Botschafter des Heils in Christo 1900

01/30/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Botschafter des Heils in Christo Jahresband 1900

Inhalts-Verzeichnis:

Seite

Der Aussatz und das Heilmittel Gottes

1

Die geöffneten Himmel 17. 29. 57. 85. 113, 141, 169, 197, 225

17

Vertrautheit und Bekanntschaft

45

Das Rühmen des Christen 74

48

Nimm hin, was dein ist (Gedicht)

55

Der vollkommene Diener

80

Die sogenannte Heiligungslehre im Lichte des Wortes Gottes

124, 150

94

Selbstlose Liebe

108

Ich will gehen."

112

Wir haben den Herrn gesehen."

137

Des Christen Kampf 163, 184, 214, 232

253

Dreierlei Reinigung

178

Zwei Zeugnisse

193

Die Kirche Gottes (Gedicht)

196

Gedanken

224

Dies thut zu meinem Gedächtnis."

240

Fürchte dich nicht, glaube nur!"

249

Die Weissagung des Propheten Haggai und ihre Anwendung

281, 309

271

Nichts für mich!" (Gedicht)

279

Des Christen Hoffnung 350

290

Ein gerechter und rettender Gott

301

Unterwerfet euch nun Gott!

329


Der Aussatz und das Heilmittel Gottes

Bibelstelle: 2. Könige 5

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 1ff

Die Erzählung von der Heilung Naamans, des syrischen Heerobersten, führt uns viele Jahrhunderte zurück, ja sogar noch manches Jahrhundert vor die Geburt des Herrn Jesu. Allein trotz ihres hohen Alters gibt es in dieser Erzählung so viele treffende, zum Herzen redende und zu Herzen gehende Bilder — Bilder von dem, was Gott heute noch tut, um den Sünder zu retten, von Seinen Wegen, die Er heute noch geht, um dem verlorenen Menschenkinde Seine Gnade zuzuwenden und es auf den Weg des Heils zu führen, dass wir beim Lesen derselben unwillkürlich ausrufen müssen: Derselbe Gott, welcher heute zu uns redet, redete auch damals die gleiche, wunderbare Sprache; es ist der Heiland-Gott, der nicht will, dass irgend jemand verloren gehe, sondern dass alle sich bekehren und leben.

Es war damals eine trübe Zeit in Israel. Die beiden Reiche, Juda und Israel, das eine aus zwei, das andere aus zehn Stämmen bestehend, befanden sich in Entfernung und Abtrünnigkeit von Gott. Zur Zeit Elisas, des Propheten, war das ganze Land dem Götzendienst verfallen, und nur hie und da gab es noch einige wenige, die treu festhielten an Jehova, ihrem Gott. Aber obgleich es so trübselig mit Land und Volk aussah, war doch nur hier, inmitten des von Gott erwählten Volkes, die Erkenntnis des wahren, lebendigen Gottes zu finden. Nur hier war die Stätte der Anbetung, nur hier redete Gott durch Seine Propheten; und so sehen wir denn, dass Naaman aus seinem Lande den weiten Weg machen musste nach Kanaan, um dort mit dem einen wahren Gott bekannt zu werden. Nirgendwo anders hätte er Ihn kennen lernen können.

Seine Geschichte ist ein wunderbares Beispiel von dem Wirken der Gnade. Sie zeigt uns den Menschen in seinem vorteilhaftesten Lichte. Wir sehen einen Mann, durch welchen Gott den Syrern Sieg verliehen hatte, der der Liebling aller war, der Held des Tages, angesehen inmitten seines ganzen Volkes- und ein großer Mann vor seinem Herrn; in einer Stellung, wie man sie sich schöner und günstiger kaum vorstellen kann und um welche ihn viele beneidet haben werden. Glänzende Erfolge, Ehre und Reichtum, ja alles, was des Menschen Herz erfreut, war ihm in reichem Maße zu teil geworden. Aber schreckliches Aber! — er war aussätzig!

Wenn heute ein Mensch in einer angesehenen Stellung sich befindet, wenn er der Erste im Lande ist, von allen geehrt, ein siegreicher Kriegsheld, in jeder Beziehung achtungswürdig; wenn ihm die Güte Gottes alles in den Schoß geschüttet hat, was des Menschen Herz nur begehren mag, dann mögen auch viele ihn beneiden; aber vergessen wir es nicht, es gibt eins, was alle diese herrlichen, kostbaren Dinge, die er besitzt, die bevorzugte Stellung, die er hat, die Ehren, die er genießt, mit einem tiefen Schatten umhüllt, ja sie in ihrer ganzen Hohlheit und Leere erscheinen lässt. Was ist ein solcher Mensch, und wenn er der Beste, der Angesehenste und der Höchstgestellte wäre? Er ist aussätzig. Das will sagen: nicht aussätzig in dem Sinne wie Naaman es war, aber behaftet mit dem Aussatz, der Sünde, durch und durch krank, vor Gott unrein. Ja, je höher seine Würde in dieser Welt ist, desto schärfer und schneidender ist der Gegensatz. Vor Gott, dem Heiligen und Gerechten, ist er verloren.

Naaman wusste, was ihm fehlte; er kannte seine Krankheit. Er wird sicherlich alles Mögliche getan haben, um von ihr geheilt zu werden, oder wenigstens ihre Hässlichkeit, so gut es anging, vor den Augen Anderer zu verbergen. Aber er war und blieb aussätzig. Mochte er auch keine Mühen und Kosten scheuen, um dem Umsichgreifen des schrecklichen Aussatzes zu wehren, die Krankheit fraß im Geheimen immer weiter, sie vergiftete seinen ganzen Körper, sie vergällte jede Freude, sie goss einen bitteren Tropfen in jeden Freudenkelch. Ob daheim in der friedlichen Stille des Familienkreises, oder draußen im Gewühl der tobenden Schlacht, ob in der stillen Einsamkeit der Nacht, oder beim Klang der Laute in der Gesellschaft fröhlicher Zecher, ob auf der Straße oder am Hofe des Königs — überall ging dieses Bewusstsein mit ihm: ich bin aussätzig, unrein, einem schrecklichen Tode unrettbar verfallen. Es mochte zu Zeiten weniger lebhaft und deshalb erträglicher sein, ja es mochte selbst für kurze Momente ganz verschwinden; aber sobald die Erregung des Augenblicks vorüber war, kehrte es zurück, nagend und verzehrend.

Außer Naaman wird uns indes noch eine andere Person vor Augen gestellt, die in unmittelbarstem Gegensatz zu ihm steht. Ist er der angesehene, von allen geliebte und geachtete Feldherr, so ist die kleine Dirne, von der wir hören, eine arme, unbekannte und unbeachtete Sklavin, die von den Syrern bei einem Kriegszuge gegen die Israeliten gefangen genommen und als Kriegsbeute in Naamans Haus gekommen war. Wir könnten uns den Gegensatz kaum größer denken. Und so verschieden die beiden Personen äußerlich waren, so verschieden waren sie auch innerlich. In einem Punkte stimmten sie jedoch überein: sie besaßen beide ein Geheimnis; nur mit dem großen Unterschiede, dass Naamans Geheimnis ihn tief niederbeugte und ihn antrieb, es möglichst verborgen zu halten, während das kleine jüdische Mädchen keine Ursache hatte, das ihrige zu verheimlichen. Es war kein niederdrückendes und beschämendes, sondern ein kostbares, beglückendes Geheimnis. Sie kannte den lebendigen Gott. Sie war aus dem Lande Kanaan nach Syrien gebracht worden; sie hatte diesen schmerzlichen Weg gehen müssen. Aber sie wusste, dass sie in Gottes Hand war; sie kannte den Gott, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt, und der sie gerade in das Haus des Naaman gebracht hatte, damit sie ein wichtiges Glied in der Kette der göttlichen Vorsehung bilde. Sie, die junge Sklavin, wird in der Hand Gottes das Mittel, um Naaman von seiner Plage zu heilen und ihn mit dem großen Gott des Himmels und der Erde bekannt zu machen.

Auch heute noch sind Gottes Wege wunderbar. Vor Ihm gibt es nicht große und kleine Dinge, vor Ihm ist

nichts schwer und leicht; ob Er die Welten hervorruft oder ob Er das Gräslein wachsen lässt, ob Er die Sterne macht oder ob Er uns das tägliche Brot gibt: das eine ist für Ihn nicht schwerer und nicht leichter als das andere; ja, Seine Größe zeigt sich oft am meisten in den kleinen, unscheinbaren Dingen. Er war es, der in der Geschichte des Propheten Jona den Sturm, den großen Fisch und den Wurm bestellte, und so hatte Er auch diese kleine Dirne bestellt und sie in das Haus Naamans geführt, damit sie Frieden in dasselbe bringe.

Das junge Mädchen stand im Dienste des Weibes Naamans, und von Mitleid mit dem beklagenswerten Zustande ihres Herrn bewegt, sprach sie zu ihrer Herrin: „Ach, wäre doch mein Herr vor dem Propheten, der zu Samaria wohnt! dann würde er ihn von seinem Aussatz heilen“. Sie wusste: dort war eine Macht, groß genug, um einen Aussätzigen zu retten und einen Toten ins Leben zurückzurufen. Und sie wusste, dass bei dem Propheten nicht nur Macht, sondern auch volle Bereitwilligkeit war, zu helfen. O meine lieben Freunde, wie oft seufzt das gläubige Herz im Blick auf so manche, die gefühllos aus ihrem Sündenpfade dahingehen und vielleicht nur Spott und harte Worte haben für solche, die in Liebe ihr Wohl

suchen! Wie oft klagt es: Ach! wenn du doch auch einmal, nicht vor dem Propheten, aber vor den Füßen Jesu liegen wolltest, wenn du doch hören, dich ziehen und leiten lassen wolltest auf den einzigen Weg, der zum Heile führt! Wenn du doch erkennen möchtest, was zu deinem Frieden dient! - So stand es auch in dem Herzen der jungen Israelitin. Nicht Feindseligkeit, nicht Rachegefühle, nein, Gefühle der Liebe und des Erbarmens brachte sie ihrem Feinde entgegen, der sie doch, ihrer Heimat entführt hatte. Solche Gefühle waren auch, und zwar in göttlicher Vollkommenheit, im Herzen des Heilandes, wenn Er am Kreuze betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“.

Die Frau teilte das Gehörte ihrem Manne mit, und dieser sagte es dem Könige. Der König war natürlich der Nächste, an welchen Naaman sich zu wenden hatte, und er liebte und achtete seinen Knecht, so dass er sofort überlegte, was zu tun sei, um den Wunsch des Mädchens wahr zu machen. Er war sogleich bereit, seinen Knecht nach Samaria zu senden, und traf Anstalten, um ihm dort einen guten Empfang zu sichern. Der erste Diener des Königs von Syrien sollte sicherlich nicht mit leeren Händen kommen. Und wie der König, so dachte auch Naaman. Wir lesen im 5. Verse unseres Kapitels: „Da sprach der König von Syrien: Gehe, ziehe hin, und ich will an den König von Israel einen Brief senden. Und er ging hin und nahm mit sich zehn Talente Silber und sechstausend Sekel Gold *) und zehn Wechselkleider.“ — Was denkt ihr darüber, liebe Freunde? War es nicht richtig, dass der König für seinen Diener eintrat? Und Naaman — war er nicht der reiche Mann? konnte er es sich nicht etwas kosten lassen?

Heute geht es noch gerade so. Wie mancher, der zur Erkenntnis seines verlorenen Zustandes gelangt, ist

auch heute bereit, sich es etwas kosten zu lassen, und möchte gern sein ganzes Hab und Gut hingeben, um dadurch errettet zu werden! Der Mensch will nicht gern arm und bloß vor Gott hintreten; er will etwas mitbringen. Aber ist es nicht eine große Torheit, wenn man meint, durch Gold und Silber etwas erlangen zu können von „dem allmächtigen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde“, der da gesagt hat: „Mein ist das Silber und mein das Gold“? oder wenn man Gott nahen will im Vertrauen auf eigene gute Werke, aus Sittlichkeit, Frömmigkeit, christliche Gewohnheiten, Teilnahme an christlichen Vereinen und Bestrebungen, milde Gaben usw. usw.? Diese Dinge haben an ihrem Platze gewiss ihren Wert, aber als Grundlage für den Frieden unserer Seele sind sie völlig wertlos; da müssen wir Christum, und nichts anderes als Christum, haben. In Ihm allein ist wahres Heil. Aber ach! man will nicht vor Gott hintreten, um etwas geschenkt zu bekommen, um aus Gnaden errettet zu werden; man will etwas bringen. Und so bleibt man fern von Gott und empfängt nichts.

Doch Gott sei Dank, dass Er den Sünder nicht lässt! Naaman musste ernste Erfahrungen machen, aber dann gab es auch gesegnete Stunden für ihn. Ähnlich ergeht es dem sündigen Menschen. Durch herbe Demütigungen geht es tiefer und tiefer mit ihm hinab, bis er nackt und bloß vor Gott im Staube liegt und ausruft: „O Gott, sei mir Sünder gnädig!“

Mein Freund! bist du noch nicht an diesem Platze gewesen? Dann stehst du auch noch nicht auf dem Wege des Lebens. Bedenke wohl, dass der Herr Jesus sagt: „Wie schwerlich werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes eingehen!“ (Luk. 18, 24). Es gibt Güter mancherlei Art: ein ehrbares Leben, ein guter Name, Reichtum, Ansehen, Gelehrsamkeit u. s. w. Vielleicht hast du auch solche Güter. Doch vergiss nicht, dass dir nur dann geholfen werden kann, wenn du als ein sündiger Mensch, nackt und bloß, vor Gott hintrittst. Die Pforte ist eng, und niemand geht hindurch als nur ein armer, nackter Sünder. Mancher sucht sich mit einem Pack guter Werke und dergleichen hindurchzuzwängen: aber es geht nicht,

die Pforte ist zu eng. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Himmelreich eingehe. Der Herr Jesus gebraucht absichtlich dieses auffallende Bild, um uns zu zeigen, wie unmöglich es ist, sich den Himmel, wie man sagt, zu verdienen. So lange du dich nicht aller deiner Güter entledigt hast und in deinen Augen ein ganz verlorener, unreiner, verderbter Sünder geworden bist, kann dir nicht geholfen werden. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass du in das Reich Gottes eingingest.

Naaman musste dieselbe Erfahrung machen. Alles was er brachte, musste erst beseitigt werden; selbst seine kostbaren Gewänder musste er ablegen. Warum? Er musste dastehen, nackt und bloß, in der ganzen Hässlichkeit seines Aussatzes. Das war demütigend, aber es war notwendig. So muss auch der Sünder dastehen in der ganzen Hässlichkeit seiner Sünde. Aber ist er sich einmal seiner ganzen Unreinheit bewusst geworden und fragt nun mit Aufrichtigkeit und tiefer Beugung! O Gott, was soll aus mir Sünder werden? dann hat er den Weg betreten, auf welchem er in den Himmel eingehen kann. Dann kann ihm geholfen werden.

Dort betrachten wir etwas näher, wie Gott den Naaman führte. Er brachte Gold, Silber, Kleider und einen Brief seines Königs. So trat er, mit allem Nötigen ausgerüstet, vor den König von Israel. „Und es geschah,

als der König von Israel den Brief gelesen hatte, da zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich Gott, um zu töten und lebendig zu machen, dass dieser zu mir sendet, einen Mann von seinem Aussatz zu heilen? Aber fürwahr, erkennet doch und sehet, dass er einen Anlass an mir sucht.“ Die Forderung, den Aussatz. zu heilen, war gleichbedeutend mit der Aufgabe, einen Toten lebendig zu machen. Ihre Erfüllung war und ist heute noch unmöglich. Gott allein ist imstande, dem Aussätzigen zu helfen. Gerade so ist es mit uns. Wenn Gott sich nicht unser annähme, würde nicht einer von uns in das Reich Gottes eingehen.

„Und es geschah, als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, da sandte er zu dem König und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn doch zu mir kommen, und er soll erkennen, dass ein Prophet in Israel ist.“ Mit anderen Worten: Warum bist du so ungläubig? Du musst dem Manne die rechte Thür weisen. Elisa war der Vertreter Gottes, durch welchen Gott redete. — Auch wir können selbst dem Sünder nicht helfen, aber wir können ihm die rechte Tür weisen. Wir können tun, was einst die vier Männer taten, als sie ihren gichtbrüchigen Freund auf seinem Bette zu Jesu brachten. Als er zu den Füßen Jesu lag, da hatten sie genug getan. Mehr konnten sie nicht tun, und mehr war auch nicht nötig. Ihr armer Freund war da, wo ihm Hilfe zu teil werden konnte.

Dasselbe können und sollen auch wir tun: Seelen zu Jesu führen, mit Ausharren und im Glauben. Liegt ein Sünder zu den Füßen Jesu, so ist unsere Tätigkeit in dieser Beziehung zu Ende. Dann ist er weit genug.

Der Prophet sagt: „Lass ihn doch zu mir kommen, und er soll erkennen, dass ein Prophet in Israel ist“. Das war ein kühnes Wort, aber nicht zu kühn. Der Glaube ist niemals zu kühn. Wenn heute dem Sünder gesagt wird: Komm, lass dir deine ganze schwere Sündenlast abnehmen, so ist das nicht etwas zu Gewagtes: man muss ihm, wie gesagt, nur die rechte Tür weisen, d. h. ihn zu Jesu führen. Ach! es werden heute so viele Wege angeraten, so viele Mittel angewandt, aber es gibt nur einen Weg, der zum Leben führt, und dieser Weg ist Jesus.

Und Naaman kam mit seinem glänzenden Gefolge, mit seinem Gold und Silber und hielt am Eingang des

Hauses Elisas. Fürwahr, das treffende Bild eines Sünders, der mit seiner eigenen Gerechtigkeit vor Gott steht! Es war Naaman ernst mit dem Vorsatz, seinen Aussatz los zu werden. Er lag unter dem schrecklichen Druck dieser hässlichen Krankheit. Was nutzten ihm Reichtum und Ehre, wenn er aussätzig war? Er ließ es sich deshalb nicht verdrießen, zum König zu ziehen und vom König zum Propheten. Aber welch eine Überraschung wartete seiner! Elisa tritt nicht einmal vor die Tür, sondern bleibt ruhig im Hause und schickt ihm seinen Knecht. Er begrüßt ihn nicht, hört nicht die Beschreibung seiner Krankheit, sieht nicht seine Geschenke, sondern lässt ihm durch seinen Knecht einfach sagen: „Gehe hin und bade dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder werden, und du wirst rein sein“. Das war eine Demütigung, wie dieser stolze Kriegsheld sie wohl noch nie in seinem Leben erfahren hatte. Naaman fühlte auch sofort das tief Erniedrigende, welches in der Botschaft des Propheten lag. Auf eine solch gänzliche Beiseitesetzung aller menschlichen Mittel und jeder irdischen Hoheit war er nicht vorbereitet. Er

würde gern sein Silber, sein Gold und seine Wechselkleider vor Elisa ausgebreitet und, wenn es nicht genug war, noch mehr herbeigeschafft haben; aber zu hören: „Gehe hin und bade dich!“ ohne die leiseste Anspielung auf alle diese Dinge, das war doch gar zu demütigend.

„Da ward Naaman zornig und zog weg; und er sprach: Siehe, ich hatte gedacht: er wird gewisslich zu mir herauskommen und hintreten und den Namen Jehovas, seines Gottes, anrufen, und wird seine Hand über die Stelle schwingen und so den Aussätzigen heilen“. Aber hätte Elisa das getan, so würde Naamann nach Hause gezogen sein und gesagt haben: Ich bin mit meinem Gold, meinem Silber und meinen Wechselkleidern zu Elisa gekommen, und er hat mich durch das Schwingen seiner Hand gesund gemacht. Das wäre einerseits nicht demütigend und deshalb nicht so gesegnet für ihn gewesen; und Gott wäre andererseits nicht bekannt geworden als das, was Er für den armen, bedürftigen Menschen ist. Man hätte in Syrien vielleicht noch eine kurze Zeit von dem Wunderarzte in Samaria gesprochen, und dann wäre die ganze Sache in Vergessenheit geraten.

Aber das war nicht nach den Gedanken Gottes. Nein, es galt, Naaman dahin zu führen, wo Gott ihn segnen und sich ihm zu erkennen geben konnte in Seiner ganzen Güte und Macht. Naaman musste hinabsteigen und etwas tun, was ihn demütigte. Er musste vor den Augen seiner Knechte seinen Wagen verlassen, seine prächtigen Kleider ablegen und in den Jordan gehen, um da etwas zu tun, was auch ein kleines Kind hätte tun können, was weder Kraft noch Weisheit erforderte, sondern nur Glauben. Aber das war zu viel für den stolzen Syrer. „Sind nicht Abana und Parpar, die Flüsse von Damaskus, besser als alle Wasser von Israel?“ fragte er zornig: „kann ich mich nicht darin baden und rein werden? Und er wandte sich und zog weg im Grimme.“

Ja, dass Mittel, in das Reich Gottes einzugehen, ist einfach und demütigend. Es bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, atls „ohn alle Zier“ zu Jesu zu gehen und an Ihn zu glauben. Aber da denkt so mancher wie Naaman: Was? Das soll mich retten? Der einfache Glaube an Jesum, wobei ich nichts zu tun habe, wozu ich nichts beitragen kann? Gibt es denn nicht andere Wege, die viel besser sind als dieser? Und dann quält und plagt man sich, müht sich ab, lässt sich keinen Weg verdrießen, aber geht nicht den einen Weg, den Gott vorgezeichnet hat. Und doch ist der Weg so leicht, dass ein Kind ihn gehen kann. Darum sagt der Herr Jesus auch: „Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehret und werdet wie

die Kindlein, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen“ (Matth. 18, 3).

Glücklicherweise waren Naamans Knechte in diesem Falle verständiger als ihr Herr. Allerdings kam ihr persönlicher Stolz auch nicht in Frage, und es ist viel leichter, einem Anderen den richtigen Weg zu zeigen, als sich selbst zu beugen. Sie „traten herzu und redeten zu ihm und sprachen: Mein Vater, hätte der Prophet etwas Großes zu dir geredet, würdest du es nicht tun? Wieviel mehr denn, da er zu dir gesagt hat: Bade dich, und du wirst rein sein!“ Ach, wie töricht ist doch das stolze menschliche Herz! Naaman hört ans seine Knechte, beugt sich vor dem Worte Gottes, gibt seinen Stolz und seinen Grimm auf und denkt nicht mehr daran, dass er der mächtige Kriegsheld, sondern nur der aussätzige, Rettung suchende Naaman ist. O möchtest doch auch du so denken, mein lieber unbekehrter Freund! Sage nicht länger: Ich bin der und der, sondern: Ich bin ein armer, verlorener, unreiner Sünder, und wenn es einen Weg gibt, um errettet zu werden, so will ich diesen Weg heute noch gehen. Naaman gab den Bitten seiner Knechte nach. O mache es auch so, höre auf meine Bitten! Grübele, überlege und meine nicht länger, sondern horche auf die Mahnrufe der Knechte Gottes und beuge dich unter das Wort des Herrn.

Naaman steigt in den Jordan hinab, entledigt sich seines Schmuckes und aller seiner Kleider und steht nun da als der arme, aussätzige Naaman. Dann taucht er sich im Jordan siebenmal unter, genau nach den Worten des Propheten. Die Zahl sieben ist eine heilige Zahl: siebenmal wurde das Blut des Opfertieres auf den Aussätzigen gesprengt am Tage seiner Reinigung, siebenmal musste das Blut am großen Versöhnungstage vor Jehova gesprengt werden, und siebenmal musste Naaman sich im Jordan untertauchen. Es war eine demütigende Probe seines Glaubens. Aber er fragt nicht, warum er gerade siebenmal sich untertauchen soll, er zweifelt nicht länger, sondern tut einfach, was der Mann Gottes ihm gesagt hat; er unterwirft sich im „Glaubensgehorsam“ dem Zeugnis Gottes. Und was geschieht? Als er zum siebenten Male wieder aus dem Wasser auftauchte, da war sein Fleisch — nicht wie das Fleisch eines Mannes, sondern - wie das Fleisch eines jungen Knaben, so frisch und rein. Wunderbarer Gott! Nicht nur nimmt er Naaman den Aussatz weg, sondern er macht ihn so rein, dass keine Runzel, keine Narbe mehr zu sehen ist.

Und wie ist es mit dem Sünder? Gott will ihn nicht nur rein waschen von allen seinen Sünden, Er will nicht

nur in dem kostbaren Blute Jesu die ganze Schuld hinwegtun und den Glaubenden vor sich hinstellen, wie Adam einst dastand, im Kleide der Unschuld; nein, Er schafft etwas ganz Neues in Christo Jesu, nicht etwas Verbessertes, Geheiltes oder Wiederhergestelltes, sondern eine neue Schöpfung, angetan mit dem ganzen Werte und der ganzen Kostbarkeit Christi. Naaman hatte viel mitgebracht, aber er nahm auch alles wieder mit nach Syrien. Wenn nicht der ungetreue, geldgierige Knecht Elisas ihm nachgelaufen wäre und ihn belogen hätte, so würde er nichts anderes als seinen Aussatz in Samaria zurückgelassen haben. So sollte es nach den Gedanken Gottes auch sein; denn Gott ist ein fröhlicher Geber, Er gibt ganz, nicht

halb; ja, Er gibt alles umsonst, so dass uns nichts anderes übrigbleibt als zu danken.

Die Gefühle tiefster Dankbarkeit treiben denn auch Naaman in das Haus des Propheten zurück. Er kommt jetzt nicht, um Elisa zu bitten, ihn von seinem Aussatz zu heilen, sondern er kommt jetzt gleichsam als ein „Erlöster des Herrn“, um sich mit allem, was er hat, in den Dienst Gottes zu stellen. Indes sind seine Gedanken immer noch verkehrt. Ach! wie schwer wird unserem armen Herzen zu verstehen, dass alles Gnade und nichts als Gnade ist! Naaman möchte nicht umsonst geheilt sein. Er möchte dem Diener Gottes ein Geschenk bringen. Aber Elisa weist ihn mit den Worten zurück: „So wahr Jehova lebt, vor dessen Angesicht ich stehe, wenn ich nehmen werde!“ Elisa wollte nicht ein Fleckchen auf die Herrlichkeit der Gnade Gottes kommen lassen. Ihm allein sollte die Ehre werden, und Ihm allein sollte sie auch bleiben. Naaman sollte einsehen, dass Gott umsonst hilft und umsonst gibt.

Hierauf bittet Naaman, er möge ihm dann wenigstens erlauben, die Last eines Maultier-Gespannes Erde mitzunehmen, damit er Jehova, dem wahren Gott, im fernen Syrien davon einen Altar errichten könne, denn er wolle nicht anderen Göttern mehr opfern, sondern fortan nur Jehova, dem Gott Israels, seine Dankopfer darbringen. So hatte Gott nicht nur Naamans Krankheit geheilt, sondern auch sein Herz für sich gewonnen. Heutzutage ist es nicht anders. Der Platz des geheilten und geretteten Sünders ist bei Jesu. Ein Herz, dem solch unverdiente Gnade zu teil geworden ist, gehört fortan Gott und ist bereit, alles für Ihn zu verwenden und sich selbst für Ihn verwenden zu lassen. Ein solches Herz wirft seine bisherigen Götzen fort und kennt nur noch ein Ziel: die Verherrlichung Gottes.

Naaman kehrt um und bringt die .Kunde von dem heiligen, allein wahren Gott, der umsonst, für nichts hilft, mit nach Syrien. Er baut Ihm dort einen Altar und dient Ihm allein. Er hat auch ein zartes Gefühl für das, was sich jetzt für ihn geziemt. Er sagt: ,,In diesem Stücke wolle Jehova deinem Knechte vergeben: Wenn mein Herr in das Haus Rimmons geht, um sich daselbst zu bücken, — denn er lehnt sich auf meine Hand, und ich bücke mich im Hause Rimmons, — ja, wenn ich mich bücke im Hause Rimmons, so möge doch Jehova deinem Knechte in diesem Stücke vergeben!“ Er fühlt wohl, dass dies nicht mehr passend für ihn ist, aber er weiß keinen Ausweg und bittet deshalb Elisa um Rat. Und was antwortet Elisa? Er sagt nicht: Du darfst niemals wieder deinen Fuß in den Götzentempel setzen; oder: Verflucht bist du, wenn du je wieder deinen Rücken vor einem Götzenbilde beugst! sondern: „Gehe hin in Frieden“. So sendet der Herr die Seinen aus: Gebet hin in Frieden! Er stellt sie nicht unter ein hartes, unbeugsames Gesetz. Er bringt sie nicht unter den Fluch; aber Er gibt ihnen ebenso wenig Erlaubnis, irgend etwas Böses zu tun. Das wäre ganz und gar unmöglich. Elisa sagt nicht: Gehe nur in das Haus Rimmons; unter solchen Umständen wird Gott ein Einsehen haben und es nicht so genau nehmen. Nein, seine Antwort lautet: „Gehe hin in Frieden“. Mit anderen Worten: Kannst du in Frieden, mit Gott, diesen Weg gehen, nun so gehe hin. — -Sehet, wie freundlich und gnädig Gott ist! In Frieden zog Naaman heimwärts, und Gottes Gnade war fortan genug für ihn auch in den schwersten Stunden.

Am Schlusse unseres Kapitels müssen wir leider sehen, wie Gehasi einen Flecken auf des Herrn Gnade bringt. Elisa hatte jedes Geschenk abgewiesen, und nun geht sein Knecht hin und verdirbt das schöne Werk. Welch eine Betrübnis für das Herz des Propheten! Und wie eiferte er für die Ehre seines Herrn! „Ging mein Herz nicht mit?“ sagt er zu Gehasi. Er wirst ihm nicht seine Lüge und Habgier vor, sondern fragt: „Ist es Zeit, Silber zu nehmen, und Kleider zu nehmen und Olivenbäume usw.?“ Ach nein, es war nicht die Zeit. So hässlich Gehasis Geldgier war, noch viel schlimmer war es, dass durch sein Tun in dem Herzen Naamans die Herrlichkeit der Gnade Gottes verdunkelt wurde. Und Gehasi fährt mit seinem Gelde ins Verderben. Unglücklicher Mann! Welch eine Warnung für alle, die das Geld lieb haben! Ja, es ist ein wahrer Ausspruch: Wer das Geld dieser Welt besitzen will, muss auch den Aussatz dieser Welt haben. Der Aussatz, der von Naaman genommen war, haftete fortan Gehasi an und seinem Samen ewiglich.

Fußnote:

*) Nach heutigem Gelde etwa 350000 Mark.

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Die geöffneten Himmel (Kurze Gedanken über den Brief an die Hebräer)

Bibelstelle: Hebräer 1 und 2

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 17ff

Kapitel 1 und 2

In der Epistel an die Hebräer tritt uns in besonderer Weise die Eigenschaft der Heiligen Schrift vor Augen, dass man sie in verschiedenem Lichte lesen, von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten kann, ohne dass jedoch ein Lichtstrahl dem anderen Eintrag täte. Man könnte z. B. beim Lesen dieser Epistel ohne Schwierigkeit von sechs- oder sieben verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen. Heute möchte ich mich insbesondere mit den ersten beiden Kapiteln beschäftigen. In ihnen öffnen sich uns die Himmel, wie

sie jetzt sind. Wie gesegnet ist es für das Herz, auf einen solchen Gegenstand eingehen zu dürfen!

Wenn wir unsere Blicke emporrichten, so sehen wir über uns die sichtbaren Himmel: doch das, was wir sehen, sind nur die äußeren Himmel. Diese Epistel macht uns mit den inneren Himmeln bekannt, und zwar nicht ihrem natürlichen, sondern ihrem geistigen Charakter nach. Sie führt uns in die Herrlichkeiten ein, welche den Herrn Jesum umgeben und die mit Ihm verbunden sind als Dem, der jetzt in die Himmel aufgenommen ist. Wir werden auf diese Weise in den Stand gesetzt, die Himmel zu erblicken, in welchen Er sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, sowie zu sehen, was Seine Tätigkeit dort ist und was auf jene Himmel folgen wird. Als der Herr Jesus hienieden war, öffneten sich, wie wir in Matthäus 3 lesen, die Himmel, um auf Ihn herniederzuschauen. Es befand sich zu jener Zeit ein Gegenstand auf Erden, der würdig war, die Aufmerksamkeit des Himmels auf sich zu lenken. Und als Er zurückkehrte, wurde den Himmeln ein Gegenstand zu teil, den sie nie zuvor gekannt hatten, nämlich ein verherrlichter Mensch. Und nun ist es der Zweck unseres Briefes, uns die Himmel als den Platz dieses verherrlichten Menschen zu zeigen. Während wir also in Matthäus 3 die Himmel geöffnet sehen, um auf Christum hienieden herabzuschauen, öffnen sich in der Epistel an die Hebräer die Himmel, damit wir unseren Blick auf Christum droben richten können.

Aber, wird man vielleicht fragen, ist das die ganze Geschichte der Himmel? Hört sie damit auf? Keineswegs. In den Kapiteln 4 und 5 der Offenbarung werden uns die Himmel vorgestellt, wie sie sich zum Gericht der Erde vorbereiten. Dann, am Schlusse des Buches, finden wir die Himmel als den Wohnort nicht nur des verherrlichten Menschen, sondern auch der verherrlichten Kirche. Welch ein Buch ist es doch, das uns derartige Geheimnisse vorzuführen vermag! Es ist gleichsam eine göttliche Bibliothek. Da nimmt man einen Band zur Hand und liest etwas über die Himmel: man nimmt einen zweiten Band und liest von dem Menschen in seinem verderbten Zustande: man nimmt einen dritten und liest von Gott in Seiner Gnade, und so fort in herrlicher, wunderbarer Mannigfaltigkeit.

Betrachten wir jetzt die Kapitel 1 und 2 etwas näher. Da lesen wir denn: „Welcher, . . . nachdem Er durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht, sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe“. Diese Worte bestätigen das vorhin Gesagte, das; nämlich diese Epistel uns die Himmel öffnen will. Der Herr ist hier auf der Erde gewesen und hat die Reinigung unserer Sünden gemacht, und Er ist wieder hinaufgestiegen, um jetzt die Himmel als der Reiniger unserer Sünden einzunehmen. Wie unvergleichlich schön ist das! Angenommen, ich wäre in einem fernen Lande gewesen, so könnte ich. dir dasselbe vielleicht mit solch herrlichen Farben schildern, dass du mit Entzücken und dem sehnlichen Verlangen erfüllt würdest, das schöne Land auch einmal besuchen zu können. Aber wenn der Heilige Geist kommt und uns die fernen Himmel zeigt, so tut Er weit mehr als das: Er zeigt uns, dass unsere Interessen mit dem Himmel verknüpft sind, und dass sie dort in jeder Weise wahrgenommen werden. Unser Stellvertreter nimmt droben den höchsten Platz ein, und Er befindet sich dort gerade in dieser Eigenschaft. Wäre es möglich, mit jenem Ort in innigerer Verbindung zu stehen, als es der Fall ist ? Ein Wunder ist es nur, dass wir nicht alle mehr bereit stehen, um uns je eher je lieber dorthin empor zu schwingen. Welch ein Gedanke, dass unser hochgelobter Herr gerade deshalb, weil Er herniederkam, um für uns eines schimpflichen Todes zu sterben, jetzt dorthin gesetzt und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt ist! Ich wage zu behaupten, dass wir unmöglich ein höheres Interesse an dem Himmel haben könnten, als wie Gott es uns gegeben hat.

In Vers 4 sehen wir dann weiter, dass Christus nicht nur als der Reiniger unserer Sünden, sondern auch in der Wirklichkeit Seiner Menschheit sich droben befindet und über die himmlischen Heerscharen gesetzt ist. Wir haben schon gesehen, wie sich unsere Interessen mit Ihm als dem Reiniger unserer Sünden verknüpfen. Nun macht uns das Kapitel mit Ihm bekannt als dem Sohne des Menschen, der über die Engel erhöht ist. Ein Mensch ist vorzüglicher erfunden worden als die Engel! Die menschliche Natur ist in der Person Christi erhöht worden über die Natur der Engel, und sei diese selbst in einem Michael oder Gabriel. Das ganze erste Kapitel besaßt sich also damit, uns Christum in der Herrlichkeit von zwei Gesichtspunkten ans zu zeigen. Wie wunderbar sind diese beiden Geheimnisse! Der, welcher die Reinigung unserer Sünden gemacht hat, und der ein wahrhaftiger Mensch ist, so völlig Mensch wie wir sind, ist gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe!

Die ersten vier Verse von Kapitel 2 betrachte ich als einen Zwischensatz. Hast du solche Zwischensätze gern, mein Leser? Der Heilige Geist redet die Sprache der Natur, wie wir Menschen miteinander reden würden. Wir sehen zuweilen, dass Freunde, die sich miteinander unterhalten, für einen Augenblick zur Seite treten, und ihre persönlichen, gegenseitigen Angelegenheiten zu besprechen. Ähnlich macht es der Apostel hier; er sagt gleichsam: „Ich belehre euch über wunderbare Dinge. Hütet euch, das; dieselben nicht ein gleichgültiges Ohr bei euch finden!“ Es genügt also nicht, das; wir nur Schüler sind; wir müssen gelehrige Schüler sein. Sind wir Jünger eines lebendigen Meisters in der Schule Gottes, so müssen auch unsere Gewissen in Übung kommen, während wir unsere Lektion lernen; und das ist es, was der Apostel

hier bezweckt. Der Zwischensatz berührt deshalb das Ohr sehr lieblich und angenehm. Doch obgleich die genannten Verse einen Zwischensatz bilden, eröffnen sie uns doch wieder eine neue Herrlichkeit. Wie ist das Feld der Heiligen Schrift doch so reich bestellt mit kostbaren Früchten! ist nicht ein Acker, dem man trotz mühsamen Arbeitens nur kärgliche Frucht abzuringen vermag. Jener Zwischensatz enthält, wie gesagt, eine weitere Herrlichkeit Christi. Dass wir der in ihm enthaltenen Ermahnung eigentlich nicht bedürfen sollten, brauche ich kaum zu sagen. Der Christus, welcher droben thront, ist ein Apostel, mein Apostel. Was will das sagen? Gott redete vor alters durch die Propheten, jetzt hat Er zu uns geredet in dem Sohne und durch den Sohn. Christus ist der Apostel des Christentums geworden. Und was war der Gegenstand Seiner Predigt? Die Errettung, welche Er als der Reiniger unserer Sünden für uns bewirkt hat. Diese hat Er als der Apostel unseres Bekenntnisses verkündigt. Sie hat den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen.

Vers 5 nimmt dann wieder das Thema des ersten Kapitels auf. Die Herrlichkeiten Christi, als erhaben über

die Engel, werden nunmehr beschrieben. Denn nicht Engeln hat Er unterworfen den zukünftigen Erdkreis, von welchem wir reden“. Was ist der „zukünftige Erdkreis“? Es ist das tausendjährige Reich, von welchem wir in Psalm 8 lesen. Wir haben hier drei Stufen in der Stellung des Sohnes des Menschen: „ein wenig unter die Engel erniedrigt;“ dann: „mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt“, und endlich: „über die Werke der Hände Gottes gesetzt“. Der zukünftige Erdkreis ist also nicht Engeln, sondern dem Sohne des Menschen unterworfen. Findest du nun nicht, mein Leser, das; du ein Interesse an diesem verherrlichte» Menschen hast? Ich sagte vorhin, dass, wenn ich in einem fernen Lande gewesen wäre und dir die Naturschönheiten desselben beschriebe, du auch wünschen würdest, sie zu sehen. Diese Epistel zeigt dir jedoch, dass du ein persönliches Interesse an diesen Herrlichkeiten hast. Ja, ich möchte fragen: Gibt es einen einzigen Punkt auf dem Wege des Sohnes des Menschen, an welchem du sein Interesse hättest? Und der Apostel verfolgt hier diesen wunderbaren Weg unseres Herrn. —— Noch einmal denn: der Brief an die Hebräer stellt dir die fernen Himmel vor Augen, zeigt dir die Herrlichkeiten, mit denen Christus dort umgeben ist, und lässt dich wissen, dass du ein persönliches Interesse an diesen Herrlichkeiten hast.

In Vers 10 tritt ein neuer Gedanke vor uns. „Es geziemte Ihm, um deswillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem Er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Anführer ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen.“ Lasst uns hierbei einen Augenblick verweilen. Es entsprach der Herrlichkeit Gottes, uns einen vollkommenen Erretter zu geben. Glaubst du das, mein Leser? Welche Gedanken steigen in deiner Seele auf, wenn wir auf diesen Gegenstand kommen? Besitzest du Jesum so, dass du nie versucht wirst, auch nur für einen einzigen Augenblick von Ihm wegzublicken? Ja, Gott sei gepriesen! wir besitzen eine unanfechtbare, unfehlbare Errettung, eine Errettung, die den Anprall eines jeden kommenden Tages auszuhalten vermag.

Aus Vers 11 ersehen wir weiter, welches Interesse wir an dem verherrlichten Menschen haben. „Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen Er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen“ Er schämt sich nicht! Verkünde es laut, damit Erde und Himmel es hören mögen! Dieser verherrlichte Mensch hat Brüder, und diese sind die Auserwählten Gottes. Er „schämt sieh nicht“, sie Brüder zu nennen, nicht nur wegen Seiner Gnade, sondern auch wegen ihrer persönlichen Würde. Er hat uns berufen, Seinen Thron mit Ihm zu teilen· Sollte Er sich Seines eigenen Tuns schämen, der Beziehungen, in die Er selbst uns zu sich gebracht hat? O mein lieber Mitpilger, gib nicht niederen, kalten Gedanken Raum, wenn du die Schrift liest! Unsere Gedanken über Christum sollten dergestalt sein, dass sie unsere ganzen Herzen gefangen nehmen und uns wie auf Adlers Flügeln emportragen zu Ihm hin.

„Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“, heißt es weiter. Christus stimmt an und leitet den Lobgesang der Erlösten und schämt sich nicht, in ihrer Mitte gefunden zu werden! — „Und wiederum: „Ich will mein Vertrauen auf Ihn setzen“.“ Er hat dies getan, als Er hienieden war, und wir tun es jetzt. „Und wiederum: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat“.“ Verstehst du jetzt, wo unser Interesse an dem verherrlichten Menschen liegt?

Wir kehren jetzt zu dem zurück, was Christus in Seiner Erniedrigung war, indem wir lesen: „Er nimmt fürwahr sich nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt Er sich an«. Er ließ die Engel da, wo Er sie fand. Die Engel zeichneten sich aus durch Kraft. Sie bewahrten ihren ersten Zustand, und Er ließ sie dort. Der Mensch zeichnete sich aus durch Bosheit, und Er kam und beschäftigte sich mit dem Menschen.

Der 17. Vers stellt uns eine weitere Herrlichkeit vor Augen, mit welcher Christus in den Himmeln umgeben ist. Wir erblicken Ihn als unseren Hohenpriester, als Den, der die Sühnung unserer Sünden zuwege gebracht hat und der nun denen zu helfen bereit ist, welche versucht werden. Die Epistel enthält eine unendliche Fülle göttlicher Herrlichkeiten. Sie ist wie massives Gold; sie setzt sich aus lauter Herrlichkeiten zusammen und ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, schwer an göttlichen Gedanken, welche sich in dem engen Raum so dicht wie möglich zusammendrängen.

Kapitel 3 und 4.

Wie wir gesehen haben, besteht einer der leitenden Charakterzüge unserer Epistel darin, dass sie uns einen Blick in den Himmel tun lässt, wie er jetzt ist, nicht wie er im ersten Kapitel der Bibel war, noch auch wie er nach Offenbarung 4 oder 21 sein wird. In dem Himmel, wie das erste Kapitel des ersten Buches Mose ihn uns vorstellt, gab es keinen verherrlichten Menschen, keinen Apostel oder Hohenpriester. Der im Hebräerbrief uns gezeigte Himmel enthält dagegen beides. Indem wir dies als den allgemeinen Charakter der Epistel erkannten, haben wir den Herrn Jesum als in diesem Himmel sich befindend betrachtet. Weiter sahen wir, in welchen Eigenschaften der Herr dort ist: als ein verherrlichter Mensch, als Der, welcher die Reinigung unserer Sünden gemacht hat, dann als unser Apostel, und endlich als unser Hoherpriester, welcher das Sühnungswerk für die Sünden zuwege gebracht hat. Jede Seite erschließt uns eine Fülle von Herrlichkeiten unseres geliebten Herrn.

Betrachten wir nunmehr Kapitel 3 und 4. Nachdem wir in die Himmel, dahin wo Christus ist, eingeführt und

mit Christo, der sich in diesen Himmeln befindet, bekannt geworden sind, befassen sich die Kapitel 2 und 4 ein wenig mit uns selbst, indem sie uns einer scharfen Prüfung unterziehen und uns auffordern, uns jetzt, da wir unseren Weg in Gemeinschaft mit Christo wandeln, wohl vorzusehen. Doch wie geschieht das? Der erste Gedanke, welcher uns entgegentritt, ist der, dass wir Jesum in Seiner Treue betrachten sollen. Diese Ermahnung wird vielfach missverstanden. Weshalb sollen wir den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses betrachten? Etwa um Ihm nachzuahmen? Der religiöse Sinn fasst es vielleicht so auf. Doch darauf zielt diese Stelle nicht in1 Entferntesten hin. Nein, ich soll Ihn als treu, mir zu gut, Gott gegenüber betrachten; Er ist treu, damit ich ewig errettet werden möchte. Wenn ich Ihn nicht also betrachte, so verfehlt die Stelle für mich gänzlich ihres eigentlichen Zweckes, und ich entferne mich von dem Boden der Gnade. Es heißt nicht: „der treu war“, sondern: „der treu ist“. Es handelt sich also nicht um Seine Treue in Seinem Wandel hienieden, sondern um Seine Treue jetzt im Himmel. Wir schauen empor und sehen Ihn, wie Er treu ist in Seinem Dienst Dem gegenüber, der Ihn berufen hat. Wie könnte ich Ihm nachahmen in Seiner Hohenpriesterschaft? Ich soll Ihn betrachten zu meiner Ermunterung und Erquickung. Welch eine Vereinigung leuchtender Vollkommenheiten der Gnade bietet sich hier von neuem unseren Blicken! In wahrhaft göttlicher Erhabenheit erblicken wir zunächst die Gnade Gottes, die Ihn berufen hat, dann die Gnade des Sohnes, durch welche Er den Dienst verrichtet, und endlich die Gnade, wie sie uns im Eingang des dritten Kapitels vorgestellt wird. Könnte es eine höhere Ermahnung oder eine göttlichere Belehrung geben“? Der Sohn befindet sich in den höchsten Himmeln, Er weilt dort als der Reiniger unserer Sünden, als der Apostel und Hohepriester unseres Bekenntnisses, und nun werde ich ermahnt, mich niederzusetzen und Ihn in Seiner Treue droben zu betrachten. Ich frage noch einmal: könnte eine Ermahnung göttlicher sein als diese?

In den Versen 3 und 4 und weiterhin werden dann noch weitere Herrlichkeiten, und zwar im Gegensatz zu Mose, entfaltet. Die erste Verwaltung oder göttliche Haushaltung wird hier »ein Haus« genannt; es war ein

Diener da, der einem kommenden Christus diente. Mose und das Haus stellen gleichsam einen Begriff dar. Der ganze Dienst jener Verwaltung hatte in sich selbst keinen Wert; sein Wert bestand nur darin, dass er Zeugnis von einem kommenden Christus ablegte. Wenn nun aber der Herr kommt, so kommt Er als Sohn, um das, was Ihm gehört, für sich als Sein Eigentum in Besitz zu nehmen; und nun kommt alles auf die Frage an: Wird das Haus, über welches Er gesetzt ist, Ihm gegenüber treu sein? Worin gibt sich deine Treue kund, mein lieber gläubiger Leser? Darin dass du im Vertrauen auf Ihn vorangehst und die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende hin standhaft festhältst. „Christus ist mein Teil! Ich begehre nichts anderes als Ihn!“ das sollte die Sprache deines und meines Herzens sein. O dass doch Christus in Seiner Allgenugsamkeit in Wahrheit unser einziges Ziel und Begehren wäre! Ja, möchten wir uns Tag für Tag an Ihn fest anklammern, bis die Wüstenreise zu Ende ist! Dann machen wir einen Teil des Hauses aus, über welches Er als Sohn gesetzt ist.

Aber nicht nur ist Christus über dieses Haus gesetzt, sondern Er beansprucht es auch als Sein Eigentum - ein noch kostbarerer Gedanke. Wohl ist es richtig, dass wir Ihm völlig unterworfen sein sollten, aber das ist nicht alles; nein, Er will, dass wir nahe, ganz nahe an Seinem Herzen ruhen. Treu sein heißt nicht nur: Christum als dem Haupte unterwürfig sein; wenn ich an Seiner Brust liege, dann bin ich treu. Wenn daher der Geist Gottes sich in Kapitel 3 und 4 mit Ermahnungen an uns richtet, so hat Er den hohen und wunderbaren Boden von Kapitel 1 und 2 nicht verlassen; und nachdem Er diesen Punkt erreicht hat, wendet Er sich zu Psalm 95. Wenn wir die Psalmen 92 bis 101 aufmerksam lesen, so werden wir finden, dass sie gewissermaßen ein herrliches, kleines Buch für sich über das tausendjährige Reich bilden, welches Ermahnungen enthält und Erweckungen des Geistes des Glaubens in Israel, der die Gläubigen auffordert, ihren Blick vorwärts, auf die Ruhe Gottes hin zu richten.

Wie kommt es nun, dass dieser Gegenstand hier eingeführt wird? Die Wüstenreise Israels ist ein schönes und lebendiges Bild von der Reise vom Kreuze bis zur Herrlichkeit, auf welcher der Gläubige sich jetzt befindet. Vielfach denkt man bei der im Anfang des 4. Kapitels erwähnten Ruhe an die Ruhe des Gewissens; doch das ist keineswegs der Gegenstand, um den es sich hier handelt. Die Stelle setzt voraus, dass wir Ägypten verlassen haben und uns auf dem Wege nach Kanaan befinden. Die Gefahr ist nicht etwa die, ob sich auch wohl das Blut an unseren Türpfosten befindet, sondern ob wir auf dem Wege nicht zusammenbrechen, gleich den Tausenden, die in der Wüste fielen. Diese Stelle will uns durchaus nicht veranlassen, die Frage aufs neue zu erforschen, ob wir auch wirklich in dem Blute Ruhe gefunden haben, sondern sie ermahnt uns, sorgfältig darauf acht zu haben, wie wir unseren Weg durch diese Welt gehen. Wenn Gott hier von Ruhe redet, so ist damit die Ruhe Seines Reiches, aber nicht etwa die Ruhe des Gewissens gemeint.

Ferner nennt Gott das ganze Zeitalter, in welchem wir uns befinden, einen Tag: „Heute“. Dem sterbenden Räuber war es ein kurzer Tag, so auch dem Märtyrer Stephanus. Ein längerer Tag war es schon für Paulus, und noch länger war er für Johannes. Doch sei die Wüstenreise kurz oder lang, sie währt nur einen Tag, und wir sollen bis zum Ende hin uns nahe bei Christo halten. Um Genossen des Christus zu sein, ist es nötig, den Anfang der Zuversicht bis zum Ende hin standhaft festzuhalten. Doch wie wird uns Christus in Vers 14 vorgestellt? Als der Gekreuzigte? Nein, als der verherrlichte Christus. Wir werden Genossen des Christus in Seinem Reiche sein, wenn wir an dem gekreuzigten Christus festhalten. Möchte doch dieses kurze Wort „Heute“ in Herz und Gewissen stündlich forttönen! Ja, vergessen wir es nie: Das Festhalten an einem gekreuzigten Christus gibt mir das Anrecht an die Ruhe eines verherrlichten Christus. Zwei Dinge wollen uns dies streitig machen; sie heißen: Sünde und Unglaube. (Vers 13. 19.) Erfahren wir die Tätigkeit dieser beiden Feinde nicht immer wieder aus dem Wege? Ein jeder von uns weiß, dass es so ist. Aber sollten wir in der Sünde verharren? Sollten wir einem einzigen verkehrten Gedanken Raum geben? Wir mögen von Sünde und Unglaube übereilt werden; aber sollten wir sie je anders betrachten wie als Feinde? Die Antwort auf diese Frage ist nicht schwer. Keiner von uns würde wissen, was es heißt, sich zwischen Ägypten und Kanaan zu befinden, wenn wir uns nicht bewusst wären, dass jene beiden Dinge uns tagtäglich gegenüberstehen, um uns in unserem Laufe aufzuhalten.

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 29ff

Kapitel 4 verfolgt den Gegenstand weiter. Christus, wie Kapitel 3, 14 Ihn vorstellt, ist die Ruhe, von welcher Kapitel 4 redet. Christus ist verherrlicht, und darum ist eine Ruhe in Herrlichkeit das Teil des Gläubigen. Er hat uns aus Ägypten herausgeführt. Die Ermahnung richtet sich an ein Volk, das aus Ägypten gezogen ist und nun die mit Blut besprengten Türpfosten hinter sich und das herrliche Kanaan vor sich hat. Lasst uns daher sorgfältig acht haben, damit wir nicht zurückzubleiben scheinen! „Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, gleichwie auch jenen“ (V. 2) Die gute Botschaft, um welche es sich hier handelt, ist nicht das Evangelium von dem Blute Christi, sondern von der Herrlichkeit Christi. Sie mag den Israeliten in einer anderen Form gebracht worden sein als uns; aber ihnen wie uns wurde Ruhe verkündigt.

Der Schreiber des Briefes weist hierauf in lieblicher Weise auf die Sabbatruhe des Schöpfers hin. Der Schöpfer bereitete für sich nach der Schöpfung eine Ruhe, und Er verhieß sich gleichsam selbst eine Ruhe in Kanaan, nachdem Er Israel durch die Wüste gebracht haben würde. Aber Adam störte Seine Schöpfungsruhe, und Israel störte Seine Ruhe in Kanaan. Ist Er deshalb im Blick auf Seine Ruhe getäuscht worden? Nein; Er hat sie in Christo gefunden. Das Geheimnis des ganzen Buches Gottes ist, dass Gott in Christo einen Ruheort gefunden, nachdem der Mensch in jeder Weise bewiesen hatte, dass er kein Vertrauen verdiene, ja, dass nichts Gutes von ihm zu erwarten sei. Christus ist Derjenige, welcher die in Rede stehende Ruhe zuwege gebracht hat, und in welchem sie nun sicher gestellt ist und bleibt, für Gott sowohl als auch für Seine Heiligen. „Demnach bleibt übrig, dass etliche in dieselbe eingehen. Es ist nicht länger eine Sache, die nochmals verfehlt werden könnte, indem sie von Adam oder Israel abhängig wäre; nein, sie steht fest, sie ist gesichert in Christo. Deshalb lasst uns Sorgfalt anwenden, dass keiner von uns zurückzubleiben scheine!

Hieraus werden uns zweierlei Weisen, von Christo Gebrauch zu machen, vorgestellt. Wir fanden zweierlei

Feinde am Ende des 3. Kapitels und finden nun am Ende des 4. Kapitels zwei Arten, in welchen wir von Christo zu unserem Nutzen Gebrauch machen können. Wir müssen Ihn benutzen als das Wort Gottes und als den Hohenpriester unseres Bekenntnisses. Gebrauchen wir Ihn auf diese doppelte Weise? Die beiden Weisen stehen im Gegensatz zu Sünde und Unglauben. Das Wort Gottes beurteilt die Beweggründe und Gedanken des Herzens. Lasst uns denn, anstatt unseren Lüsten und Eitelkeiten Raum zu geben, mit aller Treue das zweischneidige Schwert des Wortes auf uns anwenden, welches auch die kleinste Sünde nicht dulden kann. Und wenn wir den Feind herausgefunden haben — sei es eine Lieblingsneigung, die sich in diesem, oder eine unvermutete Eitelkeit, die sich in jenem Winkel verborgen hält — lasst uns diesen Feind dann in das Licht der Gegenwart Gottes bringen und schonungslos den Stab über ihn brechen. Und wenn unter den Schwierigkeiten des Weges unser Glaube erlahmen will, wenn wir unsere Schwachheit fühlen und nach Hilfe und Mitgefühl ausschauen, lasst uns dann zu dem Hohenpriestertum Christi unsere Zuflucht nehmen, welches in der ihm eigenen Barmherzigkeit und Gnade stets für uns in Tätigkeit ist.

Stehen wir hier einen Augenblick still. Wir haben die Himmel geöffnet gesehen, haben einen Blick hinein getan und dort einen Menschen gefunden, mit Herrlichkeiten bekleidet, an welchen allen wir im höchsten Grade interessiert sind. Dann folgte die Ermahnung. Zwei Feinde umringen uns — lasst uns auf der Hut sein! Anstatt uns von ihnen überwinden zu lassen, lasst uns das zweischneidige Schwert gebrauchen, und wenn wir sie entdeckt haben, lasst uns sie zu Jesu bringen! In welch wunderbarer Weise entspricht Christus droben, wie Er uns in den beiden ersten Kapiteln vorgestellt ist, dem was wir hienieden sind, wie die Kapitel 3 und 4 es uns so charakteristisch darstellen!

Kapitel 5 und 6.

Indem wir jetzt unsere Betrachtung fortsetzen, finden wir, dass Kapitel 5, 1—10 und dann die folgenden Verse bis zum Schluss des 6. Kapitels zwei gesonderte Abschnitte bilden; ferner, dass in dem letzten dieser beiden Abschnitte der Apostel seinen Gegenstand verlässt und eine Warnung einschaltet. Er tut das gern: und auch wir sind in dem Verkehr unter einander (wie schon früher bemerkt) daran gewöhnt. Solche kleine Unterbrechungen sind bei Betrachtungen wie die vorliegende auch stets angenehm und zweckdienlich.

In den 10 ersten Versen von Kapitel 5 wird uns eine überaus wichtige Sache vor Augen gestellt. Der erste Vers gibt uns einen allgemeinen Begriff von dem Wesen des Priestertums. Es ist das, was die Beziehungen der Menschen zu Gott vermittelt und unterhält. Dann wird uns der Charakter des Dienstes vergegenwärtigt: „Auf dass er sowohl Gaben als Schlachtopfer für Sünden darbringe“; das heißt, dass er sowohl Dankopfer vor Gott bringe, als auch den Dienst des Sünd- oder Sühnopfers Gott gegenüber versehe. Ein Priester steht da, um die menschlichen Interessen Gott gegenüber in jeder Weise zu vertreten. Er ist „aus Menschen genommen“, auf dass er Nachsicht mit den Unwissenden und Irrenden zu haben vermöge. Er ist nicht aus Engeln genommen; deshalb lesen wir auch in dem 1. Briefe an Timotheus im Blick auf unseren Priester: „der Mensch Christus Jesus“. Indem Gott einen Priester für uns bestellte, hat Er einen solchen erwählt, der Mitleid mit uns zu haben vermag. Am Schluss von Kapitel 7 finden wir, dass der Herr Jesus von jeglicher Unvollkommenheit abgesondert war, während der Priester, von welchem hier die Rede ist, gerade wegen seiner Unvollkommenheit Mitleid haben konnte. Wie vermag nun der Vollkommene Mitleid zu haben mit uns, den Schwachen und Unvollkommenen? Weil Er, der an dem, was Er litt, den Gehorsam lernte (V. 8), auch in allem versucht worden ist wie wir, ausgenommen die Sünde.

Im Alten Testament wurden zwei Personen in das Priesteramt eingeführt: Aaron in 2. Mose 8 und 9, und Pinehas in 4. Mose 25. Der Unterschied zwischen ihnen war dieser: Aaron wurde zum Priestertum einfach berufen, während Pinehas sich ein Anrecht auf dasselbe erwarb. In dem Herrn Jesu finden wir beide, Aaron wie Pinehas, dargestellt. Er wurde „von Gott berufen, gleichwie auch Aaron“; Aaron war nur ein berufener Priester. Das Priestertum in 4. Mose 25 steht daher im Gegensatz, zu demjenigen Aarons; denn Pinehas wurde, wie gesagt, nicht berufen, wie Aaron, sondern er erwarb sein Anrecht. Und in welcher Weise geschah dies? Indem er Sühnung für Israel tat an dem Tage der großen Plage, als sie dem Baal-Peor nachhurten, und indem er auf diese Weise Jehova in den Stand setzte, wieder mit Wohlgefallen auf Sein irrendes Volk herniederzuschauen. Pinehas trat ins Mittel, um die Ansprüche der Gerechtigkeit Gottes zu befriedigen und für die Sünde des Volkes Sühnung zu tun. „Und Jehova redete zu Mose und sprach: Pinehas . . . . hat meinen Grimm abgewendet von den Kindern Israel. . . Darum sprich: Siehe, ich gebe ihm meinen Bund des Friedens, und er wird ihm und seinem Samen nach ihm ein Bund ewigen Priestertums sein, darum dass er für seinen Gott geeifert und für die Kinder Israel Sühnung getan hat“. Nichts könnte schöner sein als das. In einem herrlicheren Lichte könnten wir den Christus Gottes gar nicht erblicken als in dieser Tat des Pinehas. Aaron empfing niemals in dieser Weise ein Anrecht auf einen Bund des Friedens.

So wird uns denn in diesen beiden alttestamentlichen Bildern *) das Priestertum des Herrn Jesu vor Augen gestellt. Er war der wahre Aaron und der wahre Pinehas. Beide Charaktere treten hier ans Licht. Unser hochgelobter Herr wurde zum Dienst berufen, gleichwie Aaron; doch Er war auch deshalb in dem Dienste, weil Er eine Versöhnung zustande gebracht hat. Diese Erde entsprach dem Vorhof des Tempels, wo der eherne Altar stand. Der Herr Jesus thront jetzt im Heiligtum droben, in der wahrhaftigen Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch, nachdem Er zuvor dem ehernen Altar hienieden begegnet ist und seinen Anforderungen Genüge getan hat. Nichts könnte einfacher und doch auch wieder nichts wunderbarer und erhabener sein. Auf welche Weise hat Gott bezeugt, dass den Forderungen des ehernen Altars Genüge geschehen ist? Dadurch dass Er den Vorhang zerriss. Jetzt ist es eine leichte Sache, ins Heiligtum einzutreten. Wenn Gott den Vorhang zerrissen hat, sollte ich ihn dann vergebens zerrissen sein lassen? Nein, wenn der Vorhang zerrissen ist, so habe ich jetzt ebenso sicher und gewiss ein Recht einzutreten, wie die Israeliten vor alters verpflichtet waren draußen zu bleiben. Indem Christus die Forderungen des Altars erfüllte, ging Er durch den zerrissenen Vorhang in das Heiligtum des Himmels ein.

Christus hat sich nicht selbst verherrlicht, um Hoherpriester zu werden. „Wie?“ wird man vielleicht ein- wenden, „liegt denn ein Ruhm, eine Ehre für Christum darin, zum Hohenpriester gemacht zu werden? Es kann doch unmöglich etwas geben, was die Würde des Sohnes Gottes erhöhen könnte“. Ich stimme dem völlig bei; aber lasst mich fragen: Unterscheiden wir Menschen nicht auch zwischen erworbenen Ehren und ererbten Ehren? Gesetzt den Fall, der Sohn eines Edelmannes zöge in den Krieg; könnte er dann nicht zu seinen ererbten Würden noch Ehren hinzu erwerben? Und welche von beiden würde er wohl am meisten schätzen? Nicht die, welche er erworben hat? — Und warum das? Weil er durch diese in weit höherem Maße geehrt wird als durch alle seine angeerbten Würden. Die letzteren gehören ihm ohne irgendwelches Zutun von seiner Seite; die anderen aber hat er sich persönlich erworben, sie sind sein in einer ganz besonderen Weise. Nun, göttliche Dinge finden häufig durch irdische Bilder ihre Erklärung. Wer könnte der Würde Dessen etwas hinzufügen, der „Gott über alles ist, gepriesen in Ewigkeit“? Und dennoch hat der Sohn Gottes einen Kampf gekämpft und in demselben Ehren erworben, die nimmer Sein geworden wären, wenn Er sich nicht der Sache des Sünders angenommen hätte. Und wahrlich, diese Ehren sind Ihm wert und kostbar! Gott „begrüßte“, „bewillkommte“ Ihn, als Er Ihn in das Heiligtum einführte, so wie Er Ihn begrüßt hat, als Er Ihn den Thron einnehmen hieß mit den Worten: „Setze dich zu meiner Rechten“. Die Epistel an die Hebräer zeigt uns in den geöffneten Himmeln sowohl einen Thron als auch ein Heiligtum. Christus ist der wahre Melchisedek: König und Priester.

In den Versen 7, 8 und 9 finden wir einige sehr wichtige Wahrheiten, die auf uns Bezug haben. „Der in den Tagen Seines Fleisches, (beachten wir diese Worte mit heiliger Ehrfurcht), da Er sowohl Bitten als Flehen zu Dem, der Ihn ans dem Tode zu erretten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen geopfert hat . . .“ Der Schauplatz dieses Kampfes tritt uns in besonderer Weise in Gethsemane vor Augen. Was war es, das sich dort zutrug? Christus erbebte vor dem Eintritt in das Gericht Gottes über die Sünde. „Und um Seiner Frömmigkeit willen ist Er erhört worden.“ Er wurde erhört, weil der Tod, der Lohn der Sünde, keinerlei Anrechte an Ihn hatte. Sein Gebet um Errettung wurde erhört. Statt dass das Gericht von Gott gesandt worden wäre, um Sein Fleisch verdorren zu machen, wurde ein Engel gesandt, um Ihn zu stärken.

Doch Er erduldete den Tod. Er hätte für sich persönlich ein Recht aus Befreiung vom Tode gehabt, aber Er ging durch den Tod. Er lernte Gehorsam in Bezug auf den Auftrag, der Ihm von Gott geworden war, indem Er von Gethsemane nach Golgatha ging; und jetzt stellt Er sich dem Auge eines jeden Sünders auf Erden als der Urheber ewigen Heiles dar. Wir sehen den Herrn in Gethsemane gleichsam Sein Recht dem Tode gegenüber geltend machen. Dieses Recht wird anerkannt; aber obgleich der Tod an Ihn persönlich keine Ansprüche hatte, sagt Er dennoch: „Dein Wille geschehe!“ Er hätte von Gethsemane aus in den Himmel gehen können; aber statt dessen ging Er von Gethsemane nach Golgatha und wurde so der Urheber ewigen Heiles für alle, die Ihn annehmen. Dann, nachdem dem Altar Genüge geschehen war, nahm Ihn das- Heiligtum auf, und dort weilt Er jetzt. Bei der Schöpfung stellte Gott einen Menschen in Unschuld in den Garten Eden; bei der Erlösung hat Gott einen Menschen in den Himmel eingeführt in Herrlichkeit. Und diese in der Erlösung geoffenbarte Herrlichkeit überstrahlt alles; sie lässt die Herrlichkeit, die einst in der Schöpfung ans Licht trat, wie nichts erscheinen.

Wir kommen jetzt zu Vers 10. Beachten wir, dass die Sprache dieses 10. Verses in Kapitel 6, 20 fast unverändert wiederkehrt, ohne dass der Schreiber des Briefes in seiner Beweisführung einen Schritt weitergekommen wäre. Ähnliches finden wir in anderen Briefen. Wenn wir z. B. die ersten 3 Kapitel des 1.Korintherbriefes betrachten, so finden wir den Apostel auch dort in Seiner Belehrung gehindert. „Ihr seid fleischlich“, sagt er, und deshalb kann ich euch nicht über die reichen Schätze belehren, die mir für die Kirche anvertraut sind. — Gerade so ist es hier, nur dass das hindernde Übel dort in dem sittlichen Zustande der Korinther lag, während es sich hier um Lehrfragen handelt. Es war für einen Hebräer sehr schwer, die Dinge fahren zu lassen, in welchen er auferzogen war. Er war „unerfahren im Worte der Gerechtigkeit“. Der gesetzliche Sinn hat stets die Neigung, die Gerechtigkeit in dem Sinne Moses aufzufassen, d. h. als etwas, was von uns gefordert wird; während Gott sie als etwas darstellt, was Er uns

schenken will. Da nun der Apostel dieses Hindernis bei den gläubigen Hebräern wahrnimmt, ruft er ihnen eine Warnung zu, gerade so wie er ihnen im Anfang des 2. Kapitels eine Ermahnung zugerufen hatte. Ein

fleischlicher Sinn und ein gesetzlicher Sinn sind zwei Erzbösewichte, die beiden schlimmsten Feinde des Gläubigen. Sie gehören zu den kleinen Füchsen, welche den Weinberg Gottes verderben. Der Apostel heißt die Gläubigen daher diese Dinge verlassen, indem er sie zu einem anderen Gegenstande, und zwar zur Vollkommenheit, „zum vollen Wuchse“, hinführt. „Deshalb, das Wort von dem Anfang des Christus lassend, lasst uns fortfahren zum vollen Wuchse!“ — ,,Denn es ist unmöglich, diejenigen, welche einmal erleuchtet waren . . ·, wiederum zur Buße zu erneuern.“ Ernste Worte, welche wohl geeignet waren, in den Herzen der Hebräer ein tiefes Gefühl ihrer Verantwortlichkeit wachzurufen, obgleich der Apostel nachher bezeugt, dass er in Bezug auf sie von anderen, mit der Seligkeit verbundenen Dingen überzeugt sei; denn es hatten sich bei ihnen Beweise des vorhandenen Lebens gezeigt. Das Land hatte nicht nur „Dornen und Disteln“ hervorgebracht, sondern, “nützliches Kraut“. Aber der Apostel musste so ernst reden der vorhandenen Gefahr wegen.

Kapitel 7.

Es ist wichtig für unsere Seelen, das Priestertum Christi in seinem Melchisedek-Charakter sorgfältig zu betrachten. Wir wollen daher für den Augenblick den Zwischensatz am Schlusse von Kapitel 6 unberücksichtigt lassen und einen Teil von Kapitel E) und das ganze Kapitel 7 miteinander lesen. Das Priestertum des Herrn Jesu, wie es vorbildlich in Aaron und Pinehas dargestellt ist, haben wir bereits besprochen. Aaron wurde, wie wir gesehen haben, einfach in sein Amt berufen, während Pinehas sich das Anrecht auf sein Amt erwarb. Werfen wir denn jetzt einen Blick auf dasselbe Priestertum, aber so wie es uns in Melchisedek vorgestellt wird.

