Botschafter des Heils in Christo 1899

01/30/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Botschafter des Heils in Christo Jahresband 1899

Seite

Inhalts-Verzeichnis.

Ein Wort über das Verhalten des Gläubigen zur Ehe

1

Glückselig in seinem Thun

15

Auszug aus einem Briefe.

24

Gedanken

27

Die Leiden Christi

42

Die Talente

53

Der Starke und der Stärkere

57

Zwei Warnungen und ein Vorbild

72

Gedanken über das Verhalten des Gläubigen in der Ehe

85

Emmanuel

96

Der Tod des Herrn

106

Indem ihr prüfet, was dem Herrn wohlgefällig ist."

111

Eine lebendige Hoffnung

136

Amen! Amen! lauter Amen (Gedicht)

140

Wachet!

141

Maria und Martha

150

Die letzten Tage und der Tod Moses.

165

Gepriesen sei der Gott und Vater

180

Wendet euch zu mir!.

194

Mit Christo gestorben und auferweckt

222

Der Kampf in den himmlischen Örtern

234

Erbitte dir leere Gesäße, nimm nicht wenige."

248

Jesus, der Mann der Schmerzen

253

Einige Gedanken über Joh. 17, 13-19

264

Das Wort vom Kreuze

273

Meine Seele ist still zu Gott (Gedicht)

279

Suchet, was droben ist!

290

Augen und Ohrenzeugen

303

Die helle Seite ist immer da, wo Jesus ist."

307

Du aber!

309

Empor das Herz!

336

Ein Wort über das Verhalten der Gläubigen zur Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 1ff

Der Gedanke, ein Wort über „das Verhalten des Gläubigen zur Ehe an die Leser des „Botschafter“ zu richten, hat den Schreiber dieser Zeilen schon seit längerer Zeit beschäftigt. Manche betrübende Erscheinungen auf diesem Gebiete, besonders in den letzten Jahren, sowie andererseits Ermunterungen von Seiten mehrerer Freunde, denen das Wohl der Herde Christi und die Ehre Seines heiligen Namens am Herzen liegen, ließen den Gedanken zur Tat werden. Mögen denn die nachstehenden Zeilen, die sich vornehmlich an die jüngeren Geschwister aus unserer Mitte richten, unter der Gnade des Herrn manchem von ihnen zum Nutzen und Segen dienen! Dass der Gegenstand selbst wichtig genug ist, um die eingehende Beachtung eines jeden Gläubigen zu verdienen, bedarf wohl kaum der Erwähnung.

Das Eingehen einer Ehe ist ein so ernster Schritt, dass es kaum einen zweiten von gleicher Bedeutung für unseren Pfad hienieden gibt. Er ist entscheidend meist für das ganze Leben. Die Meinung Vieler, bei dem

Abschluss einer Ehe, (da sie ja nur eine Sache des Fleisches sei) bedürfe es keiner besonderen Erwägungen vor dem Herrn oder keiner Ratnahme mit anderen Gläubigen, jede geistliche Auffassung dieses Gegenstandes sei nicht am Platze u. s. w. bist deshalb ganz und gar verwerflich. Wir möchten damit keineswegs jenen das Wort reden, welche meinen, dass ein Bruder bei der Wahl seiner Gattin oder

gar zur Bestimmung der Zeit oder der Art seines Antrags auf ein bestimmtes Zeichen vom Herrn warten müsse, umso weniger als in den meisten Fällen die eigenen Wünsche und Überlegungen schon lange vorher in Tätigkeit waren; aber wir möchten von vornherein feststellen, dass ein Kind Gottes, welches berufen ist, alles – sei es Essen oder Trinken oder irgend etwas anderes — im Namen des Herrn und zur Ehre Gottes zu verrichten, sicherlich nicht die Freiheit hat, einen der wichtigsten Schritte ohne den Herrn, nach seinen eigenen Gedanken und Neigungen, zu tun. Im Gegenteil, wenn die Schrift von der Freiheit des Gläubigen, eine Ehe einzugehen, redet, so sagt sie: „nur im Herrn“. Dieser Ausdruck geht natürlich noch weiter als: alles „im Namen des Herrn“ zu tun, schließt letzteres aber sicherlich ein.

Auf die weitergehende Bedeutung werden wir später noch zurückkommen. Wir haben soeben von solchen gesprochen, welche in dem Heiraten nur eine Sache für das Fleisch sehen. Der Leser wird mit mir einverstanden sein, dass eine solche Anschauungsweise bezüglich der Ehe nicht nur eine sehr niedrige ist, sondern auch der Belehrung des Wortes Gottes unmittelbar widerspricht. Sie hat zum Teil wohl darin ihren Grund, dass man die Begriffe „Fleisch“ und „Leib“ miteinander verwechselt. Das „Fleisch“, als das sündige Element, in welchem der natürliche Mensch sich befindet und bewegt, steht dem „Geiste“ gegenüber, als dem göttlichen Element, in welches der Wiedergeborene versetzt ist. 

Der Gläubige ist nicht mehr im Fleische, sondern im Geiste (Röm. 8, 9), und er ist berufen, nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste zu wandeln. Wohl ist das Fleisch noch in ihm; aber er ist nicht mehr im Fleische. Man kann deshalb sagen: so lange ein Gläubiger noch in diesem Leibe wallt, sind beide Elemente in ihm; und das eine, das Fleisch, sucht seine Befriedigung, sinnt auf das, was des Fleisches ist, während das andere, der Geist, auf das sinnt, was des Geistes ist. Soll damit gesagt sein, dass das Heiraten an und für sich eine Sache „des Geistes“ sei?

Keineswegs; ebenso wenig wie Singen oder Beten an und für sich Dinge des Geistes sind. Wenn durch mein Singen oder Beten, durch mein Essen oder Trinken, durch mein Heiraten oder Nichtheiraten nicht der Herr verherrlicht wird, wenn ich diese Dinge nicht in Abhängigkeit von und im Aufblick zu Ihm verrichte, so ist weder das eine noch das andere eine Sache des Geistes; alle jene Handlungen sind dann rein menschlich, oder, was noch schlimmer ist, fleischlich. Wenn ich aber singend oder betend Ihn preise und mein Herz vor Ihm ausschütte, wenn ich essend oder trinkend Gott, dem Vater, durch Jesum Christum danksage, wenn ich heiratend oder nicht heiratend der väterlichen Leitung Gottes folge und in dem einen oder anderen den Weg des Herrn für mich erblicke, so bin ich in jedem dieser Dinge als ein geistlicher Mensch tätig; sie alle liegen dann für mich aus dem Gebiet der Dinge des Geistes. Gott sei ewig gepriesen für diese kostbare Tatsache! 

Sie verleiht auch der kleinsten Verrichtung, der unwichtigsten und geringfügigsten Handlung einen nnendlichen Wert für ein geistliches Gemüt. Aber ach! wie wenig wird es oft bedacht, dass keiner von uns sich selbst lebt! (Röm. 14, 7.) Wie mancher Christ handelt, als wenn seine Zeit, seine Kraft, sein Verstand, sein Hab und Gut. ihm gehörten, und als wenn er nach seinem Gutdünken darüber schalten und walten könnte! Er vergisst, dass geschrieben steht: „Wisset ihr nicht, .· . . dass ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden“ (1.. Korinther 6, 19. 20). Ob Mann oder Weib, Jüngling oder Jungfrau, ob Herr oder Knecht, Frau oder Magd, ob Eltern oder Kinder, Bruder oder Schwester, ob Prinzipal oder Meister, Geselle oder Lehrling — in jeder Stellung und Lebenslage kann und sollte der Gläubige alles tun im Namen seines Herrn und für seinen Herrn, zum Preise und zur Verherrlichung Gottes. „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen“ (Vergl Kol. 3, 16 — 25; Eph. 6, 1 — 9 u. a. St).

Indes möchte gefragt werden: Wie kann ich aber den Weg des Herrn für mich erkennen im Blick auf die vorliegende Frage? Wie kann ich wissen, dass Er durch mein Heiraten verherrlicht wird, oder dass meine Wahl nach Seinen Gedanken ist?

Diese Fragen sind berechtigt, und es ist ein Glück, dass der Gläubige, das Kind Gottes, hierin wie in allem anderen · nicht dem sogenannten Zufall überlassen ist, oder im Dunkeln wandeln muss. Nein, der Christ wird „ein Kind des Lichtes“ genannt, und Gott ist „der Vater der Lichter“: er wird ferner ein „geistlicher“ Mensch genannt, und Gott ist „der Gott der Geister“. Und wenn wir, die wir doch böse sind, unseren Kindern gute Gaben zu geben wissen, wieviel mehr wird „der himmlische Vater“ sie denen geben, die Ihn darum bitten! Wahrlich, Er wird, wenn wir um Brot bitten, uns nicht einen Stein geben, und wenn wir um Licht bitten, uns nicht in Finsternis lassen. Lasst uns nur zusehen, dass wir in Wahrheit und Aufrichtigkeit das Licht bei Ihm suchen, welcher der „Vater der Lichter“, d. i. die Quelle alles Lichtes, heißt. 

Leider fehlt es allzu oft an der Geneigtheit des Herzens hierzu, vornehmlich bei der Frage des Heiratens, bei welcher so leicht allerlei menschlichen und fleischlichen Beweggründen erlaubt wird, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen. O möchte der Herr uns in allen Dingen ein wachsames, nüchternes Herz geben und einen einfältigen, lauteren Sinn. Sie sind vor allem dann nötig, wenn es sich um eine Sache handelt, die auf das ganze Leben des Gläubigen einen so großen Einfluss hat. Möchten besonders alle jüngeren Geschwister aufrichtig nach einem solchen Herzenszustand trachten!

Doch lasst uns noch etwas näher auf jene Fragen eingehen. Dass ein Christ, ob Witwer oder Jüngling, ob Witwe oder Jungfrau, die „Freiheit“ hat, zu heiraten, ist bereits berührt worden. Der Apostel behandelt diese Frage ausführlich in dem 7. Kapitel seines 1. Briefes an die Korinther. Das Verbot, zu heiraten, ist ein Zeichen der letzten Tage und des Abfalls vom Glauben. (1. Tim. 4). Die Ehe ist von Gott eingesetzt, ja, sie ist ein Bild von dem gesegneten, kostbaren Verhältnis zwischen Christo und Seiner Versammlung oder Gemeinde. Darum sagt der Apostel: „Wer heiratet, tut wohl“, aber er fügt auch sogleich hinzu: „Wer nicht. heiratet, tut besser“. Wir können mit diesen Worten einen bemerkenswerten und oft missverstandenen Ausspruch des Herrn Jesu in Verbindung bringen: „Es sind Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Reiches der Himmel willen. (Matth. 19, 12).

Es sind dies solche, die um des Herrn und Seines Werkes willen sich des Heiratens enthalten, die, wie Paulus es ausdrückt, in ihrem Herzen feststehen und über ihren eigenen Willen Gewalt haben, um nicht zu heiraten. Wenn also jemand glaubt, dem Herrn besser gefallen und den Seinigen mehr dienen zu können, wenn er unverheiratet bleibt, und er ist imstande, diese Verleugnung auf sich zu nehmen, so tut er nach den Worten des Apostels „besser“, und es wäre sicher verkehrt, ihm den Rat zu geben, zu heiraten. Nur möge ein solcher sich nicht durch ein außer ihm stehendes Gesetz, zur Ehelosigkeit gedrungen oder verpflichtet halten; denn dadurch würde bei ihm sehr bald ein Zustand entstehen, welchem das Verheiratetsein weit vorzuziehen wäre. Der Herr Jesus sagt ausdrücklich: „die sich selbst verschnitten haben“. Der Apostel Paulus ist ein schönes Beispiel von einem solchen Manne. (Vergl. 1.Kor. 9, 5. 15.) Die Zahl derjenigen aber, welche imstande sind, dem Beispiel des Apostels aus gleichen Beweggründen zu folgen, wird wohl immer sehr gering bleiben. Denn dazu bedarf es einer besonderen Gnade. Die meisten werden wohl lieber von ihrer Freiheit Gebrauch machen. Sollen wir sie deshalb tadeln? Nein, gewiss nicht; Gottes Wort tadelt sie nicht.

Wann aber ist ein Gläubiger zu tadeln? Wenn er von seiner Freiheit einen falschen Gebrauch macht. Wie schon im Anfang bemerkt, fügt der Apostel, wenn er von dieser Freiheit spricht, das kurze, aber inhaltsschwere und ernste Wort hinzu: „nur im Herrn. Was will das sagen? Beachten wir wohl, dass es nicht heißt: „wenn jemand heiratet, so tue er es im Namen des Herrn“, sondern „es geschehe im Herrn“. Ein Gläubiger ist eins Mensch in Christo; er gehört nicht mehr dieser Welt an; er ist aus seiner früheren Stellung, als ein Kind dieser Welt, völlig herausgenommen und steht auf dem Boden der neuen Schöpfung. 

Er ist ein Erlöster des Herrn; sein Leib ist ein Glied Christi (1. Kor. 6, 15). Wenn er nun im Herrn heiraten soll, so kann das offenbar nur geschehen mit einer Person, die mit ihm auf demselben Boden steht, die ebenfalls dem Herrn angehört, die gleich ihm in Christo und ein Glied Seines Leibes ist· Dies liegt so klar auf der Hand, dass das Herz eines Gläubigen schon weit von dem Herrn entfernt sein muss, wenn der Gedanke an eine Verbindung mit einem Weltkinde überhaupt Wurzel in ihm fassen kann. Denn welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen!“ (2.Kor. 6, 14. 15.)

 So lautet Gottes einfaches, klares Wort, und schon die Instinkte (wenn ich mich so ausdrücken darf) und Triebe der göttlichen Natur weisen eine solch unreine Verbindung mit Unwillen zurück. Wie ist es möglich, in die denkbar innigste Lebensgemeinschaft mit einem Anderen zu treten, dessen Interessen und Herzensneigungen schnurstracks den unsrigen entgegenlaufen? Kann ein Christ, ohne sein Christentum zu verleugnen, wieder denken, reden und tun wie früher, vor seiner Bekehrung? Unmöglich! Nun, ebenso unmöglich ist es, uns ohne dieselbe Verleugnung mit jemandem eins zu machen, der, noch unbekehrt seiend, nur als ein Unbekehrter denken, reden und handeln kann. Denn die beiden, welche miteinander die Ehe eingehen, „sind nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch“ (Matth. 19, 6).

Ich möchte hier wegen der hochernsten Bedeutung unseres Gegenstandes einen erfahreneren und bewährteren Schreiber reden lassen, der sich in einem Schriftchen: „Gedanken über ungleiche Ehen“ folgendermaßen ausdrückt:

„Wenn wahre Liebe zu Gott vorhanden ist, welche Ihn und die innigen Beziehungen anerkennt, in die Er uns zu sich selbst gebracht hat, dann ist es durchaus möglich, dass ein Christ sich erlauben könnte, eine weltliche Person zu heiraten; denn er verletzt dadurch alle seine Verpflichtungen gegen Gott und gegen Christum. Wenn ein Kind Gottes sich mit einem Ungläubigen verbindet, so ist es offenbar, dass es Christum ganz unberücksichtigt lässt, und zwar tut es dies mit Willen in dem allerwichtigsten Schritt seines Lebens. Während es gerade in einem solchen Augenblick die innigste Gemeinschaft in Gedanken, Zuneigungen und Interessen mit Christo haben sollte, schließt es Ihn völlig aus. 

Der Gläubige ist dann mit einem Ungläubigen zusammengejocht. Er hat seine Wahl getroffen, nämlich ohne Christum zu leben; er zieht es ausdrücklich vor, seinen eigenen Willen zu tun und Christum auszuschließen, anstatt seinen Willen aufzugeben, um so Christum zu genießen und Seinen Beifall zu haben. Er hat sein Herz einem Anderen geschenkt und dadurch Christum verlassen und es aufgegeben, auf Ihn zu hören. Je mehr Zuneigung vorhanden und je stärker das Herz gefesselt ist, desto offenkundiger ist es, dass er Christo etwas anderes vorgezogen hat. Welch ein schrecklicher Entschluss, sein Leben also zubringen zu wollen, indem man jemanden zu seinem Gefährten gewählt hat, der noch ein Feind Gottes ist!

„Der Einfluss einer solchen Verbindung auf den gläubigen Teil muss notwendig der sein, dass er in die Welt zurückgezogen wird. Er hat ja schon ein Weltkind als den meistgeliebten Gegenstand seines Herzens erwählt, und denen, welche von der Welt sind, können nur die Dinge gefallen, die ebenfalls von der Welt sind, obwohl die Frucht derselben der Tod ist (Röm. 6, 21 — 23). „Und die Welt vergeht und ihre Lust: wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1. Joh. 2, 17) Welch eine entsetzliche Lage! Entweder in der Treue gegen Christum fehlen, oder aber beständig gerade da widerstehen zu müssen, wo die zarteste Zuneigung eine vollkommene Einheit hätte schaffen sollen. Tatsache ist, dass, wenn nicht Gottes unnmschränkte Gnade ins Mittel tritt, der gläubige Mann oder die gläubige Frau stets ihren Widerstand aufgeben und nach und nach in einen weltförmigen Wandel einlenken wird. Nichts ist auch natü1rlicher. Der Weltliche hat nur seine weltlichen Wunsche und Neigungen. Der Christ hat neben seinem Christentum das Fleisch noch in sich, welches die Welt und ihre Dinge liebt: überdies; hat er bereits, um seinem Fleische zu gefallen, seine christlichen Grundsätze aufgegeben, indem ersieh mit einer Person verbunden hat, die den Herrn nicht kennt. 

Dass Ergebnis einer solchen Verbindung ist, dass er mit der ihm in dieser Welt teuersten Person, die gleichsam einen Teil von ihm selbst bildet, nicht einen einzigen gemeinsamen Gedanken bezüglich des Gegenstandes hat, der seinem Herzen über alles kostbar sein sollte. Zwischen zwei so Vereinigten wird es nichts als Uneinigkeit und Streit geben, wie geschrieben steht: „Wandeln wohl zwei miteinander, es sei denn dass sie übereingekommen sind“ (Amos 3)? Anderenfalls müssten sie zunächst dem verweltlichenden Einfluss nachgeben und schließlich wieder Gefallen an der Welt finden. 

Dieses, unausbleibliche traurige Ergebnis wird freilich nicht ins Auge gefasst, wenn man den ersten Schritt auf dem Wege zu einer solch verkehrten Stellung tut. Der Gläubige wird nach und nach von dem rechten Pfade abgelenkt; da er nicht mehr in Gemeinschaft mit seinem Heilande ist, kann er Gefallen finden an der Gesellschaft einer Person, die ihm angenehm ist, ohne dabei irgend einen Gedanken an Jesum zu haben. Ist er allein, so denkt er nicht daran zu beten, und ist er bei dem Gegenstande seiner Liebe, so hat er, trotzdem sein Gewissen oder seine christlichen Freunde ihn Warnen mögen, keine Kraft zu widerstehen; denn Christus hat nicht Macht genug über sein Herz, um ihn dahin zu bringen, dass er seinen verkehrten Weg verlasse und eine Neigung aufgebe, von welcher er weiß, dass sie dem Herrn missfällig ist. Er hat andere Beweggründe, durch welche er sich mehr oder weniger beeinflussen und binden lässt, wie z. B. ein gewisses Ehrgefühl; zuweilen leider auch Beweggründe verwerflicherer Art, wie Geldliebe und dergleichen, und er opfert diesen sein Gewissen, seinen Heiland, ja seine Seele, insoweit es von ihm abhängt, auf alle Fälle aber die Verherrlichung Gottes.“

Wie ernst und wahr sind diese Worte, und wie sollten sie jedem jungen Gläubigen, der in Gefahr steht, in dieser Beziehung in die Schlingen Satans zu geraten, ins Herz dringen; wie sollten sie allen anderen zur Mahnung und Warnung dienen, um acht zu haben auf die Regungen ihrer Herzen und aus die Richtung ihrer Augen! Wird nicht schon der erste Gedanke an eine Verbindung mit einem Unbekehrten als Sünde und Untreue verworfen, so ist dem Feinde die Tür geöffnet, und er wird seinen Vorteil sicher ausnutzen. Er heißt nicht umsonst „die alte Schlange“. Wie schlau weiß er das arme Herz zu betören, und wie listig Einwände zu ersinnen! und wie gern ist unsere alte, sündige Natur, das Fleisch, bereit, auf seine Einwände zu horchen! Er weiß sogar das Wort Gottes zu benutzen. 

Haben wir z. B. nicht schon oft folgende Fragen stellen hören: „Steht nicht geschrieben,“ Was weißt du, Weib, ob du den Mann erretten wirst? oder was weißt du, Mann, ob du das Weib erretten wirst?“ Also wer weiß, ob ich nicht unter der Gnade Gottes dem Unbekehrten zum Segen dienen kann? Wird nicht der gute Einfluss, den ich sicherlich auf ihn ausüben werde, ihm zum Heil gereichen?“ — Ach, wie zeugen solche und ähnliche Fragen von der Verkehrtheit des Herzens! Heißt das nicht den Grundsatz ausstellen und sogar versuchen, ihm die göttliche Weihe zu geben: „Lasst uns das Böse tun, aus dass das Gute komme!? O armes, betörtes und verblendetes Herz! Siehst du nicht, wie du das Wort Gottes verdrehst zu deinem eigenen Verderben? Jene Worte stehen allerdings geschrieben, aber nicht wie du sie anwendest. Es steht nicht da: „Was weißt du, Jüngling? Oder was weißt du, Jungfrau?“ Nein, die Worte sind gar nicht für dich bestimmt, sondern für solche, die als Unbekehrte geheiratet hatten und von welchen nachher der eine Teil bekehrt wurde. Dem letzteren wird zum Trost gesagt, dass die Gnade, welche ihm zu teil geworden, auch groß genug sei für den anderen Teil.

Wie gern gibt sich der durch irgend eine Neigung betörte Gläubige auch einer Täuschung hin, indem er sich einredet, die Person, an welche sein Herz gekettet ist, sei doch wohl bekehrt. Wenn dieselbe sich allmählich eine christliche Sprache angewöhnt und wozu ist das betrügerische Herz nicht fähig, wenn es gilt, ein ersehntes Ziel zu erreichen? — wenn sie ein gewisses Bekenntnis ablegt und aus ihrem Wesen und Wandel offenbar Anstößiges zu entfernen bemüht ist, o wie leicht ist man dann mit Beweisen von Bekehrung zufrieden, die man unter anderen Umständen als durchaus unvollkommen und ungenügend betrachten würde! Der eigene Wille ist in Tätigkeit. Man hat nicht auf den Herrn gewartet und geguckt, sondern man hat ohne Ihn seine Wahl getroffen, und man will die betreffende Person heiraten; und nur um seinen Willen unter dem bestmöglichen Schein durchzusetzen und sich nicht gerade in offenbarem Widerspruch zu dem deutlich geoffenbarten Willen Gottes zu sehen, sucht man sich und Anderen etwas einzureden, wovon man selbst keineswegs überzeugt ist. 

O arme Seele! wie ernst wird dein Erwachen sein, wenn du nach kurzer Täuschung erkennen musst, dass das Bekenntnis nur oberflächlich war, und dass das Herz deines Jochgenossen in und von der Welt ist! Zu spät siehst du dann ein, dass du dich selbst betrogen hast; umsonst ist die Betrübnis und Reue über den geschehenen Schritt: du hast dein Nasiräertum aufgegeben, du hast dich mit der Welt eins gemacht und musst die bitteren Folgen deiner Untreue vielleicht zeitlebens tragen. Unter den beständigen Vorwürfen deines Gewissens verbringst du deine Tage, stets gehindert durch den anderen Teil, der deine Gefühle nicht verstehen und an dem, was dich interessiert, nicht teilnehmen kann, ja der im Grunde seines Herzens ein Feind des Herrn ist, welchen du liebst und dem du dienen möchtest. Was das Ende eines solch schrecklichen Weges ist, wenn Gottes Barmherzigkeit sich nicht deiner annimmt, das hast du weiter oben schon gehört.

Darum, mein lieber Leser, meine liebe Leserin, lass dich durch nichts bewegen, mit einem Ungläubigen in ein ungleiches Joch zu treten! Wollen derartige unerlaubte Neigungen in deinem Herzen Platz. greifen, so bedenke, dass es nicht die Neigungen deines neuen Menschen, sondern die der alten Natur sind, und flehe zu Gott um Kraft, damit du sie ohne Zögern verurteilen und Ihm zum Opfer bringen könnest. Aber vielleicht sagst du: „Es steht für mich außerordentlich viel auf dem Spiele; eine „so gute Partie“ (um einen landläufigen Ausdruck zu gebrauchen) kann ich vielleicht nie wieder machen; Gesundheit, Anmut, ein angenehmer, liebenswürdiger Charakter, ein gutes Einkommen, kurz, alles ist vorhanden, was eine gute Ehe, soweit Menschen zu urteilen vermögen, gewährleisten kann; soll ich nun meinen Interessen so schnurstracks entgegen handeln?“ O mein Freund, meine Freundin, haben deine Interessen mehr Wert für dich als die Interessen Christi? Ist es nicht schon ein trauriges Ding, wenn deine Interessen nicht mit denjenigen deines Herrn, der dich so teuer erkauft hat und dem du angehörst für Zeit und Ewigkeit, eins sind? 

Willst du Seine Interessen, Seine Ehre und Verherrlichung aufgeben und dich, ein Glied Seines Leibes, mit einem Kinde der Welt, willst du „Christum mit Belial“ verbinden? Was sind alle Schätze der Welt, wenn du sie um einen solchen Preis erkaufen musst? Willst du den Frieden und das Glück deiner Seele dem ungerechten Mammon, oder der Bequemlichkeit und dem Ansehen in dieser Welt opfern? Willst du deinem Herrn und Heiland den Rücken wenden? Willst du Ihn aufs tiefste betrüben und verunehren und auf Sein: „Wohl, du guter und getreuer Knecht, oder du gute und getreue Magd!“ verzichten? Willst du das Geheimnis deiner geistlichen Kraft der Welt verraten, wie einst Simson es der Delila verriet? Willst du dir eine Bürde ausladen, die dich zu Boden drücken und dich in deinem Wettlauf dem Ziele zu völlig zum Stillstehen bringen muss? Willst du — gestatte mir zum Schluss auch noch diese offene Frage; denn wenn es sich um solch ernste Dinge handelt, gilt es offen und ehrlich zu sein — willst du der Vater oder die Mutter von Kindern werden, die in einem solchen Falle fast immer dem unbekehrten Teil des Elternpaares folgen werden, und auf welche du die köstliche Verheißung: „Du und dein Haus“ deiner Untreue wegen nicht anwenden kannst?

Nein, du kannst und willst es nicht! Darum, sollten deine Neigungen schon irgendwie in unerlaubter Weise gefesselt sein, so opfere sie, koste es was es wolle, auf dem Altar Gottes! Fliehe vor dem Strick des Vogelstellers! Und sollten deine Füße schon verstrickt sein, so flehe zu Gott um Gnade und Kraft, um die Stricke zerreißen zu können. Du darfst versichert sein, dass eine reiche Belohnung für das Opfer, das du bringst, dir zu teil werden wird. Ein gutes Gewissen und ein friedeerfülltes, glückliches Herz, diese zwei Schätze von unermesslichem Werte, werden dir erhalten bleiben, und der Gott des Friedens wird mit dir sein. Und sollte Er, der dich über alles liebt, dich nicht so leiten, dass dir am Ende nichts als Lob und Dank übrigbleiben wird? Sicher, Er wird es tun. Er kennt die Wünsche deines Herzens, und Er wird sie, wenn es gut und nützlich für dich ist, sicher und gewiss zu Seiner guten Zeit erfüllen.

Ihn, Ihn lass tun und walten,

Er ist ein weiser Fürst;

Und wird sich. so verhalten,

Dass du dich wundern wirst.

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Glückselig in seinem Tun

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 15ff

Gott hat uns in Seinem Worte einen kostbaren Schatz, eine unerschöpfliche Quelle von Segnungen gegeben, und wer auf dasselbe achtet und darüber sinnt Tag und Nacht, ist, wie der Psalmist sagt, „wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner. Zeit, und dessen Blatt nicht verwelkt; und alles, was er tut, gelingt“ (Psalm 1, 2. 3). Ihm schadet eine Zeit allgemeiner Dürre nicht; er ist gewurzelt und gegründet in dem Worte Gottes, empfängt aus ihm Saft und Kraft und bringt daher die den jeweiligen Umständen angemessene Frucht hervor: Sanftmut, Langmut, Güte, Niedriggesinntheit, mit einem Wort, das Leben und die Gesinnung Jesu. Sein Blatt verwelkt nicht; sein Glaube, seine Liebe und Hoffnung zeigen sich in ·lebendiger Frische. Und alles, was er tut, gelingt, weil es in Übereinstimmung mit

dem Worte, und daher mit dem Willen und der Natur Gottes ist.

Im Einklange hiermit sagt Jakobus von einem solchen Manne: „er wird glückselig sein in seinem Tun“ (Jak. 1, 25). Ein solcher ist erhaben über den Umständen und Mühsalen des gegenwärtigen Lebens, er steht über der schwülen und drückenden Atmosphäre der Welt, welche jene Glückseligkeit nicht kennt, weil sie das Wort Gottes nicht kennt. Gott sei Dank, dass Er dasselbe den Seinen erhalten hat trotz aller Bemühungen des Feindes-, es zu vernichten! Es ist und bleibt die unwandelbare Grundlage des Glaubens, auch in den finstersten Zeiten; die unversiegbare Quelle der Kraft und des Trostes, selbst in den schwersten Prüfungen und Trübsalen; das unbesiegbare Schwert des Geistes, um erfolgreich allen Angriffen des Feindes zu begegnen und seine Listen und Betrügereien wirkungslos zu machen. Nun, wir alle besitzen diese kostbare Gabe Gottes; aber eine andere. 

Frage ist es, ob wir auch alle, dem Zweck derselben entsprechend, glückselig sind in unserem Tun. Dies hängt davon ab, wie wir es benutzen. Ist jemand ein vergesslicher Hörer und nicht ein Täter desselben, so betrügt er sich selbst, indem er der Kraft und der Wirkungen desselben verlustig geht. Jakobus vergleicht einen solchen mit einem Manne, der sein natürliches; Angesicht in einem Spiegel betrachtet. Denn er bat sich selbst betrachtet, und ist weggegangen und hat alsbald vergessen, wie er beschaffen war“ (Jak. 1, 23. 24). Das Wort Gottes ist wie ein klarer, untrüglicher Spiegel, der uns deutlich erkennen lässt, wie wir gestaltet sind. Es zeigt uns mit unerbittlicher Schärfe jeden Flecken und Auswuchs, alles unschöne und Anstößige. Es macht uns aufmerksam auf jeden Fehler und zeigt uns die verborgenen Tiefen unserer Herzen. Es beurteilt die innersten Beweggründe unseres Handelns, die Triebfedern, welche uns bei unserem Tun und Lassen leiten. Es zeigt uns, wie weit wir noch von dem schönen Bilde entfernt sind, welches wir in dieser Welt darstellen könnten und sollten.

Aber was nützt das alles, wenn wir vergessliche Hörer sind? Wenn das gelesene oder gepredigte Wort nur in unsere Ohren, aber nicht in unsere Herzen und Gewissen dringt? Wenn es nicht ein aufrichtiges Selbstgericht und ein wahres Bekenntnis hervorruft? Wenn wir von dannen gehen und sogleich wieder vergessen, was wir gehört und gesehen haben? Ach, dann find wir nicht Täter des Wortes, die hingehen und Frucht bringen mit Ausharren; wir sind nur Hörer, deren Verantwortlichkeit groß ist. Die praktischen Früchte kommen nicht hervor, welche den Beweis liefern, dass das Wort lebendig in der Seele wirkt.

Wie ernst sind die beiden Worte: Er ist weggegangen und hat alsbald vergessen, wie er beschaffen war. Weggehen und Vergessen, o mein lieber Leser, wie oft mögen diese beiden Worte auch auf uns anwendbar gewesen sein in den Tagen, die hinter uns liegen! Waren unsere Herzen nicht manchmal tief ergriffen, wenn der Herr durch Sein Wort zu uns redete? Haben wir uns nicht oft tief schämen müssen beim Anblick unseres Bildes, das uns aus dem Spiegel des Wortes entgegentrat? Sind da nicht Seufzer aus unseren Herzen aufgestiegen, und ist nicht der Wunsch rege geworden, fortan mehr für den Herrn zu sein, Ihn mehr zu verherrlichen u. s. w.? Aber ach! wie sah es mit der Verwirklichung aus? War nicht manchmal schon eine Stunde später der ernste Eindruck verwischt, das Gefühl der Beschämung verflogen und der vermeintlich so aufrichtige Wunsch verschwunden? Ach! wir sind weggegangen und haben vergessen, anstatt das gehörte Wort in unserem Herzen zu bewahren und im Kämmerlein vor dem Herrn weiter darüber zu sinnen. Darum ist auch die kostbare» Frucht: ein hingebender Dienst für den Herrn, Geduld und Ausharren, Güte und Milde, Freude und Friede, Mut und Kraft, ausgeblieben. S18

Lasst uns deshalb die ernsten Folgen der Vernachlässigung des Wortes bedenken, und beherzigen, was Jakobus weiter sagt: „Wer aber in das vollkommene Gesetz, das der Freiheit, nahe hineingeschaut hat und darinnen bleibt, indem er nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter des Werkes ist, dieser wird glückselig sein in seinem Tun (Vers 25). Es ist also nötig, dass wir nahe in das Wort Gottes hineinschauen, d. h. dass wir ihm unsere ganze, ungeteilte und anhaltende Aufmerksamkeit und Beachtung widmen. So wenig wie ein unstetiger, wankelmütiger Mann etwas von dem Herrn empfängt —— obgleich der Herr so gern und willig gibt — ebenso wenig werden wir Nutzen ans dem Hören des Wortes ziehen, wenn wir es oberflächlich behandeln und ihm eine geteilte oder nur zeitweilige Aufmerksamkeit schenken. „Glückselig der Mann, der . . . seine Lust hat am Gesetz Jehovas und über Sein Gesetz sinnt Tag und Nacht (Ps.1,1.2)! Nur bei einem solchen werden sich die im 2. Verse geschilderten gesegneten Folgen zeigen.

Doch wir müssen noch einen Augenblick bei dem Ausdruck „das vollkommene Gesetz“ verweilen. Im Alten Testament wird unter dem Ausdruck „Gesetz“ häufig die ganze Heilige Schrift verstanden, wie in der bereits oben angeführten Stelle aus dem 1. Psalm; so auch neben anderen Stellen in Psalm 119: „Besser ist mir das Gesetz“ deines Mundes, als Tausende von Gold und Silber“: wäre nicht dein Gesetz meine Wonne gewesen, dann würde ich umgekommen sein in meinem Elende«. So mag auch der Ausdruck „das vollkommene Gesetz“ im weiteren Sinne dieselbe Bedeutung haben; hier jedoch steht es zunächst wohl im Gegensatz zu dem „sinaitischen“ Gesetz. Nicht dass letzteres in sich selbst unvollkommen gewesen wäre; nein, „das Gesetz ist heilig, und das Gebot heilig und gerecht und gut“ (Röm. 7, 12). Aber es hat sich insofern als unvollkommen erwiesen, als es nichts zur Vollendung bringen konnte, weil unter ihm die Segnung abhing von der Erfüllung seiner Gebote seitens des Menschen. 

Niemand aber konnte auf Grund der Werke des Gesetzes Leben oder Vollkommenheit erlangen; „denn so viele aus Gesetzes Werken sind, sind unter dem Fluche“ (Gal. 3, 10). „Denn da ist eine Abschaffung des vorhergehenden Gebote seiner Schwachheit und Nutzlosigkeit wegen, denn das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht“ (Hebr. 7, 18. 19). Die mit diesem Gesetz in Verbindung stehenden Gaben und Schlachtopfer konnten dem Gewissen nach den nicht vollkommen machen, der den Gottesdienst ausübte. (Hebr. 9, 9.) Sollten wir daher Leben und Vollkommenheit empfangen, so musste es auf einem anderen Boden, auf dem der Gnade, geschehen. Und wir wissen, dass wir aus immerdar vollkommen gemacht sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. Wie nun das sinaitische Gesetz deshalb unvollkommen war, weil es nur eine Seite der Wahrheit offenbarte, und weil der Mensch in seinem sündigen Zustand es nicht erfüllen konnte, so wird das vollkommene Gesetz deshalb vollkommen genannt, weil es einerseits der Ausdruck der Natur und des Charakters Gottes ist, indem Er sich jetzt in Christo vollkommen geoffenbart hat, und weil es sich andererseits an solche richtet, die bereits vollkommen gemacht und deshalb imstande sind, es zu halten.

 Sie sind ihrer neuen Natur nach in vollkommener Übereinstimmung mit dem Gesetz, d. h. mit dem Ausdruck dessen, was Gott ist und was Er will, und finden in der Erfüllung desselben ihre Freude. Aus demselben Grunde heißt es auch das Gesetz der „Freiheit“, im Gegensatz zu dem Gesetz, das zur „Knechtschaft“ gebiert (Gal. 4, 24). Der Gläubige ist frei gemacht, nicht auf Grund der Werke des Gesetzes, sondern auf Grund des Werkes Christi. „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er, Seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische Verurteilte"(Röm. 8, 3). So ist denn in dem Tode Christi unserem Zustand im Fleische nicht nur ein Ende gemacht worden, sondern wir sind auch durch denselben Tod von Fluch und Knechtschaft befreit worden,

indem Christus am Kreuze für uns ein Fluch geworden ist (Gal. 3, 13.) Zugleich hat dasselbe Wort welches offenbart, was Gott ist und was Er will, uns durch die Gnade zu Teilhabern der göttlichen Natur gemacht, so dass ein Wandel, der nicht mit jenem Worte in Übereinstimmung ist, auch unserer neuen Natur widerspricht; während ein Wandel gemäß dieser neuen Natur (d. i. der Natur Gottes), und unter der Leitung Seines Wortes, wahre Freiheit bedeutet. Der Wille des neuen Menschen steht in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Als solche, die wiedergeboren sind durch das Wort der Wahrheit, besitzen wir eine Natur, deren Geschmack, deren Wünsche und Neigungen im Einklang sind mit diesem Worte, und die ihre Freiheit darin findet, es zu befolgen. So war es mit Christo; Seine Freiheit war, den Willen Gottes, Seines Vaters, zu tun· Und so ist es mit dem neuen Menschen; seine selige Freiheit ist, den Willen Gottes zu tun, ein Nachahmer Gottes zu sein als ein geliebtes Kind.

Indes ist es nötig, dass wir nicht nur nahe hineinschauen in das Gesetz der Freiheit, sondern auch darinnen bleiben. Nicht wer die Befreiung versteht und über die neue Natur des Gläubigen zu reden weiß, sondern wer darin bleibt, d. h. wer diese Stellung praktisch verwirklicht, wer als ein gehorsames Kind mit Gott wandelt, wer also ein Täter des Werkes ist, dieser wird glückselig sein in seinem Tun. Warum? Weil er in praktischer Übereinstimmung mit dem Worte, und folglich mit dem Willen und der Natur Gottes ist. Nicht dass er Gefallen fände an seinem Tun: das hieße mit sich selbst beschäftigt sein, und wäre das Gegenteil von einem Wandel in der Freiheit.

 Nein, seine Glückseligkeit besteht darin, dass er sich in tatsächlicher, glücklicher und friedlicher Übereinstimmung mit dem Willen Gottes befindet, gerade so wie der Herr während Seines Wandelns auf der Erde. Jesus freute sich, den Willen Gottes zu tun, weil Gottes Interessen ganz und gar die Seinigen waren. Ohne Zweifel sind und die Engel glücklich, indem sie den Willen Gottes tun, indem sie „Täter Seines Wortes, gehorsam der Stimme Seines Wortes sind (Psalm 103, 20); aber sie sind glücklich als Diener, nicht als Kinder. Sie vermögen nicht die Interessen des Vaters und des Sohnes in dem eben besprochenen Sinne zu teilen; dazu gehört der Besitz, der göttlichen Natur. Der Gläubige aber ist dieser Natur teilhaftig geworden: und dieser neuen Natur entspricht es, mit den Interessen des Vaters und des Sohnes in völliger praktischer Übereinstimmung zu sein.

Es gibt keinen wahren Christen, der nicht von ganzem Herzen in die Worte einstimmen wird: „Ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen“. Aber wie mancher Gläubige ruft trotzdem klagend und seufzend aus: „Das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich! (Röm. 7, 19. 22). Woher kommt das? Weil solche noch nie in das Gesetz der Freiheit nahe hineingeschaut haben. Wieder andere haben wohl hineingeschaut, aber vielleicht nicht nahe genug; oder wenn sie einmal nahe genug hineingeschaut haben, so sind sie doch nicht darinnen geblieben. Auch bei solchen ist die neue Natur gehindert, sich frei zu entfalten: sie ist gleichsam in Fesseln geschlagen. Zwar seufzen diese nicht, wie die Ersterwähnten, unter der Knechtschaft des Gesetzes, aber sie sind nicht frei von sich selbst, sie sind Sklaven ihres eigenen Willens. Ihre Interessen, und nicht diejenigen Gottes, nehmen den größten Teil ihrer Zeit in Anspruch. 

Sie sind von sich und ihrer eigenen Wichtigkeit erfüllt, und anstatt dass die Umstände, Prüfungen und Schwierigkeiten, durch welche sie nach der weisen Vorsehung Gottes zu gehen haben, ein Anlass zu ihrer geistlichen Förderung und zur Verherrlichung des Herrn würden, wie Gottes Liebe es will, finden sie in denselben nur einen Anlass zum Klagen und zur Verunehrung des Herrn. Die Sorgen des Lebens und tausenderlei nichtige Dinge beschäftigen und beunruhigen ihre Herzen, und ersticken gleich wuchernden Dornen das Wort (Matth. 13, 22). Ganz geringe Kleinigkeiten genügen, sie in Aufregung und außer Fassung zu bringen, sowie ihr Vertrauen auf die Macht und Liebe Gottes zu erschüttern. Sie sind nur dann glückselig, wenn die Umstände ihren Wünschen entsprechen; aber das ist nicht die göttliche Glückseligkeit, und statt der lieblichen Früchte des Geistes kommen die hässlichen Früchte des Fleisches zum Vorschein.

Darum, geliebter Leser, lass uns nicht nur hineinschauen in das Gesetz der Freiheit, sondern auch darin bleiben! Es ist sicher eine unschätzbare Gnade, die im Vorstehenden entwickelten Wahrheiten zu kennen; aber die umfassendste Erkenntnis genügt noch nicht zur freien Entfaltung der neuen Natur. Bei aller Erkenntnis kann unser eigener Wille sich geltend. machen und das Fleisch wirksam sein in einer Weise, dass wir Schmach und Unehre auf den Namen des Herrn bringen. Darum lasst uns fest stehen in der Freiheit, für welche Christus uns frei gemacht hat (Gal. 5, 1); lasst uns nahe hineinschauen in das Gesetz, der Freiheit und darinnen bleiben! Sicher wird dann der Tod in uns wirken, wie der Apostel es ausdrückt, aber gerade in demselben Maße werden dann auch das Leben und die Macht des Heiligen Geistes sich frei und ungehindert in uns entfalten können (2. Kor. 4, 12). 

Beide Dinge gehen so zu sagen Hand in Hand. Insoweit wir das Sterben Jesu verwirklichen, wird sich auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbaren und werden wir die Freude des Heiligen Geistes genießen. Die neue Natur wird sich entfalten, und es wird sich in unserem Wandel zeigen, dass unser Herz, unser Wille und unsere Wünsche vollkommen mit dem Willen Gottes, mit dem „Gesetz der Freiheit“, im Einklang sind. Wir werden glückselig sein in unserem Tun, und das ist ein «gesegneter, begehrenswerter Zustand.

Auszug aus einem Briefe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 24ff

Autor: J. N. Darby

Geliebte Brüder! — Nie habe ich ein solches Misstrauen gegen mich selbst empfunden wie jetzt, indem ich diese Zeilen an euch richte, und ich wünsche ebenso wohl zu meinem eigenen Gewissen zu reden, als zu dem eurigen. Ich fühle, dass ich gar nicht anders schreiben sollte, als indem ich mich auf den niedrigsten Platz stelle; er ist immer der beste, und jetzt ganz besonders der einzig wahre und richtige. Der niedrigste und demütigste Platz, wird immer der gesegnetste sein. . . . ,

Ist es nicht für jedes nachdenkende Gewissen klar, dass der. Geist der Welt unter uns eingedrungen ist? Wohl gehen wir nicht in Gesellschaft, und wenn wir beisammen sind, lesen wir die Schrift und erbauen einander; die Zucht wird, wie ich voraussetze, hinsichtlich alles tatsächliche und offenbar gewordenen Bösen mit einer gewissen Treue ausgeübt — ich übertreibe also das Übel nicht. Ich zweifle nicht daran, dass Viele christlich gewandelt haben, ja wohl besser als ich selbst; aber wenn es sich um den Lauf dieser Welt handelt, müssen wir dann nicht sagen, dass wir in hohem Maße deren Gewohnheiten angenommen haben? Nicht, wie gesagt, handgreifliche Weltförmigkeit; aber finden wir nicht bei uns dieses „mit dem Strome schwimmen“, dieses „sich gehen lassen“, was den Geist Gottes betrübt und folglich jede geistliche Energie, sowie auch das geistliche Verständnis für die Zucht und für den Sinn des Herrn in all unserem Wandel abschwächt, — das Unvermögen, das zu prüfen, was das Vorzüglichere sei, um lauter und unanstößig zu sein auf den Tag Christi, erfüllt mit der Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, in allem guten Werke fruchtbringend? 

Stehen wir als solche da, die als ein Eigentumsvolk sind? Ihn gereinigt sind, die nicht sich selbst angehören, die um einen Preis erkauft sind, als Briefe Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen, die durch Ihn, nahe bei Ihm und für Ihn« leben, wie geschrieben steht: „Christus ist alles und in allen“, so dass alles, was wir irgend tun, im Namen des Herrn Jesu geschieht? War Christus unser einziger und steter Beweggrund, oder folgten wir den gewöhnlichen Beweggründen der Welt? War und ist unser Kaufen und Verkaufen, unser häusliches Leben und unsere Kleidung. nach Grundsätzen eingerichtet, die Er, wenn Er anwesend wäre, billigen würde? Ich möchte sogar fragen: Wandeln wir, wie wir einst gewandelt haben? War ein hingebender Dienst unter den Armen und Bedürftigen vorhanden? Besuchten wir die Witwen und Waisen in ihrer Drangsal? Erhielten wir uns unbefleckt von der Welt? Es steht geschrieben: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes“. Haben wir unsere Leiber zu

einem lebendigen Schlachtopfer dargestellt, heilig, Gott wohlgefällig, als ein vernünftiger Dienst, prüfend was da sei der gute und wohlgefällige Wille Gottes, gleichwie Christus sich selbst geopfert hat bis in den Tod? Welchen Platz, hatte und hat Er in unseren Herzen? Leben wir für Ihn, der in Liebe für uns starb? Wenn bezüglich der Wahrheit das Zeugnis Gottes bei den Brüdern war, war es die Wahrheit, wie sie in dem Christus Jesus ist, dass wir abgelegt haben den alten Menschen und den neuen angezogen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit?

Gott ermahnt uns, und zwar in Liebe, zu bedenken, wovon wir gefallen sind, und Buße und die ersten Werke zu tun. Er erwartet eine ernste Beständigkeit und Hingebung von uns. Er tut es immer, und ich danke Ihm dafür, aber heute tut Er es durch ganz besondere Umstände. Satan, welcher schon seit langer Zeit die praktische Hingebung an Gott und die Trennung von der Welt untergraben hatte, hat gewaltige Anstrengungen gemacht, um die Brüder in ihrem Zeugnis für die Wahrheit beiseite zu setzen. In Seiner freien und allmächtigen Gnade hat Gott diese Anstrengungen vereitelt. Er allein hat es getan. Aber übersehen wir nicht die andere, die positive Seite. Ist das, was dem Satan den Zutritt gestattet und ihm die Hand geboten hat, beseitigt, und wird der Herr in Wahrheit verherrlicht? Wenn unsere Gewissen nicht Acht haben auf Seine Wege, so wird, wenn Er auch lange Zeit Geduld übt, das Gericht folgen müssen.

 Es ist Ihm ein Leichtes, die Anstrengung und die Macht Satans zu zerstören und zu gleicher Zeit uns tief zu demütigen; aber wer kann vor Seinem Gericht bestehen? Ich frage euch, ich frage mich selbst: Inwiefern können wir sagen: „Das Leben ist für mich Christus“? Das ist jetzt für uns alle die ernste Frage. Ich möchte nicht entmutigen, im Gegenteil ermuntern. Der Herr hat uns in Seiner großen Barmherzigkeit nicht verlassen, so sehr wir auch gefehlt haben. Er hat sich überaus gnädig gegen uns erwiesen, als wir das Gegenteil« hätten erwarten können. Wie bald musste der Apostel klagen: „Alle suchen das Ihrige, nicht das was Jesu Christi ist“. Er hat sich voll Barmherzigkeit und Gnade gegen uns gezeigt, und wonach mich jetzt verlangt, ist, dass unsere Herzen dieser Gnade gemäß sich zu Ihm kehren möchten . . . „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, so lasst uns die Gnade festhalten, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mit Ehrfurcht und Frömmigkeit; denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“ So handelt Er hierin Seiner Regierung, aber trotzdem haben wir Freimütigkeit zum Eintritt in das Allerheiligste.

Möchten denn unsere Gedanken dort gebildet werden, und lasst uns dabei nicht vergessen, dass Er regiert!

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 27ff

Die erhabenste Trübsal ist, für Christum leiden zu dürfen; aber wir haben oft andere Trübsale nötig: wir müssen um unsertwillen leiden. Die Sünde, die noch in uns ist, beunruhigt uns oft in hohem Maße. Das Heilmittel hierfür ist einfach, obwohl es vielfach nicht verstanden wird. Es lautet: Ich bin mit Christo gekreuzigt, ich halte mich selbst für tot. Ich lebe Gott in Christo, und was den alten Menschen betrifft, so bin ich berechtigt, zu ihm zu sagen: ich erkenne dich nicht mehr an. Nicht nur ist Christus mein Leben, sondern ich bin auch mit Ihm gekreuzigt. Als Kind Adams war ich ganz und gar verloren; aber Gott hat mir ein neues Leben in Christo gegeben; und wenn das Fleisch sich regen will, so sage ich zu ihm: Du bist am Kreuze. gerichtet worden, mit dir habe ich nichts mehr zu schaffen. — Das ist die einfache, köstliche Wahrheit. Aber da wir in der praktischen Verwirklichung derselben so oft fehlen, kommt Gott uns in Seiner Treue durch Trübsale zu Hilfe. So haben wir denn in jeder Beziehung Ursache, uns ihrer zu rühmen.

„Jedem, der da hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben; von dem aber, der nicht hat, von

dem wird selbst, was er hat, weggenommen werden (Matth. 25, 29).

Diese Worte enthalten einen Grundsatz von allgemeiner Anwendung. Wer durch des Herrn Gnade in seiner Seele die von ihm erkannte Wahrheit verwirklicht, gehört zu denen, welche haben. Wenn aber jemand eine Wahrheit erkennt, ja selbst geläufig darüber zu reden weiß, ohne dass sein Erkennen mit wahrem Herzensglauben vermischt ist, so wird selbst das, was er hat, von ihm weggenommen werden. Wenn die Wahrheit wirklich in mein Herz eindringt, so beseitigt sie mich, indem sie mir Christum offenbart und alles Böse aufdeckt. Eine bloße Erkenntnis aber, welche keine Macht über das Gewissen ausübt, bleibt nur aus. Die erkannte Wahrheit beunruhigt wohl für einen Augenblick das- Gewissen, weil aber nicht danach gehandelt wird, so geht sie den Betreffenden bald wieder verloren: ja man ist schließlich froh, von der beunruhigenden Sache losgeworden zu sein, und begnügt sich mit einem niedrigeren Standpunkt als vorher. Aber ach! man hat das Licht der Wahrheit eingebüßt, und Hand in Hand damit nehmen dann auch die den Wandel leitenden Beweggrunde und Grundsätze, ja das ganze Leben einen niedrigem: Charakter an. Nur dann, wenn ich die Wahrheit in Glauben festhalte und dem empfangenen Licht gemäss handle, werde ich mehr und mehr empfangen.

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Ein Wort über das Verhalten der Gläubigen zur Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 29ff

Im ersten Teile unserer Betrachtung haben wir— gesehen, dass es für einen Gläubigen unter allen Umständen verkehrt, weil dem Worte Gottes zuwider ist«. in die. Ehe zu treten mit einer Person, die dem Herrn nicht angehört, mag sie auch sonst achtbar und selbst religiös sein. Hieraus folgt nun umgekehrt noch nicht, dass das Bekehrtsein einer Person, von welcher wir uns angezogen fühlen, die einzige Bedingung ist, an deren Erfüllung ein Christ bei seiner Verheiratung zu denken hat. Nein, es gibt noch mancherlei andere Dinge, welche für einen so folgenschweren Entschluss von Bedeutung sind und Beachtung finden sollten. Wohl hat ein jeder Christ, wie wir weiter oben gezeigt haben, im allgemeinen die Freiheit, zu heiraten; aber in jedem besonderen Falle ist doch die Prüfung am Platze, ob sich nicht ernste Bedenken und Schwierigkeiten der Ausführung des Entschlusses, zur Ehe zu schreiten, in den Weg stellen.

 Wenn z. B. —— um nur einiges zu nennen —— ein Bruder oder eine Schwester gegen nahe Angehörige, bejahrte, erwerbsunfähige Eltern Verpflichtungen hat, deren Erfüllung durch das Eingehen einer Ehe unmöglich gemacht werden würde, so ist die Freiheit zum Heiraten durch diese Umstände doch beschränkt. Oder wenn ein Bruder nicht imstande ist, eine Frau und eine Familie zu ernähren, so kann man wiederum nicht behaupten, wie völlig erlaubt das Heiraten an und für sich auch sein mag, dass Gott einem solchen Bruder die Anwendung dieser Erlaubnis auf sich persönlich zugestehe. Denn so wenig wie

Gott mich zu einem Dienst beruft, ohne mir das, wag ich zur Erfüllung desselben bedarf, auch darzureichen, ebenso wenig kann ich, wenn mir das, wag ich zur Ausführung einer Handlung bedarf, fehlt, mit Freimütigkeit, als von Gott dazu ermächtigt, diese Handlung vollziehen wollen. sich, wie mancher junge Christ hat durch die Nichtbeachtung dieser eifachen Erwägung sich in großes Elend gebracht und mit vielen Schmerzen durchbohrt! Und, was noch ernster ist, wie manche auf diese Weise geschlossene Ehe hat zu langjähriger Verunehrung des Namens des Herrn gedient!

Freilich hat die Welt, die ja immer die Ordnung Gottes umkehrt, für solche Fälle ein Auskunftsmittel gefunden. Sind Zwei, die sich gern haben, noch zu jung zum Heiraten, oder liegen Umstände, wie die oben erwähnten, vor, welche den Abschluss der Ehe vorläufig unmöglich machen, nun, so gehen die Beiden eben ein „Verhältnis“ ein, sie verkehren miteinander, gehen miteinander u. s. w.: und solche Verhältnisse bestehen dann oft viele Jahre. Diese Gewohnheit ist in der Welt so allgemein geworden, dass ein junger Mensch nicht mehr zu warten braucht, bis- er sich in der Lage befindet, eine Ehe einzugehen; nein, er kann, selbst wenn er bezüglich der Frage seines Unterhaltes noch teilweise oder ganz aus seine Eltern angewiesen ist, schon vorläufige Schritte auf dem Gebiet des Heiratens wagen. 

Ach! der Gedanke an die reine Sache der Ehe findet bei dem Anknüpfen eines solchen Verkehrs- meist einen gar geringen, vielleicht gar keinen Platz in den Herzen der Betreffenden. Unserer Verurteilung eines solchen Falles brauchen wir kaum Ausdruck zu geben, da für eine derartige Handlungsweise nicht einmal ein Schein von Rechtfertigung übrigbleibt. Doch auch da, wo diese schlimmste Voraussetzung nicht zutrifft, können wir nicht anders als über jene Gewohnheit den Stab brechen, und zwar zunächst und hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Wort Gottes diesen Zustand nicht kennt und deshalb auch nicht anerkennt. Schon dieser eine Umstand sollte für den Christen genügen, um sich fern von einem solchen Gebrauch zu hatten, der in Wirklichkeit meist auch nur traurige Früchte zeitigt. Wollten alle diejenigen, welche auf diesem Wege gewandelt haben, einmal aufrichtig bekennen, zu welchen Dingen sie dabei gekommen sind, so bin ich fest überzeugt, dass die Gläubigen diese weltliche Erfindung auch der Welt überlassen würden. Und wenn auch ein solcher langjähriger Verkehr nicht immer zu offenbar Bösen! geführt hat, so sind doch infolge der Natur der Sache eine Anzahl Versuchungen damit verbunden, welchen wir uns sicher nicht aussetzen werden, wenn die Bitte: „Führe uns“ nicht in Versuchung«, uns nicht ganz fremd geworden ist.

Ich möchte deshalb alle jüngeren, unverheirateten Geschwister, welchen diese Zeilen in die Hände fallen sollten, herzlich bitten, sich auch in dieser Beziehung von der Welt und ihrem Tun unbefleckt zu erhalten, und vor allen Dingen nicht im Geheimen, ohne Vorwissen Anderer, ein solches „Verhältnis“ anzuknüpfen. Wer sich auf diesen Weg begibt, kann nicht darauf rechnen, dass der Herr ihn bewahren werde. Wohl bewahrt der Herr die Seinen, wenn sie — in Abhängigkeit von Ihm und in Gottesfurcht vor Ihm wandeln, nicht aber wenn sie eigene Wege, Wege der Welt und des Fleisches, einschlagen. Im Gegenteil, sie sind dann den Leidenschaften und Lüsten ihrer alten Natur schutzlos preisgegeben. Das Herz ist nicht in der Gemeinschaft des Herrn, das Auge hat seine Einfalt verloren, und das Gebet, wenn es überhaupt noch gepflegt wird, ist ohne Kraft.

Aber, möchte eingewandt werden, kennt die Schrift denn nicht einen Brautstand, einen Zustand des „Verlobtseins“? Sicherlich! Er wird sogar als ein liebliches Bild des Verhältnisses benutzt, welches jetzt zwischen Christo und Seinen Erlösten besteht. Er ist der Bräutigam, wir sind die Braut. Allein wir finden im Worte Gottes nichts von einem Verhältnis und Verkehr, wie wir ihn soeben geschildert haben, sondern nur von dem Übereinkommen zweier Menschen, einander zu heiraten, von einem Sich verloben zwecks baldiger Schließung der Ehe. Ein solches Übereinkommen ist durchaus natürlich und den Gedanken Gottes entsprechend. Wohl mag dann zwischen der Verlobung und der Hochzeit eine längere oder kürzere Zeit vergehen, soweit diese nötig ist, um Vorbereitungen und Maßregeln für die Verehelichung zu treffen; aber das ist etwas ganz anderes als die vorhin angedeutete böse Gewohnheit. 

Eine solche Brautzeit ist für die Verlobten, wenn sie dieselben im rechten Geiste, in Reinheit und Keuschheit, genießen, sicher besonders schön und lieblich; aber doch soll und darf sie nur eine Übergangszeit bilden. Die Erfahrung hat nur zu oft gelehrt, dass es vom Übel ist, sie länger auszudehnen, als die vorliegenden Verhältnisse« es notwendig machen. Mag auch der Geist willig sein, so bleibt doch das Fleisch immer schwach, und wir sollten im Blick darauf jeder Gefahr so weit wie möglich aus dem Wege gehen und ihr, soviel an uns liegt, vorbeugen. Diese Erwägung möchten wir auch den gläubigen Eltern verlobter junger Geschwister mit Ernst ans Herz legen. Oft ist auch von den Eltern in dieser Beziehung Viel gefehlt worden, zu ihrer nachmaligen tiefen Beschämung und Betrübnis.

Noch einmal denn, ihr Jünglinge und Jungfrauen, seid auf eurer Hut! Seid vorsichtig im Verkehr miteinander! Habet acht auf eure Augen, ans eure Zunge und euer Herz! Seid wachsam und nüchtern und bewahret euch selbst keusch! Hütet euch vor jenen sündhaften Liebeleien, welche – um nicht das Schlimmste zu sagen — schon so manches junge Herz verunreinigt, so manche liebliche Pflanze im Garten Gottes in ihrem Wachstum gehindert, ja vielleicht auf Jahre hinaus verkümmert haben! Wachet und betet, auf dass ihr nicht in Versuchung hineinkommet! Höret auf die freundlich mahnende Stimme des guten Hirten, der Seine Schäflein so gern vor schädlicher Weide bewahren möchte!

Doch, wird man fragen, wie sollen sich denn junge Gläubige, welche von ihrer Freiheit, zu heiraten, Gebrauch machen wollen, verhalten? Was sollen sie tun? Vor der Beantwortung dieser Frage, oder richtiger zur besseren Beleuchtung derselben, möchte ich an das Verhältnis erinnern, welches zwischen Christo und Seiner Braut besteht, und das in den irdischen Beziehungen zwischen Bräutigam und Braut oder Mann und Weib sein Abbild findet. 

Warum hat der Herr Seine» Braut gesucht? Geschah deshalb, weil sie Ihm so viel Angenehmes und Anziehendes bieten konnte? Geschah es überhaupt um Seinetwillen, aus Liebe zu sieh selbst, oder in dem Gedanken an Sein Glück und an Seine Interessen? Nein, Er hat sie gesucht um ihretwillen, um ihr Seine ganze Liebe zu schenken und sie an alledem teilnehmen zu lassen, was sein ist. Und aus wessen Hand empfing Er sie? Aus der Hand Seines Vaters. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben“, sagt Er zum Vater (Joh.17,6). Und gerade, weil der Vater Ihm, dem Sohne, die Braut gegeben hat, deshalb ist sie so unendlich teuer in Seinen Augen und so kostbar für Sein Herz.

Unter voller Berücksichtigung des großen Unterschiedes zwischen ewigen und zeitlichen Dingen, zwischen geistlichen und leiblichen, himmlischen und irdischen Verhältnissen, können wir doch nicht umhin, in dem eben Gesagten die Grundsätze zu erkennen, welche einen Bruder bei der Wahl einer Lebensgefährtin leiten sollten. Die Tatsache, dass diese Grundsätze im allgemeinen wenig beachtet werden, mag uns tief betrüben, kann aber kein Grund sein, sie abzuschwächen oder herunter zuschrauben; ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass unsere alte Natur sich diesen Grundsätzen unmittelbar widersetzt, uns die Freiheit gibt, sie beiseite zu setzen.

Die wahre Liebe sucht nie sich selbst. Aber ach! in welch mannigfacher Weise sucht der Mann oft sich selbst, wenn er den Entschluss fasst, ein Weib zu nehmen! Er verlangt eine schöne, stattliche Frau, mit der er sich sehen lassen kann: er wünscht seine äußere Lage zu verbessern; er sucht Genuss und Bequemlichkeit, Geld und Gut, eine angesehene oder doch möglichst angenehme Verwandtschaft n. s. w. - alles Dinge, die ihm zugute kommen sollen. Gewiss, er will sein Weib lieb haben; aber doch steht der Gedanke, was für ihn bei der Verbindung herauskomme, was er gewinnen könne, im Vordergrunde. Wie ganz anders ist es, wenn wahre Liebe das Herz regiert! Sie sucht nicht das Ihre, sondern das was des Anderen ist. Sie denkt nicht an sich, sondern an ihren Gegenstand und dessen Wohl.

In enger Verbindung hiermit steht der zweite, oben angedeutete Grundsatz. Was war es, das der Braut in den Augen Christi ihre Schönheit verlieh? Sie selbst besaß ja keine, wie wir wissen. Es war, wie gesagt, der Umstand, dass der Vater sie Ihm geschenkt hatte, dass sie eine Gabe Seiner Hand war. Je mehr der Sohn den Vater ehrte, desto größeren Wert besaß in Seinen Augen das, was der Vater Ihm schenken wollte. „Du hast sie mir gegeben, und ich habe sie bewahrt“, so lautete die Sprache Seines Herzens. Was der Vater Ihm gibt, ist ein kostbares Kleinod für ihn, das Er mit zärtlicher Sorgfalt behütet. — Nun, so soll denn auch der Mann seine Frau als ein Geschenk ans der Hand des Herrn nehmen. 

In wie mancher Ehe sind auf die ersten süßen Tage des ungestörten Beisammenseins Zeiten bitterer Enttäuschung gefolgt, welche das Liebhaben zu einer Aufgabe machten, die fast unerfüllbar schien! Woher kommt diese betrübende Erscheinung? Weil in solchen Ehen der Mann seine Frau nicht vom Herrn erbeten und aus Seiner Hand empfangen hat. Er hat, nachdem er ein gewisses Alter erreicht hatte und die Umstände vielleicht eine Heirat wünschenswert machten, den Entschluss gefasst, sich eine Frau zu suchen. Bei seiner Wahl (selbst wenn er in dem Kreise der Schwestern blieb) hat er, wie. eben angedeutet, sein Auge auf Schönheit, Geld oder Ansehen gerichtet, oder im besten Falle danach gefragt, ob eine Schwester da sei, die nach Neigung, Charakter, Fähigkeiten zu ihm und in sein Haus passe. Diejenige, welche ihm in einer oder mehreren dieser Beziehungen am besten gefiel, hat er erwählt, nach ihr ging sein Herz ans. Diese Regungen seines Herzens hat er in gutem Glauben für wahre, treue Liebe gehalten; dieselbe wurde anscheinend erwidert, und so wurde denn unter den günstigsten Voraussichten die Ehe geschlossen und das eheliche Leben begonnen. Aber ach! wie bald war der Traum zerronnen, wie bald folgte ein schmerzliches Erwachen!

Mein lieber, unverheirateter Leser! Der Herr bewahre dich in Gnaden vor einem solch dornenreichen Pfade! Er gebe dir, wenn du heute oder morgen vor die Frage des Heiratens gestellt werden solltest, ein Herz, welches bereit ist, die ganze Angelegenheit Ihm zu übergeben: und Er schenke dir das einfältige, kindliche Vertrauen, das; deine Sache in Seinen Händen sicher und gut aufgehoben ist, und dass Er zu Seiner Zeit und in Seiner Weise dir den Wunsch deines Herzens geben wird. Wie trostreich ist für ein Kind Gottes das Bewusstsein, dass es nicht dem Walten des Zufalls oder dem Zusammenwirken der Umstände überlassen ist, sondern dass es sich in den Händen eines treuen, sorgenden Gottes und Vaters befindet, dem unsere Angelegenheiten, klein oder groß, am Herzen liegen, ja zu Herzen gehen. Er kennt uns und unsere Lage ganz genau; Er weiß, was wir bedürfen.

 Ihm können wir auch, wenn eine Neigung in unserem Herzen entstanden ist, offen und vertrauensvoll alles sagen; und Er, der die jungen Raben speist und dem Viel) sein Futter gibt, wird sicher und gewiss mit väterlicher Liebe und Huld auf uns hören und unsere Sache in Seine guten Hände nehmen. Ach, wenn die Gläubiger! nur einfältiger wären und mehr Glauben hätten — wie viel reichere und kostbarere Erfahrungen von Seiner gnädigen Hilfe und weisen Leitung würden sie machen!

Wenn irgendwo, so gilt auch hier das Wort des Herrn: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ (Matth. 6, 22). Wie viele verkehrte Schritte auf dem Gebiete, das uns beschäftigt, sind gerade darauf zurückzuführen, das; das Auge nicht einfältig auf den Herrn gerichtet war und das Herz nicht vertrauensvoll in Seiner Liebe ruhte! Man war selbst auf dem Plane, und obwohl man vielleicht zum Herrn gerufen und um Seinen Segen gefleht hat, war das Herz doch nicht ruhig genug, um still auf Seine Leitung warten zu können. Es ist ein großer Unterschied, ob man dem eigenen Wirken auch das Bitten hinzufügen will, oder ob man dem Herrn wirklich seine Sache übergibt und auf Ihn wartet, ohne Seinen Weg in irgend einer Weise beschleunigen und Seinem Tun gleichsam nachhelfen zu wollen.

 Es ist etwas ganz anderes, ob man selbst Maßregeln trifft und Anstrengungen macht und den Herrn dann bittet, diese zu segnen, oder ob man zu allererst Sein Auge auf den Herrn richtet und dann die Wege einschlägt, die Er anweist, oder die Mittel gebraucht, die Er uns in die Hand gibt. Im ersten Falle sind, wenn auch in einer äußerlich christlichen Weise, der Mensch und menschliche Überlegungen in Tätigkeit, im letzten Gott und Seine väterliche Leitung. Und selbst wenn wir die Leitung Gottes bezüglich Seiner Kinder selbst in den Fällen annehmen wollen, in welchen die Augen der Seinigen nicht auf Ihn gerichtet waren, so ist es doch für diese unmöglich, die väterliche Leitung Gottes zu erkennen und zu schätzen, so lange ihre eigenen Überlegungen die Hauptrolle bei ihrem Tun spielen. Wie könnte man Gott herzlich für etwas danken, was man nicht von Ihm erbeten und aus Seinen Händen empfangen hat?

Wie köstlich ist es aber andererseits für einen Bruder, in seiner Frau ein Geschenk seines himmlischen Vaters erblicken zu können! Welch einen hohen Wert empfängt sie gerade dadurch für sein Herz, dass Er sie betrachten kann als die kostbare Gabe, welche der Vater ihm auf seine Bitte hin gegeben hat! Und wie schön und gesegnet wiederum auch für die Schwester, wenn sie auf den Herrn gewartet hat und nun auch, in Erhörung ihrer Gebete, ihren Mann als ihr von Gott gegeben betrachten kann, als den, dessen treue Gefährtin und Gehilfin sie sein soll in guten und bösen Tagen, der in ihr seine „Herrlichkeit“ und „Krone“ erblickt! Wahrlich, in einem solchen Falle kann man mit Recht und in jeder Beziehung sagen: „Was Gott zusammengefügt hat“.

Ich möchte, ehe wir unsere kurze Betrachtung schließen, noch gern eines Punktes Erwähnung tun, der gerade in unseren Tagen von Wichtigkeit ist, in welchen die Menschen unter anderen Charakterzügen als „den Eltern ungehorsam“ gekennzeichnet werden. Wenn heute in der Welt ein Jüngling soweit gekommen ist, das; er seinen Unterhalt verdient, so denkt er gewöhnlich: „Nun stehe ich auf eigenen Füßen und brauche nicht mehr nach meinen Eltern zu fragen: ich kann tun und lassen, was ich will. Dass eine solche Sprache sehr böse und verwerflich ist, brauche ich kaum zu sagen; vor allem aber sollte sie nie in einem christlichen Hause gehört werden. Mag auch aus dem Kinde. ein Jüngling und ein Mann werden, so bleibt doch das göttliche Gebot: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“, stets in Geltung; und auch erwachsene Kinder eines Hauses werden immer wieder finden, dass der Gehorsam gegen dieses Gebot reiche Segnungen nach sich zieht. Es ist und bleibt das erste Gebot, an dessen Erfüllung eine Verheißung geknüpft ist: „auf dass es dir wohl gehe und du lange lebest auf der Erde“ (Eph. 6, 1 - 3).

Wenn nun irgendwo und irgendwann, so sollten sicherlich dann die Eltern von den Kindern gehört und um Rat gefragt werden, wenn es sich um einen so wichtigen Schritt handelt wie das Eingehen einer Ehe. Ja, ich zögere nicht zu behaupten, dass das Bestehen eines Verhältnisses, oder richtiger gesagt einer Verlobung, ohne Vorwissen der Eltern eine böse Sache ist. Möge doch kein Sohn und keine Tochter denken, dass das Erreichen eines gewissen Lebensalters die Anerkennung der elterlichen Rechte überflüssig mache! Im Gegenteil, wenn bei einem Kinde die richtige Gesinnung vorhanden ist, so wird es, je älter wird, umso mehr seine Eltern ehren und ihren Rat schätzen wird es als ein großes Vorrecht betrachten, ihre Liebe und Teilnahme so lange wie möglich in Anspruch nehmen und in Gemeinschaft mit ihnen raten und taten zu dürfen. Und sollten sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Kindern zeigen, (vorausgesetzt dass es sich nicht um Gewissensfragen handelt, über welche das Wort Gottes Anleitung gibt,) so wird es sicherlich unter hundert Fällen neunundneunzigmal die Kinder weniger gereuen, wenn sie der Meinung ihrer Eltern gefolgt sind als wenn sie ihren eigenen Willen durchgesetzt haben.

Auch möchte ich noch darauf hinweisen, dass neben der irdischen Familie auch die Familie Gottes, der Kreis der Brüder und Schwestern, ihre Rechte hat. Wie mancher hat, als es zu spät war, gedacht und gesagt: „Ach, hätte ich doch ältere, erfahrene Brüder vorher um Rat gefragt!“ Aber die Reue kam zu spät. Vielleicht haben Herz und Gewissen, als es noch Zeit war, treulich gemahnt; aber man hat ihre Stimme überhört oder nicht hören wollen. Der eigene Wille war tätig und wurde durchgesetzt. Man mied es vielleicht sogar sorgfältig, den Rat der Brüder einzuholen, weil man von vornherein wusste, dass er nicht· nach Wunsch ausfallen würde. Ach! möchte doch ein jeder bedenken, dass eine Sache, die verkehrt angefangen worden ist, schwerlich einen guten Fortgang haben kann.

 Was im Fleische begonnen wird, kann schwerlich im Geiste fortgesetzt werden; und wenn es möglich ist, so kann es nur auf dem Wege der Zucht geschehen, durch welche unser himmlischer Vater uns lehren muss, uns selbst und die Beweggründe unserer Handlungen zu verurteilen und die schmerzlichen Folgen derselben - oft so lange wir hienieden wandeln —- demütig und geduldig zu tragen. Wie sehr wäre es zu wünschen, dass diejenigen, für welche unsere brüderlichen Warnungen bereits zu spät kommen, dies wenigstens tun und sich vor Gott in den Staub werfen möchten! Denn wenn sie auch jetzt noch unter den Folgen ihrer Torheit gebückt dahingehen, so wird doch, sobald sie sich und ihren Weg mit Aufrichtigkeit verurteilen, der scharfe Stachel aus der Züchtigung verschwinden; denn dieser Stachel besteht für Kinder nur so lange, als sie sich weigern, demütig die Rute zu küssen, welche sie schlägt.

Für gläubige Jungfrauen liegt die Sache insofern leichter, als sie nicht der suchende, tätige Teil sind. Sie laufen deshalb nicht so leicht Gefahr, einen verkehrten Schritt zu tun. Andererseits aber liegt die Sache auch wieder schwerer für sie insofern, als sie noch weit bestimmter auf ein Warten auf den Herrn angewiesen sind; und bekanntlich wird unserer Natur nichts schwerer, als stille zu sein und auf den Herrn zu harren; ja, es ist der Natur ganz unmöglich. Sie mag, wie bei Saul, sieben Tage lang warten; aber wenn dann die Aussichten und Hoffnungen für das menschliche Auge immer mehr schwinden, wird sie ungeduldig, nimmt selbst die Sache in die Hand und —- „handelt töricht“ (Vergl. 1. Sam. 13, 8 - 13). 

„Nur auf Gott vertraue still meine Seele! denn von Ihm kommt meine Erwartung“, sagt der Psalmist; und fürwahr, das ist ein kostbarer Seelenzustand, den ich meinen jungen, unverheirateten Schwestern allezeit von Herzen wünschen möchte. Auch möchte ich ihnen die Worte des Apostels ins Gedächtnis rufen, die er einst an die Korinther schrieb: „Es ist ,ein Unterschied zwischen dem Weibe und der Jungfrau. Die Unverheiratete ist für die Dinge des Herrn besorgt, auf dass sie heilig sei, sowohl an Leib als Geist; die Verheiratete aber ist für die Dinge der Welt besorgt, wie sie dem Manne gefallen möge“ (1. Kor. 7, 34).

