sein, und wäre sie nach dem Gesetz, so würden nur die Juden teil daran haben, weil nur sie 
das Gesetz hatten. Da es aber die Gerechtigkeit Gottes ist, so 
ist sie für alle geoffenbart, und die Gerechtigkeit ist allen, die 
da glauben, zugerechnet. So ist also die Gerechtigkeit Gottes 
188 
durch den Glauben an Christum Jesum für alle Sünder geoffenbart; sie ruht auf allen, die an Ihn glauben. „Denn es ist 
kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen 
nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christo 
Jesu ist". 
Alle Menschen befinden sich also von Natur in demselben 
Zustande, weil sie alle gleich sind in der Sünde; ebenso aber 
ist auch die Gnade gleich für alle, weil die Gerechtigkeit Gottes 
Gerechtigkeit und für alle Gläubige dieselbe ist, und infolgedessen stehen alle Gläubige, in dieser Gerechtigkeit angenommen, auf demselben Boden vor Gott. Gott hat Jesum Christum 
öffentlich dargestellt als Gnadenstuhl durch den Glauben an 
Sein Blut, und hat dadurch Seine Gerechtigkeit erwiesen in 
betreff der Sünden der Heiligen des Alten Testaments, die Er 
in Seiner Nachsicht hatte hingehen lassen. Jetzt aber ist Seine 
Gerechtigkeit in diesem Hingehenlassen erwiesen, indem Christus für sie gestorben ist; auf Grund dieses Versöhnungstodes, 
den Gott vor Seinen Augen hatte, konnte Er jene Sünden hingehen lassen. Ferner ist die Gerechtigkeit auch in der jetzigen 
Zeit geoffenbart; sie erklärt nicht nur die früheren Wege Gottes, sondern ist auch für die gegenwärtige Zeit eine Offenbarung des Grundes der Rechtfertigung der Gläubigen durch 
ein vollbrachtes Werk; sie ist deshalb eine gegenwärtige, verwirklicht in der Rechtfertigung aller Gläubigen nach der Gerechtigkeit des gerechten Gottes. Gott ist gerecht und rechtfertigt um des Werkes Christi willen; ja, Er erweist Seine Gerechtigkeit, indem Er dies tut. Nicht als ob wir dessen würdig 
wären, sondern Gott erkennt den Wert des Werkes Christi an, 
indem Er uns rechtfertigt. Also ist die Rechtfertigung eine geoffenbarte, bekannte Sache, weil das Werk vollbracht ist. 
Der Mensch kann sich seiner selbst nicht rühmen, auch der 
Jude nicht, trotz aller seiner Vorrechte. Aller Ruhm ist ausgeschlossen. Auf welchem Grundsatz? Durch welches Gesetz? 
Der Werke? Nein, durch das Gesetz des Glaubens. Der Mensch, 
wer er auch sein mag, nimmt den Platz eines Sünders ein. Die 
Gnade, und die Gnade allein, gilt für alle in gleicher Weise. 
Denn wir sind zu dem Schluß gekommen, daß man durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke. „Ist Gott der 
189 
Gott der Juden allein? nicht auch der Nationen? Ja, auch der 
Nationen". Ein solcher muß Er sein, ein solcher war Er, selbst 
im Alten Testament, obwohl Er, als alle Geschlechter der Erde 
in Götzendienst versunken waren, Israel in der Person Abrahams aus ihrer Mitte erkor, um die Erkenntnis des einen Gottes auf der Erde zu bewahren. Jetzt aber hat Er nach der 
Gnade Seinen Platz genommen als Gott über alle Menschen, 
nach der Wahrheit Seines unveränderlichen Rechts, indem es 
ein und derselbe Gott ist, der die Beschneidung aus Glauben 
und die Vorhaut durch Glauben rechtfertigt. Die Verschiedenheit der hier gebrauchten Ausdrücke „aus Glauben" oder „auf 
dem Grundsatz des Glaubens" und „durch Glauben" erklärt 
sich dadurch, daß die Juden wohl die Gerechtigkeit suchten, 
aber auf einem falschen Grundsatz, nämlich auf dem Grundsatz der Werke; sie müssen die Gerechtigkeit haben, und zwar 
eine göttliche Gerechtigkeit, aber auf einem anderen Grundsatz, auf dem des Glaubens. Und weil die göttliche Gerechtigkeit auf dem Grundsatz des Glaubens beruht, so wird auch der 
glaubende Heide ihrer teilhaftig durch den Glauben, der durch 
die Gnade in ihm gewirkt ist. Macht denn dieser Grundsatz 
das Gesetz ungültig? Keineswegs. Die Autorität des Gesetzes 
ist vollkommen festgestellt und bestätigt worden, aber zur 
Verdammnis aller derer, die sich unter seiner Autorität befanden. Nichts könnte seine Autorität so vollkommen feststellen 
wie die Tatsache, daß der Herr Selbst den Fluch des Gesetzes 
auf Sich genommen hat. 
Kapitel 4 
Aber es gab noch einen anderen Beweis dafür, daß die Gerechtigkeit nicht aus Gesetzeswerken kommt, nämlich das Beispiel Abrahams, der die Verheißungen hatte, ehe das Gesetz 
gegeben und verkündigt war. Der Apostel bedient sich auch 
dieses Teils der Geschichte und der Vorrechte Israels, um seinen Hauptgrundsatz zu bestätigen. „Was sollen wir von Abraham sagen?" fragt er. Wenn er durch die Werke gerechtfertigt worden wäre, so hätte er Ruhm, aber nicht vor Gott; denn 
was sagt die Schrift? „Abraham glaubte Gott, und es wurde 
ihm zur Gerechtigkeit gerechnet". Also ist der Grundsatz, daß 
man durch den Glauben gerechtfertigt wird, in dem Beispiel 
Abrahams völlig bestätigt. Es ist nicht aus Werken; wäre es 
so, dann wäre der Lohn nicht als Gnade, sondern als Schuldig190 
keit zu betrachten. Wenn man aber nicht wirkt, sondern an 
Den glaubt. Der den Gottlosen rechtfertigt, so wird der Glaube 
zur Gerechtigkeit gerechnet. Und wie es bei Abraham war, so 
war es auch bei David. (Der Apostel führt das Beispiel dieser 
beiden Männer an, weil sie die Hauptquellen der Segnungen 
Israels bilden). Auch David beschreibt die Segnung des Menschen, den Gott für gerecht hält ohne Werke, indem er sagt: 
„Glückselig die, deren Gesetzlosigkeiten vergeben und deren 
Sünden bedeckt sind! Glückselig der Mann, dem der Herr 
Sünde nicht zurechnet!" Die Annahme in Christo geht zwar 
weiter, aber hier finden wir im Blick auf die Verantwortlichkeit 
des Menschen die Wahrheit ausgesprochen, daß für die, welche 
an Christum glauben, alles vollbracht ist. Die Sünde wird 
ihnen nicht zugerechnet; sie sind frei von aller Schuld; alle 
Beschuldigung ist vorbei für immer. Von unserer Stellung in 
Christo spricht der Apostel später; angenommen zu werden in 
einer neuen Stellung in Christo, nach dem Wert und der Annahme Christi vor den Augen Gottes, ist noch mehr als die 
Rechtfertigung. Aber diese Rechtfertigung ist vollbracht für 
uns, als verantwortliche Menschen. 
Nun aber entsteht die Frage: Ist diese Segnung für Israel 
allein? Das Beispiel Abrahams entscheidet auch diese Frage. 
Ihm wurde der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet; aber wann? 
Als er beschnitten war, oder als er noch in der Vorhaut war? 
In der Vorhaut. — So sehen wir denn in diesem alten und entscheidenden Beispiel Abrahams, daß nach dem Willen und 
Ausspruch Gottes der Glaube eines unbeschnittenen Menschen 
ihm zur Gerechtigkeit gerechnet wird. Die Beschneidung ist 
dem Abraham nachher gegeben worden, als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er als Unbeschnittener hatte, auf daß 
er der Vater aller Gläubigen wäre, der Unbeschnittenen sowohl, damit auch ihnen nach seinem Beispiel die Gerechtigkeit 
zugerechnet würde, als auch der Beschnittenen, so daß er der 
Vater einer wahren Beschneidung ist, nicht allein derer, die aus 
der Beschneidung sind, sondern auch aller Gläubigen, die in 
Absonderung für Gott in den Fußtapfen des Glaubens Abrahams wandeln, den er in der Vorhaut hatte. 
Ferner war auch die Verheißung, daß Abraham Erbe der 
Welt sein sollte, nicht durch das Gesetz gegeben worden, weder 
ihm, noch seinem Samen, sondern durch die Gerechtigkeit des 
191 
Glaubens; denn das Gesetz kam viel später. So beweist also 
die ganze Geschichte Israels, daß man nicht durch das Gesetz, 
sondern nur durch den Glauben teil an der Segnung hat. Denn 
wenn die vom Gesetz, als solche, Erben sind, so ist die Verheißung aufgehoben und der Glaube, durch welchen Abraham 
sie empfangen hat, unnütz und erfolglos. Vielmehr bewirkt ein 
Gesetz Zorn, denn wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung; die Sünde ist wohl vorhanden, aber man kann nicht 
übertreten, was nicht geboten oder verboten ist. Doch der 
Apostel entwickelt diesen Hauptgrundsatz der Segnung der 
Gläubigen aus den Nationen noch weiter aus der Schrift. Er 
sagt: „Darum ist es aus Glauben, auf daß es nach Gnade sei, 
damit die Verheißung dem ganzen Samen fest sei, nicht allein 
dem vom Gesetz, sondern auch dem vom Glauben Abrahams, 
welcher unser aller Vater ist (sowohl der Gläubigen aus den 
Nationen, als auch derjenigen aus den Juden) vor dem Gott, 
welchem er glaubte, der die Toten lebendig macht und das 
Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre" (V. 16. 17). Diese 
Worte enthalten eine neue Wahrheit. Sie weisen auf die Kraft 
der Auferstehung hin, auf die Kraft, das Leben zu geben, da 
wo alles im Tode liegt, auf die schöpferische Kraft. Diese Kraft 
aber gab auch den Nationen Einlaß. Auf diese Kraft rechnete 
Abraham, als sein Leib gewissermaßen schon tot und der 
Mutterschoß der Sarah ebenfalls über die geeignete Zeit hinaus 
war. Für den Glauben hängt alles ab von der Tätigkeit dieser 
Kraft, die hervorbringt, was Gott will. Es ist nicht allein ein 
Gnadenstuhl dargestellt für alle, die durch den Glauben an 
das Blut Christi herzukommen, als zu dem Ort, wo Gott mit 
dem Sünder zusammentrifft, sondern es ist eine Kraft, die da, 
wo nichts ist, Kinder schafft für sich aus den Seelen der Toten. 
Doch gibt es einen Unterschied zwischen dem Glauben Abrahams und unserem Glauben. Er glaubte, daß Gott die Toten 
auferwecken könne, und er hatte Recht; wir aber glauben, daß 
Gott es getan hat. Dieser Unterschied ist sehr wichtig. Abraham hatte Recht, indem er an das Wort Gottes selbst glaubte; 
wir haben denselben Glauben, aber er gründet sich auf ein 
vollbrachtes Werk, und da findet die Seele Ruhe. Christus ist 
auferstanden; Er, Der einmal für unsere Übertretungen geopfert war, ist auferweckt worden, auf daß wir daran glauben 
und gerechtfertigt werden. 
192 
Kapitel 5 
Wir sind also gerechtfertigt durch den Glauben. Damit findet die Lehre von dem Werke Christi, so weit es sich um Sein 
Blut und um das Wegtun unserer Sünden durch Sein Blutvergießen handelt, gewissermaßen ihren Abschluß. Die Auferstehung Christi ist der Beweis, daß Gott dieses Werk angenommen hat als Genugtuung für unsere Sünden, und zwar 
zu Seiner eigenen Herrlichkeit. Welch ein gesegneter Gedanke! 
Die Gerechtigkeit Gottes ruht in dem Wert des Werkes Christi! Diese Gerechtigkeit hat sich darin geoffenbart, daß Er 
Seinen Sohn aus den Toten auferweckt und uns um Seinetwillen gerechtfertigt hat; unsere Sünden sind vergeben, wir 
sind reingewaschen in Seinem Blut. Nichts haben wir zu unserer Rechtfertigung beigetragen, nichts können wir dazu beitragen; wir sind allein gerechtfertigt durch das Werk Christi. 
Unsere Sünden sind der einzige Anteil, den wir an dem Leiden 
Christi haben, durch das wir vor dem Angesicht Gottes gereinigt worden sind. Der Wert dieses Werkes ist uns durch 
den Glauben, der jedoch dem nichts hinzufügen kann, zuteil 
geworden. Dieses Werk ist für uns der höchste Beweggrund, 
Ihm zu dienen und Ihn immer und unaufhörlich zu loben; aber 
auch dadurch fügen wir dem Werke Christi vor dem Angesicht 
Gottes nichts hinzu, es ist vollendet, und nicht allein das, sondern auch angenommen, als völlig genügend anerkannt vor 
Gott. Wie köstlich ist es, zu wissen, daß alle unsere Sünden 
hinweggetan sind durch Gott Selbst, und zwar gemäß Seiner 
eigenen Gerechtigkeit, indem Er Christum um des Werkes 
willen, das Er für uns vollbracht hat, auferweckt hat, ein ewig 
gültiger Beweis, daß Gott dieses Werk angenommen hat als 
Seiner Herrlichkeit völlig genügend. Dies würde genug sein für 
unsere Rechtfertigung; aber Gott hat noch mehr getan: Er hat 
Christum zu Seiner Rechten erhöht; dort sitzt Er jetzt als 
Mensch zur Rechten Gottes, bis Seine Feinde zum Schemel 
Seiner Füße gelegt sind. Durch ein Opfer hat Er, hinsichtlich 
des Gewissens, für immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden. Wenn sie durch dieses Opfer nicht zur Vollkommenheit gebracht sind, so können sie es nie werden, und 
ebensowenig können ihre Sünden je hinweggenommen werden. Denn ohne Blutvergießen ist keine Vergebung, und Chri193 
stus kann Sein Blut nicht noch einmal für uns vergießen; das 
Werk ist geschehen, oder es kann überhaupt nicht geschehen. 
Der erste Abschnitt des fünften Kapitels (V. 1—11) faßt alle 
Züge dieser unendlichen Gnade Gottes zusammen. Betrachten 
wir kurz den Inhalt dieser köstlichen Verse. Das Werk ist vollbracht; der Glaube weiß, daß es von Gott angenommen ist, 
indem Er Christum auferweckt und zu Seiner eigenen Rechten 
gesetzt hat. Es bleibt nichts zwischen dem wiedergeborenen, 
geheiligten Menschen und Gott, als nur der Wert des Werkes 
Christi und die Annahme Seiner Person. Das Blut Christi ist 
immer vor den Augen Gottes, und Er Selbst erscheint in der 
Gegenwart Gottes für uns. Das gibt uns für die Gegenwart 
die köstlichsten Vorrechte, und für die Zukunft die Hoffnung 
der Herrlichkeit, die wir bei ihm genießen werden. Doch wir 
wollen nicht über unser Kapitel hinausgehen, sondern uns auf 
die Betrachtung der Vollkommenheit der Gnade Gottes, die 
darin so wunderbar entwickelt ist, beschränken. Wir finden 
hier das, was Gott für uns ist, während unsere Stellung vor 
Ihm in Christo erst später behandelt wird. 
Die ersten elf Verse enthalten also die Entwicklung der 
Gnade und der Wege Gottes in Gnade; sie sprechen zuerst von 
dem, was die Gnade gibt, und dann von den Erfahrungen der 
Begnadigten. Indem Christus für unsere Sünden dahingegeben 
und zu unserer Rechtfertigung auferweckt worden ist, sind wir 
durch den Glauben gerechtfertigt worden. Es ist eine vollendete 
Rechtfertigung; unsere Sünden sind ausgelöscht, unser Gewissen ist gereinigt, und da der Wert dieses Werkes unwandelbar und immer vor den Augen Gottes ist, ist unsere Rechtfertigung gültig für ewig. Infolgedessen besitzen wir einen 
beständigen Frieden mit Gott. Keine Sünde kann uns zugerechnet werden, denn unsere Sünden sind alle schon getragen, 
so daß wir kein Bewußtsein mehr von Sünden haben können. 
Wohl sind wir uns des Vorhandenseins der Sünde im Fleische 
bewußt; aber von den Sünden, die Christus schon für uns 
getragen hat, kann nicht mehr die Rede sein. Wohl können 
wir uns demütigen, wenn wir durch irgendeinen Anlaß daran 
erinnert werden, daß wir der häßlichen Früchte der Sünde 
schuldig waren und diese Last auf den geliebten Heiland gebracht haben; aber wir können nicht in der Gegenwart Gottes, 
194 
wo sich Christus und Sein Blut für immerdar befinden, in 
Frage stellen, ob alles vergeben ist. Es ist wichtig, daß ich den 
Zustand meiner Seele nicht verwechsle mit dem Wert eines 
außer mir vollbrachten Werkes, eines Werkes, an dessen Vollbringung ich nicht teilgehabt habe, es sei denn durch meine 
Sünden. Wenn aber meine Sünden dort auf Christum gelegt 
waren, dann können sie jetzt nicht mehr vor Gott sein — Christus hat sie im Himmel nicht mehr auf Sich. Befinde ich mich 
vor Gott, so finde ich da einerseits nur eine unendliche, unveränderliche Liebe, weil Christus dort ist, und andererseits nur 
eine vollkommene göttliche Gerechtigkeit in Ihm, ebenfalls 
weil Er dort ist. Unendliche Liebe, vollkommene und göttliche 
Gerechtigkeit und unveränderliche Gnade sind dem Gläubigen 
zuteil geworden in Christo vor Gott. 