Wenn ich sage, dass diese Welt der Schauplatz eines verwirkten Lebens ist, so wird der Leser mich wohl verstehen; denn das Leben des Menschen ist tatsächlich nichts anderes als ein aufgeschobener Tod. Zum Leben zu rückkehren heißt deshalb, zu Gott zurückkehren. Gott ist nicht der Gott der Toten, sondern der Lebendigen Durch die Sünde wurde das Leben verwirkt; darum, wenn es möglich ist, dass ich zum Leben zurückkehre, so muss meine Rückkehr zu Gott hin geschehen. Gott besucht diese Welt in zwei Eigenschaften: als ein Lebensspender und als ein Richter; und aus Johannes 5 ersehen wir, dass uns allen entweder der eine oder der andere dieser Besuche gilt. Der Zweck unserer Epistel ist nun, jeden Gläubigen an Jesum, auch den ärmsten und schwächsten, wissen zu lassen, dass er zum Leben zurückgekehrt und somit in Verbindung gebracht ist mit dem lebendigen Gott und mit Gott als dem Lebensspender. „Der lebendige Gott“ ist ein Ausdruck, der sich in diesem Briefe oft wiederholt; wir lesen von einem „Abfallen vom lebendigen Gott“ (Kap. 3, 12), dann: „um dem lebendigen Gott zu dienen“ (Kap. 9, 14), und endlich: „ihr seid gekommen zur Stadt des lebendigen Gottes“ (Kap. 12, 22). So füllt denn der lebendige Gott meinen ganzen Gesichtskreis aus sowohl jetzt als in der Herrlichkeit. Ich soll jetzt nicht von Ihm abfallen, woraus hervorgeht, dass ich zu Ihm zurückgebracht worden bin. Ich bin dem Bereiche des Todes entrückt und in den Bereich des Lebens zurückversetzt, und ich bin gereinigt, um Ihm zu dienen; und bald werde ich in der Herrlichkeit „zur Stadt des lebendigen Gottes“ gelangen. Die Frage ist nun: Wie

bin ich zu Ihm zurückgekommen? Die Epistel entwickelt dies in herrlicher Weise.

Es ist eine Herz und Geist erhebende Sache, in den vier Evangelien die Spur des Herrn Jesu in Seinem Dienste zu verfolgen und vom Anfang bis zum Schluss Seiner Geschichte Ihn in dieser Welt sich darstellen zu sehen als den lebendigen Gott; Ihn zu sehen am Grabe des Lazarus, zu hören, wie Er am Kreuze mit einem lauten Schrei den Geist aufgab, zu sehen, wie Er aus dem Grabe auferstand und wie Er hernach den Seinigen den Heiligen Geist mitteilte u. s. w. Wir erblicken den lebendigen Gott auf einem Schauplatz, der vom Tode völlig durchdrungen war. Der Zweck der Epistel an die Hebräer ist in ganz besonderer Weise der, Christum als den lebendigen Gott darzustellen. Der Schreiber ist ganz erfüllt von dem Tode und dem Kreuze Christi. Es würde allerdings nicht die Epistel an die Hebräer sein, wenn sie uns nicht auch Christum in Seiner stellvertretenden Eigenschaft darstellte. Aber obgleich wir das Lamm auf dem Altar sehen, erblicken wir doch gleichzeitig das leere Grab. Wir haben früher einmal bemerkt, dass der Herr selbst der Geschichte Seines Todes stets diejenige Seiner Auferstehung anreiht· An mehreren Stellen lesen wir: „Der Sohn des Menschen wird überliefert werden in der Menschen Hände, und sie werden Ihn töten, und am dritten Tage wird Er auferweckt werden“. Dasselbe haben wir hier, nur in lehrhafter, nicht in geschichtlicher Weise dargestellt. Das Kreuz wird häufig erwähnt, doch stets in Verbindung mit der Himmelfahrt des Herrn. So lesen wir gleich im Eingang unserer Epistel: „Nachdem Er durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht hat“. Wie hat Er diese Reinigung vollbracht? Durch den Tod. Der Tod tritt uns also gleich von Anfang an entgegen; aber unmittelbar daraus hören wir, dass Er „sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe“. Im 2. Kapitel heißt es wieder: „Der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war . . ., so das; Er durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte«. Aber ist das alles? Endet es damit? Nein, Er, der so erniedrigt war, ist jetzt „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“. Was uns in den Evangelien als geschichtliche Begebenheiten mitgeteilt wird, findet sich in dem Briefe an die Hebräer in lehrhafter Form dargestellt. Der Heilige Geist zeigt uns den lebendigen Gott in der Person Jesu. Im 14. Verse des 2. Kapitels heißt es dann noch einmal: „Auf dass Er durch den Tod“ — wieder tritt uns der Tod entgegen – „den zunichte machte, der die Macht des Todes hat“. Sehen wir so nicht aufs neue das leere Grab vor uns und zugleich damit den Altar und das Lamm? Wir gehen in diesem Briefe zu einem leeren Grabe; doch nicht in der Weise, wie „Maria Magdalena und die andere Maria« es taten. Wir setzen voraus, es leer zu finden. Jene treuen Frauen gingen von falschen Voraussetzungen aus; sie meinten, das Grab berge noch den Leib ihres geliebten Herrn. Wir gehen in der Erwartung hin, es leer zu finden, und wir finden es so! Wenn ich im Glauben das Lamm auf dem Altar und das leere Grab erblicke, so nehme ich Besitz von einem siegreichen, unauflöslichen Leben. Das ist das Felsenleben, von welchem der Herr Jesus einst zu Petrus redete (Matth. 16).

In Kapitel 5 haben wir gelesen, dass Er um Seiner Frömmigkeit willen erhört wurde, und gesehen, dass Er in Gethsemane Sein Anrecht an das Leben geltend machte, ein Anrecht, das Er gerechterweise hatte. Aber dann begab Er sich freiwillig dieses Anrechtes und nahm Seinen Platz als Stellvertreter ein. Von Gethsemane ging Er hinauf nach Golgatha. Welch ein wunderbares Schauspiel! Dort in Gethsemane wurde die große Frage von Leben und Tod zwischen Gott und Christo in Ordnung gebracht. „Mein Vater!“ flehte Jesus, »wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Anstatt, wie Er berechtigt gewesen wäre, wieder gen Himmel zurückzukehren, schritt Er auf dem leidensvollen Pfade weiter, auf welchen unsere Sünden Ihn gebracht hatten. Von welch reichem, tiefem Interesse ist alles das für uns!

Auf Golgatha finden wir den Herrn wiederum im Tode; doch in demselben Augenblick, da Er den Geist aufgibt, fühlt alles die Macht des Überwinders. Er stieg in den finstersten Bereich des Todes hinab; doch kaum war dies geschehen, so erfuhr derselbe die Macht des Siegers: die Erde erbebte, die Felsen zerrissen, die Grüfte taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt. Ferner erblicken wir in Johannes 20 nicht nur das leere Grab, sondern auch in dem Grabe die Zeichen des Sieges: „Und Petrus ging in die Gruft hinein und sieht die leinenen Tücher liegen, und das Schweißtuch, welches aus Seinem Haupte war, nicht bei den leinenen Tüchern liegen, sondern besonders zusammengewickelt an einem Orte“. Wir werden nie fähig sein, das Geheimnis des Christus Gottes zu verstehen, wenn wir uns nicht daran erinnern, dass Er als der lebendige Gott sich inmitten des Schauplatzes des Todes befand und dort Siege errang, die Seiner selbst würdig waren. In Seinem Sterben wurde, wie wir gesehen haben, der Vorhang durch Ihn zerrissen; und im Grabe erblicken wir das Schweißtuch besonders zusammengewickelt an einem Orte, um so Kunde von dem errungenen Siege zu geben. Nachher sehen wir Ihn in der Mitte Seiner Jünger, und Er ist genau derselbe lebendige Gott, wie in 1.Mose 1. So wie Gott, das Haupt und die Quelle des Lebens, einst in des Menschen Nase den Odem des Lebens hauchte, So sehen wir in Johannes 20 den Herrn als das Haupt und die Quelle eines unauslöslichen, unzerstörbaren Lebens in Seine Jünger hauchen und hören Ihn sagen: ,,Empfanget den Heiligen Geist«. In unserem Briese trägt Er denselben Charakter: Er hat gerechten Anspruch an das Leben, und Er gibt es uns.

Das ist Sein Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks. Christus hätte, wie bereits bemerkt, von Gethsemane gen Himmel auffahren können; aber Sein Weg zum Himmel führte über Golgatha, und jetzt ist Er droben für uns, und Gott ist zufriedengestellt, ja völlig und für ewig zufriedengestellt. Wie könnte es anders sein? Die Sünde ist hinweggetan, der Tod zunichte gemacht, und Leben und Unverweslichkeit sind ans Licht gebracht. Gott ist vollkommen befriedigt und verherrlicht. Er hat dieser Seiner Befriedigung auch Ausdruck gegeben. Doch wie? Als Christus, angesichts einer Welt, die gesagt hatte: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“, auserstand, begrüßte Gott Ihn mit den Worten: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße“. So gab Gott Seinem Wohlgefallen an einem verworfenen Christus, Seiner vollen Befriedigung in Ihm, Ausdruck. Er setzte Ihn auf Seinen Thron. Und als Christus in einer anderen Eigenschaft, nämlich als Der, welcher das Sühnungswerk vollbracht hatte, gen Himmel fuhr, da führte Gott Ihn mit einem Eidschwur in die höchsten Himmel ein und errichtete ein Heiligtum für Ihn, „die wahrhaftige Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch“. Wäre es möglich, dass Gott uns in einer eindringlicheren Weise hätte zeigen können, mit welch einer Befriedigung Er auf dem ruht, was Christus für uns getan hat?

Und nun lasst mich fragen : Genügen wohl die Dienste eines solchen Hohenpriesters für mich? Wahrlich, sie müssen genügen! Ich stehe in Verbindung mit dem Leben, und jede Frage zwischen mir und Gott ist völlig in Ordnung gebracht. Christus ist der König der Gerechtigkeit und der König des Friedens, und Er stillt alle unsere Bedürfnisse kraft der königlichen Machtvollkommenheit und Fülle Seines Namens.

Sobald in dieser Epistel von dem «lebendigen Gott die Rede ist, sehen wir, dass Er allem, womit Er in Berührung kommt, Leben für die Ewigkeit mitteilt. Sein Thron ist in die Zeitalter der Zeitalter; das sagt uns Kapitel 1. Sein Haus besteht auf immerdar; das sagt uns Kapitel 3. Sein Heil ist ewig; das sagt uns Kapitel 5. Sein Priestertum ist unveränderlich; das sagt uns Kapitel 7. Sein Bund ist ewig; das sagt uns Kapitel 9. Sein Reich ist unerschütterlich; das sagt uns Kapitel 12. Es gibt nichts, mit welchem Er in Berührung käme, dem Er nicht ewige Dauer zuteil werden ließe. -—— Wollten wir der Epistel an die Hebräer einen kurzen Titel geben, so könnten wir ihren Inhalt wohl in die Worte zusammenfassen: „Der gefüllte Altar und das leere Grab“.

Fußnote:

*) MeIchisedek komm: als drittes hinzu (Hebr. 7).

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Vertrautheit und Bekanntschaft

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 45ff

Es besteht ein großer Unterschied zwischen Vertrautheit und bloßer Bekanntschaft. Ich mag die äußeren Verhältnisse und täglichen Umstände eines Menschen sehr wohl kennen, und doch nur sehr· wenig mit ihm persönlich vertraut sein, wie dies z. B. bei Knechten ihren Herren gegenüber der Fall ist. Dieser Unterschied trat während des Wandels unseres Herrn Jesu hienieden sehr deutlich zu Tage. Da gab es solche, die sehr vertraut mit Ihm waren, und solche, die trotz häufigen Verkehrs mit Ihm doch immer in gewisser Entfernung von Ihm blieben.

Der heidnische Hauptmann, das kananäische Weib, oder Maria, die Schwester des Lazarus, weilten verhältnismäßig nur wenig in der Nähe des Herrn. Wir finden nicht, dass sie Ihm folgten, wohin immer Er ging; sie trafen nur, wenn wir so sagen dürfen, gelegentlich mit Ihm zusammen. Wo immer sie jedoch mit dem Herrn in Berührung kamen, zeigte es sich, dass sie ein klares und gesegnetes Verständnis über Ihn besaßen. Ihr Verhalten bewies, dass sie Ihn persönlich kannten, dass sie wussten, wer und was Er in Wahrheit war. Sie machten keine Fehler hinsichtlich Seiner Person, während doch die Apostel, die Tag für Tag Seine Umgebung bildeten, immer wieder verrieten, wie unwissend sie waren und wie wenig sie Ihn zu verstehen und in Seine Gedanken einzudringen vermochten.

Sollte uns das nicht zur Belehrung dienen, Geliebte? Liegt die Gefahr nicht nahe, dass unser äußeres Bekanntsein mit den Dingen Christi viel weiter geht als das wahre Bekanntsein, das Vertrautsein der Seele mit Ihm selbst? Ich mag mich oft mit jenen Dingen beschäftigen, mag Bücher lesen, die von Ihm handeln; ich mag eine eifrige Tätigkeit in irgend einem Teile Seines Dienstes entwickeln, mag über Ihn reden oder gar schreiben — während Andere, wie einst der heidnische Hauptmann, dem allen ferner stehen mögen; und doch ist ihr Wachstum in göttlicher Erkenntnis und in dem lebendigen Verständnis über die Person Christi vielleicht weit mehr gefördert als das meinige. Saul hatte David beständig um sich als seinen Waffenträger; selbst in seinem Hause war er vor ihm, um, so oft er es wünschen mochte, ihm durch sein Lautenspiel Erleichterung zu verschaffen; dennoch kannte Saul David nicht.

Sicherlich liegt hierin eine beherzigenswerte Belehrung für uns. Die Volksmenge, welche dem Herrn auf Schritt und Tritt nachfolgte, mag wohl fähig gewesen sein, selbst einer Maria von Bethanien, falls sie es gewünscht hätte, mancherlei Mitteilungen über Ihn zu machen. Hunderte im Lande, wie auch die zwölf Jünger selbst, hätten ihr erzählen können, was Er getan habe, wo Er umhergereist sei, was Er geredet und welche Wunder Er verrichtet habe. Mitteilungen solcher Art hätten sie gewiss viele machen können, während Maria in dieser Beziehung wohl nur spärlich unterrichtet war. Ihr Wissen ging vielleicht kaum über das hinaus, was sie von der Volksmenge oder von den Jüngern selbst gehört hatte. Doch ich brauche kaum zu sagen, dass diese trotzdem in dem Punkte wahrer Vertrautheit mit Jesu weit hinter Maria zurückblieben.

Und ist es nicht heute auch noch so? Wie viele von uns können in geläufiger Sprache Aufschluss über die Dinge Christi geben und diesbezügliche Fragen ganz richtig beantworten, während die göttlich unterwiesene Seele zu den Füßen Jesu sitzt und in den Dingen selbst weit tiefere Kostbarkeiten findet als wir! Denn das was eine Maria von der Volksmenge oder gar von den Lippen der Apostel hörte, hat sicherlich oft für sie eine ganz andere, tiefer und weiter gehende Bedeutung bekommen, als sie ursprünglich für diejenigen hatte, welche ihr die Mitteilung machten. Ein armes, unbekanntes Weib, welches sich zitternd und zagend und doch mit allem Ernst ihren Weg durch die Volksmenge zu Jesu hin bahnte, mag die Gedanken derer, welche das Vorrecht genossen, in Seiner nächsten Nähe zu weilen, ja selbst die Gedanken eines Petrus, tief beschämt haben (Luk. 8, 45).

Unser Verlangen sollte daher nicht so sehr daraus gerichtet sein, bezüglich des Herrn Jesu möglichst viel zu erfahren, als vielmehr daraus, dass wir von dem, was wir wissen, einen Gott wohlgefälligen Gebrauch machen, indem wir es durch die Kraft des Heiligen Geistes zu einem Gegenstand der Gemeinschaft machen und es dazu benutzen, die erneuerten Zuneigungen unserer Herzen dadurch zu nähren und zu beleben. Dann, und nur dann, erfüllt unser Wissen den von Gott beabsichtigten Zweck. Möchten wir aus Kolosser 3, 16 etwas lernen! Dort heißt es: „Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, in aller Weisheit euch gegenseitig lehrend und ermahnend, mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade«. Ja, lasst Uns mit Fleiß nach Erkenntnis trachten und das „Wort des Christus“, in welchem alle Weisheit ihren Ursprung hat, reichlich in uns wohnen lassen, aber dabei nicht Vergessen, die Zuneigungen der Seele zu nähren. Singen und Spielen des Herzens sollte stets da gefunden werden, wo das Wort der Weisheit und der Erkenntnis wohnt (Eph. 5, 19). Wenn es nicht der Fall ist, so wird die Erkenntnis nicht nur ihres Wohlgeruchs entbehren, sondern es wird ihr auch die Kraft fehlen, um uns und Andere zu erquicken.

Ich brauche wohl kaum darauf hinzuweisen, dass wir deshalb nicht unsere Tätigkeit ausgeben sollten, noch auch die tägliche Gemeinschaft mit den Interessen des Herrn und mit Seinem Volke in dieser Welt. Vollkommenheit besteht darin, Christo ähnlich zu sein; und in Ihm, unserem leuchtenden Vorbilde, finden wir alles angemessen vereinigt: Er war unermüdlich im Dienste, wo und wann immer Seine Hilfe nötig war, doch gleichzeitig stets „im Geiste“, in dem tiefen Bewusstsein der Gegenwart Gottes. Das ist der Weg, auf welchem wir 11nserem großen Vorbilde ähnlicher werden können. Möchten wir denn, indem wir im Dienste nicht ermatten, allezeit in inniger Gemeinschaft, in tiefem, verborgenen Umgang mit dem Herrn erfunden und so mehr und mehr in Sein Bild umgestaltet werden!

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Das Rühmen des Christen

Bibelstelle: Römer 5,1-11

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 48ff

Erst dann, wenn der Sünder die schwere Last der Sünde in der Gegenwart Gottes fühlt, wenn sein Herz, unstät und ruhelos, sich nach Frieden sehnt, lernt er verstehen, dass er der Gnade, und zwar einer vollkommenen Gnade, bedarf, um erlöst zu werden. Wie tief und mächtig muss aber der Eindruck sein, wenn in ein solches Herz durch die wirksame Kraft des Heiligen Geistes das Wort dringt: „Welcher (Christus) unserer Übertretungen wegen dahingegeben, und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“! (Röm. 4, 25.) Dieser kurze und einfache Ausspruch enthält das lieblichste Evangelium für den verlorenen Sünder. Er sieht hier die Gerechtigkeit Gottes, welche er seiner Sünden wegen fürchten muss, auf das Vollkommenste befriedigt. Sie fand ihre Befriedigung in dem Tode eines Anderen, in dem Opfertode Christi auf Golgatha. Statt des Sünders ist die Sünde im Fleische gerichtet worden. „Denn: das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er, Seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte“ (Röm. 8, 3).

So ist denn die Sünde im Fleische gerichtet, aber der Sünder freigesprochen worden. Diese Freisprechung entspricht der Kraft und dem Werte des Opfers Christi; unsere Versöhnung mit Gott ist so vollgültig wie das Blut Jesu, welches für unsere Sünden Vergossen worden ist. Das Bewusstsein und der Genuss der Befreiung mag verschieden sein je nach dem Maße unserer Erkenntnis über das Werk Christi; die Befreiung selbst aber ist stets vollkommen, da sie allein von diesem Werke abhängig ist. Die Auferweckung Christi ist der Beweis, dass die Gerechtigkeit Gottes betreffs unserer Sünden völlig befriedigt ist, und dass wir für immer gerechtfertigt sind. Denn wenn Er unsere Sünden auf sich nahm und für uns zur Sünde gemacht wurde, so konnte Er nur dann wieder auferweckt und zur Rechten Gottes gesetzt werden, wenn diese unsere Sünden, welche Er trug, ganz und gar hinweggetan waren. So lange noch eine Sünde auf Ihm lag, blieb Er dem Tode, als Sold der Sünde, verfallen, und konnte weder auferweckt noch zur Rechten Gottes gesetzt werden. So ist denn Seine Dahingabe in den Tod der Beweis, dass unsere Sünden auf Ihn gelegt wurden, und Seine Auferweckung der Beweis, dass sie für immer gesühnt und hinweggetan sind, so dass wir als Gerechtfertigte vor Gott stehen.

Haben wir den Wert und die Kraft des Opfers Christi für unsere Sünden und die Bestätigung unserer Rechtfertigung durch Seine Auferweckung im Glauben erkannt, so werden wir auch das Bewusstsein in unseren Herzen haben, dass wir völlig mit Gott versöhnt und von unseren Sünden freigesprochen sind; wir sind los vom bösen Gewissen, welches uns bis dahin als Sünder anklagte und verdammte. „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum“ (Kap. 5, 1). Dieser Friede ist die Frucht unserer Rechtfertigung durch den Glauben. Der also Gerechtfertigte befindet sich jetzt ohne Furcht in der Gegenwart Gottes. Der Glaube an Jesum und die Erkenntnis Seines Werkes hat ihn freigemacht. Er kam als Gottloser, aber er kam im Glauben zu Dem, der die Gottlosen rechtfertigt, und sein Glaube« wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. (Röm. 4, 5.) Welch ein Heil für den verlorenen Sünder, wenn er diesen Gott kennen lernt und im Glauben zu Ihm seine Zuflucht nimmt! Es ist ein Akt der Gnade, wenn Gott den Gottlosen freispricht, aber im Hinblick auf das Opfer Christi ist es auch ein Akt der Gerechtigkeit. „Zur Erweisung Seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass Er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesum ist“ (Röm. 3, 26.) „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt“ (1.. Joh. 1, 9.) Gott bleibt also völlig gerecht, wenn Er gnädig ist und den Gottlosen freispricht. Ja, Er erweist Seine Gerechtigkeit darin, dass Er jeden an Christum Glaubenden rechtfertigt. „Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, welcher rechtfertigt“ (Röm. 8, 33). So haben wir denn die Gerechtigkeit Gottes jetzt nicht mehr zu fürchten, sondern wir freuen uns ihrer und preisen sie.

Unsere Rechtfertigung und als Folge dessen unser Friede mit Gott sind also, wie wir gesehen haben, einzig und allein auf das Werk Christi gegründet und nicht etwa, wie manche meinen, auch auf unseren Wandel. „Wir haben Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum“. Aber obwohl das so ist, und obwohl das Maß der Erkenntnis des Christen und sein Wandel nichts mit seiner Rechtfertigung vor Gott zu tun haben, so dürfen wir doch nicht vergessen, dass der friedliche Seelenzustand eines Gläubigen und der Genuss der ihm in Christo geschenkten Segnungen einerseits davon abhängen, inwieweit der Glaube in ihm wirksam ist und ihn die Früchte des Werkes Christi genießen lässt, und andererseits davon, ob er einen Wandel im Licht in Einfalt und Lauterkeit führt. Wo diese beiden Dinge fehlen, da gibt es trotz aller etwa vorhandenen Erkenntnis keine wahre Freude im Herrn; der allen Verstand übersteigende Friede Gottes wird nicht genossen, und statt eines fröhlichen Wachstums in der Gnade zeigt sich ein schwaches, verkümmertes Christentum. Darum gebe uns der Herr neben und mit der klaren Erkenntnis des Heils auch den herzlichen Wunsch, bei Ihm zu verharren und Seinen Namen durch unseren Wandel zu verherrlichen!

Kehren wir nach dieser kurzen Abschweifung zu unserem Kapitel zurück. Der Gläubige ist also in Christo zu Gott gekommen, und ist durch den Glauben des Werkes Christi teilhaftig geworden. Er befindet sich jetzt in einem unergründlichen Meer von Gnade; er besitzt und genießt alles in Christo, „durch welchen wir mittelst des Glaubens auch Zugang haben zu dieser Gnade, in welcher wir stehen“ Welch kostbare Worte! Wir stehen in der Gnade und haben Zugang zu derselben. In Christo haben wir Gnade um Gnade empfangen; in Ihm wohnt die ganze Fülle derselben, und wir besitzen sie in Ihm. Mag es sich handeln um die Herrlichkeit der Gnade Gottes im Blick auf Seine Ratschlüsse, oder um den Reichtum derselben hinsichtlich der Sühnung unserer Sünden durch Sein Blut, wir haben einen völligen Zugang. Wir haben in

Christo eine solche Stellung empfangen, dass wir ihre ganze Fülle und Ausdehnung, jetzt vermittelst des Glaubens und dereinst in der Herrlichkeit, genießen können. Gott selbst ist in Christo unser Zufluchtsort, unsere Wohnung und unsere Ruhestätte geworden. Wollen wir die Tragweite unserer Stellung, in welche die Gnade uns eingeführt hat, verstehen, so müssen wir suchen, die Stellung Christi verstehen zu lernen; „denn gleichwie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt“. Sein Gott ist unser Gott, und Sein Vater unser Vater; ja, wir sind geliebt wie Er. Die Fülle Christi ist das Maß der Gnade, in welcher wir stehen, und die Glaubens-Erkenntnis dieser Fülle ist das Maß des Genusses dieser Gnade.

Durch dieselbe Gnade sind wir auch in die Gegenwart Gottes gebracht als geliebte Kinder, und rufen nun durch den Geist der Kindschaft, den wir empfangen haben: „Abba, Vater!“ Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo (1. Joh. 1, 3). In dieser Gemeinschaft lernen wir erst recht den Reichtum der Gnade verstehen und genießen. Wir sind in Christo immerdar in der Gegenwart Gottes, und sind kraft Seines Blutes stets ohne Sünde darin. Wandeln wir auch hienieden in einer Wüste, so kann unser Herz doch schon in der himmlischen Heimat droben leben. Sind wir auch Fremdlinge auf dieser Erde, so sind wir doch Bürger und Hausgenossen Gottes droben. Werden wir hier auch verkannt und gehasst, von Gott, dem Vater in Christo Jesu, sind wir völlig gekannt und geliebt. Wandeln wir auch durch mancherlei Trübsale, wir finden in allen die Liebe Gottes. Leiden wir auch in den Versuchungen, Jesus, unser treuer und barmherziger Hoherpriester, der selbst in allem versucht worden ist, ausgenommen die Sünde, vertritt uns immerdar und bittet für uns. Er ist unsere Stärke im Kampf, unser Trost im Leid, unsere Freude in der Traurigkeit, unsere Kraft in der Schwachheit. Er leitet und bewahrt uns auf unserem Wege, ja, Er ist durch den in uns wohnenden Heiligen Geist stets mit uns beschäftigt; „durch Ihn haben wir mittelst des Glaubens Zugang zu dieser Gnade, in welcher wir stehen“.

Wie segensreich und köstlich ist die Gewissheit, in einer solchen Gnade zu stehen! Ihr Reichtum entspricht allen unseren Bedürfnissen, und ihre Herrlichkeit lässt uns heute schon die größten und lieblichsten Vorrechte verstehen und genießen· In der Gnade stehen heißt nichts weniger, als in Christo stehen und in Gott ruhen. Hier findet die Seele alles, was sie völlig zu befriedigen und glückselig zu machen vermag.

Doch das ist noch nicht alles. So wie wir bezüglich der Gegenwart in der Gnade stehen und frei und ungehindert von ihren unermesslichen Schätzen Gebrauch machen können, so rühmen wir uns im Blick auf die Zukunft eines überaus herrlichen Teiles: „Wir rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“. Was wir durch alle eigenen Anstrengungen niemals erlangen konnten, das haben wir in Christo umsonst gefunden. Der Sünder hatte nichts anderes zu erwarten als die Verdammnis; aber in Christo ist er von der seligsten und überschwänglichsten Hoffnung erfüllt. „Er rühmt sich in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ Es gibt keine höhere und vollkommenere Herrlichkeit als die Herrlichkeit Gottes; und diese ist in Christo unser Teil geworden. Wir sind Kinder Gottes; wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi. Wie süß ist dieses Bewusstsein und wie selig ein solches Rühmen! Gott hat denen, die Ihn lieben, eine Herrlichkeit bereitet, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, und die in keines Menschen Herz gekommen ist. Wir sind die, welche nichts haben, und doch alles besitzen. Wir haben in Christo jetzt schon die göttliche Gerechtigkeit und werden bald mit Ihm die Herrlichkeit Gottes teilen; jene besitzen wir durch den Glauben, diese in Hoffnung, und unsere Teilnahme an beiden ist das Ergebnis des Werkes Christi. Darum haben unser Glaube und unsere Hoffnung auch einen so festen Grund. 54

Wir rühmen uns dessen, was wir schon besitzen oder bald wirklich und vollkommen besitzen werden. Wir sind mit Christo eins gemacht ; wir sind Glieder Seines Leibes und also ein Teil von Ihm, und werden darum alles mit Ihm genießen. Er ist zur Rechten der Majestät Gottes erhöht und jetzt schon mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Stephanus sah bei seiner Steinigung die Herrlichkeit Gottes, und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen. Dies bestätigt die Gewissheit unserer Hoffnung, weil wir Sein Leib sind. Aber wir haben auch den Geist Gottes, durch welchen wir, nachdem wir geglaubt haben, versiegelt worden sind, als Unterpfand unseres Erbes empfangen „bis zur Einlösung des erworbenen Besitzes“. So ist denn die Herrlichkeit Gottes das Ziel unserer Berufung. Sie ist unser Teil geworden durch das vollkommene Werk Christi. Seine Verherrlichung zur Rechten Gottes und die Gabe des Heiligen Geistes verbürgen uns ihren Besitz, so dass wir uns ihrer jetzt schon in Hoffnung rühmen können. Alles das lässt uns erkennen, wie sehr wir Ursache haben, den Ruhm unserer Hoffnung bis ans Ende· standhaft festzuhalten. Wir erwarten die Ankunft Christi zu unserer Aufnahme in Seine Herrlichkeit. So lange dieses Warten und dieser Ruhm unsere Herzen erfüllen, werden wir gern alles Irdische ausschlagen, um mit Christo alles zu genießen. In dem Lichte dieser Hoffnung und dieser Herrlichkeit wird

uns alles, was hienieden ist, in seiner wahren Gestalt erscheinen: als Dreck und Verlust (Phil. 3). Die Wahl zwischen, einem kostbaren, strahlenden Edelstein und dem schmutzigen Kot der Straße ist nicht schwer.

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Nimm hin was dein ist

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 55ff

Nimm hin was dein ist, Gott nimm`s hin,

ich will mich nicht drum grämen

was von Dir kommt ist mir Gewinn,

Dein Geben und Dein Nehmen.

Ich lege auf den Brandaltar

das Liebste Dir zum Opfer dar,

ein Stück von meinem Herzen.

Es kam von Dir und blieb auch dein,

und soll nun Dein auf ewig sein;

hilf Du es mir verschmerzen.

Ich geb es Dir, und sage nicht,

dass Du es mir entrissen;

vom Unmut, der Dir widerspricht,

lass doch mein Herz nichts wissen;

das Murren, das den Schmerz vergällt

und Dir, was Dein ist vorenthält,

lass nie ins Herz sich setzen!

Was ich Dir gab, dafür gib mir

Ein desto größeres Teil an Dir

und Deinen Gnadenschätzen.

Du nahmst es hin; ach Herr es ist

bei Dir wohl aufgehoben;

obschon mein Aug in Tränen fließt,

muss ich Dich dennoch loben.

Das „Dort“ ist besser als das „Hier“,

und komm ich selber einst zu Dir,

es wird mich nie gereuen,

dass ich Dir`s hingab, als Du kamst

und das, was Dein ist, wiedernahmst;

O nein, es wird mich freuen.

Den Glaubenden bitt` ich nur für mich,

so lang ich hier muss wallen,

der alle Deine Wege sich

von Herzen lässt gefallen;

der über all Dein Tun Dich preist,

der alles gut und löblich heißt,

und traut Dir unbeweglich;

Der still sich in den Schoß Dir legt,

der, was Du auflegst, willig trägt,

dem nichts ist unerträglich.

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 57ff

Kapitel 8.

Wir hatten unsere Betrachtung bei Vers 7 von Kapitel 6 unterbrochen und waren von da auf Kapitel übergegangen. Lesen wir jetzt das Ende von Kapitel 6 und in Verbindung damit Kapitel 8. Bevor wir jedoch mit der Lehre der Epistel fortfahren, wollen wir noch einen kurzen Blick auf den ermahnenden Zwischensatz (wie wir ihn nannten) von Kapitel 6 werfen. Dieser Zwischensatz beginnt mit dem 11. Verse des 5. Kapitels und geht fort bis zum Ende von Kapitel 6. Wir haben bereits bemerkt, dass dasjenige, was der Apostel bei den gläubigen Hebräern befürchtete, kein Übel fleischlicher Art war, wie bei den Korinthern, sondern dass er vielmehr hinsichtlich der Lehre Befürchtungen hegte. Wir nehmen auch heute unter den Gläubigen ähnliche Unterschiede wahr. Da gibt es solche, deren Neigungen denen der Korinther gleichen, während Andere mehr in die Fehler der Galater verfallen. Was der Apostel für die Hebräer befürchtete, war, dass sie Christum als den Gegenstand ihres Vertrauens aufgeben möchten.

Doch wohin sucht Gott unsere Herzen durch die Belehrungen Seines Knechtes zu führen? Wir lesen im 7.

Verse: „Denn das Land, welches den häufig über dasselbe kommenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt für diejenigen, um derentwillen es auch bebaut wird, empfängt Segen von Gott“. Das ist nicht Gesetz sondern Gnade. Mose vertrat den Grundsatz des Gesetzes, der Herr Jesus führte den Grundsatz der Gnade ein; und Freude, Friede, Dankbarkeit, Liebe usw.. sind die kostbaren Kräuter, welche einer solchen Bebauung des Bodens entsprechen. Wie steht nun deine Seele Gott gegenüber, mein lieber Leser? Hast du Ihn von dein Standpunkt des Gesetzes oder der Gnade ans kennen gelernt? Steht die Gemeinschaft deiner Seele mit Gott ans dem Boden der Freiheit der Gnade, oder in der Furcht des kommenden Tages des Gerichts? Wenn das letztere der Fall ist, so kann kein Kraut hervorkommen, welches für Ihn, der das Land bebaut, passend wäre. Dornen und Disteln sind das Erzeugnis der Natur. Sie sind das natürliche Erzeugnis eines verderbten Bodens, sei es die Erde, auf welcher ich mich befinde, oder das Herz, das ich in mir trage. Wenn ich z. B. in einer gesetzlichen, selbstgerechten Gesinnung handle, indem ich Gott als einen Richter betrachte, so entspricht das ganz und gar meiner verderbten Natur. Aber was hervorkommt, ist nichts wie Dornen und Disteln. Wandle ich jedoch als einer, der auf das Heil Gottes sein Vertrauen gesetzt hat, in kindlicher Zuversicht mit Gott, so bringt das Land nützliches Kraut hervor für denjenigen, der es bebaut.

Nun, der Apostel war im Blick auf die gläubigen Hebräer von diesen „besseren Dingen überzeugt“ (V. 9)

Aber worauf gründete er seine Überzeugung? Nicht so sehr auf die Einfalt, in welcher sie die Gnade angenommen hatten, als vielmehr aus die Früchte der Gerechtigkeit, die sich unter ihnen zeigten (V. 10). Und in der Tat, es sind schöne Früchte,- die in Verbindung mit dem Heil gezeitigt werden; sie machen zwar nimmer das Heil aus, aber sie begleiten es. Deshalb sagt der Apostel, indem er jene liebliche Fruchtbarkeit bei den Hebräern gewahrt: „Wir sind aber in Bezug auf euch, Geliebte, von besseren und mit der Seligkeit verbundenen Dingen überzeugt, wenn wir auch also reden“. Mit anderen Worten: Wir erheben wohl einen ernsten Warnungsruf, aber er ist nicht unmittelbar für euch bestimmt; wir sind überzeugt, dass das Werk in euch echt ist, da es die Spuren des göttlichen Meisters an sich trägt und Beweise für seine Echtheit erbracht hat.

Nachdem der Apostel diesen Boden einmal betreten hat, verfolgt er den Gegenstand bis zum Ende des Kapitels und nimmt erst mit dem 7. Kapitel seine Belehrung wieder auf. Er bittet die Gläubigen fortzufahren, den Heiligen zu dienen. Zwei Dinge sind es, zu welchen die Erkenntnis Christi die Seele führt: zunächst zu einer verborgenen Gemeinschaft des Herzens mit Ihm und dann zu praktischer Energie im christlichen Wandel und in der christlichen Treue. „Wohlan denn“, sagt der Apostel gleichsam, „fahret fort mit der Ausführung des schönen, praktischen Werkes, das ihr angefangen habt! Werdet nicht träge, sondern seid „Nachahmer derer, welche durch Glauben und Ausharren die Verheißungen ererben“.“ Dann

erinnert er an Abraham als jemanden, dessen Hand bis zum Ende hin nicht erschlaffte. Abraham erhielt nicht nur die Verheißung in 1. Mose 15, sondern .ging im Ausharren voran, bis sie ihm durch einen Eid bestätigt wurde. (1. Mose 22.) So sind auch wir nicht nur zum Glauben berufen, sondern auch zum Ausharren des Glaubens. Vielleicht haben wir einen Trost, aber doch noch keinen starken Trost. Abraham empfing einen Trost in 1. Mose 15 und einen starken Trost in 1. Mose 22. Wir machen ähnliche Erfahrungen. Ein Gläubiger sagte einmal zu mir: „In meiner letzten Krankheit brachte der Herr mich so nahe zu sich selbst, dass ich das Gefühl hatte, als hätte ich nie zuvor Glauben gehabt“.

Der Apostel wünscht sehnlich, dass wir dem Abraham in 1. Mose 22 gleichen möchten, „damit wir einen starken Trost hätten, die wir Zuflucht genommen haben zum Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung“. Diese Schriftstelle wird sehr oft falsch angewandt. Es handelt sich hier nicht um einen Sünder, der zu dem Blute des Lammes seine Zuflucht nimmt, sondern um einen Gläubigen, der sich von den Trümmern aller irdischen Erwartungen zu der Hoffnung der Herrlichkeit flüchtet. Wie steht es in dieser Beziehung mit uns, Geliebte? Prüfen wir uns ernst und ausrichtig! Befinden wir uns, du und ich, auf dem Wrack alles dessen, was diese Erde zu bieten vermag? Sind wir in diesem Sinne Schiffbrüchigen gleich, die mit Sehnsucht nach dem Retter ausschauen? Oder tragen wir uns betreffs der Zukunft noch mit allerlei Hoffnungen, die sich mit der Erde verbinden? Erwarten wir noch etwas von „morgen“? Abraham war ein Mann, der jede irdische Erwartung ausschlug, sich von allen irdischen Aussichten abwandte, um die vor ihm liegende Hoffnung der Herrlichkeit zu ergreifen. „Er erwartete die Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ Vergessen wir nicht, dass der Apostel hier von dem Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung spricht; er sagt nicht: ergreifet das Kreuz. Das Wort Gottes hat eine Gründlichkeit und Tiefe, die sehr oft unserer Aufmerksamkeit entgeht.

Der Schreiber kehrt hierauf zu den levitischen Vorbildern zurück, indem er die vor uns liegende Hoffnung

einen sicheren und festen Anker der Seele nennt, der in das „Innere des Vorhangs“ hineingeht. Mein Leser! geht deine Hoffnung in das Innere des Vorhangs hinein? Setzest du nicht doch wohl noch in der einen oder anderen Weise Hoffnung auf „morgen“? Soll dir der morgige Tag nicht bringen, was dir der heutige versagt hat? Sage mir ehrlich: Was ist der Gegenstand deiner Erwartung? Wem hängt dein Herz nach? Ist es die Hoffnung auf die Wiederkehr Christi, oder hegst du noch Erwartungen für den morgigen Tag? - Das sind ernste, herzerforschende Fragen, nicht wahr? Aber lass uns ihnen nicht ausweichen!

„Wohin Jesus als Vorläufer für uns eingegangen ist“, heißt es dann weiter. Der Herr Jesus wird hier in einer anderen und neuen Eigenschaft vor unsere Blicke gestellt. Nicht nur ist Er als Hoherpriester für uns im Himmel, sondern Er ist auch hingegangen, um droben bei sich selbst eine Stätte für uns zu bereiten, O wenn wir doch die Herrlichkeiten des gegenwärtigen Zeitabschnittes, der jetzigen Haushaltung Gottes, besser entfalten könnten! Sie ist voller Herrlichkeiten. Jesus befindet sich jetzt im Himmel in der Herrlichkeit eines Vorläufers, eines Hohenpriesters, des Reinigers unserer Sünden u. s. w. Er thront dort, mit strahlenden Herrlichkeiten umgeben. In den Himmeln des tausendjährigen Reiches wird Er sich mit anderen Herrlichkeiten bekleiden; auch wird Er dann auf der Erde König der Könige und Herr der Herren sein. Jetzt ist Er das nicht; aber es gibt andere Herrlichkeiten, in welchen das Auge des Glaubens Ihn jetzt

schaut. Gehen wir denn hin und sinnen, demütigen Herzens, über die Herrlichkeiten nach, die „dem Ende dieser Tage“, wie sie in dieser Epistel genannt werden, angehören!“

Wir kommen nunmehr zu Kapitel 8. Es beginnt mit den Worten: „Die Summe dessen aber, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln, ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch“. Welch erhabene Worte! Was für Herrlichkeiten waren es, welche die Himmel in den Tagen der Schöpfung erfüllten? Die Sonne, der Mond und die Sterne wurden von Gott „an die Ausdehnung des Himmels“ gesetzt (1. Mose 1, 17). So hat Gottes eigener Finger „die gegenwärtigen Himmel“ geschmückt. Und erglänzen sie nicht heute noch in diesem ihnen von Gott verliehenen Schmuck? Aber wenn Gottes Finger die äußeren sichtbaren Himmel mit Herrlichkeiten geschmückt hat, so hat Seine Gnade die inneren Himmel mit Herrlichkeiten bekleidet. Eine dieser Herrlichkeiten ist die Hütte, welche der Herr dort errichtet hat. Christus kam aus dem Schoße des Vaters herab, um Gott auf Erden zu verherrlichen. Könnte es irgend eine Herrlichkeit geben, die zu leuchtend wäre, um einen solchen Christus mit ihr zu bekleiden? Welch einen Verkehr sehen wir hienieden zwischen Gott und Seinem Christus, zwischen dem Vater und dem Sohne! Und unter den Herrlichkeiten, die Ihn droben erwarteten, befand sich ein Tempel, der durch den Herrn selbst errichtet worden ist. Bei der Schöpfung hat Gott der Sonne in den Himmeln ein Zelt gesetzt. (Ps. 19.) Bei der Erlösung hat Er eine Hütte für den Hohenpriester errichtet; und Christus sitzt dort an der Stätte höchster Ehren. Christus konnte hienieden kein Priester sein. Der Platz war nach göttlicher Anordnung besetzt. Man hat (eigentlich törichterweise) gesagt, Christus hätte nicht in das Allerheiligste eintreten können. Gewiss konnte Er das nicht, weil Er aus dem Stamme Juda war. Zudem war Er nicht gekommen, um Gottes Anordnungen zu verändern, sondern um alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Was hätte Er auch in dem Allerheiligsten tun sollen? Wenn ein Priester aus dem Stamme Levi Ihn dort gefunden hätte, so würde er berechtigt gewesen sein, Ihn hinauszuweisen. Der Sohn Gottes hatte sicherlich ein Recht auf alles, aber Er war in Unterwürfigkeit gekommen als ein Diener, der sich selbst entäußert hatte. Drängte Er sich wohl den beiden Jüngern von Emmaus auf? Noch viel weniger wollte Er, der ein Sohn Judas war, in die Wohnung Gottes eindringen.

Stehen wir hier einen Augenblick still. In diesem Briefe muss uns unwillkürlich eine Sache ausfallen; es ist

diese: von Anfang bis zu Ende nimmt der Geist Gottes einen herrlichen Gegenstand nach dem anderen auf und setzt ihn beiseite, um Raum für Christum zu machen, und wenn Er dann Raum für Christum gemacht und Ihn eingeführt hat, so prägt Er Sein Bild in unverwischbaren Zügen in unser Herz. Alles verschwindet, nur Christus bleibt. So verhält es sich ja auch im Blick auf uns. Hat Gott uns nicht beiseite gesetzt und Christum an unserer Stelle eingeführt? Der Glaube beugt sich anbetend davor nieder. Ja, Gott hat dies hinsichtlich jeder gläubigen Seele wahr gemacht. —— Doch betrachten wir ein wenig jene einzelnen Gegenstände. In Kapitel 1 werden die Engel beiseite gesetzt. „Zu welchem der Engel hat Er je gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße“?“ O wie der Glaube diesem Ausspruch zustimmt! Und wie die Engel ihm zustimmen! Dann wird Moses beiseite gesetzt. „Moses zwar war treu in seinem ganzen Hause als Diener . . . . Christus aber als Sohn über Sein Haus“ (Kap. 3, 5. 6). Wir können wohl von Mose scheiden, wenn wir Christum dafür erhalten haben, gerade so wie der arme Eunuch von Philippus scheiden konnte, weil er Jesum gefunden hatte. In Kapitel 4 kommen wir zu Josua. Doch auch er wird beiseite gesetzt. „Denn wenn Josua sie in die Ruhe gebracht hätte, so würde er darnach nicht von einem anderen Tage geredet haben.“ Christus tritt als der wahrhaftige Josua vor uns, der uns wirkliche Ruhe gibt. Dann wird Aaron beiseite gesetzt, um das Priestertum Christi an seine Stelle treten zu lassen: und dieses Priestertum ist ein ewigwährendes. Auch ist Er der Verwalter eines besseren Bundes. Der alte Bund wird hinweggetan, weil er nur ein Schatten war

und Christus mit ihm nichts zu tun hatte. Und so geht es weiter, bis wir am Schluss die herrlichen Worte lesen, welche als der eigentliche Text der Epistel gelten könnten: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“. Wenn Er eingeführt wird, so kann es nur in diesem Charakter sein, als „Derselbe in Ewigkeit“. Wie herrlich ist es, daran zu denken, dass Gott unseren hochgelobten Herrn eingeführt hat, um durch Ihn alles andere hinwegzutun! Das ist wahre Vollkommenheit; denn Gott hat in Ihm Seinen Ruheort gefunden. Wie Gott vor alters nach der Schöpfung geruht hat, so ruht Er jetzt in Christo, und das ist eine vollkommene Ruhe, die nie wieder gestört werden kann. Und wenn wir, du und ich, wirklich verstehen, wohin wir gebracht sind, so atmen wir die Atmosphäre der Vollkommenheit ein, wir genießen ein für ewig vollbrachtes Werk, den wahren Sabbat der Ruhe. Kein Teil der Schrift, dürfen wir wohl sagen, enthält eine solche Fülle der herrlichsten Glanzpunkte wie die Epistel an die Hebräer. Sie berichtet von unbeschreiblichen und unvergleichlichen Herrlichkeiten und ist von unermesslichem Werte für das Gewissen des aus seinem Schlafe erwachten Sünders. In ihr atmen wir gleichsam die Luft des Himmels selbst; und es ist das Vorrecht der glaubenden Seele, das zu tun. Wenn ich es nicht tue, sollte ich mir dann mein Vorrecht aus dem Grunde verdunkeln lassen, weil meine Erfahrung noch so arm und schwach ist? "

Am Schlusse des 8. Kapitels wird, wie bereits bemerkt, der erste Bund beiseite gesetzt. Der Bund, dessen

Diener Christus ist, kann nimmer veralten. Er wird gekennzeichnet durch die Worte: „Eure Sünden will ich

vergeben, eurer Gesetzlosigkeiten nie mehr gedenken“. Auf dem Antlitz dieses Bundes zeigt sich keine Runzel, über seiner Stirn kein graues Haar.

Wie schon früher einmal gesagt, gibt der Herr allem, was Er berührt, vor Gott eine ewige, unveränderliche Gestalt; allem, was Er in die Hand nimmt, verleiht Er Vollkommenheit. Alles räumt Ihm die Stelle ein; aber es gibt nichts, vor welchem Er jemals wieder den Platz räumen würde. Und möchten wir es anders haben? Wünschte nicht Johannes der Täufer, dass es so sein möchte? Als seine Jünger kamen und zu ihm sagten: „Rabbi, der jenseits des Jordan bei dir war, dem du Zeugnis gegeben hast, siehe, der tauft, und alle kommen zu Ihm“, da antwortete er: „Der die Braut hat ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der da steht und Ihn hört, ist hoch erfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude ist nun erfüllt. Er muss wachsen, ich aber abnehmen“ (Joh. 3, 26 — 30). Das sollte auch der unwillkürliche Ausdruck deines und meines Herzens sein, mein Leser. Und sicher, wenn wir der Wirksamkeit des Geistes in unseren Herzen Raum geben, so werden auch wir jubelnd sagen: „Gott sei ewig gepriesen! Er hat mich beiseite gesetzt, um Christum einzuführen“. So besteht denn eine wunderbare Übereinstimmung zwischen dem, was wir hier gefunden haben, und der Erfahrung unserer eigenen Seelen. Ja, wir werden mit diesen Herrlichkeiten nie zu Ende kommen, bis wir uns über kurz oder lang in ihr Meer verlieren, in ein Meer ohne Ufer, in unermessliche Fluten, welchen keine Küste Schranken setzt!

Kapitel 9—10, 18.

Indem wir den Aufbau der Epistel weiter verfolgen, wollen wir jetzt Kapitel 9 und die ersten 18 Verse von

Kapitel 10 lesen. Es ist dies der letzte Abschnitt des belehrenden Teiles der Epistel; Von da ab bis zum Ende haben wir hauptsächlich Ermahnungen. Der genannte Abschnitt enthält eine Schlussfolgerung und eine Beweisführung.

Verweilen wir noch einige Angenblicke bei dem Aufbau der Epistel. Da möchte ich denn zunächst fragen: Hast du schon einmal darüber nachgedacht, geliebter Leser, wie sich die dem Herrn Jesu zugehörenden Herrlichkeiten von einander unterscheiden? Es gibt drei Arten von Herrlichkeiten, die mit Ihm verbunden sind; ich möchte sie nennen: moralische Herrlichkeit, persönliche Herrlichkeit und amtliche Herrlichkeit. Von der Krippe bis zum Kreuze erblicken wir die Darstellung der erstgenannten Herrlichkeit. Dann, am Ende der Tage, hat der Herr einige Seiner amtlichen Herrlichkeiten ans Licht gestellt, und bald, während des tausendjährigen Reiches, wird Er diese Herrlichkeiten noch völliger entfalten. Die Propheten vor alters redeten von Seinen Leiden und den Herrlichkeiten, welche hernach folgen sollten, nicht nur von Herrlichkeit. Doch Seine persönliche Herrlichkeit bildet die Grundlage aller anderen Herrlichkeiten. Welch ein erhabener Gegenstand für unser beständiges Sinnen: die Herrlichkeiten des Herrn Jesu vom Schoße der Jungfrau bis zu dem Throne Seiner Macht im tausendjährigen Reiche! Sein ganzes Leben hindurch offenbarte Er Seine moralischen Herrlichkeiten: Liebe, Güte, Demut, Sanftmut, Reinheit, Geduld usw.. Den Schauplatz der Darstellung dieser Herrlichkeiten hat Er jetzt verlassen und Seinen Platz im Himmel eingenommen; doch das hat Ihm nur Gelegenheit geboten, andere Herrlichkeiten zu entfalten. Die vier Evangelien berichten uns, wie Seine moralischen Herrlichkeiten hienieden zur Darstellung kamen. In dem Briefe an die Hebräer sehen wir Ihn im Himmel inmitten einer Reihe von amtlichen Herrlichkeiten. In anderen Teilen der Schrift lesen wir von den .Herrlichkeiten, die Seiner für die Zukunft warten. Aber wo irgend wir Ihn erblicken mögen, überall finden wir Ihn als den Mittelpunkt eines Systems von Herrlichkeiten. In den beiden Kapiteln, welche wir augenblicklich betrachten, wird uns Sein Werk auf dem Kreuze beschrieben, und mitgeteilt, wie Er durch dieses Werk den Grund zur Entfaltung aller Seiner jetzigen Herrlichkeiten legte. In den ersten acht Kapiteln erschienen die verschiedenartigen Stellungen und Beziehungen, in welchen der Herr Jesus jetzt im Himmel ist, vor unseren Blicken, und nun begegnen wir in den Kapiteln 9 und 10 einer Darstellung der Vollkommenheit des Lammes auf dem Altar, als der Grundlage, auf welcher alle jene Beziehungen ruhen.

Ist der Ausdruck: „Vollendung der Zeitalter“, oder „Ende der Zeitalter“ (1. Kor. 10, 11) jemals ein Gegenstand deines Nachdenkens gewesen, mein Leser? Aus welchem Grunde nennt wohl der Geist die Zeit, in welcher wir leben, das „Ende der Zeitalter“? Es werden den gegenwärtigen Tagen doch noch andere Tage und Zeiten folgen; warum also spricht Er von der „Vollendung“ oder dem „Ende“? Die Ursache ist eine gar kostbare und liebliche: Gott ist jetzt vollkommen befriedigt und verherrlicht; Er ruht in dem vollbrachten Werke des Herrn Jesu, und zwar so vollkommen, wie Er nach der Schöpfung in der Vollkommenheit Seines eigenen Werkes geruht hat. Nicht dass in der Entwicklung der Haushaltungen Gottes nicht noch andere Zeitalter kommen würden; es wird so sein, aber trotzdem steht der Geist nicht an, die jetzige Zeit das „Ende der Zeitalter“ zu nennen. In allem, was der Herr tat, hat Er Gott befriedigt; Sein Werk ist vollbracht, und nichts ist in dieser Beziehung zu tun übriggeblieben. Er hat alles, mit dem Er sich beschäftigt hat, zur Vollkommenheit gebracht und verleiht ihm ewigen Bestand. Seitdem Christus eingeführt ist, ist alles andere beiseite gesetzt, und über Ihn hinausgehen keinerlei Erwartungen. „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“. Nun, von dem Augenblick an, da Gott einen Gegenstand findet, in welchem Er wirklich ruhen kann, ist Vollkommenheit erreicht, und sobald Vollkommenheit erreicht ist, befinde ich mich am Ende der Tage. Gott ruht mit Wohlgefallen in Seinem Geliebten, und auch ich bin dort in Ruhe gesetzt. Wohl mag Christus in den kommenden Zeitaltern des tausendjährigen Reiches Seine Herrlichkeit zu weiterer Entfaltung bringen; aber es wird derselbe Christus sein, den wir jetzt haben.

Sollte ich mich also zu Mose oder zu Josua wenden? Ach nein; beide sind, im Vergleich mit Christo, nur „armselige Elemente“. In dem herrlichen Lichte, das von Ihm ausstrahlt, erblassen und verschwinden alle, einer nach dem anderen; aber sobald Er in die Gedanken Gottes eingeführt wird, bildet Er den Gegenstand, in welchem Gott ruht. Und wenn wir verstehen, wo wir uns jetzt durch den Glauben befinden, werden wir sagen: wir genießen den zweiten Sabbat Gottes; und wie weit der erste Sabbat vor dem zweiten in den Hintergrund tritt, das haben wir weiter oben bereits gesehen. Die Ruhe des Erlösers ist weit gesegneter als die Ruhe des Schöpfers. In Christo sind wir zur Vollkommenheit, zur Ruhe Gottes gelangt.

Wenn wir jetzt zu den Kapiteln 9 und 10 kommen, so finden wir dort Christum nicht eigentlich im Himmel, sondern als Opfer auf dem Altar. Die Herrlichkeiten, die Ihn jetzt umgeben, find uns alle, eine nach der anderen, vorgestellt worden: die Herrlichkeit Seines Priestertums, die Herrlichkeit Dessen, welcher die Reinigung unserer Sünden gemacht hat, die Herrlichkeit des zuvor bestimmten Erben der zukünftigen Welt, des Apostels des Heils, des Verwalters des Bandes, der nimmer veraltet, des Gebers des ewigen Erbteils u. s. w. In den Kapiteln 9 und 10 tritt das Kreuz, die Grundlage von allem, vor unsere Blicke. Wie gesegnet ist es, in den vier Evangelien den Pfad Seiner moralischen Herrlichkeit zu verfolgen! Waltete der Herr Jesus, während Er hienieden war, eines Amtes? Nein; Er war hier in Unterwürfigkeit und Niedrigkeit. Aber nachdem wir Ihn so angeschaut haben, werden wir aufgefordert, unsere Blicke emporzurichten Und was erblicken wir nun? Sehen wir Ihn droben auch noch Seine moralische Herrlichkeit entfalten und als ein duftender Wohlgeruch vor Gott wandeln? Nein, nicht eigentlich; droben sehen wir Ihn vielmehr als Einen, dem der Platz zur Rechten der Majestät mit einem Eide zuerkannt worden ist, der dort thront inmitten glorreicher Herrlichkeiten; wir erblicken Ihn als Den, welchem das völlig befriedigte, nie bereuende Herz Gottes diesen Platz gegeben hat. Als Adam in den Garten Eben eingeführt wurde, geschah es, um ihn auf die Probe zu stellen, ob er seinen Platz als ein abhängiges Geschöpf bewahren würde. Er bestand die Probe nicht, sondern unterlag der Versuchung und verlor alles. Christus aber ist droben eingeführt worden mit den Worten: „Der Herr hat geschworen, und es wird Ihn nicht gereuen: „Du

bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks“.“

Doch betrachten wir noch ein wenig die Vollkommenheit Seines Werkes als Lamm Gottes. Christus würde Seine moralische Herrlichkeit nicht vollkommen dargestellt haben, wenn Er nicht an das Kreuz gegangen und dort gestorben wäre. Als Er am Fluchholze hing und über Sein blutendes Haupt die Inschrift in allen Sprachen gesetzt wurde: „Dieser ist der König der Juden“, da wünschten die Juden, dass die Inschrift geändert werde. Aber Gott ließ es nicht zu. Er wollte, dass der ganzen Schöpfung kundgegeben wurde, dass Christus durch das Kreuz ein Anrecht an das Reich habe. So war denn die Inschrift, welche Pilatus, ohne dass er wusste, was er tat, über das Kreuz setzte, sehr bedeutungsvoll und herrlich.

Wenn nun aber das Kreuz, dieser Inschrift entsprechend, die Grundlage der Herrlichkeit bildet, was ist es denn, das dem Kreuze selbst seinen Wert und seine Bedeutung verleiht? Dieses Geheimnis wird in den beiden Kapiteln, welche wir betrachten, geoffenbart: Wenn das Kreuz die Grundlage unserer Hoffnungen

bildet, so verleiht die Person Dessen, der dort hing, dem Kreuze seine wunderbare Bedeutung. Mit anderen Worten: Der Wert des Kreuzes gründet sich auf die persönliche Herrlichkeit des Gekreuzigten. Wäre Jesus weniger gewesen als Gott, geoffenbart im Fleische, so würde alles, was Er getan hat, nicht mehr Wert gehabt haben als Wasser, das man aus den Boden gießt. Die Grundlage all jener gewaltigen Geheimnisse Seiner amtlichen und ewigen Herrlichkeiten, oder Seiner Herrlichkeiten, die mit dem tausendjährigen Reiche in Verbindung stehen, bildet das Kreuz, und der ganze wunderbare Wert des Kreuzes liegt in Seiner Person. Sein Werk ist deshalb so groß und herrlich, weil Er es vollbracht hat.

Diese Wahrheit wird in den Kapiteln 9 und 10 mit überwältigender Kraft und Klarheit entwickelt. Im alten Bunde befand sich ein Vorhang zwischen der Stätte, wo der Priester seinen Dienst verrichtete, und dem geheimnisvollen Wohnort Gottes. Durch diesen Vorhang wurde ausgedrückt, dass in jenem Zeitalter dem Sünder kein Zutritt zu Gott gestattet war. Gab es denn damals keine Opfer? Das wohl, und der Altar Gottes nahm sie auch an; aber es waren „Gaben und Schlachtopfer, die dem Gewissen nach den nicht vollkommen machen konnten, der den Gottesdienst übte“. So lesen wir in Kapitel 9, 9; aber nachdem der Apostel das gesagt hat, tritt plötzlich Christus selbst in herrlicher Weise vor seine Seele: „Christus aber, gekommen usw., und reißt sie zu einem Ausdruck der Bewunderung hin: „Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren . · . . zur Reinigkeit des Fleisches heiligt, wieviel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, eure Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“

Wenn wir uns die alte Stiftshütte mit ihren Bestandteilen vergegenwärtigen und uns daran erinnern, dass all das Blut von Stieren und Böcken, welches einst geflossen ist, nicht eine einzige Seele in die Gegenwart Gottes zu bringen vermochte, so wenden wir uns von der Armseligkeit aller dieser Dinge ab und rufen, indem wir unseren Blick auf die Vollgültigkeit des Blutes Jesu richten, frohlockend mit dem Apostel aus: „Wieviel mehr wird das Blut des Christus unsere Gewissen reinigen!“ Das ist die Weise, in welcher wir zum Kreuze kommen müssen, geliebter Leser; indem wir alle zweifelnden Überlegungen beiseite tun, verlieren wir uns in Bewunderung und Anbetung. Dahin geht auch die Wirksamkeit des Geistes Gottes: Er nimmt uns sanft und freundlich bei der Hand, führt uns zum Altar auf Golgatha und sagt uns, wer das Opfer ist, dessen Blut dort für uns floss. Wahrlich, wir sollten uns willig und dankbar von Ihm führen lassen!

Niemand, außer unserem hochgelobten Herrn, hätte je sagen können: „Ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun«. Er allein war völlig frei. Wer von uns ist irgendwie zu einem Willen berechtigt? Wer von den Engeln, und wäre es selbst ein Gabriel oder ein Michael? Gottes Wohlgefallen zu tun ist das, was den Engeln obliegt; aber hier sehen wir jemanden, der sich selbst ohne Flecken Gott opfern konnte. ,,Wie viel mehr« also wird ein solches Opfer unsere Gewissen reinigen und uns in die Gegenwart des lebendigen Gottes führen! Sicher ist es darum auch wohlberechtigt, wenn wir bei der Betrachtung der amtlichen Herrlichkeiten Christi sagten, dass das Kreuz die Grundlage aller dieser Herrlichkeiten bilde. Doch mehr noch: so lange eine Seele die persönliche Herrlichkeit des Herrn nicht kennt, kennt sie tatsächlich noch nichts. Wer ist es, der auf Golgatha das große Werk vollbrachte? Es ist Der, welchem Gott einen Leib zubereitete. Wunderbares Geheimnis! Er erfüllte durch den ewigen Geist alle Forderungen des ehernen Altars. Ja, Er tat dies, bevor Er in das Heiligtum ging, um dort den Dienst des Priesters zu verrichten. Die Erfüllung oder Befriedigung dieser Forderungen nun bedeutet Versöhnung. Sobald ich verstehe, dass das Opfer Christi allen Forderungen der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit begegnet ist, sehe ich meine Versöhnung besiegelt und für ewig in Ordnung gebracht. Die Epistel an die Epheser heißt uns diesen Standpunkt einnehmen und lässt uns von dort aus die Herrlichkeiten unserer Stellung in Christo nach allen Seiten hin betrachten. Der Brief an die Hebräer zeigt uns die Herrlichkeiten der Stellung Christi; und welch eine Welt von Wundern tut sich da vor unseren Blicken auf! Wir stehen ans dem unerschütterlichen Boden Seines Werkes, sind in Sicherheit gebracht durch das, was Er getan hat; und was Er getan hat, empfängt und behält seinen ewigen Wert durch das, was Er ist.

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Das Rühmen des Christen

Bibelstelle: Römer 5,1-11

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 74ff

Der erste Vers unseres Kapitels enthält eigentlich in wenigen Worten die ganze Fülle des Evangeliums. Gerechtfertigt aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott; unser Leben und Wandel ist in der Fülle der Gnade, und wir rühmen uns in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Das ist das herrliche Ergebnis des Werkes Christi. Doch der Apostel hat noch mehr zu rühmen. Er sagt: „Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale, wissend, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung: die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist“ (V. 3 — 5). Haben wir die Vollkommenheit und das Ergebnis des Werkes Christi verstanden, so rühmen wir uns in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes; doch um sich der Trübsale rühmen zu können, muss man die Liebe Gottes erkannt haben. So lange wir in unseren Trübsalen nicht die Liebe Gottes finden, werden sie uns immer in Unruhe und Unzufriedenheit bringen. Wir können Gott nur vermöge der Liebe, welche durch die Innewohnung des Heiligen Geistes in unsere Herzen ausgegossen ist, erkennen. „Jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe“ (1. Joh. 4, 7. 8).

Der Apostel stellt uns hier vor, wie die Liebe Gottes in unseren Trübsalen stets wirksam ist. Der nächste Segen derselben ist das Ausharren. Die durch die Erkenntnis des Werkes Christi erlangte Befreiung erweckt gewiss große Seligkeit und Freude und einen tiefen Zug der Liebe zu Jesu in der Seele; aber doch ist alles das meist mit einer gewissen Unruhe vermengt — nicht mit einer Unruhe der Furcht, sondern einer Unruhe in dem, was die Seele fühlt und genießt. Die Freude der Seele hat mehr ihren Grund in dem Bewusstsein ihrer Befreiung, als in der Erkenntnis Gottes; sie ist mehr glücklich über das, was sie empfangen, als über Den, welcher gegeben hat. Die Freude ist deshalb nicht so beständig und völlig, weil sie mehr oder weniger mit den Gefühlen zusammenhängt.

Wir müssen aber, wenn wir uns allewege freuen wollen, eine Freude haben, die von allem Sichtbaren und

Menschlichen unabhängig ist, und das ist nur die Freude am Herrn. Unsere Beziehung zu Ihm ist so unveränderlich, wie Er selbst es ist. Gott ist Liebe, und wenn Er der alleinige Gegenstand meiner Freude ist, so werde ich mich allewege freuen. Zugleich ist die Freude am Herrn meine Stärke. Wir werden diese Freude aber nur in dem Maße genießen, wie wir den Herrn kennen, und zu dieser Erkenntnis sollen uns die Trübsale leiten. Durch sie werden unsere Herzen geläutert und gereinigt; alles Harte und Eigenwillige wird gebrochen; wir werden still und ergeben, und das Bild Christi prägt sich mehr und mehr in unserem Wesen aus.

Wenn der Glaube in uns wirksam ist, so werden wir in unseren Trübsalen stets Gott selbst finden, und werden Seine Liebe, Langmut, Treue und Bewahrung darin kennen lernen. Die Kinder der Welt sind in ihren Trübsalen mutlos und verzagt; denn sie sind allein darin, weil sie den Herrn nicht kennen. Unsere Herzen aber werden in denselben durch den Herrn befestigt, unser eigener Wille wird gebrochen, und wir lernen ausharren. Was jenen als ein Unsegen gilt, ist für uns ein großer Segen; worin jene zittern und zagen, darin können wir uns rühmen und freuen.

Je stiller die Seele durch die Trübsale geworden ist, je inniger und völliger sie mit dem Herrn darin verkehrt hat, desto besser wird sie die Fülle Seiner Liebe verstehen und in der Erkenntnis Seiner selbst wachsen. Ist sie in allen Dingen recht nüchtern geworden, so ist sie auf den guten, wohlgefälligen und vollkommenen Willen Gottes gerichtet und weiß ihn zu unterscheiden. Sie ist nicht allein befestigt und zum Ausharren geleitet worden, sondern wird auch reich gemacht· in allerlei Erfahrung. Indem sie gleichsam in Gott selbst einkehrt, erkennt sie, wie Er ist und was Er für uns ist. Diese Erfahrung aber bewirkt Hoffnung. Das Vertrauen auf den Herrn wird immer fester; sie lernt selbst in den schwierigsten Lagen ihre Hoffnung auf Ihn setzen, weil sie erkannt hat, dass Er stets genug für sie war. Ja, Gott ist immer mit uns und für uns, und in dieser Hoffnung wandeln wir getrost und kämpfen in Kraft. Wir werden in der Trübsal mit dem Psalmisten singen können: „Nur auf Gott vertraut still meine Seele; von Ihm kommt meine Rettung. Nur Er ist mein Fels und meine Rettung, meine hohe Feste; ich werde nicht viel wanken“ (Ps. 62, 1. 2) Dieses Vertrauen und diese Hoffnung beschämen uns nicht, denn wir kennen Gott und wissen, dass Er die Liebe ist. — Haben wir also nicht Ursache, uns auch der Trübsale zu rühmen?

In den folgenden Versen wird uns der vollkommenste Beweis dieser Liebe, wie er außer uns, in Christo Jesu, gegeben wurde, vor Augen gestellt. „Denn Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben; denn für den Gütigen möchte vielleicht jemand zu sterben wagen. Gott aber erweist Seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist. Vielmehr nun, da wir jetzt durch Sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir durch Ihn gerettet werden vom Zorn. Denn wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod Seines Sohnes, vielmehr werden wir, da wir versöhnt sind, durch Sein Leben gerettet werden.“

Fragt jemand nach einem sichtbaren Beweise der Liebe Gottes, so richte er seinen Blick nach Golgatha. Dort sieht er den eingeborenen und geliebten Sohn Gottes am Kreuze, zwischen Missetätern ans Fluchholz geschlagen, als ein freiwilliges Opfer für Gottes Feinde, für Sünder und Gottlose. Könnte es einen höheren und vollkommeneren Beweis von der Liebe Gottes geben? Und wie völlig unverdient war diese Liebe! Sie fand in uns keinen Beweggrund; im Gegenteil, alles was in uns war, hasste diese Liebe und stieß sie feindselig Von sich. Jesus, der vollkommene Ausdruck des Wesens Gottes, wurde verachtet, verworfen und getötet. So konnte die Liebe den Beweggrund, um sich in solcher Weise an uns zu betätigen, nur in sich selber, in Gott, der die Liebe ist, finden; und wir sehen auch, dass sie keines Beweggrundes außer sich bedurfte, um in ihrer ganzen Fülle auszuströmen und zu wirken. Nun, zu dieser wunderbaren, alle Erkenntnis übersteigenden Liebe, der- Liebe Gottes, sind wir gekommen. Diese Liebe gab uns Jesum, und durch Seinen Tod wurden wir versöhnt, durch Sein Blut gerechtfertigt; ja, wir sind jetzt ebenso teure Gegenstände der Liebe Gottes geworden, wie Christus selbst es ist, denn Er sagt: „Auf

dass die Welt erkenne, dass du sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast“; und der Heilige Geist nennt uns „Auserwählte, Heilige und Geliebte“. Wie tief beruhigt und beseligt es unsere Herzen, wie sehr tröstet es uns in jeder Lage und lässt uns mit Zuversicht ausblicken, wenn wir das Wesen und die Tragweite dieser Liebe in Wahrheit kennen lernen!