Möchte denn — mit diesem Wunsche lasst uns schließen — ein jeder wohl zusehen, wie er seine ersten Schritte auf dem Gebiet des Heiratens macht! Es wird nur dann gut gehen, nur dann zu seinem eigenen Segen und zur Verherrlichung Gottes gereichen, wenn er im Licht und vor dem Angesicht des Herrn wandelt. Es gibt kein Verhältnis, keine Beziehung, in welcher dies von größerer Wichtigkeit wäre, als gerade bei der Ehe; denn sie ist ja das innigste Verhältnis, welches auf Erden bestehen kann. Und je schöner und lieblicher ein Verhältnis seiner Art und seinem Wesen nach ist, desto hässlicher und abstoßender ist die Entartung, ein Scheinbild desselben. Selbst unter den Kindern der Welt gilt es als Regel: entweder ist man in der Ehe ganz glücklich, oder man ist es gar nicht; ein halber Zustand ist unhaltbar. Ach, dass es unter Christen so manche unglückliche Ehen gibt, zur Vermehrung des Herrn und zum Anstoß für die Welt! Möchten diese Zeilen unter der Gnade Gottes mit dazu helfen, manche junge Seele vor törichten, eigenwilligen Schritten zu bewahren! Dann ist ihr Zweck und der Wunsch des Schreibers erfüllt.

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Die Leiden Christi

Bibelstelle: Markus 14

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 42ff

Die Leiden des Herrn Jesu tragen einen doppelten Charakter: Er litt von Seiten der Menschen während Seiner ganzen Laufbahn hienieden bis ans Kreuz; und am Kreuze selbst traf Ihn der ganze Zorn Gottes, indem Er aus der Hand des Vaters den bitteren Kelch nahm, den Er trinken musste.

Auch die Größe der menschlichen Schuld und Sünde erscheint in doppelter Weise: zunächst trat sie offenkundig in alledem zu Tage, was der Mensch tat in Auflehnung gegen Jesum und in der Verwerfung Seiner Person; dann aber vor allem in den Leiden des Herrn von Seiten der Gerechtigkeit Gottes, in dem schweren Gewicht, das auf Ihm lastete, als Er den Kelch trank, welchen der Vater Ihm gab. Wahrlich, dies war nichts Geringste für Ihn; und so lesen wir denn auch: „Er fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden“ (V. 33).

Vielleicht gibt es unter denen, welche diese Zeilen lesen, solche, die noch niemals wegen ihrer Sünden betrübt waren. Nichts könnte mehr die Torheit und Leichtfertigkeit des Menschenherzens beweisen als dieses. Wir, die wir durch die Sünde den Kelch, welchen Jesus trank, so schrecklich und bitter gemacht haben, ach, wir können denken, die Sünde sei geringfügig in den Augen Gottes! Jesus aber musste erfahren, wie schrecklich sie ist. Wenn unsere Herzen in ihrer Armut und Torheit nicht fühlen, was die Sünde ist - Jesus hat es gefühlt, als Er für uns den Kelch trank, als Er unsere Sünde auf sich nahm. Wenn das Herz kein Verständnis für die Schwere der Sünde hat, (ich meine nicht so, wie Jesus sie fühlte, aber doch in irgend einem Maße,) wenn das Gefühl von der Schwere der Sünde, so schwach es sein mag, uns bis heute gänzlich fremd geblieben ist, so stehen wir den Gedanken und Gefühlen des Herrn Jesu noch völlig fern.

Es ist auch ein großer Unterschied, ob das Herz diese Dinge empfindet, oder ob nur der Verstand sie in sich aufgenommen hat. Besser noch, überhaupt nichts davon zu wissen, als dem Verstande nach begriffen zu haben, was die Sünde dem Herrn Jesu eingetragen hat, ohne dass das Herz davon getroffen und bewegt wird. im letzten Falle ist der Zustand des Herzens viel schlimmer als im ersten.

Lasst uns denn, wenn auch in großer Schwachheit, die Leiden unseres teuren Herrn betrachten. Freilich, kein Mensch vermag dieselben in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen. Jeden Tag denken, sagen oder tun wir Dinge, welche einst dem Herrn Jesu den Kelch der Leiden, den Zorn Gottes, eintrugen. Und bei alledem meint der Leser vielleicht, er sei gar nicht einmal so sehr böse und schlecht gewesen! Mein lieber Freund, wenn du daran gedenkst, dass es deine Sünden waren, für welche Christus litt, so wirst du finden, dass sie nach Seinem Urteil eine schwere, schwere Last waren. Er war ihretwegen sehr bestürzt und beängstigt“. Als Er sich im Garten Gethsemane für Andere vorbereitete, um Seinem Gott, gemäß Seiner Heiligkeit im Gericht, zu begegnen, da war Seine Seele sehr betrübt bis zum Tode (Matth. 26, 38).

Ihr, die ihr meinet, euch zur Begegnung mit eurem Gott bereiten zu können, kennt ihr etwas von dieser Seelenangst, von dieser tiefen Bestürzung, welche Jesum befiel, als Er sich anschickte, mit unseren Sünden beladen Gott zu begegnen? Wenn ihr ein wenig davon kennen lernen wollt, so betrachtet doch einmal Christum, wie Er in Gethsemane zitterte und zagte! Wer sich damit noch nie beschäftigt hat, der kennt weder die Liebe des Herrn Jesu, noch die Bedeutung Seines in Gnade unternommenen und vollbrachten Werkes. Was so überaus wichtig und notwendig für uns ist, ist dieses, dass unser Gewissen von dem Gedanken ergriffen und durchdrungen wird: um meine Sünden zu tilgen, hat Jesus dort gelitten.

Wer dies nicht zugeben und anerkennen will, der wird selbst die Schwere und Schrecklichkeit des gerechten Zornes Gottes über die Sünde erfahren müssen. Er wird selbst in dem Gericht stehen müssen, welches Jesus erduldet hat. Als der geliebte Sohn Gottes, welcher Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht wurde, musste Gott die Sünde an Ihm richten und strafen. Nun, wenn die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes sogar Jesum nicht verschonen konnte, meinst du dann entrinnen zu können, wenn du vor Gottes Angesicht erscheinen musst? Und weiter; könnte ich meine Sünden noch für geringfügig halten, wenn ich sehe, wie Christus unter dem Zorne Gottes am Fluchholze leiden und sterben musste? Nein, dort sehe ich, wie schrecklich das Böse, das ich getan habe, in den Augen Gottes und des- Herrn Jesu war. Dort auf Golgatha schlugen die Wogen und Wellen des göttlichen Zornes über Ihm, dem Heiligen und Reinen, zusammen. Warum? Weil ich nichts anderes als Verdammnis und Qual in alle Ewigkeit verdient hatte.

Mancher meint, in seinen Sünden Gott begegnen zu können· Er macht sich gar keine Gedanken darüber, was einmal ans ihm werden wird. Sorglos geht er durchs Leben, dem Gericht entgegen, ohne das leiseste Gefühl über seinen verlorenen Zustand zu haben, ja ohne sich angesichts des nahenden Gerichts auch nur im Geringsten zu beunruhigen. Was beweist dies? Dass sein Gewissen noch nie erwacht, ja, dass es verhärtet ist; und dies trotzdem er weiß, dass Jesus Angst und Not, ja Gericht und Tod erduldet hat.

Wie gesegnet ist es für uns, Jesum in jener schweren Stunde mit völliger Ruhe die Ihm bevorstehenden Leiden betrachten und abmessen zu sehen; doppelt schön und gesegnet, wenn wir uns die Umstände vergegenwärtigen, in welchen Er sich damals befand! Alles war dazu angetan, die Gefühle Seines Herzens aufs Tiefste zu verwunden. Wir bedürfen umso mehr Liebe und Teilnahme, je mehr Verachtung und Schmach uns von Seiten der Welt trifft. Aber wie stand es um unseren. hochgelobten Herrn? Fand Er Mitgefühl und liebende Teilnahme von Seiten Seiner Jünger, die doch so viel Güte und Liebe von ihrem Meister empfangen und genossen hatten? Er hatte sie geliebt und sie allezeit in Geduld getragen; Seine Treue hatte keinen Augenblick gewankt. 

Aber was fand Er jetzt bei ihnen, als die Welt im Begriff stand, Ihn mit Bosheit und Hass zu überschütten? Ach, im Kreise derer, die Er zu Seinen Freunden und Vertrauten gemacht hatte, mit denen Er zu Tische lag (V. 18), musste Er es aussprechen: „Wahrlich, ich sage euch, einer von euch wird mich überliefern“! Ja, einer von euch, die mit mir gewesen sind, einer von meinen geliebten und vertrauten Freunden! Sein Herz war aufs Tiefste verwundet. Und als die Jünger anfingen, betrübt zu werden und einer nach dem anderen zu fragen: „Doch nicht ich?“ musste Er antworten: Ja, „einer von den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel eintaucht“; einer von euch, die im nächsten Verkehr mit mir gestanden, die mich kennen gelernt und die ich in mein Vertrauen gezogen habe! Sein Herz war gebrochen, und doch blieb Er vollkommen ruhig.

Anbetungswürdiger Herr! Er stand dicht vor Seinem Kreuzestode (V. 22 - 26); aber an wen denkt Er? An sich? Nein, an Seine Jünger. Sein Leib sollte hingegeben, Sein Blut vergossen werden. Er stand im Begriff, Gott im Gericht zu begegnen. Aber mit völliger Ruhe und in Frieden legt Er ihnen die Bedeutung des Werkes aus, das Er für sie zu tun gedachte. Er blickt über die Zeitalter, in welchen wir heute leben, hinweg auf jene herrliche Szene, wann Er, gesättigt von der Frucht der Mühsal Seiner Seele (Jes. 53, 11), im Reiche Gottes neu trinken wird von dem Gewächs des Weinstocks (V. 25), wann Er Seine Jünger in das Glück und die Herrlichkeit eingeführt haben wird, welche Er ihnen durch Seine Leiden erworben hat.

 Wie schön ist es, den Herrn inmitten der schrecklichsten Umstände in solch vollkommener Seelenruhe zu sehen, wie Er Seinen Blick über die Zeitalter hinwandern lässt und der Freude gedenkt, Seine Jünger in dem zukünftigen Zustand ewiger Herrlichkeit wieder bei sich zu haben! Ohne durch den Gedanken an das, was Ihm bevorstand, irgendwie gestört, beunruhigt oder erschreckt zu werden, beschäftigt Er sich in Frieden mit dem Werte Seines Opfers und mit der vor Ihm liegenden Freude, Seine Jünger am Ende wiederzufinden. Weder der Verrat des Judas, noch die Verleugnung des Petrus, weder die Feigheit Seiner Jünger, die Ihn ja alle, wie Er wusste, im Stich lassen würden, noch die Verwerfung seitens der Welt oder

die Feindschaft Satans vermögen Ihn zu beunruhigen. Er stimmt mit den Jüngern „ein Loblied“ an (V. 26).

Dann spricht Jesus zu ihnen: „Ihr werdet euch alle in dieser Nacht an mir ärgern“. Ach, so elende Geschöpfe, wie wir sind, und dann uns Seiner zu schämen. Ist es nicht geradezu unfassbar? Aber von dem dunklen Hintergrunde hebt sich umso herrlicher die unaussprechliche Liebe des Herrn Jesu ab. Er sagt Seinen Schafen, die ja in jener Nacht zerstreut werden sollten, dass Er sich bald wieder mit ihnen vereinigen werde. Sobald Er das wunderbare Werk zu ihrer Errettung vollbracht haben würde, welches sowohl die ganze Schwachheit ihres Fleisches, als auch die ganze Vollkommenheit Seines Gehorsams ans Licht stellen sollte, würde Er vor ihnen hingehen nach Galiläa.

Petrus meint: „Wenn sich auch alle ärgern werden, ich aber nicht“ (V. 29). Das war nichts anderes als ein falsches Vertrauen auf Fleisch. Aber was bewirkt diese Anmaßung des Petrus in dem Herzen des Herrn? Tadelt Er ihn? Nein, Er warnt ihn und betet für ihn. Seine starke, treue Liebe bleibt stets dieselbe. Er lässt sich nicht entmutigen. Im Gegenteil, Er ist es, der die Jünger ermutigt und tröstet, obwohl Ihn alle jene Leiden treffen sollten.

Vielleicht mögen auch Andere geneigt sein, mit Petrus zu sagen: „Wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen“; denn „desgleichen sprachen auch alle (V. 31). Wo Christus in der Mitte der Seinen anerkannt und geehrt wird, wo man Seinen Namen bekennt, da ist es nicht schwer, von Ihm zu reden, Seinen Namen auf die Lippen zu nehmen und sich zu Ihm, dem von der Welt Verworfenen, zu bekennen. Aber in anderer Umgebung, inmitten Seiner Feinde — wie schnell ist da das Herz bereit, zu verbergen, dass es Ihn kennt! Du verurteilst Petrus, weil er Jesum verleugnet hat: aber bist du weniger zu verurteilen, wenn du es tust? Und verleugnen wir den Herrn nicht ebenso sehr wie Petrus, wenn wir da, wo uns Schmach daraus erwachsen könnte, Seinen Namen ungenannt lassen? Ach! in solchen Augenblicken ist unser Gewissen nicht wach; wir haben kein Gefühl von dem Gewicht der Sünde, welches ans Jesu lastete und Ihm ein solches Leiden verursachte.

 O möchten wir doch stets tief von dem Gefühl durchdrungen sein, das; Jesus unsertwegen am Kreuze war, dass Er um unserer Sünde willen gelitten hat! Die Macht Seiner Liebe, einer Liebe, die Ihn trieb, sich mit der ganzen Last und Verantwortlichkeit unserer Schuld zu beladen und die Folgen derselben zu tragen, als Er „Um unserer Übertretungen willen verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen wurde (Jes. 53, 5), ach! diese Liebe sollte unser Herz tief bewegen.

In den Versen 32 - 42 finden wir Jesum mit Seinen Jüngern im Garten Gethsemane. Er ermahnt sie, zu wachen und zu beten (V. 38). Die Zeit, sie zu trösten, war vorüber. Er steht im Begriff, für sie dem gerechten Zorn Gottes zu begegnen. Hier in Gethsemane betrachtet Er im Geiste vor Gott die Leiden, welche der Kelch des Zornes Gottes für Ihn umschloss. Er, der Heilige, der allezeit in der Liebe des Vaters geblieben war, Er allein wusste diese Liebe wahrhaft zu schätzen, und Er allein konnte auch die Heiligkeit Gottes und ihre Anforderungen in ihrer ganzen Ausdehnung ermessen. Deshalb war auch niemand fähig wie Er, die Schrecklichkeit der Sünde und des Zornes Gottes über dieselbe zu verstehen.

 Gleichgültigkeit diesem Zorne gegenüber kann nur bei solchen gefunden werden, welche, in der Sünde lebend, die Heiligkeit Gottes nicht kennen, und welche, dem Leben Gottes entfremdet, Seine Liebe noch nie geschmeckt haben. Es ist schrecklich, den Menschen so ruhig zu sehen, zufrieden mit sich selbst und sorglos, wenn man in etwa die Qualen kennt, welche die Stunde dem Herrn Jesu verursacht hat, und wenn man weiß, warum Er dort in Gethsemane so bestürzt und beängstigt war.

Auf Seinem Pfade des Gehorsam; hienieden erduldete Jesus fortwährend den Widerspruch der Sünder. Aber niemals hat Er sich von ihnen abgewandt oder gebeten, dass ein derartiger Leidenskelch Ihm erspart bleiben möchte. Weshalb flehte Er denn jetzt, dass, wenn es möglich wäre, diese Stunde an Ihm vorübergehe, dieser Kelch Ihm erspart bleibe? Weil es jetzt galt, nicht nur die Ungerechtigkeit der Menschen und die Bosheit Satans, sondern auch den Zorn Gottes zu ertragen. Ja, in den Leiden, die Jesus auf Seinem Wege durch diese Welt von Seiten der Menschen zu erdulden hatte, war es Seine Freude gewesen, den Willen Seines Vaters zu tun; aber in diesem Kelche, der gefüllt war mit dem Zorne Gottes, gab es keinen Tropfen von Süßigkeit. Jesus betet: wenn es möglich sei, möge dieser Kelch von Ihm entfernt werden. Aber es war unmöglich, und warum? Hier ist der Grund: Es ist unmöglich, dass Gott die Sünde dulden und Seinen gerechten Zorn wider dieselbe nicht zur Ausführung bringen sollte. Jesus selbst wurde für uns zur Sünde gemacht.

Sieh deshalb zu, teurer Leser, wie es mit dir steht! Wenn Jesus deine Sünden nicht getragen hat, so ist es unmöglich, dass du dem Gericht, welches Gott über die Sünde verhängt hat, entfliehen könntest. Das ist ein ernster Gedanke. Erwäge wohl die Worte des Herrn Jesu: „Wenn es möglich ist“. Gewiss, wenn es möglich gewesen wäre, so hätte Gott „Jesum erhört und Seinem geliebten Sohne solch unsagbare Leiden erspart. Noch einmal denn, warum sagte Jesus: „Wenn es möglich ist“? Weil Er, der wie kein anderer die Liebe Gottes kannte, auch allein imstande war, die ganze Schrecklichkeit Seines .Zornes zu erfassen.

Und wie verhielten sich bei alledem die Jüngers? Sie schliefen! Ihre Liebe reichte nicht aus, dass sie eine Stunde mit Ihm gewacht hätten. Petrus, der sich bereit erklärt hatte, mit Jesu in Gefängnis- und Tod zu gehen, vermochte nicht einmal eine Stunde zu wachen. Er hatte einst, während der Verklärung auf dem Berge, geschlafen (Luk. 9, 32), und nun schläft er hier in Gethsemane. Wie enthüllt dies die Selbstsucht unserer armen Herzen, das Gegenteil von jenen herzlichen Zuneigungen, welche uns fähig machen würden, sowohl an der Verherrlichung unseres teuren Herrn, als auch an Seinen Leiden innigen Anteil zu nehmen.

Wurde die Liebe des Herrn durch alles dieses entmutigt oder ermüdete sie? Nein. Er musste und wollte Seinen Vater verherrlichen und die Seinen erretten, und so ließ Er sich durch keine Schwierigkeit aufhalten. Unsere Errettung wäre unmöglich gewesen, wenn Er den Kelch nicht genommen hätte, und deshalb nahm Er ihn. Seine Liebe war stärker als der Tod. Nachdem es sich als unmöglich erwiesen hatte, dass der Kelch an Ihm vorübergehe, ohne dass Er ihn trinke, und nachdem Er „mit starkem Geschrei und Tränen“ Seine heilige Seele vor Gott ausgeschüttet hatte im Gebet, sehen wir, wie von neuem völlige Ruhe Besitz nimmt von Seiner Seele, und Er geht hin, ihn am Kreuze den Kelch bis ans den letzten Tropfen zu leeren (V. 40 —42).

Jetzt folgt der schreckliche Verrat des Judas (V. 43 - 50). Ach, wessen ist das Menschenherz nicht fähig! Gott ließ es zu, dass seine ganze Treulosigkeit offenbar wurde, und dass der Mensch Jesus durch einen Kuss verriet. Es gibt keine Prüfung, keinen Schmerz, wodurch das Herz des Herrn nicht auf die Probe gestellt worden wäre. Gabe es etwas, so wäre es nicht der ganze Kelch der Leiden, die Probe wäre nicht vollständig gewesen; auch wäre die Frage der Bosheit und des Verderbens des Menschen nicht in ihrer ganzen Ausdehnung richterlich vor Gott gelöst worden. Aber Jesus hat Seinen Gott und Vater völlig verherrlicht angesichts aller Ungerechtigkeit des Menschen und Bosheit Satans. 

Alles was verwunden und zermalmen konnte: der Zorn Gottes über die Sünde, die Macht der Finsternis, der Hass und die Bosheit des Menschen, alles das traf Jesum, warf ihn nieder, brach Ihm das Herz; aber es diente zugleich dazu, Seine unendliche Vollkommenheit, die innere Herrlichkeit Seiner Person nur umso glänzender vor Gott hervorstrahlen zu lassen. Sein Innerstes wurde bis auf den Grund erforscht; aber alles was sich fand diente nur zur Verherrlichung Gottes.

Und was ist, nachdem dies alles geschehen, nachdem das Erlösungswerk durch den Herrn vollbracht ist, die Stellung des Sünders vor Gott? Nichts bleibt ihm, als der volle Wert des Herrn Jesu und Seines Opfers vor Gott; ein jeder, der da glaubt, besitzt in Gottes Augen den Wert der Person Jesu selbst. Gott hat den Sünder so sehr geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn für ihn dahingegeben hat; ja, der Sünder ist eines solchen Preises, all der Leiden Jesu Christi, wert geachtet worden.

Teurer Leser! wenn dir Christus in dieser Weise vorgestellt wird, so bleibt dir nur eines von zweien übrig: entweder bist du der Leiden des Herrn Jesu schuldig, und dies ist der Fall, wenn du sie gering achtest — oder aber, wenn du dir ihren unendlichen Wert im Glauben zueignest, genießest du vor Gott das Ergebnis dieser Leiden. Achtest du das Leiden Jesu gering, so wirst du das Gericht eines Verächters finden. Sind dir aber durch die Gnade die Augen geöffnet, dass du den Tod des Herrn in seiner Bedeutung in etwa erkennst und schätzest, so wird dir der ganze Wert desselben vor Gott zugerechnet, und du genießest die Liebe Gottes in ihrer ganzen Fülle.

So bedenke denn, mein Leser, je nach deiner Herzensstellung bist du der Leiden Christi schuldig, oder du stehst nach dem ganzen Wert und der vollen Wirksamkeit derselben vor Gott. Deine Sünden bekennen, welche Jesum so viel gekostet haben — das heißt wirklich glauben, dass Er sie getragen und getilgt hat. Wenn du sagst: Ich bin es, um dessentwillen Jesus so viel leiden musste so liegt darin eingeschlossen: „Es geschah für mich, an meiner Stelle; und deshalb werde ich nie in ein solches Gericht kommen“. Wenn Jesus meine Sünden getragen und sich den Folgen derselben von Seiten Gottes unterworfen hat, so werden mich diese Folgen niemals treffen; ich bin errettet und freigesprochen von der Verdammnis.

Möchte Gott, teurer Leser, indem dir die Liebe Christi vorgestellt worden ist, dein Herz berührt und es dir zum Bewusstsein gebracht haben, was es Jesum gekostet hat, als Er sich selbst darbot, um für dich dem gerechten Zorne Gottes zu begegnen! Möchtest du Seine Liebe mehr verstehen und genießen lernen! Fürwahr, sie ist über alles! kostbar.

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Die Talente

Bibelstelle: Matthäus 25,14 - 30

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 53ff

Das Gleichnis von den „Talenten" hat viel Ähnlichkeit mit dem von den „Pfunden" in Lk. 19; nur empfängt hier ein Knecht fünf Talente, ein anderer zwei und ein dritter eins, ein jeder „nach seiner eigenen Fähigkeit", während in Lukas alle Knechte dasselbe, ein Pfund, erhalten. Ferner vergräbt hier der böse Knecht sein Talent „in der Erde", während es bei Lukas „in einem Schweißtuch" aufbewahrt wird; und schließlich werden die Knechte hier über „vieles" gesetzt und „gehen ein in die Freude ihres Herrn", während ihnen bei Lukas die Gewalt über „Städte" anvertraut wird, entsprechend dem Reichs-Charakter des Gleichnisses dort.

Das Gleichnis von den Talenten zeigt uns, dass nicht alle Knechte dieselbe Fähigkeit, wohl aber denselben Herrn haben; und alle sollten im Dienste ihres Meisters den gleichen Eifer beweisen. Jeder hat seine Gabe zu benutzen, das was ihm von dem Herrn zu dem Zwecke anvertraut ist, dass er es für Ihn gebrauche; es ist also nicht etwas, was er schon von Natur besitzt. Es handelt sich hier vornehmlich um die Treue der Knechte. Ferner tritt die unumschränkte Güte des Herrn ans Licht. Sicherlich wäre es ein überreicher Lohn für einen Knecht, über vieles zu herrschen; aber es wird noch hinzugefügt, dass die treuen Knechte in die Freude ihres Herrn eingehen sollen. Mit anderen Worten: sie sollen in unmittelbare Verbindung mit Ihm Selbst gebracht werden. Wer könnte schätzen, was das sein wird?

Wir sind also berufen, unsere Talente für den Herrn in Seiner Abwesenheit zu gebrauchen, nicht aber zu schlafen wie die Jungfrauen in dem vorhergehende Gleichnis. Wenn Er zurückkommt, wird Er uns fragen, wie wir unserer Berufung entsprochen haben. Es mag sein, dass der Leser nur ein Talent besitzt; möchte er es nur treu benutzen und nicht, wie viele, dem Wunsche nach mehr oder nach anderen Gaben Raum geben und auf diese Weise die eine, welche er hat, vernachlässigen! Wenn er treu ist, so wird der Herr ihm bei Seiner Rückkehr Seinen Beifall nicht vorenthalten und ihn zu einem Teilhaber Seiner Freude machen.

Die Gefahr ist groß gerade für solche, die nur ein Talent haben, es so zu machen wie der böse Knecht in unserem Gleichnis. Ach! das eigene Talent erscheint oft so klein im Vergleich mit den Gaben anderer; es ist so wenig in die Augen fallend, ja vielleicht beachten sterbliche Augen gar nicht, was ich tue. Aber lasst uns nicht vergessen: Gott sieht alles! Er ist es, der die Talente gibt, und Er hat mir das eine Talent gegeben nach meiner „Fähigkeit", gerade so wie Er anderen mehr gegeben hat nach ihrer Fähigkeit. Was könnten mir, der ich nur Fähigkeit für ein Talent habe, zwei nützen, wenn ich sie wirklich erlangen könnte? Meine Sache ist es, das eine treu zu benutzen. Möchte Gott uns alle dahin leiten, die Gaben, die Er uns gegeben hat, in Abhängigkeit von Ihm, dem lebendigen Gott, zu gebrauchen!

Wie in dem Gleichnis von den Pfunden, so erhalten auch hier alle Knechte Gaben. Dies steht in Übereinstimmung mit Epheser 4,16, wo die Gläubigen unter dem Bilde eines Leibes, des Leibes Christi, dargestellt werden und wo dann die Rede ist von „jedem Gelenk der Darreichung". Beachte es wohl, mein Leser; jedes Glied empfängt nicht nur, obwohl das sicherlich wahr ist, sondern es reicht auch dar. Jeder Teil des Leibes hat seine bestimmten Obliegenheiten zu erfüllen, ein jeder hat gerade das zu tun, was ihm zukommt; und keiner ist so unbedeutend, dass der hervorragendste Teil sagen könnte: „Ich bedarf deiner nicht". Alles ist so wunderbar geordnet, dass es weder ein überflüssiges Glied gibt, noch dass eines fehlt. (Vergl. 1. Korinther 12)

Ohne Zweifel würden manche Klagen über den Mangel an Gaben verstummen, wenn ein jeder treu das benutzen wollte, was er vom Herrn empfangen hat. Wir werden allerdings ermahnt, „um die größeren Gnadengaben zu eifern"; aber wer im Kleinen nicht treu ist, kann nicht erwarten, dass ihm mehr anvertraut werde, während andererseits das Talent des faulen Knechtes dem noch hinzugegeben wird, der die zehn Talente hat. - Lasst uns auch nicht vergessen, dass sogar ein Timotheus der Ermahnung bedurfte, seine Gabe anzufachen (2. Timotheus 1,6), damit sie nicht unbenutzt liege und schlummere. O wie viele Bedürfnisse gibt es in unseren Tagen an so vielen Orten, wie viele Gelegenheiten, zu dienen und in der einen oder anderen Weise darzureichen ! Aber wer vermöchte die Talente alle zu berechnen, welche in der Erde, d. h. in irdischen Dingen, vergraben werden, und darum unbenutzt liegenbleiben? Möchte Gott in allen Seinen Kindern ein Gefühl über die vorhandenen Bedürfnisse sowohl, als auch über ihre persönliche Verantwortlichkeit erwecken!

Der Herr wird bald zurückkehren, und wir werden dann Rechenschaft von unserer Verwaltung abzulegen haben. Alle, die den Platz von Knechten einnehmen, werden als solche gerichtet werden. „Wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei gut oder böse" (2. Korinther 5,10). Deshalb verbindet der Apostel mit dieser ernsten Mitteilung die Worte: „Wir beeifern uns, ihm wohlgefällig zu sein".

Der unnütze Knecht macht viele Entschuldigungen, um seine Untreue zu verdecken: sein Herr ist ein „harter" Mann, er erntet, wo er nicht gesät hat usw. Wir ersehen daraus, welche Gedanken der Mensch (und selbst solche, die Knechte Gottes zu sein bekennen) über seinen Herrn im Himmel haben kann. Für den Trägen ist alles eine harte Arbeit; und wie böse ist es, Gott der Ungerechtigkeit zu beschuldigen! So wird er denn ein böser und fauler Knecht genannt und in die äußere Finsternis hinausgeworfen, wo das Weinen und das Zähneknirschen sein wird.

Die Treuen aber gehen ein in die Freude ihres Herrn - in der Tat eine reiche Vergeltung für die kleinen Dienste, die wir hier Dem darbringen können, Dem wir alles verdanken, was wir haben und sind; wenngleich andererseits nichts klein ist, was wir für einen solchen Herrn tun dürfen. - Darum lasst uns treu sein, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da wir wissen, dass unsere Mühe nicht vergeblich ist im Herrn! (1. Korinther 15,58).

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Der Starke und der Stärkere

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 57ff

Wenn der Starke bewaffnet seinen Hof bewacht, so ist seine Habe in Frieden; wenn aber ein Stärkerer als er über ihn kommt und ihn besiegt, so nimmt er seine ganze Waffenrüstung weg, auf welche er vertraute, und seine Beute teilt er aus“ (Luk. 11, 21. 22).

Kein Mensch kannte oder kennt die ganze Größe und Strafbarkeit unserer Schuld, und ebenso wenig war oder ist jemand imstande, die ganze Macht Satans zu ermessen, die uns gefangen hielt. Der Herr allein vermochte beides, und Er nennt Satan den „Starken“. Auch wird er der Fürst der Gewalt der Luft genannt (Eph. 2, 2). Als der Fürst und der Gott dieser Welt übt er einen Einfluss aus, der sich sowohl über die sichtbare als auch über die unsichtbare Welt erstreckt. Nicht nur hat er die Menschen mit sich ins Verderben gezogen, sondern auch das ganze Heer der bösen Geister befindet sich in seinem Gefolge.

Wie ernst ist der Gedanke, das; alle Menschen von Natur sich in jenem sichtbaren Bereich befinden, den der Herr als den „Hof Satans bezeichnet, und dass keine Anstrengung ihrerseits sie aus demselben befreien kann! Sie vermögen nichts gegen den, der als der Starke bewaffnet seinen Hof bewacht. Sie sind als solche, die der Macht des Todes verfallen find, allesamt Sklaven Satans und werden von ihm zur Erreichung seiner Zwecke benutzt. Diese aber gipfeln darin, die Ratschlüsse zu durchkreuzen, welche Gott in Seiner Güte zum Wohl und Glück des Menschen gefasst hat.

Diese Empörung gegen Gott, welche die Wege Satans und aller derer kennzeichnet, die unter seinem Einfluss stehen, hat nichts anderes als Selbstüberhebung zur Grundlage. Ursprünglich war Satan als eine herrliche Kreatur aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, wie dies aus den folgenden Worten hervorgeht: „Du, der du das Bild der Vollendung warst, voll von Weisheit und vollkommen an Schönheit, du warst in Eden, dem Garten Gottes; allerlei Edelgestein war deine Decke: Sardis Topas und Diamant, Chrysolith, Onyx und Jaspis, Saphir, Karfunkel und Smaragd und Gold. Das Kunstwerk deiner Tamburine und deiner Pfeifen war bei dir; an dem Tage, da du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein schirmender gesalbter Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht; du warst aus Gottes heiligem Berge, du wandeltest inmitten feuriger Steine. Vollkommen warst du in deinen Wegen von dem Tage an, da du geschaffen worden, bis Unrecht an dir gefunden ward. 

Dein Herz hat sich erhoben ob deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichte gemacht wegen deines Glanzes (Hesekiel 28, 12 —17). Diese ernsten Worte ruhten sich zwar zunächst an den König von Tyrus, enthalten aber ohne Zweifel eine Anspielung auf Satan. Selbstüberhebung hat ihn zu Fall gebracht, und seitdem verfolgt er nur den einen Zweck, Gott aus dem Herzen des Menschen und aus der Welt zu verdrängen und sich selbst als Gott darzustellen. Nach den bisherigen Erfolgen Satans scheint er diesem seinem Zweck in der Tat je länger je näher zu kommen. Er ist von Stufe zu Stufe weiter gegangen, hat einen Sieg nach dem anderen errungen; und wohl mag uns bei dem Gedanken an die Fortschritte des Bösen und an unsere eigene Ohnmacht demgegenüber Furcht und Zittern ergreifen. Indessen dürfen wir nicht vergessen, dass jeder Fortschritt des Feindes andererseits nur dazu gedient hat, die Herrlichkeit und Größe Gottes umso mehr ans Licht zu stellen. Dieses Bewusstsein kann wiederum unsere bangen Herzen inmitten der zunehmenden Verwirrung mit Trost und Vertrauen erfüllen.

Nachdem Satan den Menschen zum Fall gebracht hatte, benutzte er den Zustand der gefallenen Schöpfung und die infolge dessen eintretenden Naturereignisse, Verheerungen und dergl. dazu, ihm falsche Vorstellungen von dem wahren Gott beizubringen, Ihn als ein hartes liebloses Wesen hinzustellen. Andererseits wirkte er auf die Einbildungen des Menschen und verleitete ihn, sich selbst einen Gott zu machen, der seinen natürlichen Lüsten entsprach: er verführte ihn zum Götzendienst. Auf diese Weise aber nahm er selbst Besitz. von den Herzen der Menschen. Denn hinter dem Götzen, mag er nun von Holz oder Stein sein, mag er ein Tier oder irgend eine andere Kreatur darstellen, steht Satan, um sich huldigen zu lassen; mir geschrieben steht: »Das was die Nationen opfern, opfern sie den Teufeln (eig. Dämonen) und nicht Gott“ (1. Kor. 10, 20) So ist Satan der Gott dieser Welt geworden (2. Kor. 4, 4), und er übt einen mächtigen Einfluss mittelst der Götzen auf das Herz des Menschen aus.

Gott ist diesem bösen Wirken Satans von jeher entgegengetreten. Unaufhörlich hat der gewaltige Kampf zwischen dem Reiche der Finsternis und dem des Lichtes getobt. In den Tagen vor und nach der großen Flut hatte Gott immer Zeugen ans dieser Erde, welche, wie Henoch, mit Ihm wandelten, treu und unerschrocken dem überhandnehmenden Verderben entgegentraten und die Welt durch ihr Wort und ihren Wandel verurteilten. Später erwählte Gott sich Israel zum Volke, um mittelst desselben in dieser Welt das Zeugnis von dem einen wahren Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, aufrecht zu erhalten. Er offenbarte sich ihm in der Herrlichkeit und Majestät Seiner Macht durch Wunder und Zeichen, indem Er das Rote Meer vor ihnen teilte und sie von der Macht ihrer Feinde errettete, so dass sie triumphierend singen konnten: „Wer ist dir gleich unter den Göttern, Jehova! wer ist dir gleich, sich verherrlichend in Heiligkeit, furchtbar an Lob, Wunder tuend!“ Oder wie es; an einer anderen Stelle heißt, wo sie ihren Erfahrungen von der Macht und Güte Gottes- Ausdruck geben: „Groß ist Jehova und sehr zu loben, furchtbar ist Er über alle Götter; denn alle Götter der Völker sind Nichtigkeiten, aber Jehova hat die Himmel gemacht“ (Psalm 96, 4. 5).

Das sinaitische Gesetz bildete die Schranke zwischen Israel und den übrigen Nationen, durch deren Aufrechterhaltung das Zeugnis der göttlichen Offenbarung in Israel gesichert werden sollte. Aber Satan gelang es, auch diese Schranke zu durchbrechen, indem er Israel veranlasste, .sich mit den umherwohnenden Nationen zu verbinden. Diese Verbindung wurde Verhängnisvoll für Israel, indem es, trotz aller Warnungen seiner Propheten, in den Götzendient jener Nationen verfiel, ja es nach und nach schlimmer trieb als diese, und endlich, in Gemeinschaft mit ihnen, seinen Messias verwarf und tötete.

 Es erfüllte sich die Weissagung der Propheten: „Warum tobten die Nationen und sannen Eitles die Völker? Die Könige der Erde standen auf, und die Obersten versammelten sich wider den Herrn und wider Seinen Christus“ (Apstgsch. 4, 25. 26). Israel hatte sich mit den Nationen und Königen der Erde samt und sonders in den Dienst Satans gestellt und damit dessen Absichten ihrer Erfüllung näher gebracht. Seitdem wird Satan in der Schrift als „der Fürst der Welt“ bezeichnet, weil Juden und Heiden, Reiche und Arme, weltliche und religiöse Mächte, Landpfleger, Kriegsknechte, Hohepriester und Schriftgelehrte ihm in dem Kampfe gegen Christum willig Heerfolge leisteten. (1. Joh. 14, 30; 16, 11). Satan trug anscheinend den Sieg davon und richtete seinen Thron in der Welt auf.

Doch wenn gefragt wird, ob Satan durch diesen neuen, gewaltigen Erfolg die Hilfequellen Gottes erschöpft habe, so dürfen wir triumphierend antworten: Nein; Vielmehr hat Satans Sieg gerade dazu dienen müssen, die unergründlichen Tiefen jener Quellen noch weiter aufzuschließen, indem jetzt wunderbare, bis dahin im Herzen Gottes verborgen gebliebene Geheimnisse enthüllt wurden. Mit dieser Enthüllung trat eine Gnade ans Licht, die sich über all das in den vorangegangenen Zeitaltern geoffenbarte Böse und Verderben weit erhob, indem sie eine Tür des Heils auftat für die, welche nicht nur das Gesetz übertreten, sondern auch den Sohn Gottes verworfen hatten; ja, eine Tür des Heils für die ganze Welt. Der Heilige Geist kam hernieder, um alle durch jene Tür hindurch Geretteten zu einem Leibe zu vereinigen, dessen Haupt der auserstandene, verherrlichte Christus ist. Die Kirche, die Gemeinde oder Versammlung Gottes, wurde gebildet, eine gänzlich neue Sache, welche Gott als ein letztes Zeugnis Seiner Gnade in dieser Welt ausrichtete, auf dass, wie Christus sagt, die Welt glaube, dass Gott Ihn gesandt habe“ (Joh. 17, 21).

Schön und herrlich stand dieses letzte Zeugnis anfänglich da. Aber ach! nur zu bald trat auch jetzt wieder der Verfall ein. Es gelang dem Fürsten der Welt, auch dieses letzte Zeugnis zu verderben und die Darstellung der Einheit des Geistes zu zerstören. Die Kirche gab ihre himmlische Stellung auf und, anstatt die Welt zum Glauben an den Sohn Gottes zu führen, verband sie sich mit ihr und nahm ihren Platz da, „wo der Thron des Satans ist“ (Offbg. 2, 13) Was wird ihr Ende sein? Ach! nachdem sie sich so gleichsam unter das Szepter jenes Thrones gestellt hat, sehen wir Satan seine Netze immer enger und fester um sie ziehen. Seine Absicht ist, gerade durch sie, über welche Gott die überströmende Fülle Seiner Gnade ausgegossen hat, seine ·boshaften Pläne zum Ziele zu führen. Und das Ende wird zeigen, dass gerade die Kirche, wie jemand gesagt hat, das Nest gewesen ist, in welchem Satan die größte Bosheit ausgebrütet hat, welche die Welt je gesehen, und die in der Person des Antichristen, des „Gesetzlosen“, offen zu Tage treten wird. Ein Name, der den schrecklichen Zustand der Kirche kennzeichnet, wird an ihrer Stirn geschrieben stehen: „Geheimnis, Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde«. (Offbg. 17, 5.)

 Die Kirche ist dann zu einer Quelle des Bösen geworden; denn sie hat die, welche aus der Erde wohnen, trunken gemacht von dem Weine ihrer· Hurerei. Sie hat sie durch ihre betrügerischen Lehren reif und empfänglich gemacht für die Aufnahme des Bösen in seiner vollendeten, gotteslästerlichen Form. Satan wird den Gipfelpunkt seiner Empörung gegen Gott erreicht haben, wenn er in dem Haupte des Tieres (des wiedererstandenen römischen Reiches) und in dem mit diesem verbundenen Antichristen sich sozusagen verkörpern und die Huldigungen seitens der ganzen Erde empfangen wird. „Und die ganze Erde verwunderte sich über das Tier. Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tiere die Gewalt gab, und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tiere gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?“ (Offbg. 13, 3. 4) Satan wird sich in der Person des Antichristen über alles erheben, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei“ (2. Thess. 2, 4).

Alsdann wird das Wort des Herrn in Erfüllung gehen: „Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“ (Joh. 9, 4). Jedes Zeugnis für Gott und für die Wahrheit wird alsdann verstummen; das Reich der Finsternis wird dem Anschein nach über das Reich des Lichtes gesiegt haben. Satan wird einen Augenblick als der Starke seinen Zweck erreicht haben und seine Triumphe feiern. Und wenn es von dem Menschen oder irgend einer Kreatur abhinge, so würde jede Hoffnung auf die Erfüllung der Ratschlüsse Gottes dahin sein. Es wird in der Tat so weit kommen, dass Gott aus dem Herzen des Menschen und aus der Welt verdrängt und der letzte Zeuge für die Wahrheit zum Schweigen gebracht ist. Da liegt denn die Frage nahe: Wird Gott auch dann noch einen Ausweg finden? Wird Er trotzdem Seine Ratschlüsse erfüllen und Sieger bleiben?

Gott sei gepriesen, dass wir auf Grund Seines kostbaren Wortes diese Fragen mit einem glücklichen und zuversichtlichen „Ja“ beantworten können! Aus diesem Worte wissen wir, dass Er Seine Ratschlüsse in Christo gefasst hat, in Ihm, der in Seiner herrlichen und erhabenen Person und durch Sein vollbrachtes Werk die Bürgschaft für die endgültige Erfüllung jener Ratschlüsse bietet. Er hat sich bereits als der Stärkere erwiesen, indem Er über den Starken gekommen ist und ihn besiegt hat. Und zwar hat Er dieses getan als Der, der sich selbst erniedrigt hat, als der Same des Weibes. 

Von Ihm wurde schon gleich nach dem Sündenfall des Menschen geweissagt: „Er wird dir (der Schlange) den Kopf zermalmen, und du wirst Ihm die Ferse zermalmen“ (1. Mose 3, 15). Christus hat durch Seinen Tod den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel (Hebr. 2, 14). So wahr Christus gestorben ( oder, bildlich gesprochen, Seine Ferse zermalmt worden) ist, so wahr ist Satan durch diese Tatsache vor Gott zunichte gemacht, zermalmt worden; und die Auferstehung Christi aus den Toten und Sein Sitzen zur Rechten des Thrones Gottes gibt dem Glauben die Bestätigung dieses herrlichen und glorreichen Sieges.

Auch hat Christus diesen Sieg für alle die Seinigen errungen. Ebenso gewiss wie Er jetzt zur Rechten Gottes sitzt, hat Er sie alle aus dem Bereich, „dem Hofe“ des Starken herausgeführt. „Auch euch, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, in welchen ihr einst wandeltet nach dein Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams . . . Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen Seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht . . . und hat uns mitauserweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Orten: in Christo Jesu“ (Eph. 2, 1 —6).

Das ist die Stellung aller wahren Gläubigen; Gott sieht sie alle in Christo. Sie alle bilden die Versammlung Gottes, welche Christus als Sein Eigentum bezeichnet mit den Worten: „Und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen“ (Matth. 16, 18). Dieser Felsen ist kein anderer als Er selbst, der Sohn des lebendigen Gottes. So unmöglich es ist, dass des Hades Pforten (der Ausdruck der stärksten Macht des Feindes) Ihn, den aus den Toten „Auferstandenen, zu überwältigen vermögen, so unmöglich können sie die durch und auf Ihn selbst gegründete Versammlung antasten. Ja, unsere Stellung in Christo ist unerschütterlich unantastbar. Ob auch Satan immer noch seine verderbliche Wirksamkeit fortsetzt und der Verfall größer und größer wird, ob auch die Nacht kommt, da niemand wirken kann, — wir kennen dennoch aus Grund des Sieges Christi schon den Ausgang des Kampfes und können jetzt schon sagen: „Weine nicht! siehe, es hat überwunden der Löwe, der aus dem Stamme Juda ist, die Wurzel Davids (Offbg. 5, 5). 

Das Bewusstsein dieses herrlichen Ausgangs erfüllt uns mit und Kraft, den Kampf aus Liebe zum Herrn und in der Macht Seiner Stärke fortzusetzen, damit Er verherrlicht werde, dem wir alles verdanken. Denn zu diesem herrlichen Ende muss Sein glorreicher Sieg führen. Die Herrlichkeit der himmlischen Heiligen, die Wiederherstellung Israels, die Befreiung der Schöpfung, der Friede auf Erden — alles das wird die Folge Seines Sieges sein und zeugen von Seinem Ruhm und der Größe Seiner Macht.

Ja, Christus hat Satan nicht nur besiegt, sondern auch entwaffnet. Er hat seine ganze Waffenrüstung weggenommen, auf welche er vertraute. Wir haben deshalb keine Ursache, furchtsam und verzagt zu sein; denn Satan ist machtlos dem Gläubigen gegenüber, umso mehr als diesem die ganze Waffenrüstung Gottes —— Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede - zur Verfügung steht (Eph. 6, 11 - 15). Die Waffen Satans sind Lüge und Gewalttat; er „war ein Menschenmörder von Anfang und ist in der Wahrheit nicht bestanden, weil keine Wahrheit in ihm ist . . . er ist ein Lügner und der Vater derselben“ (Joh. 8, 44). Diesen Waffen der Lüge und Gewalttat verdankt er seine traurigen Erfolge von Anfang an; er belog den ersten Menschen und brachte ihn so um das Paradies, und er veranlasste Kain, seinen Bruder zu erschlagen, weil dieser gerecht war und durch den Glauben Zeugnis für Gott ablegte. (Hebr. 11, 4; 1. Joh. 3, 12). Und mittelst dieser Waffen verdirbt er noch heute die Gläubigen — um nicht von der Masse der bloßen Bekenner zu reden —, indem er sie teils belügt und von der Einfalt gegen den Christus abzuwenden trachtet (2. Kor. 11, 3), teils ihnen durch allerlei Drohungen und Schreckmittel den Weg der Wahrheit zu erschweren sucht.

 Aber bei einem Gläubigen, dessen Ein und Alles Christus ist, finden weder die Lügen Satans ein Ohr, noch schrecken ihn dessen Gewalttätigkeiten. Zur Zeit der Verfolgungen vermochten weder Schmeicheleien noch Marter und Scheiterhaufen etwas bei denen auszurichten, deren einziger Gegenstand Christus war. Denn wer einfältig an Seiner Person hängt, unterscheidet leicht die Stimme des guten Hirten von der des Fremden, die Wahrheit von der Lüge, unter welcher Form diese auch an ihn herantreten mag. Das Bewusstsein seiner Einheit mit Christo ist ihm zu kostbar, als dass er es für irgend Etwas aufgeben könnte; in Ihm besitzt er alles, was sein Herz befriedigen kann. Er, der Sohn Gottes, die Freude und Wonne des Vaters dort in der Herrlichkeit, ist auch ein Gegenstand, und er weiß sich in Ihm außerhalb des Bereiche Satans, so dass dieser ihn nicht anzutasten vermag (1. Joh. 5, 18). Satan findet keinen Anknüpfungspunkt bei einem Gläubiger der, seiner himmlischen Stellung sich bewusst, in Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden wandelt und den Schild des Glaubens ergriffen hat, mit welchem er, wie der Heilige Geist es ausdrückt, alle feurigen Pfeile des Bösen auszulöschen vermag. (Eph. 6, 16.) Und an einer anderen Stelle lesen wir: „Und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?“ (1.. Joh. 5, 4. 5.)

Er, der Stärkere, hat den Starken entwaffnet, und seine Beute teilt Er aus. Er wird bald kommen, um uns in Seine Herrlichkeit einzuführen, und dann werden wir die Tragweite Seines Sieges in Bezug auf uns völlig erkennen. Denn, es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass, wenn offenbar werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Joh. 3,2). Gerade diese Herrlichkeit hat Satan als eine Beute an sich reißen wollen und ist dadurch zu Fall gekommen, wie uns dies vorbildlich in den hochfliegenden Plänen und dem Sturz des Königs von Babel dargestellt wird: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte! zur Erde gefällt, Überwältiger der Nationen! Und du, du sprachst in deinem Herzen: „Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben, und mich niedersetzen ans den Versammlungsberg im äußersten Norden.

 Ich will hinausfahren ans Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten.“ Doch in den Scheol wirst du hinabgestürzt, in die tiefste Grube (Jes. 14, 12 -15). Das was Satan in stolzer Selbsterhebung erstrebte, wird Christus den Seinigen infolge Seines Sieges über ihn zu teil werden lassen. „Hinaufgestiegen in die Höhe, hat Er die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben *) gegeben“ (Eph. 4, 8). Er wird die Seinigen, Seine Braut, die Glieder Seines Leibes, erheben zu Seiner eigenen Herrlichkeit, wie Er zu Seinem Vater gesagt hat: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, auf das; sie eins seien, gleichwie wir eins sind . . und auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast“ (Johannes. 17, 22. 23). 

Die Herrlichkeit wird zeigen, wie vollkommen Christus die einigen Ratschlüsse Gottes ausgeführt hat Satan meinte sie durchkreuzen zu können, indem er dem Samen des Weibes die Ferse zermalmte ; aber er hat gerade dadurch zur Erfüllung derselben mithelfen müssen. Und während schon jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern die gar mannigfaltige Weisheit Gottes durch die Versammlung kundgetan wird (Eph. 3, 10), ist die Zeit nicht mehr fern, da sie die Herrlichkeit Gottes haben und mit all den Edelsteinen geschmückt sein wird (Offbg. 21, 9ff.), welche in der oben angeführten Beschreibung der Herrlichkeit Satans vor seinem Fall erwähnt werden.

Doch damit drängt sich uns ganz von selbst eine ernste Frage auf, welche also lautet: Sollte nicht dieser Sieg Christi und die Liebe, die Er zu uns geoffenbart l)at, indem Er uns, die elenden Sklaven Satans, durch Seinen Sieg befreite und uns schließlich zu Teilnehmern Seiner eigenen Herrlichkeit machen will; sollte nicht die in der Bildung der Versammlung sich kundgebende mannigfaltige Weig4heit Gottes uns mit Anbetung und rückhaltloser Hingebung für Ihn erfüllen? Sollten wir für die kurze Zeit unseres Hierseins noch etwas anderes erwarten und wünschen, als das, wonach Paulus sich sehnte: das; nämlich Christus hoch erhoben werde an seinem Leibe, sei es durch Leben oder durch Tod? (Phil. 1, 20) Gerade jetzt, in der Zeit des Verfalls, gilt es, entschieden Stellung für Christum zu nehmen und auf Seiner Seite erfunden zu werden2. Lasst uns daran denken, dass es nicht ein Kampf zwischen Menschen oder Parteien ist, um den es sich handelt, sondern ein Kampf zwischen dem Reiche des Lichts und dem Reiche der Finsternis, zwischen Christo und Belial. (2. Kor. 6, 14. 15.) 

Da gibt es keine Neutralität; Halbheit und Lauheit sind gleichbedeutend mit einem Verrat an der Sache Christi. An jeden Einzelnen ergeht gleichsam die ernste Frage: „Bist du für. uns oder für unsere Feinde“ (Jos. 5, 13)? Lebst und· arbeitest du für Christum, oder förderst du durch dein Verhalten die Absichten Satans? Wenn letzteres der Fall ist, dann bist du, wenn auch dir selbst unbewusst, wider Christum, selbst wenn du in der guten Meinung stehst, für Ihn zu arbeiten. Petrus hatte gewiss eine gute Meinung, als er den Herrn von Seinen Leiden zurückhalten wollte, und doch diente er damit nur den Absichten Satans. Und er musste die ernste Antwort des Herrn vernehmen: 2Gehe hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnest nicht aus das, was Gottes, sondern aus das, was der Menschen ist“ (Matth. 16, 22. 23).

Wie leicht kann es auch heute sein, dass man, in der guten Meinung, das Werk des Herrn, die Ausbreitung des Evangeliums und dergl. zu fördern, zu menschlichen Mitteln und Verbindungen greift, -ohne zu ahnen, dass man damit die Absichten Satans fördert. Anstatt den Gedanken Gottes gemäß zu sammeln und zu wirken, zerstreut man vielmehr und macht den vorhandenen Riss größer. Die eigene Meinung hat dann mehr Wert als das einfache, klare Wort Gottes. Man sollte nicht meinen, dass dies bei sonst ganz ernsten Christen der Fall sein könnte; und doch ist es so. O möchten wir doch alle mit tiefem Ernst darauf bedacht sein, dass wir nicht in irgend einer Weise „vom Satan übervorteilt werden; denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt“. (2. Kor. 2,11). Wie oft geschieht es leider auch, dass sich Christen durch Rücksichten ans Menschen und irdische Verhältnisse leiten lassen und sich betreffs ihres persönlichen, ihres Familien- oder Geschäftslebens dem Geschmack der Welt anpassen, anstatt in allem diesem auf das zu sinnen, was Gottes ist. Ach, möchte es solchen doch dies zum Bewusstsein kommen, dass sie mit ihrer Weltförmigkeit, ihrer Gefallsucht, ihrer Kleiderpracht und dergl. nur den Absichten Satans entsprechen und somit wider Christum sind! J

a, lass uns nie vergessen, lieber Leser, dass wir von Christo angeworben sind, um Kriegsdienste für Ihn zu tun. Niemand aber, der Kriegsdienste tut, verwickelt sich in die Beschäftigungen des Lebens, geschweige denn, dass er mit den Feinden seines Herrn liebäugelte und einen Vergleich mit ihnen schlösse. Nein, ein treuer Soldat ist seinem Herrn mit Leib und Seele ergeben, schreckt auch nicht Vor Entbehrungen und Trübsalen zurück, sondern sucht seine Ehre darin, »dass er dem gefalle, der ihn angeworben hat“ (Vergl. 2. Tim. 2, 3. 4) Er ist eifersüchtig aus die Ehre seines Herrn und setzt seine ganze Kraft daran, dessen Absichten zu fördern.

Wie steht es in dieser Beziehung unter uns, geliebte Brüder? Der Herr sagt: „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut (Luk. 11, 23.) Sind wir wirklich von ganzem Herzen mit Christo, unserem Herrn? Sind wir Seinem Worte, jedem Seiner Winke gehorsam? Begehren wir einzig und allein Seinen Beifall? Oder hinken wir aus beiden Seiten? Ist letzteres der Fall, so dürfen wir versichert fein, dass wir nicht die Absichten unseres Herrn und .Heilandes, sondern diejenigen Satans fördern. Das mag streng und hart klingen, aber es ist wahr. Ein Häuflein wackerer, ihrem Herrn und Führer ergebener Streiter flößt dem Feinde Grauen ein und wird Sieg auf Sieg erringen, während ein ganzes Heer halbherziger Soldaten, die lieber ihrer Gemächlichkeit und ihren Neigungen nachgehen, als; ihren Dienst treu erfüllen, dem Feinde zum Spotte dient und der eigenen Sache nur hinderlich ist.

Fußnote:

Unter diesen Gaben sind, wie aus dem Zusammenhang des ganzen Kapitels (Eph. 4) hervorgeht, zunächst nur jene zu verstehen, welche Christus in den Dienst der Versammlung gestellt hat: Apostel, Evangelisten“ Doch schließt die Stelle im allgemeinen Sinne sicherlich alle Gaben ein, die Christus infolge Seines Sieges den Mensch en. zu teil werden lässt

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Zwei Warnungen und ein Vorbild

Bibelstelle: Matthäus 26

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 72ff

(Aus einem Vortrag über Matth. 26.) Unser Kapitel stellt Petrus und Judas als Warnungen, den Herrn Jesum als Vorbild vor unsere Blicke. In Petrus finden wir die Schwachheit des; Fleisches, in Judas die schreckliche Bosheit desselben, wissend wir in dem Herrn den vollkommenen Menschen sehen. Judas ist ein bloßer Bekenner, Petrus ein auf die Probe gestellter Gläubiger; Jesus aber hat uns auch hier ein Beispiel hinterlassen, damit wir Seinen Fußtapfen nachfolgen mögen. Sowohl der Herr wie die beiden Jünger befanden sich in schwierigen, prüfungsvollen Umständen, und das Ergebnis der Prüfung wurde bei jedem Einzelnen offenbar.

Petrus hatte, als er den Herrn verleugnete, den Heiligen Geist noch nicht empfangen. Wir besitzen Ihn: aber obwohl das« so ist, gibt es doch in dem Falle der Petrus wichtige Belehrungen für uns. Denn gehört nicht die gänzliche Wertlosigkeit des; Fleisches gerade zu den Dingen, welche wir so sehr schwer lernen? In Petrus sehen wir, was das Fleisch ist. Und nur in dem Maße, wie wir das Fleisch, die alte böse Natur, für tot und in Unterwürfigkeit halten, leben wir wirklich in der Hoffnung der Herrlichkeit.

Zunächst möchte ich etwas über den Verrat des Judas; sagen. Vor Menschen schien Judas sich in nichts von den übrigen Jüngern zu unterscheiden; er hatte den Herrn überallhin begleitet, war wie die Anderen von Ihm ausgesandt worden, um das Evangelium zu verkündigen und Wunder zu wirken: aber sein Gewissen war nie vor Gott in Tätigkeit gewesen. Dem Verstande nach mag er manches von der Wahrheit aufgenommen haben. Man findet ja häufig Personen, welche einen ziemlich hohen Grad von christlicher Erkenntnis besitzen, ohne dass ihr Gewissen je ernstlich berührt worden wäre; während da, wo das Gewissen in Tätigkeit ist, die Wahrheit oft langsam und nicht so bereitwillig aufgenommen wird, weil das Erkennen derselben ernste innere Übungen hervorruft. Judas hätte nicht drei Jahre lang mit dem Herrn wandeln können, wenn nicht seine Gefühle in irgend einer Weise durch die Gnade und Liebe Jesu in Tätigkeit gesetzt worden wären; aber sein Gewissen war, wie gesagt, nie wirklich vor Gott aufgewacht. Das ist der Zustand vieler christlicher Bekennen Wir begegnen, wie bereits bemerkt, bei wahren Gläubigen oft einer gewissen Langsamkeit in der Aufnahme der Wahrheit. 

Es gibt da manches vor Gott zu verurteilen, manches abzulegen und aufzugeben —- Opfer werden gefordert. So ist es uns z. B. unserer Erkenntnis nach völlig klar, dass das kostbare Blut Christi von aller Sünde reinigt; aber es braucht nur ein Fehltritt vorgekommen zu sein, und sofort zeigt es sich, wie langsam wir sind in der Anwendung jener gesegneten Wahrheit, und wie schwer es uns wird, Trost daraus zu schöpfen. Das Gewissen ist in Tätigkeit, und das ist auch gut und notwendig. Die Gefühle der Unbekehrten geraten oft sehr rasch in Bewegung. So folgte bei der Kreuzigung des Herrn eine große Zahl Weiber nach, welche über Ihn weinten und wehklagten; aber regte sich dabei irgendwie ihr Gewissen? Ach nein; „weinet über euch selbst und über eure Kinder“, musste Jesus ihnen zurufen. Auch lesen wir von solchen, welche „das Wort alsbald mit Freuden aufnehmen“, ohne dass ihr Gewissen irgendwie getroffen wäre, und die deshalb auch „alsbald, wenn Drangsal entsteht oder Verfolgung um des Wortes willen, sich ärgern und abfallen“.

Der natürliche Mensch fühlt das Bedürfnis nach irgendetwas, was ihn bei dem Gedanken an Gott zu beruhigen und zufrieden zu stellen vermag; und so lange er seinen hoffnungslos verlorenen Zustand nicht erkannt hat, trachtet er nach einem gewissen Maß von eigener Gerechtigkeit vor Gott. Vielleicht hat er sich, veranlasst durch jenes Bedürfnis, über manche Wahrheiten des Evangeliums Klarheit verschafft, er besitzt einiges Verständnis und auch eine gewisse Neigung für das Christentum; aber so lange das Gewissen nicht bloß und aufgedeckt vor Gott gewesen ist, ist kein Leben vorhanden — der Mensch ist noch geistlich tot.

Doch kehren wir zu Judas zurück. Der arme, verblendete Mann verrät seinen Herrn und Meister! Was war es, das ihn zu dieser schrecklichen Tat verleitete? Im Grunde nichts anderes, als was wir in jedem natürlichen Herzen finden. Judas liebte das Geld. Das ist in der Tat nichts Ungewöhnliches. Und wenn sich bei einem Gläubigen heutzutage Geldliebe findet, so ist sie sicher ebenso verwerflich, ja verwerflicher als bei Judas, weil heute mehr Licht vorhanden ist als damals. Satan benutzte die böse Neigung, die sich bei Judas in besonderer Weise offenbarte, indem er ihm einen Weg zeigte, auf welchem er seiner Neigung fröhnen konnte; denn Judas liebte das Geld mehr als er Jesum liebte. Und schließlich zeigte sich, was ein äußeres dem Herrn Nahestehen zur Folge hat, wenn das Gewissen unberührt geblieben ist: Judas rechnete mit den Umständen. Er dachte höchst wahrscheinlich, der Herr werde sich schon zu befreien wissen: war es doch wiederholt vorgekommen, dass Er, mitten durch Seine wütenden Feinde hinschreitend, ihren Händen entgangen war. Als Judas nun sah, dass es diesmal anders ging, dass der Herr sich freiwillig den Händen der Sünder auslieferte, da warf er das Geld weg und rief: „Ich habe gesündigt, indem ich schuldloses Blut überliefert habe (Matth. 27, 4)!

Judas blieb in jener unmittelbaren Nähe des Herrn, bis „nach dem Bissen der Satan in ihn fuhr“. In dem Zustande der Heuchelei wurde sein Herz verhärtet; und als nachher die Tat geschehen war, benutzte Satan die entsetzlichen Anklagen seines Gewissens, um ihn jeder Hoffnung auf Vergebung zu berauben. Mancher dem Herrn ganz fernstehende Mensch würde davor zurückschrecken, seinen Freund durch einen Kuss zu verraten, wie Judas es tat. Sein äußerlich nahes Verhältnis zum Herrn diente nur dazu, ihn zu verhärten; er nahm tatsächlich den Bissen aus der Hand des Herrn! Selbst jedes menschliche Gefühl war verschwunden. So geht es, wenn ein nicht wiedergeborener Mensch eine derartige Stellung einnimmt: er wird schlechter als vorher. Das äußere christliche Bekenntnis: dient nur dazu, sein Herz zu verhärten. Er geht in Heuchelei voran, bis er in Verzweiflung endet. 

Das ist die Religion des; Fleisches- und ihr Ende; dass Fleisch lässt sich durch religiöse Satzungen und Anordnungen nicht bessern, selbst nicht durch die persönliche Gegenwart des Herrn. Ja, so ist das Fleisch, und ich kann kaum sagen: so ist das Fleisch, wenn es sich selbst überlassen ist; denn der Mensch ist niemals sich selbst überlassen, nie wirklich unabhängig von einer höheren Macht. Er strebt wohl nach Unabhängigkeit, und gerade dies erweist ihn als Sünder, denn ein sündlose Geschöpf würde nie nach Unabhängigkeit von seinem Schöpfer trachten: aber seitdem der Mensch von Gott abgefallen ist, ist er ein Sklave seiner Lüste (Tit. 3, 3), ein Sklave Satans.

Der natürliche Mensch hat ein Gewissen und eine gewisse Scham im Blick ans die Sünde: er möchte nicht im Lichte tun, was er in der Finsternis ausübt. Aber wo das Christentum äußerlich angenommen wird, ohne dass Herz und Gewissen unter seinen Einfluss kommen, da wird das natürliche Gewissen verhärtet, und der Mensch wird nur in einer viel feineren, verschmitzteren Weise ein Sklave Satans als vorher.

Ich komme jetzt zu dem Gegensatz zwischen dem, was sich bei Petrus und dem, was sich bei unserem hochgelobten Herrn zeigt. Jesus ist der gehorsame, abhängige Mensch, der Seiner völligen Abhängigkeit durch Gebet Ausdruck gibt. Und siehe da, ein Engel vom Himmel kam und stärkte Ihn. (Luk. 22, 43.) Er fühlte die Schwachheit, welche zu tragen Er sich freiwillig hingegeben hatte. Er wurde „in Schwachheit gekreuzigt“. Er sagt in Psalm 22: „Alle meine Gebeine haben sich getrennt; wie Wachs ist geworden mein Herz, es ist zerschmolzen inmitten meiner Eingeweide; und hier hören wir Ihn ausrufen: „Meine Seele ist sehr betrübt bis zum Tode; bleibet hier und wachet mir“. Schon bei der Versuchung in der Wüste hatte Jesus Seine Abhängigkeit als Mensch bewiesen, indem Er dem Teufel aus dem Worte Gottes antwortete. Er hätte ihn durch göttliche Macht forttreiben können, aber dann wäre kein Vorbild für uns gewesen. Und so sehen wir Ihn auch hier Seine Seele im Gebet vor Seinem Gott und Vater ausschütten.

Vergleichen wir das« Verhalten des Herrn in dieser Lage mit dem Verhalten des Petrus, so entdecken wir sofort das Geheimnis der Schwachheit des Jüngers und der Kraft des Herrn. Petrus hatte gesagt: „Ich bin bereit, in Gefängnis und Tod mit dir zu gehen“, und hier in Gethsemane, wo sich weder um Gefängnis noch Tod handelte, musste der Herr zu ihm sagen: „Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen?“ Die Jünger waren vor Traurigkeit eingeschlafen. „Wachet und betet“, rief der Herr ihnen warnend zu, „damit ihr nicht in Versuchung hineinkommet“ (nicht nur: damit ihr vor einem Fall bewahrt werdet). Petrus ging in die Versuchung hinein; der Herr tat die niemals, und doch waren die Umstände für Ihn unendlich prüfungsvoller als für Petrus oder irgend einen der Jünger.

 Juden und Heiden waren wider Ihn, und hinter allen stand die. Macht Satans. „Dieses“, sagt Jesus, „ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis; und wiederum: „Meine Seele ist sehr betrübt bis zum Tode“. Doch wohin bringt Er alle diese Dinge? Er sucht nicht, wie die Jünger, Seinen Kurnmer im Schlaf zu vergessen. Er geht und betet zum Vater; zu Ihm blickt Er empor, aber Er schaut nicht auf die Umstände, um sich mit ihnen zu beschäftigen. Wohl fühlte Er sie tief; Er sagt: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“ Was wir hier bei Jesu, als Mensch betrachtet, sehen, ist Schwachheit, aber gerade in dieser Schwachheit besteht die wahre Kraft.

Vergessen wir es nie, geliebter Leser: wenn wir in wahrer Abhängigkeit vorangehen, so erreicht uns die Versuchung gar nicht. Jesus sagt nicht: „Soll ich nicht durch alle diese Prüfung en hindurchgehen?“ sondern: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ Er blickte nicht auf Pilatus oder Judas auch war es nicht Satan, der Ihm den Kelch gab, sondern Sein Vater. So ist es auch mit uns; gehen wir in einem Zustande völliger Abhängigkeit von Gott voran, so wird die Versuchung uns gar nicht berühren. Prüfungen werden nicht ausbleiben; aber wenn sie kommen, können wir mit Jesu sagen: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ Wir werden alles aus der Hand des Vaters, nicht aber aus der Hand eines Menschen oder gar aus der Hand Satans nehmen, (obwohl diese in der Sache wirksam sein mögen), und so wird jede Prüfung, durch welche wir zu gehen haben, zu einer gesegneten Gelegenheit, um im Gehorsam vollendet zu werden. Ist man aber nicht nahe bei Gott, so wird die Prüfung zu einer Versuchung, und man fällt.

Jesus wandelte mit Gott. Nicht dass Er keine Schwachheit gefühlt hätte. Nein, Seine Bitte an die Jünger: „Bleibet hier und wachet mit mir“, beweist, dass Er die Schwachheit »der menschlichen Natur völlig fühlte. Der bereits angeführte 14. Vers aus Psalm 22 beweist dasselbe. Aber dennoch schreckte Er nicht davor zurück, allein zu leiden, wenn die Liebe zu den Seinen dies erforderte. „Suchet ihr mich, so lasset diese gehen“, sagte Er zu den Häschern. Ehe indessen Judas mit der bewaffneten Schar kam, sehen wir den Herrn Jesum vor Seinem Gott und Vater in ringendem Kampfe; Er betete heftiger. Es trieb Ihn zu Seinem Vater, ehe die Prüfung nahte, so dass, als sie dann kam, Er sie innerlich schon mit Gott durchschritten und überwunden hatte. So ruhig, als stehe Er im Begriff, ein Wunder zu wirken, stellt Er sich Seinen Feinden zur Verfügung. „Wen suchet ihr? -— Ich bin’s!“ Und ob Er nachher vor Kajaphas oder vor Pilatus geführt wird, überall legt er ein gutes Bekenntnis ab; vor den Juden sagt Er, dass Er der Sohn Gottes — vor Pilatus, dass Er der König Israels sei.

Woher kam nun die Verschiedenheit zwischen dem Verhalten des Herrn und dem des Petrus? Zunächst suchte Petrus Befreiung von dem Druck der Umstände im Schlaf, anstatt in Gemeinschaft mit dem Vater durch die Prüfung zu gehen, ehe die Versuchung von außen an ihn herantrat. Er schlief, als er hätte wachen sollen, und nachher erwacht die Energie des Fleisches: er zieht das Schwert, anstatt sich willig zu unterwerfen. Das Fleisch besitzt gerade Kraft genug, um uns mitten in die Gefahr hineinzutragen, in welcher er nicht standzuhalten vermag: und dann lässt uns seine Kraft im Stich.

Wie wenig wahre Gemeinschaft findet sich hier zwischen Petrus und dem Herrn! Als Christus betete, schlief Petrus; als Jesus sich willig wie ein Lamm zur Schlachtbank führen ließ, kämpfte Petrus mit fleischlichen Waffen: als Jesus unter Leiden das gute Bekenntnis:" ablegt: verleugnete Petrus Ihn mit Fluchen und Schwören. So ist das Fleisch: es schläft, wenn wachen sollte; es ist voll Kraft, wenn es sich still verhalten sollte; und schließlich, wenn die Prüfungsstunde kommt, verleugnet es den Herrn. Wie ganz anders war es mit Jesu! Er kämpfte in Gemeinschaft mit dem Vater in ringendem Gebet: und als die Prüfung nahte, war er völlig ruhig und in Frieden. O dass auch wir es lernen möchten, in allen Umständen in Gemeinschaft mit dem Vater voranzugehen! Dann würde keine Prüfung kommen, welche nicht zu einer Gelegenheit werden würde, Gott zu verherrlichen.

Die Ursache von allem war: Petrus hatte noch nicht gelernt, was das Fleisch ist: er kannte noch nicht die ganze Schwachheit und Untauglichkeit desselben, und er blieb deshalb nicht in Abhängigkeit von Gott Sein Verlangen, Jesum zu bekennen und Ihn nicht zu verleugnen, scheint aufrichtig gewesen zu sein: er hatte eine durchaus wahre, wenn auch mehr natürliche Liebe zum Herrn, welche ihm mehr Energie verlieh, als den anderen Jüngern, die schon früher den Herrn verließen und flohen. Petrus kam nicht zu Fall durch Eigenwillen oder durch eine Neigung zur Sünde, sondern einfach deshalb, weil das Fleisch schwach ist und in der Versuchung nicht standalten vermag. Selbst seine aufrichtige Liebe zum Herrn hatte nicht die Kraft, ihn vor dem Fall zu bewahren. Obgleich die Probe eine verhältnismäßig leichte war (die Frage einer geringen Magd), hielt er doch nicht stand. vertraute auf seine eigene Kraft, und daher fehlte ihm die wahre geistliche Kraft; die eine schließt die andere aus. Jesus aber handelte an der Stätte der .Schwachheit allezeit in der Gemeinschaft des Vaters. 

Er ging mit dem Vater durch die Stunden der Angst und Not, und offenbarte dann angesichts der Menschen eine vollkommene Kraft. Die Ursache des Falles Petri war also Selbstvertrauen, Mangel an Wachsamkeit und Vernachlässigung des Gebets. Wir müssen „wachsam sein zum Gebet“, nicht nur bereit zu beten, wenn die Versuchung kommt, wir müssen mit Gott wandeln und so der Versuchung begegnen in der Kraft vorangegangener Gebetsgemeinschaft mit Gott. Ohne ein stetes Gebet und das fortdauernde Bewusstsein der eigenen, völligen Schwachheit wird der Gläubige, je größer seine Liebe zu Christo und seine Bereitwilligkeit, Ihm zu dienen ist, umso sicherer gerade durch diese Bereitwilligkeit in eine Lage gebracht werden, in welcher er Christum verunehrt. Die anderen Jünger, welche schon früher geflohen waren, verunehrten ihren Meister nicht so sehr, wie Petrus es tat.

Auf diesem Wege also musste Petrus die Schlechtigkeit und völlige Untauglichkeit des Fleisches kennen lernen. Jesus dagegen bekannte auf Schritt und Tritt Seine Abhängigkeit von Gott und betete unablässig. Und welchen Gebrauch machte Er von der Tatsache, dass Ihm die Absicht Satans, Petrus zu sichten, bekannt war. Er betete für Ihn! Je mehr wahre Kenntnis, geliebte Brüder, desto mehr Gebet! „Ich habe für dich gebetet, auf „das; dein Glaube nicht aufhöre.“ Das Ergebnis dieser Fürbitte war, dass Petrus tiefer als die Anderen die Schlechtigkeit seiner alten Natur kennen lernte, und nachher imstande war, „seine Brüder zu stärken“.

Wir sind nicht fähig, unsere Brüder in die Wahrheit einzuführen, wenn wir uns „nicht der“ eigenen Schwachheit bewusst sind. Wo wäre Petrus hingeraten, wenn Jesus nicht für ihn gebetet hätte? Sein Weg hätte fast dem des Judas geglichen. O wie gesegnet ist es, in dem tiefen Bewusstsein der eigenen Schwachheit nahe bei dem Herrn bewahrt zu bleiben, anstatt wie Petrus in Selbstvertrauen in eine Lage hineinzurennen, in welcher wir nicht standzuhalten vermögen! „Wie gut ist die Scheu, einen einzigen Schritt zu tun ohne den Herrn und Seine Führung! Das Fleisch betrügt uns stets — es taugt zu nichts. Um von den Einflüssen desselben frei zu bleiben, ist es notwendig, in der Gegenwart des Herrn zu verharren, völlig auf Gott geworfen zu sein. Keine Weisheit wird uns schützen als nur die Weisheit von oben. Der Herr wusste, was das Fleisch ist, und was für Paulus nötig war, nachdem er in den dritten Himmel entrückt gewesen. Was bedurfte er? In einen vierten erhoben zu werden? Nein, sondern Gott musste ihm einen Engel Satans senden, der ihn mit Fäusten schlug; d. h. Paulus bedurfte einer Demütigung. So wurde ihm der Dorn für das Fleisch gegeben“ Das Bewusstsein, dass das Fleisch nichts wert ist, zu nichts taugt, muss stets in uns vorhanden sein.