Dies führt uns in der Betrachtung der Früchte der Gnade 
einen Schritt weiter. Nicht allein sind unsere Sünden durch die 
Gnade hinweggetan, so daß wir Frieden mit Gott haben, sondern wir können auch genießen von der Gnade Gottes, die den 
Frieden gestiftet hat — von einer Gnade, die jetzt beständig in 
dem Herzen Gottes für uns ist. Die Gnade hat nicht allein 
durch das Werk Christi alle Hindernisse beseitigt, sondern sie 
bleibt auch immer unveränderlich in dem Herzen Gottes. Sein 
Auge ruht auf uns mit derselben Liebe, wie es auf Christo 
ruht. Durch Christum haben wir Frieden, durch Ihn auch Zugang durch den Glauben zu der Gnade und Gunst, in der wir 
in Ihm vor Gott stehen. Diese Gunst genießen wir in der Gegenwart Gottes. Nicht allein rechtfertigt uns der himmlische 
Richter, sondern ein himmlischer Vater nimmt uns auf; ein 
lichtvolles, gnädiges Antlitz voll väterlicher Liebe erleuchtet 
und erfreut unsere Seele und erquickt unser Herz, so daß wir 
mit einem völlig ruhigen Herzen in Seiner Gegenwart sind und 
in Seinen Pfaden wandeln; wir haben das köstliche Bewußtsein, daß wir in der Gunst Gottes stehen. Was unsere Sünden 
betrifft, so sind alle hinweggetan; was unseren gegenwärtigen 
Zustand vor Gott betrifft, so ist alles Liebe und Gunst, in der 
hellen Klarheit Seines Angesichts; was die Zukunft betrifft, so 
wartet unser die Herrlichkeit, sie ist unser Teil, wenn wir sie 
auch jetzt noch nicht genießen. Friede, göttliche Gunst, die 
Herrlichkeit in Hoffnung, das ist das Teil des Glaubenden, die 
gesegnete Frucht der Liebe Gottes. 
195 
Man könnte nun sagen: Es ist also alles vorhanden für die 
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und doch hat der 
Apostel noch etwas hinzuzufügen. Weil die Herrlichkeit für 
uns noch in der Zukunft liegt, haben wir noch einen Weg zu 
machen, um sie zu erreichen. Und Gott vergißt uns auch auf 
diesem Wege nicht. Der Apostel sagt deshalb: „Nicht allein 
aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale". Die 
Wüste ist der Ort, wo die Erfahrungen der Erlösten in betreff 
ihres wirklichen Zustandes und der Regierungswege Gottes 
gemacht werden. Die Erlösung ist vollbracht; wir sind zu Gott 
gekommen, wie geschrieben steht: „. . . Wie ich euch getragen 
auf Adlers Flügeln und euch zu mir gebracht habe" (2. Mo 19, 
4). Dies ist eine im Ratschluß Gottes vorherbestimmte und 
jetzt vollendete Tatsache. Die Herrlichkeit ist ein Teil des Ratschlusses Gottes, und auch dieser Teil muß für die Gerechtfertigten erfüllt werden. Die Wüste bildet keinen Teil dieses 
Ratschlusses, aber sie ist der Ort, wo wir Seine Wege mit uns 
kennenlernen. Allerdings ging der Räuber am Kreuz mit 
Christo an demselben Tag noch ins Paradies ein, um dort bei 
Ihm zu wohnen. Sein Zustand war passend für eine solche 
Stellung. Wenn er die Folgen seiner Missetaten von Seiten der 
Menschen tragen mußte, so ertrug Christus für ihn von Seiten 
Gottes alles, was er vor Ihm schuldig war, und der gerechtfertigte Sünder folgte Ihm an dem selben Tag noch nach in die 
Wohnungen der Seligkeit. Er hatte also keinen weiten Weg 
der Erfahrungen zu machen. Im allgemeinen aber durchpilgert 
der Gläubige eine Welt, wo Schwierigkeiten und Versuchungen ihm entgegentreten und ihn von allen Seiten umringen. 
Christus ist vor uns durch diese Welt gegangen, und wir sind 
berufen, in Seinen Fußtapfen zu wandeln. Dadurch aber wird 
unser Zustand geprüft. Die Erlösung kommt dabei nicht in 
Frage; denn eben sie ist es, die uns in die Wüste gebracht hat. 
Wir sind aber schuldig, unserer Berufung und der Stellung 
gemäß, in welche die Erlösung uns versetzt hat, zu wandeln, 
würdig des Gottes, der uns zu Seinem eigenen Königtum und 
zu Seiner eigenen Herrlichkeit berufen hat. Die Trübsale prüfen die Seele, inwieweit der Eigenwille wirksam ist; sie machen 
die Wirkung der Sünde in uns offenbar, so daß wir sie entdecken. Wir werden von Gott erforscht. Einerseits lernen wir 
dadurch erkennen, was wir sind, andererseits aber auch, was 
196 
Gott für uns ist in Seiner Treue und täglichen Fürsorge. Wir 
werden von der Welt entwöhnt, und unsere Augen werden 
mehr befähigt, das, was himmlisch ist, wahrzunehmen und zu 
schätzen. So wird die Hoffnung, die schon im Herzen ist, viel 
lebendiger und klarer. In diesem Sinn können wir alle Trübsale betrachten, weil wir den Schlüssel zu allem besitzen: „Die 
Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist". Die Fürsorge 
Gottes in dieser Beziehung ist wunderbar. „Er zieht Seine 
Augen von dem Gerechten nicht ab". Er denkt an alles bei 
Seinen Kindern, an ihren Charakter, ihre Umstände, ihre Versuchungen; Er tut alles, was nötig ist, um sie zum glückseligen 
Ende ihrer Pilgerschaft zu bringen. Die Füße der Israeliten 
waren nach vierzigjähriger Wanderschaft nicht geschwollen 
und ihre Kleider nicht abgenutzt. Er läßt alles zusammenwirken zum Besten derer, die Ihn lieben. 
Doch noch einige andere, sehr wichtige Punkte haben wir 
hier zu beachten. Zum ersten Mal finden wir an dieser Stelle 
den Heiligen Geist erwähnt. Die Ausgießung des Geistes in 
das Herz ist etwas ganz anderes, als die neue Geburt. Man 
muß allerdings von neuem geboren werden, um den Heiligen 
Geist empfangen zu können; aber der Sünder hat noch mehr 
nötig, als die neue Geburt. In dieser Stelle wird der Heilige 
Geist betrachtet als das den Gläubigen gegebene Siegel des 
Wertes des Blutes Christi und der vollkommenen Reinigung, 
deren sie durch die Anwendung dieses Blutes teilhaftig geworden sind. Gewaschen von ihren Sünden, werden sie die 
Wohnung des Heiligen Geistes. Er ist die Salbung, das Siegel 
der Gläubigen und das Pfand der Herrlichkeit. Durch Ihn rufen 
sie: „Abba, Vater!" (Gal 4, 6) durch Ihn wissen sie, daß sie 
in Christo sind und Christus in ihnen (Joh 14, 16—20) und 
hier an dieser Stelle wird uns mitgeteilt, daß durch Ihn auch 
die Liebe Gottes ausgegossen ist in ihre Herzen. Die Anordnung Gottes über die Reinigung des Aussätzigen (3. Mo 14) 
liefert uns ein treffendes Vorbild von dem, was in der gegenwärtigen Zeit mit dem Gläubigen geschieht. Der Aussätzige 
wurde zunächst mit Wasser gewaschen, dann mit Blut besprengt und schließlich mit ö l gesalbt. So wird auch jetzt ein 
Mensch zuerst bekehrt, dann teilhaftig der vollkommenen 
Reinigung, die durch das Blut Christi bewirkt ist, und schließ197 
lieh empfängt er die Versiegelung des Heiligen Geistes. Durch 
Ihn haben wir die vollkommene Versicherung, daß wir an der 
vollbrachten Erlösung teilhaben, kraft unseres gesegneten Verhältnisses zu Gott und zu Christo, und Er ist das Pfand der 
zukünftigen Herrlichkeit. Alles aber ist die Folge der Besprengung mit dem Blute Christi. 
So ist Gott von uns gekannt, wir sind teilhaftig geworden 
der göttlichen Natur, wir haben unsere Erlösung und Rechtfertigung verstanden und machen die Erfahrung von Seiner 
Treue. Er offenbart Sich unseren Seelen und offenbart uns 
auch die Herrlichkeit, die vor uns liegt. Wir wissen, daß wir 
in Ihm sind, und daß Gott in uns wohnt. So rühmen wir uns 
nicht allein dessen, was Er uns gegeben hat, nicht allein unserer Errettung, sondern auch Gottes Selbst. Ein dankbares Kind 
ist nicht nur darüber glücklich, daß es viel von seinem Vater 
empfangen hat, sondern sein Herz erfreut sich auch darin, daß 
sein Vater ein solcher ist, wie ihn seine liebevollen Wege geoffenbart haben; es ist glücklich, weil sein Vater für sein Herz 
alles ist, was es liebt; es erfreut sich in persönlicher Erfahrung 
in seinem Vater und rühmt sich seiner. Welch ein Vorrecht, 
uns Gottes Selbst rühmen zu können! Das macht die Freude 
und den Genuß der Gnade groß. Der höchste Charakter unserer ewigen Freude wird dadurch schon hienieden verwirklicht, 
und diese Freude ist begleitet von einem tiefen Frieden. Was 
Gott in Sich Selbst ist, ist der unendliche, aber gegenwärtige 
Gegenstand für eine Natur, die fähig ist, Ihn zu genießen, indem der Heilige Geist Ihn in der Seele offenbart. 
Hiermit ist der erste Teil des Briefes und, man kann sagen, 
die Lehre des ganzen Briefes beendigt. Was jetzt noch folgt, 
ist unsere Stellung in Christo und die Erfahrungen, die in der 
Seele gemacht werden, um in diese Stellung einzutreten. Dann 
folgen Ermahnungen für die Befreiten. Unsere Stellung ist 
nicht im Fleische, sondern im Geiste, oder in Christo. Um aber 
wahrhaft befreit zu werden, müssen wir lernen, was das Fleisch 
ist, und zwar durch die Erfahrung; dann, und nur dann, werden wir aus dem gesetzlichen Zustand der Seele in den geistlichen in Christo hinübergehen, kraft des Todes und des 
Lebens Jesu Christi. Doch wir werden später noch einmal hierauf zurückkommen. Zunächst müssen wir die Stellung selbst, 
198 
oder vielmehr die zwei Stellungen, und die darauf bezügliche 
Lehre betrachten. Es ist wichtig, hier zu bemerken, daß es sich 
bei dieser Befreiung um Erfahrung handelt, durch die sie allein 
gekannt werden kann. Mit der Vergebung der Sünden ist es 
anders. Wohl ist es wahr, daß Gott uns in allem belehren muß; 
aber zu glauben, daß etwas außer mir getan oder geschehen 
ist, ist etwas ganz anderes als etwas von mir selbst zu glauben, 
was ich praktisch nicht in mir verwirklicht finde. Das Werk 
Christi auf dem Kreuz, wodurch ich Vergebung und, insofern 
es sich um Vergebung handelt, Frieden erlange, ist außer mir 
vollbracht worden, und ich bin berufen, zu glauben, daß Gott 
es als Genugtuung für meine Sünden angenommen hat. Daß 
ich dies glaube, ist wohl das Werk Gottes in meinem Herzen, 
aber die Sache an und für sich ist einfach. Ein Kind, das bestraft werden soll, versteht ganz gut, was es heißt, Vergebung 
zu erhalten. Aber wenn man mir sagt: Wenn du glaubst, so 
bist du tot für die Sünde, so erwidere ich, und zwar gerade 
dann, wenn ich ernst und aufrichtig bin: Das ist nicht wahr, 
denn ich fühle ihre Wirksamkeit in meinem Herzen. Diese 
Frage nun — unser Zustand — wird im zweiten Teil des Römerbriefes behandelt. Sind wir im Fleische oder im Geiste? Sind 
wir in Christo und ist Christus in uns, sind wir also der Sünde 
gestorben, oder sind wir bloße Kinder Adams, so daß die 
Sünde ihre Kraft in uns ausübt, selbst wenn wir es nicht 
wollen? 
Die Behandlung dieser Frage beginnt mit dem zwölften Vers 
des fünften Kapitels. Der Apostel spricht nicht mehr von dem, 
was wir getan haben, wie im ersten Teil des Briefes, sondern 
von dem, was wir sind, und zwar infolge der Sünde Adams. 
Durch den Ungehorsam des Einen sind die Vielen, d. h. alle, 
die durch ihre Geburt mit ihm als ihrem Urvater in Verbindung stehen, zu Sündern gemacht worden. „Gleichwie durch 
einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen und durch 
die Sünde der Tod und also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben" (V. 12). Dieser 
Satz wird erst in Vers 18 fortgesetzt. Die Verse 13—17 bilden 
einen Zwischensatz, dessen Zweck ist, zu zeigen, in welchem 
Verhältnis das Gesetz zu dieser Frage steht, und zu beweisen, 
daß der Mensch, ohne ein Gesetz von Gott empfangen zu 
haben, unter dem Joch der Sünde steht und dem Gericht ver199 
fallen ist. Der Beweis, daß die Sünde über alle Menschen 
herrscht, ist der Tod. Adam war unter einem Gesetz; es war 
ihm verboten, von der Frucht eines gewissen Baumes zu essen. 
Die Juden standen, wie wir alle wissen, als Volk unter dem 
Gesetz Moses. Wenn also Adam das ursprüngliche Gesetz, und 
die Juden die Gebote Gottes nicht beobachtet hatten, so waren 
sie in bestimmter Weise in dem Punkt schuldig, worin sie ungehorsam gewesen waren. Sie hatten das getan, was das Gesetz verboten hatte. Vers 14 bezieht sich auf das, was in Hosea 
6, 7 von Israel gesagt ist: „Sie haben den Bund übertreten wie 
Adam". Adam wie Israel standen mit Gott in Verbindung 
durch ein bestimmtes Gesetz. Mit den Heiden war es anders; 
sie besaßen kein Gesetz. Wohl hatten sie das Gewissen und 
die Pflicht, Gott gehorsam zu sein. Aber man konnte nicht 
sagen, daß sie in diesem oder jenem Punkt einen gekannten 
Befehl Gottes übertreten hätten, weil es keinen gab. Es war 
für sie kein Gesetz vorhanden, und so konnte man das, was 
sie getan hatten, ihnen nicht als Übertretung zurechnen. Aber 
die Sünde war da; das Gewissen nahm alles wahr, was gegen 
seine Stimme getan wurde, und der Tod herrschte über sie. 
Die Herrschaft des Todes bewies also das Vorhandensein der 
Sünde, deren Folge er war. Jeder, auch wenn er nicht unter 
Gesetz stand, hatte sein Gewissen verunreinigt, und der Tod 
war der beständige Beweis davon, daß Sünde vorhanden war. 
Die Nationen, die kein Gesetz hatten, starben ebensowohl wie 
die Juden. 
Sollte sich denn die Wirksamkeit der Gnade auf den engen 
Kreis des Judentums beschränken, weil die Juden allein die 
Verheißungen und alle Vorrechte einer Offenbarung, besonders das Wort Gottes, besaßen? Im Gegenteil. Das Christentum war die Offenbarung Gottes selbst, nicht allein des Willens Gottes in bezug auf die Menschen; deshalb dehnte sich 
diese Offenbarung notwendigerweise weit über die Grenzen 
des Judentums aus. Im Christentum gibt es kein einem einzelnen Volke gegebenes Gesetz; dem Volke Israel war ein Gesetz gegeben worden, das lehrte, was der Mensch sein sollte, 
aber es offenbarte Gott nicht. Wohl war es von Verheißungen 
begleitet, aber von Verheißungen, die noch nicht erfüllt waren; 
zugleich verbot es dem Menschen den Zugang zu Gott. Das 
Christentum aber gab eine Offenbarung Gottes nach der 
200 
Liebe, in der Person des Sohnes; es verkündigte eine vollkommene Erlösung durch Seinen Tod, eine vollkommene, gegenwärtige Rechtfertigung durch den Glauben, kraft dieses Todes. 
Es bezeugte, daß der Vorhang, der den Zugang zu Gott verbot, 
zerrissen ist, so daß der Zugang vollkommen frei geworden 
und der Gläubige mit Freimütigkeit auf diesem neuen und 
lebendigen Wege herzunahen kann. So ist die ewige Segnung 
nicht in dem ersten sündhaften Menschen, noch durch das 
Gesetz. Denn dieses konnte, indem es auf jenen angewendet 
wurde, nicht anders, als ihn verdammen, weil es die vollkommene göttliche Richtschnur für das Verhalten eines Menschen 
bildete, und es stellte, da der Mensch ein Sünder war, alle, die 
unter Gesetz standen, unter den Fluch. Die Segnung Gottes ist 
in dem letzten Adam, dem zweiten, und zwar verherrlichten 
Menschen, nachdem Er vorher für uns zur Sünde gemacht worden war; in Ihm, Welcher der Kraft Satans begegnete und Sich 
dem Tode unterwarf, obgleich Er von ihm nicht behalten werden konnte, welcher Sich dem Fluch und dem Verlassensein 
von Gott in Seiner Seele unterzog und von Gott, Der durch Sein 
Werk vollkommen verherrlicht wurde, aus den Toten auf erweckt und als Mensch zu Seiner Rechten gesetzt worden ist. 
Ein Gott, Der Sich in solcher Weise geoffenbart hatte, konnte 
nicht Gott der Juden allein sein. 
In den Versen 15—17 zeigt der Apostel, daß die Gnade die 
Sünde noch weit übertrifft. Wenn (V. 15) die Folgen der Sünde 
Adams nicht allein auf ihn beschränkt blieben, sondern sich 
auch auf seine Nachkommen erstreckte, so gehen noch vielmehr die Folgen des Werkes Christi auf diejenigen über, die 
Sein sind. Nach Vers 16 sind durch die Sünde Adams alle seine 
Nachkommen verloren, aber die Gnade, die freie Gabe, ist 
nicht allein für den verlorenen Zustand, sondern auch für viele 
Übertretungen gültig. Die Überschwenglichkeit der Gnade tritt 
besonders glänzend in Vers 17 hervor, in dem wir lesen: „Denn 
wenn durch die Übertretung des Einen der Tod durch den Einen 
geherrscht hat, so werden vielmehr die" — man sollte denken, 
es müsse der Nachsatz lauten: so wird vielmehr das Leben 
herrschen; aber nein, sondern — „die, welche die Überschwenglichkeit der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, 
im Leben herrschen durch den Einen, Jesum Christum". 