Im 11. Verse sagt dann der Apostel noch einmal: „Nicht allein aber das“, und fügt hinzu: „sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesum Christum, durch welchen wir jetzt die Versöhnung empfangen haben“. Das ist das höchste und köstlichste Rühmen. Es hat nicht die Herrlichkeit, noch unsere Zubereitung hienieden, noch die Beweise der Liebe Gottes, sondern Gott selbst zum Gegenstand. Wenn wir Gott in Seinem Wesen erkannt und ein wenig davon verstanden haben, wie Er ist und was Er für uns ist, dann gibt es nichts Erhabeneres und Köstlicheres für unsere Herzen, als sagen zu können: „Der Gott, welcher sich also geoffenbart hat, ist mein Gott und mein Vater in Christo Jesu“. So wertvoll einst für Abraham auch alle Verheißungen Gottes waren, gab es doch für sein Herz nichts Süßeres als das Wort: „Ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn“. Gott selbst als unser völliges Teil zu haben und zu genießen, ist das Höchste und Herrlichste“, was uns durch Jesum Christum geworden ist. Dieses Rühmen wird in der Herrlichkeit selbst nicht aufhören, wo Gott und das Lamm der einzige Gegenstand unseres Lobes und unserer Anbetung sein werden; und hier in der Wüste wird dieses Rühmen uns über alles erheben.

In diesem dreifachen Rühmen offenbart sich die innere Stellung eines Christen. Zunächst rühmt er sich in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Er freut sich des unermesslichen Reichtums, der ihm in Christo Jesu zugefallen ist, und gewiss, er hat vollkommen Ursache dazu. Dann, wenn seine Seele ruhiger wird und er die Liebe und Gnade Gottes in allen seinen Wegen wirksam findet, um ihn zu erziehen und dem Bilde Christi gleichförmiger zu machen, rühmt er sich auch der Trübsale, deren Ergebnis, so gesegnet für ihn ist; und endlich, wenn er tiefer in Gott selbst hineingezogen wird, wenn er anfängt, Gott in der Fülle Seines Wesens zu erkennen, gibt es für ihn nichts Beseligenderes, als sich Gottes selbst zu rühmen.

Der Herr gebe, dass unsere Herzen dieses dreifache Rühmen durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes kennen lernen, und dass wir vor allen Dingen lernen möchten, uns Gottes zu rühmen durch unseren Herrn Jesum Christum!

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Der vollkommene Diener

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 80ff

Alle vier Evangelien stellen die Person unseres Herrn Jesu vor unsere Blicke, und zwar in Seinem Leben, in Seinem Tode und in Seiner Auferstehung. Und da das Wort Gottes nie eine nutzlose Wiederholung über denselben Gegenstand bringt, so muss uns auch jedes Evangelium die Person des Herrn in einem besonderen Charakter, verschiedenartig von den übrigen, (wiewohl immer dieselbe Person,) vorstellen. Bei aufmerksamer Betrachtung der Evangelien finden wir denn auch deutlich diesen Unterschied hervorgehoben, und es ist für unser Verständnis des Wortes von großer Wichtigkeit, denselben stets fest zu halten.

Unser Herr war in dieser Welt geoffenbart als Sohn Davids, Sohn des Menschen und Sohn Gottes. Das sind die drei verschiedenen Beziehungen zu Gott und den Menschen, in welchen die Evangelisten Matthäus, Lukas und Johannes den Herrn Jesum uns vor Augen gemalt haben. Aber dann sehen wir Ihn auch einen besonderen Platz hienieden einnehmen, und dieser Platz, war der des Dieners. Der Sohn Gottes ein Diener -— welch ein Gedanke! In diesem Charakter, in welchem uns die Person unseres Herrn nur umso erhabener erscheint, wird Er in dem Evangelium nach Markus geschildert. Wie überall, so finden wir auch hier nur die herrlichsten Vollkommenheiten bei Ihm. Ja, Er war der vollkommene Diener. Es hat viele treue Diener gegeben, wie Moses, David, Elias, Paulus und viele, viele Andere; aber Christus

war der einzig Vollkommene. Und es kann kaum etwas Nützlicheres und Gesegneteres für uns geben, als

Ihn unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten, Ihn, der gesagt hat: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Matth. 11, 29).

Unermüdlich fleißig und treu übte Jesus Seinen Dienst aus, und zugleich in völliger Abhängigkeit von Gott, unter vielem Gebet und Flehen. Dies wird uns wiederholt mitgeteilt, und gewiss nicht ohne Absicht. In Mark. 1, 35 heißt es: „Frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand Er auf und ging hin an einen wüsten Ort und betete daselbst und in Luk. 6, 12 lesen wir, dass Er die ganze Nacht im Gebet zu Gott verharrte. Indem Er als Mensch den Platz, völliger Abhängigkeit von Gott einnahm, gab es viele Bedürfnisse in Seinem Herzen, mit Seinem Gott und Vater zu reden. Wie wichtig ist die Belehrung, welche der Herr den Seinen hierin gegeben hat! Wenn Er, der freiwillig und aus Gnade diesen Platz einnahm, sagt: „Bewahre mich, Gott, denn ich traue auf dich!“ (Ps. 16, 1), wieviel Ursache haben wir dann, um Bewahrung zu Gott zu rufen und unser Vertrauen allein auf Ihn zu setzen! Was vermöchten wir auszurichten, wenn der Herr nicht wirksam wäre und unsere Arbeit segnete? Auch bedürfen wir so dringend der Weisheit von oben. Wie leicht machen wir Fehler, handeln unverständig und gar Anderen zum Schaden! Selbst Moses und Paulus haben Fehler gemacht. Doch das Wort zeigt uns das Mittel, um vor Fehlern bewahrt zu bleiben: „Wenn aber jemandem von euch Weisheit mangelt, so bitte er von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft, und sie wird ihm gegeben werden“ (Jak. 1, 5.) O möchten wir doch mehr diesen gesegneten Platz. einnehmen, und fleißiger Gebrauch von diesem kostbaren Vorrecht machen! Das Resultat würde gewiss ein herrliches sein.

Der geistliche Zustand einer einzelnen Seele sowohl wie einer ganzen Versammlung gibt sich darin kund,

wie das persönliche oder das gemeinschaftliche Gebet betrachtet und behandelt wird. Wo es wenig Gebet im Kämmerlein gibt, da zeigt sich auch wenig Interesse an den Stunden des Gebets in den Versammlungen; und wo das der Fall ist, da kann der Zustand gewiss nicht geistlich genannt werden. Wieviel Wert das Wort Gottes dem Gebet beilegt, das finden wir in verschiedenen Stellen ausgedrückt; wie z. B. in den folgenden: „Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen“; oder: Ich will nun, dass die Männer an jedem Orte beten“ (1. Tim. 2, 1 und 8.) Oder: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet“ (1. Petr. 4, 7). Oder: „Beharret im Gebet und wachet in demselben mit Danksagung“ (Kol. 4, 2) Möchten sich diese Worte tief in unsere Herzen einprägen!

In Seinem Dienst den Menschen gegenüber war der Herr, wie bereits gesagt, unermüdlich tätig, „allezeit überströmend“. Er wurde durch denselben zu Zeiten so in Anspruch genommen, dass Er nicht einmal etwas essen konnte, so dass Seine Angehörigen von Ihm sagten: „Er ist außer sich“ (Mark. 3, 20. 21). Im 4. Kapitel des Markus-Evangeliums sehen wir Ihn am See in ein Schiff steigen, um von dort aus eine große versammelte Volksmenge vieles zu lehren. Ununterbrochen setzte Er Seinen Dienst fort, bis die Nacht einbrach. Und als Er dann die Volksmenge entlassen hatte, nahmen die Jünger Ihn, wie Er war, in dem Schiffe mit. Während der Überfahrt nun legte Er sich nieder, um Seinem milden Körper die Ruhe angedeihen zu lassen, die derselbe bedurfte. Wie zeigt uns dies, wie wahrhaftig Er Mensch war und an der menschlichen Natur in ihrer Schwachheit teilgenommen hat! Er war ermattet durch die anstrengende Arbeit des Tages, wie dies auch bei anderen Menschen der Fall ist. Dabei aber schlief Er in völliger Sorglosigkeit, trotz des heftigen Sturmwindes, im Hinterteil des Schiffes auf einem Kopfkissen, welches eine liebende Hand für Ihn dorthin gelegt hatte; denn Er, der Herr des Himmels und der Erde, hatte nicht, wohin Er Sein Haupt legen konnte. Und warum war Er so ruhig und sorglos? Nicht deshalb, weil Wind und Wellen Ihm gehorchen mussten, sondern weil Er sich allezeit, auch wenn Er schlief, den Händen Seines mächtigen und liebenden Vaters anvertraute und sich da wohl geborgen wusste. Bei denen, die mit Ihm im Schiffe waren, fand sich dieses gläubige Vertrauen leider nicht. Und ach! wie steht es in dieser Beziehung mit uns, wenn Stürme kommen? Wie klein ist dann oft der Glaube, obgleich wir uns allezeit unter dem Schutze desselben liebenden, allmächtigen Vaters befinden! Wie oft schon musste der Herr auch uns zurufen: „Was seid ihr so furchtsam? Wie, habt ihr keinen Glauben?“

Auch haftete dem Dienste unseres geliebten Herrn keine Spur von Selbstsucht oder Eigenliebe an. Er fühlte sich nie gekränkt und beleidigt, wie dies doch so leicht bei uns der Fall ist. Obwohl von denen, die mit Ihm im Schiffe waren, in unehrerbietiger Weise und mit einem ungerechten Vorwurf in Seiner Ruhe gestört, tadelte Er sie dennoch nicht über ihr ungeziemendes Verhalten, sondern war sofort wieder bereit, ihnen zu dienen. Er tadelte sie nur darüber, dass sie so furchtsam waren und so wenig Glauben hatten. Und wenn Er dann, wie die Umstände es nötig machten, Seine Macht über Wind und Wellen offenbarte, so tat Er das wiederum nicht, um sich selbst zu verherrlichen, denn dazu war Er nicht gekommen, sondern um diese Macht zu ihren Gunsten auszuüben, sie in ihrem Dienste zu verwenden und das Vertrauen bei ihnen zu vermehren.

Auch das Ausharren hatte bei dem Herrn ein vollkommenes Werk. (Jak. 1, 4.) Mit demselben Fleiß und derselben aufopfernden Liebe, mit welcher Er Seine Laufbahn begonnen hatte, vollendete Er sie. Er harrte aus bis ans Ende, wiewohl Er so vielen Widerspruch erfahren musste, und Seiner vielen Liebe nur Hass und Feindschaft von seiten der Menschen entgegengebracht wurde. Ja, Er vollendete Seinen Dienst!

Wie bewunderungswürdig ist doch die Person unseres Herrn! Welch eine Schönheit und Vollkommenheit zeigen sich bei Ihm, und zwar gerade in Seiner Niedrigkeit, an dem Platze, den Er hienieden freiwillig einnahm! Lasst uns Seine Nachahmer sein, Geliebte! Und sollten wir dann auch, gleich Ihm, verkannt und verworfen werden, so lasst uns an das Wort gedenken, welches Er einst den Seinigen zurief: „Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen, wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten“ (Joh. 15, 20). Wahrlich, es ist der Mühe wert, in den Fußstapfen eines solchen Herrn erfunden zu werden. So lasst uns denn, ,,handeln wir jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde ablegen, mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens“ — „Denn ihr bedürfet des Ausharrens, auf dass ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontraget. Denn noch Über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen“ (Hebr. 12, 1. 2; 10, 36. 37).

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 85ff

Kapitel 10, 19 - 39.

Wir kommen jetzt zu einem anderen herrlichen Teile der Epistel und, wie wir schon andeuteten, zu einem

neuen Abschnitt derselben. Lesen wir von Vers 19 bis zum Schluss von Kapitel 10. Es wird der Aufmerksamkeit des Lesers nicht entgangen sein, dass die Briefes des Apostels im Blick auf ihren Aufbau einen allen gemeinsamen Charakterzug tragen. Vergegenwärtigen wir uns beispielweise die Epistel an die Epheser. In den ersten drei Kapiteln werden uns- Lehr-Wahrheiten vorgestellt, während in den letzten drei die praktische Anwendung derselben gemacht wird. Dass Gleiche finden wir in den Briefen an die Kolosser, Galater, Römer u. s. w. Im Hebräererbrief nun ist ebenso, und wir gelangen jetzt zu der praktischen Anwendung dessen, was wir bisher betrachtet haben.

In einem schönen Liede heißt es:

„Des Lammes Herrlichkeiten schmücken

„In Fülle jetzt des Himmels Thron“.

Das haben wir im Laufe der Betrachtung unserer Epistel bewahrheitet gefunden. Beständig haben wir emporgeschaut und diese Herrlichkeiten gesehen. Doch lasst mich fragen :Sehen wir irgendwo in diesen letzten Tagen Herrlichkeiten, die nicht auf den Herrn im Himmel Bezug hätten? Man wird mir antworten, dass alle Herrlichkeit Ihm gehöre, und ich stimme dem völlig bei; aber doch möchte ich sagen, dass es auch Herrlichkeiten gibt, die mit uns in Verbindung stehen, und diese sollten wir gleichfalls anschauen. Es gehört zu den wunderbaren Werten Gottes, dass Er den armen Sünder zu einem herrlichen Geschöpf gemacht hat. Dasselbe „Ende der Tage“, welches Christum in der Höhe mit glorreichen Herrlichkeiten bekleidet hat, versetzte auch den armen glaubenden Sünder hienieden mitten in Herrlichkeiten hinein. Möchten nur der Schreiber und der Leser dieser Zeilen zubereitet sein, um sie sich zu eigen zu machen! Wir warten nicht aus das Reich, um Herrlichkeiten zu schauen. Nein, sie sind jetzt schon unser Teil. Ist es z. B. nicht eine Herrlichkeit, ein gereinigtes Gewissen zu haben? Ist es nicht eine weitere Herrlichkeit, völlig für die Gegenwart Gottes passend gemacht zu sein und von diesem Vorrecht mit Freimütigkeit Gebrauch machen zu können? Ist es nicht eine Herrlichkeit, Gott unseren „Vater2 nennen zu dürfen'? Christum als» unseren Vorläufer in den himmlischen Örtern zu wissen? In die Geheimnisse Gottes eingeführt zu sein? Ist es nicht eine Herrlichkeit, wenn wir unser Herz erheben und sagen können: „Abba, Vater“? oder: „Wer wird verdammen?“ oder: „Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“ Wenn wir ferner glauben dürfen, dass wir Bein von Seinem Bein und Fleisch von Seinem Fleische sind: dass wir einen Teil der Fülle Christi ausmachen, wer möchte dann noch sagen, dass in alledem keine Herrlichkeit für uns liege? —— So werden wir denn durch den Brief an die Hebräer in sehr köstliche Gedanken eingeführt. Er heißt mich aufschauen und Christum droben erblicken, wie der Thron durch Ihn geschmückt und geziert wird; und er heißt mich niederschauen, um den armen Sünder am Fußschemel des- Thrones glänzen zu sehen. Die Welt gewahrt diese Herrlichkeiten nicht; sie sind ihr verborgen. Wir erfassen sie nur in dem Spiegel des Wortes durch den Glauben; doch ich zögere nicht zu sagen, dass ich nicht auf das Reich warte, um zu wissen, was Herrlichkeit ist. Ich schaue empor und sehe das Lamm inmitten erworbener Herrlichkeiten. Ich schaue hernieder und sehe den Gläubigen inmitten ihm geschenkter Herrlichkeiten.

Und nun beginnt die praktische Anwendung: „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu“. Hier wird unser Blick auf uns selbst gelenkt, und wollte irgend Jemand sagen, dass es in der hier beschriebenen Stellung keine Herrlichkeit gebe? Nun, auf diese herrliche Stellung habe ich ein Anrecht, und die Ermahnung geht dahin, von diesem Anrecht Gebrauch zu machen, es zu genießen. Genießen aber heißt gehorchen. .Die erste Pflicht, welche wir Gott gegenüber haben, besteht darin, dass wir uns dessen erfreuen, wozu Er uns gemacht und was Er uns geschenkt hat. „Lasst uns hinzutreten!“ Benutze dein Vorrecht, würden wir sagen. Das ist die erste große Pflicht des Glaubens und, ich darf wohl hinzufügen, die lieblichste und angenehmste Pflicht. Wie engherzig und ängstlich sind wir doch, diese Herrlichkeiten zu genießen! Hast du dich je einmal im Spiegel des Wortes beschaut, so wie Gott dich in Christo Jesu sieht? Wir sind ganz und gar daran gewöhnt, uns im Spiegel der Umstände zu betrachten, in dem Spiegel unserer Verhältnisse und Beziehungen hienieden. Aber das ist es nicht, wozu wir hier aufgefordert werden. Nein, erst dann, wenn wir tief im Inneren unserer Herzen, mit Frohlocken des Geistes ausrufen: „Ich bin ein Kind Gottes“; wenn wir mit gleichem Frohlocken sagen können: „Ich bin ein Miterbe Christi“, erst dann betreten wir den Weg des Gehorsams Das ist es, was wir hier finden: „Lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens“.

Wir sind Priester Gottes und sollen uns als solche betrachten. Die Priester vor alters wurden, bevor sie in

ihr Amt eingeführt wurden, ganz gewaschen. Später mussten sie jeden Tag ihre Hände und Füße waschen, ehe sie in das Heiligtum eintraten, um vor dem Herrn den Dienst zu verrichten. So wurde der Boden des irdischen Heiligtums Gottes niemals durch den Fuß des Priesters befleckt. Er trat in einem Zustande ein, der des Ortes würdig war. Und nun lass mich fragen, geliebter Leser: Befindest du dich auch den ganzen Tag über in der Gegenwart Gottes, und hast du das Bewusstsein, dass du dieses Ortes würdig bist? Vielleicht stutzest du unwillkürlich bei dieser Frage: aber sage mir: Wie wirst du dereinst vor Ihm dargestellt werden? In dem Brief des Apostel Judas findest du die Antwort auf diese Frage; sie lautet:

„Der euch . . . vor Seiner Herrlichkeit tadellos darzustellen vermag mit Frohlocken“. Aber, wirst du sagen,

wie ist es heute? Nun, der Gläubige sollte sich allezeit bewusst sein, dass er sich jetzt schon tadellos und unbefleckt in Gottes Gegenwart befindet. Wenn sich handelt um unseren Zustand von Natur, um das was wir im Fleische waren, so können wir allerdings nie zu niedrig von uns denken; wenn aber unsere Stellung in Christoin Frage kommt, so können wir uns auch nie einen zu hohen Platz geben. Wir finden es jedoch, wenn ich für Andere reden darf, nicht leicht, die Herrlichkeit, die uns in Christo geschenkt ist, für uns in Anspruch zu nehmen. Uns dahin, zu führen ist das Bemühen des Geistes Gottes.

Nachdem wir in das Heiligtum gelangt sind, sagt uns der Heilige Geist, was wir dort tun sollen. Wenn ich mir meines Anrechts auf die Gegenwart Gottes bewusst bin, so sollte ich auch wissen, dass ich dort bin als der Erbe einer verheißenen Herrlichkeit; ich bin dort, um so lange dort zu bleiben, bis die Herrlichkeit in ihrem vollen Glanze hervortreten wird. Wir sind Zeugen einer Reihe von Herrlichkeiten, gerade so wie der Herr Jesus; Zeuge einer Reihe von Herrlichkeiten ist. Wir befinden uns an einem herrlichen Platz, und, nachdem wir dorthin versetzt sind, sollen wir unsere Hoffnung unbeweglich festhalten: „Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten. Sind wir ohne Zagen eingetreten, so sollen wir auch ohne Zagen unsere Hoffnung festhalten. Das ist es, wozu unser Gott uns berufen hat. Wir sind mit Freimütigkeit in Seiner Gegenwart, und, indem wir dort sind, sollen wir uns gegenseitig durch unsere Hoffnung ermuntern. Aber nicht nur das; wir sollen auch von Liebe zu einander reden und „auf einander achthaben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken“. Welch ein herrlicher Dienst! Wer vermöchte die Schönheiten dieser Dinge würdig zu beschreiben?

Doch mehr noch. Wir lesen weiter: „Indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei etlichen Sitte ist, sondern einander ermuntern“. Wir sind in das Haus Gottes gebracht worden, und was soll jetzt unsere Beschäftigung dort sein? Sollen wir stets niedergeschlagen am Boden liegen in dem Bewusstsein unseres tiefen Verderbens? Nein, vielmehr sollen wir einander ermuntern zur Liebe und zu guten Werken. Das ist die Tätigkeit der Bewohner dieses Hauses. Sie wohnen beisammen in einem glücklichen Heim und ermuntern einander, und das um so mehr, je mehr sie den Tag herannahen sehen. Gen Himmel weisend, rufen sie einander zu: „Sehet! die Morgendämmerung ist nahe, und der Tag bricht an!“

Wir bedürfen viel mehr der gegenseitigen Ermunterung, uns mit unserer Würde in Christo zu beschäftigen und diese kennen zu lernen, als des Hinweises auf unser Verderben von Natur. Wir kennen dieses im allgemeinen viel besser als jenes. Sicher ist es ganz richtig und durchaus notwendig, uns als arme, wertlose Geschöpfe zu erkennen. Auch darf das Bekenntnis keineswegs vernachlässigt werden; aber die Lenden unserer Gesinnung zu umgürten zum Erfassen und Ergreifen unserer Würde in Christo, ist ein viel annehmlicheres und unserer priesterlichen Stellung mehr entsprechendes Werk, als immer am Boden zu liegen und aus der Tiefe zum Herrn zu schreien. Wir sehen uns hier also angenommen und annehmlich gemacht in Christo, als solche, die ihre Hoffnung unbeweglich festhalten, sich gegenseitig ermuntern, und, indem sie auf die steigende Röte des Morgenhimmels hinweisen, einander zurufen:

„Wacht auf! der Tag bricht an mit hellem Freudenschein.“

Mit Vers 26 kommen wir dann zu einer sehr ernsten Stelle über das mutwillige Sündigen, nachdem man die Erkenntnis der Wahrheit empfangen hat. Das Gegenstück dazu finden wir in 4. Mose 15, 30, wo von vermessenem Sündigen, von einem Handeln „mit erhobener Hand“, die Rede ist. Das Gesetz, unterschied zweierlei Übertretung. Ein Mensch fand vielleicht etwas, was seinem Nachbar gehörte, und er verfuhr damit in unrechtmäßiger Weise, oder er belog seinen Nachbar und dergl; für solche Übertretungen war ein Sühnopfer vorgesehen. Wenn aber jemand Holz auflas am Sabbattage, so sollte er gewisslich getötet werden. Für einen solchen blieb nichts anderes übrig als ein „furchtvolles Erwarten des Gerichts und ein Feuereifer, der die Widersacher verschlingen wird«. war eine vermessene Sünde, ein mutwilliges Brechen des bestimmten Gebotes Jehovas, eine Verachtung des Gesetzgebers selbst. Ähnlich ist es mit der mutwilligen Sünde des Neuen Testamentes. Es ist ein unmittelbares Verachten des Gottes der jetzigen Haushaltung, gerade so wie der Mann, der am Sabbat Holz auflas, dem Gott des Gesetzes ins Angesicht hinein sündigte. — Der Herr bewahre uns in Gnaden vor jeder Sorglosigkeit der Sünde gegenüber! Wenn wir die geringste Sünde begangen haben, so geziemt es sich, dass wir sie mit zerbrochenem Herzen bekennen. Aber davon ist an dieser Stelle nicht die Rede. Hier handelt es sich um ein bedachtes Aufgeben der Wahrheit, nachdem man sie erkannt hat, um den Abfall vom Christentum, um eigenwillig in der Sünde zu wandeln. Für jemanden, der das tat, gab es kein Opfer mehr, sondern nur Gericht.

In Vers 32 folgt sodann die Ermahnung: „Gedenket aber der vorigen Tage, in welchen ihr, nachdem ihr erleuchtet worden, viel Kampf der Leiden erduldet habt“. Hier möchte ich an meine Leser die Frage richten: „Gedenket ihr alle des Tages, an welchem ihr erleuchtet worden seid?“ Vielleicht möchte der eine oder andere antworten: „Das Licht ist bei mir nicht so plötzlich gekommen; es ist erst nach und nach hell in meiner Seele geworden“. Es mag so sein; ja, ich glaube gar, dass es Timotheus ähnlich ergangen ist. Wenigstens habe ich oft gedacht, dass er unter der Leitung und Erziehung seiner gottseligen Mutter gleichsam an sanfter Hand, fast unvermerkt, in die Herde Gottes eingeführt worden ist. Die meisten Gläubigen sind sich aber des Augenblicks ihrer Erleuchtung bewusst; und wenn es in der Geschichte der Seele einen Augenblick geistlicher Energie gibt, dann ist es der Tag, an welchem sie des göttlichen Lebens teilhaftig wird. Aber warum begleitet uns die Kraft jenes Augenblicks nicht aus dem ganzen Wege? Ist der Herr Jesus heute nicht mehr derselbe, der Er damals war? Man redet viel von praktischem Christentum; und mit Recht. Aber was ist praktisches Christentum? Wenn ich weiß, dass es einen Tag gegeben hat, an welchem zwischen Gott und mir alles in Ordnung gebracht wurde, und dass jetzt die Zeit gekommen ist, wo jede Brücke zwischen mir und der Welt abgebrochen ist.

Was war das für ein Tag, welchen der Apostel den gläubigen Hebräern ins Gedächtnis zurückzurufen wünschte? Der Tag, an welchem sie, nachdem sie erleuchtet worden waren, „viel Kampf der Leiden erduldet“, ja, „den Raub ihrer Güter mit Freuden aufgenommen hatten“. Wie war das möglich gewesen? Weil ihr Auge auf ein besseres Erbteil gerichtet war. So ist es stets. Ergreife das Vorzüglichere, und das Geringere wird von selbst seinen Wert für dich verlieren. Der Sieg über die Welt ist nicht schwerer zu erklären, als der Zutritt zu Gott. Ja, ich möchte sagen, dass dies gerade der Knoten ist, den diese Epistel schlingt. Sie führt uns innerhalb des Vorhangs und damit außerhalb des Lagers. Siehe da, mein Leser, den wunderbaren, göttlichen Charakter des Christentums: die Gnade und das Blut Christi wirken der Lüge der Schlange schnurstracks entgegen. Die Lüge der Schlange machte Adam Gott gegenüber zu einem Fremdling, und heimisch in dieser befleckten Welt; sie stellte ihn innerhalb des Lagers und außerhalb des Vorhangs. Das Christentum dreht das vollständig um: es stellt unser Bürgertum in der Gegenwart Gottes wieder her und macht uns zu Fremdlingen in der Welt; und der 35. Vers unseres Kapitels ist der Vers in diesem Briefe, welcher die beiden Dinge miteinander verknüpft.

„Werfet eure Zuversicht nicht weg“, und sie wird das Geheimnis der Kraft für euch sein. Wo und bei wem erblicken wir am meisten Sieg über die Welt? Bei denen, welche die Glücklichsten in Christo sind. Warum liegen der Schreiber und der Leser dieser Zeilen so oft am Boden in dem Treiben dieser Welt? Weil wir nicht so glücklich in Christo sind, wie wir es sein sollten. Zeigt mir eine Seele, die Freimütigkeit und Freudigkeit in Gottes Gegenwart hat, die ihr volles Genüge in Christo findet, und ich will euch jemanden zeigen, der Sieg auf Sieg über die Welt davonträgt.

Schließlich sagt uns der Apostel, dass zwischen dem Tage der Erleuchtung und dem Tage der Verherrlichung ein Leben des Ausharrens liege. Ich habe mir nicht einen vergnüglichen Pfad, einen Pfad der Gemächlichkeit und der Wohlfahrt vorzustellen; ich kann nicht darauf rechnen, morgen reicher oder größer und hervorragender zu sein als heute, sondern ein Pfad des Ausharrens liegt vor mir. Tritt uns darin nicht wieder eine Herrlichkeit entgegen? Sicherlich; denn auf diesem Pfade sind wir Genossen Christi. Und eine größere Herrlichkeit könnte uns doch nicht zu teil werden, als Genossen unseres verworfenen Meisters zu sein. Und das ist der Pfad, der uns vorgezeichnet ist. „Wenn jemand sich zurückzieht, so wird meine Seele kein Wohlgefallen an ihm haben.“ Gott schämte sich nicht, der Gott Abrahan1s, Isaaks und Jakobs zu heißen; sie waren Fremdlinge hienieden. Doch wenn wir hier einheimisch werden, Bürger statt Fremdlinge, wenn wir mit der Welt Verbindungen eingehen, so muss Er, der sich der Gott der Fremdlinge nennt, von dem Bürger der Welt sagen: „Meine Seele hat kein Wohlgefallen an ihm“.

Teurer Leser! möchten wir, du und ich, einander anreizen zur Liebe und zu guten Werken und auch, hinweisend auf den östlichen Himmel, mit Freuden ausrufen: „Der Tag bricht an!“ Amen.

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Die sogenannte Heiligungslehre im Lichte des Wortes Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 94ff

Dass im Worte Gottes Heiligung gelehrt wird, ist jedem aufmerksamen Leser der Schrift bekannt; ja, Tausende werden bereitwillig bezeugen, dass sie eine sehr gesegnete und kostbare Wahrheit ist. Viel ist auch in unseren Tagen darüber geschrieben und gestritten worden. Nun, wenn zu irgend einer Zeit, so geziemt es uns heute, wo Satan so große Anstrengungen macht, um falsche und böse Lehren zu verbreiten und dem Volke Gottes die Wahrheit zu rauben, das, was über diesen Gegenstand gelehrt wird,

sorgfältig mit den Belehrungen des Wortes Gottes zu vergleichen und zu untersuchen, ob die „Heiligungsleute“, wie man sie gewöhnlich nennt, wirklich die Wahrheit Gott gemäß aufrecht halten, oder ob sie in die listig gelegte Schlinge des Feindes geraten sind.

Hunderte, ja Tausende aufrichtiger Seelen sind durch ihre Lehren beunruhigt worden; sie suchen vergeblich jenen Zustand der Vollkommenheit, von welchem man redet, zu erlangen, und, da es ihnen nicht gelingt, das ersehnte Ziel zu erreichen, werden sie unglücklich, und manche geraten ganz in Verwirrung. Um solchen Seelen ein wenig zu Hilfe zu kommen, sind diese Zeilen geschrieben worden; zugleich auch in der Hoffnung, dass der Herr sie in Seiner großen Gnade dazu benutzen möge, um einige aus der Knechtschaft zu befreien, in welche ein solches Lehrsystem sie sicher bringen muss.

Es hat einmal jemand gesagt, dass Satan nie so gefährlich ist, als wenn er mit der Bibel in der Hand kommt. Und wenn er so kommt, so ist es uns sicherlich nur dann möglich, ihm siegreich entgegenzutreten, wenn dieselbe Waffe in der Kraft des Geistes Gottes von uns geschwungen wird. So erhebt sich denn sofort für uns die Frage: Werden die in unseren Tagen aufgetauchten Lehren die Probe des Wortes Gottes aushalten, oder wird es sich zeigen, dass die betrügerische Macht des Feindes unter dem schönen Äußeren verborgen lauert?

Wir wollen zunächst versuchen, die Lehren und Ansichten bezüglich der Heiligung kurz festzustellen, (die Wirkungen dieses Lehrsystems zu beschreiben, würde Bände füllen) und einige der gewöhnlich gegebenen Beispiele anführen, um dann den Maßstab des Wortes Gottes anzulegen, ob diese Lehren von Gott sind oder nicht.

Man behauptet, dass die innwohnende Sünde oder die „alte Natur“ aus dem, der geheiligt ist, herausgenommen sei, indem er durch die „Feuertaufe“ davon gereinigt worden, und dass nichts zurückgeblieben sei als nur Vollkommenes und Heiliges. Der, welcher diese Feuertaufe empfangen hat, lebt ohne Sünde. Sein Wandel ist heilig, sein Herz vollkommen, und seine Liebe zu Gott und Menschen entspricht der Forderung des Gesetzes: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstande, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Luk. 10, 27).

W. —, ein anerkannter Führer der Heiligungsleute, schreibt: „Demnach hält der, welcher geheiligt ist, alle

Gebote Gottes, und zwar mit seiner ganzen Kraft“. Und weiter: „Die Liebe hat sein Herz gereinigt von jeder Bosheit und jeder unfreundlichen Stimmung, sie hat ihn gereinigt von Hochmut usw..“

Bezüglich der Fortdauer dieses Zustandes sündloser Vollkommenheit gehen die Ansichten auseinander. Die Einen stehen auf dem Boden, dass sie, einmal geheiligt, nicht mehr sündigen können, während die Anderen behaupten, dass jemand „aus der Heiligung fallen“ könne, gerade so wie es möglich sei, dass jemand ans der Rechtfertigung falle. Eine sorgfältige Prüfung der Beispiele und Grundsätze der Schrift wird zeigen, dass die Ansichten beider Parteien irrig und widerspruchsvoll sind.

Lasst uns zunächst einige der von ihnen angeführten Schriftstellen und Beispiele prüfen und dann ein wenig näher auf die Lehre der Heiligen Schrift über diesen Gegenstand eingehen. Sie führen David an als einen Mann, der die Heiligkeit erlangt habe, aber nicht etwa in Verbindung mit der Vergebung seiner Sünden. Nein, sagen sie, David musste, nachdem seine Sünden vergeben waren, noch einen anderen Schritt tun, bevor er die Vollkommenheit erlangte; sonst würde er nicht ausgerufen haben: „Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in meinem Innern einen festen Geist«. Als Antwort auf dieses Flehen wurde David geheiligt. Die verderbte Natur verschwand aus ihm, und er konnte nun nicht mehr sündigen! — Das ist ihre Lehre. Aber wenn sie die Geschichte Davids nur ein wenig weiter verfolgt hätten, so würden sie wissen, dass David Jahre nachher, bei Gelegenheit der Zahlung des Volkes, zu Gott sagen musste: „Ich habe sehr gesündigt in dem, was ich getan habe“ (2. Sam. 24, 10). Welch ein Widerspruch also! Wenn David in dem Sinne geheiligt war, wie sie es meinen, wie konnte er dann noch sündigen?

Bevor wir weitergehen, möchten wir, um nicht missverstanden zu werden, folgendes feststellen: während wir aufs Bestimmteste daran festhalten, dass die Sünde in dem Gläubigen ist, und das; die Wurzel bleiben wird, so lange er in diesem Leibe pilgert, behaupten wir doch keineswegs, das; man nicht von ihrer Macht befreit werden könne; denn es gibt so gut eine Befreiung von der Knechtschaft wie von der Schuld der Sünde. Ein jeder, der da weiß, was Befreiung ist, erfährt auch die Wahrheit des Wortes Gottes: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen“. Und wenn jemand die Wahrheit im Glauben erfasst, dass er „mit Christo gestorben und daher „frei von der Sünde“ ist, so hört die Sünde auf, seine Herrin zu sein. Das Fleisch besteht zwar noch, aber der christliche Wandel ist „im Geiste“; und in der Kraft des Geistes, durch beständige Wachsamkeit und Gebet, wird das Fleisch auf dem Platze des Todes gehalten. Dieser Gedanke ist sehr verschieden von dem, dass die Sünde so völlig „aus uns ausgebrannt“ sei, dass keine böse Triebfeder, gegen die man beständig wachen muss, zurückgeblieben wäre.

Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf die Lehre, dass solche, die einmal geheiligt sind, nicht mehr sündigen können. Die Schrift gibt uns nur ein einziges Beispiel von einer Person, die nicht sündigen konnte und auch nicht gesündigt hat. Diese Person war unser hochgelobter Herr Jesus, von welchem es heißt: „heilig, unschuldig, unbefleckt“ u. s. w. Das wird von keinem Anderen gesagt. Aber nicht nur dass selbst in jenen Männern, die in besonderer Weise von Gott ausgesandt waren, und in denen der Heilige Geist mächtiglich wirkte, zeigten sich die Werke des Fleisches, wodurch zweifellos festgestellt ist, dass geheiligte Personen sündigen konnten und gesündigt haben. Man denke z.B. an Petrus, einen Mann, der in der vordersten Reihe derer steht, welche besonders von Gott ausgewählt und ausgesandt wurden. Nachdem der Heilige Geist in ihm Wohnung gemacht hatte, und nachdem er schon viel von Gott gebraucht worden war, wurde er mit anderen Juden heuchlerisch erfunden, und der Apostel Paulus sagt im Blick auf ihn: „Ich widerstand ihm ins Angesicht, weil er dem Urteil verfallen war“. Ich denke nicht, dass irgend jemand es so leicht mit der Sünde nehmen wird, um zu sagen, Heuchelei und Täuschung sei keine Sünde!

Dieselben Leute, welche behaupten, dass der einmal Geheiligte nicht mehr sündigen könne, sagen auch, dass er keine Sünde mehr in sich habe. Haben sie wohl je darüber nachgedacht, was der Apostel Paulus sagen will, wenn er an die Korinther schreibt: „Ich zerschlage meinen Leib und führe ihn in Knechtschaft“? Warum zerschlug Paulus seinen Leib, wenn es keine Sünde mehr in ihm gab? Sogar nachdem der Apostel „in den dritten Himmel“ entrückt worden war, musste er „einen Dorn für das Fleisch“ haben. Dieser schmerzliche Dorn war notwendig für ihn. Und warum? Er selbst gibt die Antwort: „Auf dass ich mich nicht überhebe“. Wir erfahren also aus dem Worte Gottes, dass selbst ein Apostel Paulus nach jener

wunderbaren und einzig dastehenden Erfahrung fähig war, aufgeblasen zu werden, und das; Gott in Seiner Treue ihm eine Züchtigung senden musste, um der Wirkung der Sünde vorzubeugen. Könnte die Tatsache, dass die Sünde nicht aus ihm ausgebrannt war, wohl klarer ans Licht gestellt werden? Nein, selbst bei dem Apostel Paulus war sie es nicht. Die schlechte Quelle, die böse Triebfeder war noch vorhanden und musste im Zaume gehalten werden.

Bedurfte Christus je einen Dorn für das Fleisch? Nein, denn in Ihm gab es keine Sünde. Aber bei all den berühmten Männern des Alten und Neuen Testamentes werden, wenn etwas von ihrer Geschichte erzählt

wird, auch Fehler gefunden. Bei wem zeigten sich nicht die Wirkungen der bösen Triebfeder im Innern? Nun, wenn das so ist, dann muss doch diese böse Triebfeder vorhanden sein! Gott stellt uns, wie gesagt, nur einen vollkommenen Menschen vor Augen, und das ist Sein eigener Sohn. Er allein konnte sagen: „Wer unter euch überführt mich der Sünde?“

Außer dem Zeugnis des Wortes Gottes bestätigt aber auch die Erfahrung gottesfürchtiger Seelen in unseren Tagen die gleiche Wahrheit, nämlich dass die sündige Natur nicht aus dem Gläubigen weggenommen ist. Auch die vielen Beispiele von Fehltritten (ja, selbst bösen Fehltritten) bei denen, welche den Zustand völliger Heiligkeit erlangt zu haben bekannten, sind ein kräftiger Beweis für dieselbe Sache; dass sie außerdem große Schmach auf Christum und die Wahrheit gebracht haben, brauche ich nicht zu sagen. Um zu zeigen, wie weit die uns beschäftigende Lehre ausgedehnt wird, möchte ich einen Ausspruch anführen, den ein Heiligkeits-Prediger von der Kanzel herab getan hat. Von einer jungen Frau, die für ihn gepredigt hatte, sagte er: „Sie ist so rein, wie Christus selbst rein ist“. Dieser Ausspruch ist durchaus bezeugt; aber die Feder sträubt sich fast, eine solche Lästerung niederzuschreiben. Was für ein Beispiel von „Heiligkeit“ ist es, wenn man arme, fehlende Sterbliche dem Sohne Gottes an Reinheit gleichstellt! Die natürliche Folge einer solchen Lehre ist, dass ihre Anhänger gewöhnlich dahin kommen, sich ihrer Heiligkeit zu rühmen, und dass viele von ihnen dadurch ganz aufgebläht werden und so einen neuen Beweis dafür geben, dass die Sünde noch in ihnen ist; denn sie leitet sie dem Worte Gottes entgegengesetzt, welches sagt: „Nicht wer sich selbst empfiehlt, der ist bewährt, sondern den der Herr empfiehlt“ (2. Kor. 10, 18).

Mit Dank gegen Gott sei hier hinzugefügt, dass der Prediger, welcher die obige Äußerung getan hat, in späteren Jahren von seinem Irrtum zurückgekehrt ist und, nachdem seine Augen geöffnet waren, ein gewichtiges Zeugnis gegen die Ansichten, denen er früher huldigte, abgelegt hat. In einer von ihm herausgegebenen Schrift sagt er: „Es gibt keine Schriftstelle, ans welcher sich der Gedanke herleiten ließe, dass der Christ diesseits des Grabes von dem Fleische befreit werden könnte“; und an einer anderen Stelle: „Wenn du aber die Wahrheit hoch hältst und die Seelen nicht irre führen willst, so sage ihnen niemals, dass sie die Zerstörung der fleischlichen Natur zu erwarten hätten; denn trotz allem lebt das Fleisch noch. Es ist da; und wenn es in keiner anderen Form zu Tage tritt, so zeigt es sich als feiner geistlicher Hochmut; es macht sich breit in dem Geiste des Richtens.“

Die angeführten Beispiele: David, Petrus, Paulus, und solche, mit denen wir persönlich bekannt geworden

sind, beweisen also die Torheit jener, welche behaupten, dass sie keine Sünde mehr in sich hätten. Und Gottes Wort entscheidet die Sache endgültig mit den Worten: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1. Joh. 1, 8). Diese Schriftstelle allein genügt, um das ganze Lehrgebäude, von welchem wir reden, umzustoßen.

Wenden wir uns jetzt ein wenig zu der anderen Klasse, zu denen, welche sagen, dass jemand „aus einem

geheiligten Zustande fallen“ könne. Sind ihre Ansichten etwa folgerichtiger oder mehr schriftgemäß als diejenigen jener, welche auf Grund ihrer Behauptung, geheiligt zu sein, erklären, dass es für sie unmöglich sei zu sündigen? Hören wir, was sie zu sagen haben. Sie lehren: „Gott selbst kommt ins Herz hinein und fegt alles Anstößige aus. *) Zugleich aber behaupten sie, es gebe einige, die es „an der nötigen Wachsamkeit fehlen ließen“ u. s. w., und diese empfingen dann „seitens eines immer gegenwärtigen Feindes von außen eine neue Einflößung des Bösen“. Könnte es wohl etwas Ungereimteres geben, als zu sagen, dass die verderbte Natur durch die „Feuertaufe“ aus dem Gläubigen ausgebrannt sei, dass sie aber dem, der nicht wachsam sei, durch Satans List aufs neue eingeflößt werde? Empfangen wir die sündige Natur ein zweites Mal durch Vererbung oder durch Einflößung·? Und wie viele Feuertaufen müsste es dann wohl geben?

Es mag hier am Platze sein, die Frage kurz zu erörtern: Wie bekommen wir überhaupt die sündige Natur?

Gottes Wort gibt uns eine einfache, deutliche Antwort, wenn es den Psalmisten sagen lässt: „Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich empfangen meine Mutter“ ("Ps. 51, 5). Ferner lesen wir: „Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch“ (Joh. 3, 6). Das Fleisch ist die verdorbene, sündige Natur, welche wir in Verbindung mit dem natürlichen Leibe haben, **) und die von demselben untrennbar ist, so lange wir hienieden pilgern, oder so lange der Leib noch nicht erlöst ist. (Röm. 3, 11. 23; Prediger 7, 20.) Schon der Säugling, der noch von keiner Regung der Sünde weiß, besitzt diese sündige Natur: er ist ,,in Ungerechtigkeit geboren«. Der Apostel Johannes, den jene Lehrer als das herrliche Beispiel eines Mannes hinstellen, aus welchem die Sünde „weggenommen“ gewesen sei, sagt nicht nur: „um der Wahrheit willen, die in uns bleibt und mit uns sein wird in Ewigkeit“, sondern auch: „wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“; und beides sagte er durch den Heiligen Geist. So sehen wir denn, ob es sich nun um ein unschuldiges Kindlein, oder um einen bejahrten Gläubigen handelt, dass die Sünde in beiden wohnt; mit anderen Worten: wir erben eine sündige Natur, welche uns bleibt, so lange wir im Leibe sind.

Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass unsere Freunde zwei Stufen oder Abschnitte in dem Wege des Christen unterscheiden. Sie reden von dem ersten Gnadenzustand, oder „dem Zustand des Gerechtfertigtseins“, und von der ,,zweiten Segnung«, oder der „höheren Erfahrung“ nebenbei gesagt Ausdrücke, die wir in Gottes Wort nicht finden. Diese Zustände werden folgendermaßen erklärt: in dem ersten kennt man die Vergebung der Sünden; in dem zweiten „kommt der Heilige Geist als der Heiligende in das Herz“. Ferner bleiben wir nur so lange geheiligt, wie wir uns „für gekreuzigt halten“. Wieder müssen wir sagen: Welch sonderbare Behauptungen! Welche Widersprüche! Gott redet von der Versiegelung mit dem Heiligen Geiste „bis auf den Tag der Erlösung“; nicht aber als von einer Sache, die man einen Tag besitzt, um sie am folgenden wieder zu verlieren. Und was das „sich für gekreuzigt halten“ betrifft, so redet Gottes Wort niemals so. Selbst rein menschlich betrachtet, ist es ungereimt, von einem auf dem Kreuze gestorbenen Menschen zu sagen, dass er sieh für gekreuzigt halten solle.

In Römer 6 finden wir Gottes» Gedanken über das Gekreuzigtsein: „Unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt worden, auf dass der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“. Hier sehen wir, dass einem, der „mit Christo gekreuzigt“ ist, Kraft gegen die Sünde verliehen ist, damit er ihr nicht länger diene. Wie könnten wir nun dem dienen, was, nach der Behauptung jener, gar nicht mehr vorhanden ist? Gott sagt uns aber nicht, dass die Sünde aufgehört habe zu bestehen; im Gegenteil, Er ermahnt den, der mit Christo gekreuzigt ist, der Sünde nicht mehr zu dienen, wodurch klar bewiesen wird, dass sie noch da ist, selbst nachdem „unser alter Mensch“ mit Christo gekreuzigt worden ist.

Unsere Freunde verdrehen diese Stelle noch mehr, indem sie sagen, dass nur solche, welche die „zweite Segnung“ besitzen, „mit Christo gekreuzigt“ seien, während Gott das doch von allen Christen sagt. Weiter fordert Gott uns auf, „uns der Sünde für tot zu halten“, weil wir mit Christo gekreuzigt sind: der Sünde tot, Gott aber lebend. Und die daraus gezogene Schlussfolgerung lautet: „So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu gehorchen“. Unsere Freunde dagegen sagen, dass jemand in dem gekreuzigten Zustande „keine Sünde mehr in sich habe“. Sollte Gott uns nun auffordern, uns einer Sache für tot zu halten, die gar nicht mehr besteht? Oder sollte Er uns ermahnen, das nicht mehr in unserem Leibe herrschen zu lassen, was aus demselben ausgebrannt ist? Man braucht nur einen Augenblick hierüber nachzudenken, um zu erkennen, wie betrüglich und dem Worte Gottes völlig entgegen ihre Lehre in diesem Punkte ist.

Um Missverständnissen vorzubeugen, möchten wir hier darauf hinweisen, dass die Schrift deutlich unterscheidet zwischen dem „im Fleische sein“, und dem Vorhandensein „des Fleisches in uns“. In Röm. 8, 9 wird uns gesagt, dass wir nicht im Fleische, sondern im Geiste sind, wenn anders Gottes Geist in uns wohnt. Unsere Heiligungsfreunde vermengen nun diese beiden Dinge, indem sie sagen: wenn wir nicht mehr „im Fleische“ sind, so ist die Sünde oder das Fleisch ganz aus uns weggenommen. Aber eine weitere Untersuchung des genannten Kapitels zeigt klar das Gegenteil. Indem sie sich auf den ersten Vers berufen, sagen sie: „da ist keine Verdammnis“, denn die Sünde ist ganz beseitigt; es ist nichts mehr zu verdammen übriggeblieben. Aber sie beachten nicht, dass das Wort: „also ist jetzt keine Verdammnis“ denen gilt, „die in Christo Jesu sind“. Auch versäumen sie, die Anwendung zu machen, welche Gott etwas weiter in diesem Kapitel macht, indem wir lesen: „Wenn ihr“, nämlich die, welche in Christo Jesu sind, für die es keine Verdammnis mehr gibt, „wenn ihr durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben“. Man beachte, dass wir durch den Geist die Handlungen des Leibes töten sollen; aber nur der, welcher den Geist hat und „nicht im Fleische“ ist, kann dies tun. Daher liegt kein Widerspruch darin, wenn wir sagen, dass jemand, der „nicht im Fleische“ ist, doch das Fleisch noch in sich habe.

In Röm. 8, 1 hören wir, dass wir „in Christo“ sind; in Vers 9, dass wir „im Geiste“ sind; das eine beschreibt unsere Stellung, das andere den Zustand, in welchen wir gebracht sind. Beides ist uns zugesichert durch die Erlösung, indem Christus für uns gestorben ist, um uns aus unserer früheren Stellung in Adam zu befreien. Einmal musste Er sich mit der Sünde beschäftigen, und deshalb ging die Flut des Zornes Gottes

über Sein geweihtes Haupt. Das Schwert der göttlichen Gerechtigkeit war gegen Ihn erwacht, als Er unsere Sünden an Seinem eigenen Leibe auf das Holz trug: denn Gott muss in der Heiligkeit Seiner Natur die Sünde bestrafen, wo irgend Er sie findet. Und als Sein eigener geliebter und fleckenloser Sohn an unserer Stelle stand, mussten die Striemen, welche uns zukamen, auf Ihn fallen. Aber Gott sei Dank! das alles ist vorüber, und die Frage der Sünde ist für immer geordnet. Das Gericht ist getragen, der Tod besiegt und Satan überwunden worden, und jetzt ist Christus ein Mensch jenseits des Todes, jenseits der Sünde und der Macht Satans. Er ist auferstanden und verherrlicht, und wir sind in Ihm, jenseits des Bereichs der Verdammnis: unsere Stellung ist sicher, unveränderlich und ewig.

Durch den Heiligen Geist treten wir ein in die Erkenntnis der wunderbaren Stellung, die jetzt unser ist, indem Er mit unserem Geiste zeugt, dass wir Kinder Gottes sind und in der Gunst Gottes stehen. Der Heilige Geist wohnt auch in uns als eine Kraft, um uns in Herz und Leben sowohl vor bösen Verbindungen und Wegen zu bewahren, als auch vor der Tätigkeit des Bösen in unserem Innern und diese Kraft ist größer als die Kraft des Fleisches. „Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen“ (Gal. 5, 16) So ersehen wir denn aus dem Worte Gottes, dass diejenigen, welche die christliche Stellung einnehmen, nicht länger als im Fleische oder in Adam befindlich betrachtet werden, sondern als in Christo Jesu, und dass sie den Heiligen Geist besitzen als ihre Kraft im Wandel und Dienst.

Fußnote:

*) Obiger Aufsatz, dessen Verfasser ein in Amerika wohlbekannter Arbeiter im Werke des Herrn ist, wurde von befreundeter Seite eingesandt. Er ist ursprünglich in englischer Sprache unter dem Titel: „Is sin burnt out?“ (Ist die Sünde ausgebrannt?) erschienen und war zunächst nur für amerikanische Leser bestimmt. Da jedoch die Bezugnahme auf amerikanische Verhältnisse nirgendwo in einer für den deutschen Leser unverständlichen oder störenden Weise hervortritt, und der Aufsatz selbst außerordentlich viel Interessantes und Belehrendes über die so viele Gemüter bewegende Frage der Heiligung enthält, erschien es angezeigt, ihn unverändert zum Abdruck zu bringen. Möge er sich denn auch in deutscher Übersetzung als ein Wort zu seiner Zeit« erweisen, zum Segen und Nutzen für Viele!

**) Wo gibt es für diese Behauptung eine Stelle der Schrift? Zweifelsohne beruft man sich dabei auf Matth. 3, 11 u. 12: „Er wird euch mit Heiligeln Geiste und Feuer taufen; dessen Worfschaufel in Seiner Hand ist, und Er wird Seine Tenne durch und durch reinigen und Seinen Weizen in die Scheune sammeln; die Spreu aber wird Er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“. Aber wenn „die Tenne“ das Herz sein soll, so möchten wir doch fragen: was ist dann „der Weizen“ und was „die Scheune“, in welche der Weizen gesammelt wird?

Die Stelle bezieht sich lediglich auf Israel. Der Herr war zu Israel, Seiner Dreschtenne, gekommen, um Seinen Weizen von der Spreu abzusondern; der Weizen sind die Gerechten, die Spreu die Gottlosen. Die Gerechten erlöste Er, indem Er Sein Blut für sie vergoss, und Er taufte sie mit dem Heiligen Geiste am Pfingsttage. Die Taufe mit Feuer ist das ewige Gericht der Gottlosen von Seiten des Herrn, welches stattfinden wird, wenn Er wiederkommt. Die Taufe mit dem Heiligen Geist hat also schon stattgefunden, die Taufe mit Feuer ist noch zukünftig.

W. —-, den wir bereits weiter oben anführten, sagt: „Feuer ist das Sinnbild der Liebe“; aber er gibt keine Schriftstelle für diesen Gedanken an. Für einen sorgfältigen Leser der Schrift ist es aber klar, dass Feuer das Sinnbild des Gerichtes Gottes ist, wie dies schon die Ausdrücke „unauslöschliches Feuer“ und „Feuersee“ zeigen; auch in 2. Thess. 1, 8 heißt es, dass der Herr Jesus kommen wird „in flammenden Feuer, wenn Er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen“. An vielen anderen Stellen bezeichnet Feuer dasselbe, und wir finden nie, dass Gott die Bedeutung der Sinnbilder wechselt. So ist z. B. Sauerteig nicht in dem einen Fall ein Bild des Schlechten, und in dem anderen ein Bild des Guten; er wird vielmehr im Worte Gottes ausschließlich in ersterem Sinne gebraucht.

***) Der Ausdruck „Fleisch“ oder „das Fleisch“ wird in der Schrift verschiedenartig gebraucht; aber wo er im Gegensatz zu „dem Geist“ angewandt wird, bezeichnet er die sündige Natur, die wir alle von Adam geerbt haben, und im Blick auf welche Paulus sagt: „In mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes“.

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Selbstlose Liebe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 108ff

„Und geschah, als er zu Saal ausgeredet hatte, da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; und Jonathan liebte ihn wie seine Seele. Und Saul nahm ihn an jenem Tage zu sich und lies; ihn nicht zurückkehren in das Haus seines Vaters. Und Jonathan und David schlossen einen Bund, weil er ihn liebte wie seine Seele. Und Jonathan zog das Oberkleid aus, das er anhatte, und gab es David, und seinen Rock und bis auf sein Schwert und seinen Bogen und seinen Gürtel“ (1. Samuel 18, 1 - 4).

Welch ein herrliches Bild —— dass Bild einer Liebe, die sich selbst auszieht, um ihren Gegenstand zu bekleiden, einer Liebe, deren Fürsorge für den Geliebten das eigene Ich mit allen seinen Ansprüchen völlig beiseite setzt!

Wir bemerken in dieser Geschichte einen sehr großen Unterschied zwischen Saul und Jonathan. Wohl lesen mir, dass Saul David mit in sein Haus nahm; doch wir fragen mit Recht: warum tat er das? Suchte er nicht wohlhauptsächlich seine eigene Verherrlichung, indem er einen Helden wie David in seine Umgebung zog? Sein Herz war nicht für David gewonnen. Im Gegenteil zeigten sich bald Neid und Missgunst in seinem Innern, die allmählich zu bitterer Feindschaft gegen den Retter des Volkes wurden. Ganz anders war es mit Jonathan! Er dachte nicht an sich und seine Ehre. Nein, er entkleidete sich selbst um Davids willen. Er zog sich aus, um Ihn zu schmücken. Das war Liebe in einer ihrer lieblichsten Tätigkeiten.

Gleich den Tausenden Israels war auch Jonathan mit atemlosen Interesse den Vorgängen im Terebinthentale gefolgt. Er hatte gesehen, wie David in seiner einfachen Hirtenkleidung, nur mit der Schleuder bewaffnet, dem schrecklichen Feinde entgegenging, dessen gewaltige Größe, dessen blitzende Waffen und höhnende Worte die Herzen des Volkes mit Entsetzen erfüllt hatten. Er hatte ohne Zweifel auch die schönen Worte gehört, welche David dem Philister zurief: und er hatte gesehen, wie der hochmütige Riese durch die Hand des Glaubens hingestreckt wurde. Auch hatte er an der Verfolgung der Philister und an dem glänzenden Siege jenes Tages teilgenommen.

Doch was war es, das Jonathans Herz erfüllte? Es war nicht so sehr der errungene Sieg, noch weniger die gemachte Beute, sondern vielmehr die Person des Siegers. Vor seinen Augen stand weniger das vollbrachte Werk, als vielmehr der Eine, der es vollbracht hatte. Er war nicht damit befriedigt, sagen zu können: „Gott sei Dank, der Riese ist tot! wir sind befreit und können in Frieden heimkehren“. Nein: er fühlte sich zu der Person des Siegers hingezogen und mit ihr aufs Innigste verbunden. Nicht als ob er den Sieg geringgeschätzt hätte: doch der Sieger hatte für ihn einen höheren Wert. Und so fand er seine Freude darin, sich seiner Kleider und Waffen zu entäußern, um den Gegenstand seiner Zuneigungen damit zu bekleiden.

Mein lieber gläubiger Leser! Dieser kurze Abschnitt enthält nicht nur eine Lehre für uns, sondern auch eine ernste Ermahnung. Sind wir nicht sehr geneigt, uns mehr mit der Erlösung zu beschäftigen als mit dem Erlöser, mehr mit dem Heile als mit dem Heilande? Ohne Zweifel dürfen und sollen wir uns unserer Errettung freuen; aber wir sollten nicht dabei stehen bleiben. Nein, wir sollten, wie Jonathan, uns selbst gleichsam zu entkleiden suchen, um die Person Dessen zu verherrlichen, der für uns in den Staub des Todes gelegt wurde. Und wir sollten das umso mehr tun, als Er nicht irgend Etwas von uns fordert. Auch David bat Jonathan nicht um sein Kleid oder um fein Schwert. Hätte er das getan, so würde die Szene ihres schönsten Reizes beraubt worden sein. Nein, das Tun Jonathans war ein ganz freiwilliges. Er vergaß sich selbst und dachte nur an David. So ist die Liebe. Sie findet ihre höchste Freude darin, sich selbst für ihren Gegenstand hinzugeben, sich in ihm zu verlieren. Jonathan hatte früher (vergl. 1. Samuel 14) auch einen herrlichen Sieg über die Philister davongetragen. Und wie leicht hätte er. wie Saul denken können: Der Ruhm Davids stellt meinen eigenen in den Schatten; sein Sieg lässt den meinigen vergessen! Aber nein, der Glaube in ihm erblickte in David, so unscheinbar und verachtet er auch war, den wahren König Israels, den Gesalbten Jehovas, den Retter seines Volkes, und die persönlichen Eigenschaften Davids gewannen die ganze Liebe seines Herzens. Er vergaß seine eigenen Interessen, indem er David betrachtete.

Tun wir dasselbe im Blick auf den wahren David? Besitzt Er die ganzen, ungeteilten Zuneigungen unserer

Herzen? Ist unser Verhältnis zu Ihm ein so inniges? Die Beantwortung dieser Fragen hängt davon ab, was

Jesus für uns ist. Je mehr wir Seine kostbare Liebe kennen und genießen, je mehr wir Ihn betrachten, desto mehr wird auch unser Tun von den rechten Beweggründen geleitet sein, und wir werden mit dem Apostel sagen können: „Die Liebe des Christus drängt uns“: und: „Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; ja, wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, auf dass ich Christum gewinne“.

O dass unser aller Herzen mehr in solch hingebender Liebe für Ihn schlagen möchten! Möchten wir in diesen Tagen, wo sich ein hohes Bekenntnis so oft mit Gleichgültigkeit und Weltförmigkeit verbindet, uns mehr mit Jesu beschäftigen! Dann wird es sich ganz von selbst verstehen, ja, es wird eine Freude für uns sein, „mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren“; und unser glückliches Herz wird frohlockend einstimmen in die Worte des Apostels: „Ich bin mit Christo gekreuzigt; und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal. 2, 20).

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Ich will gehen

Bibelstelle: 1. Mose 24,58

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 112ff

Ich will geben“, sagte einst Rebekka, als sie gefragt wurde, ob sie mit Elieser, dem Knechte Abrahams,

ziehen wolle, um das Weib des Sohnes seines Herrn zu werden. Sie hatte dem Bericht des gottesfürchtigen Fremdlings geglaubt, und ihr Herz war entschlossen, alles, was ihr bisher teuer gewesen war, auszugeben und dem Manne zu folgen, welcher sie zu Isaak bringen sollte. Eine lange, beschwerliche Wüstenreise lag vor ihr; aber ihr Blick war nicht ans die Reise, sondern ans das Ziel gerichtet.

Rebekka ist ein bekanntes Vorbild von der Braut Christi. Auch wir befinden uns auf der Reise. Unsere Herzen sind für Jesum gewonnen worden, und wir ziehen Ihm entgegen. Die Erde, ist nicht unsere Heimat, und der Himmel ist noch nicht erreicht. Elieser ist das Vorbild des Heiligen Geistes, welcher uns auf unserer Pilgerfahrt leitet; und so wie jener einst während der Reise zu Rebekka über das geredet haben wird, was ihrer im Hause des Vaters ihres Bräutigams wartete, so ermuntert heute der Heilige Geist unsere Seelen durch den Hinweis auf die kostbaren Dinge, die vor uns liegen. Und wir bedürfen dieser Ermunterung, um nicht durch die Beschwerden und Entbehrungen der Reise niedergebeugt zu werden, und um unsere Gedanken von alledem, was wir verlassen haben, abzulenken auf das Ziel hin. Der Heilige Geist tröstet und ermuntert uns. Er erzählt uns von dem, was unsere Herzen jetzt interessiert, von der Liebe und Macht des Vaters, und dass Er dem Sohne alles gegeben, was Er hat“: Er nimmt von den Dingen Christi und teilt sie uns mit (.Joh. 16, 12 - 14). Und indem Er dies mit unermüdlicher Fürsorge tut, kommen wir dem Ziele immer näher, und ehe wir es uns versehen, ist die Wüste durchschritten. Wir heben unsere Augen auf und — sehen Jesum!

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle: Hebräer

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 113ff

Kapitel 11.

Wir kommen jetzt zu Kapitel 11. Wie schon angedeutet, bildet Kapitel 10, 35 das Bindeglied zwischen den beiden leitenden Gedanken der Epistel, dass nämlich das Christentum uns innerhalb des Vorhangs und außerhalb des Lagers führt; das heißt: es zerstört das Werk Satans, der uns von Gott entfremdete und uns heimisch machte in einer verderbten Welt. Denn das ist gerade der Zweck der Religion Christi, das Werk Satans zunichte zu machen. Nichts könnte herrlicher sein als der Gegensatz, der sich so zwischen der Schlange und dem Schlangentreter zeigt. Die „große Belohnung«, von welcher in obengenanntem Verse die Rede ist, tritt jetzt in dem Leben des Glaubens, das wir betrachten wollen, ans Licht. Wir sind berufen, wie John Bnnyan sagt, „uns männlich zu erweisen“. Von innen Glück, von außen Kampf, das ist gleichsam des Christen Losung; und dieses 11. Kapitel unseres Briefes zeigt uns die Auserwählten aller Zeitalter, wie sie sich „männlich erwiesen“ haben in der Kraft des zuversichtlichen Glaubens, der in ihnen wirkte.

Werfen wir deshalb unsere Zuversicht nicht weg; denn wir sehen hier deutlich, dass sie »eine große Belohnung hat. Der Glaube eignet sich zweierlei Dinge von Gott zu: Zunächst sieht er in Ihm Den, welcher den Gottlosen rechtfertigt (wie in Römer 4), und dann eignet er sich Gott an als Den, welcher „denen, die Ihn suchen, ein Belohner ist“. Letzteres ist hier der Fall. In dem Augenblick, da man Gott ergreift durch einen Glauben, der nicht wirkt, gelangt man zu einem Glauben, der wirkt. Das mag etwas sonderbar klingen, aber es ist doch so. Demselben scheinbaren Widerspruch begegnen wir in Stellen wie Hebr. 11, 31 und Jak. 2, 25. Lasst uns denn, indem wir mit Recht einen Glauben schätzen, der unsere Seelen errettet, nicht gleichgültig sein hinsichtlich eines Glaubens, der unserem Heilande zu dienen begehrt. Mit welcher Freimütigkeit rühmen wir uns oft unserer Rechte als Gläubige! Aber die ernste Frage ist: schätzen wir wirklich unser Erbteil? Es ist eine gar jämmerliche Sache, sich jener Rechte zu rühmen und dabei zu zeigen, dass das Herz nur wenig durch die Hoffnung auf das Erbteil bewegt wird. Ebenso traurig ist es, wenn ich mich des mich rechtfertigenden Glaubens rühme und dabei bezüglich des in Hebräer 11 vorgestellten Glaubens Gleichgültigkeit an den Tag lege.

„Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man

nicht sieht.“ Er war die Kraft aller Glaubenshelden vor alters, die in ihm „Zeugnis erlangt haben“ — ein neuer Beweis für unsere Behauptung, dass alles in dieser Epistel darauf hinausläuft, das Gesetz beiseite zu setzen. Denn wäre es selbst möglich, das Gesetz» als die geheime Kraft meiner Seele zu nehmen, um so etwas für Gott zu tun, so würde doch das, was ich täte, nicht für Gott, sondern für mich selbst sein. Das Gesetz mag mich strafen und züchtigen und mich auffordern, mir ein Anrecht an das Leben zu verdienen, aber schließlich diene ich damit doch nur mir selbst. Der Glaube setzt das Gesetz, völlig beiseite.

Nachdem der Apostel somit den Glauben als einen wirkenden Grundsatz. eingeführt hat, beginnt er die verschiedenen Gestaltungen, unter welchen er sich von Anfang an gezeigt hat, zu entwickeln. Zunächst redet er von ihm im Blick auf die Schöpfung, und ich denke, dass Vers 3 eine Anspielung aus Adam enthält. Wenn Adam in dem Garten ein Anbeter war, so war er es durch Glauben. Sollte er nicht einen Blick hinter alle die Wunder, von welchen er umgeben war, getan und den großen Meister der Schöpfung in ihnen erkannt haben?

Man hört zuweilen sagen, dass man Gott auch heute noch in der Natur anbeten könne; doch sobald der Mensch seine Unschuld einbüßte, gab er die Schöpfung als einen Tempel preis, und eine Rückkehr dorthin ist unmöglich. Für Adam war die Natur ein Tempel; aber wenn ich heute zu ihr zurückgehe, so kehre ich gleichsam zu Kain zurück.

Wir kommen jetzt zu Abel und zu einem göttlichen Zeugnis. Wir sind Sünder, und das Zeugnis, welches uns die Grundlagen der Erlösung erschließt, muss uns sozusagen auch einen Tempel bauen. Der Platz, des Anbeters ist gegenwärtig in dem Tempel, den Gott in Christo für uns erbaut hat.

Dann wird uns Henoch vorgestellt. Henochs Leben weist nichts Außergewöhnliches auf; aber er verbrachte es mit Gott. Im 1. Buche Mose wird uns gesagt, dass er mit Gott wandelte, und hier hören wir, dass er Gott wohlgefallen habe. Ähnlich sagt der Apostel in 1. Thessalonicher 4: „Ihr habt von uns empfangen, in welcher Weise ihr wandeln und Gott gefallen sollt“. Mit Gott wandeln heißt „Ihm wohlgefallen“. Könnte uns etwas lieber und willkommener sein als der Gedanke, dass wir Gottes Wohlgefallen wachrufen können? In Henochs Leben gab es vielleicht nichts, was einem menschlichen Geschichtsschreiber der Aufzeichnung wert erschienen wäre; aber Gottes Wohlgefallen ruhte auf diesem Leben. Sollten wir nicht danach trachten, dass das Gleiche auch von unserem Leben gesagt werden könnte? In welcher Lebenslage wir uns auch befinden mögen, unsere Berufung ist, mit Gott zu wandeln. Auch ist es lieblich zu sehen, wie ein unscheinbares Leben einem Leben voll großer Ereignisse vorausgeht. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere Leser versucht zu sagen: ,“Ich bin ein so armes, unscheinbares Geschöpf im Vergleich mit Anderen, welche im Dienste für den Herrn hervorragend dagestanden haben“. Es mag sein, aber vergiss nicht: Henoch war auch ein solcher; und doch, was sagt Gott von ihm? — O möchten wir alle dem Henoch mehr gleichen!