Es gibt drei Wege, um die Macht und die ganze Verdorbenheit des Fleisches kennen zu lernen. Zunächst, vor der Bekehrung, in oft nahezu verzweiflungsvollen Kämpfen. Zweitens, nach der Bekehrung, im Gebet vor dem Herrn, in Gemeinschaft mit Ihm, indem wir nicht wagen, einen Schritt ohne Seine Leitung zu tun; auf diese Weise wird Er durch uns verherrlicht in Dankbarkeit und Gehorsam, welches auch die Übungen sein mögen, durch die wir zu gehen haben. Drittens lernen viele, wohl die meisten Gläubigen, die Schlechtigkeit ihrer alten Natur in ähnlichen bitteren Erfahrungen kennen, wie Petrus sie machte, weil sie, gleich ihm, nicht in Gemeinschaft mit Gott das Fleisch richten. Diese letzte Art wird die unsrige sein, so lange wir Personen oder Umstände beschuldigen, anstatt uns selbst zu richten.

 Wer ein ernster und beständiges Selbstgericht übt und mit Gott wandelt, wird nicht in Versuchung hineingeraten. Prüfungen mögen nahen, aber er wird auf dieselben wohl vorbereitet sein. Nicht dass wir sagen könnten: diese oder jene Versuchung kann mir jetzt nichts mehr anhaben; ich bin darauf vorbereitet. Wir sind ja keinen Augenblick sicher, was für eine Prüfung über uns kommen mag. Aber welcherlei Prüfung es auch sei, wir werden dann die Kraft Gottes darin, auf unserer Seite haben. Unsere einzige Sicherheit besteht also in der Wachsamkeit und im Gebet, im Gebet, ehe die Prüfung naht — ja, im Gebet, das unter Umständen zu ringendem Kampfe werden kann. Denn so betete Jesus.

Wir müssen auf manche Seelenübungen gefasst sein. Wenn Schwierigkeiten kommen, werden wir uns z. B. oft fragen, warum Gott sie uns sende. Vielleicht geschieht es wegen eines Fehlers, den wir gemacht haben, oder weil wir in einem leichtfertigen oder gar verhärteten Zustand vorangegangen sind; vielleicht auch, um, wie bei Paulus, das Fleisch nieder zuhalten, oder um uns, auf einen Kampf irgend welcher Art vorzubereiten. Möchten wir nur bei allen diesen inneren Übungen nahe beim Herrn bleiben: dann werden wir, wenn die Prüfung naht, für welche der Vater uns zubereitet hat, in völligem Frieden sein. Der Herr wird uns im Geiste mit den Lasten bekannt machen, die wir dann — vorher innerlich geübt — im Kampfe in Kraft tragen werden. Lasst uns deshalb nicht vor inneren Übungen zurückschrecken; lasst uns vielmehr in Gemeinschaft mit dem Herrn hindurchgehen. Unsere Kraft, zu gehorchen, wird unbegrenzt sein, wenn die Kraft des Herrn unser ist.

„Wenn möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber, flehte der Herr. Niemand von uns kann ermessen, was dieser Kelch für Ihn war, der stets in der Liebe des« Vaters geblieben war: aber je geistlicher« wir sind, desto mehr werden wir davon verstehen. Am Kreuze sollte Er, der die Heiligkeit selbst war, zur Sünde gemacht werden; dort fiel kein Lichtstrahl in Seine Seele. Als Satan Ihm in Gethsemane dies vor die Seele stellte, wurde Sein Schweiß wie große Bluttropfen. O was war die Sünde für Ihn! Sie brachte Ihn, den Fürsten des Lebens, in den Staub des Todes. „Alle deine Wogen und deine Wellen sind über mich hingegangen“ (Ps. 42, 7). Ja, Jesus trug am Kreuze, was dich, der du an Ihn glaubst, niemals treffen wird. Darum hüte dich, Ihn zu verleugnen! Viele tun es in kleinen Dingen, während sie im Großen und Ganzen Ihn anerkennen. Unser glückselige; Vorrecht ist, nicht mit der Prüfung als solcher beschäftigt zu sein, sondern in jeder Prüfung eine Gelegenheit zu finden zum Gehorsam gegen unseren Gott und Vater: von einer jeden zu sagen, wie Jesus es tat: „Der Kelch, welchen mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“

Lasst mich schließen mit den Worten den Apostels Judas: „Dem aber“, der euch ohne Straucheln zu bewahren und vor Seiner Herrlichkeit tadellos darzustellen vermag mit Frohlocken . . . , Ihm sei Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt vor aller Zeit und jetzt und in alle Zeitalter! Amen“.

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Gedanken über das Verhalten der Gläubigen in der Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 85ff

Der Betrachtung: „Ein Wort über das Verhalten des Gläubigen zur Ehe“ in den beiden ersten Heften des „Botschafter“ möchte ich heute einige Gedanken über das Verhalten des Gläubigen in der Ehe folgen lassen. Ist dies ohne Zweifel ein Gegenstand von gleich großer Wichtigkeit und einschneidender Bedeutung. Indes darf der Leser keine erschöpfende Behandlung des so interessanten wie umfangreichen Themas erwarten; in dem Nachstehenden soll nur einigen Gedanken, die dein Schreiber beachtenswert erscheinen, Ausdruck gegeben werden, und zwar nur in Bezug auf das Verhältnis und die Beziehungen zwischen Mann und Weib.

Werfen wir zunächst einen Blick auf das eheliche Verhältnis überhaupt. Der Mann ist von Gott geschaffen worden, damit er „Gottes Bild und Herrlichkeit“ sei; und heißt von ihm im Anfang: „Und Jehova Gott sprach: ist nicht gut, dass der Mensch allein sei: ich will ihm eine Hilfe machen, seines Gleichen“; und nach der Erschaffung des Weibes lesen wir: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden ein Fleisch sein“ (1. Mose 2, 18. 24). 

An die Gläubigen zu Ephesus schreibt dann der Apostel Paulus, nachdem er sie an die eben angeführten Worte erinnert hat: „Dieses Geheimnis" ist groß; ich aber sage es in Bezug auf Christum und die Versammlung (Eph. 5, 31. 32). Endlich heißt es in dem 1. Brief an die Korinther: „Ich will aber, dass ihr wisset, dass der Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, des Weibes Haupt aber der Mann, des Christus Haupt aber Gott“; und weiterhin: „Denn der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib vom Manne; denn der Mann wurde auch nicht um des Weibes willen geschaffen, sondern das Weib um des Mannes willen“ (1. Kor. 11, 3. 8. 9).

Aus diesen Stellen, denen sich andere ähnliche leicht anreihen ließen, geht klar und deutlich die bezügliche Stellung des Mannes und Weibes hervor, sowie die innige Beziehung, welche zwischen beiden besteht. Der Mann ist das Haupt; das Weib ist seine Gehilfin. Der Mann ist Gottes Bild und Herrlichkeit, das Weib des Mannes Herrlichkeit. Der Mann ist das Bild der Lebenskraft und zielbewussten Tätigkeit; das Weib ist das „schwächere Gefäß“ (1. Petr. 3, 7). Der Mann ist mehr der gebende und wirkende, das Weib mehr der empfangende und leidende Teil. Infolge dessen sind auch die Pflichten, die auf beiden ruhen, ganz verschieden. Während das Weib immer wieder zum Gehorsam und zur Unterwürfigkeit angehalten wird, lautet die Ermahnung für den Mann: „Liebe dein Weib — gib ihr Ehre — sei nicht bitter gegen sie«. Nirgendwo wird das Weib ermahnt, ihren Mann zu lieben, außer an einer einzigen Stelle (Tit. 2, 4), wo es sich um eine besondere Klasse von Frauen handelt; aber auch hier empfängt sie diese Ermahnung nicht unmittelbar von Gott, sondern von ihresgleichen. 

Es gilt eben als selbstverständlich, dass die Frau ihren Mann liebt; und in der Tat fehlt sie auch selten in dieser Beziehung. Die Liebe des Weibes ist einer Pflanze von zäher, schier unverwüstlicher Lebenskraft vergleichbar, die selbst unter den widrigsten Umständen grünt und blüht und immer wieder aufsprosst, selbst wenn sie mit Füßen getreten wird. Der Mann dagegen, von Natur härter und unbiegsamer angelegt, im Kampfe des Lebens viel hin und hergeworfen, oft gezwungen, mit schwerer Arbeit, unter Anspannung aller seiner Kräfte, den Lebensunterhalt für sich und die Seinigen zu erringen, neigt weit mehr dahin, seine Liebespflicht zu vergessen und eigenliebig oder gar hart und gefühllos gegen sein Weib zu sein. Daher gilt für ihn die Ermahnung: „Ihr Männer, liebet eure Weiber, gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“.

Diese letzten Worte erinnern uns an das hohe und doch so liebliche Verhältnis, von welchem die Ehe ein Bild ist, an die innigen Beziehungen zwischen Christo und Seiner Versammlung. Gott, welcher alle Dinge nur in Verbindung mit Christo betrachtet, hat sich durch das Blut Seines eigenen Sohnes eine Versammlung oder Gemeinde erworben (Apstgsch. 20, 28) und sie Seinem Sohne gegeben. Christus, der Sohn, hat die Versammlung geliebt und sich selbst für sie in den Tod gegeben, ja, Er nährt und pflegt sie mit einer Liebe, die nimmer ruht, nimmer aufhört und durch nichts beeinträchtigt werden kann. Die Versammlung wiederum ist Christo unterwürfig, dient Ihm und fürchtet Ihn. Von diesem gesegneten Verhältnis also ist die Ehe, so wie Gott sie eingesetzt hat und wie sie Seinen Gedanken entspricht, ein Bild.

 Wenn man daher fragt: Wann wird die Ehe das sein, was sie sein soll? so lautet die Antwort: Wenn sie dem Verhältnis, welches zwischen Christo und Seiner Versammlung besteht, entspricht, wenn die Liebe, die sich selbst vergisst und nur an den Anderen denkt, sowie die Unterwürfigkeit, welche in einem Anderen bestehen und ausgehen will, sich in ihr abgespiegelt finden. Christus hat die Versammlung geliebt; also sagt die Schrift: „Ihr Männer, liebet eure eigenen Weiber“. Die Versammlung ist Christo untertan; also sagt die Schrift: „Ihr Weiber, seid euren eigenen Männern unterwürfig, als dem Herrn“.

Doch wir müssen noch etwas näher auf diese beiden Ermahnungen eingehen. Beschäftigen wir uns zunächst ein wenig mit dem, was dem Manne gesagt wird. Wir haben in unserer früheren Betrachtung gesehen, wie wichtig es für den Mann ist, dass es bei ihm feststehe: Ich habe meine Frau von dem. Herrn empfangen. Nun ist es allerdings möglich, dass man erst, nachdem man sich schon längere Zeit im Ehestand befunden hat, dahin kommt, seine Frau als eine Gabe des Herrn zu betrachten. Wenn man bei der Schließung der Ehe nicht mit Gott gehandelt hat, so bricht sich vielleicht erst lange nachher, und zuweilen auf einem Wege tiefer Demütigung, die Überzeugung in unseren Herzen Bahn, dass es wirklich auch von uns persönlich wahr ist, dass Gott uns zusammengefügt hat. Es sollte nicht so sein, aber die Erfahrung lehrt, dass es oft so ist. Doch mag diese Überzeugung nun von vornherein da sein oder erst später kommen, jedenfalls ist da, wo sie vorhanden ist, die göttliche Grundlage gegeben, aus welcher sich die Verwirklichung der Berufung des Mannes- aufbauen kann, der Berufung nämlich, sein Weib zu lieben nicht um seines Vorteils willen, sondern um ihret-, des schwächeren Gefäßes, willen, mit welchem er ein Fleisch geworden ist.

So lange alles nach den Wünschen des Mannes geht, so lange keine allzu großen Aussprüche an seine selbstverleugnende Liebe gestellt werden, mag es ihm nicht so schwer fallen, seiner Berufung zu entsprechen. Aber wenn er allmählich die Erfahrung machen muss, dass seine Frau wirklich ein schwaches Gefäß ist; wenn sich die Aussage der Schrift, dass die, welche heiraten, „Trübsal im Fleische haben werden“, in reicherem Maße erfüllt, als er es sich hat träumen lassen: wenn er vielleicht obendrein noch die eine oder andere unliebenswürdige Eigenschaft bei seiner Frau entdecken muss, von welcher er früher keine Ahnung hatte; wenn das Alltagskleid von dem Sonntagskleide, in welchem er sie früher nur gesehen, gar zu sehr absticht -— damit kommt seine Liebe in das Feuer der Erprobung. Dieses Feuer wird umso heißer werden, je weniger dem Manne ein gewisses Maß von natürlicher Geduld oder natürlichem Mitgefühl zu Hilfe kommt. Ist er von Hause aus etwas gleichgültig oder gar rau und gefühllos angelegt, so ist die Gefahr für ihn doppelt groß, seiner Berufung untreu zu werden. So lange die Trübsal im Fleische, welche naturgemäß die Frau am meisten trifft, durch die Güte Gottes nicht allzu schwer war, richtete er sie gering und hatte kein Verständnis dafür; und nun, nachdem sie schwerer geworden ist, beginnt er unwillig und verdrießlich zu werden.

 Ein Gefühl der Enttäuschung und des Unbehagens kommt über ihn. Vielleicht gibt er sich zunächst keine Rechenschaft über das, was in seinem Innern vorgeht; aber wenn er es tut, so-wird er entdecken, dass es ihm schwer fällt, seine Frau wirklich zu lieben, ihr Liebe zu beweisen. Er sucht vielleicht diese bittere Wahrheit vor sich und Anderen, besonders vor seiner Frau, zu verbergen, indem er von der Zukunft Besserung hofft. Doch die Besserung kommt nicht. Die Trübsal bleibt; andere unliebsame Erfahrungen, wie die oben angedeuteten, kommen hinzu, und siehe da, zu dem Gefühl der Enttäuschung und des Unbehagens gesellen sich Ungeduld, Reizbarkeit, Härte u. s. w. Das herzliche Einvernehmen zwischen den beiden- Ehegatten ist gestört; der Mann ist mürrisch und unzufrieden, die Frau seufzt und ist unglücklich. Vielleicht bringt ein Nachlassen der äußeren Schwierigkeiten für einen Augenblick Erleichterung, aber das Übel kehrt wieder, sobald es Gott gefällt, ein neues Scheit in den Trübsalsofen zu schieben.

Worin hat diese betrübende Erscheinung ihren Grund? Wir haben es bereits angedeutet. Der Mann hat vergessen oder noch nie daran gedacht, dass er seine Frau vom Herrn empfangen hat, und dass geschrieben steht: „Ihr Männer, liebet eure Weiber, gleich wie auch der Christus die Versammlung geliebt hat“. An diesem erhabenen Maßstabe hat er seine Liebe noch nie gemessen. Mit dieser Liebe, die uns liebt um ihrer selbst willen und uns als eine Gabe von unaussprechlichem Werte vom Vater empfing; die nicht nur alles, was sie hatte, sondern sich selbst für uns dahingab; die nur ein Ziel kannte und kennt: unser Glück, unsere Freude, unseren Frieden, unsere Herrlichkeit; die langmütig und gütig ist, die nie das Ihrige sucht, sich nie erbittern lässt, die alles erträgt, glaubt, hofft und erduldet (vergl. 1. Kor. 13) —— mit dieser Liebe hat er die seinige noch nie verglichen. Hätte er es getan, so würde er wahrscheinlich vor Gott zusammengebrochen sein, Ihm seinen Fehler bekannt und bei Ihm Gnade gesucht haben, um seine Frau nach Gottes Gedanken zu lieben; und Gott hätte sicherlich fein Flehen erhört und ihm die nötige Gnade dargereicht.

Ach! wie schwer wird es dem Manne oft, zu verstehen, dass Gott ihn, das Bild der Kraft, gerade deshalb mit der Schwachheit verbunden hat, damit er lerne mitfühlen und mitleiden. Der Mann hat sicherlich auch seine Leiden (ich rede jetzt nicht von Krankheiten, das ist eine Sache für sich, wie z. B.: Schwierigkeiten bei der Arbeit oder im Geschäft, Enttäuschungen und Verdrießlichkeiten aller Art, Mühen und Sorgen von früh bis spät; es erfüllt sich an ihm das Wort, dass er im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen soll. Aber das Leiden einer Schwachen, das Leiden, wie eine Frau es allein trägt und allein tragen kann, das kennt er nicht; und so hat ihn Gott, wie gesagt, gerade deshalb mit einer Frau verbunden, damit er an dieser letzten Art von Leiden teilnehmen lerne und ein Gefühl dafür bekomme, so wie Gott selbst daran teilnimmt und ein Gefühl dafür hat: ja, damit er an dem Vorbilde Christi lerne, sein Weib zu lieben, sie in ihrer Schwachheit zu tragen, sie zu hegen und zu pflegen, so wie Christus uns liebt, hegt und pflegt. 

Je mehr ein Mann in dieser Schule seine Abhängigkeit von Gott fühlt und von Ihm sich belehren lässt, je unverrückter sein Blick auf Christum gerichtet ist, desto mehr wird das „Bild Gottes“ in ihm zur Darstellung kommen. Seine Liebe wird ausdauernd fein, wird in den Proben, auf welche sie gestellt wird, nur umso mehr erstarken und unermüdlich das Glück und Wohlergehen des schwächeren Teiles suchen.

Wenn es so steht, wird es dem Manne auch nicht schwer werden, die Ermahnung des Apostels Petrus zu befolgen: „Ihr Männer, wohnet bei ihnen nach Erkenntnis, als bei einem schwächeren Gefäße, dem weiblichen, ihnen Ehre gebend, als auch Miterben der Gnade des Lebens, auf dass eure Gebete nicht verhindert werden“ (1. Petr. 3, 7). Er wird von dem schwächeren Gefäß nicht das Meiste fordern, ihm nicht Last auf Last auflegen, sondern im Gegenteil auf die nach Leib und Seele zartere Natur der Frau möglichst Rücksicht nehmen, wird ihre Lasten zu erleichtern suchen und sie in Ehren halten. Die Frau, als das schwächere Gefäß, hat Anspruch auf eine besonnene, liebende Behandlung seitens des Mannes. Auch darf der Mann nie vergessen, dass seine Frau eine „Miterbin der Gnade des Lebens“ ist, dass es also in geistlicher Beziehung, was ihre Stellung in Christo betrifft, keinen Unterschied zwischen ihm und ihr gibt. Wie berechtigt in natürlichen, irdischen Dingen der Anspruch des Mannes auf Unterordnung seitens seiner Frau auch sein mag, so hat dies doch gar keinen Bezug auf die himmlische Berufung. Beide sind, wenn anders bekehrt, „Erben Gottes und Miterben Christi“. In Christo „ist nicht Mann und Weib; denn ihr alle seid einer in Christo Jesu (Gal. 3, 28).

Vor allen Dingen wird ein Mann, der seine Frau ehrt, sie nicht behandeln, als wäre sie seine Dienerin oder gar Sklavin, nur dazu geschaffen, um alle seine Wünsche zu befriedigen, seine Launen zu ertragen oder seinen scharfen Bemerkungen als Zielscheibe zu dienen, wenn er niemanden anders hat, an welchem er seinen Ärger auslassen kann. Ach! in einem solchen Falle — und leider, leider ist er selbst unter Christen nicht völlig ausgeschlossen — ist die Frau schlimmer daran als eine Magd; denn diese kann jederzeit das Haus verlassen, wenn ihr der Dienst zu schwer wird, aber die Frau ist gebunden. Nein, fern sei von dem Manne jene Gefühllosigkeit und Härte, welche Gefallen daran findet, stets in barschem Tone zu fordern und zu «befehlen, welche die kleine Kraft nicht in Anrechnung zu bringen und in dem guten Willen nicht einen Ersatz zu finden weis; für die vielleicht mangelhafte Tat!

Ein Mann, der seine Frau als das schwächere, weibliche Gefäß in der oben beschriebenen Weise in Ehren hält, wird auch „nach Erkenntnis« bei ihr zu wohnen vermögen. Sein Verkehr mit ihr wird durch christliche Erkenntnis und nicht durch seine leidenschaftliche Natur beherrscht sein. „Aber“, möchte der Leser einwenden, „ergibt doch auch sehr launische, verkehrte Frauen“. Allerdings; aber ein verständiger Mann wird wohl zu unterscheiden wissen zwischen dem, was einem schwachen Gefäß eigen ist, und jener übertriebenen Empfindlichkeit und Reizbarkeit, wodurch eine Frau endlich dahin kommt, dass sie nur noch zu seufzen und zu klagen vermag und für ihre Umgebung eine wirkliche Plage wird. In einem solchen Falle liegt allerdings die Gefahr für den Mann sehr nahe, hart und bitter gegen seine Frau zu werden, in unbewachten Augenblicken heftige Worte gegen sie zu gebrauchen und die Ermahnung zu vergessen: „Ihr Männer, liebet eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie“ (Kol. 3,19.) 

Aber gerade das Bewusstsein ihrer Schwachheit wird ihn dann vor Härte und Bitterkeit bewahren. Nicht dass er allen törichten Launen und Grillen, die sich vielleicht bei ihr zeigen, nachgäbe; das wäre nicht Liebe. Nein, bei aller Nachsicht und Tragsamkeit wird er vielmehr das, was bei seiner Frau wirklich verkehrt ist und ihr und Anderen zum Schaden gereicht, nicht unbeachtet vorübergehen lassen, sondern es ihr vorstellen und sie davon zu befreien suchen. Doch wird er in der Weise, wie er dies tut, alles vermeiden, was eine unnötige Erbitterung hervorrufen oder auch nur den Schein erwecken könnte, als wolle er seiner Frau die ihr zukommende Ehre nicht geben. Niemals wird er z. B. seiner Frau in Gegenwart der Dienstboten oder Kinder, wenn solche vorhanden sind, Vorstellungen machen, welche sie in deren Augen herabsetzen könnten. Gerade in diesem letzten Punkte aber wird bekanntlich oft gefehlt, zum Schaden nicht nur für das Verhältnis zwischen Mann und Frau, sondern auch für die ganze Familie.

Wie überall, so ist auch in dieser Beziehung Christus unser hohes und liebliches Vorbild. Wahrlich, Er wohnt bei uns „nach Erkenntnis“, unter voller Berücksichtigung dessen, was wir sind, wo wir sind und was wir bedürfen. Er verbindet mit einem zärtlichen, liebenden Herzen eine vollkommene Erkenntnis, die unsere Fehler nicht gut heißt, uns aber auch nicht gefühllos verurteilt oder rücksichtslos vor Anderen bloßstellt, sondern unermüdlich beschäftigt ist, uns zu belehren, zurecht zu helfen und von allem zu befreien, was uns auf dem Wege und in unserem Dienste hinderlich sein will. Möchten deshalb alle Männer von Ihm lernen!

Sehr beachtenswert ist dann noch der Zusatz, welchen der Apostel Petrus macht: „auf dass eure Gebete nicht verhindert werden“. Diese Worte setzen voraus, dass Mann und Frau die Gewohnheit haben, miteinander ihre Knie zu beugen und sich im Gebet vor dem Herrn zu vereinigen *) Eine solche Vereinigung aber wird unmöglich gemacht, ja selbst das Gebet des Einzelnen wird gehindert, wenn die Eintracht zwischen zwei Eheleuten gestört ist; und Satan triumphiert, wenn es ihm gelingt, uns ein solches Hindernis in den Weg zu legen, und er wird alles aufbieten, um es möglichst lange zu erhalten.

 Und doch, wie wichtig ist das gemeinschaftliche Gebet, vor allem in diesen letzten, schweren Tagen, wo die Gefahren nach allen Seiten hin zunehmen und die Verführung für die heranwachsenden Kinder immer größer, wird! Wieviel Gelegenheiten und Anlässe gibt es da für gläubige Eheleute, vor den Herrn zu treten mit Bitten, Flehen und Danksagung; wieviel Ursache zu ernster Fürbitte und anhaltendem Gebet! Und andererseits wie groß ist die Gefahr, gerade in dem rastlosen, geschäftigen Treiben unserer Zeit das gemeinschaftliche Gebet zu vernachlässigen! Lasst uns deshalb achthaben, dass wir dem Feinde keine Handhabe bieten! Möchten alle Eheleute darauf bedacht sein, wenn wirklich einmal ein Mission die bisherige Harmonie gestört haben sollte, dass er so bald wie möglich ausklinge und die Herzen wieder frei werden, um mit Freimütigkeit vor den Gnadenthron hintreten zu können! gibt ja so viele Dinge im täglichen Familienleben, welche vor Gott gebracht werden sollten, und welch ein unersetzlicher Verlust ist es, wenn Mann und Weib nicht in jeder Schwierigkeit oder Verlegenheit eines Sinnes Gott nahen!

Fußnote:

*) Dass es christliche Eheleute gibt, welche diese Gewohnheit nicht haben, ist überaus traurig. Wo müssen zwei gläubige Herzen, die aufs Innigste miteinander verbunden sind, stehen, wenn sie sich nicht gedrängt fühlen, gemeinschaftlich dem Herrn für Seine Güte, Treue und Langmut zu danken und von Ihm Gnade und Kraft für das Tagewerk zu erflehen, zu Ihm zu rufen in guten wie in bösen Tagen! Fast ist es nicht zu glauben, dass es solche gebetslose Ehen geben sollte; aber wer sich irgendwie schon mit Seelenpflege innerhalb der Familien und Häuser der Gläubiger! Beschäftigt hat, wird auch zu seinem tiefen Schmerz erfahren haben, dass es mehr solcher Ehen gibt als man gewöhnlich denkt.

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Emmanuel

Bibelstelle: Matthäus 1 – 4, 10

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 96ff

Es ist sehr köstlich, dass wir in dem Worte Gottes nicht nur gewisse Wahrheiten und Lehren entwickelt finden, sondern dass wir» auch jede Beziehung zwischen Gott und dem Menschen auf Erden völlig darin enthüllt sehen. In der Person Jesu können wir dies Tag für Tag klar erkennen. Es ist eine große Gnade von Gott, dass Er uns Christum so nahe gebracht hat, dass wir in den Umständen, in welchen wir uns hienieden befinden, die eben besprochenen Beziehungen kennen lernen können.

Im Grunde war das Leben des Herrn Jesu dem unsrigen gleich. Er wurde in allem in gleicher Weise versucht wie wir, ausgenommen die Sünde. Er war tatsächlich Gott, geoffenbart im Fleische; aber das was man sah, war auch ein Leben, und zwar der Ausdruck eines Gott völlig wohlgefälligen Lebens.

Wollen wir nun Fortschritte im geistlichen Leben machen, so müssen wir den Herrn Jesum betrachten, müssen Ihn fleißig studieren, sei es in der Gnade, die sich in Ihm kundgab, oder in den Umständen Seines Lebens hienieden, oder endlich in der herrlichen Stellung, welche Er jetzt bei dem Vater hat, und die wir bald mit Ihm teilen werden.

Wir sehen in Christo von Anfang an die Verwirklichung des Lebens des Glaubens, welches in Ihm geprüft wurde, und dessen Vollkommenheit Er stets- und in allem offenbarte. Für uns ist Er jetzt ein mitfühlender und mächtiger Freund; und während wir durch die Wüste pilgern, wissen wir, das; am Ziele dieser Reise die Herrlichkeit liegt, in welche Er schon eingegangen ist. Dies ist es auch, was uns in Hebr. 12, 1 —3 gezeigt wird, wo wir lesen: „Deshalb nun lasst auch uns, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, indem wir jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde ablegen, mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens“. „Als Anfänger oder eigentlich Anführer ist Er uns schon vorangegangen; als Hirte „führt Er Seine eigenen Schafe aus und „geht vor ihnen her“. Ja, Er richtete der Schande nicht, sondern erduldete das Kreuz und hat sich gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes. Und nun wird uns zugerufen: „Betrachtet Den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, auf dass ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet.

Göttliches Leben erblicken wir in diesem wunderbaren Menschen, welcher durch alle Arten von Schwierigkeiten und Versuchungen hindurchging, sie alle überwand und (als der Einzige von allen) von dem Bösen nicht angetastet wurde. Jetzt ist Er in die Herrlichkeit zur Rechten Gottes eingegangen; und wir werden diese Herrlichkeit mit Ihm teilen, wenn Er erscheinen wird; denn wir werden Ihm gleich sein. Lasst uns denn diesen Jesus ein wenig betrachten, so wie der Geist Gottes Ihn uns im Beginn Seines Lebens hienieden, als Er den mühevollen Pfad des Glaubens betrat, vor Augen stellt.

Es ist wichtig, im Auge zu behalten, dass das Licht alles offenbar macht, alles an den Tag bringt, was im Menschen ist. Unter dem Gesetz kam niemals alles ans Licht. Das volle, wahrhaftige Licht leuchtete noch nicht. Freilich war Gott von jeher alles offenbar. So sah Er z. B. alles, was in den Herzen von Kain und Abel vorging, ehe noch irgendetwas davon ans Licht gekommen war. Ebenso unterschied Sein Auge später inmitten der Juden einen Überrest, in welchem die Gnade wirkte. Allein Gott selbst war gleichsam hinter einem Vorhang verborgen, und Er ließ wegen der Herzenshärtigkeit des Volkes viele Dinge zu, ohne sie jedoch zu billigen, wie Jesus dies Seinen Jüngern erklärt. Das volle Licht, war, wie gesagt noch nicht erschienen. Aber in Christo hat es in dieser Welt geleuchtet; und in dem Christen, welcher das Leben Christi besitzt, ist das, was in Christo wahr ist, ebenfalls wahr geworden, wie wir in 1.Joh. 2, 8 lesen: „Wiederum schreibe ich euch ein neues Gebot, das was wahr ist in Ihm und in euch, weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet“.

Indes dürfen wir nicht vergessen, dass Gott, während Er selbst im Alten Bunde verborgen blieb, doch gewisse Boten sandte, welche das, was ihnen anvertraut war, zu offenbaren hatten, wenngleich sie Gott selbst nicht bekannt machten. Das Gesetz offenbarte Ihn nicht völlig. Freilich sagte es: „Du sollst lieben“, aber nicht: „Ich liebe dich“; es offenbarte nicht den Gott, der Liebe ist. Das Gesetz machte den Menschen mit einzelnen Charakterzügen Gottes bekannt, z. B. dass er gerecht ist und dass Er Rache übt; aber was Gott in sich selbst ist und was Er für den Menschen ist, davon sagt es uns nichts. Das Gesetz tat den Menschen kund, was sie vor Gott sein sollten, aber es schwieg von dem, was Gott für die Menschen ist.

Ein Mensch ist stets unter Gesetz» so lange er damit beschäftigt ist, was Gott von ihm verlangt, anstatt zu verstehen, was Gott für ihn ist; denn die Erkenntnis des letzteren würde viel herrlichere Wirkungen hervorbringen.

So lange Gott verborgen blieb, forderte Er Gehorsam, um daraufhin das Leben zu geben. Es handelte sich nicht um die Frage, ob der Mensch imstande sei, in der Gegenwart Gottes zu stehen; denn niemand gelangte in die Gegenwart Gottes. Der Hohepriester allein ging einmal im Jahre in das Allerheiligste; denn der Weg dahin war noch nicht geoffenbart, und es gab, wie bereits bemerkt, viele Dinge, welche Gott in Geduld zuließ, ohne sie zu billigen. Auch gab es Verordnungen und Zeremonien, welche den Menschen an seine Abhängigkeit erinnern und ihn durch gewisse Veranstaltungen, welche auf das Fleisch wirkten und dem Fleische angepasst waren (Waschungen), mit Gott in Verbindung bringen sollten. Denn der Mensch war im Fleische, und Gott trat mit ihm als solchem in Beziehung. Er selbst blieb verborgen, Seine Heiligkeit wurde nicht gesehen; aber die Zeremonien hielten die Beziehungen zwischen dem verborgenen Gott und dem Menschen aufrecht.

Sobald Gott sich aber offenbart, kann es nicht länger also bleiben; denn Gott ist heilig. Er ist vollkommen in Heiligkeit, und der Mensch muss gemäß dieser Heiligkeit in Beziehung zu Gott gebracht werden. Gott kann dem Sünder vergeben, kann ihn reinigen; aber Er kann in Seiner Gegenwart nichts dulden, was Seiner Heiligkeit nicht entspricht. Er kann den Sünder nicht· so, wie er ist, ertragen, denn Er „ist zu rein von Augen, um Böses anzuschauen“. Aber Gott ist auch Liebe. Und in dem Herzen des Menschen wohnt eine so große Selbstsucht, dass die Liebe Gottes ihm ein noch größeres Rätsel ist, als Seine Heiligkeit.

Niemand verstand Jesum, weil Er Gott offenbarte. Ich spreche hier natürlich nicht von Seinem Werke, sondern von Seiner Person, so wie Er inmitten der Welt geoffenbart war. Er war völlig von den Sündern abgesondert, und gerade dies machte Sein Leben in den Augen Gottes so wertvoll. In einem Sinne sehen wir Ihn allein, vollkommen allein, ganz und gar getrennt von den Menschenkindern; Er war der einsamste Mann, den wir uns vorstellen können. Selbst die Jünger verstanden es nicht, in Seine Empfindungen einzugehen. Als er an das Weib von Samaria solch liebliche Worte von dem „Wasser, welches in das ewige Leben quillt“, richtete, begriff sie nichts davon. „Der Brunnen ist tief“, sagt sie, „woher hast du denn das lebendige Wasser?“ Weiter gingen ihre Gedanken nicht. 

Und wenn Jesus hernach zu Seinen Jüngern sagte: „Schauet die Felder an, denn sie sind schon weiß zur Ernte“, oder wenn Er von einer Speise sprach, welche die Jünger nicht kannten, so war es wiederum so; sie vermochten den Sinn Seiner Worte nicht zu fassen. Ja, Er fand kein wahres Verständnis, kein mitfühlendes Herz unter den Menschen. Wir begreifen, dass dies äußerst schmerzlich für den Herrn sein musste; denn Er hatte das Herz eines Menschen und sehnte sich nach jemandem, der Ihn verstehen konnte; aber da war niemand. Er dagegen besaß für alle ein Vollkommenes Mitgefühl. Jeder hatte Zugang zu Ihm; der Geringste, der Unwissendste, der tiefstgesunkene Sünder: alle konnten Ihm nahen, ja, sie am

ehesten. Er offenbarte in Seinem Leben eine Gnade und Heiligkeit, die nie ihresgleichen gesunden hat und all unser Denken übersteigt. Ja, „das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis ·hat es nicht erfasst“.

Als Christus kam, wurde offenbar, dass alle die Zeremonien und Anordnungen des Alten Bandes den Menschen nimmer mit Gott bekannt machen konnten. Jesus allein offenbarte Gott, wie Er ist; und Er machte auch den Menschen offenbar, wie er ist.

Keine Religion als solche kann den Menschen verändern. Der Mensch legt die Religion an wie ein Kleid; aber sie entfernt ihn nur umso weiter von Gott. Das Erste, was Gott mit uns tut, ist, dass Er uns in Seiner Gegenwart von allem entkleidet; Er nimmt uns alles, womit wir uns zu bedecken suchten. Er beschäftigt sich mit uns, nicht mit unserer Religion. Alles wird entfernt, alles aus dem Wege geräumt, und dann stehen wir vor Ihm, so wie wir wirklich sind. Also erging es denen, welche mit Jesu in Berührung kamen, während Er hienieden wandelte. Darum war Er überall ein unwillkommener Gast, und alle befanden sich im Widerspruch mit Ihm.

Der Mensch, so wie er ist, kann sich unmöglich in der Gegenwart Gottes wohl fühlen. Ein an Schmutz und Unreinlichkeit gewöhnter Mensch weiß nicht, dass er schmutzig ist; seine ganze Lebensweise ist unsauber. Kommt er jedoch in Verhältnisse, welche ihm Klarheit über sich selbst geben, so wird er über sein ganzes vergangenes Leben Abscheu empfinden. So ist auch das Herz des Menschen. Es ist unrein, ist sich dessen aber nicht bewusst. Sobald aber das Licht Gottes dem Menschen in Seele und Gewissen dringt, erkennt er sich selbst, so wie er in Gottes Augen wirklich ist, mag diese Erkenntnis auch zunächst noch mangelhaft sein. Sich so im Lichte Gottes zu sehen, ist sehr demütigend. Man scheut sich davor, denn es ist äußerst peinlich. Aber ich möchte es noch einmal betonen: vor Gott handelt es sich nicht um unsere Religion, sondern um uns selbst.

Die Wirkung der Gegenwart Gottes in der Welt ist notwendig diese: einerseits wird Gott in all Seiner Herablassung, Güte und Gnade offenbar, und andererseits zeigt sich in dem Menschen eine Selbstsucht, die sich in Gegenwart des untrüglichen Lichtes alsbald verrät. Man erkennt unfehlbar, dass der Mensch sich selbst nicht retten kann. Da sagt einer, den der Herr in Seine Nachfolge beruft: „Herr, erlaube mir, zuvor hinzugehen und meinen Vater zu begraben«. Heißt das nicht gerade so viel als: „Obgleich Christus mich ruft, soll doch etwas anderes den ersten Platz in meinem Herzen behalten; es ist nicht meine Absicht, Gott völlig zu dienen“? — „Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft“, sagt ein Anderer; und ein Dritter: „Ich habe ein Weib geheiratet“. Was bedeutet das alles? Es bedeutet, dass das Herz auf ganz andere Dinge gerichtet ist, dass es seine Ochsen dem Feste, welches Gott bereitet hat, weit vorzieht. Aus diese Weise wird alles offenbar gemacht und das Herz vor Gott bloßgelegt.

Aller Schein verschwindet vor dem Zeugnis Gottes. Die Selbstgerechtigkeit und der Stolz des Menschen haben ihn dahin gebracht, seinen Zustand vor sich selbst zu verbergen und sich eine Religion zunutze zu machen, die er von seinen Vätern überkommen hat. Aber Johannes der Täufer rief den Pharisäern und Sadduzäern, welche zu seiner Taufe kamen, zu: „Otternbrut! wer hat euch gewiesen, dem kommenden Zorn zu entfliehen? Bringet nun der Buße würdige Frucht; und denket nicht, bei euch selbst zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater; denn ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag“ (Matth. 3, 7 - 9). Das hieß mit anderen Worten: Gott ist es, welcher wirkt, wie Er will und nach Seiner eigenen Macht, um sich Kinder zu schaffen. Er nimmt keine Notiz von allen euren Ansprüchen als Juden und Nachkommen Abrahams. Er wirkt in jener unumschränkten Macht, in welcher Er selbst aus Steinen dem Abraham Kinder zu erwecken vermag; und dies ist der Grund, weshalb Er eure Gerechtigkeit nicht beachtet: Er muss euch erst als Sünder vor sich sehen.

Dann ist noch etwas anderes hier zu beachten. Johannes sagt im weiteren Verlauf seiner ernsten Rede:“ Er wird euch mit Heiligeln Geiste und Feuer taufen; dessen Worfschaufel in Seiner Hand ist, und Er wird Seine Tenne durch und durch reinigen Und Seinen Weizen in die Scheune sammeln; die Spreu aber wird Er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“ (V. 11. 12). Jesus steht im Begriff, Sein Reich aufzurichten, und das wird bald geschehen. In diesem Reiche wird alles, was nicht nach Seinem Herzen ist, mit Feuer verbrannt werden. So lautete das Zeugnis des Johannes. „Das Gesetz und die Propheten waren bis auf Johannes; von da an wird das Evangelium des Reiches Gottes Verkündigt“. 

Gott hatte dem Volke, welches Er um sich gesammelt hatte, das Gesetz gegeben. Dann hatte Er ihnen Propheten gesandt als Zeugen, welche, ein jeder zu seiner Zeit, die Juden zu einem Wandel nach dem Gesetz zurückführen sollten. Johannes der Täufer jedoch kam, um ihnen etwas ganz anderes anzukündigen. Er predigte: „Das Reich der Himmel ist nahe gekommen!“ oder mit anderen Worten: Gott steht im Begriff, eine neue Ordnung der Dinge einzuführen; seid ihr in einem passenden Zustande, um in dieselbe einzutreten? Habt ihr die nötige Energie, um in dieses Reich einzudringen? Auch das Gericht steht bevor: Er hat Seine Worfschaufel in Seiner Hand! Habt ihr Frucht aufzuweisen? Wenn nicht, so ist die Axt schon an die Wurzel der Bäume gelegt. „Denkt nicht, bei euch selbst zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater.“

Das also war die Lehre des Johannes; diese Stellung nahm er ein. Jerusalem stand im Begriff, beiseite gesetzt zu werden; und Johannes predigte Buße und kündigte das Reich an, welches errichtet werden sollte. Er trat auf, um aller Herzen und Gedanken auf Jesum zu richten. Nachdem in dieser Weise der Weg bereitet war, tritt der Herr Jesus selbst vor unser Auge und Herz. Lasst uns denn Ihn betrachten, mit unseren Gedanken bei Ihm verweilen, der sich so persönlich vor unser Auge stellt.

Der Zweck des Wirkens Gottes ist nicht nur, das; die Sünde gefühlt werde, obgleich dies sicherlich notwendig ist, sondern dass Jesus erkannt werde, und dass die Seele in den Genuss Gottes selbst eintrete. Gott will in Gnade handeln, damit die Seele sich selbst vergesse und in all ihrem Denken und Sinnen mit Jesu erfüllt werde. Und wie tut Gott dies? Indem Er den Herrn vor uns stellt als „einen Wurzelspross aus dürrem Erdreich“. Da gibt es für das Auge des Menschen keine Pracht, wie sie z. B. in dem Tempel war; nein, nichts von alledem, was das Fleisch anziehen oder ihm zu einer Versuchung gereichen konnte. Im Gegenteil, niemand „begehrte Ihn“. Da war nichts, was Ihn für das Urteil des Fleisches hätte liebenswert machen können. Was war Er hienieden? Ein armer Fremdling, der umherging und predigte! Er hatte nicht, wohin Er Sein Haupt legen sollte. Die religiösen Autoritäten verurteilten Ihn; alle Schriftgelehrten, Pharisäer, Sadduzäer und Priester verachteten Ihn. 

Das war der Empfang, welcher Ihm zu teil wurde. „Er hatte kein Ansehen, das; wir Seiner begehrt hätten“, sagt Jesajas. Es war notwendig, dass Er in dieser Weise kam, damit es sich zeigte, ob das Herz des Menschen Gott erkennen konnte, und weil Er nicht den fleischlichen Gefühlen des Menschen Nahrung bringen wollte. Das Herz des Menschen musste auf die Probe gestellt werden, ob Gott ihm genug wäre, und ob er die moralische Herrlichkeit Gottes: Seine Liebe, Seine Heiligkeit, die Macht Seines Wortes, welches das Herz durchdringt, kurz alles, was in Gott so unendlich kostbar ist — erkennen könnte.

Wenn Jesus als das Licht kommt, passt Er sich nimmer den Eigenschaften und Wünschen des menschlichen Herzens an, welche Er vielmehr beseitigen will. Ein Mensch würde das tun, und das dann „Religion“ nennen: aber es würde nur heißen: Gott verbergen oder Ihn verleugnen. Deshalb stellte der Herr sich dar ohne irgend etwas, was das Fleisch anziehen konnte. Sicherlich offenbarte Er all die Gnade und Güte, welche für unser armes Herz notwendig sind; aber nichts, was den fleischlichen Wünschen desselben entsprochen hätte. Jesus legte ein vollkommenes Zeugnis ab und brachte dem Herzen des Menschen die Gnade, deren es bedurfte, um die Güte Gottes selbst schmecken zu können.

Unserem Glauben hat Jesus sich in all der Gnade Seiner göttlichen Person gezeigt; aber unter den Menschen nahm Er Seinen Platz, ein als Der, welcher nichts ist, ausgenommen eben der Gegenstand unseres Glaubens.

Der Engel erscheint Joseph im Traum und sagt zu ihm: „Fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen, denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geiste. Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden“ (Matth. 1, 20. 21). Gott ließ einst Josua diesen Namen (Jehoschua = Jehova ist Retter) geben, weil er das Volk Israel nach Kanaan bringen sollte. Hier aber ist es Gott selbst, Jehova, der als Retter kommt: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden Seinen Namen Emmanuel nennen, was verdolmescht ist: Gott mit uns. Welch eine erhabene, kostbare Wahrheit: Gott mit uns! Gott fängt, so zu sagen, von vorne mit dem Menschen an.

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Der Tod des Herrn

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 106ff

„So oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn“ (1. Kor. 11, 26).

Der Tod des Herrn — welch ein wunderbares Geheimnis! Wer wäre imstande, die Fülle, die darin enthalten ist, auch nur annähernd zu ergründen! Und doch, so wie es einst Mose vergönnt wurde, mit unbeschuhten Füßen „das große Gesicht“, nämlich den im Feuer brennenden Dornbusch, welcher doch nicht verzehrt wurde, anzuschauen, so ist es jetzt „Unser gesegnetes Vorrecht, mit heiliger Ehrfurcht herzuzunahen und dieses anbetungswürdige Geheimnis, den Tod des Herrn, zu betrachten.

Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der Schöpfer und Erhalter des ganzen Weltalls, das ewige Leben, welches bei dem Vater war, Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit, Er war es, der nach dem ewigen Ratschluss des Vaters Fleisch und Blut annahm und gehorsam wurde bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze. Und es wurde Seinen verhärteten Geschöpfen erlaubt, unter der Leitung des Fürsten dieser Welt ihre ganze Bosheit und Feindschaft Ihm gegenüber an den Tag zu legen und den Herrn der Herrlichkeit ans Kreuz zu nageln. Ja, die Welt hat sich der Ermordung des Sohnes Gottes schuldig gemacht, wiewohl keine Macht der Menschen und Teufel imstande gewesen wäre, Ihn zu töten, wenn Er sich nicht freiwillig dahingegeben hätte als das Lamm, welches sich still und stumm zur Schlachtbank führen ließ.

Nein, niemand hatte die Gewalt, Ihm das Leben zu nehmen. Dennoch hat Er die Wehen des Todes völlig empfunden, indem Er sich selbst zum Opfer gab. Wir wissen jetzt, das; es so sein musste, wenn anders die Ratschlüsse Gottes erfüllt und verlorene Sünder errettet werden sollten. Denn ohne Blutvergießen ist keine Vergebung. Die Gerechtigkeit Gottes forderte den Tod des Sünders, und der Sohn Gottes erduldete ihn in unendlicher Gnade an des Sünders Statt. Es ist das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, welches von aller Sünde reinigt (1. Joh. 1, 7). Und nun dürfen sich die um einen solchen Preis erkauften Heiligen an jedem ersten Wochentage um den Tisch ihres Herrn scharen, um immer wieder durch die sichtbaren Zeichen, Brot und Wein, daran erinnert zu werden, dass Er für sie den Tod erduldet hat. Könnte es eine kostbarere Erinnerung geben als diese? Der Gedanke an den Tod des Herrn erfüllt die gläubige Seele mit heiligen Ernst und tiefer Anbetung.

Wir können ja die Schrecken jenes Todes, welchen der Herr von der Hand Gottes, unter Seinem Zorn und Gericht erduldete, niemals ausmessen. Das vermag Der allein, der Ihn durch diesen Tod gehen ließ, wie der Herr selbst in Psalm 22, 15 sagt: „In den Staub des Todes legst du mich“. Dennoch erkennen wir in diesem Tode (wie nirgendwo anders), wie verabscheuungswürdig die Sünde in den Augen eines heiligen und gerechten Gottes ist. Die schrecklichen Fluten Seines; Zornes sind über Den ergangen, welcher der Gegenstand Seiner Wonne war. Ja, sollte „die Reinigung unserer Sünden“ gemacht werden, so durfte Gott Seines eingeborenen Sohnes nicht verschonen. (Röm. 8, 32.) Wenn dem nun so ist, wie sehr geziemt es sich dann für uns, da wo wir den Tod des Herrn verkündigen, gereinigt zu erscheinen! Der Gläubige ist seiner Stellung nach ja „ganz rein“, denn er ist „in Christo“, dem Auferstandenen; aber er muss es auch in seinem praktischen Zustande sein.

 „Darum bedarf er unaufhörlicher Wachsamkeit und eines steten Selbstgerichts. Der ganze heilige Ernst dieser Sache, wird uns in 1. Kor. 11 vorgestellt, wo wir lesen: „Denn wer unwürdiglich isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht. . . . Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, (falls wir dass Selbstgericht unterlassen haben) so werden wir vom Herrn gezüchtigt.“ Bei den Korinthern waren infolge der dort herrschenden traurigen Zustände viele krank und schwach, und ein gut Teil war entschlafen. Der Herr züchtigte. Sollte nicht auch wohl in unseren Tagen manche Krankheit und Schwierigkeit eine Folge der Untreue sein, welche sich im Blick auf den Tisch des Herrn so vielfach in unserer Mitte offenbart? Möchte der Herr uns allen Gnade geben, um Seinen Tod in würdiger Weise verkündigen zu können, als Sein Eigentumsvolk, das Er sich erworben hat, damit es dastehe heilig und rein, abgesondert von jeglicher Befleckung des Fleisches und des Geistes!

Bald werden wir ja diese Welt verlassen und mit Jesu droben in Herrlichkeit sein. Dann wird aller Kampf aufhören, und in dem Zustande ewiger, vollkommener Glückseligkeit werden wir Ihn schauen, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat. Dann wird auch die Verkündigung Seines Todes im Abendmahl nicht mehr stattfinden. Aber wenn es für den Gläubigen schon auf dieser Erde so kostbar ist, den Herrn in Seinem Tode zu betrachten, wieviel mehr wird dies dann im Himmel der Fall sein! Mit welch überströmenden Gefühlen werden die Erlösten das neue Lied fingen und die Würdigkeit des Lammes preisen, welches geschlachtet worden ist und sie durch Sein Blut für Gott erkauft hat! Dort wird sich kein hässlicher Misston mehr in die allgemeine Freude mischen; das geschlachtete Lamm wird der einzige Gegenstand allgemeiner, unaussprechlicher Wonne sein in alle Ewigkeit.

 Er allein wird die Herzen der geliebten Seinigen ausfüllen. Nichts- wird mehr an diese arme Erde und an den Zustand der Schwachheit und Unvollkommenheit hienieden erinnern. Wie tut es dem Herzen so wohl, darüber zu sinnen, und wie wird es zugleich mit Sehnsucht erfüllt nach der baldigen Ankunft des geliebten Herrn, dessen heiliger Name heute noch so oft, selbst durch die Seinen, verunehrt wird!

Allein es gibt noch eine andere Seite in dem Tode des Herrn, die noch mehr als die bisher betrachtete — der Tod Jesu in seiner Bedeutung für uns — über all unser Verständnis hinausgeht. Wir lesen in Joh. 10, 17.18: „Darum liebt mich der Vater, Weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen.“ Schon vor Grundlegung der Welt war der ewige Sohn der Gegenstand der Wonne des Vaterherzens (Spr. 8, 30). Auch legte der Vater, während Jesus in Niedrigkeit hienieden wandelte, zu verschiedenen Malen Zeugnis davon ab, dass der von den Menschen verachtete „Jesus von Nazareth“ Sein geliebter Sohn sei, an welchem Er Wohlgefallen gefunden habe. Und in der Tat, es musste eine kostbare Speise für das Herz des Vaters sein, den geliebten Sohn in vollkommenem Gehorsam auf dieser Erde wandeln zu sehen, durch keinen anderen Beweggrund geleitet, als nur den einen, koste es was es wolle, den Willen des Vaters zu tun. Er war das wahre Speisopfer.

Wenn nun schon ein Leben im Gehorsam für den Vater so über alle Beschreibung kostbar war, welche Gefühle musste dann erst der Tod des geliebten Sohnes in Seinem Herzen erwecken ein Tod, durch welchen der Gehorsam und die Liebe des Sohnes auf die höchste Probe gestellt wurden, und in welchem sich beide als ganz und gar vollkommen erwiesen haben! Jesus konnte sagen: „Der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir; aber auf dass die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe und also tue, wie mir der Vater geboten hat“.(Joh. 14, 30. 31). Wie Er in Seinem Leben das wahre Speisopfer war, so war Er in Seinem Tode das wahre Brandopfer für den Altar Gottes, indem Er sich freiwillig durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert hat (Hebr. 9, 14). Und deshalb hören wir Ihn sagen: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse«. Aber wer vermöchte in die Höhen und Tiefen dieser Wahrheit einzudringen?

Diese Erde, aus welcher einst der Sohn Gottes in Niedrigkeit gewandelt hat, war auch der Schauplatz Seines Todes. Angesichts der Menschen, Engel und Teufel hing Er am Fluchholze, rief: „Es ist vollbracht!“ und neigte das Haupt und verschied. Doch wenn sie, der Schauplatz und Zeuge dieses Todes, längst vergangen sein wird, bleibt Er, der geliebte Sohn, der Sein Leben gelassen hat zur Verherrlichung Gottes, des Vaters, und zum Heile verlorener Sünder, für immer und ewig der Gegenstand reinster Wonne für das Vaterherz, der Gegenstand der Freude und Anbetung all der glücklichen Bewohner des neuen Himmels und der neuen Erde.

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Indem ihr prüfet was dem Herrn wohlgefällig ist

Bibelstelle: Epheser 5,10

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 111ff

Diese wenigen Worte bieten dem Verständnis des Lesers keine Schwierigkeit; die Frage ist nur, ob sie in unserem Herzen eine Stätte gefunden haben. Befolgen wir die Ermahnung des Apostels? Prüfen wir wirklich unser Leben, alle die kleinen Dinge in unserem täglichen Wandel, ob sie dem Herrn wohlgefallen oder nicht? Wenn wir es tun, so werden wir gewiss häufig Veranlassung finden, uns zu demütigen und zu richten, andererseits aber auch die süße, liebliche Gemeinschaft unseres Herrn genießen. Wir werden, wie einst Henoch, das Zeugnis in uns tragen, dass wir „Gott wohlgefallen“ (Hebr. 11, 5). Ein Kind weiß ganz genau, ob es nach dem Wunsche seiner Eltern wandelt und ihnen wohlgefällig ist, oder ob es seine eigenen Wege geht und ihnen missfällt. Sollten wir in geistlicher Beziehung schlimmer daran sein? Wahrlich nicht.

Lasst uns daher der Aufforderung des Heiligen Geistes folgen und uns wohl prüfen, ob es in unserem Leben und in unseren Gewohnheiten nichts gibt, was dem Herrn nicht gefällt. Und wenn der Herr uns etwas zeigt, so lasst uns sofort damit ins Gericht gehen, unverzüglich damit brechen, damit unsere Gemeinschaft mit Dem, der heilig ist, nicht länger gehindert werde. Wie freudelos und arm ist das Dasein eines Christen, der sozusagen allein seinen Weg gehen muss, weil der Herr ihm nicht das freudige Bewusstsein Seiner Gegenwart und Seines Wohlgefallens geben kann! Vielleicht gibt es nichts besonders Böses in seinem Leben, nichts was Anderen auffällt: aber sein Herz ist nicht wahrhaft glücklich, sein Gewissen nicht wirklich im Licht, er hat nicht mit allem gebrochen, was dem Herrn missfällt, und so ist sein Christentum arm, sein Zeugnis schwach und seine Seele dürre. —— Der Herr gebe uns allen Entschiedenheit und Treue im Kleinen!

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Gedanken über das Verhalten der Gläubigen in der Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 113ff

Am Schlusse der wiederholt angeführten Stelle aus den Kapitel des Epheserbriefes lesen wir die ernsten und beherzigenswerten Worte: „Also sind auch die Männer schuldig, ihre Weiber zu lieben, wie ihre eigenen Leiber. Wer sein Weib liebt, liebt sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie auch der Christus die Versammlung. Denn wir sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen. „Deswegen wird ein Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein“. Dieses Geheimnis ist groß: ich aber sage es in Bezug auf Christus und ans die Versammlung. Doch auch ihr, ein jeder von euch liebe sein Weib also wie sich selbst“ (V. 28 – 33).

Aus diesen Worten geht hervor, dass eine Schuld auf dem Manne ruht, an welcher er sein ganzes -— Leben lang bezahlen soll. Soll? nein, das ist nicht das richtige Wort; sagen wir lieber: bezahlen darf. Es ist eine Schuld, die nicht schwer drückt, die im Gegenteil lieb und willkommen ist. wenn es anders richtig in einer Ehe steht — eine Schuld. von der man gern abträgt, obwohl« man weiß, das; man sie nie ganz bezahlen kann. Sie bleibt, so lange das Verhältnis besteht, welches- die Schuld bedingt. Als sind auch die Männer schuldig, ihre Weiber zu lieben, wie ihre eigenen Leiber.“

„Wie ihre eigenen Leiber“, oder wie es nachher heißt: „Wie sich selbst“ —- das ist also der Maßstab für die Liebe des Mannes. So hat Christus die Versammlung geliebt. Er hat sich selbst für sie in den Tod gegeben; und Er hat dies getan, als sie noch fern von Ihm, in ihren Sünden, unrein und verderbt war. Zugleich werden wir in unserer Stelle in den Garten Eden zurückgeführt, wo in der Erschaffung Evas und ihrer Darstellung vor Adam uns gerade ein so deutliches und schönes Vorbild von dem Geheimnis der Kirche gegeben wird. Sie ist eins mit Christo, aus Ihm gleichsam herausgebildet, von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen; wie Adam sagt: „Diese ist einmal Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleische. Diese soll Männin heißen, denn vom Manne ist diese genommen. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. und sie werden ein Fleisch sein“ (1. Mose 2, 23. 24). Dieses völlige Einssein des Weibes mit dem Manne, dieses gänzliche Aufgehen des einen Teiles in dem anderen lässt die Ermahnung: „Ein jeder von euch liebe sein Weib also wie sich selbst“, und die Erklärung des Apostels: „wer sein Weib liebt, liebt sich selbst“, als ganz selbstverständlich erscheinen. 

Allein so selbstverständlich jene Ermahnung ist, so umfassend und weitgehend ist sie auch. Die Selbstliebe, dieser tiefgewurzelte, mächtige Trieb, welcher unserer Natur eigen ist, soll das Maß der Liebe des Mannes zu seinem Weibe bilden. Eine tiefer- und weitergehende Weisung wäre gar nicht denkbar. Sie gestattet kein Ausweichen, kein Entrinnen. „Wie sich selbst“ – „wie ihre eigenen Leiber“ - möchten sich diese Worte tief und unauslöslich in jedes Mannes Herz einprägen! Hat ein Mann ihre Bedeutung erfasst und verwirklicht er sie in seinem Verhalten seinem Weibe gegenüber, so wird dieses sich sicher niemals über Härte und Lieblosigkeit zu beklagen haben. „Niemand“, sagt die Schrift, „hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es.“ Darum, wer sein Weib liebt wie sich selbst, wie seinen eigenen Leib, der wird ihr nicht unnötig schwere Lasten auflegen, sie nicht hochfahrend oder gleichgültig behandeln und links liegen lassen, sondern ihr dieselbe Sorge und Pflege angedeihen lassen wie sich selbst. Er wird sie ebenso wenig hart anfahren, wie er sich selbst hart anfährt. Was er für sich selbst wünscht, wird er auch für sie wünschen, und was er von sich fern halten möchte, davor wird er auch sie zu bewahren suchen. Mit einem Wort: so weit es in seinen Kräften steht, wird er ihr Wohl suchen, d. h. alles Gute, das er für sich begehrt, ihr zu teil werden lassen, und alles Böse, das er im Blick ans sich zu vermeiden sucht, auch von ihr fernhalten.

Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es.“ Darum, wer gelernt hat, sein Weib als einen Teil seiner selbst, als sein anderes Ich, zu betrachten, wird sie nähren und pflegen, gleichwie er sich selbst nährt und pflegt. „Nähren und pflegen“— nicht wie er seine Dienstboten, ja, nicht einmal wie er seine Kinder nährt und pflegt. Den Dienstboten gibt er ihren Lohn, den Kindern ein Kindesteil: aber gegenüber seiner Frau hat er nichts, was sein alleiniges Eigentum wäre: dass Seine ist dass Ihre und das Ihre das Seine. Seine Frau hat nicht einen Teil, und er das Übrige, oder umgekehrt.

 Er besitzt nichts ohne seine Frau oder gesondert von ihr. So wie zu den Gläubiger gesagt wird: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi“, so besitzt die Frau alles mit ihrem Manne, und sie selbst gehört ihm. Das ist die schöne göttliche Ordnung, und wo es anders steht, da fehlt die Übereinstimmung n1it den Gedanken und Bestimmungen Gottes. Der Mann mag der Erwerber, Erhalter und Verwalter des; Vermögen sein, sei es nun klein oder groß; aber die Frau besitzt trotzdem alles mit ihm, weil sie nicht von ihm zu trennen ist. „Die zwei werden ein Fleisch sein, so dass sie nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch“ (Matth. 19, 5. 6).

Der Charakter der Frau macht es dem Manne vielleicht oft schwer, sie so zu lieben, zu nähren und zu pflegen, wie wir es soeben besprochen haben. Aber nichts kann ihn von seiner Verpflichtung entbinden, nichts; ihn von seiner Frau scheiden, den einzigen Fall ausgenommen, welchen der Herr Jesus in Matth. 19.9 nennt. Die Liebe Christi zu Seiner Braut hört nie auf, trotz, aller ihrer Unwürdigkeit, ihrer Fehler, ja selbst ihrer Untreue. Er beschäftigt sich mit ihr in unermüdlicher Geduld und Güte, um sie von ihren Fehlen! zu befreien und sie sich heilig und tadellos darzustellen. Und wenn nun auch das vollkommene Vorbild von uns nimmer erreicht werden wird, so sollte dennoch der Mann danach streben, ihm näher zu kommen. Die Liebe Christi sollte ihm allezeit vor Augen stehen. Dann wird es ihm auch leichter werden, Verkehrtheiten und Torheiten zu ertragen, und der Herr wird ihm die nötige Weisheit, Geduld und Langmut darreichen, um mit seiner Frau in der rechten Weise verkehren zu können.

Besonders schwierig wird in dem eben beschriebenen Falle die Lage eines Mannes, wenn er erst nach der Verheiratung gläubig geworden ist, während seine Frau den Herrn noch nicht kennt und nun einerseits, der Feindschaft des natürlichen Herzens gegen Christum folgend, ihrem Manne Abneigung entgegenbringt, und andererseits, auf Grund seines Bekenntnisses, weit mehr Liebe, Tragsamkeit u. s. w. von ihm erwartet als früher. In einem solchen Falle hat ein Mann besondere Gnade von oben nötig: aber sie wird ihm zu teil werden, wenn er aufrichtig darum bittet. „Wenn aber jemandem von euch Weisheit mangelt, so bitte er von Gott, der allen willig gibt . . ., und sie wird ihm gegeben werden“ (Jak. 1, 5.;) 

Seine Liebespflicht bleibt dieselbe, ja sie erscheint noch umso größer, weil das ewige Wohl seiner unbekehrten Frau ihm jetzt Tag und Nacht am Herzen liegen sollte. Seine Sorge darf sich nicht auf ihr äußeres Wohlergehen beschränken, sondern muss sich auch auf ihre ewige Glückseligkeit richten. Dies ist sicher immer auch bei gläubigen Frauen wahr, aber doch ganz besonders in dem Falle, welchen wir eben besprechen. Während es sich bei einer gläubigen Frau mehr um die Pflege des bereits vorhandenen geistlichen Lebens handelt, kommt bei einer unbekehrten Frau vornehmlich darauf an, sie in verständiger und liebevoller Weise mit dem Worte des Heils bekannt zu machen und Bedürfnisse nach den höheren, ewigen Dingen in ihrer Seele zu wecken: und dazu ist, wie gesagt, viel Gnade und Weisheit von oben nötig, verbunden mit einem treuen, tadellosen Wandel in den Wegen des Herrn.

Es bleibt uns noch übrig, einen Augenblick bei der Stellung des Mannes als Haupt seines Weibes zu verweilen. „Ich will aber, dass ihr wisset, dass der Christus: das Haupt eines jeden Mannes ist, des Weibes Haupt aber der Mann“ (1.Kor. 1.1, 3.) „Denn der Mann ist das Haupt des Weibes, wie auch der Christus das Haupt der Versammlung ist (Eph. 5, 23). Das Wort Gottes spricht also sehr deutlich und in keineswegs mißzuverstehender Weise über diesen Punkt. Der Mann ist dass Haupt, und deshalb wird das Weib immer wieder zur Unterwürfigkeit ermahnt; wobei der Mann jedoch nicht vergessen darf, dass er nicht etwa ein unumschränkter Herr und Gebieter ist, sondern dass er wiederum Christum als Haupt über sich hat, und dass er alles, was er tut und anordnet, in Beziehung zu Gott bringen muss, damit nicht am Ende nur sein eigener Wille ihn und sein Haus regiere. Wie begründet diese Warnung ist, das beweist der Zustand mancher Haushaltungen leider nur zu deutlich.

Als Haupt ruht zunächst die Pflicht auf dem Manne, sein Weib und sein Haus zu versorgen, zu beschirmen und vor allen schädlichen Einflüssen zu bewahren. Hierher gehört sicherlich auch das ernste Wort des Apostels: „Wenn aber jemand für die Seinigen, und besonders für die Hausgenossen, nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlechter als» ein Ungläubiger“ (1. Tim. 5, 8). Diese Sorge erstreckt sich nicht nur aus die leiblichen Bedürfnisse von Frau und Kindern, obwohl diese zunächst gemeint sind, sondern auch ans das, was; ihnen in geistlicher Beziehung not ist. Doch ah! wie mancher Mann ist in dieser Beziehung gleichgültig und nachlässig. Vielleicht macht er seine Rechte als Haupt geltend, (und zwar geschieht dies dann gewöhnlich in einer Weise, die der göttlichen Ordnung und dem Vorbilde Christi sehr wenig entspricht), aber er vergisst seine Pflichten und ist, wie der Apostel sagt, schlechter als ein Ungläubiger. Wie traurig ist das.

 Bild eines gläubigen Familienhaupt, das ans Trägheit, Bequemlichkeit oder ans einem anderen ähnlichen Grunde nicht für den nötigen Unterhalt seiner Familie sorgt und sie nach Leib und Seele darben lässt! Welch eine Ehre ist es zugleich für den heiligen Namen Gottes und für das Zeugnis unseres Herrn Jesu Christi! Denn gerade für die Familienverhältnisse der Kinder Gottes hat die Welt ein scharfes Auge.

Ich brauche wohl kaum hervorzuheben, wie wichtig es ferner für das Haupt einer Familie ist, dem ganzen Hause treu voranzugehen in Gottesfurcht und wahrer, aufrichtiger Frömmigkeit! Naturgemäß richten sich aller Blicke auf den Gatten und Vater, und fast immer (Ausnahmen bestätigen auch in diesem Falle nur die Regel) wird der Einfluss und das Vorbild des Hauptes bestimmend sein für die ganze Familie. Nimmt das Haupt seinen Platz treu ein, wandelt es im Aufblick zu und in Abhängigkeit von Gott, führt es ein Leben des Gebet; der verborgenen Gemeinschaft mit Gott und der Absonderung von der Welt und ihrem Geiste, so werden sich die gesegneten Folgen bei den Gliedern der Familie unfehlbar zeigen: alles- wird sich ganz von selbst nach diesem Vorbilde richten und bilden. In Kleidung und Wesen, in Worten und Gebärden, ja in allem Tun und Lassen wird der gute Einfluss bemerkbar sein.

Diese Erwägungen führen uns ganz von selbst zu einer zweiten Pflicht, die wir aber ebenso gut ein Vorrecht nennen dürfen, welche mit der Eigenschaft des Mannes als Haupt in Verbindung steht. Ich meine seine priesterliche Stellung in der Familie. Paulus schreibt in dieser Beziehung an Timotheus: „Ich will nun, dass die Männer an jedem Orte beten, indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung“ (1. Tim. 2, 8) Der Mann naht und redet zu Gott, und er soll dies tun mit unbedecktem Haupte: denn er ist Gottes Bild und Herrlichkeit. „Jeder Mann, der betet oder weissagt, indem er etwa auf dem Haupte hat, entehrt sein Haupt“ (1. Kor. 11, 4. 7). Diese Worte, wie die ganze Belehrung des Alten und Neuen Testamentes, beweisen, dass es das besondere Vorrecht des Mannes- ist, Gott priesterlich zu nahen, ja, dass es vielfach ihm allein zukommt, seinen Mund zum Gebet und zum Lobe Gottes zu öffnen. Letzteres ist nicht nur in einer öffentlichen Versammlung der Fall, sondern auch überall da, wo Brüder und Schwestern miteinander vor Gott hintreten. Es würde dann durchaus unpassend sein und den Engeln gegenüber eine Verkehrung der göttlichen Ordnung bedeuten, wenn eine Frau ihre Lippen auftun und zu Gott beten wollte.

Nun, wenn denn das Reden mit Gott das hohe und besondere Vorrecht des Mannes ist und der Apostel ihn ermahnt, an jedem Orte zu beten, dann ist es sicherlich am Platze, wenn er dieser Aufforderung zu allernächst in seinem Hause nachkommt. Nicht als ob die Frau von der persönlichen Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen wäre. Das sei ferne! Aber überall da, wo es sich um gemeinschaftliches Beten handelt und ein Mann anwesend ist, soll dieser nach der göttlichen Regel den Mund der Versammelten bilden, sei es nun dass nur Mann und Frau, oder dass eine ganze Familie mit Kindern und Dienstboten versammelt sind. Wenn der Mann dies aus irgend einem Grunde versäumt, so entspricht er seiner Berufung nicht.

 Ein sogenanntes stilles gemeinschaftliches Gebet, wie es in manchen christlichen Familien üblich ist, entspricht sicherlich auch nicht den Gedanken Gottes. Der betreffende Bruder lässt sich dann nicht nur ein Vorrecht rauben, sondern kommt auch seiner Pflicht Gott und den Seinigen gegenüber nicht nach. Ist eine gewisse persönliche Schüchternheit die Ursache des Schweigens des Mannes, so sollte er sich von Gott Gnade erbitten, um diese Schüchternheit überwinden zu können; sind es andere Dinge, liegen Hindernisse in seinem praktischen Leben und Wandel, so sollte er wahrlich keine Minute säumen, sondern ins Kämmerlein eilen und sich in aufrichtigem Selbstgericht vor Gott niederwerfen.

Der Ermahnung an die Männer, an jedem Orte zu beten, fügt der Apostel noch die Worte hinzu: „indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung“. O wie treu sorgt Gott stets dafür, dass jeder Überhebung und Einbildung, zu welcher unsere armen Herzen so geneigt sind, von vornherein ein wirksamer Damm entgegengesetzt wird! Sein Name sei dafür gepriesen! Er kennt uns durch und durch und weiß, wie Er mit uns reden muss. Das sehen wir auch hier wieder so deutlich. Ich will nun, dass die Männer an jedem Orte beten“ — darin könnte das eitle Herz (ach, so töricht und erbärmlich sind wir!) einen Anlass zur Selbsterhebung finden; aber darum heißt es weiter: „indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung“ —— eine heilsame Schranke für alle jene törichten Gelüste. Heilige Hände, d. h. reine, unbefleckte Hände, an denen kein Unrecht klebt, die im Dienste des Herrn sich rühren, aber mit dem verunreinigenden Dienst dieser Welt nichts zu tun haben. Ohne Zorn, d. h. in der Gesinnung .Jesu Christi, des Sanftmütigen und von Herzen Demütigen. Ohne zweifelnde Überlegung, d. h. im Glauben, ohne unnützes menschliches Grübeln, im Vertrauen auf eine höhere Kraft und höhere Weisheit. Nicht wahr? Mein lieber Leser, mit einem solchen Herzenszustande sind Stolz und Überhebung unvereinbar.

Zugleich erinnert uns; das Wort „ohne Zorn“ an eine Ermahnung, die wir bereits besprochen haben, an jene nämlich, dass der Mann nicht bitter gegen sein Weib sein soll. Welch ein Widerspruch wäre es und welch eine Verunehrung des heiligen Gottes, wenn ein Mann sieh mit seiner Frau im Gebet vor Ihm vereinigen wollte, während er eben erst im Zorn mit ihr geredet, oder doch einen sogenannten ehelichen Zwist, sei er nun groß oder klein, mit ihr gehabt hat! Würde ein solches Gebet wohl nach oben dringen? Sicherlich nicht geht, wie einmal jemand bemerkt hat, nicht über die Zimmerdecke hinaus und dient in doppelter Beziehung zum Unsegen: die Ehrfurcht vor Gott wird dadurch geschwächt, und das eigene Gewissen wird verhärtet. Nein, in einem solchen Falle gehe der Mann zuvor hin und versöhne sieh mit seiner Frau, bekenne, wenn es nötig ist, seine Verkehrtheit, und dann trete er mit ihr vor Gott hin. Ach, vergessen wir nicht, das; auch das Gebet uns zur Sünde werden kann!

Wenn der Mann, eingedenk der Ermahnung des Apostels-, wachsam ist und — sich ehrlich prüft, ehe er allein oder in Gemeinschaft mit seiner Frau seine Hände betend zu Gott erhebt, so wird er einerseits sicherlich erfahren, wieviel Gelegenheit der tägliche Verkehr mit seiner Frau bietet, sich in der Liebe zudem „Schwachen“ zu üben, andererseits aber wird es ihm auch immer mehr zum Bewusstsein kommen, welch einen Einfluss sein eigener geistlicher Zustand auf seine Frau und auf sein ganzes Haus auszuüben vermag. Kommt ein Mann seiner priesterlichen Berufung nicht oder doch nur in mangelhafter Weise nach, so leidet die Frau darunter; und umgekehrt: sie wird ermuntert, gefördert und gestärkt, wenn ihr Mann in seinem Verkehr mit Gott einfältig, aufrichtig und innig ist. 

Möchte deshalb jeder Mann wohl acht darauf haben, dass dieser Verkehr weder gehindert werde durch eigene sündige und ungerichtete Zustände, noch durch Zorn und Erbitterung gegen seine Frau, noch endlich durch Launenhaftigkeit und Verdrießlichkeit, weil sie in der Erfüllung ihrer häuslichen Pflichten seinen Wünschen vielleicht nicht ganz entsprochen hat. Eine jede Verhinderung oder Unterbrechung dieses Verkehrs zieht nicht nur ernste Folgen für den Mann nach sich, sondern auch ganz naturgemäß für sein Weib und sein ganzes« Haus. Denn Mann und Weib sind eins, und weder das Weib ist ohne den Mann, noch der Mann ohne das Weib im Herrn (1.Kor.11,11).

An dieser Stelle darf auch das Wort des Apostels, welches er einst bezüglich der Weiber an die Korinther richtete, nicht unerwähnt bleiben: „Eure Weiber sollen schweigen in den Versammlungen, denn es — ist Ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern unterworfen zu sein, wie auch das Gesetz; sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen (1. Kor. 14, 34. 35). Einem Weibe steht es also nicht zu, in der Versammlung der Gläubigen zu reden oder auch nur Fragen zu stellen. Wie nun, wenn sie etwas lernen will und über diesen oder jenen Punkt der christlichen Wahrheit Auskunft begehrt, aber ihr Mann ist nicht geistlich genug, um auf ihre Fragen einzugehen und den Bedürfnissen ihrer Seele entgegen zu kommen? Wird es nicht ein Schaden und Verlust für sie sein? Sicherlich kann Gott eine Schwester auch auf anderem Wege belehren, und Er tut es: allein es ist das liebliche Vorrecht des Mannes und zugleich seine heilige Pflicht, die Fragen seiner Frau, soweit er selbst Gabe und Licht dafür empfangen hat, zu beantworten. Es ist also auch in dieser Beziehung zum Nachteil für die Frau, wenn der Mann nicht treu im Lichte wandelt und deshalb die Gabe, die ihm von Gott geschenkt ist, nicht zum Segen für Andere und zu allererst für seine Frau zu benutzen weiß.

Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, obgleich es eigentlich selbstverständlich ist, dass der Mann auch diese seine Stellung als Haupt in Liebe einnehmen und bewahren muss. „Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit.“ Das ist in Bezug auf jedes Verhältnis wahr. Der Mann komme desshalb seiner Frau, wenn sie sich mit ihren Fragen und Schwierigkeiten an ihn wendet, mit herzlichen Wohlwollen entgegen; über seiner „Tätigkeit als Mann, die ihn vielleicht mehr als gut ist in Anspruch nimmt, vergesse er nicht, dass seine Frau Rechte an ihn hat: er sei nicht gefühllos für die mancherlei Bedürfnisse seiner schwachen und vielleicht schüchternen Gehilfin, auch nicht unnahbar für ihre in seinen Augen vielleicht törichten Fragen und eingebildeten Schwierigkeiten· Er höre sie an mit aller Geduld und Liebe und mache ihr den Platz der Unterwerfung nicht unnötig schwer. Im Gegenteil, die unterwürfige Frau sollte stets erfahren dass ihr Mann nicht den ihm von Gott gegebenen Platz als Haupt dazu benutzt, um sie niederzubeugen, zu demütigen und zu vernachlässigen, sondern vielmehr um sie zu erheben, sie auszurichten, wenn sie darniederliegt, sie zu nähren und zu pflegen, zu heben und zu tragen — mit einem Wort: sie zu lieben, gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt hat.

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Emmanuel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 125ff

Sobald Jesus hienieden erscheint, sucht Satan Ihn zu vernichten. Es ist merkwürdig, wie schnell der Mensch vergisst. Die aus dem fernen Osten gekommenen Magier hatten Jesum als den König der Juden, der zu Bethlehem geboren worden war, anerkannt; sie hatten Zeugnis abgelegt von Emmanuel, dem Sohne Davids; Ebenso hatten die .Hirten, nachdem sie angebetet, überall ausgebreitet, was ihnen von den Engeln kundgetan worden war. Aber trotz all dieser Zeugnisse, obwohl Gott selbst Seinen geliebten Sohn vor den Menschen anerkannte, wurde der Herr verleugnet und verworfen.

Gott fängt die Geschichte Israels in der Person Jesu gleichsam von neuem an· Er musste Seinen Sohn aus Ägypten berufen, wohin Er Ihn gesandt hatte, weil die Menschen Ihn, sobald Er in diese Welt kam, zu töten suchten. Israel war wirklich verloren, und Gott musste die ganze Geschichte des Volkes in der Person Jesu von neuem beginnen. Herodes sucht das Kindlein, um es» umzubringen. So zeigte sich der Widerstand wider Jesum von der Krippe an.

Satan weiß dem Menschen genug fleischliche Beweggründe darzubieten, um ihn zu veranlassen, Gott beiseite zu setzen. Ja, es ist Sein großes Werk, uns mit Beweggründen zu versehen, die mächtig genug sind, um uns dahin zu bringen, dass wir ohne Gott fertig zu werden suchen und Ihn ans unseren Herzen ausschließen. Hier stachelt er den Herodes gegen Jesum aus. Joseph nimmt das Kindlein und Seine Mutter und flieht nach Ägypten. Später kehrt er in das Land Israel zurück und wohnt in Nazareth; denn es

stand geschrieben: „Er wird Nazarener genannt werden“. Hier also beginnt Jesus Seine Laufbahn in der Welt. Und wer war Er, der in Nazareth, der verachteten Stadt, wohnte? Es war Jehova, der Retter; es war „Emmanuel“. Nazareth war ein so böser Ort, dass dort zu wohnen schon genügte, um von den Menschen verächtlich behandelt zu werden. Nathanael sagt zu Philippus: „Kann auch aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ Und dort wohnte der Herr viele Jahre.

Wenn ich die Person des Herrn Jesu betrachte, so ist es Gott, den ich zunächst in Ihm erkenne, aber Gott in einer Gestalt, welche das Fleisch hasst, weil es böse ist. Will ich Gott wirklich erkennen, so muss ich das Fleisch für tot halten, und die Gnade muss dass Herz dahin leiten, trotz der entgegengesetzten Neigung des Fleisches, die Liebe Gottes zu schätzen. Das ist sozusagen die Geschichte des christlichen Lebens; so beschreibt es Paulus in Gal. 5, 16 -- 18. — Äußerlich war Jesus ein armer Nazarener: aber in Seinen Wegen und in Seinem Herzen gab sich göttliche Vollkommenheit kund, und zwar offenbarte sich diese Vollkommenheit inmitten zahlloser Schwierigkeiten» inmitten all der Schmähungen und der Falschheit der Menschen: Der Glaube allein vermochte die Wege Jesu durch Not und Mangel aller Art hindurch zu unterscheiden. Ein zerbrochenes Herz erkannte diese vollkommene Güte, die sich inmitten alles Elendes offenbarte. Es ist notwendig, dass auch unsere Herzen in jenem verachteten Menschen Gott selbst erkennen, wie Er sich unseren Seelen offenbart und Seinen Platz inmitten der Menschen einnimmt.

Später kommt Jesu zu Johannes, um getauft zu werden. Johannes wehrte Ihm, weil er die Würde Seiner Person anerkannte, und sagte: „Ich habe nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?“ Jesus aber erwiderte: „Lass es jetzt so sein: denn also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen“. Obwohl wir hier also den Herrn Jesum und Seine Person anerkannt sehen, ist es trotzdem Sein Wille, Seinen Platz unter den Geringsten der Heiligen einzunehmen. „Also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Uns - wen meint der Herr? Johannes und sich selbst. Und welchen Platz nimmt Er ein? Er vereinigt sich mit den ersten Regungen Seines Geistes in den Herzen sündiger Menschen. „Ich nehme. meinen Platz; unter denen, welche Buße tun“, sagt Er gleichsam. „Sind Einige da, die da kommen, um getauft zu werden, so komme auch ich, um die Taufe an mir vollziehen zu lassen.“

Sobald irgendwelche Regungen wahrer Buße infolge des Zeugnisses des Wortes in dem Herzen eines Sünders erwachen, verbindet sich Jesus mit einem solchen Herzen. Er offenbart nicht nur das, was durch den Glauben zur Kreuzigung des Fleisches führt, sondern Er begleitet auch den Sünder auf dem Wege dahin, und das arme, gebeugte Herz findet hierin großen Trost. Ist eine Seele unter der Last ihrer Sünden zusammengebrochen, nun, so ist Jesus bei ihr. Fürchtet sie sich, weil „schon die Axt an. die Wurzel der Bäume gelegt ist“, so ist Jesus da, um sie zu ermutigen und ihr Seine Gnade zu beweisen.

 Er selbst wirkt die Buße in dem Herzen, und dann macht Er sich eins mit der Seele. Wie wunderbar! Er ist Gott, der· Allerhöchste, von welchem alles Licht ausgeht; aber Er ist· auch Mensch und kommt den schwächsten Gefühlen in uns entgegen. Ja, Er ist mit uns, den Gläubigen, in all unserer Not und in allen unseren Umständen.

Die Folge davon, dass Jesus sich taufen ließ, war, dass die Himmel sich über Ihm öffneten. Nicht nur war Gott im Fleische geoffenbart, sondern der Himmel öffnete sich auch über Ihm. Er empfing die volle Anerkennung Gottes, gerade indem Er sich mit armen, gebeugten Sündern eins machte; und darin erkennen wir die ganze Fülle und Ausdehnung der Gnade, welche sündigen Menschen angeboten wurde. Niemals vorher hatte sich der Himmel geöffnet. Gott hatte wohl Boten gesandt, aber nie war ein Mensch auf Erden gewesen, über welchem sich die Himmel aufgetan hätten. Und nachdem Jesus das Werk der Versöhnung vollbracht hatte, verkündigte Er Seinen Jüngern das Ergebnis mit den Worten: „Ich fahre auf zu meinem. Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“. Der Himmel steht jetzt also auch für uns offen. Jesus hat uns in die gleiche Stellung vor Gott gebracht, welche Er selbst einnimmt. Das ist unser Teil als Gläubige; keine Decke liegt mehr ans unseren Herzen.

Als Mensch war Jesus vollkommen gerecht, und obwohl Er Seinen Platz bei jenen armen Sündern entnahm, welche Gott nahten, so war Er deshalb Gott nicht weniger wohlgefällig. Im Gegenteil, niemals hatte Gott größeres Wohlgefallen an Ihm, als gerade in dem Augenblick, da Er unsere Sünden ans dem Fluchholze trug. Gerade in Seinem Tode verherrlichte Er als Mensch vollkommen Gott, und gab gleichzeitig Zeugnis von der unermesslich großen Liebe Gottes zu dem Sünder.

So wie sich also der Himmel über Jesu auftat, ebenso völlig ist er jetzt über uns geöffnet. Es liegt, wie bereits bemerkt, keine Decke mehr ans unseren Herzen. Wir schauen in Christo die Herrlichkeit Gottes mit unverhülltem Angesicht: und die Herrlichkeit Gottes strahlt hernieder auf den Menschen, wie er in Jesu ist, gerade so wie sie einst auf Jesum selbst herabschien. Alles was nicht Christo entspricht, was nicht Christus ist, kann in diesem Lichte selbstverständlich nicht bestehen; Gott kann in Seiner Gegenwart keine Sünde dulden, und das Licht macht alles offenbar.

Allein es gibt hier noch mehr: nicht nur öffneten sich die Himmel über Jesu, sondern der Geist Gottes stieg

auch in Gestalt einer Taube auf Ihn hernieder, und eine Stimme vom Himmel her ertönte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe“.

Welch einen Platz, nimmt Jesus hier ein! Er offenbart Seine Gnade dem Menschen, der noch in seinen Sünden ist; Er passt sich den Umständen des tiefstgefallenen Sünders an; Er macht sich eins mit ihm bei dem ersten Schritt, den er unter der Gnade tut. Aber was Seine Person betrifft, so hören wir zu gleicher Zeit, dass Ihm vom Himmel her bezeugt wird: „Dieser ist mein geliebter Sohn“. Das also ist der vollkommene Mensch in der Gegenwart Gottes, der Freund armer Sünder und der: Ausdruck alles dessen, was Gott inmitten dieser argen Welt in dem Menschen so gern sieht.

Sind wir nun Kinder Gottes, geliebt mit der gleichen Liebe wie Jesus, (wie Er selbst sagt: „dass die Liebe,

mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei, und ich in ihnen“,) so befinden wir uns durch die Gnade in der gleichen Stellung vor Gott, wie Er selbst. Doch es war notwendig, dass Er, der vollkommen Geliebte, versucht wurde: und wir, die wir gleich Ihm geliebt sind, müssen ebenfalls versucht werden — nicht um zu prüfen, ob wir Kinder Gottes sind, sondern gerade weil wir solche sind; auch nicht als Sünder, denn als solche sind wir schon auf die Probe gestellt worden, und es hat sich gezeigt, dass wir verloren waren. Die Gnade muss wirken; und wenn es sich um Gnade handelt, so ist es stets die vollkommene Gnade Gottes für Sünder. Alles Gute muss aus Gottes Seite sein, denn in dem Menschen ist nichts Gutes. Das Licht macht offenbar, dass in Gott nur Gutes und in uns nichts Gutes ist. 

Und die Liebe Gottes ruft in uns ein ganz neues Leben hervor. Wir befinden uns jetzt in der Stellung von Kindern Gottes, Jesu gleich (was die Stellung betrifft). Und da nun der Geist Gottes in uns wohnt, so müssen wir auf die Probe gestellt, versucht werden. Denn es haftet uns noch so vieles an, was uns hindern will, die Liebe Gottes zu genießen: Selbstsucht, Eigenliebe, Leichtfertigkeit und dergl; deswegen müssen wir versucht werden, wie Jesus selbst versucht wurde, obwohl in Ihm keines dieser Dinge war. Darum sagt auch Paulus: „Wir rühmen uns der Trübsale“: und weiter: „die Hoffnung beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“.

Wir sind uns somit bewusst, dass wir Kinder Gottes sind, indem Gott uns so ansieht, wie Er Christum ansieht. Alles ist angefangen, aber noch nicht alles ist vollendet (was das Werk Gottes in uns« betrifft). Bezüglich unserer Annahme bei Gott ist in der Tat alles vollendet. Denn mein jüngstes Kind, das Gott mir erst vor kurzem gegeben hat, ist, obwohl seine Erziehung kaum begonnen haben mag, sicher und gewiss mein Kind; es wird dies mit 20 Jahren nicht völliger sein als heute.

Doch kehren wir zu unserem Kapitel zurück. Nachdem Jesus von Gott anerkannt ist, nimmt Er Seinen Platz. ein gemäß unserer Schwachheit, und Er wird von dem Geist in die Wüste geführt, um von dem Teufel versucht zu werden. Satan sucht uns stets unsere Stellung als Kinder vergessen zu machen. In uns selbst freilich sind wir Sklaven des Teufels, aber Gott hat uns aus seiner Gewalt befreit. Schon im Garten Eden war es Satans Streben, den Menschen dahin zu bringen, dass er seinen ersten Zustand verließ; und es gelang ihm. Ferner lesen wir non Engeln, „die ihren ersten Zustand nicht bewahrten“, gerade so wie Adam es nicht tat. In welche Stellung Gott den Menschen auch gebracht haben mag, er ist stets gefallen. Noah, Nadab und Abihu, Salomo — alle bewahrten den Zustand nicht, in welchen Gott sie versetzt hatte.

Auch uns sucht Satan zu Fall zu bringen. Und darum führt uns Gott, obwohl Er uns in die Segnung gebracht hat, auch in Proben hinein. Indessen wissen wir, dass Er, „der das gute Werk in uns angefangen hat, es auch vollführen wird bis auf den Tag Jesu Christi“. Und Jesus, der gute Hirte, führt Seine Schafe nicht nur heraus, sondern ,,geht auch vor ihnen her«. Satan möchte uns, wenn irgend möglich, zum Straucheln und Fallen bringen; aber Gottes Absicht ist, uns in den Versuchungen zu bewahren und das neue Leben in uns zu stärken. Jesus selbst erduldete die Versuchung, und Er handelte in derselben, wie auch wir handeln sollten. Er sagt nicht von vornherein zu Satan: „Hebe dich hinweg!“ sondern Er nimmt denselben Platz ein wie wir und fastet vierzig· Tage und vierzig Nächte.

 Doch in all dieser Zeit war Der, welcher von Ihm bezeugt hatte: „Dieser ist mein geliebter Sohn“, bei Ihm. Jesus war sich völlig bewusst, dass Er der Sohn Gottes war; aber als Mensch wird Er nun von Satan versucht. Tue etwas, sagt der Teufel zu Ihm, was nicht im Einklang mit deiner Stellung ist, was nicht ans Gehorsam entspringt, sondern dazu dient, dir selbst zu gefallen und deinen eigenen Willen zu befriedigen. „Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich, dass diese Steine Brot werden.“ Jesus aber antwortet ihm: „Es steht geschrieben: Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht“.

Hätte Jesus aus Satan gehört, wie der erste Adam es getan hat, so würde Er gefallen sein; aber das war

nicht möglich. Die Gnade führte Ihn in alle die Schwierigkeiten, in welchen wir uns befinden können; und was so kostbar für uns ist, (in welchen Lagen wir uns auch befinden mögen,) ist der Umstand, dass wir in Jesu nicht nur Leben finden, sondern auch sehen, wie dieses Leben erhalten wird. Ich habe Leben, weil Gott es mir gegeben hat: aber praktisch kann ich nicht leben, wenn ich nicht esse. (Joh. 6.) In unseren Seelen ist keine einzige geistliche Fähigkeit, sie sei uns denn von Gott geschenkt. Beschäftigen wir uns nun viel mit Jesu, so wie das Wort Gottes Ihn uns darstellt, so werden unsere geistlichen Sinne geübt, unsere Fähigkeiten entwickelt. Da ist kein Wort in dem Buche Gottes, das nicht imstande wäre, unsere Seelen zu nähren. Der geistliche Mensch lebt von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht. Auf diese Weise wird das Leben erhalten. Deshalb ist es auch so wichtig für uns, dass wir das Wort Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes zu gebrauchen wissen, um damit Satan von uns fern zu halten.

„Dann nimmt Ihn der Teufel mit in die heilige Stadt und stellt Ihn auf die Zinne des Tempels, und spricht zu Ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: „Er wird Seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest“. „Satan erinnert so den Herrn an eine Verheißung Gottes; aber Jesus will den Platz der Abhängigkeit und des Gehorsams nicht verlassen; Er antwortet ihm: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen“. Hier begegnen wir einem Grundsatz von außerordentlich großer Wichtigkeit. Wenngleich wir das ganze Wort Gottes besitzen als ein Mittel, um den Sieg über Satan davonzutragen, liegt doch unsere Kraft in dem möglichst einfältigen Gehorsam. Hatte Christus nicht ein Wort von Gott empfangen, so tat Er nichts. Er war gekommen, um den Willen Seines Vaters zu tun; wenn nun etwas von Ihm gefordert wurde, was diesem Willen nicht entsprach, so blieb Er untätig.

Es war wahre, aufrichtige Liebe, welche das Schwesternpaar in Bethanien dazu leitete, Jesu die Botschaft zu senden: „Der, den du lieb hast, ist krank“. Aber trotz dieser rührenden Aufforderung, zu kommen, entsprach der Herr der Bitte nicht sogleich. Kein Auftrag non Gott war Ihm zu teil geworden: daher „blieb Er an dem Orte, wo Er war“. Er folgte nicht Seinen natürlichen Gefühlen. Wohl hatte Er viele andere Kranke geheilt; aber wenn Er Lazarus geheilt hätte, so würden Martha und Maria nichts gelernt haben. So lässt Er es zu, dass Lazarus stirbt; Er erlaubt, dass das Herz der Schwestern die ganze Bitterkeit des Todes fühlt, damit sie dann auch erfahren, dass die Auferstehung und das Leben« gegenwärtig sind. Ein solcher Gehorsam, wie wir ihn hier bei dem Herrn sehen, ist der Grundsatz des neuen Lebens, nicht nur die Regel desselben. Als Christ sollte ich nichts tun, als was Gott von mir getan sehen will.

Indes gibt es hier noch einen anderen wichtigen Grundsatz zu beachten, nämlich, dass ich so völliges Vertrauen zu Gott haben sollte, dass ich Ihn nicht erst auf die Probe zu stellen brauche. Es heißt Gott versuchen, wenn ich nicht die Gewissheit habe, dass Er mich liebt. Ich sollte allezeit so fest auf Seine Gnade und Treue rechnen, dass ich niemals nötig hätte, mich auch nur einen Augenblick auf sie besinnen zu müssen.

„Wirf dich hinab!“ sagte Satan zu Jesu. Aber Jesus wusste, dass das ganz und gar unnötig war. Er wusste, auch ohne diesen Versuch zu machen, dass Gott Ihn behüte« würde. Die Juden hatten einst gefragt: „Ist Jehova in unserer Mitte, oder nicht?“ und hatten damit Gott versucht. Aber Jesus folgte ihnen auf diesem Wege nicht nach. Auch wir sollten mit so völliger Zuversicht in Gott ruhen, dass wir an nichts anderes zu denken nötig hätten, als daran, Seinen Willen zu tun.

Sobald der Teufel bei der dritten Versuchung zu Jesu sagte: „Wenn du niederfallen und mich anbeten willst“, zeigte er sich offenbar als Satan, und der Herr antwortete ihm deshalb: „Gehe hinweg! . . . Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und Ihm allein dienen“.

Die beiden großen Grundsätze, welche den Wandel des Herrn Jesu hienieden kennzeichneten, waren also: Gehorsam gegen das Wort, ohne irgendwie einen eigenen Willen zu haben, und völliges Vertrauen auf Gott. Auch wir können auf Gott rechnen, weil wir wissen, dass Er für uns ist.

Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz auf die Art und Weise hindeuten, in welcher Jesus sich in unsere Stellung versetzte. Wir sehen Ihn Seinen Platz in der Mitte von Sündern einnehmen, die der Buße bedurften, aber in jener Handlung, welche den Anfang des göttlichen Lebens in ihnen bezeichnete. Er vereinigte sich mit ihnen in der Taufe, durch welche ihre Herzen eine Antwort gaben auf das Zeugnis Gottes betreffs ihrer Sünden. Jene armen Zöllner und Sünder waren in der Tat für Ihn die Herrlichen der Erde, an welchen Er alle Seine Lust hatte“ (Psalm 16).

Jesus nahm als Sohn den Platz des Gehorsams ein, indem Er so alle Gerechtigkeit erfüllte. Der Himmel öffnete sich über Ihm. Gibt es Versuchungen, so erduldet Jesus auch sie. Wo es irgend gilt, Mitgefühl mit

Sündern zu offenbaren, da finden wir Ihn. Offenbart Er sich in dieser Welt, so ist Der, der da kommt, Gott

selbst, aber in einer Gestalt und Stellung, in welcher das Fleisch nichts Anziehendes erblickt. Das Herz ist es, welches Gott in Seiner Liebe und Heiligkeit erkennen muss inmitten einer Welt, die gänzlich im Bösen liegt.

Wie köstlich ist es, Jesum zu besitzen! Er stellt sich an unseren Platz, und wir haben es mit einem Gott zu tun, der sich inmitten dieser Welt geoffenbart hat, und welcher uns für sich selbst besitzen will, doch ohne Sünde. Nachdem Er unsere Sünden beseitigt hat, zieht Er uns nun zu sich, damit wir Ihn selbst genießen lernen, trotz, aller Hindernisse und trotz alles Bösen, das noch in uns wohnt. Er will, dass wir uns des Gottes vollkommen erfreuen möchten, welchen wir durch die Gnade kennen gelernt haben, wie Er ist.

Gott gebe uns, die vollkommene Schönheit des Jesus immer mehr zu schätzen, der zu uns herniedergekommen ist! Wir kennen Ihn. O wie glücklich sind wir, dass wir sagen dürfen: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass Er mächtig ist, das Ihm von mir anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren“ (2. Tim. 1, 12). Möchten wir die Vollkommenheit unseres Emmanuel täglich mehr erkennen! Er wird uns nicht lassen, bis Er uns in dieselbe Herrlichkeit eingeführt hat, in welche Er selbst schon eingegangen ist.

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Eine lebendige Hoffnung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 136ff

Der natürliche Mensch hat keine Hoffnung. Er hofft wohl, aber seine Hoffnung ist keine Hoffnung. Die Gegenstände derselben sind eitel, nichtig und vergänglich. Diese Welt wird mit allem, was sie umschließt, zu Grunde gehen; und was die unvergänglichen und ewigen Dinge betrifft, so hat der natürliche Mensch weder für sich selbst noch für die Seinen irgend eine Hoffnung. Im Angesicht des Todes steht er trostlos und voll Angst und Schrecken da; denn er sieht eine finstere Ewigkeit ohne jeden Lichtstrahl vor sich.

Der Christ dagegen, der aus Gott geborene Mensch, hat eine lebendige Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten (1. Petr. 1, 3). Er hat eine Hoffnung, welche ihn stärkt, tröstet, erquickt und heiligt, die ihm sogar angesichts des Todes Kraft und Ruhe verleiht - eine Hoffnung, die nimmermehr beschämt. Der Herr, an welchen er glaubt, hat über Tod und Grab, über Hölle und Teufel triumphiert, ist als der auferstandene und verherrlichte Mensch in den Himmel aufgefahren und hat sich dort zur Rechten der Majestät Gottes gesetzt. Durch den Glauben sieht er Ihn dort mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und auf den Augenblick wartend, da der Vater alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße legen wird. 

Auch weiß er aus den Worten des Herrn Jesu selbst, dass Er für ihn dorthin gegangen ist, um ihm in den vielen Wohnungen des herrlichen Vaterhauses droben eine Stätte zu bereiten. Auf Ihn, den auferstandenen und verherrlichten Herrn, ist seine Hoffnung gegründet. Darum wird sie auch eine lebendige Hoffnung genannt. Jesus Christus selbst, sowie alles was Sein ist, was der Vater Ihm gegeben hat, ist der Gegenstand dieser Hoffnung. Sie umfasst die Person des Herrn und die ganze himmlische Herrlichkeit — eine Ewigkeit von Frieden, Freude und Glückseligkeit.

Wenn es der Wille des Herrn ist, das; ein Gläubiger diese Erde verlässt, so entschläft er. Welch ein Trost ist es für unsere Herzen, dass der Heilige Geist an verschiedenen Stellen der Schrift die gestorbenen Heiligen nicht Gestorbene, sondern Entschlafene nennt! Der Tod ist für den Christen wie ein Schlaf, aus welchem er bei der Ankunft des Herrn aufgeweckt werden wird. Und während sein Leib im Grabe ruht bis zu dem herrlichen Tage seiner Auferstehung, weilt er selbst glücklich bei dem Herrn. Darum ist Sterben für ihn Gewinn. Er verlässt eine Welt voll Elend und Sünde, um für immer bei Jesu zu sein. Der Tod hat alle Schrecken für ihn verloren; sein Stachel ist hinweggetan. Zu sterben und bei Christo zu sein, ist weit besser, als in dieser Wüste zu pilgern, wenn es auch ein großes Vorrecht ist, hienieden dem Herrn dienen und ein Zeugnis von Ihm und Seiner Liebe in dieser ungläubigen Welt ablegen zu dürfen.

Dennoch aber ist der Tod keine Hoffnung, wenn ich mich so ausdrücken darf. O nein; der Gläubige hofft nicht, zu sterben; er wartet nicht auf den Tod. Er hofft vielmehr, am Leben zu bleiben, bis der Herr kommt, um dann, ohne zu sterben, aufgenommen zu werden, Ihm entgegen in die Luft. Das ist eine Hoffnung, ja, eine lebendige Hoffnung. Christum zu sehen, wie Er ist, Ihn anzuschauen in all Seiner Herrlichkeit und Schönheit, und Ihm gleich zu sein, danach verlangt die Seele des Gläubigen. Und diese Hoffnung beschämt nicht. Der Herr wird kommen, und zwar mit der Stimme eines Erzengels, mit der Posaune Gottes, und dann werden die Toten in Christo auferweckt werden, und wir, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, werden verwandelt werden, um mit allen Gläubigen dem Herrn entgegengerückt zu werden und allezeit bei Ihm zu sein im Vaterhause droben.

Und wann wird der Herr kommen? Bald! Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe; der Morgenstern wird bald am Horizont erscheinen. „Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen“ (Hebr. 10, 37). Ich komme bald; halte fest, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme!“ (Offbg. 3, 11). „Der Herr ist nahe“ (Phil. 4, 5). Wie herrlich sind diese Verheißungen! Immer und immer wieder ruft uns der treue Herr zu: „Ich komme bald!“ Er selbst sehnt sich nach uns. Seine Freude wird völlig sein, wenn Er uns zu sich nehmen kann, um uns Seine ganze Herrlichkeit zu zeigen. Nirgendwo rückt Er Seine Ankunft in weite Fernen. Nein, wir sehen Ihn jetzt schon durch den Glauben als unseren Vorläufer zur Rechten Gottes; und bald werden wir Ihm nachfolgen, um für immer bei Ihm zu sein.

„So ermuntert nun einander mit diesen Worten!" sagt der Apostel. Wir sind Söhne des Lichts und des Tages. Deshalb lasst uns wachen und nüchtern sein! Lasst uns beständig nach dem Aufgehen des glänzenden Morgensternes ausschauen und mit verlangendem Herzen rufen: „Komm, Herr Jesu!“ Die Erwartung der Ankunft des Herrn wird, wenn sie wirklich in unseren Herzen lebt, uns trösten und stärken, wird uns Mut und Ausharren geben und uns vor aller Verunreinigung bewahren; denn „jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist“ (1. Joh. 3, 3). O welche Freude wird es sein, wenn Er kommt, wenn wir Sein Angesicht schauen und mit Ihm in unsere ewige Heimat eingehen werden, um dort auf immerdar mit Ihm zu wohnen und, uns in Seiner Liebe und Herrlichkeit zu erfreuen!

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Amen, Amen lauter Amen

Bibelstelle: 2. Korinther 1,20

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 140ff

Denn so viele der Verheißungen Gottes sind, in Ihm ist das Ja und in ihm das Amen, Gott zur Herrlichkeit durch uns. Der uns aber mit euch befestigt in Christus und uns gesalbt hat, ist Gott. 2. Korinther 1,20 - 21

Amen! Amen! Lauter Amen

hat des treuen Gottes Mund.

Ewig führet Er den Namen,

dass Er aller Wahrheit Grund.

Was Er sagt, trifft alles ein,

es muss Ja und Amen sein.

Die Verheißung kann verziehen –

kommt nicht bald, was Er verspricht,

muss man doch den Zweifel fliehen,

weil sein Wort Er niemals bricht.

Ist die rechte Zeit nur da,

so wird alles lauter Ja.

Hat Er es doch so gehalten

von dem Anbeginn der Welt;

Seine Wahrheit wird auch walten,

wenn die Welt in Asche fällt,

weil Er – wie Er nie getan –

sich nicht selbst verleugnen kann.

Wohl, mein Herz, du sollst Ihm trauen!

Was Er dir verheißen hat,

wirst du auch erfüllet schauen,

kommt es auch nicht gleich zur Tat.

Spart Er es auch oft weit hinaus,

es wird doch ein Amen draus!

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Wachet!

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 141ff

„So wachet nun, denn ihr wisset weder den Tag noch die Stunde« (Matth. 25, 13.)

Der Herr selbst versichert uns, dass Er wiederkommen werde, und Er fordert uns ans, zu wachen und Seine baldige Wiederkehr zu erwarten. Auch hat Er uns in diesen letzten Tagen ein klares und schriftgemäßes Verständnis über Sein Kommen gegeben. Er hat uns deutlich den Unterschied zwischen Seinem „Kommen“ und „dem Tage“ gezeigt, so dass wir, während wir „den Tag“ herannahen sehen“, nicht die Erfüllung besonderer Ereignisse, sondern Seine Ankunft zu erwarten haben. So wie dereinst der gläubige Jude den Tag erwarten wird, an welchem die Sonne der Gerechtigkeit ausgehen wird, mit Heilung in ihren Flügeln“, um ihn in die lange ersehnten Segnungen auf dieser Erde einzuführen, so erwarten wir jetzt den „hellen, glänzenden Morgenstern“, welcher uns von dieser Erde wegnehmen und uns in die himmlische Herrlichkeit bringen wird. Die Erscheinung des Morgensterns muss dem Aufgehen der Sonne, welche den Tag einführt, vorangehen. Das Kommen des Herrn für uns, wobei wir Ihm in der Luft begegnen werden, ist also völlig verschieden von Seinem Erscheinen mit uns in Herrlichkeit und Macht. (Siehe Mal. 4, 2: Offbg. 1, 17; 1. Thess. 4, 16. 17; Offbg. 22, 16).

Aber woher kommt es nun, dass wir, trotz, all unserer schriftgemäßen Erkenntnis, oft noch so wenig das Kommen des Herrn erwarten? Der Herr selbst gibt uns in Lukas 12 Antwort auf diese Frage. Er zeigt uns dort einerseits, was uns hindern kann, Seine Ankunft mit Freuden zu erwarten, und andererseits gibt Er uns Aufschluss darüber, in welcher Weise sich das Warten kluger und treuer Knechte kund gibt, was sie als solche kennzeichnet. Betrachten wir zunächst die Hindernisse. Da ist erstens zu nennen:

Die Furcht. - Wenn das Herz durch Menschenfurcht oder durch ein ängstliches Betrachten der Umstände niedergedrückt ist, so wird es sich naturgemäß mit diesen Dingen beschäftigen, anstatt mit Christo. Darum ruft uns der Herr zu: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde“, und weiter: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten“. Wenn das Herz Menschen und Umstände fürchtet, so ist der Unglaube in -Tätigkeit, es hat sich etwas zwischen den Herrn und uns gedrängt, und die Gemeinschaft ist gestört. Wir befinden uns dann nicht mehr mit Bewusstsein innerhalb des Kreises der göttlichen, unveränderlichen, ewigen Liebe. Überdies, „die Furcht hat Pein. (1. Joh. 4, 18). Sie verursacht Traurigkeit und geistliche Dürre. Auch lesen wir in den Sprüchen: „Menschenfurcht legt einen Fallstrick“ Kap. 29, 25). Das Ruhen in der Liebe des Vaters vermag uns» allein von aller Furcht zu befreien. „Fürchtet Jehova, ihr Seine Heiligen so lesen wir in Psalm 34; und in der Tat, sonst haben wir nichts, gar nichts zu fürchten. So sagte auch unser Herr zu Seinen Jüngern: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nach diesem nichts mehr zu tun vermögen. 

Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet Den, der nach dem Töten Gewalt hat in die Hölle zu werfen: ja, sage ich euch, diesen fürchtet!“ Und nachdem Er uns versichert hat, dass nicht ein Sperling vor Gott vergessen ist, ja, dass selbst die Haare unseres Hauptes alle gezählt sind, fügt Er die kostbaren Worte hinzu: „So fürchtet euch nun nicht; ihr seid vorzüglicher als viele Sperlinge“. Wahrlich, nichts könnte die Zärtlichkeit und Sorge, welche sich in diesen Worten kundgibt, übertreffen. Das lebendige Bewusstsein, dass der Vater uns wie Seinen eigenen Sohn liebt, dass Er für uns sorgt, indem Er sogar die Haare unseres Hauptes gezählt hat, wird uns so hoch über Menschen und Umstände erheben, dass einerseits die Liebe zur Welt keinen Raum in uns finden kann, und andererseits die Furcht vor Menschen und Schwierigkeiten uns nicht niederzudrücken vermag ; denn „die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“. Wir werden dann auf die Worte des Herrn acht haben: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater Wohlgefallen, euch das Reich zu geben“. Wir werden mit glücklichen: Herzen im Glauben beschäftigt sein mit unserem Herrn Jesu Christo, und es keineswegs beschwerlich finden, zu wachen und Seiner Ankunft entgegen zu harren.

Als Zweites in der Reihe der Hindernisse folgen dann:

Die Sorgen. -— Er, der unsere Sünden getragen hat, trägt jetzt unsere Sorgen. Wenn wir nun, anstatt alle unsere Sorgen auf Ihn zu werfen, unsere Bürden selbst aufnehmen, so werden wir bald die nahe Verbindung mit dem Herrn verlieren. Ja dem Gleichnis vom Säemann bezeichnet Jesus die Sorgen als ein Hindernis für die Wirkung der Wahrheit. „Die Sorgen des Lebens . . . . ersticken das Wort, und es bringt keine Frucht“ (Mark. 4, 19). Das also mit Sorgen anstatt mit dem Herrn erfüllte Herz ist nicht in der Lage, zu wachen und Seine Wiederkunft zu erwarten.

Es ist indes ein Irrtum, wenn man meint, dass unser Herz nur durch Armut, widrige Umstände, schmerzliche Prüfungen und dergleichen mit Sorgen erfüllt werden könnte. Nein, Wohlergehen kann ebenso wohl Sorgen bringen wie Armut. Der Herr selbst erzählt uns hierfür ein ernstes Beispiel. Er spricht von einem reichen Manne, dessen Land viel eingetragen hatte, und der nun zu sich selbst sagt: „Was soll ich tun? denn ich habe nicht, wohin ich meine Früchte einsammeln soll.“ „Das war seine Sorge, die Bürde auf seinem Herzen.

 „Wie groß müssen die neuen Scheunen sein? Wie kann ich sie am praktischsten einrichten?“ So lauteten die Fragen, die ihn beschäftigten; und sicher, solche Fragen sind eine ergiebige Quelle von Dürre und Unruhe der Seele. Auch möchte ich wohl die Frage an den Leser richten: Sind heute nicht dieselben Dinge vielfach die Ursache großer Besorgnisse? Das eigene Ich bildet den Mittelpunkt des Denkens und Tuns; man sammelt Schätze für sich selbst, ist aber nicht reich gegen Gott: und dass vielleicht zu einer Zeit, wo geliebte Kinder Gottes im Geheimen um die nötige Kleidung und Nahrung zu Ihm seufzen. Kein Wunder, wenn der Herr zu einem solchen Manne sagt: „Du Tor!“

Auf der anderen Seite ist aber Armut sicherlich eine schwere Prüfung, ganz besonders für solche, welche einst bessere Tage gesehen haben und an Überfluss gewöhnt waren; aber unser Vater weiß das sehr wohl, und Er ermahnt uns, nicht ängstlich und bange zu sein. „Seid nicht besorgt für das Leben, was ihr essen, noch für den Leib, was ihr anziehen sollt.“ Wenn du deshalb um die nötige Speise besorgt bist, so richte doch deinen Blick auf Gottes väterliche Fürsorge selbst für unreine Geschöpfe – „betrachte die Raben“! Wenn du nicht weißt, woher du die nötige Kleidung nehmen sollst, so sieh, wie Er das Gras auf dem Felde kleidet, welches heute anfschießt und morgen abgehauen und in den Ofen geworfen wird; ja, „betrachte die Lilien“! Stelle dich nicht den Nationen dieser Erde gleich, „denn euer Vater weiß, dass ihr dieses bedürfet“ (Luk. 12, 30).

Des Herrn Wille ist, dass wir, anstatt uns mit Sorgen zu quälen, in der vollkommenen Liebe des Vaters, die sich in Christo geoffenbart hat, ruhen: dass wir vor allen Dingen Seine Verherrlichung suchen und aufrichtig begehren, Seinem Willen zu folgen, indem wir für Nahrung und Kleidung auf Seine Sorge für uns rechnen. Tun wir dies, so werden wir glücklich sein. Wenn aber das eigene Ich uns in unserem Tun leitet: wenn die Befriedigung unseres eigenen Willens den ersten Platz in unserem Herzen einnimmt: wenn des Herrn Ansehen, Sein Dienst und das Wohlergehen der Glieder Seines Leibes unsere Aufmerksamkeit erst in zweiter oder gar dritter Linie in Anspruch nimmt - dann allerdings darf es uns nicht überraschen, wenn Enttäuschung und Ungemach die Folge sind. Der Reiche, der so handelt, wird vielleicht die Erfahrung machen müssen, dass er seine Schätze in löcherichten Beuteln aufgesammelt hat, und der Arme wird, um sich aus seiner schwierigen Lage zu befreien, zu den Mitteln und Kunstgriffen der Welt seine Zuflucht nehmen und so, anstatt die Fürsorge und Treue des Vaters zu erfahren, viele Schmerzen über sich bringen. Möchten wir deshalb doch alle acht haben auf die ernsten und eindringlichen Worte des Heilandes: „Trachtet nach dem Reiche Gottes, und dieses wird euch hinzugefügt werden“ (Vers 31).

Was; wir bist» jetzt betrachtet haben, leitet uns ganz von selbst zu der das- Herz erforschenden Frage, wo drittens unser Schatz ist. Ist er im .Himmel oder auf Erden? Möge der Herr uns- Gnade geben, in dieser wichtigen Frage aufrichtig gegen uns selbst zu sein! Es ist dies-, wie wir nicht zweifeln, die große Frage für unsere Tage, der über alles wichtige Punkt, welchen jedes Kind Gottes in seinem Innern aufrichtig erwägen sollte; denn unser Herr sagt uns: „Wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein“ (Vers 34). Glückselig alle, welche in Wahrheit sagen können:

Mein Jesus, Du bist meine Freude,

mein Gold, mein Schatz, mein schönstes Bild;

nur Du bist meine Lust und Weide

und was mein Herz für ewig stillt!

Solche werden von dem Herrn selbst erfüllt, ja ganz von Ihm hingenommen sein. Sie kennen Ihn als die Kraft ihres Lebens und als ihr ewiges Teil. Sie kennen Ihn nicht nur als Den, durch welchen ihr Gewissen Erleichterung gefunden hat, sondern auch als Den, an welchen sie sich bei allen Gelegenheiten mit völligem Vertrauen wenden können; ja, sie kennen Ihn sowohl als eine Zufluchtsstätte wie auch als die Quelle aller Segnungen. Sie leben durch den Glauben an Ihn, bringen alles in Beziehung zu Ihm und erhalten alles, was sie bedürfen, von Ihm. Außer Ihm kennen sie nichts Begehrenswertes; Er ist der allein Schöne, und sie wünschen nirgendwo zu sein, wo Er nicht ist. Seine Interessen sind ihre Interessen, Seine Ehre ihre Ehre, Seine Schmach ihre Schmach, Sein Wille ihr Wille. Seine ruhmreiche Person, Sein vollbrachtes Werk, Sein mannigfaltiger Dienst, Sein Tun von Ewigkeit her, Seine herrlichen Tugenden und Vollkommenheiten haben ihr Herz ganz und gar für Ihn gewonnen. Mit einem Wort, sie haben sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und Seinen Sohn ans den Himmeln zu erwarten“ (1. Thess. 1, 9).

Soviel über die Hindernisse, welche sich dem Warten auf die Ankunft des — Herrn in den Weg stellen können. Wir kommen jetzt zu den Erscheinungen, welche ein wahres Warten und Wachen begleiten, und die ebenfalls in diesem Kapitel vor unser« Auge gestellt werden. Da sind es vornehmlich zwei Dinge, welche diejenigen kennzeichnen, die in Wahrheit nach ihrem Herrn ausschauen, nämlich erstens umgürtete Lenden, und zweitens: hell brennende Lampen, oder mit anderen Worten: ein hingebender Dienst und ein treues Zeugnis.

Eine bloße Erkenntnis (und wäre sie noch so klar und tief) über die Wahrheit der „zweiten Ankunft Christi“,

wie man sie gewöhnlich nennt, genügt nicht, um von Herzen rufen zu können: „Komm, Herr Jesu!“ Nein, wollen wir wirklich solche sein, die da wachen und Gottes Sohn aus den Himmeln erwarten, so müssen wir getrennt von der Welt wandeln und von ganzem Herzen dem Herrn ergeben sein. Anders ist ein wirkliches Warten auf Jesum unmöglich. Die klugen Jungfrauen hatten Öl in ihren Gefäßen, und mit brennenden Lampen gingen sie ans, dem Bräutigam entgegen. Die Hoffnung der ersten Christen war verknüpft mit einem treuen Dienst für den lebendigen und wahren Gott. In dem Gleichnis von den Pfunden

ruft der Herr den Knechten zu: „Handelt, bis ich komme“. Und hier sagt Er zu ihnen: „Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend: und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten“. (Vers 35. 36). Doch lasst uns diese beiden unterscheidenden Merkmale noch etwas näher betrachten.

Die umgürteten Lenden erwecken den Gedanken an Bereitschaft zum Dienst. Der Herr wünscht also, dass wir nicht nur über Sein Kommen zu reden wissen, sondern dass wir auch im praktischen Leben unsere Liebe zu Ihm und den Seinigen beweisen. Wenn wir nun diesem Wunsche nachkommen, so werden Seine Schafe und Lämmer, Sein Haus, Sein Evangelium, Sein Werk stets Gegenstände herzlichen Interesses, inniger Teilnahme und treuer Sorge für uns bilden. Seinen Willen tun, hin und her gehen und Seine Gedanken zur Ausführung bringen, eifrig sein in der Verkündigung Seines Wortes, oder, wie Maria, zu Seinen Füßen sitzen, um die nötige Kraft und Weisheit von Ihm zu empfangen, dass wird diejenigen kennzeichnen, welche wirklich Menschen gleich sind, „die auf ihren Herrn warten“. An einer anderen Stelle lesen wir, das; die Treue und Klugheit eines Knechtes (hier bei Lukas wird er „Verwalter“ genannt) sich darin kundgibt, das; er für das Gesinde seines Herrn sorgt, indem er ihnen die Speise gibt zur rechten Zeit. Von diesem Knechte wird gesagt: „Glückselig jener Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, also tuend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: er wird ihn über seine ganze Habe setzen“ (Matthäus 24, 45 - 47).

Brennende Lampen sind, wie bereits bemerkt, ein Bild des Zeugnisses für den Herrn. Wo kein Licht ist, herrscht völlige Dunkelheit. Aber welch eine Veränderung wird schon durch ein kleines Lichtlein bewirkt; wie manches wird dadurch offenbar gemacht! Ein Licht an einem dunklen Orte kann nicht unbemerkt bleiben, oder die Leute müssten blind sein. Nun, wir sind berufen, als Lichter in der Welt zu scheinen; wir sollen das Wort des Lebens darstellen inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts (Phil. 2, 15 -16) Wir sollen uns nicht nur vom Bösen fern halten, sondern die Gesinnung Christi offenbaren - für Ihn hienieden sein in dem süßen Bewusstsein, dass Er droben für uns ist. 

Unsere Umgebung wird dann erkennen, dass unsere Herzen für den Herrn schlagen, dass wir auf Seiner Seite stehen, und zwar angesichts derer, welche Ihn verwerfen. Diese innige Verbindung mit Ihm wird zugleich zu Selbstgericht, Selbstverleugnung und zum Hinwegtun vieler Dinge führen, die sonst vielleicht von uns getan oder doch geduldet werden würden. Sollen Lampen gut brennen, so müssen sie geputzt und mit Öl gefüllt sein: alles muss ans dem Wege geschafft werden, was irgendwie ihren hellen Schein verdunkeln könnte. Jede Bürde muss abgelegt, alles was mich aufhalten will, dem Herrn zu dienen und Seinen Willen zu tun, muss entfernt werden, und das Herz muss beständig von der Gnade Gottes in Christo zehren. Nur so ist es möglich, als Lichter in der Welt zu scheinen. Möge deshalb niemand, dessen Herz mit Furcht erfüllt, von Sorgen niedergebeugt, oder der dem Dienst des Herrn gegenüber gleichgültig ist, sich einbilden, dass er Menschen gleich sein könne, die auf ihren Herrn warten. Nur diejenigen, welche aus Erfahrung wissen, dass die vollkommene Liebe die Furcht austreibt, welche alle ihre Lasten auf Ihn werfen, der für sie sorgt; diejenigen, welche sich an Jesu Christo als dem Schatze ihrer Herzen erfreuen, denen Seine Interessen höher stehen als alles, deren Lenden umgürtet und die da besorgt sind, den Willen ihres Herrn zu tun, die sich fern halten von allem, wag einem treuen Bekenntnisse hinderlich sein könnte - nur sie sind es, welche der Ermahnung ihres Herrn wirklich nachkommen, in Liebe zu Ihm aufblicken und mit Verlangen rufen: „Komm, Herr Jesu!“

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Maria und Martha

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 150ff

Am Ende von Lukas 10 finden wir den Herrn Jesum in Bethanien, wie Er in dem Hause der beiden Schwestern einkehrt, deren Namen uns« allen so wohlbekannt sind. An dieser Stelle wird uns gesagt, dass Martha die Eigentümerin des Hauses; war. Auch scheint sie die leitende Person im Hause gewesen zu sein, und es ist wohl möglich, dass sich ihr Charakter dieser Stellung gemäß gebildet hatte, wie wir Ähnliches ja auch heute noch unter uns wahrnehmen können. Ja Johannes 11 wird Bethanien jedoch das Dorf der Maria und Martha genannt.

 Der Name der Maria steht hier also an erster Stelle; und da in der Heiligen Schrift nichts ohne Bedeutung ist, so auch dieses nicht. Jede Namensveränderung (wie bei Abraham, Sarah, Jakob etc.) oder Namenversetzung (wie z. B. bei Paulus und Barnabas) hat ihren Zweck. Doch warum mag wohl Maria an jener Stelle zuerst genannt sein? Der Bericht, den wir am Ende von Lukas 10 finden, gibt uns vielleicht Aufschluss hierüber. Wir lesen dort, dass Martha es sich angelegen sein ließ, dem Herrn Jesu zu dienen, und das war sicher gut; es erfreut das Herz des Herrn, wenn die Seinigen bereit sind, Ihm zu dienen. Aber die Frage ist, welche Beweggründe uns dabei leiten. Die Umstände stellen das Herz stets auf die Probe. So war auch hier, und zeigte sich, dass Martha mehr mit ihrem Dienen als mit dem Herrn beschäftigt war. Der Dienst war ihr wichtiger als das Hören Seines Wortes, und das war nicht gut. Sie wurde ungeduldig, ja, sie erkühnte sich sogar, den Herrn zu tadeln, weil Er sie allein dienen ließ.

Wir sind vielleicht erstaunt darüber: aber kommt es nicht auch heute vielfach vor, das; jemand von dem, was er nach seiner Meinung für den Herrn tut, mehr eingenommen ist als von dem Herrn selbst, oder von dein Lesen und Hören des Wortes Gottes? Es sollte sicherlich nicht so sein: aber ist leider oft so. war verkehrt bei Martha, und ist verkehrt bei uns. Wir lesen in 1. Sam. 15, 22: „Aufmerken ist besser als das Fett der Widder“. Ja, das Hörer: und Beachten des Wortes Gottes ist die erste und wichtigste Sache für den Menschen, wenn er mit Gott in Verbindung treten will. „Wer Ohren hat zu hören, der höre“, sagte der Herr Jesus immer wieder. „Höret, und eure Seele wird leben“, heißt es in Jesaja 55,3; und in Jesaja legt der Geist dem Herrn Jesu sogar die Worte in den Mund: „Er erweckt mir das Ohr, dass ich höre gleich solchen, die belehrt werden“. Und weshalb geschah dies? „Damit ich wisse, den Müden durch ein Wort aufzurichten.“ Welch ein erhabenes Vorbild ist doch unser hochgelobter Herr in jeder Beziehung für uns! Möchten wir mehr von Ihm lernen und zu gleicher Zeit nicht vergessen, dass das Wort Gottes, welches von Ihm zeugt, die einzige Regel und Richtschnur für uns ist! Besonders wichtig ist das Hören für solche, die Andere belehren wollen. Um das zu können, müssen wir uns erst selbst vom Herrn belehren lassen und unter Gebet und Flehen Sein Wort erforschen.

Maria, die Schwester Martha:-, setzte sich zu den Füßen Jesu nieder und hörte Seiner Rede zu. War ihr das Dienen eine gleichgültige Sache? Wir werden später finden, das; es nicht so war. Aber sie verstand besser als Martha, dass „alles seine Zeit hat“ (Prediger 3.) Es, war jetzt an der Zeit, zu den Füßen Jesu zu sitzen und Seinen Worten zu lauschen. Nicht lange vorher, auf dem Berge der Verklärung (Kap. 9), hatte der Vater den Jüngern zugerufen: „Ihn höret«. Maria befand sich also in völliger Ubereinsti1nmung mit den Gedanken Gottes, als sie sich still zu den Füßen Jesu niederließ. Und das war es auch, was sie dem Herzen des Herrn so nahe brachte und das Vorrecht beschaffte, zuerst genannt zu werden. erhielt dadurch in Seinen Augen den höheren Platz. Wir finden etwas Ähnliches bei Johannes, dem Jünger, den Jesus liebte“. Wo finden wir ihn bei dem letzten Passahmahle? 

An der Brust Jesu (Joh. 13, 25). Er war es, der von den Zwölfen dem Herzen des Herrn am nächsten stand. Er war es auch, dem der Herr vom Kreuze herab Seine Mutter anvertraute (Joh. 19, 27). Aber, möchte jemand fragen, ist an dein Herzen des Herrn nicht Platz für alle die Seinen? Sicher und gewiss! Möchten wir nur mehr nach diesem Platze begehren, und dem Herrn nicht von ferne folgen, wie Petrus! (Markus. 14, 54). Paulus hatte einst zu den Füßen Gamaliels gesessen, aber was war ans ihm geworden? „Ein Verfolger, Lästerer und Schmäher“ (Apstgsch. 22, 3; 1. Timotheus 1, 13.) Später saß er zu den Füßen des Herrn Jesu, und was wurde nun aus ihm? Der treuste und eifrigste Diener, den es je gegeben hat (1. Korinther 15,10).

Als Martha in ihrem Dienst ungeduldig wurde, weil ihre Schwester ihr nicht half, nahm der Herr die Maria in Schutz mit den bekannten Worten: „Martha, Martha! Du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge; eines aber ist not. Maria aber hat das gute Teil erwählt, welches nicht von ihr genommen werden wird“. Wie wohltuend musste die Anerkennung des Herrn für Maria sein! Sich in seinem Tun vom Herrn anerkannt zu wissen inmitten von unverständigen oder kalten Herzen, ist ein unaussprechlicher Trost. Indessen dürfen wir nicht vergessen, dass der Herr die Martha nicht etwa deshalb tadelte, weil sie überhaupt diente, sondern weil sie es in einer verkehrten Weise und wohl auch zu einer verkehrten Zeit tat, und weil sie Maria in ihrem Tun verurteilte. In Johannes 12 dient Martha wieder: es scheint dies ihr besonderes Werk gewesen zu sein, und der Herr tadelt sie dort keineswegs. Sie hatte eben gelernt, in der rechten Weise zu dienen. Die Gläubigen sind alle berufen, ihrem Herrn in irgend einer Weise zu dienen, je nachdem Er sie befähigt hat; aber es muss so geschehen, dass Er Seine Anerkennung dazu geben kann.

In Joh. 11 hören wir, dass die beiden Schwestern einen Bruder hatten, namens Lazarus, und dass dieser krank geworden war. Das ist in dieser Welt der Sünde und des Elends ja nichts Ungewöhnliches. Dennoch haben solche Dinge in den Wegen der Gläubigen oft ihre besondere Bedeutung. So war es auch hier. Der Herr Jesus sagte, als Er die Botschaft der Schwestern erhielt: „Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, auf dass der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde“ (Vers 4) O wie vieles wird dereinst vor dem Richterstuhle Christi bezüglich der Wege der Gläubigen offenbar werden, was seinen besonderen Zweck gehabt hat, sei zu ihrer Bewahrung und Belohnung, oder zur Verherrlichung Gottes! Und wie wird dann ein jedes Herz bereit sein, zu singen: „Du, o Jesu, machtest alles gut“!

Die beiden Schwestern nahmen in ihrer Trübsal Zuflucht zu Dem, welchen sie als ihren treuen und mächtigen Freund kennen gelernt hatten. Das war der richtige Weg. Ach, wenn wir mir immer in unseren Nöten und Verlegenheiten von vornherein denselben Weg einschlägigen, anstatt Menschen unsere Not zu klagen und von ihnen Hilfe zu erwarten, und vielleicht erst ganz am Ende, wenn wir an alle Türen vergeblich angeklopft haben, uns zu Jesu zu wenden! Sicher, wir würden manche traurige Erfahrung weniger machen. Wunderbarer Weise aber entsprach der Herr der Erwartung der Schwestern nicht sofort. Nein, „Er blieb noch zwei Tage an dem Orte, wo Er war“ (V. 6). Hatten sie sich in Ihm getäuscht? Hatte Er sie nicht so lieb, wie sie meinten? Keines von beiden: wir lesen vielmehr: „Jesus aber liebte die Martha und ihre Schwester und den Lazarus (V. 5). Der Grund des Zögern des Herrn war ein ganz anderer. Er sagt in Johannes 6,38: Ich bin vom Himmel niedergekommen, nicht auf dass ich meinen Willen tue, sondern den Willen Dessen, der mich gesandt hat“.

 Die einzig wichtige Sache für den Herrn Jesu, während Er hienieden wandelte, war der Wille und die Verherrlichung Gottes. Das war es was von der Krippe bis zum Kreuze vor Seiner Seele stand. All Sein Denken und Tun hatte nur diesen einen Zweck. Sein ganzes Leben stieg darum auch als ein duftender Wohlgeruch zum Throne Gottes empor, als ein Feueropfer lieblichen Geruchs dem Jehova“ (3. Mose 2, 2.) Er lebte von jedem Worte, das aus dem Munde Gottes hervorging.

Sobald dieses Wort ergangen war (aber keinen Augenblick eher), begab Er sich auf den Weg, obwohl Ihm jetzt die Jünger entgegen zu treten suchten und Ihn auf die Gefahren aufmerksam machten, denen Er entgegenging. (Vers 8) Aber nichts vermochte den Herrn Jesum auf dem Wege des Gehorsams und der Unterweisung unter den Willen des Vaters irre zu machen," weder die List und Bosheit Satans, noch die gute Meinung der Jünger. Er wusste alles, was über Ihn kommen würde; aber das hinderte Ihn nicht, den Weg zu gehen, welchen der Wille des Vaters Ihm vorzeichnete. Er harrte aus, bis Er ausrufen konnte: „Es ist vollbracht!“ Aus diesem Grunde war auch Sein Weg klar wie die Tagehelle, so dass Er sagen konnte: „Wenn jemand am Tage wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht“ (V. 9).

Wie schön ist es auch, zu sehen, wie der Herr in Seiner Gnade sich mit den Seinigen eins: macht! Er sagt zu den Jüngern: „Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen: aber ich gehe hin, auf dass ich ihn aufwecke“. In Matth. 17, 27 finden wir etwas Ähnliches. Dort sagt der Herr des Himmels und der Erde, der selbst über die Fische des Meeres gebietet, zu Seinem armen, schwachen Jünger: „Gib ihnen für mich und dich“. Für mich und dich - wunderbarer, anbetungswürdiger Herr? Wie tief hast du dich zu uns herabgelassen und wie innig uns mit dir verbunden! Derselben innigen Verbindung begegnen wir in den Worten des Herrn an Maria Magdalene am Auferstehungsmorgen (Joh.17), sowie in den beiden ersten Kapiteln des Epheserbriefes.

Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen.“ Welch schöne, liebliche Worte! Doch die Jünger verstehen sie nicht, und so muss der Herr ihnen endlich gerade heraus sagen, dass Lazarus gestorben sei. In den Briefen der Apostel werden die heimgegangenen Gläubigen ·bekanntlich auch „Entschlafene“ genannt. (1.Kor. 11., 30; 15, 18 und 51; 1. Thess. 4, 14.15; 5, 10). Der Tod im eigentlichen Sinne, als Lohn der Sünde, existiert für den Gläubigen nicht mehr, er hat seine Schrecken für ihn verloren. „Alles ist euer“, sagt Paulus in 1. Kor. 3, 22 und nennt dabei auch den Tod; denn der Tod kann den Gläubigen nur von einem Leibe der Schwachheit befreien und in das „Paradies“ einführen. Der Herr Jesus hat am .Kreuze den Tod als Lohn der Sünde für die Gläubigen geschmeckt: aber jetzt ist Er als ihre Gerechtigkeit zur Rechten Gottes, und sie können singen:

Wo ist, o Tod, dein Stachel?

O Hades, wo dein Sieg?

Seitdem am Stamm des Kreuzes

des; Mund erblassend schwieg,

Der nach dem schweren Kampfe

mit Satans finstrer Macht

als Sieger triumphierend

ausrief: „Es ist volllbracht!“?

Als der Herr nach Bethanien kam, ging Martha Ihm entgegen und sagte: „Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben“ (V. 21). Was wird in den Herzen der beiden Schwestern vorgegangen sein, als ein Tag nach dein anderen verging und der Herr nicht kam? Schließlich starb Lazarus und musste begraben werden. Der Feind der Seelen wird es nicht an Berührungen haben fehlen lassen, Zweifel an der Liebe des Herrn in ihren Herzen wachzurufen, wie er das in solchen Zeiten des Warten;- so gern tut. Aber alle traurigen und niedergebeugten Herzen dürfen daran festhalten, dass der Herr „Gedanken des Friedens und nicht des Übels über uns hat, und dass Er „nicht von Herzen die Menschenkinder plagt und betrübt“ (Klagelieder 3,33). Wie gesegnet ist es, Sein Herz kennen gelernt zu haben und sich nun Ihm und Seiner Führung zu überlassen! Sein Ende mit uns wird immer herrlich sein. „Von dein Ausharren Hiob5 habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist“ (Jak. 5, 11).

In dein Verhalten der Schwestern zeigt sich hier wieder ein großer Unterschied. Während Martha, sobald

sie hört, dass der Herr komme, ihm entgegeneilt, bleibt Maria ruhig zu Hause und geht erst, als sie glaubt, der Herr habe sie gerufen. Martha knüpft eine Unterhaltung mit dem Herrn an, während Maria Ihm zu Füßen fällt und weint. Und der Herr redet mit der Martha und weint mit der Maria. Auch selbst in ihrer Unterhaltung mit dem Herrn scheint Martha sich nicht recht behaglich gefühlt zu haben; sie war sich bewusst, dass dieser Platz besser für Maria passte. Warum wohl? Weil Maria früher zu den Füßen Jesu gesessen hatte, während Martha besorgt und beunruhigt gewesen war um viele Dinge.

Ähnlich ist es bei der Gruft. Martha ist wieder mit den Umständen beschäftigt, und muss von neuem zurechtgewiesen werden (Vers 39 und 40).Auch in unseren Tagen gibt es manche Gläubige, welche viel mit äußeren Dingen, mit den Umständen und dem Dienst beschäftigt sind, die es aber schwer ertragen können, eine Weile mit dem Herrn ganz allein zu sein. Sie sind lieber vom Morgen bis zum Abend in angestrengtester Tätigkeit, als das; sie eine Stunde mit Jesu reden oder bei der Bibel sitzen.

In einem Punkte stimmten beide Schwestern indes» überein, nämlich darin, dass keine daran gedacht zu haben scheint, das; Lazarus auferstehen würde. Zwar meint man etwas derartiges aus den Worten Martas herauszuhören, wenn sie zum Herrn sagt: „Aber auch jetzt weis; ich, dass, was irgend du von Gott bittest, Gott dir geben wird“ (Vers 22). Allein die Folge beweist, dass Martha die Tragweite ihrer Worte keineswegs begriff. Es war mehr eine fromme Redeweise, wie wir sie bei ähnlichen Personen heute noch finden können, deren geistlicher Zustand mit ihren Reden oft in unmittelbarem Widerspruch steht. Darum widersetzte sie sich auch, als die Gruft geöffnet werden sollte; sie dachte also gar nicht daran, dass Lazarus wieder in dieses« Leben zurückkehren würde.

Bis jetzt hatten die beiden Schwestern den Herrn als ihren treuen Freund gekannt, mit welchem sie in der innigsten Weise verkehren konnten. Maria hatte erfahren, dass Er, der Herr vom Himmel, Seine Tränen mit den ihrigen vereinigte, dass Er „weinte mit den Weinenden“. Nun aber sollten sie Ihn kennen lernen als Den, dessen Macht über Tod und Grab hinausging, wie Er zu Marthe: gesagt hatte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Vers 25). Sie dachten nicht daran, dass der „Urheber des Lebens“ bei ihnen stand (Apstgsch. 3,15), ebensowenig wie die Jünger bei einer früheren Gelegenheit daran gedacht hatten, dass sie den Gebieter über Wind und Wellen mit im Schiffe hatten. (Matth. 8, 26. 27). Aber beide, die Jünger wie die Schwestern, durften trotz ihrer Unkenntnis- und ihres Unglaubens erfahren, wer Er war. Wie tröstlich ist es zu wissen, dass wir in keine Lage kommen können, in welcher Er nicht zu helfen vermöchte, in keine Not, in der Er uns umkommen ließe. Nein, nein, „wir werden nie versinken, eh’ sänk" Er selber mit“!

Bemerkenswert ist es auch, dass der Herr über das, was Er tun wollte, vorher im Gebet mit dem Vater verkehrte. Er sagt: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit hörst; doch um der Volksmenge willen, die umhersteht, habe ich es gesagt, auf dass sie glauben, dass du mich gesandt hast“ (V. 41. 42). Der Herr betete viel. So finden wir Ihn z. B. die ganze Nacht im Gebet, ehe Er Seine .Jünger auswählte (Luk. 6, 12. 13), und Er war in „ringendem“ Gebet, ehe Er ans Kreuz ging. (Vergl. auch Luk. 5, 16; 9, 28; 11, 1 usw.). Wie völlig abhängig war Er, der einzig Vollkommene! Welch ein Vorbild ist Er auch hierin für jeden Diener Gottes! Das Gebet ist überaus wichtig; ohne Gebet kein Dienst, kein Fruchttragen, kein Fortschritt. Elias „betete mit Gebet, dass es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf der Erde drei Jahre und sechs Monate. Und wiederum betete er, und der Himmel gab Regen“ (Jak. 5, 17. 18). So sagt auch Petrus in Apstgsch. 6,4 „Wir aber wollen im Gebet und im Dienste des Wortes verharren“. Und wieviel finden wir den Apostel Paulus im Gebet! Der Herr gebe, dass auch in unseren Tagen aller Dienst von ernstlichem Gebet begleitet sein möge!

Auf den Ruf des Herrn verlässt der Verstorbene die Gruft. Er war schon vier Tage dort, und die Verwesung war bereits eingetreten. Welch eine wunderbare Macht liegt in dem Worte des .Herrn! Durch Sein Wort sind die Himmel gemacht (Psalm 33, 6), durch das Wort Seiner Macht trägt Er alle Dinge (Hebräer 1, 3), und Sein Wort weckt Tote auf. Alle, die Seine Stimme hören, werden leben, und „es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das« Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts“ (Johannes 3, 25 — 29) Glücklich alle, welche teil haben an der Auferstehung des Lebens, oder wie es in Offbg. 20,6 heißt: „an der ersten Auferstehung“. Über sie hat der zweite Tod keine Gewalt. Und welch eine Gnade, hier sehen zu dürfen, wie selbst Krankheit und Tod, diese schrecklichen Folgen der Sünde, zur Verherrlichung Gottes und Seines Sohnes Jesu Christi und zum Nutzen der Gläubigen dienen mussten! So können denn auch mir uns der Trübsale rühmen (Römer 5, 3, da wir wissen, dass Gott nur Seine Verherrlichung und unsere Segnung dabei im Auge hat.

Im 12. Kapitel finden wir den Herrn Jesum wieder in Bethanien, und zwar diesmal im Hause Simons, des Aussätzigen, wo man Ihm ein Abendessen bereitet hatte (Vergl. Matth. 26 und Mark. 14). Die drei Geschwister, Martha, Maria und Lazarus, sind auch dort, und zwar jedes in seiner eigenen, besonderen Weise. Martha dient wieder: aber es scheint nicht mehr die geschäftige Martha von Lukas 10 zu sein. Die Vorgänge mit Lazarus waren offenbar nicht ohne Wirkung auf ihr Wesen geblieben, die Trübsal war von Nutzen für sie gewesen. Sie hatte den Herrn in einer Weise kennen gelernt, wie sie Ihn vorher nicht gekannt hatte. Es scheint ihr ähnlich ergangen zu sein wie dem Hiob, als er angesichts der Größe Gottes zusammenbrach und sein eigenes Nichts kennen lernte (Hiob 42, 2 — 6). Und zerbrochene Gefäße sind die der Herr in Seinem Dienste gebrauchen kann. Moses, David, Jesajas, Petrus, Paulus — alle mussten erst in der Stille und in der Gegenwart Gottes ihre Ohnmacht kennen lernen, ehe sie passende Werkzeuge für den Dienst wurden. So steht auch geschrieben: „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht Jehova der Heerscharen“ (Sach. 4, 6). Es wäre gut, wenn alle Diener Gottes dessen stets eingedenk wären.

Lazarus ist unter denen, die mit dem Herrn zu Tische liegen. Er ist, zu neuem Leben erstanden und in friedevoller Gemeinschaft mit dem Herrn, ein Bild von einer wiedergeborenen Seele, die nun fähig gemacht ist, in Gemeinschaft mit Christo und Seinen Heiligen zu sein. Das Abendessen war, wie bereits bemerkt, dem Herrn bereitet worden. Er war der Gegenstand, um den sich handelte; Ihm galt diese Ehre, umd Seinetwegen war man zusammengekommen. Welch ein Vorrecht war es daher, mit anwesend sein zu dürfen! Und welch ein Vorrecht ist es heute, dabei sein zu können, wenn die Gläubigen um den Herrn versammelt sind; ja, welch eine hohe Ehre! Der Herr hat uns nicht allein errettet, sondern uns auch ein Verständnis darüber gegeben, was in diesen Tagen der Verwirrung Sein wohlgefälliger Wille ist bezüglich des Zusammenkommens der Gläubigen. Ach, wenn die Erlösten dieses Vorrecht nur mehr schätzen würden! Gewiss, ihre Plätze würden nicht so oft leer bleiben.

Maria endlich ist diejenige, welche den Wert und die Herrlichkeit der Person Christi am tiefsten erkannt hatte und darum auch am meisten fähig war, in Seine Gedanken und Gefühle einzugehen. So wie wir nach der Auferstehung des Herrn eine Maria Magdalene finden, welche ohne Ihn nichts mehr hienieden hatte, und nach der Aufnahme des Herrn einen Paulus, der um der Erkenntnis- Christi willen alles für Schaden und Dreck achtete (Philipper 3), so begegnet uns hier Maria mit ihrer Salbe von echter, sehr kostbarer Narbe, mit ihrem Herzen voll verständnisinniger Liebe und Hingebung zu ihrem Herrn· Die gläubige Seele erquickt sich an solchen Beispielen von brennender Zuneigung für den Herrn und verlangt danach, ihnen mehr zu gleichen. Wir finden hier Maria zum dritten Male zu den Füßen Jesu, und zwar jetzt um sie zu salben. Erst fanden wir sie zu Seinen Füßen hörend (Lukas 10), dann fanden wir sie zu Seinen Füßen weinend (Joh. 11), und jetzt finden wir sie zu Seinen Füßen anbetend; und hier wird uns gesagt: „Das Haus aber wurde von dem Geruch der Salbe erfüllt“. 

So wie im Alten Bunde bei den Opfern in der Stifthütte oder im Tempel der ganze Raum von dem Geruch des Weihrauchs erfüllt wurde, ein Vorbild von der Vortrefflichkeit Christi für das Herz Gottes» so erfüllte hier der kostbare Geruch der Salbe das ganze Haus. Und bald, geliebter Leser, wird der ganze Himmel wiederhallen von dem Lobe der Erlösten zur Verherrlichung Christi und zum Preise Gottes, des Vaters. Aber sollte nicht auch hier schon, besonders wenn wir mit den anderen Erlösten am Tische des Herrn versammelt sind, das Alabasterfläschchen des Lobes und der Anbetung gefüllt sein zum Preise Dessen, der uns so teuer erkauft hat?

Maria hatte zur rechten Zeit zu den Füßen des Herrn gesessen, um Sein Wort zu hören: dann hatte sie Ihn in der Stunde der Trübsal als den treusten Freund und als den mächtigen Helfer der Seinen kennen gelernt, und nun war sie fähig, das Kostbarste, was sie besaß, Ihm zu opfern. Eine herrliche Reihenfolge, nicht wahr? —- Doch was sagt die Tischgesellschaft zu Marias Tun? Martha sagt diesmal kein Wort, sie hatte gelernt; aber die Jünger sind ungehalten über Maria. In Matthäus 26 hören wir sie sagen: „Wozu diese Verschwendung?“ In Mark. 14 lesen wir, dass sie mit Maria zürnten, und dass sie es für zweckmäßiger gehalten hätten, wenn die Salbe verkauft und der Erlös den Armen gegeben worden wäre. Und hier, in Johannes 12, sagt Judas: „Warum ist diese Salbe nicht für 300 Denare verkauft und den Armen gegeben worden?“ Der Herr erkennt an, dass es gut sei, der Armen zu gedenken; allein es gab etwas, was darüber weit hinausging, und das hatte Maria kennen gelernt.

 Die Armen hatten sie allezeit bei sich, nicht aber den Herrn. Maria hatte zu den Füßen Jesu gelernt, dass gute Werk in der richtigen Weise und zur rechten Zeit zu tun. Sie verstand einerseits, dass die Verherrlichung des Herrn weit köstlicher ist als das Almosengeben, und andererseits ahnte sie, dass es die letzte Gelegenheit war, um diesen Liebesdienst an ihrem teuren Herrn vollziehen zu können. Sie sah die Wolken über Seinem Haupte immer dichter und finsterer sich zusammenziehen und fühlte instinktiv, dass der Augenblick nahe war, wo Er in die Hände Seiner Feinde überliefert werden würde. Deshalb beantwortet auch der Herr den Einwurf des Judas mit den Worten: „Erlaube ihr, es auf den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt zu haben“. Er nimmt sie hier dem Judas und den Jüngern gegenüber in Schutz, wie Er es früher der Martha gegenüber getan hatte.

 „Lasset sie“, ruft Er ihnen zu, „was machet ihr ihr Mühe? sie hat ein gutes Werk an mir getan; sie hat getan, was sie vermochte (Markus 14, 6. 8) Welch ein schönes Zeugnis: „Sie hat getan, was sie vermochte“! Kann der Herr dieses Zeugnis auch dir und mir geben, geliebter Leser? Tun wir, was mir vermögen? Tun wir es nach Seinen Gedanken und nach Seinem Willen? Es gibt in unseren Tagen viel geräuschvolles Wirken: aber wie manches mag dabei sein, was einst nicht die Anerkennung des Herrn finden wird, weil man nicht vorher zu Seinen Füßen gesessen und von Ihm gelernt hat!

Wir finden nach der Auferstehung des Herrn Maria nicht unter den Weibern, welche kamen, um den Leib des Herrn zu salben. Sie hatte in dieser Beziehung ihr Werk getan, und zwar zur rechten Zeit. Die anderen Weiber kamen zu spät. Auch sehen mir hier, wie hoch der Herr die Tat der Maria schätzte, von welch gesegneten Resultaten also das Hören des Wortes Gottes bei ihr begleitet war. „Wo irgend dieses Evangelium (nämlich von dem Tode und der Auferstehung Jesu Christi) gepredigt werden wird“, sagt der Herr, wird auch von dem geredet werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis.“ So ist es geschehen, und vielen Tausenden und Millionen von Gläubigen ist die Geschichte der Maria von Bethanien zur Erquickung und zum Segen gewesen. Der Herr hat dafür Sorge getragen, das; in drei Evangelien erzählt worden ist, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis. Auch wir haben heute wieder ein wenig ihre Geschichte betrachtet. Der Herr gebe, dass es nicht umsonst gewesen sein möge!

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Die letzten Tage und der Tod Moses

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 165ff

Viele treue Männer haben im Glauben, hinblickend auf das „Zukünftige“, ihren Pfad vollendet und sind eingegangen in die ewige Ruhe. Das Wort Gottes redet von ihnen zu unserer Ermunterung und Belehrung und nennt sie eine „Wolke von Zeugen“. Unter diesen Glaubensmännern, welche uns in Verbindung mit dem Volke Gottes auf Erden vor Augen geführt werden, nimmt wohl im Alten Testament Mose den ersten Platz ein, und ich möchte im Nachstehenden an einige Züge aus den letzten Tagen dieses mächtigen Zeugen und treuen Führers des Volkes Israel erinnern. Das 5. Buch Mose erzählt uns in rührender Weise von diesen letzten Tagen, welche Mose in der Mitte der ihm anvertrauten Herde zubrachte.

Wie er selbst zu dem Volke sagt (Kap. 4, 21), sollte er nicht über den Jordan gehen, sondern nach dem Worte Gottes diesseits sterben. Was musste für Mose sein, nicht mit dem Volke in das gute Land eingehen zu dürfen, welches Jehova ihnen verheißen hatte und dem sie jetzt so nahe waren! Inbrünstig hatte er zu Jehova gefleht: „Lass mich doch hinübergehen und das gute Land sehen, das jenseits des Jordan ist!“ Aber Jehova hatte ihm gewehrt mit den Worten: „Lass genug sein; rede mir fortan nicht mehr von dieser Sache!“ (Kap. 3, 23 - 26). Ein Anderer, Josua, war dazu berufen, dass Volk durch den Jordan in das Land einzuführen. 

Aber anstatt nun als müßiger Zuschauer oder gar in Verzagtheit. oder Unzufriedenheit „die noch übrige Zeit“ zuzubringen, was doch so natürlich gewesen wäre, sehen wir Mose voll Sorge um das heißgeliebte .Volk, um dessentwillen er einst Ehre und Ansehen aufgegeben und die Schätze Ägyptens für Schaden und Dreck geachtet hatte. Der Mann, welcher im Anfang die Schmach Christi und das Ungemach der Wüstenreise mit dem Volke Gottes wählte, der mit bewunderungswürdiger Sanftmut und selbstloser Liebe allezeit für sein Volk eintrat, der lieber selbst ans dem Buche Gottes ausgelöscht werden wollte, als dass sein Volk von dem göttlichen Strafgericht getroffen wurde — dieser Mann steht am Ende seines- Lebens in derselben Schönheit vor uns wie im Beginn seines verleugnungsvollen Pfades.