201 
Mit Vers 17 schließt der Zwischensatz, und der Apostel 
nimmt in Vers 18 den in Vers 12 unterbrochenen Gedankengang wieder auf. Die Folgen des Sündenfalls Adams beziehen 
sich auf alle Menschen; ebenso bezieht sich durch das Werk 
Christi die freie Gabe auf alle Menschen. Das Evangelium kann 
also auf alle angewendet werden; es richtet sich an die ganze 
Welt, an alle Sünder. In Vers 19 haben wir die tatsächliche 
Anwendung. Durch den Ungehorsam eines Menschen befinden 
sich die Vielen, die mit ihm in Verbindung sind, d. h. alle 
Menschen, in dem Zustand dieses Einen, d. h. in einem sündhaften Zustand. Durch den Gehorsam eines Menschen befinden sich alle, die mit ihm in Verbindung sind, d. h. alle Christen, in der Stellung dieses Einen, d. h. in der Stellung der 
Gerechtigkeit vor Gott. Adam war das Vorbild des zukünftigen Menschen. In dem einen sind wir verloren gegangen, in 
dem anderen sind alle, die mit ihm verbunden sind, errettet, 
gerecht vor Gott. Die Schuld eines Menschen hängt davon ab, 
was er getan hat, sein wirklicher Zustand dagegen von dem, 
was der eine Adam getan hat. Adam und Christus sind die 
Häupter von zwei Geschlechtern; der eine ist das Haupt eines 
sündhaften, der andere das Haupt eines vor Gott gerechten 
Geschlechts, und hier sind das Leben und die Stellung unzertrennlich. Das Gesetz trat als Nebensache zwischen den ersten 
und zweiten Adam. Die Wurzel des gefallenen menschlichen 
Geschlechts war Adam, der erste Mensch. Das Haupt und die 
Lebenswurzel des gesegneten, erretteten Geschlechts ist Christus. „Das Gesetz aber kam daneben ein", als der Maßstab 
dafür, wie es bei der gefallenen Menschheit hätte sein sollen, 
aber nie wirklich geworden ist. Das Gesetz war nie das Mittel 
des Lebens oder der Errettung, sondern die Regel davon, was 
der Mensch hier hätte sein sollen, verbunden mit einer Verheißung des Lebens: „wer diese Dinge getan hat, wird durch 
sie leben" (vgl. Gal 3, 12); aber es gebot einem sündhaften 
Menschen, nicht zu sündigen! Sein Zweck war, wie der Apostel 
hier sagt, die Übertretung überströmend zu machen — nicht 
die Sünde, denn Gott kann nichts tun, um die Sünde zu vermehren; aber Er konnte eine Regel geben, als die Sünde schon 
da war, um ihre Früchte ans Licht treten zu lassen. Obgleich 
also das Gesetz die vollkommene Regel für den Wandel eines 
Kindes Adams bildete, so war es doch tatsächlich stets eine 
202 
Nebensache. Der Mensch war schon ein verlorener Sünder, 
und das Gesetz stellte die Frucht des faulen, verderbten Baumes ans Licht. Später werden wir finden, daß es noch mehr als 
dieses tat. An dieser Stelle aber wird uns nur gesagt, daß es 
die Übertretung überströmend machte. Wir erblicken wirklich 
die Wege Gottes im ersten wie im zweiten Adam. Der Mensch 
war ein Sünder, ein verlorener Sünder, Christus ein Erretter. 
Als Beweis dafür, was der Mensch war, war das Gesetz nützlich, weil es die Gerechtigkeit von dem Menschen forderte nach 
dem Maß seiner Verantwortlichkeit. Der Zweck des Gesetzes 
nach der Regierung Gottes war, den eigenen Willen des Menschen im Ungehorsam, in den Übertretungen offenbar zu 
machen, weil es ohne Gesetz keine Übertretung gibt. Das setzt 
aber, wie es auch im Gesetz selbst zu sehen ist, die Sünde 
voraus. Das Gericht Gottes wird ausgeübt nach der Verantwortlichkeit des Menschen, nach dem, was er getan hat, sei es 
ohne Gesetz oder unter dem Gesetz. Sein verlorener Zustand 
ist eine andere Sache. Verloren gegangen ist er in Adam; den 
Beweis dafür liefert die Welt in schrecklicher Weise, und ebensosehr unsere eigenen Herzen, wenn wir sie kennen. Der Ungehorsam des Einen hat allein den Zustand gebracht. Dieser 
Zustand ist nicht ein zukünftiges Gericht, sondern eine gegenwärtige Tatsache: wir sind in die Stellung von Sündern gesetzt. 
Die ganze Familie ist durch ihren Stammvater mit ihm in demselben Zustand: von Gott getrennt, ja vertrieben, in Feindschaft gegen Ihn, aus Seiner Gegenwart ausgeschlossen und 
auch ohne Verlangen, in sie einzutreten. Der Mensch zieht 
Vergnügungen, Geld, Eitelkeit, weltliche Macht, schöne Kleider, 
kurz alles und jedes, Gott vor, selbst wenn er sich darstellt als 
einen solchen, der glaubt, daß der Sohn Gottes für ihn in Liebe 
gestorben ist. Es gibt nur einen Gegenstand, der in der Welt 
unzulässig ist, nämlich Christus und die Offenbarung Gottes 
in Ihm, obwohl diese Offenbarung die Liebe ist. Durch den 
Ungehorsam des Einen sind die Vielen in die Stellung von 
Sündern gesetzt. 
Die wichtige Wahrheit also, die uns hier vor Augen gestellt 
wird, ist nicht die durch die schlechten Werke hervorgebrachte 
Schuld und die Gnade, durch die sie beseitigt worden ist, sondern der Zustand der gefallenen Kinder Adams, als allgemei203 
ner Grundsatz. (Dadurch wird das Gesetz als Nebensache beiseitegesetzt, obwohl es für das Gewissen des Juden gültig war 
und stets eine vollkommene Regel der menschlichen Gerechtigkeit bildete und diese Regel auch abgab, wo es, gestützt auf 
die Autorität Gottes, angewendet wurde). In Verbindung damit steht die Einführung einer neuen oder zweiten Wurzel der 
selig gemachten Menschen, und zwar in dem Auferstandenen, 
so wie Adam die Wurzel der gefallenen Menschen ist. Adam 
wurde erst dann die Wurzel eines Geschlechts, als er sündhaft 
geworden war, und Christus ist in der Tat nicht eher das Haupt 
der neuen Schöpfung gewesen (obgleich Gott durch Seinen 
Geist von Anfang an wirksam war), als bis die göttliche Gerechtigkeit sich in Seiner Verherrlichung erwiesen hatte. Erst 
als die Gerechtigkeit Gottes sich geoffenbart hatte — und zwar 
anwendbar auf uns, indem Christus verherrlicht wurde, nachdem Er unsere Sünden getragen und Gott vollkommen verherrlicht hatte, als Er zur Sünde gemacht worden war, — erst 
da ist Christus das Leben gebende Haupt des neuen, von Gott 
aufgenommenen Geschlechts geworden, und alles, von Anfang 
bis zu Ende, ist die Frucht der unermeßlichen, unendlichen und 
unaussprechlichen Gnade Gottes. Die Gnade herrscht, aber 
weil sie auf das Werk Christi gegründet ist, herrscht sie durch 
Gerechtigkeit. Das Ziel ist das ewige Leben, und zwar in seinem vollen und wahren Charakter nach dem Ratschluß Gottes, 
in der Herrlichkeit, in die Christus, dieser Gerechtigkeit nach, 
als Mensch schon eingegangen ist. Die Gerechtigkeit herrscht 
noch nicht; sie wird herrschen am Gerichtstage. Dann aber 
wird die menschliche Gerechtigkeit, nämlich das, wozu der 
Mensch verpflichtet war, den Maßstab des Gerichts bilden; der 
Mensch wird dann gerichtet werden nach den Pflichten, die ihm 
gegen Gott und seinen Nächsten, nach dem Recht Gottes, auferlegt waren. Die Urquelle des Heils für den Menschen aber 
ist die Gnade, weil Gott die Liebe ist und wir Sünder sind; 
denn die Gnade ist die Ausübung der Liebe gegen die, welche 
kein Verdienst, keine Würdigkeit besitzen. Und darin hat sich 
die Liebe geoffenbart, so daß die Engel sie kennenlernen müssen aus den Wegen Gottes gegen uns. Gott ist aber auch gerecht und muß die Gerechtigkeit aufrecht halten, und Seine 
Heiligkeit kann die Sünde nicht für immer in Seiner Gegenwart 
dulden. Daß alle Menschen unter der Sünde liegen und schul204 
dig sind, hat Er bewiesen, und dann ist Er wirksam gewesen 
nach Seiner unumschränkten Liebe, nicht allein um Sünden zu 
vergeben (wovon wir schon gesprochen haben), sondern um 
eine ganz neue Stellung zu bereiten, nach Seinem ewigen Ratschluß und für Seine ewige Verherrlichung, nach dem, was Er 
ist in Seinem Wesen. Die Ausführung dieses Ratschlusses, und 
zwar kraft des Werkes Christi nach Seiner vollkommenen Gerechtigkeit, ist der Ausdruck und die Offenbarung Seiner unendlichen Liebe. Die Liebe hat sich darin geoffenbart, daß Er 
Seinen Sohn gesandt und Ihn für uns in Tod und Fluch dahingegeben hat. Die Gerechtigkeit ist darin geoffenbart, daß Er 
Christum, der Ihn vollkommen verherrlicht hatte, als Mensch 
zu Seiner Rechten in die göttliche Herrlichkeit gesetzt hat, in 
die Herrlichkeit, die Er als Sohn Gottes mit dem Vater schon 
vor Grundlegung der Welt besaß, die Er aber als Menschensohn verdient hat, so daß die göttliche Gerechtigkeit Ihm diesen 
Platz notwendigerweise geben mußte. Und wir haben teil an 
dieser Herrlichkeit Gottes, weil das Werk, durch das Gott vollkommen verherrlicht worden ist, zugleich für uns vollbracht 
wurde. Wir sind ein Teil der Herrlichkeit Christi in der Ewigkeit. Er würde nicht die Frucht der Mühsal Seiner Seele sehen, 
wenn Er Seine Erlösten nicht bei Sich in der Herrlichkeit hätte. 
Kapitel 6 
Aber das Fleisch, das seine Gerechtigkeit haben will, und 
die Welt, die sich als Hüterin der Sittlichkeit darstellt, bringen 
hier, um der Wahrheit und der Gnade, welche die Menschen 
als durch die Sünde verloren hinstellen, Widerstand zu leisten, 
einen Einwand vor. Sie sagen: wenn wir durch den Gehorsam 
des Einen in die Stellung von Gerechten gesetzt sind, so ist es 
also gleich, ob wir gehorsam oder ungehorsam sind. Dieser 
Einwand beweist nur, daß jemand, der ihn macht, nichts von 
der Wahrheit kennt, daß er von seinem schon verlorenen Zustande gar nichts versteht, noch von dem neuen Leben, das der 
Glaubende empfangen hat und das, weil es von Gott ist, die 
Sünde nicht ertragen kann. 
Beachten wir hier, welche wichtigen Wahrheiten die Veränderung des Grundes, auf dem das Verhältnis des Menschen 
205 
zu Gott beruht, in sich schließt. Der Wendepunkt ist das 
Kreuz, der Tod Christi. Der alte Mensch, das Geschlecht 
Adams, ist geprüft worden ohne Gesetz, unterm Gesetz, und 
dann unter der Offenbarung der Gnade und der Wahrheit, als 
der Sohn Gottes als Mensch in dieser Welt war. Gott Selbst 
war gekommen, geoffenbart im Fleische, nicht um die Sünden 
zuzurechnen; sondern „die Welt mit sich selbst versöhnend"; 
und wenn die Segnung des Geschlechts des ersten Adam möglich gewesen wäre, so hätte sie damals stattfinden müssen. 
Aber sie war unmöglich. Man spricht viel von einem Anknüpfungspunkt, den Gott in dem Menschen finde; aber selbst der 
in Gnade und Wahrheit geoffenbarte Gott fand keinen. Im 
Gegenteil; der Tod Christi ist der tatsächliche, bestimmte und 
entscheidende Bruch zwischen dem Menschen und Gott. Nicht 
allein war der Mensch ohne Gesetz unter der Sünde, nicht 
allein war er unter dem Gesetz in offenem Ungehorsam gegen 
das Gesetz, sondern er wies auch die in Christo erschienene 
Gnade Gottes durch Seine Verwerfung zurück. Der Herr sagt 
(Joh 12, 31), wenn Er von Seinem Tode spricht: „Jetzt ist das 
Gericht dieser Welt", und in Joh 15, 24: „Sie haben gesehen 
und gehaßt sowohl mich als auch meinen Vater". Daher wird 
in Hebr 9, 26 gesagt: „Er ist einmal in der Vollendung der 
Zeitalter geoffenbart worden". Das Kreuz war moralischerweise 
das Ende der Menschheit. Doch es wurde zu derselben Zeit 
und in derselben Tatsache, in dem Tode Christi, der Grund der 
neuen Schöpfung nach der Gerechtigkeit Gottes gelegt. Dieselbe Tatsache, die von seiten Gottes mit dem ersten Adam 
ein Ende gemacht hat, indem sein Geschlecht den Sohn Gottes 
verwarf, hat auch den Grund gelegt für den neuen Zustand der 
Menschheit im zweiten Adam. Christus war am Kreuz zur 
Sünde gemacht, die Sünde wurde dort gerichtet, und der alte 
Mensch für immer beseitigt. Jetzt ist der Zugang zu Gott durch 
den Glauben möglich gemacht; in der Auferstehung ist das 
neue Lehen, selbst dem Körper nach, wirklich ans Licht gebracht, und der zweite Mensch hat seinen Platz in der Herrlichkeit eingenommen. Wie der erste Mensch aus dem Garten 
vertrieben wurde, um dann die Wurzel eines sündhaften und 
verlorenen Geschlechts zu werden, so ist der zweite Mensch in 
das himmlische Paradies eingegangen als Wurzel und Haupt 
des erretteten Geschlechts, als die Gerechtigkeit Gottes, die für 
206 
die Menschen gültig ist, und so sind das Leben und die Gerechtigkeit untrennbar geworden. Die Vergebung durch das 
Blut Christi ist der stärkste Beweggrund für einen aufrichtigen 
Wandel; die Auferstehung Christi vereinigt in sich die Gerechtigkeit und das Leben. Es ist eine „Rechtfertigung des Lebens" 
(Kap. 5, 18). 
Im Brief an die Römer wird die Wahrheit, daß wir mit 
Christo auferstanden sind, nicht weiter entwickelt. Von dem 
Anteil, den wir an Seinem Tode und Seiner Auferstehung 
haben, wird nur gesagt, daß wir uns durch den Glauben der 
Sünde für tot halten, daß der verherrlichte Christus unser 
Leben und der Heilige Geist uns geschenkt ist. 
Wenn wir also durch den Gehorsam des Einen in die Stellung von Gerechten gesetzt sind, und wenn da, wo die Sünde 
überströmend war, die Gnade noch überschwenglicher geworden ist, sollten wir dann in der Sünde verharren, auf daß die 
Gnade überströme? „Das sei ferne!" sagt der Apostel. Doch 
stellt er uns in seiner Antwort auf diese Frage nicht von neuem 
unter das Gesetz. Das würde nichts anderes gewesen sein, als 
den alten Menschen, das Fleisch, anzuerkennen, und nachdem 
wir schon verloren gegangen sind, die Verantwortlichkeit und 
die Verdammnis von neuem hervorzubringen; denn das Fleisch 
ist dem Gesetz nicht Untertan, es vermag es auch nicht. Die 
Antwort des Geistes weist vielmehr auf den Jod Christi hin; 
alles aber, was Er getan hat, ist für uns gültig. Der alte Mensch 
hat sich erwiesen als unveränderlich schlecht, und zwar hat 
sich dieses im Tode Christi gezeigt. Ich, der ich mit Ihm gekreuzigt bin, kann jetzt unmöglich denselben Menschen, der 
Christum getötet hat, anerkennen. Ich bin zu Christo gekommen, weil der Mensch (ich selbst in meinem alten Zustande) 
ein solcher war, und weil ich jetzt ein neues Leben empfangen 
habe: Christum, den aus den Toten Auferstandenen. Doch dies 
müssen wir etwas näher betrachten. 
Indem wir auf Christum Jesum getauft worden sind (unser 
wahres Glaubensbekenntnis), sind wir nicht getauft worden 
auf einen Christus, den die Welt angenommen hat, oder der 
einen Anknüpfungspunkt in dem ersten Adam fand. Im Gegenteil; die Welt, der Mensch, hat Ihn ganz und gar zurückgewiesen und von der Erde vertrieben, und auf diese Weise 
207 
zeigte es sich, wie schon gesagt, daß eine Vereinigung zwischen 
Gott und dem Menschen, als Kind Adams, völlig unmöglich 
war. Da hat denn Gott von neuem angefangen: wir sind neu 
geboren. Christus hat, Gott sei Dank! als Verworfener das 
Versöhnungswerk vollbracht; Er hat die Rechtfertigung, die 
Vergebung und die Herrlichkeit erworben für die, welche an 
Ihn glauben. Er ist aber der zweite Mensch, und in Ihm befindet sich der Mensch in einer ganz neuen Stellung vor Gott, 
sowie in einem ganz neuen Zustande. Ein auferstandener Christus ist unser Leben, ein auferstandener Christus unsere Gerechtigkeit; der alte Mensch ist für immer verdammt. Wer 
Christum besitzt als sein Leben, hat teil an diesem allem, weil 
Er teilhat an Seinem Tode und an Seiner Auferstehung. Im 
Römerbrief wird nur der erste Teil entwickelt: wir sind mit Ihm 
tot, starben mit Ihm. Wohl wird Er auch als unser Leben dargestellt, aber unsere Auferstehung mit Ihm wird nicht behandelt, weil der Heilige Geist hier die Christen als auf der Erde 
lebende Menschen betrachtet. Christus ist gestorben und auferstanden; wir sind auf Seinen Tod getauft. Wir haben teil an 
Seinem Tode, indem Er unser Leben ist. Der, welcher mein 
Leben ist, starb, und Er starb der Sünde. Ihn allein erkenne ich 
als mein Ich an, und als dieses neue Ich halte ich mich dem 
alten Ich für tot. Diesem neuen Leben nach bin ich Gott lebend, 
aber in betreff meines alten Menschen mit Christo gestorben; 
wie sollte ich das Leben des alten Menschen noch leben, wenn 
ich als solcher gestorben bin? Deshalb, begraben mit Christo 
durch die Taufe auf den Tod, geziemt es uns, in Neuheit des 
Lebens zu wandeln. Wenn wir teilhaben an Seiner Stellung, 
als tot der Sünde, werden wir auch teilhaben an Seiner Auferstehung. Der Apostel sagt nicht, daß wir daran teilhaben, 
sondern teilhaben werden. Dieses Auf erstehungsieben wird in 
der Herrlichkeit vollendet sein, drückt sich aber schon jetzt in 
einem neuen Wandel aus, ebenso wie sich die Kraft des Lebens 
Christi, welche auf bestimmte Weise in Seiner Auferstehung 
zutagetrat, auch in Seinem Wandel auf der Erde wirklich geoffenbart hat. „Indem wir dieses wissen", sagt der Apostel 
(V. 6), „daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, auf 
daß der Leib der Sünde abgetan sei" (d. h. auf daß die Sünde 
in uns als ein Ganzes vernichtet sei) „daß wir der Sünde nicht 
mehr dienen. Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen (oder 
208 
gerechtfertigt) von der Sünde". Doch dies erfordert eine nähere 
Auseinandersetzung. 