Das Leben Noahs weist weit mehr hervorstechende Züge auf als das Leben Henochs. Der Glaube, der in

ihm war, schenkte der Warnung Gehör. Der Glaube braucht nicht auf den Tag der Herrlichkeit oder den Tag des Gerichts zu warten, um die Herrlichkeit oder das Gericht zu sehen. Der Glaube in dem Propheten bat nicht darum, dass seine Augen geöffnet werden möchten; er schien hier einhundert und zwanzig Jahre lang ein Tor zu sein. Noah baute ein Schiff auf trockenem Boden, und wohl mögen seine Nachbarn oft ihren beißenden Spott über ihn ausgegossen haben; aber er kümmerte sich nicht darum, denn er schaute auf das Unsichtbare. Wie beschämend ist das für uns! Ach, wenn wir nur mehr unter dem mächtigen Einfluss der zukünftigen Herrlichkeit ständen, welche Narren würden wir in den Augen der Menschen sein! Aber auch welch ein mächtiges Zeugnis für unseren kommenden Herrn!

Doch wir dürfen das Wort nicht übergehen, von welchem wir ausgegangen sind: „Wer Gott naht, muss glauben, dass Er ist und denen, die Ihn suchen, ein Belohner ist“. Ich wiederhole noch einmal, dass auf den Glauben, von welchem in Römer 4 die Rede ist, diese Worte sich nicht wohl anwenden lassen. —— „Aber“, möchte gefragt werden, „ist es gut, so viel von Belohnung zu reden? Wird uns das nicht auf einen gesetzlichen Boden führen und zu gesetzlichem Treiben Anlass geben?“ Keineswegs! Jener Ausspruch ist an seiner Stelle durchaus am Platze und sehr lieblich. Der Glaube eines Heiligen kann nicht untätig sein; er ist vielmehr etwas, das sich in hohem Grade tätig erweist. Und sollte Gott wohl irgend einem Menschen gegenüber ein Schuldner bleiben? Nein, Er ist denen, die Ihn suchen, ein Belohner; ja, Er wird allen denen, die da säen, eine reichliche Vergeltung zu teil werden lassen. „Wer segensreich säet, wird auch segensreich ernten“ (2. Kor. 9, 6).

Abrahams Leben, welches jetzt zunächst folgt, bietet uns ein Gemälde von den verschiedenartigen Übungen des Glaubens. In seinem Glauben lag Erhabenheit, eine siegreiche, überwindende Kraft, ein klares und tiefes Erfassen; alle diese schönen Glaubens-Eigenschaften treten in dem Leben Abrahams deutlich ans Licht. Er zog sozusagen blindlings aus, „nicht wissend, wohin er komme“; doch der Gott der Herrlichkeit führte ihn an Seiner Hand. So kam er in das Land der Verheißung und hielt sich dort auf, ohne dass ihm ein Fußbreit Boden gegeben worden wäre. Er musste mit dem Glaubens-Gehorsam auch

das Ausharren des Glaubens verbinden; und was irgend von den Lippen Gottes kommen mochte, war ihm willkommen. Abraham wandelte sein ganzes Leben hindurch in der Kraft der Erinnerung dessen, was er unter der Leitung des Gottes der Herrlichkeit gesehen hatte. Stephanus, der in seiner Rede an das versammelte Synedrium gerade von dem „Gott der Herrlichkeit“ spricht (vergl. Apstgsch. 7, 2. 3), sah in seinen Tagen den Himmel offen. Angenommen nun, das Gesicht des Stephanus wäre an deinem Geistesauge vorübergegangen — nicht dass du erwarten dürftest, dasselbe Gesicht zu schauen, welches er einst sah; aber du hast es in ihm gesehen - was würdest du dann sagen dürfen, selbst wenn man dich zum Scheiterhaufen führte? Du würdest, wie Stephanus, deinen Feinden zurufen können: ,“Ich habe die Himmel über mir geöffnet gesehen, und Jesum zur Rechten Gottes stehend“. Nun, es ist, Gott sei Dank! jetzt nicht die Zeit der Scheiterhaufen; aber wenn wir, du und ich, einfältige Leute mit aufrichtigen, treuen Herzen sind, so werden wir gerade so vorangehen, wie Abraham es tat, nachdem er den Gott der Herrlichkeit gesehen hatte.

In Sarah wiederum erblicken wir eine andere Art von Glauben. Wir müssen in Gott Denjenigen sehen, der Tote lebendig zu machen vermag. Noah erkannte Gott so. Auch die Israeliten lernten Ihn hinter den mit Blut bestrichenen Türpfosten in dieser Eigenschaft kennen. Der Tod herrschte in Ägypten und bedrohte jedes Haus im Lande; doch die Israeliten hatten Gott als Den erkannt, der die Toten lebendig macht. Und von dieser Seite lernten auch Noah, Abraham und Sarah Gott kennen. Wenn ich aus Gott weniger mache als einen Gott, der Tote lebendig macht, so mache ich aus mir selber mehr als einen toten Sünder. Ich muss mit Ihm zusammentreffen als dem Gott, der Tote lebendig macht.

Der 13. Vers unseres Kapitels ist besonders schön und lieblich. Das Erste, was mit einer Verheißung geschehen muss, ist, dass man sie sich aneignet, dann, dass der Glaube bezüglich ihrer in Tätigkeit kommt, und schließlich, dass man sie mit dem Herzen aufnimmt. Die Gläubigen, von denen wir bisher gesprochen haben, „sahen sie von ferne und begrüßten sie“. Ihre Herzen ergriffen sie. Und nun mögen wir uns fragen: Inwieweit haben unsere Herzen die Verheißungen ergriffen? Ein jeder von uns wird die Armut und Dürre seines eigenen Herzens kennen. Doch eins ist gewiss: je inniger unsere Herzen sie ergreifen, desto freudiger werden wir bereit sein, als Pilgrime und Fremdlinge durch diese Welt zu gehen. Wir haben hier ein wunderbares Bild vor uns von Herzen, die durch den Glauben geleitet wurden. Hatten jene Gläubigen etwa deshalb das Gefühl der Fremdlingschaft, weil sie Mesopotamien, das Land ihrer Verwandtschaft, verlassen hatten? Keineswegs; sondern weil sie die ihnen von Gott bereitete himmlische Stadt noch nicht erreicht hatten. Sie hätten zurückkehren können, wenn sie gewollt hätten; aber das hätte an ihrer Fremdlingschaft nichts geändert.

Angenommen, es träte ein Wechsel in deinen Umständen ein, würde das deine Fremdlingschaft aufheben? Sicherlich nicht, wenn du anders dem Volke Gottes angehörst. Mesopotamien stillte das Sehnen jener Fremdlinge nicht. Nichts konnte ihre Fremdlingschaft aufheben, ihr ein Ziel setzen oder sie beendigen, als nur die Erlangung des Erbteils. Vorwärts führte ihr Weg, der himmlischen Stadt entgegen, und Gott schämte sich nicht, ihr Gott genannt zu werden.

In Kapitel 2 haben wir gelesen, dass Christus sich nicht schämt, uns Seine Brüder zu nennen. Hier hören

wir, dass Gott sich nicht schämte, diese Fremdlinge Sein Volk zu nennen. Warum schämt Christus sich nicht, die Geheiligten Seine Brüder zu nennen? Weil sie in ein und demselben ewigen Ratschluss mit Ihm stehen; weil Der, welcher heiligt, und die, welche geheiligt werden, alle von einem sind. Die Auserwählten und Christus sind in einer Familie miteinander verbunden. Ein Band umschlingt sie alle. Wie könnte Er sich also ihrer schämen? Und gerade so ist es, wenn du mit der Welt abgeschlossen hast, wenn du ein Fremdling in ihr geworden bist; Gott schämt sich dann nicht, dein Gott zu heißen. Denn Er selbst hat mit der Welt abgeschlossen, und so kann Er sich deiner nicht schämen, weil du eines Sinnes mit Ihm bist. Gerade deshalb, weil jene sich Fremdlinge nannten, nannte Gott sich ihr Gott.

Stehen wir hier einen Augenblick still, um aus die ernste Zurechtweisung zu lauschen, die unseren Herzen

hier zu teil wird. Wie tief sitzt in den meisten von uns noch eine Neigung zu Verbindungen oder zur Freundschaft mit der Welt! Wie wenig zeigt sich jene himmlische Fremdlingschaft, die ein für allemal entschieden mit der Welt und ihren Dingen gebrochen hat, und die nur ein Ziel kennt: den Himmel!

Weiterhin wird Abraham in einem neuen Lichte vor unsere Blicke gestellt. Jede Hoffnung Abrahams stand in Verbindung mit Isaak, ruhte auf dem Sohne der Verheißung. „In Isaak soll dein Same genannt werden“,

war über ihn gesagt worden. Isaak hingeben hieß nicht nur Bankerott in der Welt machen, sondern schien geradezu einem Bankerott im Blick aus Gott gleichzukommen. Abraham hätte fragen können: Soll ich denn nun auch an Gott zu Schanden werden, nachdem ich in Mesopotamien alles eingebüßt habe? Eine höhere Anforderung hätte an den Glauben unseres Patriarchen nicht gestellt werden können. -— Mein lieber Leser! Hast du je gefürchtet, Gott könnte dich an Ihm selbst zu Schanden werden lassen? Hat Er sich wohl je von dir abgewandt, um sich nie wieder dir zuzukehren?

Was Abraham betrifft, so empfing er, Isaak im Gleichnis zurück, als ein Siegel und einen neuen Zeugen der Auferstehung. Und ich möchte fragen: Verlieren wir wohl je etwas dadurch, dass wir Gott in dunkler Stunde vertrauen? Wahrlich nicht; und wenn jemand Gott jemals in dunkler Stunde vertraut hat, so war es Abraham.

Nach Abraham kommen wir zu Isaak. Isaak bewies seinen Glauben darin, dass er Jakob und Esau in Bezug auf zukünftige Dinge segnete. Das ist das Wenige und Einzige aus seinem Leben, das der Geist Gottes erwähnt. Wir mögen darüber erstaunt sein; aber wenn wir Isaaks Leben betrachten, so werden wir finden, dass dies in der Tat den Gipfelpunkt desselben bildete. Jene Handlung war von Bedeutung in den Augen Gottes.

Jakob ist wieder bemerkenswerter, gleichwie es in dem Leben Noahs mehr Bemerkenswertes gab als in demjenigen Henochs. Sein Leben war sehr ereignisvoll; dennoch wird uns hier nur das eine von ihm berichtet: „Durch Glauben segnete Jakob sterbend einen jeden der Söhne Josephs“. Das ist ausnehmend lieblich, aber es zeigt uns auch, wieviel Wertloses es in dem Leben eines Gläubigen geben mag. Ich glaube nicht, dass man Jakobs Leben die Darstellung des Lebens eines Dieners Gottes nennen kann. Er war das Bild eines Gläubigen, der immer wieder irre ging und dessen ganzes Leben ein beständiges Fallen und Aufstehen, ein stetes Gehen und Umkehren war. Jene Glaubenshandlung finden wir erst ganz am Ende seines Weges: „sterbend segnete er einen jeden der Söhne Josephs“. Da kam er in Berührung mit unsichtbaren Dingen, mit Dingen, die dem Laufe der Natur entgegen waren. Sein Leben bestand, wie gesagt, aus fortgesetztem Fallen und Wiederaufstehen, und erst am Schluss desselben tat er diesen Dienst des Glaubens, ungeachtet der natürlichen Empfindungen seines Herzens und des Einwurfes seines Sohnes Joseph.

Josephs Leben dagegen ist sehr lieblich; es war von Anfang an ein Leben des Glaubens. Joseph war ein durch und durch heiliger Mann; doch in einer Beziehung gleicht er seinem Vater Jakob: auch an seinem Lebensende strahlte der Glaube in ganz besonderem Glanze hervor. Er konnte seine Hand an die Schätze Ägyptens legen, und seinen Fuß auf den Thron Ägyptens setzen; aber angesichts dieser Machtstellung redete er von dem Auszug seiner Brüder. Sein Glaubensauge war auf die unsichtbaren Dinge gerichtet, und dies ist das Einzige, was der Geist Gottes hier als eine Handlung des Glaubens hervorhebt. Joseph sagte gleichsam zu seinen Brüdern: „Ich wandle nicht durch Schauen. Ich weiß was kommen wird, dass ihr aus diesem Lande ausziehen werdet: darum, wenn ihr ausziehet, so nehmet meine Gebeine mit euch.“

Das ganze Leben Josephs war, wie gesagt, untadelig, aber am Ende desselben, bei seinem Abschiede, gab sich sein Glaube in besonders herrlicher Weise kund. Nun, mein lieber Leser, das ist es, was auch mir und dir not tut. Möchtest du bloß gerecht sein, von aller Schuld gereinigt in dem Blute des Lammes? Du musst das natürlich sein, um den Pfad des Glaubens überhaupt wandeln zu können; aber würde es genügen, um ein Leben des Glaubens auszumachen? Nein, dazu musst du suchen, unter die Macht und den Einfluss dessen zu kommen, „was man hofft“, der Dinge, „die man nicht sieht“, unter den Einfluss der Erwartung der Wiederkunft des Herrn. Du magst ohne diese Erwartung vielleicht geistliche Energie zeigen, magst auch untadelig wandeln, aber du führst nicht jenes Leben des Glaubens, durch welches „die Alten Zeugnis erlangt haben“.

So haben wir denn gesehen, dass der Glaube ein Grundsatz) ist, der sich wirksam und tätig erweist. Der Glaube des Sünders, der zu Jesu kommt, ist ein nichtwirkender Glaube; wie geschrieben steht: „Dem aber, der nicht wirkt, sondern an Den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt u. s. w.“ (Röm. 4, 5). Sobald ich aber durch den nichtwirkenden Glauben gerechtfertigt bin, tritt der wirkende Glaube in seine Rechte, und ich muss in der Kraft desselben leben. „Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, also ist auch der Glaube ohne die Werke tot“ (Jak. 2, 26.)

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Die sogenannte Heiligungslehre im Lichte des Wortes Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 124ff

Bezüglich solcher Gläubigen, die jene vielbesprochene höhere Stufe der Vollkommenheit erreicht haben, sagt W., der schon wiederholt von uns angeführte Schreiber, folgendes: »Es bleibt also übrig, dass Christen jetzt in einem solchen Sinne vollkommen sind, dass sie keine Sünde mehr tun und befreit sind von bösen Gedanken und bösen Neigungen“. Demgegenüber möchte ich fragen: Konnte W., als er diese Worte niederschrieb, wohl die Hoffnung haben, von welcher in 1. Joh. 3, 3 die Rede ist: „Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist“? Vers 2 zeigt, um welche Personen es sich an dieser Stelle handelt; es sind die „Kinder Gottes“, die diese Hoffnung haben, und diese werden in Röm. 8, 14 als solche gekennzeichnet, die durch den Geist Gottes geleitet werden. Auf Letztgenanntes machen aber unsere „geheiligten“ Freunde ganz besonders Anspruch. Nun, wenn sie denn durch den Geist Gottes geleitet werden, so sollte jene Hoffnung sicherlich die ihrige sein. Doch welch ein Widerspruch! welch eine

Ungereimtheit! Wenn sie schon „rein“ sind und „in einem solchen Sinne vollkommen, dass sie keine Sünde mehr tun“, so gibt es bei ihnen ja gar nichts mehr, wovon sie sich zu reinigen hätten! Da das Schlechte völlig aus ihnen entfernt, „ausgebrannt“ ist, so kann das Wort des Apostels nicht für sie sein! Das zeigt wiederum das Trügerische ihrer Stellung, denn Gott sagt: „Jeder, der diese Hoffnung hat“; und ·wie wir bereits hervorgehoben haben, geht aus dem Zusammenhang der Stelle deutlich hervor, dass die Söhne Gottes es sind, welche jene Hoffnung besitzen. Unsere Heiligungsfreunde aber behaupten, dass sie der Reinigung nicht mehr bedürften.

Wir möchten noch ein wenig näher auf diese Hoffnung und die damit in Verbindung stehende Reinigung eingehen. Der Gegenstand einer Hoffnung ist immer etwas in der Zukunft Liegendes; sobald die erhoffte Sache verwirklicht ist, hört sie auf, eine Hoffnung zu sein. Die Hoffnung, die uns in 1. Joh. 3 vorgestellt wird, besteht darin, dass wir Christo gleich sein werden. Es ist eine außerordentlich kostbare Hoffnung, und wenn wir sie im Geiste zu ergreifen vermögen, so wirkt sie aus unser Herz und Gewissen, indem sie uns dahin bringt, dass wir schon jetzt, in unseren Wegen hienieden, Christo so ähnlich wie möglich zu

sein suchen. „Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist.“ Es wird uns

nicht gesagt, dass wir rein seien, wie Christus rein ist; das wird erst der Fall sein, wenn wir „bei Ihm“ und

„Ihm gleich“ sein werden; aber Christus ist der Maßstab für unsere Reinigung. Nicht nur töten wir unsere

Glieder, die auf der Erde sind, sondern es gibt auch ein Wachsen in allem zu Ihm hin, der das Haupt ist. So schreitet die Reinigung fort in der Kraft des Geistes Gottes, der in uns wohnt. Wie lange nun wird diese Reinigung fortgesetzt werden? Offenbar so lange wir in dem Leibe sind, oder bis wir Ihm gleich sind, was

der Fall sein wird, wenn Er geoffenbart wird. Auch beachte man, dass es nicht heißt: „die Gerechtfertigten“

reinigen sich, „die Geheiligten“ bedürfen es nicht! Nein, sondern: „jeder, der diese Hoffnung hat“. Wenn also unsere Freunde diese Hoffnung haben, so reinigen auch sie sich, was ein Beweis ist, dass sie den Zustand vollkommener Reinheit noch nicht erreicht haben.

Über die Frage, ob auch die Gläubigen des Alten Testamentes diesen Zustand der Vollkommenheit besaßen oder nicht, sind die Ansichten geteilt. W· glaubt es nicht. Er sagt: „Von Salomo bis auf Christum gab es keinen Menschen, der nicht sündigte. Was aber auch der Zustand derer, die unter dem Gesetz waren, gewesen sein mag, so können wir sicherlich mit dem Apostel Johannes behaupten, dass, seitdem das Evangelium verkündigt worden ist, jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt.“ Ferner sagt er: „Es kann jemand von sich annehmen, dass er zu „gänzlicher Heiligung“ gelangt sei, wenn er die Erfahrung macht, dass er der Sünde völlig gestorben ist“; und weiter: „Er ist der Sünde nicht gestorben, bis die Sünde von seiner Seele getrennt ist; und in dem Augenblick lebt er das völlige Leben der Liebe.“ — „So ist denn die Umwandlung, die hervorgerufen wird, wenn die Seele der Sünde stirbt, von ganz besonderer Art und bedeutend größer als irgend eine vorher, so groß, dass niemand sie verstehen kann, bis er sie erfährt“

Wenden wir uns jetzt einen Augenblick von den Gedanken und Lehren der Menschen zu dem Worte Gottes. Wir lesen in 1. Joh. 3: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“. Man beachte, dass die, welche nicht sündigen können, diejenigen sind, welche „aus Gott geboren“ sind. Aber wer sind die „aus Gott Geborenen“? Derselbe Brief gibt uns in Kap. 5, 1 die Antwort, wo es heißt: „Jeder, der da glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren“. „Aus Gott geboren“ ist daher der umfassendste Ausdruck, den wir uns denken können, indem er jeden einschließt, der wahrhaft an den Herrn Jesum glaubt. Wenn wir nun die Anwendung davon machen, so sehen wir, dass jeder wahre Gläubige, indem er aus Gott geboren ist, nicht Sünde tut. Unsere Heiligungsfreunde aber sagen: Nur diejenigen, welche „die gänzliche Heiligung“ besitzen, sündigen nicht. So sehen wir denn, dass sie das, was Gott im allgemeinen auf alle Christen anwendet, immer wieder in die von ihnen selbstgesteckten Grenzen hineinzwängen. Heißt das nicht, Gottes Wort in betrüglicher Weise handhaben? Oder ist es Unwissenheit?

Für manche aufrichtigen Seelen liegt indes eine tatsächliche Schwierigkeit in der Stelle: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde“. Ich denke, die Schwierigkeit wird für sie schwinden, wenn sie in Betracht ziehen, dass Gott durch den Heiligen Geist an dieser Stelle einen Gegensatz aufstellt. Es ist von den Kindern Gottes und von den Kindern des Teufels die Rede. Das was die Kinder des Teufels kennzeichnet, ist das Sünde tun; das was die Kinder Gottes kennzeichnet, ist gerade das Entgegengesetzte, nämlich, dass sie nicht Sünde tun; so offenbaren sich beide Klassen. Die aus Gott Geborenen sind Gottes Kinder, und sind zu Teilhabern der göttlichen Natur gemacht worden. Diese Natur, die wir von Gott empfangen haben, ist in Wahrheit ohne Sünde; deshalb können wir, als aus Gott geboren, nicht sündigen. Die neue Natur ist heilig. Lasst uns dies klar und deutlich vor Augen behalten, dass der Gläubige zwei Naturen besitzt. Die eine, die er von Adam ererbt hat, ist eine verderbte Natur, und alle aus dem Fleisch Geborenen haben teil daran: „was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch“. Die andere, die neue Natur, besitzen nur diejenigen, welche wiedergeboren sind. Diese Natur ist ohne Sünde. „Was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist“. Die neue Natur findet ihre Wonne in Gott; die alte Natur ist Feindschaft gegen Gott und kann dem Gesetz, Gottes nicht untertan sein, wie Gottes Wort es uns sagt. (Röm. 8, 7.) Sie ist bis auf den Grund schlecht. „In mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes“ (Röm. 7, 18).

Der Heilige Geist sucht nie die alte Natur zu verbessern; sie ist unverbesserlich. Ebenso wenig gibt uns die Schrift Veranlassung, zu glauben, dass sie ans uns „ausgebrannt“ werde, und dass wir, nachdem dies

geschehen, rein und ohne Sünde seien. Im Gegenteil lehrt uns Gottes Wort deutlich, dass die beiden Naturen zu einer und derselben Zeit in dem Gläubigen vorhanden sind. „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; diese aber sind einander entgegengesetzt“ (Gal. 5, 17.) Und durch den Geist sollen wir das Fleisch im Tode halten. Wenn das klar verstanden wird, so räumt es manche Schwierigkeit in Bezug auf diese Frage hinweg.

Nun aber möchte der eine oder andere Leser einwenden: Wenn dem so ist, dass der Gläubige, so lange er in dem Leibe ist, zwei Naturen besitzt, wird er dann nicht während seines ganzen Lebens der Knechtschaft der alten, sündigen Natur unterworfen sein? Wir antworten ohne Zögern: Nein! Gott sei gepriesen! wir sind berechtigt, kraft des Todes Christi uns „der Sünde für tot“ zuhalten. Auch gibt es eine befreiende Macht: „Das Gesetz, des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz, der Sünde und des Todes“. Um das zu verstehen, ist es nötig, den Unterschied zwischen Sünde und Sünden zu kennen. Sünde ist die böse Natur, die wir durch Vererbung besitzen; Sünden sind die bösen Taten, die aus dieser bösen Natur hervorgehen; oder, um ein oft angewandtes, passendes Bild zu gebrauchen: die Sünde ist der Baum, die Sünden sind die Frucht. Nun, Gott handelt notwendigerweise mit der Sünde anders als mit den Sünden. Die Sünden des Gläubigen vergibt Er; die Natur kann nicht vergeben werden, sie wird gerichtet und verurteilt. Mein Kind kann im Zorn etwas sehr Böses tun, und ich kann nachher die böse Handlung vergeben; aber unmöglich könnte ich die Leidenschaft vergeben, welche es zu dem Bösen verleitet hat. Sie bleibt in all ihrer Schlechtigkeit bestehen und kann zu einer Wiederholung derselben Sache, oder zu etwas noch Böserem, führen, wenn das Kind nicht wachsam ist.

Ebenso wenig vergibt Gott unsere Natur. Da Er nichts Gutes in dem Fleische fand, konnte Er es nur verurteilen; und das ist es gerade, was Er in der Person Seines Sohnes auf dem Kreuze getan hat, „indem Er, Seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im FIeische verurteilte“ (Röm. 8, 3). Nicht nur hat unser hochgelobter Heiland alle unsere Sünden an Seinem eigenen Leibe auf dem Kreuze getragen, sondern in Ihm, als unserem Stellvertreter, ist auch die alte böse Natur, die Quelle aller Sünden, gerichtet und beseitigt worden. Vor Gott ist sie hinweggetan; wir sind mit Christo gekreuzigt. Indes sind wir nicht nur in Seinem Tode mit Ihm eins gemacht, sondern auch in Seiner Auferstehung. Wir sind jetzt in Ihm, dem Auferstandenen aus den Toten, und stehen daher jenseits des Bereiches der Herrschaft der Sünde. Wenn wir diese kostbare Wahrheit erkannt haben, so sind wir frei; wir seufzen dann nicht mehr unter der Knechtschaft der Sünde. Hinfort sind wir frei, „im Geiste“ (oder „durch den Geist“) und nicht „nach dem Fleische“ zu wandeln. „Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust

des Fleisches nicht vollbringen“ (Gal. 5, 16).

Nicht jeder Gläubige hat diesen Wandel erreicht. Leider nein; mancher, der den Heiligen Geist hat, wandelt nicht in der Kraft des Geistes; und von einem solchen kann dann sicherlich nicht gesagt werden, dass er „geistlich“ sei. Wir können und dürfen, so betrübend es ist, unsere Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass es viele „fleischliche“ Christen gibt, viele, die den Geist Gottes betrüben, durch welchen sie „versiegelt worden sind auf den Tag der Erlösung“. Die Zahl derer, welche in der Kraft des Geistes wandeln, indem sie „das Sterben Jesu“ am Leibe umhertragen und so auch „das Leben Jesu“ an

ihrem sterblichen Leibe offenbar werden lassen, ist verhältnismäßig gering. Viele, viele sind fleischlich, „wandeln nach Menschenweise«, indem sie in ausgedehntem Maße dem Fleische erlauben, ungerichtet zu handeln. Ja, es gibt viele Gläubige, welche in praktischem Sinne niemals die Bedeutung der Worte verstanden haben: „das Gesetz, des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“. Das ist eine demütigende Erscheinung, die viel Flehen und Fürbitte in unseren Herzen wachrufen sollte.

Dass es ein Fortschreiten im christlichen Leben gibt und geben muss, ist offenbar. So kann z. B. jemand wiedergeboren, aber noch nicht Versiegelt sein; oder es kann jemand versiegelt sein und die Befreiung noch nicht kennen. Unsere Heiligungs-Freunde scheinen diese verschiedenen Stufen und Erfahrungen im christlichen Leben zu vermengen. Praktische Befreiung ist vielleicht das, was sie „die zweite Segnung“ nennen möchten.

Um ihre Ansicht, dass die Sünde gänzlich ausgerottet sei, zu bekräftigen, stützen sie sich vielfach auf die Stelle: „Das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde«. Doch mit ihrer Auslegung dieser Stelle geraten sie in die größte Verwirrung; denn so wie sie dieselbe verstehen, wird das Blut jedes Mal wieder angewandt, so oft ein Mensch fällt und wiederhergestellt wird. Nach ihrer Lehre wird der Sünder, wenn er an Jesum glaubt, gereinigt und durch das Blut und die Einkehr des Heiligen Geistes geheiligt; und wenn er dann später fällt, so muss er wiederum auf Christum vertrauen und wird aufs neue gereinigt. In einer ihrer Schriften liest man folgendes: „Die Sünde allein macht einen Menschen unheilig; und die Sünde durch das Blut Christi und die Einkehr des Heiligen Geistes (als Heiligmacher) beseitigen, das heißt den Menschen heilig machen“. Weiter sagt derselbe Schreiber: „Wenn jemand auf Christum vertraut hat betreffs seiner völligen Reinigung und darnach von der Sünde überwältigt worden ist, so muss er wieder dasselbe tun, und das Blut wird ihn wiederum reinigen von aller Ungerechtigkeit«. Und ferner: „Die Sünde wird aus ihrer Festung nur hinausgetrieben durch das allreinigende Blut, und von einem Zurückkehren in dieselbe kann sie nur durch die gleiche gesegnete Kraft abgehalten werden — durch das Leben, (denn das Blut ist das Leben), das verherrlichte Leben des Sohnes Gottes, welches immer durch die Seele fließt und sie so rein erhält“. Wenn diese letzten Worte genommen werden, wie sie geschrieben sind — und nach der ganzen Anschauungsweise des Schreibers und seiner Gesinnungsgenossen sind sie ohne Zweifel buchstäblich gemeint —— so sind sie über alle Maßen anstößig. Sie enthalten eine Lästerung, die jedem geistlichen Herzen sofort zum Bewusstsein kommen muss. Wenn Gott von der Seele redet, welche im Blute ist, so hat Er einfach das tierische Leben im Auge, wie man aus 3. Mose 17, 11, wo dieser Ausdruck nur vorkommt, ersehen kann. Es heißt dort: „Denn die Seele des Fleisches ist im Blute“. Wie könnten wir nun »das verherrlichte Leben des Sohnes Gottes“ auf diesen Boden herabziehen, indem wir es so zu nichts anderem machen, als zu dem Leben oder der Seele des Fleisches? Und wo sagt die Schrift „je von dem Blute Christi, dass es durch die Seele des Gläubigen fließe, Um sie rein zu erhalten?!

Der ganze Aufsatz, welchem die obigen Sätze entnommen sind, beweist, dass der Schreiber kein wahres

Verständnis von dem Werke des Herrn Jesu auf dem Kreuze besitzt. Dieses Werk ist ein vollendetes und ein vollkommenes Werk, und auf Grund der am Kreuze vollbrachten Erlösung empfängt jeder an Jesum Glaubende die Vergebung der Sünden. „Durch diesen wird euch Vergebung der Sünden verkündigt; und von allem, wovon ihr im Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem jeder Glaubende gerechtfertigt“ (Apstgsch. 13, 38. 39). Da wir von allem gerechtfertigt sind, da alles, was gegen uns war, beseitigt ist, haben wir Zugang in die Gegenwart Gottes; wir sind ins Licht gebracht, und dieses Licht kann keinen Flecken, keinen Makel mehr offenbar machen. Das Blut hat uns gereinigt von aller Sünde. Diese Vergebung der Sünden ist nicht etwas Schwankendes, wofür manche sie halten, indem sie damit das Werk Gottes zu einem weniger dauerhaften machen, als selbst das Werk eines Menschen. Nein, Gott sei gepriesen! es ist eine Vergebung, die unbedingt und ewig ist. Gott kann gerechterweise vergeben aus Grund der vollen Versöhnung, die auf Golgatha bewirkt wurde. Gott, der unsere Sünden kannte, hat sie alle auf das fleckenlose Opfer gelegt, und dort wurde der Zorn eines heiligen Gottes gegen die Sünde ausgegossen; dort wurde jede Strafe, die uns gebührte, getragen, und wir sind frei. Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller Sünde; und es ist kein Bedürfnis für eine nochmalige Anwendung desselben vorhanden, denn es verliert nie seinen Wert, es ist von ewiger Wirkung. Das Blut von Stieren und Böcken konnte nicht die Opfernden vollkommen machen, und darum mussten diese Opfer „alljährlich“ von neuem dargebracht werden. Die Arbeit des Priesters fand nie ein Ende, und darum „stand er täglich da, den Dienst verrichtend und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals Sünden hinwegnehmen können. Er aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich aus immerdar gesetzt zur Rechten Gottes“ (Hebr. 10, 11. 12). Er hat sich gesetzt, weil Sein Werk beendet ist; die Priester standen, weil ihr Werk nie beendet war. Das „eine Schlachtopfer“ befriedigte Gott so völlig, dass ein weiteres Opfern nicht nötig war. „Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi« (Hebr. 10, 10.) „Durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“, nicht bis Satan wieder etwas Böses einflößt, sondern auf immerdar. Auf Grund dieses vollkommenen Werkes kann Gott sagen: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken“ (Hebr. 10, 17).

Indem der Gläubige in die Fülle des Werkes, welches für ihn geschehen ist, eintritt, empfängt er ein „gereinigtes Gewissen“. Die Erkenntnis nicht vergebener Sünde gibt ein böses Gewissen; aber wenn ich sehe, dass meine Sünden beseitigt sind, so ist mein Gewissen gereinigt. „Wieviel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“ (Hebr. 9, 14.) Wenn die Opfer von Stieren und Böcken „die Hinzunahenden vollkommen« gemacht hätten, so würden die Anbetenden, einmal gereinigt, kein Gewissen mehr von Sünden gehabt haben. Doch dazu war das eine vollkommene Opfer erforderlich;

und so vollkommen sind unsere Sünden durch dieses allreinigende Blut hinweggetan, dass wir jetzt Zugang haben in die Gegenwart Gottes selbst. Der Vorhang, der den Menschen fernhielt und den zu durchschreiten der Tod für ihn gewesen wäre, ist in dem Tode Christi zerrissen worden, und wir können jetzt in das Allerheiligste eintreten. So lange noch irgend eine Frage betreffs der Sünde vorliegt, fürchten wir das Licht; wenn aber das Gewissen gereinigt ist, indem« die Sünden hinweggetan sind, so ist jede Furcht weggenommen. Wie schon gesagt, das Licht enthüllt keinen Flecken mehr; ja, wenn es für das Licht möglich wäre, noch heller und durchdringend» zu sein als es ist, so würde es nur umso klarer die Vollkommenheit des Werkes Christi offenbaren. Gott sei Lob und Dank! wir sind gewaschen und sind „weißer als Schnee“.

Erst dann, wenn wir in das Licht gebracht sind, erkennen wir den ganzen Wert des Blutes. Aber dasselbe Licht, welches uns zeigt, dass wir gewaschen, gereinigt und vor Gott angenommen sind in dem ganzen, unendlichen Werte jenes vollkommenen Werkes, zeigt uns auch, dass wir Sünde in uns haben. „Das Licht

macht offenbar“; und wenn wir in das Licht der Gegenwart Gottes treten, so erforscht uns dieses Licht durch und durch und hindert uns zu sagen, dass wir keine Sünde haben. Die Sünde, die alte Natur, ist da.

Gottes Wort sagt es, und jeder ehrliche, nicht irregeleitete Christ stimmt dem bei. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst“

Ein Bewusstsein von Sünde und ein mit Sünden beladenes Gewissen sind zwei sehr verschiedene Dinge. erste ist das Bewusstsein, dass das Fleisch noch in uns ist, und dass wir durch Mangel an Wachsamkeit fehlen können; aber wenn wir wissen, dass alle unsere Sünden von Gott selbst in Betracht gezogen und durch das Blut Jesu hinweggetan sind, so ist unser Gewissen gereinigt, frei von der Last der Sünde. Gerade die Tatsache, dass Jesus, „welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“, jetzt zur Rechten Gottes sitzt, ist der göttliche Beweis für uns, dass nichts mehr gegen uns ist; unserer Sünden wird nie mehr gedacht werden. Wenn Christus nicht auferweckt wäre, dann allerdings wären wir noch in unseren Sünden. Aber Er ist auferweckt. Unsere Sünden sind hinweggetan. Die böse Natur, die Sünde, bleibt; aber sie bleibt als etwas, das verabscheut und an dem Platze des Todes gehalten werden muss, als das, was Gott in dem Tode Seines eigenen Sohnes aus dem Kreuze verurteilt hat. 136

Auch andere Stellen, außer denen, die wir betrachtet haben, werden in ihrer wahren Bedeutung verdreht; doch wir brauchen darauf nicht weiter einzugehen. Dagegen möchte ich noch auf einen anderen Punkt hinweisen, in welchem unsere Heiligungsfreunde sich mit dem Worte Gottes in Widerspruch setzen. Sie behaupten nämlich, dass böse Gedanken nicht Sünde seien; „dieselben kommen wie ein Blitz“, sagen sie, „und wir sind nicht für sie verantwortlich“. Aber haben sie wohl je über das Wort unseres Herrn in Mark. 7, 21 nachgedacht? Dort hören wir, dass „die schlechten Gedanken“ von innen aus dem Herzen der Menschen hervorgehen. Sie sagen, „schlechte Gedanken seien von Satan, und Satan versuche uns auf diese Weise, das sei aber keine Sünde; Satan habe auch Jesum versucht“. Wie böse ist wiederum diese Beweisführung! Satan hat Jesum allerdings versucht, aber sind wohl jemals „böse“ oder „schlechte Gedanken“ durch das Herz unseres anbetungswürdigen Herrn gefahren? Fern sei uns eine solche Voraussetzung! Jene schlechten Gedanken verunreinigen den Menschen, sagt Jesus; der Herr aber war rein, unbefleckt. Ist es nicht wunderbar, dass gerade sie, die so viel von Heiligkeit reden, den Maßstab der Heiligkeit erniedrigen, indem sie behaupten, böse Gedanken seien nicht Sünde? Gottes Maßstab der Heiligkeit ist unbedingt, vollkommen und unveränderlich; ihr Maßstab aber möchte sich der Unvollkommenheit des Wesens, in welchem die Sünde noch wohnt, anpassen.

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Wir haben den Herrn gesehen

Bibelstelle: Johannes 20,25

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 137ff

In Johannes 14,18 hören wir den Herrn zu Seinen Jüngern sagen: „Ich werde euch nicht als Waisen lassen, ich komme zu euch". Der Herr ist hingegangen, um diese Welt zu verlassen. „Noch ein Kleines", sagt Er, „und die Welt sieht mich nicht mehr": aber dann fügt Er hinzu: „ihr aber sehet mich".

Wir dürfen schon hienieden immer in der Gemeinschaft des Herrn Jesu sein, wie wir es einst in der Ewigkeit sein werden. „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbar machen" (V. 21). Dass diese Worte uns geradeso gelten wie einst den Jüngern, brauche ich nicht erst zu sagen. Auf die Frage des Judas: „Herr, wie ist es, dass du dich uns offenbar machen willst, und nicht der Welt?" antwortete der Herr Jesus: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen". Das Herz des Menschen kann durch nichts befriedigt werden, als nur durch die Gegenwart Jesu. Es gibt in ihm eine Leere, die nichts, gar nichts auszufüllen vermag. Jesus allein kann es stillen und befriedigen; und nicht nur das, Er erfüllt es mit überströmender Freude. Er offenbart sich auch dem Herzen je nach den vorliegenden Bedürfnissen in verschiedener Weise. So war die Lage der Maria Magdalena eine ganz andere als die der Jünger hinter den verschlossenen Türen; die Lage der Emmaus-Jünger eine ganz andere als die des Thomas usw. Aber der Herr entsprach durch Sein Erscheinen jeder Lage, und Er machte alle durch Seine Gegenwart glücklich. Wie es damals war, so ist es heute noch.

Welch eine Gnade ist es, zu wissen, dass der Herr stets bei uns ist! Die Jünger damals hatten Ihn für eine Zeit verloren: Er war von ihnen genommen. Darum weinte Maria bei dem Grabe Jesu, und darum wanderten die beiden Jünger traurig nach Emmaus. Alle ihre Gedanken drehten sich um das eine: der Herr ist gestorben! Ihre Herzen waren so innig mit Ihm verbunden gewesen, sie hatten Ihn kennengelernt als den Sohn Gottes und waren durch Seine Gnade zu Ihm gezogen worden: alles, was sie hofften und erwarteten, hofften und erwarteten sie von Ihm, durch Ihn und mit Ihm. Und nun hatten sie, wie sie meinten, alles verloren: ihre Herzen waren gebrochen und vollständig entmutigt. Der, welcher ihre Freude, ihre Hoffnung, ihr Alles war, war tot.

Aber siehe da! „über ein Kleines", da wurde ihre Traurigkeit in Freude verwandelt, und diese Freude sollte niemand mehr von Ihnen nehmen. Jesus kam zu ihnen. Derselbe, den sie gekannt und geliebt hatten, und Er kam mit herrlicher Botschaft. Wenn wir uns an die Stelle der Jünger versetzen und uns in ihren Schmerz und ihre Freude hineindenken, so ahnen wir ein wenig davon, was für eine Freude es sein wird, wenn wir den Herrn Jesus einmal von Angesicht zu Angesicht sehen werden; und wir lernen zugleich verstehen, wie viel mehr wir uns heute schon freuen würden, wenn das Bewusstsein stets in uns lebendig wäre, dass der Herr Jesus unser Begleiter sein will auf Schritt und Tritt. Mögen dann auch Trübsal und Schwierigkeiten über uns kommen, stets gilt Sein Wort: „Ich werde euch nicht als Waisen lassen; ich komme zu euch".

Außerdem besitzen wir die kostbare Zusage: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte" (Mt. 18,20). Wenn wir also in dieser Weise versammelt sind, so dürfen wir darauf rechnen, den Herrn mitten unter uns zu haben. Allerdings ist es eine Sache des Glaubens, diese Gegenwart des Herrn zu verwirklichen. Wenn aber der Glaube in uns wirksam ist und wir uns, gestützt auf jene Zusage, in der bestimmten Erwartung versammeln, 299 Ihn zu finden, so werden wir Seine Gegenwart so fühlbar verspüren, dass wir beim Auseinandergehen einander zurufen können: „Wir haben den Herrn gesehen". Dieses Bewusstsein wird unsere Herzen stets mit tiefer Freude erfüllen.

Was erwartete Maria, als sie zu so früher Morgenstunde zum Grab eilte? Sie war sehr unwissend, aber der Gegenstand ihrer Liebe und ihres Suchens war der Herr. Sie hätte Ihn lieber tot als gar nicht gefunden. Sie weinte beim Anblick des leeren Grabes. Warum? War sie in Ungewissheit über ihre Errettung? Nein, sie fand den Herrn Jesus nicht.

Kennst du aus Erfahrung die Köstlichkeit der Gegenwart des Herrn? Wenn nicht, dann weine! Du hast Ursache dazu; denn deiner Seele ist die beständige Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus noch fremd. Die Gewissheit der Vergebung seiner Sünden haben und mit dem Herrn Jesus Gemeinschaft pflegen, sind zwei ganz verschiedene Dinge. Man kann die erste haben und doch von der zweiten gar wenig kennen.

Kennen und genießen wir, geliebte Brüder, die Gegenwart des Herrn in unseren Versammlungen? Kennen wir sie, wenn wir zu zweit miteinander wandern? Kennen wir sie in der Stille unseres Herzens und unseres Kämmerleins? Wenn nicht, so haben wir alle Ursache zu trauern. Worin auch das Hindernis bestehen mag, ob in Unglaube, Gleichgültigkeit, Selbstsucht, Weltsinn oder dergleichen, es geziemt uns, unsere Herzen mit Tränen der Buße vor unserem Herrn auszuschütten. Wir sind gewaschen, wir sind geheiligt, wir sind gerechtfertigt, wir sind geliebte Kinder Gottes; aber wenn wir nicht das genießen, was allein das Herz eines begnadigten Sünders befriedigen kann, nämlich die Gegenwart Jesu, so lasst uns weinen! Wenn wir nicht, nachdem wir versammelt waren, zu denen, die wie Thomas abwesend gewesen sind, die nicht kommen konnten oder wollten, sagen können: „Wir haben den Herrn gesehen!", so lasst uns weinen. Wir haben wahrlich Ursache dazu. Es ist dann sicherlich bei uns etwas nicht in Ordnung. Wie in der Versammlung, so ist es auch außerhalb von ihr. Ist unser Herz im richtigen Zustand, dann werden wir immer erfahren, dass der Heilige Geist uns Christus offenbart, dass Er Ihm gleichsam, zur Freude unserer Herzen, die Tür öffnet, so dass wir immer wieder neu sagen können: „Wir haben den Herrn gesehen!"

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 141ff

Kapitel 11.

Indem wir jetzt weitergehen, wollen wir uns noch einmal daran erinnern, dass das ganze 11. Kapitel abhängig und eine Illustration ist von dem 35. Verse des 10. Kapitels. Je stärker unser Glaube ist, desto mehr wird unsere Seele in dem Besitz, einer mächtigen, geistlichen Energie sein. Dieses Kapitel zeigt uns, welch eine siegende Kraft dem wahren Glauben zu allen Zeiten inneigewohnt hat. Lasst es uns nicht so lesen, als enthielte es Lobeserhebungen eines Noah, eines Abraham, eines Moses und Anderen Nein, es sind die Lobeserhebungen des Glaubens, wie er sich in Noah, Abraham, Moses und Anderen kundgab. Welch eine einfache und gesegnete Sache ist doch das Christentum! Ich stehe in Bewunderung still, wenn ich sehe, wie der Teufel ein zwiefaches Verderben angerichtet hat, indem er uns außerhalb des Vorhangs und innerhalb des Lagers brachte, und wie Christus dementsprechend ein zwiefaches Heilmittel erfunden hat. Frohlockt mein Herz nicht bei dem Gedanken, dass ich Gott gewonnen habe, wenn auch um den Preis dieser Welt? -— Siehe, mein Leser, das ist wahres Christentum.

„Durch Glauben wurde Moses, als er geboren war, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, dass das Kindlein schön war. Was will das sagen? Ohne Zweifel dürfen wir diesen Worten entnehmen, dass, als Moses geboren wurde, seinem Antlitz ein Ausdruck eigen war, der dem Auge des Glaubens auffiel. In Apostelgesch. 7 lesen wir: „In dieser Zeit (d. h. als „die Zeit der Verheißung“ nahte) wurde Moses geboren, und er war ausnehmend schön“. (Vers 20; vergl. auch Vers 17). „Schön zu Gott“ heißt der hebräische Ausdruck. Es war also eine gewisse Schönheit in dem Kinde, die den Glauben Amrams und Jokebeds wachrief; sie übersahen diese Schönheit nicht, sondern beachteten sie mit einem unterwürfigen Herzen. So strahlte auch eine herrliche Schönheit aus dem Antlitz des sterbenden Stephanus. „Alle, die in dem Synedrium saßen, schauten unverwandt auf ihn und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht“ (Apostelgesch. 6, 15). Seine Mörder hätten dadurch zur Besinnung kommen sollen. Aber ach! sie standen in schneidendem Gegensatz zu den Eltern des Moses; der herrliche Anblick machte keinen Eindruck auf sie, es sei denn dass ihre Feindschaft nur umso mehr dadurch erregt wurde. Unter der Leitung Gottes erkannten die Eltern Moses; den göttlichen Vorsatz, und verbargen das Kind drei Monate lang.

In Mose selbst sehen wir die Entfaltung einer wunderbaren Kraft des Glaubens. Sein Glaube errang einen

dreifachen Sieg; ja, drei glänzende Siege, die auch wir zu erringen berufen sind. Erstlich errang sein Glaube den Sieg über die Welt. Er war ein von den Ufern des Nil aufgelesenes Findelkind und wurde der Tochter des Pharao zum Sohne. Aus einem Zustande persönlicher Niedrigkeit gelangte er an die Stätte der Pracht und des höfischen Glanzes. Doch welchen Wert maß er seiner hohen Stellung bei? „Er weigerte sich, ein Sohn der Tochter des Pharao zu heißen.“ Welch ein Sieg über die Welt war das! Von Natur lieben wir alles, was uns Ehre in dieser Welt zu verschaffen vermag. Nicht so Moses; er schlug alles aus. Wird nicht unser Glaube auch heute noch auf denselben Kampfplatz geführt, und findet er nicht Gelegenheit, sich in gleicher Weise zu betätigen und Siege gleicher Art zu erringen?

Weiterhin sehen wir Moses einen Sieg inmitten der Schwierigkeiten und Bedrängnisse des Lebens erringen: „durch Glauben verließ er Ägypten und fürchtete die Wut des Königs nicht“. Wie schrecklich erscheint das Leben des Glaubens der Natur! Da gibt es nie Ruhe, nie ist ein Ablegen der Rüstung oder ein Nachlassen in der Wachsamkeit gestattet. Hat man auch heute einen Sieg erfochten, so heißt es morgen doch wiederum: Stehe! „Deshalb nehmet die ganze Waffenrüstung Gottes“, schreibt der Apostel an die gläubigen Epheser, „aus dass ihr an dem bösen Tage zu widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermöget.“ In dem vorliegenden Falle traten die Bedrängnisse des Lebens an Moses heran, nachdem er den Anziehungen und Reizen desselben siegreich widerstanden hatte.

Dann, drittens, entsprach Moses den Anforderungen Gottes. Es ist ein erhabenes Bild, eine Seele mit der

Kraft des Glaubens umgürtet zu sehen, wie es hier der Fall ist. „Durch Glauben hat er das Passah gefeiert.“ Der Verderber ging durch das Land, doch das schützende Blut befand sich an den Türpfosten. Von Anfang an hat die Gnade Vorkehrungen getroffen, damit der Sünder den Anforderungen Gottes zu entsprechen vermöge; und es ist Sache des Glaubens, diese Vorkehrungen einfältig für sich in Anspruch zu nehmen. So gab Gott seiner Zeit das Blut des Lammes, und der Glaube machte Gebrauch davon. Heute ist Christus die Vorkehrung, welche Gott für den Sünder getroffen hat. Er ist die große Heilsverordnung Gottes für den Verlorenen; und der Glaube wandert mit Ihm vom Kreuze bis zur himmlischen Herrlichkeit.

Weiter lesen wir: „Durch Glauben gingen sie durch das Rote Meer“ — „durch Glauben fielen die Mauern Jerichos“ – „durch Glauben kam Rahab, die Hure, nicht mit den Ungläubigen um“. Und was sollen wir noch weiter sagen? Die Zeit würde uns fehlen, wenn wir die ganze Geschichte im Einzelnen verfolgen wollten. Es ist die Geschichte, welche gleichsam die ganze Schrift ·beseelt, die Geschichte der Gnade und des Glaubens, der Gnade auf Seiten Gottes und des Glaubens auf unserer Seite. Diese Geschichte verleiht dem ganzen Buche Gottes, wenn wir so sagen dürfen, Seele und Leben. Wir werden nicht eher aufgefordert, außerhalb des Lagers zu gehen, bis wir uns innerhalb des Vorhangs befinden. Die ersten Kapitel unseres Briefes zeigen dem Sünder sein Anrecht an ein Heim in Gottes Gegenwart, und dann soll er, von diesem Heim ausgehend, die Welt erkennen lassen, dass er in ihr nur ein Fremdling ist. Das ist, mit wenigen Worten, die Lehre dieser herrlichen Epistel. Sie macht uns mit unserem Anrecht, in der Gegenwart Gottes zu stehen, bekannt, ehe sie uns die daraus hervorgehende Berufung vorstellt. Ehe Abraham berufen wurde, in ein fernes, ihm unbekanntes Land zu ziehen, erschien ihm der „Gott der Herrlichkeit“. Sendet Gott jemals jemanden auf seine eigenen Unkosten in den Kampf hinaus? Fordert Er dich auf, den Kampf mit der Welt zu beginnen, bevor du Seines Friedens teilhaftig geworden bist? Nimmermehr! Alles steht mir zu Gebote, alles ist für mich von dem Augenblick an, da ich mich zu Gott wende. Geborgen in Ihm, ist mir nichts vorenthalten; Gott selbst ist für mich. Ich bin „gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu Myriaden von Engeln, der allgemeinen Versammlung u. s. w.“ Doch dies ist Kapitel 12. Bevor David wie ein Rebhuhn über die Berge hin gejagt wurde, war sein Haupt mit dem Salböl Gottes gesalbt worden.

Bei den beiden Schlussversen unseres Kapitels müssen wir noch einen Augenblick verweilen. Es sind sehr wichtige, kostbare und inhaltsreiche Verse. Jene Alten erlangten ein gutes Zeugnis, aber mit dem guten Zeugnis erlangten sie nicht die Verheißung. Es erinnert mich dies an den Propheten Maleachi. Dort heißt es in Kap. 3, 16. 17: „Ein Gedenkbuch ward vor Ihm geschrieben für die, welche Jehova fürchten und welche Seinen Namen achten. Und sie werden mir, spricht Jehova der Heerscharen, zum Eigentum sein an dem Tage, den ich machen werde“ Jener Tag war noch nicht erschienen, sie waren noch nicht Seine „funkelnden Kronensteine“; aber ihre Namen sind alle in Seinem Buche ausgezeichnet, und Er wird sie dereinst herrlich machen, und als kostbare Steine, als „ein königliches Diadem“, vor aller Augen darstellen. Gerade so ist es mit diesen Alten, den Glaubenshelden. Weshalb haben sie die Verheißung noch nicht erlangt? Weil wir zuvor eingehen mussten, und zwar in den reichen Vorkehrungen, welche der gegenwärtige Zeitabschnitt des Evangeliums in sich schließt; denn alles, was sie in jenem armseligen Zeitalter. als Schatten zukünftiger Dinge besaßen, würde ihnen nie haben genügen können. *)

Das Wort „besser“ begegnet uns immer wieder in dieser Epistel: „eine bessere Hoffnung“ — „ein besserer Bund“ — „bessere Verheißungen“ — „bessere Schlachtopfer“ — „Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen“ — „das Blut der Besprengung, das besser redet als Abel“. Auch wird das Wort „vollkommen“ beständig gebraucht, eben weil jetzt alles vollkommen gemacht ist. Alles ist vollendet, was für die Ruhe Gottes nötig war, wie wir dies bereits gesehen haben; alle Forderungen Gottes sind erfüllt. Die Befriedigung, welche Gott in Christo und Seinem Werke gefunden hat, ist vollkommen. Allen Anforderungen Seiner Gerechtigkeit ist Genüge geschehen; da wo der Mensch Ihn verunehrt hatte, ist Er vollkommen verherrlicht worden; alle Seine Eigenschaften sind zur Entfaltung gelangt — und zwar alles das in Christo. Auf diesem Wege ist das „Bessere“ gekommen. Die Einführung Christi hat alles verändert. In Verbindung mit Ihm gelangen auch die Gläubigen des Alten Testaments, welche die Verheißung nicht empfangen haben, zur Vollkommenheit.

Von einem Gesichtspunkt aus betrachtet, könnten wir unsere Epistel eine Abhandlung über Vollkommenheit nennen. In Kapitel 2 lesen wir, dass es der Herrlichkeit Gottes geziemte, uns einen vollkommenen Heiland zu geben; nicht nur die Befriedigung meiner Bedürfnisse, sondern Gottes Herrlichkeit erforderte es, dass mein Heiland durch Leiden zur Vollkommenheit geführt wurde. „Es geziemte Ihm“, hören wir; Gottes Herrlichkeit verlangte es. Der Sünder sollte einen Urheber haben zum Beginn des Errettungswerkes, und einen Anführer zum Beschluss desselben. Den Unterschied zwischen einem Urheber und einem Anführer sehen wir in den beiden Männern Moses und Josua dargestellt. Moses war ein Urheber des Heils, als er sich der armen, geknechteten Israeliten in Ägypten annahm; Josua war ein Anführer des Heils oder der Errettung, indem er sie über den Jordan führte, geradeswegs in das gelobte Land hinein. Christus nun führt uns sowohl durch das Rote Meer wie auch durch den Jordan; Er hat sowohl das grundlegende Werk Moses, als auch das vollendende Werk Josuas vollführt.

In Kapitel 5 lesen wir dann weiter: „und vollendet worden, ist Er allen, die Ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden“. Hier handelt es sich selbstverständlich nicht um die moralische Vollkommenheit Christi als Mensch hienieden, —- wir alle wissen, dass Er vollkommen rein und fleckenlos war, — sondern um Sein Vollendetsein als „der Urheber des Heils“. Er würde in dieser Weise nimmer vollendet worden sein, wenn Er nicht bis in den Tod gegangen wäre; doch wie es Gott geziemte, uns einen vollkommenen Heiland zu geben, so geziemte es Christo, ein vollkommener Heiland zu werden. Ferner heißt es in Kapitel 6: „Lasst uns fortfahren zum vollen Wuchse“ (oder: zur Vollkommenheit), das heißt: lasst uns genau acht haben auf die Belehrungen des Geistes Gottes über diesen Gegenstand. Einige fassen diese Stelle so auf, als ob wir fortfahren sollten, bis keine Sünde mehr in uns wäre. Das ist aber keineswegs gemeint. Nein, es ist, als ob der Apostel sagen wollte: „Höret wohl zu! Ich möchte euch eine Belehrung über Vollkommenheit geben; seid nun bereit, diese Belehrung von mir anzunehmen.“ Dann setzt er den Gegenstand in Kapitel 7 fort, indem er uns sagt, dass wir diese Vollkommenheit nicht im Gesetz finden können. Das Gesetz hat nichts zur Vollkommenheit gebracht. Wir müssen dieselbe also anderswo suchen. Mit dem Ausdruck „Gesetz“ sind hier nicht die zehn Gebote, sondern die ganzen levitischen Verordnungen gemeint. Inmitten dieser armseligen Elemente ist also keine Vollkommenheit zu finden. Wohin sollen wir denn unseren Blick richten? Kapitel 9 zeigt uns, dass die Vollkommenheit in Christo ist, und sagt uns zugleich, dass in dem Augenblick, wo der Glaube mit dem Blute in Berührung tritt, das Gewissen gereinigt wird; und Kapitel 10 belehrt uns, dass in dem Augenblick, wo Christus mit mir in Berührung tritt, ich auf immerdar vollkommen gemacht werde. Nicht als ob mein Fleisch fleckenlos würde; ach nein, davon ist keine Rede. Aber so wie Christus allem, womit Er in Berührung kommt: Aposteltum, Priestertum, Altar, Thron usw., Vollkommenheit verleiht, so macht Er auch den armen Sünder hinsichtlich

seines Gewissens und seiner Stellung vor Gott vollkommen.

Diese Epistel bildet also, von einem Gesichtspunkt aus betrachtet, eine Abhandlung über Vollkommenheit. Wir haben einen vollkommenen Heiland; und wir sollen fortfahren zum vollen Wachse, zur Vollkommenheit. Suchen wir sie im Gesetz, so befinden wir uns in einer Welt von Schatten. Kommen wir aber zu Christo, so befinden wir uns mitten in lauter Vollkommenheiten. Geliebter Leser, was sollen wir hierzu sagen? Wir antworten mit den Worten des Dichters: „Hier stehe ich, ich armer Wurm“.

Die alttestamentlichen Gläubigen konnten also das Erbteil nicht erlangen, bis wir eingegangen waren, überhäuft, sozusagen, mit all den Herrlichkeiten der gegenwärtigen Zeitverwaltung. Jetzt aber können sie das Erbteil mit uns teilen, wenn die Zeit dazu gekommen sein wird. Noch einmal denn: — Welche Herrlichkeiten strahlen uns aus dieser Epistel entgegen! Welche Herrlichkeiten erfüllen die Himmel, weil Christus droben ist! Mit welchen Herrlichkeiten sind wir in Verbindung gebracht, Weil Christus uns berührt hat! Ein gereinigtes Gewissen zu haben, in das Heiligtum droben mit Freimütigkeit eintreten zu können, zu Satan sagen zu dürfen: „Wer bist du, dass du Gottes Kleinod antasten könntest?“ - sind das nicht lauter Herrlichkeiten? Ach! wie oft kriechen wir im Staube dieser Erde umher, anstatt uns in diese Herrlichkeiten emporzuschwingen und so unsere Herzen zu ermuntern!

Fußnote:

*) Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen, die himmlischen Dinge, welche die alttestamentlichen Heiligen wohl aus der Ferne begrüßten, aber nie besaßen. Wir besitzen jetzt dieses „Bessere“ durch unsere Vereinigung mit Christo droben und durch den Zugang in die Gegenwart Gottes, der uns auf Grund des volIbrachten Werkes Christi geöffnet ist. Wie gesegnet auch der Pfad eines Abraham, des Freundes Gottes, gewesen sein mag, so war Abraham doch niemals mit dem Himmel verbunden vermittelst des verherrlichten Menschen, der jetzt dort sitzt. Es war unmöglich, weil Christus zu der Zeit sich nicht in dieser Eigenschaft im Himmel befand. Auch hatte Abraham keinen Zutritt in das Allerheiligste durch einen zerrissenen Vorhang. Obgleich also die alttestamentlichen Heiligen Anteil an der himmlischen Berufung haben, besaßen sie doch nicht das, was uns zu teil geworden ist. Sie werden mit uns vollkommen gemacht werden in der Auferstehung. Aber auch dann werden wir, als der Leib und die Braut Christi, ein besseres und höheres Teil haben als sie. Jetzt ist es unser hohes Vorrecht, Genossen des Christus in Seiner Verwerfung zu sein, zu Ihm hinauszugehen außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend, mit Ihm zu leiden, damit wir auch mit Ihm verherrlicht werden. —— Das also ist es, was der Apostel als „etwas Besseres“ bezeichnet; doch entwickelt unser Kapitel diesen Gegenstand nicht weiter.

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Die sogenannte Heiligungslehre im Lichte des Wortes Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 150ff

Es wird oft gefragt: Was ist denn eigentlich der Charakter der Heiligungs-Schriften? Nun, jeder sorgfältige,

vorurteilsfreie Leser wird antworten: Einer ihrer Hauptkennzeichen ist dieses, dass in ihnen durchweg die Beschäftigung mit dem eigenen Ich im Vordergrunde steht. Tatsachen aber sind unbeugsam, und gerade die Tatsache, dass unsere Heiligung-freunde sich so viel mit dem Ich beschäftigen, beweist, dass sie noch nicht mit demselben zu Ende gekommen sind, obwohl sie es behaupten. Es mag ein gutes oder ein böses Ich sein, aber es ist immer das Ich, und das Ich ist nicht Christus, welcher für den Christen „alles in allem“ sein sollte; wie geschrieben steht: „das Leben für mich ist Christus“ (Phil. 1, 21).

Werfen wir jetzt einen Blick auf die positive Seite der uns beschäftigenden Frage, indem wir ein wenig das

betrachten, was Gott bezüglich der Heiligung sagt. Da möchten wir denn zunächst auf 1. Kor. 6, 11 hinweisen, wo wir lesen: „Aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes“. Wir sehen hier, dass Gott da, wo Er beide miteinander verbindet, die Heiligung der Rechtfertigung voransetzt. Einer unserer Heiligungsfreunde, für den dies ein ganz neuer Gedanke war, sagte, als er darauf aufmerksam gemacht wurde: „Ja, so steht es da; aber das ist ja mit unserer Lehre völlig im Widerspruch.“ — So ist es allerdings; und sollte das nicht ein überzeugender Beweis für unsere Freunde sein, dass „ihre Lehre“ falsch ist ? In Wahrheit, keine menschlichen Lehrmeinungen werden die erforschende Probe des Wortes Gottes aushalten. Ein anderer Heiligungsfreund erwiderte, als er auf obige Stelle aufmerksam gemacht wurde: „Das ist aber die einzige Stelle, wo die Worte so gesetzt sind“. Als ob es nicht genug wäre, wenn Gott einmal geredet hat! Bei einer anderen Gelegenheit sagte ein Anderer, ein alter Mann: „Wenn Sie mir zeigen können, dass die Heiligung der Rechtfertigung vorangeht, so wird das etwas sein, was ich nie vorher verstanden habe“. Wir machten ihn auf die oben angeführte Stelle aufmerksam, und wiesen ihn dann noch auf 1. Kor. 1, 30 hin. Der Alte las die beiden Stellen, schien ganz bestürzt und sagte: „Sie haben mir zwei Stellen gezeigt, in welchen die Heiligung zuerst kommt: das genügt.

Indes gibt es noch andere Stellen, welche das Nämlichc beweisen; wir werden noch auf dieselben zurückkommen. Vorher jedoch noch ein Wort über 1. Kor. 6, 11. Die Reihenfolge, in welche Gott Heiligung und Rechtfertigung dort gestellt hat, ist nicht zu leugnen; und Gott macht keine Fehler. Er hat sie nicht ohne Absicht so gestellt, obwohl es unsere Freunde in Verlegenheit bringt, wenn man sie auffordert, zu erklären, warum es so ist. Lesen wir den Vers in seinem Zusammenhang, so finden wir, dass einige der korinthischen Gläubiger: Götzendiener, Diebe, Trunkenbolde u. s. w. gewesen waren; aber Gott hatte in Seiner großen Gnade sie ergriffen, in ihnen gewirkt und sie in eine ganz neue Stellung gebracht: „Und solches sind euer etliche gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes“. Man beachte, dass hier von dem, der aus der Finsternis ins Licht versetzt ist, dreierlei ausgesagt wird: Erstens, er ist gewaschen; das ist die Wirkung des Wortes Gottes in seiner reinigenden Kraft, wenn es durch den Geist auf den Gläubigen angewandt wird; wie unser Vers sagt: „durch den Geist unseres Gottes“. Diese Waschung oder Reinigung wird durch den Heiligen Geist vollzogen, und zwar vermittelst des Wortes. Die Waschung durch das Wort wird an vielen Stellen der Schrift gelehrt, und wir werden noch darauf zurückkommen. Als Zweites in der Reihenfolge steht: „ihr seid geheiligt“; das heißt, die gläubigen Korinther waren passend (innerlich passend) gemacht worden für die Gegenwart Gottes; und das ist wahr von jedem Kinde Gottes, obwohl unsere Freunde es nur auf einige besonders Begnadete beschränken möchten. Kol. 1, 12 lehrt uns, dass diejenigen, welche die Erlösung haben durch Christi Blut, fähig oder passend gemacht sind zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte. Der dritte Punkt ist: „ihr seid gerechtfertigt“. Welch ein umfassendes Wort ist dieses „gerechtfertigt“! Alles was gegen uns war, ist beseitigt, und zwar in gerechter Weise beseitigt worden; die Schuld soll nie mehr zugerechnet werden. Ja, wir sind gerechtfertigt; auf unserem Rechtstitel ruht kein Flecken, kein Makel! Herrliche Ordnung —— Gottes Ordnung! Erst werden wir passend gemacht, dann wird der Rechtstitel festgestellt! Gott gibt den Titel nicht, ehe Er passend macht; das Passendmachen kommt zuerst, dann der Titel. Hieraus ersehen wir, wie völlig es am Platze ist, dass die Heiligung der Rechtfertigung vorangeht.

Doch dies ist, wie bereits bemerkt, nicht die einzige Stelle, in welcher Gott die Heiligung voranstellt. In 2.Thess. 2, 13 finden wir die Worte: „Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Seligkeit in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit“. Wenn wir zur Seligkeit erwählt sind in Heiligung (eigentl. im Geheiligtsein), so muss die Heiligung zuerst kommen. In 1. Petr. 1, 2 erblicken wir dieselbe Reihenfolge: „Auserwählt . . . durch Heiligung des Geistes- zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“. Auch in Eph. 5, 26 steht die Heiligung vor der Reinigung, so dass es klar ist, dass Gott nicht reinigt, um zu heiligen.

Damit entsteht natürlich die Frage: wann werden wir denn geheiligt und wie? In 1. Kor. 1, 30 hören wir, dass Christus uns geworden ist „Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“. Auch hier begegnen wir wieder einer schönen Ordnung, indem die Erlösung, die in ihrer Fülle auch dem Leibe zu teil werden wird, zuletzt erwähnt wird. Doch weiter: Da Christus uns alles dieses geworden ist, so folgt daraus, dass wir, sobald Christus unser Teil wird, alles bekommen müssen, und dass wir, so lange wir Christum nicht haben, nichts besitzen. Was die Gerechtigkeit betrifft, so ist unsere eigene Gerechtigkeit in Gottes Augen nur ein „unflätiges Kleid“. Die Gerechtigkeit, die Er zurechnet, ist eine „Gerechtigkeit ohne Werke“ (Siehe Röm. 4, 6). Gerade so ist es mit der Heiligkeit; es ist eine Heiligkeit ohne Werke. Auf demselben Wege und in derselben Weise, wie wir die eine bekommen, erhalten wir auch die andere. Christus ist uns beides geworden, die eine wie die andere. Aus dieser und anderen Schriftstellen geht hervor, dass der, welcher die Vergebung seiner Sünden kennt, auch berechtigt ist, zu sagen: „Ich bin geheiligt“. So heißt es auch in Hebräer 10, 10: „Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi«. Die letzten Worte zeigen uns, dass

die Heiligung uns gesichert ist durch den Wert des Opfers Christi, und dieses Opfer ist Sein eigener Leib. Ja dem unschätzbaren Werte dieses Opfers sind wir für Gott abgesondert. Und zwar auf wie lange? Bis wir wieder von der Sünde überwältigt werden? Nein, Gott sei gepriesen! wir lesen vielmehr: „Er hat auf immerdar vollkommen gemacht die geheiligt werden“.

Das Wort: „Ohne Heiligkeit wird niemand den Herrn schauen“, wird immer wieder angeführt mit dem Gedanken, das; nur solche, welche die sogenannte „zweite Segnung“ empfangen haben, diese Heiligkeit besitzen und den Herrn schauen werden: während es doch tatsächlich ein Wort voll praktischer Bedeutung für jeden Sohn ist, den Gott aufnimmt. Alle solche Söhne sollen „dem Frieden mit allen und der Heiligkeit nachjagen;“ zugleich werden sie ermahnt, stets auf der Hut zu sein, damit sie nicht durch eine aussprossende Wurzel der Bitterkeit verunreinigt werden. (Siehe Hebr. 12, 14. 15). Hier haben wir wieder einen Beweis aus dem Worte Gottes dafür, dass die Sünde in dem Gläubigen ist, ja, selbst in solchen, die

der Heiligkeit nachjagen; denn wie könnte „eine Wurzel der Bitterkeit“ aufsprossen, oder eine Verunreinigung stattfinden, wenn keine Sünde mehr vorhanden wäre, um sie hervorzubringen? Alles Böse in der Welt verunreinigte den Herrn Jesum nicht. Nie fand irgend eine Wurzel der Bitterkeit Raum in Seiner Brust. Woher dieser Unterschied? Einfach daher, weil Er keine Sünde in sich hatte, wir aber Sünde in uns haben.

In demselben Kapitel (Hebr. 12) hören wir auch etwas von der wunderbaren Wahrheit, dass wir zu Teilhabern der Heiligkeit Gottes gemacht werden. Will das sagen, dass Gott Heiligkeit von uns fordere, oder das; wir in den Genuss der Heiligkeit eingeführt würden? Nein, sondern wir werden zu Teilhabern Seiner Heiligkeit gemacht. Und wenn wir an Gottes Heiligkeit teilhaben, sind wir dann ohne Heiligkeit? Aber wie geschieht das? Wie werden wir zu «Teilhabern der Heiligkeit Gottes gemacht? Dadurch dass unser Wille gebrochen wird. Gott züchtigt uns zum Nutzen, um diesen gesegneten Zweck bei uns zu erreichen. Und welche sind es, die so gesegnet werden? Sind es ausschließlich solche, die die „höhere Erfahrung“ erlangen? Nein, sondern „wen der Herr liebt, den züchtigt Er“ (V. 6).