Der ganze Weg dieses treuen Knechtes ist von ergreifender Schönheit und erinnert uns an einen Größeren: als Mose, an Ihn, der in allem vollkommen war, an Jesum, den Mittler des neuen Bandes. Auch in dieser Beziehung sehen wir zwischen Herrn und Diener eine Ähnlichkeit: wie Jesus die letzten Tage in besonderer Weise im Kreise der Seinen zubrachte, so versammelte auch Mose vor seinem Abschiede noch einmal das ganze Volk um sich und erinnerte sie an alles, was sie miteinander erlebt hatten, an den ganzen Weg durch die Wüste, an ihre Hartnäckigkeit und Widerspenstigkeit, sowie an die wunderbare Treue und Langmut Gottes. Er ermahnte sie wie ein Vater seine Kinder, doch ja dass Wort Gottes nicht zu

verlassen, damit sie in das Land hineinkamen, zu besitzen und darin zu wohnen. Und als dann der Augenblick herannahte, wo er auf den Berg steigen sollte, um dort zu sterben erhob er noch einmal seine Hände über Israel und segnete das Volk (Kap. 33, 1).

Nicht wahr, geliebter Leser? alles das berührt und erquickt unsere Herzen: aber was musste für den Gott

Israels sein, einen Mann zu sehen, der so völlig mit Seinen Gedanken über Sein Volk im Einklang stand und nur an das Wohl desselben und an die Ehre Gottes dachte! Möchten wir hier einen Augenblick stille stehen und uns fragen, inwieweit wir die .Interessen der Geliebten Gottes zu den unserigen gemacht haben und wie viel sie der Gegenstand unseres Flehens sind vor Gott! Diese Frage tritt umso eindringlicher an uns heran, wenn Gott uns etwas anvertraut hat, um den Seinen damit zu dienen.

Auf dem Berge zeigt Jehova Seinem Knechte das ganze Land und erklärt es ihm persönlich; und so, den

Blick aus das herrliche Erbe gerichtet und in persönlicher Gemeinschaft mit Gott, stirbt Mose. Wahrlich, er hat keinen Verlust gehabt, indem er nicht mit in Kanaan einzog. Im Gegenteil, er sah das ganze verheißene Land, so wie Israel es erst dereinst im tausendjährigen Reiche besitzen wird, und dann ging er ein in die Freude und Ruhe seines Herrn. Sein Fuß brauchte nicht wieder ins Tal zurück. Er entschlief, und Gott selbst begrub Seinen Knecht, und niemand weiß sein Grab bis auf diesen Tag. Doch der Herr weiß es, und wenn Er bei Seiner Ankunft alle die entschlafenen Gläubigen ans ihren Gräbern hervorrufen und die Lebenden verwandeln wird, damit sie für immer bei Ihm seien und ihren Lohn empfangen für jeden Dienst, den sie Ihm und den Seinen erwiesen haben, dann wird Seine Stimme auch in jenes Grab dringen und den Staub Moses zu neuem Leben erwecken.

Das Volk beweinte den Tod seines Führers dreißig Tage lang; und sicher, hatte Ursache dazu, denn der Heilige Geist selbst sagt: „Es stand kein Prophet mehr auf in Israel wie Mose, den Jehova gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht“ (Kapitel 34, 10). In der Regel bringt der Eintritt der» Todes ja auch manches bereits Vergessene oder früher nicht so Geschätzte in lebendige Erinnerung, und die entstandene Lücke wird tief gefühlt. So war es auch in diesem Falle. Wie manchen Hader und Streit hatte Mose geschlichtet, wie viele Male für das ganze Volk oder für einzelne Verirrte zu Gott gefleht! Mit welch einer väterlichen Liebe war er stets für sie besorgt gewesen, wie unermüdlich hatte er sie ermuntert und belehrt! Und nun hatte das treue Herz aufgehört zu schlagen, der beredte Mund war für immer geschlossen!

Auch in späteren Tagen hat das Volk Gottes» oft geweint, wenn Gott treue Männer, welche Jahrelang im Segen gewirkt hatten, aus ihrer Mitte nahm — Männer, die im Geiste eines Mose oder eines Paulus nach dem Maße der ihnen verliehenen Gnade öffentlich und in den Häusern den Gläubigen gedient hatten. Und wenn der Herr Jesus noch etwas verziehen sollte, so wird der eine oder andere, durch welchen der Geber aller Gaben uns heute noch segnet, denselben Weg gehen: und je mehr solche Männer uns gedient haben, je einfältiger, treuer und hingebender ihr Glaube war, desto grösser wird der Verlust sein und desto tiefer der Schmerz gefühlt werden. Aber auch umso lauter und eindringlicher tönt die Ermahnung in unsere Ohren: „Gedenket eurer Führer, die euch das Wort Gottes verkündigt haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmet ihren Glauben nach! (Hebr. 13, 7), und im Blick auf die noch lebenden Knechte des Herrn, die da wohl vorstehen und treu arbeiten in Wort und Lehre, werden wir an die Ermahnung erinnert: „Haltet solche in Ehren!“ (Phil. 2,29: 1. Thess. 5, 12, 13 usw.). Gott selbst ehrt Seine Knechte. Auch in dieser Beziehung ist das Ende Moses auf dein Berge Pisga sehr lehrreich. Wie manches bittere Wort hatte Mose von Seiten des Volkes hören müssen, wie oft war seine Liebe verkannt und sein treues Mahnen und Warnen mit Widerspenstigkeit und Undank belohnt worden! Aber Gott ehrte Seinen Diener und wird ihn ehren in Ewigkeit. Möchten auch wir die göttlichen Ermahnungen bezüglich „Seiner Diener“ wohl beachten. Ihm danken für alles, was Er darreicht, und in diesen letzten schweren Tagen besonders viel für die Arbeiter des Herrn beten!

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Gedanken über das Verhalten der Gläubigen in der Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 169ff

Wir haben im Anfang unserer Betrachtung gesagt, dass die Ehe dann das sei, was sie sein solle, wenn sie dem Verhältnis entspreche, welches zwischen Christo und Seiner Versammlung oder Gemeinde besteht; d. h. wenn die Liebe, die sich selbst vergisst und nur an den Anderen denkt, sowie die Unterwürfigkeit, welche in einem Anderen bestehen und ausgehen will, sich in ihr abgespiegelt finden.

Diese Worte weisen uns, wenn wir jetzt zur Besprechung der Stellung der Frau übergehen, sofort auf das erste und wichtigste Kennzeichen dieser Stellung hin. Wenn der Mann immer wieder aufgefordert wird, sein Weib zu lieben, so richtet sich an dieses unausgesetzt die Mahnung, dem Manne unterwürfig zu sein, ja, ihn zu fürchten, d. h. selbstverständlich nicht in knechtischer Furcht, sondern in der Furcht der Liebe, so wie die Versammlung Christum fürchtet. Schon im 3. Kapitel des 1. Buches Mose, unmittelbar in Verbindung mit dem Sündenfall, in welchem Eva ihrem Manne voranging, wird dem Weibe gesagt: „Nach deinem Manne wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen“ (V. 16). In der bekannten Stelle im Epheserbries, welche wir schon wiederholt anführten, lesen wir: „Ihr Weiber, seid unterwürfig euren eigenen Männern, als dem Herrn. Denn der Mann ist das; Haupt des Weibes, wie auch der Christus das Haupt der Versammlung ist; Er ist des Leibes Heiland. Aber gleichwie die Versammlung dem

Christus unterworfen ist, also auch die Weiber ihren Männern in allem.“ Und nachher: „Das Weib aber, dass sie den Mann fürchte“ (Kap. 5, 22 – 24. 33) Ebenso heißt es in Kolosser 3, 18: „Ihr Weiber, seid euren Männern unterwürfig, wie es sich geziemt in dem Herrn“, und in 1. Petr. 3,1: „Gleicherweise ihr Weiber, seid euren eigenen Männern unterwürfig“ (Vergl. auch Tit. 2, 5; 1. Tim. 2, 11; 1. Kor. 14, 34).

Woher kommt es nun wohl, dass Gott in Seinem Worte jene Ermahnungen so oft wiederholt, dass Er dem

Manne immer wieder sagen lässt, er solle sein Weib lieben, und dem Weibe, sie solle ihrem Manne unterworfen sein? Weil die Sünde alles verdorben und in Unordnung gebracht hat, und weil unsere gefallene, verderbte Natur immer gerade das zu tun wünscht, was der göttlichen Ordnung zuwider, ja, was

selbst unnatürlich ist. Und da nun Gott weiß, wo unsere besonderen Gefahren und Versuchungen liegen, so lässt Er uns in Seiner Treue gerade das sagen, was uns gegen diese Gefahren auf die Hut zu stellen vermag. Darum, o Frau, prüfe dich wohl, inwieweit du, den Gedanken Gottes entsprechend, deinen Platz, einnimmst, und inwieweit Andere dies in deinem Reden und Tun wahrnehmen können! Wie wir schon früher bemerkten, liegt es dem Weibe weit weniger nahe, ihre Liebespflicht zu vergessen, als aus der Stellung der Unterordnung und Verborgenheit, in welche Gott sie gestellt hat, herauszutreten und zu vergessen, dass sie berufen ist, unterworfen und stille zu sein. Wie grell tritt dieser unnatürliche Drang des Weibes in der sogenannten Frauenbewegung unserer Tage ans Licht!

Unterwürfigkeit ist ja überhaupt das Wesen des Christentums, Eigenwille und Unabhängigkeit das Wesen

des Antichristentums. Der Eigenwille des Menschen ist die böse Quelle aller Übel in dieser armen Welt und beweist seine völlige Entfernung und Entfremdung von Gott, seinem Schöpfer, dem er Gehorsam schuldet. Wir bedürfen deshalb alle der Ermahnung zur Unterwürfigkeit und Demut, sowohl Gott als auch unseren Mitmenschen gegenüber. (Vergl. 1. Petr. 5, 5. 6; Eph. 5, 21 u. and. St.) Indes richtet sich die göttliche Mahnung, wie wir gesehen haben, vornehmlich an das gläubige Weib in dem besonderen Verhältnis, in welchem sie steht. Die Pflicht, gehorsam und unterwürfig zu sein, ist die natürliche Folge dieses Verhältnisses, sie ist unauslöslich damit verbunden; und wenn schon der Mangel an Unterwürfigkeit im Allgemeinen üble Folgen hat, so doch ganz besonders in dem ehelichen Verhältnis. Wenn hier die eben genannte Pflicht nicht beachtet und erfüllt wird, so sind Unfriede, Zwietracht und Verunehrung des heiligen Namens Gottes das unausbleibliche Ergebnis.

Wie freundlich hat Gott aber dafür gesorgt, dem Weibe diese Unterwürfigkeit, dieses Sichunterordnen leicht zu machen! So wie Er dem Manne ein hohes, erhabenes Vorbild von seiner Stellung und der Erfüllung seiner Pflichten (als Haupt) in Christo selbst gegeben hat, so zeigt Er dem Weibe in der Versammlung (oder Gemeinde) und in deren Verhältnis zu Christo ein überaus liebliches Bild von ihrem Platz und ihren Pflichten. „Gleichwie die Versammlung dem Christus unterworfen ist, also auch die Weiber ihren Männern in allem. „Die Versammlung besteht nicht aus sich und für sich, sie hat kein Leben in sich selbst und außer Christo; sie ist geschaffen in Christo Jesu«, ist aus Ihm entsprossen und lebt nur in Ihm und für Ihn. Darum handelt die Versammlung auch nicht nach Grundsätzen oder Bestimmungen, die sie selbst aufstellt, (die untreue Kirche maßt sich dies allerdings an, und wird darum eine Hure, eine Ehebrecherin, genannt) sondern ihre einzige Richtschnur ist Christus und Sein Wort.

Genauso ist es mit dem Weibe; sie nimmt dem Manne gegenüber denselben Platz, ein, wie die Versammlung Christo gegenüber. Sie ist aus ihm entsprossen, Fleisch von seinem Fleisch, Gebein von seinen Gebeinen (1. Mose 2), und indem sie sich mit ihm verbindet, gibt sie nicht nur ihren eigenen Namen, sondern auch in gewissem Sinne ihre eigene Persönlichkeit auf, um fortan nur in ihm, dem Manne, gerechnet zu werden. Sie geht ganz in ihrem Manne auf. Die Beiden werden ein Fleisch. Sie lebt fortan nur noch in ihm und für ihn, als sein zweites Ich. Sie hat keinen eigenen Willen, kein Selbstbestimmungsrecht mehr, sondern ist ihrem Manne unterworfen in allem. Sie handelt nicht nach eigenem Ermessen, nach eigenem Gutdünken, sondern fragt in allem nach dem Willen ihres Mannes.

„In allem?“ wendet hier vielleicht unwillkürlich die eine oder andere meiner Leserinnen fragend ein. Ja, in allem; denn so steht es geschrieben. Die einzige Ausnahme, aus welche wir noch zurückkommen werden, ist dann gegeben, wenn der Mann Forderungen an seine Gehilfin stellen sollte, welche diese um ihres Gewissens vor Gott willen nicht erfüllen könnte. Sonst ist keine Ausnahme gestattet. Aber, höre ich fragen, wenn nun der Mann einen harten, eigenliebigen oder gar einen wenig achtungswerten Charakter hat und seinem Weibe mehr auflegt, als es ihm zusteht? Oder wenn er eigensinnig und wunderlich ist, wenn er sie lieblos behandelt, kein freundliches Wort für sie hat, sondern eher einem strengen Gebieter als einem liebenden Manne gleicht? In solchen Fällen ist es gewiss für eine Frau schwierig, in allem unterwürfig zu sein und still und demütig ihren Weg zu gehen, besonders wenn sie selbst von Natur wenig beugsam angelegt ist; aber der Herr kann und will auch in solchen Lagen die nötige Gnade darreichen.

Der Charakter des Mannes ändert nichts an der Verpflichtung des Weibes, gehorsam zu sein, ebenso wenig wie die Wunderlichkeit und Verkehrtheit eines Herrn einen Knecht von seiner Verpflichtung entbindet, mit aller Treue und Gutwilligkeit zu dienen (1. Petr. 2, 18), oder wie der persönliche Charakter eines Königs oder die Ungerechtigkeit einer Regierung uns ein Recht geben, uns gegen die Obrigkeit aufzulehnen und ihr den Gehorsam zu verweigern. Die Stellung des Weibes bleibt immer dieselbe, und je

schwieriger der Mann ihr dieselbe macht, desto eifriger sollte sie darauf bedacht sein, ihren Platz in einer Gott wohlgefälligen Weise und in Treue gegen den Herrn auszufüllen.

In Treue gegen d en Herrn — sieh da, meine liebe Leserin, den Weg, auf welchem es dir möglich ist, auch

in den eben beschriebenen Fällen, ja selbst unter noch schwierigeren Verhältnissen, treu voranzugehen und den Herrn zu verherrlichen. Es heißt in unserer Stelle: „Ihr Weiber, seid unterwürfig euren eigenen Männern, als dem Herrn“. Das ist ein kostbares Wort. Gerade so wie den Sklaven einst zugerufen wurde: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisset, das; ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dienet dem Herrn Christo“ (Kol. 3, 23. 24), ebenso wird auch den Weibern gesagt, dass sie ihren Männern unterwürfig sein sollen, als dem Herrn. Gott lenkt aus diese Weise den Blick von den sichtbaren Gegenständen, die oft gar wenig liebenswürdig und achtungswert sind, ab und richtet ihn auf den Herrn. Welch eine Gnade war es für die armen Sklaven in jenen Tagen, das; sie in ihrer verachteten Stellung, ja, in allem was sie taten, sogar in den niedrigsten Verrichtungen, dem Herrn Christo dienen durften; und welch ein süßes Vorrecht ist es für

eine Frau, in ihrer Stellung sagen zu können: in allem was ich tue, diene ich dem Herrn: bin ich unterwürfig, so bin ich es dem Herrn; ·leide ich, so leide ich dem Herrn; finde ich keine Anerkennung bei meinem Manne, so finde ich sie beim Herrn u. s. w. Wie leicht und annehmbar wird alles, auch das Schwerste und Widerwärtigste, sobald wir es vom Herrn annehmen und Ihm tun können! Mag es sich dann selbst um die Ausführung törichter und unverständiger Befehle handeln, der Gehorsam wird nicht schwer werden, weil man den Herrn vor Augen hat und um Seinetwillen bereit ist, die eigene, vielleicht bessere und richtigere Meinung preiszugeben und stille zu sein. Der Blick ruht dann nicht auf dem Menschen und seiner Verkehrtheit, sondern auf dem Herrn und Seinem heiligen Willen.

Äußerst schwierig ist die Stellung einer Frau, deren Mann ungläubig ist, vor allem wenn er in besonderer Weise den Kindern Gottes feindlich gegenüber steht. Aber auch für einen solchen Fall hat das Wort Gottes Vorsorge getroffen. Nicht als ob es» die eheliche Verbindung zwischen Gläubigen und Ungläubigen gutheiße; wir wissen, dass das Gegenteil der Fall ist. Aber wie oft wird in den ersten Tagen der Christenheit vorgekommen sein, und wie oft kommt es auch heute noch vor, dass der eine von zwei Eheleuten nach der Verheiratung bekehrt wird, während der andere auf dem breiten Wege beharrt! Wir haben in dem ersten Teil unserer Betrachtung diese Möglichkeit schon im Blick auf den Mann besprochen und gesehen, wie viel Weisheit von oben, wie viel Liebe und Geduld ein gläubiger Mann bedarf, um seinem noch nicht bekehrten Weibe in der richtigen Weise zu begegnen und ihr zu dienen; ungleich schwerer aber ist es im umgekehrten Falle für eine gläubige Frau, die Pflichten gegen ihren Mann mit der Treue gegen Christum zu vereinigen. Da mag es dann wohl unmöglich werden, dem Manne in allem unterwürfig zu sein. Wenn dieser z. B. Forderungen an sein Weib stellen würde, die dem Worte und Willen Gottes zuwiderliefen, so dass ihr Gehorsam dem Manne gegenüber Ungehorsam gegen Gott würde, dann würde auch für sie das Wort der Apostel zur Geltung kommen: „Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen“ (Apstgsch. 5, 29).

 Denn wenn eine Frau ihrem Manne „als dem Herrn“ gehorchen soll, so ist es offenbar, dass die Forderung, etwas direkt Sündhaftes zu tun, ausgeschlossen sein muss. Wie könnte sie irgendwelche Sünde mit dem heiligen Namen des Herrn in Verbindung bringen? Indes sollte eine Frau, die sich in einer solchen Lage befindet, sehr wachsam sein und sich vorkommendes Falles wohl prüfen, aus welchem Grunde sie den Gehorsam verweigert. Unsere Herzen sind äußerst trügerisch, und Unterwürfigkeit ist unserer Natur nicht angenehm. Darum siehe wohl zu, o Frau, dass du nicht etwa das Wort Gottes zur Rechtfertigung einer eigenwilligen *) Handlungsweise benutzest! So wahr es ist, dass der Herr die ersten und höchsten Rechte an die Seinigen hat, und so völlig Er es anerkennen wird, wenn ein Weib aus Gehorsam gegen Seinen bestimmt ausgesprochenen Willen sich weigert, etwas Sündhaftes zu begehen, so wenig wird Er eine Handlung rechtfertigen, die nicht im Glauben und in der Treue gegen Ihn, sondern in dem eigenen Willen ihren Ursprung hat. Er mag es für gut finden, die Seele in einer Weise zu prüfen und zu üben, die sie nicht versteht, die ihr fast unerträglich erscheint und deren Nützlichkeit und Notwendigkeit sie nicht einzusehen vermag. Aber wenn der Glaube wirksam ist, so wird eine solche Seele still aus den Herrn harren und, im Vertrauen auf Seine Güte und Weisheit, Seiner Führung zusehen; und mag dann die Schule auch ernst sein und die Prüfungszeit lange währen, so wird doch das Ende gesegnet sein, und das Ausharren wird reich belohnt werden.

Ich möchte an dieser Stelle einige Gedanken aus der Feder eines anderen, inzwischen heimgegangenen Schreibers *) anführen, welche den Gegenstand, der uns augenblicklich beschäftigt, sehr schön und klar beleuchten. Er sagt:

„Wie sehr steht die Berufung der Frau zur Unterwürfigkeit in Übereinstimmung mit ihrem ganzen Wesen! Es kann keine Erniedrigung für sie sein, den Platz einzunehmen, auf welchen sie durch die Eigenart ihrer Natur hingewiesen wird. Sie wird fühlen, dass selbst dann, wenn die Größe der Selbstverleugnung (denn seitdem die Sünde in der Welt ist, gibt es keine Berufung, die ohne Selbstverleugnung erfüllbar wäre) ihr die Unterwürfigkeit zuweilen schwer machen wollte, doch infolge der Wünsche und Triebe, welche ihrem Wesen eigen sind, die Nichtbeachtung ihrer Berufung ein noch größeres Unbefriedigtsein in ihr zurücklassen würde.

„O wieviel hat die christliche Frau hier vor anderen Frauen voraus, indem sie gelernt hat, dass durch die Sünde alles verderbt und in Unordnung gebracht worden ist, so dass das Weib von Natur ebenso wenig ihrem Manne Gehorsam und Unterwürfigkeit entgegenzubringen vermag, wie der Mann imstande ist, sein Weib zu lieben. Doch durch den Glauben an Christum ist jetzt ein neues Leben in ihr, und in der Freiheit der Gemeinschaft mit Gott kann sie Kraft finden, um Gott durch Unterwürfigkeit gegen ihren Mann zu verherrlichen. Ihre Unterwürfigkeit ist, wie diejenige der Versammlung, eine freiwillige, eine Unterwürfigkeit der Liebe; sie ist ans Gott. Die Regel des Mannes ist ihre Regel; seine Bestimmungen und Anordnungen sind ihre Richtschnur. Ihr Mann ist das Haupt, welches leitet und regiert: sie folgt und ist gehorsam. Sie ist eine Tochter Sarahs, indem sie ihren Mann „Herr“ nennt. (1. Petr. 3, 6.) 

In Familie und Haus gibt es also nicht zwei leitende Grundsätze, von welchen heute der des Mannes, morgen der der Frau die Oberhand hat; sondern in allem herrscht Einheit, eine Einheit, welcher die Frau sich fügt und die sie nicht willkürlich auf die eine oder andere Art bricht. Sie fordert nicht Rechenschaft von ihrem Manne, warum er dies so und jenes anders einrichtet, gerade so wenig wie die Versammlung sich anmaßt, von Christo Rechenschaft zu fordern bezüglich dessen, was Er für die Haushaltung Gottes bestimmt hat oder zulässt. Und dass sie so handelt, ist ihre Ehre; sie findet darin ihre Befriedigung und fühlt, dass sie an ihrem Platze ist; ja, sie würde, wenn sie über diese Grenzen hinausginge, viel mehr sich selbst benachteiligen als ihren

Mann. Derjenige, vor dessen Augen sie wandelt, ist nicht ihr Mann, sondern der Herr: und darum ist sie unterwürfig, ach wenn ihr Mann sie nicht sieht, da sie weiß, dass das Auge des Herrn allezeit auf sie gerichtet ist.

„Dieses Bewusstsein setzt sie auch in den Stand, selbst dann Unterwürfigkeit zu beweisen, wenn große Selbstverleugnung damit verbunden ist. Es gibt ja leider Männer, auch Männer gläubiger Frauen, welche „dem Worte nicht gehorchen“. In diesem Falle ist die Unterwürfigkeit oft keine leichte Sache· Wenn z. B. der Mann (der übrigens nicht über den Geist seiner Frau zu verfügen vermag, sondern nur Macht hat über ihren Leib) die Frau durch seine Bestimmungen verhindert, den mancherlei geistlichen Bedürfnissen und Wünschen ihres Herzens Folge zu geben, so bedarf sie sicherlich sehr, das Bewusstsein ihrer Berufung vor Gott festzuhalten, damit sie die Stellung der Unterwürfigkeit nicht verlasse. Ihr Mann kann und darf sie

nicht verhindern, ihr Herz dem Herrn zu übergeben, Ihm zu dienen und in Gemeinschaft mit Ihm zu leben; aber er kann ihr z. B. verbieten, Witwen und Waisen zu besuchen, und doch würde sie so gern zu diesem Zweck ihr Haus zuweilen verlassen; er kann ihr untersagen, Kinder Gottes bei sich zu empfangen und sie zu beherbergen, und doch möchte sie diesen am liebsten ihr Haus öffnen. Sie würde gern mehr an Armen und Kranken tun, gern mehr Hungrige speisen und Nackte kleiden, aber ihr Mann gestattet es ihr nicht. Wäre nun der Herr nicht vor ihren Augen, so würde sie leicht zu dem Gedanken kommen können, sie habe in diesen Dingen Freiheit, den Platz des Gehorsams zu Verlassen und gegen den Willen ihres Mannes zu handeln.

„Oder aber ihr Mann ist nicht ein Hindernis für sie in dem eben angedeuteten Sinne, aber seine Wege verursachen ihr viel Betrübnis- und Kummer, da es Wege der Sünde und des Todes für ihn sind. Wie leicht kann sie sich da verleiten lassen, anstatt unterwürfig zu bleiben, durch Vorwürfe und Strafpredigten die Rolle einer Sittenlehrerin zu spielen, und so all dem Verkehrten, das sich bei ihrem Manne zeigt, auch noch Verbitterung hinzuzufügen. Oder ihr Mann findet Freude daran, sie zu ärgern und zu quälen, vielleicht gar zu misshandeln — wie groß ist dann die Gefahr für sie, ihm mit gleicher Münze zu bezahlen, Schimpfwort mit Schimpfwort zu beantworten und, anstatt sich noch mehr und noch tiefer zu beugen und

zum Herrn zu rufen, gegen ihren Mann aufzutreten in Widerspenstigkeit und Zorn. Ist sie aber unterwürfig, nicht deshalb weil ihr Mann ihr die Unterwürfigkeit so leicht macht, sondern weil es der Wille des Herrn ist und sie danach verlangt, Ihm zu gefallen, so wird sie in der Kraft des Herrn vermögen, „Frau“ zu bleiben. Mag auch ihr Mann die Liebe, welche er ihr schuldet, ihr nicht erweisen und so seiner Berufung nicht entsprechen, sie hat sich einmal ihm gegeben, und sie bewahrt in Demut ihren Platz, denn sie weiß, dass sie sein ist und sein bleibt, so lange er lebt. Da ist dann der in Furcht „keusche Wandel“, durch dessen Anschauen der Mann gewonnen zu werden vermag (1. Petr. 3, 1. 2).

„Je mehr eine Frau „Frau“ ist, d. h. je mehr sie in Schwachheit den ihr beschiedenen Weg des Gehorchens, des Duldens und Tragens wandelt, eine umso größere Kraft übt sie aus, gerade so wie auch die leidende Kirche manch trotziges Herz, das für Worte unzugänglich war, durch ihr stilles Dulden und Ausharren zur Erkenntnis der Wahrheit geführt hat. Ja, eine Kraft geht von einer solchen Frau aus, **) die noch stärker ist als der gewaltige Hammer, welcher auf die Herzen der Menschenkinder angewandt wird,

stärker als das Wort. —— Darum, ihr Frauen! wenn ihr nur die schwachen, unterwürfigen Frauen bleiben wollt, zu welchen Gott euch bestimmt hat, so braucht ihr nicht zu meinen, dass euch keine Kraft zugeteilt sei; und ihr habt wahrlich nicht nötig, euch eine Kraft zueignen zu wollen, welche außerhalb der Grenzen eurer Befugnis und Berufung liegt. Der Herr sei mit euch, dass ihr stets die siegende Kraft der duldenden Liebe zu offenbaren vermöget!“

Fußnote:

*) V) H. J. Lemkes: Drie brieven over de verhonuding des chrjstens tot her huwelijk.

**) Wenn allerdings die Frau durch eigene Verkehrtheiten und Fehler, vielleicht aus ihrem früheren unbekehrten Leben, Anlass zu der lieblosen Behandlung seitens ihres Mannes gegeben hat, wird sie ohne kraft sein, es sei den, dass sie sich selbst im Lichte Gottes erkannt und ihre Fehler gerichtet hat.

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Gepriesen sei der Gott und Vater

Bibelstelle: Epheser 1,3-14

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 180ff

Es gibt kein größeres Vorrecht, keine reinere und erlebendere Quelle der Glückseligkeit für ein Geschöpf, als das Lob und die Anbetung Gottes. Das ist der Dienst der Engel. Wie sie stets bereit sind, dem Winke Gottes zu gehorchen und Seine Befehle auszurichten, so rühmen sie auch Seine Herrlichkeit. Sie jubelten und jauchzten vor Freude, als Gott die Erde gründete und ihre Grundlagen feststellte, und als Er das Meer in seine Grenzen einschloss. Jesaja sah sie den hohen und erhabenen Thron des Herrn umgeben, indem sie ihre Angesichter verhüllten und voll Bewunderung und Anbetung ausriefen: „Heilig, heilig, heilig ist Jehova der Heerscharen, die ganze Erde ist voll Seiner Herrlichkeit!“ (Jes. 6, 3). Sie priesen auch Gott, als Sein vielgeliebter Sohn, durch den alle Dinge gemacht sind, Mensch wurde, als Er geboren wurde und

als ein Kindlein in der Krippe lag. Denn dieses Kindlein war kein Anderer als der Jehova, welchen Jesaja gesehen hatte, Gott, geoffenbart im Fleische, gesehen von den Engeln“ — gewiss, ein würdiger Gegenstand ihrer Anbetung und ihres Lobes! Wir sehen sie auch im Himmel den Thron Gottes und des Lammes umgeben, und hören sie mit einer Stimme Gott, den Allmächtigen und Unveränderlichen, und das geschlachtete Lamm preisen.

Aber dieses große und herrliche Vorrecht ist nicht den Engeln allein gegeben. Der Mensch kann sich desselben gleichfalls erfreuen, und zwar in einer weit tieferen und erhabeneren Weise als sie; denn er kennt Gott, wie die Engel Ihn nicht kennen können. Sein Lob und seine Anbetung sind eine Frucht der Erkenntnis dessen, was Gott ist und was Er vollbracht hat. Das zeigen uns auch die Verse, welche wir unserer Betrachtung vorangesetzt haben.

Der Beginn des Briefes an die Epheser klingt in der Tat wie ein herrlicher Lobgesang. Das Herz des Apostels strömt über, und er gibt seinen Gefühlen Ausdruck in den Worten: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“ Woher kommt dieser Erguss seines Herzens? Wir werden es sehen. Möchte nur ein jeder von uns in dem Zustande sein, um von Herzen in den Lobgesang miteinstimmen zu können!

Die erste Ursache des Dankes, welcher dem Herzen des Apostels entströmt, ist die Erkenntnis, die er von

Gott hat. Vor dem Christentum kannte man Gott als den Schöpfer, den Allmächtigen, den Allerhöchsten, den Besitzer des Himmels und der Erde, als den Ewigen und Unveränderlichen. Und sicherlich, die Betrachtung Seiner Majestät, die über allen Himmeln ist, Seiner Herrlichkeit auf der ganzen Erde, Seines Tuns und Handelns, der Anblick Seiner Werke in der Schöpfung, sowie der Erlösung Seines Volkes Israel aus Ägypten und Seiner nachherigen Wege mit diesem Volke — alles das ist wohl geeignet, uns auf unsere Knie zu bringen und Lob und Anbetung in unseren Herzen wachzurufen. Diesen Gefühlen begegnen wir denn auch in vielen Psalmen und in den Propheten.

Aber das Christentum macht uns mit Gott in einer Weise bekannt, weit inniger und tiefer, als es im Alten Bunde möglich war. Für Paulus, wie für alle Christen, ist Er der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi“. Es ist der Gott unseres Herrn Jesu Christi«, zu welchem Paulus betet, und es ist der „Vater unseres Herrn Jesu Christi“, vor dem er seine Knie beugt. „Niemand hat Gott je gesehen“, sagt Johannes in seinem Evangelium, „der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat Ihn kundgemacht“. Er ist Mensch geworden und hat uns Gott kundgemacht als Seinen Gott. Als Mensch ist Er „unser Herr Jesus Christus“ — Namen und Titel, die alles in sich schließen, was Er für den Christen ist: „Jesus, der Heiland; Christus, der Gesalbte, um jeden Dienst auszuführen, zu welchem Er berufen war, und unser Herr, welchem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Paulus denkt an Ihn, seinen Herrn, den Sohn Gottes, welcher ihn geliebt und sich für ihn hingegeben hat, und welcher sich damit alle Rechte über seine Person erworben hat. Er denkt an Jesum und sieht Ihn, wie Er hienieden wandelte in vollkommenem Gehorsam und rückhaltloser Hingebung an Gott (Phil. 2I): er sieht den vollkommenen Diener, der Gott allezeit vertraute (Jes. 51; Ps. 16),

 ja, dessen Vertrauen und Hingebung selbst dann nicht wankten, als Er am Kreuze ausrufen musste: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Der heilige, gerechte und barmherzige Gott ist durch Jesum verherrlicht worden, denn Er war Sein Gott. In Jesu sehen wir einen Menschen, welcher in Wirklichkeit und in vollkommener Weise sagen konnte: „Gott, du bist mein Gott: frühe suche ich dich“ (Ps. 15.3, 1; vergl. Markus. 1, 35), und: „Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens“ (Ps. 40,8; vergl. Joh. 8, 28. 29). Und wiederum: „Ich sage von Jehova: Meine Zuflucht und meine Burg; mein Gott, auf Ihn will ich vertrauen. (Ps. 91, 2.) So ist denn Gott der Gott unseres: Herrn Jesu Christi, welcher hienieden in Vollkommenheit als abhängiger Mensch vor Ihm wandelte, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war und nun im Himmel als verherrlichter Mensch zur Rechten Gottes erhöht ist.

Aber Gott ist auch der Vater unseres Herrn Jesu Christi, sowohl wenn wir an Ihn denken als den eingeborenen und ewigen Sohn Gottes — eine unausforschliche Beziehung, in welcher der Sohn zum Vater steht, als auch wenn wir Ihn als Mensch betrachten, als wunderbar geboren von der Jungfrau Maria und auf diesem Wege eingeführt in die Welt. Vor Seiner Geburt sagte der Engel von Ihm: „Er wird Sohn des Höchsten genannt werden“, und: „Das Heilige, das geboren werden wird, wird Gottes Sohn genannt werden“, und am Ende Seines Weges durch diese Welt ist Er als Sohn Gottes in Kraft erwiesen worden durch die Auferstehung aus den Toten. (Vergl. Joh. 1, 14. 18; Luk.1, 32. 35; Psalm 2, 7; Hebr.1, 6; Röm. 1, 3.. 4.) Diese Beziehung oder dieses Verhältnis, in welchem Er zum Vater steht, ist ein Verhältnis der Liebe; und die Stimme des Vaters verkündigte sowohl bei der Taufe des Herrn, als auch auf dem heiligen Berge das Wohlgefallen, welches Er an Seinem Sohne fand, mit den Worten: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe«. (Matthäus 3, 17; 17, 5).) Er ist „der Sohn Seiner Liebe“ (Kol. 1, 13).

Der Sohn hat auf Erden den Vater geoffenbart. Das ist der Name, welcher Gott gehört; aber wir hätten ihn nie gekannt, wenn der Sohn ihn uns nicht kundgemacht hätte. Das Herz Gottes hat sich gleichsam geöffnet und uns einen göttlichen Gegenstand Seiner Liebe gezeigt: Seinen einigen Sohn. Wir sehen auch, wie der Herr diesen Titel „Sohn“ stets in Anspruch nimmt, wie Er immer wieder auf diese Seine Beziehung zu Gott als Vater zurückkommt, und wie sehr Er sich darin erfreut. Er redet von Gott nicht nur in dem unumschränkten Sinne als Gott, sondern Er führt Ihn als Vater ein, sowohl vor Seinen Jüngern, als auch vor den ungläubigen Juden, deren größte Sünde darin besteht, dass sie Ihn und Seinen Vater gehasst haben. Er redet auch nicht von Gott als Vater, weil Er der Schöpfer ist, sondern Er redet als Sohn vom Vater, und Er liebt es, das zu tun. Diese Beziehung kommt am innigsten zum Ausdruck, wenn Er sagt: „Mein Vater“.

Der Vater findet Seine Wonne in dem Sohne, und der Sohn Seine Wonne in dem Schoße des Vaters, in der ununterbrochenen Gemeinschaft mit Ihm, selbst in den Tagen Seines Fleisches hienieden. Er war „der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist“, nicht nur in der Ewigkeit, sondern auch in der Zeit, als Er als das Fleisch gewordene Wort auf der Erde wandelte. Wir hören Ihn als zwölfjährigen Knaben sagen: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ Und wie gern nannte Er in Seinem späteren Leben hienieden diesen Ihm so köstlichen Namen! Er redet von dem Willen Seines Vaters; Er enthüllt die Gnade und Liebe Seines Vaters: Er redet von dem, was Er bei Seinem Vater gesehen habe; Er ehrt Seinen Vater im Gehorsam, und Sein Vater verherrlicht Ihn; Er wirkt nur in Gemeinschaft mit Seinem Vater; Er empfängt alles von Seinem Vater, und Er freut sich zu Seinem Vater zurückzukehren. Und selbst als in Gethsemane der bittere Kelch vor Ihm stand, war es Sein Vater, welchen Er bat, wenn es möglich sei, den Kelch an Ihm vorübergehen zu lassen: und doch nahm Er ihn dann aus der Hand Seines Vaters.

 Welch eine heilige, rührende und tiefe Zuneigung Seines Herzens in Verbindung mit einem vollkommenen Gehorsam! Wie sollten unsere Herzen sich beugen vor solchen Geheimnissen! Und nachdem Jesus dann am Kreuze durch die Stunden des Verlassenseins gegangen war, wo das Angesicht Seines Gottes sich vor Ihm verhüllte, und Er den Kelch der Leiden bis zur Neige geleert hatte, mit welcher Glückseligkeit wandte Er sich dann wieder an Seinen Vater: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist"!

Ich habe mich ein wenig lange bei diesem Gegenstande — „der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi“ — aufgehalten, weil es von so großer Wichtigkeit für uns ist, zu erkennen, was Gott für unseren teuren Herrn und Heiland war. Denn nur ans diese Weise erlangen wir für uns selbst die wahre Erkenntnis Gottes. Paulus hatte Gott kennen gelernt, seitdem der Herr Jesus sich ihm geoffenbart hatte, und er wusste, dass der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi auch sein Gott und sein Vater war, wie Er der Gott und Vater aller derer ist, welche Jesum Christum als ihren Herrn und Heiland erkannt haben und Ihn von Herzen anrufen als Den, welchen Gott auferweckt hat ans den Toten (Röm. 10, 9). Wie uns allen bekannt ist, lautete ja die erste Botschaft, welche der auferstandene Jesus Seinen Jüngern und denen, die mit ihnen waren, durch Maria Magdalene verkündigen ließ: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem

Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“ (Joh. 20, 17) So ist denn der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi der Gott und Vater der Erlösten des Herrn geworden. Jesus hat sie mit sich in die gleiche Stellung vor Gott gebracht, so dass der Christ jetzt auch sagen kann: „Gott, du bist mein Gott!“ Welch ein

gesegnetes Teil! Der Gott seines Heilandes, welchen Jesus geliebt und dem Er gedient hat, dem Er vertraute bis zum Tode und der Ihn nun zu Seiner Rechten gesetzt hat, dieser Gott ist jetzt der Gott des Gläubigen.

Aber nicht genug damit. Der Herr hat Seinen Erlösten, wie bereits gesagt, Seine eigene Stellung vor Gott

in welcher Er sich jetzt als der verherrlichte Mensch befindet, gegeben. Sein Vater ist ihr Vater. Sie sind geliebte Kinder, so dass der Gläubige, wie einst Paulus, vor dem Gott und Vater seines Herrn die Knie beugen und ausrufen kann: „O Vater meines Herrn Jesu Christi, du bist nun auch mein Vater!“ Geliebter Leser! Fühlst du dich in deinem Herzen gedrungen, so zu Gott zu reden in dem seligen Bewusstsein dessen, was Er nun für dich ist, und was du für Ihn bist? Dann wirst du auch den Herzenserguss des Apostels Paulus verstehen und mit ihm ausrufen können: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“ Die wahre und tiefe Erkenntnis dessen, was Gott ist, lässt das Herz überströmen in Lob und Dank. Es ist das Geheimnis aller wahren Anbetung.

Doch die in dem Herzen des Apostels wirkende Gnade lässt noch etwas anderes hervorkommen, als was wir bisher betrachtet haben. Nachdem er nämlich gesagt hat, was Gott ist, fährt Er fort, von dem zu reden, was der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi für uns getan hat: Er hat „uns gesegnet mit aller geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo“. Gott hat sich in Gnade geoffenbart in Seinem vielgeliebten Sohne. Durch Ihn und in Ihm hat Er uns Sein Herz geöffnet. „Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden.“ Die Gnade ist immerfort in Tätigkeit. Sie hat ihre Gegenstände und wirkt in ihnen die Erkenntnis der Güte Gottes, welche alles für sie bereitet hat; sie führt sie ein in den seligen Genuss der Dinge, die ihnen von Gott geschenkt sind. Was uns betrifft, so hat sie uns die geistlichen Segnungen -in den himmlischen Örtern in Christo zugeteilt. Wir werden weiter unten sehen, was diese sind; werfen wir zunächst einen Blick auf die Natur derselben. Es sind nicht zeitliche Segnungen, die zu unseren Bedürfnissen hienieden oder zu unseren irdischen Genüssen in Beziehung ständen. Gott hat ja Seinen Kindern verheißen, dass Er für sie sorgen und ihnen geben will, was sie bedürfen. Er hat ihnen auch erlaubt, sich der natürlichen Verhältnisse und Beziehungen, in welchen sie sich befinden, zu erfreuen, vorausgesetzt dass diese nicht den Platz in ihren Herzen einnehmen, den Christus allein beanspruchen kann.

 Die hier gemeinten Segnungen beziehen sich vielmehr auf die Seele, auf ihre wirklichen und ewigen Bedürfnisse und auf ihre wahren Freuden und Genüsse. Sie sind geistlich, kommen von Gott, der ein Geist ist, und teilen Seine Natur; sie stehen außerhalb des Bereiches des Fleisches, der Sinne und der natürlichen Begriffe. Nur der innere Mensch, welcher in Beziehung zu Gott steht, unser Geist, wie es in Röm. 8, 16 heißt, kann sie genießen, und nur in der Macht des Heiligen Geistes können wir in dieselben eintreten. „Was vom Fleische geboren ist, ist Fleisch“, und kann von diesen Segnungen nichts begreifen, noch sie schätzen. „Der natürliche Mensch nimmt nicht an, was des Geistes; Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird“ (1. Kor. 2, 14) Um sie zu erkennen, müssen wir eine Natur haben, welche diesen Segnungen entspricht; wir müssen aus Wasser und Geist geboren sein und den Geist empfangen haben, „der aus Gott ist“. Das aber ist es, was dem Christen zugehört, was sein Teil ist. Er kennt diese Segnungen, erfreut sich ihrer und bringt Gott Lob und Dank dar im Genusse derselben.

Betrachten wir jetzt ein wenig die Stätte unserer Segnungen. Sie befinden sich in den himmlischen Örtern, da wo Christus ist. Der Christus oder der Messias, welchen die Juden erwarten, ist ein aus der Erde mit Herrlichkeit umgebener, regierender Christus, der sie segnet mit allen irdischen Segnungen. Diese Erwartung wird in Erfüllung gehen, wenn Israel Den als feinen Herrn und König erkennen wird, in welchen es einst gestochen hat. Aber der Christus-, den wir kennen, unser Herr und Heiland, ist ein nach Seinem vollbrachten Werke verherrlichter und nun zur Rechten Gottes- erhöhter Christus, in welchem wir bereits gesegnet sind mit allem, was Gottes Gnade für uns bestimmt hatte. Dort, wo Er ist, sind unsere Segnungen, und sie können nirgendwo anders sein, denn Er ist es, in dem wir gesegnet sind. Nichts mangelt uns zum Leben, zur Freude, Erquickung und Nahrung unserer Seelen; aber nur in Ihm, dem erhöhten Herrn, finden wir es. Außer Ihm haben wir nichts. Wir sind von den vergänglichen Dingen dieser Welt losgelöst und mit den himmlischen Örtern verbunden. Dort ist alles in Sicherheit: nichts fehlt, nichts ist in Gefahr, nichts vergeht. Dort ist unser Schatz in welchem alle unsere Segnungen verborgen liegen. Wer könnte sie uns rauben? Es ist Christus selbst. Möchten denn nun auch unsere Herzen stets dort sein! Dann wird unser Wandel ganz von selbst das Gepräge von dem Orte tragen, wo unsere Herzen sich befinden.

Geliebter Leser! Sollten unsere Herzen angesichts dessen, was uns geschenkt ist, nicht überströmen von Lob und Dank? Als die Kinder Israel einst in das gelobte Land eingezogen waren und sich überhäuft sahen von all den irdischen Segnungen, welche Gott ihnen verheißen hatte, da brachten sie mit freudigen und dankbaren Herzen ihre mit den Erstlingsfrüchten gefüllten Körbe vor Jehova dar (5. Mose 26) Und wir, sollten wir nicht auch beim Anblick der geistlichen und ewigen Segnungen, in die wir eingeführt sind, mit dem Apostel ausrufen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“? Ja, ich möchte fragen: Erkennen und schätzen wir diese Segnungen nach ihrem wirklichen Werte? Leben wir im Geiste in jenen himmlischen Örtern mit Ihm, der uns all diese Freude und Herrlichkeit bereitet hat? Wenn es der Fall ist, so werden wir nicht nötig haben, uns daran zu erinnern, dass wir doch loben und danken sollten. Ganz von selbst wird dann das Lob aus unserem Herzen hervorquillen und stets in unserem Munde sein.

Wenn wir nun weiter nach der Quelle dieser Segnungen fragen, so gab es wahrlich nichts in uns, auf Grund dessen wir sie als Schuldigkeit hätten fordern können, noch war etwas in uns, was zu ihrer Erlangung hätte mitwirken können. Die Quelle von allem ist Gott allein. Sie sind das Ergebnis Seines Vorsatzes, Seiner ewigen Ratschlüsse. Schon vor Grundlegung der Welt hat Gott die Gläubigen auserwählt, sie so zu segnen. In den unergründlichen Tiefen der Ewigkeit beschäftigte Er sich mit ihnen in Seinen Gedanken. Sein Ratschluss in Bezug auf sie war schon gefasst, ehe irgend etwas ins Dasein gerufen war. Er wollte sie segnen; aber wir dürfen nicht vergessen, dass es immer in Christo ist: in Ihm sind wir zuvor ersehen, in Ihm sind wir gesegnet. Es gab keine zuvor beschlossene, noch gibt es eine vollendete Segnung, außer in Ihm. Welche Sicherheit verleiht dem Gläubigen das Bewusstsein: ich bin auserwählt „in Ihm“! Könnten die ewigen Ratschlüsse Gottes sich je ändern? Nein, Seine Gnadengaben und Seine Berufung sind unbereubar (Röm. 11, 29). Und die Tatsache, dass wir „in Christo“ auserwählt sind, ist ein weiteres Unterpfand für unsere Sicherheit. 

Wenn ich wirklich in Christo bin, (und das ist das Teil eines jeden Christen), so sind auch alle Segnungen, die in Ihm sind, mein; und wer könnte mich scheiden von Christo, in dem ich auserwählt bin? Wer wird mich scheiden von Seiner Liebe? Wer könnte die ewigen Ratschlüsse Gottes über mich vereiteln? Was ich in mir selbst war und bin, das kommt gar nicht in Frage: es handelt sich allein um die Gedanken Gottes über mich. Und Er sieht mich „in Christo“. Teurer gläubiger Leser! hast du je daran gedacht, dass Gott dich in den vergangenen Zeitaltern der Ewigkeit schon gesehen und dazu bestimmt hat, um in der Zeit und in den kommenden Ewigkeiten so gesegnet zu sein? O lass doch keine Fragen, keine Vernunftschlüsse, keine Zweifel über deine Auserwählung in deinem Herzen aufkommen! Sie sind vom Feinde. Überlasse diese Dinge Gott! Die wunderbare Tiefe Seiner Ratschlüsse vermögen arme Erdenwürmer, wie wir sind, nicht zu ergründen. Die einzige Frage, um welche es sich handelt, ist diese: Bist du in Christo? Bist du in Wahrheit zu Ihm gekommen? Kennst du Ihn als deinen Heiland? Wenn du diese Fragen mit einem glücklichen Ja beantworten kannst, dann gehörst du zu denen, welche Gott vor Grundlegung der Welt auserwählt hat, und kannst mit Paulus im Gefühle tiefer Dankbarkeit ausrufen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“

Doch es wird uns nicht nur gesagt, dass Gott uns auserwählt habe in Christo, sondern der Heilige Geist teilt. uns auch mit, welche Absicht Er dabei hatte. Diese Absicht entspricht ganz und gar Seiner Natur. „Gott ist Licht“, und so hat Er uns auserwählt, „dass wir heilig und tadellos seien vor Ihm in Liebe“. Das ist sehr beachtenswert. Gott wollte vor sich, in Seiner Gegenwart, Menschen haben, gegen welche Seine Liebe ungehindert ausströmen konnte, und die sich zugleich in dem Genuss dieser Liebe vollkommen glücklich fühlten. Aber wie war das möglich? Wie können Menschen in Seiner heiligen Gegenwart sein? Nur dann, wenn sie Seiner heiligen und reinen Natur entsprechen. Das ist eine unbedingte Notwendigkeit. Könnte wohl ein Mensch, der die Welt und ihre Vergnügungen liebt, dessen Gedanken von den sichtbaren Dingen eingenommen sind, glücklich sein in der Gegenwart Gottes, in den reinen und heiligen Freuden des Himmels? Nimmermehr! Sie würden ihm fremd, ja zuwider sein. Seine ganze Natur würde sich dagegen sträuben. Er kann ja hienieden nicht einmal die Gesellschaft der Christen ertragen: wie würde es erst im Himmel sein! Nein, wenn er wirklich dahin gelangen könnte, so würde er sich sehnen, so rasch wie möglich wieder hinaus zu kommen.

Um sich der Gegenwart Gottes und der Freuden des Himmels erfreuen zu können, ist eine Natur nötig, die Gott und dem Himmel entspricht. Und andererseits, wie könnte der dreimal heilige Gott, dessen Augen zu rein sind, um Böses vor sich sehen zu können, einen Sünder in seiner Unreinheit vor sich dulden? Das ist ganz und gar unmöglich. Weder kann der heilige Gott einen Sünder, der die Sünde liebt, in Seiner Gemeinschaft haben, noch kann ein solcher Sünder glücklich sein bei Gott. Aber Gott sei gepriesen! Er hat uns auserwählt als Gegenstände Seiner Liebe, und uns fähig gemacht, diese Liebe zu genießen, und zwar indem Er uns so heilig und tadellos vor sich hingestellt hat, dass Sein heiliges Auge auf uns ruhen kann, ohne irgend einen Makel oder Flecken an uns zu finden. Ja, mehr noch; Sein Auge kann mit Wohlgefallen auf uns blicken, und wir können, Seiner Heiligkeit entsprechend, vor Ihm sein in überströmender Glückseligkeit. 193

Aber sind wir denn „heilig und tadellos“ in uns selbst oder in unserem Wandel? Ach! wir wissen nur zu gut,

dass das nicht der Fall ist. Aber darum handelt es sich hier auch nicht. Es gibt in den himmlischen Örtern vor Gott tatsächlich einen Menschen, der so ist, d. h. heilig und tadellos. Er lebte einst hienieden und hat Gott vollkommen verherrlicht, und jetzt hat Gott Ihn bei sich selbst verherrlicht. Und in diesem Menschen, in Christo, sind wir gesegnet, in Ihm sind wir auserwählt, und in Ihm sind wir jetzt vor Gott. Der Christ hat keine andere Stellung vor Gott und kann in der Tat keine andere haben als diese. Und hieraus allein beruht seine Sicherheit. ist wohl kaum nötig zu sagen, dass er hienieden dieser Stellung gemäß wandeln soll; es versteht sich das von selbst, und wir finden im Verlauf der Epistel auch die darauf bezüglichen Ermahnungen. Aber diese Seite der Wahrheit steht hier nicht in Frage. Wir sind auserwählt in Christo, dass wir heilig und tadellos seien, ohne jeden Makel, und wir sind das, Gott sei Lob und Dank dafür! in Christo. Deshalb können wir auch glücklich sein in der Gegenwart eines Gottes, der „Licht“ ist; wir haben nichts zu fürchten, sondern wir erfreuen uns Seiner Liebe. Darum noch einmal: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“

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Wendet euch zu mir!

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 194ff

„Wer hat dieses von alters her hören lassen, vorlängst es verkündet? Nicht ich, Jehova? und es ist sonst kein Gott außer mir; ein gerechter und rettender Gott ist keiner außer mir! Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle ihr Enden der Erde! denn ich bin Gott, und keiner sonst (Jes. 45, 21. 22).

Wendet euch zu mir! — Wer ist es, der diesen Ruf ertönen lässt? Der gerechte Gott, der Gott, welcher „Licht ist und gar keine Finsternis in Ihm“ (1. Joh. 1, 5). Wie kann aber der schuldige Sünder einem gerechten und heiligen Gott begegnen? Gericht und ewige Verdammnis können doch nur sein Los sein, wenn er mit seinen Sünden vor diesem Gott erscheint. Ein Gericht ohne Barmherzigkeit, der Feuersee mit allen seinen Schrecken, muss den Schuldigen treffen. Ein gerechter Gott muss ja die Sünde bestrafen. Er kann nicht achtlos über den geringsten Flecken hinweggehen. Er würde Seine Natur verleugnen und Seine gerechte Regierung ins Gegenteil verkehren müssen, wenn Er die kleinste Sünde ungeahndet lassen wollte. Wo irgend Sünde sich findet, kann sie nur dem gerechten Gericht Gottes begegnen.

Doch beachten wir die herrliche Verbindung zweier kleiner, aber so bedeutungsvoller Worte in unserer Stelle. Gott sei gepriesen! wir werden nicht nur aufgefordert, uns zu einem „gerechten“ Gott zu wenden; das würde, wie gesagt, nur unvermeidliches Verderben für uns bedeuten. Nein, wir dürfen auch auf einen anderen Titel lauschen, welchen die Gnade mit dem Namen Gottes verbunden hat; und sobald wir das tun, ist alles verändert. Und wie lautet dieser andere Titel? O höre ihn, lieber Leser, und freue dich! Sieh, Gott ist nicht nur ein „gerechter“, sondern auch ein „rettender“ Gott. Kostbare Tatsache für arme, verlorene Sünder!

Aber wie kann Gott gerecht sein und doch den Sünder retten? Aus diese Frage gibt das Kreuz die ewig gültige Antwort. Dort sind alle Forderungen der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit befriedigt worden. Dort wurde die Sünde völlig gerichtet und Gott in allen Seinen Eigenschaften vollkommen verherrlicht. Dort stand der Unschuldige an des Schuldigen Statt, dort litt der Gerechte für die Ungerechten, der Heilige für die Unheiligen; dort floss das kostbare Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, welches „uns reinigt von aller Sünde“ (1. Joh. 1, 7). Mit einem Wort, das Kreuz bildet die Grundlage, auf welcher Gott, unbeschadet Seiner Gerechtigkeit, ja in Erweisung derselben, in Gnaden als ein Heiland-Gott handeln kann. Ja, dort sehen wir, wie Gott „gerecht ist und den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesum ist“ (Röm. 3, 21 — 26). Christus trug das Gericht das „gerechten“ Gottes über die Sünde, damit Gott als der „rettende“ Gott den unreinsten Sünder, der zu Ihm sich wendet, an- und aufnehmen könne.

Und wer sind diejenigen, an welche die göttliche Botschaft ergeht? Ist es eine besondere Klasse? Nein, Gott sei Dank! es ist nicht Seine Weise, Seinen Gnadenruf, Seine Einladung der Liebe zu beschränken. Der Mensch mag das tun, aber Gott nicht. Höre noch einmal die wunderbaren Worte: „Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle ihr Enden der Erde!“ Das Heil Gottes ist bestimmt für jede Kreatur, die unter dem Himmel ist. „Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt“, sagt Er zu Christo, Seinem Gesalbten, „um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde“ (Jes.49, 6). Als Gott Sein Gesetz gab, redete Er nur zu einem Volke; wenn Er aber als „ein gerechter und rettender Gott“ redet, wendet Er sich an „alle Enden der Erde“. So lautete denn auch der Auftrag des Herrn an Seine Jünger: „Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mark. 16,15).

Also jeder darf kommen? Ja, darf nicht nur, jeder sollte kommen. Die göttliche Botschaft richtet sich an alle Enden der Erde, also an einen jeden, der sie hört. Da ist keiner ausgeschlossen. „Wen da dürstet, der komme: wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!“ (Offbg. 22, 17). Darum, mein lieber Leser, wenn du noch zweifelnd und fragend fern stehen solltest, ungewiss, ob die Gnade Gottes auch sicher und bestimmt dir gelte, lausche dann ernst auf die Stimme Gottes! Denn Er ist es, der redet, und Er sagt: „Wendet euch zu mir und werdet errettet, alle ihr Enden der Erde!“ Bedenke, dass du Gott zum Lügner machst, wenn du Sein Zeugnis nicht annimmst!

Ja, zweifle nicht länger, bekümmertes Herz!

O komme und fasse nur Mut;

und ruhe in Jesu vollendetem Werk,

in Seinem vergossenen Blut!

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Gedanken über das Verhalten der Gläubigen in der Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 197ff

Wir kommen jetzt zu den einzelnen Ermahnungen, welche das Wort Gottes dem Weibe gibt. Bei der Betrachtung derselben werden wir wieder sehen, wie genau Gott die Gefahren und Versuchungen kennt, welche auf dem Wege einer gläubigen Frau liegen, und wie Er in Gnade und Treue denselben zu begegnen sucht.

„Das Weib aber, dass sie den Mann fürchte“, mit diesen Worten schließt der Apostel seine kostbaren Unterweisungen in Eph. 5. Es ist gleichsam das Fazit, das er aus seiner ganzen Belehrung zieht. Der Mann liebe sein Weib also wie sich selbst, und das Weib fürchte ihren Mann. Fürwahr, ein schönes und ernstes Ergebnis! Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass hier von keiner sklavischen Furcht die Rede sein kann; denn das Weib ist nicht die Sklavin des Mannes, sondern seine Gehilfin. Aber nie möge sie vergessen, dass ihr nicht die Berufung von Gott zu teil geworden ist, zu herrschen, vor allem nicht über ihren Mann zu herrschen, sondern ihn zu ehren und zu achten, ihm zu gehorchen, so wie einst Sarah dem Abraham gehorchte und ihn „Herr“ nannte (1. Petr. 3, 6,), ja, ihn zu fürchten, gleichwie die Versammlung Christum, ihren Herrn, fürchtet. So schreibt Paulus auch an Timotheus: „Ich erlaube aber einem Weibe nicht . . . , über den Mann zu herrschen, sondern stille zu sein“ (1. Tim. 2,12)) Die Begründung dieses Ausspruchs ist einfach und ernst: „Adam wurde zuerst gebildet, darnach Eva“; und ferner: „Adam wurde nicht betrogen, das? Weib aber wurde betrogen und fiel in Übertretung“. Bei der Erschaffung stand sie also erst in zweiter Reihe, ja, sie wurde von Adam genommen; aber im Sündenfall nahm sie den ersten Platz ein.

 Zwei wichtige und eindringlich redende Tatsachen! In unseren Tagen, wo so viel von den allgemeinen menschlichen Rechten und von der Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit des Weibes- mit dem Manne geredet wird, ist es gut und heilsam, sich an das ewig bleibende, unveränderliche Wort Gottes zu erinnern· „Das Weib aber, dass sie den Mann fürchte“ -— so spricht die göttliche Weisheit, so hat Gott es verordnet; und darum sieh zu, du gläubige Frau, dass du dem Gebote Gottes nachkommst und in keiner Beziehung Seine Ordnung ins Gegenteil zu verkehren suchst!

Auch in der bereits angeführten Stelle aus dem ersten Petribriefe ist von einem in Furcht keuschen Wandel die Rede, und zwar handelt es sich dort, wie wir wissen, um Weiber, deren Männer dem Worte nicht gehorchen“. Also auch da ist ein Wandel „in Furcht“ geboten. Zugleich „in Keuschheit“. Dies führt uns zu einer anderen großen Gefahr, welcher das weibliche Geschlecht in besonderer Weise ausgesetzt ist; diese Gefahr heißt: Gefallsucht. Wie zeigt sich diese böse Neigung schon bei dem Kinde, wie tief ist sie eingewurzelt und wie reißend schnell wächst sie mit den Jahren! Wie verunziert sie so manche Jungfrau und, wir müssen leider hinzufügen, auch so manche Frau! Welch große Gefahren birgt sie zugleich in sich für die Reinheit und Keuschheit des Herzens!

Hören wir, was Gottes Wort in dieser Beziehung den Frauen zu sagen hat: „Desgleichen auch, dass die Weiber in bescheidenem Äußern, mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit sich schmücken, nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarer Kleidung, sondern was Weibern geziemt, die sich zur Gottesfurcht bekennen, durch gute Werke“ (1. Tim. 2, 8 - 10) Und ferner: „Gleicherweise ihr Weiber, seid euren eignen Männern unterwürfig, auf dass, wenn auch etliche dem Worte nicht gehorchen, sie durch den Wandel der Weiber ohne Wort mögen gewonnen werden . . . ; deren Schmuck sei nicht der auswendige durch Flechten der Haare und Umhängen von Gold oder Anziehen von Kleidern, sondern der verborgene Mensch des Herzens in dem unverweslichen Schmuck des sanften und stillen Geistes, welcher vor Gott sehr köstlich ist“ (1. Petr. 3, 1 —- 4).

Es liegt unserem eigentlichen Thema fern, diese Ermahnungen in ihrer allgemeinen Anwendung zu besprechen; wir haben es zunächst nur mit der Verheirateten Frau zu tun. Allein was für die Frauen im allgemeinen wahr ist, gilt auch im Besonderen der verheirateten Frau, ja umso mehr ihr, als der Kreis ihres Einflusses naturgemäß ein größerer ist als der einer alleinstehenden Schwester. Ihr Verhalten ist meist tonangebend für die übrigen weiblichen Glieder der Familie oder des Haushalt; ja, es drückt dem ganzen Hause, dem besonderen Wirkungskreise der Frau, seinen Stempel ans. Sie kann deshalb viel Gutes, aber auch viel Böses tun. Ist sie eitel, liebt sie Prunk und äußeren Schein, so werden Kinder und Dienstboten, ja, die Einrichtung des ganzen Hauses dementsprechend erscheinen. 

Ist sie einfach und anspruchslos liebt sie ein bescheidenes Äusseres, so wird das ganze Haus denselben wohltuenden Eindruck auf den Beschauer machen, selbst wenn Gott dem Manne viel Hab und Gut geschenkt haben sollte. Dass zwischen den Häusern der Gläubigen, je nach deren irdischen Verhältnissen, ein Unterschied besteht, ist selbstverständlich; aber ob reich oder arm an irdischen Gütern —— ein jeder Mann und eine jede Frau sollten wohl daran denken, wie sie in ihrer besonderen Lage und Stellung dem Herrn gefallen und Anderen zum Nutzen und zur Erbauung sein mögen (Röm. 15, 2).

„In bescheidenem Äußeren“ was will das sagen? Beziehen sich diese Worte nur auf die Kleidung der Frau? Oder gelten sie auch ihrem ganzen Benehmen? Sie nehmen sicherlich Bezug auf beides. Darum wird auch sogleich hinzugefügt: „mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit“. —- So schmückt euch denn, ihr Frauen, in dieser lieblichen Weise! Schmückt euch für eure Männer, eure Kinder, eure Häuser, ja, vor allein für den Herrn! Der Hang, sich zu schmücken, liegt ja in der weiblichen Natur. Gott verurteilt ihn nicht, aber Er möchte ihn gern in die rechten Bahnen lenken. Darum schmückt euch; nur nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarer Kleidung, sondern „was Weibern geziemt, die sich zur Gottesfurcht bekennen, durch gute Werke“. Wie schön und lieblich ist es, eine Frau zu sehen, die sich in dieser Weise schmückt; die einfach und bescheiden auftritt, sich nicht in den Vordergrund drängt, nicht aufzufallen und sich bemerkbar zu machen sucht, sondern still und anspruchslos ihre so wichtige Arbeit tut; die sich freut, dienen, hören und lernen zu dürfen, und die schon in ihrer äußeren Kleidung zu erkennen gibt, dass sie einen anderen Schmuck kennt als den, der ans Perlen, Ringen und kostbaren, neumodischen Kleidern besteht. Eine solche Frau ist sicherlich nicht nachlässig in ihrer Kleidung, oder gar unordentlich und unsauber im Blick auf sich selbst oder ihr Hauswesen, Das wäre wahrlich kein Schmuck,

nichts Anziehendes für Gott und Menschen. Nein, sie ist sich ihrer Verantwortlichkeit in dieser Beziehung

wohl bewusst und ist besorgt, »dass sie ihrem Manne gefallen möge“. Sie weiß ganz gut, wie sie durch ihr stilles, freundliches Walten, durch Ordnung und Sauberkeit im Hause ihrem Manne sein Heim lieb und wert machen kann; und sie weiß auch, wie das Gegenteil schon manchem Manne das Hans verleidet und ihn auf verkehrte Wege getrieben hat. Das Bild eines unordentlichen, schwatzhaften Weibes, wie es in 1.Tim. 5, 13 entworfen wird, ist ihr ein Gräuel: „müßig, in den Häusern umherlaufend; nicht allein aber müßig, sondern auch geschwätzig, vorwitzig, redend was sich nicht geziemt. Sie ist eingedenk des Wortes: „Ein Weib lerne in der Stille in aller Unterwürfigkeit“; und sie weiß, dass der Bereich ihrer Tätigkeit in erster Linie das Hans ist, obwohl sie jedem guten Werke nachgehen darf und soll.

O möchte Gott geben, dass alle gläubigen Frauen diesem Bilde mehr gleichen möchten! Die „heiligen Weiber, die ihre Hoffnung auf Gott setzten“ (1. Petr. 3, 5), schmückten sich einst in solcher Weise, und Gott hat es nicht übersehen. Ihre Geschichte steht aufgezeichnet auf den Blättern des göttlichen Wortes, und was sie in der Stille getan und wie sie sich mit diesem vor Gott so köstlichen, „unverweslichen Schmuck“ geschmückt haben, das wird in Ewigkeit nicht vergessen werden. Ach, dass so viele christliche Frauen einen solchen Wert auf ein schönes, schimmerndes Gewand setzen! ja, dass in unseren Tagen die Kleidermacherin alle ihre Kunst ausbieten muss, um es dem Geschmack der christlichen Bestellerin recht zu machen! Frage dich selbst, liebe Leserin: Ist es einer Jüngerin des demütigen und niedrigen Jesus von Nazareth würdig, so viel Wert auf Kleidung und Putz zu legen? Würdest du wohl so viel von Mode und neuestem Schnitt reden, wenn Jesus neben dir stünde? Würdest du in deinem modischen Kleide und mit deinem sonstigen Schmuck gern an der Seite des Herrn und Heilandes über die Straße gehen?

Sage nicht, man dürfe die Sache nicht übertreiben; es sei nicht so schlimm. Sage auch nicht, man müsse diese Dinge jedem einzelnen Gewissen überlassen; man könne auch mit einem kostbaren Kleide ein demütiges Herz haben, und umgekehrt, mit einem einfachen ein stolzes. Letzteres ist gewiss wahr, aber deshalb bleiben die ernsten und klaren Weisungen des Wortes» Gottes doch zu Recht bestehen, und sieh wohl zu, dass du die Schärfe dieses zweischneidigen Schwertes nicht abzustumpfen suchst. Ein ernster, vorurteilsfreier Blick in unsere Sonntagsversammlungen (besonders in den größeren Städten) genügt, um

uns zu zeigen, dass es in unserer Mitte viel Hang zur Eitelkeit und zu „auswendigem“ Schmuck gibt. Wie betrübend und demütigend ist diese Tatsache, besonders wenn wir an unser Zusammen am Tische des Herrn denken! Wir verkündigen da den Tod unseres Herrn, des von der Welt verworfenen und gekreuzigten Heilandes, mit dem wir ebenfalls verworfen und gekreuzigt zu sein bekennen. Wir sagen, dass wir hinausgegangen seien außerhalb des Lagers, die Schmach Christi tragend. Wir versammeln uns als die Kinder des heiligen Gottes, als Seine von der Welt und ihrem Wesen abgesonderte Familie. Der Herr selbst ist in unserer Mitte, und des Vaters Auge schaut vom Himmel her auf uns herab. Wir sind gewaschen, gereinigt und geheiligt; die Schmach Ägyptens (der Welt) ist von uns abgewälzt.

 Und bei alledem beweisen so viele von uns durch ihr ganzes äußeres Erscheinen, das; sie praktisch „noch in der Welt leben“. Ihre Kleidung, ihr Schmuck, ja ihr ganzes Benehmen trägt die deutlichen Spuren Ägyptens, die hässlichen Flecken der Welt, an sich. --— O ihr Frauen und Mutter, lauschet auf die ernsten, eindringlichen Worte Gottes! Wachet auf, wenn ihr eingeschlafen seid, zu einem tiefen, lebendigen Bewusstsein eurer Verantwortlichkeit sowohl dem Herrn, als auch euren Häusern und nicht im Geringsten auch euren Kindern gegenüber! Erbittet euch viel Gnade von Gott, um dieser Verantwortlichkeit entsprechen zu können, indem ihr selbst ein gutes Vorbild seid „in dem uuverweslichen Schmuck des sanften und stillen Geistes, welcher vor Gott sehr köstlich ist“.

Bezüglich dieses sanften und stillen Geistes bemerkt der weiter oben schon einmal angeführte Schreiber:

„Die Schrift nennt dies den Schmuck der Frau. Der Herr erlaubt also dem Weibe, sich zu schmücken. So wie Er, indem Er sie zur Keuschheit und Unterwürfigkeit ermahnte, damit zugleich ihrem eigenen Bedürfnis Ausdruck gab, erkennt Er hier in der Frau den Zug an, den Er selbst in sie gelegt hat, nämlich den, sich gern zu schmücken. Indes dürfen mir nicht vergessen, das; durch die Sünde die Gestalt und das Verhalten von allem verdorben und verkehrt worden ist; so ist es auch dem Weibe seit jener Zeit mit ihrem Hang, sich zu schmücken, ergangen. Die Kleider, die an und für sich schon eine Folge der Sünde sind (1. Mose 3, 7. 21), sind für sie dasjenige geworden, was ihr eine hübsche, angenehme Erscheinung geben soll. Das Flechten des Haares und das Umhängen von Gold und Perlen hat sie zu einem Gegenstand ihres eifrigen Studiums gemacht. Aber ach! Er, der sie erschaffen hat, und der am besten weiß, was ihr not tut, hält sie noch keineswegs für geschmückt, wenn sie auch mit den kostbarsten Schmucksachen und schönsten Kleidern angetan wäre.

 Er versagt ihr weder Kleider noch guten Geschmack; aber wenn sie nichts anderes aufweisen kann als das, so muss Er über sie urteilen, das; sie des einzig wahren Schmuckes entbehrt. Und dieser in Gottes Augen so kostbare Schmuck ist „ein sanfter und stiller Geist“. Glücklich die Frau, die das verstanden hat! Sie, „die Stille“, verabscheut allen unnötigen Lärm, und selbst in der Verrichtung ihrer häuslichen Arbeiten geht sie still ihren Gang. Vor allem hält sie sich fern von aller Plaudersucht und Schwatzhaftigkeit· Sie spricht nicht viel, und darum hat sie Zeit, über ihre Worte nachzudenken. Sie gleicht in keiner Weise jenen geschwätzige Frauen, die durch ihre scharfe

Zunge sowohl in ihrer eigenen Haushaltung als auch in anderen Familien oft so großes Unheil anrichten. Sie trägt deshalb auch keine Schuld daran, wenn so viel Sturm und Unfrieden geerntet wird infolge der Klatschereien und Verleumdungen solcher Frauen, die da „reden was sich nicht geziemt“.

Auch ist sie „sanftmütig“. Heftigkeit und Härte sind ihr fremd. Sie kann viel ertragen, nicht nur die großen Beschwerden, welche das Leben mit sich bringt, sondern vor allein auch jene kleinen Mühen, die in einem Haushalt, besonders wenn er etwas zahlreich ist, täglich und stündlich vorkommen. Und während sie selbst sich nicht aufregen lässt, weiß sie durch ihre Sanftmut einen solch beruhigenden Einfluss auf Andere auszuüben, dass mancher Anlass zu Zorn und Streit hinweggetan wird. Sie ist eine wahre Friedensstifterin (Matthäus 5, 9), so recht geeignet, Zwistigkeiten aus dem Wege zu räumen, Erzürnte miteinander zu versöhnen und ein liebliches Einvernehmen zu befördern. Auch ist sie nicht nur zum Schein, nur äußerlich, sanft und still; nein, alles gelingt ihr so wohl, weil sie sanften und stillen Geistes ist. Es steht innerlich so bei ihr, und darum kommt dieselbe Gesinnung auch nach außen hin zum Ausdruck. Und es steht deshalb so bei ihr, weil Gott es in ihr gewirkt hat. Sie hat gelernt, so zu sein, durch die Belehrung des Geistes Gottes, und vielleicht auf dem Wege vieler Demütigung. Deshalb begehrt sie auch, immer noch mehr auf diesem Wege zu lernen.

„Die Frau, die also geschmückt ist, wird wenig Bedürfnis für anderen Schmuck haben. Um auf Andere einen angenehmen Eindruck zu machen --— und dazu dient ja doch der Schmuck — braucht sie nicht zu kostbaren Kleidern, Gold oder Perlen ihre Zuflucht zu nehmen. Überall, wo sie sich zeigt, lässt sie ein liebliches Bild zurück, das Bild der Stille und Sanftmut. Darum bedeckt sie sich mit einem einfachen Gewande, und ihr Schmuck ist die „Schamhaftigkeit und Sittsamkeit“, der „sanfte und stille Geist“, verbunden mit „guten Werken“. . . . Denn obwohl sie in ihrem Hause verborgen ist und in dem 205 öffentlichen Leben, dem Bereich der Tätigkeit des Mannes, keinen Platz hat, ist es ihr keineswegs versagt, gute Werke zu tun . . . Im Gegenteil, manch liebliches Werk kann durch die Frau verrichtet werden. 

Der Mann mag stolze Bauten, herrliche Kunstwerke und dergl. zustande bringen, Dinge, welche die Menschen preisen; aber die Frau ist dazu bestimmt und gebildet, Werke zu tun, die nicht ins Auge fallen, die aber der Herr preist, und die einen lieblichen Wohlgeruch um sich her verbreiten. Ihr häusliches Leben, fern von dem Gewühl der Öffentlichkeit, erlaubt es ihr, viel zu den Füßen des Herrn zu sitzen und Worte von Ihm zu hören, die ihr einen weit höheren Genuss bereiten, als das laute Lob, welches dem Manne in seinem Wirkungskreise vielleicht zufällt. Möchten alle gläubigen Frauen fühlen, dass wir, indem wir diese Dinge behandeln, eine Saite berühren, die in ihrem Innersten nachklingen sollte! Tief wäre die Frau zu beklagen, die hierfür kein Verständnis; hätte.