Zunächst muß betont werden, daß der Christ nicht noch erst 
der Sünde sterben muß, sondern daß er gestorben ist, indem 
er mit Christo gekreuzigt ist. Weil er nun Christum als Leben 
bekommen hat, so hält er den alten Menschen für tot. Es sind 
nicht einzelne Sünden oder Lüste allein, wovon er befreit worden ist, sondern der ganze alte Mensch ist beseitigt, tot, und 
für tot zu halten durch den Glauben, der nach dem neuen 
Menschen tätig ist. Wohl ist die Natur des alten Menschen 
noch in uns vorhanden; unser Gestorbensein mit Christo hat 
nicht seine Abwesenheit von unserem Wesen zur Folge; aber 
er herrscht nicht; „daß wir der Sünde nicht mehr dienen". Es 
ist gar nicht nötig, auch nur einen schlechten Gedanken zu 
haben, obwohl die Natur, aus welcher solche hervorgehen, 
immer noch vorhanden ist; aber wir dienen dieser Natur in 
keinem Stück, selbst nicht in Gedanken, wenn das neue Leben 
und die Kraft des Heiligen Geistes in uns wirksam sind. Der 
Christ ist befreit, nicht weil seine Sünden für immer vergeben 
sind, sondern weil er der Sünde tot ist, mit Christo gekreuzigt. 
Er ist, als gestorben mit Christo, gerechtfertigt von der Sünde, 
eben weil er tot ist; aber er ist auch lebendig in Christo. Es ist 
nicht nur wahr, daß die Sünde nicht mehr herrscht, sondern 
der Christ ist auch frei, sich hinzugeben; er besitzt eine neue 
Natur, ein neues heiliges Leben. Wem aber wird er sich nun 
hingeben? — Der Gerechtigkeit und Gott. Diese Hingabe der 
Seele ist nicht Sache des Sünders, wie dies sehr oft fälschlich 
behauptet wird, sondern der befreiten Seele. Der Christ, indem 
er gereinigt, gerechtfertigt, der Liebe und Gunst Gottes versichert ist und durch das Blut Christi ein vollkommen gemachtes Gewissen besitzt, indem ihm keine Sünde mehr zugerechnet wird — ist frei, freimütig vor Gott. Derselbe Schlag, der 
den Vorhang zerriß, schaffte auch alle seine Sünden hinweg. 
Durch den zerrissenen Vorhang strahlt jetzt das Licht Gottes 
unverhüllt auf ihn, um zu zeigen, daß seine Kleider weiß sind, 
wie Schnee. Er ist frei von der Kraft der Sünde, weil Christus 
sein Leben ist, und, mit Christo gekreuzigt und jetzt durch Ihn 
allein lebend, hält er sich in betreff des Fleisches für tot. Er ist 
frei vor Gott und auch frei von der Sünde. In dieser Freiheit 
gibt er sich Gott hin. 
209 
So gewinnt das neue Leben, das also mit Gott wandelt, 
schon etwas auf dem Wege: wir haben Früchte, noch ehe wir 
die Herrlichkeit erreichen, und diese Frucht ist die Heiligkeit. 
Gesegnete Frucht! Zunächst der Natur Gottes teilhaftig gemacht, wachsen wir auch in praktischer Gemeinschaft mit Gott 
dadurch, daß die Heiligkeit in uns wächst. Dies Wachstum 
hebt die Wahrheit nicht auf, daß die neue Natur, die wir empfangen haben, in sich selbst vollkommen ist. Wir gehören ganz 
und gar Gott an, sind um einen Preis erkauft, von der Sünde 
und der Welt abgesondert. Wir gehören Gott an nach dem 
Wert des Opfers Christi, nach der neuen Natur und nach der 
Kraft des Heiligen Geistes. Dem inwendigen Menschen nach 
gehören wir schon zu der neuen Schöpfung, obgleich wir 
„diesen Schatz in irdenen Gefäßen haben". — Wir sind in 
Christo und sind in Ihm vollkommen angenommen. Er ist 
unsere Gerechtigkeit, eine Gerechtigkeit, die passend ist für 
die Herrlichkeit, denn Er ist in der Herrlichkeit nach dieser Gerechtigkeit. Aber Er ist auch in uns, als unser Leben und nach 
der Kraft des Geistes. Dieses Leben ist in sich selbst vollkommen und kann nicht sündigen; doch müssen wir auch einen 
objektiven Gegenstand der Heiligung haben. Deshalb nimmt 
der Heilige Geist das, was in Christo ist, und offenbart es uns; 
ja Er offenbart uns alles, was droben ist, wo der Christus und 
wo auch der Vater ist. Dadurch wachsen wir in objektiver 
Weise in dem, was himmlisch ist, werden von der Welt entwöhnt, wohnen im Geist in den himmlischen örtern, genießen 
die Liebe des Vaters und werden so in praktischer Hinsicht 
heilig. 
Wir sind geheiligt nach dem Ratschluß Gottes des Vaters 
durch das Opfer Christi, durch Sein Blut; wir sind es dem 
Wesen nach, weil wir eine neue Natur, ein neues Leben besitzen; wir sind es durch die Gegenwart und die Wirkung des 
Heiligen Geistes, und wir können hinzufügen, durch das Wort 
Gottes. Die Heiligung des Geistes ist gewirkt dadurch, daß wir 
aus Gott geboren sind. Wir müssen aber, wie gesagt, einen 
Gegenstand haben, und die geistliche Natur, das Leben, das 
wir empfangen haben, ist fähig, diesen Gegenstand — Gott 
Selbst — zu genießen. Der Heilige Geist teilt uns durch das 
Wort die Gegenstände mit, die heilig und göttlich sind. Wir 
sind durch das Wort zunächst neu geboren worden mittels des 
210 
Glaubens, dann werden wir durch das Wort ernährt, und das 
Herz wird gereinigt, ebenfalls mittels des Glaubens, und zwar 
das eine wie das andere durch die Offenbarung Christi im 
Herzen. „Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit. Und ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit" (Joh 17, 17. 19). 
Wenn wir genau sein wollen, können wir nicht sagen, daß 
der neue Mensch, das Leben, das wir von Gott empfangen 
haben, geheiligt wird; denn das neue Leben selbst ist heilig, 
und indem wir es empfangen haben, sind wir für Gott geheiligt; daher werden die Gläubigen in den apostolischen Briefen Heilige genannt. Die Heiligkeit ist aber in uns eine beziehungsweise, d. h. sie bezieht sich auf Gott, weil wir nicht 
unabhängig sein können. Ohne Zweifel ist dadurch in uns ein 
wirklicher Zustand hervorgebracht; aber wir sind nicht heilig 
als Unabhängige, denn für ein Geschöpf ist es Sünde, unabhängig zu sein, es kann auch nicht wirklich unabhängig sein. 
Also ist die Heiligkeit in uns objektiv; dies ist ein wichtiger 
Grundsatz. 
Alles, was der Heilige Geist uns geoffenbart hat: die Liebe 
des Vaters und des Christus, die Heiligkeit Gottes, die Vollkommenheit Christi, Seine Person, die uns geschenkt und für 
uns hingegeben ist, Seine gegenwärtige Verherrlichung im 
Himmel, dies alles wirkt in uns und bildet das Herz, die Gedanken, den inneren und dadurch auch den äußeren Menschen 
nach dem Gegenstand, den wir anschauen. Alles, was Christus 
getan und gelitten hat, hat seinen Anteil daran; nicht allein, 
weil Sein Wandel und Seine Handlungen ein Muster für uns 
sind, sondern weil sie das Herz für Ihn einnehmen. Die Liebe 
des Herzens ist mit Christo und mit Seiner Vollkommenheit 
beschäftigt, und Er erfüllt unsere Herzen. Das ist Heiligung; 
denn dies erfüllt auch das Herz des Vaters. „Darum liebt mich 
der Vater, weil ich mein Leben lasse" (Joh 10, 17). Der Vater 
schätzt, -was Christus getan hat und was Er war in diesem 
Seinem Tun. Und es ist für uns getan worden! Wir haben 
heilige Gedanken, weil wir lieben und schätzen, was Er getan 
hat und was Er war. Dadurch ist die Gesinnung in uns, die in 
Christo war. Es ist eine Seite des christlichen Charakters. 
211 
Doch wird die Kraft der Heiligung besonders durch das Anschauen der Herrlichkeit Christi bewirkt. Wohl wird das Herz 
ernährt durch alles, was Er hienieden war: wir essen Sein 
Fleisch und trinken Sein Blut, genießen auch das Brot, das aus 
dem Himmel herniedergekommen ist; doch was uns nach 
Seinem Bilde verwandelt (2. Kor 3, 18; 1. Joh 3, 2. 3) ist die 
Herrlichkeit, in der Er jetzt wohnt. Diese Herrlichkeit anschauend, werden wir in dasselbe Bild verwandelt. Die Herrlichkeit Christi bewirkt in uns die Energie des Lebens, indem 
wir alles andere nur für Verlust achten. Das Leben und die 
Leiden Christi nehmen das Herz für Ihn ein (s. Phil 3 und 2). 
Er hat Sich Selbst um unseretwillen geheiligt, auf daß wir 
durch das Wort geheiligt würden. Wunderbare Gnade! Wunderbare Verbindung! Dies trennt uns von der Welt, verbindet 
uns mit dem, was himmlisch ist, und führt uns zur Ähnlichkeit mit dem Himmlischen. Das Ende ist das ewige Leben in 
dieser Herrlichkeit selbst, nachdem auch unser irdisches Gefäß 
in das Bild dieser Herrlichkeit umgewandelt sein wird. 
Bezüglich der Heiligkeit werden wir ferner in Hebr 12, 10 
belehrt, daß die Zucht Gottes den Zweck hat, uns Seiner Heiligkeit teilhaftig zu machen. In dieser Stelle entdecken wir 
nicht allein die unaufhörliche Fürsorge Gottes, sondern lernen 
auch den köstlichen Charakter dieser Heiligkeit verstehen. 
Wir haben den Tod verdient, als den traurigen Lohn für 
traurige Arbeit; das ewige Leben, die Gabe Gottes, ist uns 
durch Jesum Christum, unseren Herrn, zuteil geworden; das 
ist lauter Gnade. Wer sonst konnte uns Leben, ewiges Leben, 
göttliches Leben geben als Gott allein? Christus Selbst ist 
dieses Leben, vom Vater in die Welt gesandt und hier in der 
Menschheit geoffenbart; wer jetzt „den Sohn hat, hat das 
Leben"; „wer an ihn glaubt, hat das ewige Leben" (1. Joh 1, 
1. 2; 5,12; Joh 3, 36). Obgleich in der zuletzt genannten Stelle 
mehr auf das Resultat in der Herrlichkeit hingedeutet wird, 
weil das ewige Leben im Ratschluß Gottes vollkommene Gleichheit mit Christo in der Herrlichkeit bedeutet, so ist es uns 
dennoch schon gegeben als Leben, wenn wir auch noch nicht 
in der Herrlichkeit sind. Es ist wichtig für uns zu bemerken, 
daß es die Gabe Gottes ist. Den Tod hatte der Mensch für sich 
212 
erworben durch die Sünde; das Leben, das ewige Leben, worin 
wir fähig sind, Gemeinschaft mit Gott zu haben, muß Gott 
geben. Dieses Leben ist Christus Selbst (1. Joh 1). Er ist das 
Leben, das bei dem Vater war und herniedergekommen ist. In 
Ihm war das Leben; wer den Sohn hat, hat das Leben, und 
dieses Leben wird bald in der Herrlichkeit völlig geoffenbart 
werden. Das ist der Grundsatz der neuen Stellung. Wir sind 
mit Christo der alten Stellung gestorben, und Christus ist 
unser Leben geworden. (Fortsetzung im Jahrgang 1883) 
Gedanken 
Wie oft meinen wir, durch den Glauben zu leben und Gott 
allein zu vertrauen, und wenn wir nur einen Blick in die Tiefen 
unserer Herzen werfen wollten, so würden wir entdecken, wie 
sehr wir von den Umständen abhängig sind und auf diese 
vertrauen. 

Oft wünschen wir etwas zu tun, wozu Gott uns keinen Auftrag gegeben hat, oder begehren, irgendwohin zu gehen, wohin Er uns nicht gesandt hat. Wir verkehren mit Ihm im Gebet 
darüber, erhalten aber keine Antwort. Wir beten wieder und 
wieder, aber keine Erwiderung wird uns zuteil. Woher kommt 
das? Aus dem einfachen Grunde, weil Gott uns gerne ganz 
ruhig haben will, weil Er wünscht, daß wir stillestehen und da 
bleiben sollen, wo wir sind. Statt daher unseren Kopf anzustrengen, und unsere Seelen zu beruhigen mit der Frage: „Was 
sollen wir tun?" laßt uns vielmehr nichts tun und einfach auf 
Gott warten. Unser allezeit gnädiger Gott kann in allem Klarheit und Entschiedenheit geben. Wenn Er es nicht tut, so kann 
es niemand. Wenn Er es aber tut, und Er wird es sicher tun, 
wenn wir mit aufrichtigem Herzen auf Ihn warten, so brauchen 
wir keine menschliche Unterweisung mehr. 
213 
Aber ach! wie oft gehen wir ruhig und getrost unseren Weg 
voran, weil wir wissen, daß irgendein armer Sterblicher, den 
wir hochachten, ihn gutheißt und uns seine Unterstützung zuteil werden läßt. Sobald wir aber aufgefordert werden, im einfachen nackten Glauben voranzugehen, beginnen wir zu zögern 
und zaghaft zu werden. 

Der Unglaube fragt: „Wie kann dies oder jenes sein?" Er ist 
stets voll von „Wie's". Der Glaube aber hat eine große Antwort auf alle diese Fragen, diese lautet: „Gott". Er bringt Gott 
auf den Schauplatz, und deshalb kennt er durchaus keine 
Schwierigkeiten. 

Das wahre Geheimnis allen Dienstes ist geistliche Kraft, 
verbunden mit dem Bewußtsein, daß man von Gott Selbst in 
den Dienst gestellt ist, den man übt. Menschliche Weisheit und 
menschliche Kraft vermögen nichts. 

Ein Dienst, der in steter Abhängigkeit von Gott und im 
Vertrauen auf die Leitung des Heiligen Geistes ausgeübt wird, 
kann nie dürr und kraftlos werden. Wenn aber jemand aus 
seinen eigenen Hilfsquellen schöpfen will, wird er bald völlig 
ausgetrocknet sein. Er mag ein noch so großer Redner, noch so 
belesen und mit der Wahrheit bekannt sein, wenn der Heilige 
Geist nicht die Quelle und die Kraft seines Dienstes ist, so 
muß der Dienst früher oder später seine Frische und seine 
Wirksamkeit verlieren. Alle, welche dienen, sei es im Evangelium oder in der Versammlung Gottes, sollten daher stets 
und ausschließlich in der Kraft des Heiligen Geistes ihre Stütze 
finden! Er kennt die Bedürfnisse der Seelen, und Er kann sie 
stillen. 
214 
Der Geist als Siegel und Unterpfand 
„Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr 
versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung" (Eph 4, 30). 
„In welchem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt 
worden seid mit dem Heiligen Geiste der Verheißung, welcher 
das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes" (Eph 1, 13. 14). 
In diesen beiden Versen wird uns der Geist Gottes in zwei 
verschiedenen Charakteren vorgestellt, und zwar zunächst als 
das Siegel, das Gott allen aufdrückt, die in Wahrheit an den 
Herrn Jesum Christum glauben, und dann als das Unterpfand 
des Erbes, das die versiegelten Erben binnen kurzem besitzen 
sollen. Alle wahren Gläubigen sind mit dem Heiligen Geiste 
versiegelt. Selbstverständlich müssen wir einen Unterschied 
machen zwischen Erwecktsein und Versiegeltsein. Der Heilige 
Geist weckt tote Seelen auf, aber Er versiegelt lebendige Gläubige, d. h. Er Selbst ist das Siegel. Gott versiegelt nicht Sünder, 
die tot sind in Sünden und Übertretungen; Er erweckt sie und 
leitet sie zur Buße, und wenn sie durch die Gnade an den 
Namen Jesu, des gekreuzigten, auferstandenen und zur Rechten der Majestät in der Höhe erhobenen Herrn glauben, dann 
versiegelt Er sie, indem Er ihnen den Heiligen Geist gibt, damit Er in ihnen Wohnung mache. Er drückt ihnen gleichsam 
Seinen Stempel auf bis auf den Tag der Erlösung. 