Unsere Freunde wollen nicht zugeben, dass das Wort Heiligung „Absonderung“ bedeute. Aber diese Bedeutung hat es sicherlich, obwohl man es ohne Zweifel nicht darauf beschränken sollte. Ebenso wenig aber darf man es auf die Bedeutung „heilig sein“ beschränken. In Joh. 17 heiligt Jesus sich selbst. (V. 19.) Gab es irgend etwas, wovon Er sich hätte reinigen müssen? Nein. War Er nicht immer· heilig? Gewiss; Seine Worte können also diesen Sinn nicht haben. Was bedeutet es denn, wenn Er im Blick auf die Seinigen sagt: „Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“? Der Sinn ist folgender: Jesus hat „sich selbst abgesondert“ als einen Gegenstand für Sein Volk, als den verherrlichten Menschen zur Rechten Gottes droben, damit die Wahrheit ihre heiligende Kraft an ihnen ausüben möchte.

Die Gefäße im Tempel waren geheiligt, aber niemand wird behaupten wollen, dass sie irgendwelche innere Heiligkeit besessen hätten. Sie waren einfach abgesondert zu einem besonderen Gebrauch zu einem heiligen Gebrauch, wenn man will. So sind auch wir, die Kinder Gottes „abgesondert“, und zwar gleichfalls zu: einem heiligen Zweck; abgesondert, um Gott zu dienen, abgesondert, um in heiliger Trennung von dieser Welt zu leben, die „in Feindschaft gegen Gott“ ist. Leider, leider müssen wir sagen: wie wenig wird im praktischen Leben daran gedacht! Wie sehr zeigen die Häuser, Kleider, der Umgang und die Bestrebungen solcher, die sich Christen. nennen, dass sie nicht von der Welt abgesondert sind! Dieses Verbundensein mit der Welt geht sogar so weit, dass die Kirchen durch sogenannte geistliche Musikausführungen, durch Feste und wöchentliche Kollekten von der Welt etwas nehmen. Denke einmal darüber nach, mein Leser! Die Sache Christi wird unterstützt durch das, was ihr unmittelbar entgegengesetzt ist, ja, durch das, was Feindschaft gegen Gott ist! Die Kirche eine Schuldnerin der Welt! Christus ein Schuldner Seiner Feinde! Welch ein Widerspruch! Wie tief sind die Christen gefallen!

Doch wir sind nicht nur „abgesondert“, um in Absonderung von der Welt zu leben, sondern auch um im Lichte zu wandeln, in Gemeinschaft mit Gott, wo alles, was das Licht als böse offenbart, gerichtet werden muss. So ist der Gläubige für Gott abgesondert. Und lasst es uns wohl beachten: dies ist eine Absonderung in der Kraft des Geistes Gottes — gewaschen, geheiligt, gerechtfertigt in dem Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes.

Es ist von der höchsten Wichtigkeit, zu unterscheiden zwischen dem Werke, welches für uns geschehen ist, und dem, welches in uns geschieht. Das Werk, welches für uns geschehen ist, ist durch Christum vollbracht, und wir haben in dem Vorhergehenden zu zeigen gesucht, dass, es ein Werk von unendlichem Werte ist, ein einmal geschehenes Werk, welches niemals wiederholt werden kann; während das Werk in uns durch den Heiligen Geist geschieht und in dem Gläubigen beständig fortgesetzt wird. Unsere Heiligungsfreunde machen einen sehr großen Fehler, indem sie diese beiden Dinge miteinander vermengen. Nach ihrer Meinung gab es keine völlige, vollendete Erlösung auf dem Kreuze. Sie sagen: das Blut muss jetzt in dem Gläubigen sein Werk verrichten; der Gerechtfertigte hat noch Sünde in sich und bedarf der weiteren Anwendung des Blutes, um ihn heilig zu machen; ja, es ist notwendig, dass ein fortwährender Strom des Blutes durch ihn hinfließe, damit er rein erhalten bleibe. Das alles ist schnurstracks dem Worte Gottes zuwider, welches sagt: „ein für allemal“. Und wenn sie davon reden, dass man „den Zustand der Heiligkeit“ verlieren könne, und dass wir nur so lange geheiligt seien, wie wir uns „für gekreuzigt hielten“, so beweisen sie dadurch, dass sie ganz und gar nicht verstehen, dass aus dem Kreuze Jesus gekreuzigt worden ist als der Ausdruck des Gerichtes Gottes über den Menschen im Fleische, und dass wir, sobald unsere Seelen diese Wahrheit im Glauben annehmen, sagen können: wir sind mit Christo gekreuzigt.

Der Leser wolle uns verzeihen, wenn wir noch einmal nachdrücklich betonen:: Das Werk am Kreuze ist beendigt; „das Blut“ hat sein Werk getan, und annehmlich gemacht in dem ganzen unendlichen Werte des

Blutes, ja, in Christo selbst, steht jetzt der Gläubige vor Gott, ohne Flecken, „weißer als Schnee“; nein, mehr noch: geliebt, wie Christus selbst geliebt ist. Könnte es noch stärkere Ausdrücke geben? Und doch ist es das, was Gott zu uns, Seinen Erlösten, sagt (Vergl. Joh. 17, 23).

Wie verschieden davon ist das Werk des Heiligen Geistes in uns. Es ist fortdauernd und fortschreitend: ist ein praktisches Werk. Der Heilige Geist führt uns ein in die Erkenntnis dessen, was Jesus für uns getan

hat, was Er für uns ist, sowie in die Erkenntnis der zukünftigen Herrlichkeit, die wir mit Ihm teilen sollen. Er nimmt von den Dingen Christi und Verkündigt sie uns. „Er wird mich verherrlichen“, sagt Christus (Joh. 16, 14). Der Heilige Geist leitet uns dahin, dass wir uns in Christo erfreuen; Er ruft den Wunsch in uns hervor, immer mehr Ihm gleich zu sein und von allem Bösen getrennt zu leben. Er bringt uns auch dahin, „den Leib in Knechtschaft zu halten“. Dieser Wunsch, Christo gleich zu sein, ist praktische Heiligung, und durch die Kraft des Heiligen Geistes wird nicht nur der Wunsch hervorgerufen, sondern es treten auch Früchte ans Licht. Hierin gibt es einen Fortschritt. Mehr und mehr lernen wir Christum genießen, da Er immer mehr der einzige Gegenstand des Herzens wird. Wir haben auch mehr Kraft zum Zeugnis, da wir durch den Geist lernen, näher mit Gott zu wandeln. Ferner werden wir durch die Wirksamkeit des Geistes befähigt, „heranzuwachsen in allem, zu Ihm hin, der das Haupt ist, der Christus“. Dieser Fortschritt sollte andauern, bis wir bei Christo in der Herrlichkeit sind. „Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist.“

Dieses fortschreitende Werk, welches der Heilige Geist verrichtet, finden wir auch in 1. Thess. 5, 23: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi“. Hier geschieht „des Fleisches“ keine Erwähnung; dasselbe kann nicht geheiligt werden. Aber der Leib gehört dem Herrn und sollte Ihm geweiht werden; das ist unser vernünftiger Dienst. (Röm. 12, 1.) Wir sehen aus dieser Stelle, dass nicht nur der Geist und die Seele, sondern auch der Leib für den Herrn und Seinen Dienst abgesondert sein soll. Ein anderes Wort, welches auch von der Heiligung des Leibes redet, finden wir in 1. Thess. 4, 3: „Dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit, dass ihr euch der Hurerei enthaltet“. Ich denke, dass unsere Freunde den letzten Teil dieses Verses („dass ihr euch der Hurerei enthaltet“) fortlassen, da sein Inhalt ihren Absichten nicht sehr entspricht,. weil er zeigt, dass der böse Grundsatz im Innern vorhanden ist und überwacht werden muss; weshalb sollte sonst der Geheiligte ermahnt werden, sich der Hurerei zu enthalten? Der Leib soll gänzlich für den Herrn abgesondert sein und nicht der Unreinigkeit hingegeben werden. So schreitet das Werk in uns fort in der Kraft des Heiligen Geistes.

Es gibt jedoch noch einen anderen Punkt, den wir kurz betrachten möchten und der von unseren Freunden ganz übersehen zu werden scheint; das ist der reinigende Charakter des Wortes. Sie machen jede Reinigung zu einer Reinigung durch das Blut. „Von unseren Sünden gewaschen in Seinem Blute“, ist, wie wir gesehen haben, eine ein für allemal geschehene Sache, während „die Waschung mit Wasser durch das Wort“ beständig fortgesetzt wird. Auf diese Weise heiligt und reinigt Christus Seine vielgeliebte Gemeinde; und in der Herrlichkeit wird Er sie sich selbst darstellen „ohne Flecken oder Runzel oder etwas

Dergleichen“ (Eph. 5, 27). In der Kraft des Heiligen Geistes wird das Wort angewandt, und das Werk schreitet fort.

Den meisten meiner Leser wird es bekannt sein, dass das Wasser in der Heiligen Schrift wiederholt als Sinnbild des Wortes gebraucht wird. Es ist eines der vielen Sinnbilder der Schrift. Dass es ein sehr passendes Bild ist, brauche ich kaum näher auszuführen: wie Wasser von äußerem Schmutz reinigt, so reinigt das Wort von innerer Befleckung. „Wodurch wird ein Jüngling seinen Pfad reinigen? Indem er sich bewahrt nach deinem Worte“ (Ps. 119, 9). In Eph. 5 finden wir die beiden Ausdrücke miteinander verbunden: „die Waschung mit Wasser durch das Wort“. Dass die Reinigung durch das Wort stattfindet, sehen wir auch in Joh. 15, 3, wo es heißt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich ,zu euch geredet habe“. Auch in Joh. 3, 5 wird das Wasser als Sinnbild des Wortes gebraucht, obwohl diese Stelle oft fälschlich aus die Taufe bezogen wird: „Es sei denn dass jemand aus Wasser und Geist geboren werde“, d. h. dass das Wort Gottes in der Kraft des Geistes Gottes auf Herz und Gewissen angewandt werde. Dass diese Auslegung richtig ist, beweisen andere Stellen. In Jak. 1, 18 lesen wir z. B.: „Nach Seinem eigenen Willen hat Er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt“. „Hier haben wir das Wort als Mittel oder Werkzeug bei der neuen Geburt. So lesen wir auch in 1. Petr. 1, 23: „Die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“. Wir sehen also, dass das Wort Gottes in der Seele Eingang finden muss, wenn anders eine Wiedergeburt stattfinden soll. Vergessen wir jedoch nicht, dass nur in der Kraft des Geistes das Wort einen Platz in Herz und Gewissen finden kann. „Geboren aus Wasser und Geist“.

Indessen findet diese reinigende Kraft des Wortes nicht allein bei der neuen Geburt ihre Anwendung, sondern sie dauert fort auf dem Wege des Gläubigen. Dies wird uns so schön geschildert in dem 13. Kapitel des Evangeliums Johannes. Dort sagt Jesus zu Seinen Jüngern: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein“. Der Herr redet bildlich von einem Menschen, der ein Bad genommen hat, der aber auf dem Wege vom Bade seine Füße wieder beschmutzt und deshalb nötig hat, dass sie wieder gewaschen werden. Gerade so ist es bei dem Christen. Er hat das Bad der Wiedergeburt erfahren, aber er geht durch eine beschmutzende Welt und kommt· beständig mit Schmutz in Berührung; er besudelt seines Füße. Christus aber, der uns so unaussprechlich liebt, beugt sich zu uns herab, um den Schmutz abzuwaschen. Er sendet das Wort in unser Gewissen in der Kraft des Heiligen Geistes; wir kommen zur Erkenntnis und zum Bekenntnis der geschehenen Verunreinigung und werden so gereinigt. Ohne Zweifel liegt ein Grund dafür, dass wir so vielfach der Reinigung bedürfen, in der Tatsache, dass wir Gottes Wort nicht fleißiger lesen und auf unseren. Wandel anwenden. Indem wir uns unnötige Sorgen oder Verpflichtungen ausladen, den Dingen dieser Erde oder gar ihren Vergnügungen nachtrachten, haben wir nur wenig Zeit oder Herz für Gottes Wort; und so machen wir, da der Geist betrübt und das Wort vernachlässigt wird, wenig oder gar keine Fortschritte.

In Verbindung mit Hebr. 10 haben wir bereits die Heiligung durch das Opfer des Leibes Jesu, des für uns

dargebrachten Opfers, besprochen. In enger Verbindung damit steht die in Hebräer 13 erwähnte Heiligung durch das Blut Christi: „Darum hat auch Jesus, auf dass Er durch Sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten“. Dies ist die Absonderung Seines Volkes für Gott außerhalb des Judentums und der Welt, entsprechend dem Werte jenes unschätzbaren Opfers.

Wir könnten noch andere Schriftstellen anführen, doch die betrachteten genügen, um zu zeigen, dass alle an den Herrn Jesum Christum Glaubenden geheiligt sind und zwar auf dreifache Art: durch den Geist, durch die Wahrheit (das Wort Gottes) und durch das Blut. Die Heiligung besteht nicht darin, dass die Sünde aus uns ausgebrannt ist, sondern darin, dass wir für Gott abgesondert sind in der Kraft des Geistes, durch die Wahrheit und aus Grund des vollbrachten Erlösungswerkes.

Können unsere Freunde wohl aufrichtig diesen Schriftstellen ins Auge sehen und sagen, dass sie nicht unter einer Täuschung gestanden haben? Das ehrliche Verlangen, auf dem rechten Wege zu wandeln und der Heiligkeit nachzujagen, schätzen wir sehr hoch; aber die Frage ist, ob es eine der Wahrheit entsprechende Heiligkeit ist. Wenn nicht, so ist es nicht eine Heiligung Gott gemäß. Jene Lehre bringt vielmehr alle aufrichtigen Seelen, die sie annehmen, in schwere Knechtschaft, wie alle diejenigen es bezeugen, welche von ihr befreit worden sind.

Möge Gott uns geben, dass wir eifriger seien in der Untersuchung des- Wortes, und möge Er uns in die ganze Wahrheit leiten!

„Der Gott des Friedens aber . . . vollende euch in jedem guten Werke, um Seinen Willen zu tun, in euch schaffend was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum, welchem die Herrlichkeit sei in die Zeitalter

der Zeitalter. Amen.“

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Des Christen Kampf

Bibelstelle: Epheser 6, 10 - 20

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 163ff

Bei einem Krieger setzt man besondere Eigenschaften voraus, und den Sieger überhäuft man mit Ehren; wer aber lobt den Feigling? Ach! er steht oben an in der dunkeln Liste der Verlorenen in Offbg. 21, 8, wo wir lesen: „Den Feigen aber und Ungläubigen . . . . ihr Teil ist in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt“. Der Ausdruck „die Feigen“ bezeichnet hier solche, die sich fürchten, aus Angst vor den Folgen, Jesum als Heiland und Herrn zu bekennen. Sie sind Feiglinge im Blick auf Christum. In Gottes Augen ist das eine Sünde der niedrigsten und schwärzesten Art. Denn solche Personen wissen augenscheinlich etwas von Christo und Seiner Güte, und doch schämen sie sich vor den Menschen Seines Namens. Daher werden sie, als „Feiglinge“ gebrandmarkt, ihren ewigen Bestimmungsort in dem Feuersee finden. Indes handelt es sich in dieser Stelle um völlig Ungläubige; wir können sie deshalb eigentlich nicht denen. gegenüberstellen, die mehr oder minder tapfer für Christum. streiten. Bei unseren Betrachtungen über den Kampf des Christen haben wir es nur mit Gläubigen zu tun, nicht mit Unbekehrten. Dessenungeachtet gibt es manche unter uns, die im Gebrauch von Schild und Schwert nur wenig Geschicklichkeit besitzen und am Tage der Schlacht gar geringen Mut zeigen. Eine fortdauernde Übung tut uns not, verbunden mit der vollkommenen Kenntnis der Stellung. des Feindes und des Bodens, auf welchem wir selbst stehen. Wir fordern daher alle unsere Leser, besonders unsere jungen gläubigen Freunde auf, ja, wir bitten die letzteren dringend, den hochwichtigen Gegenstand des Kampfes des Christen eingehend mit uns zu betrachten. Wir- möchten ihnen allen zurufen: „Ihr seid angeworben, ihr tragt die Uniform, ihr müsst kämpfen; der Sieg ist gewiss, die Ehre ist eine ewige; denkt nur an Ihn, der: euer Führer und Befehlshaber ist! Im Himmel wird es keine Gelegenheiten mehr geben, euch für Christum auszuzeichnen. Verliert deshalb keine Zeit! Erwacht heute noch zu dem Bewusstsein, dass ihr Soldaten seid, und dass ihr kämpfen lernen müsst! In diesem Kriege gibt es keinen Abschied, und keinen Waffenstillstand mit dem Feinde.“

Doch auch du, geliebter Leser, der du schon länger auf dem Wege bist, lass dich fragen: Was ist deine Erfahrung in diesem Kampfe? Kennst du den Ton der Posaune, die dich in die Schlacht ruft? Bist du immer willig und bereit, dem Rufe zu folgen? Eine falsche Demut möchte uns gern dahin bringen, unsere Schwachheit vorzuschützen; und andererseits sind wir, unter dem Vorwande, Christum zu ehren, so geneigt, uns einzureden, Seine Kraft sei auch ohne uns genügend. Gewiss sind wir schwach, und ebenso gewiss hat der Herr uns nicht nötig, um Seine Segensabsichten zu erreichen; aber lasst uns doch weder das eine noch das andere vorschützen, um unserer Verantwortlichkeit zu entgehen. — Beachten wir ferner, dass wir weit mehr die Listen als die Stärke des Feindes zu bekämpfen haben —— ein sehr wichtiger Punkt, den wir nie aus dem Auge verlieren dürfen; denn wer vermöchte seine listigen Anschläge, seine Tiefen, seine Schlingen, seine Kriegslisten aufzuzählen? Wahrlich, sie dürfen nicht unterschätzt werden, und wir bedürfen sowohl der Weisheit als auch der Stärke des Herrn, um ihnen zu widerstehen; und von diesen spricht der Apostel in der Stelle, welche an der Spitze unserer Betrachtung steht.

„Übrigens, Brüder, seid stark in dem Herrn und in der Macht Seiner Stärke.“ Das ist gleichsam der erste Ton der Posaune; und wozu ruft er die Heiligen, wozu ruft er dich? Gewiss nicht dazu, die Bollwerke des Feindes vorsichtig und ängstlich in Augenschein zu nehmen; er will dich auch nicht auf das aufmerksam machen, was du zu überwinden hast; nein, er will vielmehr alle deine Gedanken liebevoll auf den Herrn selbst richten. Ehe noch ein Wort von Feinden oder von Kämpfen gesprochen wird, wirst du aufgefordert, deine Stärke in dem mächtigen Herrn zu betrachten, der da sitzt zur rechten Hand Gottes in den himmlischen Örtern. Das ist Gnade, die Gnade des Herrn Jesu, und gleicht der Art des Geistes, wenn

Er sich in Seinem Auftrage mit uns beschäftigt. „Seid stark in dem Herrn“ Aber heißt das nicht einen sehr hohen Ton anschlagen, sowohl im Blick aus unsere Vorrechte und Segnungen als auch auf unsere Sicherheit und Stärke? Allerdings; und um der Aufforderung folgen zu können, müssen wir zuerst verstehen lernen, was die Worte „in dem Herrn“ bedeuten.

In dem ganzen Briefe an die Epheser spricht der Apostel von den Heiligen als mitsitzend in den himmlischen Örtern in Christo Jesu. Im ersten Kapitel hören wir, dass Gott Jesum aus den Toten auferweckt und zu Seiner Rechten in den himmlischen Örtern gesetzt hat; im zweiten, dass Gott auf diese Weise die Grundlage zu unserer Verbindung mit Ihm dort legte. Kapitel 3 zeigt die Gläubigen als ein Zeugnis den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern gegenüber, damit diese durch die Versammlung die gar mannigfaltige Weisheit Gottes erkennen möchten. Kapitel 4 entfaltet die Lehre von dem „einen Leibe“, und die Kapitel 5 und 6 enthalten praktische Ermahnungen, denen jene tiefen Wahrheiten zu Grunde liegen. Daher werden die Heiligen in der vorliegenden Stelle als „in dem Herrn“ angeredet. Das ist ihr Platz, kraft ihrer Verbindung mit Ihm, als dem Auferstandenen und Erhöhten. Es ist das gemeinsame Erbteil aller derer, welche Christo angehören, der nach den Ratschlüssen Gottes ihnen gebührende Platz. Dieses Erbe und diesen Platz als Schutzwehr gegen die Anschläge des Feindes zu gebrauchen, ist der Inhalt der Ermahnung. Und wir müssen das tun, wenn wir anders siegen und unsere christlichen Vorrechte genießen wollen.

Doch vielleicht fragt der Leser: Auf welche Weise soll ich mich denn in einem himmlischen Christus gegen

die Anschläge Satans verwahren? Wie kann er mich dort überhaupt erreichen? In der Tat, es scheint schwierig zu sein, den wahren Charakter dieses Kampfes zu verstehen.

So lange ein Christ seine Stellung als ein Glied des Leibes Christi in den himmlischen Örtern, nach der Lehre des Epheserbriefes, nicht kennt, wird er große Schwierigkeiten haben, den Charakter dieses Kampfes zu verstehen. Die unserer Betrachtung zu Grunde liegende Schriftstelle ist augenscheinlich an solche gerichtet, die sich jener Stellung klar bewusst waren. Sie setzt voraus, dass wir in Christo gestorben und mit Ihm auferstanden sind, dass wir in den himmlischen Örtern sitzen und unser himmlisches Teil in Ihm genießen. Aber vergessen wir nicht, Satan und seine Heerscharen werden gleichfalls als in den himmlischen Örtern befindlich betrachtet, so dass ein Kampf stattfinden muss, wenn wir unsere Stellung dort behaupten und genießen wollen.

Wir werden denn sehen, dass dieser Kampf nicht bloß in dem Töten des Fleisches oder in dem Streit mit den Versuchungen dieser Welt besteht, obgleich diese natürlich überwunden werden müssen. Auch handelt es sich nicht, wie viele denken, um den Zustand unserer Seelen vor Gott. Nein, der Gott, der uns das beste Kleid angezogen, das gemästete Kalb für uns geschlachtet und uns passend gemacht hat, Gäste in Seiner nächsten Nähe zu sein, ist nicht mit uns im Kampfe, und wir brauchen im Blick auf die Endergebnisse Seiner Gnade weder Zweifel noch Furcht zu haben. Es handelt sich tatsächlich um einen Kampf mit bösen Geistern, die im Finstern regieren und verführen. Daher die Ermahnung: „Ziehet an die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr zu bestehen vermöget wider die Listen des Teufels. Denn unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern.“

Diese Worte erinnern uns unwillkürlich an des Herrn Weisungen an Josua, sowie an Israels Feinde im Lande Kanaan. Die Bewohner Kanaans waren Vorbilder der weit mächtigeren und verderblicheren Feinde, mit denen der Christ zu kämpfen hat. Die Kananiter waren nur Feinde von „Fleisch und Blut“; wir aber haben es mit bösen Geistern in den himmlischen Örtern zu tun, ja, mit Fürstentümern und Gewalten. Diese Bezeichnungen geben uns einen Begriff von ihrem Übergewicht über den menschlichen Geist, wenigstens in denen, welche sie zunächst verblendet haben. (Vergl. 2. Kor. 4, 3. 4.) Um solchen Feinden widerstehen zu können, müssen wir mit der Rüstung des Himmels, „der ganzen Waffenrüstung Gottes“, angetan sein. Bloß menschliche Weisheit und Stärke sind in diesem Kampfe nutzlos.

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 169ff

Kapitel 12.

Lesen wir jetzt Kapitel 12. Nachdem wir einen Blick auf die Lehre des Briefes geworfen haben, sind wir

nunmehr an einem durchaus praktischen Teile derselben angekommen; doch das Gesegnete der Lehre tritt auch hier wieder ans Licht. Der Leser wird sich erinnern, dass wir die verschiedenen Eigenschaften betrachtet haben, in welchen der Herr in die Himmel eingegangen ist. Nun, hier in Vers 1 sehen wir Ihn gleichfalls im Himmel, jedoch in einem neuen, besonderen Charakter. Unser hochgelobter Herr trägt viele Kronen. Aus Seinem Haupte strahlt z. B. eine königliche und eine priesterliche Krone. Könnten Sein Haupt überhaupt zu viele Kronen zieren? Welch eine Fülle von Herrlichkeiten bietet sich dem Auge dar, wenn es Christum droben im Lichte dieser herrlichen Epistel betrachtet! Unter anderen Eigenschaften sehen wir Ihn dort als „den Anfänger und Vollender des Glaubens“, als Den, der ein Leben des Glaubens auf Erden angefangen und vollendet hat. Es ist die Wonne Gottes, alle Seine Ratschlüsse sind darauf gerichtet, Jesum zu krönen: es ist die Wonne des Geistes Gottes, Ihn als gekrönt darzustellen, und es ist die Wonne des Glaubens, Ihn gekrönt zu erblicken. Gott, der Heilige Geist und der Glaube des armen, auf Jesum vertrauenden Sünders haben Ihn alle zum Mittelpunkt, sei es um Ihn zu krönen oder mit Frohlocken Ihn gekrönt zu sehen.

Christus ist also jetzt im Himmel anerkannt als Der, welcher das Leben des Glaubens hienieden vollendet hat. Er durchlebte es bis zur Vollendung, von der Krippe bis zum Kreuze, und als solcher ist Er in die Himmel eingegangen und dort angenommen. Sein Glaubenspfad setzte Ihn notwendigerweise mit dem Menschen in Widerspruch, wie wir lesen: „der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat“. In diesen Worten liegt eine schöne Übereinstimmung mit dem Gedanken, dass Er „von den Sündern abgesondert“ war. Wir dürften nicht wagen, eine solche Sprache auf uns anzuwenden. Sie wäre zu erhaben für irgend jemanden anders als den Sohn Gottes. Wurde je dergleichen von Abraham oder Mose gesagt? Nein; der Geist Gottes würde in dieser Weise niemals von einem dieser Männer geredet haben. Der Herr Jesus steht auch hierin allein.

Dasselbe ist der Fall, wenn Er hinsichtlich der Prüfungen und Drangsale des Glaubenslebens zusammen mit den Märtyrern uns vorgestellt wird. Er hat auch da, wie überall sonst, den Vorrang. Christum zu verherrlichen ist das so natürliche Bestreben des Geistes Gottes. Wenn Er Ihn in den Würden Seines Amtes (wie in dem ersten Teile dieser Epistel) vorstellt, so wird es Ihm nicht schwer, Ihn mit vielen herrlichen Kronen gekrönt zu sehen. Oder wenn Er Ihn betrachtet, wie es hier geschieht, so wird es Ihm wiederum leicht, Sein Haupt mit einer Krone von ausnehmendem Glanze zu schmücken. Ja, unser Jesus hat „großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet“. Das ist eine Auszeichnung, die. wir in ihrer vollen Bedeutung selbst dann nicht für uns in Anspruch nehmen könnten, wenn wir unser Zeugnis für Ihn mit dem Märtyrertode besiegeIn würden.

Von einem Gesichtspunkt aus betrachtet, war das Kreuz ein Märtyrertum. Jesus war dort ebenso wohl ein

Märtyrer, der von der Hand der Menschen litt, wie Er ein Opfer Gott gegenüber war. In der vorliegenden Stelle erblicken wir Ihn als einen Märtyrer, und mit Ihm als solchem werden wir zusammengestellt. Wir lesen: „Ihr habt noch nicht, wider die Sünde ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden“; d. h. die gläubigen Hebräer hatten noch nicht im Zeugnis für Christum und im Widerstand gegen die Sünde ihr Leben eingebüßt. Es war Sünde bei den Pharisäern, Sünde bei der Volksmenge, Sünde bei den Hohenpriestern, die unseren Herrn .Jesum an das Kreuz brachte. In Ihm selbst wohnte nicht die geringste Sünde, gegen die Er hätte anzukämpfen gehabt. Es war die Sünde in Anderen. Nun, diesen Kampf müssen auch wir kämpfen, nur mit dem Unterschiede, dass unser eigenes Herz der größte Feind ist, gegen den wir auf der Hut sein müssen.

In diesem Kampfe kommt Gott uns zu Hilfe. Er züchtigt uns; und als solche gezüchtigte Dulder bringt uns der Apostel jetzt in Verbindung mit dem Vater. Die Genossenschaft mit Christo fällt hier fort; denn niemals

befand Er sich unter der züchtigenden Hand des Vaters. In dem Augenblick, wo ich der Züchtigung und der Erziehung des Vaters teilhaftig werde, höre ich auf, ein Genosse Christi zu sein. Ich bin in besonderer Weise Sein Genosse, wenn ich den Pfad eines Märtyrers zu gehen habe; doch wenn ich mich unter der züchtigenden Hand des Vaters befinde, gibt es keinerlei Genossenschaft zwischen Christo und mir.

Von dem 5. Verse an werden uns jene Beziehungen vorgestellt, in denen wir zu unserem himmlischen Vater stehen. O die Vollkommenheit dieses heiligen, göttlichen Gefühls, welches weiß, wann Christus einzuführen ist und wann es an der Zeit ist, Ihn fortzulassen! — welches weiß, Ihn in herrlicher Gestalt vor unsere Augen zu stellen und im richtigen Augenblick Ihn vor unseren Blicken verschwinden zu lassen! Ja, es liegt eine Herrlichkeit, eine Vollkommenheit in der bloßen Art und Weise, wie der Geist Gottes sich Seines Auftrags entledigt. Jesus wandelte durch dieses Leben und erduldete den Widerspruch der Sünder. Ich gehe hindurch und kämpfe gegen die Sünde an; und indem ich so meinen Weg gehe, komme

ich in Verbindung mit den Züchtigungen des Vaters, deren Endzweck der ist, mich Seiner Heiligkeit teilhaftig, zu machen. Aber auf diesem Boden ist Christus nicht eins mit mir. — Wäre wohl der durchdringendste menschliche Verstand imstande gewesen, diese Vollkommenheit göttlicher Gefühle darzustellen, wie sie uns aus dem Buche Gottes entgegenstrahlt? Der Leser möge selbst antworten.

In Vers 12 werden wir ermahnt, die erschlafften Hände aufzurichten. Es ist kein Grund dafür vorhanden, die Hände schlaff herabhängen zu lassen. Selbst wenn die Rate uns trifft, wenn ernste Züchtigungen unser Teil sind, gibt es keine Ursache, weshalb unsere Hände erschlaffen oder unsere Knie erlahmen sollten; denn hat nicht der Geist Gottes Uns zunächst unsere Genossenschaft mit Christo auf dem Wege gezeigt, und dann uns unsere Beziehungen zu unserem Vater, der uns vollkommen liebt, vor Augen geführt? Könnte deshalb irgend ein Grund vorhanden sein, unseren Weg mit unsicheren Tritten zu gehen, als ob er uns unbekannt und sein Ende in Dunkel gehüllt wäre? — Nein, sagt der Glaube. Er kann nicht anders, als diese schöne Schlussfolgerung machen. Wohl wissen wir alle, wie geneigt unsere Hände sind zu erschlaffen; aber der Glaube setzt sein Siegel aus jene Worte und sagt: „Ich vertraue dir, Herr! Dein Wort ist Wahrheit.“

Wir haben also keinen Grund, mutlos zu sein. Nachdem das festgestellt ist, schaut der Gläubige gleichsam um sich. Er will nicht nur nicht die eigenen Hände schlaff werden lassen, sondern auch hinsichtlich Anderer dem Frieden und hinsichtlich Gottes der Heiligkeit nachjagen (V. 14). „Welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial?“ so schreibt der Apostel an die Korinther (2. Kor. 6, 14. 15), und hier lesen wir: „Darauf achtend, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, dass nicht irgend eine Wurzel der Bitterkeit aussprosse und euch beunruhige“. Auch in 5. Mose 29 (wenn der Leser sich die Mühe nehmen will, das Kapitel nachzulesen) ist von einer Wurzel der Bitterkeit die Rede; aber sie ist verschieden von dieser hier. Dort entstand sie, wenn jemand sich zum Götzendienst zurückwandte, hier, wenn jemand an der Gnade Gottes Mangel litt. Ziel und Zweck des ganzen Hebräerbrieses geht dahin, unser Ohr, um in der Sprache der Schrift zu reden, an den Türpfosten Dessen zu nageln, der von Gnade redet. Nicht die Stimme eines Gesetzgebers richtet sich hier an uns; nein, Gott redet von den Himmeln her von Erlösung und Heil. Engel, Fürstentümer und Gewalten sind Dem unterworfen worden, der die Reinigung unserer Sünden gemacht hat; und Er, der dieses wunderbare Werk vollbrachte, hat unsere Gewissen gleichsam in den Himmel erhoben, und jede Zunge, welche Anklage gegen uns erheben könnte, ist zum Schweigen gebracht. (Lies Röm. 8, 33. 34; vergl. auch 1. Petr. 3, 21. 22). Lasst uns deshalb acht haben, damit wir an der uns verkündigten Gnade nicht Mangel leiden! Wer weiß? wir möchten sonst in der Ungöttlichkeit Esaus enden. (V. 16).

Dieser Hinweis auf Esau muss etwas sehr Eindringliches für das Gemüt eines Juden gehabt haben. Wenn er an der Gnade Gottes Mangel litt, so geriet er in die Stellung eines Mannes, der von seinem Volke verworfen wurde. Darum noch einmal: lasst uns acht haben! Es kommt nicht so viel darauf an, was wir an

die Stelle Christi setzen; wenn wir nur das Auge von Christo wegwenden, so ist es möglich, dass wir uns morgen schon in der Lage des verworfenen Esau befinden. Wie steht Esau hier vor uns? Als ein Bild jenes Geschlechts, welches dereinst sagen wird: „Herr, Herr, tue uns aus!“ Aber ach! ihre Tränen werden ebenso fruchtlos sein, wie diejenigen Esaus waren an dem Lager seines Vaters. Er kam zu spät. So auch, wenn Gott einmal ausgestanden ist und die Tür verschlossen hat, werden jene keinen Raum mehr für die Buße finden.

Der 17. Vers ist sehr ernst. Durch die Handlung des Esau wird unseren Gedanken vergegenwärtigt, was in einem Esau-Geschlecht — aber auch nur in einem solchen dereinst verwirklicht werden wird. Gottes Strafgericht wird alle diejenigen treffen, welche in der Gesinnung Esaus dahingehen. „Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und verschwindet!“ Esau verachtete sein Erstgeburtsrecht, und sein Geschlecht hat die Gnade Gottes verworfen und Christum verachtet, der diese Welt der Sünde durchschritt und für Sünder starb.

Nach diesem, beginnend mit Vers 18, finden wir eine herrliche Darstellung der beiden Zeitverwaltungen oder Haushaltungen, der jüdischen und christlichen. Es ist als ob der Apostel sagen wollte: Ich habe euch einen Märtyrerpfad gezeigt, einen Pfad der Leiden hienieden; aber jetzt sage ich euch, dass in dem Augenblick, wo ihr zu Gott emporblickt, alles für euch ist. Der Märtyrerpfad und die Züchtigungen seitens des Vaters sind nichts als weitere Liebesbeweise; und wenn wir jetzt Christum und den Vater verlassen, so kommen wir zu Gott, und zwar um zu erkennen, dass alle die ewigen Gnadenratschlüsse Gottes sich zu unserm Segen vereinigt haben, gerade so wie sie sich im Blick auf Christum zu Seiner Verherrlichung vereinigt haben. Fürchten wir uns deshalb nicht! Wir sind nicht zu dem Berge gekommen, der betastet werden konnte und im Feuer brannte. Nein, davon wenden wir uns ab. Je entschiedener ich dem gesetzlichen System den Rücken kehre, desto völliger entspreche ich den Absichten der Gnade und Weisheit Gottes und erweise den Gehorsam des Glaubens. Aber darf ich nicht wenigstens den Kopf umwenden und über die Schulter hin noch einige Blicke zurückwerfen? Ach, wie mancher Gläubige macht es so, indem er sich nicht zu trennen vermag von eigenem Thun und gesetzlichem Geist! Aber ich frage: Ist das der Gehorsam des Glaubens? Wohin hat Gott meinen Blick gelenkt? Vorwärts und aufwärts —auf Seine reichen Segnungen. Selbstvertrauen führte mich zum Gesetz; doch was fand ich dort? Nichts, was für mich gewesen wäre. Alles war gegen mich. Nun habe ich mein Antlitz der entgegengesetzten Richtung zugewandt, und was finde ich? Alles ist für mich. „Ihr seid gekommen zum Berge Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem; und zu Myriaden von Engeln, der allgemeinen Versammlung; und zu der Versammlung der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind; und zu Gott, dem Richter aller.“ Sogar in Seiner Eigenschaft als Richter ist Gott für uns; denn es gehört zu den Obliegenheiten eines Richters, für den Unterdrückten einzutreten. Doch mehr noch; wir sind ferner gekommen „zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu Jesu, dem Mittler eines neuen Bandes, und zu dem Blute der Besprengung, das besser redet als Abel“. Alles ist für uns, und dorthin sollten wir unseren Blick unverrückt gerichtet halten. So lasst uns denn unser Antlitz stracks dem Berge Zion zuwenden, und dem anderen Berge, dem Sinai, ebenso völlig und entschieden den Rücken kehren!

Ich bemerke noch, dass wir an dieser Stelle wieder zum Anfang der Epistel zurückversetzt werden. In Kapitel 2 lasen wir: „Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen? · . . . welche den Anfang der Verkündigung durch den Herrn empfangen hat“. Und hier heißt es: „Sehet zu, dass ihr Den nicht abweiset, der da redet!« So ist denn der Geist Gottes von Anfang bis zu Ende des Briefes bemüht, unser Ohr für die Gnade zu fesseln, die Gott in der gegenwärtigen Zeit entfaltet hat.

Dann kommt der sehr ernste Schluss: „Auch unser Gott“, d. h. der Gott der gegenwärtigen christlichen Zeitverwaltung, „ist ein verzehrendes Feuer“. Gegen das Feuer des Berges Sinai gab es einen Bergungsort, indem man sich zu Christo wandte und in Ihm Zuflucht suchte; wenn aber diese von Gott verordnete Zuflucht verachtet wird, so gibt. es keinen Bergungsort mehr. Wenn sich jemand von dieser Zuflucht abwendet, welche die gegenwärtige Haushaltung der Gnade vorgesehen hat, so bleibt ihm keine andere Zuflucht mehr übrig. „Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“.

Zum Schluss möchte ich fragen: Gibt es wohl etwas, wodurch wir so in Gemeinschaft mit Gott gebracht werden könnten, wie durch die Einfalt des Glaubens? Es ist, wie wir schon gesagt haben, der Zweck der ewigen Ratschlüsse Gottes, Christum zu krönen; es ist das Wohlgefallen des Geistes Gottes, Ihn mit vielen Kronen gekrönt darzustellen; und, Dank der wunderbaren Gnade, die uns zu teil geworden ist, sind unsere Herzen, wenn wir anders einfältigen Glaubens sind, fähig gemacht, mit freudigem Staunen die mancherlei Herrlichkeiten zu betrachten, mit welchen unser erhöhter Herr und Heiland bekleidet ist. Gott hat uns der größten Segnung teilhaftig gemacht, welche Er einem Geschöpf zu teil werden lassen konnte, indem Er uns in den erhabensten Kreis, den es geben kann, entführte, nämlich in die Interessengemeinschaft mit Ihm selbst und dem Heiligen Geiste. Der Herr gebe, dass wir, du und ich, uns in diesem Kreise heimisch fühlen möchten! Glückselig ein jeder, der diese Dinge kennt, und dreimal glückselig, wer in ihnen ruht!

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Dreierlei Reinigung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 178ff

„Dann gießt Er Wasser in das Waschbecken und fing an, die Füße der Jünger zu waschen und mit dem leinenen Tuche abzutrocknen, mit welchem Er umgürtet war“ (Joh. 13, 5).

„Jede Rebe in mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt Er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt Er, auf das sie mehr Frucht bringe“ (Johannes 15, 2).

„Und jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist. (1. Joh. 3, 3).

I.

Über den Kapiteln 13 bis 16 des Johannes-Evangeliums liegt ein besonderer, wehmütiger Ernst; sie zeigen uns unseren Herrn in den letzten Stunden vor Seinem Tode im Verkehr mit Seinen geliebten Jüngern. In stiller Zurückgezogenheit beschäftigt Er sich mit ihnen und belehrt sie im Hinblick ans die Zeit, da Er nicht mehr unter ihnen sein würde. Er wusste, dass die Stunde gekommen war, das Er aus dieser Welt zum Vater hingehen und sie ohne Ihn zurückbleiben sollten. Deshalb befiehlt Er sie auch (Kap. 17) in ganz besonderer Weise der Liebe und Fürsorge des Vaters an.

Das Werk war in Wirklichkeit noch nicht vollbracht, und der Herr stand noch vor dem Kreuze; aber Er redet so, als wenn Er bereits das ganze schwere Werk getan hätte und sich schon jenseits des Kreuzes befände: die Stunde war gekommen, das Er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte (Joh. 13, 1).

Was es für das Herz des Herrn sein musste, diese Welt, den Schauplatz des Elends, der Sünde und des Todes, verlassen zu dürfen und zum Vater zurückzukehren, davon vermögen wir uns keine Vorstellung zu machen; denn wir wissen nicht und können es nicht wissen, was es für den Heiligen und Gerechten war, durch diese sündige Welt zu gehen. Aber sieh, gerade in jener Stunde, in welcher nach menschlichem Dafürhalten alle Gedanken und Gefühle des Herrn aus Seinen nahen Tod und Sein Hingehen zum Vater hätten gerichtet sein müssen, beschäftigt Er sich nur mit den Seinigen und mit ihren Bedürfnissen. Wie offenbart sich darin die wunderbare, unbegreifliche Liebe Jesu zu uns! Ja, es zeigt uns, welchen Platz wir in Seinem Herzen haben. Weder das Bewusstsein, das der Vater Ihm alles in die Hände gegeben, und das Er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingebe, noch die Erkenntnis, das Judas, einer der Zwölfe, sein Herz dem Teufel geöffnet und sich so völlig zu seinem Werkzeug hingegeben hatte, dass er bereit war, seinen Herrn und Meister zu überliefern; weder der Unverstand, noch die Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit der übrigen Jünger vermochten Seine Gefühle gegen die Seinigen zu verändern. „Da Er die Seinigen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte Er sie bis ans Ende“. (Kap. 13, 1 — 3). Bis ans Ende, d. h. so lange noch eines der Seinigen Seiner liebenden Fürsorge und Pflege bedarf; oder mit anderen Worten: so lange noch eines Seiner teuer erkauften Schäflein in der Welt ist.

Wie bereits gesagt, war für den Herrn die Stunde gekommen, zum Vater zurückzukehren und dort als der verherrlichte Mensch Seinen Platz» einzunehmen in der vollen Gunst und Liebe des Vaters. Aber konnte es Sein Herz der Liebe befriedigen, diesen Platz für sich allein zu haben? Nein, Er wollte die Seinigen bei sich haben; sie sollten alle dort sein, wo Er hinging. In Liebe war Er herabgekommen und hatte am Kreuze ihren Platz; unter dem Zorn und Gericht Gottes eingenommen, und nun sollten sie Seinen Platz mit Ihm im Vaterhause teilen. Indes sollten sie Ihn jetzt noch nicht begleiten. Für sie war die Stunde noch nicht gekommen, auch dann noch nicht, als das Erlösungswerk vollbracht und Jesus aus den Toten auferstanden war. Erst als der gehorsame Mensch, welcher hienieden den Vater vollkommen verherrlicht und sich so ein Recht auf die Herrlichkeit erworben hatte, ins Vaterhaus einging, wurde auch für sie, die mit Ihm in Tod und Auferstehung eins gemacht worden sind, eine Stätte dort bereitet. Fortan konnten sie ans den glücklichen Augenblick warten, da Er wiederkommen würde, um auch sie dort einzuführen; wie Er selbst gesagt hatte: „Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf das, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Kap. 14,3). Nichts steht Seiner Wiederkunft im Wege. Wenn der Herr bis heute gezögert hat zu kommen, so wissen wir, dass dies darin seinen Grund hat, das viele Söhne zur Herrlichkeit gebracht werden sollen. Gottes Langmut hat bis heute geharrt, das Gericht über diese schuldige Welt zu bringen; und Er ist in Seiner Gnade noch immer durch die Macht des Heiligen Geistes wirksam, verlorene Sünder zu erretten. Doch sobald der letzte hinzugetan ist, wird der Herr Seine Verheißung erfüllen. Und wir wissen, dass dieser Augenblick sehr nahe ist; denn das Wort des Herrn vom Himmel her lautet heute: „Ich komme bald“!

Die Jünger mussten also auf die Erfüllung jener Verheißung warten, wie auch wir heute noch warten; die Zeit war noch nicht gekommen, dass sie ihren Platz. Droben in Herrlichkeit mit Jesu hätten einnehmen können. Aber nichtsdestoweniger waren sie durch das kostbare Erlösungswerk völlig mit Christo vereinigt und befanden sich ihrer Stellung nach in Ihm, dem Auferstandenen, waren in Ihm, dem Geliebten, Gott annehmlich gemacht. Zugleich verhieß ihnen der Herr die Gabe des Heiligen Geistes, des anderen Sachwalters, der sie in die ganze Wahrheit leiten sollte, auch hinsichtlich ihrer neuen, gesegneten Stellung in Christo. So waren sie denn in den Stand gesetzt, durch den Glauben dasselbe kostbare Teil zu genießen, welches Jesus fortan droben im Genuss der Liebe des Vaters und in Seiner Gemeinschaft haben würde. Welch ein Gedanke! Sie sollten teil mit Jesu haben, dort wo Er jetzt weilt, in dem Lichte der heiligen Gegenwart Gottes. Jesus kannte die ganze Kostbarkeit dieses Teiles; und so war

es der Wunsch Seines liebenden Herzens, das die Seinigen, welche Er in der Welt zurücklassen musste, sich allezeit desselben mit Ihm erfreuen möchten. Zugleich aber wusste Er, wie leicht sie in dem Genuss desselben gestört werden konnten, gerade weil sie in einer unreinen Welt zurückblieben und deshalb in steter Gefahr standen, verunreinigt zu werden. Und um dort teil mit Ihm zu haben, genügte es nicht, dass sie ihrer Stellung nach rein waren, (das war ja der Fall: sie waren „gebadet“ oder „ganz gewaschen“), sein, sie mussten auch in ihrem praktisch en Zustande rein sein. Und so zeigte ihnen der Herr in einer symbolischen Handlung, was nötig war, um sie in dieser praktischen Reinheit zu erhalten: Er wusch ihnen die Füße.

Die Jünger verstanden damals die Bedeutung dieser Handlung des Herrn noch nicht, wie Er auch selbst zu Petrus sagt: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber hernach verstehen“ (V. 7) Aber wenn sie es auch nicht verstanden, und Petrus davor zurückschreckte, dass sein geliebter Herr sich so tief erniedrigen sollte, um ihm, dem „sündigen Menschen“, die Füße zu waschen, so bestand doch der Herr darauf, dass es geschehen müsse. Denn anders wäre es ja unmöglich gewesen, teil mit Ihm zu haben. (V. 8).

Wir verstehen heute alle, das es sich in dieser ganzen Stelle nicht um eine Reinigung des äußeren, sondern vielmehr des inneren Menschen handelt; denn niemals könnten äußere Waschungen und dergleichen einen Menschen befähigen, das Teil mit Jesu droben zu genießen. Die äußere Handlung Jesu ist nur ein Bild von dem, was Er in geistlicher Weise mit uns tut. Doch welch eine wunderbare Liebe und Herablassung offenbart Er hier den Seinigen gegenüber! Wie tief muss Er sich erniedrigen, um sie in jener Reinheit zu erhalten, ohne welche es unmöglich ist, jetzt teil mit Ihm zu haben. Wir sind rein, Gott sei

Dank! einmal und für immer ganz gewaschen in dem Bade der Wiedergeburt; aber so wie ein Mensch aus dem Wege vom Bade nach Hause seine Füße wieder beschmutzt, so sind auch wir auf dem Wege durch diese Welt, dem Vaterhause zu, der Gefahr der Verunreinigung unaufhörlich ausgesetzt. Ja, wie leicht verunreinigen wir uns! Nur ein unreiner Gedanke, ein unheiliger Blick, ein unnützes Wort, und die Verunreinigung ist da! Und diese Verunreinigung würde uns dauernd untauglich für die Gemeinschaft mit unserem Herrn machen, wenn Er nicht Sorge trüge, sie wieder zu entfernen. Er wäscht unsere Füße, nicht den ganzen Leib, sondern den Teil, der verunreinigt worden ist. Dazu 183 benutzt Er Wasser. Wasser ist in der Sprache der Schrift ein Bild des Wortes Gottes (Vgl. Joh. 15,3; Eph. 5,26). So vollführt denn der Herr in der gegenwärtigen Zeit von der Herrlichkeit aus diesen niedrigen Dienst; Er beschäftigt sich mit unserem Sündenschmutz. Nichts Geringeres als das ist erforderlich, um uns von unseren täglichen Befleckungen zu reinigen und uns für die Gemeinschaft mit dem Gott, der „Licht ist, und gar keine Finsternis in Ihm,“ passend zu erhalten. Das ist demütigend, aber es zeigt uns einerseits die unbestechliche Heiligkeit Gottes und andererseits die aufopfernde, sich selbst verleugnende Liebe Jesu. Vermittelst des in uns wohnenden Heiligen Geistes lässt Er das Wort Gottes auf unsere Herzen und Gewissen wirken, das wir unsere Verunreinigungen erkennen und verurteilen und so praktisch gereinigt werden. Getrieben durch die schmerzliche Erkenntnis dessen, was wir getan haben, bringen wir alles mit Aufrichtigkeit vor unseren Gott und Vater; und „wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, das Er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“. (1. Joh. 1, 9).

So sehen wir denn, dass wir es nur den unermüdlichen Bemühungen der Liebe unseres Herrn zu verdanken haben, wenn wir uns im Genuss der Liebe und der Gemeinschaft des Vaters befinden. Er allein ist es, der die Gemeinschaft wiederherstellt, wenn sie durch unsere Schuld verloren gegangen ist, der auch neue Kraft darreicht, um auf dem Wege erhalten zu bleiben und Gott zu dienen. Wie gesegnet ist es doch, einen solchen Herrn zu haben! Unser Jesus ist auch jetzt noch von der Herrlichkeit her unausgesetzt mit uns beschäftigt; Er möchte uns gern allezeit glücklich sehen. Er tut dieses Werk auch vollständig: Er umgürtet sich und gießt Wasser ins Waschbecken, Er wäscht unsere Füße, und Er trocknet sie mit dem leinenen Tuche ab. Alles tut Er in selbstbergessender Liebe. O welch ein Herr ist unser Jesus! Wie anbetungswürdig ist Seine Person! Möchte Er doch mehr und mehr der Gegenstand unserer engen Herzen sein, damit sie weit werden in der Liebe zu Ihm und zu einander!

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Des Christen Kampf

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 184ff

Lasst uns denn im Anschluss an das bereits Gesagte in Kürze die Kriege Israels in Kanaan betrachten. Es

wird uns zum besseren Verständnis unseres Gegenstandes sehr behilflich sein.

Die Nachkommen Hams wohnten im Lande, als die Kinder Israel unter Josuas Führung hineinzogen, um es in Besitz zu nehmen. Aber Gott hatte es für Israel abgesondert (3. Mose 32, 8), und die Kananiter mussten aus dem Lande der Verheißung vertrieben werden.

„Mache dich auf“, sagte der Herr zu Josua, „gehe über diesen Jordan, du und dieses ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Kindern Israel, gebe. Jeden Ort, auf den eure Fußsohle treten wird, euch habe ich ihn gegeben, so wie ich zu Mose geredet habe“ (Jos. 1, 1 —9.) Bis dahin, können wir wohl sagen, hatte eigentlich noch kein Kampf stattgefunden. Die Wüste war der Schauplatz der Versuchung, die Stätte der Erziehung für das Volk, nicht aber der Ort des Kampfes mit Anderen, obgleich die Kinder Israel gelegentlich Feinde zu bekämpfen hatten, wie z. B. die Amalekiter. Aber nachdem sie jetzt den Jordan überschritten und ihre Befehle erhalten hatten, mussten sie sich den Besitz, des Landes Schritt für Schritt erkämpfen. Jeder Zollbreit Boden wurde ihnen von dem Feinde streitig gemacht. Aber sie hatten nichts von den Kananitern zu fürchten: Gott war mit Seinem Volke, wie Er zu Josua gesagt hatte: „Als der Oberste des Heeres Jehovas bin ich jetzt gekommen“. Er hatte ihnen das Land gegeben und seine Grenzen genau bestimmt; nur unterlag die wirkliche Besitznahme einer Bedingung. Dieselbe lautete: „Jeden Ort, auf den eure Fußsohle treten wird“. Nur insoweit diese Bedingung erfüllt wurde, wurde das Land dem Volke zu eigen, so wie .Jehova zu Mose geredet hatte.

An diese Bedingung war also die Besitznahme des Landes geknüpft, obgleich es andererseits Gottes freie Gabe war. Das ist ein wichtiger Grundsatz; beachte ihn, mein Leser, und sieh zu, dass du ihn gut verstehst. Wie bereits gesagt, gab es eigentlich keinen Kampf, bis Israel den Jordan überschritten hatte; dann aber musste das Schwert gezogen werden und hätte nicht wieder in die Scheide gesteckt werden sollen, so lange noch ein Kananiter im Lande war. Israel brauchte nur Gott zu vertrauen und sich von Seinem Worte leiten zu lassen; dann würde der Sieg sie auf Schritt und Tritt begleitet haben. „Es soll niemand vor dir bestehen alle Tage deines Lebens“, so lautete Gottes gewisses Verheißungswort an Josua, ihren Führer. Welch eine Ehre für das Volk, so geführt zu werden, und zwar von Triumph zu Triumph, von Sieg zu Sieg! Welch eine Ehre, den Fuß des Siegers auf den Nacken jedes Feindes setzen zu dürfen! Gott wollte sie nie im Stich lassen, nie sie versäumen; Seine mächtige Gegenwart sollte immer mit ihnen sein, und Sein Wort sie sicher leiten. Nur sollten sie sehr stark und sehr mutig sein und wohl darauf achten, dass sie alles nach dem Worte des Herrn ausführten. Aber ach! wir wissen, was geschehen ist. Sie folgten nicht dem Gott Israels nach, obwohl Er als ein Kriegsmann in ihrer Mitte war. Sie nahmen niemals das ganze Land in Besitz, welches Gott ihnen gegeben hatte. Nichtsdestoweniger bleibt das Wort des Herrn bestehen; es ist gewiss und wahrhaftig. Der Tag wird kommen, an welchem kraft des Todes des Messias Israels jeder Einzelne in seinem eigenen Erbteil wohnen wird, und zwar den Grenzen entsprechend, die Gott selbst einst dem Lande gezogen hat.

Doch nun erhebt sich die Frage: Welche Nutzanwendung können wir aus diesen Vorbildern ziehen?

Man kann wohl sagen, dass der Christ, wie Israel vor alters, sein himmlisches Kanaan ohne einen Schwertstreich betritt. Der Durchzug durchs Rote Meer macht ihn zu einem Pilger und Fremdling; er bringt ihn auf den Schauplatz der Versuchung. Das Durchschreiten des Jordan dagegen macht ihn zu einem Krieger; es führt ihn auf den Kampfplatz. So lesen wir im Epheserbrief, dem großen Gegenbilde des Buches Josua: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen Seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht, — durch Gnade seid ihr errettet, — und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu“. In diesen Worten wird uns deutlich gelehrt, was Gott für uns getan hat; alles ist Sein Werk, nichts ist von uns. In Seiner „reichen“ Barmherzigkeit und „vielen“ Liebe hat Er uns aus Ägypten gebracht, durch das Rote Meer, die Wüste, den Jordan geführt und in unser himmlisches Kanaan versetzt. Aber wir sind nicht zu diesen himmlischen Örtern erhoben worden, nur um dort unsere hohen Vorrechte zu genießen; nein, wir haben Feinde zu bekämpfen, wie einst das Volk Israel unter Josua.

Es ist nicht so schwer, den Charakter des unter Josua geführten Kampfes zu verstehen; aber was ist der

Charakter oder die Kampfesweise jener bösen Geister, mit denen wir es zu tun haben? Kriegslist, Tücke und Lügen sind ihre erfolgreichsten Waffen. Sie stellen dein Anrecht an die himmlischen Örter in Frage, behaupten, du seiest nicht passend für dieselben, und bestreiten auf alle Weise deinen gegenwärtigen Besitz der himmlischen Segnungen. Du musst deshalb den Boden, auf welchem du stehst, genau kennen, damit du jedes einzelne Fleckchen zu behaupten vermagst. Und zu diesem Zweck musst du dich völlig von dem Worte Gottes leiten lassen und nicht etwa auf deine Gefühle Wert legen. Du musst, als eine Sache des Glaubens, wissen, was es ist, im Himmel zu sein, während du in Wirklichkeit noch auf der Erde wandelst. Du musst auch die köstliche Wahrheit verstehen, dass du dich in der Gegenwart Gottes befindest in der ganzen Annehmbarkeit Christi, obwohl du gleichzeitig noch hier bist inmitten von Schwierigkeiten, Fehlern und Schwachheiten. Kurz, du musst angesichts aller Feinde dein gegenwärtiges Anrecht an den Himmel, deine Bereitschaft für denselben und deine großen Besitztümer als Erbe Gottes und Miterbe Christi furchtlos behaupten (Vergl. 1. Joh. 4, 17; Rom. 8, 17).

Eine der erfolgreichsten Listen unserer Feinde besteht darin, dass sie der Seele einflüstern oder auch, je nachdem der Fall gerade liegt, kühn die Behauptung aufstellen, dass die Christen erst nach ihrem Tode in den Himmel eingehen oder sich seiner erfreuen könnten; mit anderen Worten, dass ihre Errettung nicht vollständig sei. Das ist, wie gesagt, einer der listigsten Fallstricke des Feindes, und durch diese Lüge haben sich viele Tausende betrügen lassen. Satan sucht ängstlichen Seelen den Gedanken einzuflößen, ihre Errettung sei weder hinsichtlich des Gesetzes, noch des Fleisches, noch auch der Welt vollständig. Leider lauschen viele auf die Stimme des Verführers und gehen deshalb jahrelang in unglücklicher Knechtschaft einher. Für alle aber, welche die Wahrheit bezüglich ihrer Stellung in einem auferstandenen Christus kennen, ist jene Einflüsterung eine offenkundige Unwahrheit. Sagt Gott nicht in Seinem Worte, dass wir jetzt schon in Christo in die himmlischen Örter versetzt sind? Dass wir heute schon die Güter des Himmels als die Frucht unseres Vaterlandes genießen dürfen, gerade so wie die Kinder Israel von dem Getreide des Landes Kanaan zu essen begannen, als das Manna der Wüste aufhörte? Ja, Gott spricht so, ganz klar und deutlich. Aber der Feind sagt: „Nein! so gewiss ihr auch des Himmels zu sein meinet, ihr täuschet euch dennoch! Ihr könnt nicht hineinkommen, es sei denn dass ihr sterbet; das Durchschreiten des Jordan bedeutet den leiblichen Tod.“ Leider ist diese Lüge Satans von vielen Christen angenommen und zu einem Gegenstande ihrer Überzeugung geworden. Ja, fast die ganze bekennende Christenheit lehrt so. „Wir glauben“, sagt man, »dass wir in den Himmel kommen werden, wenn wir einmal sterben.“ Die Zahl derer, welche aus Grund des einfachen und klaren Wortes Gottes sagen: „In Christo sind wir jetzt schon dort; und wer und was vermag uns zu scheiden?“ ist verhältnismäßig sehr klein. Beachte es wohl, geliebter Leser! Diese Wenigen sagen nicht: „Wir hoffen, mit Christo im Himmel zusammenzutreffen, wenn wir einmal sterben“ — obwohl das auch wahr ist; sondern: „Da wir jetzt schon mit dem Herrn vereinigt sind, so sind wir, weil eins mit Ihm, bereits dort; daher fragt der Glaube kühn: „Wer wird uns scheiden“?“ Wenn ein Christ nicht völlig Herr seiner Stellung ist, wird Satan ihn über kurz oder lang dahin bringen, sich mit seiner Lüge zufrieden zu geben. Gewiss, wir werden einmal in den Himmel kommen; aber wenn das geschieht, sind unsere Kampfestage zu Ende. Dort brauchen wir keine Waffenrüstung mehr, der Herr sei dafür gepriesen! Die Seele ruht im Paradiese Gottes, und der Leib schläft in Jesu bis zu dem Morgen der ersten Auferstehung.

Und nun, mein lieber Leser, darf ich dich fragen; Was verstehst du für dich von diesen köstlichen Wahrheiten? Weißt du, was der wahre christliche Boden ist, wenn es sich um deine Stellung in der Gegenwart Gottes handelt? Der Glaube antwortet: „Gewiss, die Erlösung, die Christus uns erworben hat, ist vollkommen. Alles hängt von der Vollständigkeit Seines Werkes ab. Christus, als auferstanden aus den Toten, ist das Maß unserer Errettung und Befreiung; und zur Gerechtigkeit Gottes in Ihm gemacht, kann unser Recht, in derselben Herrlichkeit mit Ihm zu sein, nimmer angefochten werden. Aber da der Feind einen solchen Groll auf mich hat, weil ich so viel besser daran bin, als er, versucht er sein Äußerstes, um mein Festhalten an dieser Wahrheit zu schwächen, meine Gemeinschaft mit Christo zu unterbrechen, mir den Genuss: Seiner Liebe zu rauben und mein Ergreifen Seiner Herrlichkeit zu trüben. Auf der anderen Seite tut er sein Möglichstes, um mich in zeitliche Dinge, erlaubte und. unerlaubte, zu verstricken. Das sind einige von den Dingen, die wir zu bekämpfen haben. Aber der leichteste Weg, zum Siege ist der, die Wahrheit festzuhalten und im Lichte zu wandeln, wie Gott im Lichte ist.“

Recht so, mein lieber Leser; deine Worte sind gut und wahr. Aber kannst du mir auch sagen, in welcher Weise „Christus, der Auferstandene, das Maß unserer Errettung und Befreiung« ist? Es ist eine Glaubenssache, nicht wahr? und denen, die da glauben, ist sie vollkommen klar. Wir waren tot in Sünden, Christus starb für die Sünde; und wir können heute sagen, dass wir mit Ihm gestorben oder in Seinem Tode mitgestorben sind. Aber nicht nur das; Gott hat uns auch mitlebendig gemacht, mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen „Örtern in Christo Jesu. Und jetzt, da wir mit Ihm in lebendiger Weise verbunden sind, mit Ihm vereinigt durch den Heiligen Geist, sind wir dazu berechtigt, das Fleisch im Glauben als vor Gott abgetan zu betrachten, gerade so wie wenn unsere alte Natur ans Kreuz genagelt worden wäre und dort ihr Ende gefunden hätte und wir in der Auferstehung der neuen Natur teilhaftig geworden wären. Denn das ist es, was Paulus sagt, wenn er an die Galater schreibt: „Die aber des Christus sind, haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Lüsten“. Er sagt nicht: „sie sollen es kreuzigen“, als ob noch etwas von uns getan werden oder sonst wie geschehen müsste; sondern: „sie haben es gekreuzigt“. Es ist eine Sache, die im Blick aus jeden geschehen ist, der einen gekreuzigten Christus im Glauben ausnimmt. Sie ist wahr für den Glauben und in den Augen Gottes. Das Ausheben der zwölf Steine aus dem Flussbett des Jordan, wo die Füße der Priester gestanden hatten, und das Aufrichten derselben im Lager zu Gilgal ist ein treffendes Bild von unserem Auferstandensein mit Christo und unserem Sitzen in den himmlischen Örtern in Ihm; gerade so wie die zwölf Steine, die in der Mitte des Jordan aufgerichtet werden mussten und über welche nachher die zurückkehrenden Fluten sich ergossen, ein Denkmal des Todes waren und unser Gestorbensein mit Christo vorbilden.

Alle, welche die vorbildliche Bedeutung des Roten Meeres und des Jordan verstehen, werden im Blick auf diesen Punkt keine Schwierigkeit haben. Das erstere stellt die Befreiung von der Sklaverei der Sünde und des Satan, die Rechtfertigung des Volkes—Gottes und das Gericht ihrer Feinde sinnbildlich dar. Diese Segnungen entströmen dem Tode und der Auferstehung Christi für uns. Aber der Durchzug durchs Rote Meer brachte das Volk in die Wüste, an den Ort der Wanderschaft; das Land lag noch vor ihnen, es war noch nicht erreicht. Der Jordan ist ein ganz anderes Bild. Kein Stab des Gerichts wurde über seine Wasser hingestreckt, wie am Roten Meer. Als die Füße der Priester, welche die Bundeslade trugen, in den Jordan hineintauchten, wichen die Fluten zurück, und die Kinder Israel gingen trockenen Fußes hinüber. Sie verließen jetzt die Wüste, betraten Kanaan, das Manna hörte auf, und sie aßen von den Früchten des Landes. So ist der Jordan ein Bild, ein Schatten von unserem geliebten Herrn, der zuerst in die Wasser des Todes hinabstieg und dann uns in die himmlischen Örter brachte.

Noch einmal denn: das Rote Meer stellt Christum vor, als für uns gestorben und auferstanden, der Jordan bedeutet unser Gestorben- und Auferwecktsein mit Ihm; oder, wie ein Anderer es (weniger schön als treffend) ausgedrückt hat: „Die große Sache, um die es sich am Roten Meere handelt, ist das, aus welchem Christus uns herausführt, und am Jordan das, wohinein Er uns bringt“.

Lobe den Herrn, meine Seele! Deine Errettung ist vollständig! Welt, Sünde, Satan, Tod und Gericht liegen hinter dir. Nach dieser Erklärung der vorbildlichen Bedeutung der Kriege in Kanaan ist dein Weg dir deutlich vorgezeichnet. Darum lege deine Rüstung an, befestige sie sorgfältig; verurteiIe ernstlich alle unrichtigen Gedanken, Gefühle, Wünsche, Beweggründe oder Gegenstände, durch welche Satan einen Vorteil über dich gewinnen könnte. Die geistlichen Segnungen in den himmlischen Orten: gehören dir; sieh zu, dass du dir den gegenwärtigen Genuss deines kostbaren Besitztums bewahrest. Und zu gleicher Zeit sieh zu, — denn das eine ist ohne das andere undenkbar, — dass du hier auf Erden durch einen heiligen Wandel ein gutes Zeugnis ablegst.

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Zwei Zeugnisse

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 193ff

„Durch Glauben brachte Abel Gott ein vorzüglicheres Opfer dar als Kam, durch welches er Zeugnis erlangte, dass er gerecht war, indem Gott Zeugnis gab zu seinen Gaben“ (Hebr. 11, 4).

„Die Welten sind durch Gottes Wort bereitet worden«, und schön und makellos stand die Schöpfung da, als Gott am siebenten Tage Sein Werk betrachtete. Alles war „sehr gut“. Aber ach! es blieb nicht so. Die Sünde kam in die Welt, und seitdem ist die Schöpfung der Eitelkeit und dem Elend unterworfen; „nicht mit Willen“, wie wir in Röm. 8 lesen, „sondern um deswillen, der sie unterworfen hat“, d. h. des Menschen. Der Mensch selbst war fortan durch eine unübersteigliche Kluft von Gott getrennt; die Sünde war zwischen ihn und den heiligen Gott getreten, und ein Verkehr zwischen Gott und dem Menschen, wie er im Garten Eden stattgefunden hatte, war nicht mehr möglich.

Abel verstand dies. Sein Gewissen war in Tätigkeit vor Gott. Er kannte und fühlte seine Sündhaftigkeit und erkannte die Rechtmäßigkeit des von Gott über Adam und seine ganze Nachkommenschaft gefällten Todesurteils an. Deshalb brachte er ein Lamm als Opfer dar. Er wusste, dass er Tod und Gericht verdient hatte, und deshalb nahte er Gott mit einem Stellvertreter, der für ihn starb und dessen Blut für ihn floss. Kain verstand von alledem nichts; er meinte, Gott mit den Früchten einer verfluchten Erde, die er im Schweiße seines Angesichts bebaut hatte, begegnen und zufriedenstellen zu können. Darum konnte Gott sein Opfer nicht annehmen, während Er dem Opfer Abels Zeugnis gab, dadurch dass Er es wohlgefällig annahm.

Auf diesem Wege erlangte Abel also das bestimmte und kostbare Zeugnis, dass er gerecht war. Nicht als ob Gott ihm selbst Zeugnis gegeben hätte; nein, das Zeugnis galt dem Opfer Abels. Aber indem er mit diesem Opfer Gott nahte, wurde er selbst angenommen und erlangte das Zeugnis, dass er gerecht war. Seine Annahme bei Gott entsprach dem Werte des von ihm dar- gebrachten Opfers. — Verstehst du das, mein lieber gläubiger Leser? Wenn du es verstehst und dann die Anwendung des Bildes auf Jesum, das Lamm Gottes, und dein eigenes, auf den Opfertod Christi gegründetes Verhältnis zu Gott machst, so muss dein Herz jubeln und frohlocken. Denn deine Annahme bei Gott entspricht auch dem Werte deines Opfers; deine Gerechtigkeit ist so vollkommen wie dieses Opfer selbst. Gott hat auch deinen Gaben, die Seine Liebe bereitet hat, die du Ihm aber im Glauben bringst, Zeugnis gegeben, indem Er Jesum auferweckte und Ihm einen Platz, zu Seiner Rechten gab. Deine Gaben sind nicht die Früchte des eigenen Tuns, die armseligen Werke der eigenen Gerechtigkeit, sondern Christus und Sein Blut. Welch ein köstliches Bewusstsein! Du darfst singen: Da wo Gott mit Wonne ruhet, bin auch ich in Ruh gesetzt. Doch noch mehr. Nachdem du Vergebung deiner Sünden erlangt hast und als ein „Gerechter“ mit Gott in Verbindung gebracht bist, kannst und darfst du „mit Gott wandeln“, wie Henoch dreihundert Jahre lang mit Gott wandelte und dann durch Glauben entrückt und nicht mehr gefunden wurde. „Denn“, so lesen wir, „vor der Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohl gefallen habe“ (Hebr. 11, 5).