Eine besondere Verheißung wird der sittsamen, gläubigen Frau noch in 1. Tim. 2, 15 gegeben, die sehr

tröstlich ist. Das Weib war es, durch welches- die Sünde in die Welt kam, und mit ihr der Fluch, ja, mit ihr auch das besondere Gericht, welches« der Herr in 1.Mose 3,16 über Eva ausspricht. Welch ein Trost ist es nun für eine gläubige Frau, hier zu hören, dass gerade dasjenige, was als Strafe für ihre Schuld über sie gekommen ist, zu einer Veranlassung für Gott wird, ihr Seine Barmherzigkeit und gnädige Hilfe in besonderer Weise zu offenbaren! Sie wird in ihrer schweren Stunde gerettet werden, wenn sie in alledem wandelt, was das weibliche Geschlecht fähig macht, die wichtigen Pflichten, die ihm auferlegt sind, zur Ehre Gottes und mit glücklichen Herzen zu erfüllen, d. h. wenn sie bleibt „in Glauben und Liebe und Heiligkeit mit Sittsamkeit“.

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Gepriesen sei der Gott und Vater

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 207ff

Gott konnte uns also, Seiner Natur nach, nicht anders als heilig und tadellos vor sich haben, aber auch Sein Herz verlangte nach Befriedigung. Er wollte uns nicht bloß vor sich, sondern auch für sich haben, und das ist eine neue Quelle des Lobes und der Anbetung. Gott hat uns „zuvor bestimmt zur Sohnschaft durch Jesum Christum“. Dies entspricht Seinem Charakter als Vater und ist in Übereinstimmung mit den Worten des Herrn Jesu: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater“. Ja, in Christo und durch Christum sind wir Kinder Gottes geworden. Gott wollte Söhne um sich haben, eine Familie, die Ihn kennt und Ihn umgibt als ihren Vater. Zu diesem kostbaren Verhältnis hat Er uns zuvor bestimmt vor Grundlegung der Welt, und in Christo sind wir in dasselbe eingeführt worden. Welch eine vollkommene Stellung vor Gott, welch eine innige und gesegnete Beziehung zum Vater! Sind diese wunderbare Segnungen nicht geeignet, unsere Herzen überströmen zu machen, so dass wir von neuem mit Paulus ausrufen müssen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“?

Und wenn wir nun fragen: Warum hat Gott uns diesen Platz der Sohnschaft gegeben? so lautet die Antwort: Um Seinetwillen, zu Seiner Befriedigung, zur Befriedigung Seiner Liebe. Er wollte Söhne haben „für sich selbst“, Kinder, über welche Seine ganze Liebe sich ergießen konnte. Und wie kommt uns diese Gnade zu? „Durch Jesum Christum. In Christo besitzen wir, wenn ich mich so ausdrücken darf, eine goldene Schnur, an welche alle unsere Segnungen angereiht sind. Er ist es, der sie in sich selbst alle miteinander verbindet! Und diese Gnade ist uns zu teil geworden „nach dem Wohlgefallen Seines Willens“. Nicht als ob Gott etwas in uns gesehen hätte, was uns dieses Platzes würdig gemacht hätte. Weit entfernt davon! Es war nur Sein Wille, uns so zu segnen, zur Befriedigung Seines Herzens als Vater. O wie groß und erhaben ist unser Gott und Vater! Wie gut und köstlich ist es, Ihn zu kennen! Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!

Paulus fügt deshalb auch hinzu: „Zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade (V. 6). Denn nirgend strahlt Gottes Gnade in hellerem Glanze, nirgend ergießt sich ihr Licht schöner und herrlicher, als in der Erlösung solch armer Wesen, wie wir von Natur sind. Wo waren wir? Fern von Gott! Aber Jesus, der vielgeliebte Sohn Gottes, ist gekommen, und nachdem Er das Wohlgefallen Seines Vaters vollbracht hatte, hat Er uns bei der Hand genommen und uns zu Gott geführt, damit wir Söhne Gottes würden. Gibt es etwas, was die Gnade Gottes mehr erheben könnte? Wahrlich nicht. Nun, dann lass mich fragen, geliebter Leser: Hat diese herrliche Gnade auch dein Herz erleuchtet, und ist es erfüllt mit Freude und Lob?

An die eben betrachtete Segnung reiht sich noch eine andere und wieder eine andere in herrlicher Folge an. Die Herrlichkeit der Gnade Gottes hat uns einen unaussprechlich kostbaren Platz gegeben. Wir haben gesehen, dass wir, passend gemacht für Seine Gegenwart, Gott nahen dürfen als geliebte Söhne. Das ist groß und herrlich, ja, Gottes würdig. Aber Er hat noch mehr als das für uns in Bereitschaft. Aus der unergründlichen Tiefe Seines Herzens, aus Seiner Fülle, schöpft Er für uns Gnade um Gnade. Wir lesen im 6. Verse, in Verbindung mit jener „Herrlichkeit“ Seiner Gnade, die Worte: „worin Er uns begnadigt“ oder „angenehm gemacht hat. Angenehm gemacht? Uns? — Wie seltsam klingt das Wort in den Ohren eines jeden, der ein wenig sich selbst erkannt hat! Aber fügen wir nur sofort hinzu: nicht in uns sind wir angenehm gemacht; ach nein! sondern in Christo, und zwar in Ihm als „dem Geliebten“. Erwägen wir wohl diese Worte. Vergegenwärtigen wir uns, soweit wir es vermögen, was Christus für das Herz Gottes ist; ich meine nicht, was Er als der eingeborene und ewige Sohn von Ewigkeit her war, sondern was Er als Mensch für Gott ist. Christus hat Gott auf der Erde verherrlicht in Seinem beharrlichen und vollkommenen

Wandel der Hingebung, der Abhängigkeit und des Gehorsams, so dass alles in Ihm: Gedanken, Worte und Werke, zu Gott emporstieg als ein süßer Wohlgeruch, und dass das Herz des Vaters überströmen konnte in den Worten: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“. Er hat Gott verherrlicht bis ans Ende Seines verleugnungsvollen Pfades, indem Er gehorsam ward bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Er hat Gott verherrlicht, indem Er den Kelch des Zornes Gottes trank; dort am Kreuze, für uns zur Sünde gemacht, hat Er Gott verherrlicht in Seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit,

damit Gottes Liede zu verlorenen Sündern offenbar werden könnte. Ja, Gott ist durch Christum in allem, was Er ist, verherrlicht worden. Unter welchem Gesichtspunkt wir unseren hochgelobten Herrn auch betrachten mögen, ob als Brandopfer, als Speisopfer oder als Opfer für die Sünde, stets und überall hat Er Gott verherrlicht; und in dem Bewusstsein dessen, was Er für den Vater war, konnte Er sagen: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, aus dass ich es wiedernehme; und wiederum, als Er im Begriff stand, diese Welt zu verlassen und zum Vater zurückzukehren: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde, und nun verherrliche du mich bei dir selbst. Und Gott hat Seinen geliebten Sohn verherrlicht. Was könnte für das Herz des Vaters köstlicher sein als Jesus! Alle Seine Zuneigungen ruhen auf Ihm.

Und nun, mein Leser, denselben Platz, hat die Gnade uns mit Christo gegeben: wir sind „angenehm gemacht, begnadigt in dem Geliebten, Anbetungswürdige Gnade! Wer könnte sie fassen, wer sie ergründen? Geliebt wie Jesus selbst; schon in dieser Welt „wie Er ist“; angenehm gemacht vor Gott, wie Er selbst angenehm ist — was sollen wir hierzu sagen!?

Und diese Dinge sind gegenwärtige Wirklichkeiten. Sie müssen nicht erst durch unsere Anstrengungen oder durch Aufrichtung einer eingebildeten Heiligkeit erreicht werden. Ach nein; sie sind viel zu erhaben, als dass man auf solchem Wege zu ihnen gelangen könnte. Es sind auch nicht Dinge, welche wir erst in dem Zustande und dem Bereich der ewigen Vollkommenheit besitzen werden. Sie sind jetzt unser Teil. Eine unvermischte und unumschränkte Gnade hat sie uns in Christo gegeben, und zwar damit wir heute darin leben und uns ihrer erfreuen möchten. Wir sind Gegenstände der Huld Gottes, derselben Huld, in welcher Jesus sich befindet. Sobald man das wirklich versteht, öffnet sich das Herz zu Lob und Dank, und die Seele wird mit vollkommenem Frieden erfüllt.

Ich bemerke noch einmal, das; es heißt: „Er hat uns angenehm gemacht“. Es ist etwas, das seine Quelle in den ewigen Ratschlüssen Gottes über uns hat, und das wir jetzt ebenso sicher haben, wie Christus selbst angenehm und wohlgefällig vor Gott ist. Wer könnte Ihm Seinen Platz als der „Geliebte“ streitig machen? Niemand. Und so vermag auch niemand uns zu scheiden von dem Platze der Huld und Gnade, auf welchen wir in Ihm gebracht sind. Unsere Füße stehen auf einem unerschütterlichen Boden, so dass der Feind uns durch seine Angriffe nicht zu beunruhigen vermag.

Wenn ich angenehm bin vor Gott, so kommt das nicht von mir. .Ich habe nicht; um mich Gott angenehm zu machen. Aber Er hat mich in Seinen Augen und für Sein Herz „angenehm gemacht in dem Geliebten“. Was kann Satan dazu sagen? Seien wir deshalb nicht ungläubig, sondern halten wir fest an dieser Gnade, die Gott uns hat zu teil werden lassen. Gerade darin, dass sie uns auf diesen Platz gebracht hat, zeigt sich ihre ganze Fülle und ihr unermesslicher Reichtum. Sie rettet nicht nur solche Geschöpfe, wie wir sind, sondern sie hat uns vor Gott gestellt in der vollen Annehmlichkeit Christi selbst. Was bleibt uns, angesichts einer solchen „Herrlichkeit Seiner Gnade“, anders übrig, als wieder von Herzensgrund zu sagen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“?

Aber vielleicht möchte der Leser einwenden: „Wie ist es möglich, dass eine solche Gnade sich an uns erweisen, und dass solche Segnungen uns anvertraut werden können? Muss nicht, da wir doch Sünder sind, auch die göttliche Gerechtigkeit ihren Lauf haben und befriedigt werden? Gewiss! Gottes Liebesratschlüsse bezüglich des verlorenen Sünders müssen zwar in Erfüllung gehen, aber unmöglich könnte Er Seine Liebe ausüben auf Kosten Seiner Gerechtigkeit. Er bleibt immer und in allem in vollkommener Übereinstimmung mit sich selbst, mit dem, was Er ist: Licht und Liebe. Bilden einerseits die unveränderlichen Ratschlüsse der Liebe Gottes die Grundlage unserer Sicherheit, so ruht andererseits diese Liebe auf der göttlichen Gerechtigkeit. „Die Gnade herrscht durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben“, und die Gerechtigkeit wiederum findet ihre völlige Genugtuung in dem, was der höchste Ausdruck der Liebe ist — in dem Kreuze. Gott ist nur gerecht, wenn Er den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesum ist, und auf Grund Seiner Gerechtigkeit kann Er uns segnen und uns den Platz, geben, welchen Er in Seinen Ratschlüssen für uns zuvor bestimmt hatte.

Indes ist alles in Christo; darum lesen wir: „In welchem wir haben die Erlösung durch Sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum Seiner Gnade“. Das kostbare Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und ohne Flecken, das für uns am Kreuze geflossen ist, hat uns eine ewige Erlösung erworben. In der Kraft dieses Blutes, durch welches die Versöhnung vollbracht und die Gerechtigkeit Gottes befriedigt worden ist, sind uns alle unsere Vergehungen vergeben, und Gott kann in voller Gerechtigkeit Seine ewigen Segensratschlüsse gegen uns in Ausführung bringen. Unsere unzähligen Vergehungen sind ausgetilgt durch die mächtige und gesegnete Wirksamkeit des Blutes Christi. Das ist der „Reichtum Seiner Gnade“; hier zeigen sich die unermesslichen Schätze Seiner Liebe. GottIose, Feinde, Empörer, unreine, verderbte und dabei stolze, hochmütige Wesen — das sind diejenigen, welche Gott in Seinen Himmel versetzt, zu Seinen Söhnen angenommen und in Seinen Augen angenehm gemacht hat. Und wie hat Er das getan? Indem Er Seinen eingeborenen Sohn für sie dahingab in Tod und Gericht! Christus ließ Sein kostbares Leben für diese Unwerten, um sie, gewaschen, gereinigt und gerechtfertigt, auf denselben Platz zu bringen, wo Er selbst ist. O welch eine Liebe! Welche Reichtümer der Gnade! Sie kommen jedem Bedürfnis entgegen und befriedigen es überströmend.

Alles dieses ist, wie bereits bemerkt, eine gegenwärtige Freude, ein gegenwärtiger Genuss. Ein jeder Gläubige hat teil an allen diesen Segnungen in Christo ohne irgendwelche Einschränkung. Obgleich es ewige Segnungen sind, deren ganze Fülle wir erst in der Zukunft werden überschauen können, so sind sie uns doch schon jetzt gegeben, damit wir uns ihrer hienieden erfreuen und sie im Glauben genießen. Gott hat uns ferner Weisheit und Einsicht gegeben, um das, was Er für uns bestimmt und bereitet hat, erkennen zu können. Auch das ist eine Wirkung der Gnade. Gott behandelt uns nicht mehr als Fremde, sondern als Söhne; und da wir zur himmlischen Familie gehören, will Er keine Geheimnisse vor uns haben. Zunächst rettet Er uns nach dem Reichtum Seiner Gnade, und dann lässt Er dieselbe gegen uns überströmen in aller Weisheit und Einsicht. Ohne das würden wir „das Geheimnis Seines Willens“ nicht kennen und nicht verstehen können. Aber Er hat uns Einsicht geschenkt, und zwar wiederum „nach Seinem Wohlgefallen“. Alles ist reine und unumschränkte Gnade.

Doch worin besteht das Geheimnis Seines Willens? Es bezieht sich auf die zukünftige Herrlichkeit Christi. Diese war bis dahin ein Geheimnis gewesen. Die Propheten des Alten Bandes hatten nicht davon reden können: sie kannten ihren Umfang nicht. Alle ihre Mitteilungen bezogen sich auf die Herrlichkeit, die sich auf der Erde entfalten wird, sowie auf die irdischen Segnungen, welche für Israel und die Nationen aufbewahrt sind. In die himmlischen Dinge traten sie nicht ein. Bis zum Christentum war der himmlische Teil der Herrlichkeit Christi nicht gekannt. Aber jetzt ist die Erkenntnis dieses Geheimnisses des Willens Gottes, welches die irdischen und die himmlischen Dinge umfasst, denen gegeben, gegen welche Gott Seine Gnade hat überströmen lassen in aller Weisheit und Einsicht, nämlich den Heiligen.

Gottes Wille war, uns zu erretten und uns in der Herrlichkeit zu haben (Hebräer 2). Und Christus ist gekommen, um diesen Willen auszuführen: wie Er selbst sagt: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun“. Durch diesen Willen sind wir geheiligt „durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi.“ (Hebr. 10). Dieser Teil des Willens Gottes war bekannt; aber es gibt noch einen anderen Teil, der in Verbindung mit Christo selbst steht, und dieser Teil war nicht bekannt. Christus hat sich zur Verherrlichung Gottes und zur Erfüllung Seiner Ratschlüsse dahingegeben und die Erlösung vollbracht. Daraufhin hat Gott Ihn verherrlicht und Ihn „zu Seiner Rechten gesetzt in den himmlischen Örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles Seinen Füßen unterworfen“ (V. 20 —- 22). 

Wir sehen Ihm jetzt allerdings noch nicht alles unterworfen; aber wir wissen, dass Gott das „Geheimnis Seines Willens“, das was Er sich in Bezug auf Christum vorgesetzt hat, ausführen wird. Angesichts des ganzen Weltalls wird Gott den Händen Christi die Oberherrschaft über alles anvertrauen: alles wird in Seinen Besitz gelangen. Er ist der Erbe, und Ihm wird alles gehören: ja, alles was im Himmel und auf Erden ist, wird in Ihm, als dem einen Haupte über alles, zusammengebracht werden, und alles was Gott in Seinen Gedanken hatte gegen den Menschen und für den Menschen, wird in Christo zur Verwirklichung kommen. Das wird stattfinden „in der Fülle der Zeiten“, wenn alle Wege Gottes mit dem Menschen vollendet sein werden. Der Mensch hat in allem gefehlt, aber Christus, der zweite Mensch, wird alles vollkommen hinausführen nach dem Vorsatz Gottes, und Gott wird alle Dinge in Eins vereinigen in Christo. Christus wird über alles regieren, und alle Seine Feinde werden unter Seine Füße gelegt werden.

Wir können nur ein wenig davon ahnen, welch eine Zeit vollkommener Glückseligkeit und Wonne es sein wird, wenn auf der Erde Friede und Gerechtigkeit herrschen werden, wenn überall Gott angebetet und Christus verherrlicht werden wird, während im Himmel droben der laute Jubel der himmlischen Heiligen erschallt und das neue Lied seine wunderbaren Weisen hören lässt; wenn von der Erde und von der ans der Knechtschaft des Verderbnisses befreiten und die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes genießenden Kreatur ein vereintes Lob zu Gott aufsteigen wird, während der Himmel der Erde antworten wird mit überströmenden Segnungen; wenn die Völker der Erde vermittelst des Lichtes der goldenen Stadt wandeln werden, während diese selbst von der Herrlichkeit Gottes erleuchtet ist und in ihrer Mitte den Thron Gottes und des Lammes birgt. 

Wer könnte die Herrlichkeit und Schönheit dieser Zeit beschreiben! Die Propheten des Alten Testamentes haben mit heiliger Begeisterung von diesen Dingen gesprochen, und der Seher des Neuen Testamentes hat, von Gott erleuchtet, den kostbaren Gegenstand wieder aufgenommen und uns noch tiefer eingeführt in die wunderbaren Gedanken Gottes betreffs dieser „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge“. Das Herz frohlockt, indem es die Mitteilungen dieser heiligen Männer liest, und erwartet mit Sehnsucht die Erfüllung der verheißenen Segnungen. Denn dann wird unser geliebter Herr und Heiland von allen Seiten gepriesen und hoch erhoben werden. In dem kostbaren Namen Jesu werden sich dann alle Knie beugen, und mit dem Lobgesang der Kirche im Himmel wird sich der Jubel Israels- und der Nationen auf Erden vereinigen.

Und wenn nun jemand fragt, was in dieser kommenden Herrlichkeit denn für uns aufbewahrt sei, so dürfen wir mit inniger, tiefer Freude antworten: Wir werden bei Christo sein. Der Heiland kann nie von Seinen Erlösten getrennt werden, die Glieder nie von ihrem Haupte, noch der Bräutigam von Seiner Braut. Und wenn Er Sein Erbe, die Herrschaft über alle Dinge, antreten wird, so werden wir mit Ihm erben. „In Ihm“, denn ohne Ihn und außer Ihm gibt es nichts für uns, in Ihm, dem Haupte über alles, haben auch wir ein Erbteil erlangt (V. 11); in Ihm sind wir „Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm. 8, 17).

 in Ihm sind wir „zuvor bestimmt nach dem Vorsatz Dessen, der alles wirkt nach dem Rate Seines Willens“. Wunderbare Sache! Wir sind zunächst zuvor bestimmt zur Sohnschaft „nach dem Wohlgefallen Seines Willens“; Sein Wille wirkte in unumschränkter Gnade gegen uns, um uns in das Verhältnis von Söhnen zu bringen (V. 5). Dann war es Sein Wohlgefallen, uns in die Erkenntnis des Geheimnisses Seines Willens einzuführen, d. h. uns Einsicht und Weisheit zu geben betreffs der zukünftigen Herrlichkeit Christi (V.8. 9); und endlich hat Er uns kundgetan den verborgenen Rat Seines Willens (V. 11), nach welchem Er uns zuvorbestimmt hat, mit Christo vereinigt zu sein in der Herrlichkeit Seines Erbes.

Das ist in der Tat eine herrliche Zukunft, geliebter Leser. Und wenn wir dieselbe mit der Vergangenheit und Gegenwart in Verbindung bringen, wenn wir uns in die Zeiten vor Grundlegung der Welt versetzen, um da die Vorbereitung unserer Segnungen in Christo zu erblicken; oder wenn wir an die Gegenwart denken und jene Segnungen in Christo uns geschenkt und in Ihm für immer gesichert sehen; oder wenn wir endlich der kommenden Zeitalter gedenken, in welchen unsere Vereinigung mit dem über alle Dinge regierenden Christus stattfinden wird —— was bleibt uns dann anders übrig, als in Anbetung vor dem Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi niederzusinken und Den zu preisen, welcher solche Gedanken und Ratschlüsse über uns gefasst und zur Ausführung gebracht hat?

 O möchten wir uns doch, befreit von uns selbst und unseren kleinlichen, irdischen Sorgen und Vorurteilen, mehr mit Dem beschäftigen, was unser Gott und was unser hochgelobter Herr ist: möchten wir uns der Betrachtung Dessen mehr hingeben, was; Gott in Christo für uns getan und was Er in Ihm für uns bereitet hat: ja, möchten wir mehr von dieser Erde hinweg in die Höhe, in die himmlischen Örter hineinblicken —- wahrlich, wir würden dann nicht nötig haben, uns immer wieder aufzufordern, doch des Lobes und der Anbetung nicht zu vergessen· Nein, das Loben und Danken würde unseren Herzen leicht sein, es würde gleichsam das Atmen unserer Seelen bilden. Und wenn wir uns zusammenfänden mit unseren Miterlösten, mit den Miterben der gleichen Herrlichkeit, so würde kein Mund geschlossen bleiben können; die Gott angenehmen geistlichen Schlachtopfer würden ohne Aufhören zu Ihm emporsteigen durch Jesum Christum. unseren Herrn.

Denn zum Preise Seiner Herrlichkeit sind uns die zuletzt genannten Segnungen verliehen worden. Die Gnade ist die uns leitet, und die Herrlichkeit ist unser Ziel. Unsere Errettung, unsere Bewahrung und unsere schliessliche Segnung — alles wird zum Preise Seiner Herrlichkeit ausschlagen: „damit wir zum Preise Seiner Herrlichkeit seien“ (V. 12). Gott verherrlicht sich in Seinem Sohne, und Er verherrlicht sich, indem Er verlorene Sünder errettet und ihnen den gleichen Platz, die gleiche Herrlichkeit gibt wie Christo.

Der Apostel zeigt uns dann, auf welchem Wege die Epheser zu ihrer gesegneten Stellung in Christo gelangt waren, und es ist gut, auch dabei noch einen Augenblick zu verweilen; denn einen anderen Weg gibt es auch für uns nicht, und sich dieses Weges zu erinnern, ist für den Christen ein neuer Anlass zum Lobe. „Nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit“, das ist der erste Schritt. Von wem geht dieses« Wort aus? Von Ihm, der allein die Wahrheit ist. Gott kann nicht lügen; was Er spricht, ist immer in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit der Dinge. Wenn Er zu mir redet, so vernehme ich das Wort der Wahrheit. Und dieses Wort macht mich bekannt mit Gott, mit Seinem Wesen, mit Seinen Gedanken und mit Seinen Wegen. Es sagt mir, was ich bin und was die Welt ist, die mich umgibt.

 Es ist das einzig wahre Licht für mich. An unserer Stelle wird das Wort der Wahrheit jedoch von einem besonderen Gesichtspunkt ans betrachtet. Es ist, wie der Apostel sagt, „das Evangelium eures Heils“. Es richtet sich an verlorene Sünder und verkündigt ihnen das Heil - ein Heil, welches für alle da ist, ein Heil, das von Gott kommt, und welches Sein Sohn für uns vollbracht hat. Das Wort nimmt so den Charakter einer guten Botschaft an, die von göttlicher Wahrheit und Gewissheit ist.

Doch mit dem Hören ist es nicht genug. Gilt noch einen zweiten Schritt zu tun. Viele hören die gute Botschaft, das Evangelium ihres Heils, wenden sich dann aber mit Gleichgültigkeit ab und vernachlässigen die „so große Errettung“ (Hebr. 2, 3). Aber die Epheser hatten das Wort der Wahrheit nicht nur gehört, sondern auch im Glauben ergriffen. Sie hatten das Wort, welches ihnen das Evangelium ihres Heils verkündigte und ihnen Befreiung aus schrecklicher Sklaverei anbot, mit ganzem Herzen erfasst. „Nachdem ihr geglaubt habt“, sagt der Apostel; und später: „Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittelst des Glaubens“. Die Errettung ist ganz und gar das Werk Gottes: Er hat sie bewirkt, Er hat sie verkündigt, und Er teilt sie der Seele mit. Selbst der Glaube ist eine Gabe Gottes. Das Wort der Wahrheit bringt die Errettung zu den Ohren des Sünders, und der Glaube ergreift sie, indem er so die Wahrheit Gottes besiegelt. „Wer Sein Zeugnis angenommen hat, hat besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist“, sagt Johannes. Wer es nicht annimmt, macht Gott zum Lügner.

Die Epheser hatten geglaubt und besaßen somit die Errettung, und zwar eine ewige Errettung. Aber Gott hatte ihnen noch eine andere Segnung gegeben. Was tut Gott, nachdem wir geglaubt haben? Er drückt Sein Siegel auf uns; Er gibt uns den Heiligen Geist der Verheißung, welchen Jesus einst von dem Vater zu senden versprach, den Geist der Wahrheit, den Sachwalter. „Nachdem ihr geglaubt habt, seid ihr versiegelt worden mit dem Heiligen Geiste der Verheißung“ (V. 13; vergl. auch 2. Kor. 1, 22 und Eph. 4, 30). Die Gabe des Geistes ist das göttliche Siegel, welches Gott auf uns drückt, zum Beweise dessen, dass wir Seine Kinder sind. Es ist der Geist der Sohnschaft, welcher mit unserem Geist zeugt, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch, wie wir gesehen haben, Erben; und darum ist der Geist uns auch gegeben als Unterpfand unseres Erbes. Er ist das Unterpfand oder die Bürgschaft, der

Beweis, dass das Erbe, welches Christus durch die Erlösung erworben hat, unser Teil ist. Ja, mehr noch; Er ist auch der Vorgeschmack dieses Erbes, denn Er nimmt von den Dingen Christi, des verherrlichten Christus, und teilt sie uns mit. Er führt uns ein in den Genuss unserer himmlischen Segnungen, entfaltet sie vor den Augen unseres Herzens, zeigt uns ihre Kostbarkeit und macht uns fähig, unseren Gott zu preisen und Ihm Anbetung darzubringen. Denn wir beten an im Geiste und dienen Gott durch den Geist. Und das geschieht schon hienieden in armen, schwachen Gefäßen, wie wir sind, in denen aber der Heilige Geist wohnt, bis zur völligen Erlösung dessen, was Christus sich erworben hat, das heißt bis zu dem Augenblick, da wir in verherrlichten Leibern mit unserem Herrn regieren, alles mit Ihm teilen und Ihn preisen werden nach der Vollkommenheit des Zustandes, in welchen wir dann versetzt sind.

Müssen wir nicht, im Blick aus alle diese Segnungen, noch einmal mit dem Apostel ausrufen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi!“? Ja, geliebter Leser! lass uns mehr und wirklicher in den himmlischen Örtern leben, damit wir fähig seien, hinblickend auf die Herrlichkeit Dessen, der uns geliebt hat und liebt, unseren Pilgerlauf hienieden fortzusetzen und zu vollenden zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade! Der Herr aber gebe uns erleuchtete Augen des Herzens, damit wir „wissen, welches die Hoffnung Seiner Berufung ist, und welches der Reichtum der Herrlichkeit Seines Erbes in den Heiligen, und welches die überschwängliche Größe Seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der Macht Seiner Stärke“! (V. 18. 19).

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Mit Christo gestorben und auferweckt

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 222ff

Wenn ich sage, das; Christus für mich gestorben und auferweckt worden ist, dann rede ich von einem für mich vollbrachten Werk, durch welches meine Sünden ausgetilgt sind und welches mich vor Gottrechtfertigt. Wenn ich aber weiter sage: Ich bin mit Christo gestorben und auferstanden, so sage ich dadurch, dass ich (für den Glauben) mit der Natur abgeschlossen habe, aus welcher die Sünden hervorkommen. Ich halte mich der Sünde für gestorben, Gott aber lebend durch Christum.

Doch ich darf noch einen Schritt weiter gehen. Ich darf reden von meiner Vereinigung mit Christo in Seiner Auferstehung. Wir sind mit Christo .Jesu auferstanden und sind in Ihm mitversetzt in die himmlischen Orten. Was meinen alten Menschen betrifft, so bestehe ich gar nicht mehr. Ich habe ihn ausgezogen; und ich bin nicht allein durch Christum lebendig gemacht, sondern ich habe auch den neuen Menschen angezogen. Ich habe mit der Sünde und mit Adam abgeschlossen und befinde mich in Christo vor Gott.

Die Tatsache, dass Christus für mich gestorben und auferstanden ist, hat mich als einen Befreiten in die Wüste gebracht. Das ist die Lehre des Briefes Petri. Ich bin ein Fremdling hienieden, auserwählt zwar, aber ein Fremdling. Ich bin wiedergezeugt zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi. Ich wandle durch die Wüste, und der Himmel liegt vor mir. Ich trage das Ende meines Glaubens, die Errettung der Seele, davon.

Die Tatsache, dass ich mit Christo gestorben und auferstanden bin, versetzt mich in das himmlische Kanaan. Das ist die Lehre des Briefes an die Epheser. Ich bin gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern, und mein Kampf ist dort, mit den geistlichen Mächten der Bosheit.

Der Brief an die Kolosser versetzt uns nicht in den Himmel, obschon wir uns darnach ausstrecken. Christus, unser Haupt, ist droben; unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott, und wir trachten nach den Dingen, die droben sind. „Suchet was-droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“ (Kap. 3, 1). Denn was ist diese Welt für die Erlösten des Herrn anders als eine Wüste?

Die Erlösung bringt uns also in die Wüste. Diese Wahrheit finden wir in dem Brief an die Philipper dargestellt. Die Seligkeit, die vollkommene Errettung, wird dort am Ende der christlichen Laufbahn gesehen. Unser Bürgertum ist in den Himmeln, aber wir sind noch nicht dort. Wir erwarten den Herrn Jesum Christum als Heiland von dort, um unseren Leib der Niedrigkeit umzugestalten; und vergessend was hinter uns liegt, strecken wir uns aus nach dem, was vor uns ist.

Kanaan und die Wüste sind die beiden großen Teile des— christlichen Lebens, welches uns als Folge der Erlösung geschenkt ist. Christus hat den Vater nicht gebeten, uns aus der Welt wegzunehmen, sondern uns in ihr zu bewahren vor dem Bösen. Wir sind in der Welt, und wenn sie nicht eine Wüste für uns-ist, so steht es schlimm um uns. Wir lieben dann die Welt, welche Christum verworfen hat. Wir haben auch kein Verlangen mehr nach dem Manna; denn nur in der Wüste finden wir das Manna, gerade so wie die zärtliche Sorge Gottes, die uns durch alle Mühen und Beschwerden hindurchleitet auf einem Wege, den Er allein kennt. Welch ein Verlust, wenn es so mit uns steht!

Ähnlich ist es mit dem Hohenpriestertum und mit der Sachwalterschaft Christi. Er ist unser großer Hoherpriester bei Gott. Er hat die Sünden des Volkes gesühnt, und worin Er selbst gelitten hat, indem Er versucht ward, vermag Er denen zu helfen, die versucht werden. Er ist auch ein barmherziger und treuer Hoherpriester, der Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten. Ferner ist Er als unser gerechter Sachwalter bei dem Vater für den Fall, dass wir sündigen. Seine Fürsprache stellt die unterbrochene Gemeinschaft wieder her. Wie vermessen ist es nun, wenn jemand sagt: „Ich bin vollkommen in Christo; ich bedarf also dessen nicht mehr“! Der Geist der Abhängigkeit ist dann völlig verschwunden; man ist dürre, zufrieden mit sich selbst, verhärtet und fern von Gott. Wie schrecklich ist ein solcher Zustand, und doch wird er in unseren Tagen nicht selten gefunden!

Wohl ist es eine kostbare Wahrheit, dass wir in Christo vollkommen gemacht und in Ihm mitversetzt sind in die himmlischen Örter; aber so lange wir in dem Leibe der Schwachheit wandeln, muss sich das christliche Leben hienieden praktisch entwickeln, und das geschieht eben in der Wüste, vermittelst der himmlischen Dinge, auf welche der Blick gerichtet ist und nach welchen der erneuerte Sinn trachtet. In der Wüste ist es auch, wo wir die unermüdliche Sorge Christi und die zärtliche Liebe des Vaters erfahren. Der Streit mit den geistlichen Mächten der Bosheit wird, wie gesagt, in den himmlischen Örtern geführt, aber in der Wüste müssen wir geübte Sinne haben, um das Gute und Böse unterscheiden zu können; und die Sinne werden eben auf dem Wege durch die Wüste geübt. Da gibt es Prüfungen und Versuchungen aller Art; da sitzt der göttliche Schmelzer am Tiegel, um die Schlacken und Unreinigkeiten zu entfernen. Im Himmel gibt es keinen Schmelztiegel mehr.

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Gedanken über das Verhalten der Gläubigen in der Ehe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 225ff

Im Laufe unserer Betrachtung ist wiederholt von „guten Werken« die Rede gewesen, welche die Frau vollbringen könne, und es möchte wohl am Platze sein, hier kurz auf einige derselben hinzuweisen. Wir werden dabei auch Gelegenheit haben, uns an einige „heilige Weiber“ zu erinnern, deren Namen uns das Wort Gottes aufbewahrt hat. Dass die „guten Werke“ der Frau fast durchweg auf einem anderen Gebiet sich bewegen als diejenigen des Mannes, liegt in der Natur der Sache.

Die Worte des Apostels Paulus in 1. Tim. 5, 10 geben uns einen trefflichen Leitfaden für diesen Teil unserer Betrachtung an die Hand, indem sie das Tun einer wahrhaft christlichen Frau beschreiben. Der Apostel sagt dort von den Witwen, welche in die Liste der Versammlung als unterstützungsberechtigt eingetragen werden sollten: „Eine Witwe werde verzeichnet, wenn sie . . . ein Zeugnis- hat in guten Werken, wenn sie Kinder auferzogen, wenn sie Fremde beherbergt, wenn sie der Heiligen Füße gewaschen, wenn sie Bedrängten Hilfe geleistet hat, wenn sie jedem guten Werke nachgegangen ist“. —— Eine schöne Reihe begehrenswerter Dinge, nicht wahr? Betrachten wir sie ein wenig der Reihenfolge nach. Der Apostel beginnt mit dem, was einer Frau und Mutter stets am nächsten liegen wird, indem er sagt: „wenn sie Kinder auferzogen hat“. 

Es ist wohl nicht nötig, darauf hinzuweisen, dass der Apostel nicht meint: „Wenn sie Kinder gehabt und diese großgezogen hat, ganz gleich, wie sie aufgewachsen sind, und was aus ihnen geworden ist“. Nein, auf christlichen Eltern ruht die heilige Pflicht, ihre Kinder aufzuziehen in der Zucht und Ermahnung des Herrn.. Mag in dieser Beziehung nun auch der Mann der meist verantwortliche Teil sein, so kann sich die Frau doch ihrer Verantwortlichkeit nicht entziehen. Im Gegenteil, in den ersten Jahren liegt die Erziehung des Kindes größtenteils in den Händen der Mutter, und selbst bei zunehmendem Alter der Kinder ist der Vater infolge der heutigen Erwerbsverhältnisse in sehr vielen Fällen zu wenig zu Hause, um seiner Pflicht so entsprechen zu können, wie es nötig und gut wäre.

Da fällt denn ganz von selbst die Erziehung mehr der Frau anheim; und ein jeder weiß auch, wie wichtig und heilsam der Einfluss der Mutter auf das Gemüt des Kindes ist, ja, wie er vielfach für das ganze Leben entscheidend wirkt. Wer könnte auch so liebevoll bitten und ermahnen, wer so herzlich warnen und zureden wie eine Mutter? Wer verstände so, dem Kinde die Liebe des großen Kinderfreundes vorzustellen und mit ihm zu beten, wie der Mund der Mutter? wer so herzlich und innig mit ihm zu fühlen, an seinen Freuden und Kümmernissen teilzunehmen, wie das Mutterherz? Darum, ihr Frauen und Mütter, seid eifrig und fleißig auf diesem Gebiet eurer Tätigkeit! Es ist so weit und groß und so viel versprechend, und — es wird so viel vernachlässigt! Ein Diener des Herrn unterhielt sich einst mit einem kleinen Mädchen in Abwesenheit der Mutter über die ewigen Dinge. Nachdem er ihr einiges aus dem Alten Testament und dann aus dem Leben Jesu erzählt hatte, sagte er zu ihr: „Deine Mutter erzählt dir gewiss auch viel von dem Herrn Jesu, nicht wahr?“ Nein, erwiderte sie, „meine Mutter hat keine Zeit, mir zu erzählen.“

Geht es nicht mancher vielbeschäftigten Mutter auch so? Die Kleidchen, die sie machen, und die Mäulchen, für welche sie zu sorgen haben, nehmen sie so völlig in Anspruch, dass ihnen „keine Zeit“ übrigbleibt, um ihre Kinder um sich zu sammeln und ihnen von Jesu zu erzählen; keine Zeit, um ein Lied zu Seinem Preise mit ihnen anzustimmen. Und doch hören und singen und fragen die Kleinen so gern. O ihr lieben, fleißigen Mütter, Vergesst über den täglichen Sorgen und Mühen nicht dasjenige, was am meisten not tut. Redet mit euren Kindern von Jesu, erzählt ihnen aus dem reichen Schatz der biblischen Erzählungen das, was zu ihrer Belehrung und Förderung dienen kann. Ihr werdet vielleicht die Freude erleben, dass eure Kinder schon früh den Heiland kennen lernen; jedenfalls aber werden die gesegneten Früchte einer solchen Arbeit nicht ausbleiben. Wie beneidenswert ist ein Mensch, der, wie einst Timotheus, „von Kind auf die heiligen Schriften kennt, die vermögend sind, weise zu machen zur Seligkeit“! Wie nachahmungswert ist das Beispiel solcher Mütter und Großmütter, wie Eunike und Lois! (2.Tim. 1, 5; 3, 15).

Hier mag auch noch eine andere Bemerkung Platz finden, die sich mir beim Niederschreiben dieser Zeilen aufdrängt. Es ist diese: Manche Mutter ist verdrießlich über die Zahl ihrer Kinder und hadert in der Stille mit Gott und Menschen, dass ihr eine so schwere Last aufgelegt wurde. Bei allem Mitgefühl mit der schwierigen Stellung einer kinderreichen, vielgeplagten Mutter kann ich doch nicht umhin zu sagen, dass sie Unrecht tut und sich versündigt, wenn sie zu murren beginnt und in ihrem Herzen gegen Gott auftritt. Denn Kinder sind eine kostbare Gabe. Gottes, und eine gläubige Mutter sollte sie als solche betrachten, uns sie mit dankbarem Herzen, soweit es an ihr liegt, für den Himmel erziehen. Betrachtet sie die Sache von diesem Gesichtspunkt aus, so wird ihr die Zahl nicht zu groß werden; zugleich wird ihr jede Mühe leichter werden, und sie wird erfahren, dass der Herr ihr nicht mehr auslegt, als sie tragen kann, und dass Er mit ihr ist, mit ihr fühlt und ihre Gebete hört und erhört.

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Punkt in der „schönen Reihe“ guter Werke; er lautet: wenn sie Fremde beherbergt, wenn sie der Heiligen Füße gewaschen hat“. Schon im Alten Testament hören wir viel von Gastfreundschaft. Gott ermahnt Sein Volk Israel an vielen Stellen, dem Fremdling Gutes zu tun, ihn zu bewirten und zu beherbergen. Hiob sagt von sich: „Der Fremdling übernachtete nicht draußen, ich öffnete dem Wanderer meine Tür“. ("Kap. 31, 32.) Ja wir finden, dass schon in den frühesten Zeiten die Gastfreiheit in hohen Ehren stand, und dass Männern, wie Abraham, Lot und Manoah, auf diese Weise die Auszeichnung zuteil wurde, Engel zu bewirken und zu beherbergen. Bei Abraham und selbst bei Lot sehen wir, wie die unbekannten Fremdlinge freundlichst zum Einkehren eingeladen und durch Fußwaschung und reichliche Bewirtung erquickt werden. (Vergl. 1. Mose 18, 1 — 8; 19, 1 - 3; 24, 17 — 25; 2. Könige. 4, 8 — 10 u. a. St.) In 5. Mose 10, 17 — 19 lesen wir, dass „Gott den Fremdling liebt, so dass Er ihm Brot und Kleider gibt“; und daran wird die Ermahnung geknüpft: „Und ihr sollt den Fremdling lieben, denn Fremdlinge seid ihr gewesen im Lande Ägypten“.

Noch viel mehr aber ist die Gastfreundschaft eine christliche Tugend, und zahlreich sind die Stellen im Neuen Testament, in welchen wir zur Ausübung derselben dringend ermahnt werden. So lesen wir in Röm. 12, 13: „Nach Gastfreundschaft trachtet“; in 1. Petr. 4, 9: „Seid gastfrei gegen einander ohne Murren“, und in Hebr. 13, 2: „Der Gastfreundschaft vergesset nicht, denn durch dieselbe haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt“ (Vergl. auch 3. Joh. 5; 1. Tim. 3, 2; Tit. 1, 8; Matth. 25, 35 — 40; Apstgsch. 16, 15 usw.). Naturgemäß fällt der Frau bei Ausübung der Gastfreundschaft die meiste Mühe zu, und so liegt ihr auch am ersten die Gefahr nahe, müde zu werden oder zu murren, besonders wenn die Gäste unscheinbar sind oder ihrer Mühe wenig Anerkennung zollen. 

Auch mag es zuweilen unangenehme Arbeiten geben, wie z. B. das Waschen der Füße der Heiligen eine niedrige, für die Natur wenig angenehme Arbeit war. Aber je unangenehmer und niedriger der Dienst sein mag, je mehr mit Verleugnung des eigenen Ichs verknüpft, desto wohlgefälliger ist er vor dem Herrn. Ja, lass uns nicht vergessen, liebe Leserin, dass der Herr in Matth. 25, 40 denen zu Seiner Rechten antwortet: „Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es einem der Geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan.

Als drittes in der Reihe folgt dann: „wenn sie Bedrängten Hilfe geleistet hat“. Auch hier eröffnet sich der Liebestätigkeit der Frau ein weites Feld. Arme und Kranke, Schwache und Bedrängte gibt es allezeit rund um uns her. Weißt du, o Frau, dass diesen gegenüber eine besondere Liebespflicht auf dir ruht, die dem Manne nicht in derselben Weise aufliegt wie dir? Und kommst du dieser Pflicht nach? Suchst du ein wenig von deiner Schuld abzutragen? Auch in dieser Hinsicht bietet dir das Wort Gottes viele ermunternde Beispiele. Der Name „Dorkas“ ist dir bekannt; aber du tust wohl, Apstgsch. 9, 36 — 39 zuweilen wieder zu lesen. Wir sind ja leider so vergessliche Hörer! Den Namen „Phöbe“ kennst du ebenfalls; von ihr sagt der große Apostel: „Sie ist vielen ein Beistand gewesen, auch mir selbst“. (Röm1.16, 1. 2.) Welch eine Ehre für diese Schwester! „Abigail“ im Alten Testament ist ein weiteres schönes Beispiel von einer Frau, die bereit war, Bedrängten Hilfe zu leisten. Zugleich sehen wir bei ihr, wie sie durch ihre Sanftmut und ihren Verstand das Verderben von dem Haupte ihres bösen Mannes abwandte und selbst David von einer Tat zurückhielt, die ihm später „zum Anstoß und zum Herzensvorwurf“ gereicht haben würde. (1. Samuel. 25). 

 Wir könnten noch manche andere Beispiele anführen, aber diese genügen. — Die Schlussworte in unserer Stelle: „wenn sie jedem guten Werke nachgegangen ist“, lassen Raum für noch manche andere gesegnete Tätigkeit der Frau; und in der Tat finden wir in der Schrift noch andere beherzigenswerte Winke in dieser Beziehung. Von welch großem Nutzen kann z. B. die Frau eines Dieners des Herrn sein, sowohl für ihren Mann, als auch für das Werk selbst! Wie wichtig ist ihr Platz an der Seite ihres Mannes, mag dieser nun in der Heimat oder in der Fremde seinen Dienst haben! In Römer 16 hören wir von einer Maria, die sehr für die Gläubigen gearbeitet hatte; ferner von zwei Frauen, Namens Trophäna und Tryphosa, welche „im Herrn arbeiteten“; endlich von Persis, der Geliebten, die „viel gearbeitet hatte im Herrn“. In Philipper 4, 3 wird von zwei Frauen gesagt, dass sie mit dem Apostel am Evangelium mitgekämpft hätten, und in Rom. 16, 3 nennt der Apostel Priska (oder Priscilla) und Aquila, ihren Mann, seine Mitarbeiter in Christo Jesu, indem er das Weib sogar vor dem Manne nennt, was sicherlich nicht bedeutungslos ist. Sie hatten beide für das Leben des Apostels ihren eigenen Hals preisgegeben, und sich so nicht nur seinen Dank, sondern auch den aller Versammlungen erworben. Auch in der Apostelgeschichte werden die Namen dieses würdigen Ehepaares wiederholt genannt, und einmal (Kap. 18, 26 lesen wir sogar: „Als aber Aquila und Priscilla ihn (d. i. den Apollos) hörten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm (also beide) den Weg Gottes genauer aus“.

Im Alten Testament hören wir von Weibern, „die weisen Herzens waren“, dass sie an dem Werk für die Stiftshütte nach ihren Kräften und Fähigkeiten teilnahmen. Alle verständigen Weiber, die ihr Herz trieb, „spannen mit ihren Händen und brachten das Gespinst“. Auch wurde das eherne Waschbecken und sein Gestell von den Spiegeln der Weiber gemacht, welche sich scharten am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft. So nahmen sie denn in ihrer Weise mittelbar oder unmittelbar teil an dem Werke des Herrn. Im Neuen Testament begegnen wir heiligen Weibern, welche dem Herrn Jesu nachfolgten und Ihm mit ihrer Habe dienten. Ein Weib war es auch, welche den Herrn Jesum salbte, und wir wissen, wie sehr Sein Herz dadurch erquickt wurde. „Was machet ihr dem Weibe Mühe?“ sagt Er zu Seinen unverständigen Jüngern, „denn sie hat ein gutes Werk an mir getan“ (Matth. 26, 10).

Doch es würde uns von unserem eigentlichen Thema abführen, wenn wir noch weiter auf den Dienst, welchen Frauen im allgemeinen zu üben imstande sind, eingehen wollten. Es ist dies bereits an anderer Stelle geschehen. *) Es ist auch genug gesagt, um zu zeigen, dass eine Frau, die das schöne Bild, welches das Wort Gottes von dem gläubigen Weibe entwirft, praktisch darzustellen begehrt, Raum und Gelegenheit genug hat für ihre Tätigkeit. Möchte der Herr nur dieses- aufrichtige Verlangen in vielen Schwesterherzen wachrufen zu Seinem Preise und zum Wohle der Seinigen!

Den „alten“ „Frauen wird in Titus 2, noch ein besonders wichtiger Dienst angewiesen. Nachdem der Apostel sie daran erinnert hat, dass sie in ihrem Betragen so sein sollten, wie dem heiligen Stande geziemt, nicht verleumderisch, sondern Lehrerinnen des Guten, fährt er fort: auf dass sie die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, den eigenen Männern unterwürfig zu sein, aus dass das Wort Gottes nicht verlästert werde“. Gott gebe uns viele solcher alten Frauen! Ihr Dienst ist von hoher Bedeutung und reichem Segen.

Wir haben weiter oben gesagt: Eine Frau kann viel Gutes, aber auch viel Böses tun. Ihr Einfluss ist weit größer, als- sie vielleicht selbst denkt. Wenn man die mannigfachen betrübenden Erscheinungen in Haushaltung und Familie bis auf ihren ersten Ursprung hin verfolgen könnte oder wollte, so würde man sicher in sehr vielen Fällen den verkehrten Einfluss der Frau als die eigentliche Quelle derselben erkennen müssen. Ja, selbst auf den Gang der Geschichte des Christentums ist der Einfluss der Frau von weittragender Bedeutung gewesen. Wenn die Frau nicht wirklich das ist, wozu Gott sie bestimmt hat, die Gehilfin ihres Mannes, so ist sie ein Hindernis für ihn. Ein „unleidliches Weib“ gehört sogar zu den vier Dingen, unter welchen die Erde erzittert und es nicht aushalten kann (Spr. 30, 21 — 23). Der Wert eines wackeren, tugendsamen Weibes aber „steht weit über Korallen. Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie, und an Ausbeute wird es ihm nicht fehlen. Sie erweist ihm Gutes und nichts Böses alle Tage ihres Lebens. . . . .Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit, und liebreiche Lehre ist auf ihrer Zunge. Sie überwacht die Vorgänge in ihrem Hause« - auch das ist eine hochwichtige Sache, die oft zu wenig beachtet wird — und isst nicht das Brot der Faulheit. Ihre Söhne stehen auf und preisen sie glücklich, ihr Mann steht auf und rühmt sie: „Viele Töchter haben wacker gehandelt, du aber hast sie alle übertroffen“ (Vergl. Spr. 31, 10 - 29)!

So klingt das Lob des wackeren Weibes. Wohlan denn, ihr Frauen, ringet danach, es zu verdienen! Lasst in eurem ganzen Verhalten die stille, liebliche Schönheit eines Lebens zu Darstellung kommen, in welchem sich die Milde, Sanftmut und Demut Christi ausprägen. Schauet fleißig in den untrüglichen Spiegel des Wortes Gottes, um so nicht nur Hörerinnen, sondern auch Täterinnen des Wortes zu sein. Füllet euren wichtigen Platz aus im Bewusstsein eurer Schwachheit, vertrauend auf den Herrn und im Gehorsam gegen Sein Wort. Tut alles „als dem Herrn“, und Er wird mit euch sein.

„Die Anmut ist Trug, und die Schönheit Eitelkeit; ein Weib, das Jehova fürchtet, sie wird gepriesen werden.“

Fußnote:

*) Vergl. das Schriftchen: Über den Dienst der Frauen; aus dem Französischen von F. P.

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Der Kampf in den himmlischen Örtern

Bibelstelle: Epheser 6, 10 - 20

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 234ff

Kein Gläubiger ist ohne Kampf. Sobald ein Mensch durch den Heiligen Geist erneuert ist, sobald er göttliches Leben empfangen hat, ist der Kampf für ihn unausbleiblich, weil nicht nur sein eigenes Fleisch, sondern auch alles, was um ihn her ist, im Widerspruch steht mit der neuen Natur, die ihm zuteil geworden ist. Allerdings ist die Art und Weise des Kampfes der Gläubigen sehr verschieden und oft sehr verkehrt. So kämpfen die einen mit den Umständen, die anderen mit sich selbst, mit ihrem alten Menschen oder dessen Leidenschaften und Lüsten, und machen trübe Erfahrungen; aber Kampf ist unausbleiblich.

Beschäftigen wir uns heute ein wenig mit dem Kampf in den himmlischen Örtern. Dieser Kampf trägt einen besonderen Charakter; er wird, fern von dem Bereich des Sichtbaren, in den himmlischen Örtern geführt. Aber wie ist das möglich, höre ich den Leser fragen, da wir doch noch auf dieser Erde leben und wandeln? Es würde unmöglich sein, wenn wir nicht unserer Stellung nach bereits in Christo in die himmlischen Örter versetzt worden wären, wie wir lesen: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen Seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, . . . hat uns mit dem Christus lebendig gemacht . . und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu (Eph. 2, 4 — 6). Unser Kampf bezweckt also nicht, dieser Stellung in Christo in den himmlischen Örtern teilhaftig zu werden; nein, wir führen ihn, weil wir in diese Stellung versetzt sind, und weil Satan uns den Genuss derselben streitig machen will. So gewiss wie Christus nach Vollbringung Seines Erlösungswerkes Seinen Platz droben eingenommen hat, so gewiss sitzen auch wir mit und in Ihm dort. Das ist und bleibt unser unwandelbares Teil, ganz unabhängig von unserem Tun, von unserem Verständnis oder unserer Verwirklichung desselben; denn „durch Gnade seid ihr errettet“. Der barmherzige Gott hat Sein eigenes Werk der Liebe gekrönt, indem Er uns in diese erhabene Stellung in Christo versetzt hat, „aus dass jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes“ (Eph. 3, 10).

Allerdings müssen wir diese Wahrheit bezüglich unserer Stellung in Christo verstanden und in der Kraft des Geistes durch Glauben in unsere Herzen ausgenommen haben, ehe wir praktischerweise den Kampf in den himmlischen Ottern beginnen können. Gerade so wie Israel erst dann den Kampf wider die Kananiter begann, als es den Jordan (das Bild unseres Gestorben- und Auferwecktseins mit Christo) durchschritten und von Kanaan Besitz genommen hatte. Aber auch selbst dann ist unser Kampf nicht so sehr mit den Feinden, als vielmehr wider sie; d. h. wir haben ihren Anläufen zu widerstehen und unsere Stellung in Christo praktisch zu behaupten. Um dieses zu können, bedürfen wir der ganzen Waffenrüstung Gottes. Denn unsere Feinde sind stark und listig; es sind die Fürstentümer, die Gewalten, die Weltbeherscher dieser Finsternis, die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern (Vers 12). Es ist Satan mit seinen Legionen (Luk. 8, 30), die ihre Lust finden an der Zerstörung und Verwüstung alles Guten und Schönen.

Wir haben oben hervorgehoben, dass der Kampf in den himmlischen Örtern außer dem Bereich des Sichtbaren geführt werde. Damit soll indes nicht gesagt sein, dass der Feind die sichtbaren Dinge nicht benutze, um sie als Waffen gegen uns ins Feld zu führen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Satan gebraucht in seiner List gerade diese Dinge, um uns mittelst derselben zu verwirren und zu blenden, um unsere Herzen damit zu erfüllen und uns so unsere Stellung in Christo vergessen zu machen. Wer vermöchte die hunderterlei, im Familien- und Geschäftsleben an einem einzigen Tage vorkommenden Dinge aufzuzählen, durch welche er seine Absicht zu erreichen sucht? Er benutzt Menschen, Tiere und leblose Dinge, ja zuweilen Gegenstände, die uns nicht im Entferntesten ahnen lassen, dass Satan hinter ihnen stehen könnte; fern- und nahestehende Personen, selbst solche, mit denen wir uns in leiblicher oder geistlicher Beziehung aufs Innigste verbunden wissen, können in seiner Hand zu Werkzeugen werden, die uns schaden und zu Fall bringen.

Satan weiß sehr wohl, dass er uns unsere Stellung in Christo an und für sich nicht rauben kann; alle seine Anstrengungen gehen dahin, uns an der praktischen Verwirklichung derselben zu hindern. Deshalb wird uns gesagt: „Nehmet die ganze Waffenrüstung Gottes, auf dass ihr an dem bösen Tages zu widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermöget“ (Vers 13).

Doch worin besteht diese göttliche Waffenrüstung? Besehen wir uns die einzelnen Stücke der Reihe nach; es sind in Wahrheit wertvolle, kostbare Waffen, sozusagen Von Gott selbst geschmiedet. Denn eine menschliche Waffenrüstung würde den Angriffen Satans nicht standzuhalten vermögen, da er viel stärker und listiger ist als wir. Zunächst gibt es einen Gurt: „Stehet nun, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit“. Die Lenden sind der Sitz der Kraft, zugleich deuten sie hin auf die inneren Neigungen. Nun, es genügt nicht, die Wahrheit betreffs unserer Stellung in Christo mit dem Verstande erfasst zu haben; unsere Herzen, Gedanken, Gefühle und Neigungen müssen mit derselben im Einklang bleiben. Lassen wir diesen freien Lauf, anstatt sie zu überwachen, so wird der Feind uns bald mittelst derselben beeinflussen und uns „trotz“ unseres Verständnisses der Wahrheit in die sichtbaren Dinge verwickeln. Und sobald ihm dies gelingt, ist die Verwirklichung unserer himmlischen Stellung schon unterbrochen; wir haben alsdann die Kraft der Wahrheit in Bezug auf unsere Herzen bereits eingebüßt, und bald werden unsere Kleider um in der Sprache des Bildes zu reden durch den Kot dieser Welt schleifen. Wenn aber die Wahrheit gleich einem Gurt unsere Gedanken, Pläne und Beweggründe in Schranken hält, wenn wir die Kraft des Wortes Gottes in jeder Beziehung auf uns einwirken lassen, so findet der Feind keinen Anknüpfungspunkt bei uns.

 Wir bleiben in der Gegenwart des Herrn, unsere Gedanken stehen unter der Zucht Seines Geistes, und wir wissen uns stark in Ihm und in der Macht Seiner Stärke; auch können wir, gleich Ihm, die Angriffe des Feindes zurückweisen mit den Worten: „Es steht geschrieben“ (Matth. 4, 4). Wir können Satan entgegnen: Es steht geschrieben: „Ihr seid gestorben“ (Kol. 3, 3); es steht geschrieben: „Gott hat uns mit dem Christus lebendig gemacht, hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Orten: in Christo Jesu; es steht geschrieben: „Ich bin mit Christo gekreuzigt; und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal. 2, 20) u. s. w. Wir können ihm sagen: Wir sind der Welt gekreuzigt und haben kein Teil, keine Verbindung mehr mit ihr. Fest und unerschütterlich wie das Wort Gottes ist dann unser Widerstand, und der Feind muss weichen. Er vermag nichts gegen die Wahrheit des Wortes Gottes und den, der mit ihr umgürtet ist.

Das zweite Stück der Waffenrüstung Gottes ist der ,“Brustharnisch der Gerechtigkeit“. Wie bei der Wahrheit, so handelt es sich auch hier um praktische Gerechtigkeit, d. h. um die Betätigung der Gerechtigkeit in unserem Wandel. Wie die Wahrheit uns dem inneren Menschen nach in praktischer Übereinstimmung mit Gott bewahrt, so regelt ein Wandel in Gerechtigkeit unser äußeres Verhalten den Menschen gegenüber. Wir sind dann, wie der Apostel sagt, „vorsorglich für das, was ehrbar ist, nicht allein vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen“ (2. Kor. 8, 21), und üben uns, gleich ihm, „allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und Menschen“ (Apstgsch. 24, 16).

 Ein gutes Gewissen schützt uns gleich einem Brustharnisch vor den Angriffen des Feindes-, wohingegen Ungerechtigkeit oder Unaufrichtigkeit in unserem Verhalten uns kraftlos; macht dem Feinde gegenüber, so dass wir seinen Angriffen unterliegen. Wir können in einem solchen Falle nicht einmal Anspruch machen auf die Fürbitte Anderer. Wenn mein Gewissen mich verurteilt, oder wenn ich mir durch eigenes Verschulden Schwierigkeiten zugezogen habe, ohne mich darüber zu demütigen, wie könnte ich da Andere auffordern, für mich zu beten? Bin ich mir aber keiner Ungerechtigkeit bewusst, richte ich mich ernstlich in dem Lichte Gottes, so bin ich stark und mutig, ich habe ein Gewissen ohne Anstoß und kann auf die Fürbitte Anderer rechnen, ja, sie darum angehen; gleich dem Apostel, der einst an die Hebräer schrieb: „Betet für uns; denn wir halten dafür, dass wir ein gutes- Gewissen haben, da wir in allem ehrbar zu wandeln begehren (Kap. 13, 18). Er konnte sagen: „Wir haben den heimlichen Dingen der Schande entsagt, indem wir nicht in Arglist wandeln, noch das Wort Gottes verfälschen, sondern durch die Offenbarung der Wahrheit uns selbst jedem Gewissen der Menschen empfehlen vor Gott“(2. Kor. 4, 2). Vergessen wir es also nicht: nur dann, wenn das Gewissen in jeder Beziehung gut ist, wenn wir in praktischer Gottseligkeit wandeln, nur dann sind wir fähig, den guten Kampf erfolgreich zu kämpfen, und Satan findet keinen Anhaltspunkt für seine Angriffe. Anders aber fallen wir in die Schlingen des Feindes, indem er uns mit Recht unsere Fehler vorhalten kann. Ein schlechtes Gewissen macht uns zu Feiglingen und verführt uns zu immer weitergehender Unaufrichtigkeit.

Wie überaus wichtig ein gutes, vorwurfsfreies Gewissen ist, das ersehen wir auch aus anderen Stellen. So können wir z. B. auch den Glauben nur in Verbindung mit einem guten Gewissen bewahren. Timotheus musste den guten Kampf kämpfen, „indem“, wie der Apostel ihm sagt, „du den Glauben bewahrst und ein gutes Gewissen, welches etliche von sich gestoßen und so, was den Glauben betrifft, Schiffbruch gelitten haben“ (1. Tim. 1, 18. 19).

Zu der ganzen Waffenrüstung Gottes gehört ferner, dass wir an den Füßen beschuht sind mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens (Vers 15). Gott wird an mehreren Stellen des Wortes „der Gott des Friedens“ genannt; denn von Ihm ist die frohe Botschaft ausgegangen, durch welche Er verlorenen Sündern auf Grund des Opfers Christi Frieden verkündigen lässt. Diese frohe Botschaft hält sozusagen den Frieden stets in Bereitschaft für jeden, der ihn begehrt. Und wenn unsere Füße mit dieser Bereitschaft beschuht sind, so wandeln wir nicht nur selbst in Frieden durch eine böse Welt, sondern wir bringen ihn auch solchen entgegen, mit denen wir zusammentreffen. „Wie lieblich sind die Füße dessen, der frohe Botschaft bringt, der Frieden Verkündigt, der Botschaft des Guten bringt, der Heil verkündigt!“ Ein solcher findet vielleicht Hass statt Liebe, Feindschaft statt Dankbarkeit, aber er lebt, so viel an ihm ist, mit allen Menschen in Frieden (Röm. 1 2, 18). Er sucht nicht sich selbst und seine Ehre, sondern das Wohl Anderer. Ist das eigene Herz in Frieden, so gibt man keinen Anlass zum Streit, sondern offenbart die Gesinnung Christi und ist bemüht, Frieden zu stiften. Man ist in glückseliger Übereinstimmung mit Gott, dem großen Friedensstifter; wie geschrieben steht: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen“ (Matth. 5, 9).

Wenn unsere Füße also beschuht sind, so kann der Feind uns nichts anhaben. Suchen wir aber unser Recht und unsere Ehre, steht das Ich bei uns im Vordergrunde, so werden wir sehr bald unzufrieden und missmutig werden und so nicht nur selbst dem Feinde zur Beute fallen, sondern auch Anderen zum Schaden sein. Schon eine üble Laune, eine verdrießliche Stimmung kann dem Feinde eine Handhabe bieten, Streit oder Uneinigkeit unter den Gläubigen hervorzurufen. In der Tat haben oft ganz geringfügige Anlässe unter dem Einfluss Satans dazu gedient, die größten Familien-Zwistigkeiten anzurichten. Und die Erfahrungen auf kirchlichem Gebiet bestätigen, dass die Trennungen und Parteiungen ebenso sehr das Werk Satans sind, der oft die Unzufriedenheit und Rechthaberei eines Einzelnen zu benutzen wusste, um die gesegnete Gemeinschaft zwischen Hunderten oder gar Tausenden zu zerstören. Ganz unscheinbare Anlasse können unter seinem Einfluss zu unberechenbaren Folgen führen. Darum lasst uns wohl acht haben auf uns selbst, damit wir dem Feinde jeden Anlass abschneiden. Lasst uns als solche, denen der Herr zuruft: „Friede euch! Gleichwie der Vater mich gesandt hat, sende ich mich euch, unseren Weg in Frieden wandeln.

Dies wird uns umso leichter gelingen, wenn wir es in unmittelbare Verbindung mit dem Schilde des Glaubens bringen: „indem ihr über das alles ergriffen habt den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auszulöschen vermöget alle feurigen Pfeile des Bösen“ (Vers 16). Der Glaube bringt Gott zwischen sich und die Umstände oder alles, was uns beunruhigen will. Abraham konnte sagen: „Ich hebe meine Hand auf zu .Jehova, zu Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt“. Und Gott konnte diesem Glauben antworten mit den Worten: „Fürchte dich nicht, Abram; ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn“ (1.Mose 14, 22; 15, 1). Mit demselben Schilde deckte sich der Glaube Davids, als er dem Philister Goliath entgegenging: „Du kommst zu mir mit Schwert und mit Speer und mit Wurfspies; ich aber komme zu dir im Namen Jehovas der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels“ (1. Sam. 17, 45). Wir könnten noch eine ganze Reihe von Zeugen auszahlen, die diesen Schild des Glaubens kannten und sich damit deckten, der Löwen Rachen verstopften, des Feuers Kraft auslöschten, des Schwertes Schärfe entgingen u. s. w. (siehe Hebr. 11.)

 Mit diesem Schilde vermögen wir auszulöschen alle feurigen Pfeile des Bösen, welcher Art dieselben auch sein mögen. Satan benutzt oft die Unerforschlichkeit der Wege Gottes, um unsere Herzen mit Misstrauen gegen Gott zu erfüllen und Zweifel an Seiner Liebe, Treue und Fürsorge in uns zu erwecken; oder er sucht das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit Seines Wortes zu erschüttern und dergl. mehr. Aber wenn wir im Lichte wandeln, wenn wir zu Gott aufblicken können mit Vertrauen und ohne dass unser Herz uns verurteilt, so werden wir den Schild des Glaubens hoch zu halten vermögen. Wir werden, wie Abram, auf den Gott rechnen, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft als seiend«. Wir werden nicht überlegen und klügeln, sondern „wider“ Hoffnung auf Hoffnung glauben und so erfahren, dass Gott uns schützt und schirmt und nimmermehr beschämt, die auf Ihn vertrauen (Vergl. Psalm 91, 1 — 5). Ein solch einfältiger Glaube ist in der Tat ein Schild, an welchem alle feurigen Pfeile des Bösen abprallen; denn er stützt sich auf den lebendigen und unwandelbaren Gott.

Doch um dem Feinde keine Blöße zu geben, sondern nach allen Seiten hin gegen seine Angriffe geschützt zu sein, müssen wir auch „den Helm des Heils“ nehmen. Das Heil, wie es im Epheserbrief uns dargestellt wird, schließt nicht nur unsere vollkommene Errettung, die Vergebung unserer Sünden, die Befreiung von unserem verderbten Zustand, der Knechtschaft der Sünde und der Macht des Feindes, sondern auch unser Versetztsein in die himmlischen Örter in sich. Wir besitzen ein volles, ewiges Heil, und keine Macht Satans kann es zunichte machen oder uns desselben berauben.

 Aber die Frage ist, ob wir täglich und stündlich im Bewusstsein und Genuss desselben wandeln; denn nur dann deckt es praktischerweise unser Haupt, gleich einem Helm am Tage des Kampfes. Nur dann haben wir die volle Gewissheit, dass Gott für uns ist, uns schützt und schirmt, und können kühn sagen: „Wenn. Gott für uns ist, wer wider uns? Er, der doch Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken?“ Oder: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?“

Welch einen Mut, welch eine Zuversicht verleiht eine solche Gewissheit! Wie beruhigend mussten auf die Kinder Israel inmitten ihrer Bedrängnis am Roten Meere die Worte wirken: „Jehova wird für euch streiten, und ihr, ihr werdet stille sein“! Gott hatte sie aus Ägypten erlöst, und Er stand zwischen ihnen und dem Heere der erbitterten Feinde. Was konnte der Pharao ihnen anhaben? —-„Mein lieber Leser! willst du die Sprache eines Gläubigen vernehmen, der sein Haupt mit dem Helm des Heils bedeckt weiß, so lausche auf die Worte des Apostels am Ende von Röm. 8: „Aber in diesem allen (Drangsal, Angst, Verfolgung, Hungersnot u. s. w.) sind wir mehr als Überwinder „durch Den, der uns- geliebt hat“. Und ferner: „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgend ein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn“ (V. 37 — 39).

Bisher hörten wir nur von Verteidigungs- oder Schutzwaffen; jetzt kommt als letztes Stück eine Angriffswaffe. Beachten wir dies wohl! Nur insoweit ich in der Wahrheit stehe, in praktischer Gerechtigkeit wandle, im Frieden meinen Weg durch diese böse Welt gehe, und insoweit mein Herz auf Gott vertraut und ich des Heiles völlig gewiss bin, kann ich in Tätigkeit treten und erfolgreich kämpfen· Das ist ein sehr wichtiger Punkt, den wir oft nicht genügend beachten. Wir ziehen zuweilen in den Kampf, ohne dass Wir nach Innen und Außen geborgen sind, und ohne das tiefe Bewusstsein zu haben, dass Gott mit uns ist; aber das Ende wird dann stets eine schimpfliche Niederlage sein.

Nur dann, wenn wir mit der ganzen Waffenrüstung Gottes angetan sind, wenn wir im Selbstgericht mit Gott wandeln, können wir das Schwert des Geistes nehmen, welches Gottes Wort ist (Vers 17); nur dann können wir dem Feinde entgegentreten und Anderen mittelst des Wortes Gottes zu Hilfe kommen. Unsere „Waffe heißt also das Schwert des Geistes, und nichts fürchtet der Feind mehr als dieses Schwert, wenn es anders unter der Macht und Leitung des Heiligen Geistes geführt wird. Es erweist sich dann von einer Kraft und Schärfe, der nichts zu widerstehen vermag —— „Wie ein Feuer, spricht Jehova, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert“ (Jer. 23, 29). Es ist „lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Zerteilung der Seele und des Geistes, sowohl der Gelenke als des Markes, und ein Verurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens“ (Hebr. 4, 12).

Indessen ist es überaus wichtig, dass wir es so zur Hand nehmen, wie es ist, dass wir ihm also nichts hinzufügen und nichts-davon tun; sobald wir das täten, würde es nicht mehr das Schwert des Geistes, nicht mehr Gottes Wort sein. So vollkommen wie unser Heil und unsere Gerechtigkeit sind, und dies unabhängig von irgendwelcher Mitwirkung unsererseits, gerade so vollkommen ist auch das Schwert des Geistes. Wir haben wahrlich nicht nötig, schärfer oder wirksamer machen zu wollen; eine solche Bemühung wäre vermessene Anmaßung und würde in Wirklichkeit nur dazu dienen, das Schwert stumpf und schartig zu machen. Nein, lasst uns einfältig das Schwert des Geistes nehmen, so wie die göttliche Rüstkammer es uns darbietet. Es ist nicht seinesgleichen. Wie der ganzen Waffenrüstung Gottes, so fehlt auch ihm nicht das Mindeste; es ist vollkommen ausreichend und zuverlässig, wenn wir es nur in wahrer Abhängigkeit von Gott zu gebrauchen wissen.

Deswegen fügt auch der Heilige Geist sogleich hinzu: „Zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geiste, und eben hierzu machend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen“ (Vers 18). Durch unser Gebet und Flehen drücken wir unsere Schwachheit und Abhängigkeit von Gott aus, und geben Ihm Anlass, unsere Sache in Seine Hand zu nehmen und Seine Macht und Hilfe zu offenbaren. Der Herr selbst hat diese Abhängigkeit während Seines ganzen Lebens hienieden bewahrt; viele Stunden verharrte Er im Gebet zu Gott, und in Hebr. 5, 7. 8 lesen wir von Ihm: „Der in den Tagen Seines Fleisches, da Er sowohl Bitten als Flehen zu Dem, der Ihn aus dem Tode zu erretten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen geopfert hat . . . obwohl Er Sohn war, an dem, was Er litt, den Gehorsam lernte.

 Auch Paulus und die Apostel, Epaphras und alle, die sich je im Dienste des Herrn ausgezeichnet haben, sind Männer des Gebets gewesen; daher ihre Erfolge im Dienst, sowie ihr Ausharren in ihren Leiden und Trübsalen. Alle diese Männer haben viel in verborgener Gemeinschaft mit dem Herrn verkehrt, und darum hat sich die Wahrheit des Wortes an ihnen bestätigt: „Und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten“ (Matth. 6, 6). Dass der Apostel Paulus ein so ausgezeichnetes Vorbild in seinem öffentlichen Dienste war, dürfen wir sicher als die Frucht seines verborgenen Dienstes betrachten, welcher seine Seele mit großer Kraft erfüllte und ihn so zu einem reichen Segen für Andere werden ließ. Ja, ich möchte sagen, die ganze Waffenrüstung Gottes erhält eigentlich erst Leben und Wirklichkeit durch die Ausführung der Worte: „zu aller Zeit betend“. Ein solches Gebetsleben bewahrt uns- in der Gegenwart Gottes, erhält unser Auge hell und unser Gewissen zart, und lässt uns alle Umstände, Sorgen und Schwierigkeiten vor Ihn bringen und mit Vertrauen in Seine Hände legen. Und die Folge davon ist, dass der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, unsere Herzen und unseren Sinn bewahrt in Christo Jesu (Phil. 4, 7).

Einem Christen, der den anhaltenden Gebetsumgang mit dem Herrn vernachlässigt, fehlt der wahre, innere Halt. Unser äußerer Beruf oder irgendwelche irdische Verpflichtungen können uns nicht hindern, zu aller Zeit zu beten, wenn nur unser Herzenszustand ein geistlicher ist. Der Apostel sagt: „Zu aller Zeit betend . . . in dem Geiste“. Für einen geistlich gesinnten Christen ist es nicht nur ein Bedürfnis, sondern auch ein großer Trost, zu wissen, dass der Herr zu aller Zeit bereit ist, aus sein Flehen zu hören. Es gibt für ihn keine größere Erleichterung inmitten der Umstände, als seine Gedanken auf den Herrn richten und Ihm alles sagen zu können. Und indem er das tut, trägt er den Sieg über die Umstände davon und behauptet seine Stellung in den himmlischen Örtern.

Beachtenswert ist es auch zu sehen, welch einen großen Wert der Apostel auf die Fürbitte der Gläubigen für alle Heiligen und für sich selbst legte: „Und eben hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen und für mich“. Aus diese Weise wird nicht nur das Werk des Herrn hienieden, sondern auch der Kampf in den himmlischen Orten zu einer gemeinsamen Sache aller Gläubigen gemacht. Und so muss es auch sein; denn die Gläubigen sind eins: das Werk ist ein gemeinsames Werk, und Satan ein gemeinsamer Feind.

 Dementsprechend wird ja auch die Versammlung oder Gemeinde im Epheserbrief als ein Leib dargestellt: „Da ist ein Leib und ein Geist“. Wenn wir also den in Rede stehenden Kampf wirklich kämpfen, so werden wir auch sicherlich darüber wachen, dass wir alle Heiligen und das ganze Werk in unsere anhaltende Fürbitte einschließen. Und indem wir das tun, bewahren wir, so viel an uns liegt, die Einheit des Geistes und halten uns fern von allem, was dieselbe stört, und vereiteln so die Anschläge des Feindes.

Möchte denn der Herr uns allen die Gnade verleihen, unserer himmlischen Stellung eingedenk zu bleiben und angetan mit der ganzen Waffenrüstung Gottes, den Kampf in den himmlischen Orten zu kämpfen! Noch über ein gar Kleines, und Satan wird mit seinen Engeln aus dem Himmel herabgeworfen werden, und wir werden mit und bei unserem Herrn ruhen ewiglich.

Fußnote:

*) Eigentlich ist die ganze Zeit der Abwesenheit Christi von Seiner Verwerfung an bis zu Seiner Wiederkunft der „böse Tag“; doch ist nicht ausgeschlossen, dass in dem Leben jedes einzelnen Gläubigen Tage vorkommen, wo der Feind in besonderer Weise seine Angriffe gegen ihn richtet.