Es ist sehr wichtig, diesen Unterschied zwischen Erweckung 
und Versiegelung klar zu verstehen! Manche finden eine große 
Schwierigkeit darin, während doch die Schrift diesen Gegenstand so klar wie möglich behandelt. Nehmen wir als Beispiel 
den ersten Abschnitt von Apg 19. Da heißt es: „Es geschah 
aber, während Apollos zuKorinth war, daß Paulus, nachdem er 
die oberen Gegenden durchzogen hatte, nach Ephesus kam. Und 
er fand etliche Jünger und sprach zu ihnen: Habt ihr den 
Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden 
seid? Sie aber sagten zu ihm: Wir haben nicht einmal gehört, 
215 
ob der Heilige Geist ist. Und er sprach: Worauf seid ihr denn 
getauft worden? Sie aber sagten: Auf die Taufe Johannes', 
Paulus aber sprach: Johannes hat mit der Taufe der Buße getauft, indem er dem Volke sagte, daß sie an den glauben sollten, der nach ihm käme, das ist an Jesum. Als sie es aber gehört hatten, wurden sie auf den Namen des Herrn Jesus getauft; und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam 
der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Sprachen und 
weissagten" (V. 1—6). 
Hier tritt mit großer Kraft und Klarheit jener Unterschied 
vor unser Auge. Hier waren zwölf Männer, die ein gewisses 
Maß von Wahrheit empfangen hatten und offenbar Jünger 
genannt werden konnten; aber sie kannten nicht die volle 
Wahrheit von einer vollendeten Erlösung, von einem auferstandenen und verherrlichten Heiland und von dem Heiligen 
Geist, als dem göttlichen Zeugen dieser herrlichen Tatsachen. 
Wir dürfen indessen nicht annehmen, daß sie niemals von 
dem Dasein des Heiligen Geistes gehört hätten. Johannes der 
Täufer, dessen Jünger sie waren, hatte von dem Heiligen Geist 
gesprochen, so daß sie diese göttliche Person kennen mußten. 
Aber er hatte nicht von Ihm reden können als von dem Siegel, 
das alle wahren Gläubigen von Gott empfangen sollten; er selbst 
kannte Ihn nicht also. Auch hatten sie nicht gehört, daß der 
Heilige Geist persönlich herniedergekommen war, um von der 
Erhöhung und Verherrlichung des Herrn Jesu der Zeuge und 
unumstößliche Beweis zu sein. 
Dennoch waren sie wahre Jünger, wirklich erweckte und 
lebendiggemachte Seelen, aber sie waren nicht versiegelt. Sie 
befanden sich praktisch im Zustande der alttestamentlichen 
Gläubigen oder der Jünger während des Lebens des Herrn auf 
dieser Erde. Obwohl der Heilige Geist am Pfingsttage herniedergekommen und seitdem tätig gewesen war, Seelen lebendig zu machen und zu versiegeln, obwohl Tausende von Juden, 
eine große Zahl der Samariter, die ganze Haushaltung des 
Hauptmanns Kornelius und viele andere den Heiligen Geist 
empfangen hatten, war es jenen zwölf Jüngern unbekannt 
geblieben. Sie hatten nicht einmal gehört, daß der Heilige Geist 
herniedergekommen war. 
216 
Hieraus geht klar hervor, daß jemand erweckt und lebendig 
gemacht sein kann, ohne versiegelt zu sein. Was von jenen 
Männern, eine Reihe von Jahren nach dem Tage der Pfingsten, 
wahr war, kann auch heute noch von manchen Seelen wahr 
sein. Wie viele von den teuren Kindern Gottes in dem weiten 
Gebiet des christlichen Bekenntnisses mögen sich in diesem 
Zustande befinden! Sie wissen nicht, was es heißt, durch den 
inwohnenden Geist mit einem auferweckten und verherrlichten 
Haupt in den Himmeln vereinigt zu sein. Sie stehen tatsächlich 
unter dem Gesetz, entbehren das gesegnete Bewußtsein eines 
festen, unerschütterlichen Friedens mit Gott und genießen 
nicht die Freiheit, womit Christus die Seinigen freigemacht hat. 
Sie befinden sich in Knechtschaft und sind mit allerlei Zweifeln und Besorgnissen erfüllt. Viele gehen ihr ganzes Leben in 
diesem beklagenswerten Zustand einher, und vielleicht erst 
auf ihrem Sterbebett empfangen sie ein klares Verständnis 
über die Wahrheit, daß Christus auferstanden und verherrlicht 
ist, und an Ihn glaubend werden sie erst dann versiegelt und 
in die herrliche Freiheit des Evangeliums Gottes gebracht. Sie 
sind während ihres ganzen Leben ihrer kostbarsten Vorrechte 
beraubt gewesen; durch Gesetzlichkeit, falsche Belehrung oder 
aus irgendeinem anderen Grunde sind sie unwissend geblieben 
über die Dinge, die uns von Gott geschenkt sind. Statt die 
gesegnete Nähe Gottes zu genießen, die das Teil aller ist, die 
einfach an den Namen Seines Sohnes Jesu Christi glauben, 
sind sie in Finsternis und in einer gewissen Entfernung von 
Ihm einhergegangen. 
Indessen wollen wir uns nicht länger bei diesem interessanten Unterschied zwischen Erweckung und Versiegelung aufhalten, sondern möchten die ernste Aufmerksamkeit des christlichen Lesers auf die inhaltsschweren Mahnworte lenken, mit 
denen wir unsere Betrachtung begannen: „Betrübet nicht den 
Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt seid auf 
den Tag der Erlösung". 
Dieses Wort setzt voraus, daß der Christ weiß, daß er mit 
dem Heiligen Geiste versiegelt ist. Alle christliche Ermahnung 
gründet sich auf die Tatsache und das Bewußtsein, daß wir 
eine christliche Stellung einnehmen und christliche Vorrechte 
genießen. Wir würden nicht den Heiligen Geist betrüben kön217 
nen, wenn Er nicht in uns wäre. Doch wenn wir uns bewußt 
sind, daß eine solche erhabene Person, wie der Heilige Geist 
Gottes es ist, in uns wohnt und unseren Leib zu Seinem Tempel gemacht hat, welch ein mächtiger Beweggrund zu einem 
heiligen Leben wird das für uns sein! Ach! wie ängstlich sollten wir besorgt sein, Ihn nicht zu betrüben! Wie sollten wir 
gegen jedes Wort, gegen jeden Gedanken und jede Tat wachen, 
die dem göttlichen Gast, der Seine Wohnung in uns aufgeschlagen hat, anstößig sein könnten! Gereiztheit, unfreundliches Wesen, unnützes Geschwätz, Leichtfertigkeit, Eigenliebe, 
Weltlichgesinntheit, das alles sollte von uns mit allem Ernst 
gerichtet werden. Wir sollten uns stets fragen, nicht ob das, 
was wir tun und reden, für uns, sondern ob es für Ihn, den 
Heiligen, mit Dem wir auf den Tag der Erlösung versiegelt 
sind, passend ist. Vieles könnte für uns vielleicht passend scheinen, während es den Heiligen Geist betrübt. Möge der Herr 
uns befähigen, Seine Worte der Ermahnung aufzunehmen und 
zu beherzigen, damit wir Seinen heiligen Namen in unserem 
täglichen Leben mehr verherrlichen! 
Es bleibt uns noch übrig, einige Worte über den Heiligen 
Geist als „Unterpfand" zu sagen. Er ist „das Unterpfand 
unseres Erbes, zur Erlösung des erworbenen Besitzes". Das 
Erbe ist erworben; der Preis ist dafür bezahlt worden. Aber es 
ist noch nicht erlöst. Hierauf warten wir, und während wir 
warten, hat uns unser Gott in Seiner bewunderungswürdigen 
Gnade das Unterpfand Seines Geistes gegeben, so daß wir des 
Erbes so sicher sind, als wenn wir es schon in Besitz hätten. 
Paulus spricht auch im 2. Brief an die Korinther von dem Heiligen Geist als Pfand. Wir lesen da Kap. 1, 21. 22: „Der uns 
aber mit euch befestigt in Christum und uns gesalbt hat, ist 
Gott, der uns auch versiegelt hat und hat das Pfand des Geistes in unsere Herzen gegeben". — Welche herrlichen Worte! 
Indessen müssen wir uns wohl hüten, die beiden Begriffe 
„Erwerben" oder „Erkaufen" und „Erlösen" miteinander zu 
verwechseln. Viele haben dies getan und sind dadurch in allerlei verhängnisvolle Irrtümer geraten. Unser Herr Jesus Christus hat das ganze Weltall erworben oder erkauft. Er hat den 
Lösepreis für das Erbe bezahlt, aber Er hat noch nicht Seine 
218 
mächtige Hand in erlösender Kraft darauf gelegt. Wir finden 
in Röm 8 eine herrliche Stelle, die mit dem vorliegenden Gegenstand in unmittelbarer Verbindung steht und unserem Verständnis darüber zu Hilfe kommt. Nachdem der Apostel gesagt 
hat, daß wir nicht einen Geist der Knechtschaft, wiederum zur 
Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft empfangen haben, 
in welchem wir „Abba, Vater!" rufen, und daß wir Erben 
Gottes und Miterben Christi sind, wenn wir anders mit Ihm 
leiden, fährt Er fort: „Denn ich halte dafür, daß die Leiden 
der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der 
zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll. 
Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die 
Offenbarung der Söhne Gottes. Denn die Schöpfung ist der 
Eitelkeit unterworfen worden auf Hoffnung, daß auch selbst 
die Schöpfung freigemacht werden wird von der Knechtschaft 
des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder 
Gottes. Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung zusammen 
seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt. Nicht 
allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge 
des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes" (V. 18— 
23). 
Sowohl in bezug auf den Leib des Gläubigen, als auch in 
betreff des Erbes ist der Lösepreis bezahlt worden, aber beide 
sind bis jetzt noch nicht erlöst; „wir seufzen in uns selbst". 
Wir sehnen uns nach der Erlösung und warten auf den Augenblick unserer Befreiung. Wir erwarten den Herrn Jesum Christum als Heiland aus den Himmeln, „der unseren Leib der 
Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem 
Leibe der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er 
vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen" (Phil 3, 20. 21). 
Welch eine herrliche Aussicht, was für eine köstliche Erwartung ! Wie erquickend für den müden, leidenden Pilger, der 
die Last seiner armen, zerfallenden Hütte fühlt! Der Herr ist 
nahe! Bald wird die Stimmes des Erzengels und die Posaune 
Gottes ertönen und das Sterbliche verschlungen werden von 
dem Leben. Bis dahin sind wir versiegelt mit dem Geiste Gottes, Der das Unterpfand ist, nicht Seiner Liebe, denn diese 
besitzen wir, sondern des Erbes, das wir erwarten. 
219 
Maria am Grabe 
In Johannes 20 finden wir ein schönes, lebendiges Beispiel 
von wahrer, ungeheuchelter Liebe zu Christo. Maria Magdalena kam „früh, als es noch finster war", zur Gruft; sie wartete nicht, bis die Sonne aufging, sondern ihre Liebe trieb sie, 
während noch die Schatten der Nacht über Jesrualem lagerten, 
nach dem einzigen Fleckchen auf der Erde, das noch Interesse 
für sie hatte. 
Sie eilte zu dem Grabe ihres Herrn. Was konnte die Welt 
ihrem Herzen noch bieten? Der Eine fehlte, Dessen gesegnete 
Person es ganz ausfüllte. Was war die Erde für sie? Nichts als 
das Grab ihres geliebten Herrn. Diesen Charakter sollte diese 
Erde auch heute noch für alle haben, die mit Jesu verbunden 
sind. Prüfen wir uns, ob sie wirklich nichts anderes für uns ist 
als das Grab Jesu. 
Doch ach! Maria findet das Grab leer. Diese Entdeckung 
erfüllt sie mit dem tiefsten Schmerz. Jetzt ist ihr, wie sie 
glaubt, alles genommen. Selbst der Leib ist verschwunden. 
Trauernd steht sie an der Gruft und weint draußen. Petrus 
und Johannes kehren nach Hause zurück, nachdem sie das 
Grab untersucht und sich überzeugt haben, daß es wirklich leer 
ist. Aber nicht so Maria. Wie konnte sie Ruhe finden, so lange 
sie nicht wußte, wo ihr geliebter Herr war? Wie rührend ist 
ihre Antwort auf die Frage der Engel, warum sie weine! „Weil 
sie meinen Herrn weggenommen", sagt sie, „und ich nicht 
weiß, wo sie ihn hingelegt haben". Es war ihr Herr, ihr geliebter Jesus, den sie verloren hatte und nach dem ihr Herz 
sich sehnte. Sie geht nicht nach Hause. Da Jesus ihr fehlt, so 
hat sie keine Heimat mehr. Mit gebrochenem Herzen steht sie 
weinend da und starrt in die leere Gruft. 
Oh, welch eine Sprache redet diese arme, in Tränen zerfließende Frau zu unseren Herzen! Findet sich auch bei uns eine 
so innige, persönliche Liebe zu dem Herrn, die durch nichts 
220 
befriedigt werden kann als durch Seine gesegnete Person 
Selbst? Wenn man uns fragte, was der allgemeine Charakterzug der gegenwärtigen Tage sei, was würden wir antworten 
müssen? Wollten wir die Wahrheit reden, so müßten wir 
sagen: „Gleichgültigkeit, ja Herzlosigkeit gegenüber der Person Christi". Wie betrübend, wie schmerzlich ist dies für jedes 
Herz, das Christum liebhat, und wieviel mehr noch für Ihn 
Selbst, der Sich um unseretwillen völlig vergaß und, um uns 
zu besitzen, „alles verkaufte, was er hatte", ja Sein eigenes, 
teures Leben dahingab! Erlaube mir die Frage, geliebter Leser: 
Was ist Christus für dich? Ist Er dein Ein und Alles, dein 
köstlichstes Teil? Richtet sich nach Ihm dein ganzes Leben, 
dein ganzes Tun und Lassen? Begehrst du, wie Paulus, Ihn zu 
erkennen und in Ihm erfunden zu werden? Achtest du um 
Seinetwillen alles für Verlust? Ach! wie klein ist die Zahl 
derer, die in Wahrheit Ihm treu ergeben sind! Es fehlt nicht 
an Erkenntnis über die göttlichen Ratschlüsse, über die Tragweite des Werkes Christi, über die Vollkommenheit unserer 
Errettung, über die Hoffnungen des Gläubigen. O nein, es 
herrscht in unseren Tagen durch die Gnade Gottes über alle 
diese Wahrheiten mehr Licht als je. Und doch sind viele Herzen so trocken, so leer und so kalt. Und weshalb? Weil die 
Person Christi nicht den Wert für sie hat, den sie für jene Frau 
hatte. Allerlei Dinge nehmen das Herz ein und lassen keinen 
Raum für Christum. Die Hoffnung, Ihn zu sehen, hat, obgleich sie bekannt wird, ihre lebendige Kraft und Frische verloren. Das Auge hat sich von Ihm abgewandt und sucht nach 
einem Ersatz in dieser Welt, einer Welt, die Ihn verworfen 
und gekreuzigt hat, die einem schrecklichen Gericht entgegengeht. Mehr als je gelten die ernsten Mahnworte des Apostels: 
„Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, 
und der Christus wird dir leuchten" (Eph 5, 14)! und: „Richtet 
auf die erschlafften Hände und die gelähmten Knie und machet 
gerade Bahn für eure Füße, auf daß nicht das Lahme vom 
Wege abgewandt, sondern vielmehr geheilt werde" (Hebr 12, 
13)! 
Doch kehren wir zu unserer Erzählung zurück. Während 
Maria noch mit den Engeln redet, tritt der Herr von hinten 
auf sie zu und fragt: „Weib, was weinst du? Wen suchst du?" 
Maria, in der Meinung, es sei der Gärtner, antwortet: „Herr, 
221 
wenn du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt 
hast, und ich werde ihn wegholen" (V. 14. 15). Beachten wir 
hier, wie die wahre Liebe die Gedanken anderer gänzlich nach 
ihren eigenen abmißt. Maria sagt nicht, wer es sei, den sie 
sucht, sondern sie spricht einfach von „Ihm". Ihre Gedanken 
sind so einzig und allein mit Jesu beschäftigt, ihr Herz ist so 
ganz von Ihm erfüllt, daß sie voraussetzt, alle anderen müßten 
wissen, um wen es sich handle. Es kommt ihr gar nicht in den 
Sinn, daß Jesus für andere weniger Wert haben könne, als für 
sie selbst. Ach, wie wenig finden wir von einer solchen Liebe 
in uns und um uns her! 
Zugleich mißt Maria auch ihre Kraft nach ihrer Liebe ab. 
„Ich werde ihn wegholen", sagt sie. Hätte sie einen Augenblick 
überlegt, so würde sie, als schwache Frau, wohl gezögert haben, 
eine solche Aufgabe zu übernehmen. Aber die Liebe überlegt 
nicht lange; für sie gibt es keine Schwierigkeiten; ihre Kraft 
liegt in ihr selbst. Und jetzt ist der Augenblick für den Herrn 
gekommen, um Sich Seiner Jüngerin zu erkennen zu geben. 
Welch ein Augenblick für Ihn und für sie! Er „ruft Sein eigenes Schaf mit Namen", und sie „hört Seine Stimme" (Joh 10). 
„Jesus spricht zu ihr: Maria! Sie wendet sich um und spricht 
zu ihm auf hebräisch: Rabbuni! das heißt: Lehrer!" 
Welche Gefühle mögen in diesem Augenblick das Herz der 
armen Frau bewegt haben! Der Herr, dessen tote Hülle sie mit 
Schmerzen gesucht hatte, stand jetzt lebend vor ihr. Er war 
auferstanden; der Tod hatte Ihn nicht behalten können. Sie 
hatte Ihn wieder, den ihre Seele liebte. Wie wichtig und bedeutungsvoll ist zugleich diese Szene für alle Zeiten! Die Geschichte des ersten Gartens mit einem gefallenen Menschenpaar, das durch die Hand eines heiligen Gottes ausgetrieben 
wurde, hat ihren Abschluß am Kreuze Jesu gefunden, und hier 
in diesem zweiten Garten finden wir einen auferstandenen Menschen und eine erlöste Frau, deren Liebe zu Seiner Person der 
Herr so hoch schätzt, daß Er sie beauftragt, Seinen Jüngern die 
wunderbarste Botschaft zu überbringen, die je über menschliche Lippen gekommen ist: „Gehe hin zu meinen Brüdern 
und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und 
eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott". 
222 
Möge der Herr in den Herzen Seines Volkes in diesen Tagen 
der Verwirrung und der geistlichen Dürre ein wahres Selbstgericht erwecken, damit sich eine völligere Hingabe an Ihn 
und ein größerer Eifer für Seine Ehre und Seine Interessen 
offenbare! 