Auch dieses Zeugnis kam von Gott, gerade so wie dasjenige, welches Abel erlangte; und wenn unser Herz das eine auf Grund des vollbrachten Werkes Christi empfangen hat, so sollten wir sicherlich mit Ernst und Verlangen auch nach dem andern trachten. Ist es denn möglich, so möchte vielleicht der eine oder andere Leser fragen, das bestimmte Zeugnis zu haben, dass mein praktischer Zustand und Wandel Gott wohlgefällt? Ich möchte dem gegenüber fragen: Kann ein Kind wissen, ob sein Verhalten und seine Wege seinen Eltern gefallen? Der Leser wird antworten: Ganz gewiss. Nun sollten die Kinder Gottes ihrem himmlischen Vater gegenüber schlimmer daran sein, als ein Kind in seinem Verhältnis zu seinen irdischen Eltern?

Nein, auch wir können und sollten, wie Henoch vor alters, stets das Zeugnis in uns tragen, dass wir Gott wohl gefallen. Die Bedingung dafür ist der „Wandel mit Gott“. Wenn wir mit Gott wandeln, so genießen wir die liebliche Gemeinschaft unseres Vaters, wir haben Freimütigkeit zu Ihm und fühlen uns wohl in Seiner heiligen Gegenwart; wir leben, um mit den Worten eines Anderen zu reden, „ein Leben, welches, durch Glauben und im Glauben vor Ihm und mit Ihm zugebracht, dahinfließt in dem Lichte Seines .Angesichts und in dem Genuss der Mitteilungen Seiner Gnade und eines gewissen, von Ihm selbst kommenden Zeugnisses, dass wir Ihm wohl gefallen“.

Hast du dieses Zeugnis, mein lieber Leser?

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Die Kirche Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 196ff

Gottes Kirche steht gegründet auf den Felsen Jesus Christ,

der für Seinen heil`gen Tempel ew´ger Grund und Eckstein ist.

Die der Vater Ihm gegeben aus der Welt als Schmerzenslohn

trägt hindurch zum ewgen Leben triumphierend Gottes Sohn.

Durch die Gnad aus allen Völkern und Geschlechtern auserwählt,

hat der Herr die Seinen alle einem Volke zugezählt.

Königlich im Priestertume – eine heil`ge Nation –

künden sie, dem Herrn zum Ruhme, Jesu Lob im Jubelton.

Aus der Nacht der Finsternisse zu dem wunderbaren Licht

hat sie Jesu Blut errettet, und befreit von dem Gericht.

Einstmals fremd und ausgestoßen – hoffnungslos im Strom der Zeit,

preisen Gottes Hausgenossen jetzt des Herrn Barmherzigkeit.

Von der Welt sind sie gehasset, weil sie nicht von dieser Welt,

dennoch gehen sie wohl bewahret, weil die Macht des Herrn sie hält.

Und Sein ew`ges Wort der Wahrheit heiligt sie, ist ihr Panier,

Herrlichkeit und Licht und Klarheit ist ihr Erbteil für und für.

Aber heut? Ringsum auf Erden liegt des heilgen Tempels Pracht`

Ganz zerbrochen und zertrümmert, als ein Spott vom Feind verlacht.

Weh! Zerrissen und zerspalten trauert Gottes Kirche hier;

Wehe! Finstere Gewalten raubten Schmuck und Einheit ihr.

Horch! Jetzt aus der Heil`gen Mitte tönt vom Morgenstern das Lied ;

Horch! Wie`s durch die Erdenweite rauschend seine Klänge zieht.

Bald wird die Posaune tönen; Nacht entflieht der Morgen graut,

und gestillt ist alles Sehnen, wenn die Kirche Jesum schaut.

Jesus ruft von fernen Enden aus dem dunklen Tränental,

dann zum seligen Vollenden Seine Braut zum Hochzeitssaal.

Dann mit jubelnden Entzücken schaut sie Dich, Herr Jesu Christ!

Staunend wird die Welt erblicken, was die Kirche Gottes ist.

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 197ff

Kapitel 13.

Indem wir uns jetzt dem Ende unseres Briefes nähern, finden wir, wie in fast allen anderen Episteln, einige kleine Einzelheiten. Es ist allen Briefen des Apostels Paulus eigen, dass sie mit Belehrungen beginnen und mit Ermahnungen endigen. Auch hier ist es der Fall. Wir lesen zunächst: „Die Bruderliebe bleibe“. Da nun ein Bruder ein Fremdling sein kann, so wird hinzugefügt: „Der Gastfreundschaft vergesset nicht“. Und um die Gläubigen bezüglich dieser Pflicht zu ermuntern, erinnert der Apostel sie daran, dass etliche ihrer Vorfahren ohne ihr Wissen Engel beherbergt hätten. Dann folgt eine weitere Pflicht: „Gedenket der Gefangenen“, und, in Verbindung damit, die Ermunterung: „als Mitgefangene“; d. h. nehmet euren Platz an dem Leibe Christi als Seine Gefangenen ein, nicht als Gefangene dem Leibe nach, sondern in geistlichem Sinne. Wenn der Apostel von Leiden um Christi willen redet, so wendet er sich an uns, indem er auf unsere geistliche Stellung Bezug nimmt; redet er aber von Leiden und Ungemach gewöhnlicher Art (Vers 3), so bezieht er sich auf das natürliche Leben: „als solche, die auch selbst im Leibe sind“.

Dann wird uns die ernste Pflicht vorgestellt, uns rein und von der Welt unbefleckt zu erhalten. Die Trennung von der Welt und ihren Dingen findet in den Worten Ausdruck: „Der Wandel sei ohne Geldliebe; begnüget euch mit dem, was vorhanden ist“. Unser Ziel soll also nicht sein, morgen angesehener und reicher zu werden als heute — eine Ermahnung, die für unsere Tage eine ganz besondere Kraft und Bedeutung hat. Zugleich können wir sagen, dass der Herr sich in Vers 5 an den Gläubigen wendet, und dass Vers 6 die Antwort des Gläubigen enthält. Vers 6 ist die Antwort des Glaubens der Gnade gegenüber, oder die Antwort des Herzens des Gläubigen dem Herzen Gottes gegenüber.

Dann folgt in Vers 7 die Pflicht der Unterwürfigkeit: „Gedenket eurer Führer, die euch das Wort Gottes verkündigt haben“. Von den Gläubigen wird nicht ein blindes Nachfolgen gefordert, wie etwa die Heiden ihren stummen Götzen nachfolgen. (1. Kor. 12, 2.) Sie sollten nicht blindlings, wie mit verbundenen Augen, sich führen lassen, sondern mit Verständnis und Einsicht, indem sie diejenigen, welche als Lehrer in ihrer Mitte aufstanden, prüften, nach der Anweisung des Apostels: „Niemand kann sagen: Herr Jesus! als nur im Heiligen Geiste“. Wir sind lebendige Steine an einem lebendigen Tempel. Wir werden daher aufgefordert, „den Ausgang ihres Wandels anzuschauen“. Jene Führer waren im Glauben gestorben, so wie sie im Glauben gepredigt hatten.

Der Apostel verlässt dann dieses Thema gänzlich und beginnt in Vers 8 etwas Neues. Dieser 8. Vers könnte der Wahlspruch der ganzen Epistel genannt werden; allerdings nur von einem Gesichtspunkt aus betrachtet. Was ich meine ist dies: Wie wir bereits wiederholt zu bemerken Gelegenheit hatten, stellt der Geist Gottes in dieser Epistel eine Sache nach der anderen vor unsere Blicke; Er redet von den Engeln, von Mose, Josua, Aaron, von dem alten Bunde, von den Altären mit ihren Opfern u. s. w., aber Er tut es nur, um sie alle beiseite zu setzen und Christum an ihrer Stelle einzuführen. „O wie unser Herz dem

zustimmt! Mit inniger Freude und von ganzer Seele setzen wir unser Siegel darunter. Ja, alles schwinde und mache Raum für Christum! Und wenn Christus einmal eingeführt ist, so lasst Ihn um nichts in der Welt wieder fahren. Das ist sozusagen der Inhalt des 8. Verses. Er betrachtet für einen Augenblick den Gegenstand der Epistel: „Jesus Christus derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“; d. h. alles ist beiseite gesetzt, um Ihn einzuführen. Und was nun? Haltet Ihn vor Augen! Fürwahr, ein gesegneter Schluss der ganzen Belehrung der Epistel!

Dann kommt ein Zusatz, gewissermassen eine Schlussfolgerung aus dem Gesagten; sie lautet: „Lasst euch nicht fortreißen durch mancherlei und fremde Lehren“, —- Lehren, die Christo fremd sind! In Christo ist alles euer geworden; wendet daher Fleiß an, nahe bei Ihm zu bleiben!

Ferner, wenn Christus meine Religion ausmacht, so stehe ich auf dem Boden der Gnade: „Es ist gut, dass das Herz durch Gnade befestigt werde“. Der Herr steht vor uns als die Summe, der Inbegriff unserer Religion, und diese Religion atmet Gnade und nichts als Gnade für den armen Sünder.

Lasst uns den 9. Vers nicht so lesen, als ob es irgendwie möglich wäre, unsere Herzen durch Speisen zu

befestigen. Nein, Speisen nützen gar nichts, wie es auch an einer anderen Stelle heißt: „berühre nicht, koste nicht, betaste nicht“. Sie bringen uns keinen Nutzen. Religiöse Satzungen mögen „einen Schein der Weisheit“ haben, wie wir in Kolosser 2 lesen, aber wenn man sie erprobt und erforscht, so erweisen sie sich alle als der Befriedigung des Fleisches dienend. Sobald ich aber den Herrn einführe, wird mein Herz durch Gnade befestigt. Hast du je daran gedacht, mein Leser, dass es außer der göttlichen Religion keine einzige Religion auf Erden gibt, deren Geheimnis in Gnade besteht? Alle ohne Ausnahme zielen darauf ab, Gott zufrieden zu stellen, Ihn, den Zürnenden, auf irgend eine Weise zu beruhigen. Gottes Religion ist die einzige, deren Grundlage die Gnade bildet; und das ist es gerade, was uns hier vorgestellt wird.

Lasst euch nicht fortreißen durch Lehren, die Christo fremd sind. „Wir haben einen Altar, von welchem kein Recht haben zu essen, die der Hütte dienen.“ Was sollen wir darunter verstehen? Was ist der Altar der gegenwärtigen Zeit? Es ist ein Altar, der einzig und allein für Brandopfer, für den Dienst der Danksagung, bestimmt ist. Die Juden hatten einen Altar für Sühnopfer. Wir haben keinen solchen Altar. Christus hat sich einmal auf dem Sühnaltar geopfert, und wir, als Priester, nahen jetzt einem Altar der Danksagungen. Wir sind dessen eingedenk, dass das Blut des Lamme«-s Gottes geflossen ist; wir dienen an einem Altar, an dem wir wissen, dass die Sünde vernichtet, ausgelöscht und hinter den Rücken geworfen ist, und wir bringen aus diesem unserem Altar ein beständiges Lobopfer dar. Alle aber, welche zu dem Dienste zurückkehren, wie er mit der Stiftshütte in Verbindung stand, haben kein Recht, keine Befugnis, als Priester an dem Altar der gegenwärtigen Zeitverwaltung zu stehen.

Manche liebe und teure Seele müht sich in einer gesetzlichen Gesinnung ab; aber das ist sehr verschieden von der Neigung und dem Bemühen, irgend etwas an die Stelle von Christo zu setzen, wie die Galater z. B. es taten, die mit Christo angefangen hatten, aber dann im Fleische vollenden wollten. Sie meinten, Christus allein genüge nicht, sie müssten Ihm in der Beschneidung noch eine Krücke unterschieben. Der Geist Gottes spricht in unserem Briefe über die arme, sich mühende und quälende Seele keinen Tadel aus; aber wenn heute jemand ein Sühnopfer darzubringen und seinen Altar nicht mit Fleiß nur dem Dankopfer zu weihen sucht, so schmäht er das Opfer des Sohnes Gottes. Er gibt dadurch zu verstehen, dass das Opfer Christi ungenügend sei und noch einer Beihilfe seitens des Menschen bedürfe.

Nachdem wir so zu unserem Altar und auch innerhalb des Heiligtums geführt worden sind, wird uns unser

Platz, „außerhalb des Lagers“ gezeigt. Jesus wurde von Seiten Gottes in das Heiligtum aufgenommen, aber von seiten der Menschen außerhalb des Lagers getan. In diesen beiden Stellungen sollen wir mit Christo vereinigt sein. „Außerhalb des Lagers“ ist der Platz, den die gegenwärtige christliche Haushaltung für uns vorgesehen hat; und wenn je einem Geschöpf sittliche Herrlichkeit verliehen wurde, so ist sie uns heute zu teil geworden. Überlegen wir nur einen Augenblick: wir sind berufen, mit Christo außerhalb des Lagers zu stehen und Seine Schmach zu tragen! Befinden sich die Engel in einer solchen Stellung? Hat Er je zu ihnen gesagt: „Ihr seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen“? Engel sind nie eingeladen worden, an Seinen Leiden und an Seiner Verwerfung teilzunehmen. So hat Er uns denn mit einer Ehre bekleidet, deren die Engel niemals teilhaftig werden können. Deshalb wird auch die Kirche dereinst in der Herrlichkeit dem Throne näher stehen als die Engel. Hier haben wir allerdings „keine bleibende Stadt«, — Christus hatte auch keine; aber wir suchen und erwarten „die zukünftige“.

Doch das ist nicht alles. In Vers 16 sehen wir noch etwas Schönes, noch eine andere Art des Dienstes in Verbindung mit unserem Altar: „Des Wohltuns aber und Mitteilens vergesset nicht«. In verschiedenen Schriftstellen finden wir, dass in demselben Maße, wie unsere Freude in Gott zunimmt, unsere Herzen Anderen gegenüber weit werden. Es ist bekanntlich eine besondere Eigenschaft der Freude, dass sie das Herz weit macht. Als ein Beispiel von vielen möge Nehemia 8 dienen. Dort ruft der Prophet dem Volke zu: „Gehet hin, esset Fettes und trinket Süßes, und sendet Teile denen, für welche nichts zubereitet ist; denn der Tag ist unserem Herrn heilig; und betrübet euch nicht, denn die Freude an Jehova ist eure Stärke . . . . Und das ganze Volk ging hin, um zu essen und zu trinken und Teile zu senden und ein großes Freudenfest zu begehen.“ Ein Mann, der selber glücklich ist, vermag wohl sich nach Anderen umzusehen,

die er an seiner Freude teilnehmen lassen könnte; ja, er verlangt danach.

Hierauf redet der Apostel von Männern, welche damals noch Führer waren. Die in Vers 7 erwähnten Führer waren bereits gestorben. „Gehorchet euren Führern und seid unterwürfig“ (V. 17). Wiederum möchte ich fragen: Ist hier eine blinde Unterwürfigkeit gemeint? Nein, aber wir sollen wohl auf unsere Führer acht haben, denn „sie wachen über unsere Seelen“. Ein Amt ohne Kraft, ohne die Salbung des Heiligen Geistes, ist eine Sache, die das Christentum nicht kennt; wenn sie uns dennoch (und ach! nur zu sehr) bekannt geworden ist, so kommt das daher, weil alles, was Gott dem Menschen anvertraut hat, von diesem verdorben worden ist. Man hat auch im Blick auf diese Sache die Gedanken Gottes völlig vergessen. Wollen wir aber treu sein gegen Gott, so geziemt es uns, die christliche Wahrheit rein und lauter aufrecht zu halten. Und vergessen wir nicht, eine bloß äußerliche amtliche Autorität, ohne die Salbung von oben, ist einem Götzen gleich.

Weiterhin wendet sich das auserwählte Gefäß des Heiligen Geistes, der mächtigste Diener, der je in Gottes Namen gedient hat, mit einer Bitte an den schwächsten Gläubigen. „Betet für uns«, sagt er, und zwar empfiehlt er sich der Fürbitte der Heiligen auf Grund eines guten Gewissens. Könntest du dich der Fürbitte eines Anderen empfehlen, wenn dein Gewissen dich hinsichtlich deines Wandels anklagte? Nein, lass mich für dich antworten; du würdest es nicht vermögen. So empfiehlt sich denn auch der Apostel der Fürbitte, weil er mit gutem Gewissen sagen konnte, dass er in allem ehrbarlich zu wandeln begehre. Dann gibt er den Gläubigen auch einen Gegenstand an, wofür sie beten sollten: „auf dass ich euch desto schneller wiedergegeben werde“. Welch eine Vertraulichkeit ist doch der Schrift eigen! Sie nimmt uns nicht aus dem Kreise unserer Zuneigungen und Gefühle heraus, sondern zeigt uns, wie wir sie in einer Gott wohlgefälligen Weise offenbaren können.

Im Gegensatz zu unserer bisherigen Betrachtung finden wir im 20. Verse etwas ganz Neues und Eigentümliches. Wir sehen den Herrn hier vor uns als den Auferstandenen, nicht als Den, der zur Rechten Gottes sitzt. Der große Gegenstand des Hebräerbriefes ist, wie wir von Anfang an gesehen haben, die Entfaltung der Herrlichkeiten Christi im Himmel; hier jedoch geht der Apostel nicht über die Auferstehung hinaus. Warum das? Weshalb stellt er uns am Schlusse seiner Belehrungen Christum nicht als im Himmel befindlich vor Augen? Er hat bis dahin unsere Blicke unentwegt auf Ihn gerichtet und uns in die geöffneten

Himmel hineinschauen lassen, und nun am Ende versetzt er Jesum gleichsam auf diese Erde zurück. O wie kostbar ist es, zu verstehen, dass wir nicht jenseits des Todes und der Auferstehung zu gelangen brauchen, um mit dem Gott des Friedens in Berührung zu kommen! Wir sind mit dem Gott des Friedens in Verbindung gebracht, sobald wir zu dem Gott der Auferstehung gelangen. Die Auferstehung zeigt, dass der Tod abgeschafft ist. Der Tod ist der Sünde Sold; und wenn der Tod abgeschafft ist, so ist auch die Sünde abgeschafft, weil der Tod so innig mit der Sünde verbunden ist, wie der Schatten mit dem Gegenstande, der ihn hervorruft. Verschwindet dieser, so schwindet auch jener ganz von selbst.

Der Bund wird ewig genannt, weil er niemals aufgehoben werden wird. Der alte Bund wurde hinweggetan. Der neue Bund aber bleibt immerdar neu und wird niemals abgeschafft. Das Blut hat in diesem Augenblick die gleiche Kraft, dem Gewissen Frieden zu geben, wie damals, als es den Vorhang zerriss. So sehen wir uns denn, wenn wir an das tägliche Leben kommen, in aller Einfalt mit dem Gott des Friedens »in Gemeinschaft gebracht, mit Ihm, der den großen Hirten der Schafe aus den Toten wiederbrachte durch das Blut des ewigen Bundes, welches die Vergebung der Sünden auf ewig besiegelt hat. Wir brauchen daher der Sünde nicht mehr zu gedenken. In einem Sinne werden wir ihrer in Ewigkeit gedenken; denn wie könnten wir jemals vergessen, wo wir einst waren und was es Jesum gekostet hat, uns aus unserem schrecklichen Sündenelend zu befreien? Aber hinsichtlich unserer Stellung vor Gott können wir sie auf ewig vergessen.

Schließlich bitter der Apostel, dass Gott uns zubereiten und vollenden möge, um Seinen Willen zu tun, in uns schaffend was vor Ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum. Wie wenig sind wir doch noch in Übereinstimmung mit dem Inhalt dieses Verses! Wie wenig fühlen wir uns noch da zu Hause, wo wir ganz und gar heimisch sein sollten! Möchte Gott geben, dass sich der Wunsch Seines Knechtes mehr als bisher an uns erfülle! — Der Brief schließt mit einigen allgemeinen Worten an die Brüder. „Die Gnade sei mit euch allen! Amen“

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Dreierlei Reinigung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 205ff

„Jede Rebe in mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt Er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt Er, auf dass sie mehr Frucht bringe“ (Joh. 15, 2).

Wir haben in dem ersten Teile unserer Betrachtung gesehen, dass wir uns jetzt schon unseres Teiles mit Jesu droben erfreuen sollen, und haben uns ein wenig mit dem Wege beschäftigt, auf welchem dies allein möglich gemacht werden kann. Wir kommen jetzt zu einer anderen Art von Reinigung, die, gleich der Fußwaschung, fortwährend an uns vollzogen wird, im Grunde auch denselben Zweck verfolgt wie jene, nämlich uns von allem Bösen zu reinigen, dabei aber doch ein anderes Ziel im Auge hat, und vor allem in ganz anderer Weise vor sich geht.

Die Fußwaschung hat, wie gesagt, den Zweck, uns fähig zu machen und zu erhalten, um mit Jesu dort, wo Er jetzt ist, teilhaben zu können. Indes sind wir nicht nur deshalb in der Welt zurückgelassen worden, um dieses Teil zu genießen. Dafür hätte der Herr uns ja gar nicht hienieden zu lassen brauchen, denn nachdem wir einmal ganz gebadet, d. h. wiedergeboren waren, hätte Er uns zu sich nehmen können, dorthin, wo jede Möglichkeit einer Verunreinigung ausgeschlossen ist, wo wir also der Fußwaschung nimmer bedurft hätten. *) Nein, Gott hatte noch andere Absichten im Blick auf uns. Er wollte Zeugen auf dieser Erde haben; Er wollte Frucht an uns sehen und durch uns verherrlicht werden. Er hat uns hier gelassen, damit Er, um mit den Worten des Apostels Paulus an Philemon zu reden, „Nutzen“ an uns hätte.

Gott hat sich seit dem Sündenfalle immer ein Zeugnis auf dieser Erde erweckt, so z. B. vor der Flut durch Abel, Henoch und Noah. Nach der Flut berief Er Abraham und seine Nachkommen als Zeugen, entsprechend der Offenbarung, welche Er damals von sich gegeben hatte. Später trat der Same Abrahams, das Volk Israel, an die Stelle des Zeugnisses Gottes auf dieser Erde. Gott selbst stellt Israel unter dem bezeichnenden Bilde eines Weinstocks vor unsere Blicke. „Einen Weinstock zogest du aus Ägypten, vertriebest Nationen und pflanztest ihn“ (Ps. 80, 8). Ein Weinstock wird gepflanzt, damit er Frucht bringe; bleibt er ohne Frucht, so hat er gar keinen Wert. (Vergl. Hes. 15, 1 — 5.) Nun hat der Herr sich alle erdenkliche Mühe mit Seinem Weinstock, Israel, gegeben; Er hat ihn in ein gutes Land gepflanzt, um ihn gegraben und ihn gedüngt, aber er hat keine Frucht gebracht. Deshalb ist er auch als unnütz beseitigt worden. EndIich kam der Sohn Gottes selbst, welcher dem Fleische nach auch der Sohn Abrahams geworden ist, um so der Zeuge Gottes auf dieser Erde werden zu können.

Im Gegensatz zu Israel wird Jesus „der wahre Weinstock“ genannt. (Joh. 15, 1.) Er hat kostbare, herrliche Früchte gebracht zur Ehre Seines Gottes und Vaters und zum Zeugnis in dieser Welt. Nun, in Verbindung mit Ihm stehen Reben, welche ebenfalls Frucht bringen sollen zur Verherrlichung Gottes. Und wer sind diese Reben? Alle, welche mit Christo in Verbindung zu sein bekennen und sich nach Seinem Namen nennen; heute also die ganze Christenheit. Als Reben stehen sie unter der Verantwortlichkeit, Frucht zu bringen. Doch wie eine Rede nur dann Frucht bringen kann, wenn sie in dem Weinstock bleibt und den nötigen Lebenssaft aus ihm empfängt, so kann auch nur der, welcher in wahrer, lebendiger Verbindung mit Christo steht und aus Ihm, dem wahren Weinstock, Saft und Kraft zieht, wirklich Frucht bringen zu Seinem Preise.

Ach! das Herz blutet bei dem Gedanken an die vielen leblosen Bekenner, die es in der Christenheit gibt. Das Wort Gottes kennzeichnet sie als solche, „die den Namen haben, dass sie leben, und sind tot“. (Offbg. 3, 1.) Sie stützen sich auf ihr religiöses Bekenntnis oder auf die treue Beobachtung zahlreicher, seitens der Menschen eingeführter Satzungen; aber ihren wahren Zustand als verlorene Sünder, so wie das Wort Gottes ihn beschreibt, haben sie nie erkannt, und deshalb sind sie auch noch nie durch wahren Herzensglauben mit dem Heiland in lebendige Verbindung getreten. Den, der gekommen ist, um den finstern Menschen zu erleuchten und den geistlich Toten lebendig zu machen, kennen sie nur dem Namen nach. Sie haben „die Stimme des Sohnes· Gottes“ nie wirklich gehört. (Joh. 5, 25.) Dennoch sind sie infolge ihres Bekenntnisses als Reben verantwortlich, und, weil sie keine Frucht bringen, wird ein schreckliches Gericht sie treffen. Die Worte des Herrn in dieser Beziehung sind deutlich und ernst: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, dieser bringt viel Frucht . . .Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen“ (Joh. 15, 5. 6). Dieses „Verbrennen“ bedeutet nicht etwa, wie so viele es heute erklären möchten, ein durch das Feuer des Gerichts Verzehrt- oder Vernichtetwerden, sondern bezeichnet den ewigen Zustand derer, die außer Christo sterben (Vergl. Mark. 9, 43 — 48 und and. St.).

Aber es gibt auch, dem Herrn sei Dank! fruchtbringende Reben, die das Leben haben und in dem Weinstock bleiben. Diese werden gereinigt, damit sie mehr Frucht bringen. Die Reinigung geschieht seitens des Vaters; Er ist der Weingärtner, der jede lebendige Rebe mit Liebe und Sorgfalt überwacht; mit den Reben, die keine Frucht bringen, beschäftigt Er sich nicht. Wenn eine Rebe wenig Frucht bringt, so sieht sich der Weingärtner genötigt, sie nach Seiner göttlichen Weisheit und Kenntnis zu reinigen, sie zu beschneiden; denn Er möchte gern viel Frucht haben. Mit anderen Worten: Der Vater ist unaufhörlich beschäftigt, bei Seinen Kindern alles das zu beseitigen, was sie hindert, viel Frucht zu bringen. Welch ein Glück! Ach! wenn wir uns selbst überlassen wären, wie bald würden wir zu jedem Fruchttragen untauglich sein! Das Fleisch würde ganz und gar die Oberhand gewinnen, und statt der köstlichen, süßen Frucht würden nur wilde Triebe und bittere Herlinge hervorkommen.

Gott führt Seine geliebten Kinder oft wunderbare und schmerzliche Wege; es hat zuweilen den Anschein, als ob sie aus den Trübsalen und Leiden gar nicht mehr herauskommen sollten. Das Messer des göttlichen Weingärtners schneidet tiefe Wunden. Aber warum? Weil es Ihm gefällt, Seinen Kindern wehe zu tun? O nein! „Er plagt und betrübt nicht von Herzen die Menschenkinder“ (Klagel. 3, 33). Er schneidet um kein Haarbreit tiefer als es nötig ist, und Sein Zweck ist nur der, die Wirksamkeit des Fleisches zu hemmen, damit die Rebe mehr Frucht bringe. Haben wir nicht häufig auch Gelegenheit gehabt, zu sehen, dass die Bemühungen Gottes mit Seinen Kindern in dieser Beziehung nicht vergeblich waren, sondern liebliche Früchte hervorbrachten zur Verherrlichung Seines Namens? Haben wir nicht gerade bei solchen, die durch „tiefe Wasser“, durch große Leiden und Prüfungen geführt wurden, überströmend glückliche Herzen gesunden, welche fähig waren, die Gnade Gottes zu rühmen und ein herrliches Zeugnis für den Herrn abzulegen?

Wenn wir ein wenig von der Liebe und Gnade unseres Gottes verstanden und geschmeckt haben, so muss es der Wunsch unserer Herzen sein, auch etwas für Ihn zu sein, Frucht zu bringen zur Verherrlichung Seines Namens. Sollten wir nun nicht dankbar sein, dass der Weingärtner uns in der Erfüllung dieses Wunsches zu Hilfe kommt? dass Er in väterlicher Liebe und Treue Tag und Nacht bemüht ist, uns zu reinigen und alles Hindernde wegzuschneiden? Mag des Messers Schärfe auch oft schmerzlich von uns gefühlt werden, so wissen wir doch, dass wir es mit einem gütigen und allweisen Vater zu tun haben, welcher keine Fehler macht. Ja, wir wissen, dass das reinigende Messer in den Händen Dessen sich befindet, der Seines eingeborenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat. Dieses Bewusstsein macht das Herz getrost und treibt jede Furcht aus. Gott weiß und berechnet genau, wie tief Er schneiden muss und wie heiß das Feuer werden darf. „Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern wird mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen, so dass ihr sie ertragen könnt“ (1. Kor. 10,13).

Wenn wir den Herrn betrachten, wie Er auf dieser Erde gewandelt hat, so finden wir, dass alles, was Er tat, ein duftender Wohlgeruch für das Herz des Vaters war. Er war nie selbstsüchtig, tat nie Seinen eigenen Willen und suchte nie Seine eigene Ehre. Für Ihn galt nur die Ehre Dessen, der Ihn gesandt hatte. Er war in der Tat „ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit“. (Ps. 1, 3.) Er hatte nicht nötig, gereinigt zu werden. Wir aber bedürfen der Reinigung, weil das Fleisch noch in uns ist, welches stets nur an sich und seine Befriedigung denkt. Welch eine Gunst von seiten unseres Gottes ist es daher, dass Er sich in solcher Liebe mit uns beschäftigt! Wir werden Ihn droben gewiss ewig dafür preisen. Heute ruft uns der Herr zu: „Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringet, und ihr werdet meine Jünger (Jesu Nachfolger) werden“ (Joh. 15, 8). Und wenn wir an die Zukunft denken, so wissen wir, dass die Frucht, die wir heute bringen, nicht nur Wert hat für diese Zeit, sondern aufbewahrt wird für die Ewigkeit. Dort wird sie ewiglich gesehen werden, wie der Herr sagt: „Ich habe euch gesetzt, auf dass ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe“ (Joh. 15, 16). Sollten wir nicht alle von Herzen begehren, viel Frucht zu bringen, auf dass der Vater durch uns verherrlicht werde?

III.

„Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist“ (1. Joh. 3, 3).

Wir haben in den beiden vorigen Abschnitten die Bemühung des Herrn Jesu und die des Vaters gesehen,

um uns zu reinigen. Allein es gibt auch eine Reinigung, die von dem Gläubigen selbst geschieht, und wir werden gut tun, auch diese noch ein wenig zu betrachten. Der Apostel Johannes redet in seinem ersten Briefe viel von der Liebe Gottes, die sich in der Gabe Seines Sohnes geoffenbart hat; sein Herz ist ganz von ihr erfüllt. So ruft er z. B. im Anfang des 3. Kapitels voll Bewunderung aus: „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen!“ (V. 1.) Und in der Tat, es ist eine Liebe ohne Gleichen, die all unser Denken übersteigt. Gott hat sie solchen gegenüber erwiesen, die von Natur Kinder des Teufels waren; denn: „Wer die Sünde tut ist aus dem Teufel“ (V. 8). Ist es nicht unbegreiflich, dass solche Geschöpfe Gottes Kinder heißen sollen? und zwar nicht erst dann, wenn sie droben im Vaterhause sein werden; nein, schon heute. Es heißt im 2. Verse: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes“. Während wir noch in dem Leibe der Schwachheit sind, in welchem die Sünde wohnt, und durch mancherlei Umstände und Trübsale zu gehen haben, dürfen wir mit kindlicher Zuversicht nach oben blicken und rufen: „Abba, Vater!“ Welch ein herrlicher Trost ist das für die ganze Zeit unserer Pilgrimschaft hienieden! Schwach und unvollkommen in uns selbst, aber Kinder Dessen, der die Liebe ist, und für den kein Ding unmöglich ist! Möchte unser Vertrauen zu Ihm sich mehren! Möchte es aber auch in unserem Wandel offenbar werden, dass wir Kinder Gottes sind; wie der Apostel an die gläubigen Epheser schreibt: „Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder, und wandelt in Liebe“. (Eph. 5, 1. 2).

Was wir sein werden, ist freilich noch nicht offenbar, da auch Christus selbst noch in Gott verborgen ist. Doch wissen wir, (weil die Schrift es uns sagt) dass, wenn Er geoffenbart wird, auch offenbar werden wird was wir sein werden, nämlich: Ihm gleich. (V. 2).

Unaussprechlich kostbar ist das Teil des Gläubigen im Blick auf die Zukunft. Nicht den Engeln, sondern Jesu, dem Sohne Gottes, soll er gleich sein, so herrlich, so vollkommen wie Er selbst ist; ohne Flecken, heilig und tadellos in Liebe. **) Dann wird Er nicht mehr der Gegenstand unseres Glaubens und unserer Hoffnung sein, sondern wir werden Ihn sehen wie Er ist, in Seiner ganzen Schönheit, in unverhülltem Glanze. Um dies zu können, müssen wir Ihm gleich sein; anders würde der Anblick Seiner strahlenden Herrlichkeit von uns nicht ertragen werden können. Wer nun diese Hoffnung zu Ihm hat, bei dem erweckt sie auch den Wunsch, Ihm jetzt schon so ähnlich wie möglich zu sein; sie bewirkt, dass er alles richtet und verurteilt, was aus dem Fleische kommt und wodurch das Herz des Herrn betrübt werden müsste. Er reinigt sich selbst. Das Muster, das Vorbild, welches ihm dabei vor Augen steht, ist Jesus. Wir sind noch nicht rein, was unseren Zustand betrifft, denn das Fleisch ist noch in uns. Aber wir möchten nicht ,,nach dem Fleische«, sondern „nach dem Geiste“ wandeln; deshalb reinigen wir uns von ,,aller Befleckung des Fleisches und des Geistes«. Wir wünschen rein zu sein, wie Er rein ist. Eine geringere Reinheit kann dem erneuerten Menschen nicht genügen.

Gott gebe, dass diese kostbare Hoffnung, bei Christo und Ihm gleich zu sein, allezeit in unseren Herzen wohne! Nicht nur, dass wir sie kennen, sondern dass wir sie haben als unseren gegenwärtigen Besitz. Die gesegneten Folgen davon werden sich in unserem ganzen Wandel und Verhalten zeigen. Wenn sich Eigenliebe, Hochmut und eine weltliche Gesinnung unter uns offenbaren, wie es ja leider so vielfach der Fall ist, so ist die Ursache sicher darin zu suchen, dass jene herrliche Hoffnung unsere Herzen wenig oder gar nicht belebt.

Fußnote:

*) In diesem seligen Zustande befinden sich alle diejenigen, welche, ausheimisch von dem Leibe, sich droben bei Jesu befinden.

**) Dass Seine göttliche Herrlichkeit, die Er als der Eingeborene vom Vater besitzt, selbstverständlich hiervon ausgeschlossen ist, brauchen wir wohl kaum zu betonen.

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Des Christen Kampf

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 214ff

Deshalb nehmet die ganze Waffenrüstung Gottes, auf dass ihr an dem bösen Tage zu widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermöget.“ Hier wiederholt der Apostel die Ermahnung des 11. Verses. Sein eigenes Gemüt hat einen tiefen Eindruck von der erschreckenden Menge und Machtentfaltung unserer Feinde. Nachdem er sie im 12. Verse noch einmal aufgezählt und ihre Stellung und ihren Charakter beschrieben hat, lässt er in Vers 13 einen zweiten Warnungsruf erschallen: „Deshalb nehmet die ganze Waffenrüstung Gottes“. Kein Körperteil darf unbedeckt bleiben. Der Feind weiß aus der kleinsten Öffnung im Panzer Vorteil zu ziehen.

„Das Nächste, worauf der Apostel unsere Aufmerksamkeit richtet, ist der Charakter des Zeitabschnitts, während dessen dieser Kampf stattfindet. Er nennt ihn „den bösen Tag“. Manche verstehen unter diesem Tage den ganzen Lebenslauf des Gläubigen oder in besonderem Sinne seine Prüfungs- und Leidenszeiten, die besonderen Offenbarungen der Macht des Feindes, wenn Gott solche zulässt. Andere glauben, dass sich der Ausdruck auf den ganzen Zeitraum beziehe, seitdem Christus verworfen und gekreuzigt worden sei, bis zu Seiner Wiederkehr. Die Abwesenheit Christi von der Erde, die Anwesenheit Satans, als „des Fürsten dieser Welt“, und die Kundgebungen seiner Macht, wie Gott sie heute erlaubt, machen, dieser Auffassung entsprechend „den bösen Tag“ aus. Beide Erklärungen sind jedenfalls zulässig; die letztere scheint jedoch am meisten für sich zu haben. Christus war das Licht der Welt, so lange Er in derselben war; aber Er wurde verworfen und kehrte zu Seinem Vater zurück. Seitdem ist diese Welt wieder in Finsternis gewesen und wird von Dämonen beherrscht, wenngleich Gott natürlich unumschränkt bleibt und alles zu Seiner Verherrlichung und zum Besten Seines Volkes zu lenken vermag. Satan ist der Gott, den diese Welt anbetet, und der Fürst, dem sie folgt. Wie ernst, wie schrecklich ist dieser Gedanke! Welch ein furchtbarer Ort muss diese Welt sein! Sicher, wir alle würden sie weniger lieben, als wir tun, wenn diese erschreckende Tatsache mehr geglaubt und festgehalten würde.

Gott wohnt im Licht. Wie ganz anders lautet das! Wie köstlich ist dieser Gedanke! Und Seine Kinder haben das Vorrecht, mit Ihm im Lichte zu wohnen; nachdem das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, sie von jeder Sünde gereinigt hat, sind sie weißer geworden als Schnee, und passend gemacht, um in dem Lichte des Himmels weilen zu können. Aber sie haben eine Mission auf der Erde zu erfüllen. Sie sind Gottes Leuchter oder Lichtträger für die verfinsterten Bewohner dieser Welt. Sie befinden sich „inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchen“, wie der Apostel sagt, „ihr scheinet wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort des Lebens“ (Phil. 2, 15. 16). Daher der stete Kampf, der nie endende Streit zwischen Licht und Finsternis, zwischen den Kindern Gottes und den aufrührerischen Fürstentümern und Gewalten, welche die Finsternis dieser Welt beherrschen. Daher auch, wie wir hinzufügen können, „der böse Tag“. Der Feind hasst das Licht, wie der Dieb die Laterne des Wächters. Er wird sein Äußerstes tun, um die Kinder des Lichts zu quälen und zu belästigen. Er wird versuchen, sie von dem richtigen Wege abzulenken, das Licht, das in ihnen ist, zu verdunkeln, indem er sich bemüht, ihnen verkehrte Ansichten und falsche Anwendungen der Wahrheit einzuflößen, und er wird kein Mittel unversucht lassen, um ihre Stellung sowohl in den himmlischen Örtern als auch aus der Erde zu verfälschen.

So ist der Feind, und so sind die Angriffe, welche der Christ zu erwarten und gegen die er sich zu wehren

hat. Er hat sie auszuhalten und an jedem Punkte abzuweisen; und nachdem er alles wohl ausgerichtet hat, ist er berufen, zu stehen. Mag er auch alles getan haben, was ein Soldat zu tun vermag, ja, mag der errungene Sieg durchaus vollständig sein, dennoch darf er nicht ruhen, sondern muss seinen Standpunkt festhalten; der Krieg ist nicht vorüber. Es gibt keine Ruhe für den Christen, so lange er hienieden pilgert; er muss seine Stellung behaupten, sei es in scheinbar friedlichen Zeiten, sei es im offenen Kampfe, und stehend erfunden werden, nachdem die letzte Schlacht geschlagen und der letzte Sieg errungen ist.

Aber, möchte man fragen, wie und wo soll der Gläubige die nötige Kraft finden, um den gewaltigen Heerschaaren des Feindes zu widerstehen? Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort; sie lautet: durch die Macht des Heiligen Geistes, der bei dem Volke Gottes bleibt während der ganzen Dauer der Abwesenheit des Herrn, oder mit anderen Worten: so lange der „böse Tag“ währt. Der für uns ist, ist weit größer als alles, was gegen uns ist. Der Herr sei gepriesen! dieses Bewusstsein verleiht Trost und Ermutigung, stärkt die Hände zum Streite, gibt Siegesgewissheit und sichert uns vor jedem Unterliegen. — O welch eine Sorge und Liebe hattest du für uns, teurer Herr! Du bist dem süßen Trostwort, das du einst den Jüngern zuriefest, treu geblieben: „Ich werde euch nicht als Waisen lassen, ich komme zu euch“. Und: „Ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass Er bei euch sei in Ewigkeit, den

Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn nicht sieht, noch ihn kennt. Ihr aber kennet Ihn, denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh. 14).

Weißt du, mein Leser, was für ein guter Tag es für diese arme Welt sein wird, wenn der Herr zurückkommt? Dann wird Christus über die ganze Erde herrschen, und Satan wird im Abgrunde eingeschlossen sein. Das wird den gewaltigen Unterschied ausmachen. Die Abwesenheit Christi und die Anwesenheit Satans bewirken jetzt den „bösen Tag“; aber die Entfernung Satans von der Erde und die Gegenwart Christi werden dann den „guten Tag“ ausmachen -— jenen lichten Tag des tausendjährigen Reiches, an welchem die ganze Erde mit Seiner Herrlichkeit erfüllt sein wird.

Hast du auch wohl beachtet, dass Jesus sagt: „Ich komme zu euch“? Diese Worte haben bereits eine Erfüllung in dem Herniederkommen des Heiligen Geistes gefunden, aber ihre völlige Erfüllung wird erst das Kommen des Herrn selbst bringen, wie Er in demselben Kapitel deutlich sagt: „Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet“. Nichts kann klarer, nichts könnte lieblicher sein als diese Worte. Und welch ein Gedanke, mein lieber Mitpilger! Der Herr spricht hier nicht von der Herrlichkeit, die allgemein sein wird, sondern von der Heimat, die das besondere Teil der Kinder Gottes ist, sowie von der Liebe, die in alle Ewigkeit ihr eigentümlich sein wird. Noch ehe die Sonne der taufendjährigen Herrlichkeit ausgehen wird, werden wir Ihn schauen, den hellen, glänzenden Morgenstern, den Bräutigam, dem die liebende Braut mit Verlangen entgegensieht.

Kürze denn, gnadenreicher Herr, in deiner großen Barmherzigkeit den bösen Tag ab! Du weißt, es ist ein

Tag der überhandnehmenden Bosheit, des wachsenden Unglaubens, der Kriege und des Kriegsgeschreis; ja, Herr, ein Tag der Schwierigkeiten, des Kummers und der Leiden für viele von deinem Volke. Die ganze Schöpfung wartet auf dein Kommen. „Das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes.“ Darum beschleunige diesen Tag der Herrlichkeit, diesen langverheißenen Tag des Friedens und der Fülle, der Ruhe und der Freude für die ganze weite Welt. — Dann werden sich die lieblichen Weissagungen der Propheten erfüllen; die Nationen werden „ihre Schwerter zu Pflugmessern schmieden, und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation wider Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (Jes. 2, 4).

Doch wir müssen zu unserem Text zurückkehren. Untersuchen wir denn die verschiedenen Stücke der Waffenrüstung Gottes der Reihe nach etwas näher, damit wir ihren Nutzen und ihren Gebrauch kennen lernen. Wir müssen uns dabei allerdings kurz fassen, da wir uns so lange bei der Natur unseres- Kampfes aufgehalten haben. — Da werden wir denn zunächst aufgefordert, unsere Lenden mit Wahrheit umgürtet zu haben, und es- entsteht ganz von selbst die Frage: Was ist unter den Lenden, dem umgürten und der Wahrheit zu verstehen?

1. Die Lenden, wenn richtig gegürtet, stellen den Hauptsitz der Kraft dar. (Vergl. Hiob 38, 3 u. and. St.) Petrus wendet dies bildlich auf den inneren Menschen an, wenn er sagt: „Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung“. Die Gedanken, Wünsche und Zuneigungen des inneren Menschen sind die Quellen des äußeren Handelns, die« Beweggründe der Seele; sie dürfen deshalb nicht den Einwirkungen des Feindes ausgesetzt werden, und dies geschieht, sobald wir unserem eignen Willen nachgeben. Wir sind nur dann stark, wenn wir den Bereich unseres Gürtels, die Wahrheit, nicht verlassen. Das ist für den christlichen Krieger von der größten Wichtigkeit. Der Feind hat keinen Zugang zu einem Herzen, das mit der Wahrheit Gottes umgeben ist.“

2. Gürten ist die Anwendung. der Wahrheit auf die Seele — die nahe Berührung des Wortes mit dem Willen, sowie mit den Regungen des Herzens. Alles wird gerichtet, was nicht mit der göttlichen Wahrheit in Übereinstimmung ist. Eine praktischere und wirksamere Art, sich für den Kampf zu wappnen, kann es nicht geben; aber es muss in der Gegenwart Gottes geschehen, und zwar ehe wir dem Feinde begegnen. Der Gürtel des Kriegers hält die anderen Stücke seiner Rüstung zusammen, so dass er imstande ist zu marschieren und stark ist zum Kampfe. „Du umgürtetest mich mit Kraft zum Streite“, sagt der Psalmist. (Ps. 18, 39.) Vielleicht denkt der Apostel auch an einen anderen Brauch der Völker des Morgenlandes, der darin bestand, dass sie ihre langen, weiten Gewänder um ihre Lenden gürteten, damit sie sie nicht auf der Reise oder bei der Arbeit hindern möchten. So umgürtete z. B. Elias seine Lenden und lief vor Ahab her (1. Kön. 10, 46.) Das Gürten ist also das Zusammenfassen der Zuneigungen des Herzens, des ganzen inneren, Menschen, für Christum und für die Dinge Christi. Alles Verkehrte, Unreine, Eigenwillige wird gerichtet, und das Herz bleibt in dem Lichte der Gegenwart Gottes und wird nach Seinen Gedanken, entsprechend Seiner Wahrheit, geleitet; und indem es sich an den Herrn klammert, gleichwie die Gewänder unter dem engen Gürtel an den Lenden anliegen, kann der Feind die Tore der Seele nicht erreichen.

3. Die Wahrheit ist ein viel umfassender Ausdruck; aber hier mag der Geist vielleicht an eine besondere Seite der Wahrheit denken, als wirksamsten Schutz gegen die Angriffe des Feindes, an die Wahrheit nämlich, wie sie der Stellung angemessen ist, zu der wir berufen sind. Die Seele soll die Wahrheit gleichsam als ständige Besatzung in sich tragen. Nichts darf in die Festung der Seele hinein, nichts aus ihr heraus, es sei denn durch die Wahrheit untersucht und erprobt. Alles, der innere wie der äußere Mensch, muss unter der Leitung und Aussicht der Wahrheit stehen. Doch die Hauptaufgabe der Wahrheit, wenn der Geist Gebrauch von ihr macht, ist die, dass sie auf das Gewissen wirkt und es in die Gegenwart Gottes bringt, wo unsere verborgensten Gedanken, Gefühle, Wünsche und Beweggründe ehrlich gerichtet werden können. ,,Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Zerteilung der Seele und des Geistes, sowohl der Gelenke als des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens“ (Hebr. 4, 12).

Stehen wir hier einen Augenblick still, um über die Tiefen und die durchdringende Kraft des Wortes Gottes

nachzudenken. Welch eine Fülle von Wahrheit liegt schon in den wenigen Worten: „Eure Lenden umgürtet mit Wahrheit“! Alles, was wir zur Leitung unserer innersten Gedanken und unseres äußeren Wandels sowie zur Abwehr aller Angriffe auf dieselben bedürfen, ist in diesen fünf Worten enthalten. Wenn wir sie beachten und befolgen, so werden wir den Listen des Feindes nicht zum Opfer fallen; wir werden sie von vornherein als solche erkennen, und nichts wird in uns sein, was den Einflüsterungen Satans entspricht. Die Seele wird durch dieses Stück der Waffenrüstung, wenn es anders in seiner geistlichen Bedeutung verstanden wird, in Gemeinschaft mit Gott erhalten, und der Feind bleibt in angemessener Entfernung. So war es bei unserem geliebte Herrn, und so kann und sollte es bei uns sein. Er steht als Beispiel für den Krieger da. „Es steht geschrieben!“ so hören wir Ihn immer wieder sagen. Das war der starke Turm, zu dem Er Seine Zuflucht nahm. Er besiegte den Feind nicht durch Vernunftgründe, sondern durch die Anwendung des Wortes auf sich selbst und die Verhältnisse, die Ihn umgaben.

Als der „zweite Mensch“ handelte und wandelte der Herr dem geschriebenen Worte gemäß. „Bewahre mich, Gott, denn ich traue auf dich“, war der Boden, auf den Er sich stellte, und den Er als Knecht behauptete, obgleich Er Sohn war. Er handelte nie nach Seinem eigenen· Willen. Er war umgürtet mit Wahrheit. Er harrte auf Gott. Wenn kein Wort kam, so handelte Er nicht, sondern harrte weiter. Er wollte nichts tun ohne das Wort Gottes. „Es steht geschrieben“, musste allem vorangehen. Das ist auch für uns sicherer Boden, ja, der einzig sichere Boden. Lasst es uns nie vergessen! Es wird unser Herz unter allen Umständen in Gemeinschaft mit Gott erhalten. Doch ganz besonders halte es dir im Kampfe vor, meine Seele; grabe es in deinen Schild ein, schreibe es auf dein Banner und lass es dein Losungswort sein, damit du Freund und Feind wohl zu unterscheiden vermagst!

Das zweite Rüstungsstück, das dem Christen anempfohlen wird, ist der Brustharnisch. Das Metall, aus welchem er gemacht werden soll, ist Gerechtigkeit —- praktische Gerechtigkeit, ein tadelloses Betragen, ein heiliger Wandel mit Gott. Das gibt uns am Tage der Schlacht Mut. Seine sonstige Ausrüstung würde dem christlichen Krieger wenig nützen, wenn er ohne Brustharnisch wäre. Die gefährlichste Stelle würde dem Ansturm des Feindes schutzlos ausgesetzt sein. Dazu kommt, dass der Brustharnisch als Mittelstück dem Ganzen Einheit verleiht. Wenn ein Mensch von seinem eigenen Gewissen verklagt wird, und wenn er weiß, dass die Welt ihm Vorwürfe machen würde, falls sie alles von ihm wüsste, wie kann .er dann den Kopf hochhalten und mutig. dem Feinde entgegentreten? Er wird an sich denken und Entdeckung und Bloßstellung fürchten. Sein Brustharnisch ist dahin, und er fürchtet, der Hieb des Feindes möchte — die unbeschützte Stelle treffen. „Denn gerecht ist Jehova, Gerechtigkeiten liebt Er. Sein Angesicht schaut den Aufrichtigen an.“ —— „Die Augen Jehovas sind gerichtet auf die Gerechten, und Seine Ohren auf ihr Schreien; das Angesicht Jehovas ist wider die, welche Böses tun (Ps. 11, 7; 34, 15. 16).

Wenn die Gedanken und Zuneigungen des Herzens von der Wahrheit regiert und in Ordnung gehalten werden, wird man ein gutes Gewissen haben; man wird einen heiligen und gerechten Wandel mit Gott und vor den Menschen führen. Diese Gedankenverbindung finden wir in Eph. 4, 24 sehr schön ausgedrückt in den Worten: „Und angezogen habt den neuen Menschen, der nach Gott. geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“, oder „in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit“. Die Wahrheit bringt beides hervor. Daher die Schönheit der göttlichen Ordnung: zuerst das Herz, dann der Wandel. Gerechtigkeit ist die geziemende Beachtung alles dessen, was wir Gott und Menschen schuldig sind; wie der Apostel sagt: „Darum übe ich mich, allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen“ (Apstgsch. 24, 16). Das ist praktische Gerechtigkeit, eine Gerechtigkeit, die dem Apostel einen erstaunlichen Mut und eine heilige Kühnheit verlieh, wenn er vor seinen Feinden stand. Heiligkeit ist eher das, was das Böse zurückstößt, was instinktmäßig alles abweist, was Gott entgegen ist. Auf diese Weise bildet die glückliche Zusammensetzung von „wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“ das Metall des Brustharnisches des Christen.

Und nun lasst uns wohl zusehen, dass wir diese wichtige Wahrheit gut verstehen. Ein gutes Gewissen verlieren heißt, uns der Stärke am Tage des Kampfes berauben. Nur wer ein gutes Gewissen hat, kann kühn und furchtlos sein, wenn es gilt, dem Feinde entgegenzutreten. Ich brauche wohl kaum daraus hinzuweisen, dass die Gerechtigkeit, von welcher wir soeben gesprochen haben, durchaus zu unterscheiden ist von der Gerechtigkeit Gottes, in der wir in Christo Jesu angenommen sind. Er ist unsere Gerechtigkeit, vollkommen und unwandelbar in der Gegenwart Gottes; aber nicht in dem Charakter eines Brustharnisches. Wenn wir als in Christo vor Gott stehend betrachtet werden, gibt es keinen Kampf für uns. Aber als solche, die noch „im Leibe“ sind und in Schwachheit hienieden pilgern, bedürfen wir der praktischer: Gerechtigkeit zum erfolgreichen Kampf mit unserem Gegner, dem Teufel. Nichtsdestoweniger ist die Gerechtigkeit Gottes, zu welcher wir in Christo Jesu gemacht sind, die Grundlage der anderen. Ohne die Kenntnis dieser Tatsache würden wir schwache Krieger sein und den Listen Satans leicht zur Beute fallen. Er, der für uns Frieden machte :und uns Gerechtigkeit erwarb, ist jetzt für uns in der Gegenwart Gottes. Möchte Er uns auch in der praktischen Gerechtigkeit erhalten, so lange wir noch hienieden wallen, damit wir an dem bösen Tage zu widerstehen und, nachdem wir alles ausgerichtet haben, zu stehen vermögen!

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 224ff

Es ist viel schwerer zu glauben, dass man keine Kraft hat, als dass man unrein und sündig ist; das Gewissen sagt mir, dass ich ein Sünder bin, aber um zu wissen, dass ich „kraftlos“ bin, dazu muss mein Wille vorher gebrochen sein.

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Wenn du mit Ungläubigen redest, so suche nicht ihre vielen Fragen zu beantworten, sondern ihr Gewissen zu treffen, wie der Herr Jesus es tat, als jemand Ihn fragte: „Herr, sind derer wenige, die errettet werden?“ – Seine Antwort lautete: Ringet danach, durch die enge Pforte einzugehen!“

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Die geöffneten Himmel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 225ff

Wie der Leser sich entsinnen wird, haben wir im Laufe unserer Betrachtung mehrere leitende Gedanken hervorgehoben, die unserer Epistel zu Grunde liegen. Indem wir jetzt von ihr Abschied nehmen, wollen wir uns dieselben noch einmal vorführen und sehen, wie diese verschiedenen Grundzüge alle harmonisch zusammenfließen und wie sie zusammengefasst, ein unendlich erhabenes, göttliches Ganzes darstellen. Die leitenden Gedanken sind diese:

1. Der Geist Gottes setzt eine Sache nach der anderen beiseite, um Christum einzuführen.

2. Nachdem Er Christum eingeführt hat, stellt Er Ihn in den verschiedenen Herrlichkeiten vor uns, in welchen Er jetzt die Himmel erfüllt.

3. Der Geist Gottes zeigt, wie Christus, einmal eingeführt, allem Vollkommenheit verleiht; alles was ein verherrlichter Christus berührt, wird vollkommen; unter anderem macht Er unser Gewissen vollkommen.

4. Weil das so ist, werde ich als ein versöhnter Sünder in einen Tempel der Lobpreisung eingeführt.

Diese vier Gegenstände können unabhängig von einander betrachtet werden; doch es ist sehr gesegnet zu sehen, dass sie in neuer, besonderer Herrlichkeit erstrahlen, wenn man sie in Verbindung mit einander betrachtet. Ich brauche kaum zu sagen, dass diesen Auszeichnungen des Geistes Gottes eine Erhabenheit innewohnt, die für sich selbst zeugt und eines Hinweises seitens Anderer nicht bedarf. Wenn ich sie lese, so trete ich in Beziehung zu dem Unendlichen, zu den Gedanken und Ratschlüssen Gottes, sowie zu einigen jener höchst wunderbaren Offenbarungen, die nur Gott von sich selbst machen konnte. Doch betrachten wir jene vier Gegenstände noch etwas näher. In Kapitel 1 und 2 setzt der Geist Gottes die Engel beiseite, um Christum einzuführen. In Kapitel 3 und 4 folgen Moses und Josua; in Kapitel 5, 6 und 7 der Hohepriester Aaron. In Kapitel 8 setzt Er den ganzen Bund beiseite, mit dem Christus nichts zu tun hat. In Kapitel 9 verschwinden die Verordnungen des alten Heiligtums mit seinen Altären und Dienstleistungen, und der Altar wird eingeführt, auf welchem Jesus, das Lamm Gottes, geopfert wurde. Eines nach dem anderen wird beiseite gesetzt, um für Christum Platz zu machen. Wahrlich, das ist eine freudevolle Aufgabe für den Heiligen Geist. Ich sage „freudevoll“, denn wenn der Geist Gottes betrübt werden kann, so kann Er auch erfreut werden. Und was geschieht mit Christo, nachdem Er durch den Geist Gottes eingeführt ist? Er bleibt auf immerdar. Er hat keinen Nachfolger; es gibt niemanden, der an Seine Stelle treten könnte. Ja, wenn der Geist Gottes Jesum eingeführt hat, so lenkt Er voll Bewunderung den Blick auf Ihn.

Man fragt oft: Was heißt „geistlich sein“? Nun, ich denke, geistlich sein heißt: die Gesinnung des Heiligen Geistes haben. Und da möchte ich den gläubigen Leser fragen: War es je ein Gegenstand deiner Freude, beiseite gesetzt zu werden, um für Jesum Platz, zu machen? Der Geist Gottes nennt die Dinge, von welchen wir gesprochen haben, „armselige Elemente“. Hast du sie je in dieser Weise behandelt? Ferner kennt der Geist Gottes keinen Nachfolger für Christum, und in den Ratschlüssen Gottes ist keiner vorgesehen, der je an Seine Stelle treten könnte. Ist es in den Vorstellungen und Gedanken deiner Seele auch so?

Wie bereits gesagt, nachdem der Geist Gottes Jesum eingeführt hat, betrachtet Er Ihn. Und was sieht Er in Ihm? Herrlichkeit auf Herrlichkeit! In Kapitel 1 erblickt Er Ihn zur Rechten der Majestät in der Höhe als Den, der die Reinigung unserer Sünden vollbracht hat, und hört eine Stimme sagen: „Dein Thron, o Gott, ist in die Zeitalter der Zeitalter“. In Kapitel 2 sieht Er Ihn als unseren Apostel, der von Heil und Erlösung zu uns redet. Dann erkennt Er Ihn als den Besitzer eines Hauses, das ewigen Bestand hat, als den Geber ewiger Ruhe, und sieht Ihn im Heiligtum droben, mit einem Eide dort eingeführt, und hört die Begrüßung: „Du bist Priester in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks“. In diesen verschiedenen Weisen findet der Geist Gottes Seine Wonne an Christo.

Weiterhin, in Kapitel 9, wird unser hochgelobter Herr in den Himmeln betrachtet als Der, welcher des ewigen Erbes teilhaftig macht, indem Er zuerst eine ewige Erlösung erfunden hatte. In Kapitel 10 sehen wir Ihn in einer noch anderen Eigenschaft droben, indem eine Stimme Ihn mit den Worten begrüßt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße«. Geliebter Leser! Bist du je im Geiste Christo in den Himmel gefolgt, und hast du gehört, wie diese Stimmen sich an Ihn richteten? Es ist notwendig, dass wir uns die Wahrheit gleichsam verkörpern· Wir sind so geneigt, sie als bloße Lehrsätze aufzufassen und zu behandeln. Ich fürchte mich davor, sie als etwas vor mir zu haben, was ich vermöge meiner Verstandeskraft erlernen könnte. In dieser Epistel ist es eine Person, die immer wieder vor uns gestellt wird; es ist eine lebendige Wirklichkeit, eine lebende Person, mit der wir es zu tun haben. Es sind himmlische Wirklichkeiten. Moses errichtete eine Hütte in der Wüste; Salomo errichtete einen Tempel im Lande; Gott hat einen Tempel im Himmel errichtet. O welch ein Interesse hat Gott an dem Sünder bewiesen, indem Er für unseren Priester ein Heiligtum errichtet hat, und zwar deshalb weil Er uns er Priester ist, dessen Dienst in der Vertretung unserer Interessen besteht. Im 12. Kapitel endlich sehen wir Ihn nach Seiner Auffahrt in die Himmel aufgenommen, und Er befindet sich. jetzt dort als der Anfänger und Vollender des Glaubens.

Das also ist die zweite Gedankenreihe, und wir sehen, wie eng sie mit der ersten verknüpft ist. Nachdem der Geist Gottes uns Christum vor Augen gestellt hat, entfaltet Er Seine Herrlichkeiten.

Der dritte Gegenstand unserer Epistel ist Vollkommenheit. Wenn Christus vollkommen als Erretter ist, so ist auch meine Errettung vollkommen. Wenn ich nicht errettet bin, so ist Christus kein Erretter. Ich rede jetzt nicht von einer schwachen, zagenden Seele, welche sich mit ihrem eigenen, gesetzlichen Tun abmüht, sondern von meinem Recht; und ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass ich ein ebenso gutes Recht habe, in mir einen erretteten Sünder zu erblicken, wie Christus ein Recht hat, sich als einen vollkommenen Erretter zu betrachten. Wenn ich als ein Sünder zu Christo komme und noch einen Zweifel hege, ob ich wirklich errettet bin, so muss ich notwendigerweise an Seiner Vollkommenheit als Erretter zweifeln. Das eine steht und fällt mit dem anderen.

Drittens also sehen wir, dass die Epistel eine Abhandlung über Vollkommenheit darstellt. Jedoch geht sie nicht bis zur Vollkommenheit des Zeitalters des tausendjährigen Reiches. Christus wird jeglichen Schaden wiederherstellen. Der größte von allen Schaden war in dem Gewissen des Sünders angerichtet, und ihm ist Christus begegnet. In der Schöpfung herrscht heute noch weit und breit Verderben und Verwirrung; das Haus Israel ist noch zerstört. Christus hat Seine Hand noch nicht ausgestreckt, um diese Schaden zu heilen. Auch der Thron Davids ist« zusammengebrochen, und Christus hat diesen Schaden noch nicht geheilt. Aber bald wird sich das Seufzen der Schöpfung in einen Lobgesang verwandeln, und der Thron Davids wird wieder aufgerichtet werden. Doch da der größte Bruch, der schlimmste Schaden, zwischen Gott und dem Sünder bestand, so hat die wiederherstellende Tätigkeit Christi da ihren Anfang genommen. Er hat es unternommen, diesen Bruch zu heilen; und heute trennt den Gläubigen nichts mehr von Gott, er hat Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum.

Viertens finden wir den Geist Gottes in dieser Epistel mit nichts Geringerem beschäftigt, als mit der Errichtung eines Tempels der Danksagung. Doch wie tut Er das? Hängt Er den Vorhang wieder auf, den das Blut des Lammes Gottes zerrissen hat? Ruft Er die Dinge wieder ins Leben, die Er selbst, scheinbar zürnend, „schwache und armselige Elemente“ genannt hat? Nein; unaussprechlich herrlich ist dieser vierte und letzte Gegenstand. Der Geist Gottes hat einen Tempel für uns errichtet, um Gott zu preisen: „Durch Ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen“.

Wir mögen wohl fragen: Was fehlt uns noch, das dieser Brief uns nicht böte? Obgleich wir jeden der behandelten Gegenstände unabhängig von den anderen betrachten können, so strahlen sie doch, wenn im Verein gesehen, in erhöhter Herrlichkeit. Der eine verleiht dem anderen Schönheit und Herrlichkeit. Der Geist Gottes verbindet sozusagen viele Fäden zu einer starken Schnur; aber dann muss alles weichen, um Raum zu machen für Jesum. Dass Ihm alles willig den Platz, einräumt, ist selbstverständlich.

Johannes der Täufer sprach gewissermaßen im Namen aller, als er sagte: „Der die Braut hat ist der Bräutigam; aber der Freund des Bräutigams, der da steht und Ihn hört, ist hoch erfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude nun ist erfüllt“. Moses, Aaron, die Engel — alle freuten sich, den Platz räumen zu dürfen, damit Christus eingeführt werde.

Diese Dinge dienen vereint dazu, unsere Seelen zu einer tieferen Erfassung des Christus Gottes zu leiten.

Welch ein Diener ist der Heilige Geist für unsere Seelen in der gegenwärtigen Zeit, so wie der Herr Jesus von der Krippe bis zum Kreuze ein Diener war!

Dass wir alle, ein jeder für sich, nötig haben, in der Wahrheit befestigt zu werden, brauche ich kaum zu sagen. Wir wissen nicht, in welchem Umfange noch Lehren des Unglaubens und menschliche „Spitzfindigkeiten und Verkehrtheiten sich Geltung verschaffen mögen. Wenn wir nicht, ein jeder persönlich, in der Wahrheit befestigt sind, so mögen wir morgen schon ein Spielball Satans werden. Hier nur ein Beispiel für die Wahrheit des Gesagten. Die Galater waren ernste, eifrige Leute, (und gegen einen

Eifer, der aus einer geistlichen Erweckung hervorgeht, möchte ich sicherlich nichts einwenden); sie würden ihre Augen ausgerissen haben, um sie dem Apostel zu geben. Aber der Tag kam, da er wieder von vorn mit ihnen anfangen musste. „Meine Kindlein, um die ich abermals Geburtswehen habe, bis Christus in euch gestaltet worden ist.“ Es war Eifer bei den Galatern vorhanden, aber die feste Grundlage der Wahrheit fehlte; und als die Wellen der Verführung auf sie eindrangen, waren die armen Galater nahe daran, Schiffbruch zu leiden. Unser Brief bezeugt dasselbe. Die Gläubigen aus den Hebräern waren unerfahren im Worte und darum in großer Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wir müssen in der Wahrheit gegründet und befestigt sein. Auf einen Zustand der Erweckung muss notwendig eine Befestigung in der Wahrheit Gottes folgen.

So sind wir denn am Ende unserer kurzen Gedanken über den so reichen Brief an die Hebräer angelangt, und was sollen wir sagen? Unwillkürlich müssen wir mit dem Apostel ausrufen: „O Tiefe des Reichtums! Ja, welch eine Höhe der Herrlichkeit, welch eine unergründliche Tiefe der Gnade hat sich vor unseren Blicken aufgetan! Wunder über Wunder haben wir geschaut. Wir haben Gott in einer Weise sich offenbaren sehen, dass wir wohl unser Antlitz verhüllen mögen, während wir zugleich still und dankbar Ihm vertrauen und Ihm die tiefsten Zuneigungen unserer Herzen weihen. Aber sicherlich wird sich auch auf manche Lippe der Seufzer drängen: „O über die Dürre und Trägheit meines Herzens!“

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Des Christen Kampf

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 232ff

Wir kommen jetzt zu dem dritten Stück der Rüstung des Christen: „und beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens“. Dieser Teil der Rüstung bezieht sich ganz unmittelbar auf den Wandel des Christen. Er soll in Frieden seinen Weg gehen, gleichsam beschuht mit Frieden; und doch ist er ein Kriegsmann und von Kopf bis zu Fuß gewappnet. Der Helm bedeckt am Tage der Schlacht sein Haupt und die Schuhe seine Füße. Und diese Schuhe soll er tragen, so lange er gegen den Feind im Felde steht.

Aber in welcher Weise kann denn der christliche Soldat ein Friedensstifter sein? In den Worten selbst scheint doch ein großer Widerspruch zu liegen. Ganz recht, aber der Widerspruch ist nur scheinbar. Der sanfteste Christ muss ein ernster Krieger sein. Ja, ich möchte sagen, im Verhältnis zu seiner Kraft als Friedensstifter wird seine Kraft im Kampfe mit dem Feinde stehen. Hier ist ein Punkt in der göttlichen Wissenschaft des Christen, der unseres eingehendsten Studiums wert ist.

Wenn die Wahrheit das Herz regiert, so hat man ein gutes Gewissen. Wir sind fröhlich und glücklich in uns selbst, und friedfertig im Verkehr mit Anderen. Da ist zunächst Rechtschaffenheit des Herzens vorhanden, dann Wahrheit im Innern, Beständigkeit im Wandel und das Bemühen, Andere glücklich zu machen. Verlorene mit dem Heil in Christo bekannt zu machen, sie zur Kenntnis Dessen zu führen, der durch Sein Blut am Kreuze Frieden gemacht hat, sowie das Glück der Erretteten zu suchen, — das werden für den Friedensstifter immer wichtigere Dinge. Und wenn es so steht, kann der Feind keinen Sieg erringen. Der Gläubige ist unangreifbar. Keine Stelle ist ungedeckt. Er behauptet das Feld. Andererseits aber, wenn Nachlässigkeit betreffs der Errettung verlorener Sünder vorhanden ist, und wir uns in unserem eigenen christlichen Wandel gehen lassen, so wird das Gewissen schlecht, wir sind unglücklich, wir geraten in Unruhe und machen Andere unruhig; wir sind den Angriffen Satans preisgegeben, er verwundet uns in mancherlei Weise, und wir können unser Haupt nicht emporheben.