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Erbitte dir leere Gefäße nimm nicht wenige

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 248ff

„Gehe hin, erbitte dir Gefäße von draußen, von allen deinen Nachbarn, leere Gefäße, nimm nicht wenige; und gehe hinein und schließe die Tür hinter dir und hinter deinen Söhnen zu, und gieße in alle diese Gefäße; und was voll ist, setze beiseite“ (2. Kön. 4, 3. 4).

Diese Worte redete einst der Prophet Elisa zu einer betrübten Witwe, die sich in einer verzweifelten Lage befand, da ihr Schuldherr für den Betrag, welchen sie ihm schuldete, ihre beiden Söhne zu Sklaven nehmen wollte. Sie hatte nicht zu bezahlen; ein Krug Öl bildete ihr einziges Hab und Gut. Ja ihrem Kummer wandte sie sich an den Propheten Gottes, und die Worte desselben zeugen von der wunderbaren Gnade des Gottes, dem er diente und dessen Macht er kannte. Er wusste wohl, an wessen Statt er redete; er kannte die unerschöpflichen Schatzkammern des Gottes Israels.

 Er sagte nicht: „Siehe zu, dass du nicht zu viele Gefäße nimmst; ach nein, der Glaube hat einen unbeschränkten Kredit bei Gott, und er hat noch nie ein leeres Gefäß gebracht, welches Gott nicht mit „Öl“ hätte zu füllen vermocht. Bei der Witwe hörte das Öl erst dann aus zu fließen, als kein leeres Gefäß mehr da war, um das Öl aufzunehmen. „Und es geschah, als die Gefäße voll waren, da sprach sie zu ihrem Sohne: Reiche mir noch ein Gefäß. Und er sprach zu ihr: Es ist kein Gefäß mehr da. Und das Öl stand (Vers 6). Die Quelle war also unerschöpflich, und der Glaube hielt den Kanal für das fließende Öl offen. So ist es stets. Sache des Glaubens ist es, den Mund „weit aufzutun“, Gottes Sache ist es, ihn „zu füllen“.

Wie ermunternd redet die Geschichte jenes armen Weibes zu unseren Herzen! Lasst uns oft an die kostbaren Worte denken: „Erbitte dir Gefäße, leere Gefäße, nimm nicht wenige. Wir dürfen wohl sagen, dass sie unmittelbar aus dem Herzen Gottes, unseres reichen und gütigen Vaters, kommen. Er wünscht, dass wir auf Ihn rechnen und viel ans Seinen unendlichen Quellen schöpfen; nie können wir zu viel von Ihm erwarten.

Mein lieber Leser! ist dein Herz niedergebeugt durch irgend einen Schmerz? Gibt es Dinge in deiner Familie oder in deinem Geschäft, die dir große Sorge machen? Schwierigkeiten, die unüberwindlich, Berge, die unübersteiglich zu sein scheinen? Wenn es so ist, o dann erbitte dir auch leere Gefäße und nimm nicht wenige! Öl genug ist da, ja das „Öl der Freude“ für deinen niedergebeugten Geist. Tritt nur im Glauben herzu und nimm. „Besieht Jehova deinen Weg und vertraue aus Ihn! und Er wird handeln. . . . Vertraue still dem Jehova und harre auf Ihn!“ (Psalm· 37, 5. 7). Wirf alle deine Sorgen auf Ihn, denn Er ist für dich besorgt (1. Petr. 5, 7). „Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kund werden“ (Phil. 4, 6). Truge deine schwere Bürde nicht länger selbst, sondern wirf sie auf Ihn, welcher sowohl fähig als willig ist, sie zu tragen. Mit einem Worte, „gehe hin, erbitte dir Gefäße, leere Gefäße, in welche der Strom des göttlichen Friedens sich ergießen kann, und erinnere dich des gnädigen Auftrags: „nimm nicht wenige“. Auf diesem Wege wird dein geplagter Geist zur Ruhe kommen, und wenn es auch Gott nicht gefallen sollte, die äußere Trübsal sogleich wegzunehmen, so wird Er doch inmitten derselben dein Herz mit Frieden und Vertrauen erfüllen.

„Oder seufzest du vielleicht unter dem Gewicht irgend seines Kummers? Hat die kalte Hand des Todes in den teuren Kreis hineingegriffen, an welchem sich deine Liebe zu erfreuen pflegte? Ist in deinem Herzen und in deinem Hause eine tief empfundene Leere entstanden, eine Leere, welche nichts aus dieser Erde aufzufüllen vermag? O denke dann daran, dass das Herz Jesu von tiefem, zärtlichem Mitgefühl überströmt. Er fühlt deinen Schmerz mit dir. Wenn Er hier wäre, so würde Er dich nicht wegen deines Kummers schelten. Er würde sich vielmehr neben dich setzen und Seine Tränen mit den deinigen vereinen. 

Aber du sagst: „Er ist nicht hier“. Nein, Er ist nicht hier, aber Er ist droben zur Rechten Gottes, des Vaters, als dein treuer, barmherziger Hoherpriester, der mit deiner Schwachheit Mitleid hat. Ein vollkommen menschliches Herz schlägt dort am Throne Gottes für dich, und auf das Mitgefühl dieses Herzens darfst du rechnen. So gehe denn hin, du Trauriger und Beraubter, und bitte um Gefäße, um leere Gefäße, welche den reichen Trost aufzunehmen vermögen, welcher von dem Herzen Christi dir zufließt; ja, gehe hin, nimm nicht wenige! Möge dein Glaube als Kanal dienen für das Öl des Trostes, welches in Fülle für dich bereit liegt.

Oder bist du vielleicht noch in Unruhe bezüglich deiner Stellung vor Gott? Beängstigen allerlei Zweifel dein Gemüt? Kannst du nicht volles Vertrauen fassen zu der Liebe Gottes und dem Werte des Blutes Christi? So gehe erst recht hin und erbitte dir Gefäße, leere Gefäße, welche den reichen Vorrat der Gnade Gottes, wie sie sich in Christo geoffenbart hat, in sich aufzunehmen vermögen. Nimm nicht wenige. Jesus hat alle Sünden der Seinigen auf sich genommen und für immer hinweggetan. Gott sieht sie nicht mehr; Er hat sie alle hinter Seinen Rücken geworfen. Unsere Sünde war allerdings überströmend, aber die Gnade ist noch überschwänglicher geworden.

Noch Andere sind durch schmerzliche Erfahrungen und Enttäuschungen niedergedrückt, nicht so sehr durch Enttäuschungen seitens der Welt und ihrer Kinder —- denn kein wahrer Christ wird von der Welt etwas erwarten sondern vielmehr durch Enttäuschungen von Seiten christlicher Freunde. Inmitten der Gläubiger: sind ihre Hoffnungen bitter getäuscht worden. So lange sie dieselben aus- einer gewissen Entfernung betrachteten, schienen sie alles Liebliche und Anziehende in sich zu vereinigen. Sie schienen so abgesondert von der Welt, so geistlich gesinnt, so voll von Liebe zu sein; aber als sie sie näher kennen lernten, da fanden sie so manche Schwachheiten, Verkehrtheiten und Torheiten, so viel Menschliches, dass sie sich schmerzlich enttäuscht sahen. 

Dieser Fall ist nicht so ungewöhnlich. Es gibt wohl manches in dieser Weise verwundete Herz inmitten des Bereichs der Versammlung Gottes. Aber Gott sei gepriesen! auch für solche Herzen ist Öl in Fülle vorhanden. Wenn ihr Schmerz ein wirklich göttlicher, ihre Betrübnis eine wahre, aufrichtige ist, so sind schon die leeren Gefäße da, um sich stillen zu lassen von dem nie versiegenden Strom der Liebe Gottes. Indem sie sich zu Christo wenden, der das schwächste Glied Seines Leibes mit derselben vollkommenen Liebe liebt, der „derselbe ist gestern und heute und in Ewigkeit“, der „die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“, der sie nährt und pflegt mit unermüdlicher Sorge — so wird Trost und Erquickung von Ihm auf sie herabströmen, die Gefäße werden überfließen, und sie werden Kanäle des Segens für Andere werden.

Noch einmal denn: mag deine Lage sein, welche sie will, mag es sich um Schwierigkeiten, Kummer, Zweifel oder Enttäuschungen handeln — die Botschaft Gottes an dich bleibt immer dieselbe; sie lautet: „Gehe hin, erbitte dir Gefäße, leere Gefäße; nimm nicht wenige“. Welch eine bewunderungswürdige Gnade tritt uns in den Worten: „leer“ und ,,nicht wenige« entgegen! Unsere Gesäße müssen leer sein. Gott kann nicht ein Gefäß füllen, welches noch halb mit irdischem Vorrat gefüllt ist. Der Ruhm muss Ihm allein bleiben; und unmittelbar von Ihm muss das Öl kommen. Und so wie das Wort „leer“ jedes Geschöpf ausschließt, so lassen die Worte „nicht wenige“, Ihm Raum und geben Kunde von dem Glauben, der auf Seine Güte und Macht vertraut.

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Jesus der Mann der Schmerzen

Bibelstelle: Matthäus 26

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 253ff

Wenn Christus in Seiner Vollkommenheit vor unsere Augen gestellt wird, so sind alle unsere Gedanken durchaus unzureichend. Die moralische Herrlichkeit des Herrn übersteigt unser Verständnis bei weitem. Er ist genug, um die Wonne Gottes, des Vaters, zu bilden; sicherlich sollte Er auch unsere Wonne. sein. Aber es ist von Wichtigkeit, dass unsere Herzen sich wirklich mit Ihm beschäftigen, und zwar mit Ihm in Seiner tiefen Erniedrigung. Jetzt thront Er zur Rechten Gottes droben; und um in Sein Bild verwandelt zu werden, müssen wir Ihn dort in der Herrlichkeit betrachten. 

Wollen wir aber Seine Gesinnung offenbaren, so müssen wir Ihn anschauen, wie Er hienieden war. Wenn es deshalb in Phil. 2 heißt: „Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu war, und wir fragen: wann war dies? so lautet die Antwort: als Er, der droben in der Herrlichkeit in Gestalt Gottes war, es- nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem Er in Gleichheit der Menschen geworden ist; und ferner: als Er, nachdem Er Mensch geworden, sich selbst erniedrigte und gehorsam ward bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze.

Wir finden hier gewissermaßen ein zweimaliges Herabsteigen: zunächst Seine Menschwerdung, als Er in Gestalt Gottes war, und dann, als Mensch, Seine Erniedrigung zu dem schmachvollen Kreuzestode. Welch ein Weg! Er führte Ihn aus der Herrlichkeit Gottes herab auf diese Erde und ans Kreuz; und nichts vermochte Ihn auf diesem Wege aufzuhalten. Indes finden wir Ihn in Phil. 2 in Seiner Stellung vor den Menschen. Dort ist keine Rede von dem Werke Christi in seinem sühnenden Charakter. Als Er durch Sein Opfer die Sünde beseitigte, war Er allein mit Gott. Alles war Finsternis um Ihn her. Der Mensch und Satan hatten ihr Äußerstes getan wie der Herr in Psalm 22 es ausdrückt: „Viele Farren haben mich umgeben, Stiere von Basan mich umringt“ (Vergl. Vers 11 — 18). Doch inmitten dieser, wenn ich sie so nennen darf, menschlichen Leiden wandte Er sich an Gott mit den Worten: „Du aber, Jehova, sei nicht fern von mir!“ Alle Bosheit, alle Verachtung, die Ihm widerfuhr, warf Ihn, den Vollkommenen, nur auf Gott. Aber ach! dann wurde Er auch von Gott verlassen! Denn sollte Er ein wirksames Opfer sein, um die Sünde hinweg zu tun, so musste Gott Sein Angesicht vor Ihm verbergen.

Nur unsere Not und unsere Sünden treiben uns zum Kreuze. Niemand kommt in Wahrheit dahin, es sei denn als ein Sünder, der durch seine Sünden zu Christo getrieben wird. Hernach aber, wenn wir als Gläubige, auf Grund des vollbrachten Werkes Christi, in völligem Frieden durch den zerrissenen Vorhang in die Gegenwart Gottes treten und von hier ans auf das Kreuz zurückblicken, so entdecken wir in ihm eine Herrlichkeit und Vollkommenheit, die nur Ihm eigen sind; wir sehen, dass es den Ausgangspunkt aller Wege Gottes bildet, ja, dass selbst der neue Himmel und die neue Erde ein Ergebnis desselben sind. In dem Kreuze auf Golgatha wurde Gott völlig verherrlicht. Es bildete den Gipfelpunkt des Guten und des Bösen; allem wurde dort begegnet.

Wie gesagt, wir müssen zunächst als Sünder zum Kreuze kommen, um seinen Wert zu erkennen. Haben

wir aber durch dasselbe Frieden gefunden, und sind wir als Versöhnte in die Gegenwart Gottes gebracht, so wird stets den Gegenstand unserer Betrachtung ausmachen. Nie werden wir das Lamm vergessen können, das geschlachtet worden ist. Indes können wir das Kreuz nunmehr von Gottes Seite, in Gemeinschaft mit Ihm, betrachten; und was sehen wir dann?

In dem Kreuze erblicke ich zunächst den Höhepunkt der Sünde des Menschen, eine tatsächliche Feindschaft gegen den Gott, der in Güte gegenwärtig war. Der Mensch war nicht eher zufrieden, als bis Christus aus dem Wege geschafft war. Darum konnte Petrus den Juden mit Recht zurufen: „Ihr habt Ihn durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geheftet und umgebracht“ (Apstgsch. 2, 23). Und der Herr selbst sagt: „Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein Anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde«, d. h. sie wären gerechtfertigt gewesen, indem sie Ihn verwarfen, „jetzt aber haben sie gesehen und gehasst, sowohl mich als auch meinen Vater. 

Wie zeigt sich hier die Bosheit des Menschen in ihrer äußersten Entfaltung: die Gegenwart Gottes in Güte und Gnade rief nur seinen Hass hervor! In Christo war die Macht vorhanden, um allen Schaden, den die Sünde angerichtet hatte, durch Sein Wort wieder gut zu machen; aber die Offenbarung dieser Macht brachte nur die Feindschaft des menschlichen Herzens wider Ihn ans Licht: man kreuzigte Ihn. So sehen wir denn, was der Mensch ist; die Gegenwart Gottes- hat es völlig offenbar gemacht. Der Mensch hatte früher das Gesetz gebrochen; jetzt erschien Gott selbst in vollkommener Güte und Macht, in einer Macht, die alles Elend beseitigen konnte; aber weil es die Macht Gottes war, verwarf sie der Mensch und kreuzigte Christum.

Sodann zeigt sich auf Golgatha die ganze Macht Satans. Der Fürst dieser Welt führte alle seine Scharen wider Christum ins Feld. Deshalb lesen wir: „Dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis“. Bei der Versuchung in der Wüste hatte Jesus den Sieg über Satan davongetragen, und wir hören dort, dass er für eine Zeit von Ihm wich“ (Luk. 4, 13). Nun aber kehrte Satan zurück und bot noch einmal seine ganze Macht auf. „Der Fürst dieser Welt kommt“, sagte Jesus, „aber“, so konnte Er hinzufügen, „er hat nichts in mir“. Es gelang ihm zwar, den ganzen Hass des menschlichen Herzens wider Christum aufzustacheln, denn er war wirklich der Fürst dieser Welt, er hatte Gewalt über die Erde; aber Christus konnte sagen: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt: jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen. Der scheinbare Sieg Satans war in Wahrheit nur eine völlige Niederlage.

Weiterhin erblicken wir im Kreuze die absolute Vollkommenheit des zweiten Menschen. Jesus selbst sagt im Blick darauf: „Auf dass die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe, und also tue, wie mir der Vater geboten hat (Joh. 14, 31). Vollkommene Liebe zum Vater und vollkommener Gehorsam vereinigten sich in dem Menschen Christus Jesus; und gerade in jenem Augenblick, als Er den schrecklichen Kelch trinken musste, als Er zur Sünde gemacht wurde, bewies Er diesen Gehorsam und diese Liebe zum Vater in einer Weise wie nie zuvor.

Endlich sehen wir auch, wie am Kreuze Gottes unendliche Liebe und Gnade die Sünde überströmt haben:

Er gab Seinen Sohn dahin! Zugleich damit zeigte sich Seine vollkommene Gerechtigkeit im Gericht über die Sünde; Gott wahrte Seine Majestät und Heiligkeit. „Es geziemte Ihm, um deswillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem Er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Anführer ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen“ (Hebr. 2, 10).

Gleichwie also am Kreuze in dem Menschen und in Satan das Böse in seiner vollendeten Form ans Licht trat, so zeigte sich auch im Menschen (aber dieser Mensch War Gott) das Gute in vollkommener Gestalt, und in Gott eine vollkommene Liebe, verbunden mit Gerechtigkeit gegenüber der Sünde, wenn diese als solche behandelt wurde. Gutes und Böses begegneten sich. Das Kreuz hat in Gerechtigkeit die unerschütterliche Grundlage für alle Segnungen Gottes bis zu denen des neuen Himmels und der neuen Erde gelegt; nicht auf der Verantwortlichkeit des Menschen, sondern aus dem vollendeten Werke des Sohnes Gottes, dessen Wert unerforschlich ist, beruht alles.

Je mehr wir über das Kreuz nachsinnen, (ich wiederhole: als bedürftige Sünder sind wir zu ihm gekommen; als Gläubige, die mit Gott versöhnt sind, können wir uns niedersetzen und es betrachten,) desto mehr erkennen wir, dass das, was dort geschehen ist, einzig dasteht in dem ganzen Verlauf der Geschichte der Menschheit, ja, dass die Bedeutung jenes Ereignisses in alle Ewigkeit hineinreicht. Die Herrlichkeit Gottes, die Sünde des Menschen, die Vollkommenheit des „zweiten Menschen, des Herrn vom Himmel“, Satans Bosheit, Gottes Macht, Liebe und Gerechtigkeit, alles, alles wurde dort offenbar, allem wurde dort entsprochen. Daher bildet das Kreuz die unwandelbare Grundlage der Segnung des Menschen, ja, von allem, was auf Erden wie im Himmel gut ist.

Als solche, die durch dieses wunderbare Werk auf Golgatha mit Gott versöhnt sind, können wir nun Jesum betrachten und von Ihm lernen; wie Er sagt: „Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“. Er sah, dass die Welt Ihn verworfen hatte; auf Erden war keine Ruhe zu finden. Mit wunderbarer Geduld hatte Er hienieden nach einem Ruheplatz gesucht, aber nichts derart gefunden. Wie einst Noahs Taube in die Arche zurückkehrte, weil sie keinen Ruhort für ihren Fuß fand, so hatte auch der Sohn des Menschen (und zwar nicht nur in buchstäblichem Sinne) auf dieser Erde nicht, wohin Er das Haupt legen, oder wo Sein Herz ausruhen konnte. Er musste sagen: „Ich habe auf Mitleiden gewartet, und da war keines, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden“ (Ps. 69, 20).

Aber gerade als Er die Erfahrung gemacht hatte, dass auf dieser armen Erde kein Ruheplatz für das Herz zu finden ist, rief Er den Mühseligen und Beladenen zu: „Kommet her zu mir, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ Möchten wir denn, während unser Gewissen in Christo vollbrachtem Werke ruht, unsere Herzen und Gedanken umgestalten lassen durch unseren hochgelobten Herrn! Möchten wir Ihn betrachten und von Ihm lernen! Das ist das Geheimnis für unseren praktischen Wandel durch diese Welt. „Wer mich isst, wird leben meinetwegen.“ Ohne Zweifel sollte das Verlangen nach diesem lebendigen Brot beständig in uns wachsen; aber das wird der Fall sein, je mehr wir uns wirklich von Ihm nähren.

Das christliche Leben hat zwei Seiten: Einerseits gilt es, das Ziel zu erreichen, Mut zu fassen, den Sieg über die Welt davonzutragen; dafür wird uns Christus in der Herrlichkeit vorgestellt, und die Energie des Glaubens offenbart sich darin, dass sie läuft, weil sie den verherrlichten Christus als das Ziel anschaut und daher alles andere für Verlust und Dreck achtet. (Phil. 3.) Andererseits handelt es sich darum, hienieden in der Gesinnung Christi zu wandeln; dafür wird Er uns in Seiner freiwilligen Erniedrigung in Seinem Wandel durch diese Welt vor Augen gestellt (Phil. 2).

Im Evangelium Matthäus sehen wir Christum vor allem als das Opfer. Überall tritt uns in wunderbarer Weise Seine völlige Unterwürfigkeit entgegen; aber gleichzeitig, und das ist bemerkenswert, die Tiefe Seiner Leiden. Wenn Er an den Kelch denkt, so ruft Er aus: „Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“. Lukas berichtet uns, dass Sein Schweiß wie große Blutstropfen zur Erde fiel. Er war ein Mensch, aber Sein Gefühl von der Schrecklichkeit des Zornes Gottes war vollkommen. In demselben Maße wie Er wusste, was es ist, heilig zu sein, fühlte Er auch, was es hieß, vor Gott zur Sünde gemacht zu werden. In demselben Maße wie Er die Liebe Gottes kannte und genoss, fühlte Er auch, was es war, von Gott verlassen zu sein. In diesem Sinne war Sein Leiden unendlich; und indem Er in Gemeinschaft mit Seinem Vater den Kelch betrachtete, rief Er aus: „Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“. Seine Seele durchmaß diese gewaltigen Tiefen, und indem sie es tat, wurde Sein Schweiß wie große Blutstropfen, die zur Erde fielen. 

Wenn Er aber nachher zu den Jüngern zurückkommt, finden wir keine Spur mehr von diesem schrecklichen Kampfe. Er redet so liebevoll mit ihnen, indem Er auf ihre Gedanken eingeht, als ob der Kelch überhaupt nicht da wäre. „Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen?“ fragt Er sie. Wie wunderbar ist das! In dem ganzen Leben des Herrn suchen wir vergebens nach einem Falle, wo die Umstände Ihn beherrscht hätten. Er blieb stets Er selbst und war allezeit (ausgenommen in jenen drei schrecklichen Stunden, als Er von Gott verlassen war) voll von Mitgefühl und Teilnahme für Andere. Was Seine eigenen Leiden betrifft, so wurde Er wie ein Schaf zur Schlachtung geführt; wie ein Lamm stumm ist vor seinem Scherer, also tat Er Seinen Mund nicht aus. Selbst vor Pontius Pilatus sagte Er nichts. Ja, Er war stumm, außer wenn es galt, jemandem Gnade und Liebe zu erzeigen. Dann offenbarte Er, als wäre nichts vorgefallen, vollkommene Güte und vollkommenes Mitgefühl für alle. Obwohl Er die Schrecknisse, die vor Ihm lagen, in ihrer ganzen Größe kannte und fühlte, sehen wir Ihn doch völlig unterwürfig; Er fühlte sie in Gemeinschaft mit dem Vater, und darum konnte Er sich auch mit völliger Ruhe und Teilnahme den Jüngern zuwenden.

Andererseits wünschte Er ihr Mitgefühl: „Bleibet hier und machet mit mir“. Er war „Gott über alles“, und doch voll und ganz ein Mensch; aber niemals forderte Er, wie ein Anderer bemerkt hat, Seine Jünger auf, für Ihn zu beten. Das wäre nicht in Übereinstimmung gewesen mit dem, was Er war. Es ist ein sehr köstlicher Gedanke, dass Er, der bei Gott war und Gott, geoffenbart im Fleische, in allem fühlte, wie ein Mensch fühlt. Als Er Seinen Jüngern sagte: „Wachet mit mir“, fühlte Er, dass die Welt wider Ihn war, und wünschte, dass die, welche Ihn stets begleitet hatten, bei Ihm sein möchten. Aber ach, sie schliefen! Er wartete auf Mitleid, und da war keines, auf Tröster, und Er fand sie nicht. Nichts wurde Ihm hienieden zu teil. Er wurde geübt und geprüft bis zu dem höchsten Grade menschlichen Leidens, aber Er war allein in dem „ringenden Kampfe“.

Wo waren die, welche mit Ihm ins Gefängnis, ja in den Tod hatten gehen wollen? Sie schliefen! Sie hatten angesichts der Herrlichkeit des Reiches auf dem heiligen Berge geschlafen, und sie schliefen hier in Gethsemane! O welch jämmerliche Geschöpfe sind wir! ist nicht gerade Sünde, um die es sich hier handelt: aber es zeigt sich, was für ein Teil Christus in dieser Welt hatte: da war niemand, der mit Ihm gefühlt hätte. Maria von Bethanien war die Einzige, welche in die Gefühle des Herrn einging und ein Bewusstsein davon hatte, um was es sich handelte. Alle übrigen hatten kein Mitgefühl mit Ihm. 

Durch Judas angeregt, meinen die Jünger: „Wozu diese Verschwendung?“ Wie offenbart sich hier das Herz des Menschen! Gerade dort in Bethanien hatte Gott Seinem Sohne Zeugnis gegeben: gerade dort war Er als der Sohn Gottes erwiesen worden, indem Er den Lazarus auserweckte. Gott wollte nicht zugeben, dass Er ohne dieses mächtige Zeugnis verworfen wurde. Dann salbt Maria Ihn, und als alles wider Ihn war, kommen die Griechen und begehren Ihn zu sehen; die Stunde war gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werden sollte. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh. 12, 24). Gott sorgte dafür, dass Ihm Zeugnis gegeben wurde; aber von seiten des Menschen war Marias Salbung wohl der einzige Beweis von einem verständnisvollen, mitfühlenden Herzen.

Wie würde uns so etwas vorkommen, geliebter Leser? Ist es nicht schrecklich'? Ja, es war eine schreckliche Welt für unseren teuren Herrn. Aber Er war vollkommen und ging durch sie hindurch. 262

Während die Jünger schliefen, war Jesus allein, ganz allein mit Seinem Vater, und ging im Geiste mit Ihm durch die vor Ihm liegenden Schrecknisse. Um die göttliche Antwort betreffs des Kelches endgültig zu vernehmen, betete Er: „Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber, doch nicht wie ich will, sondern wie du willst“. Ach! es war nicht möglich, dass der bittere Kelch Ihm erspart wurde. „Und als Er in ringendem Kampfe war, betete Er heftiger. Es wurde aber Sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen. „Welch ein Kampf! Wer könnte ahnen, was in dieser Stunde in dem Herzen unseres anbetungswürdigen Heilandes vorging! Und doch, wie schon weiter oben bemerkt, gleich nachdem Er in diesem furchtbaren Kampfe gewesen war, kehrte Er zu Seinen Jüngern zurück und redete in der freundlichsten Weise mit ihnen. Sie waren vor Traurigkeit eingeschlafen; „Und Er sprach zu ihnen: Was schlafet ihr? Stehet auf und betet, auf dass ihr nicht in Versuchung hineinkommet“.

Wie wunderbar! Der Herr denkt jetzt nicht mehr an den Kelch, sondern nur an sie! Wo war der Kelch? Er hatte ihn aus der Hand des Vaters genommen, und deshalb war Sein Herz zum Dienst für Andere fähig; ja, selbst in dieser schrecklichen Stunde war Er zu jedem Dienst bereit (Vergl. Luk. 22, 50. 51). Würden wir in unserem geringen Maße alle unsere Übungen, unsere kleinen Kümmernisse zu Gott bringen, um mit Ihm durch alles hindurchzugehen, so wären auch unsere Herzen frei und glücklich, um uns Anderen zuzuwenden und für sie Sorge zu tragen. Jesus ging im Geiste mit Gott vollkommen durch die Tiefen Seines Leidens; und eben aus diesem Grunde konnte Er nachher voll Frieden sich den Jüngern zuwenden und ihnen zurufen: „Wachet und betet, auf dass ihr nicht in Versuchung hineinkommet“. 

Er fühlte, wo Er sich befand; aber dies ist das einzige Mal, dass Er jenem Gefühl Ausdruck gab durch die Worte: „Wachet und betet!“ Alles was uns begegnet, wird uns entweder zu einer Versuchung, oder zu einer Gelegenheit zum Gehorsam. Für Christum war alles eine Gelegenheit zu vollkommenem Gehorsam. Er sagt: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken“ (Joh. 18, 11)? Alles was uns entgegentritt, wird entweder zu einer Sache, in welcher wir Christo dienen, oder unseren eigenen Willen tun; und den eigenen Willen tun heißt in Versuchung hineingehen.

Wie gnadenreich spricht der Herr zu Petrus: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“! Er sagt gleichsam: Ich weiß wohl, dass ihr mich liebet; eure Herzen stehen recht zu mir, aber da ist diese jämmerliche Schwachheit des Fleisches! Welch eine Gnade! Jesus rechnete in einem Sinne auf die Herzen der Jünger, als die Versuchung herannahte; aber als sich ihre ganze Schwachheit bewiesen und sie völlig gefehlt hatten, da dachte Er nur an ihre Gefahr und rief ihnen zu: „Wachet und betet . . . ; der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“; und doch war nur einen Augenblick vorher Sein Schweiß gleich großen Blutstropfen zur Erde gefallen!

Welch eine völlige Unterwerfung! Welch eine Niedriggesinntheit des Herzens! Und daher, welch ein vollkommener Dienst der Liebe Gott und den Menschen gegenüber! Gerade so sollte es bei uns sein. Dann lesen wir weiter: „Wiederum, zum zweiten Male, ging Er hin und betete und sprach: Mein Vater, wenn dieser nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille. Und als Er kam, fand Er sie wiederum schlafend, denn ihre Augen waren beschwert. Und Er ließ sie, ging wiederum hin, betete zum dritten Male und sprach dasselbe Wort. Dann kommt Er zu den Jüngern und spricht zu ihnen: So schlafet denn fort und ruhet aus; siehe, die Stunde ist nahe gekommen“. Mit anderen Worten: Jetzt ist es nicht mehr nötig, mit mir zu wachen; die Zeit ist vorüber.

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Einige Gedanken über Joh. 17,13-19

Bibelstelle: Joh. 17,13-19

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 264ff

In dem 17. Kapitel des Evangeliums Johannes» sind wir zugelassen, auf die Worte zu lauschen, welche unser anbetungswürdiger Herr kurz vor Seinem Weggang aus dieser Welt auf den Vater richtete. Das ist eine unvergleichliche Gnade. Jeder Vers dieses Kapitels zeigt uns die vollkommene Liebe Jesu zu den Seinigen. Er bringt alle Seine Wünsche betreffs ihrer vor den Vater. Mit einer Liebe, Sorgfalt und Gnade, wie nur der gute Hirte sie haben konnte, legte Er die Seinigen dem Vater ans Herz und verbindet sie mit sich und dem Vater: „Ich in ihnen, und du in mir“ (V. 23.) Welch eine Verbindung mit dem Vater und dem Sohne!

Der Herr betrachtet hier bekanntlich Sein Werk als bereits vollendet; Er steht im Begriff, zu dem Vater zurückzukehren, der Ihn gesandt hatte. „Jetzt aber komme ich zu dir, und dieses rede ich in der Welt, auf dass sie meine Freude völlig in sich haben.“ Die Seinigen, die der Vater Ihm gegeben, hatten das Wort des Vaters angenommen, und Er hatte ihnen den Namen des Vaters, in welchem sie Ihm gegeben waren, kundgetan. Sie hatten das Wort, die Wahrheit, angenommen und kannten jetzt den Vater in dem Sohne. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Kap. 14, 9). Die Erkenntnis des Vaters und des Sohnes ist das ewige Leben, und indem wir dieses Leben besitzen, haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo. Das Verstehen dieser über alles kostbaren Wahrheit erfüllt das Herz mit überströmender Freude. „Dieses schreiben wir euch, auf dass eure Freude völlig sei“ (1. Joh. 1, 4). Wir genießen dieselbe Freude, (selbstverständlich nach dem Maße unseres Vermögens die der Herr auf Seinem Wege durch diese Welt genoss, und die auch jetzt, wo Er verherrlicht zur Rechten Gottes thront, Sein Herz erfüllt.

Wie herrlich und überströmend ist Seine Gnade! Er gibt den Seinen nicht nur Vergebung ihrer Sünden, Heil und Leben, sondern schenkt ihnen auch Seine Freude· und Seinen Frieden; und zwar nicht erst dann, wenn sie droben bei Ihm sein werden, sondern schon hienieden, auf dem Pilgergang durch diese Wüste, die so voll von Gefahren und Versuchungen für sie ist. Sie sind solche, die „sich allezeit freuen“ können. (Phil. 4, 4.) Es ist deshalb kein Wunder, wenn wir von der Welt gehasst werden. Denn in demselben Maße wie die Wahrheit unsere Herzen mit Friede und Freude erfüllt, trennt sie uns auch von der Welt und ihrer Gesinnung; sie stellt uns auf denselben Boden, auf welchem der Herr Jesus stand; und die Finsternis hasst das Licht.

Der Herr bittet den Vater nicht, das; Er die Seinigen aus der Welt wegnehmen möchte, sondern „dass Er sie bewahre vor dem Bösen“ (V. 15.). Der Vater hätte die teure, mit dem Blute Seines Sohnes erkaufte Schar zu sich nehmen können; aber nein, sie sollte noch ein wenig hienieden bleiben, und der Herr fleht deshalb, dass sie doch vor dem Bösen bewahrt bleiben möge. Satan, der Fürst dieser Welt, hasst alle, die an Christum glauben, mit demselben Hasse, womit er Ihn gehasst hat, und ist rastlos bemüht, ihnen zu schaden, sei es dass er sie durch das was in der Welt ist: Augenlust, Fleischeslust und Hochmut des Lebens, zu verlocken sucht, sei es dass er die Wahrheit durch Einführung böser Lehren zu verderben und so die Seelen von der Einfalt gegen Christum abzuwenden trachtet. 

Wie sehr seine Bemühungen von jeher mit Erfolg gekrönt waren, das wissen wir leider nur zu gut. Die mancherlei traurigen Zustände bei einzelnen Gläubigen in praktischer Beziehung, sowie die vielen Spaltungen, Sekten und Parteien rund um uns sind das Werk Satans. Wie nötig haben wir deshalb alle, acht zu haben, zunächst auf uns selbst und dann auf die Lehre! (Vergl.1.Tim. 4,16). Wir bedürfen ein klares, einfältiges Auge im Blick auf unseren täglichen Wandel, und ein entschiedenes Herz hinsichtlich des Festhaltens an der Wahrheit, dem geschriebenen Wort. Letzteres ist der einzig sichere Schutz gegen alle Listen und Anläufe Satans. — „Bewahre sie vor dem Bösen“, so lautete das Flehen unseres Herrn zum Vater. O möchten wir und alle, die durch den Glauben Ihn kennen gelernt haben, uns durch Gottes Gnade bewahren lassen!

„Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (V. 16). Der Gläubige gehört dieser Welt nicht mehr an; er hat weder ein Teil mit ihr, noch bildet er einen Teil von ihr. Er steht außerhalb der Welt, außerhalb ihres Geistes, ihrer Gesinnung, Wünsche und Ziele; er ist aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf herausgenommen; er ist ebenso völlig von der Welt getrennt, wie Christus von ihr getrennt war. Darum, was auch einst über diese Welt kommen möge: Zorn und Grimm, Gericht und Vergeltung - alle, die im Blute Christi von ihren Sünden gereinigt worden sind, werden das Los der Welt nicht teilen. Für sie steht geschrieben: „So ist denn nun keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind“ (Röm. 8, 1).

Aber wenn der Gläubige in der Zukunft kein Teil mit der Welt hat, so auch nicht in der Gegenwart; deshalb hören wir den Herrn weiter sagen: „Heilige sie durch die Wahrheit: dein Wort ist Wahrheit“ (V. 17). „Heilige sie“, d. h. sondere sie ab; und was ist das Mittel dazu? Die Wahrheit, das Wort Gottes. Durch dieses lernen wir unsere Stellung als Kinder Gottes kennen und zugleich unsere Verantwortlichkeit verstehen, nun als Kinder Gottes zu wandeln, würdig des Herrn, zu allem Wohlgefallen. Nichts vermag uns mehr abzusondern oder zu heiligen, als das Wort Gottes. Dasselbe zeigt uns einerseits, was wir sind, und andererseits, was Gott ist, geoffenbart in Christo Jesu, unserem Herrn; denn von Ihm reden und zeugen die Schriften. Zugleich macht es uns fähig, durch die Kraft des Heiligen Geistes in den Fußstapfen und in der Gesinnung unseres Herrn zu wandeln. Indem wir das Wort Gottes bewahren, werden wir von allem Bösen abgesondert, und zwar nicht nur äußerlich, wie bei Israel, sondern innerlich, in unseren Gedanken und in unserer Gesinnung.

„Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (V. 18). Wir könnten fragen: von wo hat der Vater den Sohn gesandt? Die Antwort ist: aus dem Himmel; denn Er war dort von Ewigkeit her. Nun sagt der Herr: „Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt“. Das Wort Gottes sagt uns, dass wir mit Christo gekreuzigt, gestorben, begraben, auferweckt und mit Ihm in die himmlischen Örter versetzt seien. So wird jeder Gläubige von Gott betrachtet; Gott sieht jeden einzelnen, selbst das schwächste Glied am Leibe Christi, vollendet in Christo. Ja, noch mehr, „wir sind aus Gott geboren“. „Gott hat uns gezeugt nach Seinem Willen durch das Wort der Wahrheit“. (Jak. 1, 18; vergl. Joh. 1, 13; 1. Joh. 4, 7; 5,18. 19.) Wir sind nicht etwa angenommene Kinder, sondern von Gott selbst gezeugt. Der Himmel ist unsere Heimat. Wären wir von der Welt, so könnten wir nicht in dieselbe gesandt werden. So ist denn jeder Gläubige ein Gesandter Jesu Christi in dieser Welt. Gleichwie der Vater den Sohn in die Welt gesandt hat, hat der Herr Jesus die Seinigen in die Welt gesandt.

Der Gläubige kommt gleichsam vom Himmel, und ist auf diese Erde gesandt mit einem bestimmten Auftrag, den er auszuführen hat. Der eine ist hierhin, der andere dorthin gesandt, so wie der Herr einen jeden befähigt hat, inmitten seiner Umgebung seinen Dienst oder Auftrag zu erfüllen. Jeder Gläubige ist deshalb dem Herrn verantwortlich, ein Zeugnis für Ihn zu sein, Den zu verherrlichen, der ihn gesandt hat. Und was kennzeichnet einen himmlischen Gesandten? Wodurch unterscheidet er sich von den Kindern dieser Welt? Die Antwort ist nicht schwer. Wenn ein Engel vom Himmel in eine Fabrik gesandt würde, um dort zu arbeiten, würde er dann wohl eine Sprache führen wie diejenigen, welche Gott nicht kennen? an Dingen teilnehmen, durch welche sein Herr verunehrt werden könnte? Sicherlich nicht! Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass wir nicht Engel, sondern „Kinder Gottes“ sind, so verstehen wir sofort den tiefen Ernst und die Tragweite der Worte: „Ich ermahne euch nun, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit welcher ihr berufen worden seid“, oder jener anderen: „Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder“ (Eph. 4, 1; 5, 1).

Wie sollten die Menschen, unter welche der Herr uns gesandt hat, sehen, dass wir von anderen Grundsätzen geleitet werden wie sie, und dass ein anderer Geist und eine andere Gesinnung uns beseelen! Unsere Sprache, unser ganzes Wesen, die Beweggründe unseres Tuns und Lassens alles sollte Zeugnis davon ablegen, dass wir Gesandte Jesu Christi sind, um die Tugenden Dessen zu verkünden, der uns aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Lichte geführt hat. Als Zeugen der Gnade und Liebe Gottes sollten wir wie Himmelslichter leuchten inmitten der Finsternis dieser Welt, darstellend das Wort des Lebens (Phil. 2, 15. 16). O möchten doch alle Gläubigen erkennen, dass der Herr sie zu diesem Zweck in die Welt gesandt hat, und ihrer Sendung treu sein! Welch ein Licht würde dann leuchten in Fabriken und Bergwerken, in der Stadt und auf dem Lande, beim Militär, in den Häusern und Werkstätten, bei Herren, Knechten und Mägden! Das Wort des Lebens würde in Kraft dargestellt, und Christus würde verherrlicht werden.

Wir wissen wohl, dass die Welt gegen uns ist und sich auf alle Weise bemüht, uns ihre Feindschaft fühlen zu lassen. „In der Welt habt ihr Drangsal“, ruft der Herr Seinen Jüngern am Schluss des 16. Kapitels zu; aber dann folgen sogleich die tröstlichen Worte: „Seid gutes Mutes, ich habe die Welt überwunden“. Welt und Fleisch werden stets bleiben, was sie sind: „Feindschaft wider Gott“. Die Welt kann uns nicht erkennen, weil sie Ihn nicht erkannt hat. „Wenn ihr von der Welt wäret, so würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt“ (Joh. 15, 19). Lasst uns deshalb, als Gesandte Jesu Christi, die gute Botschaft Seiner Liebe und Gnade mutig und unerschrocken verkündigen! Lasst uns das Zeugnis der Wahrheit unentwegt festhalten und das Wort unseres Herrn bewahren unter allen Umständen! Mag dann der Feind auch einmal toben, um uns zu erschrecken, wir dürfen getrost auf Jesum schauen; nichts kann uns von Seiner Liebe scheiden.

„Und ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“ (V. 19). Der Herr hat sich für uns geheiligt, d. h. zu unseren Gunsten für Gott abgesondert, und sich zur Rechten des Vaters gesetzt. In Ihm, dem verherrlichten Menschen droben, erblicken wir jetzt die ganze Wahrheit: den Menschen nach den Ratschlüssen Gottes, in welchem Gott sich bezüglich alles dessen, was Er ist, völlig geoffenbart und verherrlicht hat. Die Erkenntnis dessen, was Christus droben ist, sowie des Platzes, den Er dort eingenommen hat als Haupt der neuen Schöpfung, mit einem Wort: die Erkenntnis der Wahrheit, soll uns nun ebenfalls heiligen und uns nach dem Bilde Dessen umgestalten, welcher einst hienieden die Herrlichkeit des Vaters geoffenbart hat, dann in den Himmel aufgefahren ist und sich nun dort allezeit für die Seinigen verwendet.

Wie kostbar ist dieses Bewusstsein! Wie beruhigt es das Herz! Der Herr weiß, wo wir sind. Er kennt alle unsere Umstände, Leiden und Schwierigkeiten. Er weiß genau, wie es uns hier in der Fremde zu Mute ist. Er kennt die Schmerzen und Widerwärtigkeiten des Weges. Er ist in allem versucht worden gleichwie wir, ausgenommen die Sünde. Seine Augen sind bei Tage und bei Nacht auf einen jeden der Seinen gerichtet; kein Leid, kein Kummer, kein Schmerz ist Ihm verborgen. Seine Hände sind allezeit zum Gebet für uns erhoben. Welch ein Vertrauen gibt uns dies! Mögen denn auch Trübsale und Leiden über uns kommen, wir dürfen unseren Glaubensblick stets nach oben richten, wo unser großer Hoherpriester voll zärtlichen Mitgefühls unermüdlich für uns vor Gott beschäftigt ist, während wir durch das Tal der Tränen gehen, wo wir nicht daheim sind.

Wie tröstlich sind ferner die Worte, die wir am Ende unseres Kapitels ans dem Munde unseres teuren Herrn vernehmen! Er sagt: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben«; und: „Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast“ (V. 22. 24). Wenn wir unseren Lauf hienieden vollendet und unseren Dienst als Gesandte des Herrn erfüllt haben, dann ruft Er uns heim, heim ins Vaterhaus. Wir sollen bei Ihm sein, da wo Er ist! Sollte diese herrliche Hoffnung uns nicht anspornen, Ihm treu zu sein und als Seine Knechte nur Ihm zu leben und zu dienen? Welch eine Freude wird es für Sein Herz sein an jenem Tage, wenn Er uns zurufen kann: „Wohl, du guter und getreuer Knecht! über weniges warst du treu, über vieles will ich dich setzen: gehe ein in die Freude deines Herrn!“ (Matth. 25, 21.) 

Die Herrlichkeit, die der Vater Ihm gegeben hat, will Er nicht allein besitzen; Er hat sie den Seinen gegeben. Wir sind Erben Gottes und Miterben Christi. ist nicht zu verwundern, dass ein treuer Knecht, wie Paulus:-, im Blick auf ein solches— Ziel ausrief: „Deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert. Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überschwängIiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig“ (2. Kor. 4, 16 — 18) Aber wenn Paulus so sprach, sollten wir nicht dasselbe sagen können? Wahrlich, die Zukunft, der wir entgegengehen, ist herrlich. Der Herr gebe uns Gnade, dass die wunderbare Hoffnung, welche Seine Liebe uns gegeben hat, unsere Herzen mehr und mehr erfülle! Seine Ankunft ist nahe. Noch über ein Kleines, und die Zeit des Wirkens, des Aussäens und Dienens wird vorüber sein. Glückselig ein jeder, der diese Zeit treu und gewissenhaft ausnutzt! Sein Lohn wird groß sein. „Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, um einem jeden zu vergelten, wie sein Werk sein wird“ (Offbg. 22, 12).

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Das Wort vom Kreuze

Bibelstelle: 1. Korinther 1,18

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 273ff

„Das Wort vom Kreuze ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1. Kor. 1, 18).

Es gibt vieles, was für den Menschen zu wissen gut und nützlich ist; aber es gibt nichts, was von weitergehender Bedeutung für ihn wäre, als die Frage, wie er zu dem Worte vom Kreuze steht. Diese Frage überschreitet den Rahmen dieser Zeit, ihre Tragweite reicht über Tod und Grab hinaus. Wie der Mensch zu dem Worte vom Kreuze steht, davon ist sein Glück und Heil für Zeit und Ewigkeit abhängig. Denn es sagt ihm einerseits, dass er ein Sünder ist und eines Heilandes bedarf, und andererseits, dass Gott sich als Heiland geoffenbart hat.

Wenn wir das Wort Gottes durchforschen, so finden wir, dass vom Garten Eden an bis zu dem ewigen Zustand von Himmel und Erde das Wort vom Kreuze sich wie ein goldener Faden durch die ganze göttliche Offenbarung hindurchzieht; nur mit dem Unterschiede, dass das Neue Testament es uns in klarer, unverhüllter Weise vor die Seele führt, während es im Alten Testament nur in Vorbildern und Verheißungen dargestellt ist. Gott hatte den Menschen ohne Fehl geschaffen; aber er fiel und wurde ein Sünder, den Gott, weil Er Licht ist und infolge dessen das Böse nicht dulden kann, aus Seiner Gegenwart verbannen musste (1. Mose 3, 24) .Aber ehe Gott den Menschen aus dem Paradiese vertrieb, richtete Er sein Glaubensauge auf das Wort vom Kreuze, indem Er die Verheißung gab, dass der Same des Weibes der Schlange den Kopf zermalmen würde. (V. 15.) 

Alle Nachkommen Adams, wer sie auch sein mögen, hoch oder niedrig, reich oder arm, gelehrt oder ungelehrt, sind nach dem Urteil Gottes Sünder; da ist kein Unterschied (Röm. 3, 23.) Es steht auch nicht in der Macht des Menschen, sich aus diesem Zustande zu befreien. (Matth. 19,26.) Wiewohl Tausende und Abertausende sich im Laufe der Zeit abgemüht haben, aus demselben herauszukommen, ist es ihnen niemals gelungen. Bei Menschen ist es unmöglich. Das erfuhren auch Adam und Eva, als sie Feigenblätter nahmen und sich Schürzen machten, um ihre Blöße damit zu bedecken. Ach! die Decke war völlig ungenügend und wertlos vor Gott. So steht auch geschrieben, dass alle eigene Gerechtigkeit vor Gott einem unflätigen Kleide gleicht (Jes. 64, 6).

Aber Gott sei gepriesen! Er selbst hat ein Heilmittel gefunden, und dieses wird uns in dem Worte vom Kreuze vorgestellt. Da hören wir denn, dass derselbe Gott, welcher Licht ist, auch Liebe ist (1.Joh.1, 5; 4, 8. 9); ja, dass Er Seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch Ihn leben möchten. Gott gab Jesum, die Freude und Wonne Seines Herzens, (Luk. 20, 13; Matth. 1.7, 5; Spr. 8, 30) dahin, damit Er das Werk der Erlösung vollbringe. (Hebr. 9, 12) Sollte aber die Sünde und Schuld des Menschen hinweggetan werden, so musste Jesus sterben; denn „ohne Blutvergießen ist keine Vergebung“ (Hebr. 9, 22). Gleichwie Moses in der Wüste die Schlange erhöhte, also musste der Sohn des Menschen erhöht werden (Joh. 3, 14) Also steht geschrieben, und also musste der Christus leiden und am dritten Tage auferstehen aus den Toten, und in Seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden allen Nationen“ (Luk. 24, 46. 47).

So ist denn unser geliebter Herr ans Kreuz gegangen; und wenn wir Ihn dort aus Golgatha betrachten, so sehen wir einerseits, was der Mensch in seinem verderbten, gottlosen Zustande ist, andererseits aber auch, wie groß die Liebe und Gnade Gottes gegen den Sünder sind. Wir dürfen nie vergessen, dass der Mensch es war, der das Kreuz aufrichtete; er war es, der da rief: „Er werde gekreuzigt!“ (Matth. 27, 23.) Dies zeigt uns den bitteren Hass und die tödliche Feindschaft seines Herzens gegen Gott. Zugleich aber sehen wir am Kreuze, was die Sünde in den Augen Gottes ist. Die letzten drei Stunden der Finsternis, der Schmerzensschrei des Herrn Jesu: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Matth. 27, 46; Ps. 22, 1)? lassen uns ein wenig ahnen, was es für Ihn sein musste, an des Sünders Statt dem heiligen und gerechten Gott zu begegnen. Doch am Ende jener schrecklichen Stunden hören wir die kostbaren Worte ans Seinem Munde: „Es ist vollbracht!“ (s. Joh. 19, 30). Ja, es war vollbracht, das schwere, schwere Werk, für ewig vollbracht. Und was dürfen wir jetzt mit glücklichem Herzen sagen? „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“. Oder: „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott Seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, dass wir durch Ihn leben möchten“.

Ja, anbetungswürdig ist die Liebe Gottes zu uns, den Hassenswürdigen und Verlorenen. Gerade am Kreuze strahlt sie in herrlichem, unvergleichlichem Glanze. „Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben; denn für den G1"itigen 1nöchte vielleicht jemand zu sterben wagen. Gott aber erweist Seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm. 5, 7. 8) In Joh. 4, 10 nennt sich der Herr Jesus „die Gabe Gottes“. Welch eine unaussprechliche Gabe! Gott hasst die Sünde, aber Er liebt den Sünder. Um ihn zu erretten, „gefiel“ es Ihm, den Geliebten zu zerschlagen, Er hat ihn leiden lassen (Jes. 53, 10). Und dass dieses Werk von Gott anerkannt ist, davon gibt die Auserweckung des Herrn durch die Herrlichkeit des Vaters (Röm. 6, 4) Zeugnis. In Röm. 4, 2.5 lesen wir: „Er ist unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“; und in Apstgsch. 10, 40 — 43: „Diesen (Christus) hat Gott am dritten Tage auferweckt und Ihn sichtbar werden lassen, nicht dem ganzen Volke, sondern den von Gott zuvor erwählten Zeugen“; und weiter: „Diesem geben alle Propheten Zeugnis, dass jeder, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch Seinen Namen“.

Nun, von der Auferstehung des Herrn Jesu an bis zur Aufnahme der Seinen durch Ihn in die Herrlichkeit wird das Wort vom Kreuze verkündigt, und zwar zum Heil für jeden Glaubenden. Der Herr selbst gab nach Seiner Auferstehung den Aposteln den Auftrag, dieses Evangelium der ganzen Welt zu verkündigen (Mark. 16, 1.5; Luk. 24, 47— 49.) In 1. Tim. 2, 5 — 7 sagt der Apostel Paulus, dass er als Herold und Apostel bestellt sei, um die Botschaft zu verkündigen, „dass Gott Einer ist, und Einer der Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab zum Lösegeld für alle“. Das Hören des Wortes vom Kreuze stellt den Menschen unter die ernsteste Verantwortlichkeit, indem es ihn nicht da lässt, wo er ist. Entweder er nimmt es an, und es wird dann für ihn das Mittel zu seiner ewigen Errettung; oder es bleibt ihm Torheit, er verwirft es, und es wird für ihn zum furchtbaren Ankläger vor dem Richterstuhl Gottes.

 „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh. 3, 36.) Das Wort vom Kreuze ist den einen ein Geruch vom Leben zum Leben, den anderen ein Geruch vom Tode zum Tode. (2. Kor. 2, 16) Allen denen, die es von sich weisen, bleibt nur ein furchtvolles Erwarten des Gerichts und ein Feuereifer, der die Widersacher verschlingen wird. In 2. Kor. 4, 3. 4 sagt Paulus: „Wenn aber auch unser Evangelium verdeckt ist, so ist es in denen verdeckt, die verloren gehen, in welchen der Gott dieser Welt den Sinn der Ungläubigen verblendet hat, damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des- Christus, welcher das Bild Gottes ist“. Wie ernst ist es also, wenn der Mensch dieses einzige, aber völlig genügende Heilmittel, das Gott in Seinem Erbarmen gegeben hat, verschmäht! Wie wird jemand entfliehen, der eine so große Errettung vernachlässigt? (Hebr. 2, 3.) „Wer mich verwirft und mein Wort nicht annimmt“, sagte der Herr Jesus in Seinem letzten ernsten Mahnruf an die Volksmenge, „hat den, der ihn richtet: das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten an dem letzten Tage“ (Joh. 12, 48).

Für den, der glaubt, bildet aber das Kreuz Christi nicht nur das Mittel zu seiner Errettung, sondern es ist auch die große Scheidewand zwischen ihm und der Welt. Der Gläubige ist durch dasselbe getrennt von allem, was der Welt angehört. „Von mir aber sei es ferne“, schreibt der Apostel Paulus an die Galater, „mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Kap. 6, 14). Durch all den eitlen Glanz und Schimmer dieser Welt hindurch erblickte er stets das Kreuz, diesen dunkelsten Flecken in der Geschichte der Welt. Was war die Welt mit allem, was sie seinem Auge zu bieten vermochte, für sein Herz? War sie es nicht gewesen, die Christum verworfen und ans Kreuz geschlagen hatte? Wie hätte er mit einer solchen Welt in Gemeinschaft sein können? Nein, er war, als mit Christo gestorben, durch das Kreuz für die Welt hinweg getan, und die Welt für ihn. Der Stellung nach ist dies mit jedem Gläubigen so; nur kommt es darauf an, inwieweit wir diese Stellung verwirklichen, inwieweit das Kreuz auch für uns der einzige Gegenstand des Rühmens ist. Paulus wusste nicht nur, dass die Dinge dieser Welt das Herz nicht befriedigen können, sondern er begehrte sie gar nicht mehr, sie waren Verlust und Dreck für ihn. 

Christus in der Herrlichkeit war der einzige Gegenstand, welchem sein Leben geweiht war. „Eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung nach oben in .Christo Jesu“ (Phil. 3, 14). Er konnte deshalb den Gläubigen seiner Zeit zurufen: „Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Christi“ (1. Kor. 11, 1); oder: »Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dieses tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein«. (Phil. 4, 9). Wer von uns dürfte es heute wagen, also zu sprechen? Möge der Herr uns geben, dass wir wenigstens aufrichtig bemüht sind, dem Apostel nachzuahmen! „So viele nun vollkommen sind, lasst uns also gesinnt sein . . . Doch wozu wir gelangt sind, lasst uns in denselben Fußstapfen wandeln!“

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Meine Seele ist still zu Gott

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 279ff

Wie schwer ist`s doch, ganz still zu sein,

wenn Gott wir nicht verstehen!

Wie redet man so bald Ihm drein,

als ob Er was versehen;

wie stellt man Ihn zur Rede gar,

wenn seine Wege wunderbar

und unbegreiflich werden!

Man fragt: Warum nun dies und das?

Man seufzt: Ach, wie will`s werden!

Man klagt: Wie geht`s ohne Unterlass

So widrig mir auf Erden!

Man murrt: Mein Unglück ist zu groß,

ich hätte wohl ein bess`res Los

verdient, als mir gefallen!

Das tun wir, und der Güt`ge schweigt,

bis Er durch seine Taten

glorreichen Ausgang uns gezeigt

Dass Ihm doch nichts missraten.

Dann kommt auch endlich unsre Stunde,

wo voll Beschämung wir den Mund

vor Ihm nicht auftun mögen.

Drum, meine Seele, sei du still

Zu Gott, wie sich`s gebühret,

wenn Er dich so, wie Er es will,

und nicht, wie du willst, führet.

Kommt dann zum Ziel der dunkle Lauf,

tust du den Mund mit Freuden auf,

zu loben und zu danken.

Dann wird`s dich nach der kurzen Frist

recht inniglich erfreuen,

dass du fein still gewesen bist

und nichts hast zu bereuen;

und endlich nach der Schweigenszeit

kannst du in sel`ger Ewigkeit

laut jubeln, Gott zur Ehre.

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Jesus der Mann der Schmerzen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 281ff

Wir müssen immer von neuem darauf hinweisen, dass Jesus im Geiste schon mit Seinem Vater durch alles hindurchgegangen war. Er ist hier das widerstandslose Opfer, das Lamm, welches zur Schlachtung geführt wird. Selbst von Judas lässt Er sich küssen. Judas hatte den Kriegsknechten gesagt: „Welchen irgend ich küssen werde, der ist es; Ihn greifet“. Wie erschreckend ist der Gedanke, dass Judas diese rohen Leute auffordern konnte, Jesum zu greifen! Wir können bei ihm das Fortschreiten, die wachsende Macht der Sünde deutlich erkennen. Die Lust zum Gelde hatte Besitz von ihm genommen. „Er war ein Dieb“, berichtet Johannes von ihm, „und hatte die Kasse und trug, was eingelegt wurde“. Die Geldliebe ist

eine Wurzel alles Bösen. Nachdem sie einmal das Herz des armen Mannes ganz erfüllt hatte, konnte Satan ihm die Versuchung nahe legen, Jesum zu verraten, mit dem Nebengedanken, wie ich nicht bezweifle, der Herr werde sich, wie früher schon so oft, aus der Hand Seiner Feinde befreien. Schließlich, nach dem Abendessen, fuhr dann der Satan in ihn. Jetzt war Judas gegen jedes natürliche Gefühl verhärtet; denn mancher schlechte Mensch würde es nicht über sich gewinnen, seinen Freund mit einem

Kuss zu verraten. „Alsbald trat er zu Jesu und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi! und küsste Ihn sehr. Jesus aber sprach zu ihm: Freund, wozu bist du gekommen? Dann traten sie herzu und legten die Hände an Jesum und griffen Ihn.“

Mehr als zwölf Legionen Engel hätten dem Herrn zur Verfügung gestanden; aber wie hätten dann die Schriften erfüllt werden sollen, dass es also geschehen musste? Jesus unterwarf sich einfach allem, was man mit Ihm tat; sanftmütig und von Herzen demütig, überlieferte Er sich ihren Händen. Beachten wir hier noch einen höchst wichtigen Umstand: in diesem letzten, wunderbaren Augen-blick, als Jesus im Begriff stand, den Kelch des Zornes zu trinken, ja, als Er in Tiefen hinabstieg, die wir nicht zu ergründen vermögen und denen nichts im Himmel und auf Erden gleichkommt, als Er erdulden wollte, was die Sünde wert war — in diesem Augenblick mussten die Schriften, das von Gott gesprochene Wort, erfüllt werden. 

Welch ein Zeugnis dafür, dass diese Schriften der Ausdruck göttlicher Gedanken, der Gedanken des Vaters, sind, ja, dass sie dies selbst für den Herrn waren! Wahrlich, sie sollten es auch für uns sein. Als Satan in der Wüste als Versucher an Christum herantrat, bekam er ein Wort der Schrift zu hören: „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht“; und als er Jesum nochmals versuchte, erhielt er wiederum zur Antwort: „Es steht geschrieben“. In ähnlicher Weise müssen auch hier, in diesem letzten Augenblick, „die Schriften erfüllt werden“. Dem Herrn genügten sie als der Ausdruck der Gedanken Gottes; und Er stand in völligster Übereinstimmung und Gemeinschaft mit dem Vater. Mit welch einer liebevollen Geduld wandte Er sich an die Volksmenge: „Täglich saß ich bei euch, lehrend im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen“!

Der Evangelist Johannes zeigt uns die göttliche Seite von diesem allem: „Niemand legte die Hand an Ihn“, lesen wir einmal, „denn Seine Stunde war noch nicht gekommen“; als sie gekommen war, geschah alles, „auf dass die Schrift erfüllt würde“. Noch einmal, welch ein Gehorsam, welch» eine völlige Unterwerfung unter die Gedanken Gottes tritt uns hier entgegen! Aber sobald es so weit gekommen war, verließen Ihn alle Jünger und flohen. Jesus sollte keinen Tröster haben. Als Er vor den Hohenpriester geführt wird, antwortet Er nichts, bis dieser Ihn beschwört. Im Gesetz, hieß es: „Wenn jemand . . . die Stimme des Fluches hört, und er war Zeuge, sei es, dass er es gesehen oder gewusst hat — wenn er es nicht anzeigt, so soll er seine Ungerechtigkeit tragen“ (3. Mose 5, 1). Und so zeigt Jesus es an: „Du hast es gesagt. Doch ich sage euch: von nun an werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommend auf den Wolken des Himmels“. Auf Sein eigenes Zeugnis hin verurteilen sie Ihn. Er war die Wahrheit, und weil Er die Wahrheit war, brachte man Ihn zum Tode. Gerade so war es vor Pilatus. Derselbe fragt: „Bist du ein König?“ und Jesus antwortet: „Du hast es gesagt“.

Die Vollkommenheit Christi, als Er mit Seinem Vater durch alle die Tiefen Seines Leidens ging, haben wir bereits gesehen; hier haben wir Sein Verhalten den Menschen gegenüber. Es ist gerade so vollkommen und gesegnet. „Nicht ein Feind ist es, der mich höhnt“, hören wir Ihn in Psalm 55 klagen, „sonst würde ich es ertragen; nicht mein Hasser ist es, der wider mich groß getan hat, sonst würde ich mich vor ihm verbergen; sondern du, ein Mensch meinesgleichen, mein Freund und mein Vertrauter“ (V. 12. 13). Von allen Seiten umgaben Ihn Umstände, wie sie für ein menschliches Herz nicht schmerzlicher gedacht werden können; aber überall offenbarte Er die reinste göttliche Vollkommenheit und Güte.

Ich möchte jetzt noch einen kurzen Blick auf die Berichte werfen, welche uns von Johannes und Lukas über die gleiche Begebenheit überliefert worden sind. Johannes zeigt uns, wie schon bemerkt, die göttliche Seite. Wenn die Häscher kommen, um Ihn festzunehmen, fragt Er: „Wen suchet ihr?“ und als sie erwidern: „Jesum, den Nazaräer“, spricht Er: „Ich bin’s“. Auf dieses eine Wort hin weichen sie zurück und fallen zu Boden. Menschlich betrachtet, hätte Er nun ungehindert weggehen können; aber während Er göttliche Macht besaß, war Er doch zugleich der völlig unterwürfige Mensch. Er konnte sagen: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wieder zunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“ (Joh. 10, 17. 18.) Zum zweiten Male fragt Er die Häscher: Wen suchet ihr? Sie aber sprachen: Jesum, den Nazaräer. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich es bin; wenn ihr nun mich suchet, so lasset diese gehen“. Freiwillig tritt Er hervor; die göttliche Person gibt sich selbst hin und lässt die Jünger entkommen. Aus ihrer Seite zeigt sich bei dieser Gelegenheit keine Anhänglichkeit; Er aber tritt in den Riss, und sie sind geborgen.

In Übereinstimmung mit dem ganzen Charakter seines Evangeliums berichtet uns Johannes auch nicht den Schrei des Herrn am Kreuze: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Vielmehr erblicken wir hier, wie überall, die göttliche Vollkommenheit, welche über allen Umständen steht. Nachdem Er Seine Mutter dem Johannes übergeben hat, „spricht Jesus, da Er wusste, dass alles schon vollbracht war, auf dass die Schrift erfüllt würde: „Mich dürstet!“ und nachher: „Es ist vollbracht!“ Als alles, was der Geist Gottes vorhergesagt hatte, erfüllt und vollendet war, übergab Er Seinen Geist Seinem Vater. „Er neigte das Haupt und übergab den Geist.“ So sehen wir bei Johannes vor allem die göttliche Seite.

In dem Matthäus-Evangelium tritt vornehmlich das Opfer vor unsere Blicke. Jesus ist das Lamm, welches zur Schlachtung geführt wird.

Doch noch ein Wort über Lukas. Bei Lukas finden wir den vollkommenen Menschen. Oster als die anderen Evangelisten berichtet uns Lukas, dass der Herr betete, eben weil der Geist Gottes Ihn in diesem Evangelium als den abhängigen Menschensohn darstellen will. Ebenso beschreibt Lukas ausführlicher, als alle, den leidensvollen Kampf in Gethsemane: „Als Er in ringendem Kampfe“, in tiefer Seelennot, ,“war, betete Er heftiger“; so groß war Sein Vertrauen selbst in dieser schrecklichen Stunde. Er warf sich ganz ans Seinen Vater. Lukas ist es auch, der uns berichtet, dass Sein Schweiß wie große Blutstropfen zur Erde fiel, und dass ein Engel vom Himmel kam und Ihn stärkte. Am Kreuz dagegen vernehmen wir keinen einzigen Ausdruck des Schmerzes; Er hatte den Kelch schon geleert in Gemeinschaft mit dem Vater. Den Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« sucht man auch bei Lukas vergeblich. Nicht als ob der Schmerz und die Leiden nicht dagewesen wären; aber die Sache wird nicht von dieser Seite aus betrachtet. Jesus steht hier so völlig über allem, dass Er am Ende sagen kann: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. So zeigt uns jeder Evangelist unseren hochgelobten Herrn in einem anderen Charakter.

Wollen wir das bisher Gesagte noch einmal kurz zusammenfassen, so sehen wir bei Johannes göttliche Macht, sowie die göttliche Vollkommenheit der Liebe, welche sich der Macht nicht zu ihrem eigenen Vorteil bedient, sondern in den Riss tritt, damit die Jünger entkommen können. Bei Lukas finden wir Seinen Schmerz und Seine Leiden als Mensch in Gethsemane mehr als bei den anderen Evangelisten; am Kreuze aber befiehlt Er, über den Umständen erhaben, Seinen Geist in die Hände des Vaters. Bei Matthäus ist Er das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.

Je mehr wir danach trachten, unserem teuren Herrn auf Seinem Pfade hienieden zu folgen, desto mehr werden unsere Herzen in wahrer Liebe an Ihn gekettet. Er stand allein, völlig allein als Mensch hienieden; und nichts ist schwerer zu ertragen als das. Er musste Seinen Jüngern sagen: „Ihr werdet euch alle in dieser Nacht an mir ärgern“: und wiederum: „Siehe, es kommt die Stunde und ist gekommen, dass ihr zerstreut sein werdet, ein jeder in das Seinige, und mich allein lassen werdet; und ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir“— sonst niemand! Er suchte Mitleiden, aber Er fand keines; jemanden, der mit Ihm gewacht hätte, aber die Jünger schliefen ein; jemanden, der bei Ihm geblieben wäre, aber sie verließen Ihn alle und flohen. Mit einem Kuss wurde Er verraten. Nicht ein Feind, sondern ein Freund, ein Vertrauter, überlieferte Ihn (Ps. 55). „Selbst der Mann meines Friedens“, — d. h. mein Freund —, „auf den ich vertraute, der mein Brot aß, hat die Ferse wider mich erhoben“ (Ps. 41, 9). 

O lasst uns dem Herrn auf diesem Seinem Wege folgen, lasst uns Ihn betrachten in allen diesen Prüfungen! Es demütigt unsere stolzen Herzen, lässt uns von dem Menschen gering denken und zeigt uns Ihn, den „zweiten Menschen“, in wunderbarer Vollkommenheit — nicht verherrlicht im Himmel, sondern hienieden inmitten der versuchungsvollsten Umstände. Wir sehen einen Menschen, der durch alles, was ein menschliches Herz auf die Probe stellen kann, in vollkommener Reinheit hindurchging — einen Menschen, der in aller nur möglichen Weise geprüft wurde, der als ein geduldiges Opferlamm Sein Haupt beugte, indem Er die Schrecknisse, welche das Kreuz Ihm bringen musste, so tief fühlte, dass Sein Schweiß wie große Blutstropfen zur Erde fiel; der als Mensch durch diese Tiefen des Leidens ging, damit unsere Herzen Ihn zu folgen vermöchten — und wir armen Geschöpfe können nichts anderes als dabeistehen und den Weg betrachten, welchen Er für uns ging! Gott gebe, dass wir nicht auch schlafen, wie einst die Jünger schliefen angesichts Seines Zitterns und Zagens!

Durch die Beschäftigung mit diesen Dinge werden die Zuneigungen unserer Herzen wachgerufen, und der Wille wird gebrochen. Der Wille und die Zuneigungen gehen nie miteinander; denn der Wille ist das eigene Ich, die Zuneigungen aber ruhen notwendigerweise auf einem Gegenstand außer uns. Nun, der Herr Jesus, auf welchem die Liebe und das Wohlgefallen des Vaters ruhen (vergl. Joh. 10, 17), ist auch der Gegenstand unserer Zuneigungen geworden. Lasst uns deshalb fleißig Ihn betrachten, den Sanftmütigen und von Herzen Demütigen, wie Er auf dem Pfade völliger Hingebung dahinschritt, wie Er sich für uns aufopferte und nie auch nur für einen Augenblick Sein Ziel ans dem Auge verlor. Vollkommen ging Er durch alles hindurch, gerade so ruhig, in der Gemeinschaft mit Gott, als wenn nichts geschehen wäre; ja, Er litt alles mit Gott. Möchten wir gern gedemütigte Herzen haben? Wünschen wir, dass unser Wille gebrochen sei? Nun, so lasst uns Christum anschauen, so wie Er uns in Gethsemane vor Augen gestellt wird! Ich glaube nicht, dass dann einer von uns noch daran denken wird, seinem eigenen Willen zu folgen.

Ja, aus diese Weise finde ich außer mir einen Gegenstand, der meine Liebe ganz in Anspruch nimmt und keinen Raum für die Ausübung meines eigenen Willens lässt, Indem ich Ihn betrachte, der so hoch über mir steht, beginnt die Liebe in meinem Herzen kräftiglich zu wirken, und mein eigener Wille verschwindet. Christus konnte sagen: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse“. Seine Hingebung war so köstlich vor Gott, und Er war so vollkommen in dieser Hingebung, dass sie dem Vater einen Anlass gab, Ihn zu lieben. Nur göttliche Vollkommenheit kann einen Anlass geben zu göttlicher Liebe.

Ein Herz, das Ihn kennt, der jetzt in der Herrlichkeit weilt, wird vollkommen gesättigt. Er ist das Brot, das vom Himmel herniedergekommen ist, damit wir uns von Ihm nähren und in Ihm bleiben möchten. Wir sollen Ihm ähnlich werden“. „Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu war“ (Phil. 2, 5). Er erniedrigte sich selbst und stieg immer tiefer hinab, bis Gott Ihn erhöhte. Sind wir damit zufrieden, Ihm zu folgen? Sind wir bereit, indem wir Ihn und Seine Vollkommenheit betrachten, alle unsere Zuneigungen Ihm zu geben, und keinen eigenen Willen mehr zu haben? Wir sind auf dem Wege zu Ihm, und werden bald für immer bei Ihm sein, und wir können schon jetzt uns erfreuen in dem, was Er ist, in dem Maße, wie Seine Vollkommenheit vor unseren Herzen steht und von uns verstanden wird. Wieviel genießen unsere Herzen von dieser himmlischen Speise? und inwieweit sind wir von Christo erfüllt und ist unser Wille unterworfen und beiseite gesetzt? Das ist es, woran Gott, der Vater, Seine Wonne hat.

Die Wirksamkeit des Opfers Christi ist sicherlich die Grundlage all unserer Beziehungen zu Gott; aber inwieweit haben wir praktische Gemeinschaft mit dem Vater, der Seine Wonne an Christo findet? Inwieweit ist Christus selbst die Freude unserer Herzen, indem sie auf Ihn gerichtete sind und so wach und nüchtern erhalten bleiben? Nichts bildet unsere Herzen und hält unseren Willen so sehr im Zaume, wie die Wonne, die wir gemeinschaftlich mit dem Vater an Christo finden.

Der Herr gebe uns, dass wir, ruhend auf Seinem vollbrachten Werke, Ihn betrachten, uns; von Ihm nähren und durch Ihn leben! „Wer mich isst“, sagt Er, „der wird auch leben meinetwegen.“ Darum aufgeschaut zu Ihm, dem Demütigen und Geduldigen, der jetzt zur Rechten Gottes sitzt und den Gott uns gegeben hat, damit unsere Herzen in der richtigen Stellung bewahrt bleiben inmitten dieser eitlen, stolzen Welt! Ja, lasst uns durch Ihn leben!

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Suchet was droben ist

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 290ff

„Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so suchet, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“ (Kol. 3, 1).

Das Werk und die Person Christi sind die einzige Grundlage, aus welche sich unsere Vorrechte und unsere Beziehungen zu Gott gründen. Wie wichtig ist es daher, sowohl das Werk Christi als auch Seine Person zu kennen! Je mangelhafter und unklarer unsere Erkenntnis von dem Heile in Christo ist, desto mangelhafter und unklarer ist auch die Wirkung auf unsere Herzen; ja, eine nur tote und buchstäbliche Erkenntnis bleibt ohne alle Kraft. Sie vermag wohl uns aufzublähen, aber sie kann keine Früchte der Gerechtigkeit in uns wirken. Selbst ein natürlicher Mensch kann eine äußerliche oder buchstäbliche Erkenntnis der Wahrheit besitzen; aber in Wirklichkeit „nimmt er nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird“ (1. Kor. 2, 14). Die Wahrheit Gottes erfordert zu ihrem Verständnis einen geistlichen Sinn, und sie wird in uns wirksam durch den Glauben, nach der in uns wirkenden Kraft des Heiligen Geistes. Der Glaube erkennt die Wahrheit und nimmt sie auf als die Wahrheit Gottes, und er richtet nach derselben unsere Gesinnung und unseren Wandel.

Doch werfen wir zunächst einen Blick auf das Werk Christi hinsichtlich der Reinigung unserer Sünden. In diesem Werke findet der verlorene Sünder Versöhnung und Erlösung; gerechtfertigt durch Glauben, hat er Frieden mit Gott. Er naht jetzt mit Freimütigkeit dem Gnadenthron; denn alles was ihn bisher daran hinderte, alles was ihn von Gott trennte, ist für immer hinweg getan. Das einmalige Opfer Christi reinigt unser Gewissen ganz und gar von Sünden und toten Werken (Hebr. 9, 14; 10, 2), und befähigt uns, fortan dem lebendigen Gott zu dienen. Christus ist einmal mit Seinem eigenen Blute ins Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden. Wir bedürfen deshalb kein anderes Opfer mehr; denn wir besitzen in diesem einen eine vollkommene und auf ewig gültige Vergebung und Versöhnung. Christus hat sich, nachdem Er Sein Werk vollendet hatte, auf immerdar zur Rechten Gottes gesetzt, weil es für Ihn betreffs unserer Sünden nichts mehr zu tun gab. Aber auch für uns ist in dieser Beziehung nichts mehr zu tun übriggeblieben; wir sind mit Ihm gestorben, mit Ihm auferweckt und in Ihm mitversetzt in die himmlischen Orten. Was unsere Sünden betrifft, so haben wir nicht mehr zu wirken, sondern an das vollbrachte Werk Christi zu glauben; nichts mehr zu fürchten, sondern mit fröhlichem Herzen Gott zu verherrlichen.