O Jesu, daß Dein Name bliebe 
Im Grunde tief gedrücket ein! 
Macht' Deine süße Jesusliebc 
In Herz und Sinn gepräget sein! 
Im Wort, im Werk, in allem Wesen 
Sei Jesus und sonst nichts zu lesen! 
„Und ihr, seid Menschen gleich, 
die auf ihren Herrn warten ! " 
Lukas 12, 36 
Das, was die Gläubigen charakterisieren sollte, ist nicht, 
bloß an der Lehre von der Ankunft des Herrn festzuhalten, 
sondern täglich auf Ihn zu warten. Ihre Seelen sollten sich in 
dem Zustande steter Erwartung befinden, der Erwartung, Ihn 
zu sehen, bei Ihm und Ihm gleich zu sein. Und zwar nicht 
deshalb, weil diese Welt, die ihnen feindlich entgegentritt, im 
Begriff steht, gerichtet zu werden. Wir haben Gnade empfangen und warten auf Ihn, Der uns errettet hat, um dann völlig 
zu erkennen, was Er in Seiner köstlichen Person für uns ist. 
Das Gericht ist nicht der Gegenstand unserer Hoffnung und 
unserer Freude, wie dereinst für die Heiligen, die sich während 
der Zeit der großen Drangsal auf der Erde befinden werden; 
denn „jeder Streich der verhängten Rute, die Jehova auf ihn 
herabfahren läßt, ergeht unter Tamburin- und Lautenspiel" 
(Jes 30, 32). Unser Teil ist vielmehr, einfältig auf Ihn zu warten. Der ganze Wandel und Charakter eines Gläubigen hängt 
davon ab, ob er auf den Herrn wartet. Jeder sollte an uns erkennen können, daß wir nichts in dieser Welt zu tun haben, 
223 
als hindurchzugehen, daß wir kein Teil in ihr besitzen, und 
daß wir uns bekehrt haben „von den Götzenbildern zu Gott, 
dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn 
aus den Himmeln zu erwarten" (1. Thess 1, 9. 10). Zu dieser 
Hoffnung waren die Thessalonicher bekehrt worden; da sie 
einer Welt angehörten, die Gottes Sohn verworfen hatte, so 
mußten sie sich von diesen Götzenbildern abwenden, um „dem 
lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus 
den Himmeln zu erwarten." 
Was ich allen meinen Lesern recht dringend ans Herz legen 
möchte, ist, persönlich auf den Herrn zu warten, nicht die 
Lehre von Seiner Ankunft zu kennen, sondern wirklich fäglich auf Ihn zu warten. Worin auch der Wille des Herrn bestehen mag — ich werde sicher wünschen, daß Er mich bei 
Seiner Ankunft Seinen Willen tuend finden möchte. Doch das 
ist nicht die wichtigste Frage; diese lautet vielmehr: Warte ich 
auf Ihn Tag für Tag? In 1. Thess 2 wird die Hoffnung auf die 
Ankunft Christi mit dem Dienste in Verbindung gebracht: 
„Denn wer ist unsere Hoffnung, oder Freude, oder Krone des 
Ruhms? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesu bei seiner 
Ankunft?" In jenem Augenblick wird Paulus den Lohn seines 
Dienstes für die Heiligen empfangen. Dann in Kapitel 3 wird 
die Hoffnung mit unserem Wandel verbunden, als ein Beweggrund zur Heiligkeit: „Tadellos in Heiligkeit vor unserem 
Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesu mit allen 
seinen Heiligen." In Kapitel 4 endlich wird die Lehre der Hoffnung entfaltet und die Art und Weise, wie sie sich erfüllen 
wird, mitgeteilt: „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem 
Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune 
Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in 
Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir 
allezeit bei dem Herrn sein". Wir sehen aus diesen Worten, 
wie gegenwärtig die Erwartung der Ankunft des Herrn in den 
Gläubigen war. Paulus sagt: „Wir, die Lebenden, die übrigbleiben". Warum „wir"? Weil er die Ankunft damals erwartete. Das war sein Charakter damals, der Charakter eines 
Menschen, der auf seinen Herrn wartet. Und verliert er diesen 
Charakter, weil er gestorben ist, bevor der Herr kam? Nein, 
224 
durchaus nicht. Obgleich Petrus eine Offenbarung empfangen 
hatte, daß er seine Hütte ablegen sollte, so wartete er doch 
täglich auf die Ankunft des Herrn. Dies war sein Charakter 
damals und wird es auch sein, wenn der Herr kommt; er wird 
nichts durch seinen Tod verlieren. „Und ihr, seid Menschen 
gleich, die auf ihren Herrn warten!" 
Die Apostel und die Gläubigen der damaligen Zeit warteten 
gleich Knechten, die an der Haustür stehen, damit sie, wenn 
ihr Herr klopft, sogleich bereit sind, ihm zu öffnen. Dies ist 
natürlich ein Bild, aber es findet sich darin die gegenwärtige 
Kraft der Erwartung ausgedrückt. Wodurch ist der Verfall und 
das Verderben so rasch in die Kirche eingedrungen? Weil sie 
angefangen hat zu sagen: „Mein Herr verzieht zu kommen"; 
aber „glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, 
wachend finden wird!" 
„Es seien eure Lenden umgürtet und eure Lampen brennend." Bei der Tracht der damaligen Zeit war es nötig, um 
dienen zu können, die Gewänder aufzuschürzen und seine 
Lenden zu umgürten. So sollen auch wir unsere Gewänder 
nicht lose herabfallen, mit anderen Worten, unsere Gedanken, 
Gefühle und Zuneigungen nicht umherschweifen lassen, sondern stets zum Dienst bereit sein, mit wohl aufgeschürzten 
Kleidern und brennenden Lampen. Dies ist selbstverständlich 
kein Zustand der Ruhe; im Gegenteil ist es eine außerordentlich ermüdende Sache, eine lange finstere Nacht hindurch zu 
wachen. Aber in dem Geiste unseres Dienstes müssen Herz, 
Zuneigungen, Gedanken, Gefühle und Wünsche stets wohl 
umgürtet sein. Es erfordert wirklich Anstrengung, dem Fleisch 
nie zu erlauben, seinen eigenen Weg zu gehen; es ist zu Zeiten 
eine große Erleichterung, dies, wenn auch nur für einen Augenblick, zu tun; aber wenn es geschieht, werden wir sicher gleich 
den zehn Jungfrauen einschlafen. Denn so wie die Jungfrauen 
sich mit dem ö l in ihren Lampen zum Schlaf niederlegten, so 
können auch wir mit dem Heiligen Geist in unseren Herzen 
einschlummern. Doch glückselig alle Knechte, die der Herr 
wachend finden wird! Der Herr ruft uns gleichsam zu: Jetzt 
ist es an euch, umgürtet zu sein und in Liebe zu dienen und zu 
wachen; aber wenn ich wiederkomme, dann wird es an mir 
sein, mich zu umgürten und hinzutreten und euch zu bedienen 
225 
(V. 37). Ihr müßt inmitten des Bösen wohl umgürtet sein und 
wachen; aber wenn das Böse gerichtet und hinweggetan ist, 
dann mögt ihr ausruhen von eurer Arbeit. Einmal angekommen im Hause des Vaters, könnt ihr euch niederlegen und der 
Ruhe pflegen. An jenem gesegneten Orte der Reinheit und 
Heiligkeit könnt ihr eure Kleider herabwallen, eure Zuneigungen, Gedanken und Gefühle frei ausströmen lassen, ohne befürchten zu müssen, sie zu besudeln. J. N. D. 
„Bleibet in mir und ich in euch" 
Das fünfzehnte Kapitel des Evangeliums Johannes trägt vor 
allen anderen Abschnitten dieses herrlichen Buches einen ermahnenden Charakter. Es redet vom Fruchttragen und von der 
Verantwortlichkeit des Jüngers Christi; es fordert Frucht von 
einem jeden, der bekennt, ein solcher Jünger zu sein. Israel 
war vor Alters der Weinstock Gottes auf dieser Erde (vgl. 
Ps 80, 8—19) und Gott hatte Frucht an ihm gesucht, aber nichts 
gefunden als Herlinge. Aber dann kam Christus, der wahre 
Weinstock, die Quelle alles Fruchttragens; und wie Gott einst 
an Israel Frucht suchte, so sucht Er sie jetzt an einem jeden, 
der den Namen Seines Sohnes bekennt. „Wer da sagt, daß er 
in ihm bleibe, ist (infolge dieses Bekenntnisses) schuldig, selbst 
auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat" (1. Joh 2, 6). 
Von dieser Verantwortlichkeit, die aus unserem Bekenntnis 
erwächst, ist an vielen Stellen der Heiligen Schrift die Rede. 
„Ihr seid das Salz der Erde", sagt der Herr zu Seinen Jüngern, 
fügt aber dann sogleich hinzu: „Wenn aber das Salz kraftlos 
geworden ist, womit soll es gcsaLen werden? Es taugt zu nichts 
mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu 
werden". Und weiterhin: „Ihr seid das Licht der Welt: eine 
Stadt, die oben auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen 
sein" (Mt 5, 13. 14). Welche treffenden Bilder sind dies von 
der bestimmten Wirkung, die das Zeugnis von denen, die das 
Volk Gottes genannt werden, hervorbringen soll! „Denn der 
226 
Name Gottes wird eurethalben unter den Nationen gelästert", 
mußte an einige geschrieben werden, die ihrer Verantwortlichkeit nicht entsprochen hatten (Röm 2, 24), während der Apostel an die Korinther schreiben konnte: „Die ihr offenbar geworden, daß ihr ein Brief Christi seid, gekannt und gelesen 
von allen Menschen" (2. Kor 3, 2. 3). Diese Stellen reden also 
von einem Zeugnis vor den Menschen, während es sich in 
Joh 15 mehr um das Fruchttragen für Gott handelt. Aber hier 
wie dort wird der gleichen Verantwortlichkeit Ausdruck gegeben, die auf denen ruht, die das Volk Gottes in dieser Welt 
genannt werden. Es wird ein Wandel gefordert, der dem Worte 
Gottes entspricht, und zugleich Verwerfung und Gericht von 
Seiten Gottes angekündigt, wenn dieser Wandel fehlt. 
Der Landmann erwartet nicht nur Frucht von einem Teil des 
von ihm bebauten Ackers, sondern von dem ganzen Acker, 
und so richten sich auch die Forderungen Gottes an alle, die 
das Evangelium gehört haben, und vor allem an die, welche 
Seinen Namen bekennen. Alle, die sich Christen nennen und 
dadurch bekennen, Nachfolger Christi zu sein, gelten als 
Reben an dem Weinstock. Wir finden daher in Joh 15 dieselbe 
Wahrheit wieder, der in so vielen ernsten Stellen des Neuen 
Testaments Ausdruck gegeben wird, daß es nämlich unter den 
bekennenden Christen zwei bestimmt unterschiedene Klassen 
gibt: solche, die Frucht tragen, und solche, die keine Frucht 
bringen, solche, deren Wandel mit ihrem Bekenntnis in Übereinstimmung steht, und solche, die am Ende ihres Weges 
„nackt" erfunden werden. Von dieser Art ist das Gleichnis des 
Säemanns in Mt 13, wo nur eine Klasse der Hörer Frucht 
bringt, und zwar die, welche den Samen des Wortes Gottes in 
gutem Boden, d. h. in einem zubereiteten und verständnisvollen Herzen aufnehmen. Solche bringen ausnahmslos Frucht, 
aber auch nur sie. Ähnliches finden wir in den Gleichnissen 
von den Pfunden und von den Talenten (Lk 19; Mt 25); der 
eine Knecht, der am Ende dem Gericht begegnet, ist der, welcher keinen Gebrauch von seinem Pfunde oder von seinen 
Talenten gemacht hat; er hat das Geld seines Herrn nicht einmal in die Bank gegeben, damit dieser es bei seiner Rückkehr 
hätte mit Zinsen zurückfordern können. So wird auch in Kapitel 6 des Hebräerbriefes der Mensch, der von allen den Vor227 
rechten des Evangeliums abfällt, mit einem Acker verglichen, 
der nur Dornen und Disteln hervorbringt, obwohl alles an ihm 
geschehen ist, was geschehen konnte, und der deshalb „dem 
Fluche nahe und dessen Ende Verderben ist". 
In dem Kapitel, das wir betrachten, lesen wir, daß die Reben, 
die keine Frucht bringen, abgeschnitten werden, und „sie verdorren, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie 
verbrennen." Es ist sehr wichtig, zu beachten, daß in allen angeführten Stellen sich nicht ein einziger Fall findet, wo ein 
Mensch anfänglich Frucht bringt und dann fruchtleer wird; 
selbst in den beiden zuletzt genannten Kapiteln, Hebr 6 und 
Joh 15, die schon manchen Seelen Schwierigkeiten gemacht 
haben, trifft das Gericht nur solche, die in den Augen Dessen, 
Der alles sieht, keine Frucht getragen haben, absolut keine von 
Anfang bis zu Ende. „Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, 
die nimmt er weg". In einer solchen Rebe ist kein wahres 
Leben, kein Leben aus Gott. „Denn wie der Leib ohne Geist 
tot ist, so ist auch der Glaube ohne die Werke tot" (Jak 2, 26). 
Die Worte des Herrn: „Jede Rebe an mir" erfordern noch 
eine kurze Erklärung. Wir dürfen hier selbstverständlich nicht 
an jene innige, unauflösbare Verbindung denken, von der wir 
in Römer 8 und Epheser 2 lesen. Die Rebe, von der hier gesprochen wird, ist nicht in demselben Sinne „in Christo", wie 
der wahre Gläubige durch den Heiligen Geist in Ihm ist. Von 
dieser Wahrheit, daß Gott uns als in Christo betrachtet, und 
daß wir in Ihm versetzt sind in die himmlischen örter, ist an 
dieser Stelle gar nicht die Rede. Wir müssen die Stelle in 
ihrem Zusammenhang lesen. Der Herr gebraucht das Gleichnis 
des Weinstocks, um ein Bild von dem zu geben, was auf der 
Erde vorging, ein Bild von dem äußeren Bekenntnis oder von 
der Jüngerschaft. Alle, die bekennen, Christo nachzufolgen, 
befinden sich in dem hier besprochenen Verhältnis, sie sind 
Reben an dem Weinstock. Jeder aber, der nicht in Christo 
bleibt, in dem sich keine lebendige Wirklichkeit, keine wahre 
Abhängigkeit von Christo findet, wird weggeworfen wie die 
Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins 
Feuer, und sie verbrennen: gleichwie der Baum, der keine 
Frucht bringt, abgehauen und ins Feuer geworfen wird. Das 
Feuer ist bekanntlich ein Bild von Gericht und Verdammnis. 
228 
Doch die wahre Rebe, die in unmittelbarer Lebensverbindung mit Christo, dem Weinstock, steht und in Ihm bleibt, 
bringt Frucht und wird von dem Vater gereinigt, auf daß sie 
mehr Frucht bringe. Wie köstlich ist es, zu wissen, daß der 
Vater der Ackerbauer ist, daß Er, Der uns so vollkommen liebt, 
das Messer in der Hand hält, um alles Überflüssige, alles Unnütze, alles, was keine Frucht bringt sondern vielmehr die 
Rebe hindert, Frucht zu tragen, wegzuschneiden! Die fruchttragende Rebe selbst kann nicht weggeschnitten werden, sie 
bleibt im Weinstock, in Christo. Doch es möchte gefragt werden: Wenn die gute Rebe nicht weggeschnitten werden kann, 
warum dann die Ermahnung: „Bleibet in mir?" — Weil es 
möglich ist, daß ich, obwohl ich eine gute Rebe an dem wahren 
Weinstock bin, in meinem praktischen Wandel diesen Platz 
aus dem Auge verliere, d. h., daß ich aufhöre, in der fortgesetzten, innigen Gemeinschaft mit Christo und in der steten 
Abhängigkeit von Ihm voranzugehen. Und was ist dann die 
Folge? Sie ist von der traurigsten Art: ich bringe keine Frucht 
für den Ackerbauer. Denn „außer mir könnt ihr nichts tun", 
sagt der Herr; „gleichwie die Rebe nicht von sich selbst Frucht 
bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr 
nicht, ihr bleibet denn in mir." Ach, wie viele wahre Reben, 
die in lebendige Verbindung mit dem wahren Weinstock gebracht sind, gehen monatelang und jahrelang dahin, ohne viel 
Frucht zu bringen! Obwohl sie ihrer Stellung nach „in Christo" 
sind, nehmen sie in ihrem praktischen Leben diesen Platz nicht 
ein, und deshalb sind sie ohne Kraft und unfähig, Frucht zu 
bringen; denn alle Kraft liegt in Ihm verborgen. Statt daß der 
Vater durch sie verherrlicht würde, wird Er vielmehr verunehrt. 
Doch was sind die Folgen, wenn wir in Christo bleiben? Sie 
sind ebenso herrlich und köstlich, wie sie im umgekehrten Fall 
traurig sind. „Bleibet in mir, und ich in euch". Das ist die erste 
Folge: Christus in uns. Wenn wir in Ihm bleiben, so ist Sein 
Leben und Seine Kraft tätig in uns, ja Er Selbst ist in uns in 
gefühlter Gemeinschaft. Etwas ähnliches finden wir in Kapitel 
14 in den Worten: „Wer mich liebt, der wird von meinem 
Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich selbst 
ihm offenbar machen", und: „Wenn jemand mich liebt, so 
wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, 
229 
und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm 
machen"; und ferner: „Wenn jemand meine Stimme hört und 
die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen und das Abendbrot 
mit ihm essen und er mit mir" (Offb 3, 20). Wir können nicht 
Christum in unsere Herzen bringen, aber wir können in Ihm 
bleiben, und dann ist Er in uns; diese beiden Dinge gehen 
stets miteinander. Doch dies ist noch nicht alles. Wenn wir in 
Christo bleiben, hat das nicht nur den Genuß der köstlichsten 
Herzensgemeinschaft mit Ihm zur Folge, sondern gibt sich auch 
äußerlich kund. „Wer in mir bleibt und ich in ihm, dieser 
bringt viel Frucht, denn außer mir könnt ihr nichts tun". Welch 
eine stete und völlige Abhängigkeit, aber auch welch eine 
innige Gemeinschaft ist unser Teil! Welch eine Kraft fließt aus 
dieser Gemeinschaft hervor! Durch Ihn können wir alles tun. 