In einem solchen Falle wird das Herz nicht von der Wahrheit regiert. Der Gürtel hat sich sozusagen gelöst,

und die Gewänder flattern ungeschürzt umher. Wo sind die Gedanken, wo die Zuneigungen unserer Herzen? Sie sind auf andere Dinge gerichtet, und die schmerzlichen Folgen reichen oft weit hinaus. Einzelne Personen, ganze Familien, ja vielleicht die gesamte Gemeinde Gottes werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Saat der Zwietracht schießt auf, und viele einst vertraute Freunde werden voneinander getrennt. Satan hat einen großen Sieg gewonnen. Und wie ist dies möglich geworden? was war der Anfang all dieser Kümmernis? was hat zu dieser schmachvollen Niederlage geführt? Beachte es wohl, mein lieber Leser: Gott fängt mit dem Herzen an, und das sollten auch wir tun. Das Erste, wozu wir aufgefordert worden sind, ist: einen Gürtel der Wahrheit zu tragen. Nun, wenn wir uns von der Wahrheit Gottes, als unseres einzigen Führers, entfernen, so nimmt der Geist Zuflucht zu seinen eigenen Hilfsquellen, oder, richtiger gesagt, er verfällt den Einflüsterungen und Vorspiegelungen Satans.

Ehe man es merkt, hat man den rechten Weg verlassen. Dann folgen Entschuldigungen, Erklärungen, auch wohl Übertreibungen. Ruhe und Frieden sind dahin, und der Arm ist ohne Kraft. Der Gürtel ist von den Lenden des Kriegers gefallen, sein Brustharnisch ist verloren, und statt mit Frieden ist er mit Zwietracht beschuht. Ein Christ, der außer Gemeinschaft mit dem Herrn ist, kann für Viele zu einer Wurzel der Bitterkeit werden. Unglücklich und unzufrieden mit sich selbst, ärgert er sich leicht an Anderen und wird ihnen zum Anstoß. Ein Christ dagegen, der in Gemeinschaft mit Gott wandelt, hat Frieden mit Gott, ist mit dem Frieden Gottes erfüllt und geht in dem lieblichen Frieden des Evangeliums zu Anderen, seien es Gläubige oder Unbekehrte.

Es ist also keineswegs ein Widerspruch, wenn gesagt wird, dass der Christ beides sein soll: ein Mann des Friedens und ein Mann des Krieges. Im Gegenteil, wir haben klar gesehen, dass, wenn er nicht ein Mann des Friedens ist, er auch kein Kriegsmann sein kann· Vergessen wir auch nicht, dass auf der Kundgebung dieser christlichen Tugend ein besonderer Segen ruht. Der Herr selbst hat gesagt: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen!“ Und warum das? Weil Gott der Gott des Friedens ist, der große Friedensstifter; wer also Frieden stiftet ist Ihm ähnlich. Er gab Seinen Sohn, um Frieden zu machen. Nichts liegt Ihm mehr am Herzen. „Friede, mein Sohn!“ so lautete die Sprache des Vaterkusses für den verlorenen Sohn; das war der erste Laut seines Herzens. Nichts bekundet deshalb deutlicher unsere Beziehung zu Gott als Seine geliebten Kinder, als wenn wir Friedensstifter sind. „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen!“

Der Ausdruck: „beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens“, ist außerordentlich schön. Er erweckt den Gedanken, dass der Christ, wohin er kommt, Frieden mitbringt. Welch eine Mission: Friede! Welch ein Titel: Söhne Gottes! Die Versöhnung des Sünders mit Gott und die Segnungen des Friedens für die Heiligen sind die Gegenstände der himmlischen Mission des Gläubigen. (Vergl. Joh. 20.) Sollte er an einen Ort kommen, wo Unfriede herrscht, so wird er ihn, soweit es an ihm liegt, zu einer Stätte des Friedens machen. Und sollte es ihm auch nicht so bald gelingen, so kann er doch auf Gott vertrauen und geduldig auf Ihn warten. Sein Charakter und seine Mission sind Friede.

Das nächste wichtige Stück der Rüstung ist der Schild des Glaubens. Er ist, wie alle die vorhergegangenen Stücke, eine Verteidigungswaffe, ja, er ist dies in ganz besonderer Weise. Er schützt die Seele vor den Angriffen des Feindes. Wie wir gesehen haben, beziehen sich die drei ersten Teile auf den geistlichen Zustand des Christen, sowie aus seinen Wandel. Aber noch eine besondere Verteidigungswaffe ist nötig, um diese zu decken; diese Verteidigungswaffe ist der Schild des Glaubens, durch welchen die giftigen Anstrengungen Satans wirkungslos gemacht werden. „Indem ihr über das alles ergriffen habt den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auszulöschen vermöget alle feurigen Pfeile des Bösen.“

Zwei Dinge bieten sich hier unserer näheren Betrachtung dar: 1. die Ermahnung: „indem ihr über das alles den Schild des Glaubens ergriffen habt“; und 2. die Begründung des dringlichen Ernstes dieser Ermahnung: „mit welchem ihr auszulöschen vermöget alle feurigen Pfeile des Bösen“.

Was, möchte ich indes zunächst fragen, haben wir unter dem Schilde des Glaubens zu verstehen? Antwort: einen Glauben an Gott als den Unwandelbaren, dessen Gnade und Liebe sich nimmer verändern; ein Vertrauen auf Ihn, das dem entspricht, was Er in Christo Jesu für uns ist; ein seliges Ruhen des Herzens in der Liebe Gottes, der Offenbarung gemäß, die Er von sich selbst gegeben hat „Gott für uns“ sollte auf dem christlichen Schilde stehen. Das ist mehr als der Glaube, der einfach Gottes Zeugnis über Christum hinsichtlich der Errettung annimmt, wenngleich er natürlich darauf gegründet ist. Es ist ein tiefes und gesegnetes Werk des Geistes Gottes in der Seele, wodurch die Überzeugung, dass Gott für ist und dass wir in Seiner unveränderlichen Gunst stehen, im Herzen erhalten bleibt. Dass ist der Schild des Glaubens; er selbst ist unverletzlich, und er deckt den ganzen Mann. So lange wir diesen Schild hochhalten, kann uns unmöglich ein Pfeil Satans erreichen. Sie fallen alle kraftlos zu Boden. Welch eine Gnade, ja, welch eine Fülle der Gnade, so vor den vergifteten Geschossen des Feindes geschützt zu sein! Wie schrecklich, ins Herz, ins Gewissen getroffen zu werden von dem teuflischen Widersacher! - Hochgelobter Herr! präge die Wichtigkeit der Worte: „über das alles“, unseren Seelen tief und bleibend ein!

„Indem ihr über das alles ergriffen habt den Schild des Glaubens“ Will der Apostel damit diese Gnade „über alle“ anderen Gnaden stellen? Wie dem auch sei, jedenfalls wünscht er ihre Unaussprechliche Wichtigkeit hervorzuheben. Darum lasst sie uns wohl beachten und in der Stille noch ein wenig über den Charakter und den Gebrauch des Schildes nachsinnen, um so einen tieferen Blick in das zu tun, was der Geist uns gelehrt hat.

Wie köstlich ist es, dass Gott selbst in der Schrift oft der Schild Seines Volkes genannt wird! „Fürchte dich

nicht“, sprach Er einst zu Abram, „ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn“ (1. Mose 15, 1). Und der Psalmist sagt: „Denn du wirst den Gerechten segnen; Jehova, mit Gunst wirst du ihn umgeben wie mit einem Schilde“ (Ps. 5, 12). Der lebendige Gott ist der Schild Seines Volkes. Welch eine Ruhe, welch eine Sicherheit gibt uns das! Hinter diesem gewaltigen Schilde haben wir nichts zu fürchten.

Wenden wir uns jetzt noch für einen Augenblick zu dem zweiten Teile unseres Gegenstandes, zu den Worten: „mit welchem ihr auszulöschen vermöget alle feurigen Pfeile des Bösen“. Der Feind wird immer und immer wieder versuchen, in unseren Herzen jenes unbedingte Vertrauen auf Gott zu schwächen, uns durch irgend ein Mittel ungläubige Gedanken einzuflößen, uns einzuflüstern, dass Gott nicht lauter Liebe und lauter Güte sei. Das sind seine feurigen Pfeile, Pfeile des Unglaubens. Besonders wenn ein Fall vorgekommen ist, wenn das Herz sich durch irgend Etwas von Gott abgewandt hat, wird er, wenn möglich, die Seele zur Verzweiflung zu bringen suchen. Er wird dem Gefallenen den furchtbaren Gedanken aufzwingen, dass Gott gegen ihn sei, dass Er ihn verlassen habe, und dass es keine Hoffnung mehr für ihn gebe. Daher des Herrn Gebet für Petrus, dass sein Glaube nicht aufhören, dass er nicht infolge seiner großen Sünde zu ungläubigen Gedanken über Gott gebracht werden möchte. Es gibt wohl kein schrecklicheres Leiden als die Qual der Verzweiflung. Wer bei Anderen Zeuge dieser Qual gewesen ist, wird es nie wieder vergessen. Was muss es aber erst sein, sie selbst durchzumachen! Es sind gewissermaßen Qualen der Hölle, jenes von Gott verlassenen Ortes, wohin kein Hoffnungsstrahl mehr dringt. Ja, nur der Schild des Glaubens vermag die feurigen Pfeile des Unglaubens auszulöschen.

Die Anstrengungen des Teufels, zur Sünde zu verführen, auf die Begierden des Fleisches und der Sinne

zu wirken, sind von diesen feurigen Pfeilen ganz und gar verschieden. liegt eine gewisse Art von Genuss darin, jene Begierden zu befriedigen. Das Fleisch wenigstens genießt dabei. Aber sich ungläubigen Gedanken über Gott hinzugeben, gewährt keinerlei Freude, keinerlei Genuss. Verzweiflung ist mehr oder weniger das Ergebnis. Vergessen wir aber nicht, dass die Verführungen Satans zu irgend einer Sünde, wenn ihnen nachgegeben wird, die Seele jenen weiteren und heißeren Angriffen des Teufels aussetzen. Wenn man ihm die Tür öffnet, indem man einer bösen Lust nachhängt, kann es wohl sein, dass man schrecklich von seinen feurigen Angriffen zu leiden hat, ehe das Vertrauen auf Gott und der Friede wiederhergestellt sind.

Aber wie ist es möglich, diese schrecklichen Pfeile zu entdecken und ihnen zu entgehen? In der Tat, sie sind schrecklich; man kann nur mit Furcht an sie denken. Sie werden feurige Pfeile genannt, weil sie wie verzehrendes Feuer in der Seele brennen, die sich ihnen preisgegeben hat. Der Zweck Satans ist, das Licht Gottes in der Seele zu verdunkeln und ihr Gottes Liebe und Gunst zu verbergen. Gott sei Dank! es kommt da, wo man der völligen Erlösung gewiss ist, ja wohl selten so weit. Aber doch ist auch hier, wie in anderen Fällen, Vorbeugen besser als Heilen. Lasst uns denn sehen, wie dieses Eindringen des Feindes ins Herz vermieden werden kann.

Der sicherste Weg ist, sich viel in der Gegenwart Gottes aufzuhalten, sich glücklich und heimisch dort zu

fühlen. Das persönliche ungetrübte Bewusstsein der Vergebung und der Annahme in dem Geliebten, sowie die Erkenntnis, dass man in Christo vollkommen gemacht ist, bringt die Zweifel zum Schweigen, scheucht die Furcht hinweg und löscht die feurigen Pfeile des Bösen aus. Aber der feste Anker der Seele ist die Kenntnis der unveränderlichen Liebe Gottes, wie Er sie uns in Christo geoffenbart hat; und diese wird klar und ungetrübt in der Seele erhalten, die in Seiner Gemeinschaft bleibt. Leider kann es vorkommen, dass wir eine Zeitlang gleichgültig, nachlässig und lau werden, dass wir uns abwenden und vom Wege abirren; aber selbst dann haben wir keine Ursache zu verzagen: die Tür zur Umkehr bleibt uns immer offen, und weder im Herzen Gottes, noch in Seinen Ratschlüssen hinsichtlich unser kann jemals eine Veränderung eintreten. Das Herz kann in der ruhigen Gewissheit Seiner Liebe sagen: Ich verändere mich, alles verändert sich; aber Er verändert sich niemals. Umstände und Freunde mögen wechseln, alles um uns her mag sich zu verändern scheinen; aber bei Ihm ist keine Veränderung, noch ein Schatten von Wechsel.

O welch einen Halt an Gott gibt das der einfältig glaubenden Seele! Welchen Frieden verleiht es, welche Freude, welche Ruhe, welches Glück und welche unwiderstehliche Kraft dem Feinde gegenüber! Hier können uns seine Pfeile nicht erreichen. Wir sind hinter dem Schilde des Glaubens geborgen. Unter dem schmerzlichen Gefühl, gefehlt zu haben, mag das Herz wohl zusammenbrechen, wenn es daran denkt, dass Gottes Liebe stets dieselbe bleibt und sich uns gegenüber nicht verändern kann, obwohl Züchtigungen notwendig sein mögen. Aber anstatt uns Zweifeln oder gar finstrer Verzweiflung unter Seiner züchtigenden Hand hinzugeben, beugen wir uns in aufrichtigem Bekenntnis vor Ihm nieder und beten im Staube an.

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Das tut zu meinem Gedächtnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 240ff

Es- ist sehr wichtig und beachtenswert, dass der Herr die Einsetzung der Feier Seines Gedächtnisses uns nicht nur durch die Evangelisten, sondern auch durch eine besondere Offenbarung hat mitteilen lassen. Diese Offenbarung wurde dem Apostel Paulus zu teil, demselben Manne, welchem auch „das Geheimnis des Christus“ anvertraut worden war. Ohne Zweifel ist dies deshalb geschehen, weil das Abendmahl in inniger Verbindung steht mit den in dem Geheimnis des Christus mitgeteilten Wahrheiten. Der Hauptinhalt dieses Geheimnisses besteht ja darin, dass die aus den Nationen Miterben sein sollten und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christo Jesu durch das Evangelium. (Eph. 3, 6.) In anderen Stellen entwickelt der Apostel die Lehre von dem einen Leibe noch näher — eine Lehre, die den Glaubenden in eine ganz besondere Stellung bringt, sowohl dem Haupte (Christo), als auch den Gliedern des Leibes gegenüber. Dass diese Stellung ihre großen Vorrechte, aber auch ihre ernsten Pflichten und ihre Verantwortlichkeit hat, liegt auf der Hand.

Bei der Abendmahlsfeier nun wird dieser Einheit des Leibes öffentlich und sichtbarlich Ausdruck gegeben, wie geschrieben steht: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig“ (1. Korinther 10, 17.) Diese Tatsache verleiht der mit der Abendmahlsfeier verbundenen Verantwortlichkeit einen sehr ernsten Charakter. Allein es liegt nicht in meiner Absicht, heute über diesen Teil der Wahrheit zu reden; vielmehr möchte ich zunächst die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Worte richten, welche unserer Betrachtung voranstehen: „Dies tut zu meinem Gedächtnis“, und in zweiter Linie auf die Worte des Apostels in 1. Kor. 11, 26: „So oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt“.

I.

In den Versen 23 - 25 des bereits genannten Kapitels (1. Kor. 11) wird uns die Art und Weise mitgeteilt, in welcher der Herr das Abendmahl eingesetzt hat. Der Unterschied zwischen dieser Mitteilung und dem Bericht in den Evangelien ist sehr unbedeutend. Dass ein solcher besteht, hat darin seinen Grund, dass die gegebenen Mitteilungen stets mit dem Zweck und Charakter des betreffenden Buches in Übereinstimmung stehen. Und gerade diese Übereinstimmung verleiht der Sache ihre wahre Bedeutung und ihren Wert.

Es war nicht etwas Neues, was der Apostel den Korinthern mitteilte; er sagt: „Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe“. Leider zeigte der Wandel der Korinther und ihr Verhalten dem Tische des Herrn gegenüber, dass diese direkt vom Herrn und durch Seinen Apostel empfangenen Wahrheiten nicht wirklich von ihnen erfasst worden waren, oder aber dass sie dieselben schon sehr bald wieder vergessen hatten und infolge dessen mit Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit dem Tische des Herrn nahten. Welch ernste und traurige Folgen das für sie hatte, ist uns ja bekannt. Viele unter ihnen waren schwach und krank und ein gut Teil entschlafen (V. 30). Lasst uns daran gedenken und uns durch diese demütigende Erfahrung der Korinther warnen lassen! „Denn wir alle straucheln oft“ (Jak. 3, 2).

Auch vergisst der Heilige Geist nicht, in der vor uns liegenden Offenbarung zu betonen, „dass der Herr Jesus in der Nacht, in welcher Er überliefert wurde, Brot nahm“ u. s. w. Weder die vor Ihm stehenden Leiden und der schreckliche Tod am folgenden Tage, noch die Ihn bei dem Vater erwartende Herrlichkeit vermochten Ihn zu hindern, an die Seinigen zu denken und für die Zeit Seiner Abwesenheit ihnen Sein Gedächtnismahl zu hinterlassen. Er wünschte, dass sie inmitten der Gefahren und vielerlei Zerstreuungen dieser armen Welt Seiner nicht vergessen möchten. „Dies tut zu meinem Gedächtnis!“ Welch eine Liebe! Ist sie nicht mächtig genug, auch in uns alle von dem Heiligen Geist gebildeten Gefühle vor dem Herrn in heilige Übung zu versetzen, in dem gesegneten Bewusstsein, dass unser Gewissen gereinigt werden sollte, ja, dass es wirklich gereinigt und auf immerdar voll- kommen gemacht worden ist durch das ein für allemal von Christo dargebracht Opfer? Wahrlich, diese Liebe übersteigt alle Erkenntnis. Preis und Dank sei Seinem Namen ewiglich!

Weiter lesen wir, dass der Herr, nachdem Er gedankt hatte, das Brot „brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahle und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute; dies tut, so oft ihr trinket, zu meinem Gedächtnis. „Damit endigt die unmittelbare Offenbarung. Das Folgende sind Bemerkungen oder Folgerungen, die der Apostel aus dem Vorhergehenden zieht: „Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn“. Das Essen des Brotes und das Trinken des Kelches ist also eine sichtbare Darstellung des Todes unseres hochgelobten Heilandes. Leib und Blut stehen als voneinander getrennt vor unseren Blicken. Wir erinnern uns eines leidenden und sterbenden Christus, nicht eines verherrlichten Herrn, obwohl wir Ihn als solchen auch durch den Glauben kennen und schauen. Die Handlung des Brotbrechens versetzt unseren Geist und unsere Gedanken ganz besonders in jene feierlichen Stunden, während welcher der Herr am Kreuze für uns gelitten hat und gestorben ist. Sie ist das Sinnbild des Todes Christi; das zur Sühnung geflossene Blut, sowie der von Gott Ihm bereitete Leib

(Hebr. 10, 5), in welchem Er „sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringnng und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch« (Eph. 5, 2), werden in den sichtbaren Symbolen, Kelch und Brot, uns vergegenwärtigt.

„Dies ist mein Leib, der für euch ist“, so sprach der Herr. Ja, er ist unser, dieser heilige und reine Leib, der ein Tempel Gottes auf der Erde war für uns. Alles was Christus in Seinem Leben, in Seinem Leiden und in Seinem Tode war, war Er für uns· Wenn Er Mensch wurde und einen Leib annahm, so war es für uns, damit Er sich selbst für uns hingeben, für uns und an unserer Stelle leiden und sterben könnte. Wie laut und eindringlich sollte dieses Wort: „für euch“ zu unseren Herzen reden! Als der König der Zeitalter, der selige und alleinige Gott und Machthaber (1. Tim. 1, 17; 6, 15) hätte Er ungehindert in Seine Glückseligkeit zurücktreten können. Aber nein, Er liebte uns; für uns hatte Er ja den Ihm von Gott bereiteten Leib angenommen, und in diesem Leibe wollte Er sich für uns dahingehen. Und dieser Leib wird uns im Brote dargestellt. Deswegen sagt der Herr auch in Luk. 22, 19: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“.

Christus kam, um den Willen Gottes zu erfüllen (Hebr. 10), um den Namen des Vaters zu verherrlichen und Seine Liebe zu den Menschen zu offenbaren. (Joh. 17.) Er hat dies getan in Seinem ganzen Leben, in allen Seinen Worten und Werken, aber ganz besonders in Seinem Leiden und Sterben für uns. Ja, für uns! Wie sind diese Worte geeignet, Gefühle inniger Dankbarkeit und aufrichtiger Liebe in unseren Herzen wachzurufen! So groß indes die Gnadengaben und Segnungen auch sein mögen, welche uns in der Gedächtnisfeier unseres Herrn und Heilandes vor Augen treten, dennoch erinnern wir uns nicht so sehr ihrer, als Vielmehr des Gebers; denn der Geber ist immer größer als die Gabe, wie auch der Sieger größer ist als der Sieg.

„Dies tut zu meinem Gedächtnis.“ Das ist der Hauptzweck, ja, ich möchte sagen der einzige Zweck der Abendmahlsfeier. Denn alles was wir dabei sonst noch tun, indem wir Seinen Tod verkündigen, Ihm Lob und Dank darbringen, uns in Seiner Liebe erfreuen u. s. w., sind Dinge, die aus dem Hauptzweck hervorfließen. Der Herr selbst fordert Seine geliebten Erlösten aus, diese Gedächtnisfeier zu begehen, und Er erwartet, dass sie für uns eine Freude sei. Es handelt sich nicht gerade um ein Gebot von Seiten des Herrn; das Teilnehmen an jener Feier soll auch nicht als eine Pflicht von unserer Seite betrachtet werden. Das wäre Gesetz-, und „wir sind jetzt von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten wurden, so dass wir dienen in dem Neuen des Geistes und nicht in dem Alten des Bnchstabens“.(Röm. 7, 6). Nein, die Worte: „Dies tut zu meinem Gedächtnis“, sind vielmehr der Ausdruck eines herzlichen Verlangens- unseres hochgelobten Heilandes; und je mehr wir Ihn lieben, desto mehr wird es das Bedürfnis unserer Seele sein, diesem Verlangen, den göttlichen Gedanken und Mitteilungen gemäß, zu entsprechen. Welch ein wunderbares, gesegnetes Vorrecht ist es auch für arme, verlorene Sünder, wie wir einst waren, jetzt das Gedächtnis eines vollkommenen Heilandes und Erlösers feiern zu können; dazu befähigt zu sein durch die Gnade Gottes, durch Seinen Geist und durch die Belehrungen Seines Wortes! Angesichts alles dessen müssen wir sagen: Wehe den Christen, die ein solches Vorrecht verachten, die in gleichgültiger Weise, ohne gerechte Ursache, vom Tische des Herrn fernbleiben, oder aber mit einem verunreinigten Herzen daran teilnehmen! Beweist ein solches Verhalten nicht eine schreckliche Gefühl- und Lieblosigkeit dem Herrn gegenüber, welche Er gewiss nicht unbemerkt noch unbestraft lassen wird?

„Zu meinem Gedächtnis.“ Jesus allein ist der göttliche Gegenstand, die von unserem Glauben erkannte Person, welche in dem Abendmahl vor unsere Augen tritt. Das verschließt die Tür vor allen anderen Gedanken und Gefühlen, die sich auf uns selbst oder auch auf Andere beziehen und uns hindern könnten, Ihn selbst und Seine unendliche Liebe zu genießen. Wir erinnern uns Seiner; wir gedenken Dessen, „der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater“.(Offbg. 1, 5. 6). Wie erscheint alles andere so klein und elend vor der großen Liebe, mit welcher Er uns liebt! Und zugleich welch ein durchdringendes Licht, welch ein Wohlgeruch heiliger Liebe und welch eine Lust reinen, seligen Friedens umhüllt und erfüllt uns, wenn wir Sein Gedächtnismahl feiern! Ja, da erinnern wir uns- alles dessen, was Er in Seinem großen Erbarmen für uns getan hat und nun von uns im Gedächtnis behalten zu sehen wünscht. Der Glaube vergisst nie, was der Herr an uns getan hat; er gedenkt „aller Seiner Wohltaten“ (Ps. 103).

„Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute.“ Obwohl wir nicht zu dem irdischen Volke Gottes gehören, mit welchem der Herr in den „zukünftigen Zeitaltern“ den neuen Bund schließen wird, der auf Sein Blut, auf Sein Erlösungswerk gegründet sein wird, so haben wir doch durch Glauben teil an den Wirkungen dieses Blutes. Deswegen fügt der Herr im Evangelium Lukas die Worte hinzu: „das für euch vergossen wird« (Kap. 22, 20), und in Matth. 26, 28: „welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“. Auch unser Verhältnis zu Gott, unsere jetzige Stellung vor Ihm, ist gegründet auf das Blut des neuen Bundes. *) „Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung“ (Hebr. 9, 22), und „unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken (die nach dem Gesetz dargebracht wurden) Sünden hinwegnehmen“ (Hebr. 10, 4). Darum ist Er (Christus) einmal in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer“ (Hebr. 9, 26). Und Johannes schreibt uns: „Das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1. Joh. 1, 7), während Paulus sagt, dass wir begnadigt worden sind in dem Geliebten, „in welchem wir die Erlösung haben durch Sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum Seiner Gnade“ (Eph. 1, 7).

Um den Kelch der Segnung in unsere Hand geben zu können, musste der Herr den Kelch des Zornes und

Fluches aus der Hand des Vaters nehmen, betreffs dessen Er gebetet hatte: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst“. War es ein Mangel an Unterwürfigkeit, ein Sichsträuben dem Willen des Vaters gegenüber, das den Herrn so reden ließ? Ach nein! Er, der Heilige, das fleckenlose Lamm, wusste, was die Sünde in den Augen des heiligen Gottes ist; und wenn Er es unternahm, dieselbe abzuschaffen, so konnte es nicht anders geschehen, als dadurch dass Er selbst die Sünden an Seinem Leibe auf das Holz trug. (1. Petr. 2, 24.) Ja, Ihn, der Sünde nicht kannte, musste Gott für uns zur Sünde machen. (2. Kor. 5, 21). Vor dieser schrecklichen Notwendigkeit schauderte der Herr im Gebet bebend zurück. Aber ein Engel kam und stärkte Ihn; und nachher ging Er, trotzdem Er „alles wusste, was über Ihn kommen würde“, ruhig hinaus und sprach zu Seinen Feinden: „Wen suchet ihr?“

Ist ein solcher Heiland nicht unserer anbetungsvollen Erinnerung würdig? „Tut dies, so oft ihr trinket, zu

meinem Gedächtnis.“ Wie könnten wir den Kelch mit Gleichgültigkeit oder mit zerstreutem Herzen zum Munde führen? Oder wie uns ohne Ursache ein so großes Vorrecht rauben lassen? Oder wie mit einem verunreinigten Herzen in die »Gegenwart des Heiligen und Wahrhaftigen treten?

Geliebter Leser! Wir haben uns mit einer Sache von unausforschlicher Tiefe beschäftigt, aber ich hoffe nicht ohne Segen. Gott gebe uns allen wahre, aufrichtige Gefühle der Person Seines geliebte« Sohnes gegenüber, damit wir mehr imstande seien, Sein Gedächtnismahl in einer geziemenden Weise zu feiern! Ach, wie oft wird auch durch eine unbesonnene, übereilte oder ungesunde Tätigkeit der Brüder der Geist in Seiner freien Wirksamkeit gehindert, und die Betrachtung und Erforschung der Vollkommenheiten des Herrn Jesu bei der Feier Seines Gedächtnisses gestört!“ Da hätte mancher oft nötig, sich an die Ermahnung Salomos in Prediger 5, 1 — 3 zu erinnern. Wie gut und tröstlich ist es demgegenüber zu wissen, dass der Herr voll Barmherzigkeit ist und auch die Ungerechtigkeit unseres Dienstes und unserer Gaben getragen hat! (Vergl. 2. Mose 28, 36 — 38). Ja, Er ist ein Hoherpriester, der mit unseren Schwachheiten Mitleid zu haben vermag, und der uns so gern rechtzeitige Hilfe zu teil werden lässt. Sein Name sei gepriesen!

Fußnote:

*) Wir genießen alle geistlichen Vorrechte des neuen Bandes durch den Glauben: Gottes Gesetze sind auf unseren Sinn geschrieben (vergl. Kol. 1, 9. 10), und wir besitzen die unmittelbare Erkenntnis des Herrn, sowie die Vergebung unserer Sünden und Gesetzlosigkeiten. (Hebr. 8, 10 —13; 9; 10, 1 — 18)

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Fürchte dich nicht glaube nur

Bibelstelle: Markus 5,36

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 249ff

Nichts fällt dem Herzen des Menschen schwerer, als stille zu sein und zu glauben. Es ist seiner Natur völlig zuwider. Darum wird der Glaube auch „eine Gabe Gottes“ genannt, und Gott ist es, der ihn erhält, ermuntert und reich belohnt; denn der Glaube ehrt Gott.

Als der Sohn Gottes hienieden wandelte, wurde Sein Herz inmitten des allgemeinen Unglaubens durch den Glauben Einzelner in besonderer Weise erquickt. Wenn es solche gab, die „Ihm zuredeten, aus ihren Grenzen wegzugehen, wie die Gadarener, so gab es auch einen Synagogenvorsteher, der, unbekümmert um die Volksmenge und ungeachtet seiner hohen Stellung in Israel, sich vor dem verachteten Jesus von Nazareth in den Staub niederwarf und „Ihn sehr bat und sprach: Mein Töchterlein liegt in den letzten Zügen; ich bitte dich, dass du kommst und ihr die Hände auflegst, auf dass sie gerettet werde und lebe“.

Hier war ein Mann, der seine Not und Ohnmacht fühlte, aber auch Den kannte, dessen Handauflegen sein

sterbendes Töchterlein retten konnte; und zu Ihm nahm er seine Zuflucht. In Jairus, wie auch nachher in dem blutflüssigen Weibe, war Glaube, und dieser Glaube setzte gleichsam Herz und Hand des Herrn vom Himmel in Bewegung. Viele umdrängten Jesum, kamen äußerlich in die nächste Berührung mit Ihm, aber nur zwei Personen aus der ganzen großen Menge machten sich die Gelegenheit zunutze, um mit dem Heilande in wahre Glaubensverbindung zu treten und so den reichen Strom göttlicher Gnade und Macht von Ihm aus auf sich zu lenken.

Sobald Jairus seine Bitte vorgetragen hatte, schickte Jesus sich an, mit ihm zu gehen. Was lernen wir daraus? Dass ein Glaubensgebet niemals ungehört bleibt. „Im Anfang deines Flehens ist ein Wort ausgegangen“, und: ,,von dem ersten Tage an, da du dein Herz darauf gerichtet hast, . . . dich zu demütigen, sind deine Worte erhört worden“ (Dan. 9, 23; 10, 12), so hieß es einst zu Daniel, dem vielgeliebten Manne; und hier lesen wir: „Und Er (Jesus) ging mit ihm“. Er zögerte keinen Augenblick. Wohl mochte Daniel drei volle Wochen auf die göttliche Mitteilung, welche die Antwort auf sein Flehen bildete, warten müssen, wohl mochte die Erfüllung der Bitte des Synagogenvorstehers sich verzögern; aber gehört wurden beide sofort, und alsbald wurden Anstalten getroffen, um ihren Bitten zu willfahren. Vergiss es nicht, lieber Mitpilger, teure Mitpilgerin! Das Gebet des Glaubens wird sofort gehört; es dringt hinauf zum Vaterherzen Gottes, und alsbald ist der Herr bereit, mitzugehen, um deine Bitte auch zu erhören. Aber bedenke auch, dass es Gott gefällt, deinen Glauben auf die Probe zu stellen, wie einst bei Daniel oder hier bei Jairus. Mögen auch die Anlasse der Verzögerung so verschieden sein wie möglich, Gott benutzt sie zur Ausführung Seiner Gnadenabsichten und zur Erreichung Seiner Liebeszwecke. Sie müssen alle zum Guten mitwirken.

Wie mag es dem armen Vater zu Mute gewesen sein, als die Volksmenge von allen Seiten auf den Herrn

andrängte und Sein Vorwärtsschreiten hemmte! Er hätte sich und dem Herrn gern Flügel geben mögen, um das Sterbehaus zu erreichen, ehe es zu spät war. Aber — er musste sich still gedulden; er musste ruhig warten. Und um das Maß voll zu machen, kam schließlich noch das kranke Weib, und der Herr blieb stehen, sah sich nach ihr um und ließ sich von ihr „die ganze Wahrheit“, ihre Erkrankung, all die vergeblichen Bemühungen, ihre Plage loszuwerden, sowie ihre endliche Heilung erzählen! Und da stand Jairus, wie auf glühenden Kohlen, und musste alles ruhig mitanhören! Wie angstvoll mag sein Herz gepocht und welch flehende Blicke sein Auge auf den Herrn geworfen haben! Aber Jesus ließ sich nicht beirren. Er ging in aller Ruhe Seinen Weg. Mochte auch das Innere des armen Jairus einem aufgewühlten Meere gleichen, in dem Herzen des Herrn herrschte vollkommene Ruhe. Wie wäre es auch möglich, dass irdische Umstände und Schwierigkeiten Seine Ruhe erschüttern könnten?

Wie schön und erhebend ist es, unseren geliebten Herrn so zu sehen! War Seine Ruhe Gleichgültigkeit oder gar Gefühllosigkeit? Nimmermehr! Sein Herz gedachte in vollkom1nenem Mitgefühl des armen Vaters, und als Boten ans dessen Hause kamen mit der niederschmetternden Nachricht: „Deine Tochter ist gestorben; was bemühest du den Lehrer noch?“ - rief Er ihm alsbald zu: „Fürchte dich nicht; glaube nur!“ Mag auch nach menschlichem Dafürhalten keine Aussicht auf Rettung mehr sein, glaube nur! Mag selbst der Tod schon seine grausame Hand auf dein geliebtes Kind gelegt haben, fürchte dich nicht! Der Herr über Leben und Tod naht deinem Hause, und je schwieriger und hoffnungsloser sich die Sachlage seit deinem ersten Bitten gestaltet haben mag, desto größer und herrlicher kann Er Seine Macht entfalten. Für Ihn schläft das Töchterlein, und Er ruft es aus den Toten wieder und heißt ihm zu essen geben.

Wäre das Hindernis nicht gekommen, so würden weder der Glaube des Jairus, noch die Treue und das innige Mitgefühl des Herrn Jesu, noch auch endlich Seine Macht sich so haben offenbaren können, wie es geschah. Alle hätten verloren: Jairus, die Volksmenge, die Leute im Hause und nicht zum Geringsten auch wir, die wir heute diese Geschichte zu unserer Belehrung und Ermunterung lesen. Und vor allem wäre der Name des Herrn nicht so verherrlicht und Sein Herz nicht so erquickt worden, wie es der Fall gewesen ist. O wie dankbar wird Jairus in späteren Tagen sich jenes armen, blutflüssigen Weibes erinnert haben, dessen wunderbarer Glaube der Anlass wurde, seinen eigenen Glauben auf die Probe zu stellen und ihn die Herrlichkeit des Herrn in einer Weise schauen zu lassen, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre!

„Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glauben würdest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ —

„Fürchte dich nicht; glaube nur!“

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Des Christen Kampf

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 253ff

Der Helm des Heils. —— Der Helm des Heils und der Schild des Glaubens stehen in naher Beziehung

zu einander, sind aber doch genau zu unterscheiden. Während der Schild das Vertrauen darstellt auf das, was Gott ist, erblicken wir in dem Heim mehr das Vertrauen auf das, was Er getan hat! Der Schild erweckt

den Gedanken an ein mehr allgemeines Vertrauen auf Gott selbst; der Helm redet von einer besonderen persönlichen Gewissheit im Blick auf die Erlösung, die Er für uns in Christo Jesu gewirkt hat. Von jenem heißt es: „indem ihr über das alles ergriffen habt den Schild des Glaubens“; dieser krönt gleichsam alles. Mit ihm ist unsere Verteidigungsrüstung vollständig. Wir können am Tage der Schlacht unser Haupt in heiliger Kühnheit emporheben und dem stärksten Feinde, ja, selbst allen Scharen der Hölle mit unbesieglichem Mut entgegengehen; wir haben »die ganze Waffenrüstung Gottes angelegt, wir sind bekleidet mit der Stärke und dem Heil Gottes. Preis und Dank sei dem Herrn! Welch ein Heil: „vollendet in Ihm, der das Haupt ist über alle Fürstentümer und Gewalten“! Welcher Feind könnte uns etwas anhaben, welcher Feind uns dort erreichen? Im Lichte, wie Gott selbst im Lichte ist — dahin werden die Beherrscher der Finsternis dieser Welt sich nicht wagen. Ja, in Christo sind wir selbst über die Engel erhoben, die nicht gesündigt haben. Wunderbare, herrliche Wahrheit! Möchten wir von ihr Gebrauch machen zu Seiner Ehre,

zum Segen für unsere Seelen und zur Besiegung unserer Feinde!

Aber hast du, mein Leser, auch wohl beachtet, dass unser „Helm“ eine bewusste Errettung, ein gekanntes Heil ist? Er ist mehr, weit mehr als nur die Hoffnung, schließlich errettet zu werden. Einen solchen Helm würde der Feind dir bald vom Kopfe schlagen. Aber, möchtest du einwenden, ist es denn nicht schriftgemäß, auf die Seligkeit zu hoffen? Was meint denn der Apostel, wenn er an die Thessalonicher schreibt: „Angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit“? Nichts ist einfacher als das. Der Apostel spricht in 1. Thess. 5 von der Hoffnung auf das Kommen des Herrn, nicht aber von der Vergebung unserer Sünden und unserer Annahme bei Gott. In dieser Verbindung schließt das Wort die Herrlichkeit ein, die gänzliche Befreiung des Gläubigen aus aller Schwachheit, aus Kampf und Not. Auf diese Befreiung hoffen oder warten wir natürlich. Manche meinen, dass, wo und wann immer das Wort „Seligkeit“ oder „Errettung, Heil“ vorkomme, es die Errettung der Seele von Sünde und Hölle bedeuten müsse. Aber das ist ein großer Irrtum, der schon viele Gläubige verwirrt und in falsche Bahnen geführt hat. Die angeführte Stelle ist außerordentlich schön. „Wir aber, die

von dem Tage sind, lasst uns nüchtern sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit“. Die hier angeredeten Personen sind Kinder des Lichts und des Tages — Kinder, die in Gemeinschaft mit Gott in „Glauben und Liebe« wandeln, und deren helles, weitsehendes Auge der ,,Hoffnung« ganz besonders auf Christum gerichtet ist, auf Ihn, der wiederkommen wird, um uns aufzunehmen, damit wir bei Ihm seien in der Herrlichkeit. Das ist die wahre und besondere Hoffnung des einzelnen Christen, wie der ganzen Versammlung Gottes, die Hoffnung auf das Kommen ihres Herrn. Wohl dürfen wir heute schon sagen: „Alles ist unser“; aber die Herrlichkeit ist noch nicht erreicht. Wir sind noch in unserem natürlichen Leibe; daher hoffen und warten wir auf den verherrlichten Leib, der uns zu teil werden soll. Aber nicht etwa in Ungewissheit; nein, dem Herrn sei Dank! „wir rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (Röm. 5, 2; Phil. 3,21).

Demgegenüber sagen viele, dass nach einer anderen Stelle es unmöglich sei, in dieser Welt Gewissheit über seine Errettung zu erlangen; man müsse warten bis zum Tage des Gerichts. Erst vor dem Richterstuhl Christi könne ein Mensch Gewissheit erwarten über die Frage, wie es ihm in der Ewigkeit ergehen werde. Die Stelle, welche man meint, steht in Phil. 2 und lautet: „Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern“. Hieraus geht hervor, sagt man, dass man wohl eine Zeit lang seine Seligkeit bewirken, aber schließlich doch darin fehlen und am Ende zu kurz kommen könne.

Wie in der vorhin besprochenen Stelle, so kommt auch hier der Irrtum daher, dass man den Sinn des Wortes „Seligkeit“ missversteht. Um die jeweilige Bedeutung desselben richtig zu verstehen, muss man auf den Zusammenhang achten. Sowohl in dem angeführten Verse, wie überhaupt in dem ganzen Briefe an die Philipper wird die „Seligkeit“ als etwas Zukünftiges betrachtet. Der Apostel sagt von sich selbst: „Nicht dass ich es schon ergriffen habe, oder schon vollendet sei“. (Kap. 3, 12). Wie hätte Paulus in diesem Sinne vollendet sein können, solange er nicht mit Christo in der Herrlichkeit war? Es handelt sich eben, wenn in dem Briefe an die Philipper von ,,Seligkeit« die Rede ist, um unsere schließliche Erlösung oder Befreiung von jeder Art Kampf und Not. Daher wird auch in demselben Kapitel von Christo gesagt, dass Er als „Heiland“ kommen werde, um unseren Leib der Niedrigkeit umzugestalten. „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesum Christum als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der Er vermag auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (V. 20. 21). Hier ist nicht die Rede von der Errettung der Seele aus der Befleckung und Macht der Sünde, sondern von der Erlösung des Leibes aus seinem Stande der Niedrigkeit. Der Irrtum kommt, wie gesagt, daher, dass man nur an eine Bedeutung des Wortes „Seligkeit“ oder „Errettung“ im Neuen Testament denkt. Wer das tut, muss oft in Verlegenheit geraten. So lesen wir z. B. in Röm. 13: „Denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben“. Wie soll man das erklären? Einfach durch den Zusammenhang. Wir finden das Wort hier in Verbindung mit „dem Tage“, dem Tage der Herrlichkeit. Dieser Tag war noch nicht da, aber.er kam mit jedem neuen Sonnenaufgang näher. Daher wird das Herz erquickt und im Kampfe ermutigt durch

die nachfolgenden Worte: „Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anziehen.“

Indes möchte der Leser immer noch unbefriedigt fragen: Was ist denn die eigentliche Bedeutung jener Ermahnung: „Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern“? Meine Antwort ist: Untersuche einen Augenblick sorgfältig, was diesen Worten vorhergeht und folgt; dann wirst du von selbst den Schlüssel zu der Stelle finden. Paulus hatte die Heiligen in Philippi verlassen, aber Gott war bei ihnen. Nicht als ob Gott früher abwesend gewesen wäre, als Paulus sieh in Philippi aushielt; davon kann keine Rede sein, Gott verlässt Sein Volk niemals. Aber wenn ein Vater gegenwärtig ist und alles Nötige für seine Kinder tut, so offenbaren diese naturgemäß die Neigung, sich auf ihn zu stützen und zu verlassen; wenn er fern von ihnen ist, sind sie gezwungen, selbst zu denken, zu überlegen und tätig zu sein. So war es mit den Philippern. Darum ruft der liebende Apostel, ihr geistlicher Vater, ihnen zu: „Daher, meine Geliebten, gleichwie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Gegenwart, sondern jetzt vielmehr in meiner Abwesenheit, bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern“. Er, der zuletzt unter ihnen gearbeitet hatte, war jetzt weit fort, ein Gefangener in Rom. Er war nicht mehr da, um ihnen mit Rat und Tat zur Hand zu gehen und sie mit seiner geistlichen Kraft zu unterstützen. Sie waren jetzt unmittelbarer als vorher aus Gott geworfen. Daher lesen wir weiter: ,,Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken nach Seinem Wohlgefallen“. Nun, wenn das.so war, wenn sie sahen, dass Gott in ihnen wirkte, so sollten sie umso ernstlicher darauf bedacht sein, ihre Seligkeit zu bewirken, d. h. das herrliche Ende ihrer christlichen Laufbahn ohne Anstoß zu erreichen. Gott selbst war ja mit ihnen, und in ihnen wirksam. „Furcht und Zittern“ waren angesichts ihrer eigenen Ohnmacht, der Macht ihrer Feinde und der Gefahren des Weges durchaus am Platze; aber nicht etwa Furcht in dem Sinne, dass die Errettung ihrer Seele in Frage gestellt werden und sie wieder verloren gehen könnten, sondern dass sie, durch Mangel an Eifer, Fleiß, Ernst oder Treue, Gott am Tage der Prüfung verunehren könnten.

Alles dreht sich also in dieser Stelle um jene beiden Dinge, die Abwesenheit des Apostels und die Gegenwart Gottes. Die gläubigen Philipper mussten jetzt den Listen des Feindes ohne die hilfreiche Gegenwart des Apostels begegnen; aber Gott war für sie eingetreten und wirkte in ihnen; daher hatte sich ihr Verlust eigentlich in großen Gewinn verkehrt. Sie waren für alle notwendige Hülfe, Beratung und Leitung gänzlich ans Gott angewiesen. Nichts könnte deshalb ermutigender sein als diese Stelle, wenn sie richtig verstanden wird. Anstatt den Gläubigen zu verwirren oder schwach und verzagt zu machen, stählt sie ihn vielmehr für den Dienst und den Kampf. Zu wissen, dass, wenn wir in einen solchen Kampf verwickelt werden, Gott selbst für uns eintritt und mit uns ist —- welch eine Ermunterung, welch ein Trost ist das! Die Seele fasst Mut und geht kühn voran. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass zugleich eine ernste Warnung in den Worten des Apostels liegt. Es ist, wie wenn er sagte: Ihr werdet auf eurem Wege durch die Wüste vielen Schwierigkeiten und Gefahren zu begegnen und sie zu überwinden haben. Der Kampf ist ernst: ihr habt euch gegen einen mächtigen, geschickten und unermüdlichen Feind zu wehren; und ich bin nun nicht mehr bei euch, um euch mit meinem Rat zu helfen, oder euch durch mein Beispiel zu ermuntern und anzuspornen. Es ist deshalb unumgänglich nötig, dass ihr eifriger seid im Gebet, wachsamer, umsichtiger, persönlich mehr abhängig von Gott selbst. „Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach Seinem Wohlgefallen“. So wurden die Philipper gekrönt, und so sollte jeder Streiter Christi am Tage der Schlacht gekrönt sein mit dem Helme eines gewissen, gekannten und genossenen Heils.

In allem diesem ist der Apostel uns sowohl ein edles Beispiel wie auch ein weiser Ratgeber. Gerade dieser Helm des Heils war es, der ihm, dem mit Ketten beladenen Gefangenen, solche Kühnheit und Kraft verlieh inmitten seiner Feinde. Ungebeugt von der Macht der Welt, die sich vor seinen Blicken entfaltete, erhob er sein Haupt in dem fröhlichen Bewusstsein seiner Verbindung mit Gott, völlig gewiss, dass er in Ihm alles besitze und über die göttlichen Hilfsquellen verfügen könne. Ja, sehnlichst wünschte er, dass seine Richter und Zuhörer so glücklich werden möchten wie er war. „Ich wollte zu Gott“, rief er dem König Agrippa zu, „dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden wie auch ich bin, ausgenommen diese Bande“ (Apstgsch, 26, 29). Er dachte nicht an sich; er hatte für sich nichts zu fürchten. Kein Schlag des Feindes konnte ihn seines strahlenden Helmes berauben; dieser war durch das Kreuz und die Herrlichkeit Jesu gesichert und glänzte hell und klar vor den Augen seiner Feinde. Das gegenwärtige, bewusste Heil in Christo machte ihn frei, an Andere zu denken, für das Wohl Anderer besorgt zu sein und sich mit Worten glühender Beredsamkeit an die Herzen Anderer zu wenden. So können und sollten auch wir kämpfen und streiten, angetan mit dem Helm des Heils, vermittelst der Kraft eines unbetrübten Heiligen Geistes.

Das Schwert des Geistes ist das letzte Stück der göttlichen Waffenrüstung. Das Schwert ist das Symbol

einer angreifenden Kampfesweise· Die drei ersten Teile der Rüstung schützen uns hinsichtlich unseres eigenen Zustandes, die beiden folgenden sind im besonderen Sinne Verteidigungswaffen, und das sechste Stück ist eine Angriffswaffe. Wir haben nur eine solche Waffe; sie heißt „das Wort Gottes“. Mit einer anderen Waffe ist der Feind nicht einzugreifen. Aber wenn wir unser Schwert zur rechten Zeit zu ziehen und es zu handhaben wissen, so kann kein Feind uns widerstehen· Beides ist wichtig: das Schwert ziehen und es handhaben. Ein gewöhnliches Schwert kann wohl jeder ziehen, aber nicht jeder kann damit schlagen. Mit dem Schwerte des Geistes ist es anders. Nur der vermag es richtig zu ziehen, der sich durch den Geist Gottes leiten lässt; denn es ist das Schwert des Geistes. Das will sagen: Um dieses Schwert, sei es zum Angriff oder zur Verteidigung, gebrauchen zu können, müssen wir in Gemeinschaft mit Gott und in der ungetrübten Kraft des Heiligen Geistes wandeln. So wird uns im richtigen Augenblick die richtige Stelle, das passende Wort, gegeben, und wir können es mit göttlicher Kraft anwenden. In diesem Kampfe sind bloß menschliche Klugheit und menschliche Fähigkeiten nutzlos. Das Wort Gottes ist unsere einzige, aber auch allgenugsame Waffe. Es vereitelt die Macht Satans, deckt seine Listen auf, entwaffnet jeden Gegner, bringt die Stimme des eigenen Ichs zum Schweigen, erleuchtet den Kampfplatz und stellt die finstern Betrügereien des Feindes ans Licht.

Es kann uns deshalb nur dienlich sein, wenn wir, ein jeder an seinem Teile, noch ein wenig darüber nachsinnen, wie der Herr Jesus selbst auf Seinem Wege durch diese Welt das Schwert des Geistes benutzt hat, sei es im Verkehr mit den Juden oder im Kampfe mit dem Teufel in der Wüste. Den ersteren antwortete Er so aus der Schrift, dass niemand Ihn noch etwas zu fragen wagte; und den letzteren besiegte Er samt allen seinen Heerscharen und beraubte ihn seiner Schätze. O besäßen wir mehr von dieser göttlichen Geschicklichkeit, nach der Weise unseres Herrn das Wort Gottes, das Schwert des Geistes, zu gebrauchen! Er wolle uns helfen, zur rechten Zeit immer die rechte Stelle anführen zu können, um so dem Worte gemäß unsere Stellung zu behaupten, damit der Feind keinen Vorteil über uns gewinne!

Das Schwert des Geistes tritt in unserem geistlichen Kampfe indes noch in einem anderen Sinne in Tätigkeit. Das Christentum ist seinem innersten Wesen und Charakter nach angreifend. Es verurteilt alles, was seinen reinen und himmlischen Lehren entgegen ist. Es führt Krieg mit dem mächtigen Reiche des Unglaubens in seinen zehntausend Formen und Arten. Das Evangelium soll jedem Geschöpf, das sich unter dem Himmel und dies-seit der Hölle befindet, gepredigt werden. Es greift offen an: Leichtfertigkeit, Weltlichkeit, Formenwesen, Unglauben, Aberglauben, Irrtum und Laster aller Art. Es hat nichts mit politischen Verbänden, mit Staaten, Königreichen und dergleichen zu tun; nein, es erstürmt die Festung der einzelnen Herzen und Gewissen und sucht einzelne Seelen für den Anführer unserer Seligkeit, für Jesum Christum, den Herrn, zu gewinnen.

Wenn das Reich Satans so bedroht und bestürmt wird, dürfen wir sicher sein, dass er alle seine Kriegskunst aufbieten und nichts unversucht lassen wird, um durch List oder Gewalt unser Fortschreiten zu hemmen und das Licht unseres Zeugnisses auszulöschen. Daher der stete, endlose, mit ungeschwächter Kraft forttobende Kampf. Aber lasst uns nicht mutlos werden! Unsere Waffen sind geistlich, unsere Siege Frieden; das scharfe Schwert des Geistes durchbohrt das Gewissen, bringt das Herz zur Unterwerfung und führt die besiegte Seele im Triumph zu Jesu Füßen.

So haben wir denn die verschiedenen Teile der Waffenrüstung Gottes miteinander betrachtet und gesehen, wie sie sich teils auf unseren inneren, teils auf unseren äußeren Zustand beziehen. Selbstgericht, praktische Gottseligkeit, Vertrauen auf Gott, ein friedlicher und friedenstiftender Wandel, Freude des Heils und endlich die tätige Kraft des Geistes, wie sie sich sowohl im Schwerte als auch im Gürtel vermittelst des Wortes kundgibt, sind an unseren Blicken vorübergezogen. Aber hinter diesem allem gibt es eine verborgene Quelle der Kraft, welche der ganzen Rüstung Zusammenhang und Stärke verleiht und ohne die alles unnütz wäre. Diese Quelle — das siebente und letzte Stück in der kostbaren Reihe, wenn auch nicht unmittelbar zur Rüstung selbst gehörend —- ist das Gebet im Geist, mit anderen Worten: die völlige Abhängigkeit von Gott, eine Abhängigkeit, die eben ihren Ausdruck im Gebet findet. „Zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geiste, und eben hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen“.

Die Stärke und Segnung dieses letzten Stückes kann nicht hoch genug angeschlagen werden. In allen unseren Betrachtungen gibt es nichts, was unseres eingehendsten, ernstesten Studiums würdiger wäre als dieses. Das Gebet erhält die Seele in Verbindung mit Gott und in Abhängigkeit von Ihm. O möchten wir es im Gedächtnis behalten, dass alle unsere Schlachten so geschlagen werden müssen; denn nur dann können sie, aber dann werden sie auch alle Siege sein.

Betrachten wir noch einen Augenblick den Bau dieses merkwürdigen Verses: „Zu aller Zeit betend“, bei allen Gelegenheiten; das ist also eine gewohnte und vollständige Abhängigkeit. „In dem Geiste“, d. h. in der Kraft des Heiligen Geistes, in der ungetrübten Gemeinschaft mit Gott. „Und eben hierzu wachend in allem Anhalten“ - siehe da die fortwährende Tätigkeit und Wachsamkeit —- „und Flehen für alle Heiligen“; da ist Ernst, Interesse für Andere, sowie eine herzliche, aufrichtige Liebe, die alles zu einem Gegenstand des Gebets macht. Verlangt die gläubige Seele nach einem starken Turm? Hier ist er, erreichbar für einen jeden, der zu beten gelernt hat. Nicht alle haben Gaben für den öffentlichen Dienst, nicht alle sind berufen, in der Front zu kämpfen; aber alle haben das Vorrecht, sich auf die angegebene Weise Gott zu nahen und in Seiner Gegenwart zu verharren.

Der Geist des Gebets beim christlichen Kampfe ist gleich der Weisheit im menschlichen Geiste, gleich der Schwerkraft in der Welt des Stoffes. Er verbindet die verschiedenen Stücke der Rüstung, erhält sie an den ihnen angewiesenen Plätzen und bewahrt die gegenseitige Abhängigkeit des einen vom anderen. Und daran wollen wir uns immer und immer wieder erinnern, mag der Kampf heftig entbrannt oder eine augenblickliche Stille eingetreten sein. Nichts vermag uns besser im Lichte zu erhalten als dieses „zu aller Zeit betend“; nichts kann uns ein tieferes Gefühl von unserer eigenen Schwachheit geben, aber auch nichts uns mehr in Gemeinschaft mit der Stärke und Gunst Gottes bringen; nichts fürchtet der Feind mehr als ein solch anhaltendes Gebet im Geiste.

So wollen wir denn im Gebrauch dieser Waffe - denn auch das Gebet ist eine mächtige Waffe - wachsam und eifrig sein und alles vermeiden, was uns ungeistlich machen, uns von Gott entfernen oder unsere Gemeinschaft mit Ihm unterbrechen könnte. Unsere Stärke liegt in dieser Gemeinschaft. Ja, möchte der Geist einer völligen Abhängigkeit von Gott uns als Kinder in der Familie Gottes, als Glieder des Leibes Christi und als Diener im Reiche Gottes kennzeichnen, zum Preise Dessen, der uns aus der Finsternis berufen hat in Sein wunderbares Licht!

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Das tut zu meinem Gedächtnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 265ff

II.

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Teil unseres Gegenstandes. Der Apostel fährt fort zu sagen: „Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt“ (1. Kor. 11, 26). Beachten wir wohl, dass Paulus, vom Geiste Gottes inspiriert, nicht sagt: ihr tut dies, um den Tod des Herrn zu verkündigen; oder: indem ihr dies tut, solltet ihr den Tod des Herrn verkündigen. Nein, seine Worte sind klar und deutlich, so wenig sie von vielen Gläubigen verstanden werden· Er sagt: „So oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt«. Also ist es unmöglich, das Brot zu essen und den Kelch zu trinken, ohne den Tod des Herrn zu verkündigen. Die Verkündigung dieses Todes hängt nicht ab von dem Willen oder dem Einverständnis der am Abendmahl Teilnehmenden, sondern von dem Herrn, der uns diese Verordnung und die Erklärung darüber gegeben hat. Als Er Seine Gedächtnisfeier einsetzte, richtete Er sich gleichzeitig ein Zeugnis von Seinem Tode in dieser Welt aus. Denn die Feier des Gedächtnisses an Ihn und die Verkündigung Seines Todes bilden nur eine Handlung, die von den Erkauften des Herrn so lange vollzogen wird, bis Er kommt.

Als die ersten Christen „täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen“ (Apstgsch. 2, 42 u. 46), wussten sie noch nichts von dem einen Leibe, obschon sie Glieder desselben waren; denn sie waren am Pfingsttage in einem Geiste zu einem Leibe getauft worden (1. Kor. 12, 13), und sie gaben, wenngleich unbewusst, beim Brotbrechen dieser Einheit des Leibes Ausdruck. (1.Kor. 10, 16 —18.) Sie taten es, wie gesagt, ohne ein Bewusstsein darüber zu haben; aber vor Gott fand es statt. Ähnlich verhält es sich im Blick auf den Inhalt unseres Verses. Viele teure Kinder Gottes feiern mit Liebe und dankerfülltem Herzen das Gedächtnismahl ihres Herrn, wissen aber nicht, dass sie in derselben Handlung auch Seinen Tod verkündigen; und doch tun sie es.

Wenn man die Unterweisung des Apostels über diesen Punkt einmal verstanden hat, so erhält das Abendmahl einen neuen, besonders ernsten und wichtigen Charakter. Wir verkündigen den Tod des Herrn vor Gott, vor den Engeln, vor den Menschen und vor dem Teufel. Deshalb widersetzt sich auch Satan dem Aufrichten des Tisches des Herrn an irgend einem Orte, oder überhaupt der Feier des Gedächtnismahles des Herrn, überall und immer aufs Heftigste. Und das ist sehr wohl zu verstehen. Würde wohl, um ein einfaches Bild zu gebrauchen, ein in Deutschland wohnender Franzose an den Festen, die zur Erinnerung an die siegreichen Schlachten von 1870 in Deutschland gefeiert werden, Freude finden können? Unmöglich; sie erinnern ihn ja an die schreckliche Niederlage seines geliebten Vaterlande?-, Frankreich, und können sein Herz nur mit Verdruss und Traurigkeit erfüllen. Gerade so verhält es sich mit dem Teufel. Im Tode Christi wurde er überwunden; er erhielt dort einen schrecklichen Stoß. Die Niederlage, welche in seinem Reiche angerichtet wurde, finden wir in den Worten geschildert: „Als Er (Christus) die Fürstentümer und die Gewalten ausgezogen (d. h. völlig entwaffnet) hatte, stellte Er sie öffentlich zur Schau, indem Er durch dasselbe (d. h. durch das Kreuz) über sie einen Triumph hielt“ (Kol. 2, 15). Und wenn wir fragen: Wann wird „der Drache, die alte Schlange, welche der Teufel und der Satan ist“, in den Abgrund geworfen und für tausend Jahre gebunden werden? so ist die Antwort: Gerade dann, wenn der Herr Jesus, der Überwinder Satans, in den öffentlichen Genuss Seiner als Menschensohn am Kreuze erworbenen Rechte eintreten wird (Vergl. Offbg. 20). Wie könnte daher der Teufel es jetzt unbeachtet lassen, wenn eine kleinere oder größere Schar der ihm Entronnenen als Erkaufte Jesu Christi sich um den Tisch ihres Herrn scharen, um Sein Gedächtnismahl zu feiern und zugleich Seinen Tod zu verkündigen? Wir dürfen versichert sein, dass es seinen Zorn aufs Höchste erregt, und ich glaube, es ist gut, dass wir uns die Gedanken und Absichten Satans in dieser Hinsicht nicht verhehlen; denn es spornt

uns an zur Wachsamkeit und zum Gebet, damit er nicht der Störer unserer Festesfreude werde.

„Ihr verkündiget den Tod des Herrn, bis- Er kommt.“ Den Tod des Herrn — welch eine Wortverbindung! Als Pilatus den Herrn Jesum fragte, ob Er der König der Juden sei, antwortete Er: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen“. Wiederholt lenkte der Herr auch die Aufmerksamkeit der Menge auf die Worte Davids in Psalm 110: „Jehova sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße“. (Vergl. Ps. 110, 1. mit Matth. 22, 43; Mark. 12, 36; Luk. 20, 42. 43). Zu Seinen Jüngern sprach Er: „Ihr heißet mich Lehrer und Herr, und ihr saget recht, denn ich bin’s“. (Joh. 13, 13). Und der Apostel Paulus sagt, wenn er von der Weisheit Gottes redet: „welche keiner von den Fürsten dieses Zeitlaufs erkannt hat; denn wenn sie dieselbe erkannt hätten, so würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben“ (1. Kor. 2, 8) Christus war also der Herr und als solcher in die Welt gekommen; aber die Welt kannte Ihn nicht, sondern verspottete und tötete Ihn. Infolge dessen bildet das Kreuz, der Tod Christi, die Scheidewand zwischen uns, den Erlösten, und der Welt (Gal. 6, 14). Wir sind nicht mehr von der Welt; aber in der Welt verkündigen wir den Tod des Herrn, welchen sie gekreuzigt hat.

Der Tod des Herrn ist auch die Handlung, in welcher einerseits Gott Seine unbegreifliche Liebe gegen uns erwiesen hat (Röm. 5, 8), und andererseits die Liebe Christi zu den Seinigen in ihrer ganzen Größe ans Licht trat (Joh. 10, 11 u. 15; 15, 13. 14). Zugleich gab der Herr in Seinem Tode dem Vater den Beweis Seines vollkommenen Gehorsams, und Er bot Ihm als Mensch einen Beweggrund dar, um von Ihm geliebt zu werden (Joh. 10, 17. 18), was vor Ihm kein Mensch getan hatte. Und endlich ist der Tod des Herrn das Ende der Geschichte des Menschen. Bis zum Kreuze wurde der Mensch auf die Probe gestellt, ob er nicht irgendwelche Früchte zum Preise Gottes bringen könne. Aber in dem Tode des Herrn legte er seine völlige Unfruchtbarkeit an den Tag, und bewies zugleich seine gänzliche Unfähigkeit, die Wege der Gnade Gottes zu erkennen. Er begegnete dem Gott der Liebe mit Hass, Neid und Feindschaft. Seine Antwort auf den höchsten Beweis der Liebe und Güte Gottes lautete: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrschet« Man kreuzigte Jesum. Seitdem ist der Mensch gleichsam beiseite gestellt, bis Gott nochmals in eine neue Beziehung zu ihm treten wird, die dann aber nicht auf die Verantwortlichkeit des sündhaftes: Adamskindes, sondern auf das Erlösungswerk Christi gegründet sein wird; und dies ist, Sein Name sei ewig dafür gepriesen! für uns Gläubige bereits geschehen. - Alles das sind so große und kostbare Wahrheiten, dass sie die Herzen der Gläubigen bei der Abendmahlsfeier mit Lob und Dank und mit tiefer, inniger Freude erfüllen müssen.

Die Worte: „bis Er kommt“, beweisen, dass das Abendmahl eine immerwährende Einrichtung ist, das heißt

dass es so lange auf dieser Erde gefeiert werden wird, bis der Herr nach Seiner Verheißung kommt, um die Seinigen zu sich ins Vaterhaus zu nehmen. Dann wird Er sich selbst die Versammlung verherrlicht darstellen, und zwar ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen, heilig und tadellos. (Eph. 5, 27). Und alsdann wird die Hochzeit des Lammes gefeiert werden ein Ereignis, so groß und herrlich, dass zum Voraus schon alle zum Hochzeitsmahle Geladenen glückselig gepriesen werden (Offbg. 19, 7— 9). Wenn aber das so ist, wenn die Hochzeitsgäste schon so glücklich zu preisen sind, was wird dann erst das Teil der Braut sein! Wahrlich, wenn wir alles dieses bedenken, so muss die Gedächtnisfeier an unseren hochgelobten Heiland die Erwartung Seiner Ankunft mächtig in uns anregen und uns zu treuem Ausharren und hingebendem Dienst ermuntern.

Der Leser wird jetzt auch verstehen, warum der Apostel uns in dem folgenden 27. Verse eine so ernste Ermahnung gibt: Die beiden Tatsachen, die Feier des Gedächtnisses an unseren Herrn und Heiland, sowie die Verkündigung Seines Todes, bis Er kommt, verleihen der Handlung des Brotbrechens einen so wichtigen und ernsten Charakter, das; es höchst strafbar wäre, wenn sich jemand mit Oberflächlichkeit oder gar Leichtfertigkeit an dem Tische des Herrn niederlassen würde. Der Apostelnennt das: unwürdiglich das Brot essen und den Kelch des Herrn trinken. Beachte wohl, dass es nicht heißt: „unwürdig“ oder „als Unwürdige“, denn alle wahren Christen, wenn sie anders gesund im Glauben sind und mit Gott wandeln, find würdig, an dem Abendmahl teilzunehmen. Diese Würdigkeit gründet sich nicht auf irgend etwas in oder von ihnen, sondern aus das ein für allemal vollbrachte Opfer Jesu Christi. Was der Apostel hier so ernst rügt, ist die ·leichtsinnige, unwürdige Art und Weise, in welcher ein Gläubiger sich dem Tische des Herrn nahen kann; ein solcher wird sich unfehlbar dem Gericht, den gerechten Züchtigungswegen des Herrn aussetzen. Darum die eindringliche Mahnung: „Ein jeder aber prüfe sich selbst, und also esse er von dem Brote und trinke von dein Kelche. Denn wer unwürdiglich isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet.“

Es gäbe noch vieles über diesen so ernsten wie kostbaren Gegenstand zu sagen; aber mein Wunsch war nur, die beiden Hauptpunkte im Abendmahl, die Gedächtnisfeier des Herrn und die Verkündigung Seines Todes, kurz zu behandeln. Der Herr segne das schwache Wort zum Nutzen der Seinigen!

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Des Christen Hoffnung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 290ff

Nachdem wir uns in den letzten Monaten wiederholt mit „des Christen Kampf“ beschäftigt haben, möchte ich heute die Aufmerksamkeit des Lesers auf einen anderen Gegenstand von demselben tiefen, persönlichen Interesse lenken. Es ist des Christen Hoffnung, d. h. die Hoffnung des Gläubigen auf die Rückkehr seines Herrn. Das ist ein Thema, mit welchem jeder Christ wohlvertraut sein sollte, und ich möchte den Leser bitten, mit mir seine Gedanken, ja, nicht nur seine Gedanken, sondern auch alle Triebe und Zuneigungen seines Herzens diesem Thema zuzuwenden. Unser geliebter Herr, der Sohn des lebendigen Gottes, kommt für uns vom Himmel zurück; das ist der wahre und eigentliche Gegenstand unserer Hoffnung und Erwartung, und Er kommt, um uns ins Vaterhaus einzuführen.

Es handelt sich hier, wenn ich es so nennen darf, um eine Familienszene. Das Vaterhaus ist nicht der Ort für die Entfaltung der Herrlichkeit Gottes in Seiner Regierung, dort findet kein sogenannter offizieller Empfang unter möglichst großem Glanze statt; nein, wenn Kinder heimkehren, so kommt zu allernächst die Liebe zu ihrem Recht, und in unserem Falle auch die Kundgebung der göttlichen Gnade. Wo werden wir sein, wenn Jesus kommt? Mit dem Sohne in demselben Hause! Das ist deine Hoffnung, mein lieber gläubiger Leser. Ist es nicht eine wunderbare, köstliche Hoffnung? Ja, welch eine Gnade und göttliche Liebe strahlen uns aus ihr entgegen! Wir mögen etwas von der Liebe Gottes zu Sündern erkannt haben; aber wer könnte die Liebe des Vaters zu Seinen Kindern, oder die Liebe des Bräutigams zu Seiner Braut verstehen? In der ersten zeigt sich göttliches Erbarmen, in den beiden letzten aber göttliches Wohlgefallen.

Unter den Christen ist ein auffallender Widerspruch weitverbreitet, und zwar folgender: obwohl Christus der eine Gegenstand ihres Glaubens ist, ist Er doch nicht der eine Gegenstand ihrer Hoffnung. Viele meinen, das Kommen des Herrn bedeute nichts anderes, als dass Er zu uns komme, wenn wir sterben; ferner glauben sie, dass am Ende der Tage eine allgemeine Auferstehung aller Toten und ein allgemeines Gericht stattfinden werde. Es wäre schwer zu sagen, was die eigentliche Hoffnung dieser Gläubigen ist; denn alle ihre Gedanken über diesen Punkt sind unbestimmt, ja, man kann sagen, alles ist Verwirrung. Selbst hinsichtlich des wahren Gegenstandes des Glaubens und der Ergebnisse des Glaubens ist ihr geistlicher Gesichtskreis beschränkt und umwölkt.

Es gibt, in christlichem Sinne, gewiss nichts Natürlicheres, als dass Er, der der Gegenstand unseres Glaubens ist, auch den Gegenstand unserer Hoffnung ausmachen sollte. Und so einfach das ist, so wichtig ist es auch; ja, es ist eine Wahrheit von unermesslicher Bedeutung. Wir werden deshalb gut tun, uns noch ein wenig näher damit zu beschäftigen.

Wenn wir Christum als Den erkennen, der uns liebt und für uns gestorben ist, so wird es uns nicht schwer,

Ihm zu vertrauen: wir glauben an Ihn. Die Erkenntnis Seiner Liebe ruft in uns ’ein unbedingtes, jeden Zweifel ausschließendes Vertrauen wach; das Zeugnis des Wortes über die Kraft Seines Blutes stillt alle unsere Besorgnisse. Wir sind glücklich, vollkommen glücklich in Ihm. „Seine Liebe begegnet jedem Wunsche des Herzens, und Sein Opfer befriedigt alle Forderungen des Gewissens. Und nachdem so jeder Wunsch gestillt und jede Neigung befriedigt ist, müssen wir glücklich sein und können nicht anders als den Herrn lieben und loben.