Die Auferstehung Christi ist der Beweis unserer Rechtfertigung. „Er ist unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm. 4, 25). Der Sinn dieser Stelle ist so einfach wie köstlich. Weil Christus unsere Sünden auf sich genommen hatte, mussten diese erst völlig hinweggetan sein, ehe Er Seinen Platz zur Rechten Gottes einnehmen konnte; denn jemand, der nur mit einer einzigen Sünde beladen wäre, könnte dort unmöglich sein. Der Sünder findet keine Ruhestätte in der Gegenwart eines heiligen und gerechten Gottes. Nachdem aber Christus, unser Stellvertreter und Bürge, dort eingegangen ist, und somit alle unsere Sünden aus den Augen Gottes entfernt sind, können wir furchtlos dort erscheinen. Wir sind gerechtfertigt von aller Schuld und Sünde, haben Frieden mit Gott und können jetzt triumphierend sagen: „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns? Er, der doch Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken? Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, welcher rechtfertigt; wer ist, der verdamme? Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns bittet“ (Röm. 8, 31 — 34).

Unter dem alten Bunde durften nur die Priester dem goldenen Altar nahen und Gottesdienst im Heiligtum üben; und allein dem Hohenpriester war es einmal im Jahre gestattet, durch den Vorhang ins Allerheiligste zu gehen; aber selbst dann durfte er nicht ohne Blut kommen. Die Sünde machte diese Beschränkung notwendig und forderte dieses Blut, weil Gott heilig ist und keine Sünde in Seiner Gegenwart dulden kann. Demnach konnten die Opfer des alten Bundes dem Anbeter niemals ein gereinigtes, Vollkommenes Gewissen geben; denn sie waren nur Vorbilder und Schatten, der Körper (oder das Wesen) aber ist Christi.

 Sein Opfer und Sein Hohespriestertum haben uns für immer in die Nähe Gottes gebracht und erhalten uns in dieser Stellung; ja, wir selbst sind ein heiliges und königliches Priestertum (1.Petr. 2). Durch ein Opfer sind wir auf immerdar geheiligt und vollkommen gemacht, und als die ein für allemal gereinigten Anbeter, welche für immer mit dem Blute Christi besprengt find, haben wir allezeit das kostbare Vorrecht, im Heiligtum anzubeten. Das Blut Jesu ist stets vor dem Angesicht Gottes, und kraft desselben erscheinen wir vor Ihm als Gereinigte und Geheiligte. Wohl kann auch der Sünder vor Gott hintreten und um Erbarmen und Gnade zu Ihm rufen; aber nur der für immer durch das Blut Christi gereinigte Gläubige hat die Freiheit, im Heiligtum Gott zu nahen und Ihn anzubeten. Im Heiligtum darf der Sünder nicht erscheinen; und wenn er auch Gott anzurufen oder Ihm für erwiesene Wohltaten und zeitliche Errettungen zu danken vermag, so kann er doch nicht eher anbeten, bis er gereinigt und mit Gott versöhnt ist.

So lange die Stiftshütte Bestand hatte, war der Weg zum Heiligtum nicht geoffenbart. Die Priester konnten wohl in den vorderen Teil der Hütte (das Heilige) eintreten, aber sie hatten kein Recht, weiter zu gehen. Ein dichter Vorhang verbarg vor ihren Blicken das Allerheiligste. Durch das Blut Jesu steht aber der Weg dorthin jetzt offen; der Vorhang ist zerrissen, und Jesus selbst ist der neue und lebendige Weg (Hebr. 10, 19. 20.) Er ist mit Seinem eigenen Blute in das wahre Heiligtum, in den Himmel, eingegangen und erscheint dort allezeit für uns vor dem Angesicht Gottes. Sein immerwährendes Priestertum entspricht in jeder Beziehung unseren Bedürfnissen, so dass wir zu jeder Zeit mit Freimütigkeit droben weilen können, um Gott anzubeten und Ihm zu dienen. „So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens-, die Herzen besprengt und also gereinigt vom bösen Gewissen, und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Hebr. 10, 22).

Wie einfach und köstlich ist diese Wahrheit für jedes nach Erlösung sich sehnende Herz! Gott selbst hat ohne irgend ein Zutun von seiten des Menschen unsere Versöhnung in Christo vollbracht. Hier findet der glaubende Sünder eine vollkommene Befreiung, aber auch nur hier. Völlig versöhnt und gerechtfertigt hat er Frieden mit Gott, hat Zugang zu der Gnade, in welcher er steht, und rühmt sich in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Ja, nicht allein das; der Gläubige rühmt sich nun auch der Trübsale, denn die Liebe Gottes ist in sein Herz ausgegossen durch den Heiligen Geist, welcher ihm gegeben ist. Vermöge dieser Liebe kennen wir Gott und wissen, dass Er in völliger Liebe für uns ist. Und diese Liebe finden wir in den Trübsalen stets wirksam, so dass wir nicht anders können als uns ihrer rühmen. Aber mehr noch; wir rühmen uns auch Gottes selbst durch unseren Herrn Jesum Christum, durch welchen wir die Versöhnung empfangen haben (Röm. 5, 1 — 11).

Wie lieblich ist dieses Rühmen, und wie wird Gott dadurch verherrlicht! Ja Christo zu Gott gekommen, befindet sich der Gläubige an einer unermesslich reichen Quelle von Segnungen, aus welcher ihm in Christo Gnade um Gnade entgegenströmt; und indem er mit Gott wandelt und im Glaubensgehorsam Seinen Namen verherrlicht, genießt er diese Fülle von Segnungen. Sobald aber der Mensch seine Gedanken voll Unglauben und Kleinmut mit den einfachen und segenreichen Gedanken Gottes vermengt, richtet er Verwirrung an, und diese Verwirrung teilt sich stets seinem Herzen mit. Das ist auch der Grund, warum in unseren Tagen so viele Christen nicht mit fröhlichem Herzen ihre Straße ziehen, warum so wenige wahrhaft befreit und sich ihrer Stellung in Christo Jesu vor Gott bewusst sind. Sie vermengen das Wort Gottes mit ihren eigenen Gedanken, aber sie nehmen es nicht gläubig auf als Gottes Wort. Sie verkümmern sich selbst ihr gesegnetes Teil und verunehren Gott.

Viele Christen gibt es auch, die sich ihrer Rechtfertigung durch den Glauben wohl bewusst sind und infolge dessen Frieden mit Gott haben, die aber stets über Mangel an Kraft zu einem würdigen Wandel klagen. Gleichgültige Seelen begnügen sich freilich damit, dass sie ihrer Errettung durch Christum gewiss sind; ernsteren Seelen aber, welche ihren Heiland lieben, liegt es am Herzen, Den, der sie so teuer erkauft hat, auch durch einen Ihm wohlgefälligen Wandel zu verherrlichen. Aber woher Kraft nehmen? Die Beantwortung dieser Frage führt uns nicht nur zu dem Werke, sondern auch zu der Person Christi. Um vor Gott würdig zu wandeln, bedürfen wir Seiner Kraft, der Kraft nämlich, welche sich einst in der Auferweckung Christi wirksam erwies, und die nun auch in uns, die wir mit Ihm auserweckt und lebendig gemacht sind, wirkt vermittelst des in uns wohnenden Geistes. Es sind zwei Gegenstände, auf die wir jetzt vornehmlich unsere Augen zu richten haben, zunächst, wie bereits bemerkt, auf die Person Christi, und dann auf unsere Vereinigung mit Ihm in Kraft des Lebens. Ein Wandel zur Ehre Gottes, wie er einem Kinde und Erben Gottes geziemt, ist abhängig von der ungehinderten Wirksamkeit des Heiligen Geistes in uns, sowie von der lebendigen Erkenntnis der Person Christi und unserer Vereinigung mit Ihm. 

Der Heilige Geist wirkt diese Erkenntnis und ist bemüht, das Leben Christi in unserem Wandel zum Ausdruck zu bringen. Deshalb beugte auch der Apostel Paulus seine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, dass Er den gläubigen Ephesern geben möge, nach dem Reichtum Seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch Seinen Geist an dem inneren Menschen«, damit, wie er fortfährt, der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, indem ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid. (Eph. 3, 14 — 17). Ist der Geist Gottes in uns betrübt und Seine Wirksamkeit geschwächt, sind unsere Erkenntnis und unser Glaube mangelhaft und kraftlos, so wird sich das ganz naturgemäß in unserem Wandel zeigen; unsere Vereinigung mit Christo ist zwar nicht unterbrochen, denn wir sind immer in Ihm, wohl aber verleugnen wir sie in unserem Wandel, und wir bedürfen dann der mächtig wirkenden Gnade Gottes, um in den Genuss der Gemeinschaft mit Ihm zurückgeführt zu werden.

Zum besseren Verständnis des Gesagten wollen wir uns ein wenig mit dem Brief an die Kolosser beschäftigen, der in besonderer Weise diese Wahrheiten behandelt. Die Versammlung in Kolossä hatte ihre Vereinigung mit Christo, ihrem Haupte, in etwa vergessen. Ihre Herzen fingen an, sich wieder ein wenig der Erde zuzuneigen und in anderen Dingen Befriedigung zu suchen. Das ist immer der Fall, sobald wir in Christo nicht unser Alles finden. Das Herz will befriedigt sein; aber es täuscht sich jedes Mal, so oft es etwas außer Christo zu finden meint. Nur in Ihm ist die Fülle, und wir besitzen diese Fülle kraft unserer Vereinigung mit Ihm. Daher das eifrige Bemühen des Apostels, die Kolosser wieder zu Christo zurückzuführen und das Bewusstsein ihrer Vereinigung mit Ihm neu zu beleben.

In den beiden ersten Kapiteln des Briefes ist es die Person Christi und Seine Fülle, welche der Geist Gottes uns vor die Seele malt. In Kap. 1, 15 —17 lesen wir von Ihm: „welcher das Bild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn durch Ihn sind alle Dinge erschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: alle Dinge sind durch Ihn und für Ihn geschaffen“ — Hier haben wir die Herrlichkeit Christi in Beziehung zu allem Geschaffenen. Er ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, und wenn Er als Mensch Seinen Platz, in der Schöpfung einnimmt, so kann es nur sein als der Erstgeborene, als das Haupt von allem (Vergl. auch Hebr. 1).

Im 18. Verse heißt es dann weiter: „Und Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, auf dass Er in allen Dingen den Vorrang habe“. Dies zeigt uns den zweiten Teil der Herrlichkeit Christi. Er ist nicht nur der Erstgeborene aller Schöpfung, das Haupt aller Dinge, sondern auch der Erstgeborene aus den Toten, das Haupt der neuen Schöpfung, das Haupt der Versammlung oder Gemeinde. „Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in Ihm zu wohnen, und durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen, — indem Er Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes, — durch Ihn, es seien die Dinge aus der Erde oder die Dinge in den Himmeln. 

Und euch, die ihr einst entfremdet und Feinde wart nach der Gesinnung in den bösen Werken, hat Er aber nun versöhnt in dem Leibe Seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unsträflich vor sich hinzustellen (V. 19 - 22). Wie die Herrlichkeit Christi eine doppelte ist, so auch das durch Ihn vollbrachte Versöhnungswerk. Es hat Bezug auf alle Dinge sowohl, als auch auf die Versammlung, ja auf alle, die da glauben. Im Blick auf die Schöpfung ist die gesegnete Wirkung der Versöhnung noch nicht ans Licht getreten: sie liegt noch unter dem Fluche und wartet seufzend auf die Offenbarung »der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes (Röm. 8, 21); aber hinsichtlich der Gläubigen ist das Ergebnis schon da: sie sind versöhnt, sie haben die Erlösung, die Vergebung ihrer Sünden (V. 14); Christus hat die ihnen entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die wider sie war, ausgetilgt, indem Er sie aus der Mitte wegnahm und aus Kreuz nagelte (Vergl. Kap. 2, 14). Sie dürfen fragen: Wo sind jetzt unsere Sünden? Wo ist die wider uns zeugende Handschrift? wo der Feind, der uns in der Knechtschaft der Sünde und in beständiger Todesfurcht gefangen hielt? Sie sind für immer hinweggetan, ausgetilgt, besiegt, Dank der unendlichen Gnade und Liebe Gottes, wie sie sich in Christo geoffenbart haben!

Ja, wir dürfen noch weiter gehen und sagen: In Ihm, in welchem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind, in welchem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, und der das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt ist, sind wir vollendet (Vergl. Kap. 2, 3. 9. 10). Welch ein Glück ist es für uns, Den zu kennen und zu besitzen, mit Dem im Leben eins und in Liebe verbunden zu sein, in welchem die ganze Fülle wohnt! Nichts kann das Herz mehr trösten und erquicken als die Erkenntnis Christi, und dann das selige Bewusstsein, dass Er selbst, so wie Er ist, in Seiner ganzen Fülle, unser Teil ist, und dass wir auf ewig mit Ihm eins sind. Und wie können wir diese wunderbare Fülle genießen? Indem unsere Augen aus Christum gerichtet bleiben und unsere Herzen innig mit Ihm verkehren. Freilich kann dieser Verkehr jetzt nur durch den Glauben und die Wirksamkeit des in uns wohnenden Geistes geschehen, „denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen“; aber das gläubige Herz, welches sich der Leitung und Wirkung des Geistes Gottes überlässt, ist stets gesegnet und glücklich in der Gemeinschaft seines Herrn, während der Unglaube immer leer ausgeht.

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Teil der Wahrheit, mit welcher der Kolosserbrief sich vornehmlich beschäftigt, nämlich zu unserer Vereinigung mit Christo in Kraft des Lebens. Auch dieser Teil der Wahrheit ist von der größten Wichtigkeit für uns; denn auf diese Vereinigung gründen sich sowohl unsere Beziehungen zu Gott, als auch unsere Kraft im Wandel. Alles hängt von dieser Vereinigung ab, nicht nur unsere Stellung vor Gott, sondern auch alles, was wir jetzt im Glauben und einst im Schauen genießen werden. Ist unsere Erkenntnis über diese Vereinigung mangelhaft oder unsere Verwirklichung derselben schwach, so fehlen auch die lieblichen Gefühle, welche das lebendige Bewusstsein jener Vereinigung in unseren Herzen hervorbringt. Auch werden wir uns immer in einer gewissen Entfernung von Ihm fühlen; unsere Gemeinschaft ist dann weder ganz herzlich, noch innig und vertraut, und unserem Wandel fehlt die freudige Zuversicht und die nötige Kraft.

 Wird die Vereinigung mit Christo nicht völlig verstanden, so verfallen ernste Seelen, welche wohlgefällig vor Ihm wandeln möchten, in einen gesetzlichen Zustand; indem ihnen das Bewusstsein ihrer Vereinigung im Leben mit Christo mangelt, versuchen sie in eigener Kraft voranzugehen und müssen dann immer aufs Neue erfahren, das; sie völlig ohnmächtig sind, und dass in ihrem Fleische nichts Gutes wohnt. Solche Erfahrungen aber sind niederdrückend, machen mutlos und verzagt, und nur selten sehen sich solche Seelen in der Lage, Gott mit fröhlichem Herzen preisen und anbeten zu können.

Doch was ist der Charakter und die Tragweite unserer Vereinigung mit Christo, und welche Ermahnungen betreffs unserer Gesinnung und unseres Wandels knüpft der Heilige Geist an dieselbe? Diese Frage wird in dem schon mehrfach angeführten Briefe an die Kolosser, sowie in mehreren anderen Teilen des Neuen Testamentes klar und einfach beantwortet.

Gott hat mit dem natürlichen Menschen keinerlei Gemeinschaft noch irgendwelche Beziehung, es sei denn als Schöpfer und Richter. Als Jesus von der Welt verworfen war, ist jede Beziehung mit ihr abgebrochen worden; Jesus sagt: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt“ (Joh. 12, 31). Gehören wir noch zu der Welt, so stehen wir auch unter dem Gericht. Darum sagt der Herr von den Seinigen: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (Joh. 17, 16). Ferner lesen wir in Röm. 8, 7. 8: „Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz, Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht. Die aber, welche im Fleische sind, vermögen Gott nicht zu gefallen“. Der Mensch von Natur ist eins mit der Sünde, und darum getrennt von Gott; denn Gott ist heilig und kann keine Gemeinschaft mit der Sünde haben. Ebenso wenig kann die Natur des Fleisches sich jemals ändern; weder das Gesetz noch die Gnade vermögen etwas anderes aus ihm zu machen, als was es ist: Fleisch. Es ist und bleibt immer sündig und zu allem Guten unfähig. Es bleibt für das Fleisch nichts anderes übrig als der Sold der Sünde, d. i. der Tod. Der Sünder als solcher muss ganz und gar vor dem Angesicht Gottes hinweggetan werden: aber als ein gerechtfertigter und erneuerter Mensch, der in Christo von der Sünde getrennt worden ist, kann er mit Gott in einer gesegneten Beziehung sein. Doch wie ist der Gläubige von der Sünde getrennt worden? Indem er mit Christo eins gemacht worden (eig. verwachsen) ist in der Gleichheit Seines Todes und Seiner Auferstehung. Als Christus starb, starben wir; in der Taufe sind wir mit Ihm begraben, durch den Glauben mit Ihm auferstanden und in Ihm mitversetzt in die himmlischen Orten (Eph. 2, 6)

In Kor. 2, 11 — 13 lesen wir: In welchem (,Christus) ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus, mit Ihm begraben in der Taufe, in welcher ihr auch mitauferweckt worden seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der Ihn aus den Toten auferweckt hat. Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches, hat Er mitlebendig gemacht mit Ihm, indem Er uns alle Vergehungen vergeben hat.“ Der Apostel belehrt hier ausdrücklich die gläubigen Kolosser, dass sie den Leib des Fleisches, d. i. der Sünde, in welchem sie früher wohnten und lebten, ausgezogen hätten, und diese Ausziehung sei durch eine Beschneidung geschehen, die nicht mit Händen vollzogen würde, sondern durch die Beschneidung (d. i. durch den Tod) Christi.

 In diesem Tode ist der Gläubige als Sünder hinweggetan, in der Taufe mit Christo begraben und also ganz und gar und für immer vor Gott (seinem alten Zustande nach) beseitigt worden; und die wirksame Kraft Gottes, die sich zunächst in der Auferweckung Christi kundgetan hat, hat auch ihn durch den Glauben mitauserweckt und an dem Leben Christi teilnehmen lassen. Wir sehen hier jedoch, in welcher Verbindung alles dieses mit der Person Christi steht, sowohl in Seinem Tode als auch in Seiner Auferstehung, und es ist durchaus nötig, dies stets im Glauben festzuhalten. Trennen wir es von Seiner Person, so bringen wir alles in Verwirrung und bleiben in unserem Wandel nach wie vor kraftlos.

Ein Bekenntnis, dass wir gestorben, begraben und auferstanden seien, anders als durch unsere Einsmachung mit Christo in der Gleichheit Seines Todes und Seiner Auferstehung, wäre eine völlige Unwahrheit. Beachten wir auch, dass hier keine Rede davon ist, inwieweit diese Wahrheit durch das Werk des Heiligen Geistes sich in uns verwirklicht findet, sondern dass es sich allein um unsere Stellung vor Gott handelt, in die wir gebracht sind durch unsere Vereinigung mit Christo, welcher im Tode war, aber nun auferstanden ist und für immerdar lebt. In Ihm aber ist unsere Stellung vor Gott in jeder Beziehung vollkommen und keinem Wechsel, keinem Fortschritt oder Rückschritt unterworfen. Sicherlich ist es wahr, dass wir sie durch den Glauben und in der Kraft des Heiligen Geistes lebendig erkennen und einnehmen müssen, und dass sie sich nur insoweit in unserem Leben und Wandel offenbart, als sie durch das Werk des Heiligen Geistes in uns; zu einer Wirklichkeit für uns wird; aber diese Tatsache hat nichts mit der Stellung selbst zu tun. Es gibt Seelen, welche wohl zugeben, dass der Gläubige in Christo eine vollkommene Stellung vor Gott habe, allein sie schwächen die wirksame Kraft derselben durch die Behauptung, dass wir nicht immer in Christo seien.

 Doch das sind menschliche Gedanken, die den Gedanken Gottes und der Wahrheit zuwider sind. Zugleich beweisen jene Seelen durch ihre Behauptung, dass sie ihre Stellung vor Gott in Christo in Wirklichkeit noch nie verstanden haben. Wohl kann und wird einem Gläubigen, obwohl er jene Stellung kennt, das lebendige Bewusstsein derselben schwinden, wenn er nicht treu wandelt; „die Kraft des Glaubens sowie die Wirksamkeit des Heiligen Geistes können in ihm geschwächt sein, und dies wird sich sofort in seinem Wandel zeigen. Aber alles das, so beklagenswert es ist, hebt seine Vereinigung mit Christo nicht aus. Der Christ ist stets in Christo, und er ist berufen, dieser Stellung gemäß zu wandeln. Kommt er dieser Berufung nicht nach, so ist geistliche Dürre und Kraftlosigkeit die Folge, und der Vater muss ihn züchtigen.

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Augen- und Ohrenzeugen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 303ff

Man hört, wenn von göttlichen Dingen die Rede ist, seitens der Ungläubigen so oft den Einwurf: „Ja, wer

kann das sicher wissen? Das hat niemand gesehen oder gehört!“ — Demgegenüber ist es sehr interessant zu sehen, wie oft Gottes Wort im Blick auf Christum und die wichtigsten Grundwahrheiten des Christentums von Augen- und Ohrenzengen redet. Die Apostel des Herrn berufen sich bei den verschiedensten Gelegenheiten immer wieder auf solche Zeugen, und auch wir tun wohl, darauf zu achten, sowohl zu unserer eigenen Befestigung, als auch um bei Gelegenheit solchen Einwürfen begegnen zu können.

Der Apostel Johannes beginnt seinen ersten Brief mit den Worten: „Was von Anfang war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens . . . was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch. Und was war es, das er mit den übrigen Jüngern Jesu gesehen und gehört hatte? Das Wort des Lebens, der Sohn Gottes, das ewige Leben, welches bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist. So ist denn das ganze Leben, das ganze Sein unseres geliebten Herrn, während Er hienieden war, durch eine Reihe von Augen- und Ohrenzeugen feierlich bezeugt.

Derselbe Apostel Johannes berichtet über das Sterben des Herrn Jesu: „Einer der Kriegsknechte durchbohrte mit einem Speer Seine Seite, und alsbald kam Blut und Wasser heraus. Und der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahrhaftig; und er weiß, dass er sagt, was wahr ist, auf dass auch ihr glaubet“ (Joh. 19, 34. 35; vergl. auch Luk. 23, 47 — 49). Es ist nicht von ungefähr, dass Johannes an dieser Stelle in so überzeugender Weise redet; denn sein Zeugnis ist von der äußersten Wichtigkeit. Denn wenn Jesus nicht wirklich gestorben wäre, würde das Sühnungswerk nicht vollständig sein; dann hätte Er auch nicht ans den Toten auferstehen können. Wir wären noch in unseren Sünden, und der Besitz, des ewigen Lebens wäre unmöglich für uns.

Weiter sagt der Apostel Petrus zu dem Hauptmann Kornelius und den Seinigen: „Und wir sind Zeugen alles dessen, was Er sowohl im Lande der Juden als auch in Jerusalem getan hat; welchen sie auch umgebracht haben, indem sie Ihn an ein Holz aufhängten. Diesen hat Gott am dritten Tage auserweckt und Ihn sichtbar werden lassen, nicht dem ganzen Volke, sondern den von. Gott zuvor erwählten Zeugen, uns, die wir mit Ihm gegessen und getrunken haben, nachdem Er aus den Toten auferstanden war (Apstgsch. 10, 39 —- 41; vergl. auch Luk. 24, 36 — 43) Und in 1. Kor. 15 zählt der Apostel Paulus nacheinander alle die Augenzeugen der Auferstehung Jesu aus den Toten auf. Zunächst Petrus, dann die Zwölfe, dann fünfhundert Brüder, die den Herrn Jesum auf einmal gesehen hatten, von welchen die meisten zu jener Zeit noch lebten und die Worte des Apostels bestätigen konnten, dann Jakobus, darnach die Apostel alle, und schließlich hatte er selbst den anferstandenen Herrn verherrlicht zur Rechten Gottes erblickt. Welch eine Wolke von gewichtigen, einwandfreien Zeugen! Der Apostel zählt so viele auf, weil von der Auferstehung Jesu aus den Toten wiederum unsere ganze Errettung abhängt. Ist Er nicht auferstanden, so sind alle, die an Ihn glauben, verloren; dann ist kein Leben aus dem Tode gekommen; dann gibt es kein Heil, keine Seligkeit, keine Hoffnung; dann ist jede Predigt des Evangeliums vergeblich und der Glaube an Jesum eitel, und die Apostel sind alle als falsche Zeugen erwiesen. Aber Gott sei Dank! „Christus ist aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen“.

Im Blick auf die Himmelfahrt Jesu lesen wir in Luk. 24, 51: „Und es geschah, indem Er sie segnete, schied Er von ihnen und ward hinaufgetragen in den Himmel«; und in Apstgsch. 1, 9: „Und als Er dies gesagt hatte, wurde Er emporgehoben, indem sie es sahen, und eine Wolke nahm Ihn auf von ihren Augen hinweg“.

Dass der in den Himmel gefahrene Herr von Saulus von Tarsus gesehen wurde, haben wir bereits bemerkt; aber auch Stephanus, der erste Blutzeuge der christlichen Kirche, sah den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen (Apstgsch. 7, 55), und Johannes sah Ihn auf der Insel Patmos (Offbg. 1, 13 —17).

So haben wir denn viele Augenzeugen von dem Leben Jesu hienieden, von Seinem Sterben am Kreuz, von Seiner Auferstehung aus den Toten, von Seiner Himmelfahrt und endlich auch von Seinem Sitzen zur Rechten Gottes droben. Es bleibt nur noch Seine Herrlichkeit als König und Haupt über alles; übrig. Nun, auch diese ist geschaut worden. Petrus sagt von der Verklärung auf dem Berge Tabor, von welcher uns die Evangelien berichten: „Nicht indem wir künstlich erdichteten Fabeln folgten, haben wir euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesu Christi kundgetan, sondern als die da Augenzeugen Seiner Majestät gewesen sind. Denn Er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an Ihn erging: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe. Und diese Stimme hörten wir vom Himmel erlassen, als wir mit Ihm auf dem heiligen Berge waren (2. Petr. 1, 16 —19).

Am Schluss seines zweiten Briefes ermahnt Petrus die Gläubigen: „Ihr nun, Geliebte, . . . hütet euch, dass ihr nicht, durch den Irrtum der Ruchlosen mit fortgerissen, aus eurer eigenen Festigkeit fallet!“

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Die helle Seite ist immer da, wo Jesus ist

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 307ff

Ein Missionar wurde einst, als er fern von Hause weilte, von einem heftigen Fieber überfallen und erzählt nun folgendes:

Ich lag in meinem Zelte und fühlte mich sterbenskrank. Schlaflos wälzte ich mich hin und her. Als endlich der Morgen graute, wurde das Fell, welches den Eingang zu meinem Zelte verdeckte, ein wenig beiseite geschoben, und ein schwarzes Gesicht zeigte sich in der Spalte war Nanny die alte Negerin. Indem sie mir einen liebevollen Blick zuwarf, fragte sie: „Massa heute Morgen die helle Seite sehen?“

„Nein, Nanny, erwiderte ich, „sie ist nicht so hell, wie ich es wohl wünschen möchte.

„O Massa, ich immer sehen die helle Seite.“

„Das ist schön, Nanny“, sagte ich, „aber vielleicht hast du in deinem Leben noch nicht viel Schweres erfahren“.

„Vielleicht nicht“, meinte sie, gutmütig lächelnd; und dann begann sie mir in ihrer einfältigen, gebrochenen Weise von ihrem Leben in Virginien zu erzählen, wie eines ihrer Kinder nach dem anderen verkauft worden sei, wie man ihren Mann und endlich sie selbst auf den Markt gebracht und versteigert habe, und wie sie nun seit vielen Jahren allein stehe und nie wieder ein Sterbenswörtchen von ihren Lieben gehört habe· „Vielleicht ich nicht viel Schweres erfahren, Massa, so schloss sie ihren rührenden Bericht.

„Aber, Nanny“, bemerkte ich etwas kleinlaut, „hast du denn immer die helle Seite gesehen?“

Immer, Massa, immer.

„Aber wie machtest du das?“

„O das sehr einfach sein, Massa. Wenn Nanny sehen die große, dunkle Wolke kommen, tiefer, immer tiefer, — und dabei machte sie mit ihrer schwarzen Hand eine bezeichnende Bewegung —- „und sie wollen mich ganz niederdrücken, dann ich mich rasch wenden auf die andere Seite, und ich finden den Herrn Jesum dort; und dann auf einmal alles hell und klar sein. Die helle Seite immer da sein, wo Jesus ist, Massa.“

„Nun, Nanny“, erwiderte ich bewegt, „wenn du das kannst, dann sollte ich es auch so machen.“

„Mir auch so scheinen, Massa“, sagte die alte, treue Seele; „Massa doch immer vom Herrn Jesu predigen!“

Mit diesen Worten verließ sie das Zelt, und ich wandte meinen Blick nach oben und flüsterte: „Ja, Herr, du bist mein Hirte. vergib meinen Kleinglauben. — Mag nun kommen, was da will, Fieber oder Gesundheit, Tod oder Leben, der Herr ist mein .Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Und während ich so redete, ergoss sich ein süßer Friede in mein Herz. Nicht lange nachher schlief ich ein, und als ich erwachte, lag ich in einem wohltätigen Schweiß; das Fieber war gebrochen. Nannys Glaube hatte mich gesund gemacht.

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Du aber!

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 309ff

Der Apostel bezeichnet die letzten Tage der Christenheit als schwere Zeiten: „Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden“ (2. Tim. 3, 1) Diese Schwere der Zeiten sollte indes nicht so sehr in Versuchungen bestehen, die etwa seitens heidnischer Völker über die Kirche hereinbrechen würden, wie dies früher geschehen ist, sondern sich vielmehr in dem trauriger! Zustand der

Kirche selbst kundgeben. Allerdings haben nur solche, die ein geistliches Verständnis darüber besitzen, was die Kirche nach den Gedanken Gottes ist und hienieden sein sollte, ein Auge für den wahren Charakter ihres gegenwärtigen Zustandes. Er weist die schrecklichen Züge des heidnischen Verderben auf (vergl. 2. Tim. 3, 2 -— 4 mit Röm. 1, 29 — 31) und kleidet sich trotzdem in eine äußere und vielleicht bestechende Form der Gottseligkeit. Das ist das Böse in seiner schlimmsten Gestalt; denn ans diese Weise wird der heilige und erhabene Name Jesu mit den Gräueln und Sünden der Christenheit eins gemacht. Nichts aber ist nach dem Urteil Gottes höher und köstlicher als der Name Jesu; und insoweit der Gläubige den Wert dieses Namens kennt, begreift er auch die Entehrung desselben durch diejenigen, welche sich nach ihm nennen und dabei tot in Sünden sind. Ich denke jetzt nicht nur an die offenbaren Verbrecher, an Diebe, Mörder u. dergl.; nein, auch die große, ehrbare Masse der christlichen Bekenner entehrt durch ihren Zustand den Namen Jesu in der traurigsten Weise. Auch auf sie passt das Wort des Herrn: „Also scheinet ihr von außen zwar gerecht vor den Menschen, von innen aber seid ihr voll Heuchelei und Gesetzlosigkeit“ (Matth. 23, 28.) 

Ja, wenn der Zustand jener Schriftgelehrten und Pharisäer, die sich als die Ersten unter den Juden betrachteten, schon so schrecklich böse war, wie viel schrecklicher und böser muss dann der Zustand und die Heuchelei derer sein, welche sich Christen nennen und in ihrem Herzen Feinde des „Heiligen und Wahrhaftigen“ sind, nach dessen Namen sie sich nennen! (Vergl. 1. Joh. 5, 20; Offenbg. 3, 7) Ach! sie haben wohl eine Form der Gottseligkeit, ihre Kraft aber verleugnen sie (2. Tim. 3, 5) Nicht nur kennen sie diese Kraft nicht, sondern sie verleugnen sie auch; sie wollen nicht zugeben, dass eine solche Kraft bestehe, und halten diejenigen für hochmütig und eingebildet, welche sie besitzen und offenbaren. Die Gewissheit der Errettung und die daraus entspringende Glückseligkeit und Zuversicht, die persönliche Gemeinschaft mit Gott, die Freude in Christo und die ans solcher Freude hervorgehende Kraft der Selbstverleugnung - alles das sind ihnen fremde Dinge: und wo irgend sich diese Dinge zeigen, da wird der Ruf: „Pietisten! Ketzer! Sektierer!“ und dergl. laut. Man verfolgt und schmäht oder, im besten Falle, man duldet die treuen Jünger und Jüngerinnen Jesu; und alles das geschieht unter dem Schein der Gottseligkeit, in Verbindung mit einem lauten Lippenbekenntnis. 310

Leider ist das der Zustand der großen Masse der christlichen Bekenner in unseren Tagen. Im Vergleich mit ihnen erscheinen die wahren Christen als» ein gar kleines Häuflein, dessen Lage treffend gekennzeichnet wird durch die Worte des Propheten: „Und die Tochter Zion ist übriggeblieben wie eine Hütte im Weinberge, wie eine Nachthütte im Gurkenfelde, wie eine belagerte Stadt. Wenn Jehova der Heerscharen uns nicht einen gar kleinen Überrest gelassen hätte, wie Sodom wären wir, Gomorra gleich geworden“ (Jes. 1, 8. 9) *) Und ach! wir müssen es zu unserer Beschämung sagen, selbst dieser kleine Überrest bietet nicht das erfreuliche Bild dessen, was „von Anfang“ war. Man hat vergessen, auf die Ermahnung des Apostels acht zu haben: „Ihr, was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch“ ("1. Joh. 2, 24.) Einerseits vernachlässigen manche ihr persönliches Verhältnis zum Herrn, sind gleichgültig, träge und untreu in ihrem Wandel: und andererseits fehlt es vielen an der wahren Liebe zu Christo, und infolge dessen an einem verständnisvollen, wirklichen Eingehen in Seine Gedanken über die Stellung der Seinigen gegenüber den bloßen Bekennern.

 Es hält ihnen nicht genau weder im Blick auf die Einheit des Geistes, die zu bewahren wir nur befleißigen sollen (Eph. 4, 3), noch im Blick auf die entschiedene Absonderung von der religiösen (nicht nur der offenbar gottlosen) Welt, die uns so einfach und bestimmt im Worte Gottes vorgeschrieben ist. Ein solches Verhalten wahrer Christen ist sicher eine ebenso große, wenn nicht noch größere Betrübnis für den Herrn, als der Verfall der großen Masse; ja, es trägt zur Vergrößerung des letzteren bei und fördert die Absichten des Feindes.

Wenn aber der Verfall so allgemein geworden ist, dass selbst wahre Christen mit fortgerissen werden, dann ist die Treue des Einzelnen in den Augen des Herrn umso wertvoller. Einem solchen gilt dann das Wort und Beispiel des Apostels: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben u. s. w. . . . . Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast (2. Tim 2, 10. 14).

Zunächst wird der Einzelne durch die Worte du aber an seine persönliche Verantwortlichkeit erinnert; denn diese wird durch den allgemeinen Verfall in keiner Weise aufgehoben. Es steht geschrieben: „Also wird nun ein jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben“ (Röm.14, 12). Der Gedanke, es mit Gott zu tun zu haben und mit Ihm allein zu sein, ist immer ernst, aber für den, der ihn in seinem Herzen bewahrt, von den segensreichsten Folgen. Ja, gerade hierin liegt das Geheimnis der wahren Gottseligkeit und ihrer Kraft. In der Bewahrung jenes Gedankens bestand die Kraft des Apostels und der treuen und ernsten Männer Gottes zu allen Zeiten. Ein schönes und belehrendes Vorbild in dieser Beziehung sehen wir in Simson. So lange er sein Geheimnis als Nasir **) Gottes bewahrte, war er stark und unbesiegbar; sobald er es aber der Delila verriet, wurde er schwach wie alle Menschen (Richter 16, 17.I) Was anders ist der Christ als ein Nasir Gottes, ein „Mensch Gottes“ (1. Tim. 6, 11), abgesondert von der Welt und für Gott beiseite gestellt? Der Herr sagt von den Seinigen: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (Joh. 17, 16) und im Wesentlichen lehrt der Apostel dasselbe, wenn er sagt: „Denn ich bin durchs Gesetz, dem Gesetz, gestorben, ans das; ich Gott lebe; ich bin mit Christo gekreuzigt: und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir. Und wiederum: „Von mir aber sei es ferne mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal. 2, 19. 20; 6, 14) Diese Wahrheit hat die bekennende Kirche in ihrer Gesamtheit völlig vergessen, und selbst viele wahre Christen haben aufgehört, „Nasire“ zu sein, ihre Absonderung von der Welt zu bewahren, und haben gleich Simson das Geheimnis ihrer Kraft der Delila verraten, indem sie sich in der einen oder anderen Weise mit dem Geiste und den Grundsätzen dieser Welt vereinigten.

Umso wichtiger ist für den treuen Christen das Wort: „Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge“ (1.Tim. 6, 11); vergiss nicht, dass du es mit dem heiligen Gott zu tun hast; bleibe ein Nasir, ein Gottgeweihter, bewahre das Geheimnis deiner Kraft. Erinnere dich an die Worte des treuen Apostels: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen . . . meinen Glauben. Diesen seinen Glauben erklärt Paulus selbst mit den Worten: „Was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal. 2, 20). Christus, der Sohn Gottes, war sein ausschließlicher Gegenstand, wie er an einer anderen Stelle sagt: „Denn das Leben ist für mich Christus“ (Phil. 1, 21). Und diesen Glauben hat er bewahrt bis zum Ende seines Lebens; seine Anhänglichkeit an Christum und seine Liebe zu Ihm ist nicht erkaltet (2. Tim. 4, 7).

Diese Liebe zu Christo war auch der Beweggrund seiner Liebe zu den Gläubigen, und darum war sie unparteiisch und umfasste alle ohne Unterschied. Er kannte den Platz, den sie im Herzen Christi einnahmen, wusste, wie teuer und wertvoll sie in Seinen Augen waren; er wusste, dass dasselbe Band, welches ihn so innig mit Christo verband, alle Heiligen ebenso fest umschlungen hielt. In seinem Herzen lebte die Wahrheit: „Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in uns allen“ (Eph. 4, 4 — 6).

Aber dieselbe Liebe zu Christo, die ihn so innig mit allen Gliedern Seines Leibes verband, ließ ihn auch umso lebhafter und schmerzlicher die Zerrissenheit vorausempfinden, welche sich im Laufe der Zeit unter diesen Gliedern offenbaren sollte. Denn trotz. seiner flehentlichen Ermahnung, als der Gefangene im Herrn, an die Gläubigen seiner Zeit, dass sie sieh doch befleißigen möchten, die Einheit des Geistes im Bande des Friedens zu bewahren (Eph. 4, 3), musste er schon bei seinen Lebzeiten erfahren, dass sich alle, die in Asien waren, von ihm abwandten (2. Tim. 1, 15). Und bei seinem Abschiede von den Ältesten zu Ephesus musste er diesen in prophetischem Vorausblick zurufen: „Aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, die Jünger abzuziehen hinter sich her (Apstgsch. 20, 30). Ach! wir wissen nur zu gut, in welch betrübender Weise sich dieses Wort erfüllt hat. Wir haben es mit unseren eigenen Augen gesehen.

 „Aus uns selbst“, aus der Mitte der Christen, kommt die Zersplitterung, und zwar in unseren Tagen vielfach in einer Weise, die gar nicht wie Zersplitterung aussieht, sie auch nicht bezweckt. Man redet im Gegenteil von Betätigung der Liebe allen Gläubigen gegenüber und meint, dieser dadurch Ausdruck geben zu sollen, dass man allerlei christliche Verbindungen und Vereinigungen schafft; aber man bedenkt nicht, das alle solche Vereinigungen, so gut sie gemeint sein mögen, in ihrem Grund und Wesen der durch den Heiligen Geist bewirkten Einheit entgegen sind, ja, sie ihn praktischen Sinne zerstören. Ein einsichtsvolles Verständnis über diese Einheit und ein wirkliches Eingehen in die Gedanken dem Herrn darüber, sowie ein wahrer Begriff von der Liebe Gottes zu allen Seinen Heiligen wird vor solchen verkehrten Schritten bewahren. Aber diese Dinge fehlen leider so vielfach, und darum wird die Zersplitterung größer und größer. Der Apostel gibt uns auch keine Aussicht auf eine Besserung dieses Zustandes, vielmehr spricht er von einem steten Fortschreiten des Bösen.

Umso bedeutungsvoller sind deshalb für jeden heute lebenden treuen Christen seine Worte: „Du ab er hast genau erkannt meine Lehre . . . Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast“. Ohne Zweifel hatte Timotheus eine „gesunde Lehre“ von dem Apostel empfangen, und darum konnte er mit Zuversicht und Überzeugung daran festhalten. Und diese völlige Überzeugung bezüglich des allein richtigen, dem Herrn wohlgefälligen Weges empfängt auch heute noch jeder Christ, der wirklich von dem Apostel lernt. Er hat nur nötig treu zu sein und zu bleiben in dem, „was von Anfang war“, das Geheimnis seiner Kraft, seine Absonderung für Gott, zu bewahren. Wenn ein Christ das tut, wird er sich auch sicherlich nicht über Andere erheben, sondern sich vielmehr über den allgemeinen Verfall mit demütigen und gleich dem Propheten Daniel bekennen: „Wir haben gesündigt“ (Dan. 9, 5 usw.). Auch wird er, so viel an ihm liegt, die Einheit des Geistes zu bewahren suchen, indem er alle Kinder Gottes als Glieder des einen Leibes anerkennt, wenn er auch nicht mit allen Gemeinschaft machen kann wegen ihres Zustandes.

Sicher bedarf er auf diesem Pfade der Geduld und des Ausharrens, denn Verkennung, Verurteilung und selbst Verachtung werden für ihn nicht ausbleiben; wurde doch dem Apostel selbst von solchen Trübsal zugefügt, die Christum verkündigten (Phil. 1, 17). Aber er gibt im auch darin ein schönes Vorbild: „Du aber hast genau erkannt . . .meine Geduld . . . mein Ausharren er konnte auch in dieser Beziehung sagen: „Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Christi. (1. Kor. 11, 1). Der Herr selbst bezeichnet das Ausharren in Treue während der allgemeinen Untreue der Bekenner als Sein Ausharren; Er führt es an als ein Merkmal des treuen Überrestes der letzten Tage: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, so werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen.“ Und Er fügt zur Ermunterung dieses Überrestes hinzu: „Ich komme bald; halte fest, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme“ (Offbg. 3, 10. 11)! Sicher würde Er die Seinigen nicht ermuntern, festzuhalten an menschlichen Überlieferungen und Erfindungen, an Dingen, die nicht mit Seinem Geiste und Worte im Einklang stehen. 

Denn wie könnte Er etwas anerkennen oder gar krönen, was nicht von Ihm ist? Aber das Festhalten an dem, was von Anfang war, an dem „einmal den Heiligen überlieferten Glauben“ (Judas 3) will Er krönen. Und für den, der Christum zu seinem ausschließlichen Gegenstand hat und nur Seine Ehre und Anerkennung begehrt, ist der Gedanke an Seine nahe Ankunft eine mächtige Triebfeder zum Ausharren in der Hingebung für Ihn. Denn alsdann werden alle die Seinigen ohne Ausnahme Ihn lieben und Ihn allein zu ihrem Mittelpunkt haben; jedes Auge wird auf Ihn gerichtet, und jeder Mund wird Seines Lobes voll sein. Alle werden ihren wahren Platz einnehmen, jeder wird das Bild Dessen tragen, der ihn erschaffen hat, und Christus wird sein „alles und in allen“ (Kol. 3, 10. 11). Jede Spaltung und Trennung wird aufgehört haben, und es wird sich erfüllen, was wir jetzt noch in Hoffnung singen:

„Dann wird deiner Heiligen Menge,

Ein Lied, eine Seele sein:

Preis und Dank und Lobgesänge

werden sie dir ewig weihn“.

Inzwischen aber wolle der Herr einem jeden von uns die Gnade verleihen, die Worte des Apostels zu beachten und zu verwirklichen: „Du aber hat genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben . . . Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist . . . Du aber sei nüchtern in allein!“

Fußnote

*) In der Tat ist der Zustand der bekennenden Kirche reif zum Gericht; wenn der Herr das kleine Häuflein der Seinigen herausnimmt, was jeden Tag geschehen kann, so ist nichts mehr da, was Seinen richtenden Arm zurückhält·

**) d. i. Abgesonderter oder Geweihter.

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Suchet was droben ist

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 318ff

Wir werden später noch einmal zu dem Briefe an die Kolosser zurückkehren und wollen jetzt einen Abschnitt aus dem Briefe an die Römer betrachten, welcher sich ebenfalls ausführlich mit der Wahrheit unseres Gestorbenseins mit Christo beschäftigt. Der Apostel sagt am Schlusse des 5. Kapitels, dass durch die Einführung des Gesetzes die Übertretung überströmend geworden, dass aber die Gnade noch überschwänglicher geworden sei. Das Überströmen der Sünde wurde also Ursache, die wunderbare Herrlichkeit und den unausforschlichen Reichtum der Gnade völliger ans Licht zu stellen. Diese Ausführung könnte nun das Fleisch zu dem Schlusse verleiten: es sei gut, in der Sünde zu verharren, auf dass die Gnade überströme (Kap. 6, 1). Dies gibt dem Apostel Veranlassung, zu beweisen, dass der Gläubige ganz und gar der Herrschaft der Sünde entrückt, für immer von ihr getrennt ist. Er beantwortet die Frage: „Sollten wir in der Sünde verharren? Mit den Worten: 

„Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben leben? oder wisset ihr nicht, dass wir, so viele auf Christum Jesum getauft worden, auf Seinen Tod getauft worden sind? So sind wir nun mit Ihm begraben worden durch die Taufe aus den Tod, auf dass, gleichwie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in Neuheit des Lebens wandeln sollen. Denn wenn wir mit Ihm eins gemacht worden sind in der Gleichheit Seines Todes, so werden wir es auch in der Seiner Auferstehung sein, indem wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, auf dass der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“ (V. 2 — 6).

Wir sind also, wie wir auch hier sehen, durch den Tod von der Sünde getrennt worden, indem wir in der Gleichheit Seines Todes mit Christo eins gemacht worden und mit Ihm begraben sind. Die Trennung ist für uns, die Glaubenden, in dem Tode Christi vollzogen. Christus ist aber durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt worden; nun, wenn wir in der Gleichheit Seines Todes mit Ihm eins gemacht worden sind, so werden wir es auch in der Seiner Auferstehung sein. Unser alter Mensch ist am Kreuze Christi vor Gott gerichtet und beseitigt worden; der Leib der Sünde, d. h· unser ganzer früherer Zustand als natürliche, der Herrschaft der Sünde unterworfene Menschen, ist vor Gott hinweg getan, damit wir fortan nicht mehr der Sünde dienen, sondern als mit Christo Auferstandene in Neuheit des Lebens wandeln.

Was ist denn jetzt unsere Stellung vor Gott? Sein Wort bezeichnet sie ganz klar. Als Sünder in dem Tode Christi getötet, in der Taufe mit Ihm begraben und eins mit Ihm in der Auferstehung in Kraft des Lebens, sind wir eine neue Schöpfung vor Gott geworden: wie wir uns einst in der Stellung des ersten Adam vor Ihm befanden, so befinden wir uns jetzt in der des zweiten. In Christo von Sünde und Welt getrennt, sind wir jetzt Auserwählte, Gerechtfertigte, Geheiligte. Das ist die Stellung, in welcher Gott uns jetzt ausschließlich kennt; und nur in dieser Stellung genießen wir alle die segensreichen Beziehungen, das kostbare Verhältnis, in welches wir zu Gott gebracht sind, und in dem lebendigen Bewusstsein dieses Verhältnisses finden wir mittelst der Wirksamkeit des Heiligen Geistes auch die nötige Kraft, um gemäß derselben im Glauben vor Gott zu wandeln.

 So lange ein Christ seine Stellung in Christo vor Gott nicht in Wahrheit erkannt hat, ist an einen würdigen, dieser Stellung entsprechenden Wandel nicht zu denken; man wird vielmehr den Sünder, der in dem Tode Christi ein für allemal hinweg getan und in der Taufe sogar begraben ist, immer wieder vor Gott zu bringen suchen. Der treue Herr kann in Seiner Gnade wohl die Unkenntnis der Seinigen übersehen und sie der Stellung gemäß, die Er kennt und in welcher Er sie sieht, segnen; aber Er wird nur dann in Gesinnung und Wandel wirklich durch uns verherrlicht werden, wenn wir in dem lebendigen Bewusstsein und in der durch die Kraft des Heiligen Geistes bewirkten Verwirklichung unserer Stellung in Ihm vor Gott wandeln.

Im 7. Verse unseres Kapitels fährt der Apostel fort zu sagen: „Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde. Wenn wir aber mit Christo gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit Ihm leben werden, da wir wissen, dass Christus, ans den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über Ihn. Denn was Er gestorben ist, ist Er ein für allemal der Sünde gestorben; was Er aber lebt, lebt Er Gott“ (V. 7 — 10). Diese Folgerungen sind sehr tröstlich und segensreich für uns. Freigesprochen von der Sünde, haben wir in Christo teil an einem Leben, das dem Tode nicht mehr unterworfen ist. Denn der Tod herrscht nicht mehr über Den, der aus den Toten auferstanden ist; also auch nicht mehr über uns, denn wir sind mit Christo auferstanden.

Es folgen jetzt ernste Ermahnungen in Bezug auf unseren Wandel, als Ergebnis der soeben besprochenen Wahrheit, nämlich unserer Trennung von der Sünde durch den Tod Christi und unserer Teilnahme am Leben durch unsere Auferstehung mit Ihm: ,,Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu. Nicht als wären wir der Sünde tot, wenn wir uns dafür halten, sondern weil es eine Tatsache ist, dass wir in dem Tode Christi mitgestorben sind, sollen wir uns für tot halten. Unser Leben ist nicht mehr in der Sünde, sondern in Christo und für Gott. „So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu gehorchen; stellet auch nicht eure Glieder der Sünde dar zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit, sondern stellet euch selbst Gott dar als Lebende ans den Toten, und eure Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit. 

Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (V. 12 — 14). Und weiterhin: „Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden . . . denn als ihr Sklaven der Sünde wart, da wart ihr Freie von der Gerechtigkeit. Welche Frucht hattet ihr denn damals von den Dingen, deren ihr euch jetzt schämet? denn das Ende derselben ist der Tod. Jetzt aber, von der Sünde freigemacht und Gottes Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben (V. 18. 20 —- 22). Eine völligere Scheidung, als wie sie in diesen Worten ausgedrückt ist, könnte es nicht geben. Der Charakter oder das Wesen unseres jetzigen neuen Lebens steht in unmittelbarstem Gegensatz zu demjenigen unseres früheren alten; und dieser Gegensatz, muss sich selbstverständlich in unserem Wandel offenbaren.

Im 4. Kapitel des 1. Petrusbriefes finden wir auch eine Stelle, die uns deutlich zeigt, wie der Christ der Sünde gegenüber steht: er ist ihr gestorben, oder, wie es dort heißt: „er hat im Fleische gelitten“, und er wird ermahnt, dies im praktischen Leben zu bestätigen. Wir lesen dort: „Da nun Christus für uns im Fleische gelitten hat, so waffnet auch ihr euch mit demselben Sinne: denn wer im Fleische gelitten hat, ruht von der Sünde“ (V.1).

Noch wollen wir hier Eph. 2, 4 — 6 anführen: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen Seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht, —— durch Gnade seid ihr errettet, —— und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu“. Nach dieser Stelle. waren wir also einst tot in Vergehungen und Sünden, sind aber jetzt mit Christo auferweckt und lebendig gemacht. Zugleich zeigt sie uns, welchen Platz wir jetzt schon in Christo haben. Dieser Platz ist da, wo Er selbst ist, in den himmlischen Örtern. Dies aber beweist die Tragweite unserer Stellung, die jetzt schon durch den Glauben in Christo unser Teil ist, und die wir bald auch im Schauen und in voller Wirklichkeit mit Ihm besitzen werden. Tiefe, unaussprechliche Freude erfüllt das Herz des Gläubigen, wenn er diese Stellung in Wahrheit versteht, und die Kraft, um durch einen dieser Stellung würdigen Wandel Gott zu verherrlichen, liegt für ihn bereit, wie geschrieben steht: „Gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht Seiner (Gottes) Herrlichkeit“ (Kol. 1, 11).

So haben wir denn gesehen, wie der Gläubige in Christo vor Gott dasteht. ist eine neue Schöpfung in der Gleichheit des zweiten Adam, welcher auferstanden ist und lebt. An diese kostbare Stellung erinnert uns auch der Gruß an die Versammlungen oder an einzelne Personen in den meisten Briesen der Apostel. Der Heilige Geist redet darin die Christen an als „Gläubige, Geliebte, Geheiligte in Christo Jesu, berufene Heilige; niemals aber sagt Er zu ihnen: „Ihr armen Sünder“. Die letztere Bezeichnung drückt freilich die Stellung solcher ans, welche noch nicht in Christo sind, und besonders dann, wenn sie ihr Elend in der Sünde erkennen. Wollen wir dieselbe aber auf Christen anwenden, so verkennen wir ganz und gar den Charakter, die Tragweite und Kraft ihrer Vereinigung mit Christo. Man will demütig sein, indem man so redet, aber man urteilt nicht nach der Wahrheit. Wir haben ja gesehen, dass Gott mit dem Sünder, und wäre er der ärmste und bedauernswerteste, keine Gemeinschaft haben kann; denn Gott ist heilig, und der Sünder ist eins mit der Sünde.

 In Christo aber sind wir von der Sünde getrennt, und zwar, was unsere Stellung vor Gott betrifft, so völlig getrennt wie Er selbst es ist. Die Anwendung des Ausdrucks „arme Sünder“ auf die Christen ist nur ein Ergebnis des Unglaubens und der Unwissenheit und dem Worte Gottes schnurstracks zuwider. Er ist durch die List Satans unter die Christen eingeführt worden und hat sie mehr oder weniger ihrer Freiheit beraubt. Mag es auch bei manchen Seelen nur ein bloßer Ausdruck" sein, in welchem sie sich gefallen, so ist das doch schon übel genug; es beweist zunächst eine mangelhafte Erkenntnis der göttlichen Wahrheit und unserer Beziehungen zu Gott, und es kann zweitens nicht ohne Einfluss aus unseren Wandel leiben. Und will ein Christ gar auf dem Boden des Armensündertums mit Gott verkehren und in Beziehung sein, so ist die Folge völlige Ohnmacht und Verwirrung; der Geist wird gelähmt, das Herz niedergedrückt, und Gott wird nicht in Wandel und Leben verherrlicht.

Unsere Stellung vor Gott hängt von der Tatsache ab, dass wir wirklich mit Christo eins sind in Kraft des Lebens; die Gefühle unseres Herzens aber, sowie unsere Gesinnung und, unser Wandel sind davon abhängig, inwieweit wir jene Tatsache kennen und im Glauben ergreifen. In demselben Maße, wie die Erkenntnis der Tatsache in uns lebt und wirkt, sind wir in unserem praktischen Leben geistlich und befreit. Wohl kann auch eine befreite Seele sündigen, und so oft dies- geschieht, ist die Kraft ihrer Vereinigung mit Christo sowie die Kraft Seiner Auferstehung nicht durch den Glauben in dem Herzen wirksam; aber die Verfehlung hebt die Stellung der Seele in Christo vor Gott nicht ans, weil das Opfer Christi immerdar vollgültig und stets vor dem Angesicht Gottes für uns ist. 

Christus, der treue Hohepriester, ist kraft Seines Opfers ohne Unterbrechung unser Fürsprecher vor Gott· Unsere Gesinnung 1und unser Wandel aber zeigen, inwieweit wir unser Einssein mit Christo durch den Glauben und die Kraft des Heiligen Geistes verwirklichen. Doch Fleisch bleibt Fleisch, und es wohnt nichts Gutes in ihm; darum ist es notwendig für uns, zu wachen und nüchtern zu sein, und nicht zu vergessen, dass wir jetzt Schuldner sind, durch den Geist die Handlungen des Fleisches zu töten (Römer 8, 13).

Der Herr Jesus sagt von Seinen Jüngern: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (Joh. 17, 14); und der Apostel Johannes schreibt den Gläubigen: „Ihr seid aus Gott, Kinder“, während er von den Ungläubigen sagt: „Sie sind aus der Welt“ (1. Joh. 4, 5). Diese Ausdrücke lauten manchen Christen zu bestimmt und zu kühn, als dass sie für sich davon Gebrauch zu machen wagten zur Freude ihrer Herzen und- zur Kraft in ihrem Wandel. Sie halten es gar für Hochmut, aus der Welt und aus ihrer Stellung als Sünder, auch dem inneren Bewusstsein nach, herauszutreten, wie es in Christo tatsächlich schon geschehen ist. Sie verkümmern sich die glückselige Stellung, welche eine gläubige Seele für immerdar (und zwar ohne Sünde) in Christo vor Gott eingenommen hat, sowie die liebliche und süße Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo.

Der Apostel Paulus tadelt auch die Kolosser, weil sie anfingen zu vergessen, dass sie nicht mehr in der Welt lebten: „Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?“ (Kap. 2, 20). Wie viele Christen würden in unseren Tagen wohl denselben Tadel verdienen! Der treue Gott aber wolle alle die Seinigen durch die Wirksamkeit Seines Geistes und die Erkenntnis der Wahrheit recht befreien, auf dass sie durch den Glauben in Seiner Gegenwart und Gemeinschaft zur Verherrlichung Seines Namens wandeln!

Kehren wir jetzt zu dem 3. Kapitel des Kolosserbriefes zurück. Es enthält noch so manche liebliche und ernste Belehrung über den vorliegenden Gegenstand und beginnt mit den Worten: „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so suchet, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das, was droben ist, nicht ans das, was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werdet auch ihr mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit“ (V. 1 —4). — Als Sünder standen wir in Beziehung zu der Welt; ihr Wesen war unser Leben, wir liebten, was in ihr war.

 Doch wir sind gestorben; und durch unsere Auferweckung mit Christo sind wir in Ihm eines Lebens teilhaftig geworden, das nicht von der Erde, sondern himmlisch ist. Es hat nichts gemein mit dem Wesen dieser Welt; es kann durch nichts Irdisches oder Vergängliches befriedigt werden; ist göttlicher Natur, ewig und unvergänglich. Das ist das Leben Christi und des Christen, der es in Ihm besitzt. So kann es uns denn auch nicht befremden, dass das Herz des Christen niedergedrückt und ohne Ruhe und Frieden ist, wenn es sich mit dem Wesen und den Dingen dieser Welt einlässt, wenn es nach dem trachtet, was aus der Erde ist. In der Gemeinschaft mit Christo aber, der Quelle unseres Lebens, genießen wir die Gefühle des Himmels, ja, alles das, was Sein Herz genießt; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist.

Die Welt ist für den Christen eine Wüste geworden: er findet hier nichts, was seinem Leben entspräche; er ist ganz und gar ein Fremdling hienieden. Seine Neigungen sind die Neigungen Christi, weil er Seines Lebens teilhaftig geworden ist, und sie finden nur im Himmel ihre vollkommene Befriedigung. Die Welt ist zwar voll von Versuchungen, aber leer von Trost und Freude für den Gläubigen. Alles, was irdisch und vergänglich ist, kann nicht das Teil eines Lebens sein, welches ewig und unvergänglich ist. Unser Teil ist bei und mit Christo, der unser Leben ist. Wir haben alles mit Ihm gemein, sowohl Seine Stellung, als auch Seine Herrlichkeit. Wir sind nicht von der Welt, gleichwie Er nicht von der Welt ist; wir sind vom Vater geliebt, gleichwie Er von Ihm: geliebt ist (Joh. 17, 23); und wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt (1.Joh. 4, 17). Er hat uns dieselbe Herrlichkeit gegeben, die Er vom Vater empfangen hat. (Joh. 17, 22.) Wir sind gesegnet mit aller geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo (Eph. 1, 3). Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben, -- Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mitleiden, aus dass wir auch mitverherrlicht werden (Römer 1. 8, 17).

Alles das ist überaus herrlich, lasst uns aber auch die Kraft der Ermahnung des Apostels verstehen, wenn er den Christen zuruft: „Suchet, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das, was droben ist, nicht aus das, was auf der Erde ist.“ Das Trachten nach dem Irdischen ist stets eine Verleugnung unseres himmlischen Charakters und eine Verkennung unserer Vereinigung mit dem auferstandenen Christus: und wenn schon die Unruhe eines Herzens, welches sich in die Dinge der Welt einlässt, ein Beweggrund für uns sein sollte, die Ermahnungen des Apostels mit Ernst zu beachten, -— doch diese Erwägung noch viel mehr. Mit innigem Dank und seliger Freude sollten wir die unaussprechlich köstlichen Vorrechte genießen, an welche wir durch die Worte erinnert werden: „Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo“. (1. Joh. 1, 3). Diese segensreiche Gemeinschaft ist schon jetzt unser Teil geworden, obwohl wir noch in der Fremde, in einer feindseligen Welt und fern vom Herrn sind. Wir genießen sie durch den Glauben, und indem wir es tun, genießen wir auch alle die süßen Empfindungen, welche diese Gemeinschaft begleiten.

Doch unsere Hoffnung geht noch weiter. Noch ist unser Leben mit Christo in Gott verborgen, wie Christus selbst verborgen ist; noch ist unsere Gemeinschaft mit Ihm die des Herzens durch den Glauben. Doch Christus, unser Leben, wird geoffenbart werden; und wenn das geschieht, dann können wir nicht verborgen bleiben, weil Er unser Leben ist. Diese Offenbarung geschieht in Herrlichkeit. Aller Kampf des Glaubens ist dann vorüber; wir genießen schauend und ungestört Seine Gemeinschaft in vollkommener Wirtlichkeit, und genießen mit Ihm in ungetrübter Freude die Herrlichkeit Gottes, ja, alles was Sein ist. O selige Hoffnung für alle, die Ihn kennen und in Wahrheit lieben! Wenn diese Hoffnung unser Herz erfüllt, so gibt sie Mut und Ausdauer im Kampf, und besonders auch Kraft zur Verleugnung alles dessen, was nicht unser Teil ist. Wir vergessen dann, was dahinten ist, und strecken uns nach dem aus, was vor uns liegt, und jagen, das vorgesteckte Ziel immer anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu (Phil. 3, 14). Wir schlagen hienieden alles aus, um droben alles mit Christo zu besitzen; und das Ziel unserer Hoffnung, auf welches unsere Blicke unverwandt und mit Sehnsucht gerichtet sind, und nach welchem wir immerdar hinstreben, wird sich in unserer Gesinnung und in unserem Wandel ausdrücken.

In den ersten Versen unseres Kapitels finden wir also sowohl unsere Stellung, die wir jetzt in Christo durch den Glauben einnehmen, als auch diejenige, welche wir mit Ihm in Herrlichkeit bei Seiner Offenbarung haben werden. Im Wesen sind beide eins, aber in ihrer äußeren Erscheinung verschieden. Die eine ist verborgen, die andere offenbar; dass was Glaube und Hoffnung in der einen festhalten, ist in der anderen erfüllt.

Nunmehr folgen ernste Ermahnungen, welche, wie immer, nicht unserer Schwachheit, sondern unserer Stellung vor Gott in Christo Jesu entsprechend sind. Unser Wandel soll dieser Stellung gemäß sein; und deshalb erfordert es unserseits Kampf, ja, entschiedenen Kampf des Glaubens, um diese Stellung in unserem Leben zu verwirklichen. Alles Sichtbare kann für uns zu einer Versuchung werden, und Satan, voll von List und Bosheit, ist samt den Mächten der Finsternis immerfort beschäftigt, unsere Herzen niederzudrücken, den Glauben und die Hoffnung zu schwächen, und uns durch allerlei zu täuschen, zu verführen oder zu verstricken. Wollen wir in diesem allem nun mehr als Überwinder sein, so können wir es nur durch Den, der uns geliebt bat. „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgend eine andere Kreatur uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn (Röm. 8, 38. 39).

 Welch ein tröstliches Bewusstsein ist dies; für das gläubige Herz in den mannigfachen Versuchungen und Kämpfen! Die durch den Glauben in uns wirksame Kraft der Auferstehung Christi, die lebendige Erkenntnis Seiner selbst und unserer Vereinigung mit Ihm in Kraft des Lebens unser steter und inniger Verkehr oder unsere Gemeinschaft mit Ihm in Liebe durch die Macht des Heiligen Geistes, unser Ausharren in der Hoffnung auf Seine nahe Ankunft und unser Versammeltwerden zu Ihm hin wird uns in allen Versuchungen feste und gewisse Tritte tun lassen und unsere Herzen immer wieder mit Mut, Trost und Freude erfüllen. Doch welche Wachsamkeit, welche Gebete, welch eine völlige Hingabe an den Herrn, welch ein stetes und gläubiges Aufschauen zu Ihm, welch ein unverrücktes Festhalten an Gott und Seinem Worte sind erforderlich, um nicht im Kampfe zu ermatten oder gar zu erliegen! Doch der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi ist für und mit uns. Er ist stets bereit, durch Seine Gnade und Liebe uns zu geleiten, durch Seine Treue uns zu bewahren, durch Seine Kraft in uns zu wirken. Darum können wir getrost und mit freudiger Zuversicht unseren Lauf vollenden und den Kampf des Glaubens kämpfen, bis die Ankunft unseres; geliebtes: Herrn uns vom Kampfplatz abruft und Er uns tut sich in die Wohnungen des Vaterhauses, wo unsere ewige Heimat ist, einführt.

„Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Ureinigkeit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, welche Götzendienst ist, um welcher Dinge willen der Zorn Gottes kommt über die Söhne des Ungehorsams: unter welchen auch ihr einst gewandelt habt, als ihr in diesen Dingen lebtet. Jetzt aber leget auch ihr das alles ab: Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden aus eurem Munde. Belüget einander nicht, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis; nach dem Bilde Dessen, der ihn erschaffen hat; wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, Scythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen“ (V. 5 - 11).

Wir sind in Christo versetzt in die himmlischen Örter; aber von den Gliedern der Sünde sagt der Apostel, dass sie auf der Erde seien. Dieses Bewusstsein ist köstlich. Wir sind ganz und gar Von diesen Gliedern getrennt, weil wir gestorben und mit Christo auferstanden sind; jetzt ist die Kraft des Lebens wirksam in uns. Diese Scheidung ist, wie wir gesehen haben, in Christo vollbracht; wir sind eine neue Schöpfung, und der Glaube hält dieses Bewusstsein fest. Doch sind wir jetzt noch in einem Leibe, der nicht vom Himmel, sondern von der Erde ist: und praktischer Weise ist nicht alles getötet, nicht alles abgelegt, und die Sünde ist nicht von uns getrennt, sonst wären diese Ermahnungen überflüssig.

 In Christo sind wir der Sünde gestorben und leben in Ihm; wir sind von der Sünde getrennt, aber eins mit Christo in Kraft des Lebens; und weil das eine Tatsache ist, so werden wir ermahnt, auch die Glieder, die aus der Erde sind, zu töten. Wären die Glieder der Sünde tot, wäre das Fleisch nicht mehr in uns, wären wir nicht mehr da, wo Satan und Sünde wohnen, so würde jede Versuchung und jeder Kampf beendigt sein. Doch ich wiederhole noch einmal: Dies hebt unsere Stellung in Christo vor Gott nicht auf; je mehr wir diese aber in Wahrheit erkennen und je mehr wir sie im Glauben einzunehmen trachten, desto mehr wird sich die Kraft der Auferstehung Christi in unserem praktischen Leben offenbaren. Das ist das- Werk des Heiligen Geistes in unseren Herzen.

So lange wir der Sünde leben, wandeln wir auch noch in ihr; doch wenn wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir dann noch in ihr wandeln? Unser Leben ist jetzt in dem, was droben ist, und der Glaube ist die Verwirklichung dessen, was man nicht sieht. Der Sünde leben und zugleich die Glieder der Sünde töten, ist unmöglich. Mag das Gesetz noch so heilig und gut sein, mag ein Mensch noch so sehr wünschen, das Gute zu tun, und mag er noch so oft hören, dass der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams kommt, weil sie der Sünde leben, —- er kann nicht anders als- der Sünde dienen. Doch freigemacht von der Sünde durch Christum und eins mit Ihm im Leben, vermögen wir, kraft dieses Bewusstsein:-, durch den Glauben und nach der Wirkung des Heiligen Geistes unsere Glieder, die auf der Erde sind, zu töten und alles abzulegen, was« nicht dem himmlischen Wesen entspricht; und je mehr unsere Herzen mit der Erkenntnis Gottes erfüllt sind, je mehr wir unsere innigen Beziehungen zu Gott in Christo verstanden haben, desto mehr werden wir auch das hohe Vorrecht unseres- Dienstes in Seiner Gegenwart schätzen und mit Freuden genießen. Ohne Glauben aber ist unmöglich, in diesem Dienst zu stehen und die Glieder des Fleisches— zu töten. Der Glaube findet seine Kraft allein in Christo, der Unglaube such sie in dem Geschöpf; der Glaube wirkt durch die Macht Gottes, der Unglaube liegt ohnmächtig unter der Macht des Fleisches; der Glaube urteilt nach den Gedanken Gottes, der Unglaube nach den Gedanken der Menschen: der Glaube sieht den Christen stets in Christo vor Gott, der Unglaube sieht ihn in der Welt und in der Sünde. Soviel nun der Glaube oder der Unglaube in unseren Herzen wirksam ist, soviel wird sich auch das Wesen des einen oder des anderen in unserem praktischen Leben offenbaren.

Doch warum fordert der Apostel uns so entschieden auf, unsere Glieder, die auf der Erde sind, zu töten und alles, was zum Wesen dieser Welt gehört, abzulegen? Zunächst, weil der Zorn Gottes über alle kommt, die darin leben; dann, weil wir in Christo daraus errettet sind, indem wir den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen haben; und endlich, weil die Sünde oder das Fleisch im völligen Gegensatz zu dem neuen Menschen steht, den wir angezogen haben und der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bilde Dessen, der ihn erschaffen hat. Christus und die Sünde haben keine Gemeinschaft miteinander, und wie könnten wir in einem Dienst beharren, von welchem wir in Christo befreit sind? Der Zweck der unendlichen Gnade und Liebe Gottes und der Hingabe Christi war der, uns aus der Sünde und der Welt zu erlösen. Sollte es nun, nachdem wir dieser Erlösung durch Christum teilhaftig geworden sind, gleichgültig sein, ob wir in unserem Wandel in diesen Dingen beharren? Das sei ferne! Der Herr bewahre uns vor solcher Gleichgültigkeit und solch schrecklichem Undank! Nein, wir werden vielmehr erneuert zur Erkenntnis nach dem Bilde Dessen, der uns erschaffen hat. Der neue Mensch ist von und nach Gott geschaffen, dessen Bild nun auch in ihm gesehen und erkannt werden soll. Die Erneuerung geschieht praktischer Weise in uns durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Der neue Mensch steht indes in keiner Beziehung zu irgend einem Verhältnis oder Stande in dieser Welt (V. 11), er hat nichts damit zu tun, so wenig wie Christen selbst; für ihn handelt es sich nur Inn Christum, welcher alles und in allen ist.

Die nun folgenden Ermahnungen beschäftigen sich vornehmlich mit dem Wesen des neuen Menschen, d. h. mit dem Verhalten des Christen im praktischen Leben oder im Wandel. „Ziehet nun an, als Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Niedriggesinntheit, Milde, Langmut, einander ertragend und euch gegenseitig vergehend, wenn einer Klage hat wider den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, also auch ihr. Zu diesem allem aber ziehet die Liebe an, welche das Band der Vollkommenheit ist. Und der Friede des Christus herrsche in euren Herzen, zu welchen ihr auch berufen worden seid in einem Leibe; und seid dankbar. Lasst das Wort des Christus; reichlich in euch wohnen, in aller Weisheit euch gegenseitig lehrend und ermahnend, mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade. Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesu, danksagend Gott, dem Vater, durch Ihn (V. 12 —17).

Die Titel, welche der Heilige Geist hier den Christen beilegt, bezeichnen genau die Stellung, welche sie in Christo vor Gott haben. Sie sind nicht mehr von der Welt und ohne Hoffnung, sondern Auserwählte für die Seligkeit; sie sind nicht mehr unreine und arme Sünder, sondern Heilige , gewaschen durch das Blut Christi, getrennt »von der Sünde und für Gott beiseite gestellt; sie sind nicht mehr entfernt und Feinde Gottes, sondern als Seine Geliebten Ihn nahe gebracht. Eine solche Stellung sollten wir nach den Ratschlüssen Gottes vor Ihm einnehmen; wir haben sie jetzt schon in Christo Jesu durch den Glauben eingenommen, und wir werden sie einst in vollkommener Wirklichkeit mit Ihm einnehmen droben in der Herrlichkeit. Das Bewusstsein, in eine solche Stellung gebracht zu sein, gibt dem Herzen Freimütigkeit, zu Gott zu nahen, und erweckt eine kindliche und innige Freude, in Seiner Gegenwart zu wandeln.

Fassen wir jetzt die Ermahnung selbst näher ins Auge, so finden wir in ihr ganz die Gesinnung und den. Charakter Christi. Wir sollen also wandeln und gesinnt· sein, wie Er es war. Der Unglaube möchte hier wieder fragen: Wie ist das möglich? Allein das einfältig gläubige Herz weiß, dass wir mit Ihm eins sind in Kraft des Lebens, und dass die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen. ist durch den Heiligen Geist, welcher in uns wohnt. fragt nicht lange, sondern glaubt und folgt. Es ruht in Christo, es wandelt in Seiner Gegenwart und genießt Seine selige Gemeinschaft. Die Gesinnung Christi ist für den Gläubigen das vollkommene Muster seines Wandels; sie ist für ihn das Kleid, in welchem er überall erscheinen soll. Das ist die Kraft der Ermahnungen des Apostels. Der Charakter Christi soll der unsrige sein; wir sollen vergeben, wie Er uns vergab, und lieben, wie Er uns liebte. Die Liebe, das Band zwischen dem Vater und dem Sohne, ist das Band der Vollkommenheit. O welche Gnade, dass dieses Band auch uns mit umschlungen hat! Jetzt soll es uns auch untereinander umschlingen. Sein Friede soll in unseren Herzen, sowie in der ganzen Versammlung, als in einem Leibe, regieren. Sein Wort soll in uns wohnen in aller Weisheit, und nicht nur ein Gast oder gar ein Fremdling bei uns sein. Seine treue Fürsorge, Seine Freude und Sein Lob sollen in unserer Mitte offenbar und laut werden, und Sein Name endlich soll der Grund sein, auf welchen jedes Wort und jedes Werk gebaut ist.

Diese Ermahnungen beweisen also auf das Klarste, welch eine gesegnete Stellung wir vor Gott in Christo haben, und wie wir mit Ihm ganz und gar eins gemacht sind. Haben wir sie in Wahrheit verstanden, so werden sie unsere Herzen mit Lob und Anbetung erfüllen, und mit der tiefsten Freude die größte Bereitwilligkeit in uns erwecken, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und in der Gesinnung Christi zu wandeln.

Der Gott aller Gnade aber wolle unsere Herzen mit Ernst auf diesen Gegenstand lenken! Er wolle Uns durch Seinen Geist unsere segenreichen Beziehungen zu Ihm in Christo Jesu verstehen lassen, und uns Kraft geben, nach denselben zur Verherrlichung Seines Namens zu wandeln!

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Empor das Herz!

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1899, S. 336ff

Empor das Herz, wenn Gottes Güte

Im flücht’gen Leben dich beglückt,

Und sag’ Ihm Dank für jede Blüte,

Die deine Wanderpfade schmückt.

Empor das Herz in Leid und Sorgen,

Und wein’ dir nicht die Augen blind;

Noch folgte jeder Nacht ein Morgen,

Und freundlich tröstet Gott Sein Kind.

(J- Sturm.)