Paulus vermochte alles durch Den, Der ihn kräftigte. Ohne Ihn 
können wir nichts tun. Erfüllt dies nicht unsere Herzen mit 
tiefer, seliger Freude? Ist es nicht köstlich, so gänzlich auf Ihn 
geworfen zu sein? Aber ach! wie oft vergessen wir diese völlige Abhängigkeit, und dann bedürfen wir der Zucht, um wieder daran erinnert zu werden. Denn wenn wir nicht abhängig 
sind, können wir keine Frucht bringen. Wir wandeln durch 
Glauben, nicht durch Schauen. 
Doch es gibt hier noch etwas anderes, worauf ich aufmerksam machen möchte. Unter dem Gesetz wurde von dem Menschen Frucht gefordert, und wir wissen, daß er dieser Forderung nicht entsprechen konnte. Der Mensch im Fleische kann 
keine Gott wohlgefällige Frucht bringen, er ist ganz und gar 
unfähig dazu. Selbst unter der Gnade vermag er es nicht. Gott 
weiß dies, und deshalb forderte Er keine Frucht mehr von dem 
Menschen. Würde Er es tun, dann wäre der Mensch heute 
ebenso völlig verloren, wie einst unter dem Gesetz. Selbst 
nachdem wir geglaubt haben und des Lebens aus Gott teilhaftig geworden sind, sind wir unfähig, aus eigener Kraft 
Frucht zu bringen. Würde Gott an uns die Forderung stellen: 
„Bringt Frucht!" so würden wir einer völligen Unmöglichkeit 
gegenüberstehen. Woher sollten wir die Kraft, woher die 
Fähigkeit nehmen, die verlangte Frucht hervorzubringen? Doch 
was sagt Gott? „Bleibet in Christo, dann werdet ihr viel Frucht 
bringen, und ich werde verherrlicht werden". Wie überaus 
herrlich ist das! Gott wünscht Frucht von Seinen Kindern zu 
230 
sehen, und da sie unfähig sind, Frucht zu bringen, hat Er ihnen 
in Seinem Geliebten eine unerschöpfliche Quelle der Kraft, des 
Lebens, der Weisheit, ja von allem gegeben, was sie je nötig 
haben. Wo diese Wahrheit wirklich verstanden und genossen 
wird, erfüllt sie das Herz mit unaussprechlicher Freude und 
unerschütterlichem Frieden und befähigt zugleich zu einem 
Gott wohlgefälligen, fruchtreichen Leben. Habe ich Kraft nötig? 
In Christo ist die Fülle von Kraft. Brauche ich Weisheit? In 
Christo ist wahre, göttliche Weisheit. Kurz, auf alle meine 
Bedürfnisse gibt es die eine, völlig genügende Antwort: „Christus". Ist mein Auge auf Ihn gerichtet, pflegt mein Herz eine 
stete, innige Gemeinschaft mit Ihm, so bin ich fähig, „gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht Seiner Herrlichkeit, würdig 
des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten 
Werke fruchtbringend" (Kol 1, 10. 11). „Wir alle aber, mit 
aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn (nicht uns, 
oder unsere Schwachheit) anschauend, werden verwandelt 
(nicht dereinst, wenn der Herr kommt, darum handelt es sich 
hier gar nicht, sondern jetzt, hienieden) nach demselben Bilde 
von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den 
Geist" (2. Kor 3, 18). 
Ach! wie viele Tausende der teuren Kinder Gottes mühen 
sich Tag für Tag rastlos ab, Gott aus eigener Kraft Frucht zu 
bringen! Aber statt dem Ziele näher zu kommen, sehen sie es 
täglich weiter entschwinden. Statt Fortschritte zu machen, erkennen sie mehr und mehr, daß sie das Gute, das sie wollen, 
nicht tun, während sie das Böse, das sie nicht wollen, ausüben. 
Woher kommt dies? Weil sie etwas tun wollen, was Gott gar 
nicht von ihnen fordert und was sie gar nicht zu tun vermögen: 
Frucht bringen aus ihrer eigenen Kraft. Gott muß sie darum 
zuschanden werden lassen. Statt sich selbst zu vergessen, und 
sich zu betrachten, wie Gott sie betrachtet, als völlig wertlos 
und unfähig zu irgend etwas Gutem, ja mehr als das, als gerichtet und gestorben mit Christo auf dem Kreuze, sind sie mit 
ihrem eigenen Ich und mit ihrem eigenen Tun beschäftigt. Statt 
mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anzuschauen, sich in Ihn zu versenken und auf diese Weise Seine 
Kraft in ihre Herzen einströmen zu lassen, betrachten sie sich 
und ihre Schwachheit. Wie töricht ist das! Kann ein Lahmer 
dadurch Kraft gewinnen, daß er unaufhörlich seine gelähmten 
231 
Beine betrachtet und darüber wehklagt, daß sie ihm nicht gehorchen wollen? Unmöglich. Soll ihm Hilfe gebracht werden, 
dann muß sie von einem anderen außer ihm kommen. 
Geradeso ist es mit dem Gläubigen. Die Kraft zum Wandel 
und Leben liegt außer ihm, in Christo, und darum die Ermahnung: „Bleibet in mir!" Sein Leben ist ein Leben des Glaubens. 
Ein schönes Vorbild von einem solchen Leben sehen wir in 
Paulus, dem treuen Knecht des Herrn. Er konnte sagen: „Was 
ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch 
den an den Sohn Gottes" (Gal 2, 20). Sich mit mir selbst beschäftigen ist kein Glaube. Ich denke dann an mich, dazu ist 
kein Glaube nötig. Das eigene Ich ist mein Gegenstand; vielleicht bin ich beunruhigt, indem ich fühle, daß ich mich in 
Knechtschaft befinde, vielleicht auch gehe ich in Selbstgefälligkeit einher und bin mit einem Tun recht zufrieden, in beiden 
Fällen aber wandle ich nicht durch Glauben, sondern vielmehr 
durch meine Gefühle. Ist der Glaube in mir wirksam, so habe 
ich Christum zu meinem Gegenstande — Er ist es, auf den ich 
mich stütze — nicht aber mich selbst oder meine Gefühle, 
mögen sie nun gut oder schlecht sein. Selbst die Segnungen, 
die der Herr uns gibt, können, wenn wir nicht wachsam sind, 
zu einem Anlaß werden, Seine Person aus den Augen zu verlieren. Wir sind so leicht geneigt, in den Segnungen zu ruhen 
und dann die Gemeinschaft und Gewissensübung zu verlieren, 
die aus einer täglichen, wahren Abhängigkeit von Christo hervorfließen. „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller 
Freude und allem Frieden im Glauben" — d, h. in der Übung 
des Glaubens. Durch Schauen wandeln ist unsere stete Versuchung, durch Glauben wandeln heißt: überwinden durch die 
Macht Gottes. „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden 
hat: unser Glaube" (1. Joh 5, 4). 
„Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, 
so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen" (Vers 7). Hier heißt es nicht mehr: „Wenn ihr in mir 
bleibt und ich in euch", sondern: „und meine Worte in euch 
bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt usw." Das heißt, 
hier ist Gehorsam und Einsicht in die Gedanken Christi vorhanden. Wenn Seine Worte in uns bleiben, so wird unser 
Wille mit Seinem Willen in Übereinstimmung sein, wir werden 
232 
nichts anderes bitten, als was Er will; „und dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, daß, wenn wir etwas nach 
seinem Willen bitten, er uns hört'' (1. Joh 5, 14). Es ist also 
möglich, die Gedanken und den Willen Gottes zu kennen und 
das inbrünstige Gebet eines Gerechten zu beten, welches viel 
vermag. Aber um dies zu können, müssen wir den Fußtapfen 
Christi nachfolgen, Der nie Sich Selbst gefiel. Das Vertrauen 
des Herzens muß auf Gott gestützt sein und Sein Wort muß 
in uns bleiben, d. h. die einzige Richtschnur für unseren Wandel, für unser Tun und Lassen bilden. Nur Einer war auf 
dieser Erde, der sagen konnte: „Ich weiß, daß du mich allezeit 
erhörst"; aber wir sind ermahnt, des Beispiels des Elias zu 
gedenken, der „ein Mensch war von gleichen Gemütsbewegungen wie wir, und er betete mit Gebet, daß es nicht regnen 
sollte, und es regnete nicht auf der Erde drei Jahre und sechs 
Monate. Und wiederum betete er, und der Himmel gab Regen, 
und die Erde brachte ihre Frucht hervor". Zugleich aber dürfen 
wir nie vergessen, daß ein wirkungsvolles Gebet stets einen 
gereinigten Herzenszustand voraussetzt. „Geliebte, wenn unser 
Herz uns nicht verurteilt, so haben wir Freimütigkeit zu Gott, 
und was irgend wir bitten, empfangen wir von ihm, weil wir 
seine Gebote halten und das vor ihm Wohlgefällige tun" 
(1. Joh 3, 21. 22). 
„Hierin wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel Frucht 
bringet, und ihr werdet meine Jünger sein" (V. 8). Der Herr 
spricht hier von Seinem Vater, Dessen Willen zu tun Er gekommen war und den Er Seinen Jüngern geoffenbart hatte. 
Die Jünger waren die Frucht Seines Werkes, und wenn sie 
durch die Gnade Christi viel Frucht brachten, so wurde der 
Vater verherrlicht. Dasselbe gilt heute von uns. Christus ist, 
nachdem Er Sein Zeugnis auf Erden vollendet hatte, zum Vater 
zurückgekehrt, und wir sind zurückgelassen, um gleichsam an 
Seiner Stelle die Zeugen Gottes auf Erden zu sein. Sind wir 
nun treue Zeugen, so wie Er es war, und bringen wir viel 
Frucht, so wird der Vater durch uns verherrlicht, und wir sind 
unserem Herrn und Meister nach unserem Maße ähnlich: „Ihr 
werdet meine Jünger sein". Wie köstlich ist es, auf diese Weise 
gewürdigt zu sein, an dem Werke Gottes und Seines Sohnes 
teilzunehmen! Hier ist nicht die Rede von unserer Gemeinschaft mit dem Vater, von unserem Verhältnis als Söhne, son233 
dem wir werden als Jünger und Knechte betrachtet, dennoch 
aber Freunde genannt und als Freunde behandelt. Von diesem 
Standpunkt aus müssen wir die Gnade unseres Herrn bewundern, die Ihn so zu uns reden läßt. Er ladet uns ein, Sein Werk 
zu treiben, und rechnet auf das Interesse unserer Herzen an 
dem Werk, das zur Verherrlichung des Vaters dient, und — 
beachten wir es wohl! — dies alles in unmittelbarer Verbindung mit dem Ende von Kapitel 13, wo Er zu Petrus sagen 
muß: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: der Hahn wird nicht 
krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast". Einem solchen 
Herrn dürfen wir vertrauen. Welch eine anbetungswürdige 
Gnade gibt sich in Seinen Worten kund! Noch wenige Stunden, und die armen, schwachen Schafe sollten Ihn verlassen 
und würden fliehen. Der Herr wußte dies, und dennoch ist Er 
hier nur beschäftigt, ihnen Seine Liebe mitzuteilen und sie in 
der Wahrheit aufzuerbauen. Er kannte ihre Herzen, aber Er 
war der gute Hirte Seiner Schafe, und „da er die Seinigen, die 
in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende". 
Weiter redet der Herr zu den Jüngern von Seiner Liebe und 
versetzt sie in den Kreis göttlicher Zuneigung. „Gleichwie der 
Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt" — ein wunderbarer Vergleich, auf dem unsere Herzen mit Wonne ruhen 
können — „bleibet in meiner Liebe". Wie wir in Ihm bleiben 
sollen, so sollen wir auch in Seiner Liebe bleiben, in diesem 
lieblichen Ruheplatz der Seele auf der beschwerlichen Reise 
durch diese Welt. Doch wie können wir in Seiner Liebe bleiben? Wenn wir Seine Gebote halten. Tun wir das, was Ihm 
wohlgefällt, wandeln wir in dem Pfade des Gehorsams, so erfahren und genießen wir Seine Liebe in unseren Herzen, so 
wie Jesus Selbst die Gebote Seines Vaters hielt und in Seiner 
Liebe blieb — ein Beweis von der wunderbaren und gesegneten 
Wirklichkeit Seines Pfades der Abhängigkeit und des Gehorsams, obwohl Er Sohn war. Es war Seine Freude, Sein Trank 
und Seine Speise, den Willen Dessen zu tun, Der Ihn gesandt 
hatte, und Sein Werk zu vollbringen (Joh 4, 34). Und Er will, 
daß wir ebenfalls diese Freude genießen sollen. „Dies habe ich 
zu euch geredet, auf daß meine Freude in euch sei, und eure 
Freude völlig werde" (V. 11). Der Herr wolle in Seiner Gnade 
geben, daß wir in Wahrheit in Seiner Liebe bleiben, indem wir 
234 
Seine Gebote erfüllen und das vor Ihm Wohlgefällige tun! 
Dann wird Seine Freude und Sein Friede in unserem Herzen 
wohnen; unser Pfad wird ein glücklicher und gesegneter sein 
und zur Verherrlichung des Vaters gereichen. 
Was ist die Vergebung im Evangelium ? 
Es gibt wohl kaum einen Punkt, über den unter vielen, die 
sich Christen nennen, weniger Verständnis herrscht, als über 
die Vergebung der Sünden. Insbesondere sind es zwei Klassen 
von Personen, die sich über diesen Gegenstand täuschen. Die 
einen meinen, Gott sei so gütig, daß Er am Ende über alles, 
was sie getan haben, hinweggehen werde. Nach ihren Gedanken ist die Güte Gottes so groß, daß sie Ihn gleichgültig gegen 
die Sünde macht und Ihn alles vergeben läßt. Sie vergessen, 
daß Gott gerecht und heilig ist, und daß Er von den Menschen 
Rechenschaft fordern wird über alle ihre Worte und Werke, 
wie dies die folgenden Schriftstellen klar bezeugen: „Ich sage 
euch aber, daß von jedem unnützen Wort, das irgend die Menschen reden werden, sie von demselben Rechenschaft geben 
werden am Tage des Gerichts" (Mt 12, 36). „An dem Tage, da 
Gott das Verborgene der Menschen richten wird durch Jesum 
Christum" (Röm 2, 16). „Denn dieses wisset und erkennet ihr, 
daß kein Hurer oder Unreiner oder Habsüchtiger (der ein Götzendiener ist), Erbteil hat an dem Reiche Christi und Gottes. 
Niemand verführe euch mit eitlen Worten; denn dieser Dinge 
wegen kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams" (Eph 5, 5. 6). „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten 
seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen wider alle und 
völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von 
all den harten Worten, welche gottlose Sünder wider ihn geredet haben" (Judas 14, 15). „Und die Toten wurden gerichtet 
nach dem, was in den Büchern geschrieben war, nach ihren 
Werken" (Offb 20, 12. 13). 
235 
Dagegen gibt es andere, und zwar aufrichtige Seelen, die in 
Unruhe sind, weil sie fühlen, daß ihre, Sünden sie vor Gott 
verdammen. Sie erkennen sich in Seinem Licht als gottlose 
Geschöpfe und denken deshalb, Gott sei zu gerecht, als daß Er 
solchen, wie sie sind, vergeben könne. Diesen Seelen kommt 
Gott entgegen; Er läßt sie nicht in diesem Zustande. Er läßt 
ihnen durch das Evangelium verkündigen, daß Er nicht allein 
gerecht, sondern auch die Liebe ist, und daß Er in Christo, 
Seinem Sohne, dem Sünder vergibt. Aber gerade für diese 
Seelen ist es wichtig, zu verstehen, was die Vergebung Gottes 
ist. 
Gott vergibt ohne Zweifel, weil Er gütig ist. Aber Seine 
Güte und Liebe konnten nicht eher ungehindert ausströmen, 
bevor Seine Gerechtigkeit hinsichtlich der Sünde durch das 
Versöhnungswerk Christi völlig befriedigt war. Nachdem dies 
geschehen ist, ist Gott gerecht, wenn Er den rechtfertigt, der 
des Glaubens an Jesum ist (Röm 3, 26), weil die furchtbare 
Schuld, die der Mensch Gott gegenüber hatte, durch den Tod 
des Heilandes bezahlt worden ist. So hat also der Gläubige 
nicht allein die Vergebung, sondern auch die Rechtfertigung. 
Gerade weil Gott gerecht ist, vergibt Er dem, der an Jesum 
glaubt, alle seine Sünden. Es ist sehr wichtig, zu verstehen, 
daß die Vergebung Gottes, wie das Evangelium sie lehrt, der 
Ausfluß Seiner Gerechtigkeit ist, und nicht jener vermeintlichen Güte, die sich um das Böse nicht kümmert. 
Es war die Güte und Liebe Gottes, die den Heiland gab; und 
dieser hat auf dem Kreuz alles erduldet, was unsere Sünden 
verdient hatten: „Er ist um unserer Übertretungen willen verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen ist er zerschlagen; die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch 
seine Striemen ist uns Heilung geworden" (Jes 53, 5). „Welcher selbst unsere Sünden an seinem Leibe auf dem Holze getragen hat" (1. Petr 2, 24). „Den, der Sünde nicht kannte, hat 
er für uns zur Sünde gemacht" (2. Kor 5, 21). „Christus ist 
einmal geopfert, um vieler Sünden zu tragen" (Hebr 9, 28). 
„Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr 
gedenken" (Hebr 10, 17). 
Wie handelt nun Gott gegen mich, wenn ich an Den glaube, 
Der alles für mich getan hat? Er rechtfertigt mich, Er vergibt 
mir alles. Und warum? Weil Christus alle Schuld bezahlt hat. 
236 
Es ist also zwischen Gott und Christo eine Sache der Gerechtigkeit, mir zu vergeben und mich zu rechtfertigen. Dagegen 
zwischen Christo und mir, wie auch zwischen Gott und mir, ist 
es eine Sache der Gnade. Christus hat alles bezahlt, als ich 
zahlungsunfähig und ruiniert war. Darum ist Gott gerecht, 
wenn Er mich rechtfertigt, weil ich an Den glaube, Der alles 
für mich bezahlt hat. 