Jesus ist also der Gegenstand unseres Glaubens. Aber warum ist Er nicht in demselben Maße der Gegenstand unserer Hoffnung? Warum bildet Er nicht gleichsehr die tägliche Erwartung, wie die tägliche Ruhe der Seele? Wir sind völlig gewiss darüber, dass, wenn ein Christ stirbt, seine Seele sogleich bei dem Herrn im Paradiese ist; und dies ist sicher eine köstliche Wahrheit; aber niemals nennt es die Schrift die Hoffnung des Christen. Nein, unsere Hoffnung ist, nicht zu sterben, sondern dem Herrn entgegengerückt zu werden in die Luft. Es gibt keinen Grund, keine Notwendigkeit, weshalb ein Christ sterben sollte; Christus ist für ihn gestorben. Und wenn er wirklich stirbt, so ist der Tod für ihn ein „Entschlafen in Jesu“; er wird zur Ruhe gebracht, gleichsam zum Schlafen niedergelegt durch Jesum. Wie lieblich und köstlich ist dieser Gedanke! Wie selig ist das Sterben des Gläubigen: der arme, müde Leib wird zum Schlafen hingelegt, und die glückliche, befreite Seele steigt empor, um bei Christo zu sein, bis der Morgen der ersten Auferstehung anbricht.

Aber, möchte jemand einwenden, es genügt nicht, so etwas nur zu behaupten; die wichtige Frage ist: was sagt die Schrift? Ganz recht, der Glaube kann nur auf dem Worte Gottes ruhen. Gibt es denn in diesem Worte. eine unzweideutige Begründung für jene Behauptung? Ganz gewiss. Viele reden zwar von diesen Dingen als den „besonderen Ansichten“ einer gewissen Klasse von Christen; aber sie täuschen sich. Gott hat so klar und deutlich über diesen Punkt gesprochen, dass von einer Ungewissheit oder selbst Meinungsverschiedenheit eigentlich gar keine Rede sein kann. Die einzige Schwierigkeit besteht in der Auswahl der betreffenden Schriftstellen. Wählen wir heute eine Stelle aus- dem ersten Briefe Pauli an die Thessalonicher; sie ist wohl für unsere Besprechung die geeignetste. Wir finden dort eine besondere Offenbarung, die von seiten des Herrn zu dem bestimmten Zweck gegeben wurde, um die Wahrheit von dem Kommen und von der Herrlichkeit des Herrn Jesu in ihren Einzelheiten näher zu enthüllen. (Lies aufmerksam 1. Thess. 4, 13 — 18).

Die Thessalonicher waren augenscheinlich durch ein Evangelium bekehrt worden, das die Wahrheit umfasste, welche man gewöhnlich „die zweite Wiederkunft Christi“ oder „die Erscheinung des Herrn in Herrlichkeit“ nennt. Wir erkennen das deutlich aus Apstgsch. 17, wo wir hören, dass die ungläubigen Juden ihren Beschuldigungen eine politische Färbung gaben, indem sie sagten: „Diese alle handeln wider die Verordnungen des Kaisers, indem sie sagen, dass ein Anderer König sei – Jesus“. Ohne Zweifel hatte der Apostel die Wahrheit von des Herrn Kommen, um in Herrlichkeit zu regieren, gepredigt. „Infolge dessen warteten die gläubigen Thessalonicher von dem Augenblick ihrer Bekehrung an Tag für Tag auf dieses Kommen. Aber inzwischen waren einige von ihren Brüdern gestorben. Das beunruhigte sie sehr. Ihr Schmerz war tief und nachhaltig. Nicht als ob sie irgendwelche Besorgnis im Blick aus die Errettung ihrer Freunde gehabt hätten; nein, sie fürchteten nur, dass jene nicht dabei sein würden, wenn der Herr käme, um Ihn willkommen heißen zu können und von Ihm aufgenommen zu werden. Als der Apostel von ihrem Kummer hörte, schrieb er ihnen sogleich. Sie waren verhältnismäßig noch wenig unterrichtet und wurden gleichzeitig von Juden und Heiden grausam verfolgt. Gelegenheit zum Lernen hatten sie bis dahin wenig gehabt. Der Apostel hatte sie wegen der ausbrechenden Verfolgung schon bald nach ihrer Bekehrung verlassen müssen, und die Bücher des Neuen Testaments waren damals noch nicht geschrieben. Aber ihre Unwissenheit und ihr Kummer gaben dem Herrn nur die passende Gelegenheit, ihnen Seine Gedanken über diesen köstlichen Gegenstand ausführlicher mitzuteilen.

In der neuen Offenbarung, die dem Apostel zu teil geworden war, wird uns die Reihenfolge der Ereignisse gegeben. Das ist wichtig; denn obgleich die Offenbarung ohne Zweifel in erster Linie dazu bestimmt war, die trauernden Herzen der Thessalonicher zu trösten, sollte sie doch auch zur Unterweisung der Heiligen aller Zeiten dienen. Es wird wohl am besten sein, wenn wir die Verse der Reihe nach betrachten.

„Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid, auf dass ihr euch

nicht betrübet, wie auch die übrigen, die keine Hoffnung haben (V. 13). Diese Worte machen uns sogleich mit dem ganzen Kummer der Thessalonicher bekannt. Diese ernsten, warmherzigen, aber noch jungen Christen waren nicht darüber Unterwiesen worden, wie es möglich ist, dass die gestorbenen Heiligen bei der Erscheinung des Herrn bei Ihm sein und Seine Herrlichkeit teilen können. Die Erwartung der Rückkehr ihres geliebten Heilandes war für sie eine durchaus gegenwärtige Sache; sie waren so erfüllt davon, dass sie nie daran gedacht hatten, dass jemand von ihnen sterben könnte, ehe Er käme. Wir können deshalb verstehen, dass sie sehr beunruhigt waren, als einige ihrer Brüder entschliefen.

Achten wir nun wohl auf das, was der Apostel ihnen sagt. Tadelt er ihr zu eifriges Warten auf die Rückkehr Jesu? Sagt er ihnen, sie beschäftigten sich zu viel damit? oder sie seien aufgeregt, und es fehle ihnen an Nüchternheit? Wir kennen diese Einwürfe vieler unserer Mitchristen nur zu gut; aber kein solches Wort fließt aus der Feder des Apostels. Nein, im Gegenteil; ihr Warten auf den Herrn wird in jedem Kapitel der beiden Briefe hervorgehoben, und sicherlich nicht in tadelndem Sinne. Auch sucht der liebende Apostel die Hinterbliebenen nicht damit zu trösten (wie es gewöhnlich geschieht), dass sie bald im Himmel die Vorangegangenen wiederfinden würden. Nein, so wahr das auch sein mag, so macht er es doch keineswegs als einen Trostgrund geltend. Die Thessalonicher werden vielmehr in dem Gedanken bestärkt, dass sie während ihrer Lebzeiten weiter auf den Herrn warten sollten; und eine neue Offenbarung wird ihnen gegeben, um sie zu versichern, dass alle in Jesu Entschlafenen gerade so gut teil haben werden an der Herrlichkeit, wie die, welche bei Seinem Kommen hienieden noch leben werden. „Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen mit Ihm bringen“ (V.14). So lenkt der Geist Gottes zu allererst das Auge der Trauernden auf Jesum, auf Ihn, den Gestorbenen und Auferstandenen. Und jeder, der wirklich einmal tief gebeugt war, weiß, dass wahrer Trost nur dann zu finden ist, wenn man auf Ihn schaut, den geliebten Herrn, und ferner, dass Er allein Kraft darzureichen vermag, um Gott in unserer tiefsten Trauer verherrlichen zu können. In Ihm erblicken wir den Sieger über Tod und Grab; Er ist es, der da starb, begraben wurde, auferstand und jetzt in der Herrlichkeit droben thront. Er ist das Leben des Gläubigen. Wir triumphieren in gleicher Weise wie Er, denn wir lesen: „also wird auch Gott ..“ Unser Leben ist mit Ihm verbunden, der so starb und wiederauferstand und nun der Herrlichkeit angehört. Alle in Jesu Entschlafenen werden auferweckt werden und die Erde genauso verlassen wie Er. „Dieser Unterschied ist da“, sagt ein anderer Schreiber: „Er ging hinauf in Seinem eigenen vollen Rechte, Er stieg hinauf, während im Blick auf uns Seine Stimme die Toten ruft, und sie kommen aus dem Grabe hervor und, nachdem die Lebenden verwandelt sind, werden alle zusammen aufgenommen. Es ist ein feierlicher Akt der Macht Gottes, wodurch das Leben des- Christen und das Werk Gottes besiegelt wird, und die Christen in die Herrlichkeit Christi eingeführt werden als Seine himmlischen Genossen. Herrliches Vorrecht! Kostbare Gnade! Verlieren wir diese Dinge aus dem Auge, so ist der eigentliche Charakter unserer Freude und unserer Hoffnung zerstört“ —-

Wir kommen jetzt zu der Reihenfolge der Ereignisse. „Denn dieses sagen wir euch im Worte des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; darnach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten« (V. 13 -— 18.) Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass der Apostel seine Briefe immer unter der unmittelbaren Leitung und vollen Bestätigung des Geistes Gottes schrieb; aber hier gibt es etwas Besonderes — etwas, das zur Unterweisung und zum Trost der trauernden Thessalonicher notwendig war. Er führt daher diese neue Offenbarung mit einem: „Dieses sagen wir euch im Worte des Herrn“, ein. Einen ähnlichen Fall haben wir in 1. Kor. 11, wo der Apostel sagt: „Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe“. Beide Mitteilungen, die eine, um einem Missbrauch bei der Feier des Abendmahls zu begegnen, die andere, um einen Irrtum in Bezug auf das Kommen des Herrn aufzuklären, waren Gegenstände besonderer Offenbarungen des Herrn und werden ihrer hohen Wichtigkeit wegen auch ausdrücklich als solche eingeführt.

Doch beachten wir die Gnade des Herrn Jesu Seinen neuen Jüngern gegenüber. Er gibt ihren Herzen die tröstliche Gewissheit, dass in der Reihenfolge der Ereignisse bei Seinem Kommen als erstes die Auferweckung der in Jesu entschlafenen Heiligen stehen würde; diese würden also, anstatt durch ihr Abscheiden etwas zu verlieren, die ersten sein, die bereit wären, dem Herrn entgegengerückt zu werden in die Luft. „Die Toten in Christo werden zuerst auferstehen.“ Weit davon entfernt, dass die in Jesu Entschlafenen die Freudenstunde Seines Kommens entbehren sollen, werden sie vielmehr auferweckt werden, noch ehe die Lebenden verwandelt sind. Das ist Gnade, die Gnade unseres Herrn Jesu. Gleichzeitig wissen wir, dass alle mit Seinem Kommen in Verbindung stehenden Ereignisse sich in einem Nu, in einem Augenblick vollziehen werden, so dass die zwischenliegende Zeit sich unserer Schätzung völlig entzieht.

Und nun, mein lieber Leser, lass uns in schweigendem Staunen das Hervorstrahlen dieser zwiefachen Herrlichkeit des Herrn Jesu betrachten: Er erhebt sich von Seinem Throne, Er kommt aus dem Himmel herab, Er erlässt selbst das Wort, die Stimme des Erzengels trägt es weiter, und die Posaune ertönt mit wohlbekanntem Schall. Es ist ein militärisches Bild. So wie gut geschulte Truppen die Befehle ihres Führers durch den Ton der Trompete verstehen, so wird auch das Heer des Herrn sofort auf Seinen Ruf antworten. Alle „Toten in Christo“ werden auferstehen, und alle Lebenden verwandelt werden; und dann werden alle miteinander in die Wolke eingehen und dem Herrn entgegengerückt werden, um Ihm in der Luft zu begegnen; und so werden sie allezeit bei dem Herrn sein. Dann gibt es keine Trennung mehr; deshalb fügt der Apostel hinzu: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten“.

So erfuhren denn die Thessalonicher, und wir mit ihnen, wie Gott die in Jesu entschlafenen Heiligen mit

Ihm bringen wird. Die Verse 15 —18 bilden eine Einschaltung, deren Inhalt den 14. Vers verständlich macht: „Also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen mit Ihm bringen“. Wenn der Herr einst in Herrlichkeit zurückkehrt, werden alle Heiligen bei Ihm sein; um das möglich zu machen, hat Er vorher die Schläfer aufgeweckt, die Lebenden verwandelt und beide in den Himmel entrückt.

Und nun sind die Heiligen fort —— alle fort, in die Herrlichkeit versetzt, um für immer bei dem Herrn zu sein! Was für ein Gedanke! Welch ein Ereignis! Kein Teilchen des erlösten Staubes der Kinder Gottes ist im Grabe zurückgeblieben, kein Gläubiger mehr auf dem ganzen Erdboden! Alle sind in Wolken dem Herrn entgegengerückt in die Luft. Wer könnte das ausdenken? wer von den glücklichen Wiedervereinigungen reden, die an jenem Morgen ungetrübter Freude stattfinden werden? Ohne Zweifel wird die Person des Herrn jedes Auge auf sich ziehen und jedes Herz erfüllen; aber doch wird es auch ein bestimmtes Erkennen derer geben, die, obgleich lange von uns geschieden, nie ihren Platz, in unseren Herzen verloren haben. Und da alle das Bild des Herrn in Vollkommenheit tragen werden, so können wir Ihn nie aus dem Auge verlieren. Sicherlich wird jeder einzelne seine Eigenart tragen und seine besondere Freude genießen, aber doch werden alle dem Herrn gleich sein, und die Freude des Einzelnen wird die gemeinsame Freude aller sein. „Erhöhet Jehova mit mir und lasset uns miteinander erheben Seinen Namen“, so werden wir dann in höherem Chore zu Seinem Lohe miteinander singen, wenn wir uns treffen werden, um nie wieder voneinander zu scheiden.

Ja, der Himmel ist eine Heimat, ein geselliger Ort; und gewiss wird der teure Herr, der diese Heimat der Liebe für uns bereitet hat, immer den ersten Gedanken bilden, den ersten Platz einnehmen; dennoch wird Er selbst die glänzendsten Szenen in der Herrlichkeit mit den dunkelsten Tagen der Wüste in Verbindung bringen. Das geht klar hervor aus dem, was der Apostel im 2. Kapitel sagt. In demselben Augenblick, da der Satan ihn verhinderte, seine geliebten Thessalonicher zu besuchen, die so bitter verfolgt wurden, blickte er über jene schwierigen Zeiten hinaus und sah seine Kinder im Glauben um sich geschart in der Herrlichkeit. „Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesu bei Seiner Ankunft? Denn ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude“ Doch es gibt noch viele andere irdische Szenen, die einen hellen Widerschein im Himmel haben werden.

Dort rinnt keine Träne, dort trennet kein Tod,

dort hört man kein Seufzen, dort gibt’s keine Not;

Nach schmerzlicher Trennung für ewig vereint

sind Eltern und Kinder und Bruder und Freund.

Und freudig ertönt der Erlösten Gesang,

von goldenen Harfen ein lieblicher Klang:

Dem Lamme zu Ehren auf göttlichem Thron,

dem Löwen aus Juda, dem einigen Sohn!

O selig, wem jetzt schon der Glaube erschließt,

Was bald er im Schauen dort ewig genießt! —

Harr’ aus noch ein wenig! bald rufet der Schall

Der letzten Posaune die Gläubiger: all.

Stehen wir hier einen Augenblick still, um nachzusinnen. Wer ist es, der uns dort begegnen wird? Wer wird uns in jenem glücklichen Lande willkommen heißen? Wer wird deine und meine Hand fassen, um sie nie wieder loszulassen? Jesus, unser teurer Herr! und um Ihn her sind Tausende und Millionen von Erlösten. Aber wie völlig verändert sind sie alle, und doch wie vollständig haben sie ihre Eigenart bewahrt! Man kann keinen mit dem anderen verwechseln; und nicht einer kann unbekannt sein. Aber was wird die höchste deiner Freuden sein an jenem seligen Morgen, eine Freude, vor der alle anderen in den Hintergrund treten werden? Du wirst Sein Antlitz schauen, Seine Stimme hören und Seine Herrlichkeit betrachten, oder, wie Johannes es ausdrückt, indem er alles in zwei Gedanken zusammensaßt: „Wir werden Ihn sehen, wie Er ist, denn wir werden Ihm gleich sein“. Wahrlich, Gott könnte nichts Besseres für

uns tun, als uns Christo gleich. zu machen; und keine reichere Segnung uns schenken, als dass Er uns fähig macht, Ihn zu sehen, wie Er ist. Ja, wir werden Ihn sehen und kennen in der ganzen Wirklichkeit Seiner Liebe und in der ganzen Größe Seiner mannigfaltigen Herrlichkeiten. Das wird unsere Freude völlig machen und die ewige Quelle nie endender Wonne bilden.

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Ein gerechter und rettender Gott

Bibelstelle: Johannes 8,1 - 11

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 301ff

In jedem Menschen ist eine gewisse Erkenntnis des Guten und Bösen. „Dieses und jenes“, sagt er, „ist gut, und dieses und jenes ist böse.“ Aber vielleicht gibt es nicht zwei Personen, welche denselben Maßstab für gut und böse anlegen. Gewöhnlich wählt der Mensch einen solchen Maßstab für das Gute, dass er selbst ihn erreichen oder ihm entsprechen kann, während das Böse für ihn an einem Punkte beginnt, dass er selbst noch so eben ausgeschlossen bleibt, Andere aber eingeschlossen sind. Der Trinker zum Beispiel denkt, das das Trinken nicht so gar schlimm sei, wogegen er es für eine große Sünde halten würde, zu stehlen. Der Habsüchtige, der vielleicht jeden Tag eine kleine Betrügerei oder Täuschung in seinem Geschäft begeht, beruhigt sich mit dem Gedanken: „Es geht einmal nicht anders; es wird ja auch überall so gemacht, und jedenfalls betrinke ich mich nicht, fluche und schwöre nicht, wie Andere es tun“. Der Lasterhafte brüstet sich damit, dass er Anderen gegenüber gutmütig und freundlich sei; oder er sagt: „Ich tue ja niemandem etwas Böses außer mir selbst“. Der Aufrichtige und Ehrbare, der Häusliche und Liebenswürdige —- alle begnügen sich damit, das zu tun, was sie ihre Pflicht nennen; und sie blicken umher und bedauern die offenbaren Sünder, die sie sehen; aber nie denken sie darüber nach, wie manchen bösen Gedanken, wie manche sündige Begierde sie, Anderen unbekannt, in ihrem Busen genährt haben mögen, und das Gott das Herz beurteilt, während der Mensch nur auf das äußere Verhalten sieht. So, beglückwünscht sich jeder dazu, das er doch das eine oder andere Böse nicht. getan habe, und vergleicht sich mit irgend einem Anderen, der gerade die Sünde begangen hat, die zu meiden ihm, wie er denkt, gelungen ist.

Nun, das alles beweist, dass die Menschen sich nicht nach einem bestimmt festgestellten Maßstab für gut und böse beurteilen, sondern das sie gerade den Maßstab wählen, der für sie passt und Andere verurteilt. Doch es gibt einen Maßstab, mit welchem alles gemessen und nach welchem alles beurteilt werden wird, und jeder der, mit diesem Maßstab gemessen, zu kurz kommt, wird ewig verdammt werden. Dieser Maßstab ist nichts Geringeres als die Gerechtigkeit Gottes. Wenn ein Mensch anfängt zu verstehen, dass er sich nicht durch einen Vergleich mit Anderen ein Urteil über sich selbst zu bilden hat, sondern dadurch, dass er sich mit der Herrlichkeit Gottes vergleicht (Röm. 3, 23); wenn sein Gewissen anfängt, aufzuwachen und die Sünde in der Gegenwart Gottes zu betrachten, dann entdeckt er, das er wirklich schuldig und verderbt ist. Er versucht dann auch nicht mehr, sich dadurch zu rechtfertigen, das er einen Anderen zu finden sucht, der noch schlechter ist als er; nein, er wird vielmehr ängstlich bemüht sein zu erfahren, ob es möglich ist, das der Gott, vor dem er sich verurteilt weiß, ihn begnadigen und ihm vergeben könne.

Für die Schriftgelehrten und Pharisäer, von denen wir im 8. Kapitel des Evangeliums Johannes lesen, und die äußerlich sehr ehrbare und religiöse Leute sein mochten, war das schlechte Weib, welches bei einer so offenbaren Sünde ergriffen worden war, ein großes Ärgernis; sie waren tief empört über sie. Die Gerechtigkeit und das Gesetz Moses forderten, so meinten sie, die Aufstellung eines ernsten Beispiels; ein solches Weib, eine solche Sünderin durfte nicht am Leben bleiben. Für das verderbte Herz des Menschen ist es ein Trost und eine Beruhigung, wenn es nur jemanden finden kann, der noch schlechter ist, als es selbst. Der Mensch denkt, die größere Sünde eines Anderen entschuldige ihn; und indem er den Anderen anklagt und heftig tadelt, vergisst er das Böse bei sich selbst. So hat er Wohlgefallen am Bösen; er „freut sich der Ungerechtigkeit“.

Doch das ist noch nicht alles. Nicht nur triumphieren und freuen sich die Menschen über den Fall und das Verderben des Anderen, nein, sie können es auch nicht ertragen, wenn sie sehen, dass Gott Gnade üben will. Der Gedanke daran ist ihnen schon unerträglich. Denn was ist Gnade? Die volle und freie Vergebung jeder Sünde, ohne das Gott irgend etwas von demjenigen, welchem Er vergibt, fordert oder erwartet. Das ist etwas den Gedanken und der Handlungsweise des Menschen so Entgegengesetztes, etwas so hoch über dem Menschen Stehendes, dass es seine Abneigung hervorruft; ja, sein Herz nennt es im Geheimen oft Unrecht oder-Ungerechtigkeit. Er selbst handelt nicht in dieser Weise und wünscht auch nicht, das Gott es tue. Es ist sehr demütigend, anerkennen zu müssen, das wir betreffs unserer Errettung gänzlich auf Gnade angewiesen sind, und das wir nichts, gar nichts getan haben, noch in Zukunft tun können, was uns zu passenden Gegenständen der Gnade macht; das vielmehr unser Elend, unsere Sünde und unser Verderben allein es sind, die uns einen Anspruch auf Gnade geben. (Eph. 2, 8 -10) Das konnten die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht verstehen; und da sie nicht anerkennen mochten, das sie selbst Sünder waren, gedachten sie den Herrn in Verlegenheit zu bringen; wenn Er das Weib freisprach, wollten sie sagen, Er sei ungerecht, oder wenn Er sie verurteilte, erklären, Er sei nicht barmherzig. „Moses hat uns geboten, solche zu steinigen«, sagen sie; „du nun, was sagst du?“

In der Tat, der Urteilsspruch war richtig; der Beweis der Schuld des Weibes konnte nicht angezweifelt werden, und das Gesetz redete deutlich; aber wer sollte das Gesetz ausführen? Der Mensch kann leicht verdammen; aber wer hat ein Recht, das Urteil zu vollstrecken? „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den Stein auf sie.“ Wer konnte sagen, dass er „ohne Sünde“ sei? Und wenn keiner von ihnen sagen konnte: „Ich bin ohne Sünde“, so standen sie alle unter demselben Urteil wie das Weib — d. h. unter dem Tode, denn „der Lohn der Sünde ist der Tod“. Das war eine sonderbare Lage: die Angeklagte und ihre Ankläger in gleicher Weise in dasselbe Verderben verwickelt -— alle Verbrecher. Nun hieß es nicht mehr: „solche sollten gesteinigt werden“, sondern: „alle sollten gesteinigt werden“. Von dem Ältesten bis zu dem Letzten waren alle überführte Sünder. (Vergl. Gal. 3, 10; Jakobus 2, 10).

Und nun, mein lieber Leser, hast du schon einmal daran gedacht, das du, wie auch die ganze Welt, vor Gott schuldig bist? (Röm. 3, 19. 20.) Es handelt sich nicht darum, wie groß deine Sündenschuld im Vergleich mit Anderen ist; sondern die Frage ist: Kannst du sagen, dass du vor Gott „Ohne Sünde“ bist? Wenn nicht, so lautet dein Urteil: Tod.

„Die Seele, welche sündigt, die soll sterben“ (Hesekiel 18, 4). Das ist eine schlimme, verzweifelte Lage, nicht wahr? Und was hast du im Blick auf dieselbe getan? Vielleicht dasselbe, was die Schriftgelehrten und Pharisäer taten, als sie durch ihr eigenes Gewissen überführt wurden? Sie verließen die Gegenwart des Einzigen, der Vergebung aussprechen konnte. Hast du es auch so gemacht? Adam tat einst im Garten Eden das Närnliche; er ging und versteckte sich vor dem Angesicht Jehovas Gottes, als er sich schuldig wusste; er wandte sich von seinem einzigen Freunde gerade in dem Augenblick ab, als er dessen Hülfe am meisten bedurfte. Und so ist es noch. Der Mensch fürchtet sich vor dem Einzigen, der bereit ist zu vergeben. Vielleicht gelingt es dir, dich zu überzeugen, das du nicht so schlecht bist wie Andere; vielleicht findest du auch Einige, die offenbar schlechter sind als du; aber die Frage ist: Bist du überhaupt ein Sünder? Und ferner: Was sind Gottes Gedanken betreffs deiner? Sagt dir nicht dein eigenes Gewissen: „Ich bin doch nicht ganz ohne Sünde“? Nun, wenn das so ist, dann lautet der Urteilsspruch des Gottes, der nicht lügen kann: Tod· Und wenn wir nichts weiter hörten, als das Gott gerecht ist, so würde es keine Hoffnung für uns geben. Aber Sein Name sei ewig dafür gepriesen! Er ist »ein gerechter und — rettender Gott“ (Jes. 45, 21). Er hat das Urteil gesprochen, und Er hat auch die Macht, es zu vollstrecken; die einzige Frage, die noch bleibt, ist: kann Er vergeben?

„Und Jesus ward allein gelassen, und das Weib in der Mitte stehend.“ Sie stand da vor Einem, der sagen

konnte, dass Er „ohne Sünde“ sei, und der darum den Stein auf sie werfen konnte. Sie war allein mit Dem,

den sie als Herrn anerkannte. Was wird Sein Urteil sein? Das Gesetz. hatte sie bereits verurteilt; wird Er dieses Urteil vollstrecken? Welch ein Augenblick voll höchster Angst muss es für sie gewesen sein! Wie wird alles, was sie umgab, ihr als nichts vorgekommen sein! Sie war allein mit Einem, der die Macht über Leben und Tod besaß. Alles hing von Seinem Worte ab. Was wird Er sagen? Der Mensch hatte nicht gewagt, den Stein aus sie zu werfen; was wird Gott nun tun? Jesus sagt: „So verurteile auch ich dich nicht; gehe hin und sündige nicht mehr“.

Das ist auch heute noch für jeden verlorenen Sünder die gnadenreiche Botschaft, die durch den Richter selbst ausgesprochen wird. Doch sie richtet sich nur an den verlorenen Sünder, der, in seinem Gewissen überführt, vor dem Richter steht. Die selbstgerechten Pharisäer hörten sie nicht. Sie waren allerdings überführt; aber sie mochten ihre Sünden nicht bekennen und suchten die Anklagen ihres überführten Gewissens wieder los zu werden, sie vielleicht in einigen guten Werken zu begraben. Sie wollten sich nicht mit dem schlechten Weibe unter dasselbe verdammende Urteil stellen. Darum empfingen sie auch jenes kostbare Friedenswort nicht. Das Weib allein hörte es. Und so ist es heute noch. Wenn du Gottes volle und freie Vergebung zu empfangen wünschest, so musst du zuerst den Platz des schuldigen Sünders einnehmen, mit Jesu allein sein, in deinem Gewissen von dir selbst verurteilt; du musst niemanden mehr haben, auf den du vertrauen, niemanden, mit dem du dich vergleichen kannst. Du musst keine Entschlüsse fassen, dich zu bessern, noch versuchen, erst besser zu werden, bevor du zu Ihm kommst; sondern du musst gerade durch deine Sünden zu Ihm gebracht werden, gerade auf dem Platze der Verurteilung vor der Person Dessen stehen, der die Macht hat zu verurteilen; ja, mehr noch, deine Schuld muss gerade der Grund sein, weshalb du mit Ihm allein bist (Matth. 11, 28).

Der Herr schenkte dem Weibe auch nicht Vergebung unter irgend einer Bedingung. Er sagte nicht: „Ich werde dich auch nicht verurteilen, wenn du nicht mehr sündigen wirst“. Nein, Er gewährte ihr zuerst völlige

und gänzliche Vergebung; und Er wusste, dass dies sie befähigen würde, hinfort die Sünde zu meiden. Wenn du wünschest, Kraft gegenüber der Sünde zu haben, so musst du zuerst wissen, dass alle deine Sünden von Gott vergeben sind durch Christum Jesum. (Römer 4, 8; Kolosser 2, 13; 1. Johannes 2, 12). Wenn du aber versuchst, über das Böse in dir Herr zu werden, bevor du die Vergebung von seiten Gottes kennst, so wird du weder das eine noch das andere erlangen. Durch den Glauben an Jesum musst du umsonst von allem gerechtfertigt sein, ehe es jemals vor Gott mit dir besser werden kann. (1. Joh. 5, 4). Manche von denen, die wirklich an Jesum glauben, haben hierüber kein klares Verständnis und suchen Frieden zu erlangen durch Heiligkeit des Lebens oder durch die Früchte des Geistes, anstatt sich zuerst als verlorene Sünder, die völlig und umsonst begnadigt sind, zu erkennen und dann ihr Leben und Verhalten leiten zu lassen durch das Bewusstsein dieser Vergebung und durch die Liebe zu Gott, welche notwendigerweise durch die Erkenntnis Seiner Gnade hervorgebracht wird. Beginne mit: „Ich verurteile dich auch nicht“. Lass deinen Frieden hervorgehen aus dem Glauben an das Blut Seines Kreuzes, durch welches Er Frieden gemacht hat (Röm. 3, 25; Kol. 1, 20). Gottes Kenntnis und Schätzung deiner Sünden ist viel tiefer als die deinige, aber Er hat Vorsorge getroffen durch das Blut Seines Sohnes. Er sagt, das dieses Blut reinigt von aller Sünde. (1. Joh. 1, 7.) Je mehr ich meine eigene Sünde erkenne, desto mehr werde ich das kostbare Blut schützen, durch welches sie hinweggetan ist; und desto mehr werde ich auch auf der Hut sein, um nicht das Herz Dessen zu betrüben, der in Seiner großen Liebe ein so wunderbares Opfer für meine Sünden dargebracht hat. Je tiefer ich daher meine eigene Schuld erkenne, desto fester wird mein Friede sein; denn desto höher werde ich das Blut schätzen, durch welches Friede gemacht ist.

(Eph. 2, 13. 14.)

Möchtest du, mein lieber Leser, den Frieden und die Freude kennen, die das Bewusstsein der Vergebung aller Sünden durch den Glauben an das Blut Jesu dem Herzen verleiht, und auch den daraus hervorgehenden Sieg» kennen über die Macht der Sünde, ja gerade der Sünden, unter denen du gefangen lagst!

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Des Christen Hoffnung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 315ff

Aber, möchte gefragt werden, wohin wird der Herr Seine Heiligen denn führen, nachdem sie Ihm in der

Luft begegnet sind? In den Himmel, in jenes Haus von vielen Wohnungen, wo Er, Seinem Versprechen in Joh. 14 gemäß, eine Stätte für sie bereitet hat. Wir lesen in ebengenanntem Kapitel: „In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen, wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet.“ Nichts könnte deutlicher oder einfacher sein als diese Worte. Das erste Zusammentreffen des Herrn mit den Seinigen in der Luft hat in der Begegnung Isaaks und Rebekkas in der Wüste eine schöne vorbildliche Darstellung gefunden. Wir entdecken in Rebekkas Benehmen eine höchst ehrerbietige Liebe, und in Isaaks Zuneigung und Freundlichkeit die Erfüllung der Versprechungen und Zeugnisse Eliesers, des Knechtes Abrahams, in welchem wir unschwer ein Bild des Heiligen Geistes erkennen können, der aus dem Hause des Vaters in das ferne Land gezogen ist, um dem Sohne eine Braut zu suchen und sie, nachdem er ihr Herz gewonnen hat, durch die Wüste hindurch dem Sohne zuzuführen. „Und Rebekka hob ihre Augen auf und sah Isaak, und sie warf sich vom Kamele herab. Und sie sprach zu dem Knechte: Wer ist der Mann da, der uns auf dem Felde entgegen wandelt? Und der Knecht sprach: Das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich. Und der Knecht erzählte Isaak. alle Dinge, die er ausgerichtet hatte“. Gehen wir zu weit, wenn wir in den letzten Worten einen Hinweis darauf erblicken, wie der Heilige Geist (obwohl Er immer bei und in den Gläubigen bleibt) sich dem Sohne gegenüber Seines heiligen Auftrages entledigen wird? „Und Isaak führte sie in das Zelt Sarahs, seiner Mutter, und nahm Rebekka. Und sie wurde sein Weib, und er hatte sie lieb“ (1. Muse 24).

Nachdem die Heiligen in den Himmel eingegangen sind, werden sie im Lichte offenbar werden; wie der Apostel sagt: „Denn wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden“ (Vergl. Röm. 14, 10. 12). Das will jedoch nicht sagen, (beachten wir es wohl!) dass die Heiligen hinsichtlich ihrer Personen ins Gericht kommen werden. Nein, Christus ist für sie gerichtet worden, und sie werden, wie Er selbst sagt, niemals ins Gericht kommen (Joh. 5, 24). Es bedeutet vielmehr, dass all ihr Tun und Lassen, ihr Wandel und Verkehr hienieden im Lichte der göttlichen Gegenwart gesehen werden soll, und dass wir dann Gottes Beurteilung und Schätzung alles dessen, was wir für Ihn getan haben, erfahren werden. Indem wir in unseren Herrlichkeitsleibern sind, werden wir gar nicht die Fähigkeit haben, irgend etwas zu empfinden, was einem Sichfürchten oder Unglücklichsein gleichkäme; aber wenn wir im Lichte geoffenbart werden, werden wir, dem Geiste und den Gedanken Christi gemäß, jeden Augenblick, jeden Abschnitt unserer vergangenen Geschichte vollkommen erkennen. Alles was aus uns selbst oder aus Christo war in unseren Beweggründen und Zielen, in unserem Dienen und Wirken, werden wir dann in vollem Lichte sehen; alles was wir zur Zeit nicht verstanden, wird uns dann vollkommen klar sein. So ist der Gedanke an den Richterstuhl für ein aufrichtiges Herz einerseits tiefernst, andererseits überaus köstlich. Wenn es überhaupt erlaubt ist, im Blick auf die Ewigkeit von Unterschieden zu reden, so möchte ich sagen, dass gerade diese Offenbarwerdung vor dem Richterstuhl Christi einer der feierlichsten und seligsten Augenblicke sein wird. Sicherlich werden wir alles, was uns betrifft, aus dem Auge verlieren, ja, uns selbst vergessen im Anschauen der unendlichen Geduld und Gnade, der nie wankenden Treue und Barmherzigkeit Gottes; und wir werden den Richterstuhl verlassen, anbetend und bewundernd die Liebe und Langmut, welche uns durch die Wüste getragen und uns so sicher in die Herrlichkeit gebracht haben. „Jetzt“, schreibt der Apostel an die Korinther, „sehen wir durch einen Spiegel, undeutlich; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin“ (1. Kor. 13, 12).

Nachdem so alles bereit gemacht ist, findet die Hochzeit des Lammes statt, wie Johannes sie geschaut hat (Offbg. 19). „Die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und Sein Weib hat sich bereitet.“ Christus selbst stellt sich die Versammlung verherrlicht dar, heilig und tadellos. (Eph. 5.) Welch ein Tag wird das sein! Welch ein Tag selbst für den Himmel, der doch schon so lange der Herrlichkeit gewohnt ist! Wie oft hat er die Myriaden von himmlischen Heerscharen versammelt gesehen, um dem Herrn Ehre zu erweisen! Aber dies wird eine neue Herrlichkeit sein, der Hochzeitstag des Lammes! O wunderbarer Gedanke! Die Braut nimmt ihren Platz, neben dem Bräutigam ein, das Weib tritt an die Seite ihres Mannes! Wie Er ist, so ist sie; wo Er ist, da ist sie; was Er hat, das hat sie. Und alles für immer und ewig! — O sage mir, sage mir, meine Seele, werden deine Augen diese Herrlichkeit schauen? Wird dein Herz diese Freuden kosten! Werden deine Füße an jenem heiligen Orte stehen? Wird die Herrlichkeit dieses Hochzeitsfestes für dich sein? Was sagst du darauf? Antworte mir! — Wagst du nicht zu antworten? O du darfst vollkommen ruhig sein: wie Isaak einst alles bestätigte, was der Rebekka von ihm bezeugt worden war, so wird der wahre Isaak alles bestätigen, was der Versammlung, die Sein Leib und Seine Braut ist, von Ihm gesagt worden ist.

Die Hochzeit und das Hochzeitsmahl des Lammes werden eigentlich nur angekündigt, nicht näher beschrieben. Das Buch der Offenbarung ist auch nicht der Ort, um von dem Hause des Vaters und den Beweisen und Kundgebungen Seiner innigen Liebe zu reden; hier sind mehr die gerechten Wege Gottes und die Ausrichtung Seines Reiches auf Erden am Platze. Nichtsdestoweniger dürfen wir die Braut, die Gäste und die Vorbereitungen zur Hochzeit sehen und von der Seligkeit aller derer hören, welche zugegen sein werden. „Glückselig die geladen sind zum Hochzeitsmahle des Lammes!“ Auch ist ein ganz besonderes Gewicht auf den Schlusssatz dieses kurzen Berichtes über die Hochzeit zu legen: „Und er spricht zu mir: Dies sind die wahrhaftigen Worte Gottes“. — O wie groß ist deine Gnade, du treuer und gütiger Gott und Vater, dass es dir gefallen hat, deinen schwachen und so oft zweifelnden Kindern auf diese Weise eine doppelte Versicherung von dieser glücklichen Zukunft zu geben! So schenke uns denn, dass wir unserem geliebten Herrn, dem wir nun verlobt sind, treu seien und mit Ausharren auf jenen kommenden Tag warten, der die Erfüllung aller Glückseligkeit und christlichen Hoffnung bilden wird!

Nachdem das Hochzeitsmahl vorüber ist und alles bereit, macht sich der Herr, als der letzte Adam, mit Seiner himmlischen Eva, sowie mit den übrigen verherrlichten Heiligen und den Engelscharen auf, um in Herrlichkeit zu erscheinen und die Erde in Besitz zu nehmen. Aber ehe wir sie dorthin begleiten, mag es gut sein zu untersuchen, was seit der Entrückung der Heiligen dort stattgefunden hat und wie es im allgemeinen auf der Erde aussieht.

Wenn die wahre Kirche den Schauplatz dieser Welt verlassen hat, wird der Teil der Kirche, welcher nur dem Namen nach zu Christo gehörte, die große Zahl der bloßen Bekenner, für immer von Christo verworfen werden (Offbg. 3, 16). Der Geist Gottes wird dann in dem jüdischen Überrest zu wirken beginnen, und sie werden als die Missionare des neuen Zeugnisses ausgehen, um „das ewige Evangelium denen zu verkündigen, die auf der Erde ansässig sind, und jeder Nation und Stamm und Sprache und Volk“ (Offbg. 14, 6). Das Gericht der Lebendigen in Matth. 25, wenn alle Nationen vor dem Sohne des Menschen versammelt stehen werden, trifft seine Entscheidungen auf Grund der Ergebnisse dieses Zeugnisses: wer die Träger desselben, die „Brüder“ des Herrn, aufgenommen hat, geht ein in die Segnungen des Reiches; wer sie verworfen hat, geht in die ewige Pein. Das 7. Kapitel der Offenbarung zeigt uns dann die durch das „ewige Evangelium“ geretteten Mengen von Juden und Heiden. Aber während die Liebe Gottes auf diese Weise tätig ist und die Macht des Geistes sich kundgibt, wendet auch Satan all seine Macht auf und bringt alle seine Streitkräfte zusammen, um die ganze Erde zu verderben und ihren Besitz, dem Gesalbten des Herrn streitig zu machen.

Diejenigen, „welche die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden“, werden kräftigen Irrtümern dahingegeben, auf dass sie der Lüge glauben. (2. Thess. 2, 10 — 12). Schreckliches Verhängnis! Sie sind jetzt völlig in der Hand Satans, Das Tier und der falsche Prophet — das eine das Haupt der weltlichen oder bürgerlichen Macht, der andere das Haupt der geistlichen — erfüllen den ganzen Schauplatz der sogenannten römischen Erde, des dann wiederhergestellten römischen Reiches, mit ihren Gotteslästerungen (Offbg. 13). Die Völker umher sind in zorniger Aufregung und mustern ihre Scharen für die Schlacht. Der Drache (Satan) und seine Engel werden von dem Engelfürsten Michael und seinen Scharen überwältigt, und „ihre Stätte wird nicht mehr im Himmel (oder in den himmlischen Örtern) gefunden“. Satan und seine Engel, auf die Erde geworfen und sich klar bewusst, dass ihre Zeit nur noch kurz ist, vereinigen dort alle ihre Bosheit; und indem Gott für eine Zeit Seine Hand zurückzieht und ihrem Wirken kein Hindernis entgegensetzt, wird ihr Einfluss und ihre Macht so groß werden, dass die Menschen niederfallen und dem Tier (dem Haupte des römischen Reiches) göttliche Ehre erweisen, ja, dass sie selbst den Drachen anbeten werden, der jenem seine Macht gab. Die Sünde des Menschen erreicht in der Person des Antichristen ihre völlige Ausgestaltung, ihren Gipfelpunkt, und alles ist reif zum Gericht. So sieht es hienieden aus; und nun lasst uns zu dem Himmel und seinen Bewohnern zurückkehren.

Der Herr kommt! Er ist auf dem Wege und steht im Begriff zu erscheinen. Der Himmel ist offen! „Und siehe, ein weißes Pferd und der darauf saß, genannt Treu und Wahrhaftig, und Er richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit.“ Doch beachten wir es wohl, Er kommt nicht allein; die himmlischen Heerscharen folgen Ihm. „Und die Kriegsheere, die im Himmel sind, folgen Ihm auf weißen Pferden, angetan mit weißer, reiner Leinwand.“ Wir müssen uns daran erinnern, dass es sich hier um ein Gesicht handelt, das der Prophet hatte; an wirkliche Pferde ist deshalb nicht zu denken. Das Erscheinen des Herrn in Macht und großer Herrlichkeit wird uns auf diese Weise sinnbildlich dargestellt. Er kommt, um aller Bosheit des Menschen und des Satan auf Erden ein Ende zu machen. „Er wird die Erde schlagen mit der Rute Seines Mundes, und mit dem Hauche Seiner Lippen den Gesetzlosen töten“. Das Tier, der Antichrist, die Könige der Erde

und alle, die sich zu ihnen halten, werden gänzlich niedergeworfen werden (Jes. 11; 2. Thess. 2; Offbg. 19).

Damit ist dann der Ausrichtung des tausendjährigen Reiches Bahn gemacht. Doch ehe wir von diesem reden, wird es gut sein, noch einen Augenblick innezuhalten und über jene ernsten, schrecklichen Ereignisse nachzudenken. Hast du deine Gedanken recht darauf gerichtet, mein Leser? In einem Augenblick, plötzlich, wenn die Welt im Rausche ihrer Vergnügungen dahintaumelt, wenn die Menschen sagen werden: „Friede und Sicherheit!“, öffnen sich die Himmel. Der einst verworfene, von allen verachtete Jesus von Nazareth kommt! Sein Kleid ist Licht und Majestät, Sein Gürtel Heiligkeit und Gerechtigkeit, Sein zweischneidiges Schwert ist entblößt; Seine Augen sind wie eine Feuerflamme, und auf Seinem Haupte glänzen viele Kronen. Heilige und Engel sind in Seinem Gefolge und verkünden Seinen Ruhm. Aber wie steht es um die gottlose Welt drunten? „Jedes Auge wird Ihn sehen“, und jedes Herz wird von Staunen und Schrecken überwältigt werden; die Werkzeuge der täglichen Hantierung werden den Händen entfallen, und alle Welt wird emporgerichteten Auges stille stehen. Die Zeit der Gnade ist für immer vorüber; für die Verwerfer Jesu gibt es keine Hoffnung mehr. Ihre Totenglocke läutet mit erschütterndem Klange; des Herrn Hand ist zum Gericht erhoben. Er tritt die Kelter des Weines des Grimmes des Zornes Gottes, des Allmächtigen. Und Er hat auf Seinem Gewande und auf Seiner Hüfte einen Namen geschrieben: „König der Könige und Herr der Herren“.

Aus den vielen Unterweisungen, die wir aus diesen nahenden Gerichten ziehen können, möchte ich besonders eine dem gläubigen Leser ans Herz legen, nämlich diese: Lass die ernsten Wirklichkeiten des Kommens deines Herrn und der Erscheinung Seines Reiches sich so in deiner Seele wiederspiegeln, dass sie dich zu immer zunehmenden Ernst, ja, zu brennendem Eifer anspornen in der Verkündigung des Evangeliums und in allen deinen Bemühungen mit kostbaren Seelen! Wohl ist es wahr, dass du selbst in jener feierlichen Stunde beim Herrn sein wirst; aber vergiss die nicht, die in Gefahr stehen, durch die Sünde betrogen zu werden und zurückzubleiben!

Nachdem die himmlischen Örter von Satan und seinen Engeln gereinigt worden sind, die Erde von ihren bösen Königen befreit ist, das Tier und der falsche Prophet ihren Platz im Feuersee gefunden haben, wird Satan selbst gebunden (Offbg. 20). Der Sieg ist vollständig; die verborgene Quelle alles Bösen ist für tausend Jahre in den Abgrund gebannt. Der Herr nimmt das Reich an sich. „Das Reich der Welt unseres Herrn und Seines Christus ist gekommen, und Er wird herrschen in die Zeitalter der Zeitalter.“ Damit beginnt das tausendjährige Reich: Christus regiert offenkundig, und Satan ist gebunden. Das sind die beiden wichtigen und charakteristischen Kennzeichen dieses gesegneten Zeitabschnittes, durch welche er sich von allen früheren unterscheidet.

Welch mächtiger Wechsel hat sich vollzogen! Welch eine Erleichterung ist für die arme, fluchbeladene Erde gekommen! Wie wird die seufzende Schöpfung aufatmen! Satan und seine bösen Engel sind aus den Wohnstätten der Menschen verbannt; Christus regiert, und Seine auferstandenen Heiligen sitzen mit Ihm auf Thronen; Seine himmlische und irdische Herrlichkeit hat sich entfaltet. Der Tag schrankenlosen Segens ist für die Schöpfung angebrochen, die Zeit, von welcher im Alten Testament immer wieder die Rede ist. Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse; der ausgedörrte Boden wird zum Teiche und das durstige Land zu Wasserquellen werden. Die Berge des gelobten Landes werden sich wieder mit Reben bedecken, und die

Hügel von Milch und Honig fließen. Die wilden Tiere des Feldes werden sanft und harmlos werden wie das Lamm, und Kampf und Streit werden aufhören unter den Menschenkindern. So wird Gott die Geschichte des Menschen ins Gegenteil verkehren. Er wird seinen Kummer stillen, sein Elend hinwegtun und ihn mit Gesundheit, Frieden und Überfluss krönen; ja, in der ganzen Schöpfung wird Er Freude verbreiten, dem Werte entsprechend, welchen das Kreuz Seines geliebten Sohnes nach Seiner Schätzung hat. An jenem Tage wird gesehen und anerkannt werden, dass das Kreuz des Herrn Jesu die Grundlage all dieser tausendjährigen Herrlichkeit und Segnung bildet.

Es gibt drei Weisen, in welchen Christus Gott völlig offenbaren und verherr1ichen wird: in Gnade, in Regierung und in Herrlichkeit. Das erste tat Er in Seiner Erniedrigung, das zweite wird Er im tausendjährigen Reiche tun, und das dritte wird die ganze Ewigkeit hindurch währen. Das tausendjährige Reich ist also die Offenbarung Gottes in einer Regierung von tausendjähriger Dauer. Keine Sprache ist imstande, die Glückseligkeit dieser Zeit auszudrücken. Satan hat nicht länger Freiheit, die Menschen zu versuchen, und die Güte Gottes entfaltet sich in der überströmenden Segnung des Menschen. Die Himmel droben, Israel und die Nationen drunten, die Erde, das Meer, die niedere Schöpfung — alles ist unter ein Haupt zusammengebracht, alles in die weite Herrschaft Christi einbegriffen, und alles dient zur Ehre und zum Preise Gottes durch Ihn.

Aber nichts könnte demütigender für den Menschen sein als das, was wir am Ende des tausendjährigen Reiches finden. Gott wird dann zeigen, dass selbst tausend Jahre ungestörter Segnung und ungetrübter Herrlichkeit den Menschen nicht zu bekehren vermögen. Ohne Seine errettende Gnade bleibt er stets der gleiche. In demselben Augenblick, da Satan wieder losgelassen wird und von neuem beginnt, seine Macht auszuüben, wird der unbekehrt gebliebene Teil der Völker sich wieder von ihm verführen lassen. Sie lauschen nochmals aus seine Stimme, und er sammelt sie zum Aufruhr; aber dann fällt Feuer von Gott aus dem Himmel hernieder und verschlingt sie (Offbg. 20, 9).

Wir sind jetzt an der Schlussszene in der Geschichte des Menschen angekommen, an dem Tage des Gerichts. Der große weiße Thron ist aufgerichtet, und alle die Toten, Geringe und Große, erscheinen vor ihm, um ihr Endurteil zu vernehmen. Wie ernst ist es schon, wenn ein menschlicher Gerichtshof über die Zukunft eines Angeklagten entscheidet; vielleicht ist lebenslängliche Einkerkerung oder gar der Tod durch Henkershand das Los des Armen! Aber was sollen wir sagen, wenn Gott selbst zu Gericht sitzt und über das ewige Schicksal der vor Seinem Richterstuhl Versammelten die gerechte und für immer und ewig Unabänderliche Entscheidung trifft? Wahrlich, der Gedanke daran ist ernst, furchtbar ernst für alle, die vor jenem Throne stehen werden.

„Und ich sah", sagt Johannes, ,,einen großen weißen Thron und Den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel, und keine Stätte ward für sie gesunden« Ganz unnötiger Weise hat es manchen Erklärern der Schrift Schwierigkeiten gemacht, zwischen diesem letzten Strafgericht und der damit in Verbindung stehenden zweiten Auferstehung einerseits und dem Kommen des Herrn und der ersten Auferstehung andererseits zu unterscheiden. Wenn der Herr in Macht und Herrlichkeit erscheint, so kommt Er vom Himmel aus die Erde herab, Seine Füße werden aus dem Ölberg stehen; und wie wir gesehen haben, wird die Erde, nach vollzogener Unterwerfung aller Feinde, unter dem Friedensszepter Immanuels allgemein reich gesegnet sein. Das ist hier aber keineswegs der Fall. Es ist überhaupt keine Erde mehr da; sowohl Himmel als Erde sind entflohen, und keine Stätte wird für sie gefunden. Es handelt sich um die Auferstehung und das Gericht der gottlosen Toten am Schluss des tausendjährigen Reiches. Alle werden nach ihren Werken gerichtet; vergebens wird das Buch des Lebens nach einem einzigen Namen derer durchsucht, die vor dem großen weißen Throne stehen; alle werden verdammt und in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod.

Doch bevor wir aus ewig von so vielen unserer armen Mitgeschöpfe scheiden, wollen wir noch einmal innehalten, um nachzudenken und in der Wage des Glaubens jene letzten schrecklichen Vorgänge, den letzten Urteilsspruch des Richters, abzuwägen. Bedenken wir es, niemals werden wir jene Gesichter voll Pein und Entsetzen wiedersehen!

Beim Beginn des tausendjährigen Reiches sieht man die Heiligen mit Christo auf Thronen sitzen: „sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre“ (Offbg. 20, 4). Es ist die Zeit ihrer öffentlichen Belohnung für den Dienst, den sie dem Herrn während Seiner Abwesenheit hienieden geleistet haben. „Die Zeit ist gekommen“, sagt der göttlich erleuchtete Seher, „den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten, und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und den Großen« (Offbg. 11, 18.) Aber auf dem großen weißen Thron erblickt man Christum allein. Wenn es darauf ankommt, tausend Jahre lang über die Erde zu herrschen, die Welt zu regieren, sind die Heiligen mit Ihm vereinigt ;. jetzt aber handelt es sich um das ewige Gericht, und das übt Er allein aus. Nichtsdestoweniger werden sie bei Ihm sein, nach dem köstlichen Wort: „Für immer bei dem Herrn“.

Ja, so wird es sein: alle, die je auf dieser Erde gelebt haben, werden zum ersten und letzten Male dort einander gegenüber stehen, die Gerechten bei dem Herrn, die Gottlosen vor Ihm. Welch ein Anblick! welch ein Moment! und zugleich welch ein Unterschied zwischen den beiden Klassen! Die einen in verherrlichten Leibern, strahlend in dem Bilde Christi, die anderen in der nackten Wirklichkeit ihres traurigen Zustandes. Von allen falschen Decken und Mäntelchen entblößt, muss jeder seine Sünden im Lichte der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit sehen. Alle müssen erscheinen; keiner kann entrinnen. „Das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken“. Selbst die unsichtbare Welt wird gezwungen, ihre elenden Gefangenen herauszugeben, damit sie aus dem Munde des einst verachteten Jesus ihren Richterspruch hören. Himmel und Erde sind entflohen; kein Bergungsort nah und fern! Nichts ist zu sehen, als nur der große weiße Thron in seinem strahlenden Glanze und die überwältigende Majestät des darauf sitzenden Herrn. Alle, alle sind versammelt, und die Zeit ist für immer dahin. Das Bewusstsein der Schuld und die Qual des Herzens spiegeln sich auf jedem Angesicht; und der Urteilsspruch, der inmitten des schrecklichen Schweigens dieser furchtbaren Stunde erschallt: „Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!“ wird die Gottlosen für immer versenken in die Abgründe unaussprechlicher Qual. „Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen“. Welch ein Ende mit Schrecken und welch ein Schrecken ohne Ende! —— Leser! bist du vor ihm geborgen?

Doch es gibt in diesem finstern, erschreckenden Gemälde auch eine Lichtseite; und wo ist sie zu finden?

Wie immer: Da, wo Jesus ist! Die Herrlichkeit und Schönheit des Heilandes Jesus zu sehen, den jene Unglücklichen verachteten, als es noch Zeit war, und die Myriaden glücklicher Heiligen bei Ihm, Ihn umgebend und auf ewig mit Ihm vereinigt, — fürwahr, das wird ein Anblick sein, der nie, nie vergessen werden wird.

Damit schließt die Geschichte des Menschen; die Ereignisse der Zeit sind zu Ende, und die Ewigkeit beginnt. Die Gottlosen sind an dem Orte ewiger Pein, die Gerechten für ewig geborgen, und alle Wege Gottes für immer gerechtfertigt. In Seiner Liebe schafft Er neue Himmel und eine neue Erde zum zukünftigen Wohnplatz Seiner Erlösten, und dann kommt Er, um unter ihnen zu wohnen und in Seiner neuen Schöpfung zu ruhen. Johannes sieht die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herniederkommen, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut, und hört dann eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott“ (Vergl. Offbg. 21, 1 — 7). Alles ist neu gemacht; Gottes ewige, vor Grundlegung der Welt gefassten Ratschlüsse sind erfüllt. „Es ist geschehen“, so sagt Er; „ich bin das Alpha- und das Omega, der Anfang und das Ende“ Und damit niemand an der Wahrheit dieser wunderbaren Offenbarungen zweifle, heißt es noch einmal zu Johannes: „Schreibe, denn diese Worte sind gewiss und wahrhaftig“.

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Unterwerfet euch nun Gott!

Bibelstelle: Jakobus 5,7

Botschafter des Heils in Christo 1900, S. 329ff

Der Mensch ist ein Geschöpf und deshalb ein abhängiges Wesen; denn jedes Geschöpf steht notwendigerweise in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Schöpfer. Gehorsam gegen Gott geziemt sich also für den Menschen, ja, er ist Gott Gehorsam schuldig und ist daher strafbar, wenn er seinem eigenen Willen folgt. Ungehorsam und Eigenwille auf seiner Seite sind gleichbedeutend mit einer unmittelbaren Auflehnung gegen Gott. Darum wird zu dem eigenwilligen Saul gesagt: „Wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst“ (1. Sam. 15, 23).

Aber nicht nur schuldet der Mensch dem bestimmt geoffenbarten Willen Gottes gegenüber Gehorsam, sondern er hat auch kein Recht, die Wege, die Gott ihn führt, mit kritischem Auge zu beurteilen, oder gar über das Tun Gottes mit ihm oder Anderen zu Gericht zu sitzen. Stillschweigende Unterwerfung und Beugung sind das Teil, das ihm zukommt· Denn „wer bist du, o Mensch, der du das Wort nimmst wider Gott? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum hast du mich also gemacht?“ (Röm. 9, 20). Wenn selbst ein Hiob es wagt, wider Gott das Wort zu nehmen, wird ihm die Antwort zu teil: „Siehe, darin hast du nicht Recht . . .; denn Gott ist erhabener als ein Mensch. Warum haderst du wider Ihn? denn über all Sein Tun gibt Er keine Antwort“; und: „Will der Tadler rechten mit dem Allmächtigen?“ (Hiob 33, 12. 13; 39, 32).

Nein, des Menschen Platz vor Gott ist im Staube; es geziemt ihm, die Hand aus den Mund zu legen, wenn

Gott redet, und demütig zu fragen: „Was willst du, o Gott, dass ich tun soll?“ Dieser Platz ist auch der allein glückliche und gesegnete für ihn. Da fühlt er sich „wohl geborgen und ledig aller Sorgen“. Denn er weiß, dass der Gott der Liebe alles wohl versehen wird. Er weiß, dass der Allweise und Allmächtige alles viel, unendlich viel besser ordnen kann, als der Mensch mit seinem kurzen Verstande und schwachen Arm es zu tun vermag; ja, dass Er, der von Anfang an den Verlauf und das Ende von allem kennt, immer die richtigen Wege einschlagen und die passenden Mittel anwenden wird, während der Mensch, der nicht einmal weiß was die nächste Stunde ihm bringt, stets im Finstern umhertappt.

Und doch, wie schwer wird es dem Menschen, diesen gesegneten Platz einzunehmen! Seitdem das erste Menschen paar der verführerischen Stimme der Schlange Gehör gab und, aus seinem seligen Verhältnis der Abhängigkeit von Gott heraustretend, werden wollte wie Gott, hat der eigene Wille das Herz des Menschen eingenommen und all Sein Thun regiert. Eigenwille und Trachten nach Unabhängigkeit, und infolge davon Unrecht und Gewalttat, kennzeichnen die Geschichte des Menschen seit dem Sündenfalle;

und Eigenwille und Überhebung werden den Menschen der Sünde (den Antichristen) charakterisieren am Ende. Er wird „in seinem eigenen Namen kommen“, und „nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und groß machen über jeden Gott“ (Johannes 5, 43; Dan. 11, 36).

Ja, der Mensch ist ein stolzes, eigenwilliges, sich selbst über alles liebendes Geschöpf. Keine Forderung

wird ihm schwerer zu erfüllen als die, den letzten Platz einzunehmen, nichts zu sein. Und sieh, mein lieber Leser, gerade das war es, was Jesus tat, als Er aus diese Erde kam. Er, der Hohe und Erhabene, der Schöpfer und Erhalter des Himmels und der Erde, entäußerte sich freiwillig Seiner Herrlichkeit und wurde ein abhängiger, gehorsamer Mensch. Er wurde in Gnaden der Diener aller. Er war der Sanftmütige und von Herzen Demütige und darum, nach dem Urteil der Menschen, der Allerverachtetste und Unwerteste. Er war gehorsam bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuze. Er hatte keinen bösen Willen, der erst gebrochen werden musste; nein, Seine Speise war es, den Willen Dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte. War es der Wille Gottes, dass Er Unrecht leiden sollte, so unterwarf Er sich demselben ohne ein Wort des Widerspruchs. Handelte es sich schließlich darum, den Kelch des Zornes Gottes zu trinken, so sagte Er: „Nicht mein Wille, sondern der deinige geschehe!“ Selbst in den schrecklichen Stunden Seines Leidens am Kreuze wankten Seine Ergebenheit und Sein Vertrauen keinen Augenblick.

„Nun, mein lieber .gläubiger Leser, der Charakter Christi sollte in dir und mir zur Darstellung kommen. Wir sind von Natur ja ebenso eigenwillig, stolz und ungebrochen wie alle« übrigen Menschen. Aber in dem Tode Christi ist das Gericht über uns ergangen. Dort am Kreuze ist unser alter Mensch mitgekreuzigt worden, auf dass der Leib der Sünde, der ganze traurige, verderbte Zustand, in welchem wir uns einst befanden, für immer abgetan sei (Röm. 6, 6). Das alte, böse Ich sollte sich nicht mehr zeigen, sondern die neue Natur, das Leben aus Gott mit seinen Tugenden und Schönheiten, sollte in all unserem Tun und Lassen hervortreten, dass; liebliche Bild des demütigen Jesus Zug um Zug in uns gestaltet werden. So sollte es sein, und so ist es der herzliche Wunsch, das sehnliche Verlangen jeder aufrichtigen Seele.

Aber ach! wir wissen, wie weit wir darin hinter dem Ziele zurückbleiben. Gott weiß das auch, und um uns zu Hilfe zu kommen, führt Er uns durch Schulen, Prüfungen, Schwierigkeiten und Leiden aller Art. Er weiß, wie viel uns der eigene Wille zu schaffen macht und wie sehr er dem wahren Glücke unserer Seele entgegensieht, und darum legt Er alles darauf an, diesen Willen in uns zu brechen und uns so von unserem größten Feinde zu befreien. O wie gut ist es, dass Er uns so treulich züchtigt und demütig“. Wir erkennen das heute schon und danken Ihm dafür; wieviel mehr werden wir es erkennen und Ihn preisen, wenn das Vollkommene gekommen sein wird!

Aber· Gott hat oft viel Mühe, Seine gesegnete Absicht bei uns zu erreichen. Unser armes Herz ist so verkehrt und ränkevoll! Mit dem Bekenntnis auf unseren Lippen, dass nur der Wille Gottes gut und begehrenswert sei, suchen wir den unsrigen durchzusetzen; geht’s nicht durch die eine Tür, so versuchen wir’s durch die andere. Und so machen wir unserem treuen, gnädigen Gott unendlich viel Arbeit und bereiten uns selbst viele schmerzliche Wege und demütigende Erfahrungen.

Der Wille Gottes ist immer den Wünschen des Fleisches entgegengesetzt; und während wir stets geneigt

sind, dem Fleische kleinere oder größere Zugeständnisse zu machen, schreibt Gott immer wieder rücksichtslos Sein Todesurteil auf dasselbe. Das ist schmerzlich, aber notwendig; es tut wehe, aber es bringt gesegnete Früchte hervor. Ja, wo würden wir enden, wenn Gott nicht also mit uns handelte? Wie würde es um den Frieden unserer Herzen bestellt sein, wenn Er uns ungehindert unsere eigenen Wege gehen· ließe? Darum noch einmal, Preis und Anbetung sei Seinem Namen, dass Er solch treue, väterliche Zucht an uns übt!

Im Blick auf diese Zucht Gottes ruft Jakobus seinen gläubigen Volksgenossen, und damit auch uns, zu: Unterwerfet euch nun Gott! — Ja, wenn nur nicht der Weg, den Gott uns führen will, so ganz unseren Erwartungen und Neigungen widerspräche; wenn Gott nur ein wenig unseren Gefühlen und Wünschen Rechnung tragen wollte; wenn Er nicht gar so tief in unser Fleisch hineinschnitte und nicht gerade am wundesten Punkte uns fasste! Ach, wie oft gleichen wir einem törichten Kinde, das seinen Willen nicht bekommen hat, und nun, missmutig, unzufrieden mit sich und Anderen, im Winkel steht und schmollt! Es weiß sehr wohl, dass Vater und Mutter es nur gut mit ihm meinen, und dass sie nur zum Wohle ihres Kindes dessen Wunsch nicht erfüllt haben; aber trotzdem kann es sich nicht beugen, und während die anderen Kinder die Eltern fröhlich umspielen, steht es finstern Blickes abseits, und je länger es dasteht, desto unglücklicher wird es.

Unterwerfet euch nun Gott! Das ist das Endziel aller Wege Gottes mit uns. So lange es nicht erreicht ist, gibt es keinen Frieden im Herzen. Man gleicht einem widerspenstigen Zugtier, das gegen den Stachel ausschlägt und sich dadurch nur um so tiefere und schmerzlichere Wunden beibringt. Denn vergessen wir nicht: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt Er Gnade“ (V. 6). „So demütiget euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf dass Er euch erhöhe zur rechten Zeit“ (1. Petr. 5, 6).

Und ich möchte hier fragen: Ist es denn wirklich so schwer, sich dem Gott zu unterwerfen, der uns so unaussprechlich geliebt hat, dass Er Seinen eingeborenen Sohn für uns dahingab, und der sich heute nicht schämt, uns Seine Kinder zu nennen? dem Gott, dessen Weisheit und Einsicht ebenso vollkommen sind, wie Seine Güte und Freundlichkeit? dem Gott endlich, ohne dessen Willen nicht ein Sperling vom Dache fällt, und der die Haare unseres Hauptes alle gezählt hat? — Im Gegenteil! Nichts ist seliger, als sich mit kindlichem Vertrauen dem Herzen und der Hand eines solchen Vaters zu überlassen, Seiner Führung zuzusehen und sich in Seinen Willen zu schicken. Ein Kind Gottes kann stets getrost und glücklich sein. Es braucht sich un1nichts zu sorgen; es braucht auch keinen eigenen Willen zu haben, denn der Gott, der Seine Kinder so unaussprechlich liebt, hat ja in allen Dingen einen guten und vollkommenen Willen für sie. Es kann zu allen Zeiten singen:

Ich will an nichts mehr denken,

ich will mich auch nicht kränken

um das, was künftig ist.

ich will von deinen Händen

mich lassen drehn und wenden;

genug, dass du mein Alles bist!

Aber, wie gesagt, leider steht es nicht immer so mit uns. Wir sind nicht willenlos, und darum nicht zufrieden und glücklich, selbst wenn es uns äußerlich gut gehen sollte. Vielleicht hält Gott es aber auch für nötig, uns durch Wasser der Trübsal zu führen, uns etwas zu nehmen, das uns überaus teuer war, die eine oder andere Hoffnung in Bezug aus irdische Dinge oder Verhältnisse zu zerstören — mit einem Wort, uns einen Weg gehen zu lassen, der nichts weniger als bequem und eben ist. Das ist dann sicherlich bitter für das Fleisch; aber wenn Vertrauen im Herzen ist, so wird die Seele dennoch nicht irre. Sie unterwirft sich willig, in dem Bewusstsein, dass ihr unter der Leitung Gottes alle Dinge zum Guten mitwirken müssen, und dass alle Seine Wege nur Seine Liebe und Gnade zum Ausgangspunkt haben. Sie kennt die kostbaren Worte, welche einst Bileam, der ungerechte Prophet, wider seinen, Willen im Blick auf Gottes Volk aussprechen musste: „Nicht ein Mensch ist Gott, dass Er lüge, noch ein Menschensohn, dass Er bereue. Sollte Er gesprochen haben und es nicht tun, und geredet haben und es nicht aufrecht halten? Siehe, zu segnen habe ich empfangen; und Er hat gesegnet, und ich kann es nicht wenden“ (4.Mose 23, 19. 20). Ja, Gott hat beschlossen, uns zu segnen; das war Sein Gnadenratschluss schon vor Grundlegung der Welt. Wer wird Ihn daran hindern? Oder sollten wir uns gar der Ausführung desselben widersetzen wollen? Nein, Gott gebe uns vielmehr, dass wir allezeit in herzlicher Demut Uns Seine Wege Wohlgefallen lassen und uns Ihm unterwerfen, damit der Segen, den Er uns zugedacht hat, uns nicht entgehe!

Ich las kürzlich in einer Betrachtung den beachtenswerten Satz: „Der demütige Mensch ist der allein glückliche; er genießt das Bewusstsein der Liebe Gottes, die auf Ihm ruht“. Das ist ein schönes und wahres Wort. Nur dann wenn wir klein sind in unseren Augen, wenn der eigene Wille gebrochen ist und das arme Ich mit seinen elenden Einwürfen, Zweifeln, Wünschen und Befürchtungen im Tode gehalten wird, genießen wir wirklich das Bewusstsein der unendlichen, wunderbaren Liebe, die auf uns ruht. Nur dann sind wir Gott nahe genug, um auch unserseits still in Ihm und Seiner Liebe ruhen zu können.

Ist es nicht wunderbar, geliebter Leser, dass der große, allmächtige Gott sich um uns arme, schwache Wesen kümmert? dass Er an alles denkt, was die Seinen auf ihrem Wege durch diese Welt angeht, was ihnen Schmerz oder Freude bereitet? ja, dass Er jeden Einzelnen bei Tag und bei Nacht behütet, leitet und versorgt und für einen jeden das Maß der Freude oder des Schmerzes genau abmisst mit väterlicher Liebe und Sorgfalt? O wie groß und anbetungswürdig ist unser Gott! Und Er ist der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, in welchem wir Ihm als geliebte Kinder nahe gebracht sind.

Wollen wir uns Ihm nicht willig unterwerfen, auch wenn Seine Wege uns nicht gefallen sollten? Wollen wir

Sein Herz der Liebe betrüben durch Mangel an Vertrauen, durch Missmut, oder durch EigenwilIen und Ungehorsam? Nein, horchen wir vielmehr mit einem bereitwilligen Herzen auf die kurze, aber so wichtige Mahnung: „Unterwerfet euch nun Gott!“ Dann werden wir auch fähig sein, mit dem Apostel Paulus auszurufen: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“ (Röm. 11, 33) und mit den Söhnen Korahs: „Glückselig der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in deren Herzen gebahnte Wege sind! Durch das Tränental gehend, machen sie es zu einer Quelle; ja, mit Segnungen bedeckt es der Frühregen“ (Ps. 84, 5. 6).

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