Ich führe ein einfaches Beispiel an, um diese Wahrheit anschaulicher zu machen. Nehmen wir an, ich schuldete einem 
Manne tausend Mark, wäre aber völlig ruiniert und könnte 
ihm keinen Pfennig geben. Mein Gläubiger will aber bezahlt 
sein, andernfalls ist er entschlossen, mich ins Gefängnis werfen zu lassen, bis meine Schuld getilgt ist. Ich bin in Verzweiflung. Kein Entrinnen ist mehr möglich. Da hört ein 
reicher Mann von meiner traurigen Lage und, von Mitleid bewegt, geht er zu meinem Gläubiger und bezahlt ihm meine 
ganze Schuld. Nachdem er Quittung empfangen hat, kommt 
er zu mir und überreicht sie mir mit den Worten: „Das Mitleid für dich hat mich getrieben, alles für dich zu bezahlen; 
hier ist die Quittung!" Und nun frage ich: „War es von seiten 
meines Gläubigers, nachdem er die Summe empfangen hatte, 
ein Akt der Gnade oder der Gerechtigkeit, daß er meinem 
Wohltäter Quittung erteilte? Ohne Zweifel ein Akt der Gerechtigkeit. Aber wenn nun mein Wohltäter zu mir kommt 
und mir die Quittung übergibt, ist das mir gegenüber von 
seiner Seite ein Akt der Gerechtigkeit oder der Gnade? Es ist 
ein Akt reiner Gnade; denn er schuldete mir nichts und ist 
freiwillig in meine Verbindlichkeit und an meine Stelle getreten. Mein Gläubiger aber handelt nur nach Gerechtigkeit, 
indem er mich meiner Verpflichtungen für entbunden erklärt, 
so daß ich vor ihm als früherer Schuldner gerechtfertigt stehe. 
Auf einem solchen Grunde, geliebter Leser, habe ich jetzt Frieden mit Gott! Und mehr noch: das Evangelium sagt mir, daß 
gerade mein Gläubiger, Gott, es ist, der mir den Wohltäter, 
Christum, verschafft hat. Und Christus hat Seine eigene Person als Zahlung gegeben, um meine Schuld zu tilgen. 
Ich kann in aller Ehrerbietung sagen, daß Gott Christo gegenüber schuldig ist, mich zu rechtfertigen, wenn ich an Jesum 
glaube. Zwischen Gott und Christo ist es also eine Sache der 
237 
Gerechtigkeit, zwischen Christo und mir eine Sache der Gnade. 
Aber auch zwischen Gott und mir ist es Gnade und Liebe; 
denn Er hat mir diesen Heiland gegeben. 
Alles, was Gott tut, muß notwendigerweise der Gerechtigkeit entsprechen, sonst würde Er Sich Selbst verleugnen. Wenn 
Gott den rechtfertigt, der an Jesum glaubt, so muß Er darin 
nicht nur einen Akt der Gnade, sondern auch der Gerechtigkeit 
vollziehen können; ebenso wie es ein Akt der Gerechtigkeit 
sein wird, wenn Er an jenem schrecklichen Tage, wo die Bücher 
aufgetan und diejenigen, die vor dem Throne erscheinen, gerichtet werden nach ihren Werken, alle diejenigen in den Feuersee werfen wird, die mit ihrer Sündenschuld auf ihrer eigenen 
Rechnung erfunden werden (Offb 20, 11—15). 
Gott handelt meinem Nächsten gegenüber nicht ungerecht, 
wenn Er mir vergibt und mich rechtfertigt, weil ich an Jesum 
glaube; und ebenso wenig handelt Er ungerecht gegen Sich 
Selbst. Wenn Gott am Ende mit Stillschweigen über das Böse, 
das ich begangen habe, hinweggehen und mich mittels jener 
vermeintlichen Güte in den Himmel einführen würde, während 
Er zugleich meinen Nächsten nach seinen Werken richtete und 
ihn der Hölle übergäbe, würde Er dann gerecht sein? Gewiß 
nicht! Und doch denkt man sich so im allgemeinen das Seligwerden. Wenn Gott auf diese Weise vergeben wollte, dann 
wäre kein Heiland nötig. Aber gerade die Tatsache, daß Er 
einen Heiland gegeben hat, der Sein Leben gab als Lösegeld 
für viele, beweist, daß Gott nicht nach der Weise, wie es sich 
die Menschen denken, vergeben kann. 
Wieder andere denken, daß, weil Christus gekommen sei, 
um für Sünder zu sterben, sie nun auch errettet seien, ob sie 
sich um Ihn bekümmern oder nicht. Ein solches Evangelium 
kennt aber das Wort Gottes nicht. Das wahre Evangelium 
wendet sich, wie wir sogleich sehen werden, nicht einmal mit 
den Worten an einen Ungläubigen: Christus hat alle deine 
Sünden getragen, du hast nur zu glauben, und alles ist in Ordnung. Wohl ist es wahr, daß Gott einem jeden vergibt, der in 
Wahrheit an Jesum glaubt, weil Er wirklich alles bezahlt hat. 
Aber hat Er alles bezahlt für diejenigen, die nicht glauben, 
wenn sie in ihrem Unglauben sterben? Sicherlich nicht; sie 
werden am Ende sich mit ihren Sünden der Gerechtigkeit 
238 
Gottes gegenüber befinden. Wenn Christus ihre Schuld bezahlt hätte, so würde Gott ungerecht sein, wenn Er sie nach 
ihren Werken richtete. 
Was sagt denn nun das wahre Evangelium? — Es sagt, daß 
jetzt die Gerechtigkeit Gottes (die, welche rechtfertigt) geoffenbart ist: „Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesum 
Christum gegen alle und auf alle, die da glauben" (Röm 3, 22). 
„Gegen alle" bezeichnet die Gnadenabsicht Gottes für alle; da 
ist niemand ausgeschlossen. „Auf alle, die da glauben", bezeichnet die Zueignung durch den Glauben. „Also hat Gott die 
Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, (nicht, damit die Welt nicht verloren gehe, sondern) auf daß jeder, der 
an ihn glaubt, nicht verloren gehe" (Joh 3, 16). In dieser Stelle 
sehen wir deutlich die Gnadenabsicht Gottes in bezug auf 
einen jeden, jeder darf kommen, keiner ist ausgeschlossen; 
zugleich aber wird auch der Notwendigkeit des Glaubens — 
„jeder, der an Ihn glaubt" — bestimmt Ausdruck gegeben. 
Jesus kam in die Welt, um Sünder zu erretten; aber als Er zu 
diesem Zwecke hienieden war, mußte Er zu den meisten von 
ihnen sagen: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, auf daß ihr das 
Leben habet" . In 1. Tim 1 und 2 lesen wir, daß der HeilandGott will, daß alle Menschen errettet werden, und daß Jesus 
Sich Selbst gegeben hat als Lösegeld für alle. Aber nicht alle 
wollen sich erretten lassen, sondern sie hassen diesen Jesus, 
Der Sich zum Lösegeld für alle dahingab. Die Schrift ist voll 
von Beweisen dieser Art. Es sei mir erlaubt, zur näheren Erläuterung des Gesagten nochmals ein Gleichnis anzuführen: 
Alle Einwohner eines Dorfes sind ruiniert und stehen auf 
dem Punkte, von Haus und Hof verjagt zu werden. Doch ein 
reicher, menschenfreundlicher Mann hat Erbarmen mit ihnen 
und beschließt, sie zu retten. Er hinterlegt deshalb bei dem 
Richter eine Summe, groß genug, um die Schuld jedes Einzelnen zu decken, und sagt: „Hier ist die nötige Summe zur Befreiung aller dieser armen Leute; jeder, der kommt und seinen 
Namen in diese Liste einschreibt, soll so viel erhalten, wie er 
nötig hat." — Aber ach! Die meisten jener Leute sind, obwohl 
sie arm und völlig ruiniert sind, dennoch zu stolz, sich durch 
das Einschreiben ihrer Namen als ruiniert zu bekennen. So 
verlieren sie denn die für alle hinterlegte Summe, und ihre 
Schuld bleibt auf ihnen lasten. 
239 
Ähnlich verhält es sich mit dem Evangelium. Es ruft allen 
Menschen ohne Ausnahme zu: Kommt! Gott ist durch das 
Sühnopfer Christi hinsichtlich der Sünde vollkommen verherrlicht, und niemand, der zu Ihm kommt, wird zurückgewiesen. 
Deshalb kommt! Einige achten auf diesen Ruf; sie kommen, 
gerührt durch diese erbarmungsreiche Liebe, und glauben wirklich an Christum, den Heiland. Zu diesen sagt das Evangelium 
dann weiter: Wisset, daß Christus vom Himmel herniedergekommen ist, um alle eure Sünden hinwegzunehmen. Er ist euer 
Stellvertreter geworden auf dem Kreuz, Er hat alles für euch 
bezahlt, und Gott ist gerecht, indem Er Euch rechtfertigt, weil 
ihr an Jesum glaubt. Wisset, daß der ganze Wert des Werkes 
Christi jetzt das Eigentum eures Glaubens wird. Ihr seid abgewaschen von allen euren Sünden und passend gemacht für 
den Himmel! 
Beachten wir wohl, welch einen bestimmten Unterschied das 
Wort macht zwischen Stellvertretung und Sühnung. Die Sühnung oder das Sühnopfer ist für alle Menschen vorhanden, 
aber die Stellvertretung ist nur für die Gläubigen. Es ist sehr 
wichtig, dies zu unterscheiden. 
Es könnte dem Gesagten noch vieles hinzugefügt werden 
für die Gläubigen, bezüglich der Ratschlüsse Gottes über sie in 
Christo, sowie ihrer neuen Stellung in Ihm vor Gott; doch ist 
das hier nicht unser Gegenstand. Möchten sie immer mehr erkennen und sich darüber freuen, daß sie vor Gott, hinsichtlich 
der Vergebung ihrer Sünden und ihrer Rechtfertigung, auf 
dem Boden stehen, der mit den Worten bezeichnet ist: „Gott 
ist gerecht und rechtfertigt den, der des Glaubens an Jesum 
ist" (Röm 3, 26). Und jeder Leser dieser Zeilen, der noch nicht 
an Jesum, den Heiland der Sünder glaubt, oder der denkt, keinen 
Heiland nötig zu haben, möchte er sich doch daran erinnern, 
daß „wer dem Sohne nicht glaubt, das Leben nicht sehen wird, 
sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm" (Joh 3, 36). Vor dem 
großen weißen Thron des Gerichts (Offb 20, 11—15) wirst du, 
wer du auch seiest deine Sünden auf deiner Rechnung finden, 
wenn du das Heil, das dir in Christo angeboten wird, zurückweisest. Heute noch ruft Gott dir zu: „Komm, glaube, und du 
wirst errettet werden". Dann aber wird Er dir sagen müssen: 
„Gehe hin in das ewige Feuer!" Und an diesem schrecklichen 
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Orte wirst du die ewige Strafe für deine Sünden empfangen, 
weil du die Errettung nicht annehmen wolltest, die Gott dir so 
frei und bedingungslos angeboten hat. Darum komm noch 
heute zu Christo, als deinem Heilande, damit du nicht vor Ihm 
als deinem Richter erscheinen mußt! 
Ein kurzes Wort über das Abendmahl 
des Herrn 
(Auszug aus einem Brief) 
. . . Wenn man das Abendmahl als ein bloßes Gedächtnis 
an den abwesenden Herrn betrachtet, dann geht der wahre, 
wesentliche und eigentümliche Charakter dieser Einrichtung, 
und ihr köstlicher Wert gänzlich verloren. Ich möchte deshalb 
so klar und unzweideutig, wie es mir möglich ist, die Lehre des 
Wortes über diesen so wichtigen Punkt darlegen. 
Zunächst glaube ich nach Mt 26, 26—30, daß die Hauptsache, 
und zwar eine vor 1800 Jahren ein für allemal vollbrachte Tatsache, die uns im Abendmahl dargestellt wird, der Tod des 
Herrn ist, Christus Selbst in Seinem Tode als Gegenstand des 
Andenkens, des Genusses und der Anbetung unserer Herzen. 
Wohl ist der für uns gestorbene Christus jetzt lebend für uns 
und verherrlicht in den Himmeln, von wo Er bald zurückkommen wird, und wir leben mit Ihm, dem Auferstandenen, sind 
verbunden und haben Gemeinschaft mit Ihm in dieser Seiner 
jetzigen Stellung. Aber in diesem Charakter stellt uns das 
Abendmahl den Herrn nicht vor, sondern vielmehr in Seinem 
leidensvollen Tode, d. h. in einer Stellung, in welcher Er einst 
war, aber jetzt nicht mehr ist. Indem wir nun das Brot, die 
Gemeinschaft Seines für uns gegebenen Leibes, essen, und den 
Kelch, die Gemeinschaft Seines für uns vergossenen Blutes, 
trinken, genießen wir durch die Kraft des Geistes Ihn Selbst 
in Seiner Dahingabe, indem wir die Gemeinschaft und den 
Segen Seines Todes in unseren Seelen durch den Glauben 
verwirklichen. 
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Eingedenk dessen, was diesen bitteren Tod verursachte, und 
in dem seligen Bewußtsein der in demselben geoffenbarten 
errettenden Liebe, sowie der unermeßlichen, ewigen Segnungen, die der Tod Jesu uns gebracht hat, verkündigen wir also 
diesen Tod. Die unaussprechliche, hingebende Liebe des Herrn 
Jesu, die Mühsal Seiner Seele, deren Frucht wir sind, Sein 
Leiden und Sterben, Seine völlige Darbringung Gott gegenüber 
für uns und unsere Sünden, Sein vollkommen vollendetes 
Werk, kurz all das Wunderbare und Rührende, das uns im 
Abendmahl vorgestellt wird, fesselt das Herz an Ihn, an Seine 
anbetungswürdige Person. Wir gedenken Dessen, Der uns also 
geliebt, solches für uns gelitten und so Großes für uns getan 
hat. Das Herz ist mit Ihm beschäftigt und mit Lob und Dank 
und Anbetung erfüllt. 
Es war das innige Verlangen des Herrn, dieses Gedächtnis 
Seines Opfertodes uns zu hinterlassen, damit wir es während 
der Zeit Seiner Abwesenheit zu Seinem Andenken feiern sollten, und das Wort zeigt uns, welch einen Wert und welch eine 
Wichtigkeit Sein liebendes Herz auf das schwache Andenken 
der Seinigen legt. Es ist Seine Freude, sie an Seinem Tische 
versammelt zu sehen. Er wünscht, daß sie glücklich in Ihm miteinander solches tun zum Gedächtnis Seiner Selbst und dessen, 
was Er für sie am Kreuze war und vollbracht hat. Er ist nach 
Seiner treuen Verheißung im Geiste in ihrer Mitte gegenwärtig, um ihre Herzen mit Frieden und Freude zu erfüllen, 
und das, was sie gemeinschaftlich zu Seinem Andenken tun, ist 
köstlich für Ihn. — Teurer Herr! 
Nachdem Er das Kreuz für uns erduldet, unsere Sünden 
getragen und uns auf dem ewig festen Grunde Seines vollbrachten Erlösungswerkes als Auferstandene mit Sich Selbst 
sichergestellt hatte, ist Er uns vorangegangen als Vorläufer in 
die himmlische Herrlichkeit und hat uns die trostreiche Verheißung hinterlassen: „Ich komme wieder und will euch zu mir 
nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seid". „Ja, ich komme 
bald". Welch eine glückselige Hoffnung! Wir freuen uns, daß 
Der, Welcher für uns starb, nun zur Rechten Gottes sitzt, mit 
Ehre und Herrlichkeit gekrönt; und durch den Heiligen Geist 
mit Ihm dort verbunden und für die Herrlichkeit versiegelt, 
erwarten wir, im Bewußtsein Seiner Liebe und im Gefühl 
Seiner persönlichen Abwesenheit, mit Sehnsucht Ihn Selbst 
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aus den Himmeln. So stehen wir hier in der Wüste — zwischen 
dem Tode Jesu und Seiner baldigen Wiederkunft mit dem 
gesegneten Gedächtnis, das Seine Liebe uns zurückgelassen 
hat. Also versammelt am Tische des Herrn, feiern und verkündigen wir Seinen Tod, dem wir alles verdanken, zu Seinem 
Gedächtnis und in der seligen Hoffnung Seiner ersehnten Ankunft, „bis Er kommt!" 
Köstliches Vorrecht der Erlösten des Herrn! Und gewiß, je 
mehr wir die am Kreuze geoffenbarte Liebe Jesu samt den 
herrlichen Resultaten Seines Opfertodes für uns erkennen, um 
so mehr werden wir uns auch sehnen nach Seiner baldigen 
Ankunft, die an uns in Herrlichkeit das am Kreuze vollbrachte 
Erlösungswerk krönen wird, um so mehr Eifer und Interesse 
wird auch vorhanden sein, zur Feier des Abendmahls des 
Herrn gemeinschaftlich zusammenzukommen. 
. . . Während also unser geliebter Herr, was Seine anbetungswürdige Person betrifft, von dieser Welt abwesend, in 
Gott verborgen, ein Gegenstand des Glaubens, nicht des Schattens ist, feiern wir Sein Gedächtnismahl zum Andenken und 
zur Verkündigung dessen, was Er für uns getan und gelitten 
hat, und wir tun dies in der Erwartung Seiner Ankunft. Ich 
unterscheide in dem Brot und dem Wein den Leib und das 
Blut des Herrn; beide, voneinander getrennt ein Bild des 
Todes, stellen mir Ihn als einen gestorbenen Christus vor, d. 
h. in einer Stellung, in der Er einst für mich war, so daß Er 
jetzt ein Gegenstand des Gedächtnisses für mich ist. Und indem ich dieses Brot esse und diesen Kelch trinke, verkündige 
ich jenen Tod, der mir Leben und Errettung brachte, in dem 
ich mit anbetender Bewunderung die Macht und Fülle der Liebe 
Christi erblicke, ja, ich genieße Ihn Selbst als das für mich geschlachtete Lamm. Ich tue es im vollen Bewußtsein meiner Verbindung mit Ihm, dem Lebenden und Verherrlichten, sowie im 
Vorgeschmack der unaussprechlichen Freude und Wonne, die 
mir in Seiner ersehnten Ankunft gebracht werden wird, wo ich 
Ihn sehen werde, wie Er ist, und bei Ihm sein werde für 
immerdar . . .